Der moderne Dandy 9783412508173, 9783412507152

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Der moderne Dandy
 9783412508173, 9783412507152

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1

Günter Erbe

2017 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar.

Umschlagabbildungen: Harry Graf Kessler, Balthus, Edward Herzog von Windsor, Eugen Gottlob Winkler, David Bowie, Hermann Baron von Eelking (Nachweise s. Bildnachweis S. 343: Abb. 1, 3, 5, 9, 12, 21)

© 2017 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Rainer Landvogt, Hanau Umschlaggestaltung: Guido Klütsch, Köln Satz: Bettina Waringer, Wien Druck und Bindung: CPI Moravia, Pohorolice Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-412-50715-2

Inhalt

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1 Historische Ausprägungen des Dandytums vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zum Fin de Siècle . . . . . . . . . . . . . . 17

2 Friedrich Nietzsches Ästhetik des Scheins . . . . . . . . . . . . . . . 25

3 Phänomenologie des Dandytums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35



Das äußere Erscheinungsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der geistige Habitus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Selbstbespiegelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muße und Müßiggang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exklusivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eleganz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dandy und Gentleman . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Provokation und Auflehnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heroismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35 36 38 39 41 41 44 45 47

4 Der Dandy vom Ende der Belle Époque bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

Vom Fin de Siècle zur Café Society . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Ein deutscher Dandy: Harry Graf Kessler . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Décadent und Kämpfer: Gabriele d’Annunzio . . . . . . . . . . . . . . 57

5



»Amerikanisierung« des Dandytums in der Zwischenkriegszeit: Edward Herzog von Windsor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Der Photograph als Dandy: Cecil Beaton . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Der Dandy als Modejournalist: Hermann von Eelking . . . . . . . . . 77

5 Literarisch-künstlerisches Dandytum zwischen Avantgarde und Ästhetizismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92



Der Dandy als Maschine: Paul Valérys »Monsieur Teste« . . . . . . . . 92 Dadaistische Maskenspiele: Hugo Ball, Francis Picabia, Jacques Vaché . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Der bloße Gast: Eugen Gottlob Winkler . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 »Ein Engel, der sich in die Tiefen gestürzt hat«: Konrad Bayer . . . . 132

6 Dandytum zwischen mondäner Boheme und Jetset . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142



Von der Café Society zum Jetset . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 Dandy und Playboy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 Der Zeremonienmeister von Paris: Alexis de Redé . . . . . . . . . . . 146 Der Künstler als Grandseigneur: Balthasar Klossowski de Rola, genannt Balthus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 Der Dandy in der Maske des Samurai: Yukio Mishima . . . . . . . . 162 Ein kommunistischer Dandy: Hans Werner Henze . . . . . . . . . . 171 Der Dandy als mondäner Journalist: Fritz J. Raddatz . . . . . . . . . . 179

7 Der Dandy im Zeitalter der Popkultur und der neuen Medien . . . 190



6

Philosophisch-soziologische Präliminarien . . . . . . . . . . . . . . . 190 Dandytum und Camp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Camp-Dandy und Pop-Dandy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 Hipster und Popper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 Kollektivierung des Individualismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 Dandytum und Mode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 Glamour und Stil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 Der Dandy der Masse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213

8 Dandys in der Gegenwart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218



Die Renaissance des Gentleman: Chaps und Sapeurs . . . . . . . . . 218 Ein effeminierter Herr: Quentin Crisp . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Ein Dandy in Anführungsstrichen: Andy Warhol . . . . . . . . . . . 227 Ein Pop-Dandy im Wechselbad der Stile: David Bowie . . . . . . . . 239 Der Designer des modernen Lebens: Karl Lagerfeld . . . . . . . . . . 246 Galionsfiguren des schönen Scheins: Jacques de Bascher und Thadée Klossowski de Rola . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 Scheitern als Kunst: Sebastian Horsley . . . . . . . . . . . . . . . . . 265

Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 Abbildungsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345

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Einleitung

»Wenn sich jemand nach dir umdreht, so bist du nicht gut gekleidet, entweder zu steif, zu unbeweglich oder zu modisch«, lautet eine Maxime des berühmtesten Dandys des frühen 19. Jahrhunderts, Beau Brummell. Seine Prinzipien waren: Gepflegtheit, Reinlichkeit, Harmonie und Unauffälligkeit. Jede zu offensichtliche Exzentrizität im äußeren Habitus wurde von ihm missbilligt. Wie viele Maximen hatte auch diese ihren praktischen Sinn. Sie richtete sich vor allem gegen jene Sorte von modisch herausgeputzten jungen Nichtstuern, die sich auf den Straßen Londons bemühten, um jeden Preis aufzufallen. Gegen das Affektierte setzte Brummell das Unauffällige, die raffinierte Einfachheit, die, wie sein später Adept Charles Baudelaire erkannte, immer noch die beste Art ist, sich zu unterscheiden. Brummell war von einer Schar von Bewunderern und Nachahmern umgeben – begierig, die feinen Details seiner Kleidung zu entziffern –, denen das, was den meisten nicht auffiel, sehr wohl ins Auge stach. Heute hat die Maxime der Unauffälligkeit ihren Sinn weitgehend eingebüßt. Es bedarf nicht viel, um sich vom durchschnittlich gekleideten Passanten auf der Straße zu unterscheiden. Schrille Signalfarben und Bergsteiger-Outfit sind wohlvertraute Normalität. Keiner schaut sich nach ihren Trägern um. Dagegen kann ein Mann, der sich den Prinzipien der klassischen Eleganz verpflichtet weiß, mit einer kleinen Prise Extravaganz durchaus als auffallende Erscheinung gelten. Denn dieser Typus des Gentleman ist selten geworden. Man findet ihn noch auf der Leinwand, aber im wirklichen Leben wird es ihn trotz mancher Wiederbelebungsversuche wohl bald nicht mehr geben. Man hat den Dandy oft totgesagt und als eine Erscheinung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts abgestempelt. Doch spätestens seit der Jahrtausendwende ist er wieder in aller Munde. Zwar gab es gelegentliche Revivals, so nach dem Zweiten Weltkrieg in England in Gestalt der Teddyboys und der Mods, und auch die aufkommende Popkultur der sechziger Jahre hat glamouröse und exzentrische Gestalten hervorgebracht, die von manchen mit dem Gütesiegel Dandy versehen wurden. Viele Popkünstler erregten allein durch ihre Kleidung und ihren Verhaltensstil Aufmerksamkeit. Sie wurden zu Stilikonen und 9

Einleitung

vermittelten den Eindruck, dass unter demokratischen Verhältnissen jeder ein Star sein könne. Eine Dandyfizierung der Männermode setzte in den achtziger und neunziger Jahren ein und hält bis heute an. Darüber hinaus ist zu beobachten, dass sich ein elitärer Protest gegen Geschmacksnivellierung und Disneyisierung des Lebens bei jungen Männern, seien es Künstler, Journalisten oder Müßiggänger verschiedener sozialer Herkunft, Bahn bricht. Sie beziehen sich ausdrücklich auf das von George Brummell und Oscar Wilde inaugurierte Modell des Dandys und versuchen, ihm wieder Leben einzuhauchen. Diese Phänomene sind nicht so sehr Ausdruck von neuen Exklusivitätsbestrebungen in der Oberschicht, die aus sich heraus nicht mehr in der Lage ist, Eleganzdiktate zu erlassen, als vielmehr Ausdruck von Bestrebungen von Randgruppen wie den Chaps in London oder den Sapeurs in Brazzaville und von Einzelnen. In den sich als besonders kreativ und innovativ anpreisenden Genres von Kunst, Mode und Design ist ein bestimmter Persönlichkeitstypus gefragt, der es versteht, den nach Glamour süchtigen Konsumenten zu beeindrucken und ihm das Gefühl zu geben, er marschiere mit an der Spitze des Zeitgeistes. Dieser Zeitgeist entpuppt sich bei näherer Betrachtung als eine Wiederkehr längst bekannter Einstellungen und Posen und basiert auf dem trivialen liberalen Credo, »dass wir so sein können, wie wir sein wollen, und so aussehen, wie wir aussehen wollen«.1 Mit anderen Worten: Jeder hat die Chance, sich selbst zu erfinden. Entscheidend sind kreative Energie und geschickte Anpassung an die Gesetze des Marktes und der Aufmerksamkeitsbranche. In europäischen Metropolen sind es die Kinder der 68er-Generation, die sich von ihren egalitär gesinnten Eltern abgrenzen und wieder auf »feinen Unterschieden« bestehen. Den Hintergrund bildet eine expandierende Modeindustrie und eine auf Markennamen ausgerichtete Massenkonfektion. Sie bietet die Möglichkeit, sich auch mit beschränkten finanziellen Mitteln modisch zu unterscheiden und in Positur zu werfen. In einer atomisierten Gesellschaft zählt nicht so sehr das Verbindende als vielmehr das individuell Auszeichnende, das den Einzelnen aus der Masse heraushebt. Stil ist wieder gefragt. Die äußere Erscheinung, das Outfit, spielt dabei eine entscheidende Rolle. Die 68er-Generation protestierte gegen den Lebensstil der Väter und gegen kapitalistisches Profitstreben. Sie war postmaterialistisch eingestellt und suchte der Kälte und Konkurrenz durch die Bildung einer neuen Gemeinschaft zu entfliehen. Die nachfolgende Generation hat sich von utopischen Weltverbesserungsträumen verabschiedet. Sie akzeptiert die »Entfremdung« und versucht, für sich das Beste aus den bestehenden Verhältnissen zu machen. Sie 10

Einleitung

erlebt die Gegenwart als einen unentrinnbaren Kosmos, als eine existentielle Situation des Kampfes aller gegen alle. Hier sind Selbstbehauptungsstrategien gefragt oder »Selbsttechniken«, wie es der französische Philosoph Michel Foucault vornehm formuliert.2 In einem Stück von Oscar Wilde heißt es, die Zukunft gehöre dem Dandy. Gemeint ist ein Menschentypus, der sich in Szene zu setzen und virtuos zu plaudern versteht. Diese Worte bewahrheiten sich in der modernen Mediengesellschaft. Heute zählt die Verpackung mehr als der Inhalt, da im Zeitalter der Überproduktion Strategien mehr und mehr an Bedeutung erlangen, die geeignet sind, die Ware an den Käufer zu bringen und sich der Konkurrenz gegenüber durch Selbstdarstellung und -reklame zu behaupten. Um seinen Tauschwert zu steigern, muss man sich marktförmig gebärden.3 Hier – so scheint es – kommt dem Dandy eine wegweisende Bedeutung zu, denn wie kein anderer versteht er es, aus sich eine Marke zu machen. Er ist in höchstem Maße zeitgemäß und modern. Andererseits dementiert der Dandy die Modernität, indem er die marktgerechte Selbstdarstellung und -anpreisung ironisch unterläuft. Er will sich auszeichnen, aber auf elegante, raffinierte, unverwechselbare Art. Er weiß, dass er sich durch den Erfolg auf dem Markt der Vulgarität preisgibt. Die Gegenwart ist nicht nur durch die allseitige Präsenz kapitalistischer Warenproduktion geprägt, sondern auch durch ein weltweit gespanntes Netz von Bild- und Kommunikationsmedien, die neue Formen des Austausches und der gegenseitigen Wahrnehmung ermöglichen. Die Realität erscheint durchgängig als eine Flut von Bildern, als permanente Dominanz der Oberfläche. Sieht man auf alten Photos Menschen gelegentlich eine Pose einnehmen, so ist heute das Posieren durch die Abbildungsvielfalt alltäglich geworden, als sollte Oscar Wilde recht behalten mit dem Aphorismus: »Nur die oberflächlichen Qualitäten überdauern. Die tiefere Natur des Menschen wird bald entlarvt.«4 Die Ursache für eine Renaissance des Dandytums ist folglich sowohl im neoliberalen Zeitgeist, der die gesellschaftlichen Machtverhältnisse legitimiert, als auch im allseitigen Glamour der Warenwelt zu sehen. Hinzu kommen die Neuorientierungen im Verhältnis der Geschlechter. Kulturwissenschaft und Gender Studies haben den Dandy für sich entdeckt und halten ihn für einen Pionier im Kampf gegen das Patriarchat. Neue Männerbilder sind gefragt, nachdem der Macho-Mann in die Defensive geraten ist und seine Macht bröckelt. Es geht hier freilich nicht um die Wiedererweckung des Gentleman­ ideals, sondern um die Etablierung eines neuen flexiblen Männertypus, der Elemente des Weiblichen in sich aufnimmt. Vor diesem kulturgeschichtlichen 11

Einleitung

Hintergrund gewinnt der Dandy als androgyn sich stilisierender Typus, der die tradierten Geschlechtergrenzen überschreitet, in gewissen Kreisen wieder an Attraktivität. Dem Dandy wächst ein emanzipatorisches Potential im Kampf der Geschlechter zu, mag sein asozialer Aristokratismus auch mehr in die Vergangenheit als in die Zukunft weisen. Der Dandy demonstriert, dass der menschliche Körper ein kulturelles Konstrukt ist und das angeblich festgefügte Selbst etwas Inkohärentes, Flüchtiges darstellt. So erweist er sich als ein dankbares Objekt nicht nur der Gender Studies, sondern auch des Dekonstruktivismus und Poststrukturalismus.5 Er fordert das Vernunftdenken heraus, indem er an dessen Stelle die Pose, die Lüge und die Verhüllung setzt. Der Dandy erfüllt das Bedürfnis, sich zu unterscheiden, sich auszuzeichnen, und vermittelt den Eindruck, einer Geschmacks-Avantgarde anzugehören. Er verschafft ein Gefühl der Überlegenheit und der Macht über andere, die ihm in geschmacklichen Dingen unterlegen sind. Der Uniformierung der vielen setzt er den individuellen Stil der wenigen Auserwählten entgegen. Mitunter bringt er es zu Starqualitäten, zu Prestige und Berühmtheit. Doch gehen wir hier nicht in die Irre? Ist das Bild des Dandys, das wir bisher gezeichnet haben, nicht eine Fälschung? Sind unsere heutigen Stilikonen und modebewussten Medienstars wirklich Dandys oder zeichnet sich diese Figur nicht durch völlig andere Qualitäten aus? Das Anliegen dieses Buches – einer Fortsetzung meiner Studie »Dandys – Virtuosen der Lebenskunst«6 – ist es, dem inflationären Gebrauch des Wortes »Dandy« in der Öffentlichkeit eine substanzhaltige Bestimmung des Phänomens entgegenzustellen, das Angemaßte, falsch Etikettierte zu entlarven und dem entleerten Begriff seine eigentümliche Bedeutung zurückzugeben. Der Dandy war und ist immer ein Aufbegehrender, ein Außenseiter der Gesellschaft, eine unangepasste Existenz, die sich jedem Trend hochmütig widersetzt, einer, der auf verlorenem Posten steht und auf den Beifall der Menge nicht angewiesen ist. Bei den sogenannten neuen Dandys handelt es sich in den meisten Fällen um eine Etikettenfälschung, entstanden aus dem Bestreben, ein Markenprodukt zu etablieren, das Individualität und Nonkonformismus vorspiegelt. Aus dem rebellischen Helden der Moderne, als den Charles Baudelaire und Albert Camus den Dandy bezeichnet haben, ist der agile Trendsetter der Postmoderne geworden. Dandys sind Müßiggänger. Aber Müßiggang ist nicht gleichzusetzen mit Nichtstun. Die Zeit muss ausgefüllt werden mit Auftritten: vor dem eige12

Einleitung

nen Spiegel und in der Öffentlichkeit. Die herausragenden Dandyfiguren des 19. Jahrhunderts sind grandiose Selbstdarsteller und virtuose Schauspieler. Einer von ihnen, Oscar Wilde, behauptet sogar, er habe sein Genie auf sein Leben, sein Talent dagegen auf sein literarisches Werk verwendet. Im Idealfall kommt ein Dandy ohne jede produktive Tätigkeit aus. Seine Bemühungen gelten ausschließlich seiner Person und ihrer Vervollkommnung. Brotarbeit liegt ihm fern. Auch künstlerische Arbeit kommt für ihn nicht in Frage, allenfalls müheloses Dilettieren auf dem einen oder anderen Feld der Kunst ist ihm erlaubt. Gefragt, warum er seine Geistesgaben ausschließlich auf »oberflächliche« Dinge verwende, statt sie höheren Zwecken zu widmen, gab Brummell zur Antwort, er kenne die menschliche Natur zu gut und habe den einzigen ihm möglichen Weg gewählt, um im Rampenlicht zu stehen und sich dem Herdenmenschentum zu entziehen. Brummell schrieb gelegentlich Albumverse und verstand es, sich mit dem Zeichenstift oder Pinsel auszudrücken. Mit Grund und nicht ohne Eifersucht stellte Lord Byron Brummell über sich selbst und über Napoleon. Für den Lord war der vollkommene Dandy-Gentleman eine heroische Gestalt, die selbst den genialen Dichter und den Feldherrn überragte. Brummells Nachfolger Alfred d’Orsay, der unumstrittene Modeheld Londons über zwei Jahrzehnte, war ein begabter Zeichner, Maler und Bildhauer. Byron prophezeite ihm außerdem eine große Zukunft als Schriftsteller. D’Orsay besaß jedoch keinen Ehrgeiz, auf diesem Feld zu reüssieren. Auch dem bildenden Künstler war nur mäßiger Erfolg beschieden. Doch das Scheitern als Künstler gereichte dem Dandy zum Vorteil. Künstlerischer Ruhm hätte seine wahre Kunst, das Dandytum, nur überschattet. Ähnlich sah es der Brummell-Biograph Barbey d’Aurevilly. Für ihn bestand die Größe des Beaus darin, dass er nichts sein wollte als Dandy. Dagegen büße Alfred d’Orsay durch seine künstlerische Arbeit an Statur ein. Sarkastischer noch drückte es Max Beerbohm aus. D’Orsay sei zu bedauern. Er sei zu sehr vom Leben und anderen Torheiten angetan, um wahre Größe als Dandy zu erringen. Ein Dandy lasse sich nicht dazu herab, aus kleinen Bleituben eine klebrige Pracht zu drücken. »Die ästhetische Vision des Dandys sollte von seinem eigenen Spiegel begrenzt sein.«7 Dorian Gray, der Held des Romans von Oscar Wilde, folgt dieser Maxime. Sein Mentor Lord Henry macht ihm das Kompliment: »Ich bin so froh, daß Sie nie etwas getan haben, nie eine Statue gemeißelt oder ein Bild gemalt oder 13

Einleitung

etwas außerhalb ihrer selbst hervorgebracht haben. Ihre Kunst ist ihr Leben gewesen. Sie haben sich selbst in Musik gesetzt. Ihre Tage sind ihre Sonette.«8 Nichts geleistet zu haben tut Dorians Nimbus keinen Abbruch. Gleiches gilt für Joris-Karl Huysmans’ Helden Des Esseintes, der der Gesellschaft entflieht und sich in ein Refugium einschließt, um sein Leben allein seinen ästhetischen Visionen und Eingebungen zu widmen. Berühmtheit und ein Nachleben im Gedächtnis der Nachwelt können die wenigsten Dandys für sich beanspruchen, die sich weigern, eine nachprüfbare Leistung, sei es als Künstler, Politiker oder in einem anderen produktiven Gewerbe, zu erbringen. Sie sind Verschollene, ihre Namen allenfalls wenigen Liebhabern bekannt. Brummell bildet hier eine Ausnahme. An Bekanntheit kann er es aber selbst in England nicht mit Byron oder Disraeli aufnehmen, die zwar auch als Dandys wahrgenommen werden, vor allem aber als Dichter oder Politiker. Ihre Person lebt weiter mit dem Werk, das sie geschaffen haben. Durch dieses sind sie in die Annalen der Geschichte eingegangen. Besteht dieses Werk nur im perfekten Outfit und der unnachahmlichen Grazie der eigenen Person, so ist es nur eine Notiz in der Kostümgeschichte wert. Ein Dandy, der nichts sein will als Dandy, ist der Öffentlichkeit suspekt. Er muss sich durch irgendeine Tätigkeit legitimieren. Vor allem muss er sich in der Öffentlichkeit präsentieren und wahrgenommen werden. Wenn ein Dandy sich diesen Maßgaben verweigert und er nicht bereit ist, der Gesellschaft seinen Tribut zu entrichten, entsteht für ihn ein Problem. Er bleibt namenlos. Man nimmt ihn außerhalb seines engeren Wirkungskreises nicht wahr. Wenn er schon nichts tut, was ihm öffentliches Ansehen verschafft, worin besteht dann sein Anspruch auf Anerkennung?, wird gefragt. Gemeinhin wird das Dandytum in Zusammenhang mit Überlegungen zur Lebenskunst und Selbsterfindung gesehen. Philosophische Betrachtungen zur Lebenskunst knüpfen an antike Vorstellungen von einem gelingenden Leben an. Ein Lebenskünstler im Sinne antiker Lebensbewältigung sucht Harmonie und Ausgleich zwischen Körper und Geist. Heute wird der Begriff »Lebenskünstler« jedoch meist auf Menschen bezogen, die es verstehen, unter eingeschränkten Bedingungen das Beste aus ihrem Leben zu machen.9 Der Dandy ist kein Lebenskünstler, weder im antiken noch im heutigen Sinne. Sein Verhalten speist sich zwar aus den Quellen eines urbanen Stoizismus, doch sein Leben ist riskant, ein Experiment mit sich selbst. Der Dandy oszilliert zwischen Mitte und Rand der Gesellschaft. Er weiß, dass er mit seinem Entwurf, sein Leben zu einer Art Kunstwerk zu formen, kläglich schei14

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tern kann. Er nimmt dieses Risiko bewusst in Kauf. Die meisten historischen Dandyfiguren erlebten Phasen des Aufstiegs und des Niedergangs. Als Spielernaturen wagten sie einen hohen Einsatz. Solange das Glück auf ihrer Seite war, konnten sie sich ihrer Überlegenheit erfreuen. Riss aber die Glückssträhne, wurden sie zu bemitleidenswerten Figuren. Sie hatten als Modehelden und Machiavellisten des Scheins ausgespielt. Der Lebenskünstler im herkömmlichen Sinne ist kein gesellschaftlicher Provokateur, auch kein Provokateur mit Takt wie der Dandy. Dieser, eine latent aggressive Spielart des Gentleman, sucht nicht das schöne, gute Leben, er sucht die Herausforderung. Der Dandy gleicht einem Fechter. Seine Waffe ist die Eleganz. Auch die heutige Rede von Selbsterfindung hat mit den Bestrebungen eines Dandys wenig gemein. Selbstformung und -überwindung erfordern Willenskraft und Askese. So wie der Künstler ein Werk schafft, versucht der Dandy seinem Leben eine bestimmte ästhetische Gestalt und Form zu geben. Im Unterschied zum bildenden Künstler, der sich vorgefundenen Materials bedient, stellt für den Dandy sein Selbst das Material dar. Es handelt sich nicht um tote Materie, sondern um Lebendiges. Um Gestaltungsmacht über sich zu erlangen, muss der Dandy deshalb versuchen, alles Lebendige in sich abzutöten. Der Versuch des Dandys, aus sich ein Ding – oder wie Warhol sagt: eine Maschine – zu machen, kann niemals vollständig gelingen. Es ist ein fortwährendes Bestreben. Dieser Prozess ist nicht zu trennen von der ästhetischen Durchformung seiner Person. Das beginnt mit der Kleidung und schließt alle Lebensäußerungen mit ein. So wie der Adlige – idealtypisch gesehen – sein Selbst als Material für eine künstlerische Gestaltung in Betracht zieht10, bedient der Dandy sich eines Systems von Zeichen. Sie beziehen sich auf seinen Körper, auf Gesten, die Art, sich zu schmücken, auf Manieren und Sprache.11 Die heutigen Selbsterfinder passen sich geschickt den Zwängen des Marktes an. Sie modellieren ihr Selbst in einer Weise, dass es gut verkäuflich ist. Der Dandy dagegen will kein marktgängiges Produkt sein. Er will unnachahmlich sein. Als Künstler seiner selbst strebt er nach Vollkommenheit in vornehmer Distanz zur Masse. »Das Leben als Kunst« ist längst zu einer Phrase geworden, die das ur­sprüngliche Anliegen jener seltenen Spezies ins Vulgäre, Dutzendfache verkehrt hat. So wie das Diktum von der Selbsterfindung den Anforderungen des Arbeitsmarktes nach Flexibilisierung und Mobilität entspricht, antwortet die Rede vom Leben als Kunst auf die wechselnden funktionalen sozialen Erfordernisse. Wer sich nicht wandelt und stets neu erfindet, riskiert es, im Wett15

Einleitung

bewerb auf der Strecke zu bleiben. Vor diesem Hintergrund durchgehender Kommerzialisierung und »Travestierung« (Wolfgang Kersting) der Modelle der Lebenskunst sind die herkömmlichen Waffen des Dandys stumpf geworden. Sie müssen geschliffen und der grassierenden Banalisierung dandyhafter Bestrebungen entgegengesetzt werden. Die meisten der in diesem Buch vorgestellten Dandys sind keine reinen Ausprägungen des Typus. Sie gehen einer Tätigkeit nach, die einen großen Teil ihres Tagesablaufs bestimmt. Sie sind Schriftsteller oder bildende Künstler, Designer oder Komponisten, Musiker oder Journalisten. Ihr Dandytum ist gepaart mit einer Berufstätigkeit, die Zeit und Energie, ja leidenschaftliche Hingabe beansprucht, die sie daran hindert, sich dem bloßen Müßiggang und einem Kult der Kälte zu verschreiben.12 Einige sind als Künstler gescheitert oder ihr Erfolg hält sich in Grenzen. Einige wenige verzichten ganz bewusst auf eine künstlerische oder andere berufliche Laufbahn, da ihnen entweder genügend Mittel zur Verfügung stehen, um ihr Leben ganz dem Vergnügen und der Eleganz zu widmen, oder bescheidene Mittel sie nicht daran hindern, sich diesem Lebenszweck zu verschreiben. Sie sind es, die dem Ideal des Dandys nahekommen. Durch die Konzentration auf das Wesentliche ihrer Existenz als Dandy – den kultivierten Müßiggang – erreichen sie das Höchste, was ihnen diese Daseinsform gestattet. Das Scheitern auf anderen Feldern des Lebens nehmen sie dafür gern in Kauf. Es setzt Energien frei für ein Leben jenseits des öden Erwerbs und der ausgetretenen Karrierewege. In ihrer spielerischen Anmut und Leichtigkeit gleichen sie von einem höheren Bewusstsein gesteuerten Marionetten. Von der Trägheit der Materie, die ihren Bestrebungen entgegensteht, wollen sie nichts wissen, »(…) weil die Kraft, die sie in die Lüfte erhebt, größer ist, als jene, die sie an die Erde fesselt.«13

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1 Historische Ausprägungen des Dandytums vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zum Fin de Siècle

Die Begriffsgeschichte des Dandys zeigt, dass das Wort einen Überschuss an Bedeutung aufweist und durch seine Unschärfe Raum für verschiedenartige gedankliche Assoziationen bietet. Am Beginn des Klärungsversuchs soll der bereits erwähnte George Brummell stehen, der häufig als vollkommene Verkörperung des Dandys und somit gleichsam als idealer Typus angesehen wird.14 Damit kann ein Maßstab gewonnen werden, der es erlaubt, historisch spätere Erscheinungsformen und Metamorphosen dieses Typus zu beurteilen und in ihr jeweils spezifisches soziales Umfeld einzuordnen. Ein solches Vorgehen wirft die Frage auf, ob damit nicht eine unzulässige Eingrenzung des Dandytypus vorgenommen wird, lassen lexikalische Definitionen doch ein breites Spektrum an Dandyausprägungen erkennen. Dabei schälen sich zwei Grundauffassungen heraus: Für die einen ist das Wort »Dandy« ein Ausdruck für den durch übertrieben modisches Outfit und extravagantes Benehmen auffallenden Gesellschaftsmenschen. Für die anderen ist der Dandy die Verkörperung verfeinerter Eleganz und provozierender Geistigkeit, autorisiert und kanonisiert durch die philosophischen Betrachtungen von Schriftstellern, die mit dem Dandytum sympathisierten, wie Barbey d’Aurevilly und Baudelaire. Während der Dandy in England aus dem Männlichkeitsideal des Gentleman hervorging, stützte er sich in Frankreich auf Restbestände des höfischen Ideals des Honnête Homme. In Deutschland, das dergleichen Männlichkeitsentwürfe nicht kannte, wurde er als englisch-französisches Importprodukt wahrgenommen. Nicht selten ging er hier eine Verbindung mit dem in Militärkreisen des Adels ausgeprägten kriegerischen Ritterideal ein. Der Dandy als eine janusköpfige, hybride Figur, in deren Habitus sich das Festhalten an Traditionsbeständen der höfischen Gesellschaft und die Ausnutzung der neuen 17

1 Historische Ausprägungen des Dandytums

Handlungsspielräume der bürgerlichen Gesellschaft vermischen, ist nicht ausschließlich in der Sphäre der aristokratischen Repräsentationskultur anzutreffen. Er stößt auf Resonanz bei Künstlern der Boheme, die den Anspruch erheben, in einer Zeit des Niedergangs der adligen Geschmackskultur die wahren Aristokraten zu sein. Werfen wir einen Blick auf die Geschichte des Dandytums, so erweist es sich als schwierig, zwischen realen und fiktiven Dandys zu unterscheiden. Das liegt zum einen daran, dass der Dandy es liebt, sich hinter einer Maske zu verbergen, und zur Mystifikation neigt. Was wir über die namhaften Dandys des 19. Jahrhunderts wissen, beruht zumeist auf Anekdoten und Berichten, die durch die subjektive Wahrnehmung der Verfasser gefärbt sind. Dies trifft in besonderem Maße auf Brummell zu, dessen Nachleben in der Literatur und Kulturgeschichtsschreibung ihn zum Mythos werden ließ. Was Dichtung und was Wahrheit ist, lässt sich im Nachhinein nur noch schwer feststellen. George Brummell, der selbst nicht dem Adel entstammte, thronte – das ist durch eine Vielzahl von Zeugnissen erwiesen – in seiner Glanzzeit, den ersten Dezennien der Regency-Epoche (1800–1830), geradezu über dem Adel, dem er vorschrieb, was aristokratische Lebensart zu sein hatte. Er trat aristokratischer auf als ein Aristokrat von Geburt.15 Er war der Schiedsrichter der Eleganz und Diktator der Mode. Als solcher hat er durch seine Kleiderreform die traditionelle luxuriöse Adelstracht durch das Modell des schlicht-eleganten Männeranzugs ersetzt. Er wurde damit zum Schöpfer eines neuen Männlichkeitsentwurfs. Erscheinungsform und Verhaltenskodex des Gentleman wandelten sich. Die Regeln, die Brummell aufstellte, verlangten Geschmackssicherheit und hohe Anziehkunst. Sie zu befolgen erforderte von ihren Adepten viel Zeit und Muße. Die Modernisierung des männlichen Outfits verdankte sich – wie Brummells hinterlassenes Werk Male and Female Costume dokumentiert – dem Rückgriff auf Prinzipien einer neoklassischen Ästhetik, die allem barocken Prunk ein Ende bereitete und die Unauffälligkeit zum Prinzip erhob.16 Brummells Kleidungsentwurf, der für jeden Gentleman verbindlich werden sollte, und an dessen Grundmustern die Zunft der Herrenschneider noch heute festhält, blieb zunächst auf die Müßiggänger-Klasse beschränkt, bis er schließlich auch in die Kontore des arbeitsamen Bürgers Einzug hielt. Das Beispiel Brummell zeigt: Der Dandy ist kein Modeheld, der sich an der neuesten Mode orientiert. Er ist ein Mann der Jetztzeit, der Gegenwart, der in der Kleidung das Flüchtige mit dem Klassischen, Dauerhaften zu verbinden sucht. 18

1 Historische Ausprägungen des Dandytums

Die äußere Erscheinung des Dandy-Gentleman sollte Überlegenheit symbolisieren. Ihr entsprach der Habitus vollendeter Nonchalance, stoischer Gelassenheit und Leidenschaftslosigkeit. Brummell bediente sich bestimmter Taktiken und Finessen, um seine Stellung als Modediktator zu festigen. Er erweiterte das Repertoire des society wit durch die Kunst der Verblüffung, einen zynisch-frivolen Konversationston und ausgeklügelte Regelverstöße, ohne sich dadurch außerhalb der Gesellschaft zu stellen. Brummell erschien seinen Zeitgenossen als ein vollendeter Kavalier. Man titulierte ihn als Beau, nicht als Dandy. Das Wort »Dandy« setzte sich erst gegen Mitte des zweiten Dezenniums des 19. Jahrhunderts als umgangssprachlicher Ausdruck für auffallend herausgeputzte Modehelden durch. Gelegentlich, zum Beispiel von Lord Byron und in einigen Moderomanen der zwanziger Jahre, wurde es auch für den man of fashion gebraucht und schloss nun auch den Kleiderkünstler Brummell’schen Stils mit ein. Die eher abwertend gemeinte, das Affektierte hervorhebende Bedeutung des Wortes »Dandy« ist jedoch aus der Umgangssprache bis heute nicht verschwunden.17 Der Gentleman gewinnt durch den Dandy neue Konturen und Facetten. Brummell kreiert einen Typus, der das Erscheinungsbild des Aristokraten verfeinert und das Konformistische durch individuelle Nuancen durchbricht. Die Position des Dandys in der Gesellschaft basiert nicht auf Abstammung, sondern auf der Eigenleistung als Stilschöpfer. In dieser Gestalt nimmt der Gentleman Züge an, die über das Kavaliersmäßige hinausgehen.18 Als Dandy verlegt er seine ethischen Verpflichtungen in die Äußerlichkeit. Dass durch die Betonung des Scheins der Dandy in eine Sphäre einrücke, die bislang den Frauen vorbehalten gewesen sei, wie feministische Theoretikerinnen behaupten, und dadurch das patriarchalische System in Frage stelle, bedeutet jedoch eine Verkennung der Bedeutung des Ästhetischen in der Kleidung des adligen Mannes. Ein Schuss »Femininität« war diesem Männertypus immer zu eigen. Setzte der Dandy wirklich neue Maßstäbe für aristokratische ästhetische Werte oder war er nicht vielmehr der Vorreiter klassenübergreifender Geschmacksvorstellungen? Modehistorische Abhandlungen über den Dandy heben den sowohl demokratischen als auch elitären Charakter der Brummell’schen Kleiderreform hervor.19 Wer einen perfekt geschnittenen, gut sitzenden Herrenanzug trug, sah wie ein Gentleman aus, mochte er nun Adliger oder Bürger sein. Die Differenzen zwischen beiden Klassen wurden subtiler. Die Kleidung besaß einen Code, der entschlüsselt werden musste. Ein Gentleman enthüllte seine Qualitäten nur jenen, die imstande waren, sie zu erkennen. 19

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Der Dandy war ein geselliger Einzelgänger. In den Clubs des Londoner Westends, im Hydepark, in der Oper und den Salons stellte er sich zur Schau. Brummell und seine Anhänger pflegten einen kultivierten Müßiggang und einen wahren Kult der Kleidung. Das englische Schneiderhandwerk stand in Blüte und brachte die neue Dandymode in Umlauf. Als exklusive Lebenshaltung von Angehörigen der englischen Oberschicht besaß das Dandytum ursprünglich keine literarische Bedeutung. Dies änderte sich mit der Gestaltung von Dandyfiguren durch namhafte Schriftsteller wie Byron, Bulwer-Lytton und Disraeli und dem Aufkommen der fashionable novels, die seit den zwanziger Jahren einen großen Leserkreis mit Geschichten aus dem Highlife versorgten. In Frankreich kam das Männlichkeitsmodell des Dandys mit der Ausbreitung englischer Sitten in der Restaurationszeit nach 1815 und unter der Julimonarchie in Paris in Mode. Auch hier erwiesen sich junge Adlige als die treibenden Kräfte. Mehr noch als in England fand das Dandytum unter Künstlern und Schriftstellern Resonanz. Begünstigt wurde dies durch die traditionell große Nähe französischer Schriftsteller zur aristokratischen Lebenswelt. Es entstanden essayistische Konstruktionen und fiktionale romanhafte Ausgestaltungen des Dandys, Abziehbilder der Wirklichkeit, die ihrerseits wieder Macht über die Realität gewinnen sollten, da sie ganze Künstlergenerationen zur Nacheiferung anregten. Den Werken Barbey d’Aurevillys und Baudelaires fällt hier eine Schlüsselrolle zu. Barbey d’Aurevillys Essay »Über das Dandytum und über George Brummell« (1845) eignet sich jedoch kaum als Referenz für ein Künstlerdandytum. Der Held des Essays war zwar auf seine Weise ein Künstler, »(…) nur war seine Kunst an keine Gattung gebunden und wurde nicht zu festen Zeiten ausgeübt. Sie war sein Leben selbst (…). Er gefiel durch seine Person wie andere durch ihre Werke.«20 Gleichwohl ebnete Barbey d’Aurevilly durch die besondere Betonung der geistigen Qualitäten des Dandys einem intellektuellen Dandytum den Weg, das seinen Exklusivitätsanspruch aus seiner Außenseiterposition herleitete. Kein Künstler, so Barbey, am wenigsten der Bohemien, sei jedoch imstande, den Müßiggang so sehr zu verfeinern, dass sein Leben den Charakter eines Kunstwerks annehme. Dies bleibe allein dem Dandy vorbehalten, der nichts sein wolle als Dandy. Auf dem Aristokratismus des Dandys insistiert auch Baudelaire. Der Dandy sei ein Mann des Reichtums und der Muße, sein einziger Beruf die Eleganz. Er habe nichts anderes zu tun, als die Idee des Schönen in seiner Person zu kul20

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tivieren. Die äußere Eleganz sei nur »(…) ein symbolischer Ausdruck für die aristokratische Überlegenheit seines Geistes.«21 Mehr noch als Barbey d’Aurevilly betont Baudelaire das Spirituelle und Stoische des Dandys sowie sein Bedürfnis, sich innerhalb der Konventionen »eine wirkliche Originalität zu schaffen«.22 Die Dandys, so Baudelaire, bilden eine hochmütige Kaste. Sie erlegen sich die strengsten Regeln auf, die täglich eingeübt werden. Der Dandyismus ist eine »Moral der Anstrengung« (Sartre).23 Die Anhänger dieser Doktrin verfügen zwar über genügend Mittel, um sich jede Laune leisten zu können. Arbeitsverweigerung und Müßiggang sind für sie unerlässlich. Sie gehören aber nicht notwendigerweise dem Geburtsadel an, sondern entstammen allen Schichten der Gesellschaft. Es handelt sich um »aus ihrer Bahn geratene, angewiderte, beschäftigungslose Männer«, entschlossen, die Trivialität zu bekämpfen und zu vernichten und eine »neue Art von Adelsherrschaft zu gründen«.24 Die Weigerung Baudelaires, ein konsumierbares Werk zu schaffen, das auf dem Markt an vulgäre Käuferschichten veräußert wird, ist ein Beweis seines kompromisslosen Künstlertums.25 Dabei repräsentiert der Dandyismus ein höheres Ideal als die Poesie. »Die immer noch allzu nützliche Ausübung des künstlerischen Berufes wird hier zur reinen Zeremonie der Kostümierung, und der Kult des Schönen, der dauerhafte und bleibende Werke hervorbringt, verwandelt sich in Liebe zur Eleganz, weil die Eleganz kurzlebig, steril und vergänglich ist.«26 Offenbar steht hinter diesem Bild des Dandys die Erfahrung der beiden französischen Dichter von ihrer unaufhebbaren Randstellung in der Gesellschaft. Sie entwickeln daraus eine individuelle Ethik, indem sie sich selbst eine Sonderrolle zumessen. Diese Ethik zielt nicht auf zwischenmenschliches moralisches Handeln, sondern auf Selbsterhöhung und Selbstgestaltung des Ichs. Die Grundlage bildet ein tief sitzender Nihilismus, das beherrschende Gefühl von der Sinnlosigkeit der menschlichen Existenz. Durch die Philosophie des Dandyismus erscheint ein Ausweg möglich: die asoziale Haltung absoluter Selbst-Idolatrie. Der Dandy perfektioniert und kultiviert sein ästhetisches Randgängertum. Diese Haltung versteht sich als eine ständige »Vervollkommnung im Überbieten« (Camus) und als Distanzierung von der Geschichte als einer Geschichte des Fortschritts der Menschheit zu mehr Humanität und Gerechtigkeit.27 Die Selbsterhöhung des Einzelnen im Rahmen einer Philosophie, die auf strengen Dogmen basiert, rückt diese in die Nähe einer Religion. Der Dandyismus ist eine Religion ohne Transzendenz, der Dandy ein Heiliger für sich 21

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selbst.28 Im Hinblick auf historische Dandyfiguren tritt das Blasierte dieser Haltung deutlich hervor. Der Dandy, der sich selbst anbetet, wird zum Poseur und Schauspieler seiner selbst. Baudelaire ist von dieser Attitüde nicht frei. Er liebt die Pose, das Buffoneske. Der Heilige für sich selbst scheut sich nicht, als Possenreißer auf den Markt zu treten. Dieser Heilige ist zugleich ein Hedonist, der Ausschweifungen nicht aus dem Weg geht. Solche Exzesse wiederum schlagen in asketische Exerzitien um. Wenn man das Treiben der Londoner Dandys in ihren Clubs im Westend oder das ihrer Nachahmer im Pariser Jockey Club an den strengen Maßstäben Barbey d’Aurevillys und Baudelaires misst, ist die Fallhöhe zwischen Dogma und Realität nicht zu übersehen.29 Diese jungen Nichtstuer bildeten durchaus eine hochmütige Kaste. Sie waren in der Tat beschäftigungslos und aus ihrer Bahn geraten. Die Idee des Schönen mochte vielleicht der eine oder andere in seiner Person kultivieren, doch das Leben der meisten Dandys nahm sich wenig spirituell aus. Wenn die perfekte Erscheinung eines Brummell seine geistige Überlegenheit widerspiegelte, dann doch nur auf dem Felde des Geschmacks. Gewiss gelang es dem Beau, dem man Geist und Witz nicht absprechen kann, sich innerhalb der Konventionen des englischen Highlife »eine wirkliche Originalität zu schaffen«. Und gewiss bekämpften die Dandys seiner Zeit die Trivialität, die sie vor allem in der Erwerbsarbeit des Bürgers erblickten. Nichts galt ihnen als trivialer, als Geld zu verdienen. Zwischen den Versuchen der beiden französischen Dichter, den Dandy als einen Heros des modernen Lebens zu etablieren und ihm eine geistige Überlegenheit zu attestieren, und dem gelebten Dandytum ihrer Zeit besteht eine unüberbrückbare Diskrepanz. Der Dandy wird zu einem Mythos, einem Phantasieprodukt aus dem Kopf des Dichters, in dem sich alle Elemente des romantischen Protests gegen die vulgäre Lebenswelt des Bürgers noch einmal versammeln.30 Von Balzac über Barbey d’Aurevilly bis zu Baudelaire zieht sich durch die französische Literatur die Idee einer neuen Aristokratie. Die wahren Überlegenen rekrutieren sich aus den Deklassierten aller Klassen. Der Geburtsadel als Träger der Kultur werde von einer Geschmacks- und Eleganzelite abgelöst, deren Prota­ gonisten der Dandy darstelle. Diese Idee wird von Künstlern begierig aufgegriffen, die wie Baudelaire vom Charakter des Widerspruchs und der Auflehnung gegen die Trivialisierung des Lebens geprägt sind. Der Dandyismus ist für sie das letzte heroische Aufbäumen in Zeiten des Verfalls. Der Aristokratismus des Dandys verbindet sich beim Künstler mit der Protesthaltung eines antibürgerlichen Ästhetizismus. Er erlaubt es, Größe ohne Überzeugungen zu demonstrieren. 22

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Seinen Niederschlag findet dieser Ästhetizismus nirgends so ausgeprägt wie in Joris-Karl Huysmans’ Roman »Gegen den Strich«. Das Werk stellt die Quintessenz eines dekadenten Dandytums dar. Es greift die Gedanken des Baudelaire’schen Dandys auf, spitzt sie zu und verbindet sie mit den Bestrebungen der Ästheten der symbolistischen Epoche. Der Dandy des Fin de Siècle besitzt nicht mehr jene Robustheit der Nerven, die seinen Vorgänger auszeichnet, der sich heroisch der Zeit entgegenstemmt. Selbstisolierung, Einsamkeit und Schwäche sind der Preis für das Eintauchen in eine Welt der Sinnenreize und der äußersten Verfeinerung. Nicht die Gesellschaft, sondern die raffiniert-künstliche Umgebung, in die er sich zurückgezogen hat, dient dem Helden des Romans, Jean Des Esseintes, als Spiegel. Die selbstbewusste Zurschaustellung des Artifiziellen in der Dekadenzbewegung und das demonstrative Posieren des dekadenten Dandys stellen einen Protest gegen die wachsende Kommerzialisierung und die Anhäufung massenkultureller Güter dar. Dieser Dandy versucht, sich den Zumutungen des öffentlichen Betriebs zu entziehen, indem er einen Platz außerhalb des Systems einnimmt. Huysmans’ Held sucht seine Originalität und Einzigartigkeit im Rückzug in die Einsamkeit seines erlesenen Interieurs zu bewahren. In einer Welt universeller Austauschbarkeit schließt er sich in seinen hermetischen Narzissmus ein und kapselt sich angewidert von der Masse ab, denn er hat kein anderes Publikum mehr als die Masse. Hier liegt die Parallele zwischen Des Esseintes und Max Beerbohm. Beide entfliehen ins Exil, der eine – der fiktive Dandy – tritt den Rückzug nach innen an, der andere – Galionsfigur eines gelebten Dandytums und scharfer Kritiker Oscar Wildes – verlässt die Szene des Londoner Highlife und zieht sich in die Abgeschiedenheit Rapallos zurück. Auch der Da-Dandy Hugo Ball wählt den Weg nach innen: Er sucht die Askese. Ein dem realen Leben entnommenes Vorbild des Huysmans’schen Romanhelden ist Graf Robert de Montesquiou-Fézensac. In seiner Person bilden aristokratisches und Künstlerdandytum eine Einheit. Montesquiou ist in den exklusivsten Salons des Faubourg Saint-Germain ebenso zu Hause wie in den Zirkeln der künstlerischen Avantgarde um Mallarmé und Whistler. Charakteristisch für diesen Typus ist ein vom Geist der Décadence durchdrungenes Dandytum. Montesquiou hat von Kindesbeinen an etwas von jener verfeinerten Geschmackskultur in sich aufgesogen, die sich einer langen Tradition verdankt. Allerdings wächst er in einer Epoche heran, in der sein Herkunftsmilieu längst keine Gewähr mehr für eine Erziehung zu raffinierten ästhetischen 23

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Genüssen bietet. Er weiß nur zu gut, dass die Bannerträger des Schönen nicht mehr nur im Adel zu suchen sind. Es sind Außenseiter dieser Schicht und Emporkömmlinge aus anderen Gesellschaftsklassen, die sich berufen fühlen, eine neue Geschmackselite zu schaffen. Der Jugendstil hat die dekorativen Künste auf eine bisher nicht bekannte Höhe gebracht. Die Distanz zur Gesellschaft verschafft sich Ausdruck weniger in der impertinenten Geste und der Kunst der Verblüffung als in der äußersten Verfeinerung des Lebensstils. Als »Gegen den Strich« 1884 erscheint, findet die junge Generation von Schriftstellern darin ihre literarischen Ambitionen widergespiegelt. Das Buch wird zum Brevier der Dekadenz. Die gesamte dekadente Prosa von Georges Rodenbach bis Gabriele d’Annunzio, von Oscar Wilde bis George Moore ist in dem Werk angelegt. Von der Frontstellung des Dandys gegen das »Kalifat der Kontore« (Huysmans) ist heute nicht mehr viel übrig geblieben. Alle Werte und Normen, die für den Baudelaire’schen wie den Huysmans’schen Dandy unverzichtbar sind – wie die aristokratische Überlegenheit des Geistes, der Kampf gegen die Trivialität und die Idee einer neuen Aristokratie –, sind heute obsolet. Die geistigen Ressourcen der künstlerischen Avantgarden haben sich im Kampf gegen das bürgerliche Establishment längst erschöpft. Der Künstler als Antipode des Bürgers und mit ihm der Dandy sind Teil des bürgerlichen Kulturbetriebs geworden. Der Impetus, der einen Spätromantiker wie Baudelaire noch antrieb, hat sich verbraucht. Und dennoch ist der Funke nicht völlig erloschen. Immer noch geht eine eigentümliche Faszination von der Figur des Dandys aus. Vielleicht hat er sich ein Inkognito verschafft, das es erst noch zu entziffern gilt. Das Dandytum ist im Übrigen nicht nur ein Phänomen des Übergangs von der aristokratischen zur bürgerlichen Gesellschaft. Es ist ein Bedürfnis der menschlichen Natur, der Eitelkeit, der Eigenliebe und des Narzissmus. Nicht nur in der Literatur, sondern auch in der Philosophie des 19. Jahrhunderts ist das Dandytum – wenn auch meist nur indirekt – ein Gegenstand der Reflexion. Sören Kierkegaard steht ihm in seiner Charakterisierung des ästhetischen Typus im »Tagebuch des Verführers« nahe.31 Kein Denker korrespondiert jedoch mit Baudelaires und Barbey d’Aurevillys Überlegungen zu einer Philosophie des Dandytums so unverkennbar wie Friedrich Nietzsche. Sein Werk wird zu einer Inspirationsquelle für ästhetisch empfindende Geister des Fin de Siècle, in der Daseinsform des Dandys ihre Identität zu suchen.

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2 Friedrich Nietzsches Ästhetik des Scheins

Die geistigen Grundlagen des Dandytums, die vor allem von Barbey d’Aurevilly und Baudelaire geschaffen wurden, entstammen ursprünglich der Epoche der heroischen Romantik und finden ihren Widerhall und ihre Zuspitzung im Zeitalter der Décadence gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Ein älterer Traditionsstrang ist die Verhaltenslehre der aristokratischen höfischen Gesellschaft, die sich mit den Idealen des Cortegiano, des Honnête Homme und des Gentleman verknüpft. Bei Friedrich Nietzsche, in dessen Philosophie sich – abgesehen von Zitatstellen aus den Tagebüchern Baudelaires – kein direkter Bezug auf das Dandytum nachweisen lässt, kommen beide Traditionslinien zusammen. Nietzsches Werk enthält zahlreiche Passagen, für die sich gedankliche Parallelen im Werk Baudelaires, Barbey d’Aurevillys und Oscar Wildes finden lassen.32 Für Nietzsche ist es der »Übermensch«, entworfen nach dem Muster antiker Heroen, den Halbgöttern der griechischen Mythologie, der den Menschen der Gegenwart, den »letzten Menschen«, die »rundum zufriedenen Hier-undjetzt-Bewohner«33, überwinden soll. Er begreift ihn als den Menschen der reichsten Seele, des tiefsten Geistes und der höchsten Religiosität.34 Hier stellt sich bereits die Frage nach möglichen Affinitäten zwischen dem Dandy und diesem von Nietzsche postulierten Typus. Der von seinen Katecheten zum Mythos verklärte Dandy herrscht als ein Halbgott des Stils. Er ist zwar nicht von tiefer Religiosität erfüllt, aber in seiner heroischen Gestalt und seinem priesterlichen Habitus kommt er einem säkularisierten Heiligen gleich. Die Eigenschaften, die Nietzsche mit dem Übermenschen verbindet – Selbstüberwindung, Selbstformung und Selbstzucht –, weisen eine auffallende Nähe zu den Eigenschaften des von Barbey d’Aurevilly und Baudelaire kreierten Dandytypus auf. Ein wesentlicher Charakterzug des höheren Menschen – so Nietzsche – ist die selbst gewählte Einsamkeit, die Distanz zur Menge. Der schaffende, sich selbst schaffende Mensch meidet den Markt und den »Lärm der großen Schauspieler«. Er unterscheidet sich von einem Typus, der sein Selbst dem ordinären 25

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Geschäft andient und sich für diesen Zweck selbst erfindet. Nietzsche fordert wie Balzac und Baudelaire die Schaffung eines neuen Adels, »(…) der allem Pöbel und allem Gewalt-Herrischen Widersacher ist und auf neue Tafeln neu das Wort schreibt ›edel‹.«35 Der Geburtsadel symbolisiere keine Größe mehr. Es seien nur noch Einzelne, die in ihrer Person die Werte des Adels verkörperten, der als neuer geistiger Adel, als eine heroische Menschenklasse, im Übermenschen Gestalt gewinne. Die »gute Gesellschaft« seiner Zeit ist für Nietzsche nicht mehr als »überschminkter Pöbel«. Die Selbstüberwindung des Menschen als eine Notwendigkeit zur Schaffung des Übermenschen hat sich in einem Umfeld von Vermittelmäßigung und Verkleinerung des Menschen zu beweisen. Ihr haften heroische Züge an. Heroismus ist für Nietzsche »die Gesinnung eines Menschen, der ein Ziel erstrebt, gegen welches gerechnet er gar nicht mehr in Betracht kommt«.36 Heroismus sei der gute Wille zum absoluten Selbst-Untergang. Der Heroismus des Dandys in der Epoche der Romantik – verkörpert durch die Figuren der Byron’schen Versepen und nicht zuletzt durch Byron selbst – zeigt sich darin, dass er bereit ist, für seine ästhetische Selbstformung einen hohen Preis zu zahlen: die Vereinsamung.37 Er ist ein Solitär, der die Gesellschaft nur als Spiegel braucht. Doch er kann sie auch entbehren und im Rückzug auf sich selbst Erfüllung finden, wenn ihm kein angemessenes Umfeld mehr zur Verfügung steht. Er schätzt nur den Umgang mit seinesgleichen. Neben der Selbstüberwindung und dem Heroischen ist für Nietzsche die Vornehmheit ein unverzichtbares Attribut des höheren Menschen. Nietzsche findet hier ähnliche Worte, wie sie Baudelaire zur Kennzeichnung des Dandys gebraucht. Die Rede ist vom frivolen Anschein, mit dem eine stoische Härte und Selbstbezwingung maskiert werde. Auch die Langsamkeit in den Gebärden gehöre dazu. Der vornehme Mensch lebe fast immer verkleidet und pflege sein Inkognito. Voraussetzung sei die Fähigkeit zur Muße, die dem Durchschnittsmenschen nicht gegeben sei. Für den Dandy nimmt die Sorgfalt im Äußerlichsten einen vorrangigen Platz ein. Sie grenzt ab, schafft Distanz. Die Frivolität in Wort und Haltung meint die dem Dandy eigene Impertinenz und Ironie. Die langsame Gebärde kennzeichnet den Stoiker im Dandy. Zur Vornehmheit gehört auch die Schlichtheit, die absolute Einfachheit, im Leben, Sich-Kleiden und Wohnen. Die höchsten Naturen »(…) bedürfen des Besten, daher ihre Schlichtheit!«38 Es wäre gewiss übertrieben, dem Menschen Nietzsche die Eigenschaften eines Dandys zuzusprechen. Es war aber ein Gespür für diesen Typus bei ihm 26

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vorhanden, angeregt durch das Studium heroischer Gestalten der Antike, die Beschäftigung mit der Figur des Gentilhomme des 17. Jahrhunderts und den Repräsentanten der künstlerischen Décadence seiner Zeit, unter denen sich nicht wenige Dandys ausmachen lassen. Lou von Salomé hat im persönlichen Umgang mit Nietzsche dessen Vorliebe für vornehme Formen festgestellt. »Immer aber lag darin eine Freude an der Verkleidung, – Mantel und Maske für ein fast nie entblößtes Innenleben.«39 Dieser Wesenszug stellte die Kehrseite einer sich stetig steigernden Vereinsamung und Beziehung auf sich selbst dar. Auf Reisen legte Nietzsche Wert darauf, als ein distinguierter Fremder zu erscheinen. Er glaubte, sich im Verkehr mit anderen eine Oberfläche anheucheln zu müssen, um verstanden zu werden. So war ihm das Komödiantische, Schauspielerische im Leben eines freien Geistes wohl vertraut. In jeder Periode seiner Geistesentwicklung finden wir Nietzsche in irgendeiner Art der Maskierung. In »Der Wanderer und sein Schatten« heißt es: »Die Mediocrität ist die glücklichste Maske, die der überlegene Geist tragen kann, weil sie die grosse Menge, das heisst die Mediocren, nicht an Maskirung denken lässt (…).«40 Baudelaires Dandy unterwirft sich täglichen Übungen zur Stärkung der Willenskraft und zur Zucht der Seele. Dieser Aspekt findet sich in Nietzsches Vorstellung von der Notwendigkeit der Askese. Lou von Salomé spricht von der Askese als einer Herrschsucht, die darauf verfalle, gewisse Teile des Selbst zu tyrannisieren. »Der Mensch hat eine wahre Wollust darin, sich durch übertriebene Ansprüche zu vergewaltigen und dieses tyrannisch fordernde Etwas in seiner Seele nachher zu vergöttern.«41 Nietzsche ist sich bewusst, dass sich in dieser Selbstvergewaltigung und -vergötterung ein hoher Grad von Eitelkeit Geltung verschafft. Die Eitelkeit – auch sie ein Wesenselement des Dandys – bedeute Streben nach Ansehen. Der eitle Mensch wolle für mehr gelten, als er eigentlich seiner Kraft nach zu gelten berechtigt sei. »Er merkt zeitig, dass nicht Das was er ist, sondern Das, was er gilt, ihn trägt oder niederwirft: hier ist der Ursprung der Eitelkeit.«42 Die Worte »Werdet hart!« zeigen das Doppelgesicht der Nietzsche-Moral mit ihren Zügen voll tyrannischer Grausamkeit und asketischer Entsagung, Härte gegen andere und Härte gegen sich selbst. Lou von Salomé spricht von einer Versteinerung im egoistischen Selbstgenuss.43 Das Übermenschliche paart sich hier mit dem Unmenschlichen. Das Übermenschliche ist bei Nietzsche freilich immer auch ein Scheinbild, das keine selbständige Wirklichkeit für sich beanspruchen kann. Es wird zu einer Kunst, sich vor sich selbst in Szene zu setzen. Dieser von Nietzsche angestrebte Typus bleibt sich stets des27

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sen bewusst, »daß er sozusagen nur als Dichter oder Schauspieler schafft, wenn er das Ideale zur Erscheinung bringt«.44 Der Übermensch hat folglich teil an der Maske, am Künstlichen, das für den Dandy elementar ist. Er ist nur möglich und begreiflich als das Kunstwerk des Menschen.45 Dieses Kunstwerk ist nicht ein für alle Mal fertig. Es muss ständig der Wirklichkeit des Lebens abgetrotzt werden. Der Dandy ist bestrebt, sein Sein dem Ideal gemäß zu formen, um ein Höchstmaß an Verschmelzung von Sein und Schein zu erreichen. Er will in jeder Situation Dandy sein. Dieses erfordert übermenschliche Anstrengungen und bedeutet Selbstüberwindung im Sinne des Nietzsche’schen Übermenschen. Nietzsche hat mit »Also sprach Zarathustra« einen geistigen Appell im Sinn, sich vom Getriebe der Zeit zu entfernen und auf sich selbst zu besinnen. Es geht um Selbstüberwindung durch geistiges und künstlerisches Schaffen, das gegen die Zeit gerichtet ist. Es findet sich in dieser Schrift nicht so sehr, wie Nietzsches Freund und Schüler Peter Gast behauptet, eine Verachtung der Schwachen als vielmehr eine Verachtung des Pöbels unten und oben. Nietzsches Kritik richtet sich vor allem gegen die Repräsentanten des geistigen, politischen und wirtschaftlichen Lebens. Sie sind die »kleinen Menschen«, der Plebs, der auf materiellen Komfort und Behaglichkeit ausgerichtet ist, nicht die Unterdrückten, die noch Energie besitzen, sich zu empören.46 Ist der Übermensch ein geschichtlicher Begriff zur Überwindung des christlich-demokratischen, liberal-optimistischen Europa47, so steht der Begriff des Dandys in einem vergleichbaren historischen Kontext. Als Sozialfigur opponiert der Dandy dem Fortschrittsglauben der sich ankündigenden Massengesellschaft. Er ist sich freilich bewusst, dass er auf verlorenem Posten steht. Nietzsches aktivem Nihilismus versagt er sich. Mehr noch: Der Mensch gilt ihm nicht als einer, der überwunden werden muss. Der Dandy wendet sein Bestreben nur auf sich selbst. Er hat nicht den Anspruch, als Gesetzgeber – es sei denn in der Mode – aufzutreten und eine Wende in der Geschichte einzuleiten. Das prophetische Element, das den Nietzsche’schen Übermenschen kennzeichnet, ist ihm fremd. Sein Machiavellismus ist begrenzt, wie das Terrain, auf dem er sich bewegt. Das Schicksal des europäischen Menschen berührt ihn nicht. Mit der Figur des Übermenschen teilt er den Abscheu vor der Vulgarität der Gegenwart. »Was sich apollinisch in die Gestalt des Übermenschen verwandelt, ist der große Ekel, die Betrachtung des letzten Menschen, des kleinsten Menschen – kurz, der konkreten Menschheit, wie wir sie vor Augen haben.«48 28

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Im Kapitel »Von den Erhabenen« in »Also sprach Zarathustra« beschwört Nietzsche das höfische Ideal der »sprezzatura«: »Mit lässigen Muskeln stehn und mit abgeschirrtem Willen: das ist das Schwerste euch Allen, ihr Erhabenen!«49 Das Erhabene ist eine Kategorie dandyistischer Schönheit. Eleganz und Überlegenheit sind gepaart mit Anmut und Nonchalance. Die Erhabenheit ist von der Eitelkeit nicht zu trennen. Der Erhabene betrachtet sich selbst und seine Schönheit im Spiegel. »Ja, du Erhabener, einst sollst du noch schön sein und deiner eignen Schönheit den Spiegel vorhalten. Dann wird deine Seele vor göttlichen Begierden schaudern; und Anbetung wird noch in deiner Eitelkeit sein! Diess nämlich ist das Geheimnis der Seele: erst, wenn sie der Held verlassen hat, naht ihr, im Traume, – der Über-Held.«50 Das Motiv des Spiegels und der Selbstbespiegelung durchzieht die gesamten Dandy-Literatur von Baudelaire bis Eugen Gottlob Winkler. Der Dandy ist eine Spielernatur. Dieser Aspekt findet sich auch bei Nietzsche. Im Spielbegriff Heraklits sieht er seine Intuition der Weltwirklichkeit bestätigt. Mit dem Tode Gottes und dem Verlust der Religion entstehe die Gefahr einer Verarmung und Trivialisierung des Lebens. Andererseits erfahre der Mensch nun den Wagnis- und Spielcharakter des Daseins.51 Das Leben biete sich als ein Experiment dar. Der Mensch erhalte die Chance, seine Selbst­ überwindung durch Askese nicht mehr auf ein Jenseits zu richten, sondern auf das Hier und Jetzt. Der Spielcharakter des menschlichen Daseins ist für die höfische Adelsethik auf der Grundlage religiöser Bindung gegeben. Mit dem Niedergang der Ständegesellschaft und dem Bedeutungsverlust der Kirchen und des christlichen Glaubens verliert der Adel sein Privileg auf freie, spielerische Persönlichkeitsentfaltung. Ein neuer Typus des spielerischen Menschen, der Dandy, tritt auf den Plan, als der adlige, vornehme Mensch sich anschickt, von der Bühne abzutreten. Der Dandy ist sein Stellvertreter und Nachfolger. Frei von religiöser Bindung, ist er der Mensch, der sich selbst anbetet und den Müßiggang pflegt. Er wendet sich gegen das bürgerliche Berufsethos, geboren aus dem Geist der christlichen Askese. Er antwortet auf die Entzauberung und Rationalisierung der Welt mit dem Versuch erneuter Verzauberung in Gestalt des schöpferisch spielenden Menschen. Den von der protestantischen Arbeitsethik durchdrungenen Fachmenschen dagegen betrachtet er als jenes von Max Weber in Anlehnung an Nietzsche zitierte Nichts, das sich einbildet, »eine nie vorher erreichte Stufe des Menschentums erstiegen zu haben«.52 29

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Zur Gattung seltener Menschen, die lieber zugrunde gehen, als ohne Lust zu arbeiten, zählt Nietzsche Künstler und Kontemplative aller Art sowie Müßiggänger, die ihr Leben auf der Jagd, auf Reisen, mit Liebes- und anderen Abenteuern zubringen. Alle diese fürchteten die Langeweile nicht so sehr wie die Arbeit ohne Lust. Sie hätten viel Langeweile nötig, wenn ihre Arbeit gelingen solle.53 Während das Nichtstun in der modernen Arbeitsgesellschaft an den Pranger gestellt werde, sei es in der Adelsgesellschaft umgekehrt. »(…) die Arbeit hatte das schlechte Gewissen auf sich. Ein Mensch von guter Abkunft verbarg seine Arbeit, wenn die Noth ihn zum Arbeiten zwang. (…) das ›Thun‹ selber war etwas Verächtliches. ›Die Vornehmheit und die Ehre sind allein bei otium und bellum‹: so klang die Stimme des antiken Vorurtheils!«54 Die mit dem Aufkommen der Demokratie entstehende bürgerliche Gesellschaft ist eine Gesellschaft der Arbeitenden. Auch geistige Tätigkeit ist Arbeit. Sie wird freilich vom Bürger an ihrem praktischen Nutzen gemessen. Für den Bürger ist reines Denken, ein Denken, das sich selbst zum Ziel hat, fragwürdig. Dagegen verteidigt Nietzsche die vita contemplativa, die Muße, die freie Zeit und den Müßiggang. Ein Verwandter des kontemplativen Geistes und Müßiggängers ist der Dandy. Er widersetzt sich der Arbeit um des Lohnes willen, einer Arbeit, die nur Mittel ist und nicht Zweck. Er geht jedoch noch einen Schritt weiter. Der Dandy arbeitet nicht, auch nicht, wenn die Arbeit Lust bereitet. Es sei denn, man betrachtet sein Bemühen, aus sich eine Art Kunstwerk zu machen, als unablässige Arbeit an sich selbst. Er bearbeitet seinen Körper wie eine Skulptur. Das geschieht mit Lust, erfordert aber höchste Anstrengung. Das Resultat, der perfekte Dandykörper, verbirgt die Mühe, die es kostet, um ihn zu schaffen. Der Schein der Mühelosigkeit ist oberstes Prinzip. Seinem Willen zum Stil und zur ästhetischen Durchformung des Lebens liegt das gleiche Motiv zugrunde wie den höheren Menschen Nietzsche’scher Prägung. Das Gedankenkonstrukt »Dandy« teilt mit der Idee des Übermenschen Verhaltensstrategien in Bezug auf den spielerischen Charakter des Daseins, die Immoralität, die Ironie und das Schöpferische im Schaffen seiner selbst. Der Dandy versucht, der Dichter seines Lebens zu sein, wissend, dass es sich dabei nur um ein Artefakt handeln kann. Er ist nicht in allen Stücken sein eigenes Produkt, sondern täuscht dies vor. Man muss beim Dandy immer auch sein Scheitern in Betracht ziehen. Er ist ein Übermensch auf Zeit. Nietzsche sieht einen engen Zusammenhang zwischen Künstlertum und Schauspielerei. Beide, Künstler wie Schauspieler, kennzeichne das Verlangen 30

2 Friedrich Nietzsches Ästhetik des Scheins

nach Rolle und Maske. Nietzsche kommt in seinen Schriften immer wieder auf dieses Motiv zurück. Dies geht bis zur bewussten Parodie seiner Gedanken. Das Possenreißerische, das Nietzsches Zarathustra innewohnt, sei – so zeige die Geschichte der Weisheitslehren seit der Antike – jedem denkenden Geist eigen. Ja mehr noch, dieser brauche nicht nur die Maske, sie wachse fortwährend um ihn, denn alles, was er denke und tue, werde von der Mitwelt missverstanden oder flach ausgelegt. Sein Instinkt rate ihm, dass er das Reden zum Schweigen und Verschweigen gebrauchen solle. Darin gleicht Nietzsches geistiger Mensch dem höfischen Grandseigneur, dessen Umgang mit der Sprache Talleyrand in der Maxime zum Ausdruck gebracht hat, die Sprache sei uns gegeben, um unsere Gedanken zu verbergen. Das Maskentragen ist von dem Kult der Oberfläche nicht zu trennen. Es liege viel Weisheit darin, schreibt Nietzsche in »Jenseits von Gut und Böse« – er bezeichnet das Buch als eine Schule des Gentilhomme –, dass die Menschen oberflächlich sind. Es sei ihr Instinkt, der sie lehre, flüchtig, leicht und falsch zu sein.55 Für den Dandy ist das Lob des Scheins und der Oberfläche die Konsequenz tieferer Einsichten in die Triebkräfte der modernen Welt. Der Verhaltensmodus ständiger Maskerade ist ein Schutzverhalten, um sein Inneres nicht preiszugeben, eine Regel, die ebenfalls auf den Erfahrungen bei Hofe gründet und auf das Leben in der bürgerlichen Gesellschaft übertragen wird. Auch die Größe und Bedeutung eines Menschen wird von der Maske und dem schauspielerischen Habitus tangiert. »Wie? Ein grosser Mann? Ich sehe immer nur den Schauspieler seines eignen Ideals.«56 Mit diesem Satz deutet Nietzsche nicht nur auf das notwendig Spielerische, Schauspielerische der menschlichen Existenz hin. Er gibt zugleich eine Definition von Größe, die für den Dandy gleichermaßen gilt. Der große Mann wird gespielt, inszeniert. Er ist immer ein Schauspieler, er kann gar nichts anderes sein, denn die Größe kann nur im Spiel, in der Inszenierung vor dem Publikum behauptet werden. Nietzsche gesteht ein, dass der Träger der Maske selbst Züge eines Narren annehmen kann. Es gebe freie, freche Geister, »(…) welche verbergen und verleugnen möchten, dass sie zerbrochene stolze unheilbare Herzen sind; und bisweilen ist die Narrheit selbst die Maske für ein unseliges allzugewisses Wissen.«57 Die Vorstellung des Exzentrikers drängt sich hier auf. Der junge Oscar Wilde verbarg hinter seinem Pfauenkostüm ein stolzes Herz. Er spielte den Modenarren in der Öffentlichkeit. Das modische Kostüm, hier ein Phantasieprodukt, war ins Närrische, Auffallende gesteigert. Der Zug des Mimen und 31

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Narren war auch Baudelaire nicht fremd. Walter Benjamin hat Nietzsches Plädoyer für die Maske seiner Deutung des Dichters zugrunde gelegt. »Baudelaires exzentrische Eigenart war eine Maske, unter der er, man darf sagen aus Scham, die überindividuelle Notwendigkeit seiner Lebensform, bis zu einem gewissen Grade auch seiner Lebensschicksale zu verbergen suchte.«58 Der moderne Dandy in Gestalt Baudelaires ist nicht Held, sondern Heldendarsteller, lautet die Diagnose Benjamins. In der Moderne sei der Heros nicht vorgesehen. Sie habe keine Verwendung für ihn und liefere ihn dem Nichtstun aus. »In dieser seiner letzten Verkörperung tritt der Heros als Dandy auf.«59 Dieser Held ist kein Handelnder mehr, sondern ein Herkules ohne Aufgaben. Er widersetzt sich den Anforderungen, welche die bürgerliche Gesellschaft an ihn stellt. Auch Nietzsches höherer Mensch ist in der Moderne dazu verdammt, den Helden nur noch zu spielen. Der sich selbst überwindende Mensch verbleibt in der Rolle des Schauspielers und Maskenträgers. Nietzsche ist geradezu besessen von dem Gedanken des Heroischen in einer unheroischen Zeit. Es finde freilich außerhalb des rein Geistigen kein Betätigungsfeld mehr vor. Was ist vornehm in der Zeit der beginnenden Pöbelherrschaft?, fragt Nietzsche. Es sind nicht die Handlungen, die zählen, und auch nicht die »Werke«. Es ist der Glaube, der hier entscheidet, eine Grundgewissheit, die eine vornehme Seele über sich selbst hat. »Die vornehme Seele hat Ehrfurcht vor sich.«60 Diese Art der Vornehmheit kennt kein Betätigungsfeld mehr außerhalb der selbst geschaffenen Einsamkeit. Der Selbstkult ist ihr Refugium. Die Moderne ist für Nietzsche eine Zeit des Niedergangs, des Verfalls. Als Kind seiner Zeit hat er begriffen, dass er ein Décadent ist, auch wenn er sich als Philosoph mit aller Macht dagegen wehrt. Der Verfall erfasse die Künste und den Künstler. Nietzsche diagnostiziert Stillosigkeit als Konsequenz einer Entwicklung in der Kunst, die auf Massenwirksamkeit setzt. Der große Erfolg sei nicht mehr auf der Seite des Echten, sondern auf der des Effektvollen, Inszenierten, Künstlichen. Der Zusammenhang von Dekadenz, Künstlichkeit, Schauspielertum und Massenkultur ist für Nietzsche evident. Daraus ergeben sich auch für den Dandy Konsequenzen. Der klassische Typus à la Brummell, verkörpert vor allem durch aristokratisch geprägte Existenzen, blieb – soweit das aristokratische Umfeld noch Exklusivität und bon ton garantierte – in seiner Künstlichkeit gemäßigt. Brummells Künstlichkeit war eine Art zweiter Natur.61 Er war noch echt und natürlich im Sinne höfischer Vorstellungen von Liebenswürdigkeit, da er fest im Adelsmilieu veran32

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kert blieb. Seine Nachfolger traten aus diesem Milieu heraus und ins Rampenlicht der breiten Öffentlichkeit oder fanden ihr Publikum in der Sphäre der Boheme. Das Künstliche, Maskenhafte, Buffoneske im Verhalten des Dandys nahm zu. Züge des Närrischen gab es freilich bereits bei seinen Vorläufern in Gestalt der sich bis zur Lächerlichkeit spreizenden fops und macaronis. Die Lektüre der Tagebücher Baudelaires vermittelt Nietzsche einen Eindruck von der Seelenlage des Künstlerdandys. In einem Brief an Peter Gast vom 26. Februar 1888 erläutert er das Wagnerische an Baudelaire, das ihm schon an den »Fleurs du Mal« aufgefallen war. »Baudelaire ist libertin, mystisch, ›satanisch‹, aber vor allem Wagnerisch«.62 Die Tagebücher enthielten unschätzbare Einsichten in die Psychologie der Décadence. Aus »Mein entblößtes Herz« exzerpiert Nietzsche zentrale Passagen, die auf den Dandy bezogen sind, teils im französischen Original, teils in deutscher Übersetzung oder in eigener Umschreibung. Die zitierten Passagen zeigen deutlich, dass Nietzsche die Bedeutung der Figur des Dandys im Werk Baudelaires und die Verwandtschaft dieses Typus mit dem von ihm verwendeten Begriff des höheren Menschen und des Übermenschen erkannt hat. Der Dandy ist ein höheres Wesen und ein Heros des modernen Lebens. Auch Baudelaires Gedanken über den Gang der bürger­ lichen Gesellschaft, die Nietzsche ausführlich wiedergibt, decken sich mit seiner Vorstellung von der Omnipräsenz des letzten Menschen.63 Als ein Phänomen der Décadence unterscheidet sich Baudelaires Dandy freilich vom höheren Menschen in Gestalt des Aristokraten alten Schlages. Der Dandy ist wie der moderne Künstler ein Spättypus.64 Letzterer ist – so Nietzsche – keine Person mehr, sondern höchstens ein Rendezvous von Personen, aber nicht im Sinne des Untertauchens in einem großen Typus wie beim höheren Menschen alter Kulturen, sondern als eine Art Zwischenperson. Als Romantiker in seiner Sehnsucht nach der aristokratischen Kultur sei der moderne Künstler eine falsche, nachgemachte Art des stärkeren Menschentums. Er schätze die extremen Zustände und sehe in ihnen das Symptom der Stärke. Auch der Dandy, folgt man Nietzsche, ist trotz allen Bestrebens, den Gang der Zeit aufzuhalten und ein Ganzes darzustellen, kein homogener Typus mehr, sondern eine Zwischenperson, ein Mischtypus, eine hybride Erscheinung. Er will den aristokratischen Typus des 17. Jahrhunderts wiederbeleben, der sich durch die Macht der Form, durch Willensstärke, Hochmut gegen das Animalische, Strenge gegen das Herz und Distanz zur Natur auszeichnete. 33

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Doch sein janusköpfiges Wesen hindert ihn daran. Nietzsches aristokratischer Typus verneint das Individualprinzip. Er ist bemüht, die Spuren des Individuellen auszutilgen, damit das Werk dem Leben so ähnlich wie möglich sieht. Er zeichnet sich aus, indem er in einem großen Typus untertaucht und darauf verzichtet, Person sein zu wollen. Der Dandy dagegen strebt nach Originalität. Er will sich als Individuum auszeichnen. Der höfische Zwang zur Affektkontrolle, zur Maskierung des Inneren wird zur Attitüde, zur Schauspielerei, zur Selbstbespiegelung. Der Dandy wehrt sich mit seinen vital gebliebenen Instinkten gegen die beginnende Décadence. Als Stoiker ist er ein Anti-Décadent. Der stoische Typus zeichne sich – so Nietzsche – durch Selbstbeherrschung, Unerschütterlichkeit, tiefe Ruhe, die Einheit von Wille und Wissen und die Hochachtung vor sich selbst aus. Der wirkliche Heroismus bestehe darin, dass man nicht unter der Fahne der Aufopferung, Hingebung und Uneigennützigkeit kämpfe, sondern gar nicht kämpfe. Daran erkenne man die souveräne Gesinnung, die große Erfindsamkeit, das vornehme Für-sich-Sein. Die nacharistokratische Epoche zwinge diesen Typus dazu, Einsiedler, Solitär zu sein, ein Schicksal, das auch dem modernen Dandy als einer frei schwebenden Existenz nicht erspart bleiben sollte.

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3 Phänomenologie des Dandytums

»Dem Rudel stirnflüchtiger Kretins wird ein Dandy nie entstammen. Denn jenes innere Verhalten, das Untadeligkeit der äußeren Linie zur Folge hat, erfordert geistige Eigenschaften.« (Alastair)65

Das äußere Erscheinungsbild Für den Dandy verdient die äußere Erscheinung höchste Beachtung. Sein Schönheitsverlangen lässt es nicht zu, formlos, stillos, geschmacklos und unästhetisch zu erscheinen. Die Kleidung ist nichts Belangloses, sondern Ausdruck der Persönlichkeit. Deshalb die äußerste Sorgfalt, die der Dandy allen ihren Bestandteilen angedeihen lässt. Die Komposition eines perfekt abgestimmten Outfits beansprucht Zeit, Urteilsvermögen und setzt Selbstachtung voraus. Thomas Carlyles sarkastische Bemerkung, der Dandy sei ein Mensch, dessen Geschäft, Amt und Existenz im Tragen von Kleidern bestehe, enthält einen wahren Kern. Schon der englische Gentleman alten Stils sowie der französische und italienische Hofmann legten Wert auf ein durchkomponiertes Erscheinungsbild. In der höfischen Gesellschaft unterwarf sich der Einzelne in seiner Entfaltung einer strengen Etikette. In der nachhöfischen Zeit erweiterte sich der Spielraum für die Persönlichkeitsentwicklung. Charakteristisch für die äußere Erscheinung und die Kleidermoden war, dass man einen Herzog oft nicht mehr von seinem Diener unterscheiden konnte. Am Erscheinungsbild war nicht mehr ablesbar, welcher gesellschaftlichen Schicht der Betreffende angehörte. Genauer gesagt: Es war nur noch dem geübten Auge möglich, da sich die Unterschiede verfeinerten. Der Dandy fügt dem eine besondere Note hinzu, die sich einer gründlichen Beschäftigung mit den Details der Garderobe verdankt. Er schlüpft nicht in das von seinem Schneider bereitgestellte Kleid. Er selbst ist auf schöpferische 35

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Weise an der Anfertigung seiner Kleidung beteiligt. Nicht der Schneider macht den Mann. Der Dandy betrachtet ihn lediglich als helfende Hand. Die Idee zu dem, was ihm passt, entsteht in seinem eigenen Kopf. Brummell verkörperte die Kleidungsnorm seiner Zeit in höchster Potenz. Seine Kleidung saß wie angegossen. Sie war wie eine zweite Haut. Die Kleidung des Gentleman erschöpfte sich nicht im äußeren Zweck, sondern transportierte die Idee höchster ästhetischer Vollkommenheit. Es wäre jedoch verfehlt, im Dandy allein eine Person zu erblicken, die vornehmlich mit ihrer äußeren Erscheinung beschäftigt ist. Die Souveränität im Umgang mit dem eigenen Äußeren ist eine Selbstverständlichkeit. Niemals lässt sich ein Dandy seinen Geschmack von der Mode diktieren. Er überlässt es den geringeren Geistern, sich der Ideen anderer zu bedienen. Er nimmt nur das von den modischen Kleidungsstücken an, was ihm liegt und was er für sich gebrauchen kann. »Durch das Getragenwerden, durch die Personalunion mit dem Körper bekommen sie erst die Physiognomie und werden persönlich.«66

Der geistige Habitus Die äußere Erscheinung des Dandys beruht auf einer bestimmten Geisteshaltung, welche die ästhetische Durchformung zum Kernelement der Selbststilisierung macht. Bonmots, Impertinenz, Witz, Ironie, Neigung zum Paradox sind die verbalen Instrumente, das Erscheinungsbild, die Grazie der Bewegungen, die zunächst ohne Zuhilfenahme der Sprache auskommen, zu komplettieren und zu bekräftigen. Der geistige Habitus des Dandys zeigt sich nicht so sehr in gründlicher Bildung oder Belesenheit. Der Gebildete oder Gelehrte ist allzu oft ein Pedant. Virginia Woolf erkannte: »Brummell verdankte seinen Aufstieg einer merkwürdigen Kombination von Geist, Geschmack, Unverschämtheit und Unabhängigkeit (…) für die der Begriff Lebensphilosophie zu schwerfällig wäre, dem aber nahekäme, was gemeint ist.«67 Geistige Überlegenheit korrespondiert beim Dandy mit eisiger und ironischer Eleganz im Ausdruck, aber auch durch Schweigen kann er ein Gespräch dominieren. Oft genügt dem Dandy das Hochziehen einer Augenbraue, um sein Gegenüber in die Schranken zu verweisen. Nicht Geistestiefe zeichnet ihn aus, sondern die virtuose Beherrschung der Oberfläche: die Kunst der Konversation. Barbey d’Aurevilly schreibt über Brummell: »An ihm gefielen die äußerlichsten Seiten seines Geistes. Seine Überlegenheit machte sich nicht in mühsamer Denkarbeit bemerkbar, sondern in der Lebenspraxis.«68 Das heißt 36

Der geistige Habitus

nicht, dass der Dandy nicht über Intelligenz und Bildung verfügt. Die Einsicht in das moralische Getriebe der Welt und eine daraus resultierende geistige Blasiertheit sei – so Baudelaire – die Voraussetzung für sein Wirken. Barbey d’Aurevilly wiederum spricht von ermüdeten Geistern und von der Pose eines Geistes, der durch viele Ideen hindurchgegangen und zu angewidert sei, um sich für irgendetwas zu erwärmen. Nihilismus und Weltekel des Dandys äußern sich in beißender Ironie. Der Dandy ist ein geistreicher Kopf, der durch Schlagfertigkeit und blendende Paradoxe seine Gesprächspartner verblüfft. Diese Art der Gesprächsführung, die Wortgewandtheit – die Kunst, das Wort wie ein Florett zu führen – gehört ebenso zu seinem Wesen wie die lässige, mühelos erscheinende Eleganz seines Auftretens. Jacques Boulenger notiert: »Der Geist eines Brummell, das ist sein Kostüm: seine Weste ist eine Anekdote, seine Lackschuhe sind ein Epigramm.«69 Ohne eine gewisse Impertinenz kann dieser Geist nicht brillieren. Die Impertinenz, so Barbey d’Aurevilly, ist die Tochter der Leichtigkeit und der Dreistigkeit und mit der Anmut verschwistert. Doch während der französische Dandy eher gefallen und schmeicheln will, hat es der englische Dandy darauf abgesehen, sein Publikum zu verblüffen. In England, meint Boulenger, könne man König der Mode nicht durch Esprit werden, sondern nur durch unterhaltsame Unverschämtheiten und dementsprechenden brutalen Witz70, ein Urteil, das freilich die feinen Nuancen des witzigen Sprechens, die Brummell, d’Orsay oder die literarische Figur Pelham von Bulwer-Lytton auszeichnen, nur zu gern übersieht. Virginia Woolf charakterisiert Brummells geistige Physiognomie mit den Worten: »Seine Worte waren nicht gerade witzig; sie waren gewiß nicht tiefgründig; aber sie waren so geschickt, so gewandt (…) Das war sein Stil, schillernd, spöttelnd, bis dicht an die Grenze der Unverschämtheit gehend, den Rand des Unsinns streifend, sich aber stets innerhalb der Grenzen eines merkwürdigen Maßes haltend.«71 Die Kombination von Geist und Unverfrorenheit bedeutet, dass der Witz des Dandys nicht liebenswürdig ist, sondern schneidend. Seine Aperçus sind nicht tiefschürfend, aber geschliffen und zynisch, seine Unverschämtheiten nicht grob, sondern sie verbleiben im Rahmen des Tragbaren. Der Dandy versteht es, die größten Belanglosigkeiten in Sachen von Bedeutung umzudeuten und alles Wichtige mit größter Nonchalance und Indifferenz zu handhaben. Sein Taktgefühl hindert ihn nicht an einem die Grenzen der Boshaftigkeit 37

3 Phänomenologie des Dandytums

streifenden Witz, wenn es gilt, seine Geschmacksvorstellungen durchzusetzen und seine Macht zu behaupten.

Selbstbespiegelung Baudelaires Diktum lautet, der Dandy solle leben und schlafen vor einem Spiegel. Der Spiegel, das ist für den Dandy die Gesellschaft, das Publikum, das ihn in seiner Rolle bestätigt. Vorausgesetzt ist der Akt der Selbstbespiegelung, die zeremonielle Herstellung des Kunstwerks »Dandy«, die sein Träger täglich stundenlang vor dem Spiegel vollzieht. Ist dieser Akt vollbracht, tritt der Dandy als Artefakt vor sein Publikum. Der Herstellung des Kunstwerks selbst, der perfekten Gestaltung des Outfits, dem »dressing«, beizuwohnen, wird einem engen Kreis von Bewunderern gestattet. Der Anblick, den der vollendet kostümierte Dandy bietet, ist der einer vollständig in der Erscheinung aufgehenden Person, die zur Maske geronnen ist.72 Die Transformation des Gesichts zur Maske bewirkt eine Reduktion des lebendigen Mienenspiels. Der Dandy will nicht gefallen, er will verblüffen und seine Überlegenheit demonstrieren. Dies gelingt ihm, indem er alles Lebendige in sich abtötet, sich zum Ding macht. Sein Blick ist Ausdruck seiner Kaltblütigkeit, seine Aura die Kälte. Der Blick ist Instrument der Beherrschung des anderen. Der Dandy trägt wechselnde Masken. Sein Gesichtsausdruck, sein Mienenspiel ist nicht ein für alle Mal festgelegt. In der Interaktion mit anderen ist Reaktionsschnelligkeit erforderlich. Der Dandy ist schlagfertig in Worten, er ist aber auch reaktionsschnell in Blicken. Insofern geht die Vorstellung der Erstarrung, des Mechanischen, Maschinenhaften an der Tatsache der Wandlungsfähigkeit dieses Typus vorbei, dem es im Umgang mit dem anderen darauf ankommt, die jeweils angemessene Reaktionsform zu finden, um seine Überlegenheit zu beweisen. Goethe beschreibt ein Porträt des Diplomaten Charles-Maurice de Talleyrand: »Sein Blick ist das Unerforschlichste. Das Auge ruht in und auf sich, wie die ganze Gestalt, welche, man kann nicht sagen, ein Selbstgenügen, aber doch einen Mangel an irgendeinem Bezug nach außen andeutet.«73 Talleyrand erzielte seine Wirkung durch den Ton, den er anschlug, durch den Blick, die Gebärde. Das Sphinxhafte im Wesen dieses Menschen besteht im Spiel mit Masken. Freilich ist der Ausdruck »Maskierung« nicht ganz zutreffend. Der Dandy maskiert sich nicht. Er ist die Maske. Was den 38

Muße und Müßiggang

anderen als Maskenhaftigkeit erscheint, ist für den Dandy die notwendige Erscheinungsform seiner innersten Bestrebungen. Die Sphinx Talleyrand, der undurchschaubare Beau Brummell, der mit Paradoxen um sich werfende Oscar Wilde sind Verhaltensstrategen, die durch Habitus, Gestik, Sprache und Kleidung ihr Gegenüber dominieren und entwaffnen. Der lesbische Dandy Claude Cahun bekennt sich zu seiner multiplen Persönlichkeit: »Unter dieser Maske noch eine Maske – es gelingt mir nicht, all diese Gesichter zu lüften.«74 Der Dandy spaltet sich nicht auf in Image und authentische Persönlichkeit. Bei ihm sind Image und Persönlichkeit identisch, da er ganz im Schein aufgeht. Seine Selbsterfindung bedeutet, dass Wesen und Erscheinung verschmelzen. Das soll nicht heißen, dass es hinter der Erscheinung des sublimen, stets überlegenen Dandys nicht noch ein »privates« Individuum gibt, das, wenn es aus seiner Rolle schlüpft, mit sich allein ist, sich fundamental von dem öffentlichen Individuum unterscheidet. Es existiert aber kein Spannungsverhältnis zwischen Öffentlichem und Privatem wie bei der Diva. Jenseits des Image gibt es nichts, was von Interesse wäre. Man könnte hier vom Prinzip absoluter Künstlichkeit sprechen. Ein leidender, ein in Leidenschaften verstrickter Dandy hört auf, einer zu sein.

Muße und Müßiggang Der Dandy gehört zur Klasse der Müßiggänger. Müßiggang ist die Messlatte für wahres Dandytum. Er wird durch den Dandy zu einer mit Methode und Disziplin betriebenen Beschäftigung. Ein bloßer Nichtstuer ist der Dandy jedoch mitnichten. Sein Müßiggang nimmt ihn so sehr in Anspruch, dass keine Zeit für andere Aktivitäten verbleibt. Was Goethes Wilhelm Meister auf den Brettern des Theaters sucht, die Entwicklung seiner Persönlichkeit jenseits der Nützlichkeitserwägungen des Erwerbsbürgers, sucht der Dandy im kultivierten Müßiggang. Dieser ist nicht Flucht vor der Leistung, sondern philosophisch bestimmte Weigerung, etwas Nützliches zu schaffen. Allerdings ist dieser Müßiggang nicht mit Muße gleichzusetzen, wie sie der Philosoph ­Arthur Schopenhauer in seinen »Aphorismen zur Lebensweisheit« empfiehlt. Schopenhauer geht es um die Ausbildung der geistigen Fähigkeiten und den Genuss des inneren Reichtums. Der Dandyismus propagiert ein Leben des Spiels und der Leichtigkeit, ein Leben jenseits der Notwendigkeiten der Erwerbsarbeit, das für den Adel charakteristisch ist, solange er noch seine Privilegien behauptet. Hier kommt dem 39

3 Phänomenologie des Dandytums

Dandy Friedrich Schillers ästhetische Utopie eines Geschmacksbürgers entgegen, der durch Selbstbildung seine Fähigkeiten voll entfaltet. Schiller überschreitet mit seiner Vorstellung vom spielenden Menschen jedoch den Rahmen der großen Welt, in der das Spiel mit den Bedürfnissen aristokratischer Repräsentation in Einklang gebracht werden muss. Für den aristokratischen Gesellschaftsdandy ist die große Welt als Terrain seiner Selbstdarstellung unentbehrlich. In ihr zählen weniger ein ausgebildeter Verstand und ein gutes Herz als die Beachtung der feinsten Anstandsregeln. Wie der Philosoph Christian Garve 1792 feststellte, gab es für die aristokratische Jugend keine überzeugende Alternative zum Genussleben, da es dem geistvollen Menschen an Weltläufigkeit gebrach, welche höher geschätzt wurde als das Verdienst.75 Auch in den Umgangsformen ist der Mann der großen Welt dem Bürgerlichen überlegen. Der Umgang ist eine Kunst und verlangt viel Übung. Der Mensch, welcher ein guter Gesellschafter werden will, muss viel Zeit in Gesellschaft verbringen. Zum Genuss des Umgangs gehört Muße, und diese setzt voraus, dass man von materiellen Sorgen frei ist. Ein Ball, ein Gastmahl, eine gesellige Lustbarkeit werde, so Garve, oft der Schauplatz von Unterhandlungen. »Um deßwillen werden hier Vergnügungen, wie Geschäfte behandelt; mit einem Ernste, mit einem Eifer, und also auch mit einer Geschicklichkeit, welche man anderswo nicht kennt. Müssiggang und Reichthum, mit einander vereinigt, suchen nur Wohlleben: und sie finden sie in diesem Kreise.«76 Nur Müßiggänger und Menschen ohne Beruf sind zur Verfeinerung und Kultivierung des Umgangs fähig.77 Damit ist die Voraussetzung einer Dandy-Existenz präzise benannt: ein Leben in Muße, ohne Arbeit. Die Dinge, mit denen er sich beschäftigt, sind Liebhabereien. Er betreibt sie nicht professionell. Seine Leidenschaften tragen keinen Nutzen. »Wer einen Beruf ergreift, ist schon verloren«, meint der Philosoph Emil Cioran.78 Wenn der Dandy sich anstrengt, so gilt diese Anstrengung ausschließlich seiner Person. Ein Kunstwerk aus sich zu schaffen, ist ein schöpferischer Akt, eine kompositorische Tat. Ist diese Arbeit getan, darf keine Spur von Mühe mehr erkennbar sein. Der Dandy verdient kein Geld, es fließt ihm zu. Er bringt es unter die Leute, denn jeder Besitz von Geld erscheint ihm vulgär. Brummell erwarb nie Geld außer im Spiel. Im Übrigen hielt er sich an Prinzipien, die seinem Vermögen angemessen waren. Verfügt der Dandy nicht über ein Renteneinkommen, so genügt ihm ein unbegrenzter Kredit oder eine mäzenatisch gesicherte Existenz. 40

Exklusivität

Der Dandy opponiert gegen die Beschleunigung. Er muss gegen den Strom der Zeit schwimmen, auch wenn es immer schwerer fällt. Das moderne Informationszeitalter ist der Feind jeder Muße. Muße zu besitzen und dem Müßiggang frönen zu können ist heute etwas Exklusives und ein enormer Luxus. Über Zeit verfügen heißt, sich dem Aufmerksamkeitszwang der Medien zu entziehen, Ruhe.79 Für den heutigen Dandy bedeutet dies den Rückzug von Glamour und Konsum und die Übung in Askese.

Exklusivität Die äußerste Verfeinerung seines Geschmacks schlägt sich beim Dandy in seinem Exklusivitätsverhalten nieder. Die High Society zur Regency-Zeit betrachtete sich als die große Welt. Diese Gesellschaft wurde vor allem durch das Prinzip der Exklusivität zusammengehalten. Das Exklusivitätsstreben fand seinen Ausdruck in den Clubs. Der Dandy war auf einen Kreis von Gleichgesinnten angewiesen, die fähig waren, ihn als Dandy zu beurteilen. Den Spiegel bildeten sie – und nicht ein anonymes Publikum. Der Wegfall eines exklusiven Sets stellt den Dandy vor ein Dilemma. Wie soll sich sein verfeinerter Geschmack Geltung verschaffen, wenn nicht durch eine Gesellschaft von Kennern? Wie soll sich sein Witz entzünden, wenn er nicht auf Ohren stößt, die in der Lage sind, die Feinheiten der Anspielungen zu verstehen? Und wie soll der Dandy seine Unabhängigkeit demonstrieren können, wenn nicht in einem aristokratischen oder großbürgerlichen Milieu, mit dessen Regeln und Normen er sein Spiel treibt?

Eleganz Der Dandy versucht, die überlieferten Auszeichnungsformen der großen Welt – adlige Geburt und Reichtum – durch das Kriterium der Eleganz zu ersetzen. Ihr gilt sein ganzes Bestreben. Die Eleganz, von der die äußere Erscheinung des Dandys kündet, steht im Zeichen des Müßiggangs und einer Kultur der Mühelosigkeit. Balzac meint, um ein eleganter Mann zu sein, müsse man in der Lage sein, die Ruhe zu genießen, ohne vorher gearbeitet zu haben. Als Definition der Eleganz schlägt er vor: »Die Entwicklung der Grazie und des Geschmacks in allem, was uns gehört und uns umgibt.«80 Eleganz ist gepaart mit Lässigkeit, Nonchalance und Désinvolture. So sagte man von dem Dandy-Schriftsteller Richard Beer-Hofmann: »Seine Kleidung war von einer exzessiven Noblesse, von einer mit subtilstem Geschmack ausgesuchten Eleganz, die immer etwas 41

3 Phänomenologie des Dandytums

leise Herausforderndes hatte.«81 In der eleganten Kleidung manifestiert sich der Geist des Dandys, sein überlegener Geschmack, sein untrüglicher Sinn für den Glanz der Oberfläche, so wie er sich im Gespräch kundtut. Prinzip der Eleganz ist die Mäßigung, die Einhaltung des rechten Maßes. Schlichtheit, Natürlichkeit und Einfachheit waren die Grundsätze von Brummells Kleiderreform. Es kommt nicht auf die hervorstechende Originalität im Outfit an, sondern auf das gewisse Etwas, eine gewisse erlesene Schicklichkeit. Eleganz ist nicht zu trennen vom Überraschungseffekt.82 Es kann dies eine Bewegung des Körpers sein, eine Geste, eine Gebärde oder eine Verzauberung durch Worte. Das Prinzip der Eleganz verachtet Mode, »denn diese schließt den Kult des Unnachahmlichen, des Einmaligen aus«.83 Wir haben uns daran gewöhnt, die Wörter Eleganz und Glamour oft so zu gebrauchen, als bedeuteten sie dasselbe. Dabei haben wir es eher mit einem Verhältnis von Innen und Außen zu tun. Glamour ist allenfalls die Außenseite der Eleganz, die bloße Oberfläche. Glamour hat oft etwas Aufgesetztes, wirkt aufgedonnert und lässt eine Person ausstaffiert erscheinen. Die wesentlichste Wirkung der Eleganz dagegen ist, den Aufwand, den sie erfordert, zu verbergen. Eleganz kommt von innen.84 Sie ist etwas Persönliches, eine Eigenschaft, die nicht jedem gegeben ist, die sich auch nicht ohne weiteres erwerben lässt. Nicht ein Anzug ist elegant, sondern der, der ihn trägt, weil er sich auf eine Weise in dieser Kleidung bewegt, die den Eindruck der Anmut, der Nonchalance und der Selbstverständlichkeit erweckt. Leute vom Fach wie Designer und Boutiquenbetreiber sind manchmal elegant, weil sie diese Gabe von Natur aus besitzen, aber nicht, weil sie sie zu ihrem Beruf machen. Ein erlesenes Accessoire kann den Eindruck der Eleganz verstärken, wenn sein Träger über jene Ausstrahlung verfügt, die Eleganz ausmacht. Wir bewundern den Besitzer solcher Kostbarkeiten, doch erst der Gesamteindruck der Person erlaubt es, von Eleganz zu sprechen. Dazu gehört eine bestimmte Haltung, gepaart mit Natürlichkeit und vollendeter Höflichkeit. Ein eleganter Mann und eine elegante Frau müssen sich nicht durch einen gestylten Körper auszeichnen. Im Gegenteil: Auch ein von der Natur nicht mit besonderen körperlichen Vorzügen ausgestatteter Mensch kann elegant erscheinen, vermöge seiner Haltung, seines Geistes und seines Benehmens. Perfekte Schönheit ist selten elegant, sie lässt kalt und wirkt leblos. Eleganz braucht oft den kleinen Makel. Sie verträgt sich mit einer Nuance Irregularität, kleinere Disharmonien stehen ihr nicht übel an. Zur Eleganz gehört auch die Großzügigkeit, seelischer und materieller Geiz sind ihr fremd. 42

Eleganz

Im Zeitalter des Glamours ist die Eleganz äußerlich geworden. Man glaubt heute, man könne sich Eleganz kaufen. Ein fataler Irrtum. Viele Stars und Celebrities, die durch ihr Outfit ihren Rang unterstreichen, erscheinen glamourös allein dank ihrer Stilberater. Der Glamour ist eine Art Puderzucker, der über ein lebendes Werk der Inszenierungskunst gestreut wird. In Sprache, Gesten und Haltung zeigt sich, ob wir es mit einer Persönlichkeit zu tun haben, die uns fasziniert, weil sie eine Wunschvorstellung von uns selbst verkörpert, oder ob es sich um ein Kunstprodukt handelt, das uns die Medienindustrie frei Haus liefert. Eleganz liegt in dem gewissen Etwas, das eine Persönlichkeit besitzt und das um sie einen Zauber verbreitet, ein Fluidum, das sich schwer in Worte kleiden lässt. Sodann tritt alles Glamouröse in den Hintergrund und wir bewundern das ingeniös Einfache, Schlichte, Natürliche an einem Menschen, der alle Erdenschwere von sich abzustreifen scheint. Der glamouröse Mensch ziert sich, für den eleganten Menschen ist Ziererei eine Todsünde. Der elegante Mensch macht sich keine Gedanken über seine Erscheinung. Das Bewusstsein richtet nur Unordnung in der natürlichen Grazie des uneitlen, unschuldigen Menschenkindes an. Und doch ist beim Dandy, dem Schiedsrichter der Eleganz, diese ein Akt des Willens. Ist der perfekte Zustand des Äußeren einmal erreicht, verhält er sich vollkommen einfach, ungezwungen und natürlich. Es ist dies freilich eine raffinierte Einfachheit und nicht die Einfachheit der Einfachen. Es ist eine feinnervige Ungezwungenheit und nicht die vulgäre Ungezwungenheit von Menschen ohne Manieren. Es ist eine Natürlichkeit zweiten Grades und nicht die Natürlichkeit des Naturmenschen. Eleganz erweist sich hier als ein Produkt hoher Kultur, der Arbeit an sich selbst.85 Die Blume im Knopfloch ist ein Symbol: »das Leben vor dem Verwelken zum Schmuckstück gesteigert«.86 Das Gegenteil von Eleganz ist Vulgarität. Vulgär ist das Gemeine, Schwerfällige, verbiestert Ernste, der Geiz anstelle der Großzügigkeit, das Berechnende anstelle der Verschwendung. Hier spielt die Ressource »Zeit« eine Rolle: der Luxus der Muße und der Ruhe. Insofern ist Eleganz auch ein Protest gegen die Beschleunigung. Der junge Oscar Wilde ist ein Beispiel für eine Mischung aus Vulgarität und Eleganz. Ihm ist es zuzuschreiben, dass der Dandy oft mit dem Exzentriker, der um jeden Preis durch Kleidung und Verhalten auffallen will, gleichgesetzt wird.

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3 Phänomenologie des Dandytums

Dandy und Gentleman »Ein gewöhnlicher Mann ist, wer Waren gegen bare Zahlung kauft, ein Gentleman der, dem Kredit gegeben wird.« (Simmel)87

Brummells Verhaltensideal war nicht der universale Mensch der Renaissance, wie ihn Erasmus von Rotterdam darstellte, auch nicht der Hofmann, wie ihn Baldassare Castiglione entworfen hat, sondern der kultivierte Dilettant und Gentleman. Die Verhaltensethik des Gentleman ist für den Dandy indes nicht sakrosankt. Gewiss gelten für ihn die Regeln der Höflichkeit, der Gelassenheit, der Selbstbeherrschung und der Großzügigkeit. Doch fügt er ihnen die Leichtigkeit und das Spielerische hinzu. Der Dandy tändelt mit den Regeln. Spott, Ironie, provokativer Witz und eine gewisse Schärfe und Boshaftigkeit in der Kommunikation mit anderen zeichnen ihn aus. Der Dandy will gefallen, aber er zögert auch nicht, zu missfallen, vorausgesetzt, er bleibt Herr der Lage und hat am Ende den Beifall auf seiner Seite. Dieses Männlichkeitsideal hatte Brummell durch Herkunft – er war der Sohn eines Squire – und Erziehung in sich aufgenommen. Er begnügte sich aber nicht mit der Daseinsweise eines einfachen Mitglieds der Gentry. Brummell besaß ein Talent zu Höherem. Seiner Substanz nach ein Kavalier, erkannte er, dass es seiner Zeit und den tonangebenden Adelskreisen, zu denen er Zutritt erlangt hatte, an Geschmack und Stil mangelte. Das Männlichkeits­ ideal des Gentleman bedurfte einer Neubestimmung. Der Dandy gab darauf eine Antwort. Er war der Gentleman mit dem gewissen Etwas. Auf dem Gebiet des Ästhetischen sah Brummell eine Chance, in der Society eine dominierende Rolle zu spielen. Hier setzte sein strategisches Denken ein. Alles andere war naturgegeben oder durch Erziehung verfeinert worden: gutes Aussehen, Anmut, Nonchalance, Witz und Eleganz. Er machte sich zum »Urbild eines als ästhetische Existenz begriffenen Gentlemantums«.88 In Brummells Gestalt ist der Dandy ein vollkommener Aristokrat und zugleich ein Reformer des aristokratischen Habitus und Repräsentationsstils. »Seine Unabhängigkeit, sein Selbstvertrauen, seine Originalität, seine Selbstkontrolle und sein Feinsinn – dies alles soll im Schnitt seiner Kleidung erkennbar sein.«89 Brummell ist nicht mehr der Gentleman traditionellen Zuschnitts. Der Gentleman-Kodex wird erweitert, bleibt aber in seiner Substanz unangetastet. Er verliert den Charakter eines traditionsgebundenen, dementsprechend wenig reflektierten Verhaltensmusters und wird schließlich zu einer durch Reflexion erhärteten und 44

Provokation und Auflehnung

explizit formulierten Doktrin ausformuliert: dem Dandyismus. Was im Adel ein mehr oder weniger fragloses Herkommen ist, wird durch den Emporkömmling Brummell als etwas Neuerworbenes bewusst gepflegt und weiterentwickelt. Es findet seinen Ausdruck in einem über die Maßen strengen Exklusivitätsverhalten: Wer ein Gentleman ist, entscheidet der Diktator der Mode. Das Dandytum bot sich im Laufe des 19. Jahrhunderts immer wieder als ein Auszeichnungsmerkmal des Adels an, der sich durch die wachsende wirtschaftliche Potenz des Bürgertums herausgefordert fühlte. Es erlaubte ihm, eine Attitüde der Überlegenheit einzunehmen, ohne dass diese durch Reichtum und Macht länger gerechtfertigt war. Es war dies eine Attitüde, die sich vom vulgären bourgeoisen Bereicherungsstreben abgrenzte.90 Andererseits bediente sich der bürgerliche Parvenü der Pose des Dandys, um seinen Anspruch auf Zugehörigkeit zu den besten Kreisen zu reklamieren. In der viktorianischen Epoche verstärkte sich in der vom Mittelstand getragenen Presse die Kritik an der Immoralität des Dandys. Dem Dandy der Regency-Zeit wurde der wahre Gentleman als eine moralische Instanz gegenübergestellt. Dieser Gentleman war männlich im herkömmlichen Sinne und nicht effeminiert wie der Dandy. Man wird in der Geschichte des Dandytums immer wieder lesen, dass dieser oder jener Dandy darauf beharrte, ein Gentleman zu sein.91 Die spätere Wandlung des Dandytums im Fin de Siècle und im 20. Jahrhundert schließt auch eine Transformation des Gentlemanideals mit ein.

Provokation und Auflehnung Durch Barbey d’Aurevilly und Baudelaire kommt es zu einer Akzentverschiebung in der Bedeutung des Wortes Dandy, die typisch französisch ist. Das Element der Revolte, die ethischen und spirituellen Eigenschaften werden stärker betont, sogar auf Kosten der äußeren Eleganz. Zum aristokratischen Formalkult tritt die weltschmerzliche Erfahrung existentieller Isolation. Die Überlegenheit Brummells bestand in seiner Meisterschaft im Umgang mit den Regeln und Usancen der Society. Diese erlaubte ihm, mit den Regeln spielerisch umzugehen und die Grenze zwischen Konformismus und Exzentrik zu markieren. Bestehen indes solche Konventionen nicht mehr und die Konventionslosigkeit triumphiert, so lehnt sich der Dandy dagegen auf und kehrt zur Tradition verbindlicher Regeln zurück. In Barbey d’Aurevillys Brummell-Essay heißt es: »Jeder Dandy ist ein Provokateur, aber ein Provokateur mit Takt, der beizeiten innehält und zwischen 45

3 Phänomenologie des Dandytums

Originalität und Exzentrizität Pascals berühmten Schnittpunkt findet.«92 Man muss die Stelle im Zusammenhang mit dem Byron-Zitat lesen, dem zufolge der Dandy ohne, wie Barbey zitiert, »eine gewisse erlesene Originalität« nicht existiere. Bei Byron ist allerdings nicht von Originalität, sondern von Schicklichkeit (»propriety«) die Rede. Dem Dandy kommt es folglich darauf an, zwischen Schicklichkeit und Exzentrizität den Schnittpunkt zu finden. Brummell suchte sich weniger durch Originalität auszuzeichnen als durch impertinenten Umgang mit den Regeln der Schicklichkeit. Der Beau erlaubte sich eine Vielzahl von Unverschämtheiten, die man als Provokationen bezeichnen kann. Seine Unverschämtheiten waren in eine Strategie eingebunden, andere zu beeindrucken, zu verblüffen und zu überwältigen. Sie sind von seinem Machtbewusstsein nicht zu trennen. Barbey d’Aurevilly und Baudelaire, beide verarmt und gezwungen, Abstriche an ihrem Perfektionsanspruch als Dandys zu machen, sind nicht mehr Provokateure mit Takt, sondern Provokateure, denen die Schicklichkeit wenig bedeutet, die sich ihr Verhalten nicht mehr von der Konvention diktieren lassen wollen. Der Charakter des Widerspruchs und der Auflehnung und der Kampf gegen die Trivialität erfordern höchste Bewusstheit und Selbstzucht. Deshalb die Forderung Baudelaires, der Dandy müsse sein ganzes Streben darauf richten, ohne Unterbrechung erhaben zu sein. Die »Blumen des Bösen«, schreibt der Dichter, wurden »einzig dazu geschaffen, mich zu zerstreuen und meiner leidenschaftlichen Lust am Widerstand zu frönen«.93 Ein spätes Echo dieser aggressiven Frontstellung gegen die Gesellschaft findet sich Mitte des 20. Jahrhunderts bei Albert Camus: »Der Dandy steht von Berufs wegen in der Opposition. Er erhält sich nur durch Herausforderungen aufrecht. (…) Immer im Bruch mit der Welt, immer am Rande, zwingt er die Anderen, indem er ihre Werte verneint, ihn selbst zu erschaffen. Er spielt sein Leben, das er nicht leben kann.«94 Baudelaire und Camus räumen dem Dandyismus den Rang einer Philosophie ein, die den überlegenen Geist unabhängig von seinem historischen Ort kennzeichnet. Der Dandyismus ist eine »Fundamentalkategorie des eleganten, des unabhängigen, anspruchsvollen, herausfordernden Menschen«95, der eine Verbindung mit jeder möglichen, vom Zeitgeist stets unterschiedlich geprägten Persönlichkeit eingehen kann. Der Dandy ist stets überlegen, er will überraschen, in Erstaunen versetzen. Er geht dabei aber nie unter sein Niveau. Seine Überlegenheit demonstriert er durch Witz und Schlagfertigkeit, durch Ironie und funkelnde Paradoxe. Man 46

Heroismus

denke an den Sprachwitz in den Gesellschaftskomödien Oscar Wildes. Andererseits findet man bei Künstlerdandys in der Nachfolge des irischen Spötters oft einen Hang zur Aggressivität. Es sei für ihn Wildes Vermächtnis gewesen, bekennt der Dadaist Hugo Ball, den common sense stets und um jeden Preis zu frondieren.96 Doch selbst der romantische Dandy à la Byron, mit seinem Hang zum Satanischen, zu demonstrativer Amoralität, muss, wenn er Dandy sein will, seine Provokationen am ästhetischen Prinzip vollendeter Eleganz messen lassen. Selbst im Extremfall, nämlich dem des Dandys in Gestalt des Verbrechers, gilt die Maxime, dass das Verbrechen in den Mitteln seiner Ausführung niemals vulgär sein darf, sondern ästhetischen Ansprüchen zu genügen hat. Der Schriftsteller Ernst Jünger meint, das in einem normal gewordenen Nihilismus erstarrte Bürgertum mit dandyistischen Mitteln des scandaliser les bourgeois anzugreifen, gehöre heute schon zur Unterhaltungsliteratur. Das Wagnis liege immer nur in den Anfängen.97 Gewiss wird diese Haltung heute noch in Teilen der Kunstszene gepflegt. Doch die Provokationen sind entsprechend der geringeren Hemmschwelle und der Abgestumpftheit des Publikums gröber und plumper geworden. Man will um jeden Preis spektakulär sein. An sich schon ein vulgärer Zug, denn der Dandy sucht nicht die Sensation oder das Spektakel. Er greift subtiler zu. Der impertinente, provokativ auftretende Dandy ist immer auch ein Produkt der Gesellschaft, von der er sich distanziert. Er kann ihren Gesetzen nicht vollständig entrinnen.

Heroismus Baudelaires Bestimmungen des Dandys entsprechen in ihren wesentlichen Zügen der Darstellung, die Barbey d’Aurevilly von Brummell gegeben hat. In seiner soziologischen Zuordnung dieser Figur unterscheidet sich Baudelaire jedoch von Barbey. Hatte dieser aus Brummell einen Bannerträger der Eleganz gemacht, dessen Erfahrungshorizont auf die große Welt begrenzt blieb, so gewinnt der Dandy durch Baudelaire eine neue Dimension durch die Konfrontation mit der Masse. Baudelaires Dandys sind von anderem Schlage als der Ur-Dandy Brummell. Sie tragen dem Umstand Rechnung, dass es keine Society mehr gibt, die sie stützt. Ihr Adressat ist nicht der Adel, sondern die bürgerliche Öffentlichkeit. Baudelaire stellte sich schon Mitte des 19. Jahrhunderts die Frage, wie man im Zeitalter der Masse Dandy sein könne. Nicht die große Welt, die Masse 47

3 Phänomenologie des Dandytums

ist der Spiegel, vor dem der Dandy sich seines Erscheinungsbildes versichert. Er wird zum Heros des modernen Lebens, der seinen Aktionsradius vom Club und Salon auf den Boulevard der Großstadt ausdehnt. Er setzt sich dem Neuen aus, das die Großstadt an Eindrücken bietet. Er wird zum Flaneur, zum Einsamen in der Menge. Ziel der Bestrebungen Baudelaires ist die Schaffung eines Männlichkeitsideals: des heroischen Müßiggängers und Elegants, Verkörperung des Erhabenen und des menschlichen Stolzes im angehenden Massenzeitalter. Der moderne Großstadtdandy als Künstler ist ein Gegentypus zum aristokratischen Clubdandy, der die Masse meidet und sich in exklusive Räume zurückzieht. Mit Baudelaire ist eine existentielle Abkehr vom aristokratischen Gesellschaftsdandy vollzogen. Im realen Leben spielte der Dichter den Dandy auf der Bühne der Boheme, wo er durch peinlich korrekte Kleidung mit einem gewollten Anstrich englischer Einfachheit, um sich von der Künstlerart abzuheben, und durch exaltierte Manieren verblüffte. In der von Baudelaire durchdachten und realisierten Gestalt wird der Dandy zum Vorbild für Künstler zukünftiger Generationen, die in dieser Maskierung ihre Verachtung für den Bourgeois zum Ausdruck bringen. Als Einsamer in der Menge wehrt er sich gegen die Gewöhnlichkeit, die um ihn aufsteigt.

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4 Der Dandy vom Ende der Belle Époque bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts

Die vorstehenden Bemerkungen zur Phänomenologie des Dandytums sind auf den Erscheinungstypus des 19. Jahrhunderts gemünzt. Wenn wir uns nun dem Dandy des 20. Jahrhunderts nähern, so müssen wir uns fragen, was von diesen Wesensmerkmalen geblieben und was an neuen Verhaltenseigenschaften und Wirkungsstrategien hinzugekommen ist. Im Fin de Siècle erlebte das Dandytum europaweit eine Renaissance. In England waren es neben den Repräsentanten der »Aesthetic Movement« Oscar Wilde, Aubrey Beardsley und Max Beerbohm Politiker wie Arthur Balfour, Randolph Churchill und Joseph Chamberlain, die als Dandys von sich reden machten. In Frankreich brachte der Adel ebenfalls namhafte Dandys wie den Prinzen Boson de Sagan, den Marquis Boni de Castellane und den Grafen Robert de Montesquiou hervor. In Schriftstellerkreisen machten die Brüder Jacques und Marcel Boulenger, Jean Lorrain und Pierre Loti als Dandys auf sich aufmerksam. Italien konnte auf Gabriele d’Annunzio und Deutschland auf Harry Graf Kessler verweisen. Sämtliche Facetten des Dandytums seiner Zeit spiegelten sich in Person und Werk Oscar Wildes wider. Wilde betrieb ein virtuoses Rollenspiel. Er posierte als Dilettant, Flaneur, Dandy, Ästhet, Gelehrter, poète maudit und Schauspieler. Für Wilde stellte das Dandytum ein modernes Phänomen dar. »Ein Mann, der eine Londoner Dinnertafel beherrschen kann, kann die Welt beherrschen. Die Zukunft gehört dem Dandy. Die Männer von Welt sind es, die herrschen werden.«98 Die exquisites, welche in der Welt den Ton angeben werden, sind wie Wilde Konversations- und Selbstdarstellungskünstler. Weit über Baudelaire hinausgehend, begrenzt dieser Dandytypus der Zukunft sein Handlungsfeld nicht mehr auf die große Welt. Er sprengt die Exklusivität des Salons. Mit Wilde tritt der Dandy in das Zeitalter der Massenmedien ein. Seine Bühne ist die breite Öffentlichkeit. Es sind die Presse, die Photographie, das Theater, die Music-Halls und Variétés, die Etablissements 49

4 Der Dandy vom Ende der Belle Époque bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts

des Massen-Entertainments. Dieser Dandy, der zum Star mutiert, sucht den direkten Kontakt zu den Massenmedien, um durch Originalität und Exzentrik ein zahlendes Publikum herauszufordern. Wilde war gewiss auch ein Mann der Society. Er war dort zu Gast, hatte Freunde in diesen Kreisen, wurde als Entertainer geschätzt. Doch sein Wirkungsradius erstreckte sich vor allem auf das große Publikum und die Boulevardpresse, der er ständig Schlagzeilen lieferte. Sein Leben war ein Spagat zwischen dem mondänen Highlife und den Niederungen der Massenkultur. Als einer der Führer der ästhetischen Bewegung prägte Wilde den Zeitgeschmack. Er war sich auch nicht zu schade, als Journalist seine Schönheitsvorstellungen unter das Publikum zu bringen oder als Vortragskünstler durch das Land zu ziehen, um den Sinn für Schönheit zu wecken. Für einen Dandy war der junge Wilde, der auf dem Piccadilly ostentativ ein Phantasiekostüm spazieren führte, freilich nicht raffiniert genug. Das Dandytum als eine Art Lebensphilosophie wuchs ihm erst in späteren Jahren zu. Der Kleidungsstil des späten Wilde war von erlesener Eleganz. Die Zeit des Pfauenkostüms war vorbei. Wilde fiel es freilich schwer, den charakterlichen Anforderungen des Dandys ganz zu genügen. Er war zu vergnügungssüchtig und verstand es nicht, wie ein wahrhafter Dandy seine Affekte zu kontrollieren. Der Prozess wegen Homosexualität, dem er sich durch Flucht ins Ausland hätte entziehen können, wurde zu seinem Waterloo. Er stellte sich der öffentlichen Inquisition eingedenk der Gefahr, sich dabei zu kompromittieren, statt sich kaltblütig wie viele Vorgänger dem gesellschaftlichen Strafgericht zu entziehen. Wildes Heroismus war nicht der eines Dandys, der sich nicht offenbart, sondern sein wahres Ich hinter einer Maske verbirgt. Zur Zeit Wildes gab es in der Upperclass noch eine Reihe von Dandys, von denen sein literarisches Werk Zeugnis ablegt. Das Dandytum verlagerte sich aber mit dem Exklusivitätsverlust der Society mehr und mehr in die bürgerliche Öffentlichkeit. Es waren die Repräsentanten der demi-monde, glamouröse Bühnenstars und sich im Glanz des Highlife sonnende Künstler, die einen solchen Resonanzboden benötigten, um auf dem Markt zu reüssieren. Der reiche Müßiggänger, der nichts anderes im Sinne hatte, als sich zu vergnügen, begrenzte seine Selbstdarstellung meist auf das bewährte Terrain der Clubs und Salons und andere etablierte Schauplätze des eleganten Lebens. Er war auf die Resonanz der Massenmedien nicht angewiesen. Sein Dandytum blieb eine elitäre Daseinsform, während der aufstrebende Künstler es als Vehikel benutzte, um Publicity zu erlangen. 50

Vom Fin de Siècle zur Café Society

Vom Fin de Siècle zur Café Society Mit dem Niedergang der großen Welt kam diese Glanzepoche zu ihrem Ende. Die Begriffe von Schönheit, Anmut und Eleganz, die um 1900 in mondänen Kreisen Gültigkeit besessen hatten, nahmen neue Bedeutungen an. Die Abschaffung der Adelsprivilegien nach dem Ersten Weltkrieg, der Verlust an politischem Einfluss und ökonomischer Macht hatten Folgen für die adlige Lebensführung. Der Lebenskampf machte aus dem adligen Seinsmenschen den bürgerlichen Leistungsmenschen und zerrieb die aristokratische Lebensart.99 Der an den Adel gebundene Stil der Salongeselligkeit und Konversation war nicht mehr länger aufrechtzuerhalten. Weitere Gründe für den Niedergang der Geselligkeitsformen der vornehmen Kreise waren der sich ausbreitende Massensport, die Zunahme der Reisetätigkeit und das Aufkommen neuer Kommunikationsmedien. Der aristokratische oder mit der Aristokratie sympathisierende Gesellschaftsdandy fand nach 1918 ein völlig verändertes soziales Terrain vor, das ihn in seinem Selbstverständnis herausforderte. Die beau monde gruppierte sich neu. Der Adel spielte in Geschmacksfragen keine entscheidende Rolle mehr. Neureiche begannen den guten Ton zu diktieren und brachten denen, die früher über ihnen standen, die Umgangsformen aus der Gesindestube bei. Gewiss gab es noch Leute von Welt, aber diese waren weder willens noch fähig, eine exklusive Gesellschaft zu bilden. Der Reichtum bestimmte über den Zutritt zur Society. André de Fouquières, ein anerkannter Arbiter elegantiarum jener Zeit, schreibt: »So entstand eine zusammengewürfelte, buntscheckige Gesellschaft, die durch die Art, sich darzustellen, schnell Publizität gewann. Oft verachtet, manchmal beneidet – waren diese Leute (...) glücklich, jene in den Schatten zu stellen, denen sie nachfolgten, ohne doch jemals in der Lage zu sein, sie zu ersetzen.«100 Da die großen Vermögen sich in nichts aufgelöst hatten, begannen die Privilegierten von einst, sich für den Luxuskommerz zu interessieren, wohl wissend, dass ein auf materiellen Verdienst angewiesener Adliger eigentlich ein Widerspruch in sich ist.101 Sie betätigten sich als Antiquitätenhändler und Modemacher und eröffneten Kunstgalerien. Früher als demi-monde ausgegrenzte Kreise bevölkerten die Salons oder das, was von dieser traditionsreichen Einrichtung noch übrig geblieben war. In der neu entstandenen Society in London und Paris, New York und Berlin, die durchsetzt war von altem und neuem Reichtum, von Stars von Film und Bühne, war die Etikette von ehemals nicht mehr 51

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gefragt. Die große Welt wurde mehr und mehr durch die Welt der Berühmtheiten (»celebrities«) abgelöst, in der nicht mehr die Herkunft, sondern der durch die Öffentlichkeit vergebene Prominentenstatus zählte. Was als stilvoll und elegant zu gelten hatte, bestimmten nicht mehr der kultivierte Weltmann oder die gewandte Salondame, sondern die Verfasser der Klatschspalten der Boulevardpresse. Die neuen Trends setzten die Mode- und Unterhaltungsindustrie und ihre Protagonisten. Die Presse übernahm die Rolle von Multiplikatoren. Die Society von früher mutierte zur Café Society.102 Man traf sich nicht mehr allein in den Stadtpalais und exklusiven Clubs. Die elegante Welt präsentierte sich in der Öffentlichkeit, in den Hotels, Restaurants, Nachtclubs und Cafés. Zeitschriften wie Vogue und Vanity Fair definierten die neue Society als eine komplexe Einheit, die sich aus den Künsten, dem Theater und dem Film zusammensetzte. Die Bildung einer neuen attraktiven Aristokratie der Schönen und Talentierten schuf neue Zentren des Prestiges und der Exklusivität und neue Rituale der Selbstdarstellung. Die Welt der Stars von Film und Bühne berührte sich in ihrem Konsumverhalten mit der den Luxus protegierenden Halbwelt der europäischen Vorkriegszeit. Die stilprägenden Männer entstammten in der Regel nicht mehr dem aristokratischen Milieu. Hier zeichnet sich eine Neukonstruktion des Dandys ab. Er behielt die wesentlichen Attribute bei – Eleganz, Raffinement, Savoir-vivre, Haltung und Selbstsicherheit –, übertrug sie aber in eine neue Zeit und in ein neues Milieu. Bevor wir die Vielzahl moderner Dandys aus nichtaristokratischen Kreisen Revue passieren lassen, gestatten wir uns einen Blick auf jenen Dandytypus, der dem aristokratischen Habitus verhaftet blieb und der Männerwelt der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor Augen führte, was es heißt, ein Bannerträger der Eleganz zu sein. Dass nicht nur ein Engländer oder Franzose, sondern auch ein in Deutschland wirkender Gentleman hier eine Vorbildfunktion erfüllte, mag denjenigen erstaunen, der den Dandy für ein Produkt der englisch-französischen Zivilisation hält. Dies trifft zweifellos zu, was den Ursprung dieser eigentümlichen Spezies betrifft. Anhänger dieser Lebensphilosophie lassen sich jedoch überall dort aufspüren, wo Ansätze zu einer ästhetischen Ritualisierung des gesellschaftlichen Lebens vorhanden sind.

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Ein deutscher Dandy: Harry Graf Kessler103

Ein deutscher Dandy: Harry Graf Kessler103 Ein Pendant findet der französische Décadent und Dandy Robert de Montesquiou in Harry Graf Kessler (1868–1937), einem der wenigen Dandys von Format, welche die deutsche Gesellschaft hervorgebracht hat. Auf einem von Edvard Munch gemalten Porträt (1906) ähnelt er in seiner überaus schlanken, feingliedrigen Gestalt auch äußerlich dem französischen Exzentriker, den James McNeill Whistler 1891 im Bild festgehalten hat. Die als Dandys bekannt gewordenen deutschen Aristokraten waren meist durch Herkunft und Erziehung englisch-französisch geprägt. Fürst Hermann von Pückler-Muskau hatte mütterlicherseits französische Wurzeln. Lange Aufenthalte in Frankreich und England waren für die Formung seines Habitus entscheidend. Beim ersten Anblick wurde er fast immer für einen englischen Gentleman gehalten.104 Graf Wilhelm von Redern ist in England erzogen worden und lernte dort die Regeln des eleganten Lebens ken1 Harry Graf Kessler, 1906. nen. Man hat ihn den ersten Dandy Preußens genannt.105 Fürst Felix von Lichnowsky hielt sich ebenfalls lange im westlichen Ausland auf und verblüffte bis zu seinem frühen Tod 1848 durch sein dandyhaftes Auftreten die Berliner Gesellschaft ebenso wie die Nationalversammlung in Frankfurt.106 Während sich der englische Einfluss stark auf den Geschmack der »guten Gesellschaft« in Paris und Sankt Petersburg, in Rom und Wien auswirkte, hielt 53

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sich der Hang zur Anglomanie in Berlin in Grenzen. Mitte des 19. Jahrhunderts lebte man in der preußischen Hauptstadt bescheiden. Große Vermögen waren beim Adel selten und nur wenige konnten sich den luxuriösen Lebensstil der englischen Aristokratie leisten. Zentrum des eleganten Lebens in Deutschland war Baden-Baden, wo sich die europäische Society jährlich ein Stelldichein gab. Erst mit der Gründung des Kaiserreichs 1871 entstand in Berlin eine mondäne Gesellschaft, die Anschluss an das Highlife in London, Paris und Wien suchte. Bislang hatte es in Deutschland eine Vielzahl »guter Gesellschaften« gegeben, die nicht in einer großen, zentralen Society zusammengefasst waren.107 Das sollte sich nun ändern. Doch blieb es bei einer kurzen Episode. Der Berliner Hofgesellschaft gelang es »nur beschränkt, diese zentralisierende und integrierende Rolle zu spielen«.108 Eine Sozialfigur wie der Dandy konnte in einer Society, der es an Homogenität mangelte, keine die Mode bestimmende Rolle spielen. Er blieb eine Randerscheinung. Harry Graf Kessler war sich über diese Besonderheiten im Klaren. In seinem Tagebuch notiert er: Schon bei Molière empfindet man dieses zur Natur gewordene Funktionieren der französischen Gesellschaft, so dass Typen, d. h. die Abbilder der in ihr immer wiederkehrenden Funktionen, sie fast vollständig ausdrücken; während zur Darstellung einer noch nicht so zusammengewachsenen, noch halb chaotischen Gesellschaft Individuen, stark gezeichnete Einzelfälle nötig sind. Wie Jeder hier in Frankreich auf seinen Platz findet, ob Kokotte oder Bankier, während bei uns Jeder sich erst seine Haltung zur Umwelt selber konstruieren muss. Hier legt sich Jeder nur in das längst gemachte Bett, in die längst feststehende Position seiner Funktion.109 Der Dandy findet in Deutschland nicht auf seinen Platz, da die Gesellschaft – die Society – noch nicht so zusammengewachsen ist wie in Frankreich. Er existiert in Deutschland nicht als Typus, als Abbild immer wiederkehrender Funktionen. Er muss sich seine Haltung zur Umwelt erst selber konstruieren. Er existiert nur als »stark gezeichneter« Einzelfall. Kessler war ein solcher Einzelfall ohne gewachsenen sozialen Hintergrund und stilprägendes mondänes Umfeld.110 Der regierende Monarch Wilhelm II. besaß im Unterschied zu Edward VII. keine geschmacksbildende Kompetenz. Kessler sieht in ihm den Mann ohne Linie, außer der des schlechten Geschmacks. Den wilhelminischen Jahrzehnten bescheinigt er steife, protzige Hoffart.111 54

Ein deutscher Dandy: Harry Graf Kessler103

In seinen Lebenserinnerungen »Gesichter und Zeiten« beklagt Kessler, dass es in Deutschland kein allgemeingültiges Vorbild wie den englischen Gentleman gebe, sondern dass ein jeder »so gut er konnte, in sich die Elemente des neudeutschen Menschen zusammenschmieden« musste.112 Den meisten sei dies misslungen und das deutsche Ideal der Bildung erfülle nicht die Bedingungen für die Ausbildung eines solchen Männerideals. »Geschmack, das heißt ein durchgebildetes Gefühl für Formen und Farben, gehörte bestimmt nicht zur ›Bildung‹ (…) Und so wenig wie die Verfeinerung der Sinne war die Durchbildung des Körpers ein Teil der ›allgemeinen Bildung‹.«113 Der deutschen Geistesaristokratie, die den Geburtsadel zu ersetzen oder zu beerben beansprucht, fehle es an gesellschaftlicher Geschmeidigkeit, die den Gentleman auszeichne. Dieser – so Kessler – müsse vor allem Haltung beweisen und stets Herr über sich selbst sein. Kessler sieht im Dandy eine über jeden Tadel erhabene Variante des Gentleman: »Auch die Kleidung eines viktorianischen Gentleman war ihm streng, fast wie einem Ordensbruder, vorgeschrieben; um so kostbarer wirkten kleine willkürliche kokette Abweichungen, Variationen, die der Mann der großen Welt, der ›Dandy‹, sich erlauben durfte.«114 Kessler, als ein Mann der großen Welt, erlaubte sich diese für den Dandy typischen kleinen koketten Abweichungen in der Kleidung. Er verfügte über eine untadelige Haltung und eine natürlich erscheinende, zwanglose Eleganz.115 Für ihn blieben das adlige Kulturmodell und das Modell des städtischen Gentleman verbindlich, in dem das bürgerliche Erwerbsprinzip keinen Platz hatte. Kesslers schriftstellerische Produktivität war beträchtlich. Auch als Redaktionsmitglied einer Kunstzeitschrift, als Museumsleiter und Gründer der Cranach-Presse machte er sich einen Namen. Hervorstechend war jedoch seine Rolle als Sammler, Inspirator und Mäzen. Die diplomatische Tätigkeit blieb ein Intermezzo. »Diese Distanz, die des Beobachters und die des Salonlöwen, macht Kessler zugleich auch zum Außenseiter der gesellschaftlichen Kreise, in denen er sich zwar wie ein Mittelpunkt, aber auf ›höherer‹ Ebene bewegt.«116 Kessler als Dandy ist der Insider als Outsider, der die Gesellschaft zwar benötigt, sie aber gleichsam von außen betrachtet. In diesem Stil, dem »eines seigneuralen Dilettantismus«117, sind auch seine Tagebücher geschrieben. Als Dandy war Kessler ein Dilettant, der im Gegensatz zum Berufsmenschen alle Möglichkeiten auszuschöpfen suchte. Sein Protest richtete sich gegen den Spezialisten, den Fachmann, dem alles Spielerische, Müßiggängerische abhanden gekommen war. Kessler dachte nicht daran, sich auf bestimmte Fähigkeiten festlegen zu lassen, nicht so sehr, weil es ihm an Entschlossenheit oder Willens55

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kraft mangelte, sondern weil sein Lebensentwurf darin bestand, der Welt noch einmal vorzuführen, was es heißt, ein Gentleman zu sein. Der früh verstorbene Dichter Eugen Gottlob Winkler hat den Kern von Kesslers Persönlichkeit deutlich erkannt: »Es zeigt sich sofort, daß die Formung der Persönlichkeit, die sich bisher nur den nächsten Freunden zur Kenntnis und Schätzung ergab, die zentrale Leistung seines Lebens bedeutet. Die Persönlichkeit wird zum Kunstwerk; aber, wohl zu verstehen, gar nicht im Sinne eines Übermenschentums, das nach der schrankenlosen Selbstherrlichkeit des Individuums strebt, sondern nach antiker Weise: von Naturanlage und Gegebenheiten des Geschicks nur ausgehend, um durch Selbsterkenntnis und durch die Formung des Vorhandenen, die höchst bewußt und willentlich geschieht, das Typische, das als Idee gefaßte Bild des Menschen zu verwirklichen.«118 Der Dandy als eine Spielart des Gentleman hatte in der wilhelminischen Epoche nur begrenzte Entfaltungsmöglichkeiten. Das vorherrschende adlige Männlichkeitsideal des modernen Ritters, in dem der Kavalier und der Krieger eine Synthese eingingen, wurde mehr und mehr an den Rand gedrängt. Zunächst dominierte im Kaiserreich noch eine Form adliger Männlichkeit, »(…) in der die militärischen Elemente mit der Präsentation von Eleganz, Bildung, Kultiviertheit, verfeinertem Lebensgenuß und einem betont mondänen Stil verschmolzen.«119 Um die Jahrhundertwende geriet dieses Männlichkeitsbild jedoch zunehmend in die Kritik. Seine bürgerlichen und kleinadligen Gegner nahmen Anstoß an dem Effeminierten, Hedonistischen, latent Homosexuellen, das sich mit diesem Entwurf nicht selten verband. Sie plädierten für Tugenden wie Härte, Zucht und Kargheit statt Überfeinerung, Weltläufigkeit und Eleganz. Das englische Modell des Gentleman fand nur wenige Befürworter. In der adligen Kriegergesellschaft des Ersten Weltkriegs wurde dieser zivile Typus gänzlich marginalisiert. In der Atmosphäre der Gewalt, die in der Weimarer Republik herrschte, musste die Figur des modernen Ritters schließlich zerbrechen.120 Einzig in Kreisen des Hochadels hat der Typus des Kavaliers, Grandseigneurs und Gentleman noch hier und da überlebt. Graf Kessler verkörperte trotz seiner militärischen Ausbildung und seinem Einsatz im Ersten Weltkrieg eher die unkriegerische Ausprägung des Adligen.121 Sosehr der Dandy ein ziviler Typus ist, sosehr sind ihm doch die militärischen, kriegerischen Tugenden nicht völlig fremd.122 Das Dandyideal basiert auf Selbstkontrolle, Härte und Disziplin. Der »klassische« Dandy ist 56

Décadent und Kämpfer: Gabriele d’Annunzio

– wie oben beschrieben – kein verweichlichtes Luxusgeschöpf, sondern auf Selbstzucht angewiesen. In ihm kommen beide Pole zusammen: die Härte bzw. das Kriegerische des Ritters und die Eleganz und Nonchalance des Kavaliers. Freilich ist das Kriegerische durch die höfische Tradition zivilisiert. Es findet beim Dandy seine Umwandlung in der provozierenden Schärfe seiner Rede, in der Lust an der Provokation, in der Tollkühnheit im Spiel und sportlichen Bravourakten. Ein Dandy, wie Kessler ihn repräsentierte, bot in Preußen manche Angriffsfläche, da er dem soldatischen Typus nicht entsprach. Zudem galt die rein zivile Ausprägung des Dandys in ihrer Orientierung an englischen und französischen Verhaltensmodellen im nationalistischen Klima des späten Kaiserreichs als »undeutsch«. Insofern stellte Kessler eine Ausnahmeerscheinung dar. Der soldatische Dandy, der sich in Offizierskreisen nicht selten vorfand, kann dagegen als der spezifisch deutsche Beitrag zur Geschichte dieser Spezies angesehen werden.123 Ihn gibt es freilich auch in England – man denke an den Herzog von Wellington oder Captain Gronow – und in Frankreich in Gestalt des Generals de Galliffet und des von Baudelaire geschätzten Paul de Molènes. In seiner dekadenten Spielart ist dieser Dandytypus jedoch vor allem in Italien zur Vollendung gediehen.

Décadent und Kämpfer: Gabriele d’Annunzio Gabriele d’Annunzio (1863–1938) gilt neben Robert de Montesquiou und Oscar Wilde als der Prototyp des dekadenten Dandys, obgleich er von ganz anderem Schlage war als diese beiden Salonhelden. Er gab sich nicht mit der Rolle des Literaten und Décadent zufrieden, sondern kämpfte als Soldat. Wie Wilde verstand er es, seine Person geschickt zu vermarkten. Schon früh spiegelte sich seine dekadente Grundhaltung in seinem Erscheinungsbild wider. Er erschien aufgeputzt und zurechtgemacht.124 D’Annunzio, der sich früh mit Nietzsche auseinandersetzte, begnügte sich nicht mit bloßem Ästhetentum. Der geistige Aristokratismus und die Verherrlichung des starken Individuums durch den Philosophen waren für ihn ein Ansporn zu aktivem Handeln und der Anreiz, die Rolle eines von Vitalismus und Sensualismus durchdrungenen Renaissancemenschen zu spielen. D’Annunzio als einen Dandy zu bezeichnen bedeutet, ihn in einer Reihe jener Belle-Époque-Figuren zu postieren, die auf großem Fuße ein Leben des exorbitanten Luxus und der demonstrativen Verschwendung führten. Aus 57

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einem bürgerlichen Elternhaus in den Abruzzen stammend, verband er seine Erfolge als junger Dichter mit dem Bedürfnis, sich als Lebemann zu inszenieren, der sich dem Zeitgeist gemäß dekorativ einrichtete und kostümierte. Dafür besaß er ein besonderes Talent, durch das er andere junge, aufstrebende Schriftsteller und Journalisten überragte. Durch die instinktsicher angesteuerte Einheirat in die römische Hocharistokratie verschaffte er sich Zugang zur großen Welt. Wie der junge Proust berichtete er in Zeitungskolumnen über das Leben der Schönen und Reichen. Er schaffte es, die Frauen für sich zu einzunehmen und seinen Zwecken dienstbar zu machen. Ohne weibliche Protektion – das wussten auch Wilde und Proust – war in der Society kein Aufstieg möglich. In seinem ersten großen Roman »Lust« (1889) entwirft D’Annunzio eine elegante Szenerie in Anlehnung an Huysmans’ »Gegen den Strich« (1884) und in Vorwegnahme von Wildes »Das Bildnis des Dorian Gray« (1890). Das Werk ist ein Porträt der römischen Society und ihrer dekadenten Lebensform. D’Annunzio war ganz und gar ein Kind seiner Zeit: des Jugendstils. Der Hang zum Dekorativen, Preziösen und Ornamentalen, zum Plüschigen und zum Bric-à-Brac kennzeichnete auch die Lebensweise der Dandys jener Epoche. Boni de Castellane und Robert de Montesquiou in Frankreich, James McNeill Whistler, Oscar Wilde und Aubrey Beardsley in England und Gabriele d’Annunzio in Italien repräsentierten ein dekadentes, überfeinertes, überzüchtetes Dandytum mit einem Hang zum Morbiden. Bei D’Annunzio kam jedoch ein Weiteres hinzu. Er war nicht der todesverfallene Décadent wie Huysmans’ Held Des Esseintes oder der ins Verbrechen abgleitende Dorian Gray Oscar Wildes. Der italienische Dichter war ein Hedonist, ein vitaler Genießer, ein Kämpfer und Krieger, der sich der neuen Medien der Photographie und des Films virtuos bediente. Dieses Kriegertum wiederum diente der Selbstdarstellung des Ästheten. Es war vor allem ein spektakuläres, bühnenreifes, sensationsbedachtes Kriegertum, ein L’art pour l’art des Krieges.125 Die militanten Züge seines »abenteuernden Individualismus« (Otto Mann) verdanken sich nicht zuletzt seiner Herkunft aus einer halb barbarischen italienischen Provinz.126 D’Annunzio war wie der junge Ernst Jünger ein Kämpfer an der Front, wenn auch nicht als Infanterist im Schützengraben. Er betrachtete den Krieg vornehmlich aus der Vogelperspektive vom Flugzeug aus oder aus der Perspektive des Balkons, von wo er – ganz Demagoge und Volkstribun – feurige Ansprachen an die Massen richtete. Freilich war er nicht nur Zuschauer und Choreograph, sondern auch aktiver Gestalter der Revolte und des Exzesses. 58

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Über D’Annunzios Herrschaft über die Adriastadt Fiume bemerkt Gerd-Klaus Kaltenbrunner: »Sie war eher ein mit raffiniertem Geschick inszeniertes Spektakel, eine Art von Oper, Volksfest und Soziodrama, in dessen Mittelpunkt der Dichter dionysischen Lebens, der ›Comandante‹ und Rhetor d’Annunzio stand.«127 D’Annunzio repräsentierte nicht das strenge Dandytum eines Brummell, Barbey d’Aurevilly oder Baudelaire. Dazu war er zu sehr Künstler und Schauspieler seiner selbst, der den Erfolg auf dem Markt suchte. Als Frauenheld blieb er immer Herr der Lage. Allein in der Marchesa Luisa Casati, einer Exzentrikerin ersten Ranges, fand er eine kongeniale Geistesverwandte und seine Meisterin. Sie war ein veritabler Dandy, die einzige Frau, die ihn in Erstaunen versetzte. Sie gab sich ihm hin, ohne sich jemals an ihn zu verlieren.128 D’Annunzio wurde unter den Dichtern seiner Zeit viel Anerkennung und Bewunderung zuteil. Doch sein Hang zum Schwülstigen und Überzuckerten brachte ihm auch Kritik ein. Dies gilt auch für sein Dandytum. Zwar erwies ihm einer der letzten englischen Dandys der Wilde-Epoche, Max Beerbohm, in seinem bizarren Wohnsitz, dem Vittoriale in Gardone am Gardasee, seine Reverenz. Doch der hochdekorierte Kriegsheld und geistige Wegbereiter des italienischen Faschismus ließ mehr und mehr das vermissen, was einen Dandy auszeichnet: das rechte Maß und die Selbstzucht. Für einen echten Dandy verwendete D’Annunzio zuviel Parfüm und Weihrauch. Er gab sich elitär gegenüber einem Massenpublikum und verschaffte sich eine Position in der vornehmen Gesellschaft. Von dieser wurde er als großer Dichter hofiert, der herrschaftlich lebte und sich durch die Ehe mit der Duchessa di Gallese als zugehörig ausweisen konnte. Dennoch war er aus der Sicht des hochmütigen Geburtsadels kein Mann von Familie, wie Harold Nicolson maliziös notierte.129 D’Annunzio kannte die italienische Society und porträtierte sie in seinen Romanen, so dass jene, die ihr angehörten, wie auch jene, die von ihr ausgeschlossen waren, die Werke sensationsgierig verschlangen. D’Annunzio war ein Mann des Theaters und genoss die Theatralik auch in seinen Auftritten. So trennte ihn oft nicht viel von einem öffentlichen Clown, obgleich er sich als einen Helden ausgab. Zweifellos trifft zu, dass es D’Annunzio materiell und medial gelang, sich als Verkörperung des eigenen Dandyideals zu präsentieren.130 Dieses Ideal gründete sich auf den ästhetischen Fundus des Ästhetizismus und der Décadence, allerdings weniger auf das Subtile und Raffinierte eines Mallarmé als auf das Aufgedonnerte und Flamboyante eines Jean Lorrain. 59

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Robert de Montesquiou und Boni de Castellane waren dennoch von ihm angetan, ebenso wie Maurice Barrès und Marcel Boulenger. Das italienische Kolorit ließ D’Annunzio in ihren Augen als ein exotisches artifizielles Produkt erscheinen. Montesquiou fand in D’Annunzio jene barbarische Vitalität, die ihm selbst fehlte und nach der es ihn verlangte. Das Schwelgen in verfeinerten Genüssen ersetzte die Spiritualität, die den Baudelaire’schen Dandy in seiner idealen Gestalt auszeichnet. Baudelaire, so ließe sich einwenden, wurde diesem Ideal selbst nicht immer gerecht. 2 Gabriele d’Annunzio, 1906. Der verarmte Dichter sah sich mehr und mehr gezwungen, seinem Dandytum ein asketisch-priesterliches Aussehen mit buffonesken Zügen und eine quasireligiöse Aura zu verleihen. Man hat D’Annunzio einen modernen Lord Byron genannt, eine Mischung aus Dichter, Weltmann und Freiheitsheld. Nun war das politische Engagement D’Annunzios wohl nur begrenzt dazu angetan, in ihm einen Kämpfer für die Freiheit zu sehen. Er war ein militanter italienischer Nationalist, der gern ein moderner Garibaldi hätte sein wollen. Für Mussolini – kein Dandy, sondern ein kühl kalkulierender Politiker – war D’Annunzio nicht nur Weggefährte, sondern auch Rivale. Als er lästig zu werden drohte, finanzierte der Duce dem Ästheten und Kriegsveteranen ein dessen Eitelkeit schmeichelndes prächtiges Refugium. D’Annunzio hatte sich in den zwanziger Jahren selbst überlebt. Die Zeit des Jugendstils war vorbei. Das Gesamtkunstwerk, das es im Vittoriale zu bestaunen gibt, stellt eine divenhafte Kuriositätensammlung dar. Der kulturelle Fundus wird zum Bric-à-Brac.131 Er besteht aus Versatzstücken verschiedenster Provenienz. Ihresgleichen sucht die gigantische Kleider- und Schuhsammlung des Dichters. Über eine Ausstellung zur Garderobe des Gabriele d’Annunzio im Palazzo Pitti in Florenz wird berichtet: 60

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Hausschuhe mit Wappen bestickt, Hausschuhe mit Schnallen oder Schnüren, flach wie Ballerinenschühchen, Kampfstiefel und Reitstiefel, Stiefel zum Schnüren und Schlupfen, Schuhe in allen Farben und Formen, Schuhe aus Leder und Sandalen aus Silber gar, Schuhe mit Laschen in Form männlicher Geschlechtsteile, Barette und Hüte, Kappen und Mützen; Tausende von Seidenstrümpfen und Wäschestücken, Handschuhen und Taschentüchern, Tausende von Bindern, Kragen und Schleifen; Anzüge, mal schlicht, mal wild, Morgen-, Nachmittags-, Straßen-, Sport- und Abendanzüge, gewöhnliche Uniformen und Galauniformen, Jacken, mal blaß, mal bunt, Hosen aus Seide, Tweed und Wolle, in jeder Form und Farbe; Mäntel aus Leder und Kamelhaar, dünn und dick, mit Pelz gefüttert und Verzierungen besetzt, Morgenmäntel wie aus Tausendundeiner Nacht, Hemden, in unvorstellbarer Vielfalt und unzählbarer Fülle, kuttenähnliche Schlafröcke und Nachthemden schließlich, die Zentimeter unterhalb des Bauchnabels einen kreisrunden und goldumstickten Ausschnitt haben.132 Im Synthetisieren und Amalgamieren zeigt sich die ganze Tragweite und ideologische Substanz des Dandytums von Gabriele d’Annunzio. Er sah sich Nietzsches Idee des Übermenschen verpflichtet, einer elitären gedanklichen Figur, die er in die Lebenspraxis seiner Zeit, der Zeit der Massenbewegungen, überführen wollte.133 Herausgekommen ist dabei ein martialischer Kriegsheld und faschistischer Ideologe, ein bewaffneter Ästhet und zu politischer Revolte entschlossener Salonlöwe. D’Annunzio hat Nietzsches Entwurf einer Selbstformung und Selbstüberwindung des suchenden, schaffenden Menschen, der seinem Charakter Stil gibt, als Aufruf zur politisch-heroischen Tat eines modernen Kondottiere missverstanden.134 »Ist der Reiz der ästhetischen Raffinierungen erschöpft, so liegt der Umschlag nahe. Dann wird der Reiz des Antiästhetischen, des Niedrigen, Brutalen gesucht«,135 schreibt Otto Mann über den dekadenten Dandy. Diese hypertrophe Gestalt des Nietzsche’schen Übermenschen gehört zur Ahnenreihe des Camp: des schrillen, effektsuchenden Dandyismus in der Massengesellschaft. »Der Vertraute der Musen endet als Museumswärter.«136 In der Postmoderne scheint dieser Stilmischmasch wieder aufzuleben und seine Rechtfertigung zu erfahren.

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»Amerikanisierung« des Dandytums in der Zwischenkriegszeit: Edward Herzog von Windsor Seit Ende des Ersten Weltkriegs prägte die medial gelenkte Öffentlichkeit mehr als je zuvor das Bild des eleganten Lebens.137 Das Egalitätsstreben der Demokratie diskreditierte den Geist aristokratischer Geselligkeit und schuf neue Formen der Distinktion. Eleganz und Habitus der Protagonisten der mondänen Kreise wechselten ihr Erscheinungsbild. Die »Kultur« als Lebensform nahm einen neuen Charakter an. Das mondäne Leben wurde zu einem Spektakel, das sich vor einem großen anonymen Publikum abspielte. Die »Kompositionslehre der Geselligkeit«138 und die Stilsicherheit gingen verloren. Sieht man vom speziellen Fall des Künstlerdandys ab, so löste sich der Topos »Dandy« im öffentlichen Diskurs allmählich ganz von seinem aristokratischen Umfeld. Das Dahinschwinden der »großen Welt« machte den Begriff vielfältiger verwendbar. Es reichten oft schon bestimmte Eigenschaften wie Prominenz, Glamour und modisches Flair, um einem Mann das Attribut »Dandy« zukommen zu lassen und ihm in der gesellschaftlichen Hierarchie ein hohes Prestige zu sichern. Das Ende des Kriegs brachte in England trotz der Auflösung der alten Society und der Veränderungen in der Arbeitswelt eine Renaissance des Dandys. Eine neue Generation rebellierte gegen die Werte und Tugenden der Älteren, wie sie im Krieg zum Ausdruck kamen – die Ideen des Soldatischen und des Kampfes. Die Söhne der herrschenden Klasse pflegten eine Haltung, in der Stil und Perfektion des Geschmacks, also ästhetische Ansprüche, gegen solche der Moral, des Berufslebens und der Politik zur Geltung gebracht wurden. Im Zuge des neuen Dandyismus wurde der junge Mann zum Idol erhoben. Dieser war »bewußt unreif und selbstsüchtig, gerade weil Reife und Selbstlosigkeit entscheidende Verhaltensideale der herrschenden Kultur«139 waren, gegen die er verstieß. Die Dandys nach 1918 orientierten sich an den Modehelden des Fin de Siècle. Allerdings wahrten sie Abstand zum dekadenten Ästhetizismus eines Oscar Wilde oder Aubrey Beardsley. Sie waren aufgeschlossen für Amerika und modernes Design, für Cocktails, kubistische Malerei und Showbusiness, für jene Atmosphäre des Jazz-Zeitalters, die Scott Fitzgerald in seinen Werken heraufbeschworen hat. Zu dieser Generation von modebewussten jungen Männern und Dandy-Ästheten – in der Presse sprach man von den »Bright Young Things« –, deren Einfluss sich bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg erstrecken sollte, gehörten der Privatgelehrte und Feingeist Harold Acton, der Schriftstel62

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ler Evelyn Waugh und der Photograph Cecil Beaton.140 Als Ästheten umgaben sie sich mit schönen und erlesenen Dingen. Als Dandys kultivierten sie einen zweckfreien Selbstkult. An ihrer Seite und in einer Sonderrolle agierte der 1894 geborene Edward, Herzog von Windsor, der bereits als Prinz von Wales im Rampenlicht der Öffentlichkeit stand.141 In Edwards Werdegang spiegelt sich das Schicksal seines Großvaters wider, des Königs Edward VII. Schon dieser war als Prinz von Wales ein Trendsetter modischer Herrenkleidung gewesen und dabei auf ein ähnliches Unverständnis seiner Eltern gestoßen wie der Enkel. So schrieb Königin Victoria an den damaligen Prinzen von Wales: Kleidung ist eine belanglose Angelegenheit, welcher man nicht zu viel Bedeutung beimessen sollte. Doch sie ist ein äußeres Zeichen, welches Menschen im Allgemeinen veranlasst, über das innere Denken und Fühlen einer Person zu urteilen. Denn dieses sehen alle, aber das andere nicht. In Anbetracht dessen ist Kleidung insbesondere für Personen höheren Ranges von einiger Bedeutung. (...) wir erwarten von Dir, dass Du niemals extravagant oder nachlässig gekleidet bist. Nicht, weil wir es nicht mögen, sondern weil es einen Mangel an Selbstachtung beweist und gegen das Schickliche verstößt. Es führt – wie sich bei andern oft genug gezeigt hat – dazu, dass man das moralisch Verwerfliche mit Gleichgültigkeit betrachtet.142 Edward VII. hatte als Prinz von Wales einen größeren Einfluss auf die Herrenmode als irgendein Mitglied der königlichen Familie seit dem Prinzregenten und späteren König George IV., dem Zeitgenossen und Bewunderer Brummells. Er war ein guter Freund der Schneider der Savile Row – der Straße, in der das Maßschneiderhandwerk seinen Sitz hatte – und trug dazu bei, dass die englische Hauptstadt ihre Position als Mekka der eleganten Männerwelt behauptete. Gegenüber dem Enkel sollte dessen Vater, der regierende Monarch George V., ähnliche Vorwürfe erheben wie Königin Victoria gegenüber dem damaligen Prinzen von Wales. George V. war der Inbegriff der Korrektheit in der Kleidung. Jede Auffälligkeit und Extravaganz war ihm fremd. Er blieb sein Leben lang dem überlieferten edwardianischen Stil treu. In seinen Erinnerungen – erschienen unter dem Titel »A Family Album« – schreibt der Herzog von Windsor über die Garderobe seines Vaters: 63

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Ich sah ihn nie mit einem weichen Kragen, obwohl er die Konzession machte, den modernen Faltkragen anstatt eines Vatermörders zu akzeptieren. Seine Hemden waren selten gestreift und nie farbig. Seine Strümpfe waren immer aus Wolle, in der Regel handgestrickt, nie aus Seide. Er behielt die seitliche Bügelfalte in seinen Hosen bei. So gut wie nie trug er Schuhe, stattdessen hielt er den geknöpften, mit Stoff getrimmten oder gar mit Elastikeinsätzen versehenen Stiefeln früherer Tage die Treue. (…) Er zog den steifen Hut dem weichen vor, unter dem Vorwand, dass er leichter zu lüften sei. (…) Mein Vater prägte wenige Moden, wenn überhaupt welche. Mit Sicherheit wurde die Angewohnheit, seine Krawatten mit einem Ring zusammenzuhalten, anstatt sie zu knoten, nicht von vielen seiner Untertanen nachgeahmt. (…) Ein unverzichtbares Accessoire für den gut gekleideten Herrn im 19. Jahrhundert war der Spazierstock. Mein Großvater und mein Vater wären nicht im Traum ohne eine dieser eleganten Waffen, mit ihren goldenen oder mit Schildpatt besetzten Knäufen oder Griffen, von denen sie eine große Kollektion besaßen, aus dem Haus gegangen.143 Der Herzog von Windsor, von den Anhängern der alten Society als Exot und Randgänger beargwöhnt, hat in seinen Lebenserinnerungen den Geschmackswandel und seine Auswirkungen auf das Bild des Gentleman anschaulich geschildert. Zwischen den Weltkriegen wurde die Herrenmode von zwei Prinzipien geleitet, die dem Geist der Zeit entsprachen: Komfort und Freiheit. Die Steifheit in der äußeren Erscheinung des Mannes verschwand. Der Herzog selbst folgte in der Kleidung immer seinem persönlichen Geschmack und nicht einer vorgegebenen Etikette. Sein individueller Stil verhinderte freilich nicht, dass er zum modischen Vorbild wurde. Cecil Beaton schreibt in seinem 1954 erschienenen modegeschichtlichen Werk »The Glass of Fashion«: Der Herzog von Windsor verachtete als Prinz von Wales die Konventionen. Er trug im Sommer Strohhüte anstelle der in England üblichen Filzhüte, grelle Karos und Wildlederschuhe und wies gestärkte und gesteifte Hemden zur Abendgarderobe von sich. Mit einem ausgeprägten Geschmack am Skandal zögerte er nicht, bei einem förmlichen Anlass in Straßenkleidung zu erscheinen. Wenn der Durchschnittsmann heute in einem jener unorthodoxen Hüte und farbenprächtigen Tweedjacketts 64

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erscheinen würde, die der Prinz vorführte, würde er sich zweifellos lächerlich machen.144 Edward fühlte sich in besonderer Weise von der Lebensart der wohlhabenden Amerikaner angezogen. Er fand bei ihnen Konservatives und Modernes, Legeres und Förmliches in einer Weise miteinander verbunden, die seinem persönlichen Stil entgegenkam. Amerika führte die sportliche Note in die Kleidung ein. Sie symbolisierte den Geist des demokratischen 20. Jahrhunderts. Das Nichtförmliche wertete der Herzog von Windsor als einen Fortschritt, soweit dadurch Höflichkeit und gute Manieren nicht auf der Strecke blieben. In seinen Erinnerungen schreibt er: »Dies ist ein Zeitalter der Zwanglosigkeit, verglichen mit dem meiner Jugend. Doch Zwanglosigkeit ist keineswegs unvereinbar mit Höflichkeit und Rücksichtnahme, welche gute Manieren verlangen. Es ist möglich, beides zu sein, entspannt und doch würdevoll, freundlich und doch reserviert, eine leichte Intimität herzustellen und dennoch die äußeren Formen der Höflichkeit zu bewahren.«145 Als Ursache für den Geschmackswandel nennt der Herzog von Windsor die Veränderungen in der Arbeitswelt. Vor dem Ersten Weltkrieg habe es eine Klasse von Menschen gegeben, »(…) die Landgüter besaßen und nicht für ihren Unterhalt arbeiten mussten. Sie hatten viel Zeit für Sport und viel Muße. Doch nach dem Krieg war alles anders. Die Männer gingen jeden Tag in ihre Büros im Westend oder in der City, nur an den Wochenenden hatten sie Zeit, ihren bevorzugten sportlichen Beschäftigungen nachzugehen.«146 Der Adlige gliedere sich in das Berufsleben ein und verzichte darauf, ein Müßiggänger zu sein. Die Folge sei eine Vermischung der sozialen Klassen und ein Verzicht auf strenge Kleideretikette. Wo die praktische Kleidung dominiere, habe der Dandy mit seinem Auszeichnungsstreben keinen Platz mehr. Der Herzog fährt fort: »Wenn Tageskleidung erforderlich ist, die man in der Stadt trägt, so muss diese im Wesentlichen praktisch sein. Sie verzichtet auf jene Verfeinerungen des Stils, denen sich der müßiggängerische Dandy der Vergangenheit hingeben konnte. Beau Brummell, das dürfen wir nicht vergessen, fuhr nie mit dem Bus.«147 Offensichtlich fühlte sich der Herzog, als er noch Prinz von Wales war, beim Gedanken an die ihm zugedachte Rolle als König Edward VIII. unwohl, wenngleich er sie schließlich auf sich nahm. Durch seinen Verzicht auf den Thron kam er seinem Bestreben näher, das unabhängige Leben eines man of fashion zu führen. Seine Abdankung im Jahr 1936 und die Heirat mit einer 65

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geschiedenen Frau und Amerikanerin, Wallis Simpson, im Bild festgehalten von Cecil Beaton, war die Geste eines Dandys – so die pointierte These Philip Manns – »(…) vergleichbar der extravaganten Kombination von Karos und Streifen, die Edward in seiner Kleidung bevorzugte. Heirat und Abdankung waren somit notwendige Schritte zu Edwards Selbstverwirklichung als Dandy.«148 In Wallis Simpson fand er eine Frau, die sein Stilempfinden teilte. Die beiden bildeten nicht nur ein Glamourpaar. Sie verstanden es, als Stilikonen ihrer Zeit wie kein anderes Paar den Geschmack zu diktieren. Beide liebten sie jene Künste, die man vor allem in Frankreich – dem Lebensmittel3 Edward Herzog von Windsor im Tweed-Anpunkt der Windsors – zu schätzug, o.J. zen wusste: die Lebenskunst, die Kunst der Kleidung, die Kochkunst und die Kunst der Konversation.149 Der Kleidungsgeschmack der neuen Generation von Modehelden war schon in den dreißiger Jahren ein etablierter Stil. Doch obwohl sie hauptsächlich der Mittel- und Oberschicht entstammten, waren die meisten von ihnen weder darauf erpicht noch finanziell dazu in der Lage, sich einzig und allein der Perfektionierung ihres Kleidungsstils zu widmen. »Tatsächlich wird beispielsweise Evelyn Waugh im rein äußerlichen Sinne umso weniger zum Dandy, je mehr er als Schriftsteller des Dandyismus Erfolg hat.«150 Waugh wurde zum literarischen Chronisten der Dandybewegung, insbesondere durch seinen Roman »Brideshead Revisited«. Im Fall des Herzogs von Windsor war die Kleidung schöpferischer Ausdruck seines Stilwillens. Seine Autobiographie »A Family Album« – zur Hälfte Fragen der Kleidung gewidmet – ist ein Dokument dieser Leidenschaft. 66

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Eine extreme Variante der neuen Mode waren die Oxford bags, Hosen mit tiefen Bundfalten, die von der Taille abfielen und sehr weite Hosenbeine ermöglichten. Sie trugen nicht nur dem Wunsch nach bequemeren Hosen Rechnung, sondern symbolisierten auch die Abkehr vom militärischen Look, der mit dem körperbetonten edwardianischen Stil verbunden war. »Dem setzten die Oxford bags eine feminine, kleidähnliche Silhouette entgegen. (…) Tatsächlich war die Verweiblichung der jungen Männer und parallel dazu die Knabenhaftigkeit der Mädchen ein Grundelement der Rebellion der 20er [ Jahre], die auch starke homoerotische Elemente hatte.«151 Edward leistete der neuen Mode Tribut, auch wenn sein Schneider – ein Mann der Brummell-Tradition – Übertreibungen im Schnitt missbilligte. Edward bevorzugte das zweireihige Jackett, welches die Weste überflüssig machte. In den dreißiger Jahren wurde der Doppelreiher in Kreidestreifen­oder Glen plaid (auch Prince of Wales-Karo) allgemein akzeptable Stadtkleidung. Edward schaffte es jedoch immer wieder, in der Modewelt für Aufregung zu sorgen, indem er gegen einzelne Regeln der ›korrekten‹ Kleidung und des konventionellen Geschmacks verstieß. So ließ er beispielsweise Materialien, die für Einreiher vorgesehen waren, zu Zweireihern verarbeiten oder trug Wildlederschuhe zum Stadtanzug, eine Mode, die ebenfalls ihren Ursprung in Oxford gefunden hatte.152 Bei seinen Aufenthalten in den USA zeigte die amerikanische Presse großes Interesse an der Kleidung des Prinzen. Wenn er ein neues Outfit vorzeigte, »(…) wurden Fotos und Stoffe zusammen mit Accessoires wie Socken und Kragen meist sofort nach Amerika befördert, wo daraus nicht selten über Nacht eine neue Mode wurde.«153 Der Modekenner Hermann Baron von Eelking bestätigt die Trendsetter-Rolle des Prinzen: Als er so auf seiner ersten Südamerikareise von Bord ging, hielt er es für richtig – des äquatorialen Klimas wegen –, zu seinem weißen zweireihigen Jackettanzug mit kontrastierender Schleife einen Tropenhelm aufzusetzen. In Südamerika aber war – das hatte der Prinz nicht vorausgesehen – nirgends ein Tropenhelm zu sehen, denn jedermann trug hier einen Strohhut. Sofort schaltete man jedoch um, nachdem man den Prinzen gesehen hatte, Südamerika schrie nun nach Tropenhelmen und 67

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allein in Rio de Janeiro wurden während des Aufenthalts des englischen Thronfolgers 3000 Tropenhelme verkauft.154 Ohne das Medium der Photographie wäre Edward nicht zu dem fashion leader geworden, als den ihn die internationale Modeszene und Textilbranche anerkannte. Einen seiner größten Bewunderer fand Edward in dem Tänzer und Schauspieler Fred Astaire. Dieser schreibt: »Seine königliche Hoheit war fraglos der am besten gekleidete junge Mann der Welt und ich ließ mir davon nichts entgehen.«155 Die Society-Lady Emerald Cunard nannte Edward den modernsten Mann in England.156 Edwards Abneigung gegen übertriebene Förmlichkeit und sein Plädoyer für mehr Komfort zeigte sich auch in der Abendkleidung. Er machte den Smoking gesellschaftsfähig. Er ersetzte den Frack und die steife Hemdbrust. Edwards Neigung zu Komfort und Freiheit spiegelte sich auch in den von ihm betriebenen Sportarten wider. In der Sportkleidung – der Prinz bevorzugte das besonders in den USA verbreitete Golfspiel – gab er seinem Hang zu knalligen Farben nach. In Frankreich erregte er Aufsehen, als er beim Spiel einen lachsroten Pullover trug. Baron von Eelking berichtet über das Ereignis: Auf einem Trip nach dem französischen Modebad Le Trouquet spielte der Prinz in einer für die damalige Auffassung recht kühnen Sportequipierung Golf. Er hatte schwarz-weiße Plusfours durch ein hellblaues Hemd und einen lachsfarbenen Pullover ergänzt. Noch am gleichen Abend mußte daraufhin in London ein Flugzeug mit einer Ladung von lachsroten Pullovern starten, die im Nachtflug nach Paris gebracht wurden. Denn wie würden sonst die Herrenmodegeschäfte in der Rue de la Paix dagestanden haben, wenn die Kunden – nachdem der Figaro über diesen neuen Einfall des Prinzen berichtet hatte – einen Golfpullover verlangt und auf die Frage, ›in welcher Farbe bitte‹, geantwortet hätten ›Natürlich in Lachsrosa; was dachten Sie denn?‹157 Völlig gewandelt hat sich durch den Prinzen von Wales die englische Einstellung zum Pelzmantel, nachdem der Prinz sich zu einem Pelz mit Persianerkragen entschlossen hatte. Ein solches Kleidungsstück galt bisher in Londoner Modekreisen als feminin und wurde lediglich Opernsängern, Dirigenten und Ausländern zugebilligt. Mit der Aufnahme von Wirtschaftsbeziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und Russland kamen Pelze günstig in den Handel. 68

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Natürlich wollten daraufhin die Pelzhändler und Kürschner etwas zu tun haben. Und ›Prince Charming‹, den man durchaus nicht unfreundlich den ersten Commis voyageur seines Landes nannte, half ihnen. Wenn der Prinz ihn trug, hatte selbstverständlich niemand mehr an einem Pelzmantel etwas lächerlich zu finden.158 Allein sein Plädoyer für den Komfort hätte genügt, das Renommee Edwards als Modevorbild zu festigen. Doch er fügte dem noch etwas ganz Persönliches und Spontanes, ein Element nonchalanter Exzentrik hinzu, das dem traditionellen Geschmack entgegenstand und einer Neuformulierung der Normen der Eleganz den Weg ebnete. Das junge Amerika fand in ihm seine eigene Vorliebe für das Lässige wieder, das easy-doing im Modischen. So gesehen war er der Wegbereiter der amerikanischen Eleganz.159 Wie erwähnt, kombinierte Edward gern scheinbar unverträgliche Muster und Farben. Dies war zwar in der Geschichte des englischen Dandytums nichts vollständig Neues. Schon sein Großvater Edward VII. erregte den Missmut von The Tailor and Cutter, als er sich in Marienbad mit »grüner Mütze, braunem Mantel, pinkfarbener Krawatte, grauen Schuhen und weißen Handschuhen«160 zeigte. Hier erweisen sich Edward VII. und der Herzog von Windsor als Anhänger des »Camp«, eines ironischen Spiels mit Facetten des schlechten Geschmacks oder des Kitschigen. Der Dandy alten Stils, einer neoklassischen Geschmacksrichtung verpflichtet, war nach dem Ersten Weltkrieg in der Defensive.161 Der neue Dandy befolgte die Devise der Modejournalistin Diana Vreeland: »Ein Hauch schlechter Geschmack ist wie eine kräftige Prise Pa­­prika.«162 Ihr fühlte sich auch Edward in seiner Garderobe verpflichtet. Er schuf eine neue Kleiderordnung, in der Komfort, Freiheit und Elemente des »Camp« ihren Platz hatten, hielt aber gleichwohl an einer Vorstellung von Stimmigkeit und Korrektheit fest. Edward sah sich am Ende seines Lebens – er starb 1972 – mit einer Entwicklung in der Mode und in den Umgangsformen konfrontiert, die nach seinem Empfinden weit über das Ziel hinausschoss. Er blieb einem Männlichkeitsideal verpflichtet, das im Begriffe war zu verschwinden: dem aristokratischen Dandy-Gentleman. Der Herzog von Windsor sollte einer der Letzten seiner Herkunftsschicht sein, die versuchten, diesem Ideal zu entsprechen.

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Der Photograph als Dandy: Cecil Beaton Cecil Beatons Leben ist, um den Titel seiner ersten Autobiographie aus dem Jahr 1951 zu zitieren, eine Photobiographie. Von frühester Jugend an – Beaton wurde 1904 geboren – war sein Leben auf die Photographie fixiert. Es setzte sich in ihm eine Phantasievorstellung fest, die sein Leben untrennbar mit der Welt der Bühne, den Schönheiten aus Theater und Gesellschaft und später des Films verbinden sollte. Beatons Kindheit fiel in die Anfangsphase einer neuen Disziplin in der kommerziell verwertbaren Photographie: der Modephotographie. Auf dem Markt dominierte das von Condé Nast gegründete amerikanische Modemagazin Vogue, dessen britische Ausgabe erstmals 1916 erschien. Daneben existierte als Rivalin die Zeitschrift Harper’s Bazaar. Die Modelle der Modephotographie entstammten meist der Theaterwelt. Der Beruf des Mannequins war zu dieser Zeit noch unbekannt. Kaum der Kindheit entwachsen, legte Beaton Photoalben von Berühmtheiten des Theaters und des Films an. Er war fasziniert von den glamourösen Stars der Bühne und der Leinwand und ihren eleganten, sorgfältig stilisierten Kostümen und entwickelte eine dauerhafte Leidenschaft für die Welt der Mode. Photoalben waren für ihn Sammelobjekte einer gesellschaftlichen Elite, von echten Kennern, die diese Objekte am liebsten in einem Schrein aufbewahrt hätten. 1930 prägte das wöchentlich erscheinende Gesellschaftsmagazin The Sphere eine Bezeichnung für die Angehörigen der mondänen Boheme und der beau monde, die Beaton Modell sitzen sollten: die Photokratie. Dies war eine vielschichtige soziale Mischung aus reichen Erbinnen, gefeierten Künstlern, bedeutenden Theaterpersönlichkeiten und den Nachfahren der Patrizierklasse – müßige, reiche Bewohner einer neuen Welt, die die Mechanismen der Publicity geschaffen hatten.163 Beaton stand als junger Mann zunächst noch außerhalb dieses erlesenen Kreises. Er entstammte einer Kaufmannsfamilie, ein Makel, den er in seinem snobistischen Selbstverständnis nur schwer verwinden konnte. Der Wunsch, Aufnahme in die mondäne Boheme zu finden, beherrscht seine zahlreichen Tagebücher und seine Photographien. Der Photographiehistoriker David Mellor schreibt: »Er wollte das patriarchalische System der Mittelschicht zugunsten dieses exotischen, quasi-aristokratischen und stark matriarchalisch geprägten Milieus hinter sich lassen: die dekorative Szene ›reiner Schönheit‹ betreten, eine eng umgrenzte, vielphotographierte Welt«.164 Neben den Zirkeln der smarten Künstler sollte der britische Adel eine weitere Zielgruppe seiner 70

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gesellschaftlichen Ambitionen werden. 1972, acht Jahre vor seinem Tod, hatte er auch dieses Ziel erreicht. Er wurde zum Ritter geschlagen und damit Sir Cecil Beaton. Beatons Kunst als Modephotograph entwickelte sich aus den Lektionen früherer Vertreter des Fachs, die ihre Modelle möglichst idealisiert wiederzugeben hatten. Er bereicherte diese Funktion um den malerisch geschulten Blick für Licht-, Raum- und Bildeffekte.165 Seine Karriere begann in den zwanziger Jahren bei Vogue zunächst in London, dann ging er auch nach New York und Paris. Beaton beschäftigte sich damit, prominente oder fiktive Persönlichkeiten bühnenreif zu inszenieren. Im Grenzbereich zwischen Publicity und Kunst, dem Tummelplatz der Society-Boheme, nahm die Porträtphotographie eine Schlüsselposition ein. Zu den Sujets des Künstlers gehörte das Transvestitenhafte und Androgyne. So wundert es nicht, dass Beaton, bisexuell veranlagt, in einer späteren Lebensphase eine tiefe Passion für Greta Garbo, die Göttliche, entwickeln sollte. Seine Photographie wurde zu einem Spiel mit Andeutungen und Zitaten und zum Forum für private Verkleidungskapricen. In seiner kaum durch Versuchungen des Fleisches getrübten Verehrung des Weiblichen – er liebte die ätherische Zartheit – erwies er sich als chevaleresker Retuscheur. »Manche der Porträtierten bemühten sich hinterher, so wie auf ihren Fotografien auszusehen.«166 Beaton galt bald als eines der größten Talente in der internationalen Modephotographie. Er war überaus gefragt und füllte zahllose Seiten von Vogue mit seiner unverkennbaren Mischung aus Witz, Phantasie und erlesenem Stil. In den dreißiger Jahren schuf er eine neue Bildsprache, die sich aus einer Vielzahl von Quellen speiste und – wie der Modehistoriker Philippe Garner schreibt – »nicht zuletzt auch von den zahlreichen Künstlern beeinflußt wurde, mit denen er in Kontakt kam. Es entstanden von Dalí und de Chirico inspirierte surrealistische Inszenierungen und Requisiten (…) barocke Inszenierungen im Stil der verrücktesten Innenausstattungen jener Zeit und zahllose idyllische, dramatische und originelle Variationen zum Thema Mode.«167 Beaton selbst berichtet in seiner Studie »The Glass of Fashion«: In den dreißiger Jahren erlebte die Modephotographie ihren Durchbruch. Ich gestehe, daß ich mich als Angehöriger dieser Gattung der generell vorherrschenden Unbekümmertheit in Stilfragen hingab. Meine Bilder wurden immer rokokohafter und surrealistischer. Mannequins und Damen 71

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der Gesellschaft erschienen auf den Bildern in gleichermaßen übersteigerten Posen griechischer Tragödinnen, in ekstatischer oder mystischer Verzückung, mitunter auch, verfangen in einem Tüllkokon, mit dem melodramatischen Gehabe einer Lady Macbeth (…) auf den Photographien in Vogue kämpften sich Damen der Oberschicht aus Hutschachteln heraus oder bahnten sich den Weg durch ein riesiges Blatt weißes Papier oder eine zerrissene Leinwand (…) Prinzessinnen posierten, heftig gestikulierend, hinter einem mit Tünche beschmierten Spiegelglasfenster (…) Die Hintergrundkulissen waren nicht weniger übertrieben und oft geschmacklos. Schlechtgeschnitzte Cupidos aus Trödlerläden der Third Avenue wurden in Silberpapier oder Zellophan gewickelt. Treibholz sollte einem prosaischen Sujet einen neo-romantischen Touch verleihen. Weihnachtliche Papiergirlanden bekränzten die Schultern des Modells, und hölzerne Tauben, riesige Papierblumen aus Mexiko, chinesische Laternen, Zierdeckchen oder Papiermanschetten zum Servieren von Koteletts, Fliegenwedel, schottische Felltaschen, Schneebesen oder Sterne in jeder Größe fanden Eingang in unsere hysterischen und höchst lächerlichen Bilder.168 Mitte der dreißiger Jahre wich dieser üppige Stil einem neuen Realismus. Die Zeit der Affektiertheiten war vorbei. Die Modelle in Cecil Beatons Bildern verstellten sich nicht mehr. Seine wachsende Ernüchterung bezüglich der Eleganz-Kriterien der Vogue führte zu Konflikten und bewirkte, dass seine Produktion von Modeaufnahmen bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs beträchtlich zurückging. Danach gehörte Beaton wieder zum Mitarbeiterstab dieser Zeitschrift und war regelmäßig in London, Paris und New York tätig. »Mit seinem bewährten und untrüglichen Gespür für Modeschwankungen entwickelte er einen klassischen Stil, der genau zu jener neuen, grandiosen Eleganz der Haute Couture paßte, wie sie von Dior, Balmain, Fath und Balenciaga in Paris oder von Charles James, einem Mitschüler Beatons in Harrow und jetzt Modezar in New York, vertreten wurde.«169 Beatons Arbeiten aus den späten vierziger Jahren waren die in Szene gesetzte Entsprechung zu Christian Diors neuem und erfolgreichem ›New Look‹, mit dem sie auf kultureller Ebene den nostalgischen Hang zur Wiederbelebung jener Welt vor 1914 – vor Anbruch der Moderne – teilten. Dass er sich jedoch nicht in eine nostalgische Nische zurückzog, sondern stets dem Zeitgeist auf der Spur blieb, zeigt sein Verhalten in den sechziger Jahren, als er Anschluss an die Szene des »Swinging London« suchte. In dieser 72

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Zeit waren Jugend, Vitalität und Energie zentrale Imperative für die Modephotographie. Beaton war zwar von den jugendlichen Heroen der beginnenden Pop-Ära wie Mick Jagger und Keith Richards fasziniert, ihrem Geschmack vermochte er jedoch nicht zu folgen. Beaton präsentierte sich von Beginn an als »Wunderkind«, dem der geschäftliche Aspekt des Studiosystems scheinbar nichts anhaben konnte. Er sah sich gern als Amateur und kokettierte damit, nichts von Verschlusszeiten und Blenden zu verstehen. In den Photographenzirkeln der mondänen Boheme galt Professionalität als ein Zeichen von schlechtem Geschmack. Den mühsamen Teil der Photographie, Entwicklung und Abzug, überließ er anderen. Mit dieser Arbeitsteilung glaubte er sich den ästhetischen Anspruch des Photographen als Künstler zu sichern. Man hat in Beatons Fähigkeit, vom romantischen Künstler-Photographen, wie er in seiner Phantasie existierte, zum regelmäßigen Mitarbeiter für Vogue und – während des Zweiten Weltkriegs – für das britische Informationsministerium zu werden, ohne die geschmähten Niederungen des Porträtstudios auch nur zu streifen, eine seiner bedeutendsten und sicherlich exzentrischsten Leistungen gesehen.170 In Interviews erklärte er, er photographiere nur zum Zeitvertreib und akzeptiere nur Aufträge, wenn ihm zu dem Modell etwas Amüsantes einfalle. Beaton, der Gentleman-Amateur – dies war mehr eine Attitüde, denn in Wirklichkeit war er ein hart arbeitender Professioneller, der sich bei jedem Bild, das seine Kamera aufnahm, auch des kleinsten Details bewusst war. In der Pose der gelangweilten Distanz zum Geschäft, wenn dieses nicht amüsant war, offenbarte sich die Natur des Dandytums von Cecil Beaton. Der ersehnte Ausschluss aus der Massengesellschaft, den er in der Pose des Außenseiters und Dandys mit Nachdruck betrieb, erregte als Teil seiner Selbstinszenierung zum Prominenten schon in den späten zwanziger Jahren das Aufsehen der Presse. Er machte Bekanntschaft mit Lebemännern und stilprägenden Persönlichkeiten des internationalen Highlife wie dem in Geschmacksfragen tonangebenden Pariser Dandy Étienne de Beaumont, einem Gönner Jean Cocteaus und »zugleich Vorbild für eine kultivierte und kosmopolitische Elite von Homosexuellen«.171 Wie dieser sah er sich als einen Hüter des Dandytums und Meister des exhibitionistischen Stils. Beaton hatte immer einen Hang zum Komödiantischen und Karikaturhaften, wie viele seiner Photos beweisen. Er betrachtete Frivolität als die durchtriebenste Verfeinerung der Satire. 73

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In seinem Tagebuch »The Wandering Years«, das die Jahre 1922 bis 1939 beschreibt, ist zu lesen: »Mein Ehrgeiz, aus der Anonymität einer netten, normalen Mittelklassenfamilie auszubrechen, äußerte sich gewiss gelegentlich in einer Art und Weise, die anderen auf die Nerven ging. Zum Beispiel in dem Vergnügen daran, Leute zu überraschen oder gar zu schockieren durch die unverwechselbare Art, in der ich mich selbst anbetete.«172 Beatons Gedankenwelt war von der Vorstellung geprägt, in einer Zeit der Dekadenz zu leben. Den Höhepunkt der Zivilisation stellten für ihn das Ancien Régime des 18. Jahrhunderts und die edwardianische Zeit vor dem Ersten Weltkrieg dar, auf die der rapide Niedergang folgte. Er bewunderte die großen Damen früherer aristokratischer Epochen und orientierte sich in der Gegenwart an matriarchalischen Autoritäten, die er als Nachfolgerinnen dieser imponierenden Frauenfiguren empfand. Eine seiner großen Leistungen ist die Renovierung des Monarchenporträts, die er als romantischer Royalist betrieb. Er trug mit seinen ersten Aufnahmen von Königin Elisabeth (der Mutter der jetzigen Königin) im Jahr 1939 dazu bei, das Image der britischen Monarchie im Zeitalter der Massenkommunikation zu befördern. Sein Bestreben zielte gleichsam auf die »Erfindung von Tradition«.173 »Reproduktionen seiner Photographien der Königin und ihrer Töchter als Heroinen einer verklärten, neo-romantischen Monarchie waren in den vierziger und fünfziger Jahren überall in Umlauf und erschienen, ständig gegenwärtige Sinnbilder, auf den Titelseiten von Büchern und Magazinen in England und dem gesamten Empire«.174 Königin Elisabeth II. photographierte Beaton als junge Prinzessin 1942 und an ihrem Krönungstag 1953. Dessen Ablauf betrachtete er wie eine Fashion-Show mit der Westminster Abbey als Laufsteg. Als Konservativer in politischer wie kultureller Hinsicht widersetzte er sich nach Churchills Rücktritt der egalitären Politik der Nachkriegs-Labourregierung. In einem Sammelalbum von 1947 beklagte er, dass der Schatzkanzler der neuen Regierung, Sir Stafford Cripps, Champagner nach dem Dinner als überflüssigen Luxus ablehnte. Beaton reagierte auf die demokratische Entwicklung immer mehr mit nostalgischen Gesten. Als Schauspieler und Kostümbildner beteiligte er sich an aufwendigen Theater- und Filmproduktionen, die das Fin de Siècle und die edwardianische Ära wieder aufleben ließen, beginnend mit Aufführungen von Wildes »Lady Windermeres Fächer« und »Ein idealer Gatte« bis hin zu Bühnenbildern und Kostümen für »Gigi« und »My Fair Lady«.175 74

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Der amerikanische Schriftsteller und Dandy Truman Capote beschreibt Beaton als einen Chronisten von Phantasien. In seinen Werken gingen Phantasie und Realität ineinander über. Die Welt der Haute Couture, wie Beaton sie wahrnahm, war für ihn freilich höchst real. Es war die Welt, in der er lebte und zu der ihm seine photographische Tätigkeit den idealen Zugang gewährte. »Beaton war ein großer Impresario, und als solcher benutzte er die Mode, um dem Bühnenszenarium seines Lebens, in dem er sowohl als Theaterphotograph wie als Hauptdarsteller brillierte, die Farbe hinzuzufügen.«176 Als sein Biograph Hugo Vickers mit seinen Recherchen über Beaton begann, dachte er, er würde über einen Photographen schreiben. Als er das Buch beendet hatte, stellte sich heraus, dass es eines über einen Mann des Theaters geworden war. »Cecil durchlief mehrere Karrieren – als Photograph, Reisender, Dozent, Designer, Schiedsrichter der Eleganz und der Mode, Karikaturist, Schriftsteller, Tagebuchschreiber, (gescheiterter) Stückeschreiber, Gastgeber, geistreicher Kopf und Sozialhistoriker –, doch keine davon entsprach ihm so sehr wie das Theater.«177 Was machte Cecil Beaton zu einem Dandy? Zweifellos hat er es verstanden, ein Bild von sich in Umlauf zu setzen, das seinen Ruf als Schiedsrichter der Eleganz bestätigte. Beaton besaß eine gehörige Portion Sarkasmus und Impertinenz. Er hatte die Neigung, sich über alle ihn umgebenden Personen lustig zu machen. Nur sich selbst nahm er davon aus. Dankbarkeit schien er nicht zu kennen. Für seine früheren königlichen Gönner hatte er nur süffisante Bemerkungen übrig. Die Königinmutter beschrieb er als naiv und affektiert, und über Königin Elisabeth II. hieß es, sie würde eine ausgezeichnete Krankenschwester oder Kinderfrau abgeben. Über die Herzogin von Windsor ließ er sich nach dem Tod des Herzogs zu der Bemerkung hinreißen: »Was mit ihr geschehen wird, ist ohne Interesse. Sie sollte im Ritz wohnen, taub und ein bisschen gaga.«178 War Beaton nicht eher ein Snob als ein Dandy? Der junge Photograph, der nichts anderes im Sinn hatte, als von der Society, die ihn unwiderstehlich anzog, anerkannt und gehätschelt zu werden, nahm ihre Riten und Attitüden überaus ernst. Es war eine Welt, die ihn bezauberte, die er aber bald durchschaute. Seine bissig-sarkastischen Bemerkungen in den Tagebüchern zeigen seine aggressive Distanz. Lord Weidenfeld, sein Verleger, meinte: »Setzt ihn in sein eigenes Kirchengestühl, und wie gern würde er ihrer aller Hinrichtung beiwohnen!«179 75

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4 Cecil Beaton, im Chesterfield-Mantel, mit Bowler, Handschuhen und Gehstock, um 1955.

Es gelang Beaton, im Laufe seiner Karriere aus dem Schatten der Reichen, Schönen und Berühmten herauszutreten. Er galt als einer der bestangezogenen Männer seiner Zeit.180 Damit hatte er ein Stadium erreicht, in dem der Snob die Souveränität des Dandys annimmt, der nicht der Mode und dem Glamour der anderen verschworen ist, sondern selbst die Akzente setzt und anderen die Regeln vorschreibt. Allerdings blieb die Zugehörigkeit zum celebrity circus für Beaton unverzichtbar, denn allein auf diesem Feld fand er als Dandy Resonanz und jene unentbehrliche Inspiration, auf die sein Schönheitskult angewiesen war. Für den Herzog von Windsor wie für Cecil Beaton stellten die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts eine Zäsur in ihrer Rolle als stilbildende Ikonen der Männerwelt dar. Es war längst kein Geheimnis mehr, dass England seinen weltpolitischen Status eingebüsst hatte. In den Augen der Öffentlichkeit waren es die Gentlemen der herrschenden Klasse, die versagt hatten. Die ›zornigen jungen Männer‹ betraten die Bühne und geißelten die Gentleman-Kaste als egoistischen, parasitären Klüngel (…). Die sexuelle Zurückhaltung, die der ›ritterliche‹ Gentleman kultivierte, hatte schon immer zwiespältige Gefühle hervorgerufen. Nun sah man die Mäßigung als heuchlerische Fassade, hinter der unterdrückte Triebe wucherten. Die 76

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Public Schools gerieten in Verdacht, Brutstätten der Perversion und der Frauenfeindlichkeit zu sein. Als 1963 der konservative Verteidigungsminister John Profumo wegen einer Sex- und Spionageaffäre zurücktreten mußte, erreichte die Anti-Gentleman-Welle ihren Höhepunkt. Auch die Konservative Partei erklärte jetzt Professionalität und Effizienz, Meritokratie statt Aristokratie zum Gebot der Stunde.181 In einem solchen Klima hatte der Dandy-Gentleman einen schweren Stand. Dass dies jedoch nicht das letzte Wort zum Dandy sein sollte, zeigt die Renaissance dieses Typus am Ende des 20. Jahrhunderts. Sie spricht für die Wahrheit der Worte des französischen Elegantologen und Brummell-Biographen, des Dichters Jules Barbey d’Aurevilly, es werde immer Dandys geben, denn diese seien ewig wie die Laune.

Der Dandy als Modejournalist: Hermann von Eelking Hermann-Marten Freiherr von Eelking galt in den zwanziger Jahren in Deutschland als eine Autorität in allem, was mit Herrenkleidung und elegantem Stil zu tun hatte. Eelking verstand sich als Schiedsrichter des guten Geschmacks und schrieb dem modisch interessierten Herrn die Regeln vor. 1923 erschien sein Buch »Garderoben-Gesetze«, das von den Rangstufen der Toilette handelt. Eelking beklagt dort, dass nach Einführung des Fracks im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts in der Herrenmode jahrzehntelang auf Farbenfreudigkeit verzichtet worden sei. Erst neuerdings gebe es für den verschwundenen Farbenluxus – der Psychologe J. C. Flügel sprach einige Jahre später von der »grossen Entsagung des Mannes« – einen gewissen Ersatz in detaillierten Kleidervorschriften. Der Mann von Welt könne »es sich eher schon leisten, sich im Schnitt der vorigen Saison zu präsentieren, als sich nonchalant über die jetzt ehernen Garderobengesetze hinwegzusetzen«. 182 Nie zuvor habe man das Kostüm des Mannes so sehr zergliedert wie in der Gegenwart. Eine Vielzahl von Ausdrucksmöglichkeiten stehe zur Verfügung. Zunächst müsse die Kleidung auf die Tageszeit abgestimmt werden. Dann gelte es, die richtige Kleidung für den richtigen Zweck zusammenzustellen. Sei der Frack gefragt, so erfordere diese Kleidungskategorie bestimmte Ingredienzien. Eelking erweist sich als ein rechter Modediktator, wenn er verfügt, »(…) auch für geringfügigste Attribute jede Parallelität auszuschalten. Höchstens bei Wäsche und Schlipsen ist eine gelegentliche Anleihe zuzulassen. Sonst hat 77

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aber jede Gattung ihre besonderen Eigentümlichkeiten und Reflexe, und die Schmuck- und Stockfrage bedarf beinahe schon überall einer ebenso gesonderten Lösung wie die Auswahl von Schuhen und Hüten, von Westen und Mänteln, von Kragen und Krawatten und ihre Verteilung auf die Varianten der Adjustierung.«183 Die von Balzac begründete »Elegantologie« ist eine Wissenschaft, die große Sachkenntnis erfordert. Baron Eelking ist ein solcher Sachkenner, der sein Publikum in das organische Wesen der Kleidung einführt. Dass bei den ausgesprochenen Begrenzungen eine gewisse Uniformierung und Monotonie in die Herrenkleidung Einzug halten werde, sei nicht zu vermeiden. Um dem entgegenzuwirken, schlägt Eelking vor, durch einen größeren Reichtum an Revers und aparten Westenschnitten- und mustern Akzente zu setzen. Dies gelte nicht nur für Sportsakkos, sondern auch die anderen Anzugsarten müssten mehr und mehr in Linie und Ton auf Modulierungen bedacht sein. Eelking befindet sich in einem Dilemma. Zum einen beklagt er die grassierende Monotonie in der Herrenkleidung. Zum anderen erlässt er strenge Garderobengesetze, die kaum geeignet sind, die Monotonie aus dem Kostüm des Mannes zu vertreiben, denn nur geringe Nuancen sind gesetzlich erlaubt und der Phantasie damit enge Grenzen gesetzt. Denn wer gegen die Vorschriften des Modegesetzgebers verstößt, den trifft dessen strenges Urteil: Er ist schlecht angezogen. Eelking ist sich seiner Sache vollkommen sicher. Diese Sicherheit basiert auf einem ausgefeilten Geschmack. Kleidungsstücke beurteilt der Modediktator wie Kunstwerke. Durch sein Studium der Kunstgeschichte hat Eelking den Grundstein für eine differenzierte Betrachtung ästhetischer Formen gelegt. Kleidung folgt in ihrer Sprache immanenten Gesetzen, die es zu entschlüsseln gilt, so wie man Gemälde dechiffriert. Als Hermann von Eelking mit seinem Buch »Garderoben-Gesetze« daranging, sich in Deutschland als Arbiter elegantiarum zu etablieren, hatte der am 1. Januar 1887 in Posen als Sohn eines Offiziers Geborene schon Jahre journalistischer Tätigkeit hinter sich.184 In der Weimarer Republik gehörte er zu einem exklusiven Kreis mondäner Zeitungsschreiber, die in den luxuriösen Hotelbars und Clubs verkehrten und ihr Leben dem anspruchsvollen Vergnügen widmeten. 1927 gründete er die Zeitschrift Der Modediktator und untermauerte damit seinen Definitionsanspruch auf dem Gebiet der Herrenmode. Der Baron avancierte zum Vorbild für modisch anspruchsvolle Männer, die sich durch exquisite, aber stets korrekte Kleidung vom Durchschnitt unterscheiden wollten. 78

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Bewusst trat Eelking damit die Nachfolge eines von ihm verehrten Modevorbildes an: George Bryan Brummell. Mit dem Halbgott der Dandys hatte Eelking gemein, dass er seine Aufgabe vor allem in der Durchsetzung eines präzise auskomponierten eleganten Stils der Herrenkleidung sah. Denn wenn der Beruf des Dandys die Eleganz ist, so musste dieser sich in erster Linie als Kleiderkünstler bewähren. Wie Brummell war Eelking ein ausgewiesener Kenner der Kostümgeschichte und der Kompositionstechnik der Herrenkleidung. Selbstverständlich hatte sich der deutsche Brummell mit allen historischen Phasen des Dandytums bestens vertraut gemacht. Er sah sich dazu auserkoren, diese Geschichte für die Gegenwart fortzuschreiben. Sein Medium war der Modejournalismus. Die Zeitschrift Der Modediktator, 1931 fortgeführt unter dem Titel Das Herrenjournal, war das Organ, das dem deutschen Mann Anregungen geben wollte, an das Niveau der internationalen Herrenmode Anschluss zu finden. Darüber hinaus schrieb Eelking zahlreiche Bücher zur Herrenmode. Neben den »Garderoben-Gesetzen« verfasste er eine Geschichte der Krawatte, einen »Anzugs-Almanach«, eine »Reiteretikette«, ein »Zylinderbrevier« und ein »Lexikon der Herrenmode«. Mochte Baron Eelking auch von den Allüren eines Dandys nicht frei sein, so führte ihn seine pädagogische Absicht doch über den elitären Kreis der Modehelden hinaus. Als er den Modediktator aus der Taufe hob, nannte er als Adressaten »den gut angezogenen Herrn und alle seine Lieferanten«. Das von ihm geschaffene Organ der Herrenmode sei »nicht etwa dandesk eingestellt«185, sondern wende sich an die breiteste Öffentlichkeit. Zu dieser Klientel gehörte demzufolge nicht so sehr die Hautevolee als vielmehr das aufstiegsorientierte Bürgertum. Es sei unzweifelhaft, dass ein gut angezogener Mann, wenn er auch vorbildliche Manieren mitbringe, beruflich und gesellschaftlich eher reüssieren werde. Eelking sah es als seine Aufgabe an, seinen Leserkreis mit den Modeleit­ bildern der Vergangenheit bekannt zu machen. Zu ihnen zählten vor allem die Dandys. Eelking räumte mit dem in Deutschland verbreiteten Vorurteil auf, das Dandys mit übertrieben gekleideten Modegecken gleichsetzt. Der Modediktator leistete auf diesem Gebiet Pionierarbeit. Die Zeitschrift privilegierte zwar nicht das »Dandeske«, denn es ging ihr mehr um Korrektheit als um Originalität in der Herrenkleidung. Doch schloss dies ein Gefühl für jene »certain exquisite propriety«, die Lord Byron an Brummell schätzte, mit ein. Stil, also das modische Gesamtbild, war für Eelking wichtiger als der Schnitt der Kleidung, denn die Mode sei nicht immer konsequent in der Zusammenstellung 79

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ihrer Details. »Da aber, wo sie auf solchen Wegen Anhänger sucht, scheiden sich ja auch jedesmal sehr markant die Taktvollen von den Talmihaften. Und charakteristisch in diesem Zusammenhang ist es, daß noch niemals ein eleganter Mann von Qualität (selbst nicht ein ausgesprochener Dandy) modische Extreme patronisiert hätte. Der wirklich gut angezogene Herr wahrt hier unter allen Umständen Zurückhaltung.«186 So sei der Stil des Prinzen von Wales (des späteren Königs Edward VIII.) so untadelig, dass er sich ruhig einmal einen Regelverstoß leisten könne. Dandytum, so erklärt Eelking seinen Lesern, bedeute, den Regelverstoß ins Kalkül zu ziehen, wenn man im Ganzen Korrektheit wahre. Das heißt aber auch: Wo es keine Garderobengesetze, keine Vorstellung von korrekter Kleidung mehr gibt, findet der Dandy kein Motiv mehr, Regeln spielerisch zu übertreten. Eelking klärt seine Leser darüber auf, dass ein wahrer Dandy ein stilvoller Gentleman und kein Sklave der Mode sei. »Letzter Schnitt ohne Stil aber ist nichts anderes als eine von Unberechtigten oder Unreifen betriebene Modefatzkerei (was leider immer noch mit dem honorigen Dandysmus verwechselt wird.) Auch mit einem Anzug, der alles andere als letztmodisch ist, kann daher jemand durchaus elegant, ja sogar Dandy sein.«187 Ein gut gekleideter Mann meidet die modischen Extreme, lautet die Maxime. Eelking erweist sich wie vor ihm der Kleidertheoretiker Adolf Loos als ein Anwalt des Klassischen, des rechten Maßes, der Harmonie. Es komme auf die richtige Abstimmung der Details und nicht darauf an, Aufsehen durch Neuerungen zu erregen. Stil in der Mode bedeute: Erstens die völlige Anpassung des Anzugs an die jeweilige Situation (Korrektheit). Zweitens die absolute Ausgeglichenheit all der vielen kleinen modischen Attribute mit dem Anzug. Drittens den individuellen Akzent einer Persönlichkeit. Eelking räumt ein, dass sich das Axiom Brummells »Sehen sich die Leute nach dir um, so bist du zu auffallend angezogen« in der Gegenwart bis zu einem gewissen Grad in das Gegenteil verkehrt habe, denn gerade der distinguierte Mann erwecke Aufmerksamkeit. 1928 jährte sich der Geburtstag Beau Brummells zum 150. Mal. Eelking, der die meisten Beiträge des Modediktators verfasste, ließ sich diese Gelegenheit nicht entgehen, seinen Lesern einen exakten Begriff des Dandytums zu vermitteln. Brummell, so heißt es, war »(…) nicht nur der erste klassische, in solcher Perfektion nie wieder erreichte Dandy, der die Thesen des modernen, in den Hauptpunkten auch heute noch geltenden Garderobenkodex stabilisierte, darüber hinaus vielmehr war er ja der Schöpfer der Suprematie der englischen 80

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Herrenmode.«188 Brummell habe gezeigt, was es heißt, ein Dandy zu sein. Kein hohler Kopf, der sich modischen Dingen hingibt, dürfe sich mit diesem Ehrentitel schmücken. Es sei allergrößte Kultur erforderlich, um den Anforderungen des Dandyismus zu genügen. Eelking zieht ein Fazit aus den Standardwerken des literarischen Dandytums. Er hat Balzacs »Physiologie des eleganten Lebens« und die Schriften von Barbey d’Aurevilly, Baudelaire und Richard von Schaukal aufmerksam studiert. Er lässt es sich nicht nehmen, in seine Modetexte immer wieder Hinweise auf Brummell einfließen zu lassen. In einem »Kolloquium über dandeske Philosophie« bezeichnet er einen »ästhetisierten Hedonismus«189 als Substanz des Dandytums. Weit davon entfernt, nur Fragen der Toilette abzuhandeln, pflege der Dandy ebenso wie seine Nägel seinen Geist. Die Kultur des Luxus, der perfekte sublimierte Genuss stelle seine eigentliche Sphäre dar. Wissen ohne Eleganz sei ungeschlacht. Eelking war sich bewusst, dass die Zeitumstände dem Dandy ihren Tribut abverlangten. »Man glaube nicht, daß ein moderner Dandy keinen Beruf haben dürfe. Im 19. Jahrhundert allerdings war das der Fall, aber dieses Jahrhundert verachtete bei gesellschaftlich höherstehenden Individuen einen Beruf überhaupt. Heute kann ein Bankdirektor ein vollkommener Dandy sein, wenn er so stilsicher ist, daß sein Geschäftssinn mit seiner Weltanschauung nicht in Konflikt gerät.«190 Eelking dachte dabei an mondäne Vertreter der jüdischen Hochfinanz in der Weimarer Republik wie Paul von Schwabach, Herbert M. Gutmann oder Fritz Andreae, bei denen Tout-Berlin verkehrte. Sei Brummell ein müßiggängerischer Gentleman gewesen, so sei der moderne Dandy ein Mann, dem die Zeit knapp werde. Dreißig Jahre später, in seinem 1962 erschienenen »Zylinderbrevier«, registriert Eelking: »Aber dem Leben, das wir gegenwärtig führen, fehlt meist die Ruhe. Und die Ruhe ist eben im allgemeinen der Maßstab für die Eleganz, die sich jemand leisten kann. Denn aus ihr entwickelt sich erst die Grazie und der Geschmack in allem, was uns gehört und uns umgibt.«191 Der von Eelking zitierte fashionable Bankdirektor konnte sich die Eleganz nur noch in Maßen leisten. Er verfügte nicht mehr wie Brummell über die Zeit, allmorgendlich drei Stunden auf sein Ankleidezeremoniell zu verwenden. Günstiger dagegen stellte sich die Lage für einen Dandy dar, der wie Eelking aus seiner Kleiderphilosophie einen Beruf machte. In seinem Fall ging der Dandy eine Personalunion mit dem mondänen Modejournalisten ein. Hermann von Eelking war kein müßiggängerischer Gentleman, sondern ein 81

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kultivierter Herr, der den Luxus schätzte und die Modeberichterstattung als Erwerbsberuf gewählt hatte. Eelking war sich darüber im Klaren, dass die deutsche Gesellschaft dem Dandytum keine besonderen Erfolgschancen einräumte. Sie legte auf Formen weniger Wert als die stärker höfisch geprägten Gesellschaften Frankreichs und Englands. Auch von den Vertretern des Geisteslebens versprach sich Eelking keinerlei Impulse. »Länder wie Deutschland, die weniger formal, aber um so geistiger sind, haben naturgemäß am Dandysmus wenig Interesse. Ein englischer Gelehrter ist als Dandy denkbar, ein deutscher Gelehrter aber kaum; denn dazu blickt er viel zu sehr in sich selbst.«192 Seit Anfang der dreißiger Jahre erschien der Modediktator unter dem gefälligeren Titel Das Herrenjournal. Eine Zeitschrift für Mode, Gesellschaft und die angenehmen Dinge des Lebens.193 Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten änderte sich das Erscheinungsbild des Blattes. Die neuen Herren bedurften eines Modeberaters. Eelking war wie kein anderer dazu berufen, diese Rolle auszufüllen. Die Zeitschrift passte sich den neuen politischen Gegebenheiten an. Die Militarisierung von Staat und Gesellschaft und die Zunahme von nationalsozialistischen Eliteverbänden wie SA und SS eröffnete der Mode ein neues Feld: die Uniform. Eelking avancierte rasch zum Experten auf diesem Gebiet. Er publizierte »Die Uniformen der Braunhemden« (1934), das »einzige von der Obersten Politischen Leitung und Obersten SA-Führung genehmigte und geprüfte Uniformwerk«. Er schrieb für das Herrenjournal richtungweisende Beiträge wie »Das Hoheitsabzeichen [der NSDAP] als Wahrzeichen des neuen Staates«, »Der Dienstdolch der SA und seine Tragweite« und »Der neue Schnitt des SA-Mantels«.194 Selbstverständlich unterlag auch die Uniform der Mode und ihren Gesetzen. Eelking wollte der Montur der SA- und SS-Chargen einen Stich Glamour verleihen. Trotz der Vielzahl von Uniform-Abbildungen in den ersten Jahren des Dritten Reiches blieb der Herausgeber des Herrenjournals seiner kosmopolitischen Linie treu. Er machte keinerlei Abstriche an seinen Vorstellungen von modischer Korrektheit. Die hohen Würdenträger des NS-Regimes, ob in Uniform oder Zivil, und die gesellschaftliche Elite des Landes wurden nach wie vor auf die internationalen Standards der Herrenmode verpflichtet.195 Eleganz, Dandytum, Distinktionsstreben und völkische Gesinnung waren – so zeigt sich hier – durchaus miteinander vereinbar. Schließlich hatte sich die »gute Gesellschaft« und ihr Salonleben bis tief in die dreißiger Jahre hinein erhalten.196 Das Herrenjournal informierte seine Leser bis zu seiner Einstellung 1941 82

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über die neuesten Trends in der internationalen Herrenkleidung, wobei die englische Mode ihren Vorbildcharakter behauptete. Von einer ausgesprochen deutschen Mode, die sich von der ausländischen abgrenzte, hielt Eelking nicht viel.197 Dagegen wurden amerikanische Stars aus dem Filmgewerbe wie Clark Gable, Cary Grant und Fred Astaire und der deutsche Filmstar Hans Albers als Repräsentanten modischer Eleganz gepriesen. Eelking hatte schon in den zwanziger Jahren die Bedeutung der Stars von Film und Bühne als Trendsetter der Mode erkannt. Den USA kam dabei eine führende Rolle zu. Als richtungweisende Modevorbilder traten die Filmstars mehr und mehr an die Stelle des klassischen Gentleman. Nach dem Zweiten Weltkrieg musste das Herrenjournal eine längere Pause einlegen. Erst 1950 erschien die Zeitschrift als Organ des Instituts für Herrenmode wieder auf dem Markt. Präsident des Modeinstituts war Baron von Eelking. Die Nachkriegsgesellschaft begann sich neu zu formieren und Eelking nahm bald wieder seine Stellung als Gesetzgeber der Herrenmode ein. Allerdings stellte sich die Frage, ob die Bonner Republik noch jene modebewussten Anzugträger beherbergte, die in der Weimarer Republik und im Dritten Reich den Adressatenkreis des Herrenjournals gebildet hatten. An wen sollte der Arbiter elegantiarum seine Postulate richten? Ein Mitarbeiter der Zeitschrift, Hans-Georg von Studnitz, beklagte die Zersplitterung der guten Gesellschaft. Ihr Niedergang – so lautete seine Diagnose – hatte schon in der Weimarer Republik eingesetzt, wobei Krieg und »Umsturz« (!) diesen Zerfall noch beschleunigten. Die große Welt existierte nur noch in Restbeständen.198 Aus diesem Humus konnte sich kein elegantes Leben und urbanes Dandytum mehr entwickeln. Eelking sah die Lage ähnlich kritisch wie Studnitz. Trotz aller Überzeugungsarbeit und Bekehrungsversuche durch den distinguierten Modejournalismus sei in Deutschland die Männerkleidung grau geblieben. Zudem verhindere das deutsche Ideal von Männlichkeit eine modische Einstellung. Es gehöre viel Optimismus dazu, eine Zeitschrift wie das Herrenjournal in solch harten Zeitläuften herauszugeben.199 Der Kulturverfall äußere sich darin, dass es immer weniger Menschen gebe, für die das Leben nicht einzig und allein eine Geldfrage sei. Der elegante Herr, wie ihn beispielsweise noch Eduard VII. so repräsentativ darstellte, sterbe aus. Eelkings Sorgen um die Anzugskultur teilten auch Modeexperten in England. Der Chefredakteur von The Tailor and Cutter, John Taylor, bedauerte das Dahinschwinden »flamboyanter Originalität« zugunsten monotoner Konformität. Dabei machte er eine interessante Entdeckung. Die Originalität in 83

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der Kleidung, in den buntscheckigen Krawatten und Westen, habe sich in die Schallplattenindustrie verlagert. Jeder Plattenstar agiere vor einem Massenpublikum und bemühe sich, anders auszusehen als sein Konkurrent. Die Jugend orientiere sich an diesen Musikidolen. Wenn Taylor von flamboyanter Originalität in der Kleidung spricht, hat er vor allem den Dandy im Blick. Indem er den Rockstars eine besondere vestimentäre Signalfunktion zugesteht, insinuiert er, das Dandytum sei längst aus den exklusiven Kreisen der Oberschicht in die Szene des Showbusiness und der Massenunterhaltung abgewandert. Die Zeit autoritativer Schiedsrichter im Reich der Mode neigte sich dem Ende zu. Selbst für die Manieren gab es keine verbindliche Instanz mehr, die über die Einhaltung der Regeln wachte. So stellte Studnitz resigniert fest: »Die Eleganz nicht nur der Kleidung, sondern auch der Manieren ist disputabel geworden, weil es einen arbiter elegantiarum, der zu beiden Seiten des Ozeans respektiert würde, nicht mehr gibt.«200 Dabei lagen die Zeiten eines Herzogs von Windsor und eines Anthony Eden, der 1938 als britischer Außenminister in den Ruf eines Modevorbildes kam, noch gar nicht so lange zurück. Modeschiedsrichter wie André de Fouquières in Frankreich, John Taylor in England und Hermann von Eelking in Deutschland sahen sich um ihren Einfluss gebracht. Sie besaßen nicht einmal mehr eine Vorbildfunktion in ihren Ländern, außer für eine kleine Gruppe Gleichgesinnter. Doch dieser Kreis dünnte immer mehr aus. Die Träger klassischer männlicher Eleganz verloren ihr angestammtes Terrain. Zu neuen Vorbildern in der Mode rückten neben Schauspielern und Rockstars junge Designer auf. Eelking gab seinen Feldzug für modische Korrektheit indes noch nicht verloren. Um ein Zeichen zu setzen, veröffentlichte er 1959 den »Anzugs-Almanach«, den »Knigge der modernen Herrenkleidung«. Eelking, noch ganz den Vorstellungen von gediegener Eleganz und guten Manieren verpflichtet, brach in seinem Brevier eine Lanze für den vom Aussterben bedrohten Gentleman, der vom modernen Karrieristen verdrängt werde. »Nicht der Gebildete, nicht der ›homme de lettres‹, nicht der Gentleman ist das Persönlichkeitsideal unserer Zeit, sondern der Erfolgsmensch, der es ›weit gebracht‹ hat, der ›hochgekommen‹ ist, der es ›geschafft‹ hat, der ›clever‹ ist.«201 Während Eelking die Tradition bewahren wollte, zögerte eine neue Generation von englischen Couturiers nicht, dem Zeitgeist Konzessionen zu machen. Einer ihrer Wortführer war Hardy Amies, Besitzer eines Couture-Hauses in der Savile Row. Amies wird im Herrenjournal als der bestangezogene Mann Londons vorgestellt, der auf eine eigenwillige persönliche Note 84

Der Dandy als Modejournalist: Hermann von Eelking

nicht verzichte. Amies war nicht nur Couture-Designer. Er versorgte außerdem eine Boutique mit einer »Ready-to-wear«-Kollektion. Er kreierte Mode vor allen Dingen für den jungen Mann mit Geschmack. In einem Interview gesteht Amies, dass die männliche Mode in der letzten Zeit etwas haltlos und schwankend geworden sei. Mit Eelking teilt er die Einschätzung, dass der Typ des stilbewussten, makellos und mit Geschmack gekleideten Gentleman von wenigen Ausnahmen abgesehen im Schwinden begriffen sei. Dem Nachwuchs, wenn er Sinn für Mode habe, fehle daher das anregende und nachahmenswerte Vorbild.202 Die jüngere Generation sei in erster Linie auf einen flotten und eleganten Schnitt und auf originelle Farbtöne bedacht. Auf die Frage, warum England nach Beau Nash, Beau Brummell und dem Prinzen von Wales keine modisch anerkannten Pioniere männlicher Eleganz mehr hervorbringe, gibt Amies eine überzeugende soziologisch fundierte Antwort. Die männliche Mode setze sich nicht mehr wie früher von oben nach unten durch, sondern nehme heute den umgekehrten Weg. »So sehen wir, daß viele charakteristische Züge in Schnitt und Stil vom populären Genre in den exklusiven Sektor der ›bespoke tailor‹-Kleidung arriviert sind.«203 So hätten die jungen Moderebellen, die Teddyboys, die Schmalheit der Hose – wenn auch oft in stark übertriebener Weise – adaptiert. Diese Modeimpulse seien von den Savile-Row-Schneidern aufgenommen worden. Während das Herrenjournal die Teddyboys bei ihrem ersten Auftreten auf der modischen Bühne scharf kritisierte und von einer »schlechte[n] Mischung einer pseudoamerikanischen Linie mit einigen edwardianischen Merkmalen« sprach204, kommt Amies als Mann der Praxis zu einer konträren Einschätzung: Man muß anerkennen, daß diese jungen Menschen den Wunsch haben, sich gut, wenn auch anders zu kleiden. Wenn sie dabei manchmal entgleisen, so sollte man ihnen ihre Unerfahrenheit zugute halten; es ist Sache des Schneiders und Outfitters, den Geschmack dieser Vorläufer der Zukunftsmode in die richtigen Bahnen zu lenken! Beide Teile würden davon profitieren. Jedenfalls stehe ich nicht an, den ›Teddy-boy‹ als den ›Dandy unseres Zeitalters‹ zu bezeichnen.205 Amies spricht eine nüchterne Tatsache aus. Wenn er den Teddyboys bescheinigt, sie seien die Dandys der Gegenwart, so bekräftigt er seine Diagnose, die Mode werde nicht mehr von oben dekretiert. Die neuen Trendsetter sind 85

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Jugendliche, oftmals der Unterschicht entstammend und zu Popstars avanciert, die von anderen Jugendlichen nachgeahmt werden. Im Hintergrund wirkt freilich der Designer, der den Geschmack der Trendsetter »in die richtigen Bahnen« lenkt. Er nimmt die modischen Impulse auf, veredelt sie und bringt sie gewinnbringend als Markenware auf den Markt. Die Teddyboys sind wie ihre Nachfolger, die Mods, das Produkt eines Zusammenwirkens von jugendlichem Streben nach modischer Extravaganz und den ökonomischen Interessen der Designer, die sich einen neuen Kundenkreis erschließen wollen. Das klassische Dandytum befand sich spätestens Ende der fünfziger Jahre an einer Wegscheide. Wenn modische Persönlichkeiten aus der Oberschicht, aus der sich die meisten Dandys bisher rekrutiert hatten, nicht mehr den Ton angaben und stattdessen Designer, Modejournalisten und -photographen, vor allem aber Stars aus der Musikbranche, aus Film und Fernsehen ihre Rolle übernahmen, stellte sich die Frage, ob das Dandytum überhaupt noch eine Zukunft haben würde oder ob ein neuer Typus im Entstehen begriffen war, der etwas völlig Neues, bisher nicht Dagewesenes verkörperte. Das Herrenjournal bemühte sich, den neuen Gegebenheiten Rechnung zu tragen. Es hatte sich auf eine modisch aufgeschlossene Generation einzustellen, die an die von Baron von Eelking erlassenen Garderobengesetze keine Zeit mehr verschwendete und für die die Produkte der Massenkultur eine Selbstverständlichkeit geworden waren. Der »Herr«, an den sich die Postulate Eelkings richteten, war eine aussterbende Gattung. Das Herrenjournal sah sich gezwungen, seinen Tribut an eine jüngere Kundschaft zu entrichten, die auffallende modische Konfektionskleidung bevorzugte, in die man ohne großen Aufwand an Toilettenkunst schlüpfen konnte. In seinem Beitrag »Die Herrenmode hofft auf die heranwachsenden Herren« vollzieht Eelking die Kehrtwende. Dabei macht er sich die Argumente des Präsidenten des britischen Verbandes der Bekleidungsindustrie, Mr. Reid, zu eigen. Dieser verkündete eine Renaissance der Beaus und frohlockte, »(…) daß die sogenannten ›Teddyboys‹ mehr und mehr die Rolle spielen würden, die einst in der internationalen Herrenmode, gewissermaßen erblich begründet, dem jeweiligen Prinzen von Wales zugefallen war.«206 Mit der Feststellung, die Teddyboys von 1960 seien nicht mehr die der frühen fünfziger Jahre, als sie »ihre Umwelt durch ihre oft undisziplinierten Allüren brüskierten«, revidiert Eelking sein früheres Urteil. Diese Jugendlichen debattierten immerhin wieder über Mode, während der älteren Generation, stark beansprucht durch das Arbeitsleben, die Zeit fehle, sich mit modischen Neuerungen zu befassen. Der 86

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Anwalt der klassischen Herrenmode vertraut auf die erfahrenen Designer, die allzu Bizarres in der Jugendmode mäßigen und helfen werden, den Geschmack der jungen Rebellen zu formen. Der Spezies der Playboys, die in den fünfziger Jahren die Bühne des Highlife betraten, kommt aus der Sicht Eelkings als Modevorbildern nur begrenzte Bedeutung zu. Immerhin wird lobend erwähnt, dass einer von ihnen, Gunter Sachs, eine Kette von Herren-Boutiquen eröffnet­ habe, wobei die Eleganz seiner persönlichen Garderobe die Zuverlässigkeit seines modischen Geschmacks verbürge. Das Herren­journal merkt süffisant an, dass der »Dandy von der Stange« jetzt das tragen könne, was an den bevorzugten Aufenthaltsorten der Playboys und der Geldaristokratie en vogue sei.207 Konfektionsindustrie und Designer füllen das Vakuum aus, das im demokrati5 Hermann Baron von Eelking im Frack mit schen Zeitalter die großen ModeZylinder und Gehstock, 1922. vorbilder hinterlassen haben.208 Der einstige Garderobengesetzgeber erkennt, dass die Zeit für modische Diktate vorbei ist. Er setzt seine ganze Hoffnung auf die Jugend. Mit alten lieb gewordenen Prinzipien des Dandytums wie dem Axiom der raffinierten Unauffälligkeit müsse aufgeräumt werden. Schon 1923 hatte Eelking in seinen »Garderobe-Gesetzen« die Monotonie der modernen Herrenbekleidung beklagt, glaubte diese aber durch den Erlass von detaillierten Ankleideregeln kompensieren zu können. Dieser Versuch war à la longue zum Scheitern verurteilt. Der modisch equipierte Gentleman sollte sich als ein Hindernis für die 87

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Modeentwicklung erweisen. Die Schneider der Londoner Savile Row waren genötigt umzudenken, wollten sie mit dem Aufbruch der Jugend Schritt halten. Der Präsident des Deutschen Instituts der Herrenmode stand unter Zugzwang. Sein Fazit lautete: »(…) wenn es gelingt, mit dem Neuen dem Schönen, dem Ästhetischen zum Durchbruch zu verhelfen, dann mag es mit den Maximen des Beau Brummell vorbei sein, dann mag sich eine neue Herrenmode entwickeln.«209 Als Reaktion auf die moderne durchrationalisierte Gesellschaft sieht das Herrenjournal einen neuen romantischen Dandytyp im Entstehen begriffen. In den Großstädten begegne man jungen äußerst gepflegten Herren, die in einem weichen Fin-de-Siècle-Stil à la Oscar Wilde gekleidet sind. Dieser Stil entstamme den Boutiquen der Londoner Carnaby Street oder dem Modeatelier Pierre Cardins in Paris. »Wer in die stoffliche Hülle eines Regency-Dandys schlüpfen möchte, muß sich nach London in eine der Boutiquen bemühen, und wer in Berlin lebt, kann die Wahl zwischen Carnaby-Style und Cardin-Linie bequemerweise gleich in einem Haus treffen.«210 Seit der Jahrhundertwende seien nicht mehr so viel Stilgefühl und ausgemachte Eleganz, Kühnheit und Erfindungsreichtum anzutreffen gewesen wie in der Gegenwart. »Es gibt wieder Dandies – und es sind Dandies eines neuen Typs: jung, ehrgeizig, hart arbeitend.«211 Diese Dandys sind keine Nichtstuer, sondern Erfolgsmenschen, die den müßiggängerischen Gentleman verdrängt haben. Erfinderische Designer sorgen für das passende Image. Sie produzieren »Looks«, die durch Werbeträger in Umlauf gesetzt werden. Einer dieser zeitgemäßen »Looks« ist der »Dandy-Look«. Zwar wird der Trend zum Konfektionsdandy vom Herrenjournal nicht nur beifällig aufgenommen, denn Verflachung sei dabei nicht immer zu vermeiden. Doch im Unterschied zu dem Semiologen Roland Barthes, der die Konfektionsindustrie für den Tod des Dandys verantwortlich macht, sprechen die Autoren des Herrenjournals weniger von Verflachung als von einer zeitgemäßen Neuschöpfung. Sie machen keinen Unterschied zwischen Dandy-Look und Dandytum. Der moderne Dandy mag ein Dandy von der Stange sein, doch habe er die Wahl zwischen den verschiedensten vorfabrizierten Mustern. So entstehe eine individuelle Note, indem die Schablonen nach individuellem Gusto zu einem Gesamtbild zusammengefügt werden.

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Der Dandy als Modejournalist: Hermann von Eelking

Wie der Dandy damals, so sucht man heute wieder das Individuelle in der Mode. Man sucht es in Boutiquen und Twen-Shops, bei Herrenausstattern mit außergewöhnlichem Sortiment. Hier hat der romantische Stil auch die größte Chance, denn hier bietet sich auch die Möglichkeit der Vervollkommnung des Geschmacks, die der Dandy des 19. Jahrhunderts zu seiner Maxime erhob und damit den Kampf gegen die Vermassung gewann.212 Der Konsument der Luxuskonfektion weiß sich den Abnehmern der Massenkonfektion weit überlegen. Der moderne Dandy bespricht sich nicht mit seinem Schneider, sondern kauft sich seinen Dandy-Look in einer Boutique für Ready-to-wear-Mode. Die Designer und Stylisten machen ihm Stil- und Geschmacksangebote. Sein Individualismus manifestiert sich darin, dass er eine Auswahl aus der Vielfalt der Angebote trifft. Aufs Eleganteste ausstaffiert und mit dem Etikett Dandy versehen, hebt er sich von der Masse ab und ragt wie ein Pfau aus ihr hervor. Doch was sagt sein »Look« über seine Geisteshaltung und seinen Lebensstil aus? Ist dieser hart arbeitende Erfolgsmensch zur Muße fähig? Ist die Muße nicht die Voraussetzung für ein nicht vorgefertigtes, sondern selbst geschaffenes Dandy-Image? Die Modeindustrie und der sie begleitende Modejournalismus haben sich von solchen Vorstellungen längst emanzipiert. Sie sehen im Dandy ein geistloses Fertigfabrikat und beanspruchen das alleinige Definitionsrecht über diese seltene Menschengattung. War Hermann von Eelking ein Dandy? Wenn man die Photos betrachtet, die das Herrenjournal zu seinem 80. Geburtstag im Januar 1967 abdruckt, sieht man einen vollendet und korrekt gekleideten Herrn alter Schule, der sich in der Mode keine Regelverstöße leistet. Ein Gemälde von Rolf Niczky aus dem Jahre 1922 zeigt den fünfunddreißigjährigen Eelking mit Zylinder und Frackstock. Spätere Photos präsentieren den Modediktator im Smoking und im ­Glencheckanzug. Eelking hat nicht nur einen Sakko kreiert, sondern auch Phantasie-Westen und eine von Pierre Cardin bewunderte Split-Krawatte. Bei aller Nähe zum Typus des Dandys beansprucht Eelking indes nicht, das Musterbeispiel eines modernen Exemplars dieser Gattung zu sein. Dazu bleiben für ihn die klassischen Normen der Herrenkleidung zu sehr verpflichtend. Eelking steht nicht für »flamboyante Originalität«, sondern will durch seine Korrektheit ein Beispiel dafür geben, dass der Gentleman sein Daseinsrecht noch nicht verwirkt hat. Der Auffassung seiner englischen Kollegen, dass jugendliche Modenarren wie die Teddyboys die Dandys der Zukunft verkör89

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pern und Brummell an ihnen seine Freude gehabt hätte, begegnet er bei allem Wohlwollen mit einer gewissen Skepsis und Reserviertheit. Er warnt vor Überspitzungen und Geschmacklosigkeiten. Eelking ist auch kein Anhänger des Camp-Geschmacks. Bei den jungen modischen Trendsettern vermisst er das Savoir-vivre und eine Kultur der Muße sowie einen dementsprechend gepflegten, nonchalant-raffinierten Lebensstil. Ihnen fehle das »Herrenmäßige«, vom Habitus des Gentleman ganz zu schweigen.213 Als Präsident des Instituts für Herrenmode war Baron Eelking der Mode­ industrie verpflichtet, als Gentleman und Dandy nur sich selbst. Diesen Spagat sich zugemutet zu haben, sollte man ihm als Lebensleistung hoch anrechnen. Als Hermann von Eelking am 19. Februar 1970 starb, verkündete das Herrenjournal, mit ihm sei der letzte Vertreter einer vergangenen Epoche dahin­gegangen. Was rechtfertigt es, die hier vorgestellten Personen als exemplarische Dandys ihrer Zeit aufzufassen? Graf Kessler und D’Annunzio sind noch geprägt durch die Kultur des Fin de Siècle und die in dieser Zeit kursierenden Vorstellungen vom Typus des eleganten Mannes. Sie sind – so unterschiedlich auch in ihrem Naturell und dementsprechend auch in ihrer Affinität zum Dandytum – in einer exklusiven Society-Kultur aufgewachsen, die nach dem Ersten Weltkrieg nur noch in Rudimenten vorhanden war. Der Herzog von Windsor und Cecil Beaton stehen in ihrer Vorstellung von Eleganz bereits unter dem Einfluss des amerikanischen Zeitalters, das sich in der Zwischenkriegszeit Bahn brach und dem Komfort in der Herrenmode Geltung verschaffte. Der Herzog nimmt als Kronprinz und abgedankter König eine besondere Rangstellung ein, die seinem Dandytum ihren Stempel aufdrückt. Doch auch er kann sich dem Trend der Zeit nicht entziehen. Beaton wiederum nimmt chamäleongleich die modischen Impulse seiner Epoche auf und changiert zwischen einem traditionellen Dandytum Brummell’schen Zuschnitts und einem flamboyanten CampDandy­tum der Zukunft. Zwar sind das Kavaliersmäßige und die Herrenattitüde im Habitus des Dandys noch vorhanden, doch der Boden schwankt, der ein Dandytum alten Stils bisher ermöglichte. Baron Eelking ist der Chronist und kritische Kommentator dieser Entwicklung. Er hält – wie gegenwärtig die englische Chap-Bewegung – am Ideal des kultivierten Gentleman fest, das in den zwanziger und dreißiger Jahren in den Oberschichten noch Gültigkeit besaß und durch Protagonisten des Films vorbildhaft verkörpert wurde. Eelking kann seinen Beruf mit seinen Ambitionen, das Leben eines Dandys zu führen, jedoch 90

Der Dandy als Modejournalist: Hermann von Eelking

auf Dauer immer weniger vereinbaren, da der Markt ihm Verpflichtungen auferlegt, die denen des Dandys widerstreben. Im Widerstreit zwischen selbst gesetzten Imperativen der Eleganz und vom Zeitgeist aufgenötigten modischen Trends sieht er sich zu Zugeständnissen gezwungen, um nicht gänzlich ins Abseits zu geraten. Bevor wir uns der zweiten Jahrhunderthälfte zuwenden, werfen wir einen Blick zurück auf die Spielart des rebellischen Künstlers, der in den ersten Dezennien des 20. Jahrhunderts die herrschenden Lebenformen fundamental attackierte und sich dabei nicht selten der Verkleidungsform des Dandys bediente.

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Der Dandy als Maschine: Paul Valérys »Monsieur Teste« In der Nachfolge von Charles Baudelaire und Oscar Wilde hat das Dandytum unter Künstlern eine weite Verbreitung gefunden. In Frankreich waren es die Dichter des Symbolismus und der Décadence, die einen neuen Typus des Dandys hervorbrachten. Die idiosynkratische Figur des Herzogs Des Esseintes in Joris-Karl Huysmans’ Roman »Gegen den Strich« beeinflusste eine ganze Generation von Künstlern und Schriftstellern. Paul Valéry, ein Bewunderer Huysmans’, hat mit seinem Roman »Monsieur Teste« dem Dandyismus eine neue Variante hinzugefügt. Der Dandy ist hier nicht mehr der Außenseiter der Gesellschaft und amoralische Rebell. Er sucht vielmehr sein Inkognito im Konventionellen und verbirgt sich hinter der Maske des petit bourgeois. Das Dekadent-Künstliche, das in Robert de Montesquious geschraubten Attitüden, Oscar Wildes paradoxen Sentenzen und Aubrey Beardsleys makabren Phantasiebildern seinen Ausdruck findet, tritt ins Stadium der Kristallisation ein. Empfindungskälte und Unerschütterlichkeit werden auf die Spitze getrieben. Valérys Monsieur Teste reagiert wie ein Automat. Er ist der Dandy als Marionette, der sich seiner Marionettenhaftigkeit bewusst ist. Das Maschinenhafte und Mechanische im Verhalten tritt in den Vordergrund. Monsieur Teste, die Hauptfigur dieses aus verschiedenen Textteilen zusammengesetzten Prosastücks, lebt das unscheinbare Leben eines Kleinbürgers, der seinen Lebensunterhalt durch kleine Spekulationen an der Börse verdient. Er wird als ein »Ideenungeheuer« vorgestellt, durchdrungen von höchster Bewusstheit in allen seinen Äußerungen. Valéry zeichnet einen Menschen, der über eine vollständige Kontrolle seiner Gefühle verfügt und innerlich abgestorben zu sein scheint. »Sprach er, so erhob er nie den Arm oder nur den Finger: 92

Der Dandy als Maschine: Paul Valérys »Monsieur Teste«

er hatte die Marionette getötet. Er lächelte nicht, sagte weder guten Tag noch guten Abend; er schien das ›Wie geht es Ihnen?‹ nicht zu hören.«214 Monsieur Teste hat die Marionette in sich getötet, da er selbst die Fäden ziehen und sich nicht den inneren Automatismen ausliefern will. Valérys Held verhält sich nicht wie die meisten Menschen spontan und ohne Kontrolle über sich selbst, sondern sämtliche Gesten sind kontrolliert und bewusst. Dadurch ist er den anderen, die nicht um das Marionettenartige ihres Verhaltens wissen, geistig stets voraus. »Dieser Mann hatte frühzeitig die Wichtigkeit dessen erkannt, was man die menschliche Bildsamkeit nennen könnte. Er hatte ihre Grenzen und ihren Mechanismus gesucht. Wie sehr hatte er von seiner eigenen Formbarkeit träumen müssen.«215 Monsieur Teste hat keine Meinungen und hasst alles Außerordentliche. Er lebt wie jeder andere. Seine Wohnung macht den Eindruck des Beliebigen. Was ihn auszeichnet, ist allein seine geistige Überlegenheit. Er kann jedes Gegenüber zur Demut bringen und es geistig entkräften. Das Geheimnis dieses Machiavellisten des Geistes lautet: »Auf andere einwirken heißt, niemals deren Mechanik – Quantitäten, Intensitäten, Potentiale – vergessen und sie nicht nur als Selbste, sondern als Maschinen, Tiere behandeln – daher eine Kunst.«216 In der Überlegenheit seines Geistes gleicht Monsieur Teste einem Dandy. In einer Zeit des Maschinenhaften, in der die anderen immer mehr nach dem Gleichen hin denken, bewahrt er sich seine Unabhängigkeit. Dieser Dandy lässt sich nicht zum Ding machen. Er selbst macht sich zum Ding. Er hat ein Bewusstsein seiner Verdinglichung. Er weiß, dass er selbst sich dem Maschinenhaften, Künstlichen nicht entziehen kann.217 Er muss aber stets versuchen, Herr seiner selbst und Herr über andere zu sein, die noch nicht begriffen haben, dass sie wie Automaten funktionieren. Dieser Dandy beobachtet sich, manövriert und will sich nicht manövrieren lassen.218 Mit Valérys »Monsieur Teste« – die erste Fassung des Textes erschien 1895 – tritt der Dandy in eine neue geschichtliche Periode ein: das Zeitalter der technisch-wissenschaflichen Zivilisation. Er verlässt die exklusiven Sets und stellt sich den Herausforderungen der modernen Massengesellschaft. Er löst den grandseigneuralen Typus ab, der in den Werken Prousts und D’Annunzios beschworen wird, und verweist ihn auf den Aussterbeetat. Er ist ein Mann in der Menge, aber nicht der Mann der Menge. Monsieur Teste ist als Geistes-Dandy ein Einzelgänger, der sein Inkognito im Alltäglichen findet. Dennoch wird das Banale nicht seine Daseinsform. Er bewahrt sich den Gestus des Einzigartigen, Außeralltäglichen. Er ist nicht der Protagonist eines wie immer 93

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gearteten demokratischen Dandytums, sondern ein Provokateur und Individualist ganz eigener Art. Der Adel bietet dem Dandy keinen Rückhalt mehr. Er entlässt ihn in die Gesellschaft der vielen, deren Lebensführung und Daseinsweise er teilt. Allein seine geistige Überlegenheit bietet ihm Schutz. Sie grenzt ab und macht einsam. Die Eleganz, die Lebensessenz des Dandys, hat indes nicht ganz ausgedient. Sie wird zu einer geistigen Eleganz, die bisweilen die äußere Drapierung nicht verschmäht, aber nicht mehr als zwingend erscheinen lässt. Allerdings ist damit noch nicht das letzte Wort zum Dandytum gesprochen. Denn ein zur selbstbewussten Marionette mutierter Dandy in der Maske des Biedermanns hat es schwer, sich von anderen zu unterscheiden. Valérys Monsieur Teste ist nicht der Dandy der Zukunft, sondern eine amputierte Existenzform dieses immer auch das Rituelle in Sprache und Kleidung schätzenden konservativen Rebellen.

Dadaistische Maskenspiele: Hugo Ball, Francis Picabia, Jacques Vaché Die junge Künstlergeneration reagierte auf den Ersten Weltkrieg mit einer Tabula rasa. Der Dadaismus antwortet auf den Zerfall der Gesellschaft und der traditionellen Werteordnung mit einer radikalen Verneinung und Demontage bisheriger Kunststile und ästhetischer Regeln. Der Futurismus geht ihm darin voraus. Marinettis Buchstabenplakate nehmen die Methode der Sprachzertrümmerung der Dadaisten vorweg. Der Alltag verliert seine bürgerliche Saturiertheit. Er wird zum Abgrund. Die nivellierende Macht des Geldes triumphiert. Das Maschinenzeitalter hat begonnen. Der Mensch, hervorgegangen aus den Materialschlachten des Krieges, erscheint dem Dadaisten zerstückelt und zerhackt. Die aufbegehrenden Künstler sind auf der Suche nach dem idealen Zustand der Bewusstlosigkeit, in dem das Ich abgetötet ist. »Das Ich ablegen wie einen durchlöcherten Mantel (…) Der Mensch hat aber viele Ichs, wie die Zwiebel viele Schalen hat.«219 Diesen Zustand sehen sie von der Marionette verkörpert. Sie ist die Allegorie der Mechanisierung des Lebens. Hatte Balzac in seiner »Physiologie des eleganten Lebens« (1830) den Dandy noch als ein »Boudoirmöbel« verspottet, als »eine sehr geistreich erfundene mechanische Puppe, die sich auf ein Pferd setzen kann oder ein Sofa«220, und ihm abgesprochen, ein denkendes Wesen zu sein, so bekennt sich der Dadaismus offen zu einem 94

Dadaistische Maskenspiele: Hugo Ball, Francis Picabia, Jacques Vaché

mechanisch verstandenen Dandytum. Ein 1920 aufgenommenes Photo, das den Maler Francis Picabia auf einem Holzpferdchen zeigt, kann als ironische Bestätigung dieser These gelten. Der Dadaismus arrangiert sich mit der »billigen Erstarrnis« (Carl Einstein)221. Er siedelt sich im Raum des Trivialen und Banalen an. Er nimmt die Verdinglichung und Entfremdung der Welt der Waren als Schicksal hin. Er goutiert den Alltag der »morsch verwesenden Kultur Europas« (George Grosz) und der alles durchdringenden amerikanischen Kulturindustrie. Alltagsgegenstände werden zur Kunst erklärt. »Verblüffenwollen und Bluff, gezielter Schock, Provokation und methodischer Skandal waren die erklärten Ziele dieser Gruppe, die bewußt darauf verzichtete, weiterhin Kunst schaffen zu wollen.«222 Hugo Ball »Die Maschine ist vielleicht nur ein säkularisierter Mönch.«223

In seinem Tagebuch »Die Flucht aus der Zeit« schreibt einer der Begründer des Dadaismus, der Dichter Hugo Ball (1886–1927): »Was wir Dada nennen, ist ein Narrenspiel aus dem Nichts, in das alle höheren Fragen verwickelt sind; eine Gladiatorengeste; ein Spiel mit den schäbigen Überbleibseln; eine Hinrichtung der posierten Moralität und Fülle. Der Dadaist liebt das Außergewöhnliche, ja das Absurde (…) Jede Maske ist ihm darum willkommen. Jedes Versteckspiel, dem eine düpierende Kraft innewohnt.« 224 Ball spricht vom Bankrott der Ideen. Da keinerlei Kunst, Politik oder Bekenntnis diesem Dammbruch gewachsen sei, bleibe nur die Posse und die blutige Pose. Was die Dadaisten zelebrieren, sei eine Buffonade und eine Totenmesse zugleich. Der »Da-Dandy«225 ist nicht mehr der hochmütige Aristokrat im Sinne Baudelaires, der das Vulgäre und Triviale bekämpft. Dieser liebt zwar auch das Paradox und die Maske. Es ist dies aber kein Maskenspiel aus dem Nichts, sondern ein Agieren auf der noch in Rudimenten vorhandenen Grundlage eines aristokratischen Milieus. Mit dem Absterben dieses Milieus und seiner vollständigen Verbürgerlichung verliert das Dandytum – wie Baudelaire erkannt hat – seinen Nährboden und seine angestammte Wirkungssphäre. Der Dandy wird zu einer frei schwebenden Existenz. An die Stelle des exklusiven Herrenclubs tritt die Künstlerboheme oder der vagabundierende Einzelne. Die Gruppe der Dadaisten ist zwar entschieden antibürgerlich, aber ohne Rückbindung an eine Adelskultur. Selbst der geistesaristokratische Anspruch, 95

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der noch bei Ball erkennbar ist, wird von den meisten seiner Mitstreiter aufgegeben.226 Die Konvulsionen des modernen Lebens führen zu einer Depotenzierung der provokativen Haltung des Dandys. Der »Da-Dandy« spielt die Rolle des Narren und Possenreißers. Das wirkt sich auch auf das Kunstverständnis aus. Während der Dichter der »Blumen des Bösen« an der Vorstellung des hermetischen Kunstwerks festhält, das nur Eingeweihten verständlich ist, betreibt der Dadaismus Kunst- und Wortzertrümmerung. Die künstlerische Aura wird zerstört. Baudelaires Dandyideal ist untrennbar von der Vorstellung des Erhabenen. Sein Dandy erscheint priesterlich in seiner Gebärde, stets überlegen, ein großer Herr. Hugo Ball – im kubistischen Bischofskostüm, mit zylindrisch geformtem Schamanenhut, auf der berühmten Zürcher Dada-Soirée vom 23. Juni 1916 Lautgedichte zelebrierend – parodiert diesen Gestus. Die Liturgie wird zur Posse. Durch die Wahl seines Kostüms demonstriert Ball unwillentlich, dass man sich in der Theologie auskennen muss, um Kubismus und Dadaismus zu verstehen. Balls Konversion vom dadaistischen Künstler zum geistigen Asketen – hier kündigt sie sich bereits an. Mit seiner Kostümierung transzendiert Ball das dadaistische Anliegen. In dem Maße, wie die Posse ins Gewöhnliche umkippt und zur künstlerischen Norm wird, das Sublime, Strenge, Asketische hingegen vollends in den Hintergrund rückt, ist für ihn der Augenblick des Rückzugs gekommen. Ball, dieser »im Geruche der Heiligkeit stehende Narr« (Kaltenbrunner), hat die Lautgedichte, die er im Cabaret Voltaire vortrug, als Abkehr von der verdorbenen Sprache des Journalismus bezeichnet. Journalisten sind für ihn »Referendare des Alltags«. Ball zieht sich stattdessen in die innerste Alchimie des Wortes zurück, um so der Dichtung ihren letzten, heiligsten Bereich zu bewahren. Das Programm der Dadaisten hat mit diesem »heiligsten Bereich« nichts mehr zu tun. Es sprengt ihn auf und bedient sich der Trivialitäten der Alltagssprache, ganz gegen das Ansinnen Balls. Konsequent wendet er sich von seinen einstigen Weggefährten ab und in selbst gewählter Einsamkeit dem Studium der Geschichte der Heiligen zu. Ball will ein transzendentes Leben führen. Das kann er nur durch Hinwendung zur Religion und zu strenger Spiritualität. Dieser getaufte Dadaist votiert für asketische, mönchische Strenge in Lebensform und Dichtung und bleibt darin den Prinzipien des Dandyismus treu. Die Künstler sind der Welt gegenüber geistige Asketen und führen ein verschollenes Dasein. Diesen Gedanken findet Ball durch Baudelaire bestätigt. In den Monaten, die den Dada-Experimenten vorangehen, widmet er sich einer intensiven Lek96

Dadaistische Maskenspiele: Hugo Ball, Francis Picabia, Jacques Vaché

türe der Tagebücher Baudelaires. Wie dieser will er sich von seiner Zeit ablösen und sich im Glauben an das Unwahrscheinliche und Phantastische stärken. Der gedanklichen Nähe zum französischen »poète maudit« entspricht eine verblüffende Ähnlichkeit im Habitus. Was der eine auf der Bühne zelebrierte, wurde für den anderen indes zur permanenten Selbstinszenierung. Von Baudelaire wird berichtet, dass er es liebte, in der Maske des militanten Puritaners oder gepeinigten Mönchs aufzutreten. Catulle Mendès beschreibt sein Aussehen als das eines »feinen, wahrscheinlich bereits verdammten Bischofs«227, dessen Eleganz eines Brummell würdig wäre. Ball zitiert die bekannten Maximen aus Baudelaires Tagebuch: »Der Dandy muß unaufhörlich danach trachten, erhaben zu sein. Ein großer Mensch sein und ein Heiliger für sich selbst: das einzig Wichtige.«228 Askese ist ein unverzichtbares Erfordernis des Dandys, der sein Dandytum vergeistigt. Wenn Ball sich vornimmt, ein transzendentes Leben zu führen, die wahrscheinlichen Dinge zu verlassen und sich den unwahrscheinlichen anzuvertrauen, bewegt er sich im Bannkreis Baudelaires. Ball sieht den modernen Künstler als einen »Heiligen für sich selbst«, als einen Gnostiker und Anhänger der vita contemplativa, deren Konsequenz eine magische Verbundenheit mit den Dingen sei.229 »Alle lebendige Kunst«, schreibt er, »wird irrational, primitiv und komplexhaft sein, eine Geheimsprache führen und Dokumente nicht der Erbauung, sondern der Paradoxie hinterlassen.«230 Was bedeutet das »Narrenspiel aus dem Nichts«? Der dadaistische Possenreißer ist geistig dem Nichts ausgesetzt, da alle Werte in Trümmer zerfallen sind. Die Figur des traurigen Spaßmachers, des Pierrot, »(…) verwandelt sich zum selbstbekennenden melancholischen Einzelgänger, der mit Zynismus und Ironie Realitätstüchtigkeit simuliert.«231 Die Kriegsversehrten sind Narrenprodukte der zivilisatorischen Gesellschaft, in der alles »rastaquoueresk« (Serner) geworden ist. Der Da-Dandy schlüpft in die Rolle des Rastaquärs – eines Parvenüs in extravagantem Habitus und Outfit – und Desperados. Der Maler und Dichter Francis Picabia und der Schriftsteller Walter Serner sind die überzeugendsten Verkörperungen dieser Spezies. Der Narrentanz des Da-Dandys ist selbstbezogen und narzisstisch. Er tarnt sich mit der Maske der Indifferenz und verharrt in affektloser Distanz zur Welt. Dieser Dandy votiert nicht offensiv gegen die Allgemeinheit. Er verkörpert vielmehr ironisch eine typische Figur der Gesellschaft. So schlüpft zum Beispiel der »Dichter ohne Werk« Jacques Vaché in das Kostüm des Soldaten, indem er völlige Teilnahmslosigkeit simuliert. Drückt der Held von Huy­smans’ 97

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»Gegen den Strich« seine Verweigerung durch den Rückzug in ein selbst gewähltes Refugium aus, so geschieht die Verweigerung bei Vaché durch übertriebene Anpassung an die gesellschaftliche Norm, begleitet von einem inneren Gelächter. »Dieses innere Lachen ist die auf die Spitze getriebene Form des dadaistischen Gelächters. Es ist die Kontrollfunktion über die Marionettenhaftigkeit, die Verdinglichung und Erstarrung des Lebens.«232 In dieser Maskerade gehört der Dandy nicht mehr zu den heroischen Ästheten Barbey d’Aurevilly, Baudelaire, Wilde und Nietzsche, die nicht die Ungerechtigkeit der Gesellschaft empört, sondern ihre Banalität.233 Er ist nicht der Grenzgänger, der vornehme Distanz wahrt, sondern ein Mann des scheinbaren Einverständnisses, der uniformierte Mensch. Was ihn von anderen »letzten Menschen« (Nietzsche) unterscheidet, ist das innere Gelächter. Mit dieser Geste eines spielerischen Umgangs mit dem Konformen wird die Haltung der Pop-Art vorweggenommen. Die Ironie läuft jedoch Gefahr, ihr Ziel zu verfehlen, wie Hugo Ball erkannt hat. Der Dandy des Konventionellen wird von der Gesellschaft, deren Regeln er sich virtuos zu eigen macht, aufgesogen. Die Öffentlichkeit versteht die ironische Geste als augenzwinkerndes Einverständnis, als Bereitschaft zur Teilhabe am Spiel mit den kulturellen Zeichen. Von einer subversiven Unterwanderung der erstarrten Wirklichkeit kann à la longue nicht die Rede sein. Die Figur des Dandys wandelt sich mit den neuen Erfahrungsräumen, die das Industriezeitalter geschaffen hat. Während Baudelaire den unvermeidlichen Niedergang des Dandytums prophezeit, spricht Hugo Ball von einem »Dandysmus der Armen«. Jeglicher Heroismus ist verschwunden. Auch die raffinierte Eleganz bleibt auf der Strecke. Es ist dies ein Dandyismus der kleinen Leute, verkörpert durch den possenreißerischen Da-Dandy, den Kleinkünstler, eine Art »demokratisches« Dandytum, im Prinzip für jedermann zugänglich.234 Selbst Tristan Tzaras Monokel kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir es hier mit einem Kleine-Leute-Dandytum zu tun haben, das an Oscar Wilde nicht heranreicht. Als Possenreißer sind die Dadaisten vulgär gewordene Dandys, Vorläufer jener von Susan Sontag als »Camp« bezeichneten Spezies, die mit den Produkten der Massenkultur ihr aberwitziges Spiel treibt. »Ich weiß nicht, ob wir trotz all unserer Anstrengungen über Wilde und Baudelaire hinauskommen werden; ob wir nicht doch nur Romantiker bleiben«, notiert Hugo Ball 1916 in seinem Tagebuch.235 Ein Jahr später, im Mai 1917, lautet die skeptische Frage: »Der Dadaismus – ein Maskenspiel, ein Geläch98

Dadaistische Maskenspiele: Hugo Ball, Francis Picabia, Jacques Vaché

ter? Und dahinter eine Synthese der romantischen, dandyistischen und – dämonistischen Theorien des 19.  Jahrhunderts?« 236 Die Antwort fällt ernüchternd aus. Durch den Krieg ist das Dämonische zur Alltagserfahrung geworden. Der Dandy ist dieser Maske ein für alle Mal verlustig gegangen. Die Wirklichkeit hat das Dämonische zur billigen Plati­ tüde herabgesetzt. Das Repertoire der »heroischen Ästheten« steht dem Dandy nicht mehr zur Verfügung. Den Da-Dandy kennzeichnet 6 Hugo Ball im Englischen Garten in Müneine widersprüchliche Wunschchen, 1912. konstellation. In seinem Verhalten stehen sich die dionysische Revolte und das Streben nach Askese unvermittelt gegenüber. In der künstlerischen Rebellion, als ein Desperado des Geistes, sucht er die dionysischen Kräfte seines Unterbewusstseins zu entfesseln. Seine Exzesse wiederum schlagen in asketische Exerzitien um. Für Baudelaire sind die Dandys Mitglieder eines strengen Ordens, der ihnen ständige Übungen und Rituale der Selbstkontrolle abverlangt. Die Prozedur des Ankleidens ist ein solcher sakramentaler Akt. Die Harmonie zwischen Äußerem und Innerem ist beim Da-Dandy indes nicht mehr selbstverständlich gegeben. Das Bizarre und Ostentative führt hier Regie. Der Ball-Biograph G. E. Steinke resümiert: »Dadaismus war eigentlich nur die ins Extreme gesteigerte Philosophie des Dandysmus. Dandysmus und Dadaismus repräsentieren aufeinanderfolgende, fortschreitende Stadien in der Entwicklung des Gedankens, dass große Kunst in der Ausübung bestimmter magischer Kräfte der Persönlichkeit liegt.«237 In einem kurzen Prosastück erzählt Baudelaire von einem Dichter, dessen Heiligenschein beim raschen Überqueren der Straße in den Schmutz fällt. Er findet sich mit dem Verlust ab und freut sich bei dem Gedanken, dass ein schlechter Dichter die Aureole aufheben und sich mit ihr herausputzen könnte. Als Dadaist wusste Ball mit diesem Putz nichts anzufangen. Nicht als Künstler, als Mönch und Asket hoffte er, ein »Heiliger« zu werden. 99

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Francis Picabia

Die Worte Oscar Wildes »Die bloße Tatsache, ein Buch mit zweitklassigen Sonetten veröffentlicht zu haben, macht einen Mann ganz unwiderstehlich. Er lebt die Poesie, die er nicht schreiben kann. Die anderen schreiben die Poesie, die sie nicht zu verwirklichen wagen«238, lassen sich auf jene Sorte von Dandy-Künstlern anwenden, deren Werk scheinbar beiläufig in einem Schnellverfahren entsteht, als käme ihm keine besondere Bedeutung zu. Es ist nur Material in den Händen eines Spielers. Der Maler Picabia würde den Aphorismus Wildes wohl nur mit Einschränkung als Kompliment verstanden haben, denn sein Werk zeugt nicht von Mittelmäßigkeit, sondern von handwerklichem Können und bildgestalterischer Originalität. Francis Picabia, geboren 1879, wuchs als einziges Kind in einem wohlhabenden Elternhaus auf. Er kam schon früh mit der Malerei in Verbindung, bewies Talent, wurde gefördert und hatte Erfolg. Bereits als Heranwachsender spielte er den Don Juan. Gerade volljährig, fiel ihm ein großes Vermögen zu. Finanziell unabhängig, war Picabia nicht auf den Kunstmarkt angewiesen. Er malte nach eigenem Gusto. Er besaß die bemerkenswerte Fähigkeit, sich immer wieder neue Stile anzueignen bzw. sich in neuen Stilen auszudrücken, ja diese vorwegzunehmen. Er brillierte im Impressionismus, Fauvismus, Orphismus, Dadaismus, Futurismus, Surrealismus, der figurativen wie der abstrakten Malerei. Gleichwohl ging er seinen eigenen Weg. Er war kein Mensch der Gruppe, sondern blieb stets ein Einzelgänger. Picabia wechselte mit verblüffender Schnelligkeit seine Masken, als fürchtete er, auf eine bestimmte Identität festgelegt zu werden. Er war ein Spieler im Leben wie in der Kunst. Überzeugungen waren ihm fremd. Die Behauptung, der Kopf sei rund, damit die Gedanken ihre Richtung ändern können, legitimierte seine zahlreichen Stilwechsel.239 Picabia beteiligte sich an den jeweils neuesten Strömungen der Avantgarde, zitierte und parodierte sie. Als selbstbezogener Genussmensch und unbeirrbarer Individualist leiteten ihn die Lust am Spiel und eine grenzenlose Neugierde. »Man staunt weniger über den Rebellen, der sich von jeder Strömung distanzierte, sobald sie in feste Bahnen geriet, als über den Alleskönner.«240 Wenn man in dem elegant auftretenden Künstler überhaupt eine Spielart des Dandys sehen will, dann ist als Maßstab weniger eine Figur geeignet wie der virtuose irische Plauderkünstler und scharfsinnige Ironiker Oscar Wilde als vielmehr der in mondänen Kreisen Frankreichs weitverbreitete Typus des 100

Dadaistische Maskenspiele: Hugo Ball, Francis Picabia, Jacques Vaché

»Rastaquär«. Das Wort Rastaquär (»rastaquouère«), kurz: Rasta, bezeichnet den grellen, reichen Emporkömmling mit exaltierten Manieren, einem anrüchigen Wesen und Zügen eines Hochstaplers.241 Was in der großen Welt verpönt war, galt in der Boheme als Gütesiegel. »Picabia, der Rastaquär. In diesem Wort liegt das Resümee eines Verhaltens, das durch alle Wechselfälle seines Lebens hindurch (...) charakteristisch bleiben sollte.«242 Ein naher Verwandter des Rastaquär ist der Desperado, den Hugo Ball als einen experimentellen Typus beschrieben hat. »Er hat seine ganze Person zur Verfügung. Er kann sein eigenes Versuchskaninchen sein und darf der eigenen Vivisektion erliegen. Niemand kann es ihm wehren.«243 Er ist der Glücksritter, der Entwurzelte, der Getriebene, der rastlos von einer Aktivität zur nächsten eilt. Gleiches gilt für den Rasta. Dieser will nur jonglieren. »Er hat nichts gelernt, aber er erfindet.«244 Was bei Picabia an den Dandy erinnert, sind das dadaistische Element des nil admirari und der extreme Unabhängigkeitsdrang und Machtwille. Picabia will sich keiner Instanz, weder einer moralischen noch einer künstlerischen, unterwerfen. Picabia inszenierte sich als lässiger, den Genuss suchender Lebemann und Playboy. Rastaquär, Desperado und Playboy haben allerdings nur entfernt etwas mit dem Dandy gemein. Es fehlt ihnen an Selbstzucht. Bei Picabia spricht überdies die Fülle seiner Produktion gegen das dem Dandy eigene Prinzip der künstlerischen Sterilität und Verweigerung. Im Unterschied zu anderen Dadaisten wie Jacques Vaché, Jacques Rigaut und Marcel Duchamp, die dieses Prinzip vollendet verkörperten, war Picabia ein unermüdlicher Arbeiter. Auch der »Da-Dandy« Hugo Ball steht durch seinen asketischen Zug dem genuinen Dandy näher als der Verfasser des »Jésus-Christ rastaquouère« und des »Tableau Rastadada«. Seine mühelose Produktion unterstreicht jedoch die Nonchalance ihres Schöpfers, seinen spielerischen Unernst. Picabias Kunst ist geeignet, den Dilettantismus zu Ehren kommen zu lassen. Picabia stand wie auch andere seiner Weggefährten unter dem geistigen Einfluss von Friedrich Nietzsche und Max Stirner. Neben Nietzsches Schriften »Die fröhliche Wissenschaft« und »Ecce homo« zählte Stirners Werk »Der Einzige und sein Eigentum«, das um die Wende zum 20. Jahrhundert auf Französisch erschien, zu Picabias bevorzugter Lektüre.245 In seinem Hauptwerk entwirft Stirner eine Philosophie des Egoismus, der zufolge der Einzelne das Recht habe, eine überlegene Position in der Gesellschaft anzustreben. Der Staat sei der Feind des Individuums. Stirner fordert seine Zerstörung durch die Rebellion des Einzelnen, nicht durch eine Revolution. Eine kollektive Aktion würde nur das eine Staatssystem durch ein neues ersetzen. 101

5 Literarisch-künstlerisches Dandytum zwischen Avantgarde und Ästhetizismus

7 Francis Picabia auf dem Holzpferdchen dada, um 1919.

Nicht die Bildung, die Zivilisation sei die höchste Aufgabe des Menschen, sondern die Selbstbetätigung. »Meine Sache ist weder das Göttliche noch das Menschliche, ist nicht das Wahre, Gute, Rechte, Freie u.s.w., sondern allein das Meinige, und sie ist keine allgemeine, sondern ist – einzig, wie Ich einzig bin. Mir geht nichts über Mich!«246 Der typische Anti-Bürger ist für Stirner der Vagabund. Die Vagabunden bilden »(…) die Klasse der Unsteten, Ruhelosen, Veränderlichen, d. h. der Proletarier, und heißen, wenn sie ihr unseßhaftes Wesen laut werden lassen, ›unruhige Köpfe‹.«247 In diesen Unruhigen, den Anhängern einer vagabundierenden Lebensart, konnten sich Picabia und die Dadaisten ebenso wie im Rastaquär wiedererkennen. Die Aneignung der Philosophie Stirners war geeignet, dem unbürgerlichen, nomadenhaften Leben in der Boheme einen höheren Sinn zu 102

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verleihen. »Man muß ein Nomade sein, durch die Ideen wie durch Länder und Städte gehen, Sittiche und Kolibris essen, lebende Pinseläffchen verschlingen, Giraffen das Blut aussaugen und sich von Pantherfüßen ernähren!«248 Die Philosophie Stirners gab Picabia die Rechtfertigung für sein egozentrisches Verhalten und machte ihm ein gutes Gewissen. Er betrachtete sich als geistigen Vagabunden, keiner Gruppe, keiner Richtung, keiner politischen Ideologie verpflichtet, sondern ausschließlich sich selbst, das heißt seinem Bedürfnis, sich schrankenlos auszuleben, was immer es koste. Gegen ihn, den finanziell abgesicherten, vielbeschäftigten Müßiggänger und Weltmann, der Kunst, Frauen und Sport als Zeitvertreib verstand, regte sich in der Pariser Dada-Gruppe Widerstand. Man wandte sich gegen seinen Eklektizismus, grandseigneuralen Lebensstil und ungenierten Umgang mit den Freunden. 1921 trennte sich Picabia von den Dadaisten. Die Bewegung war in Auflösung begriffen. Sie wurde vom Surrealismus abgelöst.249 Picabia ging mit seinen Werken genauso verschwenderisch um wie mit seinem Geld, weil er – wie Gabrielle Buffet-Picabia bestätigt – des Ertrages seiner Quellen sicher war. Neben dem malerischen entstand ein umfangreiches literarisches Werk, bestehend aus Aphorismen, Gedichtzyklen, Prosastücken im dadaistischen Stil und Zeitschriftenartikeln.250 So publizierte er nach 1924 Texte, in denen er mit der gleichen Leidenschaftlichkeit eine antirevolutionäre Meinung kundtat, mit der er vorher eine entgegengesetzte Gesinnung verfochten hatte. Das Erbe seines Onkels ermöglichte es Picabia, im Süden Frankreichs, in Mougins, einen herrschaftlichen Landsitz zu erwerben, das Château de Mai. Von nun an lebte er an der Côte d’Azur. »Wohlhabend, berühmt, wie ein Schmetterling umherflatternd im Auto mit einer Frau nach der anderen (…) so stellt sich uns Picabia im Jahr 1926 dar. Unser Ex-Dadaist begann während einiger Jahre die glamouröse Existenz eines Hollywood-Millionärs zu führen.«251 Picabias Reichtum erlitt durch den Börsencrash an der Wall Street 1929 Einbußen. In Cannes, wo er in der besten Gesellschaft verkehrte, verlegte er sich auf kommerzielle Feste und Gala-Veranstaltungen. Er präsidierte Banketten und organisierte Treffen von Liebhabern von Luxuskarossen, von denen er selbst eine stattliche Anzahl besaß. Er profitierte dabei von seinen Dada-Erfahrungen und produzierte sich als Zeremonienmeister. Zwischen 1930 und 1936 fanden zwölf bis dreizehn Gala-Veranstaltungen unter seiner Regie in Cannes statt. »Der vollkommene Individualist Pica103

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bia zerstreute die Reichen nach der gleichen Methode, mit der er früher die Avantgarde amüsiert hatte.«252 Damit konnte er mehrere Ziele gleichzeitig erreichen: Er unterhielt die Öffentlichkeit und machte sich über sie lustig. Er amüsierte seine Entourage und stellte sie bloß. So wie Oscar Wilde über den Giftmörder und Künstler Thomas Griffiths Wainewright schrieb, dieser Dandy und Ästhet sei gleichermaßen der Feder, des Pinsels und des Giftes mächtig gewesen, lässt sich von Picabia sagen, er drückte sich gleichermaßen durch den Besitz von teuren Autos und Segeljachten wie durch die Malerei und das Schreiben aus. Picabia zögerte nicht, aus sich einen Narren zu machen. Manche Party, die er organisierte, war wie ein Parodie von Dada-Soiréen. In einem Brief an die Malerin Christine Boumeester beruft er sich auf den Satz von Nietzsche aus der »Fröhlichen Wissenschaft« als seine Lebensmaxime: »Muss derjenige, der die Menge aufrütteln will, nicht ein Komödiant seiner selbst sein?«253 Ein Dandy will freilich nicht die Menge aufrütteln. Wenn er zu ihr spricht, dann nur, um sie zu verhöhnen. Picabia war nicht der radikale Anti-Bourgeois, für den er sich hielt. Er partizipierte am Glamour und am Highlife der Nabobs an der Côte d’Azur. Da er dabei immer auch der anarchische Künstler blieb, betätigte er sich als Possenreißer und Rastaquär. Die Attitüde des Clowns hat bei ihm jedoch ihren herausfordernden Charakter verloren. Von Seiten der mondänen Kreise war ihm der Applaus jedenfalls sicher. Herausgefordert fühlten sich allein seine Künstlerfreunde von einst. Provozierend war sein Affront gegen die Kommunistische Partei, der sich viele ehemalige Avantgardisten inzwischen angeschlossen hatten. »Er demonstrierte den Hochmut des wohlhabenden Anarchisten, als er 1936, zur Blütezeit der Volksfront, seinen 42-PS Rolls-Royce seelenruhig am kommunistisch regierten Rathaus von Golfe-Juan vorbeisteuerte.«254 Es ist dies die überhebliche Attitüde eines Dandys, der meint, der Sozialismus/Kommunismus sei ausschließlich für die Mittelmäßigen und Schwachsinnigen erfunden worden. Picabia starb 1953. In seiner Grabrede hob André Breton hervor, das Werk des Malers verdanke sich der unumschränkten Herrschaft der Laune und sei auf der Freiheit gegründet, auch zu missfallen. »Nur ein großer Geist konnte wagen, was Du gewagt hast!«255 Das Wagnis Picabias bestand darin, dass er sich nicht scheute, sich zwischen alle Stühle zu setzen, wohl wissend, dass er sanft fallen und seine materielle Existenz dabei nicht aufs Spiel setzen würde. 104

Dadaistische Maskenspiele: Hugo Ball, Francis Picabia, Jacques Vaché

Picabia konnte sich seine Provokationen leisten. Es waren die Allüren eines gut situierten Hedonisten. Sein Vitalismus äußerte sich in einem egozentrischen, sinnenfrohen Lebensentwurf, der seine Rücksichtslosigkeit anderen gegenüber als Freiheit eines starken Individuums feierte. Und dennoch: Der dadaistische Rastaquär Francis Picabia ist ein entfernter Verwandter und Nachfolger des Dandys, einer jener hybriden Typen, von denen das 20. Jahrhundert eine ganze Phalanx aufmarschieren lässt. Jacques Vaché

Niemand war intimer mit der Geburt des Dadaismus und Surrealismus in Frankreich verbunden als Jacques Vaché (1895–1919).256 André Breton, der zukünftige Papst des Surrealismus, war von dem seltsamen Jüngling in Nantes fasziniert. Dort gab es vor dem Ersten Weltkrieg eine kleine Gruppe von literarisch interessierten Gymnasiasten, aus der Vaché herausragte. Wie Zeugen berichten, stilisierte er sich schon früh als Dandy. Er stand Modell für die diesem Typus nahekommende Hauptfigur des Romans »Jean Jacques de Nantes« von Jean Sarment, einem Mitglied der Gruppe. »Er war sehr sorgfältig gekleidet und zeigte eine starke Neigung zum Dandyismus. Er trug im linken Auge ein Monokel und gefiel sich im englischen Stil (…) Wenn er so dasaß und seinen Freunden zuhörte, ohne wirklich etwas zu verstehen, und es allein darauf anlegte, das Gespräch mit dem Kopfschütteln eines alt gewordenen Diplomaten zu unterstreichen, war er grandios in seinem Phlegma. Sobald er jedoch auflebte und sich bewegte, verrieten sein unruhiger Schritt und die Nervosität seiner Gesten freilich, dass er kein geborener Engländer war.«257 Mit Ausbruch des Weltkriegs wurde Vaché eingezogen und an die Front geschickt. Im Laufe der Kriegshandlungen betätigte er sich als Dolmetscher bei den britischen Truppen. Wegen einer Beinverletzung wurde er im Oktober 1915 in ein Hospital in Nantes eingeliefert, wo ihn Breton, der dort als Hilfsarzt Dienst tat, Anfang des Jahres 1916 kennenlernte. Durch Vaché wurde Breton mit der Wirklichkeit des Krieges konfrontiert und mit der Taktik eines Mannes, diesem Krieg auf seine Weise Widerstand zu leisten. Vaché legte als Soldat stets Wert auf elegantes Aussehen. Er brüstete sich, wie Breton berichtet, (…) mit seiner wunderschön geschnittenen Uniform, die obendrein aus zweien besteht, eine gewissermaßen synthetische Uniform, halb 105

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die die der ›Alliierten‹, halb die der ›Feinde‹, und deren Unifizierung rein äußerlich erreicht wird mit einem großen Aufwand an aufgesetzten Taschen, lackiertem Wehrgehenk, Generalstabskarten und engen Wickelgamaschen in allen Farben des Horizonts. Die roten Haare, die ›heruntergebrannten‹ Augen und der eisige Schmetterling des Monokels vervollständigen die gewollte Dissonanz und Isolierung. Die Weigerung mitzumachen ist so vollkommen wie möglich, allerdings unter dem Deckmantel einer zum Schein sehr weitgehenden Akzeptation: alle ›äußeren Zeichen von Respekt‹; ein gleichsam unwillkürliches Festhalten an dem, was der Geist gerade am törichtsten findet.258 Vaché verweigerte sich nicht dem Kriegsdienst. Desertion ins Ausland besaß für ihn etwas Philisterhaftes. Ihr setzte er eine andere Form der Dienstverweigerung entgegen: die Desertion ins Innere. Vaché markierte völlige Teilnahmslosigkeit. Er vollzog einen Akt marionettenhafter Anpassung. Darin lag sein geheimer Triumph. Der Dandy des Schützengrabens war ein Mann des scheinbaren Einverständnisses, ein uniformierter Mensch. Breton führt diese Haltung auf die dem Dandy eigene Haltung des Ennui zurück. »(…) es ist der feste Entschluß, völlige Teilnahmslosigkeit zu zeigen, dem Bemühen ähnlich, niemandem und nichts zu dienen oder besser, beflissentlich einen schlechten Dienst zu erweisen. Eine individualistische Haltung, wenn es überhaupt eine ist.«259 Das Nichtbeteiligtsein ist eine Haltung des Dandys, der wir in der Literatur schon bei den Helden Melvilles und Valérys begegnet sind. »Bartleby« wie auch »Monsieur Teste« sind literarische Vorboten dieser von Vaché praktizierten Gleichgültigkeit und Teilnahmslosigkeit.260 Zu Vachés stilvollem Auftreten mit Monokel fügte sich seine kühle, emotionslose Haltung. Um der »Enthirnungsmaschine« des Krieges zu entgehen, beschloss er, gleichsam sein Gehirn zu halbieren. Dies geschah mit Hilfe eines eigenartigen schwarzen Humors, den er in Anlehnung an den von ihm geschätzten Dichter Alfred Jarry, den Schöpfer des »König Ubu«, einer grotesk-anarchischen Figur, »Umor« nennt. »Im Umor liegt auch viel kolossal Ubuhaftes – wie Sie sehen werden (…) Ich glaube, daß er eine Empfindung ist – Ich hätte fast gesagt, ein Sinn – auch – der theatralischen (und freudlosen) Nutzlosigkeit von allem.«261 Vaché liebte die Mystifikation. Er benutzte verschiedene Pseudonyme und spielte mit verschiedenen Rollen. Auf der Straße, während des Fronturlaubs, zeigte er sich einmal in der Uniform eines Husarenleutnants, das andere Mal in 106

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der eines Fliegerleutnants, oder er schlüpfte in das Kostüm eines Militärarztes. Ging er vorüber, so tat er, als kenne er niemanden. Weder beim Begrüßen noch zum Abschied reichte er die Hand.262 Mit allen seinen Kräften bemühte sich Vaché, gelangweilt zu erscheinen. Am 5. Juli 1916 schreibt er an Breton: »Insgesamt bin ich wieder von der entsetz­ lichen Langeweile (…) der Dinge ohne jedes Interesse eingenommen.«263 In einem Brief an den Freund Théodore Fraenkel vom 29. April 1917 bekennt er: »Ich langweile mich sehr hinter meinem Glasmonokel, kleide mich in Khaki und schlage die Deutschen.«264 Seine Gleichgültigkeit und seine kalkulierte Unbotmäßigkeit erlaubten es ihm, psychisch der Entmenschlichung des Krieges zu widerstehen. Breton sah in Vaché eine Person, die es verstand, angesichts der Schrecken der Zeit sich mit einem kristallinen Panzer zum umgeben. Dem entsprach seine einstudierte Art und die ungezwungene Art, sich auszudrücken. Rückblickend – in einem Radiointerview des Jahres 1952 – stellt Breton Vaché in eine Reihe mit den Helden der Werke von Joris-Karl Huysmans und Paul Valéry. »Er hätte sich sehr gut für den Enkel von Monsieur Teste ausgeben können (…) Heute vermute ich, daß er eine Art Des Esseintes der Tat war. Sein ›gegen den Strich‹ vollzog sich unter derartigen Umständen der Überwachung und trotzdem mit solcher Gründlichkeit, daß eine Art ersticktes und gehässiges Lachen ihn auf allen Schritten knisternd umgab.«265 Es war das innere Gelächter der Dadaisten, die wie Vaché ihr Inkognito im Banalen suchten. Als Dandy steht Vaché in der Tradition Baudelaires, Huysmans’ und Valérys, dazu ausgestattet mit dem schwarzen Humor Alfred Jarrys. Mit Baudelaires Dandy teilt er die Anglomanie, die Unerschütterlichkeit und Nonchalance, den Hang zur Maskerade und zum Künstlichen. Wie Huysmans’ Held Des Esseintes nimmt er Zuflucht zu Drogen und künstlichen Paradiesen und sucht dem Alltag zu entkommen. Seine Verwandtschaft mit Valérys Monsieur Teste kündet jedoch von etwas Neuem. Der Dandy tritt in das Zeitalter der Maschine ein. Vaché ist der Dandy des Schützengrabens, der Kampfzone, in der die Technik über Leben und Tod entscheidet. Der Mensch wird zur Kampfmaschine. Vaché nimmt diese Herausforderung an. Er macht sich einer Marionette gleich und tötet alles Emotionale in sich ab, um der Situation gewachsen zu sein. Er schlüpft wie Monsieur Teste in die Uniform des Durchschnittsmenschen. Er hält Abstand zu diesen Rollen durch sein inneres Gelächter. Hier berührt sich Vaché mit dem Dadaismus, dem Narrenspiel aus dem Nichts. Vaché ist ein Des Esseintes der Tat, denn er zieht sich nicht in ein elitäres 107

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Refugium zurück. Er setzt sich der Erfahrung der totalen Uniformierung und maschinenhaften Dressur des Menschen aus. Wenn der Dandy alten Stils sich dem Lebensstil des Adels anverwandelte, so verwandelt sich der Dandy des 20. Jahrhunderts dem Leben der Masse an, indem er ihr Leben teilt, wenngleich er innerlich Distanz bewahrt. »Davon war die Freude am ›schlechten Geschmack‹ nicht ausgenommen (…) In Gestalt Vachés unterwanderte insgeheim ein Prinzip des absoluten Ungehorsams die Welt, das alles auf seinem Weg entweihte und alles ins Lächerliche zog, was damals von Wichtigkeit zu sein schien.«266 Auch die Kunst blieb von dieser Haltung nicht verschont. Vaché hat Briefe und Zeichnungen hinterlassen, aber selbst kein Buch geschrieben. 267 Er zog die Geste dem 8 Jacques Vaché, um 1918. geschriebenen Wort vor. Für Vaché war die Kunst eine Albernheit, mit der er sich ernstlich nicht abgeben wollte. Dieser Kunstverzicht fand in Kreisen des Dadaismus begeisterte Zustimmung. Vachés Haltung ist für Breton »in jeder Hinsicht die höchste Entwicklungsstufe des Dandytums«.268 Für den Dandy ist die Kunst nicht mehr als ein Accessoire, das ihn schmückt wie andere Utensilien. Vaché, der Künstlerdandy ohne Werk, ist so gesehen die vollkommene Personifikation des Dandys. Wie Brummell will er nichts sein als Dandy. Vollzogen sich Brummells künstlerische Bemühungen im Rahmen des für einen Gentleman typischen Dilettantismus, so lehrte der Krieg den angehenden Künstler Vaché: Die Kunst hat wie die gesamte bürgerliche Kultur ihren Heiligenschein verloren. Sie hat ihren sakramentalen Charakter eingebüßt. Sie hat ausgedient. Vaché, ein Dadaist und Surrealist avant la lettre, tritt als Dandy in die Fußstapfen seines aristokratischen Vorläufers, 108

Der bloße Gast: Eugen Gottlob Winkler

der jegliche Art produktiver Tätigkeit von sich weist. Im Unterschied zu diesem ist sein Inkognito die Banalität. Allerdings: Auf Eleganz und die Attitüde des Gentleman will er nicht verzichten.269 Das unterscheidet ihn von Monsieur Teste. Selbst in der Maske des Soldaten behält er seine überlegene Haltung und seinen raffinierten Kleidungsstil bei. Vaché starb am 6. Januar 1919 im Alter von 23 Jahren an einer Überdosis Opium. In der Zwischenkriegszeit überlappten sich zum Teil die Milieus, in denen sich das Dandytum präsentierte, zum Teil waren sie scharf von einander geschieden. Die Sphäre, in der sich ein Jacques Vaché oder Hugo Ball bewegten, wies kaum eine Berührung mit der Lebenswelt eines Gabriele d’Annunzio oder Harry Graf Kessler auf. Ein gelebtes Dandytum großen Stils in Anknüpfung an die Traditionen des Highlife des 19. Jahrhunderts und ein vergeistigtes Dandytum der Künstler sind mögliche Spielarten dieser Existenzform. Der heute nahezu vergessene Dichter Eugen Gottlob Winkler stand quer zu den Tendenzen seiner Zeit. Die Experimente der literarischen Nachkriegsavantgarde ließen ihn unbeeindruckt. Wenn ihm hier ein gewichtiger Platz in der Phalanx der Dandys des 20. Jahrhunderts eingeräumt wird, so, um zu zeigen, dass es keine Kontinuität in der historischen Entwicklung dieser Figur gibt. Ein Dandy steht immer in einem symbolischen Verhältnis zu seiner Zeit, aber er repräsentiert sie nicht. Er ist nicht zeitgemäß. Als konservativer Rebell sucht er seine Geistesverwandten jenseits der Aktualität seiner Zeit in vergangenen Epochen, in denen sein Ideal von Schönheit, Noblesse und spielerischer Eleganz Gestalt gefunden hat.

Der bloße Gast: Eugen Gottlob Winkler »Lieber großartig betteln als kümmerlich sein Brot verdienen.« (Brief an Hans Rathschlag vom 6. Februar 1934)

In seinem Leben war Eugen Gottlob Winkler (1912–1936), der ein schmales, aber bedeutendes literarisches Werk hinterlassen hat, schon in jungen Jahren bereit, einen hohen Einsatz zu wagen. Er verweigerte sich dem Broterwerb. Er wollte ein Dichter sein und sein Leben dementsprechend einrichten. Dichter sein war für ihn keine Berufstätigkeit wie jede andere, sondern eine Lebensform, die Kontemplation und Muße voraussetzte. Winkler war kein Nichts­ tuer. Er wollte arbeiten, hart arbeiten, aber zuerst wollte er leben. Bei der 109

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s­ okratischen Art zu denken, wartet der Geist, was das Leben ihm zuträgt, heißt es in seinem Essay über Henri de Montherlant. Denken ist hier Folge bewusstseinsmäßigen Lebens. »Das Leben zuerst. Das Leben vor allem.«270 Ein Studium der Romanistik, Germanistik und Kunstgeschichte mit anschließender Promotion hatte Winkler hinter sich gebracht. Man schrieb das Jahr 1933 und die Aussichten auf eine freie geistige Tätigkeit waren begrenzt. Nicht, dass er auf Anerkennung für seine Versuche hätte verzichten müssen. Er musste nicht für die Schublade schreiben. Es existierte noch eine größere Zahl von Zeitschriften und Zeitungen, in denen er publizieren konnte. Zum Verhängnis wurde Winkler nicht so sehr das Dritte Reich. Er machte sich zwar verdächtig, weil er sich nicht organisieren lassen wollte.271 Auch geriet er aus nichtigem Anlaß in das Räderwerk der politischen Justiz. Doch im Übrigen ließ man ihn in Ruhe. Er konnte schreiben und veröffentlichen. Etwas anderes quälte ihn. Seine materielle Lebenssituation vertrug sich nicht mit seinen Vorstellungen von den Schaffensbedingungen eines Dichters. Er wollte frei von materiellen Sorgen leben und nicht zum Kärrnerdienst bei der Presse gezwungen sein. Auch war der literarische Markt, genauer: die Nischen, die für einen wie Winkler noch unter der Nazi-Diktatur existierten, kein die Existenz sicherndes Feld. Dazu traten verblendete Vorstellungen von einem schönen Leben: dem Leben eines Weltmanns und aristokratischen Ästheten, der sich mit erlesenen Dingen umgibt, die antiken Stätten der Kultur aufsucht und in seinen Mußestunden künstlerisch dilettiert. In diesem Sinne schreibt Winkler am 17. November 1931 aus Paris an seinen Freund Johannes Heitzmann: »Ich tauge meiner Natur nach zu nichts als in behaglicher Muße da und dort in der Literatur herumzuschnüffeln.«272 Doch das Dilettieren war in Wahrheit nicht seine Sache. Hier unterschied er sich vom Idealbild des englischen Gentleman. Kunst war für ihn eine todernste Angelegenheit, deren Ausübung höchste Vollkommenheit und unbedingte Hingabe verlangte. Winklers Poetik hat antike und moderne Wurzeln. Die Antike war für ihn der Maßstab durch ihren Sinn für Form und Ordnung, die Verschmelzung von Körperlichem und Geistigem. Winklers Kunstsinn war an Bildhauerei und Architektur geschult. Er übertrug ihre Bauprinzipien auf die Poesie. Die Moderne stand für ihn in der Tradition des französischen Symbolismus. Ihr Zentrum bildete der von Poe und Baudelaire, von Mallarmé und Valéry ausgebildete Gedanke, Dichtung sei vor allem Form, durch den Intellekt gebändigte Sinnlichkeit. Nach Abschluss seiner ersten Versuche mit Lyrik hatte Winkler sich die Idee einer absoluten, reinen Dichtung zu eigen gemacht, einer Dich110

Der bloße Gast: Eugen Gottlob Winkler

tung, die sich der Arbeit am Wort verdankt. Er erkannte, dass es sich bei seinen Versen um Erlebnisdichtung handelte, die seinem eigentlichen Ansinnen nicht entsprach. In Briefen an die Freunde ist das mühselige Ringen um den richtigen Ausdruck und die einzig angemessene Form dokumentiert. Er weiß, dass er am Anfang steht und es vieler Versuche bedarf, bis etwas Gültiges geschaffen ist. Dies gilt gleichermaßen für Lyrik wie für Prosa, der sich Winkler in seiner späteren Schaffensperiode mehr und mehr zuwendet. Seine Poetik lag in ihren Grundzügen schon 1931 – Winkler war damals neunzehn Jahre alt – fertig vor. Es ging nur noch um Präzisierungen und Ausgestaltungen über einen Zeitraum von fünf Jahren, die er noch zu leben hatte. Das Leben geht der Kunst voran

Eugen Gottlob Winkler, 1912 in Zürich geboren, wuchs in bescheidenen, aber nicht ärmlichen Verhältnissen in Stuttgart-Wangen auf. Sein Vater, ein Maschinenbauer, starb, als Winkler fünfzehn Jahre alt war. Die Mutter lebte von der Witwenrente, für ihren einzigen Sohn bezog sie Kindergeld. Sein Studium in München finanzierte Winkler weitgehend durch Stiftungsmittel. Aus dem väterlichen Erbe verfügte er noch über eine durch die Bankkrise von 1931 bereits dezimierte Geldreserve, die er zu einem großen Teil in Devisen – holländischen Gulden und Schweizer Franken – anlegte. Ein Teil des Geldes wurde während der zwei Semester Studium in Paris 1931/32 verbraucht. In seinen Briefen klagt Winkler ständig über Geldnot. Er wisse nicht, wie er die nächsten Monate überstehen solle, wenn nichts Unerwartetes zu Hilfe komme. Diese Klagen sind jedoch kein Beweis für Winklers ärmliche Existenz, sondern verweisen auf eine Diskrepanz zwischen seinen materiellen Ansprüchen und den verfügbaren Subsistenzmitteln. Winkler ging es besser als vielen Mitstudenten. Er maß jedoch seine Lebensansprüche an denen eines jungen Herrn aus gutem Haus. Nach bestandener Doktorprüfung im Frühjahr 1933 stand er vor der Wahl, einen Brotberuf zu ergreifen oder das Risiko einer ungesicherten Existenz als Künstler in Kauf zu nehmen. Den Zuschuss für den Druck der Dissertation und das bereitgestellte Stipendium für die Vorbereitung auf das Zweite Staatsexamen verwandte er für Reisen nach Italien, dem Land seiner Sehnsucht. Als diese Mittel ausgeschöpft waren, blieb ihm nur noch seine Notreserve. Allerdings fand er immer wieder Geldquellen, die es ihm erlaubten zu improvisieren. Das Schreiben hatte ihm bisher nichts eingebracht. Doch sollte sich das bald 111

5 Literarisch-künstlerisches Dandytum zwischen Avantgarde und Ästhetizismus

ändern. In den beiden letzten Lebensjahren 1935 und 1936 gelang es Winkler, sich als Essayist einen Namen zu machen. Die Frankfurter Zeitung bot ihm einen Redakteursposten an, andere Blätter und Zeitschriften forderten ihn auf, Beiträge einzureichen. Winkler erzielte schließlich durch Schreibhonorare ein passables Monatseinkommen, das seinen Lebensansprüchen weitgehend genügen konnte. Dazu gesellten sich Gönner und Förderer. Winkler verkehrte in der mondänen Boheme Münchens. Er fand Unterstützer in der Familie von Heiseler und dem Bankier Lerchenthal, die ihre Häuser dem jungen Dichter zu freier Logis anboten. So war es ihm möglich, unter akzeptablen Bedingungen sich ganz auf seine dichterische Arbeit zu konzentrieren. Die meiste Zeit wandte Winkler freilich für Auftragsarbeiten auf. Auf diese Weise entstanden seine großen Essays über wesensverwandte Dichter und zahlreiche kleinere Artikel. Weniger erfolgreich war Winkler mit Lyrik und Prosa. Seine dichterischen Werke wurden zu seinen Lebzeiten kaum gedruckt. Aber auch hier kündigte sich eine Wende an. Winkler hatte sich inzwischen in Kreisen von Literaturliebhabern einen Namen gemacht. In Briefen ist von einem Roman die Rede, den er einem renommierten Verlag – Rowohlt oder Fischer – vorlegen wolle. An entsprechenden Empfehlungen und Interessensbekundungen von einfluss­ reichen Publizisten und Verlegern wie Max von Brück, Hermann Rinn und Karl Rauch fehlte es nicht. Noch am Tage seines Todes sollte eine Begegnung mit Peter Suhrkamp stattfinden. Bei jedem anderen Autor würde man angesichts dieser Erfolge und Ermutigungen von einer vielversprechenden Karriere sprechen. Der Durchbruch schien geschafft. Doch für Winkler stellte sich die Lage anders dar. Die kräftezehrende Arbeit an Essays, Aufsätzen und Artikeln für Zeitschriften und Zeitungen hatte ihn erschöpft. In seinem letzten Lebensjahr 1936 klagte er über fehlende Energie, um seine dichterischen Arbeiten seinen Ansprüchen gemäß zu gestalten. Er fürchtete um seine Produktivität. Die Fronarbeit, und als solche betrachtete Winkler selbst seine Essays über Hölderlin, George, Jünger, Platen und T. E. Lawrence, habe den Dichter in ihm abgetötet. Freilich ist diese Klage vornehmlich an die engsten Freunde gerichtet, die Winklers Absolutheitsanspruch an die Dichtung kennen und ihn über die Jahre hinweg in seinen literarischen Bestrebungen unterstützt haben. In seiner Korrespondenz mit Verlegern und Redakteuren bietet Winkler sich dagegen als zuverlässigen, um neue Vorschläge nie verlegenen Geschäftspartner an. Es bereitet ihm Genug112

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tuung, dass angesehene Zeitschriften seine Mitarbeit schätzen und ihn an sich binden wollen. Gleichwohl steht Winkler vor einem Dilemma. Um existieren zu können, muss er viel schreiben, am besten ohne jede Unterbrechung. Sein Monatssalär ist bei gestiegenen Konsumansprüchen schnell verbraucht. Winkler hat nie mit Geld haushalten können, wie seine Freunde bezeugen. Stieg sein Einkommen, so stiegen in gleichem Maße seine Ansprüche. Winkler liebte den Luxus: elegante Kleidung und Accessoires, kostbare Reiseutensilien, exquisite Hotels und Restaurants. Für sein Verständnis gehörte zu einem wahren Dichterleben der materielle Reichtum. Winkler hat diese Auffassung von früh auf zum Kummer seiner Freunde ungeniert vertreten. Es finden sich in der Korrespondenz zahlreiche Hinweise auf seinen verschwenderischen Lebensstil. Von seinen Freunden unterscheidet sich der junge Dichter durch einen gravierenden Mangel an haushälterischer Disziplin. Man hat seine Vorliebe für die schönen Dinge des Lebens gelegentlich als eine Neigung zum Snobismus oder Dandyismus getadelt. Doch Winkler wollte sich nicht mit den kleinbürgerlichen Wertmaßstäben seiner schwäbischen Heimat messen lassen. Er hatte Baudelaire, P ­ roust, Rilke, Hofmannsthal und George gelesen. Sein Bild des Dichters als einer unverfälschten, reinen, mit Broterwerb unvereinbaren Daseinsform war von diesen Vorbildern geprägt. Von Rilke konnte er lernen, wie sich dichterische Existenz und Mäzenatentum in Einklang bringen lassen. An Hofmannsthal und Proust konnte er den Vorteil eines großzügigen, ererbten Vermögens studieren. George war ein Beispiel für die selbstverständliche Inanspruchnahme der Dienste weniger begabter Geister durch ein Genie. Schließlich begegnete ihm in Baudelaire ein Dichter, der die anhaltende Misere seines Lebens durch die Geste des Dandys ins Sublime umzudeuten wusste. Die Verbindung von Reichtum und dichterischer Existenz sollte Winkler noch in seiner letzten Arbeit über den späten Hölderlin mehr als einen Gedanken wert sein. Gänzlich unvereinbar mit solchen Maximen ist die Vorstellung vom Dichtertum als einer entbehrungsreichen Existenz. Winkler brauchte komfortable Lebensumstände, um produktiv sein zu können. Eine geräumige, behaglich eingerichtete und lichtdurchflutete Wohnung in stiller Umgebung war eine absolute Notwendigkeit. Winkler schrieb gern auf Reisen. Auch hier bevorzugte er, soweit es sein Budget erlaubte, komfortable Hotels und eine Umgebung, die seinen ästhetischen Sinn befriedigte. Bis zum Ende seines Lebens führte Winkler eine Nomadenexistenz. Er hielt es nie lange an einem Ort aus. Entweder 113

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fehlten ihm die Mittel, um eine Mietwohnung, die seinen Ansprüchen genügte, über längere Zeit zu halten, oder er war nur Gast auf Zeit bei befreundeten Gönnern. Zum Zeitpunkt seines Todes im Oktober 1936 wohnte er in einer einfachen Münchener Pension. Doch was meint Winkler mit der Feststellung, der Kunst müsse vor allem das rechte Leben vorangegangen sein? Alles andere L’art pour l’art sei sinnlos. Das rechte Leben ist nicht das Leben in Wohlstand und Muße allein, es ist vor allem das Leben des Geistes. Der Dandy als geistige Existenzform des Künstlers

Die erste Auseinandersetzung Winklers mit der Figur des Dandys findet sich in einem Gedicht mit dem Titel »Der Dandy«. Es entstand im Frühjahr 1932 in Köln nach Winklers Rückkehr aus Paris und bezieht sich auf ein Bild des befreundeten Malers Raymund Jaekel.273 In dem Gedicht, das der Autor wohl kaum in die von ihm geplante Auswahl aufgenommen hätte, zu offensichtlich sind die sprachlichen Mängel, werden Motive angeschlagen, die auf eine intensivere Beschäftigung Winklers mit dem Topos des Dandys schließen lassen. Die Lektüre Baudelaires in der Zeit seines Paris-Aufenthalts mag hier Spuren hinterlassen haben. In einem Brief an seinen Freund Johannes Heitzmann vom 8. März 1932 betont Winkler die Wichtigkeit Baudelaires für die moderne französische Literatur. Er informiert Heitzmann über die neuesten Baudelaire-Ausgaben und weist auf die intimen Tagebücher hin, die Passagen über den Dandy enthalten.274 Es darf angenommen werden, dass Winkler zur Zeit der Abfassung des Gedichts »Der Dandy« auch die Ausführungen Baudelaires über diese Figur in seinem Essay »Der Maler des modernen Lebens« kannte. Hier der Wortlaut des Gedichts: Der Dandy Sein Monokel fängt den Glanz der ganzen Welt. Trotz Leutelachen: Gott wird nie erröten. Er spöttelt, wenn er einer Frau gefällt. Abends träumt er sich in Gloria zu töten. In seinen Schultern hängt die Last der ganzen Welt. Vor dem Spiegel, wenn ihn eine Frau küßt, 114

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Sinnt er, welche Maske ihr gefällt. Eins fürchtet er: den Mund, der seinen Hochmut auffrißt. Träumt er? Träumt er? Bäume schlichten sich um ihn, Ohne Lenz und Herbst. Aus seinem Pfeifengriffe Blüht es jahrlang. Her, hin umziehn ihn Wohlgerüche durch den Angstschweiß, Vögel, Schiffe … An seiner Zehe streitet Gott und Antichrist. Er – Turmbau aber und die Stirne Säulenreihn – Bewegt sich mythisch über Zeit und Mist, Nicht jung, nicht grau, trostlos allein. Das Gedicht durchziehen charakteristische Motive, die das Bild des Dandys umreißen, wie es Barbey d’Aurevilly und Baudelaire überliefert haben. Der Dandy spiegelt sich im Glanz der ganzen Welt. Das Gespött der Menge kann diesem überirdischen Wesen nichts anhaben. Er ist der Halbgott der Eleganz, weit von jedem Normalsterblichen entfernt. Der Dandy ist ein Meister der Verstellungskunst, ein Maskenträger, der sich jedem echten Gefühl und jeder Hingabe verweigert. Seine Eitelkeit, sein Hochmut, sein Narzissmus hindern ihn daran, jemals die Kontrolle über sich zu verlieren. Doch Winkler zeigt auch den Menschen hinter der Maske, der von Ängsten und Träumen (Alpträumen) heimgesucht wird. Das Künstliche, Zeitlose, das er erstrebt, macht ihn zur Unnatur. Der Dandy erscheint als übermenschliches Geschöpf, als luziferische Gestalt, als Antichrist.275 Doch der Preis, den er für seinen Hochmut zahlt, ist hoch: die trostlose Einsamkeit. Die Zeile »Bewegt sich mythisch über Zeit und Mist« verweist auf ein Problem im Begreifen dieser Figur. Der Dandy lässt sich nicht in klare, nichtbildhafte Sprache überführen. Gerade seine Unfassbarkeit und Mehrdeutigkeit macht seinen Reichtum aus. Ein Mythos – denn als mythenbildend versteht Winkler die Erzählung über den Dandy – lässt sich im Unterschied zu Figuren der realen Geschichte nicht nachprüfen. Er ist seinem Wesen nach die »zeitlose Immer-Gegenwart« (Thomas Mann). Als einem, der nicht nur der Zeit widersteht, sondern dessen Bestreben es ist, die Zeit anzuhalten und wie Wildes Dorian Gray nicht zu altern, ist dem Dandy in der gelebten Wirklichkeit ein trauriges Schicksal vorherbestimmt. Für Baudelaire – und, wie sich zeigen wird, auch für Winkler – ist der Preis 115

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der absoluten Vereinsamung jedoch nicht zu hoch. Beiden erscheint der Dandy »als Urbild des schöpferischen, gottähnlichen Künstlers« (Salzinger). Winkler hat sein Bild vom Dandy Baudelaire entlehnt. Dies zeigt deutlich der Essay »Die Gestalt Stefan Georges in unserer Zeit«276, in dem er diesem Typus einen ganzen Absatz widmet. Der Baudelaire’sche Dandy ist ein Produkt des französischen spätromantischen Geistes. Wie seine Nachfolger, die Winkler dem Symbolismus zurechnet, litt Baudelaire an dem Gegensatz von Geist und Welt. Mit ihnen teilte er die Einstellung zur Kunst als etwas Absolutem. Das Schöne als alleiniges Ziel des Kunstwerks schien allein noch imstande, »vor der geisttötenden, unsinnigen Zweck- und Nützlichkeitsbezogenheit zu retten, die das 19. Jahrhundert anfing allem menschlichen Tun zu geben«.277 Als Reaktion auf diese entwertete Welt sei die Figur des Dandys zu verstehen. Baudelaire habe ihm eine geradezu metaphysische Bedeutung zuerkannt. An erster Stelle der von Baudelaire genannten Wesenseigenschaften des Dandys nennt Winkler die vollkommene Einsamkeit, als notwendige Konsequenz seiner gegen die Zeit gerichteten Bestrebungen. Seine empfindliche Seele sehne sich nach Atmosphäre, Gesetz und Schönheit und ertrage keine Berührung mit der gestaltlosen Welt des Bourgeois und des Händlers. Baudelaire kenne in dieser Welt nur drei als Dasein wirklich erfüllte Gestalten: den Priester, den Soldaten und den Dichter. Keine dieser Existenzformen sei jedoch für Baudelaire lebbar. Auch das Dichtertum sei für ihn zweifelhaft geworden. »Als Mensch, der keine von diesen drei Formen bruchlos verwirklichen kann, nimmt er, um die Würde des Menschenbildes zu wahren, die Haltung des Dandys an, der sich aus seiner Umwelt löst, um bewußt in Zeit- und Raumlosigkeit zu schweben.«278 Der Dandy, so heißt es weiter, umgebe sich mit kostbaren und erlesenen Dingen, die in einer stillosen Zeit nicht mehr geschätzt würden. Der Abscheu vor dem Gemeinen und Formlosen erstrecke sich bis auf die Dinge der Natur. So sei die Sexualität nur noch ein tierischer Akt der Zeugung. Der Baudelaire’sche Dandy sei der Schönheit zuliebe, die als Kunst der Natur entgegenstehe, asketisch. Er sei ein priesterlicher Diener der Schönheit und bereit, für sie in herausfordernder Weise einzutreten. Winklers Aussagen über den Dandy beziehen sich vor allem auf die Tagebücher Baudelaires, während die von seltener Intuition getragene scharfsinnige Charakteristik, die Baudelaire in seinem Essay »Der Maler des modernen Lebens« von diesem Typus gegeben hat, weniger Beachtung findet. Bestätigt wird der Eindruck, dass das früher entstandene Gedicht »Der Dandy« im 116

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Wesentlichen auf die von Baudelaire hervorgehobenen Charaktereigenschaften dieses Typus anspielt, was für eine schon länger zurückliegende Beschäftigung mit dem Dichter zu sprechen scheint. Nachdem er den Leser mit Baudelaires Bild des Dandys bekannt gemacht hat, fragt Winkler: »Ist das nicht zugleich ein Bild des jungen George, der, von Frankreich zurückgekehrt, in seinem eigenwillig geschnittenen Gehrock, mit Zylinder und Monokel, in einem Berliner Caféhaus sitzt, auf der Zigarette das glimmende Weihrauchkörnchen? Der George aus den Edelsteingärten des ›Algabal‹, der ›Herr der Insel‹ in den ›Hirten- und Preisgedichten‹? Der George, der seine Freunde mit alexandrinischen Namen nennt, die Frauen, deren Weiblichkeit er mißtrauisch begegnet, nur schätzt in ihrer Erscheinung als virago oder Huldin?«279 Winkler spricht hier vom jungen Stefan George, dem es wie den französischen Symbolisten um den Kult der Sprache und die reine Leistung des Kunstwerks zu tun ist. Scheint diese Aussage darauf hinzudeuten, dass der Sprachkult und der Kult, den George um sich selbst veranstaltet, ihn als einen Dandy ausweisen, wird man von Winkler eines Besseren belehrt. George, so heißt es, sei nur so lange ein Dandy gewesen, wie seine geistige Substanz noch nicht stark genug hervorgetreten sei. Der Dandy habe sein Selbst noch dem Werk unterworfen. Bald jedoch triumphierte die Selbstherrlichkeit. Das Werk sei dem Propheten George dienstbar gemacht worden und habe an objektivem dichterischem Wert eingebüßt. Mit zunehmendem Gewicht seiner Persönlichkeit habe Georges Dichtertum wie das eines Leconte de Lisle, des Dichters des Parnass, eine priesterliche Attitüde angenommen und er selbst die Haltung des Dandys aufgegeben. Mit der Unterscheidung des priesterlichen Dichters, der eine Weltanschauung verbreitet, vom Dandy-Dichter, der ausschließlich der Idee des Schönen verpflichtet ist, hat Winkler allerdings noch keine überzeugende Erklärung für den Wandel in Habitus und Mentalität Georges gegeben. Es scheint überhaupt eine Unklarheit in der Verwendung des Dandybegriffs zu bestehen. Bisher war zu lesen, der Dandy sei der vollkommene Ästhet, der sich ausgesucht elegant kleidet und seine Umgebung durch sein eigenwilliges Auftreten verblüfft. Auch als Dichter schätze er das Erlesene, Preziöse in Sujet und Sprache, wie Winklers Hinweis auf das Frühwerk Georges bezeugt. In der von Baudelaire übernommenen Charakteristik der Figur ist jedoch vom Dichter keine Rede. Ob Baudelaire in Leben und Werk dem Ideal des Dandys entsprach, wird von Winkler nicht erörtert. Anders im Fall George. 117

5 Literarisch-künstlerisches Dandytum zwischen Avantgarde und Ästhetizismus

Dieser stehe, zumindest in seinen jungen Jahren, für ein gelebtes Dandytum ein. Es wird von Winkler illustriert durch die Beschreibung der äußeren Erscheinung des jungen Dichters, die dem gängigen Klischee des auffallend gekleideten Ästheten entspricht. George erscheint hier freilich nicht so sehr als ein Schüler Oscar Wildes, sondern als ein Adept der französischen Symbolisten, die es liebten, gelegentlich in das Kostüm des Dandys zu schlüpfen. Der junge George erinnert in Winklers Beschreibung an zeittypische Gestalten, wie sie sich in Werken symbolistischer Autoren wie Huysmans (»Gegen den Strich«) oder Rodenbach (»Das tote Brügge«) finden, also an Attitüden, die nicht nur in London und Paris, sondern auch in Wien und Berlin und anderen europäischen Städten in Künstlerkreisen des Fin de Siècle häufig anzutreffen waren. Der äußere Habitus und das dichterische Frühwerk Georges werden von Winkler einer ästhetischen Lebenshaltung zugerechnet, wobei offenbar eine ausgesuchte Sprache und ausgefallene Sujets im Werk als Hinweise auf ein literarisches Dandytum gewertet werden. Der Frage nach der Einstellung Winklers zum Dandytum kommt deshalb besondere Bedeutung zu, weil das Beispiel Georges zeigt, dass für einen Dichter, der Dandy sein will oder als ein solcher wahrgenommen wird, ein doppeltes Problem besteht. Zum einen, dies hat Winkler an Baudelaire aufgezeigt, ist für den Dandy die Dichtung, will er sich ihr ernsthaft widmen, ein zweifelhaftes Unterfangen, denn er selbst ist das Kunstwerk, das keiner produktiven Zusatzleistung bedarf. Andererseits hat der Dichter, der sich mit der Rolle des Dandys identifiziert – und dies scheint, wie Winkler nachweist, für Baudelaire durchaus der Fall gewesen zu sein –, sein Dichtertum unter die Prämisse dieser Lebenshaltung zu stellen. Hier ergeben sich Fragen nach Form und Inhalt, nach dem Dichterischen als Lebensform und nach einer Kompositionsweise von Dichtung, die den eigentümlichen Ansprüchen des Dandyismus genügen will. In seinem George-Essay hat Winkler diese Problematik nicht ausdrücklich angesprochen. Er hat vielmehr Person und Werk des jungen George als Einheit betrachtet, wo doch zu fragen gewesen wäre, ob die Formgestalt des Werks dem personalen Selbstgestaltungswillen ihres Schöpfers als Dandy korrespondiert. Die Antwort lautet: Der junge George war, gemessen an dem stoisch-herrischen Bild des Dandys, das Baudelaire gezeichnet hat, als Person vielleicht eine Verkörperung dieses Typus, in der Gestaltung seines dichterischen Werks jedoch eher ein zum Ornamentalen neigender Plagiator des morbiden Zeitgeschmacks. 118

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Die Macht des Geldes oder Das schöne Leben

Die Maske des Dandys war für den jungen Winkler von ebensolchem Reiz wie für die Dichter, an denen er sich kritisch maß. Briefe aus seiner Pariser Zeit an die Freunde Walter Warnach und Johannes Heitzmann zeigen Winkler in der Pose des jungen Lebemanns. »Ich habe Bekannte gefunden, bei denen ich sozusagen das Orakel u. den Narren spiele (…) Ich schlendere häufig in vollendeter Eleganz auf den Champs Elysées. Lächerliche Äußerlichkeit, die mich aber über viel hinwegtäuscht.«280 Dass er das perfekt gestaltete Äußere nicht als notwendigen Bestandteil seines Lebensentwurfs als Ästhet und Dichter versteht, sondern als Schutzpanzer für sein wahres verletzliches Ich, dokumentiert ein wenige Monate später entstandener Brief an Warnach: »Du weißt ja, daß ich nach außen immer eine Maske aufsetze, und daß mich wenig Leute so kennen, wie ich wirklich bin. Mein Alter schwankt zwischen 23 und 28 Jahren [er hatte damals noch nicht einmal das 20. Lebensjahr vollendet], kein Mensch hier weiß oder wußte, wer ich eigentlich bin und was ich eigentlich tue. Niemand weiß etwas von meinem grauenhaften Innern, ich trete stets mit dem ironisch lächelnden Gesichte auf, weil ich mich einfach dieses Schmerzes schäme, der mich verheert. Du mußt verstehen, wie das ist: dieses in einer-andern-Hautstecken-Wollen.«281 Hier spricht nicht der kaltblütige Dandy, dessen eisige Ironie zum unverzichtbaren Teil seines Habitus gehört, sondern ein junger aufstrebender Mann, der sich in einer Umgebung des Luxus seiner Armut schämt und äußerste Anstrengungen unternimmt, sich diese Scham nicht anmerken zu lassen. Das Maskenhafte seines Auftretens in Gesellschaft hat Winkler schon in einem früheren Brief an Warnach eingestanden. Die Rede ist von einem Porträt, das ein Münchener Maler von ihm angefertigt hatte. »Die Augen, die beim ersten Anblick einen ironisch lächelnden Ausdruck zu haben scheinen, werden beim näheren Zusehen ganz anders. Hinter der Gesellschaftsmaske kommt das Andere zum Vorschein.«282 Das Motiv der Maske greift Winkler auch in einem Brief an Heitzmann auf. Er rät dem Freund, um in München zu reüssieren, seine Persönlichkeit in zwei Hälften aufzuspalten: einerseits die echte Persönlichkeit, andererseits die der Gesellschaft zugewandte maskenhafte Seite. »Beginn also dies Leben mit einem Bewußtsein wie Julien Sorel in Le Rouge et le Noir.«283 In Paris träumt sich Winkler in jene Balzac’schen oder Stendhal’schen Helden aus der Provinz hinein, die hoffen, in der Metropole ihr Glück zu machen. Er lebt ganz in seiner Imagination, aus der er jedes Mal niedergeschla119

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gen erwacht. An Heitzmann schreibt er: »Ich denke an das geschmackvolle Haus, das ich bewohnen würde, an jeden und allen nur erdenklichen Luxus, der mich umgäbe, an Schönheit und Genuß (…) Nach solchen Benebelungen stelle ich mich durch einen starken Café wieder her«.284 Winkler verfügt über nur geringe Mittel aus seinem väterlichen Erbe, die aber, so ist er entschlossen, sollen für Vergnügungen und Eskapaden eingesetzt werden. So berichtet er von einer Begegnung mit einer Frau, an die er einen großen Teil seines Geldes verschwendete, um sie an sich zu binden. Allerdings ohne Erfolg. Sie sei seit Langem die Erste gewesen, bei der er nicht eine gegebene Liebe gönnerhaft hinnahm. Heitzmann bestätigt in seinen Lebenserinnerungen »Zwischen Zeiten und Welten«, dass Winkler in Paris eine beträchtliche Summe innerhalb kürzester Zeit zum Teil sinnlos vergeudet habe, eine Summe, mit der er auch dort wenigstens um einiges länger hätte leben können.285 In seiner Verschwendungssucht erinnert der junge Winkler an den gerade volljährig gewordenen Baudelaire, der ebenfalls binnen weniger Monate einen Großteil seines Erbes im Stile eines Dandys durchbrachte, so dass die Familie keinen anderen Rat wusste, als ihn unter Vormundschaft zu stellen. Die Verstellungskunst gehört zum Wesen des Dandys. Winkler beherrschte diese Methode so virtuos, dass er einige Jahre später in Kreisen der Münchener Boheme Furore machte. Er präsentierte sich in diesem Milieu weniger als Mann von Geist, ausgestattet mit außerordentlichen literarischen Fähigkeiten, sondern als mondäner Müßiggänger. Der Freundin Waltraud Rohrig-Walther gesteht er: »Ich möchte lieber die Maske des weltgewandten fainéant mit aller Liebenswürdigkeit zur Schau tragen, als mir öffentlich und bei jeder Gelegenheit den geistigen Umtrieb von der Stirne ablesen lassen.«286 In Münchens Literatencliquen wurde Winkler 1935/36 nach eigenem Zeugnis dank seines Geredes und vielleicht auch durch sein Schreiben zu einer »leicht legendär behauchten Figur«. Dort gebe es noch im alten Sinne eine ›Gesellschaft‹, »die nicht mit dem Besitz von Geld aufhört, sondern vom Adel bis zur Bohème reicht«.287 Er galt dort nicht allein als ein vielversprechendes literarisches Talent, sondern auch als ein Frauenheld und Lebemann, der es sich auf den teuersten Kostümbällen gut gehen ließ. Über Winklers problematisches Verhältnis zum Geld und seine verschwenderische Natur finden sich zahlreiche Belege in der Korrespondenz mit Freunden und ihm nahestehenden Personen. Eine ergiebige Auskunftsquelle sind die Erinnerungen von Heitzmann. Wie ein Cantus firmus durchzieht das Thema des Geldes den Text, wenn von Winkler die Rede ist. Heitzmann beklagt sei120

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nes Freundes verhängnisvolle Überbewertung des Materiellen und gelegentlich zutage tretenden Hang zum Snobismus. So schämte er sich offenbar seiner kleinbürgerlichen Herkunft und suchte sie zu verbergen. In seinem Proust-Essay hat Winkler das Wesen des Snobs als das eines Menschen charakterisiert, »(…) dem von der Blendkraft fremden Scheines die angestammte Natur von minderem Rang zu sein scheint, eines Menschen also, der das, was er ist, durch den Schein eines anderen Seins zu ersetzen trachtet, und der, indem er damit den Fehler begeht, zwei wesensfremde Kategorien 9 Eugen Gottlob Winkler, 1934. einander gleichzusetzen, notwendigerweise in eine Verbogenheit, wenn nicht Verlogenheit seiner Natur gerät.«288 Winkler glaubte seine Natur nicht zu verbiegen, wenn er nach Reichtum strebte. Gegen die Vermischung von Schein und Sein war aber auch er nicht gefeit, schon gar nicht, wenn er sich in der Pose des Dandys gefiel. Auch behagte es dem aufstrebenden Dichter und Weltmann nicht, wenn sein familiärer Hintergrund allzu deutlich zutage trat. Als er Heitzmann im März 1934 dazu aufforderte, ihn und seine Familie in Bad Cannstatt zu besuchen, wies er in dem Einladungsbrief auf die beschränkten Verhältnisse hin, »die nun allgemach das Niveau der Kleinbürgerlichkeit unterschreiten«.289 Was man als einfache soziologische Tatsachenfeststellung werten könnte, war jedoch entschuldigend gemeint. Winkler empfand die materiellen Umstände seines Lebens als Bettelhaftigkeit, was man unter den damaligen Zeitverhältnissen vielleicht nicht einmal Armut nennen konnte.290 Das Wort »Bettelhaftigkeit« gebrauchte Winkler ausdrücklich in Relation zum Lebensstil eines reichen Malers, dem er auf Sizilien begegnet war und der ihn zu festlichen Diners einlud. Im Hause des Künstlers war alles von erlesenem Geschmack, jeder Gegenstand ausgesucht, alles bis aufs Letzte abgestimmt zu vollendeter Harmonie. Winkler gesteht in einem Brief an den Freund, er habe sich nicht entschließen können, über seine wirkliche finanzielle Situation Auskunft zu geben. Er sei von vornherein als gleichberechtigter, wohl situierter Mensch behandelt worden, »(…) so daß ich um alles in der Welt nicht dieses 121

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Gentleman-Verhältnis hätte stören wollen, indem ich meine Bettelhaftigkeit irgendwie gezeigt hätte.«291 Das Erlebnis in Taormina veranlasst Winkler zu dem Eingeständnis: »(…) das sorglose und schöne Leben dort ist mir als meiner Natur so einzig angepaßt erschienen, ich fühlte mich geistig und körperlich so belebt, daß es mir unmöglich ist, mir eine andere Lebensform vorzustellen.«292 Die beiden Freunde verbrachten Ende Juni 1934 einen Tag auf Schloss Favorite bei Stuttgart und in Baden-Baden. »Wir ließen uns die Sache etwas kosten, nur um die genügende Distanz zur Menge einhalten zu können«293, schreibt Winkler an Waldtraud Rohrig-Walther. Am späten Nachmittag kamen sie in Baden-Baden an, »nahmen eine Kutsche und soupierten schließlich exquisit bei herrlichen Gesprächen«.294 Winkler erweist sich im Umgang mit dem Luxus als ein wahrer Philosoph. Die materielle Lebensunsicherheit könne man nur ertragen, »(…) indem man sich vornimmt, diesen oder jenen Tag so zu verbringen, als sei man jeder Gefahr entronnen. Ein solcher Tag stärkt oder erfrischt doch irgendwie und läßt wieder eine längere Dürre besser ertragen.«295 Im Sommer 1934 verdingte sich Winkler als Reiseleiter. Für das verdiente Geld – es waren 56 Reichsmark – kaufte er sich »›nebst anderem‹ einen echten englischen Stoff, aus dem ›ein Kunstwerk von Anzug‹ entstehen sollte«.296 Zu Beginn des Jahres 1935 beziehen die beiden Freunde in der Münchener Perfallstraße eine Wohnung, die durch ihre Geräumigkeit und ihre Lage Winklers ästhetischen Wünschen entgegenkommt. Da die Wohnung auf die Dauer nicht zu halten ist, ist Winkler, dessen finanzielle Mittel seinen Ansprüchen nie genügen können, aufs Improvisieren verwiesen. Eine Baroness von Stengel vermittelt ihm eine provisorische Unterkunft in Fürstenfeldbruck. Heitzmann berichtet, Winkler habe es seinen Mitbewohnern nicht leicht gemacht. »Sie erwarteten einen armen Teufel, und es kam ein ganz undemütiger Herr mit zwei imposanten Lederkoffern.«297 Den einen hatte er seit einiger Zeit besessen, den anderen gerade für 90 Reichsmark erstanden. Heitzmann fragt sich rückblickend, warum der Freund nicht dieses Geld dazu verwandte, für zwei Monate in München ein Zimmer zu mieten, das ihm ein ruhiges Arbeiten erlaubt und die unerfreuliche Situation in Fürstenfeldbruck erspart hätte. »Damals aber empfand ich als durchaus notwendig, dass man für das kommende Wanderleben ohne festes Domizil vor allem die entsprechenden Behältnisse haben müsse, und diese sollten die Idee ihrer selbst möglichst vollkommen verwirklichen. So wenigstens erforderte es das Gesetz des Dandysme, 122

Der bloße Gast: Eugen Gottlob Winkler

eines Ideals, dem wir – unserer Armut ungeachtet und nun erst recht – uns verbunden fühlten.«298 Der Dandyismus, von dem Heitzmann spricht, ist der Armut abgetrotzt. »Lieber großartig betteln, als kümmerlich sein Geld verdienen«, lautet eine Maxime Winklers.299 Für den Ernstfall hatte er folgenden Vorschlag parat: »Das Geldstück ist ausgegeben, das letzte. Keine Hilfe! Keine Hoffnung. Verhaltungsmaßregel: zuvor ein wohltemperiertes warmes Bad nehmen; gut gewähltes Badesalz, Fougère am besten; sich sorgfältig rasieren, nachfolgende Lavendelwasserfriktion, Anwendung von Talcum u.s.w.; frische Wäsche anlegen; sich mit einem tadellos sitzenden Anzug bekleiden; letzter Blick in den Spiegel. Dann vorsichtig die Pistole an die Schläfe legen und - - - - - - - - - schießen!«300 Das Betteln, wenn es sich in großem Stil vollzieht, bedeutet, als selbstverständlich hinzunehmen, dass man bei wohlwollenden Gönnern als Gast willkommen ist, ohne sich in falsche Demut zu hüllen. Der »undemütige Herr«, der in Fürstenfeldbruck Quartier begehrte, war kein Hungerleider, sondern ein Mann von Welt, ablesbar an seiner gepflegten Erscheinung und den kostbaren Utensilien. Dass die Koffer, die der Herr ohne festes Domizil bei sich trug, »die Idee ihrer selbst möglichst vollkommen verwirklichen« sollen, wie Heitzmann sich ausdrückt, beweist eine subtile Kenntnis der Gesetze des Dandyismus. Es ist der äußere Schein, der darauf verweist, wer man ist. Es sind die Zeichen des Luxus, so abgenutzt sie auch erscheinen mögen, die der Umwelt bedeuten sollen, mit wem sie es zu tun hat. Winkler hatte zu dieser Art, sich in Szene zu setzen, ein völlig unbekümmertes Verhältnis. Er wusste um seine Anziehungskraft. Er sah gut aus, war raffiniert herausgeputzt, besaß vollendete Manieren und war feinnervig bis in die Fingerspitzen – wie sollte dieser junge Mann, ein Geistesaristokrat von besonderen Graden, der zudem noch den Doktortitel trug, in den besten Kreisen der Gesellschaft, den Kreisen von Adel und Großbürgertum, nicht seinen Weg machen? Nach dem wenig erfreulichen Aufenthalt in Fürstenfeldbruck war Winkler im Herbst 1935 im Haus Vorderleiten der Familie von Heiseler in Brannenburg zu Gast, ehe er zu einer mehrwöchigen Reise nach Venedig aufbrach. Den Winter verbrachte er in Seeshaupt am Starnberger See im Hause des Bankiers Lerchenthal, in dessen Familie Winkler seit seinem ersten Münchener Semester verkehrte. Er nutzte seine Refugien zu intensiver Arbeit an Essays und Artikeln, fertigte die Übersetzung einer Calvin-Biographie an und arbeitete an Plä123

5 Literarisch-künstlerisches Dandytum zwischen Avantgarde und Ästhetizismus

nen für einen Roman. Das Geld, das ihm seine rastlose Tätigkeit einbrachte, wurde rasch ausgegeben. Je mehr ihn die Arbeit erschöpfte, umso mehr war er auf Reizmittel angewiesen. Auf die Dauer reichten jedoch die eingehenden Honorare nicht aus, um einigermaßen bequem zu leben. Heitzmann schildert Winklers materielle Lage im Sommer 1936 dennoch als im Ganzen erfreulich. Er konnte vor allem seine Garderobe ergänzen, »(…) sich schöne Hemden, Anzüge und Crawatten kaufen, Dinge, an denen er seine Freude hatte und die ihn einigermaßen entschädigen mochten für die traurigen Stunden harter Fron und den Verzicht vor allem auf das, was sein eigentliches Anliegen war.« 301 Durch den Sturz des Schweizer Frankens im September geriet Winkler in eine prekäre Lage. Seine Geldreserve war in Gefahr. Die Nachricht – so Heitzmann – »(…) hat den Freund mehr als alles andere erschüttert, ganz als ob damit die einzige und allerletzte Sicherheit zerbrochen sei, die es auf dieser Welt gab.«302 Diese Äußerlichkeiten gewannen ein besonderes Gewicht, weil sich Winklers Bekanntenkreis beträchtlich erweiterte. Er stand mit angesehenen Verlegern und leitenden Redakteuren bedeutender Kulturzeitschriften in Verbindung. Dazu gesellte sich ein Baron von R., ein äußerst kultivierter, literarisch sehr interessierter, reicher Herr, der ihn gelegentlich einlud, auch zu Autofahrten über Land.303 Doch bis zu seinem frühen Tod gelang es Winkler nicht, ein festes soziales Netz aus großzügigen Mäzenen zu knüpfen. Die Zeit für eine von Wohltätern und Gönnern ermöglichte Existenzform nach dem Vorbild Rilkes war abgelaufen. Aristokratischer Individualismus

Die Charakterisierung Winklers als Dandy könnte als vordergründig erscheinen und von seiner eigentlichen Substanz als Dichter ablenken. Beda Allemann hat mit Recht Bedenken gegen jene Kennzeichnungsversuche angemeldet, »die uns Winkler in erster Linie als den von einem romanischen Formideal besessenen Artisten, als den nihilistisch umwitterten Kalligraphen oder gar als den letzten Dandy vorstellen«.304 Allemann räumt allerdings ein, dass solche Zuschreibungen nicht aus der Luft gegriffen sind. Sie führen in ihrer nur an der Oberfläche verweilenden Bedeutung freilich nicht ins Zentrum der Persönlichkeit Winklers und seines Schaffens. Sein dichterisches Werk ist eben nicht eine »kultivierte Form des Eskapismus«, ein »ästhetisches Rankenspiel über dem Abgrund« oder »die Flucht in den geschichtslosen Bereich des sich selbst genügsamen Kunstwerks«.305 Winkler ist nicht ein später Adept der 124

Der bloße Gast: Eugen Gottlob Winkler

Fin-de-Siècle-Dichtung, sondern er sucht einen neuen Weg aus den Aporien des Ästhetizismus eines Hofmannsthal, George und Rilke. Das Dandytum ist allerdings nicht nur ein äußerer Habitus, wie Allemann suggeriert. Es ist seinem Wesen nach eine innere Haltung, die einem Dichter, dem es um Formstrenge und die Suche nach einer absoluten Dichtung zu tun ist, wohl ansteht. Die Frage, die uns beschäftigt, ist der Zusammenhang von Werk und Person, wie er im Falle Winklers offenbar wird. Ist das Leben, recht verstanden, etwas zu Formendes, um ihm eine Gestalt zu geben, die es erlaubt, die Zumutungen des Zeitalters zu ertragen, so gewinnt die von Baudelaire extrahierte Philosophie des Dandyismus ihre Überzeugungskraft. Diese gewinnt sie in besonderem Maße für einen um die dem Werk adäquate Form ringenden Dichter wie Winkler. Die Strenge, die er der Dichtung abverlangt, die absolute Bewusstheit im Schaffen, entspricht den rigorosen, asketischen Regeln des Dandyismus. Das rechte Leben kann für Winkler nur darin bestehen, Kontemplation und Muße in strikter Ablehnung bürgerlichen Nützlichkeits- und Erwerbsstrebens für sich zu gewinnen. Ein solches Leben sucht Winkler allerdings nicht in der Boheme, der er durch seine Armut zuzugehören scheint. Er sucht es vielmehr in den Lebensentwürfen des Gentleman und Aristokraten, Entwürfen, die die personale Bildung in den Mittelpunkt stellen und in der Gestalt des Dandys ihre zeitgemäße Entsprechung gefunden haben. Für Winkler geht es um die Verbindung von Dichtertum und nichtbürgerlicher Existenzform, der einzigen, die ihm die Gewähr dafür zu bieten scheint, Kultur in einer kulturlosen Zeit zu bewahren und zu vertreten. In einer Tagebucheintragung vom November 1934 hat Winkler sein Kunstverständnis erläutert. Er spricht dort von den schwieriger gewordenen Umständen eines Daseins als Dichter in einer Zeit, die von keinem Gemeinschaftsund Stilwillen mehr getragen sei. Die vom Nationalsozialismus postulierte Volksgemeinschaft konnte für ihn nur ein pöbelhaftes Zerrgebilde darstellen. Der Dichter, nicht mehr von einem ästhetischen Zeitempfinden getragen, müsse sich »(…) die Mittel zur Realisierung seiner Absichten (…) auf eigene Faust suchen und erfinden.«306 Jeder Dichter habe gleichsam von vorn anzufangen, als sei er der Erste seiner Zunft. Dies böte die Möglichkeit einer »Kunst an sich«, einer überzeitlichen, reinen Kunst. Dazu sei ein Höchstmaß an Konzentration des Einzellebens erforderlich. »Dichten und Leben sind nicht mehr voneinander zu trennen, sind eins.«307 125

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Auf die sich als Gemeinschaften formierenden Avantgardebewegungen wie zum Beispiel den Surrealismus ist dieser Entwurf nicht bezogen. Er verweist vielmehr auf die Möglichkeit einer reinen absoluten Poesie in der Tradition Mallarmés und Valérys. Darin sieht Winkler eine Antwort auf die geistlos gewordene Zeit. Die Aufgabe des Dichters sei die Rettung des Geistigen vor seiner Vereinnahmung durch den Materialismus und Utilitarismus und die korrespondierenden politischen Ideologien der Gegenwart. Das Dritte Reich und der Sowjetstaat sind für Winkler typische Ausprägungen der modernen Zeit. Mystifizierung des Volkes (Nationalsozialismus) und Absolutismus der Masse (Kommunismus) bedeuteten gleichermaßen den Untergang der Kunst, denn diese sei ihrem Wesen nach aristokratisch. Für Winklers politisches Verständnis spielt auch die Differenz zwischen liberaler Demokratie und totalitärer Diktatur letztlich keine entscheidende Rolle, denn beide Systeme sind Spielarten der modernen geistlosen Massengesellschaft, der sich der Dichter entgegenstellen müsse. Der Rückzug in den Elfenbeinturm ist eine Form des radikalen Andersseins. Winkler sieht sich als Suchender einer Sache verpflichtet, die im Überpersönlichen liegt. Dabei spielt für ihn die Antike eine Maßstab setzende Rolle. »Es muß in die neue Zeit wieder etwas Antikisches hineinkommen, etwas Gebautes, etwas Substantielles, ein Gefühl für Dichtigkeit, das unter der Oberfläche noch etwas Unerschütterliches spürt.«308 Winkler strebt allerdings kein »bläßlich aristokratisches Ästhetentum« im Stile des jungen Rilke an. Die Kunst der mediterranen Welt und der Antike beeindruckt ihn durch ihre Ursprünglichkeit und Formstrenge. Winkler imaginiert sich eine Welt, in der das profane Leben und das Geistige noch nicht getrennt sind. Ein zehntägiger Gefängnisaufenthalt wegen angeblicher Beschädigung eines NS-Wahlplakats im November 1933 verstärkte bei Winkler die Flucht in die Welt des reinen Geistes. Sein Vertrauen in das Recht war ein für alle Mal zerschellt. Zuflucht nehmen in der Welt des Geistes – damit stand Winkler nach 1933 allerdings nicht allein. Interessant ist, wo er im Unterschied zur Mehrzahl seiner der Inneren Emigration zugerechneten literarischen Generationsgenossen Orientierung findet und welche existentiellen Schlussfolgerungen sich daraus für ihn ergeben. Mehr noch als zuvor betont er nach seiner Inhaftierung in Briefen an Freunde den Willen zur Form, zur Lebensform des Künstlers. Unter Berufung auf Stefan George schreibt er: »Den Wert der Dichtung entscheidet nicht der Sinn (sonst wäre sie etwa Weisheit, Gelahrtheit), sondern die Form; d. h. durchaus nichts Äußerliches, sondern jenes tief Erregende in Maß und 126

Der bloße Gast: Eugen Gottlob Winkler

Klang«.309 Georges Ansicht, dass Dichtung reine Anschauung und kein Mittel für Gefühlsausdrücke ist, bringt Winklers innere Überzeugungen zum Ausdruck. Winkler trifft in diesem Zusammenhang eine Unterscheidung zwischen Dichter und Schriftsteller. Dichtung bedeutet für ihn eine Lebensform, alles andere sei Schriftstellerei. Das Werk des Dichters sei von anderer Art als das des Schriftstellers. Die Sprache besitze für diesen keinen Eigenwert, sondern sie sei lediglich Mittel zur Mitteilung. Ein Schriftsteller sei in der Lage, sein Schreiben mit einem Brotberuf zu vereinbaren. Ganz anders der Dichter. Seine unbedingte Hingabe an das Wort erlaube keinen Kompromiss. Das Ringen um den richtigen Ausdruck, um die adäquate Form verlange nach einer entsprechenden Durchgestaltung und Haltung des Lebens. Dichter sei man nicht im Nebenberuf. In der Verachtung des Broterwerbs komme der Dichter dem Aristokraten nahe. Kunst, so wiederholt Winkler immer wieder, ist etwas durchaus Aristokratisches. Winkler ist der exemplarische Typus eines Dichters, der nach dem Sieg der »Masse«, hier in Gestalt des Nationalsozialismus, den einzigen Ausweg in der reinen, der absolut gesetzten Kunst sieht. Das »Dichtertum« ist »eine genau bestimmte Lebensform, die ich ebenso genau erfüllen muß, und die vielleicht (…) gar nicht mit dem ›Machen‹ von Dichtung zunächst zu tun hat, sondern die einfach auf Gedeih und Verderb die einzig mir adäquate ist, und aus der heraus, aber erst in zweiter Linie, das sichtbare Werk stammt«.310 Das Produktive, das Schaffen von Dichtung, sei sekundär. Entscheidend sei der Verzicht auf alles, was die Vorbereitung auf das Dichten störe. Das bedeutet, dass das Schreiben eine existentielle Notwendigkeit ist. Dabei geht es Winkler nicht um das Notieren von diesem und jenem, sondern um Gestaltung mittels des Wortes, wobei die durch das Leben empfangenen Eindrücke die Voraussetzung dazu bilden. Was folgt aus einer Einstellung, für die Kunst ein absoluter Wert, eine Lebenshaltung, ein Prinzip ist? Winkler erkennt, dass er ohne Mäzenatentum seiner Aufgabe nicht gerecht werden kann. »In dem neuen Rilke-Brief-Band (an seinen Verleger) ist zu lesen, daß Rilke noch 1914 von einem Jahrgeld lebte, das ihm Kippenberg, Graf Kessler, von der Heydt und Rudolf Kaßner aussetzten.«311 Winkler fühlt sich als der Vertreter überpersönlicher Werte und eines neuen Zeitstils. Sein Wesen würde auf jede falsche Inanspruchnahme mit einem Nein antworten, das auch vor einer Selbstvernichtung nicht zurückweiche. Deshalb sei für ihn der Besitz von Geld von absoluter Bedeutung. Es 127

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garantiere ihm äußere Freiheit und Unabhängigkeit. Winkler betrachtet sich nicht als einen Individualisten, der für die Befriedigung seines Selbstgenusses lebt. Das Ich sei für ihn seit jeher Last und Aufgabe gewesen. Er komme sich vor, als lebe er beständig vor einem Umriss, oder besser: inmitten einer großen und noch weithin leeren Form, die ihm vorgeschrieben sei und die er nun auszufüllen sich bemühe. »Vielleicht geht es dabei um nichts anderes als um die Verwirklichung des Typus Mensch, wie sie immer wieder einmal dargestellt werden muß, schlimm genug für den, dem die Aufgabe obliegt.«312 Winkler empfindet seine Existenz als paradigmatisch. Er will ein Beispiel geben für absoluten Kunstanspruch. Dieser sei kombiniert mit einem andauernd hochtrainierten Bewusstsein, mit unablässiger Selbstkontrolle. Seine forcierte Vorstellung von einem bewussten Leben kollidiert allerdings eigentümlich mit seiner Lebenslust, dem sinnlichen Sich-Verschwenden. Andererseits gerät er nun zunehmend in die Tretmühle des Schriftstelleralltags. Er schreibt Aufsätze für Zeitschriften und klagt, dass er nicht mehr dazu komme, seine Substanz zu erneuern. Die literaturkritischen Aufsätze betrachtet er als Halbfabrikate, in die nichts Eigenes von ihm eingehe. Für einen geistigen Menschen mit dem Anspruch, Dichter sein zu wollen, sei eine Arbeit, die ihn an eigener künstlerischer Arbeit hindere, nur widerwärtig. Daraus spricht nicht Hochmut, sondern das Gefühl des Selbstverrats. »Ich habe einen Berg von Sachen da, den ich lesen muß, ich komme noch nicht zum Schreiben, ich habe darüber noch nicht einmal richtig nachgedacht und dann werden in den nächsten Tagen Korrekturfahnen eintreffen«.313 Heute würde man Winkler nicht mehr verstehen. Was will er denn? Soll er sich doch glücklich schätzen, dass seine kritischen Aufsätze Absatz finden. Darauf könne er doch stolz sein. Und dass ihm die Frankfurter Zeitung eine regelmäßige Mitarbeit anbietet, was gebe es denn Besseres? Sein Hochmut gegenüber der Presse fände heute kein Verständnis mehr. Kein Verständnis mehr fände jener geistig-kontemplative Typus vom Schlage Schopenhauers, Nietzsches und Georges, welcher die Vielschreiberei verachtet. Heute sind die Dichter ständig in der Tagespresse präsent. Es tut ihrem dichterischem Ingenium offenbar keinen Abbruch – oder doch? Winkler erklärt seiner Geliebten Gertrud Jancke, dass das Gegenteil von Brotarbeit für ihn nicht Faulenzertum sei, »(…) sondern es ist eine hier gar nicht leicht zu beschreibende innere Tätigkeit des Geistes, die ich früher ohne jeden bestimmten Verfolg rein um ihrer selbst willen betrieb, vielleicht als eine männliche Fortsetzung kindlichen Spiels, – und von der ich sogar für die 128

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Zukunft Höheres hätte erwarten dürfen. Seit ich dessen beraubt bin, vollzieht sich mein Dasein nur noch als ein gleichgültiges In-Gottes-Namen.«314 Der Erfolg auf dem literarischen Markt, der beginnende Ruhm, sie markieren das Ende seiner geistigen Existenz, erkauft durch den Verzicht auf Muße, Freizügigkeit und Freiheit. Es fehlt ihm das Gedicht, die Stunde der klaren beliebigen Besinnung. Winkler leistet einen geistigen Offenbarungseid. Als Künstler ist er mit den Konzessionen an den Broterwerb gemessen an seinen Ansprüchen gescheitert. Die Tätigkeit als Übersetzer, die Lektüre von zwanzig bis dreißig Romanen für eine Hochland-Besprechung reiben ihn auf. »Daß ich noch nicht ein einziges Wort gegen meine Überzeugung zu schreiben brauchte, ist noch das Beste; daß ich mein eigentliches Ich völlig aufgeben muß (…) das ist der mindeste Preis für diese Existenz.«315 Je unproduktiver seine Arbeit sei, umso besser werde sie bezahlt. Im Unterschied zu seinen Freunden ist es Winkler nicht vergönnt, seine Brotarbeit in seine Existenz einbeziehen zu können. Vielmehr zwinge sie ihn zur Aufgabe alles Persönlichen. Es sei eingetroffen, was er befürchtet habe: Er lebe nur noch über weiteste Zeiträume des Erstorbenseins hin. Winkler treibt die Angst um, angesichts der auslaugenden Gelegenheitsarbeiten um des lieben Geldes willen seine dichterische Potenz gänzlich einzubüßen. Sein Selbstbewusstsein schwindet dahin. Wenn er mit sich selbst zu rechnen beginne, sei er mit den Abzügen nur allzu schnell bei null angelangt. Der Geliebten schreibt Winkler: »Die Arbeit – die geistige Bemühung? das alleS kann nur noch sturer Selbstzweck sein (…) Ein Gedicht, ein Bild ist nicht mehr am Platze – ist eine anachronistische Erscheinung. Zuweilen fällt mir ein Rhythmus ein, ein Bild, eine Metapher – aber ich lasse alles unverzüglich wieder fallen in Anbetracht eines grässlichen Wozu.«316 Winkler befindet sich in einer prekären Situation. Es bedarf nur noch eines beunruhigenden äußeren Anlasses, um vollends aus dem Gleichgewicht zu geraten. Am 23. Oktober 1936 wird der Vierundzwanzigjährige auf einem nächtlichen Spaziergang nach Bogenhausen von einem Beamten der Gestapo kontrolliert und verhört. In Panik und Angst vor einer erneuten Verhaftung kehrt er in seine Pension zurück und nimmt eine Überdosis Schlaftabletten. Als man ihn am nächsten Morgen ohnmächtig findet, hält er einen Spiegel in der Hand. Zwei Tage später stirbt er in einem Schwabinger Krankenhaus.

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Von der Legende zum Mythos

Eine »leicht legendär behauchte Figur« war Winkler in der Münchener Boheme schon zu Lebzeiten. Der frühe Tod vermehrte seinen Ruhm. Den Ehrentitel Dandy verlieh ihm nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Beschäftigung mit Winkler aufblühte, als erster Hans Egon Holthusen, auf die närrische Passion des Dichters für teure und elegante Koffer hinweisend: »Alles in allem hatte er etwas vom Dandy, dem vollkommen einsamen und ästhetischen Menschen im Sinne Baudelaires.«317 Mit diesem Ritterschlag wuchs sich die Legende Winkler zum Mythos aus. Walter Jens war bemüht, den Mythos an der Wirklichkeit zu korrigieren, doch hat er letztlich die Mythisierung nur weiter vorangetrieben. Dabei verwischte er die Grenzen von Bohemien und Dandy. »Es gibt den Mythos: da sitzt, halb im Schatten, halb im Lichtkreis eines ungeheuren weißen Gongs, ein sehr einsamer Mann in der Maske der Bohême: Eugen Gottlob Winkler, Dandy und Gourmet, ein zynischer Jongleur des Nichts, doch auch ein meisterlicher Kalligraph, Artist und Zauberer, Zunftgenosse einer largen Münchener Gesellschaft, gezeichnet von Entbehrung und kalter Magie, ein Wanderer zwischen dem Café Quadri in Venedig, Paris’ de la Paix und dem Tomaselli von Salzburg … Schönheitspriester – Torcello, Segesta, Florenz – und Baudelaire-Schüler im Jahrhundert der Mörder.«318 Ein dramatisches Bild, das hier gezeichnet wird, einer Wirklichkeit gegenüber, die – so Jens – ganz anders gewesen sei. Doch das Leben, das Jens in ansteigendem Tremolo beschreibt, bestätigt nur den Mythos. Denn mit gleichem Pathos wie im Eingangssatz heißt es: »Eugen Gottlob Winkler war vielleicht der letzte Europäer, dem es gelang, die Existenzform eines Baudelaireschen Dandys noch einmal mit tragischer Würde, mit dem Pathos des Martyriums zu krönen: ein letztes Mal waren Dandy und Rebell, outcast und Opfer Synonyme.«319 Wäre Winkler tatsächlich der Letzte gewesen, der in Europa die Rolle des Dandys im Sinne Baudelaires spielte, so wäre dies freilich eine Leistung allerersten Ranges. Jens spart nicht an Zuspitzungen in der Biographie Winklers, um das Außerordentliche seiner Persönlichkeit im grellen Licht erscheinen zu lassen: »Indem Winkler sich freiwillig ausschloß, klagte er an, indem er auf Eleganz und Akkuratesse im Stilistischen sah, sprach er sein Urteil und bekannte sich zum Orden derer in der Résistance, indem er die Lawrencesche Integrität der Berufslosigkeit wählte, schrie er sein j’accuse gegen eine Welt, die Meditation mit Faulenzerei und Individualismus mit Verrat am Volke identifizierte.«320 130

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Jens hat scharfsinnig erkannt, dass Winkler einen anderen Typus des Dandys verkörpert als der Fin-de-Siècle-Décadent in Gestalt eines Oscar Wilde oder des jungen George. Im Falle Winklers kommt mehr Unerbittlichkeit und Schärfe ins Spiel. Er kennt die Problematik des Elfenbeinturms. »Sein Blick ist unbestechlich und kalt – es scheint der Blick M. Testes, das Riesenauge Leverkühns.«321 Monsieur Teste, die Titelfigur des Romans von Paul Valéry, eines Schriftstellers, der Winkler aufs Höchste beeindruckte, ist der Dandy im Zeitalter der Maschine, exemplarisch verkörpert durch die Dichter Jacques Vaché und Jacques Rigaut. Von der absoluten Steuerung des Bewusstseins war Winkler freilich weit entfernt, sosehr er diesen Anspruch auch an sich selbst stellen mochte. Es war dies eher ein Entwurf, ein Modell geistiger Hygiene, als gelebte Wirklichkeit. Winkler war, wie Jens bestätigt, ein sinnlicher Mensch, »ein Mann des Barock«, ein Mann der Form, wenn auch kein Schönheitspriester im Stile Georges. Walter Warnach, der Herausgeber der Briefe Winklers, ein enger Freund und mit der geistigen Welt des Dichters intim vertraut, schreibt, sein Tod »(…) war nicht der gloriose Abgang eines welt- und gottüberhobenen Dandy, wie ihn eines seiner frühen Gedichte noch erträumt hatte.«322 Und an anderer Stelle fügt Warnach hinzu: »Selbst der Hochmut des Dandy weiß um seine kreatürliche Grenze und bangt!«323 Ein gewisser Hochmut ist Winkler nicht abzusprechen, doch er ist weniger mit Unerschütterlichkeit gepaart als vielmehr mit Angstgefühlen, wie das Gedicht »Der Dandy« enthüllt. Den gloriosen Abgang findet man in den wenigsten Dandy-Biographien. Eine Ausnahme bildet Lord Byron, der auf seinem Sterbebett in Missolunghi die denkwürdigen Worte sprach: Oh, welch eine schöne Szene! So will es jedenfalls der Mythos. Das Sterben der meisten Dandys war dagegen kläglich. Brummell beendete sein Leben im Irrsinn, Wilde starb im Elend, d’Orsay schlug sich nach einer glänzenden mondänen Laufbahn als Maler und Bildhauer durch. Und Baudelaire, am Ende seines Lebens gelähmt und verarmt, konnte am allerwenigsten als ein Beispiel für einen gloriosen Abgang gelten. Warnach nahm dennoch an der Heiligsprechnung seines Freundes als Dandy keinen Anstoß ebenso wenig wie Johannes Heitzmann, für den sich Dandytum und Armut nicht ausschlossen. Der Dandy-Topos, von Holthusen ins Spiel gebracht, von Jens bekräftigt und von Warnach nicht dementiert, sollte bei der Beurteilung von Werk und Person Winklers Schule machen. 131

5 Literarisch-künstlerisches Dandytum zwischen Avantgarde und Ästhetizismus

Karl Krolow sah darin eine elitäre Form der Distanzierung von seiner Zeit, in der die Masse herrschte. »Winklers Sich-Zurückziehen vor dem Aussatz der Epoche bei einem ungemeinen Wahrnehmungsvermögen hinsichtlich eigenen Ausgesetztseins war nicht ohne dandyistische Arroganz.«324 Hier wäre die Verwandtschaft mit Ernst Jünger zu erörtern, dessen Diagnose vom Ende des Zeitalters des Individuums und der Unterwerfung des Einzelnen Winkler, wenn auch mit anderen Konsequenzen, teilte. Jünger fühlte sich als aristokratischer Individualist im Sinne Nietzsches und Baudelaires, was eine dandyistische Reaktion geradezu herausforderte. Rainer Gruenter hat an Jünger die typologischen Formen entwickelt, die für den Dandy in der Gestalt des Dichters charakteristisch sind. Dazu gehören eine manierierte Preziosität aus höchster Bewusstseinsschärfung, die Position des beobachtenden Zuschauers, das Konzept der Désinvolture und die satanische Melancholie im Sinne Baudelaires. Mehr als Manieriertheit ist Kälte ein Ausdrucksmittel Winklers. Johannes Pfeiffer hat, an diese Beobachtung anknüpfend, seine Prosa als Reisebilder bezeichnet, »(…) dargestellt in der vornehm-kühlen Distanz des Außenseiters, der registrierend durch das Dasein schlendert und sich Notizen macht.«325 Joachim Günther attestierte ihm eine luziferische Geistesanlage und sprach von der Anlage zu einem »aristokratischen Satanismus«.326 Er greift damit auf das Vokabular der französischen Romantik des frühen 19. Jahrhunderts zurück und reiht Winkler in eine geistesgeschichtliche Tradition ein, die diesem selbst wohlbekannt war. Alle diese Kennzeichnungsversuche können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Eugen Gottlob Winkler eine tragische Figur war. Als Dichter und als Dandy stand er auf verlorenem Posten.

»Ein Engel, der sich in die Tiefen gestürzt hat«327: Konrad Bayer Neben London und Paris war Wien die Metropole, in der der Dandy im 20. Jahrhundert in Adels- und Künstlerkreisen seine Anziehungskraft behauptete. Ein frühes literarisches Zeugnis ist Richard Schaukals Werk »Leben und Meinungen des Herrn Andreas von Balthesser«, das 1907 erschien. Schaukal war ein ausgewiesener Kenner des Dandytums. 1908 legte er die erste deutsche Übersetzung von Barbey d’Aurevillys Essay »Vom Dandytum und von George Brummell« vor. Sein Dandy Andreas von Balthesser ist durch und durch Aristokrat und meidet jeden Kontakt zur künstlerischen Boheme. In Werken 132

»Ein Engel, der sich in die Tiefen gestürzt hat«: Konrad Bayer

österreichischer Autoren der ersten Dezennien des 20. Jahrhunderts stößt man immer wieder auf Figuren, die dem Dandytum nahestehen. In Hugo von Hofmannsthals Komödie »Der Schwierige« (1921) trägt die Titelfigur Graf Hans Karl Bühl typische Züge dieser Spezies, und auch Ulrich, der Held von Musils »Mann ohne Eigenschaften«, ist durchdrungen vom Grundgefühl des ennui, das sich in Gleichgültigkeit gegenüber Menschen und Ereignissen kundtut. Vor und nach dem Ersten Weltkrieg trat der in Karlsbad/Böhmen geborene und zeitweilig in Wien lebende Walter Serner als Literat und Dandy in Erscheinung und sorgte mit seinem dadaistischen Traktat »Letzte Lockerung. Ein Handbrevier für Hochstapler« für Furore. Nach dem Zweiten Weltkrieg war diese Tradition im österreichischen Geistes- und Kulturleben weitgehend verschüttet. Mit der Aneignung der neuesten Strömungen der Moderne stieß das Dandytum jedoch bei der jungen Künstlergeneration erneut auf Resonanz. Mitte der fünfziger Jahre bildete sich in Wien ein literarischer Zirkel, der unter dem Namen »Wiener Gruppe« bekannt wurde. Zu ihr zählten Friedrich Achleitner, Hans Carl Artmann, Konrad Bayer, Gerhard Rühm und Oswald Wiener. Ein später Adept der Gruppe ist der Künstler, Kunstsammler und Gastronom Michel Würthle. Wenn vom Dandytum in diesem Kreis die Rede ist, so ist vor allem Konrad Bayer gemeint. H. C. Artmann lässt über den jungen Schriftsteller verlauten: »Stets bewahrt er die lässige melancholische Ironie des unabhängigen Herrn von 1895. Er ist einer der wirklichen victorianischen Dandies – oder um das Näherliegende zu wählen, eine Art Schaukal’scher Herr von Balthesser.«328 Artmann fährt fort: »Konrad war einer der ersten, die in Wien einen marineblauen Blazer trugen. Das war noch lange vor der Zeit, da er alles Berufliche an einen sorgfältig vorbereiteten Nagel hing, um sich nur mehr den Frauen und dem Schreiben poetischer Texte zu widmen.«329 Der Vergleich Bayers mit dem Protagonisten des Werks eines konservativen, katholischen Autors des frühen 20. Jahrhunderts ist nicht ohne Ironie, betrachtete sich Bayer doch nicht als einen traditionsgebundenen Ästheten, sondern als einen Avantgardisten, der mit der Sprache experimentierte. Wenn er äußerlich einem viktorianischen Dandy des Fin de Siècle glich, so weist dies auf rückwärtsgewandte Züge in Habitus und Manieren hin. Manche bezeichnen Bayer wegen der eigentümlichen Mischung aus Modernem und Antimodernem deshalb als einen »konservativen Anarchisten«330, einen Jünger des Philosophen Max Stirner, ausgestattet mit den Insignien eines englischen man of fashion. 133

5 Literarisch-künstlerisches Dandytum zwischen Avantgarde und Ästhetizismus

Auf literarischer Ebene finden sich dandyistische Elemente bereits in dem frühen Prosastück Bayers »Der Capitän« (1955). Es versammelt Topoi des Fin de Siècle und der Décadence – Grausamkeit, Künstlichkeit und Erlesenheit – und verrät eine Nähe zum Symbolismus und zur preziösen Ästhetik des jungen George, des Schöpfers des Algabal-Zyklus. Aspekte des Dandyismus lassen sich auch in dem Werk »Starker Toback« (1962) erkennen, das Bayer zusammen mit Oswald Wiener verfasste.331 In seinem Spätwerk »Der sechste Sinn« (1964) taucht der Dandy expressis verbis nicht auf. Die Hauptfigur des Romans, Franz Goldenberg, wird von einem Bewunderer in durchaus positivem Sinne als Geck bezeichnet. Dieser Geck ist freilich kein Kleidernarr, dessen Wirkung auf andere sich auf seine modische Erscheinung beschränkt. Goldenberg ist ein scharfer, mit einem präzisen Wahrnehmungsapparat ausgestatteter Beobachter. Er thront über der Menge der Durchschnittsmenschen, die sich ihrer psychischen Mechanismen nicht bewusst sind. »Ein neuer Dandy, erhebt sich Goldenberg über die unausweichliche Allgemeinheit seiner eigenen Natur.«332 Neu ist dieser Dandy, weil er über das weitverbreitete Verständnis dieses Typus hinausweist. Er ist nicht nur ein eleganter Herr und Meister der Konversation, sondern ein mit sich selbst und den anderen experimentierender Geist, der stets seine Überlegenheit wahrt. Was Bayer der zentralen Figur des Romans zuschreibt, lässt sich mit Abstrichen auch auf seine eigene Person übertragen. Genau betrachtet ist der junge Dichter kein Epigone des viktorianischen Dandys wie Andreas von Balthesser. Dessen Schöpfer Richard Schaukal war sich übrigens des Unterschieds zwischen einem Gecken und einem Dandy durchaus bewusst. Der Dandy stilisiere seine bewusste Korrektheit und ironisiere sein Bewusstsein.333 Dieser wache Geist stelle sein Bewusstsein über alles, auch über die makellose Toilette, die für den Gecken allein maßgeblich sei. Gleiches gilt für Goldenberg. Bayer hat seinen Helden mit der Fähigkeit ausgestattet, das Mechanische und Automatische seines Verhaltens zu durchschauen. Mit diesem Vermögen wächst ihm eine Überlegenheit gegenüber der Menge zu. Trotzdem geht H. C. Artmann mit seiner Zurechnung des dandyhaften Aufzugs des jungen Dichters zu einer vergangenen Epoche und der Betonung der für diesen Typus eigentümlichen Mischung aus Lässigkeit und ironischer Melancholie nicht ganz fehl. Konrad Bayer war das Dandytum nicht in die Wiege gelegt. Geboren 1932 als Sohn eines Bankangestellten, hatte er nach dem Abitur kaufmännische Kurse absolviert und war 1952 selbst in eine Bank eingetreten. Den Beruf des Bankkaufmanns übte er mehrere Jahre lang aus. Danach leitete er eine Gale134

»Ein Engel, der sich in die Tiefen gestürzt hat«: Konrad Bayer

10 Konrad Bayer, 1962.

rie, gründete ein Cabaret und beteiligte sich an Filmprojekten. Das Schreiben begleitete diese Aktivitäten. Im Unterschied zu anderen Mitgliedern der Wiener Gruppe verfügte er – wenigstens zeitweise – über genügend Geld, um sich erlesene Kleidung leisten zu können. 1957 gab er seine Tätigkeit bei der Bank auf. Börsengewinne und Erfolge beim Roulette erleichterten ihm die Entscheidung.334 Fotos aus den fünfziger Jahren zeigen einen tadellos gekleideten Mann, der sich seines guten Aussehens und seiner Wirkung auf andere bewusst war. Der Filmemacher Ferry Radax berichtet, dass Bayer sich hin und wieder eine Reise nach Venedig leistete, wo er sich exquisit einkleidete. Bayer liebte die extravagante Geste und den großen Auftritt. Er habe, so betont Oswald Wiener, »durch seine persönliche Anwesenheit und durch sein Gespräch weit stärker und folgenreicher gewirkt als durch seine Arbeit«.335 Für Wiener richtete sich der Protest der Gruppe gegen die Formen des eigenen Denkens. Dichtung ist für Wiener ein Experiment, »(…) sich über die Mechanismen des Verstehens und des ›Wirkens‹ von Sprache erste Hypothesen zu verschaffen.«336 So gesehen ging das Bestreben der Gruppe über den Surrealismus und die Sprachzertrümmerung des Dadaismus hinaus. Die Künstler trieben Sprachkritik, Sprachanalyse und experimentierten mit Bedeutungen. Man wollte – so Wiener – nicht so sehr als Dichter oder Schriftsteller 135

5 Literarisch-künstlerisches Dandytum zwischen Avantgarde und Ästhetizismus

verstanden werden. »Er [Bayer] war auch nicht in erster Linie ein Schriftsteller (…); das meiste, was in Form von Anregungen und Ideen von ihm ausgegangen ist, erscheint in seinen Schriften nicht, oder jedenfalls nur so tastend, wie es sich in den damals möglichen Formulierungen unterbringen ließ.«337 In Wieners Verständnis bildete die Wiener Gruppe ein Unternehmen an der Grenze von Literatur und Wissenschaft. Wichtiger als die Literatur waren die Kommunikation und die Untersuchung von Denkvorgängen. Mit ihrer Suche nach einer neuen Sprache stand die Wiener Gruppe nicht allein. Einen ähnlichen Weg beschritten zur gleichen Zeit Paul Celan und Ingeborg Bachmann. Mit beiden teilte die Gruppe die radikale Kulturkritik, die Berufung auf Ludwig Wittgenstein und das Streben nach einer neuen Methode der Erkenntnis. Ingeborg Bachmann hielt jedoch wenig von Stilexperimenten. Große Leistungen in der Literatur der vergangenen fünfzig Jahre seien nicht entstanden, weil Stile durchexperimentiert wurden, sondern nur, weil ein neues Denken der Sprache neue Horizonte eröffnete. »Wo nur mit ihr hantiert wird, damit sie sich neuartig anfühlt, rächt sie sich bald und entlarvt die Absicht. Eine neue Sprache muß eine neue Gangart haben, und diese Gangart hat sie nur, wenn ein neuer Geist sie bewohnt.«338 Die Wiener Gruppe bemühte sich um diese neue Gangart, ein neues Denken und eine neue Art zu leben. In dem Versuch, die Fesseln des Ichs abzustreifen, ging sie über Bachmann und Celan hinaus.339 Dieses neue Denken und Leben blieb freilich in den Schranken der antibürgerlichen Boheme befangen. Die Konkrete Poesie drohte zu einem Dogma zu erstarren wie einst der Dadaismus. So wurden Sanktionen gegen Abweichler, auch gegen Bayer, verhängt.340 Artmann löste sich vom Gruppenzwang und ging seinen eigenen Weg. Wiener, der Philosoph der Gruppe, wandte sich der Informatik zu. Konrad Bayer, so erfahren wir von Wiener, war daran interessiert, seinen Einfluss auf andere Menschen zu studieren. Er arrangierte Szenen, um andere zu Handlungen zu bewegen, die er selbst voraussehen konnte. Wiener berührt hier ein zentrales Element der Strategie des Dandys. Es geht um Machtwillen, die Erlangung der absoluten Kontrolle über die Situation. Wiener hat dieses Vorgehen in seinem Essay »Eine Art Einzige« (1982) beschrieben, einem Versuch, den Dandy als einen Protagonisten des Zeitalters der Maschine und der Kybernetik zu etablieren. Ein solcher Dandy habe begriffen, dass sein Seelenleben internen Gesetzmäßigkeiten folge. Er beobachte die anderen, vor allem aber sich selbst. »Der Dandy weiß wohl, daß auch er selber, gerade auch in seinem Empfinden, zum größten Teil automatisch funktioniert (…) er weicht von 136

»Ein Engel, der sich in die Tiefen gestürzt hat«: Konrad Bayer

dem an ihm selbst Verstandenen aus zu dem an den andern Verstandenen.«341 Der Dandy stellt sich für Wiener als ein Machiavellist der Interaktion dar. Er will herrschen – durch geistiges Kalkül. Er weiß, dass er weitgehend automatisch gesteuert ist. In diesem Wissen ist er den anderen voraus, die noch von der Freiheit ihrer Handlungen und ihrer seelischen Empfindungen überzeugt sind. Er experimentiert mit sich und den anderen, die er in »Maschinen und Mitbeseelte«342 einteilt. Das eigene Ich wird als etwas Künstliches, als ein Automat, eine Maschine betrachtet, dessen Funktionieren es zu analysieren gilt. Gelingt dies, so hört man auf, ein Maschinenmensch zu sein, man gehört nun zu den »Mitbeseelten«, der Kaste der Dandys. Wenn einem bewusst wird, dass das Verhalten mechanisch durch Vorgänge des Gehirns determiniert ist, kann man nur versuchen, die »Inhalte«, die seelischen Regungen, so weit es geht zu unterdrücken, um sein Verhalten wenigstens in Grenzen kontrollieren zu können. Das Ergebnis dieses Disziplinierungsaktes ist die Kaltblütigkeit, die Unerschütterlichkeit des Dandys, seine scheinbare Künstlichkeit im Verhalten. Der Dandy ist in seiner idealen Ausprägung ein Kunstprodukt: die vollkommene Personifikation der künstlichen Intelligenz. Wiener wendet sich gegen ein banales Verständnis von Dandytum, wonach dieses in bestimmten Manieren, ausgesuchter Kleidung usw. bestehe. Wenn man das Spirituelle, Konstruktiv-Intellektuelle vom Dandy abziehe, werde sein Verhalten wieder rituell und sein Denken wieder automatisch. Wiener will das automatische Denken durch strenge Selbstreflexion überwinden, um mehr zu sein als eine Schachfigur im Spielfeld der anderen. Das Paradebeispiel eines intellektuellen Dandytums ist für ihn »Monsieur Teste«, der Held des Prosastücks von Paul Valéry.343 Monsieur Teste hat das Automatische seiner seelischen Regungen durchschaut und überwunden. Ihn interessieren seine Gefühle nicht mehr. Er hat sie vollständig unter Kontrolle. In der Diktion Wieners: »Er hat es nicht mehr ›mit sich selbst‹ zu tun, sondern mit der Form, als welche er sich in seinen Gedanken erscheint, seine Identität ist provisorisch. Er verkörpert das Künstliche im engsten Sinn, das ununterbrochen Schöpferische.«344 Nach dem Muster von Valérys Monsieur Teste hat Wiener sein Porträt von Konrad Bayer modelliert. Der Dandy in der Gestalt Bayers geht über den Décadent des Fin de Siècle, den viktorianischen und edwardianischen Dandy hinaus. Er ist der mit sich selbst experimentierende Künstler, der sich für Surrogate, auch solche sprachlicher Art, erwärmt. »Ein Kalauer ist ein Leckerbissen«, schreibt Bayer.345 Indes bleibt Wiener eine genauere Beschreibung des 137

5 Literarisch-künstlerisches Dandytum zwischen Avantgarde und Ästhetizismus

Habitus von Konrad Bayer schuldig. Man gewinnt den Eindruck von einem Mann, der es liebte, andere zu dominieren, mit ihnen zu spielen, sie zu verführen. Die Rezepte, die Walter Serner mit seiner »Letzten Lockerung« bietet, mögen Bayer dabei als Anschauungsmaterial gedient haben. Auch altasiatische Kampfkünste waren für ihn eine Inspirationsquelle, die Verhaltenstechnik des Dandys zu studieren. Seiner Freundin Ida von Szigethy teilt er mit: »Es ist die Judo-Masche. Du selbst bleibst immer unbewegt, der andere gibt sich mit jeder Bewegung Blößen, die dir eine Angriffsmöglichkeit, bzw. Verteidigungsmöglichkeit bieten.«346 Nicht berücksichtigt wird in dieser Deutung der Kampfkunst, dass sie auch aus Finten besteht, die den Gegner zu voreiligen Aktionen herausfordern, um ihn reaktionsschnell außer Gefecht setzen zu können. Ein anderes Element der asiatischen Kampfkunst ist die Auseinandersetzung mit dem Sterbenkönnen, das die Bereitschaft zum Freitod mit einschließt.347 Bayer – so scheint es – beschäftigte sich mit dem Dandytum zuallererst, um dieser Artistenphilosophie Verhaltensstrategien abzugewinnen, wie man andere düpieren und verblüffen kann. Auch sein dichterisches Experimentieren legt davon Zeugnis ab. Wiener spricht von Bayers »Idee einer Dichtung aus Körperbewegungen und Vorzeigen von Gegenständen, von Begebenheiten als unverbrauchten Codes, nicht als Wirklichkeit, auf die die Worte sich zu beziehen haben«.348 In letzter Konsequenz führt dies zu einer immer größeren Verknappung der Sprache bis hin zum Schweigen. Die kühne Behauptung H. C. Artmanns, man könne Dichter sein, ohne jemals ein Wort geschrieben zu haben349, schließt offensichtlich den Fall des Verstummens mit ein. Während Wiener Bayers Verhältnis zum Dandytum auf dessen experimentierenden Umgang mit sich selbst und anderen bezieht, sehen Gerhard Rühm und H. C. Artmann sowie andere Zeugen aus dem Umfeld der Wiener Gruppe das Dandyhafte mehr in der äußeren Erscheinung und der arroganten Haltung des jungen Mannes. Rühms erste Begegnung mit Bayer fand in den frühen fünfziger Jahren statt. »Ich erinnere mich, dass Bayer, der sich betont modisch elegant kleidete und sich etwas distanziert gab, auf mich dandyhaft wirkte.«350 Wenn man ihn allein traf, so sei er ganz anders gewesen: unmittelbar, unprätentiös und herzlich.351 Konrad Bayers nicht immer glückliche Beziehung zum Dandytum verlief in zwei Etappen. Der junge elegant gekleidete Mann suchte durch seine Erscheinung und sein Auftreten zu beeindrucken. Später – unter dem Einfluss von Oswald Wiener – glich er mehr einem Dandy-Intellektuellen, der mit sich und anderen experimentierte. Menschliche Begegnungen gewannen so leicht 138

»Ein Engel, der sich in die Tiefen gestürzt hat«: Konrad Bayer

den Charakter von geistigen Duellen. Friedensreich Hundertwasser, der mit der Gruppe nur lose Kontakt pflegte, verabscheute »diese Art von maskulinem Gehabe oder Spielen eines Übermenschen«.352 Auch der enge Weggefährte Ferry Radax sieht den Einfluss von Wiener kritisch, insbesondere in seiner Auswirkung auf das literarische Werk Bayers. Wenn Radax die geistige Nähe zu Wiener beklagt, so meint er vor allem die Ersetzung und Schwächung des Poetischen durch intellektuelle Konstruktivität. »Bei Konrad Bayer habe ich das sichere Gefühl, daß er unter dem Einfluß des Intellektuellen Oswald Wiener sich für seine emotional glühende Lyrik geniert hat. Am Ende wurde die Prosa Konrad Bayers eine scheinbar unzerstörbare Kette stählerner Sprachlogik, deren schwächstes Glied er dann selbst war.«353 Für den Debütanten Bayer war H. C. Artmann das bewunderte Vorbild. Artmann stellte für ihn den Beweis dar, dass die Existenz des Dichters möglich sei.354 Wo es weniger um das Werk als um die Verwirklichung einer dichterischen Existenz und einer ästhetischen Lebensform geht, bietet sich der Dandy geradezu als Identifikationsfigur an. Für den Dandy Bayer tritt das künstlerisch produzierte Werk in den Hintergrund. Von Belang ist allein, dass die Gegenwart seine Person als eine Art lebendes Kunstwerk bewundert und dass er für die Nachwelt zum Mythos wird. Bayer stand zu Beginn seiner literarischen Karriere noch ganz im Banne des Surrealismus und Symbolismus und der schwarzen Romantik. Gewiss findet sich das Byron’sche, satanische Element auch beim späten Bayer wieder, denn letztlich wohnt auch Wieners Vorstellung von dandyistischer Verhaltensmanipulation ein diabolisches, romantisches Motiv inne. Das Makabre, ein typischer Topos der Wiener Gruppe, mischt sich bei Bayer mit kabarettistischem Humor. Das Ironische seiner Sprache entbehrt jedoch nicht »eine[s] bitteren, existenziellen Unterton[s]«.355 Die Maske des Dandys erlaubt dem Dichter jene ironische Distanz, »die es ihm gestattet, schlagartig Sprachton, Erzählperspektive oder Rhythmus zu wechseln und nirgends festlegbar zu sein«.356 Die späteren Wandlungen seines poetischen Selbstverständnisses haben auf Bayers Dandy-Attitüde zurückgewirkt. Aus einem Herrn von Balthesser spross ein Monsieur Teste hervor; der elegante junge Mann mit dem Hang zur Pose, der seine Korrektheit bewusst stilisierte, wurde zum »Dämon der Möglichkeit selbst«.357 Im Wien der fünfziger Jahre funktionierte noch das Modell des »épater le bourgeois«, das der Haltung des Bohemiens wie des Dandys zugrunde liegt. Ein Chronist dieser Szene, Franz Schuh, hat zu Recht darauf hingewiesen, 139

5 Literarisch-künstlerisches Dandytum zwischen Avantgarde und Ästhetizismus

dass man als Künstler nur Dandy sein kann »(…) unter dem Druck einer kompakten, aufmerksamen, reizbaren Majorität, die ein mehr oder weniger friedliches Zusammenwirken mit den einzelnen Außenseitern vereitelt und so dem Außenseitertum die gebührende, radikale Inszenierung ermöglicht.«358 Literarisches und habituelles Revoltieren waren damals noch keine Reklamegeste, sondern von existentiellem Ernst, von einer Alles-oder-nichts-Haltung getragen. Ein Schriftsteller wie Konrad Bayer war nicht »der heute so vertraute Typus des Dichters als Public Relations Manager seiner selbst und seiner Werke«.359 Ein Künstler, der mit der Majorität nur tändelt, ein Provokateur mit Takt, wird es nie zum Dandy bringen. Der Dandy ist darauf angewiesen, dass sich die Öffentlichkeit von seinem Anderssein herausgefordert fühlt. Der Erfolg, die Anerkennung und das große Geld bedeuten für den Künstler-Dandy das Ende dieser radikalen Inszenierung. Wenn das Exzentrische erwartet und goutiert wird, entfällt das Spannungsverhältnis zur Majorität. Die Maske des Dandys wird zum allgemein akzeptierten Bühnenkostüm, mit dem sich trefflich Karriere machen lässt. Konrad Bayer zog sich im Laufe der Jahre immer mehr in sich zurück. Die Anerkennung durch die Gruppe 47 und ein Vertrag mit dem Rowohlt-Verlag konnten seine innere Unruhe und das Gefühl der Sinnlosigkeit nicht beseitigen. Bayer war auf dem Weg, ein erfolgreicher, in der Öffentlichkeit anerkannter Schriftsteller zu werden, eine Bürde, an der er vermutlich schwer zu tragen hatte. Die normale Reaktion wäre Genugtuung gewesen. Doch für Bayer – hier besteht eine Ähnlichkeit mit dem früh verstorbenen Dichter Eugen Gottlob Winkler – stellte der sich ankündigende öffentliche Erfolg eine schwer zu bewältigende Herausforderung dar. War dieser Erfolg nicht dubios oder gar ein Missverständnis? Einen Dandy, der ein künstlerisches Werk nur hervorbringt, um sich zu zerstreuen, hätte diese Entwicklung eigentlich kalt lassen müssen. Was hatte das alles mit ihm zu tun? Die Anerkennung galt ja nur dem Werk. Für den Dandy ist der Erfolg auf dem Markt ohne Belang, sucht er doch die Distanz zur Menge. Vielleicht geriet Bayer durch die öffentliche Kontroverse, die sich in der Gruppe 47 an seinem Roman »Der sechste Sinn« entzündete, in eine künstlerische Krise. Sein Freitod im Oktober 1964, mag er auch als ein Experiment angelegt gewesen sein, dessen tödlichen Ausgang er nicht beabsichtigte, kann als ein dandyistischer Akt verstanden werden wie das Glücksspiel, bei dem man den höchsten Einsatz wagt. Das Kunstprodukt Dandy provoziert 140

»Ein Engel, der sich in die Tiefen gestürzt hat«327: Konrad Bayer

seine Selbstauflösung. Der Selbstmord ist die radikale Konsequenz.360 Bayer steht damit in einer Reihe mit Dandy-Schriftstellern und Künstlern wie Jacques Vaché, Jacques Rigaut, Sergej Jessenin, Pierre Drieu la Rochelle, Eugen Gottlob Winkler, Yukio Mishima und Sebastian Horsley. Konrad Bayer manövrierte sich nicht nur als Dandy, sondern auch als Dichter in eine ausweglose Situation. Das Experimentieren mit der Sprache konnte nur ein Übergangsstadium sein. Es ließ sich nicht als Stil konservieren, ohne auf die Dauer fad und epigonal zu wirken. Bayer besaß zweifellos eine ungewöhnliche literarische Potenz, die nach einem ihr angemessenen künstlerischen Ausdruck suchte. Doch die Experimente mit Leben und Kunst haben ihn am Ende aufgerieben. Er war zum Zeitpunkt seines Selbstmords womöglich auch poetisch mit seiner Gestaltungskraft und schöpferischen Energie am Ende. Im Rückblick wächst dem früh Verstorbenen freilich die Gloriole des Unvollendeten zu. Seine literarischen Experimente mögen, für sich betrachtet, an Attraktivität eingebüßt haben. Die existentielle Entschlossenheit, Leben und Werk in die Waagschale zu legen, der Mut, nicht nur mit der Sprache, sondern auch mit dem Leben selbst, seinen bürgerlichen Einengungen und Konventionen zu experimentieren, stellen immer noch eine Herausforderung dar. Dies vor allem in einer Zeit, in der marktgängiger Konformismus jeden künstlerischen Einsatz zum billigen Kalkül verkommen lässt.

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6 Dandytum zwischen mondäner Boheme und Jetset

Von der Café Society zum Jetset Im Verlauf des 20. Jahrhunderts erweiterte die High Society ihre soziale Basis. Sie transformierte sich zur Café Society und schließlich zum Jetset unserer Tage. Der Jetset hat seinen Vorläufer im smart set um den Prinzen von Wales und späteren König Edward VII., der die Rolle eines Dandys in der Belle Époque spielte. Aus ihm wurde im 20. Jahrhundert der smart international set. Es mischte sich, was früher voneinander geschieden war: die große Welt, die nouveaux riches und die sogenannte Halbwelt der Künstler. Der Verlust der Exklusivität der Oberschichten verstärkte sich unter dem Einfluss der Massenkommunikationsmittel. Die Rangfolge der Publizität ersetzte die Rangordnung der Abstammung und selbst des Reichtums. Die gesellschaftliche Rangfolge richtete sich nach dem Glamour-Faktor. Charakteristisch für die sich nach dem Zweiten Weltkrieg neu formierende High Society ist, dass sie nicht vorwiegend aus reinen Müßiggängern besteht, sondern aus Leuten, die einem Beruf nachgehen. Zu ihr zählt ein Konglomerat von Adligen, Angehörigen der Finanzaristokratie und den neuen Aristokraten der Mediengesellschaft: Prominenten aus Politik, Film, Mode, Kunst und Showbusiness. Wo heute in den Oberschichten noch Bestrebungen existieren, eine mondäne Exklusivität aufrechtzuerhalten, pflegen die Angehörigen dieser Kreise Umgang mit den Repräsentanten der celebrity culture.361 Die Integration der einst müßiggängerischen Schichten ins Berufsleben wirft die Frage nach ihrer Fähigkeit zu einer Stilisierung des Lebens auf. Hart erarbeitetes Geld erzeugt einen anderen Lebensstil als ererbter Wohlstand. Ein Kenner wie der Schriftsteller Gregor von Rezzori hat die High Society der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts unterteilt in eine gute Gesellschaft, die »highest society«, und eine weniger gute, den Jetset. Während in der ersten 142

Von der Café Society zum Jetset

der Adel dominiere, der sich in die Diskretion der Lebensführung zurückziehe, dominiere in der zweiten die Prominenz. Diese »Schickeria« verfüge nicht über die »Gebärdensprache des anmutigen Müßiggangs«. »Allein aus diesem Grunde (…) soll man sich nicht dazu verleiten lassen, die Schickeria als Fortsetzung und ihre Angehörigen als Erben und Bewahrer von dem aufzufassen, was man früher unter beau monde verstanden hat. Lediglich deren ramponierte Kulissen hat die Schickeria übernommen und belebt sie mit den Allüren der demi-monde.«362 Der Soziologe Nicolaus Sombart sieht das Neue im Vergleich zu den alten Modellen von Gesellschaft darin, dass zur Schickeria oder zum Jetset nicht nur diejenigen gehören, die sich selbst repräsentieren können, sondern auch ihr Hilfspersonal; nicht nur die Träger der Kleidung, sondern auch die Modeschöpfer und Models; nicht nur die Künstler und Kunstsammler, sondern auch die Kunsthändler und -agenten; nicht nur die eigentlichen Akteure der Feste, sondern auch ihre Arrangeure, Ausstatter und Berichterstatter. Es gebe zwar eine Etikette und ein Protokoll, eine Kleiderordnung und Sprachregelungen, Erfolgsprämien und Sanktionen, es fehle aber die höchste Instanz, die verbindlich darüber entscheide. Nichts sei echt und definitiv, alles vorläufig und Simulation, da es ein Eigentliches, die richtige »Gesellschaft«, nicht mehr gebe.363 Folgt aus dem Strukturwandel der Society notwendigerweise ein Wirkungsverlust des Dandys? Wäre es nicht seine Aufgabe, sich dieser Entwicklung entgegenzustemmen und ein Beispiel für Eleganz, Geschmack und Distinktion zu setzen? Die familiäre Welt des Adels – Rezzoris »highest society« – bietet freilich kein Terrain für modische Diktate und stilvolle Eskapaden.364 Andererseits ist zu fragen, ob die Sphäre des Jetsets nicht zu diffus ist, um einem Dandy als Wirkungsfeld zu dienen. Hier herrschen Formlosigkeit und Beliebigkeit des Geschmacks, gegen die anzugehen vergeblich wäre. Es fehlt diesen Kreisen die Kompetenz, Eleganz von Aufgeblasenheit und Geschmack am schlechten Geschmack von Geschmacklosigkeit zu unterscheiden. »Der klassische Jetset ist passé«365, schreibt Anne Philippi. Er passe nicht in unsere Zeit, mehr in die sechziger und siebziger Jahre, eine Zeit ohne Internet, aber »mit klaren Strukturen und eindeutigen Profilen«.366 Dennoch besteht er »als Idee einer extravaganten Daseinskunst« weiter. Er hat sein Gesicht verändert. Die heutigen Pendants der Playboys und Filmstars sind neben den westlichen Internet-Profiteuren zum Beispiel neureiche Russen und finanzkräftige arabische Clans. Es entsteht eine neue Luxus-Elite. »Heute bestimmen Profiteure der New Economy, Pop-Celebrities (…) und die junge Erbengeneration 143

6 Dandytum zwischen mondäner Boheme und Jetset

das Bild auf den Promenaden und Pieren«.367 Der heutige Jetset verwertet sich kommerziell. Er ist nicht mehr geschlossen.

Dandy und Playboy Der klassische Jetset hatte seine Blütezeit in den fünfziger und sechziger Jahren, als ein neuer eleganter Männertyp, der Playboy, von sich reden machte. Er wurde häufig als zeitgemäße Variante des Dandys wahrgenommen. Beide, der Dandy und sein Vetter, der Playboy, haben zweifellos gewisse Gemeinsamkeiten. Beide sind geltungssüchtig und wagemutig; geistreich, schlagfertig, kühn, zugleich aber respektvoll und kaltblütig. Beide verfügen über eine schauspielerische Begabung, die Fähigkeit, sich zu verstellen, zu maskieren. Beide sind passionierte Spieler und Verschwender. Allerdings erstreckt sich die Verschwendung beim Dandy nur auf das Materielle. Die seelische Seite bleibt davon unberührt. Der Dandy geht nicht aus sich heraus, gibt sich keine Blöße. Der Selbstkult, den er betreibt, lässt ihn manchmal steif und affektiert erscheinen. Seinem Verhalten haftet etwas Künstliches an. So erscheint er nicht wie der Playboy als ein Lebenskünstler, sondern als ein Artefakt, ein Ding. Der Playboy fürchtet die Erstarrung. Er will leben und genießen, dem Spiel des Zufalls vertrauend. Playboys müssen Geist, Gewitztheit, Übermut, auch Geld besitzen – und Ausstrahlung. Es sind nicht nur Riviera-Nichtstuer, sondern »hartgesottene Überlebenskünstler und ästhetische Existenzen, die meist schon vor dem Zweiten Weltkrieg ins Licht der Casinos und Baccara-Tische traten«.368 Sie beherzigen und beherrschen die Tugend des Renaissance-Hofmanns: die Lässigkeit, die Ausübung einer Tätigkeit ohne ersichtliche Anstrengung. Außerdem zeichnen sie schlagfertige Konversation, Eleganz, Weltläufigkeit und – vor allem – der gewandte Umgang mit Frauen aus. Im Unterschied zum Dandy ist der Playboy kein gleichgültiger Ironiker. Er ist ein Feind der Langeweile. Der Dandy ist blasiert, der Playboy verkörpert das Gesetz des Handelns. Er ist ein Eroberer, ein Glücksritter und Kavalier, ein Hasardeur und Gentleman. Er ist getrieben von Geschwindigkeitssucht, deren Opfer er oftmals wird. Der Dandy verführt durch Unnahbarkeit, der Playboy durch Besitzenwollen. Beide sind Müßiggänger. Doch während der Dandy lebt und schläft vor einem Spiegel, teilt der Playboy sein Leben und sein Schlafgemach mit den Objekten seiner Begierde. Er liebt wie Casanova die erotische Verführung, die der Dandy meidet, da sie ihn zu sehr von sich selbst ablenkt. 144

Dandy und Playboy

In der Liebe ist der Playboy kein Snob wie Balzac, der erklärte, die Tochter einer Herzogin sei immer eine schöne Frau. Der Playboy liebt reiche Erbinnen der Café Society, aber auch junge Schauspielerinnen aus dem Volk. Er gibt sich ganz seinen Begierden hin, ohne jemals seine Souveränität preiszugeben. Beide, der Dandy und der Playboy, sind immer Herr der Situation. Der eine durch Ironie, der andere durch Komplimente. Beide sind Spieler, doch mit unterschiedlichen Mitteln. Der Playboy, dieser »Gigolo de luxe« (Rezzori),369 ähnelt mehr dem erotischen Abenteurer des 18. Jahrhunderts, der Dandy dem eleganten Modenarren Alkibiades. Der Dandy ist ein Desperado des Geistes. Im Unterschied zum Abenteurer, der das Risiko kalkuliert und sich bei Gefahr zurückzieht, wagt er den vollen Einsatz. Es gab in der Geschichte zahlreiche Vermischungen von Dandy und Abenteurer. Der französische Politiker Charles-Maurice de Talleyrand war beides: Dandy-Kavalier und Roué. Im Unterschied zum Dandy ist die Eleganz des Playboys eher konventionell. Das raffinierte Outfit ist für ihn nicht entscheidend, der Habitus eines Gentleman aber unverzichtbar. Meist ist er ein Parvenü, gelegentlich auch adliger Herkunft. Ebenso wichtig wie Weltgewandtheit und gutes Aussehen sind für den Playboy riskante sportliche Aktivitäten, die ein Dandy zur Stärkung seines Selbstbewusstseins nicht nötig hat, wenn er auch auf diesem Feld zu Bravourakten fähig ist. Der Playboy ist zu sehr Abenteurer und Gegenwartsmensch, um seinen Erfolg in der Society auf Dauer zu stellen. Er ist nicht willens und auch nicht fähig, seinen Ehrgeiz einem strategischen Kalkül zu unterwerfen. Hin- und hergerissen von seinen Begierden – der Leidenschaft für die Frauen und dem Spiel –, führt er eine Nomadenexistenz. Als überbeschäftigter Müßiggänger ist er immer unterwegs. Der Dandy dagegen – so Barbey d’Aurevilly – bringt die Ruhe der Antike mitten in die moderne Beweglichkeit. Nicht im Sinne des harmonischen Ausgleichs der Bedürfnisse, sondern als Pose des blasierten Menschen, der sich vor Überreizungen schützt. Eine unbestrittene Spitzenposition als Playboy erwarb sich Porfirio Rubirosa (1909–1965). Schon sein Name evoziert exotisches Flair und preziösen Glamour. Wie Brummell ganz und gar Dandy war, ging Rubirosa vollkommen in der Rolle des Playboys auf. Zu Beginn seiner Karriere war er Diplomat im Dienst der Dominikanischen Republik. Doch war dies nur eine Vorbereitungskür auf internationalem Parkett, denn von Dienst im Sinne zeitraubender Tätigkeit konnte bei Rubirosa nicht die Rede sein. Sein Leben kannte nur das Vergnügen. Auf die Frage eines Reporters, von welcher Arbeit er denn lebe, ant145

6 Dandytum zwischen mondäner Boheme und Jetset

wortete der Vielbeschäftigte: »Arbeit? Ich habe keine Zeit für Arbeit.«370 Das nötige Geld beschaffte er sich durch das Spiel und dubiose finanzielle Transaktionen, vor allem aber durch seine Ehen mit Dollarmillionärinnen. »Er kassierte den Profit seiner Liebesfähigkeit.«371 Seine Geschäftsprojekte hingegen scheiterten. Er war nicht dazu geboren, geduldig Kalkulationen anzustellen. »Sein Talent war es offensichtlich nicht, Gewinne zu machen, sondern ohne solche Gewinne genau so großspurig wie die zu leben, die darüber keinen Gedanken zu verlieren brauchten.«372 Rubirosa gehörte zu jener Kategorie Männer, die nicht den Wunsch hatten, ein Vermögen zu verdienen, sondern den, es auszugeben. Im Übrigen schlugen wirtschaftliche Schwierigkeiten nicht auf sein Gemüt und taten seinem Charme und seiner Lebenslust keinen Abbruch. Seine Geistesgaben hielten sich in einem überschaubaren Rahmen. Zuviel Geistestiefe würde einem Mann seines Schlages nur schaden, denn Charme kommt ohne Reflexion aus. Spielleidenschaft und Tollkühnheit haben ihren Preis. In den frühen Morgenstunden des 6. Juli 1965 ist Rubirosa mit seinem Sportwagen tödlich verunglückt. Die sechziger Jahre brachten das Ende des Playboys. Die sexuelle Emanzipation und der Massentourismus machten verfügbar, was früher das Privileg von wenigen gewesen war. Der Begriff Playboy existiert zwar noch, aber er meint nicht mehr dasselbe. Die Medien leben davon, alles Gewesene immer wieder zu zitieren und – wie die Mode – neu zu verwerten. So kommt es zum Recycling von Gewesenem, zu ständigen Renaissancen. Die Neo-Playboys sind wie ihre Verwandten, die Neo-Dandys, in den meisten Fällen Discount-Ausgaben einer Daseinsform, die vormals nie billig zu haben war.

Der Zeremonienmeister von Paris: Alexis de Redé »Man hat nie genug Zeit, um nichts zu tun.« (Alexis de Redé)373

Mit Alexis de Redé starb am 9. Juli 2004 ein Mann, der im 20. Jahrhundert das Leben eines Aristokraten des 18. Jahrhunderts zu führen versuchte und wie ein Überbleibsel aus der Welt Marcel Prousts anmutet. Baron Redé war in der Pariser Gesellschaft und dem internationalen Jetset berühmt durch seine glanzvollen Feste im Hôtel Lambert, einem der schönsten Pariser Stadtpaläste, seine erlesene Sammlung wertvoller Kunstgegenstände und seinen untadeligen Geschmack in allem, was mit Fragen des Stils zu tun hat. 146

Der Zeremonienmeister von Paris: Alexis de Redé

Alexis de Redé hinterlässt Memoiren, die für Liebhaber der High Society eine Fundgrube darstellen. Der englische Society-Kenner Hugo Vickers hat sie in einem exquisit ausgestatteten, reichhaltig bebilderten Band herausgegeben. Der 1922 in Zürich geborene Sproß einer jüdischen österreichisch-ungarischen Bankiersfamilie (der Vater, Adolphe von Rosenberg, erhielt 1913 den Titel eines Barons von Redé) kam nach dem Zweiten Weltkrieg nach Paris, um dort sein Glück zu machen. Im Unterschied zu Eugène de Rastignac, Balzacs Romanhelden, der sich der Protektion und Unterstützung reicher Damen des Adels versicherte, um zu arrrivieren, ließ sich der junge, mittellose, aber blendend aussehende Alexis von einem chilenischen Nabob, Arturo Lopez-Will­ shaw, protegieren. Lopez war ein passionierter Kunstsammler und eine seiner wertvollsten Trophäen wurde Alexis de Redé. Zusammen mit Lopez’ Frau ­Patricia führten sie eine ménage à trois. Redé besaß indes schon vor dieser Bekanntschaft dank seiner Herkunft und seiner Erziehung im Internat Le Rosey Beziehungen zum internationalen Geldadel. Seine bisexuelle Veranlagung war ihm früh bewusst. Doch im Grunde war der sexuelle Trieb in ihm schwach entwickelt. Wie der englische Ur-Dandy Brummell war er ein affektarmer, lymphatischer Typ. Redé brachte viele Jahre in Palasthotels zu, bevor er selbst einen Palast zu seinem ständigen Wohnsitz wählte. Als Heranwachsender logierte er mit seiner Familie im Dolder Grand Hotel in Zürich, in New York wohnte er im St. Regis und nach der Übersiedlung nach Paris im George V und im Meurice. Das Grandhotel war eine Schule des Luxus und der ästhetischen Erziehung. Besuche von Museen, Kunstgalerien und Antiquitätenhandlungen unter Anleitung von Lopez vervollständigten seine Geschmacksbildung. Sein erstes eigenes Geld verdiente Redé im Effektenhandel. Er sollte dem Bankgeschäft sein Leben lang treu bleiben, ohne dass es ihn über Gebühr beanspruchte. Er war nicht habgierig. Das Vermögen seines Liebhabers hat er durch seine Geschäftskenntnisse zu dessen und zu seinem eigenen Vorteil vermehrt. Die Memoiren de Redés sind der Lebensroman eines Kunstenthusiasten. Doch nicht einer der schönen Künste galt seine Leidenschaft, sondern der Gestaltung des Lebens nach dem Prinzip ästhetischer Perfektion. Alexis war sich schon in jungen Jahren darüber im Klaren, dass für ihn einzig ein Leben in Luxus erstrebenswert sei. Luxus bedeutete Muße und Umgang mit schönen Gegenständen. Komfortabel leben hieß, das Nützliche mit dem Angenehmen zu verbinden. Redé wurde Sammler und richtete seinen Ehrgeiz darauf, seinen Wohnsitz stilgerecht zu restaurieren und auszustatten. Gleich seinem Gefähr147

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ten Arturo Lopez, der sein Haus in Neuilly – heute ein Museum – wie ein Versailles en miniature herrichtete, scheute Redé nicht Zeit noch Geld, um die von ihm 1949 bezogenen Räume im Hôtel Lambert, in denen schon Voltaire logiert hatte, so zu gestalten, dass die Atmosphäre des 18. Jahrhunderts wieder auflebte. Es vergingen zwei Jahre, bis das Werk vollendet war. Redé war kein professioneller Sammler und Restaurator, obwohl es ihm nicht an Sachverstand mangelte. Er war ein Liebhaber und Kenner schöner Dinge, die er um sich herum gruppierte, um ein Leben abseits des Zeitgeistes und der Zeitmoden zu führen. Doch nichts lag ihm ferner als Einsiedlertum. Er ließ seine Freunde – Angehörige der internationalen Gesellschaft und Künstler – an seinem Leben teilhaben, indem er exklusive Diners und aufsehenerregende Kostümbälle veranstaltete. Das 1641 von Le Vau erbaute Hôtel Lambert, seit 1842 im Besitz der polnischen Adelsfamilie Czartoryski, ging 1975 in die Hände der Rothschilds über. In der Baronin Marie-Hélène de Rothschild fand Redé eine Gleichgesinnte. Er avancierte zum Zeremonienmeister des Tout-Paris und setzte damit eine große Tradition fort, die in der Belle Époque von Boni de Castellane und nach dem Ersten Weltkrieg von Étienne de Beaumont, Charles de Beistegui und Marie-Laure de Noailles verkörpert wurde: die Selbstdarstellung des Adels durch Ausrichtung repräsentativer Feste. Das prächtigste von allen war der Beistegui-Ball 1951 in Venedig, der unter dem Motto des Tiepolo-Freskos »Das Bankett der Kleopatra« stand und die Nachkriegssociety in der Lagunenstadt versammelte. Redé selbst machte 1956 durch seinen »Bal des Têtes« – der junge Yves Saint Laurent entwarf den Kopfschmuck für die Gäste – und den »Bal Oriental« Ende der sechziger Jahre von sich reden. Die Besucher traten in ausgefallenen Kostümen auf, in einer Szenerie von Tausendundeiner Nacht. Ebenso phantasiereich waren der Proust- und der Surrealisten-Ball der Baronin Rothschild, in Szene gesetzt 1971 und 1972 auf ihrem Landsitz in Ferrières bei Paris. In Redés Memoiren begegnen dem Leser bekannte Namen der High Society und des Jetsets. Er erfährt, wie ein Repräsentant dieser Gesellschaftsschicht sein Leben deutet und ihm eine Legitimation zu geben versucht. Kulturell betrachtet stellte die Lebensform Redés eine Bereicherung für das Land seiner Wahl und seine Freunde dar. Er restaurierte ein Stadtpalais von unschätzbarem Wert und rettete es vor dem Verfall und der Ausplünderung. Er machte es sich zur Aufgabe, einem Zeitalter des Vulgären, Lauten und Flüchtigen die Stille, den guten Geschmack, den Sinn für die großen künstle148

Der Zeremonienmeister von Paris: Alexis de Redé

11 Alexis de Redé im Hôtel Lambert, 1952.

rischen Leistungen der Vergangenheit entgegenzusetzen. Dies erforderte die restlose Hingabe an das Alte und beanspruchte sehr viel Zeit und auch Geld. Was oberflächlich betrachtet wie ein frivoles Dasein des bloßen Genusses und des Amüsements erscheinen mag, ist genau besehen Ausdruck einer kulturellen Mission, der sich Redé rückhaltlos verschrieben hat. Es mag dies donquichottehaft, wie ein vergebliches Anrennen gegen die Zeit erscheinen. Doch ohne solche Leidenschaft der Bewahrung und Wiederbelebung der Tradition – nicht im musealen Sinne, sondern als gelebtes Leben – wäre die Welt um ein Stück Poesie ärmer. Man hat Alexis de Redé einen Schiedsrichter des guten Geschmacks genannt. Doch was ist guter Geschmack? Vielleicht zeugt die Inanspruchnahme geschmacklicher Überlegenheit schon von schlechtem Geschmack. Geschmack ist etwas sehr Individuelles und lässt sich weder diktieren noch imitieren. Für Redé stellte es kein Problem dar, Stile und Perioden zu vermischen. Für die heutige Society im Sinne einer sich durch Stil und Eleganz auszeichnenden exklusiven Gesellschaft beklagt er den Verlust tonangebender Persönlichkeiten. Es fehle ihr das schöpferische Element, wie es Marie-Laure de Noailles oder Marie-Hélène de Rothschild noch verkörperten, die Künstler um sich versammelten und sich als Mäzeninnen betätigten. In einem Brief an Friedrich den Großen schreibt Voltaire, das Hôtel Lambert sei für einen Souverän und Philosophen gemacht. Alexis de Redé war ein Souverän auf dem Feld der Eleganz. Seine Philosophie – wenn man hier über149

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haupt von einer Philosophie sprechen kann – war ein Reflex des Dandyismus des 19. Jahrhunderts. Es ist ein Dandyismus ohne Resonanz in einem Zeitalter des Spektakels.374 Im März 2005, wenige Monate nach dem Tod des Barons, fand eine Versteigerung seiner Besitztümer bei Sotheby’s statt. Eine Epoche des Tout-Paris ging zu Ende.

Der Künstler als Grandseigneur: Balthasar Klossowski de Rola, genannt Balthus Von dem Maler Balthus sind Photos und Selbstporträts überliefert, in denen sich sein Selbstverständnis und seine Vorstellung von der Rolle des Künstlers als einer heroischen, aristokratischen Gestalt unzweideutig offenbaren. Schon als junger Mann liebte Balthus bei seinen Auftritten in den Kreisen der Pariser Avantgarde und den mondänen Salons die Maske und die theatralische Pose. Seine frühen Selbstporträts und die vorliegenden Photos sind Belege des Verlangens nach Verhüllung und Zeugnisse einer »mimetischen Persönlichkeit«, wie ein Freund des Malers, Pierre Leyris, diagnostizierte.375 Eine Aufnahme des Photographen Man Ray aus dem Jahr 1933, die den Fünfundzwanzigjährigen in eleganter, lässiger Pose festhält und in Darstellungen zur Männermode des 20. Jahrhunderts immer wieder abgebildet wird376, zeugt von Selbstgewissheit, Überlegenheit und Ungezwungenheit. In dem 1935 entstandenen Selbstporträt »Le Roi des Chats« paart sich diese Pose mit Hochmut und kühler Distanz. Der »König der Katzen« ist eine hochgewachsene, überaus schlanke, langgestreckte Gestalt mit einem Gesichtsausdruck hoheitsvoller Unnahbarkeit. Die Katze, die sich an das Bein des Künstlers schmiegt, kann – wie Pierre Klossowski, der ältere Bruder des Malers, bemerkt – als ein Emblem aggressiver Nonchalance begriffen werden. Das Aggressive, Herausfordernde und das Anmutige, spielerisch Leichte machen das Spezifische von Werk und Person des Künstlers aus. Sein späterer Förderer André Malraux hat das Dandyhafte des Bildes, dessen englischer Zusatztitel diesen Zug noch unterstreicht, sehr bewundert.377 Mit »Le Roi des Chats« schreibt sich Balthus in die Tradition der Dandy-Porträts ein. Erinnert sei an das Selbstporträt des jungen Baudelaire, die Porträts Robert de Montesquious von Whistler und Boldini und das Porträt Harry Graf Kesslers von Munch. Balthus’ Selbstporträt zeigt den Künstler nicht bei der Arbeit, sondern als einen, dessen einzigen Beruf die Eleganz darstellt. Der Dandy arbeitet nicht. Sein Bemühen ist darauf gerichtet, der Welt 150

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seine Unabhängigkeit und Überlegenheit zu demonstrieren. Die Maske der Teilnahmslosigkeit trägt dazu bei, ein Image zu schaffen, das Balthus sein ganzes Leben lang begleiten wird: das des romantischen Rebellen in einsamer Distanz zur Umwelt und in Auflehnung gegen die Gesellschaft seiner Zeit. Auf einem Ölgemälde von 1940 ist der Maler mit einem Pinsel in der Hand zu sehen. Er blickt den Betrachter direkt an, während Staffelei und Leinwand unsichtbar bleiben. 12 Balthus, 1933. Durch die erlesene Kleidung des Künstlers, die für den Akt des Malens völlig ungeeignet ist, und den hochmütigen Gesichtsausdruck breitet sich – wie in dem Bild »Le Roi des Chats« – »eine dandyhafte Atmosphäre über diesem Werk aus«378, wie Camille Viéville schreibt. Spätere Selbstporträts zeigen Balthus als Handwerker. Das narzisstische Element scheint in dem Maße an Bedeutung zu verlieren, wie der Maler Anerkennung und Ruhm gewinnt. Allerdings täuscht dieser Eindruck. Auch der in die Jahre gekommene Künstler liebt die Maske. In seiner letzten Lebensperiode sieht man Balthus auf Photos in seinem Grand Chalet in Rossinière in Tracht und Pose eines würdevollen Samurai. Die europäische aristokratische Daseinsform vermischt sich auf frappierende Weise mit japanischer feudaler Kriegertradition. Der Maler inszeniert sich als einen Meister der Kampfkunst. Die Selbstporträts und Photos von Balthus bilden eine zuverlässige Grundlage für die Entzifferung seines Dandytums. Poussins Bild »Echo und Narziss« nach Motiven Ovids, das Balthus im Louvre als junger Mann kopierte, und die Identifikation mit den Helden der Werke Byrons und Stendhals geben weitere aufschlussreiche Hinweise. Aus alledem lässt sich entnehmen, dass der 1908 in Paris geborene, ehrgeizige, junge Balthasar Klossowski379, der in einer kultivierten, von der Beschäftigung mit Kunst ausgefüllten Familie aufwuchs 151

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– der Vater Erich war Kunsthistoriker, Bühnenbildner und Maler, die Mutter Baladine Malerin – und früh mit bedeutenden Künstlern und Schriftstellern Umgang hatte, davon angetrieben war, seinerseits eine außergewöhnliche Rolle im Leben zu spielen. Die enge Verbundenheit des Heranwachsenden mit Rainer Maria Rilke, der mit Baladine liiert war, tat ein Übriges. Der Dichter lieferte ihm ein Modell der Lebensführung, das von seigneuraler Grandezza und einem entsprechenden Ambiente – Rilke bevorzugte ein Leben auf Schlössern – geprägt war. Der aufstrebende Künstler, von der Natur mit einem blen13 Balthus, Der König der Katzen, 1935. dendem Aussehen ausgestattet und von seiner illustren Umgebung motiviert und begünstigt, begann sich als Dandy zu inszenieren. Es erstaunt nicht, dass ein Mann, der über derartige Vorzüge verfügte, auf der Pariser Bühne zu glänzen verstand. Seine Beziehungen zur mondänen Welt wusste er souverän für seine künstlerischen Zwecke zu nutzen. Der junge Balthus war ein in sich selbst verliebter Beau und ein hochbegabter, strebsamer Künstler. Er arbeitete langsam, ohne großen Druck. Wie Rilke, dem er manchen klugen Rat verdankte, lebte er von der Gunst einflussreicher Gönner. Warum sollte er, der aussah, wie man sich einen vollendeten Aristokraten vorstellte, nicht für sich in Anspruch nehmen, ein Adliger von Geburt zu sein? Anfang der fünfziger Jahre erschien ihm der Zeitpunkt gekommen, für sich einen Adelstitel zu reklamieren. Ja, er scheute nicht davor zurück, auf eine schottische Ahnfrau zu verweisen und sich eine obskure Verwandtschaft mit Lord Byron anzudichten.380 Man ließ es ihm durchgehen. Gutes Aussehen, Sinn für Eleganz und Stil, natürliche Nonchalance und Lässigkeit, verbunden mit elitärem Künstler152

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tum ergeben das Kunstwerk Balthus. Allerdings ist er kein Hochstapler wie Felix Krull, sondern ein veritabler Künstler.381 Seine Werke brachten ihm die Wertschätzung von Künstlerkollegen und Kunstliebhabern ein. Die Pose des Dandys verflüchtigte sich jedoch nie ganz. Sie war ihm in Fleisch und Blut übergegangen. Er spielte nicht den Exzentriker wie Dalí, sondern war feiner, kultivierter, raffinierter. Er kokettierte damit, keine Berühmtheit sein zu wollen, und suchte nicht die Zugehörigkeit zur Prominenz. Balthus liebte zeit seines Lebens die Zurückgezogenheit. Sein Dandytum vertrug sich nicht mit Popularität. Er hatte eine exklusive Nische im Kunstbetrieb gefunden. Lange Zeit präsentierte sich Balthus als einer, der jede Auskunft über sich verweigerte. Allerdings ereilte ihn in den sechziger Jahren der Ruhm und das zweifelhafte Privileg, in den Kreis der »celebrities« aufgenommen zu werden. Die Öffentlichkeit rückte den Außenseiter ins Zentrum ihrer Aufmerksamkeit. Die dandyhafte Flucht aus der Zeit wurde nicht mehr als Widerspruch erfahren, sondern als Dernier Cri.382 Die Preise seiner Bilder erreichten ungeahnte Höhen. Museen in aller Welt zeigten seine Werke. Sein Konterfei zierte die Modemagazine. Der altersmild gestimmte Künstler nahm es hin. Er empfing Rockstars wie David Bowie und Bono. Der Hollywood-Schauspieler Richard Gere erwies ihm seine Reverenz. Photo- und Interviewtermine reihten sich aneinander. Sie boten Balthus die Möglichkeit, seiner Legendenbildung weitere Bausteine hinzuzufügen und den selbst geschaffenen Mythos zu untermauern. Balthus’ Lebensweg ist die exemplarische Karriere eines Künstlerdandys in der Nachfolge Baudelaires. Wie dieser lebte er lange Zeit in Armut, angetrieben von dem unstillbaren Verlangen, aus seinem Leben eine Art Kunstwerk zu machen. Widrige Umstände ließen ihn, der sich als der geborene Grandseigneur empfand, zeitweise in die Kreise der Boheme abdriften. Diese war durchdrungen von Angehörigen der mondänen Welt. Als Balthus 1934 erstmals eine eigene Ausstellung präsentieren konnte, fanden sich Bewunderer, die bereit waren, den Maler zu fördern. Er suchte Kontakt zu Größen der Gesellschaft, die bei ihm Porträts in Auftrag gaben. Hatte Balthus schon in den zwanziger Jahren im Pariser Salon seiner Mutter Kontakt zur geistigen Aristokratie der Hauptstadt knüpfen können – dort verkehrten u. a. Paul Valéry, André Gide und Anna de Noailles –, so erhielt er nun auch Zugang zu Kreisen des Geburtsadels. Zu ihnen gehörten die Vicomtesse Marie-Laure de Noailles, berühmt als Exzentrikerin und Mäzenin der Pariser Avantgarde, die Prinzessin Bassiano, die ein Porträt ihrer Tochter Lelia Caetani bestellte, sowie die Maler André Derain und Joan Miró. Anfang der vierziger Jahre schlossen sich 153

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Auftragsporträts der Fürstin Radziwill und des Barons de Chollet und seiner Töchter an. Auch die Baronesse Alain de Rothschild ließ sich von ihm porträtieren. Die aristokratische Ambition, die sich schon früh ankündigte, bestärkte ihn in seinem Bemühen, seine Jugendliebe Antoinette de Watteville, aus altem Schweizer Adel stammend, zur Frau zu gewinnen. Die mit ihr geschlossene Ehe war freilich nicht nur eine Bestätigung seines Snobismus, sondern stand im Zeichen inniger geistig-seelischer Verwandtschaft. Die zahlreichen zwischen 1928 und 1937 gewechselten Briefe zwischen Balthus und Antoinette sind Dokumente einer romantischen Liebesleidenschaft. Der junge Maler stellte sich als einen von der Welt angeekelten, in einer Haltung der Verachtung verharrenden gesellschaftlichen Außenseiter dar. In den Pariser Salons galt er als ein Exzentriker, der sich in Schweigen hüllte und der Welt mit eisiger Kälte begegnete. Einig waren sich Balthus und Antoinette in der Verachtung der Snobs, die diese »todlangweiligen« Salons bevölkerten. Balthus übte sich in der aristokratischen Kunst zu missfallen, indem er gegen die Konventionen verstieß. Seiner Geliebten teilte er mit: »Vor drei Tagen habe ich im Übrigen einen ersten Versuch unternommen und bin zur Gräfin Pecci zum Tee gegangen. Dort erreicht der Snobismus ungeahnte Dimensionen – Ich, völlig unbekannt in diesem Milieu und erfüllt von der Rachsucht des Misanthropen, wurde von einem meiner Freunde, einem Schriftsteller, der derzeit sehr in Mode ist, dort eingeführt und habe mich so grob wie möglich daneben benommen. Ich habe allen Leuten mit der deutlichsten Verachtung widersprochen und sie beschimpft, um dann schließlich in ein beeindruckendes Schweigen zu verfallen. Nun, das Resultat war unerwartet. Die Gräfin, eine recht hübsche Italienerin, hat Augen nur für mich gehabt, und als ich ging, hat sie sich mir regelrecht an den Hals geworfen.«383 Die »Rachsucht des Misanthropen« ist eine Attitüde, die Balthus der Lektüre des von ihm illustrierten Romans »Sturmhöhe« von Emily Brontë entliehen hatte, mit dessen Helden Heathcliff er sich identifizierte.384 Der Part der weiblichen Hauptfigur Catherine war Antoinette zugedacht. Balthus spielte die Rolle des gesellschaftlichen Außenseiters und Rächers, als der er sich empfand, so überzeugend, dass Antoinette in ihm den Byron’schen Helden schlechthin erkannte. Als sie ihn auf die Parallele zu dem englischen Dichterheros hinwies, fühlte er sich geschmeichelt, ermahnte sie jedoch, man müsse sich vor solchen Prahlereien und Marotten in Acht nehmen. 154

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Balthus inszenierte sich nicht nur als Byron’schen Helden. Unter dem Eindruck der Lektüre der Tagebücher Baudelaires, in denen dieser dem Dandy als einem Ausnahmemenschen sakrale Weihen zuspricht, schreibt er an Antoinette: »Ich strebe nur noch an, ein wie Baudelaire sagt, ›Held und ein Heiliger‹ zu werden.«385 Balthus sieht im Künstler den Priester, der eine Beziehung zum Göttlichen unterhält, eine Auffassung, an der er lebenslang festhält. Im Briefwechsel zwischen Antoinette de Watteville und Balthus werden alle romantischen Klischees bemüht, die der gemeinsamen Lektüre entnommen worden sind: der verdammte Künstler in der Verkleidungsform des Dandys; der rebellische Außenseiter mit der unbeugsamen Gesinnung des jugendlichen Helden aus Stendhals »Rot und Schwarz«, der durch Mut und Tatkraft eine romantisch veranlagte junge Adlige für sich einnimmt. Balthus wollte wie Byron einen Skandal provozieren, was ihm mit seinem erotisch aufgeladenen, die herkömmlichen Normen kühn verletzenden Bild »Die Gitarrenstunde« auch vorzüglich gelang. Durch den Achtungserfolg, den ihm seine Ausstellung in der Galerie Pierre einbrachte, kannte das Selbstbewusstsein des zukünftigen »King of Cats« keine Grenzen mehr. »Also scheinen sie meine Bedeutung, meine königliche Herrlichkeit wohl doch zu erkennen! Ach, Bébé, ich bin nicht mehr der Einzige, der meine Grösse spürt – (Bescheidenheit war nie meine Stärke).«386 Im Spätsommer 1934 druckte die Zeitschrift Vogue Kostüme ab, die Balthus für Antonin Artauds Bühnenstück »Les Cenci« entworfen hatte. Bühnenbild und Kostüme waren ein großer Erfolg. Alle Pariserinnen, ließ er die Freundin wissen, würden gern seine Kleider tragen. Baladine Klossowska war von den Erfolgen ihres Sohnes als Maler und Bühnenbildner so sehr angetan, dass sie ihrem Mann Erich berichtete, Balthus sei schon so hochmütig wie Delacroix. Man rühme ihn als Schöpfer einer neuen italienischen Mode.387 Die künstlerische Anerkennung, die Ehe mit einer Adligen und der Verkehr in mondänen Kreisen versetzten der Karriere des Künstlers einen mächtigen Schub. Materiell blieb die Lage des jungen Paares prekär. Daran änderte auch die betuchte Kundschaft aus der internationalen High Society nichts. Zudem wollte Balthus’ junge Frau verwöhnt werden. Das Bild ihres Mannes als eines Byron’schen Helden vertrug sich nicht mit dem Lebensstil der Boheme. Als Balthus noch um sie warb, gab sie ihm unmissverständlich zu verstehen, was sie von ihm erwartete. Sie riet ihm, die Porträtaufträge und die Angebote für Bühnenbilder anzunehmen, denn dann sei er endlich seine Geldsorgen los. »Und wie stellst Du Dir vor, dass Deine kleine Schwester zu Dir leben kom155

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men kann, wenn Du das Leben eines Bohèmiens führst?«388 Der Maler antwortete entrüstet: »Aber Du redest von Bohème? Ich, das Leben eines Bohèmiens? Komm, je weiter ich komme, desto mehr erscheint der Grandseigneur in mir wieder, und in solchen Dimensionen, dass es schon keinen Platz mehr für mich hat«.389 Die verwöhnte Tochter aus adligem Haus trieb Balthus dazu an, ein Leben auf großem Fuß anzustreben. Damit bestätigte sie ihn in seinem herrschaftlichen Selbstgefühl. Selbstverständlich verstand er sich nicht als einen mittellosen Boheme-Künstler wie Baudelaire, obwohl er mit ihm das Dandyideal teilte. Er, Balthus, war zu Höherem bestimmt. Er war ein Grandseigneur, wie sein Selbstporträt »Le Roi des Chats« hochmütig kundtut. Als solcher wollte er seiner »Queen of Cats« ein standesgemäßes Leben bieten. Leitbild war der Gentilhomme alter Prägung, wie er ihn in Adelskreisen kennengelernt hatte und wie ihn auch der Dichter Rilke, ein Selfmade-Aristokrat, verkörperte. Was in den dreißiger Jahren noch ein Phantasieprodukt bildete, wurde zwanzig Jahre später Realität. Balthus bezog 1953 das Schloss Chassy im Morvan/Burgund – einen Herrensitz, an dem der Zahn der Zeit genagt hatte –, in dem er für den Spottpreis von 200 Dollar jährlich zur Miete wohnte.390 In Paris hatte er in ärmlichen Behausungen, wenn auch an symbolträchtigen Orten, gelebt und gearbeitet, in der Rue de Furstemberg mit Blick auf das Atelier von Delacroix und im Cour de Rohan, einem versteckt liegenden, idyllischen Ort im Quartier Latin. In Chassy fand er die Räumlichkeiten, nach denen er sich sein ganzes Leben lang gesehnt hatte, und die Stille, die er zum Malen brauchte. »Balthus glaubte, er habe in jeder Hinsicht ein Anrecht auf einen solchen Raum, aufgrund seiner Entschlossenheit, in seiner Zeit Kriterien durchzusetzen, zu deren Rettung vor der heutigen Frivolität, Mittelmäßigkeit und Anarchie kein anderer die Energie oder Distinktion besaß.«391 Eine Zwischenetappe zu diesem Ziel war die Villa Diodati bei Genf, in der Lord Byron 1816 gelebt hatte. Balthus und Antoinette frequentierten die feudale Unterkunft mit den beiden Söhnen Stanislas und Thadée unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs ein ganzes Jahr lang. Balthus konnte das Geld für die Wiederherstellung des Schlosses Chassy und für den täglichen Lebensunterhalt nur mit Hilfe eines Konsortiums von Sammlern und Kunsthändlern aufbringen, dem er die Exklusivrechte an seinen Bildern einräumte. Er lebte dort allein mit einer jungen Frau, Frédérique Tison, die ihm Modell stand und seine Geliebte wurde. Von Antoinette hatte er sich getrennt. Vom Magazin Life ließ er sich als Landadligen porträtieren. Seine 156

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Entscheidung, in einem Schloss zu leben, zeugt allerdings nicht nur von aristokratischem Geltungsdrang. Sie bedeutete ein karges, hartes Arbeitsleben voller Entbehrungen. »Bequemlichkeiten waren bedeutungslos, vom Gesichtspunkt einer Hingabe, die banales Wohlbefinden für eine ordinäre Nebensächlichkeit hielt.«392 Als Schlossherr hielt es Balthus für angemessen, den Titel eines Grafen Klossowski de Rola anzunehmen. Vielleicht war es seine eigene Eingebung oder auch nur eine Konzession an die Landbevölkerung, in deren Vorstellung der elegante Herr und Besitzer des Anwesens nichts anderes als ein Graf sein konnte. Die aristokratische Ambition des byronesken Dandys, die in Balthus’ Selbstporträt »Le Roi des Chats« ihren spielerischen Ausdruck findet, gewann endgültig Realität. Was als ein übermütiger Scherz ohne jegliches reale Fundament begonnen hatte, beanspruchte nun, eine unwiderlegbare Tatsache zu sein.393 In der Öffentlichkeit wurde der Titel »Graf de Rola« anstandslos akzeptiert. Gewissermaßen fand die Nobilitierung von Balthus durch die Medien statt, während sich seine engeren Freunde wunderten und über ihn lustig machten. Es tat für Balthus nichts zur Sache, dass sein Vater zwar dem polnischen Kleinadel entstammte, sich aber mit zweiundsiebzig anderen polnischen Familien das Wappen der Rola teilen musste. Der Anspruch auf einen Titel, gar den eines Grafen, war damit keineswegs verbunden.394 Den Adelstitel, den sein Vater und sein Bruder Pierre niemals für sich geltend machten, hatte er sich, so sah er es wohl, kraft seines Genies verdient. Mit fortschreitendem Alter brannte sich das Gefühl, adliger Herkunft zu sein, wie ein Siegel in sein Bewusstsein ein. Mit ihm befreundete Adlige gönnten ihm dieses Vergnügen. Für den Vicomte und die Vicomtesse de Noailles zählten ohnehin nicht die Herkunft, sondern nur das Talent. Und das besaß Balthus in reichem Maße. Neid und Missgunst hatte der Künstler nur von Bürgerlichen zu erwarten, die selbst gern Adlige gewesen wären, aber nicht über die Selbstherrlichkeit verfügten, dies auch durch Selbstnobilitierung in die Tat umzusetzen. Dabei befand sich Balthus mit diesem Anspruch in bester Gesellschaft. Die von ihm verehrten Dichter Stendhal und Balzac haben sich ebenfalls selbst geadelt, obgleich sie in ihrem Verhalten bei Weitem nicht jene Sprezzatura und Courtoisie an den Tag legten wie Balthus.395 Er dagegen war der Inbegriff und die Personifikation des vollendeten Weltmannes und Aristokraten. 157

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Als Dandy hätte er diesen Akt der Selbsterhöhung eigentlich nicht nötig gehabt, denn als ein solcher thront er weit über dem Adligen. Es macht gerade das Ingenium eines Dandys aus, dass er sich selber schafft und in seiner perfekten Eleganz das adlige Ideal des Chevaliers und Mannes von Welt, der den guten Ton diktiert, wie niemand sonst verkörpert. Insofern offenbart sich in dem Bedürfnis Balthus’, seine habituelle und geistige Überlegenheit mit einem Adelstitel zu krönen, eine Schwäche, die allerdings verzeihlich ist. Zur Marotte wird diese Schwäche, wenn sie in Pedanterie mündet. So lehnte es Balthus in späteren Jahren ab, einen Brief zu öffnen, der nicht korrekt an den Grafen de Rola adressiert war.396 Auch hielt er es für angebracht, seine zweite Frau, die Japanerin Setsuko, zu einer Prinzessin von Geblüt auszuschmücken. Einem wahren Dandy hätte es nichts ausgemacht, wenn seine Frau der Gosse entstammte. Er braucht keinen Titel, auch keine Titelträgerin an seiner Seite, denn er ist der Souverän schlechthin, der einzige wahre Aristokrat in einer Zeit ohne wirkliche Aristokratie. Seit 1961 leitete Balthus auf Bitten des französischen Kulturministers André Malraux die Académie de France in der Villa Medici in Rom. Dieser Amt übte er sechzehn Jahre lang aus. In Montecalvello bei Viterbo erwarb er Anfang der siebziger Jahre ein herrschaftliches Schloss, das er wie Chassy und die Villa Medici mit viel Mühe und Sorgfalt wiederherrichten ließ. Der einem vergangenen Zeitalter verbundene Maler erklärt: »Die hochmütige Größe von Montecalvello bewahrt trotz der Verheerungen der Zeit einen Anstand, eine Haltung, die charakteristisch sind für jene aristokratische Würde, nach der unsere Epoche streben sollte. Ich liebe die Feudalzeit, im alten Europa ebenso wie im antiken China, denn die Werte des Glaubens, des Respekts für die Natur, der Treue zu den ursprünglichen Gaben sind stärker als alles andere.«397 In Italien hatte Balthus Umgang mit bildenden Künstlern, Film- und Thea­ terregisseuren, unter ihnen Federico Fellini. Dieser besuchte ihn in seinem Atelier im Garten der Villa Medici. Fellini erfasste intuitiv den sakramentalen Charakter des Künstlertums seines Freundes. »Damals hatte ich den Eindruck, man müsse sich wie einst die Pilger, die an heiliger Stätte angelangt waren, ohne Hast von den Schlacken des Staubes befreien, sich läutern. Und so rundete sich das Bild ab, das ich mir von Balthus gemacht hatte, das Bild eines initiierenden Priesters, des Hüters eines symbolischen Erbes, in dem die Zeit die Ablagerungen der künstlerischen Kultur hinterlassen hat.«398 Seine Rolle als Direktor der Villa Medici hielt Balthus von seiner Arbeit als Maler ab. Er musste repräsentieren und tat dies auf distinguierte, zeremoni158

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elle Art. In Rom nahm man ihn als den brillantesten Repräsentanten französischer Kultur in Italien wahr. Als berühmter Künstler und elegante Erscheinung schien Balthus als Paradefigur der Welt der beautiful people und des internationalen Jetsets geradezu prädestiniert. Selbstverständlich unterhielt er Beziehungen zu Repräsentanten der mondänen Welt wie Gianni und Marella Agnelli. Doch solche Verbindungen handhabte Balthus mit der ihm eigenen Nonchalance und Souveränität. Er machte sich rar und war dadurch umso begehrter. Das öffentliche Treiben, die Wirkungen des Ruhms interessierten ihn nur insoweit, als sie ihm die materiellen Mittel zuführten, die es ihm erlaubten, sein Leben als der Maler Graf Klossowski de Rola ungestört zu führen. 1977 ließ sich Balthus mit seiner Frau Setsuko und seiner Tochter Haru­mi in der französischen Schweiz nieder. Er erwarb in Rossinière das Grand Chalet, wo er sich in seinem gewohnten feudalen Lebensstil einrichtete und bis zu seinem Lebensende im Februar 2001 residierte. Auf Photos sieht man ihn einen Kimono tragen, ein Kleidungsstück, durch das er sich – so seine Auffassung – der Vulgarität entledigte. Balthus verstand es als einen Akt der Askese, in die Tracht eines Samurai zu schlüpfen. »Dieses traditionelle Gewand ist kein eitler Schmuck oder bloße Verkleidung, also weder Lüge noch Maske, sondern vielmehr Leitfaden für den Geist der Alten.«399 In Rossinière fand er die Einsamkeit wieder, die er in Chassy genossen hatte. In seinen von Alain Vircondelet aufgezeichneten Erinnerungen – die Gespräche fanden zwei Jahre vor seinem Tod statt – bezeichnet Balthus sich als einen bekennenden Katholiken, dessen Werk sich unter dem Siegel des Spirituellen entwickele. Die Malerei sei für ihn die Möglichkeit, Zugang zum Geheimnis Gottes zu erlangen. »Opfern ist das richtige Wort, weil die Arbeit des Malers mit dem Heiligen in Verbindung steht. Ohne die spirituelle Dimension, den Umgang mit dem Mysterium würde er höchstens für gewagte Abenteuer, für die Tyrannei der Mode taugen.«400 Er, Balthus, habe Malerei immer als Suche nach dem Wunderbaren verstanden. Der Dialog mit dem Unsichtbaren, das er auch das Göttliche nenne, sei heute in der Kunst verschwunden. Balthus beklagt den um sich greifenden Personenkult, die Selbstdarstellungssucht, die persönlichen Geständnisse und intimen Beichten, die Proklamationen des eigenen Ichs. Von alledem habe er sich immer ferngehalten. »Man kann nicht im Getöse der Welt und inmitten ihrer Leichtlebigkeit malen, ihren Rhythmus annehmen. Man muss sehr viel weiter suchen und immer größere Einsamkeit und Stille erlangen, muss in engster Nachbarschaft mit den Meistern der Vergangenheit leben, um die Welt neu zu erfinden 159

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und sich nicht von falschen Sirenen, dem Geld, den Galerien, den mondänen Spielchen in die Irre führen zu lassen. Die wahre Modernität liegt in der Neuschöpfung der Vergangenheit, in der Ursprünglichkeit (…). Um dorthin zu gelangen, muss man einsehen, dass man alles hergeben, sein kleines Ich beiseite lassen muss.«401 Vor dem Hintergrund seines künstlerischen Credos stellt sich das Bedürfnis des Malers nach Zurückgezogenheit, sein Weg der Stille nicht als Wichtigtuerei dar, um Galerien und Sammler anzulocken, sondern als ein Bemühen, das Geheimnis der Kunst zu ergründen. Um zu erreichen, was das Werk, dessen Mittler Balthus ist, im Verborgenen sagen will, verlange die Malerei die völlige Selbstaufgabe, die Verweigerung jedes Bestrebens, die eigene Person wie ein Banner vor sich her zu tragen. Das künstlerische Selbstverständnis des Malers schließt nicht nur einen narzisstischen Ichkult aus, sondern auch marktkonforme Selbsterfindungstechniken, wie sie heute oft von Künstlern angewandt werden, um ihre Person ins rechte Licht zu rücken. Sein Misstrauen, so sagt er, richte sich immer gegen Unaufrichtigkeit, Geziertheit und Posen. Mit einer solchen Geisteshaltung könne man niemals malen. Balthus versteht es auf bewundernswerte Weise, seinen eigenen Narzissmus vor sich selbst zu kaschieren. Er gibt ihm einen anderen Sinn. Sein Kunstverständnis basiert auf der Vorstellung des Heroischen und Heiligen, der Askese und des Opferdienstes. Weit entfernt ist Bal­ thus von der gleisnerischen Lebenskunst eines Andy Warhol oder Sebastian Horsley mit ihrer Gier nach öffentlicher Anerkennung. Seine strenge Ästhetik und Lebensführung entspricht einem asketischen Dandytum, das die Einsamkeit sucht und das Vulgäre flieht, einem Dandytum, wie er es bei dem Dichter der »Blumen des Bösen« vorfindet. »Oft fühlte ich mich Baudelaire ebenfalls sehr verwandt. Wegen seines Dandytums und der Aristokratie seines Herzens, wegen des einsamen Stolzes, der auch mich erfüllte damals im Cour de Rohan, und wegen seiner Art, wie ich fremde Welten zu streifen, sie manchmal sogar ohne eigenes Zutun auftauchen zu lassen.«402 An umtriebigen Künstlern wie Jean Cocteau und Salvador Dalí kritisiert er das Mondäne, allzu Leichte, das der Selbstzucht des Dandys entbehre. Balthus’ Geisteshaltung und Weltsicht verweisen zurück auf die Zeit des Feudalismus, auf eine anspruchsvolle Aristokratie, für die allein die Pflicht zählt. Er habe immer gern an erhabenen Stätten gelebt, »nicht aus Eitelkeit, sondern weil sie mir und meiner Lebenskunst nahestanden«.403 160

Der Künstler als Grandseigneur: Balthasar Klossowski de Rola, genannt Balthus

Gemeint ist das Leben auf Schlössern und herrschaftlichen Landsitzen, die dem Maler die räumliche und zeitliche Distanz zum eitlen Getriebe des städtischen Lebens und der gefräßigen Maschinerie des Kunstmarktes ermöglichen. Hier gibt sich Balthus als typischer Nachfahre der romantischen Epoche zu erkennen, die in Opposition zum Krämergeist der Bourgeoisie das Rittertum glorifiziert und die Feudalzeit wiederbeleben will. Balthus besuchte deshalb auch nie die Vereinigten Staaten, für ihn ein Land der alles ins Banale ziehenden Demokratie und des niedrigsten Geschäftsinstinkts. Für den abstrakten Expressionismus und die Pop-Art zeigt er nicht das geringste Interesse. Sie sind die Negation alles dessen, was die Malerei für ihn bedeutet. Der Dandy, wie Balthus ihn sieht, ist eine heroische, gegen ihre Zeit gerichtete Figur, ein Einzelgänger, der keine Kompromisse mit dem Geist seiner Epoche eingeht und alle Moden missachtet. »Man muss den Moden widerstehen, muss um jeden Preis an dem festhalten, was man selbst für gut befindet. Man muss pflegen, was ich wie die Dandys des neunzehnten Jahrhunderts ›den aristokratischen Geschmack zu missfallen‹ nannte, muss das feine Vergnügen des Unterschiedes kennen, der einen zu beispiellosen, erstaunlichen Aufgaben ruft. Der Maler, zumindest so, wie ich ihn verstehe, hat alle Märkte, alle Tendenzen, jeden Snobismus gegen sich. Er steht außerhalb jeder Mode.«404 Ein Snob ist Balthus zufolge nicht der bürgerliche Parvenü, der sich zum Adligen modelliert, sondern der dem Zeitgeist verhaftete Kulturbanause, der jedem modischen Trend hinterherläuft. Balthus, das gilt es festzuhalten, ist kein »moderner« Dandy. Die Modernität sucht er in der Vergangenheit. Wie jeder Dandy besitzt er einen un­trüglichen Sinn für Eleganz. Dieser Formsinn ist Balthus nicht nur von Natur gegeben. Er verdankt sich der Auseinandersetzung mit der europäischen Hochkultur vergangener Jahrhunderte und der Adaptierung ästhetischer Rituale der fernöstlichen höfischen Kultur. Keine Zeitmode tangiert diese Eleganz. Als Dandy steht er abseits der Moden. Er folgt allein seinem ästhetischen Empfinden und Gestaltungstrieb. Balthus bedarf nicht der adligen Titulatur, um Größe und Unabhängigkeit zu demonstrieren. Der Titel ist bestenfalls schmückendes Beiwerk. Der Graf de Rola raubt dem Dandy Balthus etwas von seiner Dignität und Einzigartigkeit. Der Name »Balthus« ist selbst schon ein erlesenes Kunstprodukt, der Phantasie des sich selbst erschaffenden Künstlers entsprungen. Es ist wohl das polnische Erbe, das Balthus zur Mystifikation verleitet hat. In Dostojewskis Roman »Der Spieler« heißt es: »Alle reisenden Polen sind Grafen.«405 Im Fall Balthus’ ist es freilich umgekehrt. Erst die Sesshaftigkeit hat 161

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ihn zu fragwürdiger Selbsterhöhung verführt. Er, der dem falschen Nimbus des heutigen Künstlers die klassische Tradition des Handwerkers der Frührenaissance vorzog, konnte der Selbstfiktionalisierung nicht widerstehen.

Der Dandy in der Maske des Samurai: Yukio Mishima In Yukio Mishima begegnet uns ein Schriftsteller, der sich nicht nur durch sein literarisches Werk, sondern auch durch die spektakuläre Art, aus dem Leben zu scheiden, ins Gedächtnis der Nachwelt eingeschrieben hat. Mishima ist eine janusköpfige Figur. Zum einen tief verwurzelt in der japanischen Kultur der höfischen Epoche, zum anderen der modernen westlichen Kultur zugewandt wie kaum ein zweiter Schriftsteller seiner Generation. Obwohl er die Gesellschaft seiner Zeit, das Nachkriegsjapan, das sich dem American way of life hingab, scharf kritisierte, genoss er mit großer Selbstverständlichkeit die Vorzüge der amerikanischen Zivilisation. Unter den westlichen Schriftstellern, die ihn beeinflussten, findet sich indes kein Name eines amerikanischen Autors. ­Mishima liebte seit seiner Jugend die Dichter der europäischen Décadence: Baudelaire, Huysmans, Villiers de l’Isle-Adam, Wilde und D’Annunzio. Auch Gide, Radiguet und Cocteau fühlte er sich verbunden. Deutschsprachige Autoren wie Thomas Mann, Hofmannsthal und Rilke las er im Original. Offenbar hatte es ihm der europäische Ästhetizismus besonders angetan. In diesem künstlerischen Milieu gedieh ein raffiniertes, verfeinertes Dandytum, das den jungen Autor beeindruckte und zur Nachahmung ermuntern sollte. In besonderem Maße bewunderte Mishima Werk und Person Gabriele d’Annunzios. Er sah in dem italienischen Dichter, Abenteurer und Selbstdarsteller einen Geistesverwandten und übersetzte dessen Theaterstück »Das Martyrium des heiligen Sebastian«, das 1911 mit der Tänzerin Ida Rubinstein und der Musik von Claude Debussy in Paris zur Aufführung gekommen war. Mishima ist wie D’Annunzio von der Figur des christlichen Märtyrers fasziniert. Die Todesverfallenheit des römischen Soldaten entspricht seinem Verständnis von Heroismus und Opferbereitschaft. Die Verwandtschaft zwischen D’Annunzio und Mishima reicht weit über das gemeinsame Interesse an der Figur des heiligen Sebastian hinaus. Beide fühlen sich zum politischen Handeln aufgefordert. Die ästhetische Revolte allein genügt ihnen nicht. Sie wollen den Helden spielen und ihren Ich-Kult mit dem Kult der Nation verbinden. Die Suche nach dem Spektakulären und der Sensation, der Zug zum Exhibitionistischen ist ihnen gemeinsam. Gemeinsam ist 162

Der Dandy in der Maske des Samurai: Yukio Mishima

ihnen auch die Tendenz zu sprachlicher Dekoration, der Hang zum Konspirativen, das Soldatische, die essentielle Unbürgerlichkeit und die ornamentale Behandlung des Bösen und Grausamen, des Perversen und Obszönen, mit einem Wort: ein in die politische Praxis überführter radikaler Ästhetizismus.406 Bei Mishima verbindet sich die Dekadenz wie bei D’Annunzio mit Aggressivität und Rohheit, vor allem aber mit einem ritualisierten Sadomasochismus. Der Name Mishima steht als ein Beweis dafür, dass das Dandytum kein ausschließlich europäisches Phänomen darstellt. Offenbar findet es seinen Nährboden auch in Kulturen mit anderen Lebensweisen und Traditionen. Schon Chateaubriand hatte es unter den Ureinwohnern Amerikas gesichtet. Doch auch in Asien und Afrika ist es anzutreffen, wie Beispiele aus China, Korea, Japan und der Republik Kongo dokumentieren.407 Japan befand sich im 19. Jahrhundert in einem Übergangsstadium vom agrarischen Feudalismus zur bürgerlichen Industriegesellschaft. Die alte japanische Herrenschicht besaß ein eigenes unverwechselbares Gepräge. Die Sozialtypen des englischen Gentleman und des französischen Honnête Homme, die im Dandy ihre exzentrische Zuspitzung erfuhren, fanden in Japan keine unmittelbare Entsprechung. Gleichwohl sah sich der japanische Kriegeradel, die Samurai, im 17. Jahrhundert, dem Beginn einer langen Friedenszeit, ähnlich wie die europäische Ritterschaft zu einer Zivilisierung seines martialischen Habitus genötigt. In dieser Zeit wurde die Grundlage für einen spezifisch japanischen Dandyismus gelegt.408 Die Samurai gehörten zur parasitären Klasse und waren von ihrem Landlord abhängig. Im Unterschied zum europäischen Ritter war der Samurai-Gefolgsmann kein eigener Herr, der über Land und Leibeigene verfügte. Er war ein Rentier und meist nicht wohlhabend. Von Reichtum und Luxus ausgeschlossen, legten die Samurai umso mehr Wert auf Tugenden wie Schlichtheit und Sparsamkeit.409 Eine tiefe Kluft trennte sie von den Klassen der Bauern, Handwerker und Kaufleute. Während der Tokugawa-Zeit (1603–1868) waren die Samurai keine reinen Schwertführer mehr. Sie entwickelten technische und ästhetische Fähigkeiten. Der Typus des todesmutigen Kämpfers trat in den Hintergrund. Bezahlte Gefolgsmänner mit Talenten in ziviler Verwaltung, gelehrten Studien und den Künsten nahmen ihren Platz ein.410 Die Kampfschulungen wurden zu asketischen Übungen, die der körperlichen und geistigen Disziplinierung dienten. Dieser Prozess fand seinen Niederschlag in den klassischen Schriften zur Ethik des Samurai. Werden im »Gorin-no-sho« (»Buch der fünf Ringe«) von 163

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Miyamoto Musashi (1584–1645) der Geist des Kriegers und die Elemente seiner Strategie beschworen, rückt im »Hagakure« (wörtlich: »Hinter den Blättern«) des Tsunetomo (»Jocho«) Yamamoto (1659–1719) der Ehrenkodex des Samurai in den Mittelpunkt der Darstellung. Im Unterschied zum »Hagakure« enthält das »Gorin-no-sho« nur wenige Auskünfte über die philosophischen und ethischen Prinzipien des Bushidō, des »Weges des Kriegers«. Musashi war keinem Fürsten verpflichtet, sondern als »Rōnin«, als herrenloser Samurai, nur sich selbst. Dieser Schwertkämpfer kannte keine unbedingte Loyalität zu einer übergeordneten Instanz. Einzig verbindlich war für ihn der »Weg« (Dō). Seine Fähigkeiten bewies er in der Einwirkung auf den Gegner. Im Kräftemessen musste er es zur Vollkommenheit bringen. Musashis Samurai war ein Stratege, ein Meister der Interaktion. In der kämpferischen Auseinandersetzung demonstrierte er seine Überlegenheit und erfüllte seine Pflicht, »am Schwert das eigene Ich zu prüfen«.411 Die wichtigste Botschaft des »Hagakure« des Samurai-Mönches Yamamoto lautet: »Bushidō, der Weg des Kriegers, liegt im Sterben.«412 Mehreren Generationen diente das Buch der moralischen und praktischen Unterrichtung über den Fürsten und seine Samurai-Gefolgsleute. In der Meiji-Zeit wurden seine Prinzipien im Sinne der Loyalität zum Kaiser und zur japanischen Nation neu interpretiert. Die in dieser Schrift kodifizierte Ethik des Samurai basiert auf der vollkommenen Ergebenheit des Kriegers gegenüber dem Fürsten und der Bereitschaft, sein Leben für ihn hinzugeben. Das »Hagakure« predigt nicht nur kriegerische Tugenden. Der domestizierte Krieger wird wie der domestizierte Ritter zu einem Mann mit zivilen Qualitäten und unterwirft sich einer strengen Etikette. Gefordert werden Belesenheit, die Fähigkeit, Verse zu schmieden und die Teezeremonie zu vollziehen. Allerdings sollte ein Samurai nicht ganz davon in Anspruch genommen werden, denn dann werde er »weich in Körper und Geist und alle kriegerischen Eigenschaften verlieren, bis er nur noch wie ein Hofsamurai aussieht«.413 Das »Hagakure« kennt kein ästhetisch-humanistisches Bildungsideal. 414 In den Künsten sieht Yamamoto die Gefahr einseitigen Spezialistentums. Der Samurai ist ein Meister des Technischen in der Aktion. Doch diese Meisterschaft, durch unermüdliche Übungen erreicht, bildet nur den Anfang des Weges. Erst danach beginnt die wahre Meisterschaft, die im Geistigen gründet. Das Ziel ist die Selbstbeherrschung im Körperlichen wie im Geistigen, die Abkehr von materiellen Wünschen und die vollkommene Spiritualität. Dazu gehören Gelassenheit und Konzentration, Meditation und die Vertrautheit mit 164

Der Dandy in der Maske des Samurai: Yukio Mishima

dem Tod. So heißt es im »Hagakure«: »Eine Regel, die von Fürst Naoshige in dem ›Schreiben an der Mauer‹ hinterlassen wurde, liest sich so: ›Dinge von großer Bedeutung sollten gelassen angegangen werden.‹«415 Das Ästhetische findet beim Samurai seinen Ausdruck in der gepflegten Erscheinung. Gepflegtheit ist eine Frage der Selbstachtung. Reinlichkeit und Eleganz in der Kleidung sind Ausdruck der aristokratischen Überlegenheit seines Geistes. »Bis vor fünfzig oder sechzig Jahren nahm der Samurai jeden Morgen ein Bad, rasierte seinen Vorderkopf, räucherte sein Haar mit Weihrauch, schnitt seine Nägel, polierte sie mit Bimsstein und glättete sie mit Sauerklee, fein darauf bedacht, nicht seine Erscheinung zu vernachlässigen.«416 Dem Samurai ist das Schminken gestattet, um im Tod nicht die Gesichtsfarbe zu verlieren. Leben und Sterben vor einem Spiegel, die Devise des Baudelaire’schen Dandys, sind für ihn unentbehrlich. Der Blick in den Spiegel dient der Selbstkontrolle und der Introspektion. Er ermöglicht es, den Gesichtsausdruck einzustudieren und zu beherrschen, so dass er jederzeit, wenn nötig, geändert werden kann. Mishima hat dem »Hagakure«, dem Vademecum des Samurai, einen ausführlichen Kommentar gewidmet. Die Konturen seines Denkens treten in diesen Anmerkungen deutlich hervor. Die Schrift entstand 1967, drei Jahre vor seinem Tod. Im »Hagakure« fand Mishima die Grundlage für sein Selbstverständnis: das eines modernen Samurai in einem Zeitalter des Niedergangs. Er entnahm dem Werk die Doktrin, dass ein Samurai sich ebenso geistig-literarisch wie militärisch vervollkommnen müsse. In seinem Insistieren auf der physischen und spirituellen Perfektionierung des Selbst weiß sich Mishima mit Yamamoto einig. Auf Zustimmung bei Mishima stößt auch Yamamotos Kritik an der Verweiblichung des Samurai in seiner Zeit. Effeminiertheit bedeute einen Mangel an Strenge, an Form, einen Hang zum Opportunen und Gefälligen. Der Samurai verkörpere dagegen das männliche Prinzip schlechthin. Diese Hochschätzung des Männlichen geht auf die Vorherrschaft misogyner Einstellungen in der Kriegerkaste des feudal-aristokratischen Japan zurück, eine Haltung, die den homoerotischen Vorlieben Mishimas entgegenkam. Der Zerfall der feudalen Ordnung leitete das Ende der Samurai-Existenz ein. Die Werte, die ihn einst trugen, waren in der sich ausbreitenden bürgerlichen Ordnung nicht mehr von Nutzen, kaufmännische Tüchtigkeit und das Streben nach kommerziellem Gewinn mit der adligen Gesinnung des Samurai unvereinbar. Das moderne Japan hatte für ihn keine Verwendung mehr. 165

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Mishima beklagt für das prosperierende Nachkriegsjapan, dass die Herrentugenden verschwänden und die Männer sich nur noch durch bestimmte technische und artifizielle Fähigkeiten auszeichneten. Die Männer vergäßen das Ziel, sich zu vervollkommnen. Sie reduzierten sich darauf, bloße Funktionsträger zu sein. Dagegen verfüge der Samurai über ein gesamtpersönliches Ideal. Konsequent den Weg des Kriegers zu gehen heiße nicht, sich als Beherrscher einer bestimmten Technik und Träger einer Funktion behandeln zu lassen, denn der Weg des Kriegers ziele nicht auf technische Meisterschaft. »Die Gesamtpersönlichkeit bedurfte der Technik nicht. Sie repräsentierte den Geist, sie stand für die Aktion, sie verkörperte die Idee, auf die der Clan sich stützte, auf der er beruhte.«417 Auf die Frage eines Interviewers, ob man Samurai sein könne, wenn die moralischen und ethischen Prinzipien dieses Kriegerideals nicht mehr praktiziert würden, antwortete Mishima, er sei sich des Anachronismus dieser Praxis wohl bewusst, doch sollte ein Mann einen »spirituellen Dandyismus« zur Schau stellen.418 Der Hinweis auf den Dandyismus ist kein Zufall. Mishima kannte sich in der Tradition der europäischen Décadence aus. Die Strategien des Dandys sind für den japanischen Dichter die ins Zivilleben übertragenen Verhaltensprinzipien des Samurai. Die Parallele zwischen Mishimas Samurai und Baudelaires Dandy liegt in dem ästhetischen Formbewusstsein und der Selbstzucht. Bei Baudelaire ist zu lesen: »Seltsamer Spiritualismus! Denjenigen, welche sowohl seine Priester wie seine Opfer sind, gelten all die umständlichen materiellen Bedingungen, denen sie sich unterwerfen (von der untadeligen Toilette zu jeder Stunde des Tages und der Nacht bis zu den gefährlichsten sportlichen Bravourakten), nur als eine tägliche Übung zur Stärkung der Willenskraft und zur Zucht der Seele. Ich hatte wahrhaftig nicht ganz unrecht, den Dandysmus als eine Art Religion zu betrachten.«419 Diese Religion, der Stoizismus, kennt – so Baudelaire – nur ein einziges Sakrament: den Selbstmord.420 Yukio Mishima, geboren 1925, ist väterlicherseits bäuerlicher Herkunft. Die Großmutter entstammte einer alten Samurai-Familie. Der junge Mishima erwarb durch den Einfluss der Mutter, einer kultivierten, belesenen Frau, eine umfassende literarische Bildung. Schon früh hatte er sich mit den Werken der klassischen japanischen Literatur, der Weltliteratur und der Literatur der westlichen Moderne vertraut gemacht. Seine erste Erzählung »Der blühende Wald«, geschrieben im Alter von sechzehn Jahren, beschwört die Verbindung von Erotik, Ekstase und Tod. Im Rückblick bekennt der Autor: »Mit zwanzig war ich fähig, mich in alles und jedes hineinzuphantasieren: als ein zu frühem 166

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Tod bestimmtes Genie, als den letzten Erben japanischer Schönheit, als einen Dekadenten unter Dekadenten, den letzten Herrscher eines Zeitalters des Niedergangs. Ja als einen Kamikaze-Kader für die Schönheit.«421 Der junge, introvertierte Mishima, in der Obhut der weiblichen Familienmitglieder aufgewachsen, war von schwächlicher körperlicher Konstitution und blieb nach dem Schulbesuch vom Kriegsdienst verschont. Das Erlebnis der militärischen Katastrophe, die Japan heimsuchte, der Opfertod der Kamikaze-Flieger und der Autoritätsverlust des seiner Göttlichkeit entkleideten Kaisers hinterließen tiefe Spuren in der Phantasiewelt des jungen Dichters. Über die Bombardierung Tokios schreibt er später im Stile Ernst Jüngers und in bester Manier des europäischen Ästhetizismus: »Die Luftangriffe auf die entfernte Metropole, die ich im Schutze des Arsenals beobachtete, waren grandios. Die Flammen wiesen alle Schattierungen eines Regenbogens auf. Es war wie das Licht eines fernen Freudenfeuers auf einem großen Bankett, extravagant in Tod und Zerstörung.«422 Mit vierundzwanzig Jahren veröffentlichte Mishima sein erstes Meisterwerk, »Das Geständnis einer Maske«, das ihn mit einem Schlag berühmt machte. In ihm sind alle Motive enthalten, die sein ferneres Leben und Schaffen begleiten sollten. Im Helden des autobiographischen Romans werden die Wurzeln seiner Homosexualität und seine sadomasochistischen Phantasien sichtbar, die um Blut und Tod kreisen und sich an Guido Renzis Bild des von Speeren durchbohrten Körpers des heiligen Sebastian entzünden. Hier kündigt sich die Faszination Mishimas durch den Krieger und den Heiligen an. Es ist nur zu deutlich, dass sein Männlichkeitskult ein Versuch ist, der Verweichlichung und einer übergroßen Sensibilität zu entgehen.423 Der heilige Sebastian ist für Mishima nicht nur ein Sinnbild des Leidens in Schönheit. In seiner säkularisierten Gestalt nimmt der Heilige für ihn den Charakter des Dandys an. Mishima durchlief eine steile literarische Karriere und wurde zu einem der meistgelesenen Autoren Japans. Seine Bücher machten ihn auch im Ausland bekannt. Längere Reisen führten ihn nach Nord- und Südamerika und Europa. Die erste Begegnung mit den Stätten der griechischen Antike bestätigte ihn in seiner Vorliebe für maskuline Schönheit. »Griechenland heilte mich von meinem Selbsthaß und meiner Einsamkeit und erweckte in mir einen Willen zur Gesundheit im Nietzsche’schen Sinne.«424 In Japan spielte Mishima eine glamouröse Rolle. Er kleidete sich wie ein Filmstar, trug auffallende Hemden, Goldketten und Medaillons, die Haare kurzgeschoren im Stil der letzten Hollywood-Mode. Mishima verfügte über gute Kontakte zu den Medien und den ausländischen Botschaften und 167

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bemühte sich sehr um Reputation in der westlichen Welt. In seinen Techniken der Selbstinszenierung war er mehr als jeder andere japanische Schriftsteller auf der Höhe der Zeit. Mit Prominenten und Berühmtheiten der internationalen Café Society stand er auf vertrautem Fuß und scheute keinen Aufwand, um zu gefallen. In seinem Auftreten vermischten sich Snobismus, Narzissmus und Dandyismus auf eigentümliche Weise. Mishima genoss es, im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit zu stehen. In Tokio ließ er sich ein Haus im viktorianischen Stil errichten, das er mit französischen Möbeln des 18. Jahrhunderts ausstattete.425 Mishima verachtete die Nachkriegsrealität in Japan. Tod und Zerstörung wurden in ihr verdrängt. Seit Mitte der fünfziger Jahre betrieb er regelmäßig Bodybuilding. Später kamen Kampfkünste wie Kendō und Karate hinzu. Die körperliche Ertüchtigung war für Mishima ein unentbehrlicher Ausgleich für disziplinierte geistige Arbeit. Der Dichter sah sich mit seinen körperlichen Exerzitien und martialischen Übungen in der Tradition der japanischen Samurai-Kultur. Allein ein Dichter und Künstler zu sein genügte ihm nicht. In seinem Kommentar zum »Hagakure« plädiert Mishima für eine asketische Körperkultur, die sich in Kampfübungen und der Bereitschaft zum Tode kundtut. Dabei spielt das Seppuku, der Freitod durch das Schwert, eine zentrale Rolle. Mishima hat diesem Motiv eine betont homoerotische Note verliehen: die des gemeinsamen Liebestods mit dem auserwählten Partner. Im letzten Jahrzehnt seines Lebens verdichtete sich dieses von Jugend an beherrschende Motiv zu einer Art Zwangsvorstellung. Das ersehnte Ziel war der schöne, ekstatisch erlebte Tod durch eigene Hand im Beisein und unter Beteiligung des intimen Freundes. 1959 trat Mishima in einem Film als Gangster im Hollywood-Stil mit gestreiftem Hemd, auffallender Krawatte, Nadelstreifenanzug und dunkler Brille auf. Die Figur des kriminellen Außenseiters – eine depravierte Spielart des Samurai – wird ihn auch später noch beschäftigen. In seiner Kritik von Jean-Pierre Melvilles Film »Le Samouraï« (»Der eiskalte Engel«) mit dem jungen Alain Delon in der Rolle des Auftragsmörders sieht Mishima das Handeln der Hauptfigur von jeder sozialen Verpflichtung losgelöst. Für die Ethik des Verhaltens zähle allein die Schönheit des selbst gewählten Rituals, in dem – wie in einer intimen Filmszene von Delon demonstriert – entlang der schmalen Krempe eines eleganten Fedora die Grenze zwischen Leben und Tod verläuft.426 1960 veröffentlichte Mishima die Erzählung »Patriotismus«. Sie ist der erste Hinweis darauf, dass seine Suche nach dem Tod ihn zum Shintō-Mys168

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14 Mishima in seinem Haus, 1968.

tizismus und zur Verehrung des Kaisers führte. Zwei Jahre später schrieb er einen Artikel, in dem er die Folgen der siebzehnjährigen Friedenszeit beklagte. Er vergleicht diese Periode mit der langjährigen Friedensepoche unter der Tokugawa-Herrschaft. Trotz ihrer Neigung zur Korruption und zu sinnlichen Freuden hätte sich die damalige Samurai-Krieger-Kaste als Ausdruck einer spirituellen Hygiene das Bewusstsein von Gefahr bewahrt. »Doch heute ist Bushidō verschwunden.«427 Mishima sieht im Märtyrertum die wahre Essenz der japanischen Kultur. Für ihn ist der Tod des Märtyrers durch Seppuku der Ausdruck eines ultimativen Nationalismus.428 Den späten Mishima leitete das Verlangen nach einer Alternative zu der Leblosigkeit einer Existenz unter Friedensbedingungen. Diese bot ihm das Schwert. Mishima trieb nicht nur Kampfsport. Er beschloss, sein Leben um die Variante des aktiven Kriegers zu ergänzen. 1968 gründete er eine Privatarmee, die Schildgesellschaft (Tatenokai). Im Unterschied zum linksradikalen Zengakuren, der gegen den Staat kämpfte, beschränkten sich die Mitglieder der Schildgesellschaft auf das militärische Training. Mishimas Bio169

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graph Henry Scott Stokes vermutet: »Es scheint, als habe die Tatenokai wenig mit dem traditionellen Samurai zu tun, außer in dem romantischen Ideal ihres Anführers. Er wollte eine Art japanischer Lord Byron sein.«429 In seinem Essay »Sonne und Stahl« votiert Mishima für ein Denken, das im Einklang mit der griechischen Antike den Schein, die Oberfläche des Körpers, verherrlicht. Er räumt freimütig ein, dass ihn von Jugend an ein romantischer Impuls geleitet habe. Die Ausbildung eines kräftigen, wohlproportionierten Körpers sei untrennbar verwoben mit dem Todeswunsch. »Eine kraftvolle, tragische Gestalt und eine wie gemeißelt aussehende Muskulatur waren unentbehrlich für einen romantischen, edlen Tod.«430 Ziel seiner Bestrebungen ist die Gestaltung des Körpers zu einer Art Kunstwerk, das in seiner höchsten Blüte mutwillig zerstört wird. Mishima war sich bewusst, dass die Techniken des Samurai in der Gegenwart keinerlei praktischen Nutzen mehr stifteten. Die Kampfkunst existierte nur noch als reine Kunst oder in der harmlosen Variante des Sports. Mishima wollte den Samurai-Praktiken ihren Kunstcharakter nehmen und sie wieder in die Lebenspraxis zurückführen. Eine solche Praxis blieb jedoch in einer Zivilgesellschaft mit dem Pazifismus als Staatsdoktrin ein haltloses Unterfangen. Mishima konnte nicht auf eigene Faust Krieg führen, es sei denn, er hätte sich für das Leben eines Outlaws entschieden. Stattdessen inszenierte er sich als heldenmütigen Samurai, der den Tod als Schauspiel betrachtet, als ästhetischen Akt und spektakuläres Medienereignis. Der von ihm gegründete Männerbund bildete das Medium der Selbstauslöschung. Dieser schöne Tod war jedoch nicht der Heldentod eines Lord Byron, der sein Leben im griechischen Freiheitskampf opferte, sondern der Tod eines modernen Don Quijote. Mishima war sich im Vorhinein darüber im Klaren, dass seinem aufsehenerregenden Putschversuch kein Erfolg beschieden sein würde. Der Misserfolg ließ diesen Versuch jedoch umso heroischer erscheinen. Mishima reihte sich damit ein in die Phalanx tragisch zugrunde gegangener japanischer Helden. Er handelte in dem Bewusstsein, dass »(…) alle unsere Helden gescheitert sind. Sie alle waren miserable Versager.«431 In der Geschichte des Dandytums ist der Selbstmord keine Seltenheit. Das Motiv der meisten freiwillig aus dem Leben scheidenden Dandys ist jedoch weniger der Wunsch nach einem schönen Tod als vielmehr das Durchdrungensein vom Gefühl der Sinnlosigkeit der Existenz, wobei die Todesart zwischen bewusster Inszenierung und unglücklich ausgehendem Experiment variiert. 170

Ein kommunistischer Dandy: Hans Werner Henze

Für Mishima war der Tod das herbeigesehnte höchste Ziel, das er viele Jahre vorher geplant und in schriftlichen und mündlichen Äußerungen vorweggenommen hatte. Mishima war nicht der Typus des Draufgängers. Sein Versuch, sich als moderner Samurai zu stilisieren, entsprang einer Sehnsucht nach Selbstvervollkommnung. Sosehr die Impulse aus der klassischen höfischen japanischen Tradition, der europäischen Fin-de-Siècle-Kultur und dem amerikanischen Starwesen sich bei Mishima zu einem undurchdringlichen Geflecht verschlingen, ist er doch kein bloßes Mixtum compositum. Die Essenz seines dandyhaften Selbstverständnisses wurzelt tief in der japanischen Kultur, in der ästhetisches Ritual und kriegerischer Habitus ein Ganzes bilden. Mishima beging am 25. November 1970 im Hauptquartier der japanischen Selbstverteidigungskräfte Seppuku. Sein Selbstmord war ein egomanischer Akt von symbolischem Gehalt, ein Rückfall in kriegerisches Pathos. Im Unterschied zum Verfasser des »Hagakure«, der eines natürlichen Todes starb und das Kriegerische der Samurai-Ethik in mönchischer Askese ins Geistige überführte, wurde Mishima seinem Anspruch auf ein spirituelles Dandytum kaum gerecht. Sein erotisch inspirierter Todeswunsch hat den Kern des Kriegerideals überformt. Durch seine Neigung zum Exhibitionismus begab er sich in Widerspruch zu den ritterlich-aristokratischen Samurai-Tugenden und den Maximen des Dandyismus. Der Dichter schwankte zwischen Hedonismus und Askese, zwischen westlicher Dekadenz und japanischer Strenge. Die Ästhetierung des eigenen Sterbens – das Sterben als ein Akt der Selbstbespiegelung – lässt ihn als einen späten Décadent erscheinen, der seinem Vorbild D’Annunzio in der Technik der Selbstinszenierung nur wenig nachsteht und ihn an Härte im konsequenten Handeln übertrifft.

Ein kommunistischer Dandy: Hans Werner Henze Gibt es kommunistische Dandys? Sind Kommunismus und Dandyismus miteinander vereinbar? In der Geschichte der revolutionären Bewegungen hat es immer wieder unter ihren Protagonisten Einzelne gegeben, vor allem Künstler, die sich für die Erniedrigten und Beleidigten dieser Welt einsetzten und dennoch auf einen extravaganten Lebensstil nicht verzichten wollten. Denken wir an Dichter wie Sergej Jessenin und Wladimir Majakowski, die der russischen Revolution verbunden waren und die elegante Pose schätzten. Denken wir an den Theater- und Filmregisseur Luchino Visconti, Abkömm171

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ling eines alten Adelsgeschlechts, der als Mitglied der kommunistischen Partei ein herrschaftliches Haus führte und Repräsentant einer erlesenen Geschmackskultur war. Wir haben uns daran gewöhnt, im Dandy eine Person zu sehen, die, wenn sie denn überhaupt politische Absichten verfolgt – wie etwa die Schriftsteller Gabriele D’Annunzio, Pierre Drieu la Rochelle oder Ernst Jünger – im rechtskonservativen oder konservativ-revolutionären Spektrum beheimatet ist. Doch schon das Beispiel Charles Baudelaire zeigt, dass die Dinge nicht so einfach liegen. Der junge Dichter sympathisierte mit den Insurgenten der Pariser Februarrevolution von 1848, was marxistischen Interpreten als Ausweis seiner antikapitalistischen Gesinnung galt. Dabei war Baudelaire alles andere als ein Klassenkämpfer. Er betrieb seine ganz persönliche Revolte gegen den verhassten Stiefvater General Aupick und neigte im Übrigen mehr zum Putschismus als zu disziplinierter Parteiarbeit. Sein politisches Denken entstammte dem Arsenal des gegenrevolutionären Philosophen Joseph de Maistre. Im 19. Jahrhundert waren es Politiker wie Benjamin Disraeli und Arthur Balfour in England, Charles-Maurice de Talleyrand und Auguste de Morny in Frankreich, Fürst Clemens von Metternich in Österreich und Fürst Felix von Lichnowsky in Preußen, die Züge des Dandys und Grandseigneurs in sich vereinigten und dem konservativen Lager angehörten. Allerdings war dieser Typus auf der politischen Linken in dieser Epoche nicht gänzlich abwesend. Man denke an Ferdinand Lassalle, den Gründer des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins, dem dandyhafte Allüren nicht fernlagen. Auch Harry Graf Kessler, ein engagierter Pazifist und einer der wenigen veritablen Dandys, die Deutschland hervorgebracht hat, ist eher dem linken Spektrum zuzurechnen. Allerdings sollte sich ein »linkes« Dandytum auf breiterer Grundlage erst im Gefolge der russischen Oktoberrevolution etablieren. Nicht allein im revolutionären Russland finden wir unter Intellektuellen und Künstlern Exemplare dieses Typus, auch in Frankreich und Italien sollte sich diese Spezies nach dem Ersten Weltkrieg ausbreiten. In Frankreich erwiesen sich Avantgardebewegungen wie der Surrealismus und Dadaismus als Nährboden dandyistischer Selbstinszenierungen, in Italien war es der Futurismus. Kommunistische Überzeugungen standen dem nicht im Wege. Erwähnt seien der mit seinem Frühwerk dem Surrealismus zuzurechnende Dichter Louis Aragon und der dadaistische Künstler Tristan Tzara. Unter den Emigranten des nationalsozialistischen Deutschlands könnte man den antifaschistisch engagierten Klaus Mann einen 172

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Dandy nennen. Wenn er auch kein überzeugter Kommunist war, so war er doch ein entschiedener Sympathisant der Linken. Nach dem Zweiten Weltkrieg behielt das kommunistische Denken trotz der Enthüllungen der Verbrechen der Stalinzeit weiter seine Anziehungskraft in Teilen der urbanen Intelligenz. Im Milieu des französischen Existentialismus waren dandyhaft sich gerierende linksintellektuelle Künstler keine Seltenheit. Besonders verbreitet und verankert waren die Sympathien mit dem Sozialismus/Kommunismus in Italien. Bedeutende Regisseure wie Visconti und Pier Paolo Pasolini und Schriftsteller wie Alberto Moravia und Cesare Pavese standen radikal links. Diese dem Adel oder dem Bürgertum entstammenden Künstler hatten kein Problem damit, einen gehobenen Lebensstil beizubehalten und zugleich als aktive Mitglieder der kommunistischen Partei zu wirken. In keinem anderen europäischen Land hat es wohl eine so breit gestreute Kultur des »Salonkommunismus« gegeben wie in Italien. In diesem Milieu gedieh auch eine bestimmte Spielart des »linken« Dandyismus. Als ein Beispiel, das uns im Folgenden beschäftigen wird, kann der kosmopolitisch orientierte Komponist Hans Werner Henze gelten, ein Wahlitaliener, der es virtuos verstand, seinen dandyhaften Lebenszuschnitt mit seiner kommunistischen Weltanschauung zu verbinden. Hans Werner Henze (1926–2012) entstammte kleinbürgerlichen Verhältnissen und war in den frühen fünfziger Jahren nach Italien ausgewandert, wo er eine Lebensart und einen Schönheitssinn vorzufinden hoffte, die in deutschen Landen keine Parallele kannten. In seinen Erinnerungen »Reiselieder mit böhmischen Quinten« schreibt Henze über die Eindrücke, die er in jungen Jahren in Italien sammelte: »Ich lernte, alles Überflüssige wegzulassen und Strenge und Reinheit in mein Leben zu bringen (…) Ich hatte verstanden, daß ich mein ganzes Leben lang einem Schönheitsbegriff dienen würde, der etwas mit der Idee von der Wahrheit, der inneren, der eigenen zu tun hatte – eingeschlossen den sozialen Ungehorsam, den ich für mich beanspruchte.«432 An der Seite seiner damaligen Lebensgefährtin, der Dichterin Ingeborg Bachmann, entpuppte sich der junge Komponist freilich in seinem Imponiergehabe als ein typischer Emporkömmling, der für sich ein Leben in Luxus und Komfort erträumte. »Ich will Dich sehr elegant haben und werde einen Haufen Geld dafür ausgeben«, schrieb er seiner Freundin. »Auch unsere Wohnung will ich wahnsinnig gemütlich und schön, mit einem Dienstboten oder zwei (…) mit einem weißgekleideten Diener. Alles sehr schön. Ich weiß nicht, ob ich 173

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Dir gesagt habe, dass ich ein neues Auto gekauft habe, das die Leute auf der Straße stehenbleiben lässt.«433 Der schönheitshungrige junge Künstler beanspruchte für sich ein Leben in herrschaftlichem Stil. »Du wirst schon sehen wie schön es ist in einem feinen grossen Appartement zu wohnen und bedient zu werden und man ist eine Signora. Und man kann frei sein und arbeiten soviel es Spass macht.«434 Ingeborg Bachmann war für diese Ambitionen sehr aufgeschlossen, strebte sie doch selbst danach, als Dame von Welt zu gelten, wozu das Leben in Italien die gewünschte Kulisse bot. So schrieb sie ihrem Gefährten, er möge doch das Personal grüßen, und erkundigte sich, ob er schon einen Kammerdiener gefunden habe. Henze gelang es mit einsetzendem Erfolg und üppig fließenden Tantiemen alsbald, sich seine Träume von einem Leben in Luxus zu erfüllen. Er erwarb ein hochherrschaftliches Anwesen in Marino, südlich von Rom, das er prächtig ausstatten ließ, und inszenierte sich als Künstlerfürst. In den sechziger Jahren schloss er sich der außerparlamentarischen Protestbewegung in der Bundesrepublik Deutschland an und wurde zum bekennenden Kommunisten und Marxisten. Er erarbeitete sich einen neuen musikalischen Formenkanon und begriff Musik als ein politisches Phänomen, welches sowohl zur Aufklärung wie zur Verdummung beitragen könne. Sein Freund und Interpret Jens Brockmeier schreibt: »Die Losung der modernen Musik kann also nicht lauten: Auflösung der Tradition, sondern Fruchtbarmachung aller ihrer Errungenschaften, bereichert um alle dodekaphonischen, aleatorischen und auch elektronischen Ausdrucksformen, um Volks- und Kampfmusiken, Jazz- und Rockströmungen, die sich in diesem Jahrhundert herausgebildet haben.«435 Das kulturelle Establishment in Westdeutschland verübelte ihm die radikale politische Wendung nach links. Man nahm sie ihm nicht ganz ab. »Denn eine Sache konnten die Leute am wenigsten verstehen: daß einer, der genug Kohle hatte und ein Dach über dem Kopf und Verträge mit dem ihm applaudierenden Establishment, daß der sich zum Sprecher machen will von Minderheiten, Unterprivilegierten und Systemgegnern.«436 1976 wurde Henze Mitglied der Kommunistischen Partei Italiens und erlebte in Rom die großen Massendemonstrationen. »Für mich war es wie eine Wiederkunft, der Beginn einer Verwirklichung des modernen Italiens, des heiligen Landes der resistenza und des neorealismo – ein Land der antifaschistischen Intelligenz, das Land Gramscis, das Land des gesunden Menschenverstands, der intellektuellen Offenheit und der kulturellen Weisheit.«437 Für Henze war ein exklusiver Lebensstil – in seiner Villa La Leprara war er 174

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von einer Vielzahl von Bediensteten umgeben – unverzichtbar und stand nicht im Widerspruch zu seiner sozialistischen Weltanschauung. Nach seinem Eintritt in die kommunistische Partei begann er sich mit der Idee zu beschäftigen, in Montepulciano eine Art Volksakademie für die Künste zu errichten. Kunst sollte einen pädagogischen Charakter annehmen. Henze vermied es jedoch, nach Montepulciano überzusiedeln. Sein Instinkt riet ihm, dem Selfmademan und Kosmopoliten, dem eine hedonistische Lebensweise zur Gewohnheit geworden war, seine Besitztümer nicht für seine Gesinnung zu opfern. Auf seinem Weg zu Weltruhm begegnete Henze einer Reihe illustrer Persönlichkeiten, die jene Lebenskunst verkörperten, die er selbst ersehnte. Einer von ihnen war der englische Ballett-Choreograph Frederick Ashton. Henze berichtet von seiner ersten Begegnung mit dem Künstler im Jahr 1952: »Er war 48, gab sich mit nachlässiger Eleganz, ein Dandy, kein Snob.«438 Ein Dandy, hier verkörpert von Frederick Ashton, ist für Henze kein Vornehmtuer, der auf andere verächtlich herabblickt, sondern der Inbegriff von Souveränität, Lässigkeit und raffinierter Eleganz, Eigenschaften, die dazu angetan waren, den Besucher aus der ostwestfälischen Provinz tief zu beeindrucken. Es war die Berührung mit einer Spielart des vollendeten englischen Gentleman, mit einer fremden, verfeinerten Kultur, die den in Nazi-Deutschland aufgewachsenen jungen Mann faszinierte. »Ashton, auf der Höhe seines Ruhms, war ein empfindlicher Individualist, ästhetisch aus ganz anderen Bereichen kommend, als wir es hierzulande kannten – was wußte unsereins von Ruskin, Whistler, Beardsley, von der Fedorovitch, Bérard, von Craxton oder von den Sitwells?«439 Zu den Exponenten spielerischer Eleganz gehörte auch Jean Cocteau, den Henze in den frühen sechziger Jahren in Paris besuchte: »Cocteau empfing Leute, so wie man es von Proustschen Zeiten her kennt, im Audienzstil, in einem mit rotem Satin ausgeschlagenen Empfangszimmer, und war von geradezu überwältigendem Charme und Witz.«440 Henzes wahrer Lehrmeister in Fragen der Lebenskunst war indes Luchino Visconti. In seinem Haus in Rom lernte er selbstsicher auftretende, eloquente und brillante Künstler und Dandys kennen. »Ich wurde durch ihren Glanz und ihre Arroganz so eingeschüchtert, daß meine Italienischkenntnisse verblaßten und ich aus Angst, mich lächerlich zu machen, kein Wort herausbrachte.«441 Henze erwies sich als ein gelehriger Schüler des Meisters. Bei Visconti lernte er Umgangsformen, herrschaftliche Gesten und Allüren. In einem Palazzo zu wohnen gleich diesem Adelsspross wurde zu seinem innigsten Bedürfnis. Es war ein steiniger Weg, den Henze zurücklegen musste, um dieses Ziel zu 175

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erreichen. Der arrivierte Künstler wurde bewundert, aber auch angefeindet. Als Lebemann und Connaisseur, Dandy und Hedonist beargwöhnt zu werden ließ ihn jedoch kalt. Noch bevor er zur Gesellschaft der »gauche caviar« übergewechselt war, hatte Henze sich eine Lebensführung angeeignet, die für die italienische Großbourgeosie typisch war. Er legte Wert »auf Formen, Manieren, Service, exzellente Tischsitten und perfekt inszenierten Luxus«.442 Henzes kommunistisches Engagement war gleichbedeutend mit dem Eintreten für eine soziale Utopie, der zufolge das, was er für sich selbst beanspruchte und erreicht hatte, einmal allen zuteilwerden sollte. Dass für ein Leben in Luxus viel Personal benötigt und damit ein Herrschaftsverhältnis begründet wurde, musste, solange die soziale Umwälzung auf sich warten ließ, hingenommen werden. Ein Gesinnungsfreund, der Schriftsteller Peter Schneider, notierte bei einem Besuch auf Henzes Landsitz: »Noch nie hatte ich eine Villa von solcher Pracht und Größe gesehen. Sie stand für ein feudales Leben mit Hausangestellten. Einen Augenblick lang flackerte der Gedanke in mir auf, dass mit solchen Privilegien spätestens nach dem Sieg der Revolution Schluss sein würde – womöglich mit dem Einverständnis des revolutionär gesinnten Hausbesitzers.«443 Henze war sich des Spannungsverhältnisses zwischen feudaler Lebensführung und kommunistischem Engagement wohl bewusst. Er sah aber keinen Grund, auf seine Privilegien zu verzichten und sie einer bescheideneren Existenz zu opfern, die diesem Engagement in der Wahrnehmung anderer mehr zu entsprechen schien. Nicht nur Peter Schneider, auch der Musikwissenschaftler Carl Dahlhaus zeigte sich irritiert von Henzes Lebensstil. Der Komponist ließ dies seinem Kritiker nicht durchgehen und erteilte ihm eine Lektion in vornehmer Lebensart: »Dann fiel ihm nichts anderes ein, als sich später – andernorts – darüber zu mokieren, dass ich Dienerschaft hatte, die mit weißen Handschuhen aufgetragen hat – so wie es landesüblich war und ist bei der italienischen Großbourgeoisie. Im Hause Visconti z. B. konnte man wirklich einiges über die Zivilisation lernen. Und er, ein Aristokrat, war ein angesehener Repräsentant der kommunistischen Partei. Das verstehen viele nicht. Die denken, als Kommunist müsse man in Lumpen herumlaufen und aus dem Abfalleimer soupieren.«444 In Italien galt ein dandyhafter Lebensstil selbst in Kreisen der linken Intelligenz nicht als Stigma. Es war die zivilisatorische Tradition des Landes, die, wie Henze feststellte, solche Ambivalenzen zuließ, auf seine Besucher aus dem sozial nivellierteren Deutschland jedoch befremdlich wirken musste. Wäre Henze ein konservativer Geist gewesen, so wäre diese Art der Lebensfüh176

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15 Hans Werner Henze mit Wolfgang Rihm, 1997.

rung vermutlich als authentisch und von seinen Kritikern als weniger anstößig empfunden worden. Dass ein Kommunist jedoch an einem großbürgerlichen, ostentativ verschwenderischen Lebensstil festhielt, diskreditierte ihn in den Augen der meisten seiner kommunistischen und nichtkommunistischen Gäste aus dem Norden. So schrieb der Journalist Tim Page in der Zeitung Soho News über Henze: »Als bekennender Marxist residiert er nichtsdestotrotz wie ein moderner Nachfahre der Medicis in einem alten italienischen Schloss, das mit Hausangestellten, sämtlich junge Männer, ausstaffiert ist (…) Henze ist ein kultivierter Mann, seine Unterhaltungsführung, in der Kunst und Wein den Ton angeben, denkbar raffiniert.«445 Kultiviertheit, Raffinement und Eleganz benötigten offenbar ein entsprechendes Ambiente. Der herrschaftliche Rahmen seines Anwesens schien die Geschmackskultur des Hausherrn zu beglaubigen. Für einen Dandy und Künstler wahrhaft ideale Bedingungen. Henzes Biograph Jens Rosteck ist um Schadensbegrenzung bemüht: »Seine immense künstlerische Leistung ist über jeden trivialen Verdacht leichtfertiger art de vivre und hochgestochenen Dandytums erhaben.«446 Den Künstler Henze gegen den Dandy in Schutz zu nehmen, ist ein müßiges Unterfangen. Es verkennt die artifizielle Potenz, die dem Dandy innewohnt. 177

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Die Erhabenheit ist ganz auf seiner Seite und weniger auf der des Künstlers. Henzes Dandytum – will man ihm denn überhaupt dieses Gütesiegel zuerkennen – korrespondierte auf mustergültige Weise mit seinem Künstlertum, bekräftigte es und führte ihm Energien zu. Man könnte versucht sein, in Henze einen Snob zu sehen, der mit seinem Reichtum protzte und sich damit schmeichelte, zum internationalen Jetset zu gehören. Der junge Künstler war zweifellos nicht frei von prahlerischen Anwandlungen und snobistischen Attitüden. Henze verdankte seinen Erfolg jedoch nicht der Anbiederung an die Schönen und Reichen dieser Welt, sondern ausschließlich der eigenen Leistung, seinem künstlerischen Ingenium. Sein Wohlstand war hart erarbeitet. Erst in einer späteren Phase seiner ­Karrie­re entwickelte Henze die Leichtigkeit und Lässigkeit im Umgang mit anderen, die Selbstverständlichkeit und Großzügigkeit in der Handhabung des erworbenen Reichtums. Der junge Henze war mehr Snob als Dandy. Er wurde zum Dandy als alternder Mann. Erst jetzt verfügte er über die nötige Gelassenheit, den stoischen Gleichmut, die Sicherheit des Geschmacks und die Überlegenheit im Umgang mit seiner Mitwelt. Das Interesse der Unterhaltungsmagazine an diesem Paradiesvogel der neuen Musik quittierte er mit heiterer Nonchalance. Über den Siebzigjährigen schreibt Rosteck: »In Hochglanzillustrierten und Modejournalen gewährte Henze seinerzeit ohne jegliche Skrupel großzügige Einblicke in seinen gutgefüllten, von Fausto [Fausto Moroni, seinem Lebenspartner] liebevoll sortierten Kleider- und Schuhschrank, gab Tipps für das passende Outfit würdevoll alternder Gentlemen.«447 Der Reporter des Wiener Standard entwirft ein Porträt des späten Henze, das an den englischen Dandy Max Beerbohm denken lässt, der sich vom Londoner Highlife ins Exil nach Rapallo zurückgezogen hatte: »Seine Performance könnte perfekter nicht sein. Mit schräg sitzendem Girardihut über dem strahlend lächelnden Gesicht, grazilem Spazierstock, elegantem Dress, Seidenhemd und Einstecktuch, ganz klar, mit gleichem Muster, könnte man ihn beinah mit Maurice Chevalier verwechseln oder mit einem weltreisenden Dandy. Mit einem Günstling des Glücks jedenfalls.«448 Der Grandseigneur Henze galt vielen seiner journalistischen Zeitgenossen als ein Monument des guten Tons449, zugleich aber auch als ein fragwürdiger kommunistischer Dandy, der Austern mit einem Mix aus Guinness und Champagner schlürft. Die meisten Pressekommentare sind nicht ohne Süffisanz und Boshaftigkeit. Beides, Kommunist und Dandy sein, geht bei den Medienver178

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tretern, die er empfängt, offenbar nicht zusammen. Eine Begründung für diese angebliche Unvereinbarkeit ist jedoch selten zu finden. Warum sollte man nicht Wert auf Stil, Eleganz und Raffinement legen, unabhängig von seiner politischen Denkungsart? Ein Kommunist ist ein Sozialutopist. Sein Outfit und sein Habitus sagen nichts über seine Gesinnung aus. Allerdings ist ein Dandy stets ein Nonkonformist. Wenn er zum Volk spricht, heißt es bei Baudelaire, dann nur, um es zu verhöhnen. Ein kommunistischer Dandy freilich verhöhnt nicht das Volk, er verhöhnt die Bourgeoisie, ebenso wie sein rechtskonservativer Gegenpart. Dieser trauert den feudalen Verhältnissen nach, unter denen er seine Privilegien uneingeschränkt genießen konnte. Jener genießt seine Privilegien, wohl wissend, dass eine kommunistische Zukunft sie ihm nehmen wird. Der Hass auf das Bürgertum verbindet den konservativen mit dem sozialistischen Revolutionär. Als Dandys stehen beide am Rande der bürgerlichen Gesellschaft, durch gegensätzliche politische Lager getrennt. Solange die Überzeugung des Dandys, er sei der wahre Aristokrat seiner Zeit, triumphiert, bleibt die politische Ideologie sekundär, im Grunde austauschbar. Die stilvolle Lebensart erweist sich als wichtiger als die Gesinnung, bilden die Dandys doch über die politischen Lager hinweg eine eigene Bruderschaft. Sie sind einem strengen Verhaltenskodex verpflichtet, einer esoterischen Philosophie, die die politische Weltanschauung ins zweite Glied verbannt. An die Stelle des Parteiabzeichens tritt die Knopflochblume. Ein kommunistischer Dandy muss nicht reich sein. Es gibt einen Dandyismus der Armen, einer mondänen Künstlerboheme, die radikal links ist, aber darauf besteht, ihr Leben als eine Art Kunstwerk zu stilisieren. Ihre Mittel mögen beschränkt sein, doch verarmte Dandys bleiben nichtsdestoweniger Dandys. Man sieht es ihnen häufig nur nicht an.

Der Dandy als mondäner Journalist: Fritz J. Raddatz Fritz J. Raddatz könnte einem Roman von Balzac entsprungen sein. Er gleicht jenem Typus des mondänen Journalisten in der »Menschlichen Komödie«, begierig, das Eintrittsbillet zur großen Welt zu erhaschen. Einer von ihnen ist Lucien de Rubempré, ein blendend aussehender, vom Ehrgeiz zerfressener, talentierter junger Provinzler, dem der gesellschaftliche Aufstieg gelingt, freilich um den Preis von Gewissensbissen, denn er hat sich an die Royalisten verkauft. Derlei Gewissensbisse blieben Raddatz erspart, als er 1958 von der DDR in das Wirtschaftswunderland Bundesrepublik übersiedelte. Das rechtschaffene 179

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Hamburg, wohin es ihn verschlug, war nicht Paris, die Hauptstadt des frivolen Lebens. Und verbiegen lassen musste sich der junge marxistisch gebildete Literaturliebhaber wohl kaum, denn der Rowohlt-Verlag und die Redaktion der Zeit waren keine Bastionen der Reaktion. Der junge Raddatz strebte nach Erfolg und Ansehen im westdeutschen Kulturbetrieb. Er war belesen und vielseitig interessiert, voller Neugier und Elan. Während Lucien de Rubempré sich als Dandy ausstaffieren musste, um gesellschaftlich zu reüssieren, waren solche Bemühungen der Selbststilisierung im Kulturbetrieb der Bundesrepublik der späten fünfziger Jahre verpönt. Ein Literat hatte engagiert zu sein. Ein glamouröses Gebaren galt als unseriös. Mochte sich ein älterer Verlagsfürst wie Heinrich Maria Ledig-Rowohlt auch einen großzügigen Lebensstil leisten, so erwartete man von einem Literaten der Nachfolgeneration eher ein dem Zeitgeist entsprechendes nüchternes, nicht flamboyantes Auftreten. Es gab Ausnahmen wie den Komponisten Hans Werner Henze, den es nach Italien zog, weil er im Klima der Restauration an Atemnot litt, oder den älteren Gregor von Rezzori, der sich durch sein grandseigneurales Benehmen eine Abweichung von der Norm gestattete, deshalb aber auch als ein Mann von gestern angesehen wurde.450 Die vestimentäre Norm erfüllte ein Schriftsteller vom Typus eines Günter Grass: im sportlich-legeren, krawattenlosen Cord-AnzugLook. Raddatz fiel bald nicht nur durch sein Temperament auf, sondern auch durch seine stets gepflegte äußere Erscheinung. Er liebte Maßanzüge, edles Schuhwerk und englische Hemden und besaß einen Hang zu exquisiten Gaumenfreuden. Das hart erarbeitete Geld wollte demonstrativ ausgegeben werden: für teure Sportwagen, eine erlesene Bildersammlung, eine kostbare Wohnungseinrichtung, vor allem aber für eine extravagant anmutende Garderobe. Extravagant freilich nur aus der Sicht der ihre Zeit in Redaktionsstuben verbringenden Halbwelt des Geistes. Dabei tat er nur das, was in Metropolen wie London, Rom oder Paris ein erfolgreicher Journalist oder Literat für selbstverständlich hielt. Er führte ein angenehmes Leben und schämte sich nicht seines gut gepolsterten Bankkontos. Im protestantischen Norddeutschland machte sich Raddatz freilich mit solchen Allüren keine Freunde. Demonstrative Eleganz war suspekt. Wer so aussah, nahm es nicht so genau mit seinem journalistischen Handwerk. Die Skeptiker sollten sich bald bestätigt fühlen. Dem atemlosen Vielschreiber unterliefen immer wieder Fehler. Die Nachlässigkeiten häuften sich. Was als 180

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Nonchalance im Lebensstil noch angehen mochte, sollte sich für den Journalisten auf die Dauer als Desaster erweisen. Dem Pfau wurden die Federn gerupft. Er stand plötzlich nackt da. Raddatz hat den Rauswurf aus der Redaktion der Zeit 1985 nie verwunden. Die Wunde wollte nicht vernarben. Seine spätere Abrechnung mit dem lieblosen, bigotten und perfiden Kulturbetrieb gleicht dem Rachefeldzug eines alt gewordenen, ungeliebten Kindes, das die anderen für die erlittene Unbill des Lebens verantwortlich macht. Der alternde Dandy warf der deutschen Gesellschaft den Fehdehandschuh zu. Sie hatte ihn, den Geschmacksrebellen, nicht goutiert. Ein Mann seines Schlages war zum Außerseitertum verdammt. Seine Homosexualität spielte dabei nur eine geringe Rolle. Seit den sechziger Jahren war man in dieser Hinsicht liberal eingestellt. Es waren die obsessive Eitelkeit, die Arroganz, gepaart mit einer Attitüde weltmännischer Überlegenheit, die Anstoß erregten. Leute wie Raddatz waren im Verlags- und Zeitungswesen Seltenheiten, ja eigentlich war er der einzige Paradiesvogel in diesem Milieu, ohne sonderliche Chance, sich zu vermehren. Dandytum und Eleganz haben im deutschen Kulturbetrieb nun einmal nichts zu suchen. Schon Goethe meinte, es könne in einem Land, das keine wirkliche Gesellschaft hervorgebracht habe, keine große Komödie geben. Und wo es keine Komödie, keinen Sinn für das Spiel mit der Maske gibt, findet der Dandy keinen Resonanzboden. Doch sitzen wir hier nicht einem Missverständnis auf? Ist Raddatz wirklich ein Dandy, wie uns das Feuilleton weismachen will? Liest man seine Memoiren und Tagebücher, kommen Zweifel auf. Ist dieser Mann nicht ein typischer Parvenü, gar ein Hochstapler, ein Felix Krull im Gewande des Journalisten? Indessen gehen wir mit dieser Mutmaßung wohl zu weit. Man muss anerkennen, dass Raddatz ein Literaturenthusiast war und es sein Leben lang geblieben ist. Er war nicht blasiert, sondern immer voller leidenschaftlicher Neugier. Seine geharnischten Urteile über Dichtergrößen wie Balzac, Baudelaire und Proust muten besserwisserisch und an den Haaren herbeigezogen an, doch zeugen sie von Auseinandersetzungslust und Unbefangenheit im Umgang mit heilig gesprochenen Autoren und Werken. In der Konfrontation mit dem von Baudelaire konstruierten Dandytypus offenbaren sich aber auch die Grenzen seiner Verwandtschaft mit dieser Figur.451 Bei Raddatz erweist sich das Dandytum weniger als ein Versuch der seelischen Panzerung und Maskierung des Inneren durch raffinierte, unauffällige Eleganz denn als ein ostentatives Sich-zur-Schau-Stellen. Raddatz nimmt 181

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in seiner Baudelaire-Studie dem Dichter die Schwermut, den Lebensekel, die Verdüsterung und Gereiztheit nicht ganz ab. Er hält sie für Posen eines poète maudit. Während Baudelaire die Misere seines Lebens, sein »Scheitern«, als Heroismus verstanden wissen wollte, blieb Raddatz von solcherart Misere verschont. Er eroberte sich einen festen Platz im Kulturestablishment. Er wurde zum Kostgänger dieses Establishments, das er in seinen Tagebüchern mit Verachtung straft.452 Für Baudelaires frühe Erkenntnis, er stehe in der Gesellschaft auf verlorenem Posten, brauchte Raddatz viele Jahre seines Lebens. Schließlich musste auch er einsehen, dass er aus der Zeit gefallen war. So blieb selbst er von Spleen und Melancholie nicht verschont. Fritz J. Raddatz wurde 1931 in Berlin geboren. Seine Mutter, eine Französin aus reichem Haus, starb bei seiner Geburt. Im Erinnerungsbild der Mutter blitzt die Sehnsucht nach einem Leben in Luxus und Glamour auf. Sie war eine Dame. »(…) man erzählte mir später von Schönheit, Eleganz, Reitpferden und luxuriösen Reisen.«453 Der Vater war ein Oberst a. D. und Direktor bei der ufa, »ein untadeliger Herr, der die mausgrauen Wildlederhandschuhe nie zuzuknöpfen vergaß wie die Gamaschen über den spiegel­ blank geputzten Schuhen«.454 Auch der Stiefmutter gebrach es nicht an Extravaganz und Stil. Sie war eine »rothaarige Vorstadt-Lola mit Seal-Pelzmantel, Seidenstrümpfen mit schwarzer Naht und ausrasierten Augenbrauen«, weiß der Siebzigjährige in seinen Erinnerungen zu berichten. Das Leben im Hause Raddatz war jedoch nicht nur durch Luxus und Eleganz geprägt. Es gab neben Licht auch Schatten. Der Vater züchtigte den Jungen und die ersten sexuellen Erfahrungen waren schockierend. Vater und Stiefmutter verführten den Elfjährigen. Nach Abitur und Studium in Ostberlin verbuchte Raddatz erste berufliche Erfolge. Bald fiel seiner Umgebung ein leicht hochstaplerischer Zug des jungen Mannes auf. Mary Tucholsky, mit der er als Herausgeber der Werke Kurt Tucholskys im Verlag Volk und Welt in Verbindung stand, nannte ihn liebevoll ihren »Locken-Krull«. Doch Raddatz hatte es nicht nötig, den Hochstapler zu spielen und etwas vorzutäuschen, was er nicht verkörperte. Er war begabt und voller Schaffensdrang und besaß den Mut, sich politisch zu exponieren. Der Weggang aus der DDR wurde unausbleiblich, als die Inhaftierung drohte. 1959 trat er als Cheflektor in den Kindler-Verlag ein. Die Kindlers waren die Verkörperung der Wirtschaftswunder-Reichen. »(…) man besaß eine Flotte von schwanzflossigen Cadillacs in Rosa, Hellblau und Resedagrün, die passend zur Tagesgarderobe der gnädigen Frau vorgefahren wurden.«455 182

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Durch die Berührung mit offen zur Schau gestelltem Luxus überkamen den intellektuellen Heißsporn erste Skrupel. Er sei nicht aus der DDR weggegangen, »um bei Neureichen auf Cremecouchen Sekt zu trinken und unter Gummibäumen mit weißen Telefonen zu telefonieren«456, teilte er Mary Tucholsky mit. Dieses Schicksal sollte Raddatz jedoch auf seinem künftigen Lebensweg nicht erspart bleiben. Mochte er die Leidenschaft für Kunst und Literatur als geistige Erbschaft der DDR auch in sich tragen. Der Westen sprach eine andere Seite des erfolgsverwöhnten und -süchtigen Literaten Raddatz an: den Wunsch nach Glanz und elegantem Leben. Dieser Zwiespalt war tief in ihm angelegt und äußerte sich in immer neuen Aufwallungen. Sein Leben bestand fortan aus Luxus, den er nicht missen wollte, und geistiger Arbeit, die auf Luxus nicht angewiesen war, ihn vielmehr in Frage stellte. »›Reich‹ war in der jungen DDR keine Kategorie; so dachte man nicht, so fühlte man nicht (…) Für die Menschen zumindest meiner Generation war Geld nicht der Maßstab, es bestimmte nicht den Lebenshorizont. Verwirklichung fand in der Arbeit statt.«457 In der DDR hatte das Kulturbürgertum im kommunistischen Gewande überlebt, während es im Westen längst durch Wohlleben korrumpiert war. Allerdings sehnte man sich auch im Osten nach Wohlstand, umso mehr, als er außer Reichweite war. Raddatz hatte nichts Eiligeres zu tun, als sich die ersehnten Statussymbole des erfolgreichen Bürgers anzueignen. Ein Sportwagen musste her, eine komfortable Wohnung bezogen werden. In der DDR war Raddatz ein verhinderter Dandy. In der Bundesrepublik – seit 1960 bei Rowohlt als stellvertretender Verlagsleiter tätig – wurde er zum Parvenü mit Dandy-Allüren und zum Mitspieler und Chronisten eines Kulturbetriebs, den er vorgab zu verabscheuen. Als linker Nonkonformist sympathisierte Raddatz mit der 68er-Bewegung. Unter dem Eindruck der Studentenrevolte schrieb er an die Witwe Tucholskys: »Weg die Wohnung, die Bilder, der ›Ruhm‹, der Porsche. Na und? Das ist doch nicht mein Lebensinhalt – das ist ganz nett und amüsant; mehr nicht. Ich habe nun in genug Hilton-Hotels und Palace-Hotels gewohnt (…) Das ist nicht mein richtiges Leben. Dieses Leben vereinnahmt mich; die glauben, weil ich Bloody Mary bestelle oder Wasserski laufe, ich sei einer von ihnen – sehen nicht, wie radikal ich sie ablehne, wie verkommen und tot das mich deucht.«458 Verständlicherweise galt diese Ablehnung nicht einem reichen kommunistischen fellow traveller wie dem Verleger Feltrinelli. Dieser trat »(…) nicht wie ein Parvenü auf, weil er keiner war. Vielmehr war er der Erbe eines der größten europäischen Vermögen, kein Millionär, ein Milliardär, dessen Mutter zeit 183

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ihres Leben nicht wusste, dass es neben Rolls-Royce noch andere Automarken gibt.«459 Das ererbte Riesenvermögen Feltrinellis nötigte Raddatz Respekt ab, zumal er es in den Dienst einer guten Sache stellte. »Ich war ein paar Tage Gast auf einem der monströsen Anwesen der Familie Feltrinelli, in jener schlossartigen Villa am Gardasee, die Mussolinis letzter Wohnsitz gewesen war (…) Als ich Dutschke dort besuchte, lag er unter den Chinchilla-Decken des fürstlichen Gästeappartements, vier Domestiken servierten dem noch immer kaum Sprechfähigen auf Silbertabletts die Spaghetti mit weißen Trüffeln. Derlei mag lächeln machen. Man kann aber auch das Wort Dankbarkeit benutzen.« 460 Immerhin war Rudi Dutschke nicht irgendwer, sondern eine Art Savonarola der Revolte, ein prominenter Gast, dem der Milliardär allen erdenklichen Luxus zuteilwerden ließ. Auch Raddatz ließ es sich nicht nehmen, studentische Rebellen in seiner Wohnung stilvoll zu bewirten. »Noch heute muss ich schmunzeln in der Erinnerung an die bärtigen wilden Gestalten in ausgeleierten Pullovern, die sich artig in meinem Biedermeier-Esszimmer am Leinpfad unter venezianischem Leuchter zusammenfanden, Messerbänkchen und Batistservietten auf dem Tisch, das Essen von der Haushälterin serviert, der Wein in jenen Queen-Anne-Gläsern, die Ledig mir mal geschenkt – und die Revolution planten.«461 Raddatz vergisst freilich zu erwähnen, dass die bärtigen Gesellen meist aus gutbürgerlichen Familien stammten und ihnen Messerbänkchen, Batistservietten und venezianische Leuchter durchaus nicht fremd waren, ja Reste dieses edlen Plunders in ihren Wohngemeinschaften in herrschaftlichen Altbauwohnungen mit großer Selbstverständlichkeit ihren Platz fanden. Raddatz war ein Revoluzzer im Maßanzug. Vom denkfaul verkrusteten Besitzbürgertum großzügig bezahlt, wandte er sich voller Ekel von ihm ab. Zu seinen Eroberungen in der bundesrepublikanischen Schickeria gehörte Gabriele Henkel, eine Dame der Gesellschaft, »eine Frau von Eleganz, Witz und großem Vermögen«.462 Doch all der Luxus, den er mit ihr genossen hat und auf den er nicht verzichten mochte, bereitete ihm insgeheim Gewissensbisse. Nicht, dass er ihr zu verstehen gab: Das interessiert mich nicht. Das ist nicht mein Leben. Er war vielmehr erpicht auf das mondäne Treiben und die Anerkennung durch die beautiful people. Da diese Anerkennung oft ausblieb, man in diesen Kreisen die hohen Geistesgaben eines Literaten nicht recht zu schätzen wusste und Raddatz auf diesem Terrain nicht ganz sattelfest war, gerierte er sich als scharfer Kritiker und unnachgiebiger Geschmacksrichter dieser Welt. 184

Der Dandy als mondäner Journalist: Fritz J. Raddatz

Freilich verfügte Raddatz nicht über den Witz und die Selbstironie, die seinen Bruder im Geiste Gregor von Rezzori auszeichneten. Er blieb stets der selbstmitleidige Emporkömmling, der sich über die Machenschaften und den Hautgout der geistigen Kleinbürger beschwerte. Wo Raddatz um Anerkennung buhlt, schlägt Rezzori einen satirischen Ton an. Durch Herkunft, Ha­ bitus und Manieren ist dieser das Frivole nicht scheuende Gentleman-Literat und geistreiche Causeur gegen den Hochmut der neureichen Hautevolee gefeit. Stolz auf Messerbänkchen, Fadengläser und Tiffany-Schälchen, die Raddatz in seinen Memoiren nicht müde wird, dem neiderfüllten Leser zu präsentieren, waren dem Herrn »mit levantinischer Nonchalance« (Raddatz) zweifellos fremd. Ein Beispiel für Raddatz’ Wehleidigkeit ist die Reaktion auf ein Kompliment seiner mondänen Freundin: »›Du bist ein Lebenskünstler‹, sagt sie zu den Fotos von meiner Wohnung – ohne eine Minute darüber nachzudenken, wie ich mir das erarbeitet habe, dass ich jedes Wochenende meines Lebens, jeden Feiertag – ob Ostern oder Heiligabend – am Schreibtisch gesessen habe (…) sie kennt jede Ricci-Bronze – hat aber noch nie ein Buch von mir zu Ende gelesen.«463 In der Tat war Raddatz ein »Lebenskünstler«, ein echter Selfmademan, der es verstand, aus seinem Journalistenleben eine Art Kunstwerk zu formen, ihm Stil abzugewinnen. Die Dame von Welt dagegen hatte Lebenskunst à la Raddatz nicht nötig. Ihr fiel der Luxus, den dieser sich sauer erarbeiten musste, in den Schoß. Raddatz, das ehrt ihn, weigerte sich, es sich im Luxus bequem zu machen. Er wollte nicht das Schoßhündchen einer Superreichen sein. Aber warum die Empörung ob der Ignoranz der großen Dame? Lebenskunst besteht doch darin, vergessen zu machen, dass der Luxus, der Wohnung und Person ziert, mühsam erarbeitet worden ist. Darüber geht ein Dandy nonchalant hinweg. Es ist ihm geradezu peinlich, wenn die femme du monde die Leistung, der sich sein gehobener Lebensstil verdankt, ausdrücklich hervorhebt: Das hast du dir aber redlich verdient. Hier entpuppt sich Raddatz als ein unverbesserlicher Snob, der sich seines Lebensstils nicht sicher ist und sich beklagt, dass dieser von Leuten, die sich darüber keine Gedanken machen, gönnerhaft als Ergebnis von »Lebenskunst« gewürdigt wird. Ein Dandy wird das vielleicht nur bescheidene, aber von erlesenem Geschmack kündende Niveau, auf dem er lebt, für nicht der Rede wert befinden. Es muss nicht immer blaues Porzellan sein. Ein Dandy lebt stets über seine Verhältnisse. Wenn eine Dame von Welt ihm deswegen ein Kompliment macht, quittiert er es mit einem Lächeln, nicht ohne auf eine ironische Spitze zu verzichten. 185

6 Dandytum zwischen mondäner Boheme und Jetset

16 Fritz J. Raddatz im Büro der Kurt-Tucholsky-Stiftung, 2005.

In der bundesdeutschen Schickeria und im internationalen Jetset konnte Raddatz zu seinem Leidwesen mit seiner Bildung nicht auftrumpfen. Bildung hat man in diesen Kreisen, und wenn man sie nicht hat, so ist es auch kein Nachteil. Man kommt gut ohne sie aus. Unverzeihlich ist das Protzen mit Bildung und geistiger Exzellenz. Rezzori hat das ABC des guten Tons auf den Punkt gebracht: »Weltkenntnis und Connaisseurtum jedweder Art, von der Fachmannschaft in Whisky-Marken bis zu der in elsässischen Fayencen, sind hochwillkommen, soweit sie mit diskreter Zurückhaltung zur Geltung gebracht werden und nicht als dominante Solostimme das molto vivace des allgemeinen Geplauders hemmend stören.«464 Auch nach dem Verlust des Chef-Postens im Feuilleton der Zeit verfügte Raddatz durch einen Exklusivvertrag über genügend Mittel, um sein Leben auf großem Fuße fortzusetzen. Doch dieses Leben bereitete ihm immer weniger Freude. Am 19. Januar 1988 notiert er: »Ich umgebe mich, um mich zu ›trösten‹, mit immer mehr Luxus – – – aber der tröstet mich nicht. (…) So, wie ich jeden Morgen umgeben von feinen Blumen und Jugendstilmarmeladengläsern und Silber und feinstem Besteck und Orchideen frühstücke, Vivaldi oder Beet­ 186

Der Dandy als mondäner Journalist: Fritz J. Raddatz

hoven oder sonstwas auf dem teuren Stereo-Lautsprecher: und todunglücklich bin.«465 Den Lebemann, der sich jeden Wunsch erfüllt, plagen Langeweile und Lebensekel. Raddatz beklagt einen Mangel an Selbstzucht und Mäßigung und führt dies auf seine homosexuelle Veranlagung zurück. Auch Schriftsteller wie Jean Cocteau und Klaus Mann drehten zu viele Pirouetten und brächten es deshalb nicht zu einem bedeutenden Werk. Hinzu komme die trostlose Lage des Kulturbetriebs. Beim Blättern in alten Briefen seines Freundes, des Dichters Erich Arendt, entdeckt er die wunderbare Neugier, den Hunger nach Kultur, der den Heutigen vollkommen abgehe. »Der Vergleich mit diesem großen alten Mann ist geradezu ekelhaft – da war Bildung, Neugier, Lebenstiefe. Hier ist Geplapper, und die einzige Unersättlichkeit ist die des Kontos.«466 Am 3. Februar 1993 hält Raddatz in seinem Tagebuch fest: »Ich bin eine lächerliche Figur – ich führe ein Proust-Leben, Frühstück unter dem Orchideenbaum bei Mozartmusik, und alles rieselt vor Samt und Cashmere und weißer Seide, selbst meine Morgengymnastik mache ich auf einer Cashemeredecke über einem schwellend-dicken Tepprich – – – und heraus kommt nur Unbeträchtliches. Man Darf so leben, wenn die Produktion es rechtfertigt – – – aber darf man den 12-Zylinder-Jaguar in der geheizten Garage ›scharren‹ haben, wenn man unbeträchtliche Büchlein und gelegentlich mal auffallende Artikelchen schreibt?«467 Eine sonderbare Frage, denn was hat ein Leben in Luxus mit geistiger Produktivität zu tun? Der geistig produktive Mensch hat zum Geldscheffeln keine Zeit. Oder falls ihm Geld zufällt, wird er es nicht gleich in Jaguar, Samt und ­Ca­shmere investieren. Selbst Proust, durch Erbschaft aller materiellen Sorgen ledig, war kein Protz. Wenn ihm nach Musik zumute war, ließ er um Mitternacht ein Streichquartett kommen. Er ging gelegentlich in Gesellschaft oder empfing den berühmten Dandy und Pariser Zeremonienmeister Boni de Castellane bei sich. Er war bettlägrig und lebte, umsorgt von seiner Haushälterin, in einer mit Antiquitäten aus Familienbesitz vollgestopften, aber nicht prunkvollen Wohnung. Er verkehrte im »Ritz«, um zu speisen und Freunde zu treffen. Raddatz dagegen begab sich ins »Ritz«, um dort ein Spargelbesteck zu erstehen, über dessen unkundigen Gebrauch durch seine Gäste er sich mokiert.468 Raddatz ging nicht in Gesellschaft, denn eine Gesellschaft im Sinne eines exklusiven Highlife gab es nicht mehr. Selbst in der Schickeria blieb er ein Zaungast. Er umgab sich mit einer Gesellschaft von Literaten, Journalisten und Malern, in der ihm eine mondäne Sonderrolle zufiel. Raddatz’ Genussleben war von dem entsagungsvollen Leben eines Proust vollständig verschie187

6 Dandytum zwischen mondäner Boheme und Jetset

den. Eher glich es dem Leben eines Oscar Wilde, der sich gern im Rampenlicht sonnte. Raddatz entfacht in seinen Erinnerungen und Tagebüchern freilich kein ironisch-spöttisches Feuerwerk von Aperçus und Bonmots wie der irische Dichter, der das Highlife karikierte, vom künstlerischen Rangunterschied einmal ganz abgesehen. Der fehlende literarische Rang muss für die Qualifizierung als Dandy freilich kein Manko sein. Hier zählt nicht das künstlerische Werk, sondern allein die artifizielle Zurechtmachung der Person, die Kunst der souveränen Selbstdarstellung. Raddatz fühlte sich halb geschmeichelt, halb verkannt, wenn man ihn als Dandy bezeichnete. Ihn störte vor allem, dass dabei die tieftraurige Seite dieser Figur übersehen wird. Das Urbild des Dandys sei der heilige Sebastian, ein Gemarterter, der sich lustvoll gebe469 – eine höchst eigenwillige Deutung. Der heilige Sebastian ist die Galionsfigur der Schwulen, nicht aber der Archetypus des Dandys. Der Dandy ist nicht durchweg ein Gemarterter. Er ist aber willens und fähig, für sein Ideal notfalls zu leiden. Diesen inneren Kern des Dandytums hat Baudelaire mit Selbstzucht und Askese umschrieben. Die Lebenstraurigkeit, von der Raddatz spricht, meint den Dandy in einer Gesellschaft, die für ihn keinen Platz hat. Hinzu kommt eine tief sitzende narziss­ tische Kränkung, die bis in die Kindheit zurückreicht. In einer Besprechung der autobiographischen Erzählung »Kuhauge« von Raddatz schreibt Adolf Muschg: »Seit der Junge die tote Mutter in ihrem hinterlassenen Hochzeitskleid gewittert hat, ist er auf Kostüme dressiert, vom Fetisch verführerischer Stoffe geprägt, mit denen er sich selbst ausprobiert .«470 Die Psychoanalytikerin Françoise Dolto führt die Disposition zum Dandy darauf zurück, dass dieser von Geburt an verwaist sei und weder Mutter noch Vater anerkenne. Von früh an begleite ihn das Gefühl der Einsamkeit. Die Wurzeln des Dandys lägen in den imaginären Wurzeln einer Mutter, die nur in der Vorstellung existiere. Wie Baudelaire betont Dolto das Asketische des Dandys. »Die Dandys sind wesensmäßig Asketen (...). Sie sind weder an genitaler Sexualität noch an Vergnügungen interessiert. Das minderwertige Vergnügen genügt ihnen nicht. Sie haben ein Verlangen nach einem seelischen Vergnügen.«471 Der Dandy – so Dolto – sei konstant auf der Suche nach dem ästhetischen Ideal. Um ein wahrer Dandy zu sein, bedürfe es einer großen Intelligenz, nicht einer, die nach Wissen strebe, sondern einer, die auf andere ausstrahle. Die Frauen, mit denen er sich umgebe, seien selbst Dandys, ohne es zu wissen. Dies gelte auch für den Dandy selbst. »Ich glaube, dass der Dandy nicht weiß, dass 188

Der Dandy als mondäner Journalist: Fritz J. Raddatz

er ein Dandy ist. Es ist ein Begriff, der eine Beziehung beschreibt, die sich der Faszination verdankt, die er auf Menschen seiner Zeit ausübt.«472 Die Identifikation mit der Figur des lustvoll leidenden heiligen Sebastian und die Sehnsucht nach der ins Ideale entrückten und mit der Aura der Eleganz umgebenen Mutter sind die Schlüssel zum Verständnis des Raddatz’schen Lebensmodells. Raddatz litt zeitlebens an der Kränkung durch die abwesende Mutter, eine Kränkung, die er durch Anerkennung seiner Leistungen durch die Mitwelt zu kompensieren suchte. Die elegante Kostümierung als eine zweite Haut diente ihm als Schutzpanzer. Der mondäne Erfolg ersetzte die Liebkosungen der Mutter. Im tiefen Fall, verursacht durch die erzwungene Demission bei der Zeit, wiederholte sich das frühkindliche Trauma. Was Raddatz vom Dandy trennt, ist die Unfähigkeit zum asketischen Verzicht, der Mangel an Mäßigung, den er selbst beklagt. Raddatz weiß, dass zwischen Dandy und Geck Welten liegen. »Der Geck wirbelt ein gedrechseltes Stöckchen. Der Dandy trägt eine Wunde. Der eine bewegt sich in der Society. Der andere hadert mit der Gesellschaft.«473 Der Dandy hadert mit der Gesellschaft, da sie seinen Ansprüchen nicht genügt. Er bewegt sich in ihr als ein Solitär, aber er braucht sie als einen Spiegel. Der Dandy trägt nicht nur eine früh empfangene Wunde. Ihn schmerzt die allumfassende Verhässlichung und Vermittelmäßigung des Daseins, der er nicht entrinnen kann. Raddatz’ Tagebücher verraten Seite für Seite den ihm zugefügten Schmerz. Doch ihm fehlt das In-sich-Ruhende, Sublime, Stoische des Dandys. Er ist ein gehetztes, unruhiges Wesen, nie seines Erfolges sicher. Er braucht stets neue Bestätigung, daher sein ungebremster Hang zum Koketten und Divahaften. Er buhlt um die Gunst der Berühmten und Mächtigen. Am 5. März 1993 – nach einer Gala beim Bundespräsidenten – notiert er in seinem Tagebuch, er sei berühmt, er habe sich durchgesetzt. Doch andererseits: »Was gehen mich diese Leute an, ich sehe während der Unterhaltung auf die Uhr, sie amüsieren mich nicht, sind mir gleichgültig. Früher hätte ich wenigstens jetzt, Mitternacht, die Lederjacke angezogen und hätte was ›erlebt‹ (...).«474 Hier spricht der jung gebliebene Raddatz, der ungebeugte, nicht domestizierte, aufbegehrende Rebell, der leidenschaftlich neugierige und lebenshungrige Mensch, für den die Maske des Dandys nur eine unter vielen Kostümierungen darstellt. Fritz J. Raddatz nahm sich am 26. Februar 2015 in Zürich das Leben.

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7 Der Dandy im Zeitalter der Popkultur und der neuen Medien

Philosophisch-soziologische Präliminarien Der französische Philosoph Alexandre Kojève war davon überzeugt, dass Hegel recht hatte. Das »Ende der Geschichte« datiere mit dem Sieg Napoleons in der Schlacht bei Jena und Auerstedt 1806. Seitdem spielten sich zwar noch immer Ereignisse von größerer oder geringerer Tragweite ab, aber die Antriebe, die von der Französischen Revolution ausgingen, hätten sich erschöpft. »Das haben drei Männer im selben Augenblick begriffen: Hegel, Sade und Brummel – ja, ja Brummel wusste, dass man nach Napoleon nicht mehr Soldat sein könne.«475 Kojève behauptet, die »neue Welt« habe mit Napoleon ihren endgültigen Siegeszug angetreten. Es gebe kein Heldentum alten Stils mehr. Was Napoleon politisch und militärisch leistete, sei Beau Brummell im Zivilleben gelungen. Er habe begriffen, dass man nur noch als Zivilist Held sein könne.476 Brummell war kein Heros im Sinne einer überlieferten Vorstellung von Größe. Seine Größe ermisst sich nicht an einer politisch oder militärisch bemerkenswerten Tat. Er war ein Held der Mode, ein Heros der Eleganz, was Thomas Carlyle, dem Historiker männlichen Heldentums, zu der spöttischen Bemerkung Anlass gab, im Unterschied zu anderen, die sich anziehen, um zu leben, lebe der Dandy, um sich anzuziehen.477 Lord Byron, ein Bewunderer des großen Dandys, fehlt in der Reihe der von Kojève genannten Zeugen des »posthistoire«. Der geniale romantische Dichter – so wird berichtet – stellte den Modehelden Brummell über den Soldaten Napoleon und über sich selbst, denn er verwirklichte im Leben, was weder dem Feldherrn noch dem Dichter gelang: die perfekte Formung seiner Person zum Kunstwerk.478 Zu den von Byron bewunderten heroischen 190

Philosophisch-soziologische Präliminarien

Taten des Beaus gehörten die Kreation des modernen Männeranzugs und die Erfindung der gestärkten Krawatte, einer Kaprice zum Zweck der Selbstvervollkommnung. Seit diesen Eroberungen auf dem Feld der Mode hat sich die Männerkleidung nicht mehr grundlegend gewandelt. Es herrscht Kristallisation. Wie in der Allgemeingeschichte gibt es in der Geschichte der Männerkleidung keine Entwicklung mehr, sondern nur noch Abwechslung. Kojève spricht vom Verschwinden des Menschen am Ende der Geschichte, wobei »der Mensch im eigentlichen Sinne«, der handelnde, sein Leben gestaltende Mensch, gemeint ist. Die Herrschaft der Computer mit ihrer künstlichen Intelligenz hatte er dabei noch nicht im Sinn. Die Lebensweise des posthistorischen Menschen, so sagte Kojève voraus, sei entweder der American way of life oder der japanische Snobismus, ein Leben nach vollkommen formalisierten Werten. Der Snob sei ein Formalist in dem Sinne, dass er eine rücksichtslose Ästhetisierung seines Lebens betreibe. Das Posthistoire, das Zeitalter, in dem das geschichtliche Geschehen ausgehöhlt und entleert erscheint, steht »als Welt der reinen Formprobleme prinzipiell im Zeichen der Ästhetik«.479 Diese Worte des Religionsphilosophen Jacob Taubes über eine Kunst, die sich nur noch auf sich selbst bezieht, lassen sich auch auf die Kunst des Lebens übertragen. Der Lebenskünstler hat sich selbst zum Inhalt. Er lotet die Tiefe der Oberfläche aus. Die Lebenslust des Scheins erweist sich als eine Art der Lebenskunst. Das elitäre Modell Nietzsches ist im Posthistoire zu einem Modell für viele geworden. Was Kojève in Japan beobachtete – die Demokratisierung des Snobismus –, ist auch im Westen erkennbar als Stilisierung des Lebens auf breiter Grundlage, als Spiel mit Verkleidungen, als Collage verschiedener, multipler Ichs. Am Ende der Geschichte dominiert ein Gattungswesen, das Nietzsche den »letzten Menschen« genannt hat. Dieser hat sich im »Biedermeier des Posthistoire« (Taubes) eingerichtet. Der Absolutismus der Gegenwart erfordert von ihm »die reflektorische Haltung totaler taktischer Präsenz«.480 Die Beschleunigung im geschichtsleeren Raum führt zum Schwinden von Tradition und Gedächtnis. Die Räume werden schneller durchquerbar. Durch die Beschleunigung verkürzen sich die Zeitspannen. Zeit und Raum verdichten sich. Zeit wird eingespart, bleibt aber knapp. Dies führt zum Verschwinden von Ruhe, Muße und Konzentration. Die utopischen Energien haben sich erschöpft, weil alle Möglichkeiten des Geistes und der Ideen als durchgespielt erscheinen. Die Konsequenz sind Überdruss und Langeweile.481 So warnt schon Nietzsche 1878 in »Menschliches, Allzumenschliches«: »Bei der ungeheuren Beschleu191

7 Der Dandy im Zeitalter der Popkultur und der neuen Medien

nigung des Lebens wird Geist und Auge an ein halbes oder falsches Sehen und Urtheilen gewöhnt (…). (…) Aus Mangel an Ruhe läuft unsere Civilisation in eine neue Barbarei aus. (…) Es gehört desshalb zu den nothwendigen Correcturen, welche man am Charakter der Menschheit vornehmen muss, das beschauliche Element in grossem Maasse zu verstärken.«482 Die Veränderungen des Raum-Zeit-Regimes der Gesellschaft haben Auswirkungen auf die Bildung von Persönlichkeitstypen und Identitätsmustern. Durch Fragmentierung, Multiplizierung und Auflösung sozialer Identitäten bildet sich ein neuer Persönlichkeitstypus, eine Art menschliches Chamäleon, eine »Pastiche-Persönlichkeit« heraus. Dieser flexible Mensch entwickelt sich zu der neuen Lebensstilfigur des »zeitjonglierenden Spielers«.483 Jeder Stil enthält eine ästhetisierende Überhöhung des Alltäglichen. Der Träger eines Stils ist ein Designer seiner selbst. Stil wird zum Ausdrucksmittel und zu einer Darstellungsform sozialer Abgrenzung.484 Eine solche Sicht der Realität schafft die Voraussetzung, um eine Figur wie den Dandy neu zu entdecken und aufzuwerten. Im Dandy, dem Stilvirtuosen schlechthin, findet der »zeitjonglierende Spieler« – so scheint es – prototypisch Gestalt. Der Dandy ist aber nicht der Herold des schönen Scheins, der glitzernden Oberfläche. Er negiert den Schein als eine vorfabrizierte Schablone. Wenn er sich an die Oberfläche klammert, so geschieht dies nicht im Einverständnis mit dem von den Medien verbreiteten allgegenwärtigen Glamour. Er ist nicht der Mann des »anything goes«, kein Apologet der Subjektlosigkeit. Er insistiert auf einer strengen Ethik des Selbst, wie sie der Philosoph Foucault gegen postmoderne Unverbindlichkeit postuliert hat. Wenn Michel Foucault von Moderne spricht, ist nicht ein Abschnitt der Geschichte gemeint, sondern eine Haltung, eine bestimmte Art des Denkens und Fühlens, ein Ethos. Modern sein bedeute, eine bestimmte Beziehung zu sich selbst herzustellen. Der Einzelne habe sich als Objekt einer komplexen und harten Arbeit zu verstehen. Foucault verweist auf den Dichter Baudelaire, der ein solches Vorhaben in der Sprache seiner Zeit als Dandyismus bezeichnete. Der Dandy, diese exemplarische Erscheinung des eleganten Lebens, und sein Bannerträger Baudelaire sind für Foucault Stichwortgeber für eine neue Ethik, deren Mittelpunkt asketische Übungen, sogenannte »Selbsttechniken«, bilden. Foucault zitiert Baudelaires Ausführungen über den Dandy, »(…) der aus seinem Körper, seinem Verhalten, seinen Gefühlen und Leidenschaften, seiner Existenz ein Kunstwerk macht.«485 Der Versuch, der Existenz des Individuums einen kunstwerkähnlichen Charakter zu verleihen, habe für Baude192

Philosophisch-soziologische Präliminarien

laire nichts mit Wahrheitssuche, Selbstbefreiung oder Selbstentdeckung zu tun. Es handele sich vielmehr um die Aufgabe der Ausarbeitung seiner selbst, um einen Akt der Selbsterfindung. Foucault ist sich darüber im Klaren, dass sich die von ihm propagierten Selbsttechniken von einer Suche nach dem wahren Selbst oder von einer he­ donistischen Selbstkultur in Gestalt des kalifornischen Selbstkults, den er an Ort und Stelle studieren konnte, grundlegend unterscheiden.486 Sie sind auch nicht gleichzusetzen mit den heute gängigen Rezepturen der Selbsterfindung, die auf die schnell wechselnden Bedürfnisse des Marktes reagieren und der Imagepflege dienen. Es geht Foucault in seinen Betrachtungen auch nicht darum, den Baudelaire’schen Dandy als Verhaltensmodell à tout prix zu restituieren. Das Dandytum betrachtet er als eine abgeschlossene Episode des 19. Jahrhunderts. Im Zentrum von Foucaults Ästhetik und Ethik der Existenz steht die Beherrschung der Triebstruktur des Menschen. Sie wurde in der Antike als ein Teilbereich ethischer Sorge angesehen, auf die sich bestimmte Praktiken gründeten, die Foucault als Künste der Existenz bezeichnet, Praktiken, »(…) mit denen die Menschen nicht nur die Regeln ihres Verhaltens festlegen, sondern sich selber zu transformieren, sich in ihrem besonderen Sein zu modifizieren und aus ihrem Leben ein Werk zu machen versuchen, das gewisse ästhetische Werte trägt und gewissen Stilkriterien entspricht.«487 Ziel sei es, die Triebwünsche und Leidenschaften zu beherrschen, um ein Höchstmaß an Souveränität über sich zu erlangen. Dieser Kampf erfordere asketische Übungen des sich seiner Unvollkommenheit bewussten Menschen. Gewiss lassen sich in diesen Überlegungen Korrespondenzen zur Lebensphilosophie des Dandys erkennen, denn auch der Dandy will durch Selbstzucht seine Leidenschaften unter Kontrolle bringen. Auch er unterwirft sich einem ästhetischen Formzwang und nimmt eine stilisierte Haltung zum Leben ein. Der Literaturwissenschaftler Rainer Gruenter warnt jedoch mit Recht – das Schicksal Oscar Wildes vor Augen – vor der »ruinösen Vermischung von Kunst und Leben«488, die eine der großen Gefahren moderner Lebensverfehlung sei. Wildes Roman »Das Bildnis des Dorian Gray« führt beispielhaft das Scheitern eines solchen Versuchs vor Augen. Auch Foucault weiß, dass das Leben niemals vollkommen einem Kunstwerk gleichen wird. Es kann nur Annäherungen an ein Ideal von Selbstformung, ein ständiges Bemühen, aber kein vollständiges Aufgehen im Ideal geben. Baudelaire sah den Dandy, den Heros des modernen Lebens, schon 193

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Mitte des 19. Jahrhunderts in einer ausweglosen Lage. Die Selbsttechniken, wie Foucault sie ein Jahrhundert später empfiehlt, sind ein nicht unproblematisches Unterfangen. Wie ein jedes neues Dandytum laufen sie in einer entfesselten Marktgesellschaft Gefahr, zu gängigen Selbsterfindungstechniken zu verkommen. Insofern ist die Arbeit an sich selbst, wie Foucault sie proklamiert, nicht gegen den Versuch gefeit, sich zur Marke zu machen. Dem kann ein heutiger Dandy schwerlich entrinnen. Es sei denn, er wählte den Weg des Verschwindens, der dezidierten Nichtprominenz, der Verweigerung von Anerkennung durch Ehrungen und Aufmerksamkeitsprämien.489 Denn worin sollte sich die »aristokratische Überlegenheit seines Geistes« (Baudelaire) erweisen, wenn nicht im hochmütigen Verzicht auf Teilhabe an dem medialen Getriebe öffentlicher Aufmerksamkeit? Gefordert ist eine Selbsttechnik der Unkenntlichmachung. Die Rolle des Dandys in der Moderne besteht darin – so der Philosoph Jürgen Habermas –, die »Außeralltäglichkeit« mit provokativen Mitteln zu demonstrieren.490 Damit ist der charismatische Charakter dieser Figur angesprochen. Charisma nennt Max Weber die als außeralltäglich geltende Qualität einer Persönlichkeit, um derentwillen sie als mit übernatürlichen Kräften begabt angesehen wird. Die charismatische Persönlichkeit meidet jede kontinuierliche wirtschaftliche Tätigkeit. An die Stelle des Berufs tritt die Berufung, die Aufgabe. Dieses Charaktermerkmal trifft auch auf den Dandy zu. Sein Streben nach ästhetischer Überhöhung des Lebens stellt eine Reaktion auf den Utilitarismus des Bürgers und die Imperative der modernen Industriegesellschaft dar, auf die Unentrinnbarkeit einer von der Marktökonomie und den Formen bürokratischer Herrschaft durchdrungenen Welt. Der Dandy hat erkannt, dass die Moderne sein Schicksal ist. Er entwickelt eine Strategie der Distanzierung und des Rückzugs von den Verhaltenszwängen des Alltags. Dem nüchternen Blick auf die entzauberte Welt entspricht eine Haltung der Askese, wie sie Max Weber von der ihrer selbst bewussten Persönlichkeit einfordert, einer Persönlichkeit, die sich einer Sache verpflichtet weiß. Die Sache des Dandys ist die Eleganz. Ihr dient er. Für sie bringt er jedes erdenkliche Opfer. Der charismatische Dandy erschöpft sich nicht im Schauspielerischen und Modischen. Hinter der perfekten ästhetischen Oberfläche, mit der er sich wie mit einem Schutzpanzer umgibt, verbirgt sich ein wacher, kritischer Geist, der vieles erlebt und das Getriebe der Welt durchschaut hat. Das Dandytum ist ein Konstrukt, ein heroisches Bemühen, bestimmte Verhaltenseigenschaften des Aristokraten und Gentleman in einer Zeit zu behaupten, in der dieses Männ194

Philosophisch-soziologische Präliminarien

lichkeitsideal nicht mehr gefragt ist oder nur noch als glamouröser Verschnitt in massenhafter Gestalt ein Geltungsrecht für sich beansprucht. Mit fortschreitender Rationalisierung verflüchtigt sich die Figur des charismatischen Dandys.491 Was bleibt, sind Dandys nachcharismatischen Typs, die die Veralltäglichung erleiden. »Die Veralltäglichung des Charismas ist in sehr wesentlicher Hinsicht identisch mit der Anpassung an die Bedingungen der Wirtschaft als der kontinuierlich wirkenden Alltagsmacht.«492 Dieser Dandy reiht sich in das Wirtschaftsgeschehen ein, klammert sich aber weiter an die Aura des Außeralltäglichen. In einer Strategie der Umkehr wird dem Alltäglichen, Banalen, Trivialen der Charakter des Außergewöhnlichen, Außeralltäglichen zugeschrieben. Auf die Entzauberung der durchrationalisierten Welt antwortet dieser Dandytypus mit einer Strategie der Wiederverzauberung vermittels einer allseitigen Glamourisierung des Alltags. Der Glamour, der ihn umhüllt, lässt sein Publikum den faden Geschmack des Alltäglichen vergessen. In Gestalt des Popstars arbeitet er täglich an seinem Charisma. Er ist die personifizierte Außeralltäglichkeit im Zeitalter der Massenkultur. Im Unterschied zum Dandy klassischen Typs, der sich der Verwertung entzieht, ist der PopDandy voll und ganz von der medialen und merkantilen Verwertung seiner Existenz abhängig. Außeralltägliches, Starqualitäten oder charismatische Züge lassen sich bei dauerhafter Präsenz auf dem Bildschirm indes kaum aufrechterhalten.493 Neben und unabhängig von Alexandre Kojève hat auch der Philosoph und Soziologe Arnold Gehlen die Formel des Posthistoire aufgegriffen und mit dem Begriff der kulturellen Kristallisation verknüpft. Ein Zustand der Kristallisation tritt ein, wenn alle in einer Kultur angelegten Möglichkeiten in ihren grundsätzlichen Beständen entwickelt und auch die darin enthaltenen Gegenmöglichkeiten ausgeschöpft sind. Ein solches System zeigt zwar noch das Bild von Beweglichkeit, aber diese ereignet sich auf stationärer Grundlage.494 Wie Kojève behauptet Gehlen, die Ideengeschichte sei abgeschlossen, die Menschheit in der Nachgeschichte angekommen. Die in kultureller Kristallisation verharrende Gesellschaft entfalte gleichwohl eine beträchtliche Dynamik. Die Entwicklung in Wissenschaft und Technik schreite in hohem Tempo voran. Auch in der Kultur herrsche Buntheit und Fülle und täusche über die Starrheit der Grundstrukturen hinweg. Gehlen registriert eine Vielfalt von Erlebnis- und Gestaltungsmöglichkeiten in der kristallisierten Gesellschaft und ein Bedürfnis nach »Spielplätzen höherer Art«.495 195

7 Der Dandy im Zeitalter der Popkultur und der neuen Medien

Die von Gottfried Benn übernommene Empfehlung, von seinen Beständen auszugehen, rückt Gehlen in die Nähe postmoderner Standortbestimmungen. Was Gehlen jedoch als Erfahrungsverlust und ein Abgleiten in Subjektivismus beklagt, erhält bei Vertretern der Postmoderne wie Jean-François Lyotard den Sinn einer Befreiung von ideologischen Fesseln. An die Stelle großer geistiger Synthesen tritt eine Vielfalt von Sprachspielen, Lebensweisen und Wissenskonzepten.496 Der Postmodernismus richtet sich in den Beständen spielerisch ein, ohne zu erkennen, dass er mit dem Verzicht auf den Kampf um Selbststeigerung beim Habitus des »letzten Menschen« angelangt ist. Gehlen steht mit seinem Festhalten an einer Vorstellung von Persönlichkeit in der Tradition Friedrich Nietzsches und Max Webers. Die Behauptung eines Posthistoire und einer kulturellen Kristallisation führen bei ihm nicht zum Einverständnis mit der Postmoderne, die eine Pluralität existentieller Entwürfe vorsieht.497 Die Persönlichkeit, wie Gehlen sie versteht, befindet sich auf dem Rückzug. Sie macht einem marktkonformen Subjektivismus Platz. Gehlen unterscheidet zwischen dem institutionell gestützten und vermittelten Individualismus früherer Zeiten – dem Aufgehen des aristokratischen Individuums in einem großen Typus – und dem selbstreflektierenden, überreizten Individualismus der Gegenwart. »Während im ersten noch aristokratische Elemente und berufsethische Leitbilder wirksam sind, die den persönlichen Leistungswillen motivieren und orientieren, fällt im letzteren das aus allen Bindungen herausgewachsene Individuum ganz auf sich selbst zurück. Damit gelangt die freigesetzte Subjektivität zu ihrer äußersten Konsequenz (…) Im entstehenden institutionellen Vakuum bleibt der einzelne ohne Halt und damit auf der Strecke, das Streben nach Selbstverwirklichung erweist sich als trügerisch.«498 Subjektive Kultur weicht den vorfabrizierten Schablonen des Massenkonsums. Eine solche institutionell entbundene »‚Subjektivität‹ ohne Subjekte« (Karl-Siegbert Rehberg) käme – auf die Problematik des Dandys in der Postmoderne übertragen – einem Dandytum ohne Dandys gleich. Steht der Dandy für einen »exaltierten Subjektivismus« (Gehlen) oder ist er nicht vielmehr an die Institution der Aristokratie oder einer funktionierenden »guten Gesellschaft« gebunden? In dem Augenblick, in dem sich der Dandy von seiner institutionellen Gebundenheit löst und zu einer frei schwebenden Existenz wird, tritt unvermeidlich eine Schwächung seines Charakters ein. Die Folge ist ein Dandytum aus zweiter Hand, ein »sekundäres Dandytum« (Oswald Wiener). 196

Dandytum und Camp

Selbstverwirklichung und Selbsterfindung sind die Parolen einer Massendemokratie. Der heutige Individualismus ist frei flottierend und versteht sich als Emanzipation von den tradierten Institutionen. Auf dieser Grundlage verliert der Dandy seine Haltepunkte, gegen die er rebelliert und mit denen er sein subversives Spiel treiben kann. Der heutige Dandy wird freilich von einer Institution getragen: der Mode. Diese ist – wie Gehlen sagen würde – der Inbegriff eines marktvermittelten Subjektivismus. Ihr zu dienen bedeutet freilich nicht jene Hingabe an die Sache, die Gehlen und Weber zufolge eine Persönlichkeit ausmacht. Die Mode lebt von der Selbstinszenierung ihrer Agenten. Das nachcharismatische Dandytum ist nichts anderes als ein Synkretismus verschiedener Stile in einer kristallisierten Wirklichkeit, die sich hervorragend für Stilisierungs-Virtuosen und Subjektivismen aller Art eignet und ihnen »Spielplätze höherer Art« bietet. Arnold Gehlen, Max Weber und Georg Simmel sind sich einig: Rationalisierung und kapitalistischer Geist haben ein stählernes Gehäuse hervorgebracht. Die kapitalistische Geldwirtschaft führt zu einer Verdinglichung der gesellschaftlichen Verhältnisse, die kein Entrinnen mehr zulässt. Weber spricht von »mechanisierter Versteinerung«, Gehlen von »Kristallisation«. Simmel nennt es die Herrschaft des toten Stoffes über den lebendigen Menschen. Webers Fachmensch wird zum Inbegriff des »letzten Menschen« im Sinne Nietzsches.499 Für den Dandy heißt dies, dass der antibürgerliche Affekt, der ihn antreibt, in der Spätepoche des Fachmenschentums seine Stoßrichtung ändert. Sein Gegenüber ist nicht mehr der Bourgeois, sondern der »letzte Mensch«, der Mensch der Masse, der große Haufen. Dieser hat die Askese längst abgestreift. Er hat das Glück des Konsumierens erfunden. Der moderne Dandy hat sich dem Konsumismus dieses Menschentypus, seiner Faszination von Marketing und Self-Fashioning entgegenzustellen, das heute jeder Banause betreiben kann.

Dandytum und Camp In der Phase der Décadence, die der Dandyismus im 19. Jahrhundert durchlief, erhielt der Dandy als Darsteller seiner selbst im weiblichen Bühnenstar Konkurrenz. Dandy und weibliche Darstellerin glichen sich in ihren öffentlichen Rollen an, als die Unterschiede zwischen Hochkultur und Massenkultur eingeebnet wurden. Die Massenkultur erzeugte die öffentliche Kultfigur. Der Elitismus des Dandys wurde durchbrochen. Der Star stellte seinen Anspruch auf 197

7 Der Dandy im Zeitalter der Popkultur und der neuen Medien

Einzigartigkeit in Frage. Die Berühmtheit des Stars verdankte sich den neuen Reproduktionsmedien wie Photographie, Lithographie und Film. Bekannte dekadente Dandys wie Montesquiou, Kessler, D’Annunzio und Wilde unterhielten Beziehungen zu Schauspielerinnen und Tänzerinnen, die ihrerseits dandyhafte Züge offenbarten. Der klassische Dandy hatte seine Performance, seinen Auftritt, sorgfältig präpariert. Er ließ sich nicht unter Vertrag nehmen, um ein bunt zusammengewürfeltes Publikum zu unterhalten. Der Dandy im Zeitalter der Massenkultur ist ein durch die Kulturindustrie weitgehend mechanisch hergestelltes Produkt. Er ist eine hybride Erscheinung, eine Art Roboter, ein Androide.500 Die Tänzerin Loie Fuller (1862–1928) war eine der ersten realen Verkörperungen dieses Typus. Sie agierte wie ein moderner Medienstar, der eine hochgradig konstruierte Darbietung seiner selbst mit einem Gespür für Massenwirksamkeit verbindet. Sie verkörperte den Übergang vom Dandyismus zum Camp, einen Schritt, vor dem auch Oscar Wilde nicht zurückscheute. In seinem Bühnenstück »Salome« findet sich erstmals eine Camp-Figur, hervorgegangen aus der Verschmelzung von Dandy und weiblicher Darstellerin. Der junge pittoresk ausstaffierte Wilde kann als Inbegriff sich selbst vermarktender, von den Medien angezogener Camp-Extravaganz verstanden werden. Wenn Loïe Fuller und Oscar Wilde den Dandyismus mit amerikanischem Sinn für Marketing und Selbstreklame verknüpften, haben sie damit eine Entwicklung vorweggenommen, die heute selbstverständlich geworden ist. Wildes Strategien markieren einen Wendepunkt in der Geschichte des Künstlerdandys. Sein System zu wirken ist die Antwort auf die neuen Bedingungen. Er steht für den Typus des Dandys, der sich intelligent vermarktet. Wildes geistiges Format bewahrte ihn freilich davor, unter sein Niveau zu gehen. Insofern hielt er am Anspruch des Baudelaire’schen Dandys fest, die Trivialität zu bekämpfen und zu vernichten. Es ist dies ein waghalsiger Balanceakt. Denn um sich die für ein Dandy-Leben nötigen Mittel zu verschaffen, kam Wilde nicht umhin, sich als Ware auf dem Markt feilzubieten. Eine Welt künstlerischen Könnens und der inneren Nötigung trennt die Prostitution eines Wilde – sein geschickt kommerzialisiertes öffentliches »Dandytum«501 – jedoch von der Prostitution heutiger Pop-Dandys, die die Leidensbereitschaft und den Wagemut, den Stolz und die Einsamkeit des Dandys nicht mehr kennen, sondern sich nur noch den Markterfolg und die Aufmerksamkeit der Medien auf ihre Fahnen geschrieben haben. Susan Sontag hat mit ihren »Anmerkungen zu ›Camp‹« (1964) die Kar198

Dandytum und Camp

riere eines neuen zeitgenössischen Begriff des Dandys begründet. Camp – so heißt es – sei der moderne Dandyismus im Zeitalter der Massenkultur. Der Dandy neuen Stils, der Liebhaber des Camp, schätze das Vulgäre, aufgedonnert Theatralische. »Wo der Dandy unentwegt abgestoßen oder gelangweilt sein würde, fühlt sich der Kenner des Camp unentwegt amüsiert, erfreut.«502 Mit dem Konzept »Camp« scheint ein Schlüssel vorzuliegen, der Zugang verschafft zu den Geheimnissen modernen respektive postmodernen Dandytums. Schaut man genauer hin, so sind die Eigenschaften, welche den Kern des von Susan Sontag erneuerten und ausformulierten Camp-Konzepts ausmachen, jedoch keineswegs so neu, als dass sie sich eignen würden, den Dandy klassischen Stils vom neuen Dandy unserer Zeit zu unterscheiden.503 Beginnen wir mit der Frage nach dem Camp-Geschmack. »Camp-Geschmack neigt bestimmten Kunstgattungen mehr zu als anderen. Kleider, Möbel, alle Elemente des visuellen Dekors zum Beispiel machen einen großen Teil des Camp aus. Denn Camp-Kunst ist häufig dekorative Kunst, die die Struktur, die von den Sinnen wahrgenommene Oberfläche, den Stil auf Kosten des Inhalts betont.«504 Camp-Geschmack sei raffiniert und liebe das Artifizielle. Der Jugendstil sei der typische und am weitesten entwickelte Camp-Stil. Jeder Kunstgegenstand werde durch die unernste Brille des Ästheten gesehen. »Das Kennzeichen des Camp ist der Geist der Extravaganz.«505 Selbstverständlich könne sich der Kanon des Camp wandeln. Viele der Gegenstände, die der Camp-Geschmack hochschätze, seien altmodisch, unmodern, démodé. Was Sontag über den Camp-Geschmack ausführt, lässt sich bruchlos auf den klassischen Dandy übertragen. Dieser war ein Liebhaber des Dekorativen, noch bevor der Jugendstil Geschichte schrieb. Man denke an die Sammlung von kostbaren Schnupftabakdosen George Brummells und das blaue Porzellan, das Oscar Wilde so sehr schätzte. Der Dandy »alten Stils« – durch und durch Aristokrat – interessierte sich nicht nur für die geistigen Genüsse, die ihm die Hochkultur bot, sondern auch für so profane Dinge wie Krawatten, Hosen, Hemden, Handschuhe, Reitpferde, Schmuck und das Kartenspiel sowie für Vergnügungen aller Art. Sein Lebensstil war elitär, diktiert von den Usancen des Highlife. Die Hinwendung zum Altmodischen und Unmodernen charakterisiert den Geschmack des klassischen Dandys ebenso wie den Camp-Geschmack. Das Wahre, Schöne, Gute in der Kunst, das dem Bildungsbürger unverzichtbar ist, ist nicht sein Maßstab. Vielmehr sind Stil und Nonchalance alles. 199

7 Der Dandy im Zeitalter der Popkultur und der neuen Medien

Nun ist es keineswegs so, dass die Träger der von Sontag inthronisierten neuen Geschmacksrichtung nicht elitär wären. Die Art, wie sie Produkte der Massenkultur – und dabei handelt es sich stets um einen bestimmten Kanon und kostspielige Markenprodukte – goutieren, zeugt von einem erlesenen Geschmack, der sich von dem des Dandys alten Stils kaum abhebt. Was allerdings den Camp-Dandy von seinem klassischen Vorgänger unterscheidet, ist sein Hang zum Ostentativen und Flamboyanten. Hier knüpft der CampDandy, eine Galionsfigur der Postmoderne, an den »vormodernen« Typus des Stutzers, den »fop« und »macaroni«, an, den der schlicht-elegante Dandytypus à la Brummell hinter sich gelassen hat.506 Obwohl sie der überlieferten Definition des Dandys nichts Wesentliches hinzufügt, verkündet Sontag, Camp sei die Antwort auf das Problem, wie man im Zeitalter der Massenkultur Dandy sein könne. Der Dandy müsse seinen Geschmack den neuen kulturellen Gegebenheiten des Massenzeitalters anpassen. Der Dandy des 19. Jahrhunderts liebe die Pose der Verachtung und der Langeweile. Er bevorzuge seltene, vom Geschmack der Massen nicht befleckte Sensationen. In der Tat suchte der dekadente Dandy des Fin de Siècle ästhetische Reize in der Beschäftigung mit raren Werken der klassischen Kultur. Seine überzüchtete Phantasie scheute nicht vor bizarren, extravaganten Erlebnissen zurück. Er liebte die Werke des Manierismus und Symbolismus, in denen das theatralisch Übertriebene Pate stand. Der Dandy im Zeitalter der Massenkultur, der Kenner des Camp, habe – so Sontag – sinnvollere Genüsse entdeckt. »Er delektiert sich nicht an lateinischer Poesie, an seltenen Weinen und Samtjacken, sondern an den derbsten und gemeinsten Vergnügungen, an den Künsten der Massen.«507 Doch schon die Dandys der Regency-Zeit und des Bürgerkönigtums in Frankreich zeigten Gefallen an den Vergnügungen der einfachen Leute, wenn sie ihnen närrisch, witzig und unterhaltsam erschienen. Derbe Genüsse kannte auch Huysmans’ Held Des Esseintes, der, in einem spontanen Verlangen, sich unter das Volk zu mischen, in Paris in einem englischen Restaurant, umgeben von robusten Essern, ganz gegen seine sonstigen Vorlieben sich schwere Speisen auftischen ließ. Auch Dorian Gray, der morbide Dandy Oscar Wildes, von der Lektüre des Huysmans’schen Romans vergiftet, suchte nach immer gröberen Reizen, als seine Sinne durch ein Übermaß exaltierter Genüsse abgestumpft waren. Ein Dandy verfügt über viel Zeit. Er leistet sich den Luxus, sich tagsüber den ausgeklügeltsten Details seines Outfits zu widmen und abends in klassischen Institutionen der Hochkultur wie Theater und Oper eine gute Figur zu 200

Dandytum und Camp

machen. Sein Lebensstil kennt keine Dissonanz von ernster und trivialer Kultur. Unterhaltung und Amüsement stehen bei ihm hoch im Kurs. Der Besuch von Variétés und Music-Halls ist nicht unter seinem Niveau. Er weiß auf ausgefallene Weise von der Trivialkultur Gebrauch zu machen. Was als vulgär und was als guter Geschmack zu gelten hat, entscheidet er selbst. Er lässt es sich angelegen sein, mit dem guten Geschmack zu spielen und ihn herauszufordern. Wenn er etwas verachtet, so sind es die sich ausbreitenden bürgerlichen Geschmacksnormen. Vulgär ist das Unelegante, Biederernste und Nützliche. »Aristokratie ist eine Haltung gegenüber der Kultur (…) und die Geschichte des Camp-Geschmacks ist Teil der Geschichte des Snob-Geschmacks«,508 heißt es bei Sontag. Doch was ist ein Snob und was ist der Geschmack des Snobs? Aristokraten können Snobs sein, indem sie sich etwas Besseres dünken als die Nichtaristokraten oder zu den Höhergestellten im Adel aufblicken. Der Snob entlehnt seinen Geschmack dem, der über ihm steht. Er ist das Gegenteil des Dandys. Dieser orientiert sich nicht am Geschmack anderer. Er ist der alleinige Souverän über seinen Geschmack.509 Brummell war zu Beginn seiner Karriere ein Snob. Es gelang ihm, aus der Rolle des Parvenüs in die des souveränen Dandys überzuwechseln, der dem Adel den guten Ton diktierte. Wem diktiert der heutige Camp-Dandy den guten Ton? Einem diffusen Jetset, einer sozial durchmischten Schickeria, einer aus modischen Augenblicksgrößen bestehenden Subkultur. Sontag glaubt, die aristokratische Haltung gegenüber der Kultur werde nicht sterben, wenn sie vielleicht auch immer willkürlichere und scharfsinnigere Methoden benötige, um sich behaupten zu können. Vor allem in der Gruppe der Homosexuellen fänden sich die neuen Aristokraten des Geschmacks. Die Metapher des Lebens als Theater spiegele einen bestimmten Aspekt ihres Lebens wider. Während der Adel jedoch den Geschmack repräsentierte, weil er durch seinen Lebensstil dazu prädestiniert war, dem Ästhetischen einen zentralen Platz einzuräumen, sind Homosexuelle häufig in Berufsfeldern wie Design, Mode, Werbung, Kommunikation und Marketing tätig, die als kreativ gelten, aber nicht jene Muße zulassen, über die der Adel in reichem Maße verfügte. Die Homosexuellen als »kreative Klasse« prägen – so Sontag – die Kultur in einer Zeit, die keinen dominanten Stil mehr kenne. »Camp ist (…) die Beziehung zum Stil in einer Zeit, in der die Übernahme eines Stils – als solche – absolut fragwürdig geworden ist.«510 Unsere Zeit kennt nur noch die Mischung der Stile. Ein Geschmacksrichtertum, wie es der Dandy vergangener Zeiten anstrebte, verfehlt deshalb 201

7 Der Dandy im Zeitalter der Popkultur und der neuen Medien

heute sein Ziel. Kann Camp sich als ein konsistenter Lebensstil behaupten? Offenbar nur dadurch, dass er alles in Anführungsstriche setzt. Die Unterschiede zwischen gutem und schlechten Geschmack, zwischen Hochkultur und Unterhaltungskultur verwischen sich. Es wundert nicht, dass, wenn nicht das Phänomen, so doch die Theorie des Camp in den Vereinigten Staaten entstanden ist, in denen sich kein Bildungsbürgertum und keine Adelskultur entwickeln konnten, wie wir sie in Europa kennen. Aus der arroganten Sicht des europäischen Aristokraten und Kulturbürgers des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts vermischte sich bei den amerikanischen nouveaux riches guter Geschmack mit schlechtem Geschmack. Dandys wie Oscar Wilde, Boni de Castellane und Harry Graf Kessler konnten dies auf ihren Amerikareisen feststellen. Die amerikanischen Millionäre waren Snobs und Imitatoren der europäischen Geschmackskultur. Ein Dandy wirkte dort als ein Missionar des guten Geschmacks. Freilich findet der Dandy selbst gelegentlich Gefallen daran, die Regeln des guten Geschmacks zu durchbrechen. Er provoziert durch Tabubrüche, Verletzung der Konventionen und gängigen Geschmacksnormen. Das Konzept Camp bietet ihm nichts Neues. Der Geschmack am schlechten Geschmack ist eine aristokratische Attitüde, solange es noch Geschmacksregeln gibt. Der heutige Dandy bezieht sich nur noch bruchstückhaft auf den Fundus einer aristokratischen Kultur. Diese ist längst ausgehöhlt. Sie wird zum spielerischen Zitat.

Camp-Dandy und Pop-Dandy Der heutige Dandy – nennen wir ihn Camp-Dandy oder Pop-Dandy – sieht sich unentrinnbar dem neuen Raum-Zeit-Regime der Gesellschaft, der Massenkultur und der sozialen Nivellierung ausgeliefert. Er weiß, dass es für ihn keinen Ausweg aus der Erwerbsgesellschaft und der Marktökonomie geben kann. Er richtet sich auf spielerische Weise in ihr ein. Ihm ist bewusst, dass unter den Bedingungen eines »kollektiven Individualismus«511 und einer totalen Kommerzialisierung des Alltagslebens ein Dandytum im originären Sinne nicht mehr möglich ist. Es kann nur noch rudimentär existieren. Im Zeitalter der Massenkultur hat sich der gesellschaftliche Rahmen radikal gewandelt. Konversationskunst ist der Talkshow gewichen. Die Eleganz der äußeren Erscheinung kann man von der Stange kaufen. Das Streben Einzelner nach Distinktion ist jedoch ungebrochen. Nur findet es heute nicht mehr 202

Camp-Dandy und Pop-Dandy

den Nährboden einer exklusiven Klasse, die als Träger von Traditionen und Formen Gewicht hat. Diese Trägerschaft ist brüchig geworden. Das Terrain des Pop-Dandys sind die kosmopolitischen Kreise des Jetsets, der Modebranche und der mondänen Subkultur, gesellschaftliche Bereiche, in denen Geschmacksbildung diffus geworden ist. Diese Lücke kann auch ein neues »Geschmacksbürgertum« (Ulf Poschardt) nicht ausfüllen. Wie wir noch sehen werden, ist dieses Milieu zwar in der Lage, Stilfiguren wie den Hipster und den Popper hervorzubringen, aber von der ästhetischen und habituellen Radikalität des Dandys sind diese weit entfernt. Welches sind die neuen Verhaltensstrategien und -taktiken des Camp- und Pop-Dandys? Die Art des Auszeichnungsstrebens von Protagonisten der Popkultur – des Denkstils wie der Pose – ist in Ermangelung eines geeigneten deutschen Ausdrucks mit dem Wort »sophistication«, einer zeitgemäßen Art der kulturellen Verfeinerung, umschrieben worden. »Sophistication« meint den intellektuellen Habitus eines Milieus, »dessen kulturelle Sozialisation durch den Konsum von populärer Kultur und Hochkultur geprägt worden ist«.512 Es ist dies ein Amalgam aus Selbstinszenierung, Attitüde, Bildung, Witz und Glamour, eine Form des Snobismus, des Besserwissens und Besserseins auf der Grundlage einer entfalteten kapitalistischen Konsumkultur. Popliteraten und Popintellektuelle als Kenner dieser Szene treffen unter den Produkten der Popkultur ihre Wahl, wobei sie sich von den gewöhnlichen Popkonsumenten unterscheiden, denen sie immer schon voraus sind. Als Konsumfetischisten verständigen sie sich über Codes und Marken und geben sich ihresgleichen als mit einem Geheimwissen ausgestattete Insider zu erkennen. Was zählt, bestimmen Discjockeys, Hersteller von Modelabels, Musikkritiker und Journalisten. Der Pop-Geschmack ist mit Absicht gegen den guten Geschmack gerichtet, »(…) d. h. gegen den Geschmack, der als der exklusive Geschmack einer relativ kleinen, gebildeten, wohlerzogenen und wohlhabenden gesellschaftlichen Elite verstanden wird – gegen den Geschmack an der Hochkultur, die angeblich qualitativ höher steht als die niedrige, kommerzielle Massenkultur.«513 Die Pop-Art spielt hier eine Sonderrolle. Sie darf nicht mit der Populärkultur als ganzer verwechselt werden und verfolgt andere Strategien als zum Beispiel die Popmusik. Sie war und ist der Versuch, »mit Motiven des Massenkonsums in die Institutionen der Hochkultur zu gelangen, in die Galerien und Museen«.514 Die Popmusik orientiert sich dagegen nach wie vor am Massenkonsum. Statt den Unterschied zwischen Hoch- und Unterhaltungskultur aufzuheben, hat die Pop-Art ihn ironisch ausgebeutet und in den Institutionen 203

7 Der Dandy im Zeitalter der Popkultur und der neuen Medien

der Hochkultur ihren Marktanteil erobert. Man könnte in der Art und Weise, das Ernste frivol und das Frivole mit Ernst zu handhaben, eine dandyistische Strategie am Werk sehen. Im Unterschied zu früheren künstlerischen Avantgarden wird die Kommerzialisierung der Kultur von der Pop-Art nicht länger geschmäht, sondern akzeptiert. »Pop Art war die Überbau-Revolte einer Marktgesellschaft, welche die vorher verbrämte kommerzielle Seite der Kultur nicht länger verdrängen musste, sondern nun rigoros professionalisieren durfte – in allen Gattungen und Medien und egal auf welchem Niveau.«515 Ähnlich wie die Pop-Art verfährt die Popliteratur. Die Besonderheit der Popliteraten beruht darauf, dass sie glauben, der Popkultur etwas Elitäres abgewinnen zu können, indem sie Texte schreiben, die sowohl Pop sind als auch von exquisitem Geschmack künden. Die Popliteraten betrachten das Wissen des Pop als eines, das dem bildungsbürgerlichen Kanon ebenbürtig ist. So wie die Repräsentanten der Hochkultur sich durch den Habitus der Kultiviertheit von der Masse abheben, unterscheiden sich die Popliteraten und -journalisten durch »sophistication« von der Masse der Popkonsumenten. Stil umfasst für die Popliteraten nicht mehr die gesamte Persönlichkeit und darf nicht als Ausdruck ihrer Authentizität verstanden werden. Die Persönlichkeit dieses postmodernen Stilvirtuosen ist etwas Collagiertes, das ständig seine Masken wechselt. Stil als eine ästhetische Strategie der Überhöhung des Alltäglichen verwandelt sich in eine intellektuelle Pose.516 Die Popliteraten, für die der Kauf eines bestimmten Kleidungsstücks zur Form einer Weltanschauung geworden ist, sind als Autoren, Redakteure, Gag-Schreiber alle Angestellte der Medienbranche. Was der Dandy in einer von Realität gesättigten Welt noch provokativ herausstellen musste, das Oberflächliche, den Schein, tritt heute massenhaft über die Medien zutage. Von dem amerikanischen Dandy-Schriftsteller Tom Wolfe haben die Popliteraten gelernt, dass ein eigenes Image unabdingbarer Bestandteil einer furiosen Karriere ist. Sie folgen der Devise Oscar Wildes: Es ist die erste Pflicht im Leben, eine Pose einzunehmen. Eine Reihe von Popkünstlern wie Andy Warhol und Jeff Koons und Popliteraten wie Bret Easton Ellis, Frédéric Beigbeder und Christian Kracht gelten als zeitgemäße Inkarnationen des Dandys, der den neuen gesellschaftlichen Bedingungen Rechnung trägt und als »Provokateur mit Takt« souverän zum Spagat zwischen Kunst und Kommerz ansetzt.517 Auch Popmusiker wie David Bowie, Michael Jackson und Prince werden häufig als glamouröse Repräsentanten eines zeitgemäßen Dandytums zitiert. Nicht zuletzt wird auch auf die 204

Camp-Dandy und Pop-Dandy

Vertreter der Modebranche verwiesen, die zwischen Kunst und Kunstgewerbe oszillieren und im innersten Bereich des Dandytums, der Gestaltung und Präsentation von Kleidung, triumphieren. Sie alle profitieren von der Vorreiterrolle Oscar Wildes und der weit über das Dandytum hinausreichenden Tradition des Camp. Mit Susan Sontags Konzept des Camp versuchen die Fürsprecher des Pop-Dandytums »eine Brücke vom Habitus des Dandys zu den Verhaltenslehren des Pop«518 zu schlagen. In der Popliteratur finde ein zitathaftes Spiel mit Verweisungen auf die Text- und Bildwelten klassischer Dandys und Décadents statt. Sie artikuliere sich durch eine »Vermessung der Oberfläche«519 und berühre sich darin mit dem Geist des Dandys. Ennui und Melancholie schlügen um in eine Dekomposition und Umgestaltung der Zeichen und die Erzeugung von Mehrdeutigkeiten. Es gehe der Popliteratur um die durch die Postmoderne geschaffenen »Möglichkeitserweiterungen«520, welche alte Gräben ohne kulturellen Verlust überwinden helfe. Eine historische Figur wie der Dandy wird wiederbelebt, weil er sich trefflich dazu eignet, den Umgang mit Kultur als ein Spiel mit Bedeutungen zu begreifen. Der Dandy ist der personifizierte Semiologe. Er hat keine Vorurteile. Er liebt die Grenzüberschreitung und versteht es, dem Vulgären des Massenprodukts etwas Geistvolles, Witziges, Erlesenes abzugewinnen. Der Dandy ist freilich kein Buchhalter des Geschmacks. Sein poetologisches Prinzip ist es, die Geschwätzigkeit und kaum noch zu überbietende Banalität der Alltagskultur und der sie repräsentierenden und verstärkenden Massenmedien zu demaskieren oder zu persiflieren. Konnte Sontag mit ihrem Konzept Camp den Anfängen der Pop-Art noch etwas an Raffinement und Subversion abgewinnen, so sieht die Situation fünfzig Jahre später eher kläglich aus. Die Popkultur hat ihr Repertoire an spielerischem Recyceln des Gewesenen längst ausgereizt. Sie hat sich auf Gedeih und Verderb dem Markt ausgeliefert. Alles Dandyistische ist längst verdampft oder domestiziert worden. Die Formel, der Dandy sei ein Provokateur mit Takt, ebnet ihm früher oder später den Weg in den Mainstream, in eine entfesselte, sich beschleunigende Massenproduktion. Die taktvolle Provokation dieses Möchtegern-Dandys ist an die Marktzyklen gebunden, die von ihm stets eine Neuerfindung seiner selbst verlangen. Mit der Ankunft des Dandys im akademischen Feld der Gender Studies und der poststrukturalistischen Diskursanalyse, mit der sich die traditionellen Geschlechterstereotypen, die herkömmlichen Grenzziehungen zwischen Hochkultur und Unterhaltungskultur und die Strategien des Performativen 205

7 Der Dandy im Zeitalter der Popkultur und der neuen Medien

auf ideale Weise durchbuchstabieren lassen, schreitet seine Eingemeindung unaufhörlich voran. Das Bestreben eines Dandys zielt auf Überlegenheit und Unabhängigkeit. Selbstverständlich steht er nicht jenseits der Marktverhältnisse. Seine Existenz als Dandy erlegt ihm freilich Grenzen auf. Er verachtet das Triviale, Vulgäre, Gemeine. Ihm widerstrebt das Nützlichkeitsdenken, der krude Erwerbssinn. Erfolg auf dem Markt führt zu Konzessionen an den Geschmack der Käufer. Brummell und Baudelaire scherten sich nicht um den Markterfolg. Sie mussten dafür einen hohen Preis zahlen. Der eine war nicht mehr in der Lage, als Dandy zu leben, als ihn der finanzielle Kollaps ereilte. Der andere konnte sein Dandytum früherer Jahre in Zeiten der Not nur noch als geistige Haltung aufrechterhalten. Ihr Hochmut legte ihnen eine strenge Askese auf. In den Milieus der Subkultur finden sich zahlreiche Verwandlungskünstler und Selbstdarsteller unterschiedlichster Couleur. Aber diese Exzentriker und Außenseiterexistenzen sind keine Dandys, sondern urbane Überlebenskünstler. Sie haben vom Dandy die eine oder andere Attitüde übernommen, doch weder ist die Eleganz ihr einziger Beruf, noch widmen sie sich einzig und allein dem Zweck, die Idee des Schönen in ihrer Person zu kultivieren. Sie sind Designer und Dekorateure des Selbst, hektisch bemüht, Aufmerksamkeit zu erhaschen. Durch das postmoderne Spiel mit Widerspiegelungen hat sich die Aura des Dandys verflüchtigt. In der »celebrity culture« werden die Ansprüche auf Authentizität zugunsten einer reinen Feier des Image aufgegeben. Radikalität wird konsumierbar und ihres Stachels beraubt. Der postmoderne Dandy in Gestalt des Pop-Dandys, der sich der Massenmedien souverän bedient, ist eine verflachte, breitgetretene Version des Dandys.

Hipster und Popper Manche Analytiker des Zeitgeistes sehen in Sozialfiguren wie Hipster und Popper Ausprägungen eines zeitgemäßen Dandytums im Sinne der Camp-Ästhetik.521 Diese Stilrebellen verstehen sich wie die Pop-Dandys als Konsumelite und Advokaten eines neuen Geschmacksbürgertums. Ihre Rebellion erschöpft sich freilich vornehmlich im Self-Fashioning. Foucaults Idee einer Ästhetik der Existenz – die Entwicklung von Selbsttechniken zur Formung des Ichs – reduziert sich bei ihnen auf ein bestimmtes erlesenes Konsumverhalten, auf eine Kosmetik der Existenz. »Das Leben wird zum Stoff eines Kunstwerks; es ist ein permanenter Selbstversuch, der den Konsum als hohe Kunst betrachtet.«522 206

Hipster und Popper

Wie die geschilderten Camp- und Pop-Dandys sind Hipster und Popper Varianten einer konsumistisch verengten Ästhetik der Existenz. Sie unterscheiden sich von der Masse lediglich durch ihre Kennerschaft bezüglich der Produkte des höheren Konsums. Hipster und Popper sind geschmacksbürgerliche Spielarten des »Massendandys«.523 Ihre Warenkunde beschränkt sich auf Marken, auf standardisierte Luxusprodukte. Zierte früher ein Monogramm die Hemden des eleganten Mannes, so sind es heute die Namen der Hersteller. Der »Massendandy« hat die Entscheidung über seinen Geschmack, was ihn kleidet und welche Accessoires zu ihm passen, an fremde Instanzen abgegeben, deren Diktaten er sich unterwirft. Vorbild seines Bemühens um Stilbildung ist der zeitgenössische Designer mit den entsprechenden Labels und ihren massenmedialen Multiplikatoren.524 Maßstab für den Dandy ist und bleibt dagegen der in seinem Urteil unabhängige, jeglichem Marketing und Self-Fashioning gegenüber hochmütig Distanz wahrende Gentleman. Er folgt dem eigenen Gusto und betrachtet den erfolgreichen Designer als einen Lieferanten und Verfertiger von Dutzendware. Die Rede von einem neuen Dandyismus, der das überkommene Bild des Dandys durch ein neues ersetze oder zumindest ergänze, ist fast so alt wie das Phänomen selbst. Im englischen Fin de Siècle war es Holbrook Jackson, der diese Losung ausgab. In den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts entdeckte der englische Modehistoriker James Laver in der Carnaby-Street-Mode Anzeichen eines neuen Dandytums, das mehr und mehr in den Unterschichten Resonanz finde. Darauf replizierte der mexikanische Schriftsteller Octavio Paz mit der berechtigten Frage: »Nebenbei: was würde Baudelaire wohl sagen angesichts der Vergesellschaftung des Dandyismus in Carnaby Street? Unsere Modernität ist das genaue Gegenteil der seinen: wir haben aus der Exzentrizität ein allgemeines Konsumgut gemacht.«525 Während Baudelaire versuchte, dem Warencharakter des Dandyismus zu entkommen, ist er heute ein wohlfeiles, jedermann zugängliches Konsum- und Lebensstilmuster geworden. Es ist dies ein Dandytum, das billig zu haben ist, selbst wenn es kostspielig sein sollte. Habe Mut, dich deines eigenen Geschmacks zu bedienen, möchte man den heutigen Dandys von der Stange zurufen. Verzichte auf Marken! Löse dich vom Gängelband der Modeimperien!

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Kollektivierung des Individualismus Baudelaires Vorhersage, der Dandy werde im Zuge der Demokratisierung und Nivellierung aussterben, und Roland Barthes’ Behauptung, die Massenkonfektion bedeute den Tod des Dandys, sind vor dem Hintergrund einer unübersehbaren Renaissance dandyistischer Verhaltensdispositionen und -strategien in unserer Kultur mit Vorsicht zu betrachten. Denn je aussichtsloser es erscheint, eine echte Dandyexistenz zu führen, desto größer wird der Wunsch nach Wiederbelebung dieser Tradition. Offenbar füllt der Dandy eine Leerstelle moderner Existenz aus. Dem Künstler verspricht er das rebellische Anderssein, die antibürgerliche Weltsicht; dem Normalbürger und Konsumenten erscheint er als ein belebendes, die Sinne aufstachelndes Element in einer Kultur, die nach Abwechslung verlangt. Sich durch seine äußere Erscheinung vom Bürger abzuheben war immer schon ein Privileg des Künstlers und Bohemiens. In einer Zeit sportlicher Bequemlichkeit und Nachlässigkeit in der Kleidung der breiten Masse ist es nicht schwer, sich durch ein ausgesuchtes Outfit zu unterscheiden. Wo Formlosigkeit herrscht, braucht es nicht nur Bizarrerien, es reichen oft schon kleine Farbtupfer im äußeren Erscheinungsbild, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Punks, Hipster und andere stilbewusste Außenseiter sind längst Teil urbaner Vielförmigkeit und Subkultur. Die Demokratisierung des Glamourösen bedingt eine Erweiterung des Rekrutierungsfeldes für das Personal des Highlife. Die Ansprüche an die Existenz des Dandys werden reduziert. Die Linie von Brummell über Wilde bis Lagerfeld zeigt die inhaltliche Entleerung des Dandybegriffs an. Auch der aufsässige Künstlerdandy à la Baudelaire ist zahnlos geworden. In Gilbert & Georges Auftritten als lebende Skulpturen spiegelt sich das Schicksal dieses Dandytypus ironisch wider. Er wird zum reproduzierbaren Massenprodukt. In der Gegenwart verstärkt sich der Druck der Gesellschaft auf den Einzelnen. Man könnte sagen: »Je weniger Individuen, desto mehr Individualismus.«526 Indem das Individuum seine vereinzelte, von der Gesellschaft abhängige Existenz absolut setzt, macht es sich zur Phrase. Verödung der Individualität und Kult des Individualismus gehören zusammen. Eine auf die Verherrlichung des Individuums abzielende Werbesprache – der Soziologe Zygmunt Bauman spricht von »Individualitätsfetischismus«527 – setzt es damit zum »(…) bloßen Rezeptionsorgan des Marktes, zum Nachbildner unverbindlich ausgewählter Ideen und Stile herab.«528 Es sind dann die Zahllosen, die 208

Dandytum und Mode

nichts mehr kennen als sich und ihr nacktes Interesse. Nicht das Verschwinden des Individuums ist anzuzeigen, sondern seine innere Aushöhlung. Dem kollektiven Individualismus entspricht eine Dandyfizierung der Massen- und Medienkultur. Das Dandytum nimmt banale Züge an, wenn Eleganz zum Markengut wird, Nonchalance, Extravaganz und Individualismus zum Kennzeichen der Massenkultur. Die Konjunktur des Dandytums heute rührt daher, dass der Schauseite der Tätigkeit ein immer größeres Gewicht gegeben wird. Die Medien sehen im Dandy den perfekten Selbstdarsteller, der sich virtuos zu vermarkten versteht. Es geht um das selbstverliebte Sich-zur-SchauStellen gleich einer glänzend verpackten Ware, die auf dem Markt angepriesen wird. Übersehen wird dabei der asketische Zug des Dandys, seine vornehme Abkehr vom Marktgeschehen. Der Dandy negiert den Aufmerksamkeitswert, den er erzielt, durch das Streben nach Exklusivität. Er reagiert auf den Zustand entfesselter Individualität, indem er sich selbst Fesseln anlegt.

Dandytum und Mode »The fact that fashion features dandy items is of no import. Dandyism is not a trend, it is a raison d’être«. (Robin Dutt)

Die Kunst der Kleidung kommt den ästhetischen Bestrebungen des Dandys noch am nächsten. Doch dass Designer, also Leute des Schneiderhandwerks, Dandys sein sollen, ist etwas Neues.529 Früher besaß der Dandy einen Schneider, der in seinem Auftrag, nach seinen Vorstellungen die Kleidung anfertigte. Der Schneider stattete den Dandy aus, aber er war kein Dandy. Heute regiert der erfolgreiche Designer ein Imperium und hält Hof wie ein Fürst. Wenn es keine Dandys mehr gibt, die die Mode diktieren, sagt er sich, springe ich in die Bresche. Er wird zum Modediktator, als Dandy gepriesen. In aller Deutlichkeit hat Roland Barthes den Gedanken zurückgewiesen, die Mode leiste einem neuen Dandytum Vorschub. Das Gegenteil sei der Fall. Sie habe das Dandytum getötet. Der Dandy radikalisiere die Kleidung des vornehmen Mannes. Er konfrontiere nicht die höhere Gesellschaftsschicht mit der niederen, sondern das Individuum mit dem Gemeinen, wobei er seine Kleidung letztlich nur der eigenen Deutung unterwerfe. Nicht ein konkreter Gegenstand, sei er noch so erlesen, mache das »Detail« seiner Kleidung aus, sondern eine subtile Art, eine Aufmachung zu brechen, sie einer allgemeinen Werteskala zu entziehen. Die Wirkung einer Form sei durchdacht, die Aufma209

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chung nicht nur ausgeführt, sondern aufbereitet. Für Barthes ist das Dandy­ tum nicht nur eine Ethik, sondern eine Technik. Die Technik garantiere die Ethik wie bei allen asketischen Philosophien. Der Dandy sei dazu verurteilt, stets neue Unterscheidungsmerkmale zu erfinden. Das Detail habe die Funktion, der Masse zu entfliehen. Die Einzigartigkeit des Dandys sei absolut in der Essenz, aber relativ bzw. gemäßigt in der Substanz, denn er dürfe nie ins Exzentrische verfallen. Barthes registriert, dass sich das Variationsspektrum der Details erschöpft hat, seitdem die Männerkleidung durchgehend zum Industrieprodukt geworden ist. Sobald eine Form standardisiert werde, verliere sie ihre Einzigartigkeit. Dies gelte auch für das Prêt-à-porter. Prêt-à-porter ist industriell bzw. manufakturell hergestellte Kleidung für die Mittelschicht, die in Designer-Boutiquen vertrieben wird und sich von der Haute Couture wie von der Massenkonfektion unterscheidet. Sie trägt zusätzlich dazu bei, den Spielraum des Dandys einzuschränken und sich durch Erfindung von Details von der Masse zu unterscheiden. Hier wird das Originelle selbst vermarktet. Barthes begreift den Dandy als jemanden, der seine Aufmachung genau so konzipiert wie ein Künstler seine Komposition. Der Dandy kann seine Kleidung nicht kaufen. »Da ihm plötzlich nur noch die Freiheit des Kaufens blieb und nicht mehr die der Kreation, mußte das Dandytum zwangsläufig ersticken und aussterben: die neuesten italienischen Schuhe oder den letzten englischen Tweed zu kaufen, ist ein ganz und gar gemein banales Verhalten, insofern es eine Anpassung an die Mode bedeutet.«530 Barthes’ Fazit lautet: Die Mode hat alle vom Einzelnen erdachte Singularität der Kleidung vernichtet, weil sie tyrannisch die Verantwortung für deren institutionelle Singularität übernommen hat. »Der gesamten zeitgenössischen Kleidung durch die Mode etwas Dandytum einzuimpfen, hieß den fatalen Tod des Dandytums als solchen heraufbeschwören, denn wesensmäßig ist es dazu verurteilt, radikal oder gar nicht zu sein.«531 Barthes übersieht freilich, dass dem auf originelle Kleidung bedachten Mann die Zuflucht zum handwerklich Hergestellten nicht genommen ist. Es gibt noch Maßschneider, Schuh-, Hut-, Handschuh- und Hemdenmacher, die im persönlichen Auftrag tätig werden. Savile Row existiert immer noch. Ihre Existenz ist nur erheblich geschrumpft, und in der Tat hat die Prêt-à-porter-Mode à la Armani versucht, die auszeichnenden Details in eigene Regie zu nehmen. Die Spielraum des Dandys hat sich verengt, daran besteht kein Zweifel. Der Dandy läuft Gefahr, dass sein Versuch, sich durch seine Kleidung 210

Glamour und Stil

auszuzeichnen, als nicht mehr originell erscheint, weil sich die Variationsmöglichkeiten erschöpft haben. Die Modeindustrie überbietet sich an originellen Entwürfen. Gleichwohl ist Robin Dutt recht zu geben, wenn er insistiert: »Die Tatsache, dass die Mode Elemente des Dandytums zu vermarkten sucht, ist ohne jede Bedeutung. Das Dandytum ist kein Trend, es ist eine Lebenseinstellung.«532 Viele sogenannte neue Dandys sind Nostalgiker. Sie feiern einen Ball der dreißiger Jahre, tragen dazu Dinnerjacket, Smoking oder Frack, machen Anleihen bei den Moden der Vorkriegszeit. Sie legen wieder Wert auf Manieren und zelebrieren die Wiederauferstehung des Ästhetischen. »Das Leben dieser Neo-Dandys ist eine Suche nach der verlorenen Zeit. Sie spielen jeden Tag ihre selbst erfundenen Rollen und zelebrieren Klischees; der Schein ist wichtiger als die Substanz.«533 Der Dandy ist seinem Wesen nach janusköpfig: rückwärtsund vorwärtsgewandt zugleich. Er will zurück und das Verblichene wieder ins Leben zurückholen, er ist aber auch erfinderisch und setzt neue Maßstäbe. In der Selektion zeigt sich der überlegene Geschmack. Es geht dem Dandy nicht darum, sich ein altmodisches Outfit, zum Beispiel aus der spätviktorianischen Zeit, zuzulegen. Ein Dandy ist immer auf der Höhe seiner Zeit. Er ist nicht altmodisch. Heute, da in der Mode Altes und Neues miteinander kombiniert werden, wäre es exzentrisch, sich wie ein altenglischer Gentleman mit Zylinder und Frack zu kleiden. In der Übernahme des Altehrwürdigen zeigt sich keine Originalität. Sie zeigt sich in der individuellen Mischung, in der Kreation von etwas Eigenem. Dandy sein heißt nicht, sein Outfit immer neu zu erfinden. Der Dandy neigt zum Klassischen, Moderaten. Er sucht das rechte Maß.

Glamour und Stil Glamour war schon in den Anfängen Hollywoods ein Medium, in dem sich ein neuer Typ von Reichtum, der Wohlstand einer neuen Elite von Filmstars, Profiboxern und Studiobossen, artikulierte.534 Es ist ein luxusbesessener, akkumulativer Stil der Selbstdarstellung. Moderner Glamour weist weit weniger auf Exklusivität und Distinktion als auf den endgültigen Niedergang von Glamour hin. Die Accessoires und Technologien dieses Stils stehen heute einer Vielzahl von Menschen zur Verfügung. Glamour wird vergesellschaftet, zum Beispiel durch Billigkopien von Couture-Originalen. Der Kunsthistoriker Tom Holert meint in Anlehnung an den britischen Journalisten Ian Penman zu Recht, das 211

7 Der Dandy im Zeitalter der Popkultur und der neuen Medien

Festhalten an der Vorstellung von einem »echteren, authentischen Glamour alter Schule« sei das Symptom einer Krise der Kategorie. »Denn Glamour scheint an allen Fronten seiner vielfältigen Semantik und Pragmatik gefährdet.«535 Was den Dandy einst ausmachte – Exklusivität, nonchalante Eleganz, demonstrativer Müßiggang – existiert noch in Einzelfällen und in Randzonen der Gesellschaft. Das Element des Glamourösen, das dem Dandy innewohnt, ist jedoch unter demokratischen Bedingungen ein Massenphänomen geworden. Insofern ließe sich mit Holert sagen, dass die Behauptung eines neuen Dandytyps weniger auf das Vorhandensein von Exklusivität und Distinktion als auf das Ausdünnen seiner vormals charakteristischen Merkmale hinweist, denn auch der Dandy ist an allen Fronten seiner vielfältigen Semantik und Pragmatik gefährdet. Impulse des Dandytums werden vergesellschaftet. Der entfesselten Glamourisierung des Alltags entspricht die allseitige Dandyfizierung des Outfits. »Da Glamour allgegenwärtig geworden ist, sind es auch die im Glamour eingebauten Imperative der Perfektionierung und Optimierung.«536 Die heutigen Protagonisten des Glamours gehen ganz in der »Funktionalität des Re-Branding und Multi-Tasking« auf. Als Dandys posierende Designer und Popstars sind Beispiele für ein funktional, das heißt marktgängig gewordenes Dandytum. Modemacher wie Karl Lagerfeld und Künstler wie David Bowie sind stilprägend und gelten als Stilikonen. Eine Ikone ist ein Kultbild, das der Verehrung der Gläubigen anempfohlen wird. Ikonen sind geoffenbarte Abbilder göttlicher Gestalten und Ereignisse (Christus, Maria, Heilige). Ein Stilschöpfer ist keine Ikone, es sei denn, er schafft sich eine religiöse Anhängerschaft, die ihn heiligspricht. Mode ist eine sehr profane Angelegenheit und ihre Protagonisten sind Trendsetter, im besten Falle auch Stilschöpfer wie zum Beispiel Coco Chanel oder Giorgio Armani. Auch Lagerfeld und Bowie mögen für einen bestimmten Stil stehen. Es besteht aber kein Grund, sie heiligzusprechen und zu Ikonen zu erklären. Stilschöpfer sind Vorbilder bzw. Leitbilder, an denen sich andere orientieren. In der Mode soll die größtmögliche Wirkung erzielt werden, weshalb die Designer sich in einem Wettbewerb um Heiligsprechung befinden. Jeder will eine Stilikone sein. Die Inflation von sogenannten Stilikonen verrät die Abwesenheit von Stil. Stil wird behauptet als Markenzeichen. Man kann ihn kaufen. Heutige Stilikonen sind der Beweis dafür, dass es keinen Stil mehr gibt, sondern ein Reservoir von beliebigen Formen und Mustern, aus denen sich jeder bedienen kann. 212

Der Dandy der Masse

Der Dandy der Masse Im Film »American Gigolo« (1980) spielt Richard Gere einen Gigolo, der sich als Callboy wohlhabenden Frauen für intime Begegnungen anbietet. Er trägt Armani-Anzüge und Hemden sowie Sakkos, die sich seinem gut geformten Körper anschmiegen. Germano Celant, Chefkurator der Armani-Ausstellung im New Yorker Guggenheim-Museum 2000/2001, spricht von der Geburtsstunde des »mass dandy«.537 Dieser sei ein durch das System der Massenkommunikation, insbesondere den Film, erzeugter Verhaltenstypus im Zeitalter der Prêt-à-porter-Mode. Er mache sich zur Projektionsfläche der Wünsche eines Massenpublikums. Der Gigolo gehe vollkommen in dem von ihm selbst und den Medien geschaffenen Image auf. Sein Körper verschmelze mit der Kleidung. Die Körpernähe und Körperbetontheit der Kleidung findet man schon bei George Brummell. Barbey d’Aurevilly schreibt, die Dandys hätten einst unter Brummell die Idee gehabt, »ihre Anzüge großflächig abschaben zu lassen, bis sie nur noch eine Art Spitzenarbeit waren – eine Wolke.«538 Dies entspricht in etwa der Idee von Armani, das Sakko zu entstrukturieren, also das Futter aus dem Stoff zu lösen oder es auszudünnen, damit der Stoff sich direkt der Form des Körpers anpasst. Es lässt aber nur Männer mit perfekten, sportlichen Figuren wie Richard Gere gut aussehen. Der Armani-Mann, hier Gigolo genannt, ist ein Minimalist. Wie für den Dandy gilt für ihn die Maxime, nicht aufzufallen. Der Dandy der Masse, so Celant, will nicht originell oder einzigartig sein, nicht überraschen noch sich unterscheiden. Er will gefallen und so sein wie andere. Er stelle eine populäre Variante des Dandys dar, der sich in dieser Gestalt massenhaft vermehre und multipliziere. Die Funktion des Dandys werde vervielfältigt und allgemein verfügbar. Gemeint ist die Aneignung des von Armani via Prêt-à-porter verbreiteten Kleidungsstücks, das offenbar vielen Männern das Gefühl verschaffen soll, sie hätten das Zeug zu einem Gigolo. Man könnte Armanis Kleiderreform mit der Brummells zur Regency-Zeit vergleichen. Auch Brummell plädierte für Einfachheit und raffinierte Schlichtheit. Auch er opponierte gegen die Steifheit und den überladenen Prunk. Die von ihm propagierte Männerkleidung war ebenfalls perfekt auf die Form des Körpers zugeschnitten. Allerdings mangelte es ihr an Sportlichkeit, da der Gentleman Sport und Gesellschaft trennte. Erst der Herzog von Windsor brachte eine sportliche Note in die Gesellschaftskleidung des Gentleman. Es war der man-about-town, sei er nun Aristokrat oder Parvenü, auf den Brum213

7 Der Dandy im Zeitalter der Popkultur und der neuen Medien

mells suit zugeschnitten war. Armani geht einen Schritt weiter. Er bezieht die breiten Mittelschichten als Adressaten mit ein. Seine Kleidung soll Freizeitwie Bürokleidung sein. Sie trägt außerdem den Veränderungen im Verhältnis zwischen den Geschlechtern Rechnung. Mit der Kreation eines Dandys der Masse hat Armanis Kleiderreform nichts zu tun, denn einen solchen kann es per definitionem nicht geben. Man kann das Dandytum nicht kaufen. Als Produkt von der Stange verliert es sein Aroma wie ein edler Wein in einer Plastikflasche. Doch nicht einmal die Filmfigur in »American Gigolo« erfüllt die Voraussetzungen eines Dandys. Ein Gigolo ist ein Mann, der sich von Frauen bezahlen lässt, wozu sich ein Dandy nicht zu schade wäre, denn er muss ja leben, doch muss er darauf achten, seine Unabhängigkeit nicht zu verlieren. Zweifellos kann ein Dandy ein Gigolo sein, doch nicht jeder Gigolo ist ein Dandy. Celant leitet die Figur des »mass dandy« von der Funktion der Kleidung des Gigolos ab, die einem neuen Typ von Schönheit und Eleganz entspreche, der massenhaft Verbreitung finde. Doch macht ein kleidsames Sakko und ein sportliches Hemd von Armani noch keinen Dandy. Celant verkennt, dass ein Dandy jemand ist, der sich bewusst von der Masse unterscheidet, nicht von der Masse der Gentlemen, sondern der gewöhnlichen Mitbürger. Hätte der Gigolo die Mission, den Massen seine Vision von Geschmack und Eleganz zu vermitteln, also seinen Teil zur Demokratisierung der Mode zu leisten, so würde er sich überflüssig machen, sobald seine Mission erfüllt ist. Da die Zahl der Armani-Träger unüberschaubar geworden ist, braucht es keinen Herold mehr. Man kann indes kaum behaupten, dass der Dandy der Masse in der Figur Richard Geres eine veredelnde Wirkung auf die Masse ausgeübt hätte. Die Vulgarität der Masse hat trotz Armani in gigantischem Umfang zugenommen. Auch kann die Kleidung Armanis den perfekt sitzenden Herrenanzug, dessen Grundform Brummell konstruiert hat, nicht ersetzen. Sie ist mehr als legere Freizeitkleidung geeignet denn als neue Norm des Straßenanzugs. Die Tyrannei der Korrektheit wird durch die Tyrannei der Sportlichkeit ersetzt.539 In der Tat geht der Dandy mit der Zeit. Er trauert nicht dem alten Herrenanzug nach. Brummell schreibt in seinem hinterlassenen Manuskript über »Male and Female Costume«, ohne das Neue »the senses would cease to be excited – novelty, so alluring to, so irresistible by the young, that it is inseparable from the idea of youth«.540 Doch nicht alles Neue sei schön. Es erfordere »great elegance of taste, and truth of judgment to determine the modes of 214

Der Dandy der Masse

dress«.541 So gesehen ist fraglich, ob Armani wirklich das Neue im Sinne großer Eleganz des Geschmacks verkörpert. Prêt-à-porter kann keinen Maßschneider ersetzen. Und ein echter Dandy legt Wert auf die richtige Passform. Das unterscheidet ihn vom Konfektions-Dandy. Dem »mass dandy« Celants entspricht der »democratic dandy« George Waldens.542 Für Barbey d’Aurevilly und Baudelaire waren die Dandys eine Bruderschaft »höherer« Menschen, eine Meritokratie des Stils. Sie standen über der Aristokratie. Für die beiden französischen Dichter stand fest, dass das Dandytum mit dem Siegeszug der Demokratie zum Aussterben verurteilt sein würde. Für Walden und Celant sind die Charakterzüge des Dandys – Eitelkeit, Frivolität, Hedonismus, Vorliebe für das Äußere, ironische Distanz zur Welt usw. – nicht an eine bestimmte Epoche gebunden, sondern zeitlos. Doch welche Gestalt nehmen sie in der Freizeitgesellschaft und im Zeitalter der Information an? Heute gebe es – so die Autoren – Millionen, die stilbewusst leben. Es existiere ein Dandytum von unten (Mods, Rocker, Teddyboys), der kleinen Leute, für jedermann erschwinglich. Die ökonomische Basis des Dandytums der Masse ist die Verdrängung des Maßschneiders durch den Designer. Dieser produziert Mode für die Masse und benötigt als Multiplikatoren Modeidole, die einen bestimmten Look unter die Leute bringen. Filmstars, Popmusiker, Entertainer, Sportidole – sie alle arbeiten eng mit berühmten Designern zusammen. Es handelt sich um Konfektionsdandys, Produkte der Marketingabteilung von Modeimperien. Der Dandy hält um jeden Preis Distanz zur Masse, wobei sich deren Zusammensetzung wandelt. Heute bildet die gesamte Gesellschaft eine Masse, bestehend aus Angehörigen aller Schichten, aus Reichen und Armen, Adligen und Kleinbürgern, Yuppies und Popkünstlern. Dem Siegeszug der Massenkonfektion entspricht die Omnipotenz der Massenkultur. Der Dandy hat keine Berührungsangst vor Kitsch und Trash. Trödel kann für ihn durchaus die Aura des Edlen und Erlesenen annehmen. Auf keinen Fall jedoch ist er ein Trendsetter neuester Mode, es sei denn, er selbst hat sie kreiert. Für ihn gilt die Regel: »Modisch ist, was man selber trägt. Altmodisch ist, was andere Leute tragen.«543 Vorfabrizierte Konfektionsware von der Stange mag geschmackvoll sein, und ein Dandy hat im Prinzip nichts dagegen, solche Kleidung zu tragen, doch für sich genommen hat sie nichts den Träger Auszeichnendes. Genauso gut kann ein Dandy seine Kleidung auf Flohmärkten, in Second-Hand-Läden oder auch in normalen Kaufhäusern erwerben. Entscheidend ist der persön215

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liche Geschmack des Trägers, der sich darin zeigt, wie er die Kleidung kombiniert, wie er ihr eine persönliche Note verleiht. Diese hängt vom Habitus, der Einstellung, Haltung und Kultur des Trägers ab. Erst die entsprechende Geisteshaltung macht den Dandy aus. Ein Dandy rebelliert gegen das Vulgäre seiner Zeit, den alles durchdringenden schlechten Geschmack, die Allgegenwart des Hässlichen. Die Anpassung an die Modelle der Designermode verrät einen Mangel an Originalität und Geschmackskultur. Was soll denn ein »demokratischer Dandy« oder ein »Dandy der Masse« anderes sein als eine gewöhnliche, billige Dutzendvariante des vormals Einzigartigen, Seltenen, Heroischen? Wie kann man ein elitäres und exklusives Männlichkeitsideal demokratisieren, ohne es aufzuweichen? Die Schwierigkeiten zeichneten sich schon zu Brummells Zeiten ab. Sein Kleidungsstil ließ sich zwar von vielen Gentlemen übernehmen, aber der finanzielle Aufwand blieb beträchtlich: ständiger Wechsel der Kleidung aus Gründen der Reinlichkeit, bestes Material, beste Maßanfertigung, ausgesuchte Accessoires, ferner ein erlesener Luxus im gesamten Lebensstil, raffiniertester Geschmack, der ohne viel Zeit nicht zu kultivieren war. Zweifellos besteht heute ein weitverbreitetes Interesse am Dandy, denn man möchte sich gern von der Masse unterscheiden und beweisen, dass man etwas Besonderes ist. Der Preis ist jedoch höher als früher. Der Dandy muss sich konsequent vom Markt, von der Designermode, vom Jetset und vom vulgären Medienspektakel fernhalten und sich ganz auf sich selbst stellen. Er muss radikal die Partei des Schönen, der Eleganz und des Müßiggangs gegen die Partei des Kommerzes, des praktisch Nützlichen, des Konformismus und des Egalitären einnehmen. Im Zeitalter der Beschleunigung wählt er die Immobilität. In einer Zeit der Extravaganz entscheidet er sich für das Diskrete.544 Der heutige Dandy lebt zurückgezogen unter seinesgleichen, für die Öffentlichkeit oft unentdeckbar und unentzifferbar. Zu glauben, erst die Öffentlichkeit promoviere ihn zum Dandy, ist ein schwerwiegender Irrtum. Das Prestige, das ein Brummell in der Society genoss, verdankte er nicht der Berichterstattung in der Presse, sondern der Wertschätzung durch die Spitzen der englischen Gesellschaft. Was Journalisten über Dandys schrieben, war für das Urteil der eleganten Kreise um Brummell unmaßgeblich. Den »Szenen« oder »Sets«, die heute über ihre Medien die Definitionsmacht in Sachen Dandytum beanspruchen, seien die Worte von Hugo Ball ins Stammbuch geschrieben: »Seitdem der Banause nacheinander Dichter und 216

Der Dandy der Masse

Philosoph, Rebell und Dandy geworden ist, gebietet der Takt, ihm die freiwillige Armut, die rigoroseste Abstinenz, wenn nicht die gewollte Verschollenheit, in der er das höchste der Wunder sähe, entgegenzusetzen.«545

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8 Dandys in der Gegenwart

Die Renaissance des Gentleman: Chaps und Sapeurs 1999 erschien in England erstmals das Magazin The Chap. Seine Herausgeber, Gustav Temple und Vic Darkwood, haben damit eine Bewegung ins Leben gerufen, die dem englischen Gentleman wieder Geltung verschaffen soll.546 Der Chap (wörtlich: Kerl, Bursche) ist ein Nachfahre des Dandys. Er wendet sich gegen die durch die amerikanische Massenkultur entstandene Unsitte des schlechten Benehmens und der stillosen Kleidung, gegen Billigprodukte und Kettenrestaurants. Der Chap setzt sich aus den zersplitterten Fragmenten des Gentleman zusammen. Er kleidet sich mit Vorliebe im Stil der vierziger Jahre, als die Herrenkleidung noch über hohe Qualität und raffinierten Formsinn verfügte. Der Chap ist sich nicht zu schade, in die ausrangierte Kleidung früherer Gentlemen zu schlüpfen, die er sich in Second-Hand-Läden besorgt. Er ist kein Nostalgiker in dem Sinne, dass er einen alten, längst abgelegten Kleidungsstil wiederbeleben will. Er fügt Altes mit Neuem auf originelle, individuelle Weise zusammen, wobei die Qualität der Stoffe für ihn entscheidend ist. Er will nicht eine einfache Kopie des Gentleman alten Stils sein. Er will ihn neu erfinden und diesem hochkultivierten englischen Modell des Mannes gegen den Ungeist der Zeit wieder zu seinem Recht verhelfen. Für den Chap ist eine moderne Stilfigur wie der großstädtische Hipster zu sehr der gängigen Jugendkultur verhaftet. Dass der Hipster Elemente des Dresscodes eines Gentleman mit Jeans und Turnschuhen kombiniert, ist für den Chap eine Todsünde. Die meisten Chaps – die weibliche Spezies nennt sich Chapettes – gehen einer beruflichen Tätigkeit nach. Sie sind oftmals in sogenannten »kreativen« Branchen als Schauspieler, Designer, Kuratoren oder Journalisten tätig. Der Chap vermeidet eine feste Anstellung und bevorzugt die selbständige Tätigkeit. Diese erlaubt es ihm, frei über seine Arbeitszeit zu verfügen und seinen Morgenmantel bis zum Mittag anzubehalten. Einen großen 218

Die Renaissance des Gentleman: Chaps und Sapeurs

17 Gustav Temple, Herausgeber des »Chap«Magazins, in Skinners Hall, Dowgate Hill, London, 2005.

Teil des Tages verbringt er mit Vergnügungen, die einem Gentleman gemäß sind. Der Chap kommt in seiner unkonventionellen Existenzweise einem Dandy-Bohemien gleich. Im Unterschied zum Dandy liegt ihm allerdings jedes impertinente Betragen und kühle, hochmütige Verhalten fern. Er will seine Umwelt nicht provozieren, obwohl seine Art, sich zu kleiden, unvermeidlich Aufsehen hervorruft. Er will durch »gentility«, durch ausgesuchte Höflichkeit und gute Manieren, durch Witz und Ironie, seine Mitmenschen in Erstaunen versetzen und für sich einnehmen. Sein Dresscode schreibt ihm Tweed-Anzüge vor. Gegenläufig zum herrschenden Konformismus und Gesundheitsfa219

8 Dandys in der Gegenwart

18 Posierende Sapeurs in Kinshasa, 2010.

natismus ist Rauchen seine Passion. In Paragraph 2 des Chap-Manifests heißt es: »Smoking a pipe is not only a deeply pleasant way to relax, but the pipe itself becomes a formative anarcho-dandyist tool.«547 Selbstverständlich tragen Chaps elegante Hüte, allein schon um sie mit Schwung lüften zu können. Im Unterschied zum Hipster und zum Pop-Dandy ist der Chap kein Virtuose des Marketings. Auch bedarf er nicht der Massenmedien, um sich in Szene zu setzen. Er bleibt lieber unter seinesgleichen und meidet die Berührung mit dem Big Business. Sein Kampf gegen das Vulgäre gilt nicht den unteren Klassen. Er gilt dem allgegenwärtigen Konformismus der Konsumenten. Der Chappismus ist wie der Dandyismus eine typisch englische Lebensphilosophie. Sie steht in einer langen Tradition des Selbstkultes, der Exzentrik und der Subkulturen, die für dieses Land typisch sind.548 Auf den ersten Blick könnten die Sapeurs in der Republik Kongo als geistige Verwandte der Chaps gelten.549 Auch sie betrachten sich als Gentlemen. Sie bilden die »Société des Ambianceurs et des Personnes Élégantes« (Gesellschaft der Partygänger und Eleganten), kurz: la sape550, und haben sich einer Philosophie 220

Ein effeminierter Herr: Quentin Crisp

der Kleidung und des Verhaltens verschrieben, die durchaus Ähnlichkeiten mit der Philosophie der Chaps aufweist. Wenn die Chaps durch ihre ästhetisch perfekt austarierte Kleidung selbst in einer Modemetropole wie London auffallen, so ist der Eindruck, den die Sapeurs bei ihren Auftritten in Bacongo, einem Vorort von Brazzaville, hinterlassen, ungleich bizarrer. Inmitten von Armut und Verfall erscheinen sie in ihrer extravaganten Kostümierung wie Geschöpfe aus einer anderen Welt. Im Unterschied zu den Chaps haben es den Sapeurs teure Designermarken besonders angetan. Um diese zu erwerben, müssen sie wochentags hart arbeiten. Umso selbstbewusster und selbstverliebter präsentieren sie dann ihr perfektes Outfit in einem sonntäglichen Zeremoniell vor großem Publikum. Ihre Parole lautet: »We live in the outfits, with the outfits and for the outfits.«551 Die Sapeurs parodieren und imitieren mit ihrer demonstrativen Zurschaustellung von europäischen Luxusprodukten den Lebensstil der ehemaligen weißen kolonialen Oberschicht. Sie eignen sich spielerisch das Image des großen Herrn an und behaupten inmitten eines trostlosen Umfeldes die Haltung des urbanen Gentleman. Freilich haftet diesem Bemühen unübersehbar etwas Gewolltes an, das einer Travestie nahekommt. Im Unterschied zu den Chaps, die sich in ihrem Outfit mäßigen, lieben die Sapeurs knallige Farben und exaltierte Posen. Das Dandyhafte erhält dadurch einen Zug ins Karnevaleske, obgleich die ursprüngliche Intention authentisch und radikal anmutet. In ihrem schrillen Look drückt sich ein Protest aus, weniger gegen die Banalität und Vulgarität des modernen Lebens als gegen menschenunwürdige Existenzbedingungen. Sie demonstrieren einmal mehr, dass ein modernes Dandytum seine Impulse Randgängern der Gesellschaft verdankt. Helden des Rückzugs wollen die Sapeurs indes nicht sein. Sie sehen sich auf dem Vormarsch. Zu befürchten ist, dass dieser Vormarsch in den Mainstream mündet, denn die auf das Spektakuläre angewiesene Modeindustrie hat längst ein Auge auf sie geworfen.

Ein effeminierter Herr: Quentin Crisp »Mein Leben ist ein Prozeß der Verfeinerung gewesen. Ich werde mehr und mehr zu mir selbst, und ich wiederhole mich unablässig. Berühmte Leute tun das.«552

Sebastian Horsley erregte in den achtziger Jahren mit seinem Make-up und seinen lackierten roten Fingernägeln Aufsehen in den Straßen Sohos, aber er stellte kein öffentliches Ärgernis dar, dem man mit Polizeigewalt begegnete. 221

8 Dandys in der Gegenwart

Zwanzig Jahre früher musste ein effeminiert aussehender und als homosexuell identifizierter Mann in England noch mit harten Strafen rechnen. Bis 1967 war ein Gesetz in Kraft, das für homosexuelle Handlungen Zuchthaus vorsah. Der 1908 geborene Denis Charles Pratt, der 1931 seinen Namen in Quentin Crisp änderte, weil dieser ein stilvoller Name für eine Persönlichkeit mit Stil sei, hatte sich noch 1944 in einem Prozess des Vorwurfs der »Aufforderung zur Unzucht« zu erwehren. Und selbst nachdem homosexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen bei gegenseitigem Einverständnis nicht mehr strafbar waren und die Emanzipationsbewegung der sechziger Jahre weitere Freiheiten erkämpft hatte, zog Crisp es vor, 1981 seinen Wohnsitz nach New York zu verlegen, wo er sich weniger diskriminiert fühlte. Quentin Crisp und Sebastian Horsley repräsentieren unterschiedliche Generationen englischer Exzentriker mit dandyhaften Zügen, in deren Ha­bitus sich die veränderten Zeitumstände widerspiegeln. Crisp blieb immer ein Gentleman alter Schule, der sich zwar in seinem Äußeren schrill vom Durchschnitt dieser Spezies abhob, dessen Formen und Manieren aber von feinstem Stilbewusstsein zeugten. Horsley stellt dagegen eine vergröberte Variante des Exzentrikers und Gentleman dar, der glaubte, zu spektakuläreren Mitteln greifen zu müssen, um seine Persönlichkeit zu entfalten. Hatte Crisp aufgrund seines Äußeren noch mit Anpöbeleien und körperlichen Attacken zu rechnen, so wirkte Horsleys Peacock-Outfit zwar auf seine Umwelt befremdlich, doch wirklich erstaunen konnte diese Attitüde nur noch wenige, hatte man sich doch in London längst daran gewöhnt, dass Rock- und Popstars sich gegenseitig an Extravaganz zu übertrumpfen suchten. Quentin Crisps Vorbilder waren die großen Diven und Stars des Films der zwanziger und dreißiger Jahre: Marlene Dietrich, Greta Garbo und Brigitte Helm, die Hauptdarstellerin in Fritz Langs »Metropolis«. Was sie auszeichnete, waren Schönheit, Stil und Unnahbarkeit, Gesten von erlesener Eleganz und ausgeklügeltem Raffinement. In der Gegenwart ist dieser Typus längst ausgestorben. Es gibt keine Göttinnen und keine Vamps mehr. Madonna verfüge nicht mehr über diese Qualitäten, meinte Crisp 1999 in einem Interview wenige Monate vor seinem Tod. Sie sei kein wirklicher Star, denn es fehle ihr an Unnahbarkeit.553 Trotz oder gerade wegen seines Andersseins blieb Crisp in einer immer freizügiger werdenden Welt ein Mann der Konventionen. »Wenn überhaupt noch etwas niederzureißen bleibt, so ist es die Konvention, unkonventionell zu sein.«554 Sehr spät in seinem Leben – er hatte schon die siebzig überschrit222

Ein effeminierter Herr: Quentin Crisp

ten – wurde Crisp in England, vor allem aber in den Vereinigten Staaten, eine Autorität in Fragen des Stils. Er verschmähte es nicht, in Talkshows und zahlreichen Bühnenauftritten, so etwa unter dem Titel »An Evening with Quentin Crisp«, sich einem breiten Publikum zu präsentieren. Seiner 1968 erschienenen Lebensgeschichte »The Naked Civil Servant« – Crisp hatte viele Jahre als Aktmodell gearbeitet – folgten mehrere Bücher über Stilfragen: »How to Have a Life Style« (1975), »Doing It With Style« (1981) und »The Wit and Wisdom of Quentin Crisp« (1984). Crisp wurde berühmt und Teil »der Glitzerwelt der ewig lächelnden und freundlich nickenden Showstars«.555 Oscar Wilde, als dessen legitimen Nachfolger ihn viele betrachten, war für ihn kein Vorbild. Er schätzte ihn als Menschen und Charakter eher gering ein. Er hielt ihn für scheinheilig und fand sein Verhalten marktschreierisch wie das der heutigen Medienstars. »Herr Wilde hat einmal gesagt, schlimmer, als im Gespräch zu sein, sei nur, nicht im Gespräch zu sein. Er war eine Art männliche Madonna.«556 Wilde habe zwischen Verkommenheit und einer geradezu fixen Idee von Schönheit hin und her geschwankt. Seiner Entscheidung, sich der Anklage wegen Homosexualität vor Gericht zu stellen, spricht Crisp Stil ab, denn wie könne sich jemand plötzlich auf die Gesetze der Gesellschaft berufen, die er zuvor der Verachtung preisgegeben hätte. »Er wollte angeben und war so ein Scheinheiliger. Er stand vor Gericht und salbaderte von Liebe und bediente sich des ehrenwerten Namens Platons, obgleich er das denkbar schmutzigste Leben führte.«557 Crisp spielt hier auf Wildes Umgang mit Strichjungen an, die ihm sein Geliebter Lord Alfred Douglas zuführte. Ihn stieß die Bigotterie ab, mit der Wilde diesen Umgang zu verschleiern suchte. Crisp hatte selbst Jahre seines Lebens auf dem Männerstrich verbracht. Die schroffe moralische Verdammung des großen Poeten und Märtyrers der Homosexuellen durch einen Leidensgefährten wie Quentin Crisp mag ungerecht erscheinen. Sie beweist jedoch die Unabhängigkeit und Unbestechlichkeit seines Urteils. Crisp fühlte sich keiner Bruderschaft zugehörig. Er erkannte zweifellos die Qualitäten des Theaterautors Wilde an, war aber nicht bereit, dem aus seiner Sicht schäbigen Charakter des Dichters Absolution zu erteilen, nur weil er mit ihm dieselbe sexuelle Veranlagung teilte. Virginia Woolf hat das Dandytum einmal als eine Art Lebensphilosophie bezeichnet. War der stilbewusste Quentin Crisp ein solcher Philosoph, der seine Philosophie wirklich lebte? Kann man ihn überhaupt als einen Repräsentanten des Dandytums in unserer Zeit bezeichnen? Crisp bewunderte Künst223

8 Dandys in der Gegenwart

ler wie Salvador Dalí, Andy Warhol und David Hockney, denen es gelungen sei, »ihr Leben zu ihrem Hauptwerk zu machen, so daß alles, was sie herstellen, zu einer Art Selbstporträt wird«.558 Die Literaturwissenschaftlerin Rhonda K. Garelick, die über eine Begegnung mit dem Neunzigjährigen in New York berichtet, sieht in Crisp eher ein hybrides Wesen. Einerseits verfüge er über den beißenden Witz und die souveräne Ironie des Dandys, andererseits verberge er, wenn er von seinen schmerzvollen Erfahrungen in der englischen Gesellschaft erzähle, sein wahres Ich nicht hinter einer Maske. Er lässt es in seinem autobiographischen Bericht »The Naked Civil Servant« nicht an realistischer Eindeutigkeit fehlen. Wirkliche Dandys dagegen, wenn sie denn überhaupt Memoiren schreiben, sind bestrebt, ihr Inneres dem Leser gegenüber zu verhüllen. Crisp hatte, wie Garelick zu Recht betont, mehr von einem Bühnenstar als von einem Dandy. »Sein kunstvoll konstruiertes Selbst und sein kaltblütiger Witz, die von Brummell und Baudelaire her stammen könnten, verbinden sich mit dem exhibitionistischen Stil von Talkshowrunden und einer keine Scham kennenden, manchmal schockierenden Neigung zur Publicity, die eines Dandys unwürdig ist.«559 Auch durch seinen flamboyanten effeminierten Kleidungsstil entsprach Crisp nicht den gängigen Vorstellungen von nüchterner, unauffälliger Eleganz, die den typischen Dandy kennzeichnet. Er kleide sich nicht, so der Historiker Nigel Rodgers, um sich selbst zu gefallen, sondern um andere zu beeindrucken oder herauszufordern.560 Wenn Crisp Make-up und Nagellack verwendete, um sich einen femininen Anstrich zu geben, überschritt er zweifellos die Grenzen schlichter männlicher Eleganz, wie sie für den Dandy seit Brummells Zeiten verbindlich war. Diese Norm sollte man aber nicht dogmatisch zum zeitlosen Prinzip erheben. Ein Dandy kann extravagant und übertrieben oder auf raffinierte Weise klassisch-elegant gekleidet sein, entscheidend für sein Wesen als Dandy ist nicht der Look, sondern seine gesamte Lebensgestaltung und sein singuläres Stilempfinden. Wenn Baudelaire behauptet, schlichte Eleganz sei immer noch das beste Mittel sich zu unterscheiden, und Alfred Loos dieses Prinzip zur Grundbedingung des Kostüms des modernen Gentleman erklärt, so bedarf es doch der Überprüfung in einem veränderten kulturellen und gesellschaftlichen Umfeld. Die Auflockerung der Geschlechternormen und das Spiel mit der Geschlechtsidentität in unserer Zeit lassen auch das Outfit des Dandys nicht unberührt. 224

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19 Quentin Crisp in New York, o.J.

Crisp wich im Übrigen gar nicht so sehr von den Grundmustern moderner Herrenkleidung ab. Das Besondere an seiner äußeren Erscheinung war nicht der Schnitt des Rocks, sondern die Verwendung ungewöhnlicher Accessoires. Anstelle einer Krawatte trug er ein mit einer Brosche zusammengehaltenes Halstuch. Auffallend ist die Verwendung von Schminke. Die Augenbrauen sind mit einem Lidstrich nachgezogen, die Gesichtshaut mit einer dicken Schicht Puder überzogen. Das Alltagsleben war für ihn wie ein Bühnenauftritt. Sein Make-up gab ihm ein feminines Aussehen, was seine sexuelle Orientierung unterstrich. Damit verkörperte Crisp nur eine extreme Seite der Ausdrucksskala, die für den Dandy von betonter konventioneller Männlichkeit über das Androgyne bis zum offen Femininen reicht. Crisp verachtete die Dandys der Regency-Zeit. Dabei dachte er an die Vielzahl der affektierten Stutzer, die damals mit dem Prädikat Dandy belegt wurden. Crisp wollte weder mit dieser noch mit irgendeiner Gruppe von Dandynachfolgern identifiziert werden. Er war ein Solitär. Er glaubte an Stil, seinen 225

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eigenen, unverwechselbaren Stil. Dass er in späteren Jahren zu einer Berühmtheit in den Medien wurde, störte ihn nicht. Ruhm war ihm nicht so wichtig. »Wenn Ruhm lediglich heißt, bei einer großen Anzahl von Menschen bekannt zu sein, die man selbst nicht kennt, dann war ich viele Jahre lang berühmt oder doch wenigstens berüchtigt. Ich kann bestenfalls behaupten, daß einige Nebeneffekte dieses Zustands immerhin amüsant waren.«561 Berühmtheit änderte nichts an seinem Stil. Dieser bestand neben der eigenartigen Kostümierung in ausgesuchten Posen, in der Sprache wie im Verhalten. Eine gewisse Manieriertheit war ihm eigen. Andererseits sah er sich als einen altmodischen Gentleman, der aus der Zeit gefallen war. Er pflegte einen Ha­ bitus ausgesprochener Höflichkeit und Liebenswürdigkeit, gepaart mit einem oft künstlich wirkenden Rollenverhalten, als agiere er immer auf einer Bühne und sage einen einstudierten Text auf. Was bei Sebastian Horsley zur Methode wurde – seine Unterhaltungen mit vorher notierten Sentenzen und Aphorismen zu würzen, die er immer wieder zum Besten gab, so dass sie wie auswendig gelernt klangen –, kennzeichnete auch das Verhalten seines Vorgängers und Vorbildes Quentin Crisp. Eine Begegnung mit Crisp lief, wie Horsley berichtet, nach einem bestimmten Muster ab: »Jeden seiner Sätze hätte ich an seiner statt beenden können – hatte ich doch alle seine Bücher gelesen. Professionelle Höflichkeit ließ das nicht zu. Gegen Ende des Abends fiel es selbst ihm auf. ›Wenn Sie das schon einmal gehört haben, Herr Sebastian, dann unterbrechen Sie mich bitte nicht, denn ich selbst würde es gerne nochmals hören‹.«562 Auch Garelick bestätigt Crisps Neigung, gleichsam mechanisch vorfabrizierte Antworten zu geben, obgleich er den Eindruck zu erwecken versuchte, jedes Wort verdanke sich einer spontanen Eingebung. Das entwaffnende Paradox und die überraschende Volte im Gespräch, die den Dandy seit Brummell auszeichnen und die von Wilde zu höchster Kunst entwickelt worden sind, sind Teil der Strategie des Dandys, andere in Erstaunen zu versetzen und doch selbst niemals erstaunt zu sein. Das Beispiel Quentin Crisps offenbart, dass ein heutiger Dandy, will er überhaupt wahrgenommen werden, nicht nur der Erfahrung existentiellen Außenseitertums bedarf, sondern auch einer besonderen geistigen Beweglichkeit. Sein Spiel mit Worten in einem Umfeld sprachlicher Verwahrlosung und sein subversives Festhalten an Konventionen in einer Gesellschaft ohne Formen zeugen von einem bis ins Letzte verfeinerten Lebensstil, der die liebenswürdigen Affektiertheiten erzeugt, die das Natürliche ersetzen. 226

Ein Dandy in Anführungsstrichen: Andy Warhol

Ein Dandy in Anführungsstrichen: Andy Warhol »Ich streiche das Lebendige durch … Ich habe nach einem mechanischen Sieb gesucht.« (Paul Valéry, Monsieur Teste)563

Man hat Andy Warhol (1928–1987) einen Anthropologen der Vereinigten Staaten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts genannt. Sein Medium ist die seriell hergestellte Druckgraphik und Malerei, seine Gegenstände sind die Objekte und Mythen des Alltags: Coca-Cola-Flaschen und Campbell-Suppendosen ebenso wie der elektrische Stuhl; Elvis Presley und Marilyn Monroe, Jacqueline Kennedy und Richard Nixon ebenso wie die auf Fahndungsplakaten abgebildeten meistgesuchten Verbrecher. Warhol ist, wie der Zeichner und Aquarellist Con­ stantin Guys zu Baudelaires Zeiten, ein Porträtist des modernen Lebens. Guys war ein Sittenschilderer und Meister der schnellen, flüchtigen Skizze. Sein Erfahrungsfeld war die Metropole Paris. Erfahrungsorte der Modernität sind für Warhol das amerikanische Großstadtleben und die Massenmedien: die Zeitungen und Zeitschriften, der Film, die Photographie, das Fernsehen und die Tonträger. Baudelaire widerstrebte es, Guys einen reinen Künstler zu nennen. Er erinnere ihn mehr an einen Mann von Welt, einen Dandy. Wie der Dandy besitze Guys ein Gespür für die Wandlungen des Zeitgeistes. Andererseits fehle es ihm an der für den Dandy typischen Unempfindlichkeit. Er sei als Künstler zu leidenschaftlich an der ihn umgebenden Welt interessiert und verabscheue die Blasiertheit. Baudelaire sah in Guys den vollendeten Flaneur, dessen Leidenschaft und Beruf es sei, »sich mit der Menge zu vermählen«.564 Auch Warhol ist ein Mann der Menge, ein vollendeter Flaneur.565 Im Unterschied zu Guys zeugt sein Blick auf die Welt jedoch von Kühle und Teilnahmslosigkeit und kommt damit der Haltung eines Dandys näher. Seine Leidenschaft erscheint wie eingefroren. Sie will sich nicht äußern. Der Künstler nimmt emotionslos wahr, was um ihn herum geschieht. Die Kälte des Gefühls entspricht der Atmosphäre der Entfremdung in der Welt, in der er lebt, der Welt der Waren und des Konsums. Warhol umgibt sich mit einem Panzer, um ihren Reizen zu widerstehen. Als ein Chronist des Alltagslebens zieht er sich jedoch nicht ins Interieur zurück, sondern sucht wie Guys die Konfrontation mit der Öffentlichkeit. Er ist ein Beobachter, der inmitten der anonymen Großstadtmenge sein Inkognito zu wahren sucht. Wie Guys möchte man Warhol einen Dandy nennen.566 Die Eitelkeit des Dandys und sein Bedürfnis nach Selbstbespiegelung verlangen nach einem 227

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Publikum, das ihn bewundert und das er beherrscht. Allerdings weiß er stets Abstand zu halten. Mittel der Distanzierung sind seine raffiniert elegante äußere Erscheinung, die zu vollenden täglich viel Zeit in Anspruch nimmt, und die provozierende Rede. Sein entschiedener Widerwille richtet sich gegen die um sich greifende Trivialität und den öden Erwerbssinn einer Gesellschaft banaler Durchschnittsexistenzen. Schon an diesem Punkt wird die Trennungslinie zwischen dem Baudelaire’schen Dandy und Warhol, dem Künstler der Menge, sichtbar. Warhol hat den Kampf gegen die Trivialität nie geführt. Er hat sie bejaht und sich mit der Welt des Konsums arrangiert. Er gewinnt ihr einen eigentümlichen Reiz ab. Während der Dandy alten Stils sich angeekelt vom Vulgären abwendet, sucht Warhol als Protagonist des Camp die Nähe zum Vulgären. Er verschafft ihm durch sein Werk eine glänzende Aura. Wie vor ihm Marcel Duchamp erhebt er die Produkte des Alltags in den Rang von begehrten Kunstobjekten. Das Beispiel Warhol zeigt: Die elitäre Attitüde des Künstler-Dandys hat sich in der modernen Massenkultur weitgehend überlebt. An ihre Stelle tritt die Haltung und Erlebnisweise des Camp, einer subtilen Art, sich an den Produkten der Massenkultur zu delektieren. Bereits der aristokratische Gesellschaftsdandy pflegte eine Neigung zum Kitsch. Er umgab sich mit Nippes und scherte sich nicht um die Urteile von Schöngeistern. Er liebte die bricolage. Der Künstler-Dandy in der Nachfolge Baudelaires pflegte dagegen einen hermetischen Kunstanspruch. Der Dadaismus und rezidivierende Formen wie Fluxus haben zwar die Grenzen gesprengt, die das Anspruchsvolle vom Trivialen trennen. Im Unterschied zur nachfolgenden Pop-Art hielten sie jedoch an einem antibürgerlichen Habitus fest und verhöhnten die Welt der Warenproduktion. Warhol demonstriert mehr als jeder andere, dass im Zeitalter technischer Reproduzierbarkeit und der Massenkultur der Anspruch auf Originalität und Einzigartigkeit obsolet geworden ist. Der Siebdruck als Reproduktionsverfahren wies den Weg, die persönliche Handschrift zu eliminieren. Die Signatur verlor an Bedeutung. Die Grenzen zwischen dem Künstlichen und dem Realen verschwammen in einem als Pop begriffenen Leben.567 In den Warhol’schen Selbstinszenierungen lösen sich die Unterscheidungen zwischen der Person des Künstlers und dem Kunstwerk auf. Es kommt zu einer Zerreißprobe zwischen dem Wunsch des Ichs nach öffentlicher Aufmerksamkeit und dem Verlangen nach Auslöschung der Person. Warhols Gebrauch der Maschinenmetapher zielt auf ein Unkenntlichwerden des Ichs und äußert sich im unauf228

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hörlichen Dokumentieren des Belanglosen, Banalen und seiner Verwandlung in bunt schillernde Oberfläche. Warhol verlässt die Ebene, die den Dandy mit exklusivem Geschmack und elitärer Kultur assoziiert. Er entwickelt einen erlesenen Geschmack am Geschmacklosen und siedelt den Dandy – so sehen es die Apologeten eines auf Warhol verweisenden »new dandyism« – in der Massen- und Alltagskultur an. Warhols Genie besteht darin, das Gewöhnliche, den Alltagsstil zu überhöhen, um auf diese Weise eine Attitüde der Überlegenheit einzunehmen. Größte Nichtigkeiten werden in seiner Zeitschrift Interview zu Sachen von Bedeutung aufgebläht und alles andere mit der größten Nonchalance behandelt. Warhol repräsentiert Camp, die Vermischung der Geschmacksebenen und Stile, in einem sich radikaldemokratisch gebenden Sinne. Als Trendsetter und »Referendare des Alltags« (Ball) marschieren er und seine Mitstreiter an der Spitze der Masse. Das Inkognito dieser Spielart des modernen Dandys ist die Banalität. Die elitäre aristokratische Attitüde wird durch die ironische Identifikation mit dem Habitus des Massenmenschen ersetzt. Der klassische Dandy strebte danach, originell zu sein und die Trivialität zu bekämpfen. Der Dandy im Zeitalter der Massenkultur ist von der Idee durchdrungen, dass heute nichts so originell ist, wie nicht originell sein zu wollen. Die Welt Andy Warhols ist nicht originell und von keinerlei Individualität getrübt. Warhol erfindet keine eigenen Bilder. Er nimmt das Triviale der Massenmedien auf und überträgt es in ein Medium, das Dauer zu verbürgen scheint. Er demonstriert, dass der Anspruch, Dandy zu sein, in der Gegenwart bedeutet, sich den Massenmedien anzuverwandeln oder – besser noch – selbst zum Massenmedium zu werden. Warhol begann in den fünfziger Jahren als Werbedesigner. In seinem 1975 erschienenen Buch »Die Philosophie des Andy Warhol von A bis B und zurück« schreibt er, es habe schon damals für ihn festgestanden, dass die größte Kunst das Geschäft mit ihr sei. »Ich wollte Kunst-Businessman oder Business-Künstler sein. Ein gutes ›Business‹ ist die faszinierendste Kunst überhaupt.«568 Es sei viel besser, Business-Kunst zu machen als »Kunst-Kunst«, denn allein Business-Kunst bringe einen Nutzen und mache sich bezahlt. Warhol ebnet den Unterschied von Kunst und Nichtkunst rigoros ein. Für ihn zählt nur Kunst, die einen Marktwert hat. Sogenannte Kunst um der Kunst willen hat in seiner Kunstphilosophie keinen Platz. Betrachtet man seinen Werdegang, kommen einem jedoch Zweifel, ob er es mit seiner Philosophie ganz ernst meint. Als er sie auf Tonband diktierte und als Buch veröffentlichte, 229

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war er gerade im Begriff, seine Rolle als Underground-Künstler und Avantgarde-Filmemacher aufzugeben und sich dem Geschäft mit dem großen Geld zu widmen. In seinen Anfängen als freier Künstler hatte er erfahren müssen, dass seine Werke auf wenig Interesse stießen. Waren sie deshalb keine Kunst? Und wurden sie es erst, nachdem sie auf dem Kunstmarkt reüssierten und massenhaft Verbreitung fanden? Warhol, so scheint es, hat sich eine Erklärungsstrategie zurechtgelegt, um seinen Eintritt in die Welt des Business zu rechtfertigen. Seine Lobrede auf die Business-Kunst hört sich wie pure Ironie an, doch steht zu vermuten, dass er es ernst meint. Dem entspricht seine Erfahrung, dass in der amerikanischen Gesellschaft allein das Geld und der mit Geld verbundene Ruhm zählen. In einem Interview zwei Jahre vor seinem Tod heißt es: »Wenn ich nur dabei geblieben wäre, die Campbell Soups zu machen (…) weil jeder sowieso nur ein Gemälde macht. Dieses Gemälde immer wieder zu machen, wenn man Geld braucht, das ist wirklich eine gute Idee, nur dieses eine Gemälde wieder und wieder, was das ist, was den Leuten zu einem einfällt.«569 Zwischen Künstlern wie Giacometti und Dubuffet einerseits und Bernard Buffet, einem seiner Lieblingsmaler570, andererseits existiert für ihn kein Rang­ unterschied. Buffet besitze eine gute Technik und erziele gute Preise, was wolle man mehr? Für Warhol wird die Frage, ob etwas in der Kunst gut oder schlecht ist, allein vom Markt beantwortet. Wenn es sich verkauft, ist es gut. Wenn es sich sehr gut verkauft, ist es sehr gut. Die beste Kunst ist die populäre Kunst, die Pop-Art, da sie auf ein Massenpublikum abzielt. Sie ist jene Kunstform, die im 20. Jahrhundert den Glanz und die Banalität der massenhaft hergestellten, perfekt konfektionierten Waren und die Darstellung des schönen Scheins zu ihrem Gegenstand gemacht hat.571 Für Warhol, aus einfachen Verhältnissen stammend, war der Wunsch, einmal zur Welt der Schönen und Reichen zu gehören, schon in frühen Jahren ein entscheidender Arbeitsantrieb. Als Werbedesigner brachte er es zu Wohlstand und Renommee. Seine Erfahrungen in dieser Branche übertrug er auf die Kunst. Als Popkünstler faszinierten ihn die Mythen des Alltags, Stoffe, die die Massenmedien produzieren. Die Kunst, wie er sie definiert, sollte selbst ein Massenmedium sein. Sein Ziel war es, vom Außenseiter zum Repräsentanten des Mainstreams zu werden. Um dies zu erreichen, musste er als Person Starqualitäten erlangen. Als Medienstar, im Herzen der Massenmedien, reproduzierte er das, was die Medienwelt beschäftigte: die Welt des glitzernden Konsums, der celebrities, der politischen Prominenz, der alltäglichen Katastro230

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phen. Warhol verstand es, aus sich zu Lebzeiten eine Legende, einen Mythos zu schaffen.572 Die Welt der Waren ist der Ausgangspunkt des Werbegraphikers Warhol. Durch die Werbung werden die Waren so verpackt und angepriesen, dass der Käufer auf sie aufmerksam wird. Warhol überträgt dieses Prinzip auf die Kunst. Sie ist nicht Einspruch gegen die schöne, bunte Welt der Waren. Die zu Gegenständen der Kunst erhobenen Konsumgüter und Ikonen der Kulturindustrie machen dem Betrachter bewusst, welchen ästhetischen Reizen er sich ausliefert. Die Abbildung geschieht nicht ohne Techniken der Verfremdung, die dem Abbild Glanz, aber auch etwas Verstörendes verleihen. Von Affirmation zu sprechen, greift zu kurz. Warhol hat Distanz zur Welt der Waren. Zugleich ist er von ihr magisch angezogen. Wenn er sie abbildet, so erfolgt dies auf ausgeklügelte Weise. Die serielle Form der Reproduktion, der Siebdruck, zeigt das Immergleiche. Sie folgt dem Prinzip der Wiederholung. Das Immergleiche ist verbunden mit dem Versprechen von Glück und Befriedigung. So funktioniert nach Meinung Warhols nicht nur die Warenwerbung, sondern auch die Kunst. Kunst ist heute mehr denn je Business-Kunst. Warhol stand noch am Anfang dieser Entwicklung. Als Künstlerperson verwandelt er sich der indifferenten Welt des schönen Scheins an. Was sich dabei ereignet, ist – mit Arnold Gehlen zu sprechen – ein Prozess der Kristallisation, des Einfrierens lebendiger Impulse. Die Erfindung einer Malmaschine, die dem Künstler die Arbeit abnimmt, wäre die ideale Lösung. »Ich glaube wirklich, dass man eine Maschine bauen könnte, die den ganzen Tag lang für dich malt, und wirklich gut malt, und man selbst könnte dann was anderes machen und wirklich wunderbare Bilder produzieren.«573 Das Besondere an Warhol ist, dass er das, was er malt, auch verkörpert: das Leblose, Gleichgültige, Triviale der von ihm reproduzierten Welt der Gegenstände. Man kann von einer Pose sprechen, von einer bewussten Haltung der Indifferenz und Teilnahmslosigkeit, wobei zu beobachten ist, dass die Maske der Ungerührtheit Warhol im Verlauf seines Lebens mehr und mehr ins Fleisch gewachsen ist. Die Massenkultur, der er sich virtuos anschmiegt, funktioniert wie eine Maschine. Sein Ziel ist, es ihr gleichzutun. »Der Grund, warum ich in dieser Art male, ist, daß ich eine Maschine sein möchte, und ich habe das Gefühl, daß, was immer ich tue und maschinenähnlich tue, dem entspricht, was ich tun möchte.«574 In der Einstellung, die dem Arbeitsprozess in der kommerziellen Kunst zugrunde liegt, äußert sich ein ästhetisches Gefühl, das nicht frei ist von Melancholie.575 Als Maler des modernen Lebens hat Warhol erkannt, dass 231

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trotz der Rede von der freien Entfaltung des Individuums im Grunde eine Vereinheitlichung und massenhafte Anpassung durch die Medien und den Konsum stattfindet. Er sieht für die Zukunft Verhältnisse vollständiger Uniformität heraufziehen. Warhol antizipiert diese Entwicklung in seiner Kunst, die den Menschen als Anhängsel der Maschine zeigt, als »letzten Menschen« im Sinne Nietzsches. Warhol hat ein untrügliches Gespür für die nivellierenden Folgen der Standardisierung und Normierung. Reiche wie Arme trinken Coca-Cola und tragen Jeans. »Eines Tages wird jeder einfach das denken, was er denken möchte, und dann wird wahrscheinlich jeder dasselbe denken; das scheint es mir zu sein, was kommen wird.«576 Warhols häufiger Gebrauch der Maschinen-Metapher drückt das Bedürfnis nach Unverwundbarkeit aus. Wer sich von seinen Tagebüchern Einblick in das Innenleben Warhols erhofft, sieht sich getäuscht. Es handelt sich um Vermerke über Begegnungen mit Prominenten, mechanisch aneinandergereiht, ohne jede Reflexion. Warhol liest Zeitungen, sieht Filme, Fernsehen, geht auf Partys, auf Reisen, zu Ausstellungen. Die Tagebücher zeigen einen Warhol, der sich geistig kaum weiterzuentwickeln scheint, der distanziert beobachtet und nichts von sich preisgibt, der seinen Weg als Dokumentarist und Archivar der Prominenz gefunden hat. Die ungeheure Fülle der Konsumgüter und die Allmacht der Reklame könnten den Eindruck erwecken, dass nur noch die Oberfläche Gültigkeit besitzt. Nichts ist mehr original. Die Utopie der Qualität und der Transzendenz – so Jean Baudrillard – ist verschwunden.577 Der Schein trügt jedoch. Zwar werden wir mehr denn je von visuellen Eindrücken beeinflusst, doch das Leben spielt sich immer auch jenseits dieser Oberfläche ab. Es ist ein Irrtum zu glauben, alles sei Simulation, Oberfläche, Schein, es gebe nur noch eine virtuelle Realität. Die Welt des Scheins hat zwar an Macht gewonnen, doch der Betrachter lebt in einer Alltagsrealität, die ihn immer wieder aus der Welt der Scheins auf den Boden der Tatsachen zurückholt. Auch bei Warhol ist die Brüchigkeit der Welt des Scheins erfahrbar, wenn er Sujets verwendet, die wie bei Goya die Erfahrung des Grauens vermitteln.578 Der Tod als Kehrseite des Ruhms und des Erfolgs ist ein wiederkehrendes Thema. In seiner Biographie wird der Schein der perfekten Oberfläche immer wieder durchstoßen und der einsame, verletzbare Mensch sichtbar. Warhol hat sich dagegen mit einem Statement zu schützen versucht, das er dem großen Spötter Oscar Wilde entlehnt hat: »Wenn Sie alles über Andy Warhol wissen wollen, so betrachten sie die Oberfläche meiner Bilder und Filme und mich selbst. Das bin ich. Dahinter gibt es nichts.«579 232

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Würde man nur die Oberfläche betrachten, so bliebe jedoch eine wesentliche Dimension ausgeklammert. Warhols Begriff von Schönheit kommt trotz aller Versuche der Tarnung ohne Tragik und Schmerz nicht aus. Seine letzten Selbstporträts zeigen nicht mehr den Künstler als aufstrebenden jungen Mann, sondern ein zerfurchtes, zur Grimasse verzerrtes Gesicht. Warhols Exzentrik war tragischer als die der meisten Camp-Protagonisten. In der Tat war es der empfundene Schmerz, der den Wunsch weckte, ein totes Ding zu sein, nicht mehr fühlen und leiden zu müssen. Im Spiel mit der Maske hat Warhol in Wilde seinen Vorgänger. Lord Illingworths Worte »Ich schwärme für simple Vergnügen. Sie sind die letzte Zuflucht der Komplizierten« aus dem Theaterstück »Eine Frau ohne Bedeutung« könnten von Warhol stammen.580 Das Vergnügen am Vulgären ist nicht nur ein aristokratisches Vorrecht. Es kennzeichnet auch die amerikanische Auffassung von kulturellen Privilegien: »dem Privileg, gewöhnlich zu sein«.581 Für Wilde ist alle Kunst zugleich Oberfläche und Symbol.582 Wie dieser steht Warhol mit seiner Person und seinem Werk in einem symbolischen Verhältnis zu seiner Zeit. Das Werk – so Heiner Bastian – symbolisiert »all die Keime der Verfremdung, die in diesem Jahrhundert der Fragmentation entstanden sind«.583 Doch Warhol war nicht nur ein distanzierter Betrachter der Oberflächenphänomene des Lebens. Er war auch ein aktiver Teilnehmer an der Kultivierung von Berühmtheit und Image. Er bediente sich einer Image-Technologie, die in der Werbebranche längst institutionalisiert war. »Diese Leute hatten keine geringere Weisheit in ihrem Besitz, als daß allein der Name, seine Dauerpräsenz in den Medien zählt, unabhängig von der Originalität oder gar dem Wert des Produkts.«584 Besonders interessierten Warhol die Stars. Er war von der Fähigkeit des Glamours begeistert, ein durchschnittliches Individuum in ein Traumwesen zu verwandeln.585 Durch die Hollywood-Studios war das Star-System demokratisiert worden. Filmindustrie und Mode lieferten Warhol die Vorlagen und Arbeitsverfahren für seine Kunst. In seiner Factory produzierte er seine eigenen Stars, die durch Modephotographen wie Richard Avedon und Cecil Beaton in die Chroniken der Hochglanzmagazine Eingang fanden. Warhols künstlerischer Werdegang spiegelte sich in seiner äußeren Erscheinung wider. Photos aus den fünfziger Jahren zeigen einen jungen Mann, der Wert auf sein Äußeres legt. So ließ er sich auf seiner ausgedehnten Asienreise in Hongkong einen dreiknöpfigen kamelhaarfarbenen Anzug schneidern. Er kreierte den 233

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»How to Succeed in Business-Look«, »mit einem leicht schwul-dandyhaften Touch, den ersten in einer ganzen Reihe seiner unverwechselbaren persönlichen Stile«.586 In den sechziger Jahren änderte sich sein Outfit. Er war nun ein freier Künstler, bevorzugte den Boheme-Look und entwickelte einen Geschmack am schlechten Geschmack. Die Camp-Attitüde blieb jedoch moderat. Das Thea­ tralische, Ostentative dieser Geschmacksrichtung – von den von ihm kreierten Superstars kultiviert – hielt sich bei ihm in Grenzen.587 Warhol bevorzugte schwarze Kleidung und dunkle Brille, Jeans und Lederjacken und eine silbern besprühte Perücke. Nach dem Attentat 1968 trug er nüchtern geschnittene Jacken, Markenhemden oder schwarze Kaschmir-Rollkragenpullover zu Jeans. Mit dem Magazin Interview, dessen erste Nummer 1969 erschien, schuf Warhol eine eigene Plattform zur Verherrlichung von Glamour, Stil und Mode. Das Magazin machte seine Geschmacksvorstellungen einem größeren Publikum bekannt. So rückte er von einer randständigen Existenz ins Zentrum der Welt der celebrities vor. Das Magazin verband wie Warhols Videoprogramme Kunst, Unterhaltung, Mode und Gesellschaftsklatsch. »Obwohl sie die Chronik des Lebens der Reichen und Schönen führt, feiert die Zeitschrift im Kern die populäre Kultur und verkörpert Andys Warhols Glauben an die demokratische Natur des Ruhms.«588 Mit Warhols Aufstieg in die mondänen Kreise ging eine Dandyfizierung seines Outfits einher. Er trat in die Fußstapfen von Truman Capote, dem Idol seiner Jugend. Statt Lederjacken trug er nun Samtjacketts und teure Stiefel. Einzig die Bluejeans waren geblieben.589 Er gab sich einen Anstrich von stilvoller Eleganz, ein Stil, der freilich Elemente des Camp-Geschmacks beibehielt, zum Beispiel durch die Benutzung von starkem Make-up und die Verwendung ausgefallener Perücken, die ihn in weibliche Rollen schlüpfen ließen. Zudem verfügte er über eine ganze Batterie erlesener Parfüms. In dieser Kostümierung glich er sich einer Diva an. »In der Factory«, schreibt Barbara Straumann, »gibt es zwar eine ganze Anzahl von Superstars, doch es gibt nur eine Diva, die sich von den Nur-Stars nährt und zugleich abhebt.«590 Die Diva ist ein Star, der auf der Grenze steht. Ihre Wirkung bezieht sie dadurch, dass sie zwischen realer Person und fiktionaler Person changiert. Als Diva – der Begriff wird hier auch für männliche Personen gebraucht – repräsentiert Warhol nicht nur einen künstlich erzeugten Glamour, sondern bringt seinen realen Körper in seiner Zerbrechlichkeit und Versehrtheit ins Spiel. Warhol wurde 1968 durch ein Attentat schwer verletzt. Die Narben 234

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der Schusswunden, von dem Photographen Richard Avedon abgelichtet, markierten seine Verwundbarkeit. Über sein Privatleben wahrte er indes Schweigen. Es ist nur wenig über Eskapaden, Affären und Dramen im Leben Warhols bekannt. In seiner Verschlossenheit und Maskenhaftigkeit glich er weniger einem Kunstkörper, der sich mit existentiellem Schmerz verschränkt591, als einer »Sphinx ohne Geheimnis«, wie ihn sein Freund Capote, ein Bonmot Oscar Wildes aufgreifend, einmal genannt hat. Auch fehlte ihm die Unnahbarkeit einer 20 Andy Warhol, 1979. Diva. Man muss sich Warhol als eine Addition und Mischung unterschiedlicher Typen und Figuren vorstellen. Er spielte mit verschiedenen Rollen. Mal war er Flaneur, Künstler, Dandy, mal Celebrity, Popstar, Diva oder Camp-Ikone. In Warhols Person kommt die Wechselbeziehung von Schönheitsideal und Selbstverwandlung beispielhaft zum Ausdruck. Gewisse Eigenarten des Künstlers, der immer auf der Suche nach neuen Eindrücken war, ließen jedoch daran zweifeln, dass er das Zeug zum Dandy besaß. Daniela Morera schreibt: »Man konnte Warhol wohl kaum einen Dandy nennen, wenn er das berühmte, elegante New Yorker Restaurant Mr. Chow mit einer Plastiktüte betrat, in der er sein Tonbandgerät zusammen mit zusätzlichen Bändern und Batterien mit sich trug.«592 Einzig – so Morera – seine Schuhe von Ferragamo bewiesen einen Hauch von Dandytum. In den achtziger Jahren verkehrte Warhol in den Clubs und Szenetreffs der Disco-Society, wo sich die modischen Trendsetter ein Stelldichein gaben. Er pflegte Beziehungen zu einflussreichen älteren Damen der Gesellschaft wie Paulette Goddard und Diana Vreeland. Sie zogen ihn zu einer gesellschaftlichen Ebene hinauf, von der er bisher nur hatte träumen können. Vreeland, 235

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Chefredakteurin der Vogue und eine der großen Damen der New Yorker Gesellschaft, führte Warhol in die Geheimnisse der Haute Couture und die Gepflogenheiten der High Society ein. Warhol nahm an Modeschauen teil und legte sich eine große Auswahl an Designer-Kleidung zu. Gelegentlich trat er selbst als Model auf. »Andy Warhol liebte die Mode schon wegen ihres Vokabulars. Zu verschiedenen Zeiten trug er Manchesterjacketts von DeNoyer, Levi’s Jeans, Stiefel von Berlutti di Priigi, Herrenbekleidungsartikel von Brooks Brothers, Pullover von YSL, Wettermäntel von Stephen Sprouse und Lycra-Rollkragenpullover, Hosen von Leather Man, West Village, New York und Jockey-Unterwäsche. Er liebte Kosmetika, Cremes und Toner und trug sie in einer großen Tasche mit sich herum.«593 Es war das Ende der Underground-Ära. Die Leute in der Factory wurden immer mehr zu Yuppies. In Europa verkehrte Warhol mit Giovanni Agnelli, Stavros Niarchos und anderen Größen der Geldaristokratie. Er wurde wie Cecil Beaton zum weltweiten Gesellschaftsporträtisten. Zu seinen Auftraggeberinnen gehörte Farah Diba, die Frau des Schahs von Persien. Gesellschaftlich war Warhol ganz oben angekommen. Man lud ihn zum Dinner ins Weiße Haus ein. Seine Auffassung von Sinn und Bedeutung der Kunst – absolute Öffentlichkeit zu erreichen und das eigene Ego zum Zweck größter Publicity zu pflegen – hatte Früchte getragen. Warhol verstand sich als einen Repräsentanten der Masse. Die Masse, das ist nicht nur das breite Publikum. Zu ihr gehören auch die Prominenten aus Film, Mode, Politik, Kunst und Literatur. Es ist die große Welt der Berühmtheiten.594 An Berühmtheit konnte Warhol sich mit jedem von ihnen messen. Er war Teil der Society und zugleich ihr unbestechlicher Beobachter, der wie ein soziologischer Feldforscher stets Kamera und Tonband mit sich führte. »Seine Rolle bestand nicht darin, sich mit den Berühmtheiten zu vermischen, sondern sie zu ironisieren; ihrem Ruhm Achtung zu schenken, als wollte er sie hervorheben. Er wollte ihren Typ herausfinden, so dass jede Figur, die neben ihm stand und sich von ihm photographieren ließ, ihre Identität verlor und gleichsam zu einem Warhol’schen Theorem wurde.«595 Wie bei Truman Capote siegte der Künstler über den Snob. Seine Porträts waren immer reinster Warhol. Um die Reichen und Schönen porträtieren zu können, musste Warhol ihren Umgang suchen. Es ist jedoch nicht zu leugnen, dass er nicht nur als Voyeur und distanzierter Betrachter des Undergrounds in die Society der beautiful people und celebrities wechselte, sondern als umworbener Star und celebrity sui 236

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generis. Seine Tagebücher zeigen, wie er sich wie ein Fisch im Wasser in diesen Kreisen bewegte, ohne jede erkennbare Distanz. Die meisten dieser Prominenten waren Arrivierte wie er selbst. War Warhol wirklich der Prototyp des Dandys im Zeitalter der Massenkultur? Manchen gilt er gar als Beweis für ein paradoxes Phänomen: den »demokratischen Dandy«.596 Dieser – so George Walden, der Analytiker dieser neuen Spezies – ist eine stilbewusste Persönlichkeit, ein Fachmann in allem, was mit Kleidung zu tun hat. Er ist smart, weniger intellektuell; lässig und hedonistisch dem Leben gegenüber eingestellt. Seine Distanziertheit und Eitelkeit sind mit einem sardonischen Blick auf die Welt verbunden. Dieser Dandy orientiere sich nicht am Kleidungsstil der Upperclass. Im Zeitalter der Populärkultur verhalte er sich in seinem Kostümierungsverhalten, seinen Umgangsformen und Meinungen ultrademokratisch. Er entstamme nicht mehr aristokratischen Kreisen, sondern sei ein Produkt der Masse. Walden schreibt: »Wie vulgär, absurd, grotesk oder lächerlich affektiert unsere heutigen Dandys auch erscheinen mögen, sie antworten auf ein gesellschaftliches Bedürfnis wie Brummell zu seiner Zeit.«597 Das Problem ist nur, dass unsere Zeit keinen Brummell braucht, keinen unabhängigen Geist, keinen, der exklusive Regeln erlässt, keinen, der verlangt, dass Eleganz sehr viel Zeitaufwand erfordert, keinen, der fordert, sich einem Leben des Müßiggangs hinzugeben, keinen, der das Vulgäre des heutigen Geschmacks bekämpft. Walden stellt sich einen modernen Brummell vor, der als Designer oder Künstler dem Massengeschmack Rechnung trägt und, um des Erfolgs willen, eine Marketingstrategie entwickelt, die alle und nicht nur die happy few erreicht. Warhol komme eine Schlüsselrolle bei der Durchsetzung dieses neuen Dandytyps zu, indem er das Diskursfeld der Kunst verändert habe. Sein Genie habe darin bestanden, das Triviale zu glorifizieren, Unbekannte zu Berühmtheiten zu machen und der Masse eine Portion Dandytum einzuimpfen. Geschmacklich orientierte Warhol sich freilich nicht am Durchschnittsindividuum, sondern an der Oberschicht der Masse: den Kreisen der celebrities, jener Schickeria, zu der nicht nur die Abkömmlinge großer Familien, die Superreichen und die Stars von Film und Fernsehen gehören, sondern auch erfolgreiche Modemacher, Popstars, Sportgrößen und Talkmaster, ein Personenkreis, der früher dem Personal oder der Halbwelt zugerechnet wurde. Warhol war zweifellos einer jener Popkünstler, die es zu stilprägender Berühmtheit brachten. Seine Arbeitsweise als Künstler war flexibel, varianten237

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reich und experimentell wie die der bedeutenden Modeschöpfer seiner Zeit. Die größere Durchlässigkeit der Gesellschaft veränderte das Rekrutierungsfeld für Schöpfer des Stils. Sie ermöglichte es sozialen Aufsteigern, mit Hilfe der Medien Publicity zu erlangen und sich als Stilikone zu etablieren. Warhol erkannte, dass die Massengesellschaft mit ihrer Normierung und Standardisierung des Ästhetischen unser Schicksal ist. Arbeitete einst der Künstler am Hofe des Adels, so arbeitet er heute am Hofe der Massenmedien.598 Es gibt keine Aristokratie mehr, von der Geschmacksimpulse ausgehen können. Der Dandy alten Stils – so Susan Sontag – ist tot. An seine Stelle treten stilbewusste Außenseiter, die meist dem Homosexuellenmilieu entstammen. Was bleibt, ist ein der Camp-Ästhetik verpflichtetes neues Dandytum, das sich auf die Massentrends einstellt, sie aufnimmt und modifiziert, mit ihnen spielerisch umgeht, sie exzentrisch aufpoliert und sich im Übrigen dem Schicksal fügt, das alles – auch der Geschmack, der Stil, die Eleganz – ein Derivat des entfesselten Warenkonsums geworden ist. Camp setzt, wie Sontag schreibt, alles in Anführungsstriche. Was läge näher, als diese Art eines ausufernden Dandytums ebenfalls in Anführungsstriche zu setzen? Der »demokratische Dandy« ist, wie man es dreht und wendet, eine begriffliche Missgeburt, ein invertierter Dandy. Warhol, davon überzeugt, dass jeder für fünfzehn Minuten ein Star sein könne, hätte vermutlich dieser Nobilitierung seine Anerkennung nicht versagt. Nennen wir ihn, den exemplarischen Business-Künstler, nicht einen »demokratischen Dandy«, sondern einen Dandy des Gewöhnlichen. Bei aller inneren Distanz zur Gesellschaft befolgt er penibel die Gesetze des Marktes. Er bedeutet die Entthronung des sublimen Dandys alten Stils. Dieser versteht zwar auch etwas von der Kunst der Werbung, doch begibt er sich nicht auf den Markt, um Käufer zu finden. Er betreibt Werbung für sich, nicht für seine Produkte. Das Produkt ist allein er selbst. Er stellt sich aus und lässt die bewundernden Blicke der vielen stoisch an sich abgleiten. Als Artefakt bedarf er nicht des Beifalls der Menge. Er fordert sie heraus und genügt sich selbst. Warhol brachte eine Vielzahl von Nachahmern und Selbstdarstellern in der Popkultur hervor, denen von findigen Theoretikern das Etikett »Dandy« angeheftet wird.599 Die Bedeutung des Wortes wird dabei so weit gefasst, das alles, was exzentrisch, affektiert und stilisiert erscheint, darunter subsumiert werden kann. Warhol ist jedoch nicht dafür verantwortlich zu machen, dass man ihn zum Bannerträger eines modernen Dandytums ausruft. Sein Bestreben war ungleich bescheidener. Er arbeitete hart an seinem Werk. Er war ein 238

Ein Pop-Dandy im Wechselbad der Stile: David Bowie

unermüdlich produzierender Künstler. Dass er selbst zum untrennbaren Teil dieses Werks wurde, war ihm bewusst. Es gehörte zum Business. Warhols Haltung war nicht die der Auflehnung und des Protests, sondern der subversiven Affirmation des Gegebenen. Er hat durch sein Werk die Verdinglichung wie kein anderer bewusst gemacht. Das Subversive ist sein kalter, illusionsloser Blick. Für dandyhafte Aggressivität bestand für ihn – von der Underground-Phase, als er das puritanische Mainstream-Amerika vor den Kopf stieß, einmal abgesehen – kein Anlass mehr. Das provozierende Auftreten von Künstlern seiner Factory und von ihm selbst erwies sich à la longue als äußerst marktgängig, auch wenn seine Superstars ihren Wert als Marken nicht lange behaupten konnten. Es wurde zum Teil der Marketingstrategie etablierter Designer wie Jean Paul Gaultier und Stephen Sprouse, John Galliano und Alexander McQueen.600 Warhols Kommentare zur Zeit sind weniger provozierend als von entwaffnender Schicksalsgläubigkeit. Warhol war sich bewusst: Heutige Berühmtheit verdankt sich nicht dem Wunsch, der Nachwelt ein erinnerungswürdiges Werk zu hinterlassen. Sie richtet sich ganz auf die Medienpräsenz. Sie ist auf das Hier und Jetzt, auf die Dauer des medialen Auftritts reduziert.601 Der Anspruch des Dandys auf Singularität gehört einem vergangenen Zeitalter an. Berühmtheit ist heute wichtiger als Unverwechselbarkeit. Wenn Berühmtheit sich der medialen Aufmerksamkeit verdankt, verzichtet der Dandy auf Berühmtheit. Ruhm in der Massengesellschaft ist nicht sein Bestreben. Da es keine exklusive Gesellschaft mehr gibt, die ihn trägt, wird er zu einer frei flottierenden Existenz. Das macht die Schwierigkeit aus, ihn gesellschaftlich zu lokalisieren. Er gehört nicht mehr wie vormals zur Society, denn diese existiert nur noch in ihrer vulgären Form als »Disco-Café-Society«602, ein Milieu, dessen er nicht bedarf, um sich in Positur zu werfen.

Ein Pop-Dandy im Wechselbad der Stile: David Bowie In den siebziger Jahren hatte die antikapitalistische Tendenz der Jugendrevolte, die Werte wie Solidarität und Authentizität hochhielt, ihren Zenit überschritten. In der Popkultur zeichnete sich eine Wende hin zu extravaganter glitzernder Künstlichkeit ab. Der Glam Rock – »Glam« als Popversion des Begriffs »Glamour«603 – leitete eine Periode der Selbststilisierung und Selbstdarstellung ein, in der das Gefühl der Zusammengehörigkeit dem Kult des Einzelnen, der sich aus der Masse hervorhob, weichen sollte. Glam – so der Kurator 239

8 Dandys in der Gegenwart

einer Ausstellung über »Glam. Performance of Style« – »schwelgt in Revival und Ironie, Theatralik und Androgynie und gibt dem Oberflächeneffekt und Künstlichen den Vorzug gegenüber inhaltlicher Bedeutung«.604 Durch seine Verbindung mit der Popkultur steht Glam in der Nähe zur Erlebnisweise des Camp. Darren Pih spricht von einer Entwicklung zu »einer Kultur des ausdifferenzierten Dandyismus«.605 Die Künstler des Glam sind Experten der Oberfläche und versierte Stilisten. Andy Warhols Interesse an »celebrity culture«, an Glamour, Stil und Mode sowie sein Fasziniertsein von Oberfläche und Pose beeinflussten die Ästhetik des Glam. Die Bewegung nahm von den britischen Kunsthochschulen in den späten sechziger Jahren ihren Ausgang. Ihre Chronisten sprechen von einem »puren Beau Brummell-Dandyismus«606 und einer Assimilation von Camp-Attitüden. So schreibt Judith Watt über den jungen Modedesigner Antony Price: »Jeder Gang vor die Tür war ein Auftritt, bei dem Price nicht nur immer besser, sondern auch immer übertriebener aussehen wollte (…) Seine ein Meter achtzig schienen durch die 10 cm-Plateausohlen noch höher, und in seiner pailettenbesetzten Tigerprintjacke und den schwarzen Lederhosen wurde er zu einer modernen Version von Charles Baudelaires Dandy-Held, mit dem ›brennenden Bedürfnis, sich … eine wirkliche Originalität zu schaffen … eine Art Kult seiner selbst … die Lust, erstaunen zu machen, und die stolze Genugtuung, niemals erstaunt zu sein.‹«607 Neben Bryan Ferry, dem Gründer der Band Roxy Music, und Marc Bolan von T. Rex war David Bowie (1947–2016) eine der Galionsfiguren des neuen Stils. Doch stellte dieser Stil eine wirkliche Herausforderung dar? Sebastian Horsley, der erst später als Exzentriker und Dandy ins Rampenlicht trat, bekennt: »Ich war nie ein riesiger Bowie-Fan. Ich habe ihm nie ganz geglaubt.«608 Der Glam Rock sei zu harmlos, um wahrhaft subversiv zu sein.609 Horsley sah diese Kraft eher in der Punk-Musik, die den Glam Rock ablöste. Mit dem Wort »subversiv« ist eine Außenseiterposition gemeint, die Position des Marginalisierten, der sich weigert, in der Mitte der Gesellschaft anzukommen. Dagegen behaupten die Veranstalter einer Bowie-Ausstellung des Victoria and Albert Museum, die genau diese soziale Vereinnahmung durch die Musealisierung Bowies erreichten, Bowie habe zwar die Avantgarde in den Mainstream überführt, seine subversive Energie dabei aber bewahrt.610 Bowie – so ist die Aussage der Kuratoren wohl zu verstehen – ist als Popkünstler kein Avantgardist im elitären, sondern im populären Sinne. Er ist eine Ikone der 240

Ein Pop-Dandy im Wechselbad der Stile: David Bowie

Massen und diesen immer schon einen Schritt voraus. Er ist ein Trendsetter, darauf bedacht, dass die von ihm gesetzten Trends das größtmögliche Publikum erreichen. Diese Massenkompatibilität macht ihn für die Theoretiker der Postmoderne zum exemplarischen Fall. Er hat die »Revolution für die Freiheit des individuellen Ausdrucks«611 geschickt kommerzialisiert. Bowie stand außerhalb der sozialkritischen Tendenz der Rockmusik. Ebenfalls verschmähte er das Elitäre. Er trat radikal dafür ein, »die Unterscheidung zwischen Dada, Duchamp, Baudelaire, Oscar Wilde usw. auf der einen Seite und der Popmusik auf der anderen aufzulösen«.612 Damit entsprach er den gängigen postmodernen Vorstellungen von Kunst. Mode und Design nahmen seine Impulse dankbar auf und vermarkteten diese »Revolution«, indem sie suggerierten, jeder könne wie Bowie sein. Anders als der Dadaismus und der Surrealismus, die in einer Position des antibürgerlichen Affekts verharrten, öffnete sich die Pop-Art für die kommerzielle Massenkultur. Während jene dem Zeitgeist opponierten, wollte diese die Avantgarde mit dem Mainstream versöhnen. Dem Dadaisten Hugo Ball ging es darum, dem common sense zu opponieren. Auch Bowies Spiel mit den Geschlechterrollen wandte sich gegen den common sense seiner Zeit. Sein Ziel war es, die freie Wahl der Geschlechterrolle, wenn nicht als ein allgemein anerkanntes Recht, so doch wenigstens für sich als Bühnenkünstler und Popstar durchzusetzen. In dem Maße, wie dies gelang, hörte Bowie auf, ein Avantgardist zu sein. Er wurde vom Zeitgeist eingeholt und stand damit in einem affirmativen Verhältnis zu seiner Zeit. Hugo Ball hat dem Dadaismus den Rücken gekehrt, als dieser begann, zur Mode zu werden. Von Bowie war ein so radikaler Schritt nicht zu erwarten. Wenn er nach dem Ende der Glam-Rock-Periode neue Trends initiierte, so nicht, um dem Massengeschmack zu enteilen, sondern sich, wenn auch in eigensinniger Weise, diesem Geschmack anzupassen. Wenn der erhoffte Markterfolg ausblieb, suchte der Künstler Bowie nach neuen Aussagen und zollte dem Mainstream Tribut. In der Verbindung von Kunst und Kommerz ist er ein typischer Vertreter der Popmusik. Die Kuratorin der Bowie-Ausstellung, Victoria Broackes, sieht im Sinn für das Kommerzielle nicht etwa einen Makel, sondern eine besondere Tugend des Popkünstlers Bowie. »Die Geschäftstüchtigkeit (…) scheint zunächst nicht dem herkömmlichen Bild vom Künstler zu entsprechen, spiegelt aber die Welt der Postmoderne vollkommen wider. Neben seiner unaufhaltsamen Suche nach Inspiration, seinem Gespür für gestalterische Details, seiner Bereitschaft, 241

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künstlerische Risiken einzugehen, und seiner Weigerung, sich mit bewährten Erfolgen zufriedenzugeben, hat sein Geschäftssinn David Bowie zu einer der kulturell einfluss­ reichsten Figuren des späten 20. Jahrhunderts gemacht.«613 Bowie nahm selbst Einfluss auf den Entwurf seiner Bühnenkostüme und arbeitete eng mit etablierten Designern wie Kansai Yamamoto, Alexander McQueen und Thierry Mugler zusammen. Eine Figur wie Ziggy Stardust verdankte sich der Kooperation mit Yama21 David Bowie in einem Anzug von Ola Hudmoto, mit Haarstylisten, Kosson bei der 17. Grammy-Verleihung, 1975. tüm- und Maskenbildnern. Sie alle haben zu diesem Look beigetragen. »Offensichtlich hatte Bowie bei seiner Zusammenarbeit mit Designern immer ein exaktes Bild vor Augen, das er vermitteln wollte. Er behielt stets die Kontrolle, und obwohl er die Arbeit der Modedesigner schätzte und würdigte, betrachtete er die Mode letztlich als Werkzeug, um seine Gesamtperformance zu verbessern.«614 Mit seinem Album »Diamond Dogs« (1974) gelang es ihm, eine dekadente Kultur der »Verkommenheit« in die Vororte zu holen.615 Bowie verband in seinen Performances virtuos musikalische und visuelle Momente. Auch bei der Produktion und Vermarktung seiner Kunst nahm er eine Vorreiterrolle ein. Dank neuer Medien ging er weit über Oscar Wilde hinaus, der bei der Verbreitung seines Image auf Presse und Photographie angewiesen blieb. Bowie passte seine Wirkungsstrategien den neuen medial-technischen Gegebenheiten an. Er nutzte Videos und andere visuelle Ausdrucksformen, um ein Massenpublikum anzusprechen. Bowie verbrachte wie sein Vorbild Warhol vor seiner Karriere als Popstar ein Jahr in der Werbebranche und entwickelte schon früh ein Talent für Marketing. Er begeisterte sich für die Mods (»Modernists«), Jugendliche, die in den frühen 242

Ein Pop-Dandy im Wechselbad der Stile: David Bowie

sechziger Jahren durch ihren exquisiten Modestil aus der Carnaby Street die etablierte Rockszene alt aussehen ließen und die Revolution des Geschmacks zum Wesen jeder Revolution erklärten.616 Zu dem Porträt, das Bowies erstes Plattenalbum ziert, bemerkt der Modehistoriker Christopher Breward: »Der modische Pagenkopf und die von Bowie selbst entworfene Jacke im Uniformstil entsprachen durchaus einem Dandy von der Carnaby Street.«617 Breward spielt damit auf den Habitus der Mods an. Andererseits liefe der sehnsuchtsvolle Blick dem angestrebten coolen Image entgegen. Bei dem Verwandlungskünstler und Choreographen Lindsay Kemp machte sich Bowie mit Make-up, Theatralik und sexueller Ambivalenz vertraut. Frisur, Kleidung, Gesten und Posen miss­ achteten die tradierten Geschlechterrollen. Bowie profitierte vom einsetzenden Genderdiskurs, der als Emanzipationsbewegung begann, um alsbald in Mode und Design ein Massenpublikum zu beliefern. Der Individualismus entwickelte sich zum Markenzeichen westlichen Lebensstils. Das Individuum selbst wurde zur Marke. Der Trendsetter gab ein Beispiel für viele. Bowie gehörte zu jenen Popstars, die das Glamouröse in eine Marketingstrategie überführten, wobei er auf diesem Gebiet wie Warhol schöpferische Akzente setzte. Er hatte wie dieser ein feines Gespür für das Kommende. Glam besaß keinen Stil im strengen Sinne, sondern lebte von ständigem Stilwechsel. »Auf der Suche nach der eigenen Stimme und seinem Platz im Musikgeschäft veränderte Bowie immer wieder seinen modischen Stil« 618, schreibt Camille Paglia. Sein typischer Stil sei der Synkretismus. Für den Dandy Quentin Crisp dagegen heißt Stil, sich zu entscheiden, wer man ist, und fähig zu sein, diese Entscheidung aufrechtzuerhalten. Mode bedeute, »sich niemals entscheiden zu müssen, wer man ist«.619 Crisp repräsentiert einen Dandytypus, der sich nicht der Mode unterwirft, sondern gegen den Strom schwimmt und seinen eigenen Stil behauptet, auch wenn dieser altmodisch erscheint. In der Unabhängigkeit von der Mode beweist sich seine Überlegenheit, während die Aufnahme und Multiplizierung von Modetrends, von Designern in die Welt gesetzt, eine Subalternität verrät, die dem Dandy fremd ist. Ausstellungsmacher und Chronisten im Umfeld Bowies sprechen von einem Spagat, den der Popkünstler vollzogen habe: »Als er nach Amerika ging und bei EMI unterschrieb, wurde er zu etwas, das nicht hätte sein sollen, ein Produkt. Aber es bleiben die wunderbaren zehn Jahre, in denen er ein Magnet war«620, meint Philip Hoare. Bowie – ein singender Warhol – wurde tanzbar. 243

8 Dandys in der Gegenwart

Er war das sichtbare Produkt einer neuen Auffassung von Kommerzialisierung. Christopher Frayling fügt hinzu: »Ich glaube, Bowie setzte den Gedanken um, dass es keine Schande ist, sich selbst zu vermarkten. Es schadet der Kunst nicht – fördert sie sogar in gewisser Weise.«621 Auf den Dandy Bowie übertragen, heißt dies: Die Vermarktung schadete ihm nicht – sie war ihm sogar »in gewisser Weise« zuträglich. Ging es Baudelaire und Rimbaud in ihrer Suche nach dem Selbst um eine Entregelung der Sinne, um beim Unbekannten anzukommen, so wurde von Bowie das »Unbekannte« als Ware verpackt und stromlinienförmig zurechtgemacht. Er betätigte sich als Designer und Dekorateur des Selbst. Waren Baudelaire und Rimbaud einer elitären, antibourgeoisen Ästhetik verpflichtet, die ihnen einen Platz am Rand der Gesellschaft zuwies, so nahm Bowie Elemente der postmodernen Camp-Ästhetik auf und schlüpfte in die Rolle eines Geschmacksrebellen mit dem Ziel, die Mitte der Gesellschaft zu erobern. Die Glam-Historiker Darren Pih und Judith Watt setzen Dandytum mit schrillem Outfit und exzentrischen Posen gleich, wie es der Attitüde des Camp entspricht. Diese macht den Dandy zu einer im Prinzip für jedermann zugänglichen Figur. Ein solches Dandytum ist – wie Pih schreibt – ein inklusives statt exklusives System der Selbstdarstellung. In der Realität funktioniert dieses System allerdings nicht ganz so demokratisch, wie seine Apologeten vorgeben. Der Camp-Dandy will auf Distinktion nicht verzichten. Als Star und Stilikone thront er weit über der Masse. Er führt ihr vor Augen, dass man sich für den Markt immer neu erfinden muss, um Erfolg zu haben. Kreativität und Innovation heißen die Schlagworte. David Bowie ist das berühmteste Beispiel für diesen Trend. »Bei ihm wechseln die Rollen wie die Jahreszeiten. Er ist darin ein Spiegel unserer auf künstliches Veralten angelegten Kultur.«622 Dem Camp-Dandy mit seinem »Peacock«-Outfit sind nicht die feinen Unterschiede wichtig, sondern die groben, jedermann ins Auge fallenden. Dies hat nicht zuletzt damit zu tun, dass er in der Regel im Showbusiness tätig ist und auf mediale Wirkung abzielt. Für den Dandy im Zeitalter der Massenkultur zählen nicht die an klassischer Einfachheit und Schlichtheit orientierten subtilen Zeichensetzungen, die nur Eingeweihten verständlich sind. Sie werden ignoriert oder verworfen, um einem Dandytum nach dem Muster des jungen Oscar Wilde Platz zu machen. Der Popkultur im Zeichen des Glam geht es um Resteverwertung und Revivals. Sie lebt von ihren Beständen. Es handelt sich um eine geborgte, geschickt collagierte Originalität durch Rückgriff auf 244

Ein Pop-Dandy im Wechselbad der Stile: David Bowie

Gewesenes und zeitgemäß Futuristisches. Der neue Dandy ist ein Kurator und Rekombinierer seiner selbst.623 Aus dem Kreis der Popstars, die flamboyante Phantasiekleidung bevorzugen, schält sich kein Modediktator heraus. Sie bilden keine exklusive Gilde wie die Dandys im Umkreis von Brummell. Vielmehr wollen sie ihre Fans und die breite Masse für sich einnehmen. Damit verlieren sie die Unabhängigkeit und die unnachahmliche Eleganz, die für den Dandy unverzichtbar sind. Sie opfern beides auf dem Altar der Berühmtheit. Der Kulturhistoriker Nigel Rodgers resümiert: »Ihr Rockstar-Populismus, unverzichtbar, um Millionen Anhänger anzusprechen, bedeutete, dass die meisten von ihnen auf einen bloßen Celebrity-Status herabsanken.«624 Rodgers hat hier ein wesentliches Problem des Dandys im Zeitalter der Massenkultur benannt. Heutige sogenannte Dandys seien »fashion victims« und nicht vom Markt der Mode unabhängige Schiedsrichter des guten Geschmacks. Es sei ein kardinaler Fehler, Berühmtheiten wie Rockstars, Fußballspieler, Friseure, Designer und TV-Persönlichkeiten als Dandys zu bezeichnen. »Wenn solche Figuren Dandys sind, dann waren Brummell, Barbey d’Aurevilly, Beerbohm und Cary Grant usw. es gewiss nicht. Ein Dandy kann auf seine Weise berühmt werden oder unbekannt bleiben. Er kann sich niemals dem populären Geschmack unterwerfen, ohne seine Unabhängigkeit zu gefährden.«625 Dem ist nichts hinzuzufügen. Wie im Fall Warhol wird auch im Fall Bowie immer wieder auf die Verwandtschaft von Dandy und Diva verwiesen.626 Bowie verkörpert eine neue Form von Diventum im Zeitalter einer ubiquitären Medienkultur. Durch die »Bodenlosigkeit des postmodernen Spiels mit Spiegelungen«627 hat sich ein wesentliches Erkennungszeichen der Diva, ihre Unnahbarkeit, verflüchtigt. Was bleibt, ist das Image des sich selbst produzierenden Stars, der sich dem Zeitgeist anschmiegt, ihm immer eine Spur voraus ist und die Fäden seiner Selbstvermarktung in der Hand behält. Sowenig Bowie dem ambivalenten Charakter der Diva entspricht – die reale Person verschmilzt vollständig mit der jeweils geschaffenen Kunstfigur –, sowenig entspricht er den Anforderungen an einen Dandy. Mit ihm verbindet ihn, dass er als Star ganz in der Künstlichkeit seines Image aufgeht. Doch Dandy und Star unterscheiden sich nicht zuletzt durch den kommerziellen Aspekt. »Starimages werden aufgebaut und eingesetzt, weil sie auch wirtschaftliche Auswirkungen haben. Sie funktionieren wie Markenzeichen, die dem Publikum ein besonderes Erlebnis versprechen.«628 245

8 Dandys in der Gegenwart

Der klassische Dandy war ein Vorläufer des heutigen Stars, denn er verstand es wie dieser, sein Image zu einem Markenartikel zu entwickeln, was ihm bei seinem Publikum und seinen Lieferanten einen unbegrenzten Kredit einbrachte. Allerdings richtete der Dandy sein Image nicht an den Erwartungen der Society aus. Er spielte vielmehr mit diesen Erwartungen und forderte die Society heraus. Das Provokative eines Brummell lag nicht in seinem perfekt gestylten Outfit, sondern in seiner geistigen Schärfe, seinem maliziösen Witz und seinem impertinenten Benehmen. Damit eckte er an, forderte heraus, dominierte er andere. Bowies geistige Überlegenheit ist eingebettet in die Posen und Attitüden des Stars, der Ikone, die angebetet und verehrt wird. Dieses Image ist medial produziert und nicht durch die reale Person Bowies beglaubigt. Um Brummell bildete sich bald der Mythos des Unerreichbaren, den er mit der Diva gemeinsam hat, doch die reale Person Brummell verstand es, ihre Überlegenheit tagtäglich im Umgang mit anderen unter Beweis zu stellen. Dazu waren absolute Selbstbeherrschung, Nonchalance und Esprit erforderlich. Nicht so beim Medienstar und Pop-Dandy. Dessen Aura ist künstlich erzeugt. Es ist nicht die Künstlichkeit der selbst geschaffenen Oberfläche einer realen Person, sondern die Künstlichkeit als synthetisches Fabrikat einer medialen Performance, an der zahlreiche helfende Hände des Stars mitwirken. Baudelaire hat dem Dandy den Habitus der Erhabenheit zugesprochen. Als viel bewunderte Ikone erhob Bowie einen ähnlichen Anspruch. Gleichwohl bleibt der Unterschied zum Dandy unübersehbar. Baudelaire meint das Priesterliche, Quasireligiöse des Dandys und nicht die futuristische Konstruktion des Außerirdischen, Androgynen, Synthetischen, die im Fall Bowies mediensicher und publikumswirksam an vorherrschende Topoi des Zeitgeistes Anschluss sucht. Bowie praktizierte den Dandyismus als Zitat wie sein Vorgänger Oscar Wilde.629 Er stellte nur eine Facette in der Gesamtperformance des Popstars dar. Die asketischen Regeln des Dandyismus zu befolgen, verlangt nach einem anderen lebensphilosophischen Kompass.

Der Designer des modernen Lebens: Karl Lagerfeld Wenn vom Dandy in unserer Zeit die Rede ist, fällt unvermeidlich der Name Karl Lagerfeld. Die Zeitschrift L’Express nennt ihn »den letzten Dandy« von Paris, und auch Kartographen und Chronisten des Dandytums scheuen vor dem Urteil nicht zurück, niemand komme in der Gegenwart dem Dandy­ 246

Der Designer des modernen Lebens: Karl Lagerfeld

ideal so nahe wie Lagerfeld. Er besitze »(…) alles, was einen wahren Dandy ausmacht: nämlich Geld, Macht, Prestige, Geschmack, Sensibilität, Kreativität, Witz, Satire und Ironie sowie ein ganz außerordentliches Gespür für die ›geheimen Flaggensignale der kommenden Dinge‹ (Benjamin).«630 Kaum ein anderer der großen Designer ist in den Medien so präsent und beherrscht die Kunst der Selbstinszenierung und -vermarktung so perfekt wie Lagerfeld. Während sein Kollege Yves Saint Laurent noch zu Lebzeiten dem Kampf für die Schönheit entsagte, ist Lagerfeld auch in fortgeschrittenen Jahren ein unermüdlicher Kämpfer gegen die Trivialität. Dabei ist er sich nicht zu schade, in der Ausschöpfung aller Publicity-Möglichkeiten dem Trivialen selbst Tribut zu zollen. Es ist nur konsequent, wenn Lagerfeld sein Terrain auch auf Billig-Modeketten ausdehnt. Heute, da alles miteinander kombiniert werde, zum Beispiel eine Chanel-Jacke mit Jeans, sei das Styling wichtiger als der Preis. »Das Konzept, wie man sich anzieht, entspricht nicht mehr den alten Ideen. Das grauenhafte Wort ›exklusiv‹ klingt nach Mottenkiste. Heute gibt es nur noch zwei Wörter: erschwinglich und unerschwinglich. Modisch müssen beide richtig liegen.«631 Das Gesicht der Welt des Luxus verändere sich. »Alle gleich und jeder anders, das ist doch die Freiheit von heute.«632 Auch die Massen wollten Luxus und mit der Mode gehen. Die großen Modehäuser können nicht mehr allein auf ihre traditionelle Kundschaft zählen. Sie müssen ihren Kundenkreis erweitern. Haute Couture und Prêt-à-porter sind das eine, das Luxusversprechen für die Masse das andere. Der Vermischung von Elitärem und Banalem im Kunstbetrieb, gefordert von den Strategen des Marketings und im Einverständnis mit dem demokratischen Zeitgeist, entspricht der Mix von Edlem und Gewöhnlichem in der Bekleidungsbranche. Lagerfeld hat diesen Trend längst erkannt. In einem Vademecum durch die Welt Lagerfelds, das Aussprüche des Designers versammelt, heißt es: »Man könnte sagen, die Mode erzeugt Trends und die Eleganz folgt den Moden. Die Zeiten haben sich geändert und die Kriterien ändern sich. Es gibt keine Modearistokratie mehr.«633 An die Stelle der Aristokratie der Mode und des Geschmacks treten die Modeikonen der Massengesellschaft – Prominente, Stars, Celebrities – und nicht zuletzt die Designer. Sie behaupten: Eleganz ist für alle zugänglich. Jeder kann heute elegant sein. Wenn – so Lagerfeld – alte Narren resigniert feststellten, das Schöne und Elegante gebe es nicht mehr, so beweise das nur, dass sie nicht mehr auf der Höhe der Zeit seien und abtreten müssten. Nun weiß Lagerfeld nur zu gut, dass Eleganz weniger mit Mode als mit Haltung 247

8 Dandys in der Gegenwart

und Ausstrahlung zu tun hat. Eleganz ist ein moralisches oder physisches Phänomen und nichts, was mit Stoffen, Kosmetik oder Parfüm zu tun hat.634 Eleganz bedeutet, etwas zu kreieren und darzustellen, das sich mit Worten nur schwer beschreiben lässt. Es ist das »gewisse Etwas«, das man hat oder nicht hat. Elegant wird ein modisches Produkt erst durch den, der es gebraucht. Eleganz folgt niemals der Mode, sondern ihr Träger bedient sich der modischen Trends auf seine ganz persönliche Weise. Wer ein modisches Markenprodukt erwirbt, erwirbt damit keineswegs das Siegel der Eleganz. Für den Designer freilich sind Mode und Eleganz nicht zu trennen. Im Zweifelsfall votiert er immer für die Mode. Karl Lagerfeld, geboren am 10. September 1933, ist das Kind einer Hamburger Fabrikantenfamilie und hat schon in frühen Jahren zu zeichnen begonnen. Als junges Talent gelingt es ihm, in der Pariser Modebranche Fuß zu fassen und Karriere zu machen. Paris ist nicht nur die Stadt der Mode, sondern die der Kultur, der Lebensart und des Esprits. Dies alles war in Deutschland nach dem Krieg nicht vorhanden, nicht in Hamburg und auch nicht in München oder Berlin. In Paris hat Lagerfeld ein intaktes Umfeld vorgefunden, einen idealen Nährboden für seine Ambitionen auf dem Feld der Mode. Nach Lehrjahren bei Balmain und Patou wird er freier Designer, arbeitet für Fendi und Chloé und gründet seine eigene Firma »Karl Lagerfeld«. 1983 beginnt seine Zusammenarbeit mit Chanel. Einem Modelexikon entnehmen wir, dass Lagerfeld durch seinen ideenreichen, jugendlich-avantgardistischen Stil faszinierte. »Er bestickte Kleider mit glitzernden Gitarren und sprudelnden Duschen, brachte kleine Rokoko-Möbel und Nähzubehör als Kopfbedeckung (…) Er wiederbelebte den Chanel-Stil durch immer neue Variationen, wie Lederkostüme, Hosenanzüge, kurze Plisseeröckchen oder asymmetrische Kragen, weite wadenlange Röcke bis superkurze Minis.«635 Was die Qualität, das Besondere dieser Kreationen im Vergleich mit denen anderer Designer ausmacht, lässt sich schwer einschätzen. Im sarkastischen Urteil Oscar de la Rentas, Lagerfeld habe beachtlichen Einfluss, »weil er die Damen von der Presse mit aller Macht davon überzeugt hat, daß das, was er entwirft, ganz wundervoll sei«636, schwingt der Neid des weniger erfolgreichen Konkurrenten mit. Denn woher nimmt Lagerfeld die Macht, die Fachwelt von seinem Rang zu überzeugen? Die Modewelt erkennt in ihm ihren Motor, der durch seine ungeheure Energie alle anderen mit antreibt. Lagerfeld – so scheint es – verkörpert wie kein zweiter Modeschöpfer das innerste Prinzip der Mode: stets Neues zu schaffen um des Neuen willen. 248

Der Designer des modernen Lebens: Karl Lagerfeld

Die Mode ist der kürzeste Reflektor des Zeitgeistes. Der Modemacher hat aber auch ein Gespür für das Kommende. Die Zukunft, das sind in dieser Branche sechs Monate. Die Mode reflektiert also, was in der Luft liegt und was in einem halben Jahr von sich reden machen wird. Nun hatte es zuweilen den Anschein, als würde sich Lagerfeld für die Gegenwart gar nicht sonderlich interessieren. Er liebte den Geist und die Kultur des Rokoko und hielt im Übrigen Distanz zur heutigen Realität. Zu Beginn des dritten Jahrtausends machte Lagerfeld einen Schnitt. Er löste sich von seinem barocken Ambiente – es wollte zu seinem neuen, schlanken Outfit nicht mehr recht passen – und entdeckte die Moderne des 20. Jahrhunderts. Doch blieb er in seinen Kreationen moderat. Das Neue, das Lagerfeld Saison für Saison kreiert, ist denn auch nichts radikal Neues. »Zu den visionären Erneuerern des Modekosmos – zu Coco Chanel, zu Lagerfelds langjährigem Rivalen Yves Saint Laurent oder zu der Japanerin Rei Kawakubo – gehört er aber nicht. An die Stelle der Entwicklung eines ikonischen Stils hat er die Ikonisierung seiner eigenen Erscheinung und Person gesetzt.«637 Mit seinem spielerischen Synkretismus wirbt er um den modebewussten Mittelstand, den Träger seiner Mode: der exklusiven Konfektionsware, des Prêt-à-porter. Wie in der Politik entscheidet sich in der Mitte der Gesellschaft das Schicksal der Mode. Während das bürgerliche 19. Jahrhundert den Homo ludens zu Grabe trug und der Ernst des Lebens in der farblosen monotonen Kleidung des Mannes seinen Ausdruck fand, übertreffen die Designer sich heute – zumindest in der Damenmode – in phantastischen Einfällen, Skurrilitäten und Bizarrerien. Das Leben soll wieder ein Fest sein, ein Spiel der Verführung und des Genusses. Das Prêt-à-porter befriedigt das Bedürfnis einer prestigesüchtigen Käuferschicht, ihre schwer erarbeitete Persönlichkeit in kostbarer Garderobe spazieren zu führen. Verrät die Modephilosophie Lagerfelds nicht etwas über das Lebensgefühl dieser Schicht, ihren Geschmack und ihre ästhetischen Präferenzen? Lagerfeld beutet die Bestände aus, unersättlich in der Suche nach dem Neuen, noch nie Dagewesenem. An Einfällen mangelt es ihm nicht. Die Möglichkeiten des Zitierens, Collagierens, der Bricolage sind unerschöpflich. Der Modeschöpfer stillt seinen graphischen Appetit »(…) mit Hilfe eines echten Eklektizismus, bei dem alles einträchtig miteinander lebt und dann in einer Modezeichnung festgehalten wird.«638 Sein Verhältnis zu den Dingen, die er herstellt, und zur Wirklichkeit, die ihn umgibt, ist von Distanz, Kälte und einer gewissen Gleichgültigkeit geprägt. 249

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»Meine Devise heißt: Nach mir die Sintflut. Es fängt mit mir an, es hört mit mir auf.«639 Lagerfeld hat den Ausspruch der Marquise de Pompadour in die erste Person Singular übersetzt. Er beansprucht nicht mehr Gültigkeit für eine ganze Gesellschaftsschicht, sondern ist das Credo eines Einzelgängers, der provozieren will, aber nur ausspricht, was viele denken, denn nichts zählt heute mehr als ein seiner selbst sicheres gestyltes Ego. »Nach mir die Sintflut«, so könnte freilich der Wahlspruch der Mode selber lauten, die nur gelten lässt, was der flüchtige Augenblick ihr eingibt. Lagerfelds Fixierung auf die Gegenwart lässt jeden Bezug zur Vergangenheit als ein spielerisches Zitat erscheinen, als ein Eintauchen in eine imaginäre Welt des aristokratischen savoir vivre. Schwarzer Anzug, weißes Hemd, schwarze Krawatte, dunkle Brille, ornamentiert durch Fächer und Zopf, das war jahrzehntelang seine Maskerade des Lebens. Seit seiner Abmagerungskur sieht man ihn der barocken Ingredienzen entledigt im neuen Jugendstil, ohne Fächer, in hautengen Jeans. Betrachtet man ihn in dieser Attitüde, so verwundert es nicht, ihn sagen zu hören, er sei nicht intellektuell, sondern kultiviert. Wer zu tief denke, sei in der Modebranche fehl am Platz. Die Verachtung des Intellektuellen ist nicht nur eine Pose. Lagerfelds Publikum ist die illiterate Masse, die er durch seinen geistigen Snobismus beeindruckt. Die Attitüde exzentrischer Kultiviertheit ziert den Designer des modernen Lebens, der in Paris lebt und dort Hof hält. Was imponiert den Franzosen an diesem professionellen Dilettanten und Exil-Deutschen, der ihnen diktiert, was guter Geschmack ist? Entscheidend sind wohl seine Nonchalance, die Ungezwungenheit, Leichtigkeit und dandyhafte Ungerührtheit, die er auf dem gesellschaftlichen Parkett zur Schau stellt. Andererseits ist es seine preußische Disziplin, die jenseits des Rheins Eindruck macht. Mag der Perfektionist Lagerfeld noch so unseriös erscheinen und das Ergebnis einer totalen Improvisation sein: Witz, Schlagfertigkeit, Charme und Formgefühl – lebt in ihnen nicht das Spielelement einer längst vergangenen Kultur fort? Lagerfelds Modephilosophie erschließt sich durch die Lektüre des Tagebuchs »Creationen mit Anna Piaggi«. Anna Piaggi (1931–2012), eine ingeniöse Exzentrikerin, inspirierte Lagerfeld zu einer Fülle von Modezeichnungen, flüchtig hingeworfenen Tusche-Vignetten, ausgearbeiteten Buntstiftzeichnungen und Aquarell-Illustrationen, die den Designer als einen Meister seines Fachs zeigen. Die Garderobe der Mailänder Modejournalistin umspannt einen riesigen Kostümfundus aus mehreren Epochen, aus dem sie für den jeweiligen Tagesanlass ihre Kleidung zusammenstellt. 250

Der Designer des modernen Lebens: Karl Lagerfeld

22 Karl Lagerfeld, o.J.

Lagerfeld hat sein Modell in den verschiedensten »Looks« gezeichnet und damit ein modegeschichtliches Panorama ausgebreitet. Die bewundernden Worte, die er für Anna Piaggi findet, lesen sich wie eine Selbstbeschreibung: »Anna versteht es, einem Kleidungsstück seine visuelle Sprache zu geben. Sie kennt keine Banalität. Sie tut nie das, was man von ihr erwartet, aber sie tut immer das Richtige. Ein unvorhergesehenes Detail, ein stilistischer Pleonasmus, ein geistreiches Accessoire, eine überraschende Mischung verschiedenster Elemente und viel Humor ergeben ihre einmalige Erscheinung.«640 Lagerfeld lobt das Improvisationstalent Piaggis, die Fähigkeit, mit unvorhergesehenen Situationen fertigzuwerden. Die Bühne ihres Auftritts sei das tägliche Leben. Sie kenne keinen Respekt und schöpfe aus den Entwürfen der anderen. Ihre Art, sich zu kleiden, erinnere an ein Puzzle. Sie sei weder exzentrisch noch egozentrisch, sondern »ganz natürlich auf ihre eigene, unvergleichliche Art«.641 Anna Piaggi, eine Art Muse des Designers, war im Unterschied zu diesem freilich unabhängig vom Modebusiness. Sie sammelte seltene Kostüme, die sie wie Kunstwerke vorführte, ohne sich um die gängigen Trends zu kümmern. Piaggi stand über und jenseits der Mode. Sie lebte in ihrem eigenen, nur von ihr geschaffenen Kostümkosmos. Diese Souveränität hat sie mit dem Dandy gemeinsam. Der Designer dagegen kann Unabhängigkeit nur behaupten. In Wirklichkeit bringt er es nur zum Kronprätendenten eines Modeimperiums. 251

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Lagerfeld geht es um Ideen, ums Finden, Entdecken, nicht darum, auf das Geleistete zurückzublicken. Er wandte sich deshalb lange gegen Retrospektiven. Sie seien steril und ungesund, erinnerten an Todesanzeigen. »Wer will schon was kaufen von jemandem, den es schon 30 Jahre gibt?«642 Inzwischen ist er mit seinen Produktionen in den Museen angekommen. Ein zweifelhaftes Kompliment für einen, der immer nach vorne schaut und vorgibt, dass ihn das, was er heute mache, schon morgen nicht mehr interessiere. Im Katalog des Essener Museums Folkwang zu einer Lagerfeld-Ausstellung lesen wir: »Mit seinem umfassenden Kreativ- und Lebensansatz ist Karl Lagerfeld die Antwort auf die amerikanische Pop Art, eine Art Andy Warhol europäischer Prägung. Freilich mit mehr Bildung und Tiefgang. Ein homme de lettre[s] sowohl der heutigen Kunst wie auch der zeitgenössischen Populärkultur: Karl Lagerfeld, der Pop-Aristokrat.«643 Wie der Pop-Art-Künstler macht sich der moderne Designer zu einer Maschine, zum unbeteiligten Beobachter des Lebens. In sein Inneres gewährt er keinen Einblick. Sein Credo der Oberflächlichkeit, das auch Warhol verkündet, setzt eine genaue Kenntnis der Mechanik heutigen Lebens voraus. Oberflächlich sein heißt nicht banal und seicht sein. Lagerfeld ist oberflächlich, insofern er erkannt hat, welche Macht die Mode, der Inbegriff des Oberflächlichen, Flüchtigen, Substanzlosen, auf das alltägliche Leben ausübt. Dass Lagerfeld mehr Bildung besitzt als Warhol, mag zutreffen. Geistiger Tiefgang ist allerdings weder die Sache Warhols noch Lagerfelds, obwohl Letzterem eine Bibliothek von mehreren Hunderttausend Büchern zur Verfügung steht. Die Mode, das zeigt sich auch in seinen Photographien, ist seine zweite Haut, er kommt nicht aus ihr heraus. Warhols Sujets sind die Mythen des Alltags, die sich tagtäglich ins Bewusstsein einbrennen. Er verfremdet sie und macht sie dadurch für den Betrachter in ihrer Banalität transparent. Im Unterschied zu Lagerfeld verzichtet Warhol freilich auf jeden Anspruch auf Originalität. Er präsentiert das Banale, ohne es mit einer Lackschicht von Bedeutung zu versehen. Der Künstler Lagerfeld tappt dagegen in die Falle der Originalität, indem er die Gegenstände seiner Photos ästhetisch aufrüstet, so dass sie zuweilen schwülstig oder poliert wie Werbeannoncen erscheinen. Warhol ist ein unbestechlicher Archivar des Banalen. Der Photograph Lagerfeld verleiht dem Banalen die Aura des Exquisiten und Preziösen. Der Blick des aus ärmlichen Verhältnissen stammenden Amerikaners auf die Welt des Glamours ist kalt und illusionslos. Seine Superstars sind keine Topmodels. Der Blick des Sohnes aus guter Hamburger Familie haftet am Edlen und Kostbaren. Die Aura seiner Modelle ist steril. 252

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Für die Frage, ob wir Lagerfeld einen Dandy nennen, ist die Bewertung seiner Photokunst ohne Belang. Sie steht, wenn gewerblich ausgeübt wie die Mode, dem Dandy eher im Wege. Für den Dandy ist die Kleidung nicht ein Gewerbe, dem er sich verdingt, sondern ausschließlich Selbstausdruck. Das Kunstwerk, das diesem Handwerk entspringt, ist der Dandy selbst. Das Dandytum erschöpft sich freilich nicht in der Kunst der Kleidung. Es ist eine Lebenshaltung, die sich einzig auf das Sichtbare gründet und gänzlich aus Nuancen besteht. Der Dandy ist ein Solitär, der seine Affekte bezwingende gesellige Ein23 Ernst Dryden, 1921. zelgänger, der nichts anderes zu tun hat, als die Idee des Schönen in seiner Person zu kultivieren. Er verachtet übertriebene Accessoires und erzeugt den höchsten Effekt durch die geringsten extravaganten Mittel. Schon lange vor Karl Lagerfeld traten Modedesigner auf den Plan, die durch die Art, sich in Szene zu setzen, und ihr makelloses Erscheinungsbild an Dandys denken ließen. Einer von ihnen war Ernst Dryden (1887–1938), der vor dem Ersten Weltkrieg und in der Zwischenkriegszeit in Berlin, Wien, Paris, New York und Hollywood als Plakatkünstler, Modeschöpfer und Kostümbildner von sich reden machte. Er wandte die von ihm erkannten Gesetze der Mode konsequent auf sich selbst an. »Wer Männerkleidung entwarf, durfte selbst nichts weniger als perfekt gekleidet sein. So verkörperte er jene Eleganz, die seiner innersten Überzeugung entsprach. Schlüpfte er in die Rolle des eleganten Mannes, erhob er sich selbst zum Vorbild. Dieser Hang zur Selbststilisierung prägte sein ganzes Tun. Seine Persönlichkeit diente ihm als Gütezeichen, als Aushängeschild. Er ging buchstäblich mit ihr hausieren.«644 Dryden kam von der Gebrauchsgraphik und besaß einen ausgeprägten Geschäftssinn. Er war ein unermüdlicher Arbeiter in einem Business, das keine ruhigen Momente zuließ. Vertändelt der Dandy alten Stils seine Zeit mit ausgefallenen Vergnügungen in den Spielstätten des Highlife, verbringt der Desig253

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ner-Dandy die meiste Zeit am Zeichentisch im Atelier und zeigt sich erst nach getaner Arbeit in der Öffentlichkeit. Karl Lagerfeld nimmt die Attitüde des Dandys an, wenn seine Arbeit ruht und er sich dem staunenden Publikum als Plauderkünstler präsentiert. Er trägt seine Nonchalance auf den Markt. Verwertungszwang und Erfolgsdruck sind jedoch so groß, dass er sich keine Ruhe gönnen kann, will er nicht ins zweite Glied zurückfallen. Die Vorstellung, Lagerfeld führe eine Schildkröte in der Rue Saint-Honoré spazieren, um zu demonstrieren, dass er viel Zeit habe, käme einer Selbstdemontage gleich. Das Business lässt keinen Stillstand zu. Auch ist die Vorstellung abwegig, dass der Designer mit einem Coupé vor dem Café de la Paix vorfährt, im Fond sitzend und lesend, um den staunenden Gästen zu zeigen, er verfüge über unendlich viel Muße wie weiland Fürst Pückler, der mit einem Hirschgespann vor dem Berliner Café Kranzler vorfuhr, dort anhalten ließ und sich in die Lektüre eines Buches vertiefte. Die Hast des Geschäftslebens teilt sich auch dem »Konversationisten« Lagerfeld mit. Er ist ein atemloser Plauderer, kaum zu bremsen im Fluss seiner Rede. Dabei entspringt das, was er mitteilt, scheinbar ebenso einer Augenblickslaune wie seine modischen Kapricen. Er will überraschen und dabei selbst unbewegt bleiben. Er versteht es, den Protest gegen das Triviale des modernen Lebens in eine massenverträgliche Passform zu gießen. Er amüsiert, statt herauszufordern, er unterhält, statt zu frondieren. Die früheren Dandys waren Sprachkünstler, die mit ihren Paradoxen den gesunden Menschenverstand blamierten. Ihre Unverschämtheiten zeugten von Nonchalance und beißendem Witz. Auf dieser Ebene mag Lagerfeld sogar zuweilen Dandy-Qualitäten besitzen. Doch der Businessman und Workaholic sind die vulgäre Kehrseite des Elegantologen. Im Verhältnis zum Geld ist der Dandy ein Aristokrat. Brummell war zwar alles andere als ein Rebell. Er weigerte sich aber sein Leben lang, einer nützlichen, Geld bringenden Arbeit nachzugehen. Er verabscheute es, Geld anzuhäufen. Er besaß es, verlor es, gewann es zurück und verlor es wieder. Als Anwalt des Schönen, als Kleider- und Unterhaltungskünstler hatte er einen Anspruch darauf, dass die Gesellschaft ihn aushielt. Er besaß einen unbeschränkten Kredit, riskierte gefährliche Transaktionen oder lebte von einer von verständnisvollen Zeitgenossen ausgesetzten Rente. Alles, was mit Brotarbeit zu tun hatte, galt für einen Gentleman des 19. Jahrhunderts als unschicklich. Man denke an die Protagonisten der Stücke von Oscar Wilde. Ein hart arbeitender Dandy ist eine Absurdität. Immensen Reichtum zu besitzen ist an sich schon vulgär. Schlimmer noch, wenn man ihn 254

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zur Schau trägt. Ganz schlimm ist neuer Reichtum. Auch ein neuer Anzug, ein neues Haus, ein neues Auto sind geschmacklos. Der Anzug muss eingetragen, das Haus eingewohnt und das Auto eingefahren sein. Grobe Besitzgier überlässt der Dandy den gewöhnlichen Sterblichen. Gelderwerb, wenn notwendig, muss vollständig mühelos vonstattengehen. In der Person des modernen Designers hat der Dandy seine Unschuld und seine Unabhängigkeit verloren. Er ist kein sich aufbäumender Rebell mehr, kein »Herkules ohne Aufgabe«, wie Baudelaire ihn nannte, sondern ein disziplinierter Arbeiter. In der Mode hat dieser Herkules seine Aufgabe gefunden. Lagerfelds Arzt Jean-Claude Houdret hat die Differenz zwischen einem sublimen Dandytum und einem, das seine Haut zu Markte trägt, präzise erfasst. Für Houdret ist die spirituelle Dimension des Dandyismus der Kern dieser seltsamen Doktrin. »Mag auch vordergründig der Eindruck entstehen, als käme es nur auf die äußere Erscheinung an, tief im Innern ist der Dandyismus ein Akt der Weltabkehr und der Selbstentsagung im demütigsten aller Büßergewänder, dem der Eleganz. Der Dandy tritt in dem Sinne eigentlich gar nicht mehr auf, sondern ist paradoxer Weise ständig im Verschwinden.«645 Houdret sieht in der Abmagerungskur Lagerfelds eine Entschlossenheit und einen unbeugsamen Willen am Werk, seinen Körper wie Materie zurechtzubiegen und ihn so zu formen, wie sein Geist es will. Tatsächlich unterwerfen sich Dandys umständlichen materiellen Bedingungen. Dazu gehören, wie Baudelaire erkannte, auch gefährliche sportliche Bravourakte. Sie dienen nur »(…) als eine tägliche Übung zur Stärkung der Willenskraft und zur Zucht der Seele.«646 Auch eine Abmagerungskur ist ein solcher Bravourakt. Heute ist es freilich eine Zeitmode, seinen Körper im Studio zu stählen, um fit und schlank für den Lebenskampf zu sein. Lagerfeld ging es vor allem darum, sich zu verjüngen und dem modischen Trend der schmalen Silhouette in seiner Kleidung zu entsprechen. Die Auferlegung einer asketischen Disziplin, um einem Ideal von Schlankheit und gutem Aussehen zu genügen, verrät sicherlich eine beachtliche Willensleistung. Sie kommt aber nicht dem Eintritt in den Orden der Dandys gleich, wenn Lagerfeld mit diesem Kraftakt auch mehr verändert hat als nur sein Aussehen. Das Preußisch-Puritanische ist an die Stelle des Barocken und Hedonistischen einer früheren Lebensphase getreten. »(...) die wahre Eleganz ist allein die der Seele.«647 Damit hat Houdret den wahren Kern des Dandytums bezeichnet und ganz gegen seine Intentionen enthüllt, dass sein Freund Lagerfeld weit davon entfernt ist, diesem Maßstab zu entsprechen. Denn wo äußert sich sein geistiges Dandytum? 255

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Ist der Talkshowgast, der von den Massenmedien begehrte begnadete Plauderkünstler und Selbstdarsteller, der keine Gelegenheit auslässt, der breiten Masse seine Einzigartigkeit zu demonstrieren, nicht weit davon entfernt, den geistigen Voraussetzungen des Dandys zu entsprechen? Wo ist die »größte Freiheit und Originalität im Denken«, wenn man die immer gleichen, wie Sprachschablonen präsentierten Bonmots zu hören bekommt? Ist der Designer ein »Büßer« im Gewand der Eleganz oder gehört er nicht zu jenen Fürsten der Mode, die als moderne Medici hofiert werden, während sie doch im Grunde nicht anderes sind als auffallend herausgeputzte Geschäftsleute, wie der Modehistoriker Michael Gross feststellt?648 Wo findet sich bei Lagerfeld ein Akt der Weltabkehr, der Distanzierung vom Vulgären? Lässt der Beruf des Designers es überhaupt zu, ein Leben für die Eleganz zu führen, Eleganz verstanden als seelisch-geistige Qualität? Fragen, die gestellt werden müssen, wenn man nicht einem herbeigeschriebenen Phantom »Dandy« aufsitzen will.

Galionsfiguren des schönen Scheins: Jacques de Bascher und Thadée Klossowski de Rola Jacques de Bascher

Die Fragwürdigkeit eines Designer-Dandytums, wie es Lagerfeld verkörpert, wird deutlich im Vergleich mit Jacques de Bascher, seinem verstorbenen Lebensgefährten. Photos zeigen einen in seinem klassischen Look leicht dekadent wirkenden und auf altmodische Weise eleganten Mann. Bascher, so hat es den Anschein, figurierte in dieser Männerfreundschaft als der eigentliche Dandy, einer, der sich im Unterschied zu Lagerfeld weigerte, etwas Nützliches zu tun. Der Dandy ist nicht dazu da, Geld zu erwerben, er begnügt sich damit, mit leichter Hand auszugeben, was andere durch Arbeit verdienen. Für Lagerfeld war Bascher der Prinz der Pariser Dandys, der er selber gern gewesen wäre. Bascher präsentierte sich der eleganten Welt als eine Art moderner Dorian Gray mit Karl Lagerfeld in der Rolle des Lord Henry oder Basil Hallward. Er hatte keinerlei künstlerische Ambitionen. Er hat nie gemalt oder eine Statue geschaffen. Er selbst war das Kunstwerk und wollte wie ein anderer Pariser homme du monde jener Zeit, Alexis de Redé, nichts anderes sein als ein Dandy, freilich ohne auf dieses Etikett besonderen Wert zu legen, denn ein Dandy, der von sich behauptet, er sei ein solcher, ist keiner mehr. Während 256

Galionsfiguren des schönen Scheins: Jacques de Bascher und Thadée Klossowski de Rola

Redé durch berühmte Bälle von sich reden machte, veranstaltete Bascher für den gratin parisien phantasievolle Partys. Die Kunsthistorikerin Isabelle Graw bringt es auf den Punkt: »In der Figur ›Jacques de Bascher‹ verdichten sich die Begehrensströme der damaligen Modeszene: Aristokratieversessenheit, eine Vorliebe für opulente Inszenierungen und Drogenexzesse sowie der Kult um als geschmackssicher geltende Personen, die nicht im herkömmlichen Sinne produktiv sind, aber deren Leben gleichsam zur Arbeit geht.«649 In der Person Baschers wird die Kluft erkennbar zwischen dem Dandy, der jede Popularität verachtet und sich nur im Kreis von seinesgleichen bewegt, und der Berühmtheit, die sich im Glanz der Medien sonnt und ihre Popularität der Selbstvermarktung und der Vermarktung ihrer Produkte dienstbar macht. Auf der einen Seite der geborene Dandy ohne finanziellen Rückhalt, auf der anderen Seite der reiche Designer ohne echte Dandyidee.650 Während sich der Designer Lagerfeld tagtäglich den Medien feilbietet und das Vulgäre nicht scheut, entzieht sich der Dandy Bascher dem Blick der Masse. Kultiviertes Nichtstun lautet sein Credo. Arbeit begrenzt er auf die Arbeit an sich selbst, die Mode als Beruf überlässt er den gewöhnlichen Geistern. Lagerfeld hat die Überlegenheit dieser Daseinsform zweifellos erkannt. Sein Ehrgeiz treibt ihn in eine andere Richtung. Er zielt auf ein öffentlich zur Schau gestelltes und marktgerecht zelebriertes populäres »Dandytum«. Ganz anders Leben und Karriere von Jacques de Bascher.651 Anfang der siebziger Jahre kommt er aus der Provinz nach Paris. Er sitzt Modell für David Hockney und trifft sich im Café de Flore mit Karl Lagerfeld. Die große Welt von Paris wird nicht mehr durch die Aristokratie des Faubourg Saint-Germain repräsentiert, sondern durch die neuen Stars der Mode. Diese sind durchweg soziale Aufsteiger aus dem Bürgertum, die nach Ruhm und Macht streben. Die Mode repräsentiert den Glanz, den früher die Salons der exklusiven Adelskreise für sich beanspruchten. Die Society ist ein Tummelplatz für Berühmtheiten geworden. Ein moderner Dandy hat sich auf dieser Bühne zu bewähren, will er sich nicht wie der Romanheld Des Esseintes voller Verachtung für das Vulgäre des mondänen Lebens in ein Refugium zurückziehen. Jacques de Bascher de Beaumarchais wurde am 8. Juli 1951 geboren. Seine Vorfahren erhielten 1818 den Adelstitel. Die Familie lebte in Neuilly bei Paris und verbrachte den Sommer auf ihrem Landschloss de la Berrière im Departement Loire-Atlantique. Der junge Bascher geriet als Schüler unter den Einfluss eines Lehrers, der das Leben eines Dandys führte. Er begann ein Jura-Studium an der Universität Nanterre, das er nach kurzer Zeit abbrach. Nach Ableis257

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tung des Militärdienstes lebte er bei seinen Eltern in Neuilly und besuchte gelegentlich die Treffpunkte der eleganten Welt in Paris, in der Hoffnung, auf sich aufmerksam zu machen. An seine Freunde schrieb er Briefe in einem altmodischen, manierierten Stil. Bascher war stolz auf seine adlige Herkunft, litt aber darunter, dass er nicht dem Hochadel entstammte. In seinem Bestreben, als mehr zu erscheinen, als er seiner Geburt nach war, glich er dem Designer Karl Lagerfeld. Er wollte dieses Defizit durch sein Erscheinungsbild wettmachen, wobei ihm sein gutes Aussehen zu Hilfe kam. Bascher verstand es, eine bestimmte Atmosphäre um sich herum zu verbreiten, die nicht nur homosexuelle Männer ansprach. Die Tochter eines Mitglieds des französischen Hochadels verliebte sich in ihn. Bald avancierte er zum Favoriten Lagerfelds. Allerdings hatte er keinen festen Boden unter den Füßen. Für die Zeitschrift L’Uomo Vogue posierte er 1973 in einem seidenen pyjamaartigen Anzug, den Lagerfeld für ihn entworfen hatte. Dazu erschien ein Artikel mit dem Titel »Die Wiederkehr des Dandys«. Auf dem Photo trägt Bascher das Menjoubärtchen, das zu seinem Markenzeichen werden sollte. Die Pose, die er einnimmt, zeugt von ironischem Gleichmut. In einem Interview der Zeitschrift erklärt Bascher, er habe sein Studium aufgegeben, um sein Leben der Schönheit im absoluten Sinne zu widmen. Baschers Erscheinung war eine Mischung von verschiedenen Stilfiguren der Vergangenheit. Er machte Anleihen bei den Filmstars der dreißiger Jahre und den dekadenten französischen Dandys der Belle Époque, aber auch bei einem Exzentriker wie Ludwig II. von Bayern, den Helmut Berger in Viscontis Film so unvergleichlich darstellt. Bascher besaß das, was Lagerfeld ersehnte, aber nicht sein eigen nennen konnte: einen Adelstitel und das Raffinement eines Dandys. Zeitgenossen bezeugen seine seigneuralen Manieren und sein verführerisches Wesen. Er war kultiviert und belesen und ein brillanter Plauderer. Er gebrauchte seine Intelligenz ausschließlich zu dem Zweck, andere zu bezaubern und zu beeindrucken, mit dem Ziel zu arrivieren. Für Lagerfeld verkörperte Bascher ein ästhetisches Ideal: durch seine elegante Silhouette, seine noble Haltung, die Stimme, die Manieren, den Stil, den Ton. Jacques de Bascher de Beaumarchais verstand es, seiner Herkunft den Anschein des Außergewöhnlichen, Erlesenen und Vornehmen zu geben. Darauf aufbauend inszenierte er sich als Aristokraten und Ästheten par excellence. Kultur – so zeigt sich hier – ist die Imprägnierung durch einen wohlklingenden Namen, der die Phantasie des Betrachters anregt. Bascher verfügte damit über 258

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ein poetisches Kapital, ohne selbst Poet sein zu müssen. Das gute Aussehen, der tadellose Geschmack, die Lässigkeit – dies alles bildete zusammen mit dem grandiosen Familiennamen ein ästhetisches Ganzes: ein Gesamtkunstwerk. Dieser Kunstwerkcharakter musste allerdings tagtäglich beglaubigt werden. Es bedurfte einer Gemeinde von Anhängern und Mitstreitern, die dem Besitzer dieses Kapitals das Gefühl seiner Außerordentlichkeit vermittelten. Bascher erschuf sich zu einem Phantasieprodukt, das alles, was Saint Laurent und Lagerfeld aus sich zu machen versuchten, durch Raffinement und Herkunftsstolz übertraf. Das Genie der beiden Designer zeigte sich in ihrer Arbeit. Baschers Genie äußerte sich ausschließlich in seiner Person. Kleidung, Manieren, Kultiviertheit waren Bestandteile seiner Persönlichkeit, die sich einem Akt der Selbstschöpfung verdankte. In der Person Baschers begegnete Lagerfeld und Saint Laurent eine Kunstfigur, die perfekt den Fin-de-Siècle-Adligen und vollendeten Décadent verkörperte. Die Garderobe und das geistvolle Aperçu waren für die Wirkung Baschers von entscheidender Bedeutung. Er verbrachte viele Stunden damit, seinen Stil zu perfektionieren, seinen Kostümfundus zu vergrößern und seine in die Konversation eingestreuten literarischen Bonmots zu arrangieren. Ein Freund, Christian Lvowski, berichtet: »Er erschien mir wie eine Gestalt aus einem Roman. Er besaß diese miederartigen Westen, die aufgetürmt, fünfzig an der Zahl, auf einem Bord gestapelt lagen. Er trug sie mit Knöpfen, die an seinen baumwollenen Unterhosen befestigt waren. Er besaß ein präzises, nahezu militärisches Gefühl für jedes Detail seiner Kleidung. Er war immer auf der Suche nach Distinktion in seiner Garderobe, ob es die Pyjamas waren, die Krawatten oder die Socken. Ich erinnere mich, dass ich einige Jahre später in sein Appartement kam und ihn in einem großen Mantel antraf. Ich sagte zu ihm: ›Du trägst einen wundervollen Mantel.‹ Jacques antwortete: ›Es freut mich, dass er dir gefällt. Ich habe ihn in zwölf verschiedenen Farben anfertigen lassen.‹«652 Im Unterschied zu anderen Mitgliedern der Lagerfeld-Clique enthielt sich Bascher jeder produktiven Arbeit. Doch dies machte gerade seine Attraktivität aus. Seine Macht lag im Symbolischen und in der Verkörperung eines Ideals. Seine ausschließliche Konzentration auf sein Image stachelte die Phantasie der Modewelt an, insbesondere ihrer homosexuellen Protagonisten. Bascher imitierte den Dandy der Jahrhundertwende und amalgamierte ihn mit Modeelementen der Gegenwart. Sein Leben in fashionablen Nachtclubs, exklusiven Bars und an anderen Orten des Highlife war die zeitgemäße Über259

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24 Jacques de Bascher im seidenen Smoking von K. Lagerfeld, 1973.

tragung eines Dandylebens der Oscar-Wilde-Epoche und der Epoche Prousts. Dass er sich aushalten ließ, schien Bascher nicht weiter zu kümmern. Er war sich seiner Einmaligkeit, die nicht in Geld aufzuwiegen war, bewusst. Er war zwar von Lagerfeld abhängig und dieser ließ ihn seine Macht hin und wieder spüren. Doch im Wesentlichen tangierte dies den Dandy Bascher nicht. Er wusste um seine Qualitäten. Gewiss kann man ihn wie die Modehistorikerin Alicia Drake mit einer Kokotte des 19. Jahrhunderts vergleichen, die sich von reichen Männern bezahlen lässt. Doch was bleibt einem Dandy anderes übrig? Ein Dandy arbeitet nicht. Er lebt auf Kosten anderer, wenn er nicht vermögend ist. Er lässt sich das Schauspiel, das er den anderen bietet, bezahlen. Bascher erfreute und inspirierte Lagerfeld durch seine Gegenwart. Er war nicht sein Schoßhündchen. Er war der Gefährte eines großen Designers und ein Künstler durch sich selbst. Bascher war nicht an Geld interessiert, um ein Vermögen anzulegen. Er brauchte Geld, um sich jede Laune leisten zu können. 260

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Die namhaften Dandys der Belle Époque – Boni de Castellane, Robert de Montesquiou und Charles Haas – waren mit einem großen Vermögen ausgestattet. Auch George Brummell verfügte über eine auskömmliche Rente. Allerdings bemühte er sich, seinen aufwendigen Lebensstil durch Einnahmen im Glücksspiel abzusichern. Seine gesellschaftliche Karriere verdankte er der Gunst des Prinzen von Wales. Diese stellte ein unschätzbares Kapital dar und garantierte ihm bei seinen Schneidern einen unbegrenzten Kredit, solange die vertraute Nähe zum Thronnachfolger gewahrt blieb. Bascher war in in einer prekäreren Situation als seine Vorgänger. Er besaß keine eigenen Mittel und war wie sein Bruder im Geiste Alexis de Redé auf die großzügige Unterstützung eines Gönners angewiesen. Bascher verfügte sicherlich über die eine oder andere Begabung. Aber er kam nicht dazu, sie zu entwickeln, denn nichts ist zeitraubender als der kultivierte Müßiggang. Er weigerte sich, etwas Produktives zu leisten, zum Beispiel ein künstlerisches Werk zu schaffen, was seinen ästhetischen Neigungen wohl noch am ehesten entsprochen hätte. Er zog es vor, sich selbst als ein kostbares Artefakt bestaunen zu lassen. Zu den Ingredienzen dieses Kunstwerks gehörte eine exquisite Garderobe, wobei diese nicht modisch im Sinne der Tagesmode sein durfte. Sein Kleidungsstil war ganz und gar das Produkt seiner Phantasie und seines Geschmacks. Zu den Ingredienzen gehörte ferner eine gewisse Bildung. Bildung verstanden als souveräne Verfügung über einen geistigen Fundus auf den verschiedensten Gebieten. Bildung vor allem als »ein durchgebildetes Gefühl für Formen und Farben« (Harry Graf Kessler), als Durchbildung der Person, als Überlegenheit in den Manieren, als weltläufige, spielerische Lebensart. Jacques de Bascher lebte in einer Welt, deren künstlicher Charakter durch das Experimentieren mit Rauschmitteln noch verstärkt wurde. Der Gebrauch von Drogen kam seinem ästhetischen Posieren zugute. Dies zeigte sich in symbolischen Details. Wie Brummell sich kostbarer Schnupftabakdosen bediente, um seinen erlesenen Geschmack zu demonstrieren, trug Bascher eine kleine vergoldete Kokaindose bei sich. Mit fortschreitendem Alter stellten Beobachter eine durch den langjährigen Drogen- und Alkoholkonsum verursachte charakterliche Veränderung bei ihm fest. Die diabolischen Züge, die Neigung, andere zu provozieren und zu schockieren, verstärkten sich. Der moderne Wiedergänger Dorian Grays stand an einer Wegscheide seines Lebens. War er immer noch dazu auserkoren, eine Muse zu sein, ein Mann, der eine Atmosphäre um sich schuf und andere inspirierte? War dies sein Schicksal und hatte er diese Wahl bewusst getroffen? 261

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Offenbar bereitete Bascher die Rolle, die er fast zehn Jahre innegehabt hatte, zunehmend Sorgen. Um sich mit etwas Nützlichem zu beschäftigen, entwickelte er die Idee, ein Parfüm zu kreieren. Er fasste den Plan, einen Roman zu schreiben und ein Buch über James Dean. Selbst die Idee einer Biographie Karl Lagerfelds kam auf, wurde aber verworfen, da der gegenwartsfixierte Designer solche Rückblicke nicht schätzte. Auch Pläne, einen Film zu drehen oder ein Filmskript zu schreiben, zerschlugen sich wie auch die Absicht, auf musikalischem Gebiet zu reüssieren. Der älter werdende Dandy ist immer eine beklagenswerte Figur. Was bleibt, wenn die jugendliche Aura, der entwaffnende Charme, der verführerische Narzissmus verschwinden? 1981 heiratete Bascher seine Jugendfreundin Diane de Beauvau-Craon, doch das Paar trennte sich bald wieder. Zwei Jahre später begann Lagerfelds Arbeit für Chanel. Seine Ernennung überraschte die Modewelt, denn sein Renommee war bisher das eines Stylisten und nicht das eines Couturiers gewesen. Mit dem Erfolg seines Förderers verstärkte sich bei Bascher das Gefühl des Unbehagens. Die Diskrepanz zwischen beiden wurde größer und war immer schwerer zu überbrücken. Offenbar tat Lagerfeld wenig, um Bascher eine sinnvolle Tätigkeit an seiner Seite zuzuweisen.653 Was war die Bilanz? Bascher hatte einige berühmte Partys arrangiert, die in die Annalen des Pariser Highlife eingegangen sind. Doch diese glanzvollen Ereignisse wie auch die Bälle, die er initiierte, darunter ein prächtiger venezianischer Ball, verloren allmählich an Erinnerungswert. Die Eröffnung einer Homosexuellen-Bar, die Ausrichtung einer Party in einem neuen Nachtclub bezeugten seinen Sinn für exhibitionistische Inszenierungen. Doch an Bascher nagten mehr und mehr die Selbstzweifel. Er brauchte Anerkennung. Seine finanzielle und soziale Abhängigkeit von Lagerfeld war von der Angst begleitet, er könnte jederzeit fallengelassen werden. Bascher befand sich in einem unlösbaren Dilemma. Er hatte sich aufgespalten in die private Person und die in der Öffentlichkeit wahrgenommene Persönlichkeit. Er wurde okkupiert von seinem Image als Dandy, doch konnte er nur entspannt sein, wenn er mit Freunden zusammen war, denen er vertraute. Er konnte nicht gleichzeitig das Bild von Glamour und Schönheit verkörpern und sich entscheiden, ein anderer zu sein. Gäbe er seine Rolle als Galionsfigur des Pariser Highlife auf, so würde er sich auf die Rolle eines armen Gentleman-Farmers in einem kleinen Schloss in der Provinz reduziert sehen. Die bescheidene Existenz seines Bruders Xavier de Bascher als Graphiker bei Kenzo schreckte ihn ab. Bascher hasste die Mittelmäßigkeit 262

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und war nicht bereit oder fähig, seinen Traum von einem außergewöhnlichen Leben aufzugeben. 1983 wechselte er von seiner Wohnung an der Place Saint-Sulpice in ein Lagerfeld gehörendes Appartement in der Rue de Rivoli. Zu dieser Zeit deutete sich bereits seine Aids-Erkrankung an. Ein Photo zeigt ihn stark gealtert. Was machte die Beziehung zwischen Karl Lagerfeld und Jacques de Bascher aus? Den jungen Ästheten beeindruckten das enorme Wissen und die Brillanz des Modeschöpfers, den er als seinen Lehrer verehrte. Lagerfeld war von Baschers französischen Eigenarten, seiner Physiognomie und der Attitüde einer mondänen Figur des 19. Jahrhunderts fasziniert. Beide Männer waren füreinander eine Art Spiegelbild. Für Lagerfeld verkörperte Bascher alles, was sich auf Herkunft und Allüren bezog. Bascher wiederum fühlte sich zum Deutschtum seines Freundes, zur Welt Richard Wagners, hingezogen. Lagerfeld ließ 2002 in einem Interview wissen: »Er war alles das, was ich nicht sein konnte, sein würde und hätte sein sollen.«654 Bascher lebte das, was sich der Puritaner Lagerfeld versagte. Alle Erfahrung, die er entbehrte, ließ er Bascher für sich machen. Dieser war dazu bestimmt, Lagerfeld vor Augen zu führen, was es heißt, das aufzehrende Leben eines dekadenten Ästheten des Fin de Siècle zu führen, ein Leben voller Ausschweifungen bis zur Selbstzerstörung. Lagerfeld reizte das Verdorbene, das er selbst scheute. Er betrachtete Bascher als Inspirationsquelle für seine eigenen Phantasien. Er romantisierte ihn und hielt sein Idol in unzähligen Photos und Zeichnungen fest. Jacques’ Bruder Xavier de Bascher spricht von einem faustischen Pakt. Wenn beide auch auf unterschiedliche Weise von diesem Pakt profitierten, so besteht kein Zweifel, dass ein hohes Maß an gegenseitigem Verständnis und Vertrauen, ja Liebe, die Voraussetzung für dieses Lebensbündnis war. Jacques de Bascher starb am 3. September 1989 im Alter von 38 Jahren. Thadée Klossowski de Rola

Zum Freundeskreis von Saint Laurent, Lagerfeld und Bascher gehört Thadée Klossowski de Rola (geb. 1944). Klossowski, ein verhinderter Schriftsteller, genauer: ein sich lange Zeit literarisch-künstlerischer Produktion enthaltender homme de lettres, brachte es schließlich zur Herausgabe der Briefe seines Vaters Balthus an seine Mutter Antoinette de Watteville und der Veröffentlichung des Tagebuches »Vie rêvée« aus den wilden Jahren des Highlife.655 Klossowski, ein attraktiver Mann von einnehmendem Wesen, verschlug es wie 263

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Jacques de Bascher in die elegante Pariser Lebewelt, die Kreise der Fashion. Als Sohn eines berühmten Malers war es für ihn nicht schwer, dort Fuß zu fassen. Klossowski besaß zweifellos Kultur. Dabei spielte die angeborene Eleganz eine ausschlaggebende Rolle. Er faszinierte durch seine Erscheinung, seinen Stil, seine Haltung, seine Manieren, seine Ungezwungenheit. Zusätzlich galt offenbar die Abstammung aus dem Hause der Klossowski de Rola als ein Ausweis von Kultur. Der schöne Name verschaffte Klossowski einen besonderen Nimbus. Allerdings verstand es der junge Mann, dem Namen die Aura zu verleihen, die er versprach. Man sah in ihm etwas Geheimnisvolles, Rätselhaftes. Da er sich oft in Schweigen hüllte, verstärkte sich dieser Eindruck. Klossowski versuchte den Mangel an nachprüfbarem Talent durch Dandyallüren zu kompensieren, wohl wissend, dass ihm die Weigerung, etwas Nützliches zu tun, in Modekreisen, in denen nur der schöne Schein zählt, noch am ehesten verziehen wurde. Thadée Klossowski de Rola plante ein Buch über die Beziehung von Madeleine Renaud und Jean-Louis Barrault. Es wurde nie fertig. Seine Erklärung lautet: »Ich bin schrecklich faul. Das ist einer der Hauptzüge meines Charakters. So war ich immer darauf bedacht, Leute daran zu hindern, allzu viel von mir zu erwarten.«656 Diese Worte sind nicht das schlichte Eingeständnis von Faulheit, sondern der koketten Überzeugung entsprungen, er habe im Unterschied zu den Normalsterblichen ein natürliches Recht darauf, nichts zu tun. Ein Klossowski de Rola muss sich nicht beweisen. Er ist etwas allein durch sein Dasein. Klossowski heiratete 1977 Loulou de la Falaise, eine Frau aus der Modebranche, die ihrerseits Adel, Stil, Anmut, Schönheit und Nonchalance verkörperte. Die Heirat wurde von Saint Laurent finanziert und choreographiert. Loulou de la Falaise war ein englisch-französischer Frauentyp, grazil, feingliedrig, mit scharf geschnittenem Gesicht und feurig glänzenden Augen. Für Klossowski war sie das perfekte weibliche Pendant. Ein solches Luxusgeschöpf zu besitzen, war für ihn eine Frage des Prestiges. Beide bildeten das Glamourpaar der Pariser Society. Ihr Leben spielte sich zwischen Designer-Studio, Fotoatelier, Luxusanwesen in der Stadt und auf dem Land, Partys und Nachtclubs ab. Ein Photoband dokumentiert die exzeptionelle Persönlichkeit Loulou de la Falaises.657 Es ist eine Selbstfeier jener Kreise, die für sich beanspruchen, die elegante Welt von heute zu repräsentieren. Alles Diskrete, das die große Welt von ehemals auszeichnete oder auszuzeichnen beanspruchte – die schlichte, einfache, unauffällige Vornehmheit –, erscheint wie weggespült durch eine Woge des Glamours, 264

Scheitern als Kunst: Sebastian Horsley

der keine Grenzen mehr kennt und durch die Häufung und Multiplizierung seiner Effekte ins Banale und Vulgäre umzuschlagen droht. Eleganz lässt sich nicht durch Hochglanzphotos reproduzieren. Sie lebt ausschließlich vom Augenblick. Klossowski ist sich dieses Dilemmas bewusst. Sein Tagebuch »Vie rêvée« enthält keine Photos. Der Autor verzichtet bewusst auf Memoiren. Sie würden das Impromptuhafte, Poetische seiner Existenz verfehlen und ins Prosaische herabziehen. Klossowski begnügt sich in seiner Suche nach der verlorenen Zeit mit Notaten, Abbreviaturen im Stile Warhols. Natürlich kann man sich ihn auch als Dichter vorstellen. Doch er kam bisher nicht dazu, sich in einem sprachlichen Kunstwerk zu verewigen. Ob zu seinem Leidwesen, sei dahingestellt. Als Dandy ist er selbst das Werk. Die Spuren, die er hinterlässt, verwischt er. Er macht sich zur Legende und existiert als Anekdote in den Zeugnissen seiner Zeitgenossen.

Scheitern als Kunst: Sebastian Horsley »Ein Gentleman ist jemand, der sich – wie sehr er auch am Hungertuch nagen mag – stets aus Prinzip weigern wird, etwas Nützliches zu tun.«658

»Künstlichkeit war zu meiner Wirklichkeit geworden. Meine Fassade war mein Wesen«, schreibt Sebastian Horsley (1962–2010) in seiner »unautorisierten« Autobiographie »Dandy in the Underworld«. Horsley, der Künstler werden wollte, hatte es vorgezogen, ein ausschweifendes Leben zu führen. Die Fassade war oftmals brüchig, wie sein Bericht enthüllt, die stoische Haltung Anfechtungen ausgesetzt. Horsley war ein Kind der Glam-Rock-Periode der englischen Popkultur und der frühen Punk-Ära der siebziger Jahre. Er wollte sein wie Marc Bolan, der Bandleader von T. Rex, oder wie Johnny Rotten von den Sex Pistols. Als er mit der Karriere eines Popmusikers nicht vorankam, verlegte sich Horsley auf das Malen. Er brachte es im Laufe der Zeit zu mehreren Ausstellungen, die aber wenig Resonanz fanden. Als Künstler, so musste er sich mit vierzig Jahren eingestehen, war er gescheitert, jedenfalls gelang ihm kein Durchbruch zu öffentlicher Anerkennung. Seine spektakuläre Selbstkreuzigung auf den Philippinen, eine makabre Performance – Horsley spricht von einer dadaistischen Aktion –, brachte ihm zwar Schlagzeilen, aber die Wirkung verpuffte sehr bald. Mit dem Schreiben hatte er mehr Glück. Seine Kolumnen in der Erotic Review und seine Beiträge für »The Decadent Handbook« und »A Hedo265

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nist’s Guide to Life« begründeten seinen Ruf als Enfant terrible des britischen Underground. Berühmt wurde er jedoch erst durch das Buch »Dandy in the Underworld«, das 2007 erschien und einen enormen Medienwirbel entfachte. Er ging damit auf Lesetour und konnte dabei seine darstellerischen Fähigkeiten ins rechte Licht rücken. Das skandalöse Enthüllungsbuch bot die Vorlage für ein Bühnenstück. Filmrechte wurden erworben. Auf dem Zenit seines Ruhms starb Sebastian Horsley am 17. Juni 2010 an einer Überdosis Heroin. Horsley hatte keine Scheu, sich als Dandy zu bezeichnen, und legte großen Wert auf diesen Auszeichnungstitel. Dabei hätte ihm etwas mehr Zurückhaltung gutgetan, eingedenk der Worte des Philosophen Emil Cioran: »Wer im Bewußtsein lebt, ein Heiliger zu sein, der kann kein großer Heiliger sein.«659 Schenkt man seiner Autobiographie Glauben, so war Horsley sein Dandytum in die Wiege gelegt. Die Mutter besaß einen untrüglichen Sinn für Eleganz, und der junge Sebastian liebte es, sich zu verkleiden und zu schminken. Der Vater war ein erfolgreicher, zu immensem Reichtum gekommener Unternehmer. Vater und Mutter waren exzessive Trinker. Horsley schildert seine Kindheit als eine Abfolge von Monstrositäten. Er entwirft in seinem Buch ein Pandämonium aus Alkoholsucht, Brutalität und sexuellen Exzessen. Horsley verfügte, gerade volljährig geworden, über Unsummen an Geld, das er hemmungslos verschleuderte. Während seines Malerei-Studiums ging er eine Liaison mit einem aus dem Gefängnis entlassenen berühmt-berüchtigten Mörder ein, der erfolgreich seine Resozialisierung als Künstler betrieb. Horsley schildert diese Beziehung in schrillen Farben, sowohl um sich als Grenzgänger zu stilisieren, als auch um zu demonstrieren, dass er es liebte, sein Leben im Umkreis von Ausgestoßenen zu verbringen. Offenbar verfügte er über ein besonderes Talent zur Selbstzerstörung. Er gewann den Exzessen mit seinem brutalen, dominanten Liebhaber besonderen Reiz ab. Es ist eine Inszenierung des Obszönen, Masochistischen und Ekelhaften, in der sich der Autor gefällt, indem er kein Detail auslässt, um sein Faible für das Gemeine, Verworfene zu dokumentieren. Neben den Eskapaden als Alkoholiker lernen wir den Drogensüchtigen Sebastian Horsley kennen. Die Erlebnisse im Dunstschleier von Crack und Heroin sind eingetaucht in Orgien mit Prostituierten, genüsslich ausgemalt mit besonderem Sinn für das Abnorme. Horsley will den Leser beeindrucken und zieht alle Register, um seelische Abgründe vor ihm auszubreiten. Dies geschieht, um zu demonstrieren, das Leben sei sinnlos, den einzigen Genuss biete das Verbotene und Zerstörerische. Er stilisiert sich als eine Art wiederauferstandenen satanischen Byron 266

Scheitern als Kunst: Sebastian Horsley

oder anarchischen Rimbaud, der es versteht, seine Zeitgenossen durch seinen Geschmack am Amoralischen zu provozieren und zu schockieren. Hier kommt nun der Dandy Horsley ins Spiel, der Dandy in der Unterwelt. Denn mag er sich noch so tief fallen lassen, mag er noch so sehr danach lechzen, dem Widerwärtigen Reiz abzugewinnen, dies alles, so versichert er, geschehe mit Stil und Geschmack. Angefangen mit der stets tadellosen Garderobe von erlesenster Qualität, über das durchweg verwendete makellose Make-up, bis zur ausgeprägten Höflichkeit und Rücksichtnahme im Umgang mit anderen. Horsley – so stellt er sich dar – war ein beflissener Gentleman mit der Neigung zum Extremen, der aber stets Haltung zu bewahren wusste. Er sieht sich in der Tradition der großen englischen Exzentriker – man denke an die Geschwister Sitwell –, die es liebten, durch ausgefallene Posen ihre Mitwelt zu verblüffen und herauszufordern. »Stil«, so heißt es bei Horsley, »ist die Antwort auf die Frage, wie man in einer feindlich gesinnten oder indifferenten Welt man selbst sein kann.«660 »Gut angezogen« zu sein, habe nichts mit teurer oder »richtiger« Kleidung zu tun. »Du kannst in Fetzen gehen, solange sie dir stehen. Stil ist nicht Eleganz, sondern Konsequenz.«661 Horsleys Äußerungen über Stil erinnern an eine Passage aus dem Brummell-Essay von Barbey d’Aurevilly, der ebenfalls meinte, man könne in einem schäbigen Anzug ein Dandy sein, denn alles hänge von der Haltung des Trägers ab. Horsley geht freilich noch einen Schritt darüber hinaus. Sein Stilverständnis entspricht der Ästhetik des Camp. Es wundert deshalb nicht, dass Horsley nicht wie Beau Brummell für unauffällige, schlichte Eleganz votiert. Das Gegenteil ist der Fall. Horsley will wie die Kunstfigur des Camp durch sein Outfit Aufsehen erregen. Sein Credo lautet: »Wahres Dandytum ist rebellisch. Der echte Dandy will, dass die Menschen ihn anstarren, dass sie von ihm schockiert sind und sich sogar ein wenig fürchten vor der Subversion, für die seine Kleidung steht.«662 Der theatralische Look ersetzt die raffinierte Einfachheit. Seine Vorbilder, das sollte man nicht vergessen, sind Bühnenstars. Es sind glamouröse Popmusiker, die ihre Androgynität und Bisexualität – Horsley selbst bezeichnet sich als einen hermaphroditischen Narziss – zum Markenzeichen erheben. In den siebziger Jahren waren es die Protagonisten des Glam-Rock, schillernde Entertainer, die der Mode neue Impulse verliehen und sich selbst als Modeikonen feiern ließen. In dieser Tradition, der eines Bolan, Bowie und Warhol, stand der Dandy Horsley. Zwar machte er Anleihen bei der Garderobe der Regency, doch der Modediktator dieser Zeit war nicht sein Vorbild. Beau Brummell, heißt es, sei zu kultiviert 267

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und zu konformistisch, um als Maßstab zu gelten. Horsley ließ in seiner Person den fop und coxcomb jener Epoche wieder aufleben, Modegecken, die durch ihre Affektiertheiten, ihre maßlosen Übertreibungen in der Kleidung und ihr skandalöses Benehmen Aufsehen erregten. Durch Horsley, so könnte es scheinen, erlebte der groteske Dandy-Typus, der in der englischen Kulturgeschichte nie ganz ausgestorben war, sein Comeback. Horsley liebte nicht das Verfeinerte, sondern das Vulgäre. Ihm spricht er gar eine besondere Vornehmheit zu. In der Tat fällt es nicht immer leicht, die Grenze zwischen dem Vulgären und dem Eleganten zu ziehen. Dass das Schöne bisweilen bizarre Züge trägt, ist unbestritten. Aber dem Bizarren jeglicher Observanz Schönheit zuzubilligen verrät Mangel an Distinktion. Sein Bestreben, allem – nicht nur seiner Kleidung, auch seiner miserablen, traurigen Situation als Drogensüchtiger – Stil zuzusprechen, gerät ihm oft zur bloßen Rechtfertigungsrhetorik. Die Verabschiedung Brummell’scher Prinzipien in der Garderobe entbehrt nicht einer gewissen Plausibilität. Brummells Maxime, der Dandy dürfe durch seine äußere Erscheinung nicht auffallen, alles Übertriebene sei zu vermeiden, hat in einer Zeit, in der jeder einigermaßen stilvoll Gekleidete sich zwangsläufig von der Masse der hässlich Gekleideten abhebt, ihren ursprünglichen Sinn weitgehend eingebüßt. Man kann darüber streiten, ob Camp die Antwort auf die Herausforderungen des Dandytums im Zeitalter der Massenkultur darstellt. Eines lässt sich jedoch nicht bestreiten: Das flamboyante Aussehen Sebastian Horsleys mochte zwar marktschreierisch sein und dem Understatement eines Gentleman widersprechen, doch es verriet zweifellos ein hohes Maß an Stilbewusstsein. Wo alle Maßstäbe stilvoller Eleganz verblasst sind, hat die Extravaganz eines Horsley da nicht ebenso ihre Berechtigung wie die Devise, das klassische Maß in der Kleidung zu wahren? Ein anderer fulminanter Dandy der britischen Szene, Stephen Calloway, präsentiert sich ebenfalls in einer Neo-Regency-Garderobe, einem dem Camp verwandten Stil, den er »Baroque Baroque« nennt.663 Ein heutiger Dandy kann beides sein: ein Adept der Brummell’schen Kleidermaximen und ein ostentativ zurechtgemachter Paradiesvogel, dessen Kostüm hohen Qualitäts- und Stilansprüchen entspricht, vorausgesetzt, die geistige Grundhaltung bleibt gewahrt.664 Horsley erscheint mit seinem glamourösen Regency-Look wie aus der Zeit gefallen. Damit steht er in der Phalanx der historischen Dandys nicht allein da. Auch Barbey d’Aurevilly kümmerte es nicht, in seinen komischen Fracks mit buntem Atlasbesatz und mit seiner Vorliebe für Scharlachrot altmodisch zu erscheinen. Und wenn Baudelaire – wie sein Held Samuel Cramer in der 268

Scheitern als Kunst: Sebastian Horsley

Novelle »Die Fanfarlo« ein »Komödiant aus Veranlagung« – im abgetragenen schwarzen Frack mit blutroter Krawatte einherstolzierte und seine Umgebung ihn Monsignore Brummell titulierte, bedeutete sein Festhalten an der Mode einer vergangenen Epoche keine Abkehr von den Prinzipien des Dandytums. Für ihn war diese Kleidung ein Zeichen seiner Persönlichkeit. So auch für Horsley. Horsley ist kein Anti-Brummell, auch wenn er dessen Kleidungsprinzipien nicht gelten lässt. Er erlaubt sich freilich Varianten in seinem Kostüm, die grotesk erscheinen und wie ein Zitat anmuten. Doch im Grundsätzlichen bleibt Horsley der von Brummell initiierten modernen Männerkleidung treu. Die Lektüre seiner Autobiographie vermittelt den Eindruck, Horsley habe sich bei seiner Ankunft in London als wohlhabender Mann bei den beautiful people einen Namen machen wollen. Es gelang ihm jedoch nie, den Makel der Mittelklassenherkunft vergessen zu machen. Zudem fehlte es ihm an dem Talent eines Brummell, Menschen zu gewinnen und zu beherrschen. Brummell wurde in London tonangebend, weil er über das gewisse Etwas verfügte, das Horsley habituell entbehrte und auch gar nicht anstrebte. Man wollte nicht von ihm über Eleganz und Stil belehrt werden. Horsley erschien vielen als ein bloßer Epigone, der über den Glam-Rock-Stil nicht hinausgekommen war und ihn von der Bühne auf die Straße überführt hatte. Warum sollte man diesen selbstverliebten coxcomb als Arbiter elegantiarum anerkennen? Man kann Horsley verstehen, wenn er sich von Brummells Plädoyer für unauffällige Eleganz distanziert. Es irritiert jedoch, wenn er den Beau des Konformismus bezichtigt und ihm jede Normverletzung abspricht. Brummell war zwar kein Rebell im Sinne Horsleys, sondern eher ein Reformer, dies aber mit großer Wirkung. Während die fops im Grunde harmlose Exzentriker blieben, hat Brummell die englische Herrenmode vollständig umgekrempelt. Sein Leben war nicht das eines angepassten Parvenüs und Snobs. Dazu war seine gesellschaftliche Stellung einerseits zu dominant, andererseits aber auch zu prekär. Er musste alle seine Fähigkeiten mobilisieren, um seine Stellung zu behaupten. Er war ein waghalsiger Spieler, der einen hohen Einsatz wagte, sich bewusst, dass er früher oder später den Rückzug von der gesellschaftlichen Bühne antreten musste. Die Regency-Gesellschaft kannte strenge Verhaltensregeln. Man konnte mit ihnen spielen, tändeln und sie gelegentlich überschreiten, doch die Gefahr von Sanktionen und der damit verbundene Verlust der Ehre war ihren Mitgliedern stets gewärtig. Horsley lebte in einer schamlosen Epoche, die Exzentrik als Nervenkitzel goutierte. Seine rebellische Attitüde war nicht dazu angetan, ihn gesellschaft269

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lich zu deklassieren. Als »Dandy in der Unterwelt« hat er seine gesellschaftliche Position selbst gewählt. Anders als Brummell ist sein Publikum nicht das Londoner Westend, sondern die breite Öffentlichkeit. Gegen sie richtet sich seine Rebellion, nicht gegen eine mit Sanktionsmacht ausgestattete Society. Wie man dem Echo auf sein Enthüllungsbuch entnehmen kann, bediente er erfolgreich das Bedürfnis nach Trash und pornographischen Indiskretionen wie ein Jeff Koons in der Kunstszene. Mit empfindlichen Sanktionen, wie sie Brummell durch den Gunstverlust des Prinzregenten oder Oscar Wilde durch seinen Prozess gegen ein Mitglied der Upperclass zu erdulden hatten, musste er nicht rechnen. Das Einreiseverbot in die USA erhöhte lediglich die Verkaufsziffern seines Buches. Sein Tabubruch war wohlfeil. Horsley steht, wenn auch mehr als Poseur, in der Tradition der revoltierenden Dandys der romantischen Epoche, vor allem eines Lord Byron, der sich – angetrieben vom Gefühl des Schmerzes und des Ekels – von der Gesellschaft abwandte und ins Exil zurückzog. Der Held Byrons ist – wie Albert Camus schreibt – »(…) einsam, abgespannt, sein Zustand erschöpft ihn. Wenn er fühlen will, daß er lebt, muß das in der schrecklichen Exaltiertheit eines kurzen heftigen Tuns geschehen. (…) Nur der Aufschrei bringt Leben; die Exaltation tritt an die Stelle der Wahrheit.«665 Der Dandy sei eine satanische, todgeweihte Gestalt. Wissend, dass er sterben muss, verbreite er wenigstens Glanz, bevor er von der Bühne verschwinde, »und dieser Glanz macht seine Rechtfertigung aus«.666 Nihilistisches Pathos in die Gegenwart zu übertragen, entgeht jedoch nicht der Gefahr, als hohl und unecht empfunden zu werden. Auftritte dieser Art erscheinen wie ein Satyrspiel, wie ein letzter Akt, wie die Wiederaufnahme eines längst vom Spielplan genommenen Stücks.667 Wenn schon nicht auf Brummell, so führt Horsley seinen Dandy-Stammbaum selbstbewusst auf Baudelaire und Oscar Wilde zurück. Er adaptiert und plagiiert die Aphorismen seiner Vorgänger und fügt ihnen neue hinzu. Hier und da gelingt ihm ein treffendes Bonmot, ein glänzendes Aperçu. Auch die witzigen Aussprüche eines Quentin Crisp sind für ihn eine unerschöpfliche Inspirationsquelle. Das Plagiieren gehört zu seinem Selbstverständnis als Autor und zur Nonchalance des Dandys. Horsleys Camp-Attitüde ist nicht nur eine Sache des schrillen Outfits. Er liebt drastische Formulierungen und zynisch-makabre Sentenzen. Im Unterschied zu Wilde fehlt es Horsley jedoch an der Leichtigkeit und Anmut geistreichen Plauderns. Literatur – so ist von Wilde zu lernen – ist notierte Konversation. Will Wilde blenden und verblüffen, so möchte Horsley den Leser 270

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25 Sebastian Horsley in seiner Wohnung, o.J.

schockieren und empören. Das gelingt ihm nicht ohne heftige Stilbrüche und sprachliche Entgleisungen. Seine Prosa ist oftmals roh und ungelenk. Stilistisch ist er nicht immer auf der Höhe seines maßgeschneiderten Anzugs. Freilich kann man Horsley den Sinn für absurde Komik nicht absprechen. Das Grässliche und Morbide wird mit großer Selbstverständlichkeit und Emphase präsentiert. Horsley spielt virtuos auf der Klaviatur des Tabubruchs in einer Zeit, welche so gut wie keine Tabus mehr kennt. Die Dekadenz, die Horsley wie kaum ein anderer verkörpert, und das obszöne, fäkalische Vokabular haben längst Einzug in die Bestseller der literarischen Verkaufsketten gehalten. Horsley erklärt, er wolle wie mancher Popstar die Trostlosigkeit seines Charakters loswerden, indem er sich rückhaltlos bloßstelle. Sein Dandytum sei eine Abwehr des Leids und eine Feier des Lebens. Er erblickt darin eine Art Martyrium. Oscar Wilde hat in »De Profundis«, dem Werk, das er im Zuchthaus von Reading schrieb, vom Leid als der Urform und dem Prüfstein aller großen 271

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Kunst gesprochen. Das Leid lasse keine Pose mehr zu. »Der Schmerz trägt keine Maske wie die Freude. (…) das Geheimnis des Lebens heißt Leiden.«668 Horsley dagegen spricht selbst dem Leid und der Erniedrigung Stil zu. Er maskiert sich als Verworfenen, dem Demütigungen und Entwürdigungen Persönlichkeit verleihen. Einer derartigen Selbstüberhöhung und Selbsttäuschung verweigert sich der Lebensbericht Oscar Wildes. Er ist eine rückhaltlose Beichte. Bei Horsley haben wir es mit einer wohldurchdachten Selbstverherrlichung im Gewand eines schonungslosen Geständnisses zu tun. Die Erfahrung mit dem Schmerz wird von ihm zwar in ihrer ganzen Erbärmlichkeit ausgebreitet, doch von ihrer Glorifizierung kann er nicht lassen. Horsleys Dandytum ist ein Panzer, eine Rüstung, hinter der sich ein traurig-stolzes Selbst verbirgt. Dieses Selbst ist von Leid, Zweifel, Ohnmacht und Größenphantasien gekennzeichnet. So offenbart es sich in seiner Autobiographie. Die Dandy-Pose dient Horsley zur Abwehr des erfahrenen Leids und des permanenten künstlerischen Scheiterns, das in einen Sieg umgedeutet wird. Sie dient der Überhöhung seiner existentiellen Misere, für die er selbst gerade zu stehen hat. Hier begibt sich Horsley in die Nachbarschaft Baudelaires, der in der Maske des kaltblütigen Dandys seine Deklassierung und Verelendung zu kompensieren suchte. Horsley war fasziniert von Baudelaires Geschmack am Elend und an den Niederungen des Lebens. »Er wusste alles über die Bitterkeit und Enttäuschung und Schinderei des Lebens, genauso wie er deren Kehrseite kannte: die Sehnsucht nach dem Entfliehen (…) Es gab da einen unglaublichen Kontrast zwischen der Erbärmlichkeit des Lebens und dem Glanz der Poesie.«669 Unter dem Eindruck Baudelaires malte Horsley »Blumen des Bösen« und stellte diese Serie aus. Ein nicht gerade origineller Einfall. Die Ausstellung wurde zum Fiasko. Seine Bilder verschafften ihm keine Anerkennung. Horsley war ein Drogensüchtiger, der gelegentlich malte und durch seine brillanten künstlerischen Misserfolge bekannt wurde.670 Einzig das Schreiben erwies sich als produktiv. Dabei geht es Horsley nicht um Gestaltung und Stil. Entscheidend ist der provokatorische Inhalt. Dieser soll seiner Persönlichkeit Profil verleihen. »Als ich aber weitermachte, wurde mir klar, dass das Schreiben keine literarische Karriere bedeutete, sondern ein Spektakel der Persönlichkeit, das sich ausbeuten ließ (…) Meine emaillierte Prosa war lediglich eine Ergänzung meiner farbenprächtigen Garderobe. Ich bin kein Schriftsteller. Ich bin Darsteller.«671 Diese Selbstbeschreibung triff ins Schwarze. Horsley kennt nur ein spektakuläres Dandytum, eines, das Schlagzeilen macht, den Massenmedien Stoff lie272

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fert. Das elitäre, die Masse verachtende Dandytum eines Baudelaire und Brummell liegt ihm fern. Ebenso die Askese, die strenge Zucht, die Selbstkontrolle. Horsley entgleitet stets dieser Kontrolle. Vom typischen Bohemien unterscheidet ihn allerdings sein Sinn für gepflegte Garderobe und Maniküre. Was Baudelaire in seine Kunst verlegte, das Äußerste an Gestaltungskraft, versuchte Horsley in seiner Person zu realisieren. Wenn ihm als Künstler wenig gelang, so muss man berücksichtigen, dass die Existenz des Künstlers in der Gegenwart bis auf wenige Ausnahmen den Gesetzen der Medien und des Marktes unterliegt. So ist das Scheitern als Künstler auf dem Markt noch nicht ein Beweis für den Mangel an schöpferischer Potenz. Von dieser Ambiguität profitiert der gescheiterte Künstler Horsley. Wenn es denn zutrifft, was er über Dalí, Warhol und Bacon sagt, dass nämlich ihre Persönlichkeit die Einbildungskraft der Menschen weit mehr berühre als ihre Werke, so könnte er sich zugutehalten, dass er als Individuum erreichte, was andere nur über den Weg der Kunst zustande brachten: Publicity und Ruhm. Publicitysucht ist jedoch ein Anzeichen von Verzweiflung und innerer Leere und zeugt nicht gerade für die geistige Überlegenheit eines Dandys. Von Marc Bolan hatte sich Horsley überzeugen lassen, dass das menschliche Wesen selbst ein Kunstwerk sei, eine Überzeugung, die er immer wieder kundtut. »Ein Kunstwerk zu werden war der Zweck meines Lebens (…) Ich bin die sinnlose Explosion von Farbe in einer sinnlosen und farblosen Welt.«672 Zweifellos ist die Welt durch Horsley um eine Nuance farbiger geworden. Doch selbst die virtuoseste Selbstinszenierung macht aus dem Leben kein Kunstwerk. Der Dandy will zwar steril, künstlich und ungerührt erscheinen. Er will alles Lebendige in sich abtöten. So gleicht er in der Tat einem Artefakt. Doch ist es schwer, vierundzwanzig Stunden am Tag ein Kunstwerk, tote Materie, zu sein. Und schon gar nicht gelingt es einem Dandy, diesen Anspruch sein ganzes Leben lang zu erfüllen. Bedauerlicherweise ist der reale Dandy kein bloßes Konstrukt, sondern ein Wesen aus Fleisch und Blut. Die Maske wächst zwar ins Fleisch und sein Posieren gelingt ihm auf wahrhaft beeindruckende Weise. Doch die Pose des Dandys stets aufrechtzuerhalten erfordert übermenschliche Kräfte. Das weiß Horsley nur zu gut. Deshalb das Forcierte seines Anspruchs, immer ein Dandy zu sein. Allein dieser Anspruch erlaubt ihm, seiner trostlosen Existenz den Anschein des Außergewöhnlichen und Singulären zu geben. Horsley lebte in einer Mediengesellschaft, die das Spektakel braucht. Diese Nachfrage versuchte er zu befriedigen. Sein Leben war ein ständiges Oszillieren zwischen Maskierung und Demaskierung. Mal agierte er ungeschützt und 273

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stürzte sich in ein Spektakel, um es besinnungslos auszukosten. Mal schaute er mit der Ungerührtheit des Dandys auf seine klägliche Existenz herab. Seine künstlichen Paradiese erwiesen sich als Erregungszustände, die fatalerweise keinerlei kreative Impulse auslösten. Seine Botschaft als Dandy lautet: Das Leben ist die Hölle. Es ist nicht lebbar. Das einzige Ziel – eines Dandys würdig – ist der Selbstmord. Dieser ist ihm schließlich gelungen. Eine Karriere zu Lebzeiten blieb ihm erspart.673 Horsley fand eine bestimmte Art von Perfektion in seinem Leben, die er in seiner Kunst nie erreichte. Dass er mehr war als ein gescheiterter Künstler, beweist seine besondere Art der Eleganz. Er ließ die Mode links liegen und zeigte sich in Soho in großer Aufmachung im Frack mit übergroßem Zylinder, roter Weste, übergroßem Kragen und übergroßer Krawatte. »Eine solche Kleidung würde bei einem anderen lächerlich wirken, doch mit Horsleys hageren, gequälten Gesichtszügen, die ihre Wirkung erhöhte, verhalf sie ihm zu makabrer Würde.«674 Hier bietet sich ein Vergleich mit Oscar Wilde an. Über seine äußere Erscheinung schrieb seine Vertraute Ada Leverson 1895 anlässlich der Premiere von »Bunbury oder die Bedeutung, Ernst zu sein«: »Diese Kleidung, die bei einem anderen Mann einem Phantasiekostüm gefährlich nahegekommen wäre – und bei seinen Imitatoren war sie nichts anderes –, passte vollkommen zu ihm.«675 Horsley räumt ein, dass sein Dandyismus etwas eigentümlich Calvinistisches an sich hat, so wie das Gentlemanideal sich offenbar aus dieser geistigen Quelle speist. Sein ostentatives Auftreten erinnert an »Southern Gothic«, jenen Stil der dekadenten amerikanischen Aristokratie in den Südstaaten. Es war das Groteske und Abnorme, das in einem eigenen literarischen Genre zum Ausdruck kam. Hier zeigt sich auch wie bei manchen Décadents und Punks eine Beziehung zur schwarzen Romantik. Trotz all seiner outrierten Extravaganz war Horsley bekannt für seine Liebenswürdigkeit und die gefälligen Umgangsformen eines Gentleman. Er war trotz seiner Affektiertheiten und Angeberei ein freundlicher, offener und stets loyaler Mann. Bei aller Vorliebe für das Spektakel bewies er immer wieder seine Unabhängigkeit vom Medienzirkus. Er lehnte es zum Beispiel ab, dass das Model Kate Moss sich gegen Geld in seiner Wohnung photographieren ließ. »Ich finde ihr Aussehen und ihre Habsucht hässlich«676, lautete sein Kommentar. Im Nachruf der Zeitung The Guardian heißt es, Horsley sei eine Mischung aus einer grotesken Figur von Dickens und einem Dandy Byron’scher Obser274

Scheitern als Kunst: Sebastian Horsley

vanz. Nigel Rodgers resümiert: »Hatte Horsley auch das Aussehen eines Pfaus [Gecken], so lag darunter doch eine stahlharte Schicht von Puritanismus, die wahre Dandy-Mischung.«677 Worin liegt das Puritanische bei Horsley? Auffallend ist, dass er es liebte, sein Leben so darzustellen, als habe er sich ständig im Schmutz gesuhlt. Der Schmutz und das Verruchte zogen ihn magisch an. Allein sein unstillbares Verlangen, sich als böse, abartig, gemein, vulgär, satanisch darzustellen, verrät einen puritanischen Kern. Denn dies alles liest sich wie die Abbitte an die eigene Eitelkeit, die Beichte eines Sünders, der sich zwar zu seinen Sünden bekennt, ja geradezu stolz darauf zu sein scheint, weil sie das Markenzeichen des Außergewöhnlichen, Außeralltäglichen verbürgen, der sich aber dabei – wie er selbst andeutet – als Märtyrer fühlt.678 Seine Ausschweifungen müssen deshalb ein möglichst düsteres Bild seiner Persönlichkeit bezeugen. Aus ihnen spricht weniger Lust als Qual. Wie ein Puritaner büßt er – schon zu Lebzeiten – für seine Sünden. Hier findet sich eine Parallele zu Baudelaire, der in seinem Werk das »Böse« beschwört, durchdrungen von einem nicht anders als religiös zu verstehenden Gefühl der Schuld. Als bildender Künstler konnte Horsley nicht überzeugen, als Schriftsteller war er unterhaltsam und als moderner Dandy hatte er nicht seinesgleichen. Das Magazin The Chap zog anlässlich seines Todes ein trauriges Fazit: »Ohne Sebastian bewegt sich die Waage wieder mehr zugunsten von Fadheit, Banalität, Ehrgeiz und Jeans (…) Er war abwechselnd gehässig gespreizt und geistvoll zurückhaltend. Er beschrieb sich selbst, als habe er Flügel aus Rauschgold und gleich darauf, als sei er ein ›vollständiger Versager‹.«679 Horsleys provokative Äußerungen kamen im Kreis des Chap-Magazins nicht immer gut an. Doch akzeptierte ihn die Gilde der britischen Dandys als einen der wenigen, die zu der kleinen Schar gehören, »die sich aus Brummell (den er verabscheute), Baudelaire, Byron und Bunny Roger zusammensetzte«.680 Der Name Wilde kommt in dieser Genealogie der großen Dandys merkwürdigerweise nicht vor. Horsley ist ein – freilich extremes – Beispiel dafür, was die Worte »Dandy« und »Dandyismus« in unserer Welt der Berühmtheiten und des Kommerzes noch für einen Sinn beanspruchen könnten: geistige Unabhängigkeit, ausgeprägtes Stilbewusstsein, permanente Auflehnung gegen die geltenden gesellschaftlichen Normen und die Gelassenheit und liebenswürdigen Manieren eines Gentleman.

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Anmerkungen

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Martin Roth, David Bowie ist, was folgt, in: Victoria Broackes/Geoffrey Marsh (Hg.), David Bowie. München 2013, S. 16–17, hier S. 17. 2 Vor diesem Hintergrund entsteht, was Camille de Toledo mit Recht »Massendandyismus« genannt hat. Vgl. Camille de Toledo, Goodbye Tristesse. Bekenntnisse eines unbequemen Zeitgenossen, München 2007 [EA Berlin 2005]. Das Verhältnis gescheiterter 68er-Revolutionäre zum Dandytum untersucht Beat Wyss. Vgl. ders., Das Verschwinden des Dandys, in: Kursbuch, H. 118, Dezember 1994, S. 34–38. 3 Vgl. Peter Bürger, Marginalien zu Adornos »Minima Moralia«, in: Sinn und Form 55 (2003), S. 671–683, hier S. 676. 4 Oscar Wilde, Sätze und Lehren zum Gebrauch für die Jugend, in: O. Wilde, Sämtliche Werke in zehn Bänden. Hg. von Norbert Kohl, Bd. 7: Essays II, Frankfurt am Main 1982, S. 253–255, hier S. 255. 5 Vgl. Jessica R. Feldman, Gender on the Divide. The Dandy in Modernist Literature, Ithaca/New York/London 1993, S. 270 ff. 6 Vgl. Günter Erbe, Dandys – Virtuosen der Lebenskunst. Eine Geschichte des mondänen Lebens, Köln/Weimar/Wien 2002. Das Buch behandelt die Geschichte des Dandytums von seinen Anfängen im Regency-England bis zur Belle Époque. 7 Max Beerbohm, Dandys und Dandys, in: ders., Dandys & Dandys. Ausgesuchte Essays und Erzählungen. Hg. von Eike Schönfeld, Zürich 1989, S. 27. 8 Oscar Wilde, Das Bildnis des Dorian Gray, in: ders., Sämtliche Werke in zehn Bänden, Bd. 1, S. 235. 9 Vgl. Josef Früchtl, Was heißt es, aus seinem Leben ein Kunstwerk zu machen? Eine Antwort mit Foucault, in: Andreas Kuhlmann (Hg.), Philosophische Ansichten der Kultur der Moderne, Frankfurt am Main 1994, S. 278–306, hier S. 279. 10 Die Kunstwerkähnlichkeit adliger Existenz betont Georg Simmel, wenn er von der »einzigartige[n] Geschlossenheit und Selbstgenugsamkeit dieses Standes« spricht, der nichts brauchen dürfe, was außerhalb seiner selbst liege. »Damit ist er sozusagen wie eine Insel in der Welt, dem Kunstwerk vergleichbar, in dem auch jeder Teil seinen Sinn aus dem Ganzen erhält und das durch seinen Rahmen dokumentiert, daß die Welt nicht hineinkann, daß es sich absolut selbst genügt. Diese Form gibt dem Adel sicher einen großen Teil der ästhetischen Attraktion, die er zu jeder Zeit ausgeübt hat.« (G. Simmel, Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung. Hg. von Otthein Rammstedt, Frankfurt am 276

Anmerkungen

Main 1992, S. 826.) Zur Kritik der Vorstellung vom Leben als Kunstwerk vgl. Wolfgang Kersting/Claus Langbehn (Hg.), Kritik der Lebenskunst, Frankfurt am Main 2007, S. 30–38. 11 Vgl. Domna C. Stanton, The Aristocrat as Art. A Study of the Honnête Homme and the Dandy in Seventeenth- and Nineteenth-Century French Literature, New York 1980, S. 7. Vgl. auch Eric Mension-Rigau, Aristocrates et grands bourgeois. Éducation, tradition, valeurs, Paris 1997, S. 14. 12 Ein Panorama fast ausnahmslos berufstätiger Dandys präsentiert der von Nathaniel Adams und Rose Callahan publizierte Band »I am Dandy. The Return of the Elegant Gentleman«. Er versammelt exquisit gekleidete Personen – ausschließlich Männer –, die vorwiegend in der Modebranche tätig oder mit ihr verbunden sind. Glenn O’Brien, der Verfasser des Vorworts, relativiert denn auch bei aller Wertschätzung der in dem Buch posierenden Modehelden den Anspruch, den der Titel »I am Dandy« erhebt: »So while I might not consider this aggregation of flagrantly attired fellows to be true dandies in the classical sense, but an eclectic admixture of dandy, fop, and gay blade, to me they are all heroes«. (Nathaniel Adams/Rose Callahan, I am Dandy. The Return of the Elegant Gentleman, Berlin 2013, S. 6.) Eine Selbstetikettierung als Dandys liegt den meisten porträtierten Personen allerdings fern. 13 Heinrich von Kleist, Über das Marionettentheater, in: ders., Sämtliche Werke und Briefe. Hg. von Helmut Sembdner, Bd. 2, München 1952, S. 339.

1 Historische Ausprägungen des Dandytums vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zum Fin de Siècle 14 Einen Überblick über die umfangreiche Literatur zu Beau Brummell bietet die Studie von Fernand Hörner, Die Behauptung des Dandys. Eine Archäologie, Bielefeld 2008, S. 63–89. Vgl. auch meine Studie: Dandys – Virtuosen der Lebenskunst, S. 25–43. 15 Hier vermischen sich die Züge des Dandys mit denen des Hochstaplers. Georg Lukács schreibt über Thomas Manns Romanhelden Felix Krull, der die Identität eines Adligen, des Marquis de Venosta, annahm: »Überall ist Krull ›echter‹ als das Original. Seine Unechtheit, sein Hochstaplertum zwingen also Krull zu Leistungen, von denen das Vorbild, das er reproduziert, nicht einmal eine Ahnung haben kann.« (Georg Lukács, Faust und Faustus. Vom Drama der Menschengattung zur Tragödie der modernen Kunst. Ausgewählte Schriften, Bd. 2, Reinbek 1967, Kap. III,3: Thomas Mann. Das Spielerische und seine Hintergründe, S. 305 f.) Über dandyistische Hochstapler in der Literatur vgl. Julia Bertschik, Mode und Moderne. Kleidung als Spiegel des Zeitgeistes in der deutschsprachigen Literatur (1770–1945), Köln/Weimar/Wien 2005, S. 140–149. 16 Auf diesen Prinzipien beruht auch die Ästhetik des Architekten, Designers, Kul277

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turtheoretikers und Dandys Adolf Loos. Vgl. Manfred Russo, Hätte Loos adidas getragen? Eine Designethik zwischen Aristoteles und Dandyismus, in: Inge Podbrecky/Rainald Franz (Hg.), Leben mit Loos, Wien/Köln/Weimar 2008, S. 27–51. Zur Wortgeschichte vgl. John C. Prévost, Le Dandysme en France (1817–1839), Genf/Paris 1957, S. 9–26, und Melanie Grundmann, Der Dandy im frühen 19. Jahrhundert. Begegnungen und Beobachtungen in England, Frankreich und Nordamerika, Berlin 2014, S. 11–32. Zum Verhältnis von Kavalier und Dandy vgl. Otto Mann, Der Dandy. Ein Kulturproblem der Moderne, Heidelberg 1962, S. 64 ff. Vgl. auch Gregor von Rezzori, Männerfibel, Hamburg 1955, S. 243: »Der Chevalier ist die ästhetische Façon, der Gentleman die moralisch-ethische. Er ist der abgesessene, demokratisierte Kavalier.« Vgl. z. B. Aileen Ribeiro, The Art of Dress. Fashion in England and France 1750– 1820, New Haven/London 1995, S. 101. Jules Barbey d’Aurevilly, Über das Dandytum und über George Brummell, Berlin 2006, S. 59. Charles Baudelaire, Der Maler des modernen Lebens, in: ders., Sämtliche Werke/ Briefe. Hg. von Friedhelm Kemp und Claude Pichois in Zusammenarbeit mit Wolfgang Drost, Bd. 5, München/Wien 1989, S. 213–258, hier S. 242. Ebd., S. 243. Jean-Paul Sartre, Baudelaire. Ein Essay, Reinbek 1978, S. 83. Baudelaire, Der Maler des modernen Lebens, S. 244. Vgl. Stanton, The Aristocrat as Art, S. 96. Sartre, Baudelaire, S. 90. Vgl. Bernard Howells, Baudelaire. Individualism, Dandyism and the Philosophy of History, Oxford 1996., S. 115 f. Baudelaire spricht vom Dandysmus als einem seltsamen Spiritualismus, einer Art Religion, die ihre Priester wie ihre Opfer kenne. In »Mein entblößtes Herz« heißt es: »Vor allem, Ein großer Mensch sein, und ein Heiliger um seiner selbst willen.« Baudelaire, Sämtliche Werke/Briefe, Bd. 6, München/Wien 1991, S. 222–258, hier S. 239. Vgl. ebd., S. 243. Diese Passage zitiert Hugo Ball 1915 in seinem Tagebuch. Vgl. Hugo Ball, Die Flucht aus der Zeit, Zürich 1992, S. 65. Siehe auch in Kapitel 5 dieses Buches: Dadaistische Maskenspiele. Baudelaire hatte bei seinen Betrachtungen zum Dandytum die Skizzen des Malers Constantin Guys vor Augen, auf denen die elegante Pariser Lebewelt zu sehen ist. Zu ihr zählten an vorderster Stelle die Mitglieder des Jockey Clubs, in dem ein aristokratisches Dandytum den Ton angab. Vgl. meinen Aufsatz »Der Jockey Club als gesellschaftlicher Mittelpunkt der Pariser Dandys unter der Julimonarchie«, in: Francia. Forschungen zur westeuropäischen Geschichte, Bd. 29/3 (2002), S. 1–11. Vgl. Emilien Carassus, Le Mythe du Dandy, Paris 1971, S. 12–19.

Anmerkungen

31 Vgl. Daniel Salvatore Schiffer, Philosophie du dandysme, Paris 2008, S. 39–115. Im Dandy-Kapitel seiner »Männerfibel« zitiert Gregor von Rezzori einen vielsagenden Passus aus Kierkegaards »Tagebuch des Verführers«: »Du bist zu leichtsinnig, um zu verzweifeln, und du bist zu schwermütig, um nicht mit der Verzweiflung in Berührung zu kommen. Was fürchtest du denn? Du sollst ja nicht einen anderen Menschen, du sollst bloß dich selbst gebären.« (Rezzori, Männerfibel, S. 245.)

2 Friedrich Nietzsches Ästhetik des Scheins 32 Zu Nietzsches Aristokratismus und seinem Bezug zum Dandyismus vgl. Irmgard Leinen, Aristokratismus und Antipolitik. Umrisse und Motive einer politischen Soziologie in den Schriften Nietzsches, Aachen 1982, S. 164–220.Vgl. auch meinen Aufsatz: Der Aristokrat als Kunstwerk. Dandytum im 19. und frühen 20. Jahrhundert, in: Eckart Conze/Wencke Meteling/Jörg Schuster/Jochen Strobel (Hg.), Aristokratismus und Moderne. Adel als politisches und kulturelles Konzept, 1890–1945, Köln/Weimar/Wien 2013, S. 30–60, hier S. 42–47. 33 Günter Figal, Nietzsche. Eine philosophische Einführung, Stuttgart 1999, S. 209. Zu Nietzsches Entwurf des Übermenschen vgl. Ernst Benz, Das Bild des Übermenschen in der europäischen Geistesgeschichte, in: Ernst Benz (Hg.), Der Übermensch. Eine Diskussion, Zürich/Stuttgart 1961, S. 113–148, sowie Rüdiger Sa­franski, Nietzsche. Biographie seines Denkens, München/Wien 2000, S. 268– 285. Zur geistigen Verwandtschaft zwischen Nietzsches Übermenschen und dem hybriden Typus des Dandys vgl. Schiffer, Philosophie du dandysme, S. 13 f., 195. 34 Vgl. Peter Gast, Einführung in den Gedankenkreis von »Also sprach Zarathustra« [erstmals erschienen 1894], in: Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra. Ein Buch für Alle und Keinen, Stuttgart 1930, S. 367–407. Den Begriff des Übermenschen – nachgewiesen u. a. bei Lukian, Herder, Jean Paul und Goethe – bezog der junge Nietzsche erstmals auf den Helden des Versepos »Manfred« von Byron. Vgl. Walter Kaufmann, Nietzsche. Philosoph – Psychologe – Antichrist, Darmstadt 1982, S. 360. 35 Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra. Ein Buch für Alle und Keinen, in: ders.: Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe in 15 Bänden (KSA). Hg. von Giorgio Colli und Mazzino Montinari. Bd. 4, München/Berlin/New York 1988, S. 254. 36 Friedrich Nietzsche, Sämtliche Briefe. Kritische Studienausgabe in 8 Bänden (KSB). Hg. von Giorgio Colli und Mazzino Montinari. Bd. 6, München/Berlin/ New York 1986, S. 243. 37 Vgl. Karin Westerwelle, Der Dandy als Held, in: Merkur, 63 (2009), H. 9/10, S. 888–896, hier S. 895. 38 Friedrich Nietzsche, Nachgelassene Fragmente 1884–1885, in: ders., KSA 11, München/Berlin/New York 1988, S. 105. 279

Anmerkungen

39 Lou Andreas-Salomé, Friedrich Nietzsche in seinen Werken, Frankfurt am Main 1983 [EA Wien 1894], S. 39. 40 Friedrich Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches. Ein Buch für freie Geister, in: ders., KSA 2, München/Berlin/New York 1988, S. 627. 41 Andreas-Salomé, Friedrich Nietzsche, S. 64. 42 Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches, S. 630. Nietzsche bezieht sich hier auf Paul Rées Buch »Der Ursprung der moralischen Empfindungen« und das darin enthaltene Kapitel über den Ursprung der Eitelkeit. Vgl. Paul Rée, Gesammelte Werke 1875–1885. Hg. von Hubert Treiber, Berlin/New York 2004, S. 168–198. 43 Vgl. Andreas-Salomé, Friedrich Nietzsche, S. 236. 44 Ebd., S. 240. 45 Ebd., S. 241. 46 Das gilt auch für den Dandy. »Gegenüber der großen Masse untersagt er sich jeglichen Paternalismus, denn ihn eint mit ihr der Geist der Revolte.« (Giuseppe Scaraffia, Petit dictionnaire du dandy, Paris 1988, S. 192.) 47 Vgl. Alfred Bäumler, Nachwort, in: Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra. Ein Buch für Alle und Keinen, Stuttgart 1930, S. 409–420, hier S. 416 f. 48 Giorgio Colli, Nachwort, in: Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra, KSA 4, München/Berlin/New York 1988, S. 409–416, hier S. 415. 49 Nietzsche, Also sprach Zarathustra, S. 152. 50 Ebd. 51 Vgl. Eugen Fink, Nietzsches Philosophie, 3. Aufl., Stuttgart 1973 [EA 1960], S. 71. 52 Max Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus, in: ders., Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie I, 9. Aufl., Tübingen 1988 [EA 1920], S. 17–206, hier S. 204. 53 Vgl. Friedrich Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft (»la gaya scienza«), in: ders., KSA 3, München/Berlin/New York 1988, S. 409. 54 Ebd., S. 557. 55 Friedrich Nietzsche, Jenseits von Gut und Böse. Vorspiel einer Philosophie der Zukunft, in: ders., KSA 5, München/Berlin/New York 1988, S. 78. 56 Ebd., S. 90. 57 Ebd., S. 226. 58 Walter Benjamin, Charles Baudelaire. Ein Lyriker im Zeitalter des Hochkapitalismus. Hg. von Rolf Tiedemann, Frankfurt am Main 1974, S. 186. Für Sartre ist Baudelaires Dandytum eine Reaktion auf die erfahrene soziale Deklassierung. »Sein Dandysmus ist Drang nach Kompensation: sein Stolz leidet unter diesen demütigenden Bedingungen so stark, daß er sich bemüht, seine Deklassierung so zu leben, als ob sie eine andere Bedeutung hätte: die einer freiwilligen Lossagung.« (Sartre, Baudelaire, S. 96.) 59 Benjamin, Charles Baudelaire, S. 95. 280

Anmerkungen

60 Nietzsche, Jenseits von Gut und Böse, S. 233. 61 Vgl. das Zeugnis von Fürst Pückler-Muskau, der Brummell nach seiner Flucht aus England in Calais begegnete: »Sein Benehmen war das der guten Gesellschaft, einfach und natürlich und von größerer Urbanität, als die jetzigen Dandys aufzuweisen imstande sind.« Hermann von Pückler-Muskau, Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1: Ein fragmentarisches Tagebuch aus England, Wales, Irland und Frankreich, geschrieben in den Jahren 1828 und 1829, Berlin 1987, S. 488. Sein erster Biograph Jesse nennt ihn einen Kavalier alter Schule. Vgl. William Jesse, The Life of George Brummell, Esq., commonly called Beau Brummell, London 1893 [EA 1844], S. 50. 62 Friedrich Nietzsche, Sämtliche Briefe, KSB 8, München/Berlin/New York 1986, S. 263. 63 Zu Nietzsche und Baudelaire vgl. Karl Pestalozzi, Nietzsches Baudelaire-Rezeption, in: Nietzsche-Studien 7 (1978), S. 158–178; Stéphane Michaud, Nietzsche et Baudelaire, in: Le Surnaturalisme français. Actes du colloque organisé à l’Université Vanderbilt les 31 mars et 1er avril 1978, Neuchâtel 1979, S. 135–161; Helmut Pfotenhauer, Nietzsche als Leser Baudelaires, in: Walter Gebhard (Hg.), Friedrich Nietzsche. Perspektivität und Tiefe. Bayreuther Nietzsche-Kolloquium 1980, Frankfurt am Main/Bern 1982, S. 123–143; Jacques Le Rider, Nietzsche et Baudelaire, in: Littérature 86 (1992), S. 85–101; Giuliano Campioni, Les lectures françaises de Nietzsche, Paris 2001, S. 216–218; Robert Kopp, Nietzsche et Baudelaire, in: Magazine littéraire, Nr. 383, Januar 2000, S. 59–61; Laurent Schneider, L’amour de l’apparence: Baudelaire, Nietzsche, in: Romantisme. Revue du dix-neuvième siècle 32 (2002), S. 83–91. Campioni schreibt : »Il est hors de doute que Nietzsche subit la fascination de cette possible figure d’héroïsme de la modernité. Rappelons son intérêt pour de Custine, Barbey d’Aurevilly, sans parler de l’omniprésence (plus ou moins explicite) de Byron dans ses écrits, et sa transcription des passages de Baudelaire consacrés au dandy.« (S. 218) 64 Vgl. Mann, Der Dandy. Ein Kulturproblem der Moderne, S. 33–38.

3 Phänomenologie des Dandytums 65 Alastair, Die Verwandlungen des Dandy, in: Styl. Blätter für Mode und die angenehmen Dinge des Lebens 2 (1923), H. 5/6, S. 173–176, hier S. 173. 66 Felix Poppenberg, Der Dandy, in: Arena. Monatshefte für modernes Leben. Hg. von Rudolf Presber, H. 9 (1909/10), S. 425–432, hier S. 426. 67 Virginia Woolf, Beau Brummell, in: dies., Der gewöhnliche Leser. Essays, Bd. 2. Hg. von Klaus Reichert, Frankfurt am Main 1997, S. 174–182, hier S. 175. 68 Barbey d’Aurevilly, Über das Dandytum, S. 46 f. 69 Jacques Boulenger, Sous Louis-Philippe: Les dandys, Paris 1932, S. 8. 70 Ebd., S. 20. 281

Anmerkungen

71 Woolf, Beau Brummell, S. 176 f. 72 Vgl. Richard Weihe, Die Paradoxie der Maske. Geschichte einer Form, München 2004, S. 82 f. 73 Collection des portraits historiques de M. le baron Gérard: Karl Moritz von Talleyrand, in: Johann Wolfgang Goethe, Sämtliche Werke in 18 Bänden. Hg. von Ernst Beutler, Bd. 13: Schriften zur Kunst, 2. Aufl., Zürich 1962, S. 993 f. 74 Claude Cahun, Ecrits. Edition présentée et établie par François Leperlier, Paris 2002. Hier zit. n. Stefan Zweifel, Wortmasken. Die gesammelten Schriften der Fotografin Claude Cahun, in: Neue Zürcher Zeitung vom 12./13. Juli 2003. Cahun (1894–1954), ein weiblicher Dandy, photographierte und publizierte im Umfeld des französischen Surrealismus. 75 Christian Garve, Über die Moden. Hg. von Thomas Pittrof, Frankfurt am Main 1987, S. 118. 76 Christian Garve, Über die Maxime Rochefaucaults: das bürgerliche Air verliehrt sich zuweilen bey der Armee, niemahls am Hofe, in: ders., Gesammelte Werke. Hg. von Kurt Wölfel. Erste Abteilung: Die Aufsatzsammlungen, Bd. 1. Erster Teil, Hildesheim/Zürich/New York 1985 [Nachdruck der Ausgabe Breslau 1792], S. 295–452, hier S. 369–372. 77 Vgl. Philip Mason, The English Gentleman. The Rise and Fall of an Ideal, New York 1982, S. 62. 78 Vgl. Thomas Stölzel, Begegnungen mit Cioran, in: Sinn und Form 50 (1998), S. 289–297, hier S. 295. 79 Hans Magnus Enzensberger nennt Zeit das wichtigste aller Luxusgüter. Luxuriös lebe, »(…) wer stets Zeit hat, aber nur für das, womit er sich beschäftigen will, und wer selber darüber entscheiden kann, was er mit seiner Zeit tut, wieviel er tut, wann und wo er es tut.« (H. M. Enzensberger, Reminiszenzen an den Überfluß. Der alte und der neue Luxus, in: Der Spiegel, Nr. 51, 16. Dezember 1996, S. 108–118, hier S. 117.) 80 Honoré de Balzac, Physiologie des eleganten Lebens. Unveröffentlichte Aufsätze. Hg. von W. Fred, München 1912, S. 30. 81 Alice Bolterauer, Selbstvorstellung. Die literarische Selbstreflexion der Wiener Moderne, Freiburg/Breisgau 2003, S. 124. 82 Jacqueline de Ribes: »Eleganz ist die Kunst, Erstaunen zu erregen, ohne Erstaunen hervorrufen zu wollen.« Zit. n. Judith Thurman, Haute Ticket: Jacqueline de Ribes at the Met, in: The New Yorker vom 1. Dezember 2015. 83 Rainer Gruenter, Versuch über Oscar Wilde, in: ders., Vom Elend des Schönen. Studien zur Literatur und Kunst. Hg. von Heinke Wunderlich, München/Wien 1988, S. 183–226, hier S. 200. 84 In einer Besprechung der »Physiologie des eleganten Lebens« von Balzac bemerkt Stefan Zweig: »Denn, das ist eine der hübschesten Erkenntnisse Balzacs in diesem Buch, man darf die Eleganz nicht als etwas Äußeres nehmen. Eleganz verlangt Seele, ja sogar Bildung. (…) daß das rein Äußerliche, das viele an der Ele282

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ganz verachten, nur ein Reflex bestimmter seelisch verfeinerter Zustände sei.« (Stefan Zweig, Balzacs Codices vom eleganten Leben, in: ders., Begegnungen mit Büchern. Aufsätze und Einleitungen aus den Jahren 1902–1939, Frankfurt am Main 1983, S. 179–184, hier S. 183.) »Gerade weil sie höchst artifiziell ist, muss die Eleganz des Umgangs und der Kleidung des Dandys als absolut natürlich und ohne jeden Zwang erscheinen.« (Paolo D’Angelo, Der Dandy als Beispiel ästhetischer Existenz, in: Thomas Koebner [Hg.], Ästhetische Existenz – Ethische Existenz. Ein zeitgenössisches Entweder – Oder ? München 2008, S. 47–60, hier S. 55.) Rezzori, Männerfibel, S. 148. Leicht abgewandeltes Zitat von Georg Simmel, Philosophie des Geldes. Hg. von Alexander Ulfig, Köln 2001, S. 545. Gerd-Klaus Kaltenbrunner, George Bryan Brummell, in: ders., Europa. Seine geistigen Quellen in Porträts aus zwei Jahrtausenden, Bd. 3, Nürnberg 1985, S. 236. Ellen Moers, The Dandy. Brummell to Beerbohm, New York 1960, S. 21. Ebd., S. 122. »(…) sucht der Dandy in seiner Person noch einmal den geschichtlich obsolet gewordenen Typus des Gentlemans darzustellen (…).« (Karl Heinz Bohrer, Die Ästhetik des Schreckens. Die pessimistische Romantik und Ernst Jüngers Frühwerk, Frankfurt am Main/Berlin/Wien 1983, S. 37.) Barbey d’Aurevilly, Über das Dandytum, S. 54. Charles Baudelaire, Les Fleurs du Mal/Die Blumen des Bösen. Französisch/ Deutsch. Übers. v. Monika Fahrenbach-Wachendorf, Stuttgart 1980, S. 369. Albert Camus, Der Mensch in der Revolte. Essays, Hamburg 1953, S. 57. Rainer Gruenter, Formen des Dandysmus. Eine problemgeschichtliche Studie über Ernst Jünger, in: Euphorion 46 (1952), S. 170–201, hier S. 191. Vgl. Ball, Die Flucht aus der Zeit, S. 15. Vgl. Ernst Jünger, Über die Linie, 5. Aufl., Frankfurt am Main 1958, S. 36; Vgl. auch Gruenter, Formen des Dandysmus, S. 201.

4 Der Dandy vom Ende der Belle Époque bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts 98 Oscar Wilde, Eine Frau ohne Bedeutung, in: ders., Sämtliche Werke in zehn Bänden, Bd. 3: Theaterstücke I, S. 119. 99 Vgl. Hans-Georg von Studnitz, Glanz und keine Gloria. Reise durch die Wohlstandsgesellschaft, Stuttgart 1965, S. 62 f. 100 André de Fouquières, Cinquante ans de Panache, Paris 1951, S. 191 f. 101 »Der auf Verdienst angewiesene Adlige ist eine contradictio in adjecto.« (Studnitz, Glanz und keine Gloria, S. 65.) 283

Anmerkungen

102 Zur Herkunft des Begriffs »Café Society« vgl. Stephen Gundle, Glamour. A History, Oxford 2008, S. 155. Vgl. auch C. Wright Mills, Die amerikanische Elite. Gesellschaft und Macht in den Vereinigten Staaten, Hamburg 1962, S. 90 ff. 103 Dieses Kapitel erschien zuerst als ein Abschnitt des Aufsatzes »Der Aristokrat als Kunstwerk«, S. 51–57. 104 Vgl. Karl Hillebrand, Fürst Pückler-Muskau, in: ders., Geist und Gesellschaft im alten Europa. Literarische und politische Porträts aus fünf Jahrhunderten, 3., erweiterte Aufl., Stuttgart 1954, S. 232–250, hier S. 249 f. 105 Vgl. Adolf von Wilke, Preussens erster Dandy, in: Elegante Welt, H. 19 (1913), S. 8–9. Vgl. Hermann von Eelking, Das Bildnis des eleganten Mannes. Ein Zylinderbrevier von Werther bis Kennedy, Berlin 1962, S. 125–128. 106 Zu Felix Lichnowsky vgl. mein Buch: Dorothea Herzogin von Sagan (1793–1862). Eine deutsch-französische Karriere, Köln/Weimar/Wien 2009, S. 177–193. 107 Vgl. Norbert Elias, Die höfische Gesellschaft. Untersuchungen zur Soziologie des Königtums und der höfischen Aristokratie, Frankfurt am Main 1983, S. 148. Zur sozialen Struktur der Berliner Society und zum eleganten Leben im zweiten Kaiserreich vgl. mein Buch: Das vornehme Berlin. Fürstin Marie Radziwill und die großen Damen der Gesellschaft 1871–1918, Köln/Weimar/Wien 2015. 108 Norbert Elias, Studien über die Deutschen. Machtkämpfe und Habitusentwicklung im 19. und 20. Jahrhundert. Hg. von Michael Schröter, 4. Aufl., Frankfurt am Main 1990, S. 67. Zur Struktur der Berliner Hofgesellschaft vgl. Hildegard Freifrau von Spitzemberg, Das Tagebuch der Baronin Spitzemberg, geb. Freiin v. Varnbüler. Aufzeichnungen aus der Hofgesellschaft des Hohenzollernreiches. Hg. von Rudolf Vierhaus, 3. Aufl., Göttingen 1963, S. 14–19. Vierhaus schreibt: »Man fühlte sich gegenüber der gesellschaftlichen Souveränität alten französischen und der Weltläufigkeit hohen englischen Adels unterlegen – wobei der High-Society-Stil Englands entsprechend der anglomanen Hassliebe der Zeit besonders bewundert wurde.« (Ebd., S. 18.) 109 Harry Graf Kessler, Das Tagebuch. Siebter Band: 1919–1923. Hg. von Angela Reinthal unter Mitarbeit von Janna Brechmacher und Christoph Hilse, Stuttgart 2007, S. 545. 110 Daran vermochte auch die anspruchsvolle Berliner Salongeselligkeit nichts zu ändern, die allerdings um 1900 bereits im Verfall begriffen war. Vgl. Petra Wilhelmy, Der Berliner Salon im 19. Jahrhundert (1780–1914), Berlin/New York 1989, hier S. 317–390. 111 Am 29. März 1907 notiert Kessler in Wien anlässlich der Besichtigung der dortigen meistens noch im alten Stil bewohnten Barockpaläste: »Dagegen erscheint Berlin allerdings bettelhaft, ’66 wie ein Geusen Aufstand, in dem wir unsere Aristokratie abgeworfen haben. Seitdem fehlt unserer Kultur die grosse Lebensform; sie hat nur noch Mittelstand.« Harry Graf Kessler, Das Tagebuch. Vierter Band: 1906–1914. Hg. von Jörg Schuster unter Mitarbeit von Janna Brechmacher, Christoph Hilse, Angela Reinthal und Günter Riederer, Stuttgart 2005, S. 257. 284

Anmerkungen

112 Harry Graf Kessler, Gesichter und Zeiten. Erinnerungen, Berlin 1962 [EA 1935], S. 147. 113 Ebd., S. 146. 114 Ebd., S. 129. 115 Henry van de Velde hat folgendes, an berühmte Dandys der Vergangenheit erinnerndes, Porträt Kesslers überliefert: »Physisch war Kessler von vollendeter Haltung und natürlicher, selbstverständlicher Eleganz. Wohl war er etwas kleiner als der Durchschnitt, aber wohlproportioniert und ohne jede Spur von Korpulenz. Aus einem schönen Gesicht blickten scharfe, leuchtende Augen, die ohne Härte waren; manchmal trat ein autoritärer Zug in Erscheinung. Wenn man in der Literatur nach verwandten Gestalten suchen würde, so käme man auf Oscar Wildes ›Dorian Gray‹ oder Joris K. Huysmans ›Des Esseintes‹, die Hauptfigur seines Romans ›A Rebours‹.« Henry van de Velde, Geschichte meines Lebens. Hg. von Hans Curjel, 2. Aufl., München/Zürich 1986, S. 160. 116 Dagmar Lohmann-Hinrichs, Dandy- und Flaneur-Tendenzen in den Tagebuchtexten Harry Graf Kesslers, in: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 26 (1996), H. 1, S. 152–157, hier S. 156. 117 Nicolaus Sombart, Die Frau ist die Zukunft des Mannes. Aufklärung ist immer erotisch. Hg. von Frithjof Hager, Frankfurt am Main 2003, S. 44. Sombart meint hier den Stil, in dem die Erinnerungen von Helene von Nostitz (»Aus dem alten Europa«) abgefasst sind. 118 Eugen Gottlob Winkler, Harry Graf Kessler: Gesichter und Zeiten. Erinnerungen. Band I: Völker und Vaterländer, in: Das Deutsche Wort 11 (1935). H. 37, S. 6. 119 Marcus Funck, Vom Höfling zum soldatischen Mann. Varianten und Umwandlungen adeliger Männlichkeit zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus, in: Eckart Conze/Monika Wienfort (Hg.), Adel und Moderne. Deutschland im europäischen Vergleich im 19. und 20. Jahrhundert, Köln/Weimar/Wien 2004, S. 205–235, hier S. 217. 120 Vgl. ebd., S. 233. Graf Coudenhove-Kalergis Versuch, den Typus des Ritters zu modernisieren und in das zivile, unkriegerische Ideal des Gentleman zu überführen, fand vor diesem Hintergrund wenig Resonanz. Vgl. Alexandra Gerstner, Neuer Adel. Aristokratische Elitekonzeptionen zwischen Jahrhundertwende und Nationalsozialismus, Darmstadt 2008, S. 241–247. 121 Allerdings gelangte Kessler als Frontoffizier gelegentlich »zu einer Erlebnis- und Betrachtungsweise, die an Ernst Jüngers ›In Stahlgewittern‹ erinnert«. (Friedrich Rothe, Harry Graf Kessler. Biographie. München 2008, S. 234 f.) 122 »(…) Kessler war Krieger, Diplomat und Politiker par excellence, wenn es galt, ein Buch zu gestalten, so zu gestalten, wie es ihm vorschwebte.« ( John Dieter Brinks, La beauté est une promesse de bonheur. Harry Graf Kessler und die Cranach Presse, in: Hommage à Harry Graf Kessler. Veröffentlichungen des Bröhan-Museums, Nr. 11, Berlin 2007, S. 37–49, hier S. 47.) 285

Anmerkungen

123 Seine Ausprägung findet dieser Typus in Ernst Jünger, während Stefan George mehr die priesterliche Variante des Dandys verkörpert. Zum soldatischen Dandy vgl. auch Marie-Christine Natta, Le dandy militaire ou la singularité de l’uniforme, in: Alain Montandon (Hg.), L’honnête homme et le dandy, Tübingen 1993, S. 179–193; dies., Le dandy militaire, in: Alain Montandon (Hg.), Dictionnaire du dandysme, Paris 2016, S. 95–104. 124 Zur Biographie D’Annunzios vgl. Annamaria Andreoli, D’Annunzio (1863– 1938), Ausstellungskatolog Musée d’Orsay, Paris 2001, Maria Gazzetti, Gabriele d’Annunzio, Reinbek 1989, und John Woodhouse, Gabriele D’Annunzio. Defiant Archangel, Oxford 1998. 125 Vgl. Wolfdietrich Rasch, Die literarische Décadence um 1900, München 1986, S. 93. Diese auf Ernst Jünger bezogene Charakteristik lässt sich auch auf D’Annunzio übertragen. Vgl. auch Erhard Stölting, Der exemplarische Dandy. Soziologische Aspekte des schönen Scheins, in: Karlheinz Barck/Richard Faber (Hg.), Ästhetik des Politischen – Politik des Ästhetischen, Würzburg 1999, S. 35–55, hier S. 44. 126 Vgl. Mario Praz, Liebe, Tod und Teufel. Die schwarze Romantik, 3. Aufl., München 1988, S. 350. 127 Gerd-Klaus Kaltenbrunner, Gabriele d’Annunzio, in: ders., Europa. Seine geistigen Quellen in Porträts aus zwei Jahrtausenden, Bd. 2, Heroldsberg 1982, S. 291–311, hier S. 306. Zum Putschisten und Volkshelden D’Annunzio vgl. Bettina Vogel-Walter, D’Annunzio – Abenteurer und charismatischer Füher. Propaganda und religiöser Nationalismus in Italien von 1914 bis 1921, Frankfurt am Main 2004. 128 Vgl. Scot D. Ryersson/Michael Orlando Yaccarino, La Casati. Les multiples vies de la marquise Luisa Casati, Paris 2002, S. 35. 129 Vgl. Woodhouse, Gabriele D’Annunzio, S. 12. 130 Vgl. Sebastian Neumeister, Gabriele d’Annunzio: Ein Dandy zwischen Leben und Literatur, in: Joachim H. Knoll/Anna-Dorothea Ludewig/Julius H. Schoeps (Hg.), Der Dandy. Ein kulturhistorisches Phänomen im 19. und frühen 20. Jahrhundert, Berlin/Boston 2013, S. 127–136, hier S. 135. Zum Dandy D’Annunzio vgl. auch Elisa Grilli, D’Annunzio, l’imagnifico dandy, in: Montandon (Hg.), Dictionnare du dandysme, S. 353–370, und Hans-Joachim Schickedanz, Ästhetische Rebellion und rebellische Ästheten. Eine kulturgeschichtliche Studie über den europäischen Dandyismus, Frankfurt am Main 2000, S. 152–163. 131 »Le curieux mélange de raffinement et de mauvais goût, d’objets de luxe et de bricà-brac de pacotille sont une des constantes de l’esthétisme dannunzien.« (Paolo Alatri, Gabriele D’Annunzio, Paris 1992, S. 302. Zit. n. Grilli, D’Annunzio, l’imagnifico dandy, S. 358.) 132 Christian Pfannenschmidt, Der Dichter als Dandy, in: Zeit-Magazin vom 18. November 1988, S. 88–99, hier S. 96. 133 Im Kapitel über den Übermenschen stellt Walter Kaufmann in seinem Nietz286

Anmerkungen

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sche-Buch die Frage, ob Napoleon und Caesar diesem Typus entsprechen. Über Caesar heißt es: »Caesar kam dem Ideal Nietzsches näher, aber auch bei ihm hat Nietzsche nicht auf die militärischen oder politischen Erfolge gesehen, sondern auf die Verkörperung eines leidenschaftlichen Menschen, der seine Leidenschaften beherrscht; auf einen Menschen, der angesichts allgemeiner Auflösung und Zügellosigkeit und wohl wissend, daß diese Dekadenz auch einen Teil seiner Seele ausmacht, in beispielloser Form sich selbst integriert, schafft und beherrscht.« (Kaufmann, Nietzsche, S. 369.) Dagegen befindet die Großnichte des Dichters, die Modejournalistin Grazia d’Annunzio: »Er war die Verkörperung des Nietzsche’schen Übermenschen: narzisstisch, kraftvoll und scheinbar unbesiegbar.« (Grazia d’Annunzio, The Randy Dandy, in: The New York Times Style Magazine: Men’s Fashion, 11. September 2009.) Otto Mann, Dandysmus als konservative Lebensform, in: Gerd-Klaus Kaltenbrunner (Hg.), Konservatismus international, Stuttgart 1973, S. 156–170, hier S. 167. Vgl. Praz, Liebe, Tod und Teufel, S. 353. Zur Bedeutung der neuen Medien für die Inszenierungsweisen des Dandys zu Beginn des 20. Jahrhunderts vgl. Gregor Schuhen, Dandy, Dichter, Demagoge – Männlichkeitsentwürfe der Belle Epoque, in: Marijana Erstić/Gregor Schuhen/ Tanja Schwan (Hg.), Avantgarde – Medien – Performativität. Inszenierungs- und Wahrnehmungsmuster zu Beginn des 20. Jahrhunderts, Bielefeld 2005, S. 321– 360. Oscar A. H. Schmitz, Ergo sum. Jahre des Reifens. München 1927, S. 78; vgl. auch Sabine Lepsius, Über das Aussterben der »Salons«, in: März. Eine Wochenschrift 7 (1913), S. 222–234. Philip Mann mit Jason Amesbury, Regel und Verstoß. Die Kleiderordnung des Herzogs von Windsor. Ein Bildessay, in: Brigitte Felderer/Thomas Macho (Hg.), Höflichkeit. Aktualität und Genese von Umgangsformen, München 2002, S. 92–106, hier S. 92. Dem Aufsatz verdanke ich wertvolle Hinweise. Martin Green hat diese Generation der »Children of the Sun« porträtiert, allen voran die beiden Protagonisten Harold Acton und Brian Howard. Vgl. Martin Burgess Green, Children of the Sun. A Narrative of »Decadence« in England after 1918, New York 1976. Zu seiner Biographie vgl. Philip Ziegler, King Edward VIII. The Official Biography, London 1990. Edward Duke of Windsor, A Family Album, London 1960, S. 11 f. Ebd., S. 58 f. Cecil Beaton, The Glass of Fashion, London 1954, S. 240. Windsor, A Family Album, S. 141. Ebd., S. 142. Ebd., S. 143. 287

Anmerkungen

148 Mann/Amesbury, Regel und Verstoß, S. 95. Vgl. auch Stephen Robins, How to Be a Complete Dandy. A little guide for rakes, bucks, swells, cads and wits, London 2001, S. 186: »A gentleman would not have abdicated the throne of England to marry Wallis Simpson, a twice-divorced American, but a dandy would – and, as a dandy, he did.« 149 Vgl. Suzy Menkes, The Windsor Style, Topsfield, Mass. 1988, S. 7. Zu Wallis Simpson vgl. Hugo Vickers, Behind Closed Doors. The Tragic, Untold Story of the Duchess of Windsor, London 2011. 150 Mann/Amesbury, Regel und Verstoß, S. 95 f. 151 Ebd., S. 99. 152 Ebd. 153 Ebd., S. 99 f. 154 Eelking, Das Bildnis des eleganten Mannes, S. 217. 155 Zit. n. Richard Walker, Savile Row. An Illustrated History, London 1988, S. 97 f. 156 Vgl. Gundle, Glamour, S. 151. 157 Eelking, Das Bildnis des eleganten Mannes, S. 218. 158 Ebd., S. 219. 159 Vgl. Farid Chenoune, Des modes et des hommes. Deux siècles d’élégance masculine, Paris 1993, S. 169. 160 Windsor, A Family Album, S. 41. 161 Dies zeigt das Schicksal Max Beerbohms, der sich von London nach Rapallo zurückzog. Dort besuchte ihn 1953 Cecil Beaton zusammen mit Truman Capote. »Today, on his mountain peak, Sir Max, of whom Oscar Wilde said he had the gift of eternal old age, was still, in spite of his eighty years, the perennial dandy.« (Cecil Beaton, The Strenuous Years. Diaries: 1948–55, London 1973, S. 168.) 162 Diana Vreeland, Allure. Der Roman meines Lebens, München 2011, S. 216. 163 Vgl. David Alan Mellor, Beaton und seine Schönheiten, in: Philippe Garner/ David Alan Mellor, Cecil Beaton. Photographien 1920–1970, München/Paris/ London 1994, S. 8–58, hier S. 12. 164 Ebd., S. 16. 165 Vgl. Philippe Garner, Instinktiv stilsicher. Cecil Beaton als Modephotograph, in: Garner/Mellor, Cecil Beaton, S. 62. 166 Ursula Voß, Beaton. Malerei mit Licht und Schatten, in: Frankfurter Allgemeine Magazin, H. 453, 4. November 1988, S. 98. 167 Garner, Instinktiv stilsicher, S. 68. 168 Zit. n. Garner, ebd., S. 68. 169 Ebd., S. 74. 170 Vgl. Mellor, Beaton und seine Schönheiten, S. 26. 171 Ebd., S. 34. 172 Cecil Beaton, The Wandering Years. Diaries: 1922–1939, London 1961, S. 2. 173 Mellor, Beaton und seine Schönheiten, S. 53. 174 Ebd., S. 54. 288

Anmerkungen

175 Vgl. ebd., S. 55. 176 Garner, Instinktiv stilsicher, S. 80. 177 Hugo Vickers, Cecil Beaton. The Authorised Biography, London 1985, S. 588. Auch Truman Capote vermutet, dass Beaton sein Talent lieber mit anderen Medien in Verbindung gebracht sehen möchte als dem der Photographie. Vgl. The Best of Beaton. With notes on the photographs by Cecil Beaton. Introduction by Truman Capote, London 1968, S. 11. 178 Zit. n. JP, Cecil Beaton. The Randy Dandy of Photography & Fashion, in: The Selvedge Yard vom 18. April 2009. 179 Zit. n. Voß, Beaton, S. 98. 180 Jean Cocteau hat Beaton nach dessen Aussage bei ihrer Bekanntschaft im Jahr 1935 als »the best-dressed young man, of an elegance unforeseen« bezeichnet. Vgl. Vickers, Cecil Beaton, S. 181. 181 Wolfgang Krischke, Wir waren von guten Eltern. Was vom Gentleman blieb: Kulturgeschichte einer Leitfigur, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 5. März 2003, S. N3. 182 Hermann-Marten Freiherr von Eelking: Garderoben-Gesetze, Berlin/Bielefeld/ Heidelberg 2000 [EA 1923], S. 6. 183 Ebd., S. 7. 184 Eelking war Mitarbeiter der 1919 gegründeten Wochenschrift Der Junggeselle und der Zeitschrift Elite. Im Verlag des Junggesellen erschien eine Sondernummer mit bibliophilem Charakter unter dem Titel »Weltleute«. 185 Eelking, Die Herrenmode braucht ein Organ, in: Der Modediktator 1 (1927/28), H. 1, S. 1. 186 Eelking, Der Stil ist wichtiger als der Schnitt. Ein Kapitel aus den Garderobengesetzen, in: Der Modediktator 1 (1927/28), H. 1, S. 13 f. 187 Ebd. 188 Eelking, Beau Brummell und die Herrenmode von heute. Zum 150. Geburtstag des großen Dandys, in: Der Modediktator 1 (1928), H. 3, S. 8. 189 Eelking, Kolloquium über dandeske Philosophie. Ein Fragment aus einer Biographie von Baron von Eelking, in: Der Modediktator 1 (1928), H. 4, S. 10. 190 Eelking, Hermann von: Analyse des Dandytums. Gedanken über dandeske Leute, in: Der Modediktator 3 (1930), H. 3, S. 19. 191 Eelking, Das Bildnis des eleganten Mannes, S. 8. 192 Eelking, Analyse des Dandytums, S. 14. 193 Zur Geschichte der Zeitschrift vgl. Iris Elisabeth Gräfin Vitzthum von Eckstädt, Würdiger Bürger im Frack? Ein Beitrag zur kulturgeschichtlichen Kleidungsforschung, Hohengehren 2008, S. 153–157. 194 Vgl. die dem Herrenjournal beigefügten Folgen zur Uniformkunde. Die erste Folge erschien im August 1934 unter dem Titel »Die deutsche Uniform. Nachrichtenblatt für die gesamte deutsche Uniformbekleidung«. Schriftleitung: Hauptmann a.D. Obertruppführer Frhr. v. Eelking. 289

Anmerkungen

195 Außenminister Ribbentrop ließ seine Anzüge in der Savile Row anfertigen und auch Hitler schätzte den englischen Stil. Vgl. Walker, Savile Row, S. 98 und 104. 196 Vgl. Studnitz, Glanz und keine Gloria, S. 73. 197 Am 15. September 1937 ist im Herrenjournal zu lesen: »Die neue Mode soll sich aber keineswegs etwa von der internationalen Richtung abgrenzen, vielmehr in dem typischen Bild der jeweiligen Weltmode eigene Beiträge liefern, und zwar mit der Voraussetzung, daß alles, was geschaffen wird, dem deutschen Namen Ehre macht.« (Das Herrenjournal 10 [1937], H. 9, S. 20.) 198 Vgl. Hans-Georg von Studnitz, Restauration der Teile. Ein Beitrag zur Soziologie der deutschen Gesellschaft, in: Das Herrenjournal 27 (1954), H. 12, S. 28–31. 199 Vgl. Eelking, Editorial (»Sehr geehrte Herren«), in: Das Herrenjournal 31 (1958), H. 1, S. 2. 200 Studnitz, Schweigen wir von Manieren, in: Das Herrenjournal 31 (1958), H. 12, S. 54. 201 Eelking, Editorial, in: Das Herrenjournal 32 (1959), H. 6, S. 2. 202 Vgl. Anonym, Wie Hardy Amies die Mode des Mannes von heute sieht …, in: Das Herrenjournal 32 (1959), H. 6, S. 77. 203 Ebd., S. 78. 204 Vgl. Eelking, Halbwüchsige diskreditieren die Mode, in: Das Herrenjournal 27 (1954), H. 8, S. 46. Richard Walker spricht von einer schwindelerregenden Kombination von edwardianischem Dandy und amerikanischem Gangster. Siehe Walker, Savile Row, S. 109. 205 Anonym, Wie Hardy Amies die Mode des Mannes von heute sieht, S. 78. Amies stand mit seiner Auffassung nicht allein. Auch der Modehistoriker James Laver stufte die Teddyboys zusammen mit den Neo-Edwardians als Repräsentanten eines neuen Dandyismus ein. Vgl. J. Laver, Dandies, London 1968, S. 111 ff. Vgl. auch Hardy Amies, The Englishman’s Suit, London 1994, S. 32. Hier werden die Teddyboys an den Anfang einer »peacock revolution« platziert, an der Brummell seine Freude gehabt hätte. Inspiriert waren die Teddyboys von dem Couturier und Dandy Neil »Bunny« Roger, der die edwardianische Tradition wiederbelebte. Zur Rolle Bunny Rogers vgl. Gustav Temple, How to be Chap. The surprisingly sophisticated habits, drinks and clothes of the modern gentleman, Berlin 2016, S. 14. 206 Eelking, Die Herrenmode hofft auf die heranwachsenden Herren, in: Das Herrenjournal 34 (1961), H. 2, S. 34. Vgl. auch ders., Die Annäherung zwischen den Twens und den Arrivierten, in: Das Herrenjournal 35 (1962), H. 4, S. 58. 207 Vgl. D. K., Aperçu der Elégance, in: Das Herrenjournal 37 (1964), H. 2, S. 108– 110. 208 Vgl. Eelking, Mode auf diplomatischem Parkett, in: Das Herrenjournal 39 (1966), H. 3, S. 86. 209 Eelking, Junge Mode für Mode-Jugend, in: Das Herrenjournal 39 (1966), H. 10, S. 56. 210 Anonym, Unsere Meinung, in: Das Herrenjournal 40 (1967), H. 1, S. 28. 290

Anmerkungen

211 Joachim Wachtel, Wenn die Dandies durch die Stadt flanieren, in: Das Herrenjournal 40 (1967), H. 2, S. 109. 212 Anonym, Unsere Meinung, in: Das Herrenjournal 40 (1967), H. 4, S. 46. 213 Vgl. Eelking, Die deutsche Bekleidungsindustrie muß herrenmäßige Kollektionen zeigen, in: Das Herrenjournal 41 (1968), H. 5, S. 56.

5 Literarisch-künstlerisches Dandytum zwischen Avantgarde und Ästhetizismus 214 Paul Valéry, Monsieur Teste, in: ders., Werke, Bd. 1: Dichtung und Prosa. Hg. von Karl Alfred Blüher und Jürgen Schmidt-Radefeldt, Frankfurt am Main 1992, S. 299–372, hier S. 308. 215 Ebd., S. 309. 216 Ebd., S. 364. 217 Ähnliche Gedanken finden sich fast ein Jahrhundert später bei Andy Warhol: »Jedermann sieht gleich aus und handelt gleich, und wir machen immer weitere Fortschritte auf diesem Weg. Ich glaube, daß jeder eine Maschine sein sollte. Ich glaube, daß jeder wie jedermann handeln sollte. Ist es das, warum es bei der PopArt geht? Ja, es bedeutet, die Dinge zu mögen. Und die Dinge zu mögen, ist wie eine Maschine sein? Ja, weil man jedesmal dasselbe tut. Man tut es immer wieder.« (Andy Warhol, Interview, in: Verena von der Heyden-Rynsch [Hg.], Riten der Selbstauflösung, München 1982, S. 296–300, hier S. 296. Das Interview erschien zuerst in: Art News 62/7, 1963.) Es fehlt bei Warhol jedoch die geistige Radikalität und Konsequenz des Helden von Valéry. Vgl. in Kapitel 8 dieses Buches: Ein Dandy in Anführungsstrichen: Andy Warhol. 218 Vgl. dazu ausführlich Oswald Wiener, Eine Art Einzige, in: ders., Literarische Aufsätze, Wien 1998, S. 43–85. Siehe auch in Kapitel 5 dieses Buches: »Ein Engel, der sich in die Tiefen gestürzt hat«: Konrad Bayer. 219 Ball, Die Flucht aus der Zeit, S. 47. 220 Balzac, Physiologie des eleganten Lebens, S. 98. 221 Der Diagnose der »billigen Erstarrnis« entspricht der These des Soziologen Arnold Gehlen von der kulturellen Kristallisation. Diese münde in das »Post-histoire«. »Von jetzt an gibt es keine kunstimmanente Entwicklung mehr! Mit einer irgendwie sinnlogischen Kunstgeschichte ist es vorbei, selbst mit der Konsequenz der Absurditäten vorbei, die Entwicklung ist abgewickelt, und was nun kommt, ist bereits vorhanden: Der Synkretismus des Durcheinanders aller Stile und Möglichkeiten, das Post-histoire.« (A. Gehlen, Zeit-Bilder. Zur Soziologie und Ästhetik der modernen Malerei, 3. Aufl., Frankfurt am Main 1986, S. 206.) Zu Gehlen siehe auch in Kapitel 7 dieses Buches: Philosophisch-soziologische Präliminarien. 222 Gerd-Klaus Kaltenbrunner, Hugo Ball, in: ders., Europa. Seine geistigen Quellen 291

Anmerkungen

in Porträts aus zwei Jahrtausenden, Bd. 1, Sigmaringendorf 1981, S. 399–412, hier S. 406. 223 Ball, Die Flucht aus der Zeit, S. 144. 224 Ebd., S. 98 f. 225 Vgl. Hanne Bergius, Der Da-Dandy – Das »Narrenspiel aus dem Nichts«, in: Dieter Honisch u. a. (Hg.), Tendenzen der Zwanziger Jahre. Ausstellungskatalog, Berlin 1977, S. 3/12–3/29. Eine Photomontage von Hannah Höch trägt den Titel »Der Da-Dandy« (1919). Sie zeigt Frauen in verschiedenen modischen Outfits, deren Körper sich überlappen. Die Figuren können aufgrund ihrer ausgesuchten Kleidung und Accessoires als weibliche Dandygestalten gelten. Das Monokel im Auge verweist auf ein Signum des dadaistischen männlichen Dandys, besonders auffällig bei Tristan Tzara. 226 In Anlehnung an Max Stirner schreibt Ball: »Beim Typus des modernen Literaten (beim Dandy) lebt etwas von der stilistischen Eleganz und Überlegenheit der Humanisten fort.« (Ball, Die Flucht aus der Zeit, S. 114.) In »Der Einzige und seine Eigentum« (1845) stellt Stirner fest: »Zwar konnte die leere Eleganz des Humanisten, des Dandy, der Niederlage nicht entgehen; allein der Sieger gleißte vom Grünspane der Materialität und war nichts Höheres, als ein geschmackloser Industrieller.« (Max Stirner, Der Einzige und sein Eigentum und andere Schriften. Hg. von Hans G. Helms, München 1968, S. 12.) 227 Catulle Mendès, Vorwort zu »Le Roman d’une nuit«. Zit. n. W. T. Bandy/Claude Pichois (Hg.), Baudelaire im Urteil seiner Zeitgenossen, Frankfurt am Main 1969, S. 21. 228 Ball, Die Flucht aus der Zeit, S. 65. 229 »Wilde und Baudelaire, die bewußteren Künstler, befürworten die vita contemplativa (und logischer Weise das Mönchtum) ganz ausdrücklich.« (Ball, Die Flucht aus der Zeit, S. 153.) 230 Ebd., S. 74 f. 231 Bergius, Der Da-Dandy, S. 3/18. Zum »Pierrot-Dandy« vgl. Bertschik, Mode und Moderne, S. 155–167. 232 Bergius, Der Da-Dandy, S. 3/24. 233 »Die heroischen Ästheten: Baudelaire, d’Aurevilly, Wilde, Nietzsche. Es gibt heute eine ästhetische Gnosis, und sie verdankt sich nicht der Sensation, sondern einer unerhörten Zusammenfassung der Ausdrucksmittel.« (Ball, Die Flucht aus der Zeit, S. 164.) 234 Über seinen Roman »Flametti oder Vom Dandysmus der Armen« schreibt Ball an seinen Freund August Hoffmann: »Darin will ich voller Lustbarkeit, ohne jeden Ärger, voller Plaisanterie, fränkisch und graziös sein, dass es eine Art ist. Auf diesen Roman will ich allen Dandysmus verwenden, den man auf kleine Leute nur verwenden kann.« (Zit. n. Gerhardt Edward Steinke, The Life and Work of Hugo Ball. Founder of Dadaism, Den Haag 1967, S. 190.) 235 Ball, Die Flucht aus der Zeit, S. 100. 292

Anmerkungen

236 Ebd., S. 166. 237 Steinke, The Life and Work of Hugo Ball, S. 195. 238 Oscar Wilde, Aphorismen. Hg. von Frank Thissen, Frankfurt am Main 1987, S. 19. 239 Vgl. Katharina Hegewisch, Die Kunst ist ein Spiel wie Liebe und Sport. Picabia und die Postmoderne, in: Francis Picabia 1879–1953. Ausstellungskatalog Galerie Brockstedt, Hamburg/Berlin 1997, ohne Seitenzahl. 240 Caroline Kesser, Ein melancholischer Provokateur. Francis Picabia im Musée d’art moderne in Paris, in: Neue Zürcher Zeitung vom 1./2. Februar 2003, S. 49. 241 Die Kurzform Rasta wurde spätestens 1916 eingedeutscht. »Sie bezeichnet den Hochstapler, oder wenigstens den Glücksritter am Rand der Legalität, und wird von deutsch-sprachigen Avantgardisten häufig gebraucht, besonders von Walter Serner.« (Wilfried Ihrig, Literarische Avantgarde und Dandysmus. Eine Studie zur Prosa von Carl Einstein bis Oswald Wiener, Frankfurt am Main 1988, S. 89.) Serner hat dem Rasta 1927 in seinem Buch »Letzte Lockerung. Ein Handbrevier für Hochstapler und solche, die es werden wollen« ein Denkmal gesetzt. 242 Schuldt, Einführung: Francis Picabia, in: Francis Picabia. Ausstellungskatalog. Städtische Kunsthalle Düsseldorf, Köln 1983, S. X–XLIV, hier S. XXV. 243 Ball, Die Flucht aus der Zeit, S. 112. 244 Gabrielle Buffet-Picabia, Vorwort zu Francis Picabia, Jesus Christus Rasta, in: Francis Picabia, Schriften in zwei Bänden, Bd. 1, Hamburg 1981, S. 14. 245 Vgl. den Hinweis von Gabrielle Buffet-Picabia in: Francis Picabia, Schriften in zwei Bänden, Bd. 2, Hamburg 1983, S. 9, und Francis M. Naumann, Aesthetic Anarchy, in: Jennifer Mundy (Hg.), Duchamp, Man Ray, Picabia, London 2008, S. 58–75, hier S. 60. 246 Stirner, Der Einzige und sein Eigentum. S. 37. 247 Ebd., S. 84. 248 Francis Picabia, Herr Picabia trennt sich von den Dadas, in: ders., Schriften in zwei Bänden, Bd. 1, S. 92–95, hier S. 94. 249 Vgl. Maurice Nadeau, Geschichte des Surrealismus, Reinbek 1965, S. 37 f., 49 f. 250 Vgl. Elke Orth, Das dichterische Werk von Francis Picabia (1917–1920), Frankfurt am Main 1994. 251 Michel Sanouillet, Picabia, Paris 1964, S. 47. 252 Sara Cochran, »Roi d’un jour, fou pour toujours«. Les fêtes cannibales de Francis Picabia, in: Francis Picabia. Singulier idéal. Musée d’Art moderne de la Ville de Paris. Ausstellungskatalog, Paris 2002, S. 84–87, hier S. 87. Vgl. dies., Gilded Cages, in: Mundy (Hg.), Duchamp, Man Ray, Picabia, S. 145–155. 253 Francis Picabia, Lettres à Christine 1945–1951. Hg. von Marc Dachy, Paris 1988, S. 199. (Brief vom Dezember 1951.) 254 Sarah Wilson, Der späte Picabia: Heiliger und Bilderstürmer, in: Picabia 1879– 1953. Ausstellungskatalog, Stuttgart 1988, S. 27–43, hier S. 33. 255 Zit. n. Wilson, Der späte Picabia, S. 43. 293

Anmerkungen

256 Zur Biographie Jacques Vachés vgl. Bertrand Lacarelle, Jacques Vaché, Paris 2005. Von der Nähe zum Dadaismus zeugt ein Brief André Bretons an den Wortführer dieser Bewegung, Tristan Tzara, vom 20. April 1919, zwei Monate nach dem Tod Vachés: »Wenn ich zu Ihnen ein wahnsinniges Vertrauen habe, dann deshalb, weil Sie mich an einen Freund, meinen besten Freund Jacques Vaché, erinnern.« Zit. n. François Buot, Tristan Tzara. L’homme qui inventa la révolution Dada, Paris 2002, S. 83. Zum Einfluss Vachés auf Breton vgl. Marguerite Bonnet, André Breton. Naissance de l’aventure surréaliste, Paris 1975, S. 86–98. 257 Zit. n. Michel Carassou, Jacques Vaché et le groupe de Nantes, Paris 1986, S. 28. In Louis Aragons Roman »Anicet oder das Panorama« (1920) tritt Vaché in der Figur des Harry James auf, des »modernen Menschen schlechthin«. Vgl. Louis Aragon, Anicet oder das Panorama. Roman, München 1978, S. 101. Siehe auch Lacarelle, Jacques Vaché, S. 151. Vaché benutzte in seinen Kriegsbriefen gelegentlich das Pseudonym Harry James und spielte damit auf seinen englischen familiären Hintergrund an. 258 André Breton, Jacques Vaché 1896–1919, in: ders. (Hg.), Anthologie des Schwarzen Humors, München 1973, S. 464 f. 259 Ebd., S. 465. 260 Zu Korrespondenzen zwischen der Titelfigur von Herman Melvilles Erzählung »Bartleby« und der Figur des Dandys vgl. Maxime Foerster, L’art d’être odieux. Nouveaux essais sur le dandysme, Paris 2010, S. 33–35. 261 Brief an Breton vom 29.4.1917, in: Jacques Vaché, Kriegsbriefe, Hamburg 1979, S. 33. 262 Vgl. André Breton, Herablassendes Bekenntnis [La Confession dédaigneuse] (1924), in: Vaché, Kriegsbriefe, S. 13. 263 Ebd., S. 27. 264 Ebd., S. 37. 265 André Breton, Entretiens – Gespräche. Dada, Surrealismus, Politik. Hg. von Unda Hörner und Wolfram Kiepe, Dresden 1996, S. 31. 266 Ebd., S. 32. 267 Die Sujets seiner Zeichnungen – Vaché hatte Kurse an einer Kunstschule besucht – entnahm er zumeist der Herrenmode. »Er liebte jene glattrasierten, ausdruckslosen Gesichter, die betont herrenhafte, steife Haltung, wie man sie in Bars trifft.« (André Breton, La Confession dédaigneuse. Zit. n. Nadeau, Geschichte des Surrealismus, S. 23.) 268 Breton, Entretiens, S. 32. Breton schreibt 1924: »Ohne ihn wäre ich vielleicht ein Dichter geworden; doch er hat in mir jene Verschwörung dunkler Mächte vereitelt, die einen zu der Einbildung verführen, man habe so etwas Irrsinniges wie eine Berufung (…)«. (Breton, La Confession dédaigneuse. Zit. n. Nadeau, Geschichte des Surrealismus, S. 25.) Werner Spies verweist in diesem Zusammenhang auf Duchamp: »Wir können davon ausgehen, daß die Gleichsetzung von Schweigen und Werk bei Duchamp, die Breton mit epistemologischer Genauigkeit bereits zu 294

Anmerkungen

Beginn der zwanziger Jahre vorschlug, auf das Modell des Dandys Jacques Vaché zurückgeht.« (W. Spies, Was ist Surrealismus? Hundert Jahre André Breton, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17. Februar 1996.) 269 Elisabeth Lenk weist auf einen soziologisch bedeutsamen Unterschied zwischen dem »klassischen« Dandy des 19. Jahrhunderts und dem Dandy des »kasernierten 20. Jahrhunderts« hin. Maske und Kostüm hätten sich den gesellschaftlichen und literarischen Bedingungen entsprechend verändert. Das Inkognito des alten Dandys sei die Eleganz, das des neuen die Banalität. Vgl. Elisabeth Lenk, Der springende Narziss. André Bretons poetischer Materialismus, München 1971, S. 20. 270 Eugen Gottlob Winkler, Vorwort zur Übersetzung eines Aufsatzes von Henri de Montherlant, in: ders., Dichtungen, Gestalten und Probleme. Nachlass. Hg. von Walter Warnach in Verbindung mit Hermann Rinn und Johannes Heitzmann, Pfullingen 1956, S. 399. 271 Als Winkler seinen Lehrer, den berühmten Romanisten Karl Vossler, bei dem er über »Moderne französische Klassikeraufführungen auf Pariser Bühnen« promoviert hatte, beruflich um Rat bat, antwortete dieser: »Nicht daß ich jemandem gegen seine Überzeugung zu handeln rate, aber Sie sind ja politisch noch ein unbeschriebenes Blatt. Treten Sie in eine nationalsozialistische Organisation ein. Sie haben sich mit dem Bühnenwesen beschäftigt. Da können Sie weiterkommen.« Zit. n. Johannes Heitzmann, Zwischen Zeiten und Welten. (1925–1937). Unveröffentlichtes maschinenschriftliches Manuskript, 656 Seiten. Deutsches Literaturarchiv Marbach, hier S. 376. Winkler sollte diesen Rat nicht befolgen. 272 Vgl. Eugen Gottlob Winkler an Johannes Heitzmann. Vier unveröffentlichte Briefe aus Paris, in: Eugen Gottlob Winkler (1912–1936) zum 80. Geburtstag am 1. Mai 1992. Hg. von Ulrich Keicher, Warmbronn 1992, S. 8–25, hier S. 9. 273 Vgl. Helmut Salzinger, Eugen Gottlob Winklers künstlerische Entwicklung. Die ästhetischen Anschauungen, untersucht an seinem dichterischen und kritischen Werk, Dissertation, Hamburg 1967, S. 382 (Werkverzeichnis Nr. 112). Salzinger bezieht sich auf eine Abschrift des Gedichts von Hans Rathschlag. Walter Warnach hat das Gedicht im Nachlass-Teil der Winkler-Werkausgabe von 1956 abgedruckt. Es weicht in dieser Fassung geringfügig von der durch Rathschlag überlieferten Fassung ab. Siehe Winkler, Dichtungen, Gestalten und Probleme, S. 452, und Salzinger, S. 359 f. (FN 614, 615 und 617). 274 Vgl. Winkler an Heitzmann. Vier Briefe, S. 21. 275 Das Motiv des Dandys als luziferische Gestalt und Antichrist findet sich bei ­Gruenter, Formen des Dandysmus, S. 191. Vgl. auch Hiltrud Gnüg, Kult der Kälte. Der klassische Dandy im Spiegel der Weltliteratur, Stuttgart 1988, S. 79 ff., und Camus, Der Mensch in der Revolte, S. 52–59. 276 Erstveröffentlichung in: Der Kunstwart 49 (1935/36), Heft 1/2, S. 46–56. 277 E. G. Winkler, Die Gestalt Stefan Georges in unserer Zeit, hier zitiert nach: Winkler, Dichtungen, Gestalten und Probleme, S. 224. 278 Ebd. 295

Anmerkungen

279 Ebd., S. 225. 280 Unveröffentlichter Brief an Walter Warnach (2. Dezember 1931). Zit. n. Salzinger, Eugen Gottlob Winklers künstlerische Entwicklung, S. 324, FN 335. 281 Unveröffentlichter Brief an Walter Warnach (2. März 1932), ebd. 282 Unveröffentlichter Brief an Walter Warnach (12. August 1931), ebd. 283 Brief an Johannes Heitzmann vom 28. September 1934. Zit. n. Heitzmann, Zwischen Zeiten und Welten, S. 437. 284 Winkler an Heitzmann. Vier Briefe, S. 10. 285 Vgl. Heitzmann, Zwischen Zeiten und Welten, S. 413. 286 Brief an Waldtraud Rohrig-Walter vom 29. April 1935, in: Eugen Gottlob Winkler, Briefe 1932–1936. Hg. von Walter Warnach, Bad Salzig 1949, S. 173 f. 287 Brief an Hans Rathschlag vom 10. Februar 1936, in: Winkler, Briefe 1932–1936, S. 207. 288 E. G. Winkler, Marcel Proust, in: ders., Dichtungen, Gestalten und Probleme, S. 415. 289 Heitzmann, Zwischen Zeiten und Welten, S. 413. 290 Vgl. ebd., S. 395. Winkler hatte 1933 – also vor seinen Einkünften aus literarischer und sonstiger Tätigkeit – eine Summe von ca. 80 Reichsmark monatlich zur Verfügung, die sich aus einem Stipendium der »Franz-Marie-Christinen-Stiftung« des Fürstenhauses Thurn und Taxis und der Kinderzulage, die seine Mutter zur Rente erhielt, zusammensetzte. Nach Meinung der Verwalter der Stiftung war Winkler im Vergleich mit anderen Studenten »auf Rosen gebettet«. Vgl. Heribert Weber, Dreizehn Tage im November. Eugen Gottlob Winkler 1933 in Tübingen, Tübingen 2009, S. 33 f. 291 Heitzmann, Zwischen Zeiten und Welten, S. 394. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen im Deutschen Reich betrug 1933 knapp 60 Reichsmark im Monat. 292 Ebd. 293 Brief an Waldtraud Rohrig-Walter vom 2. Juli 1934, in: Winkler, Briefe 1932– 1936, S. 126 f. 294 Ebd., S. 127. 295 Ebd. 296 Heitzmann, Zwischen Zeiten und Welten, S. 434. 297 Ebd., S. 504. 298 Ebd. 299 Brief an Hans Rathschlag vom 6. Februar 1934, in: Winkler, Briefe 1932–1936, S. 111. 300 Winkler, Tangente »Rezept«. Unveröffentlicht. Hier zitiert nach Salzinger, Eugen Gottlob Winklers künstlerische Entwicklung, S. 360. Das »Rezept« erinnert in der Tonart an Walter Serners Ratschläge in »Letzte Lockerung«. 301 Heitzmann, Zwischen Zeiten und Welten, S. 543. 302 Ebd., S. 551. 296

Anmerkungen

303 Ebd., S. 543. 304 Beda Allemann, Eugen Gottlob Winkler, in: Zehn Jahre Neske Verlag, Pfullingen 1962, S. 5–17, hier S. 6. 305 Ebd. 306 Winkler, Aus einem Tagebuch (11. Nov. 1934), in: ders., Dichtungen, Gestalten und Probleme, S. 53. 307 Ebd. 308 Winkler, Briefe 1932–1936, S. 47. 309 Ebd., S. 104. 310 Ebd., S. 141. 311 Ebd., S. 145. 312 Ebd., S. 167. Vgl. auch Winklers Kennzeichnung der Persönlichkeit von Harry Graf Kessler (Anm. 118 zu Kap. 4). 313 Ebd., S. 221. 314 Ebd., S. 222. 315 Ebd., S. 231. 316 Ebd., S. 245. 317 Hans Egon Holthusen, Eugen Gottlob Winkler, in: ders., Der unbehauste Mensch. Motive und Probleme der modernen Literatur, München 1951, S. 103. Erweiterte Fassung von Holthusen, Epitaph. Eugen Gottlob Winkler, in: Merkur 1 (1947), H. 3, S. 426–438. 318 Walter Jens, Eugen Gottlob Winkler, in: Eugen Gottlob Winkler. Ausgewählt und eingeleitet von Walter Jens, Frankfurt am Main/Hamburg 1960, S. 7–17, hier S. 7. 319 Ebd., S. 8. 320 Ebd. 321 Ebd., S. 9. 322 Winkler, Briefe 1932–1936, Vorwort, S. 5. 323 Winkler, Dichtungen, Gestalten und Probleme, S. 537. 324 Karl Krolow, Eugen Gottlob Winkler – Nach zwanzig Jahren, in: Akzente 4 (1957), S. 476–479, hier S. 478. 325 Johannes Pfeiffer, Zwischen Sinngebung und Skepsis. Über Eugen Gottlob Winkler [Erstveröffentlichung 1937], in: ders., Die dichterische Wirklichkeit. Versuche über Wesen und Wahrheit der Dichtung, Hamburg 1962, S. 35–47, hier S. 46. 326 Joachim Günther, Ein Leben ohne Illusionen, in: Die Zeit vom 23. März 1950. 327 »Der Konrad, das war ein Engel, der sich in die Tiefen gestürzt hat.« (H. C. Artmann in: Maria Fialik, »Strohkoffer«-Gespräche. H. C. Artmann und die Literatur aus dem Keller, Wien 1998, S. 36.) 328 H. C. Artmann, Einiges über Konrad Bayer, in: Die Welt bin ich. Materialien zur Konrad Bayer. Zusammengestellt von Ulrich Janetzki und Wilfried Ihrig, Wien/ München 1983 (Protokolle. Zeitschrift für Literatur und Kunst, Bd. 1), S. 5. Der 297

Anmerkungen

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in Kleinschreibung verfasste Text wurde, wie auch die folgenden in Kleinschreibung vorliegenden Texte von Mitgliedern der Wiener Gruppe, in Normalschrift wiedergegeben. Artmann berichtet, dass die Neigung zu dandyhaften Attitüden im Umkreis der Wiener Gruppe weitverbreitet war. »Wir waren ja alle Dandys.« (Fialik, »Strohkoffer«-Gespräche, S. 11.) Zu Artmanns Rolle in der Wiener Gruppe und seiner Beziehung zu Konrad Bayer vgl. Herbert Zeman (Hg.), Die österreichische Literatur. Eine Dokumentation ihrer literarhistorischen Entwicklung, Teil 1: Ihr Profil von der Jahrhundertwende bis zur Gegenwart (1880– 1980), Graz 1989, S. 623–626. Fialik, »Strohkoffer«-Gespräche, S. 11. Vgl. Kurt Strasser, Experimentelle Literaturansätze im Nachkriegs-Wien. Konrad Bayer als Beispiel, Stuttgart 1986, S. 32. Den Einflüssen des Dandytums im Werk Konrad Bayers widmet sich Ihrig, Literarische Avantgarde. Ihrig, Literarische Avantgarde, S. 156. Vgl. Richard Schaukal, Leben und Meinungen des Herrn Andreas von Balthesser, 7., verbesserte Auflage, München 1917, S. 30. Ulrich Janetzki berichtet: »Ein älterer Kollege, Börsenfachmann, der Creditanstalt gab ihm – verbotenerweise – einige Börsentips. Beide legten ihr Geld zusammen (Bayer ließ sich noch einen Vorschuß auszahlen) und konnten vier Gehälter einsetzen. Sie verdoppelten das eingesetzte Geld. Erst dann schied Konrad Bayer aus der Bank aus. Mit einem Teil des gewonnenen Geldes spielte Bayer in Baden (bei Wien) Roulette und gewann nochmals.« (U. Janetzki, Alphabet und Welt. Über Konrad Bayer, Königstein/Ts. 1982, S. 186, Anm. 13.) Oswald Wiener, Einiges über Konrad Bayer (1978), in: ders., Literarische Aufsätze, S. 10. Bayer und Wiener lernten sich 1952 kennen. Janetzki schreibt: »Oswald Wiener berichtete mir, daß ihm Konrad Bayer zuerst nicht sehr sympathisch war (…). (…) Bayer wurde von Wiener seiner dandyhaften Arroganz wegen nicht ernstgenommen«. ( Janetzki, Alphabet und Welt, S. 161, Anm. 37.) Wiener, Einiges über Konrad Bayer, S. 9. Ebd., S. 10. Ingeborg Bachmann, Frankfurter Vorlesungen. Probleme zeitgenössischer Dichtung, München 1980, S. 16. Die Einschätzung der Werke Bayers ist jedoch nicht an die Prämissen gebunden, die die Gruppe selbst verkündete. Vgl. dazu Beda Allemann, Experimentelle Dichtung aus Österreich, in: Neue Rundschau 78 (1967), H. 2, S. 317–325, hier S. 319. Zu Bachmann und Celan wahrte die Gruppe Distanz. Gerhard Rühm bekennt: »Allerdings, was als Postsurrealismus (Paul Celan) eben in Mode kam, lehnten wir als symbolistisch verpanschten Aufguss ab – das war drauf und dran, eine neue Mythisierung einzurichten.« (Gerhard Rühm [Hg.], Die Wiener Gruppe. Achleitner, Artmann, Bayer, Rühm, Wiener Texte, Gemeinschaftsarbeiten, Aktionen. Erweiterte Neuausgabe, Reinbek 1985, S. 9.)

Anmerkungen

340 »Als Konrad Bayer der Gruppe mitteilt, daß er beabsichtigt, sich von dem Maler Kurt Regscheck (den er in der Galerie von Ernst Fuchs, die er 1957 vorübergehend leitete, kennenlernte) portraitieren zu lassen, wird er – auf Betreiben O. Wieners – aus der Gruppe ausgeschlossen. Dieser durchaus ernstgemeinte Entschluß wird zwar am nächsten Tage wieder au[f ]gehoben, zeigt aber doch deutlich, daß auch innerhalb der Gruppe ein fixiertes Ordnungsgefüge herrscht, das von allen gemeinsam – mehr oder minder ernsthaft – getragen wird.« ( Janetzki, Alphabet und Welt, S. 23 f.) 341 Oswald Wiener, Eine Art Einzige, S. 44 f. 342 Ebd., S. 45. 343 Siehe in Kapitel 5 dieses Buches: Der Dandy als Maschine: Paul Valérys »Monsieur Teste«. 344 Wiener, Eine Art Einzige, S. 60. Janetzki schreibt, Bayer habe sich bemüht, »(…) den erlebten Konventionen ein künstliches Neues entgegenzusetzen, und sei es in Form einer neuen Konvention. Er stellte dem geregelten Dasein tradierter Art ein künstliches Anderssein gegenüber. Dies zeigt sich in seinen Dandy-Posen ebenso wie in literarischer Hinsicht im Entwurf einer Maschine, deren Funktionsweise sich aus der Vorstellung begründet, die Befolgung bestimmter Regel-Vorgaben erzwinge eine subjektbedingte Fixierung von Wirklichkeit.« ( Janetzki, Alphabet und Welt, S. 117 f.) Der Text »Der Vogel singt« ist nach solchen streng mathematischen Regeln konstruiert. Vgl. ebd., S. 112–117. 345 Zit. n. Wiener, Eine Art Einzige, S. 59. 346 Konrad Bayer, Briefe an Ida, in: manuskripte 13 (1973), H. 37/38, S. 53–60, hier S. 56. Hier zitiert nach Janetzki, Alphabet und Welt, S. 19. 347 In diesen Zusammenhang gehört auch Bayers Beschäftigung mit dem Zen-Buddhismus. Siehe den Hinweis von Janetzki, Alphabet und Welt, S. 25. 348 Wiener, Einiges über Konrad Bayer, S. 19. 349 Vgl. H. C. Artmann, Acht-Punkte-Proklamation des poetischen Actes, in: Peter Weibel (Hg.), Die Wiener Gruppe. Ein Moment der Moderne 1954–1960. Die visuellen Arbeiten und die Aktionen, Wien/New York 1997, S. 55: »Es gibt einen Satz, der unangreifbar ist, nämlich der, dass man Dichter sein kann, ohne auch irgendjemals ein Wort geschrieben oder gesprochen zu haben.« Artmann hat diesen Satz vermutlich Tristan Tzara entlehnt: »Il est parfaitement admis aujourd’hui qu’on peut être poète sans jamais avoir écrit un vers.« (T. Tzara, Essai sur la situation de la poésie, in: Le Surréalisme au service de la révolution, Nr. 4 [1931], S. 15.) Vgl. Ihrig, Literarische Avantgarde, S. 218, Anm. 18. 350 Konrad Bayer, Das Gesamtwerk. Hg. von Gerhard Rühm, Reinbek 1977, Vorwort von G. Rühm, S. 8. Vgl. auch das Zeugnis des Komponisten und Schriftstellers Gerhard Lampersberg, der von einer Begegnung im Art Club Wien 1952 berichtet: »Zum Unterschied von uns, die wir Jeans und Pullover trugen, war er sehr sorgfältig gekleidet, fast dandysch [sic!]. Er hatte gerade seine Banklehre begonnen.« (G. Lampersberg, Begegnungen mit Konrad Bayer, in: Die Welt bin 299

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ich, S. 6.) Vgl. auch Marc Adrian: »Mir war der Konrad ein bißchen suspekt, er hat sich ein bißchen dandyhaft gegeben. Das war eine Art Maske, die er sich zugelegt hatte.« (Fialik, »Strohkoffer«-Gespräche, S. 208.) Das zeigt sich auch in Konrad Bayers Briefen an seine Frau Traudl. Vgl. Konrad Bayer/Traudl Bayer, Zwei herzige Orang Utans wie wir. Briefe 1959–1964, in: Schreibheft. Zeitschrift für Literatur, Nr. 79 (2012), S. 15–46. Fialik, »Strohkoffer«-Gespräche, S. 133. »Man spielt mit dem Tod, man spielt mit der Liebe, man spielt mit allem, man glaubt, man ist ein Held.« (Ebd.) Auch Gerhard Rühm sieht diese Verhaltensexperimente im Rückblick kritisch: »Ich weiß es von Konrad Bayer, der gesagt hat, der Ossi Wiener und er würden aus Spaß auch Experimente mit Leuten machen, um sie psychologisch zu manipulieren oder aus ihnen Künstler zu machen (…) Ja aber mir war nicht so ganz wohl dabei, das hatte einen zynischen Beigeschmack (...) Er wollte testen, wie weit man gehen kann.« (Ebd., S. 208 f.) Ebd., S. 64. Friedrich Achleitner bestätigt, dass es Bayer schwerfiel, die Maske des unerschütterlichen Dandys im Umgang mit Freunden aufrechtzuerhalten. »In Momenten nach Diskussionen ist der Konrad oft in sich zusammengefallen, ist hilflos dagesessen und hat fast geweint. Da hat er den Wunsch gehabt, aufzuhören mit diesen Spielereien, Experimenten, mit diesen auskalkulierten Sachen! Stattdessen möchte er etwas Schlichtes, Wahres, Handfestes schreiben.« (Zit. n. Erik de Smedt, Das Wort ist die Handlung. Editorial, in: Schreibheft. Zeitschrift für Literatur, Nr. 79 (2012), S. 47–54, hier S. 50.) Vgl. Konrad Bayer, Hans Carl Artmann und die Wiener Gruppe, in: Weibel (Hg.), Die Wiener Gruppe, S. 33–39, hier S. 33. Vgl. dazu Dieter E. Zimmer: »Die Existenz des Dichters – es ging hier, in den Kellern und Bars Wiens, weniger um ›das Werk‹ und um dessen mögliche Wirkung auf irgendein Publikum; es ging um die Verwirklichung einer dichterischen Existenz, in einer unerwarteten Umkehrung des Wortes ›le style est l’homme même‹: das Leben ist der Stil.« (Dieter E. Zimmer, Erinnerung an Konrad Bayer, in: Die Zeit vom 23. Oktober 1964.) Vgl. Smedt, Das Wort ist Handlung, S. 47. Strasser, Experimentelle Literaturansätze, S. 28. Paul Valéry, Monsieur Teste, Leipzig/Weimar 1980, S. 11. Franz Schuh, Schreibkräfte. Über Literatur, Glück und Unglück, Köln 2000, S. 141. Ebd., S. 140. Anschauungsmaterial bietet die Anthologie »Riten der Selbstauflösung«, hg. von Verena von der Heyden-Rynsch.

6 Dandytum zwischen mondäner Boheme und Jetset 361 Der amerikanische Begriff »celebrities« bezeichnet im Unterschied zum deut300

Anmerkungen

schen Begriff der Prominenz, der Berühmtheiten aus allen gesellschaftlichen Bereichen umfasst, Berühmtheiten vor allem aus der Welt der Kultur. Vgl. Birgit Peters, Prominenz. Eine soziologische Analyse ihrer Entstehung und Wirkung, Opladen 1996, S. 26. 362 Gregor von Rezzori, Idiotenführer durch die Deutsche Gesellschaft, Bd. 3: Schickeria. Das Paradies auf Erden hier und heute. Wesenszüge und Merkmale der führenden und treibenden Kräfte des bundesdeutschen High Life, Reinbek 1963, S. 11. Vgl. auch ders., Ganz hoch oben, in: Vogue. Deutsche Ausgabe 15 (1994), S. 196 f. 363 Vgl. Nicolaus Sombart, Lieber Affentheater als gar kein Theater, in: Der Tagesspiegel vom 12. Februar 1995, S. W2. 364 Karl Anton Rohan bilanziert Mitte der fünfziger Jahre: »Freilich gibt es in aller Gesellschaft der ›upper ten‹ einen echten, familienbezogenen, meist adeligen oder altpatrizischen Kern, dem es zu verdanken ist, daß traditionelle Lebensformen vom mächtig einströmenden Libertinismus noch nicht ganz überwuchert worden sind.« (Karl Anton Rohan, Heimat Europa. Erinnerungen und Erfahrungen, Düsseldorf/Köln 1954, S. 258.) 365 Anne Philippi, Drang zum Paradies, in: Vogue. Deutsche Ausgabe 25 (2004), S. 361. 366 Ebd. 367 Ebd., S. 364. 368 Holger Liebs, Für immer ist eine lange Zeit, in: Süddeutsche Zeitung vom 29./30. Oktober 2005, S. III. 369 Porfirio Rubirosa verwahrte sich gegen die Bezeichnung Gigolo. »Der Unterschied zwischen einem Gigolo und mir besteht darin, dass alle reichen Frauen, die ich heiratete, sogar reicher waren, als wir uns trennten.« (Shawn Levy, The Last Playboy. The High Life of Porfirio Rubirosa, London 2005, S. 305. ) 370 Andreas Zielcke, Der letzte Playboy. Das Leben des Porfirio Rubirosa, Göttingen 1992, S. 17. 371 Wilfried Rott, Das süße Leben der Playboys. Geschichte einer Kultfigur, Berlin 1998, S. 11. Zum Vergleich Dandy–Playboy, ebd., S. 34–36, 110, 135. 372 Zielcke, Der letzte Playboy, S. 41. 373 Hugo Vickers (Hg.), Alexis. The Memoirs of the Baron de Redé, Wimborne Minster 2005, S. 9. 374 Ein später Reflex einer dandyhaften Existenz, wie sie Alexis de Redé führte, findet sich bei dem in Paris lebenden Massimiliano Mocchia di Coggiola, einem Mann, gediegen und elegant in seiner Kleidung und fragil wie ein kostbares Ausstellungsstück. Vgl. Adams/Callahan, I am Dandy, S. 262–269. 375 Vgl. Nicholas Fox Weber, Balthus. A Biography, London 1999, S. 147. 376 Vgl. z. B. das Cover des Buches von Farid Chenoune, Des modes et des hommes. 377 Vgl. Balthus à contre-courant. Entretiens avec Costanzo Costantini, Le Mottâ 2001, S. 23. Yves Bonnefoy sieht in dem englischen Zusatztext des Bildes »A Por301

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trait of H. M. the King of Cats/Painted by Himself« einen Hinweis auf die Verbindung des Malers zur »Religion des Dandyismus« im Baudelaire’schen Sinne. Vgl. Yves Bonnefoy, L’invention de Balthus, in: ders., L’Improbable, Paris 1959, S. 49–74, hier S. 56. Balthus bestätigt im Gespräch mit Costantini diesen Bezug. Camille Viéville, Balthus et le portrait, Paris 2011, S. 158. Seit dem Buch über den Kater »Mitsou«, das vierzig Tuschzeichnungen des Zwölfjährigen enthält und 1921 mit einem Vorwort von Rilke erschien, signierte der Maler seine Werke mit dem Kindernamen »Baltusz« bzw. »Balthus«. 1961 schreibt die Zeitschrift L’Express: »Der Legende nach ist der 53-jährige ein unehelicher Sohn aus der Verbindung Rainer Maria Rilkes mit einer polnischen Gräfin und außerdem der Großneffe von Lord Byron.« Zit. n. Sabine Rewald, Balthus. Aufgehobene Zeit. Gemälde und Zeichnungen 1932–1960, München 2007, S. 39. Der Kunsthistoriker und -kritiker Werner Spies zieht anlässlich der Pariser Ausstellung von 1983 einen fragwürdigen Vergleich mit der Thomas Mann’schen Romanfigur. Er spricht von der unzulänglichen Maltechnik Balthus’, die »durch den gelungenen Bluff« überdeckt werde. Vgl. Werner Spies, Der Dandy. Balthus in Paris, in: ders., Rosarot vor Miami. Ausflüge zu Kunst und Künstlern unseres Jahrhunderts, München 1989, S. 102–106, hier S. 106. Vgl. ebd., S. 102. Stanilas Klossowski de Rola/Thadée Klossowski de Rola (Hg.), Balthus – Antoinette de Watteville. Liebesbriefe 1928–1937, Bern/Berlin 2005, S. 95 f. Brief vom 13. November 1933. »Seinem Aussehen nach ist er ein dunkelhäutiger Zigeuner, der Kleidung und dem Gehaben nach ein vornehmer Mann, das heißt in der Art vornehm, wie viele Landjunker es sind: vielleicht etwas schlampig, doch trotz der Vernachlässigung nicht übel aussehend, weil er ebenmäßig und gut gewachsen ist, – und etwas mürrisch. Es ist möglich, daß er bei manchen Menschen im Verdacht eines ungebildeten Hochmuts steht.« (Emily Brontë, Die Sturmhöhe. Roman, Frankfurt am Main 1962, S. 9 f.) Balthus – Antoinette de Watteville. Liebesbriefe, S. 203. Brief vom 6. September 1934. Ebd., S. 155. Brief vom 19. April 1934. Vgl. Brief Baladine Klossowskas an Éric Klossowski vom 16. August 1935, ebd., S. 281. Ebd., S. 272. Brief vom 1. Juni 1935. Ebd., S. 273. Brief vom 3. Juni 1935. Vgl. Weber, Balthus, S. 425. James Lord, Der merkwürdige Fall des Grafen de Rola, in: ders., Einige bemerkenswerte Männer. Weitere Erinnerungen, München 1998, S. 171–228, hier S. 201. Ebd., S. 200. Vgl. Viéville, Balthus et le portrait, S. 156 f. Lord meint, Aristokratie bestehe für

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Balthus »(…) offenbar in einer Distinktion des persönlichen Gebarens, das ihm die Integrität seines Glaubens an Werte und Maßstäbe auszudrücken erlaubte, die einer Zeit angehörten, da Adelstitel noch etwas bedeuteten.« (Lord, Der merkwürdige Fall des Grafen de Rola, S. 195.) Vgl. Sabine Rewald, The Young Balthus, in: Jean Clair (Hg.), Balthus, London 2001, S. 43–60, hier S. 58, Anm. 4. Über Stendhal, der eine Vielzahl von Pseudonymen benutzte, schreibt Jean Starobinski: »Als er sich einen neuen Namen zulegte, gab er sich nicht nur ein neues Gesicht, sondern auch ein neues Schicksal, eine neue gesellschaftliche Position, neue Vaterländer.« ( Jean Starobinski, Das Leben der Augen, Frankfurt am Main/ Berlin/Wien 1984, S. 148.) Gegenüber Costantini bekennt Balthus, sein Vater habe ihm vor seinem Tod beschworen, er solle nie vergessen, dass er ein polnischer Chevalier sei. Vgl. Balthus à contre-courant, S. 87. Jean Clair, Balthus and Rilke: a Childhood, in: ders. (Hg.), Balthus, S. 35–42, hier S. 35. Vgl. ders., Balthus und Rilke: Eine Kindheit, in: Evelyn Benesch/Cécile Debray (Hg.), Balthus. Balthasar Klossowski de Rola. Ausstellungskatalog, Heidelberg/Berlin 2016, S. 30. Balthus, Erinnerungen. Aufgezeichnet von Alain Vircondelet, Berlin 2002, S. 158. Zit. n. Jean Leymarie, Balthus, Leipzig 1993, S. 85. Balthus, Erinnerungen, S. 161. Ebd., S. 215. Ebd., S. 92 f. Ebd., S. 177. Ebd., S. 158. Ebd., S. 255. Fjodor M. Dostojewski, Der Spieler. Späte Romane und Novellen, München 1992, S. 86. Balthus bekennt, er habe in den feudalen Gemäuern des Schlosses Chassy die absolute Entsprechung seiner polnischen Ursprünge gefunden. Vgl. Balthus, Erinnerungen, S. 169. Vgl. Rainer Gruenter, ›Jugendstil‹ in der Literatur, in: ders., Vom Elend des Schönen, S. 19–40, hier S. 37 ff. So kann z. B. der in Tainan, Taiwan, geborene, in Tokio aufgewachsene und später in Schanghai lebende Liu Na’ou (1905–1940), Mitbegründer der literarischen Bewegung des Neo-Sensationalismus, als Vertreter eines kosmopolitischen chinesisch-japanischen Dandyismus verstanden werden. Vgl. Peng Hsiao-yen, Dandyism and Transcultural Modernity. The dandy, the flâneur, and the translator in 1930s Shanghai, Tokyo, and Paris, New York 2010, S. 22–58. In Korea ist der Dichter Yisang (1910–1937) zu nennen. Vgl. Mark Siemons, Ohne oberschlaues Gerede über Glück und Unglück. (…) Das schnelle Leben und unheimlich gegenwärtige Schreiben des koreanischen Schriftstellers und Dandys Yisang, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 12. August 2014. Zu den Dandys in der Republik Kongo vgl. Daniele Tamagni, Gentlemen of Bacongo, London 2009. 303

Anmerkungen

408 Vgl. Ian Buruma, A Japanese Mirror. Heroes and Villains of Japanese Culture, London 1984, S. 128. 409 Vgl. Ruth Benedict, The Chrysanthemum and the Sword. Patterns of Japanese Culture, New York 1974, S. 63. 410 Vgl. Takao Mukoh, Nachwort, in: Tsunemoto Yamamoto, Hagakure. Der Weg des Samurai. I und II in einem Band. Hg. von Guido Keller, München 2003, S. 294–318, hier S. 300. 411 Siegfried Schaarschmidt, Vorwort, in: Miyamoto Musashi, Das Buch der fünf Ringe, Düsseldorf 1983, S. 7–8, hier S. 7. 412 Yamamoto, Hagakure, S. 11. 413 Ebd., S. 292. 414 Vgl. Hans-Ulrich Treichel/Dietmar Voss, Masken der Selbstüberschreitung. Zur erzählenden Prosa und Ästhetik von Yukio Mishima, in: Merkur 42 (1988), H. 3, S. 210–224, hier S. 216. 415 Yamamoto, Hagakure, S. 30 f. 416 Ebd., S. 38. 417 Yukio Mishima, Zu einer Ethik der Tat. Einführung in das »Hagakure«, die große Samurai-Lehre des 18. Jahrhunderts, München/Wien 1987, S. 77. 418 Vgl. Naoki Inose/Hiroaki Sato, Persona. A Biography of Yukio Mishima, Berkeley 2012, S. 694. Das Interview wurde am 12. Juli 1970 in der Zeitung Sunday Mainichi geführt. 419 Baudelaire, Der Maler des modernen Lebens, S. 243. 420 Vgl. Baudelaire, Tagebücher. Raketen, in: ders., Sämtliche Werke/Briefe, Bd. 6, S. 193–213, hier S. 202. 421 Zit. n. John Nathan, Mishima. A Biography, Tokio 1975, S. 53. 422 Zit. n. Nathan, ebd., S. 58. 423 Vgl. Yukio Mishima, Gesammelte Erzählungen. Nachwort von Donald Keene, Reinbek 1971, S. 301. 424 Zit. n. Nathan, Mishima, S. 115. Zur Nietzsche-Lektüre Mishimas vgl. Ken’ichi Mishima, Mishima und Nietzsche – Fin de siècle-Ästhetik und radikaler Nationalismus, in: Irmela Hijiya-Kirschnereit/Gerhard Bierwirth (Hg.), Yukio Mishima. Poesie, Performanz und Politik, München 2010, S. 32–49. 425 »›Ich möchte auf Rokoko-Möbeln sitzen und Jeans und Hawai-Hemden tragen. Das ist mein idealer Lebensstil.‹« Zit. n. Nathan, Mishima, S. 150. 426 Vgl. Inose/Sato, Persona, S. 562. 427 Zit. n. Nathan, Mishima, S. 189. 428 Vgl. ebd., S. 214. 429 Henry Scott Stokes, The Life and Death of Yukio Mishima, New York 1974, S. 235. 430 Yukio Mishima, Sun & Steel, Tokio/New York 1970, S. 27. 431 Zit. n. Stokes, The Life and Death of Yukio Mishima, S. 16. Der Kulturhistoriker Ivan Morris, ein Freund des Schriftstellers, berichtet: »Mishima verwies auf den 304

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inhärenten Wert des aufrichtig begangenen Selbstopfers, einen Wert, der ganz unabhängig von seinem praktischen Effekt existiert und im Gegenteil durch das Scheitern zusätzliche Gültigkeit erhält. In Wirklichkeit ›zählt nur der Weg und nicht das Ziel‹.« (Ivan Morris, The Nobility of Failure. Tragic Heroes in the History of Japan, London 1975, S. 183.) 432 Hans Werner Henze, Reiselieder mit böhmischen Quinten. Autobiographische Mitteilungen 1926–1995, Frankfurt am Main 1996, S. 152. 433 Ingeborg Bachmann/Hans Werner Henze, Briefe einer Freundschaft. Hg. von Hans Höller, München/Zürich 2004, S. 73. 434 Ebd., S. 86. 435 Hans Werner Henze, Musik und Politik. Schriften und Gespräche 1955–1975. Hg. von Jens Brockmeier, München 1976, Vorwort, S. 13. 436 Henze, Reiselieder, S. 300. 437 Ebd., S. 415. 438 Ebd., S. 138. 439 Ebd. 440 Ebd., S. 233. 441 Ebd., S. 171. 442 Jens Rosteck, Hans Werner Henze. Rosen und Revolutionen. Die Biographie, Berlin 2009, S. 262. 443 Zit. n. Rosteck, Hans Werner Henze, S. 300. 444 Zit. n. Rosteck, Hans Werner Henze, S. 502. 445 Zit. n. Rosteck, Hans Werner Henze, S. 421. 446 Ebd. 447 Ebd., S. 443. 448 Zit. n. Rosteck, Hans Werner Henze, S. 443. 449 Vgl. Axel Brüggemann, Die alten Lords, in: Die Welt vom 1. Juli 2001. 450 Raddatz schreibt: »(...) er gehörte für mich, ungerechterweise, nicht in die Kategorie ›Literatur‹, sondern in das Rollenfach ›amüsanter, gut gekleideter Hochstapler‹. Er war Teil jener Clique der Saurier, aus alten Rowohlt-Zeiten übrig geblieben, die mich nicht interessierten.« (Fritz J. Raddatz, Unruhestifter. Erinnerungen, Berlin 2003, S. 215.) 451 Vgl. Raddatz’ Essay »Weil alle Literatur von der Sünde herstammt. Ein Portrait des Poète maudit Charles Baudelaire«, in: Die Zeit vom 22. Oktober 1993, S. 71–72. 452 Dies zeugt von wenig Eleganz, wie Raddatz selbst eingesteht: »Eleganz kann nicht verachten. Sie mag Bitterkeit haben, aber sie ist ohne Gift.« (Fritz J. Raddatz, Die besondere Haltung. Was ist Eleganz? Ein Begriff wird erkundet, in: Die Zeit vom 8. August 1997, S. 34.) 453 Raddatz, Unruhestifter, S. 11. 454 Ebd., S. 13. 455 Ebd., S. 168. 305

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Ebd., S. 164. Ebd., S. 239 f. Ebd., S. 232 f. Ebd., S. 239. Ebd., S. 242. Ebd., S. 234. Ebd., S. 269. Ebd., S. 278. Rezzori, Idiotenführer, Bd. 3: Schickeria, S. 40. An anderer Stelle heißt es: »Um in der Gesellschaft akzeptiert zu werden, mögen Geist, Wissen, Lebensart und der kleine Hase Dürers von großem Nutzen sein. Wichtiger ist zu wissen, von welcher Seite man auf ein Pferd steigt und wie eine Schrotflinte geladen wird.« (Gregor von Rezzori, Mir auf der Spur, München 1997, S. 224.) 465 Fritz J. Raddatz, Tagebücher. Jahre 1982–2001, Reinbek 2010, S. 224. 466 Ebd., S. 299 f. 467 Ebd., S. 484. 468 Im FAZ-Interview mit Timo Frasch äußert sich Raddatz zu den Vorbehalten mancher seiner Gäste gegenüber kleinen lieb gewonnenen Zermonien, die er ihnen zumutete: »Ich kann gut verstehen, dass manche das Ganze albern finden, weil sie nicht wissen, was ein Messerbänkchen ist, oder weil sie keine Ahnung haben, wie man mit meinem Spargelbesteck aus dem Ritz in Paris überhaupt umgeht.« (»Stil braucht Lässigkeit«. Der Kritiker Fritz J. Raddatz im Gespräch mit Timo Frasch, in: Beilage der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 27./28. Oktober 2012, S. 28–33, hier S. 28.) 469 Die auf ihn gemünzte Bezeichnung »Dandy« hält Raddatz für trivial. »(...) nicht mal da wissen die, daß das Urbild des Dandys der hl. Sebastian ist, ein Gemarterter, der zugleich lustvoll aussieht, will sagen: sich gibt.« (Fritz J. Raddatz, Tagebücher. Jahre 2002–2012, Reinbek 2014, S. 548.) 470 Adolf Muschg, Um Kopf und Kragen geschrieben. Über Fritz J. Raddatz: »Kuhauge«, in: Der Spiegel vom 5. März 1984, S. 210–214, hier S. 210. 471 Françoise Dolto, Le dandy, solitaire et singulier, Paris 1987, S. 40. 472 Ebd., S. 45. 473 Raddatz, Die besondere Haltung, S. 34. 474 Raddatz, Tagebücher. Jahre 1982–2001, S. 489 f.

7 Der Dandy im Zeitalter der Popkultur und der neuen Medien 475 Alexandre Kojève, Philosophen interessieren mich nicht, ich suche Weise. Interview mit Gilles Lapouge (1968), in: A. Kojève, Überlebensformen. Hg. von Andreas Hiepko, Berlin 2007, S. 62. 476 In der Juni-Nummer des Jahres 1956 von Sartres Zeitschrift Les Temps Modernes schrieb Kojève: »In England scheint es allerdings einen Zeitgenossen gegeben 306

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zu haben, der die Dinge ebenso gesehen hat [wie Hegel]. Auf jeden Fall hat er zumindest bemerkt, dass, aufgrund der Heldentaten seines französisch-italienischen Konkurrenten, die – von einigen ja als eitel betrachtete – Ehre des männlichen Heroismus (und sei er nur eine Kleiderfrage) von nun an nur noch in Zivil (in der Farbe der Trauer offensichtlich) zu erlangen sei.« (Alexandre Kojève, Die letzte Neue Welt, in: ders., Überlebensformen, S. 28.) Thomas Carlyle, Sartor Resartus. Leben und Meinungen des Herrn Teufels­ dröckh, Zürich 1991, S. 363. Vgl. Thomas Medwin, Medwin’s Conversations of Lord Byron [1844]. Hg. von Ernest J. Lovell, Jr., Princeton 1966, S. 72. (»He used to say there were three great men ruined in one year, Brummell, himself, and Napoleon.«) In Bulwers Roman »Pelham« (EA 1828), in dem Brummell in der Figur des Mr. Russelton auftritt, ist vom Autokraten in der großen Welt der Mode und der Halsbinden, dem Zeitgenossen und Rivalen Napoleons, die Rede. Vgl. Edward Bulwer-Lytton, Pelham; or, The Adventures of a Gentleman, Leipzig 1842, S. 127. Jacob Taubes, Ästhetisierung der Wahrheit im Posthistoire, in: Kojève, Überlebensformen, S. 39–57, hier S. 51. Vgl. Norbert Bolz, Auszug aus der entzauberten Welt. Philosophischer Extremismus zwischen den Weltkriegen, München 1989, S. 167. Vgl. Hartmut Rosa, Beschleunigung. Die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne, Frankfurt am Main 2005, S. 41. Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches, S. 231 f. Der Diagnostiker des Zeitgeistes Peter Sloterdijk gibt zu Protokoll: »Die Gegenwart ist erschöpft, weil das Gefühl des Getriebenseins an die Stelle des sinnvollen Handelns getreten ist.« Zit. n. Elke Schmitter, »Die futuristische Wende«. Rez. P. Sloterdijk, »Die schrecklichen Kinder der Neuzeit«, in: Der Spiegel, Nr. 25, 16. Juni 2014, S. 116. Rosa, Beschleunigung, S. 368 und 372. Vgl. Hans-Georg Soeffner, Stil und Stilisierung. Punk oder die Überhöhung des Alltags, in: Hans Ulrich Gumbrecht/K. Ludwig Pfeiffer (Hg.), Stil. Geschichten und Funktionen eines kulturwissenschaftlichen Diskurselements, Frankfurt am Main 1986, S. 317–341, hier S. 319. Michel Foucault, Was ist Aufklärung?, in: Eva Erdmann/Rainer Forst/Axel Honneth (Hg.), Ethos der Moderne. Foucaults Kritik der Aufklärung, Frankfurt am Main/New York 1990, S. 35–54, hier S. 44 f. Der Text geht auf eine Vorlesung am Collège de France vom 5. Januar 1983 zurück. Vgl. Interview mit Michel Foucault. Genealogie der Ethik: Ein Überblick über laufende Arbeiten, in: Hubert L. Dreyfus/Paul Rabinow, Michel Foucault. Jenseits von Strukturalismus und Hermeneutik, Frankfurt am Main 1987, S. 265– 292, hier S. 283. Das Interview fand im April 1983 statt. Michel Foucault, Sexualität und Wahrheit, Bd. 2: Der Gebrauch der Lüste, Frankfurt am Main 1986, S. 18. Gruenter, Versuch über Oscar Wilde, S. 184. Kritisch äußert sich auch Max 307

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Weber: »Wir kennen keinen großen Künstler, der je etwas anderes getan hätte, als seiner Sache und nur ihr zu dienen. Es hat sich, soweit seine Kunst in Betracht kommt, selbst bei einer Persönlichkeit vom Range Goethes gerächt, daß er sich die Freiheit nahm: sein ›Leben‹ zum Kunstwerk machen zu wollen.« (M. Weber, Wissenschaft als Beruf, in: ders., Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre. Hg. von Johannes Winckelmann, 7. Aufl., Tübingen 1988, S. 582–613, hier S. 591.) In einem Brief an George Sand schreibt Gustave Flaubert: »Das Streben nach irgendeiner Ehrung erscheint mir übrigens als ein unbegreiflicher Akt der Bescheidenheit.« Zit. n. Pierre Bourdieu, Die Regeln der Kunst. Genese und Struktur des literarischen Feldes, Frankfurt am Main 2001, S. 184. Vgl. Jürgen Habermas, Der philosophische Diskurs der Moderne. Zwölf Vorlesungen, Frankfurt am Main 1985, S. 19. Den Hinweis auf den charismatischen Dandytypus verdanke ich der Studie von Robert Hettlage, Der Dandy und seine Verwandten. Elegante Flaneure, vergnügte Provokateure, traurige Zeitdiagnostiker, Wiesbaden 2014. Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie, 5. Aufl., Tübingen 1976, S. 148. Vgl. Peters, Prominenz, S. 29. Vgl. Arnold Gehlen, Über kulturelle Kristallisation, in: ders., Studien zur Anthropologie und Soziologie, Neuwied/Berlin 1963, S. 311–328. Arnold Gehlen, Ende der Geschichte?, in: ders., Einblicke, Frankfurt am Main 1975. Hier zit. n. Johannes Weiß, Kulturelle Kristallisation, Post-Histoire und Postmoderne, in: Helmut Klages/Helmut Quaritsch (Hg.), Zur geisteswissenschaftlichen Bedeutung Arnold Gehlens, Berlin 1994, S. 853–864, hier S. 858. Vgl. Weiß, Kulturelle Kristallisation, S. 861 f. Vgl. Karl-Siegbert Rehberg, Existentielle Motive im Werk Arnold Gehlens. »Persönlichkeit« als Schlüsselkategorie der Gehlenschen Anthropologie und Sozialtheorie, in: Klages/Quaritsch (Hg.), Zur geisteswissenschaftlichen Bedeutung Arnold Gehlens, S. 491–530, hier S. 517. Johannes Chr. Papalekas, Institutions-Abbau und Subjektivismus. Zur Aktualität Arnold Gehlens, in: Klages/Quaritsch (Hg.), Zur geisteswissenschaftlichen Bedeutung Arnold Gehlens, S. 805–824, hier S. 812 f. Gehlens Position berührt sich hier mit Theodor W. Adornos Diagnose des Ich-Zerfalls in der spätbürgerlichen Gesellschaft. In der Bedeutung der Askese für die Herausbildung gelingender Ich-Bildung sind sich Gehlen, Adorno und Foucault weitgehend einig. Vgl. Hans-Christof Kraus, Dieses Nichts von Fachmensch und Genussmensch, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 30. März 2016, S. N3. Vgl. Rhonda K. Garelick, Rising Star. Dandyism, Gender, and Performance in the Fin de Siècle, Princeton 1998, S. 98. Vgl. auch Anne Kristin Tietenberg, Der Dandy als Grenzgänger der Moderne. Selbststilisierungen in Literatur und Popkultur, Berlin 2013, S. 414–527, sowie: Darren Pih (Hg.), Glam. The Per-

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formance of Style, Bielefeld 2013. Zur Verwandlung des Dandys in eine massenmedial erzeugte »celebrity« vgl. Schuhen, Dandy, Dichter, Demagoge, S. 335. Maxime Foerster wendet sich gegen Garelicks Vermischung von Medienstar und Dandy. Der Dandy widersetze sich den Bedürfnissen der Konsumgesellschaft. Er unterzeichne keinen Kontrakt, seine Aura sei nicht käuflich. Vgl. Foerster, L’art d’être odieux, S. 59 f. Vgl. Gruenter, Versuch über Oscar Wilde, S. 197. Susan Sontag, Anmerkungen zu ›Camp‹, in: dies., Kunst und Antikunst. 24 literarische Analysen, Hamburg 1968, S. 269–284, hier S. 282. Zur Geschichte des Begriffs und des Phänomens »Camp« vgl. Mark Booth, Camp, London/Melbourne/New York 1983. Sontag, Anmerkungen zu ›Camp‹, S. 271. Ebd., S. 276. Vgl. Richard Pine, The Dandy and the Herald. Manners, Mind and Morals from Brummell to Durrell, Basingstoke/London 1988, S. 26 ff. Sontag, Anmerkungen zu ›Camp‹, S. 281. Ebd., S. 282. Zum Unterschied zwischen Snob und Dandy vgl. Hans-Gerd Schumann, Snob – Dandy – Playboy. Typen kultureller Transformation oder gesellschaftlicher Restauration?, in: Archiv für Kulturgeschichte 45 (1963), S. 119–126, hier S. 124 f. Sontag, Anmerkungen zu ›Camp‹, S. 283. Vgl. Hans-Georg Soeffner, Stile des Lebens – Ästhetische Gegenentwürfe zur Alltagspragmatik, in: ders., Zeitbilder. Versuche über Glück, Lebensstil, Gewalt und Schuld, Frankfurt am Main/New York 2005, S. 17–48, hier S. 43. Nadja Geer, Sophistication. Zwischen Denkstil und Pose, Göttingen 2012, S. 11. Boris Groys, Der Pop-Geschmack, in: Walter Grasskamp/Michaela Krützen/ Stephan Schmitt (Hg.), Was ist Pop? Zehn Versuche, Frankfurt am Main 2004, S. 99–113, hier S. 99. Walter Grasskamp, »Pop ist ekelig«, in: Grasskamp/Krützen/Schmitt (Hg.), Was ist Pop?, S. 9–19, hier S. 16. »Pop Art war stets elitäres Zitat, nicht, wie die Popmusik, ein Bad in der Menge.« Ebd. Ebd., S. 18. Vgl. Geer, Sophistication, S. 237. In der Literatur über Popdandys wird darauf verwiesen, es handele sich um »Provokateure mit Takt«. Vgl. Alexandra Tacke/Björn Weyand (Hg.), Depressive Dandys. Spielformen der Dekadenz in der Pop-Moderne, Köln/Weimar/Wien 2009, S. 7, 10, 146, 150. Sie verfolgen – so wird behauptet – gleichsam unter anderen historisch-sozialen Bedingungen eine Strategie, die den Archetypus des Dandys George Brummell auszeichnete. Die Konsequenzen abweichenden Verhaltens können jedoch unterschiedlicher kaum sein. Wenn Brummell durch Impertinenz den Bogen überspannte, drohten ihm der Verlust der Kreditwürdigkeit und das gesellschaftliche Abseits. Wenn die Pop-Dandys es in ihren Provoka309

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tionen zu weit treiben, winkt ihnen dank der Verstärkerfunktion der Sensationspresse die Steigerung des finanziellen Umsatzes. Heinz Drügh, Dandys im Zeitalter des Massenkonsums. Popliteratur als Neo-Décadence, in: Tacke/Weyand (Hg.), Depressive Dandys, S. 80–100, hier S. 85. Tacke/Weyand (Hg.), Depressive Dandys, S. 11. Ebd., S. 12. Von der Offenheit des Phänomens »Dandy« und den durch die elek­ tronischen Medien geschaffenen neuen Möglichkeiten, Dandy zu sein, geht auch die Ausstellung »Am I Dandy?« aus, die 2016 im »Schwulen Museum« Berlin gezeigt wurde. Siehe: Julia Bertschik/Michael Fürst/Elke-Vera Kotowski/Anna-Dorothea Ludewig, Am I Dandy? Anleitung zum extravaganten Leben, Berlin 2016. Über Popper vgl. Ulf Poschardt, Die Rebellion der Kaschmir-Kinder, in: Welt am Sonntag vom 4. Juli 2004, S. 13. Der Autor gehört der Post-68er-Generation an, für die sich die 68er in ihrer Kleiderästhetik als insuffizient erwiesen haben. Rebellion finde nur noch in der Mode statt. Vgl. ders., Stil ist die letzte Rebellion, in: Merkur, 61 (2007), H. 8/9, S. 850–859. Der kategorische Imperativ des von Poschardt propagierten Geschmacksbürgers im postmodernen Biedermeier lautet: Habe Mut, dich deines Kleiderschranks zu bedienen! Vgl. Norbert Bolz, Das konsumistische Manifest, München 2002, S. 96. Die Begriffe »Massendandyismus« und »Massendandy« finden in zahlreichen Untersuchungen zum Dandytum der Gegenwart Verwendung. (Siehe unten.) So war zum Beispiel über den Designer Pierre Cardin in der Presse zu lesen, er ermögliche einen »Dandyismus für alle«. (Chenoune, Des modes et des hommes, S. 277.) Vgl. auch Toledo, Goodbye Tristesse. Toledo versteht unter Massendandyismus ein Dandytum ohne Wagemut und ohne Konsequenz, »dem die Haltung alles und die Revolte nichts mehr ist«. (Ebd., S. 46.) Die Revolte sei nach dem Scheitern der 68er-Protestbewegung in ihr ästhetisches Stadium eingetreten und stütze sich in der »Gesellschaft des Spektakels« (Debord) »auf größtmöglichen Konsens«. (Ebd., S. 45.) »Das neue Bürgertum, das Geschmacksbürgertum, feierte und feiert im Colette und in vergleichbaren Läden weltweit seinen raffinierten und connaisseurhaften Geschmack, der ihm konsumierend und taxierend einen Weg durch die Gegenwart weist.« (Poschardt, Stil ist die letzte Rebellion, S. 857.) Octavio Paz, Baudelaire als Kunstkritiker, in: ders., Essays 2, Frankfurt am Main 1980, S. 315–335, hier S. 323. Institut für Sozialforschung, Soziologische Exkurse. Nach Vorträgen und Diskussionen, Frankfurt am Main 1956, S. 48. Zygmunt Bauman, Leben in der Flüchtigen Moderne, Frankfurt am Main 2007, S. 134. Theodor W. Adorno, Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben, Frankfurt am Main 1984, S. 197. Ganz neu ist dieses Phänomen allerdings nicht, wie das Beispiel des Modedesigners und Plakatkünstlers Ernst Dryden (1887–1938) zeigt. Vgl. Anthony Lip-

Anmerkungen

mann, Der Dandy als Designer. Ernst Dryden: Plakatkünstler und Modeschöpfer, München/Luzern 1989. Zu Dryden siehe in diesem Buch in Kapitel 8 auch: Der Designer des modernen Lebens: Karl Lagerfeld. 530 Roland Barthes, Das Dandytum und die Mode, in: von der Heyden-Rynsch (Hg.), Riten der Selbstauflösung, S. 304–308, hier S. 306. 531 Ebd., S. 307. 532 Alice Cicolini, The New English Dandy, London 2005, S. 144. 533 Anna Schwan, Subkultur von oben, in: Der Tagesspiegel vom 3. Mai 2005, S. 28. 534 Vgl. Tom Holert, Der »Wow«-Quotient. Tod einer magischen Formel: Wie der Glamour aus unserem Leben verschwand, in: Süddeutsche Zeitung vom 14./15. August 2004, S. 12. 535 Ebd. 536 Ebd. 537 Germano Celant, Giorgio Armani: Toward the mass dandy, in: Giorgio Armani. The Solomon R. Guggenheim Foundation. Ausstellungskatalog, New York 2000, S. XIV–XXIII, hier S XIV. 538 Barbey d’Aurevilly, Über das Dandytum, S. 28. 539 »But bodily physique is now the undisputed foundation of style – and has been since sports clothes became general leisure wear from the early 1980s.« (Suzy Menkes, Liberty, Equality, Sobriety, in: Giorgio Armani, S. 68–73, hier S. 69.) 540 George Bryan Brummell, Male and Female Costume; Grecian and Roman Costume. British Costume from the Roman Invasion until 1822 and the Principles of Costume. Applied to the Improved Dress of the Present Day. Hg. von Eleanor Parker, New York 1932, S. 124. 541 Ebd. 542 Vgl. George Walden, Who’s a Dandy?, London 2002, S. 37 und 46. 543 Oscar Wilde, Ein idealer Ehemann, in: ders., Komödien, Zürich 1999, S. 353. 544 »C’est pourquoi le dandy d’aujourd’hui, où nous sommes au siècle de la vitesse, doit choisir l’immobilité, la solitude, la discrétion dans une période d’extravagance.« (Gonzague Saint Bris im Gespräch mit Jacques Chazot, in: Jacques de Langlade, Brummell ou le prince des dandys, Paris 1984, S. 227.) 545 Ball, Die Flucht aus der Zeit, S. 279.

8 Dandys in der Gegenwart 546 Zur Geschichte der Chap-Bewegung vgl. Temple, How to be Chap. 547 Ebd., S. 260. 548 Vgl. das Interview mit Gustav Temple in: Cicolini, The New English Dandy, London 2005, S. 23. 549 Zur den Sapeurs vgl. Tamagni, Gentlemen of Bacongo. Neben Brazzaville ist Kinshasa, die Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo, ein weiterer Schauplatz der Sapeurs. Die Bewegung hat ihre Ableger in Paris, London und Brüssel. 311

Anmerkungen

550 »Bien sapé« heißt »gut gekleidet«. 551 Tamagni, Gentlemen of Bacongo, ohne Seitenzahl. 552 Quentin Crisp, I’m an Englishman in New York. Hg. von Richard Connolly, Hamburg 2003, S. 6. 553 Vgl. Rhonda K. Garelick, Epilogue: Quentin Crisp: The Last Dandy?, in: Susan Fillin-Yeh (Hg.), Dandies. Fashion and Finesse in Art and Culture, New York/ London 2001, S. 270–280, hier S. 276. Vgl. auch Crisp, I’m an Englishman, S. 17–21, und ders., Crisperanto. Aus dem Leben eines englischen Exzentrikers, Zürich 1988, S. 245 f. 554 Crisp, I’m an Englishman, S. 110. 555 Ebd., S. 261. 556 Ebd., S. 65. 557 Garelick, Epilogue, S. 278; vgl. auch Crisp, I’m an Englishman, S. 65–68. 558 Crisp, I’m an Englishman, S. 106. 559 Garelick, Epilogue, S. 272. 560 Vgl. Nigel Rodgers, The Dandy. Peacock or Enigma?, London 2012, S. 217. 561 Crisp, Crisperanto, S. 263 f. 562 Sebastian Horsley, Dandy in der Unterwelt. Eine unautorisierte Autobiographie, München 2009, S. 121. 563 Vgl. Valéry, Monsieur Teste, 1980, S. 18. 564 Baudelaire, Der Maler des modernen Lebens, S. 222. Zum Zusammenhang des Baudelaire’schen Ideals des Malers des modernen Lebens mit Warhol vgl. Robert Rosenblum, Andy Warhol. Court Painter to the 70s, in: Andy Warhol: Portraits of the 70s. Ausstellungskatalog, New York 1979, S. 9 ff. Rosenblum sieht dieses Ideal beispielhaft im Werk Manets und Warhols verwirklicht. Vgl. dazu Peter-Klaus Schuster, Warhol und Goya, in: Andy Warhol. Retrospektive. Ausstellungskatalog. Hg. von Heiner Bastian, Köln 2001, S. 53–59, hier S. 55, sowie Werner Spies, Die verzweifelte Verheißung. Andy Warhol im Museum of Modern Art in New York, in: ders., Rosarot vor Miami, S. 157–162, hier S. 161. 565 Vgl. Richard Martin, Illuminationen: Warhol in den 50er Jahren, in: Mark Francis/Margery King (Hg.), The Warhol Look. Glamour, Style, Fashion, München/ Paris/London 1997, S. 13–17, hier S. 14 (deutschsprachige Beilage). 566 In der Literatur über Warhol wird schon früh ein Bezug zum Dandytum hergestellt. Stephen Koch (1969) hat ihn »den letzten Dandy« und Dore Ashton (1967) einen »amerikanischen Mode-Dandy« genannt. (Hinweise bei Rainer Crone, Andy Warhol, Stuttgart 1970, S. 9.) 567 Vgl. Ulf Poschardt, Cool, Frankfurt am Main 2000, S. 94. 568 Andy Warhol, Die Philosophie des Andy Warhol von A bis B und zurück, München 1991, S. 92. 569 Benjamin H. D. Buchloh, Ein Interview mit Andy Warhol. 28. Mai 1985, in: Andy Warhol, The Late Work. Ausstellungskatalog. Hg. von Mark Francis, München u. a. 2004, S. 113–117, hier S. 114. 312

Anmerkungen

570 Ein anderer war Picasso, weil er so überaus produktiv war. Die Anerkennung durch Picasso bedeutete Warhol am Ende mehr als alle mediale Beachtung durch die Lifestyle-Presse. 571 Vgl. Zdenek Felix, Ein Künstler in der Gesellschaft von Massenmedien, in: Andy Warhol retrospektiv. Ausstellungskatalog. Hg. von Zdenek Felix, Stuttgart 1993, S. 9–13, hier S. 9. 572 Vgl. ebd., S. 10. Zitat Brian O’Doherty: »Und Warhol, der die Mythen vollständig verinnerlicht, benutzt die öffentliche Mythenbildung, um sich zu kreieren.« 573 Buchloh, Ein Interview mit Andy Warhol, S. 117. 574 Warhol, Interview, S. 298. 575 Vgl. Spies, Von Andy Warhols Kunst und Art, in: ders., Rosarot vor Miami, S. 163–174, hier S. 173. 576 Warhol, Interview, S. 300. 577 Vgl. Jean Baudrillard, Andy Warhol, in: Gianni Mercurio (Hg.), Andy Warhol. Life, Death and Beauty. Ausstellungskatalog, Mons 2013, S. 30–35, hier S. 30. 578 Vgl. Schuster, Warhol und Goya, S. 53–59. Schuster spricht in diesem Zusammenhang vom »Kunstwerk eines ästhetischen Dandys als moralische Instanz.« (S. 59.) 579 Zit. n. Heiner Bastian, Rituale unerfüllbarer Individualität – Der Verbleib der Emotion, in: Andy Warhol. Retrospektive, S. 12–39, hier S. 28. 580 Oscar Wilde, Eine Frau ohne Bedeutung, S. 95. 581 Kenneth E. Silver, Déjà-vu: Warhols Kunst des Industriell-Naiven, in: Andy Warhol retrospektiv, S. 15–31, hier S. 17. 582 Vgl. Oscar Wilde, Das Bildnis des Dorian Gray, S. 10. 583 Bastian, Rituale unerfüllbarer Individualität, S. 37. 584 Walter Bachauer, Der Dilettant als Genie. Über wilde Musik und Malerei in der fortgeschrittenen Demokratie, in: Zeitgeist. Ausstellungskatalog. Hg. von Christos M. Joachimides/Norman Rosenthal, Berlin 1982, S. 20–24, hier S. 21. 585 Vgl. Gundle, Glamour, S. 308. 586 Francis/King (Hg.), The Warhol Look, S. 12 (deutschsprachige Beilage). 587 Richard Martin spricht dagegen von der Parvenü-Ignoranz jedes guten Geschmacks, die ihn »zu einer verführerischen Vulgarität« inspirierte, »die sich aus Überschwang und Theatralität zusammensetzte«. (Martin, Illuminationen, S. 15.) 588 John W. Smith, Interview, in: Francis/King (Hg.), The Warhol Look, S. 31 (deutschsprachige Beilage). 589 Vgl. Victor Bockris, Andy Warhol, Düsseldorf 1989, S. 380. 590 Barbara Straumann, Andy Warhol – Die selbstreflexive Diva, in: Elisabeth Bronfen/Barbara Straumann, Die Diva. Eine Geschichte der Bewunderung, München 2002, S. 169–179, hier S. 172. 591 Vgl. Elisabeth Bronfen, Zwischen Himmel und Hölle – Maria Callas und Marilyn Monroe, in: Bronfen/Straumann, Die Diva, S. 42–67, hier S. 49. 313

Anmerkungen

592 Daniela Morera, Andy Warhol, in: Kate Irvin/Laurie Anne Brewer (Hg.), Artist/ Rebel/Dandy. Men of Fashion, New Haven 2013, S. 100. 593 Bruce Hainley, Model, in: Francis/King (Hg.), The Warhol Look, S. 39–44, hier S. 39. 594 Die Ausstellung von Warhol-Porträts im Pariser Grand Palais 2009 trug den Titel »Le grand monde d’Andy Warhol«. Unter »grand monde« verstehen die Veranstalter die Welt des Glamours und der celebrities. 595 Wayne Koestenbaum, Andy Warhol, New York 2001, S. 178. Werner Spies schreibt: »Warhol ebnete die individuellen Züge ein, und am Ende lösten sich die berühmten und unbekannten Gesichter in der Salzsäure des Pop zu einem bunten Ornament auf.« (Werner Spies, Euer Ich wird verschwinden wie eine Spur im Sand, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 4. April 2009, S. 35.) 596 Vgl. Walden, Who’s a Dandy?, S. 46 f. 597 Ebd., S. 40. 598 Vgl. Peter Weibel, Künstler war er weniger, in: Die Zeit vom 15. Februar 2007, S. 45. 599 Vgl. Walden, Who’s a Dandy?, S. 52 f., und exemplarisch: Daniel Salvatore Schiffer, Le dandysme, dernier éclat d’héroïsme, Paris 2010. Zu Walden siehe den Kommentar von Ian Kelly: »An aesthetic so broad and slippery in definition that it can encompass such a list almost ceases to have a meaning.« (Ian Kelly, Beau Brummell. The Ultimate Dandy, London 2005, S. 482 f.) Zu Schiffers Neigung zu uneingeschränkter Analogiebildung und seinem diffusen Konzept eines »prismatischen« Dandys vgl. Jan Staněks Rezension von Schiffers »Le dandysme, dernier éclat d’héroïsme« in: Estetika. The Central European Journal of Aesthetics 5 (2012), S. 122–127. 600 Vgl. Francis/King (Hg.), The Warhol Look, S. 6 (deutschsprachige Beilage). 601 Vgl. Straumann, Andy Warhol – Die selbstreflexive Diva, S. 175. Straumann bezieht sich hier auf Leo Braudy, The Frenzy of Renown. Fame and Its History, New York 1997. 602 Vgl. Glenn O’Brien, Interview wird gestylt, in: Francis/King (Hg.), The Warhol Look, S. 31–34, hier S. 33 (deutschsprachige Beilage). 603 Vgl. Darren Pih, Die Politik des Künstlichen, in: ders. (Hg.), Glam, S. 9–37, hier S. 11. Zur Geschichte der britischen Popkultur vgl. Stan Hawkins, The British Pop Dandy. Masculinity, Popular Music and Culture, Farnham/Burlington 2009. 604 Pih, Die Politik des Künstlichen, S. 11. 605 Ebd., S. 19. 606 Judith Watt, For Your Pleasure: Die Jagd nach Glamour in der britischen Mode 1969–1972, in: Pih (Hg.), Glam, S. 39–51, hier S. 51, Anm. 1. 607 Ebd., S. 46. 608 Sebastian Horsley, Dandy in the Underworld. An Unauthorised Autobiography, New York 2007, P.S., S. 18. 609 Vgl. ebd., S. 57. 610 Victoria Broackes/Geoffrey Marsh, Vorwort der Kuratoren, in: dies. (Hg.), David Bowie, S. 19. 314

Anmerkungen

611 Ebd. 612 Christopher Frayling/Philip Hoare/Mark Kermode, David Bowie damals. David Bowie heute. Diskussion, in: Broackes/Marsh (Hg.), David Bowie, S. 282–300, hier S. 288. 613 Victoria Broackes, »Putting out fire with gasoline«. Design für David Bowie, in: Broackes/Marsh (Hg.), David Bowie, S. 116–141, hier S. 118. 614 Oriole Cullen, Metamorphosen – David Bowies Verwandlungen, in: Broackes/ Marsh (Hg.), David Bowie, S. 234–258, hier S. 258. 615 Vgl. David Buckley, Strange Fascination. David Bowie. The Definitive Story, London 2005, zit. n. Broackes, »Putting out fire with gasoline«, S. 124. 616 Vgl. Poschardt, Die Rebellion der Kaschmir-Kinder, S. 13. Zu den Affinitäten der Mods zum Dandyismus vgl. Tietenberg, Der Dandy als Grenzgänger, S. 426– 452. Zum Stil der Mods vgl. auch Hawkins, The British Pop Dandy, S. 46. 617 Christopher Breward, »We are the goon squad«. Bowie, Stil und die Macht der Plattenhülle, 1967–1983, in: Broackes/Marsh (Hg.), David Bowie, S. 192–203, hier S. 193. 618 Camille Paglia, Spiel der Geschlechter. David Bowie auf dem Höhepunkt der sexuellen Revolution, in: Broackes/Marsh (Hg.), David Bowie, S. 68–92, hier S. 70. 619 Zit. n. Simon Reynolds, Der Retro-Sprung: 1962? Oder zwanzig Jahre weiter?, in: Pih (Hg.), Glam, S. 63–73, hier S. 73. 620 Frayling/Hoare/Kermode, David Bowie damals. David Bowie heute, S. 292. 621 Ebd., S. 293. 622 Mike Kelley, Cross Gender/Cross Genre, in: Pih (Hg.), Glam, S. 53–61, hier S. 60. 623 Vgl. Reynolds, Der Retro-Sprung, S. 66. 624 Rodgers, The Dandy, S. 225. 625 Ebd., S. 233 f. 626 Vgl. z. B. Tietenberg, Der Dandy als Grenzgänger, S. 462–477. 627 Elisabeth Bronfen, Von der Diva zum Megastar – Cindy Sherman und Madonna, in: Bronfen/Straumann, Die Diva, S. 195–217, hier S. 213. 628 Stephen Lowry, Art. »Star«, in: Handbuch Populäre Kultur. Begriffe, Theorien und Diskussionen. Hg. von Hans-Otto Hügel, Stuttgart/Weimar 2003, S. 441 f. 629 Vgl. Tietenberg: Der Dandy als Grenzgänger, S. 477. 630 Schickedanz, Ästhetische Rebellion, S. 227. Matthias Pierre Lubinsky nennt Lagerfeld den vermutlich bedeutendsten lebenden Dandy weltweit und auch für Eckhart Nickel zitiert und repräsentiert Lagerfeld den Dandy. Vgl. M. P. Lubinsky, Herzlichen Glückwunsch Karl Lagerfeld!, in: Dandy Club, 10. September 2009 (http://www.dandy-club.com/2009/09/herzlichen-gluckwunsch-karl-lagerfeld.html. Zugriff: 12.10.2016); E. Nickel, Mann im Spiegel, in: GQ Style, Nr. 18. Herbst/Winter 2010/11, S. 216. 631 »Die Massen wollen Luxus«. Dagmar von Taube im Gespräch mit Karl Lagerfeld, in: Welt am Sonntag vom 27. Juni 2004, S. 13. 315

Anmerkungen

632 Ebd. 633 Zitat von Karl Lagerfeld in: Jean-Christophe Napias/Sandrine Gulbenkian (Hg.), The World According to Karl, London 2013, S. 32. 634 Vgl. ebd., S. 54. 635 Ingrid Loschek, Reclams Mode- und Kostümlexikon, 3. Aufl., Stuttgart 1994, S. 503. 636 Kevin Doyle, Das Evangelium nach Karl. Lagerfeld benennt Heilige und Sünder im Modebetrieb, in: W-Fashion Europe. Deutsche Ausgabe, Februar 1994, S. 104. 637 Karin Schulze, Coco light, in: Spiegel-Online vom 16. Februar 2014. 638 Anna Piaggi, Die Geschichte des Modetagebuchs, in: Karl Lagerfeld, Creationen mit Anna Piaggi. Ein Mode-Tagebuch. Mit Zeichnungen von Karl Lagerfeld und Texten von Karl Lagerfeld und Anna Piaggi, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1986, S. 179–220, hier S. 218. 639 »Ich bin ein Scherenschnitt«. Der Modedesigner Karl Lagerfeld über Kleidung, Geld und Mannequins. Spiegel-Gespräch, in: Der Spiegel (1992), H. 19, S. 283– 291, hier S. 291. 640 Lagerfeld, Creationen mit Anna Piaggi, S. 7 ff. 641 Ebd., S. 10. 642 Lagerfeld, »Ich bin ein Scherenschnitt«, S. 290. 643 Walter Keller, Contenance und Freiheit: Im Zwischenreich eines Pop-Aristokraten, in: Karl Lagerfeld. Parallele Gegensätze. Fotografie – Buchkunst – Mode. Hg. vom Museum Folkwang Essen, Göttingen 2014, S. 15–16, hier S. 16. 644 Lipmann, Der Dandy als Designer, S. 16. Dryden, vor dem Ersten Weltkrieg erfolgreicher Pakatkünstler in Berlin, war in den zwanziger Jahren Chefgestalter des Magazins Die Dame und Designer des Wiener Herrenschneiders »Knize«. Nach seiner Emigration 1933 in die USA arbeitete Dryden als Designer für das New Yorker Modekaufhaus Saks und entwarf in Hollywood Kostüme für Marlene Dietrich. 645 Karl Lagerfeld/Jean-Claude Houdret, Die 3-D-Diät, München 2004, S. 214. 646 Baudelaire, Der Maler des modernen Lebens, S. 243. 647 Lagerfeld/Houdret, Die 3-D-Diät, S. 216. 648 Vgl. Jason Cowley, Are they modern Medicis – or just a gaudy crew of vulgar salesmen?, in: The Times vom 18. November 1996, S. 17. 649 Isabelle Graw, Rivalität der Schillernden, in: Die Tageszeitung vom 15. Januar 2007. 650 Vgl. Mann, Der Dandy. Ein Kulturproblem der Moderne, S. 90. 651 In den folgenden Ausführungen stütze ich mich vor allem auf die Studie von Alicia Drake, The Beautiful Fall. Fashion, Genius and Glorious Excess in 1970s Paris, London/New York/Berlin 2012. 652 Ebd., S. 187. 653 Ob Alicia Drakes Deutung der Beziehung zwischer Bascher und Lagerfeld, auf 316

Anmerkungen

die ich mich hier beziehe, der Komplexität des Verhältnisses ganz gerecht wird, muss an dieser Stelle offenbleiben. 654 Zit. n. Drake, The Beautiful Fall, S. 348. 655 Thadée Klossowski de Rola, Vie rêvée (pages d’un journal, 1965, 1971–1977), Paris 2013. Vgl. dazu das Porträt »Thadée Klossowski. Tendre était la nuit« von Marie-Dominique Lelièvre, in: Libération vom 2. April 2013. 656 Drake, The Beautiful Fall, S. 239. 657 Vgl. Ariel de Ravenel (Hg.), Loulou de la Falaise, New York 2014. 658 Horsley, Dandy in der Unterwelt, S. 192. 659 Hier zitiert nach Houdret, Nachwort zu Lagerfeld/Houdret, Die 3-D-Diät, S. 213. 660 Horsley, Dandy in der Unterwelt, S. 14. »Stil ist, wenn sie dich aus der Stadt jagen und du es so aussehen lässt, als würdest du eine Parade anführen.« Ebd., S. 49. 661 Ebd. 662 Ebd., S. 235. 663 Vgl. Stephen Calloway, Baroque Baroque. The Culture of Excess, London 1994, S. 15. Vgl. auch Rodgers, The Dandy, S. 237. 664 Insofern muss man auch den kongolesischen »Sapeurs« in Brazzaville Dandyqualitäten zusprechen, obwohl sie durch ihren Markenfetischismus eher der Kategorie der »Konfektionsdandys« zuzurechnen sind. Zum amerikanischen und britischen Black Dandyism siehe die Hinweise in den Arbeiten von Fernand Hörner. Vgl. auch Monica L. Miller, »Fresh-Dressed Like a Million Bucks«. Black Dandyism and Hip-Hop, in: Irvin/Brewer (Hg.), Artist/Rebel/Dandy, S. 149–173. 665 Camus, Der Mensch in der Revolte, S. 54 f. 666 Ebd., S. 56. 667 Im Interview mit Graham Roos bezeichnet sich Horsley als einen romantischen Nihilisten. Das Interview wurde 2002 für Large Magazine geführt. Online in: Impolite Conversation (http://impoliteconversation.co.uk/interview-with-sebastian-horsley. Zugriff: 29.8.2014.) 668 Oscar Wilde, De Profundis, Frankfurt am Main 1984, S. 100. Um ihn aus dem »Larvenstadium« des Dandytums zu erlösen, habe – so Ernst Jünger – der Schmerz in sein Leben treten müssen. Vgl. Jünger, Rivarol, Stuttgart 1989, S. 19. Der Nihilismus sei heilbar durch den Schmerz. Vgl. ders., Über die Linie, S. 8. 669 Horsley, Dandy in der Unterwelt, S. 332. 670 In Baudelaires Novelle »Die Fanfarlo« heißt es über den Helden Samuel Cramer: »Er ist gleichzeitig ein großer Nichtstuer (…). (…) Unter all den halbgroßen Männern, die ich in diesem schrecklichen Pariser Leben gekannt habe, war Samuel, mehr als jeder andere, der Mann der mißratenen schönen Werke; – ein kränkliches und phantastisches Wesen, dessen Poesie sehr viel mehr in seiner Person als in seinen Werken hervorschien (…).« (Baudelaire, Sämtliche Werke/ Briefe, Bd. 2, München/Wien 1983, S. 83–116, hier S. 83.) 671 Horsley, Dandy in der Unterwelt, S. 339. 317

Anmerkungen

672 Ebd., S. 419 f. 673 Camus schreibt: »Wenn die Dandys sich nicht umbringen oder verrückt werden, machen sie Karriere und stehen Modell für die Nachkommenschaft.« (Der Mensch in der Revolte, S. 59.) 674 Rodgers, The Dandy, S. 236. 675 Oscar Wilde, Interviews and Recollections, 2 Bde. Hg. von E. H. Mikhail, London 1979, Bd. 2, S. 270. 676 Zit. n. Rodgers, The Dandy, S. 236. 677 Ebd. 678 Vgl. »Jesus selbst war der erste Dandy«. Sebastian Horsley über sein Buch »Dandy in der Unterwelt«. Interview mit Frank Meyer. Deutschlandradio Kultur, 21. Juli 2009. 679 »Death of a Dandy«. Kommentar des Magazins The Chap, 17. Juni 2010. 680 Ebd.

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Literaturverzeichnis

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Abbildungsnachweis

Abb. 1 Edvard Munch, Harry Graf Kessler, 1906. Öl auf Leinwand. Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie. © bpk/Nationalgalerie Berlin, SMB/Jörg P. Anders. Abb. 2 Gabriele d’Annunzio, 1906. Foto von Nunes Vais, 1906. Aus: Annamaria Andreoli, D’Annunzio (1863-1938). Katalog. Paris: Musée d’Orsay, 2001, S. 74 Abb. 3 Edward Herzog von Windsor im Tweed-Anzug, o.J. Aus: Suzy Menkes, The Windsor Style, Topsfield: Salem House Publishers, 1988, S. 127. Abb. 4 Cecil Beaton im Chesterfield-Mantel, mit Bowler, Handschuhen und Gehstock, um 1955. Aus: Farid Chenoune, Des Modes et des Hommes. Deux siècles d’élégance masculine, Paris: Flammarion, 1993, S. 232. Abb. 5 Hermann Baron von Eelking im Frack mit Zylinder und Gehstock, 1922. Gemälde von Rolf Niczky. Aus: Eelking, Das Bildnis des eleganten Mannes, Berlin: Herbig, 1962, Tafel zwischen S. 208 und 209. Abb. 6 Hugo Ball im Englischen Garten in München, 1912. Aus: Hugo Ball. Leben und Werk. Katalog. Hg. von Ernst Teubner, Berlin: publica 1986, S. 69. Abb. 7 Francis Picabia auf dem Holzpferdchen dada, um 1919. Ausschnitt aus einem Gruppenfoto. Aus: Tendenzen der Zwanziger Jahr. 15. Europäische Kunstausstellung Berlin 1977. Katalog. Berlin: Reimer, 1977, S. 3/29. Abb. 8 Jacques Vaché. Selbstporträt, um 1918. Aus: Jacques Vaché, Kriegsbriefe, Hamburg: Edition Nautilus, 1979, S. 64. Abb. 9 Eugen Gottlob Winkler, 1934. Aus: Eugen Gottlob Winkler, Gestalten und Probleme. Hg. von Hermann Rinn und Johannes Heitzmann, Leipzig: Karl Rauch, 1939, Frontispiz. Abb. 10 Konrad Bayer, 1962. Fotomontage von Christian Werner. Aus: Konrad Bayer: Texte, Bilder, Sounds. Hg. von Thomas Eder und Klaus Kastberger unter Mitarbeit von Dominik Srienc, Wien: Paul Zsolnay, 2015, S. 159. Abb. 11 Alexis de Redé im Hôtel Lambert, 1952. Foto: Cecil Beaton. Aus: Alexis. The Memoirs of the Baron de Redé. Hg. von Hugo Vickers, Wimborne Minster: The Dovecote Press, 2005, S. 6. Abb. 12 Porträt von Balthus, USA, 1930er, Photochromdruck. © Man Ray/VG BildKunst, Bonn 2016. Abb. 13 Balthus, Der König der Katzen, 1935. Öl auf Leinwand. Aus: Balthus. Baltha343

Abbildungsnachweis

sar Klossowski de Rola. Katalog. Hg. von Evelyn Benesch und Cécile Debray, Heidelberg/Berlin: Kehrer, 2016, S. 21. Abb. 14 Mishima in seinem Haus, 1968. Aus: Damian Flanagan, Yukio Mishima, London: Reaktion Books, 2014, S. 222. Abb. 15 Hans Werner Henze mit Wolfgang Rihm, 1997. Aus: Jens Rosteck, Hans Werner Henze. Rosen und Revolutionen, Berlin: Propyläen Verlag, 2009, Tafel zwischen S. 288 und 289. Abb. 16 Fritz J. Raddatz im Büro der Kurt-Tucholsky-Stiftung, 2005. Aus: Fritz J. Raddatz, Die Tagebücher in Bildern, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Verlag, 2011, S. 64. Abb. 17 Gustav Temple, Herausgeber des »Chap«-Magazins in Skinners Hall, Dowgate Hill, London, 2005. Aus: Alice Cicolini, The New English Dandy, London: Thames & Hudson, 2005, S. 39. Abb. 18 Posierende Sapeurs in Kinshasa (Firenze Luzolo, Guy Matondo, Ukonda Pangi), 2010. Aus: Kate Irvin/Laurie Anne Brewer, Artist – Rebel – Dandy. Men of Fashion. Katalog Museum of Art, Rhode Island School of Design, Yale University Press, 2013, S. 51. Abb. 19 Quentin Crisp in New York, o.J. Aus: Quentin Crisp, I’m an Englishman in New York. Hg. von Richard Connolly, Hamburg: Rogner & Bernhard bei Zweitausendein, 2003, S. 201. Abb. 20 Andy Warhol, 1979. Foto: Yousuf Karsh. Aus: Kate Irvin/Laurie Anne Brewer, Artist – Rebel – Dandy. Men of Fashion. Katalog. Museum of Art, Rhode Island School of Design, Yale University Press, 2013, S. 47. Abb. 21 David Bowie in einem Anzug von Ola Hudson bei der 17. Grammy-Verleihung, 1975. Photo by Ron Gallela/WireImage. Abb. 22 Karl Lagerfeld, o.J. Aus: Joachim Kurz, Der schöne Mann. Playboys, Dandys, Lebenskünstler, München: Knesebeck, 2010, S. 23. © ullstein bild (SIPA). Abb. 23 Ernst Dryden, 1921. Aus: Anthony Lipmann, Der Dandy als Designer. Ernst Dryden. Plakatkünstler und Modeschöpfer, München/Luzern: C. J. Bucher, 1989, S. 2. Abb. 24 Jacques de Bascher im seidenen Smoking von K. Lagerfeld, 1973. Aus: Alicia Drake, The Beautiful Fall. Fashion, Genius and Glorious Excess in 1970s Paris, London: Bloomsbury, 2006, Tafel zwischen S. 214 und 215. Abb. 25 Sebastian Horsley in seiner Wohnung, o.J. Aus: Nigel Rodgers, The Dandy. Peacock or Enigma? London: Bene Factum Publishing, 2012, S. 235.

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Personenregister

Achleitner, Friedrich 133 Acton, Harold 62 Agnelli, Giovanni 159, 236 Agnelli, Marella 159 Alastair 35 Albers, Hans 83 Alkibiades 145 Allemann, Beda 124 Amies, Hardy 84f. Andreae, Fritz 81 Andreas-Salomé, Lou 27 Aragon, Louis 172 Arendt, Erich 187 Armani, Giorgio 212 Artaud, Antonin 155 Artmann, Hans Carl 133f., 136, 138f. Ashton, Frederick 175 Astaire, Fred 68, 83 Avedon, Richard 233, 235 Bachmann, Ingeborg 136, 173f. Bacon, Francis 273 Balfour, Arthur 49, 172 Ball, Hugo 23, 47, 94–99, 101, 109 Balthus, Balthasar Klossowski de Rola 150–162, 263 Balzac, Honoré de 22, 26, 41, 78, 81, 94, 119, 145, 147, 157, 179, 181 Barbey d’Aurevilly, Jules Amédée 13, 17, 20–22, 24f., 36f., 45–47, 59, 77, 81, 98, 115, 132, 145, 213, 215, 245, 267f. Barrault, Jean-Louis 264

Barrès, Maurice 60 Barthes, Roland 88, 208–210 Bascher, Jacques de 256–264 Bascher, Xavier de 153 Bassiano, Prinzessin 153 Bastian, Heiner 233 Baudelaire, Charles 9, 12, 17, 20–27, 29, 32f., 37f., 45–49, 57, 59f., 81, 92, 95– 99, 107, 110, 113–118, 120, 125, 130–132, 150, 153, 155f., 160, 162, 165f., 172, 179, 181f., 188, 192–194, 198, 206–208, 215, 224, 227f., 240f., 244, 246, 255, 268, 270, 272f., 275 Baudrillard, Jean 232 Bauman, Zygmunt 208 Bayer, Konrad 132–141 Beardsley, Aubrey 49, 58, 62, 92, 175 Beaton, Cecil 63f., 66, 70–77, 90, 233, 236 Beaumont, Etienne de 73, 148 Beauvau-Craon, Diane de 262 Beer-Hofmann, Richard 41 Beerbohm, Max 13, 23, 49, 59, 178, 245 Beigbeder, Frédéric 204 Beistegui, Charles de 148 Benjamin, Walter 32, 172, 247 Benn, Gottfried 196 Berger, Helmut 258 Bolan, Marc 240, 265, 267, 273 Boldini, Giovanni 150 Bono 153 Boulenger, Jacques 37, 49 Boulenger, Marcel 49, 60 345

Personenregister

Boumeester, Christine 104 Bowie, David 153, 204, 212, 239–246, 267 Breton, André 104–108 Breward, Christopher 243 Broackes, Victoria 241 Brockmeier, Jens 174 Brontë, Emily 154 Brück, Max von 112 Brummell, George Bryan 9f., 13f., 17–20, 22, 32, 36f., 39f., 42, 44–47, 59, 63, 65, 67, 77, 79–81, 85, 88, 90, 97, 108, 131f., 145, 147, 190, 199–201, 206, 208, 213f., 216, 224, 226, 237, 240, 245f., 254, 261, 267–270, 273, 275 Buffet-Picabia, Gabrielle 103 Buffet, Bernard 230 Bulwer-Lytton, Edward George 20, 37, Byron, George Gordon Noel, Lord 13f., 19f., 26, 46f., 60, 79, 131, 139, 151f., 154–157, 170, 190, 266, 270, 274f. Caetani, Lea 153 Cahun, Claude 39 Calloway, Stephen 268 Camus, Albert 12, 21, 46, 270 Capote, Truman 75, 234–236 Cardin, Pierre 88f. Carlyle, Thomas 35, 190 Casanova, Giacomo 144 Casati, Marchesa Luisa 59 Castellane, Boni de 49, 58, 60, 148, 187, 202, 261 Castiglione, Baldassare 44 Celan, Paul 136 Celant, Germano 213–215 Chamberlain, Joseph 49 Chanel, Coco 212, 247–249, 262 346

Chateaubriand, François René de 163 Chirico, Giorgio de 71 Churchill, Winston 74 Churchill, Randolph 49 Cioran, Emil 40, 266 Cocteau, Jean 73, 160, 162, 175, 187 Crisp, Quentin 221–226, 243, 270 Cunard, Emerald 68 D’Annunzio, Gabriele 24, 49, 57–61, 90, 93, 109, 162f., 171f., 198 Dahlhaus, Carl 176 Dalí, Salvador 71, 153, 160, 224, 273 Darkwood, Vic 218 Dean, James 262 Debussy, Claude 162 Delon, Alain 168 Derain, André 153 Diba, Farah 236 Dickens, Charles 274 Dietrich, Marlene 222 Dior, Christian 72 Disraeli, Benjamin 14, 20, 172 Dolto, Françoise 188 Dostojewski, Fjodor 161 Douglas, Lord Alfred 223 Drake, Alicia 260 Drieu la Rochelle, Pierre 141, 172 Dryden, Ernst 253 Dubuffet, Jean-Pierre 230 Duchamp, Marcel 101, 228, 241 Dutschke, Rudi 184 Dutt, Robin 209, 211 Eden, Anthony 84 Edward VII. 54, 63, 69 Edward VIII., siehe Windsor

Personenregister

Eelking, Hermann Baron von 67f., 77–91 Einstein, Carl 95 Elisabeth II. 74f. Ellis, Bret Easton 204 Falaise, Loulou de la 264 Fellini, Federico 158 Feltrinelli, Giangiacomo 183f. Ferry, Bryan 240 Fitzgerald, Scott 62 Flügel, John Carl 77 Foucault, Michel 11, 192–194, 206 Fouquières, André de 51, 84 Fraenkel, Théodore 107 Frayling, Christopher 244 Fuller, Loie 198 Gable, Clark 83 Gallese, Duchessa di 59 Galliano, John 239 Galliffet, General de 57 Garbo, Greta 71, 222 Garelick, Rhonda K. 224, 226 Garner, Philippe 71 Garibaldi, Giuseppe 60 Garve, Christian 40 Gast, Peter 28, 33 Gaultier, Jean Paul 239 Gehlen, Arnold 195–197, 231 George IV. 63 George V. 63 George, Stefan 116f., 126 Gere, Richard 153, 213f. Giacometti, Alberto 230 Gide, André 153, 162 Gilbert & George 208 Goddard, Paulette 235

Goethe, Johann Wolfgang von 38f., 181 Goya, Francisco 232 Grant, Cary 83, 245 Grass, Günter 180 Graw, Isabelle 257 Gronow, Rees Howell 57 Gross, Michael 256 Grosz, George 95 Gruenter, Rainer 132, 193 Günther, Joachim 132 Gutmann, Herbert M. 81 Guys, Constantin 227 Haas, Charles 261 Habermas, Jürgen 194 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 190 Heitzmann, Johannes 110, 114, 119–124, 131 Helm, Brigitte 222 Henkel, Gabriele 184 Henze, Hans Werner 171–180 Hoare, Philip 243 Hockney, David 224, 257 Hofmannsthal, Hugo von 113, 125, 133, 162 Hölderlin, Friedrich 112f. Holert, Tom 211f. Holthusen, Hans Egon 130f. Horsley, Sebastian 141, 160, 221f., 226, 240, 265–275 Houdret, Jean-Claude 255 Hundertwasser, Friedensreich 139 Huysmans, Joris-Karl 14, 23f., 58, 92, 107, 118, 162, 200 Jackson, Holbrook 207 Jackson, Michael 204 347

Personenregister

Jaekel, Raymund 114 Jagger, Mick 73 James, Charles 72 Jancke, Gertrud 128 Jarry, Alfred 106f. Jens, Walter 130 Jessenin, Sergej 141, 171 Jünger, Ernst 47, 58, 132, 167, 172

Lisle, Leconte de 117 Loos, Alfred 80, 224 Lopez-Willshaw, Arturo 147 Lorrain, Jean 49, 59 Loti, Pierre 49 Ludwig II. 258 Lvowski, Christian 259 Lyotard, François 196

Kaltenbrunner, Gerd-Klaus 59, 96 Kaßner, Rudolf 127 Kawakubo, Rei 249 Kemp, Lindsay 243 Kennedy, Jacqueline 227 Kersting, Wolfgang 16 Kessler, Harry Graf 49, 53–57, 90, 109, 127, 150, 172, 198, 202, 261 Kierkegaard, Sören 24 Klossowska, Baladine 152, 155 Klossowski, Erich 152 Klossowski, Pierre 150 Klossowski de Rola, Setsuko 158f. Klossowski de Rola, Stanislas 156 Klossowski de Rola, Thadée 156, 263–265 Kojève, Alexandre 190f., 195 Koons, Jeff 204, 270 Kracht, Christian 204 Krolow, Karl 132

Madonna 222f. Maistre, Joseph de 172 Majakowski, Wladimir 171 Mallarmé, Stéphane 23, 59, 110, 126 Malraux, André 150, 158 Mann, Klaus 172, 187 Mann, Otto 58, 61 Mann, Philip 66 Mann, Thomas 115, 162 Marinetti, Philippo Tommaso 94 McQueen, Alexander 239, 242 Mellor, David 70 Melville, Herman 106 Melville, Jean-Pierre 168 Mendès, Catulle 97 Metternich, Fürst Clemens von 172 Miró, Joan 153 Mishima, Yukio 141, 162–171 Molènes, Paul de 57 Monroe, Marilyn 227 Montesquiou, Robert de 23, 49, 53, 57f., 60, 92, 150, 198, 261 Montherlant, Henri de 110 Moore, George 24 Moravia, Alberto 173 Morera, Daniela 235 Morny, Auguste de 172 Moroni, Fausto 178

Lagerfeld, Karl 208, 212, 246–260, 262f. Lassalle, Ferdinand 172 Lawrence, T. E. 112, 130 Ledig-Rowohlt, Heinrich Maria 180 Leverson, Ada 274 Leyris, Pierre 150 Lichnowsky, Fürst Felix von 53, 172 348

Personenregister

Moss, Kate 274 Mugler, Thierry 242 Munch, Edvard 53, 150 Musashi, Miyamoto 164 Muschg, Adolf 188 Musil, Robert 133 Mussolini, Benito 60, 184 Napoleon I. 13, 190 Nash, Beau 85 Niarchos, Stavros 236 Nicholson, Harold 59 Niczky, Rolf 89 Nietzsche, Friedrich 24–34, 57, 61, 98, 101, 104, 128, 132, 167, 191, 196f., 232 Nixon, Richard 227 Noailles, Anna de 153 Noailles, Marie-Laure de 148f., 153 Orsay, Alfred d’ 13, 37, 131 Ovid 151 Page, Tim 177 Paglia, Camille 243 Pasolini, Pier Paolo 173 Pavese, Cesare 173 Paz, Octavio 207 Penman, Ian 211 Pfeiffer, Johannes 132 Philippi, Anne 143 Piaggi, Anna 250f. Picabia, Francis 95, 97, 100–105 Pih, Darren 240, 244 Platen, August von 112 Platon 223 Poe, Edgar Allan 110 Poschardt, Ulf 203

Poussin, Nicolas 151 Presley, Elvis 227 Price, Antony 240 Prince 204 Proust, Marcel 58, 93, 113, 121, 146, 148, 175, 181, 187, 260 Pückler-Muskau, Fürst Hermann von 53, 254 Radax, Ferry 135, 139 Raddatz, Fritz J. 179–189 Radiguet, Raymond 162 Rathschlag, Hans 109 Rauch, Karl 112 Ray, Man 150 Redé, Alexis de 146–150, 256, 261 Redern, Graf Wilhelm von 53 Rehberg, Karl-Siegbert 196 Renaud, Madeleine 264 Renta, Oscar de la 248 Renzi, Guido 167 Rezzori, Gregor von 142f., 145, 180, 185f. Richards, Keith 73 Rigaut, Jacques 101, 131, 141 Rilke, Rainer Maria 113, 124–127, 152, 156, 162 Rimbaud, Arthur 244, 267 Rinn, Hermann 112 Rodenbach, Georges 24, 118 Rodgers, Nigel 224, 245, 275 Roger, Bunny 275 Rohrig-Walther, Waltraud 120, 122 Rosteck, Jens 177f. Rothschild, Baronesse Alain de 154 Rothschild, Marie-Hélène de 148f. Rotten, Johnny 265 Rotterdam, Erasmus von 44 349

Personenregister

Rubinstein, Ida 162 Rubirosa, Porfirio 145f. Rühm, Gerhard 133, 138 Ruskin, John 175 Sachs, Gunter 87 Sade, Marquis de 190 Sagan, Boson de 49 Saint Laurent, Yves 148, 247, 249, 259, 263 Salzinger, Helmut 116 Sarment, Jean 105 Sartre, Jean-Paul 21 Schaukal, Richard von 81, 132–134 Schiller, Friedrich 40 Schneider, Peter 176 Schopenhauer, Arthur 39, 128 Schuh, Franz 139 Schwabach, Paul von 81 Serner, Walter 97, 133, 138 Simmel, Georg 44, 197 Simpson, Wallis, Herzogin von Windsor 66, 75 Sitwell, Geschwister 175, 267 Sombart, Nicolaus 143 Sontag, Susan 98, 198–201, 205, 238 Sprouse, Stephen 236, 239 Steinke, Gerhardt Edward 99 Stendhal 119, 151, 155, 157 Stirner, Max 101–103, 133 Stokes, Henry Scott 170 Straumann, Barbara 234 Studnitz, Hans-Georg von 83f. Suhrkamp, Peter 112 Szigethy, Ida von 138 Talleyrand, Charles-Maurice de 31, 38f., 145, 172 350

Taubes, Jacob 191 Taylor, John 83f. Temple, Gustav 218f., 220 Tison, Frédérique 156 Tucholsky, Kurt 182, 186 Tucholsky, Mary 182f. Tzara, Tristan 98, 172 Vaché, Jacques 97f., 101, 105–109, 131, 141 Valéry, Paul 92–94, 106f., 110, 126, 131, 137, 153, 227 Vickers, Hugo 75, 147 Victoria, Königin von England 63 Viéville, Camille 151 Villiers de l’Isle-Adam, Auguste 162 Vircondelet, Alain 159 Visconti, Luchino 171, 173, 175f., 258 Voltaire 148f. Vreeland, Diana 69, 235 Wagner, Richard 33, 263 Wainewright, Thomas Griffiths 104 Walden, George 215, 237 Warhol, Andy 15, 160, 204, 224, 227– 240, 242f., 245, 252, 265, 267, 273 Warnach, Walter 119, 131 Watt, Judith 240, 244 Watteville, Antoinette de 154–156, 263 Waugh, Evelyn 63, 66 Weber, Max 29, 194, 196f. Weidenfeld, Lord 75 Wellington, Herzog von 57 Whistler, James Abbott McNeill 23, 53, 58, 150, 175 Wiener, Oswald 133–139, 196 Wilde, Oscar 10f., 13, 23–25, 31, 39, 43, 47, 49f., 57–59, 62, 74, 88, 92, 98, 100, 104,

Personenregister

115, 118, 131, 162, 188, 193, 198–200, 202, 204f., 208, 223, 226, 232f., 235, 241f., 244, 246, 254, 260, 263, 270f., 274f. Wilhelm II. 54 Windsor, Edward Herzog von 62–69, 76, 80, 84, 90, 213 Winkler, Eugen Gottlob 29, 56, 109–132, 140f.

Wolfe, Tom 204 Woolf, Virginia 36f., 223 Würthle, Michel 133 Yamamoto, Kansai 242 Yamamoto, Tsunetomo 164f.

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GÜNTER ERBE

DAS VORNEHME BERLIN FÜRSTIN MARIE RADZIWILL UND DIE GROSSEN DAMEN DER GESELLSCHAFT 1871–1918

Die großen Damen der Berliner Gesellschaft des zweiten Kaiserreichs haben durch ihre Salons Kulturgeschichte geschrieben. Sie diktierten den guten Ton und verliehen dem »Highlife« der preußischen Metropole ein kosmopolitisches Flair. Fürstin Marie Radziwill ragte unter den prominenten Salondamen durch ihren Sinn für die Politik hervor und wurde zu einer Institution im diplomatischen Verkehr der Reichshauptstadt. Aber auch weitere bedeutende adlige und großbürgerliche Salons werden in diesem Buch vorgestellt. Sie vermitteln einen repräsentativen Eindruck von der Vielfalt und Lebendigkeit des geselligen Lebens der Oberschichten in Berlin. Ein ergänzender Blick auf die großen Damen in Paris und London schärft das Bewusstsein für das Unvergleichliche dieses Frauentyps. 2015. 329 S. 20 S/W-ABB. GB. MIT SU. 155 X 230 MM | ISBN 978-3-412-22457-8

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