Der Insolvenzplan: Von seiner dogmatischen Deutung als Vertrag und seiner Fortentwicklung in eine Bestätigungsinsolvenz 9783161512346, 9783161507281

Krisenzeiten sind Blütezeiten des Insolvenzrechts. Für die Insolvenzordnung des Jahres 1999 ist die gegenwärtige Finanz-

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Der Insolvenzplan: Von seiner dogmatischen Deutung als Vertrag und seiner Fortentwicklung in eine Bestätigungsinsolvenz
 9783161512346, 9783161507281

Table of contents :
Cover
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
A. Das neue Insolvenzrecht im elften Jahr seines Bestehens
B. Das Ziel der Untersuchung
C. Der Gang der Untersuchung
Kapitel 1 Funktion und Rechtsnatur des Insolvenzplansaus betriebswirtschaftlicher und rechtshistorischer Sicht
A. Der Insolvenzplan aus betriebswirtschaftlicher Perspektive
I. Die Basisziele und der (betriebswirtschaftliche) Krisenbegriff
II. Der Sanierungsprozess
1. Sanierungsfähigkeit und Sanierungswürdigkeit
2. Die Unternehmensanalyse
3. Die Planung operativer Maβnahmen
a) Leistungswirtschaftliche Maβnahmen
b) Finanzwirtschaftliche Maβnahmen
(1) Die Zuführung von Fremdkapital
(2) Mezzanine-Kapital
(3) Die Zuführung von Eigenkapital
(4) Die Unterstützung der Sanierungsfinanzierung durch Verzichtsbeiträge der Gläubiger
(a) debt-equity-swap.
(b) Besserungsvereinbarungen.
c) Die Wahl der Sanierungsart
(1) Die Reorganisation
(2) Die übertragende Sanierung
(3) Auswahlkriterien
4. Die Entscheidungsträger
5. Das Planungsergebnis
III. Die rechtlich verbindliche Fixierung der Sanierung
1. Die außergerichtliche Reorganisation – der Sanierungsvergleich
a) Vorteile
b) Nachteile
(1) Die Motivationslage von Gläubigern in Schlüsselpositionen
(2) Der Zeitfaktor
c) Fazit
2. Die außergerichtliche Unternehmensveräuβerung
3. Der Insolvenzplan als Sanierungsinstrument im Insolvenzverfahren
a) Die Vorteile des Insolvenzplanverfahrens
b) Die Nachteile des Insolvenzplanverfahrens
c) Die Alternative: Veräuβerung des Unternehmens gemäβ § 160 InsO
4. Fazit – Die Relevanz eines Insolvenzplans in der Krise
IV. Ergebnis: Die betriebswirtschaftlich geprägte Funktion des Insolvenzplans
B. Die Vorgängerregelungen – Zwangsvergleich und Vergleich
I. Ursprünge eines Zwangsvergleichs im Römischen Recht und seine Verbreitung
II. Kodifizierung in der Konkurs- und in der Vergleichsordnung
III. Die Rechtsnatur des Zwangsvergleichs der Konkursordnung
1. Die Urteilstheorie
2. Die Vertragstheorie
a) Die Stimmabgabe jedes Gläubigers als Annahmeerklärung
b) Die Annahme des Vergleichsvorschlags durch die Gläubigerschaft
c) Die gerichtliche Bestätigung als Genehmigungserfordernis
d) Die prozessuale Komponente des Zwangsvergleichs
3. Ein Rechtsinstitut eigener Art
IV. Die Diskussion um die Rechtsnatur des konkursabwendenden Vergleichs der Vergleichsordnung
1. Vergleich (und Zwangsvergleich) als Normenvertrag
2. Vergleich (und Zwangsvergleich) als Vertrag
V. Die richterliche Vertragshilfe
C. Die Reform des Insolvenzrechts
I. Die Krise des Insolvenzrechts in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts
II. Krisenursachen
1. Sicherungsrechte
2. Zunahme der Massegläubiger
3. Unzulänglichkeiten im Gesellschafts-, Wirtschaftsstraf und Anfechtungsrecht
4. Verspätete Konkursanträge
5. Das Fiskusvorrecht
6. Unzureichend ausgebildete Konkursverwalter
7. Besondere Ursachen für die Abkehr vom Akkord?
III. Die Reaktion des Gesetzgebers
1. Kein Eingriff in das zivilrechtliche System der Kreditsicherheiten
a) Die fehlende zeitliche Korrelation
b) Die beschränkte Zuständigkeit des Insolvenzrechts
2. Die Sicherungsrechte in der Insolvenz
3. Begrenzung der Masseverbindlichkeiten und Beseitigung von Vorrechten
4. Erleichterungen im Anfechtungsrecht
5. Sicherung einer frühzeitigen Insolvenzantragstellung
6. Verbesserung der Insolvenzverwaltervergütung?
7. Sicherung der Kostendeckung im Eröffnungsverfahren
IV. Die Rückkehr eines wirkungsvollen Insolvenzrechts
1. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Regelfall
2. Die explosionsartige Zunahme der Verbraucherinsolvenzverfahren
3. Die nur zögerliche Akzeptanz des Insolvenzplans
V. Die U. S.-amerikanischen Wurzeln des Insolvenzplans
1. Das Verfahren nach Chapter 11 des Bankruptcy Code
a) Die Entwicklung des Reorganisationsverfahrens und seiner Prinzipien
(1) Die Bankruptcy Acts von 1800, 1841 und 1867
(2) Equity Receivership
(3) Der Bankruptcy Act von 1898 und die Fortentwicklungder Equity Receivership
(4) Die Kodifi zierung der Reorganisationsverfahren in den 1930iger Jahren
b) Die Reorganisation nach Chapter 11 des Bankruptcy Code von 1978
c) Die Rechtsnatur des Reorganisationsplans des Chapter 11
(1) Die Vertragstheorie: »The confi rmed plan is a contract.«
(2) Die prozessuale Vertragstheorie: »The plan resembles a consent decree.«
(3) Die Urteilstheorie: »The confi rmed plan is a judgement.«
(4) Analyse
2. Die Rezeption ins Insolvenzplanverfahren
VI. Rückschlüsse auf die Rechtsnatur des Insolvenzplans aus dem Reformverfahren
D. Zusammenfassung
Kapitel 2 Ein Insolvenzplan ist keine Rechtsnorm
A. Die Wesensmerkmale von Rechtsnormen
I. Heteronomität
II. Generalität
B. Der Insolvenzplan ist kein Normenvertrag
C. Ergebnis
Kapitel 3 Der Insolvenzplan als Vertrag bürgerlichen Rechts
A. Die Planvorlage – invitatio ad offerendum
I. Die Planvorlage durch den Insolvenzverwalter
1. Die Vorlage eines Gläubigerplans durch den Insolvenzverwalter
2. Die Vorlage eines Verwalterplans durch den Insolvenzverwalter
II. Die Planvorlage durch den Schuldner
III. Ergebnis
B. Vertragsschluss durch Zustimmung zu einer Vorlage
C. Die Abstimmung der Gläubiger
I. Die Stimmabgabe als interne Willensbildung
II. Qualifikation der beschließenden Personenmehrheit
1. Die Gläubiger als Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts
a) Die Freiwilligkeit des Zusammenschlusses
b) Das Gesamthandsvermögen
2. Die Gläubiger als Bruchteilsgemeinschaft
a) Die Gläubigergruppe nach §§ 222, 243 InsO
b) Die Gläubigergesamtheit
(1) Das Verwertungsrecht als gemeinschaftliches Recht
(2) Bruchteilsgemeinschaft an einer Rechtsgesamtheit
(a) Bruchteilsgemeinschaft und Spezialitätsgrundsatz
(b) Bruchteilsgemeinschaft als Gemeinschaft identischer Beteiligter
(c) Die Gläubigergemeinschaft als einheitliche Bruchteilsgemeinschaft
(3) Bruchteilsgemeinschaft und Rechtsfähigkeit
(a) Die Rechtsfähigkeit der Insolvenzmasse
(b) Die Rechtsfähigkeit der Bruchteilsgemeinschaft der Gläubiger
3. Die Gläubiger als Interessengemeinschaft
a) Die Gläubigergemeinschaft
b) Exkurs: Die Gläubiger vor der Verfahrenseröffnung
c) Die Gläubigergruppen des § 222 InsO
4. Ergebnis
III. Entscheidung innerhalb des Wirkungsbereichs der Personengruppe
1. Der Beschluss der Gläubigergemeinschaft über den Insolvenzplan
a) Der Wirkungskreis der Bruchteilsgemeinschaft
b) Die Entscheidung über den Insolvenzplan
2. Der Beschluss der Gläubigergruppe über den Insolvenzplan
a) Der Wirkungskreis der Interessengemeinschaft Gläubigergruppe
b) Der Beschluss der Gläubigergruppe über den Insolvenzplan
3. Ergebnis
IV. Legitimation der Mehrheitsmacht in der Gläubigergruppe
1. Mehrheitsbeschlüsse bei Gesellschaften – Unterwerfungsvertrag
2. Mehrheitsbeschlüsse bei Gemeinschaften – Notwendigkeit
a) Die Mehrheitsmacht als Ausgleich
b) Die Richtigkeitsgewähr von Mehrheitsentscheidungen
c) Die Mehrheitsmacht in der Gläubigergruppe nach § 244 InsO
d) Verfassungsrechtliche Aspekte der Mehrheitsmacht
V. Zwischenergebnis
VI. Die Ausführung des Beschlusses – die Willenserklärungen der Gläubiger
1. Keine Willenserklärung der einzelnen Gläubigergruppe
2. Die Willenserklärungen der zustimmenden Gläubiger
3. Die Zustimmungserklärungen der überstimmten Minderheit
4. Die Zustimmungserklärungen der nicht abstimmenden Insolvenzgläubiger
5. Der Zugang der Erklärungen
VII. Ergebnis
VIII. Ausblick: Die Abstimmung der Gesellschafter über den Insolvenzplan
D. Die Zustimmung des Schuldners
I. Die Notwendigkeit der Zustimmung des Schuldners
II. Das Schweigen des Schuldners als Zustimmung (§ 247 Abs. 1 InsO)
1. Beredtes Schweigen
2. Schweigen mit Erklärungswirkung
a) Gesetzlich fingierte Willenserklärungen
b) Schweigen als Vertragserklärung kraft Handelsbrauchsoder Treu und Glauben
3. Die Fiktion der Zustimmung des Schuldners in § 247 Abs. 1 InsO
III. Ergebnis
E. Zustimmungsfiktionen auf Gläubiger- und Schuldnerseite
I. Das Obstruktionsverbot des § 245 InsO
II. Die Zustimmungsfiktion nachrangiger Insolvenzgläubiger in § 246 InsO
III. Die Zustimmungsfiktion beim Schuldner in § 247 Abs. 2 InsO
IV. Keine Legitimation der Fiktionen durch das Mehrheitsprinzip
1. bezüglich nachrangiger Insolvenzgläubiger und dem Schuldner
2. bezüglich der sonstigen ablehnenden Gläubigergruppen (§ 245 InsO)
V. Zustimmungsfiktionen als gesetzlicher Kontrahierungszwang
1. Kontrahierungszwang und Vertragsfreiheit
a) Der allgemeine Kontrahierungszwang
b) Der gesetzliche Kontrahierungszwang
2. Die §§ 245 bis 247 InsO als Fälle eines gesetzlichen Kontrahierungszwangs
3. Gesetzlicher Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag
a) Der Anspruch auf Zustimmung als Regelfolge eines Kontrahierungszwangs
b) Diktierter Vertrag im weiteren Sinn
c) Diktierter Vertrag im engeren Sinn
d) Der Insolvenzplan ist kein diktierter Vertrag im engeren Sinn
4. Die Obstruktionsverbote im Lichte der Grundrechte
a) Keine Rechtfertigung durch das Majoritätsprinzip
b) Rechtfertigung durch das Verbot des Rechtsmissbrauchs
c) Rückschlüsse für die Anwendung der §§ 245 bis 247 InsO
d) Die Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG
VI. Ergebnis
F. Zusammenfassung – Der Vertragsschluss über den Insolvenzplan
I. Die Willenserklärungen der Gläubiger
II. Die Willenserklärung des Schuldners
III. Die Verpflichtungserklärungen engagierter Dritter nach § 230 Abs. 3 InsO
IV. Der Vertragsschluss
V. Fazit
Kapitel 4 Der Insolvenzplan als Verfahrensobjekt
A. Die Funktion der gerichtlichen Bestätigung des Plans
B. Der Insolvenzplan ist kein Urteil oder Verfahrensakt
I. Die Rechtskraftwirkung gerichtlicher Entscheidungen
II. Urteile mit Gestaltungswirkung im materiellen Recht
III. Die Gestaltungsmacht des Richters in den Ausgleichsverfahren der Kriegszeit
IV. Die Gestaltungsmacht des Insolvenzrichters hinsichtlich des Insolvenzplans
1. Keine inhaltliche Gestaltungsmacht des Insolvenzrichters
a) Die Versagungsbefugnis in den §§ 249 bis 251 InsO
(1) Der Individualschutz in § 251 InsO
(2) § 250 InsO – Prüfung und Durchsetzung von Zustimmungspflichten
(3) Die Beachtung von Planbedingungen nach § 249 InsO
b) Materielle Gestaltungsbefugnisse des Gerichts aus § 231 InsO?
c) Materielle Gestaltungsbefugnisse des Gerichts bei konkurrierenden Plänen?
(1) Die fehlende ausdrückliche gesetzliche Regelung
(2) Die mögliche Annahme mehrerer Pläne im Abstimmungstermin
(3) Keine Auswahlentscheidung durch das Insolvenzgericht
(4) Die Respektierung des Abstimmungsergebnisses durch eine verfahrensrechtliche Lösung
(5) Ergebnis
d) Zusammenfassung
2. Keine gebundene Gestaltungsmacht des Insolvenzrichters (»Verfahrenstheorie«)
a) Der Bestätigungsbeschluss – richterliche Gestaltung oder Erkenntnis?
b) Die Fiktionswirkung des § 894 ZPO
3. Ergebnis
C. Die Natur des richterlichen Handelns bei der Planbestätigung
I. Die herrschende Ansicht: Das Insolvenzverfahren als Zwangsvollstreckungsverfahren
1. Der Verweis auf die ZPO in § 4 InsO
2. Der Zweck des Insolvenzverfahrens
3. Schlussfolgerung
II. Die Gegenansicht: Das Insolvenzverfahren als Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit
1. Die formelle Zuordnung zur freiwilligen bzw. streitigen Gerichtsbarkeit
2. Die materielle Zuordnung des Insolvenzverfahrens
a) Der Begriff der »Rechtsfürsorge«
(1) Kontradiktorische vs. verwaltende Gerichtsbarkeit
(2) Die Haltung des Gesetzgebers
(3) Das Insolvenzverfahren – (auch) ein materielles Liquidationsverfahren
(4) Das Insolvenzplanverfahren
b) Regelungsstreitigkeiten als FG-Verfahren
(1) Das Insolvenzverfahren ist keine Regelungsstreitigkeit
(2) Das Insolvenzplanverfahren ist keine Regelungsstreitigkeit
(a) Kein Handlungsermessen des Richters
(b) Vertragshilfe und Regelungsstreitigkeit
3. Ergebnis
III. Die Insolvenzordnung – eine eigenständige Verfahrensordnung
IV. Schlussfolgerungen für die Natur der Bestätigungsentscheidung
1. Die Beschränkung des Prüfungsgegenstandes auf das Planverfahren
2. Die Bestätigung ist keine Vertragsgenehmigung
3. Die Bestätigung als integrierter Rechtsschutz
D. Der Insolvenzplan und das Prozessrecht
I. Prozesshandlung und Prozessvertrag
1. Der enge Prozesshandlungsbegriff
2. Der weite oder auch funktionelle Prozesshandlungsbegriff
3. Die Vorzugswürdigkeit des funktionellen Prozesshandlungsbegriffs
a) Der Zirkelschluss der engen Begriffsdefinition
b) Die richtige Einordnung von Prozessverträgen
4. Handlungen mit Doppelwirkung
II. Prozesshandlungen im Insolvenzplanverfahren
1. Unerheblichkeit des Forums der Erklärung für deren Einordnung
2. Unerheblichkeit der Verfahrensregelungen über das Zustandekommen des Plans
3. Die Notwendigkeit der individuellen Feststellung einer prozessualen Hauptwirkung
III. Der Insolvenzplan ist kein Prozessvertrag
1. Der Prozessvergleich als Vergleichsmaßstab
a) Der Insolvenzplan ist kein Vollstreckungstitel
b) Der Insolvenzplan beendet nicht das Insolvenzverfahren
2. Verfahrensgestaltende Wirkungen im Einzelfall? – Der »verfahrensleitende Plan«
3. Zwischenergebnis
IV. Die Abstimmungserklärungen als Doppeltatbestand?
1. Das Einbringen von Tatsachen als Prozesshandlung im Zivilprozess
2. Die Besonderheit des Untersuchungsgrundsatzes im Insolvenzverfahren
3. Die Geltung des Untersuchungsgrundsatzes bei der Bestätigungsentscheidung
V. Folgerungen für Problemfälle in der Planentstehung
1. Die Planrücknahme durch den Initiator
2. Die Unwirksamkeit einer Stimmrechtsvollmacht und ihre Folgen
VI. Ergebnis
E. Mängel bei der Planentstehung und ihre Heilung
I. Die Wirkung der materiellen Rechtskraft
II. Die Voraussetzungen der materiellen Rechtskraft
1. Die formelle Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses
2. Der rechtskraftfähige Inhalt des Bestätigungsbeschlusses
III. Umfang und Grenzen der materiellen Rechtskraft
1. Der Gegenstand der materiellen Rechtskraft
a) Der Inhalt der Bestätigungsentscheidung
b) Der Subsumtionsschluss der Bestätigungsentscheidung
2. Die Wirkungserweiterung durch die Präklusion von Tatsachen
3. Die Grenzen der materiellen Rechtskraft
a) Die Verpflichtung von Plangaranten ist nicht Teil des Insolvenzplans
b) Keine Erstreckung der Rechtskraft auf Plangaranten
4. Keine erneute Entscheidung über die Stimmrechte der Gläubiger
a) Die Stimmrechtsfestsetzung nach §§ 237, 238, 77 InsO
b) Die Stimmrechtsvollmacht ist keine Vorfrage der Stimmrechtsfestsetzung
IV. Ergebnis
F. Zusammenfassung: Der Insolvenzplan – ein Vertrag bürgerlichen Rechts
I. Der Insolvenzplan ist ein Vertrag mit vorverlagertem Rechtsschutzverfahren
II. Der Insolvenzplan ist ein diktierter Vertrag im weiteren Sinn
III. Der Insolvenzplan ist kein Prozessvertrag
IV. Der Insolvenzplan ist ein Vergleich gemäß § 779 BGB
1. Die Beseitigung der Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis
2. Das gegenseitige Nachgeben
3. Der Gleichlauf mit dem außergerichtlichen Sanierungs- oder Liquidationsvergleich
4. Die historische Kontinuität der Einordnung
5. Ergebnis
Kapitel 5 Optimierung des deutschen Reorganisationsrechts in der Insolvenz
A. Das Planverfahren als effizientester Verfahrensweg
I. Zur Effi zienz eines Insolvenzverfahrens
II. Die Aufgabe der Reorganisation in der Insolvenz
1. Zerschlagungs- und Fortführungswert
2. Die Gewinnung des Fortführungswertes
a) Die übertragende Sanierung
b) Die Reorganisation
c) Der Unterschied zur Funktion einer Reorganisation außerhalb einer Insolvenz
III. Zur Notwendigkeit einer Reorganisation in der Insolvenz
1. Liquidation statt Reorganisation
a) Die Liquidation als natürlicher Weg zum Fortführungswert
b) Die Abschaffung der Reorganisationsoption zugunsten von Auktionsmodellen?
(1) Die grundsätzliche Kritik von Douglas G. Baird und Thomas H. Jackson
(2) Die obligatorische Auktion nach Douglas G. Baird
(3) Der »restricted auction mechanism« nach Berkovitch, Israel und Zender
(4) Das parallele Auktionsverfahren nach Alexander Dilger
2. Der debt-equity-swap als Instrument der Insolvenzbewältigung (Optionsmodelle)
a) Der »slice-of-common-stock sale« nach Mark J. Roe
b) Das Bebchuk-Modell
c) Weiterentwicklungen der Modelle von Roe und Bebchuk
(1) Ben Branch
(2) Philippe Aghion, Oliver Hart und John Moore
(3) Hart, La Porta Drago, Lopez-de-Silanes und Moore
(4) »non-cash auctions« nach David Hahn
(5) Barry A. Adler und Ian Ayres (»dilution mechanism«)
(6) »Chameleon-Equity« nach Barry E. Adler
d) Der automatische debt-equity-swap als alleiniger Insolvenzmechanismus
3. Die Rechtfertigung einer Reorganisationsoption in der Insolvenz
a) Zweifel an den Effizienzvorteilen der Alternativmodelle
(1) Das Fehlen perfekter Märkte und Marktteilnehmer
(2) Der Kostenvergleich
(a) Auktions- bzw. Veräußerungskosten
(b) Kosten einer Forderungsumwandlung bei Optionsmodellen
(c) Die speziellen Defizite des Chapter 11 des U. S. Bankruptcy Code
(3) Die Unentbehrlichkeit gerichtlicher Entscheidungen
b) Die Unfähigkeit der Optionsmodelle zur Bewältigung jeder Unternehmensinsolvenz
(1) Der beschränkte Wirkungsbereich der Modelle
(2) Die kaum mögliche Erweiterbarkeit dieses Wirkungsbereiches
(3) Der freiwillige Forderungstausch als Krisenbewältigungsinstrument
c) Die Defizite der Auktionsmodelle
(1) Die verbreitete Nutzung von Veräußerungen in der Insolvenzpraxis
(2) Die Unzulänglichkeit von Auktionsverfahren in Einzelfällen
d) Fazit – Der Sinn von Handlungsoptionen in der Insolvenz
(1) Die Notwendigkeit einer Reorganisation in der Insolvenz
(2) Die Nützlichkeit einer Reorganisation in der Insolvenz
IV. Die Ausübung der Reorganisationsoption –Alternativen zum Planverfahren?
1. Modelle mit Einzelentscheidungsbefugnis
a) »Selective Stay Model« nach Baird und Picker
b) »waiver contracts« nach Schwarcz
c) »SIR«-Verfahren nach Jungmann
d) Der »better positioned agent« nach Rotem
2. Das administrative Insolvenzverfahren
a) Die Entscheidung durch eine Sanierungsbehörde
b) Die Entscheidung durch das Insolvenzgericht
3. Der Schuldner als Entscheidungsträger
4. Die richtige Entscheidung durch den richtigen Entscheidungsträger
a) Der Charakter der zu treffenden Entscheidung
(1) Keine Vermutung zugunsten einer Verwertungsoption
(2) Prognoseentscheidung unter Ungewissheit
b) Zur Richtigkeitsgewähr bei prognosebasierten Entscheidungen
(1) Expertenwissen
(2) Condorcet’s Jury Theorem
(3) Die Weisheit der Vielen
(a) Der Effekt
(b) Die Voraussetzungen
(4) Die Richtigkeitsgewähr von Verträgen
c) Der optimale Entscheidungsmechanismus in der Insolvenz
(1) Die Nutzung der Richtigkeitsgewähr des Konsensprinzips
(2) Die Beseitigung der Schwächen des Konsensprinzips durch einen »abgesicherten Vertragsschluss«
(a) Keine diktatorische Lösung des Kooperationsproblems
(b) Die Nutzbarmachung von Gruppeneffekten auf Kooperationsprobleme
(c) Der Kontrahierungszwang als Disziplinierungsmittel
(3) Der Anwendungsbereich der Vertragslösung
(4) Der Effizienzvorteil einer eingeschränkten Vertragslösung
(a) Kein Reorganisationskonzept – keine Verhandlungen
(b) Die Inhaltsoffenheit der eingeschränkten Vertragslösung
(c) Das »ACCORD scheme« nach Hausch/Ramachandran
5. Ergebnis
B. Der richtige Zeitpunkt für die Entscheidung über eine Reorganisationsoption
I. Der Zeitpunkt der Forderungsentstehung
1. »contract theory approach«
2. »menu approach«
3. Kritik
a) Die Schwächen des »contract theory approach«
b) Die Nachteile des »menu approach«
II. Der Zeitpunkt der Krise des Unternehmens
1. Die Informationsgrundlage
2. Zustimmungspflichten im Vorfeld der Insolvenz
a) Zustimmungspflichten auf vertraglicher Grundlage
b) Zustimmungspflichten auf gesetzlicher Grundlage
(1) Die Treuepflicht eines Gesellschafters
(2) Die Umsetzungspflicht in der Rechts- oder Bruchteilsgemeinschaft
(3) Die Interessengemeinschaft
c) Das Problem der Durchsetzung von Zustimmungspflichten
(1) Der vorläufige Rechtsschutz
(2) Die Durchsetzung von Kooperationspflichten in der Krise nach Horst Eidenmüller
(3) Die Durchsetzung durch Schiedsgerichte
d) Zwischenergebnis
3. Die »suspension clause solution« nach Claire Finkelstein
4. Ergebnis
III. Der Zeitraum des Insolvenzverfahrens
IV. Die wenig überzeugende Schlussfolgerung des deutschen Gesetzgebers
C. Die Vorverlagerung der Entscheidungsfindung mittels einer bloßen Bestätigungsinsolvenz
I. Die Grundidee
II. Definition der zu verwendenden Begriffe
1. Die vorbereitete Insolvenz oder prepackaged bankruptcy als Gattungsbegriff
2. Der noch unverhandelte Insolvenzplan als erste Untergruppe
3. Der vorverhandelte Insolvenzplan als zweite Untergruppe
4. Der bereits beschlossene Insolvenzplan als dritte Untergruppe
III. Das Regelungsmodell im U. S. Bankruptcy Code
1. Die gesetzliche Regelung in 11 U. S. C. § 1126 (b)
2. Das Verfahren einer pre-voted bankruptcy
3. Die Effekte und Grenzen dieser Verfahrensgestaltung
a) Die Überwindung von Blockadehaltungen
b) Die Planbarkeit des Verfahrensergebnisses
c) Reduzierung der Dauer und der Kosten des gerichtlichen Insolvenzverfahrens
d) Reduzierung der indirekten Insolvenzkosten
e) Unterstützung der außergerichtlichen Einigungsbemühungen
f) Strukturierung der außergerichtlichen Verhandlungen
g) Verbesserung der Verfahrensergebnisse
4. Ergebnis
IV. Die Implementierung im deutschen Recht
1. Die Bindung der Gläubiger an den außergerichtlich angenommenen Insolvenzplan
a) Die Ausgangslage im geltenden Insolvenzrecht
(1) Die Zulässigkeit der prepackaged bankruptcy im Insolvenzplanverfahren
(2) Das Planverfahren als Mechanismus zur Durchsetzung nur mehrheitlich getragener Insolvenzpläne
(3) Die Möglichkeit der Eigenverwaltung
b) Die Funktionsweise der amerikanischen pre-voted bankruptcy
c) Die außergerichtliche Stimmabgabe als antizipierte Zustimmung/Ablehnung
d) Der notwendige Umfang gesetzgeberischen Tätigwerdens
2. Die Bindung der Gesellschafter an einen außergerichtlichen Insolvenzplan
a) Die Ausgangslage im geltenden Insolvenzrecht
b) Die Legitimation und Funktionsweise der pre-voted bankruptcy
c) Die Abstimmung der Gesellschafter als Willensbildungsprozess
(1) Ausgangspunkt: Die Autonomie der Willensbildung in der Gesellschaft
(a) Der Schutz der Gesellschafterrechte aus Art. 14 GG
(b) Der Schutz der Gesellschafterrechte aus Art. 9 Abs. 1 GG
(c) Art. 25 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie
(2) Die Einbindung der Willensbildung der Gesellschafter über den Insolvenzplan
(a) Die Abstimmung der Gesellschafter über den Insolvenzplan
(b) Kein generelles Obstruktionsverbot
(c) Ein Obstruktionsverbot bezüglich der Gewinnverwendung
d) Der notwendige Umfang gesetzgeberischen Tätigwerdens
V. Die notwendige Beschränkung der Rechtsmittel
1. Der Grundsatz der sofortigen Vollziehbarkeit eines Chapter 11-Plans
2. Die fehlende aufschiebende Wirkung einer sofortigen Beschwerde
3. Notwendigkeit einer entsprechende Neuregelung in den §§ 253, 254 Abs. 1 InsO
VI. Die Einordnung der Bestätigungsinsolvenz in die aktuelle Reformdiskussion
1. Der Vergleich mit dem Company Voluntary Arrangement des englischen Insolvency Act 1986
2. Zur Notwendigkeit eines besonderen vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens
3. Zu einem Sanierungsvergleichsgesetz nach Hölzle und einem neuen § 270b InsO
VII. Ergebnis
D. Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Sachregister

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JUS PRIVAT UM Beiträge zum Privatrecht Band 157

Stephan Madaus

Der Insolvenzplan Von seiner dogmatischen Deutung als Vertrag und seiner Fortentwicklung in eine Bestätigungsinsolvenz

Mohr Siebeck

Stephan Madaus, geboren 1974; Studium der Rechtswissenschaft in Rostock; 2000 Promotion; 2008/2009 Visiting Scholar an der Stanford Law School, Stanford, Ca. (U.S.A.); 2010 Habilitation; 2010/2011 Vertretung des Lehrstuhls Prof. Dr. Eidenmüller an der LudwigMaximilians-Universtität München.

Gedruckt mit Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung. e-ISBN PDF 978-3-16-151234-6 ISBN 978-3-16-150728-1 ISSN 0940-9610 (Jus Privatum) Die deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2011 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen aus der Garamond-Antiqua gesetzt und auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.

Vorwort Ich möchte mich an dieser Stelle zunächst und vor allem bei denjenigen bedanken, die an der Entstehung dieses Buches maßgeblichen Anteil hatten. Mein besonderer Dank richtet sich zunächst an meinen akademischen Lehrer, Herrn Prof. Dr. Ralph Weber, für die wertvollen Anregungen, aber auch große Freiheit, die er mir bei der Wahl des Themas gelassen hat. Seine jahrelange fachliche und persönliche Förderung wie auch die daraus entstandene fruchtbare Zusammenarbeit hat mir in vielerlei Hinsicht geholfen. Mein Dank richtet sich in besonderem Maße auch an Frau Prof. Dr. Anja Hucke, und dies nicht nur für die Übernahme des Zweitgutachtens, sondern auch für die so herzliche Aufnahme im Kreise ihrer Mitarbeiter sowie für den Freiraum, die Arbeit zu vollenden. Schließlich gilt mein besonderer Dank Herrn Prof. Dr. Christoph Paulus für die Übernahme des Drittgutachtens und die damit verbundenen wertvollen Anregungen. Der Fritz-Thyssen-Stiftung für Wissenschaftsförderung danke ich zum einen für die Unterstützung meines Forschungsaufenthaltes an der Stanford University in Stanford, Ca. (U.S.A). Zum anderen hat sie die Drucklegung dieser Schrift ermöglicht. Auch dafür sei an dieser Stelle ausdrücklich gedankt. Ganz persönlich möchte ich mich bei meiner Lebensgefährtin Anke Hildebrandt bedanken, deren Verständnis und emotionale Unterstützung mich während der Entstehung dieser Arbeit begleitet und getragen hat. Die vorliegende Arbeit wurde von der Juristischen Fakultät der Universität Rostock im Wintersemester 2010/2011 als Habilitationsschrift angenommen. Rechtsprechung und Literatur konnten für die Drucklegung noch bis November 2010 berücksichtigt werden. Rostock, im November 2010

Stephan Madaus

Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V

Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXV Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

A. Das neue Insolvenzrecht im elften Jahr seines Bestehens. . . . . . . . B. Das Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Der Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 3 4

Kapitel 1: Funktion und Rechtsnatur des Insolvenzplans aus betriebswirtschaftlicher und rechtshistorischer Sicht . . . . . . . . . . . .

7

A. B. C. D.

Der Insolvenzplan aus betriebswirtschaftlicher Perspektive . Die Vorgängerregelungen – Zwangsvergleich und Vergleich . Die Reform des Insolvenzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

7 56 83 163

Kapitel 2: Ein Insolvenzplan ist keine Rechtsnorm . . . . . . . . . . . . .

165

A. Die Wesensmerkmale von Rechtsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . B. Der Insolvenzplan ist kein Normenvertrag . . . . . . . . . . . . . . . C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

166 169 171

Kapitel 3: Der Insolvenzplan als Vertrag bürgerlichen Rechts . . . . . . .

173

A. B. C. D. E. F.

174 183 184 246 254 292

Die Planvorlage – invitatio ad offerendum . . . . . . . . . . . . . . Vertragsschluss durch Zustimmung zu einer Vorlage. . . . . . . . Die Abstimmung der Gläubiger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Zustimmung des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zustimmungsfiktionen auf Gläubiger- und Schuldnerseite . . . . Zusammenfassung – Der Vertragsschluss über den Insolvenzplan

. . . .

. . . . . .

. . . . . .

VIII

Inhaltsübersicht

Kapitel 4: Der Insolvenzplan als Verfahrensobjekt . . . . . . . . . . . . .

299

A. B. C. D. E. F.

. . . . .

300 301 339 367 407

. . . .

424

Kapitel 5: Optimierung des deutschen Reorganisationsrechts in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

433

Die Funktion der gerichtlichen Bestätigung des Plans . . . . . Der Insolvenzplan ist kein Urteil oder Verfahrensakt . . . . . Die Natur des richterlichen Handelns bei der Planbestätigung Der Insolvenzplan und das Prozessrecht . . . . . . . . . . . . . Mängel bei der Planentstehung und ihre Heilung . . . . . . . . Zusammenfassung: Der Insolvenzplan – ein Vertrag bürgerlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

A. Das Planverfahren als effizientester Verfahrensweg . . . . . . . . . B. Der richtige Zeitpunkt für die Entscheidung über eine Reorganisationsoption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Vorverlagerung der Entscheidungsfindung mittels einer bloßen Bestätigungsinsolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

.

435

.

529

. .

559 630

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

633

Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

667

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V

Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXV

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

A. Das neue Insolvenzrecht im elften Jahr seines Bestehens . . . . . . . .

1

B. Das Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

C. Der Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4

Kapitel 1: Funktion und Rechtsnatur des Insolvenzplans aus betriebswirtschaftlicher und rechtshistorischer Sicht . . . . . . . . .

7

A. Der Insolvenzplan aus betriebswirtschaftlicher Perspektive . . . . . .

7

I. Die Basisziele und der (betriebswirtschaftliche) Krisenbegriff

7

II. Der Sanierungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sanierungsfähigkeit und Sanierungswürdigkeit 2. Die Unternehmensanalyse. . . . . . . . . . . . . 3. Die Planung operativer Maßnahmen . . . . . . . a) Leistungswirtschaftliche Maßnahmen . . . . b) Finanzwirtschaftliche Maßnahmen. . . . . . (1) Die Zuführung von Fremdkapital. . . . . . . (2) Mezzanine-Kapital . . . . . . . . . . . . . . (3) Die Zuführung von Eigenkapital . . . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

(4) Die Unterstützung der Sanierungsfinanzierung durch Verzichtsbeiträge der Gläubiger. . . . . . . . . . . . . . . (a) debt-equity-swap . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Besserungsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . .

c) Die Wahl der Sanierungsart . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Reorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13 13 15 16 16 17 17 18 22 24 24 27 28 28

X

Inhaltsverzeichnis

(2) Die übertragende Sanierung . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Auswahlkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4. Die Entscheidungsträger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Das Planungsergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die rechtlich verbindliche Fixierung der Sanierung . 1. Die außergerichtliche Reorganisation – der Sanierungsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nachteile. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28 32 34 36

. . . . . .

37

. . . . . . . . . . . . . . . . . .

37 37 39

(1) Die Motivationslage von Gläubigern in Schlüsselpositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Der Zeitfaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . .

41 43 44 44

. . . . . . . . .

46 47 48

. . . . . .

52 54

IV. Ergebnis: Die betriebswirtschaftlich geprägte Funktion des Insolvenzplans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

B. Die Vorgängerregelungen – Zwangsvergleich und Vergleich . . . . . .

56

I. Ursprünge eines Zwangsvergleichs im Römischen Recht und seine Verbreitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die außergerichtliche Unternehmensveräußerung . . . 3. Der Insolvenzplan als Sanierungsinstrument im Insolvenzverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Vorteile des Insolvenzplanverfahrens . . . . . . b) Die Nachteile des Insolvenzplanverfahrens . . . . . c) Die Alternative: Veräußerung des Unternehmens gemäß § 160 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fazit – Die Relevanz eines Insolvenzplans in der Krise

II. Kodifizierung in der Konkurs- und in der Vergleichsordnung III. Die Rechtsnatur des Zwangsvergleichs der Konkursordnung 1. Die Urteilstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Vertragstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Stimmabgabe jedes Gläubigers als Annahmeerklärung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Annahme des Vergleichsvorschlags durch die Gläubigerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die gerichtliche Bestätigung als Genehmigungserfordernis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die prozessuale Komponente des Zwangsvergleichs . . 3. Ein Rechtsinstitut eigener Art . . . . . . . . . . . . . . . .

60 . . .

63 63 65

.

66

.

67

. . .

69 70 72

IV. Die Diskussion um die Rechtsnatur des konkursabwendenden Vergleichs der Vergleichsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

XI

Inhaltsverzeichnis

1. Vergleich (und Zwangsvergleich) als Normenvertrag. . . . . 2. Vergleich (und Zwangsvergleich) als Vertrag . . . . . . . . .

74 76

V. Die richterliche Vertragshilfe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

C. Die Reform des Insolvenzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

I. Die Krise des Insolvenzrechts in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

II. Krisenursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sicherungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zunahme der Massegläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unzulänglichkeiten im Gesellschafts-, Wirtschaftsstrafund Anfechtungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verspätete Konkursanträge . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Das Fiskusvorrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Unzureichend ausgebildete Konkursverwalter . . . . . . 7. Besondere Ursachen für die Abkehr vom Akkord?. . . .

. . . . . .

88 89 91

. . . . .

. . . . .

93 93 94 94 95

III. Die Reaktion des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kein Eingriff in das zivilrechtliche System der Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die fehlende zeitliche Korrelation . . . . . . . . . . . . b) Die beschränkte Zuständigkeit des Insolvenzrechts . . 2. Die Sicherungsrechte in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . 3. Begrenzung der Masseverbindlichkeiten und Beseitigung von Vorrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Erleichterungen im Anfechtungsrecht . . . . . . . . . . . . 5. Sicherung einer frühzeitigen Insolvenzantragstellung . . . 6. Verbesserung der Insolvenzverwaltervergütung?. . . . . . 7. Sicherung der Kostendeckung im Eröffnungsverfahren . .

.

98

. . . .

98 98 100 103

. . . . .

105 106 106 106 107

. . . . . . . .

107 108

. . . . . . . .

108 109

IV. Die Rückkehr eines wirkungsvollen Insolvenzrechts . . 1. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Regelfall. 2. Die explosionsartige Zunahme der Verbraucherinsolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die nur zögerliche Akzeptanz des Insolvenzplans . .

V. Die U. S.-amerikanischen Wurzeln des Insolvenzplans . . . 1. Das Verfahren nach Chapter 11 des Bankruptcy Code . a) Die Entwicklung des Reorganisationsverfahrens und seiner Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Bankruptcy Acts von 1800, 1841 und 1867 . . . . . (2) Equity Receivership. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . .

112 112

. . . . . .

113 114 118

(3) Der Bankruptcy Act von 1898 und die Fortentwicklung der Equity Receivership. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

126

XII

Inhaltsverzeichnis

(4) Die Kodifizierung der Reorganisationsverfahren in den 1930iger Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

b) Die Reorganisation nach Chapter 11 des Bankruptcy Code von 1978. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Rechtsnatur des Reorganisationsplans des Chapter 11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Vertragstheorie: »The confirmed plan is a contract.« . . (2) Die prozessuale Vertragstheorie: »The plan resembles a consent decree.« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die Urteilstheorie: »The confirmed plan is a judgement.« . (4) Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

129 134 142 143

2. Die Rezeption ins Insolvenzplanverfahren . . . . . . . . . .

153 155 159 159

VI. Rückschlüsse auf die Rechtsnatur des Insolvenzplans aus dem Reformverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

162

D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

163

Kapitel 2: Ein Insolvenzplan ist keine Rechtsnorm . . . . . . . . . .

165

A. Die Wesensmerkmale von Rechtsnormen . . . . . . . . . . . . . . . .

166

I. Heteronomität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

166

II. Generalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

167

B. Der Insolvenzplan ist kein Normenvertrag . . . . . . . . . . . . . . .

169

C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

171

Kapitel 3: Der Insolvenzplan als Vertrag bürgerlichen Rechts . . .

173

A. Die Planvorlage – invitatio ad offerendum . . . . . . . . . . . . . . .

174

I. Die Planvorlage durch den Insolvenzverwalter. . . . . . . . . . 1. Die Vorlage eines Gläubigerplans durch den Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Vorlage eines Verwalterplans durch den Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

175

II. Die Planvorlage durch den Schuldner . . . . . . . . . . . . . . .

179

III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

182

B. Vertragsschluss durch Zustimmung zu einer Vorlage . . . . . . . . . .

183

C. Die Abstimmung der Gläubiger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

184

175 176

XIII

Inhaltsverzeichnis

I. Die Stimmabgabe als interne Willensbildung . . . . . . . . . . II. Qualifikation der beschließenden Personenmehrheit . 1. Die Gläubiger als Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Freiwilligkeit des Zusammenschlusses . . . b) Das Gesamthandsvermögen . . . . . . . . . . . . 2. Die Gläubiger als Bruchteilsgemeinschaft . . . . . . a) Die Gläubigergruppe nach §§ 222, 243 InsO. . . b) Die Gläubigergesamtheit. . . . . . . . . . . . . .

184

. . . . .

187

. . . . . .

. . . . . . . . .

188 188 190 191 191 192 192 194 196

.

200

. . .

201 201 202

. . . . . .

203 205 205 206 210 213

. . . . .

214

. . . . . . . . . . . . . . .

215 215 216

. . . . .

218

. . . . .

218

. . . . . . . . . .

218 219

IV. Legitimation der Mehrheitsmacht in der Gläubigergruppe . . . 1. Mehrheitsbeschlüsse bei Gesellschaften – Unterwerfungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mehrheitsbeschlüsse bei Gemeinschaften – Notwendigkeit

220

. . . . . . (1) Das Verwertungsrecht als gemeinschaftliches Recht . (2) Bruchteilsgemeinschaft an einer Rechtsgesamtheit . .

. . . . . . . . (a) Bruchteilsgemeinschaft und Spezialitätsgrundsatz .

. . . . . . . . .

(b) Bruchteilsgemeinschaft als Gemeinschaft identischer Beteiligter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Die Gläubigergemeinschaft als einheitliche Bruchteilsgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Bruchteilsgemeinschaft und Rechtsfähigkeit . . . . . . . (a) Die Rechtsfähigkeit der Insolvenzmasse . . . . . . . (b) Die Rechtsfähigkeit der Bruchteilsgemeinschaft der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3. Die Gläubiger als Interessengemeinschaft . . . . . . . . . a) Die Gläubigergemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . b) Exkurs: Die Gläubiger vor der Verfahrenseröffnung . c) Die Gläubigergruppen des § 222 InsO . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Entscheidung innerhalb des Wirkungsbereichs der Personengruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Beschluss der Gläubigergemeinschaft über den Insolvenzplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Wirkungskreis der Bruchteilsgemeinschaft. b) Die Entscheidung über den Insolvenzplan . . . . 2. Der Beschluss der Gläubigergruppe über den Insolvenzplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Wirkungskreis der Interessengemeinschaft Gläubigergruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Beschluss der Gläubigergruppe über den Insolvenzplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . .

221 223

XIV

Inhaltsverzeichnis

a) Die Mehrheitsmacht als Ausgleich . . . . . . . . . . . . b) Die Richtigkeitsgewähr von Mehrheitsentscheidungen. c) Die Mehrheitsmacht in der Gläubigergruppe nach § 244 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verfassungsrechtliche Aspekte der Mehrheitsmacht . .

. .

223 226

. .

229 229

V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

233

VI. Die Ausführung des Beschlusses – die Willenserklärungen der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine Willenserklärung der einzelnen Gläubigergruppe. 2. Die Willenserklärungen der zustimmenden Gläubiger. . 3. Die Zustimmungserklärungen der überstimmten Minderheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Zustimmungserklärungen der nicht abstimmenden Insolvenzgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Der Zugang der Erklärungen . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . .

234 234 234

. .

236

. . . .

240 241

VII. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

242

VIII. Ausblick: Die Abstimmung der Gesellschafter über den Insolvenzplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

245

D. Die Zustimmung des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

246

I. Die Notwendigkeit der Zustimmung des Schuldners . . . . . .

246

II. Das Schweigen des Schuldners als Zustimmung (§ 247 Abs. 1 InsO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beredtes Schweigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schweigen mit Erklärungswirkung. . . . . . . . . . . . . . a) Gesetzlich fingierte Willenserklärungen . . . . . . . . . b) Schweigen als Vertragserklärung kraft Handelsbrauchs oder Treu und Glauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Fiktion der Zustimmung des Schuldners in § 247 Abs. 1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . .

247 248 249 249

.

250

.

252

III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

253

E. Zustimmungsfiktionen auf Gläubiger- und Schuldnerseite. . . . . . .

254

I. Das Obstruktionsverbot des § 245 InsO . . . . . . . . . . . . .

255

II. Die Zustimmungsfiktion nachrangiger Insolvenzgläubiger in § 246 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

256

III. Die Zustimmungsfiktion beim Schuldner in § 247 Abs. 2 InsO

256

IV. Keine Legitimation der Fiktionen durch das Mehrheitsprinzip 1. bezüglich nachrangiger Insolvenzgläubiger und dem Schuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

257 257

Inhaltsverzeichnis

2. bezüglich der sonstigen ablehnenden Gläubigergruppen (§ 245 InsO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zustimmungsfiktionen als gesetzlicher Kontrahierungszwang 1. Kontrahierungszwang und Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . a) Der allgemeine Kontrahierungszwang . . . . . . . . . . . b) Der gesetzliche Kontrahierungszwang . . . . . . . . . . . 2. Die §§ 245 bis 247 InsO als Fälle eines gesetzlichen Kontrahierungszwangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gesetzlicher Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag a) Der Anspruch auf Zustimmung als Regelfolge eines Kontrahierungszwangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Diktierter Vertrag im weiteren Sinn . . . . . . . . . . . . c) Diktierter Vertrag im engeren Sinn . . . . . . . . . . . . . d) Der Insolvenzplan ist kein diktierter Vertrag im engeren Sinn. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Obstruktionsverbote im Lichte der Grundrechte . . . . a) Keine Rechtfertigung durch das Majoritätsprinzip . . . . b) Rechtfertigung durch das Verbot des Rechtsmissbrauchs c) Rückschlüsse für die Anwendung der §§ 245 bis 247 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XV 257 261 262 264 266 268 270 270 272 273 276 279 280 280 283 291

VI. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

292

F. Zusammenfassung – Der Vertragsschluss über den Insolvenzplan . . .

292

I. Die Willenserklärungen der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . .

292

II. Die Willenserklärung des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . .

294

III. Die Verpflichtungserklärungen engagierter Dritter nach § 230 Abs. 3 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

295

IV. Der Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

295

V. Fazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

296

Kapitel 4: Der Insolvenzplan als Verfahrensobjekt . . . . . . . . . .

299

A. Die Funktion der gerichtlichen Bestätigung des Plans . . . . . . . . .

300

B. Der Insolvenzplan ist kein Urteil oder Verfahrensakt . . . . . . . . .

301

I. Die Rechtskraftwirkung gerichtlicher Entscheidungen . . . . .

302

II. Urteile mit Gestaltungswirkung im materiellen Recht . . . . .

305

XVI

Inhaltsverzeichnis

III. Die Gestaltungsmacht des Richters in den Ausgleichsverfahren der Kriegszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

309

IV. Die Gestaltungsmacht des Insolvenzrichters hinsichtlich des Insolvenzplans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine inhaltliche Gestaltungsmacht des Insolvenzrichters a) Die Versagungsbefugnis in den §§ 249 bis 251 InsO . . (1) Der Individualschutz in § 251 InsO . . . . . . . . . . . .

. . . .

310 311 311 311

(2) § 250 InsO – Prüfung und Durchsetzung von Zustimmungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die Beachtung von Planbedingungen nach § 249 InsO . . .

313 315

b) Materielle Gestaltungsbefugnisse des Gerichts aus § 231 InsO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Materielle Gestaltungsbefugnisse des Gerichts bei konkurrierenden Plänen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die fehlende ausdrückliche gesetzliche Regelung . . . . . . (2) Die mögliche Annahme mehrerer Pläne im Abstimmungstermin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Keine Auswahlentscheidung durch das Insolvenzgericht . (4) Die Respektierung des Abstimmungsergebnisses durch eine verfahrensrechtliche Lösung . . . . . . . . . . . . . (5) Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

317 319 320

. .

321 322

. . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine gebundene Gestaltungsmacht des Insolvenzrichters (»Verfahrenstheorie«) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Bestätigungsbeschluss – richterliche Gestaltung oder Erkenntnis? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Fiktionswirkung des § 894 ZPO . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

325 326 327

C. Die Natur des richterlichen Handelns bei der Planbestätigung . . . .

339

I. Die herrschende Ansicht: Das Insolvenzverfahren als Zwangsvollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . 1. Der Verweis auf die ZPO in § 4 InsO . . . . . . . . 2. Der Zweck des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . 3. Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Die Gegenansicht: Das Insolvenzverfahren als Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die formelle Zuordnung zur freiwilligen bzw. streitigen Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die materielle Zuordnung des Insolvenzverfahrens . . . . a) Der Begriff der »Rechtsfürsorge«. . . . . . . . . . . . . (1) Kontradiktorische vs. verwaltende Gerichtsbarkeit. . . . (2) Die Haltung des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . .

327 329 331 337

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XVII

Inhaltsverzeichnis

(3) Das Insolvenzverfahren – (auch) ein materielles Liquidationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Das Insolvenzplanverfahren . . . . . . . . . . . . . . . .

3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

351 355 355 357 358 358 359 360

III. Die Insolvenzordnung – eine eigenständige Verfahrensordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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b) Regelungsstreitigkeiten als FG-Verfahren . . . . . . . . . (1) Das Insolvenzverfahren ist keine Regelungsstreitigkeit . . . (2) Das Insolvenzplanverfahren ist keine Regelungsstreitigkeit (a) Kein Handlungsermessen des Richters . . . . . . . . . (b) Vertragshilfe und Regelungsstreitigkeit . . . . . . . .

IV. Schlussfolgerungen für die Natur der Bestätigungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Beschränkung des Prüfungsgegenstandes auf das Planverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Bestätigung ist keine Vertragsgenehmigung . . . 3. Die Bestätigung als integrierter Rechtsschutz. . . . .

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362

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D. Der Insolvenzplan und das Prozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . .

367

I. Prozesshandlung und Prozessvertrag . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der enge Prozesshandlungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der weite oder auch funktionelle Prozesshandlungsbegriff 3. Die Vorzugswürdigkeit des funktionellen Prozesshandlungsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Zirkelschluss der engen Begriffsdefinition . . . . . . b) Die richtige Einordnung von Prozessverträgen . . . . . . 4. Handlungen mit Doppelwirkung. . . . . . . . . . . . . . . .

368 368 369

II. Prozesshandlungen im Insolvenzplanverfahren . . . . . . . 1. Unerheblichkeit des Forums der Erklärung für deren Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unerheblichkeit der Verfahrensregelungen über das Zustandekommen des Plans . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Notwendigkeit der individuellen Feststellung einer prozessualen Hauptwirkung . . . . . . . . . . . . . . . .

370 370 370 375

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III. Der Insolvenzplan ist kein Prozessvertrag . . . . . . . . . . . . 1. Der Prozessvergleich als Vergleichsmaßstab . . . . . . . . . a) Der Insolvenzplan ist kein Vollstreckungstitel . . . . . . b) Der Insolvenzplan beendet nicht das Insolvenzverfahren 2. Verfahrensgestaltende Wirkungen im Einzelfall? – Der »verfahrensleitende Plan« . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

379 379 383 387 390 394

XVIII

Inhaltsverzeichnis

IV. Die Abstimmungserklärungen als Doppeltatbestand? . 1. Das Einbringen von Tatsachen als Prozesshandlung im Zivilprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Besonderheit des Untersuchungsgrundsatzes im Insolvenzverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Geltung des Untersuchungsgrundsatzes bei der Bestätigungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . .

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396

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399

V. Folgerungen für Problemfälle in der Planentstehung . . . . . . 1. Die Planrücknahme durch den Initiator . . . . . . . . . . . . 2. Die Unwirksamkeit einer Stimmrechtsvollmacht und ihre Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

402 402 405

VI. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

406

E. Mängel bei der Planentstehung und ihre Heilung . . . . . . . . . . . .

407

I. Die Wirkung der materiellen Rechtskraft. . . . . . . . . . . . .

408

II. Die Voraussetzungen der materiellen Rechtskraft . . . . . . . . 1. Die formelle Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses . . . . 2. Der rechtskraftfähige Inhalt des Bestätigungsbeschlusses . .

409 409 410

III. Umfang und Grenzen der materiellen Rechtskraft . . . . . . 1. Der Gegenstand der materiellen Rechtskraft . . . . . . . . a) Der Inhalt der Bestätigungsentscheidung . . . . . . . . b) Der Subsumtionsschluss der Bestätigungsentscheidung 2. Die Wirkungserweiterung durch die Präklusion von Tatsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Grenzen der materiellen Rechtskraft . . . . . . . . . . a) Die Verpflichtung von Plangaranten ist nicht Teil des Insolvenzplans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine Erstreckung der Rechtskraft auf Plangaranten. . 4. Keine erneute Entscheidung über die Stimmrechte der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Stimmrechtsfestsetzung nach §§ 237, 238, 77 InsO. b) Die Stimmrechtsvollmacht ist keine Vorfrage der Stimmrechtsfestsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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412 412 413 415

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IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

423

F. Zusammenfassung: Der Insolvenzplan – ein Vertrag bürgerlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

424

I. Der Insolvenzplan ist ein Vertrag mit vorverlagertem Rechtsschutzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

424

II. Der Insolvenzplan ist ein diktierter Vertrag im weiteren Sinn

425

XIX

Inhaltsverzeichnis

III. Der Insolvenzplan ist kein Prozessvertrag . . . . . . . . . . . .

426

IV. Der Insolvenzplan ist ein Vergleich gemäß § 779 BGB . . . . . 1. Die Beseitigung der Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis 2. Das gegenseitige Nachgeben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Gleichlauf mit dem außergerichtlichen Sanierungsoder Liquidationsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die historische Kontinuität der Einordnung . . . . . . . . . 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

427 427 428 430 430 432

Kapitel 5: Optimierung des deutschen Reorganisationsrechts in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

433

A. Das Planverfahren als effizientester Verfahrensweg . . . . . . . . . .

435

I. Zur Effizienz eines Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . II. Die Aufgabe der Reorganisation in der Insolvenz . . . . . . 1. Zerschlagungs- und Fortführungswert . . . . . . . . . . 2. Die Gewinnung des Fortführungswertes . . . . . . . . . a) Die übertragende Sanierung . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Reorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Unterschied zur Funktion einer Reorganisation außerhalb einer Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . .

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442

III. Zur Notwendigkeit einer Reorganisation in der Insolvenz . . . 1. Liquidation statt Reorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Liquidation als natürlicher Weg zum Fortführungswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Abschaffung der Reorganisationsoption zugunsten von Auktionsmodellen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

443 444

(1) Die grundsätzliche Kritik von Douglas G. Baird und Thomas H. Jackson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die obligatorische Auktion nach Douglas G. Baird. . . (3) Der »restricted auction mechanism« nach Berkovitch, Israel und Zender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Das parallele Auktionsverfahren nach Alexander Dilger

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2. Der debt-equity-swap als Instrument der Insolvenzbewältigung (Optionsmodelle) . . . . . . . . . . . a) Der »slice-of-common-stock sale« nach Mark J. Roe. . . b) Das Bebchuk-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Weiterentwicklungen der Modelle von Roe und Bebchuk (1) Ben Branch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Philippe Aghion, Oliver Hart und John Moore . . . . . . . (3) Hart, La Porta Drago, Lopez-de-Silanes und Moore . . . .

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XX

Inhaltsverzeichnis

(4) »non-cash auctions« nach David Hahn . . . . . . . . . . . (5) Barry A. Adler und Ian Ayres (»dilution mechanism«) . . . (6) »Chameleon-Equity« nach Barry E. Adler . . . . . . . . .

d) Der automatische debt-equity-swap als alleiniger Insolvenzmechanismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Rechtfertigung einer Reorganisationsoption in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zweifel an den Effizienzvorteilen der Alternativmodelle (1) Das Fehlen perfekter Märkte und Marktteilnehmer . . . . (2) Der Kostenvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Auktions- bzw. Veräußerungskosten . . . . . . . . . . (b) Kosten einer Forderungsumwandlung bei Optionsmodellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Die speziellen Defizite des Chapter 11 des U. S. Bankruptcy Code . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die Unentbehrlichkeit gerichtlicher Entscheidungen . . . .

b) Die Unfähigkeit der Optionsmodelle zur Bewältigung jeder Unternehmensinsolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Der beschränkte Wirkungsbereich der Modelle . . . . . . (2) Die kaum mögliche Erweiterbarkeit dieses Wirkungsbereiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Der freiwillige Forderungstausch als Krisenbewältigungsinstrument . . . . . . . . . . . . . . . . . .

c) Die Defizite der Auktionsmodelle . . . . . . . . . . . . . (1) Die verbreitete Nutzung von Veräußerungen in der Insolvenzpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Unzulänglichkeit von Auktionsverfahren in Einzelfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

d) Fazit – Der Sinn von Handlungsoptionen in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Notwendigkeit einer Reorganisation in der Insolvenz (2) Die Nützlichkeit einer Reorganisation in der Insolvenz . .

IV. Die Ausübung der Reorganisationsoption – Alternativen zum Planverfahren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Modelle mit Einzelentscheidungsbefugnis. . . . . . . . a) »Selective Stay Model« nach Baird und Picker. . . . b) »waiver contracts« nach Schwarcz . . . . . . . . . . c) »SIR«-Verfahren nach Jungmann . . . . . . . . . . . d) Der »better positioned agent« nach Rotem. . . . . . 2. Das administrative Insolvenzverfahren . . . . . . . . . a) Die Entscheidung durch eine Sanierungsbehörde . . b) Die Entscheidung durch das Insolvenzgericht. . . . 3. Der Schuldner als Entscheidungsträger . . . . . . . . .

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XXI

Inhaltsverzeichnis

4. Die richtige Entscheidung durch den richtigen Entscheidungsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Charakter der zu treffenden Entscheidung . . . . . (1) Keine Vermutung zugunsten einer Verwertungsoption. . (2) Prognoseentscheidung unter Ungewissheit . . . . . . . . b) Zur Richtigkeitsgewähr bei prognosebasierten Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Expertenwissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Condorcet’s Jury Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die Weisheit der Vielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Der Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Die Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Die Richtigkeitsgewähr von Verträgen . . . . . . . . . . c) Der optimale Entscheidungsmechanismus in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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(1) Die Nutzung der Richtigkeitsgewähr des Konsensprinzips (2) Die Beseitigung der Schwächen des Konsensprinzips durch einen »abgesicherten Vertragsschluss« . . . . . . . . . . . (a) Keine diktatorische Lösung des Kooperationsproblems (b) Die Nutzbarmachung von Gruppeneffekten auf Kooperationsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Der Kontrahierungszwang als Disziplinierungsmittel (3) Der Anwendungsbereich der Vertragslösung . . . . . . . . (4) Der Effizienzvorteil einer eingeschränkten Vertragslösung (a) Kein Reorganisationskonzept – keine Verhandlungen (b) Die Inhaltsoffenheit der eingeschränkten Vertragslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Das »ACCORD scheme« nach Hausch/Ramachandran . . . . . . . . . . . . . . . .

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5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Der richtige Zeitpunkt für die Entscheidung über eine Reorganisationsoption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Der Zeitpunkt der Forderungsentstehung . . . . . . . 1. »contract theory approach« . . . . . . . . . . . . . . 2. »menu approach« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Schwächen des »contract theory approach«. b) Die Nachteile des »menu approach« . . . . . . .

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II. Der Zeitpunkt der Krise des Unternehmens . . . . . . . . 1. Die Informationsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zustimmungspflichten im Vorfeld der Insolvenz . . . . a) Zustimmungspflichten auf vertraglicher Grundlage b) Zustimmungspflichten auf gesetzlicher Grundlage .

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XXII

Inhaltsverzeichnis

(1) Die Treuepflicht eines Gesellschafters . . . . . . . . . . . (2) Die Umsetzungspflicht in der Rechts- oder Bruchteilsgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die Interessengemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . .

c) Das Problem der Durchsetzung von Zustimmungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Der vorläufige Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Durchsetzung von Kooperationspfl ichten in der Krise nach Horst Eidenmüller . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die Durchsetzung durch Schiedsgerichte . . . . . . . . . .

540 542 542 543 544

d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die »suspension clause solution« nach Claire Finkelstein . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Der Zeitraum des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . .

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IV. Die wenig überzeugende Schlussfolgerung des deutschen Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. Die Vorverlagerung der Entscheidungsfi ndung mittels einer bloßen Bestätigungsinsolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Die Grundidee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

559

II. Definition der zu verwendenden Begriffe. . . . . . . . . . . . 1. Die vorbereitete Insolvenz oder prepackaged bankruptcy als Gattungsbegriff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der noch unverhandelte Insolvenzplan als erste Untergruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der vorverhandelte Insolvenzplan als zweite Untergruppe 4. Der bereits beschlossene Insolvenzplan als dritte Untergruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Das Regelungsmodell im U. S. Bankruptcy Code . . . . . . . . 1. Die gesetzliche Regelung in 11 U. S. C. § 1126 (b) . . . . . . . 2. Das Verfahren einer pre-voted bankruptcy . . . . . . . . . . 3. Die Effekte und Grenzen dieser Verfahrensgestaltung . . . . a) Die Überwindung von Blockadehaltungen . . . . . . . . b) Die Planbarkeit des Verfahrensergebnisses . . . . . . . . c) Reduzierung der Dauer und der Kosten des gerichtlichen Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Reduzierung der indirekten Insolvenzkosten . . . . . . . e) Unterstützung der außergerichtlichen Einigungsbemühungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Strukturierung der außergerichtlichen Verhandlungen. . g) Verbesserung der Verfahrensergebnisse . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

IV. Die Implementierung im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . 1. Die Bindung der Gläubiger an den außergerichtlich angenommenen Insolvenzplan . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Ausgangslage im geltenden Insolvenzrecht . . . . . . (1) Die Zulässigkeit der prepackaged bankruptcy im Insolvenzplanverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Das Planverfahren als Mechanismus zur Durchsetzung nur mehrheitlich getragener Insolvenzpläne . . . . . . . . (3) Die Möglichkeit der Eigenverwaltung . . . . . . . . . . .

b) Die Funktionsweise der amerikanischen pre-voted bankruptcy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die außergerichtliche Stimmabgabe als antizipierte Zustimmung/Ablehnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Der notwendige Umfang gesetzgeberischen Tätigwerdens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Bindung der Gesellschafter an einen außergerichtlichen Insolvenzplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Ausgangslage im geltenden Insolvenzrecht . . . . . . b) Die Legitimation und Funktionsweise der pre-voted bankruptcy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Abstimmung der Gesellschafter als Willensbildungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ausgangspunkt: Die Autonomie der Willensbildung in der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Der Schutz der Gesellschafterrechte aus Art. 14 GG . . (b) Der Schutz der Gesellschafterrechte aus Art. 9 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Art. 25 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie . . . . . . . . . . . (2) Die Einbindung der Willensbildung der Gesellschafter über den Insolvenzplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Die Abstimmung der Gesellschafter über den Insolvenzplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Kein generelles Obstruktionsverbot . . . . . . . . . . (c) Ein Obstruktionsverbot bezüglich der Gewinnverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

d) Der notwendige Umfang gesetzgeberischen Tätigwerdens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die notwendige Beschränkung der Rechtsmittel . . . . . . 1. Der Grundsatz der sofortigen Vollziehbarkeit eines Chapter 11-Plans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die fehlende aufschiebende Wirkung einer sofortigen Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Notwendigkeit einer entsprechende Neuregelung in den §§ 253, 254 Abs. 1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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XXIV

Inhaltsverzeichnis

VI. Die Einordnung der Bestätigungsinsolvenz in die aktuelle Reformdiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Vergleich mit dem Company Voluntary Arrangement des englischen Insolvency Act 1986 . . . . . . . . . . . . . 2. Zur Notwendigkeit eines besonderen vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zu einem Sanierungsvergleichsgesetz nach Hölzle und einem neuen § 270b InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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VII. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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D. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

633

Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

667

Abkürzungsverzeichnis A.2d Abs. AG AktG Alt. Am. Bankr. L. J. Am. Bankr. Inst. L. Rev. Amer Polit Sci Rev Am Jur 2d Andrews Bankr. Litig. Rep. Anm. Ann. Surv. Am. L. AO Art.

Atlantic Reporter Absatz Amtsgericht; teilweise auch »Die Aktiengesellschaft« Aktiengesetz Alternative American Bankruptcy Law Journal American Bankruptcy Institute Law Review American Political Science Review American Jurisprudence, Second Edition Andrews Bankruptcy Litigation Reporter Anmerkung Annual Survey of American Law Abgabenordnung Artikel

BAG Bankr Bankr. Dev. J. BayObLG BB BetrVG BFH BGB BGBl. BGH BGHZ B. R. BRAO BStBl. BT-Drucks. BVerfG BVerfGE BVerwG bzgl.

Bundesarbeitsgericht Bankruptcy Court Bankruptcy Developments Journal Bayerisches Oberstes Landgericht Betriebs-Berater Betriebsverfassungsgesetz Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bankruptcy Reporter Bundesrechtsanwaltsordnung Bundessteuerblatt Drucksache des Deutschen Bundestages Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht bezüglich

Cap. U. L. Rev. Cir. C. J. S. Colum. L. Rev.

Capital University Law Review Circuit (Court of Appeal for the . . . Circuit) Corpus Juris Secundum Columbia Law Review

XXVI

Abkürzungsverzeichnis

Cornell L. Rev.

Cornell Law Review

ders. dies. D. DB Diss. DJ DR DRZ DStR DVBl. DZWIR

derselbe dieselben District Der Betrieb Dissertation Deutsche Justiz, Rechtspflege und Rechtspolitik Deutsches Recht Deutsche Rechtszeitschrift Deutsches Steuerrecht Deutsches Verwaltungsblatt Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht

E. D. EGGVG EGZPO Eur. Econ. Rev. Eur J Polit Econ

Eastern District Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung European Economic Review European Journal of Political Economy

f./ff. F.2d F.3d FamFG

folgende Federal Reporter, Second Edition Federal Reporter, Third Edition Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Federal Reporter (First Edition) Federal Appendix Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Financial Management Fußnote Festschrift Federal Supplement

Fed. Fed. Appx. FGG Fin. Mgmt. Fn. FS F. Supp. GenG Ga. L. Rev. Geo. L. J. GesO GG ggf. GKG GmbHG GmbHR Gruchot

Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften Georgia Law Review Georgetown Law Journal Gesamtvollstreckungsordnung Grundgesetz gegebenenfalls Gerichtskostengesetz Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau Gruchots Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts

Abkürzungsverzeichnis

Grünhut

XXVII

GVG GWB GWR

Grünhuts Zeitschrift für das private und öffentliche Recht der Gegenwart Gerichtsverfassungsgesetz Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht

Harv. L. Rev. HGB Hrsg.

Harvard Law Review Handelsgesetzbuch Herausgeber

Ill. L. Rev. InsO Int’l Rev. Fin. Analysis Int’l Rev. Econ & Fin. Int’l Rev. L. & Econ InVo Iowa L. Rev. i. V. m.

University of Illinois Law Review Insolvenzordnung International Review of Financial Analysis International Review of Economics and Finance International Review of Law and Economics Insolvenz & Vollstreckung Iowa Law Review in Verbindung mit

JbfNPolÖk J. App. Corp. Fin. J. Corp. Fin. J. Empirical L. Stud. J. Fin. Econ. J. Fin. Intermediation JherJb

Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie Journal of Applied Corporate Finance Journal of Corporate Finance Journal of Empirical Legal Studies Journal of Financial Economics Journal of Financial Intermediation Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des Bürgerlichen Rechts Journal of Law & Economics Journal of Law, Economics & Organization Journal of Legal Studies Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung

J. L. & Econ. J. L. Econ. & Org. J. Legal Studies JuS JW JZ KAVO KO KritVjSchr KTS KuT LEXIS LG LM LZ

Verordnung über das Kriegsausgleichsverfahren Konkursordnung Kritische Vierteljahreszeitschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen Konkurs- und Treuhandwesen Lexis Database Landgericht Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs Leipziger Zeitschrift für Handels-, Konkurs- und Versicherungsrecht

XXVIII

Abkürzungsverzeichnis

Mich. L. Rev. MünchHdb ArbR m. w. N.

Michigan Law Review Münchener Handbuch des Arbeitsrechts mit weiteren Nachweisen

N. D. Nev. L. J. NJW NJW-RR

Northern District Nevada Law Journal Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungsreport Notre Dame Law Review Nummer New York University Law Review Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung

Notre Dame L. Rev. Nr. N. Y. U. L. Rev. NZG NZI

OGHZ Ohio St. L. J. OLG

Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes für die britische Zone in Zivilsachen Ohio State Law Journal Oberlandesgericht

Pa. J. Bus. & Emp. L.

University of Pennsylvania Journal for Business & Employment Law

Recht RG RGBl. RGZ RIW Rn. RPflG

Das Recht Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der Internationalen Wirtschaft Randnummer Rechtspflegergesetz

S. S. C. L. Rev. S. D. SGB III Soc Choice Welfare Sp. Stan. J. L. Bus. & Fin. Stan. L. Rev.

Seite South Carolina Law Review Southern District Drittes Buch des Sozialgesetzbuchs Social Choice and Welfare Spalte Stanford Journal of Law, Business & Finance Stanford Law Review

Tex. L. Rev.

Texas Law Review

u. a. U. Chi. L. Rev. U. Ill. L. Rev. U. Pitt. L. Rev.

und andere University of Chicago Law Review University of Illinios Law Review University of Pittsburgh Law Review

Abkürzungsverzeichnis

U. S. U. S. App. LEXIS U. S. C. U. S. Dist. LEXIS

Va. L. Rev. vgl. VglO VHV Va. L. Rev. Vand. L. Rev. VVG WarnRspr

XXIX

United States (auch: offizielle Fallsammlung des US Supreme Courts) Entscheidung eines U. S. Court of Appeal, veröffentlicht in der LEXIS Datenbank United States Code Entscheidung eines U. S. District Court, veröffentlicht in der LEXIS Datenbank Virginia Law Review vergleiche Vergleichsordnung Verordnung über die Vertragshilfe des Richters aus Anlass des Krieges Virginia Law Review Vanderbilt Law Review Gesetz über den Versicherungsvertrag

Wash. & Lee L. Rev. Wash. U. L. Q. WiB Wis. L. Rev. WM WpHG WpÜG

Warneyer, Rechtsprechung des Reichsgerichts in Zivilsachen Washington & Lee Law Review Washington University Law Quarterly Wirtschaftsrechtliche Beratung Wisconsin Law Review Wertpapiermitteilungen Gesetz über den Wertpapierhandel Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz

Yale L. J.

Yale Law Journal

ZBB ZfA ZfB ZGR ZHR

Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Betriebswirtschaft Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Zivilprozess

ZInsO ZIP ZPO ZRP ZVG ZVglRWiss ZZP

Einleitung »Bankruptcy Law cannot work miracles, and more harm than good comes from seeking that which cannot be had.« Douglas G. Baird, 20011 »Bankruptcy is a backup.« Frank H. Easterbrook, 1990 2

A. Das neue Insolvenzrecht im elften Jahr seines Bestehens Krisenzeiten sind Blütezeiten des Insolvenzrechts. In den Jahren einer Rezession wird die Insolvenz zu einem Massenphänomen und die Blicke richten sich auf jenes Rechtsgebiet, bestimmt doch das Insolvenzrecht, was nun mit den insolventen Unternehmen und allen an ihnen Beteiligten geschehen soll. Schicksale, die in Zeiten wirtschaftlicher Prosperität nur einige Wenige betreffen, werden gesellschaftlich und damit auch politisch relevant. Es geht um die Konjunktur, die Volkswirtschaft, um Arbeitsplätze und den Wohlstand ganzer Gesellschaftsschichten. Es kann insofern wenig überraschen, dass gerade Rezessionsperioden der Entwicklung des Insolvenzrechts wichtige Impulse geben. So entstanden etwa – wie wir noch sehen werden – wesentliche Neuerungen im U. S.-amerikanischen Insolvenz- und Sanierungsrecht in den Krisenzeiten des 19. Jahrhunderts und auch die Initialzündung zur großen deutschen Insolvenzreform am Ende des 20. Jahrhunderts erfolgte im Angesicht der Rezession der 1970iger Jahre und eines den daraus entstehenden Anforderungen nicht mehr gewachsenen Insolvenzrechts. Es ist somit nur folgerichtig, wenn auch in der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise genau untersucht wird, wie sich die neuen Regelungen der deutschen Insolvenzordnung in ihrer ersten echten Feuertaufe bewähren. Eine erste Einschätzung gerade der mit der großen Insolvenzreform eingeführten Neuerungen fällt dabei eher ernüchternd aus. Das erste Kernziel der Reform – die Schaffung einer wirkungsvollen Verbraucherinsolvenz mit Restschuldbefreiung – wurde nach der Beseitigung der Kostenhürde zwar erreicht; die Zahl der Verbraucherinsolvenzverfahren stieg nach 2001 explosionsartig 1 2

The Elements of Bankruptcy, S. 222. 27 J. Fin. Econ. 411, 416 (1990).

2

Einleitung

und überschwemmte die Schuldnerberatungsstellen wie auch die Insolvenzgerichte. Die dabei erzielten Quoten sind jedoch vernachlässigbar gering. Im Regelfall streben mittellose Personen das Verfahren an, um nach Ablauf der Wohlverhaltensphase eine Restschuldbefreiung zu erlangen, ohne dabei in der Lage zu sein, in wesentlichem Umfang Tilgungsleistungen zu erbringen. Die zwingende Vorschaltung eines kosten- und arbeitsintensiven Insolvenzverfahrens vor das Verfahren über die Restschuldbefreiung steht insofern nicht zu Unrecht in der Kritik und führte zum Entwurf eines Gesetzes über die Entschuldung mittelloser Personen, der in diesem Bereich wichtige Veränderungen vorsieht, bislang aber im Gesetzgebungsverfahren keine Mehrheiten finden konnte. Es dauerte also keine zehn Jahre bis zum Entwurf einer Reform der Reform. Das zweite Herzstück der großen Insolvenzreform war das Insolvenzplanverfahren. Dieses sollte als effektive Alternative zum Regelinsolvenzverfahren, insbesondere im Zusammenspiel mit den weiteren Neuerungen des Eröffnungsgrundes der drohenden Zahlungsunfähigkeit und der Möglichkeit einer Eigenverwaltung des Schuldners, auch als Sanierungsverfahren genutzt werden. Anders als beim Verbraucherinsolvenzverfahren blieb hier der Erfolg bislang weitgehend aus. Die Zahl der über einen Insolvenzplan abgewickelten Insolvenzen ist – wie wir noch sehen werden – weiterhin vernachlässigbar gering. So verwundert es kaum, dass es bereits wieder eine Reihe von Vorschlägen zur Reform der Reform gibt, die von der Schaffung eines Sanierungsverfahrens vor der Insolvenz3 bis zur Optimierung des geltenden Planverfahrens4 reichen. Dass diese Entwicklung durchaus berechtigt ist, hat vor allem die politische Debatte darüber offenbart, ob man für eine Rettung von Opel oder Arcandor überhaupt die Option einer Sanierung in der Insolvenz bzw. eine »Planinsolvenz« ins Spiel bringen darf. Weite Teile der politischen Klasse vertrauen offensichtlich selbst nicht dem von ihnen einstmals geschaffenen Sanierungsinstrument des Insolvenzplans.5 Hieran konnte auch das – allenfalls im Ergebnis erfolgreiche – Insolvenzplanverfahren der Karstadt Warenhaus GmbH im Jahr 2010 nichts ändern.

3

Dazu im Detail im Fünften Kapitel unter C. VI. 2. Hierzu findet sich inzwischen sogar ein Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz für ein »Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen«, der allerdings bislang nicht offiziell veröffentlicht wurde. Ein Abdruck findet sich etwa als Beilage 1 zu Heft 28 der ZIP 2010 oder in ZInsO 2010, 1440 ff. In diesem ist insbesondere vorgesehen, die Gesellschafter in das Planverfahren zu integrieren, die Rechtsbehelfe zu beschränken und die Eigenverwaltung zu stärken. Inwieweit sich diese Vorstellungen durchsetzen werden, bleibt abzuwarten. 5 Sehr zutreffend Smid, DZWIR 2009, 397, 399: »Der Fall Opel [ist] die Bankrotterklärung einer Politik, die an ihre eigenen Verlautbarungen ebenso wenig glaubt wie sie Vertrauen in die Gesetze hegt, die sie produziert.« 4

B. Das Ziel der Untersuchung

3

B. Das Ziel der Untersuchung Der erste Schritt in Richtung eines neuen, noch effektiveren Planverfahrens in der Insolvenz besteht in der Erkenntnis, dass es nicht die sanierungsfeindliche Mentalität der Beteiligten ist, die einer weiterreichende Akzeptanz des Planverfahrens im Wege steht. Die Gründe für die Ablehnung des Planverfahrens in der Praxis sind nicht nur psychologischer Natur. Sie basieren auf realen Umständen, die erkannt und nach Möglichkeit beseitigt werden müssen. Zu diesen Umständen mag man die erhebliche Mehrarbeit zählen, die ein Planverfahren dem Insolvenzgericht wie auch dem Insolvenzverwalter bereiten kann. 6 Auch ist sicher bei weitem nicht jedes insolvente Unternehmen dazu geeignet, über einen aufwendigen Insolvenzplan saniert, übertragen oder besonders liquidiert zu werden. Die entscheidende Unzulänglichkeit des Insolvenzplanverfahrens im deutschen Insolvenzrecht liegt allerdings nicht in diesen Begleitumständen, sondern in der Unvorhersehbarkeit des Verfahrensausgangs für alle Beteiligten. Die Entscheidung über die Insolvenzabwicklung im Wege einer Liquidation – sei es als Zerschlagung oder Veräußerung des Unternehmens im Ganzen – oder im Wege eines Insolvenzplans fällt erst im eröffneten Insolvenzverfahren durch eine Abstimmung der vom Plan betroffenen Gläubiger (§ 243 InsO). Das Management eines Unternehmens, das nach amerikanischen Vorbild rechtzeitig über den Insolvenzgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit ein Planverfahren als Sanierungsverfahren einleiten will, hat heute weder die Garantie, über die Eigenverwaltung weiter das Schicksal des Unternehmens und der mit ihm verbundenen Arbeitsplätze in der Hand zu behalten, noch eine hinreichend sichere Aussicht, dass das Sanierungskonzept im Planverfahren erfolgreich sein wird. Nicht einmal die Fortführung des Geschäftsbetrieb bis zur Planbestätigung wird garantiert, kann doch die Gläubigerversammlung über den Insolvenzverwalter jederzeit die Verwertung des Unternehmens einleiten (§ 233 Satz 2 InsO). Dem deutschen Insolvenzrecht fehlt immer noch ein für die Betroffenen planbares Sanierungsverfahren, das die Bezeichnung einer »Planinsolvenz« verdient. Es ist insofern wenig verwunderlich, dass der Eröffnungsgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit in der Praxis keine Rolle spielt, Insolvenzverfahren bis zur hoffnungslosen Illiquidität des Unternehmens vermieden und Sanierungsversuche primär außergerichtlich unternommen werden. Das Ziel dieser Untersuchung besteht darin, dieses Defizit zu beseitigen. Hierzu wird am Ende eine Verfahrensvariante des Insolvenzplanverfahrens entwickelt werden, die hier als »Bestätigungsinsolvenz« bezeichnet wird. Danach wird es dem Schuldner nicht nur erlaubt sein, schon außergerichtlich einen Insolvenzplan aufzustellen und diesen mit den Gläubigern zu verhandeln. Ihm 6

So etwa Hingerl, ZInsO 2009, 759, 760.

4

Einleitung

steht es nun auch frei, die Gläubiger bereits außergerichtlich und verbindlich über den Plan abstimmen zu lassen. Kann also ein außergerichtliches Sanierungskonzept, dass als Insolvenzplan formuliert wurde, im Ergebnis der Verhandlungen mit den Gläubigern deren einstimmige Unterstützung nicht erreichen, so mag eine (stets vorzugswürdige) außergerichtliche Sanierung scheitern. Werden dabei aber immerhin die für eine gerichtliche Bestätigung nach § 248 InsO notwendigen Mehrheiten erreicht, so kann der Schuldner das Sanierungskonzept gerichtlich durchsetzen. Das Insolvenzgericht wird also zu dem Ort, an dem Sanierungsverhandlungen erfolgreich zum Abschluss gebracht werden, wenn sich die Beteiligten freiwillig nicht einigen. Das Insolvenzverfahren wird zu einem »backup«. Hierzu muss der Schuldner beim Insolvenzgericht nur noch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen und dabei neben dem Insolvenzplan auch die Zustimmungserklärungen der Gläubiger vorlegen. Das Insolvenzverfahren über den bereits angenommenen Insolvenzplan reduziert sich in der Folge auf die Bestätigungsentscheidung des Insolvenzgerichts. Es wird beschleunigt und in seinem Ausgang weitgehend vorhersehbar. Zugleich können die Eingriffe des Insolvenzverfahrens in die Rechtsstellung des Schuldners bei einem solchen Verfahren auf ein Minimum reduziert werden, wozu insbesondere das Rechtsinstitut der Eigenverwaltung aktiviert werden soll. Schließlich erscheint es möglich, auch die Gesellschafter des Schuldners in die Entscheidungsfindung einzubeziehen und auf diese Weise ein Sanierungskonzept über einen nicht nur vorbereiteten, sondern bereits angenommenen Insolvenzplan umfassend durchzusetzen. Die immer stärker vernehmbaren Rufe der Insolvenzpraxis nach einem schnellen Genehmigungsverfahren für Insolvenzpläne sowie dessen Regelungsbefugnis für gesellschaftsvertragliche Fragen 7 sollen mit dieser »Bestätigungsinsolvenz« erhört werden.

C. Der Gang der Untersuchung Jeder Reform des Insolvenzplanverfahrens muss das Verständnis seiner dogmatischen Struktur vorangehen. Es ist kaum vorstellbar, ein Rechtsinstitut zu gestalten bzw. umzugestalten, dessen rechtliche Grundstruktur im Dunkeln bleibt. Der erste und ganz grundlegende Gegenstand dieser Arbeit ist daher die Erfassung der Rechtsnatur des im Planverfahren entstehenden Insolvenzplans. Hierzu wird der Insolvenzplan zunächst in seiner betriebswirtschaftlichen Funktion und seinem rechtsgeschichtlichen Ursprung beleuchtet (Kapitel 1). Kern der Arbeit ist die Erkenntnis, dass der Insolvenzplan weder als Rechtsnorm (Kapitel 2) noch als Urteil oder Prozessvertrag (Kapitel 4), sondern 7 Zuletzt etwa in der Befragung von 107 Insolvenzverwaltern: Bitter/Röder, ZInsO 2009, 1283, 1290.

C. Der Gang der Untersuchung

5

schlicht als Vertrag bürgerlichen Rechts zu qualifizieren ist (Kapitel 3). Hiervon ausgehend wird dann aufgezeigt, dass die Ausgestaltung des Reorganisationsrechts als Verhandlungslösung grundsätzlich effektiv ist, sich in Deutschland aber noch verbessern lässt, indem man es den Beteiligten erlaubt, einen Insolvenzplan gänzlich außerhalb des gerichtlichen Verfahrens zu verhandeln und zur Abstimmung zu bringen, um ihn dann als »pre-voted plan« dem Insolvenzgericht nur noch zur Bestätigung vorzulegen (Kapitel 5).

Kapitel 1

Funktion und Rechtsnatur des Insolvenzplans aus betriebswirtschaftlicher und rechtshistorischer Sicht A. Der Insolvenzplan aus betriebswirtschaftlicher Perspektive Der Insolvenzplan ist ein Instrument des Unternehmensmanagements in der Krise der Unternehmung. Sein Anwendungsbereich ist auf Unternehmensinsolvenzen beschränkt; Verbraucherinsolvenzen und Kleinverfahren steht das Mittel des Insolvenzplanes nicht zur Verfügung (§ 312 Abs. 3 InsO). Eine einvernehmliche Bewältigung der Insolvenzsituation geschieht dort durch einen Schuldenbereinigungsplan (§§ 305 ff. InsO).

I. Die Basisziele und der (betriebswirtschaftliche) Krisenbegriff Um die Funktion des Insolvenzplanes zu verstehen, muss man seine betriebswirtschaftliche Bedeutung beleuchten. Hierzu ist ein Blick auf die Grundzüge des Unternehmensmanagements, insbesondere des Krisenmanagements notwendig. Ein Unternehmen wird nicht seiner selbst willen, sondern zur Erreichung gewisser Unternehmensziele errichtet und betrieben. Unternehmen treten dazu im Wirtschaftsverkehr in verschiedensten Rechtsformen, Größen und Marktbereichen auf. Die Variationen reichen von dem kleinen Einzelkaufmann in seinem Kiosk an der Ecke bis zum international tätigen Automobil-Konzern. Trotz dieser Vielfalt lässt sich die wirtschaftliche Tätigkeit aller Unternehmen auf die Erreichung von drei Basiszielen vereinfachen, ohne deren Erreichung jeder Art einer Unternehmung in seiner Existenz bedroht ist. Diese Basisziele unserer Wirtschaftsordnung sind – die Aufrechterhaltung einer jederzeitigen Zahlungsfähigkeit (Liquiditätsprinzip), – die Erreichung eines Mindestgewinns, jedenfalls aber der Kostendeckung sowie – die Schaffung und Aufrechterhaltung ausreichender Erfolgspotenziale.1

1

Vgl. Birker, in: Birker/Pepels, Krisenbewusstes Management, S. 13.

8

Kapitel 1: Betriebswirtschaftliche und rechtshistorische Sicht

Die Erreichung dieser grundlegenden Ziele erfolgt in jedem Unternehmen auf individuelle Art und Weise. Die Konkretisierung dieser allgemeinen Basisziele für das jeweiligen Unternehmen, also die Festlegung der jeweiligen Unternehmensziele, wie auch die Bestimmung des richtigen Weges zu deren Erreichung, also die Festlegung der Unternehmensstrategie, liegt in der Macht und der Verantwortung der Unternehmensführung sowie in der Hand seiner Eigentümer, welche die dazu notwendigen Betriebsmittel zur Verfügung stellen. Die Führung eines Unternehmens liegt damit im Normalzustand allein in der Hand seines Managements, welches bei Körperschaften durch die Eigentümer eingesetzt und kontrolliert wird bzw. bei Personengesellschaften mit den Eigentümern weitgehend personenidentisch ist. Diese Personen entscheiden völlig eigenständig und unabhängig über die Ausrichtung, die Tätigkeit und die Ziele ihres Unternehmens. Dabei können bereits Unternehmensentscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen getroffen werden, die sich später als Auslöser oder Verstärker einer Unternehmenskrise herausstellen. Eine Unternehmenskrise selbst ist zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht gegeben; sie ist allenfalls potentiell möglich. Die Unternehmenskrise ist ein betriebswirtschaftlicher Begriff, für den eine eindeutige Definition noch immer fehlt. Im Grundsatz wird eine Unternehmenskrise stets angenommen, wenn unternehmensinterne oder -externe Umstände zu ungeplanten und ungewollten Prozessen führen, die von begrenzter Dauer und Beeinflussbarkeit sind und das Erreichen der überlebensrelevanten (dominanten) Unternehmensziele (Basisziele) gefährden, wodurch zugleich die Existenz des Unternehmens in Frage steht.2 Wesensmerkmal einer Krise im betriebswirtschaftlichen Sinn ist also die Existenzbedrohung des Unternehmens3 infolge des Nichterreichens der ersten beiden Basisziele. Sie liegt danach vor, wenn ein Unternehmen in einen erheblichen Liquiditätsengpass gerät (Zahlungsunfähigkeit droht) und/oder wesentliche Verluste erwirtschaftet (die Aufzehrung des Eigenkapitals und damit die Überschuldung droht). Der betriebswirtschaftliche Krisenbegriff setzt damit zeitlich früher an als der juristische Begriff der Insolvenz eines Unternehmens. Eine solche liegt erst bei Eintritt einer Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens vor (§§ 17, 19 InsO). Bei lediglich drohender Zahlungsunfähigkeit kann das Unternehmen freiwillig den Schutz des Insolvenzverfahrens suchen (§ 18 InsO), weshalb zu 2 Vgl. Birker, in: Birker/Pepels, Krisenbewusstes Management, S. 13; Hommel/Knecht/ Wohlenberg, in: Hommel/Knecht/Wohlenberg, Handbuch Unternehmensrestrukturierung, S. 32 f.; Ähnlich Maus, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1.2. 3 Böckenförde, Unternehmenssanierung, S. 16; Hahn, Allg. Betriebswirtschaftslehre, S. 601; Hommel/Knecht/Wohlenberg, in: Hommel/Knecht/Wohlenberg, Handbuch Unternehmensrestrukturierung, S. 32; Picot/Aleth, Unternehmenskrise, Rn. 4; Staehle in: Enzyklopädie der Betriebswirtschaftslehre, Band 1, Teilband 2, Stichwort Krisenmanagement, S. 2452.

A. Der Insolvenzplan aus betriebswirtschaftlicher Perspektive

9

diesem vorgelagerten Zeitpunkt noch keine Insolvenz im eigentlichen Sinn, wohl aber eine bereits Unternehmenskrise vorliegt. 4 Der betriebswirtschaftliche Krisenbegriff entspricht hingegen weitgehend dem juristischen Begriff der »Krise einer Gesellschaft« im ehemaligen § 32a Abs. 1 GmbHG 5 , der eine solche Krise annahm, sobald ein ordentlicher Kaufmann der Gesellschaft Eigenkapital zuführen würde. Dies wiederum sollte der Fall sein, sobald die Gesellschaft kreditunwürdig wird, also kein Fremdkapital mehr bekommen kann. 6 Eine solche Krise beginnt nicht erst mit der Insolvenz, also der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft; die Kreditwürdigkeit wird dem Unternehmen bereits fehlen, wenn es seine Basisziele nicht mehr erreicht und somit der Überschuss fehlt, aus welchem der Kredit zurückgezahlt werden sollte. Die dafür verantwortlichen Umstände sind vielfältig und Gegenstand eines eigenen Forschungsgebietes: der Krisenursachenforschung.7 Qualitativ können zwei große Krisenherde unterschieden werden. Die Krisenursachen können zum einen aus dem Unternehmen selbst stammen (sog. unternehmensinterne oder endogene Ursachen). Hier sind vor allem Managementfehler von Bedeutung. Diese können als Betrugshandlungen sehr drastische Formen annehmen, etwa bei Enron, Worldcom oder Parmalat. Insbesondere bei kleinen Unternehmen und Existenzgründungen beruhen sie dagegen eher auf einer generell unzureichenden betriebswirtschaftlichen Qualifikation der Unternehmensleitung und der damit einhergehenden unterentwickelten Ausbildung von Rechnungswesen und Controlling. Schließlich sind eine Vielzahl von Planungs- und Kalkulationsfehlern denkbar, etwa bei der Bedarfsschätzung und Marktanalyse, aber auch beim Personalbestand, den Lager- oder Beschaffungskosten oder bei Umstrukturierungen und Neuausrichtungen (man denke nur an die Übernahmeversuche von Porsche bei VW oder der Schaeffl er-Gruppe bei Continental) bis hin zur Vernachlässigung von Innovationen. Neben dem Managementbereich kann die Krise aber auch ihre interne Ursache in der fehlerhaften finanziellen Grundausstattung des Unternehmens und damit im Verantwortungsbe4 So auch Hommel/Knecht/Wohlenberg, in: Hommel/Knecht/Wohlenberg, Handbuch Unternehmensrestrukturierung, S. 33; Picot/Aleth, Unternehmenskrise, Rn. 5, 7. 5 Die Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. 10. 2008 (BGBl. I, 2026) mit Wirkung zum 1. November 2008 aufgehoben. 6 Hierzu BGHZ 105, 168, 175 ff. und 181; Heidinger, in: Michalski, GmbHG, § 32a Rn. 43 ff.; Maus, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1.6; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 32a Rn. 32 ff. 7 Eine systematische Auflistung der branchentypischen Insolvenzgründe findet sich z. B. bei Birker, in: Birker/Pepels, Krisenbewusstes Management, S. 34; vgl. auch Böckenförde, Unternehmenssanierung, S. 31 ff.; Groß, Sanierung durch Fortführungsgesellschaften, S. 27 ff.; Hahn, Allg. Betriebswirtschaftslehre, S. 610 f.; Rinklin, Die vergleichsfähige und die konkursreife Unternehmung, S. 43, 46 ff.; Rödl, in: Hommel/Knecht/Wohlenberg, Handbuch Unternehmensrestrukturierung, S. 1226 ff. oder Rohde, Auslese durch Insolvenzen, S. 62 ff.

10

Kapitel 1: Betriebswirtschaftliche und rechtshistorische Sicht

reich der Eigentümer haben. Hier ist vor allem eine unzureichende Eigenkapitalausstattung (z. B. durch fehlende Anpassung der Eigenkapitalausstattung in Investitions- und Expansionsphasen oder durch Aufzehrung der Eigenkapitaldecke in Verlustjahren, aber auch infolge sog. leveraged buy-outs8 ) anzusprechen.9 Beruht die Unternehmenskrise hingegen auf äußeren Umständen (sog. unternehmensexterne oder exogene Ursachen), so kommen vor allem die allgemeine konjunkturelle Entwicklung (Rezession), die allgemeine Verfügbarkeit von Fremdkapital am Markt sowie strukturelle Veränderungen der Wettbewerbssituation im Markt (z. B. durch verändertes Kundenverhalten, politische/ rechtliche Umgestaltungen, Preisverfall bei Produkten oder wissenschaftliche Innovationen der Konkurrenten) als Ursachen in Betracht.10 Die Unternehmenskrise resultiert hier aus einer ungenügenden Anpassungsfähigkeit des Unternehmens an die veränderten Umweltbedingungen.11 Häufig tritt eine Unternehmenskrise jedoch nicht allein aufgrund einer singulären internen oder externen Ursache ein.12 Sie beruht oft auf dem ungünstigen Zusammenwirken exogener Entwicklungen mit unternehmensinternen Entscheidungen, z. B. auf einer unzureichenden Marktforschung und darauf beruhend der fehlenden Reaktion auf Marktveränderungen oder auf einem schlechte Finanzmanagement und dem Eintritt einer Rezession. Letzteres führte etwa auch zum spektakulären Zusammenbruch der Lehman Brothers Holdings Inc., die im Sommer 2008 trotz enormen Anlagevermögens in eine Liquiditätskrise geriet und in Anbetracht eines einfrierenden Kreditmarktes und unbekannter Risiken aus Derivatgeschäften in der Bilanz nicht mehr in der Lage war, kurzfristig Fremdkapital zu erlangen.13 Eine Unternehmenskrise läuft in der Regel in Phasen ab. Sie beginnt mit dem Eintritt eines Umstandes, der Ursache einer späteren Krise wird, wie etwa der Veränderung der Marktsituation durch den Auftritt eines neuen Konkurrenten. 8 Bei einem leveraged buy-out (LBO) wird ein Unternehmenskauf durch Fremdkapital finanziert und zur Absicherung der Kreditgeber die Aktiva des Unternehmens benutzt, so dass im Ergebnis das erworbene Unternehmen mit einer hohen Schuldenlast und den damit einhergehenden Zins- und Tilgungsleistungen belastet ist. Dementsprechend erhöht sich das Insolvenzrisiko des Unternehmens – vgl. Eidenmüller, ZIP 2007, 1729, 1730; Morshäuser/ Falkner, NZG 2010, 526. 9 Birker, in: Birker/Pepels, Krisenbewusstes Management, S. 32; Böckenförde, Unternehmenssanierung, S. 31; Köchling, ZInsO 2009, 641, 642. 10 Birker, in: Birker/Pepels, Krisenbewusstes Management, S. 32 f.; Rödl, in: Hommel/ Knecht/Wohlenberg, Handbuch Unternehmensrestrukturierung, S. 1228. 11 Böckenförde, Unternehmenssanierung, S. 27. 12 Zu Krisenvermeidungsstrategien – vgl. Staehle in: Enzyklopädie der Betriebswirtschaftslehre, Band 1, Teilband 2, Stichwort Krisenmanagement, S. 2457 ff.; Wellensiek/ Schluck-Amend, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1.73 ff. 13 Eine eindrucksvolle Schilderung der Krisenentwicklung der Lehman Brothers Holdings Inc. findet sich als Titelgeschichte im Spiegel vom 9. März 2009 (Heft 11), S. 40 ff. Zum folgenden Insolvenzverfahren: Madaus, NZI 2008, 715 ff.

A. Der Insolvenzplan aus betriebswirtschaftlicher Perspektive

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In dieser ersten Phase spricht man von einer sog. »latenten Unternehmenskrise«14 . Hier sind die Auswirkungen dieses Umstandes noch kaum in den unmittelbaren Unternehmensdaten zu erkennen, die Absatzzahlen und Marktanteile haben sich noch nicht wesentlich verschlechtert (sogenannte »Weak-Signals«).15 Es bedarf daher eines sensiblen Frühwarnsystems zur rechtzeitigen Aufdeckung solcher Krisenherde. § 91 Abs. 2 AktG verpflichtet den Vorstand einer Aktiengesellschaft sogar ausdrücklich zu entsprechenden Vorkehrungen.16 Dabei stehen verschiedene Frühwarnsysteme zur Verfügung, die beliebig miteinander kombiniert werden können.17 So sollten etwa eine Bilanzanalyse und eine Cash-Flow-Vorhersage für das Unternehmen mit einer genauen Branchen- oder Marktbeobachtung einhergehen.18 Werden dann Frühwarnsignale erkannt und ernst genommen, so sind die Chancen einer erfolgreichen Krisenbewältigung groß. In dieser Phase hat das Unternehmensmanagement den weitesten Handlungsspielraum. Insbesondere verfügt es noch über hinreichend Liquidität und ein unbeschädigtes Vertrauen bei Kunden, Kreditgebern, Arbeitnehmern und sonstigen Geschäftspartnern. Das Unternehmensmanagement kann die notwendigen Maßnahmen daher weitgehend ohne Beteiligung Dritter aus eigener Kraft einleiten und durchführen.19 Werden Frühwarnsignale hingegen nicht erkannt, so schlagen sich die Krisenursachen bald auch in den Unternehmenszahlen spürbar nieder, etwa durch einen Gewinneinbruch oder gar einen Verlust in der Bilanz. Umsatz- und Renta14 Birker, in: Birker/Pepels, Krisenbewusstes Management, S. 29; Hahn, Allg. Betriebswirtschaftslehre, S. 602; Staehle in: Enzyklopädie der Betriebswirtschaftslehre, Band 1, Teilband 2, Stichwort Krisenmanagement, S. 2453. Böckenförde, Unternehmenssanierung, S. 19 und Rödl, in: Hommel/Knecht/Wohlenberg, Handbuch Unternehmensrestrukturierung, S. 1230, sprechen auch von einer »Strategiekrise«. 15 Picot/Aleth, Unternehmenskrise, Rn. 173. Ein Beispiel für die Krisenerkennung anhand einer Analyse von Jahresabschluss-basierten Kennzahlen geben Drukarczyk/Kippes, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 2 Rn. 5 ff. 16 Aus der Pflicht des GmbH-Geschäftsführers in § 49 Abs. 3 GmbHG, bei Verlust des halben Stammkapitals die Gesellschafterversammlung einzuberufen, folgt auch für das Management einer GmbH die Notwendigkeit, Anzeichen einer krisenhaften Entwicklung zu beachten und darzustellen; Veil, ZGR 2006, 374, 377 f.; Westermann, DZWIR 2006, 485, 487; generalisierend Frege, NZI 2006, 545, 546. Die Nutzung von Frühwarnsystemen ist insofern nicht nur für Aktiengesellschaften angezeigt, auxh wenn eine echte Pflicht wie im Aktienrecht hier wohl nicht besteht. 17 Zu Arten von Frühwarnsystemen – vgl. Hahn, Allg. Betriebswirtschaftslehre, S. 604 ff.; Picot/Aleth, Unternehmenskrise, Rn. 159 ff. (operative und strategische Frühwarnsysteme); Zwick/Spencer, in: Hommel/Knecht/Wohlenberg, Handbuch Unternehmensrestrukturierung, S. 198 ff. 18 Daneben lassen sich auch Frühwarnmodelle nutzbar machen, die – wie Credit-Scoring-, Risk-of-Ruin- oder Ausfallmodelle – eigentlich eher für eine externe Unternehmensanalyse gedacht sind und auf mathematischer Grundlage Insolvenzrisiken bestimmen – vgl. Zwick/ Spencer, in: Hommel/Knecht/Wohlenberg, Handbuch Unternehmensrestrukturierung, S. 204 ff. 19 Birker, in: Birker/Pepels, Krisenbewusstes Management, S. 29; Hahn, Allg. Betriebswirtschaftslehre, S. 602.

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Kapitel 1: Betriebswirtschaftliche und rechtshistorische Sicht

bilitätsziele werden nun nicht mehr erreicht. Man spricht nun von einer »Ergebniskrise«20 bzw. einer »Erfolgskrise«21 und damit vom Beginn der »akuten Krise«.22 Die Probleme werden offensichtlich und müssen den richtigen Ursachen zugeordnet werden, um als Reaktion nicht nur die Symptome der Krise zu bekämpfen (etwa durch bloße Kostensenkungen), sondern auch deren Ursachen zu begegnen. Gelingt dies zeitnah nicht, so führen die schlechten Unternehmensergebnisse schnell zu einem Liquiditätsengpass: Eigenkapitalreserven werden aufgebraucht und Fremdkapital steht kaum mehr zur Verfügung. Die Phase der »Liquiditätskrise« wird erreicht. 23 Die wesentliche Herausforderung besteht nun in der Krisenbewältigung, also darin, konstruktiv zu handeln und schnell die richtigen Entscheidungen zu treffen. Die dadurch bezweckte Gesundung des Unternehmens wird »Sanierung« genannt. 24 An dieser Stelle soll nicht unerwähnt bleiben, dass als Krisenreaktion natürlich nicht allein die Sanierung des Unternehmens in Betracht kommt. Die Eigentümer können sich stets freiwillig für einen Marktaustritt, also die Beendigung des Unternehmens, entscheiden, selbst im Fall einer positiven Fortführungsprognose. 25 Diese Entscheidung ist natürlich insbesondere dann sinnvoll, wenn die Basisziele bei einer Fortführung des Unternehmens grundsätzlich nicht mehr erreicht werden können, also keine oder nur unzureichende Erträge aus dem Unternehmen zu erwarten sind und die Unternehmensfortführung daher nur zu einer weiteren Vernichtung des Eigenkapitals führt. 26 Gerade bei kleinen Unternehmen, für die kaum ein Übernahmemarkt vorhanden ist, kann ein vorausschauender Marktaustritt eine Insolvenz und die mit ihr einhergehenden Sonderkosten vermeiden. Die Gläubiger des Unternehmens sind aus dem vorhandenen, im gesellschaftsrechtlichen Liquidationsverfahren zu verwertenden Unternehmensvermögen zu befriedigen; ein eventueller Überschuss 20 Rödl, in: Hommel/Knecht/Wohlenberg, Handbuch Unternehmensrestrukturierung, S. 1230. 21 Böckenförde, Unternehmenssanierung, S. 19. 22 Birker, in: Birker/Pepels, Krisenbewusstes Management, S. 29 f.; Hahn, Allg. Betriebswirtschaftslehre, S. 602; Staehle in: Enzyklopädie der Betriebswirtschaftslehre, Band 1, Teilband 2, Stichwort Krisenmanagement, S. 2453. Ähnlich Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 15: »existenzbedrohende Krise«. 23 Böckenförde, Unternehmenssanierung, S. 20; Rödl, in: Hommel/Knecht/Wohlenberg, Handbuch Unternehmensrestrukturierung, S. 1230. 24 Wellensiek, NZI 2002, 233. Der Ursprung des Begriffs liegt im lateinischen »sanare« – dem Heilen; vgl. Böckenförde, Unternehmenssanierung, S. 7; Hommel/Knecht/Wohlenberg, in: Hommel/Knecht/Wohlenberg, Handbuch Unternehmensrestrukturierung, S. 34. Neuerdings wird auch vom »Turnaround-Management« gesprochen – vgl. Birker, in: Birker/Pepels, Krisenbewusstes Management, S. 348; Picot/Aleth, Unternehmenskrise, Rn. 3. Der Begriff der Sanierung ist durchaus schillernd und wird nur im Grundsatz einheitlich verstanden – vgl. etwa Hermanns/Buth, DStR 1997, 1178, 1179; zum betriebswirtschaftlichen, steuerlichen und rechtlichen Sanierungsbegriff auch Uhlenbruck, KTS 1981, 513, 533 ff. 25 Rohde, Auslese durch Insolvenzen, S. 29. 26 Birker, in: Birker/Pepels, Krisenbewusstes Management, S. 332 ff.

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ist an die Eigentümer auszukehren. Besteht in Fällen einer freiwilligen Liquidation das Risiko, dass das Unternehmensvermögen aufgrund der nun notwendigen Neubewertung zu Liquidationswerten plötzlich nicht genügt, um alle Forderungen zu erfüllen, so kann es sinnvoll sein, den Marktaustritt durch einen Liquidationsplan mit allen Beteiligten abzusichern, der auch dieses Risiko verteilt. Entsprechendes gilt, wenn es Kaufinteressenten für das zu liquidierende Unternehmen als Ganzes oder dessen Teile gibt; auch dann kann ein Liquidationsplan dazu dienen, deren Engagement zu sichern und den verhandelten Veräußerungserlös zu verteilen.

II. Der Sanierungsprozess Eine Sanierung ist ein schrittweiser Prozess. 27 Erwägt man die Sanierung des Unternehmens, so ist die maßgebliche Frage jedes Krisenmanagements die nach der Sanierungsfähigkeit des Unternehmens, also die nach der Beherrschbarkeit der Krise.28 Kann das Unternehmen seine Basisziele mit adäquaten Maßnahmen perspektivisch wieder erreichen, also seine Zahlungsfähigkeit und sein Eigenkapital sichern bzw. wiederherstellen und eine angemessene Rentabilität erzielen? Entscheidend ist also, dass sich durch die Sanierung die Basisziele des Unternehmens wieder erreichen lassen. Hierzu ist Sanierungskonzept zu erarbeiten, das auf der Grundlage einer fundierten Unternehmensanalyse eine plausible Fortführungs- und Sanierungsfähigkeitsprognose enthält.29 1. Sanierungsfähigkeit und Sanierungswürdigkeit In diesem Zusammenhang wird daneben immer noch die Frage der Sanierungswürdigkeit aufgeworfen, ohne dass wirklich deutlich wird, welchen eigenständigen Inhalt dieser Begriff heute haben soll. Ursprünglich wurde mit ihm die Frage aufgeworfen, ob das Unternehmen – insbesondere der Unternehmer – eine Sanierung verdient. In den Zeiten der Konkurs- und Vergleichsordnung war die Auffassung herrschend, dass die Sanierung des Unternehmens auch von der »persönlichen Vergleichswürdigkeit des Unternehmers« abhänge.30 Diese 27

Ein Ablaufschema findet sich etwa bei Böckenförde, Unternehmenssanierung, S. 52. Wird mit dem Krisenmanagement erst in der Insolvenzreife des Unternehmens begonnen, so ist die Sanierungsfähigkeit des insolventen Unternehmens gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 3 letzter HS. InsO bereits durch den vorläufigen Insolvenzverwalter zu prüfen. Sie ist daher zwingender Bestandteil jedes Fortführungsgutachtens; Schmitt/Möhlmann-Mahlau, NZI 2007, 703, 705. 29 Die Anforderungen an ein solches Sanierungskonzept bestimmen heute die im IDW S 6 des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) festgehaltenen Standards, die vom Fachausschuss Sanierung und Insolvenz des IDW in DB 2010, 1413 ff. erläutert werden. Allgemein zur Fortführungsprognose: Groß/Amen, in: Hommel/Knecht/Wohlenberg, Handbuch Unternehmensrestrukturierung, S. 335 ff. 30 So z. B. Rinklin, Die vergleichsfähige und die konkursreife Unternehmung, S. 31. 28

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wertende Betrachtung kann jedenfalls mit der Einführung der Insolvenzordnung als überholt angesehen werden, die auf solche Kriterien verzichtet. 31 Die Sanierung eines Unternehmens wird heute insbesondere auch dann nicht mehr von vornherein abgelehnt, wenn die Unternehmensleitung die Krise schuldhaft herbeigeführt hat, denn sie ist keine Wohltat für den Unternehmer, sondern Resultat ökonomischer Vernunft.32 Der Austausch des »Unternehmers«, also der Unternehmensleitung oder auch des Rechtsträgers des Unternehmens, ist heute vielmehr selbstverständlich möglicher und oft auch notwendiger Teil der Sanierung. Der Begriff der Sanierungswürdigkeit sollte in der Sanierungsprüfung daher nicht mehr gebraucht werden. Auch der neue IDW Standart 6 zur Erstellung von Sanierungskonzepten (IDW S6) verzichtet bewusst auf diesen Begriff.33 Ebenso fehlt er schon in einigen Sanierungshandbüchern; in anderen wird er zumindest mit einem anderen Inhalt verwendet.34 So wird etwa eine Sanierungswürdigkeit dahin gehend definiert, dass der nach der Sanierung zu erwartende Ertragswert des Unternehmens trotz der Berücksichtigung der Sanierungskosten größer ist als der aus der anderweitigen Verwendung der Sanierungsmittel erzielbare Ertrag.35 Eine solche Sanierungswürdigkeitsprüfung beinhaltet anstelle einer persönlichen Prüfung des Unternehmensträgers eine volkswirtschaftliche Betrachtung. Eine solche lässt sich allerdings ohne Brüche in die Prüfung der Sanierungsfähigkeit integrieren, hat sie doch im Kern die Vermittelbarkeit des Sanierungskonzeptes gegenüber allen beteiligten Personengruppen und damit die Realisierbarkeit des Konzeptes zum Inhalt.36 Ein Sanierungsplan, der Maßnahmen vorsieht, zu denen die Betroffenen nicht Willens sind, ist untauglich und daher zu verwerfen. Fehlen Alternativen, so fehlt dem Krisenunternehmen damit auch die Sanierungsfähigkeit. Im Ergebnis sollte daher im Interesse der Klarheit allein auf die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens abgestellt werden.

31 Schuldnerbezogene Ausschlussgründe fehlen in den Regelungen der InsO zum Insolvenzplan (anders noch § 18 Nr. 1 und 2 VglO und § 175 KO). 32 Paulus, ZGR 2005, 309, 311. 33 Siehe dazu die Erläuterung des IDW S6 durch den Fachausschuss Sanierung und Insolvenz des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) in DB 2010, 1413, 1415. 34 Siehe etwa Böckenförde, Unternehmenssanierung, S. 13, der mit dem Begriff allgemein die »wirtschaftliche bzw. finanzielle Notlage« eines Unternehmens bezeichnet. 35 So etwa Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 290 f.; Groß, Sanierung durch Fortführungsgesellschaften, S. 26; Flessner, Sanierung und Reorganisation, S. 262; ähnlich Picot/ Aleth, Unternehmenskrise, Rn. 274 f. 36 Ein so verstandener Begriff der Sanierungswürdigkeit findet sich etwa bei Böckenförde, Unternehmenssanierung, S. 45/63; Hermanns/Buth, DStR 1997, 1178, 1180 oder Körner, Unternehmens-Turnaround durch Eigenverwaltung in der Insolvenz, S. 126.

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2. Die Unternehmensanalyse Um die Frage nach der Sanierungsfähigkeit des in der Krise befindlichen Unternehmens beantworten zu können, muss dasselbe zunächst umfassend analysiert und bewertet werden, was in der Regel durch externe Unternehmensberater erfolgt oder zumindest unterstützt wird.37 Zur Analyse der Sanierungsfähigkeit ist zunächst die Liquiditätslage des Unternehmens entscheidend und für die nähere Zukunft mittels eines Liquiditätsplanes zu ermitteln, der alle künftigen Aus- und Einzahlungen sowie vorhandenes Vermögen auflistet. Im Ergebnis sollte zumindest genügend Liquidität vorhanden sein, um das Unternehmen im Sanierungszeitraum fortzuführen.38 Kommt danach eine Sanierung in Betracht, ist die Unternehmensstrategie zu hinterfragen und gegebenenfalls neu auszurichten. Hierzu erfolgt eine genaue Analyse der Ertragslage des Unternehmens, also seiner Potenziale, Gewinn zu erwirtschaften. Diese erfasst zum einen die Position des Unternehmens mit seinen strategischen Geschäftsfeldern im Markt, insbesondere mittels einer Portfolio-Analyse.39 Zum anderen werden die Arbeitsprozesse im Unternehmen auf Effizienz und Kostensenkungspotenziale untersucht, so dass risiko- oder verlustbehaftete Bereiche erkannt und abgebaut werden können.40 Im Ergebnis deckt die Unternehmensanalyse nicht nur die krisenverursachenden Fehlentwicklungen und Fehlentscheidungen auf; sie hilft zugleich, die neue strategische Ausrichtung des Unternehmens im Markt zu definieren, mit deren Hilfe eine sichere Wettbewerbsposition zurückerlangt werden soll. Auf ihr basiert schon insofern jedes Sanierungskonzept. 41 Darüber hinaus enthält sie auch alle notwendigen Informationen, für eine Darstellung und Bewertung von strategischen Handlungsoptionen des Managements zur Fortführung des Unternehmens (Fortführungsszenarien). Die Unternehmensanalyse ist damit Grundlage für die Ermittlung des Fortführungswertes.42 Ohne sie gibt es keine gesicherte Fortführungsprognose.

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Allgemein zur Sanierungsberatung: Frege, NZI 2006, 545. Böckenförde, Unternehmenssanierung, S. 56, spricht insofern auch von einer ersten »Grobanalyse« im Angesicht der Krise. 39 Hermanns/Buth, DStR 1997, 1178, 1181. 40 Näher zur Analyse der Sanierungsfähigkeit eines Unternehmens aus Sicht des Unternehmensberaters, insbesondere zu dessen Vorgehensweise: Bader/Rockholtz, in: Jahns/ Heim, Handbuch Management, S. 328 ff.; allgemeiner: Depré/Dobler, in: Beck/Depré, Praxis der Insolvenz, § 43 Rn. 109 ff.; Groß, Sanierung durch Fortführungsgesellschaften, S. 34 ff.; Picot/Aleth, Unternehmenskrise, Rn. 260 ff.; Risse, KTS 1994, 465, 472 ff.; aus dem älteren Schrifttum: Rinklin, Die vergleichsfähige und die konkursreife Unternehmung, S. 69 ff. 41 Böckenförde, Unternehmenssanierung, S. 84; Hermanns/Buth, DStR 1997, 1178, 1181. 42 Bader/Rockholtz, in: Jahns/Heim, Handbuch Management, S. 335; Picot/Aleth, Unternehmenskrise, Rn. 269. 38

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3. Die Planung operativer Maßnahmen Ergibt die Unternehmensanalyse eine Erfolg versprechende Marktposition des Unternehmens, so sind im nächsten Schritt die zur Erreichung derselben notwendigen operativen Maßnahmen in einem Sanierungskonzept zu entwickeln43 und sodann mit einem zeitlichen Ablauf zu versehen, so dass am Ende ein Sanierungs-/Umsetzungsplan vorliegt, der alle zur Umsetzung des Szenarios notwendigen operativen Maßnahmen inklusive des bis zum Abschluss der Sanierung notwendigen Finanzbedarfs enthält. a) Leistungswirtschaftliche Maßnahmen Aus der verfolgten Sanierungsstrategie ergeben sich zunächst die notwendigen leistungswirtschaftlichen Maßnahmen. Diese können in den verschiedensten Unternehmensbereichen erfolgen.44 In den meisten Fällen wird es dabei um die Konzentration des Unternehmens auf dessen Kernkompetenzen und damit um den Rückzug aus verlustreichen Märkten oder Produktbereichen (»Gesundschrumpfen«) gehen. Hierzu kann ein Outsourcing von Tätigkeiten im Randbereich vorgesehen sowie die Produktpalette verengt werden. Gleichzeitig sind Einkauf, Logistik und Vorratsbestand zu überdenken sowie eine Verbesserung der Produktion, etwa durch Automatisierungen oder integrierte Fertigungskonzepte, anzustreben. Der aus einer so geänderten Unternehmensausrichtung folgende Personalüberhang ist dann durch eine Straffung der Unternehmensstruktur (Personalabbau) zu beseitigen. Die leistungswirtschaftlichen operativen Maßnahmen sind der Kern jedes Sanierungskonzeptes. Sie basieren allein auf betriebswirtschaftlichen Erwägungen. Im Sanierungsplan ist dann ihr zeitlicher Ablauf zu beschreiben. In einigen wenigen Fällen hingegen basiert die Krise allein auf eine Überschuldung der Gesellschaft, während die leistungswirtschaftliche Struktur des Unternehmens optimal ist. Dies kann vor allem infolge kostspieliger Unternehmensübernahmen oder infolge anwachsender Sozialkosten der Fall sein. Ist das Krisenunternehmen etwa infolge eines leveraged buy-out45 mit den Erwerbskosten belastet worden, so sind leistungswirtschaftliche Maßnahmen oft überflüssig. Hier genügen Maßnahmen zur Entschuldung, also finanzwirtschaft43 Vgl. etwa die Maßnahmenkataloge bei Birker, in: Birker/Pepels, Krisenbewusstes Management, S. 344 ff.; Hahn, Allg. Betriebswirtschaftslehre, S. 615 und 619 oder die kurze Checkliste bei Bader/Rockholtz, in: Jahns/Heim, Handbuch Management, S. 336. 44 Einen Überblick geben etwa Hermanns/Buth, DStR 1997, 1178, 1181 ff. 45 Bei einem leveraged buy-out (LBO) wird ein Unternehmenskauf durch Fremdkapital finanziert und zur Absicherung der Kreditgeber die Aktiva des Unternehmens benutzt, so dass im Ergebnis das Unternehmen mit einer hohen Schuldenlast und den damit einhergehenden Zins- und Tilgungsleistungen belastet ist. Auch operativ gesunden Unternehmen können auf diese Weise in eine Überschuldungssituation und folgerichtig in eine akute Krise hineingeraten.

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liche Schritte. Das Sanierungskonzept beschränkt sich dann inhaltlich auf ein Entschuldungskonzept. b) Finanzwirtschaftliche Maßnahmen Der Umbau des Unternehmens in der Krise durch die vorgesehenen leistungswirtschaftlichen Maßnahmen erzeugt einen erheblichen Finanzbedarf. Die Schlüsselfrage jeder Sanierungsprüfung ist daher die nach der Finanzierbarkeit des Sanierungskonzeptes. Die dazu notwendige Finanzierungsrechnung geht zunächst von den Effekten aus, die aus den im Sanierungsplan vorgesehenen leistungswirtschaftlichen Maßnahmen entstehen sollen. Hieraus werden die Daten zur Vermögens- und Liquiditätsentwicklung im Unternehmen abgeleitet. Kann das Unternehmen den berechneten Finanzbedarf aus eigenen Mitteln decken, so kann es sich aus eigener Kraft sanieren. Die Fortführungsprognose fällt folgerichtig positiv aus. Im Regelfall wird es einem Krisenunternehmen jedoch nicht gelingen, den Finanzbedarf im Sanierungszeitraum aus eigenen Mitteln zu decken, so dass finanzwirtschaftliche Maßnahmen notwendig werden. Der Sanierungsplan muss dann darstellen, welche Finanzquellen zur Verfügung stehen und auf welchem Wege diese genutzt werden sollen. Die Möglichkeiten sind vielfältig. 46 (1) Die Zuführung von Fremdkapital In der Wirtschaftswelt des 20. Jahrhunderts wandte sich ein Unternehmen in der Krise zur Deckung seines Finanzbedarfs primär an seine Gläubiger oder auch Dritte in dem Bestreben, neues Fremdkapital aufnehmen zu können. Bis heute stellt der Bankkredit für den deutschen Mittelstand die wesentliche Finanzierungsform dar. Der Anteil kurz- und langfristiger Bankkredite an der Bilanzsumme liegt gerade bei kleinen und mittelständischen Unternehmen zum Teil bei einem Drittel.47 Klassisches Mittel der kurzfristigen Kreditvergabe ist der Kontokorrentkredit. Als längerfristige Darlehensform sind dagegen Bankkredite zu finden, deren Laufzeit bei grundsätzlich vier Jahren liegt. 48 Im Gegenzug für die gewährte Liquidität sind dem Kreditinstitut allerdings nicht nur die vereinbarten Zinsen zu zahlen, sondern in der Regel auch Sicherheiten zu stellen. Zudem finden sich bei langfristigen Krediten immer häufiger »covenants«, also Zwischenziele, deren Nichterreichen je nach dem Inhalt der Covenant-Klausel zu besonderen Einflussnahmemöglichkeiten des Kreditinstituts beim Unternehmen führen kann. 49 Der Bankkredit ist daher grundsätzlich eine teure Form der Unternehmensfinanzierung. Er wird zudem insbesondere für 46

Eine Übersicht findet sich etwa bei Cranshaw, ZInsO 2008, 421, 422 ff. Eilenberger/Haghani, Unternehmensfinanzierung, S. 49. 48 Eilenberger/Haghani, Unternehmensfinanzierung, S. 52. 49 Diese reichen vom Zustimmungsvorbehalt für die Aufnahme weiterer Kredite über Kündigungsrechte bis hin zu Mitspracherechten hinsichtlich der Unternehmensstrategie – 47

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Krisenunternehmen nur schwer zu beschaffen oder nochmals teurer sein, da die Kreditinstitute die mit der Sanierung verbundenen Risiken eines Kreditausfalls nur selten eingehen. Sicherheiten kann ein Krisenunternehmen nur selten stellen, da die werthaltigen Gegenstände in der Regel bereits besichert sind. Zudem sind durch die Vorgaben des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht (Basel II) alle Kreditinstitute gehalten, das Kreditausfallrisiko ihrer Kreditnehmer möglichst realistisch abzubilden und durch die Vorhaltung von Eigenkapital abzusichern. Die Vergabe typischerweise risikoreicher Sanierungskredite wurde so noch weiter erschwert. Schließlich ist infolge der Finanzkrise des Jahres 2008 auch noch ganz generell die Bereitschaft der Banken gesunken, risikobehaftete Kredite zu vergeben.50 Insgesamt scheint daher die klassische Form der Sanierungsfinanzierung über den Bankkredit ihre überragende Bedeutung gerade für den Mittelstand zu verlieren. Kleine Unternehmen können kurzfristige Liquiditätsprobleme insofern anstelle eines Bankkredits auch mit einem Lieferantenkredit lösen, wobei die Kreditgewährung nicht in der Zuführung von Liquidität, sondern in der Stundung der Entgeltforderung für gelieferte Waren liegt. Das Unternehmen erhält so eine Atempause in der Krise, ohne den Lieferanten als Schlüsselgläubiger zu verlieren. Schließlich sei gerade für Klein- und Kleinstunternehmen auch auf die Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes als Liquiditätsquelle in einer Insolvenz hingewiesen, die häufig einen Überbrückungskredit überflüssig machen kann.51 Als Alternative zum langfristigen Bankkredit kommt insbesondere für mittlere und große Unternehmen auch die Anleihe als Finanzierungsmittel in Betracht. Dabei handelt es sich wirtschaftlich um eine langfristige Darlehensgewährung, rechtlich hingegen um eine Schuldverschreibung nach den §§ 793 ff. BGB, die üblicherweise als öffentlich gehandeltes Wertpapier den Regelungen des Kapitalmarktrechts unterliegt. Der Vorteil der Anleihe liegt darin, dass das Unternehmen als Emittent die Konditionen festlegt, unter denen eine Rückzahlung erfolgen soll. Das Unternehmen bestimmt also die Laufzeit, die Rückzahlungsmodalitäten (z. B. eine Teilamortisation) und den Zinssatz der Anleihe (fester oder variabler Zinssatz sowie dessen Höhe). Wegen der Kosten der Platzierung einer Anleihe am Kapitalmarkt wird sich dieser Finanzierungsweg allerdings nur für Unternehmen ab einer gewissen Größe lohnen.52 (2) Mezzanine-Kapital Neben Bank- und Lieferantenkrediten sowie klassischen Anleihen sind Finanzierungsmodelle denkbar, die in der wirtschaftlichen Betrachtung eine Zwivgl. Servatius, Gläubigereinfluss durch Covenants, S. 39 ff.; Eilenberger/Haghani, Unternehmensfinanzierung, S. 53, 64 ff. 50 Köchling, ZInsO 2009, 641, 643. 51 So der Erfahrungsbericht von Hingerl, ZInsO 2008, 404, 407. 52 Näheres zur Anleihe als Sanierungsinstrument bei Cranshaw, ZInsO 2008, 421, 423 f.

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schenform von Eigen- und Fremdkapital schaffen und daher »Mezzanine-Kapital«53 oder auch »hybride« Finanzierungen genannt werden. Ihnen allen ist gemein, dass sie sowohl Attribute von Eigenkapital – wie etwa eine unmittelbare Beteiligung am Unternehmensergebnis, einen Nachrang gegenüber einfachen Unternehmensgläubigern oder Mitspracherechte im Unternehmen – als auch solche von Fremdkapital aufweisen, wozu insbesondere ein Zinssatz, eine Laufzeitbeschränkung oder Rückzahlungsansprüche gehören. Der Fantasie des Finanzmarktes sind dabei kaum Grenzen gesetzt, wobei in Deutschland die Entdeckung dieser Finanzinstrumente durch die Unternehmen – im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten – gerade erst beginnt. Insbesondere im Mittelstand erfreut sich diese »neue« Finanzierungsform sprunghaft steigender Beliebtheit.54 Ihre große Relevanz für die Sanierungsfinanzierung folgt aus dem Umstand, dass Mezzanine-Kapitalgeber grundsätzlich im Nachrang zu anderen Kreditgebern stehen. Es hebt so die Kreditwürdigkeit gerade solcher Krisenunternehmen, denen eine Kapitalbeschaffung am Kreditmarkt zu Sanierungszwecken sonst verschlossen bleibt.55 Zudem verbessert Mezzanine-Kapital, wenn es Eigenkapital angenähert wird, die bilanzielle Eigenkapitalausstattung des Unternehmens und kann dann eine bilanzielle Überschuldung und die daraus drohenden Insolvenz nach § 19 InsO beseitigen.56 Als Unterarten lassen sich Finanzprodukte mit einer Fremdkapitalausrichtung von hybriden Produkten und solchen mit einer Eigenkapitalausrichtung unterscheiden. Die Fremdkapitalausrichtung dominiert etwa beim Nachrangdarlehen sowie dem partiarischen Darlehen. Bei Nachrangdarlehen (auch junior debt oder subordinated debt) handelt es sich um Darlehen, die mit einer Nachrangabrede oder einer Rangrücktrittsvereinbarung versehen sind und daher ein erhöhtes Ausfallrisiko ausweisen.57 Ihr Vorteil liegt vor allem darin, dass es den Kreditspielraum des Unternehmens unangetastet lässt. Der Darlehensgeber wird üblicherweise durch einen entsprechend höheren Zinssatz sowie durch »covenants«, also Berichts- und Verhaltenspflichten, abgesichert. Auch »equity-kicker« (etwa Besserungsscheine oder Bezugsrechte auf Eigenkapital) sind 53 Der Begriff stammt aus der Architektur und bedeutet dort Zwischengeschoss – vgl. Eilenberger/Haghani, Unternehmensfinanzierung, S. 85; Nautsch, in: Häger/ElkemannReusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 5. 54 Zahlen finden sich etwa bei Eilenberger/Haghani, Unternehmensfinanzierung, S. 83 f. oder Lühn, Genussrechte, S. 9. 55 Eilenberger/Haghani, Unternehmensfinanzierung, S. 104 f.; Nautsch, in: Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 90; Wellensiek/Flitsch, FS Lüer, 2008, 497. 56 Zempel, Genussrechte, S. 111, 130 ff.; auch Klusmeier, ZInsO 2010, 1873, 1874 (bezüglich des Genussrechts). 57 Der konkreten Ausgestaltung der Nachrangklausel bzw. der »Tiefe« des Rangrücktritts sind dabei kaum Grenzen gesetzt, so dass der Mezzanine-Kreditgeber sein Risiko bewusst steuern kann – vgl. dazu Wellensiek/Flitsch, FS Lüer, 2008, 497, 499 ff.

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möglich.58 Wird die Vergütung für den Darlehensgeber gänzlich ertragsabhängig gestaltet wird, so dass er unmittelbar am unternehmerischen Risiko teilnimmt, so spricht man von einem partiarische Darlehen. Eine diesem ähnliche Rechtsstellung des Kapitalgebers lässt sich auch durch eine (typische) stille Beteiligung erreichen (§§ 230 ff. HGB). Auch hier wird die Vergütung für die Kapitalnutzung an das Unternehmensergebnis gekoppelt, ohne dem Investor gesellschaftsrechtliche Mitspracherechte zu geben. 59 Zur Gruppe der hybriden Produkte sind diejenigen Gestaltungsformen zu zählen, die ihren Charakter während der Laufzeit von Fremd- in Eigenkapital verändern können. Dies sind vor allem Wandel- und Optionsanleihen, also Schuldverschreibungen des Unternehmens, die in ihren Konditionen (als Kicker) unter gewissen Umständen eine Umwandlung des eingesetzten Kapitals in Unternehmensanteile zulassen (Wandelanleihe) 60 bzw. eine zusätzliche Bezugsoption (Optionsschein) auf Anteile am Unternehmen neben der Anleihe gewähren (Optionsanleihe). 61 Sie sind in § 221 AktG erwähnt und haben für das Unternehmen den Vorteil, mit einer niedrigeren Kapitalverzinsung aufgelegt werden zu können. Der Investor kann im Gegenzug am Ende der Laufzeit zwischen der Rückzahlung des Kapitals und der Investition in Eigenkapital wählen. Eine Eigenkapitalausrichtung besitzen demgegenüber insbesondere die Genussrechte, 62 die gesetzlich bislang bewusst nicht geregelt oder definiert sind. 63 Genussrechte gewähren dem Inhaber auf schuldrechtlicher Basis 64 Beteiligungsrechte am Unternehmensergebnis, sei es durch eine zwar gewinnunabhängige, dann aber feste oder eine stets prozentual am Gewinn orientierte Verzinsung; auch Mischformen sind möglich. Die konkrete Ausgestaltung erfolgt in den 58 Eilenberger/Haghani, Unternehmensfinanzierung, S. 99 f.; Nautsch, in: Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 10 ff. Ähnliche Effekte lassen sich auch mit einer nachrangigen Anleihe erreichen. 59 Eilenberger/Haghani, Unternehmensfinanzierung, S. 91 f.; Nautsch, in: Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 15 ff. Eine genaue Darstellung bieten Hellich/Grossmann sowie Häger/Müller und Häger/Nottmeier, in: Häger/ElkemannReusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 71 ff. 60 Eilenberger/Haghani, Unternehmensfinanzierung, S. 95 f.; Hellich, in: Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 883 ff. 61 Eilenberger/Haghani, Unternehmensfinanzierung, S. 96; Hellich, in: Häger/ElkemannReusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 887; Nautsch, in: Häger/ElkemannReusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 22. 62 Grundlegend zum Genussrecht: Luttermann, Unternehmen, Kapital und Genußrechte, 1998, insbesondere zu deren geschichtlicher Entwicklung (S. 32 ff.) und Rechtsnatur (S. 101 ff.). 63 Dross, Genussrechte, S. 35 f.; Lühn, Genussrechte, S. 38; Nautsch, in: Häger/ElkemannReusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 30; von Alvensleben, in: Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 606. 64 So die ganz herrschende Ansicht – vgl. Dross, Genussrechte, S. 37 f.; Lühn, Genussrechte, S. 39; Luttermann, Unternehmen, Kapital und Genußrechte, S. 101 ff. m. w. N.

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Genussrechtsbedingungen. 65 Die Inhaber von Genussrechten sind ihrer Rechtsstellung nach Gläubiger des Unternehmens; ihre Investition ist also zunächst Fremdkapital. In den Genussrechtsbedingungen wird die Position der Rechtsinhaber jedoch weitgehend an die eines Gesellschafters angenähert – etwa durch die Einräumung von Informationsrechten, vor allem aber durch die Vereinbarung eines Nachrangs gegenüber anderen Kreditgebern, einer Vergütung nur bei Gewinnerzielung und einer langen Laufzeit –, so dass es dem Unternehmen in der Handelsbilanz möglich wird, das Genussrechtskapital als Sonderposten des Eigenkapitals anzusetzen. 66 Das Genussrecht hat dann für das Unternehmen nicht nur den Vorteil, die Eigenkapitalquote und damit die Haftungsmasse sowie die Kreditwürdigkeit zu erhöhen, ohne die vorhandenen Unternehmensanteile zu verwässern und Einflussnahmerechte zu gewähren. Diesen Vorteil muss es zudem nur im Fall der Gewinnerwirtschaftung vergüten und kann selbst dann diese Vergütung steuerrechtlich als Betriebsausgabe geltend machen. 67 Darüber hinaus kommen als Entgelt für den Erwerb von Genussrechten sowohl Geld- und Sachleistungen als auch Dienstleistungen in Betracht, da die Regeln der Kapitalaufbringung nicht gelten. Schließlich können die Genussrechte in Genussscheinen verbrieft werden, um deren Verkehrsfähigkeit zu erhöhen. 68 Die Vorteile der Genussrechte hat inzwischen auch der Finanzmarkt wiederentdeckt, an dem wieder vermehrt Genussscheine als Wertpapiere gehandelt werden. Ihr Marktanteil lag 2006 bei ca. 30 Prozent, was sie zum am häufigsten verwendeten Instrument der Mezzanine-Finanzierung macht. 69 Neuerdings wird durch die Bündelung der Genussrechte verschiedener mittelständischer Unternehmen in Pools zudem eine Risikodiversifizierung erreicht, die Genussscheine nicht nur für Finanzinvestoren interessant macht, sondern zugleich auch dem Mittelstand die Emission von Genussrechten am Unternehmen standardisiert und damit vereinfacht.70 Genussrechte werden damit zu einer ernst zu nehmenden Finanzierungsquelle des Mittelstandes. Daneben bleibt die atypische stille Gesellschaft zu erwähnen, die es ebenfalls vermag, dem Unternehmen funktionales Eigenkapital zu verschaffen. Der Investor wird dazu nicht nur stiller Gesellschafter des Unternehmens (§§ 230 ff. HGB) mit der ent65 Eine empirische Untersuchung der Ausgestaltung von Genussrechten bietet Lühn, Genussrechte, S. 14 ff. 66 Genauer zu den dazu zu erfüllenden Voraussetzungen: Lühn, Genussrechte, S. 24 ff.; Nautsch, in: Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 31, 45 ff.; auch Klusmeier, ZInsO 2010, 1873; siehe auch den Bundesfinanzhof in BStBl. II 2008, 855. 67 Man spricht auch vom »magischen Fünfeck« des Genussrechtskapitals – vgl. von Alvensleben, in: Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 614. 68 Zu den Verbriefungsformen als Inhaber-, Namens- und Orderpapier siehe etwa Dross, Genussrechte, S. 69 ff. 69 Eilenberger/Haghani, Unternehmensfinanzierung, S. 101. Weitere Statistiken finden sich bei Lühn, Genussrechte, S. 10 ff. 70 Näher zur den so entstandenen »Preferred Pooled Shares« (PREPS) bei: Nautsch, in: Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 35 ff.

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sprechenden Gewinn- und Verlustbeteiligung; er erhält zusätzlich auf vertraglicher Ebene weitgehend die Rechte eines Gesellschafters, insbesondere Mitsprache- und Kontrollrechte bis hin zur Geschäftsführungsbefugnis. Diese Rechte bergen beachtliche Risiken für die Eigentümer des Unternehmens, kann sich doch – insbesondere bei der Beteiligung von Private-Equity-Fonds – das Unternehmensziel des Investors maßgeblich von dem der Eigentümer unterscheiden.71 (3) Die Zuführung von Eigenkapital Die beste Form der Sanierungsfinanzierung ist natürlich die der Gewinnung neuen Eigenkapitals. Finden sich in der Krise Investoren, die bereit sind, der Gesellschaft als neue Eigentümer Kapital zur Verfügung zu stellen, so ist dieser Weg eindeutig zu bevorzugen. Das neue Eigenkapital erhöht die Haftungsmasse für die Gläubiger und damit die Kreditwürdigkeit. Die Gewinnung neuer Gesellschafter setzt zudem ein deutliches Zeichen der Überlebensfähigkeit des Unternehmens und vermag es damit, die Schlüsselgläubiger und Vertragspartner wie auch die Aktienmärkte zu beruhigen. Die Einbindung der Investoren kann dabei einerseits im Wege einer übertragenden Sanierung durch ihre Beteiligung als Gründer an der Auffang- bzw. Betriebsübernahmegesellschaft erfolgen. Die Einzelheiten dieses Sanierungsweges sollen im folgenden Abschnitt erläutert werden. Soll die Sanierung des Unternehmens hingegen im Wege der Reorganisation beim bisherigen Rechtsträger erfolgen, so hilft ein Verkauf vorhandener Gesellschaftsanteile an den Investor dem Unternehmen nicht, da der daraus folgende Erlös dem alten Anteilseigner, nicht aber der Gesellschaft zufließt. Bei Personengesellschaften sollte der Investor daher als neuer Gesellschafter eingebunden werden. Bei Kapitalgesellschaften kann das Eigenkapital der Gesellschaft am besten im Wege der effektiven Kapitalerhöhung, also der Schaffung und Ausgabe neuer Gesellschaftsanteile gegen die Leistung von Kapitalmitteln, zugeführt werden (§§ 182 ff. AktG; §§ 55 ff. GmbHG). Dabei gilt es jedoch sicherzustellen, dass die bislang eingetretenen Verluste auf die Inhaber der alten Anteile beschränkt werden. Eine bloße Kapitalerhöhung würde allen Anteilseignern zugute kommen und daher die Anteile der Altgesellschafter zulasten derer der Neuzeichner aufwerten. Im ersten Schritt ist daher eine nominelle Kapitalherabsetzung durchzuführen, bei der das Grundkapital an das tatsächliche Vermögen der Gesellschaft angepasst 71 Gerade Private-Equity-Fonds streben in der Regel nur eine mittelfristige Beteiligung am Zielunternehmen an und sind daher an einer kurzfristigen Werterhöhung und einer entsprechend aggressiven Geschäftspolitik interessiert. Dies kann den Interessen der Eigentümer an einer langfristig ausgerichteten Unternehmensentwicklung diametral entgegenstehen und sollte bei der Hereinnahme von diesen Fonds als Kapitalgeber beachtet werden. Auf diese Risiken ebenfalls hinweisend: Eilenberger/Haghani, Unternehmensfinanzierung, S. 94 ff.; auch Paulus, DZWIR 2008, 6, 7.

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wird. Die in der Krise eingetretenen Verluste werden auf die Anteileigner verteilt, deren Anteilswerte entsprechend des Wertverlustes nun auch nominell sinken (vgl. § 222 Abs. 4 AktG).72 Diese Kapitalherabsetzung zu Sanierungszwecken kann als vereinfachte Kapitalherabsetzung nach § 229 AktG bzw. § 58a GmbHG erfolgen. Sie kann im Ergebnis sogar zu einer Kapitalherabsetzung auf Null führen und damit weit unter den Mindestnennbetrag des § 7 AktG abrutschen, wenn denn der Gesellschaft im Zusammenhang mit der Kapitalherabsetzung sofort wieder Kapital im Wege einer effektiven Kapitalerhöhung zugeführt wird.73 Man spricht dann auch von einem Kapitalschnitt. Genau ein solcher geschieht im Rahmen der Sanierungsfinanzierung, da zugleich die effektive Kapitalerhöhung durchgeführt wird und die neuen Anteile durch die Investoren gezeichnet werden.74 Die Neugesellschafter erhalten damit unbelastete Anteile mit einem Stimmgewicht gegenüber den Altgesellschaftern, das die wirtschaftlichen Verhältnisse widerspiegelt. Alle diese Maßnahmen setzen einen entsprechenden satzungsändernden Beschluss der Gesellschafter, also deren Sanierungsbereitschaft, voraus. Wird der Beschluss über die Kapitalherabsetzung dabei mit dem über den Jahresabschluss des Vorjahres verbunden, so kann der Kapitalschnitt gemäß der §§ 234, 235 AktG sogar rückwirkend die Bilanz einer Aktiengesellschaft und damit deren Kreditwürdigkeit verbessern. Ein gutes Beispiel für eine erfolgreiche Sanierungsfinanzierung mittels eines Kapitalschnitts bietet der Insolvenzfall der Senator Entertainment AG, die im Jahre 2004 aus der Insolvenz heraus mittels eines Insolvenzplans saniert wurde, wobei die maßgebliche Finanzierung durch einen Kapitalschnitt erfolgte, bei dem das Kapital zunächst auf 10 Prozent herabgesetzt wurde und dann um 10,364 Mio. Euro erhöht wurde, wobei entsprechend ihres Bezugsrechts aus § 186 AktG sowohl Altaktionäre75 als auch ein neuer Investor die jungen Aktien erwarben.76

72 Dies ist der Haupteffekt der nominellen Kapitalherabsetzung. Ein weiterer positiver Effekt ist die Verringerung der Ausschüttungssperre, die mit der Verringerung des Grundkapitals einhergeht (vgl. § 233 Abs. 1 AktG). Die darauf beruhende Aussicht auf zeitnahe Dividenden kann wiederum die Attraktivität der Gesellschaft bei potenziellen Investoren steigern; Reger, in: Hommel/Knecht/Wohlenberg, Handbuch Unternehmensrestrukturierung, S. 811. 73 BGHZ 142, 167, 168 f.; 119, 305, 319 f.; Reger, in: Hommel/Knecht/Wohlenberg, Handbuch Unternehmensrestrukturierung, S. 814; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 29 III 5, S. 907. 74 Näher dazu etwa Krull, Bedingter Insolvenzplan und Kapitalschnitt, S. 33 ff. oder Pleister/Kindler, ZIP 2010, 503, 505 ff. 75 Zu den Anforderungen an einen Bezugsrechtsausschluss nach § 186 Abs. 3 bis 5 AktG siehe etwa Reger, in: Hommel/Knecht/Wohlenberg, Handbuch Unternehmensrestrukturierung, S. 822 oder Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 29 III 2 d), S. 901 ff. m. w. N. 76 Siehe den Bericht über die Sanierung von Fritze, DZWIR 2007, 89, 92.

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(4) Die Unterstützung der Sanierungsfinanzierung durch Verzichtsbeiträge der Gläubiger In der Krisensituation kann es einem Unternehmen trotz der Vielfalt der denkbaren Finanzierungsinstrumente oft nicht gelingen, Investoren zu finden, die ohne zusätzliche Sicherheiten bereit sind, dem Unternehmen die benötigte frische Liquidität zur Verfügung zu stellen. In diesen Fällen bietet sich als erster Schritt zur Sanierung des Unternehmens dessen Entschuldung durch weitgehende Forderungsverzichte seiner Gläubiger an. Eine solche Entlastung der Bilanz erzeugt selbst zwar keine neue Liquidität und sichert daher für sich allein im Regelfall nicht die Sanierung des Unternehmens. Sie befreit allerdings erheblich von Zins- und Tilgungslasten, verbessert so vor allem die Kreditwürdigkeit des Unternehmens und kann insofern der entscheidende Schritt hin zu neuer Liquidität sein.77 Zugleich sendet sie Zeichen der Sanierungsfähigkeit an mögliche Investoren sowie Lieferanten, Kreditgeber und andere Schlüsselgläubiger und ist daher ein wichtiger Sanierungsbeitrag.78 (a) debt-equity-swap. Als debt-equity-swap bezeichnet man den Umtausch (swap) von Gläubigerforderungen (debt) in Eigenkapital (equity) am zu sanierenden Unternehmen. Der Gläubiger erwirbt also direkt Anteilsrechte am Unternehmen, die er durch die Einbringung seiner unbesicherten Forderungen »bezahlt«. Dies geschieht bei Kapitalgesellschaften im Regelfall im Rahmen einer Kapitalerhöhung.79 Alternativ kann der Umtausch auch durch die Abtretung von Anteilen an der Gesellschaft gegen den Erlass von Forderungen erfolgen. 80 Die Gläubiger geben damit ihre Forderungsrechte zugunsten von Mitsprache- und Kontrollrechten im zu sanierenden Unternehmen auf und können sich so nicht nur eine unmittelbare Beteiligung am Sanierungserfolg, sondern vor allem einen bestimmenden Einfluss auf den weiteren Gang der Sanierung sowie der Geschäftsentwicklung sichern. Beide Umstände machen den debt-equity-swap gerade für Finanzinvestoren interessant, die – wie Hedge- oder Private-Equity-Fonds – Risikokapital gerade dazu einsetzen wollen, um zu einem günstigen Preis in Unternehmen einzustei77 Paulus, DZWIR 2008, 6, 7; Redeker, BB 2007, 673, 674; Westpfahl/Janjuah, ZIP 2008, Beilage zu Heft 3, 1, 14. 78 Hass/Schreiber/Tschauner, in: Hommel/Knecht/Wohlenberg, Handbuch Unternehmensrestrukturierung, S. 843; Paulus, DZWIR 2008, 6, 8. 79 Hass/Schreiber/Tschauner, in: Hommel/Knecht/Wohlenberg, Handbuch Unternehmensrestrukturierung, S. 843; Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 403 ff.; Paape, DZWIR 2009, 9; Redeker, BB 2007, 673, 674; Reuter/Buschmann, ZIP 2008, 1003, 1009; Westpfahl/ Janjuah, ZIP 2008, Beilage zu Heft 3, 1, 13. Siehe etwa das Beispiel der Senator Entertainment AG bei Fritze, DZWIR 2007, 89, 92. Eine Aufzählung der in Deutschland bekannt gewordenen Fälle sowie eine Übersicht über die dort zum Zuge gekommenen Transaktionsstrukturen bieten Carli/Rieder/Mückl, ZIP 2010, 1737 ff. 80 Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 401 ff.; Reuter/Buschmann, ZIP 2008, 1003, 1009; Redeker, BB 2007, 673, 679; Westpfahl/Janjuah, ZIP 2008, Beilage zu Heft 3, 1, 13 f.

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gen, deren Wert kurz- bis mittelfristig zu steigern und dann die Anteile am Unternehmen gewinnbringend wieder zu veräußern. Bei einer solchen Investmentstrategie lohnt der umfassende Aufkauf von Gläubigerforderungen gegen das avisierte Zielunternehmen. 81 Diese Forderungen sind in der Regel vergleichsweise günstig zu erwerben, da die betreffenden Gläubiger oft glücklich darüber sind, für notleidende und vielleicht sogar bereits wertberichtigte Außenstände einen schnellen und durchaus lukrativen Erlös zu erlangen. Insbesondere viele Banken bereinigen über die Veräußerung sogenannter non-performing loans82 so ihre Bilanzen. 83 Schlüssel der Strategie ist dann, die so erworbenen Forderungen in Anteilsrechte am Zielunternehmen umzuwandeln – also ein debt-equity-swap. Kann der Finanzinvestor auf diesem Weg die Kontrolle über das Zielunternehmen erlangen, so wird er dessen Sanierung vorantreiben und die aus der Sanierung folgende Wertsteigerung der Anteile kurz- bis mittelfristig durch deren Verkauf realisieren. Auch als »Heuschrecken« diskreditierte Investoren können auf diesem Wege eine Unternehmenssanierung nicht nur finanzieren, sondern teilweise auch organisieren. 84 In den Sanierungsverhandlungen taucht damit oft überraschend ein neuer Verhandlungspartner auf, was die Verhandlungen jedoch in der Regel aufgrund der Gleichrichtung der Interessen eher erleichtert. 85 Problematisch für die Nutzung eines debt-equity-swap als Entschuldungsinstrument sind allerdings die mit dem Anteilserwerb verbundenen Haftungsrisiken aus dem deutschen Kapitalgesellschaftsrecht. So besteht zum einen das Risiko einer Differenzhaftung nach § 46 AktG, § 9 GmbHG, da der Anteilserwerb nicht gegen eine Bareinlage, sondern eben gegen den Erlass einer Forderung erfolgt, was als Sacheinlage angesehen wird. 86 Die eingebrachte Forderung 81 Die Wirksamkeit dieses Forderungskaufs begegnet keinen rechtlichen Bedenken – vgl. Reuter/Buschmann, ZIP 2008, 1003, 1004 ff. 82 Siehe etwa Paape, DZWIR 2009, 9. 83 Diese Praxis ist so üblich, dass Paulus, DZWIR 2008, 6, 7, zu Beginn des Jahres 2008 95 Prozent aller Problemkredite, also non-performing loans, in der Hand von Hedge-Fonds sah. Es bleibt abzuwarten, inwieweit diese Praxis durch die Finanzkrise einen Wandel erfahren wird. 84 Zu den Besonderheiten dieser Sanierungsform mittels Forderungskauf und debt-equity-swap: Hass/Schreiber/Tschauner, in: Hommel/Knecht/Wohlenberg, Handbuch Unternehmensrestrukturierung, S. 841 ff.; Himmelsbach/Achsnick, NZI 2006, 561; Paape, DZWIR 2009, 9; Paulus, DZWIR 2008, 6. 85 So im Ergebnis auch Reuter/Buschmann, ZIP 2008, 1003, 1009 ff. (für die hier relevanten Krediterwerber mit einer Eigenkapitalstrategie). Siehe auch das Beispiel der Senator Entertainment AG bei Fritze, DZWIR 2007, 89, 92, wo ebenfalls eine Investmentbank als Krediterwerber im Wege des debt-equity-swap im Rahmen der Kapitalerhöhung Hauptaktionär wurde. Gleiches geschah bei der Plansanierung der Ihr Platz GmbH & Co. KG – siehe Carli/Rieder/Mückl, ZIP 2010, 1737, 1739. 86 Wird hingegen eine Kapitalerhöhung mittels Bareinlage beschlossen und die Barzahlungspflicht des Investors dann gegen die einzubringende Forderung aufgerechnet, so wird diese »Bareinlage« nach der gängigen Rechtsprechung als »verdeckte Sacheinlage« behandelt

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ist dabei nicht mit ihrem Nominalwert, sondern mit ihrem wirtschaftlichen Wert anzusetzen, welche bei Forderungen gegen einen Schuldner in finanziellen Schwierigkeiten nur schwer zu bestimmen ist. Für jede Überbewertung haftet der Gläubiger bzw. Investor unabhängig vom Erfolg der Sanierung, wobei die Haftung gerade im Fall des Scheiterns zum Tragen kommen wird. Die Wertermittlung muss daher durch einen Wirtschaftsprüfer erfolgen. 87 Neben der Differenzhaftung droht dem Gläubiger bzw. Investor unter Umständen auch eine Haftung aus den Rechtsprechungsgrundsätzen über die Rückgewähr eigenkapitalersetzender Darlehen, wenn er als Darlehensgeber (ggf. aus abgetretenem Recht) in der Krise Gesellschaftsanteile erwirbt. 88 Inwieweit das Sanierungsprivileg, das zum 1. November 2008 in § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG gestrichen und in § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO mit verändertem Wortlaut wieder aufgenommen wurde, den sanierungswilligen Neugesellschafter weiterhin von einer Haftung freistellt, bleibt abzuwarten. 89 Die schon unter der alten Rechtslage vorhandenen Risiken bleiben jedenfalls. Es wäre zu empfehlen, diese Haftungsrisiken für Sanierungsbemühungen generell und eindeutig zu beseitigen und Deutschland auf diese Weise von ausländischen Investitionsinteressen in Krisenunternehmen profitieren zu lassen. Zugleich sollte klargestellt werden, dass der debt-equity-swap zu Sanierungszwecken bei börsennotierten Aktiengesellschaften nicht den Regelungen des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG) unterliegt und daher nicht an einem kosten- und zeitaufwendigen Befreiungsverfahren nach § 37 Abs. 1 WpÜG i. V. m. § 9 der Verordnung zum WpÜG scheitert.90 und ebenfalls auf ihre Werthaltigkeit untersucht – vgl. BGHZ 132, 141; Paulus, DZWIR 2008, 6, 9; Man sollte daher den debt-equity-swap stets als Sachkapitalerhöhung abwickeln – so schon Groß, Sanierung durch Fortführungsgesellschaften, S. 592. 87 Für die Aktiengesellschaft folgt dies aus § 183 Abs. 3 AktG. Ein Restrisiko bleibt wegen der verschuldensunabhängigen Natur der Haftung dennoch; ebenso Redeker, BB 2007, 673, 676. Siehe zum ganzen auch Hass/Schreiber/Tschauner, in: Hommel/Knecht/Wohlenberg, Handbuch Unternehmensrestrukturierung, S. 846 f.; Paape, DZWIR 2009, 9, 10; Paulus, DZWIR 2008, 6, 9. 88 Vgl. zuletzt BGHZ 165, 106. Eine Untersuchung der Anwendbarkeit dieser Rechtsprechungsgrundsätze auf Fälle eines debt-equity-swaps zu Sanierungszwecken findet sich etwa bei Paape, DZWIR 2009, 9, 11 ff.; siehe auch Paulus, DZWIR 2008, 6, 9. 89 Optimistisch: Paape, DZWIR 2009, 9, 13; Reuter/Buschmann, ZIP 2008, 1003, 1010.; skeptischer: Pleister/Kindler, ZIP 2010, 503, 511. Für das alte Recht hatte der BGH erst 2005 entschieden, dass das Sanierungsprivileg des § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG bei seinem Eingreifen, also einem Anteilserwerb in der Krise zum Zwecke der Sanierung, jegliche Haftung auch ausschließt, wenn die Sanierung scheitert, solange auf der Grundlage eines fundierten Sanierungskonzeptes gehandelt wurde – vgl. BGHZ 165, 106. Ein so verstandene Sanierungsprivileg erscheint effektiv – so auch Himmelsbach/Achsnick, NZI 2006, 561, 564; Redeker, BB 2007, 673, 677; kritischer Paulus, DZWIR 2008, 6, 10. 90 Der debt-equity-swap unterliegt derzeit wegen § 35 Abs. 2 WpÜG der Pfl icht zu Unterbreitung eines öffentlichen Pflichtangebotes an alle Aktionäre, wenn der Investor mehr als 30 Prozent der Anteile am Zielunternehmen erwerben will. Die Befreiung von dieser Pfl icht erfolgt in einem Verfahren bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, was in der

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Zur Umgehung dieser Risiken erscheint es vorteilhaft, die Forderungen nicht in Anteile an der Zielgesellschaft, sondern in Wandelgenussrechte, also Mezzanine-Kapital, umzuwandeln. Der Investor wird damit nicht zum Gesellschafter des Zielunternehmens. Er bleibt dessen (nachrangiger) Gläubiger und umgeht auf diese Weise die damit verbundenen Haftungsrisiken. Diese Genussrechte sehen dabei eine gewinnabhängige Verzinsung des Kapitals, eine lange Laufzeit, die Teilnahme an Verlusten sowie die Option vor, echtes Eigenkapital zusätzlich zu erwerben. Ihr Nachteil liegt allerdings zum einen darin, dass bei einer Aktiengesellschaft wegen § 193 Abs. 3 AktG nur maximal die Hälfte des Grundkapitals als Wandelgenussrecht emittiert werden darf. Zudem können dem Gläubiger zwar auch in einem Genussrecht Mitsprache- und Kontrollrechte ähnlich einem Gesellschafter eingeräumt werden. Nähert sich dessen Rechtsposition dadurch allerdings zu sehr der eines Gesellschafters, so droht wiederum die Anwendung des Haftungsrechts.91 Die Umwandlung von Forderungen in Genussrechte ist daher insbesondere für Investoren uninteressant, die gerade die Kontrolle über das Krisenunternehmen anstreben. Für einfache Gläubiger hat sie jedoch einen großen Reiz und wird daher gerade zur Sanierung mittelständischer Unternehmen durchaus genutzt.92 (b) Besserungsvereinbarungen. Ein vergleichbares Ergebnis lässt sich durch einen Forderungserlass der Gläubiger erreichen, wenn dieser mit einer Besserungsvereinbarung verbunden wird. Hier verzichtet der Gläubiger auf seine – infolge der Insolvenz wirtschaftlich kaum noch werthaltige – Forderung im Interesse der Unternehmenssanierung. Im Gegenzug erhält er für den Fall des Gelingens der Sanierung einen Anspruch gegen die dann wieder liquide Gesellschaft oder aber deren Gesellschafter aus der Besserungsvereinbarung. Die Ausgestaltung dieser Vereinbarung, die auch Besserungsabrede oder Besserungsklausel genannt wird, obliegt den Parteien. Diese können beim Erreichen gewisser wirtschaftlicher Kennzahlen durch das Unternehmen etwa die ursprünglichen Forderungen in bestimmtem Umfang wieder aufleben lassen oder aber neue Ansprüche des Gläubigers im Besserungsvertrag festlegen. Diese Ansprüche können dabei gegen die sanierte Gesellschaft, aber auch gegen die von der Sanierung profitierenden Gesellschafter gerichtet werden, wobei insbesondere Ansprüche auf deren Gesellschaftsanteile üblich sind.93 Krise eines Unternehmens zu zeit- und kostenintensiv sein kann, um den Investor zu halten. Näher dazu Redeker, BB 2007, 673, 678 f. 91 Siehe zum Ganzen: Hass/Schreiber/Tschauner, in: Hommel/Knecht/Wohlenberg, Handbuch Unternehmensrestrukturierung, S. 857. 92 Eine Auflistung von Beispielen findet sich bei: Nautsch, in: Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 93. 93 Genauer dazu etwa Cranshaw, ZInsO 2008, 421, 428, insbesondere zu entsprechenden Treuhandmodellen. Umfassend: Herlinghaus, Forderungsverzichte und Besserungsvereinbarungen, S. 83 ff.

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c) Die Wahl der Sanierungsart Teil jedes Sanierungskonzeptes ist schließlich auch die Wahl der zu verfolgenden Sanierungsart. Hier kommen zwei grundsätzlich verschiedene Wege in Betracht: die Reorganisation und die übertragende Sanierung. (1) Die Reorganisation Bei der Reorganisation94 des Unternehmens soll die Krise dadurch überwunden werden, dass die zur Sanierung notwendigen operativen Maßnahmen ohne einen Wechsel des Rechtsträgers erfolgen. Die finanz- und leistungswirtschaftlichen Schritte werden dazu in der vorhandenen Gesellschaft umgesetzt, das Unternehmen so reorganisiert und dann fortgeführt. Die Reorganisation verändert folglich nicht zwangsläufig die Rechtsbeziehungen des Unternehmens zu seinen Gesellschaftern oder Gläubigern. Diese Strukturen werden nur verändert, wenn das Sanierungskonzept dies verlangt. Dabei hat der Sanierer jedoch einen weiten Spielraum. So sind selbstverständlich auch im Rahmen einer Reorganisation Forderungsverzichte, ein debt-equity-swap und andere Maßnahmen üblich, durch welche die alte Gesellschafter- und Gläubigerstruktur des Unternehmens grundlegend verändert wird. Die Reorganisation erhält aber stets den Rechtsträger als solchen, rettet also auch die unternehmenstragende Gesellschaft und kann insofern als das echte Sanierungsverfahren angesehen werden. (2) Die übertragende Sanierung Die übertragende Sanierung ist hingegen in ihrer Verfahrensstruktur ein Liquidationsverfahren. Die Verwendung des Begriffs der Sanierung erscheint insofern recht irreführend und euphemistisch.95 Kernbestandteile einer übertragenden Sanierung ist eine Veräußerung des gesamten Unternehmens oder aber der wesentlichen und funktionierenden Teile desselben als Einheit. Diese Veräußerung ist nichts anderes als ein Liquidationsverkauf, der sich von einer Zerschlagung des Unternehmens nur dadurch unterscheidet, dass die Vermögenswerte nicht einzeln versteigert, sondern als rechtliche Einheit veräußert werden und auf diese Weise der Fortführungswert des Unternehmens erzielt werden kann, welcher grundsätzlich höher sein sollte als dessen Zerschlagungswert. Nach der Abwicklung dieser Unternehmensveräußerung von der Krisengesellschaft an einen Erwerber bleibt die Gesellschaft ohne funktionsfähiges Unternehmen zurück. Ihr Schicksal ist die Liquidation in einem Regelinsolvenzverfahren mit der anschließenden Löschung. Eine Rettung dieser Gesellschaft, 94 Der Begriff der Reorganisation hat sich hierfür inzwischen durchgesetzt – vgl. Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 15; Hahn, Allg. Betriebswirtschaftslehre, S. 614; Kilger, ZIP 1982, 779, 781; Uhlenbruck, KTS 1981, 513, 537; Wellensiek, NZI 2002, 233. 95 Der Begriff stammt von Karsten Schmidt, ZIP 1980, 328, 336.

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also deren Sanierung, ist im Regelfall nicht das Ziel einer übertragenden Sanierung und der Begriff insofern zumindest fragwürdig. Vom Schicksal des unternehmenstragenden Rechtsträgers grundverschieden ist hingegen das Schicksal des Unternehmens selbst. Wird diese Sach- und Rechtsgesamtheit im Wege des asset-deal von seinem bisherigen Rechtsträger getrennt und auf einen neuen Rechtsträger übertragen werden,96 so kann das Unternehmen weitgehend seine Schulden abstreifen, wenn diese beim Rechtsträger verbleiben. Dieser Entschuldungseffekt ist der Hauptzweck der Unternehmensübertragung,97 ein erster wichtiger Schritt in Richtung einer Unternehmenssanierung und führte zur Benennung des Mechanismus als übertragende Sanierung. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es essentiell, dass die Forderungen der Unternehmensgläubiger nicht im Wege der Rechtsnachfolge auf den Unternehmenserwerber übergehen. Um diese – vom Gesetzgeber explizit gewollte – Rechtsfolge zu ermöglichen, wurde § 419 BGB, die Rechtsnachfolge durch Vermögensübernahme, aufgehoben. Die Mithaftung des Erwerbers über § 25 HGB (Firmenfortführung) kann dadurch ausgeschlossen werden, dass eine Fortführung der bisherigen Firma unterbleibt, nur selbstständig nicht lebensfähige Unternehmensteile veräußert werden oder aber ein Ausschluss nach § 25 Abs. 2 HGB vereinbart und bekannt gemacht wird. Erfolgt der Unternehmenserwerb aus einem Insolvenzverfahren vom Insolvenzverwalter, so soll § 25 HGB ohnehin von vornherein keine Anwendung finden.98 Allein der Übergang der Arbeitsverhältnisse nach § 613a BGB99 und – bei einer Übertragung außerhalb der Insolvenz – der Steuerschulden nach § 75 Abs. 1 AO lässt sich wohl nicht verhindern.100 Es bleibt hervorzuheben, dass durch die übertragende Sanierung ein fortführungsfähiges Unternehmen auf einen neuen Rechtsträger übertragen wird, um dort unbelastet umstrukturiert und fortgeführt zu werden. Die Unternehmensveräußerung ist dabei nur ein erster Schritt in Richtung der Sanierung des Un96 Zum grundsätzlichen Ablauf eines solchen Unternehmensverkaufes siehe etwa: Schmerbach/Staufenbiel, ZInsO 2009, 458, 461 ff. 97 Vgl. Hagebusch/Oberle, NZI 2006, 618, 619; Schmerbach/Staufenbiel, ZInsO 2009, 458; Zipperer, NZI 2008, 206, 207. 98 Vgl. BGHZ 104, 151, 153; BAG NJW 2007, 942; Müller-Feldhammer, ZIP 2003, 2186 (Fn. 4 und 5); Schmerbach/Staufenbiel, ZInsO 2009, 458, 463; Vallender, GmbHR 2004, 642, 645; Wellensiek, NZI 2002, 233, 235. 99 Kritisch: Fassbach, Die cram down power des amerikanischen Konkursgerichts, S. 187. Immerhin haftet der Erwerber bei einer übertragenden Sanierung im eröffneten Insolvenzverfahren nach der Rechtsprechung des BAG nicht für Ansprüche der übernommenen Arbeitnehmer aus der Zeit vor der Verfahrenseröffnung – vgl. BAG NZI 2003, 222, 225 ff. 100 Müller-Feldhammer, ZIP 2003, 2186 (Fn. 4 und 5); Wellensiek, NZI 2002, 233, 235. § 75 Abs. 2 AO privilegiert nur den Erwerber, der ein Unternehmen aus der Insolvenzmasse heraus erwirbt, indem ihn keine Haftung trifft. Immerhin unterliegt ein Unternehmenskauf gemäß § 1 Abs. 1a UStG als nicht steuerbarer Geschäftsvorfall nicht der Umsatzsteuer; Schmerbach/Staufenbiel, ZInsO 2009, 458, 464.

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ternehmens, da sie lediglich dessen Entschuldung leistet und zudem in der Lage ist, unproduktive Unternehmensteile abzuspalten und zurückzulassen. Die Finanzausstattung des neuen Rechtsträgers wie auch die strategische Neuausrichtung des Unternehmens inklusive der dazu notwendigen leistungswirtschaftlichen Maßnahmen erfolgt dagegen erst nach der Übertragung durch den Erwerber.101 Eine übertragende Sanierung kann auf zwei Wegen erreicht werden. Zum einen können der Betrieb oder zumindest werthaltige Betriebsteile des Krisenunternehmens an einen neuen Investor (regelmäßig ein Konkurrenzunternehmen) 102 in der Form eines asset-deal veräußert und übertragen werden, wonach der Investor den Betrieb zu eigenen Zwecken als »Betriebsübernahmegesellschaft«103 fortführt. Erwirbt der Investor hingegen das krisenbehaftete Unternehmen samt seines Rechtsträgers, also im Wege des share-deal, so erwirbt er nicht nur die Unternehmensaktiva, sondern auch die Unternehmensschulden. Einem solchen (natürlich zulässigen) Unternehmenskauf fehlt das Wesensmerkmal einer übertragenden Sanierung – das Abstreifen der Passiva.104 Er fällt daher nicht in diese Sanierungskategorie, kann aber durch das Hinzutreten der Leistungs- und Finanzkraft des Übernehmers trotzdem zu einer Überwindung der Krise und damit zu einer Sanierung des gekauften Unternehmens führen. Man bezeichnet die durch die eine solche Übernahme entstehende Gesellschaft auch als »Sanierungsgesellschaft«.105 Der zweite Weg ist besonders in Fällen relevant, in denen sich nicht sofort ein Kaufinteressent finden lässt. Dann kann der Betrieb oder werthaltige Betriebsteile zunächst auch an eine erst in der Krise zu gründende Auffanggesellschaft übertragen werden.106 Gründer dieser Gesellschaft sind mangels anderer Interessenten häufig die Eigentümer des Krisenunternehmens,107 immer häufiger auch dessen Gläubiger. Diese Auffanggesellschaft wird in der Regel eine Über101

Köchling, ZInsO 2007, 690, 691. Köchling, ZInsO 2009, 641, 642, unterscheidet zwischen strategischen Investoren (solchen mit Berührungspunkten zum Unternehmen) und Finanzinvestoren (Erwerbern mit reinen Renditeinteressen). 103 Begriffsprägend: Groß, Sanierung durch Fortführungsgesellschaften, S. 133, 399 ff.; ebenso: Böckenförde, Unternehmenssanierung, S. 189; Falk/Schäfer, ZIP 2004, 1337, 1338; Hahn, Allg. Betriebswirtschaftslehre, S. 624; Picot/Aleth, Unternehmenskrise, Rn. 521; Uhlenbruck, in: Knops/Bamberger/Maier-Reimer, Sanierungsfinanzierung, § 5 Rn. 35; Wellensiek, NZI 2002, 233, 234; Zipperer, NZI 2008, 206, 207. 104 Schmerbach/Staufenbiel, ZInsO 2009, 458, 459. 105 Begriffsprägend: Groß, Sanierung durch Fortführungsgesellschaften, S. 133, 255 ff.; ebenso: Böckenförde, Unternehmenssanierung, S. 187; Picot/Aleth, Unternehmenskrise, Rn. 519; Uhlenbruck, in: Knops/Bamberger/Maier-Reimer, Sanierungsfinanzierung, § 5 Rn. 35. 106 Ausführlich Groß, Sanierung durch Fortführungsgesellschaften, S. 133, 440 ff. 107 Zu den Haftungsrisiken der Übertragung an eine Auffanggesellschaft, die von den Gesellschaftern des Krisenunternehmens gegründet wurde: Falk/Schäfer, ZIP 2004, 1337. Zu den Fragen einer Insolvenz der Auffanggesellschaft: Zipperer, NZI 2008, 206, 208. 102

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gangslösung sein, die das Betriebsvermögen nur treuhänderisch oder als Pächter im eigenen Namen verwaltet und fortführt bis über eine Weiterveräußerung an Dritte oder ein Sanierungskonzept entschieden wurde (»Auffanggesellschaft mit Zweifachoption«).108 Die durch die Betriebsfortführung erzielten Vorteile werden dabei (im Treuhand- oder Pachtvertrag) der Insolvenzmasse des alten Rechtsträgers zugewiesen. Ein Kaufpreis fließt bei dieser Form der übertragenden Sanierung erst an den veräußernden Rechtsträger, wenn das Unternehmen an einen Investor weiterveräußert wurde, wobei nun neben einem assetdeal auch ein Verkauf der Auffanggesellschaft mittels eines Erwerbs ihrer Anteile durch den Investor möglich ist. Alternativ kann die Auffanggesellschaft das Betriebsvermögen aufgrund eines vorhandenen Sanierungskonzeptes aber auch endgültig behalten, den Betrieb mit den darin vorgesehenen, neuen Investitionen weiterführen und damit zur Betriebsübernahmegesellschaft werden.109 Ein Kaufpreis ist hier erst im Zeitpunkt der endgültigen Unternehmensübernahme fällig. Beide Erscheinungsformen der Nutzung einer Auffanggesellschaft sind systematisch der übertragenden Sanierung zuzuordnen, da bei beiden der werthaltige Betrieb vom alten Rechtsträger getrennt, ohne Tilgungslasten fortgeführt und am Ende über den Rechtsträgerwechsel entschuldet wird. Hiervon ist der Fall zu unterscheiden, in dem die Auffanggesellschaft nach dem Sanierungskonzept am Ende wieder mit dem alten Rechtsträger verschmolzen werden soll, um auf diese Weise dessen Sanierung zu erreichen. Hier findet kein dauerhafter Wechsel des Rechtsträgers inklusive einer daraus folgenden Entschuldung statt, so dass nicht von einer übertragenden Sanierung gesprochen werden kann. Die Gründung einer Auffanggesellschaft dient dann der Sanierung des alten Rechtsträgers im Wege einer »Sanierungsfusion«110 und muss folglich der Sanierungsart der Reorganisation zugerechnet werden. Die Konsequenzen einer übertragenden Sanierung sind weitreichend. Der alte Rechtsträger verliert durch sie mit dem Unternehmen sein sanierungsfähiges Vermögen und kann damit der Liquidation nicht mehr entgehen. Seinen Gläubigern geht die Sach- und Rechtsgesamtheit des Unternehmens als Haftungsmasse verloren; ihnen verbleibt allein der Zugriff auf den Veräußerungserlös (bzw. die Pachtzahlungen), also auf den Veräußerungswert des Unternehmens.111 Zudem profitieren die Gläubiger nur dann von den Gewinnen einer er108 Groß, Sanierung durch Fortführungsgesellschaften, S. 134. Einzelheiten zu den Treuhand- oder Pachtlösungen bei Groß, Sanierung durch Fortführungsgesellschaften, S. 449 ff., 463 ff. Siehe auch Zipperer, NZI 2008, 206, 208. 109 Groß, Sanierung durch Fortführungsgesellschaften, S. 134; Picot/Aleth, Unternehmenskrise, Rn. 524; Uhlenbruck, in: Knops/Bamberger/Maier-Reimer, Sanierungsfinanzierung, § 5 Rn. 35. 110 Vgl. Groß, Sanierung durch Fortführungsgesellschaften, S. 134 f., 335 ff. 111 Da die Gläubiger bei Unternehmensveräußerungen außerhalb eines Insolvenzverfahrens – anders als im Insolvenzverfahren (vgl. §§ 160 Abs. 2 Nr. 1, 162, 163 InsO sowie die Bestimmungen zum Insolvenzplan) – der Übertragung nicht zustimmen müssen, regt sich gegen

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folgreichen Sanierung des Unternehmens, wenn das Sanierungskonzept ihnen Anteile oder Genussrechte an der Auffanggesellschaft anbietet und sie dieses Angebot gegen die Aufgabe ihrer Forderungen oder die Leistung neuer Beiträge annehmen. Ansonsten erhalten sie zumindest zügig eine quotale Befriedigung aus dem Veräußerungserlös im Rahmen des Liquidationsverfahrens über den alten Rechtsträger. (3) Auswahlkriterien Stehen im Einzelfall beide Sanierungswege zur Auswahl, kommt also etwa sowohl eine Reorganisation des Unternehmens als auch dessen Verkauf an einen Interessenten als Handlungsoptionen in Betracht, so ist von den individuellen Umständen abhängig, welcher Weg vorzugswürdig erscheint. Einen generellen Vorrang einer der beiden Sanierungsarten gibt es nicht.112 Zu viele individuell verschiedene Faktoren spielen bei der Entscheidung eine Rolle. Gerade das Gelingen einer Reorganisation, und damit der Erfolg dieser Handlungsalternative, lässt sich nur schwer bewerten. Ob sie tatsächlich zu einer Optimierung des Unternehmenswertes führen wird und damit aus Sicht aller Beteiligten erstrebenswert ist, lässt sich im Entscheidungszeitpunkt nicht mit Sicherheit feststellen, da ungewisse Ereignisse in der Zukunft eine maßgebliche Rolle für die Unternehmensentwicklung und das Gelingen einer Reorganisation spielen. Das Risiko einer Fehlprognose und einer scheiternden Sanierung trifft dabei zwar auch die Eigentümer; sie verlieren ihr Unternehmen. Leidtragende sind aber vor allem die Altgläubiger und Investoren des Unternehmens, die ihre Haftungsmasse einbüßen. Der Gedanke der Risikominimierung spricht daher gerade aus Gläubigersicht für eine übertragende Sanierung, da mit dem gebotenen Veräußerungserlös die Verteilungsmasse feststeht und jegliche Unwägbarkeiten vermieden werden. Sie wird daher aus Gläubigersicht häufig die bevorzugte Sanierungsart sein.113 Aktuelle empirische Ergebnisse bestätigen diese Annahme.114 diese Art der Sanierung immer noch grundsätzliche Kritik: insbesondere Schmidt, ZIP 1980, 328, 337 sowie zuletzt in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 2.133; auch Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 15. Zur Problematik des Gläubigerschutzes bei übertragenden Sanierungen siehe auch Falk/Schäfer, ZIP 2004, 1337 und Müller-Feldhammer, ZIP 2003, 2186; Zipperer, NZI 2008, 206, 207. 112 Dem Krisenmanagement sollten im Idealfall beide Arten als Option zur Verfügung stehen – hierzu genauer Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 32 ff., 46. 113 Wellensiek, NZI 2002, 233, 238; ebenso Bitter, ZGR 2010, 147, 155 ff.; Morshäuser/ Falkner, NZG 2010, 526, 529. 114 So ergab eine Umfrage unter Insolvenzverwaltern aus dem Jahr 2007, dass die von ihnen betreuten Unternehmensinsolvenzen nur zu max. 10 Prozent eine Reorganisation mittels Insolvenzplans verhandelt wurde, während in 31–56 Prozent der Fälle eine übertragende Sanierung erfolgte und nur in den übrigen Fällen das Unternehmen liquidiert wurde. Die Sanierungsquote stieg dabei signifikant mit der Größe des Unternehmens; vgl. Bitter, ZGR 2010, 147, 155. Auch nach Undritz, ZGR 2010, 201, 205, erfolgen derzeit »weit über 90% der erfolgreichen Restrukturierungen« in der Insolvenz im Wege einer übertragenden Sanierung.

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Dem unternehmerischen Risiko der Reorganisation sind allerdings auch deren Vorteile gegenüberzustellen. Diese folgen vor allem aus der Kontinuität des Rechtsträgers im Gegensatz zur übertragenden Sanierung. Rechtspositionen, die allein mit dem Unternehmensträger verbunden und nicht frei übertragbar sind,115 können allein bei einer Reorganisation nutzbar gemacht werden. Dies gilt vor allem für an den Rechtsträger gekoppelte öffentlich-rechtliche Genehmigungen116 sowie für Berechtigungen aus schuldrechtlichen Verträgen wie z. B. langfristigen Miet- oder Konzessionsverträgen.117 Hinzu kommen steuerrechtliche Erwägungen. Die in der Krise erlittenen Verluste können im Wege des Verlustabzugs nach § 10d EStG nur dann mit künftigen Gewinnen118 verrechnet werden, wenn die Körperschaft, die den Verlustvortrag steuerlich geltend macht, identisch ist mit der Körperschaft, die den Verlust erwirtschaftet hatte. Der wirtschaftlich bedeutende Wert eines Verlustabzugs wird daher nur im Fall einer Reorganisation erhalten. Im Fall einer übertragenden Sanierung bleibt er beim alten Rechtsträger und wird durch die Liquidation desselben vernichtet.119 Das Steuerrecht ist insofern allerdings ständigen Gesetzesänderungen unterworfen, weshalb eine Wiedereinführung der steuerlichen Privilegierung jedes Sanierungsgewinns nicht auszuschließen ist.120 Schließlich ist der Unter115 Eine umfassende Bestandsaufnahme solcher Rechtspositionen bieten Bitter/Laspeyres, ZIP 2010, 1157 ff.; auch Bitter, ZGR 2010, 147, 158 ff. 116 Beispielsweise die Genehmigung nach dem Güterkraftverkehrsgesetz (§ 3 Abs. 2 GüKG). Anlagenbezogene Genehmigungen (z. B. nach § 4 BImSchG) gehen hingegen mit der Anlage auf den Erwerber über. 117 Berechtigungen aus Dauerschuldverhältnissen können nur mit Zustimmung des Vertragspartners an einen Dritten übertragen werden (Vertragsübernahme). Diese Zustimmung wird der Vertragspartner nicht ohne finanzielle Zugeständnisse erteilen – vgl. Bitter/Laspeyres, ZIP 2010, 1157, 1158; Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 45 oder auch den Erfahrungsbericht von Schreiber/Herbst, ZInsO 2008, 435, 436, nach dem eine übertragende Sanierung einer Brauerei mangels der Übertragbarkeit aller Bierlieferungsverträge auf eine Erwerbergesellschaft ausschied und daher ein Insolvenzplan erarbeitet und erfolgreich verhandelt wurde. 118 Dies gilt insbesondere für den Sanierungsgewinn, also die Erhöhung des Betriebsvermögens aufgrund von Forderungserlassen der Unternehmensgläubiger zum Zwecke der Sanierung. Dieser ist seit der Streichung des § 3 Nr. 66 EStG durch das Gesetz zur Fortführung der Unternehmenssteuerreform vom 29. 10. 1997 (BGBl. I 1997, 2590) nicht mehr steuerfrei – dazu Maus, NZI 2000, 449. 119 Vgl. § 8c Abs. 1 KStG; §§ 4 Abs. 2 S. 2, 12 Abs. 3 UmwStG 2006. 120 Zur wechselvollen Geschichte der steuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen siehe etwa Khan/Adam, ZInsO 2008, 899, 900. Die durchaus sachgerechte Steuerfreiheit eines Sanierungsgewinns (ehemals § 3 Nr. 66 EStG) wurde 1998 durch die Schaffung der Verlustvortragsmöglichkeit in § 10d Abs. 2 EStG ersetzt, welche über § 8 Abs. 4 KStG zunächst auch bei übertragenden Sanierungen bestand. Das Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 (BGBl. I 2007, 1912) strich dann nicht nur § 8 Abs. 4 KStG; es führte auch eine Mindestbesteuerung durch eine Begrenzung der Verlustabzugsmöglichkeiten in § 12d EStG ein. Schon 2009 wurde dann § 12d EStG wieder gestrichen und mit dem neuen § 8c Abs. 1a KStG eine Übertragung des Verlustvortrags bei übertragenden Sanierungen wieder erlaubt. Letztere Regelung beanstandete nun im Jahr 2010 die EU-Kommission als unzulässige Beihilfe (KOM

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nehmenswert infolge einer erfolgreichen Reorganisation höher als der Kaufpreis für das Unternehmen bei einer Veräußerung in einer Krisensituation. Das Unternehmen erwirtschaftet im Verkaufszeitpunkt Verluste. Die Verhandlungsposition des Verkäufers ist dadurch äußerst schlecht. Der Zeitdruck verhindert eine sorgfältige Sondierung des Marktes, eine sorgfältige DueDiligence-Prüfung möglicher Kaufinteressenten und die Entfachung eines Bieterwettbewerbs um das Unternehmen. Schon das senkt den Preis und die Unsicherheit hinsichtlich der Überlebensfähigkeit des Krisenunternehmens führt zu weiteren Risikoabschlägen. Im Ergebnis liegen die bei einer übertragenden Sanierung erzielten Kaufpreise näher beim Liquidationswert des Unternehmens als bei seinem Fortführungswert, teilweise sogar darunter.121 4. Die Entscheidungsträger Wird die Unternehmenskrise rechtzeitig entdeckt und setzt das Krisenmanagement frühzeitig ein, so bestimmen das Management122 und die Eigentümer des Krisenunternehmens den Sanierungsplan, also die strategische Neuausrichtung des Unternehmens wie auch den dazu notwendigen Sanierungsweg. Sie werden dabei im eigenen Interesse zunächst versuchen, eine Reorganisation ihres Unternehmens zum Erfolg zu bringen, da hierbei die grundsätzlichen Managementstrukturen und Eigentumsverhältnisse im Unternehmen erhalten bleiben.123 Die Reorganisation kann unter Umständen sogar aus eigener Kraft ge2010, 970), woraufhin ihre Anwendung ausgesetzt wurde (BMF-Schreiben vom 30. 04. 2010, abgedruckt etwa in DB 2010, 1038; dazu Mückl, GWR 2010, 262). Sanierungsgewinne sind daher derzeit häufig zu versteuern. Insofern bleibt der ministeriale Erlass vom 27. März 2003 (abgedruckt in ZInsO 2003, 363; dazu Khan/Adam, ZInsO 2008, 899, 900 ff.) maßgeblich, der die Finanzverwaltungen anweist, aus Billigkeitsgründen nach dem Ausschöpfen aller Verlustabzugsmöglichkeiten verbleibende Sanierungsgewinne auf Antrag abweichend festzusetzen, zu stunden oder zu erlassen. Dass dieser Sanierungserlass wiederum rechtmäßig ist, wurde zuletzt vom FG München, DStR 2008, 1687, bezweifelt. Insgesamt ist damit in den letzten Jahren eine Rechtslage entstanden, die potenziellen Investoren jede sanierungsfördernde Planungssicherheit nimmt – ebenso Eidenmüller, ZIP 2010, 649, 658; Khan/Adam, ZInsO 2008, 899, 903 ff.; Pleister/Kindler, ZIP 2010, 503, 512; Westpfahl/Janjuah, ZIP 2008, Beilage zu Heft 3, 1, 19 ff. Es ist daher bedauerlich, dass auch der ministeriale Erlass vom 22. 12. 2009 (abgedruckt in NZI 2010, 91) nicht auf die Bedenken des FG München eingeht und stattdessen für die steuerliche Behandlung von Sanierungsgewinnen aus Insolvenzplanverfahren lediglich auf den Erlass von 2003 verweist. Zudem bleibt die Gewerbesteuererhebung problematisch – dazu Carli/Rieder/Mückl, ZIP 2010, 1737, 1741 f. (»show stopper«). 121 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 38 f.; Zipperer, NZI 2008, 206, 209. 122 So hat schon der Geschäftsführer einer GmbH mit dem Eintritt der Krise eine Sanierung der Gesellschaft zu prüfen und ein Sanierungskonzept vorzubereiten, das er dann den Gesellschaftern vorschlägt – vgl. Veil, ZGR 2006, 374, 379 f.; Westermann, DZWIR 2006, 485, 487. 123 Körner, Unternehmens-Turnaround durch Eigenverwaltung in der Insolvenz, S. 165 f. Interessant sind dabei die Äußerungen der Gesellschafter des Schuldnerunternehmens im Modellverfahren bei: Graf-Schlicker/Maus/Uhlenbruck, Die Unternehmensinsolvenz nach der InsO, Fall 2 Rn. 155. Natürlich kann auch eine Reorganisation zu einem Austausch des

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leistet werden.124 Insbesondere bei einem vorausschauenden, krisenbewussten Management, das eine schnelle Reaktion durch eingeübte Planspiele und eine ausreichende Finanzierung durch eine belastbare Eigenkapitaldecke und Krisenrücklagen ermöglicht, sind die Erfolgschancen der Reorganisation sehr gut. Der Regelfall der Unternehmenskrise sieht leider anders aus. Krisensituationen werden zu spät erkannt oder es wird zu spät reagiert. Zudem ist die Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen häufig zu gering, um akute Krisensituationen aus eigener Kraft zu bewältigen, also jedwede Sanierungskonzepte eigenständig zu finanzieren.125 Der Erfolg einer Reorganisation, insbesondere die Behebung dringender finanzieller Engpässe, liegt dann nicht mehr in der Hand des Unternehmens, sondern hängt von der Bereitschaft Dritter zur finanziellen Beteiligung an der Sanierung ab.126 Zentrale Bedeutung haben hier zunächst die Gläubiger des Unternehmens, insbesondere die Banken, die dem Unternehmen finanziellen Spielraum im Wege der Stundung von Forderungen oder gar des (teilweisen) Verzichts auf dieselben geben können. Nicht weniger bedeutend ist die Rolle der Eigentümer des Unternehmens wie auch die Erreichbarkeit neuer Investoren, die frische finanzielle Mittel in Form von Eigenkapital oder Fremdkapital zur Verfügung stellen müssen. Nicht selten sind Gläubiger dabei zugleich als Investoren gefragt, insbesondere im Hinblick auf die Gewährung weiterer Bank- oder Lieferantenkredite.127 Die Entscheidung über die Durchführung einer Sanierung liegt in dieser Situation nicht mehr beim Management des Unternehmens, sondern bei seinen Kapitalgebern.128 Diese sind nun die wirtschaftlichen Eigentümer des Unternehmens.129 (unfähigen) Managements und/oder zu einer Änderung in den Gesellschafterstrukturen führen. Ebenso kann die alternative übertragende Sanierung eine Beteiligung der Alteigentümer am neuen Rechtsträger vorsehen. Es handelt sich lediglich um eine Aussage über den Regelfall. Die Auswertung empirischer Daten aus Reorganisationsverfahren in den U. S. A. bestätigen, dass bei kleinen Unternehmen eher selten ein Managementwechsel mit der Reorganisation einhergeht, während dies bei großen Unternehmen eher der Regelfall ist (Terhart, Chapter 11, S. 92 f.). 124 Man spricht dann auch von einer »internen Sanierung« – vgl. Picot/Aleth, Unternehmenskrise, Rn. 287; Schmidt, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 2.6; Uhlenbruck, in: Knops/Bamberger/Maier-Reimer, Sanierungsfinanzierung, § 5 Rn. 2. 125 Die durchschnittliche Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen liegt unter 20 Prozent – vgl. Uhlenbruck, KTS 1981, 513, 544. Besonders betroffen sind Unternehmen, die als GmbH betrieben werden, was auch an der geringen gesetzlich vorgeschriebenen Eigenkapitalausstattung (25.000 Euro, § 5 Abs. 1 GmbHG) festgemacht werden kann – Birker, in: Birker/Pepels, Krisenbewusstes Management, S. 31. 126 Man spricht hier auch von einer »externen Sanierung« – vgl. Picot/Aleth, Unternehmenskrise, Rn. 482; Uhlenbruck, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 2.209; ders., in: Knops/Bamberger/Maier-Reimer, Sanierungsfinanzierung, § 5 Rn. 2. 127 Birker, in: Birker/Pepels, Krisenbewusstes Management, S. 343. 128 Hahn, Allg. Betriebswirtschaftslehre, S. 613. 129 Westpfahl/Janjuah, ZIP 2008, Beilage zu Heft 3, 1, 14.

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Auch der Erfolg einer übertragenden Sanierung hängt von der Investitionsbereitschaft der Kapitalgeber ab. Die Veräußerung des Unternehmens kann zwar – jedenfalls außerhalb eines Insolvenzverfahrens (vgl. § 160 InsO) – auch ohne die Zustimmung der Unternehmensgläubiger durchgeführt werden. Dazu muss aber ein Kaufinteressent gefunden werden, der einen angemessenen Kaufpreis für das Krisenunternehmen zahlen und auch in der Folge die Sanierung des Unternehmens tragen will. Gelingt dies nicht, so kann zwar eine Auffanggesellschaft gegründet werden, um das Unternehmen zu übernehmen. Auch dieser Erwerber muss dann allerdings mit Kapital ausgestattet werden, wofür Gründer gefunden werden müssen, die frisches Kapital investieren wollen. Auch jede übertragende Sanierung steht und fällt daher mit der Investitionsbereitschaft der Kapitalgeber; auch bei ihr ist die Handlungsfreiheit des Managements entsprechend begrenzt. Diese besondere Macht der Fremdkapitalgeber eines Unternehmens in Krisensituationen macht Eidenmüller deutlich, wenn er feststellt: »Die Entscheidung über die Erhaltung oder Schließung eines Unternehmens ist eine vermögensrechtliche Entscheidung, die bei einem gesunden Unternehmen von seinen Eigenkapitalgebern und bei einem insolventen Unternehmen von seinen Fremdkapitalgebern (Gläubigern) zu treffen ist.«130 5. Das Planungsergebnis Der Sanierungsprozess kann in seinem Verlauf an mehreren Stellen zu einem Ende gelangen. Zunächst kann schon die Unternehmensanalyse ergeben, dass dem Unternehmen die Sanierungsfähigkeit fehlt, da die Ursachen der Krise mit den voraussichtlich erreichbaren Mitteln nicht zu beheben sind. Eine Sanierung ist dann unmöglich. Ergibt die Unternehmensanalyse hingegen ein stimmiges Sanierungskonzept, so kann die Sanierung im nächsten Schritt daran scheitern, dass es dem Unternehmen nicht gelingt, die notwendigen Kapitalgeber vom Erfolg des Sanierungskonzeptes zu überzeugen und so zu einer finanziellen Beteiligung zu bewegen. Können hingegen die vom Plan vorausgesetzten Kapitalgeber gewonnen werden und erscheint im Ergebnis der leistungs- und finanzwirtschaftlichen Planung damit ein Sanierungsergebnis überwiegend wahrscheinlich, dass dem Krisenunternehmen innerhalb eines absehbaren Zeitraums (von maximal drei Jahren) ein mindestens ausgeglichenes Jahresergebnis ermöglicht, so kann man eine tatsächliche Sanierungsfähigkeit des Unternehmens annehmen und von einer positiven Fortführungsprognose sprechen.131

130 131

Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 27. So etwa Hermanns/Buth, DStR 1997, 1178, 1183.

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III. Die rechtlich verbindliche Fixierung der Sanierung Findet ein Sanierungsplan die Unterstützung der Kapitalgeber, so kann es nur umgesetzt werden, wenn die darin festgelegten Maßnahmen auch rechtlich verbindlich festgeschrieben und umgesetzt werden. Dann entsteht die zur Krisenbewältigung notwendige Rechts- und Planungssicherheit. Hierzu muss der Sanierungsplan zunächst für alle Beteiligten verbindlich werden. Um dies zu erreichen, sind zwei grundsätzlich verschiedene Situationen zu unterscheiden: die Sanierung außerhalb und die innerhalb eines Insolvenzverfahrens. In der Krise eines Unternehmens stehen den Entscheidungsträgern wegen des neuen Insolvenzgrundes der drohenden Zahlungsunfähigkeit in § 18 InsO in der Regel beide Wege offen. Es ist daher zu hinterfragen, welche Option die größeren Vorund die geringeren Nachteile für eine erfolgreiche Sanierung hat. 1. Die außergerichtliche Reorganisation – der Sanierungsvergleich Außerhalb eines Insolvenzverfahrens kann ein Sanierungsplan nach dem geltenden Recht nur auf eine Art alle Beteiligten binden: Er muss zum Inhalt eines Vertrages zwischen ihnen gemacht werden. Die Bindung des Schuldners sowie der Gläubiger und Investoren an den Sanierungsplan folgt dann unstreitig aus der Bindungswirkung des Vertrages. Dieser ist in der Regel als Vergleich im Sinn des § 779 BGB einzuordnen, werden doch mit ihm die Unsicherheiten hinsichtlich der Verwirklichung der Ansprüche der Gläubiger mittels allseitigen Nachgebens beseitigt.132 Man kann insofern zu Recht auch von einem Sanierungsvergleich sprechen.133 Das Zustandekommen dieses Sanierungsvertrages unterliegt den allgemeinen gesetzlichen Regelungen über den Abschluss von Verträgen. Notwendig ist also die Zustimmung jedes einzelnen Beteiligten zum Sanierungsplan, folgt doch aus der vertraglichen Grundstruktur, dass eine Bindungswirkung nur für diejenigen eintritt, die den Vertrag geschlossen haben.134 Eine gerichtliche Beteiligung am Vertragsschluss ist nicht notwendig. Man kann insofern zutreffend auch von einer freien oder außergerichtlichen Sanierung sprechen. a) Vorteile Der Vorteil dieses Sanierungsweges liegt primär in der Vermeidung des öffentlichkeitswirksamen Schlagwortes der Insolvenz. Die Signalwirkung eines Insolvenzantrags erzeugt oft Reflexhandlungen der Beteiligten, die zu einem Wertverlust des Unternehmens führen (indirekte Insolvenzkosten). So tritt ein Imageverlust in der Öffentlichkeit ein; der Markt-/Börsenwert des Unterneh132 133 134

333.

BGHZ 116, 319, 330; aus der Literatur: Picot/Aleth, Unternehmenskrise, Rn. 509. Vgl. BGHZ 116, 319. Unstreitig – vgl. BGHZ 116, 319, 321; BGH WM 1961, 403, 404; Schmidt, ZIP 1980, 328,

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mens fällt drastisch. Kunden werden verunsichert und wenden sich anderen Anbietern zu. Qualifizierte Arbeitnehmer und Führungskräfte suchen einen »sicheren« Arbeitgeber und wandern ab. Warnstreiks aus Angst vor Arbeitsplatzverlusten führen zu Produktionsausfällen. Banken kündigen Kreditlinien und Lieferanten verlangen Barzahlung bei Lieferung.135 All dem kann ein Sanierungsvergleich entgegenwirken, wenn es gelingt, die Sanierungsverhandlungen weitgehend aus der Öffentlichkeit herauszuhalten und auf die zur Sanierung notwendigen Schlüsselgläubiger zu beschränken. Die Verunsicherung der Öffentlichkeit bleibt dann aus und Reflexhandlungen der Beteiligten werden vermieden. Werden die Verhandlungen dennoch öffentlich oder sind sie aufgrund der Vielzahl der Beteiligten oder börsenrechtlicher Mitteilungspflichten nicht geheim zu halten, so lassen sich die negativen Effekte begrenzen, da das Unternehmen mit dem Sanierungskonzept zugleich Handlungsbereitschaft und Zuversicht hinsichtlich der Bewältigung der offenbarten Krise ausstrahlt. Schließlich entstehen selbst in den Fällen einer schlechten Öffentlichkeitsarbeit des Krisenunternehmens keinesfalls die direkten Kosten eines alternativen Insolvenzverfahrens. Die Gerichtskosten werden ebenso gespart wie die Vergütung für einen Insolvenzverwalter (direkte Insolvenzkosten).136 Allerdings sollte nicht verschwiegen werden, dass Kosten für externe Berater und Gutachter in der Regel auch bei außergerichtlichen Sanierungsbemühungen entstehen und daher das Ausmaß des Kostenvorteils hinsichtlich der direkten Kosten nicht überschätzt werden sollte.137 Der entscheidende Kostenvorteil eines außergerichtlichen Vergleichs beruht daher auf der Vermeidung indirekter Kosten. Ein weiterer Vorteil dieses Sanierungsweges liegt in seiner Flexibilität.138 Verfahrensregelungen sind nicht vorhanden; der Verfahrensablauf kann also sehr individuell gestaltet werden. Dies beginnt bei der freien Auswahl des Sanierungsmanagements, z. B. der Bestellung eines erfahrenen externen Sanierungsmanagers oder einer renommierten Unternehmensberatungsgesellschaft zur Unterstützung des Unternehmensmanagements in dieser schwierigen und besonderen Situation. Es sind zudem keine gesetzlichen Stellungnahme- oder Ladungsfristen einzuhalten, wodurch die Sanierung schneller eingeleitet und umgesetzt werden kann. Daneben existiert auch kein strenges Gleichbehandlungsgebot für alle Gläubiger,139 so das sich nicht nur das Verfahren, sondern auch der 135 Zu den indirekten Insolvenzkosten: Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 74 ff.; 331 ff.; Uhlenbruck, in: Knops/Bamberger/Maier-Reimer, Sanierungsfinanzierung, § 5 Rn. 12. Siehe auch den Erfahrungsbericht von Wellensiek, ZGR 1999, 234, 239 zum VulkanKonkurs. 136 Näher zu den direkten Insolvenzkosten: Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 74 f. 137 So auch Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 264. 138 Uhlenbruck, in: Knops/Bamberger/Maier-Reimer, Sanierungsfinanzierung, § 5 Rn. 13. 139 Unzulässig ist allein die heimliche Bevorzugung einzelner Gläubiger. Eine offene Ungleichbehandlung in einem Sanierungsvergleich wird hingegen verbindlich, wenn alle Beteiligten zustimmen. Zum Verbot heimlicher Sondervorteile (auch modifi zierter Gleichbehand-

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Inhalt des Sanierungskonzeptes durch ein Höchstmaß an Privatautonomie auszeichnet.140 Dies wird schließlich auch darin deutlich, dass ein Sanierungsvergleich nicht nur den Schuldner und dessen Gläubiger sowie neue Investoren einbinden kann. Er vermag es zudem, flexibel auf gesellschaftsrechtliche Aspekte des Sanierungsplans zu reagieren. So sollte er insbesondere die Mehrheitsgesellschafter mittels Zustimmung zum Sanierungsplan binden, wenn dieser etwa einen Kapitalschnitt vorsieht. Der Sanierungsvergleich ermöglicht somit insgesamt eine flexible und umfassende Fixierung der geplanten Sanierung. b) Nachteile Diese Vorteile der außergerichtlichen Sanierung haben jedoch eine entscheidende Kehrseite. Um eine realistische Umsetzungschance zu haben, müssen dem Sanierungsplan alle maßgeblichen Beteiligten zustimmen. Selbst wenn das Unternehmen allein durch die angestrebte Sanierung erhalten werden kann, steht es dabei jedem Gläubiger frei, den angebotenen Sanierungsvergleich ohne Angabe von Gründen oder einer besonderen Rechtfertigung abzulehnen und seine Forderungen gegen das Unternehmen zwangsweise durchzusetzen. Dies gilt selbst dann, wenn die ganz überwiegende Mehrheit aller Gläubiger dem Plan zugestimmt hat. Weder die Sachdienlichkeit eines Sanierungskonzeptes noch dessen Annahme durch die Gläubigermehrheit genügt nach immer noch herrschender Ansicht, um auch die ablehnende Gläubigerminderheit, die sog. Akkordstörer, zur Zustimmung zu zwingen oder die Bindungswirkung eines Sanierungsvergleiches auf sie zu erstrecken.141 Ein schuldrechtlicher Vertrag wie der Sanierungsvergleich kann eben nur diejenigen binden, die sich ihm freiwillig anschließen. Eine unmittelbare Bindung der Gläubigerminderheit an den Vergleich gegen deren Willen142 ist rechtlich nicht herleitbar. Zugleich lässt sich auch eine Zustimmungspflicht der Minderheitsgläubiger zu einem plausiblen Sanierungskonzept143 nicht überzeugend begründen. Es fehlt schlicht jede lungsgrundsatz genannt) etwa Picot/Aleth, Unternehmenskrise, Rn. 512; Uhlenbruck, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, 3. Auflage 2003, Rn. 439, 452. 140 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 337 ff.; Habscheid, GS Bruns (1980), 253, 255; Uhlenbruck, in: Knops/Bamberger/Maier-Reimer, Sanierungsfinanzierung, § 5 Rn. 13. So sind etwa unterschiedliche Vergleichsquoten für verschiedene Gläubiger möglich (BGH WM 1985, 1151, 1152). 141 BGHZ 116, 319, 322; Bamberger, in: Knops/Bamberger/Maier-Reimer, Sanierungsfinanzierung, § 16 Rn. 36 (jedenfalls im Grundsatz); Jauernig, ZIP 1980, 318 ff.; Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 277;Uhlenbruck, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 2.2. 142 Dafür etwa Habscheid, GS Bruns (1980), 253, 262. 143 Hierfür zuletzt Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 608 ff. und in ZHR 160 (1996), 343, 367 ff., der schon vor Insolvenzeröffnung eine »gesellschaftsähnliche Sonderverbindung« zwischen den Beteiligten begründen will, welche Kooperationspflichten bis hin zur Zustimmungspflicht erzeugt.

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rechtliche Grundlage für eine Mehrheitsmacht.144 Etwas anderes gilt hingegen für die Gesellschafter des Krisenunternehmens. Diese trifft aus dem Gesellschaftsvertrag eine Treuepflicht hinsichtlich der Erreichung des satzungsgemäßen Unternehmenszweckes, weshalb die Rechtsprechung Minderheitsgesellschafter mit Sperrminorität zur Zustimmung zu einem plausiblen Sanierungsplan verpflichtet. Solange also die Liquidation des Unternehmens nicht mehrheitlich beschlossen wurde, sei es die Pflicht jedes Minderheitsgesellschafters, sinnvolle und mehrheitlich angestrebte Sanierungen nicht aus eigennützigen Gründen zu verhindern.145 Mehrheitsgesellschafter können demgegenüber jederzeit und ohne Vorliegen sachlicher Rechtfertigungsgründe die Auflösung der Gesellschaft beschließen und sind folglich nicht verpflichtet, einer Sanierung zuzustimmen.146 Es besteht daher nur eine Kooperationspflicht bei einer mehrheitlich gewollten Sanierung, nicht jedoch eine Handlungspflicht hinsichtlich der Entscheidung für das Ob einer Sanierung. Die Gesellschafter können sich also mehrheitlich auch gegen eine Sanierung entscheiden und daher Sanierungsbeiträge verweigern. Diese Rechtslage birgt erhebliches Störpotenzial für außergerichtliche Sanierungsverhandlungen. Dieses Potenzial mag unbedeutend sein, wenn nur Kleingläubiger ihre Beteiligung am Sanierungskonzept verweigern; ihre Forderungen können und müssen dann voll bedient werden. Verweigern aber gerade einzelne Schlüsselgläubiger oder finanzstarke Mehrheitsgesellschafter ihre Mitwirkung an der Sanierung, so wird das Unternehmen nicht im vorgesehenen und für eine Sanierung notwendigen Rahmen von Schulden entlastet und mit Liquidität versorgt. Zugleich droht jederzeit die zwangsweise Geltendmachung offener Forderungen.147 In solchen Fällen scheitert die außergerichtliche Sanierung dann schnell an der Blockadehaltung einzelner, aber bedeutender Gläubiger. 144 Die Gläubiger des Schuldners bilden vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens weder eine Gesellschaft noch eine Rechtsgemeinschaft oder eine Interessengemeinschaft. Näher dazu im 3. Kapitel C. II. 3. 145 BGHZ 129, 136, 151 f. (sog. Girmes-Entscheidung des BGH). Hieraus folgt dann zwar keine generelle Pfl icht zur zwangsweisen Leistung von Sanierungsbeiträgen; deren Verweigerung kann allerdings über eine entsprechende Satzungsbestimmung zum Ausschluss der Minderheitsgesellschafter aus der Gesellschaft führen – so BGH NJW 2010, 65, 66 f. (für den Fall einer Publikumsgesellschaft). 146 BGHZ 76, 352, 353; 103, 184, 191 f.; 129, 136, 151; Krull, Bedingter Insolvenzplan und Kapitalschnitt, S. 69 f. Westermann, DZWIR 2006, 485, 489 ff.; dagegen: Redeker, BB 2007, 673, 675; ähnlich Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5 IV 5 a), S. 134, wenn beide in der Krise als ultima ratio eine generelle Zustimmungspflicht jedes Gesellschafters zu einer sinnvollen Sanierung annehmen. 147 Ein Leistungsverweigerungsrecht des Schuldnerunternehmens gegen eine Inanspruchnahme durch den Akkordstörer kann nicht allein darauf beruhen, dass dieser ein Sanierungskonzept ablehnt. Insbesondere handelt er nicht allein deswegen schon treuwidrig im Sinne des § 242 BGB – so aber Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 608 ff., 731 und in ZHR 160 (1996), 343, 367 f. Eine Zustimmungspflicht des Gläubigers zu einem Sanierungsvergleich lässt sich genauso wenig herleiten wie eine Zustimmungspfl icht zu einer Moratorium in der

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(1) Die Motivationslage von Gläubigern in Schlüsselpositionen Ein solches Blockadeverhalten ist leider gerade bei den Gläubigern wahrscheinlich und gefährlich, deren Forderungen voll oder jedenfalls überwiegend durch betriebsnotwendiges Vermögen gesichert sind. Für diese gesicherten Gläubiger besteht kein Anreiz für einen Forderungsverzicht, ja nicht einmal für eine Fortführung des Unternehmens. Es besteht vielmehr die Gefahr, dass diese Gläubiger angesichts der durch das Sanierungskonzept offensichtlich gewordenen Unternehmenskrise beginnen, ihre Sicherheiten zu verwerten, also etwa das Firmengrundstück zu versteigern oder Sicherungseigentum heraus zu verlangen, wodurch dem Unternehmen die Grundlage für eine Fortführung entzogen und eine Sanierung unmöglich gemacht wird. Dieser Gefahr kann nur durch einen Verwertungsstopp begegnet werden, der Teil jedes Sanierungskonzeptes ist und welcher daher wiederum nur verbindlich wird, wenn der betreffende Gläubiger selbigem zustimmt.148 Gerade aber das Zustandekommen einer solchen freiwilligen Vereinbarung mit den gesicherten Gläubigern ist in der Krise mehr als fraglich.149 Vielleicht noch gravierender ist die Ablehnung des Sanierungskonzeptes durch Gläubigerbanken. Deren Blockade führt nicht nur zum Ausbleiben einer Schuldenentlastung. Durch die Fälligstellung von ausgegebenen Krediten und die Verweigerung eines Kreditrahmens für den in der Krise stets vorhandenen kurzfristigen Liquiditätsbedarf des Unternehmens kann einer Sanierung schnell jegliche Erfolgsaussicht genommen werden. Um diese Gefahr zu beseitigen, will etwa Canaris aus dem Grundsatz von Treu und Glauben eine Pflicht der Gläubigerbanken zur Aufrechterhaltung einer bestehenden Kreditlinie und sogar zur Vergabe von Krediten zur Deckung des kurzfristigen Liquiditätsbedarfes, nicht jedoch zur Vergabe langfristiger Sanierungskredite begründen, wenn hinreichende Sicherheiten vorhanden sind.150 Für eine so weitreichende Verpflichtung der Banken, fremdnützig zu handeln, bietet allein der Gedanke des Vertrauensschutzes jedoch keine hinreichende Grundlage. Keiner Bank kann einer Beteiligung an einer Sanierung ihres Geschäftspartners, ja sogar eine erweiterte Kreditgewährung nur aus dem Grund aufgezwungen werden, dass bereits Geschäftsbeziehungen bestanden. Die Gläubigerbanken handeln nicht rechtsmissbräuchlich, sondern in ihrem wohl verstandenen eigenen InterKrise – ebenso BGHZ 116, 319, 328 ff. und die herrschende Lehre (vgl. etwa Picot/Aleth, Unternehmenskrise, Rn. 510; Uhlenbruck, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 2.2, 2.214). 148 Vgl. BGHZ 116, 319, 322; Uhlenbruck, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 2.214. 149 Zum ganzen auch Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 354 ff. 150 Canaris, ZHR 143 (1979), 113, 133; ihm folgend Bamberger, in: Knops/Bamberger/ Maier-Reimer, Sanierungsfinanzierung, § 16 Rn. 74 ff., 89; Kämpfer, Die Stellung von Sanierungskrediten im Insolvenzrecht, S. 12 ff.; sogar noch weitergehend Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 760 ff.

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esse wie auch dem ihrer Einleger (vgl. § 18 KWG), wenn sie angesichts einer Liquiditätskrise des Darlehensschuldners ihre Darlehen fällig stellen sowie keine weiteren Darlehensverträge abschließen, ihr Ausfallrisiko also beschränken und Haftungsrisiken vermeiden.151 Es ist Sache des Krisenunternehmens, nicht der Rechtsordnung, die Gläubigerbanken für die Mitwirkung an der freien Sanierung zu gewinnen. Diese ohnehin sehr sensible Verhandlungsposition des Krisenunternehmens wird zudem dadurch erschwert, dass selbst einer sanierungsinteressierten Gläubigerbank Haftungsrisiken drohen, wenn sie sich tatsächlich für die Finanzierung der außergerichtlichen Sanierung entscheidet, diese Sanierung dann aber nicht gelingt. Dieses Risiko ist allerdings abhängig davon, auf welche Art und Weise eine Gläubigerbank an einer außergerichtlichen Sanierung teilnehmen will. Entschließt sie sich, lediglich still zu halten, also die dem Unternehmen gewährte Kreditlinie aufrechterhalten, so verzichtet sie damit (zumindest vorübergehend) nur auf die Ausübung ihres Kündigungsrechtes aus §§ 490 Abs. 1 bzw. 314 BGB in Verbindung mit Nr. 19 AGB Banken bzw. Nr. 26 AGB Sparkassen und stabilisiert so die Liquiditätslage des Krisenunternehmens.152 Nimmt sie über ein solches Stillhalten hinaus keinen aktiven Einfluss auf die Geschäftsführung des Unternehmens, so droht der Gläubigerbank kein Haftungsrisiko.153 Anderseits soll und wird die Gläubigerbank zum Zwecke der Überwindung der Krise häufig neue Kredite, sog. Sanierungskredite, vergeben, indem sie etwa vorhandene Kreditlinien aufstockt oder neue Darlehensverträge mit dem Krisenunternehmen abschließt.154 Bei einem solchen Engagement droht der Bank der Vorwurf sittenwidrigen Verhaltens und damit die Unwirksamkeit der Kreditverträge und hierzu bestellter Sicherheiten gemäß § 138 Abs. 1 BGB sowie eine Schadensersatzhaftung gegenüber den anderen Gläubigern des Unternehmens aus § 826 BGB wegen Insolvenzverschleppung, wenn die Vergabe der Sanierungskredite als eigennützig erscheint. Dies wiederum wird von der Rechtsprechung bereits angenommen, wenn zum Zeitpunkt der Kreditvergabe ernsthafte Zweifel am Gelingen eines Sanierungsversuches bestanden und daher damit zu 151 So zu Recht die wohl herrschende Ansicht – vgl. BGH NJW 2001, 2632, 2633; Berger, in: MünchKomm, BGB, Vor § 488 Rn. 95–97; Hopt, ZHR 143 (1979), 139, 168 ff.; Picot/Aleth, Unternehmenskrise, Rn. 505; Wittig, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 2.232. 152 Näher Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 5.18 ff.; auch Bamberger, in: Knops/Bamberger/Maier-Reimer, Sanierungsfi nanzierung, § 16 Rn. 91. Zu einem solchen Verhalten kann sich das Kreditinstitut auch vertraglich verpflichten (sog. Stillhalteabkommen oder Moratorium). Eine solche Verpflichtung ist häufiger Bestandteil eines Sanierungsplans – auch dazu Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 5.47 ff. 153 Drukarczyk/Kippes, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 3 Rn. 46–48; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 5.45 f.; Picot/Aleth, Unternehmenskrise, Rn. 503; Wallner/Neuenhahn, NZI 2006, 553. 154 Drukarczyk/Kippes, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 3 Rn. 49; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 5.105.

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rechnen war, dass der Sanierungskredit den Zusammenbruch des Unternehmens nur verzögern, nicht aber auf Dauer verhindern kann und die Vergabe des Sanierungskredits sowie die dafür bestellten Sicherheiten daher nur dazu dienen konnte und sollte, der Bank während des Sanierungsversuches gegenüber anderen Gläubigern Sondervorteile zu verschaffen, insbesondere sich wegen alter Kredite zu befriedigen.155 Eine Haftung der Bank ist danach nur dann ausgeschlossen, wenn mit dem Sanierungskredit ein glaubwürdiges, schlüssiges Sanierungskonzept finanziert wird.156 Ein überzeugender Sanierungsplan ist daher nicht nur notwendig, um die Gläubigerbank zur Teilnahme an einem Sanierungsversuch zu bewegen. Er kann gleichzeitig auch eine Schadenersatzhaftung ausschließen. Das Haftungsrisiko bleibt trotzdem, drohen jeder Gläubigerbank doch zumindest Schadenersatzprozesse anderer Gläubiger, wenn die außergerichtliche Sanierung nicht gelingt, und dieses Prozessrisiko hemmt tatsächlich nun einmal die Mitwirkungsbereitschaft dieser entscheidenden Gläubigergruppe. (2) Der Zeitfaktor Die Bemühungen um eine außergerichtliche Sanierung des Unternehmens haben schließlich keinen unmittelbaren Einfluss auf die gesetzlichen Regelungen zur Insolvenz, insbesondere auf die Insolvenzantragsfristen.157 Hat sich die Unternehmenskrise verschärft und das Unternehmen Insolvenzreife erreicht, so bleibt für die Vereinbarung eines Sanierungsvergleichs, der die Insolvenzreife dauerhaft beseitigen kann, nur ein Zeitraum von maximal drei Wochen. Kann die Zustimmung der entscheidenden Gläubiger in dieser Zeit nicht gewonnen werden und wird der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung auch nicht anderweitig beseitigt, so muss das Unternehmensmanagement ein Insolvenzverfahren einleiten. Der Fristablauf wird wegen der Sanierungsbemühungen nicht gehemmt.158 Gleichzeitig droht in diesem Zeitraum 155 Grundlegend RGZ 136, 247, 253 und BGHZ 10, 228 ff.; zuletzt BGHZ 75, 96, 114; 90, 381, 399; BGH ZIP 1986, 14, 16 und NJW 2001, 2632, 2633. Eine umfassende Darstellung der Rechtsprechungsentwicklung findet sich bei Drukarczyk/Kippes, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 3 Rn. 49 ff.; Gawaz, Bankenhaftung für Sanierungskredite, S. 37 ff.; Servatius, Gläubigereinfluss durch Covenants, S. 93 ff. 156 BGHZ 10, 228, 234; Bamberger, in: Knops/Bamberger/Maier-Reimer, Sanierungsfinanzierung, § 16 Rn. 67; Drukarczyk/Kippes, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 3 Rn. 49; Gawaz, Bankenhaftung für Sanierungskredite, S. 215 ff.; Kämpfer, Die Stellung von Sanierungskrediten im Insolvenzrecht, S. 22; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 5.124; Picot/Aleth, Unternehmenskrise, Rn. 507; Wallner/Neuenhahn, NZI 2006, 553, 556 ff.; Wittig, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 2.240. 157 Wird eine Gesellschaft ohne persönlich haftenden Gesellschafter zahlungsunfähig oder tritt eine Überschuldung ein, so haben die geschäftsführenden Organe gemäß § 15a Abs. 1 InsO ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber nach Ablauf von drei Wochen einen Insolvenzantrag zu stellen. 158 Aussichtsreiche Sanierungsbemühungen berechtigen die Gesellschaftsorgane lediglich,

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stets auch der Insolvenzantrag eines akkordstörenden Gläubigers. Die Vorteile einer außergerichtlichen Sanierung, insbesondere der einer Vermeidung der Insolvenzkosten, können daher nur in einem relativen kurzen Zeitraum tatsächlich nutzbar gemacht werden. Dieser Zeitraum wird umso größer, je früher das Unternehmensmanagement auf Krisenanzeichen reagiert und Verhandlungen aufnimmt. c) Fazit Im Ergebnis bleibt ein zwiespältiges Bild. Die außergerichtliche Sanierung bietet einige entscheidende Vorteile hinsichtlich der Kostensenkung und der Flexibilität, bedarf aber der freiwilligen und nicht risikolosen Mitwirkung aller maßgeblichen Gläubiger und kann schon insofern oft nicht verwirklicht werden. Die schwierigen Verhandlungen finden zudem in einem engen zeitlichen Rahmen statt. Dennoch sollte aufgrund seiner (Kosten-)Vorteile grundsätzlich versucht werden, das Sanierungskonzept zunächst auf diesem Wege umzusetzen.159 Gelingt dies mangels Zustimmung entscheidender Beteiligter nicht, so kann das Sanierungskonzept immer noch zum Gegenstand des dann unausweichlichen Insolvenzverfahrens gemacht werden. 2. Die außergerichtliche Unternehmensveräußerung Soll die freie Sanierung durch eine übertragende Sanierung erfolgen, so bedarf es hierzu keiner Mitwirkung der Gläubiger. Schwierige Verhandlungen sind mit dieser Personengruppe also nicht zu befürchten. Entscheidend ist allein die Gewinnung eines einzigen Kaufinteressenten mit der Bereitschaft zur Zahlung eines angemessenen Kaufpreises oder aber die Gründung und Ausstattung einer Auffanggesellschaft. Die rechtliche Fixierung erfolgt dann allein durch den entsprechenden Unternehmenskaufvertrag zwischen dem Rechtsträger des Krisenunternehmens und dem Erwerber. Das Problem dieser Sanierungsalternative liegt zunächst im Auffinden von Kaufinteressenten und der Verhandlung eines angemessenen Kaufpreises. Die Verhandlungsposition des Managements ist nun nicht nur durch die Krisenlage des Unternehmens schwierig, wirkt sich doch schon der sich dadurch gegebene Zeitdruck unmittelbar preismindernd aus. Hinzu kommt, dass die Erreichung eines angemessenen Kaufpreises am Markt einen Bieterwettbewerb voraussetzt, den es bei Krisenunternehmen nur selten geben wird. Hier ist es schon schwiedie Drei-Wochen-Frist auszureizen – BGHZ 75, 96, 111; Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 266; Schmidt, ZIP 1980, 328, 331. 159 Studien in den U. S. A. zeigen, dass große Krisenunternehmen (solche mit langfristigen Verbindlichkeiten in mehrstelliger Millionenhöhe) in bis zu 70 Prozent der Fälle eine außergerichtliche Lösung probierten, bevor sie ein gerichtliches Verfahren einleiteten. Bei kleinen Unternehmen hingegen finden sich kaum außergerichtliche Einigungsversuche (Terhart, Chapter 11, S. 60 ff.).

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rig genug, in der kurzen Zeit des Bestehens aller Handlungsoptionen überhaupt auch nur einen Bieter zu finden.160 Dieser wird wiederum nicht die Zeit haben, sich umfassend über das Unternehmen zu informieren und daher Risikoabschläge in sein Angebot einberechnen.161 Soll zudem die Unternehmenskrise nicht publik werden, da indirekte Kosten drohen, so verschlechtert das daraus resultierende Informationsdefizit des Marktes weiter die Chancen auf einen Bieterwettbewerb und einen angemessenen Preis. Häufig liegt der zu erzielende Kaufpreis daher leider nahe am Zerschlagungswert des Unternehmens.162 Daneben wird nicht nur die Preisbildung, sondern die Rechtssicherheit der Unternehmensveräußerung an sich auch noch durch das Insolvenzanfechtungsrecht bedroht, drohen doch gerade dem Unternehmenskäufer nicht unerhebliche Anfechtungsrisiken in der nachfolgenden Insolvenz des alten Rechtsträgers.163 In dessen Insolvenz kann Insolvenzverwalter den in der freien Sanierung erfolgten Unternehmenskauf unter den Voraussetzungen der §§ 129 ff. InsO anfechten und damit die Sanierung zu Fall bringen, wenn der Kaufpreis nicht dem Marktwert entspricht. Insbesondere eine Vorsatzanfechtung droht, wenn der Käufer die dann zumindest mittelbar gläubigerbenachteiligende Wirkung des Unternehmenskaufes kannte und aufgrund der Krisenlage von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Verkäufers weiß (§ 133 Abs. 1 S. 2 InsO). War das Krisenunternehmen zum Zeitpunkt des Unternehmensverkaufs bereits zahlungsunfähig und wusste der Käufer dies, z. B. aufgrund des Sanierungskonzeptes oder einer umfassenden Due-Diligence-Prüfung, so droht zudem eine Anfechtung der Unternehmensübertragung nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO, wenn der Insolvenzantrag innerhalb von drei Monaten nach Abschluss der Übertragung erfolgte. Ist die Übertragung des Unternehmens zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht abgeschlossen und auch der Kaufpreis noch nicht vollständig gezahlt, so droht dem Käufer zudem Ablehnung der Erfüllung des Kaufvertrags durch den Insolvenzverwalter nach § 103 InsO. Die übertragende Sanierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens ist daher – neben allen begründeten Zweifeln an einer funktionierenden Preisbildung – für die Beteiligten mit erheblichen rechtlichen Risiken verbunden,164 die von einem solchen Sanierungsplan abschrecken können. Nicht zu vernachlässigen sind schließlich auch die Probleme der Finanzierung des Kaufpreises, insbesondere in Zeiten eines restriktiven Kreditmarktes,165 160

Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 284. Köchling, ZInsO 2007, 690, 694. 162 Zipperer, NZI 2008, 206, 209. 163 Schmidt, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 2.134; Uhlenbruck, in: Knops/Bamberger/Maier-Reimer, Sanierungsfinanzierung, § 5 Rn. 36; Vallender, GmbHR 2004, 543, 546 f. 164 Näher zum ganzen Wessels, ZIP 2004, 1237. Zu den strafrechtlichen Risiken: Niesert/ Hohler, NZI 2010, 127. 165 Köchling, ZInsO 2009, 641, 645. 161

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sowie die Kosten für den Erwerb und die Übertragung der Unternehmensgegenstände auf den Erwerber (insbesondere Notar- und Grundbuchkosten, aber auch die Kosten der Unternehmensprüfung, Angebotserstellung und Kaufpreisfinanzierung) sowie die Schwierigkeiten, die aus der Auswechslung des Unternehmensträgers entstehen. Insbesondere die Bindung öffentlich-rechtlicher Konzessionen, Lizenzen und Erlaubnisse an den alten Unternehmensträger kann ein entscheidender Hinderungsgrund für eine übertragende Sanierung sein.166 Die Attraktivität dieser Sanierungsoption sollte insofern nicht überschätzt werden. 3. Der Insolvenzplan als Sanierungsinstrument im Insolvenzverfahren Von der außergerichtlichen oder auch freien Sanierung sind die Möglichkeiten zu unterscheiden, die das Insolvenzrecht zur Sanierung eines insolventen Unternehmens bietet. Hierzu kann in einem eröffneten Insolvenzverfahren sowohl eine Sanierung mittels Insolvenzplans (§§ 217 ff. InsO) als auch eine übertragende Sanierung mittels der Veräußerung des Unternehmens (§§ 160 ff. InsO) genutzt werden. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Ziel der Durchsetzung eines Insolvenzplans sollte dabei vom Management des Krisenunternehmens beantragt werden. Die formale Hürde des notwendigen Eröffnungsgrundes ist dazu schnell genommen, insbesondere wenn es nicht gelungen ist, das favorisierte Sanierungskonzept außergerichtlich umzusetzen, so dass auch die Krisenursachen noch nicht wirksam behoben wurden. Werden folglich die Basisziele des Unternehmens weiterhin verfehlt, so erreicht jede Unternehmenskrise irgendwann ein Stadium, in dem das Unternehmen insolvenzreif ist. So führt die fehlende Liquidität (Nichterreichen des ersten Basisziels) zu einer Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens im Sinn des § 17 InsO; die erwirtschafteten Verluste (Nichterreichen des zweiten Basisziels) zehren die Eigenkapitaldecke auf und verursachen eine Überschuldung nach § 19 InsO. Allerdings muss das Unternehmensmanagement einer solchen Entwicklung nicht tatenlos zusehen, um in den Genuss der Vorteile eines Insolvenzverfahrens zu kommen. Es kann bereits vor Eintritt der Insolvenzreife, also vor der endgültigen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung, einen Insolvenzantrag nach § 18 InsO wegen der drohenden Zahlungsunfähigkeit stellen, welche sich aus der Sanierungsbedürftigkeit des Unternehmens ergibt.

166 Bitter/Laspeyres, ZIP 2010, 1157; Fritze, DZWIR 2007, 89; Gerster, ZInsO 2008, 437, 440; Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 302; Westpfahl/Janjuah, ZIP 2008, Beilage zu Heft 3, 1, 13; auch Bales, NZI 2008, 216, 219; Eidenmüller/Engert, ZIP 2009, 541, 542.

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a) Die Vorteile des Insolvenzplanverfahrens Die Vorteile des Planverfahrens liegen zunächst in den Vorteilen eines Insolvenzverfahrens, vor allem im Schutz des betriebsnotwendigen Vermögens.167 Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind die Gläubiger des Unternehmens gemäß §§ 87, 89 InsO daran gehindert, in das Schuldnervermögen zu vollstrecken (»automatic stay«). Dies gilt auch für die gesicherten Gläubiger, da die Verwertung der Sicherungsrechte nach §§ 165 ff. InsO allein dem Insolvenzverwalter zusteht.168 Diese Wirkungen kann das Insolvenzgericht zudem weitgehend bereits unmittelbar nach Stellung des Insolvenzantrags anordnen (§ 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO). Das Unternehmen sichert sich so die Nutzung seiner besicherten Betriebsmittel und Vermögensgegenstände.169 Gleichzeitig ist der (zunächst vorläufige) Insolvenzverwalter grundsätzlich verpflichtet, das Unternehmen zumindest bis zum Berichtstermin fortzuführen.170 Ein weiterer wichtiger Vorteil des Insolvenzverfahrens sind Erleichterungen beim Personalabbau im Unternehmen. Die Umsetzung von leistungswirtschaftlichen Maßnahmen des Sanierungsplans, die eine Betriebsänderung zum Gegenstand haben und zu einem Personalabbau führen, können gemäß §§ 125 bis 128 InsO nur eingeschränkt durch Kündigungsschutzklagen der betroffenen Arbeitnehmer blockiert werden. Zudem verringert § 113 InsO die Kündigungsfrist auf drei Monate. Zugleich verschafft die Inanspruchnahme von Insolvenzgeld Liquidität für diesen Zeitraum. Zu den allgemeinen Vorteilen eines Insolvenzverfahrens gesellen sich dann die Vorteile eines Insolvenzplanverfahrens nach den §§ 217 ff. InsO. Dieses besondere Verfahren erleichtert das Zustandekommen eines rechtlichen Korsetts für die Sanierung in Form des Insolvenzplanes.171 Legt das Unternehmen dazu (möglichst bereits zeitgleich mit dem Eröffnungsantrag) seinen Sanierungsplan in Form eines Insolvenzplans vor, wozu es als Schuldner nach § 218 Abs. 1 InsO berechtigt ist, so hat es im Verfahren die Möglichkeit, die bislang ablehnend agierenden Akkordstörer auch gegen deren Willen an den Insolvenzplan und damit an das Sanierungskonzept zu binden, wenn in allen im Insolvenzplan zu 167

Paulus, ZGR 2005, 309, 319. Haben Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in Grundstücke bereits begonnen, so kann der Insolvenzverwalter deren einstweilige Einstellung nach § 30d Abs. 1 ZVG verlangen. Ist ein Insolvenzplan eingereicht und nicht vom Gericht nach § 231 InsO zurückgewiesen worden, so kann die einstweilige Einstellung nach § 30d Abs. 2 ZVG auch vom Schuldner beantragt werden. 169 So auch Birker, in: Birker/Pepels, Krisenbewusstes Management, S. 337. 170 Der Betrieb ist gemäß § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO im Eröffnungsverfahren fortzuführen, soweit nicht eine Betriebsstilllegung notwendig ist, um eine erhebliche Vermögensminderung zu vermeiden. Nach der Verfahrenseröffnung entscheidet die Gläubigerversammlung nach § 157 S. 1 InsO erst im Berichtstermin über eine Stilllegung. Vorher darf der Insolvenzverwalter das Unternehmen gemäß § 158 InsO nur mit Zustimmung des Gläubigerausschusses stilllegen. 171 Paulus, ZGR 2005, 309, 316. 168

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bildenden Gläubigergruppen die nach § 244 InsO erforderlichen Mehrheiten erreicht werden, ja sogar dann, wenn die Mehrheit in einzelnen Gruppen zwar verfehlt wurde, diese Ablehnung aber dem Obstruktionsverbot der §§ 245, 246 InsO widerspricht. Zugleich werden durch die umfangreichen Dokumentationspflichten im darstellenden Teil des Plans sowie den Plananlagen Informationsdefizite und -asymmetrien unter den Gläubigern beseitigt, was eine neue Vertrauensbasis schaffen und damit auch ablehnende Grundhaltungen überwinden kann.172 Die Aufnahme eines Kreditrahmens (§§ 264, 265 InsO) ermöglicht es zudem, zögernde Kreditinstitute zu einer Sanierungsfinanzierung zu bewegen, können ihre Sanierungskredite auf diesem Wege doch für den Fall des Scheitern der Sanierung mit einem Vorrang im nachfolgenden Insolvenzverfahren ausgestattet werden. Das Insolvenzplanverfahren wirkt damit den entscheidenden Nachteilen der außergerichtlichen Sanierung entgegen. Akkordstörer können auch gegen ihren Willen an das Sanierungskonzept gebunden werden und gesicherte Gläubiger sind an der eigenhändigen Verwertung ihrer Sicherheiten gehindert. Gläubigerbanken trifft kein Haftungsrisiko wegen Insolvenzverschleppung, während zugleich Sanierungskredite einen Vorrang erhalten können. Die Motivation dieser Gläubiger zur Kooperation wird so erhöht. Das Insolvenzplanverfahren kann damit nicht nur die Chance auf eine erfolgreiche Sanierung wahren. Es steigert auch die Motivation aller Gläubiger zur Beteiligung im Insolvenzverfahren und zur Mitwirkung an einer Sanierung. Schließlich bleibt bei einer Reorganisation mittels Insolvenzplans der Rechtsträger des Unternehmens erhalten, wodurch alle unübertragbar diesen geknüpften Vermögenswerte (Lizenzen, Verlustvorträge) verwertet werden können.173 Diese Vorteile haben allerdings ihren Preis. b) Die Nachteile des Insolvenzplanverfahrens Der offensichtlichste Nachteil einer Sanierung in der Insolvenz liegt gerade in der Notwendigkeit eines Insolvenzverfahrens. Dieses ist ein gerichtliches Verfahren, dessen Eröffnung öffentlich bekannt zu machen ist (§ 30 Abs. 1 InsO). Es erzeugt daher in jedem Fall die bereits beschriebenen und durch eine freie Sanierung vermiedenen direkten und indirekten Insolvenzkosten.174 Die Höhe dieser Kosten lässt sich nur schwer bestimmen. Amerikanische Studien zu Reorganisationsfällen nach Chapter 11 des U. S. Bankruptcy Codes, dem Vorbild für die deutschen Regelungen, beziffern die direkten Insolvenzkosten mit durchschnittlich 3–4 Prozent des Marktwertes des Schuldnerunternehmens ein Jahr vor Antragstellung bei großen Unternehmen und bis zu 30 Prozent bei 172

Zutreffend Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 268. Hierin sieht etwa Körner, Unternehmens-Turnaround durch Eigenverwaltung in der Insolvenz, S. 95 ff., einen entscheidenden Vorteil der planmäßigen Sanierung. 174 Hierzu Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 74 ff. 173

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kleinen Unternehmen.175 Die indirekten Kosten (insbes. Marktwertverluste) werden auf ca. 10 Prozent geschätzt.176 Die Kosten in Deutschland dürften ähnlich hoch sein.177 Hinzu kommt ein Zeitproblem. Ein Insolvenzplan kommt selbst bei erfolgreichen Verhandlungen mit allen Beteiligten nicht wie ein (idealer) außergerichtlicher Vergleich quasi über Nacht zustande, sondern erst nach Ablauf eines gerichtlichen Verfahrens. Wegen der gesetzlich vorgegebenen Termins- und Rechtsmittelfristen178 bedarf es unter Umständen eines Zeitraums von mehreren Monaten bis die Wirkungen des Insolvenzplanes eintreten.179 Dieser Zeitraum muss finanziert werden, d. h. die laufenden Kosten der Unternehmensfortführung wie auch des Insolvenzverfahrens müssen trotz angespannter Liquiditätslage und vor der Durchführung der geplanten leistungswirtschaftlichen Sanierungsmaßnahmen gedeckt werden. Das gelingt bei weitem nicht jedem Krisenunternehmen. Schließlich steht auch eine psychologische Hürde oft einem Planverfahren entgegen. Mit dem Antrag auf die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens verliert das bisherige Management des Unternehmens seine Kontrolle über das Unternehmen. Im Insolvenzverfahren entscheiden allein die 175 Vgl. die Zusammenstellungen bei Branch, 11 Int’l Rev. Fin. Analysis 39, 54 (2002); Terhart, Chapter 11, S. 155 f. oder White, in: Polinsky/Shavell, Handbook of Law and Economics, S. 1041; ähnlich Ferris/Lawless, 61 U. Pitt. L. Rev. 629, 650/662 (1999–2000), welche direkten Kosten von durchschnittlich 3,5 Prozent des Unternehmensvermögens bei Verfahrensbeginn ermittelten. Neuere Daten über die tatsächlich anfallenden Gebühren fi nden sich bei LoPucki/Doherty, 82 Am. Bankr. L. J. 141, 143 ff. (2008), leider ohne die Angabe von Prozentsätzen. Eine 2004 veröffentlichte Studie legt jedoch nahe, dass die direkten Kosten nicht nur bei zunehmender Größe des insolventen Unternehmens prozentual sinken, LoPucki/Doherty, 1 J. Empirical L. Stud. 111, 126 (2004). Vor allem lässt sich ein generelles Absinken der heutigen Kosten im Vergleich zu denen in den 1980iger Jahren nachweisen, was auf die im Laufe der steigende Vertrautheit aller Beteiligten mit dem Chapter 11-Verfahren zurückgeführt wird, LoPucki/Doherty, 1 J. Empirical L. Stud. 111, 140 f. (2004). 176 Branch, 11 Int’l Rev. Fin. Analysis 39, 54 (2002); Terhart, Chapter 11, S. 157. White, in: Polinsky/Shavell, Handbook of Law and Economics, S. 1041, hält die indirekten Kosten aufgrund eines generelleren Blickwinkels für höher (in Spitzen bis zum Zwanzigfachen der direkten Kosten). 177 Terhart, Chapter 11, S. 360. Die Belastung mit direkten und indirekten Kosten wird allerdings für erfolgreich reorganisierte Unternehmen dadurch aufgewogen, dass sich bereits im Chapter 11-Verfahren eine erhebliche Steigerung der Unternehmensperformance feststellen lässt – so Kalay/Singhal/Tashijan, 84 J. Fin. Econ. 772, 782 (2007). Ob ein Insolvenzplan auch diesen Effekt in Deutschland reproduzieren kann, bleibt abzuwarten. 178 Eröffnungsverfahren; dann mindestens eine Woche bis zu drei Monate bis zum Prüfungs- und Berichtstermin, §§ 29, 154 InsO; Festlegung eines Erörterungs- und Abstimmungstermins, §§ 235, 236 InsO; gerichtliche Verfahren bei Anträgen nach §§ 245, 247, 251 InsO; Rechtsmittelfrist und ggf. Instanzenweg bis zur Bestandskraft der Bestätigung des Plans (§ 253 InsO). 179 Im amerikanischen Vorbildverfahren liegt die durchschnittliche Verfahrensdauer bei ein bis zwei Jahren – siehe etwa Ferris/Lawless, 61 U. Pitt. L. Rev. 629, 638 ff. (1999–2000) oder Kalay/Singhal/Tashijan, 84 J. Fin. Econ. 772, 778 (2007) – und nimmt bei großen Schuldnerunternehmen tendenziell zu (vgl. Terhart, Chapter 11, S. 153 f.).

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Gläubiger über die Fortführung oder Liquidation des Unternehmens (§ 157 InsO). Die Insolvenzordnung respektiert und normiert damit die tatsächlich bestehende Abhängigkeit der Existenz eines insolventen Unternehmens vom Willen seiner Gläubiger. Darüber hinaus geht auch die Kontrolle über den täglichen Geschäftsbetrieb im Regelfall in die Hände des Insolvenzverwalters über.180 Das alte Management wird zu dessen Assistenten. Gerade dieser Machtverlust wird häufig eine schnelle Insolvenzantragstellung verhindern. Neben diesen eher verfahrensrechtlich bedingten Nachteilen einer Sanierung in der Insolvenz ist in den ersten Jahren der Nutzung des Planverfahrens als Sanierungsinstrument auch ein bedeutender struktureller Mangel offensichtlich geworden: der begrenzte Wirkungsbereich des Insolvenzplans. Ein Insolvenzplan darf gemäß § 217 InsO allein die Befriedigung der absonderungsberechtigten Gläubiger und der Insolvenzgläubiger, die Verwertung der Insolvenzmasse und deren Verteilung an die Beteiligten sowie die Haftung des Schuldners nach der Beendigung des Verfahrens gesondert regeln. Alleiniger Regelungsgegenstand des Insolvenzplans ist damit entsprechend der Grundausrichtung des Insolvenzverfahrens die Befriedigung der Gläubigerforderungen oder deren Erlass. Der Plan richtet sich insofern konsequent auch nur an den Schuldner und dessen Gläubiger. Dritte werden von ihm nur erfasst, wenn sie Leistungen gegenüber den Gläubigern übernehmen und so zu deren Befriedigung beitragen (§ 230 Abs. 3 InsO). Der Insolvenzplan ermöglicht somit zwar eine Entschuldungsvereinbarung wie auch eine Verwertungsvereinbarung und steht damit ganz in der Tradition deutscher Akkorde wie dem Zwangsvergleich nach der Konkursordnung oder dem Vergleich nach der Vergleichsordnung. Die Sanierung eines Unternehmens verlangt jedoch nach mehr, insbesondere auch nach der verbindlichen Regelung der Sanierungsbeiträge und Sanierungsopfer der Gesellschafter des Schuldnerunternehmens. Eine solche Regelung ist dem Insolvenzplan jedoch ausdrücklich verwehrt; er darf eine Neuordnung der Gesellschafterstruktur oder gesellschaftsrechtliche Maßnahmen wie etwa einen Kapitalschnitt nur im darstellenden Teil voraussetzen und zur Bedingung für eine Planbestätigung machen (§ 249 InsO). Die eigene Regelung gesellschaftsrechtlicher Sanierungsmaßnahmen bleibt damit seinem Regelungsbereich ebenso entzogen wie dem seiner Vorgänger (Zwangsvergleich und Vergleich). Diese Unzulänglichkeit hat der Gesetzgeber gewollt. Der erste Bericht der Kommission für Insolvenzrecht sah im Planverfahren noch ein umfassendes Reorganisationsverfahren, das ausdrücklich auch die Umstrukturierung der Gesellschafterstruktur in der Schuldnergesellschaft ermöglichen sollte und dazu weitgehende Zwangseingriffe in Gesellschafterstellungen erlaubte. Insbe180 § 80 Abs. 1 InsO, soweit nicht ausnahmsweise die Eigenverwaltung nach §§ 270 ff. InsO angeordnet wurde. Eine solche Anordnung kommt insbesondere in Betracht, wenn das Schuldnerunternehmen nach § 18 InsO freiwillig den Schutz des Insolvenzverfahrens sucht, um seine Sanierung zu erreichen.

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sondere sah der Entwurf vor, die nach dem Plan notwendigen gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen zwar durch die Gesellschafter beschließen zu lassen, dann aber in Fällen, in denen unter ihnen die gesellschaftsrechtlich erforderlichen Mehrheiten nicht zustande kommen, den Gesellschafterbeschluss durch einen Gerichtsbeschluss zu ersetzen, wenn eine Sanierung dies erforderte.181 Schon der Diskussionsentwurf verzichtete dann auf diese Vorschläge der Kommission, ermöglichte aber immerhin noch Planregelungen über die persönliche Haftung der Unternehmensgesellschafter.182 Die Haltung zu Eingriffen in Gesellschafterstellungen war insofern zumindest noch ambivalent.183 Erst der Rechtsausschuss unterband dann ausdrücklich jegliche Eingriffe des Plans in die Rechtsstellung der am Schuldner beteiligten Personen: »Die Rechtsstellung der am Schuldner, der keine natürliche Person ist, beteiligten Personen« sollte »außerhalb des Insolvenzverfahrens bleiben«.184 Als Grund für diese inhaltliche Beschränkung des Insolvenzverfahrens wird lediglich die »Vereinfachung des Verfahrens« angeführt.185 Leider hat der Gesetzgeber so den Weg verpasst, den etwa das amerikanische Reorganisationsrecht in Chapter 11 vorgibt, wo die Gesellschafter als eigene Gruppen und damit als Verfahrensbeteiligte mit über den Plan abstimmen.186 Stattdessen wurde der Regelungsbereich des Insolvenzplans beschnitten und seine Funktionsfähigkeit vermindert. Eine umfassende, marktkonforme Reorganisation des Schuldnerunternehmens auf der Grundlage eines Insolvenzplans, wie sie der Gesetzgeber anfangs eigentlich zum Ziel hatte, wurde unmöglich. Ein Insolvenzplan ermöglicht folglich im klaren Gegensatz zu seinem amerikanischen Vorbild, dem Reorganisationsplan nach Chapter 11 des U. S. Bankruptcy Code, keine verbindliche Fixierung aller notwendigen Sanierungsmaßnahmen. Er bleibt damit nur ein – wenn auch wesentlicher – Teil der Sanierungslösung. Selbst ein kostenträchtig erreichter Insolvenzplan schafft daher keine Planungssicherheit hinsichtlich der für die gesellschaftsrechtliche Umsetzung des Sanierungsplans notwendigen (qualifizierten!) Mehrheiten in den Be181 Ausführlicher zur diesbezüglichen Gesetzgebungsgeschichte sowie den verfassungsrechtlichen Bedenken: Krull, Bedingter Insolvenzplan und Kapitalschnitt, S. 76 ff.; Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 315 ff.; Sassenrath, ZIP 2003, 1517, 1519 ff.; Westpfahl/Janjuah, ZIP 2008, Beilage zu Heft 3, 1, 14 f. 182 Vgl. den inhaltsgleichen § 253 Abs. 1 RegEInsO. 183 Vgl. auch BT-Drucks. 12/2443, S. 79: »Die Abwicklung oder planmäßige Umgestaltung [. . .] der Eigentümerbeiträge ist ebenfalls unter dem Gesichtspunkt notwendig, dass Vermögensverschiebungen im Verhältnis von Gläubigern zum Schuldner und zu den an ihm beteiligten Personen vermieden werden.« 184 BT-Drucks. 12/7302, S. 184 (Begründung zu § 293 oder auch zu § 298). 185 BT-Drucks. 12/7302, S. 181 (Begründung zu § 253 Abs. 1). 186 Sassenrath, ZIP 2003, 1517, 1528 f., schlägt zutreffend eine Neuregelung de lege ferenda vor, die sich stark am amerikanischen Vorbild orientiert. Noch weiter geht Ehlers, ZInsO 2009, 320, 324 f., wenn er eine zwangsweise Einbindung der Gesellschafter in das Planverfahren ohne zwingendes Mitbestimmungsrecht vorschlägt. Dies dürfte jedoch zu weit gehen.

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schlussgremien des Schuldnerunternehmens, also der Haupt- oder Gesellschafterversammlung. Der vorhandene Hebel einer Planbedingung übt lediglich psychologischen Druck auf die Gesellschafter aus.187 Diese Halbherzigkeit ist ein immer deutlicher zu Tage tretender Mangel des Planverfahrens.188 Auf Möglichkeiten, diesen Mangel zu beseitigen, soll am Ende des Fünften Kapitels näher eingegangen werden.189 c) Die Alternative: Veräußerung des Unternehmens gemäß § 160 InsO Sieht das Sanierungskonzept als Sanierungsweg keine Reorganisation, sondern die Übertragung des Schuldnerunternehmens, also eine übertragende Sanierung, vor, so muss zu dessen Umsetzung auch in der Insolvenz kein Insolvenzplan zustande kommen, obwohl auch ein solcher als Übertragungsplan eine übertragende Sanierung zum Gegenstand haben kann. Die Veräußerung des Unternehmens kann vielmehr auch aus dem Insolvenzverfahren heraus durch den Insolvenzverwalter erfolgen, wozu nach § 160 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 InsO nur die Zustimmung des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt wurde oder der Erwerber nach § 162 InsO dem Schuldnerunternehmen besonders nahe steht, der Gläubigerversammlung notwendig ist. Beide Gremien entscheiden durch Mehrheitsbeschluss (§§ 72, 76 Abs. 2 InsO). Bei Beschlussunfähigkeit mangels Teilnahmeinteresses kann die Zustimmung gemäß § 160 Abs. 1 Satz 3 InsO sogar als erteilt fingiert werden. Ein zeitaufwendiges Insolvenzplanverfahren kann auf diese Weise ebenso umgangen werden190 wie das Risiko der Insolvenzanfechtung, ist der Erwerb des Unternehmens aus der Insolvenz heraus doch nicht anfechtbar.

187 Dieser Druck kann im Einzelfall durchaus genügen – vgl. etwa den Erfahrungsbericht von Schreiber/Herbst, ZInsO 2008, 435, 437. Hinreichende Planungssicherheit entsteht so allerdings nicht, worauf gerade Sanierungsvorhaben sensibel reagieren. 188 Ebenso: Eidenmüller, ZIP 2007, 1729, 1736; Gerster, ZInsO 2008, 437, 441; Krull, Bedingter Insolvenzplan und Kapitalschnitt, S. 89; Sassenrath, ZIP 2003, 1517; Westpfahl/Janjuah, ZIP 2008, Beilage zu Heft 3, 1, 14 ff.; Uhlenbruck, NZI 2008, 201, 202. So führt diese künstliche Trennung zu so absurd erscheinenden Fragen wie der, ob die Kosten gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen, wie etwa die einer Hauptversammlung, aus der Insolvenzmasse zu berichtigen sind, verwaltet doch nun der Insolvenzverwalter und nicht mehr das satzungsmäßige Organ das Gesellschaftsvermögen – vgl. dazu Uhlenbruck, NZI 2007, 313. Auch Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 362 ff., hält die gefundene gesetzliche Lösung für »inkonsequent« (S. 362), im Hinblick auf vorhandene gesellschaftsrechtliche Kooperationspflichten sowie verfassungs- und europarechtliche Bedenken am Ende aber für »gut vertretbar« (S. 366). 189 Siehe im Fünften Kapitel unter C. IV. 2. c). 190 Ehlers, ZInsO 2009, 320, 321. Findet sich also eine Forderungsmehrheit der Gläubiger als Befürworter einer übertragenden Sanierung, so gibt es keinen Bedarf für einen Insolvenzplan. Die Gläubigerversammlung kann beschließen. Einen Minderheitenschutz wie im Planverfahren gibt es dann auch nicht – vgl. Terhart, Chapter 11, S. 355 ff.

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Konnte die Unternehmensveräußerung mithin nicht schon außergerichtlich, also vor der Verfahrenseröffnung,191 erreicht werden, so bieten die §§ 160 ff. InsO eine angemessen schnelle192 und effektive Regelung zur Unternehmensveräußerung aus dem Insolvenzverfahren heraus. Dies gilt umso mehr, wenn wegen der laufenden Kosten der Unternehmensfortführung die Veräußerung zeitnah erfolgen muss und das Zustandekommen eines Insolvenzplanes nicht abgewartet werden kann.193 Die Praxis des Insolvenzverfahrens wird daher auch von dieser Form der »Sanierung« von Unternehmen beherrscht.194 Eine über die reine Unternehmensveräußerung hinausgehende Regelungswirkung hat ein solches Vorgehen allerdings nicht. Die Liquidation des veräußernden Unternehmensträgers, d. h. insbesondere die Verwertung und Verteilung des Veräußerungserlöses, erfolgt weiter nach den allgemeinen Regeln (§§ 156 ff. InsO). Gestaltungsmöglichkeiten bietet diesbezüglich allein ein Insolvenzplan.195 Schließlich werden auch bei einer Übertragung nach § 160 InsO wie bei einer Sanierung über einen Insolvenzplan weder die direkten noch die indirekten Insolvenzkosten vermieden, was sich gerade bei der übertragenden Sanierung negativ auswirkt, denn durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verliert das nun eben nicht mehr werbende, sondern aufgelöste Unternehmen unmittelbar an Wert. Dies wirkt sich direkt negativ auf den Kaufpreis aus.196 Der Aspekt einer vielleicht geringen, aber schnellen Quote aus einem Insolvenzverfahren ist für einige Gläubiger dennoch so wichtig, dass gelegentlich sogar Druck auf den Insolvenzverwalter in Richtung einer schnellen Unternehmensveräußerung zu jedem Preis ausgeübt wird.197

191 Die Veräußerung des Unternehmens während des Eröffnungsverfahrens, also nach der Stellung des Insolvenzantrags und vor der Eröffnung des Verfahrens ist gesetzlich explizit nicht gewünscht – vgl. BGBl. I 2007, 509; siehe auch Schmerbach/Staufenbiel, ZInsO 2009, 458, 460. 192 Die notwendige Zustimmung des Gläubigerausschusses bzw. der Gläubigerversammlung verhindert Veräußerungen in den ersten Tagen des Verfahrens, wie sie in den amerikanischen Verfahren zu beobachten sind (sog. »first day orders«). Diese Einschränkung ist allerdings notwendige Folge der Gläubigerautonomie und daher gerechtfertigt (unzutreffend daher die Kritik bei Bales, NZI 2008, 216, 218). 193 Spieker, Unternehmensveräußerung in der Insolvenz, S. 38. 194 So ergab eine Umfrage unter Insolvenzverwaltern aus dem Jahr 2007, dass die von ihnen betreuten Unternehmensinsolvenzen nur zu max. 10 Prozent eine Reorganisation mittels Insolvenzplans verhandelt wurde, während in 31–56 Prozent der Fälle eine übertragende Sanierung erfolgte; in den übrigen Fällen wurde das Unternehmen liquidiert; siehe Bitter, ZGR 2010, 147, 155. Auch nach Undritz, ZGR 2010, 201, 205, erfolgen derzeit »weit über 90% der erfolgreichen Restrukturierungen« in der Insolvenz im Wege einer übertragenden Sanierung. 195 BT-Drucks. 12/2443, S. 95; vgl. auch Vallender, GmbHR 2004, 642, 646. 196 Wellensiek, NZI 2002, 233, 237. 197 Zipperer, NZI 2008, 206, 209.

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4. Fazit – Die Relevanz eines Insolvenzplans in der Krise Die Vorteile des Insolvenzverfahrens für die Sanierungsumsetzung sind insgesamt teuer erkauft. Sie scheinen die Funktion zu haben, die letzte Chance eines Krisenunternehmens auf Rettung zu nutzen. Die Regelungen der Insolvenzordnung, insbesondere die zum Insolvenzplan, können daher nicht die außergerichtliche Sanierung als Sanierungsweg verdrängen.198 Vielmehr stehen jedem Unternehmen in seiner Krise beide Wege offen, wenn es seine Probleme aus eigener Kraft nicht mehr lösen kann. In einer solchen Situation bietet es sich als grundsätzliche Vorgehensweise an, zunächst den Sanierungsplan außergerichtlich zu verhandeln. Hierzu bleibt selbst dann Zeit, wenn das Unternehmen bereits insolvent ist. Die gesetzliche Antragspflicht (§ 15a InsO) gewährt dem Management eine Frist von drei Wochen zur pflichtgemäßen Stellung eines Insolvenzantrags und spätestens dieser enge Zeitraum sollte stets genutzt werden, um eine außergerichtliche Sanierung zu versuchen.199 Der dann pflichtgemäß notwendige Insolvenzantrag sollte zudem nicht die Verhandlungen beenden, kann der Antrag doch gemäß § 13 Abs. 2 InsO noch bis zur Verfahrenseröffnung zurückgenommen werden, auch wenn in diesem Fall die negativen Wirkungen des Insolvenzverfahrens nicht umgangen, aber zumindest verringert werden. 200 Sollte die außergerichtliche Sanierung dennoch scheitern, so ist das eingeleitete Insolvenzverfahren ohnehin unvermeidlich. Das Sanierungskonzept ist dann – soweit es nicht allein und ausschließlich eine Übertragung des Unternehmens vorsieht – zum Insolvenzplan umzugestalten und kann als solcher zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden. 201 Die aufgebrachten Kosten für Sanierungsgutachter oder Unternehmensberater im Rahmen der Sanierungsbemühungen sind dann nicht vergebens. 202 198

BT-Drucks. 12/2443, S. 94. Die Suspendierung der Pflicht zum Insolvenzantrag in § 15a InsO für maximal drei Wochen bezweckt allein die Auslotung von Sanierungschancen zur Abwendung des staatlichen Insolvenzverfahrens (Poertzgen, ZInsO 2008, 944, 945) und sollte daher genutzt werden, auch wenn dieser Zeitraum heute als zu kurz erscheint (Eidenmüller, ZIP 2007, 1729, 1732). 200 Direkte und indirekte Insolvenzkosten entstehen nicht in voller Höhe. Die Gerichtskosten betragen nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 GKG i. V. m. Nr. 2310 nur ein halbe Gebühr; Kosten für einen vorläufigen Insolvenzverwalter entstehen nur, wenn ein solcher bereits eingesetzt wurde. Indirekte Kosten (Imageverlust, Verunsicherung der Lieferanten und Kunden usw., Börsen-/Wertverlust des Unternehmens) werden durch die schnelle Verfahrensbeendigung allenfalls begrenzt. 201 Man spricht dann auch von einem »prepackaged plan« oder einer »prepackaged bankruptcy« – vgl. etwa Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 437 ff.; Herzig, Insolvenzplanverfahren, S. 152 ff. oder Paulus, ZGR 2005, 309, 322. Näher dazu im Fünften Kapitel unter C. II. 202 Schon Braun, NZI 1999, 473, 474, sah in einer »steckengebliebenen« leistungswirtschaftlichen Sanierung »einen der denkbaren Hauptanwendungsfälle von Insolvenzplanverfahren«. 199

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Realistisch betrachtet wird für das Insolvenzplanverfahren wohl nur ein Kreis von Schuldnerunternehmen in Betracht kommen, deren wirtschaftliche Lage zu schlecht ist, um mit den Schlüsselgläubigern eine außergerichtliche Einigung zu erreichen, die aber gleichzeitig auch nicht zwingende Liquidationskandidaten sind, sondern Fortführungschancen bieten und zudem nicht einfach veräußert werden sollen oder können. 203 In Deutschland rücken damit vor allem Freiberufler sowie Zielgesellschaften nach einem leveraged buy-out 204 in den Fokus der Anwendung von Insolvenzplanverfahren, erwirtschaften diese Unternehmen doch operativ oft einen Gewinn, der dann aber von einer erdrückenden Schuldenlast aufgezehrt wird. Diese Last kann eine Reorganisation durch ein Planverfahren nehmen. Zugleich folgte aus dieser wirtschaftlichen Faktenlage aber auch die Erkenntnis, dass das Wunder einer massenhaften Insolvenzbewältigung vom Insolvenzplanverfahren nicht zu erwarten ist. 205 Die typischerweise eher schlechte wirtschaftliche Situation von Plankandidaten begrenzt eben auch die quantitativen Chancen des Insolvenzplanverfahrens als Rechtsinstitut.206 Wenn man sich dieser Erkenntnis verschließt und die Tore für ein Planverfahren – etwa durch andere Mehrheitserfordernisse oder Obstruktionsverbote – weiter öffnet, so mag es im ersten Schritt mehr Insolvenzbewältigungen durch einen Insolvenzplan geben. Der wirtschaftliche Erfolg eines solchen Verfahrens – eine Unternehmensgesundung – wird dann allerdings wegen der schlechten Ausgangslage der Plankandidaten seltener sein. Ein Blick auf das sanierungsfreundliche U. S.-amerikanische Insolvenzrecht mag dies verdeutlichen. Empirischen Untersuchungen des dortige Reorganisationsverfahrens in Chapter 11 des Bankruptcy Code ergaben, dass nur in etwa der Hälfte aller Fälle wieder ein prosperierendes Unternehmen geschaffen wurde, die Reorganisation mittels Plan also wirtschaftlich gelang.207 In den anderen Fällen wurde Vermögen vernichtet.

203 Diese »Mittellage« der typischen Unternehmensverfassung eines Kandidaten für die gerichtliche Reorganisation bestätigt sich in verschiedenen empirischen Studien zum amerikanischen Reorganisationsverfahren – vgl. Terhart, Chapter 11, S. 64 ff. Die Unternehmensgröße spielte dabei keine entscheidende Rolle für die Qualifikation von Plankandidaten. In den Studien finden sich Schuldnerunternehmen aller Größen, auch wenn die kleinen und mittelständischen Unternehmen zahlenmäßig die weitaus größere Gruppe darstellen und mindestens zwei Drittel der Fälle ausmachen; Terhart, Chapter 11, S. 66 ff. 204 Siehe Morshäuser/Falkner, NZG 2010, 526, 527/529 f. 205 Gerster, ZInsO 2008, 437, 440. Jaffé, ZGR 2010, 248, 252, macht zutreffend geltend, dass grundsätzlich die ganz überwiegende Mehrzahl der Unternehmensinsolvenzen keine Sanierungskandidaten betreffen, sondern eines Marktaustrittsverfahrens bedürfen. 206 Ebenso Kemper, Chapter 11, S. 205. 207 Kalay/Singhal/Tashijan, 84 J. Fin. Econ. 772, 777 (2007); siehe auch die Zusammenstellung verschiedener älterer Studien bei Terhart, Chapter 11, S. 149.

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Kapitel 1: Betriebswirtschaftliche und rechtshistorische Sicht

IV. Ergebnis: Die betriebswirtschaftlich geprägte Funktion des Insolvenzplans Versetzt man sich als Jurist in die Lage des Managements eines Unternehmens, so stellt sich der Insolvenzplan als Fortsetzung der Sanierungsbemühungen mit gerichtlicher Hilfe dar. Kann ein Sanierungsvergleich nicht freiwillig mit allen notwendigen Beteiligten geschlossen werden, so kann deren Zustimmung vielleicht im Rahmen des Insolvenzverfahrens erreicht werden, zur Not kann sie dort sogar entbehrlich sein. Inhaltlich unterscheidet sich das Sanierungskonzept in beiden Fällen jedenfalls nicht. 208 In seiner betriebswirtschaftlichen Funktion entspricht der Insolvenzplan einem außergerichtlichen Sanierungsvergleich. Ob allein die Besonderheiten seines Zustandekommens dennoch eine andere Qualifikation seiner Rechtsnatur rechtfertigen können, soll im weiteren Verlauf der Arbeit näher untersucht werden.

B. Die Vorgängerregelungen – Zwangsvergleich und Vergleich Der Insolvenzplan ist keine Neuschöpfung des Reformgesetzgebers von 1994, sondern das Ergebnis einer langen Rechtsentwicklung, die seinen heutigen Charakter prägt. Jedes Wirtschaftssystem, das einen Handel auf Kredit erlaubt, muss die Frage beantworten, was geschehen soll, wenn der Schuldner einen ihm eingeräumten Kredit nicht begleicht. Die Antwort der altorientalischen Rechtsordnungen wie auch der dritten Tafel des römischen Zwölftafel-Gesetzes lag in der Personalexekution, also darin, dass der Schuldner selbst oder dessen Familienangehörigen verkauft oder verpfändet wurden. 209 Dieser Zugriff auf den Schuldner bzw. auf dessen Arbeitskraft ging allerdings nicht selten mit weitreichenden Restschuldbefreiungsregelungen einher. In § 117 des Codex Hamurabi findet sich etwa die Anordnung, dass nach drei Jahren der Schuldknechtschaft der Schuldner oder dessen Angehörige freizulassen sind, auch wenn das Ergebnis ihrer Arbeit die Schulden noch nicht abgetragen hat. Der Rest der Schuld war zu erlassen. 210 Ebenso war nach dem Alten Testament 211 jeder Jude verpflichtet, seinen jüdischen Schuldnern nach sieben Jahren ihre Schuld zu erlassen. Der Gedanke einer Restschuldbefreiung lässt sich insofern in den ältesten Vollstreckungstexten wiederfinden und bildete einen wichtigen sozialen Ausgleich zur strengen Schuldhaftung. Die Personalexekution selbst erwies sich hingegen nicht als optimal. Eine solche persönliche Haftung ließ sich bei eini208 Risse, KTS 1994, 465, 489: »Der Insolvenzplan entspricht also von Zweck, Erstellung und Inhalt her der Sanierungskonzeption bzw. Anpassungskonzeption«. 209 Uhlenbruck, DZWIR 2007, 1 f. 210 Nach Uhlenbruck, DZWIR 2007, 1. 211 Deuteronomium, 15:1–3 oder auch Exodus, 21:2.

B. Die Vorgängerregelungen – Zwangsvergleich und Vergleich

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gen Schulden, wie etwa den reinen Erbfallverbindlichkeiten, nicht begründen. 212 Zudem gab es in der sich weiter entwickelnden Wirtschaftsgesellschaft mit ihren immer komplexer werdenden Handelsstrukturen bald oft nicht mehr nur einen, sondern mehrere Gläubiger und die Personalexekution machte nun nur noch wenig Sinn. Stattdessen rückte nun die bestmögliche Befriedigung aller Gläubiger aus dem verbliebenen Schuldnervermögen in das Zentrum des Interesses; die Realexekution hielt Einzug in das Vollstreckungsrecht. Folgerichtig waren es nun häufig die Gläubiger, die wie beim heutigen Insolvenzplan nicht nur über die Verwertung des Schuldnervermögens, sondern auch über die Befreiung des Schuldners von Restschulden zu befinden hatten.

I. Ursprünge eines Zwangsvergleichs im Römischen Recht und seine Verbreitung Bereits das römische Recht kannte Institute, die in ihrer Wirkungsweise als Zwangsvergleich anzusehen sind und damit dem heutigen Insolvenzplan den Weg bereiteten. So konnte nach einem Reskript des Mark Aurel ein Erbe vor Antritt einer überschuldeten Erbschaft mit den Gläubigern vereinbaren, nur eine bestimmte Quote zu zahlen. Stimmten dieser Erlassvereinbarung alle Gläubiger zu, so war sie wirksam. Stimmte hingegen lediglich die Mehrheit der Gläubiger zu, so sollte der Prätor durch Dekret die Minderheit an den Willen der Mehrheit binden und den Erlass auch auf sie erstrecken.213 Es war kein Zufall, dass gerade die Frage der Erbenhaftung ein modernes Rechtsinstitut wie den Zwangsvergleich entstehen ließ. Der Gedanke der Personalexekution stieß hier an seine Grenzen, so dass neue Wege beschritten werden mussten, die außerhalb des damals geltenden Vollstreckungsrechts lagen. 214 Der Rückgriff auf das Vertragsrecht lag da nahe. Da aber in einer Personengruppe wie den Gläubigern eines Schuldners mit unterschiedlichsten Motiven eine Einstimmigkeit nur schwer zu erreichen sein kann, sah schon diese Regelung einen Mechanismus vor, den Mehrheitswillen zum maßgeblichen Entschluss für alle Beteiligten zu machen, wenn den ein Hoheitsträger diese Zwangswirkung gegenüber der Minderheit legitimiert. Das Grundmodell eines Zwangsvergleichs war geschaffen. Justinian eröffnete später jedem Schuldner bei Eintritt einer Vermögensunzulänglichkeit die Möglichkeit, mit seinen Gläubigern eine Vereinbarung über eine Schuldenstundung von maximal fünf Jahren zu schließen, um die »cessio

212 Siehe für das römische Recht etwa Kroppenberg, Die Insolvenz im klassischen römischen Recht, S. 338 f. 213 Digesten 2.14 Fragment 7 §§ 17 und 19 (Ulpian); dann genauer zur Bestimmung der Mehrheit: Digesten 2.14 Fragmente 8 (Papinian), 9 (Paulus) und 10 (Ulpian). 214 Kroppenberg, Die Insolvenz im klassischen römischen Recht, S. 344.

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Kapitel 1: Betriebswirtschaftliche und rechtshistorische Sicht

bonorum«215 mit ihrer Infamiefolge216 zu vermeiden. An diese Stundungsvereinbarungen waren nach dem bewährten Grundmodell wiederum alle Gläubiger gebunden, solange nur eine Gläubigermehrheit ihr zustimmte.217 Im römische Recht waren die aufgezeigten Institute Teile der Lehre »de pactis« (Digesten 2.14), also der Vertragslehre.218 Das römische Privatrecht kannte folglich die Möglichkeiten eines »pactum«, also eines »zivilistischen Vertrages«219 des insolventen Schuldners mit seinen Gläubigern über die Verwertung seines Vermögens, an den auch eine ablehnende Gläubigerminderheit zwangsweise gebunden war. Der römisch-rechtliche Ursprung eines Insolvenzplans basierte damit eindeutig auf dem Vertragsrecht. Nach dem Untergang des Römischen Reiches fanden derartige Rechtsinstitute unter der Bezeichnung als Akkord, Konkordat oder Zwangsvergleich weite Verbreitung in den europäischen Rechtsordnungen des Mittelalters und der Neuzeit. Entsprechende Regelungen fanden sich etwa in Italien, Spanien oder Holland. 220 Von besonderer Bedeutung für die deutsche Rechtsentwicklung war dabei vor allem das französische Recht, das erstmals in der Ordonnance von 1673 und dann vor allem im Code de commerce von 1807 sowie in dessen durch das Fallimentsgesetz von 1838 geänderten Fassung dem Zwangsvergleich die Gestalt gegeben hat, die entsprechende Regelungen heute noch prägt: seine Annahme durch die Gläubigermehrheit (Kopf- und Summenmehrheit, Art. 519

215 Die »cessio bonorum« war die vom Schuldner eingeleitete, römisch-rechtliche Form der Insolvenz. War der Schuldner nicht in der Lage, seine Gläubiger vollständig zu befriedigen, so konnte er sein Vermögen freiwillig an seine Gläubiger abtreten. Hierdurch erlangte der Schuldner zwar keine Restschuldbefreiung, wohl aber einen Schutz vor der Personalexekution (Codex 7,71 canon 1) und den Zugriff auf den Neuerwerb. Das abgetretene Vermögen wurde von einem durch die Gläubiger gewählten Curator verwaltet und mit Ermächtigung des Prätors als Ganzes inklusive aller Lasten verkauft. Aus dem Erlös erhielt jeder Gläubiger eine Quote – vgl. Kaser/Hackl, Das römische Zivilprozessrecht, § 61, S. 405 ff.; Kurlbaum, in: von Wilmowski, KO, Einleitung, S. 1. Der »cessio bonorum« stand die »missio in bona« gegenüber, die von jedem Gläubiger beim Prätor beantragt werden konnte und zur Beschlagnahme und Veräußerung des Schuldnervermögens führte – vgl. Kaser/Hackl, Das römische Zivilprozessrecht, § 57, S. 388 ff. Eine Einzelvollstreckung fand demgegenüber nur in Ausnahmefällen statt. 216 Die Infamie war die persönliche Folge einer Realexekution. Sie schloss den Schuldner aus dem Wirtschaftsleben aus, da ihm die Kreditwürdigkeit abgesprochen wurde und bedeutete für den römischen Bürger den »zivilen Todes« – vgl. Kroppenberg, Die Insolvenz im klassischen römischen Recht, S. 345; Uhlenbruck, DZWIR 2007, 1, 2. Dieser aus der Insolvenzeröffnung folgende persönliche Makel prägte fortan die Betrachtung einer Insolvenz als zu vermeidendes Übel und persönliches Versagen bis in heutige Tage. 217 Codex 7,71 canon 8; kritisch Kohler, Konkursrecht, S. 446. 218 Darauf hinweisend Ciuntu, Zwangsvergleich, S. 28; Wach, Zwangsvergleich, S. 72. 219 So ausdrücklich und zu Recht Kohler, Konkursrecht, S. 445; ähnlich Löhr, ZZP 16 (1891), 335, 365 (Fn. 102), 368, 370 (Fn. 112). 220 Ausführlich hierzu Kohler, Konkursrecht, S. 446 ff.

B. Die Vorgängerregelungen – Zwangsvergleich und Vergleich

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des Code; Art. 507 FallimentsG) sowie die Prüfung und Bestätigung des Vergleichs durch ein Gericht (Art. 525 des Code; Art. 513 des FallimentsG).221 In Deutschland selbst konnte sich die zwangsweise Bindung der Minorität an das Votum der Gläubigermehrheit aufgrund der großen Rechtszersplitterung zunächst nicht uneingeschränkt durchsetzen. Zwar folgte das gemeine Recht der römisch-rechtlichen Tradition und ließ den Zwangsvergleich und die Zwangsstundung zu.222 Die vorherrschende Rechtswissenschaft der Neuzeit wie auch einzelne, ihr folgende Partikularrechte sprachen sich hingegen entschieden gegen eine Bindung der ablehnenden Minderheit aus und verlangten stattdessen die Zustimmung aller Gläubiger.223 Derartige Kodifizierungen blieben jedoch in der Minderzahl. Andere Partikulargesetzgebungen sahen stattdessen vor, dass ein Akkordversuch jedem Konkursverfahren vorausgehen musste und ließen zum Zustandekommen des Akkordes das Mehrheitsvotum der Gläubiger genügen. 224 Die Mehrzahl der Partikularrechte folgte allerdings den Regelungen des gemeinen Rechts oder französischen Vorbildern. 225 Die spätere reichseinheitliche deutsche Konkursgesetzgebung wurde entscheidend durch die Preußische Konkursordnung vom 8. Mai 1855 geprägt. Diese orientierte sich an den Vorbildern aus dem französischen sowie gemeinen Recht und forderte für das Zustandekommen eines Zwangsvergleichs die Kopf- und Summenmehrheit der Gläubiger sowie die Prüfung und Bestätigung des Gerichtes, dass der Vergleich dem Interesse der Gläubiger entspricht. 226

221

Kohler, Konkursrecht, S. 450; Löhr, ZZP 16 (1891), 335, 372 f.; Wach, Zwangsvergleich,

S. 9. 222 Löhr, ZZP 16 (1891), 335, 371; Kurlbaum, in: von Wilmowski, KO, vor § 173 Anm. 1; Wach, Zwangsvergleich, S. 9. 223 So die Oldenburgische Hypotheken- und Konkursordnung von 1814; die Nassauische Konkursordnung von 1859 oder die Badische Prozessordnung von 1864 (für Nichtkaufleute). Nur die Zustimmung aller anwesenden Gläubiger verlangten hingegen die Bayrische Prozessordnung von 1869, die Hannoversche Prozessordnung von 1850, die Lübische Konkursordnung von 1862 oder die Verordnungen für Mecklenburg-Schwerin von 1834 und für Mecklenburg-Strelitz von 1836 – vgl. Hahn, Materialien, IV, S. 349; Seuffert, Konkursprozeßrecht, S. 404; Wach, Zwangsvergleich, S. 9 (Fn. 2); zur Bayrischen Prozessordnung genauer Fuchs, Concursprozeß, S. 30 ff. 224 So die Hamburger »Neue Fallitenordnung« von 1753; ebenso das Bremer Debitverfahren nach der Verordnung für Debit- und Nachlasssachen von 1843 hinsichtlich der Subsidiarität des Konkursverfahrens; allerdings bewirkte hier der nur mehrheitlich angenommene Akkord lediglich ein Moratorium, also eine Stundung – zum ganzen Fuchs, Concursprozeß, S. 14 ff. 225 Das französische Recht galt vor allen in den Rheinprovinzen (Rheinpreußen, Rheinhessen, Elsass-Lothringen) – vgl. Fuchs, Concursprozeß, S. 19 ff. Genauer zur Entwicklung des Zwangsvergleichs in einzelnen Partikularrechten insbesondere Fuchs, Concursprozeß, S. 12 ff. (mit detailreichen Ausführungen zu allen bedeutenden Partikularrechten) sowie Kohler, Konkursrecht, S. 34 ff. (zum frühen lübischen Recht), S. 37 f. (zum Nürnberger und Hamburger Stadtrecht). 226 Vgl. Kurlbaum, in: von Wilmowski, KO, vor § 173 Anm. 1.

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Anders als im gegenwärtigen Insolvenzrecht war die praktische Bedeutung der Akkordverfahren im 19. Jahrhundert enorm. Der Handel dieser Zeit wurde noch von persönlichen Beziehungen zwischen den Kaufleuten und kaufmännischen Ehrbegriffen bestimmt, weshalb häufig das Interesse an einer einvernehmlichen, die Geschäftsbeziehung erhaltenden Bewältigung einer Insolvenz vorherrschte. So wurden beim Stadtgericht in Berlin in den Jahren 1855 bis 1873 von den 2427 Konkursen 968, also ca. 40 Prozent, durch Akkord erledigt; beim Stadtgericht in Breslau waren es im gleichen Zeitraum ca. 30 Prozent. In Frankreich wurden zwischen 1817 und 1826 sogar 59 Prozent der Konkursverfahren durch Konkordat beendet. 227

II. Kodifizierung in der Konkurs- und in der Vergleichsordnung Schon nach der Entstehung des Norddeutschen Bundes, spätestens aber nach der Reichsgründung im Jahre 1871 entstand das deutliche Bedürfnis, und diesem folgend der Auftrag an die gesetzgebenden Körperschaften, einheitliche Gesetze für das Deutsche Reich zu schaffen. Bereits in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts wurden daraufhin die vier Reichsjustizgesetze erarbeitet: die Zivilprozessordnung, die Strafprozessordnung, das Gerichtsverfassungsgesetz und eben auch die Konkursordnung. Die Konkursordnung für das Deutsche Reich basierte auf der preußischen Konkursordnung, wurde doch bereits 1870 der preußische Justizminister mit der Ausarbeitung einer Konkursordnung für den norddeutschen Bund beauftragt, woraus der im Jahre 1873 vorgelegte »Entwurf einer deutschen Gemeinschuldordnung« resultierte. Dieser Entwurf diente der auf Beschluss des Bundesrates vom 21. Dezember 1873 einzusetzenden Kommission für die deutsche Konkursordnung als Beratungsgrundlage und sie behielt die preußischen Grundprinzipien des Entwurfs im Wesentlichen bei. Auch die später eingesetzte Reichstagskommission hielt an diesen Grundsätzen fest. 228 Die so verabschiedete Konkursordnung für das Deutsche Reich wurde am 10. Februar 1877 veröffentlicht und trat am 1. Oktober 1879 in Kraft. Sie wurde als das gelungenste der vier Justizgesetze erachtet. 229 In der Konkursordnung war ein Zwangsvergleich zu finden, wie ihn schon das französische und preußische Recht kannte. Für sein Zustandekommen bedurfte es der Annahme eines Vergleichsvorschlages durch die einfache Kopfmehrheit der anwesenden sowie die dreiviertel Summenmehrheit der stimmberechtigten Gläubiger (§ 169; nach der Novelle des Gesetzes vom 17. Mai 1898 dann § 182) sowie einer Bestätigung des Vergleichs durch das Konkursgericht 227 Diese Daten lagen den Beratungen der Konkursordnung von 1877 zugrunde – Hahn, Materialien, IV, S. 348 (Fn. 1). 228 Vgl. Kurlbaum, in: von Wilmowski, KO, Einleitung, S. 4 f. 229 Kohler, Konkursrecht, S. 64.

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(§ 170; später § 184). 230 Die Konkursordnung verzichtete hingegen bewusst auf die Regelung eines konkursabwendenden Vergleichs, also auf ein Verfahren, das dem Schuldner die Möglichkeit gibt, auch gegen den Willen einer Gläubigerminderheit einen Vergleich mit allen Gläubigern zustande kommen zu lassen, der von vornherein einen Konkurs und damit auch ein makelbehaftetes Konkursverfahren verhindert.231 Man hielt die Regelungen des Zwangsvergleiches und die fortbestehende Möglichkeit außergerichtlicher Vergleiche für ausreichend und sah keinen Bedarf für ein zweites, vorgeschaltetes gerichtliches Verfahren.232 Auf Dauer konnte sich der Gesetzgeber allerdings dem praktischen Bedürfnis für ein außergerichtliches Vergleichsverfahren nicht verschließen 233 und so führte er schrittweise ein solches ein. Das erste gerichtliche Verfahren zur Konkursabwendung wurde im Jahre 1914 zur Abmilderung allein kriegsbedingter Konkurse in den 13 Paragraphen der Verordnung über die Geschäftsaufsicht 234 geschaffen. Es enthielt noch allein ein Moratorium für den Schuldner für die Dauer des Krieges und sah kein gerichtliches Verfahren für das Zustandekommen eines von der Restschuld befreienden Vergleiches vor. Diese insofern unvollständige Regelung wurde bereits 1916 überarbeitet und dabei erheblich konkretisiert.235 Die daraus entstandene Verordnung behielt die Geschäftsaufsicht bei, enthält aber zudem in den §§ 33 bis 65 detaillierte Regelungen zum Zustandekommen und notwendigen Inhalt eines »Zwangsvergleichs zur Abwendung

230 Im Folgenden wird, soweit nicht ausdrücklich anders angegeben, die Konkursordnung nur noch in der novellierten Fassung von 1898 zitiert. 231 Der vorangegangene »Entwurf einer deutschen Gemeinschuldordnung« enthielt in seinem vierten Buch (§§ 233 bis 256) noch ein »Vergleichsverfahren zur Abwendung des Gemeinschuldverfahrens«, das einen Vergleich jedoch nur bei Einstimmigkeit der Gläubiger zustande kommen ließ. Diese Bestimmungen wurden bereits bei der Beratung dieses Entwurfs gestrichen und trotz nochmaligen Antrags während der Beratungen über die Konkursordnung nicht mehr in diese aufgenommen (Hahn, Materialien, IV, S. 617 f.). Auch bei den Beratungen über die Novellierung der Konkursordnung 1897/98 entschied man sich bewusst gegen die Schaffung eines konkursabwendenden Vergleichs – vgl. dazu die Denkschrift des Reichsjustizamtes, Drucksache des Deutschen Reichstages, 11. Legislaturperiode, II. Session, 1906, Aktenstück Nr. 596, S. 5590 f. 232 So noch im Jahre 1906 das Reichsjustizamt in seiner diesbezüglichen Denkschrift (Drucksache des Deutschen Reichstages, 11. Legislaturperiode, II. Session, 1906, Aktenstück Nr. 596, S. 5592 ff.). Diese Auffassung wurde von Anfang an kritisiert – vgl. Jaeger, LZ 1907, 132 ff.; Kohler, Konkursrecht, S. 64 und derS. später in ZZP 30 (1902), 553, 556; Schourp, Zwangsvergleich, S. 5, 9 f. (der zugleich einen Gesetzesentwurf für eine Deutsche Vergleichsordnung entwickelt). 233 Der Handel forderte ihn genauso vehement wie die Anwaltschaft – vgl. die Verhandlungen des XVII. Deutschen Anwaltstages 1905, JW 1905, 569, 629 ff., die Erhebungen der Handelskammern Deutschlands und die Beschlüsse des Deutschen Handelstages von 1905 – beide nachzulesen bei Philippsohn, JW 1905, 473 ff. 234 RGBl. 1914, 363. 235 RGBl. 1916, 1363.

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Kapitel 1: Betriebswirtschaftliche und rechtshistorische Sicht

des Konkurses« (§ 33), welcher die Geschäftsaufsicht beendet. 236 Im Krisenjahr 1924 wurde dann in zwei weiteren Verordnungen 237 die Verordnung von 1916 auch auf Fälle erweitert, in denen die Konkursreife infolge der aus dem Krieg erwachsenen wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten war. Von da aus war es nur noch ein kleiner Schritt zur Verabschiedung eines allgemeinen Vergleichsverfahrens zur Abwendung des Konkurses. Dieses wurde 1927 in der ersten Vergleichsordnung geschaffen. 238 Sie beendete die missbrauchsanfällige Möglichkeit einer konkursabwendenden Geschäftsaufsicht, die allein aufgrund eines Antrags des Schuldners und ohne Anstreben eines Vergleichs möglich war, indem sie in § 15 Abs. 1 vorschrieb, dass der Antrag des Schuldners auf Eröffnung des Vergleichsverfahrens zwingend einen Vergleichsvorschlag enthalten muss. Um missbräuchliche Vergleichsverfahren endgültig zu verhindern, 239 musste der Schuldner zudem bereits mit dem Antrag die schriftliche Erklärung der Mehrheit der Gläubiger vorlegen, mit einem Vergleichsverfahren einverstanden zu sein. Die Gläubiger hatten es daher in der Hand, sinnlose, aber auch sinnvolle Vergleichsversuche von vornherein zu vereiteln. Während der daher notwendigen Vorverhandlungen hatte der Schuldner kaum einen Schutz vor Vollstreckungshandlungen der Gläubiger. 240 Andererseits gewährte auch ein Vergleichsantrag ohne Zustimmung der Gläubigermehrheit für die Zeit des Eröffnungsverfahrens Schutz vor einer Konkurseröffnung (§ 31). Das Vorverfahren verhinderte so keinen Missbrauch zur Erlangung eines kurzfristigen Moratoriums, erschwerte gleichzeitig aber erheblich die Erfolgschancen eines erwünschten, präventiven Vergleichs. Bereits im Jahre 1935 wurden diese unzweckmäßigen Regelungen im Rahmen einer umfassenden Novellierung der Vergleichsordnung geändert. Nach der danach bis 1999 im Wesentlichen unverändert gebliebenen Neufassung der Vergleichsordnung konnte der konkursreife Schuldner zur Abwendung eines Konkursverfahrens seinen Vergleichsvorschlag beim Vergleichsgericht einreichen und damit ein Vergleichsverfahren einleiten, ohne dass dies die Zustimmung der Gläubiger voraussetzte. Zur Annahme seines Vergleichsvorschlages 236 Man orientierte sich dabei weitgehend am Zwangsvergleich der Konkursordnung, insbesondere hinsichtlich der erforderlichen Gläubigermehrheiten (§ 37), der Bestätigung durch das Konkursgericht (§§ 53–55) und der allgemeinen Wirkung des Vergleichs (§ 60). Der Zwangsvergleich war inhaltlich auf Stundung oder Erlass beschränkt (§ 35) und bedurfte nur der einfachen Summenmehrheit, wenn er lediglich eine Stundungsvereinbarung von maximal einem Jahr beinhaltete (§ 38). 237 RGBl. I 1924, 51 und 641. 238 RGBl. I 1927, 139. 239 Gerade die Beseitigung der Missbrauchskultur unter Geltung der Geschäftsaufsichtsverordnung war Ziel der Schaffung der Vergleichsordnung von 1927 – vgl. Bericht des Rechtsausschusses, in: Verhandlungen des Deutschen Reichstags, III. Wahlperiode, 1924/27, Drucksache Nr. 3430, S. 2 f., 8. 240 § 33 VglO 1927 gewährte lediglich bei Verfahrenseröffnung eine Einstellung dann noch anhängiger Vollstreckungsmaßnahmen. Eine Sperrfrist schufen erst die §§ 28, 87 VglO 1935.

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war dann wie in der Verordnung von 1916, der Vergleichsordnung von 1927 und wie beim Zwangsvergleich der Konkursordnung die einfache Kopfmehrheit der anwesenden und eine dreiviertel Summenmehrheit der stimmberechtigten Gläubiger (§ 74 VglO) sowie die Bestätigung des Vergleichs durch das Gericht (§ 78 VglO) erforderlich.

III. Die Rechtsnatur des Zwangsvergleichs der Konkursordnung Bis zur Schaffung einer einheitlichen Konkursordnung für das gesamte Deutsche Reich gab es keine Diskussion über die Rechtsnatur eines Zwangsvergleichs. Dieses Rechtsinstitut wurde vom jeweiligen Gesetzgeber entweder in Gänze abgelehnt und folglich im jeweiligen Partikularrecht nicht vorgesehen oder es wurde wie selbstverständlich als Vertrag anerkannt und normiert. 241 Der Reichsgesetzgeber hatte sich bei der Schaffung der Deutschen Konkursordnung für die Normierung eines Zwangsvergleichs in der Tradition des römisch gemeinen, französischen und preußischen Rechts entschieden, wobei er von der Vertragsnatur eines solchen Akkordes ausging. 242 Erst unmittelbar nach dem Inkrafttreten des Gesetzes im Jahre 1879 begann die unerwartete Diskussion darüber, ob der normierte Zwangsvergleich tatsächlich ein Vertrag sein könne. 1. Die Urteilstheorie Es war August Sigmund Schultze, der 1880 in zwei Publikationen darzulegen versuchte, dass der Zwangsvergleich der Konkursordnung »nicht, wie die heute allerdings allein bestehende Auffassung annimmt, ein durch Majoritätsbeschluß zu Stande kommender Vergleich, sondern ein auf wesentlich freier Kognition beruhendes richterliches Urteil ist«.243 Der Vergleichsvorschlag wie auch die diesbezüglichen Beschlüsse der Gläubiger im Abstimmungstermin hinsichtlich der Annahme desselben seien keine Dispositionen, also vertraglich bindenden Erklärungen, sondern lediglich »ein der freien Beurtheilung des Richters unterstelltes Informationsmaterial.«244 Vor dem Urteil sei rechtlich nichts Bindendes, insbesondere kein Vertrag vorhanden. Der Konkurs verbinde die Gläubiger zudem nicht materiell-rechtlich, sondern allein prozessual im Wege der notwendigen Streitgenossenschaft (§ 59 ZPO) hinsichtlich der Ausübung ihrer Konkursforderungen, weshalb das Gericht über den Konkursanspruch allen Gläubigern gegenüber nur einheitlich entscheiden könne. Die gerichtliche Entscheidung allein sei daher der Grund für die Bindung der widersprechenden 241 242 243 244

Hierzu ausführlich Schultze, Konkursrecht, S. 116 f. Hahn, Materialien, IV, S. 353. Schultze, ZHR 25 (1880), 339, 342 und entsprechend in: Konkursrecht, S. 120. Schultze, ZHR 25 (1880), 339, 345 und entsprechend in: Konkursrecht, S. 121, 128.

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Gläubiger; erst durch sie entstehe der Zwangsvergleich. Ein Vertrag werde hingegen zu keiner Zeit geschlossen.245 Der bestechende Vorteil dieser Theorie lag darin, dass sie die Bindungswirkung des Mehrheitsvotums nicht mit vertragsrechtlichen Mitteln erklären musste. Widersprechende und nicht teilnehmende Gläubiger wurden nicht gegen ihren Willen an einen Vertrag gebunden, sondern von der Rechtskraftwirkung eines richterlichen Urteils erfasst. Hierzu bedurfte es keiner besonderen rechtlichen Gemeinschaft oder Verbindung unter den Gläubigern. Die zentralen Probleme einer Einordnung des Zwangsvergleichs als zivilrechtlicher Vertrag waren damit überwunden. Mängel bei der Abstimmung, wie z. B. die Unwirksamkeit des Vergleichsvorschlags wegen Geschäftsunfähigkeit oder unwirksamer Stellvertretung des Schuldners, oder aber das tatsächliche Fehlen einer Mehrheit wegen unzutreffender Auszählung bzw. Stimmrechtsbestimmung, waren danach selbstverständlich nur im Rechtsmittelwege angreifbar. Nach Eintritt der Rechtskraft des gerichtlich beschlossenen Zwangsvergleichs waren diese Mängel geheilt. Diese rechtliche Deutung des Zwangsvergleichs fand wegen ihrer konzeptionellen Einfachheit und der klaren Rechtsfolgen bezüglich der Mangelheilung zwar einige Anhänger246 , konnte sich aber letztendlich nicht durchsetzen. Dies lag vor allem darin begründet, dass die Konkursordnung nicht nur in ihren Motiven, sondern auch in ihrem Wortlaut und ihrer Regelungssystematik davon ausging, dass die Handlungen des Gemeinschuldners (Vergleichsvorschlag) wie auch der Gläubiger (»Annahme des Vergleichs« durch Mehrheitsvotum, § 182 KO) mehr bedeuten mussten, als nur unverbindliches Informationsmaterial für den Konkursrichter zu sein. Zwischen dem Gemeinschuldner und den (nicht bevorrechtigten) Gläubigern kann nach § 173 KO vielmehr ausdrücklich »ein Zwangsvergleich geschlossen werden« und nur dieser »angenommene Zwangsvergleich« (§ 184 Abs. 1 KO) bedarf dann einer »Bestätigung« durch das Konkursgericht. Der Zwangsvergleich bestand nach der gesetzlichen Konzepti245

Schultze, Konkursrecht, S. 121, 129. Cohn, Zwangsvergleich, S. 43; Eccius, Gruchot 30 (1886), 457, 463 und in Gruchot 46 (1902), 726, 727; Pasquay, ZHR 66 (1910), 34, 79 ff.; Wackenthaler, Zwangsvergleich, S. 11, 99; von Wilmowski, KO (5. Auflage, 1896), vor § 160 Anm. 2; grundsätzlich auch von Völderndorff, Konkursordnung II, S. 527. Nur mit der klaren Rechtsfolge, nicht aber mit der dogmatischen Herleitung der Urteilstheorie sympathisiert Vierhaus, ZZP 14 (1890), 281, 283. Cohn, Zwangsvergleich, S. 41 ff., modifiziert die Urteilstheorie Schultzes jedoch dahingehend, dass kein Urteil über den Konkursanspruch, sondern eines über die einzelnen Konkursforderungen der Gläubiger ergeht (S. 41), der Vergleichsvorschlag und die Abstimmungserklärungen notwendige Prozesshandlungen und nicht bloßes Informationsmaterial sind (S. 50 ff.) sowie die nicht zustimmenden Gläubiger nicht als notwendige Streitgenossen, sondern als säumig analog §§ 330 ff. ZPO (nicht erschienen oder nicht verhandelnd) anzusehen sind und daher vom Urteil des Konkursgerichtes gebunden werden (S. 57 f.) – gerade den Rückgriff auf die Säumnisfolgen, also das Kontumazialprinzip, lehnte Schultze noch ausdrücklich ab, vgl. Schultze, Konkursrecht, S. 117. 246

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on also bereits vor der richterlichen Entscheidung als Vertrag und bedurfte lediglich einer gerichtlichen Bestätigung. Und diese Bestätigung stand dann gerade nicht im freien Ermessen des Konkursrichters, sondern durfte nur dann verworfen werden, wenn einer der Gründe aus den §§ 186–188 KO vorlagen. Die dort geregelten Verwerfungsgründe sicherten allein die Überprüfung des ordnungsgemäßen Zustandekommens des Zwangsvergleichs und den Benachteiligungsschutz für die Gläubiger. Die Konkursordnung gewährte dem Konkursgericht weder ein Gestaltungsrecht hinsichtlich des Vergleichsinhalts noch ein freies Ermessen hinsichtlich der Bestätigung eines geschlossenen Vergleichs. Der Richter durfte lediglich überprüfen, nicht jedoch gestalten. Seine bestätigende Entscheidung war damit zwar (letzte) Wirksamkeitsvoraussetzung für den Zwangsvergleich, nicht aber die Grundlage der Bindung des Gemeinschuldners und der Gläubiger. Schließlich erledigte der Bestätigungsbeschluss auch noch nicht einheitlich den Konkursanspruch aller Gläubiger, worauf Schultze deren notwendige Streitgenossenschaft stützte. Derartiges geschieht erst im anschließenden Aufhebungsbeschluss. Die gesetzliche Normierung des Zwangsvergleichs in den §§ 173 ff. KO widersprach also den Annahmen der Urteilstheorie. 247 2. Die Vertragstheorie Die Publikationen Schultzes provozierten nun eine lebhafte wissenschaftliche Diskussion über die Rechtsnatur des Zwangsvergleichs. Die weit überwiegende Zahl der Autoren stützte sich dabei auf den Gesetzeswortlaut sowie die Motive des Gesetzgebers und versuchte davon ausgehend, gegen die Urteilstheorie die Vertragsnatur des Zwangsvergleichs zu begründen. 248 Ihnen folgte einhellig die

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Dies konstatierte auch von Völderndorff, Konkursordnung II, S. 528. Von Aufseß, Konkursrecht, S. 140; Ciuntu, Zwangsvergleich, S. 49; Deybeck, Grünhut 17 (1890), 356, 360; Endemann, Konkursverfahren, S. 585; Fitting, Reichs-Konkursrecht, S. 419 f.; Gerland, KritVjSchr 46 (1905), 29, 39; Heckel, Zwangsvergleich, S. 143; Heimann, Zwangsvergleich, S. 29; Hellmann, Konkursrecht, S. 645; Hentsch, Zwangsvergleich, S. 33 f., 54; Jaeger, Konkursrecht, S. 190; Kießling, Zwangsvergleich, S. 12; Kohler, Konkursrecht, S. 452; Krusch, Das Wesen des Vergleichs, S. 75, 80; Kurlbaum, in: von Wilmowski, Reichskonkursordnung (6. Auflage, 1906), vor § 173 Anm. 2; Löhr, ZZP 16 (1891), 335, 387 f.; Petersen/Kleinfeller, KO, Vorbemerkungen zu §§ 173–201 Anm. 4; Petimesas, Zwangsvergleich, S. 49 f.; Purper, Zwangsvergleich, S. 17; Richter, ZHR 76 (1915), 112, 125; Rintelen, Konkursrecht, S. 302; von Sarwey/Boßert, KO, S. 439; Schlote, Zwangsvergleich, S. 15 f.; Schopper, Zwangsvergleich, S. 34; Seuffert, Konkursprozeßrecht, S. 408 f.; Voß, ZZP 33 (1904), 417, 422; Wach, Zwangsvergleich, S. 77; Warneyer, KO, Anm. zu § 173; Willenbücher, KO, § 160 Anm. 4; Wolff, KO, § 173 Anm. 2. Aus neuerer Zeit: Baur/Stürner, Insolvenzrecht, Rn. 24.2; Eickmann, Konkurs- und Vergleichsrecht, S. 100 f.; ders., in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 66 Rn. 2; Gottwald, FS Giger, 1989, 195, 203; Häsemeyer, FS Gaul, 1997, 175, 176; Jauernig, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, S. 251; Mohrbutter,in: Mohrbutter, Insolvenzverwaltung, Rn. XII.4; Stefan, Zwangsvergleich, S. 59 ff.; Weber, in: Jaeger, KO, § 173 Rn. 1. 248

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Rechtsprechung. 249 Konstruktiv bedurfte es hierzu zweier zivilrechtlicher Willenserklärungen, eines Angebots und dessen Annahme. Während der Vergleichsvorschlag des Schuldners einhellig als Vertragsangebot eingeordnet wurde, 250 gab es hinsichtlich der Bestimmung der Annahmeerklärung der Gläubiger unterschiedliche Ideen. a) Die Stimmabgabe jedes Gläubigers als Annahmeerklärung Einige Autoren sahen in der Stimmabgabe jedes einzelnen stimmberechtigten Gläubigers eine individuelle Annahmeerklärung im vertragsrechtlichen Sinne. Jeder Gläubiger erkläre seine Zustimmung zum Vertragsangebot des Gemeinschuldners für sich unter der conditio juris, dass insgesamt eine zustimmende Mehrheit zustande kommt. Tritt dieses Abstimmungsergebnis ein, so kommt mit jedem einzelnen zustimmenden Gläubiger unmittelbar ein individueller (Zwangsvergleichs-)Vertrag zustande, der inhaltlich mit denen der anderen Gläubiger identisch ist. 251 Problematisch war auf dieser Basis allerdings die Konstruktion einer vertraglichen Einigung mit den Gläubigern, die in der Abstimmung den Vergleichsvorschlag ablehnten oder überhaupt nicht am Verfahren teilnahmen. Von diesen Gläubigern lag keine Zustimmungserklärung vor. Hier findet sich verbreitet nur der Rückgriff auf die gesetzlich nun einmal angeordnete Erstreckung der Vergleichswirkung auf alle Gläubiger. 252 Dies erscheint als Erklärung jedoch sehr unbefriedigend, wird doch die Bindung der Minderheit weder auf deren Vertragswillen noch auf ein gerichtliches Urteil zurückgeführt, sondern unmittelbar und allein auf die gesetzliche Regelung als solche zurückgegriffen. Damit wird jeder Versuch einer dogmatischen Einordnung eben dieser Regelung in die Zivil- und Prozessrechtsdogmatik aufgegeben. Eine derartige Kapitulation der

249 RG LZ 1911, 555, 556; WarnRsp 1911 Nr. 353; RGZ 77, 403, 404; 92, 181, 187; 119, 391, 395; 125, 408, 410; 127, 372, 375; 152, 65, 67; RG JW 1936, 191, 192; BGH KTS 1961, 152, 153; WM 1992, 619, 621. 250 Der Vergleichsvorschlag wird spätestens mit seiner Einbringung im Abstimmungstermin als Willenserklärung wirksam – vgl. Richter, ZHR 76 (1915), 112, 122; Weber, in: Jaeger, KO, § 173 Rn. 21. 251 Heckel, Zwangsvergleich, S. 143 f.; Heimann, Zwangsvergleich, S. 35; Kohler, Konkursrecht, S. 452 und ZZP 30 (1902), 553, 555; Löhr, ZZP 16 (1891), 335, 391; Petersen/Kleinfeller, KO, Vorbemerkungen zu §§ 173–201 Anm. 6. 252 So Petersen/Kleinfeller, KO, Vorbemerkungen zu §§ 173–201 Anm. 6. Ebenso Löhr, ZZP 16 (1891), 335, 386 f. und 412, wenn er den Abschluss von Einzelverträgen allein mit den Zustimmenden annimmt, während die Ablehnenden und Abwesenden ausschließlich auf gesetzlicher Grundlage an den Vergleichinhalt gebunden werden; ihm folgt Heckel, Zwangsvergleich, S. 143. Heimann, Zwangsvergleich, S. 38, konstruiert die Zustimmungserklärungen der Minderheit im Wege der Ausübung einer gesetzlicher Vertretungsmacht durch die Mehrheit. Jeder zustimmende Gläubiger gäbe neben der eigenen auch noch eine Willenserklärung im Namen der Minderheit ab (ebenso Hellmann, Konkursrecht, S. 645) – hiergegen ausführlich und überzeugend Kießling, Zwangsvergleich, S. 23 ff.

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Rechtswissenschaft ist jedoch erst dann unumgänglich, wenn sich keine tragfähige Konstruktion finden lässt und derartiges schien schon damals möglich. b) Die Annahme des Vergleichsvorschlags durch die Gläubigerschaft Überwiegend wurde zur dogmatischen Erklärung der Mehrheitsmacht vorgeschlagen, als Vertragspartner des Gemeinschuldners nicht jeden einzelnen Gläubiger, sondern die Gläubigerschaft als Ganzes anzusehen.253 Diese Vorstellung hatte auch der Gesetzgeber, sollte der Zwangsvergleich doch ein »Gesammtheitsvertrag«254 sein, bei dem nicht der einzelne Gläubiger, sondern alle Gläubiger zusammen dem Gemeinschuldner als Partei gegenüberstehen.255 Um die Bindung der gesamten Gläubigerschaft auch bei nur mehrheitlicher Zustimmung zu erreichen, gab es zwei Grundideen. Zum einen erstreckte man die Bindung eines mehrheitlich gewollten Vertrages kraft gesetzlicher Anordnung auf alle stimmberechtigten Gläubiger und damit auf die gesamte Gläubigerschaft.256 Dieser Lösungsweg stellt allerdings wiederum nur die gesetzlich angeordnete Wirkung eines Zwangsvergleichs dar, ohne diese Bindungswirkung dogmatisch erklären oder einordnen zu können und hilft daher kaum weiter. Interessanter ist demgegenüber die Idee einer wahrhaft rechtlich organisierten Gläubigerschaft. Hier erfolgt die Annahme des Schuldnervorschlags durch eine organisierte Gemeinschaft der stimmberechtigten Gläubiger. 257 Diese Gemeinschaft bilde im Abstimmungstermin durch die Abstimmung nur ihren (in253 Ciuntu, Zwangsvergleich, S. 36 ff.; Deybeck, Grünhut 17 (1890), 356, 360; Endemann, Konkursverfahren, S. 585; Fitting, Reichs-Konkursrecht, S. 423; Gerland, KritVjSchr 46 (1905), 29, 40; Jaeger, Konkursrecht, S. 190; Kießling, Zwangsvergleich, S. 13; Krusch, Das Wesen des Vergleichs, S. 88; Kurlbaum, in: von Wilmowski, Reichskonkursordnung (6. Auflage, 1906), vor § 173 Anm. 2; Purper, Zwangsvergleich, S. 17; Richter, ZHR 76 (1915), 112, 124; Schlote, Zwangsvergleich, S. 16; Seuffert, Konkursprozeßrecht, S. 408 f.; Voß, ZZP 33 (1904), 417, 422; Wach, Zwangsvergleich, S. 78; Weber, in: Jaeger, KO, § 173 Rn. 12; Wolff, KO, § 173 Anm. 2. 254 Hahn, Materialien, IV, S. 350. 255 Hahn, Materialien, IV, S. 378 – unter Nr. 2. 256 Baur/Stürner, Insolvenzrecht, Rn. 24.2; Deybeck, Grünhut 17 (1890), 356, 360; Jauernig, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, S. 251; Mohrbutter,in: Mohrbutter, Insolvenzverwaltung, Rn. XII.4; Stefan, Zwangsvergleich, S. 54, 61; Weber, in: Jaeger, KO, § 173 Rn. 11 f. Endemann, Konkursverfahren, S. 585, fi ngiert bei einem Zustimmungswillen der Mehrheit »kraft gesetzlicher Vorschrift« den Zustimmungswillen der Minderheit. Ähnlich konstruiert Krusch, Das Wesen des Vergleichs, S. 101 und 144: Bei Zustimmung der Mehrheit fingiert das Gesetz einen Gesamtwillen aller Gläubiger und damit gleichzeitig den Abschluss des Vertrages durch alle. Gerland, KritVjSchr 46 (1905), 29, 39 f., hält die Minderheit im Angesicht der Mehrheit für ex lege verpflichtet, den Vergleichsvorschlag anzunehmen; die Abwesenden würden hingegen gesetzlich durch die Anwesenden vertreten, wenn dann die Gläubigerschaft als Gesamtheit den Vertrag schließt – gegen die Annahme einer Stellvertretung ausführlich und überzeugend Kießling, Zwangsvergleich, S. 23 ff. 257 Ciuntu, Zwangsvergleich, S. 36 ff.; Fitting, Reichs-Konkursrecht, S. 423; Jaeger, Konkursrecht, S. 190; Kießling, Zwangsvergleich, S. 4 ff.;Kurlbaum, in: von Wilmowski, Reichskonkursordnung (6. Auflage, 1906), vor § 173 Anm. 2; Purper, Zwangsvergleich, S. 17; Richter, ZHR 76 (1915), 112, 124; Schlote, Zwangsvergleich, S. 16; Seuffert, Konkursprozeßrecht,

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Kapitel 1: Betriebswirtschaftliche und rechtshistorische Sicht

ternen) Willen hinsichtlich des Vergleichsvorschlags des Gemeinschuldners und zu einer solchen Willensbildung seien auch im allgemeinen Zivilrecht Mehrheitsbeschlüsse üblich und ausreichend. Ergibt sich dabei eine hinreichende Mehrheit für die Annahme des Vorschlags und damit ein entsprechender Wille aller Gläubiger, so gäbe die Gläubigerschaft mit der Feststellung dieses Abstimmungsergebnisses im Termin gleichzeitig eine Annahmeerklärung im vertragsrechtlichen Sinne ab, welche dann notwendigerweise die gesamte Gemeinschaft, also auch die ablehnenden und nicht anwesenden Gläubiger, binde. Diese Konstruktion entsprach den Vorstellungen des Gesetzgebers, der in den Motiven von einer »rechtlichen Gemeinschaft« der Konkursgläubiger sprach, in welcher Mehrheitsbeschlüsse ihre Geltung finden.258 Problematisch an dieser Konstruktion war zunächst die rechtliche Einordnung der »Gemeinschaft der Gläubiger«. Einige sahen in ihr wie der Gesetzgeber eine echte Rechtsgemeinschaft mit einem gemeinschaftlichen Vermögensrecht an der Konkursmasse. 259 Andere wollten ein solches gemeinschaftliches Recht hingegen nicht finden, erkannten aber sehr wohl das gemeinsame Interesse aller Gläubiger an einer bestmöglichen Verwertung des Schuldnervermögens und nahmen daher immerhin eine gesellschaftsähnliche Interessengemeinschaft der Gläubiger an.260 Unabhängig davon, welche Einordnung bevorzugt wurde, entstand sodann das Problem, dass zum Inhalt jedes Zwangsvergleichs Kürzungen der Konkursforderungen der Gläubiger gehörten. Die Abstimmung über den Zwangsvergleich beinhaltete also nicht nur eine Entscheidung über den Konkursbeschlag als gemeinschaftliches Recht, sondern auch eine Entscheidung über die Aufgabe von privaten Gläubigerrechten an der Masse261 und S. 408; Voß, ZZP 33 (1904), 417, 422 f.; Wach, Zwangsvergleich, S. 78; Wolff, KO, § 173 Anm. 2. 258 Hahn, Materialien, IV, S. 350. 259 Von Canstein, Grünhut 9, 461, 465 ff.; Ciuntu, Zwangsvergleich, S. 37; Seuffert, Konkursprozeßrecht, S. 408 f.; ähnlich Voß, ZZP 33 (1904), 417, 422 f. (»prozeßrechtlich organisierte Gläubigerschaft« als »rechtliche Einheit«) und Wach, Zwangsvergleich, S. 78 f. (»durch das Gesetz organisierte Personengemeinschaft« »nach Art der Genossenschaft«); ihm folgt Schlote, Zwangsvergleich, S. 16. Das Vorliegen einer »rechtlichen Gemeinschaft« prägte wie bereits erwähnt auch die Vorstellung des Gesetzgebers – vgl. Hahn, Materialien, IV, S. 350. 260 Fitting, Reichs-Konkursrecht, S. 420; Jaeger, Konkursrecht, S. 190; Kießling, Zwangsvergleich, S. 4 ff., 9; Kurlbaum, in: von Wilmowski, Reichskonkursordnung (6. Auflage, 1906), vor § 173 Anm. 2; Richter, ZHR 76 (1915), 112, 124; von Sarwey/Boßert, KO, S. 440. 261 Unzutreffend sind insofern die Vorstellungen des Gesetzgebers in den Motiven. Zur Erklärung der trotz Zwangsvergleichs im ursprünglichen Umfang fortdauernden Haftung von Bürgen und Mitschuldnern wird dort ausgeführt, dass ein Akkord unmittelbar überhaupt keinen Vergleich über die einzelne Gläubigerforderung enthielte. Jedem Gläubiger liege nur die Frage vor, ob er bei Fortsetzung des Konkurses eine Verteilung der Masse oder bei Aufhebung desselben die angebotene Quote vorziehe (Hahn, Materialien, IV, S. 375). Dies geht an der Sache vorbei. Sicherlich war ein Zwangsvergleich kein Erlassvertrag nach dem Zivilrecht, beseitigte er doch die betroffenen Gläubigerforderungen nicht restlos, sondern lies sie als unvollkommene Verbindlichkeit, d. h. als Naturalobligation, bestehen (allgemeine Ansicht – vgl. RGZ 78, 71, 77; 153, 338, 342). Damit wirkt er aber immer noch unmittelbar auf die

B. Die Vorgängerregelungen – Zwangsvergleich und Vergleich

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derartige Entscheidungen sind bei der Rechtsgemeinschaft des bürgerlichen Rechts grundsätzlich nicht möglich. 262 Zur Überwindung dieser Hürde wurde dann auf die Besonderheit der (Interessen-)Gemeinschaft der Konkursgläubiger hingewiesen, die ja gerade dadurch gekennzeichnet sei, dass eine Mangelsituation vorliegt, dass also die Konkursmasse gerade nicht ausreicht, um alle konkurrierenden Gläubigerrechte zu befriedigen. Die Gläubigerschaft habe im Fall der Abstimmung über einen Zwangsvergleich allein die Aufgabe, in Ausübung ihrer Selbstverwaltung über die gerechte Verteilung der vorhandenen, unzureichenden Masse zu entscheiden. Eine solche Entscheidung könne zweckmäßigerweise nur durch Mehrheitsbeschluss erfolgen. Die Erweiterung der Majoritätsrechte erkläre sich daher aus dem Wesen der Gläubigergesellschaft im Konkurs. 263 Hinzu kommt, dass die Akkorddividende für jeden Gläubiger besser oder zumindest ebenso hoch wie die Konkursdividende ist, weshalb wirtschaftlich betrachtet überhaupt kein Vermögensverlust durch den Zwangsvergleich eintrete. 264 c) Die gerichtliche Bestätigung als Genehmigungserfordernis Nachdem die herrschende Vertragstheorie einen Vertragsschluss konstruiert hatte, musste sie sich der gerichtlichen Bestätigung zuwenden. Diese war stets – auch bei einstimmig gewollten Zwangsvergleichen – notwendig und erst mit ihr traten die Wirkungen des Zwangsvergleichs ein. Dennoch wurde eine solche gerichtliche Kontrolle von der Vertragstheorie nicht als Besonderheit des Zwangsvergleichs angesehen. Derartiges finde sich auch bei anderen, unzweifelhaft zivilrechtlichen Rechtsgeschäften wie beispielsweise den Verträgen des Vormundes, die nach den §§ 1821, 1822 BGB der Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht bedürfen. 265

einzelne Konkursforderung des jeweiligen Gläubigers ein, nimmt er ihr doch die Durchsetzbarkeit. 262 Schultze wies bereits im Jahre 1880 auf diese beiden Probleme in der gesetzgeberischen Konstruktion hin (Konkursrecht, S. 120). Ihm nähert sich Fitting, Reichs-Konkursrecht, S. 420 und 424, wenn er nicht im Mehrheitsbeschluss der Gläubiger, sondern in der gerichtlichen Bestätigung als staatlichem Machtspruch die Legitimation für den Eingriff in die Konkursforderungen sieht und die Wirkungen des Zwangsvergleiches damit nicht allein auf einen Vertrag stützt. 263 Richter, ZHR 76 (1915), 112, 125; Seuffert, Konkursprozeßrecht, S. 409; Wach, Zwangsvergleich, S. 79; Kießling, Zwangsvergleich, S. 21 f., entnahm diese Verfügungsbefugnis § 182 KO. 264 Schopper, Zwangsvergleich, S. 38. 265 Ciuntu, Zwangsvergleich, S. 39 f.; Fitting, Reichs-Konkursrecht, S. 423; Heimann, Zwangsvergleich, S. 33; Jaeger, Konkursrecht, S. 190 f.; Kießling, Zwangsvergleich, S. 40 ff.; Purper, Zwangsvergleich, S. 17; Richter, ZHR 76 (1915), 112, 129; Schlote, Zwangsvergleich, S. 14; Stefan, Zwangsvergleich, S. 55; Weber, in: Jaeger, KO, § 173 Rn. 10; Wolff, KO, § 173 Anm. 2.

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Kapitel 1: Betriebswirtschaftliche und rechtshistorische Sicht

d) Die prozessuale Komponente des Zwangsvergleichs War der Zwangsvergleich also schlicht ein bürgerlich-rechtlicher Vertrag, ein Vergleich im Sinne des § 779 BGB? 266 Es gab einige Besonderheiten des Zwangsvergleichs, die daran zweifeln ließen: sein Zustandekommen im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens, die Heilungswirkung des formell rechtskräftigen Bestätigungsbeschlusses und die Eigenschaft des rechtskräftig bestätigten Zwangsvergleichs als Konkursbeendigungsgrund. Diese Aspekte führten dazu, dass der Zwangsvergleich von einigen Autoren nicht nur als zivilrechtlicher, sondern auch als prozessrechtlicher Vertrag, also als ein Vertrag mit Doppelnatur eingeordnet wurde. 267 Das Zustandekommen dieses Vertrages richte sich nach den speziellen verfahrensrechtlichen Regeln der Konkursordnung und sei daher nicht nach den §§ 145 ff. BGB, also nach materiellem Zivilrecht, sondern allein nach den Grundsätzen über die Wirksamkeit von Prozesshandlungen (z. B. §§ 50, 51, 56, 79 ff. ZPO) zu beurteilen. 268 Diesbezügliche Mängel seien daher auch grundsätzlich nach Eintritt der Rechtskraft der Bestätigung geheilt. 269 Der so einmal wirksam zustande gekommene Zwangsvergleich sei dann aber (unstreitig) als ein bürgerlich-rechtlicher Vertrag zu behandeln. Auslegungsfragen

266 Für die Einordnung als Vergleich gemäß § 779 BGB: Heckel, Zwangsvergleich, S. 149 f.; Heimann, Zwangsvergleich, S. 31 f.; Jaeger, Konkursrecht, S. 190; Kießling, Zwangsvergleich, S. 54 f.; Krusch, Das Wesen des Vergleichs, S. 80; Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 173 Rn. 4a; Purper, Zwangsvergleich, S. 18; Schlote, Zwangsvergleich, S. 20; Seuffert, Konkursprozeßrecht, S. 409; Stefan, Zwangsvergleich, S. 57; Weber, in: Jaeger, KO, § 173 Rn. 16; Wolff, KO, § 173 Anm. 2; dagegen: Fitting, Reichs-Konkursrecht, S. 425; Grabner, ZZP 48 (1920), 198, 204; Petersen/ Kleinfeller, KO, Vorbemerkungen zu §§ 173–201 Anm. 4. 267 Eickmann, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 66 Rn. 2; Jaeger, Konkursrecht, S. 191; Mohrbutter,in: Mohrbutter, Insolvenzverwaltung, Rn. XII.4; Petersen/Kleinfeller, KO, Vorbemerkungen zu §§ 173–201 Anm. 4; Purper, Zwangsvergleich, S. 17; Richter, ZHR 76 (1915), 112, 134 und 141 f.; Schlote, Zwangsvergleich, S. 18 f.; offen gelassen: Heckel, Zwangsvergleich, S. 151 f.; Stefan, Zwangsvergleich, S. 61; Weber, in: Jaeger, KO, § 173 Rn. 13; dagegen: Ciuntu, Zwangsvergleich, S. 31, 40; Heimann, Zwangsvergleich, S. 30 f. (rein zivilrechtlicher Vertrag); differenzierend Kießling, Zwangsvergleich, S. 38, 56: die Zwangsvergleichserklärungen sind Prozesshandlungen und zugleich Willenserklärungen und haben daher eine Doppelnatur; der Zwangsvergleich als Vertrag sei hingegen nur ein materiellrechtlicher, da er – anders als der Prozessvergleich – selbst das Verfahren nicht beende und folglich keine prozessualen Wirkungen habe. 268 Eickmann, Konkurs- und Vergleichsrecht, S. 101; ders., in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 66 Rn. 2; Jaeger, Konkursrecht, S. 191; Mohrbutter,in: Mohrbutter, Insolvenzverwaltung, Rn. XII.4; Weber, in: Jaeger, KO, § 173 Rn. 15; dagegen: Heckel, Zwangsvergleich, S. 153. 269 Richter, ZHR 76 (1915), 112, 149; Schlote, Zwangsvergleich, S. 92; Weber, in: Jaeger, KO, § 173 Rn. 15. Lehnte man die prozessuale Natur des Zwangsvergleichs ab, so fiel eine Begründung für die praktisch notwendige Mängelheilung bei einem rein zivilrechtlichen Zwangsvergleich schwer – siehe nur den Versuch von Löhr, ZZP 16 (1891), 335, 408 ff., der bei Mängeln im Vertragsschluss alle Beteiligten kraft Gesetzes binden will, es sei denn, die Mängel seien grundlegend. Ihm folgt Heckel, Zwangsvergleich, S. 147 f. Überwiegend äußern sich die Vertreter der Vertragstheorie überhaupt nicht zu dieser Frage.

B. Die Vorgängerregelungen – Zwangsvergleich und Vergleich

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seien also nach den §§ 133, 157 BGB zu entscheiden; bei Leistungsstörungen sei das allgemeine Schuldrecht heranzuziehen. 270 Andere Autoren 271 sahen aufgrund der Art und Weise des Zustandekommens des Zwangsvergleichs nach prozessualen Vorschriften keinen Raum mehr für die Einordnung des Vertrages als bürgerlich-rechtlich im Sinne der §§ 145 ff. BGB und betrachteten ihn gänzlich als prozessualen Vertrag. Lediglich sein Inhalt und seine Wirkungen seien zivilistischer Natur. 272 Aus dieser rein prozessualen Natur des Zwangsvergleichs folgt nach Kohler, dass dieser Vertrag auch dann zustande kommt, wenn nur die Mehrheit der Gläubiger ihn wünscht, denn der (Konkurs-)Prozess könne für alle Beteiligten nur einheitlich entschieden werden und bei einer Uneinigkeit der Beteiligten müsse dann die Mehrheit entscheiden.273 Diese rein prozessuale Vertragstheorie näherte sich damit wieder den Ideen der Urteilstheorie an, stützte sie doch die Mehrheitsmacht wieder auf Gesichtspunkte der Streitgenossenschaft. Ihre Ergebnisse ähnelten ansonsten denen der Theorie von der Doppelnatur. Für das Zustandekommen des Prozessvertrags galten nicht die §§ 145 ff. BGB, sondern die Regelungen der Konkursordnung. Diesbezügliche (Verfahrens-)Fehler konnten nur mittels der prozessualen Rechtsbehelfe der Konkursordnung gerügt werden und waren mit der rechtskräftigen Bestätigung des Zwangsvergleichs geheilt. 274 Die Rechtsprechung kam hinsichtlich der prozessualen Wirkungen des Zwangsvergleichs zu mit der Lehre von der Doppelnatur weitgehend identischen Ergebnissen, ohne sich zu dieser Lehre zu äußern. Sie berücksichtigte die Besonderheit des Zustandekommens des Zwangsvergleichs in einem Gerichtsverfahren, indem es in den Erklärungen des Schuldners und der Gläubiger Prozesshandlungen sah, auf welche die Regelungen der §§ 173 ff. KO und der ZPO und nicht aber die des BGB anzuwenden seien.275 Einen rechtskräftig bestätigten Zwangsvergleich könne ein Gläubiger daher nicht nachträglich wegen Mängel im Zustandekommen zu Fall bringen. 276 Die Rechtskraft des Bestäti270 Eickmann, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 66 Rn. 2; Jaeger, Konkursrecht, S. 191; Mohrbutter,in: Mohrbutter, Insolvenzverwaltung, Rn. XII.4; Stefan, Zwangsvergleich, S. 65; Weber, in: Jaeger, KO, § 173 Rn. 14. 271 Kohler, in: Konkursrecht, S. 457 und ZZP 30 (1902), 553, 555; Krusch, Das Wesen des Vergleichs, S. 124; Petimesas, Zwangsvergleich, S. 49; wohl auch Fitting, Reichs-Konkursrecht, S. 422 f. 272 Kohler, Konkursrecht, S. 458; Krusch, Das Wesen des Vergleichs, S. 80 ff.; Petimesas, Zwangsvergleich, S. 49; ohne Begründung auch Hentsch, Zwangsvergleich, S. 54. 273 Kohler, in: Konkursrecht, S. 457 f. und ZZP 30 (1902), 553, 555 f. 274 So ausführlich: Krusch, Das Wesen des Vergleichs, S. 88 ff. (über das Zustandekommen), 102 ff. und 154 ff. (über die Rechtskraftwirkung der Bestätigung bezüglich Mängeln). 275 RG LZ 1911 Sp. 555, 557; RGZ 125, 408, 410; 127, 372, 375; BGH WM 1992, 619, 621. 276 RGZ 127, 372, 375; 152, 65, 67 – anders hingegen bei Vergleichsbürgen, denen Rechtsmittel gegen die Bestätigung fehlten; diese können mittels Feststellungsklage nachträglich prüfen lassen, »ob ein wirksamer Zwangsvergleich zustandegekommen« ist, RGZ 122, 361, 363 f.; 127, 372, 375 f.

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Kapitel 1: Betriebswirtschaftliche und rechtshistorische Sicht

gungsbeschlusses heilt grundsätzlich solche Mängel, die das Gericht übersehen hat. 277 Im Allgemeinen seien auf den Zwangsvergleich als Vertrag aber die Vertragsgrundsätze des BGB anzuwenden 278 , weshalb insbesondere für seine Auslegung der Vertragswille der Beteiligten nach Maßgabe der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln sei.279 3. Ein Rechtsinstitut eigener Art Es war Friedrich Oetker, ein Rostocker Rechtsgelehrter, der als erster die Wirkungen eines Zwangsvergleichs weder aus einem Vertrag noch aus der gerichtlichen Bestätigung herleitete. Nach ihm beruht die Gebundenheit der Gläubiger an den bestätigten Zwangsvergleich »unmittelbar auf Rechtssatz.«280 Die kraft Gesetzes (§ 178 KO) eintretenden Bindung setze als Tatbestand eine dreigliedrige Rechtsfigur voraus: Vorschlag des Gemeinschuldners, zustimmender Beschluss der Gläubigerversammlung, Bestätigung des Konkursgerichtes. Erst die Verbindung dieser drei gleichwertigen Rechtsakte ließe nach der gesetzlichen Anordnung des § 178 KO die Wirkungen des Zwangsvergleichs eintreten.281 Ist auch nur einer dieser Akte ungültig, so musste nach Oetker der gesamte Zwangsvergleich unwirksam sein; eine Heilung eines unwirksamen Vergleichsvorschlags oder eines unwirksamen Beschlusses der Gläubiger durch die gerichtliche Bestätigung lehnte er konsequent ab. Allerdings beende der auf die rechtskräftige Bestätigung folgende Aufhebungsbeschluss endgültig das Konkursverfahren. Stellt sich danach die Unwirksamkeit des Zwangsvergleichs heraus, so könne – das Vorhandensein eines Konkursgrundes unterstellt – ein neues Konkursverfahren eröffnet werden. 282 Diese Auffassung Oetkers bedeutet nichts anderes als die Behandlung des Zwangsvergleichs als Rechtsinstitut eigener Art, also als gesetzliche Besonderheit, die sich nicht in vorhandene Rechtsinstitute eingliedern lässt. Diese Auffassung wurde später von einigen Autoren geteilt. 283 Eine derartige Einordnung 277 278

RGZ 57, 270, 275; 127, 372, 376. RGZ 77, 403, 404; 127, 372, 375; 152, 65, 67; BGH KTS 1961, 152, 153; WM 1992, 619,

621. 279

RGZ 77, 403, 404 f.; 92, 181, 189; BGHZ 108, 123, 130; BGH WM 1992, 619, 621. Oetker, FS Windscheid, 1888, S. 44; ders., Konkursrechtliche Grundbegriffe I, S. 224. 281 Oetker, FS Windscheid, 1888, S. 44; ders., Konkursrechtliche Grundbegriffe I, S. 223. 282 Oetker, FS Windscheid, 1888, S. 60 ff.; ders., Konkursrechtliche Grundbegriffe I, S. 225; ders., ZHR 66 (1910), 193, 196. 283 Identisch: Kisch, Konkursrecht, S. 74; im Ergebnis (Rechtsinstitut sui generis) auch Grabner, ZZP 48 (1920), 198, 210; Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 173 Rn. 1e; Wagner, Insolvenzrecht, S. 283; Walendy, Funktion und Legitimation des Zwangsvergleichs, S. 206; Zimmermann, Konkurs, S. 93. Während bei den letztgenannten Autoren jede Begründung für ihre Einordnung fehlt, will Grabner – anders als Oetker – den Zwangsvergleich aus vier einseitigen Willenserklärungen und der gerichtlichen Bestätigung zusammengesetzt verstehen. Der Vorschlag des Gemeinschuldners wie auch die Zustimmung der Gläubigerschaft enthielten je eine materiellrechtliche Willenserklärung und eine Prozesshandlung, welche beide aber 280

B. Die Vorgängerregelungen – Zwangsvergleich und Vergleich

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des Zwangsvergleichs vermeidet zwar jegliche konstruktive Schwierigkeit bei der Herleitung der Vergleichswirkungen. Sie bietet dadurch aber auch keinen dogmatischen Anhaltspunkt für die Frage, wie Lücken in der gesetzlichen Regelung der §§ 173 ff. KO zu schließen sind. Welche Rechtsnormen oder Grundsätze sollten Anwendung finden in den Bereichen, die die Konkursordnung nicht regelt? Insofern erscheint es eher willkürlich, das Zustandekommen des Zwangsvergleichs allein verfahrensrechtlichen Grundsätzen zu unterwerfen, den Inhalt des Zwangsvergleichs dann aber doch als zivilrechtlichen Vertrag anzusehen.284 Besonders deutlich wird die unsichere dogmatische Basis, die mit der Einordnung als Rechtsinstitut sui generis geschaffen wird, wenn darauf aufbauend die Heilung von Mängeln beim Zustandekommen des Zwangsvergleichs durch die gerichtliche Bestätigung von Oetker 285 abgelehnt wird, Kuhn und Uhlenbruck286 hingegen unter bloßem Hinweis auf dieselbe dogmatische Einordnung eine solche bejahen. Mit einer solchen Dogmatik ist nichts gewonnen. Hinter ihr verbirgt sich keine Konstruktion, die in Zweifelsfragen helfen kann; sie ist schlicht keine Konstruktion, sondern allein eine Beschreibung der gesetzlichen Regelung. 287

IV. Die Diskussion um die Rechtsnatur des konkursabwendenden Vergleichs der Vergleichsordnung Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs war die Diskussion um die Rechtsnatur des Zwangsvergleichs der Konkursordnung weitgehend zum Erliegen gekommen, ohne dass eine allgemein akzeptierte Klärung der Frage erreicht worden war. Die Schaffung des konkursabwendenden Vergleichs in der Verordnung über die Geschäftsaufsicht von 1916 und dann später in der Vergleichsordnung von 1927 sowie ihrer novellierten Fassung von 1935 führte dann dazu, dass in den dreißiger Jahren nochmals die Rechtsnatur des Vergleiches nach der Verin niemals einen Vertrag ergeben würden, da die §§ 145 ff. BGB nicht passten (Grabner, ZZP 48 (1920), 198, 202 ff.). 284 So aber Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 173 Rn. 1e. Oetker will allein auf den Vergleichsvorschlag des Gemeinschuldners über § 65 KO die ZPO anwenden (Konkursrechtliche Grundbegriffe I, S. 224), weitergehend äußert er sich nicht. Bei Kisch, Wagner und Zimmermann fehlt jede Äußerung zur Frage der lückenfüllend anzuwendenden Rechtsnormen. 285 Oetker, FS Windscheid, 1888, S. 60 ff.; ders., Konkursrechtliche Grundbegriffe I, S. 225; ders., ZHR 66 (1910), 193, 196. 286 Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 173 Rn. 1e. 287 So die berechtigte Kritik bei: Heckel, Zwangsvergleich, S. 135; Heimann, Zwangsvergleich, S. 23; Kießling, Zwangsvergleich, S. 58; Richter, ZHR 76 (1915), 112, 119; Schlote, Zwangsvergleich, S. 11; Seuffert, Konkursprozeßrecht, S. 408; Wach, Zwangsvergleich, S. 76. Sehr deutlich wird dies bei Schmidt, in: Böhle-Stamschräder/Kilger/Schmidt, Insolvenzgesetze, § 173 KO Anm. 1, nach dessen Ansicht der Zwangsvergleich eine Kombination aus privatrechtlichem Rechtsgeschäft und richterlichem Bestätigungsakt darstellt, bei dem der privatrechtliche Teil kein Vertrag, sondern ein Beschlussverfahren ist. Auch diese Erläuterung geht über eine Beschreibung der Gesetzeslage nicht hinaus.

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Kapitel 1: Betriebswirtschaftliche und rechtshistorische Sicht

gleichsordnung wie auch die des Zwangsvergleichs der Konkursordnung diskutiert wurden. Einen neuen Ansatz präsentierte dabei jedoch allein Gerhard König in seiner Dissertation aus dem Jahre 1930. Ansonsten wurden die für den Zwangsvergleich entwickelten Konstruktionen schlicht auf den konkursabwendenden Vergleich übertragen. 1. Vergleich (und Zwangsvergleich) als Normenvertrag Gerhard König begnügte sich in seiner Dissertation 288 nicht mit den hergebrachten Theorien und griff auf neue Entwicklungen des Arbeitsrechts der zwanziger Jahre zurück. Dort waren mit dem Tarifvertrag und der Betriebsvereinbarung »Vereinbarungen« entstanden, welche Verhältnisse innerhalb einer sozialen Gruppe verbindlich regeln sollten und daher unabhängig vom Willen des Einzelnen für und gegen alle Personen der Gruppe wirken mussten. Als eine derartige »Gesamtvereinbarung« war nach König auch der Zwangsvergleich des Konkurses und der konkursabwendende Vergleich der VglO anzusehen. 289 Leider war die rechtliche Natur derartiger Gesamtvereinbarungen im Arbeitsrecht umstritten, so dass allein diese Parallele nicht weiterführte. König entschied sich dafür, diese Vereinbarungen nicht als privatrechtliche Verträge einzuordnen, sondern sie wegen der ausgeübten Verbandsgewalt und der »gewissen Allgemeinheit der Regelung« als »gruppenrechtliche Regelungen« aufzufassen, »für die vielleicht der Ausdruck ›sozialrechtlich‹ am besten passt«.290 Diese objektive, durch Gesamtvereinbarung zustande gekommene, sozialrechtliche Regelung bedürfe dann aber wie die vergleichbaren arbeitsrechtlichen Regelungen noch einer »Inkraftsetzung durch einen formellen Akt. Diesen formellen Akt der Inkraftsetzung nimmt der Richter durch die Bestätigung des Zwangsvergleiches vor.«291 Die Wirkungen dieses Staatsaktes blieben dann solange bestehen, bis selbiger durch einen neuerlichen förmlichen Akt wieder aufgehoben wird. Ein solcher Akt sei etwa die Verurteilung des Schuldners wegen betrügerischen Bankrottes (§ 197 KO, § 88 VglO). Eine Anfechtung durch einen einzelnen Gläubiger vermag es nach König hingegen nicht, den Zwangsvergleich als Ganzes aufzuheben (§ 196 KO, § 89 VglO). 292 Vergleich und Zwangsvergleich gehörten nach König danach einer Zwischenstufe zwischen öffentlichem und privatem Recht, dem Sozialrecht, an.293 Neu an der Ansicht Königs war der Gedanke, den Zwangsvergleich selbst als Norm aufzufassen. Seine Parallele zum Tarifvertrag und zu normativ wirkenden Betriebsvereinbarungen geht jedoch in zweierlei Hinsicht fehl. Zunächst ist 288 289 290 291 292 293

König, Zwangsvergleich, S. 67 ff. König, Zwangsvergleich, S. 69. König, Zwangsvergleich, S. 70. König, Zwangsvergleich, S. 71. König, Zwangsvergleich, S. 72 f. König, Zwangsvergleich, S. 74.

B. Die Vorgängerregelungen – Zwangsvergleich und Vergleich

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der Zwangsvergleich wie auch der konkursabwendende Vergleich nicht wesensgleich mit den kollektivarbeitsrechtlichen Rechtsinstituten des Tarifvertrags und der Betriebsvereinbarung. Nur die letzteren sind Normenverträge. Diese sind dadurch charakterisiert, dass in ihnen Normen vereinbart werden, die für andere, bereits bestehende oder noch abzuschließende Verträge maßgeblich sein sollen. 294 Ein Normenvertrag bestimmt also den Inhalt eines anderen Vertrages, genauer: einer unbestimmten Vielzahl anderer Verträge. Besonders anschaulich wird dies bei einem Tarifvertrag, der den Inhalt der Arbeitsverträge aller Tarifgebundenen normiert. Zwangsvergleich und Vergleich haben einen solchen Inhalt nicht. Sie enthalten unmittelbar die Rechte und Pflichten für die an ihnen beteiligten Personen, ohne dass es dazu auch nur eines weiteren Vertragsschlusses bedarf. Hieraus folgt zugleich auch, dass weder der Zwangsvergleich noch der konkursabwendende Vergleich Rechtsnormen setzten. Beide enthalten – anders als etwa ein Tarifvertrag – keine zwingenden Regelungen für eine unbestimmte Vielzahl von Rechtsverhältnissen. 295 Zudem hat sich die auch von König vertretene Auffassung, die im Wege der Gesamtvereinbarung geschlossenen Normenverträge seien weder dem privatem noch dem öffentlichen, sondern allein dem Sozialrecht zuzuordnen, im Arbeitsrecht nicht durchsetzen können. Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen werden – inzwischen wohl unstreitig – als privatrechtliche Normenverträge angesehen, also dem Privatrecht zugeordnet. 296 Ein eigenständiges Sozialrecht im Sinne Königs hat sich in der Dogmatik nicht etablieren können. Die Tendenz scheint im Gegenteil und wohl zu Recht eher dahin zu gehen, die privatrechtlichen Wurzeln des kollektiven Arbeitsrechts und insbesondere auch der Tarifautonomie neu zu entdecken.297

294

Grundlegend Hueck, JherJb 73 (1923), 33, 36 f. Dieser Gedanke an das Vorliegen einer Rechtsnorm wurde für den Insolvenzplan zuletzt von Happe, Die Rechtsnatur des Insolvenzplans, 2004, aufgegriffen und soll daher erst im 2. Kapitel ausführlich widerlegt werden. Hier nur soviel: Zwangsvergleich, konkursabwendender Vergleich und Insolvenzplan wirken weder für eine unbestimmte Vielzahl von Rechtsverhältnissen noch erfassen sie am Vertragsschluss unbeteiligte Dritte oder enthalten zwingende Regelungen für solche Rechtsgeschäfte. Sie erfüllen kein Merkmal einer abstrakt generellen Regelung, also eines Gesetzes im materiellen Sinn. 296 Vgl. Nipperdey, in: Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht II/1, S. 339 m. w. N. und S. 348 sowie Gaul, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht, § 77 BetrVG Rn. 1 m. w. N. Eine Zuordnung zum öffentlichen Recht vertritt wohl niemand mehr. Soweit von einer Doppelnatur des Tarifvertrags die Rede ist, bezeichnet man damit die Aufteilung des Tarifvertrags in einen obligatorischen, also schuldrechtlichen und in einen normativen Teil (Normenvertrag) – vgl. Schaub, in: Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 198 Rn. 16; die Zuordnung zum Vertragsrecht wird dabei nicht in Frage gestellt – vgl. Löwisch/Rieble, in: Richardi/Wlotzke, MünchHdb ArbR III, § 253 Rn. 19. 297 So zuletzt Rieble, ZfA 2000, 5 ff. 295

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Kapitel 1: Betriebswirtschaftliche und rechtshistorische Sicht

2. Vergleich (und Zwangsvergleich) als Vertrag Der Gesetzgeber ging bei der Normierung des konkursabwendenden Vergleiches in der VglO wie schon fünfzig Jahre zuvor beim Zwangsvergleich von der Vertragsnatur des Rechtsinstituts aus und ordnete ihn § 779 BGB unter. 298 Dementsprechend wurde auch der Wortlaut der Normen gestaltet, nach denen »zum Abschluß eines Vergleichs« die Zustimmung der Gläubiger zum »Vergleichsvorschlag« des Schuldners notwendig ist und der »angenommene Vergleich« der Bestätigung des Gerichts bedarf. Der Wortlaut der Normen ist insofern nahezu identisch mit den entsprechenden der Konkursordnung. Eine detaillierte Stellungnahme des Gesetzgebers zum zweifelsohne bekannten Theorienstreit erfolgte leider nicht. Damit drängte sich eine Übertragung der vom Zwangsvergleich her bekannten Konstruktionen auf den konkursabwendenden Vergleich geradezu auf. Eine unterschiedliche Behandlung von Vergleich und Zwangsvergleich wurde – zu Recht – von niemandem erwogen. Sowohl die Voraussetzungen für das Zustandekommen wie auch der Zweck, der Inhalt und die Wirkungen beider Rechtsinstitute waren schlicht identisch und bedurften daher einer einheitlichen Erklärung.299 Die Rechtsprechung300 und der weit überwiegende Teil der Literatur301 folgten weiterhin der Vertragstheorie. Der konkursabwendende Vergleich war danach ein vom Gericht bestätigter Vertrag des Schuldners mit seinen Gläubigern. In ihren Einzelheiten blieb die Vertragskonstruktion weiterhin strittig. Einige Autoren nahmen einen Vertragsschluss des Schuldners nur mit den zustimmenden Gläubigern an, dessen Wirkung auf die ablehnenden und abwesenden Gläubiger durch Gesetz erstreckt werde.302 Andere vertraten die Auffassung, die Gläubigerschaft trete als organisiertes Gebilde auf und schließe als solche nach interner Abstimmung den Vertrag mit dem Schuldner. Die Gläubigerschaft wurde dabei wie beim Zwangsvergleich einmal als Rechtsgemeinschaft im Sinne der 298 Vgl. Begründung zu § 11 der Reichstagsvorlage, in: Verhandlungen des Deutschen Reichstags, III. Wahlperiode, 1924/26, Drucksache Nr. 2340, S. 19. 299 Dies war unstreitig – vgl. Krusch, Das Wesen des Vergleichs, S. 71. 300 RGZ 119, 391, 395; 122, 361, 363; 125, 408, 410; 127, 372, 375 (für Vergleiche aus Geschäftsaufsichtsverfahren); RG KuT 1933, 118, 119; RGZ 152, 65, 67; BGH KTS 1961, 152, 153. 301 Berges, KTS 1955, 49, 52 und KTS 1970, 249, 253; Bley/Mohrbutter, VglO, § 8 Rn. 1 ff.; Cahn, VglO 1927, § 61 Anm. A und § 67 Anm. D a); Eickmann, Konkurs- und Vergleichsrecht, S. 140; Hentsch, Zwangsvergleich, S. 33 f., 54; Kiesow, VglO 1927, Vor § 5 Rn. 2; Krieg, VglO, § 82 Anm. 2; Krusch, Das Wesen des Vergleichs, S. 74 ff.; Nölte, in: Vogels/Nölte, VglO, § 3 Anm. II 2; Süß, ZHR 91 (1928), 446, 456 f.; Warneyer, VglO, § 82 Anm. I. 302 Bley/Mohrbutter, VglO, § 8 Rn. 2 (trotz Annahme einer Interessengemeinschaft); Süß, ZHR 91 (1928), 446, 456; Warneyer, VglO, § 82 Anm. II. Krusch, Das Wesen des Vergleichs, S. 101 und 144, hält die Zustimmenden auf vertraglicher Grundlage, die sonstigen Gläubiger kraft Rechtssatzes für gebunden.

B. Die Vorgängerregelungen – Zwangsvergleich und Vergleich

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§§ 741 ff. BGB angesehen,303 von anderen hingegen als organisierte Interessengemeinschaft aufgefasst.304 Der auf die eine oder andere Weise entstandene Vertrag wurde dann als zivilrechtlicher eingeordnet und § 779 BGB unterstellt.305 Nur wenige sahen in ihm wegen seiner verfahrensrechtlichen Besonderheiten einen prozessualen Vertrag oder zumindest einen Vertrag mit Doppelnatur und erklärten damit die Heilungswirkung der rechtskräftigen Bestätigung bei Mängeln.306 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass nahezu alle Facetten der für den Zwangsvergleich entwickelten Vertragstheorie auch auf den konkursabwendenden Vergleich übertragen wurden. Interessanterweise geschah gleiches mit der Urteilstheorie nicht. Soweit ersichtlich vertrat niemand die von Schultze begründete Lehre im Hinblick auf den Vergleich.307 Selbst die Autoren, die jede Vertragstheorie ablehnten, sahen in den Vergleichswirkungen keine Urteilswirkungen, sondern die Folgen eines Rechtsinstituts eigener Art.308

V. Die richterliche Vertragshilfe Einen klaren Schritt weg von der vertraglichen und hin zur richterlichen Legitimation des Vergleiches vollzog erst der nationalsozialistische Gesetzgeber. Im Gesetz über die Bereinigung alter Schulden vom 17. August 1938309 wurde dem Richter in § 5 Abs. 3 Satz 1 die Befugnis gegeben, die Rechtsbeziehungen der Beteiligten selbst frei zu gestalten. Ziel dieses Gesetzes war die Entschuldung von Personen, die durch die Weltwirtschaftskrise oder ihren Einsatz »für die nationalsozialistische Bewegung« vor dem 1. Januar 1934 »wirtschaftlich zusammengebrochen« sind (§ 1 des Gesetzes). Gelang diesen Personen nun keine gütliche Regelung einer Schuldenbereinigung mit ihren Gläubigern, so wurde 303

Berges, KTS 1970, 249, 253 ff. Cahn, VglO 1927, § 67 Anm. D a); Kiesow, VglO 1927, Vor § 5 Rn. 3; Nölte, in: Vogels/ Nölte, VglO, § 3 Anm. II 2; Zwangsgemeinschaft: Lucas, VglO 1927, § 67 Anm. I. 305 Bley/Mohrbutter, VglO, § 8 Rn. 5; Eickmann, Konkurs- und Vergleichsrecht, S. 140; Kiesow, VglO 1927, Vor § 5 Rn. 2; Krieg, VglO, § 82 Anm. 2; Krusch, Das Wesen des Vergleichs, S. 80; Nölte, in: Vogels/Nölte, VglO, § 3 Anm. II 2; Warneyer, VglO, § 82 Anm. I. 306 Krusch, Das Wesen des Vergleichs, S. 88 ff.; auch Hentsch, Zwangsvergleich, S. 33 f., 54 (»prozessualer Vertrag«); dagegen Bley/Mohrbutter, VglO, § 8 Rn. 6–8 (zwar Prozesshandlungen, aber keine Prozessgeschäft; Heilung beruhe auf Ausschluss des Klageweges für Mängel durch Gesetz). Lucas, VglO 1927, § 67 Anm. I, will die Heilungswirkung nicht aus der prozessualen Natur des Vertrages, sondern aus der Wirkung der gerichtlichen Bestätigung herleiten, die insofern konstitutiver Staatsakt sei; ähnlich Krieg, VglO, § 82 Anm. 2, nach dem der Bestätigungsbeschluss alle Mängel heilt. 307 Dies bemerken auch Berges, KTS 1955, 49, 52 und KTS 1970, 249, 253 sowie König, Zwangsvergleich, S. 61. 308 Schmidt, in: Böhle-Stamschräder/Kilger/Schmidt, Insolvenzgesetze, § 1 VglO Anm. 2: ein privates Rechtsgeschäft, jedoch kein Vertrag, das mangels allseitigem Konsens durch gerichtliche Bestätigung legitimiert wird. 309 RGBl. I 1938, 1033. Eine Darstellung des Regelungswerkes aus heutiger Sicht leistet Anlauf, DZWIR 2007, 146. 304

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Kapitel 1: Betriebswirtschaftliche und rechtshistorische Sicht

ihnen erlaubt, »richterliche Vertragshilfe« zu beantragen (§ 5 Abs. 1). Scheiterte dann auch die Vermittlung einer gütlichen Schuldenbereinigung durch den Richter, so war eben dieser Richter befugt, ein zweckentsprechendes Ergebnis selbst zu gestalten und den Beteiligten verbindlich aufzugeben. Dabei durfte der Richter nach § 5 Abs. 3 Satz 2 insbesondere den Zins regeln, Stundungen gewähren und Teilzahlungen anordnen. Alle Forderungen, die der Schuldner dann innerhalb von 10 Jahren nicht erfüllen würde, waren zu erlassen. Diese ausdrücklich »rechtsgestaltende Entscheidung« des Richters wirkte mit Eintritt der Rechtskraft (§ 8 Abs. 4). Bereits am 3. September 1940 310 wurde eine Neufassung des Gesetzes erlassen, welche einem weiteren Spektrum an Schuldnern die Entschuldungsmöglichkeit eröffnete, indem es in § 3 nun nicht nur Unternehmer, sondern auch Angehörige eines unselbstständigen Berufes in seinen Anwendungsbereich aufnahm. Die Rechtsmacht des Richters, nach einer gescheiterten gütlichen Einigung die Schuldenbereinigung selbst zu gestalten, blieb unverändert (nun in § 7 und § 15). Insgesamt basierte das erste moderne deutsche Restschuldbefreiungsverfahren 311 damit auf dem Gedanken einer richterlichen Schuldenregelung als ultima ratio und wurde sachlich vom Konkursrecht getrennt. Doch auch im Bereich des Konkursrechts wurde der nationalsozialistische Verordnungsgeber aktiv. In der Verordnung über das Kriegsausgleichsverfahren (KAVO) vom 30. November 1939312 wurde für Schuldner, welche durch die Auswirkungen des Krieges zahlungsunfähig oder überschuldet wurden, ein Kriegsausgleichsverfahren geschaffen, das wie das Vergleichsverfahren dem Konkurs vorgelagert war und die Stundung oder den Teilerlass von Forderungen zum Ziel hatte. Zwar unterlag auch dieses Verfahren weitgehend den Normen der Vergleichsordnung (§ 2 Abs. 1 KAVO); dessen Regelungen wurden jedoch in einigen, teilweise wesentlichen Punkten verändert. Inhaltlich musste der Ausgleichsvorschlag des Schuldners nach wie vor die Mindestsätze eines Vergleichs anbieten (§ 3 Abs. 3 KAVO i. V. m. § 7 Abs. 1, 3, 4 VglO); die Höchstfristen einer Stundung aus § 7 Abs. 2 VglO entfielen gemäß § 3 Abs. 1 KAVO jedoch. Die zwingenden Ablehnungsgründe der §§ 17 und 18 VglO wurden nun nach § 4 KAVO in das Ermessen des Richters gestellt. Am bedeutendsten war jedoch die Regelung in § 6 Abs. 1 KAVO. Danach konnte der Richter bei einem Ausgleichsvorschlag, der keinen Forderungserlass, sondern allein eine Stundung vorsieht und dennoch die notwendige Gläubigermehrheit nicht erreicht, 310

RGBl. I 1940, 1209. Auch auf dessen Regelungen geht Anlauf, DZWIR 2007, 146, ein. Etwas ungenau: Anlauf, DZWIR 2007, 146, 149: »Es wurde erstmalig ein Alternativmodell zur unbeschränkten Schuldenhaftung gemäß § 164 KO geschaffen«. Diese Aussage übersieht in ihrer Allgemeinheit die entschuldenden Wirkungen des Zwangsvergleichs sowie des Vergleichs nach der VglO. 312 RGBl. I 1939, 2338. Eine Kommentierung findet sich bei Vogels, Vertragshilfe und Kriegsausgleichsverfahren, Berlin 1940. 311

B. Die Vorgängerregelungen – Zwangsvergleich und Vergleich

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durch Beschluss bestimmen, dass dieser Ausgleich verbindlich wird, »wenn dies nach den Umständen des Falls der Billigkeit entspricht.« Der Richter konnte dabei gemäß § 6 Abs. 2 KAVO hinsichtlich der Stundungsdauer und aller Nebenabreden sogar vom Vergleichsvorschlag des Schuldners abweichen, »soweit dies notwendig ist, um eine gerechte Regelung für alle Beteiligten herbeizuführen.« Nach § 6 Abs. 4 KAVO hatte dieser durch richterlichen Beschluss für verbindlich erklärte Ausgleich »dieselbe Wirkung wie ein Ausgleich, der angenommen und bestätigt ist.« Ein nach diesen Vorschriften durch richterlichen Beschluss zustande kommender Akkord zur Abwendung des Konkurses beruhte nun eindeutig nicht mehr auf einem entsprechenden Willen der Beteiligten. Legitimationsgrundlage dieses Akkordes ist allein die gerichtliche Entscheidung. Der Richter kann hier sowohl über den Inhalt als auch die Annahme des Ausgleiches nach eigenem Ermessen bestimmen.313 Sein Wille ersetzt damit den Vertragswillen der Beteiligten.314 Für die Vertragstheorie bleibt da kein Raum mehr. Die Schaffung einer solch weitreichenden Gestaltungsmacht zugunsten des Richters wurde getragen von der im Nationalsozialismus herrschenden Auffassung, dass die Privatautonomie des Einzelnen dort eine Grenze finden müsse, wo sie mit den Zielen einer übergeordneten Gemeinschaft kollidiere. Die völkische Gesamtordnung, nicht der Wille der Parteien, sei die höchste Norm. Vertragsverhältnisse, die mit dieser Ordnung in Widerspruch stünden, müssten daher notfalls auch gegen den Willen der Parteien umgestaltet werden. 315 Die Legitimationsgrundlage des privatautonom geschlossenen Vertrages wurde also unter dem Eindruck der herrschenden politischen Verhältnisse bewusst verlassen. Diese Feststellung ist deshalb wichtig, weil die so geschaffenen staatlichen Befugnisse zur Schaffung bzw. Veränderung privater Rechtsverhältnisse unter dem insofern oft irreführenden Stichwort der »Vertragshilfe« geregelt wurden.316 Das Ergebnis derartigen staatlichen Gestaltens ist jedoch keinesfalls stets ein Vertrag. Die Bindung der Beteiligten mag weiterhin auf dem zivilrechtlichen Vertrag beruhen, solange durch den staatlichen Eingriff lediglich ein vorhandener Vertrag verändert oder aber ein Kontrahierungszwang durchgesetzt wird.317 Schafft der Staat hingegen aus eigenem Ermessen sowohl den Inhalt des Rechts313

So ausdrücklich Vogels, Vertragshilfe und Kriegsausgleichsverfahren, § 6 KAV Rn. 4. Bosch, Konkurs – Vergleich – Vertragshilfe, S. XXXII. 315 Vgl. etwa Geiger, Richterliche Gestaltung privater Rechtsverhältnisse, S. 87 f.; Schlegelberger, FS Bumke, 1939, 1, 15. 316 Vgl. etwa Artikel 6 der Verordnung zur Regelung der Aufwertungsfälligkeiten vom 21. Dezember 1936 (RGBl. I 1936, 1121). Ein Überblick über die kaum überschaubare Vielfalt von (Not-)Verordnungen, die zwischen den Weltkriegen erlassen wurden und die Befugnisse zur Gestaltung privater Rechtsbeziehungen auf staatliche Stellen wie Behörden oder Gerichte übertrugen, findet sich etwa bei Geiger, Richterliche Gestaltung privater Rechtsverhältnisse, S. 32 ff. oder bei Schlegelberger, FS Bumke, 1939, 1, 7 ff. 317 Näher dazu im Dritten Kapitel unter E. V. 314

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Kapitel 1: Betriebswirtschaftliche und rechtshistorische Sicht

geschäfts als auch die Bindung der Beteiligten, wie dies bei der Schuldenbereinigung oder beim Ausgleich nach der KAVO als ultima ratio möglich war, so bleibt kein Anknüpfungspunkt mehr für die Annahme eines Vertrags als Gestaltungsweg oder Gestaltungsprodukt. Allein der richterliche Beschluss gestaltet dann die Rechtslage zwischen den Beteiligten; allein er ist die Grundlage des Ausgleichs. Hier bleibt allein die Urteilstheorie als Erklärung.318 Nicht ganz so einschneidend gestaltete sich die Vertragshilfe des Richters auf Grundlage der Vertragshilfeverordnung (VHV), die ebenfalls am 30. November 1939 erlassen wurde.319 Danach konnte ein Gewerbetreibender, der infolge der Auswirkungen des Krieges genötigt war, seinen Betrieb stillzulegen, umzustellen oder erheblich einzuschränken und hierdurch in seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigt wird, die »Vertragshilfe des Richters« in Anspruch nehmen, um eine planmäßige Abwicklung seiner Verpflichtungen herbeizuführen. Ziel des Verfahrens war allein die Änderung bestehender Rechtsverhältnisse, nicht aber die Schaffung einer Akkordvereinbarung.320 Die dennoch denkbare Konkurrenz dieses Vertragshilfeverfahrens als Schuldenbereinigungsverfahren zu den Vergleichs-, Ausgleichs- und Konkursverfahren wurde dadurch verhindert, dass ein Vertragshilfeverfahren solchen Schuldnern verwehrt wurde, die bereits insolvent, also zahlungsunfähig oder überschuldet waren (§ 1 Abs. 3 VHV). Das Verfahren bezweckte damit nur im weiteren Sinne eine Insolvenzverhütung und keinesfalls eine »richterliche« Sanierung.321 Zudem konnte sich der Antrag des Schuldners auf Vertragshilfe auch nur gegen einen oder einige seiner Gläubiger richten 322 und war damit eher als spezialgesetzliche Ausformung des Instituts des Wegfalls der Geschäftsgrundlage im Hinblick auf den Kriegsausbruch zu begreifen.323 Die richterliche Vertragshilfe war dabei wie bei § 6 KAVO ultima ratio. Der Richter griff nur in den Fällen im Wege der Vertragshilfe in die bestehenden Rechtsbeziehungen der Beteiligten ein, in denen eine Einigung des Schuldners mit seinem Gläubiger bzw. seinen Gläubigern weder außergerichtlich (§ 11 VHV) noch in einer obligatorischen Güteverhandlung vor dem Richter (§ 14 VHV) zustande kam. Und selbst in diesem Fall stand dem Richter – anders als nach § 6 KAVO – kein freies Ermessen hinsichtlich einer angemessenen Regelung zu. Vielmehr war er in318

Dazu näher im Vierten Kapitel B. RGBl. I 1939, 2329. Eine Kommentierung findet sich bei Vogels, Vertragshilfe und Kriegsausgleichsverfahren, Berlin 1940. 320 Hierauf weist Joussen, Schlichtung, S. 142, zu Recht hin. 321 Volkmar, DJ 1939, 1813 f. 322 Vogels, Vertragshilfe und Kriegsausgleichsverfahren, § 16 VHV Rn. 7; Volkmar, DJ 1939, 1856. 323 Gerade das Verhältnis zwischen dem Anrufen der Vertragshilfe (§ 24 Abs. 2 VHV) und dem Berufen auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage durch den Schuldner im Zivilprozess war daher auch das kontrovers diskutierte Problem – vgl. Geyer, SJZ 1948, 291 ff.; Weber, SJZ 1948, 287 ff. 319

B. Die Vorgängerregelungen – Zwangsvergleich und Vergleich

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haltlich an den Antrag des Schuldners gebunden.324 Allerdings trat die gerichtliche Entscheidung vollständig an die Stelle einer entsprechenden Parteivereinbarung (§ 16 Abs. 2 VHV). Die Änderung der Verträge zwischen dem Schuldner und seinem Gläubiger oder seinen Gläubigern entsprechend des Schuldnerantrags beruhte nicht auf einer entsprechenden vertragsändernden Vereinbarung, sondern allein auf der gerichtlichen Entscheidung. Die Bindung an den Inhalt des auf diese Weise geänderten Vertrages kann nicht mehr aus privatautonomen Gesichtspunkten im Sinne der Vertragstheorie erklärt werden. Auch hier ist damit die Urteilstheorie, welche die Bindung der Beteiligten zutreffend erfasst. Eine Diskussion dieser Frage fand für beide Vertragshilfeverfahren allerdings – soweit ersichtlich – nicht statt. 325 Der Gedanke der richterlichen Vertragshilfe überlebte zunächst auch in der Nachkriegszeit. Der (zunächst fortgeltenden) Vertragshilfeverordnung von 1939 wurden die bremische Verordnung über eine erweiterte Vertragshilfe der Gerichte vom 13. Juli 1945 sowie das (zunächst zoneneinheitliche) 326 Vertragshilfegesetz der süddeutschen Länder der amerikanischen Besatzungszone von 1946 zur Seite gestellt. Entwürfe zu solchen Gesetzen gab es auch in der britischen und französischen Zone.327 In diesen neuen Regelungen wurde das Vertragshilfeverfahren auf sämtliche Verbindlichkeiten ausgedehnt und auch denjenigen Schuldnern zugänglich gemacht, die bereits zahlungsunfähig oder überschuldet waren. Diese »Gesamtvertragshilfe« wurde damit zu einem »vierten Insolvenzverfahren« neben den Konkurs-, Vergleichs- und Kriegsausgleichsverfahren.328 Mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes stellte sich dann für den bundesdeutschen Gesetzgeber die Frage, ob er die nicht bzw. kaum demokratisch legitimierten Regelungen der Kriegs- und Nachkriegszeit aufheben oder ausbauen sollte. Die Empfehlungen hierzu waren durchaus gegensätzlich.329 Er entschied sich dann im Ganzen gegen die Vertragshilfe und hob mit dem Vertragshilfege-

324 Vogels, Vertragshilfe und Kriegsausgleichsverfahren, § 16 VHV Rn. 3; Volkmar, DJ 1939, 1856, 1857. 325 Vogels, DR 1939, 2090, 2095, stellte lediglich fest, dass der Richter mangels Einigung der Beteiligten durch »rechtsgestaltenden Beschluss« entscheidet. Eine weitere Diskussion über die Einordnung des so entstandenen Akkordes als Vertrag oder Urteil im Sinne des bekannten Theorienstreits erfolgt nicht. 326 Später ergingen entsprechende Landesgesetze in Bayern (vom 25. April 1946), Hessen (vom 24. August 1946) sowie Baden-Württemberg (vom 2. Mai 1946). 327 Zum ganzen etwa Kaulbach, DRZ 1948, 349. 328 So treffend: Bosch, Konkurs – Vergleich – Vertragshilfe, S. XXXV. 329 Während Bosch, Konkurs – Vergleich – Vertragshilfe, S. XXXII f., die richterlichen Gestaltungsbefugnisse der Vertragshilfe als Charakteristikum eines totalitären Staates ablehnte, empfahl etwa Kaulbach, DRZ 1948, 349, 352, einen Ausbau der Vertragshilfe bis hin zur richterlichen Befugnis, auch Forderungskürzungen zugunsten eines erhaltungswürdigen Schuldners beschließen zu können.

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Kapitel 1: Betriebswirtschaftliche und rechtshistorische Sicht

setz vom 26. März 1952330 sämtliche Vertragshilferegelungen der Kriegs- und Nachkriegszeit auf. Gleichzeitig gewährte er in § 1 des Vertragshilfegesetzes den Rechtsbehelf der Vertragshilfe nur noch bei solchen Verbindlichkeiten, die vor der Währungsreform begründet wurden. Das Institut der Vertragshilfe verschwand auf diesem Weg aus dem deutschen Insolvenzrecht. Dieses kehrte zu seiner Zweispurigkeit in der Konkurs- und Vergleichsordnung zurück. Die formale Aufhebung des Vertragshilfegesetzes erfolgte erst durch Art. 9 Nr. 1 des Gesetzes über Fernabsatzverträge vom 27. Juni 2000.331 Was blieb war der Gedanke der Vertragshilfe als Rechtskategorie und der Versuch, den Zwangsvergleich der Konkursordnung als Ergebnis eines »Vertragshilfeverfahrens« darzustellen. So hat Bötticher im Jahr 1973 dafür plädiert, das Zwangsvergleichsverfahren als eine Art der Vertragshilfeverfahren anzusehen.332 Der zwischen den Gläubigern abgeschlossene Vergleichsvertrag bestimmt nach ihm zwar den Inhalt des Zwangsvergleichs; dessen Wirkungen (gegenüber allen, nicht nur gegenüber den nicht beteiligten oder den ablehnenden Gläubigern) treten jedoch erst aufgrund der rechtskräftigen Bestätigung ein. Nicht der Inhalt, wohl aber die Bindungswirkung des Zwangsvergleichs beruhe daher auf dem Bestätigungsakt, der folglich rechtsgestaltende Kraft haben müsse. Hierin liege auch der Grund für die Mangelheilung. Das Zwangsvergleichsverfahren habe daher »Vertragshilfecharakter«333 ; es gehöre »in instrumentaler Sicht« zu den Vertragshilfeverfahren.334 Der Zwangsvergleich wäre danach (wie ein Vertrag nach der VHV) im Ergebnis zwar ein Vertrag, dessen Inhalt privatautonom bestimmt wurde. Dieser käme jedoch nicht durch eine Willenseinigung, sondern durch richterlichen Gestaltungsakt zustande. Bötticher rückt damit bewusst von der Vertragstheorie ab und wendet sich der Urteilstheorie zu. An der Dominanz der Vertragstheorie änderte er nichts. Die bewusste Ablehnung der Vertragshilfe als Mittel zur Insolvenzbewältigung oder -verhütung durch den bundesdeutschen Gesetzgeber der Nachkriegszeit machte vielmehr deutlich, dass dieser solch weitgehende richterliche Gestaltungsbefugnisse im Hinblick auf den Inhalt wie auch das Zustandekommen eines insolvenzrechtlichen Akkordes ablehnte und stattdessen die Privatautonomie wieder stärker betonen wollte. Schon dieser historische Gesichtspunkt spricht dafür, nicht den Richterspruch, sondern die Einigung der Beteiligten, also einen Vertrag, als Legitimation der Bindungswirkung von Vergleich und Zwangsvergleich anzusehen.335 330

BGBl. I 1952, 198. BGBl. I 2000, 897, 908. 332 Bötticher, ZZP 86 (1973), 373, 387 ff. 333 Bötticher, ZZP 86 (1973), 373, 389. 334 Bötticher, ZZP 86 (1973), 373, 388. 335 Die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Urteilstheorie sowie der Ansicht Böttichers folgt im Vierten Kapitel unter B. 331

C. Die Reform des Insolvenzrechts

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C. Die Reform des Insolvenzrechts Der Zwangsvergleich der Konkursordnung wie auch der Vergleich nach der Vergleichsordnung wurden ganz überwiegend als Vertrag angesehen. Die Entwicklung blieb bei ihnen jedoch nicht stehen. Vielmehr begann in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine intensive Debatte um eine grundlegende Reform des Insolvenzrechts, die zu der am 5. Oktober 1994 verabschiedeten und mit dem 1. Januar 1999 in Kraft getretenen Insolvenzordnung führte. Kernstück dieser Reform war die Ablösung der Institute des Vergleichs und Zwangsvergleichs durch den Insolvenzplan. Ob sich der Gesetzgeber damit zugleich auch vom Vertragscharakter abgewendet hatte, soll im Folgenden untersucht werden. Dazu wird zunächst untersucht, wo die Gründe für die Reformbedürftigkeit von Vergleich und Zwangsvergleich, aber auch der Konkurs- und Vergleichsordnung im Allgemeinen lagen. Findet man diese (auch) in der Vertragsnatur der Akkorde, so dürfte der neue Insolvenzplan wohl kaum als Vertrag angesehen werden können. Danach muss aber auch das ausländische Rechtsinstitut in die Betrachtung einbezogen werden, das als Vorbild des Insolvenzplans diente – der Reorganisationsplan des Chapter 11 des U. S. Bankruptcy Code. Gibt man diesem Reorganisationsplan einen Vertragscharakter, so liegt es nahe, auch dem nahezu identisch zustande kommenden Insolvenzplan eine solche Rechtsnatur jedenfalls nicht von vornherein abzusprechen.

I. Die Krise des Insolvenzrechts in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Die 1877 geschaffene Konkursordnung normierte gerade im Hinblick auf den Zwangsvergleich ein Insolvenzrecht, das auf in der Praxis gut funktionierenden Vorbildern aufbaute. So wurden in Frankreich zwischen 1817 und 1826 unter Geltung des Code de Commerce 59 Prozent der Konkursverfahren durch Konkordat beendet. Die sich am französischen Vorbild orientierende Preußische Konkursordnung von 1855 erreichte ähnliche Statistiken. Beispielsweise wurden beim Stadtgericht in Berlin in den Jahren 1855 bis 1873 von den insgesamt 2.427 Konkursen 968, also ca. 40 Prozent, durch Akkord erledigt; beim Stadtgericht in Breslau waren es im gleichen Zeitraum ca. 30 Prozent. 336 Die praktische Bedeutung des Akkords war enorm. Die Konkursordnung von 1877 übernahm daher für ihren Zwangsvergleich im Wesentlichen die Regelungen des französischen und preußischen Rechts. Folgerichtig erreichten der Zwangsvergleich wie auch das generelle Konkursverfahren zur Jahrhundertwende immer noch beachtliche Fallzahlen. So wurden in den Jahren zwischen 1895 und 336 Diese Daten lagen den Beratungen der Konkursordnung von 1877 zugrunde – Hahn, Materialien, IV, S. 348 (Fn. 1).

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Kapitel 1: Betriebswirtschaftliche und rechtshistorische Sicht

1904 durchschnittlich immer noch ca. 24 Prozent aller Konkurse durch Zwangsvergleich und ca. 67 Prozent durch eine Schlussverteilung beendet.337 Die dabei erreichten Konkursdividenden lagen im Schnitt bei ca. 26 Prozent im Falle eines Zwangsvergleichs und bei ca. 20 Prozent im Falle einer Schlussverteilung. 338 Nur bei ca. 9 Prozent aller Konkurs fand mangels Masse kein Verfahren statt. Das Konkursrecht funktionierte also. Nicht umsonst galt die Konkursordnung in dieser Zeit als das gelungenste der vier Reichsjustizgesetze.339 In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts änderte sich kaum etwas Grundsätzliches an diesem Bild, wenn auch der Anteil der mangels hinreichender Masse abgelehnten Konkursverfahren langsam stieg. Zwischen 1909 und 1913 wurden im Durchschnitt bereits 22,5 Prozent der Konkursanträge mangels Masse abgelehnt. Von den durchgeführten Verfahren endeten 22,3 Prozent durch Zwangsvergleich.340 Die Schaffung eines konkursabwendenden Zwangsvergleichs in der Verordnung über die Geschäftsaufsicht im Jahr 1914 und später in der Vergleichsordnung von 1927 erhöhte nochmals den Anteil der Akkorde im Konkurs. So wurden im Kriegsjahr 1915 6.492 Konkursanträge gestellt, gleichzeitig aber auch 3.865 Geschäftsaufsichten angeordnet. Dadurch relativiert sich auch der Fakt, dass 30 Prozent der Konkursanträge mangels Masse abgelehnt wurden.341 Für viele massereiche Insolvenzen wurde nun nicht mehr ein Konkursantrag, sondern ein Antrag auf Geschäftsaufsicht gestellt. Hinzu kommt, dass von den durchgeführten Konkursverfahren nochmals 20,8 Prozent durch Zwangsvergleich endeten.342 In den zwanziger Jahren änderte sich im Ganzen kaum etwas an diesen Statistiken. So wurden etwa im Jahre 1926 bei insgesamt 23.283 Insolvenzen 7.454 Geschäftsaufsichtsverfahren (32 Prozent) angeordnet. Von den 15.829 Konkursanträgen wurden 24 Prozent mangels Masse abgelehnt. Von den durchgeführten Konkursen endeten wiederum 23,2 Prozent durch Zwangsvergleich. 20,1 Prozent wurden mangels Masse eingestellt.343 Ebenfalls ca. 32 Prozent betrug der Anteil der Vergleichsverfahren, die im Jahre 1930 unter Geltung der Vergleichsordnung von 1927 angeordnet wurden (7.178 Vergleichsverfahren bei 22.664 Insolvenzen). Der Anteil der mangels Masse abgelehnten Konkursanträge betrug 25,7 Prozent.344 17,3 Prozent der Konkursverfahren endeten durch einen Zwangsvergleich; 18,1 Prozent wurden mangels Masse eingestellt.345 Die zwischen 1928 bis 1939 erreichten Deckungsquoten lagen durchschnittlich bei 337 338 339 340 341 342 343 344 345

Daten aus: Heimann, Zwangsvergleich, S. 40. Daten aus: Heimann, Zwangsvergleich, S. 44. Kohler, Konkursrecht, S. 64. Daten aus: Vierteljahreshefte zur Statistik des Deutschen Reiches, 1927, II. 84 f. Daten aus: Vierteljahreshefte zur Statistik des Deutschen Reiches, 1927, II. 84. Daten aus: Vierteljahreshefte zur Statistik des Deutschen Reiches, 1927, II. 85. Daten aus: Vierteljahreshefte zur Statistik des Deutschen Reiches, 1927, II. 84 f. Daten aus: Vierteljahreshefte zur Statistik des Deutschen Reiches, 1931, II. 17. Daten aus: Vierteljahreshefte zur Statistik des Deutschen Reiches, 1931, II. 23.

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52,2 Prozent für die bevorrechtigten, bei 8,5 Prozent für die nicht bevorrechtigten Gläubiger und bei 47,6 Prozent im Falle eines Vergleiches.346 Die für alle Gläubiger erreichten Vergleichsquoten lagen also erheblich über den Konkursdividenden der einfachen Gläubiger. Leider gibt es für die dreißiger Jahre keine Daten mehr zum Anteil des Zwangsvergleichs in den beendeten Konkursverfahren in den amtlichen Statistiken. Der Anteil der Vergleichsverfahren ging in dieser Zeit jedenfalls leicht zurück. So wurden im Jahr 1937 nur noch 421 Vergleichsverfahren bei 4.935 Insolvenzen angeordnet (8,5 Prozent). Der Anteil der mangels Masse abgelehnten Konkursanträge stieg hingegen in den dreißiger Jahren erheblich und lag ab 1933 stets bei ca. 50 Prozent.347 Das Bild eines funktionierenden Insolvenzrechts änderte sich grundlegend in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Während zwischen 1950 und 1959 bei 47.309 Insolvenzen noch in 10.551 Fällen ein Vergleichsverfahren eröffnet (22,3 Prozent) wurde, welches allerdings nur in 7.969 Fällen (16,8 Prozent) keinen Anschlusskonkurs zur Folge hatte, sondern das Verfahren beendete348 , fiel der Anteil der eröffneten Vergleichsverfahren in den sechziger Jahren auf 10,2 Prozent, wobei nur in 8,1 Prozent der Fälle ein Vergleich das Verfahren beendete.349 Drastisch wurde der Bedeutungsschwund der Akkordverfahren dann in den siebziger Jahren. Bei 71.610 Insolvenzen wurde in lediglich 2.416 Fällen (3,4 Prozent) ein Vergleichsverfahren eröffnet, das wiederum nur in 1.874 Fällen (2,6 Prozent) erfolgreich endete.350 In den achtziger Jahren verschlechterte sich die Quote der Akkordverfahren nochmals deutlich. Nur 974 Vergleichsverfahren wurden in dieser Zeit eröffnet, von denen nur 652 erfolgreich waren. Gleichzeitig stieg die Zahl der Insolvenzen auf 155.429. Der Anteil der Vergleichsverfahren betrug nur noch 0,4 Prozent.351 Im Jahr 1998, dem letzten Jahr vor Inkrafttreten der Insolvenzordnung, sank der Anteil sogar auf nur 0,09 Prozent ab. Von den 33.977 Insolvenzen wurden lediglich 30 durch ein Vergleichsverfahren erledigt.352 Daten zur Häufigkeit von Zwangsvergleichen in diesem Zeitraum gibt es leider kaum.353 Lediglich die rechtstatsächliche Untersuchung von Gessner/Rhode/Strate/Ziegert liefert eine Stichprobe, nach der es im Jahr 1975 in 2.538 untersuchten Konkursfällen 81 Zwangsvergleiche (3,2 Prozent) mit einer durchschnittlichen Quote von 24,1 Prozent gab, die fast alle (96 Prozent) auch erfüllt wurden und dadurch in 30 Prozent der Fälle zum Erhalt des Unter346

Daten aus: Vierteljahreshefte zur Statistik des Deutschen Reiches, 1940, VI. 51. Daten aus: Vierteljahreshefte zur Statistik des Deutschen Reiches, 1940, II. 57. 348 Daten aus: Doehring, KTS 1991, 55, 57. Daten zum Anteil der Zwangsvergleiche an der Erledigung von Konkursverfahren fi nden sich in den Insolvenzstatistiken leider nicht. 349 Daten aus: Doehring, KTS 1991, 55, 57. 350 Daten aus: Doehring, KTS 1991, 55, 57. 351 Daten aus: Doehring, KTS 1991, 55, 57. 352 Daten aus: Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1999, S. 138. 353 Diesen Mangel der amtlichen Insolvenzstatistik beklagte bereits Walendy, Funktion und Legitimation des Zwangsvergleichs, S. 113. 347

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nehmens führten.354 Der Anteil der Zwangsvergleiche an der Konkursbeendigung entspricht damit dem der Vergleiche an der Konkursabwendung in den siebziger Jahren. Beide Anteile sind vernachlässigbar gering.355 Die Krise des Insolvenzrechts in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war aber nicht allein eine Krise des Akkordverfahrens; sie erfasste das Konkursverfahren insgesamt. Dieses versagte nicht nur als Instrument zur gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung aus einem unzureichenden Schuldnervermögen, sondern auch als Institut zum geordneten Austritt eines Marktteilnehmers aus der Marktordnung. Beide Funktionen kann der Konkurs nur erfüllen, wenn ein Konkursverfahren eröffnet wird. Dies war zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Regel; in nur ca. 9 Prozent der Insolvenzen fand mangels Masse kein Konkursverfahren statt.356 In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nahm der Anteil der mangels Masse nicht eröffneten Verfahren zwar stetig zu, überwog aber kaum jemals die Zahl der eröffneten Verfahren. 357 Dieses Bild änderte sich gravierend in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. In den fünfziger Jahren wurden von 39.340 beantragten Konkursverfahren lediglich 13.384 (ca. 34 Prozent) mangels Masse nicht eröffnet und auch in den sechziger Jahren waren es nur 12.456 abgelehnte Anträge bei 30.979 Anträgen insgesamt (40,2 Prozent). Diese Daten hatten in etwa Vorkriegsniveau. In den siebziger Jahren überwog dann die Zahl der abgelehnten Anträge von 44.678 erstmals die der eröffneten Verfahren von 25.058, d. h. in 64 Prozent der Fälle wurde trotz Antrags kein Verfahren durchgeführt. In den achtziger Jahren verschärfte sich dieses Bild nochmals: von 154.777 Anträgen auf Eröffnung eines Konkursverfahrens wurden 118.291 mangels Masse abgelehnt (76,4 Prozent).358 Diese Daten besserten sich 354 Gessner/Rhode/Strate/Ziegert, Praxis der Konkursabwicklung, S. 228. Nur in 10 Prozent aller eröffneten Verfahren wurde ein Zwangsvergleich auch nur in Erwägung gezogen; der Vorschlag dazu kam in 86 Prozent dieser Fälle dabei vom Gemeinschuldner als dem primär am Zustandekommen des Akkords Interessierten (Gessner/Rhode/Strate/Ziegert, Praxis der Konkursabwicklung, S. 142 f.). 355 Zu Recht weisen Walendy, Funktion und Legitimation des Zwangsvergleichs, S. 5 und auch Mohrbutter, KTS 1985, 257, jedoch darauf hin, dass trotz der Bedeutungslosigkeit der Akkordverfahren für die Masse der Insolvenzen gerade die großen und bedeutenden Insolvenzfälle wie die der Herstatt Bank KGaA, der Bauknecht-Gruppe oder der Pelikan AG durch Vergleichsverfahren bzw. Zwangsvergleiche gelöst wurden. Der Bedeutungsverlust war also kein vollständiger. Hauptsächlicher Anwendungsbereich der verbliebenen Akkordverfahren war in quantitativer Hinsicht jedoch nicht die Aufsehen erregende Großinsolvenz, sondern die des eingetragenen Einzelunternehmers und der kleinen Personengesellschaft, also der wenig komplexe Konkursfall – vgl. Gessner/Rhode/Strate/Ziegert, Praxis der Konkursabwicklung, S. 142; Walendy, Funktion und Legitimation des Zwangsvergleichs, S. 114, 119. 356 Daten aus: Heimann, Zwangsvergleich, S. 44. 357 Vgl. für die Jahre 1909–1925 die Übersicht in: Vierteljahreshefte zur Statistik des Deutschen Reiches, 1926, IV. 108; für die Jahre 1925–1939 die Übersicht in: Vierteljahreshefte zur Statistik des Deutschen Reiches, 1940, II. 57. 358 Sämtliche Daten aus: Doehring, KTS 1991, 55, 57.

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in den neunziger Jahren nicht mehr. 1998, dem letzten Jahr unter Geltung der Konkurs- und Vergleichsordnung, wurden 24.984 von 33.977 Konkursanträgen (73,5 Prozent) mangels Masse abgelehnt.359 Schon dieses Bild ist erschreckend. Es wird zusätzlich verdunkelt, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass in den genannten Statistiken zudem nicht einmal die Fälle erfasst wurden, in denen zwar das Konkursverfahren eröffnet wurde, es später aber gemäß § 204 KO mangels Masse eingestellt werden musste und so ebenfalls nicht seinen Zweck erfüllen konnte. Die Regelungen der Konkursordnung wie auch die der Vergleichsordnung hatten damit in der großen Mehrzahl der Insolvenzfälle keine Bedeutung. Die dort beschriebenen Verfahren kamen schlicht nicht zur Anwendung. Das Insolvenzrecht versagte.360 Dieses Versagen hatte gravierende Folgen. Findet kein Konkursverfahren über das Vermögen des Schuldners statt, so bleibt den ungesicherten Gläubigern theoretisch (nur) die Möglichkeit der Einzelzwangsvollstreckung. Da hier die Priorität entscheidet, beginnt ein Wettlauf von Prozessen und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Gläubiger, an dessen Ende die meisten ungesicherten Gläubiger wegen des unzureichenden Schuldnervermögens leer ausgehen. Den gesicherten Gläubigern bleibt immerhin der Rückgriff auf die Sicherungsgüter. Soweit die Theorie. Leider sah die Praxis in vielen Fällen anders aus. Wurde ein Konkursverfahren mangels Masse abgelehnt, so versuchten nun alle beteiligten Gläubiger, beim Schuldner zu retten, was zu retten ist. Es kam zu einem Zusammenlaufen der Gläubiger beim Schuldner und jeder nahm sich aus dem Schuldnervermögen das, von dem er behauptet, es sei von ihm geliefert oder ihm sicherungsübereignet worden. Wie Kilger es treffend bezeichnete: »Die Selbsthilfe regiert!«361 Hierdurch gingen nicht nur Vermögenswerte beim Schuldner gänzlich verloren (wie etwa Außenstände oder halb fertige Produkte), die bei einer geordneten Verwertung in einem Konkursverfahren eventuell realisierbar gewesen wären. Vor allem wurden auch die Rechte der gesicherten Gläubiger auf ihr Sicherungsgut Makulatur, da niemand diese Rechte beachtete. Das Versagen des Konkursrechts traf daher in der Praxis auch die gesicherten Gläubiger.362 Dies führte nun zu einer allgemeinen Interessenlage, in der die Stellung eines Konkursantrags nach Möglichkeit vermieden wurde. Die gesicherten Gläubiger hatten kein Interesse an der Stellung eines solchen Antrags, denn sie konnten 359

Daten aus: Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1999, S. 138. Dementsprechend hielten schon im Jahre 1975 die weitaus meisten Konkursrichter und Rechtspfleger (83 Prozent) die Effektivität der Konkursordnung für gering bis sehr gering – vgl. Gessner/Rhode/Strate/Ziegert, Praxis der Konkursabwicklung, S. 110. 361 Kilger, KTS 1975, 142, 157; ebenso Hanisch, ZZP 90 (1977), 1, 3; Heilmann, BB 1976, 765, 766; Weber, FS 100 Jahre KO, 1977, 321, 355. 362 Man suchte daher nach Wegen zur wenigstens kurzfristigen Verfahrenseröffnung auch bei massearmen Insolvenzen, wobei vor allem die Möglichkeit eines Kostenvorschusses (§ 107 Abs. 1 Satz 2 KO) propagiert wurde – vgl. Heilmann, BB 1976, 765, 767 ff. 360

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ihr Sicherungsgut außerhalb des Konkursverfahrens besser verwerten.363 Wurde die Insolvenz des Schuldners dabei nicht publik, so droht auch keine Beeinträchtigung der Verwertung durch den eigenmächtigen Zugriff anderer Gläubiger auf das Sicherungsgut. Es sprach also nichts für die Stellung eines Konkursantrags, wenn ein gesicherter Gläubiger von der Insolvenz seines Schuldners erfuhr.364 Gleiches galt dann interessanterweise auch für die ungesicherten Gläubiger. In einem Konkursverfahren hätten sie keinen Zugriff auf das Schuldnervermögen und erhielten selbst bei dessen erfolgreicher Durchführung aus der Schlussverteilung selten mehr als eine Quote von mehr als 5 Prozent.365 Da schien es Erfolg versprechender, den Konkurs zu vermeiden und im Wege der Einzelzwangsvollstreckung oder individueller Verhandlungen mit dem Schuldner die offenen Forderungen geltend zu machen. Konkursanträge von Gläubigern gab es aus diesen Gründen kaum noch.366 Auch die Beteiligung der Gläubiger an den Gläubigerversammlungen war vernachlässigbar gering.367 Ein großes Engagement lohnte sich für die Gläubiger einfach nicht.

II. Krisenursachen Wo lagen nun die Ursachen für das Versagen des ehemaligen Vorzeigegesetzes der Reichsjustizreform? Welche Entwicklungen führten zu diesem beklagenswerten Zustand am Ende des 20. Jahrhunderts? Eine genaue Ursachenanalyse kann an dieser Stelle nicht erfolgen; dies würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Die damals diskutierten Hauptursachen sollen hier nur kurz benannt werden, da sie auch für die Abkehr vom konkursabwendenden Vergleich und Zwangsvergleich sowie für die Schaffung des Insolvenzplans relevant waren. Das Rechtsinstitut des Insolvenzplans lässt sich nur dann in seiner Wirkungsweise vollständig erfassen, wenn man auch die Beweggründe für seine heutige gesetzliche Ausgestaltung kennt. Allerdings ist insgesamt festzuhalten, dass das 363 364

Henckel, Verhandlungen des 51. Deutschen Juristentages, 1976, Band 2, Teil O, S. 18. Darauf weist bereits Walendy, Funktion und Legitimation des Zwangsvergleichs, S. 27,

hin. 365 Vgl. Hanisch, ZZP 90 (1977), 1, 2; Uhlenbruck, FS 100 Jahre KO, 1977, 3, 32; Walendy, Funktion und Legitimation des Zwangsvergleichs, S. 22. In der Umfrage aus dem Jahr 1975 erwarteten 40 Prozent der befragten Gläubiger in einem Konkursverfahren überhaupt keine Ausschüttung einer Quote – vgl. Gessner/Rhode/Strate/Ziegert, Praxis der Konkursabwicklung, S. 453. 366 Vgl. die Ergebnisse der Stichprobe bei Gessner/Rhode/Strate/Ziegert, Praxis der Konkursabwicklung, S. 448: unter 211 Konkursanträgen fanden sich nur in 5 Fällen (3 Prozent) ein Gläubigerantrag. 144 Gläubiger lehnten dagegen einen Antrag grundsätzlich ab, da er keine Aussicht auf eine wenigstens teilweise Realisierung der Forderungen biete. 367 In der Umfrage bei Gessner/Rhode/Strate/Ziegert, Praxis der Konkursabwicklung, S. 449 f., haben nur 14 Prozent der befragten Gläubiger überhaupt einmal an mindestens einer Gläubigerversammlung teilgenommen. Hauptgrund hierfür war ebenfalls das negative Aufwand-Nutzen-Verhältnis.

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Versagen der Akkordverfahren in der damaligen Rechtswirklichkeit nicht den primären Anlass einer Reform des Konkurs- und Vergleichsrechts darstellte. Es war die Masselosigkeit der großen Mehrzahl der beantragten Konkursverfahren und die daraus folgende Nichtanwendung des geltenden Konkurs- und Vergleichsrechts insgesamt, welche den Kern der Krise ausmachte und die Forschung nach ihren Ursachen sowie die Suche nach Auswegen bestimmte. Die Massearmut wurde dabei auf verschiedenste Umstände zurückgeführt, die sämtlichst zu einem Ausbluten der Konkursmasse führten. 1. Sicherungsrechte Als Hauptursache der vielen masselosen Verfahren wurde sowohl von Seiten der Konkursgerichte368 als auch der Literatur369 und der Anwaltschaft 370 die Vielzahl der vertraglich begründeten, publizitätslosen Sicherungsrechte der Geld- und Warenkreditgeber identifiziert. Die negative Bedeutung, die man diesen Sicherungsrechten für die Krise zumaß, war so groß, dass eine Reform dieses Rechtsgebiets im Jahre 1976 Gegenstand des 51. Deutschen Juristentages in Stuttgart war.371 Hintergrund der Diskussion war zum einen die Praxis der Geldkreditgeber, ihre Kredite nahezu durchgängig durch Sicherungsrechte abzusichern, seien dies nun Grundpfandrechte oder aber auch publizitätslose Globalzessionen oder Sicherungsübereignungen. Im Insolvenzfall entstanden so Aus- bzw. Absonderungsrechte zugunsten dieser Gläubiger, die zur Aus- bzw. Absonderung der bedeutendsten Vermögensgegenstände des Schuldners aus der Insolvenzmasse und damit zu einer Aushöhlung derselben führten. Ähnlich stellt sich die Praxis der Warenkreditgeber dar. Auch diese sichern ihre Kaufpreisforderungen in aller Regel durch Eigentumsvorbehaltsvereinbarungen jeglicher Art, aber auch durch Sicherungszessionen oder Verarbeitungsklauseln ab, wodurch ebenfalls in erheblichem Umfang Aus- bzw. Absonderungsrechte für den Insolvenzfall entstanden. Im Ergebnis dieser Praxis wurden nahezu alle Vermögenswerte des Schuldners bereits im Vorfeld der Insolvenz mit Sicherungsrechten belastet und damit dem konkursrechtlichen Verteilungsverfahren als Zugriffsobjekt entzogen. 368 Umfrage aus dem Jahr 1975 bei: Gessner/Rhode/Strate/Ziegert, Praxis der Konkursabwicklung, S. 111 f. 369 Baur, JZ 1982, 577; Hanisch, ZZP 90 (1977), 1; Kilger, KTS 1975, 142, 148 ff.; MeyerCording, NJW 1979, 2126, 2127; Münzel, MDR 1951, 129, 134; Weber, KTS 1959, 80, 84; ders., FS 100 Jahre KO, 1977, 321, 335. 370 Vgl. die Äußerungen des Insolvenzrechtsausschusses des Deutschen Anwaltsvereins in: KTS 1975, 59, 60. 371 Vgl. das Gutachten von Drobnig, Verhandlungen des 51. Deutschen Juristentages, 1976, Band 1, Gutachten F, die Referate von Henkel und Kilger sowie die Diskussion bei: Verhandlungen des 51. Deutschen Juristentages, 1976, Band II, Teil O.

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Kritisiert wurde dabei, dass sich viele dieser Sicherungsrechte nicht – wie etwa die Grundpfandrechte – in öffentlichen Registern finden, sondern ohne jegliche Publizität entstehen, weshalb schon die Prüfung und Feststellung des Bestehens und des Umfangs behaupteter Sicherungsrechte im einzelnen Insolvenzfall einen ganz erheblichen Aufwand an Zeit und Kosten verursacht. So verursachte allein das Erstellen des Verzeichnisses über vorhandene Eigentumsvorbehalte im Einzelfall ganz erhebliche Kosten zu Lasten der Masse.372 Da die Verwertung der Sicherheiten zudem durch die Konkursordnung (§§ 4 Abs. 2, 127 KO) regelmäßig dem gesicherten Gläubiger zugewiesen war, musste der Konkursverwalter alle Gegenstände aus der Masse herausgeben, an denen Sicherungsrechte festgestellt und geltend gemacht wurden. Dies führte nicht nur zu Wertverlusten durch das Auseinanderreißen von Sachgesamtheiten. Folge dieser gesetzlichen Regelung war vor allem, dass eine (auch nur vorübergehende) Unternehmensfortführung als werterhaltende Alternative zur sofortigen Liquidation des Unternehmens wegen des Verlustes der wertvollsten (und daher besicherten) Betriebsmittel nicht möglich war.373 Ein weiterer negativer Aspekt der Sicherungsrechte im Konkurs war ein steuerrechtlicher Effekt.374 Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes375 war der aus der Verwertung des jeweiligen Sicherungsgutes entstandene Erlös umsatzsteuerpflichtig und diese Umsatzsteuer als Folge einer Konkursverwalterhandlung als Massekosten gemäß § 58 Nr. 2 KO aus der Konkursmasse zu leisten. Die Verwertung der Sicherungsgüter entzog der Konkursmasse also nicht nur diese Vermögensgegenstände; sie belastete die Masse auch noch zusätzlich mit bevorrechtigten Steuerschulden. Zudem durfte der Konkursverwalter diese Steuerlast dann auch nicht auf den Verwertungserlös, der an den Sicherungsnehmer auszukehren war, anrechnen. Nach Ansicht des BGH376 war vielmehr der gesamte Verwertungserlös ungekürzt an den jeweiligen Gläubiger herauszugeben. Als bedeutende negative Auswirkung der vielen möglichen publizitätslosen Sicherungsrechte wurde schließlich ebenfalls angesehen, dass in vielen Fällen Unternehmen, die jahrelang mit steigenden Verlusten gearbeitet haben und deren Überschuldung so ständig stieg, eine rechtzeitige Eröffnung des Konkursverfahrens allein dadurch vermeiden konnten, dass sie nach außen einen solventen Eindruck erweckten, indem sie ihre fälligen Verbindlichkeiten tilgen 372 Henckel, Verhandlungen des 51. Deutschen Juristentages, 1976, Band 2, Teil O, S. 19; Kilger, KTS 1975, 142, 148 ff.; Landfermann, KTS 1987, 381, 383; allgemein auch Weber, FS 100 Jahre KO, 1977, 321, 351. 373 Drobnig, Verhandlungen des 51. Deutschen Juristentages, 1976, Band 1, Gutachten F, S. 86; Landfermann, KTS 1987, 381, 383. 374 Vgl. Heilmann, BB 1976, 765, 766; Kilger, KTS 1975, 142, 150 f.; Landfermann, KTS 1987, 381, 384. 375 BFH BStBl. II 1972, 809, 810; 1978, 684; 1987, 741. 376 BGH NJW 1962, 46; 1972, 874, 875.

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konnten. Dies war ihnen jedoch nur möglich, da sie auch ohne Bonität Warenkredite auf Eigentumsvorbehalte hin erhielten und Kreditlinien durch Globalzessionen und Sicherungsübereignungen gesichert erschienen. Das wahre Ausmaß der Zahlungsschwierigkeiten des Schuldners konnte so über Jahre verschleiert werden. Kam es dann durch die Fälligstellung auch nur eines Kredites zum unausweichlichen, endgültigen Zusammenbruch des Unternehmens, so blieb tatsächlich kein eigenes Vermögen. Der Konkurs war masselos. Ungesicherte Gläubiger gingen leer aus.377 2. Zunahme der Massegläubiger Als zweite bedeutende Ursache der Masselosigkeit vieler Konkurs wurde die erhebliche Erweiterung derjenigen Forderungen benannt, die über § 59 KO zu Masseverbindlichkeiten, also zu vorweg zu befriedigenden Ansprüchen, erhoben wurden und so das Wenige aufzehrten, was Sicherungsrechte an Konkursmasse übrig ließen.378 Nach der Konzeption des Gesetzgebers der 1870iger Jahre sollten Masseschulden nach § 59 KO nur in bestimmten Ausnahmenfällen entstehen: aus Rechtsgeschäften oder Rechtshandlungen des Konkursverwalters (Nr. 1); aus einem zweiseitigen Vertrag, der vor der Konkurseröffnung geschlossen wurde und dessen Erfüllung der Konkursverwalter verlangt (Nr. 2 Alt. 1) bzw. dessen Fortgeltung die Konkursordnung anordnet (Nr. 2 Alt. 2 KO) sowie bei einer rechtsgrundlosen Bereicherung der Masse (Nr. 3).379 Während der Konkursverwalter es selbst in der Hand hatte, Masseschulden nach § 59 Nr. 1 und Nr. 2 Alt. 1 KO entstehen zu lassen, erwies sich die Regelung in § 59 Nr. 2 Alt. 2 KO, die dem Gesetzgeber die Möglichkeit gab, Gläubigerforderungen zu Masseschulden aufzuwerten, als Einfallstor für die Schaffung einer Vielzahl von Masseschulden. Von Anfang an waren Ansprüche aus Miet-, Pacht- und Dienstverträgen, die erst nach Konkurseröffnung entstanden (§§ 19, 22 KO), Masseschulden. Im Konkurs eines Unternehmens wurden damit automatisch alle Lohnansprüche der Arbeitnehmer im Zeitraum nach der Konkurseröffnung zu Masseverbindlichkeiten, ohne dass der Konkursverwalter dies verhindern konnte. Eine Kündigung der Arbeitsverhältnisse war nur mit gesetzlicher Frist möglich (§ 22 Abs. 1 S. 2 KO) und Konkursausfallgeld erhielten die Arbeitnehmer nur für die letzten drei Monate vor Konkurseröffnung, nicht jedoch für die schwierige Zeit danach. Sie griffen daher nach der ohnehin häufig nur geringen Konkursmasse.380 Doch dabei blieb es nicht. Mit dem Gesetz über das Konkursausfallgeld 377 Vgl. Hanisch, ZZP 90 (1977), 1, 8; Kilger, KTS 1975, 142, 151 f.; derS. in: Verhandlungen des 51. Deutschen Juristentages, 1976, Band 2, Teil O, S. 37 f. 378 Kilger, KTS 1975, 142, 152 ff.; Weber, FS 100 Jahre KO, 1977, 321, 336. 379 Vgl. Hahn, Materialien, IV, S. 231 f. 380 Heilmann, BB 1976, 765; Kilger, KTS 1975, 142, 152.

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von 1974 erhob der Gesetzgeber die Lohnansprüche der Arbeitnehmer aus den letzten sechs Monaten vor Konkurseröffnung (§ 59 Nr. 3a KO), deren Leistungsansprüche aus einer betrieblichen Altersvorsorge (§ 59 Nr. 3d KO) und sämtliche Beitragsansprüche der Träger der Sozialversicherung und der Bundesanstalt für Arbeit (§ 59 Nr. 3e KO) zu Masseschulden.381 Kam zur Lösung der Personalfragen des insolventen Unternehmens ein Sozialplan zustande (§ 112 BetrVG), so waren zwar die Ausgleichsansprüche der Arbeitnehmer aus dem Sozialplan keine Masseschulden. Eine zunächst anders lautende Rechtsprechung des Ersten Senats des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 1974, nach der Sozialplanansprüche als Masseschulden vorweg zu befriedigen seien,382 wurde später vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichtes aufgehoben.383 § 4 des Gesetzes über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren von 1985 folgte dem und sah in den Sozialplanansprüchen lediglich bevorrechtigte Konkursforderungen gemäß § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO. Etwas anderes galt aber in den Fällen, in denen ein Sozialplan aufgrund unzureichender Einigungsversuche des Unternehmers bzw. des Konkursverwalters nicht zustande kam. Die dann nach § 113 Abs. 3 BetrVG entstehenden Ansprüche der Arbeitnehmer aus einem Nachteilsausgleich wurden vom Gesetz über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren von 1985 nicht erfasst. Das Bundesarbeitsgericht schloss diese Lücke, indem es diese Ansprüche stets als Masseschulden nach § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO qualifizierte.384 Doch nicht nur im Arbeitsrecht wurden die Masseschulden vermehrt.385 Bedeutsam war auch die Rechtsprechung bei Sukzessivlieferverträgen. Der Konkursverwalter war bei solchen Verträgen häufig gezwungen, die Fortführung des Vertrages zu wählen, da er zur vorläufigen Fortführung des Unternehmens beispielsweise Strom oder Wasser benötigte. Schon das Reichsgericht 386 erhob in diesen Fällen sämtliche Forderungen des Lieferanten, auch solche aus der Zeit vor Konkurseröffnung, zu Masseschulden nach §§ 17 Abs. 1, 59 Nr. 2 Alt. 2 KO; der Bundesgerichtshof387 hielt daran fest. Im Ergebnis dieser Entwicklungen 381

Kritisch Hanisch, ZZP 90 (1977), 1, 17; Weber, FS 100 Jahre KO, 1977, 321, 323. BAG NJW 1975, 182, 184; kritisch dazu Hanisch, ZZP 90 (1977), 1, 15 f.; Kilger, KTS 1975, 142, 153. 383 BAG NJW 1979, 774. Das BAG sah in diesen Ansprüche bevorrechtigte Konkursforderungen nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO. Diese Entscheidung wurde jedoch vom Bundesverfassungsgericht als unzulässige richterliche Rechtsfortbildung aufgehoben (NJW 1984, 475), woraufhin der erste Senat des BAG (NJW 1984, 2486) Sozialplanansprüche als bevorrechtigte Konkursforderungen nach § 61 Abs. 1 Nr. 6 KO einordnete. Dies rief den Gesetzgeber auf den Plan, der 1985 das Gesetz über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren erließ, welches bis zum Inkrafttreten der InsO maßgeblich blieb. Nach dessen § 4 waren Sozialplanansprüche als bevorrechtigte Konkursforderungen gemäß § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO anzusehen. 384 BAG NJW 1986, 2454, 2456. 385 Vgl. zu weiteren Beispielen auch Kilger, KTS 1975, 142, 153 f. 386 RGZ 98, 136, 138; 129, 228, 230; 148, 326, 330. 387 BGH KTS 1961, 8, 9. 382

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gab es kaum noch Konkursfälle, in denen für alle Masseschulden ausreichend Vermögen vorhanden war. 3. Unzulänglichkeiten im Gesellschafts-, Wirtschaftsstrafund Anfechtungsrecht Gerade durch die Konkursrichter und die Gläubigerschaft wurden als Gründe für die Massearmut auch im erheblichen Umfang Mängel im Gesellschafts- und Wirtschaftsstrafrecht sowie im Anfechtungsrecht benannt.388 Wirtschaftskriminelle Handlungen wie missbräuchliche Firmengründungen oder eine gläubigerschädigende Geschäftsführung gerade in Krisensituationen würden durch das liberale Gesellschaftsrecht zu wenig erschwert,389 durch das Strafrecht ohne hinreichend abschreckende Wirkung verfolgt und durch das Anfechtungsrecht wegen des schwer kalkulierbaren Prozessrisikos390 kaum jemals wirklich rückgängig gemacht. 4. Verspätete Konkursanträge Die Massearmut folgte zudem häufig daraus, dass der Schuldner den notwendigen Konkursantrag zu spät stellte und sein Vermögen zuvor in letzten Rettungsversuchen verbraucht hatte. Krisenunternehmen verursachen Verluste und ihre bloße Fortführung führt zu einer steten Verringerung der späteren Insolvenzmasse. Eine Sanierung wiederum kann nur dann zu einem turnaround führen, wenn sie frühzeitig einsetzt und umfassend konzipiert ist, also die Ursachen der Krise beseitigt und nicht nur deren finanzwirtschaftliche Folgen durch frisches Geld kaschiert. Fehlt solch ein Konzept, so muss der Schuldner rechtzeitig zu einem Konkursantrag gezwungen werden, was das Konkursrecht nicht hinreichend gewährleistet hatte. Insbesondere die Antragspfl icht des Schuldners war nach einer verbreiteten Ansicht nicht hinreichend streng. Auch fehlte die Möglichkeit einer frühzeitigen, freiwilligen Antragstellung durch den Schuldner bei drohender Zahlungsunfähigkeit.391 388 Umfrage aus dem Jahr 1975 bei: Gessner/Rhode/Strate/Ziegert, Praxis der Konkursabwicklung, S. 111 f., 458 f. 389 96 Prozent der Konkursrichter und 92 Prozent der Konkursverwalter forderten z. B. eine Heraufsetzung des Mindestkapitals zur Beseitigung der verbreiteten Unterkapitalisierung von Gesellschaften – vgl. Umfrage aus dem Jahr 1975 bei: Gessner/Rhode/Strate/Ziegert, Praxis der Konkursabwicklung, S. 117, 229; zustimmend Knieper, BB 1977, 622, 624. 390 Die vielen subjektiven Voraussetzungen der Anfechtungstatbestände der Konkursordnung führten dazu, dass die Erfolgsaussichten einer Anfechtung für den Konkursverwalter schwer abschätzbar waren und wegen des Prozessrisikos und dem damit verbundenen Kostenrisiko häufig auf lohnende Anfechtungen verzichtet wurde – vgl. Hanisch, ZZP 90 (1977), 1, 21. 391 Vgl. zum Ganzen die Kritik von Hanisch, ZZP 90 (1977), 1, 27 ff.; Meyer-Cording, NJW 1981, 1242; Uhlenbruck, KTS 1981, 513, 545.

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5. Das Fiskusvorrecht Kritisiert wurden dann auch die Vorrechte einzelner Konkursgläubiger, wie sie sich in § 61 KO fanden. Dies galt insbesondere für das Vorrecht des Staates wegen öffentlicher Abgaben (§ 61 Abs. 1 Nr. 2 KO). Wurden dem Schuldner in der Krise vor der Insolvenz Steuerschulden in erheblichem Umfang gestundet – wie es verbreitete Praxis war – und griff der Staat dann wegen dieser Schulden aufgrund seines Vorrechts nach der nach dem Zugriff der Massegläubiger noch vorhandene Konkursmasse, so wurde diese regelmäßig so weitgehend aufgezehrt, dass für die einfachen Konkursgläubiger keine Quote mehr zu erzielen war. Diese Privilegierung des Staates wirkte in der Praxis katastrophal und wurde daher zu Recht gebrandmarkt.392 6. Unzureichend ausgebildete Konkursverwalter Schließlich wurde als Grund für das Versagen des Konkursrechts auch auf die Qualifikation der Konkursverwalter verwiesen. Nur die wenigsten seien hinreichend qualifiziert für diese anspruchsvolle Tätigkeit.393 Ein Konkursverwalter müsse nicht nur ausreichende Rechtskenntnisse mitbringen, sondern auch als Unternehmer tätig sein, Sanierungschancen erkennen und nutzen, aber auch nicht sanierungsfähige Unternehmen zu Ende führen und abwickeln. Eine Spezialisierung sei unvermeidbar. Die Konkursverwalter verwiesen insofern auf das abschreckende Haftungsrisiko und die vergleichsweise unzureichende Vergütung der Konkursverwalter. Letztere sei so mangelhaft, dass sich hinreichend qualifizierte Personen für diese Tätigkeit oft nicht finden ließen.394 Die Einsetzung unzureichend qualifizierter Konkursverwalter führe dann dazu, dass Konkursmasse verschleudert werde, sei es durch zu schnelles Vorantreiben der Verwertung ohne zureichendes Konzept, sei es durch untaugliche Sanierungsversuche.395 Eine Über-

392 Drobnig, Verhandlungen des 51. Deutschen Juristentages, 1976, Band 1, Gutachten F, S. 90 f. (Aufhebung des Fiskusprivilegs sei »allgemeines Postulat«); Hanisch, ZZP 90 (1977), 1, 19 (»einer der entscheidenden Sündenfälle der Reichskonkursordnung«); Henckel, Verhandlungen des 51. Deutschen Juristentages, 1976, Band 2, Teil O, S. 25; Kilger, Verhandlungen des 51. Deutschen Juristentages, 1976, Band 2, Teil O, S. 41; Schmidt, Gutachten D zum 54. Deutschen Juristentag, S. 53; Weber, FS 100 Jahre KO, 1977, 321, 336 und 357; die Äußerungen des Insolvenzrechtsausschusses des Deutschen Anwaltsvereins in: KTS 1975, 59, 60 f. sowie die Befragung der Gläubiger in: Gessner/Rhode/Strate/Ziegert, Praxis der Konkursabwicklung, S. 457. 393 So die verbreitete Kritik der Wirtschaftsunternehmen, Kreditinstitute und Sozialversicherungsträger, aber auch der Gläubigerschaft – vgl. die Umfrage bei Gessner/Rhode/Strate/ Ziegert, Praxis der Konkursabwicklung, S. 231 und 458. 394 Vgl. die Äußerungen des Insolvenzrechtsausschusses des Deutschen Anwaltsvereins in: KTS 1975, 59, 61 f.; ebenso Hanisch, ZZP 90 (1977), 1, 26 f. 395 Kritisch hierzu insbesondere Meyer-Cording, NJW 1981, 1242.

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tragung der Funktion des Konkursverwalters auf staatliche Behörden wurde trotz dieser Missstände nahezu einhellig abgelehnt.396 7. Besondere Ursachen für die Abkehr vom Akkord? Die Ursachen für die Bedeutungslosigkeit der Akkordverfahren waren die logische Folge der Krisenursachen des gesamten Insolvenzverfahrens, wirkte sich doch insbesondere bei Akkordverfahren die Masselosigkeit gravierend aus.397 Die Chancen der Durchsetzung einer von der Mehrheit der Gläubiger getragenen Vereinbarung über die Verwertung des Schuldnervermögens waren gering, wenn nicht sogar von vornherein gleich null, wenn keine Vermögensmasse für eine neu zu regelnde Verteilung oder gar Sanierung des Schuldnerunternehmens vorhanden war. Der für ein Sanierungskonzept notwendige Finanzplan war dann kaum je zustande zu bringen. Erschwerend wirkten zudem die formalen inhaltlichen Vorgaben der Konkurs- und Vergleichsordnung für einen rechtmäßigen Akkord.398 Die zwingend vorgeschriebene Mindestquote von 35 Prozent für alle Vergleichsgläubiger (§§ 7 Abs. 1, 79 Nr. 1 VglO) konnte kaum jemals angeboten werden.399 Ein Konkurs war die zwingende Folge. Das dortige Konkursverfahren, auch dessen Zwangsvergleichsverfahren, war nun primär auf eine schnelle Verwertung ausgerichtet und musste zwingend mit einem Gelderlös für die Gläubiger enden. Es bot daher den an einer Sanierung des Unternehmens Interessierten selbst bei gegebener Sanierungsfähigkeit des Schuldnerunternehmens nicht genug Zeit, Mittel und Legitimation, ein Sanierungskonzept durchzusetzen, in dem auf eine alsbaldige Barbefriedigung verzichtet wird.400 Daneben fehlte beiden Akkordverfahren das Instrumentarium zur Reorganisation der mangelhaften Unternehmensstruktur. Schließlich war eine Beteiligung der Sicherungs- und Vorrechtsgläubiger am Akkordverfahren nicht vorgeschrieben. Diese nahmen allenfalls freiwillig am Verfahren teil. Ohne deren Mitwirkung fehlte dem Unternehmen jedoch von vornherein jede Sanierungschance, da die jederzeit zulässige Geltendmachung der Sicherungs- und Vorzugsrechte jeden finanziellen Spielraum

396 In Umfrage aus dem Jahr 1975 waren 93 Prozent der Konkursrichter und 98 Prozent der Konkursverwalter dagegen – vgl. Gessner/Rhode/Strate/Ziegert, Praxis der Konkursabwicklung, S. 119 ff., 230; aus der Literatur: Weber, KTS 1959, 80, 86. 397 So benannten die befragten Insolvenzverwalter im Jahre 1975 die Masselosigkeit der Verfahren als Hauptursache der geringen Zahl an Vergleichsverfahren – vgl. Gessner/Rhode/ Strate/Ziegert, Praxis der Konkursabwicklung, S. 227. 398 Siehe auch die Ergebnisse der Befragung der Insolvenzverwalter über die Gründe für die wenigen zustande kommenden Akkorde bei Gessner/Rhode/Strate/Ziegert, Praxis der Konkursabwicklung, S. 227 und die Aufzählung bei Uhlenbruck, KTS 1981, 513, 515. 399 Vgl. die Äußerungen des Insolvenzrechtsausschusses des Deutschen Anwaltsvereins in: KTS 1975, 59, 62; Mohrbutter, KTS 1985, 257, 258 f. 400 Flessner, ZIP 1981, 1283, 1286.

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für Sanierungen und Unternehmungsfortführungen nehmen konnte.401 Es gelangen daher insgesamt nur in solchen Fällen Sanierungen im Wege eines Akkordes, in denen die gesicherten Gläubiger einer Vereinbarung über die Beschränkung ihrer Rechte freiwillig zustimmten.402 Zwangswirkungen konnte weder der Vergleich noch der Zwangsvergleich gegenüber diesen Gläubigern ausüben. Schließen entsprachen auch die Prüfungsrechte des Konkursgerichtes hinsichtlich der Angemessenheit eines Akkords (§§ 187, 188 KO, § 79 Nr. 4 VglO) nicht den praktischen Bedürfnissen nach einem flexiblen und zugleich rechtssicheren Sanierungsinstrument. Sie führten zu der paradoxen Situation, dass Konkursgerichte im Interesse der Sanierung oder zumindest einer wertsteigernden alternativen Verwertung eines Schuldnerunternehmens contra legem Vergleiche bestätigten, die sie wegen des Vorliegens eines absoluten Ablehnungsgrundes, in der Regel wegen § 18 VglO, hätten zurückweisen müssen.403 Dies galt beispielsweise im berühmten Fall der Herstatt Bank KGaA, deren Insolvenz ausweislich des nach § 14 VglO erstellten Gutachtens der Kölner Industrie- und Handelskammer durch unredliche und leichtsinnige Termingeschäfte mit Devisen im Umfang von mehr als 100 Milliarden DM, ein Vielfaches des Eigenkapitals der Bank, herbeigeführt worden war. Die Eröffnung des Vergleichsverfahrens wäre nach der Feststellung des Gutachters gemäß § 18 Nr. 1 und 2 VglO abzulehnen gewesen, da der Schuldnerin die Vergleichswürdigkeit fehlte. Dennoch hat das Gericht nicht nur das Vergleichsverfahren eröffnet, sondern auch den darin angenommenen Vergleich bestätigt und ist damit einer Empfehlung der Handelskammer gefolgt. Die nach der Vergleichsordnung zwingenden Ablehnungsgründe wurden im allgemeinen Einvernehmen aller Beteiligten schlicht ignoriert.404 Festzuhalten bleibt damit, dass die Gründe für die geringe Zahl der Akkordverfahren am Ende des 20. Jahrhunderts grundsätzlich ebenfalls in der Masselosigkeit der Mehrzahl aller Insolvenzen lagen und daneben die formalen Vorgaben aus den Regelungen des Vergleichs wie auch des Zwangsvergleichs auch noch den wenigen Akkordversuchen unnötige Schwierigkeiten bereiteten, die nach dem Willen der Beteiligten zustande kommen sollten. Schließlich ermöglichte die in den 1970iger Jahren populär werdende sog. »übertragende Sanierung« einen neuen Weg der Unternehmenssanierung ohne gerichtlichen Akkord, indem nur das Schuldnerunternehmen aus der Insolvenzmasse heraus auf 401 Kilger, ZIP 1982, 779, 780; Landfermann, KTS 1987, 381, 386; Uhlenbruck, KTS 1981, 513, 569. 402 Mohrbutter, KTS 1985, 257, 258. 403 Walendy, Funktion und Legitimation des Zwangsvergleichs, S. 45. 404 Walendy, Funktion und Legitimation des Zwangsvergleichs, S. 45. Die rechtstatsächliche Entwicklung war insofern rasant, forderte Tidow, KTS 1956, 100, 101 f., doch noch in den 1950iger Jahren genau das Gegenteil, nämlich eine weitgehende Erstreckung der formalen Vorgaben und der Ablehnungsgründe der VglO auf den Zwangsvergleich des Konkurses.

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einen neuen Rechtsträger übertragen wurde.405 Die Praxis wandte sich vom geltenden Recht ab. Bedeutsam – gerade im Hinblick auf das Thema dieser Arbeit – ist aber auch, dass die Frage der Rechtsnatur von Vergleich und Zwangsvergleich in der gesamten Diskussion überhaupt keine Rolle spielte. Im Gegenteil, das Verlangen nach einem möglichst flexiblen Instrument zur Konkursbewältigung bzw. Sanierung unterstützte gerade die Annahme einer Vertragsnatur des Akkordes. Der hierin liegende Vorteil eines ja inhaltsoffenen Vertrages wurde auch in der Reformdiskussion explizit erkannt und als erhaltenswert betont.406 Zudem blieben auch in der Krise des Akkordverfahrens private Moratorien, also außergerichtliche Vergleiche, sehr verbreitet. Sie wurden den gerichtlichen Vergleichen im Krisenfall in der Regel vorgezogen.407 So wurde in ca. 20 Prozent aller Krisenfälle die (drohende) Insolvenz außergerichtlich bereinigt und in immerhin ca. 50 Prozent aller Insolvenzen ist vor Verfahrenseinleitung eine außergerichtliche, also privatautonome Bereinigung versucht worden.408 Es blieben daher in der modernen Wirtschaftsordnung am Ende des 20 Jahrhunderts nur die Insolvenzfälle im Anwendungsbereich eines gerichtlichen Akkordverfahrens, in denen eine außergerichtliche Lösung der Krisensituation nicht gelungen ist, der Schuldner aber gleichwohl sanierungsfähig erscheint und die Gläubigermehrheit für eine planmäßige Lösung der Insolvenzsituation offen erscheint. 409 Für diese Fälle musste nun ein geeignetes Akkordverfahren geschaffen werden. Vergleich und Zwangsvergleich genügten nicht mehr. Allerdings durfte man auch von einem idealen Akkordverfahren keine Wunder erwarten, ist doch die Anzahl der Insolvenzfälle, in denen alle drei aufgezeigten Anwendungsvoraussetzungen gegeben sind, eher gering.410 Die statistische Krise der Akkordverfahren war daher trotz der geringen Fallzahlen keine quantitative, sondern eine qualitative.

405 Darauf weist Walendy, Funktion und Legitimation des Zwangsvergleichs, S. 146, zu Recht hin. Näher zum Begriff der »übertragenden Sanierung« oben bei A. II. 2. 406 Kilger, ZIP 1982, 779, 782. 407 Vgl. die Auskünfte der befragten Insolvenzverwalter bei Gessner/Rhode/Strate/Ziegert, Praxis der Konkursabwicklung, S. 227; ebenso Uhlenbruck, KTS 1981, 513, 516. 408 Gessner/Rhode/Strate/Ziegert, Praxis der Konkursabwicklung, S. 261; Stürner, ZIP 1982,761, 763. 409 Überzeugend insoweit Terhart, Chapter 11, S. 355 ff. 410 In den U. S. A. liegt die Zahl der Reorganisationsverfahren trotz eines modernen Akkordverfahrens im Schnitt nur bei 2 bis 4 Prozent der Insolvenzfälle, umfasst damit aber immerhin ca. 20.000 Verfahren (Daten für die Jahre 1988 bis 1992 bei Terhart, Chapter 11, S. 59).

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III. Die Reaktion des Gesetzgebers Der Gesetzgeber reagierte auf die Krise des Konkurs- und Vergleichsrechts mit einer Neuregelung und Vereinheitlichung des Insolvenzrechts in der Insolvenzordnung. Die aufgezeigten insolvenzrechtlichen Krisenursachen wurden dabei zumeist beseitigt. 1. Kein Eingriff in das zivilrechtliche System der Kreditsicherheiten Unangetastet blieben hingegen die vertraglich vereinbarten und im Wege der Rechtsfortbildung anerkannten anonymen Sicherungsrechte, obwohl deren Beschränkung zur Sicherung einer hinreichenden Insolvenzmasse stark diskutiert und oft gefordert wurde.411 Der Reformgesetzgeber ließ damit die Hauptursache der Massearmut unberührt und verzichtete bewusst auf Eingriffe in das bürgerlich-rechtliche System der Kreditsicherheiten und sonstigen Sicherungsrechte.412 Dieses Vorgehen kann überraschenderweise durchaus überzeugen. a) Die fehlende zeitliche Korrelation Im Ausgangspunkt ist es sicherlich zutreffend, die Massearmut moderner Insolvenzverfahren auch auf die Sicherungspraxis der Geld- und Warenkreditgeber zurückzuführen. Das Ausmaß der Bedeutungslosigkeit des Konkurs- und Vergleichsrechts, das in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts erreicht wurde, lässt sich allein hierdurch jedoch nicht erklären. Es fehlt schlicht an der zeit411 Vgl. von Caemmerer, JZ 1953, 97, 100; Drobnig, Verhandlungen des 51. Deutschen Juristentages, 1976, Band 1, Gutachten F, S. 73, 95; Fischer, NJW 1959, 366, 369; Hanisch, ZZP 90 (1977), 1, 13; Kilger, KTS 1975, 142, 160 ff.; Meyer-Cording, NJW 1979, 2126, 2127 f.; Münzel, MDR 1951, 129, 133; Weber, KTS 1959, 80, 84 (»Lebensfrage des Konkurses als Rechtsinstitut«); ders., FS 100 Jahre KO, 1977, 321, 356. In der Umfrage des Max-Planck-Instituts aus dem Jahr 1975 waren 85 Prozent der Konkursrichter für eine Beschränkung dieser Sicherungsrechte – vgl. Gessner/Rhode/Strate/Ziegert, Praxis der Konkursabwicklung, S. 118 f. Die Reformvorschläge reichten vom generellen oder zumindest teilweisen Verbot dieser Sicherungsrechte über die Schaffung eines Registers bis zur Einführung eines Schriftformerfordernisses – vgl. die Übersicht bei Drobnig, Verhandlungen des 51. Deutschen Juristentages, 1976, Band 1, Gutachten F, S. 59 ff. Der 51. Deutsche Juristentag sprach sich am Ende überwiegend gegen eine weitgehende materiellrechtliche Beschränkung der anonymen Sicherungsrechte aus und empfahl lediglich die Schaffung eines Schriftformerfordernisses (Verhandlungen des 51. Deutschen Juristentages, 1976, Band 2, Teil O, S. 181). Der erste Bericht der Kommission für Insolvenzrecht von 1985 enthielt in seinen Reformvorschlägen neben diesem Schriftformerfordernis noch eine Reihe gravierender Beschränkungen der Rechte gesicherte Gläubiger in der Insolvenz, die bis zur Umwandlung von Vorbehaltseigentum in Sicherungseigentum und der Möglichkeit einer Kürzung der Sicherheiten von 25 oder (bei Reorganisation) 50 Prozent reichten – dazu umfassend etwa Landfermann, KTS 1987, 381, 390 ff. m. w. N. Diese Vorstellungen konnten sich nicht durchsetzen und wurden schon im Diskussionsentwurf von 1988 wieder korrigiert – vgl. Baum, KTS 1989, 553, 557. 412 BT-Drucks.12/2443, S. 80: »Die Reformziele sind indessen, wie die Rechtsvergleichung zeigt, auch ohne Eingriffe in die zivilrechtliche Güterordnung, namentlich die Wertsubstanz der Kreditsicherheiten, erreichbar.«

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lichen Korrelation. Die heute gebrandmarkten anonymen Mobiliarsicherheiten waren schon weit vorher entstanden und anerkannt. So wurde der einfache Eigentumsvorbehalt durch den BGB-Gesetzgeber gegen Ende des 19. Jahrhunderts im damaligen § 455 BGB normiert. Die Praxis des Vorbehalts des Eigentums an der Kaufsache durch den Verkäufer bis zur Zahlung des Kaufpreises war bereits zuvor weit verbreitet. Es verwundert daher nicht, dass der Eigentumsvorbehalt schon in den Motiven der Reichskonkursordnung von 1877 als Aussonderungstatbestand im Konkurs anerkannt wurde. 413 Auch die sicherungshalber erfolgende Übertragung eines Rechts war von Beginn an im früheren § 223 Abs. 2 BGB414 gesetzlich anerkannt. Damit war sowohl die zum Zweck der Sicherung erfolgende Übertragung von Forderungen (Sicherungszession) als auch die des Eigentums selbst (Sicherungsübereignung) gesetzlich legitimiert.415 Insbesondere aufgrund dieser gesetzlichen Verankerung wurde die Zulässigkeit von Sicherungsübereignungen durch die Rechtsprechung auch nie wirklich in Frage gestellt. 416 Allerdings wurde ihnen im Konkurs stets nur die Wirkung eines Absonderungsrechtes zuerkannt,417 obwohl sie nach ihrer rechtlichen Konstruktion zu einer dinglichen Vollrechtsinhaberschaft des Sicherungseigentümers bzw. Sicherungszessionars führten. 418 413 Die Konkursordnung von 1877 ging sogar noch darüber hinaus und gestand auch demjenigen Verkäufer ein Aussonderungsrecht zu, der sich das Eigentum an der Kaufsache nicht vorbehalten hatte, dessen Ware aber im Zeitpunkt der Konkurseröffnung den insolventen Käufer noch nicht erreicht hatte (sog. Rückforderungs- oder Revindikationsrecht). Die Aussonderung (auch Vindikation genannt) aufgrund vorbehaltenem Eigentums war unstreitig – vgl. Hahn, Materialien, IV, S. 168: »Sofern der Verkäufer nicht auf Grund gesetzlichen oder auf Grund vertragsmäßigen Vorbehalts Eigentümer der gelieferten Ware geblieben ist und sie daher aus der Masse vindizieren könnte . . .«. Siehe auch Kohler, Konkursrecht, S. 191. 414 Heute § 216 Abs. 2 Satz 1 BGB. 415 Die Sicherungsübereignung entstand daher entgegen einer weit verbreiteten Ansicht (vgl. Kilger, Verhandlungen des 51. Deutschen Juristentages, 1976, Band 2, Teil O, S. 33) nicht praeter oder gar contra legem, sondern auf dem Boden des BGB, worauf schon Münzel, MDR 1951, 129, 130, hinweist. 416 Sie war schon im gemeinen Recht und im Preußischen Allgemeinen Landrecht bekannt – vgl. zum ganzen RGZ 57, 175, 177; 59, 146, 148; Wiegand, in: Staudinger, BGB, Anh zu §§ 929 ff Rn. 52 ff. 417 RGZ 24, 45, 48 ff.; 91, 12, 15; 118, 209; Wilmowski, KO (5. Auflage, 1896), § 40 Anm. 1 am Ende (für die Sicherungsübereignung) sowie § 57 Anm. 1 am Ende (für die Sicherungszession). 418 In den Motiven der Reichskonkursordnung von 1877 wird die zur Sicherung erfolgende Vollrechtsübertragung nicht erörtert. Man ging davon aus, dass Gegenstände, die nicht dem Gemeinschuldner, sondern Fremden gehören, nicht zur Konkursmasse gehören und auszusondern sind – vgl. Hahn, Materialien, IV, S. 157 oder 160. Besaß hingegen ein Gläubiger nicht das Vollrecht an einer Sache oder einer Forderung, sondern nur ein Pfandrecht an derselben, so erkannten die Motive diesem nur dann ein Absonderungsrecht zu, wenn das Pfandrecht durch den Besitz des Pfandrechtsgläubigers an der belasteten Sache oder an der Urkunde über die belastete Forderung nach außen erkennbar war, da der Gegenstand ansonsten vom Vermögen des Gemeinschuldners nicht zu unterscheiden war – vg. Hahn, Materialien, IV,

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Auf einer gesetzlich legitimen Grundlage standen damit auch die Verlängerungs- und Erweiterungsformen des Eigentumsvorbehalts und der Sicherungsübereignung in Weiterveräußerungs- und Verarbeitungsabreden. Allerdings traten diese Schöpfungen der Kautelarjuristen erst in den Zeiten der Wirtschaftskrise am Anfang der dreißiger Jahre merklich in Erscheinung.419 Das Reichsgericht reagierte auf diese Neuerungen ohne grundsätzliche Zulässigkeitsbedenken und beschränkte nur die formularmäßige Vereinbarung eines verlängerten Eigentumsvorbehalts.420 Der Bundesgerichtshof hingegen hat bereits im Jahre 1952 auch diese anerkannt. 421 Die kritisierten Sicherungsinstitute sind damit keineswegs Schöpfungen des späten 20. Jahrhunderts und haben sich auch nicht erst in dieser Zeit im Rechtsverkehr durchgesetzt. Ihre (Fort-)Entwicklung kann bei genauer Betrachtung der zeitlichen Zusammenhänge allenfalls für eine steigende Masselosigkeit von Konkursen in den Krisenzeiten der dreißiger Jahre verantwortlich gemacht werden. Für die erschreckende Entwicklung der siebziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts, die eigentlich erst zur Bedeutungslosigkeit der Konkursverfahren führte, fehlt hingegen jede zeitliche Korrelation. Die Herausbildung und Verbreitung der benannten anonymen Sicherungsrechte in Vereinbarungen und allgemeinen Geschäftsbedingungen war zu jener Zeit längst abgeschlossen. Hier müssen andere Faktoren eine maßgebliche Rolle gespielt haben.422 b) Die beschränkte Zuständigkeit des Insolvenzrechts Dennoch darf nicht verkannt werden, dass das Bestehen dieser Sicherungsrechte eine wichtige Ursache für die Masselosigkeit vieler Insolvenzen ist. Auf eine Beschränkung ihrer zivilrechtlichen Zulässigkeit wurde dennoch zu Recht verzichtet. Eine merkliche Korrektur der beanstandeten Sicherungspraxis hätte nur erfolgen können, indem bereits die Vereinbarung von Eigentumsvorbehalten, Sicherungsübereignungen, Globalzessionen oder auch Verarbeitungsklauseln gänzlich oder zumindest in Teilbereichen (wie den diversen Erweiterungsformen) als unzulässig angesehen wird. Eine solche Reform hätte jedoch nicht nur unabsehbare Folgen für den Handelsverkehr und die Kreditvergabepraxis S. 191 ff. Die Möglichkeit einer sicherungshalber erfolgenden Übertragung nicht nur des Besitzes, sondern auch des Vollrechts wurde nicht gesehen – so auch RGZ 24, 45, 49. 419 Fischer, NJW 1959, 366. 420 RGZ 142, 139, 142; 149, 96, 102; 155, 26, 31 ff.; RG JW 1939, 563; vgl. zur Rechtsprechungsentwicklung des Reichsgerichts: Flume, NJW 1950, 841, 845 f. Der erweiterte Eigentumsvorbehalt wurde hingegen stets auch in allgemeinen Geschäftsbedingungen anerkannt – RGZ 147, 321, 325; allgemein: RG Recht 1909 Nr. 2376. 421 BGHZ 7, 365, 369; später bekräftigt in BGHZ 26, 185, 189. 422 Ebenso: Uhlenbruck, FS 100 Jahre KO, 1977, 3, 21 und 24. Hanisch, Rechtszuständigkeit der Konkursmasse, S. 27, geht sogar davon aus, dass sich nichts Entscheidendes in den Insolvenzstatistiken ändern würde, wenn die Sicherungsübereignung und der Eigentumsvorbehalt beseitigt würden, da die Masseauszehrung dann durch andere Sicherungsmittel erfolgte, würde das moderne Kreditsystem doch solche benötigen.

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mit sich gebracht,423 sie wäre auch ein ganz erheblicher Einbruch in die Vertragsfreiheit. Ein solcher Eingriff mag aus Sicht des Insolvenzrechts wünschenswert sein. Er würde jedoch maßgebliche Wertungen des Vertragsrechts missachten. Danach trägt das Insolvenzrisiko seines Vertragspartners grundsätzlich jeder einzelne Gläubiger als persönliches Risiko. Es ist allein an ihm, sich seine Geschäftspartner sorgsam auszusuchen, deren Bonität zu prüfen und gegebenenfalls vertragliche Vorkehrungen zu treffen, um sein Insolvenzrisiko zu mindern. Die Möglichkeit, sich individuell durch vertragliche Vereinbarungen gegen Risiken abzusichern und dadurch auch Privilegien vor anderen zu erwerben, ist Teil der Grundkonzeption des BGB.424 Sie führt unter anderem dazu, dass in Mehrpersonenverhältnissen eine Rückabwicklung nichtiger Verträge grundsätzlich nur im jeweiligen Vertragsverhältnis stattfinden soll, da nur dann jeder Beteiligte allein das Entreicherungsrisiko für die Person trägt, die er sich als Vertragspartner ausgesucht hat. Auf diese Weise werden Insolvenzrisiken verteilt. Da jeder Gläubiger das Risiko der Insolvenz seines Vertragspartners selbst trägt, ist auch jeder Gläubiger gehalten, diesbezüglich vorzusorgen. Die Vereinbarung von Sicherungsrechten ist daher durchaus interessengerecht und wirtschaftlich geboten. »Sie ist in einem auf der Vertragsfreiheit basierenden Vermögensrecht systemimmanent.«425 Die Grenze der Zulässigkeit wird daher zu Recht erst dort gezogen, wo die Vertragsfreiheit mangels eines Verhandlungsgleichgewichtes zu Vereinbarungen führt, die einseitig die Interessen des Sicherungsnehmers bevorzugen. Übersicherungen müssen daher ebenso unwirksam sein wie knebelnde Vereinbarungen. In diesen Fällen lässt sich zu Recht vermuten, dass eine derartige Aufgabe von Rechtspositionen durch den Sicherungsge423 Die konkreten Auswirkungen auf das Kreditwesen und damit das Wirtschaftssystem wurden nie ermittelt und lassen sich nur schwer abschätzen. Knieper, BB 1977, 622, 625, weist aber wohl zu Recht darauf hin, dass in einem modernen Wirtschaftssystem der entstehende Kapitalbedarf die Anbindung an die bereits produzierte Wertsumme weit übersteigt und es schlicht notwendig ist, auch Kapital im Vorgriff auf noch nicht produzierte Werte zur Verfügung zu stellen. Ein derartiges Kreditsystem darf nicht auf Sicherheiten beschränkt werden, die zum Zeitpunkt der Kreditvergabe bereits dinglich vorhanden sind. Der Zugriff auf künftige Werte, der gerade durch die kritisierten publizitätslosen Sicherheiten erfolgt, muss möglich sein. Eine Erhöhung des Risikos für Kapitalgeber würde zwangsläufig den Kapitalfluss verteuern und damit unternehmerische Initiative hemmen – ähnlich Stürner, ZZP 94 (1981), 263, 271; warnend auch Drobnig, Verhandlungen des 51. Deutschen Juristentages, 1976, Band 1, Gutachten F, S. 55 f.; Henckel, Verhandlungen des 51. Deutschen Juristentages, 1976, Band 2, Teil O, S. 22; Schmidt, Gutachten D zum 54. Deutschen Juristentag, S. 54; weniger Bedenken dagegen bei Hanisch, ZZP 90 (1977), 1, 12. Insofern durchaus berechtigt war die ablehnende Stellungnahme des Arbeitskreises Insolvenzrecht, bestehend aus Vertretern von Industrieunternehmen, Wirtschaftsverbänden und Kreditversicherern – veröffentlicht von Komo/Seelig/Stech, BB 1982, 1453, hinsichtlich einer Beschränkung der zulässigen Sicherungsmittel. 424 Stürner, ZZP 94 (1981), 263, 270. 425 So zu Recht Wiegand, in: Staudinger, BGB, Anh zu §§ 929 ff. Rn. 46.

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ber nicht auf einer freiwilligen Entscheidung in einer paritätischen Verhandlungsposition erfolgte. Die von den Zivilgerichten entwickelten Grenzen der Zulässigkeit der massemindernden Sicherungsrechte sind daher durchaus überzeugend und schützenswert.426 Insolvenzrechtliche Überlegungen sollten hierauf nicht einwirken. Schließlich wird eine Schicksalsgemeinschaft aller Gläubiger erst durch die Insolvenz begründet.427 Nur in dieser Gemeinschaft kann der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung (»par conditio creditorum«) gelten, da sich erst in diesem Stadium die Risikoverteilung vom einzelnen auf die Gesamtheit der Gläubiger verschiebt und Sondervereinbarungen zugunsten nur eines Gläubigers folgerichtig nun unzulässig sind.428 Vorher vereinbarte Sicherungsrechte werden in ihrem Bestand hingegen nicht mehr bedroht; sie bleiben wirksam. Die Durchsetzung dieser Sicherungsrechte ist dann allerdings wie die Durchsetzung jeder Rechtsposition gegenüber dem insolventen Schuldner das originäre Regelungsgebiet des Insolvenzrechts. Dieses bestimmt allein, welchen Vorrang Sicherungsrechte vor anderen Sicherungsrechten oder einfachen Forderungen genießen. In seinen Regelungsbereich fallen daher insbesondere auch die Fragen, ob publizitätslose Sicherheiten als Aus- oder Absonderungsrecht Berücksichtigung finden sollen bzw. wie und ab wann die Verwertung der Absonderungsrechte erfolgen soll.429 In der Konsequenz dieses beschränkten Wirkungsbereiches des Insolvenzrechts und seiner Wertungen im Gesamtsystem des Zivilrechts war es richtig, die vorgefundene Sicherungspraxis durch die Insolvenzrechtsreform nicht zu verändern.430 Die Masseauszehrung, die infolgedessen weiterhin stattfindet, ist aus rein insolvenzrechtlichem Blickwinkel sicher zu bedauern. Sie ist jedoch Folge der anzuerkennenden und in der modernen Wirtschaft verbreiteten Möglichkeiten, das Schuldnervermögen bereits vorausschauend für den Fall der In426

Wiegand, in: Staudinger, BGB, Anh zu §§ 929 ff. Rn. 48. Dies übersieht, wer (wie Weber, KTS 1959, 80, 84) den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung zur Grundlage der Nichtigkeit der Sicherungsvereinbarungen machen will. Es ist zudem inkonsequent, diese Nichtigkeit nur für Mobiliarsicherheiten zu fordern, nicht hingegen für Grundpfandrechte – so zu Recht Stürner, ZZP 94 (1981), 263, 269. 428 Allein solche Sicherungsabtretungen, nach denen erst in diesem Stadium die Forderungen auf den Zessionar übergehen sollen, sind daher unzulässig – vgl. RGZ 138, 89, 94. 429 Diese Grenze ziehen auch Bauer, DZWIR 2007, 188, 190; Henckel, Verhandlungen des 51. Deutschen Juristentages, 1976, Band 2, Teil O, S. 22; Stürner, ZZP 94 (1981), 263, 271; Walendy, Funktion und Legitimation des Zwangsvergleichs, S. 24. Allerdings sind auch in der Insolvenz die zivilrechtlich begründeten Ansprüche in ihrem Rang zu respektieren, da ansonsten Umverteilungseffekte eintreten, die sachlich nicht zu rechtfertigen sind; Balz, ZIP 1988, 1438, 1439. 430 Im Ergebnis ebenso Balz, ZIP 1988, 1438, 1441; Wiegand, in: Staudinger, BGB, Anh zu §§ 929 ff. Rn. 36 ff. Das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes hat in dieser Frage – entgegen einer entsprechenden Äußerung des Insolvenzrechtsausschusses des Deutschen Anwaltsvereins in: KTS 1975, 59, 61 – keinen Einfluss. Aus ihm lässt sich weder ein Anspruch aller ungesicherten Gläubiger auf Durchführung eines Insolvenzverfahrens noch auf Sicherung einer Mindestquote zu Lasten der gesicherten Gläubiger herleiten. 427

C. Die Reform des Insolvenzrechts

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solvenz weitgehend zu verteilen und diese Verteilung zivilrechtlich festzuschreiben.431 Hohe Verteilungsquoten sind vor diesem Hintergrund in einem Insolvenzverfahren kaum noch zu erwarten. Es muss aber zumindest so viel Masse vorfinden, um seine Durchführung zu finanzieren, da nur so die Koordinierung der Ansprüche der einzelnen Beteiligten und damit ein geordnetes Ausscheiden des insolventen Unternehmens aus dem Markt bzw. die Wahrung seiner Sanierungschancen in einem staatlichen Verfahren gesichert bleibt. Hierin liegt – neben der Gewährung einer Chance auf einen »fresh start«, also einer Restschuldbefreiung – die Hauptaufgabe moderner Insolvenzrechte.432 Umso wichtiger war es, dass mit der Insolvenzrechtsreform die sonstigen Ursachen einer Masselosigkeit nahezu vollständig behoben wurden. 2. Die Sicherungsrechte in der Insolvenz Während der Reformgesetzgeber Eingriffe in das zivilrechtliche System der Sicherungsrechte vermied, beseitigte er weitgehend die Schwächen der bisherigen konkursrechtlichen Behandlung der Mobiliarsicherheiten. Der Ausgangspunkt ihrer insolvenzrechtlichen Wirkung blieb dabei noch identisch: vorbehaltenes Eigentum berechtigt nach wie vor zur Aussonderung in der Insolvenz des Käufers, wenn der Insolvenzverwalter die Erfüllungswahl hinsichtlich des Kaufvertrags ablehnt (vgl. §§ 103, 107 Abs. 2 InsO). Allerdings darf der Insolvenzverwalter gemäß § 107 Abs. 2 Satz 1 InsO mit der Ausübung seines Wahlrechts regelmäßig bis unmittelbar nach dem Berichtstermin warten und bis dahin die Sache im Besitz behalten und weiternutzen. Die vorläufige Fortführung des Unternehmens ist damit jedenfalls bis zum Berichtstermin gesichert. In diesem entscheiden die Gläubiger gemäß § 157 InsO über das Schicksal des Schuldnerunternehmens. Sanierungschancen bleiben gewahrt. Auch der Kreis der Absonderungsberechtigten blieb identisch. Er umfasst gemäß der §§ 50, 51 InsO neben den Pfandrechtsgläubigern insbesondere auch den Sicherungseigentümer und den Sicherungszessionar (§ 51 Nr. 1 InsO). Die Verwertung der Absonderungsrechte wurde dann jedoch in den §§ 166 ff. InsO weitgehend neu geregelt. So ist es den Gläubigern nun verwehrt, die besicherten Gegenstände aus der Insolvenzmasse herauszuverlangen, um diese eigenhändig zu verwerten. § 166 InsO beauftragt vielmehr den Insolvenzverwalter mit der Verwertung der besicherten Ansprüche sowie der in seinem Besitz befindlichen beweglichen Sachen. Hierüber hat dieser die betroffenen absonderungsberechtigten Gläubiger lediglich zu informieren (§§ 167, 168 InsO). Der Insolvenzver431 Hierauf wies bereits Uhlenbruck, FS 100 Jahre KO, 1977, 3, 25, hin. Anders Henckel, Verhandlungen des 51. Deutschen Juristentages, 1976, Band 2, Teil O, S. 8: »Wenn die Masse durch Sicherungsverträge vorweg verteilt ist, verfehlt der Konkurs seinen Zweck.« 432 Balz, ZIP 1988, 1438, 1439. Vgl. zum modernen Aufgabenfeld des Insolvenzrechts auch Flessner, ZIP 1981, 1283, 1287; Knieper, BB 1977, 622, 624 ff.

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walter kann zumindest bis zum Berichtstermin von der Verwertung der Sachen absehen, wenn er sie zur vorläufigen Fortführung des Schuldnerunternehmens benötigt; dies gilt auch danach, wenn die Gläubigerversammlung im Berichtstermin die Fortführung des Unternehmens beschließt. In diesem Fall hat er dem absonderungsberechtigen Gläubiger allerdings gemäß § 169 Satz 1 InsO die laufenden Zinsen ab dem Berichtstermin aus der Masse zu zahlen. Ein durch die Nutzung entstehender Wertverlust ist nach § 172 Abs. 1 InsO nur auszugleichen, wenn dieser die Sicherung des Gläubigers beeinträchtigt. Zudem erlaubt § 172 Abs. 2 InsO sogar die Verarbeitung der belasteten Sache, also insbesondere die Fertigstellung von besicherten Halbprodukten, wenn dadurch das Sicherungsrecht nicht beeinträchtigt wird, sondern sich an der neuen Sache fortsetzt oder eine Ersatzsicherheit gestellt wird. Eine durch die Verarbeitung entstehende Werterhöhung, die sein Sicherungsinteresse übersteigt, muss der Gläubiger nach § 172 Abs. 2 Satz 2 InsO freigeben. Die vorläufige Fortführung des Schuldnerunternehmens wird durch diese Neuregelungen ermöglicht; Sanierungschancen bleiben erhalten. Doch nicht nur die Sanierungschancen werden gesichert. Auch die kritisierten negativen Nebenwirkungen auf die Insolvenzmasse, welche die bisherige Rechtslage bei der Verwertung der Absonderungsrechte mit sich brachten, werden weitgehend beseitigt. Dies gilt zunächst für die Kostenlast. Der Insolvenzverwalter darf nun die durch die Feststellung der Sicherungsrechte und deren Verwertung entstehenden Kosten beim Gläubiger geltend machen und als Kostenbeitrag nach § 170 Abs. 1 Satz 1 InsO vorweg für die Insolvenzmasse aus dem Verwertungserlös entnehmen. Die Feststellungskosten sind dabei mit vier Prozent des Verwertungserlöses anzusetzen (§ 171 Abs. 1 Satz 2 InsO); die Verwertungskosten mit fünf Prozent, soweit nicht die tatsächlichen Verwertungskosten erheblich höher bzw. niedriger sind (§ 171 Abs. 2 Satz 1 InsO). Und auch die Umsatzsteuerbelastung der Masse wurde beseitigt: gemäß § 171 Abs. 2 Satz 3 InsO ist der als Umsatzsteuer anfallende Betrag ebenfalls vorweg aus dem Verwertungserlös zu entnehmen. Die neuen Verwertungsregelungen verhindern sowohl eine vorzeitige Zerschlagung des Schuldnerunternehmens wie auch eine finanzielle Belastung der Insolvenzmasse infolge der Geltendmachung von Absonderungsrechten und reagieren damit auf die Kritikpunkte an der bisherigen Rechtslage, soweit diese sich auf das Insolvenz- und nicht das Zivilrecht bezogen. Die Verwertung von Sicherheiten an Immobilien wurde demgegenüber nicht verändert, da sie nie die kritisierten Schwächen aufwies. Die §§ 49, 165 InsO verweisen diesbezüglich wie schon § 126 KO auf die Regelungen des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung (vgl. §§ 172 ff. ZVG). Die Unternehmensfortführung wird dort durch die §§ 30d bzw. 153b ZVG gesichert, welche zu diesem Zweck die einstweilige Einstellung des Verfahrens ermöglichen. Die Kosten des dortigen Verfahrens treffen nicht die Masse, sondern sind nach § 109 ZVG vor-

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weg aus dem Versteigerungserlös bzw. bei einer Zwangsverwaltung nach § 155 Abs. 1 ZVG vorweg aus den Nutzungen zu entnehmen. 3. Begrenzung der Masseverbindlichkeiten und Beseitigung von Vorrechten Eine spürbare Entlastung der Insolvenzmasse von Masseverbindlichkeiten ist durch die Insolvenzrechtsreform kaum erfolgt. Die Regelungen, welche Ansprüche zu Masseschulden erhoben, blieben im Wesentlichen unverändert (vgl. §§ 57 ff. KO und §§ 53 ff. InsO). Insbesondere das Fortbestehen von Miet-, Pacht- und Arbeitsverhältnissen und die daraus folgende Belastung der Masse mit fortlaufenden Entgeltansprüchen wurde nicht angetastet (vgl. §§ 108 ff. InsO). Sozialplanansprüche blieben Masseverbindlichkeiten (§ 123 Abs. 2 InsO); lediglich ihre Vollstreckung in die Masse ist untersagt (§ 123 Abs. 3 Satz 2 InsO). Auch Nachteilsausgleichsansprüche aus § 113 Abs. 3 BetrVG, die vom (auch vorläufigen) Insolvenzverwalter begründet wurden, sind weiterhin Masseverbindlichkeiten.433 Erleichterungen erfolgten nur in wenigen, wenn auch wichtigen Detailfragen. So können rückständige Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis aus den letzten sechs Monaten vor der Verfahrenseröffnung nicht mehr als Masseforderungen verfolgt werden; § 59 Abs. 1 Nr. 3 KO wurde ersatzlos gestrichen. Eventuelle Regressansprüche der Bundesagentur für Arbeit gemäß § 187 SGB III wegen gezahltem Insolvenzgeld sind stets nur Insolvenzforderungen. 434 Und schließlich sind bei Sukzessivlieferverträgen, die aufgrund der Wahl des Insolvenzverwalters fortgesetzt werden, gemäß § 105 InsO nur noch diejenigen Entgeltansprüche des Lieferanten Masseverbindlichkeiten, die auf Lieferungen in der Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entfallen. Wegen offener Forderungen aus älteren Lieferungen ist der Lieferant trotz der Erfüllungswahl nur Insolvenzgläubiger. Wirklich bedeutend ist demgegenüber der Wegfall der Konkursvorrechte aus § 61 KO. Diese wurden durch die Insolvenzrechtsreform vollständig beseitigt.435 Insbesondere das viel kritisierte Fiskusvorrecht aus § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO ist damit entfallen. Verbindlichkeiten des Schuldners beim Finanzamt oder bei Sozialversicherungsträgern sind damit nun als Insolvenzforderungen geltend zu machen und belasten die Insolvenzmasse nicht mehr. 436 433

Vgl. Hefermehl, in: MünchKomm, InsO, § 55 Rn. 182 ff. Dies gilt gemäß § 55 Abs. 3 InsO selbst in den Fällen, in denen der vorläufige Insolvenzverwalter vor Verfahrenseröffnung die Arbeitnehmer nicht freistellte, sondern deren Arbeitskraft in Anspruch nahm. 435 Die gegen diese Behauptung vorgebrachten »Fiskusprivilegien« in einzelnen Steuergesetzes (vgl. etwa Bauer, DZWIR 2007, 188, 189) geben dem Fiskus lediglich vereinzelte Sonderrechte, etwa bei der Aufrechnung oder dem Zugriff auf Dritte, erreichen aber keineswegs die Vorrangwirkung des alten Fiskusvorrechts nach der Konkursordnung. 436 Die Sozialversicherungsträger genießen zudem auch in der Insolvenzanfechtung keine Sonderstellung. Die hierauf abzielende Neufassung des § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV zum 1. 1. 434

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4. Erleichterungen im Anfechtungsrecht Während spürbare gesetzliche Verschärfungen im Gesellschaftsrecht oder im Insolvenzstrafrecht infolge der Insolvenzrechtsreform ausblieben, wurden die Anfechtungsmöglichkeiten zugunsten der Insolvenzmasse erheblich ausgebaut. Insbesondere die Tatbestände der besonderen Insolvenzanfechtung (§§ 130 bis 132 InsO) wurden in zeitlicher wie inhaltlicher Hinsicht deutlich erweitert und weitgehend von subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen befreit. Soweit Anfechtungstatbestände weiterhin subjektive Voraussetzungen enthalten, erleichtern nun gesetzliche Vermutungen deren Nachweis (vgl. §§ 130 Abs. 2 und 3, 133 Abs. 1 Satz 2 InsO). Das Anfechtungsrecht sollte auf diese Weise seine Aufgabe wieder wirksam erfüllen können.437 5. Sicherung einer frühzeitigen Insolvenzantragstellung Auf eine Verschärfung der bestehenden Antragspflichten bei Kapitalgesellschaften wurde genauso verzichtet wie auf deren Einführung für Personengesellschaften oder Einzelunternehmer. Neu geschaffen wurde hingegen der Eröffnungsgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit in § 18 InsO. Dieser ermöglicht dem Schuldner einen frühzeitigen Insolvenzantrag in der Unternehmenskrise und dient damit primär der Sicherung bzw. Verbesserung von Sanierungschancen.438 6. Verbesserung der Insolvenzverwaltervergütung? Der vielfachen Kritik an einer unzureichenden Vergütung der Konkursverwalter wurde durch eine Neuregelung derselben in der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung (InsVV) begegnet. Inwieweit aus dieser wirklich eine Erhöhung der Vergütung im Einzelfall entsteht, lässt sich pauschal kaum abschätzen und wird teilweise durchaus skeptisch bewertet.439

2008 erwies sich glücklicherweise als handwerklich so mangelhaft, dass der BGH eine Unanfechtbarkeit der Zahlung von Arbeitnehmeranteilen an die Sozialversicherung ablehnen konnte – BGH NJW 2010, 870. Im Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen aus dem Sommer 2010 ist in Artikel 4 nun sogar die Streichung der Norm vorgesehen. Mithin lässt sich eine »schleichende Wiederkehr der Konkursprivilegien« (so Pape, ZInsO 2009, 1, 5) in den letzten Jahren tatsächlich nicht nachweisen. Abzuwarten bleibt allerdings, ob die in Zeiten knapper Kassen gerade aus dem Bundesministerium der Finanzen erhobene Forderung nach der offenen Wiedereinführung des Fiskusvorrechts gegen den Widerspruch der Wirtschaft und Wissenschaft durchzusetzen ist. 437 So die Begründung des Regierungsentwurfes zur InsO – nachzulesen bei Balz/Landfermann, Insolvenzgesetze, S. 227. 438 BT-Drucks. 12/2443, S. 81, 84. 439 Vgl. nur Nowak, in: MünchKomm, InsO, § 63 Rn. 5.

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7. Sicherung der Kostendeckung im Eröffnungsverfahren Der Reformgesetzgeber reagierte also auf die zunehmende Funktionslosigkeit des Insolvenzrechts durch eine weitgehende Beseitigung der auf dem Gebiet des Insolvenzrechts liegenden Ursachen der Masselosigkeit vieler Insolvenzen. Hilfreich ist in diesem Zusammenhang auch, dass eine Verfahrenseröffnung nun bereits erfolgt, wenn genügend Insolvenzmasse vorhanden ist, um die Kosten des Insolvenzgerichts und des Insolvenzverwalters aus § 54 InsO zu begleichen. Sonstige Massekosten müssen entgegen der früheren Rechtslage (vgl. §§ 107 Abs. 1, 58 KO) nicht mehr gedeckt sein.440 Gleichzeitig haben die Verfahrenskosten nun Vorrang vor allen anderen Masseschulden (vgl. §§ 207 Abs. 3, 209 InsO), weshalb das Verfahren selbst dann zu eröffnen ist, wenn von vornherein nur ein Vermögen vorhanden ist, das die Verfahrenskosten abdeckt.441 Das so eröffnete Verfahren ist dann erst aufgrund einer Masseunzulänglichkeitsanzeige des Insolvenzverwalters gemäß § 211 InsO einzustellen, wodurch ein Verfahrenszeitraum entsteht, in dem insbesondere Insolvenzanfechtungen ermöglicht werden.442 Schließlich bleibt die Möglichkeit eines Kostenvorschusses (§§ 26 Abs. 1 Satz 2, 207 Abs. 1 Satz 2 InsO), der durch jeden Beteiligten sowie durch Dritte gezahlt werden kann und allein der Kostendeckung dient. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens sollte infolge dieser Maßnahmen wieder zum Regelfall werden.443

IV. Die Rückkehr eines wirkungsvollen Insolvenzrechts Die in die Insolvenzordnung gesetzten Hoffnungen haben sich überwiegend erfüllt. Dies gilt insbesondere für die Eröffnungsquote. Das Insolvenzverfahren ist wieder zu dem Ort geworden, an dem sich der Marktaustritt eines Unternehmens vollzieht. Die Entwicklung des modernen Insolvenzrechts ist damit allerdings keinesfalls abgeschlossen. Es hat sich bereits in den ersten Jahren der neuen Insolvenzordnung in vielen Detailfragen (z. B. Insolvenzverwalterauswahl, Rechtsmittelweg, internationales Insolvenzrecht) ein nicht unerheblicher Nachbesserungsbedarf ergeben, der zu einer ganzen Reihe von Änderungsgesetzen führte.444 Festzuhalten bleibt dabei aber, dass die Kernaussagen des neuen Insolvenzrechts bislang unangetastet blieben. 440

BT-Drucks. 12/2443, S. 85. Nach § 60 Abs. 1 KO gingen im Falle einer Masseunzulänglichkeit Masseschulden aus Verwalterhandeln und fortgeführten Verträgen den Verfahrenskosten vor, so dass massearme Konkurse selbst im Fall ihrer Eröffnung schnell wieder eingestellt wurden (§ 204 KO) und gerade keine geordnete Konkursabwicklung erfolgte (vgl. BGHZ 90, 145, 150). 442 BT-Drucks. 12/2443, S. 85. 443 Kilger, ZIP 1982, 779, 785; vorsichtig optimistisch auch Terhart, Chapter 11, S. 341. 444 Einen kurzen Überblick geben etwa Pape, ZInsO 2009, 1, 2 oder Uhlenbruck/Vallender, NZI 2009, 1. 441

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1. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Regelfall Die Reformmaßnahmen waren jedenfalls insofern ein unbestrittener Erfolg, als dass in der überwiegenden Vielzahl der Unternehmensinsolvenzen wieder ein Insolvenzverfahren eröffnet wird und der Marktaustritt bzw. die Sanierung des Unternehmens auf diese Weise in geregelten Bahnen verläuft. Die statistischen Daten der ersten zehn Jahre unter dem neuen Insolvenzrecht zeigen eine Trendwende mit einer stetig wachsenden Eröffnungsquote. Wurden im Jahr 1999 bei 26.462 Unternehmensinsolvenzen noch 16.898 Verfahrensanträge mangels Masse abgelehnt (63,9 Prozent), so sank diese Ablehnungsquote bis zum Jahr 2008 kontinuierlich auf 27,1 Prozent (7.932 Ablehnungen mangels Masse bei 29.291 Anträgen). Ein Ende dieser positiven Entwicklung scheint noch nicht erreicht (vgl. Tab. 1). Insolvenzverfahren: Deutschland, Jahre, Beantragte Verfahren Insolvenzstatistik 25.000 22.500 20.000 17.500

Werte

15.000 12.500 10.000 7.500 5.000 2.500 0 99

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Zeit eröffnet, Insolvenzverfahren (Unternehmen), Anzahl mangels Masse abgewiesen, Insolvenzverfahren (Unternehmen), Anzahl

Tab. 1: Zahlen der eröffneten und mangels Masse abgewiesenen Insolvenzverfahren in den Jahren 1999 bis 2008. Quelle: Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2009.

2. Die explosionsartige Zunahme der Verbraucherinsolvenzverfahren Zugleich müssen die Insolvenzgerichte eine ungeheure Vielzahl an Verbraucherinsolvenzen bewältigen, die in der Regel allein der Erlangung einer Restschuldbefreiung dienen. Insbesondere mit der Einführung der Stundungsmög-

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lichkeit für die Verfahrenskosten bei Verbraucherinsolvenzen in § 4a InsO durch das Insolvenzrechtsänderungsgesetz vom 26. Oktober 2001 überfluteten Anträge von Verbrauchern geradezu die Insolvenzgerichte. Die Zahl der eröffneten Verbraucherinsolvenzverfahren stieg von ca. 8.000–10.000 in den Jahren 2000 und 2001 auf ca. 120.000 in den Jahren 2006 bis 2008. Die Ablehnungsquote liegt hier seit 2006 unter 4 Prozent. Die mit dieser Verfahrensflut einhergehende Arbeitsbelastung wie auch der Umstand, dass in der Mehrzahl dieser Verfahren nicht einmal die gestundeten Verfahrenskosten in der Wohlverhaltensperiode vom Schuldner geleistet werden, führte bereits zu gesetzgeberischen Überlegungen, die Restschuldbefreiung wieder445 vom Insolvenzrecht zu trennen und in einem eigenständigen Gesetz zu regeln. Der dazu im Jahr 2007 vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Entschuldung mittelloser Personen ist bislang jedoch nicht Gesetz geworden. 446 3. Die nur zögerliche Akzeptanz des Insolvenzplans Im Gegensatz zu den anderen maßgeblichen Reformzielen stellte sich der Erfolg hinsichtlich der Akzeptanz des Insolvenzplans als alternative Form der Insolvenzbewältigung, insbesondere als Mittel zur Sanierung des Schuldnerunternehmens noch in der Insolvenz, nicht so überdeutlich ein. Zwar ging auch diesbezüglich die Reform weit über eine bloße Behebung der oben aufgezeigten,447 eher formellen Kritikpunkte hinaus. Getragen vom Gedanken, dem deutschen Insolvenzrecht endlich ein echtes Sanierungsverfahren zu geben, beließ man es nicht bei kleineren Korrekturen des Zwangsvergleichs- bzw. Vergleichsverfahrens, sondern richtete das Akkordverfahren in der Insolvenzordnung so aus, dass es gerade und endlich auch zu Sanierungszwecken geeignet, ja maßgeschneidert erschien.448 Der Sanierungsplan sollte Einzug in das deutsche Insolvenzrecht halten. Die statistischen Daten weisen dem Insolvenzplan dennoch bislang eine sehr untergeordnete Rolle bei der Insolvenzbewältigung zu. So wurde etwa im Zeitraum von 1999 bis 2007 bei 171.384 eröffneten Insolvenzverfahren nur in 1.505 Fällen (0,88 Prozent) ein Insolvenzplanvorgelegt, der nur in 1.218 Verfahren (0,71 Prozent) die gerichtliche Vorprüfung (§ 231 InsO) überstand und dann stets das Verfahren beendete. Immerhin zeigt sich eine positive Tendenz: die 445 Bereits der nationalsozialistische Gesetzgeber hatte ein Restschuldbefreiungsverfahren, das Gesetz über die Bereinigung alter Schulden vom 17. August 1938, eigenständig normiert. Näheres dazu bereits oben unter B. V. 446 Dem Diskussionsentwurf vom 27. Januar 2007 folgte ein nahezu inhaltsgleicher Regierungsentwurf am 22. August 2008 (BT-Drucks. 16/7416). Nach einer negativen Stellungnahme des Bundesrates und Vorbehalten unter vielen Abgeordneten ist derzeit fraglich, ob und wann das Gesetz zur Abstimmung gelangen wird. 447 Siehe in diesem Abschnitt oben unter II. 7. 448 Vgl. Schmidt, Gutachten D zum 54. Deutschen Juristentag, S. 35.

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Kapitel 1: Betriebswirtschaftliche und rechtshistorische Sicht

absolute Zahl der Planvorlagen steigt kontinuierlich – von 47 im Jahr 1999 (0,25 Prozent aller Verfahren) auf 278 im Jahr 2007 (1,36 Prozent aller Verfahren). 449 Eine wirkliche Bedeutung hat der Insolvenzplan damit bislang allenfalls in Einzelfällen erlangt. Dies mag zum einen daran liegen, dass die gerichtliche Insolvenz nach über einhundert Jahren der Konkursordnung immer noch mit dem Makel des Scheiterns und dem Bild eines Zerschlagungsmechanismus besetzt ist.450 Dieses Bild ist so tief im deutschen Bewusstsein verankert, dass selbst die politischen Eliten die Insolvenz eines Unternehmens nach wie vor als dessen Ende und daher als möglichst zu verhinderndes Übel begreifen. Die – politisch aufgeheizten – Debatten um eine staatliche Rettungsaktion für Opel oder Arcandor im Jahr 2009 haben dies deutlich gezeigt.451 Die mangelnde Bereitschaft der Schuldner zu einer frühzeitigen Insolvenzantragstellung über den Eröffnungsgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit kann vor diesem Hintergrund wenig überraschen.452 Erst zögerlich schaffen Begriffe wie der einer »Planinsolvenz« oder auch einer »geordneten Insolvenz« neue Assoziationen und lassen die Optionen, die das Insolvenzrecht nun durch das Planverfahren bietet, auch in der breiten Öffentlichkeit publik werden.453 Allein, diese Metamorphose des Bewusstseins abzuwarten genügt nicht, um dem Planverfahren auch eine statistisch relevante Rolle bei der Insolvenzbewältigung zukommen zu lassen.454 Ein Unternehmen wird sich erst dann hinreichend frühzeitig für den Gang durch ein plangemäßes, also gerichtliches Sanierungsverfahren entscheiden, wenn es in Deutschland endlich tatsächlich eine echte »Planinsolvenz« gibt. Hierzu muss ein Krisenunternehmen (wie auch dessen Arbeitnehmer und Gläubiger) darauf vertrauen können, dass im frühzeitig eingeleiteten Insolvenzverfahren eine Unternehmensfortführung stattfindet und eine planmäßige Sanierung erfolgt. Der entscheidende Nachteil des derzeitigen, einheitlichen Insolvenzrechts 449 Quelle: Berechnungen des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn (Stand Mai 2008). Die Statistiken für Nordrhein-Westfalen aus den Jahren 2002 bis 2008 bestätigen die bundesweiten Daten, weisen sie doch ebenfalls nur in 0,5 Prozent der eröffneten Insolvenzverfahren die Annahme eines Insolvenzplans nach – vgl. Kranzusch, ZInsO 2009, 1513, 1514. 450 Siehe etwa den Erfahrungsbericht von Gerster, ZInsO 2008, 437, 438. 451 Smid, DZWIR 2009, 397, 399, bemerkt diesbezüglich zutreffend: »Der Fall Opel [ist] die Bankrotterklärung einer Politik, die an ihre eigenen Verlautbarungen ebenso wenig glaubt wie sie Vertrauen in die Gesetze hegt, die sie produziert.« 452 Pape, ZInsO 2009, 1, 4. 453 Auch bei den Insolvenzgerichten stoßen Planvorlagen immer noch verbreitet auf Widerstand, da sie mit einem erhöhten Arbeitsaufwand assoziiert werden, Hingerl, ZInsO 2008, 404, 408; auch Gerster, ZInsO 2008, 437, 439. Daneben ist auch bei den Insolvenzverwaltern eine Unternehmensfortführung nicht gerade beliebt, bedeutet diese doch häufig »mehr Arbeit, mehr Haftung, weniger Geld«; Undritz, NZI 2007, 65, 72; drastischer: Schmidt, ZInsO 2006, 791. 454 So aber wohl Pape, ZInsO 2009, 1, 5 f.; Schmudde/Vorwerk, ZInsO 2006, 347, 349. Der Bewusstseinswandel muss neben den Schuldnern und Insolvenzpraktikern auch die Gläubiger erfassen, die bereit sein müssen, auf nur noch formal vorhandene Forderungspositionen weitgehend zu verzichten.

C. Die Reform des Insolvenzrechts

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besteht leider darin, eine solche Garantie nicht geben zu können und das Schicksal des Unternehmens wie auch der Arbeitsplätze in die Hand der nach § 157 InsO entscheidenden Gläubigerversammlung bzw. der nach § 243 InsO entscheidenden Gläubigergruppen zu legen.455 Das Schicksal des Unternehmens entscheidet sich damit stets erst im gerichtlichen Verfahren. Eine zeitliche Vorverlagerung dieser Entscheidung im Interesse der Planungssicherheit ist hier notwendig und möglich. 456 Unabhängig davon wird die Relevanz einer Planlösung in der Insolvenz stets dadurch limitiert, dass ein Planverfahren nur in den Fällen wirtschaftlich vernünftig ist, in denen der Schuldner zumindest sanierungsfähig, also kein bloßer Liquidationskandidat ist, woran es in der Mehrzahl der Insolvenzfälle mangelt.457 Und selbst bei sanierungsfähigen Unternehmen kommt ein Planverfahren nur zum Zuge, wenn die Alternative einer übertragenden Sanierung über die §§ 160 ff. InsO nicht vorzugswürdig ist.458 In der deutschen Insolvenzpraxis dominiert auch aus diesem Grund die übertragende Sanierung die Rettungsbemühungen um insolvente Unternehmen.459 Trotz einer gewissen grundsätzlichen Enttäuschung hat der Insolvenzplan immerhin eine beachtliche Relevanz bei der Rettung einzelner Großunternehmen erlangt. Großinsolvenzen wie die von Herlitz oder der Senator Entertainment AG machen deutlich, dass der Insolvenzplan in der Praxis als Sanierungsinstrument funktionieren kann und zumindest insofern ein Erfolg ist,460 zumal die Deckungsquoten, die für die Insolvenzgläubiger gerade in großen Insolvenzfällen erzielt werden, durchaus beachtlich sind.461 Im Schatten dieser spektakulären Fälle gelingen aber auch immer wieder Plansanierungen von Klein(st)unternehmen. 462 Die im Jahr 2010 im Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen vorgesehenen Reformmaßnahmen werden an den aufgezeigten grundlegenden Mängeln im derzeitigen Planverfahren leider wenig ändern. Das Planverfahren bliebe auch danach in seinem Ausgang wenig planbar und hätte weiter nur eine geringe Anzahl an wirtschaftlich tauglichen Plankandidaten. 455

Hierauf weist Anton, ZInsO 2009, 506, 507, zutreffend hin. Siehe hierzu den Vorschlag einer »Bestätigungsinsolvenz« im 5. Kapitel unter C. 457 Gerster, ZInsO 2008, 437, 440. 458 Näher dazu bereits bei A. III. 3. 459 Hagebusch/Oberle, NZI 2006, 618, 620; Uhlenbruck/Vallender, NZI 2009, 1, 5; Westpfahl/Janjuah, ZIP 2008, Beilage zu Heft 3, 1, 2. 460 Schmudde/Vorwerk, ZInsO 2006, 347, 350; Uhlenbruck/Vallender, NZI 2009, 1, 5. Hagebusch/Oberle, NZI 2006, 618, 620, sehen insbesondere bei großen und mittelgroßen Verfahren mit komplexen Finanzstrukturen einen Bedeutungszuwachs der Planverfahren. 461 Die Statistiken für Nordrhein-Westfalen aus den Jahren 2002 bis 2008 weisen für erfolgreiche Insolvenzplanverfahren größerer Unternehmen durchschnittliche Deckungsquoten von über 50 Prozent nach – vgl. Kranzusch, ZInsO 2009, 1513, 1518 f. 462 Siehe etwa den Erfahrungsbericht von Stapper, ZInsO 2009, 2361, 2362. Dieser hält es für realistisch, in 3 Prozent aller Insolvenzverfahren eine Planlösung zu fi nden. 456

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V. Die U. S.-amerikanischen Wurzeln des Insolvenzplans Der Erfolg des Planverfahrens basiert primär darauf, dass der Reformgesetzgeber die Vorgängerregelungen des Vergleichs und des Zwangsvergleichs nicht nur überarbeitete, sondern mit dem Insolvenzplan ein neues Rechtsinstitut kreierte. Er ging dabei in den grundsätzlichen Fragen des Verfahrens- und Abstimmungsablaufs zunächst von Überlegungen aus, die Karsten Schmidt in seinem Gutachten zum 54. Deutschen Juristentag463 formuliert hatte.464 Später löste er sich dann jedoch von der sehr sanierungsbezogenen Sichtweise Schmidts und schuf so mit dem Insolvenzplan nicht allein einen Sanierungsplan, sondern einen umfassenden »Rechtsrahmen für die einvernehmliche Bewältigung der Insolvenz im Wege von Verhandlungen und privatautonomen Austauschprozessen« mit einem »Höchstmaß an Flexibilität«, ein »universelles Instrument der Masseverwertung«.465 Prägendes Vorbild für die Ausgestaltung des neuen Insolvenzplanverfahrens war dabei das U. S.-amerikanische Recht, dessen Regelungen hinsichtlich einer Masseverwertung mittels Planes dem Reformgesetzgeber als »vorbildlich« und »von besonders hoher Reife« erschienen. 466 Der Reorganisationsplan in Chapter 11 des U. S. Bankruptcy Code wurde daher die maßgebliche Quelle für das neue Rechtsinstitut des Insolvenzplans. 1. Das Verfahren nach Chapter 11 des Bankruptcy Code Es sind also die Mechanismen und Strukturen, die das amerikanische Reorganisationsverfahren in Chapter 11 prägen, welche als Vorbild für die Regelungen des deutschen Insolvenzplanverfahrens Eingang in das deutsche Insolvenzrecht gefunden. Begriffe wie das Obstruktionsverbot (cramdown), der »best interest test« und selbst der des Plans an sich sind in Deutschland neu. Zur ihrem besseren Verständnis wird im Folgenden nicht nur ihre historische Entwicklung nachvollzogen, sondern auch ihre gegenwärtige Bedeutung dargestellt. Darauf aufbauend muss natürlich hinterfragt werden, wie im amerikanischen Recht die Rechtsnatur eines Reorganisationsplans betrachtet wird und ob sich aus der Abkehr des deutschen Gesetzgebers von Vergleich und Zwangsvergleich hin zum Plan auch eine Abkehr vom Vertragsdogma folgt.

463

Schmidt, Gutachten D zum 54. Deutschen Juristentag, 1982. Vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 103. 465 BT-Drucks. 12/2443, S. 90. 466 BT-Drucks. 12/2443, S. 106. Dies ist insofern verständlich, als immer wieder große Reorganisationsfälle als Chapter 11-Verfahren erfolgreich abgewickelt werden. Andererseits liegt der Anteil der Reorganisationsverfahren an den Insolvenzverfahren in den U. S. A. nur bei ca. 2 bis 4 Prozent und ist damit ähnlich gering wie in Deutschland (Zahlen für die Jahre 1988 bis 1992 aus Terhart, Chapter 11, S. 59). Dies dürfte nun einmal dem Anteil der sanierungsfähigen Schuldner entsprechen. 464

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a) Die Entwicklung des Reorganisationsverfahrens und seiner Prinzipien Ein eigenes amerikanisches Insolvenzecht entstand bereits unmittelbar nach der Verabschiedung der Verfassung der Vereinigten Staaten, also nach der Schaffung der Grundlagen eines eigenen Rechtssystems. Bereits im Jahr 1800 trat der erste Bankruptcy Act in Kraft. Das darin enthaltene Insolvenzverfahren enthielt natürlich einen Mechanismus der Gesamtvollstreckung. Daneben ermöglichte aber bereits dieses erste amerikanische Insolvenzgesetz dem redlichen Schuldner eine Restschuldbefreiung am Ende des Verfahrens und unterschied sich insofern grundsätzlich vom damaligen deutschen Recht. Der Gedanke, dass ein Insolvenzverfahren nicht nur der geordneten Verwertung des Schuldnervermögens zugunsten der Gläubiger, sondern auch der Entschuldung des redlichen Schuldners dienen sollte, war insofern von Beginn an Teil des amerikanischen Insolvenzrechts. Es verdankte diese Modernität seinem englischen Ursprung. Das englische Insolvenzrecht hatte bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts eine beachtliche Entwicklung vollzogen. In seinen Anfängen stand es wie die kontinentaleuropäischen Insolvenzgesetze eher einer strafrechtlichen Regelung nahe; eine Restschuldbefreiung für den redlichen Schuldner war nicht denkbar. Die erste englische Kodifizierung eines Insolvenzgesetzes findet sich in der Gesetzgebung von Heinrich VIII (1542).467 Sie sah im Bankrott des Schuldners allein den Aspekt einer strafwürdigen Handlung (»acts of bankruptcy«) und war entsprechend schuldnerfeindlich ausgestaltet. So erfasste die hoheitliche Beschlagnahme infolge der Insolvenz nicht nur das Schuldnervermögen, sondern auch die Person des Schuldners selbst. Schon 28 Jahre später (1570) wurde das Gesetz durch Elisabeth I maßgeblich modifiziert. Sie begrenzte zunächst den Anwendungsbereich des Insolvenzrechts auf Kaufleute, sah für diese dann aber vor, dass nicht nur deren vorhandenes, sondern auch jedes künftige Vermögen der Beschlagnahme unterliegt. 468 Eine Restschuldbefreiung wurde nicht einmal erwogen. An dieser grundsätzlich kriminalisierenden Sichtweise hielt auch die nächste grundlegende Überarbeitung des englischen Insolvenzrechts durch Königin Anne im Jahre 1705469 fest, ermöglichte es doch etwa die Verhängung der Todesstrafe bei betrügerischem Bankrott. Es war allerdings gerade dieses Gesetz von 1705, das erstmals für solche Schuldner, die im Konkursverfahren kooperierten, die Möglichkeit der Restschuldbefreiung vorsah.470 Der Gedanke der Restschuldbefreiung für den 467

»An Act against Such Persons as Do Make Bankrupts«, 34 & 35 Henry VIII. Ausführlich zu beiden Regelungen: Remington, Bankruptcy Law, Vol. I, 1915, S. 3 ff.; Tabb, 3 Am. Bankr. Inst. L. Rev. 7–10 (1995). 469 »An act to prevent frauds frequently committed by bankrupts«, 4th Anne. (auch »Statute of Anne« oder »Queen Anne’s Act« genannt). 470 Remington, Bankruptcy Law, Vol. I, 1915, S. 10; Tabb, 3 Am. Bankr. Inst. L. Rev. 10 (1995). Die Restschuldbefreiung wurde jedoch schon bald von weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht (wie etwa der Zustimmung der Gläubiger oder aber dem Erreichen einer Min468

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redlichen Schuldner war im englischen Recht verankert. 471 Das erste bundesweite amerikanische Konkursgesetz von 1800 übernahm weitgehend das damals geltende englische Recht und gewährte unter ähnlichen Umständen eine Schuldbefreiung. Anders als in Deutschland war die Entschuldung des Schuldners und die damit verbundene Ermöglichung eines »fresh start« folglich immer Teil der Verfahrensfunktion des U. S.-Insolvenzrechts. Dieser Aspekt wurde für die breite Öffentlichkeit im Laufe der Zeit so prominent, dass die Erlangung einer Restschuldbefreiung in der Bevölkerung verbreitet als der Hauptzweck jeder Insolvenzgesetzgebung angesehen wurde; 472 eine Entwicklung, die sich derzeit in Deutschland beim (neuen) Institut der Verbraucherinsolvenz beobachten lässt. (1) Die Bankruptcy Acts von 1800, 1841 und 1867 Betrachtet man die Insolvenzgesetzgebung in den Vereinigten Staaten des 19. Jahrhunderts, so fällt unmittelbar auf, dass keines der drei in diesem Zeitraum entstandenen, bundesweiten Insolvenzgesetze längere Zeit in Kraft blieb. Der schon erwähnte Bankruptcy Act von 1800 existierte nur bis 1803, 473 der von 1841 wurde 1843 außer Kraft gesetzt474 und auch der Bankruptcy Act von 1867 wurde schon 1878 aufgehoben.475 Jeder dieser Versuche einer Neuregelung entstand in der Folge einer Wirtschaftskrise und dem dann sichtbar werdenden Elend einer Vielzahl von gescheiterten Schuldnern. Nach der Überwindung der Krise und der Entschuldung vieler Kaufleute durch die Insolvenzgesetze kippte die öffentliche Meinung sehr rasch und richtete sich nun gegen die als unzureichend und unpraktisch empfundenen Gesetze. Die Gründe hierfür waren vielgestaltig.476 Spielten um 1803 noch Ängste vor einer zentralistischen Bevormundung durch Bundesgesetze eine entscheidende Rolle, so waren es in den späteren Jahren eher die auch heute bekannten Probleme vieler Insolvenzverfahren: geringe Quoten, vergleichsweise hohe Kosten und Gebühren sowie eine Vieldestquote), vgl. Remington, Bankruptcy Law, Vol. I, 1915, S. 10 f.; Tabb, 3 Am. Bankr. Inst. L. Rev. 11 (1995). 471 Entstanden ist er hier jedoch nicht. Die Idee einer Restschuldbefreiung lässt sich etwa schon im Alten Testament nachweisen. Nach Deuteronomium, 15:1–3 oder auch Exodus, 21:2 war jeder Jude dazu verpflichtet, seinen jüdischen Schuldnern nach sieben Jahren ihre Schuld zu erlassen. 472 Auf diesen verbreiteten Irrtum weist Remington im Jahr 1915 einleitend hin (Bankruptcy Law, Vol. I, S. 1). 473 Der Bankruptcy Act vom 4. April 1800 wurde durch das Gesetz vom 19. Dezember 1803 wieder aufgehoben. 474 Der Bankruptcy Act vom 19. August 1841 wurde durch Kapitel 82 des Gesetzes vom 3. März 1843 aufgehoben. 475 Der Bankruptcy Act vom 2. März 1867 wurde durch das Gesetz vom 7. Juni 1878 aufgehoben. 476 Vgl. etwa Remington, Bankruptcy Law, Vol. I, 1915, S. 12 ff.; Tabb, 3 Am. Bankr. Inst. L. Rev. 15 ff. (1995).

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zahl von Restschuldbefreiungen für eher als unredlich erscheinende Schuldner. Hierzu kam der nicht zu unterschätzende Umstand, dass gerade die Verortung der Insolvenzsachen bei den Bundesgerichten in der Praxis die Reise aller Parteien und Anwälte zu oft weit entfernten Gerichtsorten erforderte, was gerade bei Streitigkeiten unter Nachbarn als schlicht unzumutbare Schikane empfunden wurde.477 Die Reaktion des Gesetzgebers auf den Unmut bestand stets in der Aufhebung des jeweiligen Gesetzes anstelle einer durchaus denkbaren Reform. Jeder spätere Versuch einer Neuregelung enthielt dann allerdings Neuerungen, die für die weitere Rechtsentwicklung bedeutsam waren und im Folgenden kurz dargestellt werden sollen. Der Bankruptcy Act von 1800 übernahm (teilweise wortgleich) das damals geltende englische Recht. Er galt nur für Kaufleute (§ 1) und erlaubte eine gerichtliche Restschuldbefreiung, wenn der Schuldner kooperiert hatte und der commissioner, eine Art Insolvenzverwalter, dies bestätigte bzw. eine Zweidrittelmehrheit der Gläubiger (Kopf- und Summenmehrheit) statt desselben der Befreiung zustimmten (§ 36). Weder das damalige englische Recht noch der Bankruptcy Act von 1800 oder der nachfolgende Act von 1841 beinhalteten ein Akkordverfahren, also die Möglichkeit einer einvernehmlichen alternativen Insolvenzbewältigung im eröffneten gerichtlichen Verfahren.478 Jedes dieser Verfahren sah vielmehr zwingend die Liquidation des vorhandenen Schuldnervermögens vor. Der Act von 1841 schuf dann erstmals das Recht des Schuldners, selbst und freiwillig über sein Vermögen ein Insolvenzverfahren einzuleiten (§ 1 – sog. »voluntary petition«), um in diesem eine Restschuldbefreiung zu erlangen. Zugleich beschränkte sich das Verfahren nicht mehr nur auf Kaufleute; es stand jeder natürlichen Person offen. 479 Die »discharge« setzte wiederum allein die Kooperation des Schuldners voraus, die allerdings nun durch das Gericht selbst festgestellt wurde (§ 4). Einer Bestätigung durch den Verwalter bedurfte es hierzu ebenso wenig wie einer Zustimmung der Gläubiger. Letztere konnten die gerichtliche Restschuldbefreiung allerdings – wenn auch nur vorübergehend – verhindern, indem sie bei Gericht einen »written dissent«, einen Einspruch, einreichten, der durch die Kopf- und Summenmehrheit der Gläubiger unterstützt wurde (§ 4). Der Schuldner konnte in einem solchen Fall einen Prozess vor einer Jury verlangen, der darüber entschied, ob er sich in jeder Hinsicht an die gesetzlichen Bestimmungen gehalten hatte und ihm daher eine Restschuld-

477 Erst der Bankruptcy Act von 1898 sah vor, dass in jedem County ein Bankruptcy Court jedenfalls in Person eines Referee tätig sein soll; Remington, Bankruptcy Law, Vol. I, 1915, S. 15. 478 Hierauf weisen Gilbert/Rosbrook, in: Collier, Law and Practice of Bankruptcy, Vol. I, 1921, S. 311, zutreffend hin. 479 Näher Tabb, 3 Am. Bankr. Inst. L. Rev. 5, 17 (1995).

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befreiung zustand (§ 4 am Ende).480 Das Vorliegen von Obliegenheitsverletzungen entschied damit letztendlich über die Restschuldbefreiung. Nach dem Bankruptcy Act von 1867 konnten erstmals auch corporations, also Körperschaften, ein Insolvenzverfahren eröffnet werden (§ 5013). Das Verfahren stand damit erstmals allen Schuldnern offen. Die Restschuldbefreiung konnte nun auch von einer Gläubigermehrheit nicht mehr aufgeschoben werden. Um dennoch die Gläubigerinteressen zu wahren, setzte sie nun allerdings ein verteilungsfähiges Schuldnervermögen voraus, dass mindestens 50 Prozent der angemeldeten Forderungen deckte (§ 5112). Gelang dies nicht, so erlaubte nur noch die Zustimmung der einfachen Kopf- und Summenmehrheit der Gläubiger überhaupt eine Restschuldbefreiung (§ 5112). Dieser eher schuldnerfeindliche Teil der gesetzlichen Regelung trat allerdings erst ein Jahr nach dem Bankruptcy Act in Kraft, wodurch in der Praxis vielen Schuldnern bei rechtzeitiger Verfahrenseröffnung eine Restschuldbefreiung ohne diese Hürden gelang. 481 Schließlich wurden die strengen Anforderungen schon im Änderungsgesetz von 1874, dem »Act of June 22, 1874« erheblich entschärft (§ 5112 A). Bei Insolvenzverfahren, die vom Schuldner selbst eingeleitet wurden, war danach nur noch ein Schuldnervermögen in Höhe von 30 Prozent der Forderungssumme notwendig. Verfehlte der Schuldner diese Anforderung, so bedurfte die Restschuldbefreiung nur noch der Zustimmung jedes vierten Gläubigers, soweit diese mindestens ein Drittel der Forderungen repräsentierten. Beruhte das Verfahren nicht auf einem Schuldnerantrag, so entfiel die Missbrauchsgefahr und für die Restschuldbefreiung war überhaupt kein verteilungsfähiges Vermögen mehr notwendig. Die Stärkung der Gläubigerrechte, der Hauptzweck vieler Regelungen im Gesetz von 1867, zeigt sich dann auch in einer weiteren Neuerung. Gemäß § 5103 konnten die Gläubiger mit einer Drei-Viertel-Summenmehrheit beschließen, dass das Vermögen des Schuldners nicht durch den gerichtlich bestimmten Verwalter liquidiert wird. Stattdessen konnten sie einen Treuhänder (Trustee) bestimmen, der das Vermögen unter Aufsicht eines Gläubigerausschusses übernahm und nach dessen Anweisungen gemäß dem Beschluss verteilte. Dieser Mehrheitsbeschluss band dann auch die Gläubigerminderheit hinsichtlich der Masseverteilung und durfte daher nur gerichtlich bestätigt und umgesetzt werden, wenn er für alle Gläubiger vorteilhaft war. Die Gläubiger hatten damit erstmals die Macht, jedenfalls die Verteilung des Schuldnervermögens selbst zu bestimmen. Diese blieb aber einziges Ziel des Verfahrens. Das erste amerikanische Akkordverfahren entstand durch die Reform des Bankruptcy Acts von 1867 im Act of June 22, 1874, der das composition agreement in § 5103 A einführte. Danach konnte erstmals der Schuldner einen Ver480 Genauer zur Restschuldbefreiung nach dem Bankruptcy Act 1841 siehe etwa Owen, Law and Practice of Bankruptcy, 1842, S. 216 ff. 481 Tabb, 3 Am. Bankr. Inst. L. Rev. 5, 20 (1995).

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gleichsvorschlag unterbreiten, in welchem er die Begleichung eines Teils seiner Schulden in bar gegen den Erlass seiner Restschulden anbot. Zugleich war er verpflichtet, in dem Vorschlag sein Vermögen und seine Schulden offenzulegen. Wurde dieser Vorschlag in einer Gläubigerversammlung von der einfachen Kopf- und dreiviertel Summenmehrheit der abstimmenden (ungesicherten) 482 Gläubiger angenommen und zudem von zwei Dritteln aller (ungesicherten) Gläubiger, die mindestens die Hälfte der Forderungssumme repräsentierten, schriftlich bestätigt, so wurde er dem Gericht vorgelegt. Dieses musste das composition agreement protokollieren, wenn es annehmen konnte, dass es im Interesse alle Gläubiger lag (»for the best interest of all concerned«); der »best interest test« war geboren. Dieser verlangte, dass keiner der Gläubiger bei einer Barzahlung aufgrund des composition agreement weniger erhält als bei einer Liquidation des Schuldnervermögens.483 Der gerichtlich protokollierte Beschluss band dann auch die Gläubiger, die gegen ihn gestimmt hatten, sowie alle anderen im Schuldnerverzeichnis aufgeführten (ungesicherten) Gläubiger. Die Durchsetzung der composition erfolgte auf der Grundlage eines Antrags durch das Gericht. Erstmals war es damit möglich, das Schuldnervermögen vor der Zerschlagung durch die ungesicherten Gläubiger zu bewahren, indem eine Geldsumme angeboten und akzeptiert wurde. Das Verfahren nach § 5103 A mag insofern als Vorläufer des heutigen Reorganisationsverfahrens angesehen werden.484 Allerdings waren auch seine Defizite nicht zu übersehen. Sein entscheidender Makel lag darin, nur ungesicherte Gläubiger zu binden und nur eine Geldleistung zur Abwendung der Liquidation zu ermöglichen; 485 insbesondere die Umwandlung von Schulden in Anteile am entschuldeten Unternehmen war unzulässig. Eine umfassende Reorganisation des Schuldners unter Beteiligung aller Gläubiger sowie aller Gesellschafter konnte daher im Rahmen einer composition nicht erfolgen.486 Daneben blieb es trotz der composition beim dem Grundsatz, dass mit der Einleitung des Verfahrens das Vermögen des 482 Gesicherte Gläubiger wurden von der composition nicht erfasst. Sie konnten sich allerdings freiwillig in ihren Anwendungsbereich begeben (und von der angebotenen Barzahlung profitieren), wenn sie alle ihre Sicherheiten an der Masse und damit ihren Status aufgaben, § 5103 A (Absatz 1 Satz 4). 483 Tabb, 3 Am. Bankr. Inst. L. Rev. 5, 21 (1995). Einen detaillierten Überblick über die Entwicklung des »best interest test« bis ins aktuelle Recht gibt Hicks, 5 Nev. L. J. 820, 822 ff. (2005). 484 Finletter, Bankruptcy Reorganization, S. 23; Tabb, 3 Am. Bankr. Inst. L. Rev. 5, 21 (1995); auch Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, Vor §§ 217–269 Rn. 16. 485 Die Gerichte versuchten diesen Mangel abzumildern, indem sie anstelle von Bargeld auch die Leistung von Sicherheiten und Wechseln zuließen; vgl. die Nachweise bei Gerdes, Corporate Reorganization, S. 95, Fn. 37. 486 Finletter, Bankruptcy Reorganization, S. 24 f.; Gordon, Bankruptcy Act, S. 202; McCurdy Marsh, 1 Newark L. Rev. 1, 2 f. (1936). Gerdes, Corporate Reorganization, S. 19–21, lehnt es daher (nicht zu Unrecht) ab, irgendeine der vor 1933 geschaffenen gesetzlichen Regelungen als Reorganisationsverfahren anzusehen.

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Schuldners auf einen Verwalter überging. Eine Regelung zur Eigenverwaltung des Schuldners fehlte. Der Schuldner verlor also stets die Kontrolle über sein Unternehmen. Eine große praktische Bedeutung blieb dem Verfahren aber nicht nur infolge dieser Mängel versagt. Der Bankruptcy Act wurde bereits 1878 in Gänze aufgehoben, weshalb das Verfahren der Praxis überhaupt nur ca. vier Jahre zur Verfügung stand. (2) Equity Receivership Das häufige Fehlen einer bundesgesetzlichen Kodifikation stellte sich für die Entwicklung des Reorganisationsrechts als durchaus innovationsfördernd heraus. Gerade in den im 19. Jahrhundert nicht seltenen Zeiträumen ohne einen geltenden »Bankruptcy Act« entstand eine Konstellation, die nach einem wirkungsvollen Reorganisationsmechanismus verlangte. Die Mitte des 19. Jahrhunderts sah eine nahezu explosionsartige territoriale Expansion der Vereinigten Staaten gen Westen. Unverzichtbares Mittel für die Erschließung dieser neuen Staatsgebiete war in der damaligen Zeit die Eisenbahn. Sie bildete das Rückgrat der Expansion, fehlten doch noch wirkungsvolle alternative Transportmittel. Die gesamte Wirtschaftsentwicklung des Landes hing weitgehend von der Entwicklung der Eisenbahngesellschaften ab. Es verwundert daher kaum, dass es gerade die großen Eisenbahngesellschaften waren, deren finanzielle Schwierigkeiten und Insolvenzen die großen Wirtschaftskrisen des späten 19. Jahrhunderts in den Vereinigten Staaten auslösten.487 Leider stellten sich gerade die Eisenbahnunternehmen als alles andere als insolvenzsicher heraus. Ihr Geschäftsmodell war sehr kostenintensiv, störungsanfällig und spekulativ. Ihre enorme Marktmacht führte zudem dazu, dass in der Expansionszeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts Insidergeschäfte und Betrug in den Eisenbahngesellschaften alltäglich waren. Sie waren in der Regel von den Bauunternehmen gegründet worden, die den Streckenbau organisierten, und schlossen folgerichtig höchst unvorteilhafte Verträge mit diesen Firmen über den Streckenausbau und die Streckennutzung. Ihre Preispolitik begünstigte großen Handelspartner zu Lasten der kleinen Farmer. Ihre Buchführung war abenteuerlich und von dem Bemühen getragen, finanzielle Schwierigkeiten längst möglich zu verschleiern.488 Folgerichtig kamen Insolvenzen von Eisenbahngesellschaften in dieser Zeit sehr häufig vor. Fehlte nun ein anwendbares bundesweites Insolvenzgesetz, so richtete sich das Insolvenzverfahren nach dem jeweiligen einzelstaatlichen 487 So resultierte sowohl die Depression nach 1873 als auch die folgende nach 1893 aus dem Zusammenbruch großer Eisenbahngesellschaften – vgl. Lubben, 89 Cornell L. Rev. 1420, 1428 f. (2004). 488 Lubben, 89 Cornell L. Rev. 1420, 1427 (2004). Der Congress schritt mit dem Interstate Commerce Act von 1887 ein und schuf eine Aufsichtsbehörde für Eisenbahngesellschaften, ohne dass dies an den Geschäftspraktiken viel ändern konnte – so Lubben, 89 Cornell L. Rev. 1420, 1430 (2004).

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Bestimmungen, welche die Beschlagnahme und anschließende Verwertung des Schuldnervermögens zugunsten der Gläubiger vorsahen. Eisenbahnunternehmen besaßen nun allerdings kaum Vermögen, das auch außerhalb des Eisenbahnbetriebes sinnvoll einzusetzen war. Die Demontage und Veräußerung von Eisenbahnstrecken und -inventar zugunsten der Gläubiger war insofern wenig rational.489 Eine solche Liquidation der Eisenbahngesellschaft hätte zudem nicht nur deren Vermögen, sondern zugleich die Infrastruktur ganzer Landstriche vernichtet und damit die wirtschaftliche Entwicklung der jungen Nation gefährdet. Sie war insgesamt daher weder ökonomisch noch politisch gewollt. Stattdessen musste trotz der Insolvenzsituation die Fortführung des Unternehmens gesichert werden. Es bedurfte dazu eines funktionstüchtigen Sanierungsund Reorganisationsverfahrens für die Eisenbahnen. Mangels vorhandener gesetzlicher Regelungen wandte man sich – wie im common law üblich – an die Gerichte, genauer an die Bundesgerichte (federal courts),490 welche daraufhin aus schon bekannten Equity-Grundsätzen ein Verfahren entwickelten, das »Equity Receivership« genannt wurde. Dieses Verfahren war in seinen Ursprüngen kein Reorganisationsverfahren; es bezweckte allein der Verhinderung der Zerschlagung eines Vermögensgegenstandes oder einer bestimmten Vermögensmasse des Schuldners im Wege einer Vielzahl von Einzelzwangsvollstreckungen, indem es durch Gerichtsbeschluss das Schuldnervermögen beschlagnahmte, um eine Verwertung im Ganzen sowie eine gleichmäßige Verteilung des Erlöses unter allen Gläubigern sicherzustellen. Die Rechtsprechung der federal courts hatte diese Grundsätze in einer Reihe von Fällen bereits erfolgreich angewandt. Stand etwa für die Erfüllung einer Vielzahl von Forderungen nur ein begrenzter, unzureichender Vorrat zur Verfügung, so konnte jeder einzelne Gläubiger bei Gericht zugunsten aller Gläubiger die Beschlagnahme des Vorrats und dessen gleichmäßige Verteilung verlangen. Mit seiner Klage stoppte der Gläubiger zugleich den Zugriff anderer (auch gesi-

489 Sehr anschauliche Beispiele für die besondere Interessenlage bei Eisenbahngesellschaften finden sich insbesondere bei Glenn, 25 Colum. L. Rev. 434, 441–444 (1925). 490 Natürlich stand den Beteiligten auch der Weg zu den Gerichten der Bundesstaaten (state courts) offen. Ein Beispiel aus dem Jahr 1846 liefert etwa Glenn, 25 Colum. L. Rev. 434, 441 (1925). Die Zuständigkeit der Bundesgerichte war jedoch bereits eröffnet, wenn der antragstellende Gläubiger seinen (Wohn-)Sitz in einem anderen Bundesstaat als der Schuldner hatte – ein Erfordernis, das sich leicht erfüllen ließ und das im Regelfall der Grund für die Anrufung der Bundesgerichte war – vgl. Gerdes, Corporate Reorganization, S. 37. Daneben war die Zuständigkeit der Bundesgerichte eröffnet, wenn das Vermögen des Schuldners in verschiedenen Bundesstaaten lag, vgl. Tabb, 3 Am. Bankr. Inst. L. Rev. 5, 21 (1995). Dabei entstand allerdings die Frage nach dem örtlich zuständigen Bundesgericht. Während bei Eisenbahnen hier eine zentrale Zuständigkeit am Sitz der Gesellschaft angenommen wurde, mussten bei anderen Schuldnern oft parallele Verfahren bei mehreren Bundesgerichten eingeleitet werden – ein Mangel, der erst durch die Kodifizierung eines Reorganisationsverfahrens in den 1930iger Jahren beseitigt wurde, vgl. Gerdes, Corporate Reorganization, S. 40 ff.

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cherter) Gläubiger auf den Vorrat.491 Entsprechendes galt, wenn die Rechte mehrerer Gläubiger an einem Vermögensgegenstand unklar waren. Auch dann konnte auf Antrag eines (titulierten) Gläubigers der Gegenstand beschlagnahmt und bis zur Feststellung der Rechte auf einen Receiver übertragen werden. Reichte das beschlagnahmte Vermögen nicht zur Deckung aller festgestellten Rechte aus, so konnte dem Receiver wiederum aufgegeben werden, die Verwertung des Vermögens sowie die gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger aus dem Erlös sicherzustellen.492 Schließlich hatte die Equity-Rechtsprechung einem Nachlassgläubiger oder Vermächtnisnehmer das Recht gewährt, bei einem Nachlass ungewissen Wertes Auskunft und Rechnungslegung sowie gleichmäßige Befriedigung mit allen anderen Gläubigern zu verlangen. 493 Der Beginn jeder Equity Receivership war nach den hergebrachten Grundsätzen also der Antrag eines Gläubigers; ein Schuldnerantrag genügte nicht.494 Der reorganisationswillige Schuldner musste daher stets einen Gläubiger finden, der das Verfahren formal einleitete. Gelang dies, so machte der Schuldner selbstverständlich von seinem Recht, Einwendungen gegen die Verfahrenseinleitung zu erheben, keinen Gebrauch. Das Verfahren war insofern kein kontradiktorisches, sondern ein einvernehmliches. 495 Auf einen solchen Gläubigerantrag hin bestellte der federal court einen receiver, auf den das Vermögen des Schuldnerunternehmens übertragen wurde. 496 Zugleich untersagte es Einzelzwangsvollstreckungen in das Schuldnervermögen. 497 Der receiver führte sodann das Schuldnerunternehmen fort und betrieb gleichzeitig die Verwertung des verwalteten Vermögens, indem er einen Käufer suchte.498 Das gerichtliche Verfahren endete durch die Veräußerung und Übertragung des Schuldnerunternehmens als Ganzes im Wege der Zwangsversteigerung (foreclosure sale), aus dessen Erlös die Gläubiger befriedigt wurden. Der Erwerber erhielt das Unternehmen frei von Altschulden. Die Veräußerung eines fortgeführten Unternehmens als Ganzes sollte die Realisierung eines Kaufpreises ermöglichen, der über dem Zerschlagungswert und näher am Fortführungswert des Unterneh-

491

Vgl. Finletter, Bankruptcy Reorganization, S. 6 ff. (limited-fund principle). Vgl. Gerdes, Corporate Reorganization, S. 8 ff. (judgement creditors’ bill for equitable execution). 493 Vgl. Gerdes, Corporate Reorganization, S. 13 ff. (distribution of decedents’ estate). 494 Dodd, 23 Ill. L. Rev. 105, 107 (1928); Glenn, 25 Colum. L. Rev. 434, 438 (1925). 495 Dazu näher Gerdes, Corporate Reorganization, S. 28. 496 Auch diese »Receivership« war nicht neu. In Fällen, in denen das Gericht eine Vermögensmassen beschlagnahmt hatte, verwaltete es diese nicht selbst, sondern bestellte – soweit notwendig – einen receiver und übertrug ihm das beschlagnahmte Vermögen, vgl. Finletter, Bankruptcy Reorganization, S. 8 f. (conservation receivership). 497 Zu den Rechten gesicherter Gläubiger hinsichtlich einer Anpassung ihrer Sicherheiten im Verfahren siehe etwa Gerdes, Corporate Reorganization, S. 34 ff. 498 Die Befugnisse des receivers waren sehr weitreichend, vgl. dazu Dodd, 23 Ill. L. Rev. 105, 108 ff. (1928). 492

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mens war und erschien daher in der Theorie für alle Beteiligten vorteilhaft. 499 Zugleich wurde die Fortführung des Unternehmens gesichert. In seiner grundsätzlichen Struktur handelte es sich bei der Equity Receivership damit um einen Fall der übertragenden Sanierung innerhalb eines gerichtlichen Verfahrens. Die rechtliche Fixierung eines Sanierungskonzeptes war dabei nicht Teil des Gerichtsverfahrens. Dieses beschränkte sich auf die vorübergehende Verwaltung sowie die lastenfreie Veräußerung des Schuldnerunternehmens als Vermögensmasse. Die Erarbeitung und Vereinbarung eines Plans zur Reorganisation des Unternehmens musste von daher außerhalb des gerichtlichen Verfahrens erfolgen. Konnten sich die Beteiligten auf einen Plan zur Restrukturierung des Schuldnerunternehmens einigen, so war die Entschuldung des Unternehmens infolge der gerichtlichen Versteigerung Teil des Plans. Das Gericht führte in diesen Fällen also ein dem Plan entsprechendes Verfahrensende herbei.500 Im Grundsatz war die Equity Receivership also nur Teil eines außergerichtlichen Reorganisationsverfahrens.501 Diese Offenheit des Receivership-Verfahrens führte in der Praxis schon bald zu scheinbar zweifelhaften Ergebnissen und Verfahrensweisen; Missbrauchsvorwürfe wurden laut.502 Dies lag vor allem im Ausgang der Mehrzahl der Verfahren begründet. Am Ende der Verfahren war es häufig das alte, korrupte Unternehmensmanagement, das auch in den neuen, entschuldeten Unternehmen wieder die Geschäfte führte, während die Mehrzahl der einfachen Gläubiger ihre Forderungen nahezu vollständig eingebüßt hatte. 503 Der einfache Grund für diese – wohl nur in Einzelfällen tatsächlich missbräuchliche504 – Entwicklung lag in der Größe und Finanzstruktur der dama499

Vgl. Tabb, 3 Am. Bankr. Inst. L. Rev. 5, 22 (1995). Glenn, 25 Colum. L. Rev. 434, 436 (1925). 501 Eine sehr ausführliche und anschauliche Darstellung dess Receivership-Verfahrens in deutscher Sprache bietet: Flessner, Sanierung und Reorganisation, S. 40 ff. 502 Vgl. etwa Trieber, 19 Yale L. J. 275 (1910); Rosenberg, 17 Colum. L. Rev. 523, 528 (1917): »summary of evils in the present system«; zusammenfassend: Tabb, 3 Am. Bankr. Inst. L. Rev. 5, 22 (1995). 503 Tabb, 3 Am. Bankr. Inst. L. Rev. 5, 22 (1995). 504 Vgl. etwa den Ablauf des Verfahrens in Louisville Trust Co. v. Louisville, N. A. & C. R. Co., 174 U. S. 674 (1899), über den der Supreme Court im Jahr 1899 zu entscheiden hatte. Das Receivership-Verfahren über eine Eisenbahngesellschaft wurde dort auf Antrag eines einfachen Gläubigers durchgeführt, wobei sich das Schuldnerunternehmen – wie in solchen Verfahren üblich – weder dagegen noch gegen seine spätere Veräußerung wehrte. Allerdings unternahm hier nun auch der antragstellende Gläubiger nichts dagegen, dass nach dem Reorganisationsplan weder er selbst noch alle sonstigen einfachen Gläubiger irgendwelche Zahlungen erhalten sollten, da der vorgesehene geringe Veräußerungserlös vollständig an die vorrangigen (gesicherten) Gläubiger floss. Der Antragsteller handelte folglich ohne erkennbares Eigeninteresse am Verfahren und trat somit offensichtlich als Strohmann des Schuldners auf. Es lag insofern auch für den Supreme Court nahe, dass dem Receivership-Verfahren eine Absprache zwischen dem Antragsgläubiger, den Anteilseignern und den gesicherten Gläubigern über eine Verfahrensdurchführung zu Lasten der ungesicherten Gläubiger zugrunde lag, es also missbraucht wurde – 174 U. S. 674, 687–689. 500

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ligen Eisenbahngiganten. Ihre bloße Größe führte dazu, dass sich ein Käufer für den immer noch beträchtlichen Vermögenswert einer Eisenbahngesellschaft nicht ohne Weiteres finden ließ.505 Die Gläubiger des Unternehmens waren im Regelfall die einzig ernsthaft in Betracht kommenden Kaufinteressenten, da sie den Großteil des Kaufpreises gegen ihre ausstehenden Forderungen aufrechnen konnten. Diese Gläubiger waren nun aber alles andere als eine überschaubare und mit gleichen Rechten ausgestattete Personengruppe. Die Eisenbahngesellschaften finanzierten sich zu Zeiten ihrer größten Expansion nicht mehr über Kapitalerhöhungen, sondern über Unternehmensanleihen.506 Da es keine Investoren gab, die den enormen Kapitalbedarf decken konnten, wurden diese Anleihen breit gestreut und dabei in verschiedenste Rangstufen untergliedert. Beim Zusammenbruch einer Gesellschaft gab es daher keine überschaubare, einheitliche Gläubigerschaft. Die Gläubiger waren im In- und Ausland verteilt, wurden von den verschiedensten Investmentbanken vertreten, hatten unterschiedlichste Rang- und Vorrechte und besaßen zudem teilweise auch noch Sicherungsrechte. Kein einzelner Gläubiger kam vor diesem Hintergrund als Käufer des Unternehmens in Betracht.507 Es bedurfte vielmehr einer Organisation aller Gläubiger, um ein Kaufangebot für das zweifelsohne werthaltige Eisenbahnvermögen zustande zu bringen. Aus diesem Grunde wurden schon unmittelbar nach der Übernahme der Geschäfte durch den receiver vom Management über die Investmentbanken Verhandlungen zwischen den Gläubigern sowie mit den Gesellschaftern 508 des Unternehmens darüber initiiert, mit welchen Mitteln und nach welcher Struktur nach dem foreclosure sale, also der Versteigerung, das Unternehmens fortgeführt und mit neuem Kapital ausgestattet werden soll. Dabei ging es im Kern um die Verteilung der Anteile und Berechtigungen am neuen, reorganisierten Unternehmen sowie um die Verteilung von finanziellen Opfern. Da sich schon aufgrund der bloßen Vielzahl kein einzelner Gläubiger sinnvoll an den Verhandlungen beteiligen konnten, gründeten die Investmentbanken verschiedene Interessengruppen (protective committees) für die verschiedenen Rangklassen von Gläubigern, so dass schon bald jede dieser Personengruppen in den Ver505 Im berühmten Fall des Supreme Court aus dem Jahr 1913, Northern Pacifi c Railway Company v. Boyd, 228 U. S. 482, 507 (1913), lag der erzielte Verkaufspreis bei 61 Mio. Dollar. Wegen dieser Summe kamen als Käufer eigentlich nur die gesicherten Anleihegläubiger des überschuldeten Unternehmens als die gegenwärtigen »wirtschaftlichen Eigentümer« der Unternehmenswerte in Betracht – so treffend der Supreme Court in Louisville Trust Co. v. Louisville, N. A. & C. R. Co., 174 U. S. 674, 683 (1899). Gleichzeitig war den Anteilseignern an einem Erhalt ihres Unternehmens im eigenen Interesse gelegen, da ihnen sonst ein Totalverlust drohte. Sie waren daher die zweite Personengruppe, die Investitionsbereitschaft hatte. 506 Lubben, 89 Cornell L. Rev. 1420, 1433 (2004). 507 Adler/Baird/Jackson, Bankruptcy, S. 668. 508 Die Anteile an den Gesellschaften wurden damals oft nur von wenigen Investmentbanken und Privatinvestoren gehalten. Verhandlungen konnten daher unmittelbar mit diesen Personen erfolgen, Lubben, 89 Cornell L. Rev. 1420, 1435 (2004).

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handlungen durch Vertreter repräsentiert wurde. 509 Diese Form der Selbstorganisation war später Vorbild für die gesetzlichen Regelungen zu Gruppenbildung in den USA und damit auch in Deutschland. Ergebnis der oft jahrelangen Verhandlungen zwischen den Gruppen war im Erfolgsfall ein Reorganisationsplan, der am Ende von den Verhandlungsführern aller Gruppen sowie den Gesellschaftern getragen wurde. Dieser wurde den in den Gruppen repräsentierten Gläubigern zur Zustimmung zugesandt, wobei allerdings keine Abstimmung erfolgte. Die Gläubiger konnten vielmehr entscheiden, am Plan teilzunehmen und dazu ihre Forderungen an das committee zu übertragen oder aber ihn abzulehnen und die Forderungen zu behalten bzw. zurückzufordern.510 Alle entscheidenden Verhandlungen über den Ausgang des Verfahrens fanden so außerhalb des Gerichtssaals und damit auch außerhalb jeder gerichtlichen Kontrolle statt. Das Gericht kontrollierte weder den Informationsfluss in den Verhandlungen noch die Höhe der zu Lasten des Schuldnervermögens entstehenden Gebühren für Berater, Anwälte und Vertreter der committees.511 Im Gegenzug hatte allerdings auch der Reorganisationsplan nur die Macht eines außergerichtlichen Vergleichs. Insbesondere eine Bindung der ihn ablehnenden Gläubiger war nicht möglich; 512 diese behielten ihre ungekürzten Forderungsrechte.513 509 Vgl. Gerdes, Corporate Reorganization, S. 38; Lubben, 89 Cornell L. Rev. 1420, 1443 (2004); Rosenberg, 17 Colum. L. Rev. 523, 524 (1917). 510 Vgl. Lubben, 89 Cornell L. Rev. 1420, 1449 (2004). 511 Dieser Umstand wurde als wichtiger Nachteil des Verfahrens angesehen, vgl. Finletter, Bankruptcy Reorganization, S. 17; Gerdes, Corporate Reorganization, S. 60; Rosenberg, 17 Colum. L. Rev. 523, 527 (1917). 512 Etwas anderes galt aufgrund der Natur des Equity-Verfahrens allerdings für die sich am Verfahren nicht beteiligenden Gläubiger. Da die Gerichte üblicherweise zu Beginn des Verfahrens alle Gläubiger öffentlich aufforderten, ihre Forderungen anzumelden, da sie anderenfalls von der Verteilung ausgeschlossen würden – vgl. etwa Chicago, R. I. & P. Ry. Co. V. Lincoln Horse and Mule Commission Co., 284 Fed. 955, 958 (8th Circ. 1922); Dodd, 23 Ill. L. Rev. 105, 112 f. (1928) –, verwehrte man Gläubigern, die sich einer Geltendmachung ihrer Forderungen im Equity-Verfahren trotz der Aufforderung enthielten, eine spätere Durchsetzung derselben vor jedem Equity-Gericht. Der Plan konnte auf diesem prozessualen Wege zumindest vor Beeinträchtigungen durch die nicht am Verfahren teilnehmenden Gläubiger geschützt werden, indem deren Forderungen nach Abschluss des Verfahrens faktisch die Durchsetzbarkeit genommen wurde. Dieser Effekt beruhte technisch aber nicht auf einer Wirkung des Plans, sondern allein auf der ausschließlichen Zuständigkeit des Equity-Gerichts für alle Prozesse hinsichtlich des beschlagnahmten Verfahrens, also auf einem prozessrechtlichem Umstand; genauer dazu Dodd, 23 Ill. L. Rev. 105 (1928). Diese hierzu notwendige ausschließliche Zuständigkeit der Equity-Gerichte wurde vom Supreme Court in Wabash R. R. v. Adelbert College, 208 U. S. 38, 54 ff. (1908) akzeptiert. 513 Dies wurde als erhebliches Defizit des Verfahrens empfunden, vgl. Gerdes, Corporate Reorganization, S. 55; Walker, 6 Cornell L. Rev. 154, 156 (1921). Dennoch wurde die Idee, eine ablehnende Minderheit durch gerichtlichen Beschluss an den Plan zu binden, nur selten vorgetragen – so etwa von Rosenberg, 22 Colum. L. Rev. 14, 20 ff. (1922); sehr vorsichtig auch Walker, 6 Cornell L. Rev. 154, 164 f. (1921); ablehnend etwa Swaine, 22 Colum. L. Rev. 121 ff. (1922).

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Erst nach der Annahme des Plans durch alle Gruppen wurde auf Antrag der Beteiligten wieder ein Gerichtstermin anberaumt: der Versteigerungstermin (foreclosure sale). Dort erschienen naturgemäß nur noch die von den committees entsandten Vertreter, die nun als reorganizaton committee514 in Ausführung des Plans als Käufer auftraten, das im Plan vereinbarte Gebot abgaben und mangels Bieterwettbewerbs den Zuschlag erhielten. Andere interessierte Bieter, die über das Millionenkapital zur Ersteigerung einer Eisenbahngesellschaft verfügten, konnte es kaum geben.515 Das reorganization committee übertrug das Unternehmen dann wie im Plan vorgesehen auf eine neu gegründete Auffanggesellschaft, die ihrerseits nach Maßgabe des Reorganisationsplans Aktien und Anleihen an die zustimmenden Gläubiger und Anteilseigner des alten Unternehmens ausgab.516 Der aus der Versteigerung resultierende Geldbetrag517 wurde dazu verwandt, die ablehnenden Gläubiger zu befriedigen. Diese waren aufgrund ihrer Ablehnung zwar nicht an den Plan gebunden, konnten aber infolge der gerichtlichen Versteigerung ihre Forderungen auch nicht gegenüber der neuen Gesellschaft geltend machen. 518 Ihnen blieb nur die Befriedigung aus dem Veräußerungserlös, wobei die dabei zustande kommenden Quoten für einfache Gläubiger sehr gering ausfielen. Dies lag vor allem darin begründet, dass zunächst den gesicherten Gläubigern, die gegen den Plan votiert hatten, der Erlös an den Gegenständen zustand, auf die sich ihre Sicherungsrechte erstreckten.519 Dieser Umstand erforderte das Aufbringen einer entsprechenden Summe in bar durch die Käufer des Unternehmens, was den gesicherten Gläubigern schon in der Verhandlungsphase eine große Verhandlungsmacht gab. Zugleich führte dieser Umstand dazu, dass oft nur ein verschwindend geringer Anteil des Barerlöses aus der Versteigerung zur Verteilung unter den ungesicherten 514 Vgl. Gerdes, Corporate Reorganization, S. 38 f.; Lubben, 89 Cornell L. Rev. 1420, 1444 (2004). 515 Gerdes, Corporate Reorganization, S. 49; Rosenberg, 17 Colum. L. Rev. 523, 525 (1917); Warren/Bussel, Bankruptcy, S. 588. 516 Vgl. Gerdes, Corporate Reorganization, S. 39 f. Aufgrund ihrer starken Verhandlungsposition gelang es den alten Eigentümern häufig, ihre angestammte Position zu behalten, Lubben, 89 Cornell L. Rev. 1420, 1435 und 1445 (2004). 517 Dieser Betrag entsprach bei weitem nicht dem abgegebenen Gebot. Der ganz überwiegende Teil des Kaufpreises wurde nicht in bar, sondern im Wege des Aufgebens von Forderungen geleistet, vgl. Gerdes, Corporate Reorganization, S. 49; Rosenberg, 17 Colum. L. Rev. 523, 525 f. (1917). 518 Die Veräußerung erfolgte aufgrund eines entsprechenden Beschlusses des Gerichts stets lastenfrei. Den dissertierenden Gläubiger war es danach nicht mehr möglich, ihre ja im Grunde unangetasteten Forderungen gegen das reorganisierte Unternehmen durchzusetzen; entsprechende Versuche scheiterten, vgl. als Beispiel den Versuch in Phipps v. Chicago, R. I. & P. R. Co., 284 f. 945, 953 (8th Circ. 1922). 519 Die Gerichte hatten vor der Versteigerung grundsätzlich kein Recht zum Eingriff in bestehende Sicherungsrechte. Selbst das öffentliche Interesse am Betrieb von Eisenbahnen führte nur in wenigen Ausnahmefällen zu gerichtlichen Maßnahmen zulasten einzelner gesicherter Gläubiger, vgl. Gerdes, Corporate Reorganization, S. 47 f.

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Gläubigern übrig blieb. In vielen Fällen gingen sie leer aus, während das Eisenbahnunternehmen zumindest teilweise entschuldet wurde und mit einer vergleichbaren Kapital- und Eigentümerstruktur wieder am Markt operierte.520 Die denkbaren Missbräuche des Verfahrens verlangten nach einer stärkeren gerichtlichen Kontrolle. Die grundsätzliche Struktur der Equity Receivership schloss nun aber eine gerichtliche Inhaltskontrolle des Reorganisationsplans aus.521 Dem verfahrensleitenden Gericht oblag allein die Verwaltung und Veräußerung des Unternehmens. Die ablehnenden Gläubiger waren also nicht einmal durch einen »best interest test« geschützt, wie ihn zwischen 1874 und 1878 das Composition-Verfahren bot. Im Grundsatz galt der in der Versteigerung »am Markt« erzielte Kaupreis als gerecht und als dem entsprechend, was den Gläubigern auch in einem Liquidationsverfahren zugestanden hätte. Im Laufe der Zeit wurde die Unzufriedenheit der überstimmten Gläubigerminderheit jedoch so unüberhörbar, dass die Gerichte begannen, in Erweiterung der hergebrachten Verfahrensgrundsätze Kontrollfunktionen zu übernehmen.522 Um evidenten Missbräuchen des Verfahrens entgegenzuwirken und einen gewissen Schutz für die ablehnenden und ungesicherten Gläubiger zu installieren, entwickelten die federal courts insbesondere die Praxis, für jeden foreclosure sale einen angemessenen Mindestpreis für den Verkauf (upset price) festzusetzen.523 Auf diese Weise sollte den ungesicherten Minderheitsgläubigern wenigstens eine Mindestquote gesichert werden. Bemerkenswert im Hinblick auf aktuelle Diskussionen um eine Überlegenheit markt- oder auktionsbasierter Insolvenzsysteme ist neben diesem offensichtlichen Marktversagen auch, dass das Verfahren die Überlebensfähigkeit des Eisenbahnunternehmens keineswegs dauerhaft sicherte und damit auch in seinem Ergebnis wenig effektiv war. Die fehlenden Anreize, in einer Equity Receivership das Unternehmen auch operativ zu reorganisieren, führten dazu, dass in der Folge viele der aus der Equity Receivership hervorgegangenen Eisenbahngesellschaften wieder in finanzielle Nöte gerieten.524 Ihre Schuldenlast 520 Insbesondere diese Verfahrensergebnisse ließen Missbrauchsvorwürfe laut werden, vgl. etwa Trieber, 19 Yale L. J. 275, 276 (1910), und wurden als erhebliche Defizite des Verfahrens angesehen, vgl. Finletter, Bankruptcy Reorganization, S. 17 f. 521 Dies erschien als Hauptmangel des Verfahrens, vgl. Gerdes, Corporate Reorganization, S. 49. 522 Einen bemerkenswerten Fall richterlicher »Inhaltskontrolle« schildert etwa Rosenberg, 20 Colum. L. Rev. 733 ff. (1920). In re Aetna Explosives Co., 252 Fed. 456 (2nd Cir. 1918), übernahm der Richter nicht nur die Inhaltskontrolle; er entwarf und vermittelte aktiv einen Plan und verstand es, die Zustimmung aller Gläubiger zu diesem zu erreichen; Rosenberg, 20 Colum. L. Rev. 733, 738 (1920). 523 Ausführlich dazu: Spring, 32 Harv. L. Rev. 489 ff. (1919). Dies geschah in der Regel auf Antrag der dem Plan nicht zustimmenden Gläubiger hin. Die Schwierigkeit bestand für das Gericht darin, die Höhe des Mindestgebots zu bestimmen, Gerdes, Corporate Reorganization, S. 49 f.; auch Flessner, Sanierung und Reorganisation, S. 59 f. 524 Die Wahrscheinlichkeit einer nochmaligen Insolvenz erhöhte sich sogar bei Unterneh-

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blieb auch nach dem Verfahren hoch und gab ihnen damit in der nächsten Krise wenig Spielraum.525 (3) Der Bankruptcy Act von 1898 und die Fortentwicklung der Equity Receivership Im Jahre 1898 trat mit dem Bankruptcy Act 1898 wieder ein bundesweit geltendes Insolvenzgesetz in Kraft, 526 das die Gläubigerrechte stärkte und in § 12 eine »Composition« enthielt, die weitgehend inhaltsgleich mit den Vorschriften des composition agreement des Jahres 1874 war. Zur Annahme des Vergleichsvorschlages genügte nun allerdings bereits die einfache Kopf- und Summenmehrheit der Gläubiger, § 12 b. Die gerichtliche Bestätigung setzte neben der Redlichkeit des Schuldners wiederum voraus, dass die Vereinbarung den »best interest test« bestand, § 12 d (1). Leider blieben auch die Defizite des composition agreement im Hinblick auf eine bezweckte Reorganisation des Schuldnerunternehmens bestehen, insbesondere die Barzahlungspflicht sowie das Nichterfassen gesicherter Gläubiger und Gesellschafter.527 Die Insolvenzpraxis machte daher von diesem Verfahren in der Folge ebenso wenig Gebrauch wie zuvor vom compostion agreement. Es fand im Wesentlichen nur bei Unternehmen mit kleinen Vermögensmassen und ohne gesicherte Gläubiger einen (überschaubaren) Anwendungsbereich.528 Zudem ermöglichte erst eine Änderung des Bankruptcy Act im Jahr 1910 es auch Gesellschaften, selbst ein Verfahren zum eigenen Schutz einzuleiten.529 De facto fehlte dem Bankruptcy Act damit weiterhin ein umfassendes Reorganisationsinstrument.530 Die Praxis ignorierte daher weitgehend die gesetzliche Regelung und nutzte weiterhin die inhaltsoffeneren Möglichkeiten des Receivership-Verfahrens. 531 Dieses wurde inzwischen auch über Eisenbahnunternehmen hinaus auf andere große Industrie- und Handelsgesellschaften angewendet.532 Es kann insoweit nicht überraschen, dass nicht der Gesetzgeber, sondern eine Entscheidung des US Supreme Courts aus dem Jahre 1913 zur Equity Receivership, das amerikanische Reorganisationsverfahren entscheidend weiterentwickelte, indem es erstmals eine gerichtliche Inhaltskontrolle des Reorganisatimen, die eine Equity Receivership durchlaufen hatten, im Vergleich zu denen ohne eine solche Vorgeschichte, Lubben, 89 Cornell L. Rev. 1420, 1466 (2004). 525 Die Schuldenlast lag trotz des Verfahrens weiter bei im Schnitt 71 Prozent des erwirtschafteten Einkommens, vgl. Lubben, 89 Cornell L. Rev. 1420, 1462 (2004). 526 Zu dessen Entstehung siehe Tabb, 3 Am. Bankr. Inst. L. Rev. 5, 23 f. (1995). 527 Rosenberg, 22 Colum. L. Rev. 14 (1922). 528 Rosenberg, 17 Colum. L. Rev. 523, 529 (1917) 529 Tabb, 3 Am. Bankr. Inst. L. Rev. 5, 27 (1995). 530 Gerdes, Corporate Reorganization, S. 19–21., Tabb, 3 Am. Bankr. Inst. L. Rev. 5, 27 (1995). 531 Gerdes, Corporate Reorganization, S. 23 f. 532 Dodd, 23 Ill. L. Rev. 105, 107 (1928); Finletter, Bankruptcy Reorganization, S. 2; Flessner, Sanierung und Reorganisation, S. 64 ff.

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onsplans verlangte. In der Entscheidung Northern Pacific Railway Company v. Boyd533 stärkte das Gericht entscheidend den Schutz der Minderheitsgläubiger, die nicht nur gegen den ausgehandelten Reorganisationsplan gestimmt hatten, sondern sich in der Folge auch gegen einen daraufhin erfolgten Verkauf des Schuldnerunternehmens zur Wehr setzten, indem es die »absolute priority rule« schuf. Nach diesem Rechtsprechungsgrundsatz darf kein Gesellschafter einer insolventen Gesellschaft nach dem Reorganisationsplan einen wirtschaftlichen Wert wie etwa einen Anteil an dem reorganisierten Unternehmen erhalten, bevor nicht alle Gläubiger voll befriedigt wurden, da ansonsten die Rangfolge zwischen diesen Personengruppen verletzt würde, 534 steht doch den Gesellschaftern nach allgemeinen Grundsätzen erst dann eine Ausschüttung aus dem liquidierenden Unternehmen zu, wenn und nachdem alle Gläubiger befriedigt wurden. Dieser Vorrang wiederum ist Teil des von der Eigentumsgarantie der Verfassung geschützten Forderungswertes,535 weshalb der Reorganisationsplan keinen Gläubiger gegen seinen Willen zu einem Verzicht auf seine Rangstellung zwingen kann. Die uneingeschränkte Anwendung dieser Regel erzeugt allerdings ein beachtliches Dilemma für eine erfolgreiche Reorganisation. Diese kann in der Praxis oft nur gelingen, wenn auch die alten Gesellschafter zu einem Reorganisationsbeitrag gewonnen werden können. Um sie zu einem solchen Beitrag zu gewinnen, wird ihnen im Gegenzug eine Beteiligung am reorganisierten Unternehmen zugesichert werden müssen, ohne dass zugleich auch alle (vorrangigen) Gläubiger voll bedient werden können. Der Supreme Court erkannte diesen Konflikt und hielt Planbestimmungen für ausreichend, die jedem dissentierenden Gläubiger zumindest der wirtschaftliche Wert seiner Forderung anbieten, bevor überhaupt ein Gesellschafter einen Wert erhält. Der Plan musste zur Einhaltung der absolute priority rule folglich sicherstellen, dass die ihn ablehnenden Gläubiger des Unternehmens entweder voll befriedigt werden, indem sie eine entsprechende Leistung erhalten, oder aber ihnen im Plan zumindest ein faires Angebot an Aktien oder Anleihen am reorganisierten Unternehmen im Austausch gegen ihre Forderungen gemacht, ihnen also ein entsprechendes Optionsrecht eingeräumt wird.536 Fehlte ein solches Angebot im Plan, so war der Plan selbst wie auch der auf ihm basierende Verkauf des Unternehmens (nur) im Verhältnis zu den ablehnend votierenden Gläubigern unwirksam, wes533 228 U. S. 482 (1913). Das Urteil erging erst 15 Jahre nach der Beendigung der streitgegenständlichen Reorganisation! 534 »Any device . . ., whereby stockholders were preferred before the creditor, was invalid.« 228 U. S. 482, 502 (1913). 535 »It was a right of property out of which the creditors were entitled to be paid before the stockholders could retain it for any purpose whatever.« 228 U. S. 482, 508 (1913). 536 »This conclusion does not . . . make it necessary to pay an unsecured creditor in cash. . . . His interest can be preserved by the issuance, on equitable terms, of income bonds or preferred stock.« 228 U. S. 482, 508 (1913).

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halb diese ihre Forderungen nicht verloren, sondern zu deren Durchsetzung auch auf das Vermögen des reorganisierten Unternehmens zugreifen konnten. 537 Die Forderungen der Minderheitsgläubiger blieben infolge dieser Rechtsprechung also werthaltig und gefährdeten so erheblich den Erfolg der im Plan skizzierten Reorganisation. Nicht nur die Rechte, sondern auch die Verhandlungsmacht aller Gläubiger in den Planverhandlungen wurde damit erheblich gestärkt; ohne ihre Zustimmung wurde jeder Plan sehr teuer. Im Ergebnis hatte der Supreme Court mit der Entscheidung endlich eine gerichtliche Kontrolle des Inhalts des Reorganisationsplans eingeführt. Infolge dieser neuen Rechtsprechung entstand erhebliche Unsicherheit in der Rechtspraxis über die Bestandskraft von schon bestehenden wie auch zukünftigen Plänen, was dazu führte, dass Reorganisatoren in Receivership-Verfahren begannen, nicht nur ihr Kaufgebot, sondern auch den Plan selbst bei Gericht zur Bestätigung vorzulegen, um Rechtssicherheit zu erlangen.538 Die gerichtliche Bestätigung des Reorganisationsplans selbst hielt damit Einzug in die Equity Receivership. Festzuhalten bleibt dabei eine wichtige Erkenntnis: Der Zweck der gerichtlichen Bestätigung des Plans lag allein in der Ausschaltung späterer Prozesse von Seiten dissentierender Gläubiger, also in der Erlangung von Rechtssicherheit. Hierauf wird später zurückzukommen sein. Die Entwicklung der Equity Receivership war damit abgeschlossen. Sie hatte eine Ausprägung gefunden, welche trotz ihrer Defizite die Reorganisation von Unternehmen in einem gerichtlichen Verfahren ermöglichte und von welcher in der Praxis verbreitet Gebrauch gemacht wurde. Die Equity Receivership war damit das erste Reorganisationsverfahren überhaupt, mit dessen Hilfe weit über ein halbes Jahrhundert lang in beträchtlicher Zahl bedeutende Unternehmen saniert wurden. Es erscheint daher berechtigt, in diesem Verfahren und nicht in der composition agreement des Bankruptcy Act 1874 die Wiege des gerichtlichen Reorganisationsverfahrens zu sehen, zumal es dieses Verfahren wie auch die in seiner Entwicklung entstandenen Grundsätze und weniger die ungenutzten Regelungen des Bankruptcy Act waren, die zum Vorbild und Anknüpfungspunkt der nachfolgenden Kodifikation eines Reorganisationsverfahrens wurden.539 Daneben bleibt festzuhalten, dass die Equity Receivership zwar ein Gerichts-, aber kein Insolvenzverfahren war. Die Entschuldung wurde viel537 »As between the parties and the public generally, the sale was valid. As against the creditors, it was a merge form. Though the Northern Pacific Railroad was devested of the legal title, the old stockholders were still the owners of the same railroad, encumbered by the same debtS. The circumlocution did not better their title against Boyd as a nonassenting creditor. They had changed the name, but not the relation.« 228 U. S. 482, 506–507 (1913). 538 Vgl. Gerdes, Corporate Reorganization, S. 52 f.; McCurdy Marsh, 1 Newark L. Rev. 1, 4 (1936); Rosenberg, 22 Colum. L. Rev. 14, 24 (1922) oder auch die Beispiele bei Swaine, 22 Colum. L. Rev. 121, 123 ff. (1922). 539 Vgl. Warren/Bussel, Bankruptcy, S. 586, der in diesem Verfahren den Entwicklungsbeginn des Reorganisationsrechts sieht; ebenso Herbert, Understanding Bankruptcy, S. 303.

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mehr im Kern mittels einer gerichtlichen Versteigerung des Schuldnerunternehmens erreicht, die zu einem lastenfreien Erwerb beim Käufer führte. Das Verfahren ähnelte insofern einer übertragenden Sanierung, ging aber durch die zwangsläufige Erarbeitung eines Reorganisationsplans in seinem Wesen über einen bloßen Verkaufsprozess hinaus. Es verdeutlicht, dass eine Entschuldung wie auch eine damit verbundene Reorganisation nicht zwingend auf Insolvenzrecht beruhen muss. Beides kann theoretisch auch auf anderen Wegen erreicht werden. (4) Die Kodifizierung der Reorganisationsverfahren in den 1930iger Jahren Infolge der Weltwirtschaftskrise von 1929 explodierte die Zahl der Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Im gleichen Maße stieg das Interesse an einem funktionierenden Reorganisationsverfahren für Unternehmen aller Art, verband sich damit doch die Hoffnung auf den Erhalt von Arbeitsplätzen. Im Jahr 1933 begann daher der Kongress, die existierenden Regelungen zur composition im Bankruptcy Act 1898 zu ergänzen. Im Gesetz vom 3. März 1933 fügte er dem Bankruptcy Act ein neues Chapter VIII an, das insbesondere die §§ 74 bis 77 aufnahm. § 74 ermöglichte natürlichen Personen ein »Composition«-Verfahren, bei dem sie die Verwaltungs- und Verfügungsmacht über ihr Vermögen behalten konnten; die Bestellung eines Receivers hatte hier nur noch Aufsichtsfunktion, § 74 (b). Zur Annahme der composition bedurfte es allein der einfachen Kopf- und Summenmehrheit der Gläubiger, § 74 (e). Sie band nach ihrer Bestätigung durch das Gericht auch die ablehnenden und nicht am Verfahren teilnehmenden sowie sogar die gesicherten Gläubiger, § 74 (i). In § 75 wurde ein ähnliches »Composition«-Verfahren für Farmer geschaffen. § 77 schließlich kodifizierte weitgehend die Rechtsprechungsgrundsätze der Equity Receivership für die Reorganisation von Eisenbahnunternehmen und eliminierte dabei zugleich dessen oft beklagte Missstände.540 Auf einen foreclosure sale als Mittel zur Entschuldung wurde endgültig verzichtet. Es oblag nun allein dem »plan of reorganization«, die Gläubiger und Gesellschafter in Gruppen (classes) aufzuteilen und gruppenweise Änderungen an ihren Rechten vorzuschlagen, § 77 (b). Dabei wurden alle Arten von Gläubigern erfasst, § 77 (b) am Ende. Auch die Bestellung eines receivers war nun nicht mehr zwingend. Es stand im Ermessen des Gerichts, das Unternehmen auf einen neutralen Trustee zu übertragen, der in diesem Fall die Geschäfte fortzuführen hatte, § 77 (c) (1). Anderenfalls war endlich auch die Eigenverwaltung des Schuldners im Verfahren möglich.541 Der Plan konnte vom Schuldner, aber auch vom trustee oder im Auftrag einer Gläubigergruppe vorgelegt werden, § 77 (d). Zur Annahme des Plans war die Zustimmung einer Zwei-Drittel-Summenmehrheit in all je540 541

Gerdes, Corporate Reorganization, S. 64; Finletter, Bankruptcy Reorganization, S. 18. Gordon, Bankruptcy Act, S. 166; McCurdy Marsh, 1 Newark L. Rev. 1, 7 (1936).

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nen Gläubiger- und Gesellschaftergruppen notwendig, die vom Plan beeinträchtigt wurden, § 77 (e) Satz 1. Wurde diese Mehrheit in einer Gruppe verfehlt, so ermöglichte § 77 (e) Satz 2 erstmals, den Plan dennoch zu bestätigen. Dazu mussten allerdings die Rechte der Gläubiger dieser Gruppe in voller Höhe gesichert werden, so dass sie wirtschaftlich nicht vom Plan beeinträchtigt wurden. Hierzu war notwendig, dass der Plan diese Rechte nach Maßgabe der § 77 (g) (5) und (6) angemessen sicherte (adequate protection), § 77 (e) Satz 2.542 Jeder angenommene Plan bedurfte schließlich der Bestätigung durch den Bankruptcy Court, das dazu auch eine Inhaltskontrolle vornehmen musste, da der Plan gerecht (equitable) sein musste und einzelne Gläubigern oder Gesellschaftern nicht diskriminieren durfte, § 77 (g) (1). Ein solcher Plan band dann gemäß § 77 (h) (1) bis (3) die Schuldnergesellschaft und alle Gesellschafter einer insolventen Schuldnergesellschaft (bei solventen Gesellschaften nur die Gesellschafter, die vom Plan nicht betroffen wurden, sowie die in den Gruppen, die dem Plan zustimmten). Zudem band er gemäß § 77 (h) (7) alle gesicherten Gläubiger in den Gruppen, die dem Plan zustimmten, gemäß § 77 (h) (4) alle Gläubiger, deren Forderungen in bar erfüllt werden sowie gemäß § 77 (h) (5) und (6) alle vorrangigen und ungesicherten Gläubiger, wenn jeweils eine Zwei-Drittel-Summenmehrheit unter ihnen dem Plan zugestimmt hatte. Die Bindungswirkung des Plans war folglich noch nicht kongruent mit dem Abstimmungsergebnis in den Gruppen. Insgesamt enthielt § 77 erstmals ein kodifiziertes Reorganisationsverfahren, das in seinem Anwendungsbereich leider auf Eisenbahngesellschaften beschränkt war, die über die Grenzen eines Bundesstaates hinaus tätig waren.543 Schon mit dem Änderungsgesetz vom 7. Juni 1934 wurden die im Vorjahr geschaffenen Bestimmungen modifiziert und erweitert. Insbesondere wurde in diesem Gesetzgebungsakt § 77B geschaffen, der endlich allen Gesellschaften eine Reorganization auf der Grundlage des Bankruptcy Acts ermöglichte. Der Inhalt der Bestimmungen in § 77B war weitgehend identisch mit denen in § 77 für Eisenbahngesellschaften; man orientierte sich weitgehend an den EquityReceivership-Verfahren. Präzisiert wurden aber insbesondere die Bestimmun542 Diese Sicherung konnte auf verschiedenen Wegen erfolgen: Der Plan konnte die Veräußerung des Unternehmens oder von besicherten Vermögensgegenständen vorsehen, wenn er zugleich ein Fortbestehen der Rechte der gesicherten Gläubiger festschrieb oder aber einen angemessenen Preis enthielt und den betroffenen Gläubigern Sicherheiten am Erlös einräumte. Der Plan konnte die Rechte auch durch Barzahlungen in Höhe des wirtschaftlichen Wertes der Rechte ablösen. Siehe zum Ganzen neben der gesetzlichen Bestimmungen in § 77 (g) (5) und (6) auch die Erläuterungen bei Gordon, Bankruptcy Act, S. 178. Einer ablehnenden Gruppe von Gesellschaftern musste der Plan folgerichtig insbesondere dann nichts zuwenden, wenn die Gesellschaft insolvent war, § 77 (e) Satz 3 (a). In einem solchen Fall waren ihre Anteile wirtschaftlich wertlos. 543 Hieraus erklärt sich der enorme Einfluss der Interstate Commerce Commission auf das Verfahren.

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gen zur Inhaltskontrolle des Gerichtes zum Schutz der Gläubiger. Der Plan musste nun »fair and equitable«, nicht diskriminierend sowie »feasible« (durchführbar) sein, um bestätigt zu werden, § 77B (f) (1). Diese Schlagworte prägen seither das amerikanische (und inzwischen auch das deutsche) Reorganisationsrecht. Der Plan band nach seiner Bestätigung endlich ausdrücklich alle Gläubiger und Gesellschafter, unabhängig davon, ob sie oder ihre Gruppe den Plan angenommen oder abgelehnt hatten, § 77B (g).544 Die umfassende Bindungswirkung war entstanden. Infolge dieser Gesetzgebung545 übernahm das gesetzliche Reorganisationsverfahren endlich auch in der Praxis die Reorganisation von Unternehmen. Die Equity Receivership wurde bedeutungslos.546 Die Regelungen in § 77 wurden dann schon mit dem Gesetz vom 27. August 1935 grundlegend überarbeitet und präzisiert. Dabei wurde die Bindungswirkung des angenommenen und bestätigten Plans endlich auch in diesem Verfahren für Eisenbahngesellschaften auf alle Beteiligten erstreckt, unabhängig von ihrer Zustimmung oder Ablehnung, § 77 (f) Satz 1. Die jungen Kodifikationen in § 77 wie auch in § 77B stellten sich leider schon sehr schnell als lückenhaft, ungenau, zu schuldnerfreundlich und missbrauchsanfällig heraus, so dass laufend Korrekturen im Detail vorgenommen wurden. Die Kritik, die insbesondere von Seiten der Securities and Exchange Commission (SEC) vorgetragen wurde,547 mündete im Jahre 1938 in die Verabschiedung eines umfassenden Gesetzes zur Neuregelung der Reorganisation in Insolvenzverfahren: dem Chandler Act. 548 Dieser ließ lediglich die Regelungen zur composition für Farmer in § 75 sowie zur Reorganisation von Eisenbahnunternehmen in § 77 als Chapter VIII bestehen. Die sonstigen Vorschriften des Bankruptcy Acts zur composition in den §§ 12 und 74 wurden ebenso gestrichen wie § 77B. Stattdessen ordnete der Chandler Act in den neuen Vorschriften der §§ 101 ff. die Reorganisation von Unternehmen gänzlich neu. Hierzu schuf er

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Gerdes, Corporate Reorganization, S. 80. Für Details zur Gesetzgebungsgeschichte der Jahre 1933/34 siehe etwa Dvoret, 27 Geo. L. J. 194, 203 (1938). 546 Tabb, 3 Am. Bankr. Inst. L. Rev. 5, 28 (1995). Der Abschied von der Equity Receivership wurde allerdings schon im Jahr 1928 eingeleitet, als der Supreme Court bezweifelte, dass allein der Antrag eines einfachen Gläubigers im Einvernehmen mit dem Schuldner genüge, um in einem Equity-Verfahren einen Receiver zu bestellen; Harkin v. Brundage, 276 U. S. 36, 52 (1928). Die Grundsätze der Receivership-Verfahren standen damit plötzlich in Frage und die Praxis verlangte nach einem rechtlich unangreifbaren Verfahren – vgl. McCurdy Marsh, 1 Newark L. Rev. 1, 3 (1936). 547 Die SEC legte einen fünfbändigen Bericht vor, der die Rolle der protective committees wie auch der reorganization committees überaus kritisch beleuchtete. 548 Gesetz vom 22. Juni 1938. Zur Gesetzesgeschichte siehe etwa Tabb, 3 Am. Bankr. Inst. L. Rev. 5, 29 (1995) oder auch Dvoret, 27 Geo. L. J. 194 ff. (1938) oder Gerdes, 52 Harv. L. Rev. 1 ff. 545

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gleich drei Verfahren: Chapter X 549 enthielt ein Verfahren zur Reorganisation von Gesellschaften, Chapter XI eine Verfahren zur Entschuldung durch »Arrangements« und Chapter XII ein Verfahren zur Anpassung von Hypothekenschulden bei natürlichen Personen. Als Reorganisationsverfahren für Unternehmen spielten in der Folge die Verfahren in Chapter X und XI eine entscheidende Rolle, weshalb sich die Darstellung auf diese beschränken soll. Das Verfahren nach Chapter X stand nur Körperschaften (corporations), nicht aber natürlichen Personen und Personengesellschaften als Schuldner offen, §§ 106 (5), 126. Die Einsetzung eines (unabhängigen) trustee war bei großen Unternehmen zwingend, während sie bei kleinen Unternehmen im Ermessen des Gerichts lag, § 156. Wurde ein trustee eingesetzt, so hatte er insbesondere das Vermögen des Schuldners zu übernehmen und das Unternehmen fortzuführen, §§ 186 ff. Das Gericht bestimmte den Verfahrensablauf durch das Setzen von Fristen, vgl. etwa § 169, was primär der Verfahrensbeschleunigung dienen sollte. Die Abstimmung über den Plan erfolgte erst, wenn der Planentwurf der SEC vorgelegt worden war und zudem das Gericht ihn als billig und gerecht (fair and equitable) sowie wirtschaftlich durchführbar (feasible) gebilligt hatte, § 174. Abgestimmt wurde in Gruppen, wobei zur Annahme des Planes die Zustimmung einer Zwei-Drittel-Summenmehrheit der angemeldeten Forderungen in jeder Gläubigergruppe sowie die Zustimmung der einfachen Anteilsmehrheit in jeder Gesellschaftergruppe notwendig war, § 179. Die Zustimmung von Gruppen, die nicht vom Plan beeinträchtigt wurden, war nicht notwendig, § 179. Hatte eine Gruppe den Plan abgelehnt, so war dies unschädlich, wenn die Rechte ihrer Mitglieder im Plan durch Barzahlung oder auf andere Weise hinreichend geschützt wurden, §§ 179, 216.550 Abschließend hatte das Gericht den Plan zu bestätigen, § 221. Dieser band dann alle Beteiligten, auch die ablehnenden Gläubiger und die Gesellschafter des Schuldnerunternehmens, § 224 (1). Zeitgleich mit dem Reorganisationsverfahren für Körperschaften in Chapter X schuf der Chandler Act ein neues Chapter XI, das ein vereinfachtes Reorganisationsverfahren enthielt und als Alternative zu Chapter X angelegt war, indem es ein kostengünstigeres Verfahren bot, das für kleine und mittlere Gesellschaften ohne gesicherte Gläubiger gedacht war.551 Ziel des Verfahrens war das Zustandekommen einer Vereinbarung unter allen Beteiligten über die Entschuldung des Schuldners (arrangement), § 306 (1). Jeder Schuldner konnte gemäß 549 Die Kapitel des Bankruptcy Act von 1898 werden mit römischen Ziffern numeriert, während die des Bankruptcy Code von 1978 arabische Ziffern tragen. 550 Die Anforderungen an die Sicherung der Rechte der ablehnenden Gläubiger oder Gesellschafter waren dabei weitgehend identisch mit denen in der Vorgängerregelung, vgl. § 216 (7) und (8) mit § 77 (g) (5) und (6) oder § 77B (4) und (5). 551 Finletter, Bankruptcy Reorganization, S. 35; Forman, Bankruptcy & Arrangements Proceedings, S. 4.

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§ 321 ein solches Verfahren einleiten, weshalb es nach seinem Wortlaut allen Gesellschaften, auch Körperschaften, offen stand. Der vom Gesetzgeber intendierte, eher beschränkte Anwendungsbereich fand sich im Gesetzeswortlaut nicht wieder. Im Verfahren wurde ein receiver nur auf Antrag eines Beteiligten und auch in solchen Fällen nur bestellt, wenn das Gericht dies für notwendig erachtete, § 332. Im Regelfall blieb daher der Schuldner in der Eigenverwaltung. Das Gericht konnte die Gläubiger in Gruppen einteilen (§ 351) und überwachte das gesamte Verfahren. In einem arrangement durften keine Eingriffe in die Rechte gesicherter Gläubiger oder die Anteilsrechte der Gesellschafter erfolgen; es konnte folglich nur die Rechte der ungesicherten Gläubiger modifizieren, §§ 356, 357. Dieses Verfahren zielte daher auf Insolvenzsituationen ab, die kostengünstig durch Moratorien der ungesicherten Gläubiger behoben werden konnten und hatte daher weitreichende Ähnlichkeit mit dem deutschen Vergleichsverfahren.552 Wurde das arrangement von allen Gläubigern angenommen, so wurde es unmittelbar durch das Gericht bestätigt, § 361. Gelang dies nicht, so war eine Bestätigung zunächst davon abhängig, dass wenigstens eine einfache Kopf- und Summenmehrheit aller Gläubiger oder aber im Fall von Gläubigergruppen eine solche Mehrheit in jeder Gruppe dem arrangement zugestimmt hatte, § 362 (1). Daneben musste es auch den Best-Interest-Test bestehen sowie »fair and equitable and feasible« sein, § 366 (2) und (3).553 Die klassischen Gläubigerschutzmechanismen der Vorgängerregelungen finden sich also auch hier. Das daraufhin bestätigte arrangement band alle, insbesondere auch alle ablehnenden oder nicht am Verfahren beteiligten, ungesicherten Gläubiger, § 367 (1).554 Abgesehen von Änderungen im Detail waren es diese im Jahr 1938 geschaffenen Regelungen in Chapter X und Chapter XI, die vierzig Jahre lang die Reorganisationspraxis in den Vereinigten Staaten bestimmten.555 Erst der Bankruptcy Reform Act im Jahr 1978 schaffte den Bankruptcy Act von 1898 insgesamt ab und setzte den noch heute geltenden Bankruptcy Code an dessen Stelle. Das Wirtschaftsleben hatte sich in diesen vierzig Jahren erheblich verändert und verlangte nach neuen Reorganisationswegen. Die Reorganisationspraxis 552 Folgerichtig wird es in der deutschen Literatur auch als »Vergleichsverfahren« bezeichnet – vgl. Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, Vor §§ 217–269 Rn. 24; Riesenfeld, KTS 1983, 85, 87. 553 Die Worte »fair and equitable« wurden 1952 gestrichen, um die Hürden für eine Bestätigung abzubauen; vgl. Krause, Arrangements, S. 12 f. 554 Allgemein zu arrangements nach Chapter XI: Sydney Krause, Arrangements under Chapter 11 of the Bankruptcy Act, 1955 (zuletzt in der 3. Ausgabe gemeinsam mit George J. Hirsch, Bankruptcy, 1968 herausgegeben, dort zu finden ab S. 77). 555 Nachweise der Änderungen im Zeitraum bis 1978 finden sich etwa bei Tabb, 3 Am. Bankr. Inst. L. Rev. 5, 30–32 (1995). Hervorzuheben bleibt die in diesen Zeitraum fallende Entstehung und Inkraftsetzung der »Federal Rules of Bankruptcy Procedure«, welche mangels entsprechender Regelungen im Bankruptcy Act die in Insolvenzfällen anzuwendenden Verfahrensbestimmungen enthalten.

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nutzte in der Zwischenzeit die alten Regelungen nach ihren Bedürfnissen. In der Praxis führte dies zu einem Bedeutungsverlust des Chapter X-Verfahrens und der nahezu standardmäßigen Anwendung des Chapter XI-Verfahrens für Reorganisationen. Das dortige Verfahren war einfach, beließ den Schuldner im Regelfall in der Eigenverwaltung, vermied eine Beteiligung der SEC und hatte daher entscheidende Vorteile für das reorganisationswillige Management eines Schuldnerunternehmens. Zudem gaben die Normen des Bankruptcy Acts nicht zwingend vor, ob ein Schuldner ein Verfahren nach Chapter X oder Chapter XI einleiten musste, auch wenn der Gesetzgeber mit Chapter X das Regelverfahren für die Reorganisation von Unternehmen schaffen wollte, deren Anteile öffentlich gehandelt wurden. In der Praxis wichen auch die große Aktiengesellschaften diesem Verfahren aus und versuchten eine Reorganisation im Rahmen eines Verfahrens nach Chapter XI.556 Die Zulassung eines solchen Chapter XI-Verfahrens lag dann im Ermessen des jeweiligen Insolvenzgerichts, was zu einer Vielzahl von Streitigkeiten und Prozessen führte.557 Dennoch blieben Versuche der SEC, den Anwendungsbereich der Verfahren eindeutig gesetzlich zu regeln, erfolglos. Der Kongress reagierte auf diese Missstände erst im Jahr 1970 mit der Einsetzung einer Reformkommission, welche 1974 in einem zweiteiligen Bericht zum einen die Praxis analysierte und zugleich eine Neuregelung des gesamten Insolvenzrechts vorschlug.558 Insbesondere aufgrund dieser Vorschläge entschied sich der Gesetzgeber später dafür, ein für alle Unternehmen einheitliches Reorganisationsverfahren zu schaffen. Die Reform von 1978 vereinigte daher die zwei Verfahren aus Chapter X und Chapter XI des Bankruptcy Act in einem neuen, einheitlichen Chapter 11 des Bankruptcy Code. 559 b) Die Reorganisation nach Chapter 11 des Bankruptcy Code von 1978 Das dem deutschen Reformgesetzgeber als Vorbild dienende Reorganisationsverfahren wurde in den Vereinigten Staaten im Jahr 1978 durch den Bankruptcy 556

Vgl. Warren/Bussel, Bankruptcy, S. 591: »Chapter X was virtually a dead letter«. Epstein/Nickles/White, Bankruptcy, § 10–1, S. 733. Die Streitigkeiten beruhten nicht selten auf einer Einmischung der SEC in Verfahren nach Chapter XI, die offensichtlich Unternehmen betrafen, die nach der gesetzgeberischen Intention unter Chapter X, und damit unter Einbeziehung der SEC, reorganisiert werden sollten. Schon im Jahr 1940 gab der Supreme Court den Insolvenzgerichten auf, in solchen Fällen ein Verfahren nach Chapter XI zu verwerfen und es den Schuldnern zu überlassen, ein Verfahren nach Chapter X einzuleiten, Securities and Exchange Commission v. United States Realty & Improvement Co., 310 U. S. 434 (1940). Zugleich bestätigte er das prozessuale Recht der SEC, eine Verfahrensbeendigung zu beantragen. 558 »Report of the Commission on the Bankruptcy Laws of the United States«. Die National Conference of Bankruptcy Judges legte einen konkurrierenden Gesetzesentwurf vor. Aus der nachfolgenden mehrjährigen Debatte entstand dann der Bankruptcy Code von 1978 – vgl. zum ganzen Tabb, 3 Am. Bankr. Inst. L. Rev. 5, 33 ff. (1995) m. w. N. 559 Dieser Bankruptcy Code bildet Teil 11 des United States Code und wird daher im Folgenden wie jetzt üblich zitiert (11 U. S. C. §§ . . .). 557

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Reform Act in Kraft gesetzt. 560 Das nun einheitliche Reorganisationsverfahren nach Chapter 11 des Bankruptcy Code erfasst alle Unternehmen unabhängig von ihrer Organisationsform, soweit sie nicht besonderen insolvenzrechtlichen Regelungen unterliegen.561 Diese Einheitlichkeit stellte sich jedoch bald als Nachteil für insolvente Kleinunternehmen heraus, die nun ebenfalls das komplexe Chapter 11-Verfahren durchlaufen mussten und nicht mehr auf ein vereinfachtes Verfahren zurückgreifen konnten. Folgerichtig wurden schon in den Jahren 1994 und 2005 Ausnahmeklauseln in das Gesetz eingefügt, die Verfahrenserleichterungen für kleine Unternehmen vorsahen. 562 Dabei wurde nun endlich auch der Begriff des Kleinunternehmens (small business debtor) in 11 U. S. C. § 101 (51D) gesetzlich definiert. De facto wurde damit erreicht, was die SEC schon für den alten Bankruptcy Act wollte: ein komplexes Reorganisationsverfahren für alle Unternehmen und ein vereinfachtes Verfahren für einen gesetzlich definierten Kreis von kleinen Unternehmen. Die proklamierte Einheitlichkeit des Reorganisationsverfahrens weicht insofern bereits wieder einer gewissen Mehrgleisigkeit.563 Der wesentliche Ablauf des Chapter 11-Verfahrens ist für alle Schuldner identisch. Es wird im Regelfall aufgrund eines Antrags des Schuldners an den Bankruptcy Court gemäß 11 U. S. C. § 301 (voluntary case) eröffnet.564 Das tatsächliche Vorliegen einer Insolvenz ist dabei nicht Teil der Eröffnungsvoraussetzungen; ein Insolvenzgrund muss also weder nachgewiesen noch vorgetragen werden.565 Will einer der Gläubiger das Verfahren in Gang setzen (involun560 Zur Entstehung des Bankruptcy Code 1978 siehe etwa: Tabb, 3 Am. Bankr. Inst. L. Rev. 5, 32–34, 37–43 (1995). Die Verfassungsmäßigkeit des neuen Insolvenzrechts wurde nur noch in einem Punkt angezweifelt: der Zuweisung aller Entscheidungen an einen Richter, der nicht durch Art. III der U. S. C. Verfassung legitimiert war, obwohl er alle Befugnisse eines regulären Richters ausübte (damals 28 U. S. C. § 1471 (c)). Der Supreme Court teilte die Zweifel und hielt die Regelung für verfassungswidrig, Northern Pipeline Constr. Co. v. Marathon Pipeline Co., 458 U. S. 50 (1982). Der Kongress ordnete daraufhin im Jahr 1984 die Bankruptcy Courts formal den Federal District Courts zu, in denen sie nun eine Unterabteilung bilden, vgl. 28 U. S. C. §§ 151, 157, 1334 (zur Erläuterung siehe etwa Epstein./Markell/Nickles/Perris, Bankruptcy, S. 628 ff.). 561 Nicht nur Körperschaften (corporations), sondern auch Personengesellschaften (partnerships) und natürliche Personen fallen daher in seinen Anwendungsbereich, vgl. 11 U. S. C. § 109. Ausgenommen sind etwa Banken, Sparkassen oder Versicherungsgesellschaften, für die Sonderregelungen bestehen (siehe etwa 12 U. S. C. § 1811 ff.). 562 Vgl. etwa die Regelungen in 11 U. S. C. §§ 1102 (a) (3), 1116, 1121 (e), 1125 (f), 1129 (e). 563 Diese Einheitlichkeit war von vornherein eher ein plakativ verstandener Gegensatz zu den verschiedenen Reorganisationsverfahren im alten Bankruptcy Act. So sind etwa die Sonderbestimmungen für die Reorganisation von Eisenbahnunternehmen in den §§ 1161 ff. stets Teil des Bankruptcy Code gewesen. 564 Mehr als 99 Prozent der jährlichen Verfahrensanträge sind Schuldneranträge – Bull, ZIP 1980, 843, 845; von Stein/Thanner, DB 1981, 2213. 565 Es muss lediglich klar sein, dass der Schuldner überhaupt Verbindlichkeiten hat, was im Regelfall offensichtlich ist – vgl. Cowans, Bankruptcy Law and Practice, § 3.6 (Vol. 1, S. 232).

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tary case), so ist ihm dies als Einzelperson nur möglich, wenn die Gesamtzahl aller Gläubiger des Schuldners geringer als zwölf ist und er Forderungen gegen den Schuldner von mehr als $ 13.475 innehat, 11 U. S. C. § 303 (b) (2). Hat der Schuldner mehr als zwölf Gläubiger, so wird das Verfahren gemäß 11 U. S. C. § 303 (b) (1) nur eröffnet, wenn mindestens drei Gläubiger mit ungesicherten Forderungen von mindestens $ 13.475 zusammen den Antrag stellen. Insgesamt gelten für die Eröffnung eines Chapter 11-Verfahrens die allgemeinen Vorschriften des Chapter 3. Dessen Bestimmungen sowie die Regelungen in den Chapter 1 und 5 des Code finden in allen Insolvenzverfahren Anwendung.566 Daneben muss sich der Eröffnungsantrag inhaltlich auf ein Reorganisationsverfahren nach Chapter 11 beziehen. Dieses ist ein eigenständiges Insolvenzverfahren und insofern vom Liquidationsverfahren nach Chapter 7 sowie von den anderen speziellen Insolvenzverfahren, etwa für Verbraucher in Chapter 13, von vornherein zu trennen. Die Auswahl der jeweiligen Verfahrensart erfolgt durch den Antragsteller im Antrag.567 Im eröffneten Verfahren hat der Schuldner unter anderem eine Liste seiner Gläubiger vorzulegen, 11 U. S. C. § 521 (a) (1) (A).568 Dabei sind etwaige Sicherungsrechte (11 U. S. C. § 506) sowie Vorrechte (11 U. S. C. § 507) zu beachten und darzustellen. Trotz der Verfahrenseröffnung behält der Schuldner im Regelfall die Eigenverwaltung über die Insolvenzmasse und damit die Kontrolle über sein Unternehmen (debtor in possession, 11 U. S. C. § 1107). 569 Der United States Trustee, der für das Gericht die administrativen Aufgaben des Insolvenz-

566 Dabei ist zu beachten, dass der Bankruptcy Code (abgesehen von Chapter 12) nur Chapter mit ungeraden Zahlen als Nummerierung enthält. 567 Das Reorganisationsverfahren kann später gemäß 11 U. S. C. § 1112 jederzeit auf Antrag eines Beteiligten in ein Liquidationsverfahren nach Chapter 7 umgewandelt werden. 568 Die Gläubiger müssen ihre Forderungen daher nur dann im Verfahren anmelden, wenn sie nicht auf der Liste des Schuldners erscheinen, Rules 3002, 3003 der Federal Rules of Bankruptcy Procedure. Die Zulassung der so angemeldeten Forderungen erfolgt dann nach den allgemeinen Regeln der §§ 501 ff. des Bankruptcy Code. Zur Definition einer Forderung (claim) siehe 11 U. S. C. § 101 (5). 569 Nur in Fällen, in denen die Eigenverwaltung durch den Schuldner bzw. dessen Management wegen betrügerischen, inkompetenten oder unehrlichem Verhaltens nicht tunlich erscheint, und ein Gläubiger oder der United States Trustee dies beantragt, wird ein trustee, also ein Verwalter, vom Gericht bestellt, 11 U. S. C. § 1104 (a). Dies geschieht nach empirischen Untersuchungen äußerst selten – vgl. die Auswertung bei Terhart, Chapter 11, S. 89: 12 Prozent der Fälle bei großen Schuldnern); unzutreffend insofern Hohloch, ZGR 1982, 145, 157, wenn er das Regel-Ausnahme-Verhältnis umkehrt. Die Vorschrift hat allerdings den positiven Effekt, zu einem freiwilligen Managementwechsel zu führen, wenn ein Missmanagement des alten Managements nicht auszuschließen ist und ein Antrag nach § 1104 droht. Ist ein solches Fehlverhalten nicht offensichtlich, kann das Gericht dennoch auf Antrag einen »examiner«, also einen Gutachter, einsetzen, der das Schuldnerunternehmen untersucht und begutachtet, 11 U. S. C. §§ 1104 (c), 1106 (b). Zum Aufgabenfeld eines trustee siehe 11 U. S. C. § 1106; aus der deutschen Literatur: Kemper, Chapter 11, S. 65 ff.

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verfahrens wahrnimmt,570 beruft gemäß 11 U. S. C. § 1102 einen Ausschuss der ungesicherten Gläubiger und fakultativ auch einen weiteren Ausschuss der gesicherten Gläubiger, die creditors’ and equity security holders’ committees, in welchen gemäß 11 U. S. C. § 1102 (b) für jede Gläubigergruppe jeweils die sieben Gläubiger mit den höchsten Forderungssummen für alle Gläubiger auftreten sollen. Tatsächlich finden sich nur selten Ausschüsse mit so vielen Gläubigervertretern, da dies im Hinblick auf die ihnen zustehenden Entschädigungen sehr kostspielig wäre.571 Eine umfassende Gläubigerversammlung gibt es daneben theoretisch zwar gemäß 11 U. S. C. § 341 (a) auch; sie hat für das Reorganisationsverfahren jedoch keine praktische Bedeutung.572 Vielmehr obliegt den Ausschüssen gemäß U. S. C. § 1104 (c) die Beratung und Überwachung des Schuldners sowie die Mitwirkung an der Planerstellung. Mit der formalen Eröffnung des Verfahrens durch das Insolvenzgericht (order of relief) tritt insbesondere der Vollstreckungsschutz für das Schuldnerunternehmen in Kraft, 11 U. S. C. § 362 (automatic stay). Diesem wird dadurch eine Atempause verschafft. Zugleich bleibt es gemäß 11 U. S. C. § 363 grundsätzlich berechtigt, besicherte Gegenstände weiter im Geschäftsbetrieb zu nutzen sowie seinen Warenbestand oder seine Produkte zu veräußern.573 Zur Finanzierung der Unternehmensfortführung während des Verfahrens ermöglicht 11 U. S. C. § 364 nicht nur die Aufnahme neuer Kredite zu Lasten der Masse, sondern im Notfall auch deren vorrangige Besicherung vor allen anderen Gläubigern.574 Die Verfahrensbestimmungen bieten insofern eine Reihe von Hilfsmittel, um die Fortführung des Schuldnerunternehmens trotz der Krise zu ermöglichen. Nach der Eröffnung des Verfahrens hat der Schuldner in Eigenverwaltung gemäß 11 U. S. C. § 1121 (a)–(c) für 120 Tage das exklusive Recht, einen Reorga570 Vgl. etwa 11 U. S. C. § 307. Näher zu dessen Aufgaben etwa Jander/Sohn, RIW 1981, 744, 746. 571 In Verfahren über Kleinunternehmen darf die Bestellung der Ausschüssen daher sogar ganz unterbleiben, 11 U. S. C. § 1102 (a) (3). Näher zu den Ausschüssen: Bull, ZIP 1980, 843, 847; Riesenfeld, KTS 1983, 85, 91 f.; von Stein/Thanner, DB 1981, 2213, 2215. Gerade in großen Reorganisationen sind die Ausschüsse aggressiv am Verfahren beteiligt, wobei sich die Gläubiger nahezu ausschließlich durch Repräsentanten, insbesondere Anwälte, vertreten lassen – vgl. die Auswertung statistischer Daten bei Terhart, Chapter 11, S. 91. In kleinen Verfahren fehlten sie hingegen schon vor der Einführung von 11 U. S. C. § 1102 (a) (3) häufig – zu den Gründen: Johnston, 65 Am. Bankr. L. J. 213, 269–271 (1991). 572 Kemper, Chapter 11, S. 83. 573 Die Reichweite des Vollstreckungsverbotes wie auch der Nutzungs- und Veräußerungsbefugnisse sowie die Ausnahmen von beiden sind in den §§ 362 und 363 ausführlich geregelt. Dennoch ist in den Einzelheiten vieles streitig – siehe dazu etwa Norton, Bankruptcy Law and Practice, § 43:3 ff. sowie § 44:1 ff.; Scarberry/Klee/Newton/Nickles, Business Reorganization, S. 88 ff. sowie S. 174 ff.; Johnston, 65 Am. Bankr. L. J. 213, 258 ff. (1991). 574 Näheres zur Finanzierung des Unternehmens im Verfahren (dip financing) findet sich etwa bei 9B Am Jur 2d, Bankruptcy, §§ 1711 ff.; Norton, Bankruptcy Law and Practice, § 45:1 ff.; Scarberry/Klee/Newton/Nickles, Business Reorganization, S. 189 ff.

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nisationsplan einzureichen.575 Nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist oder aber, wenn der eingereichte Plan innerhalb von 180 Tagen nicht angenommen wurde, ist jeder Beteiligte berechtigt, einen eigenen Plan einzureichen, 11 U. S. C. § 1121 (c). Eine Konkurrenz von Plänen ist daher möglich und gewollt. Liegen mehrere Pläne vor, so werden alle zur Abstimmung zugelassen; die Gläubiger entscheiden dann, welchen Plan sie bevorzugen.576 In jedem Reorganisationsplan sind gemäß 11 U. S. C. § 1123 (a) (1) zunächst die Forderungen der Gläubiger sowie die Anteilsrechte der Gesellschafter in Gruppen einzuteilen, wobei gemäß 11 U. S. C. § 1122 nur im Wesentlichen gleichartige (substantially similar) Forderungen und Rechte in einer Gruppe zusammengefasst werden dürfen.577 Diese Einteilung ist essentiell, da gemäß 11 U. S. C. § 1123 (a) (4) nur innerhalb einer Gruppe eine Gleichbehandlungspflicht besteht und auch die Abstimmung über den Plan in diesen Gruppen erfolgen wird. Im Plan ist zudem gemäß 11 U. S. C. § 1123 im Detail aufzuzeigen, welche Maßnahmen zur Reorganisation des Unternehmens ergriffen werden sollen und wie durch diese Sanierungsmaßnahmen in die Gläubiger- und Anteilsrechte eingegriffen werden wird. Neben dem Planentwurf ist beim Gericht ein disclosure statement einzureichen, welches alle zur Entscheidung über den Plan und zur Bewertung der Sanierungschancen notwendigen Informationen über das Schuldnerunternehmen sowie dessen Fortführungschancen enthalten muss, 11 U. S. C. § 1125 (a).578 Ge575 Diese Frist kann durch das Gericht auf Antrag verlängert werden, was häufig geschieht. Nicht selten müssen die Beteiligten daher bis zu ein Jahr auf einen Planvorschlag des Schuldners warten – vgl. Funke, FS Helmrich, 1994, 627, 632; empirische Studien ermittelten eine durchschnittliche Dauer bis zum Planvorschlag von 127 bis zu 193 Tagen – Auswertung bei Terhart, Chapter 11, S. 129 f. Gerade die Verlängerungsmöglichkeiten wurden im Jahr 2005 durch den Bankruptcy Abuse Prevention and Consumer Protection Act beschnitten, vgl. 11 U. S. C. § 1121 (d) (2): die Exklusivitätsphase kann nun auf max. 18 Monate nach Verfahrenseröffnung ausgedehnt werden. 576 Werden mehrere Pläne mehrheitlich angenommen, so darf gemäß 11 U. S. C. § 1129 (c) das Gericht nach eigenem Ermessen entscheiden, welchen der Pläne es bestätigt. Wegen der Entscheidungsmaßstäbe siehe etwa In re Greate Bay Hotel & Casino, Inc., 251 B. R. 213, 245 ff. (Bankr. N. J. 2000). 577 Maßstab für die »Ähnlichkeit« von Forderungen ist dabei der jeweilige rechtliche Inhalt der Forderung. Dies hat zur Folge, dass jeder gesicherte Gläubiger im Regelfall in eine eigenständige Gruppe gesetzt wird, da die jeweiligen Sicherungsrechte verschieden sind. Auch die Gesellschafter des Schuldnerunternehmens bilden (mindestens) eine eigene Gruppe. Hinsichtlich der ungesicherten Gläubiger ist dagegen eine Vielzahl von Gruppen denkbar. 11 U. S. C. § 1122 (b) hält insbesondere eine eigene Gruppe von Kleingläubigern für zulässig. Näheres zur Gruppenbildung etwa bei 9C Am Jur 2d, Bankruptcy, §§ 2840 ff.; Kennel/Link/ Muskus/Oakes/Williams, Corpus Juris Secundum, § 1144 ff.; Norton, Bankruptcy Law and Practice, § 109:1; Ordin/McDonald, in: Ordin on Contesting Confirmation, § 3.01 ff.; aus der deutschen Literatur: Kemper, Chapter 11, S. 156 ff.; Riesenfeld, KTS 1983, 85, 93–95; Terhart, Chapter 11, S. 132. Strategisch orientiert sich die Gruppenbildung am zu erwartenden Abstimmungsverhalten der Gläubiger, benötigt man doch gemäß 11 U. S. C. § 1129 (a) (10) zumindest die tatsächliche Zustimmung wenigstens einer vom Plan beeinträchtigten Gruppe für die Planbestätigung. 578 Das Gericht hört dann von Amts wegen den Schuldner, die Security and Exchange

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nehmigt das Gericht das disclosure statement als ordnungsgemäß, so wird es an alle Beteiligten versandt.579 Erst aufgrund dieser Informationsgrundlage darf dann die Abstimmung der Gläubiger über den Plan erfolgen, da erst dann eine substantiierte Bewertung des Plans durch die Gläubiger möglich ist, 11 U. S. C. § 1125 (b).580 Diese Abstimmung erfolgt nachfolgend nicht in einem Termin bei Gericht, sondern schriftlich durch vom jeweiligen Gläubiger bzw. Anteilseigner unterschriebene Abstimmungserklärungen.581 Zur Annahme des Planes müssen in jeder Gruppe von Gläubigern gemäß 11 U. S. C. § 1126 (c) so viele Gläubiger dem Plan zustimmen, dass diese mindestens zwei Drittel der Forderungssumme sowie mindestens die Hälfte der Anzahl aller Forderungen der abstimmenden Gläubiger der Gruppe repräsentieren. Die Forderungen der nicht abstimmenden Gläubiger bleiben also unberücksichtigt. In einer Gruppe von Gesellschaftern bedarf es gemäß 11 U. S. C. § 1126 (d) hingegen allein der zweidrittel Summenmehrheit. Gruppen von Gläubigern, in deren Rechte der Plan nicht eingreift, stimmen nicht über denselben ab; ihre Zustimmung zum Plan wird gemäß 11 U. S. C. § 1126 (f) fingiert. Gruppen von Gläubigern oder Anteilseignern, die nach dem Plan nichts erhalten sollen, stimmen ebenfalls nicht über ihn ab, da 11 U. S. C. § 1126 (g) die Ablehnung dieser Gruppen unterstellt. Nach seiner Annahme bedarf der Reorganisationsplan gemäß 11 U. S. C. §§ 1128, 1129 der Bestätigung (confirmation) durch das Gericht. Bis zu dem hierzu anzusetzenden Termin kann jeder Beteiligte einen Einspruch (objection) gegen die Bestätigung erheben.582 Das Gericht prüft allerdings unabhängig von solchen Einwendungen stets die gesetzlichen Bestätigungsvoraussetzungen in 11 U. S. C. § 1129 (a) (1)–(15), also etwa ob vor der Abstimmung alle notwendigen Informationen offen gelegt wurden, ggf. notwendige behördliche Genehmigungen vorliegen usw. Zudem muss der Plan nach Ansicht des Gerichts durchführbar sein, also realistische Durchführungschancen haben und damit eine baldige Liquidation oder nochmalige Reorganisation des SchuldnerunterCommission sowie den Verwalter (trustee) und das Gläubigerkomitee an, soweit diese bestellt wurden, siehe Rule 3017 (a) der Federal Rules of Bankruptcy Procedure. Die Gläubiger und Anteilseigner erhalten zu diesem Zeitpunkt nur dann ein Exemplar, wenn sie schriftlich eine Kopie des Planes oder des disclosure statements anfordern. Diese Regelung berücksichtigt die in der Praxis nur geringe aktive Beteiligung der einzelnen Gläubiger am Verfahren und entlastet daher die Gerichte. Näher dazu auch Terhart, Chapter 11, S. 133. 579 Rule 3017 (b) der Federal Rules of Bankruptcy Procedure. 580 Das disclosure statement wird daher nicht zu Unrecht als Schlüssel für die Richtigkeitsgewähr der Gläubigerentscheidung und damit für die Legitimation des Abstimmungsergebnisses angesehen – vgl. etwa Norton, Bankruptcy Law and Practice, § 110:1; Ordin/McDonald, in: Ordin on Contesting Confirmation, § 2.01, S. 2–3 oder auch Braun, in: Nerlich/Römermann, InsO, vor § 217 Rn. 48. 581 Rule 3018 (c) der Federal Rules of Bankruptcy Procedure. 582 11 U. S. C. § 1128 (b). Alle Einsprüche sind innerhalb einer vom Gericht gesetzten Frist schriftlich einzureichen, Rule 3020 (b) der Federal Rules of Bankruptcy Procedure.

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nehmens unwahrscheinlich machen, 11 U. S. C. § 1129 (a) (11).583 Schließlich prüft das Gericht auch, ob alle vom Plan betroffenen Gruppen diesem zustimmen (consensual confirmation), 11 U. S. C. § 1129 (a) (8). Haben zwar alle Gruppen, nicht aber alle Gläubiger dem Plan zugestimmt, so ist gemäß 11 U. S. C. § 1129 (a) (7) (A) (ii) eine Bestätigung nur möglich, wenn der Plan für jeden ablehnenden Gläubiger einer von ihm betroffenen Gruppe wenigstens den Wert vorsehen, den dieser im Falle der Liquidation des Schuldners nach Chapter 7 erhalten hätte (best interest test).584 Gewissen bevorrechtigten Gläubigern 585 ist nach 11 U. S. C. § 1129 (a) (9) sogar der Wert ihrer Forderungen in bar anzubieten, soweit sie nicht einer anderen Regelung im Plan ausdrücklich zugestimmt haben. Fehlt hingegen nicht nur die Zustimmung einzelner Gläubiger, sondern die mindestens einer vom Plan beeinträchtigten Gruppe von Gläubigern oder Anteilseignern, so darf das Gericht den Plan auf Antrag des Vorlegenden nur bestätigen, wenn dieser auch die zusätzlichen Anforderungen des 11 U. S. C. § 1129 (b) erfüllt (cramdown rule). Dazu darf der Plan die ablehnende Gruppe nicht unangemessen benachteiligen (discriminate unfairly) und muss zudem ihr gegenüber als billig und gerecht (fair and equitable) erscheinen.586 Eine unangemessene Benachteiligung wurde im Gesetz nicht näher definiert. Sie ist nach allgemeiner Ansicht gegeben, wenn der Plan die ablehnenden Gruppen gegenüber einer vergleichbaren Gruppe ohne Grund schlechter behandelt.587 Der Plan ist gemäß 11 U. S. C. § 1129 (b) (2) (A) billig und gerecht, wenn er die absolute priority rule beachtet. Hierbei ist nach dem Gesetzeswortlaut zwischen den verschiedenen Beteiligten zu unterscheiden. Einer ablehnenden Gruppe gesicherter Gläubiger muss der Plan anbieten, ihre Sicherheiten zu behalten oder gleichwertige neue Sicherungen zu erhalten und zugleich Ratenzahlungen zusa583 Das Gericht prüft dabei durchaus eingehend das dem Plan zugrunde liegende Geschäftsmodell – vgl. etwa In re Greate Bay Hotel & Casino, Inc., 251 B. R. 213, 226 ff. (Bankr. N. J. 2000); allgemein zur feasibility siehe 9D Am Jur 2d, Bankruptcy, §§ 2944 ff.; Norton, Bankruptcy Law and Practice, § 112:28. 584 Diese Schutzbestimmung läuft hinsichtlich der einfachen Gläubiger in der Praxis oft leer, da diese Gruppen im Liquidationsfall nur äußerst geringe Quoten bzw. überhaupt nichts erwarten können; Johnston, 65 Am. Bankr. L. J. 213, 280 (1991). 585 Dies sind im Wesentlichen Unterhaltsgläubiger, der Verwalter (soweit einer bestellt wurde) wegen seiner Vergütung, Arbeitnehmer wegen des Lohnes der letzten 180 Tage vor dem Verfahren, Farmer und Kautionsgläubiger sowie der Fiskus – vgl. 11 U. S. C. § 1129 (a) (9), § 507 (a) (1) – (8). 586 Allgemein zur cramdown rule: 9D Am Jur 2d, Bankruptcy, §§ 2962 ff.; Johnston, 65 Am. Bankr. L. J. 213, 281 ff. (1991); Kennel/Link/Muskus/Oakes/Williams, Corpus Juris Secundum, § 1147 ff.; Norton, Bankruptcy Law and Practice, § 113:1 ff.; Ordin/McDonald, in: Ordin on Contesting Confirmation, § 12-§ 18; aus der deutschen Literatur: Kemper, Chapter 11, S. 173 ff.; Riesenfeld, KTS 1983, 85, 98 f. 587 Vgl. etwa In re Greate Bay Hotel & Casino, Inc., 251 B. R. 213, 229 ff. (Bankr. N. J. 2000) m. w. N. zur Rechtsprechungspraxis; siehe auch 9D Am Jur 2d, Bankruptcy, §§ 2963; Norton, Bankruptcy Law and Practice, § 113:2.50.

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gen, die insgesamt die Höhe des Wertes der gesicherten Forderung (plus Zinsen) erreichen, 11 U. S. C. § 1129 (b) (2) (A). Bei einer ablehnenden Gruppe ungesicherter Forderungsgläubiger muss der Plan diesen entweder Zuwendungen in Höhe ihres vollen Forderungswertes anbieten oder aber er darf zumindest keinen nachrangigen Gläubigern oder Gesellschaftern 588 irgendeinen Vermögenswert zuwenden, 11 U. S. C. § 1129 (b) (2) (B). Bei einer ablehnenden Gruppe von Anteilseignern muss der Plan nach dem Wortlaut des Gesetzes ebenfalls entweder Zuwendungen in Höhe ihres vollen Anteilswertes anbieten oder aber er darf zumindest keinen nachrangigen Gläubigern oder Gesellschaftern irgendeinen Vermögenswert zuwenden, 11 U. S. C. § 1129 (b) (2) (C). Da es allerdings keine nachrangigen Beteiligten hinter einer Gruppe einfacher Gesellschafter (common stock) geben kann, hat die Praxis die Regel dahingehend interpretiert, dass der Plan keiner vorrangigen Gruppe mehr als 100 Prozent ihrer Rechte zuwenden darf.589 Die Bestätigungsvoraussetzungen des § 1129 beinhalten damit nahezu alle historischen Elemente des Gläubigerschutzes: der best interest test des composition agreement von 1874, die absolute priority rule des Supreme Courts aus dem Jahr 1913, die Notwendigkeit eines billig und gerechten sowie durchführbaren Plans des Chandler Acts von 1938. Das geltende amerikanische Insolvenzrecht verbindet diese gläubigerschützenden Elemente seiner Vorgänger mit dem ebenfalls schon seit 1933 bekannten Mittel des Obstruktionsverbots (cramdown rule) und ermöglicht damit die Durchsetzung von Reorganisationsplänen auch in solchen Fällen, in denen eine Gruppe den Plan ohne sachlichen Grund ablehnt. Dieser Ausgleich von Gläubigerschutz und Gläubigerzwang scheint sich in der Praxis – jedenfalls bei der Reorganisation von großen Unternehmen – zu bewähren.590

588 Problematisch ist, ob diese Vorschrift verletzt wird, wenn die Gesellschafter nach dem Plan zwar einen Wert erhalten sollen, dafür im Gegenzug aber dem Schuldnerunternehmen neues Vermögen zur Verfügung stellen (sog. »new value exception«). Der Supreme Court befürwortete eine derartigen Regelung in den 1930iger Jahren, Case v. Los Angeles Lumber Co., 308 U. S. 106, 121 f. (1939). Unter der Geltung des Bankruptcy Codes hat der Supreme Court sie zwar ebenfalls ausdrücklich für denkbar gehalten, ihre Anwendung dann aber in den beiden ihm vorliegenden Einzelfällen jeweils verworfen – vgl. Norwest Bank Washington v. Ahlers, 485 U. S. 197 (1988) sowie Bank of America Nat’l Trust & Sav. Ass’n v. 203 LaSalle St. Partnership, 526 U. S. 434 (1996). 589 Vgl. Norton, Bankruptcy Law and Practice, § 113:25. Diese Interpretation der absolute priority rule gilt auch zugunsten der ablehnenden Gruppen ungesicherter Gläubiger – siehe etwa In re Mcorp Financial Inc., 137 B. R. 219, 235 (Bankr. S. D. Tex. 1992); In re Exide Technologies, 303 B. R. 48, 61 (Bankr. Del. 2003). 590 Empirische Studien ergaben gerade bei großen Reorganisationsfällen eine Bestätigungsquote von bis zu 96 Prozent. Dabei kam es nur in ca. 58 Prozent der Fälle zu einer Planannahme durch alle Gruppen. In den restlichen Fällen kam die cramdown rule zur Anwendung und blieb bis auf wenige Einzelfälle ohne Widerspruch der betroffenen Gläubiger. In kleinen Fällen liegt dagegen die Bestätigungsquote nur bei 17 bis 24 Prozent. Viele der Plan-

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Hat das Gericht den Reorganisationsplan bestätigt, so wird der entsprechende Beschluss an alle Beteiligten versandt.591 Die Bestätigung bindet gemäß 11 U. S. C. § 1141 (a) den Schuldner sowie alle Gläubiger und Anteilseigner unabhängig von ihrer Stimmangabe an den Plan. Belastungen an den Massegegenständen werden auf die im Plan vorgesehenen Rechte reduziert, 11 U. S. C. § 1141 (c); der Schuldner wird gemäß 11 U. S. C. § 1141 (d) i. V. m. §§ 523, 524 entschuldet.592 Im übrigen ist das Gericht nach 11 U. S. C. § 1142 (b) befugt, alle zur Planerfüllung notwendige Handlungen anzuweisen. Hat das Gericht schließlich alle aus seiner Sicht erforderlichen Entscheidungen und Anordnungen getroffen, so beendet es das Verfahren auch formal durch einen entsprechenden Aufhebungsbeschluss (final decree).593 Es war das soeben in seinen Grundzügen dargestellte Reorganisationsverfahren, das der deutsche Reformgesetzgeber in den 1980iger und Anfang der 1990iger Jahre als Vorbild für ein Sanierungsverfahren vor Augen hatte. Dieses blieb seither jedenfalls im Mechanismus des Zustandekommens eines Plans unverändert. Die Regelungen zur Gruppenbildung und zur Abstimmung wie auch die Bestätigungsvoraussetzungen sind immer noch identisch. Selbst die Reform des Jahres 2005594 ließ diese Regelungsbereiche weitgehend unberührt, erweiterte aber – wie bereits eingangs erläutert – die Sonderbestimmungen für Verfahren über Kleinunternehmen. Diese Entwicklung ging am deutschen Gesetzgeber bislang vorbei. c) Die Rechtsnatur des Reorganisationsplans des Chapter 11 Die Rechtsnatur des im soeben beschriebenen Verfahren zustande gekommenen Reorganisationsplans wird in den Vereinigten Staaten allenfalls am Rande diskutiert. Großes wissenschaftliches Interesse hat diese Frage nicht auf sich ziehen können. Interessanterweise kann man dennoch bei genauer Betrachtung vorschläge scheitern im Verfahren. Eine Auswertung der Studien fi ndet sich bei Terhart, Chapter 11, S. 141 f. 591 Rule 3020 (c) (2) der Federal Rules of Bankruptcy Procedure. 592 Näher zur discharge: Ordin/McDonald, in: Ordin on Contesting Confirmation, § 22.01; aus der deutschen Literatur siehe etwa Kemper, Chapter 11, S. 183 ff. Der Aderlass der Gläubiger ist enorm und liegt bei den ungesicherten Gläubigern laut empirischer Studien bei ca. 70 Prozent, während die gesicherten Gläubiger nur allenfalls 20 Prozent ihrer Forderungen einbüßen; häufig bleiben letztere sogar unangetastet – Auswertung bei Terhart, Chapter 11, S. 145. 593 Rule 3022 der Federal Rules of Bankruptcy Procedure. 594 Im Jahr 2005 erfolgte die bislang umfangreichste Reform des Bankruptcy Codes durch den Bankruptcy Abuse Prevention and Consumer Protection Act, der am 17. Oktober 2005 in Kraft trat. Neben weitreichenden Veränderungen für Verbraucherinsolvenzverfahren enthielt dieses Gesetz auch bedeutende Detailänderungen für das Chapter 11 – allgemein zum Reformgesetz: Hafner, DAJV Newsletter 2006, 13 ff.; zu seiner durchaus interessanten Entstehungsgeschichte: Jensen, 79 Am. Bankr. L. J. 485 (2005). So wurde etwa der dem Schuldner zur Planvorlage gewährte Exklusivzeitraum (11 U. S. C. § 1121) verkürzt, indem die Verlängerungsmöglichkeiten beschnitten wurden. Auch die Verwaltereinsetzung wurde erleichtert.

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der verschiedenen Entscheidungen und wenigen Literaturquellen, die sich zu diesem Thema finden lassen, feststellen, dass es zu dieser Frage durchaus keine allgemein vertretene Ansicht gibt. Stattdessen lassen sich – ähnlich wie in Deutschland – auch bezüglich des Chapter-11-Plans eine reine Vertragstheorie und eine prozessuale Vertragstheorie einer Urteilstheorie gegenüberstellen. (1) Die Vertragstheorie: »The confirmed plan is a contract.« Die Vertragstheorie ist die ganz herrschend vertretene Ansicht. Der ganz überwiegende Teil der bankruptcy courts595 bzw. der district courts596 wie auch der 595 In re St. Louis Freight Lines, Inc., 45 B. R. 546, 551 (Bankr. E. D. Mich. 1984): »Case law has established the binding contractual nature of the plan.« In re Richard C. Ernst and R. C. E. Corporation, 45 B. R. 700, 702 (Bankr. D. Minn. 1985): »The plan is essentially a new and binding contract, sanctioned by the Court, between a debtor and his preconfirmation creditors.« In re Page, 118 B. R. 456, 460 (Bankr. N. D. Tex. 1990): »In essence, the plan becomes a binding contract between the debtor and the creditors and controls their rights and obligations.« In re Cook, 126 B. R. 575, 583 (Bankr. D. SD 1991): »A plan is a contract consisting of a novation of the previous agreements between the parties.« In re Modern Steel Treating Co., 130 B. R. 60, 65 (Bankr. N. D. Ill. 1991): »Further, a confirmed plan is a contract.« In re Pettibone Corporation, 134 B. R. 349, 351 (Bankr. N. D. Ill. 1991): »A plan of reorganization is a contract which binds a debtor and its creditors.« In re Erie Hilton Joint Venture, 137 B. R. 165, 171 (Bankr. W. D. Pa. 1992): »The Committee and the Defendants agree that the Confirmed Plan is a contract and the rules of contract govern its interpretation.« In re Harstad, 155 B. R. 500, 510 (Bankr. D. Minn. 1993): »After all, a chapter 11 plan is a contract between the debtor and its creditors.« In re Schreiber, 163 B. R. 327, 333 (Bankr. N. D. Ill. 1994): »A confirmed plan is a contract, and the parties to a plan are bound by its terms.« In re Potts, 188 B. R. 575, 582 (Bankr. N. D. Ind. 1995): »The [. . .] plan became a contract between the Potts and their creditors.« In re Vandy, Inc., 189 B. R. 342, 347 (Bankr. E. D. Pa. 1995): »In essence, upon confirmation, the confirmed plan becomes a binding contract between the debtor and the creditors.« In re Wrenn Insurance Agency of Missoury, Inc., 178 B. R. 792, 796 (Bankr. W. D. Mo. 1995): »[A] confirmed plan is a contract.« In re Maruko, Inc., 200 B. R. 876, 881 (Bankr. S. D. Ca. 1996): »A chapter 11 plan is a contract between the debtor and its creditors in which general rules of contract interpretation apply.« In re Bennett Funding Group, Inc., 220 B. R. 743, 758 (Bankr. N. D. NY 1997): »By virtue of the [. . .] Confirmation Order, the [. . .] Plan became a binding contract between HSI and, inter alios, BMDC, and must be interpreted in accordance with general contract law.« In re Campesinos Unidos, Inc., 219 B. R. 886, 888 (Bankr. S. D. Ca. 1998): »In place of the old obligations is the reorganized debtor’s new contract with its creditors. That contract is the plan, and generally provides within its four corners, like many contracts, the creditors’ rights and procedures for enforcing its terms.« In re Offshore Diving & Salvaging, Inc., 226 B. R. 185, 188 (Bankr. E. D. La. 1998): »A chapter 11 plan is a contract, and any ambiguities must be interpreted using contract principles.« In re Xofox Industries, Ltd., 241 B. R. 541, 543 (Bankr. E. D. Mich. 1999): »Section 1141(a) of the Code provides that the plan becomes a legally binding agreement.« In re Edison Brothers, Inc., 243 B. R. 231, 237 (Bankr. D. Del. 2000): »[. . .] the First Edison Plan, which is essentially a contract between the parties.« In re Miller, 253 B. R. 455, 458 (Bankr. N. D. Ca. 2000): »It is well established that a chapter 11 plan is a contract between the debtor and its creditors [. . .].« In re Eagle-Picher Industries, Inc., 278 B. R. 437, 451 (Bankr. S. D. Ohio 2002): »It is well established that a confirmed Chapter 11 plan is essentially a new contract.« In re Commercial Loan Corp., 363 B. R. 559, 570–571 (Bankr. N. D. Ill. 2007): »But a confirmed plan is a contract or at least ›contractlike‹.« In re Winn-Dixie Stores, Inc., 381 B. R. 804, 807 (Bankr. M. D. Fla. 2008): »A creditor’s treatment under a confirmed plan of reorganization creates a con-

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courts of appeal597 in den Vereinigten Staaten geht davon aus, dass ein bestätigter Reorganisationsplan nach Chapter 11 ein Vertrag ist. Er binde die Planbetroffenen als Vertragsparteien und ersetze hinsichtlich der gebundenen Gläubiger deren bisherige Forderungen. Seine Auslegung wird folgerichtig dem Vertragsrecht, also den Grundsätzen der Vertragsauslegung, unterworfen. 598 Die Literatur schließt sich dieser Ansicht, soweit die Frage überhaupt aufgeworfen wird, häufig an.599 Ebenfalls der Vertragstheorie zuzuordnen sind zudem die 596

tractual relationship between the debtor and the creditor.« Dasselbe gilt übrigens für Pläne in Privatinsolvenzen nach Chapter 13 – vgl. In re Turek, 346 B. R. 350, 354 (Bankr. M. D. Pa. 2006) m. w. N. 596 In re Dahlgren International, Inc., 147 B. R. 393, 398–399 (N. D. Tex. 1992): » An agreed provision in a plan of reorganization functions as a binding contract between parties. [. . .] That the Plan was later confirmed by court order changes not the validity of the contract.« In re Friedberg, 192 B. R. 338, 341 (S. D. NY 1996): »The Plan is essentially a contract between the parties to the Plan.« In re Sugarhouse Realty, Inc., 192 B. R. 355, 362 (E. D. Pa. 1996): »Confirmed bankruptcy plans of reorganization are binding contracts that must be interpreted in accordance with applicable contract law.« In re Settlement Facility Dow Corning Trust, 2008 U. S. Dist. LEXIS 25306, 7 (E. D. Mich. 2008): »In interpreting a confirmed plan, courts use contract principles, since the plan is effectively a new contract between the debtor and its creditors«. 597 In re Sergi, 233 B. R. 586, 589 (1st Cir. 1999): »The 1992 confirmed plan of reorganization is a binding contract between the Debtor and Everett [. . .].« In re Scott, 172 F.3d 959, 962 (7th Cir. 1999): »Upon approval of the plan by the creditors, it would become a binding contract between the debtors and the creditors.« In re Troutman Enterprises, Inc., 253 B. R. 8, 11 (6th Cir. 2000): »The plan is essentially a new and binding contract between the Reorganized Debtor and the Petitioning Creditors.« Ernst & Young LLP v. Baker O’Neal Holdings, Inc., 304 F.3d 753, 755 (7th Cir. 2002): »A confi rmed plan of reorganization is in effect a contract between the parties and the terms of the plan describe their rights and obligations.« In re Dow Corning Corporation, 456 F.3d 668, 676 (6th Cir. 2006): »In interpreting a confirmed plan, courts use contract principles, since the plan is effectively a new contract between the debtor and its creditors«. 598 Vgl. etwa In re Erie Hilton Joint Venture, 137 B. R. 165, 171 (Bankr. W. D. Pa. 1992); Salmon v. Laser Plot, 189 B. R. 559, 561(D. MasS. 1995); In re Texas General Petroleum Corp., 52 F.3d 1330, 1335 (5th Cir. 1995); In re Sugarhouse Realty, Inc., 192 B. R. 355, 362 (E. D. Pa. 1996); In re Maruko, Inc., 200 B. R. 876, 881 (Bankr. S. D. Ca. 1996); In re Bennett Funding Group, Inc., 220 B. R. 743, 758 (Bankr. N. D. NY 1997); In re Offshore Diving & Salvaging, Inc., 226 B. R. 185, 188 (Bankr. E. D. La. 1998); In re Sergi, 233 B. R. 586, 589 (1st Cir. 1999); In re Miller, 253 B. R. 455, 458 (Bankr. N. D. Ca. 2000); In re Eagle-Picher Industries, Inc., 278 B. R. 437, 451 (Bankr. S. D. Ohio 2002); In re Dow Corning Corporation, 456 F.3d 668, 676 (6th Cir. 2006); In re Commercial Loan Corp., 363 B. R. 559, 571 (Bankr. N. D. Ill. 2007). Dies ist insofern von Bedeutung, als die Entstehung des Plans und seine Wirkungen im Bankruptcy Code geregelt und daher Bundesrecht sind, während das Vertragsrecht aus dem Recht des jeweiligen Bundesstaats zu entnehmen ist. 599 Ellenberg/Van Horn/Savory, in: Cowans, Bankruptcy Law and Practice, Vol. 5, § 20.18, S. 207: »The plan of reorganization is, in a sense, the deal between the parties in interest offered by the proponent. It is a contract, even if the court makes an order confirming it.« Kennel/Link/Muskus/Oakes/Williams, Corpus Juris Secundum, § 1160: »A Chapter 11 reorganization plan also functions as a contract in its own right, so that obligations created by the plan potentially constrain the parties’ ability to pursue certain remedies, such as submission of claims to arbitration. A Chapter 11 plan thus should be construed as a contract.« Hillman/

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Gerichte, die den Plan zwar nicht als Vertrag bezeichnen wollen, ihn aber analog desselben behandeln. 600 Eine Begründung für diese Einordnung findet sich interessanterweise höchst selten; im Regelfall bleibt es bei der bloßen Feststellung dieser Grundsätze. Insbesondere das Problem der Vereinbarkeit einer nur mehrheitlichen Zustimmung zum Plan mit den Vertragsprinzipien wird in diesem Rahmen nicht diskutiert. Folgerichtig bleibt auch die Bedeutung der gerichtlichen Bestätigung für den Plan in den Stellungnahmen weitgehend unklar. Dieses Argumentationsdefizit beruht m. E. auf zwei Tatsachen: der unwiderlegbaren Natur des Plans als Resulat von Verhandlungen zwischen allen Beteiligten sowie der historischen Entwicklung des Rechtsinstitut des Reorganisationsplans. Die erstgenannte Tatsache ist schnell erläutert. Der Bankruptcy Code überlässt es dem Schuldner, in Verhandlungen mit seinen gesicherten und ungesicherten Gläubigern, seinen Gesellschaftern und anderen interessierten Personen ein Reorganisationskonzept zu entwickeln und zu vermitteln, dass von allen, zumindest aber von einer Mehrheit in den jeweiligen Interessengruppen getragen wird. Das Verfahren nach Chapter 11 ist darauf ausgerichtet, Verhandlungen zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern bzw. Gesellschaftern zu erleichtern, indem es den notwendigen multilateralen Verhandlungen eine rechtlichen Rahmen zur Verfügung stellt und das Gelingen einer Einigung zwischen den Beteiligten mit verschiedenen Mitteln (Schaffung einer Informationssymmetrie; Überwinden unvernünftiger Obstruktion) fördert. Das Gericht hat dabei lediglich sicherzustellen, dass die Informationsgrundlage, die der Schuldner seinen Verhandlungspartnern liefert, alle notwendigen und zutreffenden Informationen enthält (disclosure statement, 11 U. S. C. § 1125). Im ÜbCrouch, Bankruptcy Deskbook, Vol. 1, § 11:4:1, S. 11–63: »If the plan is accepted by the creditors and interest holders and confirmed by the court, [. . .] it becomes a binding contract on the debtor, its creditors and the equity security holders.« Kupetz, 1 No. 9 Andrews Bankr. Litig. Rep. 7 (2004): »The plan is, in effect, a court-sanctioned contract among the reorganized debtor, its creditors and other parties to the plan.« Warren/Bussel, Bankruptcy, S. 586: »A successful reorganization is usually the product of a deal that is struck between creditors and the debtor.« Ebenso aus der deutschen Literatur: Kemper, Chapter 11, S. 151. 600 In re Doty, 129 B. R. 571, 591 (Bankr. N. D. Ind. 1991): »The Court concludes, that the Order confirming the Debtor’s Amended Plan pursuant to 11 U. S. C. § 1129 (a) is more analogous to a contract between the Debtor and FCS, or a consent decree between the Debtors and FCS [. . .].« In re UNR Industries, Inc., 173 B. R. 149, 156 (N. D. Ill. 1994): » First, a plan of reorganization [. . .] possess many of the characteristics of an agreed order or consent decree as opposed to a contested order. Second, a plan of reorganization bears close analogy to a private contract between the debtor and its creditors.« UNR Industries v. Paterson Factory Workers, 176 B. R. 472, 474 (N. D. Ill. 1994): »A plan of reorganization is analogous to contract or consent decree, and such state law contract principles should be used to construe its terms.« D&K Properties Crystal Lake v. Mutual Life InS. Co., 112 F.3d 257, 262 (7th Cir. 1997): »bankruptcy plans are analogous to contracts«; In re Kmart Corporation, 310, 107, 125 (N. D. Ill. 2004): »Reorganization plans have been analogized to contracts for purposes of applying the principles of contract construction and interpretation«.

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rigen verlaufen die Verhandlungen gänzlich außerhalb des Gerichtssaals und gleichen damit üblichen Vertragsverhandlungen. Kommt dann ein Reorganisationsplan zustande, so wird er folgerichtig weder als das Ergebnis eines Gerichtsverfahrens noch einer echten (gerichtlichen) Auseinandersetzung zwischen den Beteiligten, 601 sondern als Ergebnis der Kooperation aller Beteiligten, als erfolgreicher Abschluss der Verhandlungen in Form einer diese fixierenden Vereinbarung angesehen. 602 Die Einordnung dieser Verhandlungslösung entsprechend ihrer Funktion als Vertrag liegt dann nahe. Die Erläuterung des historischen Hintergrundes der amerikanischen Vertragstheorie bedarf demgegenüber eines Rückgriffs auf die bereits dargestellte Entwicklung des Rechtsinstituts des Reorganisationsplans. Die erste gesetzliche Regelung, die dem Schuldner ermöglichte, in einer Insolvenz sein Unternehmen zu behalten und die Insolvenzsituation durch eine Vereinbarung mit seinen Gläubigern zu bereinigen, war das composition agreement, das durch den Act of June 22, 1874 in § 5103A des Bankruptcy Act von 1867 eingefügt wurde. Dieses »agreement« bedurfte zu seinem Zustandekommen – anders als die Bezeichnung als »Vereinbarung« nahe legen könnte – keineswegs der allseitigen Zustimmung. Schon das mit hinreichender Gläubigermehrheit angenommene und vom Gericht bestätigte agreement band alle ungesicherten Gläubiger des Schuldners, auch die ablehnende Gläubigerminderheit. Gesicherte Gläubiger wie auch die Gesellschafter des Schuldnerunternehmens wurden von ihr hingegen nicht erfasst. Die Rechtsnatur dieses composition agreements von 1874 wurde – soweit ersichtlich – in seiner Zeit nicht diskutiert. Man ging offensichtlich von der Vertragsnatur solcher Vereinbarungen aus. Dies lag insbesondere wohl darin begründet, dass das Rechtsinstitut einer composition bereits aus dem common law bekannt war und dort unstreitig als Vertrag eingeordnet und vertragsrechtlichen Erfordernissen unterworfen wurde. 603 Vor diesem Hin601 Am klarsten findet sich dieser Gedanken bei Johnston, 65 Am. Bankr. L. J. 213, 215–216 (1991): »At the philosophical and practical heart of chapter 11 is the emphasis on bargaining that takes place between a debtor and its creditors. Chapter 11 encourages the parties involved in a troubled debt restructuring to reach a consensual solution to the debtor’s financial problems through negotiations among themselves rather than through court order or statutory fiat. . . . the role of the bankruptcy judge in a chapter 11 case can be reduced to that of a virtual bystander when a debtor and its creditors mutually agree on the terms of a business reorganization plan. Chapter 11 is thus premised on the assumption that successful reorganizations are neither primarily the product of the judicial process nor basically adversarial in nature, but instead reflect the persuasive power of private ordering achieved by the disputing parties themselves«. 602 Die Einordnung des Plans als Verhandlungslösung wie auch der Regelungen des Chapter 11 als Verhandlungsstimulus ist allgemein anerkannt – vgl. etwa Epstein/Nickles/White, Bankruptcy, § 10–2, S. 734; Herbert, Understanding Bankruptcy, S. 322; Johnston, 65 Am. Bankr. L. J. 213, 215 (1991); Treister/Trost/Forman/Klee/Levin, Fundamentals of Bankruptcy Law, § 9.04(a), S. 398. 603 Zur Bereinigung einer Unternehmenskrise konnte der Schuldner mit seinen Gläubigern natürlich auch eine außergerichtliche Vereinbarung schließen. Diese wurde dann als »Com-

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tergrund machte schon die Bezeichung des neuen Rechtsinstituts als »composition agreement« deutlich, dass ein Vertrag vorliegen muss, der nun atypischerweise allerdings nicht nur die ihm zustimmenden Beteiligten, sondern alle ungesicherten Gläubiger band. Die Problematik der Bindungsmacht hinsichtlich der ablehnenden (ungesicherten) Gläubiger sowie der damit verbundene unfreiwillige Verlust von Forderungen wurde dabei nicht als dogmatisches Problem der Einordnung des Rechtsinstituts, sondern allein als verfassungsrechtliches Problem wahrgenommen. Der Eigentumsschutz des 5. Zusatzartikels der Verfassung der Vereinigten Staaten604 erfasst in seinem Schutzbereich auch die Forderungsrechte von Gläubigern, weshalb die Kürzung derselben in einem composition agreement unmittelbar als zwar verfassungsrechtlich relevanter, aber dennoch zulässiger Eingriff angesehen wurde. Die dazu ergehende Entscheidung des Supreme Court aus dem Jahr 1883 bezog sich zwar nicht auf das composition agreement des Bankruptcy Act von 1867 in der Fassung von 1874; diese Regelung war schon nicht mehr in Kraft. In Canada Southern Railway Co. v. Gebhard 605 hielt der Supreme Court vielmehr die gesetzlichen Regelungen in England und Kanada, nach denen ein mehrheitlich angenommener Akkord auch die Minderheit band, nicht nur für nützlich; er befürwortete zugleich ausdrücklich die Schaffung solcher Regelungen in den Vereinigten Staaten, solange die Mehrheitsmacht auf einer gesetzlichen Grundlage beruht und den Interessen des Gemeinwohls dient. In einer späteren Entscheidung606 zu den dann vorhandenen Regelungen im Bankruptcy Act von 1898 stützte der Supreme Court seine Auffassung auf zwei weitere Erwägungen. Zum einen seien Eingriffe in private Forderungsrechte im Rahmen von Insolvenzverfahren verfassungsrechtlich durch Art. I section 8 clause 4 der Verfassung legitimiert, der ausdrücklich erlaubt, ein bundeseinheitliches und effektives Insolvenzrecht zu schaffen. 607 Ein Akkord wie etwa eine composition wurde schon zuvor als ein insolvenzrechtliches Rechtsinstitut im Sinne der Bestimmung aufgefasst. 608 Zum anderen verbietet der 5. Zusatzartikel nicht generell den Entzug von Eigentumsrechten, sondern verlangt dafür ein geregeltes rechtliches Verfahren (»due process of law«) und ein position at Common Law« eingeordnet und unstreitig als Vertrag angesehen und behandelt – vgl. etwa die ausführliche Darstellung bei Glenn, Liquidation, 1935, § 89 ff., S. 147 ff. (mit detaillierten Nachweisen). 604 Amendment 5: »No person shall be [. . .] deprived of life, liberty, or property, without due process of law; nor shall private property be taken for public use, without just compensation«. 605 109 U. S. 527, 535 (1883). 606 Continental Illinois Nat’l Bank & Trust Co. v. Chicago, Rock Island & Pacifi c RY. Co., 294 U. S. 648, 673 ff. (1935). 607 Art. I § 8 cl. 4: »The Congress shall have Power [. . .] To establish [. . .] uniform Laws on the subject of Bankruptcies throughout the United States«. 608 Canada Southern Railway Co. v. Gebhard, 109 U. S. 527, 535 (1883).

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solches Verfahren findet sich eben im Composition-Verfahren. Auch zwangsweise Eingriffe in die Gläubigerrechte im Rahmen eines Insolvenzverfahrens waren danach verfassungsrechtlich legitimiert. 609 Heute werden diesbezüglich keine Bedenken mehr erhoben. 610 Die in § 12 des Bankruptcy Acts von 1898 wieder eingeführte composition nutzte diese verfassungsrechtlichen Spielräume und band wie ihre Vorgängerin alle ungesicherten Gläubiger. Unabhängig von der verfassungsrechtlichen Diskussion611 beantwortete der Supreme Court die Frage nach der Rechtsnatur der composition ausdrücklich in den 1920iger Jahren. In Myers v. International Trust Co. stellte der Supreme Court erstmals ausdrücklich fest, dass die composition in § 12 ihrer Rechtsnatur nach ein Vertrag ist. 612 Zur Begründung führte er die Freiwilligkeit in der Beteiligung als maßgebliches Kriterium an; sowohl das Anbieten einer composition durch den Schuldner, deren Inhalt und schließlich auch deren Annahme durch die Gläubiger basierten auf deren freiwilliger Teilnahme. Trotz der Notwendigkeit einer gerichtlichen Bestätigung resultiere jede Änderung in den Rechten des Schuldners und der Gläubiger allein auf dem Inhalt der composition und damit auf dem Ergebnis eines Verhandlungsprozesses. 613 Die Entwicklung dieses Dogmas ist durchaus interessant. Noch im Jahr 1915 ließ der Supreme Court in einer Stellungnahme zur Natur der composition eine Einordnung derselben als Vertrag vermissen, betonte aber bereits den Aspekt der Freiwilligkeit und der Verhandlungslösung. 614 Erst im Jahr 1924 609 Vgl. etwa Canada Southern Railway Co. v. Gebhard, 109 U. S. 527, 536 (1883); Continental Illinois Nat’l Bank & Trust Co. v. Chicago, Rock Island & Pacifi c RY. Co., 294 U. S. 648, 672 (1935) – jeweils für compositions; Finletter, Bankruptcy Reorganization, S. 30; Gilbert/Rosbrook, in: Collier, Law and Practice of Bankruptcy, Vol. I, 1921, S. 313; McCurdy Marsh, 1 Newark L. Rev. 1, 9 ff. (1936); Rosenberg, 17 Colum. L. Rev. 523, 535 f. (1917). 610 Vgl etwa Lipson, 83 Notre Dame L. Rev. 605, 663 (bzgl. des Eigentumsschutzes) und 669 (bzgl. due process) (2007–2008). 611 In Hanover National Bank v. Moyses, 186 U. S. 181 (1902) hatte der Supreme Court allgemein die Verfassungsmäßigkeit des Bankruptcy Acts von 1898 geprüft und bejaht. Bedenken wegen der Regelung in § 12 gab es dabei nicht. 612 Myers v. International Trust Co., 273 U. S. 380, 383 (1927) zur Frage der Reichweite einer Composition: »This question must be answered in the light of the principle stated by the Supreme Judicial Court, that a composition partakes of the nature of a contract«. 613 Myers v. International Trust Co., 273 U. S. 380, 383 (1927): It is settled that a composition »originates in a voluntary offer by the bankrupt, and results, in the main, from voluntary acceptance by his creditors; that the respective rights of the bankrupt and the creditors are fi xed by the terms of the offer; and that upon the confirmation of the composition they get what they »bargained for,« and no more«. 614 Cumberland Glass Manufacturing Co. v. De Witt & Co., 237 U. S. 447, 453 (1915), wobei er wörtlich die Auffassung von Judge Lowell übernimmt, die dieser In re Lane, 125 Fed 772, 773 (Mass. 1902) geäußert hatte: »The case of composition is in some respects exceptional. It is a proceeding voluntary on both sides, by which the debtor of his own motion offers to pay his creditors a certain percentage of their claims in exchange for a release from his liabilities. The amount offered may be less or more than would be realized through distribution in bankruptcy by the trustee. The creditors may accept this offer or they may refuse it. For the purposes of the composition all the creditors are treated as a class, and the will of the

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bezeichnete er die composition dann erstmals explizit als Vereinbarung des Schuldners mit seinen Gläubigern, wobei er diese Auffassung unter Bezugnahme auf die vorangegangene Entscheidung wiederum mit dem Aspekt der Freiwilligkeit ihrer Entstehung begründete. 615 Bereits in seiner nächsten Entscheidung im Jahr 1927 sprach der Supreme Court dann unter Bezug auf die beiden vorgenannten Entscheidungen von einem gefestigten Dogma, einem Prinzip, nach dem die composition an der Natur eines Vertrages partizipiere. 616 Die Vertragsnatur einer composition wurde damit fester Bestandteil des Insolvenzrechts der Vereinigten Staaten und die Instanzgerichte übernahmen dementsprechend diese Ansicht, soweit sie mit der Frage konfrontiert wurden. 617 Die Einordnung der composition als Vertrag stand dabei im Einklang mit der Einordnung des Reorganisationsplans der Equity Receivership. Dieser Plan richtete sich zwar an alle Beteiligten, also gesicherte wie ungesicherte Gläubiger sowie die Schuldnergesellschaft selbst und deren Gesellschafter; Bindungswirkung hatte er allerdings nur für die Personen aus diesem Adressatenkreis, die dem Plan ausdrücklich zugestimmt hatten. Insoweit wirkte der Plan unzweifelhaft wie ein Vertrag. Die vom Verfahren ebenfalls ausgehende Ausschlusswirkung für Gläubiger, die ihre Forderungen trotz öffentlicher Aufforderung nicht ins Verfahren eingeführt hatten, beruhte demgegenüber nicht auf dem Reorganisationsplan; dieser musste derartige Klauseln nicht enthalten. Grundlage dieser Zwangswirkung war allein das Verfahrensrecht. Der Ausschluss war promajority is enforced upon the minority, provided the decision of the majority is approved by the court. Except for this coercion of the minority, the intervention of the court of bankruptcy would hardly be necessary«. 615 Nassau Smelting & Refi ning Works, Ltd. v. Brightwood Bronze Foundry Co., 265 U. S. 269, 271 (1924): »Composition is a settlement by the bankrupt with his creditors. [. . .] It originates in a voluntary offer by the bankrupt; and results, in the main, from voluntary acceptance by his creditors. It cannot be confirmed unless there has been such acceptance by the requisite majority«. 616 Myers v. International Trust Co., 273 U. S. 380, 383 (1927): »This question must be answered in the light of the principle stated by the Supreme Judicial Court, that a composition partakes of the nature of a contract«. 617 In re Balco Builders, Inc., 22 F.2d 845, 846 (E. D. N.Y 1927); In re Vulcan & Reiter Co.Inc., 80 f. Supp. 286, 288 (S. D. N. Y. 1948): »A composition under § 12 of the Bankruptcy Act of 1898 was in effect a contract between the debtor and his creditors by which he obtained a settlement of their claims against him by paying an agreed sum into court for distribution to such creditors by order of the court.« Identisch: In re Goldberg, 97 f. Supp. 75, 76 (S. D. N. Y. 1951). Ähnliche Ansichten gab es auch schon zuvor – vgl. etwa Cobb v. First National Bank of Livonia, 263 Fed. 1000, 1001–1002 (N. D. Ga. 1920): »The composition, however, is not alone a contract between the bankrupt and his unsecured creditors, but also, on its confi rmation, a judgment of the court having definite legal results.« Ebenso Gilbert/Rosbrook, in: Collier, Law and Practice of Bankruptcy, Vol. I, 1921, S. 314. Siehe auch Black, Bankruptcy, 1926, § 1080, S. 1361: »A composition in bankruptcy is an arrangement by which the bankrupt’s assets are collected and distributed by direct dealing between the bankrupt and the creditors without the intervention of a trustee. [. . .] A composition is at once a settlement and a discharge, and is in the nature of an accord and satisfaction«.

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zessrechtlicher Natur und wirkte im Wege eines Klagbarkeitsausschlusses ähnlich des Rechtskrafteinwandes. Die Vertragsnatur des Plans wurde davon folglich nicht berührt. Es bleibt damit festzuhalten, dass zum Ende der 1920iger Jahre sowohl die gerichtliche Reorganisation mittels eines Plans in der Equity Receivership als auch die insolvenzrechtliche Schuldenbereinigung mittels einer composition in ihrem Kern auf einem Vertrag zwischen allen Beteiligten beruhten. Die Vertragsnatur der composition wie auch des Reorganisationsplans war damals geltendes Recht. Die einsetzende Weltwirtschaftskrise erzeugte mit ihren weitreichenden wirtschaftlichen und sozialen Folgen dann einen wahren Sturm an Gesetzgebung im Bereich der Akkordverfahren. Die im Gesetz vom 3. März 1933 in den Bankruptcy Act in § 74 eingeführte composition für natürliche Personen band bei Zustandekommen einer einfachen Kopf- und Summenmehrheit der Gläubiger sowie der gerichtlichen Bestätigung sowohl die ablehnenden als auch die nicht am Verfahren teilnehmenden und nun sogar die gesicherten Gläubiger, § 74 (i). Sie wurde wie ihre Vorgängerin als Vertrag angesehen. 618 Der durch dasselbe Gesetz in den Bankruptcy Act in § 77 eingeführte Reorganisationsplan für Eisenbahngesellschaften hatte zunächst zwar nicht diese umfassende Bindungswirkung; er band nur die gesicherten Gläubiger in den zustimmenden Gläubigergruppen (dann aber auch diejenigen, die in der Gruppe überstimmt worden waren) sowie alle vorrangigen und ungesicherten Gläubiger, wenn jeweils eine Zwei-Drittel-Summenmehrheit unter ihnen dem Plan zugestimmt hatte, § 77 (h). Diese beschränkte Bindungswirkung blieb jedoch nicht lange bestehen. Schon mit dem Gesetz vom 27. August 1935 wurde die Bindungswirkung des mehrheitlich angenommenen und bestätigten Plans auf alle Beteiligten erstreckt, unabhängig von ihrer Zustimmung oder Ablehnung, § 77 (f) Satz 1. Der Supreme Court hielt die Bestimmungen für verfassungsgemäß und sah in ihnen dabei keinen Unterschied zu den hergebrachten Regelungen der composition. 619 Das Dogma der vertraglichen Natur blieb insoweit bestehen. Mit dem Änderungsgesetz vom 7. Juni 1934 wurde dann § 77B in den Bankruptcy Act aufgenommen, der allen Gesellschaften eine Reorganisation mittels eines Reorganisationsplans erlaubte. Dieser Plan band nach seiner Bestätigung ausdrücklich alle Gläubiger und Gesellschafter, unabhängig davon, ob sie oder ihre Gruppe den Plan angenommen oder abgelehnt hatten, § 77B (g). Auch für das Verfahren in § 77B wurde angenommen, dass es einer composition »äh618 Vgl. Gordon, Bankruptcy Act, S. 137: »A composition is, in substance, an arrangement with the creditors«. 619 Continental Illinois Nat’l Bank & Trust Co. v. Chicago, Rock Island & Pacifi c RY. Co., 294 U. S. 648, 672 (1935): »As outlined by that section, a plan of reorganization, when confirmed, cannot be distinguished in principle from the composition with creditors authorized by the act of 1867, as amended by the act of 1874«.

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nelt«620 oder denselben Prinzipien wie eine composition unterliegt, 621 so dass die dogmatischen Aussagen zur composition im Wesentlichen übertragen wurden. Diese Ansichten bestätigte dann auch der Supreme Court, als er sich im Jahr 1935 in einem obiter dictum unter anderem zur Frage der Rechtsnatur der composition in § 74 sowie der Reorganisationspläne in den §§ 77 und 77B äußerte. Dabei sah er in diesen Normen weiterhin eine Anwendung des »Prinzips der composition«, das nun auch auf gesicherte Gläubiger erweitert wurde. 622 Die composition definierte er dabei im Anschluss an seine bisherige Rechtsprechung als Vertrag des Schuldners mit seinen Gläubigern. 623 Die Bindungswirkung dieser Vereinbarung hinsichtlich dissentierender Gläubiger stützte er nun aber erstmals auf die gerichtliche Befugnis, in einem Insolvenzverfahren die Rechte der Gläubiger neu zu ordnen. 624 Primärer Gegenstand der Diskussion war dabei allerdings weniger die Vertragsnatur des Plans als die Verfassungsmäßigkeit dieser Normen. 625 Dennoch schien infolge dieses unklaren obiter dictum nun etwas Unsicherheit über die Rechtsnatur dieser Institute zu entstehen. So ließ etwa der United States Court of Appeal for the Tenth Circuit im Jahre 1941 die »interessante« Frage nach der Rechtsnatur einer composition ausdrücklich offen. 626 Es war dann bereits der Chandler Act von 1938, der das Reorganisationsrecht nahezu gänzlich neu regelte. Lediglich die Reorganisation von Eisenbahnunternehmen in § 77 blieb in Chapter VIII erhalten. Die gerade einmal wenige Jahre alten Vorschriften des Bankruptcy Acts zur composition in den §§ 12 und 74 wurden dagegen ebenso gestrichen wie das Reorganisationsverfahren in § 77B. Stattdessen wurde in Chapter X ein neues Reorganisationsverfahren geschaffen. Der darin zustande kommende Reorganisationsplan band alle Beteiligten, 620

Gerdes, Corporate Reorganization, S. 94: »the new procedure resembles a compositi-

on«. 621 In re Central Funding Corp., 75 F.2d 256, 260 (2nd Cir. 1935): »The provisions [. . .] do no more than apply the principles of composition«. 622 Louisville Joint Stock Land Bank v. Radford, 295 U. S. 555, 586 (1935). 623 Louisville Joint Stock Land Bank v. Radford, 295 U. S. 555, 585 (1935): »So far as concerns the debtor, the composition is an agreement with the creditors in lieu of a distribution of the property in bankruptcy-an agreement which ›originates in a voluntary offer by the bankrupt, and results, in the main, from voluntary acceptance by his creditors«. 624 Louisville Joint Stock Land Bank v. Radford, 295 U. S. 555, 585 (1935): » So far as concerns dissenting creditors, the composition is a method of adjusting among creditors rights in property in which all are interested. In ordering the adjustment, the bankruptcy court exercises a power similar to that long exercised by courts of law«. 625 So war auch in Louisville Joint Stock Land Bank v. Radford, 295 U. S. 555 (1935) die Verfassungsmäßigkeit einer Regelung in § 75 über die Rechte von insolventen Farmern gegenüber Grundpfandgläubigern eigentlicher Gegenstand des Verfahrens (sie wurde verneint). Vgl. zu den verfassungsrechtlichen Fragen etwa Gerdes, Corporate Reorganization, S. 85 ff. (mit umfangreichen Nachweisen insbesondere in Fn. 2) oder auch bei McCurdy Marsh, 1 Newark L. Rev. 1, 9 ff. (1936). 626 Hanssen v. Wingren, 121 F.2d 1011, 1012 (10th Cir. 1941).

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auch die ihn ablehnenden Gläubiger und alle Gesellschafter des Schuldnerunternehmens, § 224 (1). Äußerungen zu seiner Rechtsnatur finden sich (soweit ersichtlich) nicht mehr. 627 Der Chandler Act schuf in Chapter XI zugleich ein Verfahren zur Entschuldung mittels eines »arrangements«. In diesem durften keine Eingriffe in die Rechte gesicherter Gläubiger oder die Anteilsrechte der Gesellschafter erfolgen, §§ 356, 357. Stimmten alle ungesicherten Gläubiger des Schuldners dem von ihm vorgeschlagenen arrangement zu, so wurde es unmittelbar durch das Gericht bestätigt, § 361. Es band dann alle Beteiligten und war unzweifelhaft ein Vertrag zwischen ihnen. Hatte hingegen nur eine einfache Kopf- und Summenmehrheit aller Gläubiger oder aber im Fall von Gläubigergruppen eine solche Mehrheit in jeder Gruppe dem arrangement zugestimmt, § 362 (1), so war die Bestätigung desselben davon abhängig, dass es »in the best interest« aller Gläubiger sowie »fair and equitable and feasible« war, § 366 (2) und (3). Das danach bestätigte arrangement band wiederum alle Beteiligten, insbesondere auch alle ablehnenden oder nicht am Verfahren beteiligten ungesicherten Gläubiger, § 367 (1). Auch ein solches arrangement wurde als Vertrag eingeordnet. 628 Die zum heutigen Reorganisationsplan ganz herrschend vertretene Vertragstheorie steht damit in der weit zurückreichenden Tradition amerikanischer Gerichte, Akkordvereinbarungen wie auch Reorganisationspläne als Vertrag anzusehen. Sie kann sich zugleich auf die letzte Äußerung des Supreme Court stützen, die unmittelbar die Rechtsnatur eines insolvenzrechtlichen Akkords betraf. Man kann insofern wohl immer noch von einer so gefestigten Rechtstradition sprechen, dass die überwiegende Vielzahl der mit der Frage nach der Rechtsnatur eines Plans befassten Gerichte auf eine Begründung dieser althergebrachten Ansicht schlicht verzichten.

627 Eine allgemeine Äußerung zur Natur von Reorganisationsplänen nach dem Chandler Act findet sich immerhin in American United Life InS. Co. v. Haines City, Fla., 117 F.2d 574, 576 (5th Cir. 1941), allerdings bezogen auf einen Plan nach Chapter IX, der nur Städten und Gemeinden offen stand: »But a composition is in its essence a contract, proposed by the debtor and agreed to by those of the creditors who give consent, and they in the requisite majority bind all. The interlocutory decree confi rms it and establishes it as regular and lawful. A composition after confirmation ought to be respected as a contract, and not disturbed in its substance for light cause, or so as to give one party an advantage over the other; and especially so after partial execution«. 628 Forman, Bankruptcy & Arrangements Proceedings, S. 162: »An arrangement is a proceeding pursuant to which an embarrassed debtor, by agreement with his creditors and subject to court approval, remains in business [. . .]« [Hervorhebung durch Verfasser]. Die Besonderheit der gerichtlichen Bestätigung erzeugte eine besondere Rechtssicherheit, da der Plan in Rechtskraft erwuchs und so weitgehend unangreifbar wurde, Bizzell v. Hemingway, 548 F.2d 505, 507 (4th Cir. 1977).

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(2) Die prozessuale Vertragstheorie: »The plan resembles a consent decree.« Eine ebenfalls nicht selten vertretene Ansicht will die gerichtliche Beteiligung stärker gewichten als es in der reinen Vertragstheorie geschieht und sieht im bestätigten Plan ein »consent decree«. 629 Das consent decree, auch als consent order oder consent judgement bezeichnet, ist ein Rechtsinstitut des U. S.-Prozessrechts und bezeichnet eine gerichtliche Entscheidung, die aufgrund einer zur Streitbeilegung geschlossenen Vereinbarung der Prozessparteien ergeht, diese zum Inhalt hat und damit zugleich den Prozess beendet. Es entspricht damit in Zweck und Wirkung weitgehend einem Prozessvergleich deutschen Rechts. 630 Eine gesetzliche Regelung dieses Instituts findet sich weder im Federal Code of Civil Procedure (28 U. S. C.) noch in den Federal Rules of Civil Procedure, die gemeinsam das Prozessrecht der Bundesgerichte bestimmen. Allerdings 629 In re Stratford of Texas Inc., 635 F.2d 365, 368 (5th Cir. 1981): »[. . .] the arrangement represents a kind of a consent decree which has many attributes of a contract and should be construed basically as a contract.« In re Hillis Motors, Inc. v. Hawaii Automobile Dealers’ Association, 997 F.2d 581, 588 (9th Cir. 1993): »A reorganization plan resembles a consent decree and therefore, should be construed basically as a contract.« In re Affordable Housing Development Corporation, 175 B. R. 324, 329 (9th Cir. 1994): »Like a consent decree, a chapter 11 plan has elements of both a judgment and a contract. Because of a plan’s likeness to a consent decree, a chapter 11 plan should generally be interpreted as if it were a contract.« In re Penberthy, 211 B. R. 391, 395 (Bankr. W. D. Wash. 1997): »A Chapter 11 reorganization plan »resembles a consent decree and therefore should be construed basically as a contract.« In re Bartleson, 253 B. R. 75, 78–79 (9th Cir. 2000): »Like a consent decree, a chapter 11 plan has elements of both a judgment and a contract. Because of a plan’s likeness to a consent decree, a chapter 11 plan should generally be interpreted as if it were a contract.« In re Harvey, 213 F.3d 318, 321 (7th Cir. 2000): »[. . .] a confirmed plan acts more or less like a court-approved contract or consent decree that binds both the debtor and all the creditors.« In re Biofi lm, Inc., 2002 U. S. App. LEXIS 2994, 2 (9th Cir. 2002): »A reorganization plan resembles a consent decree and therefore, should be construed basically as a contract, with state law controlling its interpretation.« In re Linsenmeyer, 92 Fed. Appx. 101, 102–103 (6th Cir. 2003): As it resembles a consent decree, »the Plan is to be construed as a contract.« In re Captain Blythers, Inc., 311 B. R. 530, 536 (9th 2004): »A chapter 11 plan resembles a consent decree and should be construed as a contract«. Die Literatur schließt sich dem teilweise an: 9C Am Jur 2d, Bankruptcy, § 2799: »It resembles a consent decree and should be construed basically as a contract. It bears a close analogy to a private contract between the debtor and its creditors and binds the parties.« Drake/ Strickland, Chapter 11 Reorganizations, § 12:1: »Upon court approval, the plan bears practical resemblance to a consent decree, and it’s terms bind each party in a fashion similar to a private contract between the debtor and its creditors. General state law principles of contract, therefore, will generally be applied to interpret and construe the terms of a confi rmed reorganization plan.« Ordin/McDonald, in: Ordin on Contesting Confirmation, § 22.02[E][2]a, S. 22–41: »[. . .] a reorganization plan resembles a consent decree, and therefore should be construed primarily as a contract«. 630 Böhm, Am. Zivilprozessrecht, Rn. 517: »Ein »consent decree« ist eine Vereinbarung der Parteien über die Streitbeilegung, welche die Vertragsparteien im Rahmen eines Zivilprozesses schließen, um den Rechtsstreit zu beenden und die der gerichtlichen Bestätigung bedarf, um vollstreckbar zu sein«.

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enthalten verschiedene bundesstaatliche Prozessordnungen Regelungen über Urteile, die aufgrund einer Vereinbarung der Parteien zur Prozessbeendigung ergehen. Als Beispiel sei hier § 664.6 des California Code of Civil Procedure genannt, wonach das Gericht ein Urteil mit dem Inhalt erlässt, der sich aus einer Vereinbarung der Parteien zur Streitbeilegung ergibt. 631 Daneben haben consent decrees eine lange Tradition im case law. Der Supreme Court charakterisierte das consent decree im Jahr 1975 als Mischform (dual character). Da sein Inhalt aus Verhandlungen der Parteien entsteht, habe ein consent decree viele Eigenschaften eines Vertrages und sei grundsätzlich als Vertrag zu verstehen und zu behandeln. 632 Allerdings dürfe dabei nicht übersehen werden, dass consent decrees auch Eigenschaften gerichtlicher Verfügungen haben und unter dem Eindruck eines anhängigen Verfahrens geschlossen werden. Diese prozessuale Natur hindere es, sie in jeder Hinsicht als Vertrag zu behandeln. 633 Grundsätzlich seien sie aber als Vertrag zu betrachten, also etwa wie Verträge auszulegen634 und insbesondere wie Verträge durchzusetzen. 635 Gerade die grundsätzliche Konstruktion und Durchsetzung übernommener Pflichten, also kurz die Bindung der Parteien an ein consent decree, hat danach vertragliche Wurzeln. Noch deutlicher äußerte sich der Superior Court of Pennsylvania im Jahr 2002 zur Natur eines consent decree. Nach dortigem case law sei ein consent decree trotz der Gerichtsbeteiligung stets ein Vertrag zwischen den Parteien mit denselben Bindungswirkungen wie ein Vertrag. 636

631 Cal CCP § 664.6: »If parties to pending litigation stipulate, in a writing signed by the parties outside the presence of the court or orally before the court, for settlement of the case, or part thereof, the court, upon motion, may enter judgment pursuant to the terms of the settlement. If requested by the parties, the court may retain jurisdiction over the parties to enforce the settlement until performance in full of the terms of the settlement«. 632 United States v. ITT Continental Baking Company, 420 U. S. 223, 236 (1975): »[. . .] since consent decrees [. . .] have many of the attributes of ordinary contracts they should be construed basically as contracts ». Dieser Linie folgten die Instanzgerichte – vgl. etwa United States v. Kellum, 523 F.2d 1284, 1287 (5th Cir. 1975); Eaton v. Courtaulds of North America, Inc., 578 F.2d 87, 90 (5th Cir. 1978) sowie die Literatur – vgl. 27A Am Jur 2d, Equity, § 218; 46 Am Jur 2d, Judgments, § 183 sowie § 186. 633 United States v. ITT Continental Baking Company, 420 U. S. 223, 236, Fn. 10 (1975): »Because of this dual character, consent decrees are treated as contracts for some purposes but not for others«. 634 Eaton v. Courtaulds of North America, Inc., 578 F.2d 87, 90 (5th Cir. 1978). 635 United States v. ITT Continental Baking Company, 420 U. S. 223, 238 (1975): »Since a consent decree or order is to be construed for enforcement purposes basically as a contract, reliance upon certain aids to construction is proper, as with any other contract«. 636 Osial v. Cook, 803 A.2d 209, 213 (Pa. 2002): »In Pennsylvania, a consent decree in an equity action is not considered a legal determination by the courts but is an agreement between the partieS. The rule is that, where the parties enter into a decree in equity by consent, it is binding upon the parties until they choose to amend it. Essentially it is a contract with the same binding effect as a final decree rendered after a full hearing on the merits«.

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Unterwirft man den Reorganisationsplan diesen Grundsätzen, so ist er weitgehend ebenfalls als Vertrag zu begreifen und als Vertrag zu behandeln. 637 Einzelne Gerichte 638 wollen demgegenüber das Vertragsrecht auf den Plan nur analog und lückenfüllend zu den bundesrechtlichen Bestimmungen anwenden. Da allerdings ein bundesrechtliches Vertragsrecht nicht existiert, führt auch diese Ansicht lediglich zu einer etwas stärkeren Betonung der insolvenzrechtlichen (also bundesrechtlichen) Grundsätze bei der rechtlichen Behandlung von Insolvenzplänen. (3) Die Urteilstheorie: »The confirmed plan is a judgement.« Die Gegenposition zu den ganz herrschend vertretenen Vertragstheorien nimmt in den Vereinigten Staaten (wie in Deutschland) eine Urteilstheorie ein. Soweit ersichtlich ist diese Ansicht allerdings nur in einer einzigen Entscheidung des Bankruptcy Court for the Southern District of Florida tatsächlich ausdrücklich vertreten und begründet worden. 639 Nur in dieser Entscheidung findet sich eine ausdrückliche Stellungnahme zur Vertragstheorie, die in ihrer reinen Form wie auch in ihrer prozessualen Form vom Gericht jedenfalls dann abgelehnt wird, wenn ein Plan gegen den Willen einzelner Gläubigerklassen angenommen werde, da man dann nicht von irgendeiner Form von Einverständnis sprechen könne. 640 Stattdessen betont das Gericht für solche Fälle die Bedeutung der gericht637 So auch die weit überwiegende Ansicht unter den Vertretern dieser Theorie: In re Stratford of Texas Inc., 635 F.2d 365, 368 (5th Cir. 1981); In re Hillis Motors, Inc. v. Hawaii Automobile Dealers’ Association, 997 F.2d 581, 588 (9th Cir. 1993); In re Affordable Housing Development Corporation, 175 B. R. 324, 329 (9th Cir. 1994); In re Penberthy, 211 B. R. 391, 395 (Bankr. W. D. Wash. 1997); In re Bartleson, 253 B. R. 75, 78–79 (9th Cir. 2000); In re Biofilm, Inc., 2002 U. S. App. LEXIS 2994, 2 (9th Cir. 2002); In re Linsenmeyer, 92 Fed. Appx. 101, 102–103 (6th Cir. 2003); In re Captain Blythers, Inc., 311 B. R. 530, 536 (9th 2004). Aus der Literatur: Ordin/McDonald, in: Ordin on Contesting Confirmation, § 22.02[E][2]a, S. 22– 41; Drake/Strickland, Chapter 11 Reorganizations, § 12:1. 638 In re Harvey, 213 F.3d 318, 321–322 (7th Cir. 2000): »It seems more likely to us that something analogous to the four-corners principle that applies to federal consent decrees ought to govern interpretation of plans confi rmed by the bankruptcy court.« Ziel der Analogie ist die Anwendung von Bundesrecht anstelle des Vertragsrechts des jeweiligen Bundesstaats. Ebenso In re Heartland Steel, Inc., 389 F.3d 741, 745 (7th Cir. 2004): »In short, a plan is not simply a private contract subject only to rules of contract interpretation (though indeed it may be contract-like for some purposes). It is an agreement whose every provision has been approved and therefore activated by court order. We decline, therefore, to rely solely on Indiana contract law to resolve the dispute in this case«. 639 In re Hillard Development Corporation, 238 B. R. 857 (Bankr. S. D. Fla. 1999). 640 In re Hillard Development Corporation, 238 B. R. 857, 872, Fn. 23 (Bankr. S. D. Fla. 1999): »This court notes that although a confirmed plan may, in some circumstances, resemble a consent judgment, this is not universally true. For example, when the court confi rms a plan over the non-acceptance of a class of creditors, the plan could hardly be characterized as a consent judgment, at least not with respect to that class of creditors. See 11 U. S. C. § 1129(b) (cram down). More generally, the court suspects that many, if not most, creditors (even those voting to accept a plan of reorganization) would prefer to avoid bankruptcy proceedings altogether. The reference to »consent judgment« in the cases may be a useful analytical aid, but

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lichen Bestätigungsentscheidung, die anerkanntermaßen ein Urteil mit Rechtskraftwirkung sei. 641 Folglich müsse auch die Bindung des bestätigten Plans nicht auf einem Vertrag, sondern auf der gerichtlichen Bestätigungsentscheidung beruhen. Kein Vertrag, sondern ein Urteil werde durchgesetzt, wenn Forderungen aus dem Plan geltend gemacht werden. Diese Rechte seien daher wie der Bankruptcy Code bundesrechtlichen Ursprungs, weshalb das Vertragsrecht der Bundesstaaten nicht zur Auslegung des Planes heranzuziehen sei. 642 Ziel dieser Rechtsprechung ist damit wiederum die Nichtanwendung einzelstaatlichen Vertragsrechts auf den bundesrechtlich entstandenen Plan. Neben dieser einen Entscheidung finden sich eine ganze Reihe weiterer Urteile, die sich zwar nicht zum Streit um die Rechtsnatur positionieren, aber dennoch die Urteilsqualität der Bestätigungsentscheidung und deren Rechtskraftwirkung betonen, da dies für die jeweilige Fallentscheidung von Bedeutung war. Eine Zuordnung dieser Entscheidungen zur Urteilstheorie darf dabei allerdings jedenfalls solange nicht erfolgen, wie sich die Aussage in den Entscheidungsgründen darauf beschränkt, die Bestätigungsentscheidung als Urteil aufzufassen und ihr Rechtskraftwirkung (res judicata effect) zuzugestehen. 643 Dieser Aspekt der Bestätigungsentscheidung ist keinswegs streitig, sondern allgemein anerkannt und wird auch von den Anhängern der Vertragstheorie nicht geleugnet, 644 beruht doch auf ihm die Mangelheilung, also der Grundsatz, dass should not be accorded too much significance. The bottom line is that a federal judgment is imposed upon all parties in interest when a plan is confirmed«. 641 In re Hillard Development Corporation, 238 B. R. 857, 871–872 (Bankr. S. D. Fla. 1999). Die Rechtskraftwirkung der Bestätigungsentscheidung und der mit ihr einhergehende Ausschluss von Einwendungen gegen die Wirksamkeit des Planes aufgrund etwaiger Mängel im Planverfahren ist – in den Vereinigten Staaten wie in Deutschland – unstreitig (sogenannter »res judicata effect«). Ob dieser Effekt allerdings materiell-rechtliche Wirkungen entfalten kann und insbesondere die Grundlage einer Bindung der Beteiligten an den Plan rechtfertigt, erscheint mehr als fraglich. Siehe dazu (hinsichtlich des deutschen Rechts) die Ausführungen im Vierten Kapitel unter B. I. 642 In re Hillard Development Corporation, 238 B. R. 857, 871–872 (Bankr. S. D. Fla. 1999): »Although many courts construe the terms of a plan in accordance with State contract interpretation principles, reorganization plans, by virtue of the orders confirming them, are regarded as judgments of the federal courts. [. . .] Accordingly, [. . .] this court characterizes Simonetti’s claim for determination of its rights under the First Plan as enforcement of a bankruptcy court judgment, and therefore essentially federal in origin [. . .]«. 643 So etwa: Bizzell v. Hemingway, 548 F.2d 505, 507 (4th Cir. 1977): »[The] confirmation of an arrangement is tantamount to a judgment [. . .].«Republic Supply Co. v. Shoaf, 815 F.2d 1046, 1051–1054 (5th Cir. 1987), wo allerdings auch lediglich die Rechtskraftwirkung der Bestätigungsentscheidung ausführlich untersucht und bejaht wird. Ebenso In re Chattanooga Wholesale Antiques, Inc., 930 F.2d 458, 463 (6th Cir. 1991): »Confirmation of a plan of reorganization by the bankruptcy court has the effect of a judgment by the district court and res judicata principles bar relitigation of any issues raised or that could have been raised in the confirmation proceedings.« Sure-Snap Corp. v. State Street Bank & Trust Co., 948 F.2d 869, 877 (2nd Cir. 1991). 644 Vgl. etwa In re St. Louis Freight Lines, Inc., 45 B. R. 546, 551 (Bankr. E. D. Mich. 1984): »It is equally well-established that an order confirming a plan is an appealable order which has

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Mängel im Entstehungsprozess des Plans nach dessen rechtskräftiger Bestätigung nicht mehr geltend gemacht werden können. Allerdings ist mit dieser Aussage eben auch nur die Rechtsnatur der Bestätigungsentscheidung selbst charakterisiert, nicht aber die Natur des bestätigten Plans, also des Gegenstands der Entscheidung. Beide Fragen müssen sauber getrennt werden. Beachtet man diesen Unterschied, so finden sich im Ergebnis nur wenige Entscheidungen, die den Plan selbst als Urteil bezeichnen oder aber die Bindungswirkung des Plans an die Bestätigungsentscheidung knüpfen und daher jedenfalls im Ergebnis der Urteilstheorie zugerechnet werden könnten, auch wenn sich die Gerichte jeweils nicht zum Streit positioniert haben. 645 Zu beachten ist des Weiteren, dass sich die amerikanische Urteilstheorie zu ihrer Begründung auf zwei Besonderheiten stützen kann, die es in Deutschland so nicht gibt. Zum einen hat der Richter am Bankruptcy Court eine viel weiter reichende Macht als ein deutscher Insolvenzrichter. Er kann etwa nach 11 U. S. C § 105(a) generell alle zur Bewältigung des Insolvenzfalls notwendigen Anordnungen treffen. Hierbei hat er einen weiten Entscheidungsspielraum. Er darf unter Umständen für einzelne Gläubiger das Vollstreckungsverbot aufheben, 11 U. S. C. § 362(d), oder neuen Kreditgebern vorrangige Sicherheiten an der Masse zugestehen, 11 U. S. C. § 364(d). Zugleich ist es der Richter, nicht die Gläubigervertretung, der im Insolvenzverfahren bis zur Annahme eines Planes über jede außergewöhnliche Verwendung von Gegenständen aus der Insolvenzmasse entscheidet. Gemäß 11 U. S. C. § 363 (b) darf der Richter selbst über die Einsprüche von Gläubigern hinweg eine Veräußerung, Vermietung oder Nutzung von Gegenständen aus der Masse genehmigen, wenn nur der sich selbst a res judicata effect on all issues that could have been raised regarding the claim.« In re Dahlgren International, Inc., 147 B. R. 393, 397 (N. D. Tex. 1992); In re Troutman Enterprises, Inc., 253 B. R. 8, 11 (6th Cir. 2000); In re Winn-Dixie Stores, Inc., 381 B. R. 804, 807 (Bankr. M. D. Fla. 2008). Aus der Literatur: Kennel/Link/Muskus/Oakes/Williams, Corpus Juris Secundum, § 1160. 645 So etwa: In re Heritage Hotel Partnership I, 160 B. R. 374, 377 (9th Cir. 1993): »Confirmation of a plan of reorganization constitutes a final judgment in bankruptcy proceedings. [. . .] Like final judgments, confirmed plans of reorganization are binding on all parties, and issues that could have been raised pertaining to such plans are barred by res judicata.« Diese Entscheidung wird durch dasselbe Gericht im Jahr 1998 zweimal bestätigt, wobei es sich bei ersten Mal ausdrücklich nicht zum Streit um die Rechtsnatur äußern will – In re Consolidated Water Utilities, Inc., 217 B. R. 588, 590 (9th Cir. 1998) – und beim zweiten Mal den Streit wiederum schlicht ignoriert und lediglich seine Grundsätze feststellt – In re Robert L. Helms Construction and Development Co., Inc., 139 F.3d 702, 704 (9th Cir. 1998): »A confirmed reorganization plan operates as a final judgment with res judicata effect.« Ähnlich In re Laing, 31 F.3d 1050, 1051 (10th Cir. 1994): »Laing’s earlier confirmed Chapter 11 plan binds him as a final judgment on the merits.« In re Electric Reliability Council of Texas, Inc. v. Schmidt, 2007 U. S. Dist. LEXIS 49678, 11 (Bankr. S. D. Tex. 2007): »Under Bankruptcy law, it is wellsettled that a confirmed Chapter 11 reorganization plan has a binding effect on both debtors and creditors, and the plan functions as a judgment with respect to the parties bound by its terms.« Ähnliches findet sich bei: Collier on Bankruptcy, P 1141.02; Crames/Edelman/Kress, The Fundamentals of Bankruptcy and Corporate Reorganization, S. 257.

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verwaltende Schuldner dies vorschlägt und die Maßnahme wirtschaftlich vernünftig erscheint. Schließlich ist der Bankruptcy Judge gemäß 28 U. S. C. § 1334 (a) und (b) nicht nur für Streitigkeiten um Rechte im Insolvenzverfahren, sondern auch für Rechtsstreitigkeiten zuständig, die mit dem Insolvenzverfahren lediglich zusammenhängen, da sie die Insolvenzmasse betreffen. 646 Der Bankruptcy Court kann insofern auch über Zivilklagen, etwa auf Herausgabe von Gegenständen aus der Masse, entscheiden. Insgesamt betrachtet ist die Rolle des Insolvenzgerichts in den Vereinigten Staaten weit weniger auf die Rolle der Aufsichtsinstanz beschränkt. Stattdessen kommt dem Bankruptcy Court eine viel aktivere und gestaltendere Rolle, insbesondere in Planverfahren, zu. Insofern erscheint es nicht verwunderlich, wenn auch beim Zustandekommen eines Insolvenzplans dem Richter im Gegensatz zu den Gläubigern die maßgebliche Gestaltungsmacht zugesprochen wird. Diesbezüglich ist die Rechtslage in den Vereinigten Staaten allerdings kaum mit der in Deutschland vergleichbar. 647 Die zweite hinsichtlich der amerikanischen Urteilstheorie beachtenswerte Besonderheit besteht darin, dass das Insolvenzrecht in den Vereinigten Staaten Bundesrecht ist, während sich das Vertragsrecht aus dem Recht der Bundesstaaten ergibt. Der Plan ist nun eindeutig ein Produkt des Bundesrechts und es scheint insofern nur konsequent, auch seine rechtliche Behandlung allein dem Bundesrecht und nicht dem jeweiligen örtlichen Recht eines Bundesstaates zu unterwerfen. Allein auf diese Weise scheint eine bundesweit einheitliche Behandlung aller Insolvenzpläne gesichert. Da nun aber ein bundesrechtliches Vertragsrecht nicht existiert, bleibt offensichtlich nur der Rückgriff auf bundesrechtliche Prozessrechtsordnungen zur Auslegung und Durchsetzung des Plans als Ausweg. Der Plan wird dazu von der Urteilstheorie wie ein Urteil interpretiert und durchgesetzt; er sei ein Urteil. Auch insofern unterscheidet sich der rechtliche Hintergrund offensichtlich von der Rechtslage in Deutschland. Unabhängig davon erscheint diese Argumentation aber auch an sich wenig überzeugend und allein ergebnisorientiert. Selbst wenn der Wunsch nach einer bundeseinheitlichen Behandlung des Plans durchaus nachvollziehbar ist, so können doch allein dieser Wunsch sowie das Fehlen eines bundesweit einheitlichen Vertragsrechts nicht als Argument dafür dienen, den Plan nicht als Vertrag einzuordnen. Die Frage, ob der Plan ein Vertrag oder ein Urteil ist, kann nicht davon abhängen, ob für jede der Alternativen eine bundesweite Regelung existiert. Die Rechtsnatur des Plans ergibt sich allein aus seinem Zustandekommen und seinen Wirkungen, also aus seiner Normierung im Bankruptcy Code. 648 Die lü646 Vgl. die Entscheidung des Supreme Court zur Reichweite der Zuständigkeit des Insolvenzrichters in Celotex Corp. v. Edwards, 514 U. S. 300 (1995). 647 Näher zur Richtermacht im deutschen Insolvenzrecht im Vierten Kapitel unter B. IV. 648 Es ist insofern eine Selbstverständlichkeit, dass die Bindungswirkung des Plans gegenüber allen Beteiligten auf der gesetzlichen Regelung in 11 U. S. C. § 1141(a) beruht – so zuletzt In re Electric Reliability Council of Texas, Inc. v. Schmidt, 2007 U. S. Dist. LEXIS 49678, 11

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ckenfüllende Anwendung von Vertrags- oder Prozessrecht muss an die Frage nach der Rechtsnatur anknüpfen, darf sie aber nicht bestimmen. (4) Analyse Die Untersuchung der Rechtsnatur eines Reorganisationsplans nach Chapter 11 des Bankruptcy Code offenbart ein vertrautes Bild. Der schon im deutschen Recht zur Konkurs- und Vergleichsordnung aufgezeigte Meinungsstreit spiegelt sich nahezu identisch auch in den Vereinigten Staaten wider. Insgesamt dominiert die Vertragstheorie, die sich insbesondere auf eine lange Rechtstradition und die letzten ausdrücklichen Äußerungen des Supreme Court zur Rechtsnatur stützen kann. Der vom deutschen Gesetzgeber zum Vorbild genommene Reorganisationsplan in Chapter 11 ist danach ein Vertrag. 2. Die Rezeption ins Insolvenzplanverfahren Dieser Befund zur Rechtsnatur des amerikanischen Reorganisationsplans lässt sich nun aber nicht ohne weiteres auf den deutschen Insolvenzplan übertragen. Der deutsche Reformgesetzgeber nutzte zwar das Verfahren nach Chapter 11 als wesentliche Quelle, wich allerdings auch in vielen Punkten von seinem amerikanischen Vorbild ab, so dass sich schon aus diesem Grund die Frage nach der Rechtsnatur des Insolvenzplanes nicht einfach rechtsvergleichend beantwortet lässt. Insbesondere wurde das deutsche Reorganisationsverfahren, das Insolvenzplanverfahren, kein selbstständiges zweites Verfahren neben einem Liquidationsverfahren, sondern es wurde in ein einheitliches Insolvenzverfahren integriert, welches auf diese Weise völlig inhaltsoffen (und in gewisser Weise unberechenbar) im Hinblick auf die zum Zuge kommende Art der Insolvenzbewältigung wurde. Eine Eigenverwaltung des Schuldners wurde entgegen dem amerikanischen Vorbild ebenfalls nicht zum Regelfall; sie kann nur auf Antrag und unter strengen Voraussetzungen zugelassen werden. Gleichzeitig erhielt in der Insolvenzordnung nicht nur der Schuldner das Recht zum ersten Planvorschlag, das auch noch durch einen langen Exklusivitätszeitraum geschützt wird, sondern auch die Gläubigerversammlung kann über den Insolvenzverwalter jederzeit einen eigenen Planvorschlag initiieren. Parallel dazu gibt es enge zeitliche Vorgaben zum Verfahrensablauf. Darüber hinaus werden die direkten Verfahrenskosten stärker begrenzt als in den Vereinigten Staaten, bekommen doch die Verfahrensberater ihre (Anwalts-)Kosten nicht aus der Insolvenzmasse erstattet. Diese sind vielmehr gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 2 InsO nur nachrangige (Bankr. S. D. Tex. 2007): »Thus, by statute, the terms of the Plan are binding on ERCOT [. . .] Therefore, whatever power ERCOT had under its protocols could not be used to avoid an obligation imposed by the Plan and made binding upon it by federal statute.« Diese Feststellung beantwortet aber eben nicht die Frage nach der Natur des Plans, die eben lediglich durch diese gesetzlichen Regelungen vorgegeben wird.

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Insolvenzforderungen. 649 Die wesentlichen Kritikpunkte an der amerikanischen Regelung in Chapter 11, die sich insbesondere gegen dessen Schuldnerfreundlichkeit richteten, wurden damit berücksichtigt. 650 In dem für die Frage nach der Rechtsnatur entscheidenden Punkt jedoch, also in der Frage, nach welchem Procedere ein Planvorschlag zu einem Insolvenzplan werden soll, übernahm der deutsche Gesetzgeber, wie von Karsten Schmidt651 und anderen652 empfohlen wurde, die Mechanismen der amerikanischen Regelung. Sowohl die Abstimmung in Gläubigergruppen653 als auch die Einführung eines Obstruktionsverbotes654 , also die zentralen Fragen des erleichterten Zustandekommens der gewünschten und vernünftigen Sanierungslösung in der Insolvenzsituation, finden sich nahezu identisch im deutschen und amerikanischen Recht. Auch die Wirkungen des bestätigten Planes sind weitestgehend identisch. 655 Die inhaltliche Offenheit des Insolvenzplanes ermöglicht es zudem zugleich, den Plan – wie im Verfahren nach Chapter 11 – nicht nur zu Sanierungszwecken zu verwenden, sondern jede gewünschte Lösung der Insolvenzsituation im Wege des Planverfahrens zu vereinbaren, so dass wie in den Vereinigten Staaten nicht nur Sanierungspläne, sondern auch Liquidationspläne und Übertragungspläne denkbar und zulässig sind. 656 649

Bork, ZZP 109 (1996), 473, 481; Funke, FS Helmrich, 1994, 627, 636. Zu den Schwächen der amerikanischen Regelung vgl. etwa Rhodes, 67 Am. Bankr. L. J. 287 (1993); aus deutscher Sicht: Bork, ZZP 109 (1996), 473, 481 ff.; Braun, in: Nerlich/Römermann, InsO, vor § 217 Rn. 50; Fassbach, Die cram down power des amerikanischen Konkursgerichts, S. 175 ff.; Funke, FS Helmrich, 1994, 627, 633; Kemper, Chapter 11, S. 194 ff.; Terhart, Chapter 11, S. 327. 651 Schmidt, Gutachten D zum 54. Deutschen Juristentag, S. 34, 86, 89. 652 Hervorzuheben ist insbesondere der rechtsvergleichende Beitrag von Hohloch, ZGR 1982, 145, 182 ff. 653 § 222 InsO entspricht weitgehend 11 U. S. C. § 1122; ebenso Braun, in: Nerlich/Römermann, InsO, vor § 217 Rn. 63; Funke, FS Helmrich, 1994, 627, 634; Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, Vor §§ 217–269 Rn. 35. Der darstellende Teil des Insolvenzplanes erfüllt dabei die Informationsaufgaben des »disclosure statements«; Braun, in: Nerlich/Römermann, InsO, vor § 217 Rn. 55. 654 § 245 InsO enthält insofern die Kerngedanken der amerikanischen »cram-down rule« aus 11 U. S. C. § 1129 (b) – ebenso: Braun, in: Nerlich/Römermann, InsO, vor § 217 Rn. 22, Fn. 24; Funke, FS Helmrich, 1994, 627, 634; Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, Vor §§ 217–269 Rn. 44; Terhart, Chapter 11, S. 354. Nach beiden Regelungen darf die Ablehnung einer Gläubigergruppe als Zustimmung betrachtet werden, wenn die dortigen Gläubiger nicht schlechter gestellt werden als im Fall einer Liquidation (§ 245 Abs. 1 Nr. 1 InsO; 11 U. S. C. § 1129 (b) i. V. m. (a) (7) (A) (ii) »best interest test«), sie angemessen am wirtschaftlichen Wert beteiligt werden (§ 245 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 2 InsO; 11 U. S. C. § 1129 (b) (2) »absolute priority rule«) und die Mehrheit der abstimmenden Gruppe den Plan angenommen hat (§ 245 Abs. 1 Nr. 3 InsO; nach 11 U. S. C. § 1129 (b) i. V. m. (a) (10) reicht dagegen die Zustimmung nur einer einzigen anderen Gruppe aus). 655 Vgl. § 254 InsO und 11 U. S. C. § 1141 – dies gilt sowohl für seine umfassende Bindungsals auch für seine Verfügungswirkungen. 656 Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, Vor §§ 217–269 Rn. 41. Chapter 11 lässt nach ganz herrschender Ansicht (zum Streit siehe Kemper, Chapter 11, S. 161 m. w. N.) auch Liquidations650

C. Die Reform des Insolvenzrechts

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Die damit eigentlich naheliegende Annahme, dass auch die Rechtsnatur des neu geschaffenen Insolvenzplans aus dem amerikanischen Recht mit übernommen wurde, wird dennoch in der deutschen Rechtswissenschaft nicht vertreten. Das Gegenteil ist der Fall. In der Reformdiskussion war man der Diskussion um die Rechtsnatur solcher Akkorde leid und scheute eine klare Positionierung. So vollzog etwa Karsten Schmidt schon in seinem Gutachten zum 54. Deutschen Juristentag eine sehr deutlich Abkehr von den Denkgebäuden einer Vertrags- oder Urteilstheorie hinsichtlich des Insolvenzplanes. Dieser »doktrinär anmutende Streit« um Wesen und Rechtsnatur von Vergleich und Zwangsvergleich sei in Wahrheit nichts anderes als ein »Spiegelbild« seiner »mehrschichtigen Legitimation«. Keine der vier grundsätzlichen Legitimationsgrundlagen für die Gestaltung von Rechtsverhältnissen (Vertrags-, Mehrheitsprinzip; gesetzliche Ermächtigung, Verfahren) könne diese Rechtsinstitute zur Gänze erklären. Die Reorganisation bedürfe nun aber noch dringender als schon der Vergleich und der Zwangsvergleich einer solchen mehrfachen Legitimation. 657 Nach Karsten Schmidt ist damit weder allein der Vertrag noch allein ein Urteil Legitimations- und Geltungsgrund des Insolvenzplans; dieser wird damit zum Rechtsinstitut eigener Art. Der Gesetzgeber ließ in den Gesetzesbegründungen eine Stellungnahme hinsichtlich der Rechtsnatur des neuen Insolvenzplans gänzlich vermissen, was angesichts des bekannten Theorienstreits bedauerlich ist. Stattdessen betonte er in den allgemeinen Erwägungen zum Insolvenzplan sehr plakativ: »Der Plan ist kein Vergleich. Vergleich und Zwangsvergleich sind in ihrer Grundstruktur Verträge des Schuldners mit seinen Gläubigern zur Abwendung oder Beendigung des Konkurses. Sie sind in erster Linie auf die Sanierung des Schuldners angelegt. Damit werden im geltenden Recht drei Regelungsthemen miteinander vermischt: die Mitspracherechte des Schuldners, die Entscheidungsfreiheit der Gläubiger über die Art (Sanierung oder Liquidation) und Form (Gesamtexekution oder Vergleich) der Masseverwertung sowie die Restschuldbefreiung des Schuldners.«658 Diese Aussagen ließen sich sehr leicht wie folgt (miss-)deuten: Der Plan ist kein Vergleich und daher auch kein Vertrag. Diese Interpretation der Motive dürfte jedoch zu kurz greifen und blendet den Kontext aus, in den der Gesetzgeber diese Äußerungen setzte. Er war bemüht, das negative Image der funktionslosen alten Akkordverfahren (Zwangsvergleich und Vergleich) hinter sich zu lassen, und musste daher den Eindruck verstärken, der Wirtschaftspraxis etwas Neues, Unbelastetes zur Verfügung zu stellen, um Insolvenzsituationen wieder in höherer Zahl einvernehmlich und schnell mittels und Übertragungspläne zu – siehe 11 U. S. C. § 1129 (a) (11) ». . . unless such liquidation or reorganization is proposed in the plan.« Siehe dazu auch Riesenfeld, KTS 1983, 85, 90 mit Fallbeispielen in Fn. 48. 657 Schmidt, Gutachten D zum 54. Deutschen Juristentag, S. 77. 658 BT-Drucks. 12/2443, S. 91.

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Kapitel 1: Betriebswirtschaftliche und rechtshistorische Sicht

Akkord zu lösen. Er bemühte sich daher bewusst um eine neue Terminologie (»Insolvenzplan«) und um einen offenen Bruch mit den untauglichen Instrumenten der Vergangenheit (»Der Insolvenzplan ist kein Vergleich.«). Gleichzeitig betonte er, dass die Mitwirkungsrechte allen Beteiligten einheitlich zugemessen werden, der Plan nicht nur der Sanierung diene, sondern für alle Verwertungsarten offen steht und eine Restschuldbefreiung kein zwingendes Element sei. 659 Eine Beantwortung der Frage nach der Rechtsnatur des Plans war durch die zitierte Äußerung hingegen offensichtlich nicht beabsichtigt, sieht doch auch der Reformgesetzgeber im gleichen Atemzug in einem Insolvenzplan »mithin die privatautonome, den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Übereinkunft der mitspracheberechtigten Beteiligten über die Verwertung des haftenden Schuldnervermögens unter voller Garantie des Wertes der Beteiligtenrechte.«660 Prägend bleibt somit auch für den Reformgesetzgeber, dass der Insolvenzplan seine Grundlage in einer privatautonomen Übereinkunft der Beteiligten findet. 661 Eine Abkehr vom Vertragsgedanken lässt sich dann kaum noch annehmen.

VI. Rückschlüsse auf die Rechtsnatur des Insolvenzplans aus dem Reformverfahren Betrachtet man das neue Rechtsinstitut des Insolvenzplanes im historischen Kontext, so wird deutlich, dass sich an den Eckpfeilern der Diskussion um die Rechtsnatur nichts geändert hat. Wie seine historischen Vorgänger kommt auch der Insolvenzplan durch den Vorschlag eines Verfahrensbeteiligten, die Abstimmung der Gläubiger über diesen und schließlich die Bestätigung durch das Insolvenzgericht zustande und hat dann Wirkung für alle Beteiligten, auch die ablehnenden oder nicht teilnehmenden Gläubiger. Eine dogmatische Erklärung dieser universellen Bindungswirkung bleibt weiterhin offen; Aussagen des Reformgesetzgebers hierzu finden sich nicht. Dieser propagiert zwar eine Abkehr vom Vergleich, sieht im Insolvenzplan zugleich aber eine »privatautonome Übereinkunft« der Beteiligten und kann daher zur Frage nach der Rechtsnatur des Insolvenzplans nichts Entscheidendes beitragen. Zudem lässt gerade die bewusste Übernahme der Abstimmungs-, Bestätigungs- und Wirkungsmechanismen des Reorganisationsplans aus Chapter 11 des U. S. Bankruptcy Code es als nahe liegend erscheinen, den Insolvenzplan wie sein Vorbild als Vertrag zu begreifen. 662 659

BT-Drucks. 12/2443, S. 91. BT-Drucks. 12/2443, S. 91 [Hervorhebungen durch den Verfasser]. 661 Gerade die Betonung der Privatautonomie in der Entscheidungsfindung ist allgemein anerkannt – vgl. etwa Bork, ZZP 109 (1996), 473, 475. 662 Dagegen Dinstühler, InVo 1998, 333, 344; Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 217 Rn. 4. 660

D. Zusammenfassung

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Unabhängig davon also, in welche Richtung man zurückschaut: die Vorgängerregelungen des Insolvenzplans vom römischen bis zum deutschen Recht wie sein amerikanisches Vorbild wurden bzw. werden als Vertrag angesehen. Alle Quellen der modernen deutschen Rechtsschöpfung »Insolvenzplan« weisen diese Rechtsnatur auf. Dennoch ist dieser Umstand nur ein Indiz. Der Reformgesetzgeber musste diesen Traditionen nicht folgen und hatte die Macht, seinen Insolvenzplan auf andere dogmatische Fundamente zu stellen. Für einen derartigen Willen ergibt sich aus dem gesamten deutschen Reformprozess allerdings kein entscheidender Hinweis. Diese Frage wurde vielmehr nicht wirklich neu erörtert. Eine grundlegende Untersuchung bleibt damit mehr als lohnenswert.

D. Zusammenfassung 1. Die Funktion des Insolvenzplans ist betriebswirtschaftlich geprägt und kommt in einer Unternehmenskrise zum Zuge. Als Reaktion auf diese Krise kann ein Sanierungskonzept entstehen, dass eine Reorganisation oder aber eine übertragende Sanierung des Unternehmens vorsieht. Man kann sich alternativ auch zur Beendigung des Unternehmens sowie dessen Zerschlagung entschließen. Ein Insolvenzplan kann inhaltlich jedes dieser Szenarien enthalten und dient dazu, die in den jeweiligen Konzepten enthaltenen Maßnahmen zu koordinieren und die damit einhergehenden Beiträge aller Beteiligten festzuschreiben. Seine eigentliche Relevanz entfaltet der Insolvenzplan dabei in den Fällen einer Sanierung. Dort regelt der Insolvenzplan wie ein außergerichtlicher Sanierungsvergleich die Sanierungsbeiträge aller Beteiligten, aber auch deren Anteilsrechte am Sanierungserfolg. Der Vorteil des Insolvenzplans liegt dabei allein in der Zwangsbindung der Minderheitsgläubiger an einen mehrheitlich gewollten Plan und der auf diese Weise möglichen Überwindung von Blockadehaltungen einzelner Beteiligter. Er ist insofern das Produkt der Fortführung von außergerichtlichen Sanierungsverhandlungen und damit ein Vergleich, der trotz der Blockadehaltung einzelner Beteiligter zustande kommt. In Funktion, Inhalt und Ergebnis unterscheidet er sich nicht von einem außergerichtlichen Vergleich (einem Vertrag); allein sein Zustandekommen ist erleichtert. 2. Die rechtsgeschichtliche Untersuchung der Vorgängerregelungen des Insolvenzplans ergab, dass Akkorde oder Zwangsvergleiche seit ihrer Entstehung im klassischen römischen Recht bis zu den Arbeiten von August Sigmund Schultze im Jahr 1880 zur damaligen Konkursordnung einhellig als Verträge angesehen und behandelt wurden. Erst ab diesem Zeitpunkt setzte in Deutschland eine wissenschaftliche Diskussion ein, in welcher weiterhin ganz überwiegend die Vertragsnatur des Zwangsvergleichs der Konkursordnung von 1879 wie auch des Vergleichs der Vergleichsordnungen von 1927 und 1935 vertreten wurde. Leider griff der Reformgesetzgeber diese Diskussion nicht auf. Der Insol-

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Kapitel 1: Betriebswirtschaftliche und rechtshistorische Sicht

venzplan wurde vielmehr in bewusster Abkehr von doktrinären Fragen entwickelt. Die dabei erfolgende Rezeption des amerikanischen Modells eines Reorganisationsplans anstelle der funktionslosen Rechtsinstitute des Zwangsvergleichs und Vergleichs kann schließlich ebenfalls nicht als Bruch mit der Vertragstheorie gewertet werden, wird doch auch dieser Plan in seiner Herkunftsrechtsordnung ganz überwiegend als Vertrag eingeordnet. Selbst eine Abkehr vom Vergleich hin zum Plan nach amerikanischem Vorbild ist daher keine Abkehr vom Vertragsgedanken. Es liegt vielmehr nahe, dass auch der Insolvenzplan weiter ein Vertrag ist. Dies nachzuweisen, ist die Aufgabe der folgenden Kapitel.

Kapitel 2

Ein Insolvenzplan ist keine Rechtsnorm Für eine rechtliche Qualifikation des Insolvenzplans bietet sich nicht allein der Vertrag als Rechtsnatur an. Vielmehr kommt alternativ auch eine Einordnung als Rechtsnorm in Betracht. Der Gedanke, einen Akkord als Rechtsnorm zu begreifen, ist nicht neu. Bereits Gerhard König1 versuchte in seiner Monographie aus dem Jahre 1930, den Vergleich der Vergleichsordnung von 1927 wie auch den Zwangsvergleich der Konkursordnung als objektive, durch Gesamtvereinbarung zustande gekommene, sozialrechtliche Regelung aufzufassen, die durch einen formellen Akt in Kraft gesetzt wird. 2 Er maß einem Akkord damit ausdrücklich nicht die Eigenschaften eines privatrechtlichen Vertrages zu, sondern begriff ihn als Rechtsnorm. Noch deutlicher vertritt diese Auffassung in jüngster Zeit Eike Happe3 . Er will den Insolvenzplan ausdrücklich als Rechtsnorm begreifen4 und Zweifelsfragen dementsprechend unter Rückgriff auf die Regelungen des Gesetzgebungsverfahrens im Grundgesetz beantworten.5 Die Qualifikation des Insolvenzplanes als Rechtsnorm kann jedoch nur dann überzeugen, wenn dieser auch die Wesensmerkmale von Rechtsnormen aufweist. In einem solchen Fall wäre es im zweiten Schritt konsequent, die gesetzlichen Regelungen zum Insolvenzplan in den §§ 217 ff. InsO wie Happe als zulässige Delegation von Normsetzungsbefugnissen auf Private aufzufassen. 6 Ist der Insolvenzplan eine Rechtsnorm, so erlaubt der Gesetzgeber den Beteiligten im Insolvenzverfahren, eine solche in Eigenregie zu schaffen. Allerdings darf man den zweiten Schritt nicht vor dem ersten machen. Die Untersuchung der Zulässigkeit einer Delegation von Normsetzungsbefugnissen im Insolvenzrecht kann überhaupt nur dann Sinn machen, wenn der Insolvenzplan die Merkmale einer Rechtsnorm hat. Dies verkennt Happe, wenn er diese eigentliche Kernfrage eher beiläufig erwähnt.7 1 Gerhard König, Der Zwangsvergleich im Konkurse und der Vergleich zur Abwendung des Konkurses, Marburg 1930. 2 König, Zwangsvergleich, S. 69 ff. 3 Eike Happe, Die Rechtsnatur des Insolvenzplans, Hannover 2004. 4 Happe, Die Rechtsnatur des Insolvenzplans, S. 170 f. 5 Happe, Die Rechtsnatur des Insolvenzplans, S. 219 ff. 6 Dazu ausführlich Happe, Die Rechtsnatur des Insolvenzplans, S. 171 ff. Die Normsetzungsbefugnis Privater aufgrund gesetzlicher Ermächtigung ist im Grundsatz anerkannt – vgl. Merten, in: Staudinger, EGBGB, Art. 2 Rn. 8; Kirchhof, Private Rechtssetzung, passim. 7 Happe, Die Rechtsnatur des Insolvenzplans, S. 214–217.

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Kapitel 2: Ein Insolvenzplan ist keine Rechtsnorm

A. Die Wesensmerkmale von Rechtsnormen Der Versuch, den Insolvenzplan an einer Definition des Begriffs der Rechtsnorm zu messen, stößt nun allerdings auf eine erhebliche Schwierigkeit. Eine allgemein anerkannte Definition dessen, was man als Rechtsnorm ansehen darf, lässt sich nicht ohne weiteres finden. Selbst im Grundsatz ist hier nach wie vor vieles umstritten. 8 Bei genauer Betrachtung des wissenschaftlichen Diskurses lassen sich aber zumindest zwei zentrale Merkmale finden, die sich nach nahezu allgemeiner Ansicht bei jeder Rechtsnorm finden müssen: ihre Heteronomität sowie ihre Generalität.9

I. Heteronomität Rechtsnormen zeichnen sich zunächst dadurch aus, dass der in ihnen enthaltene Verhaltensbefehl nicht einverständlich zwischen dem Normgeber und dem Normadressaten vereinbart, sondern dem Normadressaten einseitig und ohne Rücksicht auf dessen Willen auferlegt wird.10 Rechtsnormen führen daher zu einer Fremdbestimmtheit des Handelns der späteren Normadressaten. Sie müssen sich einem Rechtsbefehl beugen, den sie nicht selbst formuliert haben. Gerade in dieser Heteronomität liegt auch ein entscheidender Gegensatz der Rechtsnorm zu einem Vertrag. Letzterer setzt stets einen einvernehmlichen Abschluss, also die Zustimmung aller Beteiligten, voraus.11 Dementsprechend sind vor allem auch solche Rechtsinstitute als heteronom anzusehen, die zwar sowohl im Einvernehmen aller Betroffenen als auch gegen den Willen einzelner ergehen können. Allein die mögliche Fremdbestimmung einzelner Adressaten der jeweiligen Regelung erzeugt eine potenzielle Heteronomität, die für eine Rechtsnorm charakteristisch ist.12 Der Insolvenzplan wirkt vor diesem Hintergrund – wie seine Vorgänger – heteronom. Zwar ist prinzipiell auch ein einvernehmlich, also unter allseitiger Zu8 Merten, in: Staudinger, EGBGB, Art. 2 Rn. 5; derS. Jura 1981, 169, 170 (Fn. 9); vgl. auch Zöllner, Rechtsnatur der Tarifnormen, S. 25 ff.; zuletzt Kirchhof, Private Rechtssetzung, S. 25. So wird teilweise allen Regelungen mit Sollensinhalt (auch individuellen Befehlen oder Verträgen) Normqualtität zugesprochen – siehe etwa Bucher, Normsetzungsbefugnis, S. 49, 87 f.; Kelsen, FS Nipperdey, 1965, 57, 67 und 69; eine Norm ist dann allerdings keine eigene rechtliche Kategorie mehr. 9 Happe, Die Rechtsnatur des Insolvenzplans, S. 216 f.; Joussen, Schlichtung, S. 303; Kirchhof, Private Rechtssetzung, S. 95; Merten, in: Staudinger, EGBGB, Art. 2 Rn. 12 f.; MeyerCording, Rechtsnormen, S. 25; für den Regelfall auch Zöllner, Rechtsnatur der Tarifnormen, S. 28 f. 10 Bucher, Normsetzungsbefugnis, S. 87; Kirchhof, Private Rechtssetzung, S. 84; Merten, in: Staudinger, EGBGB, Art. 2 Rn. 12. 11 Bucher, Normsetzungsbefugnis, S. 88; Kirchhof, Private Rechtssetzung, S. 85 f.; Merten, in: Staudinger, EGBGB, Art. 2 Rn. 89. 12 Kirchhof, Private Rechtssetzung, S. 87.

A. Die Wesensmerkmale von Rechtsnormen

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stimmung, zustande kommender Insolvenzplan denkbar und vielleicht sogar gewünscht. Die gesetzlichen Regelungen erlauben aber bewusst auch eine Annahme des Insolvenzplans gegen eine ablehnende Minderheit von Gläubigern (§ 244 InsO) sowie gegen einen obstruierenden Schuldner (§ 247 InsO). Eine potenzielle Heteronomität ist dem Insolvenzplan insofern wie jeder anderen Regelung eigen, die aus einem Beschluss nach dem Mehrheitsprinzip entsteht.13 Und es ist gerade diese Heteronomität, diese Fremdbestimmtheit einer Minderheit, die es seit jeher schwierig macht, einen Akkord als regelmäßigen Vertrag anzusehen. In dieser Eigenschaft des Akkordes liegt der Kern aller Qualifikationsprobleme. Ist der Insolvenzplan daher nun als Rechtsnorm anzusehen? Dies ist nur angebracht, wenn auch das zweite allgemeine Wesensmerkmal einer Norm erfüllt ist: die Generalität.

II. Generalität Das zentrale Charakteristikum einer Rechtsnorm ist ihre Generalität, also ihre Breitenwirkung.14 Jede Rechtsnorm zielt auf eine Vielzahl von Normadressaten. Ob eine Norm im Laufe ihrer Geltung tatsächlich auf eine Vielzahl von Personen Anwendung findet, ist dabei nicht von Bedeutung; man denke etwa an den Straftatbestand des Völkermordes. Entscheidend ist, dass die betreffende Regelung nach ihrer Formulierung und ihrem Inhalt potenziell auf eine Vielzahl von Personen einwirken kann (potenzielle Generalität).15 Jedoch, allein mit der Vielzahl der potenziell betroffenen Personen ist das Charakteristikum der Generalität noch unvollständig beschrieben. Auch (mehrseitige) Verträge können eine Vielzahl von Personen binden. Die bloße Anzahl der betroffenen Personen ist daher nicht entscheidend für die Qualifikation einer Regelung. Maßgeblich für die Annahme einer Rechtsnorm ist vielmehr, dass im Zeitpunkt der Normentstehung die Adressaten noch unbestimmt sind, da eine Norm menschliches Verhalten in der Zukunft unabhängig davon lenken will, wann, von wem und wie oft ihr Tatbestand erfüllt wird.16 Generalität bedeutet daher die mögliche Breitenwirkung auf einen bei Erlass noch nicht abschließend festliegenden Adressatenkreis.17 Richtet sich hingegen eine Regelung an eine schon abgeschlossene, unveränderliche Gruppe von Personen, so liegt keine Rechtsnorm vor. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich die Regelung an eine historische, in der Vergangenheit gebildete und nicht mehr in ihrer Zusammenset13

Vgl. zur Heteronomität und dem Mehrheitsprinzip Kirchhof, Private Rechtssetzung,

S. 90. 14 Kirchhof, Private Rechtssetzung, S. 64; Merten, Jura 1981, 169, 170; Meyer-Cording, Rechtsnormen, S. 25; Wolf, JZ 1973, 229 (Fn. 1). 15 Kirchhof, Private Rechtssetzung, S. 65. 16 Kirchhof, Private Rechtssetzung, S. 67; Meyer-Cording, Rechtsnormen, S. 25. 17 Kirchhof, Private Rechtssetzung, S. 67; Merten, in: Staudinger, EGBGB, Art. 2 Rn. 13; ders., Jura 1981, 169, 170.

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Kapitel 2: Ein Insolvenzplan ist keine Rechtsnorm

zung veränderliche Gruppe richtet.18 Die Normeigenschaft beginnt damit erst dann, wenn sich der Adressatenkreis erst aus späteren Ereignissen ergibt, also zum Zeitpunkt des Normerlasses noch nicht feststeht. Wendet man diese Grundsätze auf den Insolvenzplan an, so fällt zunächst auf, dass er eine Vielzahl von Personen bindet: die Insolvenzgläubiger, die absonderungsberechtigten Gläubiger, den Schuldner, sich verpflichtende Dritte (Plangaranten). Allerdings steht der Kreis dieser Beteiligten bereits in dem Zeitpunkt unveränderbar fest, in welchem der Insolvenzplan beschlossen wird und gemäß § 254 InsO in Kraft tritt. Die Insolvenzgläubiger sind die Personen, die zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Vermögensanspruch gegen den Schuldner hatten. Ihr Kreis kann also im Verfahren nicht mehr größer werden und wird sich auch nach Erlass des Insolvenzplans nicht mehr verändern. Dasselbe gilt für die absonderungsberechtigten Gläubiger. Diese Personen finden sich vielmehr individualisiert und in Gruppen klassifiziert im Insolvenzplan wieder. Auch der Schuldner und die dritten Personen, die von den Wirkungen des Insolvenzplans aufgrund ihrer Teilnahme betroffen sind (vgl. § 230 Abs. 3 InsO), stehen nicht nur bereits im Zeitpunkt des Eintritts der Planwirkung fest, sondern sind darüber hinaus ebenfalls im Insolvenzplan individualisiert. Von einer Unbestimmbarkeit des betroffenen Personenkreises lässt sich insofern nicht sprechen. Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass der Insolvenzplan gemäß § 254 Abs. 1 Satz 3 InsO auch für solche Insolvenzgläubiger wirkt, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben. Versäumt einer der Insolvenzgläubiger die Anmeldung seiner Forderungen oder verzichtet er auf diese Weise bewusst auf eine Teilnahme am Insolvenzverfahren, so wird er dennoch von den Planwirkungen erfasst. Seine Forderungen werden gekürzt; im übrigen stehen ihm die für alle Insolvenzgläubiger vorgesehenen Leistungen zu.19 Allerdings wird er nun nicht individualisiert im gestaltenden Teil des Insolvenzplans aufgeführt und auch an der Stimmabgabe nicht beteiligt (vgl. §§ 237 Abs. 1 Satz 1, 77 Abs. 1 InsO). Zudem kann er mangels Tabelleneintrag nicht aus dem Plan vollstrecken (vgl. § 257 InsO). Nur in den Fällen, in denen der Insolvenzplan im darstellenden Teil zur Bestimmung der Schuldenmasse ein aus der Finanzbuchhaltung des Schuldners stammendes Verzeichnis aller Gläubiger enthält, finden sich auch nicht anmeldende Insolvenzgläubiger im Plan individualisiert. Doch selbst wenn eine solche Individualisierung nicht teilnehmender Insolvenzgläubiger nicht nur fehlt, sondern diese – wie es insbesondere bei deliktischen Gläu18

Kirchhof, Private Rechtssetzung, S. 67 f. Durch das dadurch denkbare nachträgliche »Auftauchen« von unbekannten Insolvenzgläubigern mit Ansprüchen aus dem Plan, für die keine Rücklagen vorhanden sind, kann die Planverwirklichung erheblich gefährdet werden. Dieser Gefahr kann wohl nur mittels Präklusionsklauseln begegnet werden – vgl. dazu etwa Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 221 Rn. 50 ff.; Otte/Wiester, NZI 2005, 70. 19

B. Der Insolvenzplan ist kein Normenvertrag

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bigern etwa aus Produkthaftungsansprüchen vorkommen wird – dem Schuldner sogar unbekannt sind, ist dieser Personenkreis nicht unbestimmbar im Zeitpunkt des Planerlasses und damit im Sinne einer Generalität zukunftsoffen. Vielmehr steht der Kreis aller Insolvenzgläubiger stets bereits im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung unveränderlich fest. Maßgeblich hierfür ist allein die Regelung in § 38 InsO, also das Bestehen eines vermögensrechtlichen Anspruchs, nicht hingegen ein Tabelleneintrag. Der Personenkreis der Insolvenzgläubiger, und damit der Adressatenkreis des Insolvenzplans, ist somit bei Planerlass zumindest bestimmbar. Auch die Wirkungserstreckung des § 254 Abs. 1 Satz 3 InsO verleiht dem Insolvenzplan damit keine generelle Wirkung. Er ist keine Rechtsnorm.20

B. Der Insolvenzplan ist kein Normenvertrag Der Insolvenzplan hat also eine potenziell heteronome, nicht aber eine generelle Wirkung und kann daher nicht als Rechtsnorm eingeordnet werden. Seine individuelle Wirkung legt es nahe, ihn als Vertrag anzusehen; allerdings stört dann – jedenfalls auf den ersten Blick – seine potenzielle Heteronomität. 21 In diesem Spannungsfeld scheint sich – wie bereits von Gerhard König22 für den Zwangsvergleich und den konkursabwendenden Vergleich angeregt – eine Mischform als Kategorie und Lösung anzubieten: der Normenvertrag23 . Der Normenvertrag ist eine Schöpfung des Arbeitsrechts. 24 Dort sind es Tarifverträge (sowie Betriebsvereinbarungen), die sich – ähnlich den insolvenzrechtlichen Akkordvereinbarungen – einer einfachen Einordnung in bekannte rechtliche Kategorien entziehen. Der Ausgangspunkt der dogmatischen Qualifikation dieser arbeitsrechtlichen Vereinbarungen ist dabei unstreitig der Vertrag. Tarifverträge werden in den Formen der §§ 145 ff. BGB von den Tarifvertragsparteien geschlossen. Sie begründen dabei aber nicht nur schuldrechtliche Pflichten für sich als Vertragsparteien, sondern wirken zudem unmittelbar auf die von ihrem Anwendungsbereich erfassten Einzelarbeitsverträge ein. So lässt 20 Dies hat inzwischen auch der BGH festgestellt, der einem Insolvenzplan wegen der unveränderlichen Zusammensetzung der Gläubigergemeinschaft nach dessen Annahme »eine normative Wirkung« abspricht Seine Auslegung könne daher nicht – wie etwa bei Rechtsnormen oder Allgemeinen Geschäftsbedingungen – allein nach dem objektiven Erklärungsbefund erfolgen, BGH NJW-RR 2006, 491, 493. 21 Allerdings sind auch dem Zivilrecht heteronome Wirkungen nicht fremd – vgl. etwa Adomeit, FS Kelsen, 1971, 9 ff. 22 König, Zwangsvergleich, S. 68 ff. 23 Der Begriff geht auf Hueck, JherJb 73 (1923), 33, 36 zurück. 24 Normverträge finden sich heute aber auch in anderen Rechtsgebieten, insbesondere im Sozialversicherungsrecht (dazu etwa Castendiek, Der sozialversicherungsrechtliche Normsetzungsvertrag, 2000, passim; Joussen, Schlichtung, S. 291).

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Kapitel 2: Ein Insolvenzplan ist keine Rechtsnorm

sich etwa die für die Laufzeit des Tarifvertrags vereinbarte Friedenspflicht zwanglos durch die schuldrechtliche Bindung der Tarifvertragsparteien, also Gewerkschaft und Arbeitgeberverband, erklären. Vereinbarte Lohnsteigerungen oder Einmalzahlungen hingegen betreffen nicht die Tarifvertragsparteien selbst, sondern die Individualarbeitsverhältnisse der einzelnen Arbeitgeber mit ihren Arbeitnehmern. In Bezug auf diese Personen wirkt der Tarifvertrag heteronom und, da er auch auf Arbeitsverhältnisse einwirkt, die erst nach seinem Abschluss eingegangen werden, sogar generell. Tarifverträge, und in ähnlicher Form auch Betriebsvereinbarungen, haben daher nach heute ganz überwiegender Ansicht auch normative Wirkungen.25 Sie werden dann als Gesamtvereinbarungen oder eben als Normenverträge bezeichnet. 26 Das Charakteristische an einem Normenvertrag ist demnach, dass er nicht nur Regelungen für die vertragsschließenden Parteien enthält, sondern auch Anordnungen für eine Vielzahl anderer Einzelverträge beinhaltet, welche auf die betroffenen Einzelverträge unmittelbar und zwingend einwirken. 27 Normenverträge wirken abstrakt-generell. Eine derartig weit reichende Wirkung hat ein Insolvenzplan nicht. Eine normative Wirkung fehlt ihm zunächst schon deshalb, weil er ja – wie bereits erläutert wurde – gerade nicht für eine unbestimmte Vielzahl von Personen Bindungen entfaltet. Anders als ein Normenvertrag (wie etwa ein Tarifvertrag) besitzt der Insolvenzplan also keine generelle Wirkung. Es gibt keine Einwirkung auf eine Vielzahl schuldrechtlicher Einzelverträge. Alle vom Insolvenzplan Betroffenen sind – anders als bei Normenverträgen – bereits am Verfahren zum Zustandekommen des Insolvenzplans selbst beteiligt. Ein Insolvenzplan bindet nur diese Beteiligten, also die Insolvenzgläubiger (unabhängig von der tatsächlichen Wahrnehmung ihrer Beteiligungsrechte mittels Forderungsanmeldung und Stimmabgabe), den Schuldner und teilnehmende Dritte. Er hat daher keine normative Fernwirkung für an seiner Entstehung unbeteiligte Einzelverträge. Bei genauer Betrachtung hat der Insolvenzplan daher mit einem Normenvertrag allein die (potenzielle) Heteronomie, ansonsten aber nichts gemein. 28 Auch das Institut des Normenvertrages kann daher nicht die Rechtsnatur des Insolvenzplanes erklären. 25 Kirchhof, Private Rechtssetzung, S. 92; Merten, in: Staudinger, EGBGB, Art. 2 Rn. 80, 86; grundlegend: Hueck, JherJb 73 (1923), 33, 36 f.; zum Streitstand im Arbeitsrecht vgl. etwa Nipperdey, in: Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht II/1, S. 339 ff. m. w. N.; Löwisch/Rieble, in: Richardi/Wlotzke, MünchHdb ArbR III, § 253 Rn. 19, 25–27; Richardi, ZfA 2003, 655, 658; Schaub, in: Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 198 Rn. 10, 14 m. w. N.; zuletzt Rieble, ZfA 2000, 5 ff. m. w. N. (als Vertreter der Gegenansicht – Vertragstheorie). 26 Vgl. etwa Hueck, JherJb 73 (1923), 33, 37; König, Zwangsvergleich, S. 69; Kramer, in: MünchKomm, BGB, Vor § 145 Rn. 33; Nipperdey, in: Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht II/1, S. 345; Richardi, ZfA 2003, 655, 658. 27 So auch die gängige Definition des Normenvertrags etwa bei Joussen, Schlichtung, S. 291; Kramer, in: MünchKomm, BGB, Vor § 145 Rn. 33; Wolf, in: Soergel, BGB, Vor § 145 Rn. 112. 28 Allein diese Heteronomie genügt – wie bereits ausgeführt – nicht, um eine Regelung als

C. Ergebnis

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C. Ergebnis Der Insolvenzplan ist keine Rechtsnorm; seine gesetzlichen Regelungen können daher auch nicht als Normsetzungsbefugnis für Private angesehen werden. Der Insolvenzplan hat zwar eine potenziell heteronome Wirkung, indem er auch Personen binden kann, die ihn ablehnen oder sich einem Verfahren verweigern. Ihm fehlt jedoch jede generelle Wirkung. Er richtet sich nicht an einen zum Zeitpunkt seines Erlasses noch unbestimmten Personenkreis, sondern erfasst einen Personenkreis, der spätestens zu diesem Zeitpunkt feststeht und unveränderbar bleibt. Er ist daher weder Rechtsnorm noch Normenvertrag. Seine heteronomen Bindungswirkungen sind auf andere Weise zu erklären. Der Blick muss sich daher der Einordnung als Vertrag zuwenden.

Rechtsnorm oder Normvereinbarung anzunehmen; vgl. Kirchhof, Private Rechtssetzung, S. 92, 95.

Kapitel 3

Der Insolvenzplan als Vertrag bürgerlichen Rechts Die rechtliche Einordnung eines Akkordverfahrens als Vertrag war lange Zeit die einhellige Auffassung in der Rechtswissenschaft, was auf dessen römischrechtlichen Wurzeln im Vertragsrecht zurückzuführen ist.1 Sie blieb aber auch in der Moderne vorherrschend, obwohl nun in vielen Rechtsordnungen diesbezüglich ein dogmatischer Disput auszumachen war. So wurde etwa im deutschen Recht ein Vergleich wie auch ein Zwangsvergleich ebenso weiter als Vertrag angesehen 2 wie im U. S.-amerikanischen Recht eine composition oder ein reorganization plan.3 Der Grund für diese Tendenz zum Vertragsgedanken dürfte deutlich werden, wenn man sich den Idealfall vor Augen führt, in dem alle Beteiligten – also sowohl der Schuldner als auch alle Gläubiger und sonstigen Beteiligten – dem vorgeschlagenen Akkord zustimmen. In diesem Fall dürfte kaum zu bezweifeln sein, dass zwischen den Beteiligten eine Vereinbarung zustande gekommen ist, die alle Beteiligten aufgrund ihres erklärten rechtsgeschäftlichen Willens bindet und damit als Vertrag zu qualifizieren ist. Die Probleme für die rechtliche Einordnung eines Akkordes wie des Insolvenzplans rühren daher, dass er auch in Fällen zustande kommen kann, in denen nicht alle Beteiligten ihm zugestimmt haben. Nahezu jede historische oder auch ausländische gesetzliche Regelung eines Akkordes lässt eine Bindung auch der nicht Zustimmenden zu, wenn deren Rechte gewahrt werden, was wiederum regelmäßig durch ein Gericht überprüft werden muss. Eine solche gerichtliche Kontrolle hätte keinen Sinn, wenn der Akkord stets auf dem Bindungswillen aller Beteiligten, also auf Einstimmigkeit, beruhen würde. Sein Inhalt wäre ohne weiteres legitimiert. Das gerichtliche Bestätigungsverfahren ist vielmehr die Kehrseite der erlaubten Bindung von solchen Personen, die sich dem Akkord gerade nicht freiwillig unterwerfen. Es dient allein deren Schutz, ist jedoch – wie noch aufzuzeigen sein wird4 – dennoch nicht der Grund für deren Bindung; dieser liegt allein im Akkord selbst. Allerdings wecken diese Mechanismen Zweifel an der Vertragsqualität des Akkordes, kommt es doch zur Bindung von Personen ohne oder sogar gegen deren Willen, also zu heteronomen Wir1 2 3 4

Siehe dazu die Ausführungen im Ersten Kapitel B. I. Siehe dazu die Ausführungen im Ersten Kapitel B. III. und IV. Hierzu bereits im Ersten Kapitel C. V. 1. c). Siehe im Vierten Kapitel B.

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Kapitel 3: Der Insolvenzplan als Vertrag bürgerlichen Rechts

kungen.5 Ob nun aber mit einem solchen Abgehen vom Einstimmigkeitserfordernis gleichzeitig auch das Vertragsrecht verlassen wird oder ob sich diese Besonderheiten wider den ersten Anschein doch vertragsrechtlich erklären lassen, wird Gegenstand der Ausführungen in diesem Kapitel sein. Auszugehen ist dabei von einer Selbstverständlichkeit, die auch für einen Insolvenzplan als Vertrag gilt: Der Abschluss eines Vertrages setzt von allen an ihn gebundenen Personen hierauf gerichtete Willenserklärungen (Vertragserklärungen) voraus.

A. Die Planvorlage – invitatio ad offerendum Die erste Erklärung, die auf das Zustandekommen eines Insolvenzplans gerichtet ist, ist die Vorlage des Planes nach § 218 InsO; sie ist damit auch die erste Willensäußerung, die als Willenserklärung im Sinne eines Antrags nach § 145 BGB gedeutet werden könnte. Fern liegt dieser Gedanke eigentlich nicht, ging man doch auf Grundlage der herrschenden Vertragstheorie hinsichtlich der Vorgängerregelungen des Vergleichs nach der VglO und des Zwangsvergleichs nach der KO davon aus, dass bereits der Vergleichsvorschlag des Schuldners ein annahmefähiger Antrag im Sinne des § 145 BGB sei. 6 Der Schuldner war nach § 8 VglO bzw. § 173 KO allerdings allein vorlageberechtigt, während eine Planinitiative nach § 218 Abs. 1 InsO nun sowohl vom Schuldner als auch vom Insolvenzverwalter 7 ausgehen kann. Zum Insolvenzplan wird dennoch weiter die Ansicht vertreten, dass in der Planvorlage ein Vertragsangebot liege. 8 Andere demgegenüber gehen davon aus, dass die entscheidenden Willenserklärungen erst im Abstimmungstermin abgegeben werden, in welchem die Gläubigergrup-

5 Plastisch insofern Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 6.5: »Es handelt sich beim Insolvenzplan gleichsam um einen Vertrag mit partiellem Abschlusszwang«. 6 Siehe etwa Bley/Mohrbutter, VglO, § 8 Rn. 7; Jaeger, Konkursrecht, S. 190; Kohler, Konkursrecht S. 453; Weber, in: Jaeger, KO, § 173 Rn. 21. Genauer zur Vertragstheorie schon im Ersten Kapitel B. III. 2. und B. IV. 7 Nach § 284 Abs. 1 Satz 1 InsO kann im Falle einer Eigenverwaltung des Schuldners die Gläubigerversammlung den Auftrag zur Ausarbeitung eines Insolvenzplanes gemäß § 157 S. 2 InsO nicht nur an den Schuldner, sondern auch an den Sachwalter erteilen. Dieser übernimmt in der Eigenverwaltung des Schuldners zum Teil die Stellung eines Insolvenzverwalters, weshalb er in diesem Fall auch wie ein Insolvenzverwalter nach § 218 InsO berechtigt ist, den ausgearbeiteten Plan vorzulegen – vgl. etwa Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 474;Warrikoff, KTS 1997, 527, 532. Besonderheiten für das Insolvenzplanverfahren ergeben sich daraus nicht. Die Verfahrensposition des Insolvenzverwalters wird durch den Sachwalter übernommen. 8 Häsemeyer, FS Gaul, 1997, 175, 179; ders., Insolvenzrecht, Rn. 28.42a, 28.70; Hess/Weis, WM 1998, 2349, 2350; Windel, Jura 1999, 1, 7 (Fn. 102); widersprüchlich: Otte, in: Kübler/ Prütting/Bork, InsO, § 217 Rn. 67 f. (bejahend), dann aber § 218 Rn. 44 (verneinend).

A. Die Planvorlage – invitatio ad offerendum

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pen und der Schuldner dem Plan zustimmen müssen (§§ 244, 247 InsO). Die Planvorlage sei lediglich eine »invitatio ad offerendum« an diese Beteiligten.9 Dieses Meinungsbild überrascht kaum, hat sich doch am Inhalt der Planvorlage im Vergleich zu den Vorgängerregelungen im Grunde nichts verändert. Vorzulegen ist stets ein Insolvenzplan, der alle notwendigen Bestandteile (»essentialia negotii«) beinhaltet und daher ohne Änderungen im Abstimmungstermin durch bloße Zustimmung verabschiedet werden kann. Die Planvorlage könnte daher durchaus als Vertragsangebot gemäß § 145 BGB angesehen werden. Hiergegen sind jedoch im Hinblick auf die Neufassung des Planverfahrens in der Insolvenzordnung erhebliche Bedenken anzuführen.

I. Die Planvorlage durch den Insolvenzverwalter Probleme mit der hergebrachten Willenserklärungskonstruktion entstehen bereits, wenn nicht der Schuldner, sondern der Insolvenzverwalter den Plan in das Verfahren einbringt. Bei der Planvorlage durch den Insolvenzverwalter sind dabei zwei grundsätzliche Fallkonstellationen zu unterscheiden: die Vorlage eines Gläubigerplans und die eines Verwalterplans. 1. Die Vorlage eines Gläubigerplans durch den Insolvenzverwalter Die Gläubigerversammlung kann den Insolvenzverwalter gemäß § 157 Satz 2 InsO beauftragen, einen Insolvenzplan zu erarbeiten und ihm zugleich das Ziel des Planes vorgeben. Aus dieser allgemeinen Befugnis zur Aufstellung eines Verwalterplans wird nun ganz überwiegend10 das weitergehende Recht der Gläubigerversammlung hergeleitet, dem Gläubiger nicht nur allgemeine Ziele eines zu erarbeitenden Planes vorzuschreiben; es soll vielmehr auch zulässig sein, ihn durch Beschluss der Gläubigerversammlung zur Vorlage eines bereits vorhandenen, durch einzelne Gläubiger oder einen beauftragten Dritten erarbeiteten Insolvenzplan zu zwingen. In diesem Fall könnte man den vorgelegten Plan als einen Plan der in der Gläubigerversammlung organisierten Gläubiger ansehen. Qualifiziert man nun bei einem vom Schuldner vorgelegten Plan bereits die Planvorlage als die vertragsrechtlich relevante Willenserklärung des 9 So ausdrücklich Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 217 Rn. 27 f.; Gaul, FS Huber, 2006, 1187, 1202; in diesem Sinne auch: Hess, in: Hess, InsR, § 217 InsO Rn. 15; Schiessler, Insolvenzplan, S. 20. 10 Braun/Frank, in: Braun, InsO, § 218 Rn. 4; Braun, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 67 Rn. 15; ders., in: Nerlich/Römermann, InsO, § 218 Rn. 45; Dinstühler, InVO 1998, 333, 339; Herzig, Insolvenzplanverfahren, S. 128 f.; Hess, in: Hess, InsR, § 218 InsO Rn. 44; Hess/Obermüller, Insolvenzplan, Rn. 49; Keller, Insolvenzrecht, Rn. 1708; Kersting, Gläubiger im Insolvenzplanverfahren, S. 95; Lüke, FS Uhlenbruck, 2000, 519, 534; Maus, in: Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl. 2000, S. 931 ff. Rn. 32; Otte, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 218 Rn. 35; Paulus, DZWIR 1999, 53, 58; Smid, WM 1996, 1249, 1253; Warrikoff, KTS 1997, 527, 530; ablehnend: Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 218 Rn. 17.

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Kapitel 3: Der Insolvenzplan als Vertrag bürgerlichen Rechts

Schuldners, so müsste man konsequenterweise in die Vorlage dieses Gläubigerplans auch die Willenserklärung der Gläubiger im Sinne eines verbindlichen Angebots gemäß § 145 BGB hinein interpretieren. Dies widerspräche jedoch unübersehbar der Gesetzeskonzeption, die in den §§ 243 ff. InsO stets und zwingend erst im Abstimmungstermin nach der Zustimmung der Gläubiger fragt. Die Gläubiger stimmen dabei in den gebildeten Gläubigergruppen über den Plan ab und nur dieses Abstimmungsergebnis entscheidet über ihre Annahme des Planes. Diese gesetzgeberische Konstruktion lässt es insofern nicht zu, bereits in der Planvorlage eine verbindliche Willenserklärung der Gläubiger, übermittelt durch den Insolvenzverwalter, zu sehen. Eine solche Erklärung der Gläubiger findet sich erst im Abstimmungstermin. Die Vorlage ist daher noch keine materiellrechtliche Willenserklärung, sondern lediglich eine verfahrenseinleitende Prozesshandlung.11 2. Die Vorlage eines Verwalterplans durch den Insolvenzverwalter Im Regelfall legt der Insolvenzverwalter natürlich keinen Plan der Gläubigerversammlung vor, sondern wird ohne deren Auftrag aus Eigeninitiative tätig12 oder aber er handelt lediglich aufgrund eines allgemein gefassten Auftrags der Gläubigerversammlung nach §§ 157 Satz 2, 218 Abs. 2 InsO. Dann kann in seiner Planvorlage schon im Ansatz keine Willenserklärung der Gläubiger erkannt werden, da gerade kein Plan der Gläubiger im Raum steht.13 Die Gläubiger wirken bei einer solchen Planaufstellung durch den Insolvenzverwalter gemäß § 218 11

Ebenso Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 217 Rn. 27; Schiessler, Insolvenzplan,

S. 20. 12 Ob der Insolvenzverwalter dies darf, ob er also ein eigenständiges und von der Gläubigerversammlung unabhängiges Planinitiativrecht hat, ist umstritten, wird aber überwiegend befürwortet: Binz, Konkurrierende Insolvenzpläne, S. 39 ff.; Braun/Frank, in: Braun, InsO, § 218 Rn. 3; Braun, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 67 Rn. 1; ders., in: Nerlich/Römermann, InsO, § 218 Rn. 25 ff., 28, 40; Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 474; Delhaes, NZI 1999, 47, 51; Dinstühler, InVO 1998, 333, 338; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 28.11; Herzig, Insolvenzplanverfahren, S. 116 ff., 125; Hess, in: Hess, InsR, § 218 InsO Rn. 4; Hess/Obermüller, Insolvenzplan, Rn. 16–16e; Hess/Weis, WM 1998, 2349, 2351; Keller, Insolvenzrecht, Rn. 1708; Lüke, FS Uhlenbruck, 2000, 519, 525; Maus, in: Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl. 2000, S. 931 ff. Rn. 32; Riggert WM 1998, 1521, 1522 (Fn. 12); Thies, in: Hamburger Kommentar, § 218 Rn. 3; Warrikoff, KTS 1997, 527, 530; Zempel, Genussrechte, S. 84; ablehnend: Evers/Möhlmann, ZInsO 1999, 21, 22; Kersting, Gläubiger im Insolvenzplanverfahren, S. 86 ff., 91; Schiessler, Insolvenzplan, S. 87 f., 98; vermittelnd (und überzeugend): Eidenmüller, JbfNPolÖk 15 (1996), 164, 175 und ausführlicher in MünchKomm, InsO, § 218 Rn. 25–30; Hänel, Gläubigerautonomie, S. 121 ff., 127, wonach das eigene Initiativrecht erlischt, wenn an den Insolvenzverwalter ein diesbezüglicher Auftrag der Gläubigerversammlung ergeht (dem folgend Flessner, in: Heidelberger Kommentar, InsO, § 218 Rn. 10; Jaffé, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 218 Rn. 38 f.; Paulus, DZWIR 1999, 53, 58 und wohl auch Otte, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 218 Rn. 11). 13 Anders offensichtlich Riggert, WM 1998, 1521, 1522, der bei Verwalterplänen generell von Plänen »der Gläubigerversammlung« spricht, da diese inhaltliche Vorgaben machen darf. Dies ist zu ungenau; vielmehr ist zu differenzieren, ob die Gläubigerversammlung einen kon-

A. Die Planvorlage – invitatio ad offerendum

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Abs. 3 InsO nur beratend neben anderen Beteiligten und nur mittels des Gläubigerausschusses mit, wenn denn ein solcher überhaupt gebildet wurde. Sie haben also lediglich ein mittelbares Mitspracherecht, welches im Hinblick auf die notwendige Organisation von Gläubigermehrheiten zur Annahme des Planes allerdings notwendig und sinnvoll ist. Die beratend im Gläubigerausschuss mitwirkenden Gläubiger haben aber gerade kein Weisungsrecht gegenüber dem Insolvenzverwalter im Hinblick auf den Inhalt des von ihm zu entwickelnden Insolvenzplanes; hierzu bedürfte es eines erneuten Beschlusses der Gläubigerversammlung im Sinne der Vorgabe eines konkreten Gläubigerplanes. Ein Weisungsrecht will auch § 218 Abs. 3 InsO nicht verleihen, was durch die Betonung der »beratenden« Mitwirkung mehr als deutlich wird.14 Die Gläubiger stimmen daher im späteren Abstimmungstermin über einen ihnen fremden Plan ab, der zwar in ihrem Auftrag erarbeitet, aber als eigener Verwalterplan in das Verfahren eingebracht wird. Seine Vorlage ist daher kein Vertragsangebot der Gläubiger. Diese Planvorlage ist aber auch kein Vertragsangebot des Insolvenzverwalters.15 Hiergegen spricht die daraus sonst zwingend folgende verbindliche Einbeziehung des Insolvenzverwalters in den Insolvenzplan als Vertragspartei. Gäbe der Insolvenzverwalter mit der Vorlage eines eigenen Planentwurfs ein Vertragsangebot ab, so wäre nur er allein an dieses Angebot gebunden. Seine Willenserklärung kann keiner anderen Partei gemäß § 164 BGB zugerechnet werden, da er weder im Namen der Gläubiger noch in dem des Schuldners handelt, sondern eigene Aufgaben und Befugnisse wahrnimmt.16 Zudem geben sowohl die Gläubiger als auch der Schuldner im Verfahren eigene Erklärungen ab und bedürfen diesbezüglich keiner Vertretung. Der Insolvenzverwalter handelt somit bei der Planvorlage im eigenen Namen kraft seines Amtes und gäbe eine kreten Plan vorgibt oder nur allgemeine Vorgaben macht und ggf. über einen Gläubigerausschuss beratend mitwirkt. 14 Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 474; Kersting, Gläubiger im Insolvenzplanverfahren, S. 98; auch Warrikoff, KTS 1997, 527, 531: ». . . die Verantwortung bleibt . . . allein beim Insolvenzverwalter«. 15 So aber Häsemeyer, FS Gaul, 1997, 175, 179 f.; ders., Insolvenzrecht, Rn. 28.43, 28.70, der einen Vertrag zwischen den Gläubigern und dem Insolvenzverwalter annimmt, falls dieser den Plan vorlegt und der Schuldner nicht tatsächlich zustimmt; ihm weitgehend folgend: Windel, Jura 1999, 1, 7 (insbesondere in Fn. 105), der im Insolvenzplan grundsätzlich einen dreiseitigen Vertrag zwischen den Gläubigern, dem Schuldner und dem Insolvenzverwalter (bei fehlender Zustimmung des Schuldners einen zweiseitigen Vertrag zwischen Gläubigern und Verwalter) sieht und die Einbeziehung des Insolvenzverwalters fordert, um ihn von seinen allgemeinen Verwertungspflichten (§ 159 InsO) zu entlasten. Zu diesem Zweck ist jedoch keine vertragliche Bindung des Insolvenzverwalters an den Plan notwendig. Die gewünschte Entlastung geschieht vielmehr allein durch die entsprechende Entscheidung des Insolvenzgerichtes nach § 233 InsO. 16 Nach der ganz herrschenden Amtstheorie ist der Insolvenzverwalter ein unabhängiger Amtstreuhänder, der zwar im eigenen Namen, aber nur mit Wirkung für und gegen die Masse handelt – vgl. etwa Ott/Vuia, in: MünchKomm, InsO, § 80 Rn. 20 ff.

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Kapitel 3: Der Insolvenzplan als Vertrag bürgerlichen Rechts

eigene Willenserklärung ab. Eine hieran anknüpfende Bindung des Insolvenzverwalters an die Planvorlage wie auch an den Planinhalt als späterer Vertragspartner widerspricht der gesetzgeberischen Konzeption des Planverfahrens. Dies folgt vor allem aus § 259 Abs. 1 Satz 1 InsO, nach dem das Amt des Insolvenzverwalters im Regelfall bereits mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens, also gleichzeitig mit dem Inkrafttreten und lange vor der Erfüllung des Planes, erlischt. Den Verwalter treffen in seiner Eigenschaft als Amtsperson folglich keine materiellen Wirkungen des Plans. Er wird inhaltlich nicht an ihn gebunden. Weder seine Vergütung noch seine Haftung ist Gegenstand einer plangemäßen Insolvenzbewältigung. Sein Amt endet grundsätzlich in dem Moment, in welchem der Insolvenzplan Wirkung entfaltet. Hieran ändert sich auch nichts, wenn ausnahmsweise eine Überwachung der Planerfüllung im Insolvenzplan vorgesehen wird. Zwar bleibt dann das Amt des Insolvenzverwalters zunächst auch in der Phase der Plandurchführung erhalten; ihm obliegt dann allerdings allein die Überwachung der Planerfüllung nach Maßgabe der §§ 261 ff. InsO. Der Insolvenzverwalter bleibt unabhängiger Amtsträger und ist klar von den Personen zu unterscheiden, die aufgrund des Planinhalts zu bestimmten Leistungen verpflichtet und daher materiell gebunden sind. Eine eigen vertragliche Bindung an den Plan würde der Funktion als Überwachungsorgan diametral widersprechen, verlangt diese doch gerade nach Unabhängigkeit.17 Schließlich wurde auch von der für den Vergleich nach der VglO oder Zwangsvergleichs nach der KO herrschenden Vertragstheorie zu keinem Zeitpunkt erwogen, dass der Konkursverwalter Vertragspartner des geschlossenen Vergleichsvertrags sei, und daran wollte wohl auch die Insolvenzordnung erkennbar nichts ändern. Die gesamte Verfahrenseinbindung des Insolvenzverwalters nach der Insolvenzordnung spricht gegen die Annahme eines Vertragsangebots durch ihn. Daneben ist hier auch auf einen allgemeinen Einwand hinzuweisen, der gegen die Einordnung der Planvorlage als Angebot im Sinne des § 145 BGB spricht: die Änderungsmöglichkeit des § 240 InsO. Danach ist es jedem Vorlegenden erlaubt, den eingebrachten Insolvenzplan noch im Erörterungs- und Abstimmungstermin zu ändern und eine so modifizierte Fassung zur Abstimmung zu bringen. Damit wird klar, dass der vorgelegte Insolvenzplan stets nur ein Entwurf, also eine Diskussionsgrundlage sein soll. Er soll das Planverfahren in Gang bringen und Gegenstand der Verhandlungen mit allen Beteiligten wer17 Dies erkennt auch Häsemeyer, FS Gaul, 1997, 175, 182; ders., Insolvenzrecht, Rn. 28.43, 28.70, wenn er eine Bindung des Insolvenzverwalters an von ihm vorgelegte und vom Schuldner tatsächlich abgelehnte, aber nach § 247 InsO erlaubte Pläne nur zulassen will, falls deren Inhalt nicht über die Amtsbefugnisse des Insolvenzverwalters hinausgeht; anderenfalls dürfe das Insolvenzgericht den Plan nicht bestätigen. Derartige Pläne wird es aber kaum geben. Richtigerweise ist nicht der Planinhalt zu beschränken, sondern eine vertragliche Bindung des Insolvenzverwalters zu verneinen.

A. Die Planvorlage – invitatio ad offerendum

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den, wenn er es denn nicht bereits zuvor war. Die Planvorlage, besser Planinitiative, lädt zum (Weiter-)Verhandeln ein. Von ihr gehen noch keine Bindungswirkungen aus. In der Planvorlage durch den Insolvenzverwalter liegt somit weder eine materiellrechtliche Willenserklärung des Insolvenzverwalters noch eine der Gläubiger im Sinne eines Vertragsangebots nach § 145 BGB. Die Planinitiative ist bloße »invitatio ad offerendum«. Verfahrensrechtlich hat sie hingegen Bedeutung, da sie nach § 218 Abs. 1 Satz 1 InsO das Insolvenzplanverfahren beim Insolvenzgericht einleitet. Die Planvorlage ist daher zwar keine Willenserklärung, wohl aber eine Prozess- oder Verfahrenshandlung.18

II. Die Planvorlage durch den Schuldner In den Vorgängerregelungen der Vergleichs- und Konkursordnung war es allein der Schuldner, der einen Vergleich bzw. Zwangsvergleich einbringen durfte (§ 8 VglO, § 173 KO). Einer weiteren Erklärung des Schuldners hinsichtlich seines Vergleichs bedurfte es zu dessen Annahme dann nicht. Zwangsläufig musste daher schon der Vergleichsvorschlag als Willenserklärung des Schuldners im Sinne eines Vertragsangebots (§ 145 BGB) angesehen werden, um den späteren Vergleich bzw. Zwangsvergleich als Vertrag zu konstruieren. Beim Insolvenzplan ist das Verfahren diesbezüglich nun entscheidend verändert worden. Zum einen kann nicht mehr allein der Schuldner, sondern auch der Insolvenzverwalter einen Insolvenzplan einreichen; zum anderen – und in diesem Zusammenhang viel entscheidender – ist nun auch eine Erklärung des Schuldners zu jedem vorgelegten Plan im Abstimmungstermin Voraussetzung für dessen Bestätigung durch das Insolvenzgericht (§§ 247, 248 InsO). Insofern liegt es nahe, nicht nur bei den Gläubigern, sondern auch beim Schuldner eine verbindliche Erklärung hinsichtlich des vorgelegten Plans erst im Abstimmungstermin anzunehmen, zumal auch er bis dahin seinen Plan beliebig ändern kann (§ 240 InsO). Eine Planvorlage durch den Schuldner wäre folglich wiederum mangels Rechtsbindungswillens keine Willenserklärung gemäß § 145 BGB, sondern »invitatio ad offerendum«.19 Diese Annahme ist allerdings nur dann zutreffend, wenn die Insolvenzordnung tatsächlich trotz einer eigenen Planvorlage durch den Schuldner im Abstimmungstermin nochmals zwingend dessen Zustimmung verlangt. Eine derartige Auslegung der §§ 243–247 InsO ist nicht unumstritten. Teilweise wird ausgeführt, eine Zustimmung des Schuldners sei nach dem Gesetz nicht generell, sondern nur dann notwendig, wenn er durch den Plan im Vergleich zum 18 Ebenso: Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 218 Rn. 9; Gaul, FS Huber, 2006, 1187, 1202; Schiessler, Insolvenzplan, S. 20; Zempel, Genussrechte, S. 83. 19 So Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 217 Rn. 28; Gaul, FS Huber, 2006, 1187, 1202; Schiessler, Insolvenzplan, S. 20.

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Kapitel 3: Der Insolvenzplan als Vertrag bürgerlichen Rechts

Regelverfahren nach §§ 148 ff. InsO besonders belastet werden soll. 20 Zur Begründung werden Äußerungen des Gesetzgebers in der Begründung des Regierungsentwurfes zitiert, wonach der Schuldner zwar mitwirkungsberechtigter Beteiligter, seine Zustimmung zu einem Plan jedoch »im Regelfall entbehrlich« ist. 21 Eine ähnliche Äußerung findet sich auch in der Begründung des § 247 InsO (§ 293 RegE) im Regierungsentwurf, wonach die Vorschrift gewährleiste, dass der Schuldner einen Plan verhindern kann, der seine Rechte unangemessen beeinträchtigt. 22 Trotz ihrer historischen Argumente kann diese Ansicht nicht überzeugen, übersieht sie doch die wesentlichen Wertungen des Gesetzgebers. So macht bereits der bloße Wortlaut des § 248 Abs. 1 InsO deutlich, dass für die Annahme eines wirksamen Insolvenzplans stets auch die Zustimmung des Schuldners notwendig ist, wenn dort zu lesen ist: »Nach der Annahme des Insolvenzplanes durch die Gläubiger (§§ 244 bis 246) und der Zustimmung des Schuldners bedarf der Plan der Bestätigung durch das Insolvenzgericht.«23 Beide Seiten müssen folglich dem Plan im Abstimmungstermin zustimmen. Zudem ergibt sich auch aus anderen Normen die in jedem Fall, also unabhängig von der Person des Planinitiators, erforderliche Zustimmung des Schuldners zum Plan. So ist er stets zum Abstimmungstermin gesondert zu laden (§ 235 Abs. 3 Satz 1 InsO), also stets bei der Abstimmung der Gläubiger über den Plan anwesend. Ist der Schuldner dennoch ausnahmsweise im Abstimmungstermin nicht anwesend oder äußert er sich trotz seiner Anwesenheit nicht zum Plan, so fi ngiert § 247 Abs. 1 InsO ausdrücklich sein Schweigen als Zustimmung zum Plan. Das Gesetz geht also auch in diesem Fall davon aus, dass eine Erklärung des Schuldners notwendig ist, welche gegebenenfalls fingiert werden kann. Äußert er sich ablehnend, so kann unter den besonderen Voraussetzungen des § 247 Abs. 2 InsO seine Willenserklärung sogar als Zustimmung gewertet werden. Eine Zustimmung des Schuldners ist somit notwendiges Ergebnis jedes erfolgreichen Abstimmungstermins. 24 20 Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 466: »Eine Zustimmung des Schuldners ist lediglich dann vonnöten, wenn diesem durch den Plan Pfl ichten auferlegt werden sollen, die über die gesetzlichen Pflichten nach der Insolvenzordnung hinausgehen.« Ebenso Braun, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 66 Rn. 17 und in: Nerlich/Römermann, InsO, vor § 217 Rn. 77. Noch weitergehend Keller, Insolvenzrecht, Rn. 1763: »Eine Zustimmung des Schuldners zum Insolvenzplan ist grundsätzlich nicht erforderlich«. 21 BT-Drucks. 12/2443, S. 91. 22 BT-Drucks. 12/2443, S. 210. 23 Hervorhebung durch den Verfasser. 24 Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 217 Rn. 24; Dinstühler, InVo 1998, 333, 340; Gaul, FS Huber, 2006, 1187, 1202; Hess/Weis, WM 1998, 2349, 2350; Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, § 247 Rn. 1; Schiessler, Insolvenzplan, S. 21; Sinz, in: MünchKomm, InsO, § 247 Rn. 2; Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 14.1 (wobei nach Smid/Ratunde eine Verweigerung der notwendigen Zustimmung zum selbst initiierten Plan treuwidrig und daher unbeachtlich sein soll – Rn. 14.14 ff.).

A. Die Planvorlage – invitatio ad offerendum

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Will man hingegen gerade aus den Regelungen des § 247 InsO auf eine Entbehrlichkeit der Zustimmung des Schuldners schließen, so verkennt man das Wesen der in § 247 InsO geschaffenen Fiktionen. Indem § 247 Abs. 1 InsO die Zustimmung des Schuldners im Falle des Fehlens einer Erklärung fingiert (»Die Zustimmung des Schuldners zum Plan gilt als erteilt . . .«) und indem § 247 Abs. 2 InsO dies unter gewissen Umständen auch bei Ablehnung des Planes durch den Schuldner ermöglicht, wird ein Grundsatz deutlich. Das Gesetz geht in seinem Wortlaut und in seiner Regelungstechnik davon aus, dass der Schuldner in der Abstimmung dem Plan eigentlich zustimmen muss. Das gewollte Ergebnis am Ende des Abstimmungstermins ist die Zustimmung des Schuldners, sei es als tatsächlich erklärte Äußerung, sei es im Wege der Fiktion nach § 247 InsO. Nur dann eröffnet § 248 Abs. 1 InsO nach seinem klaren Wortlaut den Weg zur Bestätigung des Planes.25 Dieses Regelungskonzept wäre widersinnig, wenn eine Willensäußerung des Schuldners – wie es die zitierte Äußerung in der Begründung zum Regierungsentwurf ausdrückt – »im Regelfall entbehrlich« ist; das Schaffen einer Fiktion für gerade diesen Regelfall wäre überflüssig. Die Äußerungen sind daher in ihren Kontext einzuordnen. Sie dienten im Gesetzgebungsverfahren dazu, Ängste abzubauen, die sich aus einer scheinbaren Blockademacht des Schuldners ergeben könnten, wenn er nun jedem Plan zustimmen muss. Der Gesetzgeber wollte deutlich machen, dass trotz des in § 248 Abs. 1 InsO verankerten Zustimmungserfordernisses kein wirtschaftlich vernünftiger Plan an einem obstruierenden Schuldner scheitern wird, da seine Mitwirkungsverweigerung dann über § 247 InsO genauso überwunden werden kann wie seine Ablehnung. Verhandlungstaktisch betrachtet ist der Standpunkt der Gegenansicht insofern durchaus zutreffend; der Schuldner kann einen ihn im Vergleich zum Regelinsolvenzverfahren nicht schlechter stellenden und damit § 247 25 Dies übersieht Häsemeyer, FS Gaul, 1997, 175, 179; ders., Insolvenzrecht, Rn. 28.70, wenn er die Zustimmung im Fall einer Planvorlage durch den Schuldner für überflüssig hält (im Ergebnis ebenso Hess, in: Hess, InsO, § 247 Rn. 7). Die gesamte Konstruktion Häsemeyers ist getragen von dem Versuch, den Insolvenzplan als Vertrag zu begreifen und hierzu passt ihm die weitreichende Zustimmungsfiktion des § 247 Abs. 2 InsO nicht, da sie es ermöglicht, gegen den geäußerten Ablehnungswillen des Schuldners eine Zustimmung zu fingieren (vgl. FS Gaul, 1997, 175, 180). Teilte man seine Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der Obstruktionsregelungen mit dem Vertragscharakter des Insolvenzplans (dazu später mehr), so wäre die dogmatische Konstruktion zu überdenken; eine Auslegung gegen den Wortlaut und den Willen des Gesetzgebers rechtfertigen sie nicht. Hält man hingegen im Fall einer Planvorlage durch den Schuldner dessen Widerspruch gegen den eigenen Plan im Abstimmungstermin für unzulässig (so etwa: Andres, in: Andres/Leithaus, InsO, § 247 Rn. 2; Braun/Frank, in: Braun, InsO, § 247 Rn. 5; Flessner, in: Heidelberger Kommentar, InsO, § 247 Rn. 4; Hess/ Weis, WM 1998, 2349, 2360; Sinz, in: MünchKomm, InsO, § 247 Rn. 25; Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 14.16; dies., in: Smid, InsO, § 247 Rn. 11; Thies, in: Hamburger Kommentar, § 247 Rn. 4), so bleibt die Zustimmung des Schuldners dennoch notwendiges Ergebnis des Abstimmungstermins; lediglich sein Widerspruch wird unbeachtlich und in eine Zustimmung nach § 247 Abs. 1 InsO umgedeutet. Diese Auffassung ist daher klar von der Häsemeyers zu unterscheiden.

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Kapitel 3: Der Insolvenzplan als Vertrag bürgerlichen Rechts

Abs. 2 InsO unterfallenden Plan nicht blockieren. Dogmatisch und regelungstechnisch entfällt in diesen Fällen jedoch nicht das Zustimmungserfordernis an sich, es wird vielmehr durch eine Fiktion erfüllt. Klar ist damit zugleich auch, dass die entscheidende Schuldnererklärung stets erst im Abstimmungstermin erfolgt, nicht jedoch schon mit einer eigenen Planvorlage. Die Insolvenzordnung gestaltet damit im Gegensatz zu ihren Vorgängern die Planvorlage als reine Verfahrenshandlung, 26 welche das Insolvenzplanverfahren einleitet, und verlagert zugleich die entscheidenden materiell-rechtlichen Willenserklärungen der Beteiligten zum Insolvenzplan in einen gesonderten Abstimmungstermin. 27 Diese gesetzgeberische Entscheidung mag man kritisieren. 28 Sie ist jedoch zu respektieren.

III. Ergebnis Die Vorlage eines Insolvenzplans gemäß § 218 InsO enthält noch keine verbindlichen materiellrechtlichen Erklärungen über den Insolvenzplan. Sie ist in jedem Fall nur »invitatio ad offerendum«, also eine Planinitiative. Weder der Schuldner noch die Gläubiger sind bereits durch die Vorlage eines von ihnen erarbeiteten Insolvenzplans an diesen gebunden. Die für einen Vertragsschluss maßgeblichen Willenserklärungen dieser Beteiligten werden erst im Abstimmungstermin abgegeben, indem die Gläubiger über den Plan abstimmen und der Schuldner ihm zustimmt. Für die Annahme einer Willenserklärung des Insolvenzverwalters bietet allein die Vorlage eines von ihm erarbeiteten Insolvenzplans keine Grundlage. Die gesetzliche Ausgestaltung seiner Amtsstellung widerspricht der Annahme seiner materiellen Einbeziehung in den Plan. Die Planvorlage ist damit stets bloße Verfahrenshandlung.

26 Die Eigenschaft der Planvorlage als Verfahrenshandlung ist unstreitig – vgl. Braun, in: Nerlich/Römermann, InsO, vor § 217 Rn. 90; Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 218 Rn. 9; Gaul, FS Huber, 2006, 1187, 1202; Kersting, Gläubiger im Insolvenzplanverfahren, S. 84; Smid, Grundzüge des Insolvenzrechts, § 25 Rn. 1; Schiessler, Insolvenzplan, S. 20, 86; Zempel, Genussrechte, S. 83. 27 Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 217 Rn. 27 f.; Gaul, FS Huber, 2006, 1187, 1202. 28 Häsemeyer, FS Gaul, 1997, 175, 179: Das generelle Zustimmungserfordernis des § 247 ist »gesetzestechnisch total missglückt«. Zu dieser Aussage kann man nur gelangen, wenn man – wie Häsemeyer – bereits in der Planvorlage eine Willenserklärung erkennen will. Dann bedarf es natürlich einer nochmaligen Zustimmung des Schuldners zu eigenen Planvorschlag natürlich nicht. Der erkannte Konflikt mit der Gesetzeslage ist jedoch nicht zu Lasten des Gesetzes, sondern zu Lasten der nicht zum Regelungssystem passenden dogmatischen Konstruktion zu lösen: Das generelle Zustimmungserfordernis ist gesetzestechnisch geglückt, da es die erste und einzige Willenserklärung des Schuldner zu einem von ihm oder dem Insolvenzverwalter vorgelegten Plan enthält.

B. Vertragsschluss durch Zustimmung zu einer Vorlage

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B. Vertragsschluss durch Zustimmung zu einer Vorlage Der maßgebliche Ort und Zeitpunkt für vertragliche Willenserklärungen ist der Abstimmungstermin. Wendet man sich diesem zu, so fällt sofort ins Auge, dass die Beteiligten in diesem Termin keine korrespondierenden, also aufeinander bezogenen Erklärungen abgeben. Gegenstand der Abstimmung ist der vorgelegte Insolvenzplan. Die Gläubiger stimmen gemäß § 243 InsO in ihren Gruppen über diese Planvorlage ab. Der Schuldner erklärt nach § 247 InsO seine Zustimmung oder seinen Widerspruch zur Vorlage. Das Insolvenzplanverfahren verlangt somit die Zustimmung aller Beteiligten zum vorgelegten Plan; alle sollen erklären, dass sie den Plan wollen. Sie geben damit im Idealfall inhaltlich gleichlautende Erklärungen ab (»Ich stimme dem Plan zu.«), wodurch diesen der Bezug aufeinander fehlt, so dass keine korrespondierenden Erklärungen zu finden sind. Eine Angebotserklärung lässt sich nicht von einer Annahmeerklärung unterscheiden. Wegen dieses Gleichlauts der Willenserklärungen kommt ein Insolvenzplan im Falle seiner Annahme nicht auf die klassische, in den §§ 145 ff. BGB vorausgesetzte Weise – durch Angebot und Annahme – zustande. Ein solch klassischer Vertragsschluss lässt sich nicht finden. Dieser Umstand ändert jedoch nach allgemeiner Ansicht nichts am Ergebnis des Erklärungsprozesses: es entsteht ein Vertrag zwischen allen Beteiligten. Ein solcher privatrechtlicher Vertrag kann nach allgemeiner Ansicht nicht nur im Wege der §§ 145 ff. BGB durch Angebot und Annahme geschlossen werden, auch wenn dies der die Praxis ganz dominierende Regelfall ist und daher auch die Regelungen der §§ 145 ff. BGB hierauf basieren. Der zur Vertragsentstehung notwendige Konsens aller Beteiligten lässt sich nicht nur durch korrespondierende Erklärungen, sondern eben gerade auch im Wege der Zustimmung aller Beteiligten zu einer Vertragsvorlage herstellen. Die Abweichung vom Regelfall der §§ 145 ff. BGB ist dabei nicht materieller, sondern rein technischer Natur und beschränkt sich auf den Vertragsschlussmechanismus, indem keine korrespondierenden, sondern gleichlautende Erklärungen abgegeben werden. 29 Das Ergebnis ist jedenfalls ein Vertrag bürgerlichen Rechts. Ein solcher Vertragsschlussmechanismus verzichtet allerdings lediglich auf den Bezug der Erklärungen aufeinander. Diese werden nun in Richtung der Vorlage abgegeben. Weiterhin notwendig bleibt aber der Zugang der gleichlautenden Erklärungen beim Vertragspartner. Auch in den Sonderfällen der Zustimmung zu einer Vertragsvorlage sind empfangsbedürftige Willenserklärungen zum Vertragsschluss notwendig, die dem anderen Teil zugehen müssen,

29 Unstreitig – vgl. etwa Bork, in: Staudinger, BGB (2003), Vorbem. zu §§ 145–156 Rn. 38; Flume, Rechtsgeschäft, S. 619; Leenen, AcP 188 (1988), 381, 395; Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, Rn. 394; Merle, FS Wenzel, 2005, 251, 253.

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Kapitel 3: Der Insolvenzplan als Vertrag bürgerlichen Rechts

selbst wenn sie primär in Richtung eines Moderators oder Verwalters abgegeben werden. Insoweit bleibt es bei den allgemeinen Regelungen des Vertragsrechts, insbesondere denen in § 130 und § 151 BGB.30 Festzuhalten bleibt aber, dass die §§ 145 ff. BGB den Vertragsschluss mittels Zustimmung aller Beteiligten zu einer Vorlage ihrem Wortlaut nach nicht erfassen. Ihre unmittelbare Anwendung auf diese Fälle muss daher ausscheiden. Da eine gesetzliche Regelung dieses Vertragsschlussmechanismus zugleich fehlt, wird eine analoge Anwendung dieser Normen befürwortet.31 Die §§ 145 ff. BGB können daher auch auf die Annahme eines Insolvenzplans entsprechend angewandt werden, soweit die gesetzliche Regelung der §§ 235 ff. InsO Fragen offen lässt.

C. Die Abstimmung der Gläubiger Die Gläubiger müssen – wie alle Beteiligten – dem vorgelegten Insolvenzplan zustimmen, damit dieser als Vertrag entstehen kann. Die hierzu maßgeblichen Erklärungen werden im Abstimmungstermin abgegeben.

I. Die Stimmabgabe als interne Willensbildung Die Gläubiger erklären im Abstimmungstermin ihren Willen hinsichtlich der Annahme oder Ablehnung des vorgelegten Planes im Wege einer Stimmabgabe. Insofern liegt der Gedanke nahe, bereits diese Stimmabgabe als eine an den Schuldner und die anderen Beteiligten gerichtete vertragliche Willenserklärung anzusehen, so dass jeder einzelne Gläubiger im Abstimmungstermin mittels seiner Stimme eine eigene vertragliche Willenserklärung abgibt. Seine Stimmabgabe dient dann allein seiner Bindung an den Plan, nicht jedoch einer Abstimmung unter den Gläubigern. Zum Zwangsvergleich wurde diese Ansicht durchaus vertreten.32 Ein solches, rein vertragsrechtliches Modell funktioniert indessen nur dann problemlos, wenn tatsächlich alle Gläubiger dem Plan zustimmen; dann basiert die materielle Bindung aller an den Insolvenzplan auf der Willenserklärung jedes einzelnen. Verweigern hingegen einzelne Gläubiger dem Plan ihre Zustimmung oder nehmen sie an der Abstimmung überhaupt nicht teil, so fehlt nach diesem Konzept für diese Gläubiger eine zustimmende 30

Näher hierzu etwa Merle, FS Wenzel, 2005, 251, 257. Leenen, AcP 188 (1988), 381, 404, sieht hingegen diese Art des Vertragsschlusses in den §§ 154, 155 BGB normiert und will daher die §§ 145–153 BGB nicht anwenden. Dagegen zutreffend Bork, in: Staudinger, BGB (2003), Vorbem. zu §§ 145–156 Rn. 38; Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, Rn. 394; Merle, FS Wenzel, 2005, 251, 257, da die alleinige Anwendung der §§ 154, 155 BGB zu viele Fragen offen ließe. 32 Siehe dazu ausführlich die Darstellungen im Ersten Kapitel B. III. 2. a). 31

C. Die Abstimmung der Gläubiger

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Willenserklärung zum Plan und sie könnten auf der Grundlage dieses Modells jedenfalls nicht auf einer vertraglichen Grundlage an den Insolvenzplan gebunden werden. Ihre Bindung ließe sich allein aus einer gesetzlich angeordneten Wirkungserstreckung erklären.33 Das Gebiet des Vertragsrechts wäre verlassen.34 Ein solches Erklärungsmodell erscheint unnötig, wenn man das in den §§ 235–246 InsO geschaffene Abstimmungsverfahren nicht allein als Verfahren zur Ansammlung positiver vertraglicher Willenserklärungen unter den Gläubigern betrachtet, sondern als das, was es funktional tatsächlich ist: ein Verfahren zur Willensbildung der Gläubiger über den vorgelegten Insolvenzplan. Die Gläubiger haben erst- und einmalig im Abstimmungstermin die Gelegenheit, sich verbindlich zum konkret vorgelegten Plan zu äußern; hier entscheidet sich also, ob ein Plan die Billigung der betroffenen Gläubiger findet. Der einzelne Gläubiger trifft hier nicht nur für sich selbst eine Entscheidung; er befindet über den Plan als Ganzes und damit insbesondere auch über Regelungen, die ihn nicht persönlich betreffen, wohl aber die Gläubiger in ihrer Gesamtheit. Ein Gesamtkonzept, regelmäßig ein Sanierungskonzept, steht zur Wahl, in dem der einzelne Gläubiger nur ein Beteiligter unter vielen ist. Diese Rolle als Teil dieser Gesamtheit ist es denn auch, die das Abstimmungsverfahren selbst prägt. Ginge es nur um die Abgabe einer vertraglichen Willenserklärung im Sinne des § 145 BGB, so wäre zudem die Stimme jedes Gläubigers gleich zu bewerten; jedes Ja oder Nein hätte dieselbe Bedeutung. In den §§ 237 ff. InsO findet sich hingegen eine andere Ausgestaltung. Sowohl das Stimmrecht an sich als auch das Stimmgewicht jedes beteiligten Gläubigers ist dort nicht gleich gestaltet, sondern von der jeweiligen Beteiligung des Gläubigers an der Gläubigergesamtheit abhängig. Es ist in der Abstimmung relevant, ob ein Gläubiger zur Gruppe der absonderungsberechtigten Gläubiger (§ 238 InsO), der nachrangigen (§ 246 InsO) oder der einfachen Insolvenzgläubiger (§ 237 InsO) gehört; es ist von Interesse für sein Stimmgewicht, ob er Klein- oder Großgläubiger des Schuldners ist (§ 244 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Jede Stimme wird bewertet und ins Verhältnis gesetzt. Der einzelne Gläubiger steht bei der Abstimmung folglich nicht allein dem Plan gegenüber, sondern als Teil einer Gruppe, einer Gesamtheit. Diese Gesamtheit soll ihren Willen zum Plan finden und erklären.

33 Dies wurde folgerichtig auch für den Zwangsvergleich vertreten – vgl. im Ersten Kapitel B. III. 2. a). 34 Das Modell scheitert allerdings nicht daran, dass es die zustimmenden Gläubiger an einen nicht angenommenen Plan binden müsste. Ein solcher Vertrag der Gläubigerminderheit mit dem Schuldner hätte keinen Sinn, da ein Insolvenzplan nicht zustande gekommen ist. Diese Folge ließe sich hingegen umgehen, indem man die in einer positiven Stimmabgabe zu sehenden Angebote der Gläubiger stets als auflösend von der Annahme der Insolvenzplans bedingt begreift Auch dies wurde bereits für den Zwangsvergleich erkannt – vgl. im Ersten Kapitel B. III. 2. a).

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Eine solche Willensbildung in Personenmehrheiten geschieht nun nicht wie bei einer natürlichen Person durch einen simplen Entschluss; einen natürlichen einheitlichen Willen im Sinne eines »Gesamtwillens« gibt es nicht. Der Wille einer Personenmehrheit muss vielmehr ermittelt werden, indem in einem Verfahren die Einzelstellungnahmen der Mitglieder zu einer Frage als Stimmabgaben gesammelt und bewertet werden. Rechtstechnisches Mittel dieser Willensermittlung ist das Beschlussverfahren, an dessen Ende der Wille der Personenmehrheit in Form eines Beschlusses festgestellt wird.35 Während die Willensbildung bei einer einzelnen natürlichen Person also ein rein interner Vorgang ist, geschieht die Willensbildung bei einer Vielzahl von Personen durch eine Abstimmung, deren Ergebnis als Beschluss festgehalten wird. Beispiele hierfür finden sich sowohl auf dem Gebiet des Vereins- oder Gesellschaftsrechts (vgl. §§ 28, 32, 33, 709 BGB) als auch in den allgemeinen Regelungen der Gemeinschaft (§§ 744 ff. BGB). Diese Beschlüsse selbst sind dabei mangels unmittelbarer Außenwirkung keine Verträge; sie sollen lediglich intern in der Gruppe die Interessen der verschiedenen Einzelpersonen zu einem einheitlichen, durch Abstimmung ermittelten Willen zusammenfassen. Erst der so ermittelte interne Willen der Gruppe ist dann in einem selbständigen Folgeschritt nach außen hin umzusetzen. Dies geschieht dann beispielsweise dadurch, dass das jeweils berechtigte Organ der Gruppe die notwendige Willenserklärung zum Abschluss des von der Gruppe gewollten Vertrages abgibt.36 Das Abstimmungsverfahren in den §§ 235 ff. InsO dient folglich nicht nur der Abgabe vertraglicher Willenserklärungen durch die einzelnen Gläubiger, es bezweckt primär die interne Willensbildung in den einzelnen Gläubigergruppen nach §§ 243, 244 InsO, und damit mittelbar in der gesamten Gläubigergemeinschaft, und ist folglich als Beschlussverfahren zu verstehen.37 Diese Sichtweise deckt sich mit dem Konzept des Gesetzgebers, der in dem Mehrheitsbeschluss der Gläubiger über den Plan einen Behelf zur Erleichterung der Entscheidungsfindung einer unkoordinierten Vielzahl Beteiligter sah.38

35

Baltzer, Beschluss, S. 35 ff., 41. Baltzer, Beschluss, S. 128 f., 175 ff. 37 Ebenso: Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 468; Braun, in: Nerlich/Römermann, InsO, vor § 217 Rn. 80 f.; Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 217 Rn. 19; Otte, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 217 Rn. 73. Bereits zu den Vorgängerregelungen des Zwangsvergleichs und des Vergleichs wurde verbreitet in der Abstimmung der Gläubiger ein Beschluss der Gläubiger als Gemeinschaft erkannt – dazu näher im Ersten Kapitel B. III. 2 b). 38 BT-Drucks. 12/2443, S. 79: »Im Insolvenzverfahren ist das Mehrheitsprinzip nicht ein Element politischer oder verbandsrechtlicher Demokratie, sondern ein technischer Behelf zur Erleichterung der Entscheidungsfindung einer unkoordinierten Vielzahl Beteiligter.« 36

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II. Qualifikation der beschließenden Personenmehrheit Das Insolvenzplanverfahren schafft für die Willensbildung der Gläubiger in den §§ 243, 244 InsO zwei verschiedene Ebenen. Zur Annahme des Planes durch die Gläubiger als Ganzes bedarf es nach § 244 Abs. 1 InsO der Zustimmung aller im Plan gebildeter Gläubigergruppen, also einer einstimmigen Entscheidung der abstimmenden Gläubigergruppen zugunsten des Insolvenzplans. Zum Zustandekommen einer positiven Entscheidung innerhalb einer Gläubigergruppe bedarf es gemäß § 244 Abs. 1 InsO nur der (Kopf- und Summen)Mehrheit der abstimmenden Gläubiger in der Gruppe, also einer Mehrheitsentscheidung. Die Willensbildung der Gläubigerschaft vollzieht sich damit zwar in nur einer tatsächlichen Abstimmung, aber rechtlich dennoch auf zwei Ebenen: in der jeweiligen Gläubigergruppe durch Mehrheitsquorum und in der Gläubigergesamtheit durch Einstimmigkeit aller Gruppen. Es entsteht damit die Frage, auf welcher dieser Ebenen der entscheidende Wille gebildet wird. Wo findet der interne Willensbildungsprozess statt und wo beginnt die Ausführung des Willens durch Abgabe der maßgeblichen vertraglichen Erklärung nach außen? Mit anderen Worten: Gibt jede Gläubigergruppe aufgrund ihrer Willensbildung ihre eigene Willenserklärung ab oder gibt es am Ende nur eine einzige Willenserklärung der gesamten Gläubigergemeinschaft? Maßgeblich für die Beantwortung dieser Frage ist, auf welcher Ebene ein wirksamer und damit bindender Beschluss der jeweiligen Personenmehrheit über die Annahme oder Ablehnung des Insolvenzplans vorliegt, der die interne Willensbildung abschließt. Zu dieser Annahme müssen zwei Voraussetzungen zusammenkommen. Zum einen bedarf es der Entscheidung eines Kollektivorgans über den Beschlussgegenstand, d. h. die abstimmenden Personen müssen einer rechtlich organisierten Gruppe angehören, welcher rechtlich die Befugnis zusteht, den maßgeblichen Willen zu bilden.39 Es ist daher zunächst zu untersuchen, welche der beiden Personengruppen – die Gläubigergesamtheit oder die Gläubigergruppe – nach der Konzeption der Insolvenzordnung als rechtlich selbstständige Einheit mit eigener Binnenorganisation und damit als über den Insolvenzplan willensbildende Gruppe angesehen werden können. Erfüllt zumindest eine der beiden Personengruppen diese Anforderungen, so muss als zweites geprüft werden, ob auch der Beschlussgegenstand »Insolvenzplan« innerhalb des Wirkungsbereichs liegt, den das Recht der jeweiligen Personenmehrheit zuweist. Keine Personenmehrheit kann rechtlich verbindlich über Gegenstände entscheiden, die ihr nach der Art ihrer rechtlichen Anerkennung entzogen sind.40 Aus diesen logischen Grenzen der Gruppenmacht ergibt sich 39

Baltzer, Beschluss, S. 29. Baltzer, Beschluss, S. 42 ff. So kann z. B. eine ländliche Produktionsgenossenschaft nicht verbindlich über eine kommunale Angelegenheit in der Gemeinde »beschließen« – Beispiel nach Baltzer, Beschluss, S. 43. 40

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zwangsläufig der Gang der Untersuchung. Zunächst ist also zu fragen, welche der beiden Entscheidungsebenen (Gläubigergesamtheit – Gläubigergruppe) eine innere Organisation aufweist, die es ermöglicht, sie als selbstständige Einheit mit eigener Willensbildung rechtlich anzuerkennen. Das Recht bietet dazu nur wenige Kategorien an, die jeweils einen anderen Organisationsgrad verlangen. Von diesen kommen die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§ 705 BGB), die Bruchteilsgemeinschaft (§ 741 BGB) und die Interessengemeinschaft als für die hier untersuchten Personengruppen einschlägige Organisationsformen in Betracht. 1. Die Gläubiger als Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts Können die Gläubiger entweder in ihrer Gesamtheit oder aber in den einzelnen Gläubigergruppen als Gesellschaft bürgerlichen Rechts gemäß § 705 BGB eingeordnet werden, so ist auch klar, welche der beiden Personengruppen einen selbstständigen, einheitlichen Willen bildet. Die Annahme einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts setzt allerdings voraus, dass sich ihre Mitglieder zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks freiwillig zusammengeschlossen und dazu (regelmäßig) Gesamthandsvermögen gebildet haben.41 a) Die Freiwilligkeit des Zusammenschlusses Problematisch ist in diesem Zusammenhang bereits die Freiwilligkeit des Zusammenschlusses. Zwar verfolgen alle Gläubiger des insolventen Schuldners den Zweck einer möglichst effektiven Befriedigung aus dem Schuldnervermögen. Sie haben sich zur Verfolgung dieses gemeinsamen Zweckes jedoch nicht mittels eines Rechtsgeschäftes zusammengeschlossen, sondern erhalten ihre Verfahrensposition im Abstimmungstermin allein aufgrund und abhängig von ihrer Gläubigerstellung gegenüber dem Schuldner. Ein freiwilliger Zusammenschluss, wie ihn eine Einordnung als BGB-Gesellschaft erfordert, ist damit sehr zweifelhaft.42 Für die Gläubiger einer einzelnen Gläubigergruppe nach §§ 222, 243 InsO kommt zu diesen grundsätzlichen Bedenken erschwerend hinzu, dass sie sich der jeweiligen Gläubigergruppe, innerhalb derer ihre Stimmabgabe berücksichtigt wird, zu keinem Zeitpunkt freiwillig angeschlossen haben. Die Gläubigergruppen werden vielmehr allein durch den Plangestalter gemäß § 222 InsO gebildet, dem hierzu erhebliche Gestaltungsräume offen stehen. Ein eigenständiger und freiwilliger Zusammenschluss der jeweiligen Gläubiger zu einer Gruppe findet daher nie statt. Die einzelne Gläubigergruppe kann somit auch nicht als Gesellschaft bürgerlichen Rechts angesehen werden. 41

Statt vieler Ulmer, in: MünchKomm, BGB, Vor § 705 Rn. 124. Berges, KTS 1957, 49, 50: Bei den »rein zufällig zusammentreffenden Gläubigern eines Konkurses« fehlt für die Annahme eines Gesellschaftsverhältnisses die Zweckvereinbarung. 42

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Etwas schwieriger gestaltet sich die Beurteilung der anderen Personenmehrheit: der Gläubigergesamtheit. Die Gesamtheit aller Gläubiger entsteht im ersten Schritt gemäß § 38 InsO automatisch dadurch, dass ein gewisser Personenkreis im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Vermögensanspruch gegen den Schuldner hat. Eine freiwillige Beteiligung ist hier nicht gegeben. Im zweiten Schritt gestehen die §§ 237 Abs. 2, 238 InsO dann nur solchen Gläubigern aus dieser Gesamtheit überhaupt ein Stimmrecht über den Plan zu, die aufgrund des Insolvenzplans Eingriffe in ihre Ansprüche hinnehmen sollen. Auch dieser kleinere Kreis wird damit nicht durch freiwillige Teilnahme bestimmt. Aus der so verkleinerten Gruppe der Gläubiger sind dann in einem letzten Schritt gemäß §§ 237 Abs. 1 Satz 1, 77 Abs. 1 InsO wiederum nur die Gläubiger stimmberechtigt, die ihre Forderungen zur Tabelle angemeldet haben.43 Jeder letztlich abstimmungsberechtigte und damit tatsächlich abstimmende Gläubiger hat daher mit seiner Forderungsanmeldung im Vorfeld zumindest eine Erklärung dahin gehend abgegeben, sich am Insolvenzverfahren beteiligen zu wollen. Seine Teilnahme an der Gruppe der Abstimmenden ist insofern eine freiwillige. Man könnte folglich auf die Idee kommen, in der Gesamtheit der abstimmungsberechtigten Gläubiger eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu erkennen. Allerdings ist diese Gruppe nicht identisch mit der Gesamtheit der an einen zustande gekommenen Plan gebundenen Gläubiger. Der Insolvenzplan bindet gemäß § 254 Abs. 1 Satz 1 und 3 InsO alle beteiligten Gläubiger, insbesondere auch solche, die keine Forderungen angemeldet haben. Die Vorschriften zum Stimmrecht sind daher strikt von denen zu unterscheiden, die die Bindungswirkung des Plans beschreiben. Eine vertragsrechtliche Erklärung dieser weiten Bindungswirkung muss dann aber auch diese nicht abstimmungsberechtigten Gläubiger mit einbeziehen. Die Gesamtheit der Gläubiger, welche die eine Seite der Vertragsschließenden bilden soll, umfasst damit einen weiteren Personenkreis als nur den der abstimmenden Gläubiger. Es werden sowohl sämtliche Insolvenzgläubiger nach § 38 InsO als auch alle absonderungsberechtigten Gläubiger erfasst. Diese Gläubigergesamtheit entsteht nun unter keinen Umständen durch einen freiwilligen Zusammenschluss oder eine Teilnahmeerklärung, sondern unabhängig vom Willen der Beteiligten aufgrund gesetzlicher Anordnung und kann daher nicht als Gesellschaft bürgerlichen Rechts angesehen werden. Die §§ 237, 238 InsO enthalten folglich allein eine Stimmrechtsregelung für diesen (größeren) Personenkreis, indem sie den Kreis der stimmberechtigten Gläubiger beschränken. Eine solche Regelung ist zum Zwecke der Binnenorganisation einer großen, vielköpfigen und daher schwer zu organi43 Wurden die angemeldeten Forderungen im Prüfungstermin vom Insolvenzverwalter oder stimmberechtigten Gläubigern bestritten, so verleihen sie gemäß §§ 237 Abs. 1 Satz 1, 77 Abs. 2 InsO nur dann ein Stimmrecht, wenn hierüber eine Stimmrechtseinigung mit dem Insolvenzverwalter und den stimmberechtigten Gläubigern zustande kam.

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sierenden Personengruppe nicht ungewöhnlich und findet sich beispielsweise auch bei der Aktiengesellschaft. § 123 Abs. 2 AktG macht wie die §§ 237 Abs. 1, 77 Abs. 1 InsO das Stimmrecht eines Aktionärs von seinem Beteiligungswillen, also einer Anmeldung zur Hauptversammlung, abhängig. Eine neue, rechtlich relevante Personengesamtheit entsteht dadurch ebenfalls nicht. b) Das Gesamthandsvermögen Lässt sich schon ein freiwilliger Zusammenschluss der Gläubiger zur Gläubigergemeinschaft im Sinne eines Gesellschaftsvertrages nach § 705 BGB nicht begründen, so wird die Skepsis gegenüber der Annahme einer BGB-Gesellschaft unter den Gläubigern noch verstärkt, wenn man nach einem gesamthänderisch gebundenen Sondervermögen der Gläubiger sucht. Ein solches wird nicht durch die Summe der Forderungen gebildet, die jeder Gläubiger gegen den Schuldner innehat und wegen derer er am Verfahren beteiligt ist, da die jeweilige Forderung zu keinem Zeitpunkt vom jeweiligen Gläubiger in ein Sondervermögen im Sinne einer Beitragsleistung nach §§ 705, 706 BGB eingebracht wird. Seine Forderung bleibt ihm zugeordnet, wird durch einen Tabelleneintrag sogar tituliert und kann, soweit nicht ein Insolvenzplan anderes bestimmt oder ein Restschuldbefreiungsverfahren sich anschließt, nach Aufhebung des Verfahrens weiter von ihm verfolgt werden (§ 201 Abs. 1 InsO). Seine Forderung bleibt also in seinem privaten Vermögen. Als Gesellschaftsvermögen einer Gläubigergesellschaft kommt dann auch nicht die Insolvenzmasse als solche in Betracht. Zwar ist diese ein Sondervermögen, da das Vermögen der Insolvenzmasse mit Verfahrenseröffnung vom sonstigen Vermögen des Schuldners getrennt wird. 44 Dieses Sondervermögen wird jedoch nicht der Gläubigergemeinschaft als Rechtsträger zugeordnet, sondern bleibt in der Rechtsträgerschaft des Schuldners. § 80 InsO nimmt ihm allein die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, nicht jedoch die Rechtsträgerschaft.45 Und selbst diejenigen, die in der Insolvenzmasse ein selbst (teil-)rechtsfähiges Sondervermögen sehen, ordnen dieses nicht der Gläubigergemeinschaft als Gesellschaftsvermögen zu, sondern sehen dieses Sondervermögen selbst als Rechtssubjekt an, verwaltet durch den Insolvenzverwalter.46 Der Gläubigergemeinschaft fehlt daher in jeder Konstellation bzw. Konstruktion ein ihr als 44 Unstreitig – vgl. Jickeli/Stieper, in: Staudinger, BGB (2004), Vorbem zu §§ 90–103 Rn. 26; Marly, in: Soergel, BGB, Vor § 90 Rn. 12. 45 Dies ist inzwischen die ganz herrschende Ansicht – vgl. RGZ 105, 313, 314 f.; BGHZ 49, 11, 13; BVerwG NJW 1962, 979, 980; App, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 80 Rn. 5; Eickmann, in: Heidelberger Kommentar, InsO, § 80 Rn. 3; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 9.04; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 35 Rn. 3; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 35 Rn. 1; Lwowski/Peters, in: MünchKomm, InsO, § 35 Rn. 22; Ott, in: MünchKomm, InsO § 80 Rn. 11. 46 Sog. »Organtheorie«: Bötticher, ZZP 77 (1964), 55, 62 ff.; Erdmann, KTS 1967, 87; zuletzt Hanisch, Rechtszuständigkeit, S. 277 ff.; ähnlich bereits Hellwig, Anspruch und Klagerecht, S. 220 ff., 228.

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Rechtsträger zugeordnetes Sondervermögen im Sinne eines gesamthänderisch gebundenen Gesellschaftsvermögens. Die Annahme einer Gläubigergesellschaft im Sinne der §§ 705 ff. BGB scheidet auch von daher aus. 2. Die Gläubiger als Bruchteilsgemeinschaft Die Gläubiger im Insolvenzverfahren könnten allerdings ein gemeinschaftliches Verwertungsrecht an der Insolvenzmasse haben und daher eventuell als Bruchteilsgemeinschaft nach § 741 BGB anzusehen sein. Hierbei ist zunächst festzustellen, dass die Einordnung irgendeiner Personengruppe als Bruchteilsgemeinschaft gemäß § 741 BGB keine Freiwilligkeit einer Beteiligung an ihr voraussetzt.47 Sie ist vom Typus her eine Zwangs- oder Zufallsgemeinschaft.48 Auch eines Sondervermögens bedarf es nicht, ist doch die Bruchteilsgemeinschaft nicht fähig, selbst Träger von Rechten (wie eines Vermögens) und Pflichten, also ein eigenes Rechtssubjekt, zu sein. 49 Voraussetzung für die Annahme einer Bruchteilsgemeinschaft ist nach § 741 BGB lediglich, dass einer Personengruppe ein Recht gemeinschaftlich zu ideellen Bruchteilen zusteht. Der Entstehungsgrund dieser Gemeinschaft an einem Recht ist dabei ebenfalls unerheblich.50 Die Gläubiger in einem Insolvenzverfahren könnten vor diesem Hintergrund durchaus eine oder mehrere Bruchteilsgemeinschaften bilden. a) Die Gläubigergruppe nach §§ 222, 243 InsO Betrachtet man die im Insolvenzplan gebildeten Gläubigergruppen im Lichte dieser Definition, so fehlt es bereits an einem tauglichen Objekt für eine Bruchteilsgemeinschaft unter diesen Gläubigern. Es ist weder ein Recht noch ein sonstiger Gegenstand ersichtlich, den die Gläubiger einer jeweiligen Gruppe, wie etwa der Gruppe der Arbeitnehmer (§ 222 Abs. 3 InsO) oder der ungesicherten Lieferanten, untereinander aufteilen. Etwas anderes mag nur in den seltenen Einzelfällen in Betracht kommen, in denen in einer Gruppe ausschließlich Gläubiger mit Absonderungsrechten an einem bestimmten Gegenstand zusammengefasst werden, da sich diese Gruppe dann Rechte an einem Gegenstand teilt. Üblich ist eine solche Gruppenbildung jedoch nicht. Gesicherte Gläubiger werden typischerweise vielmehr in jeweils einzelne Gruppen sortiert, da sich 47

Unstreitig – vgl. Ulmer, in: MünchKomm, BGB, Vor § 705 Rn. 15, 124 f. Schmidt, in: MünchKomm, BGB, § 741 Rn. 25; Schnorr, Gemeinschaft nach Bruchteilen, S. 42 ff.; Timm/Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, § 705 Rn. 35 – sog. »communio incidens«. 49 Ganz herrschende Ansicht – vgl. Brach, Bruchteilsgemeinschaft, S. 69; Langhein, in: Staudinger, BGB (2008), § 741 Rn. 245; Schmidt, in: MünchKomm, BGB, § 741 Rn. 3: »Die Gemeinschaft ist kein organisierter Verband«; ebenso von Ditfurth, in: Prütting/Wegen/ Weinreich, BGB, § 741 Rn. 4; anders allein Fabricius, Relativität der Rechtsfähigkeit, S. 139, 143. Näher dazu später unter b) (3) (b). 50 Allgemeine Ansicht – vgl. wiederum Schmidt, in: MünchKomm, BGB, § 741 Rn. 28. 48

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ihr Rechte stark voneinander unterscheiden. Zudem genügt dieser eine Sonderfall keinesfalls für die generelle Annahme einer Bruchteilsgemeinschaft in Gläubigergruppen nach § 222 InsO. b) Die Gläubigergesamtheit Interessanter wird die Untersuchung, wenn man sich der Gruppe aller Gläubiger als mögliche rechtliche Gemeinschaft zuwendet. Diese bildet ebenfalls eine Personenmehrheit und erfüllt damit das erste Merkmal einer Gemeinschaft. Bei ihr kommt dann aber auch ein gemeinschaftliches Recht in Betracht: das Verwertungsrecht an der Insolvenzmasse. (1) Das Verwertungsrecht als gemeinschaftliches Recht Als Gegenstand einer Bruchteilsgemeinschaft gerät sofort die Insolvenzmasse, also das nach Maßgabe der §§ 35 ff. InsO dem Insolvenzverfahren unterliegende Schuldnervermögen, ins Blickfeld. Diese dient nach § 1 Satz 1 InsO allen (absonderungsberechtigten wie einfachen) Gläubigern 51 als Befriedigungsobjekt; nach ihrem vollstreckungsrechtlichen Zweck steht die Insolvenzmasse als Vermögensmasse also allen Gläubigern zu. Allerdings müssten zur Annahme einer Bruchteilsgemeinschaft aller Insolvenzgläubiger nun auch alle Gläubiger ein einheitliches Recht an der Insolvenzmasse zu ideellen Bruchteilen haben. Ein solches gemeinschaftliches Recht ist nun keinesfalls das Eigentumsrecht an den Sachen bzw. das Forderungsrecht an den Rechten in der Insolvenzmasse. Diese Rechtsposition wird dem Schuldner durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht genommen und folglich auch nicht auf die Gläubiger übertragen. Nach § 80 InsO verliert er lediglich die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über seine, in die Masse fallenden Vermögenswerte.52 Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens steht den Gläubigern allerdings nach § 1 Satz 1 InsO die Insolvenzmasse als Haftungsobjekt zur Verfügung; der Insolvenzbeschlag bewirkt also zumindest eine haftungsrechtliche Zuweisung der Insolvenzmasse an die Gläubiger. Die Rechtsnatur dieser Zuweisung ist nach wie vor nicht geklärt. Eine anfängliche Auffassung, die aus ihr ein gemeinschaftliches Konkurspfandrecht der Gläubiger ähnlich dem Pfändungspfand51 Allein die Aussonderungsberechtigten fallen heraus, da sie gemäß § 47 InsO nicht am Insolvenzverfahren teilnehmen. 52 Unstreitig ist jedenfalls, dass nicht die Gläubiger Rechtsträger der Insolvenzmasse werden. Die heute herrschende Ansicht belässt die Rechtsträgerschaft beim Schuldner: RGZ 105, 313, 314 f.; BGHZ 49, 11, 13; App, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 80 Rn. 5; Eickmann, in: Heidelberger Kommentar, InsO, § 80 Rn. 3; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 9.04; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 35 Rn. 3; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 35 Rn. 1; Lwowski/Peters, in: MünchKomm, InsO, § 35 Rn. 22; Ott, in: MünchKomm, InsO § 80 Rn. 11. Die Organtheorie hingegen sieht in der Masse selbst ihren Rechtsträger: Bötticher, ZZP 77 (1964), 55, 62 ff.; Erdmann, KTS 1967, 87; Hanisch, Rechtszuständigkeit, S. 277 ff.; ähnlich bereits Hellwig, Anspruch und Klagerecht, S. 220 ff., 228.

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recht konstruierte,53 konnte sich nicht durchsetzen.54 Weitere Einordnungsversuche hat es nicht gegeben; stattdessen wird heute für die Insolvenzordnung jede nähere Einordnung gescheut. Die Zuweisung der Insolvenzmasse an die Gläubiger als Befriedigungsobjekt wird weitgehend lediglich als »pfandähnliche Rechte der Gesamtheit der Gläubiger«55 , als »Beschlagsrecht« der Gläubiger mit »ausschließlicher Wirkung gegenüber Dritten«56 , als »dingliches, pfandrechtsähnliches Beschlagsrecht«57 oder schlicht als »dingliche Rechtsposition« angesehen, »die jeden Zugriff Dritter auf die Masse grundsätzlich ausschließt«58 . Eine genaue dogmatische Einordnung dieser Begrifflichkeiten kann hier unterbleiben. Aus dem gegenwärtigen Meinungsbild wird hinreichend deutlich, dass die haftungsrechtliche Zuweisung in § 1 Satz 1 InsO eine gemeinsame, jedenfalls dinglich wirkende Rechtsposition aller Gläubiger über die Insolvenzmasse im Sinne eines gemeinsamen Befriedigungsrechts schafft. 59 Anders als vor der Verfahrenseröffnung ist das pfändbare Schuldnereinkommen nun dem Zugriff des Schuldners entzogen. Dieses Vermögen ist kein freies Wirtschaftsgut mehr, sondern zweckgebundenes Sondervermögen, dessen Verwertung durch den Insolvenzverwalter allein im Interesse und zugunsten der Gläubiger erfolgt. Allein an sie ist der Erlös (nach Abzug der Kosten) auszukehren. Ihre rechtliche Situation entspricht damit weitgehend derjenigen eines vollstreckenden Gläubigers in der Einzelzwangsvollstreckung, der ein Pfändungspfandrecht an Gegenständen im Schuldnervermögen innehat. Die Verwertung dieser Gegenstände erfolgt allein zum Zwecke seiner Befriedigung und nur an ihn ist der Verwertungserlös (nach Abzug der Kosten) auszukehren. Dieser Verwertungs- und Erlösherausgabeanspruch ist in der Insolvenz lediglich kollektiviert und das sowohl hinsichtlich des Subjekts als auch hinsichtlich des Objekts: Er steht nicht nur einem, sondern allen Gläubigern gemeinschaftlich zu und besteht nicht nur an einzelnen Gegenständen, sondern am Sondervermögen der Insolvenzmasse im Ganzen. Nicht zu Unrecht wird daher das Verwertungsrecht der Gläubiger als pfandrechtsähnlich bezeichnet. In ihm findet sich das gemeinschaftliche Recht der Gläubiger an der Insolvenzmasse. 60 53 So etwa Kohler, Konkursrecht, 1891, S. 99 ff. (»Beschlagsrecht«); ihm folgend: Hellmann, Konkursrecht, 1907, S. 622 ff.; Seuffert, Konkursprozeßrecht, 1899, S. 151 ff. 54 Hierzu Henckel, FS Weber, 1975, 237, 238; ablehnend auch Berges, KTS 1960, 1, 6. 55 Holzer, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 35 Rn. 10; Lwowski/Peters, in: MünchKomm, InsO, § 35 Rn. 22. 56 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 9.05. 57 Henckel, FS Weber, 1975, 237, 251 f.; ders. in: Jaeger, InsO, § 35 Rn. 4 f. (leider weniger deutlich). 58 Haarmeyer, Hoheitliche Beschlagnahme und Insolvenzbeschlag, S. 55 (Rn. 113). 59 Linke, KTS 1966, 192, 214. Anders noch für die KO: Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 3 Rn. 1; Schmidt, in: Böhle-Stammschräder/Kilger/Schmidt, Insolvenzgesetze, § 3 KO Anm. 10: »Durch die Konkurseröffnung entsteht kein gemeinsames Recht aller Konkursgläubiger am Massevermögen.« 60 Ebenso schon Berges, KTS 1957, 49, 52; ders., KTS 1960, 1, 9.

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(2) Bruchteilsgemeinschaft an einer Rechtsgesamtheit Nun steht den Gläubigern dieses gemeinschaftliche (Befriedigungs-)Recht nicht an einer einzelnen Sache, sondern an der Insolvenzmasse als einer Rechtsgesamtheit zu. Damit wird die Frage aufgeworfen, ob eine einheitliche Bruchteilsgemeinschaft nicht nur bei einem gemeinschaftlichen Recht an einem einzelnen Gegenstand möglich ist, sondern auch bei einem gemeinschaftlichen Recht an mehreren Gegenständen wie einer Rechtsgesamtheit. Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst von der gesetzlichen Regelung auszugehen. § 741 BGB verlangt lediglich, dass mehreren Personen »ein Recht« gemeinschaftlich zusteht. Wie dieses Recht oder der Gegenstand dieses Rechtes beschaffen sein muss, wird nicht näher ausgeführt. Dementsprechend wenig Klarheit oder gar Einigkeit besteht über die dogmatische Grundstruktur einer Bruchteilsgemeinschaft im Allgemeinen. Folgerichtig ist bereits im Grundsatz unklar, ob eine Bruchteilsgemeinschaft angenommen werden darf, wenn das gemeinsame »Recht« einer Personengruppe eben nicht nur an einem einzelnen Gegenstand besteht (wie im Lehrbuchbeispiel des Miteigentums), sondern gleich mehrere Sachen einer Personengruppe rechtlich zustehen. Gibt es also etwa, wenn mehreren Personen das Eigentum an mehreren Grundstücken oder einer Sachgesamtheit (z. B. einem Warenlager) zusteht, nur eine einheitliche Bruchteilsgemeinschaft dieser Personen oder ebenso viele Bruchteilsgemeinschaften wie Grundstücke bzw. Waren im Lager? Die überwiegende Ansicht 61 lässt eine (einheitliche) Bruchteilsgemeinschaft nicht nur an einem einzelnen Gegenstand, sondern auch an einer Mehrzahl von Gegenständen entstehen. So hat der BGH bei einer Vielzahl von Grundstücken eines Rittergutes unter den Eigentümern dieser Grundstücke keine Vielzahl von Bruchteilsgemeinschaften entsprechend der Anzahl der Grundstücke, sondern aufgrund des einheitlichen Entstehungsgrundes nur eine einheitliche Gemeinschaft für die Sachgesamtheit angenommen und folgerichtig die Verwaltungsregelungen der §§ 744 f. BGB auf diese bezogen. 62 Eine konsequente Fortführung dieser Rechtsprechung von Sach- auf Rechtsgesamtheiten wird seither verschiedentlich befürwortet, 63 wes61 BGHZ 140, 63, 67; Gehrlein, in: Bamberger/Roth, BGB, § 741 Rn. 8; Flume, Personengesellschaft, S. 112 f.; Langhein, in: Staudinger, BGB (2008), § 741 Rn. 157 f.; Schulze-Osterloh, WuB IV A. § 743 BGB 1.99, 343, 344; von Ditfurth, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, § 741 Rn. 5; Weber/Tamm, EWiR § 745 BGB 1/99, 153, 154. 62 BGHZ 140, 63, 67 (sog. Rittergutentscheidung) mit zustimmender Anmerkung von Schulze-Osterloh, WuB IV A. § 743 BGB 1.99, 343, 344 und Weber/Tamm, EWiR § 745 BGB 1/99, 153, 154. 63 Gehrlein, in: Bamberger/Roth, BGB, § 741 Rn. 8; Langhein, in: Staudinger, BGB (2008), § 741 Rn. 160 – Eine Bruchteilsgemeinschaft an einem Unternehmen scheitert nach Langhein nicht daran, dass eine Rechtsgesamtheit ihr Gegenstand ist, sondern allein am numerus clausus der unternehmenstragenden Gesellschaftsformen. Hierauf basiert auch die ablehnende Haltung Karsten Schmidts, in: MünchKomm, BGB, § 741 Rn. 24, zur Bruchteilsgemeinschaft an Unternehmen. Flume, Personengesellschaft, S. 112 f., hielt eine Bruchteilsgemeinschaft an Sondervermögen schon 1977 für selbstverständlich.

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halb in konsequenter Fortführung dieses Gedankens auch eine Bruchteilsgemeinschaft an der Insolvenzmasse möglich erscheint. Die Gegenansicht 64 verweist hingegen auf den Geltungsanspruch des sachenrechtlichen Spezialitätsgrundsatzes und will daher eine Bruchteilsgemeinschaft nur an einem einzelnen Gegenstand anerkennen, nicht jedoch an Sach- oder Rechtsgesamtheiten. Dort entstünden so viele Gemeinschaften wie Gegenstände vorhanden seien. Eine vermittelnde Ansicht 65 geht aufgrund des Spezialitätsgrundsatzes zunächst von einer Vielzahl von (dinglichen) Bruchteilsgemeinschaften entsprechend der Vielzahl von Gegenständen aus, die dann aber von einer einheitlichen Bruchteilsgemeinschaft zum Zwecke der einheitlichen Verwaltung überwölbt werden. Bei Sach- und Rechtsgesamtheiten gebe es danach zwei Grundarten von Bruchteilsgemeinschaften. Wortlaut und Inhalt der gesetzlichen Regelungen zur Bruchteilsgemeinschaft in den §§ 741 ff. BGB geben ein widersprüchliches Bild ab. Einerseits spricht § 741 BGB davon, dass »ein Recht« mehreren gemeinschaftlich zustehen müsse; andererseits können nach § 752 Satz 1 BGB auch »mehrere Gegenstände gemeinschaftlich« sein. Alle Ansichten können sich daher auf jeweils eine gesetzliche Regelung berufen. Dieser scheinbare Widerspruch im Gesetzeswortlaut lässt sich wohl nur auflösen, wenn man zwischen dem gemeinschaftlichen Recht des § 741 BGB und dem Gegenstand dieses Rechtes, wie ihn § 752 BGB erwähnt, unterscheidet. Gemeinschaftlich zustehen kann der Personenmehrheit immer nur ein Recht, also nie eine Sache, und immer nur ein einzelnes Recht, also nie mehrere. 66 Sind mehrere Personen Eigentümer einer Sache, so steht ihnen demnach nicht diese Sache als solche, sondern das Eigentum (als Recht) an dieser gemeinschaftlich zu. Noch deutlicher wird dieser Grundsatz, wenn nicht das Eigentumsrecht, sondern ein anderes Recht mehreren zusteht. Haben etwa mehrere Personen ein Pfandrecht oder einen Nießbrauch an einer Sache, so ist 64 Saenger, Gemeinschaft und Rechtsteilung, S. 8; Schnorr, Gemeinschaft nach Bruchteilen, S. 60; wohl auch Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1341; Hilbrandt, AcP 202 (2002), 631, 632; Kümpel, WM 1980, 422, 424 (jeweils ohne Begründung). Fabricius, Relativität der Rechtsfähigkeit, S. 143–145 und Schulze-Osterloh, Prinzipien der gesamthänderischen Bindung, S. 131 f., 209 f. nähern sich dieser Ansicht aufgrund ihrer Gesamthandslehren, indem sie Rechtsgemeinschaften an mehreren Rechten oder Gegenständen nicht als Bruchteilsgemeinschaft, sondern als Gesamthandsgemeinschaft qualifizieren. Jedenfalls Schulze-Osterloh (S. 215 f.) greift dann aber für seine Gesamthand subsidiär auf die §§ 742 ff. BGB zurück, wobei er deren Anwendung auf die Sachgesamtheit, nicht auf die einzelnen Sachen bezieht, ohne den Spezialitätsgrundsatz zu problematisieren. 65 Schmidt, in: MünchKomm, BGB, § 741 Rn. 6, 33: Die Bruchteilsgemeinschaft entsteht einheitlich an der Sachgesamtheit hinsichtlich ihrer schuldrechtlichen Wirkungen, hinsichtlich der dinglichen Rechtszuständigkeit hingegen an jedem Gegenstand einzeln; ebenso Brach, Bruchteilsgemeinschaft, S. 50 ff. (dingliche Bruchteilsgemeinschaften und eine schuldrechtliche Abrechnungsgemeinschaft). Der BGH hatte diese Konstruktion ausdrücklich abgelehnt – BGHZ 140, 63, 67. 66 Unstreitig – siehe etwa Langhein, in: Staudinger, BGB (2008), § 741 Rn. 4; Schmidt, in: MünchKomm, BGB, § 741 Rn. 10.

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es ebenfalls dieses jeweilige Recht und nicht die Sache selbst, was ihnen gemeinschaftlich zusteht und auf was sich die Regelungen der §§ 741 ff. BGB beziehen. Das gemeinschaftliche Recht ist also stets ein (einzelnes) Recht. Der Gegenstand hingegen, auf welches sich dieses Recht bezieht, kann nicht nur ein Recht, sondern auch eine Sache sein. Als Gegenstand eines gemeinschaftlichen Eigentums- oder Pfandrechts etwa kommt natürlich auch (und als Regelfall) eine Sache in Betracht. Und nicht nur das: wie § 752 Satz 1 BGB klarstellt, kann sich ein (einzelnes) gemeinschaftliches Recht einer Personengruppe nicht nur auf einen, sondern auch auf mehrere Gegenstände beziehen, ohne dass sofort mehrere Bruchteilsgemeinschaften vorliegen. Es scheint daher auch – wie vom BGH entschieden67 – eine Bruchteilsgemeinschaft an einer Mehrzahl von Grundstücken geben zu können, solange alle Grundstücke nur denselben Personen, also einer einzigen Personengruppe, als Inhabern desselben Rechts zustehen. (a) Bruchteilsgemeinschaft und Spezialitätsgrundsatz. So überzeugend diese Lösung erscheinen mag, sie scheint doch in Konflikt mit dem sachenrechtlichen Spezialitätsgrundsatz zu geraten. Nach diesem können dingliche Rechte stets nur an einem einzelnen, bestimmten Gegenstand bestehen, nicht jedoch gemeinschaftlich an Sachgesamtheiten. Hieraus folgt, dass schuldrechtliche Geschäfte sich zwar ohne weiteres auf eine Gruppe oder auch eine ganze Gattung von Sachen beziehen können; die sachenrechtlichen Verfügungen treten jedoch stets individuell an jeder einzelnen Sache der Gruppe nach den individuellen Geschehnissen ein. Es kann also beispielsweise zwar ein Unternehmen (eine Rechtsgesamtheit) als solches durch einen Kaufvertrag veräußert werden; die dingliche Übertragung des Unternehmens muss hingegen durch die gesonderte Übertragung jedes einzelnen Unternehmensgegenstandes in seiner jeweils notwendigen Form, also durch eine Vielzahl von Rechtsgeschäften, erfolgen: bewegliche Sachen nach §§ 929 ff. BGB; Grundstücke nach §§ 873, 925 BGB; Forderungen und Rechte nach §§ 398, 413 BGB. Die dingliche Rechtslage ist also – anders als die schuldrechtliche – für jeden Gegenstand gesondert zu betrachten und gesondert zu verändern. 68 Dies gilt nicht nur für Rechts-, sondern auch für Sachgesamtheiten. 69 Ist also beispielsweise eine Person Eigentümer eines Warenlagers, so muss sie dessen Inhalt aufgrund des Spezialitätsgrundsatzes Gegenstand für Gegenstand übereignen. Zur Vereinfachung der Abwicklung einer solchen Massenübereignung sind zwar für Sachgesamtheiten inzwischen Sammelbezeichnungen als zulässig anerkannt worden, solange sie die betrof-

67

BGHZ 140, 63, 67. Unstreitig – näher zum Spezialitätsgrundsatz etwa Weber, Sachenrecht I, § 4 Rn. 8. 69 RGZ 70, 226, 228; Fritsche, in: Bamberger/Roth, BGB, § 90 Rn. 21; Holch, in: MünchKomm, BGB, § 90 Rn. 42 ff.; Jickeli/Stieper, in: Staudinger, BGB, Vorbem zu §§ 90–103 Rn. 23. 68

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fenen Gegenstände hinreichend bestimmt beschreiben. 70 Dies ändert jedoch an der streng individuellen Wirkung der durch die Sammelbezeichnung lediglich gebündelten Verfügungsgeschäfte nichts und kann daher auch kaum als Ausnahme vom Spezialitätsgrundsatz verstanden werden. Der Eigentümer kann also etwa den gesamten Inhalt des Warenlagers veräußern und auch unter dieser (Sammel-)Bezeichnung übereignen; die Wirksamkeit der Übereignung jedes einzelnen Gegenstandes ist dennoch stets gesondert zu beurteilen, weshalb etwa Gegenstände im Eigentum Dritter nicht ohne weiteres mit allen anderen Gegenständen des Lagers auf den Erwerber übergehen, sondern individuell den besonderen Anforderungen der §§ 932 ff. BGB unterliegen. Der Spezialitätsgrundsatz wird also auch durch die Zulassung von Sammelbezeichnungen nicht aufgeweicht, sondern verlangt seine uneingeschränkte Beachtung. Dieser Geltungsanspruch ist nun jedenfalls für die besondere Situation des Insolvenzverfahrens bestritten worden. Henckel71 sieht in dieser Verfahrenslage kein schutzwürdiges Interesse mehr an einer Einhaltung der sachenrechtlichen Prinzipien von Spezialität und Publizität. Beide Prinzipien dienten allein der Rechtsklarheit zugunsten derjenigen, die Kredit gewähren wollen und deshalb auf eine klare und übersichtliche Haftungslage Wert legten, sowie derjenigen, die Rechte vom Schuldner erwerben und daher wissen müssten, ob der erworbene Gegenstand belastet ist. Beide Interessen entfielen in der Insolvenzsituation, da niemand mehr freiwillig Kredit gewährt und niemand mehr aus der Masse belastete Gegenstände erwerben kann. Die Prinzipien seien daher auf die Publizität der Verfahrenseröffnung als solche sowie die hinreichende Fixierung des massebildenden Vermögens zu beschränken, weshalb ein Pfandrecht auch einheitlich an der gesamten Insolvenzmasse entstehen könne. Dieser Weg zur Begründung eines einheitlichen Verwertungsrechtes der Gläubiger kann jedoch nicht überzeugen. Eine teleologische Reduktion der sachenrechtlichen Grundprinzipien ist auch im Insolvenzverfahren nicht zu rechtfertigen. Das Interesse an einer klaren und übersichtlichen Haftungslage erlischt durch die Insolvenzsituation keinesfalls. So ist es im Hinblick auf Aussonderungs- und Absonderungsrechte gerade auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch von Bedeutung, welche Rechte an den einzelnen Massegegenständen fortbestehen bzw. auf welche Massegegenstände sich Verwertungshandlungen des Insolvenzverwalters bezogen haben. Die klare Bestimmung und Zuordnung einzelner Gegenstände zu Handlungen des Verwalters bleibt daher notwendig. Und auch das Kreditgeschäft verliert in der Insolvenzsituation nicht jegliches Interesse. Eine Sanierung des Schuldners wie auch seine geordnete Liquidation kann es erfordern, Massekredite aufzunehmen. Hierfür ist dann wie außerhalb der 70 BGH NJW 1992, 1161; Holch, in: MünchKomm, BGB, § 90 Rn. 44; Marly, in: Soergel, BGB, Vor § 90 Rn. 8. 71 Henckel, in: Jaeger, InsO, § 35 Rn. 4.

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Insolvenz von Interesse, ob ein Massegegenstand frei von Belastungen ist und damit als Verwertungsobjekt taugt. Die sachenrechtlichen Grundsätze sind daher auch in der Insolvenzsituation uneingeschränkt anzuwenden. Was bedeuten diese Grundsätze aber nun für die Bruchteilsgemeinschaft? Ist nicht nur eine Person Inhaber eines dinglichen Rechtes wie etwa des Eigentums an den Gegenständen eines Warenlagers, sondern mehrere Personen, so teilen sie sich das Recht gemeinschaftlich im Sinne der §§ 741 ff. BGB. Es gibt nicht mehr nur einen (Allein-)Eigentümer, sondern eine Eigentümergemeinschaft. Das dingliche (Eigentums-)Recht verliert dadurch nicht seine Qualität, sondern bleibt ein dingliches, aber gemeinschaftliches Recht mehrerer. So verstanden ist die Aussage zutreffend, dass das Teilrecht der Bruchteilsgemeinschaft wesensgleiches Minus zum Vollrecht sei. 72 Auch das Teilrecht des einzelnen Mitglieds der Gemeinschaft ist etwa als Miteigentumsanteil ein dingliches Recht, wenn das geteilte Vollrecht (etwa das Eigentum) ein dingliches ist. 73 Für jeden Gegenstand ist dann aber hinsichtlich der dinglichen Rechte an ihm nach dem Spezialitätsgrundsatz gesondert zu prüfen, wer sie inne hat, wer also etwa sein Eigentümer ist. Sind dies mehrere Personen, so ergibt sich für jeden Gegenstand gesondert die Frage, welche Eigentümergemeinschaft das Eigentumsrecht innehat. Die Gemeinschaft bündelt also die einzelnen Teilhaber eines Rechtes.74 Damit scheint auf der Hand zu liegen, dass eine Bruchteilsgemeinschaft als Bündelung der (oft dinglichen) Teilrechte nur an einem einzelnen Gegenstand vorliegen kann. Diese Sichtweise der oben als zweites dargestellten Ansicht greift jedoch zu kurz. Sie verkennt den Geltungsanspruch des Spezialitätsgrundsatzes. Dieser fordert lediglich, dass die Inhaber dinglicher Rechte eindeutig bestimmt sind. Er verlangt nach Klarheit über die dingliche Zuordnung von Sachen. Steht ein dingliches Recht mehreren zu, so muss diese Personengruppe klar bestimmt sein. Keine Bedeutung hat der Spezialitätsgrundsatz hingegen für alle Fragen der internen Organisation dieser Personengruppe. Dieser Regelungsbereich ist dem Spezialitätsgrundsatz nicht unterworfen. Vielmehr ist es im Regelfall das Gesellschaftsrecht, welche diese Fragen der Binnenorganisation von Personengruppen regelt. In den Fällen, in denen eine Personengruppe hingegen nicht als Gesellschaft organisiert ist, kommt (subsidiär) das Recht der Bruchteilsgemeinschaft zur Anwendung.

72 Vgl. etwa Gehrlein, in: Bamberger/Roth, BGB, § 741 Rn. 1; Langhein, in: Staudinger, BGB (2008), § 741 Rn. 255; Schmidt, in: MünchKomm, BGB, § 741 Rn. 2; von Ditfurth, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, § 741 Rn. 1. 73 Hennecke, Das Sondervermögen der Gesamthand, S. 56 f. 74 Hennecke, Das Sondervermögen der Gesamthand, S. 57. Zu der sich aus dieser Feststellung ergebenden Frage, ob diese Bündelung der Beteiligten die Merkmale einer Gesamthand erfüllt (so etwa Fabricius, Relativität der Rechtsfähigkeit, S. 144), gleich näher unter 4. b).

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Die Fragen der (dinglichen) Zuordnung von Rechten sind also klar von Fragen der Binnenorganisation von Personengruppen, das Sachenrecht klar vom Recht der Gesellschaften und der Gemeinschaft zu trennen. Der Spezialitätsgrundsatz verlangt seine Beachtung allein im ersten Fragenkreis, nicht jedoch im zweiten und hat daher insbesondere keine Bedeutung für die Verwaltung dinglicher Rechte durch die Personengruppe ihrer Inhaber. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Zweck einer Bruchteilsgemeinschaft, 75 liegt dieser Zweck doch gerade nicht in der bloßen Beschränkung der Befugnisse des einzelnen dinglichen Teilrechtsinhabers bei mehreren Inhabern eines dinglichen Vollrechts. Dass der einzelne Teilhaber mit dem (ideell) geteilten Recht nicht nach eigenem Belieben umgehen kann, ist eine Beschränkung, die sich nicht (erst) aus den §§ 741 ff. BGB, sondern (bereits) schlicht aus der bloßen Tatsache einer Mehrzahl von Berechtigten an ein und demselben Recht ergibt.76 Die Beschränkung eines eigentlich umfassenden dinglichen Rechts durch andere Mitinhaber ist ein Faktum, keine Folge einer rechtlichen Regelung wie der in den §§ 741 ff. BGB. Es ist gerade das Faktum der Mehrzahl an Berechtigten, das automatisch nach einer Koordination ihrer Befugnisse hinsichtlich des gemeinsamen Rechts verlangt. Da nun kein Teilhaber allein über das gemeinsame Recht entscheiden und zugleich kein Teilhaber bei Entscheidungen übergangen werden darf, ist eine Verwaltung des Rechtes zwischen den Beteiligten genauso zu regeln wie eine Nutzung des Rechtes oder eine Beendigung der Gemeinschaft. Nichts anderes als diese Regelungen bieten die §§ 741 ff. BGB. Ihr Regelungsinhalt beschränkt sich auf die (schuldrechtlich wirkende) Binnenkoordination in der Gemeinschaft.77 Es bleibt allen Beteiligten unbenommen, andere Vereinbarungen zu treffen, die dann ebenfalls nur schuldrechtlich wirken, oder aber anstelle der Gemeinschaft eine Gesellschaft zu gründen. Entscheidend bleibt die Erkenntnis, dass das Wirkungsfeld des Gemeinschaftsrechts eben nicht die Zuordnung (auch dinglicher) Rechte zu einer bestimmten Person oder Personengruppe ist; dies obliegt dem Sachenrecht und dort gilt der Spezialitätsgrundsatz. Das Gemeinschaftsrecht ist wie das Gesellschaftsrecht davon abstrahiert und regelt allein die Binnenstruktur von Personenmehrheiten.78 Diese Abstraktion wird sich auch noch an einem weiteren Beispiel deutlich. Während eine Einzelperson intern und für sich entscheidet, was sie mit ihrem Vermögen machen will, muss diese Entscheidung bei Personenmehrheiten in koordinierter und organisierter Form erfolgen. Und genau wie die Willensbil75

So aber Schnorr, Gemeinschaft nach Bruchteilen, S. 38 ff., 92. Hennecke, Das Sondervermögen der Gesamthand, S. 60. 77 Langhein, in: Staudinger, BGB (2008), § 741 Rn. 157: »Die §§ 742 ff. BGB regeln im Wesentlichen die schuldrechtlichen Rechte und Pflichten der Parteien«; ebenso bereits Paschke, AcP 187 (1987), 60, 74; Schubert, JR 1975, 363, 364. 78 Langhein, in: Staudinger, BGB (2008), Vorbem zu §§ 741 ff. Rn. 23: »Wie das Verbandsrecht befassen sich die §§ 741 ff. auch mit der Aufrechterhaltung der inneren Ordnung der Rechtsgemeinschaft«. 76

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dung bei Einzelpersonen keinen sachenrechtlichen Prinzipien unterliegt, betrifft der Spezialitätsgrundsatz auch nicht die Willensbildung in einer Bruchteilsgemeinschaft. Diese kann daher natürlich auch Verwaltungsentscheidungen für eine Vielzahl von Gegenständen treffen.79 (b) Bruchteilsgemeinschaft als Gemeinschaft identischer Beteiligter. Es ist also nicht der Spezialitätsgrundsatz, der den Anwendungsbereich der Bruchteilsgemeinschaft bei gemeinschaftlichen dinglichen Rechten beschränkt. Eine Bruchteilsgemeinschaft kann – wie in § 952 BGB vorausgesetzt – auch mehrere Gegenstände umfassen und verwalten. Als Regelungskonzept für die Binnenorganisation einer Personengruppe setzt sie jedoch eines strikt voraus: die Identität der beteiligten Personen. Wie eine Gesellschaft hat auch eine Bruchteilsgemeinschaft einen fest bestimmten Personenkreis. Daher kann auch eine einzige Bruchteilsgemeinschaft bei mehreren Gegenständen nur dann bestehen, wenn denselben Personen an ihnen ein Recht zu ideellen Bruchteilen zusteht. Da eine Bruchteilsgemeinschaft nicht auf einem freiwilligen Zusammenschluss mehrerer Personen beruht, sondern regelmäßig aufgrund eines gesetzlichen Tatbestandes entsteht und sich daher als Zwangsgemeinschaft darstellt, wird es häufig nur ein Recht an einem Gegenstand sein, dass sich mehrere Personen teilen müssen. Als Beispiel sei hier das Miteigentum an einer Sache wie etwa einem Kornhaufen genannt, der durch die untrennbare Vermengung des Korns mehrerer Bauern (§ 948 BGB) entstanden ist. Das Entstehen einer Zwangsgemeinschaft an einer Vielzahl von Gegenständen ist dagegen eher selten, weshalb eine solche auch nicht im Zentrum der gesetzlichen Regelung steht, sondern nur peripher in § 952 BGB auftaucht. Umfasst im Einzelfall aber das gemeinschaftliche Recht einer Personengruppe nicht nur einen Gegenstand sondern mehrere, so umfasst auch die Bruchteilsgemeinschaft dieser Personen nicht nur einen Gegenstand sondern alle. Es entsteht – wie es auch der BGH in seiner RittergutEntscheidung formuliert hat – eine einheitliche Bruchteilsgemeinschaft. 80 Der Spezialitätsgrundsatz verhindert dies nicht; insofern hat der BGH Recht. Allerdings ist der maßgebliche Grund für die Annahme und Begrenzung einer einheitlichen Gemeinschaft nicht deren einheitlicher Entstehungsgrund. 81 Dieser wird zwar häufig faktisch vorliegen, wenn ein und derselben Personengruppe ein Recht gleich an mehreren Gegenständen zusteht; notwendig ist er hingegen nicht. Hinter dem einheitlichen Entstehungsgrund verbirgt sich jedoch das wirklich entscheidende Merkmal zur Definition und Begrenzung der einheitlichen Bruchteilsgemeinschaft: die Identität der beteiligten Personen.

79 80 81

Zutreffend daher BGHZ 140, 63, 67. BGHZ 140, 63, 67. So aber der BGH in BGHZ 140, 63, 67.

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(c) Die Gläubigergemeinschaft als einheitliche Bruchteilsgemeinschaft. Überträgt man diese Erkenntnisse auf die Gläubigergemeinschaft des Insolvenzverfahrens, so ist die Personenidentität hier gegeben. Der Kreis der berechtigten Gläubiger ist stets derselbe. Zudem steht der Annahme einer einheitlichen Bruchteilsgemeinschaft aller Gläubiger an der Insolvenzmasse auch nicht entgegen, dass es sich bei der Insolvenzmasse um ein Sondervermögen, bestehend aus einer Vielzahl von Rechten und Sachen, und damit um eine Rechtsgesamtheit handelt. Der Spezialitätsgrundsatz hindert die Annahme einer einheitlichen Zuordnung der Rechtsgesamtheit nicht. Das einheitliche Recht, dass im Verfahren allen Gläubigern zu ideellen Bruchteilen an der Insolvenzmasse zusteht, ist dabei nicht das Eigentumsrecht an den Gegenständen der Insolvenzmasse bzw. das Forderungsrecht an den Rechten in der Insolvenzmasse. Diese Rechtsposition wird dem Schuldner durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht genommen und folglich auch nicht auf die Gläubiger übertragen (vgl. § 80 InsO). 82 Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens steht den Gläubigern allerdings nach § 1 Satz 1 InsO die Insolvenzmasse als Haftungsobjekt zur Verfügung. Der Insolvenzbeschlag bewirkt also zumindest eine haftungsrechtliche Zuweisung der Insolvenzmasse an die Gläubiger, woraus ganz überwiegend und zu Recht ein gemeinschaftliches, dingliches (Verwertungs-)Recht der Gläubiger an der Insolvenzmasse hergeleitet wird. 83 Damit ist auch die letzte Voraussetzung zur Annahme einer einheitlichen Bruchteilsgemeinschaft aller Gläubiger – das gemeinschaftliche Recht – gegeben. Diesem gemeinschaftlichen Recht liegt sogar ein einheitlicher Entstehungsgrund – wie ihn (zu Unrecht) der BGH fordert84 – zugrunde. Die Gläubigergemeinschaft ist eine einheitliche Bruchteilsgemeinschaft am Beschlagsrecht an der Insolvenzmasse im Sinne des § 741 BGB. 85 (3) Bruchteilsgemeinschaft und Rechtsfähigkeit Begreift man die Gesamtheit der nicht aussonderungsberechtigten Gläubiger im Insolvenzverfahren als Bruchteilsgemeinschaft, so bleibt als Schlusspunkt die Frage nach deren Rechtsfähigkeit, also nach der Fähigkeit, selbst Träger von Rechten und Pflichten zu sein. 86 Diese Frage stellt sich bei der Gläubigergemeinschaft gleich in zweierlei Richtungen. Zum einen wird eine Rechtsfähig82 Es ist jedenfalls unstreitig, dass die Gläubiger nicht Rechtsträger der Insolvenzmasse werden – vgl. dazu bereits oben Fn. 52. 83 Nachweise bereits oben Fn. 53 ff. 84 BGHZ 140, 63, 67. 85 Zu diesem Ergebnis kommt auch der BGH in BGHZ 116, 319, 323; ebenso: Berges, KTS 1957, 49, 52 ff.; ders., KTS 1960, 1, 9; ders., KTS 1970, 249, 255; Gaul, FS Huber, 2006, 1187, 1209; Linke, KTS 1966, 192, 214; Oelrichs, Gläubigermitwirkung, S. 17, 19. Schon der Gesetzgeber der Konkursordnung von 1877 ging von einer »rechtlichen Gemeinschaft« der Gläubiger aus – vgl. Hahn, Materialien, IV, S. 47. 86 Diese Definition des Begriffs »Rechtsfähigkeit« dürfte im Ergebnis inzwischen unstrei-

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keit der Insolvenzmasse, also des Gegenstandes des gemeinschaftlichen Rechts, erwogen; zum anderen kommt eine Rechtsfähigkeit der Bruchteilsgemeinschaft selbst in Betracht. Während sich die Rechtsfähigkeit des Menschen bereits aus dem Naturrecht und der Menschenwürde ergibt und insofern einer Kodifizierung in § 1 BGB nicht bedurft hätte 87, ist die Qualifikation einer Vermögensmasse oder einer Personengruppe als rechtsfähig eine offene Frage rechtlicher Wertungen. Die Einordnung als rechtsfähig oder zumindest teilrechtsfähig kann sich daher zum einen unmittelbar aus einer entsprechenden (ausdrücklichen) gesetzlichen Anordnung ergeben; sie kann aber auch Folge einer wertenden Betrachtung der vorhandenen gesetzlichen Ausgestaltung einer Vermögensmasse oder Personengruppe sein und damit durch Rechtsprechung und Wissenschaft erfolgen. 88 (a) Die Rechtsfähigkeit der Insolvenzmasse. Unter Geltung der Konkursordnung gab es einen beachtlichen Teil der Lehre, der in der Konkursmasse mehr als nur ein Sondervermögen des Schuldners sah, das durch den Konkursverwalter bloß verwaltet wird. Er gestand diesem Sondervermögen die Qualität eines Rechtssubjektes zu, das selbstständiger und vom Schuldner getrennter Träger des eigenen Vermögens ist und vom Verwalter als Organ vertreten wird (»Organtheorie«). 89 Die damit einhergehende Trennung der Konkursmasse von der Rechtsträgerschaft des Schuldners war bereits nach dem Recht der Konkursordnung problematisch, hatte doch der Gesetzgeber ausdrücklich nur die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis dem Konkursverwalter übertragen, nicht jedoch diese Vermögensmasse als solche. Die Theorie konnte zudem das Nachforderungsrecht der Gläubiger nach Beendigung des Verfahrens in § 164 KO nur schwer erklären. Richten sich die Gläubigerforderungen gegen die Konkursmasse als eigenständiges Rechtssubjekt, so fällt dieses Rechtssubjekt (und damit der Schuldner der Forderungen) mit der vollständigen Liquidation der Konkursmasse weg. Konsequenterweise müsste dies zu einer Restschuldbefreiung des Gemeinschuldners führen; eine Rechtsfolge, die weder der Gesetzgeber noch die Vertreter der Organtheorie als zutreffend erachteten. Schließlich erscheint es generell sonderbar, ein Rechtssubjekt zu schaffen, dessen ausschließlicher Zweck die Selbstliquidation ist.90

tig sein – vgl. etwa Larenz/Wolf, BGB AT, § 5 Rn. 2; Lehmann, AcP 207 (2007), 225, 226 f.; Schmitt, in: MünchKomm, BGB, § 1 Rn. 6 m. w. N. 87 Larenz/Wolf, BGB AT, § 5 Rn. 5. 88 Allgemeine Ansicht – vgl. BGH NJW 2005, 2061, 2064. Reuter, AcP 207 (2007), 673, 674, verlangt sogar stets eine solche wertende Betrachtung. 89 Bötticher, ZZP 77 (1964), 55, 62 ff.; Erdmann, KTS 1967, 87; Hanisch, Rechtszuständigkeit, S. 277 ff.; ähnlich bereits Hellwig, Anspruch und Klagerecht, S. 220 ff., 228. 90 Zur Kritik an der Organtheorie siehe etwa Henckel, in: Jaeger, KO, § 6 Rn. 167 m. w. N. Den grundlegenden Ansatz auch der Organtheorie, einem Vermögen Rechtsfähig-

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Durchsetzen konnte sich die Organtheorie mithin nicht; seit Geltung der Insolvenzordnung scheint sie nun aufgegeben91 und das zu Recht. So hielt der Gesetzgeber trotz Kenntnis der Organtheorie auch in der Insolvenzrechtsreform daran fest, nur die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter zu übertragen. Eine Anerkennung der Organtheorie und der Rechtsfähigkeit der Insolvenzmasse mittels entsprechender gesetzlicher Regelung erfolgte nicht. Im Gegenteil, auch das Nachforderungsrecht der Gläubiger ließ der Reformgesetzgeber bestehen (§ 201 InsO). Zugleich schaffte er ein eigenes Restschuldbefreiungsverfahren. Die Einführung der Eigenverwaltung des Schuldners in den §§ 270 ff. InsO vereinigte in Sonderfällen sogar die Rechtsträgerschaft des Schuldners wieder mit der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis. Schließlich hat auch die Insolvenzmasse eine andere gesetzliche Ausgestaltung erfahren als die Konkursmasse. Die neu geschaffene Einbeziehung des Neuerwerbs, also die Anordnung in § 35 letzter Halbsatz InsO, dass jeder Vermögenswert, den der Schuldner nach Verfahrenseröffnung erwirbt, in die Insolvenzmasse fällt, macht endgültig deutlich, dass es auch nach Eröffnung der Insolvenzverfahrens der Schuldner ist, dem die Insolvenzmasse rechtlich zugeordnet bleibt. Seine Handlungen können die Masse zwar nicht mindern; hierzu fehlt ihm die Verfügungsbefugnis. Sie können die Masse aber weiterhin mehren, indem er sein (pfändbares) Vermögen mehrt. Eine Trennung dieser Zuordnung durch die Anerkennung der Insolvenzmasse als eigenständiges Rechtssubjekt würde der vorhandenen gesetzlichen Konstruktion schlicht widersprechen und kann daher kaum überzeugen. Die Organtheorie ist insoweit zu Recht überholt. Die Insolvenzmasse ist kein Rechtssubjekt. (b) Die Rechtsfähigkeit der Bruchteilsgemeinschaft der Gläubiger. Fehlt der Insolvenzmasse demnach die rechtliche Selbstständigkeit, so bleibt als letztes zu erörtern, ob nicht vielleicht die Bruchteilsgemeinschaft der Gläubiger als eigenständiges Rechtssubjekt anzuerkennen ist. Dass die (Teil-)Rechtsfähigkeit92 einer Bruchteilsgemeinschaft nicht von vornherein auszuschließen ist, zeigt die in jüngerer Zeit erfolgte Anerkennung der Wohnungseigentümergekeit zu verleihen, kritisiert Lehmann, AcP 207 (2007), 225, 250, setze doch jedes Vermögen seinerseits einen Träger voraus. 91 Die von Karsten Schmidt entwickelte »neue Organtheorie« (vgl. etwa Schmidt, NJW 1987, 1905 oder zuletzt in NJW 1995, 911) ist keine Fortführung der Organtheorie, da sie den Schuldner als Rechtsträger der Masse anerkennt und den Verwalter bei insolventen Gesellschaften lediglich als Fremdliquidator und damit Vertretungsorgan bzw. bei natürlichen Schuldnern als dessen gesetzlicher Vertreter einordnet. Eine eigenständige Rechtsfähigkeit der Masse wird nicht mehr vertreten. Die Theorie sollte daher besser als »neue Vertretertheorie« bezeichnet werden. 92 Der Begriff der Teilrechtsfähigkeit wird von Lehmann, AcP 207 (2007), 225, 235 ff., zu Recht als irreführend abgelehnt, sind doch auch solche Personengruppen rechtsfähig, dann aber durch gesetzliche Bestimmungen in ihrer Handlungsfähigkeit (nicht aber ihrer Rechtsfähigkeit) beschränkt.

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meinschaft (einer Bruchteilsgemeinschaft) als (teil-)rechtsfähiges Rechtssubjekt.93 Die Mitglieder einer Bruchteilsgemeinschaft nach § 741 BGB bilden zwar keinen gesellschaftsrechtlichen Verband; die Gemeinschaft besitzt aber eine innere Organisation, welche ein Auftreten als eigene Person im Rechtsverkehr denkbar erscheinen lässt und daher die Annahme der Rechtsfähigkeit der Gruppe überhaupt erwägenswert macht.94 Die rechtliche Ausgestaltung der Bruchteilsgemeinschaft der Insolvenzgläubiger ist nun jedoch von der der Wohnungseigentümer grundsätzlich verschieden. Ein Auftreten als Gemeinschaft nach außen ist nicht bezweckt. Zwar gibt es mit der Gläubigerversammlung, einem fakultativen Gläubigerausschuss sowie dem Insolvenzverwalter auf den ersten Blick denkbare Organe eines Rechtssubjekts Gläubigergemeinschaft. Die Gemeinschaft wird jedoch – anders als bei der Wohnungseigentümergemeinschaft – aufgrund ihrer rechtlichen Ausgestaltung in der Insolvenzordnung allein innerhalb des Insolvenzverfahrens und gegenüber anderen Verfahrensteilnehmern tätig. Sie wählt durch die Gläubigerversammlung den Insolvenzverwalter (§ 57 InsO), beschließt über die Einsetzung eines Gläubigerausschusses und dessen Mitglieder (§ 68 InsO), entscheidet über die Liquidation oder Sanierung des Schuldners (§ 157 InsO), bedeutsame Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters, insbesondere über eine Unternehmensveräußerung (§§ 160 ff. InsO) sowie über die Entlastung des Insolvenzverwalters im Schlusstermin (§ 197 InsO). Nach außen tritt die Gläubigerschaft als solche dabei nicht auf. Insbesondere die Unternehmensveräußerung nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 InsO erfolgt durch den Insolvenzverwalter. Der Wirkungskreis der Gläubigergemeinschaft ist ganz auf das Insolvenzverfahren beschränkt; sie dient allein der Binnenorganisation. Tritt die Gläubigergemeinschaft aber nicht als eigene Gruppe im Rechtsverkehr auf, so fehlt jede Grundlage für die Annahme einer Rechtsfähigkeit dieser Gruppe. Hinzu kommt, dass die Gläubigergemeinschaft – wiederum anders als die Wohnungseigentümergemeinschaft – auch keine werbende, also auf unbestimmte Dauer angelegte Gemeinschaft ist. Sie dient allein der Durchsetzung des gemeinschaftlichen Befriedigungsrechts und ist daher schon vom Zweck her – ähnlich einer Erbengemeinschaft – auf Auseinandersetzung gerichtet.95 Im Ergebnis bleibt daher allein die Annahme, dass die Bruchteilsgemeinschaft der Insolvenzgläubiger selbst nicht rechtsfähig ist. Sie bleibt eine Gemeinschaft der beteiligten Gläubiger.96 93 Siehe die Neufassung des § 10 Abs. 6 im Jahre 2007 im Anschluss an BGHZ 163, 154, 159 = BGH NJW 2005, 2061 ff. 94 Vgl. etwa die für die Zuerkennung der Rechtsfähigkeit erarbeiteten Voraussetzungen bei Reuter, AcP 207 (2007), 673, 680 ff.: Fähigkeit zur Verfolgung von Eigeninteressen aufgrund hinreichender Organisation und selbstständiges Auftreten im Rechtsverkehr. 95 Der BGH NJW 2006, 3715, verneinte aus diesem Grund auch die Annahme einer Rechtsfähigkeit der Erbengemeinschaft; kritisch insoweit Reuter, AcP 207 (2007), 673, 677. 96 Ebenso für die Konkursgläubiger: Linke, KTS 1967, 192, 217; Voß, AcP 97 (1905), 396,

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3. Die Gläubiger als Interessengemeinschaft Während man also in der Gesamtheit aller Insolvenzgläubiger im Insolvenzverfahren eine Rechtsgemeinschaft erkennen kann, ließ sich für die Gläubiger, die in den einzelnen Gruppen eines Insolvenzplans nach § 222 InsO zusammengefasst werden, bisher keine rechtlich anerkannte Struktur finden. Sie bilden weder eine Gesellschaft noch eine Rechtsgemeinschaft. In Betracht kommt dann die Interessengemeinschaft als Organisationsstruktur, die im Schrifttum allerdings eher für die Gesamtheit aller Gläubiger favorisiert wird. a) Die Gläubigergemeinschaft Die Gemeinschaft der Gläubiger eines insolventen Schuldners ist nach den bisherigen Erkenntnissen mehr als nur eine »lockere Organisation«97 ohne rechtliche Struktur; sie ist auch mehr als eine »bloß prozessuale Verfahrensgemeinschaft«98 und mehr als eine schlichte Interessengemeinschaft.99 Die Gläubiger sind gerade nicht allein durch das Insolvenzverfahren prozessrechtlich verbunden, sondern teilen sich ideell auch ein materielles Verwertungsrecht. Die Gläubigergemeinschaft muss daher nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als echte Bruchteilsgemeinschaft angesehen werden. Sie ist infolge dessen zugleich aus dem Kreis der schlichten Interessengemeinschaften herauszunehmen. Die Gläubiger verbindet mehr als das gleichgerichtete Interesse an einer Befriedigung aus dem unzureichenden Schuldnervermögen; sie teilen sich ein gemeinschaftliches Verwertungsrecht. Auch der Begriff der »gesellschaftsähnlichen 423; anders noch von Canstein, Grünhut 9 (1882), 461, 465 ff., 471 (»Personengesamtheit mit Sondervermögen« und daher Rechtssubjekt). Ganz überwiegend wird die Rechtsfähigkeit von Bruchteilsgemeinschaften ohnehin allgemein verneint: Brach, Bruchteilsgemeinschaft, S. 69; Hennecke, Das Sondervermögen der Gesamthand, S. 71; Langhein, in: Staudinger, BGB (2008), § 741 Rn. 245; Schmidt, in: MünchKomm, BGB, § 741 Rn. 3; von Ditfurth, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, § 741 Rn. 4; bejahend hingegen: Fabricius, Relativität der Rechtsfähigkeit, S. 139, 143. 97 So Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 28.68; ähnlich Neumann, Gläubigerautonomie, S. 55, der die Gläubigerschaft weder als »Kollektiv« noch als »Interessengemeinschaft« versteht, da ein gemeinsames Interesse fehle; eine genaue Einordnung des »Zwangszusammenschlusses« der Gläubiger unterbleibt dann leider; ebenso ungenau Hänel, Gläubigerautonomie, S. 63 (»Zwangskollektiv«). 98 Grundlegend Voß, AcP 97 (1905), 396, 408 und 417; ebenso: Lent, in: Jaeger, KO, 6. Auflage, Vorbem zu §§ 61–70, S. 829; Schmidt, in: Böhle-Stammschräder/Kilger/Schmidt, Insolvenzgesetze, § 3 KO Anm. 10. 99 So die ganz herrschende Ansicht für die KO: Hueck, Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung, S. 138; Jauernig, ZIP 1980, 318, 323; Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 3 Rn. 2; Walendy, Funktion und Legitimation des Zwangsvergleichs, S. 224, 241; Würdinger, Interessengemeinschaft, S. 65 f.; Wüst, Interessengemeinschaft, S. 45; ders., FS Wilburg, 1965, 257, 270; auch das BVerwG NJW 1962, 979, 980 (das in den Gläubigern zur Recht keine »Bruchteilseigentümer« an der Masse sieht, die Bruchteilsgemeinschaft am Verwertungsrecht dabei leider aber übersieht und stattdessen eine Interessengemeinschaft annimmt). Baum, KTS 1989, 553, 578, kommt der Interessengemeinschaft nahe, wenn er in der Insolvenz eine Verlustgemeinschaft der Gläubiger analog der großen Havarei des § 700 HGB annimmt.

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Verbindung«100 geht daher am Charakter der Bindung unter den Gläubigern vorbei, entsteht unter ihnen doch weder ein Gesellschaftsvermögen noch ein freiwillig sich findender Verband der Gläubiger, sondern eine (Zwangs-)Gemeinschaft im Sinne des § 741 BGB. Festzuhalten bleibt dennoch, dass die ganz herrschende Ansicht inklusive derjenigen, die ein gemeinsames Verwertungsrecht der Gläubiger an der Insolvenzmasse und damit eine echte Bruchteilsgemeinschaft unter ihnen verneinen, in den Gläubigern im Insolvenzverfahren zumindest eine organisierte (Verfahrens- oder Interessen-)Gemeinschaft oder gesellschaftsähnliche Organisation sehen und hieraus die Rechte der Gläubigergesamtheit im Insolvenzverfahren erklären. Die Feststellung, dass die Gläubiger in ihrer Gesamtheit als organisationsrechtliche Einheit im Verfahren auftreten, steht damit auf einer sehr breiten und weitgehend anerkannten Grundlage. Lediglich die richtige Einordnung dieser Erkenntnis ist bislang nicht gelungen – die »organisationsrechtliche Einheit« der Gläubiger ist eine Rechtsgemeinschaft. b) Exkurs: Die Gläubiger vor der Verfahrenseröffnung Nur kurz erwähnt sei an dieser Stelle die hier ansetzende Diskussion über die Möglichkeit einer Interessengemeinschaft unter den Gläubigern eines überschuldeten Schuldners vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens. In seiner Entscheidung zu Mitwirkungspflichten von Gläubigern bei außergerichtlichen Sanierungsbemühungen ging der BGH davon aus, dass die Gläubiger eines Schuldners erst im Insolvenzverfahren eine »Rechtsgemeinschaft« bilden.101 Dies ist zutreffend, entstehen doch erst durch die Verfahrenseröffnung die Insolvenzmasse als echtes Sondervermögen des Schuldners sowie das darauf bezogene gemeinschaftliche Verwertungsrecht der Gläubiger (vgl. §§ 1 Satz 1, 80 InsO). Erst in diesem Moment liegen das allen Gläubigern gemeinschaftliche Recht und der Gegenstand dieses Rechts vor, so dass erst in diesem Moment eine Rechtsgemeinschaft im Sinne des § 741 BGB gebildet wird. In der vorangehenden Krise des Schuldners existiert demgegenüber allein das einheitliche Vermögen des Schuldners, welches nicht ausschließlich allen Gläubigern als Haftungsmasse zugewiesen ist, sondern durchaus Gegenstand weiterer Rechtsgeschäfte des Schuldners mit neuen Personen sein kann. Verwertungsrechte an Vermögensgegenständen des Schuldners haben zugleich nur die Gläubiger, die erfolgreich die Zwangsvollstreckung in das Schuldnervermögen betreiben oder anderweitig dinglich gesichert sind. Ein gemeinsames Verwertungsrecht aller

100 Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 217 Rn. 9, 19; ders., Unternehmenssanierung, S. 854; ähnlich Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 468 (»gesellschaftsähnliche Zwangs- und Schicksalsgemeinschaft«), wenn sie die Abstimmung der Gläubiger gesellschaftsrechtlichen Regelungen unterwerfen wollen. 101 BGHZ 116, 319, 323.

C. Die Abstimmung der Gläubiger

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Gläubiger existiert nicht. Die Annahme einer Rechtsgemeinschaft der Gläubiger kommt daher nicht in Betracht.102 Offen bleibt damit die Annahme einer schlichten Interessengemeinschaft unter den Gläubigern. In einer solchen Gemeinschaft sollen Personen mit gleichartigen Interessen zum Zwecke ihrer Gleichbehandlung im Zugriff auf ein knappes Gut zusammengefasst werden.103 Eine Interessengemeinschaft verlangt also noch weniger Organisation als eine Bruchteilsgemeinschaft. Sie wird allein durch die Interessenparallelität ihrer Mitglieder und die Notwendigkeit einer auf Gleichbehandlung ausgerichteten Binnenorganisation aufgrund einer Mangelsituation definiert. Eine solche Mangelsituation liegt zweifelsohne bereits in der Krise vor. Reicht das Schuldnervermögen nicht mehr aus, um alle vorhandenen Gläubiger zu befriedigen, so kann kein Gläubiger mehr eine volle Befriedigung seiner Forderung sicher erwarten. Viele werden aufgrund der Überschuldung wohl sogar leer ausgehen. Bemüht sich der Schuldner in dieser Krisensituation um eine außergerichtliche Sanierung, so treten ihm seine Gläubiger – wie gesehen – noch nicht als Rechtsgemeinschaft gegenüber. Wegen des begrenzten Umgangs des Schuldnervermögens und der daraus drohenden Gefahr des Ausfalls einiger Gläubiger sehen einzelne Autoren die Gläubiger in diesem Stadium als Teil einer Gefahren- oder Interessengemeinschaft, was sie zur Koordinierung einer bestmöglichen Haftungsverwirklichung, insbesondere aber zur Mitwirkung an einer mehrheitlich befürworteten Sanierung verpflichten soll.104 Überzeugen kann dies nicht.105 Für die Annahme einer solchen Gemeinschaft fehlt es an einem hinreichend engen Kontakt zwischen den Gläubigern vor Insolvenzeröffnung, der eine solche Sonderbeziehung zwischen ihnen begründen könnte, und der daraus entstehenden Interessenparallelität. Sie teilen sich kein Sondervermögen und kein Verwertungsrecht; ihr Haftungsobjekt (Schuldnervermögen) ist lediglich faktisch begrenzt. Dieses Faktum ist die einzige beson102

Ebenso schon Berges, KTS 1960, 1, 8. Würdinger, Interessengemeinschaft, S. 16, 69; Wüst, Interessengemeinschaft, S. 45 f.; auch Hueck, Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung, S. 142–144 (insbes. Fn. 47). 104 Behmer, Sanierungsvergleich, S. 31, 37 f., 103; Habscheid, GS Bruns (1980), 253, 262; Wüst, Interessengemeinschaft, S. 45; ders., FS Wilburg, 1965, 257, 270 f.; ders., FS Wiese, 1998, 649, 654 f. Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 597 ff., sieht zwar eine Interessengemeinschaft zwischen den Gläubigern, leitet ihre Kooperationspflichten dann aber nicht aus einer Analogie zu den §§ 742 ff. BGB, sondern aus einer gesellschaftsähnlichen Sonderbeziehung her (S. 607 f., 614 sowie zuletzt erneut in ZIP 2007, 1729, 1732; ZZP 121 (2008), 273, 290 und ZIP 2010, 649, 659); ebenso Künne, AVerglO, S. 52 f. Auch Hänel, Gläubigerautonomie, S. 64, sieht zwar bereits eine »Risikogemeinschaft« der Gläubiger in der Krise, leitet aus ihr dann aber keinerlei rechtliche Folgen her. 105 Ebenso die wohl herrschende Ansicht: BGHZ 116, 319, 325; Ebenroth/Grashoff, BB 1992, 865, 870; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 27.04; Jauernig, ZIP 1980, 318, 323; Lent, in: Jaeger, KO, 6. Auflage, Vorbem zu §§ 61–70, S. 829; Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 272; Oelrichs, Gläubigermitwirkung, S. 14 f.; Servatius, Gläubigereinfluss durch Covenants, S. 191 ff. 103

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dere Komponente in der Krise. Das nun wahrscheinlicher bis gewiss werdende Ausfallrisiko kann jedoch nicht schon deshalb sozialisiert werden. Die Gläubiger stehen doch bis zur Verfahrenseröffnung in einem echten Konkurrenzverhältnis und sind gerade nicht zu Rücksichtnahmen untereinander bei der Verfolgung ihrer Ansprüche und insbesondere nicht zur Hinnahme von Forderungsstundungen oder -abschlägen zugunsten anderer verpflichtet. Eigensinniges Verhalten ist in unserer Wirtschaftsordnung gerade nicht unzulässig, selbst wenn es zum Nachteil anderer Gläubiger gereicht.106 Vielmehr ist jeder Gläubiger gehalten, sein Ausfallrisiko präventiv bei Aufnahme der Geschäftsbeziehung einzuschätzen und Sicherungsmaßnahmen oder Risikoabschläge einzukalkulieren. Eine in der Krise des Schuldners automatisch eintretende Vergemeinschaftung aller Gläubiger kann insofern kaum begründet werden. Es gibt kein gemeinschaftliches Interesse; eine Interessenparallelität, wie sie die Interessengemeinschaft voraussetzt, fehlt. Servatius hat diese materielle Argumentation zuletzt methodologisch ergänzt, indem er auf das Schuldverschreibungsgesetz hinwies. In diesem Gesetz hatte der Gesetzgeber im Jahr 1899 nur die Schuldverschreibungsbesitzer rechtlich organisiert und einer Versammlung dieser Gläubiger erlaubt, durch qualifizierte Mehrheitsbeschlüsse Verzichts- oder Stundungsleistungen zum Zwecke der Sanierung des gemeinsamen Schuldners für alle Schuldverschreibungsgläubiger zu beschließen. Die Novellierung dieses Gesetzes im Jahr 2009 brachte diesbezüglich keine Änderungen. Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber explizit nur Schuldverschreibungsgläubiger in der Krise des Schuldners zu einer rechtlich relevanten Personengruppe zusammenfasst und den kollektiven Willen dieser Gruppe anerkennt, folgert Servatius zutreffend, dass es eine derartige Gruppe aller Gläubiger – etwa in Form einer Interessengemeinschaft – ohne diese gesetzliche Anordnung nicht gibt, wäre das Gesetz doch ansonsten überflüssig.107 Das auf Schuldverschreibungsgläubiger beschränkte gesetzgeberische Handeln beinhaltet im Umkehrschluss eine Absage an die Idee, die Gläubiger würden ohnehin schon in der Krise des Schuldners eine rechtlich relevante, mit Willensbildungskompetenzen ausgestattete Interessengemeinschaft bilden. Bitter versucht vor diesem Hintergrund, allein aus der faktischen Einwirkungsmöglichkeit derjenigen Gläubiger, die eine außergerichtliche Sanierung blockieren, auf die Rechtsgüter derjenigen, die diese befürworten, eine Duldungspflicht im Sinne des Aufopferungsgedankens herzuleiten.108 Die geringe oder gar fehlende vertragliche Bindung hindere das Entstehen einer Pflichtenbindung nicht, wenn die Intensität der Einwirkungsmacht auf fremde Rechts106 Die einzige Grenze zieht hier § 826 BGB, der jedoch nicht eingreift, solange ein Gläubiger seine Ansprüche mit erlaubten Mitteln verfolgt – vgl. Jauernig, ZIP 1980, 318, 322 m. w. N. 107 Servatius, Gläubigereinfluss durch Covenants, S. 257 f. 108 Bitter, ZGR 2010, 147, 172 ff.

C. Die Abstimmung der Gläubiger

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güter sehr hoch ist. Dies sei in der Krisensituation zunächst unter den Gesellschaftern der Fall: »Im Interesse der Gemeinschaft der Sanierungsbeteiligten muss der einzelne Gesellschafter sein Eigeninteresse zurückstellen, da eine Blockade der Sanierung auch die Vermögenssphäre der Mitgesellschafter erheblich tangiert.«109 Dieser Gedanke müsse dann aber auch für die Gläubiger gelten: »Wird einer von mehreren Gläubigern verpflichtet, einem Sanierungskonzept beizutreten und den mehrheitlich erreichten Akkord nicht zu stören, dann wird von ihm allein verlangt, seine Rechtsposition – die Inhaberschaft an der Forderung zum Nominalbetrag – gegen angemessenen Ausgleich aufzugeben.«110 Diese Argumentation kann – was Bitter explizit voraussetzt111 – nur Erfolg haben, wenn man die klassische Trennung zwischen Delikt und Vertrag aufgibt und stattdessen fließende Übergänge zwischen beiden Kategorien akzeptiert. Das geltende Zivilrecht enthält aber noch eine klare Trennlinie zwischen einer gesellschaftsvertraglichen Pflichtenbindung, die auch in Publikumsgesellschaften vorhanden ist, und der rein deliktischen Beziehung zwischen Personen. Für letztere bestimmt allein das Gesetz die Pflichtenlage. Das von Bitter angeführte nachbarschaftliche Gemeinchaftsverhältnis112 ist insofern keine Ausnahme, haben dessen Pflichten doch in § 906 BGB eine gesetzliche Grundlage. Eine grundlegende Umgestaltung dieser zivilrechtlichen Dogmatik zum Zwecke der Einbindung von Akkordstörern in der Krise eines Unternehmens scheint ohne ein Tätigwerden des Gesetzgebers, also allein im Wege der Rechtsfortbildung, insofern kaum möglich und dieses Tätigwerden ist – wie Servatius zutreffend bemerkt hat – anlässlich des neuen Schuldverschreibungsgesetzes in Kenntnis der Problemlage unterblieben. Eine Pflichtenbindung kann es für die Gläubiger vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mithin nicht geben. Es steht den Gläubigern allerdings frei, sich zur außergerichtlichen Sanierung des Schuldners freiwillig zu organisieren und zu einem Verband zusammenzuschließen. Diesem Verband, der als Gesellschaft nach § 705 BGB einzuordnen ist, gehören dann aber nur die freiwillig teilnehmenden Gläubiger an. Pflichten gegenüber kooperationsunwilligen Gläubigern kann er nicht begründen.113 109

Bitter, ZGR 2010, 147, 178. Bitter, ZGR 2010, 147, 180 f. 111 Bitter, ZGR 2010, 147, 182. 112 Bitter, ZGR 2010, 147, 182 f. 113 Dieser Grundsatz scheint unstreitig – vgl. etwa BGHZ 116, 319, 324; RG JW 1938, 178; OLG Celle NJW 1965, 399; KG ZIP 1980, 963, 964; Ebenroth/Grashoff, BB 1992, 865, 869; Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 273 f.; Mühl, NJW 1956, 401, 403. Unklar ist allein, ob bereits aus der bloßen Zustimmung zum Vergleich – so etwa RG JW 1938, 178; OLG Celle NJW 1965, 399; KG ZIP 1980, 963, 964; Künne, AVerglO, S. 52 f.; Mühl, NJW 1956, 401, 403 – oder erst konstitutiven Akten wie der Bildung eines Gläubigerausschusses auf den Gläubigerwillen zur Teilnahme an einer Gläubigergesellschaft geschlossen werden darf – so (wohl zu Recht) etwa Ebenroth/Grashoff, BB 1992, 865, 869; Kohler-Gehrig, Außergerichtlicher Vergleich, S. 50. Behmer, Sanierungsvergleich, S. 42 ff., lehnt gänzlich das Entstehen einer Gläubigergesellschaft ab, wenn es hierzu keine ausdrücklichen Erklärungen gibt. 110

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Kapitel 3: Der Insolvenzplan als Vertrag bürgerlichen Rechts

c) Die Gläubigergruppen des § 222 InsO Die nach § 222 InsO vom Planinitiator gebildeten Gläubigergruppen sind nach den bisherigen Erkenntnissen weder Gesellschaften bürgerlichen Rechts noch Rechtsgemeinschaften. Ihre rechtliche Situation unterscheidet sich dennoch grundlegend von der gerade erläuterten Rechtsstellung eines Gläubigers außerhalb des Insolvenzverfahrens. Die Gläubiger in den Plangruppen sind vom Insolvenzverfahren bereits betroffen und folglich daran gehindert, ihre Forderungsrechte gegen den Schuldner frei durchzusetzen. Das Konkurrenzverhältnis ist damit einem Rechtsverhältnis gewichen, in dem sie (als Teil einer Rechtsgemeinschaft) Rücksichtnahmepflichten unterliegen. Werden sie in dieser Situation nun zwangsweise in Gruppen unterteilt, in denen sie auf Gläubiger mit gleicher Rechtsstellung (§ 222 Abs. 1 InsO) oder sogar auf Gläubiger mit gleicher Rechtsstellung und gleichartigen wirtschaftlichen Interessen (§ 222 Abs. 2 InsO) treffen, so hebt das die Bindungen des allgemeinen Insolvenzverfahrens nicht auf. Diese bleiben auch in einem Insolvenzplanverfahren der §§ 217 ff. InsO erhalten. Ein Insolvenzplan will dann aber abweichend vom Regelinsolvenzverfahren eine besondere Form der Insolvenzbewältigung erreichen und führt somit in der Regel dazu, dass die Gläubiger unter Geltung eines Insolvenzplans anders behandelt und am Schuldnervermögen beteiligt werden als im Regelinsolvenzverfahren. Diese besondere Behandlung ist – wiederum anders als in der Regelinsolvenz – nicht für jeden Gläubiger gleich, sondern wird je nach Konzept des Planverfassers unterschiedlich ausfallen. Die Behandlung der einzelnen Gläubiger ist daher im Plan möglichst weitgehend zu konkretisieren, ohne zugleich die Planaufstellung unnötig zu verkomplizieren. Zu diesem Zweck können die Gläubiger in verschiedene Gläubigergruppen unterteilt werden, in denen sich dann jeweils Gläubiger finden, die aufgrund ihrer gleichen Rechtsstellung auch nach dem Plan gleich behandelt werden sollen. Gesicherte, also absonderungsberechtigte Gläubiger finden sich daher in anderen Gruppen als einfache oder nachrangige Insolvenzgläubiger (§ 222 Abs. 1 InsO). Doch damit nicht genug; auch innerhalb einer Gruppe Gläubiger mit gleicher Rechtsstellung kann es eine Vielzahl verschiedener Interessen geben, die eine unterschiedliche Behandlung dieser Gläubiger erfordern.114 Bei absonderungsberechtigten Gläubigern können sich solche finden, deren Forderung zwar vom Fortführungswert, nicht aber vom Zerschlagungswert des Sicherungsgutes gedeckt ist, und die daher eher als andere Gläubiger ihrer Gruppe auf eine Sanierung des Schuldners drängen und zu Zugeständnissen bereit sein werden. In der Gruppe der Insolvenzgläubiger werden Gläubiger mit Bagatellforderungen häufig befriedigt werden können, wodurch zugleich das Verfahren vereinfacht wird, während von Lieferanten und Banken nicht nur Stundungen und Forderungserlasse, sondern auch 114

Dies erkannte gerade auch der Gesetzgeber – BT-Drucks. 12/2443, S. 199.

C. Die Abstimmung der Gläubiger

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neue Warenlieferungen und Kreditlinien erwartet werden. Arbeitnehmer sollen auf Lohn verzichten, absonderungsberechtigte Gläubiger auf die Verwertung ihrer Sicherungsrechte. Auf diese vielfältige und teilweise unübersichtliche Interessenlage muss der Insolvenzplan – anders als das Regelinsolvenzverfahren – mit differenzierten Regelungen reagieren, da er auf die Mitwirkung der Gläubiger zu seiner Annahme angewiesen ist. Die gesetzliche Regelung in § 222 InsO erkennt dieses Bedürfnis und ermöglicht folgerichtig, die Gläubiger in verschiedene, ausdifferenzierte Gruppen zu unterteilen; je nach Rechtsstellung (absonderungsberechtigter, einfacher oder nachrangiger Insolvenzgläubiger, § 222 Abs. 1 Satz 2 InsO) und zudem je nach wirtschaftlicher Interessenlage (Bagatellgläubiger, Lieferanten, Banken, Arbeitnehmer usw., § 222 Abs. 2 und 3 InsO).115 Das Ergebnis der Umsetzung der gesetzlichen Regelung aus § 222 InsO im jeweiligen Plan sind Gläubigergruppen, in denen sich Gläubiger mit gleicher Rechtsstellung und regelmäßig gleicher wirtschaftlicher Interessenlage finden. Gerade diese Gruppen sind dann nach den §§ 243, 244 InsO zur Abstimmung über den Plan berufen und damit als Entscheidungsträger rechtlich anerkannt. Die darin liegende Übertragung der Entscheidungsmacht von der Gläubigergemeinschaft auf die gebildeten Gruppen ist keine Laune des Gesetzgebers, sondern ergibt sich nahezu zwingend aus dem Umstand, dass die Gläubiger von einem Insolvenzplan nicht wie im Regelinsolvenzverfahren einheitlich und nur entsprechend der Rangstellung behandelt werden können, mit der sie in die Insolvenz einstiegen. Ein Insolvenzplan wird in der beabsichtigten Umsetzung eines Sanierungskonzeptes nicht alle gesicherte Gläubiger mittels Verwertung ihrer Sicherheit oder alle einfachen Insolvenzgläubiger durch eine einheitliche Quote gleichmäßig behandeln können. Der Grundsatz der »par conditio creditorum« kann in seiner Allgemeinheit nicht gelten. Folglich kann auch die Abstimmung über den Insolvenzplan nicht durch eine gemeinsame Entscheidung aller Gläubiger in einer Gläubigerversammlung erfolgen, bei der sich das Stimmgewicht allein an der Rechtsstellung orientiert, mit welcher der Gläubiger im Insolvenzverfahren beteiligt ist. In diesem Fall hätten die Großgläubiger die Planannahme in ihrer Hand und könnten den anderen Gläubigern Opfer aufzwingen, die nicht von einer optimalen Insolvenzbewältigung im Interesse aller Beteiligten gerechtfertigt sind. Bei der Abstimmung über den Plan muss viel115 Die sich daraus ergebenden weiten Gestaltungsspielräume für einen Plangestalter mag man im Hinblick auf Missbrauchsgefahren als zu weitreichend und wenig kontrolliert kritisieren (Smid, InVo 1997, 169); im Interesse einer – im Gegensatz zu den Vorgängerregelungen – möglichst inhaltsoffenen und damit an den Einzelfall ideal anpassbaren Plangestaltung wird man diese Freiräume in der Gruppenbildung aber – im Einklang mit der gesetzlichen Regelung – erst dort begrenzen dürfen, wo die Einteilung der Gläubiger ohne sachlichen Grund (§ 222 Abs. 2 Satz 2 InsO) oder intransparent erfolgt (§ 222 Abs. 2 Satz 3 InsO) – so auch Hess/Weis, InVo 1998, 64, 65; Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 222 Rn. 9; Herzig, Insolvenzplanverfahren, S. 247 ff.

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Kapitel 3: Der Insolvenzplan als Vertrag bürgerlichen Rechts

mehr jedem gleichartig vom Plan betroffenen Gläubiger ein prinzipiell gleiches Stimmgewicht zustehen. Dies wird erreicht, indem die Mehrheitsmacht auf Gruppen verteilt wird, in denen sich Gläubiger mit gleicher Rechtsstellung finden, die im Fall der Gruppenbildung nach § 222 Abs. 2 InsO sogar dieselben wirtschaftlichen Interessen verfolgen. Findet sich dann in einer Gruppe eine Mehrheit der gleichartig vom Plan betroffenen Gläubiger bereit, die für sie vorgesehenen gleichen Opfer zu tragen, so legitimiert diese Entscheidung auch die Bindung der vom Plan gleichartig betroffenen Minderheit. Die gesetzliche Regelung zur Gruppenbildung ist also nicht allein auf eine Erleichterung der Durchsetzung von Insolvenzplänen angelegt; sie folgt als notwendige Konsequenz vielmehr den Besonderheiten einer planmäßigen Insolvenzbewältigung.116 Doch welcher Form der Personenmehrheit ist die Gläubigergruppe der §§ 222, 243, 244 InsO nun zuzuordnen? Die Gläubiger einer einzelnen Gruppe teilen sich kein gemeinschaftliches Recht; sie bilden folglich keine Rechtsgemeinschaft im Sinne der §§ 741 ff. BGB. Andererseits verfolgen sie nicht nur allgemein dasselbe Interesse an einer bestmöglichen Haftungsverwirklichung, das alle Insolvenzgläubiger eint. Sie verbindet vielmehr die gleiche Rechtsstellung gegenüber dem Schuldner, sie haben also dieselben rechtlichen Interessen. Erfolgt dann unter ihnen eine weitere Ausdifferenzierung nach § 222 Abs. 2 InsO, so verfolgen die Gläubiger einer Gruppe nicht nur dieselben rechtlichen, sondern zugleich dieselben wirtschaftlichen Interessen. Hauptzweck der Gruppenbildung ist schlicht die Schaffung von Gläubigergruppen mit einem Höchstmaß an Interessenparallelität bei den darin zu findenden Gläubigern.117 Aus diesem Interessengleichlauf folgt zugleich, dass alle Gläubiger einer Gruppe ihre Gleichbehandlung durch den Plan verlangen können (§ 226 InsO). Betrachtet man diesen rechtlichen Befund, also die Zusammenfassung von Gläubigern mit gleichartigen Interessen zum Zwecke der Gleichbehandlung im Zugriff auf ein knappes Gut, so sind alle Merkmale erfüllt, die verbreitet die Annahme einer (schlichten) Interessengemeinschaft rechtfertigen.118 Die Gläubigergruppe ist eine Interessengemeinschaft. Diese Feststellung dient dabei allein der dogmatischen Einordnung der Gläubigergruppe in das zivilrechtliche System der Personen116 Braun, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 68 Rn. 48; Flessner, Sanierung und Reorganisation, S. 275; Grub, FS Uhlenbruck, 2000, 501, 505; Herzig, Insolvenzplanverfahren, S. 219, 225 f.; Kersting, Gläubiger im Insolvenzplanverfahren, S. 64; Meyer-Haberhauer, Insolvenzplan, S. 178; Schiessler, Insolvenzplan, S. 119. Die Inhomogenität der vom Plan betroffenen Gläubiger unterscheidet ihn auch entscheidend von seinen Vorgängerregelungen (Vergleich und Zwangsvergleich), die allein die Vergleichsgläubiger bzw. die einfachen Konkursgläubiger banden und daher einer Abstimmung in Gruppen nicht bedurften. 117 Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 222 Rn. 4; Herzig, Insolvenzplanverfahren, S. 218. 118 Würdinger, Interessengemeinschaft, S. 16, 69; Wüst, Interessengemeinschaft, S. 45 f.; auch Hueck, Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung, S. 142–144 (insbes. Fn. 47).

C. Die Abstimmung der Gläubiger

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mehrheiten; rechtliche Schlussfolgerungen lassen sich daran kaum knüpfen. Die §§ 217 ff. InsO enthalten umfangreiche und eigenständige Regelungen zur Entscheidungsmacht und Zuständigkeit der Interessengemeinschaft »Gläubigergruppe«, weshalb es keines Rückgriffs auf die §§ 741 ff. BGB unter Berufung auf eine Interessengemeinschaft bedarf, um die Rechte und Pflichten der Mitglieder dem Gemeinschaft zu bestimmen bzw. zu begrenzen.119 Dennoch bleibt als Erkenntnis festzuhalten, dass sich die nach §§ 243, 244 InsO abstimmende Gläubigergruppe als Interessengemeinschaft und damit als rechtlich anerkannte Personengruppe erfassen lässt, welche somit ebenfalls einer eigenen, internen Willensbildung fähig ist. 4. Ergebnis Aus den vorangegangenen Untersuchungen ergaben sich gleich zwei für eine interne Willensbildung mittels Abstimmung relevante Personengruppen: die Gläubigergemeinschaft und die Gläubigergruppen. Sämtliche nicht aussonderungsberechtigten Gläubiger des Schuldners bilden im Insolvenzverfahren keine Gesellschaft oder gesellschaftsähnliche Gemeinschaft, sondern eine Rechtsgemeinschaft im Sinne des § 741 BGB. Ihnen steht gemäß § 1 Satz 1 InsO die Insolvenzmasse als Befriedigungsobjekt zu. Sie teilen sich daher ein Verwertungsrecht gemeinschaftlich. Für eine danach mögliche Anwendung der §§ 742 ff. BGB fehlt es angesichts der detaillierten Regelungen in der Insolvenzordnung allerdings weitgehend an der in § 741 BGB ausdrücklich vorausgesetzten gesetzlichen Regelungslücke. Lediglich in den Fällen, in denen sich aus der Insolvenzordnung keine eigene Regelung ergibt, ist ein Rückgriff auf die §§ 742 ff. BGB denkbar. Wird im Regelinsolvenzverfahren ein Insolvenzplan eingebracht, so werden die Gläubiger in diesem Plan in Gruppen unterteilt, die Gläubiger mit gleicher Rechtsstellung und gleichartigen wirtschaftlichen Interessen zusammenfassen. Die Gemeinschaft der Gläubiger unterteilt sich im Insolvenzplanverfahren damit in die verschiedenen (schlichten) Interessengemeinschaften der Gläubigergruppen. Die damit verbundenen Rechtsfolgen ergeben sich aus den §§ 222 ff. InsO und liegen insbesondere im nur gruppenbezogenen Gleichbehandlungsgebot (§ 226 InsO). Im Ergebnis sind damit sowohl die Gläubiger in ihrer Gesamtheit als auch die Gläubiger in den jeweiligen Gläubigergruppen Teil einer Personenmehrheit, die 119 Es ist die Idee der Einschränkung persönlicher Rechte allein auf der Grundlage gleichgerichteter Interessen, die den Widerstand gegen die Anerkennung einer Interessengemeinschaft als rechtliche Kategorie hervorruft – vgl. Langhein, in: Staudinger, BGB (2008), § 741 Rn. 174; abgeschwächt auch Schmidt, in: MünchKomm, BGB, § 741 Rn. 71. Bei einer gesetzlich geregelten Interessengemeinschaft wie der »Gläubigergruppe« gibt es für solche Bedenken keinen Grund. Die Kategorie der schlichten Interessengemeinschaft als solche hingegen erscheint heute allgemein bekannt.

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Kapitel 3: Der Insolvenzplan als Vertrag bürgerlichen Rechts

rechtlich anerkannt ist und an die sich rechtliche Befugnisse und Aufgaben knüpfen. Die für die Willensbildung der Gläubiger zum Insolvenzplan maßgebliche Personengruppe wird sich erst aus der Betrachtung der zweiten Voraussetzung eines wirksamen willensbildenden Beschlusses ergeben: Die Entscheidung über den Insolvenzplan muss innerhalb des zweckbestimmten Wirkungsbereichs der Gruppe liegen.

III. Entscheidung innerhalb des Wirkungsbereichs der Personengruppe Anders als bei natürlichen Personen, die sich gegenständlich unbeschränkt zu jedem Handeln entschließen können, entscheidet bei Personenmehrheiten die Rechtsordnung nicht nur, ob sie einzelne Gruppen überhaupt als handlungsfähig oder gar rechtsfähig anerkennt, sondern auch, für welche Zwecke und damit für welchen Bereich dies gelten soll. So kann ein eingetragener Verein nur ideelle Zwecke verfolgen (§ 21 BGB), eine BGB-Gesellschaft darf kein Handelsgewerbe betreiben (vgl. § 105 HGB), eine Partnerschaftsgesellschaft darf nur zur Ausübung freier Berufe betrieben werden (§ 1 PartGG). Überschreiten die Gruppenmitglieder diesen gesetzlich anerkannten, durch den Zweck definierten Wirkungskreis, so hat ihr Handeln für die jeweilige Personengruppe keine Relevanz.120 Daneben kann der Zweck einer Personengruppe aber durch ihre Mitglieder in einem Gesellschaftsvertrag oder einer Satzung beschränkt werden. Überschreitet ein Beschluss der Gruppe diese Grenze, so hat dies wiederum zur Folge, dass der Beschluss keine Wirkungen nach innen erzeugt; er bindet überstimmte Mitglieder nicht.121 Für die Frage nach den Bindungswirkungen eines Beschlusses für überstimmte Gruppenmitglieder bleibt festzuhalten, dass diese nur entstehen können, wenn sich der Beschluss im Rahmen des gesetzlich anerkannten oder durch die Satzung bestimmten Wirkungskreis der Personengruppe hält. Die Gruppe kann daher nur in dem Bereich rechtlich relevant tätig werden, in dem sie ihrem Zweck nach anerkannt ist; nur innerhalb ihres rechtlich anerkannten, zweckbestimmten Wirkungsbereiches besitzt eine Personenmehrheit Wirkungsfähig120 Entschließen sich also etwa die Mitglieder eines Vereins oder einer BGB-Gesellschaft, statt ideeller Zwecke nun ein Handelsgewerbe zu betreiben, so widerspricht dies dem anerkannten Zweck ihrer Gesellschaftsform und führt zum Verlust der Rechtsfähigkeit – beim Verein durch Entziehung nach § 43 Abs. 2 BGB, bei der BGB-Gesellschaft durch deren Behandlung als Handelsgesellschaft (§ 105 HGB – unstreitig – vgl. Ulmer, in: MünchKomm, BGB, § 705 Rn. 3). 121 Bei der Frage der Außenbindung ist hingegen zu differenzieren: Eine Umsetzung dieses (unwirksamen) Beschlusses nach außen, z. B. durch einen Vertragsschluss mit Dritten, kann im Interesse des Verkehrsschutzes durchaus Bindungswirkungen erzeugen (vgl. etwa §§ 82 AktG, 37 Abs. 2 GmbHG, 127 Abs. 2 HGB, anders aber § 26 Abs. 2 Satz 2 BGB), wobei aber zumindest die Grundsätze des Missbrauchs der Vertretungsmacht zu berücksichtigen sind. Das deutsche Privatrecht ist insofern bei genauer Betrachtung doch nicht so weit von der angloamerikanischen »Ultra-Vires-Doktrin« entfernt.

C. Die Abstimmung der Gläubiger

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keit.122 Ein Beschluss einer Personengruppe, der über den ihr eigenen Wirkungskreis hinausgeht, kann keine bindenden Wirkungen (etwa für überstimmte Mitglieder der Gruppe) erzeugen; er bleibt ohne rechtliche Bedeutung und ist damit nicht mehr als ein tatsächliches Ereignis.123 Ein Beschluss ist somit nur dann zur Willensbildung in einer Personengruppe befähigt, wenn er sich »sachlich im Rahmen des normativ bestimmten Wirkungsbereichs der Personenmehrheit hält.«124 1. Der Beschluss der Gläubigergemeinschaft über den Insolvenzplan Wenden wir uns vor diesem Hintergrund der ersten Personenmehrheit zu, die als Entscheidungsträger in Betracht kommt: der Gläubigergemeinschaft. Diese ist nach den bisherigen Erkenntnissen als Rechtsgemeinschaft gemäß § 741 BGB einzuordnen, so dass nun zu untersuchen ist, ob ein Beschluss über einen Insolvenzplan innerhalb des rechtlichen anerkannten Wirkungsbereiches einer Rechtsgemeinschaft bleibt. a) Der Wirkungskreis der Bruchteilsgemeinschaft Die rechtlichen Regelungen zur Rechtsgemeinschaft finden sich in den §§ 741 ff. BGB, die zur Willensbildung speziell in den §§ 744–748 BGB. Das Wesen dieser Gemeinschaft wird dadurch bestimmt, dass den Teilhabern ein Recht gemeinschaftlich nach Bruchteilen zusteht. Dementsprechend ist auch die Willensbildung in den §§ 744 ff. BGB gegenständlich auf Fragen begrenzt, welche den Umgang mit dem gemeinschaftlichen Recht betreffen: dessen Verwaltung und Benutzung (§§ 744, 745 BGB), Verfügungen über den Gegenstand des Rechts (§ 747 Satz 2 BGB) sowie die Kosten und Lasten, welche durch den gemeinschaftlichen Gegenstand verursacht werden (§ 748 BGB). Der Wirkungskreis der Rechtsgemeinschaft beschränkt sich damit auf das gemeinschaftliche Recht und die Folgen seiner Nutzung und Verwaltung. Zu Eingriffen in das Privatvermögen der Teilhaber ist die Rechtsgemeinschaft nur in diesem Rahmen befugt.125 Insbesondere aber finanzielle Opfer, die weder das gemeinschaftliche Recht am Gegenstand noch dessen Lasten und Kosten betreffen, können den Teilhabern durch die Gemeinschaft nicht auferlegt werden. Sie liegen außerhalb des rechtlich anerkannten Wirkungskreises der Rechtsgemeinschaft.

122 Baltzer, Beschluss, S. 45 ff.; Basty, Gläubigerinteressen, S. 57; Fabricius, Relativität der Rechtsfähigkeit, S. 82 f. 123 Baltzer, Beschluss, S. 47. 124 Baltzer, Beschluss, S. 48. 125 Zur Zulässigkeit von Mehrheitsentscheidungen bei Kostenfragen – siehe etwa Langhein, in: Staudinger, BGB (2008), § 745 Rn. 8–10.

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Kapitel 3: Der Insolvenzplan als Vertrag bürgerlichen Rechts

b) Die Entscheidung über den Insolvenzplan Überträgt man den Wirkungskreis einer Bruchteilsgemeinschaft auf die Rechtsgemeinschaft der Insolvenzgläubiger, so ergibt sich eine faszinierende Erkenntnis. Wie in der Insolvenzordnung vorgesehen, deckt dieser Wirkungskreis Entscheidungen im Regelinsolvenzverfahren ab, während er im Insolvenzplanverfahren verlassen wird. Der Wirkungskreis der Rechtsgemeinschaft wird durch ihr gemeinschaftliches Recht bestimmt und dieses findet sich bei der Gläubigergemeinschaft in dem gemeinschaftlichen Verwertungsrecht an der Insolvenzmasse aus § 1 InsO. Der Wirkungskreis der Gläubigergemeinschaft beschränkt sich folglich auf Entscheidungen über dieses Verwertungsrecht und dessen Gegenstand – die Insolvenzmasse, über deren Verwaltung und Nutzung, deren Kosten und Lasten. Dieser Wirkungskreis deckt sich mit den Befugnissen, welche der Gläubigerversammlung als Willensbildungsorgan der Gläubigergemeinschaft im Regelinsolvenzverfahren zustehen; sie entscheidet allein über Fragen bezüglich des gemeinschaftlichen Verwertungsrechts. Die Gläubigergemeinschaft beschließt (durch Mehrheitsbeschluss, § 76 Abs. 2 InsO) etwa über Fragen der weiteren Art der Nutzung des gemeinschaftlichen Gegenstandes »Insolvenzmasse« (§ 157 InsO: Fortführung oder Stilllegung des Schuldnerunternehmens) und setzt zur Verwaltung des Gegenstandes einen Verwalter, den Insolvenzverwalter, ein (§ 57 InsO). Stimmt die Gläubigerschaft mehrheitlich für eine Veräußerung des Schuldnerunternehmens oder aber wesentlicher Teile desselben, so geht diese Befugnis zwar nicht über den gegenstandsbezogenen Wirkungskreis der Gemeinschaft voraus, wohl aber über die Bereiche, die nach den §§ 745 Abs. 3, 747 Satz 2 BGB einer Mehrheitsmacht unterliegen. Diese Besonderheit lässt sich damit erklären, dass die Gemeinschaft der Insolvenzgläubiger stets eine Gemeinschaft im Auflösungsstadium ist. Die Befugnis zur Veräußerung und Verwertung des gemeinschaftlichen Gegenstandes unabhängig vom Einstimmigkeitserfordernis des § 747 Satz 2 BGB ergibt sich daher aus § 753 BGB, der einen Verkauf des Gemeinschaftsgegenstandes ohne Einwilligung aller zulässt, wenn eine Teilung unter den Teilhabern in Natur nicht möglich ist.126 Entscheidend ist aber, dass der »Anteil« des einzelnen Teilhabers an der Gemeinschaft auch im Regelinsolvenzverfahren unangetastet bleibt. Dieses »Anteilsrecht« des einzelnen Gläubigers am gemeinschaftlichen Verwertungsrecht hinsichtlich der Insolvenzmasse folgt aus seinem persönlichen Forderungsrecht gegen den Schuldner und dieses Recht kann ihm – wie es auch § 745 Abs. 3 Satz 2 BGB festschreibt – nicht durch die Gläubigermehrheit genommen werden.

126 § 753 BGB soll gerade eine Veräußerung des Gemeinschaftsgegenstandes ohne die nach § 747 Satz 2 BGB eigentlich notwendige Einwilligung aller Teilhaber ermöglichen – vgl. RGZ 108, 289, 290; Schmidt, in: MünchKomm, BGB, § 753 Rn. 3.

C. Die Abstimmung der Gläubiger

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Zudem kann er über dieses Recht trotz des Insolvenzverfahrens – insofern in Übereinstimmung mit § 747 Satz 1 BGB – frei verfügen (§§ 4 InsO, 265 ZPO). Auch ansonsten bleibt die persönliche Rechtssphäre des einzelnen Gläubigers im Regelinsolvenzverfahren unangetastet. Seine ursprüngliche Forderung gegen den Schuldner verliert er – außer durch vollständige Erfüllung – nicht; sie wird vielmehr sogar tituliert. Mit der restlosen Verwertung der Insolvenzmasse verschwindet zwar der Gegenstand des gemeinschaftlichen Verwertungsrechts, folglich erlischt auch das Verwertungsrecht an dieser Rechtsgesamtheit und damit endet auch die Gemeinschaft der Gläubiger an diesem Recht. Das persönliche Forderungsrecht bleibt hiervon allerdings unberührt; es wird über das Nachforderungsrecht des § 201 InsO erhalten. Der Gläubiger erleidet somit im Regelinsolvenzverfahren keine Einbußen in seinen persönlichen Rechten; sein Privatvermögen bleibt unberührt. Ein Forderungsverlust würde ihm allenfalls in einem anschließenden Restschuldbefreiungsverfahren abverlangt, worüber allerdings keine Gläubigergemeinschaft, sondern das Insolvenzgericht entscheidet. Die Entscheidungsbefugnisse der Gläubigerversammlung des Regelinsolvenzverfahrens bleiben insgesamt in dem Wirkungskreis, den bereits die Rechtsgemeinschaft in den §§ 744 ff. BGB zieht und der vom gemeinschaftlichen Verwertungsrecht bestimmt wird. Ein anderes Bild ergibt sich hingegen für das Insolvenzplanverfahren. Der Insolvenzplan betrifft inhaltlich nicht nur Fragen der Verwertung der Insolvenzmasse und deren Verteilung auf die Gläubiger; er geht weit darüber hinaus. In einem Insolvenzplan finden sich häufig neben Regelungen zur (zumeist nur anteilsmäßigen) Befriedigung von Gläubigern auch vielfältige persönliche Opfer, die einzelne Gläubiger zur Erreichung des Planziels übernehmen sollen. So wird etwa von nahezu allen Gläubigern ein weitgehender Verzicht auf ihre Forderungsrechte erwartet; Arbeitnehmer etwa sollen auf Gehalt verzichten, gesicherte Gläubiger auf ihre Sicherheiten; Lieferanten und Banken auf den Großteil ihrer Ansprüche. Alle diese Opfer gehen weit über das hinaus, was das Verwertungsrecht des § 1 InsO und seine Geltendmachung umfasst; sie betreffen das Privatvermögen der Gläubiger. Jeder Insolvenzplan dient bereits unmittelbar der Restschuldbefreiung für den Schuldner, d. h. jeder Gläubiger verliert mit der Annahme eines Planes sofort die Forderungen, die im Plan nicht zur Befriedigung vorgesehen sind (§ 227 InsO). Der Insolvenzplan verlässt damit den Bereich der Fragen, die aus der gemeinschaftlichen Verwaltung, Nutzung und Auseinandersetzung des Verwertungsrechtes aus § 1 InsO entstehen. Er enthält gerade nicht nur Regelungen zur bestmöglichen Verwertung der Insolvenzmasse in Ausübung des Verwertungsrechtes, sondern beeinträchtigt unmittelbar die persönlichen Ansprüche der Gläubiger. Der Insolvenzplan erfasst damit das Privatvermögen der Gläubiger und liegt als Entscheidungsgegenstand außerhalb des Wirkungskreises einer Rechtsgemeinschaft der Insolvenzgläubiger, der

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auf ihr Verwertungsrecht beschränkt ist.127 Dementsprechend ist es auch nicht die Gläubigerversammlung des § 76 InsO als Organ der Gläubigergemeinschaft, die über den Insolvenzplan abzustimmen hat. 2. Der Beschluss der Gläubigergruppe über den Insolvenzplan Scheidet die Gläubigergemeinschaft damit als Entscheidungsträger über die Annahme eines Insolvenzplans aus, so muss sich der Blick auf die andere anerkannte Personengruppe richten: die Gläubigergruppe der §§ 222, 243, 244 InsO. a) Der Wirkungskreis der Interessengemeinschaft Gläubigergruppe Die Gläubigergruppe entsteht in einem Insolvenzplanverfahren durch die Zusammenfassung von Gläubigern mit gleicher Rechtsstellung und ggf. gleichartigen wirtschaftlichen Interessen durch den Planinitiator (§ 222 InsO). Die erfassten Gläubiger bilden aufgrund ihrer gleichartigen rechtlichen, im Fall der Bildung von Wahlgruppen nach § 222 Abs. 2 InsO sogar gleichartigen wirtschaftlichen Interessen an der Insolvenzbewältigung – wie bereits erläutert128 – eine Interessengemeinschaft. Die Interessengemeinschaft ist als rechtlicher Typus gesetzlich nicht geregelt, so dass sich hier – anders als bei der Rechtsgemeinschaft – der Wirkungskreis nicht bereits aus typisierenden gesetzlichen Bestimmungen ableiten lässt. Stattdessen ist die konkrete Interessenverbindung zu betrachten, aus deren Zweck sich dann der Wirkungskreis der Interessengemeinschaft ergibt, denn es ist der rechtlich anerkannte Zweck einer Personenmehrheit, der ihren Wirkungskreis definiert.129 b) Der Beschluss der Gläubigergruppe über den Insolvenzplan Die Gläubiger werden in der Interessengemeinschaft der Gläubigergruppe zusammengefasst, da sie aufgrund gleicher Rechtspositionen und Interessen in gleicher Weise vom Planinhalt betroffen werden. Die Zusammenfassung zu ei127 Dieser Umstand wurde bereits in der Diskussion um die Rechtsnatur des Zwangsvergleichs der Konkursordnung erkannt – vgl. Voß, ZZP 33 (1904), 417, 421: Die Vertragstheorie »lässt unerklärt, wie die unter den Gläubigern bestehende Gemeinschaft . . . dazu kommt, über wohlerworbene Privatrechte der einzelnen Gläubiger zu verfügen.« In ihm lag daher auch einer der Haupteinwände der Urteilstheorie gegen den Vertragscharakter des Zwangsvergleichs – so etwa deren Begründer August Sigismund Schultze, Konkursrecht, S. 120 oder auch Cohn, Zwangsvergleich, S. 21. Die Vertreter der Vertragstheorie verwiesen zur Verteidigung leider entweder nur auf den ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers (etwa Kießling, Zwangsvergleich, S. 21 f.; Schopper, Zwangsvergleich, S. 37 f.), auf den staatlichen Machtspruch des Konkursgerichts (Fitting, Reichs-Konkursrecht, S. 420, 424) oder aber auf die Besonderheiten der Gemeinschaft der Konkursgläubiger (etwa Richter, ZHR 76 (1915), 112, 124 f.) im Vergleich zur typischen Rechtsgemeinschaft des § 741 BGB. Überzeugen konnte dies nicht, da der Systembruch im Zivilrecht blieb. 128 Siehe oben C. II. 3. b). 129 Baltzer, Beschluss, S. 45.

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ner Gruppe berücksichtigt damit sowohl die gleiche Rechtsstellung der Gläubiger gegenüber dem Schuldner (§ 222 Abs. 1 InsO) als auch deren gleichartige Interessen im Insolvenzverfahren (§ 222 Abs. 2 InsO) sowie schließlich ihre gleiche Berücksichtigung im Insolvenzplan (§ 226 InsO). Gerade die so erreichte weitgehende Interessenhomogenität in einer Gruppe lässt erwarten, dass sich die Gläubiger einer Gruppe aufgrund derselben Erwägungen für oder gegen den Insolvenzplan entscheiden und erhöht damit die Richtigkeitsgewähr einer Mehrheitsmeinung erheblich. In diesem Entscheidungsprozess ist zu jedem Zeitpunkt nicht nur das Verwertungsrecht der Gläubiger an der Insolvenzmasse, sondern gerade auch die persönliche Rechtsstellung des Gläubigers gegenüber dem Schuldner Gegenstand des Planinhalts, der Erörterungen des Plans sowie der Abstimmung über ihn. Jeder Gläubiger wird gerade wegen und daher auch mit seiner persönlichen Rechtsstellung Teil der Interessengemeinschaft und Eingriffe in diese Rechtsstellung sind der ausdrückliche Gegenstand des Insolvenzplans und damit auch der Willensbildung der Gläubiger bei der Entscheidung über die Annahme des Plans. Die Willensbildung über Veränderungen in der persönlichen Rechtsstellung mittels Abstimmung, also mittels eines Beschlussverfahrens, ist damit der ausdrückliche, in den §§ 222, 243, 244 InsO vorausgesetzte Zweck einer Gläubigergruppe. Diesen Zweck füllt sie aus, so dass sie bei der Entscheidung über den Insolvenzplan innerhalb ihres Wirkungskreises tätig wird. 3. Ergebnis Die Entscheidung über den Insolvenzplan liegt außerhalb des Wirkungskreises, den der Gesetzgeber der Gläubigergemeinschaft als Bruchteilsgemeinschaft zugewiesen hat. Sie geht gegenständlich weit über einen Beschluss über das gemeinschaftliche Verwertungsrecht hinaus und ergreift die persönlichen Forderungsrechte der Gläubiger, also deren Privatvermögen. Zu Eingriffen in diesen Bereich ist die Rechtsgemeinschaft der Gläubiger nicht legitimiert. Hierfür hat der Gesetzgeber vielmehr ein eigenständiges Abstimmungsverfahren in den §§ 217 ff. InsO geschaffen, das die Willensbildung der betroffenen Gläubiger gerade im Hinblick darauf verfahrensrechtlich regelt, dass sie nicht nur über Verwertungsmodalitäten, sondern gerade auch über persönliche (Eigentums-) Rechte entscheiden. Hierzu werden die Gläubiger gemäß § 222 InsO in Gruppen mit gleicher Rechtsstellung und wahlweise zudem mit gleichen wirtschaftlichen Interessen erfasst. Diese Interessengemeinschaften entscheiden dann durch Mehrheitsentscheid (§§ 243, 244 InsO) darüber, ob die Gruppe eine Plan annimmt oder ablehnt. Der entscheidende Willensbildungskörper der Gläubiger für eine Entscheidung über den vorgelegten Insolvenzplan ist nach der gesetzgeberischen Intention (§ 243 InsO) und im Einklang mit den allgemeinen Anforderungen an wirksame Beschlüsse nicht die Gläubigergemeinschaft, son-

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dern die Gläubigergruppe als Interessengemeinschaft gleichartig vom Plan betroffener Gläubiger. Sie bildet im Abstimmungstermin einen einheitlichen Willen hinsichtlich des Plans mittels Stimmabgabe der einzelnen Gläubiger, wobei gemäß § 244 InsO zur Bildung eines positiven Willens die Zustimmung der Kopf- und Summenmehrheit der Gläubiger in einer Gruppe ausreicht. Der so auch mittels Mehrheitsentscheid zustande kommende Beschluss der Gruppe bindet dann auch die ablehnenden Gläubiger einer Gruppe an den Willen der Mehrheit.

IV. Legitimation der Mehrheitsmacht in der Gläubigergruppe Die Gläubiger können gemäß § 244 Abs. 1 InsO also auch an einen Insolvenzplan gebunden werden, den sie selbst in der Abstimmung abgelehnt haben, solange nur die Kopf- und Summenmehrheit der Gläubiger in der Gruppe dem Plan zugestimmt hat. Die sich daraus ergebende heterogene Wirkung des Beschlusses der Gruppe über den Insolvenzplan kollidiert mit dem Grundsatz der Privatautonomie, insbesondere dem der Vertragsfreiheit, der das Zivilrecht beherrscht. Es stellt sich damit die grundsätzliche Frage nach der Legitimation eines solchen Eingriffs in zivilrechtliche Grundprinzipien. Im Privatrecht fehlt es an einem Subordinationsverhältnis der Beteiligten. Was berechtigt also die Mehrheit in einer Personengruppe dazu, mittels eines Beschlussverfahrens ihren Willen auch für die Minderheit verbindlich zu machen und diese damit einer Fremdbestimmung zu unterwerfen? Gegenstand der Legitimationsfrage ist das Beschlussverfahren. Die Willensbildung innerhalb einer Personengruppe geschieht im Zivilrecht durch Beschlussfassung und zwar unabhängig davon, ob die Gruppe als juristische Person, Gesellschaft, Rechtsgemeinschaft oder Interessengemeinschaft organisiert ist. Dieses Mittel der Willensbildung steht in den Fällen ohne jegliche Bedenken im Einklang mit dem Grundsatz der Privatautonomie, in denen zur Willensbildung einstimmige Beschlüsse der Gruppe notwendig sind. Kommt dann ein Beschluss zustande, ist Fremdbestimmung ausgeschlossen. Das Erfordernis der Einstimmigkeit macht es allerdings gerade bei vielköpfigen und heterogenen Personengruppen schwer, zu einer verbindlichen Entscheidung zu gelangen, da schon die Ablehnung eines einzelnen Mitglieds zum Scheitern der Willensbildung führt und die Gruppe dann als Ganzes handlungsunfähig wird. Diese Gefahr der Handlungsunfähigkeit potenziert sich in den Gruppen, die nicht auf einem freiwilligen Zusammenschluss ihrer Mitglieder beruhen und zugleich eine Vielzahl von Mitgliedern mit einer kaum überschaubaren Vielfalt von Rechtspositionen und Interessen vereinen. Mit einer konsensualen Willensbildung ist in solchen Gruppen nur im Ausnahmefall zu rechnen. Die Notwendigkeit einer funktionierenden Willensbildung zur Sicherstellung der Handlungsfähigkeit aller Personengruppen führt dazu, dass in vielen Fällen Mehrheitsbe-

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schlüsse zugelassen werden. Dies führt zwangsläufig zu heteronomen Wirkungen hinsichtlich der überstimmten Minderheit und damit zu der Frage, wie diese Wirkungen zivilrechtlich legitimiert sind. 1. Mehrheitsbeschlüsse bei Gesellschaften – Unterwerfungsvertrag Bei juristischen Personen des Privatrechts wie auch bei Personengesellschaften sind Mehrheitsentscheidungen der Mitglieder bzw. Gesellschafter zur internen Willensbildung nicht nur zulässig, sondern üblich.130 Die Mehrheitsmacht und die daraus folgenden heteronomen Wirkungen für die überstimmte Minderheit kollidieren in diesem Bereich allerdings nicht mit dem Grundsatz der Privatautonomie und der Vertragsfreiheit der Minderheit; im Gegenteil, sie finden in der privatautonomen Entscheidung jedes Mitglieds sogar ihre Legitimationsgrundlage. Hierfür wird dogmatisch auf den jeweiligen Gründungs- oder Beitrittsvertrag zurückgegriffen. Die Mitgliedschaft in diesen Personengruppen basiert auf Freiwilligkeit. Jedes Mitglied einer juristischen Person des Privatrechts wie auch einer Personengesellschaft erwirbt seine Mitgliedschaft durch die freiwillige Teilnahme an der Gesellschaftsgründung bzw. durch späteren Beitritt zur Gesellschaft. Folgt die Geltung des Mehrheitsprinzips für die jeweilige Gesellschaftsform dann aus einer gesetzlichen Anordnung (so etwa beim Verein, § 32 BGB), so unterwirft sich das Mitglied im Gründungs- oder Beitrittsvertrag freiwillig dieser gesetzlich bestimmten Mehrheitsherrschaft.131 Ergibt sich die Mehrheitsherrschaft hingegen nicht aus dem Gesetz, sondern erst aus dem Gesellschaftsvertrag (so insbesondere bei Personengesellschaften), so unterwirft sich jedes Mitglied mit der Anerkennung der Mehrheitsklausel in seinem Gründungs- oder Beitrittsvertrag einer Entscheidungsbefugnis der Mehrheit über bestimmte Regelungsgegenstände. Ob man die Mehrheitsklauseln in Gesellschaftsverträgen im Einzelnen als antizipierte Zustimmung zur späteren mehrheitlichen Beschlussfassung, als Unterwerfung unter die Gestaltungsbefugnis der Mehrheit oder aber als Konsens über ein Entscheidungsverfahren begreift,132 kann hier dahinstehen.133 Jedenfalls basiert die Mehrheitsmacht auf einer pri130 Vgl. etwa §§ 32, 33 BGB (Verein), § 709 Abs. 2 BGB (Gesellschaft bürgerlichen Rechts), § 119 Abs. 2 HGB (Offene Handelsgesellschaft, über § 161 Abs. 2 HGB gilt diese Regelung auch für die Kommanditgesellschaft), § 133 AktG (Aktiengesellschaft), § 47 GmbHG (GmbH). 131 Der Gedanke der privatautonomen Unterwerfung des Mitglieds unter die Satzungsgewalt des Vereins ist heute wohl allgemein anerkannt – vgl. etwa Hadding, in: Soergel, BGB, Vor § 21 Rn. 50; Schwarz/Schöpfl in, in: Bamberger/Roth, BGB, § 21 Rn. 40, 55; Weick, in: Staudinger, BGB, Vorbem zu §§ 21 ff. Rn. 38 und selbst Steffen, in: RGRK, BGB, Vor § 21 Rn. 32, der ansonsten nicht dem ganz herrschenden Verständnis (modifizierte Vertragstheorie oder auch modifizierte Normentheorie) folgt. 132 Zu diesen Fragen näher: Leenen, FS Larenz, 1983, 371, 375 ff. oder Michalski, WiB 1997, 1, 2. 133 Die Mehrheitsklausel muss den Regelungsgegenstand der künftigen Mehrheitsherr-

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vatautonomen Entscheidung aller Gesellschafter. Diese Entscheidung legitimiert daher sogar Klauseln, welche die Mehrheitsmacht hinreichend konkret in den Kernbereich der Mitgliedschaftsrechte ausdehnen.134 Die Mehrheitsmacht in Gesellschaften leitet sich also von einer privatautonomen Entscheidung der vom Beschluss betroffenen und im Einzelfall überstimmten Mitglieder und wird daher durch eine privatautonome Willenserklärung legitimiert. Ungeachtet dessen verlangt eine beachtliche Zahl von Stimmen in der Literatur neben dieser (formalen) Legitimationsgrundlage für viele Fallgruppen einen zusätzlichen (materiellen) Minderheitenschutz in Form einer gerichtlichen Inhaltskontrolle von Mehrheitsbeschlüssen.135 Die Rechtspreschaft jedenfalls hinreichend bestimmt bezeichnen – sog. »Bestimmtheitsgrundsatz« – vgl. BGHZ 8, 35, 41; 170, 283, 286 f. (Otto); Habermeier, in: Staudinger, BGB, § 709 Rn. 50; Michalski, WiB 1997, 1, 3 ff.; Timm/Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, § 709 Rn. 33; Ulmer/ Schäfer, in: MünchKomm, BGB, § 709 Rn. 84 ff. Dieses Bestimmtheitserfordernis ist notwendig zur Bestimmung der Reichweite der erklärten Ermächtigung und hat in dieser Funktion (entgegen Ulmer/Schäfer, in: MünchKomm, BGB, § 709 Rn. 87 f.) durchaus seine aktuelle Berechtigung – so zutreffend BGHZ 170, 283, 286 f.; Michalski, WiB 1997, 1, 8; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 II 2 d (S. 456) und § 16 III 3 b dd (S. 474); Timm/Schöne, in: Bamberger/ Roth, BGB, § 709 Rn. 36. Als Auslegungsregel für den Parteiwillen ist daher auch die aus dem Bestimmtheitsgrundsatz entwickelte »Steigerungstrias« zu verstehen und weiter anzuwenden – vgl. dazu etwa BGHZ 8, 35, 41; 48, 251, 253; Immenga, ZGR 1974, 385, 418; Martens, DB 1973, 413, 416; Michalski, WiB 1997, 1, 8. Der Bestimmtheitsgrundsatz ermöglicht auf formalem Wege eine Begrenzung der Mehrheitsmacht und in diesem Sinne auch einen Minderheitenschutz auf einer ersten Prüfungsstufe. Eine inhaltliche Kontrolle der Mehrheitsbeschlüsse, also einen materiellen Minderheitenschutz, kann er jedoch nicht leisten – insoweit zutreffend Ulmer/Schäfer, in: MünchKomm, BGB, § 709 Rn. 88. Diese erfolgt in einer zweiten Prüfungsstufe nach anderen gesellschaftsrechtlichen Prinzipien wie etwa der Treuepfl icht – so nun ausdrücklich die ständige Rechtsprechung des BGH in BGHZ 170, 283, 287 f.; 179, 13, 21; NJW 2010, 65, 66 f.; grundsätzlich zustimmend Schmidt, ZIP 2009, 737, 738 und 741. Die Nichtanwendung des Bestimmtheitsgrundsatzes bei atypischen Personengesellschaften wie etwa Publikumsgesellschaften in den 1970iger Jahren bedeutet daher auch keine Aufgabe jeglichen Minderheitenschutzes, sondern die Konzentration auf einen materiellen Minderheitenschutz auf der zweiten Prüfungsstufe anhand gesellschaftsrechtlicher Prinzipien (Treuepflicht, Gleichbehandlungsgrundsatz) – siehe BGHZ 71, 53, 57 f.; 85, 350, 356 und 358; 132, 263, 268; BGH NJW 1995, 194 f.; NJW 2010, 65, 66 f.; näher zu dieser Entwicklung: Michalski, WiB 1997, 1, 3 ff.; Schiessl, DB 1986, 735; zuletzt auch Bohlken/Sprenger, DB 2010, 263, 266. 134 BGHZ 179, 13, 24. Näheres zur neuen, sog. »Kernbereichslehre« etwa bei BGH NJW 1995, 194; Habermeier, in: Staudinger, BGB, § 709 Rn. 51; Michalski, WiB 1997, 1, 8 f.; Timm/ Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, § 709 Rn. 35, 38; Ulmer/Schäfer, in: MünchKomm, BGB, § 709 Rn. 91 ff.; ablehnend noch Immenga, ZGR 1974, 385, 425. Auch diese Lehre konkretisiert lediglich die Anforderungen an die Bestimmtheit von Mehrheitsklauseln – so zutreffend etwa Schmidt, ZIP 2009, 737, 740. 135 Für Personengesellschaften etwa: Habermeier, in: Staudinger, BGB, § 709 Rn. 53; Michalski, WiB 1997, 1, 5, 8; Ulmer/Schäfer, in: MünchKomm, BGB, § 709 Rn. 100 f.; auch BGH NJW 1995, 194, 195 (jeweils im Zuge der Kernbereichslehre); dagegen aber etwa Schiessl, DB 1986, 735, 736 f. Für den Verein: Schwarz/Schöpfl in, in: Bamberger/Roth, BGB, § 21 Rn. 57, § 25 Rn. 28; Weick, in: Staudinger, BGB, Vorbem zu §§ 21 ff. Rn. 41; dagegen aber Reuter, in: MünchKomm, BGB, Vor § 21 Rn. 94, der bei Vorliegen einer Austrittsmöglichkeit als hinreichendem Mittel zum Selbstschutz auf eine Inhaltskontrolle verzichten will. Bei Kapi-

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chung hat hierauf reagiert und inzwischen auch bei Personengesellschaften damit begonnen, Mehrheitsklauseln generell zweistufig auf ihre formelle sowie ihre materielle Legitimität zu prüfen.136 Überträgt man diese Erkenntnisse auf die hier zu untersuchenden Befugnisse der Gläubigergruppe, so scheidet eine darauf gestützte Legitimation der Mehrheitsmacht aus, da eine privatautonome Unterwerfungsentscheidung der Gläubiger in einer Gruppe nicht existiert.137 Die Gläubiger werden nie freiwillig, sondern allein aufgrund ihrer Rechtsstellung, in der sie vom Plan betroffen werden, und der daraufhin erfolgenden Erfassung in einer Gläubigergruppe durch den Planinitiator Mitglied der jeweiligen Gläubigergruppe. Die Interessengemeinschaft der abstimmenden Gläubiger einer Gruppe ist eben eine Zwangsgemeinschaft. 2. Mehrheitsbeschlüsse bei Gemeinschaften – Notwendigkeit Eine Zwangsgemeinschaft wie etwa die Interessengemeinschaft einer Gläubigergruppe kommt nicht durch den freiwilligen Beitritt ihrer Mitglieder, sondern durch die Wahrnehmung gesetzlicher Befugnisse wie etwa die in § 222 InsO oder das Eingreifen eines gesetzlichen Tatbestandes wie etwa § 947 Abs. 1 BGB und damit unfreiwillig zustande. Einen erklärten Unterwerfungswillen der Mitglieder kann es folglich nicht geben; die Mehrheitsherrschaft lässt sich daher nicht wie bei Verbänden auf eine privatautonome Unterwerfung der jeweils überstimmten Teilhaber stützen. Bei der Interessengemeinschaft ist daher wie bei allen Zwangsgemeinschaften nach einer anderen Legitimation der Mehrheitsbefugnisse zu suchen. a) Die Mehrheitsmacht als Ausgleich Finden sich mehrere Personen zwangsweise zu einer Gemeinschaft verbunden, wie dies in einer Rechtsgemeinschaft gemäß § 741 BGB, aber auch in einer Gläubigergruppe gemäß § 222 InsO geschieht, so kann über Angelegenheiten der Gemeinschaft nur entschieden werden, wenn die Gemeinschaft einen einheitlichen Willen bilden kann. Nur dieser gemeinschaftliche Wille legitimiert Handlungen im Bezug auf den Gemeinschaftsgegenstand und ein Willensbildungsmechanismus ist daher zwingende Voraussetzung für die Handlungsfätalgesellschaften hat der Gesetzgeber für satzungsändernde Beschlüsse größere Mehrheiten vorgesehen und so einen weiteren formalen Minderheitenschutz geschaffen, der durch Klagerechte für den einzelnen Aktionär flankiert wird. Dennoch erfolgt auch in diesem Bereich eine Inhaltskontrolle der Beschlüsse auf der Grundlage der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht der Mehrheitsgesellschafter und des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Näheres dazu etwa bei: Bischoff, BB 1987, 1055, 1057 ff. 136 BGHZ 170, 283, 287 f.; 179, 13, 21; zustimmend Schmidt, ZIP 2009, 737, 738 f. 137 Dies ist auch die zutreffende Grundannahme von Basty, Gläubigerinteressen, S. 55; ebenso Gaul, FS Huber, 2006, 1187, 1209.

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Kapitel 3: Der Insolvenzplan als Vertrag bürgerlichen Rechts

higkeit der Gemeinschaft. Sieht man im Willen der Gemeinschaft den kollektivierten Willen ihrer Teilhaber, so verlangt die Willensbildung nach dem Einstimmigkeitsprinzip. Allein dieses Prinzip garantiert die Gleichwertigkeit und die Gleichbehandlung aller Mitglieder der Gemeinschaft und verwirklicht zugleich deren Privatautonomie.138 Folgerichtig geht etwa auch die gesetzliche Regelung der Rechtsgemeinschaft in § 744 Abs. 1 BGB zunächst davon aus, das alle Teilhaber einer Verwaltungsmaßnahme über den gemeinschaftlichen Gegenstand zustimmen müssen. Diese Regelung ist nun aber bei Zwangsgemeinschaften wenig praktikabel. Ihre Mitglieder haben sich nicht gegenseitig ausgewählt und sich nicht freiwillig zu einem bestimmten Zweck verbunden. Bei Zwangsgemeinschaften wie der Rechtsgemeinschaft und gerade auch der Gläubigergruppe eines Insolvenzplans werden Personen zusammengeführt, die sich nicht zusammenschließen wollten, keinen gemeinsamen Zweck verfolgten und folglich wenig Gemeinsinn mit in die Gemeinschaft bringen. Gerade in diesem Personenkreis besteht dann die Gefahr, dass die zur Willensbildung über wichtige Angelegenheiten notwendige Einigkeit der Teilhaber nicht erreicht werden kann und damit keine Entscheidung getroffen wird. Je größer der Kreis der Teilhaber im Einzelfall ist, desto größer wird auch die Gefahr, dass ein Teilhaber einer vorgeschlagenen Lösung – aus welchen Motiven auch immer – widerspricht. Diese Gefahr potenziert sich noch, wenn der Gegenstand der Beschlussfassung nicht klar und eindeutig, sondern kompliziert und vielschichtig wie ein Sanierungskonzept oder ein Geschäftsmodell ist. Hier sind selbst bei kleineren und befreundeten Gruppen Meinungsverschiedenheiten fast unvermeidlich139 und in der Willensbildung und Lösungsdiskussion ja auch erwünscht. In der Abstimmung hat dann jedoch jeder einzelne Widerspruch unter dem Einstimmigkeitsprinzip zur Folge, dass eine Blockade eintritt. Die Entscheidungsmacht der Personengruppe wird gelähmt; alle Mitglieder sind der Blockademacht (und damit der Verhandlungsmacht) eines einzelnen Teilhabers ausgeliefert. Mit der Entscheidungsfähigkeit entfällt zugleich jede berechenbare Handlungsfähigkeit der Zwangsgemeinschaft und damit wird unmittelbar deren Wert als Rechtsinstitut in Frage gestellt. Hierauf muss die Rechtsordnung korrigierend reagieren, indem sie das Prinzip der Einstimmigkeit nicht uneingeschränkt durchführt und das Mehrheitsprinzip zulässt.140 Letzteres ist also ein »rechtstechnischer Ausgleich« im

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Baltzer, Beschluss, S. 214. Meyer-Haberhauer hat nachgewiesen, dass unter den Gläubigern, die zur Abstimmung über einen Insolvenzplan berufen sind, »in der Realität nur in den seltensten Fällen Einigkeit« über einen bestimmten Plan auftreten wird (Insolvenzplan, S. 154) und die Mehrheitsregel daher als Entscheidungsmechanismus notwendig war (S. 189). 140 So schon die Motive, II, S. 875. Viele Verwaltungsentscheidungen in der Rechtsgemeinschaft unterliegen daher der Mehrheitsmacht – vgl. § 745 BGB. 139

C. Die Abstimmung der Gläubiger

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Konflikt zwischen dem Einstimmigkeitsgrundsatz und der Aktionsfähigkeit der Personengruppe.141 Die Wahl gerade des Majoritätsprinzips als Ausgleich ergibt sich zunächst aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz: Die Beschränkung der Rechte einzelner Teilhaber einer Gruppe wird so gering wie möglich gehalten, wenn nur eine Minderheit gegen ihren tatsächlichen Willen an Beschlüssen der Gruppe festgehalten wird. Der Mehrheitsbeschluss ist damit das mildeste Mittel im Vergleich zu ebenfalls denkbaren Entscheidungsverfahren, in denen man den Willen einzelner oder auch nur eines bestimmten Teilhabers als maßgeblich ansehen könnte.142 Das Majoritätsprinzip ist zugleich auch historisch aus dem Einstimmigkeitsgrundsatz gewachsen und kann als dessen Fortentwicklung verstanden werden. Anders als das griechische oder römische Recht ging gerade das germanische Recht für die Willensbildung bei Versammlungen von der notwendigen Zustimmung aller Beteiligten aus; Meinungsverschiedenheiten sollten durch Beratungen beseitigt werden. Gelang dies nicht, so führte das auch bei den Germanen nicht zu einer Handlungsunfähigkeit der Versammlung. Vielmehr gab die überwiegende Mehrheit der Anwesenden ihre Meinung in der Abstimmung durch so lautes Rufen oder Waffenklirren kund, dass Gegenstimmen »überstimmt« wurden und der Beschluss als einstimmig zustande kam.143 Im Mittelalter entwickelte sich daraus bereits die rechtliche Pflicht der Minderheit in einer Versammlung, sich dem Willen der Mehrheit unterzuordnen und dem Beschlussvorschlag zuzustimmen (»minor pars sequatur maiorem«).144 Das Einstimmigkeitserfordernis verlor seinen materiellen Gehalt. Die tatsächliche Anerkennung der Mehrheitsmacht im Angesicht ihrer praktischen Notwendigkeit findet sich dann schließlich nicht nur in den höheren klassischen, sondern auch in allen modernen Rechtsordnungen.145

141 Zutreffend Baltzer, Beschluss, S. 215; Baur/Stürner, Insolvenzrecht, Rn. 6.6; Bohn, Gesellschaftsbeschluss, S. 39; Dagtoglou, Kollegialorgane, S. 120 f.; Frei, Nichtige Beschlüsse, S. 51; in diesem Sinn auch Gaul, FS Huber, 2006, 1187, 1210; Gerloff, Funktionen und Aufgaben des Insolvenzgerichts, S. 157 f.; Hänel, Gläubigerautonomie, S. 146. 142 Die Notwendigkeit einer handlungsfähigen Personengruppe im Rechtsverkehr sowie die Verhältnismäßigkeit des Mehrheitsprinzips für die Sicherstellung dieser Handlungsfähigkeit rechtfertigen daher den gesetzlichen Mehrheitszwang gegenüber der überstimmten Minderheit (so legitimiert etwa auch Baums, ZBB 2009, 1, 5 f., die Mehrheitsmacht von Gläubigern einer Schuldverschreibung nach dem Schuldverschreibungsgesetz). Der Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Minderheit aus Art. 2 Abs. 1 GG ist durch die gesetzliche Anordnung zu diesem Zweck gerechtfertigt; die Rechtfertigungshürden liegen bei Eingriffen in die Privatautonomie aus Art. 2 Abs. 1 GG allerdings auch nicht sonderlich hoch – vgl. etwa di Fabio, in: Maunz/Düring, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 104. 143 Baltzer, Beschluss, S. 189. 144 Baltzer, Beschluss, S. 192 f.; Dagtoglou, Kollegialorgane, S. 117 f. 145 Dagtoglou, Kollegialorgane, S. 119.

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Kapitel 3: Der Insolvenzplan als Vertrag bürgerlichen Rechts

Schließlich gewährleistet das Majoritätsprinzip durch die notwendige Zustimmung einer Vielzahl von Personen in einem Beschlussverfahren, dass sich keine unerwünschten und gemeinwohlschädlichen Einzelinteressen durchsetzen. Der Einzelne ist mit seinen Interessen nur eine Stimme unter vielen. Je höher das notwendige Quorum, desto geringer ist die Gefahr einer einseitigen Entscheidung zugunsten Einzelner.146 Das Mehrheitsprinzip wirkt jedoch nicht nur defensiv gegen die Durchsetzung von Einzelinteressen zulasten des Gemeininteresses; es verbürgt auch, dass eine Entscheidung getroffen wird, die mit großer Wahrscheinlichkeit im Interesse aller und damit »die Richtige« ist. Denn die von vielen Teilhabern unterstützte Entscheidung wird in der Regel auch die richtige Entscheidung im Interesse aller sein (»pars maior, pars sanior«). Ausgeschlossen ist eine falsche Entscheidung damit zwar dennoch nicht; auch die Erkenntnis der Minderheit kann sich als die »richtige« herausstellen. In der Gesamtbetrachtung bietet ein Mehrheitsbeschluss aber bereits prinzipiell ein hohes Maß an Richtigkeitsgewähr für den Inhalt der getroffenen Entscheidung.147 b) Die Richtigkeitsgewähr von Mehrheitsentscheidungen Gerade in dieser Richtigkeitsgewähr liegt der entscheidende Legitimationsgrund für die Bindung aller Mitglieder einer Personengruppe an einen Mehrheitsbeschluss. Diese Feststellung mutet zunächst eigenartig an, wird eine solche Richtigkeitsvermutung doch klassischerweise nur einstimmigen Rechtsgeschäften, insbesondere dem Vertrag, beigelegt. Der hinter diesem Grundsatz stehende Gedanke ist einleuchtend: Wollen alle Beteiligten einmütig einen Vertrag mit einem bestimmten Inhalt, so rechtfertigt allein ihr freier Wille ihre Bindung an den Vertrag. Der Vertragsschluss ist ein Akt der Selbstbestimmung der beteiligten Personen und die Anerkennung seines Inhalts durch die Rechtsordnung beruht auf dem Wert und der Respektierung dieser Selbstbestimmung. Diese legitimiert (formell) die Bindungswirkung eines Vertrages. Doch damit nicht genug: Zugleich folgt aus der selbstbestimmten Zustimmung aller Beteiligten zu einem Vertrag, dass alle den Inhalt der Vereinbarung als richtigen Ausgleich ihrer – regelmäßig gegenläufigen – Interessen ansehen (»volenti non fit iniuria« – dem Zustimmenden geschieht kein Unrecht). Nicht nur die Vertragsbindung, sondern auch der Vertragsinhalt ist daher als Akt der Selbstbestimmung von der Rechtsordnung zu akzeptieren; eine allgemeine Inhaltskontrolle von Verträgen findet folglich nicht statt (Privatautonomie). Ein Vertrag hat danach – wie jeder Konsens – eine inhaltliche Richtigkeitswahrscheinlichkeit im Sinne einer subjektiven Richtigkeitsgewähr und ist damit auch materiell legitimiert.148 146

Baltzer, Beschluss, S. 216 f. Darauf zu Recht hinweisend: Baltzer, Beschluss, S. 213 f.; Dagtoglou, Kollegialorgane, S. 122; Hänel, Gläubigerautonomie, S. 146. 148 Diese Grundsätze scheinen inzwischen unstreitig – so auch Bonin, Tarifbindung, S. 71; 147

C. Die Abstimmung der Gläubiger

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Entscheidende Voraussetzung für diese legitimierende Richtigkeitsgewähr des Konsenses ist jedoch eine freie Willensbildung der Beteiligten. Nur eine freie, informierte und wohl überlegte Entscheidung des Einzelnen bedarf keiner Überprüfung durch die Rechtsordnung, sondern fordert ihre Anerkennung als selbstbestimmt, und trägt zugleich ihre Richtigkeitsgewähr in sich. Allein die Zustimmung einer umfassend informierten und frei von Zwängen oder Zeitnot handelnden Person lässt vermuten, dass der gefundene Inhalt des Konsenses auch der für sie »richtige« Interessenausgleich ist. War die Willensbildung hingegen gestört, versagt also der freie Wettbewerb der Verhandlungslösungen um einen Interessenausgleich (etwa aufgrund einer Zwangslage, eines Machtgefälles, fehlender Informationen oder Überlegungsfristen), so liegt in der Zustimmung der betroffenen Person kein anerkennungspflichtiger Akt der Selbstbestimmung. Damit entbehrt der fehlerhaft gefundene Interessenausgleich einer subjektiven Richtigkeitsgewähr.149 In dieser Situation darf die Rechtsordnung dem Konsens die vorbehaltlose Anerkennung verweigern und seinen Inhalt einer Gerechtigkeitskontrolle unterziehen, um auf diesem Wege die zur Legitimation einer Bindung aller Beteiligten notwendige objektive Richtigkeitsgewähr für den gefundenen Interessenausgleich sicherzustellen. Diese Gerechtigkeitskontrolle geschieht im deutschen Zivilrecht inzwischen mit durchaus vielfältigen Mitteln150 (gerade im modernen Verbraucherschutzrecht finden sich etwa Informationspflichten, Widerrufsrechte oder Schriftformerfordernisse), klassischerweise aber vor allem im Wege einer (richterlichen) Inhaltskontrolle im Sinne einer Benachteiligungskontrolle (vgl. nur die §§ 138, 242, 307 BGB).151 Entscheidend für unsere Untersuchung ist nun die Erkenntnis, dass in den Fällen eines Legitimationsdefizits bei konsensualen Entscheidungen wegen des Mangels in der Selbstbestimmung eine legitimierende Richtigkeitsgewähr durch richterliche Inhaltskontrolle geschaffen wird. Versagt also die Richtigkeitsvermutung, die sich aus der freien Selbstbestimmung der Parteien ergibt, so kann der gefundene Interessenausgleich gleichwohl rechtliche Anerkennung finden, wenn er einer richterlichen Inhaltskontrolle standhält. Diese Inhaltskontrolle hat dabei nicht zum Ziel, kreativ den bestmöglichen Interessenausgleich für die Rittner, AcP 188 (1988), 101, 121 ff. Näheres zu Privatautonomie und den in den Einzelheiten sehr verschiedenen Ausprägungen der Vertragslehre etwa bei Bonin, Tarifbindung, S. 60 ff.; Bydlinski, Privatautonomie, S. 52 ff., insbes. 68 f.; Flume, Rechtsgeschäft, S. 1 ff., insbes. 6 ff.; Heinrich, Formale Freiheit, S. 171 ff., insbes. 191; Limbach, JuS 1985, 10 ff.; Singer, Selbstbestimmung, S. 6 ff., insbes. 39 f.; grundlegend: Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130 ff. 149 Auch dies scheint unstreitig – vgl. etwa Bydlinski, Privatautonomie, S. 106 f.; Flume, Rechtsgeschäft, S. 10 f.; Singer, Selbstbestimmung, S. 12 ff., 43 f. 150 Hönn etwa spricht insoweit auch von einer »multidimensional strukturierten« Kompensation gestörter Vertragsparität – JuS 1990, 953, 956. Ein geschlossenes, einheitliches Konzept fehlt – so auch Heinrich, Formale Freiheit, S. 223. 151 Bydlinski, Privatautonomie, S. 107; Heinrich, Formale Freiheit, S. 296 ff.

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Kapitel 3: Der Insolvenzplan als Vertrag bürgerlichen Rechts

benachteiligte Partei zu finden; sie untersucht allein, ob diese Partei durch den gefundenen Konsens unangemessen (vgl. §§ 242, 307 BGB) oder gar sittenwidrig (§ 138 BGB) benachteiligt wird. Der Richter hat also grundsätzlich nur eine Verwerfungskompetenz, nicht jedoch eine eigene Gestaltungsbefugnis. Mehrheitsentscheidungen basieren nun (außer in den oben erläuterten und im Gesellschaftsrecht häufigen Fällen einer Unterwerfungserklärung) schon definitionsgemäß nie auf einem Konsens aller Beteiligten. Sie beinhalten damit auch nicht die aus dem Konsens folgende Richtigkeitsvermutung für den beschlossenen Interessenausgleich. Die Ausgangslage ist dennoch vergleichbar mit der eines Vertrages mit gestörter Vertragsparität. Dazu müssen zunächst alle Beteiligten den Gegenstand der Entscheidung gekannt und über alle für die Entscheidung notwendigen Informationen sowie eine hinreichende Überlegungsfrist verfügt haben. Stimmt auf dieser Basis die Mehrzahl der Beteiligten einer Lösung zu, so folgt allein schon aus dem Willen dieser Mehrzahl der Personen die Vermutung, dass die von vielen gewollte Lösung auch die »richtige« Lösung für alle ist (»pars maior, pars sanior«).152 Dies gilt umso mehr, wenn die Abstimmenden von der vorgeschlagenen Lösung alle in gleicher Weise betroffen werden, in der Gruppe also eine hohe Interessenhomogenität herrscht. Gerade dann lässt sich vermuten, dass die von vielen gewollten Opfer auch den wenigen Ablehnenden in Anbetracht der erwarteten Vorteile vernünftigerweise zuzumuten sind, ohne dass diese unangemessen benachteiligt werden. Die Situation der überstimmten Minderheit ist dann vergleichbar mit der einer Vertragspartei, die aufgrund einer gestörten, nicht frei selbstbestimmten Willensbildung in einen Vertrag »gezwungen« wurde. In beiden Fällen ergibt sich die Anerkennung der Rechtsordnung nicht allein aus der Tatsache des vorhandenen Vertrages oder Beschlusses mit der in ihnen wohnenden (hier aber nur unvollständigen) Richtigkeitsgewähr. Die Richtigkeit des gefundenen Interessenausgleichs ist vielmehr in beiden Fällen objektiv festzustellen. Dies geschieht dann bei Mehrheitsentscheidungen wie bei Verträgen mit gestörter Vertragsparität durch eine richterliche Inhaltskontrolle im Sinne einer Benachteiligungskontrolle. Sie wird bei Mehrheitsbeschlüssen als Minderheitenschutz bezeichnet. Diese richterliche Inhaltskontrolle ist übrigens weder bei Verträgen noch bei Mehrheitsbeschlüssen zwingend und konstitutiv für den Vertrag. Es liegt vielmehr wie im Vertragsrecht in der Dispositionsbefugnis der betroffenen Person, richterliche Hilfe anzurufen. Lässt sie sich im Angesicht des Mehrheitswillens hingegen von der gefundenen Lösung überzeugen, so findet keine Inhaltskontrolle gegen ihren Willen statt. Auch hier setzen sich die Dispositionsmaxime und damit die Privatautonomie der Parteien durch. Mehrheitsentscheidungen (Beschlüsse) erreichen damit eine den Verträgen vergleichbare Legitimation, wenn sie auf einer freien, informierten und wohl 152

Baltzer, Beschluss, S. 213.

C. Die Abstimmung der Gläubiger

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überlegten Entscheidung der Beteiligten beruhen und zugleich für die Minderheit das Recht zur richterlichen Benachteiligungskontrolle besteht. Sie bieten dann eine Richtigkeitsgewähr für den beschlossenen Inhalt. c) Die Mehrheitsmacht in der Gläubigergruppe nach § 244 InsO Das Abstimmungsverfahren der §§ 243 ff. InsO erfüllt alle aufgezeigten Voraussetzungen zum Auffinden einer »richtigen« Entscheidung durch Mehrheitsbeschluss. Die Anforderungen zum darstellenden und gestaltenden Teil des vorgelegten Insolvenzplans (§§ 219, 220 InsO) stellen die umfassende Information jedes Gläubigers über die Auswirkungen des Plans sicher. Allein durch die Stellungnahmefristen des § 232 Abs. 3 InsO ist zugleich eine hinreichende Überlegungszeit für jeden interessierten Gläubiger gewährleistet. Die Annahme des Plans verlangt dann eine doppelte Mehrheit (Kopf- und Summenmehrheit, § 244 Abs. 1 InsO) und damit ein qualifiziertes Quorum im Sinne des Gedankens der »pars maior, pars sanior«. Zudem finden sich in einer Gruppe nur Gläubiger mit gleicher Rechtsstellung oder gar gleichartiger wirtschaftlicher Interessenlage (§ 222 InsO), so dass sich die Vermutung noch verstärkt, dass die Lösung, welche für die Mehrheit gleichartig Betroffener die »Richtige« ist, auch für die Minderheit nicht falsch sein kann. Gerade die Gruppenbildung erhöht somit die Legitimationskraft des Mehrheitswillens. Dennoch wird auch der einzelne Minderheitsgläubiger geschützt. § 251 InsO gibt jedem überstimmten Gläubiger das Recht, den angenommenen Insolvenzplan im Wege des richterlichen Minderheitenschutzes zu vereiteln, wenn auch nur er allein durch den Plan schlechter gestellt wird als ohne einen Plan (§ 251 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Jeder Minderheitsgläubiger hat danach das Recht auf eine gerichtliche Inhaltskontrolle hinsichtlich einer angemessenen Berücksichtigung seiner Interessen. Besondere Opfer muss er gegen seinen Willen nicht hinnehmen. Zudem prüft das Insolvenzgericht von Amts wegen nicht nur die Einhaltung aller Verfahrensbestimmungen und damit der Verfahrensrechte der Beteiligten (§ 250 Nr. 1 InsO), sondern auch die Interessengerechtigkeit des Plans im Hinblick auf die Nichtverfolgung unerwünschter Eigeninteressen (§ 250 Nr. 2 InsO). Ein angenommener Plan hat damit eine Richtigkeitsgewähr, die wegen der obligatorischen richterlichen Bestätigung über die einer rein konsensualen Annahme sogar hinausgeht. Das Mehrheitsprinzip der §§ 243, 244 InsO ist als hinreichend legitimiert anzusehen, alle Beteiligten an den beschlossenen Interessenausgleich zu binden. d) Verfassungsrechtliche Aspekte der Mehrheitsmacht Diese Legitimation greift auch gegenüber verfassungsrechtlichen Bedenken durch. Während die zustimmende Mehrheit freiwillig eine Bindung eingeht und infolge des angenommenen Insolvenzplans auf Forderungsrechte oder zumindest auf deren sofortige Geltendmachung eben freiwillig verzichtet, treffen

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Kapitel 3: Der Insolvenzplan als Vertrag bürgerlichen Rechts

die Planwirkungen die überstimmte Minderheit gegen deren Willen. Hierin liegt nicht nur ein Eingriff in die – über Art. 2 Abs. 1 GG – geschützte Privatautonomie der Minderheit, sondern im Hinblick auf den Planinhalt vor allem und vorrangig153 ein Eingriff in von Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumspositionen, sind doch anerkanntermaßen auch bestehende Forderungsrechte grundrechtlich geschützte Vermögenspositionen.154 Ein solcher Eingriff bedarf dann der Rechtfertigung. Diese Rechtfertigung ergibt sich für das Insolvenzplanverfahren nicht ohne weiteres aus dem Gebot der Rücksichtnahme in Zwangsgemeinschaften, also aus einer besonderen Sozialbindung der betroffenen Eigentumspositionen. Zwar hielt der Bundesgerichtshof im Hinblick auf diese Sozialbindung die auf einem Mehrheitsbeschluss beruhende Verpflichtung des Teilhabers an einer Rechtsgemeinschaft, sein Einverständnis zu einer Verfügung über das gemeinschaftliche Grundstück (Widmung einer Straße) zu erteilen, für verfassungsgemäß. Das Eigentumsrecht am Grundstück stand dem überstimmten Teilhaber nicht allein zu, weshalb er zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Miteigentümer verpflichtet sei. Gerade diese Rücksichtnahmepflicht in einer Rechtsgemeinschaft sei Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums und die Mehrheitsmacht in der Rechtsgemeinschaft daher eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG.155 Diese Argumentation lässt sich aber nicht einfach auf das Insolvenzplanverfahren übertragen. Zwar besteht auch hier eine Rechtsgemeinschaft zwischen den Gläubigern. Diese beschränkt sich aber auf das Verwertungsrecht am Schuldnervermögen als gemeinschaftliches Recht. Der Insolvenzplan greift nun aber nicht nur in dieses gemeinschaftliche Verwertungsrecht, sondern darüber hinaus in die privaten Forderungsrechte der Gläubiger ein. Er geht daher in seiner Wirkung über das hinaus, was durch die Rechtsgemeinschaft zum gemeinschaftlichen Gut wurde und aus diesem Grunde der Sozialbindung unterliegt. Allerdings ist es nun gerade der gleichmäßige Eingriff des Insolvenzplans in ihre private Rechtsstellung, weswegen die Gläubiger in einem Insolvenzplanverfahren verschiedenen Gläubigergruppen zugeordnet werden (§ 222 Abs. 1 InsO). Die Gläubiger finden sich also gerade mit ihren privaten Forderungsrechten gegenüber dem Schuldner in einer Zwangsgemeinschaft wieder und werden auf diese Weise mit ihren Forderungsrechten sozialisiert. Eine derartige gesetzlich ermöglichte Sozialisierung von Eigentumspositionen bedarf nun ih153 Der Eingriff in die in Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Privatautonomie tritt im Wege der Subsidiarität hinter einen – aus dem Inhalt der Bindung folgenden – Eingriff in Eigentumsrechte aus Art. 14 Abs. 1 GG zurück; allgemeine Ansicht – vgl. BVerfGE 26, 215, 222; Bäuerle, Vertragsfreiheit, S. 383; di Fabio, in: Maunz/Düring, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 103. 154 BVerfGE 83, 201, 209; 89, 1, 6; 92, 262, 271; Carl, Teilnahmerechte im Konkurs, S. 147; di Fabio, in: Maunz/Düring, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 103. 155 BGHZ 101, 24, 27.

C. Die Abstimmung der Gläubiger

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rerseits bereits im Hinblick auf die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG einer Rechtfertigung und erscheint nur dann legitim, wenn sie den Eigentümern Vorteile bringt und zugleich wichtige öffentliche Aufgaben erfüllt werden.156 Beide Voraussetzungen erfüllt die Einteilung in Gläubigergruppen. Wie bereits erläutert157, werden die Gläubiger von einem Insolvenzplan nicht wie im Regelinsolvenzverfahren einheitlich und entsprechend der Rechtsstellung betroffen, mit der sie in die Insolvenz einstiegen. Folglich kann auch die Abstimmung über den Insolvenzplan nicht durch eine gemeinsame Entscheidung aller Gläubiger in einer Gläubigerversammlung erfolgen, bei der sich das Stimmgewicht allein an der Rechtsstellung orientiert, mit welcher der Gläubiger im Insolvenzverfahren beteiligt ist. In diesem Fall hätten die Großgläubiger die Planannahme in ihrer Hand und könnten den anderen Gläubigern Opfer aufzwingen, die nicht von einer optimalen Insolvenzbewältigung im Interesse aller Beteiligten gerechtfertigt sind. Bei der Abstimmung über den Plan muss vielmehr jedem gleichartig vom Plan betroffenen Gläubiger ein prinzipiell gleiches Stimmgewicht zustehen. Dies wird erreicht, indem die Mehrheitsmacht auf Gruppen verteilt wird, in denen sich Gläubiger mit gleicher Rechtsstellung finden, die im Fall der Gruppenbildung nach § 222 Abs. 2 InsO sogar dieselben wirtschaftlichen Interessen verfolgen. Findet sich dann in einer Gruppe eine Mehrheit der gleichartig betroffenen Gläubiger bereit, die planmäßig für sie vorgesehenen gleichen Opfer zu tragen, so legitimiert diese Entscheidung auch die Bindung der vom Plan gleichartig betroffenen Minderheit. Die gesetzliche Regelung zur Gruppenbildung verhindert also eine Vormachtstellung der Großgläubiger und erleichtert damit das Auffinden der für alle optimalen Verwertungsregelung. Die Zwangskollektivierung in Gläubigergruppen ist daher für den vernünftigen Gläubiger vorteilhaft. Zugleich wird eine einseitige, Individualinteressen bevorzugende Verwertungsregelung verhindert und damit auch dem Ordnungsgedanken des Insolvenzverfahrens als dessen öffentlicher Aufgabe Rechnung getragen. Schließlich stellt § 222 Abs. 2 Satz 2 InsO sicher, dass die Gruppenbildung nach sachgerechten Kriterien erfolgen muss. Werden durch den Plan verschiedene Gruppen ungleich stark betroffen, was im Umkehrschluss zu § 226 InsO zulässig und sogar gewollt ist, so beruht diese Ungleichbehandlung auf sachgerechten Unterschieden zwischen den Gläubigern und hält damit einer Kontrolle am Maßstab des Art. 3 GG stand. Insgesamt

156 Hierzu insbesondere Leisner, DVBl. 1976, 125, 131; siehe auch die Contergan-Entscheidung (BVerfGE 42, 263), in der das BVerfG ebenfalls eine Zusammenfassung der privaten Ausgleichsansprüche aller Geschädigten in einen Fonds im Hinblick auf die »Schicksalsgemeinschaft der Geschädigten« und auf die Vorteile in der Realisierung der Ansprüche durch gemeinsames Auftreten rechtfertigt: »es sollte das recht verstandene Eigeninteresse der Betroffenen verwirklicht werden« – BVerfGE 42, 263, 299. 157 Siehe oben C. II. 3. b).

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Kapitel 3: Der Insolvenzplan als Vertrag bürgerlichen Rechts

erscheint daher die Zwangskollektivierung der Gläubiger in Gläubigergruppen durch das Insolvenzplanverfahren als verfassungsrechtlich unbedenklich.158 Entschließt sich nun innerhalb einer Gläubigergruppe die Mehrheit zur Annahme des Planes und kommt dieser dann zustande, so beinhaltet er regelmäßig Kürzungen der Forderungsrechte aller Gläubiger. Der darin liegende Eingriff in die Eigentumsrechte der überstimmten Minderheit kann vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seit dem »Feldmühle-Urteil« gerechtfertigt sein. Dieses hielt den Entzug von Minderheitsaktien in einer übertragenden Umwandlung durch einen Mehrheitsbeschluss für verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn es für den Eingriff in die Rechtsposition der Minderheitsaktionäre gewichtige Gründe des Gemeinwohls gibt, den Minderheitsaktionären wirksame Rechtsbehelfe gegen einen Missbrauch wirtschaftlicher Macht zur Verfügung stehen und sie für den Verlust ihrer Rechtsposition wirtschaftlich voll entschädigt werden.159 Diese grundsätzlichen Rechtfertigungsvoraussetzungen erfüllt das Insolvenzplanverfahren. Es dient einer optimalen Haftungsverwirklichung im Interesse aller Beteiligten. Zugleich verhindert es die Vernichtung wirtschaftlicher Werte durch einen Zerschlagungsmechanismus und liegt damit auch im Interesse der Volkswirtschaft. Es verfolgt folglich keine Individualinteressen, sondern gewichtige Interessen des Gemeinwohls. Der daneben notwendige Missbrauchsschutz erfolgt im Insolvenzplanverfahren gemäß § 250 InsO sogar von Amts wegen, da das Insolvenzgericht jeden mehrheitlich angenommenen Insolvenzplan bestätigen und damit dessen ordnungsgemäßes und lauteres Zustandekommen prüfen muss. Schließlich wird jedem überstimmten Gläubiger über den gerichtlichen Minderheitenschutz nach § 251 InsO jedenfalls die Insolvenzquote garantiert. Er wird damit für eventuelle Rechtsverluste durch den Plan wirtschaftlich voll entschädigt, indem ihm im Vergleich zum Regelinsolvenzverfahren bei wirtschaftlicher Betrachtung keine Einbuße entsteht. Der wirtschaftliche Wert einer Forderung bemisst sich nicht nach dem Nominalwert der Forderung, sondern nach dem wirtschaftlichen Wert der Forderung, und wird bei einem insolventen Schuldner damit nur noch durch die zu erwartende Quote im Regelinsolvenzverfahren bestimmt.160 Zwar bleibt die Forderung auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens gemäß § 201 Abs. 1 InsO formal bestehen, soweit sie nicht durch Leistungen im Insolvenzverfahren befriedigt wurde. Dieses Nachforderungsrecht geht bei Unternehmensinsolvenzen – und nur diese sind für einen Insol158

Grundsätzliche Bedenken werden – soweit ersichtlich – auch nicht erhoben. BVerfGE 14, 263, 282 f.; bestätigt in den Entscheidungen zum aktienrechtlichen Squeeze-Out: BVerfGE 100, 289, 302 f.; BVerfG NJW 2001, 279, 280; NJW 2007, 3268, 3269 f.; ZIP 2007, 2121, 2122; ZIP 2010, 571, 574. 160 BVerfGE 100, 289, 305. (in diese Richtung aber Basty, Gläubigerinteressen, S. 59; Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 222 Rn. 35 und wohl auch Smid, InVo 1997, 169, 177; dagegen zutreffend Hess/Weis, InVo 1998, 64, 65). 159

C. Die Abstimmung der Gläubiger

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venzplan offen (vgl. § 312 Abs. 2 InsO) – jedoch regelmäßig ins Leere, da der Unternehmensträger entweder infolge des Insolvenzverfahrens erlischt, da er eine juristische Person oder Personengesellschaft ist, oder aber sich ein Restschuldbefreiungsverfahren über eine vermögenslose natürliche Person anschließt, welches in absehbarer Zeit ebenfalls zum Erlöschen der Forderung führt. Das Nachforderungsrecht ist somit »ohne wirtschaftlichen Wert«.161 Die Gläubiger haben damit – wie § 252 Abs. 1 Nr. 2 InsO zu Recht regelt – nur einen Anspruch auf eine Entschädigung in Höhe der zu erwartenden Quote. Sie haben insbesondere keinen Anspruch auf eine optimale Haftungsverwirklichung durch einen für sie optimalen Insolvenzplan,162 da ein solcher Plan stets von der Mitwirkung und auch der Mitfinanzierung durch andere Gläubiger abhängt, auf welche kein Mitgläubiger einen rechtlichen Anspruch hat. Eine nicht sachgerechte Gruppenbildung ist daher auch allein in Hinblick auf Art. 3 GG bedenklich, nicht aber wegen Art. 14 GG, da § 251 InsO den wirtschaftlichen Wert der Insolvenzforderungen stets garantiert. Die Mehrheitsmacht des Insolvenzplanverfahrens ist folglich auch verfassungsrechtlich unbedenklich.163

V. Zwischenergebnis Es ist damit zunächst festzuhalten, dass die einzelnen Gläubiger einem Insolvenzplan nicht einzeln gegenübertreten; vielmehr werden alle betroffenen Gläubiger Gläubigergruppen zugeordnet, in denen sie mit Gläubigern zusammengefasst werden, die zumindest durch den Plan auf gleiche Weise in ihren Rechten betroffen sind (§ 222 Abs. 1 InsO). Es darf aber auch darüber hinaus danach differenziert werden, ob die gleich betroffenen Gläubiger auch gleichartige wirtschaftliche Interessen verfolgen (§ 222 Abs. 2 Satz 1 InsO). Innerhalb jeder so entstandenen Gruppe findet dann die Willensbildung der Gläubiger über den Plan statt. Dies geschieht nach der Erörterung des Planinhalts (§ 235 InsO) durch Abstimmung über den Plan in den einzelnen Gruppen (§ 243 InsO), wobei grundsätzlich jede einzelne Gruppe den Plan durch Mehrheitsbeschluss annehmen muss (§ 244 InsO). Die Feststellung des Abstimmungsergebnisses enthält damit zugleich die Feststellung des Willens der Gläubigergruppen hinsichtlich des vorgelegten Insolvenzplanes. Das Abstimmungsergebnis jeder Gruppe ist daher vom Insolvenzgericht sofort im Abstimmungstermin festzu161

In diesem Sinne auch BVerfGE 92, 262, 272. In diese Richtung aber Basty, Gläubigerinteressen, S. 59; Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 222 Rn. 35 und wohl auch Smid, InVo 1997, 169, 177; dagegen zutreffend Hess/Weis, InVo 1998, 64, 65. 163 Ebenso Lepa, Insolvenzordnung und Verfassungsrecht, S. 252 ff. Insbesondere besteht keine Notwendigkeit für eine ausufernde richterliche Kontrolle der Gruppenbildung vor dem Abstimmungstermin nach § 231 InsO (so aber Smid, InVo 1997, 169, 176 f.), da eine Missbrauchskontrolle aus Effektivitätsgründen auf angenommene Pläne beschränkt werden sollte und ohnehin über die §§ 250, 251 InsO stattfi ndet (zutreffend Hess/Weis, InVo 1998, 64, 65). 162

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Kapitel 3: Der Insolvenzplan als Vertrag bürgerlichen Rechts

stellen, ins Protokoll aufzunehmen und bekannt zu geben.164 Damit steht am Ende der Abstimmung der Wille jeder einzelnen Gruppe fest; jede hat über den Plan einen Beschluss gefasst, der alle Gruppenmitglieder bindet, gerade auch die überstimmten.

VI. Die Ausführung des Beschlusses – die Willenserklärungen der Gläubiger Dieser Beschluss beinhaltet nun aber nur die interne Seite der Willensbildung; er ist nicht mehr als die »bloße Fixierung« oder Manifestation des Willens der Personengruppe als Grundlage für deren Handlungen nach außen.165 Die Ausführung des Beschlusses, also die eigentliche Willenserklärung im rechtlich erheblichen Sinn, gehört nicht zur Willensbildung und obliegt daher auch in der Regel nicht dem Willensbildungsorgan, sondern dem Vertretungsorgan einer Personengruppe. Der Beschluss bedarf also noch seiner Ausführung. Ist etwa der Abschluss eines Vertrages mit einem oder mehreren außen stehenden Personen beschlossen worden, so ist nach der Beschlussfassung nun dieser Vertrag mittels der Abgabe der entsprechenden Willenserklärungen durch das Vertretungsorgan noch abzuschließen.166 Wollen folglich die Gläubiger einander sowie den Schuldner an den gewollten Insolvenzplan binden, so bedarf es noch der entsprechenden Willenserklärungen als Vertragserklärungen. 1. Keine Willenserklärung der einzelnen Gläubigergruppe Diese Willenserklärungen können nun aber nicht von der Gläubigergruppe selbst stammen. Die einzelne Gläubigergruppe ist eine schlichte Interessengemeinschaft und damit – wie eine Rechtsgemeinschaft nach § 741 BGB – selbst nicht rechtsfähig. Sie kann damit im Rechtsverkehr keine Willenserklärungen im eigenen Namen und mit bindender Wirkung für sich selbst und alle ihre Mitglieder abgeben. Die auf Ausführung des Beschlusses gerichteten Willenserklärungen müssen daher – ebenfalls in Anlehnung an die Rechtslage bei er Rechtsgemeinschaft – von den Mitgliedern der Gruppe selbst stammen oder aber ihnen zumindest im Wege der Stellvertretung zugerechnet werden können. 2. Die Willenserklärungen der zustimmenden Gläubiger Steht also fest, dass die nach außen gerichteten Willenserklärungen nicht von der Gläubigergruppe als solcher kommen können, so liegt es nahe, sie wieder164 Flessner, in: Heidelberger Kommentar, InsO, § 244 Rn. 10; Hintzen, in: MünchKomm, InsO, § 243 Rn. 5. 165 Baltzer, Beschluss, S. 128 f.; 175; Frei, Nichtige Beschlüsse, S. 62 f. 166 Unstreitig – vgl. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 15 I 4 (S. 439 f.).

C. Die Abstimmung der Gläubiger

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um in den Abstimmungserklärungen der Gläubiger zu suchen. Mit seiner Stimmabgabe gibt der zustimmende Gläubiger kund, dass er den zur Abstimmung gestellten Plan für sich gelten lassen will, falls dieser (mehrheitlich) angenommen und bestätigt wird. Eine nochmalige Erklärung der zustimmenden Gläubiger nach der Abstimmung und im Angesicht einer mehrheitlichen Annahme des Planes bzw. nach dessen Bestätigung gibt es nicht. Vielmehr wird der zustimmende Gläubiger im Falle der Annahme und Bestätigung des Planes an seinem einmal geäußerten Willen festgehalten. Diese Regelung im Insolvenzplanverfahren ist ungewöhnlich, muss doch grundsätzlich streng zwischen der Stimmabgabe als der Willenserklärung, die allein auf die interne Willensbildung und das Zustandekommen eines entsprechenden Beschlusses gerichtet ist167, und der Abgabe einer nach außen gerichteten Willenserklärung zum Zwecke des Vertragsschlusses unterschieden werden.168 Beide Erklärungen haben trotz desselben Gegenstandes (hier z. B. einen bestimmten Insolvenzplan) einen verschiedenen Inhalt, da sie sich an verschiedene Adressatenkreise richten: Die Stimmabgabe richtet sich an die anderen Gruppenmitglieder und soll allein die interne Willensbildung beeinflussen169 ; die Abgabe eines Vertragsangebot in Ausführung des Beschlusses richtet sich hingegen gerade nicht an die anderen Gruppenmitglieder, sondern an den Vertragspartner, also einen Dritten.170 Beide Erklärungen sind im Normalfall sauber zu trennen. Beschließt also etwa eine Rechtsgemeinschaft an einem Grundstück, dieses zu verpachten, so ist die Zustimmungserklärung eines Teilhabers im Abstimmungstermin der Gemeinschaftsversammlung nur seine Stimmabgabe, während seine Unterschrift unter den Pachtvertrag mit dem Pächter erst die vertraglich relevante Willenserklärung enthält. Eine derartig saubere Trennung enthält das Insolvenzplanverfahren nicht – aus Effektivitätsgründen. Dem Gesetzgeber kam es gerade darauf an, alle Fragen um die Annahme eines vorgeschlagenen Insolvenzplans in nur einem Abstimmungstermin zu erledigen.171 Dieser beginnt mit der Erörterung des Planvorschlags und der Stimmrechte (§ 235 Abs. 1 InsO) und endet nach der gesetzgeberischen Wunschvorstellung mit der Verkündung der Planbestätigung (§ 252 Abs. 1 Satz 1 InsO). Folgerichtig hat der Gesetzgeber alle beteiligten Personen zu diesem einen Termin hinzugezogen. Anders als in üblichen Versamm167 Die Stimmabgabe wird zutreffend als Willenserklärung im technischen Sinne verstanden – vgl. RGZ 118, 67, 69; Baltzer, Beschluss, S. 142; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 15 I 2 b (S. 437) m. w. N. 168 Baltzer, Beschluss, S. 128 f.; Frei, Nichtige Beschlüsse, S. 56, 63; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 15 I 4 (S. 439). 169 Baltzer, Beschluss, S. 144; Frei, Nichtige Beschlüsse, S. 62. 170 Baltzer, Beschluss, S. 128; Frei, Nichtige Beschlüsse, S. 63. 171 Siehe insbesondere die Straffung des Verfahrens durch den Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages, welche gerade die Zusammenfassung des Annahmeverfahrens in möglichst nur einem Termin zum Ziel hatte, BT-Drucks 12/7302, S. 183.

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Kapitel 3: Der Insolvenzplan als Vertrag bürgerlichen Rechts

lungen von Personengruppen zur Beschlussfassung sind daher nicht nur die stimmberechtigten Gruppenmitglieder (die Gläubiger), sondern auch der Schuldner zum Abstimmungstermin zu laden (§ 235 Abs. 3 InsO bzw. § 241 Abs. 2 Satz 1 InsO). Der Gesetzgeber konzentriert auf diese Weise alles auf den Abstimmungstermin; in einem Termin soll der Plan stehen oder fallen. Vor diesem Hintergrund wäre es nun reiner Formalismus, die Gläubiger zunächst abstimmen zu lassen, um die erste Willenserklärung in Form der Stimmabgabe von ihnen einzuholen, um sie dann bei einem positiven Abstimmungsergebnis nochmals darum zu bitten, ihre Erklärung – nun in Richtung des Schuldners und aller Gläubiger – zu wiederholen, zumal sie aufgrund des Beschlusses ohnehin an ihren intern erklärten Zustimmungswillen gebunden sind. Die Erklärung jedes Gläubigers im Abstimmungstermin, er sei für den vorgelegten Insolvenzplan, enthält daher ausnahmsweise gleich zwei Willenserklärungen: die an die anderen Gläubiger in seiner Gruppe gerichtete Stimmabgabe zur Beeinflussung der Willensbildung in der Gruppe und die an den Schuldner und alle Gläubiger gerichtete Willenserklärung, bei Annahme des Planes an ihn gebunden sein zu wollen.172 Allein die letztere Erklärung ist dabei diejenige, die den einzelnen Gläubiger an den Plan bindet; sie ist seine Vertragserklärung. Grundsätzliche Bedenken oder Einwände gegen eine derartige Konzentration von Beschlussfassung und Beschlussausführung sind nicht ersichtlich. So hält es insbesondere auch Karsten Schmidt für möglich, in der Mitteilung des Beschlussergebnisses zugleich auch die konkludente Ausführung des Beschlusses zu sehen, wenn alle dazu notwendigen Beteiligten anwesend sind.173 Genau eine solche Situation findet sich im Abstimmungstermin des Planverfahrens. 3. Die Zustimmungserklärungen der überstimmten Minderheit Eine Willenserklärung mit zustimmendem Inhalt fehlt nun aber bei den Gläubigern gänzlich, die gegen den Plan votiert haben. Diese sind andererseits durch den wirksamen Beschluss ihrer Gläubigergruppe einem gemeinsamen Willen unterworfen, der sie zur Mitwirkung an der Beschlussausführung verpflichtet. Allein diese Mitwirkungspflicht ergibt nun aber noch keine Willenserklärung. In Betracht käme, die Willenserklärungen der zustimmenden Gläubiger zugleich auch im Wege einer Stellvertretung den ablehnenden Gläubigern zuzurechnen174 oder aber die ablehnenden Gläubiger auf Mitwirkung, d. h. auf Abga172 Ebenso Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 217 Rn. 20, wenn er die zustimmende Stimmabgabe jedes Gläubigers nicht nur als »Element verbandsinterner Willensbildung«, sondern zugleich als vertragsrechtliche Willenserklärung im Verhältnis zum Schuldner ansieht; ähnlich Gaul, FS Huber, 2006, 1187, 1213. 173 Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 15 I 4 (S. 440). 174 Diese Konstruktion wurde z. B. für den Zwangsvergleich diskutiert – vgl. im Ersten Kapitel B. III. 2. b).

C. Die Abstimmung der Gläubiger

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be der zur Ausführung des Beschlusses notwendigen Willenserklärung gegenüber Dritten, zu verklagen und die pflichtige Willenserklärung dann über § 894 ZPO zu fingieren. Beide Wege werden diskutiert, wenn es um die Ausführung von Beschlüssen einer Rechtsgemeinschaft geht – der gesetzlich geregelten Grundform einer Zwangsgemeinschaft. Bei der Rechtsgemeinschaft ist nach wie vor streitig, ob allein ein wirksamer Mehrheitsbeschluss die Mehrheit der Mitglieder legitimiert, den Beschluss auch kraft dieser Mehrheit zu vollziehen. Kann also beispielsweise der gemeinschaftliche Gegenstand verpachtet werden, wenn die Mehrheit dies beschließt, oder bedarf es zum wirksamen Abschluss des Pachtvertrags mit Bindungswirkung für alle Mitglieder der Gemeinschaft auch einer entsprechenden Willenserklärung aller? Eine Ansicht175 entnimmt der Mehrheitsmacht zugleich auch die Legitimation zum Vollzug des Beschlusses durch die Mitgliedermehrheit ohne Beteiligung der Minderheit und dies sowohl für Verpflichtungs- als auch für Verfügungsgeschäfte mit Dritten, solange diese über den gemeinschaftlichen Gegenstand nicht hinausgehen, also nicht das Privatvermögen der Teilhaber betreffen. Die durch den Beschluss geschaffene interne Bindung legitimiert danach auch die gegen den Willen der Minderheit geschaffene (vertragliche) Bindung gegenüber Dritten. Die Unterschrift nur der zustimmend votierenden Teilhaber auf dem Pachtvertrag würde danach genügen, um einen Pachtvertrag über den gemeinschaftlichen Gegenstand zu schließen, der alle Teilhaber bindet. Die Gegenmeinung176 sieht die Mehrheit trotz des Beschlusses nicht zum eigenmächtigen Vollzug legitimiert und verlangt stets die (gegebenenfalls auf dem Klageweg zu erreichende) Mitwirkung der überstimmten Minderheit, so dass im Ergebnis jedenfalls nach außen die Zustimmung aller Teilhaber zum Vertrag vorliegt und der Grundsatz der Privatautonomie damit jedenfalls formal gewahrt wird. Allerdings wird auch die im Klageweg erzwungene Zustimmungserklärung der überstimmten Teilhaber nicht tatsächlich von diesen abgegeben, sondern bei einem stattgebenden Urteil gemäß § 894 ZPO ersetzt. Auch hier beruht die Bindung der Minderheit gegenüber Dritten aus dem Vertrag somit nicht auf deren freien Willen, sondern auf der Bindung durch den Beschluss. Die Unterschriften der den Vertrag ablehnenden Teilhaber können also weiterhin auf dem Pachtvertrag fehlen, solange wegen § 894 ZPO ihre Zustimmungspflicht in einem Urteil rechtskräftig festgestellt wurde. 175 Aderhold, in: Erman, BGB, § 745 Rn. 5; Gehrlein, in: Bamberger/Roth, BGB, § 745 Rn. 8 Fn. 52; Schmidt, in: MünchKomm, BGB, § 745 Rn. 31; Sprau, in: Palandt, BGB, § 745 Rn. 4. 176 Die Mehrheit soll nach dieser Ansicht allenfalls in Eil- und Notfällen ohne die Minderheit handeln dürfen: Flume, Personengesellschaft, S. 117 f.; von Gamm, in: RGRK, BGB, §§ 745, 746 Rn. 10; Jülicher, AcP 175 (1975), 143, 147 ff.; früher auch der II. Zivilsenat des BGH in BGHZ 49, 183, 192 f. Gegen jede Mehrheitsmacht: Langhein, in: Staudinger, BGB (2008), § 745 Rn. 40–45.

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Kapitel 3: Der Insolvenzplan als Vertrag bürgerlichen Rechts

Die wohl herrschende Ansicht177 wiederum differenziert: Verpflichtungsgeschäfte könne die Mehrheit auch ohne die Minderheit abschließen; insoweit verleihe der Mehrheitsbeschluss Vertretungsmacht für die Minderheit. Verfügungen hingegen seien wegen § 747 Satz 2 BGB nur möglich, wenn die Minderheit zustimme, was gegebenenfalls gerichtlich über § 894 ZPO erreicht werden müsse. Im Beispiel würde diese Ansicht damit der erstgenannten folgen und den Pachtvertrag auch ohne die Unterschriften der ablehnenden Teilhaber und ohne Urteil als verbindlich für alle ansehen. Wie auch immer man in dieser Frage entscheiden will; in jedem Fall wird der überstimmte Minderheitsteilhaber nicht aufgrund seiner selbstbestimmten, also materiell privatautonomen Entscheidung an das Ergebnis des Vollzugs des Beschlusses gebunden. Auch in den Fällen, in denen seine Zustimmung gerichtlich über § 894 ZPO erzwungen wird, hat er zwar technisch im Wege der Fiktion eine Willenserklärung abgegeben, tatsächlich jedoch gibt es keinen Zustimmungswillen. Sein Wille wird durch das gerichtliche Urteil ersetzt und dieses basiert allein auf der Rechtmäßigkeit des Mehrheitsvotums.178 Die Ansichten unterscheiden sich daher weniger in der (Nicht-)Respektierung des Selbstbestimmungsrechts der überstimmten Teilhaber als allein in der Frage einer generellen Notwendigkeit gerichtlichen Zwangs und der damit verbundenen zwingenden gerichtlichen Überprüfung des Mehrheitsbeschlusses. Der Unterschied liegt somit bei genauer Betrachtung allein im Niveau des Minderheitenschutzes und allein die Frage nach hinreichendem Minderheitenschutz beherrscht daher auch die Diskussion.179 Für die vorliegende Untersuchung kann auf eine Entscheidung des Meinungsstreits verzichtet werden. Festzuhalten bleibt zum einen die Erkenntnis, dass auch nach der strengsten Ansicht ein Mehrheitsbeschluss im Zusammenspiel mit einer allein auf der Grundlage der Rechtmäßigkeit (nicht der Billigkeit oder Zweckmäßigkeit) desselben ergehenden gerichtlichen Entscheidung die ablehnende Minderheit auch gegen ihren tatsächlichen Willen bindet. Wichtig und ebenfalls besonders zu betonen ist zum zweiten, dass unstreitig trotz dieses Eingriffs in die Privatautonomie der Minderheit das nach außen zustande kommende Ergebnis des Beschlussvollzugs immer ein Vertrag bürgerlichen Rechts ist, solange nur der Abschluss eines solchen Vertrags Gegenstand der Willens177 BGHZ 56, 47, 50; 140, 63, 68; von Ditfurth, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, § 745 Rn. 4; Hadding, in: Soergel, BGB, § 745 Rn. 2, 9. 178 Es ist allein der Mehrheitsbeschluss, der alle Teilhaber zur Mitwirkung an seiner Ausführung verpflichtet, und nur diese Verpflichtung wird gerichtlich durchgesetzt (unstreitig) – vgl. etwa BGHZ 140, 63, 68; von Gamm, in: RGRK, BGB, §§ 745, 746 Rn. 10; Gehrlein, in: Bamberger/Roth, BGB, § 745 Rn. 7; Jülicher, AcP 175 (1975), 143, 155; Langhein, in: Staudinger, BGB (2008), § 745 Rn. 27, 40, 44; Schmidt, in: MünchKomm, BGB, § 745 Rn. 30. 179 Vgl. etwa BGHZ 49, 183, 192 f.; 56, 47, 51; von Gamm, in: RGRK, BGB, §§ 745, 746 Rn. 10; Jülicher, AcP 175 (1975), 143, 147 ff.; Langhein, in: Staudinger, BGB (2008), § 745 Rn. 40.

C. Die Abstimmung der Gläubiger

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bildung in der Rechtsgemeinschaft war. Schon ein gesetzlich legitimierter Mehrheitsbeschluss und die Ersetzung der Zustimmungserklärungen der Minderheit zur Beschlussausführung über § 894 ZPO genügen danach, um einem Vertrag auch heteronome Wirkungen zu geben. Überträgt man diese Erkenntnisse auf das Insolvenzplanverfahren, so wird deutlich, dass der Gesetzgeber zur Legitimation der Mehrheitsmacht hier den sicheren Weg gewählt hat und eine obligatorische richterliche Kontrolle vorschreibt. Der Insolvenzplan beinhaltet nicht allein Verpflichtungen für die Beteiligten; er gestaltet bereits unmittelbar die Rechtslage und verändert die Zuordnung von Gegenständen und hat damit Verfügungswirkungen (§ 254 Abs. 1 Satz 2 InsO). Die Befugnis der Mehrheit zur Vertretung der Minderheit bei der Abgabe der zustimmenden Willenserklärungen ohne eine Rechtmäßigkeitskontrolle durch ein Gericht ist damit zumindest problematisch, wenngleich sie nicht ausgeschlossen erscheint.180 Indem aber das Insolvenzgericht obligatorisch die Rechtmäßigkeit des Beschlusses überprüft (§§ 248 Abs. 1, 250 InsO), wird allen geäußerten Bedenken Rechnung getragen. Wie bei einem Beschluss einer Rechtsgemeinschaft kontrolliert ein Richter das ordnungsgemäße Zustandekommen des Beschlusses und die Einhaltung der dazu ergangenen gesetzlichen Vorgaben. Der Insolvenzrichter stellt grundsätzlich noch im Abstimmungstermin (§ 252 Abs. 1 Satz 1 InsO) die Rechtmäßigkeit des Abstimmungsverfahrens und des Abstimmungsergebnisses fest (§ 250 Nr. 1 und 2 InsO), prüft also die Rechtmäßigkeit des Beschlusses. Sein Bestätigungsbeschluss, der noch im Abstimmungstermin verkündet wird (§ 252 Abs. 1 Satz 1 InsO), wirkt exakt wie ein Urteil nach § 894 ZPO. Die Verfahrensregelungen in der Insolvenzordnung sind folglich weitgehend identisch mit denen einer Klage auf Zustimmung nach § 894 ZPO. In beiden Fällen wird die Zustimmung einer ablehnenden Minderheit allein auf der Grundlage eines rechtmäßigen Mehrheitsbeschlusses nach richterlicher Prüfung und gegen den tatsächlichen Willen des einzelnen Minderheitsvertreters gesetzlich fingiert. Lediglich die Verfahrensdauer wird im Insolvenzplanverfahren – aus den genannten Effektivitätsgründen – ganz erheblich verkürzt und auf ein und denselben Termin konzentriert. Das rechtliche Ergebnis bleibt dennoch identisch: Im Insolvenzplanver180 So hat der BGH (NJW 2010, 65, 67) in seiner »Sanieren oder Ausscheiden«-Entscheidung angenommen, dass aus der gesellschafterlichen Treuepfl icht eine Zustimmungspfl icht der Minderheitsgesellschafter zu einer Satzungsänderung folgt, die ihren Ausschluss im Fall einer Verweigerung von Sanierungsbeiträgen vorsieht. Im Rahmen seiner Beschlusskontrolle fingierte der BGH dann unmittelbar die aus dieser Zustimmungspflicht heraus geschuldeten Zustimmungen, sodass er von einem einstimmig gefassten Beschluss ausging. Westermann (NZG 2010, 321, 323) erkannte zutreffend den »Gedanken einer kraft Treuepfl icht fingierten Zustimmung«. Holler (ZIP 2010, 1678, 1682 f.) hat den BGH exakt deswegen kritisiert. Die Notlage der Unternehmenskrise gebietet eben eine schnelle Beschlussumsetzung, sodass Zustimmungspflichten unmittelbar zur Fiktion von Zustimmungserklärungen führen. Derselbe Gedanke muss erst recht die Beschlussfassung in der Insolvenz beherrschen.

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Kapitel 3: Der Insolvenzplan als Vertrag bürgerlichen Rechts

fahren wird wie im Verfahren nach § 894 ZPO die Willenserklärung zum beschlossenen Rechtsgeschäft nach richterlicher Kontrolle fingiert. 4. Die Zustimmungserklärungen der nicht abstimmenden Insolvenzgläubiger Es bleibt noch ein letzter Gläubigerkreis zu betrachten: die nicht stimmberechtigten Gläubiger. Das sind nach §§ 237 Abs. 1 Satz 1, 77 Abs. 1 Satz 1 InsO insbesondere die Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben. Diese Gläubiger werden, soweit ihre Rechte denn vom Plan überhaupt beeinträchtigt werden sollen, gemäß § 254 Abs. 1 Satz 3 InsO von den Bindungswirkungen des Plans erfasst. Folgerichtig sind nicht nur die stimmberechtigten, sondern alle Gläubiger des Schuldners, in deren Rechtsstellung durch den Insolvenzplan eingegriffen werden soll, im darstellenden (§ 220 InsO) und gestaltenden (§ 221 InsO) Teil des Plans zu benennen sowie gemäß § 222 InsO in Gruppen aufzuteilen. Dabei spielt die Frage, ob die den Gruppen zugeordneten Gläubiger auch tatsächlich ihre Forderung im Verfahren geltend machen, indem sie diese anmelden, keine Rolle. Diese Regelung ist konsequent und notwendig. Im Regelfall wird ein umfassender Insolvenzplan nicht kurzfristig im Verfahren entstehen, sondern schon vor der Verfahrenseröffnung oder aber vor dem Prüfungstermin vorbereitet und aufgestellt werden, so dass es den Plangestaltern schlicht unmöglich wäre, bei der Gruppengestaltung auf die Anmeldungen im Verfahren Rücksicht zu nehmen. Die Anmeldung von Forderungen und deren Prüfung ist vielmehr gemäß § 237 Abs. 1 InsO allein für die Frage nach dem Stimmrecht von Bedeutung. Meldet also ein Gläubiger seine Forderung nicht an oder wird diese bestritten, so steht ihm zwar kein Stimmrecht über den Plan zu; er bleibt aber Teil der Gläubigergruppe und wird damit als deren Teil auch vom Mehrheitsbeschluss der Gruppe als Ergebnis der gruppeninternen Willensbildung gebunden. Diese Bindung nicht stimmberechtigter Mitglieder einer Personengruppe an den Gruppenwillen ist im Übrigen keine Besonderheit des Insolvenzplans, werden doch etwa auch im Aktienrecht nicht stimmberechtigte Aktionäre (vgl. § 123 Abs. 2 AktG) von den Beschlüssen der Hauptversammlung gebunden und auch im Regelinsolvenzverfahren binden Beschlüsse der Gläubigerversammlung die nicht stimmberechtigten Gläubiger (vgl. § 77 InsO). Aus der Mitgliedschaft der nicht stimmberechtigten Gläubiger in den einzelnen Gläubigergruppen und der daraus folgenden Bindung derselben an den Gruppenwillen ergibt sich dann wie bei Gläubigern, die den Plan abgelehnt hatten, die Pflicht, dem Gruppenwillen Folge zu leisten und den mehrheitlich angenommenen Plan zu akzeptieren. Diese Pflicht zur Abgabe einer zustimmenden Willenserklärung gegenüber den anderen Beteiligten wird nun wiederum in konsequenter Durchführung des Prinzips der Konzentration des Verfahrens auf einen Termin unmittelbar durch das Gericht festgestellt und

C. Die Abstimmung der Gläubiger

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mittels der Fiktion in § 254 Abs. 1 Satz 3 InsO vollstreckt. Mit dem rechtskräftigen bestätigenden Beschluss des Insolvenzgerichtes gilt daher nicht nur die Zustimmung der ablehnenden Gläubiger, sondern auch die der nicht abstimmenden Gläubiger zum Insolvenzplan entsprechend des Rechtsgedankens des § 894 ZPO als erteilt. Sie werden damit – wie es § 254 Abs. 1 Satz 3 InsO anordnet – von den Wirkungen des Plans erfasst. 5. Der Zugang der Erklärungen Jede vertragliche Willenserklärung muss nach § 130 Abs. 1 BGB dem anderen Teil zugehen, um Wirkungen zu entfalten. Dies gilt auch für infolge einer gerichtlichen Entscheidung gemäß § 894 ZPO fingierte Willenserklärungen.181 Der danach für alle im Abstimmungstermin zu findenden Willenserklärungen notwendige Zugang wird nun ebenfalls durch die bereits mehrfach erwähnte Konzentration des Annahmeverfahrens auf einen Termin vereinfacht, da nach der gesetzlichen Konzeption in diesem Termin die meisten Beteiligten sowie das Insolvenzgericht persönlich anwesend sind. Die echten wie fingierten Willenserklärungen der Beteiligten werden daher in der Regel unter Anwesenden abgegeben und gehen folglich unmittelbar zu.182 Ist hingegen ein Gläubiger oder aber der Schuldner ausnahmsweise im Abstimmungstermin nicht anwesend, so gehen die Willenserklärungen der anderen Beteiligten über die jeweiligen Terminsvertreter als Empfangsboten zu (§ 164 Abs. 3 BGB).183 Fehlt im Termin auch ein solcher Vertreter, was insbesondere bei einer schriftlichen Abstimmung nach § 242 InsO auch für die abstimmenden Gläubiger der Normalfall sein wird, so fehlt eine gesetzliche Sicherstellung des Zugangs der rechtlich relevanten Vertragserklärungen. Allerdings lässt sich dem Fernbleiben vom Abstimmungstermin ein konkludenter Verzicht auf den Zugang der Willenserklärungen der Anwesenden gemäß § 151 BGB entnehmen.184 Bleibt der Schuldner oder aber ein Gläubiger, der Forderungen angemeldet hat, dem Abstimmungstermin trotz seiner expliziten Ladung nach § 235 Abs. 2 InsO fern, so sieht er bewusst von einer Teilnahme an der Abstimmung ab. Er verzichtet damit nicht nur auf seine Stimmrechte, sondern auf alle Ver181

Unstreitig – vgl. etwa RGZ 160, 321, 324; Lackmann, in: Musielak, ZPO, § 894 Rn. 12. Dieser allgemeine Grundsatz über den Zugang von Willenserklärungen unter Anwesenden gilt auch bei Vertragsschlüssen im Wege der Zustimmung zu einer Vertragsvorlage – zutreffend Merle, FS Wenzel, 2005, 251, 258 (für den vergleichbaren Fall einer Vereinbarung unter Wohnungseigentümern). 183 Siehe Merle, FS Wenzel, 2005, 251, 258. 184 Gerade bei einer Vielzahl von Beteiligten wird im Interesse der Vereinfachung und Beschleunigung des Zustimmungsverfahrens häufig ein Rückgriff auf § 151 BGB in Betracht kommen – so zutreffend Merle, FS Wenzel, 2005, 251, 261 (wiederum für eine Vereinbarung unter Wohnungseigentümern). Auf Fälle des Vertragsschlusses durch Zustimmung aller Beteiligten zu einem vorformulierten Text kann § 151 BGB dann aber nur analog angewandt werden – siehe oben B. 182

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Kapitel 3: Der Insolvenzplan als Vertrag bürgerlichen Rechts

fahrensrechte im Abstimmungstermin und daher auch auf den Zugang der Erklärungen der anderen Beteiligten über den Plan. Entsprechendes gilt für die Gläubiger, die ihre Forderungen überhaupt nicht angemeldet haben und daher auch nicht gemäß § 235 Abs. 2 InsO zum Abstimmungstermin geladen wurden. Meldet ein Gläubiger trotz der entsprechenden ausdrücklichen Aufforderung durch das Insolvenzgericht (§ 28 Abs. 1 InsO) seine Forderungen gegen den Schuldner nicht an, so verzichtet er nicht nur bewusst auf eine Teilnahme am Regelinsolvenzverfahren, sondern auch auf seine Teilnahme an einem Insolvenzplanverfahren. Dieser Verzichtswille erfasst dann nicht nur seine allgemeinen Verfahrensrechte (wie z. B. seine Stimmrechte nach §§ 77 Abs. 1 oder 237 InsO), sondern muss erst recht auch für seine Kenntnisnahmemöglichkeiten von einzelnen Verfahrenshandlungen gelten. Aus dem Verzicht auf die Teilnahme am Verfahren im Ganzen folgt erst recht auch der Verzicht auf den Zugang einzelner Verfahrenshandlungen und damit ein Verzicht auf den Zugang der Willenserklärungen aus dem Abstimmungstermin nach § 151 BGB.185 Schließlich wird man auch bei einer schriftlichen Stimmabgabe nach § 242 InsO von einem Verzicht auf den Zugang der anderen Vertragserklärungen im Sinne des § 151 BGB ausgehen dürfen, da trotz der Zusendung von Stimmzetteln stets auch eine Ladung zum gesonderten Abstimmungstermin erfolgt (§ 241 Abs. 2 InsO). Entscheidet sich der Gläubiger dann für eine schriftliche Stimmabgabe anstelle eines persönlichen Erscheinens, so verzichtet er konkludent für den Fall der Annahme des Plans auf einen besonderen Zugang der Annahmeerklärungen. Alle Willenserklärungen, die im Abstimmungstermin abgegeben oder fingiert werden, werden damit – ganz im Sinne des Konzentrationsgrundsatzes – bereits im Abstimmungstermin im Sinne des § 130 Abs. 1 BGB wirksam.

VII. Ergebnis Das Abstimmungsverfahren der §§ 243 ff. InsO lässt sich also ohne weiteres dahin gehend deuten, dass die Gläubiger einem Insolvenzplan als Vertrag zustimmen. Lediglich die im Interesse einer Straffung des Entscheidungsprozesses

185 Ein solcher Verzichtswille wird sich lediglich bei den Insolvenzgläubigern nicht annehmen lassen, die ihre Forderungen nur deshalb nicht angemeldet haben, da sie von deren Existenz noch keine Kenntnis hatten, was insbesondere bei deliktischen Gläubigern – etwa aus Produkthaftungsansprüchen – vorkommen wird. Wer aber nichts von seiner Forderung weiß, kann auch nicht auf deren Geltendmachung verzichten. Hier ist es mithin nicht der Verzicht aus § 151 Satz 1 1. Alt. BGB, sondern die Verkehrssitte aus § 151 Satz 1 2. Alt. BGB, die den Vertrag »Insolvenzplan« mit diesen Gläubigern ohne Zugang der Erklärungen der anderen Vertragspartner zustande kommen lässt, da ein Zugang dieser Erklärungen bei den im Abstimmungstermin zwar bestimmbaren, aber eben individuell noch nicht bestimmten deliktischen Gläubigern nicht zu erwarten ist.

C. Die Abstimmung der Gläubiger

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erfolgende Konzentration des Verfahrens auf einen Termin verwischt oberflächlich die bekannten zivilrechtlichen Strukturen. Die tatsächliche Erklärung jedes Gläubigers im Abstimmungstermin, er sei für den vorgelegten Insolvenzplan, beinhaltet aufgrund der Konzentration aller maßgeblichen Erklärungen in einen Abstimmungstermin ausnahmsweise zwei Willenserklärungen. Zum einen gibt der Gläubiger auf diese Weise seine Stimme innerhalb der Abstimmung in der Gläubigergruppe ab. Diese Willenserklärung bezweckt allein die Beeinflussung der Willensbildung in der Gruppe und richtet sich nur an die anderen Gläubiger in der Gruppe. Kommt der Beschluss zustande, so bindet er alle Gläubiger der Gruppe und verpflichtet alle zur Annahme des beschlossenen Plans. Daneben enthält die eine tatsächliche Äußerung des zustimmenden Gläubigers aber auch die Erklärung an den Schuldner sowie alle übrigen Beteiligten, bei Annahme des Planes an ihn gebunden sein zu wollen. Allein diese zweite Erklärung ist dabei diejenige, die den einzelnen Gläubiger an den Plan bindet; sie ist seine in Richtung der Planvorlage abgegebene Vertragserklärung. Lehnt ein Gläubiger hingegen den Plan ab und wird er dann in seiner Gruppe überstimmt, so gibt er nur eine Willenserklärung ab – die ablehnende Stimmabgabe im Rahmen der Willensbildung in der Gruppe, welche sich allein an die anderen dortigen Gläubiger richtet. Eine tatsächliche Zustimmungserklärung findet sich nicht. Allerdings ist der überstimmte Gläubiger nun aufgrund des Mehrheitsbeschlusses zur Mitwirkung an der Beschlussausführung und damit zur Abgabe einer Annahmeerklärung verpflichtet. Diese Annahmepflicht wird aufgrund der Konzentration des gesamten Abstimmungsprozesses auf einen Termin dann nicht in einem gesonderten Prozessverfahren, sondern unmittelbar durch den Insolvenzrichter gerichtlich festgestellt und mittels Fiktion vollstreckt. Die Zustimmungserklärung des ablehnenden, aber überstimmten Gläubigers zum Plan findet sich damit im Insolvenzplanverfahren wie in einem Verfahren nach § 894 ZPO: in einer fingierten zustimmenden Willenserklärung zu einem Vertrag. In beiden Fällen wird eine Willenserklärung nach gerichtlicher Prüfung durch Fiktion geschaffen, deren Abgabe dem Betroffenen ohnehin aus einem materiellrechtlichen Grund obliegt. Die Funktion des Richters ist dabei dieselbe wie in jedem Erkenntnisverfahren; er prüft das Bestehen einer materiellrechtlichen (Zustimmungs-)Pflicht und stellt diese fest.186 Die Bindung der Gläubiger an den Insolvenzplan beruht nicht auf dieser richterlichen Tätigkeit, sondern auf materiellrechtlichen Willenserklärungen, die jeder Gläubiger selbst abgibt oder aber zu deren Abgabe er verpflichtet war, weshalb sie fingiert werden. Der Insolvenzplan kann nach der hier gefundenen Konstruktion somit zwar als Vertrag, nicht jedoch als ein Vertrag nur zwischen den Gläubigern einer 186

Näher dazu im Vierten Kapitel B. IV. 2.

244

Kapitel 3: Der Insolvenzplan als Vertrag bürgerlichen Rechts

Gruppe angesehen werden. Es existieren keine auf einen Vertragsschluss gerichteten Willenserklärungen, die sich allein auf diesen Kreis beschränken. Die innerhalb der Gläubigergruppen abgegebenen Willenserklärungen sind auf einen internen Beschluss gerichtet, welcher gerade kein Vertrag im Sinne der §§ 145 ff. BGB ist.187 Zwar kann man die einzelne Stimmabgabe als Willenserklärung ansehen. Diese zielt aber allein auf das Zustandekommen eines Beschlusses ab und hat keine Außenwirkung; ihre Funktion ist auf den internen Willensbildungsprozess beschränkt. Der mit der Abstimmung zustande gekommene Beschluss bindet die abstimmenden Gläubiger intern und verpflichtet sie zu seiner Umsetzung. Er hat jedoch allein keine Außenwirkung und daher auch keine unmittelbare Legitimationswirkung für einen Zugriff auf das Schuldnervermögen. Der Beschluss in einer Gläubigergruppe ist kein Vertrag. Folglich ist es unzutreffend, wenn der Insolvenzplan heute im Anschluss an Braun als »gesellschaftsähnlicher Verwertungsvertrag der Gläubiger«188 oder »mehrseitiger Verwertungsvertrag der Gläubiger über das Schuldnervermögen«189 eingeordnet wird. Ein solcher aus der Beschlussfassung folgender Vertrag nur zwischen den Gläubigern existiert schlicht nicht. In die richtige Richtung weist allein die dieser Ansicht zugrundeliegende Grundannahme, nach der die Gläubigergesamtheit »eine auf Auseinandersetzung gerichtete, nicht durch Rechtsgeschäft begründete, gesellschaftsähnliche Zwangs- und Schicksalsgemeinschaft«190 bilde; tatsächlich besteht unter allen Insolvenzgläubigern sogar eine Rechtsgemeinschaft. Allerdings wird dann übersehen, dass diese Gemeinschaft keine Befugnis zur verbindlichen Entscheidung über die privaten Forderungsrechte jedes Gläubigers hat. Keine Gemeinschaft kann mit Mehrheitsmacht über den gemeinschaftlichen Gegenstand hinaus in die privaten Rechte seiner Teilhaber eingreifen. Folgerichtig entscheidet nach der Insolvenzordnung auch nicht die Gläubigergemeinschaft in ihrer Gläubigerversammlung über den Plan, sondern es sind die Gläubigergruppen, welchen die maßgebliche Entscheidung zusteht. Dieser wichtige Punkt wird von Braun leider übersehen. Es gibt keinen Beschluss aller 187 Nach allgemeiner Ansicht ist jedenfalls ein Beschluss, der auch durch eine Mehrheit zustande kommen kann, kein Vertrag, sondern ein Rechtsgeschäft eigener Art, gerichtet auf die kollektive und rechtsverbindliche Willensbildung – vgl. Baltzer, Beschluss, S. 177; Bork, in: Staudinger, BGB, Vorbem zu §§ 145–156 Rn. 6; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 15 I 2 a (S. 436); Wolf, in: Soergel, BGB, Vor § 145 Rn. 7; nur für die dem Einstimmigkeitserfordernis unterliegenden Beschlüsse wird die Vertragsnatur in Betracht gezogen – Kramer, in: MünchKomm, BGB, Vor § 145 Rn. 25. 188 Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 467; zustimmend Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handbuch zur Insolvenzordnung, Kapitel 9, Rn. 4. 189 Braun, in: Nerlich/Römermann, InsO, vor § 217 Rn. 80, 82; ders., in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 66 Rn. 19; Braun/Frank, in: Braun, InsO, vor § 217 Rn. 1; Hess/Obermüller, Insolvenzplan, Rn. 5a; Pape, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, § 38 Rn. 13. 190 Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 468; Braun, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 66 Rn. 19.

C. Die Abstimmung der Gläubiger

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Gläubiger über den Insolvenzplan, sondern lediglich Beschlüsse in den einzelnen Gläubigergruppen. Diese sind keine »Verwertungsverträge«, sondern Ergebnisse einer internen Willensbildung. Der aus ihrer Umsetzung hervorgehende Vertrag Insolvenzplan bindet dann nicht nur die Gläubiger, sondern auch den Schuldner und sich freiwillig anschließende Dritte. Er muss daher – wie wir sehen werden – mehr sein, als nur ein Vertrag zwischen den Gläubigern. Für die Vertragskonstruktion bleibt festzuhalten, dass die vertraglichen Willenserklärungen der Gläubiger im Abstimmungstermin zu finden sind; sei es durch eine tatsächliche Erklärung, sei es durch eine Fiktion entsprechend des Rechtsgedankens des § 894 ZPO.

VIII. Ausblick: Die Abstimmung der Gesellschafter über den Insolvenzplan Im Sommer 2010 wurde im Bundesministerium der Justiz ein Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen erarbeitet, in welchen insbesondere vorgeschlagen wird, die Bildung einer Gesellschaftergruppe zuzulassen, um dem Insolvenzplan auch den Eingriff in Gesellschafterrechte zu ermöglichen. Würden diese Vorschläge umgesetzt, so fänden sich im gemeinsamen Abstimmungstermin neben den Willenerklärungen der Gläubiger auch die Willenserklärungen der Gesellschafter. Diese Gruppe ist als Gesellschaft miteinander verbunden und aus dieser Verbundenheit heraus legitimiert sich dann auch die Entscheidungsmacht einer Abstimmungsmehrheit in der Gruppe.191 Dass diese Mehrheitsmacht auch dazu berechtigt, Mitgliedschafts- und Anteilsrechte der überstimmten Minderheit einzuschränken oder gar zu entziehen, ist durch die Feldmühle-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts192 ausdrücklich entschieden worden. Die dabei aufgestellten Voraussetzungen (legitimer Zweck, volle wirtschaftliche Entschädigung, wirksamer Rechtsbehelf) wären für die Gesellschaftergruppe in einem künftigen Insolvenzplanverfahren ebenso erfüllt wie für die Gläubigergruppen im derzeitigen. Hinsichtlich der Annahme der Vertragsnatur des Insolvenzplans stellt die avisierte Einbeziehung der Gesellschafter in den Abstimmungsprozess über den Insolvenzplan mithin kein Problem dar. Diese Personen geben im Abstimmungstermin – ebenso wie die Gläubiger – nicht nur ihr Stimmen hinsichtlich der Beschlussfassung ab. Kommt dort in ihrer Gruppe eine Mehrheit für den Plan zustande, so erklären die Mehrheitsgesellschafter zugleich auch ihre Zustimmung zum Plan. Für die Minderheitsgesellschafter wird die pflichtwidrige 191

Wegen der Einzelheiten siehe oben C. IV. 1. BVerfGE 14, 263, 282 f.; bestätigt in den Entscheidungen zum aktienrechtlichen Squeeze-Out: BVerfGE 100, 289, 302 f.; BVerfG NJW 2001, 279, 280; NJW 2007, 3268, 3269 f.; ZIP 2007, 2121, 2122; ZIP 2010, 571, 574. 192

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Kapitel 3: Der Insolvenzplan als Vertrag bürgerlichen Rechts

Ablehnung im konzentrierten Gerichtsverfahren unmittelbar im Wege der Fiktion (§ 894 ZPO) durch eine Zustimmungserklärung ersetzt. Auch für den Zugang dieser Erklärungen finden sich keine Besonderheiten gegenüber den Gläubigern.

D. Die Zustimmung des Schuldners Ein Insolvenzplan bindet nicht nur die Gläubiger, sondern auch den Schuldner. Will man diese Bindung vertragsrechtlich deuten, so muss daher auch der Schuldner dem Insolvenzplan zustimmen.

I. Die Notwendigkeit der Zustimmung des Schuldners Nach den Regelungen und der Systematik der Insolvenzordnung ist in jedem Insolvenzplanverfahren auch die zustimmende Willenserklärung des Schuldners zum Plan notwendig. Dies gilt selbst bei der Annahme des von ihm initiierten und unverändert von den Gläubigern angenommenen Plans. Dies macht bereits der Wortlaut des § 248 Abs. 1 InsO deutlich, der für die Annahme eines wirksamen Insolvenzplans stets und unabhängig von der Person des Planinitiators auch die Zustimmung des Schuldners verlangt: »Nach der Annahme des Insolvenzplanes durch die Gläubiger (§§ 244 bis 246) und der Zustimmung des Schuldners bedarf der Plan der Bestätigung durch das Insolvenzgerichts.«193 Seine Zustimmung ist damit stets notwendiges Ergebnis des Abstimmungstermins.194 Zugleich ordnet § 235 Abs. 3 Satz 1 InsO an, den Schuldner stets zum Abstimmungstermin gesondert zu laden, und stellt damit sicher, dass er bei der Abstimmung der Gläubiger über den Plan anwesend ist, ihm deren Erklärungen also zugehen, sowie dass er seine eigene Erklärung abgeben kann. Stimmt der Schuldner im Termin dem vorgelegten Insolvenzplan zu, so gibt auch er eine vertragsrechtliche Willenserklärung ab, an die er gebunden ist. Diese geht den anwesenden oder vertretenen Gläubigern unmittelbar zu; gegenüber abwesenden Beteiligten ist der Zugang (wie gesehen) nach § 151 BGB entbehrlich. Die

193

Hervorhebung durch den Verfasser. Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 217 Rn. 24; Dinstühler, InVo 1998, 333, 340; Gaul, FS Huber, 2006, 1187, 1202; Hess/Weis, WM 1998, 2349, 2350; Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, § 247 Rn. 1; Schiessler, Insolvenzplan, S. 21; Sinz, in: MünchKomm, InsO, § 247 Rn. 2; Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 14.1; anderer Ansicht: Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 466; Braun, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 66 Rn. 17 und in: Nerlich/Römermann, InsO, vor § 217 Rn. 77; Keller, Insolvenzrecht, Rn. 1763; für eine Entbehrlichkeit nur in Fällen der Abstimmung über einen Schuldnerplan: Häsemeyer, FS Gaul, 1997, 175, 179; ders., Insolvenzrecht, Rn. 28.70; Hess, in: Hess, InsO, § 247 Rn. 7. Zur ausführlichen Widerlegung der Gegenansichten siehe oben in diesem Kapitel unter A. II. 194

D. Die Zustimmung des Schuldners

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entscheidenden Willenserklärungen werden damit sowohl von den Gläubigern als auch vom Schuldner im Abstimmungstermin abgegeben.195 Dieses Konzept gilt auch in den Fällen, in denen der Schuldner selbst den Insolvenzplan vorgelegt hat. Die Einreichung eines Plans ist nur eine unverbindliche »invitatio ad offerendum« (Aufforderung zum Angebot) und bewirkt daher ebenso wenig eine Selbstbindung des Schuldners wie die Versäumung der Änderungsmöglichkeiten in § 240 InsO.196 Der Schuldner bleibt vielmehr in seiner Entscheidung bis zur Abgabe seiner Willenserklärung im Abstimmungstermin frei. Wie bei jeder Person, die im Rechtsverkehr eine »invitatio ad offerendum« abgibt, indem sie etwa Waren ins Schaufenster stellt und mit einem Preis versieht, kann in diese unverbindliche Erklärung keine Bindungswirkung und erst Recht keine Willenserklärung hineingedeutet werden, wenn später der andere Teil aufgrund der Aufforderung zum Angebot genau das gewollte Vertragsangebot abgibt. Es bedarf dann stets einer Annahmeerklärung und über deren Abgabe kann der Betreffende immer noch frei entscheiden.197 Die Aufforderung zum Angebot oder »invitatio ad offerendum« ist gerade und wesensmäßig unverbindlich. Daher kann auch die Planinitiative weder selbst bereits die maßgebliche Willenserklärung des Schuldners sein noch schützenswerte Erwartungen bei den anderen Beteiligten erzeugen. Derartige Wirkungen dachte der Gesetzgeber dem Initiativrecht (zu Recht) nicht zu. Die Planinitiative ist und bleibt bloße Verfahrenshandlung; der Schuldner bleibt in seiner Entscheidung frei.198

II. Das Schweigen des Schuldners als Zustimmung (§ 247 Abs. 1 InsO) Gibt der Schuldner im Abstimmungstermin nun keine Erklärung ab, da er entweder nicht erschienen ist oder aber er sich zum Plan nicht äußert, so findet sich im Abstimmungstermin weder eine zustimmende Willenserklärung des Schuldners noch dessen Widerspruch. Der Schuldner schweigt. § 247 Abs. 1 InsO wer195 Ebenso Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 217 Rn. 20; Gaul, FS Huber, 2006, 1187, 1202; im Ergebnis auch (obwohl ohne genaue Begründung) Schiessler, Insolvenzplan, S. 20. Ausführliche Ausführungen zu diesen Fragen erfolgten bereits unter C. 196 Von diesen allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen entfernt sich die wohl überwiegende Ansicht in der insolvenzrechtlichen Literatur: Andres, in: Andres/Leithaus, InsO, § 247 Rn. 2; Flessner, in: Heidelberger Kommentar, InsO, § 247 Rn. 4; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 28.42a; Hess/Obermüller, Insolvenzplan, Rn. 307; Hess/Weis, WM 1998, 2349, 2360; auch Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 14.16; dies., in: Smid, InsO, § 247 Rn. 11 (Widerspruch gegen den eigenen Plan als »venire contra factum proprium«); ihnen folgend: Braun/Frank, in: Braun, InsO, § 247 Rn. 5; Sinz, in: MünchKomm, InsO, § 247 Rn. 25. 197 Gerade die Unverbindlichkeit unterscheidet die »invitatio ad offerendum« definitionsgemäß vom Vertragsangebot – statt vieler: Bork, in: Staudinger, BGB (2003), § 145 Rn. 3; Kramer, in: MünchKomm, BGB, § 145 Rn. 10 (zum Grenzfall des »freibleibenden Angebots«: BGH NJW 1984, 1885 m. w. N.). 198 Näher zur rechtlichen Qualität der Planinitiative bereits unter A.

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Kapitel 3: Der Insolvenzplan als Vertrag bürgerlichen Rechts

tet nun dieses Schweigen als Zustimmungserklärung, indem er anordnet, dass ohne Widerspruch des Schuldners im Abstimmungstermin dessen Zustimmung als erteilt gilt. Dem Schweigen des Schuldners wird damit ein Erklärungswert beigemessen. Dies widerspricht im ersten Anschein zivilrechtlichen Grundsätzen, die bloßem Schweigen grundsätzlich keinen Erklärungswert beimessen und es daher für rechtlich irrelevant halten. Wer nichts macht, erklärt auch nichts. Doch auch dieser Grundsatz gilt nicht ohne Ausnahmen. Hierbei sind zwei Grundkonstellationen zu unterscheiden.199 1. Beredtes Schweigen Zum einen kann in bestimmten Situationen auch bloßes Nichtstun ein objektives Erklärungszeichen sein und nach den §§ 133, 157 BGB als (echte) Willenserklärung verstanden werden. Solch »beredtes Schweigen«, also Schweigen als Erklärungszeichen, findet sich etwa, wenn die Beteiligten zuvor das Schweigen als Zustimmungszeichen vereinbart haben, indem sie etwa eine Widerspruchspflicht statuierten. 200 Das bloße Schweigen auf eine Vertragsofferte hat dann entsprechend einer solchen Vereinbarung den Charakter einer Erklärung und ist damit echte Willenserklärung. Ähnlich liegt der Fall, wenn eine Person in einer Abstimmung über einen Beschlussgegenstand auf die Fragen nach Gegenstimmen sowie Enthaltungen schweigt. Dann kann dem Verhalten des Schweigenden nach der Subtraktionsmethode eine Willenserklärung mit dem Inhalt entnommen werden, dass er dem Beschlussgegenstand zustimme. 201 In Situationen dieser Art hat ausnahmsweise auch das bloße Nichtstun als bewusstes Unterlassen einer Erklärung dieselbe Aussagekraft, d.h dieselbe Konkludenz, wie ein schlüssiges Verhalten des Erklärenden. Wie bei jeder konkludenten Erklärung lässt sich auch hier auf einen bestimmten Willen schließen, so dass eine echte Willenserklärung vorliegt. 202 Man kann insofern auch von einer »stillschweigenden Willenserklärung« sprechen. 199 Die folgende Einteilung in stillschweigende Willenserklärungen und Schweigen mit Erklärungswirkung folgt den Gedanken von Flume, Rechtsgeschäft, S. 66; ähnlich Canaris, FS Wilburg, 1975, 77 ff.; Ellenberger, in: Palandt, BGB, Einf v § 116 Rn. 6–8; Palm, in: Erman, BGB, Vor § 116 Rn. 9 f.; Welter, in: MünchKomm, HGB, § 362 Rn. 2 f.; Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 133 Rn. 10 f.), hat sich aber noch nicht allgemein durchgesetzt. 200 Vgl. etwa BGH NJW 1975, 40; Canaris, FS Wilburg, 1975, 77, 78; Flume, Rechtsgeschäft, S. 64; Hefermehl, in: Soergel, BGB, Vor § 116 Rn. 33; Ellenberger, in: Palandt, BGB, Einf v § 116 Rn. 7; Kramer, in: MünchKomm, BGB, Vor § 116 Rn. 24; ; Palm, in: Erman, BGB, Vor § 116 Rn. 9; Roth, in: Koller/Roth/Morck, HGB, § 362 Rn. 3; Singer, in: Staudinger, BGB (2004), Vorbem zu §§ 116–144 Rn. 61. 201 BGHZ 152, 63, 68; Canaris, FS Wilburg, 1975, 77, 78; Ellenberger, in: Palandt, BGB, Einf v § 116 Rn. 7; Singer, in: Staudinger, BGB (2004), Vorbem zu §§ 116–144 Rn. 61. 202 So auch die ganz h. M. – vgl. etwa BGHZ 152, 63, 68; Canaris, FS Wilburg, 1975, 77; Flume, Rechtsgeschäft, S. 66; Ellenberger, in: Palandt, BGB, Einf v § 116 Rn. 7; Kramer, in: MünchKomm, BGB, Vor § 116 Rn. 24; Palm, in: Erman, BGB, Vor § 116 Rn. 9; Roth, in: Koller/Roth/Morck, HGB, § 362 Rn. 3; Singer, in: Staudinger, BGB (2004), Vorbem zu §§ 116–

D. Die Zustimmung des Schuldners

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2. Schweigen mit Erklärungswirkung Während bei stillschweigenden Willenserklärungen – wie bei allen Willenserklärungen – stets ein tatsächlicher Wille des Schweigenden aus seinem Verhalten hervortritt und daher auch tatbestandlich eine Willenserklärung gegeben ist 203 , finden sich in der Rechtsordnung darüber hinaus Fälle eines Schweigens mit Erklärungswirkungen, in denen es auf einen Willen des Schweigenden nicht ankommt. Seinem Nichtstun wird ohne Rücksicht auf ein Wollen Erklärungswert beigemessen. a) Gesetzlich fingierte Willenserklärungen So hat der Gesetzgeber in verschiedenen gesetzlichen Regelungen dem Schweigen einer Person den Erklärungswert einer Zustimmung zu einem Vertragsangebot zugewiesen und damit eine Willenserklärung unabhängig vom tatsächlichen Willen des Betroffenen fingiert. Klassische Beispiele für solche gesetzlich fingierten Vertragserklärungen sind etwa die § 516 Abs. 2 Satz 2 BGB204 , § 362 Abs. 1 Satz 1 HGB205 oder § 5 Abs. 1 des Versicherungsvertragsgesetzes206 . In diesen Fällen wird kaum mehr bestritten, dass hier durch den Gesetzgeber vertragliche Willenserklärungen fingiert werden. 207 Eine echte tatbestandliche Willenserklärung kann hier wegen der Irrelevanz des Willens des Schweigenden nicht vorliegen, so dass auch die Vorschriften über Willenserklärungen (§§ 116 ff. BGB) keine direkte Anwendung finden. Allerdings ist das Ergebnis der gesetzlichen Fiktion eine Willenserklärung, weshalb es richtig erscheint, diese Nor144 Rn. 60; Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 133 Rn. 10; dagegen noch: Bickel, NJW 1972, 607, 608; Fabricius, JuS 1966, 50, 58; allgemein zweifelnd auch Hanau, AcP 165 (1965), 220, 242. 203 Zur (streitigen) Notwendigkeit des Erklärungsbewusstseins bei stillschweigenden Erklärungen – siehe etwa BGHZ 152, 63, 70 m. w. N. 204 Danach gilt eine Schenkung, die ohne den Willen des Beschenkten erfolgte, als angenommen, wenn der Beschenkte sie nicht innerhalb einer vom Zuwendenden gesetzten Annahmefrist ablehnt. 205 Lehnt ein Kaufmann, der gewerbsmäßig fremde Geschäfte besorgt, einen entsprechenden Antrag von einer Person, mit der er in Geschäftsverbindung steht, nicht unverzüglich ab, so gilt sein Schweigen ausdrücklich als Annahme. 206 Danach gilt der abweichende Inhalt eines Versicherungsscheins als genehmigt, wenn ihm der Versicherungsnehmer (trotz entsprechender Belehrung) nicht innerhalb eines Monats in Textform widerspricht. 207 Vgl. Hefermehl, in: Soergel, BGB, Vor § 116 Rn. 34a; Ellenberger, in: Palandt, BGB, Einf v § 116 Rn. 9; Horn, in: Heymann, HGB, § 362 Rn. 1 (bzgl. § 362 HGB); Kramer, in: MünchKomm, BGB, § 151 Rn. 8; Palm, in: Erman, BGB, Vor § 116 Rn. 10; Roth, in: Koller/ Roth/Morck, HGB, § 362 Rn. 4 (bzgl. § 362 HGB); Schwintowski, Berliner Kommentar, VVG, § 5 Rn. 1 (bzgl. § 5 VVG); Singer, in: Staudinger, BGB (2004), Vorbem zu §§ 116–144 Rn. 63, 65; Welter, in: MünchKomm, HGB, § 362 Rn. 2; Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 133 Rn. 12; dagegen noch: Bickel, NJW 1972, 607, 608; Fabricius, JuS 1966, 50, 58. Canaris, FS Wilburg, 1975, 77, 90, wertet in diesen Fällen das Schweigen als »Zustimmung kraft typisierter Verkehrssitte« und findet den Grund für die vertragliche Bindung in einer Rechtsscheinhaftung (so bzgl. § 362 HGB auch in: Staub, HGB, § 362 Rn. 1).

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men insoweit analog anzuwenden, als dies nicht dem Regelungszweck der gesetzlichen Fiktion widerspricht. 208 b) Schweigen als Vertragserklärung kraft Handelsbrauchs oder Treu und Glauben Die Rechtsprechung fand darüber hinaus in Handelsbräuchen oder im Hinblick auf die Grundsätze von Treu und Glauben Fälle, in denen dem Nichtstun einer Person ein Erklärungswert unabhängig davon beigemessen werden darf, ob dieser tatsächlich mit seinem Schweigen einen Willen verwirklichen wollte. Auch in diesen Fällen entsteht ein Vertrag nicht aufgrund eines nach außen tretenden Vertragswillens des Schweigenden; sein Schweigen hat hier gerade keine Konkludenz.209 Es ist allein ein Handelsbrauch oder der Grundsatz von Treu und Glauben, aus denen im Interesse des Schutzes des Geschäftsverkehrs dem Schweigen des Angebotsempfängers der Erklärungswert einer Zustimmung zum Vertragsschluss beigemessen wird. Als klassisches Beispiel für solch einen Handelsbrauch seien die Grundsätze des Schweigens auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben genannt. Es ist eben nicht der Wille des Schweigenden, sondern die berechtigte Erwartung des Rechtsverkehrs an die Abgabe einer (ablehnenden) Erklärung des Schweigenden, die geschützt wird und zugleich die vertragliche Bindung des Schweigenden legitimiert. Grundlage einer so weitreichenden Erklärungspflicht kann anstelle eines Handelsbrauchs in besonderen Einzelfällen auch der in § 242 BGB verankerte Grundsatz aus Treu und Glauben sein, wenn in der Gesamtbetrachtung aller Umstände der Antragende redlicherweise davon ausgehen durfte, dass der Antragsgegner seine ablehnende Haltung durch einen Widerspruch äußern wird (»Qui tacet consentire videtur, ubi loqui potuit ac debuit.«). 210 Sanktion der 208 Fabricius, JuS 1966, 50, 54; Hanau, AcP 165 (1965), 220, 249; Hefermehl, in: Soergel, BGB, Vor § 116 Rn. 67; Horn, in: Heymann, HGB, § 362 Rn. 12; Singer, in: Staudinger, BGB (2004), Vorbem zu §§ 116–144 Rn. 65 ff.; inzwischen auch Ellenberger, in: Palandt, BGB, Einf v § 116 Rn. 12. 209 Dieser Unterschied zu stillschweigenden Willenserklärungen ist entscheidend – vgl. BGHZ 11, 1, 5; 152, 63, 71; Canaris, FS Wilburg, 1975, 77, 82; Flume, Rechtsgeschäft, S. 66 f.; Hanau, AcP 165 (1965), 220, 243. Einige scheinen diesen Unterschied allerdings nur für gesetzliche Zustimmungsfiktionen anzuerkennen, während die Erklärungswirkung aus Handelsbräuchen oder der Treu und Glauben als Schweigen mit Konkludenz angesehen wird – so etwa: Hefermehl, in: Soergel, BGB, Vor § 116 Rn. 34a f.; Kramer, in: MünchKomm, BGB, § 151 Rn. 6 ff.; Singer, in: Staudinger, BGB (2004), Vorbem zu §§ 116–144 Rn. 72, 78. Dabei wird übersehen, dass es in all diesen Fällen für die Annahme einer Willenserklärung nicht auf den Willen des Schweigenden ankommt, sondern allein auf das Fehlen eines rechtzeitigen Widerspruchs (aus welchen Gründen auch immer) – insoweit zutreffend der Hinweis von Hanau, AcP 165 (1965), 220, 246 f. Hat sich hingegen im Einzelfall der Erklärungspflichtige durch schlüssiges Verhalten zustimmend geäußert, so liegt kein Fall des Schweigens, sondern eine echte Willenserklärung vor und es bedarf keines Rückgriffs auf die Fiktionstatbestände, Handelsbräuche oder den Grundsatz von Treu und Glauben. 210 Ganz herrschende Meinung – vgl. RGZ 115, 266, 268; 145, 87, 94; BGHZ 1, 353, 355; 11,

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Verletzung der Erklärungspflicht ist auch hier nicht nur ein Schadenersatzanspruch, sondern eine vertragliche Bindung des Schweigenden. Es ist wieder allein der Schutz des Rechtsverkehrs, nicht der Wille des Schweigenden, auf dem die Erklärungswirkung des Schweigens basiert. Eine echte tatbestandliche Willenserklärung kann wegen der Irrelevanz des Willens des Schweigenden nicht vorliegen, weshalb die Vorschriften über Willenserklärungen (§§ 116 ff. BGB) in all diesen Fällen keine Anwendung finden. Auch die Annahme einer fingierten Willenserklärung fällt auf den ersten Blick schwer, fehlt doch hier ein gesetzlicher Fiktionstatbestand. Allein die Verletzung einer Erklärungspflicht kann als Rechtsfolge (wenn überhaupt) wohl allenfalls eine Erfüllungshaftung enthalten; eine Willenerklärung kann eine Schadenersatzpflicht aufgrund einer Pflichtverletzung kaum fingieren.211 Dennoch sollen die §§ 116 ff. BGB analog angewandt werden, wenn und soweit dies nicht dem Zweck des Handelsbrauchs oder der Redlichkeit widerspricht. 212 Ist man sich also darüber einig, dass im Ergebnis in all diesen Fällen nicht bloß eine Erfüllungshaftung des Schweigenden, sondern ein (gegebenenfalls auch gegenseitiger) Vertrag entsteht, und nimmt man ebenfalls an, dass dem Schweigenden weitgehend die Rechte aus den §§ 116 ff. BGB zustehen sollen, so erscheint es nur konsequent, auch in Fällen des Schweigens mit Erklärungswert aufgrund eines Handelsbrauchs oder des Grundsatzes von Treu und Glauben einen Gleichlauf mit den gesetzlichen Tatbeständen des Schweigens mit Zustimmungswert herzustellen und folgerichtig in beiden Fallgruppen von fingierten Willenserklärungen auszugehen. Die Fiktion basiert dann nur nicht auf einer Norm, sondern auf einem Handelsbrauch bzw. dem Grundsätze von Treu und Glauben. Gleichzeitig wird der Schwerpunk der Betrachtung in die richtige 1, 5; 61, 282, 285; BGH NJW 1975, 1358, 1359; 1995, 1281; NJW-RR 1986, 456, 457; Armbrüster, in: Erman, BGB, § 147 Rn. 3; Ellenberger, in: Palandt, BGB, Einf v § 116 Rn. 10; Kramer, in: MünchKomm, BGB, § 151 Rn. 6; Singer, in: Staudinger, BGB (2004), Vorbem zu §§ 116– 144 Rn. 77; dagegen: Bickel, NJW 1972, 607, 608. 211 Die Literatur spricht sich daher weitgehend gegen eine Einordnung dieser Fallgruppen ins Willenserklärungsrecht aus: Bickel, NJW 1972, 607 (Schweigen als Tatbestand einer Rechtsnorm oder von Gewohnheitsrecht); Canaris, FS Wilburg, 1975, 77, 90 (Rechtsscheinhaftung kraft typisierter Verkehrssitte); Fabricius, JuS 1966, 50, 58 (Haftung aus Pflichtverletzung); Hanau, AcP 165 (1965), 220, 244 (Vertragspflichten aus Pflichtverletzung); Hefermehl, in: Soergel, BGB, Vor § 116 Rn. 35 (Rechtsscheinshaftung bei Erklärungspflichten aus Treu und Glauben); Singer, in: Staudinger, BGB (2004), Vorbem zu §§ 116–144 Rn. 78 (Rechtsscheinshaftung). Demgegenüber ging das Reichsgericht in solchen Fällen vom Vorliegen »stillschweigender Willenserklärungen« aus – vgl. etwa RGZ 145, 87, 94. Der BGH hat zuletzt eine grundsätzliche Stellungnahme zu dieser Frage offen vermieden (BGHZ 152, 63, 71), in seiner Grundsatzentscheidung zum Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben (BGHZ 11, 1, 5) aber explizit ausgeführt, dass hier der Wille des Schweigenden irrelevant und seine zustimmende Willenserklärung Fiktion sei. 212 Hanau, AcP 165 (1965), 220, 249; Ellenberger, in: Palandt, BGB, Einf v § 116 Rn. 12; Singer, in: Staudinger, BGB (2004), Vorbem zu §§ 116–144 Rn. 79 ff. Die anderen Autoren äußern sich zu diesen Fragen nicht.

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Richtung verschoben: weg von der Verletzung einer Erklärungspflicht, hin zur Entstehung eines Vertrages im Interesse des Verkehrsschutzes. 213 Intensivere Ausführungen zu diesem Komplex sollen an dieser Stelle unterbleiben. Entscheidend für unsere Untersuchung ist die Feststellung, dass nahezu unstreitig auch in allen Fällen eines Schweigens mit Erklärungswert im Ergebnis eine echte vertragliche Bindung des Schweigenden entsteht. Genauer: auch ohne den tatsächlichen Willen des Schweigenden wird ein privatrechtlicher Vertrag geschlossen. 3. Die Fiktion der Zustimmung des Schuldners in § 247 Abs. 1 InsO Die Regelung des § 247 Abs. 1 InsO ist kein Fall des beredten Schweigens; sie enthält eine Erklärungsfiktion und findet sich in der Tradition der gesetzlichen Tatbestände des Schweigens mit Erklärungswert wieder. Nach § 247 Abs. 1 InsO gilt die Zustimmung des Schuldners als erteilt, wenn er dem Plan nicht spätestens im Abstimmungstermin schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle widerspricht. Der Schuldner schweigt also und lässt die Widerspruchsfrist verstreichen. Dennoch wird diesem Schweigen nach der gesetzlichen Regelung ein Erklärungswert zugewiesen: Es gilt als Zustimmung zum vorgelegten Plan. Dabei spielen die Umstände des Einzelfalls ausdrücklich keine Rolle. Es ist für die Anwendung des § 247 Abs. 1 InsO unerheblich, ob der Plan vom Schuldner initiiert wurde und daher mit seiner Zustimmung zu rechnen war oder ob der Schuldner zuvor Zustimmung oder Ablehnung signalisiert hatte. Sein tatsächlicher Wille hinsichtlich des Plans interessiert nicht; entsprechende Umstände bleiben – selbst wenn sie im Einzelfall vorhanden und erkennbar sind – außer Betracht. Allein der fehlende Widerspruch ist es, aus dem in § 247 Abs. 1 InsO der Erklärungswert einer Zustimmungserklärung entsteht. Schon die fehlende Relevanz jedes tatsächlichen Willens schließt somit das Vorliegen einer stillschweigenden (echten) Willenserklärung des Schuldners aus. Und auch der Zweck des § 247 Abs. 1 InsO weist in Richtung einer fingierten Willenserklärung, ist er doch identisch mit dem vieler anderer klassischer Fälle einer gesetzlichen Erklärungsfiktion. Hintergrund für derartige gesetzliche Regelungen ist in der Regel das Bedürfnis nach Gewissheit, also nach Rechtsicherheit. Die Beteiligten gehen aufgrund der besonderen Umstände der jeweiligen Fälle ausnahmsweise davon aus, dass die gewollten Verträge trotz des Schweigens einer Vertragspartei zustande gekommen sind. Häufig liegt diese Erwartung darin begründet, dass der Vertrag auch für den Schweigenden von Vorteil ist. So wird der nach § 516 Abs. 2 BGB Beschenkte regelmäßig die Zu213 Über dieses Ziel hinaus schießt Kramer, in: MünchKomm, BGB, § 151 Rn. 6, wenn er in all diesen Fällen keine Fiktion, sogar echte konkludente Willenserklärungen annimmt (auch Hefermehl, in: Soergel, BGB, Vor § 116 Rn. 34 f. hält dies für möglich). Hierzu fehlt gerade die Konkludenz des Schweigens, also die Relevanz des Willens des Schweigenden.

D. Die Zustimmung des Schuldners

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wendung behalten wollen; der Kaufmann nach § 362 HGB wird im Zweifel die angetragene Geschäftsbesorgung als Teil seines Gewerbeumsatzes übernehmen wollen und auch der Versicherungsnehmer wird grundsätzlich die beantragte Versicherung trotz der Abweichungen nach § 5 Abs. 1 VVG wollen. Die aufgrund der fehlenden Äußerung der Betroffenen nun aber entstehende Unsicherheit dahingehend, ob auch tatsächlich der jeweilige Vertrag zustande gekommen ist, beseitigt der Gesetzgeber im Interesse des Rechtsverkehrs durch eine Widerspruchspflicht und der daraus folgenden Fiktion einer Zustimmung nach Fristablauf. 214 Diese Grundidee ist auch der Regelungszweck des § 247 Abs. 1 InsO. Auch diese Norm fingiert die Zustimmung des Schuldners nach Ablauf eines Widerspruchszeitraums allein im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit.215 Im Zweifel wird der Schuldner einen Insolvenzplan wollen, der ihn vor der Zerschlagung seines Unternehmens und der Vernichtung seines Vermögens im Regelinsolvenzverfahren bewahren kann. Weicht der Plan hingegen zum Nachteil des Schuldners von den Regelungen des Regelinsolvenzverfahrens ab, so wird man nach Treu und Glauben erwarten dürfen, dass sich der Schuldner in einem gerichtlichen Verfahren, dass sich allein mit dem Zustandekommen dieses Plans befasst und in dem der Schuldner im Abstimmungstermin zwingend geladen und gehört wird, ablehnend äußert. Die gesetzliche Regelung normiert daher eine Pflicht, die sich wohl auch aus den Umständen des Insolvenzplanverfahrens ergeben hätte und schafft damit die notwendige Rechtssicherheit über die Annahme des Plans. 216

III. Ergebnis Neben den Gläubigern muss auch der Schuldner dem vorgelegten Insolvenzplan im Abstimmungstermin zustimmen. Auch der Schuldner gibt seine ver214 Ebenso Hanau, AcP 165 (1965), 220, 242; ; Roth, in: Koller/Roth/Morck, HGB, § 362 Rn. 2; Singer, in: Staudinger, BGB (2004), Vorbem zu §§ 116–144 Rn. 63. Das besondere Verkehrsschutzbedürfnis setzt sich in diesen Fällen durch; Canaris, in: Staub, HGB, § 362 Rn. 4; Horn, in: Heymann, HGB, § 362 Rn. 1; Welter, in: MünchKomm, HGB, § 362 Rn. 13 (jeweils bzgl. § 362 HGB); Schwintowski, Berliner Kommentar, VVG, § 5 Rn. 1 (bzgl. § 5 VVG). 215 BT-Drucks. 12/2443, S. 210; Jaffé, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 247 Rn. 3; Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 14.1. 216 Dieselben Erwägungen rechtfertigen die im Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen aus dem Sommer 2010 in einem neuen § 246a InsO vorgesehene Regelung, nach der die Zustimmung der Gesellschaftergruppe zum Insolvenzplan als erteilt gilt, wenn sich kein Mitglied der Gruppe an der Abstimmung beteiligt. Auch hier fehlt jeder Anhaltspunkt für einen tatsächlichen Zustimmungswillen der Gesellschafter und damit für eine stillschweigende (echte) Willenserklärung durch Schweigen. Stattdessen wird dem Schweigen mittels einer gesetzlichen Fiktion ein Erklärungswert gegeben, um Rechtssicherheit für die vielen anderen Beteiligten herzustellen. Zugleich kann auch von den Gesellschaftern erwartet werden, dass sie sich beteiligen und wehren, wenn der Insolvenzplan ihnen Rechte nehmen will, die sie im Regelinsolvenzverfahren behalten hätten.

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Kapitel 3: Der Insolvenzplan als Vertrag bürgerlichen Rechts

tragliche Willenserklärung also erst in diesem Termin ab. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn der Schuldner den Plan selbst vorgelegt hat; seine Planvorlage bindet ihn nicht hinsichtlich seiner Zustimmungsentscheidung. Will der Schuldner dem Plan zustimmen, so kann er seine Zustimmung ausdrücklich äußern und damit die nach § 248 Abs. 1 InsO notwendige Zustimmungserklärung abgeben. Er kann aber auch im Abstimmungstermin schweigen oder diesem sogar fernbleiben. Auch dieses Schweigen erhält über § 247 Abs. 1 InsO den Erklärungswert einer Zustimmung. Allerdings wird in diesen Fällen die vertragliche Willenserklärung des Schuldners nur fingiert, so dass die §§ 116 ff. BGB allenfalls analog anwendbar sind. Widerspricht der Schuldner hingegen dem Plan im Abstimmungstermin, so findet sich zunächst keine zustimmende Willenserklärung. Sein Widerspruch kann dann allenfalls über das Obstruktionsverbot des § 247 Abs. 2 InsO überwunden werden, der im Folgenden näher betrachtet wird.

E. Zustimmungsfiktionen auf Gläubiger- und Schuldnerseite Die Vertragsnatur des Insolvenzplans ist offensichtlich, wenn alle Beteiligten einem vorgelegten Planentwurf zustimmen. Sie ist im Ergebnis der bisherigen Untersuchungen aber auch anzunehmen, wenn der Schuldner und alle Gläubigergruppen einem vorgelegten Plan zustimmen, obwohl in den Gläubigergruppen nur eine Mehrheit der Gläubiger den Plan tatsächlich wollte. Das Mehrheitsvotum verpflichtet dann die ablehnenden Gläubiger zur Zustimmung und diese Pflicht wird in konsequenter Konzentration des Verfahrens auf einen Termin unmittelbar durchgesetzt. Zudem wird Zustimmung des Schuldners nach § 247 Abs. 1 InsO fingiert, wenn dieser zum Plan schweigt. Die Möglichkeiten der neuen Insolvenzordnung zum Zustandekommen eines Insolvenzplans sind damit allerdings noch nicht erschöpft. Sie ermöglicht dessen Zustandekommen darüber hinaus, wenn die Zustimmung einer oder gar mehrerer Gläubigergruppen zum vorgelegten Plan fehlt (§§ 245, 246 InsO) oder aber der Schuldner seine Zustimmung ausdrücklich verweigert (§ 247 Abs. 2 InsO). Die bisher aufgezeigten vertragsrechtlichen Erklärungsmuster versagen in diesen Fällen: das zuvor herangezogene Mehrheitsprinzip kann eine Bindung einer ablehnenden Gläubigermehrheit in der nicht zustimmenden Gruppe an den Plan nicht erklären. Und auch die Bindung des Schuldners an den Plan scheint kaum auf einer Willenserklärung von ihm beruhen zu können, wenn er den Plan ausdrücklich ablehnt. Es bleibt daher zu untersuchen, ob und wie sich diese Vorschriften in ein Vertragskonzept integrieren lassen.

E. Zustimmungsfiktionen auf Gläubiger- und Schuldnerseite

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I. Das Obstruktionsverbot des § 245 InsO Nach § 245 Abs. 1 InsO gilt die Zustimmung einer Gläubigergruppe, die den Plan mehrheitlich abgelehnt hat, dennoch als erteilt, wenn drei Voraussetzungen kumulativ gegeben sind. Zunächst dürfen die Gläubiger der ablehnenden Gruppe durch den Plan voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden, als sie ohne den Plan stünden (Nr. 1). Dann muss die Mehrheit der abstimmenden Gruppen dem Plan mit den erforderlichen Mehrheiten tatsächlich zugestimmt haben (Nr. 3). Und schließlich müssen die Gläubiger jeder ablehnenden Gruppe angemessen an dem wirtschaftlichen Wert beteiligt werden, der auf der Grundlage des Plans den Beteiligten zufließen soll (Nr. 2). Diese angemessene Beteiligung der Gläubiger ist nach § 245 Abs. 2 InsO wiederum unter drei kumulativen Voraussetzungen anzunehmen: Kein anderer Gläubiger darf nach dem Plan wirtschaftliche Werte erhalten, die den vollen Betrag seines Anspruchs übersteigen (Nr. 1); weder ein den Gläubigern der ablehnenden Gruppe nachrangiger Gläubiger noch der Schuldner oder eine an ihm beteiligte Person darf überhaupt einen wirtschaftlichen Wert erhalten (Nr. 2) und kein Gläubiger, der ohne den Plan gleichrangig mit den Gläubigern der ablehnenden Gruppe zu befriedigen wäre, darf besser gestellt werden als diese Gläubiger (Nr. 3). Eine angemessene Beteiligung ist somit nur anzunehmen, wenn die aus dem amerikanischen Recht bekannte »absolute priority rule«217 beachtet wird. Und auch der im amerikanischen Recht fest verankerte »best interest test«218 findet sich in § 245 Abs. 1 Nr. 1 InsO wieder, wenn jedem ablehnenden Gläubiger zumindest der Liquidationswert garantiert wird. Die deutsche Regelung des Obstruktionsverbotes folgt damit weitgehend ihrem amerikanischen Vorbild. 219 Lediglich in der dritten Voraussetzung – der notwendigen tatsächlichen Zustimmung einer Mehrheit von Gläubigergruppen in § 245 Abs. 1 Nr. 3 InsO – weicht die deutsche Regelung erheblich vom U. S. Bankruptcy Code ab, der in 11 U. S. C. § 1129 (a) (10) nur die Zustimmung einer einzigen Gläubigergruppe zur Anwendung der »cram-down rule« voraussetzt.

217 Siehe 11 U. S. C. § 1129 (b) (2) – kein Anteilseigner einer insolventen Schuldnergesellschaft und kein nachrangiger Gläubiger darf einen wirtschaftlichen Wert erhalten, bevor nicht jeder vorrangige Gläubiger vollständig befriedigt wurde. 218 Dort in 11 U. S. C. § 1129 (a) (7) (A) (ii). 219 Diese Ähnlichkeit wird noch deutlicher, wenn die Vorschläge des Diskussionsentwurfs für ein Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen aus dem Sommer 2010 umgesetzt werden und das Obstruktionsverbot auch die Gesellschaftergruppe betreffen wird. Die dazu vorgeschlagene Neuregelung als § 245 Abs. 3 InsO entspricht exakt der geltenden Auslegung der entsprechenden Vorschrift in 11 U. S. C. § 1129 (b) (2) (C).

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Kapitel 3: Der Insolvenzplan als Vertrag bürgerlichen Rechts

II. Die Zustimmungsfiktion nachrangiger Insolvenzgläubiger in § 246 InsO Für Gruppen nachrangiger Insolvenzgläubiger wird – soweit diese im Planentwurf überhaupt gebildet wurden 220 – die Zustimmung zum Plan in § 246 InsO noch weitergehend vermutet. Im Hinblick darauf, dass diese Gläubiger mit ihren Forderungen im Regelinsolvenzverfahren ohnehin leer ausgehen würden, wird auf einen »best interest test« verzichtet und die »absolute priority rule« unmittelbar angewandt. Werden also nicht einmal die Forderungen der (ihnen vorrangigen) Insolvenzgläubiger nach dem Plan voll erfüllt, so wird die Zustimmung nachrangiger Insolvenzgläubiger zu einem Erlass ihrer – wirtschaftlich ja wertlosen – Zins- und Kostenforderungen nach § 246 Nr. 1 InsO fingiert. Die Zustimmung nachrangiger Gläubiger im Sinne der Nr. 4 und 5 des § 39 InsO (Gläubiger einer unentgeltlichen Leistung bzw. eines kapitalersetzenden Darlehens) wird nach § 246 Nr. 2 InsO unwiderlegbar vermutet, wenn diese nicht nachrangig, sondern gleichrangig mit den Insolvenzgläubigern im Plan berücksichtigt und damit im Vergleich zum Regelinsolvenzverfahren bessergestellt werden. Schließlich wird nach § 246 Nr. 3 InsO die Zustimmung einer Gruppe nachrangiger Gläubiger angenommen, in der sich kein Gläubiger an der Abstimmung beteiligt hatte; Schweigen wird hier wie in den Fällen des § 247 Abs. 1 InsO mit Erklärungswert versehen.

III. Die Zustimmungsfiktion beim Schuldner in § 247 Abs. 2 InsO Nach § 247 Abs. 1 InsO gilt die Zustimmung des Schuldners zum Insolvenzplan als erteilt, wenn er dem Plan nicht spätestens im Abstimmungstermin widerspricht, wobei der Widerspruch schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichtes erfolgen muss. Diese Regelung verleiht – wie bereits erläutert wurde – dem Schweigen des Schuldners den Erklärungswert einer Zustimmungserklärung und fingiert damit dessen Zustimmung zum Plan entsprechend den Grundsätzen über das Schweigen im Rechtsverkehr. 221 Widerspricht der Schuldner dem Plan hingegen fristgemäß, so ist selbst ein solcher Widerspruch gemäß § 247 Abs. 2 InsO unbeachtlich, wenn der Schuldner zum einen 220 Nach § 222 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 InsO sind Gruppen entsprechend der Rangklassen der nachrangigen Gläubiger nur dann obligatorisch, wenn diese Forderungen nicht nach § 225 InsO als erlassen gelten, der Plan also ausnahmsweise ihre zumindest teilweise Aufrechterhaltung und Befriedigung vorsieht. Ein solcher Plan müsste dann aber entweder alle Insolvenzgläubiger voll befriedigen oder aber die tatsächliche Zustimmung aller Gruppen der Insolvenzgläubiger finden, da eine Zustimmungsfiktion nach § 245 InsO wegen des Verstoßes gegen die »absolute priority rule« nicht in Betracht käme. In Praxis wird sich daher ein solcher Plan höchst selten finden, so dass auch der Anwendungsbereich des § 246 InsO gegen Null tendiert. 221 Näheres dazu bereits im vorangegangenen Abschnitt unter D. II.

E. Zustimmungsfiktionen auf Gläubiger- und Schuldnerseite

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durch den Plan voraussichtlich nicht schlechter steht, als er ohne ihn stünde (Nr. 1), und zum zweiten kein Gläubiger einen wirtschaftlichen Wert erhält, der den vollen Betrag seines Anspruchs übersteigt (Nr. 2). Bei einem danach unbeachtlichen Widerspruch wird wie bei einem fehlenden Widerspruch die Zustimmung des Schuldners zum Plan fingiert.

IV. Keine Legitimation der Fiktionen durch das Mehrheitsprinzip Die Suche nach Erklärungsmustern für diese gesetzlichen Regelungen führt zunächst zurück zum Mehrheitsprinzip, konnte dieses doch die heterogenen Bindungswirkungen der überstimmten Gläubiger in einer Abstimmungsgruppe erklären. 1. bezüglich nachrangiger Insolvenzgläubiger und dem Schuldner Das Mehrheitsprinzip ist zur Legitimation der Zustimmungsfiktionen in den §§ 246 und 247 Abs. 2 InsO von vornherein untauglich. Es fehlt in den dortigen Fällen jede Willensbildung mittels eines Beschlusses. Weder die nachrangigen Gläubiger noch der Schuldner haben in den Fällen der §§ 246, 247 InsO über den Plan tatsächlich abgestimmt. Eine Willensbildung in diesen Gläubigergruppen wie auch beim Schuldner ist irrelevant für die angeordnete Fiktion. Diese basiert nie auf einer dortigen Mehrheitsentscheidung, sondern allein auf dem tatbestandlichen Eingreifen der §§ 246 und 247 Abs. 2 InsO. Hier ist nach anderen Legitimationsgrundlagen zu suchen. 2. bezüglich der sonstigen ablehnenden Gläubigergruppen (§ 245 InsO) Weniger eindeutig ist die Relevanz des Majoritätsprinzips für das Obstruktionsverbot des § 245 InsO. Dieses verlangt in Abs. 1 Nr. 3 immerhin noch die tatsächliche Zustimmung der Mehrheit der abstimmenden Gläubigergruppen, weshalb sich hier ein näherer Blick auf die Legitimation der Zustimmungsfiktion mittels des Majoritätsprinzips lohnt. Hängt neben den materiellen Garantien in § 245 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InsO die Bindung der Gläubiger in einer ablehnenden Gruppe auch entscheidend davon ab, dass die Mehrheit der anderen Gläubigergruppen diesen Plan wollen (§ 245 Abs. 1 Nr. 3 InsO), so liegt der Schluss nahe, dass es damit der Mehrheitswille aller Gläubiger ist, auf dem die Bindung einer kleinen Zahl von Gläubigern beruht, die sich zwar in einer Gläubigergruppe, nicht aber in der Gesamtbetrachtung aller Insolvenzgläubiger durchsetzen konnten. Will man dementsprechend die Legitimation des Obstruktionsverbots tatsächlich auf den Willen der Mehrheit aller Gläubiger aufbauen, wie dies teilweise explizit getan wird, 222 so hat man allerdings Probleme 222

Baur/Stürner, Insolvenzrecht, Rn. 6.5 ff., 6.8; Flessner, in: Heidelberger Kommentar,

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Kapitel 3: Der Insolvenzplan als Vertrag bürgerlichen Rechts

mit dem Wortlaut der Regelung des § 245 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Dieser verlangt allein die tatsächliche Zustimmung der Mehrheit der Gläubigergruppen, nicht die aller Gläubiger. Bei einer geschickten und nach den Maßstäben des § 222 InsO zulässigen Gruppenbildung ist es daher möglich, dass eine Mehrheit aller Gruppen zwar durch jeweilige Mehrheitsbeschlüsse dem Plan zustimmt – wie es der Wortlaut des § 245 Abs. 1 Nr. 3 InsO voraussetzt – und dennoch in der Gesamtbetrachtung aller Gläubiger die Zahl der Zustimmenden nur eine Minderheit ausmacht. Zur Korrektur dieser scheinbaren Unzulänglichkeit der gesetzlichen Regelung verlangen einige Autoren eine restriktive Auslegung des § 245 Abs. 1 Nr. 3 InsO, um in derartigen Fällen ein Zustandekommen des Plans mittels der Zustimmungsfiktion zu verhindern.223 Richtig betrachtet liegt das Problem jedoch nicht im Wortlaut der gesetzlichen Regelung, sondern im Majoritätsprinzip als Legitimationsgrundlage des Obstruktionsverbots. Wie bereits an früherer Stelle dargelegt wurde, 224 ist allein die Gläubigergruppe hinsichtlich des Plans und der mit ihm verbundenen Eingriffe in die privaten Rechte der Gläubiger abstimmungsbefugt. Sie – nicht die Gläubigerschaft als Ganzes – ist die Personengruppe, in deren Wirkungskreis bindende Entscheidungen über diese Eingriffe und damit über den Plan fallen. Die Gläubigergesamtheit kann zwar über das gemeinschaftliche Verwertungsrecht an der Insolvenzmasse entscheiden, nicht jedoch über Eingriffe in private Rechte der einzelnen Insolvenzgläubiger. Dementsprechend kann es auch nicht die Mehrheit aller Insolvenzgläubiger sein, die nun plötzlich die Fiktion der Zustimmung einer Gläubigergruppe im Wege des Obstruktionsverbotes legitimiert. Die Gesamtheit der Gläubiger entscheidet nicht über einen vorgelegten Plan. Ihr Wille legitimiert weder den Plan als solchen noch die Bindung einer mehrheitlich ablehnend votierenden Gruppe. Aus wichtigen und zutreffenden Erwägungen hat der Gesetzgeber die Entscheidung über den Plan an Gläubigergruppen übertragen, in denen sich gleichartig betroffene Personen wiederfinden. Lehnt eine solche Gruppe den Plan mehrheitlich ab, so kann er für die Gläubiger in dieser Gruppe grundsätzlich keine Bindungswirkung erzeugen. Die Beschlusslage in der Gruppe bestimmt vielmehr das genaue Gegenteil und bindet damit auch die den Plan befürwortende Minderheit in der Gruppe. Die Beschlusslage in den anderen Gruppen kann hieran genauso wenig ändern wie der Umstand, dass in der Gesamtbetrachtung aller Gläubiger im InsO, § 245 Rn. 3; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 28.38; Otte, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 245 Rn. 55; auch Schiessler, Insolvenzplan, S. 170; Smid, FS Pawlowski, 1996, 387, 425; Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 13.113; Stürner, in: Leipold, Insolvenzrecht im Umbruch, 1991, 41, 47. 223 Grundlegend: Smid, FS Pawlowski, 1996, 387, 425; ebenso: Häsemeyer, FS Gaul, 1997, 175, 178; Lepa, Insolvenzordnung und Verfassungsrecht, S. 264; Otte, in: Kübler/Prütting/ Bork, InsO, § 245 Rn. 37, 55; Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 13.112. 224 Siehe oben in diesem Kapitel den Abschnitt C. III.

E. Zustimmungsfiktionen auf Gläubiger- und Schuldnerseite

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Abstimmungstermin vielleicht sogar eine Mehrheit für den Plan votiert hat. Der Beschluss in der ablehnenden Gruppe bleibt davon unberührt. Dass sich der Wille der ablehnenden Gruppe im Anwendungsbereich des Obstruktionsverbotes nicht durchsetzen kann, basiert – gerade in Anbetracht des amerikanischen Vorbilds und der Entstehungsgeschichte des § 245 InsO – nicht auf einem anderen und vorrangigen Willen der Mehrheit aller Gläubiger, sondern auf der wirtschaftlichen Unvernunft der gewollten Planablehnung. 225 Das Obstruktionsverbot will seinem ursprünglichen Gedanken nach die ablehnenden Gläubiger nicht deshalb binden, weil es die Mehrheit so will, sondern vielmehr allein, weil es wirtschaftlich unvernünftig für jeden ablehnenden Gläubiger und daher auch im Interesse aller Beteiligten von Nachteil ist, den vorgelegten Plan abzulehnen und damit scheitern zu lassen. Es ist der Gedanke des Missbrauchs von Stimmmacht und es sind daher die Umstände in Nr. 1 und 2 des § 245 InsO, die den maßgeblichen Grund dafür liefern, dass man die Beschlusslage in einer ablehnenden Gläubigergruppe ignoriert. Die Frage danach, ob zumindest einige Gruppen den vorgelegten Plan tatsächlich wollten, dient vor diesem Hintergrund allein dazu, die Abstimmung nicht zur Farce zu machen. Eine tatsächliche Mehrheit aller Gläubiger für den Plan ist hingegen nicht notwendig. So verlangt etwa auch das amerikanische Reorganisationsverfahren in 11 U. S. C. § 1129 (a) (10) zur Anwendung der »cram-down rule« allein die Zustimmung einer einzigen Gläubigergruppe und auch der Regierungsentwurf der Insolvenzordnung sah in Anlehnung an dieses Vorbild in § 290 Abs. 1 Nr. 3 für die Anwendbarkeit des Obstruktionsverbotes allein die Zustimmung einer anderen Gruppe vor. Erst der Rechtsausschuss verkannte die Funktion des Zustimmungserfordernisses in Nr. 3 und sah in der »Zustimmung von nur einer von vielen Gruppen . . . eine zu schwache Grundlage für einen Plan.«226 Der dahintersteckende Hinweis auf das Majoritätsprinzip 225 BT-Drucks. 12/2443, S. 208: »Wenn eine Abstimmungsgruppe die Zustimmung zum Plan verweigert, so kann in dieser Verweigerung ein Missbrauch liegen.« BT-Drucks. 12/7302, S. 184: »Auch nach der vom Ausschluss beschlossenen Reduzierung der Gruppenbildung . . . ist ein Obstruktionsverbot erforderlich, um zu verhindern, dass ein wirtschaftlich sinnvoller Plan, der die Gläubigerinteressen wahrt, am Widerstand einer einzigen Gläubigergruppe scheitert.« Auch weite Teile der Literatur stützen das Obstruktionsverbot allein auf den Missbrauchsgedanken: Braun/Frank, in: Braun, InsO, § 245 Rn. 1, 17 (Fn. 33); Braun, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 68 Rn. 50; ders., in: Nerlich/Römermann, InsO, § 245 Rn. 2, 33; Drukarczyk, in: MünchKomm, InsO, § 245 Rn. 2; Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 217 Rn. 21; Exner/Beck, in: Beck/Depré, Praxis der Insolvenz, § 43 Rn. 82; Grub, FS Uhlenbruck, 2000, 501, 508; Herzig, Insolvenzplanverfahren, S. 281; Hess, in: Hess, InsR, § 245 InsO Rn. 7; Jaffé, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 245 Rn. 7; Jungmann, Grundpfandgläubiger und Unternehmensinsolvenz, Rn. 291 f.; Kersting, Gläubiger im Insolvenzplanverfahren, S. 167 f., 189; Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, § 245 Rn. 1 f.; Thies, in: Hamburger Kommentar, § 245 Rn. 1. 226 BT-Drucks. 12/7302, S. 184: zu Recht kritisch hierzu Braun/Frank, in: Braun, InsO, § 245 Rn. 17 (Fn. 33); Braun, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 68 Rn. 57; ders., in: Nerlich/Römermann, InsO, vor § 217 Rn. 127 und § 245 Rn. 33; Braun/Uhlenbruck, Unter-

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Kapitel 3: Der Insolvenzplan als Vertrag bürgerlichen Rechts

geht dennoch fehl. Nach der gesamten Konzeption der Gruppenbildung und der Gruppenmacht ist es nicht der Mehrheitswille aller Gläubiger oder der Mehrheit der Gruppen, sondern der – auch vom Rechtsausschuss betonte227 – Missbrauchsgedanke, der das Obstruktionsverbot in § 245 InsO wie das in den §§ 246 und 247 Abs. 2 InsO hinreichend trägt und der die Bindung ablehnender Gläubiger in ablehnenden Gruppen ebenso legitimiert wie eines ablehnenden Schuldners oder nachrangiger Gläubiger. 228 § 245 InsO ist daher auch dann anzuwenden, wenn in der Gesamtschau zwar die Mehrheit der Gruppen, nicht aber die Mehrheit aller Gläubiger dem Plan zugestimmt haben. 229 Grundlage der Bindung der ablehnenden Gläubiger in der negativ abstimmenden Gruppe ist genauso wenig das Mehrheitsprinzip wie dieses eine Bindung des ablehnenden Schuldners oder der nachrangigen Gläubiger rechtfertigen kann. Die Mehrheitsmacht bleibt auf die einzelne Gruppe beschränkt. Nur dort liegt ihr Wirkungskreis. Die Funktion der Regelung in § 245 Abs. 1 Nr. 3 InsO liegt also nicht in der Legitimation der Bindungswirkung. Sie besteht stattdessen in der Gewichtung des Obstruktionsgedankens gegenüber dem Abstimmungsprinzip. Dies hat folgenden Hintergrund: Die Insolvenzordnung bietet zwei Wege, sich verweigernde Gläubiger an den Plan zu binden: die Mehrheitsentscheidung in einer Gruppe sowie das Obstruktionsverbot. Jedes dieser Institute könnte für sich allein ausreichen, um einen Insolvenzplan gegenüber allen Gläubigern zustande kommen zu lassen. Unmittelbar einsichtig scheint dies für das Abstimmungsprinzip: Der Gesetzgeber könnte auf ein Obstruktionsverbot verzichten, wie er es bei den Vorgängerregelungen getan hatte, und den Insolvenzplan allein von einer Mehrheitsentscheidung in allen Gruppen abhängig machen. Aber auch der umgekehrte Weg erscheint theoretisch denkbar. 230 Der Gesetzgeber könnte auf eine Auszählung der Stimmen und deren Gewichtung gänzlich verzichten und alle ablehnend votierenden Gläubiger an einen Insolvenzplan binden, wenn dieser die ablehnenden Gläubiger wirtschaftlich nicht schlechter stellt als ein Regelinsolvenzverfahren und sie entsprechend ihres Rangs angemessen am Planerfolg beteiligt. Im Extremfall könnte auf diese Weise sogar ein Plan gegen die nehmensinsolvenz, S. 611. Keller, Insolvenzrecht, Rn. 1743, nennt die Regelung sogar »sachlich falsch«. 227 BT-Drucks. 12/7302, S. 184. 228 So zutreffend Braun, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 68 Rn. 57; Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 611; Keller, Insolvenzrecht, Rn. 1743. 229 Ebenso Herzig, Insolvenzplanverfahren, S. 283; Hess, in: Hess, InsR, § 245 InsO Rn. 9; Kersting, Gläubiger im Insolvenzplanverfahren, S. 189; Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, § 245 Rn. 3. 230 Verfassungsrechtlich scheint nichts gegen eine Ausweitung des Obstruktionsverbots zu Lasten des Mehrheitsprinzips zu sprechen, solange zugunsten der Sanierung des Schuldnerunternehmens die wirtschaftlichen Werte der vom Zwang Betroffenen durch den Plan gesichert werden – näher dazu später in diesem Abschnitt unter V. 4.

E. Zustimmungsfiktionen auf Gläubiger- und Schuldnerseite

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Stimmen aller Gläubiger zustande kommen oder auf eine Abstimmung verzichtet werden, vorausgesetzt natürlich, dieser Plan würde durch das Engagement neuer Investoren hinreichend Mittel zur Verfügung stellen, um eine Schlechterstellung aller Gläubiger auszuschließen (was in der Praxis kaum je vorkommen dürfte). Schließlich wäre auch jeder Mittelweg zwischen den Extrempositionen denkbar. So könnte etwa das Obstruktionsverbot zu Lasten des Mehrheitsprinzips dahin gehend aufgewertet werden, dass zur Anwendung der Obstruktionsregelungen nicht die Mehrheit der Gruppen, sondern nur eine einzige Gruppe dem Plan zustimmen muss. Eine derartige Regelung enthielt – wie bereits erwähnt – noch der Regierungsentwurf zum Obstruktionsverbot, und auch das amerikanische Vorbild verlangt in 11 U. S. C. § 1129 (a) (10) nur die Zustimmung einer Gruppe zum Reorganisationsplan. Eine solche Regelung ist also durchaus realistisch. Der Rechtsausschuss entschied sich demgegenüber für eine stärkere Betonung des Abstimmungsprinzips und stärkte damit den Gläubigereinfluss auf die Planannahme. Auf ein weitreichend anwendbares Obstruktionsverbot im Interesse der Durchsetzung einer objektiv optimalen Haftungsverwirklichung für alle Gläubiger wurde verzichtet. Der Rechtsausschuss verschob also nur die Gewichtung der Bedeutung beider Rechtsinstitute bei der Planentstehung zurück zugunsten der Abstimmungsmacht der Gruppen. In diesem Sinne sind auch die Äußerungen in der Begründung dieser Gesetzesänderung zu verstehen. Keinesfalls wollte der Rechtsausschuss hingegen das Mehrheitsprinzip zur Legitimationsgrundlage für das Obstruktionsverbot machen; diese bleibt allein der Missbrauchsgedanke.

V. Zustimmungsfiktionen als gesetzlicher Kontrahierungszwang Wie lässt sich nun aber die Bindung der den Plan ablehnenden Beteiligten über das Obstruktionsverbot erklären? In den Fällen des § 245 InsO wird den Gläubigern einer Gruppe, die sich mehrheitlich gegen den Plan ausgesprochen hat, dieser Plan aufgezwungen.231 Das Mehrheitsprinzip kann diese Zwangsbindung – wie gesehen – nicht rechtfertigen. Nach § 247 Abs. 2 InsO wird auch dem Schuldner ein Plan aufgedrängt, den er offensichtlich nicht will; auch er wird zum Vertragsschluss gezwungen. Im Anwendungsbereich des § 246 InsO liegen immerhin keine negativen Willensäußerungen der nachrangigen Gläubiger zum vorgelegten Insolvenzplan vor. Dennoch werden auch in diesen Fällen die Betroffenen an einen Insolvenzplan gebunden, dem sie tatsächlich nie zugestimmt haben. In keinem Fall eines angewandten Obstruktionsverbots wird die Zustimmung zum Plan tatsächlich erklärt. Sie wird vielmehr – wie für die ableh231 Entsprechendes wird für die Gesellschafter der Gesellschaftergruppe gelten, wenn die Vorschläge des Diskussionsentwurfs für ein Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen aus dem Sommer 2010 umgesetzt werden und das Obstruktionsverbot auch die Gesellschaftergruppe erfassen wird.

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Kapitel 3: Der Insolvenzplan als Vertrag bürgerlichen Rechts

nenden bzw. nicht teilnehmenden Gläubiger in den mehrheitlich zustimmenden Gruppen – durch das Insolvenzgericht in Vollziehung einer Zustimmungspflicht fingiert. Diese Pflicht zur Zustimmung kann hier allerdings nicht auf einem Mehrheitsbeschluss beruhen. Dieser Beschluss hat für die Gläubigergruppen im Anwendungsbereich des § 245 InsO ja das genaue Gegenteil zum Inhalt, da diese Gruppen den Plan mehrheitlich ablehnten. Für die nachrangigen Gläubiger im Bereich des § 246 InsO gilt entsprechendes, soweit sie überhaupt abgestimmt haben. 232 Der Schuldner schließlich ist nicht einmal Teil einer Personengruppe und daher auch nicht Teil eines Willensbildungsprozesses durch Beschluss. Die Zustimmungspflicht beruht in den Fällen der §§ 245 bis 247 InsO allein auf der Notwendigkeit des Ausschaltens von Obstruktionsmustern und damit auf dem Gedanken des Rechtsmissbrauchs und des Schikaneverbots. Kein Beteiligter soll das Zustandekommen eines Plans obstruieren können, wenn dieser dessen legitime Interessen wahrt.233 Ein wirtschaftlich im Interesse aller Beteiligten vernünftiger Plan soll gerade anders als in außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen nicht an dem Verweigerungsverhalten einzelner Beteiligter scheitern. Diese Personen werden daher durch die Regelungen der §§ 245 bis 247 InsO zwangsweise an den Plan gebunden, indem ihre Zustimmung als erteilt fingiert wird. Diese Regelungen haben eine enorme Ausstrahlungswirkung. Obstruierende Beteiligte wissen, dass sie einem wirtschaftlich vernünftigen Plan zustimmen müssen. Das Obstruktionsverbot der §§ 245 bis 247 InsO ist ein nicht zu unterschätzendes Verhandlungsinstrument gegenüber ablehnenden Beteiligten.234 Sollten sie dennoch im Abstimmungstermin ihre Zustimmung verweigern, so fingiert das Gesetz diese Zustimmungserklärung. Der so entstehende Zustimmungszwang legt den Gedanken nahe, in den §§ 245 bis 247 InsO einen gesetzlichen Kontrahierungszwang zu erblicken. 1. Kontrahierungszwang und Vertragsfreiheit Ein Kontrahierungszwang ist die aufgrund einer Norm der Rechtsordnung einem Rechtssubjekt ohne seine Willensbindung im Interesse eines Begünstig232 Gruppen nachrangiger Insolvenzgläubiger werden nach § 222 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 InsO nur in den seltenen Fällen obligatorisch gebildet, in denen sie einen wirtschaftlichen Wert erhalten sollen. Dann steht ihnen nach dem Gesetzestext allerdings ein Stimmrecht zu, da § 237 Abs. 1 Satz 1 InsO ausdrücklich nicht auf § 77 Abs. 1 Satz 2 InsO verweist, der ein Stimmrecht nachrangiger Gläubiger in der Gläubigerversammlung ausschließt – Braun, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 68 Rn. 41; Hess, in: Hess, InsR, § 237 InsO Rn. 7; Jaffé, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 237 Rn. 8; anders Flessner, in: Heidelberger Kommentar, InsO, § 237 Rn. 12 unter Hinweis auf die Gesetzgebungsmotive. 233 BT-Drucks. 12/2443, S. 94 (für Gläubigergruppen); S. 210 (für den Schuldner). 234 Gerade diese verhaltenssteuernde Funktion betonen etwa auch Otte, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 245 Rn. 63 und Schiessler, Insolvenzplan, S. 171.

E. Zustimmungsfiktionen auf Gläubiger- und Schuldnerseite

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ten auferlegte Verpflichtung, mit diesem einen Vertrag bestimmten oder von unparteiischer Seite zu bestimmenden Inhalt zu schließen.235 Ein solcher Kontrahierungszwang, also ein aufgezwungener Vertragsschluss, berührt die Vertragsfreiheit in ihrem Kern. Zum einen verliert der einem solchen Zwang Unterliegende seine negative Abschlussfreiheit, da er zu einem Vertrag mit dem Begünstigten gezwungen wird. Zum anderen gibt ein Kontrahierungszwang nicht nur das Ob des Vertragsschlusses, sondern auch den Vertragsinhalt detailliert vor oder aber überträgt diese Vorgabe einem Dritten, so dass sich auch der Vertragsinhalt nicht mehr aus der Gestaltungsfreiheit des Betroffenen ergibt. Dieser wird Partner eines Vertrages, dessen Gegenüber und dessen Inhalt er nicht selbst bestimmen durfte. Der tatsächliche Wille des Verpflichteten wird irrelevant. 236 Insofern kann es auf den ersten Blick durchaus zweifelhaft erscheinen, ob ein solcher »Vertrag« tatsächlich noch auf den Prinzipien des bürgerlichen Vertragsrechts beruht, wie es sich in den §§ 145 ff. BG findet. Diese Zweifel verblassen hingegen schnell, wenn man sich die Grundlagen der Vertragsordnung und des Vertragsbegriffs genauer vergegenwärtigt, was leider gerade in der Diskussion um die Rechtsnatur von Zwangsvergleich, Vergleich oder Insolvenzplan nicht geschieht. Zwar basiert das Vertragsrecht auf Willenserklärungen und damit im Idealfall auf einem selbstbestimmten Willen der Vertragspartner. Die Freiheit von Zwang ist dabei aber gerade keine Voraussetzung für das Zustandekommen eines wirksamen Vertrages. § 123 Abs. 1 Alt. 2 BGB regelt vielmehr das ausdrückliche Gegenteil, indem er Willenserklärungen, die unter Zwang abgegeben wurden, für wirksam erachtet und nur dann der Anfechtbarkeit unterwirft, wenn dieser Zwang widerrechtlich erfolgte. Das Vorhandensein von Zwang beim Vertragsschluss schließt also grundsätzlich das Zustandekommen eines Vertrages nicht aus und selbst rechtswidriger Zwang kann die Grundlage eines Vertrages privatrechtlicher Natur sein, wenn der Betroffene auf eine Anfechtung verzichtet oder sie versäumt. 237 235 Diese von Nipperdey (Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag, S. 7) entwickelte Definition hat sich heute weitgehend durchgesetzt – vgl. etwa Bork, in: Staudinger, BGB (2003), Vorbem. zu §§ 145–156 Rn. 15; Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 110; im Wesentlichen auch Joussen, Schlichtung, S. 264 f.; Reichert, Abschlusszwang, S. 26. 236 Hatte sich eine der Parteien hingegen (z. B. mittels Vorvertrags) freiwillig zum Abschluss des späteren Vertrages verpflichtet, so basiert die entstandene Abschlusspflicht auf ihrem Willen und damit auf ihrem Selbstbestimmungsrecht, selbst wenn diese Partei ihren Willen in der Zwischenzeit ändert und daher nun den Abschluss des Vertrags verweigert. Es handelt sich in solchen Fällen daher auch nicht um eine Zwangswirkung aus einem Kontrahierungszwang, da bei letzterem die Abschlusspflicht gerade nicht auf einem Willen der betroffenen Partei beruht – so die inzwischen wohl allgemeine Ansicht im Anschluss an: Nipperdey, Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag, S. 15 (Kontrahierungszwang ist »willensfremder Zwang«) – vgl. etwa Reichert, Abschlusszwang, S. 26; anders noch Molitor, JherJb 73 (1923), 1, 16 f.; ungenau daher Eckert, in: Bamberger/Roth, BGB, § 145 Rn. 19, wenn er von einem »vertraglichen Kontrahierungszwang« aufgrund eines Vorvertrages spricht. 237 Hierauf zu Recht hinweisend: Armbrüster, in: Erman, BGB, Vor § 145 Rn. 26; Bork, in: Staudinger, BGB (2003), Vorbem. zu §§ 145–156 Rn. 14; Reichert, Abschlusszwang, S. 22.

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Kapitel 3: Der Insolvenzplan als Vertrag bürgerlichen Rechts

Ein rechtmäßiger (gesetzlicher) Kontrahierungszwang kann daher umso weniger dazu führen, dem daraufhin geschlossenen Vertrag die Eigenschaft eines privatrechtlichen Vertrags zu nehmen. Es ist vielmehr inzwischen anerkannt, dass ein aufgrund eines Kontrahierungszwangs geschlossener Vertrag ein privatrechtlicher Vertrag des BGB ist. 238 Es gibt damit Verträge, die jedenfalls für einen Vertragspartner ohne dessen privatautonome Entscheidung zustande kommen. Eine derartig aufgezwungene vertragliche Bindung hat grundrechtliche Relevanz, ist doch – wie bereits an anderer Stelle erläutert wurde 239 – die Privatautonomie Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG. Zugleich und vorrangig ist der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG berührt, wenn die vertragliche Bindung Vermögenswerte des Betroffenen zum Gegenstand hat. Die privatautonome Selbstbestimmung des Individuums ist unter der Geltung des Grundgesetzes verfassungsrechtlich geschützt. Allerdings ist dieser Schutz kein schrankenloser. Die Anforderungen an einen rechtmäßigen Eingriff in die Privatautonomie sind sogar eher niedrig. Ein Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG kann durch jedes verhältnismäßige Gesetz zu legitimen Zwecken erfolgen und auch das durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Eigentum unterliegt den verhältnismäßigen Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 GG. 240 Die Privatautonomie unterliegt auf dieser Grundlage zwei grundsätzlichen Angriffen, die Busche 241 sehr zutreffend herausgearbeitet hat. a) Der allgemeine Kontrahierungszwang Zum einen kann die Privatautonomie in Gestalt der Vertragsfreiheit eines Individuums mit der eines anderen kollidieren. Ist eine Person also auf ein bestimmtes Gut oder eine bestimmte Leistung angewiesen, die sie in zumutbarer Weise nur von einer anderen Person erhalten kann, so kollidiert im Weigerungsfall die negative Vertragsfreiheit der nichtleistenden mit der positiven Vertragsfreiheit der nachfragenden Person. Diese Kollision ist im Wege praktischer Konkordanz zu lösen, wobei sich vor dem Hintergrund eines funktionierenden Marktes 238 BGH MDR 1952, 155; Armbrüster, in: Erman, BGB, Vor § 145 Rn. 31; Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 240, 583; Bydlinski, JZ 1980, 378; Flume, Rechtsgeschäft, S. 612; Hedemann, FS Nipperdey, 1955, 251, 259; Larenz, Schuldrecht I, § 4 I a, S. 49; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 85; Nipperdey, Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag, S. 135; Reichert, Abschlusszwang, S. 22; Wolf, in: Soergel, BGB, Vor § 145 Rn. 50; anders noch Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 141, 143. Lediglich Kilian, AcP 180 (1980), 47, 81, will Leistungsbeziehungen aus Kontrahierungszwängen »wie quasi-Verträge« behandeln, sie gleichzeitig aber nach vertragsrechtlichen Grundsätzen abwickeln. 239 Siehe in diesem Kapitel unter C. IV. 2. d). Speziell zur grundrechtlichen Problematik des Kontrahierungszwangs: Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 599 f. 240 Vgl. Armbrüster, in: Erman, BGB, Vor § 145 Rn. 26; Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 599 f.; di Fabio, in: Maunz/Düring, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 104; Flume, Rechtsgeschäft, S. 19 f.; Starck, in: Mangoldt/Klein, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 147. 241 Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 102 ff., 124 ff., 575 ff.

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stets die negative Abschlussfreiheit durchsetzen wird, da es dem Nachfragenden grundsätzlich zumutbar ist, am Markt nach anderen Vertragspartnern zu suchen, die sich freiwillig (wenn auch vielleicht zu einem höheren Preis) zur gewünschten Leistung verpflichten. Lediglich in den seltenen Fällen, in denen der Vertragssuchende auf die vertragliche Leistung angewiesen ist und ihm zugleich eine zumutbare Ausweichmöglichkeit fehlt (Stichwort Monopol) 242 , wird sich das Vertragsinteresse des Nachfragenden durchsetzen und der verweigernde Teil zum Vertragsschluss gezwungen.243 Der so entstehende Kontrahierungszwang findet seine Legitimation nun nicht in speziellen gesetzlichen Regelungen, sondern in diesen allgemeinen Erwägungen und wird daher zutreffend auch »allgemeiner Kontrahierungszwang« genannt. Seine konkrete Rechtsgrundlage wie auch seine konkreten Voraussetzungen sind dabei nach wie vor umstritten, 244 wobei auf eine nähere Betrachtung hier verzichtet werden kann, 242 Auch die Ablehnung eines Vertragsschlusses aus unlauteren Motiven (Stichwort Diskriminierung) führt erst dann über verfassungsrechtliche Erwägungen der praktischen Konkordanz zu einem Überwiegen der Interessen des Vertragssuchenden und damit zu einem Kontrahierungszwang, wenn eine Ausweichmöglichkeit fehlt (vgl. etwa auch die Regelung in § 20 GWB). Als bloße Sanktion einer Diskriminierung sind mildere und effektivere Wege denkbar wie etwa die Pflicht zum Ersatz immateriellen Schadens. Dies sollte insbesondere in der Diskussion um einen allgemeinen Kontrahierungszwang bei Verletzung des Diskriminierungsverbots im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz nicht übersehen werden – (nur insoweit) zutreffend Armbrüster, NJW 2007, 1494, 1496 (m. w. N. zur Diskussion). Hieran scheitert auch ein Kontrahierungszwang der privaten Banken hinsichtlich der Eröffnung von Girokonten, solange die öffentlich-rechtlich organisierten Sparkassen die Kunden annehmen müssen und daher eine Ausweichmöglichkeit besteht – zutreffend Bachmann, ZBB 2006, 257, 262 und 268 (m. w. N. zum Streitstand). 243 Insoweit überzeugend Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 125 f., 237 ff.; auch Larenz, Schuldrecht I, § 4 I a, S. 47. Die Vertragsfreiheit wird in diesen Fällen nicht gänzlich aufgehoben, sondern ein Kollisionsproblem wird gelöst. Missverständlich ist es dennoch, wenn Busche meint, der Kontrahierungszwang diene in diesen Ausnahmefällen der »Funktionssicherung des Instituts Vertragsfreiheit« und gründe daher selbst allein auf dem Selbstbestimmungsprinzip (S. 126). Hierdurch betont er zu einseitig das Interesse des Vertragssuchenden, dessen Vertragsfreiheit sicherlich zumindest unangetastet bleibt oder gar erweitert wird (Larenz, Schuldrecht I, § 4 I a, S. 42). Er unterschlägt aber den Eingriffscharakter des Kontrahierungszwangs für den von ihm Betroffenen. Der im Ergebnis entstehende Vertrag trifft den Betroffenen stets heteronom und negiert dessen negative Vertragsfreiheit zugunsten der positiven des Begünstigten (Bydlinski, AcP 180 [1980], 1, 4; Hönn, JuS 1990, 953, 961; Larenz, Schuldrecht I, § 4 I a, S. 42; Singer, Selbstbestimmung, S. 84 f.). Das Selbstbestimmungsprinzip und die »Vertragsfreiheit als Institut« können diese Heteronomie nicht legitimieren. Der Kontrahierungszwang dient vielmehr der Lösung eines Interessenkonflikts in einer Situation, in welcher das Rechtsinstitut Vertragsfreiheit ausnahmsweise gerade nicht funktioniert, da es nicht autonom in der Lage ist, den richtigen Vertrag zustande kommen zu lassen. Er ist daher zugleich aber auch notwendiger Teil einer privatautonomen Privatrechtsordnung. 244 Als Rechtsgrundlagen werden insbesondere diskutiert: ein im Wege der Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB) zu erfüllender Schadensersatzanspruch (etwa aus § 826 BGB oder §§ 26 Abs. 2, 35 Abs. 1 GWB [alter Fassung] – vgl. etwa RGZ 132, 273, 276; 133, 388, 392; BGHZ 21, 1, 7 f.; 36, 91, 100; 41, 271, 280; 49, 90, 98; 63, 282, 285; 107, 273, 279; BGH NJW 1990, 761, 762 f.; WM 1994, 1670, 1671; Flume, Rechtsgeschäft, S. 612; Medicus/Lorenz,

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hat doch der hier in den §§ 245 ff. InsO vermutete Kontrahierungszwang eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage und gehört damit zur zweiten Gruppe der Einschränkungen der Privatautonomie: denen auf spezialgesetzlicher Grundlage (»gesetzlicher Kontrahierungszwang«). b) Der gesetzliche Kontrahierungszwang Wie sich schon aus den verfassungsrechtlichen Grundsätzen ergibt, steht es dem Gesetzgeber frei, zur Erreichung legitimer Ziele Voraussetzungen zu normieren, unter denen ein bestimmter Vertrag von einer bestimmten Partei geschlossen werden muss. Das Verfassungsrecht lässt dem Gesetzgeber hierbei einen weiten Gestaltungsspielraum, indem es lediglich eine verhältnismäßige Regelung verlangt. 245 Diesen Spielraum hat der Gesetzgeber in vielen Fällen genutzt. 246 Leider lässt die dabei gewählte Ausdrucksform bei vielen Regelungen keineswegs den eindeutigen Schluss auf einen angeordneten Kontrahierungszwang zu. Nur selten wird ausdrücklich eine Pflicht zum Abschluss eines bestimmten Vertrags normiert. In den weitaus meisten Fällen wird hingegen direkt die Pflicht zu einer bestimmten Leistung in den Gesetzestext geschrieben.247 Diese Formulierungsunterschiede dürften jedoch weithin zufällig sein Schuldrecht I, Rn. 85; Nipperdey, Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag, S. 54; Wolf, in: Soergel, BGB, Vor § 145 Rn. 53); ein quasinegatorischer Unterlassungsanspruch (Armbrüster, in: Erman, BGB, Vor § 145 Rn. 29; Bork, in: Staudinger, BGB [2003], Vorbem. zu §§ 145–156 Rn. 20, 27; Eckert, in: Bamberger/Roth, BGB, § 145 Rn. 16; Kilian, AcP 180 [1980], 47, 82); ein quasinegatorischer Beseitigungsanspruch (Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 230 ff.); ein »vorbeugender Handlungsanspruch« (Bydlinski, AcP 180 [1980], 1, 13; Heinrich, Formale Freiheit, S. 231 f.; Kramer, in: MünchKomm, BGB, Vor § 145 Rn. 13; wohl auch Larenz, Schuldrecht I, § 4 I a, S. 45 f.). Für Unternehmen der öffentlichen Hand im Bereich der Daseinsvorsorge wird darüber hinaus ein genereller Kontrahierungszwang aufgrund einer Gesamtanalogie zu den gesetzlichen Fällen eines Kontrahierungszwangs erwogen – so Larenz, Schuldrecht I, § 4 I a, S. 48; ihm folgend Kramer, in: MünchKomm, BGB, Vor § 145 Rn. 14. Reichert (Abschlusszwang, S. 52) hält schließlich auch eine Konkurrenz all dieser Rechtsgrundlagen für möglich. Im Wettbewerbsrecht hat der Gesetzgeber inzwischen einen Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch neben den Schadenersatzanspruch gestellt (§ 33 Abs. 1 Satz 1 GWB), so dass der Streit um die richtige Rechtsgrundlage auch hier fortgesetzt werden kann. Unabhängig von der befürworteten Rechtsgrundlage unterscheiden sich zudem die jeweils für einen allgemeinen Kontrahierungszwang als notwendig erachteten Voraussetzungen gerade im Hinblick auf die in der Diskussion befindlichen unbestimmten Rechtsbegriffe wie dem des »Monopols« oder der »Diskriminierung« erheblich – dazu etwa: Bydlinski, AcP 180 (1980), 1, 30 ff.; Kilian, AcP 180 (1980), 47, 56 ff. 245 Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 600; di Fabio, in: Maunz/Düring, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 104. 246 Eine umfassende Aufzählung der Beispiele eines gesetzlichen Kontrahierungszwangs soll hier nicht erfolgen. Insofern wird auf die Darstellungen bei Bork, in: Staudinger, BGB (2003), Vorbem. zu §§ 145–156 Rn. 17; Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 4, 299 und Kilian, AcP 180 (1980), 47, 53 f., verwiesen. Daneben findet sich bei Nipperdey, Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag, S. 36 ff., eine Vielzahl an Beispielen aus den 1920iger Jahren. 247 Eine Übersicht über die Formulierungen im Einzelfall findet sich etwa bei Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 583.

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und daher nicht zwingend für das Vorliegen einer unmittelbaren gesetzlichen Leistungspflicht sprechen. Sie hindern folglich nicht die Annahme eines Kontrahierungszwangs. Wie schon Franz Bydlinski 248 treffend feststellte, ist in all diesen Fällen eine zweckorientierte Auslegung der Normen notwendig, die nicht am Wortlaut stehen bleiben darf. Bedarf es zur Erreichung des Gesetzgebungsziels nicht nur einer einzelnen Leistungspflicht, sondern eines Rechtsverhältnisses, in welches die Pflicht eingebettet ist und durch welches sie konkretisiert und abgesichert wird, so spricht dies für das Vorliegen eines Kontrahierungszwangs, welcher das entsprechende vertragliche Schuldverhältnis entstehen lässt. Im Regelfall ist einfach mehr als nur eine isolierte Leistungspflicht notwendig, um die Gesetzesziele zu erreichen. 249 Zugleich liegt es näher, die Leistungspflicht mittels Kontrahierungszwangs in ein vertragliches Schuldverhältnis einzubetten als ein gesetzliches Schuldverhältnis entstehen zu lassen, da auf diese Weise die Gleichbehandlung mit den Fällen gewahrt bleibt, in denen der gesetzliche Zwang nicht zum Zuge kommt, da die betroffenen Parteien freiwillig im gesetzlichen Sinne handeln und Verträge schließen. Im Regelfall dient der gesetzliche Kontrahierungszwang allein der Absicherung eines Vertragsschlusses, den redliche Parteien auch freiwillig anstreben würden und dessen Verweigerung sich daher als Missbrauch oder Diskriminierung darstellt. 250 Allein ein mittels gesetzlichen Zwangs erwirkter Vertragsschluss und nicht ein gesetzliches Schuldverhältnis erreicht in diesen Fällen dasselbe rechtliche Ergebnis wie das vom Gesetzgeber erstrebte, freiwillige Verhalten der Betroffenen. Wesentlich für die Annahme eines Kontrahierungszwanges als Ergebnis der Auslegung einer in Betracht kommenden gesetzlichen Regelung ist somit nicht allein der Wortlaut der Norm, sondern primär der vom Gesetzgeber gewollte Vertragsschluss des Betroffenen mit einer konkreten begünstigten Person und mit konkret bestimmtem Inhalt.

248 Bydlinski, AcP 180 (1980), 1, 24 f.; auch Larenz (Schuldrecht I, § 4 I a, S. 49) spricht von einer »abgekürzten Ausdrucksweise« des Gesetzgebers. 249 Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 583; Bydlinski, AcP 180 (1980), 1, 17 ff.; Hedemann, FS Nipperdey, 1955, 251, 259; Larenz, Schuldrecht I, § 4 I a, S. 49; Nipperdey, Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag, S. 89. Dies übersieht Molitor, JherJb 73 (1923), 1, 31, wenn er es als »Mangel der Gesetzgebung« bezeichnet, würde diese einen Umweg beschreiten und zunächst zu einem überflüssigen Vertragsschluss zwingen statt direkt die begehrte Leistungsverpflichtung auszusprechen. 250 Bydlinski, AcP 180 (1980), 1, 20 f.; Nipperdey, Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag, S. 35 f. Nur in Ausnahmefällen wird hingegen ein Kontrahierungszwang normiert, der zu Verträgen zwingt, die am Markt normalerweise nicht geschlossen werden und daher zu atypischen Güterbewegungen führt. Diese (nach Nipperdey) zweite Gruppe gesetzlicher Kontrahierungszwänge war vermehrt in den Nachkriegsperioden zu finden und dort Grundlage der Zwangswirtschaft (vgl. Nipperdey, Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag, S. 35, 67 ff.).

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2. Die §§ 245 bis 247 InsO als Fälle eines gesetzlichen Kontrahierungszwangs Betrachtet man vor diesem Hintergrund die gesetzlichen Regelungen in den §§ 245 bis 247 InsO, so fällt ein Umstand sofort auf: In all diesen Normen wird die Zustimmung der Betroffenen zum vorgelegten Insolvenzplan unter bestimmten Voraussetzungen fingiert. So gilt unter den Voraussetzungen des § 245 Abs. 1 InsO »die Zustimmung einer Abstimmungsgruppe als erteilt«; unter den Voraussetzungen der § 246 Nr. 1 bis 3 InsO »gilt die Zustimmung der Gruppen« bzw. »Gruppe« nachrangiger Gläubiger »als erteilt« und unter denen des § 247 Abs. 2 schließlich gilt die »Zustimmung des Schuldners zum Plan« trotz seines ausdrücklichen Widerspruchs als »erteilt«. Anders als in der Mehrzahl der sonstigen Fälle eines gesetzlichen Kontrahierungszwangs enthalten diese Regelungen ihrem klaren Wortlaut nach die Fiktion einer Willenserklärung und keine unmittelbare Pflicht des Betroffenen zur Erbringung einer bestimmten Leistung an den Begünstigten. Sie überspringen den »Zwischenschritt« des Vertragsschlusses nicht und normieren ausdrücklich die Fiktion der Abgabe einer Zustimmungserklärung zum vorgelegten Insolvenzplan. Allerdings enthalten nun auch die §§ 245 bis 247 InsO keine ausdrückliche Normierung einer Abschlusspflicht; eine »Pflicht zur Zustimmung« im Sinne eines klassischen Kontrahierungszwangs wird in ihnen jedenfalls nicht ausdrücklich geschaffen. Der Normtext spricht nirgends von einem Anspruch der Beteiligten auf die Zustimmung der obstruierenden Gläubiger bzw. auf die des Schuldners zum Plan. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Regelungen ihrem Zweck nach dennoch allein dem Zustandekommen eines Insolvenzplans und eben nicht der Begründung gesetzlicher Leistungspflichten dienen. Rechtsgrund aller aus einem erfolgreichen Insolvenzplanverfahren folgenden Leistungspflichten der Beteiligten ist nach § 254 Abs. 1 InsO allein der (angenommene und bestätigte) Insolvenzplan, nicht jedoch eine gesetzliche Bestimmung oder Anordnung. Alle Beteiligten – auch die widersprechenden (vgl. § 254 Abs. 1 Satz 3 InsO) – werden vom Insolvenzplan verpflichtet. Dieser, nicht aber etwa die §§ 245 ff. InsO, ist Grundlage jeder Leistungspflicht. Die Obstruktionsverbote binden lediglich sich verweigernde Gläubiger oder Schuldner an den Plan, indem sie deren Zustimmung zum Plan fingieren. Damit stellen sie wie jeder gesetzliche Kontrahierungszwang eine heteronome Bindung der Betroffenen an eine von den anderen Beteiligten selbstbestimmt gewollte, von diesen inhaltlich fixierte und damit privatautonome Vereinbarung251 her. Ein fehlender oder entgegenstehender Wille der Betroffenen wird dabei übergangen. Eine am Wortlaut und dem Zweck der Normen orientierte Auslegung der §§ 245 bis 247 InsO kann daher nur zur Annahme eines Kontrahierungszwangs führen. 251 Der Insolvenzplan ist daher stets, d. h. auch unter Geltung der Obstruktionsverbote, eine »privatautonome« Übereinkunft der Beteiligten – BT-Drucks. 12/2443, S. 91.

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Kategorisiert man die gesetzlichen Kontrahierungszwänge mit Nipperdey 252 in zwei Gruppen, so gehört der Kontrahierungszwang der §§ 245 bis 247 InsO zur ersten Gruppe, also zur Gruppe der Regelungen, bei denen der Kontrahierungszwang allein der Absicherung von Vertragsschlüssen und damit von Güterbewegungen dient, die im Normalfall von wirtschaftlich denkenden Beteiligten ohnehin getätigt werden würden, da sie wirtschaftlich sinnvoll sind. Der gesetzliche Kontrahierungszwang ist hier nur eine Art »Sicherheitsventil«253 , das zwar jeden dieser Vertragsschlüsse begleitet, aber nur in den wenigen Ausnahmefällen tatsächlich zum Zuge kommt, in denen der wirtschaftlich vernünftige Vertragsschluss ungerechtfertigt verweigert wird. Die zweite Fallgruppe bilden demgegenüber die Fälle, in denen die gesetzlich gewollte Leistung bzw. Güterbewegung ohne einen Kontrahierungszwang, also allein durch den Markt, nicht zustande kommt, da sie wirtschaftlich nicht sinnvoll ist. Hier kommt der Kontrahierungszwang stets zur Anwendung und dient der Erzwingung von Verträgen im sozialen Interesse. Hierher gehören etwa die klassischen Fälle der Zwangsbewirtschaftung, wie sie in den Kriegs- und Nachkriegszeiten des 20. Jahrhunderts in Deutschland etwa im Bereich der Wohnungswirtschaft 254 verbreitet waren. Der Grund für den Kontrahierungszwang in den §§ 245 bis 247 InsO ist nun offensichtlich nicht die Umleitung wirtschaftlicher Güter entgegen dem Marktverhalten, sondern allein die Überwindung von Widerstand gegen einen wirtschaftlich vernünftigen und damit eigentlich marktkonformen Plan. Die Obstruktionsverbote sollen daher auch nur in den Ausnahmefällen greifen, in denen eine marktkonforme Insolvenzabwicklung durch einen Plan durch einzelne Beteiligte ohne vernünftigen Grund verhindert wird. Ihre Grundlage ist allein der Missbrauchsgedanke. 255 Im Regelfall soll ein wirtschaftlich vernünftiger Plan ohne diesen Zwang durch die Zustimmung aller Beteiligten zustande kommen und daher der marktkonformen Insolvenzabwicklung dienen. 256 Der Kontrahierungszwang der §§ 245 ff. InsO gehört somit zur ersten Gruppe gesetzlicher Kontrahierungszwänge.

252 Nipperdey, Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag, S. 35; ähnlich auch Larenz, Schuldrecht I, § 4 I, S. 43 ff.: der Kontrahierungszwang mit Korrektivfunktion gegenüber dem als Mittel der Wirtschaftslenkung. 253 Nipperdey, Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag, S. 35. 254 Beispiele bei Nipperdey, Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag, S. 73 f. oder auch Larenz, Schuldrecht I, § 4 I b, S. 50. 255 BT-Drucks. 12/2443, S. 208: »Wenn eine Abstimmungsgruppe die Zustimmung zum Plan verweigert, so kann in dieser Verweigerung ein Missbrauch liegen.« 256 Der Gesetzgeber sah im Insolvenzplan das Mittel zur »einvernehmlichen Bewältigung der Insolvenz im Wege von Verhandlungen und privatautonomen Austauschprozessen« (BTDrucks. 12/2443, S. 90). Die Obstruktionsverbote sollen dabei gerade der Förderung »marktkonformer Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse« dienen (BT-Drucks. 12/2443, S. 79). Diese Grundentscheidung des Gesetzgebers zugunsten einer marktkonformen Insolvenzbewältigung und gegen Zwangseingriffe im sozialen Interesse ist zu respektieren und bei

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3. Gesetzlicher Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag Die in den §§ 245 bis 247 InsO enthaltenen Zustimmungsfiktionen führen zu einer heteronomen Bindung der betroffenen Beteiligten an den Insolvenzplan und können daher als Normen gesetzlichen Kontrahierungszwangs verstanden werden. Allerdings verpflichten sie die Betroffenen nicht allein zur Zustimmung und überlassen dann die Durchsetzung dieser Pflicht den Beteiligten. Stattdessen fingieren die §§ 245 bis 247 InsO sofort die pflichtige Zustimmungserklärung zum Plan und werten sie als abgegeben. Dieses »Selbstvollstrecken« eines Kontrahierungszwanges ist untypisch und rückt die Regelungen zum Obstruktionsverbot in die Nähe eines Rechtsinstituts, das seit der Schrift Nipperdeys als »diktierter Vertrag« bezeichnet wird 257 und dessen Rechtsnatur als privatrechtlicher Vertrag keineswegs unstreitig ist. a) Der Anspruch auf Zustimmung als Regelfolge eines Kontrahierungszwangs Das Vorliegen eines gesetzlichen wie eines allgemeinen Kontrahierungszwangs führt nicht dazu, dass die vertraglichen Willenserklärungen, die zu einem Vertragsschluss führen, entbehrlich sind. Der vom Gesetzgeber gewünschte Vertrag kommt vielmehr nach den allgemeinen Regeln der Rechtsgeschäftslehre zustande, weshalb weiterhin sowohl ein Angebot mit bestimmtem Vertragsinhalt als auch eine Annahmeerklärung abgegeben werden müssen. Die Besonderheit besteht allein darin, dass eine der Vertragsparteien zur Abgabe ihrer Willenserklärung gesetzlich verpflichtet ist. Aufgrund eines Kontrahierungszwangs entsteht daher schon vor dem Vertragsschluss ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen den zukünftigen Vertragsparteien, aus welchem der Begünstigte einen Anspruch gegen den Pflichtigen auf Abgabe der zum Vertragsschluss notwendigen Willenserklärung hat.258 Diese Erklärung wird regelmäßig eine Annahmeerklärung, bezogen auf ein konkretes Vertragsangebot, sein. Nur ausnahmsweise wird man vom Kontrahierungspflichtigen verlangen können, dass er selbst das Vertragsangebot erarbeitet und unterbreitet; dies ist in den meisten Fällen eines Kontrahierungszwangs Sache des Begünstigten. 259 Zur Erfüllung seiner Erklärungspflicht kann der Pflichtige nun die Willenserklärung freiwillig abgegeben; der Vertrag entsteht dann ohne weitere Besonderheiten. Erklärt sich der Pflichtige hingegen trotz des Zwangs nicht, so kann allein in diesem Schweigen auf ein Angebot des Begünstigten keine Annahmeerklärung gesehen werden. Wer nichts erklärt, der erklärt auch unter Geltung eines Kontrahierungszwangs eben gerade keine Zustimmung zu einem Vertrag. der Auslegung der insolvenzrechtlichen Vorschriften zu beachten – vgl. Braun, in: Nerlich/ Römermann, InsO, vor § 217 Rn. 114. 257 Nipperdey, Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag, 1920. 258 Nipperdey, Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag, S. 100. 259 Nipperdey, Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag, S. 102; auch Bork, in: Staudinger, BGB (2003), Vorbem. zu §§ 145–156 Rn. 29.

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Zwar verhält der Pflichtige sich insofern pflichtwidrig, aber auch ein gesetzlicher Kontrahierungszwang verpflichtet im Zweifel eben zur Abgabe einer Willenserklärung, nicht bloß zur Duldung eines Vertragsschlusses, so dass der Gesetzgeber eben mehr als bloßes Schweigen vom Pflichtigen verlangt. 260 Allerdings ist in Fällen eines Kontrahierungszwangs in Anwendung des § 151 BGB eine Verkehrssitte anzunehmen, nach der die begehrte und pflichtige Annahmeerklärung nicht dem Antragenden zugehen muss.261 Aber selbst dann genügt nicht das Schweigen, also das Nichtstun des Pflichtigen, zur Vertragsperfektion; vielmehr ist auch zur Anwendung des § 151 BGB ein objektiv erkennbares Verhalten des Pflichtigen notwendig, das auf seinen Annahmewillen schließen lässt.262 § 151 BGB macht den Zugang einer Annahmeerklärung beim Vertragspartner, nicht jedoch auf einen objektiv erkennbaren Annahmewillen des Pflichtigen entbehrlich. Fehlt ein derartiges konkludentes Verhalten oder verweigert der Pflichtige gar ausdrücklich und entgegen des Kontrahierungszwangs seine vertragsschließende Willenserklärung, so muss der Begünstigte seinen Anspruch auf Abgabe dieser Erklärung gerichtlich geltend machen, da ein Vertrag ohne diese Willenserklärung nicht entstehen kann. 263 Mit dem Erstreiten eines rechtskräftigen Urteils gilt die begehrte Vertragserklärung dann nach § 894 Abs. 1 ZPO »als abgegeben«. 264 An der Rechtsnatur des dann infolge 260 Die allgemeinen Grundsätze des Schweigens als Zustimmungserklärung (näher dazu bereits in diesem Kapitel unter D. II.) gelten also auch hier, so dass das Fehlen einer Erklärung nur dann ein Erklärungszeichen ist, wenn im Einzelfall wenigstens ein entsprechendes konkludentes Verhalten des Pflichtigen festgestellt werden kann, oder aber eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung dem Schweigens des Pflichtigen einen Erklärungswert verleiht – ebenso die wohl herrschende Meinung: Armbrüster, in: Erman, BGB, Vor § 145 Rn. 31 (obwohl er zunächst etwas missverständlich allgemein vom bloßen Schweigen als Zustimmungserklärung spricht, dies aber dann konkretisiert); Bork, in: Staudinger, BGB (2003), Vorbem. zu §§ 145–156 Rn. 30; Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 245 f., 587; Bydlinski, JZ 1980, 378, 379; Eckert, in: Bamberger/Roth, BGB, § 145 Rn. 13; Wolf, in: Soergel, BGB, Vor § 145 Rn. 51. Anders noch OGHZ 2, 352, 356 f.; Nipperdey, in: Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil 2, § 162 IV 2 (S. 1000, Fn. 39); auch in einigen Kommentierungen zum Schweigen als Willenserklärung wird kurz und undifferenziert das Schweigen eines Kontrahierungspflichtigen als Fallgruppe eines Schweigens mit Erklärungswert aufgezählt – vgl. etwa Eckert, in: Bamberger/Roth, BGB, § 146 Rn. 13; Kramer, in: MünchKomm, BGB, § 151 Rn. 5. 261 Allgemeine Ansicht (wobei teilweise statt einer Verkehrssitte auch ein Verzicht des Begünstigten auf den Zugang angenommen wird) – vgl. etwa OGHZ 1, 253, 256; Armbrüster, in: Erman, BGB, Vor § 145 Rn. 31; Bork, in: Staudinger, BGB (2003), Vorbem. zu §§ 145–156 Rn. 30; Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 246; Bydlinski, JZ 1980, 378, 379; Wolf, in: Soergel, BGB, Vor § 145 Rn. 51. 262 So ganz herrschende Ansicht zu § 151 BGB – vgl. BGHZ 74, 352, 356; 111, 97, 101; BGH NJW 2000, 276, 277; Kramer, in: MünchKomm, BGB, § 151 Rn. 50 m. w. N. 263 Zutreffend bereits Nipperdey, Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag, S. 88: Die Willenserklärung des Pflichtigen kann zwar ersetzt werden, sie bleibt dennoch zum Zustandekommen des Vertrages unentbehrlich. 264 Die Fiktion des § 894 ZPO ist der regelmäßige Weg zur Durchsetzung eines Anspruchs aus einem Kontrahierungszwang – vgl. Bork, in: Staudinger, BGB (2003), Vorbem. zu §§ 145–

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eines Urteils zwischen den Parteien entstehenden (Zwangs-)Vertrags als privatrechtlicher Vertrag ändert dieser Weg der Durchsetzung des Kontrahierungszwangs nichts. 265 b) Diktierter Vertrag im weiteren Sinn Die Folge eines jeden Kontrahierungszwangs kann also darin bestehen, dass dem Pflichtigen ein Vertrag gegen dessen (teils ausdrücklich erklärten) Willen hoheitlich aufgezwungen wird. Das gerichtliche Urteil führt über die Fiktion des § 894 Abs. 1 ZPO dazu, dass dieser Person ein Vertrag diktiert wird, den sie nicht will. Jeder Kontrahierungszwang erzeugt daher im weitesten Sinne »diktierte Verträge«, ohne dass an deren privatrechtlicher Natur Zweifel bestünden. Entscheidend ist allein, dass stets am Prinzip der rechtsgeschäftlichen Einigung als wesentlichem Kern eines Vertrages festgehalten wird, selbst wenn die dazu notwendigen Willenserklärungen teilweise erzwungen werden. 266 Man sollte insofern daher genauer von »diktierten Verträgen im weiteren Sinn« sprechen. Ein solcher Vertrag kann nun auch vorliegen, wenn der gesetzliche Tatbestand des Kontrahierungszwangs zur Durchsetzung der Pflicht zur Abgabe der Willenserklärung nicht auf den Rechtsweg und damit auf § 894 ZPO verweist, sondern eigene Wege der Rechtsdurchsetzung schafft. Sieht der Gesetzgeber etwa zur Durchsetzung des Kontrahierungszwangs das Anrufen einer besonderen Behörde oder eines besonderen Richters vor, so vereinfacht er dadurch schlicht das Zustandekommen des gewollten Vertrages. Weigert sich in einem solchen Fall der Kontrahierungspflichtige, die notwendige Willenserklärung abzugeben, so ist der Begünstigte nicht auf den Weg durch die Instanzen des ordentlichen Rechtswegs angewiesen. Er kann vielmehr unmittelbar die zuständige hoheitliche Stelle anrufen, welche das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen prüft und im positiven Fall den Vertragsschluss durch einen eigenen Hoheitsakt anordnet. Eine tatsächliche Willenserklärung des Pflichtigen wird damit wiederum überflüssig. Um es mit Nipperdey zu sagen: »Die Parallele zu der Bestimmung des § 894 ZPO liegt auf der Hand.«267 In beiden Fällen 156 Rn. 33; Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 586 f.; Nipperdey, Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag, S. 117 f.; Wolf, in: Soergel, BGB, Vor § 145 Rn. 51. 265 Die Anwendung des § 894 Abs. 1 ZPO lässt Verträge so entstehen als wären sie von beiden Parteien freiwillig geschlossen worden; die Verträge behalten ihre Rechtsnatur – vgl. etwa BGH MDR 1962, 795; NJW 1975, 443, 444 (Darlehensvertrag); NJW 1984, 479, 480 (Kaufvertrag); NJW 1986, 2820 (Kaufvertrag). Besonders deutlich wird dies in BGH NJW 1986, 2822, 2823. In dieser Entscheidung argumentiert der BGH ganz selbstverständlich, dass die Verurteilung zur Abgabe eines Vertragsangebotes gemäß § 894 Abs. 1 S. 1 ZPO i. V. m. § 147 BGB zu einer alsbaldigen Annahme durch den Kläger zwinge, um einen Vertrag entstehen zu lassen. Die Fiktion des § 894 ZPO hindert also nicht die Anwendung der §§ 145 ff. BGB auf das Zustandekommen des betreffenden Vertrages – unstreitig, vgl. etwa Esser, Rechtsfiktionen, S. 40. 266 Nipperdey, Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag, S. 135. 267 Nipperdey, Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag, S. 123.

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wird die pflichtwidrig verweigerte Vertragserklärung gegen den Willen des Pflichtigen durch staatlichen Hoheitsakt (gerichtliche Entscheidung oder Verwaltungsakt) ersetzt und damit fingiert, wodurch ein Vertrag zwischen den Beteiligten entsteht. Entscheidend ist, dass auch in diesen Fällen auf die für jeden Vertrag notwendige Einigung nicht verzichtet wird. Lediglich der Rechtsdurchsetzungsmechanismus hat sich geändert. Will die Rechtsordnung mittels Kontrahierungszwangs zu einer vertraglichen Einigung verpflichten, so muss sie eben auch Mittel zur Verfügung stellen, um diese Verpflichtung durchzusetzen. Dieses Mittel besteht im Regelfall in der Fiktion des § 894 ZPO. Der Gesetzgeber kann aber auch andere Mittel und Instanzen schaffen. Auch der auf diese (unübliche) Weise »diktierte Vertrag im weiteren Sinn« ist bei reflektierter Betrachtung somit nichts anderes als ein »Mittel zur Verwirklichung und Gestaltung der Verpflichtung aus dem Kontrahierungszwang.«268 c) Diktierter Vertrag im engeren Sinn Der Gesetzgeber ist jedoch nicht einmal darauf beschränkt, den von ihm zur Konkretisierung eines Rechtsverhältnisses gewollten Vertrag im Wege eines Kontrahierungszwangs zu diktieren. Er kann ebenso auf jede Willenseinigung der Parteien verzichten und ihnen unmittelbar einen Vertrag bestimmten Inhalts als bindend aufzwingen. Die Ausführung solcher gesetzlicher Tatbestände wird dann ebenfalls Behörden oder Gerichten übertragen, weshalb im Einzelfall das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien ebenfalls durch einen Verwaltungsakt oder eine gerichtliche Entscheidung, also hoheitlich, begründet wird. Auch in solchen Fallgestaltungen noch von einem »Kontrahierungszwang« der Beteiligten zu sprechen, erscheint nun allerdings unpassend, wird doch gerade auf den Akt des Kontrahierens, also des Vertragsschließens, verzichtet. 269 Lediglich das Ergebnis des gesetzlichen Zwangs soll auch hier ein Vertrag sein. Passender scheint daher in solchen Fällen die Bezeichnung als »Vertragszwang« anstelle des Begriffs »Kontrahierungszwang«. Beispiele für derartige gesetzliche Tatbestände finden sich vor allem in den Kriegswirtschaftsgesetzen und -verordnungen sowie in den Zwangswirtschaftsgesetzen der Nachkriegszeit. Für das Insolvenzrecht ist vor allem auf das Rechtsinstitut der richterlichen Vertragshilfe hinzuweisen. Auf der Grundlage des § 6 Abs. 2 der Verordnung über das Kriegsausgleichsverfahren (KAVO) von 1939 wie auch des § 16 Abs. 2 der Vertragshilfeverordnung von 1939 konnte der 268 Nipperdey, Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag, S. 129, ders., in: Enneccerus/ Nipperdey, Allgemeiner Teil 2, § 162 IV 2 (S. 1000, Fn. 40). 269 Ebenso Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 116; Joussen, Schlichtung, S. 269; Nipperdey, Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag, S. 129; ähnlich Larenz, Schuldrecht I, § 4 I b, S. 50, wenn er den diktierten Vertrag oder auch »Zwangsvertrag« ausdrücklich »neben den Kontrahierungszwang« stellt.

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Richter aus eigenem Ermessen einen Vergleich bzw. eine Vertragsänderung zwischen den Parteien anordnen.270 Dabei wurde auf die Willenserklärungen der Parteien gänzlich verzichtet und der Vergleichs- bzw. Änderungsvertrag inklusive seines Inhalts hoheitlich festgelegt. Es ist diese Art eines hoheitlichen Vertragsdiktats, welche in der Literatur regelmäßig mit dem Begriff des »diktierten Vertrags« bezeichnet wird. 271 Diese Begriffsprägung ist allerdings insoweit missverständlich, als auch ein Vertrag, der über einen klassischen Kontrahierungszwang zustande kommt, dem betroffenen Vertragspartner (ggf. sogar durch gerichtliches Urteil) diktiert wird. Man sollte daher genauer vom »diktierten Vertrag im engeren Sinn« sprechen. Da es bei diktierten Verträgen im engeren Sinn stets an einem Vertragsschluss durch Willensübereinstimmung mangelt, scheint auf der Hand zu liegen, dass bei diesen Zwangsverträgen nicht mehr von Verträgen im Sinne des Privatrechts gesprochen werden kann. 272 Eine solche Betrachtung greift jedoch in einem entscheidenden Punkt zu kurz. Ein hoheitliches Vertragsdiktat hat nämlich zumindest denselben Zweck wie die Durchsetzung eines klassischen Kontrahierungszwangs. Der diktierte Vertrag im engeren Sinn ist bei nüchterner Betrachtung nur ein effektiver Weg des Gesetzgebers, eine Vertragsbindung zwischen den Beteiligten anzuordnen und durchzusetzen. Auch im Fall der Durchsetzung eines Kontrahierungszwangs im Wege des richterlichen Urteils und damit der Fiktion des § 894 Abs. 1 ZPO kommt im Ergebnis ein Vertrag mit dem Pflichtigen gegen dessen Willen zustande, indem dessen Willenserklärung fingiert wird (»diktierter Vertrag im weiteren Sinn«). Dennoch wird nicht mehr bestritten, dass das Ergebnis dieses Verfahrens ein zivilrechtlicher Vertrag ist, der nach den Regeln der §§ 145 ff. BGB zustande kommt. Sieht der Gesetzgeber zur Durchsetzung einer Vertragsbindung nun hingegen nicht den Anspruchsund Klageweg des klassischen Kontrahierungszwangs, sondern den Weg über den diktierten Vertrag im engeren Sinn, also einen »Vertragszwang«, vor, so vereinfacht er dadurch wiederum und ganz erheblich das Zustandekommen des von ihm gewollten Vertrages. Der diesbezügliche privatautonome Wille der Be270

Näher dazu bereits im Ersten Kapitel B. V. Vgl. etwa Armbrüster, in: Erman, BGB, Vor § 145 Rn. 30; Bork, in: Staudinger, BGB (2003), Vorbem. zu §§ 145–156 Rn. 35; Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 116; Joussen, Schlichtung, S. 269; Kramer, in: MünchKomm, BGB, Vor § 145 Rn. 12; Larenz, Schuldrecht I, § 4 I b, S. 50; Wolf, in: Soergel, BGB, Vor § 145 Rn. 56. Auch der BGH folgte dieser Begriffsbildung in BGH MDR 1952, 155. Demgegenüber verstand Nipperdey den von ihm geprägten Begriff des diktierten Vertrages weiter und bezog ihn – zutreffend – auch auf alle Fälle eines verwirklichten Kontrahierungszwangs (Nipperdey, Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag, S. 129; ders., in: Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil 2, § 162 IV 2 (S. 1000, Fn. 40). 272 In diesem Sinn: Wolf, in: Soergel, BGB, Vor § 145 Rn. 56: der »Wesenskern des Vertragsrechts« ist überschritten; Nipperdey, Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag, S. 129: der Vertragsbegriff wird »vergewaltigt«; wohl auch Molitor, JherJb 73 (1923), 1, 7 f. und Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 140 f. 271

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teiligten ist nun allerdings irrelevant. Stattdessen ordnet die zuständige hoheitliche Stelle bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen den Vertrag selbst durch einen eigenen Hoheitsakt an. Das Vertragsrecht wird hierbei unzweifelhaft insoweit verlassen, als das gesetzliche Diktat unmittelbar ein Rechtsverhältnis »Vertrag« gebietet, ohne zugleich zur Willenseinigung zu verpflichten oder auch nur eine der Willenserklärungen zu fingieren. Verzichtet das Diktat aber auf die Willenseinigung der Parteien, so kann man nicht mehr von einem Vertrag im Sinne der §§ 145 ff. BGB sprechen. Es ist – wie schon Nipperdey zutreffend herausgearbeitet hat – ein entscheidender Unterschied, ob das Gesetz anordnet, sich vertraglich zu einigen und zur Durchsetzung dieser Pfl icht Mittel und Wege bietet, oder ob es unmittelbar fingiert, dass ab sofort zwischen zwei Personen ein Vertrag bestehe. 273 Letzteres lässt keinen Raum für Willenserklärungen oder eine Einigung und ist daher dem Vertragsrecht der §§ 145 ff. BGB fremd.274 Allerdings – und das übersehen diejenigen, die diktierte Verträge im engeren Sinn dem Privatrecht entziehen wollen 275 – begründet der Hoheitsakt als Rechtsfolge ein Rechtsverhältnis, das seinen Wirkungen nach gerade doch ein Vertrag sein soll und daher jedenfalls hinsichtlich seiner Wirkungen den allgemeinen Regelungen des Privatrechts unterworfen wird. Der diktierte Vertrag im engeren Sinn ist insofern zwar nicht in seiner Entstehung, wohl aber in seinen Wirkungen dem Privatrecht zuzuordnen und in diesem Bereich auch dem Schuldrecht unterworfen. 276 Hier ist er ein Vertrag. Der zur Durchsetzung des Kontrahierungszwanges diktierte Vertrag im weiteren Sinn ist demgegenüber sowohl hinsichtlich seiner Entstehung als auch hinsichtlich seiner Wir-

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Nipperdey, Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag, S. 129. Armbrüster, in: Erman, BGB, Vor § 145 Rn. 30. 275 Wolf, in: Soergel, BGB; Vor § 145 Rn. 56: Beim diktierten Vertrag »sollte das öffentliche Recht auch die Inhaltsgestaltung übernehmen und sie der Kontrolle hoheitlicher Tätigkeit unterstellen.« Zunächst auch Nipperdey, Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag, S. 129: »Die Rechtsordnung würde . . . den Vertragsbegriff vergewaltigen«. Später hat er diese Ansicht hingegen offensichtlich revidiert – Nipperdey, in: Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil 2, § 162 IV 2 (S. 1000, Fn. 40): » auch dann entsteht ein privatrechtliches Rechtsverhältnis durch Hoheitsakt«. 276 So die heute ganz herrschende Ansicht: BGH MDR 1952, 155; Armbrüster, in: Erman, BGB, Vor § 145 Rn. 31; Bork, in: Staudinger, BGB (2003), Vorbem. zu §§ 145–156 Rn. 35; Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 116; Hedemann, FS Nipperdey, 1955, 251, 252; Joussen, Schlichtung, S. 269; Kramer, in: MünchKomm, BGB, Vor § 145 Rn. 12; Nipperdey, in: Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil 2, § 162 IV 2 (S. 1000, Fn. 40). Auch Flume, Rechtsgeschäft, S. 613 (obwohl er es ablehnt, von einer »vertraglichen Regelung« zu sprechen); ebenso Bötticher, Die Wandlung als Gestaltungsakt, S. 33: Zwangsverträge »sind keine Verträge (auch keine diktierten), sondern das Gegenteil eines Vertrages«; allerdings erzeuge der Staatsakt die gleichen Rechtsfolgen wie der Vertrag; ähnlich Nietsch, § 894 ZPO, S. 38: »Die diktierten Verträge sind niemals Verträge und sollten infolgedessen auch nicht als solche bezeichnet werden«; sie begründen aber auch nach ihm ein »privates Rechts- und Schuldverhältnis«, S. 40. 274

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Kapitel 3: Der Insolvenzplan als Vertrag bürgerlichen Rechts

kungen einzuordnen wie alle Verträge, die über die Fiktion des § 894 ZPO zustande kommen: als privatrechtlicher Vertrag im Sinne der §§ 145 ff. BGB. d) Der Insolvenzplan ist kein diktierter Vertrag im engeren Sinn Die Einordnung eines Insolvenzplans, der unter Zuhilfenahme der §§ 245 bis 247 InsO zustande gekommen ist, muss zunächst von der Feststellung ausgehen, dass der Gesetzgeber ausdrücklich Zustimmungen fingiert, also am Konzept des Abschlusses einer Vereinbarung festhält. Sowohl der Wortlaut der Normen, der als Rechtsfolge stets Zustimmungserklärungen anordnet, als auch der Wille des Gesetzgebers277 lassen keine Zweifel daran entstehen, dass der Abschluss einer privatautonomen Vereinbarung Ziel all dieser Regelungen ist. Dieser Hintergrund führte bereits dazu, den Fiktionsvorschriften einen Kontrahierungszwang zu entnehmen. 278 Zugleich wird allein durch diese Faktenlage aber auch deutlich, dass der Gesetzgeber in den §§ 245 bis 147 InsO Willensbildungsprozesse beeinflussen und nur nötigenfalls marktkonforme Lösungen gegen missbräuchlich handelnde Beteiligte durchsetzen wollte. Der Insolvenzplan wird auch im Anwendungsbereich der Obstruktionsverbote den Beteiligten nicht als bloße Rechtsfolgenanordnung hoheitlich aufgezwungen. Im Gegenteil; der Gesetzgeber ist ausdrücklich bemüht, den regelgerechten Abschluss einer Vereinbarung zwischen den Beteiligten zu erreichen, indem diese dem Plan zustimmen. Und selbst in den Fällen, in denen dies nicht gelingt, die Ablehnung der Beteiligten aber rechtsmissbräuchlich erscheint, ordnet der Gesetzgeber als Reaktion nicht unmittelbar eine gesetzliche Bindung dieser Verweigerer an den von den übrigen Beteiligten getragenen Plan an. Die Ob struktionsverbote folgen stattdessen den Bahnen des rechtsgeschäftlichen Einigungsmechanismus und lassen für die obstruierenden Beteiligten Zustimmungserklärungen nach richterlicher Prüfung als Fiktion entstehen, so dass im Ergebnis der Abschluss einer Vereinbarung angenommen werden muss, der auf der Zustimmung aller Beteiligten beruht. Die §§ 245 bis 247 InsO verlassen also gerade nicht die üblichen Vertragsschlussmechanismen, sondern wollen ausdrücklich einen solchen Vertragsschluss erreichen. Damit können die Fiktionswirkungen dieser Normen endgültig nicht als Vertragsdiktat im Sinne eines diktierten Vertrags im engeren Sinne angesehen werden. Der Insolvenzplan ist vielmehr auch für die von den Fiktionen betroffenen Beteiligten nur ein diktierter Vertrag im weiteren Sinn, der auf einem Kontrahierungszwang beruht 277 In der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 12/2443, S. 90) wird der Insolvenzplan als Mittel zur »einvernehmlichen Bewältigung der Insolvenz im Wege von Verhandlungen und privatautonomen Austauschprozessen« aufgefasst. Die Obstruktionsverbote sollen in diesem Zusammenhang gerade der Förderung »marktkonformer Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse« dienen (BT-Drucks. 12/2443, S. 79), also Verhandlungspositionen gegen obstruierende Beteiligte aufbauen und gegebenenfalls durchsetzen. 278 Siehe in diesem Abschnitt unter 2.

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und damit zugleich unstreitig privatrechtlicher Natur ist. Insoweit ist es treffend, wenn Smid feststellt, der Insolvenzplan sei ein Vertrag mit partiellem Abschlusszwang. 279 Hieraus muss er dann aber auch die richtigen Konsequenzen ziehen: Die zivilrechtlichen Vorschriften über das Zustandekommen des Vertrages (§§ 145 ff. BGB) sind genauso einschlägig wie die über seine Abwicklung (§§ 241 ff. BGB). Ungewöhnlich – und daher kurz zu erläutern – ist allein die Ausgestaltung der Fiktionswirkungen in den §§ 245 bis 247 InsO. Die Insolvenzordnung verzichtet auf den klassischen Weg der Durchsetzung der Kontrahierungspflicht gegen die betroffenen Gläubiger bzw. den Schuldner, der darin besteht, die Zustimmungspflicht vor den ordentlichen Gerichten klagweise geltend zu machen und im Erfolgsfall die pflichtige Zustimmung über § 894 Abs. 1 ZPO zu fingieren. Stattdessen werden die Zustimmungspflichten automatisch durch das Insolvenzgericht geprüft, im Erfolgsfall im Bestätigungsbeschluss festgestellt (§ 248 Abs. 1 InsO) und noch im Abstimmungstermin verkündet (§ 252 Abs. 1 Satz 1 InsO). Dieser Beschluss bindet dann mit Eintritt der Rechtskraft auch die obstruierenden Beteiligten kraft gesetzlicher Anordnung in § 254 Abs. 1 Satz 1 InsO. Er wirkt damit exakt wie ein Urteil nach § 894 ZPO. Die Prüfung und Durchsetzung des Kontrahierungszwangs erfolgt damit in einem einzigen Schritt. Trotz dieser Verkürzung des klassischen Durchsetzungsweges eines Kontrahierungszwangs bleibt im Ergebnis des Bestätigungsprozesses stets die Notwendigkeit der Feststellung einer Zustimmung aller Beteiligten zum Plan. Alle Gläubiger müssen den Plan nach den §§ 244 bis 246 InsO angenommen und der Schuldner muss ihm nach § 247 InsO zugestimmt haben – so der ausdrückliche Wortlaut des § 248 Abs. 1 InsO. Im Hinblick auf die aufgezeigten Durchsetzungsalternativen ist der Insolvenzplan damit als diktierter Vertrag im weiteren Sinn einzuordnen, da für sein Zustandekommen an einer Willenseinigung der Beteiligten als Grundvoraussetzung festgehalten wird, dann aber ein effektiverer Weg als der des ordentlichen Rechtswegs zur Durchsetzung der Zustimmungspflicht gesetzlich geschaffen wird. Der schon in den Untersuchungen zum Mehrheitsbeschluss und dessen Folgen erkannte Grundsatz der Konzentration aller maßgeblichen Erklärungen und Entscheidungen über das Zustandekommen des Insolvenzplans auf einen Abstimmungstermin findet also auch in diesem Regelungsbereich seinen Niederschlag. Es ist schlicht effektiver, die Zustimmungspflichten obstruierender Beteiligten aus den §§ 245 bis 247 InsO durch das Gericht prüfen zu lassen, das ohnehin mit der Materie befasst ist und den Abstimmungstermin leitet: das Insolvenzgericht. Der für die Anwendung des § 894 ZPO erforderliche Weg durch die ordentliche Gerichte wäre daneben 279 Smid/Rattunde, in: Smid, InsO, § 217 Rn. 7; dies., in: Insolvenzplan, Rn. 6.5. Unzutreffend ist es hingegen, wenn dieses zutreffende Ergebnis durch die beiden Autoren im letztgenannten Werk sofort wieder relativiert wird, indem sie den gerichtlichen Einfluss überbewerten (Rn. 6.6–6.8).

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Kapitel 3: Der Insolvenzplan als Vertrag bürgerlichen Rechts

eine unnötige und in der Insolvenzsituation vermögensvernichtende, weil zeitraubende Alternative. Im Ergebnis lässt sich ein Gleichlauf des Durchsetzungsmechanismus für Zustimmungspflichten aus den §§ 245 bis 247 InsO mit dem bei Zustimmungspflichten überstimmter Gläubiger in den Gläubigergruppen feststellen. Letztere sind – wie bereits ausführlich begründet wurde 280 – aufgrund des Mehrheitsbeschlusses in der Gruppe ebenfalls verpflichtet, dem Insolvenzplan zuzustimmen. Jeden ablehnenden Beteiligten kann also eine Pflicht zur Zustimmung zum Plan treffen, sei es aus einem entsprechenden Mehrheitsbeschluss in seiner Gruppe, sei es aus einer gesetzlichen Regelung in den §§ 245 bis 247 InsO. Unabhängig von der Grundlage der Zustimmungspflicht sind die Grundsätze ihrer Durchsetzung identisch. In beiden Fällen wird auf eine klagweise Durchsetzung im ordentlichen Rechtsweg und eine darauf basierende Fiktion gemäß § 894 ZPO im Erfolgsfall verzichtet, da dies vor dem Hintergrund der Zielsetzung einer effektiven Bereinigung der Insolvenzsituation zu lange dauern und damit Sanierungschancen vernichten würde. Schnelle Entscheidungen und sichere Handlungsgrundlagen sind zum Werterhalt insolventer Unternehmen notwendig, weshalb auch alle relevanten Fragen über die Annahme und das Zustandekommen eines Insolvenzplans grundsätzlich in einem einzigen Termin, dem Abstimmungstermin, beantwortet werden sollen. Die Prüfung der Zustimmungspflichten wird vom Gesetzgeber daher auf den Hoheitsträger übertragen, der ohnehin mit dem Insolvenzplanverfahren befasst ist und den Abstimmungstermin leitet: das Insolvenzgericht. Dieses prüft unmittelbar und von Amts wegen, ob der Plan im Abstimmungstermin die notwendigen Gläubigermehrheiten erhalten und der Schuldner zugestimmt hat (§ 250 Nr. 1 InsO). Werden diese Erklärungen in der Abstimmung nicht abgegeben, so hat das Gericht sofort die sich aus den Mehrheitsbeschlüssen in den Gruppen wie auch aus den Regelungen zu Obstruktionsverboten ergebenen Zustimmungspflichten zu prüfen und festzustellen. Mit der Rechtskraft dieses Beschlusses wird dann im Wege der Fiktion erreicht, dass die pflichtigen Beteiligten ihre Zustimmung zum Plan erklärt haben. Bei genauer Betrachtung ist ein Insolvenzplan damit auch in den Fällen, in denen er mithilfe von Zustimmungsfiktionen entsteht, kein diktierter Vertrag im engeren Sinn, also kein Vertragsdiktat, sondern ein privatrechtlicher Vertrag, der für einzelne Vertragspartner auf der Grundlage einer Zustimmungspflicht, also eines Kontrahierungszwangs, zustande kam. Es sind die Bemühungen des Gesetzgebers um eine beschleunigte und damit effektive Durchsetzung dieser Zustimmungspflichten, welche diese klare Erkenntnis erschweren. Ungewöhnlich sind solche Bemühungen dabei keinesfalls. Selbst für den Regelfall der Durchsetzung eines Kontrahierungszwangs im ordentlichen Rechtsweg 280

Siehe in diesem Kapitel unter C. VI.

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über § 894 ZPO wird nicht darauf bestanden, dass der Begünstigte zunächst nur die Zustimmungspflicht gerichtlich durchsetzt und am Ende des Instanzenzuges nur den begehrten Vertrag erhält, um dann gegebenenfalls erneut einen Lauf durch die Instanzen des ordentlichen Rechtswegs zu beginnen, um vertragliche Leistungspflichten gegen einen immer noch renitenten Vertragspartner durchzusetzen. Diese – eigentlich gebotene – Reihenfolge der Rechtsdurchsetzung ist für den Begünstigten aus einem Kontrahierungszwang wenig effektiv, wenn nicht gar schikanös, weshalb inzwischen im Grundsatz unstreitig ist, dass der Begünstigte sofort auch auf die Leistung aus dem begehrten Vertrag klagen darf. 281 Die Durchsetzung eines Kontrahierungszwangs ist also schon grundsätzlich für Effektivitätserwägungen – gerade im Hinblick auf die Verfahrensdauer – offen. Das Insolvenzplanverfahren hat diese Offenheit genutzt. 4. Die Obstruktionsverbote im Lichte der Grundrechte Die Zwangswirkungen der §§ 245 bis 247 InsO hinsichtlich obstruierender Gläubiger oder Schuldner haben immer wieder auch verfassungsrechtliche Bedenken entstehen lassen. Diese stützen sich darauf, dass den Betroffenen eine Verwertungsentscheidung aufgezwungen wird, die sie privatautonom nicht wollten und die für die Gläubiger zugleich dazu führt, dass ihnen zumindest Teile ihrer privaten Forderungsrechte gegen den Schuldner verlorengehen. Die Wirkungen für die von einem Obstruktionsverbot betroffenen Gläubiger bzw. Schuldner sind damit identisch mit den Wirkungen eines Mehrheitsbeschlusses für die in einer Gruppe überstimmten Minderheitsgläubiger. Alle müssen gegen ihren erklärten Willen einem Insolvenzplan zustimmen, der zu Eingriffen in ihre Forderungsrechte bzw. in ihr Vermögen führt. Es ist daher – wie schon bei den überstimmten Minderheitsgläubigern – der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 sowie des Art. 2 Abs. 1 GG berührt. 282 281 Bork, in: Staudinger, BGB (2003), Vorbem. zu §§ 145–156 Rn. 33; Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 264 f., 595; Eckert, in: Bamberger/Roth, BGB, § 145 Rn. 13; Wolf, in: Soergel, BGB, Vor § 145 Rn. 51; vgl. aus der Rechtsprechung etwa BGH NJW-RR 1991, 408. Ähnlich Heinrich, Formale Freiheit, S. 238 und Larenz, Schuldrecht I, § 4 I a, S. 49, wenn sie nur eine Klage auf die gewollte Leistung zulassen wollen, durch die aber inzident über § 894 ZPO auch der Vertrag durch richterliches Urteil entstehen soll, ohne dass es dazu eines gesonderten Antrags bedürfe. Nach Bydlinski, AcP 180 (1980), 1, 25, begründet ein Kontrahierungszwang hingegen sowohl einen Anspruch auf die Vertragserklärung des Pflichtigen als auch einen auf die begehrte Leistung selbst, so dass beide Ansprüche gleichzeitig gerichtlich geltend gemacht werden können. Nach der Entstehung des Vertrages soll dann aber der gesetzliche Leistungsanspruch »durch Zweckerreichung« erlöschen (S. 26). Diese Konstruktion erscheint unnötig kompliziert, lässt sich doch die gewollte Beschleunigung der Anspruchsdurchsetzung einfacher im Wege einer Klageverbindung eines gegenwärtigen mit einem künftigen Anspruch erreichen (vgl. Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 264 f.). 282 Lepa, Insolvenzordnung und Verfassungsrecht, S. 257; genauer zum Schutzbereich der Grundrechte im Hinblick auf die Privatautonomie siehe oben unter C. IV. 2. d).

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Kapitel 3: Der Insolvenzplan als Vertrag bürgerlichen Rechts

a) Keine Rechtfertigung durch das Majoritätsprinzip Die im Kontrahierungszwang der Obstruktionsverbote liegende Sozialisierung der Eigentumspositionen der Betroffenen wie auch die damit erfolgende Einschränkung der Privatautonomie rechtfertigen sich nun allerdings nicht aus dem Gedanken einer legitimen Mehrheitsmacht, die im öffentlichen Interesse sowie zum Vorteil aller Betroffenen Entscheidungen trifft. Diese Legitimationsgrundlage gilt allein für die Bindungswirkung positiver Mehrheitsentscheidungen in den Gruppen 283 , nicht jedoch für die Obstruktionsverbote, die – trotz des missverständlichen und oft missverstandenen Regelungsgehalts des § 245 Abs. 1 Nr. 3 InsO – eben nicht der Durchsetzung des Mehrheitswillens aller Gläubiger dienen. Regelungsgrund und -ziel der Obstruktionsverbote ist vielmehr allein die Überwindung rechtsmissbräuchlicher Verweigerungshaltungen beim Schuldner bzw. in Gläubigergruppen. 284 Es ist der Gedanke des Überwindens der wirtschaftlich nicht begründbaren Verweigerungshaltung einzelner Beteiligter im gemeinsamen Interesse aller Beteiligten, nicht jedoch ein sich in einem Mehrheitsvotum wiederfindender Wille aller Beteiligten, auf dem alle diese Regelungen basieren. Dieser Zweck ist daher auch im Rahmen der verfassungsrechtlichen Betrachtung zu respektieren. Die Regelungen zum Obstruktionsverbot finden keine Rechtfertigung in einem Mehrheitswillen. b) Rechtfertigung durch das Verbot des Rechtsmissbrauchs Insbesondere die auf die Irrelevanz eines Mehrheitswillens gestützten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 245 InsO285 lassen sich aber entkräften, wenn man für alle Obstruktionsverbotsnormen einheitlich die Verhinderung eines Rechtsmissbrauchs als hinreichend legitimen Zweck zur Einschränkung privatautonomer Befugnisse wie auch zur Sozialbindung von Eigentum anerkennt.286 Niemandem ist es erlaubt, seine Rechte missbräuchlich zu Lasten anderer auszuüben. Dieser Gedanke findet sich allgemein im Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB).287 Er gilt umso mehr in der besonderen Situation der Insolvenz des gemeinsamen Schuldners. Zur Bereinigung dieser Konfliktsituation sind Eingriffe in die private Rechtsstellung der Gläubiger, aber 283

Näher dazu oben unter C. IV. 2. d). Dazu bereits ausführlich oben unter E. IV. 285 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 28.38; Lepa, Insolvenzordnung und Verfassungsrecht, S. 261 ff.; Schiessler, Insolvenzplan, S. 169. 286 So etwa Hess, in: Hess, InsR, § 245 InsO Rn. 7; Jaffé, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 245 Rn. 7; Lepa, Insolvenzordnung und Verfassungsrecht, S. 258. Als Sanktion eines Missbrauchs bildet das Obstruktionsverbot eine verfahrensrechtliche Grenze der Privatautonomie. 287 Das Obstruktionsverbot als Ausprägung des Rechtsmissbrauchsverbots ist daher entgegen Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 13.6; dies., in: Smid, InsO, § 245 Rn. 10, nicht »ohne Vorbild im bisherigen Recht« – wie hier auch Jaffé, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 245 Rn. 14. 284

E. Zustimmungsfiktionen auf Gläubiger- und Schuldnerseite

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auch in das Vermögen und die Dispositionsbefugnisse des Schuldners unerlässlich. Gerade zur Sicherstellung einer Gleichbehandlung bei den nun vorzunehmenden Eingriffen in ihre private Rechtsstellung werden die Gläubiger in einem Insolvenzplanverfahren verschiedenen Gläubigergruppen zugeordnet (§ 222 Abs. 1 InsO). Die Gläubiger finden sich damit gerade auch mit ihren privaten Forderungsrechten gegenüber dem Schuldner in einer Zwangsgemeinschaft (Interessengemeinschaft) wieder und werden auf diese Weise insbesondere auch mit ihren Forderungsrechten und den diesbezüglichen privatautonomen Gestaltungsbefugnissen sozialisiert. Daneben kann wegen der Mangelsituation einer Insolvenz auch der Schuldner nicht mehr ungebunden über sein Vermögen entscheiden und diesbezüglich die freie privatautonome Gestaltungsmacht beanspruchen; sein pfändbares Vermögen steht aufgrund der Forderungsgebundenheit wirtschaftlich bereits seinen Gläubigern zu. Der Schuldner wie auch die Gläubiger müssen folglich in der Insolvenzsituation Einschränkungen in ihrer Gestaltungsfreiheit hinsichtlich der jeweils vom Insolvenzverfahren erfassten Vermögenswerte hinnehmen. Die unbeschränkte Privatautonomie jedes einzelnen Beteiligten endet bei den vernünftigen gemeinsamen Interessen aller Beteiligten, die in der Sondersituation der Insolvenz Vorrang beanspruchen können. Die Zwangsbindung einzelner Personen an einen Insolvenzplan kann aber auch im Wege eines Obstruktionsverbotes nur gerechtfertigt sein, wenn sie verhältnismäßig ist, also auch die berechtigten Interessen des Betroffenen angemessen berücksichtigt werden. Hinsichtlich des Schuldners sieht das Bundesverfassungsgericht diese Voraussetzung bereits als erfüllt an, wenn dessen schützenswerte Belange durch Rechtsschutzmöglichkeiten im Vollstreckungsverfahren Beachtung finden und sein Vermögen nicht verschleudert wird. 288 Im Übrigen lässt sich – insbesondere hinsichtlich der betroffenen Gläubiger (und der ggf. im künftigen Recht betroffenen Gesellschafter) 289 – die »Feldmühle«-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts heranziehen, 290 die eine Zwangsbindung ablehnender Gesellschafter an einen in private Rechte eingreifenden Gesellschaftsbeschluss nur zuließ, wenn es hierfür wichtige Gründe des Gemeinwohls gab, die Einbußen der Betroffenen wirtschaftlich voll ausgeglichen wurden und ihnen wirksame Rechtsbehelfe zur Überprüfung der Zwangsbindung zustanden. 291 All diese Voraussetzungen werden durch die Obstruktionsverbotsvorschriften erfüllt. Sie dienen der Verwirkli288

BVerfGE 46, 325, 335; vgl. auch BVerfGE 51, 405, 408. Die Vorschläge des Diskussionsentwurfs für ein Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen aus dem Sommer 2010 sehen vor, das Obstruktionsverbot auch auf die neu zu bildende Gesellschaftergruppe anzuwenden. 290 So auch Lepa, Insolvenzordnung und Verfassungsrecht, S. 259. 291 Vgl. BVerfGE 14, 263, 282 f.; bestätigt in den Entscheidungen zum aktienrechtlichen Squeeze-Out: BVerfGE 100, 289, 302 f.; BVerfG NJW 2001, 279, 280; NJW 2007, 3268, 3269 f.; ZIP 2007, 2121, 2122; ZIP 2010, 571, 574. 289

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Kapitel 3: Der Insolvenzplan als Vertrag bürgerlichen Rechts

chung einer optimalen Haftungsverwirklichung im Interesse aller Beteiligten mittels eines Insolvenzplans, indem sie die auf bloßer unvernünftiger Obstruktion beruhende Vernichtung wirtschaftlicher Werte durch den Zerschlagungsmechanismus des Regelinsolvenzverfahrens verhindern. Die §§ 245 ff. InsO liegen daher nicht nur im Gläubigerinteresse, sondern auch im volkswirtschaftlichen Gesamtinteresse, weshalb sich durchaus gewichtige überindividuelle Interessen finden, welche die entsprechenden Regelungen legitimieren.292 Als zweites sind auch wirksame Rechtsbehelfe zur Überprüfung angeordneter Zwangswirkungen in der Insolvenzordnung verankert. Die von den §§ 245 bis 247 InsO betroffenen Beteiligten können sich durch gerichtliche Rechtsbehelfe gleich in zwei Richtungen wehren. Einerseits können sie die Bestätigungsentscheidung des Insolvenzgerichts mit der Begründung anfechten, die Voraussetzungen der §§ 245 ff. InsO seien nicht gegeben. Hierzu steht ihnen gemäß § 253 InsO der Instanzenweg offen. Darüber hinaus können vom Zwang betroffene Gläubiger nach § 251 InsO Minderheitenschutz beantragen, wenn ihnen durch den Plan eine persönliche Schlechterstellung gegenüber dem Regelinsolvenzverfahren droht. Ein effektiver Rechtsschutz ist damit gegeben. Schließlich wird die zwangsweise Bindung den Betroffenen auch wirtschaftlich voll ausgeglichen, indem die Werte garantiert werden, die ihnen im Regelinsolvenzverfahren ohne Plan zustehen würden. Der betroffene Insolvenzgläubiger erhält nach § 245 Abs. 1 Nr. 1 InsO mindestens den Betrag der Insolvenzquote und nach § 245 Abs. 1 Nr. 2 InsO mindestens den Befriedigungsrang des Regelinsolvenzverfahrens. Für von § 246 InsO betroffene Gläubiger gilt dasselbe – sie erhalten wie im Regelinsolvenzverfahren erst nach den Insolvenzgläubigern etwas aus der Masse, also im Regelfall nichts. Und auch der Schuldner wird nach § 247 Abs. 2 InsO nur zur Zustimmung verpflichtet, wenn er durch den Plan nicht schlechter steht als im Regelinsolvenzverfahren (Nr. 1) 293 und ihm keine zusätzlichen Opfer auferlegt werden (Nr. 2). Eine Verschleuderung seines Vermögens durch den Plan ist dadurch ausgeschlossen. Jeder obstruierende Beteiligte wird also über die Obstruktionsverbote nur an einen Plan gebunden, der ihn wirtschaftlich zumindest so bedenkt wie ein Regelinsolvenzverfahren und seine Rangstellung wahrt. Dem nicht zustimmenden Schuldner verbleibt zumindest die Rechtsstellung, die er auch am Ende eines Regelinsolvenzverfahrens erwarten durfte. Jeder Gläubiger erhält jedenfalls den Wert garantiert, den er auch im Liquidationsverfahren gegen einen insolventen Schuldner hätte durchsetzen können. Jedem Gläubiger wird damit zwar nicht 292

Ebenso Lepa, Insolvenzordnung und Verfassungsrecht, S. 258. Anders als bei den Gläubigern erfolgt beim Schuldner im Rahmen des § 247 Abs. 2 Nr. 1 InsO keine wirtschaftlicher Vergleich der erzielten Erlöse, sondern eine Untersuchung seiner Rechtsstellung. Diese darf durch den Plan nicht schlechter werden als ohne, indem etwa die Restschuldbefreiung erschwert wird oder in das insolvenzfreie Vermögen eingegriffen werden soll – vgl. hierzu etwa Braun/Frank, in: Braun, InsO, § 247 Rn. 2. 293

E. Zustimmungsfiktionen auf Gläubiger- und Schuldnerseite

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der Nominalwert seiner Forderung gesichert; allerdings bemisst auch das Bundesverfassungsgericht den auszugleichenden wirtschaftlichen Wert einer zwangsweise entzogenen Forderung nicht nach deren Nominalwert, sondern allein nach ihrem (tatsächlichen) wirtschaftlichen Wert, 294 weshalb Insolvenzgläubiger für eventuelle Forderungsverluste durch den Plan bereits dann als wirtschaftlich voll entschädigt anzusehen sind, wenn ihnen im Vergleich zum Regelinsolvenzverfahren keine Einbuße entsteht. Das garantieren die §§ 245, 246 InsO. Die Wirkungen der Obstruktionsverbotsbestimmungen stellen sich damit insgesamt als angemessener Ausgleich für die erlittene Zwangsbindung dar und sind als verhältnismäßig und verfassungskonform anzusehen. c) Rückschlüsse für die Anwendung der §§ 245 bis 247 InsO Diese verfassungsrechtlichen Grundsätze wirken sich nun auch auf die Rechtsanwendung aus. Die in ihnen angelegte Garantie der Insolvenzquote für vom Zwang betroffene Gläubiger bzw. der Mindestrechte für den sich verweigernden Schuldner ist in der Gerichtspraxis zwingend zu beachten, lässt sich aber keineswegs einfach und sicher feststellen. Die wirtschaftlichen Ergebnisse eines Insolvenzplans stehen bei dessen Annahme nun einmal nicht fest, sondern beruhen in weiten Teilen auf einer Prognose der Zukunft mit allen damit verbundenen Unsicherheiten. Diese Unsicherheit liegt in der Natur der Sache; eine Vergleichsrechnung mit absoluter Sicherheit ist nicht möglich. Die Verfassungsmäßigkeit der Regelung steht dennoch nicht in Frage, soweit der Insolvenzrichter im Einzelfall die verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgarantie im Blick behält, wenn er über die Anwendung von Obstruktionsverboten entscheidet. Die Regelungen der §§ 245 Abs. 1 Nr. 1 und 247 Abs. 2 Nr. 1 InsO, in denen die »voraussichtlich« durch den Insolvenzplan eintretende wirtschaftliche und rechtliche Lage der Gläubiger einer Gruppe bzw. des Schuldners festzustellen 294 BVerfGE 100, 289, 305. Dieser wirtschaftliche Forderungswert wird bei einem insolventen Schuldner durch die zu erwartende Quote im Regelinsolvenzverfahren bestimmt. Zwar bleibt die Forderung auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens gemäß § 201 Abs. 1 InsO formal bestehen, soweit sie nicht durch Leistungen im Insolvenzverfahren befriedigt wurde. Dieses Nachforderungsrecht geht bei Unternehmensinsolvenzen – und nur diese sind für einen Insolvenzplan offen (vgl. § 312 Abs. 2 InsO) – jedoch regelmäßig ins Leere, da der Unternehmensträger entweder infolge des Insolvenzverfahrens erlischt, da er eine juristische Person oder Personengesellschaft ist, oder aber sich ein Restschuldbefreiungsverfahren über eine vermögenslose natürliche Person anschließt, welches in absehbarer Zeit ebenfalls zum Erlöschen der Forderung führt; in diesem Sinne auch BVerfGE 92, 262, 272: Das Nachforderungsrecht ist »ohne wirtschaftlichen Wert«. Die Gläubiger haben damit – wie § 252 Abs. 1 Nr. 2 InsO zu Recht regelt – nur einen Anspruch auf eine Entschädigung in Höhe der zu erwartenden Quote. Sie haben insbesondere keinen Anspruch auf eine optimale Haftungsverwirklichung durch einen für sie optimalen Insolvenzplan (in diese Richtung aber Basty, Gläubigerinteressen, S. 59; Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 222 Rn. 35 und wohl auch Smid, InVo 1997, 169, 177; dagegen zutreffend Hess/Weis, InVo 1998, 64, 65), da ein solcher Plan stets von der Mitwirkung und auch der Mitfinanzierung durch andere Gläubiger abhängt, auf welche kein Mitgläubiger einen rechtlichen Anspruch hat.

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Kapitel 3: Der Insolvenzplan als Vertrag bürgerlichen Rechts

ist, aber auch die vergleichbar formulierte Regelung des § 251 Abs. 1 Nr. 2 InsO, die im Rahmen des Minderheitenschutzes nach der voraussichtlichen Rechtsstellung des unfreiwillig gebundenen Gläubigers fragt, sind im Lichte der verfassungsrechtlichen Vorgaben anzuwenden. Diese Normen haben eine vollwertige wirtschaftliche Entschädigung des Gläubigers in Höhe seiner Insolvenzquote bzw. einen Mindeststandard der Rechte des Schuldners sicherzustellen. Dies führt für die Gerichtspraxis zu konkreten Forderungen. Kein Insolvenzrichter darf sich auf im Plan ausgewiesene Zahlen und Erwartungen blind verlassen, wenn diese erkennbar nicht hinreichend begründet sind. Es liegt vielmehr in der Darlegungs- und Beweislast des Planinitiators, durch hinreichend konkrete, begründete und damit nachvollziehbare (also schlüssige) Vergleichsrechnungen auf sicherer methodischer Basis dem Insolvenzgericht eine Tatsachenlage vorzutragen, die dem jeweiligen Richter eine Subsumtion unter diese Normen ermöglicht. 295 Erscheinen die Zahlen wenig realistisch bzw. der Plan als tatsächlich nicht durchführbar296 oder gelingt es aus anderen Gründen nicht, das Insolvenzgericht von der Garantie der Mindestrechte zu überzeugen, so muss dies im Hinblick auf die auch verfassungsrechtlich geschützten Positionen der Beteiligten zur Nichtanwendung der Obstruktionsverbote und damit gegebenenfalls zum Scheitern des Insolvenzplans führen, da es in diesen Fällen nicht als rechtsmissbräuchlich erscheint, wenn diese dem Plan die Zustimmung verweigern. Das Insolvenzgericht ist in solchen Situationen zwar gehalten, auf eine Vervollständigung des Vortrags des Planinitiators hinzuwirken. Es ist aber trotz des Amtsermittlungsgrundsatzes des § 5 Abs. 1 InsO nicht verpflichtet, von Amts wegen selbst im Wege eines beauftragten Sachverständigen eine Vergleichsrechnung zu erstellen oder eine vorgelegte Vergleichsrechnung zu prüfen, da es stets auch bei schwierigen Sachverhalten, seien sie auch be295 Ebenso: Braun/Frank, in: Braun, InsO, § 245 Rn. 4, 18; Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 621 f.; Evers/Möhlmann, ZInsO 1999, 21, 25; Flessner, in: Heidelberger Kommentar, InsO, § 245 Rn. 12, 15; Herzig, Insolvenzplanverfahren, S. 286; Hess, in: Hess, InsR, § 245 InsO Rn. 14; Hess/Obermüller, Insolvenzplan, Rn. 286; Keller, Insolvenzrecht, Rn. 1746. Eine solche Vergleichsrechnung wird zwar in § 229 InsO nicht ausdrücklich vorgeschrieben, spielt aber für die Anwendung der §§ 245, 247, 251 InsO eine entscheidende Rolle und muss daher in Insolvenzplänen enthalten sein, die nicht von allen Beteiligten getragen werden. Braun/Frank, in: Braun, InsO, § 245 Rn. 18, sprechen insofern zu Recht von einem »Kunstfehler«, wenn eine Vergleichsrechnung in einer Planvorlage fehlt. 296 Wie im amerikanischen Vorbild des 11 U. S. C. § 1129 (a) (11) muss der Plan daher auch nach dem deutschen Recht »feasible« (durchführbar) sein; nicht nur um die (niedrigere) Hürde des § 231 Abs. 1 Nr. 3 InsO zu überspringen, sondern auch um gegen den Willen widersprechender Beteiligter nach den §§ 245, 247 Abs. 2, 251 InsO durchgesetzt werden zu können – ebenso Braun, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 68 Rn. 69, 88; ders., in: Nerlich/Römermann, InsO, § 245 Rn. 13 ff.; Braun/Frank, in: Braun, InsO, § 245 Rn. 4; Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 615 (trotz anderer plakativer Einleitung);Grub, FS Uhlenbruck, 2000, 501, 510; Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 297; Otte, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 245 Rn. 11; nur bei konkreten Zweifeln auch Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, § 245 Rn. 12.

E. Zustimmungsfiktionen auf Gläubiger- und Schuldnerseite

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triebswirtschaftlicher Natur, allein im Ermessen des Gerichts liegt, einen gesetzlichen Tatbestand als zu seiner Überzeugung gegeben bzw. eben nicht gegeben anzusehen. 297 Es gibt für keinen Richter die Pflicht zur Einholung von fremder Sachkunde, obwohl ihm natürlich – ganz im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 InsO – unbenommen bleibt, freiwillig ein Sachverständigengutachten einzuholen. Ein solches Vorgehen würde allerdings häufig den Zeitrahmen sprengen, der zur Annahme und Durchführung eines Erfolg versprechenden Planes im Angesicht fortlaufender Unternehmenskosten zur Verfügung steht und schon von daher oft keinen Sinn machen. 298 Zur Behebung der Prognoseunsicherheiten einer Vergleichsrechnung empfiehlt sich zudem – soweit dies im Einzelfall finanzierbar ist – die Aufnahme salvatorischen Klauseln 299 in den Insolvenzplan. Eine solche Klausel kann dabei zwei unterschiedliche Ziele haben. Zum einen kann eine Planbestimmung Zusatzleistungen für alle Gläubiger in einer ablehnend votierenden Gruppe für den Fall vorsehen, dass diese Gläubiger ohne diese Zusatzleistungen schlechter stehen als ohne Plan. Mittels einer derartigen Klausel würden die Anwendung des Obstruktionsverbotes und damit die Annahme des Planes durch die Gläubiger gesichert. Die davon zu unterscheidende zweite Stoßrichtung einer salvatorischen Klausel ist die Ausschaltung des Minderheitenschutzes in § 251 InsO. Während das Schlechterstellungsverbot des § 245 Abs. 1 Nr. 1 InsO ausdrücklich gruppenbezogen ist (die gesamte Gruppe, nicht nur die widersprechenden Gläubiger, dürfen nicht schlechter stehen als ohne Plan) und daher auch eine gruppenbezogene Wertgarantie durch eine salvatorische Klausel erfordert,300 ist die Schlechterstellung im Rahmen des Minderheitenschutzes nach § 251 Abs. 1 297 LG Traunstein NZI 1999, 461, 463; Binz, Konkurrierende Insolvenzpläne, S. 157; Braun, NZI 1999, 473, 475; ders., in: Nerlich/Römermann, InsO, § 245 Rn. 36; Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 621 f.; Exner/Beck, in: Beck/Depré, Praxis der Insolvenz, § 43 Rn. 83; Flessner, in: Heidelberger Kommentar, InsO, § 245 Rn. 15; Hess, in: Hess, InsR, § 245 InsO Rn. 18; Jaffé, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 245 Rn. 93; Otte, in: Kübler/ Prütting/Bork, InsO, § 245 Rn. 35. Gerade die nachträgliche Einführung des Wortes »voraussichtlich« durch den Gesetzgeber sollte diese Freiheit des Gerichtes endgültig und ausdrücklich klarstellen – BT-Drucks. 14/120, S. 14. Im Grundsatz gilt für das Insolvenzgericht aber auch im Rahmen eines Planverfahrens der Amtsermittlungsgrundsatz des § 5 InsO (anders Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 624; Herzig, Insolvenzplanverfahren, S. 285 f.; Otte, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 245 Rn. 66; in Ansätzen auch Smid, InVo 2000, 1, 5 f.; Smid/Rattunde, in: Smid, InsO, § 245 Rn. 34 ff.); eine Sonderbehandlung der Obstruktionsverbote ist weder notwendig noch gerechtfertigt oder vom Gesetz gedeckt (Eidenmüller, ZGR 2001, 680, 698; Grub, FS Uhlenbruck, 2000, 501, 506). Die Insolvenzordnung bürdet vielmehr nur dem Gläubiger, der Minderheitenschutz nach § 251 InsO begehrt, die Glaubhaftmachung seiner Schlechterstellung auf (§ 251 Abs. 2 InsO). 298 Hierauf zu Recht hinweisend: Binz, Konkurrierende Insolvenzpläne, S. 155; Oelrichs, Gläubigermitwirkung, S. 85. 299 Begriffsprägend: Eidenmüller, JbfNPolÖk 15 (1996), 164, 183. 300 Die Klausel muss also für alle Gläubiger ablehnender Gruppen Leistungen vorsehen, unabhängig von deren Stimmabgabe.

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Kapitel 3: Der Insolvenzplan als Vertrag bürgerlichen Rechts

Nr. 2 InsO nur für den einzelnen Gläubiger festzustellen, also gerade nicht gruppenbezogen.301 Folgerichtig genügt in den Fällen, in denen die Zustimmung aller Gruppen sicher ist, eine salvatorische Klausel, die allein denjenigen Gläubigern, die ihre individuelle Schlechterstellung durch den Plan im Wege eines Antrags nach § 251 InsO geltend machen, Zusatzleistungen verspricht. Auf die Zweckmäßigkeit eben dieser »klassischen« salvatorischer Klauseln zur Abwendung einer Schlechterstellung nach § 251 Abs. 1 Nr. 2 InsO wies schon der Gesetzgeber in den 1990iger Jahren hin.302 Sie sind heute auch in der Literatur weitgehend als empfehlenswert anerkannt.303 Es kann daher kaum verwundern, dass im Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen aus dem Jahr 2010 ein neuer § 251 Abs. 3 InsO vorgesehen ist, nach dem eine von entsprechenden Rückstellungen begleitete klassische salvatorische Klausel generell eine Schlechterstellung im Sinne des § 251 InsO ausschließt. Für das Insolvenzgericht beinhalten beide Arten von salvatorischen Klauseln eine erhebliche Entlastung bei der Planbestätigung. Zwar bedarf es ggf. weiterhin einer Prüfung der Voraussetzungen des Obstruktionsverbots; eine aufwendige Prüfung der Vergleichsrechnungen kann nun allerdings unterbleiben. Stattdessen muss sich das Augenmerk des Gerichtes auf die finanzielle Durchführbarkeit des Plans trotz der versprochenen Zusatzleistungen und der dafür einzustellenden Rücklagen richten.304 Aus der verfassungsrechtlich erforderlichen Garantie des wirtschaftlichen Forderungswertes für obstruierende Gläubiger ergeben sich des Weiteren auch Anforderungen an den Inhalt des Insolvenzplans. Sieht dieser etwa die Umwandlung von Insolvenzforderungen in Beteiligungen am sanierten Schuldnerunternehmen (debt-equity-swap) vor, so lässt sich diese Umwandlung gegenüber ablehnenden Gläubigern nicht zwangsweise über § 245 InsO durchsetzen. 301 Auf diesen wichtigen Unterschied weisen etwa Braun, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 245 Rn. 17, und Jungmann, Grundpfandgläubiger und Unternehmensinsolvenz, Rn. 316 sowie KTS 2006, 135, 144, ausdrücklich hin. Salvatorische Klauseln in diesem Bereich könnten daher individuelle Leistungen nur für ablehnende Gläubiger vorsehen; eine gruppenbezogene Wertgarantie dürfte aber auch hier die Schlechterstellung ausschließen. 302 BT-Drucks. 12/2443, S. 212. 303 Insbesondere Eidenmüller, JbfNPolÖk 15 (1996), 164, 183; ders. später in: NJW 1999, 1837, 1838; ebenso: Braun, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 245 Rn. 17; Braun/Frank, in: Braun, InsO, § 245 Rn. 19; Drukarczyk, in: MünchKomm, InsO, § 245 Rn. 53; Hess, in: Hess, InsR, § 251 InsO Rn. 10 f.; Jaffé, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 245 Rn. 31; Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, § 251 Rn. 19; Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 301; Sinz, in: MünchKomm, InsO, § 251 Rn. 27 f.; anderer Ansicht aber: Flessner, in: Heidelberger Kommentar, InsO, § 251 Rn. 12; Grub, FS Uhlenbruck, 2000, 501, 512; Smid, ZInsO 1998, 347, 349 f.; Smid/Rattunde, in: Smid, InsO, § 251 Rn. 10; Wutzke, ZInsO 1999, 1, 4 (Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des § 226 InsO), wobei diese Argumentation bei den gruppenbezogenen Wertgarantien, die § 245 Abs. 1 Nr. 1 InsO verlangt, nicht greift. 304 Ebenso Eidenmüller, NJW 1999, 1837, 1838; Hess, in: Hess, InsR, § 251 InsO Rn. 12; Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, § 251 Rn. 20; Maus, in: Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl. 2000, S. 931 ff. Rn. 108; anderer Ansicht aber Jaffé, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 245 Rn. 31.

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Zum einen liegt ein solcher Tausch nur selten im Interesse der Insolvenzgläubiger. In der aktuellen Sanierungspraxis sind nur die wenigsten von ihnen tatsächlich an Anteilen an der sanierten Schuldnergesellschaft interessiert.305 Interesse an einer Umwandlung von Forderungen in Eigenkapital hat allein der Schuldner, kann er auf diesem Weg doch eine schnelle Entschuldung erreichen. Dient ein debt-equity-swap aber schon im Grundsatz nicht den Gläubigerinteressen, so kann er die Forderungen ablehnender Gläubiger nicht gegen deren Willen erfassen, hat eine solche Zwangsbeteiligung am Schuldnerunternehmen mit ihren kaum zu überschauenden Risiken 306 doch nichts mehr mit der den Gläubigern zustehenden wirtschaftlichen Entschädigung in bar gemein. Sie verfehlt daher die aufgezeigten verfassungsrechtlichen Kompensationsanforderungen.307 Folgerichtig sieht auch die Insolvenzordnung von 1999 in § 230 Abs. 2 InsO ein ausdrückliches Zustimmungserfordernis für alle von einer solchen Planbestimmung betroffenen Gläubiger vor. Eine Änderung dieser Regelung, wie sie sich im Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen aus dem Jahr 2010 in dem vorgeschlagenen neuen § 230 Abs. 2 Satz 2 InsO findet,308 stößt demgegenüber an verfassungsrechtliche Grenzen und muss unterbleiben. Zulässig erscheint allenfalls eine Regelung, die den Gläubigern die Wahl zwischen einer Barabfindung und einer Forderungsumwandlung lässt (Option) 309 sowie ein Wahlrecht zwischen der Forderungsumwandlung und Genussrechten mit entsprechend gesicherter finanzieller Ausstattung.310 Bei obstruierenden Gläubigern mit Absonderungsrechten ist schließlich darauf zu achten, dass ihnen gerade im Falle einer (trotz des Kostenbeitrags nach § 171 InsO) vollwertigen Sicherheit im Regelinsolvenzverfahren kein Ausfall 305

So zuletzt Wallner, ZInsO 2010, 1419, 1422. Neben den Risiken einer persönlichen Gesellschafterhaftung, insbesondere bei einem Forderungstausch in Anteile an Personengesellschaften, sind auch Risiken aus Gesichtspunkten der Differenzhaftung zu beachten – siehe dazu im Ersten Kapitel unter A. II. 3. b). (4). (a). Gläubigerbanken können zudem nur schwer weiter als Kreditgeber auftreten, wenn sie zugleich wegen ihrer Altforderungen Anteilseigner sein sollen. Schließlich ist bei allen Anteilsrechten an Sanierungsgesellschaften eine schnelle Umsetzung der im Verfahren zugeteilten Anteile in Bargeld zum Zwecke der endgültigen Barbefriedigung nicht gesichert, da keinesfalls stets genügend Käufer bereit stehen werden, die sofort den avisierten Wert oder gar mehr zahlen wollen. 307 Im Ergebnis ebenso Eidenmüller, NJW 1999, 1837, 1839; Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 399; ders., in: KTS 2002, 209, 233; Uhlenbruck, KTS 1981, 513, 563. Zur hinzutretenden verfassungsrechtlichen Problematik des Eingriffs eines debt-equity-swap in die Rechte der Altgesellschafter siehe im Fünften Kapitel unter C. IV. 2. c). 308 Danach soll die Zustimmung eines Gläubigers, der keine persönliche Haftung übernehmen soll, zum Forderungstausch als erteilt gelten, wenn er trotz Erläuterung der Maßnahme und Belehrung über die Zustimmungsfiktion dem Tausch nicht binnen zweier Wochen widerspricht. 309 Dazu Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 399 ff.; ders., in: KTS 2002, 209, 234 ff. 310 Eidenmüller/Engert, ZIP 2009, 541, 552. 306

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Kapitel 3: Der Insolvenzplan als Vertrag bürgerlichen Rechts

droht. Ihr Interesse an einem Insolvenzplan ist folglich gering und ihr Störpotenzial enorm. Der Nominalwert ihrer Forderung entspricht ausnahmsweise dem wirtschaftlichen Wert und ist daher im Fall einer Obstruktion nach § 245 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu garantieren.311 Hinsichtlich der Zahlungsmodalitäten besteht dann aber ein gewisser Gestaltungsspielraum. Maßgeblicher Vergleichsmaßstab ist ja gerade nicht die Rechtsposition des gesicherten Gläubigers in der Einzelzwangsvollstreckung, sondern die im Regelinsolvenzverfahren. Hat also etwa ein Kreditinstitut seine vollwertig gesicherten Kreditforderungen fällig gestellt und verlangt es statt der Zustimmung zum Plan die Auskehr des Erlöses aus einer Verwertung seiner Sicherheiten, so muss der Plan eine volle Befriedigung dieser Forderungen vorsehen, wenn die Zustimmung dieses Gläubigers notwendig ist und über § 245 InsO ersetzt werden soll. Eine sofortige Befriedigung ist hingegen nicht notwendig. Zulässig sind vielmehr Bestimmungen im Insolvenzplan, die eine zeitliche Streckung der Rückzahlung vorsehen, solange dem Gläubiger diese Verzögerung durch eine angemessene Verzinsung ausgeglichen wird. Denn eine solche Verzögerung muss ein gesicherter Gläubiger auch im Regelinsolvenzverfahren hinnehmen, wenn das Sicherungsgut vom Schuldnerunternehmen zur Fortführung benötigt wird.312 Zugleich wird ihm hierfür ein Zinsanspruch (§ 165 InsO i. V. m. § 30e Abs. 1 ZVG bzw. § 169 InsO) und bei Abnutzung des Sicherungsgutes ein Wertersatzanspruch (§ 165 InsO i. V. m. § 30e Abs. 2 ZVG bzw. § 172 InsO) gewährt. Entsprechende Regelungen in einem Insolvenzplan garantieren daher ausreichend den Rechtsstandard des Regelinsolvenzverfahrens für gesicherte Gläubiger und genügen dann den Anforderungen des § 245 Abs. 1 Nr. 1 InsO.313 Die Garantie der Insolvenzquote eines Regelinsolvenzverfahrens als wirtschaftlichem Wert der grundrechtlich geschützten Gläubigerforderung bedeutet schließlich auch, dass der Plan im Hinblick auf eine Anwendung des § 245 InsO keinen Vermögenswert der Insolvenzmasse dem Zugriff der Gläubiger vorenthalten und entschädigungslos auf nachrangige Gläubiger oder den Schuldner verlagern darf. Hierdurch ginge dem Befriedigungsinteresse der Gläubiger ein Gegenstand verloren, der im Regelinsolvenzverfahren zu ihren 311 Eidenmüller, FS Drukarczyk, 2003, 187, 198; Jungmann, Grundpfandgläubiger und Unternehmensinsolvenz, Rn. 300 f. 312 Die Pflicht des Insolvenzverwalters zur sofortigen Verwertung von Sicherungsgut nach dem Berichtstermin aus § 159 InsO tritt dann hinter die Pfl icht zur Unternehmensfortführung zurück – für Grundstücke: § 165 InsO i. V. m. § 30d Abs. 1 Nr. 2 ZVG; für bewegliche Sachen und Forderungen: §§ 169, 172 InsO. 313 Zutreffend daher die Entscheidung des LG Traunstein NZI 1999, 461, 462; zustimmend: Braun, NZI 1999, 473, 476; Hess, in: Hess, InsR, § 245 InsO Rn. 17; Jaffé, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 245 Rn. 37 ff.; Keller, Insolvenzrecht, Rn. 1758; Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, § 245 Rn. 21; kritisch: Smid, InVo 2000, 1, 7. Einer teleologischen Reduktion des § 245 Abs. 1 Nr. 1 InsO, wie sie Jungmann, Grundpfandgläubiger und Unternehmensinsolvenz, Rn. 302 vorschlägt, bedarf es zur Begründung dieses Ergebnisses folglich nicht.

E. Zustimmungsfiktionen auf Gläubiger- und Schuldnerseite

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Gunsten zu verwerten gewesen wäre. Die diesen Gedanken enthaltende »absolute priority rule« des amerikanischen Rechts und ihre deutsche Fassung in § 245 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2 InsO hat insofern auch verfassungsrechtliche Grundlagen und ist daher streng zu befolgen.314 Problematisch ist vor diesem Hintergrund vor allem eine im Plan vorgesehene Fortführung des Schuldnerunternehmens nach Aufhebung des Verfahrens durch den Schuldner selbst oder dessen Gesellschafter. Erhält entsprechend eines solchen Plans der Schuldner oder einige seiner Gesellschafter das Unternehmen am Ende des Verfahrens zurück, so könnte diesen Personen insofern ein Vermögenswert zukommen, ohne dass zuvor alle (ihnen gegenüber vorrangigen) Gläubiger befriedigt wurden. Die Durchsetzung eines solchen Plans gegen den Willen einer Gläubigergruppe wäre unmöglich. Die Vorrangregel greift in diesen Fällen aber nur, wenn das zurückgelangende Unternehmen noch einen wirtschaftlichen Wert hat. Kern des Streits ist daher vor allem die Frage nach dem Wert des fortgeführten Unternehmens. Vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Anforderung an § 245 Abs. 2 Nr. 2 InsO muss der Ausgangspunkt der Wertbestimmung stets in der Frage liegen, ob den Gläubigern infolge des Plans im Vergleich zur Liquidation im Regelinsolvenzverfahren ein wirtschaftlicher Wert verloren geht. Relevant ist danach also allein ein Wert des Unternehmens, den die Gläubiger im Regelinsolvenzverfahren hätten realisieren können.315 Dies ist grundsätzlich der Liquidationswert, kann aber im Fall eines Kaufinteressenten nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 InsO auch der Fortführungswert sein. Gibt es solche Interessenten und soll nach dem Plan dennoch der Schuldner das Unternehmen fortführen, so entgeht den Gläubigern der Marktwert des Unternehmens und der Schuldner erhält folglich nach dem Plan mit dem Unternehmen einen positiven wirtschaftlichen Wert, so dass eine Anwendung des § 245 InsO gegenüber obstruierenden Gläubigern an § 245 Abs. 2 Nr. 2 InsO scheitert. Da dem Gläubiger aber nicht das Unternehmen selbst, sondern nur dessen wirtschaftlicher Wert garantiert werden muss, lässt sich dieses Hindernis überwinden, wenn der Plan für den abfließenden (Unternehmens-)Wert eine Ausgleichzahlung des Schuldners an die Masse vorsieht.316

314 Will man die Vorrangregel insofern auch auf eine Gruppe ablehnender absonderungsberechtigter Gläubiger anwenden, wofür auch gute historische und teleologische Gründe sprechen, so führt dies dazu, dass ihnen der Plan zumindest den vollen wirtschaftlichen Wert ihrer Sicherheiten garantieren muss, wenn er zugleich einfachen oder nachrangigen Insolvenzgläubigern bzw. Gesellschaftern des Schuldners etwas zuwendet – vgl. Eidenmüller, FS Drukarczyk, 2003, 187, 198 f. 315 Eidenmüller, ZGR 2001, 680, 701. 316 Eidenmüller, ZGR 2001, 680, 705; Wittig, ZInsO 1999, 373, 376. Auch der Gesetzgeber sah dies so – vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 209; sogenannte »new value exception« – zum amerikanischen Vorbild dieser Regel siehe im Ersten Kapitel unter C. V. 1. b).

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Kapitel 3: Der Insolvenzplan als Vertrag bürgerlichen Rechts

Findet sich hingegen weder bei Fremdinvestoren noch im Kreis der Gläubiger ein ernsthafter Kaufinteressent, so hat das insolvente Unternehmen offensichtlich keinen positiven Marktwert.317 Dieser Schluss ist allerdings widerlegbar, kann das Ausbleiben eines Käufers doch auch an einer unzureichenden Marktsituation liegen. Die Prüfung darf daher nicht bei der Feststellung fehlender Interessenten stehen bleiben.318 Nur wenn in einem solchen Fall auch die Unternehmensbilanz im Zeitpunkt der Planbestätigung kein positives Kapital ausweist, wird dem Schuldner mit dem Unternehmen kein wirtschaftlicher Wert zugewandt und die Anwendung des § 245 InsO zur Bindung obstruierender Gläubiger ist möglich.319 Insgesamt scheitert also eine Anwendung des Obstruktionsverbots an § 245 Abs. 2 Nr. 2 InsO, wenn für das Unternehmen Kaufangebote abgegeben wurden, im Übrigen wenn das Unternehmen im Zeitpunkt der Planbestätigung (bilanziell) einen positiven wirtschaftlichen Wert besitzt, es sei denn, der aus dem Kaufangebot oder der Bilanz ersichtliche Wert des Unternehmens wird durch entsprechende, im Plan vorgesehene Ausgleichszahlungen des fortführenden Schuldners bzw. der fortführenden Gesellschafter zugunsten der Gläubiger erstattet. Werden alle diese Vorgaben in der Praxis beachtet, so schlagen Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der §§ 245 Abs. 1 Nr. 1, 247 Abs. 2 Nr. 1 InsO aufgrund von Prognoseunsicherheiten nicht durch.320 Insbesondere besteht kein Anlass, die Anwendung des Obstruktionsverbots des § 245 Abs. 1 InsO auf Fälle »offenkundiger Besserstellung« der Betroffenen durch den Plan zu beschränken.321

317 Auch der Gesetzgeber stellt maßgeblich auf das Vorhandensein von Kaufinteressenten für die Auslegung des § 245 Abs. 2 Nr. 2 InsO bei Unternehmensfortführungen durch den Schuldner oder dessen Gesellschafter ab – vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 209; ebenso: LG Traunstein NZI 1999, 461, 464; Jaffé, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 245 Rn. 26. Insofern konsequent fordern Smid, InVo 2000, 1, 8, und Wittig, ZInsO 1999, 373, 379 stets eine Kaufoption für etwaige Interessenten im Plan, um eine Wertzuwendung auszuschließen. Fehlt eine solche Option, so ist aber dennoch zu prüfen, ob das Unternehmen einen wirtschaftlichen Wert hatte (Eidenmüller, ZGR 2001, 680, 703). 318 Eidenmüller, ZGR 2001, 680, 707. 319 Neben dem Vorhandensein von Kaufinteressenten stellt natürlich auch das Vorhandensein von Unternehmensvermögen einen wirtschaftlichen Wert dar, der den Gläubigern als Haftungssubstrat verloren ginge, wenn er mit dem Unternehmen unangetastet beim Schuldner verbliebe. Braun, NZI 1999, 473, 478, und Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, § 245 Rn. 27–29, halten insofern zutreffend allein das Vorhandensein von bilanziell positivem Kapital für wertbildend. Zu weit geht dagegen Eidenmüller, ZGR 2001, 680, 701, wenn er zur Bestimmung der Werthaltigkeit des Unternehmens auf die Bilanz des reorganisierten Unternehmens abstellt (ihm folgt Brüning, Gesellschafter und Insolvenzplan, S. 76). Diesen, erst aus den Sanierungsbeiträgen entstehenden Wert hätten die Gläubiger in einem Regelinsolvenzverfahren nicht realisieren können. 320 Im Ergebnis ebenso Lepa, Insolvenzordnung und Verfassungsrecht, S. 255 f. und 266 f. 321 Unzutreffend daher: Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 28.39.

E. Zustimmungsfiktionen auf Gläubiger- und Schuldnerseite

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d) Die Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG Schließlich verletzen die §§ 245 bis 247 InsO auch nicht den verfassungsrechtlichen Anspruch auf die Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG, indem sie Gläubiger bzw. den Schuldner an einen Insolvenzplan binden, den diese zuvor ausdrücklich abgelehnt hatten.322 Das Verfahrensgrundrecht gilt zwar auch in einem Insolvenzverfahren als gerichtlichem Gesamtvollstreckungsverfahren und muss daher auch im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens Beachtung finden.323 Allerdings beinhaltet der Schutz des Grundrechts allein einen Anspruch des Beteiligten auf Äußerung sowie Beachtung und Erwägung der Äußerung durch den Richter, nicht jedoch einen Anspruch auf eine gerichtliche Entscheidung entsprechend der Äußerung, also auf einen Erfolg in der Sache.324 Indem sich die Betroffenen im gerichtlichen Abstimmungstermin ablehnend äußerten, wurden sie gehört. Sie konnten ihre Rechtspositionen verteidigen. Entscheidet sich das Insolvenzgericht später aufgrund eines einschlägigen Obstruktionsverbotes, den Insolvenzplan trotz der geäußerten Ablehnung zu bestätigen, da er als angenommen gilt, so geschieht dies in Kenntnis der ablehnenden Äußerung und folglich in notwendiger Auseinandersetzung mit den vorgebrachten Verteidigungsmitteln. Mehr Rechte gewährt Art. 103 Abs. 1 GG nicht.325

322 So aber Carl, Teilnahmerechte im Konkurs, S. 109, 111; Smid, InVo 1997, 169, 177; Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 13.12 f.; dies., in: Smid, InsO, § 245 Rn. 5; wohl auch Maus, in: Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl. 2000, S. 931 ff. Rn. 95, wenn er eher nebulös von einem Eingriff in verfassungsrechtlich geschützte Rechtspositionen spricht, »die nicht unter dem Vorbehalt ihrer wirtschaftlichen Werthaltigkeit stehen.« 323 Unzutreffend ist insofern aber die Annahme von Lepa (Insolvenzordnung und Verfassungsrecht, S. 257), beim Abstimmungsverfahren der §§ 235 ff. InsO handele es sich »allein um eine Entscheidung der Gläubiger« »vor den Augen des Insolvenzgerichts«, weshalb der Schutz des Art. 103 Abs. 1 GG nicht gegeben sei. Das Insolvenzverfahren als Ganzes und auch das Insolvenzplanverfahren sind gerichtliche Verfahren des Vollstreckungsrechts. Die Abstimmung der Gläubiger ist dabei nur ein notwendiger Bestandteil der Bereinigung der Insolvenzsituation mittels eines Insolvenzplans und keineswegs bloß eine vom Insolvenzverfahren zu trennende Willensbildung Privater. Die Abstimmung ist Verfahrensteil und damit auch Art. 103 Abs. 1 GG unterworfen. 324 Allgemeine Ansicht – vgl. etwa Schmid-Aßmann, in: Maunz/Düring, GG, Art. 103 Abs. 1 Rn. 94, 98. 325 Hess/Weis, InVo 1998, 64, 65; Lepa, Insolvenzordnung und Verfassungsrecht, S. 257. Wenn Carl, Teilnahmerechte im Konkurs, S. 111, in der Anwendung des Obstruktionsverbotes eine »Ausschaltung einzelner Gläubiger oder Gläubigergruppen« erkennt, deren Voten »keine Berücksichtigung finden« und die daher das Planverfahren »nicht durch Abstimmungen – wirksam – mitgestalten können«, so stützt er seinen Einwand eben doch gerade auf den Gedanken, dass das Gläubigervotum keine Wirkung entfaltet, auch wenn er diesen Einwand ausdrücklich für unzutreffend hält. Das Recht auf Teilnahme wird ja gewahrt, allein die damit bezweckte Wirkung tritt nicht ein.

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VI. Ergebnis Die Obstruktionsverbote in den §§ 245 bis 247 InsO sind neben den Mehrheitsbeschlüssen in den Gläubigergruppen der zweite rechtliche Grund, der ablehnend votierende Gläubiger bzw. Schuldner an einen Insolvenzplan binden kann. Die Zustimmungspflicht für die Betroffenen basiert in diesen Fällen nicht auf einer Mehrheitsmacht, sondern auf dem Gedanken der missbräuchlichen – weil grundlosen – Verweigerung der Zustimmung zu einer – im Vergleich zur Regelinsolvenz besseren und damit im überindividuellen Interesse liegenden – Haftungsverwirklichung mittels Plan. Zur Verhinderung dieses Rechtsmissbrauchs schuf der Gesetzgeber in den Obstruktionsverboten einen Kontrahierungszwang für eben diejenigen, die keinen wirtschaftlich vernünftigen Grund haben, den Plan zu verhindern. Die im Insolvenzfall zeitnah notwendige gerichtliche Durchsetzung dieses Zustimmungszwangs gegenüber uneinsichtigen Beteiligten hat er zugleich unmittelbar dem ohnehin mit dem Plan befassten Insolvenzgericht übertragen. Der Insolvenzplan ist somit für die vom Kontrahierungszwang Betroffenen zwar ein »diktierter Vertrag im weiteren Sinne«, aber dennoch unzweifelhaft privatrechtlicher Natur.

F. Zusammenfassung – Der Vertragsschluss über den Insolvenzplan Der Insolvenzplan ist ein Vertrag zwischen den Gläubigern und dem Schuldner über die Verwertung des Schuldnervermögens zur Bereinigung der Insolvenzsituation. Diese Einordnung liegt auf der Hand und lässt sich kaum leugnen, wenn alle Beteiligten ausdrücklich dem vorgelegten Insolvenzplan zustimmen, dieser also einstimmig angenommen wird. Das Abstimmungsverfahren der §§ 243 ff. InsO rückt nun aber vom strengen Konsensprinzip ab und lässt einen Insolvenzplan auch dann zustande kommen, wenn einzelne Beteiligte sich gegen denselben aussprechen. Dennoch kommt es auch in diesen Fällen zu einer vertraglichen Bindung der Ablehnenden auf der Grundlage von Willenserklärungen und damit zu einem Vertragsschluss mit ihnen. Grundlage dafür sind die in den §§ 244 bis 247 InsO geschaffenen Zustimmungspflichten und deren Durchsetzung mittels der an den rechtskräftigen Bestätigungsbeschluss anknüpfenden Fiktion in § 254 Abs. 1 Satz 1 und 3 InsO.

I. Die Willenserklärungen der Gläubiger Jeder stimmberechtigte Gläubiger äußert sich zum vorgelegten Insolvenzplan im Abstimmungstermin. Erklärt ein Gläubiger dort, er sei für den vorgelegten Insolvenzplan, so beinhaltet diese Äußerung aufgrund der Konzentration aller maßgeblichen Erklärungen in einen Abstimmungstermin ausnahmsweise gleich

F. Zusammenfassung – Der Vertragsschluss über den Insolvenzplan

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zwei Willenserklärungen. Zum einen gibt der Gläubiger auf diese Weise seine Stimme innerhalb der Abstimmung in der Gläubigergruppe ab. Diese Stimmabgabe bezweckt allein die Beeinflussung der Willensbildung in der Gruppe und richtet sich als Willenserklärung nur an die anderen Gläubiger in der Gruppe. Kommt ein positiver Beschluss zustande, so bindet er alle Gläubiger der Gruppe und verpflichtet sie zur Annahme des beschlossenen Plans; eine Zustimmungspflicht entsteht. Daneben enthält die eine tatsächliche Äußerung des zustimmenden Gläubigers aber auch die Erklärung an den Schuldner sowie alle übrigen Gläubiger, im Fall einer Bestätigung des Planes an ihn gebunden sein zu wollen. Allein diese zweite Erklärung ist dabei diejenige, die den einzelnen Gläubiger materiellrechtlich an den Plan bindet; sie ist seine an die Planvorlage gerichtete Vertragserklärung. Lehnt ein Gläubiger hingegen den Plan ab und wird er dann in seiner Gruppe überstimmt, so gibt er nur eine Willenserklärung ab – seine ablehnende Stimmabgabe im Rahmen der Willensbildung in der Gruppe, welche sich allein an die anderen Gläubiger der Gruppe richtet. Eine tatsächliche Zustimmungserklärung findet sich bei ihm nicht. Allerdings ist der überstimmte Gläubiger nun aufgrund des Mehrheitsbeschlusses in der Gruppe zur Mitwirkung an der Beschlussausführung und damit zur Abgabe einer Annahmeerklärung verpflichtet. Diese Annahmepflicht müsste nun eigentlich in einem gesonderten Prozessverfahren im ordentlichen Rechtsweg gemäß § 894 Abs. 1 ZPO durchgesetzt werden. Sähe auch die Insolvenzordnung dieses Verfahren vor, so dürfte es kaum Zweifel an der Vertragsnatur des Insolvenzplans geben. Das Durchsetzungsverfahren des ordentlichen Rechtswegs würde allerdings zu einer unzumutbaren Verfahrensverzögerung führen und jeden Insolvenzplan zum Scheitern bringen, da eine schnelle und marktkonforme Bereinigung der Insolvenzsituation oder gar Sanierung unmöglich wäre, weshalb die Regelungen der Insolvenzordnung einen schnelleren und einfacheren Weg zur Durchsetzung der Zustimmungspflichten enthalten müssen. Sie konzentrieren dazu den gesamten Abstimmungsprozess auf einen Abstimmungstermin und beauftragen den Insolvenzrichter mit der sofortigen Prüfung und Feststellung der Zustimmungspflicht, wenn die allseitige Zustimmung im Termin ausbleibt. Liegen dann zumindest die erforderlichen Mehrheiten in den Gruppen vor, so stellt der Richter nicht nur dieses Ergebnis für jede Gruppe fest. Er erkennt damit zugleich den (positiven) Inhalt des Mehrheitsbeschlusses und stellt die sich daraus ergebenden Zustimmungspflichten der Minderheit im Bestätigungsbeschluss fest, indem er die Annahme des Plans durch die Gläubiger der Gruppe annimmt. Die Zustimmung der ablehnend votierenden Gläubiger wird mit der Rechtskraft dieses Beschlusses fingiert und die Wirkungen des Plans treffen auch sie (§ 254 Abs. 1 Satz 3 InsO). Die Zustimmungserklärungen dieser Gläubiger finden sich im Insolvenzplanverfahren also wie in einem vergleichbaren Verfahren nach § 894 ZPO in fingierten Willenserklärungen, die auf der gerichtlichen

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Prüfung und Feststellung von Zustimmungspflichten basieren. In beiden Fällen wird eine Willenserklärung mittels Fiktion geschaffen, deren Abgabe dem Betroffenen ohnehin aus einem materiellrechtlichen Grund obliegt. Stimmen die Gläubiger in einer Abstimmungsgruppe hingegen dem vorgelegten Plan mehrheitlich nicht zu, so entsteht für die ablehnenden Gläubiger dieser Gruppe keine Zustimmungspflicht aus einem Mehrheitsbeschluss. Der Plan scheitert daher, wenn sich nicht ausnahmsweise eine Zustimmungspflicht aus den Regelungen des Obstruktionsverbotes in den §§ 245, 246 InsO ergibt. Danach kann eine Zustimmungsverweigerung unter bestimmten Voraussetzungen rechtsmissbräuchlich sein, weshalb als Sanktion eine Zustimmungspflicht für die betroffenen Gläubiger entsteht, die wiederum ausdrücklich im Wege der Fiktion der Zustimmungserklärungen durchgesetzt wird. Auch in diesen Fällen – und insoweit im Parallellauf mit den Mechanismen bei positiven Mehrheitsbeschlüssen – ergibt sich die Bindung der ablehnend votierenden Gläubiger aus fingierten Willenserklärungen mit zustimmendem Inhalt, die auf einer (nun gesetzlich normierten) Zustimmungspflicht basieren. Und auch in diesen Fällen ist es der Insolvenzrichter und nicht der Richter, der im ordentlichen Rechtsweg über § 894 ZPO handelt, welcher die Zustimmungspflicht prüft und feststellt, und dessen rechtskräftiger Beschluss die Fiktion einer Zustimmungserklärung zeitnah erzeugt.

II. Die Willenserklärung des Schuldners Neben den Gläubigern muss zwingend auch der Schuldner einem vorgelegten Insolvenzplan im Abstimmungstermin zustimmen. Auch der Schuldner gibt seine vertragliche Willenserklärung also erst in diesem Termin ab. Selbst eine eigene und unverändert gebliebene Planvorlage bindet ihn als bloße »invitatio ad offerendum« nicht hinsichtlich seiner Zustimmungsentscheidung. Will der Schuldner dem Plan zustimmen, so kann er seine Zustimmung ausdrücklich äußern und damit die nach § 248 Abs. 1 InsO notwendige Zustimmungserklärung abgeben. Er kann im Abstimmungstermin aber auch schweigen oder diesem sogar fernbleiben, denn selbst sein Schweigen erhält durch die gesetzliche Regelung des § 247 Abs. 1 InsO den Erklärungswert einer Zustimmung. Allerdings wird in diesen Fällen die vertragliche Willenserklärung des Schuldners nur fingiert. Widerspricht der Schuldner hingegen dem Plan im Abstimmungstermin, so kann sein Widerspruch allenfalls über das Obstruktionsverbot des § 247 Abs. 2 InsO überwunden werden. Hier greifen für den Schuldner die gleichen Mechanismen wie für die widersprechenden Gläubiger in einer mehrheitlich ablehnend votierenden Gläubigergruppe, denn auch § 247 Abs. 2 InsO wertet den Widerspruch unter bestimmten Voraussetzung als Rechtsmissbrauch und ordnet als Sanktion eine Zustimmungspflicht an, die wiederum zeitnah im Wege

F. Zusammenfassung – Der Vertragsschluss über den Insolvenzplan

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der Fiktion der hiernach pflichtigen Zustimmungserklärung durchgesetzt wird. Die fehlenden tatsächlichen Zustimmungserklärungen zum Plan werden somit bei Vorliegen einer Zustimmungspflicht (sei es aus einem Mehrheitsbeschluss, sei es aus einer gesetzlichen Pflicht gemäß den §§ 245 bis 247 InsO) stets auf dieselbe, bei § 894 ZPO entlehnten Art und Weise erzeugt: im Wege einer Zustimmungsfiktion aufgrund der rechtskräftigen richterlichen Feststellung einer Zustimmungspflicht.

III. Die Verpflichtungserklärungen engagierter Dritter nach § 230 Abs. 3 InsO Sollen auch noch andere Personen als die Insolvenzgläubiger und der Schuldner zur Bewältigung der Insolvenz Leistungen übernehmen, so werden diese Personen dennoch nicht Teil des Insolvenzplans. Die Erbringung dieser Leistungen kann vielmehr zum Gegenstand einer Bedingung für die Planbestätigung nach § 249 InsO gemacht werden. Will der Dritte hingegen nur leisten, wenn der Insolvenzplan mit dem von ihm unterstützten Sanierungskonzept tatsächlich bestätigt wird, so sind die Verfahrensbeteiligten über diesen Sanierungsbeitrag gemäß § 230 Abs. 3 InsO in einer Plananlage zu informieren. Rechtsgrund für die Leistungspflicht des Dritten wird der Insolvenzplan dadurch allerdings nicht. Diese basiert allein auf der jeweiligen materiellen Verpfl ichtungserklärung des Dritten 326 und wird weder vom Insolvenzplan berührt noch von der Bestätigungsentscheidung des Insolvenzgerichts erfasst. Folgerichtig sind diese Dritten auch am Abstimmungsverfahren nicht beteiligt. Vertragspartner des Insolvenzplans werden sie nicht.

IV. Der Vertragsschluss Die letzte Besonderheit besteht nun darin, dass sich alle Zustimmungserklärungen inhaltlich gleichen, da alle die Zustimmung des jeweils Betroffenen zum Insolvenzplan enthalten. Angebote und Annahmeerklärungen im Sinne der §§ 145 ff. BGB lassen sich hier nicht unterscheiden. Dieser Umstand ändert jedoch nichts am Vorliegen eines Konsenses und damit am Zustandekommen eines Vertrages. Ein solcher kann unstreitig auch im Wege der Zustimmung aller Beteiligten zu einer Vertragsvorlage entstehen. Die Abweichung vom Regelfall der §§ 145 ff. BGB ist hierbei nicht materieller, sondern rein technischer Natur und beschränkt sich auf den Vertragsschlussmechanismus, indem keine korrespondierenden, sondern gleichlautende Erklärungen abgegeben werden. Das Ergebnis ist jedenfalls ein Vertrag bürgerlichen Rechts.

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Dies ist unstreitig – vgl. Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 230 Rn. 82.

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V. Fazit Der Insolvenzplan ist ein Vertrag zwischen den Gläubigern und dem Schuldner über die Verwertung des Schuldnervermögens zur Bereinigung der Insolvenzsituation.327 Die Mechanismen seines Zustandekommens lassen sich vertragsrechtlich erklären. Die auf den ersten Blick auffallende Besonderheit, dass der Insolvenzplan auch dann entsteht, wenn nicht alle Beteiligten ihm ausdrücklich zugestimmt haben, hindert dessen Einordnung als Vertrag nicht, kennt das Zivilrecht doch eine Vielzahl von Verträgen, die aufgrund von Erklärungsfiktionen und Kontrahierungszwängen ohne die Zustimmungserklärungen aller Vertragspartner entstehen. Der Insolvenzplan bildet insofern keine Ausnahme. Für seine Einordnung als Rechtsinstitut eigener Art besteht aus diesem Grunde und entgegen der Ansicht des BGH328 kein Bedürfnis. Eine weitere Besonderheit des Insolvenzplans liegt nun allerdings darin, dass er zur Wirkungsentfaltung nicht nur der – teilweise erzwungenen – Zustimmung aller Beteiligten bedarf, sondern gleichzeitig stets und unabhängig vom Abstimmungsergebnis eine gerichtlichen Bestätigung notwendig ist (§ 248 Abs. 1 InsO). Erst mit der Rechtskraft dieser gerichtlichen Entscheidung treten nach § 254 Abs. 1 InsO die Wirkungen des Planes ein. Zugleich sollen eventuelle Mängel im Planverfahren als geheilt gelten. Schließlich ist der rechtskräftig bestätigte Plan nach § 258 Abs. 1 InsO ein Grund zur Beendigung des Insolvenzverfahrens und nach § 257 InsO in Verbindung mit dem Tabelleneintrag (Abs. 1) bzw. mit der schriftlichen Verpflichtungserklärung eines Dritten als Plananlage 327 Im Ergebnis ebenso: Hess, in: Hess, InsR, § 217 InsO Rn. 9, 15; Hess/Weis, WM 1998, 2349, 2350; Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 373; ders., in: KTS 2002, 209, 210; Otte, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 217 Rn. 74 (mehrseitiger Verwertungsvertrag aller Gläubiger mit dem Schuldner); Smid/Rattunde, in: Smid, InsO, § 217 Rn. 7; dies., in: Insolvenzplan, Rn. 6.5–6.7 (hier allerdings weniger eindeutig und mit Tendenzen zu Verfahrenstheorien); grundsätzlich auch Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 28.67; ders., in: FS Gaul, 1997, 175, 179 f. (privatrechtlicher Vertrag zwischen den Beteiligten), der abweichend allein im Fall eines vom Schuldner abgelehnten Verwalterplans von einem Vertrag der Gläubiger mit dem Insolvenzverwalter ausgeht. Im Grundsatz ebenso: Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 217 Rn. 7 ff., 29, 31; Gaul, FS Huber, 2006, 1187, 1206; Flöther/Wehner, ZInsO 2009, 503, 504 f.; Jaffé, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 217 Rn. 53; Kebekus, in: Graf-Schlicker, InsO, § 217 Rn. 4 und Thies, in: Hamburger Kommentar, Vorbemerkungen zu §§ 217 ff. Rn. 3, wenn sie dem Insolvenzplan eine Doppelnatur aus materiell-rechtlichem und prozessualem Vertrag unterstellen. Die Gegenansicht, die in einem Insolvenzplan allein eine Verwertungsvereinbarung der Gläubiger untereinander sieht (Braun, in: Nerlich/Römermann, InsO, vor § 217 Rn. 80, 82; ders., in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 66 Rn. 19; Braun/Frank, in: Braun, InsO, vor § 217 Rn. 1; Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 467; Hess/Obermüller, Insolvenzplan, Rn. 5a; Pape, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, § 38 Rn. 13) wurde bereits widerlegt – siehe oben in diesem Kapitel B. III. 1 und B. VII. Für die Annahme eines Vertrages zwischen den Gläubigern, dem Schuldner und dem Insolvenzverwalter schließlich (so Windel, Jura 1999, 1, 7), fehlt mangels eigener Willenserklärung des Verwalters jeder Anhaltspunkt – dazu bereits in diesem Kapitel unter A. I. 328 BGH ZInsO 2006, 38, 39; ebenso schon Dinstühler, InVo 1998, 333, 344; Exner/Beck, in: Beck/Depré, Praxis der Insolvenz, § 43 Rn. 7.

F. Zusammenfassung – Der Vertragsschluss über den Insolvenzplan

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(Abs. 2) ein eigener Vollstreckungstitel. Inwieweit diese Besonderheiten die Vertragsnatur des Insolvenzplans berühren und ihn eventuell sogar als Urteil erscheinen lassen oder in einen Prozessvertrag verwandeln, soll im nachfolgenden Kapitel untersucht werden.

Kapitel 4

Der Insolvenzplan als Verfahrensobjekt Das Insolvenzplanverfahren ist zwingend als gerichtliches Verfahren normiert. Es findet im Rahmen eines eröffneten Insolvenzverfahrens statt und die Insolvenzordnung sieht in § 248 Abs. 1 InsO stets eine Bestätigung des Insolvenzplans durch das Insolvenzgericht vor. Erst die Rechtskraft dieser Bestätigungsentscheidung setzt dann nach § 254 Abs. 1 Satz 1 InsO die Planwirkungen in Kraft. Es ist daher zu untersuchen, welche Auswirkungen auf die Rechtsnatur des Insolvenzplans diese verfahrensrechtliche Einbindung mit sich bringt. Kernpunkt der gerichtlichen Einflussnahme auf den Plan ist die Bestätigung nach § 248 InsO. Jeder Insolvenzplan muss zwingend vom Insolvenzgericht durch einen Beschluss bestätigt werden und tritt gemäß § 254 Abs. 1 Satz 1 InsO erst mit der Rechtskraft dieses Beschlusses in Kraft. Mit diesem Bestätigungserfordernis bleibt das neue deutsche Insolvenzrecht in der klassischen Tradition der konkursrechtlichen Akkordverfahren. Schon das römische Recht verlangte für die Erstreckung der von einer Gläubigermehrheit getragenen Erlassvereinbarung auf die Minderheit das Dekret des Prätors.1 Später sahen auch die erfolgreichen französischen, gemeinrechtlichen und preußischen Akkordverfahren der Neuzeit als Ausgleich zur Mehrheitsmacht die gerichtliche Bestätigung vor. 2 Dieser Tradition folgte man dann im deutschen Recht bei der Schaffung des Zwangsvergleichs der Konkursordnung, des Vergleichs nach der Vergleichsordnung und schließlich des Insolvenzplans der Insolvenzordnung. Und auch das US-amerikanische Recht verlangt etwa in 11 U. S. C. §§ 1128, 1129 die »confirmation« des angenommenen Plans durch den Insolvenzrichter. Vergleichbare Regelungen finden sich heute in vielen Rechtsordnungen.3 1 Reskript des Mark Aurel, Digesten 2.14 Fragment 7 §§ 17 und 19 (Ulpian) – für überschuldete Erbschaften. 2 Näher dazu im Ersten Kapitel B. I. 3 Vgl. etwa das schweizerische Recht zum Nachlassvertrag (dazu zuletzt Martini, DZWIR 2009, 56, 60), das neue italienische Recht zum concordato preventivo (dazu zuletzt Arlt, ZInsO 2009, 1081, 1085 ff.; siehe auch Bünger, DZWIR 2006, 455 ff.), die neuen spanischen Regelungen zum convenio in der Insolvenz, das neue tschechische Reorganisationsrecht (dazu etwa Giese/Krüger, NZI 2008, 12, 16), das neue polnische Sanierungsrecht (vgl. Lewicki, NZI 2006, 568 ff.), das russische Recht für Akkorde im Aufsichts-, finanziellen Sanierungs-, externen Verwaltungs- oder Vergleichsverfahren (dazu etwa Suchanov/Yem, in: Kops/Bamberger/Maier-Reimer, Sanierungsfinanzierung, § 19D Rn. 6 ff.) oder auch das japanische Verfahren über den Revitalisierungsplan (dazu Tashiro, FS Braun, 2007, 375 ff.). Auch das 2005 und 2008 reformierte französische Sanierungsrecht folgt weiter diesem Grundsche-

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A. Die Funktion der gerichtlichen Bestätigung des Plans Historischer Grund für das Bestätigungserfordernis waren die Zwangswirkungen des Plans für Minderheitsgläubiger. Diese Motivation ist bis heute nicht entfallen.4 Nach den bisherigen Untersuchungen verlangt der Eingriff in die privatautonome Entscheidungsmacht der Gläubiger über ihre Forderungen zu seiner verfassungsrechtlichen Rechtfertigung nicht nur nach einem fehlerfreien Mehrheitsbeschluss oder einem gesetzlich fundierten Kontrahierungszwang sowie einer Garantie des betroffenen wirtschaftlichen Vermögenswertes, sondern eben auch nach einem effektiven gerichtlichen Rechtsschutz für die Betroffenen. Der Zustimmungszwang aus einem Mehrheitsbeschluss muss ebenso gerichtlich überprüfbar sein wie der aus einem Obstruktionsverbot.5 Nicht verfassungsrechtlich zwingend ist allerdings die Gewährung dieses Rechtsschutzes als Teil des Insolvenzplanverfahrens und damit als Hürde hin zum Zustandekommen des Plans. Ein Bestätigungserfordernis lässt sich der Verfassung nicht entnehmen. Die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verlangt zur Rechtfertigung von Eingriffen in die Privatautonomie und das Eigentum durch Mehrheitsmacht lediglich »wirksame Rechtsbehelfe« der Minderheit zur Überprüfung der Zwangsbindung von privatem Vermögen. 6 Die insofern eingeforderte gerichtliche Überprüfung des Mehrheitsbeschlusses muss aber keinesfalls unmittelbar im Beschlussverfahren stattfi nden. Sie kann vielmehr – wie in sonstigen Fällen des Individualrechtsschutzes auch – dem Beschlussverfahren nachfolgen. Das Verfassungsgericht hielt insofern mehrfach ausdrücklich die aktienrechtlichen Rechtsbehelfe der Nichtigkeitsund Anfechtungsklage für ausreichend.7 Diese gewähren den Minderheitsaktionären erst nach Abschluss des Beschlussverfahrens ein (teilweise befristetes) Klagerecht (§§ 246 und 249 AktG), sind also anders als die Bestätigung in § 248 ma, verlangen doch sowohl das Schlichtungsverfahren (procédure de conciliation) als auch die gerichtlichen Sanierungsverfahren (procédure de sauvegarde sowie redressement judiciaire) nach einer Gläubiger- und einer Gerichtsbeteiligung (näher dazu Damman, NZI 2009, 502 ff.; Robbe-Grillet, Planmäßige Sanierung nach französischen und nach deutschem Insolvenzrecht, S. 91, 207; Vallender/Heukamp, InVo 2006, 1 ff.; siehe auch Delzant/Ehret, ZInsO 2009, 990 ff.). Abweichungen finden sich aber etwa im englischen Sanierungsrecht für das administration-Verfahren oder das company voluntary arrangement, das jeweils keine gerichtliche Bestätigung, sondern nur eine nachgelagerte gerichtliche Kontrolle auf Antrag vorsieht (siehe etwa Müller-Seils, Rescue Culture and Unternehmenssanierung in England und Wales nach dem Enterprise Act 2002, 2006, passim; Windsor/Müller-Seils/Burg, NZI 2007, 7 ff.). 4 Schiessler, Insolvenzplan, S. 176, weist zu Recht darauf hin, dass sich der Schutzzweck der gerichtlichen Bestätigung beim Insolvenzplan sogar noch erweitert hat, da nun nicht nur die einzelne Gläubiger, sondern auch der Schuldner über § 247 Abs. 2 InsO zwangsweise an einen Plan gebunden werden kann. 5 Siehe dazu im Dritten Kapitel für überstimmte Gläubiger unter C. IV. 2. d) und für obstruierende Gläubiger unter E. V. 4. 6 BVerfGE 14, 263, 282 f.; 100, 289, 302 f.; BVerfG NJW 2001, 279, 280. 7 BVerfGE 14, 263, 283; 100, 289, 304; BVerfG NJW 2001, 279, 280.

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InsO vom Abstimmungsverfahren zeitlich getrennt und fakultativ. Aus verfassungsrechtlicher Sicht kann ein »wirksamer Rechtsbehelf« somit auch in einer gerichtlichen Nachprüfung bestehen, die nicht von Amts wegen erfolgen muss, sondern optional bleiben kann, also nur stattfindet, wenn sich ein Kläger findet. 8 Dementsprechend wird man davon ausgehen dürfen, dass es auch für den Insolvenzgesetzgeber bei Schaffung des Insolvenzplanverfahrens keine verfassungsrechtliche Pflicht zur Normierung eines gerichtlichen Bestätigungserfordernisses gab und gibt.9 Dieser folgte vielmehr einer Kodifizierungstradition, die für Akkordverfahren nun einmal eine gerichtliche Bestätigung vorsieht.10

B. Der Insolvenzplan ist kein Urteil oder Verfahrensakt Geht es bei der Bestätigungsentscheidung im Kern also um die Gewährung von Rechtsschutz für zwangsweise an den Plan gebundene Beteiligte, der nicht zwingend Teil des Planverfahrens sein muss, so wird deutlich, dass das Insolvenzgericht dem ersten Anschein nach mit der Entscheidung über die Planbestätigung nicht aus der klassischen Rolle eines Gerichts als streitentscheidendes Organ der Rechtsprechung herausfällt. Es gewährt Rechtsschutz, indem es die Rechtmäßigkeit des Insolvenzplans als Grundlage einer zwangsweisen Bindung an denselben überprüft. Der Grund der Bindungswirkung bleibt bei dieser Auslegung des Insolvenzplanverfahrens natürlich der Vertrag zwischen allen Beteiligten, der nach geltendem Recht vom Insolvenzgericht bestätigt werden muss (§ 248 InsO). Eine andere Sichtweise auf die Rolle der Bestätigungsentscheidung hatte schon sehr bald nach Schaffung der Konkursordnung mit ihrem Zwangsvergleich die Urteilstheorie, die August Sigmund Schultze durch seine Publikationen im Jahre 188011 begründete. Sie versuchte, die Bindungswirkungen des Zwangsvergleichs, also des damaligen insolvenzrechtlichen Akkordes, aus den Wirkungen der notwendigen gerichtlichen Entscheidung über die Bestätigung des Akkordes herzuleiten. Kernaussage der Urteilstheorie ist die Annahme, 8 Das deutsche Sanierungsrecht könnte sich so dem englischen anpassen, das bei einem mehrheitlich angenommenen Sanierungsplan im administration-Verfahren oder aber einem auf Sanierung zielenden company voluntary arrangement eine gerichtliche Kontrolle nur nachgelagert und nur auf Antrag stattfinden lässt – vgl. Windsor/Müller-Seils/Burg, NZI 2007, 7, 11. 9 Ebenso Jungmann, KTS 2006, 135, 138. 10 Siehe die Gesetzesbegründung zu § 248 InsO in BT-Drucks 12/2443, S. 210: »Das Erfordernis der gerichtlichen Bestätigung des Plans (Absatz 1) entspricht dem geltenden Recht des gerichtlichen Vergleichs (§ 78 Abs. 1 VglO), des Zwangsvergleichs im Konkurs (§ 184 Abs. 1 KO) und des Vergleichs im Gesamtvollstreckungsverfahren (§ 16 Abs. 5 Satz 1 GesO).« 11 ZHR 25 (1880), 339 ff. und Konkursrecht, S. 120 – Näheres dazu bereits im Ersten Kapitel B. III. 1.

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dass die Bindung aller Beteiligten und damit auch die Heteronomität des Akkordes für die ablehnenden oder nicht teilnehmenden Gläubiger nicht auf einer vertragsähnlichen Vereinbarung, sondern allein auf der Rechtskraftwirkung der gerichtlichen Bestätigungsentscheidung basiert.12 Die vorherige Zustimmung aller Beteiligten sei insofern bloße Voraussetzung der maßgeblichen gerichtlichen Entscheidung. Die Richtigkeit der Urteilstheorie setzt dann aber zwingend voraus, dass ein Urteil überhaupt Bindungswirkungen bis hin zu materiellen Leistungspflichten für die am Verfahren Beteiligten begründen kann. Ob eine gerichtliche Entscheidung überhaupt aus sich heraus derartige Wirkungen erzeugen kann, ist nun aber doch mehr als fraglich.

I. Die Rechtskraftwirkung gerichtlicher Entscheidungen Eine Bindungswirkung gerichtlicher Entscheidungen findet sich allein in ihrer Rechtskraft, genauer der materiellen Rechtskraft. Diese hindert das entscheidende Gericht ebenso wie ein anderes Gericht, im Nachhinein von einer (formell rechtkräftigen, also unanfechtbaren) Entscheidung abzuweichen, soweit diese eine (materielle) Rechtslage feststellt.13 Durch dieses Verbot werden gleichzeitig die Beteiligten eines Rechtsstreits daran gehindert, denselben materiellen Rechtsstreit nochmals vor ein Gericht zu tragen. Da keine abweichende Entscheidung ergehen kann, machen Prozesswiederholungen keinen Sinn; Rechtsfrieden tritt ein. Die materielle Rechtskraft bindet also nicht nur die Gerichte an eine frühere, formell rechtskräftige Entscheidung, sondern – jedenfalls im Ergebnis – auch die am Verfahren beteiligten Parteien.14 Der dogmatische Grund für diese weitreichenden Wirkungen der materiellen Rechtskraft war lange Zeit Gegenstand eines Theorienstreits. Dieser entzündete sich vor allem an der Frage, ob ein materiell-rechtlich unrichtiges Urteil auch die materielle Rechtslage in seinem Sinne verändert oder ein dauerhafter Zwiespalt zwischen materiellem Recht und im Prozess festgestelltem Recht verbleibt. Die klassische materielle Rechtskrafttheorie,15 welche in ihrer Urform heute nicht mehr vertreten wird,16 sah in einem rechtskräftigen Urteil einen Entste12

Dazu bereits ausführlich im Ersten Kapitel B. III. 1. Statt aller Musielak, in: Musielak, ZPO, § 322 Rn. 1. Diese Begriffe der formellen und materiellen Rechtskraft setzt der Gesetzgeber in den §§ 322 ff., 705 ZPO voraus. 14 Inwieweit die Bindung der Parteien eine »echte« Rechtskraftwirkung oder nur eine Reflexwirkung des Verbots der Prozesswiederholung ist, kann insofern dahinstehen – zum Streit vgl. etwa Gottwald, in: MünchKomm, ZPO, § 322 Rn. 14. 15 RGZ 46, 334, 336; Kohler, FS Klein, 1914, 1; Pagenstecher, Rechtskraft, S. 304 f. 16 Abwandlungen finden sich etwa bei Martens, ZZP 79 (1966), 404, 419, der erst im Prozess die Vervollständigung der materiellen Rechtslage bewirkt sehen will; ähnlich Kousoulis, Rechtskraftlehre, S. 41, wenn er der Rechtskraft eine normkonkretisierende Funktion zuweist und daher erst aus ihr die bis dahin nur abstrakte materiell-rechtliche Bindung der Parteien herleitet; ebenso Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, § 322 Rn. 31 ff., 34. 13

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hungs- bzw. Erlöschensgrund für das im Urteil festgestellte bzw. verneinte materielle subjektive Recht. Das richtige Urteil bestätigt danach nicht nur die bestehende Rechtslage, sondern schafft für diese auch einen neuen Rechtsgrund; das unrichtige Urteil hingegen verändert die materielle Rechtslage in seinem Sinn. Das Urteil entfaltet folglich stets unmittelbar gestaltende Wirkung auf das materielle Recht. Es verändert selbst und unmittelbar die Rechtsstellung der Beteiligten und ist alleinige Grundlage für den Handlungsbefehl an die verurteilte Partei. Demgegenüber hat sich heute eine prozessuale Theorie der Rechtskraft17 durchgesetzt, die einem rechtskräftigen Urteil jede Einwirkung auf das materielle Recht abspricht, soweit nicht das materielle Recht selbst eine solche ausnahmsweise zulässt (Gestaltungsurteile). Vielmehr erschöpfe sich die Wirkung der Rechtskraft in einer prozessualen Bindung jedes Gerichtes an eine rechtskräftige Entscheidung (Präjudizwirkung) bis hin zu einem Verbot der Prozesswiederholung in gleicher Sache (»ne bis in idem«).18 Die Bindung der Parteien an die im Urteil festgestellte Rechtslage erkläre sich allein daraus, dass ein zweiter Prozess nicht möglich ist. Die Parteien werden also nur mittelbar betroffen; ihre Bindung ist allein eine »Reflexwirkung« der Rechtskraft.19 Folgt man der prozessualen Rechtskrafttheorie, so kann eine gerichtliche Entscheidung selbst keiner Person eine bestimmte Handlung befehlen und damit heteronom wirken. Der Handlungsbefehl, etwas zu tun oder zu unterlassen, basiert dann vielmehr immer und allein auf der materiellen Rechtslage, welche das zur Entscheidung berufene Gericht nur ermittelt und feststellt. Es ist allein das materielle Recht, das entscheidet, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Person handeln muss. Das Gericht stellt in seinem Urteil nur diese bereits vorhandene Bindung fest. Die Rechtskraft verhindert in der Folge (nur), dass weitere Gerichte mit der Untersuchung derselben materiellen Rechtslage befasst werden. Übertragen auf den Insolvenzplan bedeutet dies, dass allein eine gerichtliche Bestätigungsentscheidung keine Grundlage für seine Bindungswirkung hinsichtlich aller Beteiligten sein kann. Sie stellt lediglich eine materiell-rechtliche Bindung fest und überprüft dabei wie jedes Gericht, ob die dafür notwendigen materiell-rechtlichen Voraussetzungen gegeben sind. Die potenziell heteronome Bindungswirkung des Insolvenzplans kann folglich 17 RGZ 129, 246, 248; BGHZ 3, 82, 85; 93, 287, 289; 123, 30, 34; zuletzt etwa BGH NJW 2004, 1805, 1806; Bötticher, Rechtskraft, S. 139 ff., 220; Gaul, FS Flume, 1978, 443, 512 ff.; Gottwald, in: MünchKomm, ZPO, § 322 Rn. 12, 14; Lüke, JuS 2000, 1042, 1044; Musielak, in: Musielak, ZPO, § 322 Rn. 4 f.; zuletzt Reischl, Rechtskraft, S. 175 f. (mit weiteren Nachweisen zum Meinungsstand). 18 In den Einzelheiten bleibt Etliches streitig; dies gilt insbesondere für die Frage, ob die Rechtskraft einen zweiten Prozess über denselben Streitgegenstand bereits unzulässig macht oder aber durch das Gericht eine identische (Sach-)Entscheidung ergehen darf. Vgl. dazu etwa Gottwald, in: MünchKomm, ZPO, § 322 Rn. 9. 19 Kritisch insofern Gottwald, in: MünchKomm, ZPO, § 322 Rn. 14.

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grundsätzlich nicht aus den Rechtskraftwirkungen einer gerichtlichen Entscheidung heraus erklärt werden. Schließt man sich hingegen der materiellen Rechtskrafttheorie an, so hat eine rechtskräftige Entscheidung stets gestaltende Wirkung im materiellen Recht. Sie wäre selbst Grundlage des Handlungsbefehls an die verurteilte Partei des Rechtsstreits und damit selbst der Grund für eine Bindungswirkung. Übertragen auf den Insolvenzplan wäre also die gerichtliche Bestätigungsentscheidung für alle Beteiligten die Grundlage ihrer (auch materiell-rechtlichen) Bindung an den Plan. Hierin liegt der eigentliche Kern der Urteilstheorie des August Sigmund Schulze. Sie basiert auf einer überkommenen Rechtskrafttheorie. Die materielle Rechtskrafttheorie erfüllt jedoch nicht die notwendigen Aufgaben des Rechtsinstituts der Rechtskraft und kann deshalb nicht überzeugen. Zweck der Rechtskraft und Grund ihrer Verankerung im Rechtsstaatsprinzip des modernen Staatsrechts ist die Schaffung und Bewahrung des Rechtsfriedens unter den streitenden Parteien. 20 Jeder Streit muss einmal ein Ende haben und zwar ein endgültiges. Das Institut der Rechtskraft hat daher sicherzustellen, dass ein beendeter Rechtsstreit nicht neu aufgerollt und wiederholt wird. Hierzu ist eine Veränderung der materiellen Rechtslage weder notwendig noch ausreichend. Würde man mit der materiellen Rechtskrafttheorie annehmen, dass die Bindungswirkung allein auf einer veränderten materiellen Rechtslage beruht, so führt die Dispositionsmaxime des Zivilprozesses dazu, dass es in den Händen der Parteien liegt, ob in einem zweiten Prozess die rechtskräftige Entscheidung aus dem ersten Rechtsstreit beachtet wird oder nicht. Die rechtskräftige Entscheidung wäre allein ein Grund für das Vorliegen einer gewissen materiellen Rechtslage und müsste als entscheidungserhebliche Tatsache folglich von einer Partei vorgetragen werden. Verzichten aber beide Parteien (bewusst oder unbewusst) auf das Einbringen der Tatsache eines rechtskräftigen Vorprozesses in den neuen Rechtsstreit, so wäre das Gericht aufgrund der Dispositionsmaxime daran gehindert, sich auf die Rechtskraft einer vorangegangenen Entscheidung zu berufen. Die Rechtskraftwirkungen blieben aus. Eine derartige Situation ist natürlich nicht hinnehmbar, weshalb Einigkeit darin besteht, dass die entgegenstehende Rechtskraft einer Entscheidung im Folgeprozess stets von Amts wegen zu beachten ist. 21 Daraus ergibt sich dann aber auch, dass die Rechtskraftwirkung nicht auf einer veränderten materiellen Rechtslage beruhen und dem Sachvortrag der Parteien unterliegen kann, sondern auf prozessualer Ebene wirken muss.22 Hieran scheitert die materielle Rechtskrafttheorie. Sie hat dafür den scheinbaren Vorteil, auch bei unrichtigen Urteilen stets zu 20

Gottwald, in: Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 150 Rn. 1. Statt aller Reischl, Rechtskraft, S. 170. 22 So zu Recht Bötticher, Rechtskraft, S. 142 f.; Gaul, FS Flume, 1978, 443, 522 f. Auch Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, § 322 Rn. 36 f., will daher neben der materiellen auch eine prozessuale Rechtskraftwirkung anerkennen und beide Theorien verbinden (Rn. 39). 21

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einem Gleichklang von ausgeurteilter und tatsächlicher Rechtslage zu gelangen. Ein derartiger Gleichlauf ist allerdings weder verfassungsrechtlich noch materiellrechtlich geboten. Im Interesse der Rechtssicherheit muss die Suche nach der Wahrheit in einem Rechtsstreit irgendwann ein Ende haben. Der Staat hat durch ein geeignetes Prozessrecht (rechtliches Gehör, ausgebildete Richter, Instanzenzug etc.) dafür Sorge zu tragen, dass im Regelfall die richtige Entscheidung in Rechtskraft erwächst. 23 Gelingt dies im Einzelfall nicht, so tritt Rechtsfrieden ein, auch ohne dass sich die materielle Rechtslage an das (falsche) Urteil anpassen muss. Sie bleibt dann schlicht ohne Anerkennung durch die staatliche Durchsetzungsgewalt. Gelingt dem Unterlegenen dann eine Wiederaufnahme des Verfahrens, so ist es weiterhin die ursprüngliche und unverfälschte Rechtslage, die ohne juristische Kunstgriffe Grundlage für den neuen Rechtsstreit wird. Die prozessuale Deutung der Rechtskraft kann daher im Ganzen – gerade unter Berücksichtigung der Wiederaufnahmerechte – durchaus überzeugen. Jede Bindung einer Partei beruht folglich auf der materiellen Rechtslage, nicht jedoch auf der materiellen Rechtskraftwirkung einer gerichtlichen Entscheidung.

II. Urteile mit Gestaltungswirkung im materiellen Recht Der gerade festgestellte Grundsatz der materiellrechtlichen Bindung gilt nun allerdings nicht uneingeschränkt. Es darf nicht verkannt werden, dass ausnahmsweise auch unter Geltung der prozessualen Rechtskrafttheorie eine richterliche Entscheidung eine eigene materiellrechtliche Wirkung auf die am Prozess Beteiligten haben kann. Dieser Umstand liegt darin begründet, dass im materiellen Recht Normen zu finden sind, welche die Gestaltung eines Rechtsverhältnisses ausdrücklich zu einer Aufgabe des Richters machen. Nimmt der Richter diese Befugnisse wahr, so gestaltet er mit seiner Entscheidung das materielle Recht zwischen den Beteiligten; man spricht in diesen Fällen von Gestaltungsurteilen. Begehrt ein Kläger eine derartige Rechtsänderung, so muss er eine Gestaltungsklage erheben. 24 Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile 23

Gottwald, in: Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 150 Rn. 2. Neben Gestaltungsurteilen mit einer Wirkung im materiellen Recht finden sich in der Rechtsordnung auch sog. »prozessuale Gestaltungsurteile«, also Urteile, die nur Wirkungen im Prozessrechtsverhältnis der Parteien entfalten, indem sie etwa den Prozess an ein anderes Gericht verweisen (§ 17a Abs. 2 GVG), die Vollstreckbarkeit herbeiführen (etwa § 731 ZPO) oder die Zwangsvollstreckung unzulässig machen (etwa §§ 767, 771 ZPO) – vgl. etwa Pfeiffer, Die prozessualen Gestaltungsklagen, S. 30, 33 ff.; Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 92 ff. oder bereits Kisch, Beiträge zur Urteilslehre, S. 154 ff. Schlosser will sogar in jeder Leistungsklage wegen der innewohnenden Vollstreckbarkeitswirkung eine prozessuale Gestaltungsklage erkennen und damit nur die Feststellungsklagen nicht als prozessuale Gestaltungsklagen einordnen (Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 104, 107). Über den Sinn einer solchen Systematik mag man streiten (dagegen Gottwald, in: Rosenberg/ Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 88 Rn. 12). Festzuhalten bleibt, dass auch Schlosser 24

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finden sich als besondere Rechtsschutzform nicht im Text der Zivilprozessordnung. Den Schöpfern der ZPO von 1877 waren sie unbekannt – was nicht verwundert, gab es doch unter der Herrschaft einer materiellen Rechtskrafttheorie keine Notwendigkeit zu Normierung einer solchen Klage- und Urteilsform. Alle Urteile gestalteten das materielle Recht. Erst mit der Durchsetzung der prozessualen Rechtskraftlehren konnte die Gestaltung des materiellen Rechts durch den Richter als Besonderheit erkannt und wissenschaftlich erfasst werden. 25 Kennzeichnend für Gestaltungsurteile ist ihre unmittelbare Einwirkung auf materiellrechtliche Rechtsverhältnisse. Hierzu ist der Richter eigentlich nicht befugt. Im Streitverfahren über eine Leistungs- oder Feststellungsklage hat er lediglich zu erkennen, was Recht ist, selbst wenn er dabei Auslegungsspielräume nutzen und Beweisergebnisse frei würdigen darf. Der Richter stellt fest, was Recht ist bzw. was der Beklagte daher leisten muss. Eine Veränderung der erkannten Rechtslage ist ihm verwehrt. Diese Situation ändert sich, wenn eine Norm des Sachrechts den Richter ermächtigt, mit seiner Entscheidung nicht nur die Rechtslage zu erkennen, sondern unter festgelegten gesetzlichen Voraussetzungen ein Rechtsverhältnis zu verändern. In einem solchen Fall wird der Richter nicht nur erkennend, sondern gestaltend tätig. Die veränderte materielle Rechtslage beruht dann allein auf seinem richterlichen Handeln. Im Regelfall steht dem Richter auch beim Erlass eines Gestaltungsurteils hinsichtlich der von ihm zu schaffenden Rechtslage kein eigener Gestaltungsspielraum – kein Ermessen – zu. Gestaltungsurteile dienen dem Gesetzgeber regelmäßig dazu, die Beendigung bestimmter Rechtsverhältnisse rechtssicher und offenkundig erfolgen zu lassen. Er normiert daher die genauen Voraussetzungen, unter denen der Richter das Rechtsverhältnis beenden soll. Liegen diese Voraussetzungen der ermächtigenden Norm vor, so muss das Gericht die vorgesehene Rechtsgestaltung mit dem Urteil vollziehen. Eine Ehe wird also beispielsweise unter den Voraussetzungen der §§ 1564 ff. BGB geschieden oder eine offene Handelsgesellschaft nach § 133 Abs. 1 HGB bei Vorliegen eines wichtigen Grundes aufgelöst. Man spricht in diesen Fällen von »gebundener Gestaltung«26 durch den Richter. Solche Gestaltungsurteile sind – wie in den eben genannten Beispielen – aufgrund ihres Zweckes klassischerweise Urteile mit seiner Systematik nur die prozessuale Wirkung der Leistungsklagen betont und ausdrücklich nicht davon abweicht, dass eine Änderung der materiellen Rechtslage nicht die Folge einer Leistungsklage ist. Diese besondere materiellrechtliche Wirkung haben auch nach seiner Ansicht allein die Gestaltungsurteile. 25 So wohl auch Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 18 f. Zur historischen Begriffsbildung: siehe etwa die Nachweise bei Grau, Die Bedeutung der §§ 894, 895 ZPO, S. 294 f.; Pfeiffer, Die prozessualen Gestaltungsklagen, S. 24 f.; Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 18 oder Stoffel, Vertragsgestaltung, S. 1. 26 Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 51, 68; Stoffel, Vertragsgestaltung, S. 4; ähnlich Joussen, Schlichtung, S. 208: »ordnend-feststellende« Gestaltungsurteile.

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mit negativem, also vernichtendem Inhalt; die richterliche Entscheidung beendet ein Rechtsverhältnis. 27 Es finden sich demgegenüber aber auch Gestaltungsurteile mit anderem, kreativem Inhalt. Das materielle Recht kann den Richter auch dazu berufen, ein Rechtsverhältnis nicht zu vernichten, sondern nach eigenem Ermessen umzugestalten.28 In solchen Fällen wird dem Richter durch die ermächtigende Norm oft kein bestimmtes Gestaltungsergebnis vorgegeben; ihm wird vielmehr ein gewisser eigener Spielraum zur Gestaltung des Rechtsverhältnisses gelassen, um den Umständen des Einzelfalls gerecht zu werden. Als Beispiel seien nur die Befugnisse aus den §§ 2 ff. der Hausratsverordnung angeführt, nach welchen der Richter im Fall einer Scheidung und dem Scheitern einer einvernehmlichen Regelung unter den Ehegatten die Rechtsverhältnisse an der ehelichen Wohnung und am Hausrat selbst nach billigem Ermessen gestalten kann. Auch derartige positiv gestaltende Entscheidungen sind Gestaltungsurteile. 29 Positiv wie negativ wirkenden Gestaltungsurteilen ist dabei gemein, dass allein ihre Urteilswirkung der Grund für die Veränderung materiellen Rechts ist.30 Die materiellrechtliche Gestaltungsmacht des Richters ist im Aufgabenbereich richterlichen Handelns ein Ausnahmefall und bedarf daher stets einer besonderen Legitimation durch eine ermächtigende materiellrechtliche Norm. Gestaltungsurteile sind somit nur dort zulässig, wo das materielle Recht richterliches Handeln zu Änderung der Rechtslage verlangt.31 Hieraus folgt umge27 Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 50; Stoffel, Vertragsgestaltung, S. 3. Joussen (Schlichtung, S. 207 f.) bezeichnet die Gestaltungsurteile mit gebundener, auflösend-beendender Gestaltung insoweit zutreffend als »Gestaltungsurteile im klassischen Sinn«. Kisch, Beiträge zur Urteilslehre, S. 54, wollte sogar nur Gestaltungsurteile mit negativem Inhalt zulassen. Positive Rechtsgestaltung durch den Richter sei ein »Missstand«. Auch Bötticher grenzte die negativ wirkenden Gestaltungsurteile von den positiv wirkenden, schöpferischen »Regelungsstreitigkeiten« ab (FS Lent, 1957, 89, 99). 28 Inzwischen unstreitig – vgl. Gottwald, in: Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 91 Rn. 10; Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 69; Stoffel, Vertragsgestaltung, S. 4. 29 Gottwald, in: Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 91 Rn. 10; Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 69; Stoffel, Vertragsgestaltung, S. 4. Auch Joussen (Schlichtung, S. 208) sieht in den Fällen einer konstruktiv-schöpferischen Gestaltung von Rechtsverhältnissen durch den Richter lediglich eine »Sondererscheinung der richterlichen Gestaltungserscheinungen«. Dagegen sah Bötticher hier »Regelungsstreitigkeiten« gegeben, die er von den Gestaltungsurteilen abgrenzte (FS Lent, 1957, 89, 99); er lässt dann aber eine Einordnung der richterlichen Ermessensentscheidung in das Urteilssystem vermissen. 30 Das Gestaltungsurteil selbst verändert daher mit Eintritt seiner Rechtskraft die materielle Rechtslage, ohne dass es dazu eines Vollstreckungs- oder sonstigen Umsetzungsaktes bedürfte – allgemeine Ansicht, vgl. Gottwald, in: Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 91 Rn. 13 f.; Lakkis, Gestaltungsakte, S. 168. 31 Allgemeine Ansicht – vgl. Becker, AcP 188 (1988), 24, 30, Fn. 21 am Ende; Becker-Eberhard, in: MünchKomm, ZPO, Vor § 253 ff. Rn. 28; Gottwald, in: Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 91 Rn. 2; Grunewald, ZZP 101 (1988), 152; Kisch, Beiträge zur Urteilslehre, S. 55; Lüke, JuS 1969, 301, 304; Pfeiffer, Die prozessualen Gestaltungsklagen, S. 29; Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 80; Schmidt, JuS 1986, 35, 39.

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kehrt, dass ein richterliches Urteil nur dann als Gestaltungsurteil zu qualifizieren ist, wenn der Richter durch seine Entscheidung materielles Recht gestalten darf. Die Annahme einer solchen Gestaltungsbefugnis verlangt mehr als die bloße Beteiligung eines Gerichts an einer Rechtsänderung. Eine solche richterliche Beteiligung kann sich auch aus der üblichen erkennenden Tätigkeit des Gerichts im Rahmen einer Leistungs- oder Feststellungsklage ergeben. Streiten etwa zwei Parteien über die wirksame Beendigung eines Vertrages durch eine Kündigung oder einen Rücktritt, so erkennt das urteilende Gericht nur die bereits geschaffene Rechtslage, wenn es die Kündigung oder den Rücktritt für wirksam hält und entsprechend urteilt. Die Gestaltung der Rechtslage, also die Vertragsbeendigung, basiert hier allein auf dem ausgeübten Gestaltungsrecht einer Partei. Ähnlich ist die Situation bei der gerichtlichen Durchsetzung eines Kontrahierungszwangs. Auch hier verurteilt das Gericht den Schuldner nur zu Abgabe der materiellrechtlich bereits geschuldeten Willenserklärung. Die Gestaltung der materiellen Rechtslage erfolgt dann erst durch den Vertrag, der infolge der Vollstreckung der ausgeurteilten Leistungspflicht (§ 894 ZPO) zustande kommt.32 Eine eigene Gestaltung durch den Richter findet nicht statt. In Zweifelsfällen ist folglich zu untersuchen, ob eine Vorschrift des materiellen Rechts den Richter nicht nur anweist, deklaratorisch im Wege der Gesetzesanwendung und -auslegung herauszufinden, was bereits (materiell) Recht ist, sondern ihn darüber hinaus dazu beruft, selbst mit seiner Entscheidung konstitutiv die Rechtslage zu verändern, wenn gewisse Tatbestandsvoraussetzungen gegeben sind.33 Diese Abgrenzung kann im Einzelfall durchaus schwierig sein.34 Eines ist dabei vorauszuschicken: Die Form der erforderlichen gerichtlichen Entscheidung, also der Umstand, ob der Richter durch Urteil oder Beschluss handelt, ist kein taugliches Qualifikationskriterium. Auch in Beschlussform kann ein Gestaltungsurteil ergehen, wenn mit dem Beschluss materielles Recht verändert wird. Ein solcher Beschluss ist dann ein Urteil im materiellen Sinn.35 Für die vorliegende Untersuchung des Bestätigungsbeschlusses nach § 248 InsO ist also im Folgenden danach zu fragen, ob die Insolvenzordnung dem 32 Näheres dazu, insbesondere zur Rechtsnatur des § 894 ZPO, später in diesem Kapitel unter B.IV.2.b. 33 Gottwald, in: Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 91 Rn. 1; Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 68; Stoffel, Vertragsgestaltung, S. 148. 34 Eine Reihe von Normen überlassen etwa die Höhe eines Anspruchs dem »billigen Ermessen« des Richters – man siehe nur die Schmerzensgeldhöhe in § 253 Abs. 2 BGB, der Ersatz nutzlos aufgewandter Urlaubszeit in § 651 f Abs. 2 BGB, die Leistungsbestimmung nach § 315 Abs. 3 Satz 2 und § 319 Abs. 1 Satz 2 BGB oder die Herabsetzung einer Vertragsstrafe auf den angemessenen Betrag in § 343 BGB. Ob der richterlichen Festsetzung dann Gestaltungswirkung zuzumessen ist, bedarf nicht selten einer umfassenden Prüfung – vgl. etwa Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 132 ff.; Stoffel, Vertragsgestaltung, S. 83 ff., 103 ff., 148 ff. 35 Auch dies ist unstreitig – vgl. Gruber, in: MünchKomm, ZPO, § 894 Rn. 5 f.; Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 41.

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Insolvenzgericht im Rahmen der Bestätigungsentscheidung gestattet, selbst die materielle Rechtslage zwischen den Beteiligten zu gestalten, indem es nicht nur feststellen soll, was bereits rechtlich bindend ist, sondern zudem konstitutiv gestalten darf.

III. Die Gestaltungsmacht des Richters in den Ausgleichsverfahren der Kriegszeit Die Qualifikation der richterlichen Bestätigungsentscheidung als Gestaltungsurteil und daraus folgend die Einordnung des Insolvenzplans als Urteil ist so fernliegend nicht. Das deutsche Insolvenzrecht hat in seiner jüngeren Geschichte verschiedene Regelungen hervorgebracht, die den Richter in Insolvenzfällen in ganz unterschiedlichem Umfang zu einer eigenmächtigen Regelung des Einzelfalls berechtigten. So durfte der Richter nach § 6 der Verordnung über das Kriegsausgleichsverfahren vom 30. November 193936 bei einem Ausgleichsvorschlag des Schuldners, der allein eine Stundung vorsah und dennoch keine Zustimmung unter den Gläubigern fand, dessen Verbindlichkeit anordnen, »wenn dies nach den Umständen des Falls der Billigkeit entspricht« (§ 6 Abs. 1 KAVO), und zugleich den Ausgleichsvorschlag hinsichtlich der Nebenabreden und der Stundungsdauer nach § 6 Abs. 2 KAVO abändern, »soweit dies notwendig ist, um eine gerechte Regelung für alle Beteiligten herbeizuführen.« Der Richter war also legitimiert, nach eigenem Ermessen die materielle Rechtslage für die Beteiligten inhaltlich zu gestalten. Weniger weitreichend waren demgegenüber die richterlichen Befugnisse in § 16 der Vertragshilfeverordnung vom 30. November 1939 und in den sich daran orientierenden landesrechtlichen Regelungen der Nachkriegszeit.37 Hier fehlte dem Richter jegliche Handhabe zur eigenmächtigen Regelung des Inhalts der anzupassenden Verträge; er war vielmehr inhaltlich an den Antrag des Schuldners gebunden, konnte aber die Bindung der Gläubiger an die vom Schuldner vorgeschlagenen Anpassung beschließen. 38 In beiden Fällen durfte der Richter mehr, als ihm ohnehin aufgrund seiner ureigenen prozessrechtlichen Befugnisse zusteht; er ging über eine bloße Feststellung oder Bestätigung einer bestehenden materiell-rechtlichen Bindung hinaus. Nach § 6 Abs. 2 KAVO durfte er nach freiem Ermessen den Inhalt des Vergleichsvorschlags des Schuldners ändern und bestimmte damit eigenständig die materiellen Rechte der Beteiligten. Allein die richterliche Entscheidung gestaltete den Inhalt und die Bindung des Ausgleichs für die Beteiligten. Für den so gefundenen und verbindlich gewordenen Ausgleich fehlte sowohl ein ent36 Zum historischen Kontext der Verfahren nach KAVO und VHV – siehe oben im Ersten Kapitel B. V. 37 Näher dazu bereits im Ersten Kapitel B. V. 38 Vogels, Vertragshilfe und Kriegsausgleichsverfahren, § 16 VHV Rn. 3; Volkmar, DJ 1939, 1856, 1857.

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sprechendes Vertragsangebot des Schuldners als auch die notwendigen Annahmeerklärungen der Gläubiger; diese wurden auch nicht fingiert. Der Richter selbst schuf damit ein (vertragliches) Schuldverhältnis, einen diktierten Vertrag im engeren Sinn, und gestaltete materielles Recht. Sein Beschluss war ein Gestaltungsurteil. Ähnliches gilt für das Vertragshilfeverfahren nach VHV. Auch dort durfte der Richter gemäß § 16 Abs. 1 VHV »eine rechtsgestaltende Entscheidung« treffen, mittels derer er den Anpassungsvorschlag für alle Beteiligten verbindlich machte, wenn eine gütliche Einigung des Schuldners mit seinen Gläubigern über den Vorschlag scheiterte.39 Nach § 23 Abs. 1 VHV war es in diesen Fällen ausdrücklich die »rechtskräftige Entscheidung« des Richters, welche Grundlage für die geänderten Rechte aller Beteiligten und zugleich Vollstreckungstitel war.40 Das Vertragshilfegesetz von 1952 übernahm diesen Regelungsmechanismus nahezu wortgleich.41 Das Gesetz legitimierte in all diesen Fällen den Richter zu einer (immerhin antragsgemäßen) Veränderung des materiellen Rechts allein durch Richterspruch und akzeptierte konsequenterweise ausdrücklich die gerichtliche Entscheidung als materiellrechtliche Basis der geänderten Rechtslage. Die Vertragshilfeverfahren gaben den Richtern somit Gestaltungsmacht; ihre Beschlüsse waren Gestaltungsurteile.

IV. Die Gestaltungsmacht des Insolvenzrichters hinsichtlich des Insolvenzplans Der Insolvenzplan wäre also ganz im Sinne der Urteilstheorie als im Kern gerichtliche Entscheidung einzuordnen, wenn dem Insolvenzrichter durch die Insolvenzordnung eine Befugnis zur Gestaltung der materiellen Rechte der Beteiligten eingeräumt worden ist. Dies kann – wie bei den Vertragshilfeverfahren – eine inhaltliche Gestaltungsbefugnis sein (dazu im Folgenden unter 1.); es könnte aber auch eine Befugnis zur Wirkungserstreckung ausreichen (dazu unter 2.).

39 § 16 Abs. 1 VHV: »Kommt eine gütliche Einigung nach § 14 nicht zustande, so trifft der Richter nach §§ 1 bis 9 durch einen mit Gründen versehenen Beschluß eine rechtsgestaltende Entscheidung.« § 16 Abs. 2 Satz 1 VHV: »Die Entscheidung wird mit der Rechtskraft wirksam und ersetzt die entsprechenden Vereinbarungen der Parteien.« 40 § 23 Abs. 1 VHV: »Aus einem Vergleich (§ 14) sowie aus einer rechtskräftigen Entscheidung, die der Richter nach § 3 Abs. 3, § 5 Abs. 3 über den Schadenersatzanspruch oder nach § 5 Abs. 2 über die Herausgabe von Räumen oder Grundstücken trifft, fi ndet die Zwangsvollstreckung wie aus einem rechtskräftigen Urteil statt.« 41 Nach § 15 Abs. 1 trifft das Gericht eine »rechtsgestaltende Entscheidung«, die nach § 16 Abs. 1 »die entsprechenden Vereinbarungen der Parteien ersetzt« und nach § 16 Abs. 2 Vollstreckungsgrundlage ist.

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1. Keine inhaltliche Gestaltungsmacht des Insolvenzrichters Die Urteilstheorie wäre für den Insolvenzplan zutreffend, wenn die Insolvenzordnung zur Tradition der Vertragshilfeverfahren der KAVO und der VHV zurückgekehrt ist und dem Insolvenzrichter eine inhaltliche Gestaltungsmacht hinsichtlich der Planbestimmungen verliehen hat. Dazu müsste das Insolvenzgericht wie der Richter im Vertragshilfeverfahren befugt sein, nach eigenem Ermessen auch inhaltlich in die Regelungen des Insolvenzplans einzugreifen und diese zu verändern oder anzupassen, so dass nur die richterliche Entscheidung Grundlage der im Plan zu findenden Gestaltungen der materiellen Rechtslage zwischen den Beteiligten sein kann. Sollte die Insolvenzordnung derartige Kompetenzen geschaffen haben, so hätte die gerichtliche Bestätigung nicht allein eine Rechtsschutzfunktion; das Insolvenzgericht hätte darüber hinaus eine materielle Gestaltungsbefugnis. Solche hoheitlichen Eingriffsrechte sind zugleich dem Vertragsrecht fremd und würden damit auch die gefundene Einordnung des Insolvenzplans als privatrechtlichen Vertrag jedenfalls hinsichtlich des Vertragsschlusses in Frage stellen. Es ist daher im Folgenden zu untersuchen, ob die §§ 248 ff. InsO dem Insolvenzgericht im Rahmen seiner Bestätigungsentscheidung derartige Gestaltungsrechte für den Insolvenzplan gewähren. a) Die Versagungsbefugnis in den §§ 249 bis 251 InsO Das Insolvenzgericht darf nach § 250 InsO die Bestätigung eines Insolvenzplans von Amts wegen nur versagen, wenn die gesetzlichen Vorschriften über den zwingenden Inhalt und die verfahrensmäßige Behandlung des Insolvenzplans sowie über seine Annahme durch die Gläubiger und die Zustimmung des Schuldners in einem wesentlichen Punkt nicht beachtet worden sind und der Mangel nicht behoben werden kann (Nr. 1) oder die Annahme des Plans unlauter herbeigeführt worden ist (Nr. 2). Sie ist des Weiteren nach § 249 InsO zu versagen, wenn Planbedingungen auch nach Ablauf einer gerichtlichen Nachfrist nicht erfüllt werden. Schließlich hat das Gericht die Bestätigung gemäß § 251 InsO auf Antrag eines Gläubigers zu versagen, wenn dieser dem Plan rechtzeitig und formgerecht widersprochen hatte (Abs. 1 Nr. 1) und er eine Schlechterstellung durch den Plan gegenüber dem Regelinsolvenzverfahren glaubhaft machen kann (Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2). (1) Der Individualschutz in § 251 InsO Beginnen wir mit der eindeutigsten Norm. Die Versagungsbefugnis in § 251 InsO dient ausdrücklich und allein dem individuellen Schutz überstimmter Gläubiger und erfüllt für diesen Personenkreis die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine rechtmäßige Zwangsbindung.42 Inhaltlich erlaubt § 251 42 Vgl. im Dritten Kapitel für überstimmte Gläubiger unter C. IV. 2. d) und für obstruierende Gläubiger unter E. V. 4.

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InsO eine Versagung der Planbestätigung aufgrund des Widerspruchs auch nur eines einzigen überstimmten Gläubigers, wenn dieser glaubhaft machen kann, durch den Plan im Vergleich zum Regelinsolvenzverfahren voraussichtlich schlechter gestellt zu werden. Die Regelung schützt damit den verfassungsrechtlich garantierten wirtschaftlichen Wert der Gläubigerforderung, also den Wert, den der Gläubiger im Rahmen des Liquidationsverfahrens realisieren könnte. Gegenstand der richterlichen Prüfung ist dementsprechend und zu Recht auch allein eine wirtschaftliche Vergleichsrechnung zwischen dem Verfahrenserlös für den Gläubiger nach dem Plan und dem in einem fiktiven Liquidationsverfahren.43 Insofern gilt der Amtsermittlungsgrundsatz des § 5 Abs. 1 InsO. Die damit jedem einzelnen ablehnenden Gläubiger eingeräumte Macht, eine schnelle Planbestätigung durch einen Antrag nach § 251 InsO zu verzögern, wird zunächst durch die formalen Anforderungen des § 251 Abs. 1 Nr. 1 InsO begrenzt. Weit wichtiger ist aber die Regelung in § 251 Abs. 2 InsO, welche den Antrag nur als zulässig erachtet, wenn der Gläubiger die behauptete Schlechterstellung glaubhaft machen kann. Diese Regelung verpflichtet den Gläubiger nicht nur dazu, dem Gericht eine ausreichende Tatsachengrundlage dafür zu liefern, dass der Plan ihn schlechter stellt – es ist insbesondere an ihm, die Vergleichsrechnung aufzustellen und einzureichen. Sie wirkt sich auch auf den Prüfungsumfang des Gerichtes aus, das auf aufwendige eigene Untersuchungen verzichten und seine Entscheidung allein auf die vorgebrachten Tatsachen stützen darf.44 Das Vorbringen des Gläubigers kann folglich und entsprechend den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen, die über § 4 InsO auch im Insol43 Vgl. etwa Braun/Frank, in: Braun, InsO, § 251 Rn. 4; Flessner, in: Heidelberger Kommentar, InsO, § 251 Rn. 1, 7; Hess, in: Hess, InsR, § 251 InsO Rn. 9; Jaffé, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 251 Rn. 10; Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, § 251 Rn. 2, 18; Sinz, in: MünchKomm, InsO, § 251 Rn. 16, 16c; – kritisch demgegenüber Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 28.49; Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 15.9 – zu Unrecht: Die Frage einer angemessenen Beteiligung des ablehnenden Gläubigers am wirtschaftlichen Planergebnis muss das Gericht im Rechtsschutz nach § 251 InsO nicht beantworten. Dieses Merkmal sichert allein die Rangstellung des einzelnen Gläubigers entsprechend der »absolut priority rule« und ist daher zwingend gruppenbezogen. Die Behandlung des Gläubigers entsprechend seiner Rangklasse ist maßgeblicher Gegenstand der Gruppenbildung, bei der nach § 222 Abs. 2 InsO für die wenigen Rangklassen der Insolvenzordnung zwingend verschiedene Gruppen entstehen müssen. Stimmt eine Gruppe dann dem Plan nicht zu, so muss stets das Gericht gemäß § 245 Abs. 1 Nr. 2 InsO prüfen, ob die Gruppe entsprechend der Rangklasse der ihr angehörenden Gläubiger am Planergebnis beteiligt wird. Stimmt die Gruppe dem Plan hingegen mehrheitlich zu, so legitimiert dieser Mehrheitswille die Annahme einer angemessenen Beteiligung der Gruppe am Planergebnis. Eine »bessere« Einschätzung steht insofern auch einem Insolvenzrichter nicht zu. Insgesamt bleibt damit kein Raum für eine richterliche Überprüfung der angemessenen – ranggemäßen – Beteiligung des ablehnenden Gläubigers außerhalb des § 245 Abs. 1 Nr. 2 InsO, weshalb im Rahmen des § 251 InsO zu Recht darauf verzichtet wurde. 44 Gerade diese Entlastung bezweckte der Gesetzgeber mit der Regelung in § 251 Abs. 2 InsO – BT-Drucks. 12/2443, S. 212.

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venzverfahren Anwendung finden, nur dann als für eine Glaubhaftmachung ausreichend angesehen werden, wenn es für das Bestehen der glaubhaft zu machenden Tatsache nach Ansicht des Gerichtes eine überwiegende Wahrscheinlichkeit darlegt.45 Allein aus dem Gläubigervortrag muss sich also bereits eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Schlechterstellung ergeben; deren bloße Behauptung genügt nicht.46 Bleiben Zweifel, so muss das Gericht keine eigenen Nachforschungen – etwa durch kosten- und zeitintensive Sachverständigengutachten – anstellen; es muss den Gläubigerantrag zurückweisen und den Plan bestätigen.47 Das Insolvenzgericht hat im Rahmen des § 251 InsO insgesamt keine materiellrechtlichen Befugnisse zur inhaltlichen Gestaltung des Insolvenzplans. Es prüft allein eine Rechtsverletzung beim Rechtsschutz suchenden Gläubiger und wird damit im klassischen Sinn erkennend tätig. (2) § 250 InsO – Prüfung und Durchsetzung von Zustimmungspflichten Ähnlich steht es mit der Versagungsbefugnis in § 250 InsO. Gemäß § 250 Nr. 1 InsO darf das Insolvenzgericht die Bestätigung des Plans versagen, wenn dieser in einem wesentlichen Punkt seinem Inhalt nach die Vorschriften der §§ 219 bis 230 InsO nicht einhält, gegen die Verfahrensregelungen der §§ 218, 231 bis 243 InsO oder gegen die Vorschriften über die Planannahme durch Gläubiger und Schuldner in den §§ 244 bis 247 InsO verstößt und der betreffende Mangel nicht behoben werden kann. § 250 Nr. 2 InsO lässt zudem unlauter herbeigeführte Pläne nicht wirksam werden. Hier dient die richterliche Rechtskontrolle nicht dem Individualrechtsschutz einzelner Gläubiger, sondern dem Schutz aller am Plan Beteiligten.48 Die Einhaltung der Vorschriften der §§ 219 bis 230 InsO hinsichtlich des zwingenden Planinhalts stellt sicher, dass alle Beteiligten hinreichend über die nach dem Plan vorgesehenen Maßnahmen und deren Auswirkungen auf die eigene, aber auch auf fremde Rechtsposition informiert waren und damit auf fundierter Wissensbasis eine Entscheidung über den Plan treffen konnten. Gleichzeitig sichern die Verfahrensbestimmungen sowie die Normen zur Gruppenbildung die Verfahrensrechte der Beteiligten sowie die Willensbildung in 45 So die ganz herrschende Auffassung zu § 294 ZPO – vgl. BGH NJW 1998, 1870; Huber, in: Musielak, ZPO, § 294 Rn. 3; Prütting, in: MünchKomm, ZPO, § 294 Rn. 24 m. w. N. 46 LG Berlin ZInsO 2002, 1191, 1192; ZInsO 2005, 609, 614; Jungmann, KTS 2006, 135, 145 f.; Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, § 251 Rn. 17; Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 300; Sinz, in: MünchKomm, InsO, § 251 Rn. 16b. 47 Braun, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 251 Rn. 8; Flessner, in: Heidelberger Kommentar, InsO, § 251 Rn. 5; Jungmann, KTS 2006, 135, 146; Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, § 251 Rn. 17. Anders Eidenmüller, NJW 1999, 1837, 1838; Sinz, in: MünchKomm, InsO, § 251 Rn. 17, die eigene Nachforschungen des Gerichts für zulässig und zweckmäßig halten. 48 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 28.44; Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, § 250 Rn. 1; Schiessler, Insolvenzplan, S. 176; Sinz, in: MünchKomm, InsO, § 248 Rn. 1.

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homogenen Gruppen und damit die Legitimität des Mehrheitsbeschlusses in jeder Gruppe. Flankiert wird dieser Schutz durch § 250 Nr. 2 InsO. Beruht die Entscheidung einzelner, zur Abstimmung über den Plan berufener Beteiligter nicht auf dessen freier Willensbildung über die Vor- und Nachteile des Plans, sondern etwa auf der Zusage individueller und im Plan nicht vorgesehener Sondervorteile in Form von Sondersicherheiten oder -zahlungen, so steht die Legitimität eines auf dieser Entscheidung beruhenden Mehrheitswillens in Frage. Dies gilt umso mehr, da in solchen Fällen auch die Willensbildung aller anderen Beteiligten auf einer unzureichenden Informationsbasis beruht. Die Annahmeentscheidung des Begünstigten lässt den Eindruck entstehen, dieser vertraue auf die Vorteile des Plans, was insbesondere bei maßgeblichen Gläubigern wie etwa Kreditinstituten Ausstrahlungswirkung auf die Willensbildung anderer Gläubiger hat. Der falsche Eindruck führt daher zu einer unzureichenden Entscheidungsbasis und stellt damit auch die Willensbetätigung der übrigen Beteiligten in Frage. Folgerichtig muss das Insolvenzgericht gemäß § 250 Nr. 2 InsO in diesen Fällen dazu berechtigt sein, dem Plan die Bestätigung zu versagen, da seine Annahme unlauter herbeigeführt wurde.49 Und schließlich findet im Rahmen der gerichtlichen Prüfung der Planannahme die Prüfung der – im vorangegangenen Kapitel herausgearbeiteten – Zustimmungspflichten statt. Das Gericht prüft das Zustandekommen eines positiven Mehrheitsbeschlusses oder aber das Vorliegen der Voraussetzungen des Obstruktionsverbots in § 245 InsO und stellt die hieraus folgenden Zustimmungspflichten für die nicht teilnehmenden bzw. ablehnend votierenden Gläubiger fest. Entsprechendes gilt für die aus § 247 Abs. 2 InsO folgende Zustimmungspflicht des Schuldners, die ebenfalls geprüft und festgestellt wird. Daneben stellt das Gericht den in den §§ 246 und 247 Abs. 1 InsO gesetzlich festgesetzten Erklärungswert schweigender Beteiligter als Zustimmung zum Plan fest.50 Auf 49 Entscheidend für eine Anwendung des § 250 Nr. 2 InsO ist entsprechend seiner Schutzrichtung eine Beeinflussung der Willensbildung durch die Schaffung einer unzureichenden Informationsbasis für alle Beteiligten (ebenso Jaffé, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 250 Rn. 13). Wird demgegenüber offengelegt, dass einzelne Beteiligte ihr Abstimmungsverhalten von Sonderzuwendungen beeinflussen ließen, so ist allein § 226 Abs. 3 InsO einschlägig (diese Vereinbarungen sind nichtig), nicht aber § 250 Nr. 2 InsO (offener Stimmenkauf – ebenso Jaffé, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 250 Rn. 13). Der Plan kann bestätigt werden. Kauft also etwa ein Gläubiger Forderungen zur Vergrößerung seiner Stimmmacht auf, so ist auch dies für § 250 Nr. 2 InsO nur relevant, wenn es verdeckt geschieht (ebenso Jaffé, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 250 Rn. 10; wohl auch Braun/Frank, in: Braun, InsO, § 250 Rn. 9, Fn. 19). Demgegenüber will die herrschende Ansicht unter Berufung auf die generelle Missbilligung in § 226 Abs. 3 InsO jeden gläubigerbegünstigenden Stimmen- oder Forderungskauf, der nicht im Plan aufgenommen wurde, unter § 250 Nr. 2 InsO subsumieren: BGHZ 162, 283, 290 f.; Frind, NZI 2007, 374, 376; Sinz, in: MünchKomm, InsO, § 250 Rn. 26c; Smid/ Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 12.17. 50 Entsprechend dem aufgezeigten Schutzzweck liegt ein »wesentlicher« Mangel im Sinne des § 250 Nr. 1 InsO nur vor, wenn der Inhalts- oder Verfahrensfehler geeignet war, die Abstimmung zu beeinflussen (LG Berlin ZInsO 2002, 1191, 1192; ZInsO 2005, 609, 611; Braun/

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der Grundlage dieser Feststellungen tritt dann im Moment der formellen Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses die Fiktion der Abgabe der Zustimmungserklärungen ein. Insgesamt erfüllt das Insolvenzgericht damit auch im Bereich des § 250 InsO lediglich die Rechtsschutzfunktionen, die verfassungsrechtlich notwendig sind, um Gläubiger oder Schuldner über einen Kontrahierungszwang auch gegen ihren Willen an einen Vertrag zu binden. Eigene Gestaltungsmacht hinsichtlich des Planinhalts hat es nicht. Eine Besonderheit besteht allein darin, dass das Insolvenzgericht diesen Rechtsschutz aufgrund der besonderen Anforderungen in einer Insolvenzsituation automatisch und damit zeitnah gewährt und so eine effektive Umsetzung positiver Mehrheitsbeschlüsse bzw. die schnelle Überwindung rechtsmissbräuchlicher Obstruktion gewährleistet. (3) Die Beachtung von Planbedingungen nach § 249 InsO Ungewöhnlich erscheint damit allein die Regelung in § 249 InsO, nach welcher das Insolvenzgericht einen Plan erst bestätigen darf, wenn zuvor bestimmte im Plan vorgesehene Bedingungen erfüllt sind. Diese Vorschrift geht über die verfassungsrechtlich gebotenen Schutzvorkehrungen hinaus. Sie schöpft ihre Bedeutung auch nicht aus dem Gedanken des Rechtsschutzes, sondern primär aus dem materiellen Recht,51 und trifft zwei wichtige Kernaussagen: (1) Der Planinitiator kann den Eintritt von einzelnen oder auch von allen Planwirkungen von der vorherigen Erbringung bestimmter Leistungen oder der Verwirklichung bestimmter Maßnahmen abhängig machen und (2) er kann die Erfüllung dieser Planbedingungen nicht nur zur Voraussetzung des Eintritts der Planwirkungen, sondern darüber hinaus auch zur Voraussetzung für die Planbestätigung und damit für die Entstehung des Plans überhaupt machen.52 In den Fällen des § 249 Frank, in: Braun, InsO, § 250 Rn. 7; Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 486 f.; Flessner, in: Heidelberger Kommentar, InsO, § 250 Rn. 5; Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, § 250 Rn. 5; Schiessler, Insolvenzplan, S. 179; Sinz, in: MünchKomm, InsO, § 250 Rn. 7, 13; Smid/ Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 12.10) bzw. ein Fehler bei der Annahme des Plans Auswirkungen auf das Zustandekommen des Plans hatte ( Jaffé, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 250 Rn. 5; Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, § 250 Rn. 15; Sinz, in: MünchKomm, InsO, § 250 Rn. 14) Hierbei, also bei der Feststellung des Abstimmungsergebnisses und der Fiktionen gemäß den §§ 244 bis 247 InsO, werden Fehler aber nur vom Gericht selbst gemacht werden können, so dass dieser Punkt erst im Beschwerdeverfahren nach § 253 InsO eine Rolle spielen kann – so zutreffend Sinz, in: MünchKomm, InsO, § 250 Rn. 14; auch Braun, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 250 Rn. 10. Folglich kann etwa ein Verstoß gegen begleitende Maßnahmen wie die Aussetzung der Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse nach § 233 InsO mangels Einfluss auf die Abstimmung und deren Ergebnis für § 250 InsO nicht beachtlich sein (ebenso Hess, in: Hess, InsR, § 250 InsO Rn. 9; Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, § 250 Rn. 18; Schiessler, Insolvenzplan, S. 179; Sinz, in: MünchKomm, InsO, § 250 Rn. 13a). 51 Diese Bedeutung stellen Braun, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 249 Rn. 1; Jaffé, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 249 Rn. 1 und Sinz, in: MünchKomm, InsO, § 249 Rn. 1, sehr treffend heraus. 52 Wenig überzeugend ist dagegen die Ansicht von Müller, Der Verband in der Insolvenz,

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InsO ist eben nicht nur der Eintritt der Planwirkungen, sondern die Bestätigung des Plans durch das Insolvenzgericht und damit der Plan selbst bis zur Verwirklichung der benannten Maßnahmen aufschiebend bedingt. Die Überschrift zu § 249 InsO ist daher entgegen der Kritik von Eidenmüller und Flessner 53 durchaus zutreffend. Die Bedeutung des § 249 InsO ist nicht zu unterschätzen. Gerade im Bereich der Reorganisation von Unternehmen spielt sie eine zentrale Rolle.54 Sie ist insofern ein wichtiger Teil der Bestätigungsentscheidung des Insolvenzgerichts. Und auch sie berechtigt das Gericht nicht zu einer materiellen Gestaltung des Insolvenzplans. Ganz im Gegenteil; die Regelung des § 249 InsO macht deutlich, dass der Planinitiator durch die Aufnahme entsprechender Bedingungen in den Plan das Gericht dazu verpflichten kann, dem Plan die Bestätigung zu verS. 377 ff., ders., in: KTS 2002, 209, 214 ff., und Patzschke, Reorganisation, S. 211 ff., § 249 InsO sei als abschließende Regelung zu verstehen, sodass andere Bedingungen als solche, die an die Bestätigung anknüpfen, nicht im Plan vorgesehen werden dürften. § 249 InsO lässt sich eine solche Deutung nicht entnehmen und auch der in § 254 InsO geregelte Eintritt der Planwirkungen mit Rechtskraft der Bestätigungsentscheidung verbietet keine anderweitige Bestimmung im Plan. Vielmehr setzt auch diese Norm allein die im Plan vorgesehenen Wirkungen in Kraft und hängt damit von den privatautonom entstandenen Bestimmungen im Plan ab. Sehen diese weitere Bedingungen für den Eintritt einiger oder aller Planwirkungen vor, so tritt der Plan als eben auf diese Art bedingter Plan gemäß § 254 InsO in Kraft – ebenso Andres, in: Andres/Leithaus, InsO, § 249 Rn. 1; Eidenmüller, ZGR 2001, 680, 696; Flessner, in: Heidelberger Kommentar, InsO, § 249 Rn. 4, 7; Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, § 249 Rn. 3. 53 Eidenmüller, ZGR 2001, 680, 695; Flessner, in: Heidelberger Kommentar, InsO, § 249 Rn. 4; ihnen folgend Andres, in: Andres/Leithaus, InsO, § 249 Rn. 1; Braun, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 68 Rn. 103; Brüning, Gesellschafter und Insolvenzplan, S. 152 f.; Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 377; ders., in: KTS 2002, 209, 214. Der Unterschied besteht allerdings gerade zwischen einer (nicht unter § 249 InsO fallenden) »bedingten Planwirkung« und einem (eben in § 249 InsO geregelten) »bedingtem Plan«. 54 BT-Drucks. 12/2443, S. 211; Braun, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 68 Rn. 103; Brüning, Gesellschafter und Insolvenzplan, S. 153 f.; Hess, in: Hess, InsR, § 249 InsO Rn. 2; Jaffé, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 249 Rn. 4; Krull, Bedingter Insolvenzplan, S. 80; Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, § 249 Rn. 2; Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 376; Patzschke, Reorganisation, S. 161; Sinz, in: MünchKomm, InsO, § 249 Rn. 13; Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 12.20. Der Insolvenzplan darf die zu einer Sanierung des Schuldnerunternehmens ggf. notwendigen gesellschaftsrechtlichen Beschlüsse (wie etwa eine Kapitalerhöhung oder Gesellschafterwechsel) nicht selbst enthalten (näher dazu bereits im 1. Kapitel A. III. 3. b); seine Realisierung ist aber in der Regel von deren Vornahme abhängig. Andererseits machen diese gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen nur Sinn, wenn das Zustandekommen des zugehörigen Planes hinreichend sicher ist. Die Planbedingung nach § 249 InsO ermöglicht es nun immerhin, diese Maßnahmen erst nach der Annahme des Plans, also auf hinreichend sicherer Grundlage, zu ergreifen, und gleichzeitig die Planbestätigung und damit die Planwirkungen erst eintreten zu lassen, wenn diese Maßnahmen erfolgt sind. Ein insgesamt eher verfahrensverzögernder und unzureichender Kompromiss (zur problematischen Anwendbarkeit der Norm bei gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen, die gerade ein beendetes Insolvenzverfahren voraussetzen: Brüning, Gesellschafter und Insolvenzplan, S. 177 ff.; Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, § 249 Rn. 5–8; Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 392; Patzschke, Reorganisation, S. 176 ff.; Sinz, in: MünchKomm, InsO, § 249 Rn. 14 f.; Uhlenbruck, FS Lüer, 2008, 461, 465 ff.).

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sagen, wenn die von ihm geforderten Bedingungen nicht erfüllt sind. Das Gericht hat bei nach § 249 InsO bedingten Plänen also gerade keinen eigenen Ermessensspielraum; es ist vollkommen an die Vorgaben des Plans gebunden. Auch diese Bindung ist nun allerdings keine Besonderheit des Insolvenzplanverfahrens. Jedes Gericht hat bei der Entscheidung über eine vertragliche Leistungspflicht nach materiellem Recht zu beachten, ob die Vertragswirkungen schon eingetreten sind oder ob das Rechtsgeschäft nach dem Willen der Parteien unter einer aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB) 55 vorgenommen wurde. Im letzteren Fall kann es erst dann zu einer Leistung aufgrund des Vertrags verurteilen, wenn die vereinbarte Bedingung eingetreten ist. Begreift man den Insolvenzplan als Vertrag, so normiert § 249 InsO daher auch nur einen selbstverständlichen allgemeinen Grundsatz. Richterliche Gestaltungsbefugnisse finden sich nicht. b) Materielle Gestaltungsbefugnisse des Gerichts aus § 231 InsO? Die bisherige Betrachtung hat gezeigt, dass dem Insolvenzgericht im Bestätigungsverfahren keine Kompetenzen eingeräumt werden, die über eine Rechtmäßigkeitskontrolle hinausgehen. Befugnisse zu einer Umgestaltung des materiellen Rechts, also des Planinhalts, hat das Gericht weder im Bereich der Obstruktionsverbote noch des Minderheitenschutzes, der Planbedingungen oder sonst im Rahmen seiner Bestätigungsentscheidung.56 Eine solche Gestaltungsbefugnis steht nach § 240 InsO eben allein dem Planinitiator zu. Insofern kann schon der erste Einwand von Smid und Rattunde57 gegen die Qualifikation des Insolvenzplans als Vertrag nicht überzeugen, der darauf beruht, in diesen Rege55 Eine § 249 InsO ausfüllende Planbestimmung ist eine rechtsgeschäftliche Bedingung – Hess/Obermüller, Insolvenzplan, Rn. 328; Schiessler, Insolvenzplan, S. 111, 181; Sinz, in: MünchKomm, InsO, § 249 Rn. 1. Demgegenüber sehen insbesondere Eidenmüller, ZGR 2001, 680, 695 und Flessner, in: Heidelberger Kommentar, InsO, § 249 Rn. 4 in einer Planbestimmung nach § 249 InsO keine rechtsgeschäftliche Bedingung, sondern nur eine besondere verfahrensrechtliche Voraussetzung für die Bestätigung, was dann aber interessanterweise dem Planinitiator Einfluss auf das Planverfahren geben würde. Die Ergebnisse sind identisch. 56 So auch die ganz herrschende Ansicht – vgl. Braun, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 248 Rn. 2; Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 217 Rn. 18; Flessner, in: Heidelberger Kommentar, InsO, § 248 Rn. 2; Gaul, FS Huber, 2006, 1187, 1199; Happe, Die Rechtsnatur des Insolvenzplans, S. 195 f.; Hess, in: Hess, InsR, § 248 InsO Rn. 11, 13; Jaffé, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 248 Rn. 5; Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 374; Otte, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 248 Rn. 5; Schiessler, Insolvenzplan, S. 21; Sinz, in: MünchKomm, InsO, § 248 Rn. 22 und sogar Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 12.18. Gundlach/Frenzel/ Strandmann, NZI 2008, 461, 464, sehen das Insolvenzgericht insofern »als Rechtsaufsichtsbehörde tätig«. Soweit damit das Gerichtshandeln von dem Bereich der Rechtsprechung hin zu dem der Verwaltung verlagert werden sollte (was die Autoren allerdings nicht ausdrücklich vorschlagen), ginge das zu weit – zur Art der insolvenzgerichtlichen Tätigkeit später mehr unter C. 57 Insolvenzplan, Rn. 6.6.

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lungen eine Sachprüfungskompetenz des Gerichtes zu erkennen, die »weit über die formelle Rechtmäßigkeitskontrolle« hinausgeht. Aber auch ihr zweiter Einwand geht fehl: Zweifel an der vertragsrechtlichen Konstruktion des Insolvenzplans ergeben sich auch nicht aus der Verbindung einer »weitreichenden« Vorprüfungskompetenz des Gerichtes gemäß § 231 InsO und der daran anschließenden Befugnis des Schuldners, gerügte Mängel des Planes zu beheben. Ein »eigener materieller Einfluss des Gerichts auf den Plan« – wie ihn beide Autoren hier erkennen wollen 58 – entsteht auch aus diesem Hinweisrecht nicht. Das Gegenteil ist der Fall. Wie die Autoren später selbst bemerken, prüft das Insolvenzgericht im Rahmen der Vorprüfung nach § 231 InsO den Plan auf seine »Mangelhaftigkeit« und gibt dem Planinitiator dann bei behebbaren Mängeln die Gelegenheit zur Nachbesserung. 59 Erkennt es einen Mangel und regt es die Nachbesserung des Plans an, so liegt hierin aber doch keine materielle Plangestaltung durch das Gericht. 60 Vielmehr wird gerade die alleinige materielle Änderungs- und Gestaltungsbefugnis des Planinitiators respektiert, indem das Gericht ihn zur Nachbesserung auffordert und eben nicht selbst den Plan nach eigenem Ermessen ausbessert. Der Einwand von Smid und Rattunde ist somit nicht nur unbegründet; er spricht vielmehr gerade gegen die von ihnen behauptete materielle Befugnis des Gerichts. Tatsächlich findet auch in der gerichtlichen Vorprüfung nach § 231 InsO, also in der ersten gerichtlichen Prüfung eines eingereichten Insolvenzplans, allein eine Rechtmäßigkeitskontrolle statt. Unmittelbar einsichtig ist dies für den Zurückweisungsgrund des § 231 Abs. 1 Nr. 1 InsO, der einen Verstoß gegen die Vorschriften zur Planvorlage und zum Planinhalt, also einen Rechtsverstoß, voraussetzt, der – trotz des bereits erwähnten richterlichen Hinweises – vom Planinitiator nicht behoben wird. Entsprechendes gilt aber auch für die Zurückweisungsgründe in § 231 Abs. 1 Nr. 2 und 3 InsO, die offensichtlich nicht annahme- oder bestätigungsfähige bzw. offensichtlich nicht erfüllbare Schuldnerpläne betreffen, sowie den in § 231 Abs. 2 InsO, der wiederholte Planerreichungen durch den Schuldner betrifft. In den dort normierten Fällen ist es die berechtigte Furcht vor rechtsmissbräuchlich eingebrachten oder chancenlosen Schuldnerplänen, die eine Kontrolle des Gerichts rechtfertigt. 61 Und auch diese Kontrolle dient allein der Wahrung der Rechte der Verfahrensbeteiligten und damit der Rechtsschutzgewährung, denn jeder eingebrachte Schuldnerplan ist in der Lage, ein Insolvenzplanverfahren zu eröffnen, und kann damit wegen der 58

Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 6.6. Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 9.41. 60 Ebenso Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 374 f. 61 Braun, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 68 Rn. 13; ders., in: Nerlich/Römermann, InsO, § 231 Rn. 3; Braun/Frank, in: Braun, InsO, § 231 Rn. 1 f.; Breuer, in: MünchKomm, InsO, § 231 Rn. 1; Flessner, in: Heidelberger Kommentar, InsO, § 231 Rn. 1; Jaffé, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 231 Rn. 1, 16; Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, § 231 Rn. 1 f.; Otte, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 231 Rn. 22. 59

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mit der Planprüfung einhergehenden Verzögerung des Liquidationsverfahrens nicht nur zeit-, sondern auch kostenintensiv sein. Die fortlaufenden Massekosten, wie etwa Lohn- und Betriebskosten des Schuldnerunternehmens, zehren bei einem verzögerten Insolvenzverfahren die Masse auf und führen damit zu einer Schmälerung der Insolvenzquote für die Insolvenzgläubiger. Folglich muss das Insolvenzrecht Maßnahmen vorsehen, solche Schuldnerpläne im Interesse der Insolvenzgläubiger möglichst frühzeitig zu verwerfen, die allein zu einer Verfahrensverzögerung, nicht jedoch zu einer besseren Haftungsverwirklichung führen. Genau diese Aufgabe übernehmen die Verwerfungskompetenzen in § 231 Abs. 1 Nr. 2, 3 und Abs. 2 InsO. Haben die Pläne offensichtlich keine Aussicht auf eine Annahme durch die Gläubiger oder eine Bestätigung durch das Gericht (§ 231 Abs. 1 Nr. 2 InsO) oder enthalten sie offensichtlich nicht erfüllbare Leistungsversprechen (§ 231 Abs. 1 Nr. 3 InsO), so macht die Durchführung des Insolvenzplanverfahrens mit Erörterungs- und Abstimmungsterminen und die damit einhergehende Verzögerung der Liquidation keinen Sinn. Das Gericht darf den Plan daher sofort verwerfen. Entsprechendes gilt bei einer wiederholten Planeinreichung durch den Schuldner. War bereits ein Plan gescheitert, so spricht nichts für einen Erfolg eines erneut eingebrachten Schuldnerplans, wenn dieser von vornherein durch den, insofern die Gläubigerinteressen repräsentierenden, Insolvenzverwalter abgelehnt wird (§ 231 Abs. 2 InsO). Das Gericht darf daher auch einen solchen Plan schnell verwerfen. Insgesamt entscheidend ist für die hier untersuchte Fragestellung, dass alle diese Normen dem Gericht keine eigene Gestaltungsmacht über den Planinhalt zusprechen. Der durch den jeweiligen Planinitiator bestimmte Inhalt des Planes ist und bleibt die feste und unantastbare Basis für die Entscheidung des Gerichtes. Dieses darf zwar Nachbesserungen anregen, hat am Ende aber lediglich eine Verwerfungskompetenz zum Schutz berechtigter Gläubigerinteressen; es kann den Planentwurf weiterleiten oder verwerfen, nicht aber inhaltlich abändern. 62 c) Materielle Gestaltungsbefugnisse des Gerichts bei konkurrierenden Plänen? Ergeben sich somit aus den gesetzlich geregelten Befugnissen des Insolvenzgericht keine Kompetenzen zu einer materiellen Gestaltung des Insolvenzplans, so könnte dem Gericht interessanterweise eine solche Kompetenz aus einer Regelungslücke erwachsen. § 218 Abs. 1 Satz 1 InsO räumt sowohl dem Schuldner 62 Braun, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 66 Rn. 18 Fn. 31; Breuer, in: MünchKomm, InsO, § 231 Rn. 1; Gaul, FS Huber, 2006, 1187, 1199 f.; Hess, in: Hess, InsR, § 231 InsO Rn. 2; Keller, Insolvenzrecht, Rn. 1712; Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, § 231 Rn. 1; Müller KTS 2002, 209, 211 f. Otte, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 231 Rn. 4, spricht demgegenüber missverständlich von einer »erheblichen Gestaltungsaufgabe« des Gerichts aufgrund einer »Reihe qualitativer Entscheidungen« im Rahmen der Vorprüfung. Worin die materielle Gestaltungsmacht des Gericht hinsichtlich des Planinhalts dann genau liegen soll, bleibt dann aber offen.

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als auch dem Insolvenzverwalter das Recht zur Vorlage eines Insolvenzplans ein. Es ist damit möglich, dass zumindest 63 zwei Pläne in ein Insolvenzplanverfahren eingebracht werden und dort miteinander konkurrieren. (1) Die fehlende ausdrückliche gesetzliche Regelung Die für diesen Fall in § 294 des Regierungsentwurfs zunächst vorgesehene gesetzliche Regelung war alles andere als umfassend und sah für den Fall der Vorlage mehrerer Pläne nur einen einheitlichen Erörterungs- und Abstimmungstermin für alle vor. Hierdurch sollten Verfahrensverzögerungen vermieden werden, die mehrere dieser Termine mit sich gebracht hätten. 64 Der Rechtsausschuss strich diese Vorschrift dann, allerdings nicht weil er sie für ungeeignet hielt, sondern zur »redaktionellen Straffung« des Gesetzes. 65 Zugleich sah er das Problem konkurrierender Pläne in seiner Fassung der Insolvenzordnung dadurch entschärft, dass das Gesetz statt des weitreichenden Planinitiativrechts für verschiedene Gläubigergruppen sowie für Gesellschaftergruppen im Schuldnerunternehmen in § 255 des Regierungsentwurfes 66 nun nur noch ein Initiativrecht für den Schuldner und den Insolvenzverwalter vorsah. 67 Die Gefahr von Verfahrensverzögerungen durch die Vorlage mehrerer Pläne erschien so gebannt. Die Frage des Umgangs mit auch nur zwei konkurrierenden Plänen blieb hingegen unbeantwortet. Der Gesetzgeber schien davon auszugehen, dass sich in diesen Fällen nur einer der Pläne im Abstimmungstermin wird durchsetzen können, so dass es die privatautonome Entscheidung der Gläubiger in den abstimmenden Gruppen ist, die den einen Plan bestimmt, der dem Insolvenzgericht zur Bestätigung vorgelegt wird. Tatsächlich ist in einem solchen Fall – und das sollte auch in der Insolvenzpraxis der Regelfall sein – eine besondere gesetzliche Regelung über konkurrierende Pläne überflüssig, da sich die Auswahlentscheidung aus den allgemeinen Verfahrensregelungen der §§ 235 ff. InsO ergibt. Zugleich sind es dann die Gläubiger und eben nicht das Insolvenzgericht, die die Entscheidung

63 Gesteht man dem Insolvenzverwalter – zu Unrecht – ein eigenständiges Initiativrecht auch in den Fällen zu, in denen er nach §§ 157 Satz 2, 218 Abs. 2 InsO bereits im Auftrag und nach Vorgaben der Gläubigerversammlung einen Plan entwerfen und vorlegen soll, so kann es theoretisch sogar drei Pläne in einem Verfahren geben: einen Schuldnerplan, einen Verwalterplan und einen Auftragsplan des Verwalters – näher zum Initiativrecht am Beginn des Dritten Kapitels unter A. 64 BT-Drucks. 12/2443, S. 210. 65 BT-Drucks. 12/7302, S. 184. 66 Danach konnten fünf nicht nachrangige Insolvenzgläubiger einen Plan einreichen, wenn sie ein Fünftel des Stimmrechts in der Gläubigerversammlung erreichten (§ 255 Abs. 1 Nr. 1). Dasselbe Recht hatte neben dem Schuldner auch jede Person, die zu mindestens einem Fünftel am Kapital des Schuldners beteiligt war oder die persönlich haftete (§ 255 Abs. 1 Nr. 2) – dazu BT-Drucks. 12/2443, S. 50, 196. 67 BT-Drucks. 12/7302, S. 184.

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darüber treffen, welchen der Pläne sie verwirklichen wollen. Eine materielle Entscheidungsbefugnis wird dem Gericht nicht eingeräumt. Dies gilt selbst dann, wenn es – zutreffend – dem Gericht zusteht, darüber zu befinden, welchen der Pläne es zuerst zur Abstimmung bringt und ob es über alle Pläne in einem Termin abstimmen lässt. 68 Diese Kompetenzen sind nur Ausdruck der Verfahrenshoheit des Gerichtes. Ein hierdurch eventuell entstehender Einfluss auf das Abstimmungsverhalten einzelner Gläubiger wäre ein reiner Reflex und kann nicht die Annahme einer materiellen Gestaltungsmacht des Gerichtes begründen. Würde das Gericht seine diesbezüglichen Entscheidungen von der Präferenz für einen der Pläne leiten lassen, so wäre dies eine sachfremde Erwägung und damit ein mit der Beschwerde nach § 253 InsO angreifbarer Verfahrensfehler. Grundsätzlich sollte schon im Interesse einer einheitlichen Abstimmung über alle Pläne ein einheitlicher Termin angesetzt und dort die Pläne in der Reihenfolge ihrer Einreichung bei Gericht zur Abstimmung gestellt werden. Das Gericht ist dann jedes Zweifels erhaben. Ein Grund für eine abweichende Terminierung kann allerdings darin liegen, dass ein einheitlicher Termin wegen der erst spät erfolgten Vorlage des zweiten Plans zu einer erheblichen Verzögerung der Umsetzung eines annahmefähigen ersten Plans führen würde. 69 Wie auch immer – eine eigene Entscheidungskompetenz hinsichtlich des zu bestätigenden Plans hat das Gericht jedenfalls nicht. (2) Die mögliche Annahme mehrerer Pläne im Abstimmungstermin Problematisch ist nun, dass keineswegs sicher ist, dass bei der Vorlage mehrerer Pläne nur einer im Abstimmungstermin angenommen wird. Keinem Gläubiger ist es verboten, sowohl für den einen als auch für den anderen Plan zu stimmen, wenn beide für ihn im Gegensatz zum sonst drohenden Liquidationsverfahren von Vorteil sind und er sicher gehen will, dass zumindest einer von ihnen eine Mehrheit auf sich vereinen kann. Die freie Entscheidung über seine Zustim68 Diesbezüglich verfügt das Gericht über einen Ermessensspielraum – so Braun, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 67 Rn. 20; Braun/Frank, in: Braun, InsO, § 235 Rn. 7; Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 218 Rn. 193; Herzig, Insolvenzplanverfahren, S. 209; Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, § 218 Rn. 30; Schiessler, Insolvenzplan, S. 143, 154. Demgegenüber soll nach Flessner, in: Heidelberger Kommentar, InsO, § 235 Rn. 10, das Gericht stets einen einheitlichen Termin bestimmen müssen; ebenso Jaffé, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 235 Rn. 33; Thies, in: Hamburger Kommentar, InsO, § 235 Rn. 5; ähnlich Hintzen, in: MünchKomm, InsO, § 235 Rn. 30, nach dem das Gericht hierzu »regelmäßig gehalten« ist. 69 Ebenso Binz, Konkurrierende Insolvenzpläne, S. 204; Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 641; Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 218 Rn. 193; Haarmeyer/ Wutzke/Förster, Handbuch zur Insolvenzordnung, Kapitel 9 Rn. 25; Hess, in: Hess, InsR, § 235 InsO Rn. 2; Hintzen, in: MünchKomm, InsO, § 235 Rn. 30 f. Zum identischen Ergebnis gelangen auch Braun/Frank, in: Braun, InsO, § 235 Rn. 7; Herzig, Insolvenzplanverfahren, S. 209 f. und Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, § 218 Rn. 30, obwohl sie vom entgegengesetzten Punkt ausgehen und grundsätzlich mehrere Termine fordern, die nur dann zu einem zusammengefasst werden sollen, wenn hierdurch keine Verzögerungen für den ersten Plan entstehen.

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mung zu jedem zur Abstimmung gestellten Plan ist Teil seiner privatautonomen Entscheidungsmacht im Abstimmungstermin. Es ist keine Bestimmung und kein Grundsatz ersichtlich, die ihn daran hindern würden, neben dem ersten zur Abstimmung aufgerufenen Plan auch dem nachfolgenden Plan zuzustimmen. Dies gilt umso mehr, wenn der erste Plan die Mehrheit in den Abstimmungsgruppen nicht sofort erreicht, sondern erst über die Obstruktionsverbote als angenommen gilt. Dies ist für den Gläubiger nicht unmittelbar einsichtig, so dass es für ihn durchaus Sinn macht, nun auch einem zweiten, nachfolgend zur Abstimmung aufgerufenen Plan zuzustimmen, um ein Liquidationsverfahren abzuwenden.70 Erreicht auch dieser Plan dann die notwendigen Mehrheiten, so ist unklar, welcher Plan mittels Bestätigung Wirkung entfalten soll. Sicher ist, dass nicht beide Pläne zugleich umgesetzt werden können. (3) Keine Auswahlentscheidung durch das Insolvenzgericht Würde man es in dieser Situation dem freien Ermessen des Insolvenzgerichts überlassen, darüber zu entscheiden, welchen der angenommenen Pläne es bestätigen will, so träfe das Gericht die Auswahl zwischen verschiedenen möglichen Planinhalten und bestimmte damit maßgeblich das inhaltliche Ergebnis des Insolvenzplanverfahrens. Das Insolvenzgericht hätte damit eine materielle Gestaltungsmacht, die mit einer Konstruktion des Plans als privatrechtlichem Vertrag der Beteiligten kaum mehr zu vereinbaren wäre. Diese Gestaltungsmacht wäre zudem nach den bisherigen Ergebnissen eine singuläre Besonderheit im Insolvenzplanverfahren und kann insofern durchaus als Systembruch angesehen werden. Folgerichtig findet sich in der Literatur (soweit ersichtlich) nur eine einzige Stimme, die ohne jede Begründung dem Insolvenzgericht eine so weitreichende Entscheidungsmacht einräumen will.71 Andererseits steht man vor einem Dilemma. Die Willensbildung der Gläubiger ist durch die Abstimmung über beide Pläne abgeschlossen. Es bleibt damit vor dem »Inkrafttreten« der Pläne durch den Eintritt der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses nur noch das Insolvenzgericht als Entscheidungsträger übrig. Im Hinblick auf das tatsächlich unmögliche Durchführen zweier Pläne kann es nicht überraschen, dass die ganz überwiegende Mehrzahl der in der Literatur diskutierten Lösungen dem Insolvenzgericht jedenfalls verbietet, beide Pläne 70 Aus dieser Überlegung heraus wird auch deutlich, warum mit der Annahme des zweiten Plans die Annahmeentscheidung der Gläubiger über den ersten Plan nicht »außer Kraft gesetzt« wird (so aber Schiessler, Insolvenzplan, S. 155). Die Gläubiger können tatsächlich beide Plänen wollen; ihre Zustimmung zu zweiten Plan macht ihre Zustimmung zum ersten Plan daher nicht irrelevant. 71 Graf Brockdorff, in: Huntemann/Graf Brockdorff, Gläubiger im Insolvenzverfahren, 13. Kapitel Rn. 11: Das Gericht entscheidet nach »pflichtgemäßem Ermessen [. . .], welcher der Pläne für die beteiligten Gläubigergruppen unter Berücksichtigung der Interessen des Schuldners vorzugswürdig ist.«

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zu bestätigen. Stattdessen soll es den Plan ermitteln, der eher den Interessen der Gläubiger gerecht wird und dem anderen die Bestätigung versagen. Ein solches Vorgehen entspricht dem Ziel des Insolvenzverfahrens, die bestmögliche Haftungsverwirklichung im Interesse der Gläubiger zu erreichen. Es findet zudem ein gesetzliches Vorbild in 11 U. S. C. § 1129 (c), der es dem amerikanischen Insolvenzgericht ebenfalls erlaubt, bei mehreren angenommenen Plänen denjenigen zu bestätigen, der am ehesten im Interesse der Gläubiger liegt.72 Unklar bleibt dabei aber, nach welchen Kriterien das Gericht den Plan ermitteln soll, der am besten dem Haftungsinteresse der Gläubiger entspricht. Das Gesetz enthält hierzu natürlich keinerlei Vorgaben. Entsprechend vielfältig und teilweise fantasiereich sind die vorgeschlagenen Entscheidungsmaßstäbe. Überwiegend wird an das Abstimmungsergebnis angeknüpft: So soll der Plan zu bestätigen sein, dem mehr Gläubigergruppen zugestimmt haben,73 der die größte Zustimmung unter allen Gläubigern gefunden hat, 74 der summenmäßig 75 bzw. nach Summen- und Kopfzahl der Gläubiger 76 am meisten Zustimmung erfahren hat. Andere stellen darauf ab, welcher Plan nach Ansicht des Gerichts der wirtschaftlich günstigste ist,77 welcher das geeignetste Fortführungskonzept ent-

72 Wörtlich: ». . . the court shall consider the preferences of creditors and equity security holders in determining which plan to confirm«. 73 So Binz, Konkurrierende Insolvenzpläne, S. 212, 221, 224; Braun, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 67 Rn. 21; Braun/Frank, in: Braun, InsO, § 218 Rn. 12; Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 643 (bei gleicher Zahl zustimmender Gruppen soll dann die Kopf- und Summenmehrheit entscheiden). Problematisch ist dabei, dass beide Pläne keinesfalls dieselben Gruppen enthalten müssen, liegt die Gruppenbildung doch in weiten Teilen im Ermessen des Planinitiators (vgl. § 222 InsO). Schon die Vergleichbarkeit der Gruppenzahl, als die Grundannahme dieser Lösung, ist daher nicht gesichert. 74 So nun Maus, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 8.31 (in der Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl. 2000, S. 931 ff. Rn. 35, empfahl er noch die Zurückweisung eines konkurrierenden Schuldnerplans aufgrund von § 231 Abs. 1 Nr. 2 InsO – ein Verstoß gegen die Entscheidungsbefugnisse der Gläubiger). Auch der Vorschlag von Thies, in: Hamburger Kommentar, InsO, § 235 Rn. 5, bei mehreren angenommenen Plänen in einer weiteren Gläubigerversammlung über den letztlich zum Zuge kommenden Plan mittels Gläubigerbeschlusses zu entscheiden, lässt am Ende die einfache Gläubigermehrheit entscheiden. Dies würde jedoch die Grundentscheidung des Gesetzgebers konterkarieren, dass gerade nicht die Mehrheit aller Gläubiger über den Plan entscheiden soll, sondern eine Abstimmung in interessenhomogenen Gruppen. 75 Riggert WM 1998, 1521, 1525. Auch hierdurch würde das Konzept der Gruppenabstimmung konterkariert. 76 Herzig, Insolvenzplanverfahren, S. 215; Keller, Insolvenzrecht, Rn. 1768; Otte, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 218 Rn. 37. Dass beide Kriterien (Summen- und Kopfzahl) stets auf einen Plan entfallen, ist allerdings keinesfalls sicher – daher ebenfalls kritisch Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 218 Rn. 195 Fn. 223. Herzig (Insolvenzplanverfahren, S. 215) und Keller (Insolvenzrecht, Rn. 1768) halten dann die Summenmehrheit für maßgeblich, so dass am Ende wieder entgegen des Gedankens der Gruppenbildung die Großgläubiger den Ausgang des Planverfahrens bestimmen könnten. 77 Henckel KTS 1989, 477, 482.

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hält78 oder auch welcher weniger intensive Eingriffe in die Rechtsstellung der Gläubiger vorsieht.79 Überzeugen kann keines der genannten Kriterien. Knüpft man an die Abstimmung an, so darf man die begründete Entscheidung des Gesetzgebers, die Willensbildung über den Insolvenzplan gerade nicht der Gläubigerversammlung, sondern interessenhomogenen Gläubigergruppen zu übertragen, nicht konterkarieren und bei mehreren Plänen nun plötzlich dem Plan zum Erfolg verhelfen, der in der Gesamtheit aller Gläubiger die größere Mehrheit findet. Es bliebe insofern konsequenterweise nur das Abstellen auf die Zahl der dem jeweiligen Plan zustimmenden Gläubigergruppen. Das macht aber wiederum nur Sinn, wenn in beiden Plänen dieselben Gruppen gebildet wurden, was nicht der Fall sein muss. Die Gruppenbildung hängt nach § 222 InsO vielmehr entscheidend davon ab, wie der Plan in die Rechtsstellung der einzelnen Gläubiger eingreift. Zwei Pläne können daher zu gänzlich verschiedenen Gruppen gelangen, indem etwa einer die Übertragung des Schuldnerunternehmens und der andere dessen Reorganisation vorsieht. Ein generelles Abstellen auf einen Vergleich der Zahl zustimmender Gruppen macht insofern keinen Sinn. Auch eine dem Abstimmungstermin vorgelagerte »Vorabstimmung« in allen Gruppen über beide Pläne 80 ist aus diesem Grund keine Lösung, wenn man auch dort am Ende wieder nur die Zahl der zustimmenden Gruppen miteinander vergleicht. 81 Überlässt man es vor diesem Hintergrund stattdessen allgemein dem Gericht, nur den Plan zu bestätigen, den es für den geeignetsten, den günstigsten oder den an wenigsten eingreifenden hält, so erhält das Insolvenzgericht wiederum eine Entscheidungsbefugnis, die ihm nach dem Grundkonzept der §§ 231, 248 ff. InsO nicht zukommt. Nicht dem Gericht, sondern allein den Gläubigern steht die Entscheidung für oder gegen einen Plan zu; das Gericht hat demgegenüber 78

Engberding DZWIR 1998, 94, 96. Happe, Die Rechtsnatur des Insolvenzplans, 2004, S. 249 (auf der Grundlage seiner Rechtsnormtheorie und der darauf gestützten Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips). 80 Ähnlich Jaffé, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 235 Rn. 35, der eine »gläubigerbezogene Vorauswahl« als »Vorentscheidung über den zuletzt abzustimmenden Plan« vorschlägt, ohne dann jedoch hieraus Auswahlkriterien zu konkretisieren. Er scheint vielmehr davon auszugehen, dass sich die Gläubiger am Ende der Vorauswahl im Rahmen einer moderierten Gläubigerversammlung auf einen Plan einigen werden ( Jaffé, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 235 Rn. 37). Hiervon gehen auch Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 11.26, aus. 81 Dieses Hindernis sieht auch Hess, in: Hess, InsR, § 235 InsO Rn. 8; ebenso Hess/Weis, WM 1998, 2349, 2359. Dennoch hält er an dem Konzept einer Vorauswahl unter mehreren Plänen fest, die innerhalb der jeweiligen Gruppen stattfinden soll und aus der nur der Plan als Sieger in die eigentliche Abstimmung gelangt, der in der Vorauswahl »über die Forderungsmehrheit« verfügt (Hess, in: Hess, InsR, § 235 InsO Rn. 10). Durch das Abstellen auf die Forderungsmehrheit wird den Großgläubigern die maßgebliche Entscheidung über die Planauswahl zugewiesen. Damit sabotiert man dann aber den Zweck der Gruppenbildung, welche ja gerade diese Macht beschränken soll. Die Abstimmung in Gruppen ist so nur ein Feigenblatt zur Bestimmung des von den Gläubigern mit Forderungsmehrheit gewollten Plans. 79

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allein die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung sicherzustellen. Wirtschaftliche Zweckmäßigkeitserwägungen sind ihm dabei gerade verwehrt. Das Insolvenzgericht garantiert den Gläubigern über das Bestätigungsverfahren – wie zuvor aufgezeigt wurde – nur das wirtschaftliche Ergebnis des Regelinsolvenzverfahrens; dies ist verfassungsrechtlich geboten. Die Auswahlentscheidung bei mehreren, darüber wirtschaftlich hinausgehenden Insolvenzplänen ist demgegenüber keine Frage des Rechtsschutzes und der Verfahrensleitung mehr und obliegt daher gerade nicht dem Gericht, sondern allein den Gläubigern. Und diese haben nun einmal beide Pläne angenommen; daran ist das Insolvenzgericht gebunden. (4) Die Respektierung des Abstimmungsergebnisses durch eine verfahrensrechtliche Lösung Die beschriebene Aufteilung der Entscheidungskompetenzen zwischen Gläubigern und Insolvenzgericht prägt das gesamte Insolvenzplanverfahren und muss daher auch bei Regelungslücken beachtet werden. Für den Fall der Annahme mehrerer Pläne bedeutet dies, dass das Insolvenzgericht die Annahmeentscheidung der Gläubiger zu respektieren hat. Es darf weder beiden Pläne die Bestätigung versagen82 noch sich für die Bestätigung von nur einem der beiden Pläne entscheiden. Liegt keiner der Versagungsgründe der §§ 249 ff. InsO vor, so hat es alle angenommenen Pläne entsprechend des Willens der Beteiligten zu bestätigen. 83 Damit könnte es nun aber zu dem Ergebnis kommen, dass am Ende des Insolvenzplanverfahrens mehrere Pläne rechtskräftig bestätigt werden. Die Rechtskraft einer schneller ergehenden Bestätigung des einen Plans kann den Eintritt der Rechtskraft für den späteren Plan nicht verhindern. Die Rechtskraftwirkung der Bestätigungsentscheidung erfasst nach § 322 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 4 InsO nur den zugrunde liegenden Streitgegenstand und das ist allein die Rechtmäßigkeit des Zustandekommens des jeweiligen Plans. Dieses Zustandekommen hängt nach den §§ 218 ff. InsO in keiner Weise von dem Nichtvorhandensein eines anderen Plans ab. Erreicht ein inhaltlich korrekter Plan die notwendige Zustimmung aller Beteiligten oder garantiert er die Rechte der ablehnenden Gruppen, so hat das Gericht den Plan zu bestätigen. Seine Entschei82 Wenig überzeugend daher der Vorschlag von Flessner, in: Heidelberger Kommentar, InsO, § 248 Rn. 5, das Insolvenzgericht müsse beiden Plänen die Bestätigung versagen und könne bzw. müsse (aufgrund eines entsprechenden Gläubigerversammlungsbeschluss gemäß § 76 Abs. 2 InsO) die Planerörterung und Abstimmung einmal wiederholen – ebenso Vallender, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 8.72. Der Wortlaut des § 248 Abs. 1 InsO (»Annahme des Insolvenzplans«) ist aufgrund der fehlerhaften Grundannahme des Gesetzgebers, nur einer der Pläne würde die Abstimmung überstehen, nicht bindend. 83 Ebenso: Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 218 Rn. 195; Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, § 218 Rn. 32.

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dung bezieht sich allein auf das Nichtvorhandensein eines Versagungsgrundes aus den §§ 249 bis 251 InsO und nur diese Aussage erwächst auch in Rechtskraft. Eine Sperrwirkung für den zweiten Plan tritt nicht ein. Allerdings können die dinglichen Wirkungen eines Insolvenzplans in den Vermögensmassen der Beteiligten nur einmal eintreten. Nicht die Rechtskraft, sondern die tatsächliche Unmöglichkeit der parallelen Wirkung mehrerer Insolvenzpläne ist damit der Gesichtspunkt, der die Konkurrenz der Pläne beendet. Der spätere Plan wird undurchführbar und damit gegenstandslos, sobald die Bestätigung eines Plans rechtskräftig wird und damit dessen Wirkungen nach § 254 InsO automatisch eintreten. Für ein noch rechtshängiges Bestätigungsverfahren bedeutet dies, dass Erledigung in der Hauptsache eintritt. 84 Der aus dieser Lösung erwachsene Wettlauf der Pläne um die Rechtskraft ist nicht unbillig. Er beschleunigt vielmehr den Ablauf des Verfahrens und fördert damit die Zielsetzung einer möglichst umgehenden Bereinigung der Insolvenz mittels Plan. Zugleich wird der Plan bevorzugt, der weniger Widerspruch erzeugt und dessen Bestätigung daher nicht mit Rechtsmitteln angegriffen wird. Sollten ausnahmsweise alle konkurrierenden Pläne zeitgleich bestätigt und dann rechtskräftig werden, so ist keiner der Pläne durchführbar, da sich ihre Wirkungen gegenseitig blockieren. In diesem Fall wäre das Planverfahren gescheitert und müsste ggf. wiederholt werden. 85 Eine Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach § 258 InsO kann nicht erfolgen. (5) Ergebnis Selbst die Annahme mehrerer Insolvenzpläne führt also nicht zu einer freien Auswahlentscheidung des Insolvenzgerichts darüber, welchen der Pläne es bestätigen will. Auch im Rahmen der hier bestehenden Gesetzeslücke bleibt es bei der allgemeinen Rollenverteilung zwischen dem Insolvenzgericht und den hinsichtlich des gewollten Plans allein entscheidungsbefugten Gläubigergruppen. In der Praxis wird wohl im Regelfall und entsprechend der Vorstellung des Gesetzgebers nur ein Plan den (einheitlichen) Abstimmungstermin überstehen. Gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht vor diesem Hintergrund wohl tatsächlich nicht. Anderenfalls bliebe die Rolle des Gerichts ebenso zu beachten wie die Entscheidungsbefugnis der Gläubigergruppen. Die aufgezeigte verfah84 Zutreffend Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 218 Rn. 197; Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, § 218 Rn. 32; Otte, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 218 Rn. 37; Riggert, WM 1998, 1521, 1525. 85 Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 218 Rn. 197 Fn. 231, spricht insofern von einer Nichtigkeit wegen Widersprüchlichkeit. Der Grund für diesen Nichtigkeitsausspruch bleibt dabei unklar. Es sollte daher eher auf die Undurchführbarkeit der Pläne abgestellt werden, woraus sich zwingend ergibt, dass das durchgeführte Insolvenzplanverfahren nicht dazu in der Lage war, die Insolvenz des Schuldners zu bereinigen. Es hat seinen Zweck daher verfehlt und ist neu zu initiieren. Geschieht dies nicht, so muss das Regelinsolvenzverfahren wieder aufgenommen werden.

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rensrechtliche Lösung beachtet beide Gesichtspunkte. Alternativ könnte de lege ferenda überlegt werden, jedem Gläubiger in einem einheitlichen Abstimmungstermin nur hinsichtlich einem der vorgelegten Pläne eine Zustimmung zu erlauben und insofern seine derzeit bestehende Privatautonomie zu begrenzen. Dies würde dazu führen, dass allenfalls einer der Pläne den Abstimmungstermin übersteht. d) Zusammenfassung Im Ergebnis ergibt sich aus der Analyse der Versagungsbefugnisse des Insolvenzgerichts im Hinblick auf einen vorgelegten (§ 231 InsO) wie auf einen angenommenen Insolvenzplan (§§ 249–251 InsO) kein Anhaltspunkt für eine inhaltliche Gestaltungsmacht des Insolvenzrichters. Das Insolvenzgericht ist gerade nicht befugt, nach eigenem Ermessen auch inhaltlich in die Regelungen des Insolvenzplans einzugreifen und diese zu verändern oder anzupassen. 86 Die Regelungen in der Insolvenzordnung folgen damit denen des Zwangsvergleichs der Konkurs- sowie des Vergleichs der Vergleichsordnung. In beiden Fällen hatte der Richter weder die Befugnis zur inhaltlichen Abänderung oder Gestaltung des Vergleichsvorschlags noch konnte er die Bindung der Beteiligten in Fällen anordnen, in denen eine Annahme des Vergleichs an den erforderlichen Mehrheiten gescheitert war. Das Gericht überprüfte von Amts wegen lediglich das rechtmäßige Zustandekommen des Vergleichs (vgl. §§ 186, 187 KO; § 79 Nr. 1–3 VglO). Daneben gewährte es auf Antrag Gläubigerschutz bei Vergleichen, die einzelne Gläubiger schlechter stellten als im Liquidationsfall oder deren Erfüllung nicht gesichert war (vgl. § 188 KO; § 79 Nr. 4 VglO). Wies der Vergleich weder verfahrensrechtlich noch inhaltlich derartige Mängel auf, so musste das Gericht ihn bestätigen. Die richterliche Entscheidung war, wie heute beim Insolvenzplan, eine gebundene Entscheidung ohne eine inhaltliche Gestaltungsmacht. Der Bestätigungsbeschluss war und ist insofern kein Gestaltungsurteil. 2. Keine gebundene Gestaltungsmacht des Insolvenzrichters (»Verfahrenstheorie«) Es ist bislang deutlich geworden und dürfte auch weitgehend unstreitig sein, dass dem Insolvenzrichter bei der Bestätigungsentscheidung nach § 248 Abs. 1 InsO keine inhaltliche Gestaltungsmacht hinsichtlich des zu bestätigenden Plans zusteht. Damit bleibt aber noch die Tatsache zu beleuchten, dass die Bin86 Allgemeine Ansicht – vgl. etwa Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 217 Rn. 18; Flessner, in: Heidelberger Kommentar, InsO, § 248 Rn. 2; Hess, in: Hess, InsR, § 248 InsO Rn. 11, 13; Jaffé, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 248 Rn. 5; Jungmann, Grundpfandgläubiger und Unternehmensinsolvenz, Rn. 288, 311; Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 374; Schiessler, Insolvenzplan, S. 176; Sinz, in: MünchKomm, InsO, § 248 Rn. 22 und § 250 Rn. 2, 34; auch Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 12.18.

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dung der nicht zustimmenden Gläubiger sowie die des nicht konsentierenden Schuldners an einen angenommenen Plan erst mit der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses eintritt (§ 254 Abs. 1 Satz 3 InsO). Dieser Umstand mag dazu verleiten, dem richterlichen Handeln doch eine Gestaltungsmacht zuzusprechen. Es war Eduard Bötticher 87, der erstmals diesen Umstand heranzog, um die Bestätigungsentscheidung beim Zwangsvergleich als rechtsgestaltend anzusehen. Er begriff den Zwangsvergleich zwar nicht im Sinne der Urteilstheorie als rein gerichtliche Entscheidung, betonte aber schon im Ansatz stärker die Beteiligung des Richters an seinem Zustandekommen und ging so über die Grenzen der Vertragstheorie hinaus. Jedes Vergleichsverfahren sei in seiner Grundkonzeption ein Vertragshilfeverfahren. 88 Diese Vertragshilfe geschehe mittels zweier Mechanismen: zum einen »schon durch den gesetzlichen Beitrag des Mehrheitszwangs«89, zum anderen durch die »Gestaltungswirkung des Bestätigungsaktes«90 . Zwar gestand auch Bötticher zu, dass dem Konkursrichter in erster Linie eine umfassende sowie neutrale Rechtskontrolle hinsichtlich des Zwangsvergleichs obliegt,91 und er sah auch, dass die Bindung des Richters an den Vergleichsinhalt eine Abweichung von der Grundkonzeption der Vertragshilfeverfahren der Nachkriegszeit darstellt.92 Dennoch basiere die Bindung der nicht zustimmenden Gläubiger, und damit die Wirkung des Zwangsvergleichs schlechthin, allein auf der Rechtskraft der Bestätigungsentscheidung, so dass es durchaus vertretbar erscheine, »von einer Gestaltungswirkung des Bestätigungsaktes zu sprechen.«93 Über diesen eher vorsichtigen Ansatz einer Urteilstheorie auf dem Boden der Vertragshilfeverfahren geht nun Leipold hinaus, der wie Bötticher in der Bestätigungsentscheidung des Insolvenzgerichts den rechtlichen Geltungsgrund für die Verbindlichkeit des Insolvenzplans auch gegenüber nicht zustimmenden Gläubigern sowie dem nicht zustimmenden Schuldner sieht.94 Dabei wendet er sich im Gegensatz zu Bötticher gänzlich gegen die Vertragstheorie. Nicht einmal im Ergebnis sei der Insolvenzplan ein Vertrag; dieser sei vielmehr ein »privatrechtsgestaltender Verfahrensakt« mit öffentlich-rechtlichem (hoheitlichen) Charakter. 95 Leipold kehrt mit seiner »Verfahrenstheorie« damit zurück in die Tradition der Urteilstheorie. 87

Bötticher, ZZP 86 (1973), 373, 387 ff. Näheres zu den Vertragshilfeverfahren im Ersten Kapitel B. V. 89 Bötticher, ZZP 86 (1973), 373, 388. 90 Bötticher, ZZP 86 (1973), 373, 390 f. 91 Bötticher, ZZP 86 (1973), 373, 388. 92 Bötticher, ZZP 86 (1973), 373, 389. 93 Bötticher, ZZP 86 (1973), 373, 390 f. Ebenso für den Insolvenzplan: Jaffé, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 217 Rn. 49. 94 Leipold, KTS 2006, 109, 125. 95 Leipold, KTS 2006, 109, 125. 88

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a) Der Bestätigungsbeschluss – richterliche Gestaltung oder Erkenntnis? Es ist das Verdienst Böttichers, erstmals außerhalb der Urteilstheorie darauf hinzuweisen, dass die Bindung der nicht zustimmenden Gläubiger erst im Zeitpunkt der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses eintritt. Es ist damit bei äußerer Betrachtung des Geschehens der Richterspruch, der diese Personen materiellrechtlich zu binden scheint. Dabei erkennt Bötticher zutreffend, dass eine solche Richtermacht ausreicht, um seine Entscheidung als Gestaltungsurteil anzusehen. Das materielle Recht muss dem Richter kein Ermessen zur Gestaltung des Inhalts eines materiellen Rechtsverhältnisses einräumen, um von einem Gestaltungsurteil sprechen zu können. Solche Befugnisse, die den Richter zum Schlichter berufen oder ihm zumindest einen gewissen Spielraum dahin gehend einräumen, wie er in das materielle Recht eingreifen will, finden sich sogar eher selten und sind lediglich eine Fallgruppe der Gestaltungsurteile.96 Weiter verbreitet – und in rechtshistorischer Sicht sogar der Ausgangspunkt der Kategorie der Gestaltungsurteile97 – sind Regelungen, die dem Richter nur die Befugnis geben, unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen ein materielles Rechtsverhältnis zu gestalten, ohne dass ihm dabei ein Ermessen hinsichtlich des Inhalts seiner Entscheidung zusteht.98 Auch die richterliche Beendigung oder eben die Begründung eines Rechtsverhältnisses, also auch einer materiellrechtlichen Bindung an einen inhaltlich feststehenden Plan, kann daher grundsätzlich ein richterlicher Gestaltungsakt sein, wenn das Gesetz dem Richter diese Bindungsmacht tatsächlich verliehen hat. Der Grund, warum der Bestätigungsentscheidung diese Macht fehlt, liegt in der – von Leipold ignorierten, von Bötticher für den Zwangsvergleich zumindest erkannten, aber in seiner Bedeutung unterschätzten – gesetzlichen Anordnung einer Zustimmungsfiktion. Wie im vorangegangenen Kapitel herausgearbeitet wurde, enthalten die gesetzlichen Regelungen in den §§ 244 ff. InsO einen Kontrahierungszwang für die überstimmten Gläubiger, der entweder auf dem Mehrheitsbeschluss in der eigenen Gruppe oder aber direkt auf dem Gesetz basiert.99 Die gesetzliche Regelung enthält damit gerade kein Vertragsdiktat im engeren Sinne, also eine Diktatmacht des Richters, dissentierende Beteiligte an den Vertrag zu binden. Stattdessen verlangt der Gesetzgeber in den §§ 245–247 96 Siehe dazu oben II. Vgl. auch die Systematik der Gestaltungsurteile bei Gottwald, in: Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 91 Rn. 4 ff. oder auch Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 68 ff. 97 Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 68; Stoffel, Vertragsgestaltung, S. 4. 98 Klassische Beispiele sind die Auflösungsurteile im Gesellschaftsrecht (§§ 133 HGB, 61 GmbHG), das Scheidungsurteil (§ 1564 BGB) oder auch die Vaterschaftsanfechtung (§ 1599 BGB). Eine Übersicht findet sich etwa bei Gottwald, in: Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 91 Rn. 5 ff. oder bei Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 69 ff. 99 Siehe im Dritten Kapitel C. VI. 3. und 4. sowie E. V. 2.

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InsO nach Zustimmungserklärungen der Obstruierenden. Und auch den in der Gruppe überstimmten Gläubigern obliegt aus dem zustande gekommenen Mehrheitsbeschluss eine Umsetzungspflicht, also die Pflicht zur Zustimmung zum mehrheitlich in der Gruppe befürworteten Plan. Zwar bedürfen diese Kontrahierungspflichten gerade in der Insolvenz einer zeitnahen und daher unmittelbaren Durchsetzung zum Zwecke der Realisierung einer Sanierungschance, weshalb der Gesetzgeber durchaus ein Vertragsdiktat durch das ohnehin mit der Sache befasste Insolvenzgericht vorsehen könnte. Bei einer solchen Gesetzeslage wäre die Bestätigungsentscheidung unzweifelhaft eine gestaltende. Und die Regelung in § 254 Abs. 1 Satz 1 und 3 InsO scheint auf den ersten Blick diese Annahme sogar zu stützen, treten danach doch alle Planwirkungen mit der Rechtskraft der Bestätigungsentscheidung ein. Allerdings würde man mit einer solchen Schlussfolgerung die Regelungen in den §§ 244 bis 247 InsO vollständig ignorieren. § 254 Abs. 1 InsO normiert allein den Eintritt der Wirkungen eines Insolvenzplans, nicht jedoch dessen Zustandekommen. Hierzu bedarf es vor allem der Annahme des Plans durch die Gläubiger und den Schuldner (§ 248 Abs. 1 InsO). Ist diese in einem vorschriftsmäßigen Verfahren, und damit ohne erkennbare Willensmängel, erreicht worden und macht kein widersprechender Gläubiger eine inhaltliche Benachteiligung über § 251 InsO geltend, so muss das Insolvenzgericht den Plan sofort bestätigen (§ 250 InsO). Maßgebliche Grundlage des Insolvenzplans ist – entsprechend der Grundkonzeption des Insolvenzplanverfahrens als Mittel zur privatautonomen Insolvenzbewältigung – allein die rechtsgeschäftliche Annahme des Plans. Dies spiegelt sich folgerichtig im Wortlaut der gesetzlichen Regelungen wider, die in den §§ 245 bis 247 InsO stets eine Zustimmung durch die Gläubigergruppen als maßgebliche Willensbildungseinheit auf Gläubigerseite sowie durch den Schuldner verlangen und nach richterlicher Prüfung als erteilt fingieren. Die Bestätigungsentscheidung dient also ausweislich der §§ 248 Abs. 1 und 250 Nr. 1 InsO primär der Verifizierung einer regelgerechten Willensbildung in den Gläubigergruppen und bei einem positiven Ergebnis zugleich der Durchsetzung der Zustimmungspflichten, die sich im Ergebnis der Willensbildung aus dem Beschluss oder aber aus den Obstruktionsverboten ergeben. Das Insolvenzgericht erkennt im Rahmen seiner Bestätigungsentscheidung im Hinblick auf die Frage nach der Annahme des Plans durch alle Beteiligten also nur die bestehende Rechtslage, wie sie sich aus dem Abstimmungsergebnis in den Gruppen und bei einer ablehnend votierenden Gruppe hilfsweise aus den Obstruktionsverboten ergibt und bestätigt infolge dieser Erkenntnis den Plan, soweit denn nicht der Minderheitenschutz oder Planbedingungen etwas anderes verlangen. Die vom Richter erkannte Zustimmung aller Gläubigergruppen (infolge eines Mehrheitsvotums oder eines Obstruktionsverbotes) sowie des Schuldners ist der Inhalt seiner Bestätigungsentscheidung. Zugleich wird damit

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die Pflicht aller Gläubiger und des Schuldners festgestellt, dem Plan tatsächlich zuzustimmen100 – eine Pflicht, welche die zustimmend votierenden Gläubiger bzw. Schuldner unmittelbar erfüllt haben. Diese Pflicht gegenüber den nicht Zustimmenden in einem gesonderten (zivilprozessualen) Verfahren nochmals feststellen zu lassen (wie dies ja etwa bei bestrittenen Forderungen nach § 180 InsO verlangt wird), um deren Erklärungen dann gemäß § 894 Abs. 1 Satz 1 ZPO als abgegeben zu fingieren, ist in der besonderen Situation des Planverfahrens unzweckmäßig, da typischerweise die mit dem Plan bezweckte Insolvenzbewältigung durch Sanierung keine solche Verzögerung des Eintritts der Planwirkungen duldet. Das Gesetz verzichtet daher zweckmäßigerweise auf eine gesonderte Durchsetzung der Zustimmungspflichten über § 894 ZPO und erzeugt stattdessen die noch fehlenden Willenserklärungen über den mit § 894 ZPO identischen Weg der Zustimmungsfiktion (§§ 245 bis 247, 254 Abs. 1 Satz 3 InsO). Diese Fiktion knüpft genau wie in § 894 ZPO als Vollzugsakt an die rechtskräftig werdende gerichtliche Feststellung der Zustimmungspfl ichtigkeit an, welche eben mit dem Eintritt der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses gegeben ist. Die so fingierten Willenserklärungen begründen dann die materielle Bindung der nicht zustimmenden Beteiligten an den Plan. Das dabei entstandene äußere Bild – die zeitliche Parallelität zwischen der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses und der Fiktion der Zustimmung – verbindet somit nur scheinbar den Eintritt der materiellen Bindung an einen angenommenen Plan mit der richterlichen Bestätigungsentscheidung; eine eigene Gestaltungsmacht des Richters wird nur suggeriert. Tatsächlich findet sich jedoch keinerlei richterliche Gestaltung, sondern nur die übliche richterliche Erkenntnistätigkeit. Der Grund für die materiellrechtlichen Bindungen und Wirkungen des Insolvenzplans (wie des Zwangsvergleichs) liegt nicht in der gerichtlichen Entscheidung, sondern in (teilweise fingierten) Willenserklärungen der Beteiligten. Der Insolvenzplan ist kein hoheitlicher Verfahrensakt, sondern ein Vertrag. b) Die Fiktionswirkung des § 894 ZPO Die in dieser Arbeit vorgeschlagene Lösung stützt sich auf Zustimmungspflichten und deren Durchsetzung mittels eines Mechanismus, der § 894 ZPO entnommen wird. Die damit eintretende Wirkung ist eine materielle Bindung an den Insolvenzplan, die allein auf tatsächlichen oder eben fingierten Zustimmungserklärungen beruht, nicht jedoch auf einem richterlichen Diktat. Der Mechanismus des § 894 ZPO, auf dem diese Lösung beruht, wird nun jedoch nicht von allen Stimmen in der Wissenschaft in diesem Sinne als bloße Vollstreckungsnorm gedeutet, die dem Richter nur die Feststellung der rechtlichen Pflicht des Beklagten zur Abgabe einer Willenserklärung zuweist. Es ist 100

Siehe im Dritten Kapitel C. VI. 3. und 4. sowie E. V. 2.

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nun gerade auch Bötticher 101, der genau in der Fiktionswirkung des § 894 ZPO eine Rechtsgestaltungsmacht des Richters erkennt und das zugrundeliegende Urteil daher als Gestaltungsurteil auffasst. § 894 ZPO führe zu einer Veränderung der materiellen Rechtslage ohne Vollstreckungshandlung. Der Grund für die Änderung der materiellen Rechtslage sei in den Fällen des § 894 ZPO allein das Urteil und gerade keine freiwillige (oder erzwungene), also tatsächliche Einigung der Parteien. »Die Willenserklärung wird durch Urteil ersetzt.« Die richterliche Entscheidung ersetze damit die außerprozessuale Leistung. Das zur Abgabe einer Willenserklärung verpflichtende Urteil habe wegen § 894 ZPO folglich Bewirkungs- oder Gestaltungscharakter.102 Demgegenüber spricht die herrschende Ansicht103 dem Richter jede Gestaltungsmacht ab und ordnet das Urteil zur Abgabe einer Willenserklärung nach § 894 ZPO als Leistungsurteil ein. Dem liegt die – wohl unstreitige104 – Feststellung zugrunde, dass die Verurteilung stets auf einem Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Abgabe der Erklärung basiert, das Urteil also im klassischen Sinn der Anspruchsdurchsetzung dient. Anders als die üblichen Leistungsurteile bedarf das Urteil allerdings keiner gesonderten Vollstreckung; es vollstreckt sich mit Eintritt der Rechtskraft wegen § 894 Abs. 1 Satz 1 ZPO selbst. Es ist insofern nicht verwunderlich, dass man aufgrund dieser Besonderheit in dem Urteil kein Leistungs-, sondern ein Gestaltungsurteil erkennen will, bedarf diese Urteilsart doch nie einer Vollstreckung und erfüllt das Urteil nach § 894 ZPO damit doch ein Kerncharakteristikum der Gestaltungsurteile; diese wirken stets unmittelbar und ohne Vollstreckungsakt auf die materielle Rechtslage ein.105 Hinzu kommt, dass auch die Wirkung des § 894 ZPO (jeden101 So jedenfalls für die Wandlung nach § 467 BGB alter Fassung: Bötticher, Die Wandlung als Gestaltungsakt, S. 33. 102 Bötticher, Die Wandlung als Gestaltungsakt, S. 33, Fn. 3, im Anschluss an eine damals zu § 894 ZPO nicht selten vertretene Ansicht (grundlegend Kipp, Kieler Festgabe für Jhering, 1892, 41, 56; später etwa Hopfenmüller, Die Rechtsnatur des § 894 ZPO, S. 10, 19; Hubernagel, ZZP 63 [1943], 87, 104); Bötticher folgen: Larenz, NJW 1951, 497, 499; Sieg, NJW 1951, 506, 508. 103 RGZ 89, 225, 230; BGH NJW-RR 2005, 687, 692; BayObLG MDR 1953, 561, 562; Braune, Verurteilungen zur Abgabe einer Willenserklärung, S. 21; Brehm, in: Stein/Jonas, ZPO, § 894 Rn. 3; Dilcher, ZZP 67 (1954), 210, 211; Gottwald, in: Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 91 Rn. 6; Grau, Die Bedeutung der §§ 894, 895 ZPO, S. 382, 393; Gruber, in: MünchKomm, ZPO, § 894 Rn. 1; Jaeger, ZZP 40 (1910), 123, 135; Kisch, Beiträge zur Urteilslehre, S. 37 f.; Nietsch, § 894 ZPO, S. 51; Pantaleon genannt Stemberg, Fiktion von Willenserklärungen in der Zwangsvollstreckung, S. 4; Staab, Gestaltungsklage, S. 16; Stoffel, Vertragsgestaltung, S. 15; auch Wieser, Zwangsvollstreckung, S. 88 (nachdem er zuvor der herrschenden Ansicht in Wieser, Freundesgabe Söllner, 1990, 629, 641 ff. sehr kritisch begegnet war) sowie (trotz Betonung der Nähe zur Gestaltungsklage) auch Schmidt, JuS 1986, 35, 36 sowie ders., Gestaltungsprozesse, S. 25. 104 Ebenso Grau, Die Bedeutung der §§ 894, 895 ZPO, S. 305. 105 Unstreitig – siehe etwa Hopfenmüller, Die Rechtsnatur des § 894 ZPO, S. 10; Grau, Die Bedeutung der §§ 894, 895 ZPO, S. 298; Kipp, Kieler Festgabe für Jhering, 1892, 41, 59; Kisch,

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falls mittelbar) eine rechtsgestaltende ist: Die Fiktion einer Willenserklärung verändert die materielle Rechtslage entsprechend den im materiellen Recht an die fingierte Willenserklärung geknüpften Rechtsfolgen.106 Dennoch ist das zugrunde liegende Urteil kein Gestaltungsurteil. Die Besonderheiten im Vergleich zu den sonstigen Leistungsklagen liegen beim Urteil auf Abgabe einer Willenserklärung nicht im Erkenntnis-, sondern im Fehlen des sich normalerweise anschließenden Vollstreckungsverfahrens. Im Erkenntnisverfahren spricht nichts für eine rechtliche Besonderheit. Das Urteil dient allein der Durchsetzung eines materiellrechtlichen Anspruchs des Klägers gegen den Beklagten auf Leistung einer Willenserklärung und beinhaltet auch nur die für eine Leistungsklage typische Verurteilung zur Leistung.107 Die Vollstreckung dieser titulierten Leistungspflicht nach der Rechtskraft des Urteils ist das Besondere. Existierte die Regelung des § 894 ZPO nicht, so müsste der titulierte Anspruch des Klägers zwangsweise im Wege der Vollstreckung durchgesetzt werden. Die geschuldete Abgabe der Willenserklärung wäre als unvertretbare Handlung gemäß § 888 ZPO zu vollstrecken und gegen den widerspenstigen Beklagten ein Zwangsgeld anzuordnen.108 Effizient ist diese Art der Anspruchsdurchsetzung nicht, zumal bei Willenserklärungen als rein rechtlichem Konstrukt auch eine einfachere Lösung denkbar ist: die Fiktion ihrer Abgabe. Anders als bei realen Handlungen erzeugt eine abgegebene Willenserklärung unmittelbar keinerlei Veränderungen in der wirklichen Welt, sie hat nur rechtliche Folgen. Die Willenserklärung ist keine natürliche Tatsache, Beiträge zur Urteilslehre, S. 46, 58; Staab, Gestaltungsklage, S. 18; Stoffel, Vertragsgestaltung, S. 14. 106 Die Fiktion des § 894 ZPO hat nach allgemeiner Ansicht »rechtsgestaltende Wirkung« – etwa Hopfenmüller, Die Rechtsnatur des § 894 ZPO, S. 15; Grau, Die Bedeutung der §§ 894, 895 ZPO, S. 355; Gruber, in: MünchKomm, ZPO, § 894 Rn. 1; Lackmann, in: Musielak, ZPO, § 894 Rn. 1. 107 Insofern spricht schon der Gegenstand des Erkenntnisverfahrens – also das Ausrichten des Klagantrags wie auch der Hauptsacheverurteilung auf eine Verurteilung zur Leistung – für die Einordnung des Urteils als Leistungsurteil. Der Umstand hingegen, dass der Beklagte die Klage durch freiwillige Leistung der geschuldeten Willenserklärung erledigen kann, spricht noch nicht zwingend für eine Einordnung als Leistungsklage und -urteil, da es auch Gestaltungsurteile gibt, die alternativ neben einer privatautonomen Rechtsänderung ergehen können, insbesondere wenn die Parteien die Rechtsänderung nicht einvernehmlich erreichen; sog. »unechte Gestaltungsurteile« (begriffsbildend: Lüke, JuS 1969, 301, 305; kritisch zum Begriff etwa Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 24 f.; Näheres dazu etwa bei Becker, AcP 188 (1988), 24, 30 f.; Becker-Eberhard, in: MünchKomm, ZPO, Vor § 253 ff. Rn. 29; Grau, Die Bedeutung der §§ 894, 895 ZPO, S. 369 ff.). 108 Brehm, in: Stein/Jonas, ZPO, § 894 Rn. 1; Grau, Die Bedeutung der §§ 894, 895 ZPO, S. 382; Gruber, in: MünchKomm, ZPO, § 894 Rn. 1; Hopfenmüller, Die Rechtsnatur des § 894 ZPO, S. 6; Lackmann, in: Musielak, ZPO, § 894 Rn. 1; Staab, Gestaltungsklage, S. 16; Stoffel, Vertragsgestaltung, S. 16. Dass die Abgabe einer Willenserklärung als unvertretbare Handlung anzusehen sei, ist nicht unbestritten – vgl. dazu die Nachweise bei Grau, Die Bedeutung der §§ 894, 895 ZPO, S. 85 f.; teilweise wurde die Handlungsvollstreckung bei Willenserklärungen sogar gänzlich abgelehnt (Calamandrei, Judicium II, 317, 320 f.).

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sondern als Rechtsbegriff lediglich Anknüpfungspunkt rechtlicher Wertungen und muss daher nicht notwendigerweise tatsächlich, also real vom Pfl ichtigen geäußert werden. Ihre Fiktion genügt, um die gewollten Rechtsfolgen zu erhalten.109 Aus diesem Grund nahm auch der historischen Gesetzgeber die Vollstreckung von Willenserklärungen aus dem Gebiet der Handlungsvollstreckung heraus und schuf stattdessen die Abgabefiktion in § 779, später § 894 ZPO. Die Motive machen diese Intention sehr deutlich: »Der Zwang zur Erklärung würde den Gläubiger nur aufhalten und den Schuldner ohne Noth belästigen.«110 Ändert diese Fiktion nun zugleich etwas an der Natur des zugrundeliegenden Urteils? Das hängt von ihren Wirkungen ab. Zum einen lässt sie die Notwendigkeit eines staatlichen Vollstreckungsverfahrens entfallen. Ein Akt der Vollstreckung wird überflüssig. Dies allein kann an der Qualität eines Leistungsurteils nichts ändern, denn nicht jedes Leistungsurteil muss vollstreckt werden. Bedeutend ist aber die zweite Wirkung. Die Vollstreckung des Urteils wird durch die Fiktion nicht nur überflüssig, im Gegenteil: ihr Zweck wird stets erreicht. Die Fiktion des § 894 ZPO führt in jedem Fall einer Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung zu einer Veränderung der materiellen Rechtslage ohne Vollstreckungsverfahren. Jedes Urteil führt daher über die Fiktionswirkung zu einer Änderung des materiellen Rechts. Hierin liegt der offensichtliche Grund für die Einordnung dieser Urteile als Gestaltungsurteile.111 Mit einer solch verkürzten Sicht wird jedoch das Wesen der Fiktion in § 894 ZPO verkannt. Eine Fiktion wie diese ist methodisch eine gesetzliche Verweisungstechnik.112 Der Gesetzgeber will mit ihrer Hilfe eine Regel, die für einen bestimmten Tatbestand gilt, auf einen anderen, andersartigen Tatbestand anwenden. Die Fiktion bewirkt also, dass ein und dieselbe Rechtsfolge bei zwei gänzlich unterschiedlichen Tatbeständen eintritt. Sie hat damit die Wirkung einer Rechtsfolgenverweisung. Da der Gesetzgeber aber nicht ausdrücklich eine Rechtsfolgenverweisung, sondern eben eine Fiktion formuliert, wird die Fikti109 BayObLG MDR 1953, 561, 562; Dilcher, ZZP 67 (1954), 210; Pantaleon genannt Stemberg, Fiktion von Willenserklärungen in der Zwangsvollstreckung, S. 2. 110 Hahn, Materialien, II, S. 466. Zur historischen Entwicklung der Fiktion in § 894 ZPO siehe etwa Hopfenmüller, Die Rechtsnatur des § 894 ZPO, S. 7 ff.; Grau, Die Bedeutung der §§ 894, 895 ZPO, S. 16 ff. 111 So insbesondere Kipp, Kieler Festgabe für Jhering, 1892, 41, 54. 112 Diese Erkenntnis hat sich inzwischen allgemein durchgesetzt, nachdem im 19. Jahrhundert generell der Wert und die Berechtigung von Fiktionen als »kodifizierte Unwahrheit« oder »Wissenschaft mit Krücken« stark bezweifelt wurde. Man wollte daher »echte Fiktionen« von bloßen »gesetzlichen Vergleichungen« unterscheiden und als Fiktionen nur solche Normen begreifen, die dem Richter befehlen, sich einen unwahren Tatbestand als wirklich vorzustellen, um danach die Rechtsfolgen zu berechnen – vgl. dazu etwa Kipp, Kieler Festgabe für Jhering, 1892, 41, 71 ff. sowie die Nachweise zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung bei Fischer, AcP 117 (1919), 143, 148 ff. oder Stammler, Theorie der Rechtswissenschaft, S. 200 f. Der Makel der Unwahrheit oder auch Täuschung in Fiktionen wurde inzwischen als unzutreffend erkannt (insbesondere Esser, Rechtsfiktionen, S. 23, 25). Gesetzliche Fiktionen sind lediglich Verweisungen.

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on auch zutreffend als »verdeckte Verweisung« angesehen.113 Aus diesem Wesen einer Fiktion ergeben sich zwei grundlegende Schlussfolgerungen. Zum einen wird durch die Fiktion der eine Tatbestand nicht mit dem anderen identisch.114 Die Anknüpfungspunkte der Fiktion bleiben als Tatsachen voneinander verschieden. Allein ihre Behandlung durch das Recht wird vereinheitlicht. Diese Gleichheit knüpft aber an gänzlich ungleiche Voraussetzungen an. Soll also etwa nach § 894 ZPO eine Willenserklärung als abgegeben fingiert werden, so ist die Wirksamkeit der (fingierten) Willenserklärung nicht von einer wirksamen tatsächlichen Erklärung gemäß den §§ 104 ff. BGB, sondern von der Erfüllung des Tatbestandes abhängig, an den die Fiktion anknüpft; bei § 894 ZPO also von einer wirksamen und rechtskräftigen Verurteilung. Dieses Urteil ist deshalb aber keine (tatsächliche) Willenserklärung des Beklagten; die beiden Tatsachen sind und bleiben grundverschieden. Sie werden lediglich durch die gesetzliche Fiktion des § 894 ZPO in ihren Wirkungen gleichgesetzt, indem beide die Rechtswirkungen einer Willenserklärung des Beklagten auslösen. Das Urteil selbst wird durch diese Gleichsetzung in den Wirkungen aber nicht zu einer Willenserklärung des Beklagten.115 Diese beiden Tatsachen bleiben verschieden. Die Fiktion ebnet diese Ungleichheit nicht ein, sondern setzt sie voraus. Verschiedene Tatbestände werden eben nur mit derselben Rechtsfolge versehen.116 Hieraus folgt zugleich aber auch die zweite Schlussfolgerung. Der von der Fiktion vorausgesetzte Tatbestand ist eben nur Tatbestand für die Verweisung mittels Fiktion. Den Eintritt der jeweiligen Rechtsfolgen bewirkt allein die gesetzliche Verweisung auf eine bestimmte, für andere Tatbestände geschaffene 113 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 83; ebenso Esser, Rechtsfiktionen, S. 26; Grau, Die Bedeutung der §§ 894, 895 ZPO, S. 358; Stammler, Theorie der Rechtswissenschaft, S. 201. 114 Gerade diese Erkenntnis ist wesentlich. Die Fiktion setzt zwar Ungleiches gleich; dieses Gleichbehandeln beschränkt sich aber auf die Rechtsfolgen; die Tatbestände bleiben ungleich, also verschieden – Esser, Rechtsfiktionen, S. 27; Fischer, AcP 117 (1919), 143, 144 und 151 f. 115 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 84; Pantaleon genannt Stemberg, Fiktion von Willenserklärungen in der Zwangsvollstreckung, S. 4 ff. Dies verkennt Dilcher, ZZP 67 (1954), 210, 214, wenn er im Urteil die »Verkörperung« der geschuldeten Willenserklärung sieht und dann deren tatsächliche »Abgabe« auf den Empfänger hin verlangt. 116 Hieraus folgt die Frage, ob entsprechend der gesetzlichen Fiktion tatsächlich alle Normen des Regelungskomplexes auch auf einen völlig anderen Tatbestand anzuwenden sind. Insbesondere bei fingierten Willenserklärungen ist die Anwendung von solchen Normen fraglich, welche die Wirksamkeit einer Willenserklärung betreffen (z. B. §§ 119 ff. BGB). Die Fiktion führt zu einer Gleichbehandlung in den Wirkungen, ohne dass dadurch zwingend das infolge der Fiktion begründete Rechtsverhältnis in jeder Hinsicht dem Rechtsverhältnis gleichstehen muss, das auf »natürlichem Weg« entstanden ist (Esser, Rechtsfiktionen, S. 231 f.; Fischer, AcP 117 (1919), 143, 154; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 84). Da die Gleichsetzung der unterschiedlichen Tatbestände in ihren rechtlichen Folgen allein auf dem gesetzgeberischen Willen beruht, kann nur die Auslegung der gesetzlichen Fiktion darüber entscheiden, wie weit diese Gleichsetzung im Einzelfall gehen soll (Esser, Rechtsfiktionen, S. 32, 40; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 84).

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Kapitel 4: Der Insolvenzplan als Verfahrensobjekt

Regel. Auch das rechtskräftige Urteil in § 894 ZPO ist also nur der Anknüpfungspunkt für die Verweisung auf das Willenserklärungsrecht. Erst die sich aus dieser Verweisung auf die Willenserklärungsregelungen des BGB ergebenden Rechtsfolgen verändern dann – je nach dem Inhalt der geschuldeten Willenserklärung – die materielle Rechtslage. Es ist somit nicht die Verurteilung zur Abgabe einer geschuldeten Willenserklärung (weder deren Inhalt noch deren Wirkung), sondern allein die in § 894 ZPO normierte Verweisung mittels Fiktion auf das Recht der Willenserklärungen, welche auf das materielle Recht einwirkt und es verändert. Das Urteil ist als bloßer Tatbestand der Norm zwar kausal für die Änderung, nicht aber ihr Grund; dieser liegt allein in der gesetzlichen Verweisung mittels einer Fiktion und der allein darauf beruhenden Anwendung des Willenserklärungsrechts.117 Die Änderung der materiellen Rechtslage erfolgt somit nicht durch das Urteil, sondern infolge der gesetzlich fingierten Abgabe der geschuldeten Willenserklärung und damit in den üblichen Bahnen des materiellen Rechts. Das Gericht prüft in allen Fällen des § 894 ZPO allein die materielle Pflicht des Beklagten zur Abgabe der Willenserklärung und nur diese Verpflichtung ist Gegenstand der Verurteilung; allein diese Auslegung entspricht sowohl den dem Prozess zugrunde liegenden Anträgen der Parteien als auch den vom Gericht zu prüfenden Ansprüchen auf Abgabe der Willenserklärung118 sowie dem ausdrücklichen Wortlaut des § 894 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Wird dieses Urteil rechtskräftig, so ist es – da es einen vollstreckungsfähigen Inhalt hat – zu vollstrecken (§§ 704, 705 ZPO). Die im Urteil ausgesprochene Pflicht zur Abgabe der Willenserklärung wird wegen der in § 894 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu findenden Verweisung nicht 117 Ebenso Jaeger, ZZP 40 (1910), 123, 136; Kisch, Beiträge zur Urteilslehre, S. 38; Pantaleon genannt Stemberg, Fiktion von Willenserklärungen in der Zwangsvollstreckung, S. 6; auch Nietsch, § 894 ZPO, S. 55 (Wirkungseintritt nicht durch das Urteil, sondern erst durch den Ausspruch des Gesetzgebers). Dies übersieht Grau, Die Bedeutung der §§ 894, 895 ZPO, S. 358 f., der im Urteil zwar (zutreffend) den Beginn der Kausalkette der Rechtsänderung erkennt, dann aber der Verweisung mittels Fiktion »keine eigenständige Bedeutung« zugesteht, da sie nur eine Verweisung, also Gesetzestechnik, sei. Er muss daher die Rechtsgestaltung beim Urteil verorten und diesem gestaltende Wirkung geben, obwohl er es als Leistungsurteil ansieht. Diese Lösung kann indes kaum überzeugen und verkennt den in der Fiktion erkennbaren Willen des Gesetzgebers zur Anordnung einer bestimmten Rechtsfolge. Dieser Normierungswille hat durchaus eigenständige Bedeutung und ist der eigentliche Grund des Eintritts der Rechtsfolgen aus einem Regelungsgebiet in einem gänzlich anderen Sachverhalt. Zu weit geht dagegen Schmidt (JuS 1986, 35, 37), wenn er auch die Gestaltungswirkung eines Gestaltungsurteils als gesetzliche Rechtsfolge ansieht und das Urteil selbst damit zur bloßen Tatbestandsvoraussetzung degradiert. Jeder Unterschied zwischen der Fiktion des § 894 ZPO und einem Gestaltungsurteil wäre damit aufgehoben. Eine derartige Sichtweise kann nicht die Gestaltungswirkung bei Ermessensentscheidungen des Richters erklären, da hier der Rückgriff auf die Norm, welche die Gestaltung erlaubt, die konkreten Wirkungen nicht ergibt. Es ist bei Gestaltungsurteilen vielmehr stets das Urteil, also der Rechtsprechungsakt selbst, welcher die Rechtslage verändert. 118 Hierauf zu Recht hinweisend: Jauernig, Zivilprozess, § 34 IV.

B. Der Insolvenzplan ist kein Urteil oder Verfahrensakt

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in einem staatlichen Vollstreckungsverfahren oder Vollstreckungsakt vollstreckt. Stattdessen lässt der Gesetzgeber die Regelungen des Willenserklärungsrechts mit ihren Rechtsfolgen unmittelbar Anwendung finden und erreicht damit auf effektivere Weise dasselbe wie eine Handlungsvollstreckung in einem Vollstreckungsverfahren. Die Erklärungsfiktion ist somit hinsichtlich ihrer methodischen Technik eine verdeckte Verweisung, hinsichtlich ihrer Wirkung aber ein Vollstreckungsakt.119 Die Änderung des materiellen Rechts folgt aus diesem Akt, nicht aber aus dem zu vollstreckenden Urteil. Der Richter hat folglich auch in den Fällen der Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung keine eigene Gestaltungsmacht hinsichtlich der materiellen Rechtslage und spricht somit kein Gestaltungsurteil. 3. Ergebnis Die richterlichen Aufgaben bei einer Bestätigung im Planverfahren sind ihrer Struktur nach dieselben wie bei einer Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung, wie sie § 894 ZPO zugrunde liegt. Das Insolvenzgericht prüft die Willensbildung über den Plan und die sich daraus ergebenden Zustimmungspflichten aufgrund des Abstimmungsergebnisses oder aus den Obstruktionsverboten der §§ 245–247 InsO. Stellt es derartige Verpflichtungen der nicht zustimmenden Beteiligten fest, so bedarf es auch hier einer effizienten Vollstreckung dieser Pflichten, um Verzögerungen bei der Insolvenzabwicklung, gerade durch obstruierende Gläubiger, zu vermeiden. Es ist somit nur konsequent, wenn der Gesetzgeber für die Insolvenzordnung wie im Vollstreckungsrecht zum Mittel der Fiktion greift, um Effizienz zu erreichen. Dazu muss er – genau wie in § 894 ZPO – zeitlich an die Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung anknüpfen, da erst in diesem Moment die Zustimmungspflichten rechtskräftig und damit rechtssicher (und vollstreckbar) festgestellt und ausgesprochen sind. 119 Ebenso die ganz herrschende Ansicht zu § 894 ZPO (infolge der Einordnung als Leistungsurteil): RGZ 62, 152, 157; 88, 198, 202; BGH LM § 739 ZPO Nr. 3; BayObLG MDR 1953, 561, 562 (die Fiktion ist Vollstreckungsakt); ähnlich RGZ 89, 225, 230 und 143, 267, 274 sowie BGH BB 1961, 264; NJW-RR 2005, 687, 692 ( »Vollstreckungswirkung« aus der Rechtskraft des Urteils); Braune, Verurteilungen zur Abgabe einer Willenserklärung, S. 34; Brehm, in: Stein/Jonas, ZPO, § 894 Rn. 3; Grau, Die Bedeutung der §§ 894, 895 ZPO, S. 386 ff., 392 f.; Gruber, in: MünchKomm, ZPO, § 894 Rn. 1; Jaeger, ZZP 40 (1910), 123, 136; Kisch, Beiträge zur Urteilslehre, S. 38; Lackmann, in: Musielak, ZPO, § 894 Rn. 1; Pantaleon genannt Stemberg, Fiktion von Willenserklärungen in der Zwangsvollstreckung, S. 5 f.; Staab, Gestaltungsklage, S. 16 f.; Wieser, Zwangsvollstreckung, S. 89. Für eine Vollstreckungswirkung nur im weiteren Sinn (im Sinne eines Selbstvollzugs ohne Vollstreckungsakt): Nietsch, § 894 ZPO, S. 58, Fn. 2; Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 35, 266 (der allerdings auch Gestaltungsurteilen eine solche Vollstreckungswirkung zugesteht). Calamandrei (Judicium II, 317, 326 und 335) sah in § 894 ZPO einen Vollstreckungsakt des Richters, aber dennoch kein Gestaltungsurteil (S. 328 f.). Umgekehrt sah Kipp, Kieler Festgabe für Jhering, 1892, 41, 70, im Urteil des § 894 ZPO ein Gestaltungsurteil und »zugleich« auch einen »Akt der Zwangsvollstreckung«.

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Kapitel 4: Der Insolvenzplan als Verfahrensobjekt

Mittels der Zustimmungsfiktionen in den §§ 245, 246, 247, 254 Abs. 1 Satz 3 InsO wird somit wie mittels der allgemeineren Fiktion in § 894 ZPO – jeweils in Anknüpfung an die richterliche Feststellung einer Erklärungspflicht – das Willenserklärungsrecht auf einen Tatbestand zur Anwendung gebracht, der keine tatsächliche Willenserklärung enthält, und erst diese Rechtsanwendung mittels Fiktion verändert die jeweilige materielle Rechtslage, wozu wegen § 130 BGB zudem bei Verträgen der Zugang der fingierten Willenserklärung notwendig ist.120 Der Insolvenzrichter selbst hat hingegen keine Macht zur Einwirkung auf die Rechtslage. Er gestaltet nicht, sondern erkennt. Um es abschließend nochmals zu betonen: Es steht dem Gesetzgeber frei, diesen dogmatischen Weg zu verlassen, indem er auf Willenserklärungen und deren Fiktion verzichtet und die Bindung an den Insolvenzplan für die ablehnend votierenden Beteiligten unmittelbar anordnet. Das wäre dann ein Vertragsdiktat, also ein diktierter Vertrag im engeren Sinne. Der Gesetzgeber könnte hierzu das Gesetz unmittelbar diese Vertragswirkungen anordnen lassen, indem er etwa den Eintritt der Planwirkungen unmittelbar an eine mehrheitliche Annahme des Plans knüpft; eine richterliche Gestaltungsmacht würde dann (ebenfalls) fehlen. Er könnte aber auch bestimmen, dass die gewollte Zwangsbindung der Minderheit an den Plan im Einzelfall erst nach der Prüfung durch einen Richter aufgrund dessen Anordnung eintreten soll. In beiden Fällen würde auf Willenserklärungen der Betroffenen gänzlich verzichtet, so dass jeweils ein diktierter Vertrag im engeren Sinn entstünde. Dieser Insolvenzplan wäre dann zwar nicht in seiner Entstehung, wohl aber in seiner weiteren Behandlung dem Vertragsrecht unterworfen.121 Gleichzeitig würde aber ein solches diktierendes Urteil des Richters nicht mehr dem Regelungsmechanismus unterfallen, wie man ihn in § 894 ZPO antrifft, da eine Pflicht zur Abgabe einer Willenserklärung nicht mehr der Gegenstand seiner Prüfung und Entscheidung wäre.122 Einer effektiven gesetzlichen Vollstreckung einer Erklärungspflicht bedürfte es folglich auch nicht. Der Richter würde vielmehr – wie in den Vertragshilfeverfahren – unmittelbar die vertragliche Bindung in seinem Urteil anordnen und hätte so zugleich eine eigene, gesetzlich zugewiesene Gestaltungsmacht über die materielle Rechtslage. Damit wäre in einer solchen richterlichen Entscheidung ein Gestaltungsurteil zu sehen.123 Fiktionen wie die in § 894 ZPO und Gestaltungsurteile verfolgen also denselben Zweck (die effektive Durchsetzung eines Gestaltungsanspruchs bzw. -rechts), erreichen ihn aber auf gänzlich 120

Näher zum Vertragsschluss über den Insolvenzplan im Dritten Kapitel. Einzelheiten dazu bereits im Dritten Kapitel E. V. 3. c. 122 Hierauf zutreffend hinweisend: Nietsch, § 894 ZPO, S. 19 ff. 123 Diese gesetzgeberischen Alternativen betont schon Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 55: »Der Gesetzgeber kann vielmehr in Abweichung von § 894 ZPO auch bestimmen, daß die Rechtslage, zu deren Herbeiführung primär eine Willenserklärung des Anspruchsgegners erforderlich ist, durch Gestaltungsurteil auszusprechen ist, wenn dieser seine Mitwirkung zu Unrecht verweigert.« 121

C. Die Natur des richterlichen Handelns bei der Planbestätigung

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verschiedenen Wegen.124 In der geltenden Insolvenzordnung hat sich der Gesetzgeber nun für einen der beiden Wege entschieden, indem er Willenserklärungen auch für diejenigen verlangt, die dem Plan nicht zustimmen. Dies ist zu respektieren und spricht entscheidend gegen jede Urteils- oder Verfahrenstheorie.

C. Die Natur des richterlichen Handelns bei der Planbestätigung Der Bestätigungsbeschluss des § 248 InsO hat nicht die Qualität eines richterlichen Gestaltungsurteils und kann daher dem Insolvenzplan nicht die Rechtsnatur einer richterlichen Entscheidung oder eines Verfahrensaktes geben. Die materiellrechtlichen Wirkungen des Insolvenzplans behalten ihren Grund in dem zwischen allen Beteiligten geschlossenen Vertrag. Es bleibt damit aber noch zu klären, wie der Bestätigungsbeschluss – und darüber hinaus die gesamte Tätigkeit des Insolvenzgerichts im Insolvenzplanverfahren – rechtlich einzuordnen ist. Dies soll im Folgenden geschehen. Dabei ist grundsätzlich zu beachten, dass der Bestätigungsbeschluss des Insolvenzgerichts gemäß § 248 Abs. 1 InsO nur eine der Entscheidungen ist, welche die Insolvenzordnung dem Insolvenzgericht in einem Insolvenzverfahren zur Aufgabe macht. Die Natur der Planbestätigung kann daher nicht isoliert und losgelöst von dem allgemeinen Aufgabenbereich des Insolvenzgerichts untersucht werden. Das Planverfahren wächst im Fall einer Planinitiative ja – bildlich gesprochen – lediglich aus dem Regelinsolvenzverfahren heraus. An der Einheitlichkeit des gesamten Insolvenzverfahrens ändert die Vorlage eines Insolvenzplans hingegen nichts. Das bislang zuständiges Insolvenzgericht muss dann eben auch das Planverfahren betreuen. Die rechtliche Qualität des richterlichen Handelns im Planverfahren oder bei der Planbestätigung wird schon von daher weitgehend von der Art des richterlichen Handelns im gesamten Insolvenzverfahren geprägt. Dessen rechtliche Einordnung ist daher zunächst zu erforschen. Erst auf dieser Grundlage wäre dann zu überlegen, ob aus den Besonderheiten des Planverfahrens besondere Akzente erwachsen, die eine abweichende, eigenständige Einordnung richterlichen Handelns rechtfertigen.

124 Sie sind »funktional« identisch, »instrumental« jedoch grundverschieden; so Stoffel, Vertragsgestaltung, S. 15; dies erkennen auch Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 23 f.; Staab, Gestaltungsklage, S. 71 f.

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Kapitel 4: Der Insolvenzplan als Verfahrensobjekt

I. Die herrschende Ansicht: Das Insolvenzverfahren als Zwangsvollstreckungsverfahren Die rechtliche Einordnung des Insolvenzverfahrens und damit auch der Natur des richterlichen Handelns ist seit jeher umstritten. Überwiegend wurde schon das Konkursverfahren als Gesamtvollstreckungsverfahren und damit als Vollstreckungsverfahren angesehen und das richterliche Handeln dementsprechend der streitigen Gerichtsbarkeit zugeordnet.125 Es ist daher kaum überraschend, wenn auch das Insolvenzverfahren nach der Insolvenzordnung in dieser Tradition als Verfahren der Zwangsvollstreckung angesehen und damit ebenfalls der streitigen Gerichtsbarkeit zugewiesen wird.126 Die Einordnung des Insolvenzverfahrens als Vollstreckungsverfahren lässt sich im Wesentlichen auf zwei Argumente stützen. 1. Der Verweis auf die ZPO in § 4 InsO Zunächst verweist § 4 InsO für den Fall, dass die Insolvenzordnung keine besonderen Regelungen enthält, auf die Vorschriften der ZPO. Dies scheint das Insolvenzverfahren eben der streitigen Gerichtsbarkeit, nicht aber der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuzuordnen, da § 4 InsO gerade nicht auf die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) verweist.127 Innerhalb der streitigen Gerichtsbarkeit scheint dann die Einordnung als Vollstreckungsverfahren nahe zu liegen. Die Überzeugungskraft einer solchen Argumentation ist jedoch schon im Ausgangspunkt gering, verweisen doch eine Vielzahl von Verfahrensordnungen zur Lückenfüllung auf die Regelungen der ZPO. Als Beispiele seien hier nur § 167 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung, § 46 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes, § 51 der Finanzgerichtsordnung oder § 60 des Sozialgerichtsgesetzes genannt. Dennoch würde niemand auf die Idee kommen, etwa 125 RG LZ 1911 S. 555, 557; 1915 Sp. 359; BGH NJW 1961, 2016; BayObLG NJW 1989, 44; OLG Düsseldorf KTS 1964, 245, 246; Hess, in: Hess, KO, Vor § 71 Rn. 3 sowie § 72 Rn. 1; Jaeger, Konkursrecht, S. 164; Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 72 Rn. 1; Schlegelberger, FGG, § 1 Rn. 9. Zur Gegenansicht gleich mehr unter II. 126 Breutigam, in: Berliner Kommentare, InsO, § 4 Rn. 4; Gerhardt, in: Jaeger, InsO, § 2 Rn. 13, 19; Gerloff, Funktionen und Aufgaben des Insolvenzgerichts, S. 172; Haarmeyer/ Wutzke/Förster, Handbuch zur Insolvenzordnung, Kapitel 2, Rn. 4; Hess, in: Hess, InsR, Vor § 2 InsO Rn. 3 sowie § 4 Rn. 3; Keller, Insolvenzrecht, Rn. 10; Bußhardt, in: Braun, InsO, § 4 Rn. 1; Pape, in: Uhlenbruck, InsO, § 4 Rn. 1; Prütting, in: Kölner Schrift zur InsO, S. 1 ff. Rn. 1; ders., in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 4 Rn. 4; Schmerbach, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 4 Rn. 2; Uhlenbruck, ZInsO 2001, 1129, 1131. Selbst das Bundesverfassungsgericht sieht das Insolvenzverfahren (in einem obiter dictum) als »Teil des Zwangsvollstreckungsrechts« (BVerfGE 116, 1, 13). 127 So Keller, Insolvenzrecht, Rn. 10; Bußhardt, in: Braun, InsO, § 4 Rn. 1; Gerhardt, in: Jaeger, InsO, § 2 Rn. 14; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handbuch zur Insolvenzordnung, Kapitel 2, Rn. 4; Hess, in: Hess, InsR, Vor § 2 InsO Rn. 11; Hess/Weis, WM 1998, 2349 (Fn. 1); Pape, in: Uhlenbruck, InsO, § 4 Rn. 1; Uhlenbruck, ZInsO 2001, 1129, 1131.

C. Die Natur des richterlichen Handelns bei der Planbestätigung

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den Verwaltungsgerichtsprozess der streitigen Gerichtsbarkeit des ordentlichen Rechtswegs zuzuordnen. Verweise wie der in § 4 InsO auf die ZPO dienen in der Tat nicht der Zuordnung zu einer Gerichtsbarkeit; sie enthalten keine Zuständigkeitsregelung.128 Es handelt sich lediglich um eine Methode des Gesetzgebers (um eine Verweisung), eine doppelte, wortgleiche, also nur wiederholende und damit überflüssige Normierung identischer allgemeiner Prozessrechtsinstitute (wie etwa Prozesshandlungen, Protokollierungen, die Prozessleitung oder Rechtsmittel) zu umgehen. Die Insolvenzordnung wird inhaltlich entlastet.129 Eine darüber hinausgehende Regelungsabsicht lässt sich beim Insolvenzrechtsgesetzgeber nicht feststellen. Die Gesetzesbegründung zu § 4 InsO verweist nur kurz darauf, dass die »subsidiäre Geltung der Zivilprozessordnung« auch im alten Insolvenzrecht (§ 72 KO; § 115 VglO; § 1 Abs. 3 GesO) angeordnet war.130 In der Begründung der ursprünglichen Regelung der ersten Konkursordnung (damals § 65 KO) macht der Gesetzgeber dann sogar deutlich, dass er das Konkursverfahren der Sache nach »als Ausfluss der freiwilligen Gerichtsbarkeit« ansieht,131 das wegen seiner Befassung mit bürgerlichen Rechtsansprüchen aber auch der Anwendung prozessrechtlicher Vorschriften bedarf und dessen Entwurf auf den Vorschriften der ZPO basiert.132 Der Verweis auf die ZPO hatte seinen Grund also eher in praktischen Erwägungen als in einer Überzeugung des Gesetzgebers aus der Natur der Sache. Da es eine reichseinheitliche Regelung des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit während der Beratungen über die Konkursordnung zudem weder gab noch eine solche zeitgleich erarbeitet wurde – das FGG wurde nicht zusammen mit den Reichsjustizgesetzen in den 1870iger Jahren geschaffen, sondern entstand erst gemeinsam mit dem BGB in den 1890iger Jahren –, griff der Konkursgesetzgeber auf das schon vorhandene Fundament des Zivilprozesses zurück und veränderte dieses nach seinen Bedürfnissen durch die Verfahrensnormen der Konkursordnung. Die Anordnung der subsidiären Geltung der ZPO ist von daher nur logisch.133 Eine Aussage zur Einordnung des Konkursverfahrens in die streitige oder die freiwillige Gerichtsbarkeit lässt sich ihr dann aber eben auch nicht entnehmen. Im Gegenteil, hinsichtlich der systematischen Stellung des Konkursverfahrens 128 Ebenso Klopp/Kluth, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 17 Rn. 2; Smid, NJW 1994, 2678; ders., in: Smid, InsO, § 4 Rn. 2; auch Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 3.05. 129 So auch Andres, in: Andres/Leithaus, InsO, § 4 Rn. 1; Becker, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 4 Rn. 1; Ganter, in: MünchKomm, InsO, § 4 Rn. 2; Kirchhof, in: Heidelberger Kommentar, InsO, § 4 Rn. 2. 130 BT-Drucks. 12/2443, S. 110. 131 Hahn, Materialien IV, S. 273. 132 Hahn, Materialien IV, S. 274. 133 Ähnlich Smid, NJW 1994, 2678, 2679 und ZIP 1995, 1137, 1141. Schon Münzel, ZZP 66 (1953), 334, 335, sah in diesem faktischen Umstand den Grund für eine Vielzahl von Verweisen auf die ZPO in den Gesetzen dieser Zeit.

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Kapitel 4: Der Insolvenzplan als Verfahrensobjekt

hatte schon der Konkursgesetzgeber die bloße Einordnung als Vollstreckungsverfahren abgelehnt und zugleich dessen Eigenart als Liquidationsverfahren betont.134 Ist also schon die Basis einer Argumentation mit dem Verweis in § 4 InsO höchst unsicher, so kann diese Norm erst recht kein Argument für die Einordnung des Insolvenzverfahrens als Vollstreckungsverfahren liefern. § 4 InsO verweist nicht auf das Vollstreckungsrecht der ZPO, sondern auf deren gesamte Regelungsbreite. Selbst wenn man also in der Norm eine Abkehr der Gesetzgebers von den Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit erkennen will, so führt dies nicht automatisch zur Annahme eines Vollstreckungsverfahrens. Vielmehr ist dann weiter offen, ob das Insolvenzverfahren der streitigen Gerichtsbarkeit der ordentlichen Gerichte zuzuordnen ist oder aber vielleicht sogar – wie etwa das Arbeitsgerichtsgesetz – eine eigenständige Verfahrensordnung enthält. Hierzu kann § 4 InsO keine Aussage treffen. Es sind andere Kriterien zu suchen. 2. Der Zweck des Insolvenzverfahrens Maßgebliches materielles Argument für eine Einordnung des Insolvenzverfahrens als Vollstreckungsverfahren ist dessen Zweck. Das Insolvenzverfahren dient ausweislich des § 1 Satz 1 InsO ausdrücklich dazu, »die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögens des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird.« Das Insolvenzverfahren ist danach ein Instrument zur Haftungsverwirklichung im Interesse der Gläubiger. Diese dürfen nun nicht mehr einzeln in das Schuldnervermögen vollstrecken (§ 89 Abs. 1 InsO). Stattdessen müssen sie ihre Forderungen in ein gemeinsames Verfahren einbringen und haben nur in diesem Verfahren mittelbar Zugriff auf das verwertbare Schuldnervermögen und den aus der Verwertung erzielten Erlös. Der Aspekt der hoheitlichen Verwertung des Schuldnervermögens im Interesse sowie zugunsten der Gläubiger ist identisch mit dem Vollstreckungsverfahren der §§ 750 ff. ZPO. In beiden Verfahren wird dem Schuldner zwangsweise durch hoheitliches Handeln im alleinigen Interesse seiner Gläubiger Vermögen entzogen und zur Gläubigerbefriedigung 134 Hahn, Materialien IV, S. 40: »Wie zutreffend indeß die Analogie des Konkursverfahrens mit einem generellen Exekutionsverfahren in manchen Beziehungen erscheint, so ist es doch bedenklich und einseitig, den Charakter des Konkurses auf diese Analogie zu beschränken.« Später auf S. 41: »Das Konkursrecht hat seinen eigenen Inhalt, es greift ein in alle Rechtsverhältnisse und bedarf daher einer selbstständigen Normierung. [. . .] Das Konkursverfahren als solches ist nicht ein Prozeß, es ist eine unter richterlicher Autorität sich vollziehende Auseinandersetzung des seine Leistungen einstellenden Schuldners mit allen Gläubigern desselben. Eine gewissen Ähnlichkeit ist unverkennbar mit der Liquidation einer kaufmännischen Firma.«

C. Die Natur des richterlichen Handelns bei der Planbestätigung

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verwertet. Man kann unter diesem Blickwinkel durchaus von Einzel- und Gesamtvollstreckung sprechen. Gegen die Einordnung des Insolvenzverfahrens als Instrument der Haftungsverwirklichung lässt sich nicht einwenden, dass die Insolvenzordnung nun auch die Eigenverwaltung des Schuldners (§§ 270 ff. InsO) 135 oder die Sanierung des Schuldnerunternehmens mittels Insolvenzplans (§§ 217 ff. InsO) 136 vorsieht. Beide Institute stehen in keinem Gegensatz zum Zweck der optimalen Haftungsverwirklichung, da beide nur dann zum Zuge kommen, wenn mit ihrer Hilfe der für die Gläubiger zu erwartende Erlös höher ist als bei einer Standardliquidation im Regelinsolvenzverfahren. So ist die Zustimmung der Gläubiger zu einem Sanierungsplan nur dann zu erwarten, wenn die Unternehmensfortführung voraussichtlich wirtschaftlich günstiger für sie sein wird als eine Unternehmenszerschlagung. Die Option des Insolvenzplans im Insolvenzverfahren entspricht damit der privatautonomen Option eines jeden Gläubigers, in einer laufenden Einzelzwangsvollstreckung auf Zwangsmaßnahmen zu verzichten und Vereinbarungen mit dem Schuldner über eine Schuldentilgung zu treffen. Ähnliches gilt für die Eigenverwaltung. Auch diese darf nur angeordnet werden, wenn aus ihr keine Nachteile für die Gläubiger entstehen (§ 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO). Sie wird daher vor allem in den Fällen zum Tragen kommen, in denen eine persönliche Mitarbeit des Schuldners von besonderem Interesse für die Wertschöpfung im Insolvenzverfahren ist. Wird sie angeordnet, so behält der Schuldner sein Verwaltungs- und Verfügungsrecht über sein Vermögen, ohne jedoch in deren Ausübung frei von staatlichem Zwang zu sein. Er wird verpflichtet, wie ein Insolvenzverwalter sein Vermögen zugunsten der Gläubiger zu verwerten und den erzielten Erlös an diese auszukehren. Der Zwang zur Haftungsverwirklichung bleibt also; lediglich das Vollstreckungsorgan wurde ausgewechselt. Das Insolvenzverfahren wird insofern also zu Recht als Mittel der Haftungsverwirklichung charakterisiert. Seine Einordnung als (Gesamt-)Vollstreckungsverfahren – und damit als Verfahren der streitigen Gerichtsbarkeit – liegt durchaus nahe.137 Die vollstreckungsähnlichen Zwangswirkungen des Insol135

So Ganter, in: MünchKomm, InsO, Vor §§ 2 bis 10 Rn. 6. So etwa Ganter, in: MünchKomm, InsO, Vor §§ 2 bis 10 Rn. 7; Klopp/Kluth, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 17 Rn. 2; auch Becker, Insolvenzrecht, Rn. 251. 137 Mit dieser materiellen Argumentation arbeiten etwa Breutigam, in: Berliner Kommentare, InsO, § 4 Rn. 3; Ganter, in: MünchKomm, InsO, § 4 Rn. 3; Gerhardt, in: Jaeger, InsO, § 2 Rn. 13; Gerloff, Funktionen und Aufgaben des Insolvenzgerichts, S. 172; Hess, in: Hess, InsR, Vor § 2 InsO Rn. 3; Hess/Weis, WM 1998, 2349 (Fn. 1); Pape, in: Uhlenbruck, InsO, § 1 Rn. 2; Prütting, in: Kölner Schrift zur InsO, S. 1 ff. Rn. 1; Schmerbach, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 4 Rn. 2. Sie lag auch schon der Zuordnung des Konkursverfahrens zur streitigen Gerichtsbarkeit zugrunde – vgl. etwa BGH NJW 1961, 2016; OLG Düsseldorf KTS 1964, 245, 246; Hess, in: Hess, KO, Vor § 71 Rn. 3; Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 72 Rn. 1; in BGHZ 88, 147, 151; BGH WM 1977, 1201, 1203, findet sich nur die Einordnung des Konkurses als Gesamtvollstreckungsverfahren, nicht jedoch die Zuordnung zur freiwilligen Gerichtsbarkeit. 136

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Kapitel 4: Der Insolvenzplan als Verfahrensobjekt

venzverfahrens gegenüber dem Schuldner folgen allerdings im Wesentlichen schon aus der Verfahrenseröffnung und finden sich dementsprechend in den §§ 80 ff. InsO. Folgerichtig ist die Eröffnungsentscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG zwingend dem Richter vorbehalten. Ergeben sich Zwangswirkungen bereits aus vorläufigen Maßnahmen des Insolvenzgerichts im Eröffnungsverfahren (§ 21 InsO), so kann auch diese gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG nur ein Richter, nicht aber ein Rechtspfleger anordnen. Diese funktionelle Zuständigkeit korrespondiert mit den hier verorteten Verfahrenswirkungen, die der streitigen Gerichtsbarkeit zuzuordnen wären. Nun endet das Insolvenzverfahren aber nicht mit seiner Eröffnung. Es schließt sich ein Liquidationsverfahren an, das maßgeblich anderen Selbstverwaltungsorganen (Insolvenzverwalter, Gläubigerversammlung, Gläubigerausschuss) übertragen ist. Die diesbezüglichen gerichtlichen Aufgaben haben keinen Vollstreckungscharakter mehr.138 Hier beschränkt sich die Tätigkeit des Insolvenzgerichts auf die Aufsicht über das Verfahren, weshalb weitgehend der Rechtspfleger tätig wird (vgl. §§ 3 Nr. 2 e, 18 RPflG). Zwangswirkungen finden sich nicht mehr.139 Besonders deutlich wird die Andersartigkeit der gerichtlichen Tätigkeit im eröffneten Insolvenzverfahren bei der Restschuldbefreiung (§§ 286 ff. InsO). Bereits § 1 Satz 2 InsO benennt sie ausdrücklich als (zweite) Aufgabe des Insolvenzverfahrens und auch die Gesetzesbegründung stellt sie als Verfahrenszweck neben den der Haftungsverwirklichung. Diese Restschuldbefreiung geschieht nun allein im Interesse des Schuldners und liegt keinesfalls im Interesse der vorhandenen Gläubiger, die ihre Rechte durch sie ja verlieren. Sie ist kein Instrument der Haftungsverwirklichung oder Zwangsvollstreckung, ganz im Gegenteil. Die Restschuldbefreiung dient allein der Wiederherstellung der wirtschaftlichen Freiheit und Leistungsfähigkeit des Schuldners auf Kosten der Altgläubiger und ist damit eine sozialpolitische Entscheidung.140 In der Gegenüberstellung der beiden Zweckrichtungen des modernen Insolvenzrechts darf nun die Restschuldbefreiung nicht einfach ignoriert oder 138 Gerhardt, in: Jaeger, InsO, § 2 Rn. 15; auch schon Jaeger, Konkursrecht, S. 164 für die KO – seine Gegenüberstellung auf S. 167 macht diesen Wechsel sehr anschaulich. 139 Gerade an diese Besonderheit des Insolvenz- wie Konkursverfahrens knüpft die Kritik an der Einordnung derselben als Gesamtvollstreckungsverfahren an, indem man statt der Vollstreckung den Aspekt der Vermögensliquidation hervorhebt – so etwa Berges, KTS 1957, 49, 50 f.; ders., KTS 1960, 1, 4; ders., BB 1982, 1455, 1456; Bötticher, ZZP 86 (1973), 373, 380 f.; Münzel, ZZP 66 (1953), 334, 338. Dazu mehr im Folgenden unter II. 2. a) (3). 140 Die Gesetzesmaterialien sprechen von der Umsetzung eines »sozialen und freiheitlichen Anliegens« (BT-Drucks. 12/2443, S. 81), andere von einem »Akt der Daseinsvorsorge« (Ganter, in: MünchKomm, InsO, Vor §§ 2 bis 10 Rn. 8). Der Konflikt des Entschuldungsgedankens mit dem der Haftungsverwirklichung wurde in der Diskussion um das neue Insolvenzrecht sogar gegen die Aufnahme des Restschuldbefreiungsverfahrens in die Insolvenzordnung vorgebracht (vgl. etwa Schmidt, KTS 1988, 1, 8; zum Ganzen Döbereiner, Restschuldbefreiung, S. 41 m. w. N.).

C. Die Natur des richterlichen Handelns bei der Planbestätigung

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marginalisiert werden.141 Die Restschuldbefreiung beherrscht die heutige Insolvenzpraxis als Regelfolge einer Verbraucherinsolvenz. Die Zahl der Verbraucherinsolvenzverfahren (§§ 304 ff. InsO) ist nach der Schaffung der Stundungsmöglichkeit in § 4a InsO im Jahre 2001 geradezu explodiert, weshalb diese Verfahren die heutige Insolvenzpraxis zahlenmäßig deutlich dominieren. Während die Verbraucherinsolvenzen im Jahr 2001 nur ca. ein Drittel aller Insolvenzfälle ausmachten, stieg ihr Anteil bis zum Jahr 2006 schon auf über 80 Prozent. Die jährlichen Zuwachsraten lagen in den Jahren 2002 bis 2005 bei mehr als 40 Prozent. 2006 waren 124.047 der insgesamt 154.404 Insolvenzfälle Verbraucherinsolvenzen.142 Einziges Ziel dieser Verfahren ist die Restschuldbefreiung; eine nennenswerte Insolvenzquote wird in ihrem Verlauf nicht erreicht. Die Restschuldbefreiung ist hier tatsächlich der Hauptzweck der Insolvenzverfahren. Liegt hingegen keine Verbraucher-, sondern eine Unternehmensinsolvenz vor, so kann die Restschuldbefreiung naturgemäß nur dann eine bedeutende Rolle spielen, wenn am Ende des Insolvenzverfahrens ein Schuldner übrig bleibt, der von Schulden zu befreien ist. Dies ist bei insolventen Gesellschaften als Unternehmensträgern nur selten der Fall. Die Abwicklung im Regelinsolvenzverfahren findet hier ihren Abschluss in der Löschung der zunächst insolventen und am Ende vermögenslosen Gesellschaft. Ein Nachforderungsrecht der nicht befriedigten Gläubiger kann es mangels fortbestehendem Schuldner nicht geben; eine Restschuldbefreiung ist überflüssig. Übersteht hingegen ausnahmsweise eine insolvente Gesellschaft als Unternehmensträgerin ihre Insolvenz, da sie nicht ihr Vermögen verliert, sondern über einen Insolvenzplan saniert wird, so kommt es ebenfalls nicht zu einem Nachforderungsrecht der Gläubiger, da in diesen Fällen alle Forderungen, deren Erfüllung im Sanierungsplan nicht vorgesehen ist, mit dem Eintritt der Planwirkungen erlöschen (§ 227 Abs. 1 InsO). Insgesamt bleibt damit nur die Insolvenz einer selbstständig tätigen natürlichen Person mit Angestellten oder unüberschaubaren Vermögensverhältnissen143 der einzig denkbare – wenn auch in der Praxis nicht zu vernachlässigende – Fall einer Unternehmensinsolvenz, in der ohne eine Restschuldbefreiung das freie Nachforderungsrecht der Gläubiger droht. Hier ist es dann Sache des Schuldners, wie in der Verbraucherinsolvenz einen Antrag auf Restschuldbefreiung zu stellen und das Insolvenzverfahren in ein Restschuldbefreiungsverfahren zu überführen. Bei diesem eher kleineren Anwendungsbe141 Insoweit zutreffend Ganter, in: MünchKomm, InsO, Vor §§ 2 bis 10 Rn. 8. Die Gleichrangigkeit der Restschuldbefreiung als Verfahrensziel ist trotz der gesetzlichen Regelung in § 1 Satz 2 InsO durchaus streitig; dagegen etwa Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 1.12; hiergegen wiederum: Hess, in: Hess, InsR, § 1 InsO Rn. 19. 142 So die Daten des Statistischen Bundesamtes – siehe Angele, Wirtschaft und Statistik 2007, 352, 355. 143 Andere Kleinunternehmen werden über § 304 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 InsO in das Verbraucherinsolvenzverfahren einbezogen.

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reich einer Restschuldbefreiung im Regelinsolvenzverfahren kann es nicht verwundern, dass in der Gesetzesbegründung von der Haftungsverwirklichung als »Hauptzweck« 144 oder »Hauptziel« 145 des Verfahrens gesprochen wird. Dennoch sieht auch der Gesetzgeber die Restschuldbefreiung als zentralen Verfahrenszweck an,146 der in der Verbraucherinsolvenz schließlich zum Hauptzweck des Verfahrens wird. In der Gesamtbetrachtung prägen beide Zweckrichtungen das heutige Insolvenzverfahren. 3. Schlussfolgerung Bei einer zweckorientierten Einordnung des Insolvenzverfahrens in das System der Gerichtsbarkeiten muss man dem Gedanken der Restschuldbefreiung gegenüber dem der Haftungsverwirklichung eine so weitgehende Bedeutung im heutigen Insolvenzverfahren zumessen, dass er auch bei der rechtlichen Qualifikation des Verfahrens nicht einfach ignoriert werden kann. Die Restschuldbefreiung lässt sich nun allerdings aus dem Interesse der vorhandenen Gläubiger an einer Durchsetzung ihrer Forderungen und der damit verbundenen Verwirklichung der Haftung des Schuldners mit seinem verwertbaren Vermögen nicht erklären. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall; die Restschuldbefreiung vereitelt jede Forderungsdurchsetzung endgültig. Dennoch ist sie wesentlicher Bestandteil des heutigen Insolvenzverfahrens. Die Qualifikation des Insolvenzverfahrens als Vollstreckungsverfahren versagt im Angesicht dieser modernen Funktionsvielfalt. Es muss also nach anderen Erklärungsansätzen gesucht werden.

II. Die Gegenansicht: Das Insolvenzverfahren als Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit Eine verbreitete Literaturansicht sah schon in den Konkurs- und Vergleichsverfahren keine Zwangsvollstreckungsverfahren. Stattdessen wollte man beide Verfahren materiell gänzlich der streitigen Gerichtsbarkeit entziehen und den Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuordnen.147 Folgerichtig finden sich auch für das Insolvenzverfahren Stimmen, welche die Einordnung als streitiges Prozessverfahren ablehnen und eine Zuordnung zur freiwilligen Gerichtsbarkeit befürworten.148 Die Beantwortung der Frage nach der Qualifikation des 144

BT-Drucks. 12/2443, S. 83. BT-Drucks. 12/2443, S. 108. 146 BT-Drucks. 12/2443, S. 84. 147 Bley/Mohrbutter, VglO, § 2 Rn. 38; Berges, KTS 1960, 1, 4; ders., BB 1982, 1455, 1456; Bötticher, ZZP 86 (1973), 373, 378 ff.; Carl, Teilnahmerechte im Konkurs, S. 80; Lorenz, KTS 1963, 237, 238; Münzel, ZZP 66 (1953), 334, 338. 148 Becker, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 2 Rn. 8 sowie § 5 Rn. 1; ders., Insolvenzrecht, Rn. 251; Braun, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 66 Rn. 22; Brehm, Freiwillige Ge145

C. Die Natur des richterlichen Handelns bei der Planbestätigung

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Insolvenzverfahrens als Verfahren der streitigen oder aber der freiwilligen Gerichtsbarkeit hängt zunächst davon ab, welches Abgrenzungskriterium man für maßgeblich erachtet. 1. Die formelle Zuordnung zur freiwilligen bzw. streitigen Gerichtsbarkeit Primär erfolgt die Zuweisung von Angelegenheiten zu den Verfahren der freiwilligen oder der streitigen Gerichtsbarkeit aufgrund einer Anordnung durch den Gesetzgeber, also nach einem rein formellen Gesichtspunkt.149 Dieser Grundsatz ergibt sich eigentlich schon aus der gesetzlichen Regelung in § 13 GVG i. V. m. § 3 Abs. 1 EGZPO, nach der bürgerliche Rechtsstreitigkeiten grundsätzlich den ordentlichen Gerichten (§ 13 GVG) zugewiesen und damit der ZPO (§ 3 Abs. 1 EGZPO) unterworfen sind. Hiervon ausgenommen sind nach § 13 GVG nur die Fälle, in denen die betreffende Streitigkeit durch Bundesgesetz einem besonderen Gericht zugewiesen wurde. Nur dann kann eine von der ZPO abweichende Verfahrensregelung zur Geltung kommen und eine solche würde sich etwa im FamFG finden. Das Problem an einer solchen Herleitung der formellen Zuordnung von Angelegenheiten zur freiwilligen Gerichtsbarkeit aus den § 13 GVG, § 3 Abs. 1 EGZPO ist § 2 EGGVG. Nach dessen klarem Wortlaut sind die Vorschriften des GVG nur auf die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit anzuwenden; die freiwillige Gerichtsbarkeit wird folglich nicht erfasst. § 13 GVG, § 3 Abs. 1 EGZPO kann daher nur den Anwendungsbereich der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit bestimmen, nicht aber den der freiwilligen. Es ist daher die Regelung in § 1 FamFG (früher in § 1 FGG), die in Anlehnung an § 13 GVG klarstellt, dass nur solche Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit unterstellt sind, die deren Gerichten durch Bundesgesetz übertragen wurden. § 1 FamFG ist insofern nicht bedeutungslos oder gar tautologisch,150 sondern wegen des § 2 EGGVG not-

richtsbarkeit, Rn. 19; Habscheid, KTS 1999, 59, 62 f.; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 3.05; auch Smid, NJW 1994, 2678 und ZIP 1995, 1137, 1141; ders., in: Smid, InsO, § 4 Rn. 1, 6; ders., Grundzüge des Insolvenzrechts, § 1 Rn. 64, obwohl Smid in InsO, § 4 Rn. 5 sowie Grundzüge des Insolvenzrechts, Rn. 66 »auch« die Funktion als Gesamtvollstreckungsverfahren anerkennt. Zumindest die Nähe zu den Aufgaben der freiwilligen Gerichtsbarkeit betont auch Weber, FS 100 Jahre KO, 1977, 321, 344. 149 Siehe § 1 FamFG; bis 2009 identisch in § 1 FGG. Unstreitig – statt vieler Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Rn. 5; Hess, in: Hess, InsR, Vor § 2 InsO Rn. 10; Schlegelberger, FGG, § 1 Rn. 6 ff., Schmidt, in: Keidel/Kuntze/Winkler, FG, § 1 Rn. 3; von Schnuckmann, in: Jansen, FGG, § 1 Rn. 4. 150 So zum alten § 1 FGG: Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 3. Aufl. 2002, Rn. 10. Für den neuen, inhaltsgleichen § 1 FamFG verzichtet er auf dieses Argument. Stattdessen hält er einer rein fromellen Anknüpfung vor, Regelungslücken für Verfahren entstehen zu lassen, die klassischerweise der freiwilligen Gerichtsbarkeit unterfallen – so nun Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Rn. 11. Erlaubt man aber eine formelle Zuordnung auch aus dem Sachzusammenhang oder aber dem Gewohnheitsrecht heraus, so werden auch diese Lücken zwanglos

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wendige Ergänzung der in § 13 GVG und § 3 EGZPO festgelegten Grundsätze.151 Eine Angelegenheit unterliegt also dann unstreitig den Verfahrensregelungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, wenn eine Bundesnorm sie dem Anwendungsbereich des FamFG unterwirft, indem sie für die Vornahme einer bestimmten Handlung im Rechtsverkehr die Zuständigkeit eines Gerichtes begründet (»echte FG-Sache«) oder aber explizit für ein gerichtliches Verfahren auf die Vorschriften des FamFG verweist (»unechte FG-Sache«).152 Solche Zuweisungen finden sich inzwischen für eine Vielzahl von Angelegenheiten,153 nicht jedoch für das Insolvenz- oder das Insolvenzplanverfahren. Hier wird weder die Vornahme einer materiellrechtliche Rechtshandlung isoliert dem Insolvenzgericht übertragen noch explizit das gesamte Insolvenz(plan)verfahren dem FamFG unterworfen. Es findet sich damit keine gesetzgeberische Zuweisung zu den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.154 Stattdessen findet sich die – schon diskutierte – Regelung des § 4 InsO, wonach die Vorschriften der Zivilprozessordnung auf das Insolvenzverfahren lückenfüllend entsprechend anzuwenden sind. Diese Norm beinhaltet aber – wie gesehen – nur eine Verweisung, nicht aber eine gesetzgeberische Zuordnung des Insolvenzverfahrens zur streitigen Gerichtsbarkeit.155 Die Einordnung des Insolvenzverfahrens in das System der Zivilgerichtsverfahren bleibt damit zunächst weiter offen. 2. Die materielle Zuordnung des Insolvenzverfahrens Aufgrund des Fehlens einer Zuweisungsnorm im Sinne des § 1 FamFG müssen alle Versuche, das Insolvenzverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu unterstellen, auf materielle Gesichtspunkte zurückgreifen. Dieses methodische Vorgehen setzt natürlich voraus, dass es Merkmale gibt, die ein Verfahren als Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit charakterisieren. Dies wiederum scheint nicht fern zu liegen. Bei der Schaffung der Konkursordnung um das Jahr 1870 ging man ohne Weiteres davon aus, dass der Konkurs kein Prozess im Sinne einer bürgerlichen Rechtsstreitigkeit, sondern eher eine Vermögensliquidation sei, und die Teilnahme des Gerichts an derselben daher als »Ausfluss der

geschlossen, ohne eine umfassende materielle Definition notwendig zu machen – in diese Richtung argumentiert auch Schmidt, in: Keidel/Kuntze/Winkler, FG, § 1 Rn. 4. 151 Darauf wies für den alten § 1 FGG schon Schlegelberger (FGG, § 1 Rn. 11) hin; ähnlich Bettermann, FS Lent, 1957, 17, 18; auch von Schnuckmann, in: Jansen, FGG, § 1 Rn. 12. 152 Näher dazu etwa von Schnuckmann, in: Jansen, FGG, § 1 Rn. 12, 18. 153 Eine Übersicht findet sich etwa bei Bumiller/Harders, FamFG, § 1 Rn. 4 ff. oder von Schnuckmann, in: Jansen, FGG, § 1 Rn. 20 ff. 154 Hierauf zutreffend hinweisend: Gerloff, Funktionen und Aufgaben des Insolvenzgerichts, S. 171. 155 Siehe oben I. 1. Gerloff, Funktionen und Aufgaben des Insolvenzgerichts, S. 39.

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freiwilligen Gerichtsbarkeit« erachtet werden müsse.156 Warum aber das Konkursverfahren als Liquidationsverfahren dem Wesen nach der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuzuordnen sei, wird in den Materialien leider nicht erklärt. Später wurden hierfür zwei Begründungen angeführt: Der Konkurs sei eine »Regelungsstreitigkeit« und die gerichtliche Tätigkeit keine streitentscheidende, sondern eine rechtsfürsorgende. Beiden Begründungen wird nun nachzugehen sein, wobei wir mit letzterer beginnen. a) Der Begriff der »Rechtsfürsorge« Die Versuche, gewisse Verfahren aufgrund ihres Inhalts oder Zwecks den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu unterstellen, sind vielfältig.157 Sie alle darzustellen, würde den Rahmen dieser Untersuchung sprengen und erscheint zudem nicht notwendig, ist doch der grundlegende Anknüpfungspunkt all dieser Ansätze die Tatsache, dass Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit historisch einen »klassischer Anwendungsbereich« haben: die Vormundschafts-, Nachlass- und Registersachen. In diesem Rahmen kann in der Tat eine prägende Gemeinsamkeit dahin gehend festgestellt werden, dass in diesen Fällen das Gericht nicht »streitentscheidend« (kontradiktorisch), sondern eher »rechtsfürsorgend« (verwaltend) tätig wird.158 (1) Kontradiktorische vs. verwaltende Gerichtsbarkeit In der klassischen Abgrenzung zwischen streitiger und freiwilliger Gerichtsbarkeit soll die streitige Gerichtsbarkeit dadurch geprägt sein, dass Gegenstand ihres Handeln die Feststellung und Durchsetzung von privaten Ansprüchen und Rechten ist, die eine Partei geltend macht, während die Gegenpartei sie kontradiktorisch verneint. Eben der Umstand einer Rechtsfindung in einem kontradiktorischen Parteienstreit sei daher maßgebliche Eigenart der streitigen Gerichtsbarkeit.159 Demgegenüber sei der Aufgabenbereich des Gerichtes in der freiwilligen Gerichtsbarkeit dadurch charakterisiert, dass hier kein Parteienstreit um Rechte oder Ansprüche besteht, sondern der Richter in der Regel nur einem Antragsteller gegenübersteht und ihm bei der Begründung und Gestaltung privater Rechtsverhältnisse hilft oder private Gewaltverhältnisse kontrol-

156

Hahn, Materialien IV, S. 273. Vgl. die Übersichten bei Bärmann, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 27 ff.; Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Rn. 20 ff. oder Schlegelberger, FGG, § 1 Rn. 21 ff. 158 Auf diesen Fürsorgecharakter wird heute daher wohl überwiegend abgestellt, wenn zur Lösung von Zweifelsfällen eine materielle Definition der freiwilligen Gerichtsbarkeit gesucht wird – vgl. Bärmann, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 31; Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Rn. 12 f.; Habscheid, KTS 1999, 59, 61; Hess, in: Hess, InsR, Vor § 2 InsO Rn. 13; Münzel, ZZP 66 (1953), 334, 367; Staab, Gestaltungsklage, S. 140. 159 Vgl. etwa Bötticher, FS Lent, 1957, 89, 91; Carl, Teilnahmerechte im Konkurs, S. 133; Joussen, Schlichtung, S. 11. 157

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liert.160 Das Gericht wird hier nicht im Interesse der Streitbeilegung, sondern vorbeugend zur Konfliktverhinderung tätig, indem es beispielsweise öffentliche Register führt. Materiell handele es sich dabei um eine »staatliche Verwaltungstätigkeit im Dienste der Privatrechtsordnung«.161 Dem Wesen solcher richterlichen Tätigkeit entspricht es daher auch, wenn diese Tätigkeiten funktionell weitgehend nicht dem Richter, sondern dem Rechtspfleger zugewiesen werden (vgl. §§ 3 Nr. 1 und 2, 14 ff. RPflG). (2) Die Haltung des Gesetzgebers So überzeugend diese materielle Definition erscheinen mag, sie deckt sich leider nicht (mehr) mit dem tatsächlichen Anwendungsbereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Der Gesetzgeber hat im Laufe der Zeit über den klassischen Bereich der Verfahren hinaus eine Vielzahl von Angelegenheiten dem Anwendungsbereich des FGG (seit 2009 FamFG) unterstellt, die keinen rechtsfürsorgenden Charakter haben bzw. nur eine Verwaltungstätigkeit verlangen. Inzwischen gehören unstreitig auch echte Streitverfahren zu den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Nur beispielhaft seien hier gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen, die Anfechtung von Justizverwaltungsakten oder auch Verfahren zur Ersetzung einer Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft nach den §§ 1365, 1369, 1426, 1430, 1452 BGB genannt.162 Im Ergebnis scheitern alle Ansätze einer wirklich umfassenden materiellen Definition an der so entstandenen Vielfalt.163 Dies ist insofern nur allzu verständlich, als der Gesetzgeber bei der Zuweisung eines Verfahrens zum Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit keinem einheitlichen System oder einheitlichem Begriff, sondern allein Zweckmäßigkeitserwägungen folgt.164 Hält er einen umfassenden Zivilprozess mit seinen Beweislastregeln für unnötig, so lässt er das – etwa infolge des Amtsermittlungsgrundsatzes – einfachere und elastischere Verfahren des 160

Vgl. etwa von Schnuckmann, in: Jansen, FGG, § 1 Rn. 4. So etwa Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Rn. 13. 162 Übersichten über Streitsachen im Anwendungsbereich des FGG finden sich etwa bei: Bärmann, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 7, 26; Bumiller/Harders, FamFG, § 1 Rn. 8 ff. 163 Das Fehlen eines einheitlichen Wesensmerkmals unter allen heutigen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist das entscheidende Hindernis für die Anerkennung jeder bislang entwickelten materiellen Definition – ebenso Bärmann, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 29; ders., AcP 154 (1955), 373, 378; Hess/Weis, WM 1998, 2349 (Fn. 1); Münzel, ZZP 66 (1953), 334, 335; Pawlowski/Smid, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Rn. 6; Schlegelberger, FGG, § 1 Rn. 2 ff.; Schmidt, in: Keidel/Kuntze/Winkler, FG, § 1 Rn. 3; von Schnuckmann, in: Jansen, FGG, § 1 Rn. 1, 4. Auch Brehm entwickelt daher seine materielle Definition nur für den Fall gesetzgeberischer Unklarheiten (Freiwillige Gerichtsbarkeit, Rn. 8, 10). Die Praxis stört das nicht; hier reicht die formelle gesetzliche Zuordnung einer Angelegenheit zur freiwilligen Gerichtsbarkeit (Bärmann, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 31). 164 Bärmann, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 6, 30; Bumiller/Harders, FamFG, § 1 Rn. 6; Pawlowski/Smid, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Rn. 6; Schlegelberger, FGG, § 1 Rn. 4; Staab, Gestaltungsklage, S. 139. Bärmann spricht insofern durchaus nachvollziehbar von einem »Experimentierfeld des Gesetzgebers« (Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 7). 161

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FamFG zur Anwendung kommen. Umgekehrt kann es so auch ohne weiteres dazu kommen, dass Verfahren wie solche nach dem Wohnungseigentumsgesetz, die bislang der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugewiesen waren, nach einer Reform plötzlich dem Zivilprozess der ZPO unterworfen werden.165 Die materielle Qualität einer Angelegenheit ist eben gerade kein Zuordnungskriterium für den Gesetzgeber. Einen einheitlichen materiellen Begriff einer Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit kann es vor diesem Hintergrund heute nicht mehr geben. (3) Das Insolvenzverfahren – (auch) ein materielles Liquidationsverfahren Wenn man von diesen – wesentlichen – Bedenken gegen eine materielle Zuweisung von Angelegenheiten zum Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit (zu Unrecht) absehen will, so scheint es auf den ersten (flüchtigen) Blick nicht ausgeschlossen, das Insolvenzverfahren materiell derselben zuzuordnen. Hierzu müsste sich die Rolle des Insolvenzgerichtes prägend auf eine bloß verwaltende Hilfstätigkeit bei der Gestaltung privater Rechtsverhältnisse beschränken und dies scheint der Fall zu sein. Das Insolvenzverfahren (wie auch das Insolvenzplanverfahren) dient nach heutigem Verständnis der marktkonformen Insolvenzbewältigung durch privatautonome Investitions- oder Deinvestitionsentscheidungen der betroffenen Gläubiger. Jede diesbezügliche »Bevormundung der privaten Beteiligten durch Gericht und Verwalter« hat zu unterbleiben.166 Das Insolvenzgericht entscheidet also nicht in einem Streit der Beteiligten über die Art und Weise der Insolvenzbewältigung; es soll allein die privatautonomen Entscheidungsprozesse im gerichtlichen Verfahren überwachen und fördern. Das Insolvenzgericht prüft darüber hinaus auch nicht die angemeldeten Gläubigerforderungen; soweit einer Anmeldung widersprochen wird, findet der so entstandene (kontradiktorische) Rechtsstreit nicht vor dem Insolvenzgericht im Insolvenzverfahren statt, sondern ist gemäß § 180 Abs. 1 Satz 1 InsO vor dem jeweils zuständigen Prozessgericht zu führen. Dasselbe gilt bei einem Streit über Sicherungs-, also Absonderungsrechte; auch diesbezüglich hat das Insolvenzgericht keine Entscheidungsbefugnis. Es ist vielmehr die Aufgabe des Insolvenzverwalters, in einem kontradiktorischen Rechtsstreit gemäß § 256 ZPO auf die Feststellung des Nichtbestehens des Absonderungsrechtes zu klagen.167 Und auch der Streit um Insolvenzanfechtungen ist als streitiges Verfahren den Prozessgerichten zugewiesen; § 143 InsO gewährt insofern nur einen klagbaren Anspruch. Entscheidungen in kontradiktorischen Streitigkeiten über materielle Ansprüche der Gläubiger finden also grundsätzlich vor den Prozessgerichten der streitigen Gerichtsbarkeit statt; sie sind dem Insolvenzgericht insoweit ent165 So geschehen mit der Novelle des Wohnungseigentumsgesetz vom 23. 3. 2007 (BGBl. I 2007, 370). 166 BT-Drucks. 12/2443, S. 76. 167 So Hess, in: Hess, InsO, § 50 Rn. 16.

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zogen.168 Ihm obliegt allein die Eröffnung, Leitung und Beendigung des Insolvenzverfahrens, insbesondere die Einsetzung und Beaufsichtigung der sonstigen Insolvenzorgane (Insolvenzverwalter, Gläubigerversammlung oder Gläubigerausschuss), wobei gemäß § 5 Abs. 1 InsO wie in FamFG-Verfahren der Amtsermittlungsgrundsatz gilt. Vor diesem Hintergrund könnte man durchaus eher von einer rechtsfürsorgenden/verwaltenden als von einer streitentscheidenden gerichtlichen Tätigkeit sprechen.169 Es überrascht daher nicht, dass im Insolvenzverfahren gemäß §§ 3 Nr. 2 e), 18 RPflG weitgehend der Rechtspfleger die Aufgaben des Insolvenzgerichts wahrnimmt. Würde die Betrachtung an dieser Stelle stehen bleiben, so würde sie allerdings lediglich die gesetzlich gewollte Verfahrensweise, also die Methode der Liquidation der Insolvenzmasse erfassen und dabei vollständig die Funktionen des Verfahrens, insbesondere die in § 1 Satz 1 InsO festgehaltene Kernfunktion des Insolvenzerfahrens als Instrument der Haftungsverwirklichung, ausblenden. Dieses dient eben nicht allein der gerichtlich organisierten und beaufsichtigten Gläubigerkoordinierung in einer von ihnen selbstverwalteten Vermögensliquidation, sondern wendet sich in seiner Grundausrichtung wie ein Vollstreckungsverfahren gegen den Schuldner, indem es ihn – selbst im Fall der Eigenverwaltung und selbst bei einem Eröffnungsantrag des Schuldners – zur Aufgabe seines pfändbaren Vermögens zwingt. Das Insolvenzverfahren ist in allen Fällen ein Zwangsverfahren.170 Es entzieht dem Schuldner nicht nur die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen, sondern im Ergebnis sein Vermögen als Ganzes. Zugleich verschafft es den Gläubigern in ihrer Gesamtheit den hoheitlichen Zugriff auf eben dieses Schuldnervermögen. Das Insolvenzverfahren hat in dieser Kernfunktion das Wesen eines Vollstreckungsverfahrens, also eines Verfahrens zur zwangsweisen Durchsetzung einer vermö168 Gerhardt, in: Jaeger, InsO, § 2 Rn. 10: »Jede Streitentscheidung ist dem Insolvenzrecht fremd«. Eine rechtsgeschichtliche Darstellung der Überwindung des Gedankens vom umfassenden Konkursprozess findet sich etwa bei Carl, Teilnahmerechte im Konkurs, S. 66 ff. Im amerikanischen Insolvenzrecht gilt dieser Gedanke übrigens noch; dort entscheidet das Insolvenzgericht über alle mit der Insolvenz zusammenhängenden Rechtsstreitigkeiten und Prozesse (sog. »vis attractiva concursus«). 169 So insbesondere Becker, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 5 Rn. 1; Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Rn. 19; Carl, Teilnahmerechte im Konkurs, S. 84, 126; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 3.05; Smid, in: Smid, InsO, § 4 Rn. 1, 6; ders., ZIP 1995, 1137, 1141; ders., DZWIR 2005, 364, 367. Selbst Befürworter der Zuordnung zur streitigen Gerichtsbarkeit erkennen dies oft an – vgl. etwa Gerhardt, in: Jaeger, InsO, § 2 Rn. 15; Haarmeyer/Wutzke/ Förster, Handbuch zur Insolvenzordnung, Kapitel 2, Rn. 4; Hess, in: Hess, InsR, Vor § 2 InsO Rn. 14; Jaeger, Konkursrecht, S. 164; Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 72 Rn. 1; Schmerbach, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 4 Rn. 2 und selbst der BGH spricht in BGHZ 95, 256, 265 im Hinblick auf Sinn und Zweck des Konkursverfahrens von einer »Nähe zu Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit«. 170 Darauf zutreffend hinweisend Gerloff, Funktionen und Aufgaben des Insolvenzgerichts, S. 171 f.; Hess, in: Hess, InsR, Vor § 2 InsO Rn. 15; Hess/Weis, WM 1998, 2349 (Fn. 1) und sogar Smid, InsO, § 4 Rn. 5 sowie Grundzüge des Insolvenzrechts, § 1 Rn. 66.

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gensrechtlichen Haftung, auch wenn die Methoden nicht denen des Zivilprozesses171 oder der Einzelzwangsvollstreckung im Achten Buch der ZPO entsprechen. Die gegen diese Annahme oft hervorgebrachte172 Charakterisierung des Insolvenzverfahrens als Liquidationsverfahren kennzeichnet demgegenüber – und dies zutreffend – nur die Art und Weise (die Methode) der Verwertung und Verteilung des zwangsweise entzogenen Schuldnervermögens.173 Materiellrechtlich betrachtet beinhaltet jedes Insolvenzverfahren wie jedes ehemalige Konkursverfahren die Auseinandersetzung einer Bruchteilsgemeinschaft (§§ 752 ff. BGB); es ist damit ein Liquidationsverfahren. Wie bereits an früherer Stelle ausgeführt174 bilden die Gläubiger des Schuldners ab dem Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung eine echte Rechtsgemeinschaft im Sinne des § 741 BGB mit dem Verwertungsrecht über die Insolvenzmasse als gemeinschaftlichem Recht. Die Auseinandersetzung dieser Gemeinschaft und die daraus folgende Bewältigung der Insolvenzsituation unter gleichzeitiger Verwirklichung der Haftungsfunktion des Schuldnervermögens ist der alleinige Zweck des Insolvenzverfahrens. Dabei ersetzt das Verwertungsverfahren der §§ 148 ff. InsO als speziellere Normierung die allgemeinere Regelung der §§ 752 ff. BGB. Dennoch entspricht die Art und Weise der Verwertung im Insolvenzverfahren verblüffend genau diesen allgemeinen Regelungen. Da eine Teilung des gemeinschaftlichen Gegenstandes – des Schuldnervermögens175 –, auf das sich das gemeinschaftliche Recht bezieht, unter allen Gläubigern in Natur entsprechend ihrer Quoten (§ 752 BGB) ebenso wenig möglich ist wie eine bloße Einziehung des Verwertungsrechtes (§ 754 BGB), geschieht die Auseinandersetzung durch die Umsetzung aller Gegenstände des Schuldnervermögens in Bargeld und die Auskehr dieses Erlöses unter den Teilhabern (§ 753 BGB). Das somit zweifellos vorhandene Liquidationselement des Insolvenzverfahrens beschreibt nun allerdings nur den Aspekt der Auseinandersetzung der Gläubigergemeinschaft am Verwertungsrecht an der Insolvenzmasse, die ansonsten in ähnlicher Weise über die §§ 752 ff. BGB erfolgen müsste. Es kann hingegen nicht die Zwangswirkungen des Verfahrens gegenüber dem Schuldner erklären, da dieser nicht Teil der Gemeinschaft ist. Die ihn betreffenden Wirkungen ergeben sich nicht aus dem Liquidationsverfahren der Gläubigerge171 Eine ausführliche Herausarbeitung der unterschiedlichen Verfahrensstrukturen im Konkursverfahren und Zivilprozess fi ndet sich bei Carl, Teilnahmerechte im Konkurs, S. 94 ff. 172 Berges, KTS 1957, 49, 50 f.; ders., KTS 1960, 1, 4; ders., BB 1982, 1455, 1456; Bötticher, ZZP 86 (1973), 373, 380 f.; Münzel, ZZP 66 (1953), 334, 338. 173 Gerhardt, in: Jaeger, InsO, § 2 Rn. 22. 174 Siehe oben im Dritten Kapitel C. 2. 175 Das gemeinschaftliche Recht der Bruchteilsgemeinschaft (hier das Verwertungsrecht) ist vom Gegenstand dieses Rechtes zu trennen – vgl. dazu die Ausführungen im Dritten Kapitel C. 2. b). (2).

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meinschaft; sie gehen dem Liquidationsverfahren voraus und treten unabhängig von diesem auf gesetzlicher Grundlage ein. Eben diese in den §§ 80 ff. InsO festgehaltenen Wirkungen schaffen erst die Gläubigergemeinschaft inklusive des der Gemeinschaft zugrunde liegenden Verwertungsrechts aller Gläubiger, indem sie die Insolvenzmasse dem Zugriff des Schuldners entziehen und an alle Gläubiger gemeinschaftlich zuweisen. Der Eintritt dieser gesetzlichen Zwangswirkungen des Insolvenzverfahrens steht nicht zur Disposition des Schuldners, der Gläubiger oder ihrer Gemeinschaft und prägt daher jedes Insolvenzverfahren, selbst wenn es auf einem Schuldnerantrag beruht und einen Insolvenzplan zum Gegenstand hat. Sie verwirklichen die Haftungszuweisung aufgrund der Gläubigerforderungen, sollen potenziellen Widerstand beim Schuldner brechen und haben somit Vollstreckungsfunktion.176 Anknüpfungspunkt für den Eintritt der Zwangswirkungen ist in der Regel eine Tätigkeit des Insolvenzgerichts im Eröffnungsverfahren, also entweder die Anordnung einer Sicherungsmaßnahme nach § 21 InsO oder aber der Eröffnungsbeschluss selbst. Allerdings ist die gerichtliche Anordnung von Zwangsmaßnahmen auch noch im eröffneten Verfahren möglich (vgl. §§ 98, 99 InsO). Das Insolvenzgericht handelt insoweit nicht bloß rechtsfürsorgerisch oder verwaltend, sondern als Entscheidungsträger in einem kontradiktorischen Rechtsstreit (wie ein Vollstreckungsgericht). Dessen Tätigkeit kann insofern materiell ebenso wenig der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugeordnet werden wie die eines Vollstreckungsgerichts in der Einzelzwangsvollstreckung.177 Festzuhalten ist allerdings, dass die Tätigkeiten des Insolvenzgerichts im Rahmen der Liquidation der Gläubigergemeinschaft, also all die Aufgaben zur Organisation und Aufsicht über die Gläubigerselbstverwaltung, ebenso rechtsfürsorgender Natur sind wie dessen Tätigkeiten im Rahmen des Restschuldbefreiungsverfahrens nach §§ 286 ff. InsO. Letzteres ist ein Antragsverfahren im reinen Schuldnerinteresse, das – wie das Liquidationsverfahren unter den Gläubigern – keine Entscheidung über streitige materielle Rechte oder Ansprüche beinhaltet. Es entspringt allein sozialpolitischen Motiven,178 überträgt dem Insolvenzgericht insofern eher verwaltende Aufgaben und wäre daher materiell durchaus eher der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuzurechnen (wenn man denn eine materielle Zuordnung vornehmen kann). Prägend für das Insolvenzverfahren ist folglich eine – schon in § 1 InsO festgehaltene – Funktionsvielfalt179, die 176 Gerhardt, in: Jaeger, InsO, § 2 Rn. 12. Diese Funktion ist denn auch Grundlage der oben (unter I.) aufgezeigten herrschenden Ansicht, welche das Insolvenzverfahren der streitigen Gerichtsbarkeit zuordnet. 177 Konsequent ist insofern die Argumentation bei Becker, Insolvenzrecht, Rn. 251 und Münzel, ZZP 66 (1953), 334, 339, wenn sie neben dem Konkurs- bzw. Insolvenzverfahren auch die Einzelzwangsvollstreckung der Sache nach der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuordnen. 178 Vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 81. 179 Diese betont zu Recht auch Gerhardt, in: Jaeger, InsO, § 2 Rn. 9. Pape, in: Uhlenbruck,

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sich naturgemäß auch in der gerichtlichen Tätigkeit widerspiegelt. Jede einseitige Betrachtung würde dieser Vielfalt nicht gerecht; sie ist zu respektieren. Das Insolvenzverfahren sollte daher als gerichtliches Verfahren mit (gesamt-)vollstreckungsrechtlichen und rechtsfürsorgenden Elementen angesehen werden.180 (4) Das Insolvenzplanverfahren Diese Funktionsvielfalt lässt sich zunächst auch für das Planverfahren der §§ 217 ff. InsO feststellen. Die allgemeinen Zwangswirkungen jedes Insolvenzverfahrens treffen den Schuldner auch hier; das Planverfahren ist eben nur eine besondere Form des Insolvenzverfahrens und baut auf dessen allgemeinen Wirkungen auf. Es dient daher ebenso dem einheitlichen Verfahrenszweck einer optimalen Haftungsverwirklichung181 und hat insoweit primär Vollstreckungsfunktion. Daneben beschränkt sich der Inhalt der gerichtlichen Tätigkeit im laufenden Planverfahren – wiederum vergleichbar mit dem Regelinsolvenzverfahren – auf rein verfahrensleitende und organisierende Maßnahmen, die diesmal nicht nur die Gläubigerselbstverwaltung, sondern auch die Schuldnerbeteiligung betreffen und wiederum grundsätzlich dem Rechtspfleger funktionell zugewiesen sind (§§ 3 Nr. 2e, 18 RPflG). Kontradiktorische Streitigkeiten muss auch er zunächst nicht entscheiden. Insbesondere Streitigkeiten um Gläubigerforderungen und Sicherungsrechte bleiben wie im Regelinsolvenzverfahren den Prozessgerichten überlassen; Sonderregelungen gibt es hier nicht. Eine Besonderheit gilt allein für die Bestätigungsentscheidung selbst. Dazu gleich mehr.182 Insgesamt bleibt es damit bei dem Bild, das schon das Insolvenzverfahren abgab, was insofern die Einheitlichkeit des heutigen Insolvenzrechts widerspiegelt. Die Verfahren sind von einer Funktionsvielfalt geprägt, die Elemente der streitigen wie der freiwilligen Gerichtsbarkeit beinhaltet. b) Regelungsstreitigkeiten als FG-Verfahren Gerade für die Grenzfälle richterlichen Handelns, in denen sich Streitsachen nach der klassischen Definition einer eindeutigen Zuordnung zu einer der Gerichtsbarkeiten widersetzten, ist von Bötticher 183 der Begriff der »Regelungsstreitigkeit« geprägt worden, den er dem Kollektivarbeitsrecht entnommen InsO, § 4 Rn. 1, spricht von der »Multifunktionalität« des Insolvenzrechts; Karsten Schmidt, KTS 1988, 1, 3, von einer »Gemengelage im Insolvenzrecht«. 180 Gerhardt, in: Jaeger, InsO, § 2 Rn. 16, spricht zutreffend von einer »verfahrensrechtlichen Typenmischung des Insolvenzverfahrens«. 181 Vgl. etwa BT-Drucks. 12/2443, S. 83: Die Verwirklichung der Vermögenshaftung ist der »einheitliche, also unabhängig von der bestimmten Verwertungsart bestimmte Hauptzweck« jedes Insolvenzverfahrens. Er liegt also auch einer planmäßig bestimmten Verwertungsart zugrunde. 182 Siehe unten IV. 183 FS Lent, 1957, 89 ff.

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hat.184 Dabei unterscheidet er die Regelungsstreitigkeiten von den Rechtstreitigkeiten. Der Begriff der Rechtstreitigkeit ist dabei einfach zu definieren und allgemein anerkannt. Rechtsstreitigkeiten sind Meinungsverschiedenheiten über die bestehende Rechtslage. Kommt es hierüber zu richterlichen Verfahren, so muss aus der Anwendung der staatlich gesetzten oder von den Parteien vereinbarten Rechts auf den konkreten Sachverhalt eine bestehende Rechtslage festgestellt werden.185 Bei Regelungsstreitigkeiten handelt es sich dagegen um Meinungsverschiedenheiten, die nicht über die bestehende Rechtslage, sondern über eine erst noch zwischen den Parteien zu schaffende Rechtslage entstanden sind.186 Bei Regelungsstreitigkeiten ist den Parteien die Regelung eines gewissen Rechtsverhältnisses überlassen worden. Beispiele hierfür gibt es zahlreiche: Tarifvertragsparteien obliegt der Abschluss von Tarifverträgen; Eheleuten im Falle der Scheidung die Vereinbarung über Hausrat und Versorgungsausgleich; einer Partei oder einem Dritten nach den §§ 315, 317 BGB die Festsetzung der vertraglichen Hauptleistung. Entsteht in solchen Angelegenheiten Streit, da die Regelung einvernehmlich nicht zustande kommt oder aber eine einseitige Leistungsbestimmung unterbleibt bzw. unbillig erscheint, so kann das angerufene Gericht nicht im Wege der bloßen Rechtsanwendung eine Rechtslage feststellen. Es bedarf hier vielmehr einer Rechtsschöpfung. Diese obliegt grundsätzlich den Parteien, kann aber vom Gesetzgeber auch (häufig subsidiär) einem Hoheitsträger wie einem Richter zugestanden werden. Man spricht dann auch von richterlicher Einigungs- oder Vertragshilfe. In solchen Fällen wird der Richter rechtsschöpfend und damit rechtsgestaltend tätig; 187 er bestimmt die Verteilung des Hausrats oder setzt die vertragliche Leistung fest. Formal fällt er ein Gestaltungsurteil.188 Der Richter ist in Regelungsstreitigkeiten also nicht in der Rolle des die Rechtslage erkennenden und feststellenden Entscheiders, sondern in der eines kreativen Schlichters.189 Diese Art richterlicher Tätigkeit passt nun nach einer verbreiteten Ansicht nicht zu den Regelungen des Zivilprozesses der ZPO, die ganz auf einen Rechtsstreit zugeschnitten seien. Man versucht daher, Regelungsstreitigkeiten generell der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuzuordnen und dem FG-Verfahren (heute im FamFG geregelt) zu unterstellen.190

184 185

Siehe hierzu etwa Bötticher, FS Lent, 1957, 89, 90; Joussen, Schlichtung, S. 13. Dies ist unstreitig – vgl. etwa Bötticher, FS Lent, 1957, 89, 91; Joussen, Schlichtung,

S. 11. 186

Bötticher, FS Lent, 1957, 89, 90; auch Berges, KTS 1959, 88, 91. Grundlegend zu den Regelungsstreitigkeiten siehe Bötticher, FS Lent, 1957, 89, 91; daneben: Berges, KTS 1959, 88, 91; Joussen, Schlichtung, S. 8 ff. 188 Näher dazu bereits zuvor in diesem Kapitel B. II. 189 So plakativ Joussen, Schlichtung, S. 13; ähnlich bereits Berges, KTS 1959, 88, 91. 190 Bärmann, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 7, 32; Berges, KTS 1959, 88, 91; Bötticher, FS Lent, 1957, 89. 187

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(1) Das Insolvenzverfahren ist keine Regelungsstreitigkeit Danach wäre das Insolvenzverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuzuordnen, wenn es als Regelungsstreitigkeit anzusehen ist. Für das Konkurs- und das Vergleichsverfahren wurde dies vereinzelt angenommen.191 Die Begründung dieser Annahme erfolgte in zwei Schritten. Zunächst wurde das Konkursverfahren als Liquidationsverfahren eingeordnet, das der Selbstverwaltung der Gläubiger unterliegt. Damit könne das Verfahren keinen bloß vollstreckungsrechtlichen Charakter haben; die Unzulänglichkeit dieses Arguments wurde bereits aufgezeigt.192 In diesem Liquidationsverfahren der Gläubigergemeinschaft habe der Konkursrichter dann nicht nur die Aufgabe einer Rechtmäßigkeitskontrolle; er leiste vielmehr als Schlichter Einigungs- und Vertragshilfe, indem er in der Insolvenzsituation die Selbstverwaltung der Gläubiger mittels der Gläubigerversammlung organisiert sowie deren Handlungen wie auch die Handlungen der von ihr gewählten, treuhänderisch tätigen Organe (Gläubigerausschuss, Konkursverwalter) beaufsichtigt. Das Konkursgericht ermögliche damit die Entscheidungsfindung der Gläubiger hinsichtlich der Art und Weise der Konkursbewältigung und übernehme so Aufgaben der Staatsaufsicht in einer »rechtsgestaltenden, schiedsgerichtlichen Treuhandgerichtsbarkeit«.193 Der Konkurs sei daher als Regelungsstreitigkeit anzusehen und der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuzuordnen. Leider entfernt sich diese Deutung des Konkursverfahrens weit vom eigentlichen Wesen der Regelungsstreitigkeiten.194 Das Konkurs- wie das Insolvenzverfahren hat nicht zum Ziel, eine noch offene Regelung zwischen allen Beteiligten zu finden und damit einen Interessenausgleich herzustellen. Vielmehr ergibt bereits die gesetzliche Regelung in der Konkurs- bzw. Insolvenzordnung, welche Rechte die einzelnen Gläubiger in der Gläubigergemeinschaft wie auch bei der Erlösverteilung haben. Im Streitfall müssen diese Recht nur gerichtlich festgestellt, nicht jedoch rechtsschöpfend geschaffen werden. Der Richter ist nicht Schlichter, sondern spricht Recht. Entsprechendes gilt für organisatorischen Akte des Konkurs- bzw. Insolvenzgerichts. Auch hier erfüllt das Gericht lediglich seine gesetzlichen Funktionen, ohne eine materiellrechtliche Regelung eines Interessenkonflikts zwischen den Beteiligten zu vermitteln. Eine Gestal191 Bley/Mohrbutter, VglO, § 2 Rn. 38; Lorenz, KTS 1963, 237, 238; Berges, KTS 1960, 1, 3 f. Kritisch gegenüber dieser Annahme hingegen gerade Bötticher, ZZP 86 (1973), 373, 382, der die Tätigkeit des Konkursgerichtes funktionell nicht zur Rechtspflege, sondern zur Verwaltung rechnen will und daher die Qualifizierung als »treuhänderische Rechtspflege« im Sinn eines »schiedsrichterlichen Verfahrens« ablehnt. (Seine Zuordnung des Konkursverfahrens zur freiwilligen Gerichtsbarkeit basiert allein auf dessen Qualifikation als Liquidationsverfahren.) In seiner Stellungnahme betont Berges., BB 1982, 1455, 1457, demgegenüber zutreffend die Aspekt des Rechtsschutzes bei der konkursgerichtlichen Tätigkeit. 192 Siehe im vorangegangenen Abschnitt unter a) (3). 193 So insbesondere Berges, KTS 1960, 1, 4. 194 Ebenso Gerhardt, in: Jaeger, InsO, § 2 Rn. 24.

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tungsbefugnis – wie sie Regelungsstreitigkeiten kennzeichnet – steht nach den Regelungen der Konkurs- wie auch der Insolvenzordnung dem Gericht nicht zu. Die Einordnung des Konkurses als Regelungsstreitigkeit kann nicht überzeugen.195 Eine hierauf gestützte Zuordnung des Insolvenzverfahrens zur freiwilligen Gerichtsbarkeit sollte unterbleiben. (2) Das Insolvenzplanverfahren ist keine Regelungsstreitigkeit Ist die Situation aber vielleicht beim Planverfahren der §§ 217 ff. InsO eine andere? In einem Planverfahren stehen zwar ebenfalls die Beteiligungsrechte aufgrund ihrer gesetzlichen Regelung bereits von vornherein fest; offen ist aber die anteilsmäßige Befriedigung jedes Gläubigers oder das Schicksal des Schuldners. Der Inhalt der Insolvenzbewältigung, sei es die Liquidation oder die (auch übertragende) Sanierung, ergibt sich hier erst aus der privatautonomen Übereinkunft in einem Insolvenzplan. Diese wiederum setzt nicht nur die Einigung der Beteiligten voraus, sondern auch die Bestätigung des Insolvenzplans durch das Insolvenzgericht. Dieses kann einen Plan schließlich sogar bestätigen und damit in Kraft setzen, wenn nur eine Mehrheit in den Gläubigergruppen ihm zugestimmt hatte und ein Minderheiten- oder Schuldnerschutz nicht zum Zuge kommt. Dieses äußere Bild legt es auf den ersten Blick nahe, in solchem richterlichen Handeln eine Vertragshilfe zu erkennen wie sie für Regelungsstreitigkeiten typisch ist. (a) Kein Handlungsermessen des Richters. Das Charakteristische an einer Regelungsstreitigkeit liegt nun allerdings gerade darin, dass sie dem Richter die Auswahl der geeignetsten Regelung zur Lösung eines Interessenkonflikts überlässt. Der Richter hat hier – im Gegensatz zu einer Rechtsstreitigkeit – Handlungsermessen.196 Eine derartige schöpferische Freiheit hatten die Insolvenzgerichte im jüngeren deutschen Insolvenzrecht etwa im Verfahren der Verordnung über das Kriegsausgleichsverfahren (KAVO) vom 30. 11. 1939. Dort war es dem Richter ausdrücklich gestattet, aus eigenem Ermessen nach dem Maßstab der Billigkeit eine Regelung zur Schuldenbereinigung zu entwerfen und den Parteien als verbindlich aufzuerlegen, wenn die gesetzlich primär gewünschte Einigung der Parteien nicht erreicht werden konnte. Der Richter selbst bestimmte also bei Parteien, die privatautonom keine Regelung finden konnten, den Inhalt des Vertrages und ordnet zugleich dessen Geltung an. Ein solcher Vertrag beruhte allein auf richterlicher Gestaltungsmacht; eine derartige Vertragshilfe führte stets zu einem Vertragsdiktat im engeren Sinn.197 Hiervon unterscheiden sich die richterlichen Befugnisse beim Insolvenzplan (aber auch beim Zwangs195 Selbst Bötticher, ZZP 86 (1973), 373, 382 f., lehnte es ab, im Konkurs schiedsrichterliche Elemente zu erkennen und ihn daher als Regelungsstreitigkeit anzusehen. 196 Bötticher, FS Lent, 1957, 89, 100. 197 Näher dazu im Dritten Kapitel E. V. 3. c).

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vergleich) grundlegend. Wie bereits die ausführliche Untersuchung zu Beginn dieses Kapitels ergeben hat, besitzt das Insolvenzgericht im Insolvenzplanverfahren keine derartige eigene Gestaltungsmacht über den Planinhalt. Ein eigenes Handlungsermessen, also eine eigene Auswahl über die geeignetste Planlösung, hat das Insolvenzgericht – selbst bei Plankonkurrenz198 – nie. (b) Vertragshilfe und Regelungsstreitigkeit. Das Fehlen eines richterlichen Handlungsermessens war für das Vergleichs- oder Zwangsvergleichsverfahren ebenso evident wie für das Insolvenzplanverfahren. So erkennt etwa auch Bötticher, dass die Befugnisse der Richter in den Vertragshilfeverfahren der Kriegszeit erheblich umfassender waren als in einem Konkursverfahren.199 Der Begriff des Handlungsermessens wurde daher gern durch den der Vertragshilfe ersetzt. So spricht etwa Bötticher 200 (für den Zwangsvergleich) davon, dass auf der Gläubigerseite eine »Nachhilfe« zum Vertragsschluss durch das Gericht stattfinde und sich daher die Grundkonzeption des Vertragshilfeverfahrens im Zwangsvergleich wiederfinde. 201 Dieser sei daher als Regelungsstreitigkeit der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuzuordnen. 202 Von einer solchen Grundkonzeption bleibt jedoch wenig übrig, wenn sich im Insolvenzplan (wie auch im Zwangsvergleich der Konkursordnung sowie im Vergleich der Vergleichsordnung) überhaupt keine eigene richterliche Gestaltungsmacht findet. Einzige Gemeinsamkeit aller Akkord- und Vertragshilfeverfahren wäre dann ihr gesetzgeberisches Ziel: die Schuldenbereinigung durch eine Vereinbarung der Beteiligten. Nun kann man sicherlich jedes gerichtlich beaufsichtigtes Verfahren, das dem Zustandekommen einer vertraglichen Vereinbarung zwischen den Parteien dient, seinem Zweck nach als Vertragshilfeverfahren bezeichnen und so auch die Akkordverfahren der Konkurs-, Vergleichs- und Insolvenzordnung mitumfassen; man mag von einer »Vertragshilfe im weitesten Sinne« sprechen. 203 Die rechtliche Aussagekraft einer solchen Ein198

Dazu in diesem Kapitel bereits bei B. IV. 1. c). Bötticher, FS Lent, 1957, 89, 96; ders., ZZP 86 (1973), 373, 390. 200 ZZP 86 (1973), 373, 389. 201 Ebenso im Ansatz Krusch, Das Wesen des Vergleichs, S. 146 f.: Vergleich und Zwangsvergleich gehörten als besonders ausgeprägter Fall gerichtlicher Vertragshilfe materiell der freiwilligen Gerichtsbarkeit an. Später respektiert Krusch dann aber die gesetzliche Zuteilung zu »einem Verfahren höherer Ordnung« und lehnt eine Einordnung des Vergleichs- und Zwangsvergleichsverfahrens als Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit ab. 202 Bötticher, FS Lent, 1957, 89, 96; ders., ZZP 86 (1973), 373, 383. 203 Siehe etwa Bettermann, FS Lent, 1957, 17, 32, der unter den Begriff der »Vertragshilfe« alle Fälle fassen will, »in denen der Richter den Beteiligten hilft, ihre Rechtsverhältnisse neu zu gestalten«. Ähnlich Joussen, Schlichtung, S. 142 f.: »Vertragshilfe im weiteren Sinne« ist unter Zugrundelegung des Wortverständnisses die Tätigkeit, unfähigen oder unwilligen Parteien dabei zu helfen, einen Vertrag zu schließen oder eine Vereinbarung zu treffen. Joussen will damit aber auch ausdrücklich die Fälle erfassen, in denen der Richter selbst mit Handlungsermessen den Vertrag gestaltet, während er als Vertragshilfe im klassischen Sinn nur die Änderungen von bereits bestehenden Verträgen ansieht, da nur dies Gegenstand der VHV 199

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ordnung ist jedoch gering, da nur die Grundintention allen Verfahren gemeinsam ist. Die Mittel, welche in den verschiedenen Verfahrensordnungen zur Verfügung gestellt werden, um das Ziel eines Vertragsschlusses zu erreichen, sind hingegen so verschieden, dass auch die rechtliche Einordnung des richterlichen Handelns unterschiedlich ausfallen muss. Der Richter in dem »klassischen« Vertragshilfeverfahren der KAVO gestaltete im Notfall selbst; diese Vertragshilfe beinhaltete ein Handlungsermessen, ist daher eine Regelungsstreitigkeit und kann als solche – so man will – auch materiell der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugeordnet werden. Der Richter der Konkurs-, Vergleichs- und Insolvenzordnung hingegen konnte bzw. kann aus eigener Macht keinen Vertrag diktieren und keine materiellen Rechte verändern; er gestaltet nicht, sondern stellt bestehende Pflichten fest. Eine Vertragshilfe im »klassischen Sinn« ist ebenso wenig gegeben wie ein Handlungsermessen und damit die Möglichkeit der Annahme einer Regelungsstreitigkeit. Dieser Begründungsweg einer Zuordnung zur freiwilligen Gerichtsbarkeit ist versperrt. 3. Ergebnis Eine Zuordnung des Insolvenzverfahrens wie auch des Insolvenzplanverfahrens zur freiwilligen Gerichtsbarkeit lässt sich nicht überzeugend begründen. Sie scheitert bereits am Fehlen einer bundesgesetzlichen Zuweisung dieser Verfahren, wie sie § 1 FamFG fordert. Eine andere, sich aus der Natur der Sache heraus ergebende Beurteilung ist schon methodisch grundlegenden Bedenken ausgesetzt, lässt sich doch ein solcher sachlicher Begriff der Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht feststellen. Das bewusst einheitlich gestaltete Insolvenzverfahren ist in der Gesamtbetrachtung sowohl ein Verfahren, dass der Haftungsverwirklichung dient, als auch ein Liquidations- und Restschuldbefreiungsverfahren und trägt damit prägend sowohl Züge eines Vollstreckungsverfahrens als auch eines rechtsfürsorgenden Verfahrens. Für das Insolvenzplanverfahren gilt insoweit dasselbe. Beide Verfahren lassen sich damit ohne Brüche weder dem Bereich der streitigen noch dem der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuordnen. Ergibt sich somit weder ein formeller noch ein materieller Grund, das Insolvenzverfahren wie auch das Planverfahren dem FamFG zuzuordnen, so muss eine solche Zuordnung unterbleiben. Die Normen des FamFG sind im Insolvenzverfahren nicht anzuwenden.204 Eine Anwendung ist schließlich auch nicht von 1939 und des Vertragshilfegesetzes von 1952 war. Dieser Begriff der Vertragshilfe im engeren Sinn lässt die KAVO unbeachtet, was deutlich macht, wie unsicher eine solche Begriffsbildung ist. 204 Dieses Ergebnis teilt die ganz herrschende Ansicht – vgl. Breutigam, in: Berliner Kommentare, InsO, § 4 Rn. 4; Gerhardt, in: Jaeger, InsO, § 2 Rn. 14; Hess, in: Hess, InsR, § 4 InsO Rn. 3; Bußhardt, in: Braun, InsO, § 4 Rn. 4; Kirchhof, in: Heidelberger Kommentar, InsO, § 4 Rn. 4; Prütting, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 4 Rn. 4.

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geboten. Die Insolvenzordnung enthält eine eigene, umfassende Verfahrensregelung. Der Inhalt der allgemeinen Vorschriften der §§ 1 ff. FamFG ist weitgehend in den §§ 2–10 InsO eigenständig geregelt worden. Insbesondere findet sich die Verankerung des Amtsermittlungsgrundsatzes unmittelbar in § 5 Abs. 1 InsO. Es gibt insofern keine gesetzgeberische Notwendigkeit, zur Abwendung eines Zivilprozesses nach den Vorschriften der ZPO das Insolvenzverfahren dem FamFG zuzuweisen. Die Insolvenzordnung sorgt selbst für ihre Verfahrensgrundsätze.

III. Die Insolvenzordnung – eine eigenständige Verfahrensordnung Das Insolvenzverfahren ist also von einer Vielfalt von Verfahrenszielen und gerichtlichen Tätigkeitsarten geprägt. Das Eröffnungsverfahren hat vollstreckungsrechtlichen Charakter, das anschließende Liquidationsverfahren hingegen wie auch das Restschuldbefreiungsverfahren eher eine rechtsfürsorgerische Natur. Das Insolvenzgericht entscheidet einmal über die Durchsetzung materieller Rechte und Ansprüche, ein anderes Mal wird es nur überwachend und leitend tätig. Die Insolvenzordnung reagiert auf diese »Gemengelage«, indem sie ihre eigenen Verfahrensgrundsätze in den §§ 2–10 InsO enthält. Im Angesicht dieses Analyseergebnisses liegt es nahe, das Insolvenzverfahren insgesamt weder der streitigen noch der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuzuordnen und es stattdessen als eigenständiges Verfahren im Gebiet der Zivilgerichtsbarkeit im Sinne des § 13 GVG zu begreifen.205 Die Insolvenzordnung beinhaltet danach eine eigenständige Verfahrensordnung. Sie ist eine Prozessordnung im Sinne des § 27 GVG. 206 Rückgriffe auf die allgemeinen Regelungen des FamFG sind überflüssig. Die Zivilprozessordnung als grundlegende Verfahrensordnung der Zivilgerichtsbarkeit kann hingegen dann eine Relevanz haben, wenn die Insolvenzordnung selbst keine speziellen Regelungen enthält und zugleich ihre Wertungen durch einen Rückgriff auf Normen der ZPO nicht konterkariert werden. § 4 InsO ordnet insofern zutreffend eine Anwendung dieser Normen nur bei Regelungslücken und auch dann nur »entsprechend« den Besonderheiten des Insolvenzrechts an. Grundsätzlich muss sich das Insolvenzgericht aber an seiner eigenen Verfahrensordnung orientieren: der Insolvenzordnung.

205 Im Ergebnis ebenso Klopp/Kluth, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 17 Rn. 2 am Ende. Auch Ganter, in: MünchKomm, InsO, Vor §§ 2 bis 10 Rn. 9, lehnt eine Zuordnung zur streitigen oder freiwilligen Gerichtsbarkeit ab. 206 Gerhardt, in: Jaeger, InsO, § 2 Rn. 15.

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IV. Schlussfolgerungen für die Natur der Bestätigungsentscheidung Welche Schlussfolgerungen ergeben sich aus dieser Feststellung nun für die – eigentlich zu untersuchende – Frage nach der Rechtsnatur der Bestätigungsentscheidung des Insolvenzgerichtes gemäß § 248 Abs. 1 InsO? Betrachtet man das Insolvenzverfahren als eigenständiges Verfahren, so sind mögliche Rückschlüsse aus anderen Verfahrensordnungen ausgeschlossen. Die Natur der Bestätigungsentscheidung kann damit nur aus einer Analyse der insolvenzrechtlichen Verfahrensregelungen erschlossen werden. Immerhin ergibt sich aus den vorangegangenen Untersuchungen eine wichtige Erkenntnis: Die richterliche Bestätigung ist kein Akt der Rechtsgestaltung oder Rechtsschöpfung durch das Insolvenzgericht. Rechtliche Grundlage des Insolvenzplans ist allein die Willenseinigung aller Beteiligten. 1. Die Beschränkung des Prüfungsgegenstandes auf das Planverfahren Die Natur des Bestätigungsbeschlusses ergibt sich aus seinem Entscheidungsgegenstand. Gemäß den §§ 249 bis 251 InsO darf das Insolvenzgericht dem Insolvenzplan nur dann seine Bestätigung versagen, wenn einer der dort aufgeführten Gründe einschlägig ist. Die Versagungsgründe wurden bereits ausführlich analysiert. Diese Untersuchungen sollen hier nicht wiederholt werden. Wesentlich ist dabei die Erkenntnis, dass das Gericht in den §§ 249, 250 und 251 InsO ausschließlich formale Kriterien überprüft. Es untersucht die Erfüllung von Planbedingungen nach § 249 InsO, auf Antrag auch eine Schlechterstellung einzelner Gläubiger gegenüber einer Regelinsolvenz nach § 251 InsO, vor allem aber die Einhaltung des Planverfahrens und die ordnungsgemäße Annahme des Plans nach § 250 InsO. Aufgabe des Insolvenzgerichtes ist in der Gesamtschau dieser Normen zum einen die Überwachung einer ordnungsgemäßen Willensbildung aller Beteiligten über den vorgelegten Insolvenzplan; hierzu dienen die ausführlichen und nach § 250 Nr. 1 InsO prüfungsgegenständlichen Regelungen zum Planinhalt (§§ 219 ff. InsO), zur Planniederlegung inklusive der Stellungnahmemöglichkeit (§§ 232–234 InsO) sowie zum Abstimmungsverfahren (§§ 235 ff. InsO). All diese Regelungen bezwecken der Sicherstellung einer umfassenden Information aller planbetroffenen Beteiligten; sie sichern damit eine fundierte und nicht angreifbare Willensbildung. Hierzu passt auch die in § 250 Nr. 2 InsO geforderte Prüfung der Lauterbarkeit der Willensbildung aller Gläubiger. Zum zweiten obliegt dem Insolvenzgericht nach § 250 Nr. 1 InsO die Feststellung der Annahme des Plans durch die Gläubiger sowie der Zustimmung des Schuldners. Auch das Ergebnis der Willensbildung ist somit vom Gericht festzustellen. Hierher gehört neben dem tatsächlichen Abstimmungsergebnis auch die Feststellung einer Zustimmungspflicht nicht zustimmend Votierender aufgrund der sie bindenden Beschlusslage bzw. der Obstruktionsverbote der §§ 245 bis 247 InsO. In diesem Zusammenhang muss das Insolvenzgericht

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auch den verfassungsrechtlich gebotenen Minderheitenschutz gewähren und daher eine Schlechterstellung ablehnend votierender Gläubiger im Rahmen einer Obstruktionsprüfung nach §§ 245 bis 247 InsO wie auch auf Antrag gemäß § 251 InsO prüfen, was jedoch ebenfalls keine Inhaltskontrolle, sondern lediglich eine Vergleichsrechnung mit dem Ergebnis der Regelinsolvenz zur Folge hat. Ist das Gericht nach Abschluss dieser Prüfung der Auffassung, der Plan sei ordnungsgemäß und ohne Verletzung von Minderheitsrechten zustande gekommen und sind zudem alle vereinbarten Planbedingungen (§ 249 InsO) erfüllt, so muss es den Plan bestätigen. Eine Prüfung des Planinhalts ist dem Insolvenzgericht versagt. Die Frage der wirtschaftliche Tragfähigkeit wie auch der Vertretbarkeit der im Plan übernommenen finanziellen Opfer oder Engagements können und dürfen allein die Personen entscheiden, die davon auch wirtschaftlich betroffen sind – die Gläubiger sowie unter Umständen der Schuldner. Das Insolvenzgericht erhält in den §§ 248 ff. InsO weder eine Gestaltungsmacht noch eine materielle Prüfungsbefugnis über den Planinhalt. Es darf und muss nur sicherstellen, dass der diesbezüglich Wille der Gläubiger wie auch der des Schuldners mangelfrei gebildet und in der Abstimmung ausgedrückt wurde. Zugleich stellt es bereits die sich daraus ergebenden Konsequenzen (Zustimmungspflichten) unter Gewährung des verfassungsrechtlichen Minderheitenschutzes fest. Nicht der Inhalt des Insolvenzplans, sondern die Lauterbarkeit der diesbezüglichen Willensbildung bei den eigentlichen Entscheidungsträgern ist somit neben dem verfassungsrechtlich gebotenen Minderheitenschutz Gegenstand der Bestätigungsentscheidung. 2. Die Bestätigung ist keine Vertragsgenehmigung Aus dieser Beschränkung des Gegenstandes der Bestätigung in § 248 InsO folgt zugleich, dass die Bestätigungsentscheidung nicht die – immer wieder vorgetragene207 – Qualität einer richterlichen, also behördlichen Vertragsgenehmigung haben kann. Sie hat insbesondere keine Ähnlichkeit mit der oft herangezogenen vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung von Verträgen nach den §§ 1821 ff. BGB. In allen Fällen einer richterlichen Vertragsgenehmigung muss der Richter in irgendeiner Hinsicht den Inhalt des Vertrages auf seine Vereinbarkeit mit einem von ihm zu wahrenden, höherrangigen Interesse – wie etwa dem des Mündels – hin prüfen. 208 Derartiges geschieht bei der Bestätigungsentscheidung 207 So etwa RGZ 122, 361, 363 f.; Berges, KTS 1964, 129, 135; Ciuntu, Zwangsvergleich, S. 39 f.; Fitting, Reichs-Konkursrecht, S. 423; Gaul, FS Huber, 2006, 1187, 1215; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 28.67; Heimann, Zwangsvergleich, S. 33; Jaeger, Konkursrecht, S. 190 f.; Kießling, Zwangsvergleich, S. 40 ff.; Purper, Zwangsvergleich, S. 17; Richter, ZHR 76 (1915), 112, 129; Schiessler, Insolvenzplan, S. 176; Schlote, Zwangsvergleich, S. 14; Stefan, Zwangsvergleich, S. 55; Weber, in: Jaeger, KO, § 173 Rn. 10; Wolff, KO, § 173 Anm. 2. 208 Bettermann, FS Lent, 1957, 17, 23.

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Kapitel 4: Der Insolvenzplan als Verfahrensobjekt

nicht. Das Insolvenzgericht bestätigt nicht die Vereinbarkeit des Planinhalts mit den Interessen einzelner oder auch aller Gläubiger, denen des Schuldners oder gar denen der Volkswirtschaft oder des Arbeitnehmerschutzes. Stattdessen prüft und erkennt das Insolvenzgericht allein die Einhaltung der Verfahrensvorschriften und die darauf beruhende mangelfreie Willensbildung für den angenommenen Insolvenzplan inklusive der Beachtung der Minderheitenrechte. Die gerichtliche Entscheidung bezieht sich nur auf den Vorgang des Entstehens des Insolvenzplans – also die Mangelfreiheit der Willensbildung und die darauf beruhende tatsächliche Annahme bzw. noch durchzusetzende Annahmepflicht –, nicht jedoch auf die Interessengerechtigkeit oder gar Richtigkeit seines Inhalts. Umgekehrt wird in den gerichtlichen Genehmigungsentscheidungen keine Aussage zu der Wirksamkeit des geprüften Vertrages im Hinblick auf dessen Entstehungsvoraussetzungen getroffen. Der Inhalt dieser beiden gerichtlichen Entscheidungstypen unterscheidet sich also grundlegend. 209 Insgesamt erscheint es somit verfehlt, von einer Genehmigung des Plans durch das Insolvenzgericht zu sprechen. Die Entscheidung würde damit zu Unrecht in die Nähe verwaltender Genehmigungsentscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit gerückt. 210 Bestätigt wird nicht »der Plan«, sondern nur dessen ordnungsgemäßes Zustandekommen. Das beinhaltet – wie sich gleich zeigen wird – eine rechtsprechende Tätigkeit; es wird eine verbindliche Feststellung über ein Rechtsverhältnis getroffen. 3. Die Bestätigung als integrierter Rechtsschutz Der Sinn dieses richterlichen Tätigwerdens ist bereits mehrfach in dieser Arbeit angeklungen. In der Insolvenzsituation besteht – gerade zur Wahrnehmung von Sanierungschancen – zum einen ein besonderes Bedürfnis nach einer schnellen Klärung der Frage nach dem Schicksal des Schuldnerunternehmens und damit der Frage nach der zum Zuge kommenden Verwertungsart. Ein Sanierungsplan, aber auch jeder andere Plan mit vorzugswürdigem finanziellen Ergebnis für die Gesamtheit der Gläubiger, kann nur dann ein optimales Ergebnis erzeugen, wenn möglichst geringe Kosten allein aufgrund der Verfahrensdauer entstehen. Würde man vor diesem Hintergrund die Beteiligten (etwa analog § 180 InsO) darauf verweisen, die sich aus einem positiven Mehrheitsvotum der Gruppen ergebenden Zustimmungspflichten gegen die ablehnend votierenden Gläubiger oder auch Zustimmungspflichten aus einem Obstruktionsverbot in einem gesonderten Zivilprozess durchzusetzen, so führte die damit einherge209

Hierauf weist auch Leipold, KTS 2006, 109, 118, zutreffend hin. Ebenso Bettermann, FS Lent, 1957, 17, 35 (für Konkurs, Vergleich und Zwangsvergleich). Die mit der materiellen Zuordnung gerichtlichen Handelns zur Verwaltung einhergehende Frage nach der Rechtsprechungsqualität solchen Handelns (dazu etwa Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Rn. 26 ff.; von Schnuckmann, in: Jansen, FGG, § 1 Rn. 8 f.) stellt sich für die Bestätigungsentscheidung daher nicht. 210

C. Die Natur des richterlichen Handelns bei der Planbestätigung

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hende Verfahrensverzögerung jedes Planverfahren ad absurdum. Die Funktionsfähigkeit des Planverfahrens würde entfallen. Um dies zu umgehen, integriert das Insolvenzrecht die gerichtliche Durchsetzung der sich aus dem Abstimmungsergebnis ergebenden Zustimmungspflichten unmittelbar in das Insolvenzverfahren. Das bereits mit der Sache vertraute Gericht entscheidet unmittelbar von Amts wegen, was eine Verfahrensbeschleunigung bewirken sollte. Zwar müssen auch gegen diese Entscheidung aus verfassungsrechtlichen Gründen Rechtsmittel statthaft sein (vgl. § 253 InsO). Dennoch sollte dieser integrierte Rechtsschutz das Ziel der Kostensenkung bei weitem besser erreichen als jeder den Prozessgerichten überlassene Rechtsschutz. Die zweite Besonderheit der planmäßigen und damit zum Regelinsolvenzverfahren alternativen Insolvenzbewältigung besteht darin, dass sich die Beteiligten auf die Endgültigkeit der gefundenen Lösung verlassen müssen. Unsicherheiten verursachen nicht nur Kosten (z. B. durch notwendige Rücklagen), sondern nehmen dem Planvorschlag von vornherein Überzeugungskraft und Attraktivität. Es wäre im Interesse eines funktionsfähigen Planverfahrens nicht hinnehmbar, wenn jeder angenommene Plan vom Damoklesschwert einer Anfechtung durch einen einzelnen Planbeteiligten bedroht wäre. Gerade wegen der Vielzahl der Beteiligten ließe sich ein Berufen auf Willensmängel kaum je sicher ausschließen, was jeder Planannahme einen nur vorläufigen Charakter gäbe und jede Plandurchführung zum Scheitern verurteilt. Dieses besondere Bedürfnis nach Rechtssicherheit wird ebenfalls durch das gerichtliche Bestätigungserfordernis bedient, indem die Fehlerhaftigkeit der Willensbildung zum Gegenstand der gerichtlichen Prüfung und damit auch der gerichtlichen Entscheidung gemacht wird. Im Ergebnis wird auf diese Weise wiederum nur ein denkbarer späterer Prozess über die Wirksamkeit des Insolvenzplans zum ohnehin mit der Sache befassten Insolvenzgericht gezogen und von Amts wegen bereits in das Planverfahren integriert, um so mit der rechtskräftigen Planbestätigung Rechtssicherheit in diesen Fragen eintreten zu lassen. Die rechtliche Einordnung beider Besonderheiten spiegelt dann erneut die Funktionsvielfalt des Insolvenzverfahrens wider. Die Überprüfung der Willensbildung der Beteiligten auf Willensmängel stellt sich als vorbeugender Rechtsschutz im Interesse der Rechtssicherheit und damit der Konfliktvermeidung dar – eine richterliche Tätigkeit, die ihrem Wesen nach auch der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugeordnet werden könnte. 211 Die Feststellung materieller Zustimmungspflichten aufgrund der Beschlusslage in einer Gruppe bzw. aufgrund des Eingreifens eines Obstruktionsverbotes ist demgegenüber eine Ent211 Trotz dieser Zuordnung müsste die Tätigkeit des Insolvenzgerichts insoweit als Rechtsprechung und nicht als Verwaltung angesehen werden, da mit der Überprüfung zugleich das Fehlen von Mängeln rechtskräftig festgestellt wird. Das Element des vorbeugenden Tätigwerdens sollte daher keine Zweifel daran aufkommen lassen, dass in der Sache Recht gesprochen wird – so zu Recht schon Bärmann, AcP 154 (1955), 373, 385.

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Kapitel 4: Der Insolvenzplan als Verfahrensobjekt

scheidung über streitige materielle Ansprüche zwischen den Beteiligten. Die Bestätigung nicht einstimmig angenommener Insolvenzpläne beinhaltet damit stets auch eine Entscheidung in einem kontradiktorischen Streit: den über die zwangsweise Bindung von Personen an den Plan. Dasselbe gilt für die verfassungsrechtlich gebotene Gewährung von Minderheitenschutz. Insoweit gehört die richterliche Tätigkeit ihrem Wesen nach der streitigen Gerichtsbarkeit an. 212 Insgesamt stellt sich damit die Bestätigungsentscheidung weder als ein Akt der Rechtsschöpfung noch als bloßer Akt gerichtlicher Verwaltungstätigkeit 213 , sondern als ein Akt der Rechtsprechung dar, in dem neben der fehlerfreien Willensbildung über den Plan auch das Bestehen materieller (Zustimmungs-)Pflichten sowie (Minderheiten-)Rechte der Beteiligten aus dem Planverfahren rechtskräftig festgestellt wird, so dass gerichtlicher Rechtsschutz unmittelbar in das Insolvenzplanverfahren integriert wird. Jedenfalls der Bestätigungsbeschluss selbst muss daher im Hinblick auf das richterliche Rechtsprechungsmonopol in Art. 92 GG funktionell dem Richter und nicht dem Rechtspfleger übertragen sein, 214 was § 18 Abs. 1 Nr. 1 InsO nur für das Verfahren über einen Schuldenbe212 Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 217 Rn. 18, spricht insofern zutreffend von einer »Rechtsentscheidung«; ähnlich Gundlach/Frenzel/Strandmann, NZI 2008, 461, 464: »als Rechtsaufsichtsbehörde tätig«. Dies wird vielfach übersehen, vgl. etwa Hess, in: Hess, InsR, § 248 InsO Rn. 9; Jaffé, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 217 Rn. 50; Schiessler, Insolvenzplan, S. 176, wenn die Bestätigungsentscheidung auch im Hinblick auf die Obstruktionsverbote oder den Minderheitenschutz, also in jeder Hinsicht, als »Akt staatlicher Fürsorge« angesehen wird. Ähnlich Smid, DZWIR 2009, 133, 144: »kein Akt rechtsprechender Gewalt im Sinne von Art. 92 GG«, sondern »eine beurkundende Maßnahme«; siehe auch Smid, NZI 2005, 613, 614: »Aufgaben materieller Verwaltung«. In Smid, DZWIR 2005, 364, 367 sowie NZI 2005, 296, 297, zieht er gar Parallelen zum verwaltungsverfahrensrechtlichen Widerspruchs- und Klageverfahren; ebenso Smid/Rattunde, Der Insolvenzplan, 2. Aufl. 2005, Rn. 16.28. 213 Der Widerspruch eines Gläubigers bzw. des Schuldners gegen den Plan wie auch die Anfechtbarkeit des Bestätigungsbeschlusses mittels der sofortigen Beschwerde (§ 253 InsO) sind aus diesem Grunde auch nicht mit dem verwaltungsverfahrensrechtlichen Widerspruchsverfahren und dem verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren vergleichbar (so aber ausdrücklich Smid, DZWIR 2005, 364, 367). Der Widerspruch im Insolvenzplanverfahren ist kein Rechtsbehelf, sondern eine Willenserklärung; die sofortige Beschwerde das eigentliche und einzige Rechtsmittel gegen einen Rechtsprechungsakt. 214 Gegen die Tätigkeit des Rechtspflegers bei der Planbestätigung haben grundsätzlich auch Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 2.44 f., Bedenken, da hier der Sache nach der Bereich der rechtsfürsorgenden Verwaltung verlassen und der der Rechtsprechung betreten wird. Sie übergehen diese Bedenken später (Rn. 12.2) schlicht (und wenig überzeugend) durch die Annahme, dass die gesetzliche Zuweisung der Bestätigung an den Rechtspfleger in § 18 RPflG deutlich mache, dass eben keine Rechtsprechung, sondern nur eine rechtspflegerische Aufgabe gegeben sei. Es erscheint im Hinblick auf den weitreichenden fakultativen Richtervorbehalt in § 18 Abs. 2 Satz 1 und 3 RPflG mehr als zweifelhaft, dass der Gesetzgeber eine derartige inhaltliche Aussage normieren wollte; er dürfte sich angesichts des neuen Gesetzes eher für eine flexible Handhabung entschieden haben, die nun leider in diesem Punkt zu korrigieren wäre.

D. Der Insolvenzplan und das Prozessrecht

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reinigungsplan in der Verbraucherinsolvenz (dort zutreffend) anordnet. Für den zweckidentischen Insolvenzplan mit vergleichbarer richterlicher Aufgabenstellung darf nichts anderes gelten. Die bislang gemäß § 18 Abs. 2 RPflG nur fakultativ mögliche Entscheidung des Richters über die Planbestätigung muss zur Regel werden, 215 dürfte doch die geltende Rechtslage den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 92 GG nicht genügen, da eine Entscheidung durch den Rechtspfleger über die Planbestätigung möglich bleibt. Die auf Art. 92 GG gestützten Bedenken gegen die Zuständigkeit des Rechtspflegers in solchen Aufgabenfeldern des Insolvenzgerichts, die Akte der Rechtsprechung beinhalten, 216 haben in vollem Umfang auch für den Bestätigungsbeschluss ihre Berechtigung. Rechtsprechung ist nicht Aufgabe der Rechtspfleger. Selbst wenn man nichtrichterliche Vorverfahren mit Entscheidungskompetenzen für Rechtspfleger verfassungsrechtlich als zulässig erachtet, soweit sich eine volle richterliche Kontrolle mittels eines eröffneten Rechtswegs anschließt, 217 beinhaltet dies nur eine rechtspflegerische Entscheidungskompetenz vor einer ersten richterlichen Instanz. Der Bestätigungsbeschluss ist jedoch bereits diese erste Instanz, da gegen den Bestätigungsbeschluss nach § 253 InsO als Rechtsmittel nur die sofortige Beschwerde, also der Weg in die zweite Instanz, statthaft ist. Die funktionelle Zuständigkeit für den Bestätigungsbeschluss nach § 248 InsO ist zwingend dem Richter zuzuweisen. Es ist daher zu begrüßen, dass der Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen aus dem Sommer 2010 in seinem Artikel 2 eine entsprechende Änderung des § 18 Abs. 1 RPflG vorsieht.

D. Der Insolvenzplan und das Prozessrecht Der Insolvenzplan ist kein Gestaltungsurteil und kein Verfahrensakt. Seine Wirkungen basieren einzig auf materiellem Recht. Er ist nicht das Produkt richterlicher Rechtsschöpfung, sondern der Entscheidungsfi ndung zwischen allen Beteiligten. Diese Entscheidungsfindung geschieht allerdings im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens. Die Beteiligten werden also nicht nur als Privatpersonen, sondern eben auch als Verfahrensbeteiligte tätig, wenn sie im Abstimmungstermin den vorgelegten Plan annehmen oder ablehnen. Ihre Erklärungen könnten auch Prozesshandlungen sein, der Insolvenzplan nicht nur ein materi215 Dies verlangt – allerdings nicht aus verfassungsrechtlichen, sondern praktischen Erwägungen – auch Hingerl, ZInsO 2009, 759, 760, wobei sich über dessen praktische Erwägungen allerdings tatsächlich streiten lässt – siehe nur die allein hierauf bezogene Entgegnung von Erdmann, ZInsO 2010, 1437 ff. oder Frind, ZInsO 2010, 1524, 1526 f. 216 Genannt werden hier vor allem das Eröffnungs- und das Restschuldbefreiungsverfahren, vgl. Frind, NZI 2002, 138, 140; Uhlenbruck, ZInsO 2001, 1129, 1131. 217 So Classen, in: Mangoldt/Klein, GG, Art. 92 Rn. 32.

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Kapitel 4: Der Insolvenzplan als Verfahrensobjekt

ell-rechtlicher, sondern eben auch ein Prozessvertrag. Folglich wären für diese Vorgänge auch prozessrechtliche Anforderungen zu berücksichtigen. Es müssen und sollen im Folgenden daher sowohl die prozessualen Merkmale der Erklärungen der Beteiligten als auch die des Insolvenzplans selbst untersucht werden.

I. Prozesshandlung und Prozessvertrag Der Begriff der Prozesshandlung ist im Zivilprozessrecht immer noch nicht endgültig entwickelt. Er kann einmal nur Handlungen der Parteien, aber andererseits auch solche des Gerichts erfassen. 218 Einige wollen nur einseitige Handlungen als Prozesshandlung begreifen, andere auch Verträge in ihren Anwendungsbereich aufnehmen.219 Folgerichtig sind auch für das Rechtsinstitut des Prozessvertrages weiterhin nicht einmal die allgemeinen Grundsätze allgemein anerkannt. Der Hintergrund dieser Unsicherheit versteckt sich im Zweck der beiden Begriffe. Sie sollen es ermöglichen, Handlungen in einem gerichtlichen Verfahren allein dem Prozessrecht zu unterwerfen, das dann materiell-rechtliche Regelungen weitgehend verdrängt. In der Abgrenzung der Prozesshandlungen von materiell-rechtlichen Willenserklärungen liegt das zentrale Motiv ihrer Entstehung als Rechtskategorie. 220 1. Der enge Prozesshandlungsbegriff Nach dem engen Prozesshandlungsbegriff sind aufgrund der genannten Zweckbestimmung nur solche Handlungen der Parteien Prozesshandlungen, die zur Begründung, Führung und Erledigung des Rechtsstreits dienen und durch prozessrechtliche Vorschriften geregelt sind. 221 Neben der Relevanz einer Handlung für das gerichtliche Verfahren ist es also vor allem der Umstand, dass es eine prozessrechtliche Normierung der Handlung gibt, der sie als Prozesshandlung qualifiziert und daher dem Anwendungsbereich des materiellen Rechts 218 Vgl. zu diesen begrifflichen Fragen etwa Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 128 Rn. 207 oder Musielak, in: Musielak, ZPO, Einleitung Rn. 58. Da die Handlungen des Gerichts umfassend und lückenlos gesetzlich normiert sind, beschränkt sich die Relevanz dieser Meinungsverschiedenheit auf die Systematik. Man mag von Prozesshandlungen im weiteren Sinn (Verfahrenshandlungen aller am Prozess Beteiligter) und im engeren Sinn (Parteihandlungen) sprechen. Die Frage hat für die Untersuchung des Insolvenzplanverfahrens keine Relevanz, da dort die Erklärungen der Gläubiger und des Schuldners betrachtet werden, welche Parteihandlungen sind. Sie soll daher nicht weiter verfolgt werden. 219 Vgl. etwa Schwab, FS Baumgärtel, 503, 504 f.; Wagner, Prozessverträge, S. 23. 220 Darauf zutreffend hinweisend Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozessparteien, S. 54; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 128 Rn. 208; Musielak, in: Musielak, ZPO, Einleitung Rn. 59; Rauscher, in: MünchKomm, ZPO, Einleitung Rn. 373. 221 RGZ 77, 324, 329; 160, 241, 242; BGHZ 49, 384, 386; Eickmann, Beweisverträge, S. 28; Schwab, FS Baumgärtel, 503, 504 f.; Paulus, Zivilprozeßrecht, Rn. 234; auch Henke, ZZP 112 (1999), 397, 398; Niese, Doppelfunktionelle Prozesshandlungen, S. 86.

D. Der Insolvenzplan und das Prozessrecht

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entzieht. Dazu müssen sowohl die Voraussetzungen als auch die Wirkungen der Handlung durch das Prozessrecht normiert sein. 222 Folgerichtig fallen die klassischen Parteihandlungen in den Anwendungsbereich dieser Definition wie die Klageerhebung, das Vorbringen von Angriffs- und Verteidigungsmitteln oder auch das Anerkenntnis und der Verzicht. Das Prozessrecht regelt ihre Voraussetzungen und Wirkungen umfassend; eine zusätzliche Anwendung des materiellen Rechts, insbesondere des Willenserklärungsrechts der §§ 104 ff. BGB, ist ausgeschlossen. Prozessverträge wie etwa Gerichtsstandsvereinbarungen, Schiedsverträge oder Prozessvergleiche können als Folge der engen Begriffsbildung keine Prozesshandlungen sein, da diese in den Prozessordnungen nur in ihren Wirkungen, nicht jedoch in ihren Voraussetzungen normiert sind. 223 Ihr Zustandekommen muss sich folgerichtig nicht nach dem Prozessrecht, sondern nach dem materiellen Recht, also den §§ 145 ff. BGB richten. Systematisch bilden Prozessverträge nach dieser Ansicht eine eigene Gruppe (»materiell-rechtlicher Vertrag über prozessrechtliche Beziehungen«). 224 Ihre Behandlung unterliege sowohl dem Prozess- als auch dem materiellen Recht, wodurch sie sich von rein materiell-rechtlichen Verträgen unterscheiden. 225 2. Der weite oder auch funktionelle Prozesshandlungsbegriff Die Gegenansicht löst sich vom Ausgangspunkt des Prozesshandlungsbegriffs, die prozessualen Regelungen zu schützen, und konzentriert sich stattdessen für die Charakterisierung von Prozesshandlungen auf deren Funktion. Danach könne man eine Prozesshandlung (schon) dann annehmen, wenn die Parteihandlung ihre Hauptwirkung auf prozessualem Gebiet hat, also als prozessgestaltende Betätigung anzusehen ist. 226 Allein die primäre Wirkung ist danach der Umstand, der eine Handlung zur Prozesshandlung macht, nicht hingegen die Normierung ihrer Voraussetzungen im Prozessrecht. Damit öffnet sich der Prozesshandlungsbegriff auch für Prozessverträge, haben diese doch stets ihre 222 RGZ 77, 324, 329; BGHZ 49, 384, 387; Schwab, FS Baumgärtel, 503, 505; Niese, Doppelfunktionelle Prozesshandlungen, S. 85; auch Krusch, Das Wesen des Vergleichs, S. 87. 223 So ausdrücklich Niese, Doppelfunktionelle Prozesshandlungen, S. 85. 224 RGZ 56, 333, 334 ff.; 77, 324, 329; 144, 96, 98; 156, 101, 104; BGHZ 23, 198, 200; 49, 384, 386; BGH NJW 1971, 323, 324; besonders deutlich: BGHZ 59, 23, 26 f. Ebenso: Eickmann, Beweisverträge, S. 27; Schwab, FS Baumgärtel, 503, 504 f. Anzumerken ist allerdings, dass das Reichsgericht in einer Gerichtsstandsvereinbarung einmal eine Prozesshandlung sah: RGZ 159, 254, 255. 225 Dies verkennen offenbar Teubner/Künzel, MDR 1988, 720, 723, wenn sie »Prozeßabreden ihrer Rechtsnatur nach ausschließlich dem bürgerlichen Recht« unterstellen. 226 Baumgärtel, Prozesshandlung, S. 284, 286; ders., ZZP 87 (1974), 121, 122; Gottwald, in: Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 63 Rn. 1; Habscheid, NJW 1965, 2369, 2370; Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozessparteien, S. 54; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 128 Rn. 211; Musielak, in: Musielak, ZPO, Einleitung Rn. 59; Rauscher, in: MünchKomm, ZPO, Einleitung Rn. 373; Wagner, Prozessverträge, S. 27 f. (m. w. N. in Fn. 85).

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Hauptwirkung auf prozessualem Gebiet, auch wenn sich ihre Entstehungsvoraussetzungen nicht dem Prozessrecht entnehmen lassen.227 3. Die Vorzugswürdigkeit des funktionellen Prozesshandlungsbegriffs Für die Anwendung des funktionellen Prozesshandlungsbegriffs spricht neben einem logischen Argument vor allem die zutreffende Erfassung der rechtlichen Natur der Prozessverträge. a) Der Zirkelschluss der engen Begriffsdefi nition Wenn man den Ausgangspunkt beider Ansichten akzeptiert und für Handlungen der Parteien, die der Prozessführung dienen, über den Begriff der Prozesshandlung erreichen will, dass sie grundsätzlich dem Prozessrecht unterstellt werden, so erscheint es als Zirkelschluss, wenn man eine prozessrechtliche Normierung der Voraussetzungen und Wirkungen einer Handlung verlangt, um sie als Prozesshandlung anzusehen. 228 Die Frage, ob das Prozessrecht auf eine Handlung einschlägig ist, soll doch erst aus der Einordnung der Handlung als Prozesshandlung folgen. Ihre Einordnung kann folglich nicht schon von demselben Umstand abhängig sein, der ihrer Einordnung folgen soll. Es ist kein schlüssiges Argument, wenn man eine Handlung deshalb als Prozesshandlung ansieht, weil sie vollständig prozessrechtlich normiert ist, um dann aus ihrer so gefundenen Eigenschaft als Prozesshandlung zu folgern, dass sie allein durch das Prozessrecht geregelt wird. Schon der Ausgangspunkt des engen Prozesshandlungsbegriffs kann daher nicht überzeugen. b) Die richtige Einordnung von Prozessverträgen Vor allem aber kommt eine funktionelle Definition der Prozesshandlungen gerade auch für die Behandlung der Prozessverträge zu überzeugenderen Ergebnissen. Es ist gerade die Frage der Einbeziehung der Prozessverträge in den Begriff der Prozesshandlung, welche die beiden Ansichten trennt. Prozessverträge wie Gerichtsstandsvereinbarungen oder Schiedsverträge haben unbestreitbar prozessuale Wirkungen, werden aber in ihren Voraussetzungen nicht im Prozessrecht geregelt und kommen daher nach den allgemeinen vertragsrechtlichen Grundsätzen zustande. Letzterer Umstand führt die Vertreter des engen Pro227 Baumgärtel, Prozesshandlung, S. 285; Gottwald, in: Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 63 Rn. 1; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 128 Rn. 220; Musielak, in: Musielak, ZPO, Einleitung Rn. 66; Rauscher, in: MünchKomm, ZPO, Einleitung Rn. 395; Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozess, S. 167; Wagner, Prozessverträge, S. 23. Die prozessuale Hauptwirkung aller Prozessverträge ist übrigens unbestritten – vgl. Gottwald, in: Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 63 Rn. 1; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 128 Rn. 220; Musielak, in: Musielak, ZPO, Einleitung Rn. 66; Rauscher, in: MünchKomm, ZPO, Einleitung Rn. 395; Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozess, S. 33 ff., 42; Schwab, FS Baumgärtel, 503, 513. 228 Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 128 Rn. 212.

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zesshandlungsbegriffs dazu, diese Verträge nicht als Prozesshandlungen aufzufassen, obwohl sie ihre prozessuale Wirkung anerkennen: Bei »natürlicher Betrachtungsweise« könne ein Vertrag nicht mehr als Prozesshandlung angesehen werden, wenn er nicht im Prozess, sondern bereits davor abgeschlossen würde und das Prozessrecht seine Voraussetzungen nicht regelt. Es handle sich vielmehr um einen materiell-rechtlichen »Vertrag über prozessrechtliche Beziehungen«. 229 Die Besonderheiten der Prozessverträge gegenüber einseitigen Prozesshandlungen werden durch diese Argumentation treffend hervorgehoben: Das Prozessrecht enthält weitgehend keine eigenständigen Regelungen zu deren Voraussetzungen, insbesondere zum Vertragsschluss. Zudem können Verträge mit prozessualen Hauptwirkungen auch vor oder außerhalb eines laufenden Verfahrens geschlossen werden, setzen also kein bestehendes Prozessrechtsverhältnis voraus. Diese Besonderheiten der Prozessverträge stehen aber nicht ihrer Qualifikation als Prozesshandlung entgegen. Wenn man – wie wohl allgemein anerkannt ist – einen Vertragstypus des Prozessvertrags neben den des allgemeinen materiell-rechtlichen Vertrags des BGB stellen will, um Prozessverträge in ihrer rechtlichen Behandlung den Regelungen des Prozessrechts zu unterstellen, so findet eine Typisierung statt. Die Zulässigkeit der Bildung von Vertragstypen ist als methodisches Mittel anerkannt und findet sich insbesondere im Schuldrecht auch in gesetzlicher Form wieder. Der dogmatische Zweck dieses Vorgehen liegt darin, aufgrund der Einordnung eines konkreten Vertrages in den Geltungsbereich eines Vertragstypus die Anwendung der für diesen Typus geltenden Regeln sicherzustellen. Die Einordnung soll dabei durch einen Subsumtionsschluss erfolgen, was allerdings voraussetzt, dass der jeweilige Vertragstypus durch die Angabe ihn kennzeichnender Merkmale abschließend definiert ist. 230 Die Definition solcher Merkmale findet sich für den Prozessvertrag nicht im Gesetz; sie kann folglich nur durch die Jurisprudenz erfolgen. Dabei ist es natürlich möglich, mit dem engen Prozesshandlungsbegriff als entscheidendes Typusmerkmal neben der prozessualen Wirkung des Vertrages auch die umfassende Normierung des Vertrages im Prozessrecht zu statuieren. Allerdings enthielte eine solche Definition nicht nur den oben bereits erwähnten Zirkelschluss, indem die wesentliche Rechtsfolge zugleich zum wesentlichen Merkmal des Typus würde. Sie hätte für den Prozessvertrag als Typus zugleich die Folge, dass es nach der gegenwärtigen Lage keine konkreten Vertrag gäbe, der ihm zuzuordnen wäre, da das Prozessrecht nun einmal keine Regelungen über den Abschluss von Verträgen enthält. Folge229 Die »natürliche Betrachtungsweise« wurde insbesondere in BGHZ 49, 384, 386 f. betont. Die Rechtsprechung sprach insofern stets von einem materiellrechtlichen Vertrag über prozessrechtliche Beziehungen: RGZ 144, 96, 98; 156, 101, 104; BGHZ 23, 198, 200; 40, 320, 322; 59, 23, 26.; BGH NJW 1971, 323, 324. 230 Vgl. statt vieler Larenz, Methodenlehre, S. 301.

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richtig wäre derzeit keiner der »Verträge über prozessrechtliche Beziehungen« ein Prozessvertrag, der primär dem Prozessrecht unterliegt. Sie wären auch keine Prozesshandlungen. Besinnt man sich auf den grundlegenden Zweck der Typusbildung Prozessvertrag wie auch des Begriffs von der Prozesshandlung zurück, der ja darin besteht, für solche Handlungen und Verträge das Primat des Prozessrechts zu sichern, so macht ein derartig enges Verständnis wenig Sinn. Es sollte nicht allein darum gehen, vorhandene prozessrechtliche Regelungen vor Einbrüchen durch das allgemeine Zivilrecht zu schützen. Derartiges versteht sich von selbst und bedarf keiner besonderen Begriffs- oder Typenbildung. Finden sich sowohl die Voraussetzungen als auch die Wirkungen eines Vertrages oder auch einer sonstigen Handlung im Prozessrecht normiert, so verhindert schon der Anwendungsvorrang des unmittelbar einschlägigen Rechts die parallele oder gar verdrängende Anwendung allgemeinerer Rechtsordnungen oder Rechtsgrundsätze. Wirklich interessant wird die Abgrenzungsfrage erst in den Bereichen, in denen das Prozessrecht lückenhaft scheint und auf eine Lückenfüllung angewiesen ist. In dieser Grauzone stellt sich erst die Frage nach dem passenden Recht. Erst hier beginnt der Bereich, in dem es Aufgabe der Jurisprudenz ist, mittels Begriffsbeschreibungen und Typenformungen eine plausible Lösung zu entwickeln. Der enge Prozesshandlungsbegriff wie auch die damit praktisch einhergehende Inhaltslosigkeit des Vertragstypus vom Prozessvertrag versagt hier, da er alle Handlungen und Verträge trotz ihrer prozessualen Hauptwirkungen aus diesen Definitionen ausschließt und damit dem materiellen Recht zuweist. Die Unterschiede dieser Handlungen und Verträge gegenüber den üblichen materiell-rechtlichen wird verwischt. Stattdessen sollte die Hauptwirkung dieser Handlungen gerade zum Gegenteil zwingen. Wirken sich Handlungen und Verträge primär auf einen Prozess aus, so muss es auch das Prozessrecht sein, das nicht nur ihre Wirkung anerkennt, sondern damit auch die Voraussetzungen normiert, unter denen diese Wirkungen eintreten. Hat also der Vertrag eine Regelung des Prozessrechts zum Gegenstand, so unterliegt er damit auch den Anforderungen des Prozessrechts. Er unterscheidet sich hierin vom materiellrechtlichen Vertrag und sollte daher zutreffend als Prozessvertrag bezeichnet werden. Ein Prozessvertrag wird folglich zutreffend dadurch charakterisiert, dass der Vertragsgegenstand primär prozessuale Wirkung entfaltet. Zugleich muss ein Prozessvertrag damit in letzter Konsequenz auch (zweiseitige) Prozesshandlung sein, da dem Prozessrecht hier ein Anwendungsvorrang zu sichern ist. Der funktionelle Prozesshandlungsbegriff überzeugt. Allein der Umstand, dass dem Prozessrecht ein eigenes Vertragsrecht fehlt, hat keine Relevanz. Das Vertragsrecht wurde im Zivilrecht entwickelt, da es dort historisch und auch praktisch die größte Relevanz hat. Es enthält unabhängig von dieser Heimstatt im Zivilrecht jedoch allgemeine Rechtsgrundsätze, die

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in allen Rechtsgebieten Geltung beanspruchen. Gerade das Rechtsinstitut des Vertrages selbst ist keinesfalls ein rein zivilrechtliches, sondern inzwischen im Völkerrecht wie auch im öffentlichen Recht (§§ 54 ff. VwVfG) allgemein anerkannt und integriert. Allein die zutreffende Einordnung einer Vereinbarung als Vertrag kann daher kein alleiniges Argument für die Unterwerfung des Vertrages unter das Zivilrecht, insbesondere unter die Herrschaft der §§ 104 ff. BGB sein. 231 Dies gilt auch, wenn dem öffentlichen Recht, insbesondere dem Prozessrecht, eine eigene Regelung des Vertragsrechts fehlt. Allein eine bestehende Regelungslücke auf den eigentlich anzuwendenden Rechtsgebieten kann es nicht rechtfertigen, den betreffenden Vertrag im Umkehrschluss einem Rechtsgebiet zuzuordnen, das Regelungen bietet. Vielmehr ist die Lückenhaftigkeit zu akzeptieren und ggf. mittels einer Analogie zu schließen, soweit diese den Eigenarten des lückenhaften Rechtes gerecht wird. Fest steht, dass es im Prozessrecht keine umfassenden eigenständigen Regelungen zum Vertragsrecht gibt, dennoch aber Verträge prozessuale Hauptwirkungen haben können. Bei diesem Befund ist es methodisch geboten, diese Regelungslücke im Wege einer analogen Anwendung von Normen eines anderen Rechtsgebietes zu schließen. Der Blick fällt dabei natürlich auf das Vertragsrecht des BGB. Die dortigen vertragsrechtlichen Regelungen ergeben in der Gesamtbetrachtung ein Vertragsprinzip, also einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der allen Rechtsgebieten Relevanz haben kann und der im Wege der Rechts- oder auch Gesamtanalogie 232 auch in das Prozessrecht importiert wird, um dessen Lücken zu schließen. 233 Diese umfassende Analogie muss allerdings dort beschränkt werden, wo entgegenstehende gesetzliche Regelungen oder aber ein gegenläufiges Rechtsprinzip des Prozessrechts nach Beachtung verlangen. Das bürgerlich-rechtliche Vertragsrecht ist daher keinesfalls unreflektiert und blind auf das Prozessrecht übertragbar. Seine analoge Anwendung kann aber in weiten Teilen die Lücken im Prozessrecht schließen. Schließlich ist noch auf die zweite Besonderheit eines Prozessvertrages einzugehen. Eine Reihe von Verträgen mit prozessualer Wirkung können nicht in einem anhängigen Verfahren, sondern bereits oder auch nur vor Verfahrensbe231 Ebenso bereits Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozess, S. 29 ff. Wenig überzeugend daher auch Teubner/Künzel, MDR 1988, 720, 723, die Prozessverträge gerade wegen ihrer Ausgestaltung als Vertrag dem bürgerlichen Recht zuordnen wollen. 232 Larenz, Methodenlehre, S. 383. 233 Gottwald, in: Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 63 Rn. 3; Musielak, in: Musielak, ZPO, Einleitung Rn. 66; Rauscher, in: MünchKomm, ZPO, Einleitung Rn. 397; ähnlich Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 128 Rn. 311, wenn er das bürgerliche Vertragsrecht als allgemeinen Rechtsgrundsatz auf Prozessverträge anwendet (ebenso Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozess, S. 139 f.); dies ist methodisch eine Gesamtanalogie. Die Lücken im Verwaltungsrecht hat der Gesetzgeber in § 62 S. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) geschlossen, indem er die Normen des BGB auf öffentlich-rechtliche Verträge für entsprechend anwendbar erklärt. Das Vertragsprinzip gilt also grundsätzlich auch im Bereich des öffentlichen Rechts.

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ginn geschlossen werden. Hierauf gestützt wird dann argumentiert, dass diese Verträge dann einen Prozess nicht unmittelbar gestalten könnten, da sie im späteren Verfahren erst von den Parteien vorgetragen werden müssten. 234 In dieser Argumentation spiegelt sich der Gedanke wieder, dass Prozesshandlungen der Parteien nur solche Handlungen sein können, die unmittelbar – zumindest auch – an das Gericht zu richten sind. Das trifft für eine Mehrzahl von Prozesshandlungen zu, die als Anträge, Angriffs- bzw. Verteidigungsmittel oder auch prozessgestaltende Erklärung nur wirksam werden, wenn sie dem Gericht zugehen. Diese Handlungen müssen allein aus diesem Grunde zeitlich innerhalb eines laufenden Verfahrens abgegeben werden. Die klassischen Prozessverträge mit Verfügungswirkung hingegen, insbesondere die Gerichtsstandsvereinbarung und der Schiedsvertrag, werden vor Verfahrensbeginn und ohne Kenntnis des zukünftigen Gerichtes abgeschlossen. Sie entfalten nur dann ihre prozessuale Wirkung, wenn sie dem Gericht durch eine der Parteien zur Kenntnis gebracht werden. Diese Kenntniserlangung des Richters gibt dem Vertrag dann jedoch unmittelbar eine prozessuale Wirkung. 235 Das im Vertrag bestimmte Gericht wird zuständig (§ 38 Abs. 1 ZPO). Die dem Schiedsvertrag widersprechende Klage wird unzulässig, wenn der Beklagte den Verstoß gegen den Schiedsvertrag vor Beginn der mündlichen Verhandlung rügt (§ 1032 Abs. 1 ZPO). Die Verträge entfalten ihre prozessuale Wirkung also zwar mit zeitlicher Verzögerung, wobei oft bei Vertragsschluss sogar ungewiss ist, ob sie überhaupt zum Zuge kommen, ob es also überhaupt einen Prozess geben wird. Kommen sie allerdings zum Zuge, so wirken sie unmittelbar auf den Prozess ein. Im deutlichen Gegensatz zum materiell-rechtlichen Vertrag, als welchen alternativ Verträge mit prozessualer Wirkung einzuordnen wären, bedarf es zur Durchsetzung der vereinbarten Vertragswirkung eben keines eigenen Zivilprozesses, also keiner Klage auf Feststellung der vereinbarten prozessualen Wirkung. Diese tritt ohne weiteres aufgrund des entsprechenden Sachvortrags ein. Jeder prozessuale Vertrag kann somit auf die Prozessrechtslage einwirken, sobald ein Prozess entsteht, und dies gilt unabhängig davon, ob er vor oder nach dem Prozessbeginn abgeschlossen wurde.236 Dies gilt selbst für den Fall einer Rüge- oder Einredepflicht. 234

BGHZ 49, 384, 387. Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 128 Rn. 314. 236 Dies gilt unproblematisch für die klassischen prozessualen Verträge mit Verfügungswirkung. Diese wirken unmittelbar auf das Verfahren ein – vgl. Schwab, FS Baumgärtel, 503, 509; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 128 Rn. 314; Gottwald, in: Rosenberg/Schwab/ Gottwald, Zivilprozessrecht, § 66 Rn. 2. Verpfl ichtet sich in einem Vertrag hingegen eine Partei lediglich zur Vornahme oder Unterlassung einer Prozesshandlung (prozessualer Verpflichtungsvertrag – dazu Wagner, Prozessverträge, S. 35 ff. m. w. N.), so gehen Wirkungen erst von der vorgenommene Prozesshandlung bzw. deren Unterlassung aus; sie wird nicht fingiert (zutreffend Teubner/Künzel, MDR 1988, 720, 725 f.). Die prozessuale Wirkung solcher Verträge ist insofern schwächer und vielleicht nur mittelbarer Natur (so etwa Leipold, in: 235

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Das Prozessrecht schafft Rügepflichten im Interesse der Verfahrensökonomie, also um zu bewirken, dass bestimmte Verteidigungsmittel nur bei rechtzeitiger Rüge, nicht hingegen von Amts wegen beachtet werden. Dass eine prozessuale Wirkung erst nach entsprechender Rüge eintritt, ändert nichts daran, dass die Wirkung nicht auf der Rüge oder Einrede als solcher, sondern auf dem Vertrag basiert. 237 Die Rüge ist lediglich der gesetzlich vorgeschriebene Weg der Geltendmachung. Insgesamt rechtfertigt also auch die besondere Wirkungsweise von »Verträgen mit prozessualer Wirkung«, sie von materiell-rechtlichen Verträgen zu unterscheiden und als Prozessverträge den Prozesshandlungen zuzuordnen. 238 Folglich unterliegen sie hinsichtlich ihrer Voraussetzungen und Wirkungen grundsätzlich dem Prozessrecht. 4. Handlungen mit Doppelwirkung Unbestritten sind nun aber auch Fälle denkbar, in denen eine Erklärung im Prozess sowohl materiell-rechtliche als auch prozessuale Wirkungen entfalten soll. Klassisches Beispiel hierfür ist die Prozessaufrechnung, die sowohl den Anspruch zum Erlöschen bringt als auch zu einer rechtskräftigen Feststellung über die Gegenforderung im Prozess führt. Lässt sich in einem solchen Fall keine primäre Wirkung auf einem der beiden Gebiete feststellen, 239 so ist die Stein/Jonas, ZPO, vor § 128 Rn. 315; Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozess, S. 175). Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass bereits die bloße Verpflichtung aus diesen Verträgen zu einer unmittelbaren Einwirkung auf den Prozess führt, indem entgegenstehende Prozesshandlungen unzulässig werden (im Ergebnis inzwischen wohl unstreitig, nur der Weg dahin über eine Einrede oder von Amts wegen bleibt strittig – vgl. etwa Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 128 Rn. 315; Teubner/Künzel, MDR 1988, 720, 724; Wagner, Prozessverträge, S. 235, 238 ff.) und insofern bereits der Vertrag selbst und nicht erst die geschuldete Handlung auf den Prozess unmittelbar einwirken kann. Einer Durchsetzung im Klageweg bedarf keiner dieser Verträge (insoweit wohl unstreitig – vgl. Gottwald, in: Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 66 Rn. 3; Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozessparteien, S. 194, 200; Schwab, FS Baumgärtel, 503, 511; selbst Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 128 Rn. 315 und grundsätzlich auch Wagner, Prozessverträge, S. 266 f., verneinen das Rechtsschutzbedürfnis einer solchen Klage; anders noch Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozess, S. 179). Nur in seltenen Ausnahmefällen kann eine Erfüllungsklage als leichterer Durchsetzungsweg vorzugswürdig sein, so dass dem Vertrag jede prozessuale Wirkung fehlt – vgl. hierzu Wagner, Prozessverträge, S. 263 ff.; auch Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozessparteien, S. 199 ff. Typprägend für Prozessverträge ist das nicht. 237 Gottwald, in: Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 66 Rn. 2: »Die Notwendigkeit einer Einrede hindert aber nicht die Annahme einer Verfügungswirkung.« Auch Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 128 Rn. 314; Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozess, S. 99 f.; Schwab, FS Baumgärtel, 503, 509; Wagner, Prozessverträge, S. 238 ff. 238 Ebenso Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 128 Rn. 302, 304. 239 Diese Frage ist stets voranzustellen, weshalb etwa die Klageerhebung trotz ihrer auch materiell-rechtlichen Nebenwirkungen (etwa für die Verjährung oder Zinsansprüche) als Prozesshandlung und die Veräußerung der streitbefangenen Sache trotz ihrer prozessualen Nebenwirkungen (etwa in § 265 ZPO) als materielles Rechtsgeschäft anzusehen sind. Vgl. Baumgärtel, Prozesshandlung, S. 90; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 128 Rn. 215; Rau-

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einheitliche Erklärung sowohl als materiell-rechtliche Willenserklärung (etwa als Aufrechnungserklärung) als auch als Prozesshandlung (Angriffs- oder Verteidigungsmittel) einzuordnen. Man spricht dann auch von einem »Doppeltatbestand«. 240 Hier sind beide Wirkungsbereiche der Erklärung streng voneinander zu trennen und nach ihrem jeweiligen Recht zu beurteilen. Eine prozessuale Unwirksamkeit der Parteierklärung betrifft also grundsätzlich nur die prozessualen Wirkungen und beeinträchtigt ebenso wenig die parallele materiellrechtliche Willenserklärung wie umgekehrt ein materieller Mangel die Prozesshandlung. Ein Übergreifen des einen Mangels auf den anderen Teil ist allenfalls analog § 139 BGB möglich.241

II. Prozesshandlungen im Insolvenzplanverfahren Geht man also grundsätzlich von einem eher weiten Prozesshandlungsbegriff aus, so ist nun zu untersuchen, ob sich im Planverfahren nach den §§ 217 ff. InsO Prozesshandlungen finden, insbesondere aber, ob die Ab- und Zustimmungserklärungen der Beteiligten im Abstimmungstermin Prozesshandlungen und der Insolvenzplan ein Prozessvertrag ist. 1. Unerheblichkeit des Forums der Erklärung für deren Einordnung Das Insolvenzverfahren ist wie das Planverfahren ein gerichtliches Verfahren, so dass es schon aus diesem simplen Grund nahe liegt, die in diesem Verfahren vorgesehenen Handlungen der Beteiligten als Prozesshandlungen anzusehen. Eine solche Betrachtung würde auch dazu führen, in den Erklärungen der Beteiligten eines Insolvenzplanverfahrens Prozesshandlungen zu erkennen und es ultimativ ermöglichen, den Insolvenzplan selbst als Prozessvertrag einzuordnen, wird er doch schließlich in einem gerichtlichen Verfahren zustande gebracht.242 Neu sind derartige Gedanken nicht; schon für die Konkursordnung wurde argumentiert, dass der Zwangsvergleich ein Prozessvertrag sei. 243 scher, in: MünchKomm, ZPO, Einleitung Rn. 374; auch schon Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozess, S. 36 f., 174. 240 Vgl. Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 128 Rn. 323; Rauscher, in: MünchKomm, ZPO, Einleitung Rn. 375; Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozess, S. 39 f.; Wagner, Prozessverträge, S. 38 ff. 241 Näher zur Lehre vom Doppeltatbestand: Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 128 Rn. 322 ff.; auch Gottwald, in: Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 63 Rn. 10 ff. 242 So insbesondere Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 217 Rn. 31: »Dass ein Insolvenzplan materiellrechtlich als mehrseitiger Vertrag zwischen den Gläubigern und dem Schuldner zu qualifizieren ist, ändert nämlich nichts daran, dass sein wirksames Zustandekommen maßgeblich von den Verfahrensregeln der §§ 217 ff. und insbesondere der §§ 235 ff. beeinflusst wird. [. . .] Als materiellrechtliches Rechtsinstitut ist ein Insolvenzplan in diesem Sinne verfahrensrechtlich determiniert. [. . .] Ähnlich wie ein Prozessvergleich im Zivilprozess besitzt auch der Insolvenzplan daher eine Doppelnatur: Er ist einerseits ein materiellrecht-

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Eine derart vereinfachte Argumentation ist nun allerdings nicht wirklich überzeugend. Zur Qualifikation einer Handlung als Prozesshandlung genügt nicht bereits der Hinweis, dass die Erklärung im Rahmen eines Prozesses oder Verfahrens abgegeben wird. Allein dieser äußere Umstand hat keinerlei Aussagekraft; das Forum, auf dem die Äußerung geschieht, ist irrelevant, ist es doch unstreitig möglich, auch Willenserklärungen in einem Prozess zu äußern. Niemand ist daran gehindert, seiner Gegenpartei in einem an das Gericht gerichteten Schriftsatz ein Vertragsangebot zu machen, das über die Zustellung des Schriftsatzes dann den Empfänger erreicht. Allein durch die Einbindung dieser Erklärung in den Prozess und dessen Erklärungswege, also allein durch Äußerlichkeiten, wird keine Erklärung zur Prozesshandlung und kein im Prozess zustande kommender Vertrag zum Prozessvertrag.244 243

2. Unerheblichkeit der Verfahrensregelungen über das Zustandekommen des Plans Ebenso unzureichend ist der bloße Hinweis darauf, dass die Erklärungen der Beteiligten wie auch der zustande kommende Vertrag in seinen Voraussetzungen im Prozessrecht geregelt sei. 245 Die hierin liegende Anknüpfung an den engen Prozesshandlungsbegriff, der für Prozesshandlungen fordert, dass ihre Voraussetzungen und Wirkungen im Prozessrecht geregelt sind, kann schon aus den im vorangegangenen Abschnitt aufgezeigten grundsätzlichen Schwächen nicht überzeugen. Sie übersieht aber vor allem, dass der Insolvenzplan wie jeder andere Akkord in seinen Wirkungen nicht auf dem Prozessrecht beruht. Sicherlich ist die Insolvenzordnung eine Verfahrensordnung, also eine Prozessordnung. Wie aber bereits zu Beginn dieses Kapitels ausführlich dargelegt wurde, folgen die Wirkungen des Insolvenzplans wie auch die des Zwangsvergleichs oder Vergleichs nicht aus der gerichtlichen Beteiligung oder gar prozessrechtlichen Regelungen. Insbesondere enthält § 254 InsO keine Normierung der Planwirkungen; er bestimmt lediglich den Zeitpunkt des Eintritts derselben. Quelle der Wirkungen des Plans auf die materiellen Rechtspositionen aller Beteiligten ist allein der Plan selbst und die im Plan zu erkennende privatautonolicher Vertrag, andererseits gleichzeitig aber auch ein Prozessvertrag, mit dessen Abschluss die Beteiligten unmittelbar Einfluss auf die Insolvenzabwicklung im Allgemeinen und den Fortgang/Abschluss des Insolvenzplanverfahrens im Besonderen nehmen.« 243 Siehe im Ersten Kapitel B. III. 2. d). 244 Dieser Ausgangspunkt ist unstreitig – vgl. Gottwald, in: Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 63 Rn. 10; ebenso bereits Niese, Doppelfunktionelle Prozesshandlungen, S. 83 f.; Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozess, S. 37 f. 245 So Krusch, Das Wesen des Vergleichs, S. 87, der es für entscheidend hält, dass sich das Zustandekommen des Vergleichs nach den Vorschriften der Prozessgesetze richtet. Auch Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 217 Rn. 31, sieht in der Einflussnahme von Verfahrensregelungen auf das Zustandekommen des Insolvenzplans den wesentlichen Grund für dessen Einordnung als Prozessvertrag; ihm folgen Flöther/Wehner, ZInsO 2009, 503, 504 f.

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me Übereinkunft aller Beteiligten. Das materielle Vertragsprinzip, nicht das Prozessrecht, erzeugt die Planwirkungen. Selbst unter Zugrundelegung des engen Prozesshandlungsbegriffs würde es danach schwer fallen, einen Insolvenzplan wie auch die zu ihm führenden Erklärungen als reine Prozesshandlung zu qualifizieren. 3. Die Notwendigkeit der individuellen Feststellung einer prozessualen Hauptwirkung Pauschale Argumentationen führen folglich nicht zu einem überzeugenden Resultat. Es ist stattdessen vor dem Hintergrund des funktionellen Prozesshandlungsbegriffs und der Möglichkeit von Tatbeständen mit Doppelnatur danach zu fragen, ob die Handlung oder Erklärung eines Beteiligten im Insolvenzplanverfahren ihre Hauptwirkungen im prozessualen Gebiet oder aber im materiellen Recht oder gar in beiden Bereichen hat. Die kann zu durchaus differenzierenden Ergebnissen führen. So kann etwa die Planinitiative zutreffend als reine Prozesshandlung angesehen werden. Mit der Planinitiative beginnt nach § 218 Abs. 1 S. 1 InsO das Insolvenzplanverfahren. Die Planvorlage hat – wie bereits untersucht wurde – keinen rechtsgeschäftlichen Charakter. Sie ist keine Willenserklärung, sondern allenfalls eine sog. »invitatio ad offerendum«.246 Die Planvorlage hat ihre entscheidende Bedeutung in der Einleitung des Insolvenzplanverfahrens und kann aufgrund dieser verfahrenseinleitenden Wirkung zu Recht als Verfahrens- bzw. Prozesshandlung eingeordnet werden. 247 Dasselbe gilt für den Antrag eines Gläubigers auf Minderheitenschutz nach § 251 InsO wie auch für die Einlegung einer sofortigen Beschwerde als Rechtsmittel gegen eine Zurückweisung des Plans nach § 231 Abs. 3 InsO sowie gegen die Bestätigungsentscheidung nach § 253 InsO. Auch diese Handlungen wirken lediglich verfahrensgestaltend. Im Gegensatz dazu hat beispielsweise die Stellungnahme von Beteiligten nach § 232 InsO keinen Prozesshandlungscharakter. Weist das Insolvenzgericht den vorgelegten Plan nicht nach § 231 InsO zurück, muss es diesen den anderen Beteiligten nach § 232 Abs. 1 InsO zur Stellungnahme zuleiten. Diese Stellungnahmen sollen die Entscheidung der Beteiligten über den Insolvenzplan vorbereiten und insbesondere deren Meinungsbildung hinsichtlich des Plans erleichtern.248 Ein Meinungsbild soll entstehen. Die Stellungnahmen haben folglich keinen unmittelbaren Einfluss auf das gerichtliche Verfahren. Für dessen Ab246

Siehe im Dritten Kapitel A. Braun, in: Nerlich/Römermann, InsO, vor § 217 Rn. 90; Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 218 Rn. 9; Gaul, FS Huber, 2006, 1187, 1202; Kersting, Gläubiger im Insolvenzplanverfahren, S. 84; Smid, Grundzüge des Insolvenzrechts, § 25 Rn. 1; Schiessler, Insolvenzplan, S. 20, 86; Zempel, Genussrechte, S. 83. 248 Vgl. etwa Breuer, in: MünchKomm, InsO, § 232 Rn. 1; Hess, in: Hess, InsR, § 232 InsO Rn. 3. 247

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lauf ist eine Stellungnahme nicht erforderlich. Sie dient auch nicht als Entscheidungsgrundlage für das Insolvenzgericht und kann daher auch nicht als Sachvortrag oder Vorbringen eines Angriffs- oder Verteidigungsmittels angesehen werden. Die Zweckrichtung der Stellungnahmen zielt allein auf die Willensbildung der zur Abstimmung berufenen Beteiligten. Sie sind daher mangels verfahrensgestaltender Wirkung keine Prozesshandlungen. Für die Abstimmungserklärungen der Gläubiger wie auch die Erklärung des Schuldners zum Plan ist folgerichtig danach zu fragen, ob diese nicht nur die im dritten Kapitel beschriebenen materiell-rechtlichen Wirkungen besitzen, sondern auch Hauptwirkungen auf prozessualem Gebiet erzeugen und daher nicht nur als Willenserklärungen, sondern auch als Prozesshandlungen anzusehen sind. Ein Doppeltatbestand läge vor. Da sich alle diese Erklärungen auf das Zustandekommen eines Insolvenzplans richten, wäre eine prozessuale Hauptwirkung ohne weiteres anzunehmen, wenn das Produkt dieser Erklärungen, der Insolvenzplan, ein Prozessvertrag, also ein Vertrag mit prozessualer Hauptwirkung, wäre. Dies ist jedoch mehr als fraglich.

III. Der Insolvenzplan ist kein Prozessvertrag Der Insolvenzplan ist nach dem zutreffenden funktionellen Begriff der Prozesshandlungen dann eine zweiseitige Prozesshandlung in Form eines Prozessvertrages, wenn er Hauptwirkungen auf prozessualem Gebiet erzeugt. Lediglich reflexartige Nebenwirkungen genügen hingegen nicht. 1. Der Prozessvergleich als Vergleichsmaßstab Es stellt sich damit die Frage nach der notwendigen Intensität etwaiger prozessualer Wirkungen des Insolvenzplans. Wie weit oder wie unmittelbar muss ein materiell-rechtlicher Vertrag auf einen Prozess einwirken, um ein Prozessvertrag zu sein? Als Vergleichsmaßstab bietet sich hier die Diskussion um die Prozessvertragsqualität des gerichtlichen und außergerichtlichen Vergleichs an, ziehen doch insbesondere auch diejenigen, die im Insolvenzplan einen Prozessvertrag erkennen wollen, diese Parallele. 249 Dem gerichtlichen Vergleich oder auch Prozessvergleich wird inzwischen eine prozessuale Hauptwirkung allgemein zugeschrieben. Begründet wird dies überwiegend 250 nur mit dem kurzen 249 Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 217 Rn. 31; Flöther/Wehner, ZInsO 2009, 503, 504 f.; Gaul, FS Huber, 2006, 1187, 1205 f. 250 Statt vieler RGZ 142, 1, 3; 157, 141, 143; BGHZ 41, 310, 311; Baumgärtel, Prozesshandlung, S. 194; Gottwald, in: Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 129 Rn. 32, 24 ff.; Habersack, in: MünchKomm, BGB, § 779 Rn. 79 f.; Holzhammer, FS Schima, 217, 220; Jauernig, JZ 1958, 657, 658; Krebs, Der Prozessvergleich, S. 23, 26; Marburger, in: Staudinger, BGB (2009), § 779 Rn. 110; Niese, Doppelfunktionelle Prozesshandlungen, S. 86; Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozess, S. 187; Tempel, FS Schiedermair, 1976, 517, 519; Vogel,

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Hinweis darauf, dass der Prozessvergleich den Rechtsstreit unmittelbar, also ohne weitere Entscheidung des Gerichts, beendet und zugleich ein Vollstreckungstitel nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist. Dem außergerichtlichen Vergleich hingegen würden typischerweise beide Wirkungen fehlen, weshalb ihm zu Recht eine prozessuale Hauptwirkung abgesprochen wird.251 Die Notwenigkeit einer Ungleichbehandlung beider Vertragstypen ergibt sich allerdings allenfalls ansatzweise aus der Gesetzeslage. Ein bei Gericht geschlossener Vergleich zur Beilegung des Rechtsstreits ist in § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO erwähnt und wird dort als Vollstreckungstitel anerkannt. Ein Vertrag, der durch gegenseitiges Nachgeben den Streit über ein Rechtsverhältnis beseitigt, ist zudem in § 779 BGB erwähnt, wo ein besonderer Unwirksamkeitsgrund normiert wird. Hiervon ausgehend haben sich die Begriffe des Prozessvergleichs und des materiell-rechtlichen oder auch außergerichtlichen Vergleichs gebildet. In ihrer Reinform hat von beiden Vertragstypen tatsächlich nur der Prozessvergleich jedenfalls eine prozessuale Wirkung: die der Titulierung der im Vergleich bestätigten Forderung. Die ihm daneben zugesprochene prozessuale Wirkung der Prozessbeendigung ist nicht gesetzlich normiert. Gerade hinsichtlich dieser zweiten Wirkung gibt es daher immer noch Unklarheiten, die auszuräumen sind, bevor der Insolvenzplan an den Grundsätzen des Vergleichsrechts gemessen wird. Die Argumentation der herrschenden Ansicht hat Jauernig252 grundlegend geprägt, der die Prozess beendigende Wirkung des Prozessvergleichs aus § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO herleitete. Nur ein Prozessvergleich lässt wegen der dort genannten Titulierungsfunktion jeden Grund für den anhängigen Prozess entfallen, während die materiell-rechtliche Unsicherheit oder Ungewissheit durch jeden der beiden Vergleichstypen geklärt wird. Das Ergebnis dieser Klärung ist bei einem Prozessvergleich aber nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO sofort vollstreckbar. Keine der Parteien hat danach noch einen Grund, am Prozess festzuhalten. Das Recht ist festgestellt und durchsetzbar, soweit es einer Durchsetzung bedarf. Es kann daher allein der Prozessvergleich sein, der den Prozess beendet. Eine aufhebende gerichtliche Entscheidung ist überflüssig. Ganz anders stellt sich insofern die Situation beim außergerichtlichen Vergleich dar. Zwar wird auch hier eine materiellrechtliche Unsicherheit oder Ungewissheit durch den Vergleichsvertrag beendet. Trotzdem fehlt den Parteien immer noch ein Vollstreckungstitel für die Ansprüche aus diesem Vertrag. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Die prozessualen Wirkungen des außergerichtlichen Vergleichs, S. 76, 87; Wehrmann, Die Position des Dritten im Prozessvergleich, S. 110, 112. 251 RGZ 142, 1, 3; 161, 350, 353; BGH NJW 2002, 1503, 1504; Habersack, in: MünchKomm, BGB, § 779 Rn. 38; Holzhammer, FS Schima, 217, 220 f.; Marburger, in: Staudinger, BGB (2009), § 779 Rn. 54; auch Vogel, Die prozessualen Wirkungen des außergerichtlichen Vergleichs, S. 96 ff.; Wagner, Prozessverträge, S. 512; im Ergebnis auch Jauernig, JZ 1958, 657, 658. 252 JZ 1958, 657, 658.

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gewährt einen solchen ausdrücklich nur für den Prozessvergleich. Im Regelfall der Leistungsklage gibt es für die Parteien daher trotz der vertraglichen Einigung weiterhin einen möglichen Prozessgrund, den der Erlangung eines Vollstreckungstitels. Dies hat die Rechtsordnung insofern zu berücksichtigen, als dass sie den Prozess noch nicht ohne weiteres als beendet ansehen darf. Es obliegt hier vielmehr den Parteien, auf einen Titel zu verzichten und den Prozess durch eine Klagerücknahme oder Erledigterklärung zu beenden. Diese Argumentation leuchtet ohne weiteres ein, wenn man dualistisch nur zwischen Prozessvergleichen und materiell-rechtlichen Vergleichen unterscheidet. Niemand hindert nun aber die Parteien daran, auch in einen außergerichtlichen Vergleich neben den materiell-rechtlichen Fragen eine Vereinbarung aufzunehmen, nach welcher der anhängige Prozess beendet werden soll, sei es durch eine Klagerücknahme, sei es durch eine übereinstimmende Erledigungserklärung. Der außergerichtliche Vergleich enthält dann nicht nur materiellrechtliche Regelungen, sondern auch eine nur prozessual ausgerichtete Verpflichtung. Die Vertragsfreiheit lässt dies zu. 253 Wolfsteiner 254 nimmt dies aktuell zum Anlass, die Systematik von Prozessvergleich und außergerichtlichem Vergleich neu zu bestimmen. Die in § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO normierte Vollstreckbarkeit sei nur eine Nebenfolge der für jeden Prozessvergleich eigentlich charakteristischen Prozessbeendigungswirkung. Wenn aber auch einseitige Parteiprozesshandlungen mit Prozess beendigender Wirkung wie eine Erledigterklärung oder ein Rechtsmittelverzicht schriftlich und außergerichtlich vorgenommen werden können, so sei kein Grund ersichtlich, mit Vergleichen anders zu verfahren. 255 Daraus folgert er, dass auch solche Vergleichsverträge als prozessual (Prozess beendigend) wirkend und damit als Prozessvergleiche anzuerkennen seien, die entgegen § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zwar außergerichtlich, aber mit Prozessbeendigungswillen geschlossen werden, auch wenn diesen eine Vollstreckbarkeit fehlt. Die prozessuale Wirkung der Prozessbeendigung trete dann wie bei einseitigen Erklärungen mit Zugang des schriftlichen Vergleichs bei Gericht ein. Der außergerichtliche Vergleich wäre damit kaum mehr vom Prozessvergleich zu unterscheiden. Überzeugen kann dieser Vorschlag nicht, handelt es sich dabei im Ergebnis doch allenfalls um eine Neubestimmung des Begriffs des Prozessvergleichs, die 253 Dies ist wohl unstreitig. Auch Vogel hält nur einen außergerichtlichen Vertrag, der unmittelbar den Prozess beenden soll, für unzulässig und daher unwirksam – Vogel, Die prozessualen Wirkungen des außergerichtlichen Vergleichs, S. 60 f. Bloße Verpfl ichtungsverträge hält hingegen auch er für möglich – vgl. etwa S. 66. 254 Wolfsteiner, in: MünchKomm, ZPO, § 794 Rn. 7, 18, 48. 255 Diese Idee, einem außergerichtlichen Vergleich eine den Prozess unmittelbar beendende Wirkung zuzugestehen, ist nicht neu – vgl. OLG München ZZP 53 (1928), 285, 286; OLG Düsseldorf DR 1940, 113, 114; OLG Oldenburg JZ 1958, 279 f.; Bonin, Der Prozessvergleich, S. 83. Herrschend war diese Auffassung hingegen nie.

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sich nicht mehr an § 794 ZPO orientiert und daher auch außergerichtliche Vergleiche als Prozessvergleich auffasst. Diese Abwendung von der gesetzlichen Regelung erscheint weder notwendig noch gerechtfertigt. Richtig ist, dass es neben den in § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO normierten Prozessvergleichen und den in § 779 BGB geregelten rein materiell-rechtlichen Vergleichen auch Vergleichsverträge gibt, die neben dem materiellen Vergleichsinhalt des § 779 BGB auch Vereinbarungen über die Beendigung des anhängigen Prozesses enthalten. Ein außergerichtlicher Vergleich kann etwa die Pflicht zur Klage- oder Rechtsmittelrücknahme bzw. zur beiderseitigen Erledigungserklärung statuieren. Richtig ist weiterhin, dass in diesen Fällen der Vergleichsvertrag nicht nur das materielle Recht verändert, sondern die Parteien auch zur Beendigung des anhängigen Prozesses verpflichtet, zu dessen Überwindung er geschlossen wurde, so dass er auch als ein prozessualer Verpflichtungsvertrag anzusehen ist. 256 Eine unmittelbar Prozess beendigende Wirkung kann ihm dennoch nicht zukommen, da ihm gerade die Eigenschaft des Prozessvergleichs fehlt, Vollstreckungstitel zu sein. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO findet auch auf solche außergerichtlichen Vergleiche keine Anwendung. Folgerichtig würde den Parteien jede Möglichkeit genommen, die im Vergleich vereinbarten Leistungspflichten unmittelbar im Vollstreckungswege durchzusetzen, wenn – wie Wolfsteiner 257 dies vorschlägt – allein die Mitteilung des außergerichtlichen Vergleichs mit Prozessbeendigungsvereinbarung an das Gericht den Prozess beendet, obwohl dem Vergleich jede Vollstreckbarkeit fehlt. Der in prozessökonomischer Hinsicht bedeutende Prozessgrund der Titulierung materiell-rechtlicher Forderungen ist trotz der materiell-rechtlichen Einigung noch nicht entfallen, da die prozessuale Vereinbarung der Parteien als Titel nicht anerkannt wird.258 Insofern erscheint es sachgerechter, trotz der Mitteilung des außergerichtlichen Vergleichs eine fortdauernde Rechtshängigkeit des Rechtsstreits anzunehmen und es den Parteien zu überlassen, den Rechtsstreit in Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem Vergleich zu beenden. So wird es insbesondere möglich, im Wege des Teilanerkenntnisurteils Leistungspflichten aus dem Vergleich titulieren zu lassen oder aber durch die gerichtliche Protokollierung des Vergleichsinhalts einen Prozessvergleich und damit einen Vollstreckungstitel zu schaffen, ohne zuvor einen neuen Prozess auf der Grundlage des außergerichtlichen Vergleichs anstrengen zu müssen.259 Zugleich kann ein vergleichswidriges Verhalten einer Partei dadurch hinreichend sanktioniert werden, dass das Gericht Anträge, die 256 Zu dieser Kategorie von Prozessverträgen siehe etwa Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 128 Rn. 303 ff.; Wagner, Prozessverträge, S. 511 ff. Der typische (außergerichtliche) Vergleich des § 779 BGB dient demgegenüber allein der Regelung des streitigen materiell-rechtlichen Anspruchs. Er ist kein Prozessvertrag. 257 Wolfsteiner, in: MünchKomm, ZPO, § 794 Rn. 18. 258 Hierauf weist Wagner, Prozessverträge, S. 512 f. zutreffend hin. 259 So auch Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, § 794 Rn. 91. Der BGH ließ ein solches Vorgehen ausdrücklich zu – vgl. BGH NJW 2002, 1503, 1504.

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dem prozessualen Vergleichsinhalt widersprechen, als unstatthaft oder unzulässig zurückweist.260 Prozessuale Verpflichtungsverträge wirken insofern auch auf den Prozess ein, ohne dabei jedoch bereits unmittelbar die Rechtsfolge zu erzeugen, die mittels der Verpflichtung erreicht werden soll. Der Prozess kann zwar nicht weiter betrieben werden, soweit es dem Vergleichsinhalt widerspricht; er endet aber auch noch nicht. 261 Die prozessualen Wirkungen eines außergerichtlichen Vergleichs mit prozessualen Vereinbarungen zur Prozessbeendigung hat damit keine der Wirkungen eines Prozessvergleichs. Er beendet weder den Prozess noch tituliert er die im Vergleich vereinbarten materiellen Forderungen. Solch ein Vergleich sollte daher auch nicht als Prozessvergleich eingeordnet werden. Die Systematik der herrschenden Ansicht, die zwischen außergerichtlichen Vergleichen und Prozessvergleichen unterscheiden, ist durchaus zutreffend. Ein Insolvenzplan wird im Übrigen eine prozessuale Verpflichtung zur Abgabe einer Verfahrensbeendigungserklärung nicht enthalten können, steht den Beteiligten doch eine derartige Prozesshandlung im Insolvenzverfahren nicht zu. Hier obliegt die Beendigung des Insolvenzverfahrens gemäß § 258 Abs. 1 InsO stets und zwingend allein dem Insolvenzgericht und eine Rücknahme des Insolvenzantrags kann nach der Verfahrenseröffnung selbiges gemäß § 13 Abs. 2 InsO nicht mehr beenden. Ein näheres Eingehen auf die Diskussion um die prozessualen Wirkungen solcher Verträge ist hier folglich nicht angezeigt. Der Insolvenzplan ist nie ein prozessualer Verpflichtungsvertrag. Er wirkt entweder wie ein klassischer Prozessvergleich unmittelbar prozessual, indem er die in ihm vereinbarten Forderungen tituliert und zugleich das Insolvenzverfahren beendet oder er ist ein materiell-rechtlicher Vertrag ohne prozessuale Hauptwirkungen. a) Der Insolvenzplan ist kein Vollstreckungstitel Ein entscheidender Anhaltspunkt für die Frage nach einer prozessualen Hauptwirkung ist folglich die Anerkennung eines Vertrages als Vollstreckungstitel. Der Vertrag wirkt dann wie ein rechtskräftiges Urteil und lässt das weitere Be260 So auch die ganz herrschende Ansicht zur Wirkungsweise von prozessualen Verpfl ichtungsverträgen – vgl. RGZ 142, 1, 4; BGH NJW 2002, 1503, 1504. Umstritten bleibt dabei aber, ob zum Verwerfen der vergleichswidrigen Prozesshandlung eine Einrede der betroffenen Partei notwendig ist oder das Gericht die Unzulässigkeit von Amts wegen erkennen muss – vgl. dazu etwa Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 128 Rn. 315; Teubner/Künzel, MDR 1988, 720, 724; Wagner, Prozessverträge, S. 235, 238 ff. 261 Die bloße Mitteilung des Vergleichsschlusses an das Gericht durch eine oder beide Prozessparteien kann folgerichtig nur dann als übereinstimmende Erledigungserklärung bzw. Klagerücknahme ausgelegt werden, wenn im Vergleich keine vollstreckbaren Leistungspflichten enthalten sind oder aber im Vergleich ausdrücklich auf eine Titulierung verzichtet wurde. Ansonsten ist danach zu forschen, ob nicht ein Prozessvergleich oder aber ein (Teil-) Anerkenntnisurteil gewollt ist – so zutreffend Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, § 794 Rn. 90 ff., 94.

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treiben des Prozesses überflüssig werden. Er wirkt aus diesem Grunde maßgeblich auf prozessualem Gebiet. Überträgt man diese Erkenntnis auf den Insolvenzplan, so fällt der Blick auf § 257 Abs. 1 InsO. Danach können »aus dem rechtskräftig bestätigten Insolvenzplan in Verbindung mit der Eintragung in die Tabelle« diejenigen Insolvenzgläubiger die Zwangsvollstreckung betreiben, deren Forderungen im Prüfungstermin festgestellt und auch vom Schuldner nicht widersprochen wurden. Ist den Forderungen widersprochen worden, so findet eine Zwangsvollstreckung statt, wenn der Widerspruch beseitigt wurde, sei es durch dessen Rücknahme oder aber durch ein feststellendes Urteil. Diese Zwangsvollstreckung kann dann nicht nur gegen den Schuldner, sondern gemäß § 257 Abs. 2 InsO auch gegen Dritte als Plangaranten gerichtet werden, wenn diese »durch eine dem Insolvenzgericht eingereichte schriftliche Erklärung« die Haftung für die Planerfüllung selbstschuldnerisch übernommen haben. Die gesetzliche Regelung macht deutlich, dass der Insolvenzplan allein kein Vollstreckungstitel ist. Im Gegensatz zum Prozessvergleich schafft allein die vertragliche Vereinbarung der Parteien, die im Rahmen eines Prozesses zustande kommt und gerichtlich protokolliert wird, keinen vollstreckbaren Titel. Der Insolvenzplan ist nur ein Teil der für die Vollstreckung notwendigen Voraussetzungen. Will ein Insolvenzgläubiger seine Forderung gegen den Schuldner nach dem Zustandekommen eines Insolvenzplans vollstrecken, da die vorgesehene Leistung ausbleibt, so braucht er weit mehr als nur den bestätigten Plan. Er muss insbesondere einen Tabellenauszug vorweisen, in welchem die Forderung als unbestritten aufgelistet ist. Nur ein solcher Tabellenauszug schafft dann gemeinsam mit dem bestätigten Insolvenzplan eine Grundlage zum Betreiben der Zwangsvollstreckung wie aus einem Urteil (§ 257 Abs. 1 S. 1 InsO). Es trifft insofern technisch gesehen zu, dass der Vollstreckungstitel nach § 258 Abs. 1 InsO aus der Tabelleneintragung und dem bestätigten Plan, 262 und bezüglich Letzterem genauer aus dem gestaltenden Teil des Plans und dem Bestätigungsbeschluss mit Rechtskraftvermerk, 263 besteht. Die Titulierung der Forderung erfolgt dennoch verfahrensrechtlich nicht durch das Zustandekommen des Plans, sondern allein durch das Prüfungs- und Feststellungsverfahren, das zum Tabelleneintrag und dem Vermerk als unbestrittene Forderung bzw. zur gerichtlichen Feststellung der Forderung führt. Die Berechtigung des Insolvenzgläubigers zur Zwangsvollstreckung beruht wie 262 Der Vollstreckungstitel bestehe daher aus zwei Teilen – so Braun/Frank, in: Braun, InsO, § 257 Rn. 3; Breutigam, in: Berliner Kommentare, InsO, § 257 Rn. 7; Gaul, FS Huber, 2006, 1187, 1217 f.; Huber, in: MünchKomm, InsO, § 257 Rn. 21; Keller, Insolvenzrecht, Rn. 1782; Otte, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 257 Rn. 6; Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 19.5. 263 Daher eine Dreigliedrigkeit des Titels annehmend: Andres, in: Andres/Leithaus, InsO, § 257 Rn. 4; Flessner, in: Heidelberger Kommentar, InsO, § 257 Rn. 2; Thies, in: Hamburger Kommentar, InsO, § 257 Rn. 5.

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bei jedem Insolvenzverfahren und gerade im Gegensatz zu einem Verfahrensabschluss mittels Prozessvergleich nicht auf der Einigung der Beteiligten, sondern auf der Prüfung und Feststellung der angemeldeten Forderungen gemäß den §§ 174 ff. InsO. Unbestrittene Forderungen gelten danach als bestehend und vollstreckbar. Ein Widerspruch des Insolvenzverwalters oder eines Gläubigers sorgt hingegen dafür, dass es nun Sache des anmeldenden Gläubigers ist, das Bestehen seiner Forderung gerichtlich feststellen zu lassen (§ 179 InsO). Erst die rechtskräftige Entscheidung des dafür nach § 180 InsO zuständigen Prozessgerichts (oder natürlich jede Rücknahme des Widerspruchs) lässt über § 183 Abs. 1 und 2 InsO auch die bestrittene Forderung an den Tabellenwirkungen teilhaben und sie wird auf diesem Wege tituliert. Widerspricht nur der Schuldner der angemeldeten Forderung, so wird diese nach § 178 Abs. 1 Satz 2 InsO zwar dennoch festgestellt; eine Vollstreckung kann der Gläubiger dennoch nicht allein auf diese Feststellung stützen, da das Bestehen der Forderung nicht feststeht. Folgerichtig lassen weder § 201 Abs. 2 InsO noch § 257 Abs. 1 InsO eine Titulierung dieser Forderung zu. Es ist vielmehr gemäß § 184 InsO wieder Sache des anmeldenden Gläubigers, in einem Feststellungsverfahren beim zuständigen Prozessgericht das Bestehen der Forderung rechtskräftig feststellen zu lassen. Ist es demnach das Prüfungs- und Feststellungsverfahren der §§ 174 ff. InsO, das die Zwangsvollstreckung der angemeldeten Forderung legitimiert, da es das tatsächliche Bestehen der Forderung sichert, so hat der Insolvenzplan allein die Funktion, die in der Tabelle festgestellte Forderung nun an die gestaltenden Wirkungen des Plans anzupassen. Sieht der Plan in seinem gestaltenden Teil einen Erlass der Forderung oder aber nur eine quotale Befriedigung, eine Stundung oder ähnliches vor, so ist dies auch bei der Vollstreckung zu berücksichtigen. Der Insolvenzplan begrenzt insofern die Zwangsvollstreckung aus der Tabelle.264 Er wirkt wie eine besondere Vollstreckungsvoraussetzung bzw. wie ein Vollstreckungshindernis. So wie es dem Gläubiger einer jeden titulierten Forderung möglich ist, nach Titelentstehung mit dem Schuldner einen Erlass, Teilerlass oder auch nur ein Moratorium zu vereinbaren, ist es auch dem Gläubiger einer unbestrittenen oder aber gerichtlich rechtskräftig festgestellten Forderung erlaubt, im Wege der Planbeteiligung über seine Forderung zu disponieren. Bei der Zwangsvollstreckung sind diese Dispositionen dann zu berücksichtigen. Sie findet nicht mehr in voller Höhe der titulierten Forderung statt. Dennoch basiert die Anerkennung einer Forderung als tatsächlich bestehend und daher auch als zwangsweise mittels staatlicher Hilfe durchsetzbar nicht auf der nachträglichen Vereinbarung, sondern allein auf der ursprünglichen, häufig gericht264 Zutreffend Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 28.84; Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, § 257 Rn. 3; ähnlich Braun, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 69 Rn. 13; auch Gaul, FS Huber, 2006, 1187, 1217 f.

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lichen Feststellung der Forderung. Das Feststellungsverfahren legitimiert die Zwangsvollstreckung, indem es die Forderung tituliert; die spätere Vereinbarung wie etwa auch der Insolvenzplan limitiert die Zwangsvollstreckung entsprechend des privatautonomen Willens der Beteiligten. Eine andere Bewertung der Planfunktion ergibt sich nicht aus § 257 Abs. 2 InsO, der die Vollstreckung eines Insolvenzgläubigers auf Grundlage des Tabelleneintrags und des Plans auch gegenüber Dritten erlaubt, wenn diese die selbstschuldnerische Haftung für die Planerfüllung »durch eine an das Insolvenzgericht eingereichte schriftliche Erklärung« übernommen haben. Diese Erklärung kann zwar als Anlage nach § 230 Abs. 3 InsO dem Plan beigefügt werden; sie muss es ausweislich der Motive allerdings nicht, sondern kann auch in anderer Weise dem Gericht gegenüber schriftlich erklärt werden.265 Es ist also nicht der Insolvenzplan, der als Titel für die Vollstreckung gegen den Plangaranten fungiert, sondern entsprechend des Rechtsgedankens des § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO die gegenüber einem Gericht geäußerte Unterwerfungserklärung. Bestätigt wird die beschränkte Funktion des Insolvenzplans für die Titulierung der Gläubigerforderungen demgegenüber durch die Regelung in § 255 Abs. 1 InsO, nach der die im gestaltenden Teil des Plans vorgesehenen Begrenzung der festgestellten Gläubigerforderungen grundsätzlich hinfällig werden, wenn der Schuldner mit der Erfüllung des Plans erheblich in Rückstand gerät. Der jeweilige Gläubiger kann dann die festgestellte Forderung in vollem Umfang geltend machen. Will er dazu die Zwangsvollstreckung einleiten, so ist seine Forderung allein durch den Tabelleneintrag tituliert. Die Begrenzungen durch den bestätigten Insolvenzplan gelten für ihn nicht mehr. Folgerichtig erlaubt § 257 Abs. 3 InsO die Erteilung einer Vollstreckungsklausel allein aufgrund des Tabelleneintrags. 266 Lediglich die Voraussetzungen des Wiederauflebens nach § 255 Abs. 1 InsO sind glaubhaft zu machen und selbst das in erleichterter Form, da nur die Mahnung und der erfolglose Ablauf der Nachfrist Gegenstand der Glaubhaftmachung sind. In der Gesamtbetrachtung der Planwirkungen im Hinblick auf die Zwangsvollstreckung aus dem Plan bleibt festzuhalten, dass die Titulierung der Insolvenzforderungen nicht eine Wirkung des Insolvenzplans, sondern des Tabellenvermerks als unbestritten bzw. gerichtlich festgestellt ist. 267 Anders als ein Pro265 BT-Drucks. 12/2443, S. 214. So ist etwa auch eine Erklärung erst nach der Planbestätigung möglich – vgl. Huber, in: MünchKomm, InsO, § 257 Rn. 47. 266 Hierauf weist auch Hess, in: Hess, InsR, § 257 InsO Rn. 7, zutreffend hin. 267 Ebenso Braun, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 69 Rn. 12; ders., in: Nerlich/ Römermann, InsO, § 257 Rn. 2; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 28.84; Hess, in: Hess, InsR, § 257 InsO Rn. 6; Hess/Obermüller, Insolvenzplan, Rn. 454; Jaffé, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 257 Rn. 1; Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, § 257 Rn. 2. Insofern hat sich im Vergleich zur Rechtslage beim Zwangsvergleich der Konkursordnung nichts geändert. Dort wurde allein der Tabellenauszug als Titel angesehen, nicht der Zwangsvergleich – grundlegend RGZ 56, 70, 73; siehe auch Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 194 Rn. 1.

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zessvergleich hat ein Insolvenzplan mithin keine Titulierungswirkung. Ihm fehlt insofern die prozessuale Hauptwirkung.268 b) Der Insolvenzplan beendet nicht das Insolvenzverfahren Die Einbindung des Planverfahrens in das allgemeine Insolvenzverfahren bedingt nun nicht nur, dass der Insolvenzplan kein Vollstreckungstitel ist; sie führt zugleich dazu, dass dem Insolvenzplan auch die zweite prozessuale Hauptwirkung eines Prozessvergleichs fehlt – die der Prozessbeendigung. Während ein Prozessvergleich mit seiner Protokollierung unmittelbar den Prozess beendet und insofern maßgeblich prozessual wirkt, hat die rechtskräftige Bestätigung des angenommenen Insolvenzplans keinesfalls dieselben Auswirkungen auf das Verfahren vor dem Insolvenzgericht. Der »Prozess« endet nicht, die Verfahrensämter (Insolvenzverwalter, Gläubigerausschuss, Insolvenzgericht) bleiben erhalten, kurz: das Verfahren bleibt eröffnet. Die gesetzliche Regelung hierzu ist eindeutig. Sie bestimmt in § 258 Abs. 1 InsO, dass das Insolvenzverfahren durch einen gesonderten Beschluss des Insolvenzgerichts aufzuheben ist. Hierfür ist die rechtskräftige Bestätigung des Insolvenzplans zwar Voraussetzung, aber – entgegen dem sich aus § 258 Abs. 1 InsO ergebenden ersten Eindruck – keinesfalls die einzige. Schon § 258 Abs. 2 InsO stellt klar, dass nach der Planbestätigung, aber vor der Aufhebung alle unstreitigen Masseforderungen zu berichtigen und für streitige Masseforderungen Sicherheit zu leisten ist. Teilweise wird zudem vom Insolvenzverwalter eine Schlussrechnung nach § 66 InsO verlangt, die von der Gläubigerversammlung und einem bestellten Gläubigerausschuss zu prüfen ist (§ 66 Abs. 2 InsO).269 Zudem sind die Vergütungen des Insolvenzverwalters (§§ 63, 64 InsO) und eines bestellten Gläubigerausschusses durch das Insolvenzgericht festzusetzen, bevor es durch den Aufhebungsbeschluss seine Entscheidungshoheit verliert. 270 Schon nach der gesetzlichen Grundkonzeption hat der Insolvenzplan somit keine eigene verfah268 Wenig nachvollziehbar ist insofern die Ansicht von Jaffé, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 257 Rn. 1 und 3, der im Plan zwar nicht den Titel sieht, dann aber gerade wegen »der Vollstreckung aus dem Titel« dem Insolvenzplan erhebliche prozessrechtliche Elemente zuschreibt und ihn gerade daher als Prozessvertrag ansehen will. Genau entgegengesetzt argumentiert wiederum Gaul, FS Huber, 2006, 1187, 1218, der den Insolvenzplan zwar als begrenzenden Teil des Vollstreckungstitels ansieht und zugleich zugesteht, dass der Plan »anders als ein Prozessvergleich« die einzelnen Gläubigerforderungen nicht tituliert. 269 So etwa Andres, in: Andres/Leithaus, InsO, § 258 Rn. 10; Braun/Frank, in: Braun, InsO, § 258 Rn. 3; Flessner, in: Heidelberger Kommentar, InsO, § 258 Rn. 3; Hess, in: Hess, InsR, § 258 InsO Rn. 3; Hess/Obermüller, Insolvenzplan, Rn. 482; Huber, in: MünchKomm, InsO, § 258 Rn. 16; Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, § 258 Rn. 3, 9; dagegen: Grub, DZWIR 2004, 317; Jaffé, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 258 Rn. 9 ff.; auch Thies, in: Hamburger Kommentar, InsO, § 258 Rn. 4. 270 Vgl. Braun/Frank, in: Braun, InsO, § 258 Rn. 3; Flessner, in: Heidelberger Kommentar, InsO, § 258 Rn. 3; Hess, in: Hess, InsR, § 258 InsO Rn. 4; Hess/Obermüller, Insolvenzplan, Rn. 483; Huber, in: MünchKomm, InsO, § 258 Rn. 16; Thies, in: Hamburger Kommentar, InsO, § 258 Rn. 5.

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rensbeendigende Wirkung. 271 Er schafft lediglich die (wichtigste) Voraussetzung für eine Verfahrensaufhebung durch Gerichtsbeschluss. Koppelt man also die Verfahrensbeendigung zutreffend von der Bestätigung des Insolvenzplans ab, so wird deutlich, dass der Insolvenzplan nicht nur dazu dienen kann, die Insolvenzsituation des Schuldners im Ganzen zu regeln und zu bewältigen. Zwar wird man im Regelfall eines Planverfahrens mit dem Ziel der Reorganisation des Schuldnerunternehmens davon ausgehen dürfen, dass durch die im Plan vorgesehenen Maßnahmen die Leistungsfähigkeit des Schuldners wiederhergestellt wird und eine Entschuldung eintritt, so dass auch der Insolvenzgrund direkt überwunden wird. Hier bleibt für das Insolvenzverfahren nach der Planbestätigung nur noch die möglichst schnelle Aufhebung des Verfahrens, um dem reorganisierten Schuldner wieder die Verwaltungs- und Verfügungsmacht über das Unternehmen zurückzugeben und so dem Neustart nicht unnötig lang im Weg zu stehen. Lediglich bei einem vorgesehenen Planüberwachung (§§ 260 ff. InsO) blieben dann noch Überwachungs- und Aufsichtsfunktionen für das Insolvenzgericht und den Insolvenzverwalter erhalten. Es ist nun aber unstreitig, dass der Insolvenzplan nicht nur die Reorganisation des Schuldners vorsehen kann. Er darf auch eine übertragende Sanierung und sogar eine Zerschlagung des Schuldnerunternehmens zum Inhalt haben. Hierbei ist es nicht zwingend, dass mit der Planbestätigung auch alle Fragen der Insolvenzbewältigung geklärt sind. So kann ein Übertragungsplan zwar die Übertragung des Unternehmens und die Beteiligung der Gläubiger am neuen Unternehmensträger bzw. am Erlös regeln. Bleiben dabei aber etwa unrentable Unternehmensteile zurück oder steht der Verkaufserlös zu den benannten Quoten zur Verteilung an, so kann der Plan für die Liquidation dieser Unternehmensreste wie auch für die Verteilung des Erlöses natürlich auf die Regelungen des Regelinsolvenzverfahrens verweisen. Geschieht dies nicht, so ändert dies nichts an der Insolvenz des nun unternehmenslosen Rechtsträgers. Diese Insolvenzsituation wurde durch den Übertragungsplan nicht beseitigt. Die Liquidation des Rechtsträgers muss daher im Insolvenzverfahren erfolgen.272 Der Weg einer übertragenden Sanierung über einen Übertragungsplan unterscheidet sich dann nicht von dem über den Verkauf aus der Masse heraus, wie ihn § 160 InsO bietet. Die Bestätigung des Plans führt in solchen Fällen nicht zu einer schnellen Verfahrensaufhebung, sondern zu einem anschließenden Liquidations- bzw.

271 Unzutreffend daher Flöther/Wehner, ZInsO 2009, 503, 504 f., wenn sie dem Insolvenzplan unter Berufung auf § 258 Abs. 1 InsO eine »verfahrensbeendende Wirkung« zuschreiben. 272 Siehe (ohne Begründung) Andres, in: Andres/Leithaus, InsO, § 257 Rn. 12. Es wäre reiner Formalismus, wenn man die Aufnahme der Regelungen des Regelinsolvenzverfahrens in den Insolvenzplan verlangen würde, damit die Liquidation des insolventen Rechtsträgers nach diesem Verfahren erfolgt; ebenso Frank, FS Braun, 2007, S. 219, 231.

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Verteilungsverfahren nach den allgemeinen Vorschriften der Insolvenzordnung. Hält man darüber hinaus (unstreitig) auch einen Liquidationsplan für zulässig, so kann ein Plan sogar dieselbe Zielrichtung wie das Regelinsolvenzverfahren haben. Die Wiedererlangung der Verwaltungs- und Verfügungshoheit des Schuldners ist dann zu keiner Zeit beabsichtigt. Die vom Regelinsolvenzverfahren abweichenden Regelungen eines Liquidationsplans müssen aufgrund der identischen Zielrichtung nahezu zwingend Verwertungsregelungen betreffen. Der Plan kann also etwa eine vorübergehende – auch mittelfristige – Fortführung des Unternehmens, etwa zur Fertigstellung eines lukrativen Großprojekts, vorsehen oder für die Erlösverteilung eine unterschiedliche Quote für verschiedene Gläubigergruppen bestimmen. Die Gestaltungsgrenze wird allein bei solchen Regelungen der Insolvenzordnung erreicht, die nach ihrem Inhalt für die Planbeteiligten nicht disponibel sind. 273 Mit der Bestätigung des Liquidationsplans wird dann erst das Liquidationsverfahren beginnen, das sich nun hinsichtlich der Verwertungshandlungen und Verteilungsquoten an die Vorgaben des Plans halten muss. Einem solchen Plan kann kaum entgegengehalten werden, dass er die Insolvenzsituation nicht umfassend bewältigt und daher weder eine umgehende Aufhebung des Insolvenzverfahrens noch die damit einhergehende Entlastung des Insolvenzgerichts vom Liquidationsverfahren bewirkt. 274 § 258 InsO setzt eine solche umfassende Planwirkung nicht voraus. Die Regelung macht vielmehr deutlich, dass nicht der Insolvenzplan, sondern das Insolvenzgericht im Beschlusswege das Insolvenzverfahren beendet 275 und dass für eine solche Beendigung neben der Planbestätigung auch weitere Voraussetzungen gegeben sein müssen. Im Zusammenspiel mit § 259 InsO wird zudem ersichtlich, dass eine schnelle Aufhebung des Verfahrens insbesondere der schnellen Wiederherstellung des normalen Führungs- und Entscheidungszustandes im Unternehmen dient, da nun wieder der Schuldner, also dessen Management, die Unternehmenskontrolle übernehmen. Im Umkehrschluss kann eine schnelle Aufhebung insbesondere dann unterbleiben, wenn es – wie beim Liquidationsplan, aber auch bei einer übertragenden Sanierung – nach dem Planinhalt zu keiner Rückgabe der Unternehmenskontrolle an den Schuldner kom273 Hiezu gehört etwa das Prüfungs- und Feststellungsverfahren der §§ 174 ff. InsO, so dass eine anderweite Prüfung und Feststellung von Gläubigerforderungen in einem Insolvenzplan aus diesem Grund nicht zulässig ist – so zutreffend BGH NZI 2009, 230, 232; anders noch Frank, FS Braun, 2007, S. 219, 228 f. 274 So aber das LG Frankfurt am Main NZI 2008, 110, 111; zustimmend Smid, DZWIR 2009, 133, 146. Der BGH hat diese Frage in seiner Entscheidung über die Rechtsbeschwerde offen gelassen, BGH NZI 2009, 230, 233. 275 Allgemeine Ansicht – vgl. etwa Breutigam, in: Berliner Kommentare, InsO, § 258 Rn. 3; Heinrich, NZI 2008, 74, 76; Hess, in: Hess, InsR, § 258 InsO Rn. 3; Huber, in: MünchKomm, InsO, § 258 Rn. 1; auch Frank, FS Braun, 2007, S. 219, 232; Jaffé, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 258 Rn. 1, 5.

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men wird. Die auf den Idealfall der Reorganisation zugeschnittenen Regelungen dürfen die grundsätzliche Flexibilität und Inhaltsoffenheit des Planverfahrens nicht vergessen lassen. § 258 Abs. 1 InsO ist daher dahin gehend zu verstehen, dass die Verfahrensaufhebung so bald nach der rechtskräftigen Planbestätigung erfolgen muss, wie es zur Umsetzung des Plans und zur Erledigung abschließender Verfahrensmaßnahmen notwenig erscheint. 276 Eine eigene verfahrensbeendigende Wirkung im Sinne einer prozessualen Hauptwirkung hat der Insolvenzplan folglich nicht. Seine rechtskräftige Bestätigung ist bloße Voraussetzung unter anderen für die Verfahrensaufhebung. 2. Verfahrensgestaltende Wirkungen im Einzelfall? – Der »verfahrensleitende Plan« Der Insolvenzplan hat nach den bisherigen Erkenntnissen nicht die prozessualen Wirkungen eines Prozessvergleichs. Er ist weder Vollstreckungstitel noch hat er einen unmittelbar verfahrensbeendigenden Effekt. Dieses Ergebnis gilt allerdings vielleicht nicht für alle Arten von Insolvenzplänen. Die Inhaltsoffenheit des Planverfahrens scheint es zuzulassen, auch bloße Abweichungen von Regelinsolvenzverfahren zum Gegenstand eines Insolvenzplans zu machen. Insbesondere Achim Frank hat daher befürwortet, auch »verfahrensleitende Insolvenzpläne« anzuerkennen.277 Dient aber eine Planbestimmung allein dazu, den Verfahrensablauf für das Insolvenzgericht verbindlich zu verändern, so könnte insofern ein Prozessvertrag gegeben sein. Das Problem in der Analyse dieses Vorschlags liegt nun darin, dass hier verschiedene Ebenen miteinander vermischt werden. Die Definition des Typus des »verfahrensleitenden Insolvenzplans« bleibt sehr ungenau. So wird als solcher einmal jeder Insolvenzplan bezeichnet, »der nicht die unmittelbare Verfahrensbeendigung vorsieht, sondern lediglich die Klärung/Gestaltung einzelner Aspekte zum Inhalt hat und bei dem im übrigen die gesetzlichen Regelungen zum Regelverfahren beibehalten werden sollen«. 278 Dass ein solcher Plan zulässig ist, wurde bereits im vorangegangenen Abschnitt aufgezeigt. Ein so verstandener »verfahrensleitender« Insolvenzplan ist zugleich ein Übertragungs- oder Liquidationsplan. Prozessuale Regelungen enthält er nicht. Vielmehr ergibt sich als Nebenwirkung zu der von ihm gewollten Verwertungsart (Liquidation, übertragende Sanierung) die Fortsetzung des Regelinsolvenzverfahrens trotz des Zustandekommens eines Plans. Prozessuale Hauptwirkungen erzeugt ein solcher Plan nicht und die zutreffende Interpretation von § 258 InsO lässt ihn ohne

276 Flessner, in: Heidelberger Kommentar, InsO, § 258 Rn. 4; Frank, FS Braun, 2007, S. 219, 233 f.; Heinrich, NZI 2008, 74, 77; auch Huber, in: MünchKomm, InsO, § 258 Rn. 6. 277 Frank, FS Braun, 2007, S. 219 ff. 278 Frank, FS Braun, 2007, S. 219, 229.

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weiteres zu. Die Bezeichnung solcher Insolvenzpläne als »verfahrensleitend« erscheint insofern als unpassend und irreführend. Betrachtet man den Vorschlag von Franz genauer, so zielt sein Beitrag auch nicht nur auf eine neue Bezeichnung für anerkannte Planmodelle. Sein »verfahrensleitender Insolvenzplan« dient vielmehr der Legitimation einer konkreten Plangestaltung, 279 die identisch ist mit derjenigen, die den Entscheidungen des Landgericht Frankfurt am Main 280 und des Bundesgerichtshofs281 zugrunde lagen, so dass die Vermutung nahe liegt, dass es um denselben Insolvenzfall geht. Der dortige Insolvenzplan sah wegen der Unübersichtlichkeit der angemeldeten Gläubigerforderungen – es ging konkret um nur aufwendig zu ermittelnde Schäden von Kapitalanlegern – allein eine Regelung zur Vereinfachung der Forderungsprüfung vor. Danach sollten nur die getätigten Einzahlungen der Anleger abzüglich erhaltener Ausschüttung und zuzüglich jährlicher Zinsen die Forderung ergeben, mit welcher jeder Gläubiger im Insolvenzverfahren berücksichtigt wird. Weder sollten die Kontomitteilungen eine Bedeutung haben noch sollte ein Prüfungs- und Feststellungsverfahren nach den §§ 174 ff. InsO stattfinden. Alleiniges Ziel des Insolvenzplanes war damit die Beschleunigung des Regelinsolvenzverfahrens im Wege einer Vereinfachung der Forderungsfeststellung. Das Landgericht Frankfurt am Main hob die Planbestätigung des Insolvenzgerichts auf, da es einen solchen Insolvenzplan, der die Insolvenzsituation nicht eigenständig bewältigt und daher nicht zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens und zur damit verbundenen Entlastung der Insolvenzgerichte führt, für unzulässig. 282 Die Unrichtigkeit dieser Argumentation wurde bereits dargestellt. Der Bundesgerichtshof ließ diese Fragen dann auch offen und stützte die Unwirksamkeit des Insolvenzplans stattdessen auf den Umstand, dass eine Abweichung von den Regelungen der §§ 174 ff. InsO durch einen Insolvenzplan nicht möglich ist.283 Gibt es also keine Möglichkeiten zur Gestaltung des Verfahrens in einem Insolvenzplan? Ein Blick auf die Gesetzesmaterialien scheint solche Möglichkeiten zu eröffnen. In seinen allgemeinen Erwägungen äußerte der Gesetzgeber, dass den Beteiligten »auch die Entscheidungen über die Gestaltung des Verfahrens« zustehen sollen, 284 ohne dabei allerdings den Insolvenzplan als Entscheidungsform zu nennen. Allerdings relativiert sich diese Aussage, wenn man sie vollständig zitiert: »Nicht nur die Entscheidung über die Form und Art der Masseverwer279

Frank, FS Braun, 2007, S. 219, 228. LG Frankfurt am Main NZI 2008, 110. 281 BGH NZI 2009, 230. 282 LG Frankfurt am Main NZI 2008, 110, 111. 283 BGH NZI 2009, 230, 233. 284 BT-Drucks. 12/2443, S. 79 f. Hierauf verweist als Argument vor allem Heinrich, NZI 2008, 74, 76. 280

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tung, sondern auch die Entscheidungen über die Gestaltung des Verfahrens, insbesondere über die Fortführung des schuldnerischen Unternehmens und über die Verfahrensdauer, berühren die Interessen der Beteiligten unmittelbar. [. . .] In der Marktwirtschaft muss grundsätzlich das Urteil derjenigen Personen maßgeblich sein, deren Vermögenswerte auf dem Spiel stehen. [. . .] Daraus ergibt sich die grundsätzliche Forderung, dass nicht nur der Ausgang, sondern auch der Gang des Insolvenzverfahrens von den Beteiligten, und zwar nach Maßgabe des Wertes ihrer in das Verfahren einbezogenen Rechte, bestimmt werden muss. 285 Hintergrund der Äußerung ist also die Stärkung der Beteiligtenautonomie. Der Gesetzgeber wollte den Beteiligten alle Verwertungsentscheidungen inklusive des bevorzugten Verwertungsverfahrens übertragen. Dies entspricht den Ergebnissen der bisherigen Untersuchung, nach denen die Entscheidung über die Verwertung des Schuldnervermögens ureigene Angelegenheit der Gläubiger ist und der Auseinandersetzung ihres gemeinsamen Verwertungsrechtes dient. Die in diesem Bereich stattfindende Selbstliquidation wird durch das Insolvenzgericht nur beaufsichtigt, nicht jedoch durch eigene Sachentscheidungen geprägt. 286 Im Kompetenzbereich der autonomen Auseinandersetzung eines gemeinschaftlichen Rechts können die Gläubiger durch die Beschlüsse in der Gläubigerversammlung die maßgeblichen Entscheidungen autonom treffen, also etwa die Verwertungsart wählen (§ 157 InsO), den Verwerter (Insolvenzverwalter) (ab-)wählen (§ 57 InsO) oder wesentliche Unternehmensteile veräußern lassen (§ 160 InsO). Soll darüber hinaus in die privaten Rechte der Gläubiger, also insbesondere in ihre Forderungsrechte eingegriffen werden, sei es durch eine ungleichmäßige quotale Befriedigung, eine Missachtung von Rangfolgen, insbesondere aber im Wege einer unmittelbar an das Verfahren erfolgenden Restschuldbefreiung, so ist ein Insolvenzplan notwendig. Regelungsbereich der Beteiligtenautonomie bleibt dennoch stets die Frage der Verwertung des Schuldnervermögens zugunsten der Gläubigerbefriedigung, was insbesondere § 217 InsO deutlich macht. Folgerichtig endet die Beteiligtenautonomie dort, wo zwingende Verfahrensregelungen die Funktion des Insolvenzverfahrens oder aber die Verfahrensrechte der Beteiligten schützen. 287 Die Zwangswirkungen des Eröffnungsverfahrens sind daher ebenso wenig disponibel wie die des eröffneten Verfahrens. Einzelzwangsvollstreckungen unterbleiben, die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners geht verloren, eine geschützte Vermögensmasse entsteht, deren Verwaltung und Verteilung nun den Gläubigern obliegt. Allein in letzterem ist der (alleinige) Bereich der Beteiligtenautonomie angesiedelt. Die Regelungen des Prüfungs- und Feststellungsverfahrens hingegen, die ja nicht 285

BT-Drucks. 12/2443, S. 79 f. Siehe oben C. II. 2. a). (3). 287 Unstreitig – vgl. BGH NZI 2009, 230, 232; LG Frankfurt am Main NZI 2008, 110, 111; Frank, FS Braun, 2007, S. 219, 222. 286

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die Gläubigerbefriedigung aus der Insolvenzmasse, sondern die Beteiligung eines jeden Gläubigers an der Gemeinschaft als Ausgangspunkt jeder Mitwirkung und Mitberechtigung erfassen, sind folgerichtig nicht der autonomen Regelungsbefugnis der Beteiligten unterworfen. Sie schaffen wie die Zwangswirkungen der Verfahrenseröffnung die Basis für autonome Entscheidungsprozesse, indem sie die Art und Höhe der Beteiligungsrechte rechtssicher feststellen. Als der Rechtsgemeinschaft der Gläubiger an der Insolvenzmasse vorgelagerte Frage können sie folglich nicht Beschlussgegenstand der Gläubigerversammlung als Beschlussorgan der Gemeinschaft sein. Zugleich sind sie aber auch die Grundlage für jede Planregelung, da auch ein Insolvenzplan erst auf der Grundlage einer rechtssicheren Forderungsfeststellung Forderungseingriffe vorsehen kann.288 Zudem bedarf schon die Zuweisung eines Stimmrechts an einen Gläubiger der vorherigen rechtssicheren Feststellung nicht nur seiner Gläubigerstellung als solche, sondern auch der Forderungshöhe. Ein Insolvenzplan kann daher mit der Mehrheit der Gläubiger schon aus logischen Gründen nicht beschließen, wer nach welchen Kriterien überhaupt Gläubiger sein soll. 289 Hier findet ein Zirkelschluss statt. Insgesamt ergibt sich ein einfaches Bild. Die Gläubiger können autonom über alle Fragen bestimmen, die ihre Befriedigung infolge der Verwertung der Insolvenzmasse betreffen. Hierzu ist zum einen die Gläubigerversammlung als Beschlussorgan der Gläubigergemeinschaft berufen. Greifen die Verwertungsregelungen, insbesondere wegen einer sofortigen Restschuldbefreiung, in das private Forderungsrecht der Gläubiger ein und gehen sie daher über die Beschlusskompetenzen der Rechtsgemeinschaft hinaus, so ist ein Insolvenzplan aufzustellen. Dieser kann dabei inhaltlich natürlich die gesamte Verwertung und Gläubigerbefriedigung umfassend regeln. 290 Er kann aber auch nur einzelne Verwertungsfragen bestimmen und im Übrigen auf die Liquidation nach dem Regelinsolvenzverfahren vertrauen.291 Darüber hinausgehende Regelungs288 Dies übersieht Heinrich, NZI 2009, 546, 548 f., wenn er aus der Befugnis, mit dem Insolvenzplan in Forderungen der Gläubiger einzugreifen, auf die Befugnis schließt, im Plan zu bestimmen, wer überhaupt Gläubiger ist. Der Eingriff in Forderungen muss von denjenigen legitimiert sein, die im Verfahren als Forderungsinhaber (also Gläubiger) anerkannt worden sind. 289 Ebenso BGH NZI 2009, 230, 232 f.; im Grundsatz auch Smid, DZWIR 2010, 45, 59. 290 Folgerichtig ist auch die Aufrechnungsbefugnis eines Gläubigers, die § 94 InsO im Insolvenzverfahren aufrechterhält, als Ausdruck der Durchsetzbarkeit seiner Insolvenzforderung nicht planfest. Mit Forderungen, die in einem rechtskräftig bestätigten Insolvenzplan erlassen wurden, kann daher nicht mehr aufgerechnet werden – so zutreffend der 16. Zivilsenat des OLG Celle NZI 2009, 59 f.; zustimmend Flöther/Wehner, ZInsO 2009, 503, 505; Jacobi, NZI 2009, 351, 353 f.; Joachim/Schwarz, ZInsO 2009, 408, 411; Smid, DZWIR 2010, 45, 57 f.; anderer Ansicht aber der 14. Zivilsenat des OLG Celle NZI 2009, 183. Der Wegfall dieser Befugnis infolge des Plans ist allerdings eine Schlechterstellung gegenüber dem Regelinsolvenzverfahren und insoweit beim Minderheitenschutz nach § 251 InsO zu beachten – so zutreffend Jacobi, NZI 2009, 351, 354. 291 So wäre es in »single asset real estate«-Fällen etwa möglich, eine wirtschaftlich sinn-

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befugnisse haben die Beteiligten nicht. Sie können insbesondere nicht darüber bestimmen, wer in welcher Höhe überhaupt Beteiligter am Insolvenzverfahren ist und nach welchen Kriterien und in welchen Schritten das Insolvenzgericht über die ihm zugewiesenen Rechtsfragen zu entscheiden hat. Folgerichtig kann ein Insolvenzplan weder vorsehen, dass auf eine Vorprüfung nach § 231 InsO verzichtet wird noch die erforderlichen Mehrheiten ändern noch aussprechen, dass kein Gläubiger schlechter als in einem alternativen Regelinsolvenzverfahren steht. Derartige Regelungsbefugnisse haben die Beteiligten nicht. Die Verfahrensregelungen also, die in der Insolvenzordnung nicht das Selbstverwaltungsverfahren der Masseliquidation, sondern das gerichtliche Verfahren betreffen, sind insgesamt nicht disponibel, sondern planfest.292 Hier endet auch die Regelungsbefugnis eines sonst so inhaltsoffenen Insolvenzplans. Folgerichtig kann es verfahrensleitende Insolvenzpläne mit einem Regelungsinhalt, wie ihn Frank 293 in seinem Fallbeispiel befürwortet, nicht geben. 3. Zwischenergebnis Insolvenzpläne haben somit insgesamt keine unmittelbar verfahrensgestaltenden Wirkungen. Den Ablauf des Regelinsolvenzverfahrens kann nur die Planvorlage um ein Planverfahren ergänzen; sie ist Prozesshandlung. Die Art der Verwertung des Schuldnervermögens, über die der Insolvenzplan entscheidet, steht demgegenüber auch im Regelinsolvenzverfahren nicht in der Entscheidungshoheit des Insolvenzgerichts. Der Insolvenzplan nimmt dem Insolvenzgericht folglich keine Entscheidungsbefugnisse und hat keinen unmittelbaren Einfluss auf dessen Aufgaben. Sein Zustandekommen beeinflusst lediglich mittelbar die Dauer des Verfahrens durch die mögliche Abwendung einer Liquidation im Verfahren. 294 Diese Auswirkung auf das gerichtliche Verfahren ist allerdings allenfalls eine Nebenfolge, nicht jedoch Regelungsgegenstand des Insolvenzplans. Inhalt und Gegenstand der Planverhandlungen aller Beteiligten ist ein Konzept zur Bewältigung einer Unternehmenskrise, sei es durch Reorganisation, übertragende Sanierung oder planmäßige Liquidation. Die hierfür zu erbringenden materiellen Opfer sind zu verteilen. Die Abkürzung der Verfahrensdauer ist demgegenüber allenfalls ein mittelbarer, jedenfalls ein untergeordneter Gesichtspunkt. volle Verwertung der Immobilie in einem Liquidationsplan unter Einbeziehung der absonderungsberechtigten Gläubiger zu regeln, wie es Smid vorschlägt (DZWIR 2010, 397, 406). Auch Verteilungsfragen sind plandisponibel – siehe BGH NZI 2010, 734, 735. 292 Andres, in: Andres/Leithaus, InsO, § 217 Rn 8; Flessner, in: Heidelberger Kommentar, InsO, § 217 Rn. 7; Thies, in: Hamburger Kommentar, InsO, § 217 Rn. 2, 7. 293 Frank, FS Braun, 2007, S. 219, 228; ihm zustimmend: Heinrich, NZI 2008, 74, 78; ders., NZI 2009, 546, 548 f. 294 Die Beteiligten nehmen durch den Insolvenzplan entgegen Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 217 Rn. 31, unmittelbar weder Einfluss auf die Insolvenzabwicklung im Allgemeinen noch auf den Fortgang/Abschluss des Insolvenzplanverfahrens im Besonderen.

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Die sicher vorhandenen prozessualen Nebenwirkungen genügen nicht, um dem Insolvenzplan die Natur eines Prozessvertrages zuzusprechen. 295 Es wird allgemein zu Recht angenommen, dass solche Rechtsfolgen auf prozessualem Gebiet, die unabhängig vom Willen der Vertragsparteien bereits aufgrund einer Anknüpfung des Gesetzes an den Vertragsschluss eintreten, für das Wesen des Vertrages und damit für dessen Einordnung keine Bedeutung haben.296 Für die Einordnung eines Vertrages können nur die Rechtsfolgen oder Wirkungen entscheidend sein, auf deren Eintritt der Geschäftswille der Parteien gerichtet ist und die nur deshalb eintreten, weil die Parteien dies so wollten und die Rechtsordnung diesen Willen sanktioniert. 297 Ein Prozesshandlungsbegriff, der jedes irgendwie prozessual erhebliche Verhalten einbezöge, wäre ansonsten schon wegen seiner Weite praktisch ohne Wert. 298 Erkennt man vor diesem Hintergrund zutreffend, dass der Insolvenzplan primär das materielle Recht verändern, also insbesondere ein Schuldnerunternehmen sanieren und Gläubigerforderungen regulieren soll, so bleibt für dessen Einordnung als Prozessvertrag kaum eine Grundlage. Sein Zustandekommen im Rahmen des Insolvenzverfahrens beschleunigt seine Entstehung durch die Vorverlegung der prozessualen Rechtsdurchsetzung von Kontrahierungszwängen und schafft zugleich die notwendige Rechtssicherheit. Trotz dieser zeitlichen Vorverlagerung des Rechtsschutzes bleibt der Inhalt des Insolvenzplans ein materiell-rechtlicher mit nur mittelbaren Auswirkungen auf das anhängige Verfahren. Er sollte daher grundsätzlich auch den Anforderungen des materiellen Vertragsrechts unterliegen und ist kein Prozessvertrag.

295 Anders Richter, ZHR 76 (1915), 112, 141 f., der den Zwangsvergleich wegen dessen mittelbar zum Verfahrensende führenden Wirkung auch als Prozessvertrag ansah. Ebenso (unzutreffend) für den Insolvenzplan: Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 217 Rn. 31; Gaul, FS Huber, 2006, 1187, 1206. Eine nur mittelbare Wirkung genügt ebenso wenig wie der Umstand, nur Voraussetzung oder Grundlage der Verfahrensbeendigung zu sein und insofern »Einfluss« auf das Verfahren zu haben. 296 Baumgärtel, Prozesshandlung, S. 89 f.; Gottwald, in: Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 63 Rn. 2; Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozess, S. 36 f., 174; Wagner, Prozessverträge, S. 29 f. 297 Wagner, Prozessverträge, S. 30. So haben materiellrechtliche Vereinbarungen wie Vereinbarungen über den Leistungsort (§ 269 Abs. 1 BGB) oder die Veräußerung einer streitbefangenen Sache auch prozessuale Wirkungen. Der Leistungsort kann nach § 29 ZPO die Zuständigkeit eines Gerichts begründen. Die Veräußerung hat Folgen für die prozessuale Lage der Parteien des Ausgangsprozesses. Das Gesetz knüpft also prozessuale Folgen an das jeweilige materiellrechtliche Rechtsgeschäft. Diese Folgen gehörten jedoch nicht zum Inhalt der Willenserklärungen der Vertragsparteien, da sie von ihnen in der Regel nicht bewusst erreicht werden wollten. Sie waren nicht der Zweck der Vereinbarung, sondern lediglich deren gesetzliche Nebenfolge. 298 So nahezu wörtlich Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 128 Rn. 210.

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Kapitel 4: Der Insolvenzplan als Verfahrensobjekt

IV. Die Abstimmungserklärungen als Doppeltatbestand? Der Insolvenzplan ist mangels prozessualer Hauptwirkungen kein Prozessvertrag. Folgerichtig sind auch die zu seiner Annahme abgegebenen Erklärungen der Beteiligten, also die Erklärungen der Gläubiger wie auch des Schuldners, insofern keine Prozesshandlungen. Sie bleiben ihrem Zweck nach materiellrechtliche Willenserklärungen, die sich auf eine Vertragsannahme, jedenfalls aber – die Gläubiger betreffend – auf eine Beschlussfassung in der Gruppe richten. 299 1. Das Einbringen von Tatsachen als Prozesshandlung im Zivilprozess Verleiht die Rechtsnatur des Insolvenzplans demnach den Erklärungen der Beteiligten nicht die Eigenschaft einer Prozesshandlung, so bleibt ein Aspekt zu betrachten, der unabhängig davon zu diesem Ergebnis führen kann. Alle Abstimmungserklärungen der Gläubiger wie auch die Zustimmungserklärung des Schuldners sind als materielle Rechtsgeschäfte insofern für das Verfahren bedeutsam, als sie den Inhalt der richterlichen Bestätigungsentscheidung nach §§ 248, 250 InsO bestimmen. Das Insolvenzgericht sammelt im Abstimmungstermin wie auch bei einer schriftlichen Abstimmung (§ 242 InsO) die Erklärungen der Beteiligten und macht diese zur wesentlichen Grundlage ihrer Bestätigungsentscheidung. Materiell-rechtliche Vorgänge werden nun aber in einem Zivilprozess regelmäßig nur berücksichtigt, wenn sie überhaupt Prozessstoff geworden sind. Dementsprechend hat das Einbringen von Tatsachen in den Prozess, sei es als Tatsachenbehauptung, Bestreiten oder Erhebung einer Einwendung oder Einrede, stets eine prozessuale Hauptwirkung und ist insofern Prozesshandlung. Dies verändert dann allerdings nicht die Natur der Handlung als materielles Rechtsgeschäft. Lediglich dessen Geltendmachung, also dessen Vorbringen im Zivilprozess als Sachvortrag, ist prozessgestaltende Prozesshandlung und unterliegt dem Prozessrecht.300 Bei außergerichtlich vorgenommenen Rechtsgeschäften lassen sich diese beiden Seiten leicht voneinander trennen. Der Vertrag inklusive der ihn zustande bringenden Willenserklärungen ist beispielsweise ein materielles Rechtsgeschäft; bei einem späteren Rechtsstreit um dessen Wirksamkeit ist der Vortrag eines wirksamen Vertragsschlusses durch eine Partei gegenüber dem Gericht als Sachvortrag Prozesshandlung. Schwieriger gestaltet sich demgegenüber die Abgrenzung von materiellem Rechtsgeschäft und Prozesshandlung, wenn beide gleichzeitig im Prozess erfolgen. Enthält also etwa der Schriftsatz einer Partei an das Gericht eine Vertragskündigung gegenüber dem Prozessgegner301 oder 299

Siehe dazu die ausführliche Untersuchung im Dritten Kapitel. Unstreitig – vgl. Gottwald, in: Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 63 Rn. 10 ff., 20; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 128 Rn. 322. 301 OLG Hamm NJW 1982, 452. Vgl. auch BGHZ 88, 174, 176 (Widerspruch gegen den 300

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wird das in der Klage enthaltene Vertragsangebot in der Klageerwiderung angenommen, so sind ausnahmsweise Sachvortrag und materielles Rechtsgeschäft in demselben Verhalten zu finden. Ein und dieselbe tatsächliche Erklärung einer Partei kann dann sowohl ein materielles Rechtsgeschäft als auch dessen Sachvortrag gegenüber dem Gericht sein und damit zugleich eine materiellrechtliche und eine prozessuale Seite haben; ein Doppeltatbestand liegt vor. 302 Vor diesem Hintergrund scheint es denkbar, in den Ab- bzw. Zustimmungserklärungen nicht nur Willenserklärungen, sondern zugleich auch deren Sachvortrag gegenüber dem Insolvenzgericht zu sehen, weshalb zwar nicht der Insolvenzplan, wohl aber die ihn zustande bringenden Erklärungen insoweit zu Prozesshandlungen würden. Die Voraussetzungen für eine solche Annahme scheinen gegeben. Der Insolvenzplan ist ein materiell-rechtlicher Vertrag, der in einem gerichtlichen Verfahren durch Erklärungen gegenüber dem Insolvenzgericht zustande kommt. Dieses überprüft nicht – wie sonst bei Verträgen üblich – nachgelagert und nur auf Antrag bzw. Klage einer Partei hin die Wirksamkeit des Insolvenzplans, sondern hat automatisch und von Amts wegen dessen Wirksamkeit zu bestätigen. Das Rechtsschutzverfahren wird vorverlagert.303 Das Insolvenzgericht wird so zum Forum für die Entstehung des Insolvenzplans und zum Sammelpunkt für die Vertragserklärungen aller Beteiligten. Da es den Abschluss des Insolvenzplans insofern als Gegenstand der eigenen Wahrnehmung selbst erlebt hat, ist es auch für seine abschließende Entscheidung über die Bestätigung des Plans nach den §§ 248, 250 InsO nicht auf einen diesbezüglichen Sachvortrag der Beteiligten angewiesen. § 248 Abs. 2 InsO verlangt lediglich die Anhörung des Insolvenzverwalters, des Schuldners sowie eines bestellten Gläubigerausschusses, ohne dass es dann diesen Personen obliegen würde, sämtliche für bzw. gegen die Wirksamkeit des Insolvenzplans sprechenden Umstände vorzutragen; sie müssen sich nicht einmal überhaupt in der Sache äußern. Und auch im Rahmen des Minderheitenschutzes nach § 251 InsO findet kein umfassender neuer Sachvortrag statt. Der betreffende Gläubiger hat vielmehr gemäß § 251 Abs. 2 InsO nur seine individuelle Schlechterstellung durch den Plan glaubhaft zu machen. Das Insolvenzgericht entscheidet über den Insolvenzplans folglich grundsätzlich aufgrund der eigenen Wahrnehmungen im Verfahren. Eines erneuten umfassenden Sachvortrags der Beteiligten im Bestätigungsstadium bedarf es nicht. Die Erklärungen der Beteiligten im Abstimmungstermin scheinen Mahnbescheid zugleich Zurückweisung der Gewährleistungsansprüche nach § 651g Abs. 2 Satz 3 BGB a. F. eine gegenüber dem Reisenden). 302 Vgl. etwa Gottwald, in: Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 63 Rn. 21; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 128 Rn. 323 m. w. N.; Rauscher, in: MünchKomm, ZPO, Einleitung Rn. 375; Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozess, S. 39 f.; Wagner, Prozessverträge, S. 38 ff. 303 Dazu bereits oben in diesem Kapitel C. IV.

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demnach bereits mit ihrem bloßen Zugang beim Insolvenzgericht Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens wie auch Grundlage der gerichtlichen Entscheidung, also Prozessstoff, geworden zu sein. Nach den Maßstäben des Zivilprozessrechts sind es damit schon diese Erklärungen, die nicht nur die materiellen Rechtsgeschäfte enthalten, sondern diese zugleich auch in das Verfahren einbringen. Die Erklärungen aller Beteiligten an das Gericht im Abstimmungstermin wären danach wohl auch Prozesshandlungen. 2. Die Besonderheit des Untersuchungsgrundsatzes im Insolvenzverfahren Die schlichte Übertragung der für Prozesshandlungen im Zivilprozess entwickelten Grundsätze stößt im Insolvenzverfahren jedoch an eine Grenze. Anders als im Zivilprozess der Zivilprozessordnung, der weitgehend304 vom Verhandlungs- oder Beibringungsgrundsatz beherrscht wird,305 gilt im Insolvenzverfahren nach § 5 Abs. 1 InsO der Untersuchungsgrundsatz. Die Aufgabenverteilung bei der Sammlung des Prozessstoffes ist insofern eine gänzlich andere. Im Zivilprozess findet der Grundsatz der Parteifreiheit und Parteiverantwortung auch dadurch seinen Ausdruck, dass es die Aufgabe der Parteien ist, diejenigen Tatsachen vorzutragen, die zur Grundlage der gerichtlichen Entscheidung werden sollen. Demgegenüber weist der Untersuchungsgrundsatz, auch Inquisitionsmaxime genannt, diese Aufgabe dem Gericht zu. Dieser Unterschied in der Aufgabenverteilung ist durchaus beachtlich, ist das Gericht unter Geltung des Beibringungsgrundsatzes doch daran gehindert, selbstständig Tatsachen in den Prozess einzubringen. Folgerichtig dürfen Tatsachen, die durch die Parteien nicht bzw. nicht wirksam in den Prozess eingebracht wurden, nicht in die Entscheidung des Gerichts einfließen.306 Vor diesem Hintergrund wird deutlich, warum dem Sachvortrag einer Partei eine unmittelbare prozessuale Hauptwirkung zukommt, kann doch nur der wirksame Vortrag einer Tatsache durch eine Partei diese zum Prozessstoff machen. Gilt für ein Verfahren hingegen der Untersuchungsgrundsatz, so darf und muss das Gericht auch solche Tatsachen bei der Entscheidungsfi ndung berücksichtigen, die nicht bzw. nicht wirksam von den Parteien in den Prozess eingebracht wurden, sondern auf eigenen Wahrnehmungen des Gerichts beruhen.307 Wird in einem solchen Verfahren ein materielles Rechtsgeschäft unmittelbar 304

Ausgenommen ist etwa das Verfahren in Ehesachen nach § 616 ZPO. Allgemeine Ansicht – vgl. Gottwald, in: Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 77 Rn. 2; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 128 Rn. 138; Rauscher, in: MünchKomm, ZPO, Einleitung Rn. 276, 290. 306 Allgemeine Ansicht – vgl. Gottwald, in: Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 77 Rn. 7, 12; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 128 Rn. 153. Die Grenze bildet allenfalls die Offenkundigkeit einer Tatsache nach § 291 ZPO, wobei selbst dies streitig ist – vgl. dazu Rauscher, in: MünchKomm, ZPO, Einleitung Rn. 294 m. w. N. 307 Ebenfalls allgemeine Ansicht – vgl. Gottwald, in: Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 77 Rn. 44; Rauscher, in: MünchKomm, ZPO, Einleitung Rn. 309. 305

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gegenüber dem Gericht vorgenommen oder aber im Beisein des Gerichts erklärt, so bedarf es nicht der zusätzlichen Annahme eines Sachvortrags und damit einer Prozesshandlung der Partei, um das Rechtsgeschäft zum Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung zu machen. Die eigene gerichtliche Wahrnehmung reicht aus. Es besteht damit anders als im Zivilprozess keine Notwendigkeit, in die Parteierklärung mehr hineinzudeuten als den ausdrücklich erklärten materiellen Inhalt. Die Berücksichtigung dieses materiellen Inhalts bei der Entscheidungsfindung hängt eben nicht von der prozessualen Wirksamkeit der Erklärung als Prozesshandlung, also von einem wirksamen Sachvortrag ab. Fehler in dieser Sphäre wären für den Prozessstoff irrelevant. Es ist dann nur konsequent, der Erklärung eine prozessuale Hauptwirkung abzusprechen. Sie ist keine Prozesshandlung. 3. Die Geltung des Untersuchungsgrundsatzes bei der Bestätigungsentscheidung Im Insolvenzverfahren gilt gemäß § 5 Abs. 1 InsO der Untersuchungsgrundsatz. Man kann daher auch für die Bestätigungsentscheidung des Insolvenzgerichts nach § 248 Abs. 1 InsO einen Sachvortrag der Beteiligten für entbehrlich halten. Die Erklärungen derselben im Abstimmungstermin werden dann schon durch die bloße Kenntnisnahme des Gerichts zur Grundlage der Bestätigungsentscheidung. Dementsprechend hätten die Ab- und Zustimmungserklärungen im Abstimmungstermin nur noch eine rein materiell-rechtliche Funktion; eine (prozessuale) Doppelwirkung würde ihnen fehlen. Leider wird nun gerade für das Insolvenzplanverfahren im Allgemeinen und die Bestätigungsentscheidung im Besonderen die Geltung des Untersuchungsgrundsatzes bestritten und stattdessen der Beibringungsgrundsatz für einschlägig gehalten.308 Auf diese Weise soll das Insolvenzgericht daran gehindert werden, seiner Entscheidung über die Bestätigung des Insolvenzplans andere Tatsachen zugrunde zu legen als diejenigen, die sich aus dem Inhalt des Plans ergeben. Insbesondere eigene kosten- und zeitaufwendige Ermittlungen des Gerichts durch Sachverständigengutachten über die dem Insolvenzplan zugrunde liegenden Vergleichsrechnungen sollen unzulässig sein.309 Allerdings findet sich in 308 Braun, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 66 Rn. 21 ff.; Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 624; Bußhardt, in: Braun, InsO, § 5 Rn. 9; Herzig, Insolvenzplanverfahren, S. 285 f.; Otte, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 245 Rn. 66. Ganter, in: MünchKomm, InsO, § 5 Rn. 15c, hat diese Frage offen gelassen. 309 Eine andere Stoßrichtung hat demgegenüber der Vorschlag von Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 13.41 ff. Sie wollen den »Amtsermittlungsgrundsatz« dahin gehend einschränken, dass dem Insolvenzgericht eine Bestätigung des Plans ohne weitere Prüfung untersagt ist, wenn die absolute Mehrheit aller Gläubiger den Insolvenzplan abgelehnt hat – selbst wenn eine Anwendung des Obstruktionsverbots des § 245 InsO zulässig wäre, die den Mehrheitswillen überwindet. Bei diesem Vorschlag geht es nicht um eine Einschränkung der Tatsachenermittlung, sondern der Rechtsanwendung durch das Gericht. Nicht die Amtsermittlung,

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den §§ 217 ff. InsO ebenso wenig eine Stütze für eine derartige Beschränkung der Richtermacht wie in § 5 InsO. Die Nichtanwendung des § 5 Abs. 1 InsO für das Planverfahren überschreitet vielmehr die Wortlautgrenze jeder Gesetzesauslegung und ist dabei weder notwendig noch gerechtfertigt, sondern schlicht gesetzeswidrig.310 § 5 Abs. 1 Satz 1 InsO gibt dem Insolvenzgericht die Befugnis, alle Umstände von Amts wegen zu ermitteln, die für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sind. Zum Insolvenzverfahren gehört auch das Planverfahren der §§ 217 ff. InsO, wenn es denn als alternative Form der Insolvenzbewältigung durch eine zulässige Planvorlage eingeleitet wird. Es widerspricht gerade der vom Gesetzgeber gewollten und in der Gesetzessystematik niedergelegten Einheitlichkeit des Insolvenzverfahrens, wenn Herzig im Hinblick auf den Wortlaut von § 5 Abs. 1 Satz 1 InsO argumentiert, dass das dort genannte Insolvenzverfahren vom Planverfahren zu trennen sei und der Untersuchungsgrundsatz nur für ersteres gelte.311 Die §§ 1 bis 10 InsO enthalten allgemeine Vorschriften für alle nach der Insolvenzordnung möglichen Verfahrensarten. Zudem ist gerade das Planverfahren nicht vom Insolvenzverfahren zu trennen, sondern ein alternativer Ausweg in einem bewusst als einheitlich gestaltetem Insolvenzverfahren gedacht und normiert. Das Insolvenzverfahren endet daher auch nicht durch die Einleitung eines Planverfahrens und unterliegt dann eigenen Grundsätzen. Das Planverfahren ist vielmehr in das allgemeine Insolvenzverfahren integriert, weshalb es nach der Rechtskraft des Insolvenzplans auch noch einer Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach § 258 InsO bedarf. § 5 Abs. 1 InsO gilt daher seinem Wortlaut und seiner systematischen Stellung nach sowie im Kontext des historischen Willens zur Vereinheitlichung des Insolvenzverfahrens auch für das Planverfahren der §§ 217 ff. InsO. Das Insolvenzgericht darf von Amts wegen alle relevanten Umstände ermitteln. Diese weitreichende Befugnis des Insolvenzgerichts widerspricht auch im Rahmen der Entscheidungen über die Zurückweisung eines Insolvenzplans nach § 231 InsO und die Bestätigung eines Plans nach § 248 InsO nicht dem Zweck des Planverfahrens, insbesondere nicht den autonomen Befugnissen der Beteiligten zur Plangestaltung.312 Gerade im Bereich der Planbestätigung gegen den Willen ganzer Gläubigergruppen nach § 245 InsO oder gegen den Widerspruch einzelner Gläubiger nach § 251 InsO hat das Insolvenzgericht die verfassungsrechtlich gebotene Aufgabe des Minderheitenschutzes zu erfüllen. Die sondern die Anwendung von § 245 InsO soll eingeschränkt werden. Dass dies nicht gerechtfertigt ist, wurde bereits im Dritten Kapitel unter E. V. 4. a) dargelegt. 310 So auch Grub, FS Uhlenbruck, 2000, 501, 506. 311 Herzig, Insolvenzplanverfahren, S. 285. 312 So aber vor allem die teleologische Argumentation von Braun, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 66 Rn. 24 f.; Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 624; Bußhardt, in: Braun, InsO, § 5 Rn. 9; Herzig, Insolvenzplanverfahren, S. 285 f.

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Bindung dieser Personen an einen Insolvenzplan, dem sie nicht zugestimmt haben und der in ihre privaten Rechte eingreift, ist nur legitim, wenn gerichtlich abgesichert ist, dass sie wirtschaftlich voll entschädigt werden. Dies wurde bereits im Dritten Kapitel ausführlich dargelegt.313 Die Insolvenzgerichte sind daher gerade hinsichtlich der wirtschaftlichen Vergleichsrechnungen gehalten, Pläne, durch welche die Minderheit schlechter steht als bei einer Liquidation, zu erkennen und im Wege der Anwendung der Tatbestände des § 245 Abs. 1 Nr. 1 und des § 251 Abs. 1 InsO zu verhindern. Die autonome Entscheidungsmacht eines Planinitiators, des zustimmenden Schuldners und auch der zustimmenden Gläubigermehrheit sowie Gläubigergruppen endet hier. Der Minderheitenschutz ist gegenüber jeder Mehrheit zu beachten. Private entschädigungslose Enteignungen sind ihnen auch in einem Planverfahren nicht erlaubt. Hieraus folgt nahezu zwingend, dass das Insolvenzgericht gerade den Planrechnungen nicht blind vertrauen darf, sondern befugt sein muss, diese zu hinterfragen und bei Unstimmigkeiten mittels eines Sachverständigengutachtens eigene Berechnungen anzustellen. Diese richterliche Befugnis bedeutet nun jedoch nicht, dass das Insolvenzgericht auch in jedem Fall einer Planbestätigung gegen den Widerspruch einzelner Gläubiger gehalten ist, ein Sachverständigengutachten über die Schlechterstellung dieser Gruppen oder Personen einzuholen. Eine derartige Pflicht würde tatsächlich dazu führen, dass die mit der Gutachtenerstellung einhergehende Verfahrensverzögerung jegliche Sanierungsbemühung gefährdet oder sogar zum Scheitern bringt. Vielmehr ist daran zu erinnern, dass ein Gericht auch unter der Geltung des Untersuchungsgrundsatzes nicht dazu verpflichtet ist, alle zur Verfügung stehenden Aufklärungsmittel zu verwenden.314 Es bleibt beim Grundsatz der freien Tatsachen- und Beweiswürdigung des Gerichts nach § 286 ZPO, der über § 4 InsO auch für das Insolvenzverfahren gilt. Folgerichtig stellt auch § 5 Abs. 1 Satz 2 InsO die eigenständige Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen in das Ermessen des Insolvenzgerichts. Es ist daher weder vorwerfbar noch amtspflichtwidrig, wenn das Insolvenzgericht seine Bestätigungsentscheidung trotz des geltenden Untersuchungsgrundsatzes allein auf die von ihm geprüften und als plausibel bewerteten Vergleichsrechnungen des Plananhangs stützt. Diese Berechnungen sollten daher sorgfältig aufbereitet und jedem Plan als Anhang beigefügt sein. Können diese Berechnungen das Gericht überzeugen, so kann es von weiteren Ermittlungen in diesem Punkt absehen. Für eine gesetzeswidrige Umdeutung des § 5 Abs. 1 InsO bezüglich des Planverfahrens besteht also auch kein Bedürfnis. 313

Siehe im Dritten Kapitel C. IV. 2. d) und E. V. 4. Statt vieler Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 128 Rn. 178: »Das Gericht hat darüber zu bestimmen, welche möglichen Tatsachen im Verfahren zu erörtern und inwieweit Beweise zu erheben sind.« 314

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Gilt demnach der Untersuchungsgrundsatz des § 5 Abs. 1 InsO auch für die Bestätigungsentscheidung des Insolvenzgerichts,315 so werden die Ab- und Zustimmungserklärungen aller Beteiligten im Abstimmungstermin bereits mit ihrer Kenntniserlangung durch das Gericht zur Entscheidungsgrundlage. Ein Sachvortrag ist entbehrlich, ein unwirksamer Sachvortrag unschädlich. Die Erklärungen der Beteiligten haben damit keine prozessuale Wirkung und sind folglich keine Prozesshandlungen.

V. Folgerungen für Problemfälle in der Planentstehung Aus der rein materiell-rechtlichen Natur der Erklärungen der Beteiligten im Abstimmungstermin wie auch des Insolvenzplans ergibt sich zwanglos die zutreffende Antwort auf Fragen in den Problemfällen, in denen die §§ 217 ff. InsO keine rechtliche Regelung bieten. Vor allem die Frage nach der Zulässigkeit einer Planrücknahme sowie die den Voraussetzungen und Folgen des Fehlens einer Stimmrechtsvollmacht können nun fundiert beantwortet werden. 1. Die Planrücknahme durch den Initiator Legt der Schuldner oder aber der Insolvenzverwalter gemäß § 218 InsO einen Insolvenzplan vor, so erlaubt § 240 InsO diesen Personen bei einem drohenden Scheitern des Plans im Erörterungs- und Abstimmungstermin, »einzelne Regelungen des Insolvenzplans [. . .] inhaltlich zu ändern.« Kann der Insolvenzplan aufgrund dieser Änderungen Erfolg haben, so wäre es eine aufwendige und verfahrensverzögernde Formalie, den eingereichten Plan scheitern zu lassen und auf die Vorlage eines neuen, geänderten Plans zu bestehen. § 240 InsO dient insofern der Verfahrensbeschleunigung und damit der Prozessökonomie.316 Problematisch bleiben damit allerdings diejenigen Fälle, in denen nicht nur einzelne Regelungen inhaltlich geändert werden müssen, um den Plan zu retten. Eine solche Änderungsbefugnis verleiht § 240 InsO nicht. Ebenfalls nicht erfasst sind Fälle, in denen der Insolvenzplan erst nach der erfolgreichen Abstimmung im Abstimmungstermin nochmals geändert werden soll. Eine solche Konstellation lag der Entscheidung des BGH vom 26. April 2007 zugrunde.317 Der BGH ignorierte in seiner Entscheidung die Grenzen des § 240 InsO und erlaubt dem Planinitiator auch nach einer Annahme des Plans im Abstimmungstermin aus dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie heraus, den angenommenen Insolvenzplan zurückzunehmen und einen neuen Plan zur Abstim315 Ebenso: Flessner, in: Heidelberger Kommentar, InsO, § 245 Rn. 14; Grub, FS Uhlenbruck, 2000, 501, 506; Kirchhof, in: Heidelberger Kommentar, InsO, § 5 Rn. 5; Pape, in: Uhlenbruck, InsO, § 5 Rn. 3; Rüther, in: Hamburger Kommentar, InsO, § 5 Rn. 7. 316 Vgl. Jaffé, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 240 Rn. 1. 317 BGH NZI 2007, 521.

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mung vorzulegen. Voraussetzung dafür sei allein, dass die Rücknahme vor der Bestätigung des angenommenen Insolvenzplans erfolgt, das rechtliche Gehör aller Beteiligten zum Vorgang gewahrt wird und das Gericht keine Veranlassung sieht, den neuen Plan nach § 231 InsO zurückzuweisen.318 Dieser Auffassung widerspricht der wohl überwiegenden Ansicht in der Literatur, die eine Rücknahme des Insolvenzplans durch den Planinitiator nur bis zum Beginn der Abstimmung der Gläubiger über den Plan 319 bzw. bis zu deren Ende320 zulässt. Hierzu wird einerseits auf das legitime Interesse der Gläubiger verwiesen, über den eingebrachten Plan endgültig zu entscheiden, insbesondere einen Schuldnerplan endgültig zu verwerfen.321 Andere stützen sich insofern auf das Argument, die Dispositionsbefugnis des Planinitiators ende spätestens mit der Annahme des vorgelegten Plans durch die Gläubiger.322 Die Gegenansicht hält demgegenüber die Rücknahme des Insolvenzplans bis zu dessen rechtskräftiger Bestätigung für zulässig.323 Als sich der IX. Senat des Bundesgerichtshofs im Jahr 2009 erneut mit einer Planrücknahme zu befassen hatte, ging er – ohne ein Wort zu seiner Rechtsprechung aus dem Jahr 2007 oder den Literaturansichten zu verlieren – einen neuen Weg.324 In dieser Entscheidung bejahte der Senat die Wirksamkeit der Rücknahme eines Verwalterplans, obwohl diese erst im Beschwerdeverfahren, also nach der Planannahme durch die Gläubiger und dessen Bestätigung durch das Insolvenzgericht, erfolgte. Zeitliche Grenze einer Rücknahme kann danach – ohne dass der BGH dies ausdrücklich so festgestellt hätte – nur noch die Rechtskraft der Planbestätigung sein. Allerdings stellte der Senat für die Zulässigkeit der Planrücknahme ausdrücklich darauf ab, dass sie mit Zustimmung einer besonderen Gläubigerversammlung erfolgt war. Offen blieb damit, ob der Senat eine so späte Planrücknahme auch erlauben würde, wenn die Planrücknahme nicht im Einvernehmen mit den Gläubigern erfolgt. Insgesamt ist damit die Frage angesprochen, ob schon durch die Abstimmung oder aber die noch nicht rechtskräftige Planbestätigung aus der bloßen Planvorlage eine verbindliche Rechtsfigur, insbesondere ein verbindlicher Insolvenzplan, entsteht. Dies lässt sich nur mit einem Rückgriff auf die Rechtsnatur der Handlungen im Abstimmungstermin beantworten. 318 BGH NZI 2007, 521. Eine Rücknahme bis zur rechtskräftigen Bestätigung des Insolvenzplans halten auch Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, § 218 Rn. 54 und Thies, in: Hamburger Kommentar, InsO, § 218 Rn. 15, für zulässig. 319 Andres, in: Andres/Leithaus, InsO, § 240 Rn. 10; Braun/Frank, in: Braun, InsO, § 240 Rn. 6; Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 218 Rn. 148, 150; Flessner, in: Heidelberger Kommentar, InsO, § 240 Rn. 12; Happe, Die Rechtsnatur des Insolvenzplans, S. 225; Schiessler, Insolvenzplan, S. 153. 320 Hess, in: Hess, InsR, § 237 InsO Rn. 13; Smid, DZWIR 2009, 133, 144 f. 321 So Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 218 Rn. 149. 322 So insbesondere Smid, DZWIR 2009, 133, 144 f. 323 So Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, § 218 Rn. 54 und Thies, in: Hamburger Kommentar, InsO, § 218 Rn. 15. 324 BGH ZInsO 2009, 2113.

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Kapitel 4: Der Insolvenzplan als Verfahrensobjekt

Da eine eigenständige Regelung dieser Rechtsfrage in der Insolvenzordnung fehlt, ist lückenfüllend auf das Recht zurückzugreifen, dass die Rechtsnatur der in Frage stehenden Handlungen mit sich bringt. So ist die Planvorlage durch den Planinitiator nach § 218 InsO noch keine Willenserklärung, sondern lediglich »invitatio ad offerendum«, aber zugleich eine Prozesshandlung.325 Als solche unterliegt sie nicht den Widerrufsgrenzen, die sich etwa aus § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB für Willenserklärungen ergeben, sondern denen aus den allgemeinen Grundsätzen des Prozessrechts. Danach sind insbesondere Anträge Erwirkungshandlungen, deren Rücknahme grundsätzlich bis zur rechtskräftigen Entscheidung über sie möglich ist.326 Insofern könnte – im Einklang mit der Auffassung des BGH – auch die Planvorlage, über welche abschließend erst mit der Bestätigung des Insolvenzplans entschieden wird, bis zur rechtskräftigen Planbestätigung zurückgenommen werden.327 Allerdings kann sich im Einzelfall aufgrund des Erreichens eines gewissen Verfahrensstadiums ein legitimes Interesse anderer Verfahrensbeteiligter an einer Sachentscheidung ergeben und daher eine Rücknahme nur noch mit deren Einverständnis zulässig sein. Dies gilt etwa für die Klagerücknahme nach der mündlichen Verhandlung gemäß § 269 Abs. 1 ZPO. Ein legitimes Interesse der Gläubiger an der Sicherung einer endgültigen Sachentscheidung über den vorgelegten Plan im Verfahrensstadium des Abstimmungstermins könnte daher die einseitige Rücknahme der Planvorlage durch den Initiator hindern. Ein solches Interesse ist indes gerade für Schuldnerpläne eher zweifelhaft. Nimmt der Schuldner seine Planvorlage aufgrund einer negativen Stimmung im Abstimmungstermin zurück, so haben die Gläubiger – anders als ein Beklagter im Zivilprozess – nicht zu befürchten, alsbald wieder mit demselben Planentwurf behelligt zu werden. Ihr diesbezüglich durchaus schützenswertes Interesse wird in der Insolvenzordnung dadurch gewahrt, dass im Fall einer wiederholte Planvorlage durch den Schuldner der Insolvenzverwalter beim Insolvenzgericht gemäß § 231 Abs. 2 InsO die Zurückweisung der Planvorlage beantragen kann. Ein legitimes Interesse an der Sicherung einer negativen Sachentscheidung über den vorgelegten Insolvenzplan besteht daher nicht. Andererseits kann – wie der Sachverhalt zeigt, der der Entscheidung des BGH zugrunde lag – durchaus ein Interesse aller Beteiligten daran bestehen, einen Insolvenzplan auch nach dessen Annahme weiter den fortschreitenden Gegebenheiten und Verhandlungsständen anzupassen, gerade wenn die Rechtskraft der Planbestätigung durch den Instanzenzug auf sich warten lässt. Die Vorlage eines neuen Insolvenzplans unter gleichzeitiger Rücknahme des angenommenen sollte hier möglich bleiben. Insgesamt scheinen daher die besseren Gründe dafür zu sprechen, den Grundsatz der freien Rücknah325

Siehe dazu im Dritten Kapitel A. Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 128 Rn. 280; Rauscher, in: MünchKomm, ZPO, Einleitung Rn. 388. 327 Ebenso hinsichtlich der prozessualen Lage Schiessler, Insolvenzplan, S. 152. 326

D. Der Insolvenzplan und das Prozessrecht

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me der Prozesshandlung aufrecht zu halten, so dass aus der prozessualen Natur der Planvorlage keine zeitliche Grenze für ihre Rücknahme entnommen werden kann. Allerdings ist die Planvorlage nicht nur eine Prozesshandlung; sie wird im Abstimmungstermin zum Gegenstand von Vertragserklärungen. Der Vertragsschluss über den Insolvenzplan vollzieht sich atypisch über die gleichgerichtete Zustimmung aller Vertragspartner zu einem Vertragstext, der Planvorlage.328 Diese Zustimmungserklärungen werden durch die zustimmenden Gläubiger und den zustimmenden Schuldner im Abstimmungstermin abgegeben.329 Für diese Erklärungen gilt daher nun die Widerrufssperre des § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der Vertrag selbst wird allerdings erst dann verbindlich, wenn alle Vertragspartner zustimmen. Dies wird im Abstimmungstermin nur selten geschehen. Nur in einem solchen Ausnahmefall kommt der Insolvenzplan als Vertrag schon zu diesem Zeitpunkt zustande, so dass er nun nicht mehr durch die einfache Rücknahme der Planvorlage aus der Welt zu schaffen ist. Im Regelfall werden plangebundene Gläubiger hingegen zum Teil gegen den Planentwurf stimmen, so dass der Vertragsschluss mangels allseitiger Zustimmung noch nicht unmittelbar im Abstimmungstermin zustande kommt. Hier ist es nun die Aufgabe des Insolvenzgerichts, mit der rechtskräftigen Planbestätigung auch die nicht zustimmenden Gläubiger an den Insolvenzplan zu binden, indem es deren Zustimmungspflichten prüft, feststellt und so deren Zustimmungserklärungen fingiert.330 Im Regelfall ist es damit tatsächlich erst die rechtskräftige Bestätigung des Insolvenzplans durch das Insolvenzgericht, durch welche der Insolvenzplan als Vertrag zwischen den Beteiligten verbindlich wird. Bis zu diesem Zeitpunkt spricht weder die prozessuale Natur der Planvorlage gegen eine Rücknahme der Planvorlage noch existiert bereits eine materiell-rechtliche Bindung an einen Vertrag. 2. Die Unwirksamkeit einer Stimmrechtsvollmacht und ihre Folgen Ein zweiter Problemkreis betrifft die Vertretung der Gläubiger oder des Schuldners im Abstimmungstermin. Auch diese Frage ist in der Insolvenzordnung nicht explizit geregelt, so dass ein Rückgriff auf die allgemeinen Grundsätze notwendig ist. Hierbei ist zu beachten, dass die Stimmabgabe eine Willenserklärung ist, so dass auf eine Stellvertretung im Abstimmungstermin die Regelungen der §§ 164 ff. BGB Anwendung finden. Hat also etwa der Rechtsanwalt einer Sozietät, die den Schuldner im Insolvenzplanverfahren berät, im Abstimmungstermin Stimmrechtsvollmachten von Gläubigern vorgelegt, so liegt ein Interessenkonflikt nach § 43a Abs. 4 328 329 330

Siehe dazu im Dritten Kapitel B. Siehe dazu im Dritten Kapitel C. VI. 2. und D. I. Siehe dazu im Dritten Kapitel C. VI.

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Kapitel 4: Der Insolvenzplan als Verfahrensobjekt

BRAO vor, der zum Schutze der Mandanten zu einer Nichtigkeit der Vollmachten gemäß der §§ 134, 139 BGB führt. Der aus diesem Grunde vollmachtslose Vertreter ist nicht zur Abstimmung zuzulassen.331 Eine einstweilige Zulassung des Vertreters nach den Grundsätzen der Prozessvollmacht in § 89 ZPO kommt nicht in Betracht, da eben keine Prozessvollmacht, sondern eine materiell-rechtliche Vollmacht für die Vertretung bei der Stimmabgabe notwendig ist.332 Die Regelungen der §§ 80 ff. ZPO über die Prozessvollmacht finden aufgrund der festgestellten Rechtsnatur der Abstimmungserklärungen keine Anwendung; diese sind eben keine Prozesshandlungen. Eine Besonderheit findet sich in diesem Zusammenhang allerdings in § 18 Abs. 3 Satz 2 RPflG in Verbindung mit den §§ 237 Abs. 1 Satz 1, 77 Abs. 2 Satz 2 und 3 InsO. Danach kann die Entscheidung des Rechtspflegers im Abstimmungstermin über ein streitiges Stimmrecht nur noch im selben Termin gerügt und eine diesbezügliche Entscheidung des Richters beantragt werden. Eine nachträgliche Genehmigung der vollmachtslosen Vertretung gemäß § 177 Abs. 1 BGB scheidet daher aus. § 18 Abs. 3 Satz 2 RPflG verkürzt insofern die Genehmigungsfrist des § 177 Abs. 2 BGB im Interesse der Rechtssicherheit auf Null. Wurde hingegen ein vollmachtsloser Vertreter irrtümlich zugelassen, so wird dieser Fehler am Ende des Abstimmungstermins geheilt. Auf den rechtlichen Grund der Heilung dieses Mangels im Planverfahren soll erst im folgenden Abschnitt eingegangen werden.333

VI. Ergebnis Die Ab- und Zustimmungserklärungen der Beteiligten über den Insolvenzplan sind nur materiell-rechtliche Willenserklärungen. Sie bedürfen wegen des geltenden Untersuchungsgrundsatzes keines wirksamen Sachvortrags durch die Verfahrensbeteiligten, um zur Entscheidungsgrundlage für das Insolvenzgericht bei seiner Bestätigungsentscheidung zu werden. Den Erklärungen fehlt daher eine prozessuale Hauptwirkung; sie sind keine Prozesshandlungen. Ihre Wirksamkeit folgt allein aus den materiell-rechtlichen Bestimmungen des Willenserklärungsrechts, soweit sich nicht aus den §§ 237 ff. InsO etwas Spezielleres ergibt.

331 So im Ergebnis zutreffend das LG Hamburg NZI 2007, 415; zustimmend Frind, NZI 2007, 374, 376; ebenso AG Duisburg NZI 2007, 728, 731. Der BGH NZI 2009, 106, hat auf die Rechtsbeschwerde hin zu dieser Frage nicht Stellung genommen. 332 So hat etwa Frind, NZI 2007, 374, 377, zutreffend erkannt, dass eine einstweilige Zulassung vollmachtsloser Vertreter zu einer Planabstimmung wegen der Endgültigkeit der dort zu treffenden Entscheidung nicht passt. Die zutreffende rechtliche Begründung findet diese Aussage in der Rechtsnatur der Abstimmungserklärung und der daraus folgenden Rechtsnatur der Vollmacht als materiell-rechtliche. 333 Siehe Abschnitt E. III. 4. b).

E. Mängel bei der Planentstehung und ihre Heilung

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Entsprechendes gilt für den Insolvenzplan. Auch diesem fehlt jede prozessuale Hauptwirkung. Er beendet weder das Insolvenzverfahren noch tituliert er die im Plan enthaltenen Forderungen. Eine Einordnung als Prozessvertrag und damit als Vertrag mit Doppelwirkung ist somit abzulehnen. Seine Wirksamkeit unterliegt folgerichtig den Anforderungen des materiellen Rechts, soweit nicht die §§ 237–253 InsO explizite Regelungen enthalten.

E. Mängel bei der Planentstehung und ihre Heilung Es bleibt noch ein Aspekt zu erklären, der jeden Akkord einzigartig umgibt: die Fähigkeit zur Mangelheilung. Nach seiner rechtskräftigen Bestätigung soll es nicht mehr möglich sein, Fehler und Mängel im Zustandekommen der Akkordvereinbarung geltend zu machen. Rechtssicherheit wird geschaffen. Dies ist gerade bei Verträgen mit einer Vielzahl von Beteiligten von entscheidender Bedeutung, könnte doch anderenfalls wegen der Grundsätze des Vertragsrechts jeder der vielen Beteiligten den Vertrag zu Lasten aller schlicht dadurch beseitigen, dass er einen Mangel in der Planentstehung geltend macht, der vielleicht nur bei ihm persönlich vorgefallen war. Besonders problematisch sind in diesem Zusammenhang Anfechtungsrechte wegen eines Irrtums oder wegen individueller Täuschungshandlungen (§§ 119 ff. BGB). Will man einer vertragliche Bewältigung der Insolvenzsituation im Wege eines Akkordes überhaupt Akzeptanz verschaffen, so muss das gemeinsame Interesse aller Vertragspartner an einer bestmöglichen Bewältigung der Insolvenzsituation den individuellen Interessen des jeweils von einem Mangel in der Vertragsentstehung Betroffenen jedenfalls dann vorgehen, wenn der Akkord das gerichtliche Gütesiegel bekommen hat. Die rechtskräftige Bestätigung heilt folglich weitgehend solche Mängel.334 Dieser Grundsatz der Mangelheilung fand für den Zwangsvergleich noch in einer gesetzlichen Regelung seinen Niederschlag. § 196 KO erlaubt jedem Gläubiger für den Fall, dass ein Zwangsvergleich durch Betrug, also arglistige Täuschung, zustande gekommen war, den im Zwangsvergleich für ihn vorgesehenen Erlass seiner Forderungen anzufechten (Abs. 1), wenn er ohne sein Verschulden daran gehindert war, diesen Mangel im gerichtlichen Bestätigungsverfahren geltend zu machen. Diese Regelung verhinderte eine vollständige Heilungswirkung der gerichtlichen Bestätigung im Fall einer arglistigen Täuschung, da sie eine individuelle Geltendmachung dieses Mangels durch jeden einzelnen Gläubiger zwar erlaubt. Allerdings hatte diese Anfechtung nur eine auf den jewei334 Die Notwendigkeit einer solchen Mangelheilung für die Akzeptanz eines Vergleichs als Insolvenzlösung beschreibt der Bundesgerichtshof sehr eindringlich in BGH KTS 1961, 152, 153 f.

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Kapitel 4: Der Insolvenzplan als Verfahrensobjekt

ligen Gläubiger beschränkte, individuelle Wirkung. Sie führte nicht zur Gesamtnichtigkeit des Zwangsvergleichs nach § 142 Abs. 1 BGB, sondern ließ den Zwangsvergleich im Übrigen intakt. Gleichzeitig machte sie deutlich, dass jenseits der arglistigen Täuschung ein Mangel in der Entstehung des Zwangsvergleiches keinen Einfluss auf denselben mehr nehmen konnte. Solche Mängel wurden geheilt.335 Eine entsprechende Regelung enthielt § 89 Abs. 1 VglO für den gerichtlichen Vergleich zur Konkursabwendung.336 Die Insolvenzordnung hat auf derartige Vorschriften verzichtet. Die rechtskräftige Bestätigung des Insolvenzplans heilt daher nun jeden Mangel in der Planentstehung, selbst den der arglistigen Täuschung.337 Dies ist keine Folge einer prozessualen Natur des Insolvenzplans; eine solche hat er – wie gerade gesehen – nicht. Dogmatische Grundlage der heilenden Wirkung der richterlichen Bestätigung ist vielmehr die rechtsbefriedende Wirkung der materiellen Rechtskraft.338

I. Die Wirkung der materiellen Rechtskraft Während die formelle Rechtskraft zur Unanfechtbarkeit einer gerichtlichen Entscheidung führt und daher den Streit zwischen den Parteien dadurch beendet, dass ihnen kein Forum mehr zur Verfügung steht, bewirkt die materielle Rechtskraft, dass der formell rechtskräftig festgestellte Entscheidungsinhalt auch in zukünftigen Auseinandersetzungen der Beteiligten in derselben Sache maßgeblich bleibt. Ob diese Wirkung dadurch erzielt wird, dass die formell rechtskräftige gerichtliche Entscheidung die materielle Rechtslage in ihrem Sinne verändert (so die materielle Rechtskrafttheorie) oder sie entsprechend der prozessualen Rechtskrafttheorien das spätere Streitgericht im Wege einer Präjudizwirkung prozessual bindet bzw. sie über ein Verbot der Prozesswiederholung (»ne bis in idem«) gar zur Unzulässigkeit eines erneuten Prozesses in dieser 335 Folgerichtig lehnte das Reichsgericht schon im Jahr 1904 (RGZ 57, 270) die Irrtumsanfechtung eines Zwangsvergleichs ab (S. 271 f.) und nahm zudem die Heilung von Verfahrensfehlern (hier die fehlerhafte Feststellung einer Summenmajorität) nach der rechtskräftigen Bestätigung an (S. 274 f.). 336 Siehe zur Mangelheilung bei Zwangsvergleich und Vergleich etwa Berges, KTS 1970, 249, 250 ff.; Bley/Mohrbutter, VglO, § 8 Rn. 4; Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 189 Rn. 4. 337 Gaul, FS Huber, 2006, 1187, 1215; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 28.74; Leipold, KTS 2006, 109, 122; Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, § 253 Rn. 7. Jaffé, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 253 Rn. 12, spricht missverständlich von der Heilung aller »Verfahrensmängel« durch die Rechtskraft. Die Heilung betrifft über Verfahrensfehler hinaus aber auch materielle Mängel in den Willenserklärungen. Zu weit dagegen Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 217 Rn. 192, der neben Verfahrens- auch Inhaltsfehler geheilt sehen will. Dazu später mehr. 338 Ebenso Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, § 253 Rn. 7. Gaul, FS Huber, 2006, 1187, 1215, spricht von »besonderem Bestandsschutz«. Schon für den Zwangsvergleich und den Vergleich der Vergleichsordnung wurde die Mangelheilung vereinzelt auf die Wirkung der materiellen Rechtskraft gestützt – so etwa Krusch, Das Wesen des Vergleichs, S. 155 ff.

E. Mängel bei der Planentstehung und ihre Heilung

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Sache führt, kann hier dahinstehen.339 Jedenfalls hat eine rechtskräftige Entscheidung zur Folge, dass über den Gegenstand der Entscheidung – den prozessualen Anspruch – letztmalig gestritten wurde.340 Folgerichtig wird auch das Zustandekommen eines Insolvenzplans insoweit unbestreitbar, wie der Gegenstand der Bestätigungsentscheidung reicht.

II. Die Voraussetzungen der materiellen Rechtskraft Welchen gerichtlichen Entscheidungen überhaupt eine solche über den konkreten Prozess hinausgehende Kraft zukommt, welche also der materiellen Rechtskraft fähig sind, lässt sich der Zivilprozessordnung nicht entnehmen. § 322 ZPO selbst spricht zwar von »Urteilen«, will damit allerdings weder allen Urteilsarten diese Fähigkeit zusprechen noch anderen Entscheidungsformen dieselbe absprechen. Auch Beschlüsse können daher materielle Rechtskraftwirkungen erzeugen, wenn sie formell rechtskräftig, also unanfechtbar, sind und einen rechtskraftfähigen Inhalt haben.341 1. Die formelle Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses Der Bestätigungsbeschluss nach den §§ 248 Abs. 1, 252 Abs. 1 InsO ist gemäß §§ 6 Abs. 1, 253 InsO selbstständig anfechtbar und daher der formellen Rechtskraft fähig.342 Über die sofortige Beschwerde hinaus findet nach § 7 InsO auch die Rechtsbeschwerde statt. Die formelle Rechtsfähigkeit tritt damit erst mit dem ungenutzten Ablauf der Rechtsmittelfrist,343 der Rücknahme eines Rechtsmittels, dem beiderseitigen Rechtsmittelverzicht oder aber dem Ausschöpfen der Rechtsmittel ein.

339

Zu diesem Theorienstreit siehe die Ausführungen oben in diesem Kapitel B. I. Gottwald, in: MünchKomm, ZPO, § 322 Rn. 1. 341 BGH NJW 1981, 1962; NJW 1985, 1335, 1336; BAG NJW 1968, 1399; NJW 1984, 1710; Fraga Novelle, Die Wirkungen der Beschlüsse, S. 77; Gottwald, in: MünchKomm, ZPO, § 322 Rn. 29 sowie § 329 Rn. 12; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, § 322 Rn. 53; Musielak, in: Musielak, ZPO, § 329 Rn. 17. Schindler, Rechtskraft, S. 177, hält demgegenüber das Kriterium des rechtskraftfähigen Inhalts für überflüssig, wenn dem Beschluss eine Innenbindung zukomme. Damit tauscht er allerdings im Kern nur die Begriffe aus, fragt er doch ebenso nach der Notwendigkeit einer endgültigen Entscheidung über den Streitgegenstand (S. 175). 342 Dass Beschlüsse, die fristgebundenen Rechtsmitteln unterliegen, formell rechtskräftig werden können, wird allgemein angenommen – vgl. Fraga Novelle, Die Wirkungen der Beschlüsse, S. 26 f.; Schindler, Rechtskraft, S. 17 f. 343 Diese beträgt für das Einlegen der sofortigen Beschwerde gemäß § 4 InsO, § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO zwei Wochen; für die Rechtsbeschwerde gemäß § 4 InsO, § 575 Abs. 1 Satz 1 ZPO einen Monat. 340

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Kapitel 4: Der Insolvenzplan als Verfahrensobjekt

2. Der rechtskraftfähige Inhalt des Bestätigungsbeschlusses Einen der materiellen Rechtskraft fähigen Inhalt haben nach den zivilprozessualen Grundsätzen alle gerichtlichen Entscheidungen und damit auch Beschlüsse, deren Wirkung sich nicht auf das anhängige Verfahren beschränkt, sondern sich über den Prozess hinaus entfaltet.344 Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn die Möglichkeit besteht, dass der bereits entschiedene Streit nochmals zum Gegenstand eines Verfahrens gemacht wird. Es sei also danach zu fragen, ob eine der Parteien theoretisch die Möglichkeit hat, den bereits entschiedenen Sachverhalt einem weiteren Gericht zur Entscheidung vorzulegen.345 Der Bestätigungsbeschluss ist vor diesem Maßstab kein bloß verfahrensleitender und damit nur innerprozessualer Beschluss.346 Das Insolvenzgericht entscheidet in ihm über die Rechtmäßigkeit der Planentstehung und die darauf beruhenden Zustimmungspflichten obstruierender Beteiligter. Der Beschluss stellt die Fehlerfreiheit der Planentstehung sowie Leistungspflichten fest, die – sollten sie nach der Bestätigung des Insolvenzplans unter den Beteiligten streitig werden – ohne eine Absicherung durch die materielle Rechtskraft nochmals zum Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens werden könnten. Beinhaltet der Insolvenzplan etwa den Teilerlass von Forderungen, so ist die Klage eines Gläubigers gegen den Schuldner auf die Erfüllung der ursprünglichen, ungekürzten Schuld nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens denkbar, um in diesem Prozess nochmals die Rechtswirksamkeit des Insolvenzplans zu bestreiten. Der Bestätigungsbeschluss hat folglich eine streitentscheidende Bedeutung347 und somit nach zivilprozessualen Maßstäben einen der materiellen Rechtskraft fähigen Inhalt. In der insolvenzrechtlichen Literatur findet sich demgegenüber der Lehrsatz, nach dem ein Beschluss des Insolvenzgerichts mit rechtskraftfähigem Inhalt nur in den Fällen anzunehmen sei, in denen dieser Beschluss »die bürgerlichrechtlichen Beziehungen unter bestimmten Personen festlegt«, womit insbesondere Vergütungsentscheidungen gemeint sind.348 Der Bestätigungsentscheidung 344 Fraga Novelle, Die Wirkungen der Beschlüsse, S. 80; Gottwald, in: MünchKomm, ZPO, § 329 Rn. 12; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, § 322 Rn. 48; Musielak, in: Musielak, ZPO, § 329 Rn. 17. In den Einzelheiten ist hier noch vieles ungeklärt – vgl. Fraga Novelle, Die Wirkungen der Beschlüsse, S. 77 ff.; Schindler, Rechtskraft, S. 171 ff. (jeweils m. w. N.). 345 Grundlegend Werner, Rechtskraft, S. 92 ff., 96. Ebenso Fraga Novelle, Die Wirkungen der Beschlüsse, S. 80. Dieser Gedanke findet sich auch bei Schindler, Rechtskraft, S. 175. 346 So aber pauschal für alle Beschlüsse des Insolvenzgerichts in Insolvenzverfahren und damit auch für den Bestätigungsbeschluss Smid, in: Smid, InsO, § 6 Rn. 30. Dabei verkennt er, dass das Insolvenzgericht in einzelnen Fällen durchaus zu mehr berufen ist als nur zur Verfahrensleitung. 347 Es handelt sich um einen »urteilsähnlichen Beschluss«, wenn man der Einteilung folgt, die Peters vorschlägt (FS Geimer, 2002, 811, 817). 348 Vgl. Ganter, in: MünchKomm, InsO, § 4 Rn. 80a; Gerhardt, in: Jaeger, InsO, § 6 Rn. 52; Hess, in: Hess, InsR, § 6 InsO Rn. 174; Kirchhof, in: Heidelberger Kommentar, InsO, § 6

E. Mängel bei der Planentstehung und ihre Heilung

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wird dann, soweit sie überhaupt erwähnt wird, eine solche Regelungswirkung und daher auch eine materielle Rechtskraftfähigkeit abgesprochen.349 Die Argumentation folgt dabei (wohl unbewusst) 350 der des Reichsgerichts. Dieses hatte der gerichtlichen Bestätigung eines Zwangsvergleichs eine materielle Rechtskraftwirkung abgesprochen, da der bestätigte Zwangsvergleich »nicht die materiellen Rechtskraftwirkungen eines Urteils, sondern nur Vertragsnatur« habe.351 Dem lag und liegt die (unzutreffende) Auffassung zugrunde, die Bestätigungsentscheidung habe wie eine Vertragsgenehmigung durch das Vormundschaftsgericht lediglich rechtsfürsorgerischen Charakter und verwehre daher keinem der Beteiligten die nochmalige gerichtliche Überprüfung des genehmigten Vertrages.352 Der Effekt der Mangelheilung, insbesondere der Unanfechtbarkeit des Zwangsvergleichs wegen Irrtums, beruhe vielmehr auf der gesetzlichen »Sonderregelung« in § 196 KO.353 Der Bundesgerichtshof verzichtete auf eine jede dogmatische Begründung der Mangelheilung.354 Bley und Mohrbutter interpretierten später die Reichsgerichtsrechtsprechung dahin gehend, dass die Heilung materieller Mängel beim Zwangsvergleich »nicht, wenigstens nicht unmittelbar,« auf der materiellen Rechtskraft der Bestätigungsentscheidung, sondern auf einem »Ausschluss des Klagewegs« für solche Mängel beruhe.355 War diese Interpretation schon unter der Geltung der Konkurs- und Vergleichsordnung angreifbar, so muss sie spätestens hinsichtlich des Insolvenzplans nach der neuen Insolvenzordnung aufgegeben werden. Die Mangelheilung kann hier nicht mehr auf eine gesetzliche Regelung oder einen gesetzlichen Ausschluss des Klagewegs gestützt werden. Zugleich wird der Inhalt der BestäRn. 38; Pape, in: Uhlenbruck, InsO, § 6 Rn. 22; Rüther, in: Hamburger Kommentar, InsO, § 6 Rn. 32; Schmerbach, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 7 Rn. 79. 349 Gerhardt, in: Jaeger, InsO, § 6 Rn. 56; ihm folgt Ganter, in: MünchKomm, InsO, § 4 Rn. 80d. 350 Eine kurze Begründung findet sich nur bei Gerhardt, in: Jaeger, InsO, § 6 Rn. 56, ohne dass er sich auf die Reichsgerichtsrechtsprechung bezieht. 351 RGZ 122, 361, 363. 352 RGZ 122, 361, 364; ebenso nun Gerhardt, in: Jaeger, InsO, § 6 Rn. 56. Die Einordnung der Bestätigungsentscheidung als Vertragsgenehmigung war Kernbestandteil der Vertragstheorie zum Zwangsvergleich und daher auch in der Literatur herrschend – vgl. Berges, KTS 1964, 129, 135; Ciuntu, Zwangsvergleich, S. 39 f.; Fitting, Reichs-Konkursrecht, S. 423; Heimann, Zwangsvergleich, S. 33; Jaeger, Konkursrecht, S. 190 f.; Kießling, Zwangsvergleich, S. 40 ff.; Purper, Zwangsvergleich, S. 17; Richter, ZHR 76 (1915), 112, 129; Schlote, Zwangsvergleich, S. 14; Stefan, Zwangsvergleich, S. 55; Weber, in: Jaeger, KO, § 173 Rn. 10; Wolff, KO, § 173 Anm. 2. Näher zur Vertragstheorie im Ersten Kapitel B. III. 2. 353 RGZ 127, 372, 375. Dies klang auch schon in RGZ 122, 361, 364, an. Interessanterweise stützt das Reichsgericht in RGZ 127, 372, 376 am Ende die Heilung von »solchen Mängeln, die das Gericht übersehen hat« doch auf die Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses. Diese Heilung von Verfahrensfehlern kann dann aber nur die Wirkung der sachlichen Rechtskraft sein. 354 In BGH KTS 1961, 152, 153 f. argumentiert er nur noch mit der Notwendigkeit eines umfassenden Vertrauensschutzes und den Gesetzgebungsmotiven. 355 Bley/Mohrbutter, VglO, § 8 Rn. 4.

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Kapitel 4: Der Insolvenzplan als Verfahrensobjekt

tigungsentscheidung verkannt, wenn man diese als Vertragsgenehmigung ansieht.356 Wie bereits an anderer Stelle aufgezeigt wurde,357 bestätigt das Insolvenzgericht nicht die Vereinbarkeit des Planinhalts mit den Interessen einzelner oder auch aller Gläubiger, mit denen des Schuldners oder gar denen der Volkswirtschaft oder des Arbeitnehmerschutzes. Stattdessen prüft und erkennt das Insolvenzgericht allein die Einhaltung der Verfahrensvorschriften und die darauf beruhende mangelfreie Willensbildung für den angenommenen Insolvenzplan inklusive der Beachtung der Minderheitenrechte. Die gerichtliche Entscheidung bezieht sich nur auf den Vorgang des Entstehens des Insolvenzplans, nicht jedoch auf die Interessengerechtigkeit oder gar Richtigkeit seines Inhalts. Umgekehrt wird in den gerichtlichen Genehmigungsentscheidungen wie denen des Vormundschaftsgerichts keine Aussage zur Wirksamkeit des geprüften Vertrages im Hinblick auf dessen Entstehungsvoraussetzungen getroffen. Der Inhalt dieser beiden gerichtlichen Entscheidungstypen unterscheidet sich also grundlegend.358 Folgerichtig trifft ein Genehmigungsbeschluss keine rechtskräftige Entscheidung über die Entstehung des Vertrages. Derartige Fragen können weiter zum Gegenstand von Prozessen gemacht werden. Der Bestätigungsbeschluss in § 248 Abs. 1 InsO hingegen hat nur die Prüfung dieser Fragen zum Inhalt. Er ist insofern der materiellen Rechtskraft fähig.

III. Umfang und Grenzen der materiellen Rechtskraft Selbst wenn der Bestätigungsbeschluss somit der materiellen Rechtskraft fähig ist, so muss doch beachtet werden, dass nicht der gesamte Prozessstoff, auf dem die Entscheidung beruht, auch in Rechtskraft erwächst. Welche Feststellung konkret zum Gegenstand der materiellen Rechtskraft wird und wo die objektive Grenze der materiellen Rechtskraft erreicht ist, bleibt vielmehr für jede gerichtliche Entscheidung gesondert zu prüfen. 1. Der Gegenstand der materiellen Rechtskraft Der gegenständliche Umfang der materiellen Rechtskraft ergibt sich nicht zwingend aus der Natur derselben. Weder die materielle noch die prozessualen Rechtskrafttheorien ermöglichen eine allgemeingültige Aussage darüber, welche Teile des Prozessstoffes und welche Feststellungen des Gerichtes an den Rechtskraftwirkungen teilhaben sollen.359 Diese Entscheidung traf für den Zivilprozess daher der Gesetzgeber, insbesondere um eine zu weite Ausdehnung 356 So für den Insolvenzplan immer noch Gaul, FS Huber, 2006, 1187, 1215; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 28.67; Schiessler, Insolvenzplan, S. 176. 357 Siehe oben in diesem Kapitel C. IV. 2. 358 Hierauf weist auch Leipold, KTS 2006, 109, 118, zutreffend hin. 359 Gottwald, in: MünchKomm, ZPO, § 322 Rn. 85; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, § 322 Rn. 66.

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der Rechtskraft auf Vorfragen zu verhindern.360 In § 322 Abs. 1 ZPO begrenzte er den Umfang der materiellen Rechtskraft für den Zivilprozess auf »den durch die Klage oder die Widerklage erhobenen Anspruch«. Im Einklang mit dem den gesamten Zivilprozess beherrschenden Dispositionsgrundsatz sind es also grundsätzlich die Prozessparteien, die in ihrer Klage bzw. Widerklage den Gegenstand des Prozesses und so auch den Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung bestimmen. Juristische Obersätze erwachsen folgerichtig in einem Zivilprozess ebenso wenig in Rechtskraft wie die der Entscheidung zugrunde gelegten tatsächlichen Feststellungen.361 Es ist vielmehr allein der im Wesentlichen im Urteilstenor zum Ausdruck kommende Subsumtionsschluss des Gerichts, welcher zum Gegenstand der materiellen Rechtskraft wird. Urteilstatbestand und -gründe können insofern nur erläuternd herangezogen werden.362 Bei Leistungsurteilen wird also nur das Bestehen der Leistungspflicht rechtskräftig festgestellt (es enthält insofern ein Feststellungsurteil), nicht jedoch etwa die Rechtswirksamkeit des zugrundeliegenden Vertrages.363 Die Insolvenzordnung enthält keine eigene positiv-rechtliche Regelung über die materielle Rechtskraft von Entscheidungen des Insolvenzgerichts. Es bleibt insofern für die Bestimmung des objektiven Umfangs der materiellen Rechtskraft der Bestätigungsentscheidung nur der Rückgriff auf die Grundsätze des Zivilprozesses über § 4 InsO. Danach erwächst nur der Subsumtionsschluss in Rechtskraft. a) Der Inhalt der Bestätigungsentscheidung Der Inhalt des Bestätigungsbeschlusses ergibt sich aus den §§ 248 bis 251 InsO. Danach darf das Insolvenzgericht dem Insolvenzplan nur dann seine Bestätigung versagen, wenn einer der dort aufgeführten Gründe einschlägig ist. Die Versagungsgründe wurden bereits ausführlich analysiert. Die Aufgabe des Insolvenzgerichtes besteht in der Gesamtschau dieser Normen zum einen in der Überwachung einer ordnungsgemäßen Willensbildung aller Beteiligten über den vorgelegten Insolvenzplan; hierzu dienen die ausführlichen und nach § 250 Nr. 1 InsO prüfungsgegenständlichen Regelungen zum Planinhalt (§§ 219 ff. InsO), zur Planniederlegung inklusive der Stellungnahmemöglichkeit (§§ 232– 234 InsO) sowie zum Abstimmungsverfahren (§§ 235 ff. InsO). All diese Rege360 Gottwald, in: MünchKomm, ZPO, § 322 Rn. 84; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, § 322 Rn. 69 f.; Musielak, in: Musielak, ZPO, § 322 Rn. 2. 361 Allgemeine Ansicht – vgl. BGH NJW 1995, 967; Gottwald, in: MünchKomm, ZPO, § 322 Rn. 93, 97;Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, § 322 Rn. 74, 77; Musielak, in: Musielak, ZPO, § 322 Rn. 17. 362 Ebenfalls unstreitig – vgl. BGH NJW 1995, 967; Gottwald, in: MünchKomm, ZPO, § 322 Rn. 86 ff.; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, § 322 Rn. 169 ff.; Musielak, in: Musielak, ZPO, § 322 Rn. 16. 363 BGHZ 42, 340, 348–350; Gottwald, in: MünchKomm, ZPO, § 322 Rn. 176; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, § 322 Rn. 81, 103.

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lungen bezwecken die Sicherstellung einer umfassenden Information aller planbetroffenen Beteiligten und sichern damit eine fundierte und nicht angreifbare Willensbildung. Hierzu passt auch die in § 250 Nr. 2 InsO geforderte Prüfung der Lauterbarkeit der Willensbildung aller Gläubiger. Zum zweiten obliegt dem Insolvenzgericht nach § 250 Nr. 1 InsO die Feststellung der Annahme des Plans durch die Gläubiger sowie der Zustimmung des Schuldners. Neben einem ordnungsgemäßen Willensbildungsverfahren ist also auch das Ergebnis der Willensbildung vom Gericht festzustellen. Hierher gehört neben dem tatsächlichen Abstimmungsergebnis auch die Feststellung einer Zustimmungspflicht nicht zustimmend Votierender aufgrund der sie bindenden Beschlusslage bzw. der Obstruktionsverbote der §§ 245 bis 247 InsO. In diesem Zusammenhang muss das Insolvenzgericht schließlich auch den verfassungsrechtlich gebotenen Minderheitenschutz gewähren und daher eine Schlechterstellung ablehnend votierender Gläubiger im Rahmen einer Obstruktionsprüfung nach §§ 245 bis 247 InsO wie auch auf Antrag gemäß § 251 InsO prüfen. Inhalt der insolvenzgerichtlichen Bestätigungsentscheidung sind danach zwei Aspekte. Zum einen stellt das Gericht fest, dass der Willensbildungsprozess nach dem ihm zur Verfügung stehenden Gesamtbild aller Tatsachen fehlerfrei durchlaufen wurde. Insofern hat die Entscheidung feststellenden Charakter. Zum zweiten stellt das Gericht aber auch die Zustimmungspflichten derjenigen fest, die durch Mehrheitsmacht oder Obstruktionsverbot zur Zustimmung gezwungen sind und spricht daher die Pflicht zur Leistung einer Willenserklärung aus. Insofern hat die Entscheidung den Charakter eines Leistungsurteils. Beide Entscheidungsgegenstände könnten vom Gesetzgeber unproblematisch auch zum Gegenstand eines vom Insolvenzverfahren getrennten, nachgelagerten Zivilprozesses gemacht werden. In der Insolvenzsituation besteht aber – gerade zur Wahrnehmung von Sanierungschancen – zum einen ein besonderes Bedürfnis nach einer schnellen Klärung der Frage nach dem Schicksal des Schuldnerunternehmens und damit der Frage nach der zum Zuge kommenden Verwertungsart. Ein Sanierungsplan, aber auch jeder andere Plan mit vorzugswürdigem finanziellem Ergebnis für die Gesamtheit der Gläubiger, kann nur dann ein optimales Ergebnis erzeugen, wenn möglichst geringe Kosten allein aufgrund der Verfahrensdauer entstehen. Würde man vor diesem Hintergrund die Beteiligten (etwa analog § 180 InsO) darauf verweisen, die sich aus einem positiven Mehrheitsvotum der Gruppen ergebenden Zustimmungspflichten gegen die ablehnend votierenden Gläubiger oder auch Zustimmungspflichten aus einem Obstruktionsverbot in einem gesonderten Zivilprozess durchzusetzen, so führte die damit einhergehende Verfahrensverzögerung jedes Planverfahren ad absurdum. Die Funktionsfähigkeit des Planverfahrens würde entfallen. Um dies zu umgehen, integriert das Insolvenzrecht nicht nur die Feststellung, sondern auch die gerichtliche Durchsetzung der sich aus dem Abstimmungsergebnis ergebenden Zustimmungspflichten unmittelbar in das Insolvenzverfahren.

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Stellt das Insolvenzgericht Zustimmungspfl ichten der nicht zustimmenden Beteiligten fest, so darf es aufgrund der gesetzlichen Fiktion nicht nur die Leistungspflicht aussprechen, sondern sofort vom Vorliegen der pflichtigen Erklärung ausgehen. Folgerichtig darf das Insolvenzgericht nach Abschluss seiner Prüfung den Insolvenzplan als bereits vorhandenen Vertrag bestätigen. b) Der Subsumtionsschluss der Bestätigungsentscheidung Übernimmt man über § 4 InsO die Grundsätze des Zivilprozesses auch in das Insolvenzplanverfahren, so muss nun beachtet werden, dass nicht der gesamte Entscheidungsgegenstand auch in Rechtskraft erwächst. Wie eingangs dargestellt wird allein der Subsumtionsschluss, also das im Urteilstenor zum Ausdruck kommende Ergebnis der gerichtlichen Prüfung, durch die materielle Rechtskraft verewigt. Im Tenor des Bestätigungsbeschlusses findet sich nun allein die Bestätigung des Insolvenzplans bzw. deren Versagung. Folgerichtig sind die Feststellungen zur Mangelfreiheit der Willensbildung und zum Ergebnis der Abstimmung ebenso nur als Vorfragen anzusehen wie die Feststellung einer Zustimmungspflicht und das Erkennen der hieran anknüpfenden Fiktion. All diese Feststellungen erwachsen nicht in Rechtskraft. Endgültig und verbindlich festgestellt wird vielmehr nur das Ergebnis dieser Prüfungen, der sich aus ihnen ergebende Subsumtionsschluss: Der Insolvenzplan ist (als Vertrag) wirksam zustande gekommen. Dieser Fakt steht nun rechtssicher fest. 2. Die Wirkungserweiterung durch die Präklusion von Tatsachen Die Heilungswirkung des rechtskräftigen Bestätigungsbeschlusses basiert jedoch nicht allein auf dem objektiven Umfang der materiellen Rechtskraft. Sie wird durch die Präklusionswirkung der materiellen Rechtskraft erheblich verstärkt. Die Präklusion, also die Unbeachtlichkeit von Tatsachen, die schon im rechtskräftig abgeschlossenen Prozess vorgetragen wurden oder zumindest hätten vorgetragen werden können, in einem Folgeprozess ergibt sich aus der Funktion der materiellen Rechtskraft. Wie gesehen erwachsen die tatsächlichen Feststellungen, auf denen eine gerichtliche Entscheidung beruht, nicht in materielle Rechtskraft; der objektive Umfang der Rechtskraft erfasst diese Umstände nicht. In einem Verfahren mit einem anderen Streitgegenstand kann und muss daher gegebenenfalls neu über sie Beweis erhoben und entschieden werden. Eine Grenze wird jedoch dort erreicht, wo im späteren Verfahren geltend gemacht wird, dass die rechtskräftige Entscheidung des Vorprozesses auf falschen tatsächlichen Feststellungen beruhe. Ein solches Vorbringen muss zum Schutz des Rechtsfriedens ausgeschlossen sein, da ansonsten der abgeschlossene Prozess wieder aufgerollt werden könnte. Hieraus ergibt sich, dass Einwendungen und Einreden, die sich auf bereits zum Zeitpunkt des ersten Verfahrens beste-

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hende Tatsachen stützen, selbst dann nicht zu einer Aufhebung der rechtskräftigen Entscheidung führen können, wenn diese Tatsachen im ersten Verfahren nicht vorgetragen oder erkannt wurden.364 Lediglich neu entstandene Tatsachen können durch einen neuen Prozess in derselben Sache berücksichtigt werden.365 Diese Präklusion »alter« Tatsachen wird als Folge der materiellen Rechtskraft für den Zivilprozess in § 767 Abs. 2 ZPO bestätigt.366 Der Zeitpunkt der Kenntniserlangung der Parteien von der Tatsache ist dabei irrelevant.367 Für die Bestätigungsentscheidung folgt hieraus, dass obwohl nur die Feststellung des wirksamen Zustandekommens des Insolvenzplans zum objektiven Gegenstand der materiellen Rechtskraft wurde, dennoch alle Einwendungen und Einreden gegen die Planentstehung in einem neuen Verfahren präkludiert sind, die bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Eintritt der formellen Rechtskraft der Bestätigungsentscheidung bereits vorhanden waren. Alle im Zeitraum zwischen der Planvorlage und der letzten Tatsachenverhandlung entstehenden Umstände also, die bei ihrer Berücksichtigung im Rahmen der Bestätigungsentscheidung zu einer Versagung der Bestätigung hätten führen müssen, sind infolge der materiellen Rechtskraft nun präkludiert. Ihr späteres Vorbringen kann den Insolvenzplan und die aus ihm folgenden Wirkungen nicht mehr berühren. Der Rechtsfrieden bleibt insofern gesichert und die Rechtssicherheit der Beteiligten, ihr Vertrauen in den bestätigten Plan, wird gewährleistet. 3. Die Grenzen der materiellen Rechtskraft Die Grenzen der materiellen Rechtskraft ergeben sich zum einen aus ihrem Gegenstand (objektive Grenze), zum anderen aus der inter-partes-Wirkung eines Zivilprozesses (subjektive Grenze). Gegenstand der materiellen Rechtskraft der Bestätigungsentscheidung ist nur das Bestehen des Insolvenzplans als Vertrag, also sein Zustandekommen. Die Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses heilt daher nicht nur Verfahrensfehler des Gerichtes; sie führt auch zur Unerheblichkeit von Verstößen gegen materiell-rechtliche Rechtsvorschriften bei der Planentstehung und bewirkt daher auch eine Heilung materieller Mängel, insbesondere bei den Willenserklärungen der Beteiligten.368 Diese Heilungswirkung 364 Allgemeine Ansicht – vgl. BGH NJW 1995, 967, 968; Gottwald, in: MünchKomm, ZPO, § 322 Rn. 142; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, § 322 Rn. 217 f.; Musielak, in: Musielak, ZPO, § 322 Rn. 18. 365 Ebenso unstreitig – vgl. BGH NJW 2006, 63, 64; NJW 1995, 967, 968; Gottwald, in: MünchKomm, ZPO, § 322 Rn. 150; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, § 322 Rn. 232; Musielak, in: Musielak, ZPO, § 322 Rn. 28. 366 Gottwald, in: MünchKomm, ZPO, § 322 Rn. 139; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, § 322 Rn. 218; Musielak, in: Musielak, ZPO, § 322 Rn. 28. 367 Vgl. RGZ 144, 220, 223; BGHZ 157, 47, 51; BGH NJW 1960, 1460; NJW 1973, 1328; NJW 2004, 294, 295 f.; NJW 2004, 1252, 1253; BAG NJW 2002, 1287, 1288; Gottwald, in: MünchKomm, ZPO, § 322 Rn. 143; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, § 322 Rn. 230. 368 In diesem Bereich werden durch die materielle Rechtskraft alle Mängel unbeachtlich.

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wird allerdings unzutreffend beschrieben, wenn von der Heilung von »Inhaltsmängeln« durch die rechtskräftige Bestätigung gesprochen wird.369 Der Inhalt des Insolvenzplans wird nicht rechtskräftig festgestellt. Inhaltliche Fragen, wie etwa die Schlechterstellung von Gläubigern durch den Insolvenzplan gegenüber einer Zerschlagungslösung, sind allenfalls Vorfragen einer gerichtlichen Entscheidung über Zustimmungspflichten und werden daher nicht Teil der materiellen Rechtskraft. In subjektiver Hinsicht kann die Rechtskraft der Bestätigungsentscheidung nur die Verfahrensbeteiligten erreichen. Dritte werden weder von ihr gebunden noch werden ihre Einwendungen präkludiert. Beide Aspekte spielen insbesondere eine Rolle bei der Frage nach der Heilung von Mängeln in der Verpflichtungserklärung von Plangaranten. a) Die Verpfl ichtung von Plangaranten ist nicht Teil des Insolvenzplans Wollen Dritte, aber auch einzelne Gläubiger, zur Realisierung des Plankonzeptes in verbindlicher Weise Leistungen an alle Gläubiger zusagen, so müssen sich gemäß § 230 Abs. 3 InsO in den Plananlagen die schriftlichen Verpflichtungserklärungen dieser Personen (Plangarantien) finden. Aus diesen kann dann nach der Planbestätigung gemäß § 257 Abs. 2 InsO sogar vollstreckt werden. Häufig wird die Tragfähigkeit eines Sanierungskonzeptes zu einem nicht unerheblichen Teil von solchen Finanzierungszusagen eines oder mehrerer Investoren abhängen. Ihre Bedeutung für die Erfolgsaussichten eines Insolvenzplans ist daher nicht zu unterschätzen. Auch die Gläubiger werden sich daher oft nur aufgrund solcher Zusagen für die Unterstützung einer Planlösung entscheiden. Sind diese Plananlagen dann falsch, da ein Plangarant seine Verpflichtungserklärung entweder überhaupt nicht wirksam abgegeben oder später angefochten hat, so basiert nicht nur der Insolvenzplan, sondern auch die Willensbildung der Insolvenzgläubiger auf einer falschen Grundlage. Erkennt das Insolvenzgericht diesen Mangel oder macht einer der Beteiligten ihn bis zur letzten mündlichen Verhandlung über die Planbestätigung geltend, so ist dem Insolvenzplan die Bestätigung nach § 250 Nr. 1 InsO zu versagen.370 Fällt der Mangel bereits bei der Vorprüfung auf, so ist der Planentwurf nach § 231 Abs. 1 Nr. 1 InsO zurückzuweisen, wenn der Vorlegende den Mangel nicht durch die Herbeischaffung einer erneuten, fehlerfreien Verpflichtungserklärung oder Unzutreffend daher Krusch, Das Wesen des Vergleichs, S. 155 ff., wenn er nur eine zwar tatsächlich erklärte, aber mangelhafte Zustimmungserklärung durch die Rechtskraft heilen will. Bei einer irrtümlich vom Gericht angenommenen, tatsächlich aber gänzlich fehlenden Zustimmungserklärung des Schuldner, des Bürgen oder aller Gläubiger will er dagegen von einer Heilung absehen. Die Willensbildung und Willenserklärungen der Gläubiger und des Schuldners sind – anders als die von bürgenden Dritten – stets und in Gänze Gegenstand der Bestätigungsentscheidung und daher Teil der Rechtskraft. Die Art des Mangels ist dabei unerheblich. 369 So etwa Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 217 Rn. 192. 370 Zutreffend Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 230 Rn. 92.

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aber durch die Rücknahme der Plananlage beseitigt.371 Wird der Insolvenzplan hingegen durch das Insolvenzgericht in Unkenntnis der unwirksamen, aber in den Plananlagen aufgeführten Verpflichtungserklärung rechtskräftig bestätigt, so haben die Beteiligten, also alle Insolvenzgläubiger sowie der Schuldner, infolge der materiellen Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses keine Möglichkeit mehr, ihre Planbindung unter Berufung auf die irrtümliche Annahme einer Plangarantie zu beseitigen. Dieser Willensbildungsmangel wird geheilt; der Insolvenzplan bleibt bestehen. Kann der Insolvenzplan nun auch auf die Leistung des Plangaranten zählen? Hierzu müsste die Heilungswirkung der Bestätigungsentscheidung auch die Verpflichtungserklärung des Plangaranten erfassen. Das Insolvenzgericht prüft in seiner Bestätigungsentscheidung allerdings nicht die Rechtswirksamkeit der Verpflichtungen von Plangaranten.372 Einen Verfahrensfehler im Sinne des § 250 Nr. 1 InsO darf es nur annehmen, wenn eine ihm bekannte Plangarantie nicht als Anlage nach § 230 Abs. 3 InsO im Insolvenzplan auftaucht bzw. wenn eine bekanntermaßen unwirksame Plangarantie noch als Anlage vorhanden ist. Die zutreffende Beifügung ist der alleinige Gegenstand der Prüfung. Die Verpflichtungserklärung selbst ist rein materiell-rechtlicher Natur 373 und kein Bestandteil des Insolvenzplans; ihr Vorhandensein neben dem Plan ist lediglich Teil des Informationsmaterials der Plananlagen. Dass solche Haftungserklärungen vom Insolvenzplan selbst zu sondern sind, wird auch aus der Vollstreckungsregelung in § 257 InsO deutlich. Als Teil des Insolvenzplans wäre die Leistungspflicht aus der Verpflichtungserklärung des Dritten eigentlich nach § 257 Abs. 1 InsO, also aus dem Tabelleneintrag und dem Planinhalt, zu vollstrecken, weshalb der Dritte als Vollstreckungsschuldner aus dem Plan neben den Schuldner in die Norm aufzunehmen gewesen wäre. Stattdessen stützt der Gesetzgeber die Vollstreckung gegen den Plangaranten in § 257 Abs. 2 InsO zutreffend nicht auf den Planinhalt, sondern auf die »dem Insolvenzgericht eingereichte schriftliche Erklärung.« Diese ist wie eine gerichtliche Urkunde nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO selbstständige Vollstreckungsgrundlage374 und folglich vom Insolvenzplan zu trennen. Dieser bestimmt lediglich den Umfang der infolge des Tabelleneintrags vollstreckbaren Gläubigerforderungen. Dass sich diese Vollstreckung auch gegen einen Dritten richten kann, ergibt sich hingegen über § 257 Abs. 2 InsO allein aus der von ihm rechtlich zu trennenden Verpflichtungserklärung. Schon gegenständlich kann daher aus der rechtkräftigen Feststellung des Zustandekommens des Insolvenz371

Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 230 Rn. 91. Gaul, FS Huber, 2006, 1187, 1223. 373 Vgl. Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 230 Rn. 82; Thies, in: Hamburger Kommentar, InsO, § 230 Rn. 8. 374 Anderer Ansicht ist Gaul, FS Huber, 2006, 1187, 1224: § 257 Abs. 2 InsO erstrecke nur den Plantitel. 372

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plans nicht auf ein wirksames Zustandekommen der Verpflichtungserklärung Dritter geschlossen werden. b) Keine Erstreckung der Rechtskraft auf Plangaranten Gegen die Heilung von Mängeln in der Verpflichtungserklärung Dritter durch die rechtskräftige Planbestätigung spricht daneben auch die subjektive Grenze der Rechtskraft. Diese bindet nur die am Verfahren Beteiligten,375 im Planverfahren also die Gläubiger und den Schuldner. Gegenüber Dritten wie Plangaranten kann die Bestätigungsentscheidung mithin keine Rechtskraftwirkungen entfalten.376 Folgerichtig gewährt auch § 253 InsO nur Verfahrensbeteiligten, also dem Schuldner und allen Gläubigern, ein Beschwerderecht gegen die Bestätigungsentscheidung. Der Insolvenzverwalter ist von deren Wirkungen ebenso wenig betroffen wie ein Plangarant, weshalb beide keiner Rechtsmittelbefugnis bedürfen.377 Damit scheidet zugleich aber auch eine auf Rechtskraftwirkungen beruhende Heilung von Mängeln in der Verpflichtungserklärung von Plangaranten aus.378 Dabei ist es völlig unerheblich, ob der Willensmangel zur Unwirksamkeit oder Anfechtung der Verpflichtungserklärung führt oder aber eine solche Erklärung durch den Dritten nie abgegeben wurde. 379 Der Dritte 375 Vgl. zu den subjektiven Grenzen der Rechtskraft: Gottwald, in: MünchKomm, ZPO, § 322 Rn. 138 sowie § 325 Rn. 2 ff. m. w. N. 376 Auch Gaul, FS Huber, 2006, 1187, 1223, spricht sich gegen die Annahme einer Rechtskrafterstreckung der Bestätigungsentscheidung auf Dritte aus. 377 Für den Insolvenzverwalter hat dies der BGH im Einklang mit der herrschende Lehre bereits festgestellt – vgl. BGH NZI 2009, 230, 231 m. w. N. Für Plangaranten sollte er ebenfalls der Lehre folgen, die ein Beschwerderecht ablehnt – vgl. Hess/Obermüller, Insolvenzplan, Rn. 318; ihm folgt (trotz eigentlich gegenteiliger Wortwahl) Jaffé, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 253 Rn. 3; Thies, in: Hamburger Kommentar, InsO, § 253 Rn. 6. Wenn man die Rechtskraftwirkung der Planbestätigung hingegen im Wege der Mangelheilung auf Dritte erstreckt, so muss man ihnen auch eine Beschwerdebefugnis einräumen; vgl. Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 217 Rn. 194 sowie § 230 Rn. 92. 378 Demgegenüber wird in der Literatur unter verschiedenen Voraussetzungen eine Heilung befürwortet. So will Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 217 Rn. 195 sowie § 230 Rn. 92, Mängel heilen, die der Plangarant »zumindest mitverursacht hat«. Die rechtliche Grundlage einer solchen Planwirkung bleibt dabei allerdings unklar. Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 217 Rn. 192, verweist auf die »Systematik der Vorschriften über das Planbestätigungsverfahren (§§ 248 253)« sowie die »Gestaltungswirkung rechtskräftig bestätigter Insolvenzpläne (§ 254)«. Beide Regelungskomplexe enthalten jedoch nichts für eine Planwirkung gegenüber Dritten. Gaul, FS Huber, 2006, 1187, 1223 f. will nur die Irrtumsanfechtung ausschließen und beruft sich insofern auf den »besonderen Bestandsschutz« des bestätigten Plans, ohne zu erläutern, wie sich eine solche Differenzierung rechtfertigt. Auch Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 28.83 sowie 28.88, will alle Willensmängel des Dritten (§§ 119 ff. BGB) durch die Rechtskraft der Bestätigungsentscheidung heilen lassen; ebenso Happe, Die Rechtsnatur des Insolvenzplans, S. 238; Hess/Obermüller, Insolvenzplan, Rn. 768; Huber, in: MünchKomm, InsO, § 257 Rn. 48; Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, § 257 Rn. 27. 379 So aber schon RGZ 122, 361; heute fi ndet sich diese Differenzierung noch bei Gaul, FS Huber, 2006, 1187, 1223; Happe, Die Rechtsnatur des Insolvenzplans, S. 238; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 28.83 und 28.88; Hess/Obermüller, Insolvenzplan, Rn. 768, 771. Die in

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kann in allen Fällen einer unwirksamen Verpflichtung der Vollstreckung nach § 257 Abs. 2 InsO die Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) entgegenhalten, wobei wie bei jeder Vollstreckung aus einer Urkunde gemäß § 797 Abs. 4 ZPO die Präklusionsvorschrift des § 767 Abs. 2 ZPO keine Anwendung findet.380 Im Ergebnis kann damit zwar ein Sanierungskonzept scheitern, dass trotz rechtskräftig bestätigtem Insolvenzplan auf eine fehlerhafte Verpflichtungserklärung eines Plangaranten vertraut. Dieses Risiko ist aber hinnehmbar, gibt es doch in einem Sanierungsfall nur selten mehr als ein oder zwei solcher Verpflichtungserklärungen. Diese sind dann genau zu prüfen. Eine solche Prüfung ist aufgrund der geringen Zahl der Erklärungen im Gegensatz zur Prüfung jeder einzelnen Gläubigererklärung über den Insolvenzplan praktikabel, so dass es einer vorgezogenen Rechtskraft und Mangelheilung nicht zwingend bedarf. 4. Keine erneute Entscheidung über die Stimmrechte der Gläubiger Die Entscheidung über das Stimmrecht eines Gläubigers ist ebenfalls nicht Teil der rechtskräftigen Bestätigungsentscheidung des Insolvenzgerichts. Der Grund hierfür liegt allerdings nicht darin, in der Frage des Stimmrechts eine Vorfrage zu erkennen. Eine falsche Stimmrechtsentscheidung begründet einen Verfahrensfehler, der als Gegenstand der Bestätigungsentscheidung zur Versagung der Bestätigung und bei einer dennoch erfolgenden rechtskräftigen Bestätigung zu dessen Heilung führen würde. Der Gesetzgeber entschied sich jedoch dafür, wie schon unter der Konkurs- und Vergleichsordnung (vgl. § 95 KO, § 71 Abs. 2 VglO) die gerichtliche Entscheidung über das Stimmrecht aus der Bestätigungsentscheidung herauszunehmen und eine endgültige Entscheidung hierüber früher im Verfahren fallen zu lassen. a) Die Stimmrechtsfestsetzung nach §§ 237, 238, 77 InsO Gemäß den §§ 237, 238, 77 InsO werden die Stimmrechte der Gläubiger im Erörterungstermin diskutiert und gemäß § 239 InsO durch den Urkundsbeamten RGZ 122, 361 aufgeworfene Frage, ob ein Akkord überhaupt auch die Bürgschaft eines Dritten enthält, erwächst bei richtiger Betrachtung nie in Rechtskraft. Hätte das Reichsgericht also die Grenzen der materiellen Rechtskraft zutreffend gedeutet, so hätte es vielleicht auf eine generelle Ablehnung derselben als Grundlage der Mangelheilung verzichtet. 380 Ebenso (für nach seiner Ansicht noch beachtliche Mängel) Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 28.88. Dagegen will Gaul, FS Huber, 2006, 1187, 1224, die Vollstreckungsgegenklage nur unter den Voraussetzungen des § 767 Abs. 2 ZPO zulassen (im Ergebnis ebenso Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, § 257 Rn. 27). Er hält den Rückgriff auf § 797 Abs. 4 ZPO für »systemwidrig«, da keine Unterwerfungserklärung, sondern der eine auf den Dritten erstreckte Planvollstreckung gegeben sei. Aus demselben Grund lehnt Huber, in: MünchKomm, InsO, § 257 Rn. 56, eine Vollstreckungsgegenklage ab, da die titulierte Gläubigerforderung in der Tabelle unantastbar sei; stattdessen seien die Rechtsbehelfe gegen Vollstreckungsklauseln (§§ 732, 768 ZPO) einschlägig. Beide übersehen, dass nicht der Plan, sondern die Verpflichtungserklärung in § 257 Abs. 2 InsO zu Vollstreckungsgrundlage gemacht wird und die Verpfl ichtung des Garanten (etwa eine Bürgschaft) tituliert.

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der Geschäftsstelle in einer Stimmliste festgehalten. Sind hier Stimmrechte streitig, da sich die erschienen Gläubiger und der Insolvenzverwalter nicht über ein auf einer bestrittenen Forderung basierendes Stimmrecht einigen können, so entscheidet hierüber der den Termin für das Gericht wahrnehmende Rechtspfleger gemäß §§ 237 Abs. 1 Satz 1, 77 Abs. 2 Satz 2 InsO. Diese Entscheidung kann der Rechtspfleger gemäß §§ 237 Abs. 1 Satz 1, 77 Abs. 2 Satz 3 InsO auf Antrag bis zur Abstimmung jederzeit ändern.381 Nach der Abstimmung hingegen ist gemäß § 18 Abs. 3 Satz 2 RPflG nur noch der Insolvenzrichter berechtigt, die Stimmrechtsfestsetzung nochmals zu ändern. Voraussetzung hierfür ist, dass das gewährte oder verweigerte Stimmrecht das Abstimmungsergebnis bestimmt hat und der Insolvenzverwalter oder ein erschienener Gläubiger noch im Abstimmungstermin einen Änderungsantrag gestellt hat. Nur dann darf der Insolvenzrichter das Stimmrecht neu festsetzen und die Abstimmung unmittelbar wiederholen lassen. Ein weiteres Rechtsmittel findet nicht statt, da § 77 InsO keines zulässt (§ 6 Abs. 1 InsO) und die Rechtspflegererinnerung wegen § 11 Abs. 3 Satz 2 RPflG ausgeschlossen ist. Stimmrechtsfragen werden auf diese Weise sofort und abschließend im Abstimmungstermin selbst geklärt. Der Grund für die Regelung liegt in einem Dilemma. Die Position jedes Gläubigers in einem Insolvenzverfahren basiert auf seinem Forderungsrecht gegenüber dem Schuldner. Dieses Forderungsrecht wird durch das Feststellungsverfahren der §§ 174 ff. InsO ermittelt. Danach sind alle Insolvenzforderungen anzumelden und im Prüfungstermin zu prüfen. Während hier unbestrittene Forderungen festgestellt werden, müssen bestrittene Forderungen nun in einem Feststellungsprozess vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden. Dies braucht seine Zeit. In der Zwischenzeit stehen aber nun im Insolvenzverfahren Fragen an, die den Gläubigern zur Entscheidung zugewiesen sind. Diese entscheiden mittels Abstimmung in der Gläubigerversammlung und so muss geklärt werden, ob auch Gläubiger bestrittener Forderungen an der Abstimmung teilnehmen. Für die Gläubigerversammlung wurde in § 77 InsO ein zweistufiges Verfahren geschaffen. Zuerst wird eine gütliche Einigung über die Stimmrechtsfrage angestrebt. Gelingt eine solche nicht, entscheidet das Insolvenzgericht (üblicherweise in Person des Rechtspflegers), wobei die Wahrscheinlichkeit des Bestehens der bestrittenen Forderung als maßgeblicher Entscheidungsmaßstab dient.382 Hiergegen ist nur in den Fällen einer Rechtspflegerentscheidung ein Änderungsantrag nach § 77 Abs. 2 Satz 3 InsO i. V. m. § 18 Abs. 3 Satz 2 RPflG statthaft. Die Entscheidung des Insolvenzgerichts wird in 381 Vgl. Ehricke, in: MünchKomm, InsO, § 77 Rn. 21; Eickmann, in: Heidelberger Kommentar, InsO, § 77 Rn. 12. Erfolgschancen wird der Antrag nur haben, wenn neue Tatsachen vorgetragen werden können. 382 Vgl. Ehricke, in: MünchKomm, InsO, § 77 Rn. 15; Gerloff, Funktionen und Aufgaben des Insolvenzgerichts, S. 125 ff. – jeweils m. w. N. (in den Einzelheiten ist hier einiges streitig).

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jedem Fall schon am Ende des Abstimmungstermins formell rechtskräftig.383 Das Abstimmungsergebnis wird auf diese Weise zumindest formell unangreifbar und bietet die im Verfahren notwendige Rechtssicherheit. Da sich dieselbe Frage des Stimmrechts auch für die Entscheidung über einen Insolvenzplan stellt, der eine Abstimmung in Gläubigergruppen vorsieht, kann es kaum überraschen, dass der Gesetzgeber das Problem durch einen weitgehenden Verweis auf § 77 InsO in § 237 Abs. 1 Satz 1 InsO identisch löst. Das zweistufige Verfahren wird beibehalten. Das Änderungsrecht des Insolvenzgerichts besteht nach der Abstimmung nur in den engen Grenzen des § 18 Abs. 3 Satz 2 RPflG und endet wiederum mit dem Schluss des Abstimmungstermins. Da über dieses Änderungsrecht stets der Insolvenzrichter entscheidet, ist gegenüber einer Stimmrechtsfestsetzung durch den Rechtspfleger zumindest eine Art von Rechtsmittelinstanz gegeben. Eine Anfechtung der richterlichen Entscheidung gibt es wiederum nicht. Bereits am Ende des Abstimmungstermins ist damit formell rechtskräftig über das Stimmrecht entschieden worden und da in diesem Zeitpunkt auch jedes Änderungsrecht des Insolvenzrichters endet, ist auch eine Bindung des Insolvenzgerichts entstanden. Folgerichtig ist dasselbe Gericht daran gehindert, in der späteren Bestätigungsentscheidung nochmals über die Stimmrechte zu befinden. Die vorangegangene, formell rechtskräftige Entscheidung erzeugt eine von der materiellen Rechtskraft zu trennende Innenbindung des Gerichts.384 Die Stimmrechte können folglich weder Gegenstand des Bestätigungsbeschlusses noch der hiergegen gerichteten Rechtsmittel nach § 253 InsO sein.385 Den nicht stimmberechtigten Gläubigern steht es stattdessen offen, die Bestätigung des Insolvenzplans aus anderen, insbesondere aus materiellen Gründen gemäß § 253 InsO anzugreifen, geht doch die fehlende Stimmberechtigung nicht mit einem Verlust der Beschwerdebefugnis einher.386 b) Die Stimmrechtsvollmacht ist keine Vorfrage der Stimmrechtsfestsetzung Von der Frage der Stimmrechtsfestsetzung zu trennen ist aber die Frage der Wirksamkeit einer Stimmrechtsvollmacht. Die Stimmrechtsfestsetzung dient inklusive ihres fehlenden Instanzenzugs der Lösung des Dilemmas, bei bestrit383 Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die hierin liegende Verkürzung des Rechtsweges hat das Bundesverfassungsgericht nicht – BVerfG NZI 2010, 57 f. Vgl. auch BVerfG ZIP 2004, 1762 (dort gab es der Verfassungsbeschwerde über eine Stimmrechtsfestsetzung ohne diesbezügliche Ausführungen allein aufgrund des Verhaltens des Insolvenzgerichts statt). 384 Vgl. Gottwald, in: MünchKomm, ZPO, § 322 Rn. 16. 385 BGH NZI 2009, 106, 107 mit weiteren Nachweisen zur ganz herrschenden Ansicht und zustimmender Anmerkung von Gundlach und Frenzel auf der folgenden Seite. Anderer Ansicht wohl nur Flessner, in: Heidelberger Kommentar, InsO, § 253 Rn. 6. Das vom BGH korrigierte LG Hamburg erkennt hingegen diese Grundsätze an, sah allerdings in der Entscheidung über Stimmrechtsvollmachten keine Entscheidung über eine Stimmrechtsfestsetzung (NZI 2007, 415, 416). 386 Vgl. BT-Drucks 12/2443, S. 134 f. (für Stimmrechtsfestsetzungen nach § 77 InsO); Ehricke, in: MünchKomm, InsO, § 77 Rn. 34.

E. Mängel bei der Planentstehung und ihre Heilung

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tenen Forderungen keine sichere Grundlage für ein Mitspracherecht bezüglich unaufschiebbarer Gläubigerentscheidungen zu haben. Sie soll allein die Unsicherheit beseitigen, die aus der Ungewissheit über das Bestehen der angemeldeten Gläubigerforderung entsteht. Wird danach allerdings einem Gläubiger ein Stimmrecht zugestanden, so ist die Frage der Stimmrechtsfestsetzung geklärt. Erteilt der Gläubiger zur Ausübung des festgesetzten Stimmrechts dann einer anderen Person eine Vollmacht, so müssen Fragen der Wirksamkeit dieser Vollmacht von den schon entschiedenen Fragen des Stimmrechts abstrahiert werden. Dies gilt natürlich auch, wenn die Vollmacht schon im Vorgriff auf den Abstimmungstermin und die dort erst stattfindende Stimmrechtsentscheidung getroffen wird. Fragen der Wirksamkeit der Vollmacht betreffen die wirksame Ausübung eines zuvor zugestandenen Stimmrechts, nicht jedoch die »Abstimmungsberechtigung [. . .] als Vorfrage der gerichtlichen Stimmrechtsfestsetzung«, wie der Bundesgerichtshof es leider entschieden hat.387 Vielmehr ist dem vom Bundesgerichtshof zu Unrecht korrigierten LG Hamburg darin zuzustimmen, dass die Entscheidung des Insolvenzgerichts über die Unwirksamkeit einer Stimmrechtsvollmacht »kein Fall der Stimmrechtsfestsetzung« ist,388 sondern die wirksame Abgabe der Willenserklärung des stimmberechtigten Gläubigers betrifft, daher zum Gegenstand des Bestätigungsbeschlusses gehört und folgerichtig mit den Rechtsmitteln des § 253 InsO gerügt werden kann. Erst die rechtskräftige Bestätigungsentscheidung heilt folgerichtig diesbezügliche Mängel kraft materieller Rechtskraft.

IV. Ergebnis Die gerichtliche Bestätigung des Insolvenzplans führt aufgrund der materiellen Rechtskraft des formell rechtskräftigen Bestätigungsbeschlusses zu Rechtsfrieden hinsichtlich aller Zweifel am wirksamen Zustandekommen des Insolvenzplans. Das für die Bewältigung der Insolvenzsituation, vor allem aber für die erfolgreiche Umsetzung eines Sanierungskonzeptes notwendige Vertrauen aller Beteiligten auf die Endgültigkeit der im Insolvenzplan fi xierten Lösung wird so geschützt. Willensmängel werden ebenso unbeachtlich wie gerichtliche Verfahrens- oder Erkenntnisfehler. Die Gewährleistung dieser Rechtssicherheit ist eine Funktion, welche die Bestätigungsentscheidung auch im Falle einer allseitigen und einstimmigen Annahme des Insolvenzplans übernimmt. Die Notwendigkeit einer Planbestätigung auch im Falle einer einstimmigen Planannahme ist daher kein Argument gegen die Vertragsnatur des Insolvenzplans; sie fügt sich vielmehr nahtlos in die Vertragstheorie ein.

387 388

BGH NZI 2009, 106, 107. LG Hamburg NZI 2007, 415, 416; ebenso Frind, NZI 2007, 374, 377.

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Kapitel 4: Der Insolvenzplan als Verfahrensobjekt

F. Zusammenfassung: Der Insolvenzplan – ein Vertrag bürgerlichen Rechts Die Untersuchung des neuen insolvenzrechtlichen Rechtsinstituts des Insolvenzplans hat ein vielleicht überraschend deutliches Ergebnis hervorgebracht: Der Insolvenzplan ist seiner Rechtsnatur nach ein Vertrag bürgerlichen Rechts zwischen den Insolvenzgläubigern und dem Schuldner.389 Diese Natur entspricht zum einen seiner betriebswirtschaftlichen Funktion als Produkt der Fortführung von Vergleichsverhandlungen mithilfe von gesetzlichen Zwangsinstrumenten gegenüber ungerechtfertigten Blockadehaltungen.390 Sie kennzeichnet den Insolvenzplan zum anderen aber auch zutreffend als Fortentwicklung aus seinen Vorgängerregelungen (vom römisch-rechtlichen Akkord bis zu Zwangsvergleich und konkursabwendender Vergleich), angereichert um die modernen Zwangsmechanismen seiner Vorbildregelung, dem U. S.-amerikanischen Reorganisationsplan. All diesen Quellen des heutigen Insolvenzplans wurde bzw. wird ganz überwiegend eine Vertragsnatur zugeschrieben.391 Die Vertragsnatur des Insolvenzplans wird lediglich durch verschiedene Besonderheiten verdeckt, die hier nochmals kurz aufgezeigt werden sollen.

I. Der Insolvenzplan ist ein Vertrag mit vorverlagertem Rechtsschutzverfahren Die erste Besonderheit besteht in der Vorverlagerung des gerichtlichen Rechtsschutzes. Im Normalfall eines bürgerlich-rechtlichen Vertrages wird der Ver389 Die hierin zum Ausdruck kommende Vertragstheorie ist in der Literatur zum Insolvenzplan im Grundsatz immer noch herrschend. Sie wird allerdings in verschiedenen Varianten vertreten. Die Annahme eines bürgerlich-rechtlichen Vertrages der Gläubiger mit dem Schuldner findet sich etwa auch bei Andres, in: Andres/Leithaus, InsO, § 217 Rn. 15; Breutigam, in: Berliner Kommentare, InsO, § 217 Rn. 15 sowie § 254 Rn. 13; Hess, in: Hess, InsR, § 217 InsO Rn. 9, 15; Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 373; ders., in: KTS 2002, 209, 210; Otte, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 217 Rn. 74; Smid/Rattunde, in: Smid, InsO, § 217 Rn. 7; dies., in: Insolvenzplan, Rn. 6.5–6.7 (hier allerdings weniger eindeutig und mit Tendenzen zu Verfahrenstheorien). Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 28.67; ders., in: FS Gaul, 1997, 175, 179 f., folgt dem nur für den Fall eines vom Schuldner vorgelegten oder angenommenen Insolvenzplans; im Fall eines vom Schuldner abgelehnten Verwalterplans will von einem Vertrag der Gläubiger mit dem Insolvenzverwalter ausgehen. Windel, Jura 1999, 1, 7, geht auch darüber noch hinaus und nimmt stets einen Vertrag zwischen den Gläubigern, dem Schuldner und dem Verwalter an. Demgegenüber sehen andere im Insolvenzplan einen Vertrag ohne Schuldnerbeteiligung, also nur eine Verwertungsvereinbarung der Gläubiger – so etwa Braun, in: Nerlich/Römermann, InsO, vor § 217 Rn. 80, 82; ders., in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 66 Rn. 19; Braun/Frank, in: Braun, InsO, vor § 217 Rn. 1; Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 467; zustimmend Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handbuch zur Insolvenzordnung, Kapitel 9, Rn. 4; Hess/Obermüller, Insolvenzplan, Rn. 5a; wohl auch Pape, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, § 38 Rn. 13. 390 Siehe dazu im Ersten Kapitel A. 391 Siehe dazu im Ersten Kapitel B. und C. V.

F. Zusammenfassung: Der Insolvenzplan – ein Vertrag bürgerlichen Rechts

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trag durch allseitige Zustimmung geschlossen, was auch durch die gleichgerichtete Zustimmung aller Vertragspartner zu einem Vertragsentwurf geschehen kann. Ein Gericht wird erst dann mit dem Vertrag, insbesondere mit dem Vertragsschluss, befasst, wenn einer der Beteiligten infolge eines Streits um die Wirksamkeit des Vertrages den Rechtsweg beschreitet und einen Zivilprozess initiiert. Am Ende des Verfahrens steht eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung, die im Fall einer Leistungsklage die Leistungspflicht, im Fall einer Feststellungsklage das Bestehen des Vertrages rechtskräftig und damit verbindlich feststellt. Im Insolvenzplanverfahren der §§ 217 ff. InsO ist dieses Nacheinander von Vertragsschluss und Rechtsschutz aufgegeben worden. Die Sondersituation einer Insolvenz verlangt gerade zur Wahrung von Sanierungschancen nach einer schnellen und zugleich unangreifbaren Regelung der von allen Beteiligten zu erbringenden Sanierungsanteile. Folgerichtig hat der Gesetzgeber auf die Eilbedürftigkeit nicht nur durch einen schnellen, aber nur vorläufigen, sondern durch einen endgültigen Rechtsschutz im Planverfahren reagiert. Dies lag nahe, da im Insolvenzverfahren ohnehin ein staatliches Gericht mit der Sache beschäftigt ist. Der eigentlich nur nachgeordnet übliche, endgültige Rechtsschutz findet für den Insolvenzplan schon im Planverfahren statt, 392 so dass eine rechtskräftige Entscheidung über das wirksame Zustandekommen des Insolvenzplans als Vertrag geschaffen wird. Die im Wege der materiellen Rechtskraft dieser Entscheidung erreichte Rechtssicherheit garantiert die rechtliche Tragfähigkeit des Insolvenzplans als Sanierungsgrundlage. Dieser Garantie bedarf jeder Insolvenzplan, um bei allen Beteiligten das dringend notwendige Vertrauen in die Sanierung des Unternehmens zu schaffen. Auch ein einstimmig angenommener Plan kann daher nicht auf eine rechtskräftige Bestätigung verzichten.393

II. Der Insolvenzplan ist ein diktierter Vertrag im weiteren Sinn Wurde der Insolvenzplan im Planverfahren nicht von allen Vertragspartnern angenommen, so hat die gerichtliche Planbestätigung neben der vorgezogenen Feststellung des wirksamen Zustandekommens des Plans noch eine weitere Funktion. Das Insolvenzgericht muss nun auch prüfen, ob die ablehnenden oder schlicht nicht an der Abstimmung teilnehmenden Gläubiger zur Zustimmung gezwungen sind und diese Zustimmungspflicht feststellen. Ein derartiger Kontrahierungszwang kann dabei aus zwei Gesichtspunkten heraus entstehen. Zum einen kann ein Gläubiger als Teil einer über den Plan abstimmenden Gläubigergruppe durch Beschluss der Mehrheit in dieser Gruppe gezwungen sein, dem Mehrheitswillen zu folgen und dem Plan zuzustimmen. Es gelten dann die 392 393

Siehe dazu im Vierten Kapitel C. IV. Siehe zur Mangelheilung im Vierten Kapitel E.

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Kapitel 4: Der Insolvenzplan als Verfahrensobjekt

allgemeinen Grundsätze für die Umsetzung von Beschlüssen.394 Zum anderen kann eine Gruppe von Gläubigern, die sich mehrheitlich gegen die Annahme des Plans ausgesprochen haben, ohne dafür eine vernünftigen wirtschaftlichen Grund zu haben, über das gesetzliche Obstruktionsverbot zur Zustimmung verpflichtet werden. Dasselbe gilt für eine derartige Schuldnerablehnung. Insoweit schafft die Insolvenzordnung einen Kontrahierungszwang.395 Auch dieser Zwang bedarf aber aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit in der Insolvenzsituation einer unmittelbaren Umsetzung, so dass auch hier eine gerichtliche Durchsetzung des Zwangs über den Zivilprozess mit der Folge einer Zustimmungsfiktion nach § 894 ZPO nicht gangbar ist. Folgerichtig benutzt auch hier der Gesetzgeber das ohnehin mit der Sache befasste Insolvenzgericht zur unmittelbaren Prüfung (inklusive des verfassungsrechtlich gebotenen Minderheitenschutzes) und Feststellung der Zustimmungspflichten und knüpft die Zustimmungsfiktion unmittelbar an diese Feststellung an. Der Mechanismus der Vertragsentstehung ist somit derselbe wie bei jedem Vertrag, der durch einen Kontrahierungszwang erzeugt wird. Wiederum wird lediglich die Durchsetzung dieses Zwangs beschleunigt und in das vorhandene gerichtliche Verfahren integriert. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Insolvenzplan im Ergebnis nur ein schneller zustande gekommener, diktierter Vertrag im weiteren Sinn ist und er durch diesen Umstand nichts an seiner Vertragsnatur einbüßt.396

III. Der Insolvenzplan ist kein Prozessvertrag Nach den in diesem Kapitel gewonnenen Erkenntnissen gewährt das Insolvenzgericht in seiner Bestätigungsentscheidung nach § 248 Abs. 1 InsO lediglich eine Rechtskontrolle und damit Rechtsschutz. Es hat keinerlei Gestaltungsbefugnisse hinsichtlich des Inhalts des zur Bestätigung vorliegenden Insolvenzplans und muss denselben ohne eigenes Ermessen bestätigen, wenn ein Versagungsgrund fehlt. Die Einwirkung des Plans auf die Rechtsstellung aller Beteiligten folgt allein aus dem Planinhalt, nicht jedoch aus dem Richterspruch und auch die Bindung der obstruierenden Beteiligten beruht nicht auf dem Richterspruch, sondern auf einer gesetzlichen Fiktion, weshalb der Insolvenzplan kein Gestaltungsurteil sein kann.397 Gleichzeitig richtet sich die inhaltliche Wirkung des Insolvenzplans nahezu ausschließlich auf die Veränderung der materiellen Rechtsstellung der Planbeteiligten nach den Vorgaben des Sanierungskonzeptes, nicht aber auf eine prozessuale Wirkung. Im besonderen Gegensatz zu einem Prozessvergleich hat der Insolvenzplan weder eine verfahrensbeendende noch eine verfahrensgestalten394 395 396 397

Siehe dazu im Dritten Kapitel C. Siehe dazu im Dritten Kapitel E. Siehe dazu im Dritten Kapitel E. V. Siehe dazu im Vierten Kapitel B.

F. Zusammenfassung: Der Insolvenzplan – ein Vertrag bürgerlichen Rechts

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de Funktion. Er ist selbst auch kein Vollstreckungstitel, sondern begrenzt lediglich die Vollstreckung aus dem Tabelleneintrag.398 Der Insolvenzplan ist daher kein Prozessvertrag399 und nach keiner der möglichen Definitionen eine Prozesshandlung. Die besonderen Eigenschaften des Insolvenzplans als Vertrag, wie etwa die Heilung von Mängeln in der Planentstehung oder auch die Bindung nicht zustimmender Planbeteiligter, folgt allein aus der Besonderheit des vorgezogenen Rechtsschutzes. Die Mangelheilung basiert auf Rechtskraftwirkungen, nicht auf den Eigenschaften von Prozesshandlungen, die Bindung nicht zustimmender Beteiligter auf der Durchsetzung von Kontrahierungszwängen mittels gesetzlicher Fiktion und nicht auf einer prozessualen Bindung als Streitgenossen oder gar auf einer normativen Wirkung des Insolvenzplans. 400

IV. Der Insolvenzplan ist ein Vergleich gemäß § 779 BGB Ist der Insolvenzplan somit letztlich ein Vertrag bürgerlichen Rechts, so bleibt zu klären, welchem schuldrechtlichen Vertragstyp er zuzuordnen ist. In Betracht kommt da insbesondere die Einordnung als Vergleich gemäß § 779 BGB. Ein solcher ist nach seinen in § 779 Abs. 1 BGB niedergelegten Wesensmerkmalen immer dann anzunehmen, wenn eine Ungewissheit der Vertragsparteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens und in Form eines Vertrages beseitigt wird. 1. Die Beseitigung der Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis Hinsichtlich der ersten Merkmale eines Vergleichs, der Beseitigung der Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis, bereitet der Insolvenzplan keine Probleme. Der Anspruch jedes Insolvenzgläubigers gegen den Schuldner ist als Rechtsverhältnis im Sinne des § 779 BGB einzuordnen, weshalb zwischen den Vertragsparteien des Insolvenzplanes, den Gläubigern und dem Schuldner, nicht nur ein Rechtsverhältnis, sondern eine Vielzahl solcher Rechtsverhältnisse besteht. Alle diese Rechtsverhältnisse werden nun durch die Insolvenzsituation geprägt. Diese hindert in rechtlicher Hinsicht die Durchsetzung aller Gläubigerforderungen durch das Vollstreckungsverbot in § 89 InsO. Zugleich macht die mit der Insolvenzeröffnung feststehende Unzulänglichkeit des Schuldnervermögens auch in tatsächlicher Hinsicht deutlich, dass die Durchsetzung aller Gläu398

Siehe dazu im Vierten Kapitel D. III. So aber Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 217 Rn. 7 ff., 29, 31; Gaul, FS Huber, 2006, 1187, 1206; Hess/Weis, WM 1998, 2349, 2350 (»gerichtlicher Vergleich«); Flöther/Wehner, ZInsO 2009, 503, 504 f.; Jaffé, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 217 Rn. 53; Kebekus, in: Graf-Schlicker, InsO, § 217 Rn. 4 und Thies, in: Hamburger Kommentar, Vorbemerkungen zu §§ 217 ff. Rn. 3, die eine Doppelnatur des Insolvenzplans wie beim Prozessvergleich annehmen. 400 Wegen Letzterem siehe im Zweiten Kapitel A. und B. 399

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Kapitel 4: Der Insolvenzplan als Verfahrensobjekt

bigerforderungen höchst unsicher ist. Dies gilt auch für zuvor vollständig gesicherte Gläubiger, da sie nun auf die eigenhändige Verwertung ihres Sicherungsgutes verzichten müssen (§§ 165, 166 InsO) und neben dem Kostenbeitrag aus den §§ 170, 171 InsO auch noch ein möglicher Wertverlust aufgrund des Makels eines Verkaufs aus der Insolvenz droht. Insgesamt führt die Insolvenz damit zu einer erheblichen Unsicherheit bei allen Gläubigern hinsichtlich der Durchsetzbarkeit ihrer Ansprüche. Diese Unsicherheit über die Verwirklichung von Ansprüchen stellt nach § 779 Abs. 2 BGB eine ausreichende Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 779 Abs. 1 BGB dar.401 Diese auf der Insolvenz beruhende Unsicherheit wird durch den Insolvenzplan beseitigt, da er nach §§ 221, 224 InsO regeln muss, ob und in welcher Höhe sowie zu welchem Zeitpunkt jeder Gläubiger mit der Erfüllung seines Anspruches durch den Schuldner rechnen kann. Die Durchsetzbarkeit der so festgesetzten Ansprüche wird zudem durch deren Vollstreckbarkeit nach § 257 InsO gesichert. 2. Das gegenseitige Nachgeben Schließlich müsste die Unsicherheit noch durch gegenseitiges Nachgeben im Insolvenzplan beseitigt worden sein, um diesen als Vergleich gemäß § 779 BGB qualifizieren zu können. Die ganz herrschende Ansicht402 hält aus historischen Gründen wie auch aufgrund des Wortlauts des § 779 Abs. 1 BGB an diesem Vergleichsmerkmal fest, legt es dafür dann aber sehr weit aus und lässt Zugeständnisse aller Art genügen, die zum Zwecke des Vertragsschlusses einander gemacht werden. Lediglich in den Fällen, in denen eine Partei der anderen in nichts entgegenkommt, fehlt es danach an dem für einen Vergleich begriffsnotwendigen gegenseitigen Nachgeben. Ein Nachgeben der Gläubiger gegenüber dem Schuldner wird in der Regel darin liegen, dass diese im Insolvenzplan auf Teile ihrer Forderungen oder doch zumindest auf deren Geltendmachung entsprechend der ursprünglichen Fälligkeit verzichten. Es ist zwar zutreffend, dass in einem Insolvenzplan nicht alle Gläubiger auf ihre Forderungen ganz oder teilweise verzichten müssen; § 227 Abs. 1 InsO lässt insbesondere die Möglichkeit des Ausschlusses einer Restschuldbefreiung zu. Ein derartig weit reichendes Nachgeben jedes Gläubigers ist für die Annahme eines Vergleiches allerdings auch nicht notwendig. 403 Das 401 Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 217 Rn. 29. Vgl. allgemein zur Auslegung von § 779 Abs. 2 BGB: BGHZ 116, 319, 330; Fischer, in: Bamberger/Roth, BGB, § 779 Rn. 14; Habersack, in: MünchKomm, BGB, § 779 Rn. 25; Marburger, in: Staudinger, BGB (2009), § 779 Rn. 26: eine zweifelhafte Leistungsfähigkeit des Schuldners genügt. 402 Vgl. BGHZ 39, 60, 62; BGH NJW 1970, 1122, 1124; NJW-RR 1992, 363, 364; 2005, 1303, 1304; Bork, Der Vergleich, S. 254; Ehmann, Schuldanerkenntnis und Vergleich, S. 109; Fischer, in: Bamberger/Roth, BGB, § 779 Rn. 16; Habersack, in: MünchKomm, BGB, § 779 Rn. 26; Marburger, in: Staudinger, BGB (2009), § 779 Rn. 27. 403 Dies übersieht Foerste, Insolvenzrecht, Rn. 494, wenn er allein im Hinblick auf den

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Nachgeben kann vielmehr auch geringfügig sein und nur die Fälligkeit, Zinsen oder Kosten betreffen oder in sonstigen Gegenleistungen liegen, die für die Durchsetzung der Rechtsposition gemacht werden.404 Derartige Zugeständnisse macht nahezu jeder Gläubiger. Zum einen wird er wegen der im Verfahren entstehenden Zinsen und Kosten gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InsO nur als nachrangiger Gläubiger behandelt, so dass er nur äußerst theoretische Aussichten auf deren Erfüllung hat. Im Regelfall verliert er diese Nebenforderungen aufgrund des Insolvenzplans (§ 225 Abs. 1 InsO). Zum anderen wird der Schuldner selbst in den wenigen Fällen, in denen der Gläubiger trotz des zustande gekommenen Insolvenzplans alle seine Forderungsrechte behält, den ursprünglichen Fälligkeitszeitpunkt für eine vollständige Leistung nicht eingehalten haben. Dies liegt schon in der Natur der Insolvenzsituation. Sollte es dennoch im Einzelfall einen Insolvenzplan geben, der einem einzelnen Gläubiger keinen einzigen Eingriff in seine Rechtsposition abverlangt, 405 so liegt darin doch eine atypische Behandlung einzelner Gläubiger, die nicht prägend für den Vertragstypus des Insolvenzplans ist. Schon aufgrund der Insolvenz muss der Insolvenzplan den Gläubigern typischerweise ein Nachgeben abverlangen. Dies ist für die Einordnung des Vertragstyps entscheidend. 406 Das Gläubigeropfer muss nun wiederum Anlass für ein Nachgeben des Schuldners sein. Eigene und neue Leistungsversprechen des Schuldners werden sich in einem Insolvenzplan typischerweise nicht finden lassen. Allerdings erkennt der Schuldner durch seine Zustimmung zum Insolvenzplan die im Plan festgestellten Forderungen an, wodurch über § 257 InsO zugleich einen Vollstreckungstitel gegen den Schuldner entsteht. Ein derartiges Anerkenntnis des Schuldners reicht aufgrund der geringen Anforderungen an ein Nachgeben bereits aus, um von einem Entgegenkommen des Schuldners sprechen zu können.407

nicht zwingenden Schuldenerlass durch alle Gläubiger in einem Insolvenzplan keinen Vergleich sehen will, da folglich nicht immer ein Nachgeben der Gläubiger vorliegen würde. 404 Vgl. BGHZ 39, 60, 63; BGH NJW-RR 1992, 363, 364; Habersack, in: MünchKomm, BGB, § 779 Rn. 26. 405 Nach § 237 Abs. 2 InsO ist dies denkbar, steht doch einem solchen Gläubiger nach dieser Vorschrift in der Abstimmung kein Stimmrecht zu. Insbesondere bei Kleingläubigern kann es zu einer solchen Behandlung kommen, wenn ihre schnelle Befriedigung zur Verfahrensvereinfachung vorgesehen ist. 406 Dies übersehen Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, Rn. 464, wenn sie verlangen, dass die Vergleichsmerkmale »in jedem Fall« vorliegen. 407 Vgl. RGZ 78, 163, 168; BGHZ 39, 60, 63; BGH NJW 1970, 1122, 1124; NJW-RR 2005, 1303, 1304; Habersack, in: MünchKomm, BGB, § 779 Rn. 26; Marburger, in: Staudinger, BGB (2009), § 779 Rn. 27. Eine darüber hinausgehende Leistung des Schuldners muss im Insolvenzplan nicht vorgesehen sein, um ein Nachgeben des Schuldners annehmen zu können – zu streng insofern Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 217 Rn. 29.

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Kapitel 4: Der Insolvenzplan als Verfahrensobjekt

Insgesamt lassen sich damit in einem Insolvenzplan typischerweise alle Merkmale eines Vergleichs nach § 779 BGB finden, weshalb nichts dagegen zu sprechen scheint, ihn auch diesem Vertragstyp zuzuordnen. 3. Der Gleichlauf mit dem außergerichtlichen Sanierungsoder Liquidationsvergleich Für die Einordnung des Insolvenzplans als Vergleich spricht neben den Typusmerkmalen auch der Gesichtspunkt eines Gleichlaufs mit dem außergerichtlichen Sanierungs- oder Liquidationsvergleich. Haben die Bemühungen des Schuldners in der Unternehmenskrise Erfolg und kann er zur Abwendung der Insolvenz einen außergerichtlichen Vergleich mit seinen Gläubigern schließen, so wird derselbe Zweck erreicht, dem auch ein Insolvenzplan dient. Das unternehmerische Konzept zur Krisenbewältigung wird rechtlich verbindlich fi xiert. Der so entstandene außergerichtliche Sanierungs- oder auch Liquidationsvergleich ist nun wohl unstreitig als Vergleich gemäß § 779 BGB einzuordnen,408 da auch er typischerweise ein Nachgeben der Gläubiger und des Schuldners beinhaltet. Es ist dann nur schwer nachvollziehbar, warum die Vereinbarung desselben Konzeptes über einen Insolvenzplan ein derartiges Nachgeben nicht mehr enthalten solle. Die Zweckidentität spricht vielmehr für eine gleichlautende Einordnung beider Vertragsarten als Vergleich. 4. Die historische Kontinuität der Einordnung Die somit mögliche Einordnung des Insolvenzplans als Vergleich im Sinne des § 779 BGB würde wiederum eine Kontinuität des neuen Insolvenzrechts mit der Rechtstradition bedeuten, wurden doch auch der Zwangsvergleich nach der Konkursordnung sowie der konkursabwendende Vergleich nach der Vergleichsordnung ganz überwiegend als Vergleich gemäß § 779 BGB angesehen.409 408 Solche Vergleiche zur Krisenbewältigung werden dem Vergleich nach § 779 BGB zugeordnet, ohne dies allerdings näher zu begründen – vgl. BGHZ 116, 31, 330; Habersack, in: MünchKomm, BGB, § 779 Rn. 54; Kohler-Gehrig, Außergerichtlicher Vergleich, S. 9; Marburger, in: Staudinger, BGB (2009), § 779 Rn. 60. 409 Für die Einordnung des Zwangsvergleichs als Vergleich gemäß § 779 BGB: Heckel, Zwangsvergleich, S. 149 f.; Heimann, Zwangsvergleich, S. 31 f.; Jaeger, Konkursrecht, S. 190; Kießling, Zwangsvergleich, S. 54 f.; Krusch, Das Wesen des Vergleichs, S. 80; Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 173 Rn. 4a; Löhr, ZZP 16 (1891), 335, 390; Purper, Zwangsvergleich, S. 18; Schlote, Zwangsvergleich, S. 20; Seuffert, Konkursprozeßrecht, S. 409; Stefan, Zwangsvergleich, S. 57; Wach, Zwangsvergleich, S. 80 f.; Weber, in: Jaeger, KO, § 173 Rn. 16; Wolff, KO, § 173 Anm. 2; dagegen: Fitting, Reichs-Konkursrecht, S. 425; Grabner, ZZP 48 (1920), 198, 204; Petersen/Kleinfeller, KO, Vorbemerkungen zu §§ 173–201 Anm. 4. Für den Vergleich der VglO: Bley/Mohrbutter, VglO, § 8 Rn. 5; Eickmann, Konkurs- und Vergleichsrecht, S. 140; Kiesow, VglO 1927, Vor § 5 Rn. 2; Krieg, VglO, § 82 Anm. 2; Krusch, Das Wesen des Vergleichs, S. 80; Nölte, in: Vogels/Nölte, VglO, § 3 Anm. II 2; Warneyer, VglO, § 82 Anm. I. Für die Vergleichsordnung ging selbst der Gesetzgeber vom Zustandekommen eines Vergleiches nach § 779 BGB aus – vgl. die Begründung zu § 11 der Reichstagsvorlage, in: Verhandlungen

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Gerade diese Kontinuität wird nun aber von der Stelle in den Gesetzesmaterialien in Frage gestellt, die sich als Einzige ansatzweise mit der Rechtsnatur des Insolvenzplans befasst. In den allgemeinen Erwägungen zum Insolvenzplan findet sich folgender Satz: »Der Insolvenzplan ist kein Vergleich.«410 Hiermit ist nun offensichtlich keine Stellungnahme hinsichtlich der Einordnung des Insolvenzplans als Vergleich gemäß § 779 BGB verbunden. Es geht dem Gesetzgeber vielmehr darum klarzustellen, dass der Insolvenzplan nicht nur eine neue Bezeichnung für die bekannten Formen der alternativen Insolvenzbewältigung (konkursabwendender Vergleich und Zwangsvergleich) ist. 411 Dies wird schon aus den unmittelbar anschließenden Sätzen deutlich: »Vergleich und Zwangsvergleich sind in ihrer Grundstruktur Verträge des Schuldners mit seinen Gläubigern zur Abwendung oder Beendigung des Konkurses. Sie sind in erster Linie auf die Sanierung des Schuldners durch Schuldenregulierung ausgelegt. Damit werden [. . .] drei Regelungsthemen miteinander verquickt: die Mitspracherechte des Schuldners, die Entscheidungsfreiheit der Gläubiger über die Art (Sanierung oder Liquidation) und die Form (Gesamtexekution oder Vergleich) der Masseverwertung sowie die Restschuldbefreiung des Schuldners. In dem neuen einheitlichen Insolvenzverfahren sind diese Materien jeweils besonders geregelt . . .«.412 Die an den Anfang dieser Ausführungen gestellte plakative Aussage über den Insolvenzplan dient folglich als deutlicher Hinweis auf die erheblichen inhaltlichen Neuerungen, die das neue Institut des Insolvenzplans mit sich bringt. Eine Aussage zu dessen Rechtsnatur enthält sie nicht. Diese beschreibt der Gesetzgeber vielmehr an gleicher Stelle wie folgt: »Der Plan ist mithin die privatautonome, den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Übereinkunft der mitspracheberechtigten Beteiligten über die Verwertung des haftenden Schuldnervermögens unter voller Garantie des Wertes ihrer Beteiligungsrechte.«413 Bezieht man dann noch in die Betrachtung mit ein, dass der Gesetzgeber im Insolvenzplan den »Rechtsrahmen für die einvernehmlichen Bewältigung der Insolvenz im Wege von Verhandlungen und privatautonomen Austauschprozessen« sieht,414 so wird deutlich, dass es auch der historische Gesetzgeber im Insolvenzplan primär eine »privatautonome Übereinkunft« der Beteiligten erkennt. Die historische Auslegung dürfte daher, auch wenn sie zu keinem klaren Ergebnis zugunsten der Vertragstheorie führt, jedenfalls einer Einordnung des Insolvenzplan als Vertrag und zwar als Vergleich gemäß § 779 BGB nicht entgegenstehen. des Deutschen Reichstags, III. Wahlperiode, 1924/26, Drucksache Nr. 2340, S. 19. Näher zum Ganzen im Ersten Kapitel B. 410 BT-Drucks 12/2443, S. 91. 411 Ebenso Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 217 Rn. 29, Fn. 40 am Ende; Gaul, FS Huber, 2006, 1187, 1190. 412 BT-Drucks 12/2443, S. 91. 413 BT-Drucks. 12/2443, S. 91. 414 BT-Drucks. 12/2443, S. 90; nahezu wortgleich mit Äußerungen auf S. 78.

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Kapitel 4: Der Insolvenzplan als Verfahrensobjekt

5. Ergebnis Der Insolvenzplan ist ein Vertrag bürgerlichen Rechts und als solcher dem Vertragstyp des Vergleichs zuzuordnen, wie er in § 779 BGB erwähnt wird.415 Angesichts dieser Zuordnung bleibt kein Raum für die Annahme, der Insolvenzplan sei ein Vertrag sui generis. Erst recht verbietet sich dann die vom Bundesgerichtshof befürwortete, sich vom Vertragsgedanken abwendende Qualifikation des Insolvenzplans als Rechtsinstitut eigener Art.416

415 Ebenso Breutigam, in: Berliner Kommentare, InsO, § 254 Rn. 13; auch Frege/Keller/ Riedel, Insolvenzrecht, Rn. 1922a. Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 217 Rn. 29 und Hess/Weis, Der Insolvenzplan, WM 1998, 2349, 2350, erkennen die Vergleichsnatur des Insolvenzplans immerhin als Teilaspekt der von ihnen vertretenen Doppelnatur des Insolvenzplans ähnlich eines Prozessvergleichs an. 416 BGH NJW-RR 2006, 491, 492 f.: Der Insolvenzplan ist »kein Vertrag im herkömmlichen Sinne«, sondern »ein spezifisch insolvenzrechtliches Instrument, mit dem die Gläubigergesamtheit ihre Befriedigung aus dem Schuldnervermögen organisiert.« Die Einordnung als Rechtsinstitut sui generis findet sich auch bei Becker, Insolvenzrecht, Rn. 1610; Dinstühler, InVo 1998, 333, 344 f.; Exner/Beck, in: Beck/Depré, Praxis der Insolvenz, § 43 Rn. 7; Foerste, Insolvenzrecht, Rn. 474; Schiessler, Insolvenzplan, S. 22.

Kapitel 5

Optimierung des deutschen Reorganisationsrechts in der Insolvenz Beschäftigt man sich mit dem Insolvenzplan, so kann man nicht übersehen, dass dieses Rechtsinstitut selbst in den Zeiten enormer wirtschaftlicher Krisen nicht wesentlich an Akzeptanz gewinnt. Stattdessen wird deutlich, dass es einer Optimierung der Verfahrenswege in diesem Bereich bedarf. Die Politik hat hierauf im Angesicht der Krise an den Finanzmärkten reagiert und für die Rettung systemrelevanter Kreditinstitute die Schaffung einer Sonderregelung vorgeschlagen, die für solche Unternehmen ein besonderes Rettungs- und Sanierungsverfahren vorsieht1 und damit im Wesentlichen wieder U. S.-amerikanischen Vorbildern folgt.2 Ob der damit eingeschlagene Weg hin zu einer Reihe von Sonderinsolvenzrechten für bestimmten Unternehmenstypen richtig, mag durchaus bezweifelt werden. Jedenfalls wird die Einheitlichkeit des deutschen Insolvenzverfahrens so schon im zehnten Jahr der neuen Insolvenzordnung in Frage gestellt. Meines Erachtens sollte die wohl notwendige Anpassung des Reorganisationsrechts Sonderinsolvenzverfahren ebenso vermeiden wie die Wiederbelebung eines gerichtlichen Verfahrens zur Abwendung einer Insolvenz (neuerdings vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren genannt3). Stattdessen muss das vorhandene Planverfahren weiterentwickelt werden, gerade um auf diesem Wege auch effektive außergerichtliche Sanierungsstrategien zu fördern.4 1 Siehe den Entwurf eines Gesetzes zur Reorganisation von Kreditinstituten (Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz – KredReorgG), welches Teil des Gesetzes zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute und zur Verlängerung der Verjährungsfrist der aktienrechtlichen Organhaftung (Restrukturierungsgesetz) vom 27. 9. 2010 ist – BT-Drucks. 17/3024. Dieses wurde am 28. 10. 2010 durch den Bundestag mit vereinzelten Änderungen (vgl. BT-Drucks. 17/3240, 17/3547) angenommen und trat zum 31. 12. 2010 in Kraft. 2 Dies gilt insbesondere für den Gesetzentwurf über das Gesetz zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten. Das amerikanische Insolvenzrecht sieht für Kreditinstitute in Titel 12, Chapter 16 des U. S.Code ein vergleichbares Sonderinsolvenzverfahren vor, das die Federal Deposit Insurance Corporation, also den amerikanischen Einlagensicherungsfonds, zum Ergreifen der notwendigen Schritte ermächtigt. 3 Vgl. zuletzt etwa Westpfahl, ZGR 2010, 385 ff. 4 Der bislang noch nicht offiziell veröffentlichte Diskussionsentwurf des Bundesministeriums für Justiz für ein Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen folgt dieser Grundrichtung, beseitigt die Unzulänglichkeiten nur ansatzweise und geht zudem – gerade was Eingriffe in Gesellschafterrechte mittels Obstruktionsverbot betrifft – zu weit – näher dazu am Ende dieses Kapitels.

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Kapitel 5: Optimierung des deutschen Reorganisationsrechts in der Insolvenz

Ein entsprechender Reformvorschlag, der zugleich die in dieser Untersuchung bislang gewonnenen Erkenntnisse über die Grundstrukturen des Planverfahrens nutzt, soll in diesem letzten Kapitel entwickelt werden. Die Grundlage des Optimierungsvorschlags bilden zwei wesentliche, sich aus der Vertragsstruktur des Planverfahrens ergebende Schlussfolgerungen. Zum einen findet sich kein zwingender Grund dafür, die Verhandlungen wie auch die Abstimmung der Gläubiger über den vorgelegten Insolvenzplan in einem gerichtlichen Verfahren stattfinden zu lassen. Das Gericht kann einen angenommenen Insolvenzplan auch im Nachhinein prüfen und bestätigen; seine Rolle, also die von ihm in der Planentstehung wahrzunehmende Aufgabe, lässt dies zu.5 Zum anderen ist die Entscheidung der Mehrheit der Gläubiger über die Planannahme hinreichend gegenüber der Minderheit legitimiert, wenn diese Mehrheit aufgrund einer ausreichenden Informationsbasis in interessenhomogenen Gruppen zustande kommt und jedem Minderheitsgläubiger der wirtschaftliche Wert seiner Forderung sowie ein diesbezüglich effektiver Rechtsschutz gewährt wird. 6 Unter diesen Voraussetzungen darf sogar ein direkter gesetzlicher Kontrahierungszwang zur Anwendung kommen. 7 Baut man auf diesen Erkenntnissen auf, so scheint es denkbar, außergerichtliche Vergleichsverhandlungen trotz der Blockadehaltung einzelner Gläubiger gegen das verhandelte Sanierungskonzept zu beenden und zu einer bereits verbindlichen Abstimmung zu bringen, solange hinsichtlich des Abstimmungsgegenstandes die inhaltlichen Anforderungen an einen Insolvenzplan beachtet werden, wie sie sich aus den §§ 219 bis 230 InsO ergeben. Wird in der Abstimmung dann zumindest eine Zustimmungsmehrheit in den Gläubigergruppen erreicht, die über die §§ 243 bis 246 InsO zu einer gerichtlichen Bestätigung des Insolvenzplans führen müsste, so sollte das Insolvenzrecht dem Schuldner bzw. Insolvenzverwalter als Planinitiator erlauben, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens allein zu dem Zweck zu beantragen, dass in dem Verfahren der angenommene Insolvenzplan gerichtlich bestätigt wird. Eine bloße Bestätigungsinsolvenz wäre möglich. Das U. S.-amerikanische Insolvenzrecht lässt ein derartiges Vorgehen in 11 U. S. C. § 1126 (b) ausdrücklich zu. Eine Übertragung dieser pre-voted bankruptcy8 ins deutsche Insolvenzrecht soll hier vorgeschlagen werden. Überzeu5

Siehe im Vierten Kapitel A. Siehe im Dritten Kapitel C. IV. 7 Siehe im Dritten Kapitel E. V. 4. 8 Im Gegensatz zu Sanierungsplänen, die im Vorfeld des Insolvenzverfahrens lediglich verhandelt, aber nicht zur Abstimmung gebracht wurden (sog. prenegotiated plans), werden im amerikanischen Insolvenzrecht als »prepackaged plans« nur Pläne bezeichnet, für die bereits Annahme- oder Ablehnungserklärungen der Gläubiger vorliegen, wenn sie in das Insolvenzverfahren eingebracht werden – vgl. etwa Scarberry/Klee/Newton/Nickles, Business Reorganization, S. 783 f. Näher zur Begriffsbestimmung später in diesem Kapitel unter C. II. 6

A. Das Planverfahren als effizientester Verfahrensweg

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gend kann ein solcher Vorschlag allerdings nur sein, wenn die Entwicklung des Insolvenzrechts damit in die richtige Richtung fortschreitet. Hierfür muss zunächst geklärt werden, ob die jedem Planverfahren sowie jedem außergerichtlichen Vergleich innewohnende Bewältigung einer Insolvenzsituation im Wege der Verhandlung zwischen den Gläubigern und dem Schuldner tatsächlich der effektivste Entscheidungsmechanismus ist (dazu im Folgenden unter A.). Erst nach der positiven Beantwortung dieser Grundsatzfrage kann (unter B.) die Frage beantwortet werden, zu welchem Zeitpunkt diese Entscheidung fallen sollte. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen wird schließlich (unter C.) eine Verfahrensgestaltung skizziert, die sich an der pre-voted bankruptcy des U. S.amerikanischen Insolvenzrechts orientiert und es auch im deutschen Recht ermöglichen soll, das gerichtliche Insolvenzverfahren mittels eines außergerichtlich bereits angenommenen Insolvenzplans auf die Bestätigungsentscheidung zu reduzieren.

A. Das Planverfahren als effizientester Verfahrensweg Die vorangegangene Untersuchung hat gezeigt, dass der deutsche Gesetzgeber das Insolvenzplanverfahren ganz in der Tradition der Akkordverfahren ausgestaltete. Er überlässt die Frage, ob anstelle einer Zerschlagung des Schuldnerunternehmens oder dessen Veräußerung als Einheit eine andere, planmäßige Verwertung erfolgen soll, den Verhandlungen zwischen allen Beteiligten, an deren Ende im Erfolgsfall ein Insolvenzplan entsteht. Ob ein solches Planverfahren, also die Verhandlungslösung, tatsächlich die effizienteste Art und Weise ist, über die im Einzelfall vorzugswürdige Art der Masseverwertung zu entscheiden, ist dabei keinesfalls sicher. Zwar kann dieser Entscheidungsmechanismus auf eine lange Rechtstradition verweisen. Die potenziell lange Dauer wie auch der möglicherweise hohe Aufwand von Verhandlungen mit einer Vielzahl von Beteiligten hat jedoch gerade in jüngerer Vergangenheit Vorschläge provoziert, die andere Entscheidungsformen in der Insolvenzsituation für effektiver, also insbesondere schneller und kostengünstiger halten. Diese Vorschläge reichen von der Nutzung des Kapitalmarktes in Form von Auktionen über Forderungsumwandlungen (debt-equity-swaps) bis hin zur Übertragung der Entscheidungshoheit über die Verwertungsart an bestimmte Einzelpersonen. Bevor auf all diese Alternativmodelle eingegangen werden kann, muss allerdings grundsätzlich geklärt werden, wann eine Masseverwertung effizient ist. Dies berührt die Frage nach dem Ziel eines Insolvenzverfahrens.

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Kapitel 5: Optimierung des deutschen Reorganisationsrechts in der Insolvenz

I. Zur Effizienz eines Insolvenzverfahrens Ganz überwiegend9 wird ein gerichtliches Insolvenzverfahren an nur einem Ziel gemessen: der bestmöglichen Befriedigung aller Gläubiger entsprechend ihrer Rangfolge aus dem verbliebenen Schuldnervermögen. Dieses Primat der Gläubigerbefriedigung ist gemäß § 1 Satz 1 InsO auch das Kernziel des deutschen Insolvenzverfahrens. Aus dem verbliebenen unzureichenden Schuldnervermögen sollen alle Gläubiger optimal bedient werden. Das Eingreifen des staatlichen Gerichts dient mithin allein der Wahrung und Befriedigung der Rechte aller Gläubiger entsprechend ihres Ranges bis zur Erschöpfung des Schuldnervermögens. Zur Erreichung dieses Ziels muss der im Verfahren aus dem Schuldnervermögen zu erzielende und an die Gläubiger zu verteilende Erlös maximiert werden. Stehen hierzu verschiedene Verwertungsoptionen zur Verfügung, so muss sich die Auswahlentscheidung allein an diesem Ziel orientieren, also diejenige Verwertungsart bevorzugen, die die höchsten Erlöse verspricht. In der Unternehmensinsolvenz bedeutet dies, dass insolvente Unternehmen zu reorganisieren oder als funktionierende Einheit zu veräußern sind, wenn auf diese Weise zugunsten der Gläubiger ein Mehrwert gegenüber der Zerschlagung des Unternehmens gewonnen werden kann. Die Kehrseite dieser einseitigen Zielvorgabe liegt in ihrer sozialen Kälte. Die Frage nach der Fortführung von Unternehmen wird allein nach einem ökonomischen Kalkül beantwortet, in welchem allein Unternehmensbewertungen und Renditeerwartungen Beachtung beanspruchen können. Soziale Erwägungen hingegen, wie etwa die Sicherung von Arbeitsplätzen oder die Erhaltung von Unternehmen mit lokaler Bedeutung, haben in einem solchen Entscheidungsprozess keine Relevanz. Diese Kälte wird von einigen Autoren nicht als Effizienzvorteil anerkannt, sondern als zu eindimensionale Betrachtung kritisiert. Auch in einem Insolvenzverfahren müssten vielmehr soziale Belange, also die Interessen von nicht unmittelbar als Gläubigern am Verfahren beteiligten Personengruppen, Berücksichtigung finden.10 Das Insolvenzrecht würde 9 Eine ausführliche Darstellung der diesbezüglichen Diskussion in der deutschen Rechtswissenschaft findet man etwa bei Gerloff, Funktionen und Aufgaben des Insolvenzgerichts, S. 39 ff. Eine identische Zielbestimmung herrscht auch in der amerikanischen Literatur vor – vgl. Adler, 72 Wash. U. L. Q. 811, 826 (1994); Baird, 15 J. Legal Studies 127, 133 (1986); Baird/ Jackson, 51 U. Chi. L. Rev. 97, 102 ff. (1984); Hart, Firms, Contracts and Financial Structure, S. 159 f.; Jackson, Bankruptcy Law, S. 209 f.; ders., 36 J. L. & Econ. 655, 657 (1993); Rasmussen, 8 Bankr. Dev. J. 319, 324 (1991); Roe, Corporate Reorganization, S. 142; Schwartz, 107 Yale L. J. 1807, 1816 ff. (1997–1998); Tene, 19 Bankr. Dev. J. 287, 294, 369 ff. sowie 396 (2003). Sehr eindrucksvoll zuletzt Mooney, 61 Wash. & Lee L. Rev. 931, 956 ff. (2004), im Zusammenhang mit der Entwicklung seiner »procedure theory«, die im Insolvenzrecht ein reines Prozessrecht sieht. 10 Angesichts der klaren Aussage in § 1 InsO findet sich diese Ansicht heute primär außerhalb Deutschlands, insbesondere in den Vereinigten Staaten – vgl. Martin, 59 Ohio St. L. J. 429, 444 ff. (1998); Ponoroff, 23 Cap. U. L. Rev. 441 ff. (1994); Warren, 102 Yale L. J. 437, 467 (1992–1993); Whitford, 72 Wash. U. L. Q. 1379, 1400 (1994). LoPucki, 57 Vand. L. Rev. 741,

A. Das Planverfahren als effizientester Verfahrensweg

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damit zum Ort für einen Gesamtausgleich aller von einer Unternehmensinsolvenz betroffenen Interessengruppen. Die Anreicherung des Insolvenzverfahrens um soziale Zwecke geht allerdings zwangsläufig zu Lasten der Befriedigungsquote der Gläubiger, wie insbesondere das neue Institut der Restschuldbefreiung zeigt. Wird in der Insolvenz eines Unternehmens mithin primär nach den sozialen Auswirkungen der jeweiligen Verwertungsart auf dessen Arbeitnehmer und das lokale Umfeld geschaut, wie dies gerade in den Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise von der Politik häufig gefordert wurde (man denke nur an das Beispiel der Krise der Adam Opel GmbH im Sommer 2009), so führt dies in der Regel zur Investition von finanziellen Mitteln in Unternehmen mit mehr als fragwürdiger Fortführungschance und zugleich zur Perpetuierung der vorhandenen, kostenträchtigen und unrentablen (Arbeitsplatz-)Struktur. Es wird weiter Vermögen vernichtet. Das Insolvenzrecht muss daher primär dazu dienen, eine unrentable Allokation von Wirtschaftsgütern zu beenden und deren Umverteilung ermöglichen. Dass es dabei oft als Ort von Betriebsschließungen und Arbeitsplatzabbau wahrgenommen wird, ist nicht der Eindimensionalität der Funktion des Insolvenzrechts geschuldet, sondern liegt allein darin begründet, dass es das insolvente Unternehmen unterlassen hatte, eine rechtzeitige und damit sanftere Anpassung seiner Produktions- und Personalstrukturen an die Marktsituation vorzunehmen. Das Insolvenzverfahren ist mithin nicht der richtige Ort, um sozialen Erwägungen Geltung zu verschaffen.11 Die Erhaltung wirtschaftlich nicht erfolgreicher Unternehmen sollte auch in einer sozialen Marktwirtschaft nicht der ideale Weg sein. Gerade in Zeiten eines Strukturwandels, der in der Regel mit dem Verlust ganzer Industriezweige und Tausenden von Arbeitsplätzen einhergeht (man denke nur an die Bergbauindustrie, die gegenwärtige Automobilindustrie oder den Zusammenbruch der Wirtschaft in der ehemalige DDR), scheint es falsch, auf die entstehenden sozialen Umbrüche mit insolvenzrechtlichen Mitteln zu reagieren. Hier sind andere Handlungsinstrumente in der so-

757 ff., 766 (2004), greift etwa auf die »Team Production Theory« eines Unternehmens zurück, die auch gesellschaftlichen Institutionen wie den Kommunen eine Rolle in dem Unternehmen zuweisen und folglich die Berücksichtigung ihrer Interessen auch in der Insolvenz fordere. Ähnlich, wenn auch nicht ganz so weitgehend: Block-Lieb, 2001 U. Ill. L. Rev. 503, 519 und 529 (2001), wenn sie die bestmögliche Berücksichtigung aller gesellschaftlichen Interessen (»collective welfare«), nicht nur die der Gläubiger, als Zweck des Insolvenzrechts ansieht, und von daher Schutzbestimmungen für Pensionen, Arbeitnehmerforderungen usw. rechtfertigt; ähnlich zunächst Korobkin, 91 Colum. L. Rev. 717, 766 ff., 781 (1991); 71 Tex. L. Rev. 541, 554 (1992–1993 und 78 Iowa L. Rev. 669, 730 ff. (1992–1993), der diese Position jedoch bald wieder in Frage stellte – vgl. Korobkin, 82 Iowa L. Rev. 75, 120 (1996–1997). 11 Zutreffend Rasmussen, 8 Bankr. Dev. J. 319, 324 (1991). Siehe auch Gerloff, Funktionen und Aufgaben des Insolvenzgerichts, S. 70: »Das Insolvenzverfahren als soziales Netz für wirtschaftliche Risiken wäre das Ende der freien Marktwirtschaft.«

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Kapitel 5: Optimierung des deutschen Reorganisationsrechts in der Insolvenz

zialen Marktwirtschaft gefragt.12 Entsprechendes gilt in einem kleineren Maßstab bei der Insolvenz einzelner, regional bedeutender Unternehmen wie etwa der Werften in Mecklenburg-Vorpommern. Folgerichtig hat der deutsche Gesetzgeber den insofern beschränkten Zweck jedes Insolvenzverfahren in § 1 InsO festgeschrieben. Eine effiziente Insolvenzbewältigung sollte somit eine bestmögliche Gläubigerbefriedigung erreichen, indem das Schuldnervermögen mit maximalem Erlös bei minimalem Kostenaufwand verwertet wird.13 An dieser vollstreckungsrechtlichen Verankerung des Insolvenzrechts hält interessanterweise auch das Bundesministerium der Justiz in seiner allgemeinen Begründung des Diskussionsentwurfs für ein Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen fest: »Vorrangiges Ziel des Insolvenzverfahrens ist die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger. Daran wird festgehalten. Die Gläubiger sollen künftig den Ablauf des Insolvenzverfahrens sogar noch stärker als bislang bestimmen können. Die Erhaltung eines insolventen Unternehmens kann in einer marktwirtschaftlichen Ordnung kein Selbstzweck sein. Sie ist im Grundsatz nur dann erstrebenswert, wenn der Fortführungswert des Unternehmens den Zerschlagungswert übersteigt, also durch die Sanierung Werte erhalten oder geschaffen und nicht vernichtet werden. In diesem Fall liegt eine Fortführung auch im Interesse der Gläubiger. Sie tragen das wirtschaftliche Risiko des Gelingens oder Scheiterns einer Sanierung und sollen daher stärker darüber entscheiden können, ob und wenn ja, mit wem eine Sanierung versucht wird.« Deutlicher kann man die Funktion der Sanierung im Insolvenzrecht kaum beschreiben.

II. Die Aufgabe der Reorganisation in der Insolvenz Misst man die Effizienz eines Insolvenzverfahrens somit allein an der maximalen Gläubigerbefriedigung, so entsteht die Frage, ob es dazu einer Reorganisationsoption in der Insolvenz tatsächlich bedarf, scheint diese doch auf den Erhalt des Rechtsträgers und damit auf den Erhalt vorhandener Strukturen und insbesondere Arbeitsplätze abzuzielen und damit für die Gläubiger schon tendenziell kostspielig zu sein. Interessanterweise entspringt der Gedanke der Reorganisation eines Unternehmens in der Insolvenz bei näherer Betrachtung 12 Siehe insbesondere Balz, ZIP 1988, 273, 275: »Insolvenzrecht kann Wirtschafts- und Sozialpolitik nicht ersetzen.« 13 Diese zentrale Bedeutung des Effizienzkriteriums macht die Diskussion um Reformen im Insolvenzrecht – wie sich noch zeigen wird – sehr empfänglich für eine ökonomische Analyse des Rechts und auf ihr basierende Alternativmodelle, insbesondere aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis, zielt das Insolvenzverfahren in seinem Ringen um eine bestmögliche Befriedigung aller Gläubiger doch stets auf die Erreichung eines sog. Pareto-Optimums ab. Hiermit ist der nach Vilfredo Pareto benannte Zustand gemeint, in dem eine Besserstellung einzelner Individuen nicht mehr ohne die gleichzeitige Schlechterstellung anderer möglich ist.

A. Das Planverfahren als effizientester Verfahrensweg

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keineswegs einem sozialen Anliegen, sondern einem rein wirtschaftlichen Kalkül. 1. Zerschlagungs- und Fortführungswert Gerät ein Unternehmen in eine Krise, so resultiert daraus irgendwann ein negativer cash flow, die Kosten für den Betrieb des Unternehmens übersteigen die aus dem Betrieb erwirtschafteten Einnahmen. Dies führt zu einem Rückgriff auf die Reserven und Rücklagen des Unternehmens und damit zu einem Substanzverlust in den Unternehmensfinanzen. Die Gründe hierfür können vielfältig sein.14 Ein drastisches Beispiel bot der amerikanische Autokonzern General Motors im Jahre 2008, als dessen Verkaufszahlen infolge explodierender Ölpreise einbrachen, was zu einem spürbaren Einnahmeverlust führte. Da zugleich aber die laufenden Verbindlichkeiten des Unternehmens aus Tarifund Pensionsvereinbarungen sowie Lieferantenbeziehungen bestehen blieben, mussten die Quartalsbilanzen schon bald einen negativen cash flow von mehreren Milliarden Dollar auswiesen. Gelingt dem Management in einer solchen Unternehmenslage kein schneller turn-around aus eigener Kraft, so tritt die Insolvenz des Unternehmens ein. Die rationalste Entscheidung im Angesicht eines solch negativen cash-flow ist in der Insolvenz die schnellstmögliche Beendigung des Unternehmensbetriebs, da auf diese Weise das weitere Vernichten von Vermögen zu verhindern wäre. Die Insolvenzgesetze sehen folgerichtig eine schnelle Betriebsstilllegung in all den Fällen vor, in denen durch die kostenintensive Fortführung desselben lediglich Liquidität verbrannt wird (vgl. § 22 Abs. 1 Nr. 2 am Ende InsO). Jedenfalls das zu diesem Zeitpunkt noch vorhandene Vermögen wird auf diese Weise gesichert. Dieses wird dann in einem möglichst einfachen und schnell abzuwickelnden Verfahren in Bargeld umgesetzt, wobei die Kosten des Verfahrens gering gehalten werden. Aus dem Verwertungserlös der besicherten Gegenstände werden die gesicherten Gläubiger bedient; der restliche Erlös wird nach der Deckung der Masseverbindlichkeiten gleichmäßig unter allen anderen einfachen Gläubigern verteilt. Diese Grundform des Insolvenzverfahrens, das Liquidationsverfahren, entspricht typischerweise den Interessen aller Beteiligten. Das Vermögen des gescheiterten Unternehmens wird möglichst weitreichend gesichert und zugunsten seiner Gläubiger verwertet. Ein Gläubigerwettlauf um die schnellste Einzelzwangsvollstreckung in das verbliebene Vermögen wird verhindert, so dass die Befriedigung der Gläubiger geordnet und entsprechend der gesetzlich vorgegebenen Rangfolge erfolgen kann. Ist der Unternehmensträger eine natürliche Person, so kann sich zudem eine Restschuldbefreiung anschließen, um den Wertschöpfungskräften des Individuums einen Neustart zu ermöglichen. Han14

Näher dazu im Ersten Kapitel A. I.

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Kapitel 5: Optimierung des deutschen Reorganisationsrechts in der Insolvenz

delt es sich um eine Gesellschaft, so hört diese am Ende des Verfahrens auf zu existieren. Die Liquidation des Unternehmens kann sich jedoch auch selbst als Faktor einer Vermögensvernichtung erweisen und insofern dem Ziel eines effektiven Insolvenzrechts zuwiderlaufen. Es gibt Fallkonstellationen, in denen die schnelle Stilllegung des Unternehmens im Gegensatz zu dessen Fortführung im Insolvenzverfahren eher Vermögen vernichtet. In der heutigen Wirtschaft sind viele Vermögensgüter technologisch so spezialisiert und an das jeweilige Unternehmen bzw. den jeweiligen Produktionsablauf angepasst, dass sie in einem anderen Unternehmen kaum noch einsetzbar sind. Dementsprechend gering ist ihr Zerschlagungswert; er dürfte in der Regel dem Material- oder Schrottwert entsprechen. Klassisches Lehrbuchbeispiel ist das Schienennetz insolventer amerikanischer Eisenbahnunternehmen im 19. und 20 Jahrhundert. Heute finden sich derartige Spezialisierungen vor allem im hoch automatisierten Produktionsanlagen des Maschinenbaus. Die weitere Nutzung solcher Vermögensgüter in ihrem derzeitigen Zusammenhang verspricht nahezu generell einen höheren Gewinn als deren Zerschlagung, wenn zudem die Kosten der Fortführung den mit ihr erwirtschafteten Mehrwert nicht übersteigen.15 Das klassische Insolvenzverfahren, also eine schnelle Betriebsstilllegung und Zerschlagung des Schuldnervermögens, kann diesen Mehrwert nicht realisieren. Daneben finden sich eine Reihe von insolventen Unternehmen, der Marktposition und Umsatzzahlen grundsätzlich intakt sind, bei denen der erzielte Gewinn aber derzeit aufgrund einer enormen Schuldenlast oder schlechten Kostenstruktur nicht ausreicht, um erfolgreich zu sein.16 Eine Fortführung solcher Unternehmen kann ebenfalls sinnvoll sein, da sie nach der Durchführung von Sanierungs- und insbesondere Entschuldungsmaßnahmen durchaus wieder profitabel arbeiten können. Diese Gewinnaussicht bei einer Unternehmensfortführung gibt auch solchen Unternehmen einen höheren Marktwert, also einen besonderen Fortführungswert oder auch going-concern-value, der selbst bei Unternehmen, die keine spezialisierten Produktionsmittel besitzen, den Zerschlagungswert17, also den Erlös, der aus einer Zerschlagung des Unterneh15 Roe, Corporate Reorganization, S. 46, Fn. 18, spricht insofern zutreffend von einer allgemein beobachteten und bekannten Tatsache (»a matter of common observation familiar to everyone«). 16 Man unterscheidet insofern in der Systematisierung der Insolvenzursachen auch den »financial distress« vom »economic distress«, vgl. etwa Adler/Baird/Jackson, Bankruptcy, S. 26; Baird, 108 Yale L. J. 573, 577, 580 f. (1998–1999); Rasmussen/Skeel, 3 Am. Bankr. Inst. L. Rev. 85, 87 f. (1995). 17 Man sollte zutreffend vom »Zerschlagungswert« sprechen, nicht vom »Liquidationswert«, da am Ende einer Liquidation, also der Umsetzung des Schuldnervermögens in Bargeld, auch die Gewinnung des Fortführungswertes stehen kann, wenn das Schuldnerunternehmen als Ganzes veräußert wird. Der Liquidationswert kann dann auch dem Fortführungswert entsprechen.

A. Das Planverfahren als effizientester Verfahrensweg

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mensvermögens erwirtschaftet werden kann, typischerweise übersteigen wird.18 Auch in diesen Fällen würde ein klassisches Insolvenzverfahren wegen seines Stilllegungs- und Zerschlagungsmechanismusses nicht in der Lage sein, den Fortführungswert zu erhalten und für die Gläubiger zu erwirtschaften. Hierzu bedarf es alternativer verfahrensrechtlicher Regelungen in der Insolvenz, die das Unternehmen als Ganzes erhalten und dessen Fortführung auch im Insolvenzverfahren sichern. Es soll nicht unterschlagen werden, dass die Fortführung des Unternehmens über die Gewinnung des Fortführungswertes nicht nur den zur Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung stehenden Erlös und damit deren Quoten erhöht. Sie führt daneben auch zu Vorteilen für andere Verfahrensbeteiligte und Interessengruppen, indem etwa Arbeitsplätze im Unternehmen erhalten und damit Kommunen Gewerbesteuereinnahmen gesichert werden. Selbst die Gesellschafter des Schuldnerunternehmens können profitieren, wenn ihre Anteilsrechte im fortgeführten Unternehmen zumindest teilweise erhalten bleiben. Die Realisierung einer Fortführungschance ist folglich für nahezu alle Beteiligten von Vorteil, selbst wenn diese Effekte nicht der eigentliche Zweck des Insolvenzverfahrens sind. 2. Die Gewinnung des Fortführungswertes Hat ein Schuldnerunternehmen Fortführungschancen und damit einen Fortführungswert, so kann dieser Wert auf zwei verschiedenen Wegen gewonnen werden. a) Die übertragende Sanierung Zum einen kann das Unternehmen als funktionierendes Ganzes veräußert und auf einen neuen Rechtsträger übertragen werden (übertragende Sanierung).19 Der Wert der Fortführungschance spiegelt sich hier in einem gegenüber der Zerschlagung erhöhten Marktwert des Unternehmens wieder, der bei der übertragenden Sanierung unmittelbar durch den Verkauf des Unternehmens am Markt realisiert wird. Der Erwerber erhält das Unternehmen frei von dessen alten Verbindlichkeiten. Der Veräußerungserlös fl ießt im Gegenzug in die Insolvenzmasse und dient den Gläubigern als Verteilungsgegenstand. Da der Veräußerungserlös über dem alternativen Erlös aus einer Zerschlagung des Unternehmens liegt, ergibt sich in der Verteilung eine bessere Quote für die Gläubiger. Diese realisieren also den Fortführungswert. 18 Natürlich ist es theoretisch auch denkbar, dass aufgrund einer besonderen Marktlage (wie etwa ungewöhnlich hohen Rohstoffpreisen) die Veräußerung des Unternehmensvermögens (z. B. von alten Maschinen mit einem hohen Edelmetallanteil) im Wege der Zerschlagung unmittelbar einen höheren Erlös erzielt als dessen Fortführung in den nächsten Jahren. 19 Näher dazu bereits im Ersten Kapitel A. II. 3. c). (2).

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Kapitel 5: Optimierung des deutschen Reorganisationsrechts in der Insolvenz

b) Die Reorganisation Alternativ kann das Unternehmen auch bei seinem Rechtsträger bleiben und hier reorganisiert werden, indem neben einer ganzen Reihe eine Reihe betriebswirtschaftlicher Sanierungsmaßnahmen vor allem auch eine Restrukturierung seiner Verbindlichkeiten (Teilerlass, Stundung, Ratenzahlung, debt-equityswap) erfolgt. 20 Erwirtschaftet das so reorganisierte Unternehmen dann wieder Gewinne, so werden hieraus primär die alten Gläubiger des Unternehmens bedient, die auf diese Weise eine höhere Quote von ihrem einstmals insolventen Schuldner erlangen können. Die Reorganisation des Schuldnerunternehmens in der Insolvenz entspricht folglich ebenso der grundsätzlichen Zweckbestimmung jedes Insolvenzverfahrens. Es sichert die Maximierung des noch vorhandenen Schuldnervermögens zugunsten der Gläubiger und deren bestmögliche Befriedigungsquote.21 c) Der Unterschied zur Funktion einer Reorganisation außerhalb einer Insolvenz Die Reorganisation von Unternehmen findet nun keineswegs nur in Insolvenzsituationen und damit im Rahmen von Insolvenzverfahren und im Anwendungsbereich des Insolvenzrechts statt. Der Begriff der Reorganisation beschreibt an sich bloß die Umsetzung betriebswirtschaftlicher Sanierungsmaßnahmen in einem Unternehmen und hat seine Heimat folglich nicht im Insolvenzrecht, sondern in der Betriebswirtschaft. Die rechtzeitige Anpassung eines Unternehmens an sich verändernde Markt- und Wettbewerbsbedingungen liegt im Aufgabengebiet jeder Unternehmensführung und eine Reorganisation des Unternehmens ist als Anpassungsmaßnahme nichts anderes als eine Managementmaßnahme. Ihre rechtliche Umsetzung kann dabei Aspekte des Gesellschaftsrechts oder auch des Rechts der Finanzierungsinstrumente berühren; eine insolvenzrechtliche Relevanz besteht grundsätzlich nicht. Das Ziel der rechtzeitigen Reorganisation ist vielmehr gerade die Bewahrung des Unternehmens vor einer Insolvenz. Folgerichtig liegt der Zweck jeder Reorganisation außerhalb einer Insolvenz auch nicht in der Gewinnung eines Fortführungswertes zugunsten der Gläubiger, sondern allein in der Erhaltung der Wertschöpfungspotentiale des Unternehmens im Interesse der Anteilseigner und deren Renditeerwartungen. Dieser wesentliche Unterschied spiegelt sich auch in der Allokation der Entscheidungshoheit wider. Während in der Insolvenz die Gläubiger darüber entscheiden, ob eine Reorganisation stattfindet, liegt dieses 20

Näher dazu bereits im Ersten Kapitel A. II. 3. c). (1). Eine ökonomische Betrachtung sieht nicht nur in der Unternehmensveräußerung, sondern auch in der Reorganisation des Unternehmens einen Verkauf desselben, wobei als Käufer des Unternehmens diesmal nicht ein Dritter auftritt, sondern dessen Gläubiger, da diesen nun wie einem Eigentümer die Erlöse des Unternehmens zustehen – so etwa: Jackson, Bankruptcy Law, S. 211 oder Adler, 77 Cornell L. Rev. 439, 446 (1991–1992). 21

A. Das Planverfahren als effizientester Verfahrensweg

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Entscheidungsrecht im gesunden Unternehmen in der Hand seiner Eigentümer und des von ihnen eingesetzten Managements. Die Reorganisation eines insolventen Unternehmens ist insofern grundsätzlich verschieden von der eines solventen Unternehmens und erscheint vor diesem Hintergrund eher als Anomalie.

III. Zur Notwendigkeit einer Reorganisation in der Insolvenz Ob es einer Reorganisationsmöglichkeit für insolvente Unternehmens tatsächlich bedarf, kann daher durchaus bezweifelt werden. Das europäische und amerikanische Insolvenzrecht wird schon seit Jahrhunderten ohne ein Reorganisationskapitel angewandt, ohne dass dies als wesentliches Defizit empfunden wurde. 22 In der Insolvenzsituation haben stets Fragen der gleichmäßigen Verteilung des unzureichenden Schuldnervermögens unter allen Gläubigern die zentrale Rolle gespielt. Das Insolvenzrecht war primär ein Ordungsrecht. Die Reorganisation von Unternehmen wurde demgegenüber als ein Prozess angesehen, für den es in der Insolvenzsituation bereits zu spät war. Die Restrukturierung eines Unternehmens ist eine Aufgabe des Unternehmensmanagements im Interesse der Erhaltung des Unternehmenserfolges und der Renditeerwartungen seiner Eigentümer. Sie muss folgerichtig in einem werbenden Unternehmen erfolgen. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beendet stets die Existenz des Unternehmens als ein werbendes; sie ist Auflösungsgrund für die Gesellschaft als Unternehmensträger. Die Reorganisation einer sich in Auflösung befindenden Gesellschaft im Interesse der Unternehmensgläubiger erscheint folgerichtigt als Anomalie, wenn nicht gar als Systembruch, steht diesen Personengruppen doch rechtlich lediglich ein Geldbetrag in Höhe ihrer offenen Forderungen, nicht aber der künftige Ertrag des Schuldnerunternehmens per se zu. 23 Es stellt sich vor diesem Hintergrund die generelle Frage, ob es einer Reorganisationsoption für insolvente Unternehmen, insbesondere im Interesse seiner Gläubiger, tatsächlich bedarf. Dies gilt umso mehr, wenn man bedenkt, dass die Reorganisation des Schuldnerunternehmens nicht der einzige Weg, sondern nur eine von zwei Möglichkeiten ist, den Fortführungswert eines Unternehmens für seine Gläubiger zu gewinnen. Eine Unternehmensveräußerung erreicht dasselbe Ziel oft in kürzerer Zeit. Entfällt damit nicht jede Rechtfertigung für eine Reorganisationsmöglichkeit in der Insolvenz?

22

Siehe dazu im Ersten Kapitel B. Es kann insofern nicht verwundern, wenn vereinzelt eine Rückverlagerung des Reorganisationsrechts für Unternehmen ins Gesellschaftsrecht gefordert wird; siehe Skeel, 72 Tex. L. Rev. 471, 474 ff. (1993–1994). 23

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1. Liquidation statt Reorganisation Die Veräußerung des Unternehmens als Einheit ist eine Form der Liquidation und in der Theorie der einfachste und damit kostengünstigste Weg, den Fortführungswert eines Unternehmens zu generieren. Sie entspricht als ein Geschäft, welches das Schuldnervermögen in Bargeld umsetzt, der Zweckrichtung jedes Liquidationsverfahrens, weshalb sie sich problemlos in jedes Insolvenzverfahren integrieren lässt. Das Unternehmen wird dazu mit der Perspektive am Markt plaziert, in neuer Trägerschaft erfolgreich fortbestehen, also Gewinn erwirtschaften zu können. Der Wettbewerb unter potentiellen Käufern, also die Marktbewertung, erzeugt in der Folge einen Kaufpreis, der unmittelbar und schnell den Fortführungswert des Unternehmens darstellt. Die Unternehmensveräußerung erscheint insofern im Vergleich zu einer Reorganisation des Unternehmens in einem gerichtlichen Verfahren nicht zu Unrecht als der effektivere Weg, den Fortführungswert zu generieren. 24 a) Die Liquidation als natürlicher Weg zum Fortführungswert Es kann insofern nicht verwundern, dass die Insolvenzgesetze seit jeher die Veräußerung des Unternehmens aus der Masse als natürliche Option in jedem Liquidationsverfahren erlaubt haben. Schon in der Konkursordnung findet sich etwa in § 134 Nr. 1 eine Regelung, nach der zur Durchführung einer solchen Veräußerung die Zustimmung des Gläubigerausschusses bzw. der Gläubigerversammlung notwendig ist. Auch das U. S.-amerikanische Insolvenzrecht erlaubt stets die Veräußerung von Massegegenständen durch den Verwalter bzw. den Schuldner in Eigenverwaltung mit Zustimmung des Bankruptcy Court. 25 Die Unternehmensveräußerung erscheint insofern als der »natürliche« Weg, in der Insolvenz auf den Fortführungswert des Schuldnerunternehmens zuzugreifen. Diese Annahme wird weiter durch den Umstand gestützt, dass auch das erste Reorganisationsverfahren für insolvente Unternehmen, die amerikanische 24 Eine ausführliche Gegenüberstellung der Verfahrensvor- und nachteile findet sich im Ersten Kapitel unter A. III. 2 und 3. 25 Vgl. §§ 15 Abs. 2 und 3, 20 Abs. 2, 25 des Bankruptcy Act von 1867; § 5062b des Bankruptcy Act von 1867 in der Fassung von 1874; § 70 (b) Satz 2 und 3 des Bankruptcy Acts von 1898 bzw.§ 70 (f) Satz 2 und 3 des Bankruptcy Acts von 1898 nach der Reform durch den Chandler Act von 1938 (letztere Normen setzten einen Mindestpreis von 75 Prozent des Schätzwertes fest). Selbst ein Arrangement-Verfahren nach Chapter XI des Bankruptcy Acts hinderte eine solche Veräußerung gemäß § 313 (2) des Bankruptcy Acts nicht. Massegegenstände waren grundsätzlich auch in einem Akkordverfahren veräußerbar. Seit der Geltung des Bankruptcy Code von 1978 findet sich die entsprechende Regelung (ohne Mindestpreis) in 11 U. S. C. § 363 (b). Der Verkauf des Schuldnerunternehmens als asset deal war danach grundsätzlich möglich – ein share deal scheidet grundsätzlich aus, da die Anteile am Schuldnerunternehmen den Anteilseignern zustehen und daher nicht in die Masse fallen. Der Zugriff auf den Fortführungswert konnte so stets erfolgen.

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Equity Receivership, 26 keine Reorganisation des Unternehmens in einem gerichtlichen (Insolvenz-)Verfahren vorsah. Die Gerichtsbeteiligung diente lediglich zwei Zwecken. Als prozessrechtlicher Rechtsbehelf verhinderte schon der Verfahrensantrag den unkoordinierten Zugriff der Gläubiger auf das Unternehmen, also einen Vollstreckungswettlauf. Vor allem aber erlaubte die gerichtliche Beteiligung eine hoheitliche Versteigerung des Unternehmens, was eine lastenfreie Veräußerung des Unternehmens als Ganzes ermöglichte. Die gerichtliche Mitwirkung basierte folgerichtig nicht auf dem Gedanken der Insolvenz des Unternehmens, sondern in der Notwendigkeit einer Gläubigerkoordinierung und hoheitlichen Legitimation. Die Ursprünge der Equity Receivership liegen folglich im Verfahrens-, nicht im Insolvenzrecht27 und die Entschuldung des Unternehmens basierte auf dessen lastenfreier Veräußerung, nicht auf dessen gerichtlicher Reorganisation. Der eigentliche Reorganisationsprozess fand außerhalb des Gerichtssaals statt. Die Reorganisation begann mit den Verhandlungen der Repräsentanten aller Interessengruppen über die Kapitalstruktur der Erwerbergesellschaft und endete in der Umsetzung leistungswirtschaftlicher Maßnahmen durch die Anteilseigner in der Erwerbergesellschaft. Eine sich selbst organisierende Rechtspraxis scheint insofern dazu zu tendieren, den Vorteil des höheren Fortführungswertes durch eine lastenfreie Unternehmensveräußerung zu gewinnen. Wozu bedarf es dann also der Alternative einer Reorganisation in der Insolvenz? b) Die Abschaffung der Reorganisationsoption zugunsten von Auktionsmodellen? Angesichts der Unternehmensveräußerung als – jedenfalls in einem perfekten Markt – funktionierendem Modus zum Zugriff auf den Fortführungswert kann es nicht verwundern, dass die Reorganisation des Schuldnerunternehmens als Angelegenheit angesehen wird, die entweder im Vorfeld einer Insolvenz durch das Management des Schuldners oder aber nach der Veräußerung des Unternehmens aus der Masse durch das Management des neuen Rechtsträgers – jeweils im Interesse der jeweiligen Unternehmenseigentümer – erfolgen sollte. Die Reorganisation würde damit systematisch wieder auf die Rolle zurückgedrängt,

26 Eine ausführliche Darstellung dieses Verfahrens findet sich im Ersten Kapitel unter C. V. 1. a) (2). 27 Die Kodifikation der Verfahrensgrundsätze in einem Insolvenzgesetz, dem Bankruptcy Act, die in den 1930iger Jahren durch den U. S. Kongress erfolgte, war insofern alles andere als selbstverständlich. Sie erfolgte primär aufgrund der Besonderheit, dass die Verfassung der Vereinigten Staaten dem Bundesgesetzgeber eine besondere Gesetzgebungskompetenz in Insolvenzsachen verleiht, was eine bundeseinheitliche Regelung ermöglichte, solange an die Insolvenz der zu reorganisierenden Unternehmen angeknüpft wurde. Zugleich erlaubte diese Verfassungsklausel weitreichende Eingriffe in die Rechte aller Beteiligte. Siehe zum Ganzen etwa Finletter, Bankruptcy Reorganization, S. 28 ff.

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die ihr klassischerweise zukommt: Sie ist eine Maßnahme zur Sicherung der Ertragsfähigkeit des werbenden Unternehmens. (1) Die grundsätzliche Kritik von Douglas G. Baird und Thomas H. Jackson Die Kritik an einer Reorganisation in der Insolvenz hat konsequenterweise ihren Ursprung in jenem Land, das als erstes eine derartige Reorganisationsoption in sein Rechtssystem institutionalisierte und in dem es daher die meisten Erfahrungen auf diesem Gebiet gibt – den Vereinigten Staaten von Amerika. Dort waren es erstmals28 Douglas G. Baird und Thomas H. Jackson, die bereits in den 1980iger Jahren im Anschluss an die Neufassung des amerikanischen Insolvenzrechts im Bankruptcy Code von 1978 die Frage nach der Notwendigkeit einer Reorganisation des Schuldnerunternehmens in der Insolvenz stellten. 29 Hierzu betonten sie zunächst die Funktion des Insolvenzrechts als Instrument zur gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung bei nur unzureichendem Schuldnervermögen (»common pool problem«30 ). Die Aufgabe des Insolvenzrechts bestehe nun allein in der Organisation einer geordneten und möglichst ertragreichen Verwertung des Schuldnervermögens zugunsten der Gläubiger, nicht aber in der Ermöglichung einer Rettung des Schuldnerunternehmens. Ziele wie eine Atempause für Krisenunternehmen oder die Rettung von Arbeitsplätzen sollten im Insolvenzverfahren unbeachtlich bleiben.31 Seine Aufgabe könne das Insolvenzverfahren daher dann am besten erreichen, wenn das 28 Der Gedanke der Unternehmensveräußerung als Alternative zu einer Reorganisation wurde 1983 bereits von Mark J. Roe, 83 Colum. L. Rev. 527, 571 ff. (1983), in Spiel gebracht, ohne dabei allerdings die Berechtigung der Reorganisationsoption als solche in Frage zu stellen. 29 Jackson, Bankruptcy Law, S. 209 ff. (S. 218: »Why not eliminate Chapter 11?«). Weniger deutlich Baird, 15 J. Legal Studies 127, 128 (1986): »the entire law of corporate reorganization is hard to justify.« 30 Die Bezeichnung hat einen wirtschaftswissenschaftlichen Ursprung und beschreibt das Problem, dass es bei einer gemeinschaftlichen Nutzung einer beschränkten Vermögensmasse für das einzelne Gemeinschaftsmitglied persönlich vorteilhaft ist, die gemeinschaftlichen Gegenstände möglichst weitgehend für sich zu nutzen, was allerdings zwangsläufig auf Kosten der anderen sowie der Allgemeinheit geschieht – vgl. etwa Roe, Corporate Reorganization, S. 135 ff. mit einer Reihe von Beispielen. 31 Baird, 15 J. Legal Studies 127, 133 (1986); Jackson, Bankruptcy Law, S. 209 f. Diese Ansicht hatten beide Autoren bereits zuvor in einem gemeinsamen Beitrag erläutert, Baird/Jackson, 51 U. Chi. L. Rev. 97, 102 ff. (1984). Diese Grundauffassung entstammt einem Konzept von Insolvenzverfahren, das als »creditors’ bargain model« bezeichnet wird. Danach würden in der Abwesenheit eines zwingenden Insolvenzrechts die Gläubiger in ihren Verträgen mit dem Schuldner eine kollektive Verwertung des Schuldnervermögens und die Rangstellung ihrer Forderungen regeln, um einen Vollstreckungswettlauf zu verhindern und unnötige Kosten zu sparen. Folgerichtig sollte auch ein gesetzliches Insolvenzverfahren allein diesen hypothetischen Gläubigerwillen umsetzen und Rangstellungen beachten – grundlegend: Jackson, 91 Yale L. J. 857 (1981–1982); siehe daneben etwa Jackson/Scott, 75 Va. L. Rev. 155 ff. (1989); Skeel, 1993 Wis. L. Rev. 465, 470 (1993) oder aber auch Drukarczyk, 11 Int’l Rev. L. & Econ. 203, 220 (1991).

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Schuldnervermögen schnellstmöglich und zum besten Preis in Bargeld umgesetzt wird. Nach der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, der beide Autoren folgen, 32 erfolge zwar auch im Rahmen einer Reorganisation ein »Verkauf« des Unternehmens. Allerdings seien es hier die alten Inhaber der Rechte an den Unternehmensgegenständen (also die Gläubiger und Anteilseigner) 33 , an die die Unternehmensgegenstände in einer Reorganisation veräußert würden. Anders als bei einem Verkauf des Unternehmens am Markt, also an Dritte, erfolge die Preisbildung hinsichtlich des Unternehmens in der Reorganisation rein »hypothetisch«34 durch Verhandlungen mit diesen Personengruppen, also alles andere als offen und nachvollziehbar. Der zu verteilende »Erlös« aus diesem Veräußerungsgeschäft bestehe zudem allein aus neuen Forderungen oder Anteilsrechten gegenüber dem reorganisierten Unternehmen, deren wirtschaftlicher Wert davon abhängt, welche Erfolgsaussichten und damit welchen Unternehmenswert man dem zukünftigen, reorganisierten Unternehmen beimisst. Diese Bewertungsfrage sei der Kern jedes Reorganisationsverfahrens.35 Allein der Umstand also, dass mit der Reorganisation des Unternehmens ein höherer Wert für die Gläubiger erreicht werden kann als mit der sofortigen Veräußerung des Unternehmens an Dritte in der Liquidation könne eine Reorganisation in der Insolvenz überhaupt rechtfertigen.36 Ein solcher Mehrwert lässt sich nach Jackson nun einerseits praktisch nicht feststellen und rechtfertige andererseits keinesfalls die Kosten der zur Realisierung einer Reorganisation notwendigen Verhandlungen aller Beteiligten. Gerade diese Verhandlungskosten seien unausweichlich. Nicht nur die Unsicherheiten hinsichtlich des Wertes des künftigen, reorganisierten Unternehmens müssten nahezu zwangsläufig zu Meinungsverschiedenheiten unter den Beteiligten führen. Auch hinsichtlich der Frage der Verteilung des »Erlöses«, also der 32 Baird, 15 J. Legal Studies 127 und 139 (1986); Jackson, Bankruptcy Law, S. 211. Ebenso aus der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur etwa Bebchuk, 101 Harv. L. R. 775, 776 (1987–1988). 33 Dem liegt die Auffassung zugrunde, dass eine Gesellschaft als ein Vertrag unter allen Investoren angesehen werden könne, die Vermögen in einem gemeinsamen Unternehmen bündeln, was nicht nur die Anteilseigner, sondern auch die Gläubiger zu den Beteiligten am Unternehmen macht und nach deren Gleichbehandlung verlangt; lediglich die Modalitäten der Auszahhlung ihrer Investments seien verschieden – vgl. Baird, 15 J. Legal Studies 127, 129 f. (1986); Baird/Rasmussen, 55 Stan. L. Rev. 751, 757 (2002–2003). Demgegenüber versucht eine neuere »Team Production Theory« auch anderen Interessengruppen, insbesondere Arbeitnehmer und die öffentliche Hand, einzubeziehen und als wirtschaftlich an der Gesellschaft Beteiligte anzusehen – vgl. LoPucki, 57 Vand. L. Rev. 741, 749 ff. (2004) m. w. N. Natürlich ändert sich so die grundlegende Sichtweise auf Rechte in der Insolvenz. 34 Baird, 15 J. Legal Studies 127 (1986); Baird/Rasmussen, 87 Va. L. Rev. 921, 922 (2001); Bebchuk/Chang, 8 J. L. Econ. & Org. 253 (1992); Hahn, 11 Stan. J. L. Bus. & Fin. 28, 35 ff. (2005); Roe, Corporate Reorganization, S. 171. 35 Jackson, Bankruptcy Law, S. 212. 36 Jackson, Bankruptcy Law, S. 214 f.

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am reorganisierten Unternehmen neu zu verteilenden Rechte,37 sowie den mit einer Reorganisation notwendigerweise verbundenen Verfahrensfragen, wie etwa die nach der zutreffenden Gruppenbildung, seien Streitigkeiten zu erwarten, die Kosten produzieren, welche im Falle einer Unternehmensveräußerung an Dritte schlicht undenkbar seien.38 Zugleich würde den Anteilseignern am Schuldnerunternehmen in einer Reorganisation stets eine Position eingeräumt, die ihnen trotz der wirtschaftlichen Wertlosigkeit ihrer Rechtspositionen Verhandlungsmacht, jedenfalls aber Verzögerungsmacht gewährt. Die Folgen dieser Verzögerung müssten dann wiederum allein die Gläubiger im Wege der Verringerung der erreichbaren Befriedigungsquote tragen.39 Der kostenintensive Verhandlungsprozess einer Reorganisation könne nach Jackson daher nur in Kauf genommen werden, wenn die in ihm entstehende Bewertung des Schuldnerunternehmens einer Bewertung desselben durch den Markt überlegen sei. Eine derartige Überlegenheit ließe sich indessen nicht nachweisen. 40 Ein relevantes Informationsdefizit hinsichtlich des zu bewertenden Unternehmens könne unter den Gläubigern genauso entstehen bzw. ausgeräumt werden wie im Markt.41 Zudem bedarf es schon im Fall nur eines abweichend votierenden Gläubigers einer richterlichen Bewertung des Unternehmens zur Wahrung der Minderheitenrechte. Das Insolvenzrecht traue damit im Kern schon dem einzelnen Richter eine zutreffende Unternehmensbewertung zu. Eine Überlegenheit dieser einzelnen Bewertung durch den Richter gegenüber einer Bewertung durch den Markt will Jackson nicht erkennen; diese seien vielmehr eher zu optimistisch und damit zu risikoreich. 42 Schließlich rechtfertige sich eine Reorganisation auch nicht in den Fällen, in denen spezielle Kenntnisse und Fähigkeiten im gegenwärtigen Unternehmen einen besonderen zusätzlichen Wert ergeben. Die Potentiale, diesen Sonderwert zu erhalten, seien in der Veräußerung des Unternehmens an Dritte ebenso vorhanden wie in einer Reorganisation. Jeder Erwerber des Unternehmens könne die Personen, die diese Fähigkeiten verkörpern, seien sie im Management, unter den Angestellten oder unter den Anteilseignern zu finden, ebenso in Verhandlungen zu einer Fortsetzung der Mitarbeit bewegen wie die Gläubiger in Reor37 Die Frage nach der Art der Verwertung des Schuldnervermögens (Zerschlagung, Veräußerung oder Reorganisation) sollte nach Baird/Jackson, 51 U. Chi. L. Rev. 97, 104 (1984), idealerweise unabhängig davon entschieden werden, wie der Erlös daraus verteilt werden soll. 38 Jackson, Bankruptcy Law, S. 215 f.; ebenso Baird, 15 J. Legal Studies 127, 144 f. (1986). 39 Jackson, Bankruptcy Law, S. 216. Bebchuk/Chang, 8 J. L. Econ. & Org. 253, 263 ff. (1992), stützen diese These mit ihrem mathematischen Modell der Verhandlungen in einem Chapter 11-Verfahren. 40 Jackson, Bankruptcy Law, S. 218; zustimmend Rasmussen/Skeel, 3 Am. Bankr. Inst. L. Rev. 85, 95 (1995). 41 Jackson, Bankruptcy Law, S. 218 f. 42 Jackson, Bankruptcy Law, S. 219 f.

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ganisationsverhandlungen. Ein besonderer Reorganisationsvorteil ergebe sich nicht.43 Im Ganzen wollen daher weder Baird noch Jackson einen Vorteil und damit eine Rechtfertigung für eine Reorganisation in der Insolvenz erkennen. Es finde sich keine höhere Richtigkeitsgewähr in den Bewertungsentscheidungen von Richtern, Gläubigern und Anteilseignern gegenüber denen dritter Marktteilnehmer.44 Während Baird infolge dessen zunächst lediglich eine umfangreichere Nutzung der Veräußerungsoption fordert,45 schlägt Jackson vor, das Reorganisationskapitel im amerikanischen Insolvenzrecht (Chapter 11) abzuschaffen und den Fortführungswert des Schuldnerunternehmens stattdessen allein im Liquidationsverfahren mittels der (Neu-)Veräußerung aller Unternehmensanteile am Markt zu gewinnen. 46 Die Entscheidung über eine Zerschlagung oder Veräußerung des Schuldnerunternehmens47 würde damit gänzlich und unmittelbar funktionierenden Märkten überlassen; man spricht auch von der »Perfect Markets Solution«. 48 Dieser Lösungsweg beruht gänzlich auf der finanzwirtschaftlichen Hypothese effizienter Kapitalmärkte (»the efficient market hypothesis«), die annimmt, dass durch die bloße Vielzahl an Käufern und Verkäufern am Kapitalmarkt ein Mechanismus entsteht, in dem alle Informationen, die handelbare Aktien und Anteile betreffen, sofort korrekt verarbeitet und unmittelbar in entsprechende Aktien- bzw. Anteilspreise umgesetzt werden.49 (2) Die obligatorische Auktion nach Douglas G. Baird Douglas G. Baird nahm seine Kritik an der Reorganisationsoption im Jahr 1993 wieder auf und schlug diesmal die obligatorische Durchführung von Auktionen zu Beginn jedes Insolvenzverfahrens vor, um einen möglichst zügigen und profitablen Verkauf des Schuldnerunternehmens zu gewährleisten.50 Die Reorgani43

Baird, 15 J. Legal Studies 127, 140 ff. (1986); Jackson, Bankruptcy Law, S. 221 f. Baird, 15 J. Legal Studies 127, 136 (1986). 45 Baird, 15 J. Legal Studies 127, 145 ff. (1986). 46 Jackson, Bankruptcy Law, S. 223. Etwas vorsichtiger äußerte er sich hingegen in Jackson/Scott, 75 Va. L. Rev. 155, 191 ff. (1989), wo beide Autoren risikostreuende Effekte eines Reorganisationsverfahrens im Grundsatz für nützlich halten. Im Jahr 1993 unterstützte er zudem die vorsichtigere Position Bairds; vgl. Jackson, 36 J. L. & Econ. 655 (1993). 47 Im amerikanischen Recht auch »Chapter 11 dilemma« genannt – vgl. Bradley/Rosenzweig 101 Yale L. J. 1043, 1051 (1991–1992). 48 So etwa Bradley/Rosenzweig 101 Yale L. J. 1043, 1053 (1991–1992). 49 Dazu etwa Roe, Corporate Reorganization, S. 168 ff. m. w. N. Diese Hypothese basiert auf der vom Nobelpreisträger R. H. Coase entwickelten Annahme (später auch »Coase-Theorem« genannt), dass vollständig informierte und transaktionskostenfreie Märkte höchst effizient über die bestmögliche Nutzung von Ressourcen entscheiden, wenn deren derzeitige Nutzung durch externe Effekte gestört wird. Eine gesetzgeberisches oder administratives Eingreifen wäre dann unnötig – grundlegend Coase, 3 J. L. & Econ. 1 ff. (1960). 50 Baird, 36 J. L. & Econ. 633, 635 (1993). Sein Modell fand im Grundsatz durchaus Zustimmung – vgl. Adler, 77 Cornell L. Rev. 439, 468 f. und 488 (1991–1992); Hahn, 11 Stan. J. L. Bus. & Fin. 28, 39 ff. (2005); Jackson, 36 J. L. & Econ. 655 (1993). Adler und Hahn bevor44

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sationsoption würde dadurch überflüssig, ermögliche doch die schnelle Auktion eine Gewinnung des Unternehmenswertes als going-concern ohne die Belastung mit den Kosten der Streitigkeiten um die Berechtigungen am Schuldnervermögen und den damit einhergehenden Mitspracherechten. Diese Meinungsverschiedenheiten würden auf die Erlösverteilung reduziert. 51 Hintergrund dieses Vorschlags war insbesondere die Auffassung, dass die Gerichte zu zögerlich in der Wahrnehmung der gesetzlichen Möglichkeiten einer schnellen Veräußerung des Schuldnerunternehmens im Insolvenzverfahren sind, da sie die Veräußerung zu oft als Umgehung des Planverfahrens ansehen würden.52 Im Jahre 2001 wiederholte Douglas G. Baird gemeinsam mit Edward R. Morrison seine Forderung nach einer obligatorischen Auktion zu Beginn des Verfahrens und betonte dabei nochmals die Kostenvorteile dieser Lösung.53 Die Auktion würde im Fall des Ausbleibens eines Käufers zudem auch eine zuverlässige Entscheidung über die Fortführungsaussichten des Unternehmens treffen.54 Später beschränkt Baird in zwei gemeinsamen Beiträgen mit Robert K. Rasmussen55 sowie einem mit Edward R. Morrison56 dann allerdings sein Modell auf die Insolvenz großer, börsennotierter Unternehmen. Bei ihnen sei eine Auktion schnell und effektiv möglich sowie die Verbundenheit des Managements mit dem Unternehmen eher gering. Bei kleineren Unternehmen hingegen finde sich nur selten ein going-concern-value 57 und dieser sei dann oft allein in der Einzigartigkeit und Unersetzbarkeit des Unternehmers, also derjenigen Person verkörpert, die in der Regel sowohl Eigentümer als auch Manager des zugten dann aber bald ihre eigenen Modelle – vgl. Adler, 45 Stan. L. Rev. 311, 320 f. (1992– 1993) sowie Hahn, 11 Stan. J. L. Bus. & Fin. 28, 64 ff. (2005). 51 Baird, 36 J. L. & Econ. 633, 638 f. (1993). Diese Annahme erscheint zu idealisiert. Auktionen können unterschiedlich ausgestaltet werden, etwa als offener Bieterwettstreit (»ascending-bid auction«) oder aber als Auktion mit nur einem, diskret bleibenden Gebot pro Bieter (»first-price sealed-bid auction«). Je nach Ausgestaltung sind dann grundsätzlich verschiedene Gebote und Erlöse zu erwarten – vgl. die Berechnungen von Bhattacharyya/Singh, 54 J. Fin. Econ. 269, 276 ff. (1999). Die Frage nach der Person, die hierüber entscheiden soll (S. 285 ff.), ist folglich auch in Bairds Modell zu beantworten und kann kostenträchtige Streitigkeiten erzeugen. 52 Baird, 36 J. L. & Econ. 633, 638 ff. (1993). Diese Praxis hat sich seit dem Erscheinen des Beitrags grundlegend geändert, wie insbesondere die Aufsehen erregenden Veräußerungen in den Insolvenzverfahren der Lehman Brothers Holdings Inc., der Chrysler LLC oder aber der General Motors Corporation zeigen. 53 Baird/Morrison, 2001 J. L. Econ. & Org. 356, 366 ff. (2001). 54 Baird/Morrison, 2001 J. L. Econ. & Org. 356, 369 (2001). 55 Baird/Rasmussen, 87 Va. L. Rev. 921, 939 ff. (2001) und 55 Stan. L. Rev. 751, 752 (2002– 2003). 56 Baird/Morrison, 105 Colum. L. Rev. 2310 ff. (2005). 57 Fehlt dieser Fortführungswert, so sei auch in kleinen Insolvenzfällen eine schnelle Auktion vorteilhaft, um Kosten zu minimieren – Baird/Rasmussen, 56 Stan. L. Rev. 673, 688 (2003–2004).

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Unternehmens ist.58 In einem solchen Fall sei eine schnelle Auktion nutzlos, da der besondere Wert des Unternehmens auf diese Weise nicht gewonnen werden könne. Stattdessen seien Verhandlungen zwischen den Beteiligten angebracht, die ohne die Zwänge einer absolute priority rule den Eigentümern Vorteile anbieten sollten.59 Im Ergebnis könne damit aber auch hier das geltende Reorganisationsrecht wenig überzeugen, weshalb es insgesamt weitgehend überflüssig sei. 60 Stattdessen sei den Gläubigern sowie dem Management generell der notwendige Freiraum zu geben, um gemeinsame Lösungen zu finden. 61 (3) Der »restricted auction mechanism« nach Berkovitch, Israel und Zender Elazar Berkovitch, Ronen Israel und Jamie F. Zender befürworten ebenfalls die Bewältigung jeder Insolvenz im Wege einer zwingenden Auktion (»restricted auction mechanism«). 62 Nach ihren Vorstellungen soll jedes Insolvenzverfahren eine Veräußerung des Unternehmens im Wege einer Auktion vorsehen, bei welcher allerdings gerade die Gläubiger vom Bieterverfahren ausgeschlossen sind. Die Autoren wollen auf diese Weise primär Anreize dafür setzen, dass die Beteiligten bereits in der Krise des Unternehmens außergerichtliche Vergleichslösungen anstreben und passen hierzu die Rechte der Beteiligten in einem – zu diesem Zeitpunkt ja nur als Drohkulisse am Horizont stehenden – Insolvenzverfahren an. Dabei gehen sie in ihrem Modell grundsätzlich davon aus, dass im insolventen Unternehmen firmenspezifisches human capital vorhanden und wertbestimmend ist, welches primär durch den Unternehmer verkörpert wird. 63 Folgerichtig liegt die Zielrichtung ihres Modells in der Schaffung eines Modells, dass eine Fortführung des Unternehmens durch die alten Eigentümer be-

58 Baird/Rasmussen, 87 Va. L. Rev. 921, 942 ff. (2001). Als plastisches Beispiel führen sie ein Restaurant an, dessen Erfolg ganz von seinem Chefkoch abhängt, dem es zugleich gehört. Ebenso später Baird/Morrison, 105 Colum. L. Rev. 2310, 2314 f. und 2330 ff. (2005) aufgrund einer empirischen Untersuchung. 59 Baird/Rasmussen, 87 Va. L. Rev. 921, 948 ff. (2001), nennen dieses Modell dann »relative priority«. 60 Baird/Rasmussen, 55 Stan. L. Rev. 751, 755 (2002–2003); Baird/Morrison, 105 Colum. L. Rev. 2310, 2349 (2005), kommen in ihrer empirischen Studie zu dem Ergebnis, dass nur ein Prozent dieser Unternehmer im Insolvenzfall Hilfe in Chapter 11 suchen. Alle anderen liquidieren das Unternehmen und starten ein neues. 61 Baird/Rasmussen, 56 Stan. L. Rev. 673, 696 (2003–2004). Diese sollten sich dann primär nicht am Erhalt des Unternehmens, sondern an der Erhaltung der einzigartigen Wertschöpfungspotentiale des Unternehmers orientieren; so Baird/Morrison, 105 Colum. L. Rev. 2310, 2318 (2005). Vgl. auch den hierzu passenden Vorschlag von Baird/Picker, 20 J. Legal Stud. 311, 333 ff. (1991), bei kleinen Unternehmen die Hausbank das Verfahren bestimmen zu lassen; ähnlich Baird/Rasmussen, 87 Va. L. Rev. 921, 948 ff. (2001) und 55 Stan. L. Rev. 751, 784 (2002–2003). 62 Berkovitch/Israel/Zender, 41 Eur. Econ. Rev. 487, 492 (1997). 63 Berkovitch/Israel/Zender, 41 Eur. Econ. Rev. 487, 489 (1997).

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günstigt. 64 Das Modell dürfte daher vor allem kleine Unternehmen im Blick haben, ohne dass dies von den Autoren erkannt wird. Das Auktionsmodell von Berkovitch, Israel und Zender sieht nun vor, dass der Eigentümer bzw. dessen Management in der Krise Verhandlungen mit seinem (Haupt-)Geldgeber (»investor«) aufnehmen soll. Um die Verhandlungspositionen beider Parteien anzugleichen, soll der Geldgeber im Gegenzug zur Macht des Schuldners, ein Insolvenzverfahren mit Vollstreckungsschutz zu initiieren, berechtigt sein, auch in diesem vom Schuldner initiierten Insolvenzverfahren auf die Vollstreckung seiner ursprünglichen Forderungen zu bestehen. Insbesondere die Macht des Schuldners, über einen Antrag nach Chapter 11 des U. S. Bankruptcy Code in ein Reorganisationsverfahren zu flüchten und so jede Forderungsvollstreckung zu blockieren, würde auf diese Weise gebrochen. Gleichzeitig würde sich dadurch nach Ansicht der Autoren die Chance des Schuldners erhöhen, auch in der Krise noch neue Geldgeber zu finden, da auch diese selbst im Falle einer dennoch eintretenden Insolvenz mit einer Durchsetzbarkeit ihrer Forderungen planen könnten. Die Verhandlungsposition der Eigentümerseite werde nun dadurch gestärkt, dass diese Gruppe im Fall des Scheiterns der Verhandlungen das Unternehmen fortführen und in einem Insolvenzverfahren zudem Gebote zum Erwerb des Unternehmens abgeben darf. 65 Die Eigentümer hätten so eine reelle Chance, ihr Unternehmen zu behalten. Ein derart gestaltetes Insolvenzrecht solle dazu führen, die Gläubiger an einer vergleichsweisen Lösung zu interessieren, da sie bei einem Scheitern der Verhandlungen in einer denkbaren Auktion nicht bieten dürften. 66 Den Eigentümern würde im Gegenzug durch die Vollstreckungsoption zugunsten der Gläubiger das Gewinnen von Geldgebern in der Krise erleichtert. Zudem würde durch die Beschränkung des Bieterkreises in der Auktion sichergestellt, dass in den Fällen, in denen das insolvente Unternehmen in der Hand Dritter keinen höheren Wert als in der des gegenwärtigen Eigentümers besitzt, letzterer das Unternehmen durch ein eigenes Gebot behält. 67 Das grundlegende Problem des »restricted auction mechanism« liegt in seinem Ausgangspunkt. Neben der grundsätzlichen Fragwürdigkeit einer derartigen Eigentümerbevorzugung vereinfachen Berkovitch, Israel und Zender die ihrem Modell zugrunde liegende Verhandlungssituation auf ein Zwei-PersonenVerhältnis. Es verhandeln bei ihnen allein die Eigentümer bzw. deren Management mit einem »Investor«, dem Geldgeber für das Unternehmensprojekt. Diese Sichtweise mag für eine wenige Insolvenzen kleiner Unternehmen oder projektbezogene Gesellschaftsgründungen (etwa Arbeitsgemeinschaften) zutreffen. Den Regelfall einer Unternehmensinsolvenz beschreibt sie nicht. Typischerwei64 65 66 67

Berkovitch/Israel/Zender, 41 Eur. Econ. Rev. 487, 488 (1997). Berkovitch/Israel/Zender, 41 Eur. Econ. Rev. 487, 492 (1997). Berkovitch/Israel/Zender, 41 Eur. Econ. Rev. 487, 492 f. (1997). Berkovitch/Israel/Zender, 41 Eur. Econ. Rev. 487, 493 (1997).

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se sind es mehrere, ja oft eine Vielzahl von Gläubigern, die in Verhandlungen einzubeziehen sind. Ihnen allen eine Option zur Forderungsdurchsetzung in der Insolvenz zu geben, verfehlt den ordnungspolitischen Zweck eines Insolvenzverfahrens: Ein Gläubigerwettlauf um das verbliebene Schuldnervermögen würde nicht verhindert und das common-pool-problem folglich nicht gelöst. Kein auf Verhandlungsanreize abzielendes Insolvenzmodell darf diese Kernaufgaben eines Insolvenzsystems vergessen. Im Ergebnis hat das Modell daher nur insoweit einen Erkenntniswert als es deutlich macht, dass in der fi nanziellen Krise eines kreditfinanzierten Projektes zwingende Auktionsmechanismen ein erstrebtes Verhandlungsergebnis fördern können. 68 (4) Das parallele Auktionsverfahren nach Alexander Dilger Im deutschen Recht ist es allein Alexander Dilger, der in seiner Dissertation die Ersetzung des geltenden Insolvenzverfahrens durch ein Auktionsverfahren, genauer gesagt durch ein »paralleles Auktionsverfahren für das Gesamtunternehmen und seine Teile«, vorschlägt. 69 Hierzu will er ein Insolvenzverfahren schaffen, das jeder, der einen Insolvenzgrund glaubhaft machen kann, durch einen Insolvenzantrag einleiten darf, wobei der erste Antragsteller zudem durch eine Prämie in Höhe von einem Prozent der Insolvenzmasse belohnt werden soll, um möglichst rechtzeitige Antragstellungen zu fördern.70 Im Eröffnungsbeschluss soll das Insolvenzgericht sodann einen Termin bestimmen, zu dem die Auktion der Insolvenzmasse wirksam wird. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis bliebe im Verfahren grundsätzlich beim Schuldner bzw. dem bisherigen Management, denen es auch obliege, die Gläubiger über das Verfahren zu informieren und sie zur Anmeldung von Forderungen aufzufordern.71 Gleichzeitig müssten sie eine Liste der zur Versteigerung gelangenden Massegegenstände erstellen, welche veröffentlicht wird. 72 Sodann könnten bis zu einem gerichtlich bestimmten Stichtag für jeden einzelnen Massegegenstand, aber auch für die Gesamtheit der Insolvenzmasse sowie für insolvenzbezogene Rechte (etwa das Recht zur Verfolgung einer Insolvenzverschleppung, das nachrangige Widerspruchsrecht gegen angemeldete Forderungen oder das Recht zur Verwertung noch zu entdeckender Massegegenstände) 73 schriftliche Gebote beim Insolvenzgericht eingereicht werden, die insgesamt geheim blieben.74 Am Stichtag würden diese Gebote nur durch einen Urkundsbeamten ausgewertet, der für jeden Gegenstand, jedes Recht sowie für die Masse insgesamt das höchste 68

Ebenso White, in: Handbook of Law and Economics, Vol. 2, S. 1033 f. Dilger, Auktionen in Insolvenzen, S. 293. 70 Dilger, Auktionen in Insolvenzen, S. 290 ff. Bei missbräuchlichen Anträgen soll aber auch ein Schadenersatzanspruch des Schuldners möglich sein (S. 293). 71 Dilger, Auktionen in Insolvenzen, S. 337. 72 Dilger, Auktionen in Insolvenzen, S. 295. 73 Dilger, Auktionen in Insolvenzen, S. 320 ff. 74 Dilger, Auktionen in Insolvenzen, S. 296 (sog. »Vickrey-Auktion«, S. 211, 297). 69

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Kapitel 5: Optimierung des deutschen Reorganisationsrechts in der Insolvenz

sowie das zweithöchste Gebot festzustellen hätte. Abgesehen von den versteigerten insolvenzbezogenen Rechten würde dann je nachdem, ob die Summe der höchsten Gebote für die einzelnen Gegenstände oder das höchste Gebot für die Gesamtheit aller Massegegenstände höher ist, die Einzelauktionen oder aber die Gesamtauktion vom Insolvenzgericht für wirksam erklärt. 75 Die Entscheidung für eine Zerschlagung und Fortführung eines Unternehmens in der Insolvenzmasse fiele insofern automatisch durch den Markt.76 In der Folge müsste der Bieter, der den jeweiligen Zuschlag erhält, nur einen Preis in Höhe der nächstbesten Verwertungsmöglichkeit bezahlen. 77 Zudem dürfte im Falle einer wirksamen Gesamtauktion der Ersteigerer binnen kurzer Frist einzelne Massegegenstände in der Form weiterveräußern, dass er gewisse Gebote aus den Einzelauktionen wirksam werden lässt, wozu er dem Urkundsbeamten die von ihm erwarteten Mindestpreise anzugeben hätte.78 Der Erlös aus der Auktion würde sodann an die Gläubiger verteilt, wobei gesicherte Gläubiger aus den Geboten für ihr Sicherungsgut zu befriedigen wären.79 Hiernach ende das gerichtliche Insolvenzverfahren. Es sei dann Sache der Ersteigerer, über die Zukunft der ersteigerten Gegenstände, insbesondere also über die Zukunft eines im Wege der Gesamtauktion ersteigerten Unternehmens, sowie über die Geltendmachung der erworbenen insolvenzbezogenen Rechte zu entscheiden. 80 Ihnen obliege insbesondere auch die Entscheidung über die Abwicklung schwebender Verträge 81 oder die Anfechtung von Rechtshandlungen. 82 2. Der debt-equity-swap als Instrument der Insolvenzbewältigung (Optionsmodelle) Die bisher vorgestellten Auktionsmodelle bewegen sich in den klassischen Bahnen des Insolvenzrechts, da auch schon nach dem heutigen Recht die Insolvenz eines Unternehmensträgers dadurch bewältigt werden kann, dass eine Veräußerung des lebensfähigen Unternehmens am Markt zum Fortführungswert erfolgt und die Gläubiger im anschließenden Liquidationsverfahren über den nun unternehmenslosen Rechtsträger aus den Veräußerungserlösen entsprechend ihrer Rangordnung befriedigt werden. Die eigentliche Neuerung der aufge75

Dilger, Auktionen in Insolvenzen, S. 298. Dilger, Auktionen in Insolvenzen, S. 294. 77 Dilger, Auktionen in Insolvenzen, S. 298. Dies ist typisch für Vickrey-Auktionen und soll zu einer Vereinfachung der Gebotsbestimmung sowie zu einer angemesseneren Bewertung von Sicherungsgütern führen (S. 300). Kombiniert mit dem Gedanken einer parallelen Auktion von Einzelgegenständen und der gesamten Masse ergeben sich verschiedene Konstellationen, die Dilcher erläutert (S. 298 f.). 78 Dilger, Auktionen in Insolvenzen, S. 301 f. 79 Dilger, Auktionen in Insolvenzen, S. 294. 80 Dilger, Auktionen in Insolvenzen, S. 339. 81 Dilger, Auktionen in Insolvenzen, S. 302 ff., 311. 82 Dilger, Auktionen in Insolvenzen, S. 330. 76

A. Das Planverfahren als effizientester Verfahrensweg

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zeigten Auktionsmodelle besteht insofern vor allem darin, diese Veräußerung zum Regelinsolvenzverfahren zu erheben. Alternativ kann die Insolvenz von Kapitalgesellschaften mit handelbaren Anteilen nun allerdings auch dadurch bewältigt werden, dass auf eine Veräußerung des Unternehmens verzichtet wird und die Gläubiger sofort im Wege eines debt-equity-swap entsprechend ihrer Rangfolge im Tausch gegen ihre Forderungen alle Anteile an der unternehmenstragenden Schuldnergesellschaft erhalten. Das Unternehmen wird auf diese Weise in einem Schritt nicht nur von seinen Schulden befreit, es erhält auch eine neue Kapitalstruktur. Es kann daher kaum verwundern, dass der einfach und effektive anmutende Mechanismus des debt-equity-swap in den 1980iger und 1990iger Jahren einer Reihe von Modellen zugrunde gelegt wurde, die mit seiner Hilfe jegliche Planverfahren in der Insolvenz überflüssig machen wollten. a) Der »slice-of-common-stock sale« nach Mark J. Roe Schon im Jahre 1983, also nur fünf Jahre nach Inkrafttreten des neuen Bankruptcy Code in den Vereinigten Staaten, schlug Mark J. Roe erstmals eine auf einem debt-equity-swap basierende Verfahrensweise in der Insolvenz von Unternehmen vor, deren Anteile öffentlich gehandelt werden. 83 Diese sollte nicht nur die von ihm als unzureichend empfundene Verhandlungsstruktur eines Planverfahrens ersetzen. 84 Er kritisierte vor allem auch das Ergebnis einer gerichtlichen Reorganisation, würde diese doch häufig das reorganisierte Unternehmen mit einer erheblichen Restschuld gegenüber den alten Gläubigern belasten, was unmittelbar die Überlebensfähigkeit des reorganisierten Unternehmens beeinträchtige. 85 Als Lösung sah Roe einen neuen Entscheidungsmechanismus vor, der Verhandlungen über den Unternehmenswert vermeidet und zugleich eine einheitliche, schuldenfreie Struktur in den Unternehmensfinanzen schafft. Roe schlug vor, die in jedem Insolvenzverfahren nach der Feststellung der Höhe und Rangfolge der Gläubigerforderungen die nun notwendige Bewertung des Schuldnerunternehmens durch eine stichprobenartige Veräußerung von Unternehmensanteilen am Kapitalmarkt vorzunehmen – in seinem Beispiel 83 Roe, 83 Colum. L. Rev. 527 ff. (1983). Auf S. 530 (in Fn. 8) beschränkte er seinen Vorschlag ausdrücklich auf solche Unternehmen und schloss kleine Unternehmen ohne handelbare Anteile aufgrund des fehlenden Marktes explizit von seinem Verfahrensweg aus. Für diese bevorzugte er später in seinem Lehrbuch sogar die Verhandlungslösung in einem Planverfahren (insbesondere in solchen Fällen, in denen der bisherige Eigentümer und Manager im Unternehmen gehalten werden soll); Roe, Corporate Reorganization, S. 165. Ein funktionierender Markt für kleine insolvente Unternehmen würde wohl tatsächlich fehlen, Roe, Corporate Reorganization, S. 581. 84 Roe, 83 Colum. L. Rev. 527, 542 ff. (1983). Später wiederholte er diese Kritik in seinem Lehrbuch: Roe, Corporate Reorganization, S. 125 ff. und 579 ff. 85 Roe, 83 Colum. L. Rev. 527, 549 ff. (1983).

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durch die Veräußerung von 10 Prozent der neu zu verteilenden Anteile am reorganisierten Unternehmen. 86 Eine Hochrechnung aus dem so ermittelten Marktwert der Anteile ergäbe eine sichere Grundlage für die Festsetzung des Fortführungswertes des gesamten Unternehmens. Hierauf aufbauend soll im nächsten Schritt ein debt-equity-swap, also eine Umwandlung von Forderungen in Anteile an der reorganisierten Gesellschaft, erfolgen. Die Gläubiger würden dazu die nicht veräußerten Anteile am reorganisierten Unternehmen sowie den Erlös aus dem Stichprobenverkauf entsprechend der Rangfolge ihrer Forderungen erhalten. Sämtliche Altschulden sowie die Rechte der alten Eigentümer am Unternehmen würden nach der Platzierung der neuen Anteile erlöschen. 87 Im Ergebnis dieses Prozesses wären nicht nur die Gläubiger entsprechend ihrer Rangfolge befriedigt; auch die reorganisierte Gesellschaft wäre schuldenfrei und mit einer neuen, einfachen Kapitalstruktur ausgestattet. 88 Wesentliche Grundlage seines Modells sei ein funktionierender Markt, der ausreichende Informationen über das Unternehmen besitzt und dieses weder systematisch über- noch unterbewertet – eine Voraussetzung, die jedenfalls für große Kapitalgesellschaften gegeben sei. 89 Insbesondere will Roe keinen Informationsvorteil hinsichtlich der Unternehmensbewertung durch ein Insolvenzgericht anerkennen, könnten doch alle Informationen, die an den Richter gelangen, ebenso auch an den Kapitalmarkt weitergegeben werden.90 Zudem seien 86 Roe, 83 Colum. L. Rev. 527, 559 (1983); ders., Corporate Reorganization, S. 582. Eine Darstellung des Modells in deutscher Sprache findet sich etwa bei Achsnick, Options-Modelle, S. 65; Dilger, Auktionen in Insolvenzen, S. 144 f.; Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 97. 87 In seinem Beispiel – siehe Roe, 83 Colum. L. Rev. 527, 559 (1983) oder auch Roe, Corporate Reorganization, S. 582 f. – werden 10.000 der 100.000 neuen Anteile am Unternehmen veräußert, wobei in der Emission $ 10 pro Anteil am Markt erzielt werden. Hieraus ergibt sich ein extrapolierter Unternehmenswert von $ 10 Mio. Folgerichtig erhalten die vorrangigen Gläubiger für ihre Forderungen von $ 5 Mio. 500.000 Anteile, die einfachen Gläubiger für ihre Forderungen von $ 10 Mio. 400.000 Anteile. Im Übrigen gehen sie und die alten Anteilseigner leer aus. Der Veräußerungserlös deckt die Verfahrenskosten und wird im Übrigen an die einfachen Gläubiger verteilt. Gesicherte Gläubiger werden vom gesamten Verfahren überhaupt nicht beeinträchtigt; sie behalten ihrer Sicherheiten, Roe, 83 Colum. L. Rev. 527, 593– 595 (1983), oder bekommen neue; Roe, Corporate Reorganization, S. 588. 88 Roe, 83 Colum. L. Rev. 527, 559 (1983). 89 Roe, 83 Colum. L. Rev. 527, 560 ff., 563 (1983). Skeptisch diesbezüglich etwa Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 98; LoPucki/Doherty, 106 Mich. L. Rev. 1, 41 (2007–2008). Insbesondere scheint fraglich, ob überhaupt jemand einen angemessenen Preis für Anteile zahlen wird, die nur zehn Prozent aller Anteile darstellen und deren Erwerb daher keinerlei Kontrolle über das Unternehmen ermöglicht – so zutreffend Achsnick, Options-Modelle, S. 67; Dilger, Auktionen in Insolvenzen, S. 149; Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 99. Roe konnte in seiner späteren Stellungnahme zu diesen Punkten die Kritik zwar nicht entkräften, betonte aber, dass sein Modell dennoch im Vergleich mit der Unternehmensbewertung im Planverfahren durch die Beteiligten und das Gericht überlegen wäre – siehe Roe, Corporate Reorganization, S. 588 f. 90 Roe, 83 Colum. L. Rev. 527, 564 (1983); ders., Corporate Reorganization, S. 585.

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Manipulationsgefahren während der Marktbewertung beherrschbar.91 Im Ergebnis würden auf diesem Wege die Gläubiger unmittelbar in die Position von Gesellschaftern gelangen, aus der heraus sie dann über weitere Sanierungsmaßnahmen entscheiden könnten. Alternativ stünde ihnen auch offen, ihre Anteile weiterveräußern und damit in Bargeld umzusetzen. Roe sah in seinem Modell zwar einen Gegenentwurf zum geltenden Recht, wollte die Effizienzvorteile seines Modells aber dennoch in die gegenwärtige Insolvenzpraxis einbringen und schlug vor, den stichprobenartigen Verkauf und anschließenden debt-equity-swap als Planentwurf in einem Planverfahren vorzulegen und mit den dort stattfindenden Verhandlungen zu kombinieren.92 Damit verzichtete er leider bewusst auf den wesentlichen Zeitvorteil seines Vorschlags, der gerade in dem Vermeiden jeglicher Planverhandlungen liegt. Dieser Nachteil wird durch das Verfahrensrecht in Chapter 11 weiter verstärkt.93 Zum einen wird sein Modell wohl erst als Teil eines Gläubigerplans eingebracht werden, was im Chapter 11-Verfahren bedeutet, dass es erst nach Ablauf der Exklusivitätsperiode von mindestens 120 Tagen überhaupt zum Verhandlungsgegenstand wird. Zudem kann der Stichprobenverkauf selbst bei einem solchen Vorgehen erst erfolgen, wenn entsprechend des vorgelegten Plans verfahren, der Plan also durchgeführt wird, wozu dieser zuvor angenommen und bestätigt werden muss. Damit bliebe dann aber gerade die Verhandlungsphase des Planverfahrens eben mit der Unsicherheit belastet, die Roe beseitigen will. Die Klarheit über den Unternehmenswert kommt zu spät.94 Auch eine Stichprobe zu Beginn des Planverfahrens hilft kaum weiter, da wegen der zu diesem Zeitpunkt noch bestehenden Unklarheiten über die Unternehmenszukunft der Markt zu einer Unterbewertung tendieren wird.95 In seinem Lehrbuch aus dem Jahr 2000 96 verteidigte Roe zunächst nochmals seinen Vorschlag und plädierte erneut für ein Insolvenzverfahren, das auf einer Unternehmensbewertung durch den Markt basiert. Am Ende bot er dann angesichts der mit seinem Modell verbundenen Schwierigkeiten einen Kompromiss an und verlangte zumindest eine Gesetzesänderung, die es den Insolvenzgerichten erlaubt, in Fällen gescheiterter oder zu langwieriger Planverhandlungen zur Reorganisation des Unternehmens eigenständig auf Marktbewertungen zu91 Roe, 83 Colum. L. Rev. 527, 575 ff. (1983). Leider erscheint eine extrapolierte Unternehmensbewertung schon aus der Natur der Sache heraus anfällig für Verzerrungen – so zutreffend Achsnick, Options-Modelle, S. 67; Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 99; White, in: Handbook of Law and Economics, Vol. 2, S. 1036. 92 Roe, 83 Colum. L. Rev. 527, 599 f. (1983). 93 Roe, 83 Colum. L. Rev. 527, 599 f. (1983). 94 Dieses Manko sieht auch Roe, 83 Colum. L. Rev. 527, 600 (1983). 95 Auch dieses Manko sieht Roe, 83 Colum. L. Rev. 527, 600, Fn. 239 (1983). Hierauf basiert etwa auch die Kritik von Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 99 f. und Achsnick, Options-Modelle, S. 67. 96 Roe, Corporate Reorganization, S. 578 ff.

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rückgreifen zu dürfen.97 Auch wenn Mark J. Roe damit heute sein Modell wohl aufgegeben hat, bleibt es doch in der Retrospektive sein Verdienst, die Nutzung eines debt-equity-swap in die Diskussion um die beste Verfahrensweise mit Unternehmensinsolvenzen eingebracht zu haben. b) Das Bebchuk-Modell Die Idee Roes der Insolvenzbewältigung mittels eines debt-equity-swap wurde im Jahr 1988 durch Lucian A. Bebchuk aufgegriffen und nun zum Grundpfeiler eines Verfahrensmodells weiterentwickelt.98 In seinem Vorschlag verzichtet Bebchuk im Gegensatz zu Roe auf jede Auktion des Schuldnerunternehmens oder seiner Anteile. Eine solche sei überflüssig, da eine Unternehmensbewertung durch die Preisbildung des Marktes nach seinem Modell gänzlich überflüssig würde. Das Hauptproblem jedes Reorganisationsverfahrens wäre somit gelöst, würde doch klassischerweise von dem Verhältnis des Zerschlagungszum Fortführungswert des insolventen Unternehmens, also von Unternehmensbewertungen, abhängen, ob eine Reorganisation oder eine Zerschlagung zweckmäßig wäre. Bebchuk will nun nicht das Unternehmen oder dessen Anteile, sondern Optionen auf den Erwerb von Anteilen am reorganisierten Unternehmen am Markt handeln und bewerten lassen. Hierzu geht Bebchuk wie Roe davon aus, dass die Höhe und die Prioritäten der Forderungen der Gläubiger gegen die Schuldnergesellschaft feststehen. Die Gläubiger könnten folglich in Gruppen oder Klassen aufteilt werden, deren rangmäßige Berechtigung am gesamten Schuldnervermögen unstreitig ist, so dass auf ihrer Grundlage ein debt-equity-swap erfolgen kann.99 Hierauf aufbauend will Bebchuk alle Forderungen gegen sowie alle Anteile am Schuldnerunternehmen auslöschen und im Gegenzug neue Anteile für das reorganisierte Unternehmen ausgeben. Die Zuteilung dieser Aktien soll dabei allerdings nicht sofort durch das Insolvenzgericht, sondern durch einen Optionsmechanismus erfolgen, der eine tatsächliche Feststellung und Bezifferung des Unternehmenswertes durch die Ermittlung des Anteilswertes ersetzt. Die Abwicklung dieses Options-Prozesses will Bebchuk einem »clearing agent« übertragen, wobei als solcher sowohl ein Angestellter im Schuldnerunternehmen als auch ein Urkundsbeamter am Insolvenzgericht oder ein sonstiger Dritter in Betracht komme.100 97

Roe, Corporate Reorganization, S. 590. Bebchuk, 101 Harv. L. R. 775, 785 ff. (1987–1988). 99 Der Umstand, dass einzelnen Gläubigern für ihre Forderungen Sicherungsrechte an einzelnen Unternehmensgegenständen zustehen, soll dabei für die Frage nach der Rangfolge der Gläubigerforderungen keine Rolle spielen. Die Behandlung der gesicherten Gläubiger will Bebchuk vielmehr im Anschluss an den debt-equity-swap durch die neuen Eigentümer in einem Reorganisationsplan klären lassen – siehe Bebchuk, 101 Harv. L. R. 775, 802 f. (1987– 1988). 100 Dies ergibt sich aus der späteren Konkretisierung seines Modells im Jahr 2000 – siehe Bebchuk, paper w7614 (2000), S. 9. 98

A. Das Planverfahren als effizientester Verfahrensweg

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Dieser clearing agent soll in einem ersten Schritt allen Gläubigern und Anteilseignern entsprechend ihres Gruppenranges Rechte bzw. Optionen zuweisen. Die erstrangigen Gläubiger101 erhielten das Recht (»type-A right« bzw. »type-1 right«) 102 auf Bezug aller neuen Anteile, wobei jeder erstrangige Gläubiger entsprechend seines verhältnismäßigen Anteils an der Summe aller vorrangigen Schulden berücksichtigt würde. Dieses Recht könnte vom clearing agent nur gegen eine volle Befriedigung des jeweiligen Gläubigers abgelöst werden.103 Die einfachen Gläubiger erhielten eine Option (»type-B right« bzw. »type-2 right«), die sie berechtigt, Anteile vom clearing agent zu einem Preis zu kaufen, welcher der vollen Befriedigung eines vorrangigen Gläubigers pro Anteil entspricht. Da jeder Anteil am reorganisierten Unternehmen den fixen Wert eines pro-rata-Anteils aller vorrangigen Forderungen hat, würde jeder einfache Gläubiger wissen, wie viel Geld er zum Erwerb eines oder mehrerer Anteile aufwenden muss.104 Die Ausübung dieser Option müssten sie bis zum Ausübungszeitpunkt gegenüber dem clearing agent anzeigen und selbst dann kämen sie nur zum Zuge, wenn dieser die ausgeübte Option nicht gegen die volle Befriedigung der jeweiligen einfachen Gläubiger auslöst.105 Alle Gesellschafter des Schuldners erhielten nämlich ebenfalls eine Option (»type-C right« bzw. »type-3 right«), die sie zum Erwerb von Gesellschaftsanteilen berechtigt und die nicht vom clearing agent ausgelöst werden kann. Der Ausübungspreis dieser Option entspricht nun der Summe, die zur Befriedigung alle vorrangig am Anteil berechtigten Gläubiger notwendig ist.106 Theoretisch könne diese Zuweisung von Rechten auf die neuen Gesellschaftsanteile auf eine unbegrenzte Vielzahl von Gläubiger- bzw. Eigentümergruppen erweitert werden.107 Alle zugeteilten Optionen seien dabei nicht sofort, sondern bis zu einem Stichtag gegenüber dem clearing agent auszuüben, wobei Bebchuk einen Ausübungszeitraum von ca. einem Monat nach der Zuteilung der Opti101 Es sei hier nochmals darauf hingewiesen, dass der Umstand, dass einzelnen Gläubigern für ihre Forderungen Sicherungsrechte an einzelnen Unternehmensgegenständen zustehen, auf die Rangfolge der Forderungen keinen Einfluss haben soll – siehe Bebchuk, 101 Harv. L. R. 775, 802 f. (1987–1988). Die erstrangigen Gläubiger sind in Bebchuks Modell daher nicht mit den gesicherten Gläubigern gleichzusetzen – unzutreffend insofern die Darstellung bei Drukarczyk, in: MünchKomm, InsO, § 245 Rn. 94; Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 103 f. oder Huelsdunk, KTS 1999, 291, 306. 102 In Bebchuk, 101 Harv. L. R. 775, 786 (1987–1988) benannte er dieses Recht als »type-A right«, in seiner Konkretisierung aus dem Jahr 2000 hingegen »type-1 right«, ohne dass damit eine inhaltliche Änderung verbunden gewesen wäre – vgl. Bebchuk, paper w7614 (2000), S. 10. 103 Bebchuk, 101 Harv. L. R. 775, 785 und 800 (1987–1988) sowie paper w7614 (2000), S. 10. 104 Bebchuk, 101 Harv. L. R. 775, 800 (1987–1988). 105 Bebchuk, 101 Harv. L. R. 775, 786 (1987–1988) sowie paper w7614 (2000), S. 10. 106 Bebchuk, 101 Harv. L. R. 775, 786 (1987–1988) sowie paper w7614 (2000), S. 10. 107 Bebchuk, 101 Harv. L. R. 775, 800 (1987–1988) sowie paper w7614 (2000), S. 10.

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onen für angemessen hält.108 Die Optionsrechte aller Gruppen sollen in diesem Zeitraum handelbar sein, so dass auch investitionswillige Dritte in den Bewertungsprozess einsteigen könnten.109 Am Stichtag wisse dann der clearing agent, an wen er alle neuen Anteile am reorganisierten Unternehmen zu verteilen hat. Die Funktionsweise des Modells soll an folgendem Beispiel kurz verdeutlicht werden: 110 Sollen für ein reorganisiertes Unternehmen 100.000 Aktien mit einem Nominalwert von 10 Euro ausgegeben werden und sind im Verfahren erstrangige Gläubiger mit Forderungen von insgesamt 500.000 Euro sowie einfache Gläubiger mit Forderungen von 800.000 Euro beteiligt, so ist das A-Recht eines erstrangigen Gläubigers am Stichtag 5 Euro pro Anteil wert. Jeder einfache Gläubiger, der ein Anteil am Unternehmen erwerben will, muss also an einen vorrangigen Gläubiger 5 Euro pro Anteil zahlen. Halten die einfachen Gläubiger diese Investition aufgrund des Reorganisationskonzeptes für sinnvoll und werthaltig, so werden alle vorrangigen Gläubiger voll befriedigt und die Unternehmensanteile gingen am Stichtag an die einfachen Gläubiger. Dazu kommt es aber nur, wenn deren B-Option am Stichtag tatsächlich zum Zuge kommt, kann diese doch von nachrangigen Beteiligten abgelöst werden, was am Stichtag 13 Euro pro Anteil kosten würde, da sowohl die erstrangigen als auch die einfachen Gläubiger pro Anteil voll befriedigt werden müssten, um deren Bezugsrecht auf Gesellschaftsanteile zu erhalten.111 Halten die Gesellschafter als Inhaber des letztrangigen Ablösungsrechts (C-Option) die Anteile an der reorganisierten Gesellschaft für so werthaltig, so werden auch sie ihre Optionen ausüben. Anderenfalls gehen sie leer aus und die Anteile an der reorganisierten Gesellschaft verbleiben in den Händen derjenigen einfachen Gläubiger, die Anteile gegen Barzahlung an die vorrangigen Gläubiger erworben haben. Wird dem Unternehmen hingegen allgemein keine Fortführung zugetraut, so wird niemand Geld für die dann ja wertlosen Optionen zahlen und die Anteile gehen am Stichtag entsprechend des A-Rechts allein an die vorrangigen Gläubi-

108 Bebchuk, paper w7614 (2000), S. 11. In seinem ursprünglichen Modell arbeitete Bebchuk noch mit einem Zeitraum von fünf Tagen – vgl. Bebchuk, 101 Harv. L. R. 775, 785 (1987– 1988). 109 Bebchuk, 101 Harv. L. R. 775, 786 (1987–1988) sowie paper w7614 (2000), S. 11. Kritisch diesbezüglich Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 106 f., der »durch diese Hintertür« die Gefahr einer Unterbewertung der Anteile und Optionen durch den Markt sieht, die das Modell entwertet; ebenso Huelsdunk, KTS 1999, 291, 308 f. 110 Erläuterungen des Bebchuk-Modells in deutscher Sprache finden sich etwa auch bei Achsnick, Options-Modelle, S. 68 f.; Dilger, Auktionen in Insolvenzen, S. 157 ff.; Drukarczyk, in: MünchKomm, InsO, § 245 Rn. 93 f.; Drukarczyk/Schöntag, FS Schmidt, 2006, 649, 655 f. und 666 f.; Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 103 ff.; Huelsdunk, KTS 1999, 291, 306. 111 Bebchuk, 101 Harv. L. R. 775, 786 (1987–1988). Auf Sondersituationen, insbesondere den Fall, dass nur einzelner Gläubiger einer Gruppe ihre Kaufoption ausüben, geht er auf S. 787 f. ein. Eine Erläuterung möglicher Konstellationen findet sich auch bei Bebchuk, paper w7614 (2000), S. 11.

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ger, die in der Folge über die Verwertung des Unternehmens entscheiden können.112 Im Ergebnis dieses Options-Prozesses werden alle Anteile am zu reorganisierenden Unternehmen durch einen debt-equity-swap neu verteilt, wobei die Rangfolge der Befriedigungsrechte der Gläubiger und Anteilseigner am Schuldnerunternehmen gewahrt wird.113 Die so gefundenen, neuen Eigentümer sollen dann über die Verwertung des nun in ihren Händen befindlichen Unternehmens, also über dessen Liquidation, Veräußerung als Einheit oder aber Reorganisation, entscheiden und das dazu passende Management einsetzen.114 Gleichzeitig erlöschen alle Forderungen und Rechte der Gläubiger und Anteilseigner gegen bzw. an der insolventen Gesellschaft, ohne dass es eines weiteren Verfahrens bedarf. Das Bebchuk-Modell ermöglicht insgesamt die Bewertung der Fortführungschancen wie auch des Fortführungswertes des Unternehmens zu Marktbedingungen durch die Investitionsentscheidungen der Beteiligten in den einzelnen Gruppen sowie durch den Markt, den am Optionserwerb interessierte Dritte bilden. Traut jemand dem Unternehmen eine erfolgreiche Zukunft zu, so werden Anteile durch die Aufwendung von Barmitteln erworben. Fehlt dieses Vertrauen, so fallen alle Anteile an die erstrangigen Gläubiger, die sodann als einzige aus dem Unternehmen Befriedigung erlangen können.115 Die übrigen Beteiligten gehen entsprechend ihres Ranges leer aus. Jede Bestimmung des tatsächlichen Fortführungswertes des gesamten Unternehmens, sei es durch den Markt, den Richter oder einen der Beteiligten, wird in der Tat überflüssig.116 Das Insolvenzverfahren könnte entscheidend gestrafft werden.117

112

Bebchuk, 101 Harv. L. R. 775, 785 und 800 (1987–1988). Dies betont Bebchuk ausdrücklich – vgl. Bebchuk, 101 Harv. L. R. 775, 790–792 (1987– 1988) sowie paper w7614 (2000), S. 13 ff. 114 Bebchuk, paper w7614 (2000), S. 12, betont, dass in diesem Punkt sein Modell sehr dem von Aghion, Hart und Moore ähnelt, das anschließend vorgestellt werden soll. Die damit auch in Bebchuks Modell im Verfahren vorhandene Unsicherheit hinsichtlich der späteren Verwertung des Unternehmens durch die neuen Eigentümer wirkt sich allerdings anders als im Modell von Roe nicht nachteilig auf die Unternehmensbewertung aus, da Bebchuk auf eine echte Preisbildung im Prozess verzichtet (in diesem Sinn auch Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 108). Diejenigen, die eine Fortführung des Unternehmens anstreben, dürften vielmehr sogar diejenigen sein, die dafür einen höheren Unternehmenswert und folgerichtig einen höheren Anteilswert ansetzen, so dass sie im Optionszeitraum aktiv bieten werden, um Anteile zu erwerben. Sie dürften daher am Ende des Prozesses in der Regel die Anteilsmehrheit innehaben. 115 Bebchuk, 101 Harv. L. R. 775, 791 (1987–1988). 116 Gerade hierin sah Bebchuk, 101 Harv. L. R. 775, 789 f. (1987–1988), den Hauptvorteil seines Modells. 117 Bebchuk, paper w7614 (2000), S. 13: The options procedure »would streamline the insolvency process considerably« and »would get the company faster out of insolvency (with its associated financial distress costs) and into efficient decision-making.« 113

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Bebchuk konzipierte sein Modell dementsprechend auch als Reformvorschlag.118 Er kritisierte das geltende Reorganisationsverfahren in Chapter 11, insbesondere die negativen Auswirkungen der in ihm notwendigen Bewertungsentscheidungen, und teilte insofern ausdrücklich die Kritik Roes.119 Auf ein Insolvenzverfahren als solches wollte er dennoch nicht verzichten. Insbesondere benötigt sein Modell ein Feststellungs- und Prüfungsverfahren hinsichtlich der Gläubigerforderungen, wie es das geltende Recht enthält. Und selbst zur Frage der Notwendigkeit einer Reorganisationsoption in der Insolvenz wollte Bebchuk ebenfalls ausdrücklich keine Stellung nehmen,120 obwohl nach seinem Modell eine solche Option im gerichtlichen Verfahren doch gerade überflüssig werden könnte. Im Gegenteil, Bebchuk wollte sein Modell wie Roe zunächst nur im Rahmen des geltenden Reorganisationsrechts in Form eines Planvorschlags zur Anwendung bringen, da er einen bestätigten Plan weiterhin für notwendig hielt, um die über das Modell hinausgehenden Fragen der Kapitalstruktur des reorganisierten Unternehmens, der Behandlung gesicherter Gläubiger sowie der Erfüllung bzw. Ablehnung schwebender Verträge zu klären.121 Damit verschenkt Bebchuk (wie schon zuvor Roe) den wesentlichen Zeitvorteil seines Modells, da Planverhandlungen weiterhin notwendig blieben. Der Gewinn seines Modells bliebe allein auf den Umstand beschränkt, dass Verhandlungen über den Fortführungswert überflüssig würden. Ob sich allein hiermit tatsächlich ein Gewinn an Verfahrenseffizienz erzielen ließe, scheint zweifelhaft.122 c) Weiterentwicklungen der Modelle von Roe und Bebchuk Die Modellideen von Roe und Bebchuk machten deutlich, dass ein debt-equityswap in der Insolvenz eines Unternehmens eine entscheidende Hilfe sein kann, ermöglicht er es doch grundsätzlich, die Entschuldung des Unternehmens mit einer gerechten Gläubigerbefriedigung zu verbinden, ohne auf Planverhandlungen oder eine richterlich kontrollierte Unternehmensbewertung angewiesen zu sein. Diese Vorteile ließen schon bald Modelle entstehen, die die Gedanken von Roe und Bebchuk aufnahmen und weiterentwickelten. Zum Teil diente in diesen Modellen der debt-equity-swap nur der Entlastung des Krisenunternehmens von einzelnen Schuldtypen und war insofern lediglich als Hilfsmittel in der Krise gedacht. In diesem Sinne hat etwa Donald R. Korobkin vorgeschla118

Bebchuk, 101 Harv. L. R. 775, 797 f. (1987–1988). Bebchuk, 101 Harv. L. R. 775, 778 ff. (1987–1988). 120 Bebchuk, 101 Harv. L. R. 775, 776 f. (1987–1988). Er hielt seine Theorie für vereinbar mit dem geltenden amerikanischen Insolvenzrecht und lehnte folgerichtig eine Abschaffung des Reorganisationsrechts in Chapter 11 ab (S. 781). 121 Bebchuk, 101 Harv. L. R. 775, 798, 801 ff. (1987–1988). Den Planvorschlag erwartete er dann im Regelfall von den erstrangigen Gläubigern (S. 799). 122 Der Beibehaltung des Planelements kritisiert auch Dilger, Auktionen in Insolvenzen, S. 178 ff., 180. 119

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gen, zur Entlastung von Unternehmen in finanziellen Krisen deren öffentlich gehandelte Anleihen mit einer Klausel auszustatten, nach welcher sich diese Anleihen unter bestimmten Krisenbedingungen automatisch in (neue) Anteile am Unternehmen umwandeln, um so das Unternehmen in der Krise zumindest teilweise schnell zu entschulden.123 Interessanter sind im Kontext der hier untersuchten Fragestellung allerdings die Vorschläge, die einen debt-equity-swap dazu nutzen wollen, das Unternehmen in der Insolvenz vollständig zu entschulden, um auf diese Weise das Unternehmen ohne Planverhandlungen zu sanieren. (1) Ben Branch Ben Branch versuchte im Jahr 1998, das Modell Bebchuks effektiver in das geltende amerikanische Planverfahren einzubinden.124 Hierzu schlug er vor, das Reorganisationsverfahren nach Chapter 11 für große, börsennotierte Unternehmen125 generell auf sechs Monate zu beschränken. Komme in diesem Zeitraum kein Plan zustande, so sei das Verfahren gescheitert und in ein Liquidationsverfahren nach Chapter 7 umzuwandeln.126 Zugleich will er den Gläubigern in diesem Zeitraum das Recht einräumen, das Unternehmensmanagement zu wechseln, indem diese einen neuen Vorstand (»board of directors«) wählen, welcher zugleich die Funktionen des Gläubigerausschusses übernehme.127 Scheitert das Reorganisationsverfahren, so solle in der Liquidation ein Optionsverfahren nach Bebchuk unter gerichtlicher Leitung stattfinden. Den Ausübungszeitraum für die Optionen will Branch dabei allerdings auf ein (Berichts-)Jahr ausdehnen, um dem Unternehmen Zeit zu geben, eine Reorganisation einzuleiten und damit Vertrauen in die Zukunftschancen am Kapitalmarkt zu erzeugen.128 In diesem Zeitraum würden alle Anteile an der Schuldnergesellschaft, aber auch alle Optionsrechte frei am Markt gehandelt werden, wobei die Optionsrechte als Belastungen der Anteilsrechte zu verstehen seien. Auch eine Ablösung der Bezugsrechte und Optionen entsprechend des Bebchuk-Modells sei in dieser Phase bereits möglich, wodurch unbelastete Anteile am Unternehmen entstünden.129 Am Ende des Ausübungszeitraums sollten daher nur noch wenige Optionsrechte (und folglich ebenso wenige belastete Anteilsrechte) vorhanden sein, welche am Stichtag je nach der Marktbewertung des Unternehmens entweder ausgeübt oder verfallen würden.130 Im Ergebnis würde das Unternehmen mit neuer Eigentümerstruktur und ohne seine alte Schulden aus dem Insol123 124 125 126 127 128 129 130

Korobkin, 78 Iowa L. Rev. 669, 727 f. (1992–1993). Branch, 27 Fin. Mgmt. 57 ff. (1998). Branch, 27 Fin. Mgmt. 57, 66 (1998). Branch, 27 Fin. Mgmt. 57, 64 (1998). Branch, 27 Fin. Mgmt. 57, 62 f. (1998). Branch, 27 Fin. Mgmt. 57, 60 (1998). Branch, 27 Fin. Mgmt. 57, 65 (1998). Branch, 27 Fin. Mgmt. 57, 66 (1998).

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Kapitel 5: Optimierung des deutschen Reorganisationsrechts in der Insolvenz

venzverfahren hervorgehen und könnte dann wie jedes andere Unternehmen über weitere finanzwirtschaftliche Maßnahmen entscheiden.131 Branchs Modell behebt die Schwächen in Bebchuks Vorschlag, da es langwierige Planverhandlungen von vornherein vermeidet. Es ist dafür allerdings noch mehr auf funktionierende Kapitalmärkte angewiesen, die die parallele Emission von Options-, Bezugs- und Anteilsrechten richtig bewerten und eine dem Unternehmenswert angemessene Nachfrage für diese Finanzprodukte erzeugen können. Das Modell kann daher allenfalls bei Insolvenzen großer, börsennotierter Unternehmen zum Zuge kommen, deren Anteile an den Börsen der entwickelten Industrieländer gehandelt werden. Eine Alternative zum geltenden Unternehmensinsolvenzrecht als solchem kann und will es nicht sein. (2) Philippe Aghion, Oliver Hart und John Moore Andere Fortentwicklungen des Bebchuk-Modells hatten vor allem zum Ziel, den Optionsmechanismus nicht nur als Liquidations-, sondern auch als Reorganisationsverfahren in der Insolvenz zu nutzen. Besondere Prominenz erlangte dabei vor allem das in England publizierte Modell von Philippe Aghion, Oliver Hart und John Moore,132 das die Idee des Options-Prozesses von Bebchuk wieder mit dem Gedanken einer Auktion verbindet. Hierzu schlagen die Autoren im Falle einer Unternehmensinsolvenz vor, dass eine Person, etwa der Insolvenzrichter,133 mit der Leitung eines Verfahrens betraut wird, das aus folgenden Schritten besteht. Zunächst sollen schon mit der Verfahrenseröffnung alle offenen Forderungen gegen das Unternehmen sowie alle Anteilsrechte an demselben erlöschen. An deren Stelle erhalten alle Beteiligten Bezugsrechte und Optionen nach dem Bebchuk-Modell.134 Für das auf diese Weise bereits entschuldete Unternehmen bzw. dessen fortführenswerte Teile soll der Verfah131

Branch, 27 Fin. Mgmt. 57, 67 (1998). Aghion/Hart/Moore, 8 J. L. Econ. & Org. 523 ff. (1992). Eine Weiterentwicklung des Modells, insbesondere dessen Annäherung an das englische Insolvenzrecht, erfolgte im Jahr 1995 in Aghion/Hart/Moore, Insolvency Law & Practice 67 ff. (1995). Siehe auch Hart, Firms, Contracts and Financial Structure, S. 169 ff. Erläuterungen des Modells in deutscher Sprache finden sich etwa auch bei Achsnick, Options-Modelle, S. 72 ff.; Dilger, Auktionen in Insolvenzen, S. 189 ff.; Drukarczyk, in: MünchKomm, InsO, § 245 Rn. 95 f.; Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 109 ff. 133 Vgl. Aghion/Hart/Moore, 8 J. L. Econ. & Org. 523, 533. Im englischen Recht solle stattdessen auch der Insolvenzverwalter oder der vom Inhaber einer floating charge eingesetzte Receiver verantwortlich sein können; Aghion/Hart/Moore, Insolvency Law & Practice 67 f. und 70 (1995). 134 Hierbei ist als wichtige Abweichung zum Vorschlag Bebchuks zu bemerken, dass Aghion, Hart und Moore in ihrem Ausgangsmodell gesicherte Gläubiger in den Prozess einbeziehen und als vorrangige Gläubiger behandeln wollen – vgl. dies., 8 J. L. Econ. & Org. 523, 542 (1992); kritisch hierzu Dilger, Auktionen in Insolvenzen, S. 197 f. In ihrer späteren Modellanpassung an das englische Recht wollen sie demgegenüber wie Bebchuk die Forderungen der gesicherten Gläubiger aus dem debt-equity-swap herauslassen, so dass diese Rechte im Prozess unangetastet blieben – vgl. Aghion/Hart/Moore, Insolvency Law & Practice 67, 68 f. und 132

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rensleiter gleichzeitig im Sinne einer Auktion Gebote einholen, wobei sowohl Bargebote für einen Unternehmenskauf als auch solche Gebote Berücksichtigung finden könnten, die in Form von Sanierungsplänen auf eine Reorganisation der Schuldnergesellschaft ausgerichtet sind und daher kein Barzahlung anbieten.135 Im ganzen soll dieser Verfahrenszeitraum maximal drei bis vier Monate dauern.136 Bis zu dessen Ende sollen die Gläubiger und Gesellschafter über die Ausübung oder Veräußerung ihrer Optionen nach dem Modell Bebchuks entscheiden.137 Die so gefundenen neuen Eigentümer des Unternehmens würden dann darüber abstimmen, ob und welches der eingegangenen Gebote sie annehmen.138 Wie Bebchuk halten somit auch Aghion, Hart und Moore einen Reorganisationsplan anstelle einer Unternehmensveräußerung als Verfahrensergebnis für denkbar.139 Ein solcher kommt bei ihrem Modell aber nicht mehr in einem klassischen Planverfahren zustande. Vielmehr teilen die Autoren die grundsätzlichen Bedenken Bairds und Jacksons gegenüber der derzeitigen, auf Verhandlungen der Beteiligten vertrauenden Ausgestaltung des (amerikanischen) Reorganisationsverfahrens in Chapter 11.140 Andererseits halten sie einen bloßen debt-equity-swap als Reaktion auf eine Unternehmensinsolvenz für unzureichend, insbesondere da hierdurch das die Insolvenz verursachende Management im Unternehmen unangetastet bliebe.141 Ihr Modell soll demgegenüber die Vorzüge einer schnelle Marktbewertung durch einen Optionsmechanismus mit 71 (1995), insbesondere in Fn. 5.; kritisch diesbezüglich Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 109, Fn. 134. 135 Aghion/Hart/Moore, 8 J. L. Econ. & Org. 523, 524 und 533 ff. (1992); dies., Insolvency Law & Practice 67, 68 (1995). Als »noncash bid« soll dabei insbesondere das Angebot eines Reorganisationsplans beachtlich sein, der den Gläubigern neue Rechtspositionen am Schuldnerunternehmen einräumt. Zudem soll auch ein Plan des bisherigen Managements mit jeglichem Inhalt berücksichtigt werden können (S. 524, 533 f.). Später verlangen die Autoren zwingend von jedem Verfahrensleiter die Vorlage eines oder mehrerer Pläne mit möglichen Zukunftsszenarien im ersten Treffen der neuen Anteilseigner; vgl. Aghion/Hart/Moore, Insolvency Law & Practice 67, 71 f. (1995). 136 Aghion/Hart/Moore, 8 J. L. Econ. & Org. 523, 524 und 533 ff. (1992); dies., Insolvency Law & Practice 67, 68 und 71 (1995). 137 Aghion/Hart/Moore, 8 J. L. Econ. & Org. 523, 535 (1992). 138 Aghion/Hart/Moore, 8 J. L. Econ. & Org. 523, 536 (1992); dies., Insolvency Law & Practice 67, 72 (1995). 139 Aghion/Hart/Moore, 8 J. L. Econ. & Org. 523, 527 (1992). 140 Aghion/Hart/Moore, 8 J. L. Econ. & Org. 523, 529 (1992). Sie erweitern diese Kritik später auf das Planverfahren der englischen Administration und das Company Voluntary Arrangement – vgl. Aghion/Hart/Moore, Insolvency Law & Practice 67, 69 f. (1995). Ihr Modell sollte daher nach ihrer Ansicht auch das gegenwärtige Administration-Verfahren ersetzen oder diesem zumindest als Option an die Seite gestellt werden; Aghion/Hart/Moore, Insolvency Law & Practice 67, 69 f. (1995). In das Receivership-Verfahren des englischen Insolvenzrechts wollen die Autoren ihr Modell dagegen lediglich als Option einbringen – vgl. Aghion/Hart/Moore, Insolvency Law & Practice 67, 69 (1995). 141 Aghion/Hart/Moore, 8 J. L. Econ. & Org. 523, 531 (1992).

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Chancen eines Reorganisationsplans als möglichem Verfahrensergebnis im Wege der Annahme eines solchen »noncash«-Gebots sowie den Disziplinierungseffekten eines grundsätzlichen Managementwechsels vereinigen.142 (3) Hart, La Porta Drago, Lopez-de-Silanes und Moore Oliver Hart und John Moore stellten schon 1997 gemeinsam mit Rafael La Porta Drago und Florencio Lopez-de-Silanes eine Weiterentwicklung ihres mit Philippe Aghion entwickelten Modells vor. 143 Darin schlugen sie ein dreistufiges Insolvenzverfahren für Unternehmen vor. Nach der Einleitung eines gerichtlichen Insolvenzverfahrens und der Verhängung eines Vollstreckungsverbotes sollte in einer ersten Phase von bis zu drei Monaten ein Insolvenzverwalter (»receiver«) eingesetzt werden, dem neben der Organisation der Forderungsanmeldung und -prüfung vor allem die Einholung von Geboten für das Unternehmen obläge, wobei wiederum sowohl Bargebote als auch unbare Gebote in Form von Reorganisations-, Übertragungs- oder Zerschlagungsplänen eingereicht werden könnten, um auf diese Weise etwaige Unzulänglichkeiten auf den Kapitalmärkten und darauf basierende Liquiditätsprobleme bei Bietinteressenten zu vermeiden. Am Ende dieser Phase habe der Insolvenzverwalter alle eingegangenen Gebote sowie alle angemeldeten Forderungen zu veröffentlichen.144 In der anschließenden zweiten Phase, also im vierten Verfahrensmonat, würde der Insolvenzverwalter dann 100 Reorganisationsrechte (»reorganization rights«) am Unternehmen ausgeben. Diese sollten zunächst nach dem BebchukModell an die Gläubiger und Gesellschafter des Unternehmens verteilt werden,145 wobei die Autoren den Mechanismus Bebchuks dadurch effektivieren wollen, dass sie die Optionsausübung kaskadenweise in mehreren Runden ablaufen lassen. So sollen in einer ersten Runde allein die alten Gesellschafter über die Ausübung ihrer Optionen entscheiden. In der nächsten Runde sei dann die nächsthöherrangige Gruppe der Beteiligten zur Ausübung ihrer Optionen aufgerufen und solche Runden setzten sich solange fort, bis in allen Rängen über alle Optionen entschieden ist und folglich die Zuweisung der Reorganisations142 Aghion/Hart/Moore, 8 J. L. Econ. & Org. 523, 536 ff. (1992). Cornelli/Felli, 41 Eur. Econ. Rev. 475, 478 (1997), halten dieses Modell für optimal im Hinblick auf die eben genannten Anreize für alle Beteiligten. Insbesondere wäre es auf der Grundlage des Modells möglich, nach dem debt-equity-swap nicht alle, sondern nur die Mehrheit der Anteile am reorganisierten Unternehmen frei zu veräußern, wodurch den Gläubigern ein maximaler Gewinn gesichert werden könne. Aus der deutschen Litertur stehen insbesondere auch Achsnick, Options-Modelle, S. 71, 96; Drukarczyk (in: MünchKomm, InsO, § 245 Rn. 96), Eidenmüller (Unternehmenssanierung, S. 111 f.) und Huelsdunk (KTS 1999, 291, 312) dem Modell positiv gegenüber; kritisch hingegen Dilger (Auktionen in Insolvenzen, S. 196 ff.), der gerade die Anreicherung des Bebchuk-Modells um ein Auktionsverfahren für überflüssig hält (S. 203). 143 Hart/La Porta Drago/Lopez-de-SilanesMoore, 41 Eur. Econ. Rev. 461 ff. (1997). 144 Hart/La Porta Drago/Lopez-de-SilanesMoore, 41 Eur. Econ. Rev. 461, 464 (1997). 145 Hart/La Porta Drago/Lopez-de-SilanesMoore, 41 Eur. Econ. Rev. 461, 465 (1997).

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rechte klar sei.146 Ein weitere Abweichung vom Grundmodell Bebchuks liegt darin, dass die Autoren erst im Anschluss an diese »inside auction« Dritten, also dem eigentlichen Markt, die Gelegenheit geben wollen, in einer nun stattfindenden »public auction« Reorganisationsrechte am Unternehmen von den Rechteinhabern gegen Bargebote zu erwerben.147 Die Optionen sind folglich – anders als bei Bebchuk – bis zu ihrer Ausübung nicht handelbar. Am Ende der zweiten Verfahrensphase soll auf diese Weise feststehen, welchen Personen die 100 Reorganisationsrechte am Unternehmen zustehen. Zugleich erlöschen alle Forderungen gegen den und alten Anteilsrechte am Unternehmensträger.148 In der anschließenden dritten Phase, also am Ende des vierten Verfahrensmonats, sollen sich dann alle Inhaber von Reorganisationsrechten treffen, um über die in der ersten Phase vom Insolvenzverwalter eingeholten Gebote für das Unternehmen zu entscheiden. Da als Entscheidungsgegenstand hier sowohl Bargebote als auch Reorganisations-, Übertragungs- oder Zerschlagungspläne in Form unbarer Gebote in Betracht kommen, stimmen die Rechteinhaber der Sache über die künftige Verwendung des nun ihnen gehörenden Unternehmens ab, wobei sie nach Ansicht der Autoren als homogene Gesellschaftergruppe nun ein gemeinsames Interesse, das des maximalen shareholder value, verfolgen würden. Im Anschluss an diese Entscheidung würde das entschuldete Unternehmen das Insolvenzverfahren verlassen.149 In dieser dritten Phase ergibt sich keine Abweichung vom Modell von Aghion, Hart und Moore. Zudem wollen die Autoren auch hinsichtlich der Behandlung gesicherter Gläubiger, der vorübergehenden Fortführung des Unternehmens sowie deren Finanzierung, der Forderungsfeststellung und der Abstimmungsmodalitäten schlicht dem Vorgängermodell folgen.150 (4) »non-cash auctions« nach David Hahn David Hahn hält sowohl die Modelle von Bebchuk als auch die von Aghion, Hart und Moore bzw. von Hart, La Porta Drago, Lopez-de-Silanes und Moore insofern für unzureichend, als sie von den jeweiligen Bietern im Optionsverfahren das Aufbringen von Barleistungen erwarten würden, was gerade in Volkswirtschaften mit unzureichender Kreditversorgung, insbesondere aufgrund einer oligopolen Bankenlandschaft, schwierig sei und diese Modelle dort un-

146

Hart/La Porta Drago/Lopez-de-SilanesMoore, 41 Eur. Econ. Rev. 461, 469 (1997). Hart/La Porta Drago/Lopez-de-SilanesMoore, 41 Eur. Econ. Rev. 461, 465 (1997). Die Leitung dieser Auktion soll ebenfalls dem Insolvenzverwalter obliegen, der die Bargebote für Reorganisationsrechte sammeln und in einem »demand schedule« auflisten soll, wobei als Mindestgebot (»reserve price«) der auf einen Anteil entfallende Teil der offenen Forderung des Rechteinhabers zu beachten sei (S. 470 mit erläuternden Beispielen auf S. 471 f.). 148 Hart/La Porta Drago/Lopez-de-SilanesMoore, 41 Eur. Econ. Rev. 461, 466 (1997). 149 Hart/La Porta Drago/Lopez-de-SilanesMoore, 41 Eur. Econ. Rev. 461, 466 (1997). 150 Hart/La Porta Drago/Lopez-de-SilanesMoore, 41 Eur. Econ. Rev. 461, 472 (1997). 147

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tauglich erscheinen lasse.151 Für solche Volkswirtschaften schlägt er stattdessen eine Reduktion des Insolvenzverfahrens auf eine Auktion vor, bei der allein die von Aghion, Hart und Moore ins Spiel gebrachten »non-cash bids« zulässig sein sollen.152 Gebote für das insolvente Unternehmen dürften danach keine Barzahlungen, sondern allein Sanierungskonzepte beinhalten, die den Gläubigern eine Befriedigung aus zukünftigen Unternehmensgewinnen zusichern müssten, indem sie etwa Anleihen am reorganisierten Unternehmen oder Ratenzahlungen versprechen. Faktisch finde in der Auktion auf diese Weise ein Wettbewerb verschiedener Planlösungen statt.153 Anders als in einer klassischen Auktion würden die Gläubiger dabei nicht durch einen aus der Auktion fließenden Barerlös, sondern durch die künftigen Erlöse des Unternehmens befriedigt.154 Die Entscheidung über das zum Zuge kommende Plangebot müsse folgerichtig allein durch die betroffenen Gläubiger im Wege einer Abstimmung getroffen werden,155 die wie bei der gegenwärtigen Planabstimmung in Gruppen und unter der Geltung von Obstruktionsverboten erfolgen soll.156 Insgesamt mischt Hahn in seinem Modell Aspekte des geltenden Planverfahrens mit Aspekten des Modells von Aghion, Hart und Moore, wobei er den Kern dieses Modells (den debt-equity-swap nach Bebchuk) zum Zwecke der Umgehung einer Beteiligung des Kapitalmarkts vollständig entfernt. Dieses Vorgehen ist dem engen Anwendungsbereich geschuldet, auf den Hahn mit seinem Modell abzielt. In Volkswirtschaften mit funktionierenden Kapital- und Kreditmärkten fehlt hingegen von vornherein die Notwendigkeit zu einer derartigen Beschränkung des Insolvenzverfahrens, weshalb sein Modell in solchen Rechtsordnungen, insbesondere also auch in der deutschen, keine Bedeutung erlangen sollte. (5) Barry A. Adler und Ian Ayres (»dilution mechanism«) Barry A. Adler und Ian Ayres schlagen mit ihrem »dilution mechanism« ein Modell vor, dass in der Tradition von Aghion, Hart und Moore eine stilisierte Auktion mit einem dept-equity-swap nach Bebchuk verbindet.157 Hierzu wollen sie in der Insolvenz alle Rechte am Unternehmen erlöschen und dafür neue Anteile für das reorganisierte Unternehmen ausgegeben lassen. Diese fallen zunächst den höchstrangigen Gläubigern entsprechend des Nominalwertes ihrer Forderungen zu. Anders als im Bebchuk-Modell soll an dieser Stelle nun kein Options-Prozess beginnen. Stattdessen soll das Gericht bei diesen Gläubigern ermitteln, wie viele der Anteile sie zu gewissen Bedingungen (der Emission ei151 152 153 154 155 156 157

Hahn, 11 Stan. J. L. Bus. & Fin. 28, 63 f. (2005). Hahn, 11 Stan. J. L. Bus. & Fin. 28, 64 ff. (2005). Hahn, 11 Stan. J. L. Bus. & Fin. 28, 66 (2005). Hahn, 11 Stan. J. L. Bus. & Fin. 28, 68 (2005). Hahn, 11 Stan. J. L. Bus. & Fin. 28, 69 (2005). Hahn, 11 Stan. J. L. Bus. & Fin. 28, 70 ff. (2005). Adler/Ayres, 111 Yale L. J. 83 ff. (2001–2002).

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ner bestimmten Anzahl von kostenlosen »dilution shares«) veräußern würden. Zugleich soll das Gericht in Erfahrung bringen, wie viele der neuen Anteile die nachrangigen Gläubiger, Gesellschafter oder sonstige Marktteilnehmer zu denselben festen Bedingungen erwerben würden (»fixed-price auction«).158 Aus beiden Umfragen ergebe sich dann die Bewertung des Unternehmens.159 Anschließend würden die Anteile entsprechend des Auktionsergebnisses an die Beteiligten übertragen, wobei ihr Verkauf zu dem Preis erfolgt, der sich aus dem Überschneiden der Kaufinteressen mit den Verkaufsinteressen zu einem bestimmten Preis ergibt.160 Gingen die Beteiligten also etwa davon aus, dass das Unternehmen mehr wert ist als es den höchstrangigen Gläubigern schuldet, so würde dieser Schnittpunkt weit über dem Nominalwert des einzelnen Anteils liegen. Das Gericht müsste folgerichtig so viele weitere Anteile (»dilution shares«) kostenlos an jeden Käufer abgegeben, bis der Wert des einzelnen Anteils wieder seinem Nominalwert entspricht; der Anteilswert würde sprichwörtlich »verdünnt« (»diluted«).161 Der mit dem Verkauf erzielte Erlös soll den höchstrangigen Gläubigern zufallen. Im Gegenzug dürften die Käufer von Anteilen nun entsprechend der neuen Anteilsstruktur über das Schicksal des entschuldeten Unternehmens entscheiden. Würden hingegen die ermittelten Verkaufsangebote nicht an irgendeinem Punkt mit den abgegebenen Kaufangeboten übereinstimmen, da keiner der nachrangigen Gläubiger oder Marktteilnehmer einen Unternehmenswert annimmt, der die Forderungen der höchstrangigen Gläubiger abdeckt, so behalten letztere ihre Anteile und bestimmen selbst über die Verwertung des Unternehmens.162 Im Ergebnis wollen die Autoren mit ihrem Modell nicht nur das Wissen des Marktes, sondern auch das von Insidern (Gläubigern und Gesellschaftern) nutzen, um eine möglichst zutreffende Bewertung des Unternehmens zu erhalten, welches zugleich neu strukturiert und entschuldet wird. Daneben umginge man die Frage nach einem angemessenen Auktionspreis durch die Festsetzung eines Fixpreises. Das Modell sei zudem bereits unter dem geltenden Reorganisationsrecht des Chapter 11 anwendbar und könne insbesondere dazu dienen, den Wert der Rechte einer Minderheit festzustellen, die einen Planvorschlag ablehnt.163 158 Wegen der nicht unkomplizierten Einzelheiten der Gebotsermittlung siehe das Beispiel bei Adler/Ayres, 111 Yale L. J. 83, 100 ff. (2001–2002). 159 Adler/Ayres, 111 Yale L. J. 83, 102 f. (2001–2002). 160 Adler/Ayres, 111 Yale L. J. 83, 103 (2001–2002), sprechen vom »equilibrium level«. Der einzelne höchstrangige Gläubiger soll dabei die Wahl haben, ob und wie viele seiner Anteile er verkaufen will. 161 Adler/Ayres, 111 Yale L. J. 83, 102 (2001–2002). Sind mehrere Rangklassen nachrangiger Gläubiger sowie alte Anteileigner vorhanden, so sollen diese »dilution shares« entsprechend der Rangfolge verteilt werden (S. 115). 162 Adler/Ayres, 111 Yale L. J. 83, 111 (2001–2002). 163 Adler/Ayres, 111 Yale L. J. 83, 86 f. (2001–2002).

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Der »dilution mechanism« sei nach Ansicht beider Autoren damit insgesamt in der Lage, jede in einem konventionellen Planverfahren nach Chapter 11 auftretende Bewertungsfrage schnell marktbasiert zu beantworten.164 (6) »Chameleon-Equity« nach Barry E. Adler Neben dem »dilution-mechanism« vertrat Barry E. Adler auch ein weit extremeres Modell des debt-equity-swap zur Insolvenzbewältigung. Seit 1991 stellte er in mehreren Beiträgen nicht nur die Notwendigkeit einer Reorganisation in der Insolvenz,165 sondern auch die Notwendigkeit jeglichen Unternehmensinsolvenzrechts, ja sogar die Existenzberechtigung von privaten Forderungsrechten inklusive des Rechts zur Einzelzwangsvollstreckung166 in Frage und rüttelte so an den Grundfesten des herkömmlichen Zivilrechts. Als Alternative schlug er eine im Gesellschaftsvertrag der Schuldnergesellschaft festgeschriebene, automatische Umwandlung von Forderungen in Anteilsrechte an der Schuldnergesellschaft vor.167 Der Gesetzgeber sollte dazu jeder Gesellschaft erlauben, im Gesellschaftsvertrag das Verfahren selbst zu bestimmen, das im Insolvenzfall stattfinden soll. Ein Gläubigerwettlauf um das dann verbliebene Vermögen (»common pool problem«) könne überhaupt nicht entstehen, wenn das Unternehmensmanagement in der Krise die Insolvenzmasse (also das Unternehmen) im Interesse der Gläubiger verwaltet,168 da alle Gläubigerrechte im Gesellschaftsvertrag als »Chameleon Equity«, eine Art »preferred stock«, also Vorzugsaktien,169 ausgestaltet würden.170 Die Inhaber dieser Anteilsrechte sollen zunächst wie Gläubiger behandelt werden, haben also Zahlungsansprüche gegen die Gesellschaft. Im Insolvenzfall würden diese Ansprüche allerdings enden und die Anteilseigner erhielten (soweit sie nicht ausbezahlt werden) echte Anteils- und damit Stimmrechte am Unternehmen. Man kann insofern auch von einem automatischen debt-equity-swap sprechen. Dabei soll die »Chamele164 Adler/Ayres, 111 Yale L. J. 83, 87 und 131 ff. (2001–2002). Grundsätzlich positiv auch die Bewertung von Jungmann, ZVglRWiss 104 (2005), 59, 69. Im Rahmen einer cramdownEntscheidung müsste allerdings eine »junior«-Variante des Modells ins Spiel kommen, die Anleihen als Auktionsgegenstand beinhaltet, da eine Auktion aller Anteile am Unternehmen den Plan konterkarieren würde (S. 134 ff.). 165 Ausführlich in Adler, 77 Cornell L. Rev. 439, 464 ff. (1991–1992). Im Jahr 1997 stellte er dann allerdings klar, dass sein Modell nur auf Unternehmen Anwendung finden soll, deren Anteile frei am Markt gehandelt werden; Adler, 72 N. Y. U. L. Rev. 343, 374 f. (1997). 166 Adler, 72 Wash. U. L. Q. 811, 816 (1994). 167 Grundlegend: Adler, 45 Stan. L. Rev. 311 ff. (1992–1993). Fortentwickelt in Adler, 72 Wash. U. L. Q. 811 ff. (1994); ders., 72 N. Y. U. L. Rev. 343, 352 ff. (1997); ders., 12 Am. Bankr. Inst. L. Rev. 219 ff. (2004). Er hält sein Modell der »Chameleon Equity« auch aktuell für vorzugswürdig; vgl. Adler/Baird/Jackson, Bankruptcy, S. 677 f. 168 Adler, 45 Stan. L. Rev. 311, 314 (1992–1993). 169 Adler, 45 Stan. L. Rev. 311, 332 (1992–1993). 170 Adler, 45 Stan. L. Rev. 311, 323 ff. (1992–1993). In einem späteren Beitrag in 72 Wash. U. L. Q. 811, 816 f. (1994) stellte er klar, dass den Forderungsrechten der Gläubiger dadurch generell die Eigenschaft der Vollstreckbarkeit genommen würde.

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on Equity« zugleich die verschiedenen Gläubigerränge widerspiegeln: 171 Die alten Anteilseigner bildeten die unterste Klasse, die Gläubiger je nach Rangstellung die höheren Klassen. Unter den so neu entstandenen Gesellschaftergruppen solle sodann in Anlehnung an das Bebchuk-Modell ein Optionsverfahren stattfinden. Könne die Gesellschaft die unterste Gläubigergruppe nicht mehr vollständig befriedigen, so würden die alten Anteilseigner ihre Rechte verlieren und die unbefriedigten Gläubiger deren Anteile anstelle ihrer Forderungen erhalten. Könnten oder wollten diese nun wiederum die nächsthöherrangigen Gläubiger nicht voll befriedigen, so verlören auch sie ihre Rechte und die jeweils nächste Gläubigergruppe erhielte anstelle ihrer Forderungsrechte deren Anteile an der Gesellschaft. Dieser Prozess soll sich wie bei Bebchuk solange fortsetzen, bis entweder die Gesellschaft soweit entschuldet ist, dass sie eine Gläubigergruppe befriedigen kann, oder aber alle Anteile sich in den Händen der höchstrangigen Gläubiger, in der Regel der gesicherten Gläubiger, vereinigen, die dann über das Schicksal des Unternehmens entscheiden, es also fortführen oder entsprechend ihrer Sicherungsrechte zerschlagen können.172 In einem solchen Verfahren würden nach Ansicht Adlers sowohl eine Entschuldung des Unternehmens wie auch dessen Ausstattung mit einer neuen Kapitalstruktur erreicht, so dass ein besonderes gerichtliches Insolvenzverfahren überflüssig wäre. Adler ist bewusst, dass die Schaffung von »Chameleon Equity« erhebliche Veränderungen im geltenden Zivil-, Gesellschafts- und Insolvenzrecht voraussetzt. Insbesondere müsste den Insolvenzgesetzen dispositiver Charakter verliehen werden.173 Nur dann wäre es den Unternehmen möglich, neben den gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen auch entsprechende, gegebenenfalls vorformulierte Vereinbarungen mit Gläubigern über die Handhabung einer Insolvenz mittels »Chameleon Equity« zu schließen.174 Weiterhin wären das Steuer- und Gesellschaftsrecht an sein Modell anzupassen. Schließlich gesteht Adler auch zu, dass nach seinem Modell die Behandlung derjenigen Gläubiger unklar bleibt, die sich einer vertraglichen Unterwerfung unter sein Modell verweigern oder deren Ansprüche nicht auf Verträgen beruhen. Um sie in sein Modell zu integrieren, will Adler diesen Personen die höchste Rangstellung unter den Gläubigern zuweisen.175 Damit würde nun aber auch der letzte Anreiz wegfal171 Adler, 45 Stan. L. Rev. 311, 324 ff. (1992–1993). Adler übernahm insoweit das BebchukModell. 172 In seinem späteren Beitrag in 72 N. Y. U. L. Rev. 343, 362 ff. (1997) konzentrierte sich Adler auf die Risiken in der Entscheidungsfindung innerhalb dieser neuen Eigentümergruppe und schlug vor, in den Verträgen des Schuldnerunternehmens mit seinen Gläubigern Vorkehrungen hinsichtlich der zu bevorzugenden Verwertungsart zu treffen. 173 Adler, 45 Stan. L. Rev. 311, 333 ff. (1992–1993); ausführlicher: ders., 12 Am. Bankr. Inst. L. Rev. 219, 235 ff. (2004). 174 Adler, 45 Stan. L. Rev. 311, 327 f. (1992–1993). 175 Adler, 45 Stan. L. Rev. 311, 339 f. (1992–1993).

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len, sich als Gläubiger freiwillig den Beschränkungen der »Chameleon Equity« zu unterwerfen, die ihnen zunächst nichts als Nachteile bringt.176 . Es erscheint damit auf der tatsächlichen Ebene mehr als fraglich, ob sich ein solches Modell durchsetzen könnte, selbst wenn man die dazu notwendigen gesetzlichen Reformen vornimmt. Daneben muss die Frage erlaubt sein, ob ein gewisser, aufgrund der Vertragskosten im Vorfeld sogar eher zweifelhafter Effizienzgewinn eines außergerichtlichen Insolvenzsystems, das zudem nur auf börsennotierte Unternehmen Anwendung finden soll, tatsächlich derartig weitreichende Veränderungen im geltenden Zivil-, Gesellschafts- und Insolvenzrecht rechtfertigt.177 d) Der automatische debt-equity-swap als alleiniger Insolvenzmechanismus Das Bebchuk-Modell war sicherlich der innovativste Anstoß in der Diskussion um ein optimales Reorganisationsverfahren für insolvente Unternehmen anstelle des vorhandenen gerichtlichen Planverfahrens. Doch es blieb nicht der einzige Weg, auf dem versucht wurde, den von Roe als Mechanismus zur Insolvenzbewältigung ins Spiel gebrachten debt-equity-swap für diese Zwecke nutzbar zu machen. Insbesondere Michael Bradley und Michael Rosenzweig wandten sich schon im Jahre 1992 grundlegend gegen die bestehende Herangehensweise an Unternehmensinsolvenzen mittels Planverfahren und schlugen stattdessen vor, allein den Mechanismus eines automatischen debt-equity-swap zur Insolvenzbewältigung zu nutzen.178 Anstelle eines gerichtlichen (Insolvenz-)Verfahrens sollten in dem Moment, in dem ein Unternehmen die Forderungen gegenüber seinen höchstrangigen Gläubigern nicht mehr erfüllt (»event of default«), alle Anteilseigner automatisch ihre Rechte verlieren, da diese nun wirtschaftlich wertlos seien.179 An ihre Stelle träten die ungesicherten Gläubiger entsprechend ihrer jeweiligen Forderungshöhe. Diese behielten ihre neue Eigentümerposition allerdings nur, wenn sie die vorrangigen Gläubiger voll befriedigten, da sie auch in einem Insolvenzverfahren nur in diesem Fall mit einer Ausschüttung rechnen könnten. Eine derartige Zahlung der jeweiligen Inhaber der Anteilsrechte würde wiederum nur erfolgen, wenn diese für ihre Anteilsrechte am (Kapital-)Markt einen entsprechenden oder höheren Gegenwert erlangen könnten. Es ist im Kern also 176 Ebenso Tabb, 12 Am. Bankr. Inst. L. Rev. 259, 260 (2004), der die Notwendigkeit zwingender insolvenzrechtlicher Regelungen insbesondere damit begründet, dass sich Menschen eben nicht rational und modellartig verhalten, sondern irrational, und daher schutzbedürftig sind (S. 261 ff.). 177 Tabb, 12 Am. Bankr. Inst. L. Rev. 259, 267 ff. (2004) weist zutreffend darauf hin, dass Adlers Modell nicht mit dem geltenden Steuer-, Handels- und Gesellschaftsrecht vereinbar ist und die drastischen Folgen dortiger Änderungen selbst durch die erhofften Effizienzgewinne im Insolvenzfall nicht zu rechtfertigen sind. 178 Bradley/Rosenzweig 101 Yale L. J. 1043, 1078 (1991–1992). 179 Bradley/Rosenzweig 101 Yale L. J. 1043, 1079 (1991–1992).

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auch in diesem Modell wieder der Markt, der die Bewertung des Unternehmens übernehmen soll.180 Im Grundsatz würde jede Gruppe die jeweils höhere Gruppe auszahlen, um selbst die Anteile am Unternehmen zu behalten und damit überhaupt einen Vermögenswert zu erlangen. Am Ende des Prozesses ist das Unternehmen entweder entschuldet oder aber es obliegt den nicht befriedigten ranghöchsten Gläubigern, das Unternehmen zu halten oder dessen Liquidation zu betreiben, sei es im Wege einer Zerschlagung oder einer Veräußerung als Ganzes zum Fortführungswert.181 Eine gerichtliche Beteiligung an diesem Prozess würde überflüssig, deren Kosten und Verzögerungseffekte vermieden.182 Allerdings drohen in diesem Modell anstelle der Kosten für ein Insolvenzverfahren erhebliche Kosten für die Koordinierung der Gläubigervereinbarungen im Hinblick auf die Festlegung eines bestimmten, Insolvenz auslösenden Moments, dem »event of default«.183 Zudem sind Verzögerungseffekte aus Streitigkeiten zu erwarten, die zwischen den Beteiligten über diese Frage wie auch über Rechte im Prozess der Anteilsübernahme gegen die Ausbezahlung der höherrangigen Beteiligten, etwa über die jeweilige Rangfolge, das Bestehen von geltend gemachten Forderungen oder das Bestehen von Sicherungsrechten, entstehen. Diese Streitigkeiten sind nicht durch die Beseitigung eines gerichtlichen Insolvenzverfahrens nicht aus der Welt; sie werden lediglich auf die ordentlichen Gerichte verlagert. Insofern erscheint es durchaus fraglich, ob das vorgeschlagene Modell tatsächlich zu einer Effizienzsteigerung führen würde. 3. Die Rechtfertigung einer Reorganisationsoption in der Insolvenz Die vorstehend aufgezeigten Modelle zielen sämtlichst darauf ab, nicht nur das Planverfahren als Reorganisationsverfahren, sondern jede Reorganisation eines Unternehmens in einem Insolvenzverfahren zu beenden und diese durch Mechanismen zu ersetzen, die auf Verhandlungen zwischen den Beteiligten verzichten und stattdessen eine Unternehmensinsolvenz schnell und nahezu automatisch bewältigen, wozu sie eine mögliche Reorganisation des Unternehmens auf die Zeit nach der Insolvenz verschieben und den dortigen, in der Regel neuen Unternehmenseigentümern zur Entscheidung übertragen. Die damit auf dem ersten Blick sehr effizient anmutenden Reformmodelle offenbaren bei einer genauerer Betrachtung allerdings so grundlegende Schwächen, dass sie als 180

Bradley/Rosenzweig 101 Yale L. J. 1043, 1084 (1991–1992). Bradley/Rosenzweig 101 Yale L. J. 1043, 1084 (1991–1992). 182 Bradley/Rosenzweig 101 Yale L. J. 1043, 1085 (1991–1992). Allerdings wird schon die Interpretation der empirischen Daten, auf welche Bradley und Rosenzweig ihr vernichtendes Effizienzurteil über Chapter 11 stützen, durchaus überzeugend angegriffen – vgl. Bhandari/ Weiss, 67 Am. Bankr. L. J. 131, 137 ff. (1993); Korobkin, 78 Iowa L. Rev. 669, 682 ff. (1992– 1993); LoPucki, 91 Mich. L. Rev. 79, 85 ff. (1992–1993); Warren, 102 Yale L. J. 437, 439 ff. (1992–1993). 183 Ebenso schon Dilger, Auktionen in Insolvenzen, S. 140. 181

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echte Alternativen zum geltenden Insolvenz(plan)verfahren derzeit nicht in Betracht kommen. a) Zweifel an den Effizienzvorteilen der Alternativmodelle Es ist vor allem die behauptete Effizienz dieser Modelle, also ihre Fähigkeit, die Insolvenz eines Unternehmens nicht nur im Sinne einer maximalen Gläubigerbefriedigung, sondern zudem schneller und kostengünstiger zu bewältigen, die erheblichen Zweifeln begegnet, erscheinen doch die den Modellen zugrunde gelegten Annahmen, insbesondere die eines nahezu kostenlos funktionierenden Kapitalmarktes, zumindest überoptimistisch. Zudem beruht die Schnelligkeit vieler Modelle schlicht auf dem Umstand, im Interesse eines schnellen Verfahrens eben nicht alle mit einer Insolvenz auftauchende Probleme in diesem Verfahren lösen zu wollen. (1) Das Fehlen perfekter Märkte und Marktteilnehmer Beginnen wir mit den Ideal- oder auch Trugbildern eines perfekten und nahezu transaktionskostenfreien Marktes. Die Effizienzbehauptung nahezu aller Auktions- und Optionsmodelle184 basiert auf der Annahme von Kapitalmärkten, die nicht nur stets und für alle Insolvenzverfahren vorhanden sind, sondern zudem auch stets effizient funktionieren. Die dafür grundlegende finanzwirtschaftliche Hypothese effizienter Kapitalmärkte (»the efficient market hypothesis«), die annimmt, dass durch die bloße Vielzahl an Käufern und Verkäufern am Kapitalmarkt ein Mechanismus entsteht, in dem alle Informationen, die handelbare Aktien und Anteile betreffen, sofort korrekt verarbeitet und unmittelbar in entsprechende Aktien- bzw. Anteilspreise umgesetzt werden,185 erscheint jedoch leider als wenig realistisch. Es ist wohl unbestritten, dass ein solch perfekter Kapitalmarkt nicht existiert.186 Allenfalls in den westlichen Industriestaaten und auch dort allein für börsennotierte Kapitalgesellschaften kommt man diesem Ideal nahe.187 Für die große Mehrzahl der insolventen Unternehmen, also die in den Entwicklungs- und Schwellenländern, aber auch die klei184 Eine Ausnahme bilden hier allein die Modelle, die – wie das von David Hahn oder das von Hart, La Porta Drago,Lopez-de-Silanes und Moore – gerade auf Volkswirtschaften ausgerichtet sind, die über keinen funktionsfähigen Kapitalmarkt verfügen. 185 Dazu etwa Roe, Corporate Reorganization, S. 168 ff. m. w. N. 186 Selbst R. H. Coase, auf dessen Theorem die Hypothese beruht, ist sich bewusst, dass transaktionskostenfreie, also perfekte Märkte nicht existieren – vgl. Coase, 3 J. L. & Econ. 1, 15 (1960); ders., The Firm, the Market and the Law, S. 174. George A. Akerlof und Robert J. Schiller machen zudem überzeugend geltend, dass die Kapitalmärkte schon grundsätzlich keineswegs rein rational agieren, sondern von den Instinkten und Emotionen der Marktteilnehmer geprägt werden; vgl. Akerlof/Schiller, Animal Spirits, S. 167. 187 Es gibt zudem empirische Studien, die einen funktionierenden Markt selbst für solche Unternehmen bezweifeln lassen, da es aufgrund hoher, zur Vorbereitung des Gebots aber notwendiger Informationskosten nur selten mehrere Bieter für große Unternehmen gäbe und diese Unternehmen in der Folge systematisch unterbewertet würden – vgl. etwa LoPucki/Do-

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nen und mittleren Unternehmen in den Industrieländern, die sich in der Hand von Einzelkaufleuten, Personengesellschaften oder nicht auf handelbaren Aktien basierenden Kapitalgesellschaften befinden, wird sich folglich kaum eine schnelle und aussagekräftige Bewertung durch einen effizienten Kapitalmarkt nutzen lassen, um in der Insolvenz eine Entscheidung über dessen Zukunftsfähigkeit zu treffen.188 Gerade die Optionsmodelle, die ja alle im Kern auf derartige Wertungen angewiesen sind, müssen schon aus diesem Grund als Alternative zum derzeitigen Insolvenzverfahren ausscheiden. Das weitgehende Fehlen effizienter Kapitalmärkte trifft daneben aber auch alle Auktionsmodelle, sind doch auch diese Modelle auf einen funktionierenden, insbesondere einen hinreichend liquiden Markt für insolvente Unternehmen angewiesen.189 Bei kleinen und mittleren Unternehmen ist es in der Regel eine Frage des lokalen Kreditmarktes, ob etwaige Interessenten hinreichend Liquidität zum Erwerb des Unternehmens erhalten können, da diese Unternehmensübernahmen häufig als leveraged buy-out (LBO) abgewickelt werden.190 Für größere Unternehmen hat sich demgegenüber inzwischen auch ein Markt für Private-Equity-Investoren gebildet, die zur Finanzierung ihrer LBOs nicht mehr nur vom Kreditmarkt abhängen, sondern primär auf das Kapital ihrer Anleger zurückgreifen können. Der so insgesamt entstandene Bietermarkt für insolvente Unternehmen scheint in Zeiten wirtschaftlichen Aufschwungs durchaus zu funktionieren. Wenn allerdings in einer Wirtschaftskrise wie im Jahr 2008 der Kreditmarkt austrocknet und zugleich die so entstehende Bieterlücke durch Private-Equity-Investoren nicht ausgleichen kann, die diesen Bieterkreisen aufgrund der Verluste mit bereits vorhandenen Beteiligungen ebenso Liquidität fehlt, so bricht der Markt für Unternehmensauktionen zusammen und dies zu einem Zeitpunkt, an dem man ihn aufgrund des Anstiegs krisenbedingter Insolvenzen dringender denn je benötigt. Die generelle Umstellung des Insolvenzsystems auf zwingende und schnelle Auktionen scheint herty, 106 Mich. L. Rev. 1, 41 (2007–2008). Auch Huelsdunk, KTS 1999, 291, 300, bezweifelt generell die Existenz informationseffizienter Märkte. 188 Selbst offensive Befürworter einer marktorientierten Insolvenzbewältigung halten Modelle, die auf einer Bewertung des Unternehmens durch den Markt basieren, bei nicht börsennotierten Unternehmen für untauglich – vgl. etwa Baird, 72 Wash. U. L. Q. 913, 920 (1994); Baird/Rasmussen, 87 Va. L. Rev. 921, 939 ff. (2001). 189 Dies gilt auch für den »dilution mechanism« von Adler und Ayres, 111 Yale L. J. 83 ff. (2001–2002). Dieser kann zwar theoretisch auch ohne dritte Bieter, also ohne einen Markt, stattfinden. Reduziert sich der Kreis der Bieter für die Anteile am reorganisierten Unternehmen aber auf den Kreis der nachrangigen Gläubiger und den der alten Anteilseigner, so leidet die Richtigkeitsgewähr für den in der Auktion erzielten Preis erheblich, da diese Personen oft nicht über zusätzliche Liquidität für die Abgabe entsprechender wertangemessener Angebote verfügen. Das hierin liegende Illiquiditätsproblem bewerten selbst die Autoren als ungelöst (vgl. S. 131), wenn auch als weniger gravierend als in anderen Modellen (S. 146 ff.). 190 So auch die Erfahrungen in Schweden, wo jedes Unternehmen in der Insolvenz versteigert wird – vgl. Eckbo/Thorburn, 89 J. Fin. Econ 404, 406 (2008).

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aufgrund dieser Gefahrenlage trotz der Effizient in Zeiten des Wohlstandes wenig empfehlenswert. (2) Der Kostenvergleich Im Kern propagieren alle Auktions- und Optionsmodelle, dass der Verzicht auf jegliche Verhandlungen der Gläubiger über die zu bevorzugende Verwertungsart wie auch auf die richterliche Kontrolle der von ihnen dabei zugrunde gelegten Unternehmenswerte einen enormen Zeit- und Kostenvorteil mit sich bringen würde, wobei sich die Modelle in der Regel an den Kosten eines Reorganisationsverfahrens nach Chapter 11 orientieren. Leider lässt sich ein derartig gravierender Effizienzvorteil tatsächlich kaum nachvollziehen. (a) Auktions- bzw. Veräußerungskosten. Gerade die Auktionsmodelle erwecken gern den Eindruck, eine Auktion, also eine Veräußerung des Schuldnerunternehmens, sei kostengünstig, ja nahezu kostenlos durchzuführen. Empirische Untersuchungen von Auktionskosten ergeben demgegenüber ein anderes Bild. So finden sich zwar für die Veräußerung kleiner Unternehmen Studien, die für diese Unternehmen eine höhere Schnelligkeit und geringere Kosten von Auktionen im Vergleich zu einem Verfahren nach Chapter 11 feststellen.191 Im Gesamtbild aller Unternehmenstypen lässt sich hingegen kein entscheidender Kostenvorteil für eine Auktionslösung nachweisen.192 Dies liegt vor allem darin begründet, dass sich auch Auktionen keineswegs kostenlos abwickeln lassen. Der Erwerb von Unternehmen in einer Auktion birgt für jeden Kaufinteressenten generell – also auch außerhalb einer Insolvenz – nicht unerhebliche direkte Kosten, die gemeinhin als die Kosten der Suche nach einem Bietobjekt (»search costs«), der Untersuchung desselben (»investigation costs«) sowie der Gebotsabgabe (»bidding costs«) beschrieben werden.193 Hinzu kommen die Kosten für das Auktionsverfahren selbst.194 191 Diese Studien untersuchten interessanterweise nicht Auktionen nach dem amerikanischen Insolvenzrecht, sondern solche nach dem schwedischen Recht, welches in der Insolvenz zwingend eine Auktion vorsieht, und verglichen diese mit den vergleichsweise festgestellten Kosten von Verfahren nach Chapter 11 – vgl. Thoburn, 58 J. Fin. Econ. 337 ff. (2000); Eckbo/Thorburn, 89 J. Fin. Econ. 404 ff. (2008). 192 Ebenso Hansen/Thomas, 18 Int’l Rev. L. & Econ 159, 165 ff., 178 (1998); Kalay/Singhal/Tashjian, 84 J. Fin. Econ. 772, 792 (2007); LoPucki/Doherty, 106 Mich. L. Rev. 1, 10 (2007–2008); Rasmussen, 72 Wash. U. L. Q. 1159, 1206 (1994); White, 10 J. L. Econ. & Org. 268, 293 (1994). 193 Vgl. Cramton/Schwartz, 7 J. L. Econ. & Org. 27, 28 (1991). Auch Hotchkiss/Mooradian, 9 J. Corp. Fin. 555, 568 (2003), bezweifeln auf der Grundlage ihrer Modellrechnungen die grundsätzliche Überlegenheit eines reinen Auktionsmodells; ebenso Easterbrook, 27 J. Fin. Econ. 411, 415 (1990); Skeel, 1993 Wis. L. Rev. 465, 478 (1993); ähnlich die Einwände von Huelsdunk, KTS 1999, 291, 303. 194 LoPucki/Doherty, 82 Am. Bankr. L. J. 141, 159 f. (2008) haben in einer Studie festgestellt, dass die Kosten für die Beschäftigung von Investmentbanken, Unternehmens- und Finanzberatern in Auktionen nicht niedriger sind als in Reorganisationsverfahren.

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Schließlich erzeugen auch alle Auktionen indirekte Kosten, insbesondere Abschläge beim zu erzielende Preis. So ist in jeden Kostenvergleich der Umstand einzubeziehen, dass je nachdem, ob man sich für einen offenen Bieterwettstreit (»ascending-bid auction«) oder aber eine Auktion mit nur einem, diskret bleibenden Gebot pro Bieter (»first-price sealed-bid auction«) entscheidet, unterschiedlich hohe Erlöse aus einer Auktion zu erwarten sind,195 was kostenträchtige Streitigkeiten über die Art des Auktionsverfahrens befürchten lässt. Daneben muss bedacht werden, dass die Veräußerung von insolventen Unternehmen in jedem Fall schnell erfolgen soll, so dass in der Auktion ein insolventes Unternehmen, also ein makelbehafteter Verkaufsgegenstand, unter Zeitdruck auf den Markt geworfen wird.196 Diese Begleitumstände lassen erhebliche Abschläge bei den Erlösen erwarten. Es kann insofern kaum verwundern, dass jüngere empirische Untersuchungen zu dem Ergebnis gelangen, dass insbesondere bei großen Unternehmen der Fortführungswert nach einer Reorganisation teilweise erheblich über dem Erlös aus einer Veräußerung liegen kann.197 Es bleibt damit festzuhalten, dass sich nach dem derzeitigen Stand der Forschung für Auktionsmodelle kein genereller Kostenvorteil nachweisen lässt, auch wenn es natürlich im Einzelfall – gerade bei kleineren Unternehmen – einen solchen Vorteil geben wird. Veräußerungslösungen sollten daher natürlich möglich, aber eben nicht zwingend sein.198 (b) Kosten einer Forderungsumwandlung bei Optionsmodellen. Die Kostenvorteile einer Umwandlung von Gläubigerforderungen in Unternehmensanteile, wie sie insbesondere den Modellen von Adler oder Bradley und Rosenzweig, aber auch den Optionsmodellen nach Bebchuk zugrunde liegen, sind ebenfalls keineswegs so selbstverständlich wie sie dargestellt werden. Insbesondere der hier zwingend erfolgende Wechsel der Eigentumspositionen am Unternehmen dürfte erhebliche Diskontinuitäts- und Transaktionskosten erzeugen, wird doch in der Regel bis zur Entscheidung der neuen Gesellschafter in einer Gesellschafterversammlung über die Zukunft des Unternehmens und dessen 195 Vgl. die Berechnungen von Bhattacharyya/Singh, 54 J. Fin. Econ. 269, 276 ff. (1999), und deren Frage nach der Person, die hierüber entscheiden soll (S. 285 ff.). 196 Branch, 27 Fin. Mgmt. 57, 60 (1998), spricht insofern treffend von »beschädigter Ware«: »Bankrupt firms are damaged merchandise. Sale of damaged goods under pressure rarely results in the best price.« 197 LoPucki/Doherty, 106 Mich. L. Rev. 1 ff. (2007–2008). Eine schwedische Studie konnte bei Auktionen kleiner, insolventer Unternehmen hingegen keine Preisabschläge nachweisen, da hier in der Regel ein Bieterwettbewerb stattfand und die Finanzierung (in der Regel über LBOs) gesichert war – siehe Eckbo/Thorburn, 89 J. Fin. Econ. 404, 405 f. (2008). 198 Ebenso Tabb, 44 S. C. L. Rev. 791, 850 (1992–1993), der folgerichtig den Gläubigern im amerikanischen Recht die Möglichkeit geben will, eine Veräußerung nach 11 U. S. C. § 363 (b) zu initiieren, was sie bislang nicht können (S. 852). Siehe auch Cramton/Schwartz, 7 J. L. Econ. & Org. 27 ff. (1991), die in ihrem Beitrag Konstellationen entwickeln, in denen Auktionen sich lohnen bzw. sich verbieten.

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künftiges Management wenig richtungsweisendes in dem Unternehmen unternommen werden.199 Zu diesen Kosten gesellen sich weitere Nachteile. So machen die Modelle von Adler oder Bradley und Rosenzweig die Finanzierung eines Unternehmens in der Krise durch eine Kapitalerhöhung unmöglich. Zudem sind vor allem im Modell von Bradley und Rosenzweig enorme Streitigkeiten über die Frage zu erwarten, ob das Unternehmen den Auslösepunkt der Umwandlung erreicht hat, da sich die Rechte der ungesicherten Gläubiger hierdurch erheblich verbessern. 200 Zu den allgemeinen Kosten der Unterbrechung der Managementkontinuität gesellen sich dann also auch noch die aus solchen Streitigkeiten entstehenden Prozesskosten. Insgesamt sind so die Vorteile einer ersparten Unternehmensbewertung durch die Gläubiger oder den Richter schnell wieder aufgebraucht. (c) Die speziellen Defizite des Chapter 11 des U. S. Bankruptcy Code. Schließlich darf nicht verkannt werden, dass die Mehrzahl der Modelle auf die Beseitigung von Defiziten im amerikanischen Reorganisationsrecht abzielt, die das deutsche Recht in dieser Form mit der Insolvenzrechtsreform glücklicherweise nicht übernommen hat. Auch die empirischen Studien und Erwägungen zur Unterstützung bzw. Widerlegung der jeweiligen Modelle haben als Bezugspunkt in der Regel ein Reorganisationsverfahren nach Chapter 11. In diesem Verfahren ist den Gläubigern die Entscheidungshoheit hinsichtlich der wesentlichen Verfahrensfragen weitgehend entzogen. Der Schuldner bzw. dessen Management entscheidet mit seinem Insolvenzantrag über die Art des Insolvenzverfahrens und damit zunächst auch über die Frage, ob er weiter das Schuldnervermögen verwaltet (Chapter 11) oder diese Befugnisse an einen Trustee abgeben muss (Chapter 7). Es kann insofern kaum verwunden, dass in den Vereinigten Staaten der Schuldner in der Regel seine Kontrollbefugnisse behalten will und folgerichtig Chapter 11-Anträge in der Unternehmensinsolvenz die Regel sind. Im eröffneten Verfahren ist es dann ebenfalls allein der verwaltende Schuldner, der Veräußerungsgeschäfte (Auktionen) initiieren oder aber zunächst ungestört über weitere Schritte nachdenken kann. Das Gesetz gewährt ihm in 11 U. S. C. § 1121 (b) eine Atempause von mindestens 120 Tagen. Die Gläubiger können in dieser Zeit auf das Verfahren und zu treffende Entscheidungen zunächst keinerlei Einfluss nehmen, insbesondere weder einen Plan einbringen 199 Hierauf weisen etwa Jungmann, ZVglRWiss 104 (2005), 59, 65 und 78 sowie Korobkin, 78 Iowa L. Rev. 669, 720 ff. (1992–1993) zutreffend hin. Eine sehr ausführliche Darstellung der Kosten findet sich bei Skeel, 1993 Wis. L. Rev. 465, 483 ff. (1993). 200 Jungmann, ZVglRWiss 104 (2005), 59, 65 f.; Skeel, 1993 Wis. L. Rev. 465, 485 (1993); Tabb, 44 S. C. L. Rev. 791, 814 f. (1992–1993). Insbesondere Skeel ist der Ansicht, dass durch die neue Eigentümerposition gerade die Macht der ungesicherten Gläubiger gegenüber den gesicherten unangemessen stärkt (S. 491).

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noch eine Unternehmensveräußerung beantragen; sie sind zum Abwarten verurteilt. Die Verfahrenshoheit liegt ganz beim Schuldner. Schlägt dieser dann sogar ausnahmsweise eine schnelle Veräußerung des Unternehmens ohne langwierige Planverhandlungen vor, so ist es das Insolvenzgericht, der Bankruptcy Court, der im Fall von Einsprüchen der Gläubiger über die Durchführung des Verkaufs entscheidet. Die Gläubiger werden gemäß 11 U. S. C. § 362 (b) lediglich gehört. Vor diesem Hintergrund sollte verständlich werden, warum in den Vereinigten Staaten ein verbreitetes Misstrauen gegenüber der Effektivität des geltenden Reorganisationsrechts herrscht und gerade aus Gläubigerschutzgesichtspunkten diskutiert wird, die Gläubiger pauschal vor der kostenintensiven 201 Verfahrensoptionen einer Reorganisation nach Chapter 11 zu schützen. Demgegenüber sind im deutschen Recht den Gläubigern alle wesentlichen Verfahrensentscheidungen zugewiesen; Verzögerungspotenziale sind insofern für den Schuldner kaum vorhanden. Die Gläubigerorgane entscheiden in Deutschland nach einem Insolvenzantrag über die Verwertungsart (§ 157 InsO) ebenso wie über die Person des Insolvenzverwalters (§ 57 InsO) oder die Veräußerung von Schuldnervermögen (§ 160 InsO). Insbesondere ist eine Veräußerung des Schuldnerunternehmens mit ihrer Zustimmung jederzeit möglich (§§ 158, 160 InsO). Dem Schuldner bzw. dessen Management sind in der Insolvenz hingegen alle Entscheidungsbefugnisse entzogen und er kann sie allenfalls im Fall der Anordnung einer Eigenverwaltung und selbst dann nur beschränkt zurückerlangen. Gleichzeitig beschränkt sich die Rolle des Insolvenzgerichtes stark auf die einer Aufsichtsinstanz; Entscheidungen über die Verwertung des Schuldnervermögens sind ihm nicht anvertraut. Viele der kostentreibenden und verfahrensverzögernden Defizite eines Chapter-11-Verfahrens sind im deutschen Insolvenzverfahren damit überhaupt nicht vorhanden, weshalb zu erwarten ist, dass sich auch die behaupteten Kostenvorteile der Alternativmodelle in einem Vergleich mit dem deutschen Insolvenzsystem noch viel weniger nachweisen lassen würden. (3) Die Unentbehrlichkeit gerichtlicher Entscheidungen Ein entscheidender Nachteil vieler Auktions- oder Optionsmodelle liegt darin, dass sie allein eine schnelle Bewertung des Unternehmens durch den Markt zum Ziel haben und dabei oft unterschlagen, dass es in jeder Insolvenz auch eines Verfahrens bedarf, dass die grundlegenden ordnungsrechtlichen Fragen, insbesondere die Feststellung der bei der Erlösverteilung zu berücksichtigenden 201 So entfallen etwa von den Kosten für die Beschäftigung von Beratern und Repräsentanten (Unternehmensberater, Anwälte, Gutachter, Investmentbanken) in Chapter-11-Verfahren von großen, börsennotierten Unternehmens 80 Prozent der Kosten auf die Berater des Schuldners, nur 19 Prozent auf die der ungesicherten Gläubiger und nur 1 Prozent auf die der Eigentümer und des Gerichts (Trustee, Examiner) – so das Ergebnis einer Studie von LoPucki/Doherty, 82 Am. Bankr. L. J. 141, 142 (2008).

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Forderungen sowie deren Rangfolge, verbindlich klärt. Ein gerichtliches Verfahren erübrigt sich folglich auch in Verfahren auf der Basis der Alternativmodelle nicht. 202 Werden diese grundsätzlichen Fragen, aber auch die sonst denkbaren Streitigkeiten, die etwa über den Zeitpunkt einer automatischen Forderungsumwandlung (Bradley, Rosenzweig), die Berechtigung der Zuteilung von Anteilen nach einem Optionsverfahren (Bebchuk) oder die Zulässigkeit von Auktionsarten, Geboten oder Zuschlägen (Auktionsmodelle) oder aber den Wert von Sicherungsgut und der daraus folgenden Gläubigerstellung entstehen, aus vordergründigen Effizienzerwägungen heraus nicht in einem sofort stattfindenden insolvenzgerichtlichen Verfahren, sondern erst in einem anschließenden Rechtsstreit erledigt, so bleibt die Forderungsumwandlung bzw. die Auktion mit dem Makel einer Aufhebung im späteren Prozess und folglich mit einer erheblichen Unsicherheit für alle Beteiligten hinsichtlich ihrer Endgültigkeit behaftet, tritt doch Rechtssicherheit hinsichtlich der Bewältigung der Unternehmensinsolvenz erst nach der rechtskräftigen Klärung aller Streitfragen ein.203 In einem Rechtsstaat kann durch die verfassungsrechtliche Garantie der Eigentums- und der daraus folgenden Beteiligungsrechte keines der Alternativmodelle einer richterlichen Beteiligung entgehen. Die Verwertungsentscheidung, die sie effektivieren wollen, ist eben nur eine der notwendigen Entscheidungen und nur ein Teil des hoheitlichen Verfahrens der Insolvenz. Folgerichtig dürften auch die Alternativmodelle einen Großteil der durch Gerichtsverfahren entstehenden Verzögerungen und Kosten nur verschieben, nicht aber verhindern. b) Die Unfähigkeit der Optionsmodelle zur Bewältigung jeder Unternehmensinsolvenz Lässt sich also kein Effizienzvorteil der Alternativmodelle gegenüber dem herkömmlichen Insolvenzrecht nachweisen, so mag zwar auch jedes Motiv entfallen, das geltende Insolvenzrecht umzugestalten; die Frage nach der Notwendigkeit einer Reorganisation in der Insolvenz beantwortet diese Feststellung hingegen noch nicht. Im Gegenteil, Jackson204 stellte gerade die Frage nach einer 202 Roe, Corporate Reorganization, S. 601 ff. Dies gestehen etwa Adler/Ayres, 111 Yale L. J. 83, 131 (2001–2002) ausdrücklich zu. Daneben weist auch Jungmann, ZVglRWiss 104 (2005), 59, 78, Fn. 95, auf diesen Aspekt zumindest stichpunktartig hin. Im Ergebnis wollen wohl auch nahezu alle Optionsmodelle nicht gänzlich auf eine gerichtliche Verfahrensbeteiligung verzichten. 203 Natürlich wäre es denkbar, die zunächst erfolgende Auktion oder Optionsausübung in einer gesetzlichen Regelung für unanfechtbar zu erklären. Die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie würde dann aber zumindest die Schaffung effektiver Schadenersatzansprüche zugunsten übergangener Gläubiger notwendig machen, wodurch im Endeffekt wiederum das reorganisierte Unternehmen oder aber die das Verfahren betreibenden Personen mit Haftungsrisiken belastet würden. Einer Klärung dieser Streitigkeiten würde man nicht entgehen. 204 Jackson, Bankruptcy Law, S. 214 f.

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Legitimation der Reorganisation in der Insolvenz, also nach den abstrakten Vorteilen eines eventuell kostenträchtigeren Reorganisationsverfahrens gegenüber einer zumindest ebenso effizienteren Unternehmensveräußerung. Einen entscheidenden Gesichtspunkt für eine Beibehaltung der Reorganisationsoption in der Insolvenz ergibt sich aus dem non-liquet der Kostenanalyse nicht. Dieser findet sich allein darin, dass nur auf diese Weise eine optimale Bewältigung jeder Art von Unternehmensinsolvenz gesichert zu sein scheint. Zunächst sollen unter diesem Gesichtspunkt die Alternativmodelle betrachtet werden, die auf einer Forderungsumwandlung (debt-equity-swap) beruhen, gelingt ihnen dieses doch offenkundig nicht. (1) Der beschränkte Wirkungsbereich der Modelle Ein Anwendbarkeitsdefizit wird bei diesen Modellen schon dadurch besonderes deutlich, dass sie von vornherein und teils sogar nach dem ausdrücklichen Willen ihrer Verfasser205 allein auf Insolvenzen von Unternehmen beschränkt sind, die als große, börsennotierte Gesellschaften einer steten Bewertung durch den Kapitalmarkt unterliegen. Eine Nutzung dieser präsenten Bewertung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens liegt dann aus Effizienzgesichtspunkten ja durchaus nahe. Leider tritt die große Mehrzahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland wie auch in den Vereinigten Staaten nicht bei diesem Unternehmenstypus auf. Gerade den vielen kleinen und mittleren Unternehmen, die den Insolvenzalltag bestimmen, können diese Modelle in der Insolvenz keine Lösung bieten, existiert für diese doch keine schnelle und aussagekräftige Bewertung durch einen effizienten Kapitalmarkt, welche die Entscheidung über dessen Zukunftsfähigkeit vorgibt. Insgesamt kommen sie schon daher als Ersatz für das geltende Unternehmensinsolvenzrecht nicht in Betracht. (2) Die kaum mögliche Erweiterbarkeit dieses Wirkungsbereiches Die Beschränkung der auf einem debt-equity-swap basierenden Optionsmodelle allein auf börsennotierte Kapitalgesellschaften ist sodann nicht beliebig veränderbar, sondern rechtlich zwingend. All diesen Modellen liegt die Idee zugrunde, dass die Gläubiger im Insolvenzfall automatisch, also gegen bzw. ohne ihren Willen, ihre Forderungen verlieren und stattdessen entsprechend des wirtschaftlichen Wertes derselben Anteilsrechte am reorganisierten Unternehmen erhalten. Die in einem solchen Mechanismus liegende Zwangsenteignung ist als Eingriff in das Eigentumsrecht der Gläubiger zwar gerechtfertigt, 205 Vgl. etwa Branch, 27 Fin. Mgmt. 57, 66 (1998) ; Roe, 83 Colum. L. Rev. 527, 560 ff., 563 (1983. Die Untauglichkeit für andersartige Unternehmen sehen auch Adler/Baird/Jackson, Bankruptcy, S. 677; Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 116 f.; Jungmann, ZVglRWiss 104 (2005), 59, 68, Fn. 47. Achsnick, Options-Modelle, S. 98 ff., will neben der Aktiengesellschaft immerhin noch die GmbH in den Anwendungsbereich einbeziehen, auch wenn er dabei zugeben muss, dass Optionsmodelle für sie nicht konzipiert sind (S. 100).

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solange die Gläubiger durch diesen Prozess keinen wirtschaftlichen Verlust erleiden. 206 Die hierzu notwendige wirtschaftliche Gleichwertigkeit von ursprünglichem Forderungs- und neuem Anteilsrecht ist jedoch allenfalls dann denkbar, wenn das Anteilsrecht jederzeit werterhaltend in Bargeld umsetzbar und zudem nicht mit Haftungsrisiken belastet ist. Beide Voraussetzungen sind selbst bei börsennotierten Aktien einer Aktiengesellschaft nur selten gegeben. Zum einen sind mit der Übernahme der Aktionärsstellung aufgrund einer gerade im Krisenfall denkbaren Differenzhaftung ähnliche Haftungsrisiken verbunden wie bei der Übernahme von GmbH-Anteilen, wird durch die Gläubiger doch keine Bareinlage, sondern mit der Forderungseinbringung eine Sacheinlage geleistet. 207 Zum anderen kann dem Altgläubiger/Neuaktionär eine werterhaltende Realisierung seines Anteils nicht garantiert werden. Zwar sind bei börsennotierten Aktiengesellschaften selbst in der Insolvenz über den Aktienhandel an der Börse in der Regel Marktpreise vorhanden, die der betroffene Gläubiger jederzeit realisieren könnte. Durch deren Volatilität kann allerdings niemand dem Gläubiger garantieren, dass er für die im Zeitpunkt des Forderungstausches erhaltenen Anteile Stunde, Tage oder gar Wochen später auch noch den dort angesetzten Barwert erlangen kann. Selbst bei einer schnellstmöglichen Veräußerung der erhaltenen Anteile sind Verluste denkbar, weshalb die verfassungsrechtlichen Vorgaben verfehlt werden. Das deutsche Recht erlaubt insofern nur einen zwangsweisen Forderungstausch, wenn dem betroffenen Gläubiger eine Option, also ein Wahlrecht dahin gehend eingeräumt wird, ob er für seine Forderung Anteile oder aber den entsprechenden Barwert erhalten möchte. 208 Schon der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz steht insofern der Nutzung einer automatischen Forderungsumwandlung in Anteilsrechte als universalem Insolvenzmechanismus entgegen. (3) Der freiwillige Forderungstausch als Krisenbewältigungsinstrument Ist somit insgesamt festzustellen, dass sich ein debt-equity-swap nicht als universelles Instrument zur Insolvenzbewältigung eignet, so darf diese Feststellung doch nicht dazu verleiten, diesen Mechanismus in der Insolvenz gänzlich abzulehnen. Es muss vielmehr betont werden, dass eine freiwillige Umwandlung von Forderungen in Anteile verfassungsrechtlich bei jeder Gesellschaftsform völlig unbedenklich ist und in jeder Unternehmensinsolvenz ein wichtiger 206

Siehe im Dritten Kapitel C. IV. 2. d). Näher dazu schon im Ersten Kapitel unter A. II. 3. b) (3) (a). Auch Achsnick, OptionsModelle, S. 140 ff. und Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 116, sehen in diesen Haftungsrisiken ein erhebliches Hindernis für die Umsetzung von Optionsmodellen. 208 Siehe dazu auch die Ausführungen im Dritten Kapitel unter E. V. 4. c). Anderer Ansicht ist allerdings Achsnick, Options-Modelle, S. 134 ff., der bei positivem Mehrheitsvotum der Gläubigergruppen über das Obstruktionsverbot auch eine Forderungsumwandlung zulasten der Minderheitsgläubiger für möglich hält (S. 137). 207

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Schritt hin zu einer Entschuldung der Gesellschaft sein kann. Gerade bei Aktiengesellschaften sind in einer finanziellen Krise Angebote an Gläubiger, insbesondere an die Inhaber von Unternehmensanleihen, nicht unüblich, die darauf abzielen, diese Anleihen in Anteile an der Gesellschaft umzuwandeln (sog. »debt-reducing exchange offers«). 209 Eine solche freiwillige Forderungsumwandlung ermöglicht der Gesellschaft in der Krise eine Entschuldung ohne die Aufwendung von Barmitteln und kann insofern finanzielle Engpässe überwinden und eine Insolvenz verhindern helfen. 210 Der nicht zu unterschätzende Nachteil eines solchen Tauschangebots liegt allerdings darin, dass es von den Kapitalmärkten als klares Krisensignal verstanden wird und in der Folge zu einem deutlichen Verlust des Aktienwertes führt. 211 Wendet man das Instrument hingegen erst in einem laufenden Insolvenz(plan)verfahren an, so sind derartige aktienwertbezogene Bedenken hinfällig. In dieser Phase ist ein freiwilliger Forderungstausch ein in jeder Hinsicht probates Mittel zur Entschuldung und Neustrukturierung der Gesellschaft, weshalb es zu Recht in § 230 Abs. 2 InsO als Planbestandteil explizit erfasst wird. c) Die Defizite der Auktionsmodelle Im Gegensatz zu den Modellen, die auf einer Forderungsumwandlung basieren, nähern sich die Auktionsmodelle weitgehend dem geltenden Insolvenzrecht an und verlangen als Reform an sich nur, dass in Insolvenzverfahren von vornherein auf eine Reorganisation des Unternehmens in Form eines Planverfahrens zugunsten einer schnellen Veräußerung desselben verzichtet wird. (1) Die verbreitete Nutzung von Veräußerungen in der Insolvenzpraxis Diese Forderung spiegelt eine inzwischen weit verbreitete Insolvenzpraxis wider, in der erhaltenswerte Unternehmen im Regelfall nicht einem Planverfahren zugeführt, sondern an Kaufinteressenten veräußert werden. In Deutschland ist eine solche »übertragende Sanierung«212 in jedem Insolvenzverfahren über § 160 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 InsO problemlos und schnell möglich; § 158 InsO er209 Vgl. die Studie hierzu von Lie/Lie/McConnell, 7 J. Corp. Fin. 179 (2001). Wurden solche Tauschangebote an Anleiheninhaber gemacht, so waren diese in der weit überwiegenden Zahl der in der Studie untersuchten Fälle (107 von 126, also 85 Prozent) auch erfolgreich (S. 196). 210 Lie/Lie/McConnell, 7 J. Corp. Fin. 179, 199 (2001). In ihrer Studie konnten sie belegen, dass im Anschluss an ein erfolgreiches Tauschangebot die Gefahr einer Insolvenz deutlich abnahm. Im untersuchten Zeitraum von drei Jahren gingen nur 15,0 Prozent der Firmen, deren Angebot erfolgreich war, anschließend insolvent, während die Insolvenzrate bei Firmen mit erfolglosem Tauschangebot im gleichen Zeitraum bei 78,9 Prozent und die durchschnittliche Insolvenzrate bei 24,6 Prozent lag (S. 200 f.). 211 Lie/Lie/McConnell, 7 J. Corp. Fin. 179, 203 (2001) sprechen insofern von einem »Dilemma« für das Management einer Aktiengesellschaft, das über die Unterbreitung eines solchen Angebots entscheidet. 212 Mehr dazu bereits im Ersten Kapitel A. II. 3. c). (2).

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laubt sogar die Veräußerung des Unternehmens vor dem Berichtstermin. Es kann insofern kaum verwundern, dass dieser Verfahrensweg häufig gegangen wird. Und diese Entwicklung ist nicht auf Deutschland beschränkt. Auch in der U. S.-amerikanischen Insolvenzpraxis setzt sich der Gedanke einer übertragenden Sanierung immer mehr durch. Lag in Großinsolvenzen der Anteil der Unternehmen, die in der Insolvenz (Chapter 11) aus der Masse heraus veräußert wurden, bis zum Beginn der 1990iger Jahre noch weit unter 10 Prozent, 213 so ergaben Studien für das Jahr 2002, dass dann bereits bis zu 80 Prozent aller (ein Chapter 11-Verfahren überlebenden) großen, börsennotierten Unternehmen nicht mehr reorganisiert wurden 214 und bereits in ca. der Hälfte der Fälle eine Veräußerung des Unternehmens stattfand. 215 Die amerikanische Insolvenzpraxis nähert sich danach zumindest bei großen, börsennotierten Unternehmen damit der deutschen Praxis dahin gehend an, dass ein Planverfahren mit dem Ziel der Reorganisation nur noch in relativ wenigen Fällen stattfindet. 216 Allerdings darf in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden, dass das Planverfahren nach Chapter 11 sowohl für große Unternehmen 217 als auch für die vielen kleinen und mittleren Unternehmen weiterhin eine hohe Relevanz besitzt. 218 Der insgesamt dennoch beachtliche Bedeutungszuwachs von Auktionen in der amerikanischen Insolvenzpraxis lässt sich dabei auf mehrere Umstände zurückführen. Zum einen begannen die Bankruptcy Courts im Anschluss an die Lio213 Empirische Erhebungen aus den Jahren 1978 bis 1992 ergaben, dass von 1200 großen, börsennotierten Unternehmen 339 (28,25 Prozent) reorganisiert wurden, während nur 111 Unternehmen (9,25 Prozent) aus dem Verfahren heraus veräußert wurden – vgl. Hotchkiss/ Mooradian, 7 J. Fin. Intermediation 240, 244 f. (1998). Dabei wurde insgesamt der Weg über eine Veräußerung nach 11 U. S. C. § 363 ebenso häufig gewählt wie der über einen Veräußerungsplan (S. 251). 214 Dies betonen vor allem Adler/Baird/Jackson, Bankruptcy, S. 667 ff., 669. 215 Baird/Rasmussen, 56 Stan. L. Rev. 673, 679 (2003–2004). Die Veräußerung erfolgte dann allerdings sowohl über einen Veräußerungsplan als auch über einen gerichtlich genehmigten Verkauf nach 11 U. S. C. § 363. In einem weiteren Viertel der Fälle wurde statt des Planverfahrens lediglich ein bereits ausgehandelter und abgestimmter Plan (»prepackaged plan«) bestätigt 216 So Baird/Rasmussen, 56 Stan. L. Rev. 673, 680 (2003–2004). LoPucki, 56 Stan. L. Rev. 645, 646 ff. (2003–2004), steht dieser Analyse kritisch gegenüber, da sie suggerieren solle, das Chapter 11-Verfahren würde überflüssig. Die Daten würden hingegen gerade dessen Funktionstüchtigkeit beweisen. 217 LoPucki/Doherty, 106 Mich. L. Rev. 1, 42 ff. (2007–2008), belegen in einer neueren Studie, dass der Anteil der Veräußerungen nach 2002 nicht weiter gestiegen ist, sondern sogar eher rückläufig war. 218 In der Betrachtung großer wie kleiner Unternehmen, liegt der Anteil der Veräußerungen an der Gesamtzahl aller Insolvenzfälle nur bei ca. 11 Prozent – so die Studie von Baird/Morrison, 105 Colum. L. Rev. 2310, 2350 (2005). Adler/Baird/Jackson, Bankruptcy, S. 677 heben daher hervor, dass für Unternehmen, deren Anteile nicht am Markt gehandelt werden – und das ist die Mehrzahl der Unternehmen in einer Insolvenz – die Veräußerung zum Fortführungswert in der Regel keine realistische Option ist.

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nell-Entscheidung219 endlich auch damit, die vom Gesetzgeber in 11 U. S. C. § 363 (b) und (f) geschaffene Möglichkeit einer lastenfreien gerichtlichen Veräußerung des Unternehmens als Massegegenstand als Sanierungschance zu begreifen und vermehrt auch in einem Chapter 11-Verfahren zu nutzen, statt für jede Unternehmensveräußerung einen bestätigten Plan zu verlangen. 220 Diese Entwicklung wurde zudem im Jahr 1999 durch den Supreme Court vorangetrieben, der in seiner berühmten LaSalle-Entscheidung die Nutzung von Marktmechanismen auch in einem Chapter 11-Verfahren forderte, wo dies möglich sei. 221 In jüngster Zeit sind es schließlich vor allem die spektakulären Insolvenzverfahren über die Chrysler LLC und die General Motor Corporation, in denen jeweils durch eine schnelle gerichtliche Veräußerung der erhaltenswerten Unternehmensteile an eine neue Trägergesellschaft gemäß 11 U. S. C. § 363 eine übertragende Sanierung wesentlicher Teile der amerikanischen Autoindustrie gelang, die zu einer wachsenden Bedeutung von Unternehmensveräußerungen in der amerikanischen Insolvenzpraxis beitragen. Während es sowohl in Deutschland als auch in den Vereinigten Staaten lediglich die Insolvenzpraxis ist, die sich auf dem Boden des geltenden Rechts bereits verbreitet Auktionen zur Insolvenzbewältigung bedient, ging der schwedische Gesetzgeber bereits einen entscheidenden Schritt weiter und normierte die Veräußerung des Unternehmens als Kernbestandteil jedes Insolvenzverfahrens. 222 In der schwedischen Insolvenzpraxis werden daher derzeit – wie in den Auktionsmodellen propagiert – alle Unternehmensinsolvenzen durch eine Veräußerung des Unternehmens, also durch eine Auktion, bewältigt, 223 wobei die Bieter durch ihre Gebote für das Unternehmen als Einheit, für einzelne Unterneh219 Grundlegend In re Lionel Corp., 722 F.2d 1063, 1069–1071 (2d Cir. 1983) mit einer ausführlichen Darstellung der historischen Entwicklung der durchaus streitigen Frage einer Anwendung der Regelung des 11 U. S. C. § 363 im Planverfahren. Der so vorgegebenen Linie folgten etwa: In re Stephen Industries, 789 F.2d 386, 390 (6th Cir. 1986); In re Channel One Communications, Inc., 117 B. R. 493, 496 (Bankr. E. D. Mo. 1990); In re Engineering Products Co., Inc., 121 B. R. 246, 249 (Bankr. E. D. Wis. 1990); In re Allegheny Intern., Inc., 117 B. R. 171, 176–177 (W. D. Pa. 1990); In re Ionosphere Clubs, Inc., 184 B. R. 648, 653 (S. D. N. Y. 1995); In re W. A. Mallory Co., 214 B. R. 834, 836 (Bankr. E. D. Va. 1997); In re Gucci, 126 F.3d 380, 387 (2d Cir. 1997); In re Montgomery Ward Holding Corp., 242 B. R. 147, 153 (D. Del. 1999); In re State Park Bldg. Group Ltd., 331 B. R. 251, 255 (N. D. Tex. 2005). Ein Überblick über die Entstehung der Doktrin findet sich bei Hurley, 58 Am. Bankr. L. J. 233 ff. (1984); siehe zur Problematik auch Madaus, NZI 2008, 715 ff. 220 Genau hierauf liefen auch noch die Vorschläge von Bebchuk, 101 Harv. L. R. 775, 798, 801 ff. (1987–1988), und Aghion/Hart/Moore, 8 J. L. Econ. & Org. 523, 536 ff. (1992), hinaus. 221 Bank of America v. 203 North LaSalle Street Partnership, 526 U. S. 434, 457 f. (1999). 222 Svenska Konkurslagen von 1987. Dazu Thorburn, 58 J. Fin. Econ. 337, 340 ff. (2000); Eckbo/Thorburn, 15 J. Corp. Fin. 10 (2009); dies., 89 J. Fin. Econ. 404, 406 f. (2008). 223 Daneben existiert zwar auch im schwedischen Recht noch die Möglichkeit eines Zwangsvergleichs (Lagen om Företagsrekonstruktion von 1996); diese besitzt allerdings aufgrund hoher gesetzlicher Mindestquoten bzw. Zustimmungsraten und dem Nichteinbinden vorrangiger Gläubiger keine praktische Bedeutung – so Eckbo/Thorburn, 89 J. Fin. Econ. 404, 407 (2008).

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mensteile oder gar nur für einzelne Unternehmensgegenstände automatisch mit darüber entscheiden, ob das Unternehmen als Einheit erhalten bleibt oder zerschlagen wird; am Ende entscheidet das Höchstgebot. Hierzu nimmt der Insolvenzverwalter für das Unternehmen, das in der Zwischenzeit durch sein bisheriges Management fortgeführt wird, die Gebote aller Kaufinteressenten (Dritte, aber auch Insider) entgegen, wobei die Hausbank von der Abgabe von Geboten ausgeschlossen ist. 224 Der Erlös aus der Auktion wird dann zur Gläubigerbefriedigung verwendet, wobei die Rangfolge streng beachtet wird. Das gesamte Verfahren geht dabei sehr schnell vonstatten – es dauert derzeit im Schnitt nur ca. zwei Monate – und erreicht die Fortführung von ca. 75 Prozent aller Unternehmen.225 (2) Die Unzulänglichkeit von Auktionsverfahren in Einzelfällen Für die Umstellung des Insolvenzrechts auf eines der Auktionsmodelle scheinen insofern beeindruckende Zahlen zu sprechen, erreichen doch Unternehmensveräußerungen in der überwiegenden Zahl der Unternehmensinsolvenzen mit fortführungswürdigen Unternehmen tatsächlich eine schnelle Lösung. Sie sind folgerichtig eine wichtige Handlungsoption in jedem Insolvenzverfahren. Dennoch können sie nicht in jeder Unternehmensinsolvenz das bestmögliche Ergebnis erzielen und sind folglich nicht dazu in der Lage, die Reorganisationsoption in der Insolvenz zu ersetzen. Zum einen unterliegen sie naturgemäß einer starken Marktabhängigkeit, was gerade in Zeiten einer allgemeinen Wirtschaftskrise zu einem Versagen der Preisbildung durch Auktionsmodelle führen kann.226 Vor allem aber gelingt es Auktionsmodellen nicht in jedem Fall, den Fortführungswert eines Unternehmens abzuschöpfen. Gerade bei Unternehmen, die ihren Fortführungswert primär aus einem Umstand herleiten, der untrennbar mit dem bisherigen Rechtsträger verbunden ist, kann eine Veräußerung diesen besonderen Mehrwert nicht erhalten und nutzbar machen. Dies gilt etwa für Fälle, in denen behördliche Zulassungen und Genehmigungen (Kassenärzte, Notare) oder aber Lizenzen und Patente den wesentlichen Wert des Unternehmens ausmachen. Die mit der Veräußerung zwingend einhergehende Trennung des Unternehmens von seinem bisherigen Rechtsträger lässt hier nicht nur die Schulden, sondern eben auch die Sonderrechte zurück. Hier kann nur eine Sanierung des bisherigen Rechtsträgers helfen. Dasselbe gilt in abgeschwächter Form für die Fälle, in denen gerade das bisherige Management den Unternehmenswert verkörpert, wie es insbesondere bei kleinen und mittelständischen 224 Die Hausbank bestimmt dennoch gerade bei kleinen Unternehmen in der Regel das Verfahren, indem sie die Finanzierung des Käufers sichert – vgl. Eckbo/Thorburn, 15 J. Corp. Fin. 10, 11 (2009). 225 So die empirischen Daten bei Eckbo/Thorburn, 15 J. Corp. Fin. 10 (2009). 226 Siehe dazu bereits die Ausführungen unter a) (1).

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Familienunternehmen zu beobachten ist. Hier sind es die persönlichen Erfahrungen und Leistungen, aber auch die oft jahrzehntelang verfestigten, auf persönlichem Kontakt und Einsatz beruhenden Geschäftsbeziehungen des Managements, die dem Unternehmen seine Marktposition und damit seinen Fortführungswert geben. Zwar wäre es in diesen Fällen denkbar, auch eine Veräußerung des Unternehmens in der Insolvenz zur Entschuldung und damit Sanierung zu nutzen, indem man an das alte Management, also an Insider, veräußert, die zu diesem Zweck einen neuen Rechtsträger gründen.227 Eine solche Vorgehensweise wäre allerdings lediglich ihrem äußeren Bild nach eine Veräußerung; in der Sache wird hier das Unternehmen in der Hand seiner bisherigen Betreiber entschuldet und saniert, so dass wirtschaftlich eine Reorganisation im Gewande einer Auktion stattfindet. Die zur Organisation eines solchen Prozesses notwendigen Absprachen und Verhandlungen finden dabei weder in einem transparenten Forum noch unter Beteiligung aller Betroffenen statt. Zugleich zwingt die Verhandlungsmacht des bisherigen Managements, das ja im Unternehmen gehalten werden soll, jeden Verhandlungspartner zu erheblichen Zugeständnissen. Das Management wird Rechte und Beteiligungen erhalten müssen, die ihm rechtlich in der Liquidation nicht zustünden und die daher auf Kosten der ihnen rangmäßig vorangehenden Gläubiger eingeräumt werden. Derartige Verletzungen der Rangfolge erlaubt ein gerichtliches Reorganisationsverfahren nur mit der Zustimmung dieser Gläubiger; in einer Auktion hingegen genügt die Zustimmung eines Gläubigerausschusses. Gerade aus der Sicht der Gläubiger muss eine solche Veräußerung folglich als Scheingeschäft und Missbrauch der gesetzlichen Veräußerungstatbestände wahrgenommen werden. 228 Auch in solchen Fällen ist in der Sache eine Reorganisation des Unternehmens die eigentlich zutreffende Handlungsoption. 229 Sie sollte daher auch zur Verfügung stehen und gekünstelte Ausweichlösungen überflüssig machen. 227

Vgl. Baird, 15 J. Legal Studies 127, 140 ff. (1986); Jackson, Bankruptcy Law, S. 221 f. Es kann in diesem Zusammenhang auf die negativen Erfahrungen des amerikanischen Insolvenzrechts mit dem Institut der Equity Receivership erinnert werden. Auch dieses Verfahren nutzte eine gerichtliche Veräußerung des Unternehmens an einen neuen Rechtsträger als Sanierungsinstrument, wobei auch hier in der Regel die alten Eigentümer und das alte Management am Ende wieder die Kontrolle über das neue Unternehmen ausübten. Die Equity Receivership war insofern im Kern ebenfalls eine als Auktion verkleidete Reorganisation und aus diesem Grund so vielfältigen Missbrauchsvorwürfen ausgesetzt, dass sie am Ende in ein gesetzlichen Reorganisationsverfahren umgewandelt wurde – siehe wegen der Einzelheiten im Ersten Kapitel C. V. 1. a) (2) bis (4). Auch Tabb, 44 S. C. L. Rev. 791, 808 (1992– 1993), hält den Abschaffungsrufen entgegen, dass es bereits eine Zeit ohne Reorganisationsoption in der Insolvenz gab und die Erfahrungen daraus eine Kodifizierung als notwendig erscheinen lässt. Nach einer ausführlichen Analyse der ambivalenten Ergebnisse der EquityReceivership-Verfahren mahnt auch Lubben, 89 Cornell L. Rev. 1420, 1468 (2004), vor einer unbedachten Rückkehr zu ähnlichen Verfahrensweisen. 229 Die besondere Lage solcher Unternehmen erkennen auch Baird/Rasmussen, 87 Va. L. Rev. 921, 942 ff. (2001); dies., 55 Stan. L. Rev. 751, 752 (2002–2003); Baird/Morrison, 105 Colum. L. Rev. 2310 ff. (2005). 228

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Insgesamt erscheinen daher Veräußerungslösungen eben nicht als insolvenzrechtliches Allheilmittel. d) Fazit – Der Sinn von Handlungsoptionen in der Insolvenz Die Reorganisation des Unternehmensträgers ist auch in der Insolvenz desselben eine nicht nur notwendige, sondern darüber hinaus nützliche Handlungsoption für alle Beteiligten und daher als Teil des Instrumentariums des geltenden Insolvenzrechts gerechtfertigt. (1) Die Notwendigkeit einer Reorganisation in der Insolvenz Die Reorganisation, also die Sanierung des vorhandenen Rechtsträgers, ist in all den Fällen nicht ersetzbar und daher notwendig, in denen gerade an diesen Rechtsträger Zulassungen, Lizenzen und Genehmigungen geknüpft sind, die überhaupt nicht oder nur unter unzumutbar hohen Transaktionskosten auf einen neuen Rechtsträger zu übertragen wären. Klassisches Beispiel wäre hier etwa die Arztpraxis mit Kassenzulassung. Hier ist eine übertragende Sanierung, also eine Veräußerungslösung, ausgeschlossen, da die Erwerbspotenziale des Unternehmens mit der Person des Unternehmers und dessen behördlicher Zulassung verknüpft sind. Auktionsmodelle können in derartigen Insolvenzen folglich nicht das Ziel einer maximalen Gläubigerbefriedigung erreichen, da ihnen die Mittel fehlen, den Fortführungswert abzuschöpfen. Optionsmodelle, also Modelle, die auf einem Anteilserwerb durch die Gläubiger abzielen, sind im Gegensatz zu den Auktionsmodellen zwar theoretisch auch dazu einsetzbar, die Gläubiger am bisherigen Rechtsträger zu beteiligen und insofern als Reorganisationsweg denkbar. Ihre Umsetzung scheitert jedoch an den verfassungsrechtlichen Zulässigkeitsgrenzen einer zwangsweisen Umwandlung von Forderungen in Anteile sowie an der praktischen Hürde, dass gerade bei diesen Fallgruppen nur höchst selten börsennotierte Aktiengesellschaften, die Zielgruppe vieler Optionsmodelle, als Unternehmensträger auftauchen. Die Alternativvorschläge vermögen es also nicht, in jeder Insolvenz eine optimale Gläubigerbefriedigung zu erreichen. Zudem ist zu befürchten, dass auch in Fällen, in denen eine übertragende Sanierung als Handlungsweg grundsätzlich in Betracht kommt, aufgrund von Unzulänglichkeiten am Kapitalmarkt durch eine Auktion nicht der bestmögliche Preis für die Gläubiger erzielt wird. In der Gesamtbetrachtung bleibt damit festzuhalten, dass das Ziel einer maximalen Gläubigerbefriedigung in jeder Insolvenz nur zu erreichen ist, wenn der Reorganisationsweg als Handlungsoption zur Verfügung steht. (2) Die Nützlichkeit einer Reorganisation in der Insolvenz Erlaubt man eine Reorganisation auch in der Insolvenz, so kann zugleich ein positiver Wettbewerbseffekt entstehen. Haben die Beteiligten in der Insolvenz die freie Wahl zwischen allen in Betracht kommenden Handlungsalternativen

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(Zerschlagung, Veräußerung, Reorganisation), so kann die Option zum Zuge kommen, die als wertmaximierende Verwertungsart erscheint. Dabei müssen alle relevanten Faktoren Berücksichtigung finden können, so dass insbesondere auch die Kosteneffekte der einzelnen Handlungsoptionen bedacht werden können. Wie bereits herausgearbeitet wurde, scheint es keinen generellen Kostenvor- oder nachteil einer Veräußerungslösung gegenüber einer Reorganisation zu geben. Es ist vielmehr in jedem Einzelfall zu prüfen, welche der Optionen kosteneffizienter erscheint. Dabei kann dann insbesondere auch eine Rolle spielen, in welcher Hinsicht die außergerichtlichen Sanierungsbemühungen bereits Erfolg versprechend waren. Wurde also etwa ein außergerichtliches Sanierungskonzept bereits weitgehend ausgehandelt und nur durch die Blockadehaltung einzelner Gläubiger vereitelt, so kann eine schnelle Überwindung dieser Blockade durch die Möglichkeiten eines gerichtlichen Insolvenzverfahrens ein effektiver Weg sein, Reorganisationskonzepte, aber auch Veräußerungslösungen durchzusetzen, sind doch erst hier Mehrheitsentscheidungen möglich. Ein ideales Insolvenzrecht sollte somit alle Handlungsoptionen in der Insolvenz zur Verfügung stellen und zugleich keine dieser Optionen bevorzugen.230 Die diesbezüglichen (kostenträchtigen) Schwächen des amerikanischen Insolvenzrechts, das ein Reorganisations- oder ein Liquidationsverfahren (Chapter 11 bzw. 7) von vornherein unterscheidet, hat der deutsche Reformgesetzgeber glücklicherweise nicht übernommen. Die Insolvenzordnung erlaubt vielmehr, für jedes insolvente Unternehmen eine an seine Fortführungsaussichten angepasste Verwertungsart zu wählen, ohne dabei eine zu privilegieren (vgl. §§ 157, 160, 217 InsO). Die Inhaltsoffenheit, also die Qual der Wahl, sollte insofern als eine Stärke des geltenden Insolvenzrechts begriffen werden.

IV. Die Ausübung der Reorganisationsoption – Alternativen zum Planverfahren? Plädiert man für ein Wahlrecht und gegen Automatismen in der Bestimmung der Verwertungsart, so stellt sich unmittelbar die Frage danach, wer das Wahlrecht ausüben soll. In Deutschland ist die Entscheidung über eine Zerschlagung, Veräußerung oder Reorganisation des Schuldnerunternehmens den Gläubigern zugewiesen, die in der Gläubigerversammlung über die Stilllegung und Zerschlagung (§ 157 Satz 1 InsO) bzw. über die Veräußerung des Unternehmens abstimmen, wobei dies bei der Veräußerung nur gilt, wenn sie nicht durch einen Gläubigerausschuss repräsentiert werden (§ 160 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 InsO). Es ist auch die Gläubigerversammlung, in der der Beschluss für die 230 Ebenso etwa Balz, ZIP 1988, 273, 283; Hansen/Thomas, 18 Int’l Rev. L. & Econ 159, 160 (1998); Schwartz, 91 Va. L. Rev. 1199, 1247 (2005); Whitford, 72 Wash. U. L. Q. 1379,1399 (1994).

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Erarbeitung eines Insolvenzplans gefasst werden kann (§ 157 Satz 2 InsO), so dass in ihr auch der Ausgangspunkt für eine Reorganisation des Unternehmens liegen kann. Die eigentliche Entscheidung über die Annahme eine Insolvenzplans fällen die Gläubiger dann aber erst im Rahmen des Planverfahrens durch eine erneute Abstimmung innerhalb der vom Plan gebildeten Gläubigergruppen (vgl. §§ 243, 244, 248 Abs. 1 InsO). Insgesamt bestimmen in Deutschland damit stets die Gläubiger über die zum Zuge kommende Verwertungsart. Hervorzuheben ist dabei, dass eine Reorganisation stets ein Planverfahren voraussetzt und die darin notwendigen Verhandlungen sehr zeit- und kostenintensiv seien können. Zudem kann auch eine Unternehmensveräußerung oder eine Liquidation zum Gegenstand eines Insolvenzplans gemacht werden, so dass sich die Entscheidung über die passende Verwertungsart gänzlich in ein Planverfahren verlagert. Konkurriert hingegen ein Reorganisationsplan mit einer Unternehmensveräußerung nach § 160 InsO, so kann das Insolvenzgericht nach § 233 Satz 1 InsO die Wahlentscheidung ebenfalls in das Planverfahren verlagern, indem es die Veräußerung bis zum Abschluss des Planverfahrens aussetzt, was die Gläubiger gemäß § 233 Satz 2 InsO die Gläubiger nur gemeinsam mit dem Insolvenzverwalter verhindern können. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass das Wahlrecht hinsichtlich der zum Zuge kommenden Verwertungsart im deutschen Insolvenzverfahren den Gläubigern zukommt, wobei über eine Reorganisationsoption grundsätzlich in einem Planverfahren, also in einem gerichtlich überwachten Verhandlungsprozess, entschieden wird. Die dort unter den Gläubigern stattfindende Willensbildung ist nicht selten langwierig und teuer, weshalb es naheliegt, danach zu fragen, ob anstelle eines Planverfahrens nicht einfachere Entscheidungsmechanismen zur Verfügung stehen. Insbesondere die Einsparung eines Willensbildungsprozesses im Verhandlungswege durch die Schaffung eines singulären Entscheidungsinstanz scheint hier zielführend zu sein. 1. Modelle mit Einzelentscheidungsbefugnis In der Literatur finden sich inzwischen mehrere Modelle, nach denen die Entscheidung über die zum Zuge kommende Verwertungsart von der Gläubigerschaft als Personenmehrheit auf eine einzelne Person, insbesondere auf kompetent erscheinende einzelne Gläubiger, übertragen werden soll. a) »Selective Stay Model« nach Baird und Picker So schlugen etwa Douglas G. Baird und Randal C. Picker im Jahre 1991 vor, in der Insolvenz von Unternehmen, deren Anteile nicht am Markt gehandelt werden und für die folgerichtig kaum ein Markt besteht, den finanziellen Großgläubiger, im Regelfall also die dinglich gesicherte Hausbank, darüber entscheiden zu lassen, ob das Unternehmen zerschlagen, zum Fortführungswert veräu-

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ßert oder reorganisiert wird. Dazu wollten sie diesen Gläubiger vom Vollstreckungsverbot, das ein Insolvenzverfahren begleitet, ausnehmen, um ihm auf diese Weise eine starke Verhandlungsposition zu geben, könne er nun doch jederzeit auf die Vollstreckung seiner Sicherungsrechte und damit auf eine Zerschlagung des Unternehmens bestehen. 231 Zugleich nahmen die Autoren an, dass in diesen kleinen bis mittleren Unternehmen das Management in der Regel eine enge Verbundenheit mit dem Unternehmen aufweist und daher grundsätzlich in Richtung einer Reorganisation verhandeln wird. Im Ergebnis dieser Annahmen sei es allein die Hausbank, die mit dem Management aus einer starken Verhandlungsposition heraus über den Versuch wie auch über die Konditionen einer Reorganisation verhandeln und entscheiden sollte. Die Wahl über die zum Zuge kommende Verwertungsart läge folglich in der Hand nur eines Gläubigers. Allein seine Einschätzung der Fortführungschancen und des damit zu erwirtschaftenden Mehrwertes (Fortführungswertes) würde das Verfahrensergebnis bestimmen. Das von den Autoren 1991 favorisierte Verfahren scheint heute in der amerikanischen Insolvenzpraxis nicht selten zu verwirklichen. Der dominante gesicherte Gläubiger, in der Regel die Hausbank, kontrolliert bei kleinen Unternehmen faktisch nicht nur die Finanzierung des solventen Unternehmens, sondern über die ihm eingeräumten Sicherungsrechte auch das Schicksal des insolventen. Diese Macht kann er dann dazu nutzen, die notwendige Finanzierung einer Unternehmensfortführung von der Einleitung solcher Verfahrensschritte abhängig zu machen, die er für notwendig hält und deren Vornahme in einem Chapter 11-Verfahren allein dem sich selbst verwaltenden Schuldner zusteht. Er kann also insbesondere auf der Vorlage eines Plans mit bestimmten Inhalt oder aber die Einleitung einer Veräußerung des Unternehmens oder von Teilen desselben bestehen.232 Die damit einhergehenden Missbrauchsrisiken scheinen sich in der Praxis eher selten zu verwirklichen, bedarf der Plan am Ende doch der Annahme durch die Mehrzahl aller Gläubiger sowie einer gerichtlichen Bestätigung, was eklatante Machtmissbräuche durch die Hausbank ausschließen sollte. Zudem muss das Insolvenzgericht nach 11 U. S. C. § 363 (b) auch eine 231 Baird/Picker, 20 J. Legal Stud. 311, 333 ff. (1991); ebenso Baird/Rasmussen, 87 Va. L. Rev. 921, 948 ff. (2001) und 55 Stan. L. Rev. 751, 784 (2002–2003). In dem propagierten, engen Anwendungsbereich von Firmen mit nur einem Kreditgeber unterstützen Rasmussen/Skeel, 3 Am. Bankr. Inst. L. Rev. 85 ff. (1995), den Vorschlag. Kritisch hingegen Adler, 12 Am. Bankr. Inst. L. Rev. 219, 225 (2004), der systembedingt eine Unterbewertung der kleinen Unternehmen und dadurch ein Marktversagen vermutet. Zugleich fördere das Modell die uneffiziente Fortführung zerschlagungsreifer Unternehmen durch die Schlüsselgläubiger zu Lasten der ungesicherten, wenn die Veräußerung erst im Rahmen einer ausgehandelten Planlösung erfolge (S. 226 ff.). LoPucki, 56 Stan. L. Rev. 645, 664 f. (2003–2004) bezweifelt dagegen vor allem die Feststellbarkeit des »Schlüsselgläubigers« im Insolvenzfall; ähnlich Jungmann, ZVglRWiss 104 (2005), 59, 72. 232 So die Beobachtungen von Adler/Baird/Jackson, Bankruptcy, S. 673.

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Veräußerung des Unternehmens aus der Insolvenzmasse bei Einsprüchen anderer Gläubiger genehmigen. Scheitern die Verhandlungen über einen Insolvenzplan, so ermöglicht schon das geltende Recht in 11 U. S. C. § 362 (d) (2) eine Aufhebung des Vollstreckungsverbots, so dass genau die Situation eintritt, die Baird und Picker erstreben.233 Grundsätzlich erscheint es dennoch zweifelhaft, allein dem finanziellen Hauptgläubiger das Entscheidungsrecht über die Verwertung des Unternehmens zuzugestehen, zumal dieser m Regelfall umfassend besichert sein wird, ist doch nicht einsichtig, warum sich eine Hausbank in einer solchen Position überhaupt auf das Wagnis einer Reorganisation einlassen sollte. Ihr droht in der Liquidation kein Risiko, in der Reorganisation hingegen schon. Warum sollte sie also, wie Baird und Picker es voraussetzen, mit dem Schuldner in Verhandlungen eintreten? Zudem reagiert ihr Modell auf die Besonderheit des amerikanischen Reorganisationsrechts, das in einem Chapter 11-Verfahren zunächst allein dem Schuldner das alleinige Recht zur Vorlage und Verhandlung eines Insolvenzplans zugesteht, indem es diesen zu Verhandlungen mit seiner Hausbank zwingen will. Verallgemeinerungsfähig erscheint es schon insofern nicht. Schließlich ist es als Lösungsmechanismus für sämtliche Unternehmensinsolvenzen von vornherein weder konzipiert noch geeignet. b) »waiver contracts« nach Schwarcz Auch Steven L. Schwarcz befürwortete eine Ausnahme vom Vollstreckungsverbot, allerdings nur für die Gläubiger, die dies mit dem Schuldner explizit vereinbart hatten. 234 Dazu plädierte er dafür, Kreditverträge, in denen der Schuldner auf die Rechte aus dem Vollstreckungsverbot in der Insolvenz verzichtet, dann zulassen, wenn die vom Verzicht nachteilig betroffenen Dritten in der Summe ihrer wirtschaftlichen Interessen nicht betroffen werden. 235 Auf diese Weise sollte Verträge zulässig werden, die in der Summe aus ex-ante-Sicht dem Schuldnervermögen einen Mehrwert im Gegenzug für den Verzicht zukommen lassen und daher die Insolvenzgefahr mindern, was allen anderen Gläubigern zugute käme, da der Wert ihrer Forderungen steigt. Verträge hingegen, die in der ex-post-Betrachtung die Reorganisation des Schuldners gefährden, obwohl sie ex ante unbedenklich erschienen, sollte aufgrund ihrer tatsächlichen drittschädigenden Wirkung unzulässig sein. 236 Insgesamt sah Schwarcz den Hauptanwendungsbereich seiner »waiver contracts« in der Neuverhandlung von bestehenden Kreditlinien in der Krise, da hier der Gläubiger oft nur dann bereit sei, neue Liquidität zur Verfügung zu 233 Zutreffend insofern die Anmerkung von Carlson, 36 J. L. & Econ. 219, 221 und 228 f. (1993). 234 Schwarcz, 77 Tex. L. Rev. 515 ff. (1998–1999). 235 Schwarcz, 77 Tex. L. Rev. 515, 560 ff. (1998–1999). 236 Schwarcz, 77 Tex. L. Rev. 515, 585 (1998–1999).

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stellen, wenn er seine Rechte in der möglichen Insolvenz insbesondere durch deren Vollstreckbarkeit stärkt. Mittels solcher Klauseln könne die Häufigkeit neuer Kreditlinien und damit die Liquidität von Krisenunternehmen deutlich erhöht werden.237 Konsequenterweise wollte Schwarcz seine Klausel in Kreditverträgen außerhalb einer Krise nicht zulassen, da der Schuldner deren Bedeutung weitgehend unterschätzen würde. 238 Eine Umsetzung des Modells würde dazu führen, dass in der Insolvenz die vollstreckungsberechtigten Gläubiger, in der Regel die das Unternehmen in der Krise finanzierende Hausbank sowie wenige andere Schlüsselgläubiger wie etwa Lieferanten, individuell nicht nur über die Durchsetzung ihrer Forderungen, sondern zugleich über die damit erfolgende Zerschlagung des Unternehmens entscheiden. Die Wahl der Verwertungsart würde dezentralisiert, entscheidet doch nun jeder berechtigte Gläubiger nur für sich. Da sich in dieser Situation stets die Durchsetzung der eigenen Forderung als die egoistisch vernünftigste Entscheidung darstellen wird, würde das Modell in der Praxis zu einem Ausbleiben von Reorganisationen in der Insolvenz, ja sogar zu einer Zerschlagung fortführungswürdiger Unternehmen durch den Vollstreckungszugriff privilegierter Gläubiger auf werthaltige Vermögensgegenstände führen. Das Ziel der Verbesserung der Liquidität von Unternehmen in der Krise würde mit der Vernichtung von Fortführungswerten in der Insolvenz bezahlt. Dem Interesse des Insolvenzrechts an einer bestmöglichen Gläubigerbefriedigung entspricht dies nicht. c) »SIR«-Verfahren nach Jungmann Der Vorschlage eines neuen Reorganisationsverfahrens (»SIR-Verfahren«) von Carsten Jungmann zielte ebenfalls auf die Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf einen Gläubiger ab, der in der Regel wie in den zuvor geschilderten Modellen in der Hausbank gefunden werden wird. 239 Auch dieses Verfahrensmodell war als Alternative zum parallel bestehen bleibenden Insolvenzverfahrensrecht konzipiert.240 Jungmann sah dabei sein Modell nicht nur als Abkehr vom Prinzip der Verhandlungslösung, sondern auch als Abkehr vom Prinzip der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung. Seiner Ansicht nach sollte sich das Insolvenzrecht als Reorganisationsrecht begreifen und daher primär eine »Rescue Policy« verfolgen, wozu ihn allerdings nicht soziale Erwägungen führen, sondern die Ansicht, dass ein Reorganisationsverfahren hauptsächlich »ein 237

Schwarcz, 77 Tex. L. Rev. 515, 590 ff. (1998–1999). Schwarcz, 77 Tex. L. Rev. 515, 594 (1998–1999). Eine Ausnahme machte er allerdings für den Fall der Vereinbarung von Globalsicherheiten. Da diese erst in der Insolvenz zum tragen kämen, sei die Verzichtsklausel bei ihnen auch dann zulässig, wenn die Globalsicherheit von der Krise bestellt wird (S. 597 ff.). 239 Jungmann, Grundpfandgläubiger und Unternehmensinsolvenz, S. 418 ff.; ders., ZVglRWiss 104 (2005), 59, 84 ff. 240 Jungmann, ZVglRWiss 104 (2005), 59, 110. 238

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Verfahren zur Befriedigung des Großgläubigers« ist, weshalb dieser auch die besten Verwertungsentscheidungen treffen könne. 241 Zur Bestimmung des in der Krise entscheidungsberechtigten Gläubigers schlug Jungmann die Schaffung einer neuen Rechtsposition am Unternehmen vor, die ähnlich einer Kreditsicherheit für einen Gläubiger bestellt wird: das »Security Interest in Reorganisation« (SIR). 242 Dieses Recht soll allein die Berechtigung beinhalten, in einem näher zu definierenden Krisenfall ein Reorganisationsverfahren einzuleiten und dort das alleinige Recht zu besitzen, den Ablauf des Verfahrens sowie den Inhalt des Reorganisationsplans zu bestimmen; es würde also allein die »Hoheit im Reorganisationsverfahren« verleihen.243 Seine Bestellung soll dabei durch einen notariellen Vertrag und die Eintragung in ein entsprechendes öffentliches Register erfolgen, so dass auch mehrere solcher Rechte mit entsprechenden Rängen eingeräumt werden könnten. 244 Bei Eintritt eines der vereinbarten Auslösetatbestände, z. B. dem Eintritt eines vereinbarten Krisenfrüherkennungsmerkmals, hätte der berechtigte Gläubiger dann das Recht, nicht aber die Pflicht, ein SIR-Verfahren durch bloße Erklärung an das Unternehmen einzuleiten, was öffentlich bekannt zu machen ist. 245 Liegt zugleich bereits ein Insolvenzgrund vor, so soll das SIR-Verfahren nicht die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens aufgrund eines Schuldnerantrags hindern, würden doch die entsprechenden Antragspflichten nach § 15a InsO nicht suspendiert. Allein Gläubigeranträge sollen bis zum Abschluss eines SIRVerfahrens unzulässig sein. Das Insolvenzgericht soll aber auch bei einem zulässigen Schuldnerantrag gehalten sein, die Verfahrenseröffnung nach Möglichkeit hinauszuschieben, bis die Reorganisationsbemühungen Ergebnisse zeigen. Eröffnet es hingegen das Insolvenzverfahren, so scheitere automatisch das SIRVerfahren und die dortigen Verfahrensrechte erlöschen. 246 Wird ein SIR-Verfahren eingeleitet, so soll ein Vollstreckungsverbot eintreten und alle Geschäftsführungs- und Vertretungsrechte auf einen vom entscheidungsbefugten Gläubiger zu bestellenden Verwalter übergehen.247 Diesem obliege es auch, einen Reorganisationsplan aufstellen, in dem er ohne jede Bindung an den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung jede beim ihm angemeldete 241

Jungmann, Grundpfandgläubiger und Unternehmensinsolvenz, S. 420 f. Jungmann, Grundpfandgläubiger und Unternehmensinsolvenz, S. 421; ders., ZVglRWiss 104 (2005), 59, 85. 243 Jungmann, Grundpfandgläubiger und Unternehmensinsolvenz, S. 422. 244 Jungmann, Grundpfandgläubiger und Unternehmensinsolvenz, S. 426; ders., ZVglRWiss 104 (2005), 59, 86. Zu den Verfahrensbesonderheiten bei mehreren SIR-Rechten – vgl. Jungmann, ZVglRWiss 104 (2005), 59, 90 ff. 245 Jungmann, ZVglRWiss 104 (2005), 59, 87 f. mit weiteren Einzelheiten zur Bekanntmachung. 246 Jungmann, Grundpfandgläubiger und Unternehmensinsolvenz, S. 423. 247 Jungmann, Grundpfandgläubiger und Unternehmensinsolvenz, S. 424; ders., ZVglRWiss 104 (2005), 59, 89 f. 242

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Gläubigerforderung auf ihren wirtschaftlichen Wert kürzen darf. 248 Daneben seien ihm Eingriffe in die Rechte der Anteilseigner ebenso erlaubt wie das Eingehen neuer Verbindlichkeiten, welche wie Masseforderungen Vorrangstellung genießen sollen. 249 Der so erarbeitete Reorganisationsplan würde dann ohne die Zustimmung anderer Beteiligter und ohne eine gerichtliche Bestätigung allein aufgrund der Zustimmung des SIR-Gläubigers in Kraft treten. 250 Die gerichtliche Überprüfung der rechtlichen Zulässigkeit des Reorganisationsplans soll erst nach dem SIR-Verfahren in einem gerichtlichen Haftungsprozess stattfinden. In diesem würden die Gläubiger, in deren Rechte zu weitreichende Eingriffe durch den Reorganisationsplan erfolgten, allerdings lediglich Haftungsansprüche gegen den verfahrensleitenden Gläubiger geltend machen dürfen, der insofern für das Handeln des Verwalters verschuldensunabhängig haften soll.251 Eine Aufhebung des Plans sei hingegen ausgeschlossen. Das hierin liegende Haftungsrisiko sei ein Anreiz zu Verhandlungen über den Planinhalt mit den Gläubigern und zugleich das Korrektiv für die weitreichenden Befugnisse des entscheidungsbefugten Gläubigers, weshalb sicherzustellen sei, dass nur hinreichend leistungsfähigen Gläubigern ein SIR bestellt wird. 252 Jungmann erkennt in seinem Modell zutreffend, dass es keines unmittelbaren gerichtlichen Schutzes bedarf, um Forderungen gegen den Willen der Gläubiger vom Nominal- auf den wirtschaftlichen Wert zu kürzen. Dieser Rechtsschutz darf auch erst nach Abschluss des Reorganisationsverfahrens gewährt werden. 253 Zugleich zeigt dieses Modell sehr anschaulich, dass auch ein Reorganisationsverfahren rechtlich denkbar ist, dass allein die Interessen eines einzelnen Gläubigers berücksichtigt, solange allen anderen Beteiligten der wirtschaftliche Wert ihrer Beteiligungsrechte sowie eine gerichtliche Kontrolle der Wertbestimmung garantiert wird. Die Reorganisationsentscheidung wird auf diese Weise ohne denkbare Verzögerungsrisiken auf eine einzelne Person und deren egoistische Bewertung des Schuldnerunternehmens fokussiert. Dennoch kann der Modellvorschlag so nicht überzeugen, wobei insbesondere dessen praktische Durchführbarkeit bezweifelt werden muss. Die Garantie des wirtschaftlichen Forderungswertes sowie eines diesbezüglichen Rechtsschutzes führt, wenn man im Interesse des Vertrauens in den Bestand der Reor248 Wegen der Einzelheiten insbesondere bei der Wertbestimmung siehe Jungmann, ZVglRWiss 104 (2005), 59, 96 ff. 249 Jungmann, ZVglRWiss 104 (2005), 59, 96. 250 Jungmann, Grundpfandgläubiger und Unternehmensinsolvenz, S. 425; ders., ZVglRWiss 104 (2005), 59, 93 ff., 101. Die Bindungswirkung des Reorganisationsplans könne mangels gerichtlicher Beteiligung nur auf einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung beruhen (S. 101). 251 Jungmann, Grundpfandgläubiger und Unternehmensinsolvenz, S. 424 f.; ders., ZVglRWiss 104 (2005), 59, 102 ff. 252 Jungmann, Grundpfandgläubiger und Unternehmensinsolvenz, S. 426. 253 Näheres dazu im Vierten Kapitel unter A.

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ganisationslösung auf eine spätere Aufhebung des Reorganisationsplans durch das Gericht verzichtet, zu einem enormen Haftungsrisiko beim entscheidungsbefugten Gläubiger, wodurch es höchst unattraktiv wird, ein solches Recht überhaupt zu erwerben bzw. auszuüben. Die Ermittlung des wirtschaftlichen Wertes einer Forderung ist naturgemäß mit Unsicherheiten verbunden und die gerichtliche Bewertung in einem späteren Prozess kann ohne weiteres von derjenigen auch des sorgfältigsten Verwalters abweichen. Wenn Jungmann angesichts dieser Bedenken vorschlägt, über die Forderungswerte in Verhandlungen einzutreten, 254 so entwertet er damit die Effizienz seines Modells, dass doch gerade auf langwierige Verhandlungen der Gläubiger über den Planinhalt verzichten will. Die von ihm vorgeschlagenen Beweislastverteilung hinsichtlich der Forderungswerte, nach der dem entscheidungsbefugten Gläubiger zunächst obliegt, die im Plan enthaltenen Bewertung zu rechtfertigen, 255 hilft zudem ebenfalls kaum, das Haftungsrisiko zu beschränken, wird es im Ergebnis im Prozess doch auf eine Beweiserhebung durch Sachverständigengutachten hinauslaufen und das Resultat dieser Gutachten ist offen. Insgesamt erscheint es daher fraglich, ob der bloße Anreiz, in der Krise eines Geschäftspartners eine Schlüsselrolle in dessen Reorganisation übernehmen zu dürfen, ausreicht, um die von Jungmann avisierten finanzstarken Gläubiger zur Übernahme und Ausübung eines SIR-Rechtes zu bewegen. Versetzt man sich in die Lage der das Unternehmen finanzierenden Hausbank, so wird diese im Regelfall ihre Kreditlinie hinreichend besichert haben und daher kaum Anreize finden, das Experiment eines SIR-Verfahrens einzugehen. Gläubiger hingegen, die – wie etwa Autozulieferer – auf den Fortbestand ihres Hauptgeschäftspartners angewiesen sind und daher wohl bereit wären, das Experiment zu wagen, werden im Regelfall nicht über die finanzielle Leistungsfähigkeit verfügen, die Jungmann wegen der Haftungsrisiken für die Übernahme eines SIR-Rechts voraussetzt. Sein Modell erscheint daher für die Insolvenzpraxis wenig tauglich. d) Der »better positioned agent« nach Rotem Yaad Rotem wollte ebenfalls die Einfachheit der Entscheidung durch eine Einzelperson nutzen und die Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der Verwertung des Schuldnerunternehmens jedenfalls mittelbar auf eine besondere Person verlagern, den »better positioned agent«.256 Dies war auch nach seinem Modell (insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen) 257 der dominante gesicherte Gläubiger des Schuldners, also dessen Hausbank. 258 Seiner Ansicht nach wird 254 255 256 257 258

Jungmann, ZVglRWiss 104 (2005), 59, 105. Jungmann, ZVglRWiss 104 (2005), 59, 108. Rotem, 10 U. Pa. J. Bus. & Emp. L. 509 ff. (2007–2008). Rotem, 10 U. Pa. J. Bus. & Emp. L. 509, 585 f. (2007–2008). Rotem, 10 U. Pa. J. Bus. & Emp. L. 509, 514, 579 (2007–2008).

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die Verwertungsentscheidung mehrfach im Laufe der Zeit getroffen. Vor dem Insolvenzverfahren sei es vor allem der dominante gesicherte Gläubiger, der das Unternehmen beobachten und als Einzelperson Einfluss auf dessen Schicksal nehmen könne, indem er über sein eigenes Investment eigennützig entscheidet. 259 Die Richtigkeitsgewähr dieser Entscheidung sei es dann, die ihn auch ohne Sonderwissen über das Unternehmen in einem Insolvenzverfahren als Entscheidungsträger auszeichne. 260 Der dominante gesicherte Gläubiger verfüge in der Regel schon vor der Insolvenz aufgrund seiner geschäftlichen Beziehungen zum Schuldner über einen guten Informationsstand, welcher dann schon zu Beginn des Insolvenzverfahrens genutzt werden könne. 261 Allerdings will Rotem den Schlüsselgläubiger nicht auffordern, direkt über die Veräußerung, Stilllegung oder Reorganisation des Unternehmens zu entscheiden und hierfür Haftungsrisiken zu übernehmen. Vielmehr solle sein Verhalten allein als Indikator für die zutreffende Verwertungsentscheidung dienen. 262 Um herauszufinden, ob ein gesicherter Gläubiger im Einzelfall tatsächlich über die notwendige Information verfüge, um eine erhöhte Richtigkeitsgewähr aus seiner Entscheidung abzuleiten (»BPA surplus«), will Rotem die gut informierten gesicherten Gläubiger von den anderen trennen.263 Hierzu will er das geltende Insolvenzrecht dahin gehend ändern, 264 dass automatisch im Laufe des Verfahrens ein gradueller Verfall des Wertes der Sicherheiten möglich wird, und die gesicherten Gläubiger im Sicherungsvertrag wählen können, ob ihre Sicherheiten diesem Verfall unterliegen oder nicht. Entscheiden sie sich dafür, da die Kosten für eine Beobachtung des Schuldners und damit eine Insolvenzprävention, für sie günstiger ist als das Erkaufen der vollen Absicherung ihrer Forderungen in der Insolvenz, so würde zugleich deutlich, dass diese gesicherten Gläubiger gut informierte Gläubiger sind, die in der Folge früh eine Entscheidung über die Verwertung ihrer Sicherheiten treffen und damit eine verlässliche Einschätzung der Fortführungschancen des Schuldnerunternehmens bekannt geben werden. 265 Auch in Rotems Modell ist es somit die Bewertung nur eines Gläubigers, die im Zweifel das Schicksal des Unternehmens bestimmt. Zwar soll diese Bewertung lediglich als Indikator dienen, so dass die formale Entscheidung über die 259 Rotem, 10 U. Pa. J. Bus. & Emp. L. 509, 554 (2007–2008). Daneben könne im Einzelfall aber auch eine andere Person, etwa ein wichtiger neuer Investor, als »better positioned agent« agieren, solange dieser mit der Entscheidung über sein eigenes Investment zugleich auch darüber entscheidet, ob das Unternehmen fortbesteht oder veräußert wird (S. 555). 260 Rotem, 10 U. Pa. J. Bus. & Emp. L. 509, 556 (2007–2008). 261 Rotem, 10 U. Pa. J. Bus. & Emp. L. 509, 567 (2007–2008). 262 Rotem, 10 U. Pa. J. Bus. & Emp. L. 509, 568 (2007–2008). 263 Rotem, 10 U. Pa. J. Bus. & Emp. L. 509, 572 (2007–2008). 264 Im Einzelnen zu den zu ändernden Regelungen: Rotem, 10 U. Pa. J. Bus. & Emp. L. 509, 595 (2007–2008). 265 Rotem, 10 U. Pa. J. Bus. & Emp. L. 509, 573 ff. (2007–2008).

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Verwertungsart von einem anderen Verfahrensbeteiligten, etwa dem Verwalter oder dem Insolvenzgericht, gefällt werden müsste. Inhaltlich würde jedoch der von Rotem gewollte Effizienzeffekt nur eintreten, wenn der Inhalt dieser formalen Entscheidung gänzlich durch den Entschluss des »better positioned agent« vorgegeben wird, weiter in das Unternehmen zu investieren bzw. dieses durch die Verwertung von Sicherheiten zu zerschlagen. Problematisch an diesem Modell ist – ähnlich wie beim SIR-Verfahren nach Jungmann – die Praxistauglichkeit des Modells. Ein Gläubiger müsste sich bei Abschluss seines Sicherungsvertrages freiwillig dafür entscheiden, seine Sicherheiten einem Verfall zu unterwerfen und damit für den Fall der Insolvenz die Position eines »better positioned agent« zu übernehmen. Zudem sollte nach Rotem nicht irgendein Gläubiger ein derartig entwertetes Sicherungsrecht übernehmen, sondern idealerweise der bestens informierte dominante Gläubiger des Schuldners, also dessen Hausbank. Gerade der verhandlungsstärkste Gläubiger wird also aufgefordert, freiwillig statt der möglichen vollständigen Absicherung seines Ausfallrisikos einer schlechteren Absicherung zuzustimmen, nur um im Gegenzug als Indikator in einem Insolvenzverfahren zu dienen. Macht man sich diese Anforderungen des Modells deutlich, so muss ernsthaft bezweifelt werden, dass sich in der Praxis dominante Gläubiger finden werden, die solche Risiken eingehen wollen. Das Modell scheint daher ebenfalls wenig praxistauglich. 2. Das administrative Insolvenzverfahren Besinnt man sich darauf zurück, dass das Insolvenzverfahren ein staatliches, in der Regel ein gerichtliches Verfahren ist, so scheint es nahezuliegen, die zentrale Entscheidung über die bestmögliche Verwertung des Schuldnervermögens ebenfalls einem staatlichen Organ zu übertragen und das Insolvenzverfahren insofern administrativ auszugestalten. a) Die Entscheidung durch eine Sanierungsbehörde So könnte man eine für die Sanierung von Unternehmen zuständige Behörde schaffen bzw. eine vorhandene Behörde hierzu ermächtigen. Diese Behörde müsste im Fall einer Unternehmensinsolvenz hoheitlich nicht nur die Verwaltung des Unternehmens, sondern eben auch die Entscheidung über die vorzugswürdige weitere Verwendung des Unternehmens treffen sowie im Falle einer Reorganisation die dazu notwendigen Schritte einleiten und die Reorganisation überwachen. Die damit einhergehende Quasi-Verstaatlichung vieler Unternehmen – jedenfalls für einen gewissen Zeitraum – scheint sich auf den ersten Blick wenig mit den Grundprinzipien einer westlichen Wirtschafts- und Eigentumsordnung zu vertragen. Dennoch sind derartige Überlegungen keineswegs undenkbar, wie insbesondere ein im Jahr 2009 im Bundesministerium für Wirtschaft

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erarbeiteter Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Kreditwesengesetzes verdeutlicht. Dieser sah aufgrund der negativen Erfahrungen der Finanzkrise für systemrelevante Kreditinstitute nur noch eine »eingeschränkte Insolvenz« dergestalt vor, dass immer dann, wenn ein systemrelevantes Kreditinstitut Gefahr läuft, seine Verpflichtungen nicht mehr erfüllen zu können, die Finanzaufsicht in Person der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) befugt sei, es unter eine Restrukturierungsverwaltung zu stellen. Anstelle eines Insolvenzverfahrens würde sodann eine Restrukturierungsplan in einem Restrukturierungsverfahren erarbeitet und unter der Kontrolle der BaFin umgesetzt, wobei die BaFin die im Plan vorgesehenen Maßnahmen notfalls auch zwangsweise gegen sich weigernde Vorstände oder Gesellschafter durchsetzen dürfte. 266 Das Bundeswirtschaftsministerium übernahm mit diesem Entwurf nun keineswegs die Rolle eines Vordenkers. Schon in der U. S.-amerikanischen Reformdiskussion der 1970iger über eine Abschaffung des Bankruptcy Act zugunsten des Bankruptcy Code findet sich die Forderung nach der Schaffung einer Insolvenzbehörde (»bankruptcy agency«), die als Verwaltungsbehörde das gesamte Insolvenzverfahren betreuen soll und mittels eines von ihr eingesetzten Insolvenzverwalters (»bankruptcy analyst«) auch über die Fortführungsfähigkeit eines insolventen Unternehmens entscheidet.267 In der deutschen Reformdiskussion der 1980iger Jahre wurde demgegenüber auf derartig weitreichende Vorschläge verzichtet, was nicht bedeutet, dass nicht auch über ein administratives Reorganisationsverfahren diskutiert wurde.268 Administrative Insolvenzverfahren scheinen insofern auch in unserer Wirtschaftsordnung – jedenfalls in Teilbereichen – nicht undenkbar. Die in solchen Verfahren erarbeiteten Insolvenzpläne würden den Beteiligten im Extremfall von der Behörde vorgegeben und wären dann als diktierte Verträge im engeren Sinne anzusehen, als welche sie in ihrem Entstehungsgrund zwar öffentlichrechtlicher Natur, im übrigen aber wiederum ein Vertrag bürgerlichen Rechts zu behandeln wären. 269

266 Der Entwurf ist vom Ministerium nicht veröffentlicht worden. Sein Inhalt ließ sich allerdings der Presse entnehmen – so etwa der Süddeutschen Zeitung vom 6. August 2009. 267 So Stanley/Girth, Bankruptcy, S. 199 ff. Komplexe Reorganisationen großer Unternehmen wollen sie hingegen in gerichtlichen Verfahren bewältigen, da der Behörde für solche Verfahren die Ausstattung fehlen würde (S. 212 f.). Ablehnend Uhlenbruck, KTS 1981, 513, 549 f. 268 Vgl. etwa Flessner, Sanierung und Reorganisation, S. 267 f.; Uhlenbruck, KTS 1981, 513, 549 f.; ders., ZRP 1988, 471, 472 (wo er einem gläubigerautonomen Insolvenzverfahren ebenso skeptisch gegenübersteht wie einem administrativen). Ernsthaft erwogen wurde ein administratives Verfahren nie; so enthält schon der Erste Bericht der Kommission für Insolvenzrecht aus dem Jahr 1985 allein den Vorschlag, ein »rechtlich geordnetes und gerichtlich kontrolliertes Reorganisationsverfahren« als Planverfahren neu zu schaffen (S. 152); siehe auch die Leitsätze 2.1 und 2.1.2 Absatz 2. 269 Näheres dazu im Dritten Kapitel unter E. V. 3. c).

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b) Die Entscheidung durch das Insolvenzgericht Ein administratives Insolvenzverfahren muss nicht zwingend auf eine (Verwaltungs-)Behörde als Herrin des Verfahrens zurückgreifen. Dieselben schnellen, hoheitlichen Entscheidungen könnten im Insolvenzfall auch durch das staatliche Organ getroffen werden, das ohnehin mit dem Insolvenzverfahren befasst ist: das Insolvenzgericht. Beim diesem laufen in einem Insolvenzverfahren ohnehin alle Informationen zusammen und ihm obliegt es in einem Planverfahren, im Rahmen der Bestätigungsentscheidung die Verwertungsentscheidung der Gläubiger zu überprüfen, verlangt doch eine Entscheidung über Obstruktionsverbote oder über den Minderheitenschutz stets auch einen Vergleich der im Plan gewählten Verwertungsart mit einer Liquidation im Regelverfahren. Es ist daher durchaus denkbar, in Insolvenzverfahren die Verwertungsentscheidung insgesamt dem Insolvenzgericht zu überlassen und insofern auf Verhandlungen zu verzichten, sodass am Ende allein das Insolvenzgericht nach der Anhörung aller Beteiligten über die Umsetzung eingereichter Insolvenzpläne oder aber die Durchführung beantragter Unternehmensveräußerungen entscheidet. Eine derartige Lösung findet sich im französischen Sanierungsrecht,270 kann dort doch der Richter im Zweifel auch gegen den Willen der Gläubiger einen Sanierungsplan bestätigen und damit im Alleingang die Reorganisationsentscheidung treffen.271 Vergleichbare Entscheidungsstrukturen finden sich in Ansätzen aber auch in den Vereinigten Staaten. Das dortige Insolvenzrecht verleiht dem Insolvenzrichter die Entscheidungshoheit über eine beantragte Veräußerung des Unternehmens als Massegegenstand nach 11 U. S. C. § 363 (b), also über eine übertragende Sanierung. Der Richter entscheidet in solchen Fällen nach der Anhörung aller Beteiligten über die Durchführung der (lastenfreien) Veräußerung und damit über den Erfolg der übertragende Sanierung des Unternehmens. Gerade die auf diese Weise innerhalb nur weniger Wochen erreichte Entschuldung der Automobilriesen Chrysler und General Motors im Jahre 2009 führt plastisch vor Augen, dass eine derartigen Verfahrensausgestaltung sehr 270 Robbe-Grillet, Planmäßige Sanierung nach französischen und nach deutschem Insolvenzrecht, S. 178: Der Gesetzgeber hat »die Entscheidung über das Schicksal des Schuldnerunternehmens in die Hände des Gerichts/Richters gelegt, mit dem Gedanken, dass damit eine Entscheidung nicht nur schneller, sondern wohl auch sachgerechter herbeigeführt werden könne, als wenn die Entscheidung etwa bei den Gläubigern läge.« 271 In beiden gerichtlichen Sanierungsverfahren (procédure de sauvegarde sowie redressement judiciaire) fi ndet sich diese – von der Annahme des Sanierungsplans unabhängige – Bestätigungsmacht des Gerichtes. Folgerichtig wird ein in diesen Verfahren entstandener Sanierungsplan auch dogmatisch nicht als Vertrag oder Vergleich, sondern als administrativer Akt angesehen. Im Gegensatz dazu setzt das Schlichtungsverfahren (procédure de conciliation) stets den privatautonomen Abschluss des Vergleichs durch die Gläubiger voraus. Die gerichtliche Bestätigung kann diesem dann aber Drittwirkung verlangen. Dennoch wird in dieser Vergleich wohl überwiegend als Vertrag angesehen. Siehe zum Ganzen Robbe-Grillet, Planmäßige Sanierung nach französischen und nach deutschem Insolvenzrecht, S. 92 (insbesondere Fn. 259) sowie 215 ff. und 279 ff. (insbesondere S. 282).

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effektiv sein kann. Sie muss als Reformmodell daher in Betracht gezogen werden. 3. Der Schuldner als Entscheidungsträger Schließlich könnte es sich auch lohnen, den Schuldner darüber entscheiden zu lassen, was mit seinem Unternehmen in der Insolvenz geschehen soll, hat doch der Schuldner grundsätzlich den besten Informationsstand über die Unternehmenslage. Die Eigentümer des Unternehmens bzw. das von ihnen eingesetzte Management können daher nicht von vornherein als Entscheidungsträger aussortiert werden. 272 Insbesondere in Fällen, in denen bereits im Vorfeld der Insolvenz das alte Management gegen ein Sanierungsmanagement ausgetauscht wurde, ist diesem sogar zuzutrauen, die für das Unternehmen richtige Verwertungsart effektiv in eigener Verantwortung zu finden. Daneben liegt es für jeden Gesetzgeber, der die Reorganisationsoption stärken will, nahe, den Schuldner zum Entscheidungsträger zu bestimmen, wird dieser doch im Zweifel jede Reorganisationschance nutzen wollen, um auf diesem Weg sein Unternehmen behalten zu können. Ein gutes Beispiel hierfür ist wiederum das U. S.-amerikanische Insolvenzrecht. Dieses will bewusst die Reorganisationsoption privilegieren, indem es dem Schuldner erlaubt, zu Beginn des Insolvenzverfahrens selbst und allein darüber zu bestimmen, ob ein Liquidations- oder ein Reorganisationsverfahren (Chapter 7 bzw. Chapter 11) eingeleitet werden soll und eine spätere Änderung dieser Entscheidung nur in eher seltenen Ausnahmefällen ermöglicht. 273 Der Schuldner bestimmt damit zwar nicht endgültig über die zum Zuge kommende Verwertungsart, da das Reorganisationsverfahren nur mit der Annahme eines Plans durch die Gläubiger erfolgreich abgeschlossen werden kann. Ihm ist es aber möglich, zunächst allein über eine Reorganisation des Unternehmens zu verhandeln, wodurch diese Verwertungsalternative gestärkt wird.

272 In seiner generellen (und amüsant geschriebenen) Kritik am geltenden Insolvenzrecht geht Bowers, 26 Ga. L. Rev. 27, 56 ff. (1991–1992) sogar noch weiter. Seiner Ansicht nach ist es gerade der Schuldner, der in einer Insolvenzsituation rationale Entscheidungen treffen wird. Hindere das Insolvenzrecht die Gläubiger nicht an einer Vollstreckung ihrer Forderungen, so würde der Schuldner im Angesicht seines unzureichenden Vermögens gerade diejenigen Gläubiger befriedigen, deren Ersatzansprüche wegen Nichterfüllung am höchsten sind und daher durch die Nichterfüllung am stärksten verletzt würden. Das Insolvenzrecht sollte diese Rationalität respektieren und Insolvenzverfahren darauf beschränken, Ansprüche gesicherter und unbefriedigter Gläubiger abzuwickeln (S. 79). Es muss allerdings durchaus bezweifelt werden, ob sich ein Schuldner, der nichts mehr zu verlieren hat, wirklich so rational verhalten wird und nicht stattdessen dazu tendiert, Vermögen an nahestehende Personen zu verschieben oder für eigene Zwecke zu verbrauchen. 273 Vgl. 11 U. S. C. § 1112 (b).

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4. Die richtige Entscheidung durch den richtigen Entscheidungsträger Kommen für eine Auswahlentscheidung mehrere Instanzen als Entscheidungsträger in Betracht, so sollte die Entscheidungshoheit derjenigen zugewiesen werden, die mit der höchsten Wahrscheinlichkeit die richtige Entscheidung treffen wird. Es muss folglich untersucht werden, welcher Entscheidungsträger die höchste Richtigkeitsgewähr dafür bietet, dass diejenige Handlungsoption (Zerschlagung, Veräußerung oder Reorganisation) zum Zuge kommt, die zu einer bestmöglichen Verwertung des Schuldnervermögens im Interesse der Gläubiger führt. a) Der Charakter der zu treffenden Entscheidung Um die Frage nach der Entscheidung mit der höchsten Richtigkeitsgewähr beantworten zu können, muss zunächst klargestellt werden, was konkret den Gegenstand der Entscheidung charakterisiert. (1) Keine Vermutung zugunsten einer Verwertungsoption Hierbei ist daran zu erinnern, dass die Auswahl zwischen verschiedenen Verwertungsoptionen als Gegenstand der Entscheidung nur durch ein Ziel bestimmt wird: das Erreichen eines maximalen Erlöses für die Gläubiger aus dem verbliebenen Schuldnervermögen. Eine falsche Entscheidung würde daher dann getroffen werden, wenn man sich entschließt, ein Unternehmen ohne Fortführungschance fortzuführen und auf diese Weise (durch die laufenden Kosten) Vermögen zu vernichten (sogenannter »type-I errror«). 274 Der Gedanke der Vermögenssicherung zugunsten der Gläubiger wird insofern stets auf eine schnelle Stilllegung des Unternehmens hindeuten. Ein Primat der Liquidation würde entstehen, wie es das bis 1999 geltende deutsche Konkursrecht prägte. Ein derartiges Vorgehen erzeugt jedoch häufig einen zweiten Fehler, der darin besteht, Unternehmen, die eine Fortführungschance besitzen, zu zerschlagen und so deren Fortführungswert zu verlieren (»type-II error«). 275 Da beide Fehler das an die Gläubiger zu verteilende Vermögen mindern, sind beide in der Verwertungsentscheidung zu vermeiden, weshalb keiner der zur Verfügung stehenden Verwertungsoptionen ein grundsätzlicher Vorrang einräumt werden sollte. Das bedeutet, dass im jeweiligen Einzelfall einer Unternehmensinsolvenz für keine der Verwertungsarten eine Vermutung der Eignung bzw. Einschlägigkeit gilt. Ein Insolvenzverfahren ist danach weder von vornherein ein Liquidations- noch ein Reorganisationsverfahren. Dem Entscheidungsträger wird vielmehr idealerweise die freie, unvoreingenommene Beurteilung und Entscheidung über die bestmögliche Verwertung des Unternehmens abverlangt. Er kann sich für die jeweilige Handlungsoption frei entscheiden. 274 275

Hansen/Thomas, 18 Int’l Rev. L. & Econ 159, 177 (1998). Hansen/Thomas, 18 Int’l Rev. L. & Econ 159, 177 (1998).

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(2) Prognoseentscheidung unter Ungewissheit Der Charakter der Auswahlentscheidung wird sodann dadurch geprägt, dass sie auf der Grundlage unsicherer bzw. unbekannter Tatsachen getroffen werden muss, wird sie doch von Prognosen über die künftige Entwicklung des Unternehmens maßgeblich bestimmt. Schon die grundlegende Entscheidung über die sofortige Stilllegung oder einstweilige Fortführung des Unternehmens in der Insolvenz ist allein davon abhängig, ob der Entscheidungsträger dem Unternehmen die – wenigstens vorübergehende – Erwirtschaftung eines Überschusses durch dessen Fortführung zutraut. Er muss also zunächst die kurzfristige Ertragsfähigkeit des Unternehmens einschätzen und die vorgelegten Sanierungskonzepte diesbezüglich bewerten können. Zudem kann muss eine auch nur vorübergehende Fortführung eines Unternehmens in Betracht gezogen werden, wenn sich auf diese Weise zumindest der Mehrwert einer Fertigstellung von Produkten, die sich zum Zeitpunkt der Entscheidung noch halb fertig in der Produktion befinden, erwirtschaften lässt. Die endgültige Entscheidung für eine Zerschlagung, Veräußerung oder Reorganisation des Schuldnerunternehmens verlangt dann erst recht nach einer fundierten Bewertung der Erfolgpotenziale des Unternehmens und der Tauglichkeit der jeweils vorgelegten Konzepte zu deren Ausschöpfung. Wiederum sind es allein Prognoseentscheidungen, genauer die Bewertung der Chancen und künftigen Ergebnisse des Schuldnerunternehmens in einem Veräußerungsbzw. einem Reorganisationsszenario und darauf aufbauend die Zuweisung eines Fortführungswertes in den jeweiligen Fortführungsszenarien, die zur Grundlage der Auswahlentscheidung werden. Derartige Prognosen künftiger Ertragsergebnisse aufgrund der Durchführung bestimmter Sanierungsmaßnahmen sind von einer Vielzahl an Unsicherheitsfaktoren bestimmt. So muss etwa das künftige Marktumfeld, die Reaktion der Kunden, Lieferanten und Kreditgeber, die Produktivitätsentwicklung, die Entwicklung des Auftragsbestandes und ähnliches in die Betrachtungen mit einbezogen werden, ohne dass es für diese Daten eine gesicherte Grundlage geben würde. Eine diesbezügliche Informationsbeschaffung ist im Entscheidungszeitraum nicht denkbar. Zwar kann durch die Einholung von Kaufangeboten für einzelne Unternehmensteile sowie das gesamte Unternehmen zumindest die Schätzung des Erlöses aus einer Liquidation präzisiert werden. Eine ähnliche Informationsbeschaffung ist für die Option der Reorganisation hingegen unmöglich. Insgesamt lassen sich daher nicht einmal verlässliche Wahrscheinlichkeiten für die Vorteilhaftigkeit einzelner Optionen bilden, weshalb die Auswahlentscheidung insgesamt als eine Entscheidung unter Ungewissheit im Sinne der Entscheidungstheorie eingeordnet und behandelt werden muss. 276 Die Zuweisung der Entscheidungshoheit an eine bestimmte Instanz muss diese Besonderheit berücksichtigen. Vor allem 276

Ebenso Balz, ZIP 1988, 1438, 1441. Grundlegend zu Entscheidungen unter Unsicher-

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muss die Instanz gefunden werden, deren Urteil selbst bei Entscheidungen unter Ungewissheit die höchste Richtigkeitsgewähr bietet. b) Zur Richtigkeitsgewähr bei prognosebasierten Entscheidungen Da die Auswahlentscheidung im Kern auf der Einschätzung der künftigen Unternehmensentwicklung basiert, scheint es nahezuliegen, auf die betriebswirtschaftliche Entscheidungstheorie zurückzugreifen, um den optimalen Entscheidungsträger zu bestimmen, finde sich dort doch insbesondere auch Methoden, die Entwicklung des Unternehmens in verschiedenen Entscheidungsszenarien zu prognostizieren.277 Leider erweist sich dieser Weg bei genauerer Betrachtung als wenig zielführend, stellt sich in diesem Bereich doch nie die Frage nach dem vorzugswürdigen Entscheidungsträger – dieser ist naturgemäß stets das jeweilige Unternehmensmanagement. Erst auf dieser Grundlage bietet die betriebswirtschaftliche Entscheidungstheorie Entscheidungsmechanismen für typische Entscheidungssituationen, mit deren Hilfe das Risiko einer nachteilig wirkenden Entscheidung verringert werden soll. So finden sich etwa Modelle für Entscheidungen durch Einzelpersonen wie auch durch Gremien.278 Eine Präferenz für einen jeweiligen Entscheidungsträger wird nicht formuliert. (1) Expertenwissen Gerade bei Prognoseentscheidungen bietet sich nun der Rückgriff auf das Wissen und die Erfahrung von Experten an. Personen, die schon des Öfteren mit Entscheidungen dieser Art konfrontiert wurden und hierdurch einen gewissen Erfahrungsschatz aufgebaut haben, scheinen am besten dazu geeignet, auch in der jeweiligen neuen Situation wieder die Entscheidung mit der höchsten Richtigkeitsgewähr zu treffen. Sie dürften bei unbefangener Betrachtung somit diejenigen sein, bei denen die Wahrscheinlichkeit, die richtige Entscheidung zu treffen, am höchsten ist. Derartige Überlegungen sprechen dafür, in der Insolvenzsituation einem erfahrenen Insolvenzverwalter, Sanierungsmanagement, Gläubiger, Insolvenzrichter oder Rechtspfleger, aber auch einer Sanierungsbehörde die Entscheidung heit aus der Entscheidungstheorie etwa: Bamberg/Coenenberg/Krapp, Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre, S. 111 ff. 277 Sogenannte Szenario-Technik; vgl. dazu etwa Bieta, Szenarienplanung im Risikomanagement, 2003 oder Götze, Szenario-Technik in der strategischen Unternehmensplanung, 2. Auflage, 1993. 278 Vgl. Bamberg/Coenenberg/Krapp, Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre, S. 41 ff. sowie 219 ff. Der Zweck der betriebswirtschaftlichen Entscheidungstheorie liegt eben allein »in der Entwicklung normativer Entscheidungsmodelle, die die Ableitung rationaler Problemlösungen für praktische Entscheidungssituationen ermöglichen«; sie richtet sich allein an die »Menschen in der Betriebswirtschaft« (S. 11) – also an die Eigentümer oder das von ihnen eingesetzte Management des Unternehmens.

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über die zum Zuge kommende Verwertungsart zuzuweisen. Da die Wahrscheinlichkeit einer richtigen Entscheidung steigen dürfte, wenn der Entscheidungsträger umfassend über die Lage sowie die Potenziale des Unternehmens informiert ist, sollte aus diesem Kreis derjenige zur Entscheidung berufen werden, der über den besten Informationszugang verfügt, was für den Hauptgläubiger, den Insolvenzverwalter, aber auch ein Sanierungsmanagement spricht, da diese Personen unmittelbar das Unternehmen kennenlernen bzw. führen. Andererseits sollte die Entscheidung nicht von einer persönlichen Befangenheit überschattet werden. So wird man dem Management unterstellen müssen, im Zweifel eine Reorganisation des Unternehmens zu bevorzugen, da nun in diesem Fall die eigene Beschäftigung in Unternehmen gesichert wäre, während im Fall einer Zerschlagung, aber auch einer Unternehmensveräußerung an einen neuen Eigentümer die Weiterbeschäftigung ausgeschlossen bzw. höchst fraglich ist. 279 Ebenso könnte eine Sanierungsbehörde, aber auch ein Richter dazu tendieren, grundsätzlich Sanierungskonzepte zu bevorzugen, etwa um Arbeitsplätze zu erhalten. Im Gegensatz dazu ließe sich insbesondere dem vollständig gesicherten Hauptgläubiger unterstellen, eine schnelle Zerschlagung zu bevorzugen, da dieser auf diesem Wege schnell und ohne Einbußen an den Erlös aus seinen Sicherungsrechten gelangen könnte. Die Übertragung der Entscheidungshoheit auf nur eine Person ermöglicht daher zwar eine schnelle und kostengünstige, aber eben auch missbrauchsanfällige und dann wenig verlässliche Entscheidung. 280 Der entscheidungsbefugte Experte muss daher, um ein Missbrauchsrisiko auszuschließen, dem Entscheidungsgegenstand unbefangen gegenüberstehen. Lässt sich also eine Person finden, die nicht nur unbefangen und umfassend über den Entscheidungsgegenstand informiert ist, sondern auch über einen hinreichenden Sachverstand, also ein Expertenwissen, verfügt, so kann der von dieser Person getroffenen Auswahlentscheidung trotz ihres Prognosecharakters grundsätzlich eine gegenüber dem statistischen Mittelwert erhöhte Richtigkeitsgewähr zugeschrieben. Dennoch bedingt gerade dieser Prognosecharakter auch das erhebliche Risiko einer Fehlentscheidung. Auch Experten werden in der Entscheidungssituation daher zumindest zu erheblichen Teilen gezwungen sein, sich auf ihre Intuition und Erfahrung zu verlassen, was in einer konkreten Situation eben auch bedeuten kann, dass sie raten bzw. grundsätzlich zu einer 279 Zudem wird das Management gerade in den Fällen, in denen es nicht Eigentümer des Unternehmens ist, sondern lediglich auf einer Anstellungsbasis agiert (wie etwa der Vorstand einer Aktiengesellschaft oder der Geschäftsführer einer GmbH), dazu tendieren, die Entscheidung über die Verwertung möglichst lange hinauszuzögern und so im Amt zu bleiben; so Kordana /Posner, 79 N. Y. U. L. Rev. 161, 220 f. (1999). 280 Auf dieses Dilemma weisen schon Kordana /Posner, 79 N. Y. U. L. Rev. 161, 197 (1999), zutreffend hin. Grundsätzlich kritisch gegenüber der Richtigkeitsgewähr eines Einzelurteils äußern sich Aghion/Hart/Moore, 8 J. L. Econ. & Org. 523, 530 (1992).

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Lösung tendieren.281 Insbesondere Insolvenzrichtern wird in diesem Zusammenhang unterstellt, selbst bei umfassender Information über das Unternehmen 282 und hinreichender Erfahrung in der Unternehmensreorganisation 283 tendenziell zu sanierungsfreundlich zu entscheiden. 284 (2) Condorcet’s Jury Theorem Führt das Wissen und die Erfahrung von Experten also eher nicht zu einer gegenüber dem statistischen Mittel wesentlich erhöhten Richtigkeitsgewähr für die Auswahlentscheidung, so muss sich der Blick auf die diesbezüglichen Effekte des Informationsaggregation bzw. des »information pooling« richten, ist doch gerade auch in den letzten Jahrzehnte herausgearbeitet worden, dass eine Entscheidung, die nicht von einem Einzelnen, sondern von einer Gruppe getroffen wird, schon durch die Verarbeitung einer Mehrzahl von eingebrachten Ansichten und Informationsständen eine höhere Richtigkeitsgewähr aufweist. Der erste Nachweis dieses Aggregationsvorteils ist bereits gut 200 Jahre alt und als Condorcet’s Jury Theorem bekannt. Es wurde nach dem französischen Philosophen und Mathematiker Marie Jean Antoine Nicolas Caritat, Marquis de Condorcet benannt, der schon im Jahr 1785 folgendes Theorem für binäre Entscheidungen entwickelte: 285 Eine Jury aus einer ungeraden Zahl von Personen hat zwischen zwei Optionen zu wählen, wobei jedes Mitglied der Jury dazu in der Lage ist, mit einer Wahrscheinlichkeit von über 50 Prozent die richtige Option zu wählen. Die Entscheidung fällt dann durch die Stimmen der absoluten Mehrheit der Mitglieder. Auf der Grundlage dieser Annahmen konnte Condorcet mathematisch nachweisen, dass die Wahrscheinlichkeit einer richtigen Entscheidung bei einer Jury von drei oder mehr Mitgliedern größer ist als die Wahrscheinlichkeit einer richtigen Entscheidung durch ein einzelnes Mitglied, wobei die Wahrscheinlichkeit einer richtigen Entscheidung der Jury mit 281 Die betriebswirtschaftliche Entscheidungstheorie versucht nun, auch in Entscheidungssituationen unter Ungewissheit je nach Risikopräferenz des Entscheidungsträgers eine gewisse Handlungsrichtung als vorteilhaft herauszuarbeiten – vgl. Bamberg/Coenenberg/ Krapp, Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre, S. 114 ff. In der Praxis führen diese Modelle aufgrund der Vielzahl von Variablen leider selten weiter (S. 120). 282 Rasmussen, 72 Wash. U. L. Q. 1159, 1207 (1994), bezweifelt schon grundsätzlich, dass ein Richter, der das Unternehmen niemals zu Gesicht bekommt, eine zutreffende Entscheidung über dessen Verwendung treffen kann. 283 Grundsätzlich ist hingegen wohl kein Richter ein Experte in der Bewertung von Unternehmen und deren Fortführungschancen; hierzu fehlt ihnen jede Ausbildung. Dieses Defizit betonen etwa auch Baird/Morrison, J. L. Econ. & Org. 356, 366 f. (2001): »[. . .] the bankruptcy judge is ill equipped to make the shutdown decision.« Ähnlich Adler/Ayres, 111 Yale L. J. 83, 90 (2001–2002); Roe, Corporate Reorganization, S. 580; Rotem, 10 U. Pa. J. Bus. & Emp. L. 509, 525 (2007–2008). 284 Baird, 15 J. Legal Studies 127, 136 f. (1986). Ähnlich Kordana /Posner, 79 N. Y. U. L. Rev. 161, 193 (1999). 285 Condorcet, Essai sur l’application de l’analyse à la probabilité des décisions rendues à la pluralité des voix, Paris 1785.

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der Zahl der Mitglieder steigt. Geht die Mitgliederzahl gegen unendlich, so geht die Wahrscheinlichkeit einer richtigen Entscheidung theoretisch gegen 100 Prozent. Dieses Theorem war der erste Beleg dafür, dass die gebündelte Information einer Vielzahl informierter Einzelpersonen zu einer hohen Richtigkeitsgewähr für Auswahlentscheidungen führen kann. Es ist auch heute noch Gegenstand der Forschung, wobei insbesondere versucht wird, den Effekt auch unter weniger strengen Voraussetzungen zu erreichen. So wiesen etwa Berend und Paroush nach, dass auch eine durchschnittlich kompetente Personengruppe unabhängig votierender Juroren genügt, um den Effekt zu erzeugen. 286 Berg legte demgegenüber dar, dass selbst eine Jury, in welcher der Einzelne in Kenntnis der Meinung der anderen Juroren entscheidet, immer noch eine dem Individuum überlegene Richtigkeitsgewähr erreicht, die sich allerdings nicht mehr in Richtung 100 Prozent bewegen kann. 287 Überträgt man das Theorem Condorcet’s auf das hier untersuchte Problem, so deutet es auf die Überlegenheit einer Entscheidungsinstanz, die aus einer möglichst großen Zahl unterschiedlicher, unabhängig voneinander urteilender, aber eher gut informierter Personen besteht. In der Insolvenz kommt als solche Gruppe allein die der Gläubiger in Betracht. Tatsächlich haben Kordana und Posner im Jahr 1999 das Theorem in die Diskussion um eine Rechtfertigung der Entscheidungsmacht der Gläubiger über die Verwertung des Schuldnervermögens in der Insolvenz eingebracht. 288 Am Ende lehnten sie eine Anwendung des Theorems auf die Verwertungsentscheidung allerdings ab, da nach ihrer Ansicht das Theorem in Abstimmungen mit strategischen Stimmabgaben nicht funktioniere und die Gläubiger ihre Ansicht zur vorzugswürdigen Verwertungsart nicht allein unter dem Gesichtspunkt der gemeinnützigen Wertmaximierung, sondern primär unter dem des maximalen eigenen Vorteils treffen. 289 Richtig hieran ist, dass durch die Selbstbetroffenheit der Gläubiger vom Ergebnis des Entscheidungsprozesses diese – anders als die Juroren einer Jury – eher dazu neigen, ihre Entscheidung primär nicht nach objektiven Gesichtspunkten, sondern nach dem eigenen Nutzen zu treffen und daher strategisch im Sinne der Spieltheorie zu handeln. Dies beeinträchtigt insbesondere dann die Richtigkeitsgewähr der Gruppenentscheidung, wenn dem einzelnen Gläubiger bei seiner Stimmabgabe die Haltung der anderen Gläubiger bekannt ist, so dass er sein Votum nicht mehr aufgrund seiner sachlichen Einschätzung der künftigen Ereignisse, sondern aufgrund seiner strategischen Vorteile vom zu erwarteten Abstimmungsergebnis trifft. 290 Allerdings scheint es nicht ausgeschlossen, dass 286 287 288 289 290

Berend/Paroush, 15 Soc Choice Welfare 481 (1998). Berg, 9 Eur J Polit Econ 437 (1993) ; ders., 10 Soc Choice Welfare 87 (1993). Kordana /Posner, 79 N. Y. U. L. Rev. 161, 168 (1999). Kordana /Posner, 79 N. Y. U. L. Rev. 161, 169 (1999) . Austen-Smith/Banks, 90 Amer Polit Sci Rev 34, 43 f. (1996) kommen sogar zu dem

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sich die negativen Effekte strategischen Verhaltens durch die schlichte Erhöhung der Zahl der Abstimmenden wieder kompensieren lassen.291 Die diesbezügliche Diskussion ist noch nicht abgeschlossen, sodass sich derzeit insgesamt mit Condorcet’s Jury Theorem wohl nur bedingt nachweisen lässt, dass die Idee der Aggregation von Informationen auch in der Insolvenzsituation geeignet ist, die Wahrscheinlichkeit einer richtigen Entscheidung gegenüber dem Expertenurteil zu erhöhen. (3) Die Weisheit der Vielen Die Annahme, dass das Urteil einer Vielzahl von Personen in der Summe eine höhere Richtigkeitsgewähr als das eines einzelnen Experten besitzt, wird nicht nur von Condorcet’s Jury Theorem gestützt. Wenn es um die Vorhersage unsicherer künftiger Ereignisse, sei es um den Ausgang von Wahlen oder Sportereignissen oder auch die Einspielergebnisse von Kinofilmen, geht, gilt es inzwischen – jedenfalls statistisch – als erwiesen, dass nicht die Prophezeiungen einzelner Experten, Gurus oder Orakel, sondern die gesammelte Erwartung vieler durchschnittlicher Menschen die höchste – ja sogar eine als enorm bezeichnete – Genauigkeit hat. 292 Condorcet’s Jury Theorem ist insofern nur ein spezieller Anwendungsfall einer weitaus generelleren Erkenntnis, die auch als »wisdom of crowds« oder »wisdom of many«, also »Weisheit der Vielen«, beschrieben wird.293 (a) Der Effekt. Der Effekt einer hohen Richtigkeitsgewähr bei Vorhersagen einer Gruppe von Personen basiert darauf, dass die Einschätzungen der einzelnen Mitglieder der Gruppe sich nicht decken, sondern auf unterschiedlichen Annahmen und Meinungen beruhen. Dies führt dazu, dass sich die Prognosefehler jedes Einzelnen in der Summe ausgleichen, da andere Personen andere Fehler machen, weshalb sich die Summe der subjektiven Einschätzungen weit an die Schluss, dass die Aussage des Theorems in solchen Fällen nicht mehr zutrifft, eine gegenüber dem Urteil eines Individuums erhöhte Richtigkeitsgewähr also entfällt. 291 So Feddersen/Pesendorfer, 92 Amer Polit Sci Rev 23 (1998). 292 Herzog/Hertwig, 20 Psychological Science 231 (2009). Diese Erkenntnis gilt für Prognosen in vielen Wissensgebieten, insbesondere aber auch in der Vorhersage wirtschaftlicher Ergebnisse; Yaniv, 13 Current Directions in Psychological Science 75 (2004). 293 Namensgebend war das Buch von James Surowiecki mit dem Titel »The Wisdom of Crowds« aus dem Jahr 2004. Mit dem Begriff wollte Surowiecki einen Kontrast zur älteren Annahme der »Madness of Crowds« herstellen (vgl. Surowiecki, The Wisdom of Crowds, Introduction XV). Vgl. aber auch Herzog/Hertwig, 20 Psychological Science 231 (2009): »The Wisdom of Many«. Eine weitere Methode, die auf die Weisheit vieler Experten zurückgreift, ist insbesondere die »Delphi-Methode«, die zukünftige Gegebenheiten durch eine gleichförmige und ggf. mehrfache Befragung von Experten vorhersagen will – siehe dazu etwa Häder, Delphi-Befragungen, 2002, passim. Die Anwendung dieser Methode in der Insolvenz einzelner Unternehmen dürfte allerdings zu aufwendig sein; sie findet ihren Anwendungsbereich primär in Fragen der Weiterentwicklung von Wissenschaft, Technologien oder Volkswirtschaften; Häder, Delphi-Befragungen, S. 63 ff.

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objektiv richtige Einschätzung annähert. Die höhere Richtigkeitsgewähr der Weisheit der Vielen basiert also auf einer statistischen Gesetzmäßigkeit.294 (b) Die Voraussetzungen. Surowiecki nennt vier Bedingungen, die zur Erzielung des Effekts vorliegen müssen: die Pluralität von Meinungen (diversity of opinion); die Unabhängigkeit der Einzelpersonen (independence); die dezentrale Meinungsbildung des Einzelnen (dezentralisation) sowie ein Mechanismus zur Zusammenfassung der Einzelmeinungen (aggregation). 295 Die ersten Voraussetzung ist die der Pluralität von Meinungen oder Einschätzungen. Da der Effekt aus dem Ausgleich von Fehlern entsteht, wobei zwischen einem zufälligen Fehler (random error – die Ungenauigkeit der Vorhersage, die auf eine Fehler im Einzelfall beruht) und einem systematischen Fehler (systematic error – die Ungenauigkeit, die aus einer generellen Tendenz der Person zum Über- bzw. Unterschätzen stammt) unterschieden wird, sollten die zur Einschätzung des Ergebnisses befragten Personen möglichst unterschiedliche Ideen oder Perspektiven zum Gegenstand der Befragung haben, so dass sie möglichst unterschiedliche Einschätzungsfehler begehen. 296 Ideal erscheint eine Gruppe von Personen, in der alle Befragten jeweils unterschiedliche Fehler begehen, indem der eine also tendenziell zu positive und der andere zu negative Vorhersagen tätigt oder aber indem alle unterschiedliche Methoden und Erfahrungssätze zur Meinungsbildung anwenden. Findet sich diese Diversität, so genügt bereits eine kleine Gruppe von Personen für eine überlegene Vorhersage. 297 Sind derartige Aussagen über die Gruppenmitglieder nicht möglich, müssen große Personenkreise gewählt werden, um mit hoher Wahrscheinlichkeit alle Fehlertypen zu erfassen. 298 Mit der ersten Voraussetzung der Pluralität untrennbar verbunden ist die zweite Bedingung der Unabhängigkeit der Meinungsbildung. Die für den Effekt notwendige Varianz in der Fehlerhaftigkeit der Einzelansichten lässt sich nur erzeugen, wenn es nicht nur viele verschiedene Ansichten und Ideen gibt, sondern diese auch auf einer eigenständigen Einschätzung beruhen. Beruhen alle Einschätzungen trotz eventueller Abweichungen im Ergebnis auf ein und 294 Vgl. Herzog/Hertwig, 20 Psychological Science 231, 232 (2009); Yaniv, 13 Current Directions in Psychological Science 75 (2004). 295 Surowiecki, The Wisdom of Crowds, S. 10. 296 Surowiecki, The Wisdom of Crowds, S. 28. 297 Hogarth, 21 Organizational Behavior and Human Performance 40, 43 (1978); Johnson/ Budescu/Wallsten, 14 J. Behav. Dec. Making 123, 138 (2001); Surowiecki, The Wisdom of Crowds, S. 30; Yaniv, 13 Current Directions in Psychological Science 75, 76 (2004). Herzog/ Hertwig, 20 Psychological Science 231, 232 ff. (2009), versuchen auf dieser Erkenntnis aufbauend, den Aggregationseffekt auch bei der Schätzung einer einzelnen Person zu erzeugen, indem sich der Schätzende nach seiner ersten Schätzung Gegenargumente für diese Schätzung überlegen soll und auf diesen aufbauend eine zweite Schätzung abgibt. Sie nennen diese Methode »dialectical bootsstrapping«. 298 Surowiecki, The Wisdom of Crowds, S. 29.

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derselben Basis und Methode, so werden kaum unterschiedlichen Fehler begangen und der Effekt des Ausgleichs der unterschiedlichen Fehler in der Summe wird nicht erzielt. Die Gruppe darf also nicht einem Meinungsführer oder einem Markttrend folgen, wie es etwa bei Spekulationsblasen am Aktienmarkt der Fall ist. 299 Jeder Einzelne sollte idealerweise seine Ansicht allein auf seine eigene private Informationsbasis stützen, auch wenn ihm dabei wichtige Informationen fehlen, da sich in der Summe aller Urteile dieses Defizit wieder ausgleicht.300 Gleichzeitig wird auf diese Weise auch die dritte Anforderung erfüllt, da die unabhängig von den anderen Gruppenmitgliedern erfolgende Meinungsbildung zugleich zu einer Dezentralisierung der Meinungsbildung führt. Das Urteil über die zu beantwortende Frage wird dem Einzelnen nicht von einer übergeordneten, vielleicht sogar intelligenteren Instanz vorgegeben; es entsteht selbstständig und unabhängig in jedem Individuum.301 Die Entscheidungsfindung wird damit – jedenfalls in einem ersten Schritt – dezentralisiert. Einen anwendbaren Nutzen kann diese dezentral organisierte, unabhängige und damit grundsätzlich pluralistische Entscheidungsfindung nur erzeugen, wenn in einem zweiten Schritt die Vielfalt der Einzelmeinungen gesammelt und in ein Gesamtbild zusammengefasst wird. Ein Informationspooling oder auch eine Aggregation von Einzelurteilen findet statt, wobei die Art der Aggregation grundsätzlich beliebig ist und von Abstimmungsverfahren bis zu Marktplattformen (»decision market«) reichen kann.302 Ein entscheidender Vorteil dieser Aggregation von Einzelansichten zur Entscheidungsfindung liegt in ihre Fähigkeit, auch mit strategischem Verhalten von Einzelpersonen umgehen zu können. Bilden einzelne Personen ihre Einschätzung nicht nach dem Gesichtspunkt der objektiv richtigen Lösung, sondern aufgrund der Erwartung eigener Vorteile aus einer gewissen, von ihnen bevorzugten Entscheidung, so ist dies unschädlich, solange Personen in die Gruppe einbezogen werden, die einen solchen Bewertungsfehler durch eine entgegengesetzte Präferenz wieder ausgleichen. Da die überlegene Richtigkeitswahrscheinlichkeit der Gruppenlösungen statistisch auf dem Prinzip des Ausgleichs von Einzelfehlern beruht, bleibt strategisches Verhalten für das Gesamtergebnis unbedenklich, solange es durch Gegenspieler aufgewogen wird. Der Aggregationsmechanismus sollte in solchen Fällen daher grundsätzlich als Markt (decisi-

299 Vgl. Yaniv, 13 Current Directions in Psychological Science 75, 76 (2004): »the benefits accrued from polling more experts diminish rapidly, with each additional one amounting to ›more of the same.‹« Surowiecki spricht auch vom Herdenverhalten (The Wisdom of Crowds, S. 49: »herding«). 300 Surowiecki, The Wisdom of Crowds, S. 41. 301 Surowiecki, The Wisdom of Crowds, S. 70 f. 302 Surowiecki, The Wisdom of Crowds, S. 22.

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on market) ausgestaltet sein, um die starke, egoistisch geprägte Motivation der Einzelspieler zu instrumentalisieren.303 (4) Die Richtigkeitsgewähr von Verträgen Will man die überlegene Richtigkeitsgewähr der Informationsaggregation nutzen, so scheint alles für einen Marktmechanismus als Entscheidungsmechanismus zu sprechen. In einem solchen wird die richtige Lösung (der richtige Preis) durch eine Vielzahl von Geboten und Gegenangeboten gebildet, an deren erfolgreichem Ende ein Vertragsschluss zustande kommt. Der Aggregationsmechanismus des Vertrags besitzt dabei zwei entscheidende Vorteile. Zum einen bietet er eine sehr hohe Richtigkeitsgewähr für das in ihm vereinbarte Ergebnis, welche zum zweiten nicht durch strategisches Verhalten der Vertragsschließenden beeinträchtigt wird. Bei Vertragsschließenden wird vielmehr davon ausgegangen, dass sie sich eigennützig verhalten und mit dem Vertrag unmittelbar oder zumindest mittelbar eigene Ziele verfolgen, sucht doch eine Partei gerade deshalb einen Vertragspartner, um mit dessen Leistung eigene Bedürfnisse zu stillen. Der Vertrag ist daher gerade notwendigerweise ein Produkt strategischen Handelns, das sich in den Vertragsverhandlungen abspielt und im Erfolgsfall zu einem Verhandlungsergebnis führt, das von allen Verhandlungspartnern getragen wird – einem Vertragsschluss. Die Richtigkeitsgewähr des auf diese Weise gefundenen Kompromisses beruht nun nicht auf einer statistischen oder mathematischen Wahrscheinlichkeit, nun die für alle Beteiligten richtige Lösung gefunden zu haben, sondern allein auf dem Konsensprinzip. Wenn alle Verhandlungspartner einen Vertragsinhalt tragen, so muss man davon ausgehen, dass die für jeden Beteiligten richtige Lösung gefunden wurde. Der Vertragsschluss ist ein Akt der Selbstbestimmung der beteiligten Personen und die Anerkennung seines Inhalts durch die Rechtsordnung beruht auf dem Wert und der Respektierung dieser Selbstbestimmung (»volenti non fit iniuria« – dem Zustimmenden geschieht kein Unrecht). Nicht nur die Vertragsbindung, sondern auch der Vertragsinhalt ist daher als Akt der Selbstbestimmung von der Rechtsordnung zu akzeptieren; eine allgemeine Inhaltskontrolle von Verträgen findet folglich nicht statt (Privatautonomie). Ein Vertrag hat danach – wie jeder Konsens – eine inhaltliche Richtigkeitswahrscheinlichkeit im Sinne einer subjektiven Richtigkeitsgewähr und ist damit auch materiell legitimiert.304 Jeder Beteiligte ist eben grundsätzlich der beste Experte in seinen eigenen Angelegenheiten.

303

Surowiecki, The Wisdom of Crowds, S. 20, 22. Diese Grundsätze scheinen inzwischen unstreitig – so auch Bonin, Tarifbindung, S. 71; Rittner, AcP 188 (1988), 101, 121 ff. Näheres zu Privatautonomie und den in den Einzelheiten sehr verschiedenen Ausprägungen der Vertragslehre etwa bei Bonin, Tarifbindung, S. 60 ff.; Bydlinski, Privatautonomie, S. 52 ff., insbes. 68 f.; Flume, Rechtsgeschäft, S. 1 ff., insbes. 6 ff.; 304

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Dennoch ist es nicht die höchste Wahrscheinlichkeit einer objektiv richtigen Lösung, auf welcher die Richtigkeitsgewähr des Vertrages primär basiert, sondern der Umstand, dass jede Vertragspartei selbst das Risiko einer Fehleinschätzung und damit eines ungünstigen Vertragsschlusses trägt (und in den Verhandlungen absichern kann).305 Das Konsensprinzip erlaubt strategisches Handeln gerade auch wegen der Risikokorrelation des Vertrages, also wegen des Umstandes, dass jeder Vertragspartner auch das Risiko einer Fehleinschätzung selbst tragen muss. Verträge zu Lasten Dritter darf es folgerichtig nicht geben. Ein Vertrag ist offen für strategisches Handeln und weist zugleich das Fehlerrisiko dem Entscheidungsträger zu.306 c) Der optimale Entscheidungsmechanismus in der Insolvenz Überträgt man die allgemeinen Erwägungen zur Richtigkeitsgewähr verschiedener Entscheidungsträger und -mechanismen auf die Auswahlentscheidung in der Insolvenz, so ergibt sich folgendes Bild. (1) Die Nutzung der Richtigkeitsgewähr des Konsensprinzips Die Erkenntnisse aus der Entscheidungstheorie wie auch aus der Verhaltenspsychologie sprechen dafür, die Entscheidung über die im Einzelfall vorzugswürdige Verwertungsoption nicht einem einzelnen Experten oder gar einer diktierenden Behörde zu überlassen, sondern das Wissen der Vielzahl von Personen zu nutzen, die mit am Verfahren ohnehin beteiligt sind, um über eine Informationsaggregation eine Entscheidung mit höherer Richtigkeitsgewähr zu erreichen. Verwendet man zudem als Aggregationsmechanismus auch noch einen Vertragsschluss unter Vielen, so verbindet man die hohe objektive Richtigkeitsgewähr der Weisheit der Vielen mit der absoluten subjektiven Richtigkeitsgewähr des Konsensprinzips. Aus diesem Gesichtspunkt heraus erscheint das Vertragsmodell gerade als Entscheidungsmechanismus bei Entscheidungen unter Unsicherheit vorzugswürdig.307 Heinrich, Formale Freiheit, S. 171 ff., insbes. 191; Limbach, JuS 1985, 10 ff.; Singer, Selbstbestimmung, S. 6 ff., insbes. 39 f.; grundlegend: Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130 ff. 305 Dies hat für die Auswahlentscheidung in der Insolvenz schon Balz, ZIP 1988, 273, 276, zutreffend erkannt. Allein das von allen Beteiligten getragene Verhandlungsergebnis, nicht eine gutachterliche oder richterliche Schätzung, ist das für die Beteiligten das »richtige Ergebnis«, selbst »wenn die Gläubiger sich etwa mit einer geringeren Quote zufrieden geben als sie im Konkurs erzielt würde; sie können ihre Interessen am besten beurteilen.« Ders., ZIP 1988, 1438, 1441: »Entscheidungen über den Ablauf des Verfahrens müssen deshalb von denjenigen getroffen und legitimiert werden, deren Geld auf dem Spiele steht.« 306 Balz, ZIP 1988, 1438, 1443, betont zudem einen »rechtsethischen Eigenwert« von Verhandlungen mit dem Ziel eines Einvernehmens. Dies dürfte richtigerweise insbesondere für die Akzeptanz einer Entscheidung von Bedeutung sein. 307 In diesem Sinne auch LoPucki, 91 Mich. L. Rev. 79, 106 (1992–1993), wenn er das geltende Insolvenzverfahren mit seinen Planalternativen und den sich daraus ergebenden Gestaltungsmöglichkeiten in einer Welt ohne perfekte Märkte für vorzugswürdig hält.

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Die Anwendung des Konsensprinzips auf die Entscheidung über die Verwertung der Insolvenzmasse im Wege eines Vertragsschlusses bedingt, dass man diejenigen zu Vertragspartnern macht, die auch das Risiko einer Fehleinschätzung tragen und das sind in der Insolvenz zunächst die Gläubiger. Deren Befriedigungsquote sinkt, wenn nicht die Verwertung gewählt wird, die den Fortführungswert des Unternehmens optimal abschöpft. Sie sinkt allerdings auch, wenn ein nicht fortführungsfähiges Unternehmen kostenträchtig fortgeführt wird. Die Gläubiger sind also zu einem Vertragsschluss über die zum Zuge kommende Verwertungsoption aufgerufen. Daneben trifft die Entscheidung allerdings unter Umständen auch den Schuldner. Dies folgt nun allerdings nicht daraus, dass die Insolvenzmasse, über deren Verwertung entschieden wird, formal immer noch als Vermögen des Schuldner anzusehen ist, geht doch im Verfahren die Verpflichtungs- und Verfügungsbefugnis über dieses Vermögen in der Regel auf den Insolvenzverwalter über. Der Insolvenzverwalter wäre demnach zum Vertrag über die Masse hinzuzuziehen. Auch dessen Beteiligung am Vertragsschluss ist jedoch unnötig, wenn das Schuldnervermögen in der Verwertung gänzlich verbraucht wird, was aufgrund der Insolvenzsituation, also der begriffsnotwendigen Unzulänglichkeit des Vermögens, in der Liquidation stets passiert. Die konkrete Verwertungsart, in der dies geschieht (Zerschlagung bzw. Veräußerung als Einheit), kann dem Schuldner wie dem Insolvenzverwalter dann gleich sein. Etwas anderes muss allerdings in einer Reorganisation gelten, da hier das Schuldnerunternehmen als Massegegenstand wie auch der Schuldner selbst als Unternehmensträger erhalten bleiben sollen. In diesem Fall sind auch die Interessen des Schuldners von der Verwertungsentscheidung unmittelbar betroffen, kann er doch in der Reorganisation seine Rechte am Unternehmen zumindest teilweise behalten und nach dem Verfahrensende wieder eigenständig wahrnehmen. Eine Reorganisation bedeutet eben immer eine Sanierung des Unternehmens bei seinem derzeitigen Rechtsträger. In solchen Fällen ist auch der Schuldner am Vertrag zu beteiligen. Der Vorteil eines Vertragsschlusses als Entscheidungsmechanismus besteht nun darin, dass man wie bei den Optionsmodellen sowohl auf eine konkrete Bezifferung des Fortführungswertes des Unternehmens verzichten kann als auch eine Schätzung desselben nicht benötigt wird. An die Stelle eines objektiven Grundes für die Fortführung tritt die vertragliche Einigung, also der Wille der Beteiligten, das Unternehmen fortzuführen.308 Dieser gemeinschaftliche

308 Die Bewertung der Fortführungschancen des Unternehmens und damit auch die Schätzung des Fortführungswertes wird den Verhandlungen der Betroffenen überlassen; eine sehr ausführliche Analyse des Verhandlungsmechanismus findet sich bei Johnston 65 Am. Bankr. L. J. 213 ff. (1991).

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Wille ist nicht nur zu respektieren; er trägt auch die Vermutung einer richtigen Entscheidung.309 Ein weiterer Vorteil des Vertragsmechanismus besteht darin, dass die zum Vertrag führenden Verhandlungen über eine Sanierung oder Stilllegung des Unternehmens oft schon vor der Insolvenz beginnen und dieser Verhandlungsstand trotz des Eintritts der Insolvenz nun weiter nutzbar bleibt. Die Vertragsverhandlungen müssen in der Insolvenz nicht bei Null beginnen, sondern können hier fortgeführt und zum Abschluss gebracht werden. Die Kontinuität von außergerichtlichen und im Insolvenzverfahren stattfindenden Rettungsversuchen kann so gewahrt werden. Auch ein Abbruch wegen einer nun zwingenden Auktion ist nicht notwendig. Schließlich sei noch auf den Gesichtspunkt hingewiesen, dass allein der Vertragsmechanismus es ermöglicht, alle Fragen der Insolvenzbewältigung konzentriert in einem Verhandlungsprozess zu beantworten. Aus diesem entsteht nicht nur die richtige Lösung für die Frage nach der Maximierung des Gläubigererlöses mittels der richtigen Verwertungsart, sondern zugleich auch die richtige Antwort auf die Frage der richtigen Wert- und Opferverteilung unter den Beteiligten.310 Allein der Verhandlungsweg, der in einem Vertrag mündet, kann eine umfassende Insolvenzbewältigung aus einem Guss garantieren. (2) Die Beseitigung der Schwächen des Konsensprinzips durch einen »abgesicherten Vertragsschluss« Der wesentliche Nachteil eines Vertrages als Entscheidungsmechanismus besteht nun allerdings darin, dass er auch bei der Beteiligung einer Vielzahl von Personen nach dem Konsensprinzip die Zustimmung aller Beteiligten zum Zustandekommen einer positiven Entscheidung voraussetzt. Er ist damit sehr anfällig für (auch grundlose) Blockadehaltungen Einzelner. Dies gilt umso mehr in Fällen, in denen – wie in der Insolvenz – eine Vielzahl von Beteiligten mit unterschiedlichen und oft gegenläufigen Interessen zu einem einstimmigen Vertragsschluss aufgerufen sind. Hier ist eine Blockade des Vertragsschlusses durch einzelne Gläubiger nicht nur wahrscheinlich, sondern nahezu sicher.311 Das Konsensprinzip scheint von daher als Lösungsmechanismus wenig tauglich.312 309 Zutreffend schon Balz, ZIP 1988, 273, 276: »Ermöglichen die Gläubiger eine Fortführung des Unternehmens, so ist der Fortführungswert für sie höher als der Zerschlagungswert, mögen auch unabhängige Sachverständige oder Richter zum gegenteiligen Ergebnis kommen.« 310 Zutreffend Johnston, 65 Am. Bankr. L. J. 213, 249 (1991). 311 Meyer-Haberhauer hat nachgewiesen, dass unter den Gläubigern, die zur Abstimmung über einen Insolvenzplan berufen sind, »in der Realität nur in den seltensten Fällen Einigkeit« über einen bestimmten Plan auftreten wird (Insolvenzplan, S. 154) und die Mehrheitsregel daher als Entscheidungsmechanismus notwendig war (S. 189). 312 Ebenso im Kern Kordana /Posner, 79 N. Y. U. L. Rev. 161, 196 f. (1999).

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(a) Keine diktatorische Lösung des Kooperationsproblems. Ein derartiges Kooperationsproblem kann theoretisch diktatorisch gelöst werden, indem ein einzelner Entscheidungsträger nicht nur die Entscheidung zugunsten einer Reorganisation trifft, sondern zugleich auch die Kooperation der Beteiligten anordnet. Ein diktierter Vertrag entsteht. Der Preis für eine derartige top-down-Lösung ist allerdings nicht nur ein diktaturähnlicher Eingriff in das Wirtschaftssystem, dessen Akzeptanz und politische Legitimität in unserer Gesellschaft mehr als fraglich erscheint. Auch die Richtigkeitsgewähr der Konsenslösung geht verloren. Als Alternative bietet sich eine bottom-up-Lösung an, die auf die individuelle Kooperationsbereitschaft der Betroffenen setzt und zugleich deren kollektive Weisheit nutzt: der Vertrag unter Vielen. Die Willensbildung über einen Vertrag vereint alle Anforderungen an die Weisheit der Vielen, verlangt sie doch von einer Gruppe unterschiedlich motivierter und interessierter Personen, ihre Meinung zu einem Vertragsentwurf auf ihrer eigenen Informationsbasis zu bilden und in der Vertragsabstimmung kund zu geben. Der kollektive Vertragsschluss lässt sich insofern als Aggregationsmechanismus verstehen, bei dem der »richtige Preis« wie bei einem Markt durch die kollektive Bewertung des ausgehandelten Preises (und ggf. dessen Anpassung) ermittelt wird. (b) Die Nutzbarmachung von Gruppeneffekten auf Kooperationsprobleme. Die Weisheit der Vielen ist nun aber nicht nur in der Lage, dem mit ihrer Hilfe ermittelten Vertragsinhalt eine objektive inhaltliche Richtigkeitsgewähr zu verleihen. Gruppendynamische Prozesse können darüber hinaus auch die Kooperationsbereitschaft aller Beteiligten entscheidend erhöhen, wenn jedem Einzelnen der individuelle Vorteil kollektiven Handelns bewusst sowie ein Mechanismus vorhanden ist, der es verhindert, dass Einzelne von einem positiven Gruppenergebnis profitieren, dass auf den finanziellen Opfern der Gruppenmehrheit beruht, ohne dafür ein eigenes Opfer erbracht zu haben (sog. Trittbrettfahrer bzw. »free-rider«).313 Der wesentliche neue Beitrag der Idee von der Weisheit der Vielen für die Entscheidungstheorie besteht somit nicht nur darin, die höhere Richtigkeitsgewähr von Gruppenentscheidungen gegenüber der Entscheidung eines einzelnen Experten unter Unsicherheitsbedingungen nachzuweisen. Sie ist vor allem auch in der Lage, neue Ansätze für die Frage zu bieten, wie man die Kooperationsbereitschaft in einer Personenmenge erhöhen kann. Bislang ging man gerade für die Frage der Kooperationsbereitschaft der wirtschaftlich Beteiligten an einer Reorganisationslösung für insolvente Unternehmen weitgehend davon aus, dass die rationale, allein an den eigenen Interessen orientierte Entscheidung der Be-

313

Surowiecki, The Wisdom of Crowds, S. 139 f.

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teiligten zu einem Gefangenendilemma führt, in dem es die rational richtige Entscheidung ist, nicht zu kooperieren.314 In der spieltheoretischen Situation, auf die man sich bezieht, werden zwei Gefangene zeitgleich, aber unabhängig voneinander vernommen. Sie werden verdächtigt, gemeinsam eine Straftat begangen zu haben. Die Höchststrafe für das Verbrechen beträgt fünf Jahre. Wenn die Gefangenen sich entscheiden zu schweigen, reichen Indizienbeweise nur dafür aus, um beide zu zwei Jahren Haft zu verurteilen. Gestehen sie beide die Tat, erwartet beide eine Gefängnisstrafe von vier Jahren. Um die Strategie des Schweigens zu brechen, wird jedem Gefangenen ein Deal angeboten, worüber beide informiert sind. Wenn er gesteht und zugleich seinen nicht geständigen Partner belastet, kommt er ohne Strafe davon, während der andere für fünf Jahre verurteilt werden kann. In der kollektiven Betrachtung der Entscheidungssituation ist es nun für beide Gefangene am günstigsten, den Deal abzulehnen und zu schweigen, erhielten sie dann doch eine Haftstrafe von insgesamt nur zweimal zwei, also vier Jahren, während sie in jeder anderen Konstellation kollektiv länger in Haft verbleiben müssten. Aus der individuellen Sicht des einzelnen Gefangenen hingegen ist es am strategisch sinnvollsten, in jedem Fall zu gestehen. Hat er dann das Glück, der einzig Geständige zu sein, so muss er nicht einen Tag in Haft. Gesteht hingegen sein Partner ebenfalls, so reduziert er immerhin die aufgrund dessen Geständnisses drohende Haftstrafe von fünf auf vier Jahre. Die im eigenen Interesse optimale Entscheidung führt damit bei rationalen Entscheidungsträgern nicht zur kollektiv optimalen Lösung (dem sog. Pareto-Optimum). Die Vorschläge zur Beseitigung dieser Diskrepanz beinhalten folgerichtig, in Situationen, die zu einem solchen Dilemma führen könnten, das Vertrauen der Beteiligten ineinander zu stärken, wozu insbesondere der Informationsaustausch zwischen ihnen gewährleistet werden sollte. Surowiecki315 betont demgegenüber, dass sich die individuellen Entscheidungsträger in der realen Welt nicht allein durch derart rationale Erwägungen leiten lassen, sondern als Teil einer Personengruppe auch in besonderem Maße Gerechtigkeitserwägungen anstellen, die beim Gefangenendilemma unberücksichtigt bleiben. So ergibt sich schon aus experimentellen Erfahrungen mit dem sog. Ultimatum-Spiel, dass Menschen tatsächlich nicht nur rationale Erwägungen anstellen, sondern insbesondere auch Gerechtigkeitsempfindungen in ihre Entscheidungsfindung mit einfließen lassen. In diesem Spiel ist von zwei zufällig ausgewählten Personen eine dazu befugt, ein zur Verfügung gestelltes Gut (etwa 10 Euro) beliebig zu teilen. Die andere Person kann diese Aufteilung 314 Vgl. etwa Eidenmüller. Unternehmenssanierung, S. 19 f.; ders., ZZP 121 (2008), 273, 280; Finkelstein, 102 Yale L. J. 2205, 2209 (1992–1993); auch Bitter, ZGR 2010, 147, 149 f.; Körner, Unternehmens-Turnaround durch Eigenverwaltung in der Insolvenz, S. 160 ff.; ders., ZfB 77 (2007), 1111, 1116. 315 Surowiecki, The Wisdom of Crowds, S. 108 ff.

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nur annehmen oder mit Wirkung für beide ablehnen. Der ertragsorientierte rationale Spieler wird nun lediglich den geringstmöglichen Teil des Geldes seinem Mitspieler anbieten (etwa 1 Euro) und dieser wird bei rationaler Betrachtung das Angebot annehmen, erhält er doch mehr als Null. Beide Spieler gewinnen also. In den praktischen Experimenten wurden hingegen derartige Angebote von den Mitspielern in der Regel als unfair empfunden und entgegen der rational richtigen Entscheidung zum Nachteil beider abgelehnt. Doch nicht nur die Angebotsempfänger handelten irrational. Auch die Anbieter ließen häufig schon Fairnessüberlegungen in die Aufteilung einfließen und boten in der Regel eine hälftige Teilung an.316 Gerechtigkeitsempfindungen spielen mithin in der Entscheidungssituation mindestens eine ebenso große Rolle wie rationale Erwägungen. Der eigentliche Grund für die Verweigerungshaltung vieler an Sanierungsverhandlungen Beteiligter mag damit nicht in rationalen, sondern in Gerechtigkeitserwägungen zu finden sein. Folgerichtig bedarf es nicht einer besseren Information der Beteiligten zur Verbesserung rationaler Entscheidungen, sondern Vorkehrungen, die aus Sicht der Beteiligten Ungerechtigkeiten vorbeugen können. Welcher Art diese Vorkehrungen sein sollten, verdeutlicht das sog. »Public-Goods Game«, das die Situation einer Reorganisation vielleicht besser darstellt als das Gefangenendilemma. Danach besitzt jeder Mitspieler 20 Token, die er in jeder Spielrunde in beliebiger Höhe in einen gemeinsamen Topf investieren kann, wobei jeder investierte Token durch den Spielleiter im Topf verdoppelt wird. Am Ende der vierten Runde des Spiels kann jeder Mitspieler seine restlichen Token behalten; der gemeinsame Topf wird inklusive der erwirtschafteten Rendite unter allen Mitspieler verteilt. Folgerichtig behält ein nicht kooperierender Spieler seine 20 Token. Zusätzlich erhält er aber auch seinen Anteil am gemeinsamen Topf, so dass er individuell einen risikolosen Gewinn infolge der Investition seiner Mitspieler machen kann. Der maximale Gewinn lässt sich in diesem Spiel für jeden Mitspieler aber nur erzielen, wenn alle Mitspieler alles in den gemeinsamen Topf investieren. Hierzu muss aber jeder investierende Mitspieler davon ausgehen dürfen, dass auch alle anderen Mitspieler seinem Beispiel folgen und investieren werden. Das zentrale Problem ist damit allein das gegenseitige Vertrauen in die Kooperation aller Mitspieler. Dieses Vertrauen verschwindet, wenn investierende Spieler im Laufe der ersten Runde auf Mitspieler treffen, die sich nicht beteiligen (sog. Trittbrettfahrer oder »free-riders«). Typischerweise reduzieren dann alle Mitspieler in der Folgerunde ihre Beiträge an den gemeinsamen Topf, wollen sie doch schlicht nicht diejenigen sein, auf deren Kosten sich andere bereichern. Wird den Spielern in einer Abwandlung des Spiels hingegen erlaubt, unter Aufwendung eines weiteren Token am Ende jeder Runde Trittbrettfahrer zu bestrafen, indem sie diesen Mitspielern einen Token 316

Vgl. Surowiecki, The Wisdom of Crowds, S. 112 f.

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zugunsten des gemeinsamen Topfes wegnehmen dürfen, so wurde diese (wirtschaftlich irrationale) Bestrafung nicht nur stets genutzt; sie führte auch dazu, dass in den anschließenden Spielrunden alle Mitspieler jeweils in der Gruppe übliche Beträge in den Topf einzahlten. Die Trittbrettfahrer wurden also schnell diszipliniert.317 Die faszinierende Erkenntnis aus diesen verhaltenspsychologischen Experimenten liegt darin, dass selbst Kooperationsprobleme, die auf dem rational begründeten, strategisch eigennützigen Verhalten der Beteiligten beruhen, durch die autonome Verhaltenssteuerung in einer Gruppe gelöst werden können und zu einer Disziplinierung der Gruppenmitglieder führen, die dem Diktat einer einzelnen Autorität mindestens ebenbürtig ist. Die Problemlösung sollte folgerichtig weniger auf die Gewährleistung von Information als auf Mechanismen zur effektiven Bestrafung von Trittbrettfahrern abstellen, um die für die Kooperation notwendige Vertrauensbasis zu schaffen und eine Kooperation in der Gruppe autonom zu erzeugen. Den am Vertragsschluss Beteiligten ist also nicht nur der individuelle Vorteil kollektiven Handelns aufzuzeigen, wozu insbesondere plausible Vergleichsrechnungen anzustellen sind. Vor allem ist das Vertrauen jedes Beteiligten in die Kooperation der anderen durch die Schaffung von Regelungen zu schützen, die es erlauben, Trittbrettfahrer einzufangen und damit alle Beteiligten zur Kooperation motivieren. Keinem Beteiligten darf es danach möglich sein, ohne eigene Opfer von den Vorteilen der finanziellen Beiträge der anderen zu profitieren. In der Reorganisationsoption ist daher vor allem sicherzustellen, dass eine beschlossene Reorganisation nicht nur von den zustimmenden Gläubigern Opfer verlangt und damit (auch) die Forderungen der ablehnenden Gläubiger finanziert werden. Fällt die Entscheidung für eine Reorganisation, so müssen die dazu notwendigen Opfer auf alle verteilt werden. Ansonsten lässt sich autonom keine Kooperation organisieren. (c) Der Kontrahierungszwang als Disziplinierungsmittel. Interessanterweise haben die Ausführungen im Dritten Kapitel dieser Arbeit aufgezeigt, dass zu diesem Zweck ein »abgesicherter Vertragsschluss« als Entscheidungsmechanismus möglich ist, erlaubt doch das Vertragsrecht unter engen Voraussetzungen die Statuierung eines Kontrahierungszwangs, der das Risiko von ungerechtfertigten Blockaden durch Trittbrettfahrer weitgehend minimieren kann. Ein zulässiger Zwang zum Vertragsschluss, also eine Zustimmungspfl icht für einzelne Gläubiger, kann sich dabei vor allem aus einer kollektiven Willensbildung heraus ergeben, bindet doch bei Beschlüssen, die durch Mehrheitsvotum zustande kommen dürfen, der Wille der Mehrheit auch die Minderheit. Ermöglicht man folgerichtig eine kollektive Willensbildung, indem man die Gläubiger in der Insolvenz nicht als Individuen, sondern als Gemeinschaft organisiert, so wird 317

Surowiecki, The Wisdom of Crowds, S. 139 f.

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eine gemeinschaftliche Willensbildung über solche Beschlussgegenstände möglich, die zum Wirkungskreis der Gemeinschaft gehören. Der Gesetzgeber hat diesbezüglich nicht zu unterschätzende Freiheiten. Die zu diesem Zweck notwendige Sozialisierung der Gläubiger in einer Gemeinschaft oder mehreren Personengruppen 318 ist in der Insolvenz nicht nur verfassungsrechtlich zulässig; 319 sie kann zudem auf eine lange Tradition zurückblicken und basiert im Kern auf dem Gedanken der Koordinierung des Zugriffs Vieler auf einen begrenzten, unzureichenden Vorrat (pool) zum Wohle Aller. Hat man diesen ersten Schritt getan und die Gläubiger gruppiert, so ist als nächstes zu beachten, dass in solchen Zwangsgemeinschaften das für Willensbildungen im Grundsatz wiederum geltende, aber eben untaugliche Einstimmigkeitsprinzip zugunsten des Mehrheitsprinzips aufgegeben werden darf, solange zugleich ein gerichtlicher Minderheitenschutz gewährt wird. Blockadehaltungen können unter diesen Voraussetzungen durch Mehrheitsvotum überwunden werden.320 Interessanterweise leidet die Richtigkeitsgewähr des Verhandlungsergebnisses kaum darunter, dass dieses nun nicht mehr einstimmig, sondern nur mehrheitlich von den betroffenen Gläubigern getragen wird. Unter gerichtlicher Missbrauchskontrolle besitzt die Mehrheitsentscheidung der Gläubiger viel318 Unterteilt man die Gläubiger mit gleicher Rechtsstellung oder Interessenlage in verschiedene Gruppen, so bringt dies weitere Vorteile mit sich. Die Bildung interessenhomogener Gruppen beschränkt die notwendige Gläubigergleichbehandlung auf die jeweilige Gruppe und begrenzt zugleich die Macht der Großgläubiger – näher dazu etwa Kordana / Posner, 79 N. Y. U. L. Rev. 161, 202 ff. (1999). Vor allem aber kann man den Effekt einer höheren Richtigkeitsgewähr des in der homogenen Gruppe gefundenen Mehrheitswillens nutzen – siehe die Ausführungen im Dritten Kapitel unter C. IV. 2 b). 319 Siehe hierzu im Dritten Kapitel unter C. IV. 2. d). 320 Die Gefahr einer Dominanz der Blockadehaltungen von Groß- oder Schlüsselgläubigern im Entscheidungsprozess kann zudem insbesondere dadurch gemindert werden, dass man homogene Gläubigergruppen bildet und dann selbst innerhalb einer Gruppe homogener Gläubiger nicht nur deren Summenmehrheit, sondern auch deren Kopfmehrheit für die Entscheidungsfindung fordert, wodurch selbst innerhalb einer Gruppe die Dominanz der Großgläubiger begrenzt wird. Eine ausführliche Analyse dieses Effekts und seiner Grenzen fi ndet sich bei Kordana /Posner, 79 N. Y. U. L. Rev. 161, 202 ff. (1999). Sie weisen insbesondere nach, dass eine einfache Kopfmehrheit in der Regel auch eine einfache Summenmehrheit in der Gruppe mit sich bringt, weshalb das Erfordernis einer Summenmehrheit neben der Kopfmehrheit nur dann wirklich zum Tragen kommt, wenn man – wie im amerikanischen Recht der Planannahme – eine qualifizierte Summenmehrheit fordert und zudem in einer Gruppe Gläubiger vereinigt, die in etwa dieselben Forderungssummen innehaben. Sie kommen insofern zu dem Schluss, dass das das Erfordernis einer Summenmehrheit in der Regel nicht gerechtfertigt ist (S. 207 f.). In Deutschland ist gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 2 InsO ohnehin nur eine einfache Summenmehrheit erforderlich, so dass das doppelte Mehrheitserfordernis des § 244 Abs. 1 InsO im Regelfall keine praktische Bedeutung erlangen kann. Dennoch ist m. E. an diesem Erfordernis festzuhalten, resultiert doch die grundsätzliche Notwendigkeit einer Summenmehrheit neben der Kopfmehrheit gerade aus der umgekehrten Schutzrichtung, genauer aus dem notwendigen Ausschluss von Missbrauchsmöglichkeiten der Stimmmacht kleiner Gläubiger gegenüber einzelnen Großgläubigern, die ansonsten ihrerseits nun von der einfachen Kopfmehrheit kleiner Gläubiger in einer Gruppe überstimmt werden könnten.

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mehr eine ähnliche Richtigkeitsgewähr wie deren einstimmige Entscheidung (»pars maior, pars sanior«).321 Der Mehrheitsbeschluss kann zudem als Aggregationsmechanismus angesehen werden, der im Sinne von Condorcet’s Jury Theorem sowie den statistischen Modellen der Weisheit der Vielen die unterschiedlichen Ansichten, Interessen, Kenntnisse und Einschätzungen einer Vielzahl von Personen, eben einer Vielzahl von verschiedensten Gläubigern, zum Zwecke einer Entscheidungsfindung aufnimmt und daher auch insoweit eine Richtigkeitsgewähr mit sich bringt, die jedenfalls der einer einzelnen Expertenmeinung überlegen ist, da davon auszugehen ist, dass sich die Bewertungsfehler der einzelnen Stimmberechtigten in der Summe ausgleichen.322 Die Sozialisierung der Gläubiger kann insgesamt als zulässiger und zugleich zwingend notwendiger Schritt angesehen werden, um unter der Geltung des Konsensprinzips Blockadehaltungen Einzelner zu überwinden, kann doch schon der Beschluss einer Mehrheit der Gläubiger Einzelne dazu verpflichten, einem Vertrag über eine bestimmte Verwertungsoption zuzustimmen. Die Absicherung des Zustandekommens eines insgesamt vernünftigen Vertrages kann aber auch auf anderem Wege erfolgen. Der Gesetzgeber ist auch unter dem Grundsatz der Privatautonomie nicht daran gehindert, weitere Kontrahierungspflichten zu normieren. So steht es ihm verfassungsrechtlich insbesondere zu, einen direkten gesetzlichen Kontrahierungszwang für die Gläubiger oder Gläubigergruppen zu normieren, die sich missbräuchlich verhalten, indem sie eine Verwertungsart ablehnen, die ihnen keine Nachteile zufügt, insgesamt aber anderen Verwertungsoptionen überlegen erscheint (»cramdown« bzw. Obstruktionsverbot).323 Obwohl also Kontrahierungszwänge ein taugliches und zulässiges Mittel sind, um die Entscheidung über die vorzugswürdige Verwertungsart gegen unberechtigte Blockadehaltungen von Trittbrettfahrern abzusichern, haben sie einen nicht unwesentlichen Nachteil. Im Gegensatz zu einstimmig getragenen Lösungen verlangen sie nach richterlicher Kontrolle in Form des Minderheitenschutzes bzw. der Durchsetzung des Zwangs, die allerdings auch nachgelagert erfolgen darf.324 Inhaltlich muss der somit notwendige Rechtsschutz den vom Zwang betroffenen Gläubigern zudem lediglich ihre Liquidationsquote sichern. Der dazu im jeweils notwendigen gerichtlichen Verfahren stets festzustellende Liquidationswert des Schuldnervermögens verlangt nun nicht danach, die in 321 Baltzer, Beschluss, S. 213. Siehe zu diesem Themenkreis die ausführliche Analyse im Dritten Kapitel unter C. IV. 322 Verlangt man zudem die Einteilung der gesicherten Gläubiger in verschiedene Gruppen, wie es die amerikanischen Insolvenzgerichte verbreitet tun, so animiert man diese in der Regel gut über das Schuldnerunternehmen informierten Gläubiger zu einer Stimmabgabe und damit zu einer Mitteilung ihrer Verwertungspräferenz. Der Informationspool wird vergrößert; vgl. Kordana /Posner, 79 N. Y. U. L. Rev. 161, 219 (1999). 323 Siehe dazu die Ausführungen im Dritten Kapitel unter E. V. 1. und 4. 324 Siehe dazu die Ausführungen im Vierten Kapitel unter A.

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den Verhandlungen und der Abstimmung über das Verhandlungsergebnis getroffene Auswahlentscheidung stets durch den jeweils berufenen Richter zu wiederholen und diesem dabei die letztendlich maßgebliche Entscheidungskompetenz zuzugestehen. Wäre dies der Fall, so könnte man von vornherein auf Verhandlungen verzichten. Dem Richter steht aber keine solche Entscheidungskompetenz zu. Er hat eben nicht alle in Betracht kommenden Verwertungsoptionen zu prüfen und im Fall einer denkbaren Reorganisation deren Erfolgsaussichten unter der unvermeidbaren Unsicherheit einzuschätzen. Diesbezüglich muss er den mehrheitlich gewollten Plan als Verhandlungsergebnis und damit als richtige Lösung respektieren. Ihm obliegt es allein, dessen Prognosen mit dem Liquidationswert und den sich daraus ergebenden Liquidationsquoten für die betroffenen Gläubiger zu vergleichen. Diese lassen sich eher unproblematisch gutachterlich ermitteln und werden den Gläubigern ohnehin in jedem Berichtstermin, aber auch in jedem darstellenden Teil eines Insolvenzplans als Entscheidungsgrundlage geliefert. Hierbei dürfte es grundsätzlich zutreffen, eine Unternehmensbewertung im Wege einer Orientierung am Marktwert des Unternehmens zu fordern (»market based approach«).325 Der Preis, den interessierte Dritte für das Unternehmen zahlen würden, bestimmt dann den Liquidationswert desselben.326 Der den Vertragsschluss kontrollierende Richter trifft damit nie eine zweite Entscheidung über eine Reorganisationsoption unter der dort gegebenen Unsicherheit. Diese obliegt auch im Konzept eines abgesicherten Vertragsschlusses allein den Verhandlungspartnern. Eine weitere Besonderheit gilt es ebenfalls zu betonen. Die notwendige Absicherung der Vertragsentstehung bei einer Vielzahl von Vertragspartnern hat zur Folge, dass der sonst übliche punktuelle Vertragsschluss einem Vertragsschließungsprozess weicht. Statt einer – im Idealfall gleichzeitigen – Vertragsunterzeichnung wird der Vertrag nun in verschiedenen Schritten perfektioniert. Der zentrale Schritt ist dabei der der Abstimmung über den Vertrag, ist doch wie bei jedem Vertrag der Wille der Parteien die Grundlage der vertraglichen Bindung. Werden hier die notwendigen Mehrheiten erreicht, so bedarf es allerdings noch der Zustimmung der ablehnenden Minderheit zum Vertragsentwurf, um eben einen Konsens zu erreichen. Deren Zustimmung ist nun in einem zweiten Schritt freiwillig einzuholen, was aufgrund der psychologischen Über325 Markell, 44 Stan. L. Rev. 69, 120 f. (1991). In diesem Sinne sind wohl auch die Forderungen des Supreme Courts an die Bankruptcy Judges zu verstehen, im Rahmen der Cramdown-Entscheidung eine Bewertung durch den Markt zuzulassen, soweit eine solche verfügbar ist; Bank of America v. 203 North LaSalle Street Partnership, 526 U. S. 434, 457 f. (1999). 326 Der Gegenvorschlag von Johnston, 65 Am. Bankr. L. J. 213, 307 f. (1991), ähnlich Hahn, 11 Stan. J. L. Bus. & Fin. 28, 37 (2005), die Bewertung allein der Einschätzung einer neutralen Person (Gutachter) zu überantworten, erscheint demgegenüber als eher unzureichend, da die Richtigkeitsgewähr der Schätzung nur einer Person – wie gesehen – eben nicht die der einer Vielzahl von Personen, hier der Marktteilnehmer, erreicht. Die Marktbewertung sollte daher bevorzugt werden, wenn sie verfügbar ist.

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zeugungskraft des Mehrheitsvotums vielleicht sogar häufig Erfolg haben kann. Ansonsten bleibt nur der Weg einer gerichtlichen Feststellung von Zustimmungspflichten und deren Durchsetzung im Wege der Fiktion. Am Ende steht stets eine Lösung, die auf einem allseitigen, wenn auch teilweise fingierten Konsens beruht und daher die Vermutung der richtigen Lösung beinhaltet.327 Und auch der Beginn des Prozesses ist identisch, wird es doch in jedem Fall Verhandlungen der Betroffenen über ein Vertragskonzept geben, die zu irgendeinem Zeitpunkt Abschlussreife erlangen. Lediglich der Vertragsschluss selbst gestaltet sich unterschiedlich. (3) Der Anwendungsbereich der Vertragslösung Die so entstehende, aufwendige Prozedur eines abgesicherten Vertragsschlusses als Entscheidungsmechanismus lohnt sich aus Effizienzgründen nur in den Fällen, in denen die Verwertungsentscheidung tatsächlich unter Ungewissheit getroffen werden muss, in denen also eine objektiv richtige Entscheidung auf zumutbare Weise nicht getroffen werden kann. Eine derartige Ungewissheit hinsichtlich der richtigen Verwertungsentscheidung besteht in der Insolvenz im Regelfall nur für die Verwertungsoption der Reorganisation, da das wirtschaftliche Ergebnis einer geplanten Reorganisation für die Gläubiger wie für jeden anderen Beteiligten nicht sicher abschätzbar ist. Zwar sind auch die Ergebnisse einer alternativen Zerschlagung oder Veräußerung des Schuldnervermögens zunächst ungewiss; diese Ungewissheit lässt sich aber noch im Entscheidungszeitraum durch das Einholen von Kaufangeboten und Wertgutachten jedenfalls in Richtung einer Entscheidung bei Risiko, also einer Entscheidung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit für ein bestimmtes Ergebnis,328 beseitigen. Allein für die Reorganisationsoption besteht eine derartige Möglichkeit nicht. Hierauf basiert nicht zuletzt der Ruf nach ihrer Abschaffung. An diesen Umstand sollte der Entscheidungsmechanismus in der Form angepasst werden, dass er nur in Fällen, in denen eine Reorganisation des Schuldnerunternehmens als Option tatsächlich in das Verfahren eingeführt wird, über diese Option auch im Wege der Vertragsverhandlungen und des abgesicherten Vertragsschlusses entschieden wird. Entsprechendes muss in den seltenen Einzelfällen gelten, in denen auch hinsichtlich einer Liquidationsoption die Ungewissheit über den zu erzielenden Erlös bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht zumindest in Richtung einer Entscheidung unter Risiko beseitigt werden konnte. Darüber hinaus sollte es den Beteiligten aufgrund des Grundsatzes der Ver-

327 Siehe wegen der Fiktionswirkungen des feststellenden Urteils insbesondere die Ausführungen im Vierten Kapitel B. IV. 2. 328 Grundlegend zu Entscheidungen unter Risiko aus der betriebswirtschaftlichen Entscheidungstheorie etwa: Bamberg/Coenenberg/Krapp, Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre, S. 67 ff.

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tragsfreiheit nur optional offenstehen, über die jeweilige Verwertung einen Vertrag zu schließen. In den Verfahren also, in denen nur die Zerschlagung oder Veräußerung des Unternehmens als Verwertungsoptionen zur Verfügung stehen, wird es mangels der Unsicherheiten einer Reorganisationsoption auch keiner Vertragsverhandlungen bedürfen. Entsprechendes gilt in den Fällen, in denen die Verhandlungen über eine Reorganisationsoption gescheitert sind. In einer Zerschlagungs- wie auch in einer Veräußerungslösung verliert der Schuldner alle Rechte am Unternehmen, weshalb er an der Entscheidungsfindung mangels Eigeninteresse nicht zu beteiligen ist. Welche der beiden Verwertungsarten zum Zuge kommt, macht für seine Rechtspositionen keinen Unterschied. In solchen Verfahren sind es allein die Gläubiger, die die Auswahlentscheidung treffen sollten, da es in der Sache nun allein um ihre Befriedigungsquote geht. Die Gläubiger sind die besten Experten in ihren eigenen Angelegenheiten und ihre Entscheidung muss daher als richtig anerkannt werden. Diese Überlegungen zur höchsten Richtigkeitsgewähr stimmen zudem mit grundsätzlichen dogmatischen Befunden überein. Die auf die verschiedene Spielarten der Liquidation (Zerschlagung, Veräußerung als Einheit) beschränkte Auswahlentscheidung kann man, da sie – im ausdrücklichen Gegensatz zur Entscheidung über einen Reorganisationsplan – die privaten Forderungsrechte der Gläubiger unberührt und bis zu einem eventuellen Restschuldbefreiungsverfahren bestehen lässt, rechtlich als die Entscheidung der Rechtsgemeinschaft der Gläubiger über die beste Verwertung ihres gemeinschaftlichen Verwertungsrechtes begreifen.329 Sie sollte daher auch allein den Gläubigern zugewiesen werden.330

329 Diese Verwertungsentscheidung liegt – eben weil sie die persönlichen Forderungsrechte der einzelnen Gläubiger unberührt lässt – im Wirkungsbereich der Rechtsgemeinschaft aller Gläubiger am gemeinschaftlichen Verwertungsrecht am Schuldnervermögen; siehe dazu im Dritten Kapitel unter C. III. 1. 330 White, 10 J. L. Econ. & Org. 268, 293 f. (1994) sowie Hansen/Thomas, 18 Int’l Rev. L. & Econ 159, 161 f. und 178 ff. (1998), fordern stets eine Auktion als zwingendes Ende jedes Reorganisationsverfahrens, in dem der Schuldner mit seinem Reorganisationsplan scheitert oder einen solchen nicht vorlegt. Sie wollen auf diese Weise klare Entscheidungsalternativen im Chapter 11-Verfahren vorgeben. Der Schuldner soll danach weiter für maximal 120 Tage das exklusive Recht haben, einen Plan zu entwickeln und vorzulegen, der seinen Vorstellungen hinsichtlich der Bewältigung der Insolvenz beinhaltet, und weitere 60 Tage haben, die Zustimmung der Gläubiger zu diesem und einem den Gläubigervorstellungen angepassten Plan zu erreichen. Gelingt dies, so wird wie im geltenden Recht nach dem Plan verfahren. Gelingt es dem Schuldner hingegen nicht, so soll am Ende der Exklusivitätsphase automatisch eine Auktion des Unternehmens stattfinden, in deren Rahmen dieses tatsächlich am Markt zum Verkauf angeboten wird. Gelingt dies, so beantwortet die Unternehmensveräußerung die Frage nach der Verwertungsart. Findet sich hingegen kein Käufer, so soll die Insolvenzmasse inklusive des Unternehmens im Wege der Liquidation zerschlagen werden. Dies entspricht de facto der Praxis in Deutschland.

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Kapitel 5: Optimierung des deutschen Reorganisationsrechts in der Insolvenz

(4) Der Effizienzvorteil einer eingeschränkten Vertragslösung Insgesamt entsteht auf diese Weise der effiziente Entscheidungsmechanismus einer eingeschränkten Vertragslösung. (a) Kein Reorganisationskonzept – keine Verhandlungen. Zum einen wird es in der Mehrzahl der praktischen Insolvenzfälle, in denen kein Reorganisationskonzept zur Diskussion steht, möglich, das Schuldnervermögen ohne langwierige und kostspielige Verhandlungen zu verwerten, wobei die Gläubiger nach erfolgter Aufklärung über die Gesamtlage des Unternehmens in einer Abstimmung entscheiden, wie dies konkret geschehen soll. Steht also etwa ein passender Käufer zur Verfügung, so können sie einer Veräußerung zustimmen, wenn sie den gebotenen Kaufpreis für angemessen halten. Da diese Kaufpreissumme unmittelbar die an die Gläubiger auszuschüttende Quote bestimmt, entscheiden exakt diejenigen über die Durchführung der Veräußerung, die auch das Risiko einer Fehleinschätzung tragen. Die von ihnen getragene Lösung besitzt damit wiederum die Vermutung der inhaltlichen Richtigkeit und ist insoweit im Verfahren – auch vom Insolvenzgericht – zu respektieren. Eine »richtigere« Lösung kann auch kein Richter finden. Zugleich wird auf diesem Wege eine schnelle Veräußerung des Schuldnerunternehmens im Sinne der Auktionsmodelle möglich. Findet sich also ein Käufer für das Unternehmen, so kann dieses – wie etwa im Fall der Insolvenz der Wadan-Werften in MecklenburgVorpommern oder aber der Automobilriesen in den Vereinigten Staaten – innerhalb weniger Wochen aus der Insolvenz herausgekauft und fortgeführt werden.331 Es muss aber zugleich betont werden, dass eine schnelle Veräußerung eben nicht das zwingende Ergebnis des Verfahrens ist. Findet sich kein Investor, der für das Unternehmen einen akzeptablen Preis bietet oder verspricht die Zerschlagung des Unternehmens einen höheren Erlös, so können sich die Gläubiger auch für diese Variante entscheiden. (b) Die Inhaltsoffenheit der eingeschränkten Vertragslösung. Liegt hingegen ein Sanierungsplan mit einem Reorganisationskonzept auf dem Tisch, so sind nicht allein die Interessen der Gläubiger betroffen, sondern auch die des danach fortbestehenden Schuldners. In diesen Fällen bietet allein der Vertragsschluss zwischen allen Betroffenen eine hinreichend sichere Gewähr für das Zustandekommen der richtigen (auch negativen) Entscheidung, wenn er denn gegen unberechtigte Blockaderisiken hinreichend abgesichert wird. Verhandlungen über das Konzept sollten daher beginnen bzw. trotz der Insolvenz fortgesetzt werden. Dabei muss sowohl über das Ob als auch über das Wie einer Reorganisati331 Hotchkiss/Mooradian, 7 J. Fin. Intermediation 240, 251 und 253 (1998), konnten in ihrer empirischen Studie zu börsenotierten Unternehmen nachweisen, dass auch bei Veräußerungen von Unternehmen aus einem Insolvenzverfahren heraus mit einem Bieterwettbewerb zu rechnen ist. Dieser schnelle Lösungsweg ist daher durchaus attraktiv.

A. Das Planverfahren als effizientester Verfahrensweg

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on offen verhandelt werden können. Ein Primat der Reorganisation darf es in der Insolvenz ebenso wenig geben wie ein Verbot derselben. Und auch über den Inhalt des Sanierungskonzeptes sollte das Insolvenzrecht keine Vorgaben machen. Die mit dem Vertragsprinzip verbundene Privatautonomie verlangt insofern uneingeschränkte Beachtung. Es sollte insofern auch allen Verhandlungspartnern grundsätzlich erlaubt werden, ein Reorganisationskonzept vorzulegen, um auf diese Weise die Verhandlungen zu einem Ideenwettbewerb auszugestalten 332 und das relevante Wissen aller Beteiligten, insbesondere auch das Insiderwissen des Schuldners über sein Unternehmen, möglichst frühzeitig in die Verhandlungen einfließen zu lassen. Die Inhaltsoffenheit des Verhandlungsprozesses lässt es schließlich auch zu, ein Reorganisationskonzept zu beschließen, das auf einem debt-equity-swap beruht. Es wird sogar denkbar, einen Plan zu verabschieden, der eines der auf den Ideen Bebchuks beruhenden Optionsmodelle umsetzen will. Diese Modelle werden dann zwar nicht – wie von ihnen eigentlich beabsichtigt – die Verhandlungen um die beste Verwertungsart überflüssig machen; sie können diese allerdings vereinfachen. Wird in einem Planvorschlag etwa die Bewältigung der Unternehmensinsolvenz nach dem Modell Bebchuks oder auch dem von Aghion, Hart und Moore vorgeschlagen, so müssen die Beteiligten in der Verhandlungssituation nicht die Erfolgsaussichten einer Reorganisation bewerten, da erst die mittels des Optionsverfahrens neu bestimmten Eigentümer darüber entscheiden werden, welche der Verwertungsarten zum Zuge kommen soll. In der Verhandlungssituation stellt sich vielmehr nur die Frage, ob eine Fortführung des Unternehmens bis zum Abschluss des Insolvenzplan- sowie des anschließenden Optionsverfahrens masseschädlich wäre. Angesichts der kurzen Zeiträume, die die Modelle für ihr Optionsverfahren vorsehen, dürfte diese Frage in der jeweiligen Situation eher leicht zu beantworten sein, zumal im Einzelfall auch eine vorübergehende Stilllegung in Betracht zu ziehen wäre. Die genannten Optionsmodelle können damit Verhandlungen zwar nicht entbehrlich machen, aber zumindest vereinfachen und sollten insofern durchaus zum Zuge kommen, wenn die sonstigen Modellvoraussetzungen, insbesondere die Handelbarkeit der Unternehmensanteile und die Zustimmung der Alteigentümer, gegeben sind.333 332 Insbesondere Markell, 44 Stan. L. Rev. 69, 107–111, 114 (1991–1992) erhofft sich aus der Konkurrenz von Schuldner- und Gläubigerplänen eine Art Bieterwettbewerb um die beste Planlösung. Die entgegen gesetzte Position findet sich hingegen bei Johnston, 65 Am. Bankr. L. J. 213, 307 (1991), der sich eine höherer Effektivität in der Entscheidungsfindung dadurch verspricht, dass sich alle Verhandlungen der Beteiligten auf einen Planentwurf konzentrieren. 333 Das derzeitige deutsche Recht des Insolvenzplanverfahrens enthält diesbezüglich leider noch wesentliche Hürden. Zunächst muss wegen des Schlechterstellungsverbots gegenüber ablehnenden gesicherten Gläubigern (vgl. §§ 245 Abs. 1 Nr. 1, 251 Abs. 1 Nr. 2 InsO) sichergestellt sein, dass die Anwendung des Modells jedem dieser Gläubiger zumindest seine Liquida-

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Kapitel 5: Optimierung des deutschen Reorganisationsrechts in der Insolvenz

(c) Das »ACCORD scheme« nach Hausch/Ramachandran. Besonders erwähnenswert ist im Zusammenhang mit den Einsatzmöglichkeiten einer Vertragslösung insbesondere das Modell, das Donald B. Hausch und S. Ramachandran aus den Erfahrungen der Wirtschaftskrise in Ostasien im Jahr 1997 heraus entwickelten und »ACCORD scheme« (auction based creditor ordering by reducing debt) nannten.334 Diese Krise war insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass nahezu alle Unternehmen ihre Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen konnten und daher das klassische Insolvenzrecht als Lösungsmechanismus ausfiel, zumal auch die Insolvenzgerichte der Flut der Verfahren nicht hätten standhalten können. Stattdessen übernahmen in der Regel die Regierungen die privaten Banken und damit im Endeffekt auch die ausfallende Kredite gegenüber den vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen. Diese Unternehmen waren wiederum nahezu durchgängig Familienunternehmen, deren primärer Wert eben durch die jeweils agierende Familie verkörpert wurde. Zugleich war eine Übernahme dieser Unternehmen durch ihre Gläubiger oder Dritte in der Regel aus kulturellen Gründen undenkbar, weshalb sich keine Kaufinteressenten für die Familienunternehmen fanden. Es musste daher nun ein Entschuldungsvertionsquote aus der Verwertung der Sicherheiten sichert. Für die einfachen Insolvenzgläubiger ergibt sich die Garantie der Liquidationsquote demgegenüber schon aus dem Modell, das jeweils exakt die Rangfolge der Vorinsolvenzrechte wahrt (ebenso Eidenmüller, ZGR 2001, 680, 708). Problematisch ist sodann vor allem die Durchführung der Forderungsumwandlung in Anteilsrechte. Zum einen verlangt § 230 Abs. 2 InsO schon im Plan die ausdrückliche Zustimmung jedes Gläubigers, der Anteile übernehmen soll. Vorsorglich müssten also alle Gläubiger zustimmen, was den Planerfolg unwahrscheinlich macht (optimistischer Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 114 f.) Achsnick, Options-Modelle, S. 135 ff., will hingegen die Norm einschränkend auslegen und auf die Zuwendung einer Option – zu Recht – nicht anwenden, was allerdings immer noch die Zustimmung der erstrangigen Gläubiger erforderlich macht, da diese in den Modellen sofort und im Zweifel dauerhaft Anteile erhalten. Zum anderen ist auch die Zustimmung der bisherigen Gesellschafter zum Optionsmodell gesellschaftsrechtlich erforderlich und derzeit insolvenzrechtlich nicht ersetzbar (unstreitig – vgl. etwa Achsnick, Options-Modelle, S. 111 f.). Stimmen die Gesellschafter nicht freiwillig ihrer Enteignung (Kapitalherabsetzung auf Null) zu (was der Regelfall sein wird – ebenso Drukarczyk/Schöntag, FS Schmidt, 2006, 649, 667 f.; Eidenmüller, ZGR 2001, 680, 708, nachdem letzterer sich zuvor in Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 113, noch optimistischer äußerte) und wird diesen Personen daher als Gegenleistung für die Zustimmung eine Beteiligung am reorganisierten Unternehmen zugesagt, so erhalten hierdurch nachrangig Berechtigte (eben die Gesellschafter) einen wirtschaftlichen Wert vor der vollständigen Befriedigung aller Gläubiger, was wiederum im Zweifel die Anwendung des Obstruktionsverbotes hindert (§ 245 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2 InsO – ebenso Drukarczyk/Schöntag, FS Schmidt, 2006, 649, 668 f.; im Ergebnis auch Fassbach, Die cram-down-power, S. 181; für eine einschränkende Auslegung hingegen Achsnick, Options-Modelle, S. 131 ff.) und zugleich auch die korrekte Abbildung der Liquidationsquote in Frage stellt. Dieser gordische Knoten führt dazu, dass die Optionsmodelle derzeit wohl nur in den seltenen Fällen zum Zuge kommen können, in denen sich alle Gläubiger mit den Gesellschaftern auf ein solches Modell einigen (Achsnick, Options-Modelle, S. 127 f. empfiehlt dies sogar). Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 115 hält immerhin bei börsennotierten Aktiengesellschaften »Experimente« mit diesen Modellen für denkbar. 334 Hausch/Ramachandran, 18 Int’l Rev. Econ & Fin. 366 ff. (2009).

A. Das Planverfahren als effizientester Verfahrensweg

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fahren gefunden werden, dass vor allem die bisherigen Eigentümer im Unternehmen beließ.335 Da derartige Konstellationen eigentlich die klassischen Anwendungsfälle einer planmäßigen Reorganisation sind, ist das nun von den Autoren entwickelte Verfahren für Planlösungen besonders interessant. Hausch und Ramachandran schlugen in dieser Sondersituation vor, unter allen Gläubigern eine Auktion stattfinden zu lassen, in der diese ein Gebot darüber abgeben sollten, welche Befriedigungsquote sie vom Schuldner gegen den Erlass der Restschuld akzeptieren würden. Aus den eingehenden Geboten würde dann die Befriedigungsreihenfolge der Gläubiger in der Form erstellt, dass die niedrigste gebotene Quote zuerst bedient wird.336 Die Befriedigung der gebotenen Quoten soll dabei der neuen Reihenfolge nach aus den Gewinnen des fortgeführten Unternehmens erfolgen, wobei die Höhe der Zahlungen im Ermessen des Unternehmensmanagements liegt und der gesamte Entschuldungszeitraum auf fünf Jahre begrenzt sein soll. Die Entschuldung des Unternehmens ist daher in dem Moment erreicht, in dem alle Quotengebote erfüllt wurden. Sollte zuvor die fünf Jahresfrist ablaufen, so würde dies im Zweifel die Liquidation des Unternehmens nach sich ziehen, in der alle Gläubiger ihre ungekürzten Forderungen nach den üblichen Regeln einbringen. Die Eigentümer erhalten in der Zeit des Schuldendienstes zwar keine Ausschüttungen aus dem Unternehmen, behalten dafür aber die Kontrolle über selbiges inklusive des damit einhergehenden Vergütungsanspruchs. 337 Die Gläubiger müssen für die Abgabe ihres jeweiligen Gebotes die Fortführungschancen des Unternehmens einschätzen und dementsprechend ihre Quotenerwartungen in Gebote umsetzen.338 Erfolg versprechende Unternehmen dürften daher nur Gebote mit geringen Entlastungen erhalten, während kaum fortführungsfähige Unternehmen mit niedrigen Quotengeboten noch eine Überlebenschance bekommen. Gleichzeitig können verzichtsbereite Gläubiger ihre Ausfallrisiko durch ein Gebot begrenzen, das sie aufgrund einer niedrigen Quotenerwartung in eine vordere Rangposition bringt. Schließlich soll es den Gläubigern auch während des gesamten Verfahrens erlaubt sein, ihre Forderungen zu veräußern.339 Grundlage für das »ACCORD scheme« soll nach beiden Autoren eine entsprechende Vereinbarung unter den Beteiligten sein, die durch Mehrheitsbeschluss zustande kommen soll. Die Aufsicht über das Verfahren soll zudem bei einem Gericht liegen.340 Das Modell ist daher idealer Gegenstand einer Verhandlungslösung und könnte über einen abgesicherten Vertragsschluss implementiert werden. Würde das Modell nicht von allen Gläubigern befürwortet 335 336 337 338 339 340

Hausch/Ramachandran, 18 Int’l Rev. Econ & Fin. 366, 367 f. (2009). Hausch/Ramachandran, 18 Int’l Rev. Econ & Fin. 366, 369 (2009). Hausch/Ramachandran, 18 Int’l Rev. Econ & Fin. 366, 369 f. sowie 377 (2009). Hausch/Ramachandran, 18 Int’l Rev. Econ & Fin. 366, 370 (2009). Hausch/Ramachandran, 18 Int’l Rev. Econ & Fin. 366, 377 (2009). Hausch/Ramachandran, 18 Int’l Rev. Econ & Fin. 366, 377 (2009).

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Kapitel 5: Optimierung des deutschen Reorganisationsrechts in der Insolvenz

werden, so müsste für die ablehnend votierenden Minderheitsgläubiger die Liquidationsquote garantiert werden, um das Modell ihnen gegenüber zwangsweise durchzusetzen. Diese Gläubiger wären folglich mit dieser Quote zuerst zu befriedigen. Insgesamt liegt der Vorteil des Modells dann insbesondere darin, auf einfache und schnelle Weise die notwendigen Opfer einer notwendigen Reorganisation unter den Gläubigern zu verteilen. Diesbezügliche Verhandlungen wären weitgehend überflüssig. Zugleich erhält der Eigentümer den Anreiz, seine gesamte Energie in die Fortführung und den Neuaufbau des Unternehmens zu investieren, wird er doch nach Ablauf einer überschaubaren Phase von fünf Jahren wieder ein entschuldetes Unternehmen besitzen. Eine derartige Verfahrensgestaltung sollte daher gerade bei kleinen, fortführungswürdigen Familienunternehmen oder auch insolventen Arztpraxen durchaus in Betracht gezogen werden. 5. Ergebnis Insgesamt stellt sich damit auf der Grundlage theoretischer Erwägungen das neue deutsche Insolvenzrecht als durchaus gelungen heraus, was angesichts der geringen Fallzahlen für Planlösungen vielleicht sogar überrascht. Der deutsche Reformgesetzgeber hat die Reorganisation als Handlungsoption in der Insolvenz beibehalten und als Entscheidungsmechanismus auf einen abgesicherten Vertragsschluss der Gläubiger mit dem Schuldner zurückgegriffen. Dieser Mechanismus scheint hinsichtlich der Richtigkeitsgewähr für die darin gefundene Entscheidung nicht nur einer schlichten Abstimmung aller Gläubiger, sondern auch jedem Urteil eines einzelnen Experten überlegen, kann er doch in der Unsicherheitssituation sowohl strategisches Verhalten berücksichtigen als auch die Bewertungen und Urteile einer Vielzahl unterschiedlichster Personen als Aggregationsmechanismus in sich aufnehmen. Zugleich wird dieser aufwendige Mechanismus – anders als im amerikanischen Insolvenzverfahren nach Chapter 11 – nicht generell für jede Verwertungsentscheidung zur Anwendung gebracht; er kommt vielmehr nur zum Zuge, wenn tatsächlich eine Unsicherheitssituation vorliegt, also eine Reorganisation als Handlungsoption im Verfahren konkret zur Verfügung steht. Ansonsten entscheiden die Gläubiger im einfacheren Entscheidungsmechanismus der Abstimmung mit Mehrheitsmacht. 341 341 Gerade in diesem Punkt unterscheidet sich das deutsche Insolvenzrecht grundlegend und richtigerweise von seinem U. S.-amerikanischen Vorbild in Chapter 11 (ebenso Balz, ZIP 1988, 1438, 1443). Dort hat der Schuldner für mindestens 120 Tage das alleinige Vorschlagsrecht für irgendeinen Plan und weitere 60 Tage, um dessen Annahme zu erreichen, 11 U. S. C. § 1121 (b) und (c) (3). Der Schuldner ist daher lange Zeit in voller Kontrolle über den Verfahrensablauf, ohne dass überhaupt eine Reorganisation des Unternehmens schon Gegenstand der Verhandlungen sein muss. Hiergegen richtet sich die nahezu einhellige Kritik amerikanischer Insolvenzrechtler, siehe etwa Adler, 77 Cornell L. Rev. 439, 450 f. (1991–1992); ders., 72 N. Y. U. L. Rev. 343, 360 (1997), auch die von »traditionalists«, also grundsätzlichen Befürwortern einer Verhandlungslösung in der Insolvenz – vgl. etwa Ayer, 44 S. C. L. Rev. 863

B. Der richtige Zeitpunkt für die Entscheidung über eine Reorganisationsoption 529

Fraglich ist allerdings, ob im Falle einer gegebenen Reorganisationsoption der gesamte Prozess des abgesicherten Vertragsschlusses erst im Rahmen des gerichtlichen Insolvenzverfahrens in der Form eines Planverfahrens ablaufen muss. Das deutsche Insolvenzrecht ist diesbezüglich sehr streng und lässt vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens allenfalls Verhandlungen über einen Reorganisationsplan, nicht aber eine Abstimmung über denselben, zu. Das U. S.-amerikanische Recht ist diesbezüglich weit liberaler, erlaubt es doch die gerichtliche Bestätigung auch von solchen Plänen, die bereits vor der Verfahrenseröffnung die im Verfahren notwendigen Mehrheiten auf sich vereinen konnten. Nicht nur die Verhandlungen, sondern auch die Abstimmung kann dort bereits vor einem Insolvenzverfahren erfolgen. Es wird daher im Folgenden zu untersuchen sein, inwieweit es möglich und vernünftig ist, den Beteiligten zu erlauben, bereits außergerichtlich Verhandlungsergebnisse verbindlich zu machen und damit Auswahlentscheidungen über die Masseverwertung schon dort zu treffen.

B. Der richtige Zeitpunkt für die Entscheidung über eine Reorganisationsoption In den vorangegangenen Abschnitten dieses Kapitels wurde aufgezeigt, dass eine Reorganisation auch in der Insolvenz sinnvoll sein kann und daher als Handlungsoption zur Verfügung stehen sollte. Zugleich wurde nachgewiesen, dass die Entscheidung über die Durchführung einer Reorganisation im Wege der Verhandlungen und des Vertragsschlusses zwischen den von der Reorganisation betroffenen Beteiligten getroffen werden sollte, trägt doch ein Vertrag der Betroffenen in der Entscheidungssituation unter Ungewissheit die bei weitem höchste Richtigkeitsgewähr in sich. Da der für den Vertrag notwendige Konsens aller Beteiligten aufgrund ihrer Vielzahl und höchst unterschiedlichen, ja oft gegenläufigen Interessenlage oft nicht erreicht werden kann, muss der Vertragsschluss zudem durch sachlich gerechtfertigte Kontrahierungszwänge abgesichert werden. Insgesamt entsteht auf diese Weise ein Verhandlungs- und Vertragsabschlussprozess, der sich über einen gewissen Zeitraum erstreckt. Das geltende deutsche Insolvenzrecht bestimmt nun, dass der gesamte Vertragsabschlussprozedere im Rahmen des gerichtlichen Insolvenzverfahrens als Insolvenzplanverfahren von Statten gehen muss. Lediglich Verhandlungen über ein Reorganisations- oder sonstiges Plankonzept dürfen vorher stattfinden und (1992–1993); Kordana /Posner, 79 N. Y. U. L. Rev. 161, 189, 230 (1999); LoPucki, 69 Am. Bankr. L. J. 573, 576 ff. (1995); Tabb, 44 S. C. L. Rev. 791, 828 (1992–1993); anders aber Klee, 69 Am. Bankr. L. J. 551 ff. (1995) und noch deutlicher in 69 Am. Bankr. L. J. 583, 586 (1995), der mit dem geltenden Verfahren im Wesentlichen zufrieden ist und nur kleinere Anpassungen befürwortet.

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Kapitel 5: Optimierung des deutschen Reorganisationsrechts in der Insolvenz

können dann im Verfahren fortgeführt oder auch unmittelbar zur Abstimmung gebracht werden. Eine außergerichtlich erfolgte Abstimmung darf hingegen den in den §§ 235 ff. InsO vorgesehenen Abstimmungstermin nicht ersetzen. Zudem sind diese Normen wie das gesamte Insolvenzrecht nicht dispositiver Natur, weshalb auch eine vertragliche Vereinbarung, die eine andere Art der Insolvenzbewältigung oder aber der Entscheidungsfindung vorsieht, nicht wirksam werden kann. Die Verwertungsentscheidung wird damit zwingend in das gerichtliche Insolvenzverfahren hineingezwungen. Dass dies in allen Fällen richtig ist, darf durchaus bezweifelt werden, finden doch schon zu mehreren Zeitpunkten vor der Insolvenz eines Unternehmens Verhandlungen zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern statt, die nun auch Vereinbarungen über deren Rechte in einer Insolvenz beinhalten könnten. Ist es dann nicht effizienter, ohnehin stattfindende Verhandlungen einfach um einen Verhandlungspunkt – den der Insolvenzbewältigung – zu ergänzen?

I. Der Zeitpunkt der Forderungsentstehung Der frühest denkbare Zeitpunkt, zu dem die Verhandlungen des Schuldners mit seinen Gläubigern um den Punkt der Insolvenzbewältigung ergänzt werden kann, ist der der Entstehung der Gläubigerforderung. Nimmt ein Unternehmen also eine Geschäftsbeziehung auf und kommt infolge dessen ein Vertrag zustande, der dem Vertragspartner des Unternehmens einen Anspruch einräumt, so scheint es nahezuliegen, für diesen Anspruch unmittelbar im Vertrag auch die Durchsetzungsmodalitäten zu bestimmen, die im Fall einer Insolvenz des verpflichteten Unternehmens gelten sollen. 1. »contract theory approach« In der amerikanischen Insolvenzrechtsliteratur werden derartige Überlegungen auch unter dem Begriff des »contract theory approach« zusammengefasst, der maßgeblich von Alan Schwartz begründet wurde, als er vorschlug,342 den Anreiz zu einer außergerichtlichen Insolvenzbewältigung dadurch zu erhöhen, dass man den Beteiligten erlaubt, sich zur Durchführung eines bestimmten außergerichtlichen Insolvenzverfahrens in der Insolvenz zu verpflichten. Jedes Unternehmen sollte dazu Klauseln in seine Verträge aufnehmen, nach denen die Parteien auf die Durchführung des gesetzlichen Insolvenzverfahrens verzichten und sich stattdessen das Unternehmen in der Krise dazu verpflichtet, den Gläubigern in einem Vergleichsangebot dieselben Rechte anzubieten, die diese auch in der Insolvenz hätten. Als Zustimmungsanreiz für die Gläubiger wie 342 Schwartz, 36 J. L. & Econ 595 ff. (1993); fortgeführt in Schwartz, 13 J. L. Econ. & Org. 127 ff. (1997); ders., 107 Yale L. J. 1807 ff. (1997–1998); ders., 109 Yale L. J. 343 ff. (1999–2000); ders., 91 Va. L. Rev. 1199 ff. (2005).

B. Der richtige Zeitpunkt für die Entscheidung über eine Reorganisationsoption

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auch für das Unternehmen würde beiden erlaubt, die im Vergleich zu einem Insolvenzverfahren ersparten Insolvenzkosten jeweils anteilig für sich zu vereinnahmen (»successfull offers«).343 Vernünftige Beteiligte würden im Insolvenzfall dieses Angebot annehmen und ein kostenträchtiges Insolvenzverfahren so vermeiden.344 Die Kosten für die Aufnahme derartiger Vertragsklauseln wären zudem gering. Die Klauseln könnten zur Erleichterung einer außergerichtlichen Einigung zudem vorsehen, dass diese bereits bei einer mehrheitlichen Zustimmung der Gläubiger zustande kommt, was allerdings nach Ansicht von Schwartz die Zustimmung der Gläubiger generell eher unwahrscheinlicher machen würde, da der Anreiz für das Unternehmen steigt, nicht mehr alle Gläubiger voll zu befriedigen, wodurch das Vertrauen der Gläubiger in das gemachte Angebot sinkt.345 Das Modell setze zudem grundsätzlich voraus, dass die Gläubiger das Unternehmen zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung über das Angebot bewerten können, wozu sie weitgehend auf die Darstellung des Unternehmenswertes durch das Unternehmen im Angebot vertrauen müssen.346 Später veränderte Schwartz die Zielrichtung seines Modells.347 Statt Verhandlungen über einen außergerichtlichen Vergleich zu erleichtern, wollte er sein Modell nun darauf ausrichten, in der Insolvenz dem Schuldner die richtige Wahl zwischen den verschiedenen gerichtlichen Verfahrensarten (Liquidation nach Chapter 7 oder Reorganisation nach Chapter 11) vorzugeben.348 Sein Modell sah dazu nun vor, dass sich das Unternehmen verpflichtet, eine gewisses gerichtliches Verfahren im Falle seiner Insolvenz zu wählen oder aber in der Krise mit dem Gläubiger über das optimale Verfahren zu verhandeln.349 Dabei plädierte er dafür, den Beteiligten zu erlauben, in ihren Vereinbarungen sowohl festzuschreiben, ob sie in der Insolvenz auf das gesetzliche Verfahren zurückgreifen oder ein Alternativverfahren wollen, 350 als auch zu bestimmen, welches Verfahren (Liquidation oder Reorganisation) sie unter welchen Bedingungen in der Insolvenz wählen.351 Verzichten sie hingegen in ihren Verträgen auf eine 343

Schwartz, 36 J. L. & Econ 595, 602 f., 614 (1993). Schwartz, 13 J. L. Econ. & Org. 127, 134 ff. (1997). 345 Schwartz, 36 J. L. & Econ 595, 618 ff. (1993). 346 Schwartz, 36 J. L. & Econ 595, 620 ff. (1993). 347 Die dadurch entstandenen Widersprüche zwischen Schwartz’ ursprünglichem und späterem Modellentwurf macht LoPucki, 109 Yale L. J. 365, 367 ff. (1999–2000), sehr schön deutlich. 348 Schwarcz, 77 Tex. L. Rev. 515, 521 (1998–1999), bezeichnet solche Verträge über das in der Insolvenz anzuwendende Verwertungsverfahren als »procedure contracts« (S. 521). 349 Schwartz, 13 J. L. Econ. & Org. 127, 134 ff. (1997); ders., 107 Yale L. J. 1807, 1819 (1997– 1998); ders., 109 Yale L. J. 343, 362 (1999–2000); ders., 91 Va. L. Rev. 1199, 1238 (2005). Er nähert sich damit stark dem Menu-Approach von Rasmussen (dazu gleich Näheres im nächsten Abschnitt). Aus seinem materiell ausgerichtetem Vorvertrag wurde ein rein prozessualer Vorvertrag. 350 Schwartz, 107 Yale L. J. 1807, 1819 (1997–1998). 351 Schwartz, 13 J. L. Econ. & Org. 127, 138 f. (1997); ders., 107 Yale L. J. 1807, 1822 (1997– 1998). 344

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Kapitel 5: Optimierung des deutschen Reorganisationsrechts in der Insolvenz

derartige Vereinbarung, so kann das Unternehmen in der Insolvenz selbst das Verfahren wählen oder aber in Verhandlungen hierüber eintreten.352 Den Gläubigern unterstellte Schwartz dabei, stets risikoneutral zu agieren und allein an einer maximalen Befriedigung interessiert zu sein, während das Unternehmensmanagement stets uneigennützig die Eigentümerinteressen vertrete.353 Nach Schwartz’ »contract theory approach« stehen den Beteiligten drei Vertragsmodelle zur Auswahl: (1) ein Vertrag, der in der Insolvenz Neuverhandlungen untersagt und stattdessen dem Unternehmen die Wahl des Verfahrens überlässt, wobei dieses zur richtigen Entscheidung dadurch motiviert werden soll, dass es einen gewissen Prozentsatz des Verfahrenserlöses behalten darf (»renegotiation-proof contracts«); 354 (2) ein Vertrag, der keine Regelungen für den Insolvenzfall enthält und so dem Unternehmen das Wahlrecht hinsichtlich der Vorgehensweise einräumt, ihm im Gegenzug aber jede Beteiligung am Verfahrenserlös versagt, was auch zu Neuverhandlungen führen kann (»renegotiation contracts«); 355 (3) ein Vertrag, in dem von einem bestimmten, vertraglich vereinbarten Indikator im Insolvenzfall abhängig gemacht wird, ob die Verfahrenswahl dem Unternehmen überlassen oder in Verhandlungen mit dem Gläubiger getroffen werden soll, wobei der Indikator Aussagekraft dahin gehend besitzen muss, ob das Unternehmen von sich aus die richtige Wahl treffen wird (»partially renegotiation-proof contracts«).356 Die Effektivität einer derartigen Vertragslösung für Insolvenzen stellte Schwartz nicht in Frage. Weder der Umstand, dass diese Vereinbarungen mit den einzelnen Gläubigern tatsächlich nur selten gleichzeitig abgeschlossen werden können noch dass verschiedene Gläubiger verschiedene Inhalte bevorzugen könnten, würde aus seiner Sicht tatsächlich das Zustandekommen derartige Vereinbarung verhindern, da das grundsätzliche Interesse aller Gläubiger (an einer bestmöglichen Befriedigung) identisch sei und einzelne, sich verweigernde Gläubiger mittels eines Mehrheitszwanges ähnlich wie im gerichtlichen Reorganisationsverfahren an die für alle effiziente Lösung gebunden werden könnten.357 Am Ende will Schwartz mit seinem Modell erreichen, dass sich die

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Schwartz, 107 Yale L. J. 1807, 1824 (1997–1998). Schwartz, 107 Yale L. J. 1807, 1825 f. (1997–1998). 354 Schwartz, 107 Yale L. J. 1807, 1827 ff. (1997–1998). 355 Schwartz, 107 Yale L. J. 1807, 1830 (1997–1998). Diese Kategorie dürfte weitgehend dem geltenden Insolvenzrecht entsprechen – so auch Schwartz (S. 1831 f.). 356 Schwartz, 107 Yale L. J. 1807, 1830 f. (1997–1998). 357 Schwartz, 13 J. L. Econ. & Org. 127, 140 ff. (1997); ders., 107 Yale L. J. 1807, 1833 ff. (1997–1998); ders., 109 Yale L. J. 343, 348 ff. (1999–2000). Zudem sollte man in »renegotiationproof contracts« Anpassungsklauseln aufnehmen, die alle Verträge im Insolvenzfall einander angleichen, sog. »conversion terms« – Schwartz, 107 Yale L. J. 1807, 1834 (1997–1998); genaueres dazu in Schwartz, 109 Yale L. J. 343, 348 ff. (1999–2000). 353

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zwingende Natur des Insolvenzrechts auf solche Normen beschränkt, die für eine geordnete Verfahrensstruktur unverzichtbar sind. 358 2. »menu approach« Robert K. Rasmussen wollte – später gemeinsam mit David A. Skeel, Jr. – ebenfalls bereits zum Zeitpunkt der Entstehung der Gläubigerforderung die Entscheidung über die in der Insolvenz zum Zuge kommende Verfahrens- und Verwertungsart fällen. Anders als Schwartz wollte er das Verfahren in der Insolvenz eines Unternehmens aber nicht in den Verträgen mit seinen Gläubigern, sondern in der Unternehmenssatzung, dem Gesellschaftsvertrag, festlegen.359 Um die Kosten wie auch die Missbrauchsmöglichkeiten weitgehend zu vermeiden, die individuelle Verhandlungen mit jedem Gläubiger über dessen jeweilige Rechte in einer hypothetischen Insolvenz mit sich brächten, sei ein »Menu« von standardisierten Insolvenzoptionen notwendig (»menu approach«).360 Um diese zur Verfügung zu stellen, sollte der Gesetzgeber dem geltenden Insolvenzrecht eine dispositive Natur zugestehen und verschiedene Verfahrensarten als Optionen für den Insolvenzfall ausgestalten, so dass jede unternehmenstragende Gesellschaft schon in ihrer Satzung die Verfahrensoption wählen kann, die am besten zu ihrer Unternehmensstruktur, aber auch zur Risikobereitschaft ihrer Eigentümer und ihres Managements passt. Das Menu sollte dabei aus folgenden Handlungsoptionen bestehen: 361 der Verzicht auf jedes Insolvenzverfahren (»no-bankruptcy option«); 362 automatische debt-equity-swaps; 363 die zwingende Liquidation in der Insolvenz (schnellstmögliche Auktion); 364 die Übertragung der Entscheidungsmacht über die Verwertung des Unternehmens auf den Hauptkreditgeber (»selective-stay model«) 365 sowie die Verankerung eines selbst bestimmten Insolvenzverfahrens, das unfreiwilligen Gläubigern allerdings ihre gesetzlichen Rechte gewähren

358 Schwartz, 107 Yale L. J. 1807, 1839 ff. (1997–1998). Er findet eine solche Norm dann aber nur im Vollstreckungsverbot (S. 1840). 359 Rasmussen, 8 Bankr. Dev. J. 319, 332 f. (1991); ders., 71 Tex. L. Rev. 51 ff. (1992–1993); ders., 72 Wash. U. L. Q. 1159, 1206, 1210 (1994); Rasmussen/Skeel, 3 Am. Bankr. Inst. L. Rev. 85, 110 ff. (1995). Auf einem ähnlichen Gedanken basiert auch das Modell der »ChameleonEquity« nach Barry E. Adler, 45 Stan. L. Rev. 311 ff. (1992–1993), nach dem ebenfalls bereits im Gesellschaftsvertrag der Schuldnergesellschaft für den Fall der Insolvenz die automatische Umwandlung aller Forderungen in Anteilsrechte an der Schuldnergesellschaft festgeschrieben werden sollte – näher dazu bereits unter A. III. 2. d). 360 Rasmussen, 8 Bankr. Dev. J. 319, 332 (1991); ders., 71 Tex. L. Rev. 51, 66 (1992–1993). 361 Rasmussen, 8 Bankr. Dev. J. 319, 332 (1991); ders., 71 Tex. L. Rev. 51, 100 ff. (1992– 1993). 362 Rasmussen, 71 Tex. L. Rev. 51, 101 (1992–1993). 363 Rasmussen/Skeel, 3 Am. Bankr. Inst. L. Rev. 85, 111 (1995). 364 Rasmussen, 71 Tex. L. Rev. 51, 102 ff. (1992–1993). 365 Rasmussen, 71 Tex. L. Rev. 51, 106 (1992–1993).

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muss (»custom-designed system«).366 Hinzu käme das geltende Reorganisationsverfahren in Chapter 11 als dispositive Regelung für all die Unternehmen, die keine Wahl in ihrer Satzung treffen wollen oder getroffen haben.367 Wählt ein Unternehmen ein System, das am geltenden Liquidations- oder Reorganisationsverfahren orientiert ist, so dürfe es zudem die Behandlung gesicherter Gläubiger bestimmen, also in den Grenzen des geltenden Rechts in Sicherungsrechte eingreifen.368 Ist in der Satzung der Gesellschaft eine Option gewählt worden, so könnten nun alle Gläubiger derselben ihre Bonitätsbewertungen im Rahmen der jeweiligen Vertragsschlüsse an die jeweils gewählte Insolvenzoption anpassen.369 Eine Änderung der gewählten Insolvenzoption in der Satzung sei wegen des Vertrauens der Gläubiger in dieselbe folgerichtig nur möglich, wenn alle vorhandenen Gläubiger von der Änderung ausschließlich profitieren, voll befriedigt werden oder aber der Änderung zustimmen.370 Eine Sonderregelung müsse schließlich für die Gläubiger geschaffen werden, die sich das Unternehmen nicht freiwillig als Schuldner ausgesucht haben, insbesondere also Gläubiger aus deliktischen Ansprüchen. Diese bedürften eines besonderen Schutzes und müssten daher stets den gesetzlich verankerten Insolvenzschutz genießen. Die Ausgestaltung ihrer Rechte würde also nie der Satzung, sondern stets dem Gesetzgeber obliegen (»default rule«).371 3. Kritik Die in diesen Modellen verkörperte Idee, die Insolvenzbewältigung gänzlich einzelvertraglich zu regeln oder aber zumindest die Entscheidung über das im Insolvenzfall zum Zuge kommende Verwertungsverfahren bereits im Zeitpunkt der Forderungsentstehung (mit-)fallen zu lassen, indem der jeweilige Einzelvertrag oder aber die Satzung der vertragschließenden Gesellschaft eine entsprechende Regelung enthält, hat sich in der Praxis wie auch in der wissenschaftlichen Diskussion bislang nicht durchsetzen können, was keinesfalls nur daran liegt, das die derzeitige Gesetzeslage derartige Vereinbarungen nicht zulässt.372 366 367 368 369

Rasmussen, 71 Tex. L. Rev. 51, 106 f. (1992–1993). Rasmussen, 71 Tex. L. Rev. 51, 107 (1992–1993). Rasmussen, 71 Tex. L. Rev. 51, 110 (1992–1993). Rasmussen, 8 Bankr. Dev. J. 319, 333 (1991); ders., 71 Tex. L. Rev. 51, 56 ff. (1992–

1993). 370 Rasmussen, 8 Bankr. Dev. J. 319, 333 (1991); ders., 71 Tex. L. Rev. 51, 117 ff. (1992–1993). Später schlugen Rasmussen/Skeel, 3 Am. Bankr. Inst. L. Rev. 85, 114 f. (1995), vor, in Fällen, in denen eine einhellige Zustimmung zur Änderung nicht erreicht werden kann, die Änderung dennoch nach einer Vorwarnzeit von einem Jahr eintreten zu lassen. 371 Rasmussen, 71 Tex. L. Rev. 51, 67 (1992–1993); ders., 1994 U. Ill. L. Rev. 1 ff. (1994). 372 Jungmann, ZVglRWiss 104 (2005), 59, 77, weist zutreffend auf die Zeiten in den Vereinigten Staaten ohne wirksames Insolvenzgesetz hin, in denen bloße vertragliche Insolvenz-

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a) Die Schwächen des »contract theory approach« Schwartz’ »contract theory approach« hat insbesondere zwei grundsätzliche Schwächen. In der ersten Fassung, der materiellen Ausrichtung seiner Theorie, setzt sie voraus, dass die Gläubiger schon im jeweiligen Einzelvertrag für den Krisenfall auf ein gerichtliches Insolvenzverfahren wie auch auf ihre Forderungsdurchsetzung verzichten. Sie müssen folgerichtig gänzlich auf ein angemessenes Angebot des Unternehmens in der Krise bzw. Insolvenz vertrauen, da ihnen in der Krise jedes Mittel fehlt, alternativ gegen den Schuldner vorzugehen. Das in diesen Konsequenzen zum Ausdruck kommende, totale Vertrauen Schwartz’ auf die Vernunft aller Beteiligten erscheint doch sehr naiv.373 Wer soll den Schuldner daran hindern, trotz der aufgezeigten Anreize ein eigennütziges Vergleichsangebot vorzulegen? Den Gläubigern bliebe in einer solchen Situation nur die Ablehnung des vorliegenden Angebots und das Hoffen auf eine neue, verbesserte Offerte. Die Alternative eines Insolvenzantrags ist ihnen ja ebenso genommen wie die Vollstreckung ihrer Forderungen. Ein solches Modell erscheint wenig praktikabel. Hinzu kommt, dass sowohl das materiell als auch das spätere, prozessual ausgerichtete Modell von Schwartz die Nachteile beinhalten, den alle Modelle mit sich bringen, die auf Vorverträge zur Regelung von Verhandlungs- und Zustimmungspflichten in der Insolvenz setzen: Die Transaktionskosten sind hoch und dennoch werden nicht alle Beteiligten erfasst. Die Transaktionskosten werden dadurch in die Höhe getrieben, dass unter der Hoheit derartiger Modelle alle Unternehmen mit allen Gläubigern über Insolvenzfragen nicht nur verhandeln, sondern auch gleichlautende Vereinbarungen zustande bringen müssten und dies auch noch zu einem sehr frühen Entscheidungszeitpunkt. Die Parteien müssten das favorisierte Verwertungsverfahren bereits bei Abschluss des jeweiligen Schuldvertrages verbindlich wählen, ohne zu diesem Zeitpunkt sicher prognostizieren zu können, wann und unter welchen Bedingungen, insbesondere unter welcher Fortführungsprognose, einmal eine Insolvenz eintreten wird. Die Verwertungsentscheidung ist in diesem Moment in jeder Hinsicht vorkehrungen eben nicht ausreichten, sondern immer wieder ein Insolvenzgesetz notwendig wurde. Siehe zur Insolvenzrechtsgeschichte der Vereinigten Staaten die Ausführungen im Ersten Kapitel unter C. V. 1. a). 373 Auch Block-Lieb, 2001 U. Ill. L. Rev. 503, 533 (2001), hält die zugrundeliegende Annahme voraus denkender, rationaler Marktteilnehmer generell für überoptimistisch. LoPucki, 91 Mich. L. Rev. 79, 106 ff. (1992–1993), trifft genau den Punkt: Ideale Parteien werden in einer idealen Welt ohne Transaktionskosten stets die idealen Lösungen vertraglich untereinander vereinbaren, ohne dazu (insolvenz-)gesetzlicher Hilfe zu bedürfen. Allein, eine solche Welt ist nicht real; sie ist hypothetischer Natur. Ähnlich äußerte er sich auch später in LoPucki, 109 Yale L. J. 365, 366 f. (1999–2000); in der deutschen Literatur fi nden sich gleichlautende Anmerkungen etwa bei Eidenmüller, in: Hart, Privatrecht im »Risikostaat«, 1997, 43, 45. Der Einwand von Huelsdunk, KTS 1999, 291, 297 f., dahin gehend, dass sich auch die Gläubiger nicht an die Vereinbarung halten könnten, ist hingegen wenig überzeugend, fehlen doch den Gläubigern nach dem Modell jegliche Alternativrechte.

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eine Entscheidung unter Ungewissheit. Stellt sich im Laufe der Zeit heraus, dass eine andere Verwertungsart vorteilhafter wäre, so sind wiederum Verhandlungen mit allen Gläubigern sowie gleichlautende Vertragsänderungen notwendig. Einzelvertrags- wie auch Satzungsmodelle können daher im Laufe der Zeit mehrfache Verhandlungsrunden mit den jeweiligen Transaktionskosten notwendig machen, was ihre praktische Umsetzung eben aufwendig und teuer, ja vielleicht sogar unmöglich macht.374 Ein Effizienzvorteil gegenüber dem derzeitigen Insolvenzrecht ist jedenfalls sehr zweifelhaft. Mindestens ebenso verheerend für die Akzeptanz dieser Modelle ist der Umstand, dass diese solche Personen, die unabhängig von Verträgen zu Gläubigern der Gesellschaft werden (insbesondere deliktische Gläubiger), ebenso wenig erfassen wie Gläubiger, die eine solche Insolvenzvereinbarungen bzw. deren spätere Änderungen ablehnen.375 Für solche Personen müssten stets gesetzliche Regelungen als Auffangtatbestand vorgehalten und gerichtlich durchgesetzt werden. Bei genauer Betrachtung ersparen die Modelle also nicht einmal die Kosten eines gerichtlichen Insolvenzverfahrens, müsste doch ein derartiges Verfahren stets das vertraglich oder in der Satzung bestimmte Verwertungsverfahren begleiten.376 b) Die Nachteile des »menu approach« Gerade in der Unfähigkeit, deliktische Gläubiger effektiv zu erfassen, liegt auch die grundlegende Schwäche des »menu approach«. Zwar umgeht Rasmussen die praktischen und kostenintensiven Schwierigkeiten einer vorvertraglichen Insolvenzlösung durch die Wahl eines Optionsmodells und die Ausübung der Option im Gesellschaftsvertrag und eben nicht in Einzelverträgen. Er schafft es dennoch nicht, alle Gläubiger in diesem System zu erfassen und verkompliziert damit ebenfalls die Insolvenzbewältigung, welche wiederum aus einem Verfahren für vertragliche und einem für deliktische Gläubiger bestehen müsste. Die Effizienzvorteile eines solchen Modells sind nur schwer zu erkennen. Zudem verlagert Rasmussen den Entscheidungszeitpunkt noch weiter nach vorn auf den Zeitpunkt der Gesellschaftsgründung. Diesbezüglich hat schon Charles J. Tabb zutreffend darauf hingewiesen, dass die Gesellschaftsgründer im Zeitpunkt der Satzungsgebung oft nur schwer einschätzen können, mit welcher Art und Vielzahl von Gläubigern und Verbindlichkeiten das Unternehmen im Laufe der Zeit konfrontiert werden wird, und insofern eher generell zu opti374 Ebenso Eidenmüller, in: Hart, Privatrecht im »Risikostaat«, 1997, 43, 69; ders., ZZP 121 (2008), 273, 277; Huelsdunk, KTS 1999, 291, 297; Skeel, 1993 Wis. L. Rev. 465, 482 (1993). Jackson/Scott, 75 Va. L. Rev. 155, 203 (1989), halten solch umfassende Vereinbarungen zur Lösung der Insolvenzsituation für faktisch unmöglich; ebenso Bufford, 72 Wash. U. L. Q. 829, 841 ff. (1994); Jungmann, ZVglRWiss 104 (2005), 59, 77. 375 Diesen Mangel sieht auch Eidenmüller, in: Hart, Privatrecht im »Risikostaat«, 1997, 43, 69. 376 Ebenso Block-Lieb, 2001 U. Ill. L. Rev. 503, 558 (2001).

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mistische Vereinbarungen treffen.377 Eine »richtige« Ausübung der Option ist zu einem solch frühen Zeitpunkt daher eher unwahrscheinlich. Hinzu tritt die generelle Unsicherheit der Entscheidung, kann doch zu einem solch frühen Zeitpunkt niemand hinreichend genau wissen, unter welchen Umständen irgendwann einmal eine Insolvenz der Gesellschaft auftreten und welche Gläubiger- und Kapitalstruktur das Unternehmen dann haben wird, sind doch gerade Unternehmen ständigen Entwicklungen und Veränderungen im Wettbewerb unterworfen, die auch eine Anpassung der Gesellschaftssatzung erfordern können. Kleine Personengesellschaften können etwa die Notwendigkeit eines Börsengangs erkennen oder aber Kapitalgesellschaften den Entschluss fassen, ihre Anteile aus dem freien Handel zurückzuziehen. In all diesen Fällen begegnet das Modell einer so frühzeitigen Entscheidung für ein Insolvenzsystem enormen Schwierigkeiten, müssten doch nun alle Gläubiger eine Änderung des Insolvenzsystems in der Satzung entweder zustimmen oder aber ihre volle Befriedigung gesichert werden.378 Wie schon bei den Vertragsmodellen nach Schwartz muss insofern auch beim »menu approach« Rasmussens der propagierte Effizienzvorteil gegenüber dem geltenden Recht stark bezweifelt werden. Insgesamt erscheint damit insbesondere auch der frühe Zeitpunkt der Entscheidungsfindung wenig geeignet, um richtige und dauerhafte Lösungen für den Fall einer Insolvenz zu finden. Die dafür notwendigen Informationen sind erst vorhanden, wenn das Unternehmen seiner Insolvenz ins Auge blickt. Der Zeitpunkt der Krise scheint damit der frühest mögliche, sinnvolle Entscheidungszeitpunkt zu sein.

II. Der Zeitpunkt der Krise des Unternehmens Der nächstmögliche Zeitpunkt, der als Entscheidungsstadium für Verwertungsentscheidungen in Betracht kommt, ist der des Eintretens einer Unternehmenskrise. Ist eine solche Krise nicht nur latent vorhanden, sondern als Ergebniskrise akut, so entsteht in jedem Unternehmen Handlungsbedarf. Leistungsund finanzwirtschaftliche Maßnahmen müssen erwogen und getroffen werden, um das Unternehmen wieder erfolgreich werden zu lassen. Alternativ kann natürlich die Unternehmung auch beendet werden.379 Es stellen sich also grundsätzlich exakt die Fragen, die auch in einem Insolvenzverfahren zu beantworten sind: Sollte das Unternehmen fortgeführt und saniert werden? Finden sich Kaufinteressenten? Sollte das Unternehmen stattdessen beendet und liquidiert 377

Tabb, 12 Am. Bankr. Inst. L. Rev. 259, 267 f. (2004). Auf diese Unflexibilität weist auch Jungmann, ZVglRWiss 104 (2005), 59, 76, hin. 379 Näheres zum Begriff und den Stadien einer Unternehmenskrise sowie zu den dortigen Handlungsoptionen findet sich bereits im Ersten Kapitel unter A. I. 378

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werden? Es scheint sich daher anzubieten, zu diesem Zeitpunkt die Entscheidung über das Unternehmensschicksal fallen zu lassen. 1. Die Informationsgrundlage Anders als noch im Stadium der Gesellschaftsgründung oder des Abschlusses vieler Unternehmensverträge findet sich im Zeitpunkt der Krise eine hinreichend konkretisierte Unternehmenslage, die alle Informationen bietet, die als Entscheidungsgrundlage auch in einem anschließenden Insolvenzverfahren zur Verfügung stünden. Eine Verschiebung der Verwertungsentscheidung in ein anschließendes Insolvenzverfahren würde diesbezüglich keinen Vorteil ergeben, solange auch in der Krise sichergestellt ist, dass alle vorhandenen Daten auch in die Verhandlungen eingebracht werden. Es fi nden sich in der Krise also keine Informationsdefizite mehr, sondern allenfalls Informationsasymmetrien. Für erfolgreiche Verhandlungen müsste daher – etwa durch sanktionierte Offenbarungspflichten – sichergestellt werden, dass alle relevanten Informationen, die sich im Besitz des Schuldners oder einzelner Gläubiger befinden, in die Verhandlungen um die beste Zukunftslösung eingebracht werden. 2. Zustimmungspfl ichten im Vorfeld der Insolvenz Das weitaus größte Hindernis für erfolgreiche Verhandlungen und Entscheidungen in der Krise liegt hingegen nicht in Informationsasymmetrien, sondern in dem Umstand, dass für das Zustandekommen einer bindenden positiven Entscheidung ein Vertrag, also ein einstimmig getragenes Verhandlungsergebnis in Form eines außergerichtlichen Vergleiches notwendig ist. Dabei ist zu bedenken, dass in der Krisensituation am Vorabend einer Insolvenz nicht nur eine Vielzahl von Gläubigern mit höchst unterschiedlichen Interessen, sondern auch sonstige am Schicksal des Unternehmens interessierte Personen wie etwa dessen Gesellschafter und Management, potenzielle Investoren oder gar lokale Politiker sowie Gewerkschaften und Interessenverbände aufeinandertreffen und Forderungen stellen. Will man bei dieser Vielzahl an teilweise diametral entgegengesetzten Einzelinteressen und individuellen Charakteren eine einstimmige Lösung der Krise im Wege eines Vertrages erreichen, so muss man ein großer Optimist sein, verlässt man sich doch allein auf die Vernunft der Beteiligten. Insbesondere bei Verhandlungen über ein Sanierungskonzept, das Sanierungsopfer sowohl von allen Gläubigern als auch von den Gesellschaftern vorsieht, kann die Verweigerungshaltung auch nur eines Gläubigers oder Gesellschafters den notwendigen Vertragsschluss verhindern und damit die Sanierung vorerst zu Fall bringen, wobei diese Verweigerungshaltung nicht einmal auf wirtschaftlichen Erwägungen oder überhaupt vernünftigen Gründen beruhen muss. Sie kann auch aus persönlicher Enttäuschung oder anderen privaten Motiven entspringen.

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Will man also schon die Zeit der Unternehmenskrise dazu nutzen, nicht nur Vergleichsverhandlungen zu beginnen, sondern auch Entscheidungen über Fortführungskonzepte oder Verwertungsalternativen zu treffen und so dem Unternehmen einen essenziellen Zeitvorteil sichern, so dürfte es unumgänglich sein, den dazu notwendigen Vertragsschluss wie in der Insolvenz durch einen Kontrahierungszwang abzusichern. Ein solcher Zwange wird denn auch tatsächlich mit verschiedenen Erwägungen begründet, von denen im Ergebnis leider keine überzeugen kann. a) Zustimmungspfl ichten auf vertraglicher Grundlage Zunächst ist es natürlich theoretisch denkbar, schon vor der Krise mit allen potenziell in einer Krise an den Verhandlungen zu beteiligenden Personen Vereinbarungen zu schließen, die für den Krisenfall die Pflicht zur Zustimmung zu einem bestimmten, im gemeinsamen Interesse aller Beteiligten liegenden Sanierungskonzept beinhalten. Ein solcher »contract theory approach«, wie er insbesondere auch dem Modell von Schwartz zugrunde liegt, ist – wie gerade gesehen – leider in der Praxis nicht durchführbar. Die Transaktionskosten sind zu hoch und die Bindungswirkung wäre allein auf die einer solchen Pflicht zustimmenden Vertragsgläubiger beschränkt. Ein abgesicherter Vertragsschluss lässt sich auf diese Weise für außergerichtliche Vergleichsverhandlungen nicht erreichen. Verträge mit einzelnen Beteiligten hingegen, insbesondere mit solchen in Schlüsselpositionen wie etwa Lieferanten oder Kreditgebern, in denen deren Unterstützung für ein ausgehandeltes Sanierungskonzept festgehalten wird (sog. »lock agreements«) sind demgegenüber nicht nur einfacher zu erreichen, sondern auch durchaus üblich. Sie ermöglichen dann zwar nicht die zwangsweise Implementierung eines Sanierungskonzepts gegenüber allen Beteiligten im Sinne eines abgesicherten Vertragsschlusses, binden aber immerhin den bzw. die jeweiligen Schlüsselgläubiger und können damit Signalwirkung haben. In dieser – zugegebenermaßen beschränkten – Funktion haben auch vertragliche Zustimmungspflichten zu einem außergerichtlichen Sanierungsvergleich durchaus eine praktische Relevanz. b) Zustimmungspfl ichten auf gesetzlicher Grundlage Folgerichtig müssten die erforderlichen umfassenden Zustimmungspflichten nicht auf einer vertraglichen, sondern auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, um ohne besondere Implementierungskosten alle Gläubiger und Gesellschafter des Unternehmens in der Krise zu erfassen. Dabei werden verschiedene Rechtsgrundlagen diskutiert.

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(1) Die Treuepfl icht eines Gesellschafters Es ist vor allem die Treuepflicht eines Gesellschafters gegenüber seiner Gesellschaft und den Mitgesellschaftern im Hinblick auf den gemeinsam verfolgten Zweck, die als Begründungsansatz einer Zustimmungspflicht zu einem Sanierungs- oder sonstigen Verwertungskonzept vorgetragen wird. Notwendige Voraussetzung einer solchen Pflicht ist natürlich die Mitgliedschaft in einer Gesellschaft. Eine derartige Mitgliedschaft findet sich ohne weiteres bei den Gesellschaftern des Krisenunternehmens. Diese trifft daher aus dem Gesellschaftsvertrag eine Treuepflicht hinsichtlich der Erreichung des satzungsgemäßen Unternehmenszweckes, woraus die Rechtsprechung unter Umständen zu Recht eine Zustimmungspflicht zu einem außergerichtlichen Sanierungsvergleichen herleitet. Solange die Liquidation des Unternehmens nicht mehrheitlich beschlossen wurde, sei es die Pflicht jedes Minderheitsgesellschafters, sinnvolle und mehrheitlich angestrebte Sanierungen nicht aus eigennützigen Gründen zu verhindern. Insbesondere Minderheitsgesellschafter mit Sperrminorität träfe daher die Pflicht zur Zustimmung zu einem plausiblen Sanierungsplan.380 Die Treuepflicht bindet also die Minderheit an den Willen der Mehrheit. Mehrheitsgesellschafter können demgegenüber jederzeit und ohne Vorliegen sachlicher Rechtfertigungsgründe die Auflösung der Gesellschaft beschließen und sind folglich nicht verpflichtet, einer Sanierung zuzustimmen.381 Es besteht also nur eine Kooperationspflicht bei einer mehrheitlich gewollten Sanierung, nicht jedoch eine (Ver-)Handlungspflicht hinsichtlich der Entscheidung für das Ob einer Sanierung. Die Gesellschafter können sich folglich mehrheitlich auch gegen eine Sanierung entscheiden und daher Sanierungsbeiträge verweigern. Findet sich hingegen eine Mehrheit der Gesellschafter zur Unterstützung eines Sanierungsoder anderen Verwertungskonzeptes bereit, so kann wenigstens dieser Mehrheitswillen für alle Gläubiger verbindlich gemacht und daher ein entsprechender Vertragsschluss abgesichert werden. Den an den außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen ebenfalls zu beteiligenden Gläubiger kann das Gesellschaftsrecht hingegen grundsätzlich keine Pflichten auferlegen, besteht zwischen ihnen in der Krise doch keinerlei Gesell380 BGHZ 129, 136, 151 f. (sog. Girmes-Entscheidung des BGH). Hieraus folgt dann zwar keine generelle Pfl icht zur zwangsweisen Leistung von Sanierungsbeiträgen; deren Verweigerung kann allerdings über eine entsprechende (nur mehrheitlich gewollte) Satzungsbestimmung zum Ausschluss der Minderheitsgesellschafter aus der Gesellschaft führen – so nun BGH NJW 2010, 65, 66 f. (für den Fall einer Publikumsgesellschaft); näher dazu: Schmidt, JZ 2010, 125, 126 ff.; Westermann, NZG 2010, 321 ff. 381 BGHZ 76, 352, 353; 103, 184, 191 f.; 129, 136, 151; Krull, Bedingter Insolvenzplan und Kapitalschnitt, S. 69 f.; Verse, ZGR 2010, 299, 305; Westermann, DZWIR 2006, 485, 489 ff. Anderer Ansicht hingegen: Redeker, BB 2007, 673, 675; ähnlich auch Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5 IV 5 a), S. 134, wenn beide in der Krise als ultima ratio eine generelle Zustimmungspflicht jedes Gesellschafters zu einer sinnvollen Sanierung annehmen.

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schaft. Die Gläubiger schließen sich in der Krise oder auch zum Zwecke der Vergleichsverhandlungen in der Regel nicht freiwillig zu einer Gesellschaft zusammen. Sie bilden zudem weder ein gemeinsames Vermögen noch eine gemeinsame Organisationsstruktur aus. Für die Annahme einer Gesellschaft unter den Gläubigern in der Krise fehlt daher jeglicher Ansatzpunkt.382 Zugleich ist es insofern auch unzutreffend, ihnen eine »gesellschaftsähnliche Sonderverbindung« zu unterstellen,383 würde die »Gesellschaftsähnlichkeit« doch allein darauf beruhen, dass man zwischen den Gläubigern in der Krise Kooperationspflichten für angemessen hält wie sie auch Gesellschafter treffen. Die Zweckmäßigkeit derartiger Kooperationspflichten erscheint jedoch – wie sich gleich zeigen wird – durchaus zweifelhaft, so dass vor dem Hintergrund der immensen Verschiedenartigkeit der Interessenlage von Gesellschaftern und Gläubigern die Annahme einer »gesellschaftsähnlichen Verbindung« nicht überzeugt. Das Gesellschaftsrecht kann für eine Pflichtenbindung der Gläubiger in der Krise keinen Beitrag leisten. Auch der Gedanke der Aufopferung ist nicht dazu in der Lage, Mitwirkungspflichten zu erzeugen, bietet nach der derzeit anerkannten zivilrechtlichen Dogmatik doch allein die faktische Möglichkeit zur Einwirkung auf fremde Rechtsgüter keine hinreichende Grundlage dafür, dem Einzelnen über die gesetzlich (insbesondere im Deliktsrecht) normierten Pflichten hinaus allgemeine Mitwirkungs- oder Duldungspflichten aufzuerlegen.384 Es muss allerdings erwähnt werden, dass es den Gläubigern natürlich frei steht, sich in der Krise zum Zwecke der Verhandlungen über eine außergerichtliche Sanierung des Schuldners freiwillig zu organisieren und zu einem Verband zusammenzuschließen. Diesem Verband, der als Gesellschaft nach § 705 BGB einzuordnen ist und daher die üblichen Treuepflichten erzeugen kann, gehören allerdings eben nur die freiwillig teilnehmenden Gläubiger an. Blockadehaltungen ablehnender Gläubiger können folglich auch auf diesem Wege nicht überwunden werden, ist es der Gesellschaft doch unmöglich, Zustimmungspflichten gegenüber kooperationsunwilligen Gläubigern zu begründen. 385 382

Siehe auch die Ausführungen im Dritten Kapitel C. II. 1. So Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 608 ff.; ders., ZHR 160 (1996), 343, 367 ff.; ders., ZIP 2007, 1729, 1732; ders., ZZP 121 (2008), 273, 290 und ZIP 2010, 649, 659. 384 So aber Bitter, ZGR 2010, 147, 172 ff. Näher dazu schon im Dritten Kapitel C. II. 3. b). 385 Dieser Grundsatz scheint unstreitig – vgl. etwa BGHZ 116, 319, 324; RG JW 1938, 178; OLG Celle NJW 1965, 399; KG ZIP 1980, 963, 964; Ebenroth/Grashoff, BB 1992, 865, 869; Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 273 f.; Mühl, NJW 1956, 401, 403. Unklar ist allein, ob bereits aus der bloßen Zustimmung zum Vergleich – so etwa RG JW 1938, 178; OLG Celle NJW 1965, 399; KG ZIP 1980, 963, 964; Künne, AVerglO, S. 52 f.; Mühl, NJW 1956, 401, 403 – oder erst konstitutiven Akten wie der Bildung eines Gläubigerausschusses auf den Gläubigerwillen zur Teilnahme an einer Gläubigergesellschaft geschlossen werden darf – so (wohl zu Recht) etwa Ebenroth/Grashoff, BB 1992, 865, 869; Kohler-Gehrig, Außergerichtlicher Vergleich, S. 50. Behmer, Sanierungsvergleich, S. 42 ff., lehnt gänzlich das Entstehen einer Gläubigergesellschaft ab, wenn es hierzu keine ausdrücklichen Erklärungen gibt. 383

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(2) Die Umsetzungspfl icht in der Rechts- oder Bruchteilsgemeinschaft Eine Zustimmungspflicht zu einem mehrheitlich gewollten Verwertungskonzept kann sich nicht nur aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht ergeben. Auch der in einem Rechts- oder Bruchteilsgemeinschaft nach § 741 BGB rechtmäßig zustande kommende Mehrheitsbeschluss verpflichtet die überstimmten Teilhaber dazu, den Inhalt des Beschlusses mitzutragen und umzusetzen.386 Um diese Pflicht für die Gläubiger in der Unternehmenskrise fruchtbar zu machen, müsste unter ihnen allerdings eine solche Rechtsgemeinschaft bestehen. Dass dem nicht so ist, wurde bereits im Dritten Kapitel aufgezeigt.387 Es fehlt in dieser Phase vor dem Insolvenzverfahren schlicht noch das für die Rechtsgemeinschaft wesensmäßige gemeinschaftliche Recht. Dieses Beschlagsrecht am Schuldnervermögen entsteht nach der gesetzlichen Intention erst mit dem Insolvenzverfahren.388 Vorher ist kein Gläubiger daran gehindert, auch zu Lasten anderer Gläubiger im Vollstreckungswege auf das gesamte Vermögen des Schuldners zuzugreifen oder aber entsprechende freiwillige Leistungen von diesem zu erhalten. Selbst die Unzulänglichkeit des Schuldnervermögens zur Deckung aller bestehenden Verbindlichkeiten ändert daran nichts. Natürlich könnte man nun den Gesetzgeber auffordern, schon die Gläubiger in der Krise zu einer Rechtsgemeinschaft zusammenzufassen und ihnen ein (nur noch) gemeinschaftliches Recht am Schuldnervermögen zuzuweisen. De facto würde man auf diese Weise aber lediglich das Insolvenzverfahren vorverlagern, statt außergerichtliche Einigungen zu erleichtern. Zudem hat es der Schuldner schon heute in der Hand, über den Insolvenzgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit bereits in der Krise die Kollektivierung der Gläubiger herbeizuführen, was primär dazu dienen soll, seine Sanierungschancen durch ein frühzeitiges Insolvenzverfahren zu verbessern.389 Die diesbezügliche Rechtslage sollte daher unverändert bleiben. Eine Rechtsgemeinschaft der Gläubiger findet sich in der Krise nicht. (3) Die Interessengemeinschaft Verschiedentlich wurde versucht, die Grundsätze der Rechtsgemeinschaft auch auf Personengruppen zu übertragen, die zwar kein gemeinschaftliches Recht, wohl aber ein gemeinsames Interesse teilen, wobei sich dieses Interesse darauf richtet, dass der Zugriff auf ein knappes Gut unter ihnen koordiniert wird.390 Eine solche Mangelsituation liegt nun häufig in der Krise vor, wird doch das 386 Jedenfalls dieses Ergebnis ist unstreitig – siehe wegen der Details die Ausführungen im Dritten Kapitel C. VI. 3. 387 Siehe im Dritten Kapitel bei C. II. 3. b). 388 Ebenso BGHZ 116, 319, 323; Berges, KTS 1960, 1, 8. 389 Vgl. die Gesetzesbegründung zu diesem neu geschaffenen Insolvenzgrund in BTDrucks. 12/2443, S. 81. 390 Würdinger, Interessengemeinschaft, S. 16, 69; Wüst, Interessengemeinschaft, S. 45 f.; auch Hueck, Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung, S. 142–144 (insbes. Fn. 47).

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Schuldnervermögen bereits in der Phase außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen nicht ausreichen, um alle Verbindlichkeiten zu bedienen. Dies soll nach der Ansicht einzelner Autoren genügen, um die Gläubiger in diesem Stadium als Teil einer Gefahren- oder Interessengemeinschaft anzusehen, was sie zur Koordinierung einer bestmöglichen Haftungsverwirklichung, insbesondere aber zur Mitwirkung an einer mehrheitlich befürworteten Sanierung verpflichten soll.391 Es ist jedoch mehr als fraglich, ob allein der Umstand eines Ausfallrisikos für einzelne oder auch viele Gläubiger ausreicht, um sämtliche Gläubiger und damit auch dieses Risiko zu sozialisieren. Zwischen den Gläubigern besteht weder ein besonderer sozialer Kontakt noch verfolgen sie identische Interessen. Sie stehen vielmehr in einem Konkurrenzverhältnis zueinander, das sie gerade nicht dazu verpflichtet, in der Durchsetzung ihrer Rechte auf die Befriedigungsmöglichkeiten anderer Gläubiger oder gar die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit des Schuldners Rücksicht zu nehmen. Solange unsere Wirtschaftsordnung auf Wettbewerb beruht, wird es daher kaum denkbar sein, individuelle Ausfallrisiken bereits vor der Insolvenz eines Schuldners zu sozialisieren. Eine hierzu dienende Interessengemeinschaft der Gläubiger kann es somit nicht geben.392 c) Das Problem der Durchsetzung von Zustimmungspflichten Will man den Zeitpunkt der Unternehmenskrise bereits für eine Entscheidung über die weitere Verwendung des Unternehmens nutzen, die auf Verhandlungen und einem darauf basierenden Vertragsschluss beruht, so können allenfalls die Gesellschafter des Schuldners, nicht aber seine Gläubiger an eine nur mehrheitlich von der jeweiligen Personengruppe getragene Entscheidung gebunden werden, da sich entsprechende Zustimmungspflichten nur für Minderheitsgesellschafter, nicht aber für Minderheitsgläubiger begründen lassen. Der für die Entscheidung notwendige Vertragsschluss kann also nicht vollständig abgesichert werden. Doch selbst wenn man derartig umfangreiche Zustimmungs391 Behmer, Sanierungsvergleich, S. 31, 37 f., 103; Habscheid, GS Bruns (1980), 253, 262; Wüst, Interessengemeinschaft, S. 45; ders., FS Wilburg, 1965, 257, 270 f.; ders., FS Wiese, 1998, 649, 654 f. Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 597 ff., sieht zwar eine Interessengemeinschaft zwischen den Gläubigern, leitet ihre Kooperationspfl ichten dann aber nicht aus einer Analogie zu den §§ 742 ff. BGB, sondern aus einer gesellschaftsähnlichen Sonderbeziehung her (S. 607 f., 614 sowie zuletzt erneut in ZIP 2007, 1729, 1732); ebenso Künne, AVerglO, S. 52 f. Auch Hänel, Gläubigerautonomie, S. 64, sieht zwar bereits eine »Risikogemeinschaft« der Gläubiger in der Krise, leitet aus ihr dann aber keinerlei rechtliche Folgen her. 392 Ebenso die wohl herrschende Ansicht: BGHZ 116, 319, 325; Ebenroth/Grashoff, BB 1992, 865, 870; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 27.04; Jauernig, ZIP 1980, 318, 323; Lent, in: Jaeger, KO, 6. Auflage, Vorbem zu §§ 61–70, S. 829; Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 272; Oelrichs, Gläubigermitwirkung, S. 14 f.; Servatius, Gläubigereinfluss durch Covenants, S. 196 ff. Ausführlichere Ausführungen hierzu finden sich bereits im Dritten Kapitel C. II. 3. b).

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Kapitel 5: Optimierung des deutschen Reorganisationsrechts in der Insolvenz

pflichten begründen oder gesetzlich statuieren würde, bliebe ein weiteres Problem zu bewältigen: die Durchsetzung dieser Pflichten. Wie im Dritten Kapitel aufgezeigt wurde, vollstreckt sich ein Kontrahierungszwang im Regelfall nicht von selbst. Kontrahierungszwänge postulieren lediglich Zustimmungspflichten, also klagbare Ansprüche auf die Abgabe einer zustimmenden Willenserklärung. Erfüllt der Pflichtige dem Anspruch nicht freiwillig, so muss der Anspruch auf die Willenserklärung wie jeder andere Anspruch durch den Gläubiger auf dem Rechtsweg durchgesetzt werden.393 Erst die rechtskräftige Feststellung der Zustimmungspflicht fingiert über § 894 Abs. 1 ZPO die Willenserklärung als abgegeben.394 Der damit verbundene monate- oder gar jahrelange Rechtsstreit würde sich gerade in der Krisensituation des Unternehmens verheerend auswirken, könnte doch bis zur Fiktion aller Zustimmungserklärungen kein Vertrag in Form eines außergerichtlichen Vergleiches und damit keine Entscheidung über die Unternehmenszukunft zustande kommen. Die Konstruktion einer Zustimmungspflicht ist somit ein wichtiger, aber eben nur ein erster, noch unzureichender Schritt hin zu einem abgesicherten Vertragsschluss in der Krise. Ohne eine effektive Durchsetzung dieser Pflicht ist niemandem geholfen. (1) Der vorläufige Rechtsschutz Betrachtet man die Handlungsoptionen, die das Zivilprozessrecht bietet, um materiell-rechtliche Pflichten bereits vor dem Abschluss eines sie betreffenden Rechtsstreits durchzusetzen, so fällt der Blick zwangsläufig auf den vorläufigen Rechtsschutz. Nur das dortige Eilverfahren offeriert eine zeitnahe und zugleich vollstreckbare gerichtliche Entscheidung.395 Das Kernproblem eines hierauf gestützten Lösungsvorschlags liegt in der eben nur vorläufigen Natur des einstweiligen Rechtsschutzes. Eine endgültige Entscheidung wird in diesem Verfahren selbst durch dessen formell rechtskräftigen Abschluss nicht getroffen. Der einstweilige Rechtsschutz dient im Grundsatz allein dazu, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren den Streitgegenstand zu sichern (§ 935 ZPO) oder vorläufig zu regeln (§ 940 ZPO). Folgerichtig kann auch eine materiell-rechtliche Pflicht, deren Inhalt sich auf die Abgabe einer Willenserklärung richtet, im einstweiligen Rechtsschutz grundsätzlich nur vorläufig unterstellt und ihre Erfüllung abgesichert werden. Eine schon auf der nur vorläufig festgestellten Erklärungspflicht 393 Eine detaillierte Darstellung der Wirkungsweise von Kontrahierungszwängen findet sich bereits im Dritten Kapital unter E. V. 3. 394 Wegen der Einzelheiten der Fiktionswirkung kann auf die Ausführungen im Vierten Kapital unter B. IV. 2. b) verwiesen werden. 395 So schlägt etwa Krull, Bedingter Insolvenzplan und Kapitalschnitt, S. 75, vor, in der Gesellschafterversammlung des Krisenunternehmens die Zustimmung aller Gesellschafter zu einem Reorganisationskonzept über einstweilige Verfügungen sicherzustellen; ebenso Fassbach, Die cram-down-power, S. 184 f.

B. Der richtige Zeitpunkt für die Entscheidung über eine Reorganisationsoption 545

erfolgende Durchsetzung der Pflicht im Wege einer Fiktion nach § 894 ZPO würde darüber weit hinausgehen und dem Antragsteller bereits im einstweiligen Rechtsschutz das zusprechen, was er in der Hauptsache ebenfalls begehrt – die Abgabe und Wirkungen einer Willenserklärung. Die Fiktion brächte hier eine Willenserklärung in den Rechtsverkehr, über deren Abgabepflicht eigentlich erst in der Hauptsache rechtskräftig zu befinden ist.396 Eine solche einstweilige Verfügung beinhaltet also stets eine Vorwegnahme der Hauptsache, was in der zivilprozessrechtlichen Literatur verbreitet zu der Annahme führt, dass es keinen einstweiligen Rechtsschutzes für Ansprüche gibt, die als Hauptleistungspflicht 397 die Abgabe einer Willenserklärung zum Gegenstand haben.398 Das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache ist nun aber keineswegs unumstößlich. Es sind vielmehr im Laufe der Zeit eine Reihe von Fallgruppen anerkannt worden, bei denen der Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes sich dahin gehend durchsetzte, dass er dem Inhaber einer materiell-rechtlichen Rechtsposition bereits im einstweiligen Rechtsschutz die Befriedigung seiner Ansprüche zugestand. Derartige Befriedigungs- oder auch Leistungsverfügungen finden sich vor allem dort, wo der Antragsteller auf die Leistung zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes angewiesen ist oder aber – wie im Besitzoder Ehrenschutz – auf andere Weise kein effektiver Rechtsschutz möglich scheint. Hieran anknüpfend wird vor allem in der gesellschaftsrechtlichen Literatur eine Leistungsverfügung auf Willenserklärungen diskutiert und verbreitet für zulässig gehalten, wenn ein Gesellschafter einer Stimmrechtsbindung 396 Seit BGHZ 47, 293 lässt die Rechtsprechung in der Hauptsache Leistungsklagen auch auf Stimmabgaben in Gesellschafterversammlungen aufgrund einer Stimmrechtsbindung zu und über § 894 ZPO durchsetzen. Die ständige Rechtsprechung des Reichsgerichts beließ es demgegenüber bei Schadenersatzansprüchen – vgl. RGZ 112, 273, 279; 160, 257, 262; 165, 68, 78; 170, 358, 372. Siehe zum Ganzen auch Grau, Die Bedeutung der §§ 894, 895 ZPO, S. 153 ff. oder Overrath, Stimmrechtsbindung, S. 95 ff. 397 Wird die Willenserklärung hingegen benötigt, um einen auf eine andere Leistung gerichteten Hauptleistungsanspruch nur vorläufig abzusichern, wie es etwa bei der Bewilligung einer Vormerkung oder eines Widerspruchs der Fall ist, so kann sich natürlich auch die einstweilige Verfügung auf die Abgabe dieser Willenserklärung richten (vgl. § 895 ZPO). Die Erklärungspflicht ist dann nur eine Nebenpflicht; so die wohl allgemeine Ansicht – vgl. etwa OLG Frankfurt, MDR 1954, 686, 687; OLG Stuttgart NJW 1973, 908; Grau, Die Bedeutung der §§ 894, 895 ZPO, S. 198 f.; Gruber, in: MünchKomm, ZPO, § 894 Rn. 6; Grunsky, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 935 Rn. 50; Huber, in: Musielak, ZPO, § 940 Rn. 26; Jauernig, ZZP 79 (1966), S. 321, 342; Lackmann, in: Musielak, ZPO, § 894 Rn. 7; Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, § 76 II 2 e) dd), S. 1019; Schilken, Befriedigungsverfügung, S. 153 f. 398 OLG Stuttgart NJW 1973, 908; OLG Celle, GmbHR 1981, 264, 265; OLG Frankfurt WM 1982, 282; Erman, AG 1959, 300, 303; Grau, Die Bedeutung der §§ 894, 895 ZPO, S. 198 ff. und 522 ff.; Gruber, in: MünchKomm, ZPO, § 894 Rn. 6; Huber, in: Musielak, ZPO, § 940 Rn. 26; Lackmann, in: Musielak, ZPO, § 894 Rn. 7; Lübbert, Abstimmungsvereinbarungen, S. 193; Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, § 76 II 2 e) dd), S. 1019; Schilken, Befriedigungsverfügung, S. 153; im Ergebnis auch Zöllner, ZHR 155 (1991), 168, 188 f.; Schockenhoff, NJW 1990, 152, 157.

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unterliegt und daher in einer Gesellschafterversammlung in einem gewissen Sinn abstimmen muss. Die Durchsetzung dieser Stimmrechtsbindung, also der Pflicht zur Abgabe seiner Stimme als einer Willenserklärung mit einem bestimmten Inhalt, müsse in solchen Fällen jedenfalls dann im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes möglich sein, wenn der Verfügungsanspruch eindeutig und das Schutzbedürfnis des Antragstellers überragend ist.399 Die geschuldete Willenserklärung in Form der Stimmabgabe solle dann zudem nicht über § 894 ZPO fingiert werden, da selbst das Abwarten einer rechtskräftigen Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu lange dauern kann. Vielmehr würde die Stimmabgabe bereits mit der Bekanntgabe der einstweiligen Verfügung als abgegeben angesehen. 400 Es kann hier dahinstehen, ob eine derartige Leistungsverfügung prozessrechtlich sowie gesellschaftsrechtlich tatsächlich zulässig ist.401 Für die Absicherung eines Vertragsschlusses über ein Verwertungskonzept in der Unternehmenskrise eignet sich eine Leistungsverfügung unabhängig davon aus zwei Gründen nicht. 399 Von Gerkan, ZGR 1985, 167, 171 f. Ihm folgen seither viele Stimmen im Gesellschaftsrecht – vgl. das OLG Stuttgart NJW 1987, 2449; OLG Hamburg NJW 1992, 186, 187; Beyer, GmbHR 2001, 467, 468 f.; Damm, ZHR 154 (1990), 413, 435 f.; Friedhofen, Einstweilige Verfügungen gegen Gesellschafterbeschlüsse, S. 43 ff.; Kiethe, DStR 1993, 609, 612; Korehnke, Treuwidrige Stimmen im Personengesellschafts- und GmbH-Recht, S. 194 ff.; Kort, NZG 2007, 169, 170; Krull, Bedingter Insolvenzplan und Kapitalschnitt, S. 73 f.; Littbarski, Einstweiliger Rechtsschutz im Gesellschaftsrecht, S. 131 ff., 155; Michalski, GmbHR 1991, 12 ff.; Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 344; Nietsch, GmbHR 2006, 393, 396 f.; Rodemann, Stimmbindungsvereinbarungen, S. 131 ff.; Schlitt/Seiler, ZHR 166 (2002), 544, 551 f.; SchmidtDiemitz, Einstweiliger Rechtsschutz gegen rechtswidrige Gesellschafterbeschlüsse, S. 82 ff.; Zutt, ZHR 155 (1991), 190, 199 ff.; im Grundsatz auch das OLG Koblenz NJW 1986, 1692, 1693 und NJW 1991, 1119, 1120 sowie das OLG München NZG 2007, 152, 153 und NZG 1999, 407. Aus dem prozessrechtlichen Schrifttum will Grunsky, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 935 Rn. 50 f., eine Leistungsverfügung in dringenden Fällen zulassen; ähnlich schon das OLG Köln NJW-RR 1987, 59, 60 sowie Jauernig, NJW 1973, 1671, 1673. 400 Grunsky, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 935 Rn. 50; Rodemann, Stimmbindungsvereinbarungen, S. 142; Zutt, ZHR 155 (1991), 190, 202 f. Sie stützen sich dabei vor allem auf Jauernig, der schon in ZZP 79 (1966), S. 321, 341 sowie in NJW 1973, 1671, 1673, grundsätzlich darauf hinwies, dass § 894 ZPO auf die nur vorläufig wirkende einstweilige Verfügung ohnehin keine Anwendung finden könne (anderer Ansicht aber ausdrücklich das OLG Stuttgart NJW 1973, 908; OLG Köln NJW-RR 1987, 59, 60, Kohler, BB 2002, 584, 587; Lackmann, in: Musielak, ZPO, § 894 Rn. 7). Schmidt-Diemitz, Einstweiliger Rechtsschutz gegen rechtswidrige Gesellschafterbeschlüsse, S. 80 ff., will der einstweiligen Verfügung daher »rechtsgestaltende Wirkungen« zusprechen. Warum diese nun aber schon vor der formellen Rechtskraft der Verfügung eintreten sollen, bleibt unklar. 401 Im Gesellschaftsrecht wird die Unzulässigkeit des einstweiligen Rechtsschutzes zur Erzwingung oder Verhinderung von Beschlüssen in der Gesellschafterversammlung vor allem darauf gestützt, dass das Gericht auf diesem Wege unzulässig in den autonomen Willensbildungsprozess der Gesellschaft eingreifen würde – vgl. RGZ 112, 273, 279; 160, 257, 262; 165, 68, 78; 170, 358, 372; OLG Celle, GmbHR 1981, 264, 265; OLG Frankfurt WM 1982, 282; Drescher, in: MünchKomm, ZPO, § 935 Rn. 66; dagegen argumentieren aber etwa: Beyer, GmbHR 2001, 467, 468; Nietsch, GmbHR 2006, 393, 395 f.; Schlitt/Seiler, ZHR 166 (2002), 544, 574; siehe auch Kiethe, DStR 1993, 609, 611.

B. Der richtige Zeitpunkt für die Entscheidung über eine Reorganisationsoption 547

Zum einen (und vor allem) ist der schnelle gerichtliche Rechtsschutz in jedem Fall – auch dem einer Leistungsverfügung – eben nur ein vorläufiger. Auch die Befürworter einer Leistungsverfügung zur Fiktion von Willenserklärungen müssen dem Pflichtigen für den Fall seines späteren Obsiegens in der Hauptsache ein Recht auf die Anfechtung seiner Willenserklärung zugestehen.402 Dies ergibt sich zwingend aus dem dann bestehenden Schadenersatzanspruch des Pflichtigen gemäß § 945 ZPO, über den er mit Hilfe des § 249 Abs. 1 BGB die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands ohne jede Willenserklärung durchsetzen kann. Ein über den vorläufigen Rechtsschutz zustande gekommener Vertrag trägt damit stets den Makel der Anfechtbarkeit in sich. Dieser Schwebezustand würde erst dann einer Rechtssicherheit über die Dauerhaftigkeit der gefundenen vertraglichen Basis weichen, wenn nach Monaten oder gar Jahren das Hauptsacheverfahren beendet wird. Schon diese Unsicherheit über die Tragfähigkeit der getroffenen Entscheidung wird in der Krise des Unternehmens das Zustandekommen bzw. die Umsetzung eines eben nur mehrheitlich gewollten Sanierungskonzeptes scheitern lassen, werden sich doch die meisten Beteiligten zu den mit diesem Konzept verbundenen finanziellen Opfern und Risiken nur dann bereit finden, wenn ihnen im Gegenzug rechtlich verbindlich zugesagt werden kann, dass das entsprechende Konzept auch umgesetzt wird. Gesellt sich also zu dem ohnehin bestehenden wirtschaftlichen Risiko einer Investition in eine Reorganisation zusätzlich noch das Prozessrisiko eines verlorenen Hauptsacheverfahrens gegenüber den ablehnenden Beteiligten, so dürfte nicht wenigen Beteiligten das Gesamtrisiko einer Sanierung zu hoch sein. 403 Die Schaffung von Zustimmungspflichten wie auch deren Durchsetzung durch Leistungsverfügungen werden daher wenig bewirken, solange die außergerichtlichen Rettungsbemühungen weiterhin auf die Zustimmung nahezu aller Beteiligten angewiesen bleiben, um wenigstens das Prozessrisiko zu minimieren. Die Zulassung des einstweiligen Rechtsschutzes im Bereich außergerichtlicher Vertragsverhandlungen in der Unternehmenskrise scheitert zudem – jedenfalls gegenüber den ablehnenden Gläubigern – am fehlenden Verfügungsgrund. Weder der Schuldner noch die vergleichsbereiten Gläubiger sind auf den 402 Siehe etwa Nietsch, GmbHR 2006, 393, 396; Rodemann, Stimmbindungsvereinbarungen, S. 143; Zutt, ZHR 155 (1991), 190, 206. Das OLG Köln NJW-RR 1987, 59, 60 will hingegen die fingierte Willenserklärung auch nach der Aufhebung der einstweiligen Verfügung nicht ex tunc wegfallen, sondern (zunächst) bestehen lassen. Auch Kohler, BB 2002, 584, 586 f., meint, die Willenserklärungswirkungen würden dann lediglich ex nunc erlöschen. Beides widerspricht der gesetzlichen Regelung in § 945 ZPO, § 249 Abs. 1 BGB. Insgesamt dürfte es dennoch unstreitig sein, dass die Willenserklärung, die auf einer einstweiligen Verfügung beruht, in ihrem dauerhaften Bestand von einer gleichlautenden Entscheidung in der Hauptsache abhängt. 403 Schon Häsemeyer, ZHR 160 (1996), 109, 122, hielt aus genau diesem Grund den einstweiligen Rechtsschutz zur Durchsetzung eines Sanierungskonzepts in der Krise für ungeeignet. Krull übersieht dieses Manko hingegen leider gänzlich – vgl. Krull, Bedingter Insolvenzplan und Kapitalschnitt, S. 71 ff.

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einstweiligen Rechtsschutz angewiesen, um ihr (nur) mehrheitlich getragenes Konzept zu verwirklichen. Ihnen wird von der Rechtsordnung in dieser Situation vielmehr das Insolvenzplanverfahren zur Verfügung gestellt, hat doch der Reformgesetzgeber ausdrücklich zur Erleichterung von Sanierungsbemühungen nicht nur eben dieses Planverfahren inklusive der dort vorhandenen Mechanismen zur Absicherung des Vertragsschlusses gegenüber einer ablehnenden Gläubigerminderheit (Mehrheitsvotum und Obstruktionsverbot), sondern auch den neuen Eröffnungsgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit in § 18 InsO geschaffen, der es insbesondere ermöglichen soll, ein Sanierungskonzept schon in der Krisenphase vor dem Eintritt eines der klassischen Insolvenzgründe zum Gegenstand eines Planverfahrens zu machen und dieses auf diesem Wege gegen den Widerstand Einzelner durchzusetzen. Die Rechtsordnung bietet somit einen Durchsetzungsweg für Verwertungskonzepte, die von den Gläubigern in der Krise nur mehrheitlich, nicht aber allgemein befürwortet werden. Dieser Durchsetzungsweg führt zudem zu einer schnellen und vor allem endgültigen gerichtlichen Klärung der relevanten Rechtsfragen. Folgerichtig muss ein Rückgriff auf den einstweiligen Rechtsschutz daher selbst dann verwehrt bleiben, wenn sich außergerichtliche Zustimmungspflichten konstruieren ließen. (2) Die Durchsetzung von Kooperationspflichten in der Krise nach Horst Eidenmüller In jüngerer Zeit unternahm Horst Eidenmüller in seiner Habilitationsschrift den Versuch, das Zustandekommen außergerichtlicher Vergleichslösungen zur Abwendung einer Insolvenz dadurch abzusichern, dass er ein bewegliches System von Kooperationspflichten entwickelte.404 In seiner so ausführlichen wie bestechenden Darstellung und Analyse der gegenwärtigen Verhandlungspraxis macht er deutlich, dass der angestrebte außergerichtliche Vergleich in der Regel eine Vielzahl von Finanzierungsinstrumenten umfasst, wobei die Umschuldungsvereinbarung mit den Gläubigern sowie die Gewährung von Sanierungskrediten seine Kernbestandteile bilden.405 Die damit einhergehende Notwendigkeit der Zustimmung aller Gläubiger zu einem vorgeschlagenen Konzept will Eidenmüller auf verschiedenen Wegen, vor allem aber freiwillig durch ein entsprechend optimiertes Verhandlungsmanagement, erreichen. Hierzu verlangt er vor allem eine Reduzierung der Zahl der beteiligten Gläubiger auf eine 404

Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 652 ff. Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 264 ff., 300 f. Es dürfte in diesem Zusammenhang dahinstehen können, ob man die Entscheidung der Gläubiger zur Mitwirkung an einem Sanierungskonzept als außergerichtlichen Vergleich oder aber als »Umschuldungsvereinbarung« bezeichnet und zudem die Zusage von Sanierungskrediten durch einzelne Gläubiger in diesen Vertragstext aufnimmt oder aber hierüber gesonderte Verträge schließt. Eine tragfähige Entscheidung der Gläubiger über das Konzept fällt stets erst mit dem Abschluss all dieser Verträge. 405

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möglichst kleine, engagierte und homogene Gruppe.406 Diese Reduzierung lässt sich allerdings nur dadurch erreichen, dass die beteiligten Gläubiger die Sanierungsanteile der anderen, vor allem der dem Vorhaben ablehnend gegenüberstehenden Gläubiger übernehmen, wozu diese oft nicht in hinreichend großem Umfang bereit sein werden bzw. bereit sein können.407 In diesem Fall bedürfe es nach Eidenmüller der Aufstellung und Durchsetzung von Kooperationspflichten, 408 die er – im Ergebnis wenig überzeugend409 – aus einer »gesellschaftsähnlichen Verbindung« der Gläubiger in der Unternehmenskrise herleiten will.410 Der Inhalt dieser Pflichten kann in Eidenmüllers beweglichem System von der Pflicht zur fairen Verhandlungsführung über die Pflicht zur physischen Teilnahme an den Verhandlungen bis hin zu einer Pflicht zur Übernahme der Verhandlungsführung oder gar zur Zustimmung zu vorgeschlagenen Sanierungsmaßnahmen reichen.411 Der über Zustimmungspflichten abgesicherte Vertragsschluss ist danach nur die ultima ratio der Kooperationspflichten. Ihr vorrangiges Ziel ist die freiwillige und allseitige Annahme des Verwertungskonzeptes infolge der Überzeugungskraft der Verhandlungen, wozu durch Kooperationspflichten in den Verhandlungen bereits die strategischen und psychologischen Gründe für Blockadehaltungen beseitigt werden sollen.412 Am Ende kann und will aber auch Eidenmüller nicht auf Zustimmungspflichten zu vorgeschlagenen Sanierungskonzepten verzichten, so dass er sich mit der Frage nach deren Durchsetzbarkeit auseinandersetzen muss. Dabei geht er davon aus, dass der zustimmungspflichtige Beteiligte, der sich zu dem Vertragsvorschlag überhaupt nicht äußert, »in entsprechender Anwendung des § 138 Abs. 3 ZPO« als zustimmend behandelt werden könne; dessen Zustimmung würde insofern fingiert.413 Lehnt er hingegen den Vertragsvorschlag ausdrücklich ab, so müsse die Zustimmungspflicht gemäß § 894 ZPO durch ein entsprechendes Urteil durchgesetzt werden, wobei angesichts des Zeitdrucks auch eine einstweilige Verfügung mit gleichem Inhalt zulässig sein müsse.414 Soweit hingegen die Zu406

Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 421 ff. Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 298. Folgerichtig werden alle Großgläubiger an den Verhandlungen wie auch an einer vertraglichen Einigung beteiligt werden müssen, während die Vielzahl kleiner Gläubiger in der Regel – jedenfalls bei Krisen größerer Unternehmen – weiterbedient werden und damit aus den Vergleichsverhandlungen herausgehalten werden können (S. 722 f.). 408 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 436 f. 409 Sieh dazu bereits die Diskussion im Dritten Kapitel unter C. II. 3. b). 410 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 594 ff. 411 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 707 ff. 412 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 566 ff. Insbesondere das notwendige persönliche Erscheinen in den Verhandlungen könne es nach Eidenmüller potenziellen Akkordstörern erschweren, ihre Ablehnungshaltung im Angesicht des Kooperationsdrucks des Verhandlungsforums zu offenbaren bzw. durchzuhalten (S. 573). 413 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 739 f., 832, 837. 414 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 833 f., 837 f. 407

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stimmung zu einer Kreditgewährung Pflichtinhalt ist, könne der Streit um die Erforderlichkeit einer einstweiligen Verfügung zur Abgabe der streitgegenständlichen Willenserklärung dahinstehen, da in diesen Fällen bereits eine einstweilige Verfügung genüge, die sich auf die Auszahlung der jeweils geschuldeten Kreditsumme richtet.415 Eidenmüllers Durchsetzungsmechanismus hält einer rechtlichen Überprüfung leider nicht stand. So fehlt schon für eine »entsprechende Anwendung des § 138 Abs. 3 ZPO« jede rechtliche oder methodische Grundlage. Die dort geregelte Geständnisfiktion vereinfacht auf der Grundlage der Erklärungspflicht in § 138 Abs. 1 ZPO das Bilden der Tatsachengrundlage für eine richterliche Entscheidung. Nicht bestrittene Tatsachen gelten danach als unstreitig und wahr. Eine derartige Fiktion findet sich nun allerdings allein für die Sachverhaltsaufklärung in einem gerichtlichen Verfahren und wird dort von der Herrschaft der Parteien über den Streitstoff, also der Verhandlungsmaxime, getragen.416 Geständnisfähig im Sinne des § 138 Abs. 3 ZPO sind folgerichtig nur Tatsachen. 417 Zugleich führt die Geständnisfiktion nicht zu einer Bindung der betroffenen Partei; diese kann vielmehr innerhalb der von den Verspätungsregelungen gesetzten Grenzen (§§ 282, 296, 528 ZPO) ihr Bestreiten nachholen. 418 Die Geständnisfiktion in § 138 Abs. 3 ZPO ist also eine prozessrechtliche Besonderheit, die den Grundsatz der Parteiherrschaft mit Gedanken der Prozessökonomie verbindet, ohne jegliche materiellrechtliche Bindungen erzeugen zu wollen. Sie fingiert gerade keine materiell-rechtlichen Rechtsgeschäfte. Im Bereich der Rechtsgeschäftslehre bestimmen vielmehr Kontrahierungszwänge, ob Zustimmungspflichten bestehen, und diese Zwangsbindungen sind in einem ordentlichen Verfahren durchzusetzen, soweit der Gesetzgeber nicht ausdrücklich einen bestimmten Vertrag diktiert. 419 Schweigen ist dagegen für sich betrachtet ein rechtliches Nullum und kann auch im Falle einer Pflicht zur Erklärung nicht ohne Weiteres als Willenserklärung angesehen werden; hierzu müssen weitere Umstände hinzutreten, die dem Schweigen über den Grundsatz von Treu und Glauben im Rechtsverkehr ausnahmsweise einen Erklärungswert zuweisen.420 Für eine analoge Anwendung des § 138 Abs. 3 ZPO im Bereich der Rechtsgeschäftslehre besteht danach weder eine planwidrige Regelungslücke noch eine Vergleichbarkeit der geregelten Interessen. Wenn der zustimmungspflichtige Gläubiger zum Vergleichsvorschlag nicht schweigt, sondern diesem in den Verhandlungen oder aber in der Abstimmung widerspricht, so muss auch Eidenmüller zur Durchsetzung der von ihm – wenig 415 416 417 418 419 420

Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 834 f., 838. Vgl. nur Wagner, in: MünchKomm, ZPO, § 138 Rn. 23. Unstreitig – siehe etwa Stadler, in: Musielak, ZPO, § 138 Rn. 12. Ebenso unstreitig – siehe Wagner, in: MünchKomm, ZPO, § 138 Rn. 26. Näher dazu bereits im Dritten Kapitel unter E. V. 3. Näher dazu bereits im Dritten Kapitel unter D. II. 2. b).

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überzeugend – begründeten Zustimmungspflicht auf den einstweiligen Rechtsschutz zurückgreifen. Den grundlegenden Einwand der Vorwegnahme der Hauptsache beseitigt er zunächst grundsätzlich mit dem Hinweis auf die inzwischen anerkannte Möglichkeit einer Leistungsverfügung. 421 Insoweit ist ihm kaum zu widersprechen. Soweit die Zustimmung zu einer Kreditgewährung im Raum steht, sieht Eidenmüller dann sogar die Möglichkeit, der Frage der Vorwegnahme der Hauptsache dadurch aus dem Weg zu gehen, dass in diesen Fällen nicht die Vertragserklärung, sondern die vertragliche Leistung der Kreditsumme zum Gegenstand der Verfügung gemacht wird. Eine auf die Willenserklärung gerichtete Verfügung sei dann »nicht erforderlich«; die Verpfl ichtung zur Auszahlung der Kreditsumme »reiche aus«. 422 Diese Argumentation erstaunt, wird doch nicht ersichtlich, warum die schnelle Verpflichtung zur vertraglichen Leistung die Hauptsache weniger vorwegnehmen sollte als die bloße Fiktion des Vertrages. In beiden Fällen erhält der Antragsteller bereits das, was er im Ergebnis eines erfolgreichen Hauptsacheverfahrens sowie einer nachfolgenden Zwangsvollstreckung maximal erhalten könnte. In beiden Fällen müsste also eine Leistungsverfügung ergehen. Gänzlich übersehen wird dabei das Problem der Vorläufigkeit des einstweiligen Rechtsschutzes. Wie im vorangegangenen Abschnitt aufgezeigt wurde, sind die Beteiligten in der Krise auf das Zustandekommen einer tragfähigen und verlässlichen, also endgültigen Regelung angewiesen. Hierzu kann der einstweilige Rechtsschutz nichts beitragen, da die dort getroffenen Maßnahmen selbst im Fall einer Leistungsverfügung in ihrem Bestand stets vom Ausgang des Hauptsacheverfahrens abhängen. Dieses entscheidende Manko übersieht Eidenmüller gänzlich. (3) Die Durchsetzung durch Schiedsgerichte Erweist sich mithin der von staatlicher Seite zur Verfügung gestellte schnelle Rechtsschutz als ungeeignet für die Absicherung von Vertragsentscheidungen in der Unternehmenskrise, so bleibt nur noch eine Alternative: die der privaten Zivilgerichte, der Schiedsgerichte nach dem §§ 1025 ff. ZPO. 423 Immerhin können diese im Rahmen ihrer Zuständigkeit mit voller Spruchgewalt rechtskräftige und vollstreckungsfähige Entscheidungen treffen (§§ 1055, 1060 ZPO), die einer Überprüfung durch die staatlichen Gerichte weitgehend entzogen sind (§ 1059 ZPO) und über die daher grundsätzlich kein Instanzenzug stattfindet. Insbesondere kann an einen Schiedsspruch auch die Vollstreckungswirkung des § 894 ZPO anknüpfen, so dass im Falle einer ausgesprochenen Zustim-

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Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 834. Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 834 f., 837 f. 423 Die Idee der Nutzbarmachung von Schiedsgerichten für die Vermeidung eines Insolvenzverfahrens wird etwa von Skeel, 1993 Wis. L. Rev. 465, 508 f. (1993), zumindest diskutiert. 422

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mungspflicht entsprechende Willenserklärungen fingiert werden.424 Schiedsgerichte bieten insofern eine schnelle und vor allem endgültige Durchsetzung materiell-rechtlicher Pflichten. Der entscheidende Hinderungsgrund für die Nutzbarmachung der Schiedsgerichtsbarkeit in der Unternehmenskrise liegt in ihrem beschränkten Anwendungsbereich. Schiedsgerichte erlangen ihre Entscheidungsbefugnis allein aufgrund einer Schiedsvereinbarung der Parteien (§ 1029 ZPO); diese beruht allein auf einem privaten Rechtsgeschäft.425 Um in der Unternehmenskrise auf Schiedsgerichte zurückgreifen zu können, muss der Schuldner folglich zunächst Schiedsvereinbarungen mit allen an den Verhandlungen beteiligten Gläubigern schließen. Vom Schuldner wird damit – wie im contract-theory-approach – verlangt, vertraglich für den Krisenfall vorzusorgen, indem er mit allen Gläubigern vorsorglich für den Krisenfall Schiedsabreden trifft oder aber entsprechende Schiedsklauseln in seine Schuldverträge aufnimmt. Die gegen den contract-theory-approach vorgebrachten Einwände sind daher auch hier einschlägig.426 Der Verhandlungsaufwand und die damit einhergehenden Transaktionskosten sind hoch, während zugleich nicht sicher ist, dass eine Schiedsvereinbarung mit allen in der Krise relevanten Gläubigern zustande kommt. Zum einen ist kein Gläubiger gezwungen, eine solche Vereinbarung abzuschließen bzw. entsprechende Klauseln zu akzeptieren. Gerade gesicherte Großgläubiger werden sich schwer damit tun, auf ihre Absicherung in einem Insolvenzverfahren zunächst zugunsten eines Schiedsgerichtsverfahrens zu verzichten, das ihnen sogar Sanierungsbeiträge abverlangen kann. Zum anderen ist wiederum ausgeschlossen, dass Gläubiger, zu denen keine vertragliche Beziehung besteht, von der Schiedsvereinbarung gebunden werden.427 Angesichts dieses trotz des hohen Aufwandes im Zweifel sehr beschränkten Nutzens können sich Schiedsvereinbarungen für den Krisenfall in der Praxis kaum durchsetzen.428 Daneben ist auch die Dispositionsbefugnis der Parteien hinsichtlich der Durchsetzung von Zustimmungspflichten zu Verwertungskonzepten vor einer Insolvenz im Wege der Schiedsgerichtsbarkeit – jedenfalls bei der derzeitigen Rechtslage in Deutschland – durchaus fraglich. Der Gesetzgeber hat die zwangs424

Unstreitig – siehe etwa Lackmann, in: Musielak, ZPO, § 894 Rn. 7. Vgl. Wagner, in: MünchKomm, ZPO, Vorbemerkungen zu den §§ 1025 ff. Rn. 2. 426 Siehe oben I. 1. 427 Auf außervertraglicher Grundlage können – entgegen der entsprechend irreführenden Überschrift über Abschnitt 10 des 10. Buches der ZPO – keine Schiedssprüche ergehen. § 1066 ZPO erweitert den Anwendungsbereich der Schiedsgerichtsbarkeit zwar über Schiedsvereinbarungen hinaus auf Fälle gesetzlich zugelassener Verfügungen. Solche Schiedsverfügungen müssen aber stets ein privatrechtliches Rechtsgeschäft sein und auf einem entsprechenden Verfügungsrecht beruhen (vgl. nur Münch, in MünchKomm, ZPO, § 1066 Rn. 1) – klassische Beispiele sind satzungsmäßige Schiedsgerichte. 428 Auch Skeel, 1993 Wis. L. Rev. 465, 508 f. (1993), lehnt die Einschaltung von Schiedsgerichten aus diesen Gründen als uneffektiv ab. 425

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weise Durchsetzung von Sanierungskonzepten bewusst in das Insolvenzplanverfahren delegiert und dem Schuldner dazu nicht nur den Eröffnungsgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit, sondern auch das Planinitiativrecht zur Verfügung gestellt. Zwar sollten dadurch außergerichtliche Verhandlungen und Sanierungen nicht beeinträchtigt werden; gelingen diese jedoch nicht (freiwillig), so sieht der Gesetzgeber den Ausweg in einem Planverfahren.429 Auf ein gerichtliches Verfahren zum Zustandebringen eines konkursabwendenden Vergleichs hat er aufgrund der Erfahrungen mit der Vergleichsordnung ausdrücklich verzichtet.430 Es erscheint vor diesem Hintergrund durchaus zweifelhaft, ob es den Parteien überhaupt frei steht, diesen Willen zu ignorieren und Zwangsmaßnahmen gegen Akkordstörer in einem Schiedsverfahren vor der Insolvenz vorzusehen. Ihnen dürfte die Dispositionsbefugnis über diesen Streitgegenstand fehlen. Derartige Zwangsmaßnahmen sind folglich nicht schiedsfähig im Sinne des § 1030 Abs. 1 ZPO. d) Zwischenergebnis Zusammenfassend lässt sich somit leider nur feststellen, dass sich zur Absicherung von Verhandlungen über die künftige Verwendung des Unternehmens in der Krise Kontrahierungszwänge gegenüber beteiligten Gläubigern weder begründen noch effektiv durchsetzen lassen.431 Das Zustandekommen einer Entscheidung bleibt damit der allseitige Zustimmung zum verhandelten Verwertungskonzept überlassen. Blockadehaltungen nur einzelner Gläubiger lassen sich immerhin faktisch dadurch überwinden, dass die kooperationswilligen Beteiligten deren Forderungen erwerben oder aber im Konzept deren vollständige Befriedigung vorgesehen wird. 3. Die »suspension clause solution« nach Claire Finkelstein In Anerkennung dieser Durchsetzungsprobleme schlug Claire Finkelstein im Jahr 1993 ihr Modell einer »suspension clause solution« zur Stärkung außergerichtlicher Einigungen vor. 432 Sie geht dabei davon aus, dass die Schwierigkeiten des Erreichens eines Konsenses in einer freien Sanierung vor allem auf das Gefangenendilemma zurückzuführen ist, in dem sich nach der Spieltheorie alle Verhandlungsteilnehmer befinden, dass also das strategische Verhalten jedes 429 Vgl. die Gesetzesbegründung zu diesem neu geschaffenen Insolvenzgrund in BTDrucks. 12/2443, S. 81 und 84. 430 BT-Drucks. 12/2443, S. 82 f.; siehe auch die Kritik an der Vergleichsordnung auf S. 73 ff. 431 Die Minderheitsgesellschafter der Schuldnergesellschaft unterliegen demgegenüber zwar unter Umständen einer Zustimmungspflicht zu gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen eines Sanierungskonzeptes; diese Pflicht lässt sich dann allerdings ebenfalls kaum zeitnah und wirkungsvoll durchsetzen – so auch Redeker, BB 2007, 673, 676. 432 Finkelstein, 102 Yale L. J. 2205 ff. (1992–1993).

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einzelnen Beteiligten eine einstimmig akzeptierte Lösung verhindert. 433 Dieses Dilemma entsteht nach ihrer Ansicht allerdings erst in der Krise des Unternehmens. Vor der Krise würde hingegen noch niemand seine konkreten Rechte gegenüber anderen Gläubigern in einer potenziellen Insolvenz kennen, weshalb vor der Krise auch jeder Gläubiger im eigenen Interesse einer fairen Verteilung der Verluste zustimmen müsste.434 Die Schwäche einer solch frühen vertraglichen Insolvenzbewältigung sieht Finkelstein dann aber lediglich in der Unsicherheit, die Identität aller notwendigen Vertragspartner zu kennen. 435 Dem müsse mit der Verschiebung des Verhandlungszeitpunktes auf den Beginn einer Krise begegnet werden, da zu diesem Zeitpunkt die Identität aller Gläubiger bekannt sei, zugleich aber noch kein Gefangenendilemma bestünde.436 Zur Sicherstellung der zu diesem Zeitpunkt optimalen Verhandlungsbedingungen empfiehlt Finkelstein, dass alle Verträge des Schuldnerunternehmens mit Dritten standardmäßig Klauseln enthalten, nach denen ab dem Zeitpunkt der Bekanntmachung einer finanziellen Krise durch das Unternehmen, den Gläubigern eine Vollstreckung ihrer Forderungen für einen gewissen Verhandlungszeitraum untersagt ist (»suspension clause«). Das Vollstreckungsrecht müsste diese Klauseln beachten und das Insolvenzrecht zugleich dem Schuldner wie auch den Gläubigern in diesem Zeitraum die Stellung eines Insolvenzantrags untersagen. Der Zweck solcher Klauseln liege allein darin, ein Verhandlungsfenster zu schaffen; eine Verhandlungspflicht für alle Beteiligten würden sie nicht beinhalten.437 Ziel des Modells sei lediglich die Erhöhung der Chancen einer außergerichtlichen Insolvenzbewältigung, wobei Finkelstein ausdrücklich an der Notwendigkeit einer einstimmigen Vereinbarung festhält.438 Weder ein Mehrheitszwang noch eine Klausel mit einer Pflicht zum Angebot eines Maximalgebots nach Schwartz seien als Lösung von Obstruktionssituationen vorzugswürdig. Schließlich sei auch eine Abdingbarkeit des gesetzlichen Insol433 Finkelstein, 102 Yale L. J. 2205, 2209 (1992–1993). Die Reaktion des geltenden Rechts hierauf mittels eines gerichtlichen Reorganisationsverfahrens hält sie für unzureichend, da dieses kostspieliger als private Vereinbarungen sei und es zudem keine alternativen Verfahren zulässt (S. 2210). 434 Diese Annahme wird in einem nahezu zeitgleich erschienenen Beitrag von Korobkin, 71 Tex. L. Rev. 541, 552 ff. (1992–1993), gestützt, der in seinem »bankruptcy choice model« zu dem Ergebnis kommt, dass in einer »bankruptcy choice situation« die Repräsentanten aller von der Unternehmenskrise betroffenen Interessengruppen dann eine Lösung der Krise im Verhandlungswege mit hoher Richtigkeitsgewähr vereinbaren können, wenn sie in der Verhandlungssituation weder genau wissen, wie sie in ihren Interessen von der Krise betroffen sind noch welche Rechte sie in einem rechtlichen (Insolvenz-)Verfahren haben (S. 571). Er enthält sich dann jedoch eines konkreten Reformvorschlags zur Veränderung des geltenden normierten Rechts (S. 627 ff.). Diesen Modellannahmen zustimmt auch Ponoroff, 23 Cap. U. L. Rev. 441 ff. (1994) zu. 435 Finkelstein, 102 Yale L. J. 2205, 2212 f. (1992–1993). 436 Finkelstein, 102 Yale L. J. 2205, 2214 (1992–1993). 437 Finkelstein, 102 Yale L. J. 2205, 2215 (1992–1993). 438 Finkelstein, 102 Yale L. J. 2205, 2220 ff. (1992–1993).

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venzverfahrens abzulehnen, da dieses wichtige Schutzzwecke erfülle. Stattdessen sei auf die Rationalität der Entscheidungen aller Beteiligten und den Einigungsdruck der Krisensituation zu vertrauen.439 In diesem Modell findet sich die richtige Idee, den Beteiligten mehr Raum für außergerichtliche Verhandlungen in der Insolvenzsituation einzuräumen. Die Rechte und Pflichten zur Stellung von Insolvenzanträgen müssen dazu ebenso suspendiert werden wie die Vollstreckungsmöglichkeiten der Gläubiger. Problematisch erscheint allerdings wiederum die propagierte Umsetzung dieser Idee im Wege des Vertragsrechts, hier in Form von allgemeinen Geschäftsbedingungen. Derartige Klauseln sind – wenn man sie denn generell, also auch gegenüber Arbeitnehmern und Verbrauchern, anerkennt – zwar nicht schwer zu formulieren, erfassen aber wiederum nur die Vertragspartner des Unternehmens, die sich auf diese Klauseln einlassen. Wieder versagt ein Lösungsmodell an der Einbeziehung der Gläubiger, deren Ansprüche auf einer gesetzlichen Grundlage oder aber ungültigen Verträgen beruhen, wie auch Gläubiger, die einer derartigen Klausel widersprechen werden.440 4. Ergebnis Der Zeitpunkt des Eintritts der Unternehmenskrise ist der frühestmögliche Zeitpunkt, an dem sinnvollerweise eine Entscheidung über die Zukunft des Unternehmens im Sinne einer Verwertungsentscheidung getroffen werden kann, da erst zu diesem Zeitpunkt die notwendige Informationsgrundlage für eine solche Entscheidung vorhanden ist. Folglich sollten schon zu diesem Zeitpunkt Handlungskonzepte entwickelt und mit den Personen verhandelt werden, auf deren Mitwirkung man angewiesen ist. Gelingt im Ergebnis der Verhandlungen das Zustandekommen eines Vertrages über die künftige Verwertung des Unternehmens, so fällt schon zu diesem Zeitpunkt die Verwertungsentscheidung und ein Insolvenzverfahren wird überflüssig. Die Entscheidung trägt dann das Gewand eines außergerichtlichen Vergleichs. Lässt sich hingegen das notwendige Einvernehmen nicht erreichen, so findet sich in der Krisenphase leider noch keine tragfähige Grundlage für die Begründung wie auch für die Durchsetzung von Mitwirkungs- oder Zustimmungspflichten. Eine Absicherung des Vergleichsschlusses und damit des Zustandekommens der inhaltlich richtigen Entscheidung gegen den Widerstand einzelner Schlüsselgläubiger kann zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfolgen.

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Finkelstein, 102 Yale L. J. 2205, 2226 ff. (1992–1993). Die Annahme einer Mehrheitsmacht bzw. einer individuellen Zustimmungspflicht der Gläubiger lässt sich vor der Krise aus dem Vertragsrecht nicht herleiten – ebenso Schwarcz, 77 Tex. L. Rev. 515, 521 f. (1998–1999); ähnlich Block-Lieb, 2001 U. Ill. L. Rev. 503, 538 (2001). 440

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III. Der Zeitraum des Insolvenzverfahrens Wird die Unternehmenskrise nicht vertraglich bewältigt, so bleibt dem Schuldner nur der Weg in die Insolvenz und in dieser tritt eine entscheidende Veränderung der Verhandlungssituation ein, die daraus folgt, dass das Schuldnervermögens nun offenkundig nicht mehr zur Befriedigung aller Gläubiger ausreicht. Das auf diesem Umstand beruhende common-pool-problem, also die Notwendigkeit, den Zugriff der Gläubiger auf diese unzureichende Vermögensmasse zu koordinieren und Exzesse einzelner Gläubiger zu Lasten der übrigen zu verhindern, lässt mangels privatautonomer Alternativen441 den Gesetzgeber in Aktion treten und ordnungspolitisch tätig werden. Der Zugriff einzelner Gläubiger auf die verbliebene Vermögensmasse wird ebenso gestoppt wie der Zugriff des Schuldners. Das individuelle, mit seiner Forderung verbundene Befriedigungsrecht jedes Gläubigers entfällt dabei nicht ersatzlos, es wird vielmehr »vergemeinschaftet«. Den Gläubigern steht der Zugriff auf das Schuldnervermögen nun nur noch gemeinschaftlich zu, weshalb sie rechtlich zu einer Rechtsgemeinschaft zusammengefasst werden.442 Aus dieser Sozialisierung der Gläubigerrechte ergibt sich zugleich die Möglichkeit, die Verwertungsentscheidung nun den Gläubigern als Gruppe zuzuweisen und in diesem Zusammenhang ein Mehrheitsvotum zu etablieren. Der Entscheidungsmechanismus wird so – ohne wesentliche Verluste hinsichtlich der Richtigkeitsgewähr der Entscheidung – effektiviert, wobei sich diese Effektivität noch erhöht, wenn man die Entscheidungshoheit auf interessenhomogene Gläubigergruppen überträgt.443 Insgesamt bietet die Insolvenz, genauer gesagt das in dieser Situation notwendige ordnungspolitische Eingreifen des Gesetzgebers in die Gläubigerfreiheiten, damit endlich die rechtliche Grundlage für die Schaffung eines abgesicherten Vertragsschlusses als Mechanismus zum Zustandekommen der richtigen Verwertungsentscheidung. Erst durch das Eingreifen des Gesetzgebers werden die Gläubiger sozialisiert und infolgedessen Zustimmungspflichten möglich, die vor der Verfahrenseröffnung nicht begründbar sind. 444 Die Schaffung von Zustimmungspflichten ist dabei allerdings nur ein erster Schritt, da diese auch der effektiven Durchsetzung bedürfen. Zu diesem Zweck 441

Siehe oben B. I. Ausführlich dazu im Dritten Kapitel C. II. 2. b). 443 Siehe dazu bereits die Ausführungen im Dritten Kapitel C. IV. 2. sowie in diesem Kapitel oben unter A. IV. 4. 444 Einem staatlichen Insolvenzvermeidungsverfahren, wie es viele Länder als außergerichtliche Sanierungsverfahren kennen, fehlt eben die auf der Notsituation der Insolvenz beruhende Rechtfertigung. Sie lösen in der Krise zwar das Kooperationsproblem, ohne dazu allerdings die Legitimation der Insolvenzsituation aufweisen zu können. Aus Sicht der Gläubiger sind solche Verfahren daher nichts anderes als vorgezogene Insolvenzverfahren, weshalb es nicht verwundern kann, dass sie als ebenso negatives Signal wahrgenommen wie ein reguläres Insolvenzverfahren – ebenso Servatius, Gläubigereinfluss durch Covenants, S. 170 f. 442

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muss der Gesetzgeber einen effektiven Rechtsschutz zur schnellen Verwirklichung der Zustimmungsverpflichtungen zur Verfügung stellen, muss doch die Verwertungsentscheidung im Interesse möglichst geringer Verluste im Schuldnervermögen, die schon allein aufgrund eines Schwebezustandes drohen, sehr zeitnah erfolgen, zugleich aber wegen der auf dieser Entscheidung aufbauenden Vermögensdispositionen aller Beteiligten Rechtssicherheit in Form von Endgültigkeit gewähren. Folgerichtig werden die Zustimmungspflichten in der Insolvenz nicht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes schnell, aber eben nur vorläufig durchgesetzt; 445 es existiert vielmehr ein eigenes Durchsetzungsverfahren in der Insolvenz, das den Insolvenzgerichten zugewiesen ist. Sie sichern die Rechte der überstimmten Minderheit beim Zustandekommen der Verwertungsentscheidung zum einen im vereinfachten Entscheidungsmechanismus der Abstimmung in der Gläubigerversammlung, wo sie den Beschluss über § 78 InsO aufheben können. Sie setzen vor allem aber auch im Insolvenzplanverfahren die Zustimmungspflichten, die aus dem Mehrheitsvotum in den Gläubigergruppen wie auch aus der gesetzlichen Anordnung des Obstruktionsverbotes entstehen, im Wege der Planbestätigung nach § 248 InsO durch. Beide Entscheidungsmechanismen446 bieten eine endgültige Entscheidung in der Hauptsache, wozu beide Entscheidungen einen Instanzenzug zur Verfügung stellen (vgl. § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3 sowie § 253 InsO). Die hiernach eintretende formelle sowie materielle Rechtskraft schafft das notwendige Vertrauen in die Endgültigkeit der getroffenen Entscheidung. 447

IV. Die wenig überzeugende Schlussfolgerung des deutschen Gesetzgebers Das deutsche Insolvenzrecht bietet für die Verwertungsentscheidung der Gläubiger einen abgesicherten Vertragsschluss als richtigen Entscheidungsmechanismus allein in der Insolvenz, genauer in einem gerichtlichen Insolvenzverfahren, da mit der erst hier stattfindenden Sozialisierung der Gläubiger auch frühestens in diesem Zeitraum Zustimmungspflichten gegenüber den Gläubigern begründet werden können. Dementsprechend geht der deutsche Gesetzgeber davon aus, dass auch die von diesen Zustimmungspflichten begleiteten Entscheidungen erst im Rahmen eines Insolvenzverfahrens zu treffen sind. Sowohl der einfache Entscheidungsmechanismus der Abstimmung in der Gläubigerversammlung (§ 77 InsO) wie auch der bei einer Reorganisationsoption notwendige Entscheidungsmechanismus der Gruppenabstimmung im Rahmen eines Planverfahrens (§ 243 InsO) sind im deutschen Insolvenzrecht folgerichtig Be445

Siehe dazu oben B. II. 2. c) (1). Zur Effektivität zweier Entscheidungsmechanismen, also einer eingeschränkten Vertragslösung, siehe oben A. IV. 4. c). (3) und (4). 447 Dazu bereits im Vierten Kapitel E. 446

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standteile des gerichtlichen Verfahrens.448 Sie erfolgen unter gerichtlicher Leitung und Aufsicht (vgl. §§ 76 Abs. 1, 235 Abs. 1, 252 Abs. 1 Satz 1 InsO). Eine derartige staatliche Aufsicht über die Verhandlungen und Entscheidungen bezüglich der Reorganisation oder Liquidation eines Unternehmens wird vereinzelt durchaus als wünschenswert angesehen. 449 Insbesondere im amerikanischen Rechtskreis finden sich Stimmen, die Verhandlungen unter gerichtlicher Aufsicht als weniger missbrauchsanfällig und damit zugleich als effektiver ansehen.450 Systematisch bildet eine solche gerichtliche Aufsicht allerdings einen Ausnahmefall in unserer Rechtsordnung. Üblicherweise greift die gerichtliche Kontrolle erst ein, wenn das streitgegenständliche Geschehen bereits in der Welt ist. Die Aufsicht über das gegenwärtigen Verhalten der Parteien, also einen gerade stattfindenden Geschehensablaufs, ist demgegenüber prinzipiell nicht die Aufgabe staatlicher Gerichte und ein zwingender Grund für die Schaffung eines anderslautenden Ausnahmefalls in der Insolvenz lässt sich bei genauer Betrachtung nicht finden. So ergaben bereits die Untersuchungen im Vierten Kapitel, dass die Bestätigungsentscheidung ihrem Wesen nach auch nachgelagert erfolgen kann und folglich nicht auf eigene Wahrnehmungen des Gerichts über den Gang der Planverhandlungen angewiesen ist. 451 Zudem ist es gemäß § 218 Abs. 1 Satz 2 InsO zulässig und nach verbreiteter Ansicht sogar zu empfehlen,452 dass der Insolvenzplan nicht erst im Insolvenzverfahren entwickelt wird, sondern bereits als vorbereiteter Plan in das Planverfahren eingebracht und dort nur noch zur Abstimmung gestellt wird (Stichwort »prepackaged bankruptcy«). Eine gerichtliche Aufsicht über die Planaufstellung gibt es in solchen Fällen nicht. Vielmehr muss sich das Gericht mit der Prüfung des Planinhalts begnügen. Insgesamt geht man somit allgemein davon aus, dass die Informationsgrundlage für das Treffen der richtigen Verwertungsentscheidung nicht erst in der Insolvenz, sondern bereits in der Krise des Unternehmens vorhanden ist und durch die Beteiligten in den Verhandlungen richtig verarbeitet wird. Eventuelle Missbräuche in der Gläubigerbehandlung oder aber der Gläubigerunterrichtung, deren Verhinderung das Hauptziel der gerichtlichen Aufsicht über die 448

Unstreitig – siehe etwa Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 443. Jaffé, in: Kölner Schrift zur InsO, S. 743 ff. Rn. 50; Jaffé/Friedrich, ZIP 2008, 1849, 1857; auch Bork, ZIP 2010, 397, 400, plädieren explizit für ein gerichtliches vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren. 450 Kordana /Posner, 79 N. Y. U. L. Rev. 161, 233 (1999). Vor allem die nur gruppenweise erfolgende Gleichbehandlung der Gläubiger ermöglicht nach ihrer Ansicht zwar notwendige Differenzierungen im Plan, sei aber missbrauchsanfällig und daher nur effektiv, wenn die gerichtliche Kontrolle funktioniert (S. 212 ff., 216). 451 Dazu bereits im Vierten Kapitel A sowie C. IV.; auch F. I. 452 Vgl. Braun, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 68 Rn. 1; Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 561 f., 566 f.; Hingerl, ZInsO 2008, 404; ders., ZInsO 2009, 759; Paulus, ZGR 2005, 309, 322; skeptischer hingegen Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 445 f.; ders., in: MünchKomm, InsO, Vorbem vor §§ 217 bis 269 Rn. 60. 449

C. Die Vorverlagerung der Entscheidungsfi ndung

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Verhandlungen sein soll, finden aber allein in dieser Phase der Planentstehung statt. Dennoch soll gerade diese Phase gemäß § 218 Abs. 1 Satz 2 InsO auch vor einem gerichtlichen Insolvenzverfahren abgeschlossen werden können. Nur die Abstimmung muss gemäß den §§ 235 ff. InsO stets im gerichtlichen Planverfahren erfolgen, obwohl bei der Abstimmung selbst ein missbräuchliches Gläubigerverhalten kaum mehr zu erwarten ist. Selbst wenn man also die gerichtliche Aufsicht als Element der Verhinderung von Plänen für notwendig hält, die inhaltlich einzelne Gläubiger oder den Schuldner ungerechtfertigt bevorzugen, so macht es wenig Sinn, mit der geltenden Regelung nur die Abstimmung über den Plan zwingend ins gerichtliche Verfahren zu ziehen. Auch die Planverhandlungen müssten dann unter den Augen des Richters, also im gerichtlichen Forum, stattfinden. Erforderlich erscheint eine derartige Aufsicht allerdings in der Tat weder für die Verhandlungs- noch für die Abstimmungsphase. Da sich die befürchteten Missbräuche aufgrund von Informationsasymmetrien oder willkürlichen Gruppenbildungen stets im Inhalt des Plans oder Sonderabkommen niederschlagen, genügt es, das Zustandekommen wie auch den Inhalt eines angenommenen Plans nachgelagert einer gerichtlichen Prüfung zu unterziehen und dabei neben der Gläubigergleichbehandlung auch die umfassende und zutreffende Information aller Verhandlungsbeteiligten nachzuvollziehen. Die Aufgabe der Missbrauchskontrolle kann ein gerichtlicher Rechtsschutz, der nachgelagert stattfindet, in einem Insolvenzverfahren ebenso effektiv übernehmen wie in jedem anderen Zivilprozess.

C. Die Vorverlagerung der Entscheidungsfindung mittels einer bloßen Bestätigungsinsolvenz Hält man die Aufsicht des Insolvenzgerichts also weder für die Verhandlungen selbst noch für deren Abschluss im Wege der Abstimmung über das Verhandlungsergebnis für notwendig, da deren richterliche Überprüfung nachgelagert stattfinden kann, so erscheint es durchaus möglich, nicht nur die Verhandlungen, sondern auch die Abstimmung über ein Verwertungskonzept aus der Insolvenz herauszunehmen und in die Krisenphase vorzuverlegen. Lediglich die Durchsetzungs- und Kontrollaufgaben blieben dem Insolvenzgericht vorbehalten.

I. Die Grundidee In vielen Fällen wird in der Krise des Unternehmens der Versuch unternommen, durch Verhandlungen mit den Schlüsselgläubigern ein Sanierungskonzept auf den Weg zu bringen und auf diese Weise die Krise zu überstehen. Solche Verhandlungen beanspruchen nicht nur Zeit, sondern auch die finanzielle Res-

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sourcen des Unternehmens, sind sie doch in der Regel nur erfolgreich, wenn Sanierungsberater oder ein neues Sanierungsmanagement involviert werden. Scheitern derartige Bemühungen dann an der Blockadehaltung auch nur eines Schlüsselgläubigers, so bedeutet dies den Gang in ein Insolvenzverfahren. Hier kann das Konzept zwar als Insolvenzplan eingebracht werden. Seine Durchsetzung ist aber alles andere als gesichert. So kann eine Gruppe weniger, aber forderungsstarker Gläubiger – ja im Einzelfall sogar ein einzelner Gläubiger, der (wie etwa eine Hausbank bei einem kleinen Unternehmen) die absolute Mehrheit der Forderungen auf sich vereint – über die damit einhergehende Kontrolle der Gläubigerversammlung (§ 76 Abs. 2 InsO) das Konzept schon dadurch vereiteln, dass es gemeinsam mit dem Insolvenzverwalter eine andere Verwertung beschließt. Allein die Vorlage eines Insolvenzplans verhindert gemäß § 233 Satz 2 InsO ein derartiges Vorgehen nicht. Dominierende Gläubiger sind also nicht einmal auf die Vorlage eines Gegenplans über den Insolvenzverwalter nach § 157 Satz 2 InsO angewiesen, um einen eingebrachten Schuldnerplan zugunsten eines von ihnen bevorzugten Verwertungskonzeptes zu verhindern. Zu dieser Unsicherheit über die Durchsetzung des vorverhandelten Sanierungskonzepts gesellt sich der Kontrollverlust. Zwar ermöglicht § 270 InsO in Ausnahmefällen die Eigenverwaltung des Schuldners in der Insolvenz; eine praktische Bedeutung hat diese Norm allerdings bislang kaum erlangt. 453 Im Regelfall geht die Verfahrenseröffnung mit dem Verlust der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners an den Insolvenzverwalter nach § 80 Abs. 1 InsO einher. Die Insolvenz bedeutet daher einen entscheidenden und zugleich öffentlichen Einschnitt in die Abläufe eines Unternehmens, was zu Recht zu einer Verunsicherung der Angestellten, Kunden, Lieferanten und sonstigen Gläubiger und damit zu erheblichen indirekten Insolvenzkosten führt. Die derzeitige Planinsolvenz kann daran wenig ändern.454 Die Abneigung der Schuldner, über § 18 InsO frühzeitig in ein solches Insolvenzverfahren zu gehen, 455 ist insofern ebenso begründet und verständlich wie die Abneigung weiter Teile der Politik, deutsche Großunternehmen wie etwa die Adam Opel GmbH in einer solchen Planinsolvenz wiederzufinden. Die derzeitige Planinsolvenz der 453 Vgl. etwa die Einschätzungen von Pape, ZInsO 2009, 1, 6; Paulus, ZGR 2005, 309, 316; ders., DZWIR 2008, 6, 11. Sie werden durch Statistiken bestätigt, die zwischen 1999 und 2007 auf sehr geringem Niveau sogar eine fallende Tendenz der angeordneten Eigenverwaltungen auswiesen – vgl. Kranzusch, ZInsO 2008, 1346, 1347 f. Wurden danach 1999 noch in ca. 21 Prozent der eröffneten Insolvenzverfahren Eigenverwaltungen angeordnet, so geschah das in den Jahren 2006 und 2007 nur noch in ca. 7 Prozent der eröffneten Insolvenzverfahren. 454 Siehe zu ihren direkten und indirekten Insolvenzkosten die Ausführungen im Ersten Kapitel A. III. 1. a). und 3. 455 So stellt etwa Pape, ZInsO 2009, 1, 4, in seinem Resümee der ersten zehn Jahre Insolvenzordnung fest, dass der neue Eröffnungsgrund »erwartungsgemäß« praktisch ohne Wirkung geblieben ist. Die Statistik untermauert diese Einschätzung, lag doch der Anteil der auf diesen Insolvenzgrund gestützten, frühzeitigen Insolvenzanträge zwischen 2002 und 2007 nur bei 0,9 Prozent; vgl. Kranzusch, ZInsO 2008, 1346, 1352.

C. Die Vorverlagerung der Entscheidungsfi ndung

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§§ 217 ff. InsO bietet eben nur eine Chance auf Rettung in der Insolvenz.456 Sicher ist diese Rettung derzeit nicht einmal, wenn ein Planvorschlag von Anfang an zum Verfahrensgegenstand gemacht wird und er zuvor sogar von den Gläubigern mehrheitlich akzeptiert wurde. Dieses entscheidende Manko des deutschen Insolvenzrechts, der sich inzwischen auch als gravierender Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen europäischen Insolvenzsystemen bemerkbar macht,457 sollte behoben werden. Das Planverfahren wie auch der Eröffnungsgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit oder die Eigenverwaltung werden als neue Rechtsinstitute erst dann ihre volle Effektivität zur Geltung bringen können, wenn dem Schuldner in der Krise eine Planoption zur Verfügung steht, die es ihm ermöglicht, das verhandelte und mehrheitlich von allen Beteiligten getragene Zukunftskonzept für sein Unternehmen in einem gerichtlichen Planverfahren hinreichend vorhersehbar durchzusetzen, ohne dabei die Kontrolle über sein Unternehmen abgeben zu müssen.458 Hierzu bedarf es einer »prepackaged bankruptcy«, die mehr bietet als nur Vorverhandlungen.459 Der Gesetzgeber sollte vielmehr eine insolvenzgerichtliche Bestätigung auch solcher Pläne zulassen, die zuvor nicht nur außergerichtlich verhandelt, sondern außergerichtlich auch mit den Mehrheiten angenommen wurden, die das Insolvenzplanverfahren in den §§ 243 ff. InsO vorsieht. Damit bliebe dem Schuldner allein das Prozessrisiko zugewiesen, das Risiko also, dass die gerichtliche Bestätigung wegen der Nichtbeachtung der gesetzlichen Vorgaben an den Planinhalt oder die Abstimmung versagt wird. Da folgerichtig das Zustandekommen des Plans sehr wahrscheinlich wird, können die schädlichen Nebenwirkungen des Insolvenzverfahrens weitgehend vermieden werden. Die Eigenverwaltung sollte daher – jedenfalls wenn der Plan die Fortführung des Unternehmens durch das bisherige Management vorsieht – zur Regel werden. Die Vorlage von Alternativplänen wie auch die Erzwin456 Gerade diese Unvorhersehbarkeit des Verfahrensergebnisses, also die fehlende Planbarkeit einer Sanierung im Insolvenzplanverfahren, wird als wesentlicher Mangel des geltenden Rechts empfunden – vgl. Haarmeyer/Wutzke, ZInsO 2010, 1201, 1202; Jaffé, ZGR 2010, 248, 251 f.; Paulus, ZIP 2005, 2301; Seagon, ZVerglRWiss 108 (2009), 203, 212 f.; Smid, DZWIR 2009, 397, 398; Vallender, NZI 2010, 838, 842; Westpfahl, ZGR 2010, 385, 389; Westpfahl/Janjuah, ZIP 2008, Beilage zu Heft 3, 1, 3. 457 Nach einer empirische Untersuchung aus dem Jahr 2009 hatten von den interviewten Insolvenzpraktikern aus Deutschland, England und Frankreich zwar nur 22 Prozent der deutschen, aber immerhin 53 Prozent der ausländischen Experten einen negativen Eindruck von der Vorhersehbarkeit, Planbarkeit und Zuverlässigkeit des deutschen Insolvenzrechts; Eidenmüller/Frobenius/Prusko, NZI 2010, 545, 550. 458 Ebenso Anton, ZInsO 2009, 506, 507, der eine ausdrückliche Wahlmöglichkeit der Unternehmensführung zwischen einem Liquidations- und einem Sanierungssystem in der Insolvenz fordert. 459 Zu Recht sieht etwa auch Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 442, den entscheidenden Effizienzvorteil einer vorbereiteten Insolvenz erst dann verwirklicht, wenn das Insolvenzrecht es erlaubt, den Insolvenzplan nicht nur außergerichtlich zu verhandeln, sondern auch schon außergerichtlich zur Abstimmung zu bringen.

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gung alternativer Verwertungsoptionen sollten bis zur Bestätigungsentscheidung ausgeschlossen werden. Die derartiges als bloße Bestätigungsinsolvenz ausgestaltetes Insolvenzplanverfahren wäre dazu in der Lage, eine planbare gerichtliche Sanierungsoption zu bieten und zugleich die Insolvenzgerichte zu entlasten, könnte doch das Insolvenzverfahren auf die Bestätigungsentscheidung reduziert werden. Die Bestätigungsinsolvenz schließt damit die Lücke zwischen der auf Konsens beruhenden außergerichtlichen Einigung und dem ergebnisoffenen gerichtlichen Insolvenzplanverfahren. Da auch die Bestätigungsinsolvenz die Möglichkeiten zur Geltendmachung von Einwendungen und Rechtsmitteln bieten muss und nicht alle direkten und indirekten Insolvenzkosten vermeiden kann, wird sie die freie Sanierung nicht ersetzen.460 Beide Verfahren sollten sich vielmehr ergänzen. Der Bestätigungsinsolvenz fällt dabei die Aufgabe zu, ein außergerichtlich nur mehrheitlich getragenes und daher gescheitertes Verwertungskonzept im Wege des insolvenzgerichtlichen Rechtsschutzes planbar und endgültig durchsetzen.461 Ihr entscheidender Vorteil liegt gerade in der Schaffung einer »Planinsolvenz«, die dem Schuldner endlich die Planungssicherheit gibt, die er benötigt, um sein Unternehmen willentlich einem Insolvenzverfahren auszusetzen, da die wesentlichen negativen Folgen desselben vermieden werden. Erst diese Verfahrensvariante kann das Planverfahren in der Krise als Handlungsoption in vielen Fällen tatsächlich attraktiv machen.

II. Definition der zu verwendenden Begriffe Bevor die Bestätigungsinsolvenz als Reformmodell entwickelt werden soll, sind die Begriffe zu erläutern, die in diesem Zusammenhang verwendet werden, lässt sich doch in einigen Publikationen eine erhebliche Unsicherheit diesbezüglich feststellen.

460 Auch empirische Untersuchungen großer Insolvenzfälle stützen die Annahme, dass außergerichtliche Vergleiche die effizienteste Form der Krisenbewältigung bieten. Sie machen aber auch deutlich, dass eine vorbereitete Insolvenz, insbesondere eine pre-voted bankruptcy, dem traditionellen Planverfahren als Lösungsmechanismus klar überlegen ist – vgl. McConnell/Lease/Tashijan, 8 J. App. Corp. Fin. 99, 104 (1996). 461 Das Insolvenzverfahren wäre in diesen Fällen nur noch der gerichtliche Abschluss einer außergerichtlichen Sanierung; so sehr plastisch McConnell/Servaes, 3 J. App. Corp. Fin. 93, 94 (1991): »A prepackaged bankruptcy should be viewed as an administrative extension of an informal reorganization.« Auch Hirte, ZGR 2010, 224, 243, hat neuerdings Sympathien für die Idee eines Verfahrens »zur nachträglichen Ratifikation von Sanierungsmaßnahmen« geäußert.

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1. Die vorbereitete Insolvenz oder prepackaged bankruptcy als Gattungsbegriff Ausgangspunkt der entstandenen Unsicherheiten ist die gesetzliche Regelung in § 218 Abs. 1 Satz 2 InsO, die es dem Schuldner ausdrücklich erlaubt, einen Insolvenzplan bereits mit dem Antrag auf die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorzulegen. Der Plan muss in diesen Fällen also schon vor dem Eröffnungsantrag entwickelt worden sein. Man spricht daher auch von vorbereiteten Insolvenzplänen oder – entlehnt aus der amerikanischen Insolvenzpraxis – von einer prepackaged bankruptcy. In der Regel wird gerade bei der Verwendung des englischen Terminus nicht hinreichend beachtet, dass dort mit dem Begriff der prepackaged bankruptcy Fälle bezeichnet werden, in denen der Plan vor dem Insolvenzverfahren nicht nur vom Schuldner aufgestellt, sondern auch mit den Gläubigern und Gesellschaftern verhandelt und zum Teil bereits sogar zur Abstimmung gebracht wurde. 462 Der Begriff des prepackaged plan bzw. der prepackaged bankruptcy bezeichnet daher eine ganze Gruppe oder Gattung von vorbereiteten Plänen, die gemeinsam mit dem Eröffnungsantrag beim Insolvenzgericht eingereicht werden. Diese Untergruppen sind für den weiteren Verlauf der Untersuchung genauer zu definieren. 2. Der noch unverhandelte Insolvenzplan als erste Untergruppe Die ersten Unterart einer prepackaged bankruptcy bzw. eines vorbereiteten Plans im Sinne des § 218 Abs. 1 Satz 2 InsO bilden Insolvenzpläne, die der Schuldner in Vorbereitung seines Insolvenzverfahrens allein und ohne Verhandlungen mit seinen Gläubigern entwickelt hat. Legt der Schuldner einen solchen Plan mit seinem Eröffnungsantrag vor, so müssen sowohl die Verhandlungen mit den Gläubigern als auch die Abstimmung über den Plan im eröffneten Insolvenzverfahren erfolgen, das zu diesem Zweck als klassisches Insolvenzplanverfahren stattfindet. Man kann derartige Insolvenzpläne daher auch als noch unverhandelter Insolvenzplan oder – in Anlehnung an die amerikanische Begriffswelt als post-negotiated plan – bezeichnen.

462 Siehe etwa Huhn, Die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren, S. 93 f. Rn. 280 ff.; Hofmann, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, S. 282; Schmudde/Vorwerk, ZInsO 2006, 347, 351 f., die allesamt unter einem prepackaged plan lediglich einen vom Schuldner allein aufgestellten und mit seinem Eröffnungsantrag eingereichten Insolvenzplan verstehen. Ungenau auch die Terminologie bei Braun, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 68 Rn. 3; Braun/ Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 560, 566 und 568; Paulus, ZGR 2005, 309, 322. Lediglich Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 437; ders., in: MünchKomm, InsO, vor §§ 217 bis 269 Rn. 60, übernimmt exakt die Kategorisierung der amerikanischen Literatur.

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3. Der vorverhandelte Insolvenzplan als zweite Untergruppe Die zweite Unterart setzt sich aus vorbereiteten Insolvenzplänen zusammen, bei denen die Gläubiger bereits an der Entstehung in der Form mitgewirkt haben, dass der mit dem Eröffnungsantrag beim Insolvenzgericht eingereichte Insolvenzplan als Ergebnis dieser Verhandlungen anzusehen ist. Weitere Verhandlungen des Schuldners mit den Gläubigern über den Inhalt des Insolvenzplans im eröffneten Planverfahren sind bei dieser Art von vorbereiteten Plänen nicht mehr notwendig. Sie können unmittelbar zur Abstimmung gestellt werden. Derartige Insolvenzpläne sollten daher als vorverhandelte Insolvenzpläne bzw. pre-negotiated plan 463 bezeichnet werden. 4. Der bereits beschlossene Insolvenzplan als dritte Untergruppe Die dritte und letzte Unterart wird schließlich von solchen Insolvenzplänen gebildet, die in Vorbereitung eines eventuellen gerichtlichen Insolvenzplanverfahrens nicht nur schon mit den Gläubigern verhandelt und entwickelt wurden, sondern zudem außergerichtlich bereits zur Abstimmung gebracht und dort von einer für die §§ 243 ff. InsO hinreichenden Gläubigermehrheit angenommen wurden. Das gerichtliche Insolvenzverfahren kann in diesen Fällen auf die Bestätigungsentscheidung des Insolvenzgerichts gemäß § 248 InsO reduziert werden. Man sollte diese Unterart daher als Bestätigungsinsolvenz kennzeichnen und einen auf diese Weise vorbereiteten Insolvenzplan als bereits beschlossenen Insolvenzplan bzw. pre-voted plan 464 bezeichnen. Christiane van Zwoll 465 sprach von einem »außergerichtlichen Insolvenzplan«, was der Sache nahe kommt, aber als Begriff wohl immer noch zu unscharf bleibt.

III. Das Regelungsmodell im U. S. Bankruptcy Code Die Idee einer bloßen Bestätigungsinsolvenz ist nun keineswegs neu. Das amerikanische Insolvenzrecht enthält seit der großen Insolvenzrechtsreform der

463 So im amerikanischen Recht etwa In re Pioneer Finance Corp., 246 B. R. 626, 630 (Bankr. D. Nev. 2000); Case/Harwood, 1991 Ann. Surv. Am. L. 75, 81 (1991); Collier on Bankruptcy, P 1100.10. Carapeto, 11 J. Corp. Fin. 736, 738 (2005); McConnell/Lease/Tashijan, 8 J. App. Corp. Fin. 99, 100 (1996) bzw. Tashijan/Lease/McConnell, 40 J. Fin. Econ. 135, 138 (1996) sprechen stattdessen von einem »post-voted plan«. 464 So im amerikanischen Recht etwa Carapeto, 11 J. Corp. Fin. 736, 738 (2005); McConnell/Lease/Tashijan, 8 J. App. Corp. Fin. 99, 100 (1996) bzw. Tashijan/Lease/McConnell, 40 J. Fin. Econ. 135, 138 (1996). Demgegenüber findet sich etwa In re Pioneer Finance Corp., 246 B. R. 626, 630 (Bankr. D. Nev. 2000) oder bei Case/Harwood, 1991 Ann. Surv. Am. L. 75, 81 (1991); Collier on Bankruptcy, P 1100.10, für diese Untergruppe die Bezeichnung als »prepackaged plan«. 465 ZInsO 2008, 418.

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1970iger Jahre in Chapter 11 des Bankruptcy Code eine derartige Regelung, 466 die im Folgenden kurz erläutert werden soll. 1. Die gesetzliche Regelung in 11 U. S. C. § 1126 (b) Im Normtext des U. S. Bankruptcy Code findet man weder den Begriff der »prepackaged bankruptcy« bzw. des »prepackaged plan« noch den einer »prevoted bankruptcy«. Diese Begriffe haben sich vielmehr in der Literatur und Insolvenzpraxis gebildet, um eine gesetzliche Regelung zu beschreiben, die es nicht nur zulässt, vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über einen Plan zu verhandeln und abzustimmen; sie macht dieses außergerichtliche Abstimmungsergebnis sogar unmittelbar zum Gegenstand der gerichtlichen Bestätigungsentscheidung, so dass eine nochmalige Abstimmung über den Plan im gerichtlichen Verfahren entfällt. Die fragliche gesetzliche Regelung findet sich in 11 U. S. C. § 1126 (b).467 Danach muss das Insolvenzgericht die Zustimmung eines Gläubigers oder Gesellschafters zum Plan als gegeben unterstellen, obwohl diese Zustimmung schon vor der Verfahrenseröffnung erklärt wurde, wenn die außergerichtliche Abstimmung auf einer hinreichenden Informationsgrundlage erfolgte. Um diese Voraussetzung zu erfüllen, müssen bei der Stimmabgabe alle Informationspflichten erfüllt werden, die sich hinsichtlich des Planinhalts aus den allgemeinen, nicht-insolvenzrechtlichen Bestimmungen ergeben.468 Sind derartige Rege466 Die Wurzeln dieser Verfahrensgestaltung finden sich bereits in der Praxis der Equity Receivership, die sich im 19. Jahrhundert in den Vereinigten Staaten entwickelte. Schon in diesem Verfahren wurde durch Verhandlungen unter den Gläubigerrepräsentanten ein Reorganisationsplan entworfen und den Gläubigern zur Abstimmung zugeleitet, bevor ein Gericht zur Durchführung der auf dem Plan beruhenden Unternehmensveräußerung eingeschaltet wurde. In der späten Entwicklungsphase dieser Praxis wurde auf die gerichtliche Veräußerung schließlich verzichtet und stattdessen nur noch der Plan gerichtlich bestätigt. Siehe zum Ganzen die Ausführungen im Ersten Kapitel unter C. V. 1. a). (2). und (3). 467 Ergänzende Regelungen, die Verfahrensdetails einer prepackaged bankruptcy regeln, finden sich zudem in 11 U. S. C. § 1125 (g) und § 341 (e) sowie in einigen der Federal Rules of Bankruptcy Procedure. Im Gerichtsbezirk des Bankruptcy Court for the Southern District of New York, in dem aufgrund des Firmensitzes in New York viele bedeutende Insolvenzfälle verhandelt werden, sind zudem die General Orders 201 und 203 des Gerichts vom 2. bzw. 24. Februar 1999 zu beachten, die Hinweise für die Durchführung und gerichtlichen Behandlung einer prepackaged bankruptcy in diesem Gericht gibt, die zwar eigentlich unverbindlich, aber in der Praxis einzuhalten sind – siehe dazu auch Weil,Gottschal & Manges LLP, Reorganizing Failing Business, 12–54 f. 468 Da keine Bestimmung außerhalb des Insolvenzrechts existiert, die explizit Anforderungen an einen Reorganisationsplan stellt, ist für die Frage der Anwendung allgemeiner Vorschriften allein der Planinhalt entscheidend. Ist danach etwa der Austausch oder die Ausgabe von Wertpapieren vorgesehen, so sind die einschlägigen Regelungen des Wertpapierrechts zu beachten, die sich etwa aus dem Securities Act oder dem Exchange Act (siehe dazu etwa Case/ Harwood, 1991 Ann. Surv. Am. L. 75, 114 ff. (1991) oder Weil, Gottschal & Manges LLP, Reorganizing Failing Business, 12–29 f.), aber auch aus einzelstaatlichen Bestimmungen ergeben können. Probleme mit dem Wertpapierrecht Kaliforniens gab es etwa In re Sunshine Precious

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lungen im Einzelfall nicht einschlägig, so bestimmt 11 U. S. C. § 1125 (a), welche Informationen den zur Abstimmung aufgerufenen Beteiligten geliefert werden müssen. Zur Erfüllung dieser Informationspflichten wird ihnen daher neben dem Planentwurf auch ein »disclosure statement«469 zugeleitet, das in Form eines Prospekts alle relevanten Informationen enthält. Dieses disclosure statement entspricht dabei nur dann den Anforderungen aus 11 U. S. C. § 1125 (a), wenn es den Beteiligten angemessene Informationen (»adequate information«) über den Abstimmungsgegenstand liefert, wobei zur Bestimmung der Angemessenheit des Informationsumfangs Umstände wie die Art und Geschichte des Schuldners, die beim Schuldner vorhandene Buchführung, die Komplexität des Falls oder die Kosten der Beschaffung und Wiedergabe der Information ebenso zu berücksichtigen sind wie das Informationsinteresse des typischen Gläubigers bzw. Gesellschafters.470 Insgesamt folgt die Anerkennung der vorzeitigen, außergerichtlichen Abstimmung im Insolvenzverfahren somit allein aus der Einhaltung derjenigen gesetzlichen Regelungen, die eine umfassende Information der Gläubiger bzw. Gesellschafter und damit eine fehlerfreie Willensbildung sicherstellen. 2. Das Verfahren einer pre-voted bankruptcy In der Praxis findet die Möglichkeit einer pre-voted bankruptcy nach einer Anlaufzeit von immerhin acht Jahren471 (!!) inzwischen durchaus verbreitet Anwendung. So wurden etwa im Jahr 2002 von den 93 großen Unternehmen, die ein Chapter 11-Verfahren durchliefen, 52 (55,9 Prozent) im Verfahren veräußert und von den restlichen 41 Fällen immerhin 26 (63,4 Prozent bzw. 27,9 Prozent aller Fälle) durch eine pre-voted bankruptcy reorganisiert.472 Gut die Hälfte der Metals Inc., 142 B. R. 918 (Bankr. D. Idaho 1992). Ob eine Missachtung dieser Vorschriften durch die Einhaltung der subsidiären insolvenzrechtlichen Anforderungen an ein disclosure statement sowie den guten Glauben des Schuldners gemäß 11 U. S. C. § 1125 (e) geheilt werden kann, ist streitig (vgl. Weil,Gottschal & Manges LLP, Reorganizing Failing Business, 12–32 ff. m. w. N.), kann hier aber dahinstehen. 469 So die Bezeichnung etwa in 11 U. S. C. § 1125 (b). 470 Eine Liste der in ein disclosure statement typischerweise aufzunehmenden Informationen findet man beispielsweise bei Weil,Gottschal & Manges LLP, Reorganizing Failing Business, 12–31. Ein anschauliches Beispiel für eine detaillierte gerichtliche Prüfung fi ndet sich etwa In re City of Colorado Springs Spring Creek General Improvement District, 177 B. R. 684, 689 (Bankr. D. Colo. 1995). 471 Als erster bedeutender Fall einer prepackaged bankruptcy gilt die Insolvenz der Crystal Oil Co., Not Reported in B. R., WL 732981 (Bankr. W. D. La. 1986) im Jahre 1986, immerhin acht Jahre nach dem Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung – vgl. McConnell/Servaes, 3 J. App. Corp. Fin. 93, 94 (1991); Tashijan/Lease/McConnell, 40 J. Fin. Econ. 135, 136 (1996). 472 So die Studie von Baird/Rasmussen, 56 Stan. L. Rev. 673, 679 (2003–2004). In der Zeit von 1991 bis 1998 waren es durchschnittlich nur 14 Prozent der Chapter 11-Verfahren, die einen prepackaged plan beinhalteten – so die Studie von Kalay/Singhal/Tashijan, 84 J. Fin. Econ. 772, 777 (2007).

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Chapter 11-Verfahren großer Unternehmen, die mit einem bestätigten Plan enden, sind damit inzwischen Verfahren mit einem prepackaged plan.473 Die Verbreitung des Verfahrens unter allen Unternehmensinsolvenzen nach Chapter 11 ist demgegenüber mit nur ca. 6 Prozent vergleichsweise gering, 474 was zum einen auf eine steigende Attraktivität des regulären Chapter 11-Verfahrens infolge der Entdeckung der auch dort möglichen übertragenden Sanierung, zum anderen aber auch darauf zurückgeführt wird, dass eine prepackaged bankruptcy nur zwar überschuldeten, ansonsten aber operativ erfolgreichen Unternehmen tatsächlich hilft.475 Eine pre-voted bankruptcy läuft in der amerikanischen Insolvenzpraxis im Wesentlichen nach einem ähnlichen Muster ab, das in der Unternehmenskrise mit der Aufnahme von Vergleichsverhandlungen mit den Schlüsselgläubigern beginnt. Im Rahmen dieser Vergleichsverhandlungen, hier auch »out-of-court settlement negotiations« oder »workout« genannt, organisiert der Schuldner ein Treffen mit den wichtigsten Gläubigern aus all den Gläubigergruppen, die von seinem Plan in ihren Rechtspositionen beeinträchtigt werden.476 In diesem Treffen werden in der Regel Gläubigerausschüsse (»unofficial committees«) gemäß 11 U. S. C. § 1102 (b) (1) gebildet und deren Repräsentanten gewählt. Im Anschluss verhandelt der Schuldner mit diesen Gläubigervertretern und entwickelt gemeinsam mit ihnen den zur Abstimmung gelangenden Plan sowie das dazu gehörende disclosure statement, wobei der Plan bereits die Anforderungen einhalten muss, die Chapter 11 insbesondere in 11 U. S. C. §§ 1122, 1123 und § 1129 an den Planinhalt aufstellt. Das disclosure statement muss zudem neben den Anforderungen in 11 U. S. C. § 1125 (a) vor allem auch eventuelle spezialgesetzliche Informationspflichten erfüllen. Am Ende der Verhandlungen wird der Plan zusammen mit dem disclosure statement an diejenigen Gläubiger und Gesellschafter versandt, die vom Planinhalt in ihren Rechten betroffen werden.477 473 So die Schätzung von Adler/Baird/Jackson, Bankruptcy, S. 670. Die statistischen Daten von Carapeto, 11 J. Corp. Fin. 736, 741 (2005), stützen zumindest die Annahme einer positiven Entwicklung. Danach hat zwischen 1986 und 1997 nur in 37 von 144 Planverfahren großer Unternehmen (Insolvenzmasse über $ 50 Mio.) eine prepackaged bankruptcy stattgefunden (25,7 Prozent). 474 Weil,Gottschal & Manges LLP, Reorganizing Failing Business, 12–2. 475 Weil,Gottschal & Manges LLP, Reorganizing Failing Business, 12–2; siehe auch Case/ Harwood, 1991 Ann. Surv. Am. L. 75, 90 (1991). Näher zu den Effekten dieser Verfahrensgestaltung und deren Grenzen im nächsten Abschnitt. 476 Dabei ist darauf hinzuweisen, dass auf Verhandlungen mit Gläubigergruppen, in deren Rechte durch den Plan nicht eingegriffen werden soll, verzichtet werden kann, da diese Gruppen im Fall eines Planverfahrens stets als dem Plan zustimmende Gruppen angesehen werden – vgl. 11 U. S. C. § 1126 (f). 477 Hier ist darauf zu achten, dass bei verbrieften Forderungen wie etwa Anleihen, nicht der Verwahrer dieser Anleihen (in den Vereinigten Staaten oft eine Investmentbank oder ein Broker), sondern der Forderungsinhaber informiert und um eine Stimmabgabe gebeten wird – vgl. Rule 3017(e) und 318 (b) der Federal Rules of Bankruptcy Procedure. Wegen der sich hieraus praktisch ergebenden Probleme siehe weiterführend etwa Weil,Gottschal & Manges

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In einem ebenfalls zugesandten Abstimmungsformular478 sind diese dann aufgefordert, sich zustimmend oder ablehnend gegenüber dem Plan zu äußern.479 Können für den Plan in der außergerichtlichen Abstimmung die Mehrheiten erreicht werden, die in einem Planverfahren nach Chapter 11 für die Annahme des Plans notwendig sind,480 so war die Abstimmung erfolgreich und der Schuldner wird nun einen Antrag auf Eröffnung des Planverfahrens nach Chapter 11 beim zuständigen Insolvenzgericht stellen, wo er zugleich den Plan, das disclosure statement sowie die Zustimmungserklärungen einreicht. Das Gericht wird dann einen gemeinsamen Termin zur Prüfung des disclosure statement (»hearing on disclosure statement and objections«) 481 sowie zur Planbestätigung (»confirmation hearing«) 482 anberaumen, um auf diese Weise in nur einem Termin einerseits über die Angemessenheit der gelieferten Information und die damit einhergehende Rechtmäßigkeit der Abstimmung sowie andererseits über die Bestätigung des Plans, also die Einhaltung der gesetzlichen Plananforderungen, zu verhandeln und zu entscheiden. Im Idealfall kann das gerichtliche Insolvenzverfahren auf diese Weise auf einen einzigen Termin beschränkt werden. 3. Die Effekte und Grenzen dieser Verfahrensgestaltung Die wesentlichen Effekte, die mit Hilfe der prepackaged bankruptcy, vor allem aber mit dem Instrument der pre-voted bankruptcy, also der bloßen Bestätigungsinsolvenz, in der amerikanischen Insolvenzpraxis erreicht werden, können wie folgt skizziert werden.

LLP, Reorganizing Failing Business, 12–35 ff. oder Case/Harwood, 1991 Ann. Surv. Am. L. 75, 144 ff. (1991). 478 Die Abstimmung erfolgt stets schriftlich – vgl. Rule 3018 (c) der Federal Rules of Bankruptcy Procedure. Ein offizielles Abstimmungsformular findet sich in Nr. 14 der Official Forms zum U. S. Bankruptcy Code. 479 Zur Stimmabgabe müssen praktisch alle vom Plan Betroffenen aufgefordert werden und ihnen ist dafür genügend Zeit einzuräumen – vgl. Rule 3018 (b) der Federal Rules of Bankruptcy Procedure. Weil,Gottschal & Manges LLP, Reorganizing Failing Business, 12– 41, halten einen Zeitraum von mindestens 30 Tagen für notwendig. 480 11 U. S. C. § 1126 (c) verlangt dafür je betroffener Gläubigergruppe die einfache Kopfsowie eine zwei Drittel Summenmehrheit. Bei Gesellschaftergruppen genügt hingegen nach 11 U. S. C. § 1126 (d) eine zwei Drittel Mehrheit der Anteile, soweit diese Gruppen überhaupt abstimmen – sollen nämlich die Gesellschafter nach dem Plan nichts für den Verlust ihrer Anteilsrechte erhalten, so ist eine Abstimmung überflüssig, da diese Gruppen gemäß 11 U. S. C. § 1126 (g) stets als den Plan ablehnende Gruppen gewertet werden. 481 Die Prüfung der Angemessenheit des disclosure statement ist zwingender Gegenstand des Planverfahrens – vgl. Rule 3016 (b) und Rule 3017 der Federal Rules of Bankruptcy Procedure. 482 Auch zur Planbestätigung ist ein vorheriger Termin notwendig, in dem über Einwendungen gegen den Plan verhandelt wird – vgl. Rule 3020 (b) der Federal Rules of Bankruptcy Procedure.

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a) Die Überwindung von Blockadehaltungen Der Hauptgrund einer pre-voted bankruptcy liegt natürlich in der Überwindung der Blockademacht, die Minderheitsgläubigern bzw. -gesellschaftern in außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen aufgrund des dortigen Einstimmigkeitserfordernisses zukommt.483 Da Chapter 11 demgegenüber einen Plan bereits infolge der Zustimmung einer qualifizierten Mehrheit von Gläubigern und Gesellschaftern für alle Beteiligten verbindlich werden lässt, kann ein in diesem Verfahren bestätigter Plan allen Beteiligten gegenüber umgesetzt werden. Diese Bindungsmacht wird durch diese Verfahrensgestaltung genutzt. b) Die Planbarkeit des Verfahrensergebnisses Ein zweiter entscheidender Effekt liegt darin, dass durch das bereits vorhandene Abstimmungsergebnis der Ausgang des Insolvenzverfahrens vorhersehbar wird. Unter den Gläubigern und Gesellschaftern, beim Management des Schuldners wie auch in der Öffentlichkeit entsteht damit eine sichere Basis für die Prognose der weiteren Unternehmensentwicklung. Das Insolvenzverfahren wird damit eigentlich erst durch die pre-voted bankruptcy tatsächlich »planbar«.484 Das Risiko des Scheiterns reduziert sich auf das Prozessrisiko hinsichtlich der Einhaltung aller Bestimmungen über den Planinhalt und die Anforderungen an die Information der Abstimmenden und ist damit identisch mit dem einer gerichtlichen Durchsetzung von Zustimmungspflichten zu einem Workout.485

483 Crames/Edelman/Kress, Fundamentals of Bankruptcy and Corporate Reorganization, S. 201; McConnell/Servaes, 3 J. App. Corp. Fin. 93, 95 (1991); Collier on Bankruptcy, P 1100.10. 484 Case/Harwood, 1991 Ann. Surv. Am. L. 75, 83 f. (1991). 485 Diesbezüglich bleibt allerdings – wie bei allen gerichtlichen Verfahren zur Rechtsdurchsetzung – ein nicht unerhebliches Prozessrisiko, insbesondere vor dem Hintergrund der doch sehr allgemein formulierten Informationspfl ichten in 11 U. S. C. § 1125 (a) – eine umfassende Darstellung der Fehlerquellen findet sich etwa bei Weil,Gottschal & Manges LLP, Reorganizing Failing Business, 12–28 ff. Case/Harwood, 1991 Ann. Surv. Am. L. 75, 190 (1991), zitieren einen Richter, der gar von »Russischem Roulette« spricht. Ein gutes Beispiel für einen (zunächst) scheiternden Plan bietet In re Southland Corp., 124 B. R. 211 (Bankr. N. D. Tex. 1991); für eine ausführliche Fallbesprechung siehe etwa Case/Harwood, 1991 Ann. Surv. Am. L. 75, 136 ff. (1991) oder Crames/Edelman/Kress, Fundamentals of Bankruptcy and Corporate Reorganization, S. 203 ff. Hier sollten klarere Standards geschaffen werden. Die Notwendigkeit eines vorgelagerten Feststellungsurteils über die Einhaltung aller Vorschriften, wie Case/Harwood, 1991 Ann. Surv. Am. L. 75, 136 ff. (1991) es als Reformmodell vorschlagen, würde demgegenüber das Prozessrisiko nur vorverlagern, nicht aber beseitigen – siehe bezüglich dieses Modells auch die Kritik in der Diskussion anlässlich des Jahrestreffens – abgedruckt im Anschluss an Case/Harwood, 1991 Ann. Surv. Am. L. 75 (1991) ab S. 237 ff.

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c) Reduzierung der Dauer und der Kosten des gerichtlichen Insolvenzverfahrens Ein weiterer, wesentlicher Effekt der pre-voted bankruptcy ist die Reduzierung des gerichtlichen Insolvenzverfahrens auf einen einzigen Termin, in dem sowohl über die hinreichende Information der Beteiligten als auch über die Gesetzmäßigkeit des angenommenen Plans verhandelt und entschieden wird. Folgerichtig verringert sich die Zeit, die das Schuldnerunternehmen in der Insolvenz verbringt, erheblich. Die durchschnittliche Verfahrensdauer reduziert sich bei einer pre-voted bankruptcy auf 30 bis 120 Tage gegenüber nahezu 2 Jahren in unvorbereiteten Chapter 11-Verfahren.486 Einzelne Verfahren dauerten nur noch wenige Tage! 487 Folgerichtig nahmen auch die im gerichtlichen Verfahren entstehenden Kosten gegenüber einem unvorbereitetem Planverfahren ab, soweit sie von der Dauer des Verfahrens abhängen, insbesondere also die Kosten für Berater, Anwälte und Ausschussmitglieder.488 Dabei ist allerdings zu beachten, dass diese Kostenersparnis nur die mit dem gerichtlichen Verfahren verbundenen Kosten betrifft, andererseits aber mehr Zeit für außergerichtliche Verhandlungen aufgewandt werden muss489 und der Schuldner in der Regel die Kosten der Berater sowie Repräsentanten der Gläubiger in den außergerichtlichen Verhandlungen übernimmt. Die außergerichtlichen Kosten sind in einer pre-voted bankruptcy daher in der Regel höher als 486 Case/Harwood, 1991 Ann. Surv. Am. L. 75, 84 (1991); Crames/Edelman/Kress, Fundamentals of Bankruptcy and Corporate Reorganization, S. 201. McConnell/Lease/Tashijan, 8 J. App. Corp. Fin. 99, 100 f. (1996) bzw. Tashijan/Lease/McConnell, 40 J. Fin. Econ. 135, 141 f. (1996), stellten in empirischen Untersuchungen von pre-voted prepacks eine durchschnittliche Verfahrensdauer von nur 1,9 Monaten fest, während die Verfahren bei post-voted prepacks im Schnitt immerhin 6 Monate und bei unvorbereiteten Planverfahren 23,2 Monate dauerten. Ähnliche Ergebnisse finden sich bei Carapeto, 11 J. Corp. Fin. 736, 744 (2005): 42 Tage gegenüber 412 Tage durchschnittliche Verfahrensdauer bei nur einem Plan als Verfahrensgegenstand. 487 So hat etwa das Chapter 11-Verfahren der Blue Bird Body Co., ein Schulbushersteller aus Fort Valley, Ga., ganze vier Tage gedauert! (Das Verfahren ist leider nicht veröffentlicht; siehe aber die entsprechende Mitteilung in Westlaw unter 2006 WLNR 2322894.) 488 Vgl. wiederum die empirischen Daten bei McConnell/Lease/Tashijan, 8 J. App. Corp. Fin. 99, 101 (1996) bzw. Tashijan/Lease/McConnell, 40 J. Fin. Econ. 135, 143 f. (1996): Danach lagen die direkten Kosten für pre-voted prepacks im Schnitt bei 1,65 Prozent der Insolvenzmasse, bei post-voted prepacks waren es schon 2,31 Prozent und bei unvorbereiteten Planverfahren immerhin 2,8 Prozent. Die Kosten sanken also um gut 40 Prozent. Auch Carapeto, 11 J. Corp. Fin. 736, 742 ff. (2005), findet Belege für eine Kostenersparnis. 489 McConnell/Lease/Tashijan, 8 J. App. Corp. Fin. 99, 100 f. (1996) bzw. Tashijan/Lease/ McConnell, 40 J. Fin. Econ. 135, 141 f. (1996), fanden in ihren empirischen Untersuchung heraus, dass die Zeit, die insgesamt für die Krisenbewältigung, also vom Beginn der Verhandlungen mit den Gläubigern bis Verabschiedung eines Konzeptes, aufgewandt wurde, bei prevoted prepacks mit durchschnittlich bei 21,9 Monaten sogar leicht höher war als bei post-voted prepacks mit 20,9 Monaten. Wurde hingegen erst im unvorbereiteten Planverfahren mit den Verhandlungen begonnen, so nahm der gesamte Lösungsfindungsprozess durchschnittlich 28,5 Monate in Anspruch.

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vor einem unvorbereiteten Planverfahren. In der Summe aller direkten Kosten bleibt dennoch eine Kostenreduktion gegenüber dem unvorbereiteten Insolvenzverfahren erhalten.490 Der Umstand, dass überhaupt ein gerichtliches Insolvenzverfahren stattfindet, begrenzt zugleich auch grundsätzlich den positiven Kosteneffekt einer prevoted bankruptcy. Die mit der Einschaltung eines Insolvenzgerichts und einem – auch noch so kurzen – Verfahren verbundenen Kosten für das Gericht sowie Berater oder Anwälte können auf diesem Wege nicht umgangen werden. Zudem droht ein Gang durch die Gerichtsinstanzen mit allen damit einhergehenden Kosten und Verzögerungseffekten. In dieser Hinsicht ist auch diese Art der Verfahrensgestaltung einem erfolgreichen außergerichtlichen Vergleich unterlegen,491 weshalb es nur zum Zuge kommen soll, soweit die außergerichtliche Einigung nicht gelingt.492 d) Reduzierung der indirekten Insolvenzkosten Neben einer Verringerung der direkten Insolvenzkosten kann die pre-voted bankruptcy auch eine Reduktion der indirekten Insolvenzkosten bewirken. Diese Kosten beruhen im Kern auf dem Vertrauensverlust in die Zukunft des Unternehmens, der in der Öffentlichkeit wie bei den Geschäftspartnern des Schuldners mit dem Schlagwort der Insolvenz verbunden ist.493 Eine gänzliche Vermeidung dieser Kosten kann zwar wiederum allein ein (in der Verhandlungsphase geheim gehaltener) außergerichtlicher Vergleich erzielen. 494 Kommt dieser allerdings nicht zustande, so vermag es auch ein stattdessen außergerichtlich immerhin mehrheitlich angenommener Plan in Verbindung mit einer prevoted bankruptcy, Zuversicht und Vertrauen in die Zukunft des Unternehmens 490 So Weil,Gottschal & Manges LLP, Reorganizing Failing Business, 12–10 f.; ebenso Crames/Edelman/Kress, Fundamentals of Bankruptcy and Corporate Reorganization, S. 211. 491 Vgl. wiederum McConnell/Lease/Tashijan, 8 J. App. Corp. Fin. 99, 101 (1996) bzw. Tashijan/Lease/McConnell, 40 J. Fin. Econ. 135, 143 f. (1996), wonach die direkten Kosten außergerichtlicher Vergleiche (insbesondere für Berater und Anwälte) im Schnitt bei nur 0,65 Prozent der Insolvenzmasse liegen – gegenüber durchschnittlich 1,65 Prozent (also mehr als dem Doppeltem) bei pre-voted prepacks. 492 Der Einwand Eidenmüllers, Unternehmenssanierung, S. 445 f., die Kosteneffektivität einer prepackaged bankruptcy erreiche nicht die eines außergerichtlichen Vergleichs, ist ja durchaus zutreffend, aber eben auch irreführend, sollen sich doch beide Verfahren nicht ausschließen, sondern ergänzen. Sein Einwand hingegen, dass Verfahren sei in seinen Effekten einem konventionellen Insolvenzplanverfahren sehr ähnlich, lässt sich aufgrund der aufgezeigten empirischen Daten entkräften. 493 Siehe dazu bereits die Ausführungen im Ersten Kapitel A. III. 1. a). und 3. b). 494 Chapter 11 ermöglicht es in 11 U. S. C. § 1126 (f) immerhin, diejenigen Gläubiger, die vom Plan nicht beeinträchtigt werden sollen, aus den Verhandlungen herauszuhalten. Insbesondere die sensiblen Lieferantenbeziehungen müssen daher auch bei der Verhandlung von prepackaged plans nicht belastet werden, wenn diese Gläubiger voll befriedigt werden sollen, da die Verhandlungen vor ihnen geheim gehalten werden können – vgl. dazu Crames/Edelman/Kress, Fundamentals of Bankruptcy and Corporate Reorganization, S. 212 f.

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auszustrahlen und auf dieser Basis sowohl den Vertrauensverlust als auch den damit einhergehenden Wertverlust bei Aktien oder sonstigen Anteilsrechten zu begrenzen.495 Um diesen Effekt zur erreichen, werden in der amerikanischen Insolvenzpraxis sehr häufig die außergerichtlichen Einigungsbemühungen, die bei großen börsennotierten Aktiengesellschaften in den meisten Fällen auf einen Tausch von Forderungen in Aktien hinauslaufen (sog. »debt-reducing exchange offers«),496 mit der Entwicklung eines inhaltsgleichen Insolvenzplans verbunden, der allen Anforderungen des Chapter 11 entspricht. Am Ende der Verhandlungsphase, sobald also die Repräsentanten der jeweiligen Gruppen das Verhandlungsergebnis tragen, werden dann sowohl der außergerichtliche Vergleich als auch der inhaltsgleiche497 Insolvenzplan den zur Abstimmung aufgerufenen Gläubigern zugeleitet, wobei diese darauf hingewiesen werden, dass sie zwar über beide Vorschläge abstimmen sollen, ihr Votum über den Plan als »pre-voted plan« aber nur dann Bedeutung erlangt, wenn die außergerichtliche Einigung die notwendigen Zustimmungsquote498 verfehlt.499 Wenn in dieser Situation wenigstens der Plan die notwendigen Mehrheiten erreicht, fällt das Signal über den Unternehmenszustand an die Öffentlichkeit zwar weniger gut aus als 495 McConnell/Lease/Tashijan, 8 J. App. Corp. Fin. 99, 103 (1996) bzw. Tashijan/Lease/ McConnell, 40 J. Fin. Econ. 135, 151 f. (1996), wiesen in ihren empirischen Untersuchungen folgende ungewöhnlichen Reaktionen am Aktienmarkt nach: Die Mitteilung der Notwendigkeit von Restrukturierungsverhandlungen ließ die Aktienrendite im Vergleich zum Index (»excess stock return«) bei außergerichtlichen Vergleichen durchschnittlich um 1,6 Prozent sinken; die Mitteilung einer Einigung steigerte dann die Rendite um durchschnittlich 0,7 Prozent. Bei pre-voted prepacks sank die Rendite bei Ankündigung zunächst um 3,9 Prozent, um dann schon bei der Eröffnung des Chapter 11-Verfahrens um 3,2 Prozent über dem Index zu liegen. Dieser Wert steigerte sich bei Abschluss dieses Verfahrens auf 7,6 Prozent. Die Einleitung eines Chapter 11-Verfahrens zur Durchsetzung eines pre-voted prepacks ist demnach durchaus eine gute Nachricht und schafft Vertrauen. Unzutreffend daher Eidenmüllers, Unternehmenssanierung, S. 445 f. 496 Case/Harwood, 1991 Ann. Surv. Am. L. 75, 127 ff. (1991); Tashijan/Lease/McConnell, 40 J. Fin. Econ. 135, 154 (1996); Weil,Gottschal & Manges LLP, Reorganizing Failing Business, 12–12. Als bekannte Beispiele seien nur folgende Fälle genannt: In re Southland Corp., 124 B. R. 211 (Bankr. N. D. Tex. 1991); In re Pioneer Finance Corp., 246 B. R. 626 (Bankr. D. Nev. 2000). Der jüngste bedeutende Fall eines derartigen Tauschangebots erfolgte im Vorfeld der Insolvenz der CIT Group. Inc. im Herbst 2009. Siehe allgemein zu debt-reducing exchange offers und deren Effektivität in der Unternehmenskrise: Lie/Lie/McConnell, 7 J. Corp. Fin. 179 (2001). 497 Tashijan/Lease/McConnell, 40 J. Fin. Econ. 135, 154 (1996). 498 In der Regel wird die Zustimmung von 90 bis 95 Prozent der Gläubiger notwendig sein, um das Verfahren durchzuführen – vgl. Case/Harwood, 1991 Ann. Surv. Am. L. 75, 128 (1991); McConnell/Lease/Tashijan, 8 J. App. Corp. Fin. 99, 104 (1996); Weil,Gottschal & Manges LLP, Reorganizing Failing Business, 12–11. Die wirtschaftlichen Mittel reichen dann aus, um die ablehnenden Gläubiger voll zu befriedigen. 499 Näher zu solchen sog. »dual-track cases«: Weil,Gottschal & Manges LLP, Reorganizing Failing Business, 12–21 f. Ein aktuelles Beispiel für eine derartige Vorgehensweise findet sich in den Verhandlungen der CIT Group Inc. vom Oktober 2009.

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bei einem erfolgreichen Tauschangebot. Die Ankündigung einer schnellen prevoted bankruptcy ist aber stets eine wesentlich bessere Neuigkeit als die einer unvorbereiteten Insolvenz und daher immer noch »good news«.500 Neben der Vermeidung eines Vertrauensverlustes verdient aber auch ein anderer Kosteneffekt Beachtung, der mit der Vermeidung eines langen Insolvenzverfahrens einhergeht: die Verringerung der Eingriffe in den Unternehmensablauf. Ein kurzes und auf einer breiten Unterstützungsbasis beruhendes Insolvenzplanverfahren gibt Schlüsselgläubigern weniger Gelegenheit, Druck auf das Unternehmen dahin gehend auszuüben, sein Management zu wechseln, und auf diese Weise Unterbrechungskosten zu erzeugen.501 Zugleich bringt jedes Insolvenzverfahren auch im Fall einer Eigenverwaltung Restriktionen für das Management mit sich, die dazu führen können, dass notwendige Restrukturierungsmaßnahmen vorerst unterbleiben. Insbesondere die zur Krisenbewältigung oft nützliche Veräußerung von defizitären Unternehmensteilen wird im gerichtlichen Verfahren nicht ohne die Rückendeckung des Insolvenzgerichts bzw. der Gläubiger vollzogen werden können. 502 Derartige Anstrengungen werden so in die Länge gezogen oder gar nicht erst angegangen. Die Reduzierung der Verfahrensdauer kann hier helfen und die Handlungsmöglichkeiten für das Unternehmensmanagement frühzeitig erweitern, so dass Einsparungseffekte schneller erzielt werden. 503 Insgesamt reduziert sich mit der Verfahrensdauer also schlicht auch der Zeitraum, in welchem erhebliche Störungen von außen in den Unternehmensablauf möglich sind, was generell positive Kosteneffekte zeigt.504 Und nicht zuletzt wird durch das verkürzte und abgesicherte Verfahren auch das Risiko einer feindlichen Übernahme im Wege einer Investorenlösung in einem Chapter 11-Verfahren weitgehend ausgeschlossen. 505 500 Nach McConnell/Lease/Tashijan, 8 J. App. Corp. Fin. 99, 103 (1996), beträgt die Überschussrendite bei pre-voted prepacks zum Zeitpunkt der Ankündigung von Verhandlungen zunächst nur –3,9 Prozent, um dann schon bei der Eröffnung des Chapter 11-Verfahrens im Angesicht des angenommenen Plans +3,2 Prozent zu erreichen. Dieser Wert steigerte sich bei Abschluss dieses Verfahrens auf +7,6 Prozent. Demgegenüber liegt bei unvorbereiteten Planverfahren die Überschussrendite schon bei der Ankündigung von Verhandlungen nur bei –6,3 Prozent und sink bis zur Verfahrenseröffnung auf –16,7 Prozent ab. Die Einleitung eines Chapter 11-Verfahrens zur Durchsetzung eines pre-voted prepacks ist also eine vergleichsweise sehr gute Nachricht. 501 So Weil,Gottschal & Manges LLP, Reorganizing Failing Business, 12–6. 502 Derartig bedeutende Rechtsgeschäfte kann auch der sein Vermögen im Verfahren selbst verwaltende Schuldner nicht ohne die Zustimmung des Insolvenzgerichtes – so die Rechtslage in den Vereinigten Staaten gemäß 11 U. S. C. § 363 (b) – bzw. des Gläubigerausschusses vornehmen – so die Rechtslage in Deutschland gemäß § 276 InsO – vornehmen. 503 Case/Harwood, 1991 Ann. Surv. Am. L. 75, 85 f. (1991); Crames/Edelman/Kress, Fundamentals of Bankruptcy and Corporate Reorganization, S. 212; Weil,Gottschal & Manges LLP, Reorganizing Failing Business, 12–9. 504 Weil,Gottschal & Manges LLP, Reorganizing Failing Business, 12–8 f. 505 Crames/Edelman/Kress, Fundamentals of Bankruptcy and Corporate Reorganization, S. 211 f.

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e) Unterstützung der außergerichtlichen Einigungsbemühungen Gerade die Kombination von außergerichtlichem Einigungsvorschlag und Planvorschlag als »dual-track case« in einer Abstimmung kann zudem einen erheblichen Disziplinierungseffekt mit sich bringen und damit auch zum Erfolg der außergerichtlichen Bemühungen erheblich beitragen. Die ablehnende Haltung vieler Gläubiger gegenüber einem Vergleichsangebot beruht in der Regel auf der Ansicht, ihre Forderungen seien mehr wert als der Betrag, der ihnen derzeit geboten wird. Wird ihnen in dieser Situation vor Augen geführt, dass bei der wahrscheinlichen Annahme des ebenfalls zur Abstimmung stehenden Insolvenzplans eine ihren Hoffnungen entsprechende Erfüllung ihrer Forderung ausgeschlossen ist, so entfällt der Blockadeanreiz und die Anziehungskraft der schnellen und weniger aufwendigeren außergerichtlichen Lösung steigt.506 f) Strukturierung der außergerichtlichen Verhandlungen Auch die Vergleichsverhandlungen können schon davon profitieren, dass der Schuldner von vornherein versucht, sich die Möglichkeit eines Auswegs über einen »pre-voted plan« zu erhalten. Um den gesetzlichen Anforderungen des Chapter 11 an den Plan gerecht zu werden, müssen die Gläubiger und Gesellschafter in Gruppen zusammengefasst werden, so dass es naheliegt, schon die Verhandlungen mit denselben Gläubigergruppen bzw. deren Repräsentanten zu führen. Der Kreis der Verhandlungsteilnehmer kann so entscheidend reduziert werden. Zugleich werden durch die Anforderungen an das disclosure statement Anreize geschaffen, schon sehr frühzeitig alle relevanten Informationen zusammenzutragen und offenzulegen. Ein Beschleunigungseffekt tritt ein. Die Anforderungen des Insolvenzrechts an einen rechtmäßigen Plan sind insofern in der Lage, schon die außergerichtlichen Verhandlungen zu strukturieren und auf diese Weise Kostenrisiken zu minimieren, die bei gänzlich freien und unstrukturierten Verhandlungen des Schuldners mit seinen Gläubigern drohen.507

506 So die Erfahrungen von Salerno/Hansen, 12 J. Business Strategy 36, 38 (1991) und Weil,Gottschal & Manges LLP, Reorganizing Failing Business, 12–12; ebenso die Ansicht von Case/Harwood, 1991 Ann. Surv. Am. L. 75, 135 (1991). Demgegenüber entnehmen McConnell/Lease/Tashijan, 8 J. App. Corp. Fin. 99, 105 (1996) bzw. Tashijan/Lease/McConnell, 40 J. Fin. Econ. 135, 154 (1996), ihren empirischen Daten, dass dual-track-offers die Gläubiger eher dazu verleiten, nur der prepack-Lösung zuzustimmen, da nur diese die Lasten der Reorganisation auf alle Gläubiger, insbesondere auch auf dissentierende, verteilt. 507 Wirtschaftswissenschaftliche Modelle haben ergeben, dass unstrukturierte Verhandlungen in der Krise ineffizient sind – vgl. Berkovitch/Israel/Zender, 41 Eur. Econ. Rev. 487, 492 (1997). Ähnlich schon Balz, ZIP 1988, 1438, 1439: »Bei einer Vielzahl von Beteiligten, wie sie in Insolvenzfällen typisch ist, hat es ein hohes Maß an Plausibilität, dass eine gemeinschaftliche Willensbildung ohne Verfahren nicht stattfände – oder aber Transaktionskosten verursachen würde, welche die Kosten des Rechtsverfahrens weit übersteigen.«

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Diese positive Vorwirkung des Insolvenzrechts beschränkt sich allerdings auf die Verhandlungsstrukturierung. Die Zwangswirkungen des Insolvenzverfahrens treten demgegenüber stets erst mit dessen Eröffnung ein. Ein Vollstreckungsverbot existiert für den Zeitraum von Vergleichsverhandlungen also ebenso wenig wie ein Ablehnungsrecht bei schwebenden Verträgen oder ein Sonderkündigungsrecht für gemietete Immobilien. Zudem sind Sonderfinanzierungen über 11 U. S. C. § 364 unmöglich.508 Soweit der Schuldner aufgrund von Liquiditätsengpässen schon in der Verhandlungsphase auf diese Schutzmechanismen angewiesen ist, um sein Unternehmen vorerst vor dem Zugriff der Gläubiger zu schützen und fortführen zu können, wird die Zeit für eine außergerichtliche Einigung, aber auch für eine prepackaged bankruptcy nicht reichen. Hier ist eine schnelle Eröffnung des Insolvenzverfahren notwendig.509 Nicht jede Unternehmenskrise ist folglich ein Anwendungsfall für die prepackaged oder gar pre-voted bankruptcy. Im Gegenteil, insbesondere in den Fällen, in denen umfangreiche Umstrukturierungen und Betriebsschließungen im Raum stehen oder unübersehbar viele Gläubiger beteiligt werden müssen (»megacases«), kann das Insolvenzverfahren Hilfsmittel zur Verfügung stellen, die für das Gelingen einer Planlösung unverzichtbar sind. 510 Soweit allerdings nur eine Entschuldung funktionierender Unternehmen (insbesondere infolge eines leveraged buy-outs oder den Kreditausfällen in der weltweiten Finanzkrise) notwendig ist, erscheint die Kombination außergerichtlicher Verhandlungen mit der Option einer bloßen Bestätigungsinsolvenz als hilfreiches und effektives Instrument. g) Verbesserung der Verfahrensergebnisse Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass die Ergebnisse, die in einer prevoted bankruptcy erreicht werden, denen in einem unvorbereiteten Planverfahren überlegen sind, da insbesondere die Befriedigungsquote aller Gläubiger steigt. Empirische Untersuchungen großer Insolvenzfällen kamen zu dem Ergebnis, dass die Quote bei pre-voted prepacks im Untersuchungszeitraum im 508 Jüngere Studien belegen, dass Unternehmen, die in einem Chapter 11-Verfahren reorganisiert werden, aufgrund dieser Hilfsmittel oft schon während des Verfahrens ihr Betriebsergebnis deutlich verbessern können – vgl. etwa Kalay/Singhal/Tashijan, 84 J. Fin. Econ. 772, 782 ff. (2007). 509 Zudem können die Verhandlungen nicht den Insolvenzantrag eines Gläubigers verhindern – vgl. dazu Crames/Edelman/Kress, Fundamentals of Bankruptcy and Corporate Reorganization, S. 213 f. Immerhin hat das Insolvenzgericht dann nach 11 U. S. C. § 305 (a) (1) die Möglichkeit, vorerst das Verfahren ruhen zu lassen, wenn dies im Interesse aller Beteiligten ist. Die Verhandlungen können dann fortgeführt werden; Verhandlungsergebnisse bleiben gemäß 11 U. S. C. § 1125 (g) verwertbar; vgl. Collier on Bankruptcy, P 1100.10. 510 Dies wird allgemein anerkannt – vgl. etwa Case/Harwood, 1991 Ann. Surv. Am. L. 75, 88 ff. (1991); McConnell/Lease/Tashijan, 8 J. App. Corp. Fin. 99, 106 (1996); Salerno/Hansen, 12 J. Business Strategy 36, 38 f. (1991); Weil,Gottschal & Manges LLP, Reorganizing Failing Business, 12–14 ff. sowie 12–57.

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Schnitt bei 75,1 Prozent, bei post-voted prepacks bei 69,2 Prozent, in unvorbereiteten Planverfahren aber nur bei 50,9 Prozent lag, während außergerichtliche Einigungen eine durchschnittliche Befriedigungsquote von 80,1 Prozent erzielten.511 Zugleich mussten die Gläubiger hierfür weniger Anteile am Schuldnerunternehmen im Tausch für ihre Forderungen übernehmen, gehörten doch bei pre-voted prepacks am Ende im Schnitt nur 61,2 Prozent der Unternehmensanteile allen Gläubigern, während bei post-voted prepacks durchschnittlich immerhin 70,5 Prozent und in unvorbereiteten Planverfahren sogar 79,2 Prozent der Anteile in ihre Hände übergingen. Infolge außergerichtlicher Einigungen übernahmen die Gläubiger sogar durchschnittlich nur 41,9 Prozent der Anteile.512 Insgesamt nähern sich die Verfahrensergebnisse einer pre-voted bankruptcy folglich denen an, die in außergerichtlichen Vergleichen erzielt werden.513 Diese beachtlichen, empirisch belegten Verfahrensergebnisse liegen allerdings zu einem großen Teil auch darin begründet, dass es vor allem Unternehmen mit guten operativen Ergebnissen und daher vergleichsweise guten Fortführungschancen sind, die außergerichtlich wenigstens die mehrheitliche Zustimmung zu einem Restrukturierungskonzept erhalten. Die pre-voted bankruptcy ermöglicht es gerade solchen Unternehmen, sich schnell und sicher über eine echte Planinsolvenz von einer Schuldenlast zu befreien. 4. Ergebnis Das Instrument einer bloßen Bestätigungsinsolvenz (pre-voted bankruptcy) kann sicher keine Wunder bewirken. Unternehmen, die nicht nur überschuldet, sondern auch operativ nicht mehr erfolgreich sind, wird kein Planverfahren egal welcher Art, aber auch kein außergerichtlicher Vergleich retten. Solche Unternehmen sind in der Insolvenz schnell zu liquidieren und sie bilden die ganz überwiegende Mehrzahl aller Unternehmensinsolvenzen in der Gerichtspraxis.514 511 McConnell/Lease/Tashijan, 8 J. App. Corp. Fin. 99, 101 f. (1996). Nach Tashijan/Lease/ McConnell, 40 J. Fin. Econ. 135, 147 (1996), können sogar die ungesicherten Gläubiger bei pre-voted prepacks im Schnitt 65,3 Prozent, bei post-voted prepacks immerhin noch 61,9 Prozent ihrer Forderungen realisieren. 512 McConnell/Lease/Tashijan, 8 J. App. Corp. Fin. 99, 103 (1996) bzw. Tashijan/Lease/ McConnell, 40 J. Fin. Econ. 135, 150 (1996). Die übrigen Anteile blieben in der Regel in der Hand der alten Gesellschafter (im Schnitt 21,6 Prozent). Neue Investoren konnten hingegen nur selten gefunden werden, übernahmen dann aber in der Regel die Anteilsmehrheit (durchschnittlich 52,2 Prozent). 513 Der Einwand Eidenmüllers, Unternehmenssanierung, S. 445 f., dass Verfahren sei in seinen Effekten eher einem konventionellen Insolvenzplanverfahren ähnlich, erscheint daher keinesfalls als zutreffend. 514 Dies gilt in den Vereinigten Staaten ebenso wie in Deutschland – vgl. Case/Harwood, 1991 Ann. Surv. Am. L. 75, 90 (1991). Eine prepackaged bankruptcy jeder Art scheidet für die meisten insolventen Unternehmen daher von vornherein aus. Eine Checkliste der vom Unter-

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Für die wenigen Krisenunternehmen hingegen, die zwar überschuldet, aber operativ erfolgreich sind oder aber umgekehrt über finanzielle Rücklagen für eine Reorganisation ihrer derzeit nicht erfolgreichen Unternehmensteile verfügen, stellt sich in der Krise allerdings die Frage nach dem richtigen Instrument der Krisenbewältigung und dieses Instrument ist grundsätzlich immer noch das der außergerichtlichen Einigung. Wenn diese allerdings zu scheitern droht, bedarf es einer effektiven Alternative zur Durchsetzung einer zumindest mehrheitlich getragenen Lösung. Das deutsche Recht offeriert in dieser Situation allein das Planverfahren der §§ 217 ff. InsO und erlaubt dort nur die Vorlage noch unverhandelter oder aber allenfalls vorverhandelter Insolvenzpläne (post-voted bankruptcy) inklusive aller damit einhergehenden Unsicherheiten und Zwangsmaßnahmen. Das amerikanische Chapter 11-Verfahren ist demgegenüber um eine Verfahrensfacette reicher und lässt gerade für diese Fälle ein kurzes und abgesichertes Planverfahren über einen bereits beschlossenen Insolvenzplan (pre-voted bankruptcy) über 11 U. S. C. § 1126 (b) zu. Empirische Untersuchungen belegen, dass diese Spielart des Planverfahrens funktioniert, von der Praxis angenommen wird, die Gerichte entlastet und zugleich die Verfahrensergebnisse verbessert. Dass der deutsche Reformgesetzgeber dennoch auf die Übernahme dieser Variante in das neue deutsche Insolvenzrecht verzichtete, mag zum einen daran liegen, dass die Anerkennung einer außergerichtlichen Abstimmung über einen Sanierungsplan mittels der gerichtlichen Bestätigung im deutschen Recht auf keinerlei Rechtstradition zurückblicken kann, verfügte doch weder die Konkurs- noch die Vergleichsordnung über einen derartigen Verfahrensweg. In allen klassischen deutschen Konkursgesetzen wurde über den Akkord im gerichtlichen Forum abgestimmt. Zum anderen mag es eine Rolle gespielt haben, dass die amerikanische Insolvenzpraxis die Verfahrensvariante der bloßen Bestätigungsinsolvenz erst zu einem Zeitpunkt zu entdecken begann, als der Diskussionsprozess über die Insolvenzrechtsreform in Deutschland nahezu abgeschlossen war. Ihre praktische Bedeutung blieb dem deutschen Gesetzgeber vorborgen. Die daraufhin entstandene Lücke im deutschen Insolvenzrecht ist zu bedauern und lässt sich auch durch die Schaffung materiellrechtlicher Zustimmungspflichten im außergerichtlichen Bereich weder rechtlich tragfähig begründen noch effektiv zivilprozessual durchsetzen. Sie trägt erheblich dazu bei, dass das neu entworfene Insolvenzplanverfahren noch immer nicht als echte Chance zur Gestaltung einer Unternehmensreorganisation begriffen wird, kann man doch – wie etwa die Diskussion um die Bewältigung der Krise der Adam Opel GmbH im Sommer 2009 zeigt – die derzeitige deutsche Planinsolvenz keineswegs als effektiven und sicheren Weg hin zu diesem Ziel beschreiben. Das deutsche Insolvenzrecht sollte daher möglichst umgehend nehmen zu erfüllenden Anforderungen für eine prepackaged bankruptcy findet sich etwa bei Salerno/Hansen, 12 J. Business Strategy 36, 39 (1991).

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um die Verfahrensvariante einer bloßen Bestätigungsinsolvenz nach dem Vorbild der amerikanischen pre-voted bankruptcy bereichert werden.

IV. Die Implementierung im deutschen Recht Die Verankerung der Bestätigungsinsolvenz im deutschen Insolvenzrecht stellt sich bei näherer Betrachtung überraschenderweise als wenig problematisch heraus, fügt sie sich doch nahezu nahtlos in die vorhandene Dogmatik ein. Zugleich beantwortet sie die verbreiteten Rufe nach einer effektiveren Ausgestaltung des vorhandenen Insolvenzplanverfahrens, insbesondere auch der Einbindung der Gesellschafter einer Schuldnergesellschaft in die Planlösung. Die nachfolgenden Ausführungen werden daher die Einführung einer Bestätigungsinsolvenz in das vorhandene Insolvenzplanverfahren zunächst gegenüber den Gläubigern und in einem zweiten Schritt auch gegenüber den Gesellschaftern erläutern. 1. Die Bindung der Gläubiger an den außergerichtlich angenommenen Insolvenzplan Der Kern einer Bestätigungsinsolvenz liegt darin, die Abstimmung über den Insolvenzplan schon außergerichtlich erfolgen zu lassen, so dass das dort erzielte Abstimmungsergebnis im nachfolgenden Insolvenzplanverfahren an die Stelle einer Abstimmung im Planverfahren nach den §§ 243 ff. InsO treten und zum Gegenstand der Bestätigungsentscheidung werden kann. a) Die Ausgangslage im geltenden Insolvenzrecht Interessanterweise hält das vorhandene deutsche Insolvenzrecht schon alle wesentlichen Mittel bereit, um auf ihnen aufbauend eine Bestätigungsinsolvenz im Sinne einer pre-voted bankruptcy zu schaffen. (1) Die Zulässigkeit der prepackaged bankruptcy im Insolvenzplanverfahren Hervorzuheben ist dabei vor allem, dass das deutsche Insolvenzrecht bereits die Verfahrensart der prepackaged bankruptcy kennt. § 218 Abs. 1 Satz 2 InsO bestimmt ausdrücklich, dass der Insolvenzplan durch den Schuldner bereits gemeinsam mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingereicht werden kann. Der Insolvenzplan muss folglich nicht unter den Augen des Insolvenzgerichts erarbeitet und verhandelt werden. Dem Schuldner wird vielmehr in der Literatur das genaue Gegenteil empfohlen. Ein Planverfahren soll möglichst gründlich außergerichtlich vorbereitet und verhandelt werden, so dass der Insolvenzplan wie auch dessen Unterstützung durch die notwendige Mehrheit der Gläubiger gesichert ist, wenn das Insolvenzverfahren beantragt und der Plan vorgelegt wird.515 Der klare Wortlaut des § 218 Abs. 1 Satz 2 InsO lässt 515

Sehr plastisch verdeutlicht dies der »Musterinsolvenzplan« von Ehlers/Schmid-Sper-

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dabei tatsächlich die Vorlage eines vorbereiteten Insolvenzplans jeder Art zu, so dass auch bereits außergerichtlich beschlossene Insolvenzpläne über diese Norm eingereicht werden können. Erst aus den nachfolgenden Regelungen in den §§ 235 ff. InsO wird deutlich, dass das deutsche Insolvenzrecht bislang eben nur außergerichtliche Verhandlungen bis zur Abschlussreife des Plans zur Vorbereitung einer Insolvenz (prepackaged bankruptcy) akzeptiert, da es die Abstimmung über diesen Plan stets in einem Gerichtstermin stattfinden lässt. Diese Einschränkung ist wenig plausibel. (2) Das Planverfahren als Mechanismus zur Durchsetzung nur mehrheitlich getragener Insolvenzpläne Wird ein Insolvenzplan außergerichtlich nicht nur verhandelt, sondern auch den Gläubigern zur Abstimmung zugeleitet, so verleiht das deutschen Recht ihm nur dann eine Bindungswirkung, wenn er als Vertrag unter den Gläubigern zustande kommt, wozu es nach dem allgemeinen Vertragsrecht der allseitigen Zustimmung bedarf. Wird diese hohe Hürde nicht genommen, so stellt das geltende Recht selbst im Fall einer mehrheitlichen Zustimmung zum Plan weder Zustimmungspflichten für den ablehnende Minderheit auf noch bietet es einen effektiven gerichtlichen Mechanismus zur Durchsetzung eventueller Zustimmungspflichten.516 Das geltende deutsche Recht sieht stattdessen eine zwangsweise Vergemeinschaftung der Gläubiger erst im Insolvenzverfahren und die Durchsetzung der aus dieser Gemeinschaft folgenden Zustimmungspflichten erst durch das Insolvenzgericht vor und ermöglicht zu diesem Zweck die Stellung eines frühzeitigen Insolvenzantrags durch den auf die Durchsetzung angewiesenen Schuldner nach § 18 InsO sowie die Verbindung dieser Antragstellung mit der Planvorlage nach § 218 Abs. 1 Satz 2 InsO. Die Durchsetzung nur mehrheitlich befürworteter Insolvenzpläne wird also dem Insolvenzverfahren und dort dem Planverfahren überlassen. Diese Grundentscheidung des Gesetzgeber kann respektiert werden; 517 sie rechtfertigt aber eben nicht nur eine vorverhandelte Planinsolvenz (pre-negotiated bankruptcy), sondern auch eine bloße Bestätigungsinsolvenz (pre-voted ber, ZInsO 2008, 879 – als »Muster-prepackaged plan« bezeichnet. Vgl. daneben auch die Empfehlungen von Braun, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 68 Rn. 1; Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 561 f., 566 f.; Hingerl, ZInsO 2009, 759; Paulus, ZGR 2005, 309, 322. 516 Siehe dazu bereits die Ausführungen unter B. II. 2. 517 Die Überzeugungskraft dieses Durchsetzungsmechanismus sollte nicht unterschätzt werden. So beschreibt van Zwoll (ZInsO 2008, 418, 420) einen Fall, in dem sich nur einer von elf Gläubigern weigerte, einer außergerichtlichen Sanierung zuzustimmen. Da der Schuldner seinen Sanierungsvorschlag zugleich als Insolvenzplan formuliert hatte, konnte er unter Hinweis auf die Zustimmungsquote noch außergerichtlich mit der Plandurchsetzung über die §§ 243 ff. InsO drohen und damit auch den letzten Gläubiger zur Zustimmung bewegen. Ein Insolvenzverfahren konnte vermieden werden.

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bankruptcy), dient doch in beiden Verfahrensgestaltungen die Einschaltung des Insolvenzgerichts allein dazu, einen außergerichtlich vorbereiteten (prepackaged) Plan trotz der Ablehnung einer Gläubigerminderheit gegenüber allen Beteiligten verbindlich zu machen. Entsprechend der gesetzlichen Grundentscheidung liegt der Kern der richterlichen Tätigkeit im Rahmen einer Bestätigungsentscheidung nach § 248 InsO in der Prüfung und Feststellung des Abstimmungsergebnisses und darauf aufbauend in der Feststellung von Zustimmungspflichten der ablehnenden Minderheit sowie deren unmittelbare Durchsetzung zum Vertragsschluss.518 Genau diese Aufgaben erfüllt das Insolvenzgericht auch in Fällen, in denen nicht nur die Verhandlungen, sondern auch die Abstimmung über den eingereichten Insolvenzplan außergerichtlich erfolgt ist. Ein insofern nachgelagerter Rechtsschutz ist ohne weiteres möglich und systemkonform. (3) Die Möglichkeit der Eigenverwaltung Die Bestätigungsinsolvenz kann ihre volle Effektivität nur entfalten, wenn die hoheitlichen Eingriffe infolge des kurzen, aber eben unumgänglichen Insolvenzverfahrens in das Unternehmen so gering wie möglich gehalten werden. Insbesondere der Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts vom Management auf einen Insolvenzverwalter sollte vermieden werden, hat er doch nicht nur negative Effekte auf die Motivation des Managements zur Einleitung eines Planverfahren. Er führt zudem zu einer Diskontinuität in der Unternehmensführung, die sich negativ auf die Mitarbeiter, Kunden und Lieferanten auswirken kann. Um diese negativen Effekte auszuschließen, muss der Schuldner im kurzen Insolvenzverfahren selbst weiter die Kontrolle über sein Unternehmen ausüben können. Das geltende deutsche Insolvenzrecht bietet hierzu die Möglichkeit der Anordnung einer Eigenverwaltung nach § 270 Abs. 1 Satz 1 InsO, die für die Fälle einer bloßen Bestätigungsinsolvenz (pre-voted bankruptcy) als eindeutig nur vorübergehendem Insolvenzverfahren zwingend erfolgen muss. Gerade die derzeit begründete Befürchtung des Schuldners, selbst im Fall einer vorbereiteten Planinsolvenz nach § 218 Abs. 1 Satz 2 InsO die Kontrolle über das Unternehmen zu verlieren, da das Insolvenzgericht eine beantragte Eigenverwaltung nicht anordnet, ist ein Hauptgrund für die Bedeutungslosigkeit des deutschen Planverfahrens als Reorganisationsverfahren. Die Rechtsunsicherheit in diesem Bereich ist für den sanierenden Unternehmer oder ein sanierungswilliges Management schlicht zu groß.519 Das gilt es zu ändern. Schon für die Fälle eines nur 518

Wegen der Einzelheiten siehe im Vierten Kapitel C. IV. und E. III. Eidenmüller, ZIP 2007, 1729, 1735; Huhn, Die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren, S. 426 Rn. 1271; Körner, Unternehmens-Turnaround durch Eigenverwaltung in der Insolvenz, S. 319 f.; Kranzusch, ZInsO 2008, 1346, 1353; Wehdeking/Smid, ZInsO 2010, 1713; Stapper, ZInsO 2009, 2361, 2363. Die Schwäche der derzeitigen Eigenverwaltungsregelung 519

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außergerichtlich ausgehandelten, aber nicht abgestimmten Insolvenzplans kann die Anordnung der Eigenverwaltung zur Regel werden, ist doch bereits bei dieser Form der vorbereiteten Insolvenz das beabsichtigte Verfahrensergebnis mit den Gläubigern abgesprochen. Gerade in den Fällen aber, in denen der Insolvenzplan nicht nur außergerichtlich vorverhandelt, sondern bereits von den Gläubigern in ausreichender Mehrheit angenommen wurde, gibt es keinen Grund, in der nur kurzen Bestätigungsinsolvenz einen Wechsel in der Unternehmensführung mit allen damit verbundenen Kosten und Nachteilen vorzusehen. Jedenfalls in diesen Fällen, in denen das Insolvenzverfahren allein der Durchsetzung von Zustimmungspflichten dient, muss die Eigenverwaltung zum vorhersehbaren und damit planbaren Standard werden, ohne dass es weiteren Voraussetzungen bedarf.520 Eines gilt es dabei nochmals klarzustellen. Die Eigenverwaltung muss dann planbar, also vorhersehbar und damit zwingend sein, wenn der Insolvenzplan bereits eine hinreichend sichere Gläubigerunterstützung hat und aus diesem Grund die Missbrauchsgefahr, vor der § 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO die Gläubiger schützen will, nicht besteht. Wurde der Insolvenzplan außergerichtlich von der notwendigen Gläubigermehrheit bereits angenommen (pre-voted bankruptcy), so ist diese Voraussetzung zweifelsohne gegeben. Die Gläubiger wollen diese Insolvenzlösung und die darin vorgesehene Eigenverwaltung. Zudem kann es kein kürzeres Insolvenzverfahren geben als dasjenige, das allein der Bestätigung eines angenommenen Plans dient. Diese zentrale Voraussetzung einer Eigenverwaltungsanordnung ist aber auch dann erfüllt, wenn der Insolvenzplan außergerichtlich zumindest mit den wesentlichen Gläubigern verhandelt wurde und die notwendige Zahl an Gläubigern ihre Unterstützung für eine Abstimmung in der Insolvenz lediglich zugesichert hatte (pre-negotiated bankrupt-

liegt eben nicht in einer mangelnden Gläubigerakzeptanz der Eigenverwaltung (so aber irrig Bartels, KTS 2010, 260, 263 f.), sondern in ihrer mangelnden Vorhersehbarkeit. 520 Vorschläge, die Eigenverwaltung bei Schuldneranträgen generell anzuordnen, wenn 25 Prozent der stimmberechtigten Gläubiger die Anordnung voraussichtlich unterstützen (so Eidenmüller, ZIP 2007, 1729, 1735; ders., ZIP 2010, 649, 658 f.; ders., Finanzkrise, Wirtschaftskrise und das deutsche Insolvenzrecht, S. 35), sind im Fall einer pre-voted bankruptcy unzureichend, machen aber in sonstigen Plan- und Regelinsolvenzverfahren durchaus Sinn. Insofern ist auch die auf ein Gläubigerquorum abstellende Neuregelung des § 270 Abs. 3 InsO im Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (DiskE ESUG) aus dem Sommer 2010 zu begrüßen. Die Idee der Zulassung eines für den Fall der Ablehnung der Eigenverwaltung auflösend bedingten Insolvenzantrags des Schuldners gemäß § 18 InsO – so Huhn, Die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren, S. 426 Rn. 1272; eine ähnliche Regelung enthält nun auch § 270a Abs. 2 des DiskE ESUG – beseitigt demgegenüber nicht die Unsicherheit und die Angst vor einem Kontrollverlust.

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cy).521 Auch in solchen Fällen ist der Schutzzweck des § 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO nicht einschlägig und die beantragte Eigenverwaltung ist zu gewähren. 522 Problematisch wird die Diskussion um die Verbindung einer Eigenverwaltung mit einem vorbereiteten Insolvenzplan (prepackaged plan) durch Missverständnisse um letzteren Begriff. Die gesetzliche Regelung in § 218 Abs. 1 Satz 2 InsO enthält bezüglich der Qualität des mit dem Eröffnungsantrags einzureichenden Plans keinerlei Differenzierungen und lässt damit sogar die Vorlage eines noch unverhandelten Insolvenzplans bei Verfahrensbeginn zu.523 Wenn man allein einen derartigen, nicht vorverhandelten Insolvenzplan als prepackaged plan bezeichnet, so gibt es tatsächlich keinerlei Gewähr für den Erfolg eines solchen Plans. Er ist nichts anderes als ein Ausdruck des Sanierungswillens des Schuldners und kann daher natürlich auch nicht zwingend die Anordnung einer Eigenverwaltung nach sich ziehen.524 Zugleich dürfen diese Ungenauigkeiten in den Begrifflichkeiten aber eben nicht zu pauschalierenden und daher falschen Schlussfolgerungen verleiten, fallen in den großen Kreis der vorbereiteten Pläne im Sinn des § 218 Abs. 1 Satz 2 InsO doch auch all die Fälle einer vorbereiteten Insolvenz, in denen Insolvenzpläne in Verhandlungen mit den Gläubigern erarbeitet wurden und auf der Grundlage eines gemeinsamen Verhandlungsergebnisses (sei es als in einer Abstimmung angenommener oder nur in einer Schlusserklärung unterstützter Insolvenzplan) beim Insolvenzgericht eingereicht werden. Bei dieser Art vorbereiteter Pläne, die im amerikanischen 521 Es bleibt daher unverständlich, warum teilweise verlangt wird, dass der Schuldner auch in solchen Fällen das Insolvenzgericht noch von seiner Vertrauenswürdigkeit überzeugen muss; vgl. etwa Hofmann, ZIP 2007, 260, 263 oder auch das insofern undifferenzierte Entscheidungsmodell von Körner, Unternehmens-Turnaround durch Eigenverwaltung in der Insolvenz, S. 328 ff., 339; ders., NZI 2007, 270, 275. Ist der Plan außergerichtlich mit den Hauptgläubigern ausgehandelt worden, so sind Missbräuche im Sinne des § 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO auszuschließen. 522 Ein Ermessensspielraum ist dabei unnötig, da der verhandelte Plan alle auch für das Insolvenzgericht maßgeblichen Umstände bereithält und daher auch ein frei entscheidendes Gericht zu keiner anderen Entscheidung kommen kann. Die generelle Erwägung von Körner, Unternehmens-Turnaround durch Eigenverwaltung in der Insolvenz, S. 170 f.; ders., ZfB 77 (2007), 1111, 1120, dem Insolvenzrichter möglichst wenig Ermessen bei der Entscheidung über einen Eigenverwaltungsantrag einzuräumen, da dieser zum Zeitpunkt seiner Entscheidungsfindung noch kaum Informationen und Zeit für eine fundierte eigene Entscheidung besitzt und sich daher oft von Ängsten beherrschen lässt, wird in diesen Fällen mithin sogar noch übertroffen, sind hier doch allein Ängste als Grund für eine Antragsablehnung ersichtlich. 523 Eine ausführliche Begriffserläuterung erfolgte bereits einleitend unter C. II. 524 Insofern ist die verbreitete Skepsis gegenüber einer zwingenden Anordnung der Eigenverwaltung bei Vorlage eines prepackaged plan natürlich berechtigt (siehe etwa Huhn, Die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren, S. 93 f. Rn. 280 ff.; Hofmann, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, S. 282; Schmudde/Vorwerk, ZInsO 2006, 347, 351 f.). Sie basiert aber eben auf einer zu ungenauen Auffassung vom Begriff des prepackaged plan und ist bei zuvor bereits angenommenen Plänen in einer pre-voted bankruptcy ebenso wenig einschlägig wie bei vorverhandelten Plänen im Sinne einer pre-negotiated bankruptcy.

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Insolvenzrecht als pre-voted sowie pre-negotiated plan genannt werden, ist eine Missbrauchsgefahr gemäß § 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO nicht mehr vorhanden und folglich die Eigenverwaltung auf einen entsprechenden Antrag hin anzuordnen ist. Eine gesetzgeberische Klarstellung dieses Zusammenhangs sollte auch das ängstlichste bzw. pessimistischste Insolvenzgericht dazu zwingen, sich gegen den (oft auf einer geringeren Vergütung beruhenden) Widerstand der Insolvenzverwalter durchzusetzen und eigene Erfahrungen mit der Eigenverwaltung zu machen. Vielleicht kann auf diese Weise endlich die immer noch vorhandene Scheu gegenüber diesem Rechtsinstitut in der Insolvenz überwunden werden.525 Zugleich gilt es, eine zweite Schwäche in der gesetzlichen Regelung der Eigenverwaltung zu schließen, erlaubt es diese doch dem Insolvenzgericht, im Eröffnungsverfahren trotz des anhängigen Antrags auf Eigenverwaltung als vorläufige Sicherungsmaßnahme gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1 und 2 InsO einen vorläufigen schwachen Insolvenzverwalter zu bestellen, was in der Regel geschieht.526 Die damit einhergehenden Zustimmungspflichten demotivieren viele Unternehmer zu einem Gang durch das Eröffnungsverfahren.527 Mögen diese Effekte wegen des in typischen Regelinsolvenz-, aber auch Planverfahren ja gegebenen Sicherungsinteresses der Gläubiger im Eröffnungsverfahren hinzunehmen sein,528 so entbehren sie jeder Rechtfertigung in den Fällen einer pre525 Kranzusch, ZInsO 2008, 1346, 1353 f., weist sehr schön nach, dass es in der Situation des Eröffnungsverfahrens, in der ein Insolvenzgericht derzeit über die Anordnung der Eigenverwaltung zu entscheiden hat, schon aufgrund der nur vorläufigen und unvollständig vorhandenen Informationen über den Schuldner und dessen Lage jedem Insolvenzrichter schwer fallen muss, das Vertrauen in eine Eigenverwaltung aus freier Überzeugung aufzubringen. Dies gelte umso mehr, wenn der Schuldner nicht gerade der diejenige Person ist, die als Lizenznehmer oder Inhaber einer Berufszulassung auch wirtschaftlich das Unternehmen trägt, sondern der Schuldner von einem Management verwaltet wird, das zuvor Schulden in erheblichem Umfang angehäuft hat. Aufgrund dieser psychologischen Hürden sind klare gesetzliche Hilfestellungen notwendig, die den Richter zur Anordnung der Eigenverwaltung anhalten. Diese Hilfe kann wohl nur bei einem pre-voted plan die Form einer Anordnungspflicht haben. In anderen Fällen mag ein Votum der wesentlichen Gläubiger (so Eidenmüller, ZIP 2007, 1729, 1735; ders., ZIP 2010, 649, 658 f.; ders., Finanzkrise, Wirtschaftskrise und das deutsche Insolvenzrecht, S. 35, und nun auch § 270 Abs. 3 InsO-E ESUG) eine Entscheidungshilfe sein. Zutreffend weisen Wehdeking/Smid, ZInsO 2010, 1713, 1715 ff., zudem darauf hin, dass auch jede Planvorlage einen sicheren Maßstab für die Beurteilung der Wirkungen einer Eigenverwaltung erzeugt. Ob aber eine Eigenverwaltung daher auch stets an eine Planvorlage gekoppelt werden sollte, kann hier offen bleiben. 526 Diese Praxis lässt sich etwa in den Heidelberger Leitlinien der Insolvenzrichter von acht baden-württembergischen Insolvenzgerichten (NZI 2009, 594) unter Punkt 1 wiederfinden: »Bei Eigenanträgen mit laufendem Geschäftsbetrieb ist in der Regel eine vorläufige (schwache) Insolvenzverwaltung anzuordnen.« 527 Kranzusch, ZInsO 2008, 1346, 1353. Sie senden auch ein falsches, Vertrauen in eine Unternehmensrettung zerstörendes Signal nach außen, worauf Frind, ZInsO 2010, 1161, 1165, zu Recht hinweist. 528 Streitig ist in diesem Zusammenhang allein, ob man in den Fällen einer möglichen Eigenverwaltung schon im Eröffnungsverfahren auf den Erlass eines Verfügungsverbotes, einer

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voted sowie einer pre-negotiated bankruptcy, da die Insolvenzeröffnung hier im Einvernehmen mit den Gläubigern erfolgt. Besondere Sicherungsmaßnahmen gemäß § 21 InsO sind zu ihrem Schutze folgerichtig nicht angezeigt. 529 Die Unternehmensführung sollte vielmehr sowohl im Eröffnungsverfahren als auch im voraussichtlich ja sehr kurzen Insolvenzverfahren so wenig wie möglich unterbrochen oder in sonstiger Weise gestört werden, um eine möglichst geräuschlose Durchsetzung der gemeinsam entwickelten Insolvenzpläne zu ermöglichen. b) Die Funktionsweise der amerikanischen pre-voted bankruptcy Schon das geltende deutsche Insolvenzrecht bietet insgesamt also eine ausbaufähige Ausgangsbasis für die Ergänzung um eine Bestätigungsinsolvenz. Es lässt Verhandlungen über den Insolvenzplan bis zu deren Abschlussreife ausdrücklich zu und bietet dann mit der gerichtlichen Bestätigung des Plans einen effektiven Durchsetzungsmechanismus. Zugleich kann ein gut vorbereitetes Planverfahren den Weg der Eigenverwaltung in der Insolvenz beschreiten und auf diese Weise erhebliche Diskontinuitätskosten umgehen. Was dem deutschen Insolvenzrecht noch fehlt, ist die Zulassung und Anerkennung eines Abstimmungsergebnisses über den Insolvenzplan, das in einer außergerichtlichen Abstimmung erzielt wurde. Das amerikanische Recht erlaubt in 11 U. S. C. § 1126 (b) ausdrücklich, auch Erklärungen zum Plan, die in einer Abstimmung vor der Einleitung des Chapter 11-Verfahrens abgegeben wurden, der Bestätigungsentscheidung zugrunde zu legen, solange diese Stimmabgaben auf der Grundlage einer hinreichenden Informationsgrundlage über den Plan sowie das Unternehmen erfolgten und keine formalen Fehler in der Abstimmung passierten. Die informierte Entscheidung aller vom Plan betroffenen Gläubiger wird damit als Planabstimmung anerkannt, obwohl sie vor Beginn eines gerichtlichen Planverfahrens getroffen wurde. Das Gericht ist im Angesicht einer weitgehend einvernehmlichen Insolvenzbewältigung nur noch dazu aufgerufen, die Rechtmäßigkeit der Abstimmung zu prüfen. Hierzu wird im »hearing on disclosure statement and objections« darüber verhandelt, ob die Gläubiger aufgrund der ihnen zugetragenen Informationen eine fundierte Entscheidung über den vorgeschlagenen InsolPostsperre sowie auf die Bestellung eines starken Insolvenzverwalters verzichten muss, um deren Effekte nicht gänzlich zu vereiteln – vgl. dazu etwa Huhn, Die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren, S. 145 ff. oder Wittig/Tetzlaff, in: MünchKomm, InsO, Vor §§ 270 bis 285 Rn. 36 ff. (jeweils m. w. N.). 529 Selbst für die Bestellung einer in die Planverhandlungen involvierten Person wie die eines Unternehmensberaters als schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter (so Paulus, ZGR 2005, 309, 322 f. sowie NZI 2008, 705, 706) fehlt jegliches Sicherungsinteresse, da den Gläubigern in der vorvereinbarten Insolvenz keine Überraschungen oder andere Missbräuche drohen. Das Insolvenzverfahren reduziert sich vom Lösungsfindungsverfahren auf ein Durchsetzungsverfahren für eine bereits gefundene Lösung.

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venzplan treffen konnten. Willensmängel sollen auf diesem Wege ebenso ausgeschlossen werden wie eine Irreführung der Gläubiger durch einen fehlerhaften oder unvollständigen Prospekt.530 Sodann wird im »confirmation hearing« über das Vorliegen aller Bestätigungsvoraussetzungen entschieden. 531 Hierbei wird auch das Vorliegen einer ausreichenden Zahl von Zustimmungserklärungen erörtert, weshalb in einer pre-voted bankruptcy an dieser Stelle – also nachgelagert – auch über die richtige Zuteilung von Stimmrechten verhandelt und entschieden wird. Einer gesonderten und damit zeitraubenden Anmeldung und Prüfung von Gläubigerforderungen bedarf es folglich nicht. Aus diesen gesetzlichen Regelungen lässt sich herauslesen, dass die pre-voted bankruptcy im amerikanischen Recht keinesfalls den eigentlichen Vertragsschluss über den Plan vorverlegt. Es sind allein die einzelnen Stimmabgaben, also die einzelnen Zustimmungs- oder Ablehnungserklärungen der Gläubiger, die nicht schon außergerichtlich, sondern ausdrücklich eben erst in einem eventuellen Insolvenzplanverfahren als maßgebliche Erklärungen Berücksichtigung finden sollen. Die Stimmabgabe soll ausdrücklich nicht für eine außergerichtliche Einigung, sondern allein für ein anschließendes Planverfahren nach Chapter 11 Bedeutung haben. Auf diesen Umstand werden die zur Abstimmung aufgerufenen Gläubiger ausdrücklich, hervorgehoben und mehrfach hingewiesen. So heißt es etwa schon auf der ersten Seite des Anschreibens zur exchange offer, dem disclosure statement und dem prepackaged plan der CIT Group Inc .et al. vom 16. Oktober 2009 in Blockschrift sowie Fettdruck: 532 »THIS SOLICITATION OF ACCEPTANCES OF THE PLAN OF REORGANIZATION IS BEING CONDUCTED TO OBTAIN SUFFICIENT ACCEPTANCES OF THE PLAN OF REORGANIZATION PRIOR TO THE FILING OF A VOLUNTARY CASE UNDER CHAPTER 11 OF THE BANKRUPTCY CODE.«533

530 Die in 11 U. S. C. § 1126 (b) zu findende Unterteilung der Informationspflichten nach ihrem nicht-insolvenzrechtlichen und insolvenzrechtlichen Ursprüngen folgt aus dem Regelungssystem der U. S. Verfassung, die es dem Bundesgesetzgeber mittels der bankruptcy clause in Art. I section 8 clause 4 der Verfassung auf dem Gebiet des Insolvenzrechts erlaubt, eigene bundesweite gesetzliche Regelungen zu schaffen (»The Congress shall have Power [. . .] To establish [. . .] uniform Laws on the subject of Bankruptcies throughout the United States«). Einzelstaatliches Recht hat daher bei Gläubigerabstimmungen außerhalb des Insolvenzverfahrens einen zu beachtenden. 531 Wegen der Einzelheiten zu den Bestätigungsvoraussetzung in 11 U. S. C. § 1129 – siehe im Ersten Kapitel unter C. V. 1. b). 532 In re CIT Group Inc., Case No. 09–16565 (Bankr. S. D. N. Y. 2009), Court Docket Nr. 19, Exhibit A, page 1. 533 »Diese Bitte um Zustimmungen zum Reorganisationsplan erfolgt, um eine ausreichende Zahl von Zustimmungen zum Reorganisationsplan vor der Beantragung eines freiwilligen Verfahrens nach Chapter 11 des Bankruptcy Code zu erhalten.«

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Noch deutlicher ist der Wortlaut des Hinweises im ersten Absatz des den Gläubigern zur Abstimmung zugeleiteten Insolvenzplans der CIT Group Inc .et al. vom 23.Oktober 2009: 534 »THIS OFFERING MEMORANDUM AND DISCLOSURE STATEMENT SOLICITS YOUR ADVANCE ACCEPTANCE OF THE PLAN OF REORGANIZATION [. . .]«535

Gibt der Gläubiger unter diesen Bedingungen seine Stimme ab, so gilt die erklärte Zustimmung bzw. Ablehnung folgerichtig nicht für einen außergerichtlichen Einigungsversuch, sondern allein für den Fall eines anschließenden Planverfahrens nach Chapter 11 als dort relevante Erklärung über den vorbereiteten Plan.536 c) Die außergerichtliche Stimmabgabe als antizipierte Zustimmung/ Ablehnung Der dogmatische Grund der rechtliche Wirkung einer außergerichtlich erklärten Zustimmung bzw. Ablehnung im anschließenden Planverfahren kann nicht in einem im Wege der Abstimmung kollektiv gebildeten Willen der Gläubiger bzw. der Gläubigergruppen gefunden werden. Die dazu notwendige Sozialisierung der abstimmenden Gläubiger in eine rechtlich relevante Personengruppe wie eine Gesellschaft oder Gemeinschaft findet vor der Insolvenz gerade nicht statt. Trotz der Unternehmenskrise bleiben die Gläubiger bis zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens Einzelpersonen und damit in ihrer Willensbildung frei und unabhängig. Die außergerichtliche Abstimmung, auch die in Gläubigergruppen, erzeugt folgerichtig keinen Beschluss und damit auch keine Zustimmungspflichten einer überstimmten Minderheit bezüglich der Beschlussausführung, die durch das Insolvenzgericht in der Bestätigungsentscheidung festgestellt und umgesetzt werden. Der Grund für die Fortwirkung der Stimmabgabe bis in das Planverfahren liegt allein im individuellen Willen jedes Gläubigers. Jeder abstimmende Gläubiger gibt seine Erklärung gerade unter der Bedingung auf dem Stimmzettel ab, dass seine Stimme nicht außergerichtlich, sondern allein in einem anschließen534 In re CIT Group Inc., Case No. 09–16565 (Bankr. S. D. N. Y. 2009), Court Docket Nr. 19, Exhibit A, Offering Memorandum and Disclosure Statement, page 164. 535 »Dieses Angebotsschreiben sowie das disclosure statement erbitten ihre antizipierte Zustimmung zum Reorganisationsplan [. . .]« – Hervorhebung durch Verfasser. 536 Will man in der außergerichtlichen Abstimmung sowohl die Zustimmung zu einer rein außergerichtlichen Vergleichslösung als auch die antizipierte Zustimmung zu einem Insolvenzplan erbitten, um im Fall der allseitigen Zustimmung zum Vergleich auf ein Insolvenzplanverfahren zu verzichten (sog. dual-track case), so muss um beiden Zustimmungserklärungen gebeten werden. Ein Beispiel hierfür bietet der Stimmzettel (ballot) der CIT Group Inc., der sowohl um Zustimmung zu einer exchange offer als auch zu ihrem Insolvenzplan bat – siehe In re CIT Group Inc., Case No. 09-16565 (Bankr. S. D. N. Y. 2009), Court Docket Nr. 19, Exhibit A, page 226 bzw. E-1.

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den Planverfahren über den angenommenen Plan berücksichtigt wird. Er erlaubt damit dem die Abstimmung organisierenden Schuldner ausdrücklich, seine Erklärung für das anschließende gerichtliche Verfahren zu verwenden. Dogmatisch betrachtet erklärt der Gläubiger seine Zustimmung bzw. Ablehnung damit bereits außergerichtlich, ihre rechtliche Wirkung tritt jedoch erst im Fall eines Planverfahrens ein. Folglich handelt es sich um eine Erklärung mit aufschiebend bedingter Wirkung – ein antizipierte Willenserklärung. Man spricht in den Vereinigten Staaten von einer »advance acceptance«.537 Eine nochmalige Abstimmung der Gläubiger über den Plan im gerichtlichen Planverfahren kann dann unterbleiben, da die Gläubiger ihre Erklärungen zum Plan nach ihrem ausdrücklichen Willen bereits abgegeben haben. Selbst im Fall einer zwischenzeitlichen Willensänderung wäre jeder Gläubiger daher an seine zuvor ausdrücklich geäußerte Erklärung gebunden. Die Zulässigkeit einer solchen antizipierten Erklärung der Gläubiger scheint in den Vereinigten Staaten ebenso wenig problematisch wie in Deutschland, sind doch die Gläubiger zum Zeitpunkt der außergerichtlichen Abstimmung noch nicht sozialisiert, also weder Teil einer Gesellschaft noch einer Gemeinschaft. Ihnen steht es daher als Einzelpersonen frei, dem bereits vorhandenen Plan zustimmen und diese Zustimmung gerade auch für den konkret absehbaren und damit hinreichend bestimmten Fall eines Planverfahrens zu erklären. Zudem ist der Planinhalt, dem sie zustimmen, bereits konkret vorhanden und durch Plananlagen und das disclosure statement genau erläutert. Der Gegenstand des Rechtsgeschäfts ist damit nicht nur hinreichend bestimmt; er steht bereits fest. Es liegt damit allein am insolvenzrechtlichen Gesetzgeber, das Planverfahren für diese antizipierten Zustimmungs- bzw. Ablehnungserklärungen zu öffnen.538 537 Unzutreffend ist es hingegen, in der außergerichtlichen Zustimmung lediglich einen Stimmbindungsvertrag des jeweiligen Gläubigers mit dem Schuldner zu sehen (so Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 443 Fn. 374; ebenso wohl auch Braun, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 68 Rn. 4 Fn. 6). Derartige Vereinbarung sind in der amerikanischen Insolvenzpraxis ebenfalls nicht unüblich und werden als »lockup« oder »lockup agreements« bezeichnet (vgl. Weil,Gottschal & Manges LLP, Reorganizing Failing Business, 12–24 ff.). Es steht dem Schuldner am Ende der Vergleichsverhandlungen frei, lediglich die Zustimmung der Gläubiger zu so einem Stimmbindungsvertrag einzuholen. Mit diesen Zustimmungserklärungen ist ihm dann aber der Weg in eine pe-voted bankruptcy versperrt, liegen doch gerade noch keine Zustimmungserklärungen der Gläubiger zum Plan vor – so ausdrücklich In re Pioneer Finance Corp., 246 B. R. 626, 632 f. (Bankr. D. Nev. 2000), wo der Schuldner nach dem Wortlaut seiner Zustimmungsbitte lediglich um das Versprechen bat, einem künftigen Plan zuzustimmen (»agree to agree on plan [. . .] in the future«). 538 Die von Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 443 Fn. 374 am Ende; ders., in: MünchKomm, InsO, vor §§ 217 bis 269 Rn. 60 Fn. 123, geäußerten Bedenken gegen eine Stimmrechtsbindung (dagegen schon Braun, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 68 Rn. 4 Fn. 6; Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 4.10 ff.) ließen sich unter Umständen auch gegen eine aufschiebend bedingte Zustimmung vorbringen, laufen aber auf einen Zirkelschluss hinaus. De lege lata dürfte die gesetzgeberische Entscheidung tatsächlich keine Lücke

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d) Der notwendige Umfang gesetzgeberischen Tätigwerdens Das zur Implementierung einer pre-voted bankruptcy in das deutschen Planverfahren der §§ 217 ff. InsO notwendige gesetzgeberische Tätigwerden kann sich damit weitgehend auf die Anerkennung der antizipierten Zustimmungserklärungen beschränken. Im übrigen kann auf die bereits vorhandenen gesetzlichen Regelungen zurückgegriffen werden, die allenfalls einer Klarstellung bedürfen. So erfüllen die inhaltlichen Anforderungen an den darstellenden und gestaltenden Teil des Insolvenzplans (§§ 219 ff. InsO) sowie die Plananlagen (§ 230 InsO) die Aufgaben der umfassenden Information der Gläubiger über den zur Abstimmung gestellten Insolvenzplan. Ein diesen Anforderungen entsprechender Insolvenzplan muss auch nach dem derzeit geltenden Recht bei einer prepackaged bankruptcy nach § 218 Abs. 1 Satz 2 InsO bereits Gegenstand der Planvorlage sein und wird daher auch bei einer außergerichtlichen Abstimmung den Gläubiger zum Zwecke der Abstimmung zuzuleiten sein und deren umfassende Information sicherstellen. Darüber hinausgehend eine Art disclosure statement, also einen gesonderten Informationsprospekt, zu fordern, scheint für die neue Verfahrensart der Bestätigungsinsolvenz ebenso wenig angezeigt wie in einem sonstigen Planverfahren. Die Aufgaben des amerikanischen disclosure statement werden im deutschen Recht eben durch den Planinhalt der §§ 219 ff. InsO übernommen.539 Zudem bestehen besondere wertpapierrechtliche Informationspflichten, die im amerikanischen Recht insbesondere mit dem disclosure statement erfüllt werden, im deutschen Kapitalmarktrecht gegenüber den Gläubigern selbst im Fall eines vorgeschlagenen debt-equity-swap bei börsennotierten Aktiengesellschaften nicht.540 Allein bezüglich der Anleihegläubiger sind die Sonderregelungen des Schuldverschreibungsgesetzes zu beachten, die jedoch keinerlei Informationspflichten, sondern in § 19 Abs. 2 und 3 SchVG eine gänzlich gesonderte Willensbildung dieser Gläubigergruppe über einen vorgeschlagenen Insolvenzplan vorsehen. 541 lassen, um eine außergerichtliche Zustimmung anzuerkennen. Gerade diese Regelung gilt es aber zu ändern. Die Erörterung des Plans wie auch die Abstimmung über ihn würden dann vorverlegt. 539 Vgl. etwa Eilenberger, in: MünchKomm, InsO, § 219 Rn. 1: »Mit der Aufgliederung des Insolvenzplans in einen darstellenden und in einen gestaltenden Teil sowie der Beifügung von den in §§ 229 und 230 genannten Anlagen bezweckt die Vorschrift die volle Information der Beteiligten über die Grundlagen, den Gegenstand und die Auswirkungen des Plans. Damit ist auch die Form des Insolvenzplans mit seinen erforderlichen Bestandteilen standardisiert, die den Beteiligten eine Beurteilung erleichtert.« 540 Die zu beachtenden Mitteilungs- oder Meldepflichten (z. B. aus §§ 15, 21 WpHG oder § 35 WpÜG) beinhalten keine Informationspfl icht gegenüber den Gläubigern, sondern Veröffentlichungspflichten sowie Anzeigepfl ichten gegenüber den Aufsichtsbehörden. Sie haben daher keine unmittelbare Bedeutung für den Planinhalt. 541 Näheres dazu bei Kuder/Obermüller, ZInsO 2009, 2025, 2027 f.

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Die Abstimmung muss sodann schriftlich erfolgen, was aber auch § 242 InsO zulässt. Die Zuteilung von Stimmrechten erfolgt außergerichtlich durch den Schuldner, wobei er in Zweifelsfällen in Verhandlungen mit den betroffenen Gläubigern eintreten sollte, so dass Stimmrechtsfragen zum Teil des Verhandlungsprozesses wie auch des Verhandlungsergebnisses werden. Bleiben Stimmrechte am Ende der Verhandlungen dennoch streitig, was in der Regel auf streitigen Forderungen beruhen wird, so muss das Insolvenzgericht im Rahmen der Bestätigungsentscheidung prüfen, ob die Zuteilung durch den Schuldner zutreffend war oder aber den betroffenen Gläubiger in seinen Stimmrechten verletzte, was aber analog § 18 Abs. 3 Satz 2 RPflG nur zu einer Versagung der Bestätigung führen darf, wenn sich die Stimmrechtsverletzung auf das Abstimmungsergebnis ausgewirkt hat. In diesem Fall wäre die Abstimmung gemäß den allgemeinen Regeln der §§ 235 ff. InsO zu wiederholen und die Effekte einer Bestätigungsinsolvenz gingen verloren. Wurden in der außergerichtlichen Planabstimmung die notwendigen antizipierten Zustimmungserklärungen erreicht, um einen Plan als angenommen im Sinne der §§ 243 ff. InsO bestätigen zu können, so ist durch den Eröffnungsgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit in § 18 InsO auch die sofortige Eröffnung eines Insolvenzverfahren gesichert, das durch die Verbindung des Eröffnungsantrags mit der Planvorlage gemäß § 218 Abs. 1 Satz 2 InsO unmittelbar in ein Planverfahren übergeht. Insofern bietet schon das geltende Recht eine nützliche Regelung.542 Die allgemeinen Zwangswirkungen des Planverfahren als Teil eines Insolvenzverfahrens sind in einer Bestätigungsinsolvenz, in der das gerichtliche Verfahren eben nur noch die Planbestätigung nach § 248 InsO zum Gegenstand hat, ganz überwiegend nicht mehr gerechtfertigt und sollten daher – schon aus Kosten- und Verzögerungsgründen – umgangen werden. So sollte die Verwaltungs- und Verfügungsmacht über das Unternehmen beim Schuldner belassen werden, was durch die Anordnung der Eigenverwaltung nach § 270 InsO erreicht werden kann. Ein derartige Eigenverwaltung muss in der Bestätigungsinsolvenz zum Regelfall werden, was in der Norm ergänzend klargestellt werden sollte. Zugleich muss schon im Eröffnungsverfahren auf störende Sicherungsmaßnahmen, insbesondere die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder die Anordnung von Verfügungsbeschränkungen, verzichtet werden. Des Weiteren gibt es in dem verkürzten Planverfahren mit nahezu feststehendem Verfahrensausgang kein Bedürfnis für einen Berichtstermin, haben die Gläubiger ihre Verwertungsentscheidung doch bereits getroffen. Auch ein Verfahren zur Forderungsanmeldung und zur Forderungsprüfung ist aus diesem Grund überflüssig.543 Das Vollstreckungsverbot schadet hingegen nicht und 542 543

Paulus, ZGR 2005, 309, 322 f. Entgegen Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 443 Fn. 374; ders., in: Münch-

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kann daher eingreifen. Zugleich ist das Planverfahren vor schädlichen Verwertungshandlungen im Sinne des § 233 InsO sicher, da im Fall der Eigenverwaltung die Verwertung der Masse gemäß 282 InsO dem Schuldner obliegt. Insgesamt bedarf es folglich eines gesetzgeberischen Tätigwerdens in durchaus überraschend geringem Umfang, um eine Bestätigungsinsolvenz nach dem Vorbild der pre-voted bankruptcy auch im deutschen Insolvenzrecht zu verankern. 2. Die Bindung der Gesellschafter an einen außergerichtlichen Insolvenzplan Ein U. S.-amerikanisches Planverfahren nach Chapter 11 ermöglicht nun allerdings nicht nur die Einbindung der Gläubiger, sondern auch die der Gesellschafter des Schuldnerunternehmens in einen Insolvenzplan. Hierzu werden im Plan neben den Gläubiger- auch Gesellschaftergruppen gebildet, in welchen zumindest eine Zweidrittelmehrheit der Gesellschafter dem Plan zustimmen müssen – vgl. 11 U. S. C. § 1126 (d). Gesellschaftergruppen, in denen diese Mehrheit nicht erreicht wird, können zudem unter den Voraussetzungen des Obstruktionsverbots (cramdown) in 11 U. S. C. § 1129 (b) gegen ihren erklärten Willen an den Plan gebunden werden. Diese Zwangsmittel eröffnen sich über 11 U. S. C. § 1126 (b) auch einem außergerichtlich angenommenen Plan. Die pre-voted bankruptcy enthält damit die Möglichkeit der Durchsetzung eines die Gläubiger wie die Gesellschafter erfassenden Reorganisationsplans. Es gilt daher zu untersuchen, ob auch diese Facette des amerikanischen Insolvenzrechts in das deutsche Insolvenzrecht übernommen werden sollte. a) Die Ausgangslage im geltenden Insolvenzrecht Das deutsche Insolvenzrecht bietet in seinem Insolvenzplanverfahren derzeit keine Handhabe, die in einem Sanierungskonzept vorgesehenen Maßnahmen zur Umstrukturierung der Schuldnergesellschaft, aber auch finanzwirtschaftliche Maßnahmen wie Kapitalschnitte oder einfache Kapitalerhöhungen über den Weg des Insolvenzplans auch gegenüber den Gesellschaftern durchzusetzen. Das Insolvenzplanverfahren bleibt stattdessen der Tradition deutscher Akkordverfahren verhaftet. Diese klassischen Akkordverfahren waren keine Reorganisationsverfahren, sondern sollten allein der Vereinfachung der Insolvenzbewältigung dienen. Konnte sich der Schuldner mit seinen Gläubigern auf den Erlass oder die Stundung seiner Schulden gegen die Leistung eines gewissen Teilbetrags (einer Quote) einigen, so entfiel der Bedarf für ein aufwendiges und kostspieliges Konkursverfahren. Die primäre Funktion des Akkordes war insofern eher die der Vereinfachung der Liquidation des Schuldnervermögens, inKomm, InsO, vor §§ 217 bis 269 Rn. 60, würden mit der Zulassung einer pre-voted bankruptcy im deutschen Insolvenzrecht sowohl der gerichtliche Prüfungs- als auch der Erörterungsund Abstimmungstermin überflüssig.

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dem dieses nicht erst in Barvermögen umgesetzt werden und an die Gläubiger verteilt werden musste. Der Schuldner stellte stattdessen unmittelbar eine Barsumme zur Verteilung zur Verfügung. Diese Summe musste jedem Gläubiger mindestens seine Liquidationsquote bieten, da ansonsten eine Annahme des Vergleichsvorschlags unwahrscheinlich war; in der Regel sollte sie darüber liegen, um eine Zustimmungsanreiz zu bieten. In der Vergleichsordnung fanden sich gesetzliche Mindestquoten. Kam der Akkord zustande, so bedurfte es keines Konkursverfahrens mehr. Zugleich blieb das Vermögen des Schuldners nicht nur unangetastet, so dass insbesondere ein Unternehmen als Ganzes erhalten wurde und fortgeführt werden konnte. Der Schuldner wurde zudem entschuldet, da mit der Leistung der Akkordsumme die restlichen Forderungen der Altgläubiger ihre Durchsetzbarkeit verloren. Das Akkordverfahren hatte damit zumindest zwei Effekte, die auch für die Reorganisation des Unternehmens von Bedeutung sind. Es ermöglichte die Unternehmensfortführung in der Hand des Schuldners und beseitigte dessen Schuldenlast. Zugleich konnte der Fortführungswert des Unternehmens für die Gläubiger gewonnen werden, wenn sie eine entsprechend erhöhte Befriedigungsquote verhandelten und erhielten. Aus dieser beschränkten Funktion der Akkordverfahren als verkürzte Liquidationsverfahren folgte ihr wesentliches Defizit: Das Akkordverfahren ermöglichte nur einer Regelung über die Befriedigung bzw. den Erlass von Verbindlichkeiten. Folgerichtig waren an einem Akkord nur der Schuldner und dessen Gläubiger beteiligt, wobei der Zwangsvergleich der Konkursordnung wie auch der Vergleich der Vergleichsordnung sogar nur die »nicht bevorrechtigten Gläubiger« (§ 173 KO; §§ 26, 27 VglO) erfassen konnte. Erst der Insolvenzplan bietet nun immerhin eine allumfassende Gläubigerbindung. Eine Einbeziehung der Gesellschafter des Schuldners gab es hingegen nie und findet auch derzeit nicht statt.544 Ein Reorganisationskonzept beschränkt sich nun aber leider in der Regel nicht auf Eingriffe in Gläubigerrechte. Die dort vorgesehenen finanz- und leistungswirtschaftlichen Maßnahmen bedürfen in der Regel auch der Beteiligung der Gesellschafter. Diese Personengruppe war nun aber schon an den klassischen Akkordverfahren nicht beteiligt und wird in dieser Tradition nun auch vom Insolvenzplanverfahren nicht erfasst.545 Stattdessen müssen die gesellschaftsrechtlich notwendigen Beschlüsse weiterhin unabhängig vom Planverfahren zustande gebracht werden. Eine gewisse Koordination dieser parallel abzuarbeitenden Handlungsstränge ermöglicht inzwischen immerhin § 249 544

Diese Kontinuität stellt auch Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 362, fest. Dies dürfte inzwischen unstreitig sein – vgl. etwa Brüning, Gesellschafter und Insolvenzplan, S. 91, 118; Eidenmüller, ZIP 2007, 1729, 1736; Sassenrath, ZIP 2003, 1517, 1518 f.; Westpfahl/Janjuah, ZIP 2008, Beilage zu Heft 3, 1, 14. Zu früheren Unklarheiten siehe Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 217 Rn. 65 m. w. N. 545

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InsO, der es zulässt, einen angenommenen Insolvenzplan erst nach der Verwirklichung der gesellschaftsrechtlich notwendigen Maßnahmen bestätigen zu lassen. Dennoch bleibt die Koordinierung mangelhaft, was sich insbesondere dadurch bemerkbar macht, dass sich derzeit gesellschaftsrechtliche Beschlüsse über Sanierungsmaßnahmen und die darauf aufbauenden Insolvenzpläne oft gegenseitig bedingen und folgerichtig eine Pattsituation eintritt.546 Auch die Aufgabe der Erfüllung kapitalmarktrechtlicher Pflichten des Schuldners in der Insolvenz – Sache des Schuldnerorgans oder des Insolvenzverwalters? – kann § 249 InsO nicht klar zuweisen.547 Auch wenn die Abschottung der gesellschaftsrechtlichen Sphäre vor dem Insolvenzrecht vor diesem Hintergrund oft als grundlegender Mangel des neuen deutschen Insolvenzrechts empfunden wird, 548 so beruht sie doch auf dem ausdrücklichen Willen des Reformgesetzgebers, der sich von anderslautenden Regelungsideen ausdrücklich verabschiedete. So schlug die Kommission für Insolvenzrecht in ihrem ersten Bericht aus dem Jahre 1985 noch vor, auch gesellschaftsrechtliche Maßnahmen in den Reorganisationsplan aufzunehmen und deren Verwirklichung lediglich in einem ersten Schritt den Gesellschaftern zu überlassen. Die Gesellschafter waren also aufgerufen, die im Reorganisationsplan vorgesehenen Veränderungen in der Gesellschaft selbst zu beschließen und umzusetzen. Für den Fall aber, dass diese Beschlüsse der Gesellschafter nicht autonom zustande kommen, sollte dem Insolvenzgericht ausdrücklich das Recht zustehen, diese Beschlüsse durch einen eigenen Beschluss ersetzten, wenn die gesellschaftsrechtliche Maßnahme für die Reorganisation notwendig ist und der Reorganisationsplan durch die Gläubigergruppen angenommen wurde.549 546 Siehe zu diesem Problemkreis bereits die Ausführungen im Vierten Kapitel unter B. IV. 1. a). (3). 547 Hierzu zuletzt etwa von Buttlar, BB 2010, 1355 ff. Die Kostenfrage hat inzwischen § 11 WpHG beantwortet. 548 Bork, ZIP 2010, 397; Braun, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 217 Rn. 35; ders., FS Fischer, 2008, 53, 65 f.; Brüning, Gesellschafter und Insolvenzplan, S. 135; Eidenmüller, in: MünchKomm, InsO, § 217 Rn. 74 f.; ders., ZGR 2001, 680, 688; ders., ZIP 2010, 649, 657; Eidenmüller/Engert, ZIP 2009, 541, 543; Fassbach, Die cram-down-power, S. 181 f.; Flessner, in: Heidelberger Kommentar, InsO, § 221 Rn. 4 f.; Gerster, ZInsO 2008, 437, 441; Jaffé, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 221 Rn. 4 ff.; ders., in: Kölner Schrift zur InsO, S. 743 ff. Rn. 7 (»Geburtsfehler«); ebenso Jaffé/Friedrich, ZIP 2008, 1849, 1853; Sassenrath, ZIP 2003, 1517, 1519; Smid, DZWIR 2009, 397, 399; Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 6.15; Stapper, ZInsO 2009, 2361, 2364; Westpfahl/Janjuah, ZIP 2008, Beilage zu Heft 3, 1, 13 ff. Drukarczyk/ Schöntag, FS Schmidt, 2006, 649, 670, sprechen von einem »Konstruktionsfehler« im Insolvenzplanverfahren; Uhlenbruck, NZI 2008, 201, 202, von einem »fatalen Fehler«. Dieses empfinden ist zuletzt auch empirisch nachgewiesen worden: Eidenmüller/Frobenius/Prusko, NZI 2010, 545, 549. 549 Leitsatz 2.2.20. Die Ersetzungsbefugnis des Insolvenzgerichts findet sich in Absatz 3. Daneben sahen die Leitsätze unter 2.4.9 weitreichende Eingriffsbefugnisse des Insolvenzgerichts in die Rechtsstellung der Gesellschafter insolventer Gesellschaften vor, wozu insbesondere auch das Recht gehörte, Gesellschafter mit wertlosen Anteilsrechten aus der Gesellschaft

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Aufgrund massiver Kritik an dem damit propagierten entschädigungslosen hoheitlichen Eingriff in die Vermögensrechte der Gesellschafter550 sah der Gesetzgeber von einer Umsetzung diese Vorschläge ab und beließ es stattdessen bei der grundsätzlichen Trennung von Insolvenz- und Gesellschaftsrecht sowie der unglücklichen Regelung in § 249 InsO. 551 Zugleich lehnte er jeden Eingriff des Insolvenzverfahrens in die gesellschaftsrechtliche Willensbildung ab.552 Auch einem bestätigten Insolvenzplan ist es damit nach der derzeitigen Rechtslage verwehrt, ohne die ausdrückliche Zustimmung der Gesellschafter Umstrukturierungen in der Gesellschaft vorzunehmen. Zugleich kann seine Erlassvermutung des Insolvenzplans (§§ 225 Abs. 1, 227 Abs. 1 InsO) offene Gesellschafteransprüche gegen die insolvente Gesellschaft nicht erfassen, sind diese Gesellschafterforderungen doch gerade keine Insolvenzforderungen. 553

auszuschließen, was ebenfalls der Förderung der Reorganisation dienen sollte – siehe Leitsatz 2.4.9.5 und dessen Begründung auf S. 282 des Berichts der Kommission. 550 So vor allem Ulmer, ZHR 149 (1985), 541, 556 ff. Es gab aber auch positive Stimmen – vgl. etwa Schmidt, ZGR 1986, 178, 199. Später sprach sich jedoch auch Karsten Schmidt gegen die vorgeschlagene Regelung aus und bezeichnete sie als »beklemmende Version« von einem Insolvenzrichters, der sich »Verdienste als gesellschaftsrechtlicher Zwangsbeglücker« erwirbt (Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl. 2000, S. 1199 ff. Rn. 27). 551 BT-Drucks. 12/2443, S. 76: »Verzicht auf Zwangseingriffe in Vermögensrechte«. Insbesondere der Rechtsausschuss wollte jeglichen Eingriff des Insolvenzplans in die Rechtsstellung der an der Schuldnergesellschaft beteiligten Gesellschafter unterbinden – vgl. BTDrucks. 12/7302, S. 184, zu § 294 oder auch zu § 298: »Die Rechtsstellung der am Schuldner, der keine natürliche Person ist, beteiligten Personen« sollte »außerhalb des Insolvenzverfahrens bleiben«. Als Grund für die Abkehr vom Regierungsentwurf sowie die gleichzeitige Streichung aller Regelungen zu Eingriffen des Plans in die Gesellschaftsstruktur der Schuldnergesellschaft wird lediglich die »Vereinfachung des Verfahrens« angeführt (BT-Drucks. 12/7302, S. 181, zu § 253 Abs. 1). Eine kurze Darstellung der Regelungsgeschichte findet sich etwa bei Sassenrath, ZIP 2003, 1517, 1519 ff. oder Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 315 ff. 552 BT-Drucks. 12/2443, S. 83. 553 Mitgliedsrechte der Gesellschafter, die sich auf die Einlagen oder aber das Kapitalkonto der Gesellschafter beziehen, sind in der Insolvenz der Gesellschaft unstreitig keine Insolvenzforderungen nach § 38 InsO – vgl. Bäuerle, in: Braun, InsO, § 38 Rn. 11; Ehricke, in: MünchKomm, InsO, § 38 Rn. 54; Eickmann, in: Heidelberger Kommentar, InsO, § 38 Rn. 15. Infolge dessen können Gesellschafter wegen dieser Ansprüche auch keine nachrangigen Insolvenzgläubiger im Sinne des § 39 InsO sein. Dasselbe gilt für unselbstständige Nachzahlungsansprüche von Vorzugsaktionären einer insolventen Aktiengesellschaft. Auf diese Rechte können in der Insolvenz nur die Vorzugsaktionäre selbst verzichten – vgl. § 141 Abs. 1 und 3 AktG (ebenso LG Düsseldorf NZI 2009, 322; OLG Düsseldorf NZI 2010, 31, 32 f.; Madaus, ZIP 2010, 1214, 1218 ff.). Wird dieser Verzicht bei der Sanierung vergessen, so ist dies ein Fehler des Sanierungsmanagements, nicht aber ein Grund zur Rechtsfortbildung contra legem (so aber nun leider der BGH in BGH ZIP 2010, 1039, 1041 f.; zustimmend Krüger/ Staack, BB 2010, 1817, 1818; Pape/Pape, ZInsO 2010, 1345, 1365; zuvor schon Hirte/Mock, ZInsO 2009, 1129, 1132 f.; auch Thonfeld in seiner Anmerkung zum Urteil des LG Düsseldorf, NZI 2009, 322, 323 f.).

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b) Die Legitimation und Funktionsweise der pre-voted bankruptcy Das amerikanische Recht kennt demgegenüber keinerlei Bedenken gegen eine Regelung gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen in Reorganisationsplänen, was an zwei Umständen liegen dürfte. Zum einen findet sich in Art. I section 8 clause 4 der Verfassung der Vereinigten Staaten die ausdrückliche Befugnis des Bundesgesetzgebers, auf dem Gebiet des Insolvenzrechts eine bundesweite gesetzliche Regelungen zu schaffen: »The Congress shall have Power [. . .] To establish [. . .] uniform Laws on the subject of Bankruptcies throughout the United States«. Hieraus ergibt sich für den Fall einer Unternehmensinsolvenz nicht nur die Einschlägigkeit und Wirksamkeit des U. S. Bankruptcy Code, sondern eben auch dessen umfassende Regelungsbefugnis gegenüber dem einzelstaatlichen Recht und damit insbesondere auch gegenüber dem dort zu findenden Gesellschaftsrecht. Für die Insolvenzsituation darf der Bundesgesetzgeber also nicht nur ein Verfahren bestimmen, sondern auch in die Rechte der von der Insolvenz betroffenen Personen eingreifen, wozu eben nicht nur die Gläubiger des Schuldners, sondern auch dessen Gesellschafter gehören. Eine vergleichbare Legitimationsgrundlage findet sich im deutschen Recht nicht.554 Ebenso bedeutend ist der Umstand, dass Chapter 11 die Gesellschafter des Schuldners an der Willensbildung über den Plan beteiligt und auf diese Weise ihre autonome Willensbildung jedenfalls in einem ersten Schritt respektiert. Will der Plan in die Rechte der Gesellschafter eingreifen, so muss er diese in Gruppen erfassen (11 U. S. C. § 1122) und zur Abstimmung über den Plan aufrufen. Jede Gesellschaftergruppe muss dabei grundsätzlich dem Plan gemäß 11 U. S. C. § 1126 (d) mit Zweidrittelmehrheit zustimmen. Nimmt der Plan ihnen sämtliche Rechte am Unternehmen, so ist eine Abstimmung überflüssig, da diese Gesellschaftergruppe gemäß 11 U. S. C. § 1126 (g) stets als ablehnend gewertet wird. Allerdings unterliegen dann auch die ablehnenden Gesellschaftergruppen den Zwängen des Obstruktionsverbotes, so dass sie trotz ihrer Ablehnung über 11 U. S. C. § 1129 (b) an den Plan gebunden werden können. Ihrer Willensbildung wird insofern nur in abgeschwächter Form respektiert. Ein gerichtliches Diktat, wie es noch der Diskussionsentwurf zur deutschen Insolvenzrechtsreform vorsah, findet sich allerdings nicht. Das Verfahren bei einer pre-voted bankruptcy folgt den aufgezeigten Mechanismen. Die Gesellschafter sind also in die Verhandlungen mit einzubeziehen und im aufzustellenden Plan als eigene Gruppen zu erfassen. Soll nach dem Planinhalt in ihre Rechte eingegriffen werden, so sind auch die Gesellschafter außergerichtlich in die Abstimmung über den Plan einzubeziehen, soweit ihnen nicht jegliche Rechtsstellung genommen werden soll und die Vermutung des 11 554 Dieser Umstand wird oft übersehen, wenn für das Insolvenzplanverfahren Eingriffsrechte in Gesellschafterpositionen gefordert werden, wie sie Chapter 11 bietet – zuletzt etwa Braun, FS Fischer, 2008, 53, 55 ff.

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U. S. C. § 1126 (g) eingreift. In der Abstimmung werden die Gesellschafter dann wie die Gläubiger auf die Natur der abzugebenden Zustimmungserklärung hingewiesen, soll diese doch erst in einem anschließenden Planverfahren Wirkung entfalten. Auch die Gesellschafter geben daher eine aufschiebend bedingte, antizipierte Willenserklärung ab.555 c) Die Abstimmung der Gesellschafter als Willensbildungsprozess Es ist wohl unbestritten, dass die Umsetzung eines Sanierungskonzeptes oft nur im Gleichlauf mit der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung eines Schuldnerunternehmens funktionieren kann, muss nach einem effektiven Mechanismus gesucht werden, einem hierzu dienenden Insolvenzplan auch gesellschaftsrechtliche Relevanz zu verleihen. (1) Ausgangspunkt: Die Autonomie der Willensbildung in der Gesellschaft Grundsätzlich ist bei der Frage der Verknüpfung von Gesellschafts- und Insolvenzrecht zu beachten, dass im deutschen Recht keine mit der amerikanischen »bankruptcy clause« vergleichbare verfassungsrechtliche Legitimationsgrundlage ersichtlich ist, aus der heraus in der Insolvenz Eingriffe in die autonome Willensbildung einer Gesellschaft gerechtfertigt werden können. Vielmehr stellt sich die Rechtslage gerade entgegengesetzt dar, schützt in Deutschland doch die Verfassung in Art. 9 Abs. 1 GG gerade diese Organisationsautonomie des Verbands und seiner Mitglieder. Ein insolvenzgerichtliches Diktat von Sanierungsmaßnahmen im Sinne des ersten Berichts aus dem Jahre 1985 ist daher in Deutschland kaum rechtfertigen. Entsprechendes gilt – wie sich im Folgenden zeigen wird – für einen Zustimmungszwang für ablehnende Gesellschafter über ein insolvenzrechtliches Obstruktionsverbot. (a) Der Schutz der Gesellschafterrechte aus Art. 14 GG. Bevor die Bedeutung der Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 Abs. 1 GG näher beleuchtet wird, soll kurz auf den zweiten verfassungsrechtlichen Problemkreis beim insolvenzrechtlichen Eingriff in Gesellschafterrechte eingegangen werden: den vermögensrechtlichen Schutz der Gesellschafterrechte durch Art. 14 GG. Leider beschränkt sich die verfassungsrechtliche Diskussion eines insolvenzrechtlichen Eingriffs in Gesellschafterrechte derzeit nahezu vollständig auf diesen Aspekt. Eingriffe in diesen Schutzbereich sind unter denselben Voraussetzungen gerechtfertigt, die im Dritten Kapitel für Eingriffe in Eigentumsrechte der Gläubiger herausgearbeitet wurden.556 Eine missbräuchliche Verweigerungshaltung der Gesellschafter kann danach zum Zwecke einer im volkswirtschaftlichen 555 Wegen der Einzelheiten kann auf die Ausführungen zur Gläubigererklärung verwiesen werden – siehe oben unter 1. b). und c). 556 Siehe im Dritten Kapitel E. V. 4.

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Gesamtinteresse liegenden Verwendung der Eigentumsrechte des Gesellschafters überwunden werden, wenn die Einbußen der Betroffenen wirtschaftlich voll ausgeglichen werden und ihnen wirksame Rechtsbehelfe zur Überprüfung der Zwangsbindung zur Verfügung stehen. Hinsichtlich der Entschädigungspflicht ist dabei zu beachten, dass die entzogenen Gesellschafterrechte im Fall einer Überschuldung des Schuldnerunternehmens wertlos sind, da ohne den Insolvenzplan eine Regelinsolvenz droht, die zur Befriedigungsreihenfolge des § 199 InsO führt, nach welcher die Gesellschafter erst nach allen Gläubigern aus der Masse bedient werden.557 Insgesamt ließe sich damit eine Zwangsbindung der Gesellschafter an einen Insolvenzplan, der den Verlust ihrer Anteile vorsieht, eigentumsrechtlich rechtfertigen, wenn den Gesellschaftern ein gerichtliches Verfahren zur Verfügung steht, dass die Notwendigkeit dieser Zwangsbindung ebenso prüft wie etwaiger Entschädigungsansprüche.558 Bei der hier vorgestellten pre-voted bankruptcy ist ein solches gerichtliches Verfahren durch die Bestätigungsinsolvenz gesichert, wobei gerade die Entschädigungsfrage in diesem Verfahren ausnahmsweise relevant werden kann, beruht hier doch die Verfahrenseröffnung im Regelfall auf dem Insolvenzgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit, so dass eine Überschuldung des Schuldnerunternehmens und die darauf basierende wirtschaftliche Wertlosigkeit der Anteilsrechte keineswegs zwingend ist. Grundsätzlich erfüllt das Bestätigungsverfahren des Insolvenzrechts mithin die verfassungsrechtlichen Vorgaben, weshalb Art. 14 GG den Gesellschaftern in der Insolvenz kaum einen Schutz bietet kann. (b) Der Schutz der Gesellschafterrechte aus Art. 9 Abs. 1 GG. Die Gesellschafterstellung, also die Mitgliedschaft in einer Gesellschaft, hat nun aber nicht nur einen vermögensrechtlichen Aspekt, auch wenn dieser gerade bei Beteiligungen an Kapitalgesellschaften tatsächlich im Vordergrund stehen mag. Die Mitgliedschaft selbst wird durch die Insolvenz nicht berührt. Nach dem geltenden Gesellschaftsrecht ist die Insolvenz der Gesellschaft eben nur ein Auflösungsgrund; der Verband bleibt weiter bestehen. Auch in der Insolvenz der Gesell557 Die Gegenargumente von Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, § 217 Rn. 18 f., die Anteile hätten wegen des Fortführungswertes des Unternehmens und den daher zu erwartenden künftigen Erträgen einen Wert, können nicht überzeugen, bestimmt sich der Wert der Rechte der Beteiligten in einem Insolvenzverfahren doch grundsätzlich nach deren Werthaltigkeit in einer Regelinsolvenz, also einer Liquidation (so schon das BVerfGE 92, 262, 272 für Insolvenzforderungen). Diese Liquidation kann im Wege der übertragenden Sanierung nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 InsO auch den Fortführungswert des Unternehmens nutzbar machen, was aber nur wiederum dann zu einem wirtschaftlichen Wert der Anteilsrechte führt, wenn der Erlös die Summe der Gläubigerverbindlichkeiten übersteigt. Die Aussicht auf künftige Erträge wird dabei allein durch den höheren Fortführungswert dargestellt. 558 Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass diese verfassungsrechtlichen Vorgaben keineswegs in jedem Fall eine Entschädigung verlangen (so aber Smid, DZWIR 2010, 397, 403). Werden nicht werthaltige Eigentumspositionen entzogen, so kann eine Entschädigung auch ausbleiben.

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schaft unterscheidet das Gesellschaftsrecht daher konsequent weiter zwischen außenstehenden Gläubigern und stimmberechtigten Gesellschaftern.559 Die Mitgliedschaft behält mithin ihre Rechtsmacht und damit ihren »Wert«.560 Diese besondere Rechtsposition der Mitgliedschaft in einem Verband genießt zugleich den verfassungsrechtlichen Schutz des Art. 9 Abs. 1 GG. Die mit diesem Grundrecht gewährte positive Vereinigungsfreiheit umfasst in ihrem Schutzbereich eben nicht nur die Freiheit zur Gründung einer Vereinigung bzw. zum Beitritt, sondern auch deren Bestand und interne Betätigung entsprechend der Satzung sowie das Recht zur Satzungsänderung. Zugleich erwächst dem Verband hieraus das Recht zur organisatorischen Selbstbestimmung. 561 Insgesamt ist damit insbesondere die Autonomie der Willensbildung in einer Gesellschaft besonders geschützt. Das Besondere an der Rechtsstellung der Gesellschafter im Gegensatz zu der der Gläubiger einer Krisengesellschaft ist mithin nicht der Eigentumsschutz, sondern der Schutz durch die Vereinigungsfreiheit.562 Einen derart geschützten Verband bilden die Gläubiger nicht. Hinsichtlich der Gesellschafterrechte steht die Vereinigungsfreiheit mithin in Konkurrenz zum Eigentumsschutz aus Art. 14 GG, woraus sich vor allem die Frage ergibt, ob die aufgezeigte eigentumsrechtliche Rechtfertigung eines Eingriffs in Gesellschafterrechte nicht zugleich auch den Eingriff in Art. 9 Abs. 1 GG legitimiert. Dabei ist bereits verfassungsdogmatisch zu beachten, dass der Gesetzgeber Eingriffe in das Eigentum aufgrund eines sehr weitreichenden Gesetzesvorbehalts in Art. 14 GG vornehmen darf, während die Vereinigungsfreiheit nur dem engen Schrankenvorbehalt des Art. 9 Abs. 2 GG unterliegt und ansonsten nur durch kollidierendes Verfassungsrecht beschränkt werden kann.563 »Das Grundrecht der allgemeinen Vereinigungsfreiheit gehört [. . .] zu den konstituierenden Gewährleistungen der grundrechtlichen Kommunikationsverfassung, d. h. zu einem gesellschaftsverfassungsrechtlichen Ordnungsbereich, der im Gegensatz zur Wirtschaftsverfassung ungleich weniger staatliche 559 Moderne hybride Finanzierungsinstrumente lassen die klassische Trennlinie zwischen Eigen- und Fremdkapital und damit zwischen Gesellschafter und Gläubiger immer mehr verschwimmen. Dies führt insbesondere für Aktiengesellschaften zu einem gewissen Trend, die Aktionärsrolle auf die eines Investors zu reduzieren und nichtvermögensrechtliche Gesellschafterrechte zurückzunehmen; vgl. dazu etwa Hirte, ZGR 2010, 224, 236 ff. 560 Die Gesellschafter erteilen den Gläubigern gerade nicht die generelle Befugnis, in der Insolvenz in alle Aspekte ihrer Gesellschafterstellung einzugreifen – so aber Sassenrath, ZIP 2003, 1517, 1524. 561 Siehe BVerfGE 50, 290, 354; siehe zum Schutzbereich auch Scholz, in: Maunz/Düring, GG, Art. 9 Rn. 81, 84: »Garantie der freien Existenz und der intern freien Funktionsentfaltung; oder mit anderen Worten: das [. . .] Recht auf Fortbestand und das Recht, das Vereinsleben autonom zu gestalten.« Dabei schützt gerade die interne Funktionsgarantie auch das Recht, »sich eine Satzung zu geben und diese zu ändern«. Art. 9 Abs. 1 GG enthält damit »das Recht zur (auch) organisatorischen Selbstbestimmung (Organisationsautonomie)«. 562 Ebenso Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 364: »Die eigentlichen Schwierigkeiten liegen [..] im Bereich des Art. 9 GG.« 563 Scholz, in: Maunz/Düring, GG, Art. 9 Rn. 112, 148.

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Dirigismen erlaubt bzw. staatlichen Eingriffen gegenüber ungleich sensibler reagiert, als dies etwa – abgesehen vom Generalfreiheitsrecht des Art. 2 Abs. 1 – die mit einfachem Gesetzesvorbehalt ausgestatteten Grundrechte aus Art. 12 und Art. 14 tun.«564 Aus der Rechtmäßigkeit eines Eingriffs in Art. 14 GG folgt somit keinesfalls automatisch auch die Rechtmäßigkeit eines Eingriffs in Art. 9 Abs. 1 GG. Die Notwendigkeit einer besonderen Eingriffsrechtfertigung dürfte nun jedenfalls dann unstreitig sein, wenn in Gesellschafterrechte eingegriffen wird, bei denen typischerweise die Mitgliedschaft mit ihren personalen, gerade von der Vereinigungsfreiheit geschützten Elementen im Vordergrund steht, wie es bei einer Personengesellschaft oder Körperschaften mit kleiner Mitgliederzahl der Fall ist. Ein Zurücktreten der Vereinigungsfreiheit hinter die eigentumsrechtlichen Abwägungen ließe sich allerdings ausnahmsweise bei großen Aktiengesellschaften diskutieren, wird die Rechtsstellung des Aktionärs dort doch ganz überwiegend vermögensrechtlich geprägt, während das personale Element seiner Mitgliedschaft nahezu bedeutungslos ist. Diese besondere Interessenlage in großen Aktiengesellschaften veranlasste selbst das Bundesverfassungsgericht, die Aktie jedenfalls dann als bloßes Vermögensrecht zu behandeln, wenn mit der Aktionärsstellung keine besonderen mitgliedschaftsrechtlichen Pfl ichten verbunden sind.565 Dieser Linie entsprach es, wenig später auch den Entzug der Aktionärsstellung von Minderheitsaktionären infolge einer Mehrheitsumwandlung allein einer Prüfung anhand des Art. 14 GG zu unterwerfen und dabei auf jede Äußerung zum Schutz aus Art. 9 GG zu verzichten.566 Erst in seiner Mitbestimmungsentscheidung setzte sich das Bundesverfassungsgericht ausführlicher mit dem Verhältnis von Art. 14 GG zu Art. 9 Abs. 1 GG bei einem Eingriff in Aktionärsrechte auseinander.567 Dabei stellte es endlich ausdrücklich fest, dass die Vereinigungsfreiheit auch bei Aktionären in großen Aktiengesellschaften neben der Eigentumsgarantie eine »eigene Schutzwirkung« besitzt568 und daher grundsätzlich anwendbar ist, 569 obwohl bei solchen eigentumsrechtlich geprägten Rechtspositionen der Schutz aus Art. 9 Abs. 1 GG weitgehend hinter den aus Art. 14 GG zurücktritt.570 Die Vereinigungsfreiheit würde allerdings insbesondere dann aktuell, wenn der Gesetzgeber eine mit Art. 9 Abs. 1 GG unvereinbare »Fremdbestimmung« der Aktionäre zuließe.571 Mithin kann auch der Aktionär in großen Aktiengesellschaften dann über 564

Scholz, in: Maunz/Düring, GG, Art. 9 Rn. 153. BVerfGE 4, 7, 26. Eine Zwangszuteilung von solchen Aktien verstieße daher nicht gegen die negative Vereinigungsfreiheit. 566 BVerfGE 14, 263, 273 ff. 567 BVerfGE 50, 290, 353 ff. 568 BVerfGE 50, 290, 353. 569 BVerfGE 50, 290, 356. 570 BVerfGE 50, 290, 355 f. 571 BVerfGE 50, 290, 357. 565

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Art. 9 Abs. 1 GG Schutz beanspruchen, wenn die Aktionärsrechte zur autonomen Willensbildung vollständig im Sinne einer Fremdbestimmung beseitigt werden sollen, würde ansonsten doch der Schutzgehalt des Art. 9 GG gänzlich verdrängt.572 Sollen also nicht die Aktionäre, sondern Dritte allein über Angelegenheiten entscheiden, die in den Bereich der Selbstverwaltung der Gesellschaft fallen, so ist aufgrund des darin zu findenden Eingriffs in den Kernbereich der Vereinigungsfreiheit bei jedem Verband eine besondere, den Anforderungen des Art. 9 Abs. 1 GG genügende Rechtfertigung notwendig. Übertragen auf das Insolvenzplanverfahren bedeutet dies, dass jedes Obstruktionsverbot, dass den Willen der Gesellschafter gänzlich durch den Gläubigerwillen ersetzt, unzweifelhaft auch bei großen Aktiengesellschaften 573 den Schutzbereich des Art. 9 Abs. 1 GG in seinem Kern betrifft und daher einer besonderen – nicht nur eigentumsrechtlichen – Rechtfertigung bedarf. 574 Die damit notwendige eigenständige Rechtfertigung eines Eingriffs durch das Insolvenzplanverfahrens in die Vereinigungsfreiheit, wird – soweit dieses Problem überhaupt erkannt wird – auf kollidierendes Verfassungsrecht gestützt, wobei hinsichtlich des kollidierenden Verfassungsrechtsguts auf die über Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Gläubigerforderungen verwiesen wird.575 Diese Argumentation hat allerdings zwei Schwachpunkte. Zum einen gilt es zu beachten, dass die in die Wagschale geworfene Verfassungsposition der Gläubiger, ihr über Art. 14 GG geschütztes Forderungsrecht, in ihrem Schutzbereich überhaupt nicht mit der Vereinigungsfreiheit der Gesellschafter kollidiert. Dies ergibt sich aus der vollstreckungsrechtlichen Natur der Gläubigerrechte in der Insolvenz. Der oft propagierte Verlust der Entschei572 Ebenso Scholz, in: Maunz/Düring, GG, Art. 9 Rn. 111: »Es ist zwar richtig, daß die (große) Aktiengesellschaft häufig nicht mehr über den klassisch-personalen Bezug verfügt, der das für Art. 9 Abs. 1 maßgebende Prinzip der sozialen Gruppenbildung bestimmt. Dies ändert jedoch nichts daran, daß auch die (große) Aktiengesellschaft »Gesellschaft« im Sinne des Art. 9 Abs. 1 ist und demgemäß aus deren Tatbestand bzw. deren freiheitsrechtlichem Schutz nicht eliminiert werden darf. Praktisch bedeutet dies, daß auch Regelungen bzw. Beschränkungen der Aktiengesellschaft nur auf der Grundlage der Idealkonkurrenz von Art. 9 Abs. 1 und Art. 14 statthaft sind.« Noch deutlicher in Rn. 93: »Bedarf es somit der jeweiligen, typenmäßig differenzierenden Abwägung zwischen Eigentums- und Vereinigungsfreiheit, so ist nach hiesiger Auffassung aber jedenfalls eine (völlige) Verdrängung des Art. 9 Abs. 1 durch den Art. 14 bei Kapitalgesellschaften nicht statthaft. Sollten sich in der zitierten Rechtsprechung des BVerfG gegenteilige Tendenzen niederschlagen, so wären diese aus der Sicht des Art. 9 Abs. 1 zurückzuweisen«. 573 Aus insolvenzrechtlicher Sicht wäre es zudem kaum wünschenswert, ein Sonderinsolvenzrecht nur für börsennotierte Aktiengesellschaften zu schaffen. 574 Dies hat auch das Bundesministerium der Justiz inzwischen erkannt und in der Begründung des Gesetzes zur Reorganisation systemrelevanter Kreditinstitute (KredReorg) für ein gegen die Aktionäre gerichtetes Obstruktionsverbot eine besondere Verhältnismäßigkeitsprüfung verlangt, da es im Hinblick auf die Bedeutung der Mitgliedschaftsrechte »nicht zulässig wäre, die Anteile auf eine rein vermögensmäßige Position zu reduzieren« – vgl. BTDrucks. 17/3024, S. 55. 575 So Bitter, ZGR 2010, 147, 193 f.; Verse, ZGR 2010, 299, 312.

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dungshoheit der Gesellschafter in der Insolvenz wird verbreitet damit begründet, dass – wie insbesondere in § 199 InsO manifestiert sei – die Gläubigerrechte in der Insolvenz einer Gesellschaft gegenüber den Gesellschafterrechten einen vollständigen Vorrang genießen. Dieser Vorrang müsse sich dann auch gegenüber der Vereinigungsfreiheit durchsetzen. 576 Dabei wird aber übersehen, dass die Vorrangregel des § 199 InsO nur für Erlösverteilungen im Insolvenzverfahren Geltung beanspruchen kann; sie enthält eben nur eine Regelung zur Verteilung des Verwertungserlöses in einer Liquidation. Dieser Erlös ergibt sich im Regelinsolvenzverfahren aus einem Liquidationsprozess, an dessen Ende die Schuldnergesellschaft gelöscht wird. Mit dem Schluss des Insolvenzverfahrens steht dann endgültig fest, welcher Wert sich aus dem Vermögen des Schuldners erzielen ließ. Dieser Wert gebührt dann nach gesellschaftsrechtlichen 577 wie insolvenzrechtlichen578 Verteilungsgrundsätzen in einem Liquidationsszenario zunächst den Gläubigern und nur ein verbleibender Überschuss geht an die Gesellschafter. Diese Rangfolge gilt dabei sowohl für die Liquidation im Wege der Zerschlagung als auch für die Liquidation im Rahmen einer übertragenden Sanierung, die es sogar ermöglicht, den Fortführungswert des Schuldnerunternehmens nutzbar zu machen. In beiden Fällen beendet eine Gesellschaft als Rechtsträger des Schuldnerunternehmens am Ende des Verfahrens ihre Existenz. Existiert der Schuldner hingegen am Ende des Verfahrens reorganisiert fort, so gibt es auch kein Liquidationsszenario. Die diesbezüglichen gesellschaftswie insolvenzrechtlichen Grundsätze sind damit nicht einschlägig. Folglich können die Gläubiger im Fall einer Reorganisation das nach der Insolvenz neu erworbene Schuldnervermögen auch nicht nach den Grundsätzen eines Liquidationsverfahrens beanspruchen, wie sie sich aus § 199 InsO oder den gesellschaftsrechtlichen Liquidationsvorschriften ergeben. Nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens gelten vielmehr wieder die einzelvollstreckungsrechtlichen Grundsätze (vgl. § 201 InsO). Die Rechtsstellung der Gläubiger reduziert sich auf ihr (nun tituliertes) Nachforderungsrecht, das sie individuell verfolgen können. Sie können damit weiter das pfändbare Vermögen des Schuldners beanspruchen. Eine Entscheidungsmacht dahingehend aber, ob und in welcher Weise der Schuldner nach einem Insolvenzverfahren sein Vermögen mehrt, haben die Gläubiger nicht. Ebenso fehlt ihnen jedes Recht, gesellschaftsrechtlicher Teilhaber an der fortgesetzten Erwerbstätigkeit des Schuldners zu werden. Die Entscheidung über diese Fragen liegt stets und allein beim Schuldner. Es ist mithin auch in einem Insolvenzverfahren allein der Schuldner, (und bei insolventen Gesellschaften damit die Gesamtheit ihrer Gesellschafter), der über die 576 Vgl. BGH ZIP 2010, 1039, 1041; Bitter, ZGR 2010, 147, 191; Eidenmüller/Engert, ZIP 2009, 541, 549 f.; Jaffé/Friedrich, ZIP 2008, 1849, 1854; Kresser, ZInsO 2010, 1409, 1416 f. 577 Vgl. §§ 49, 733, 734 BGB; § 155 HGB; § 271 AktG. 578 § 199 InsO.

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Fortführung seiner Erwerbstätigkeit nach der Insolvenz und die Art und Weise der ihm dann (bis zu einer Restschuldbefreiung) weiter obliegenden Befriedigung seiner Altgläubiger bestimmt. Erkennt man also, dass § 199 InsO lediglich eine (mit dem Gesellschaftsrecht identische) Regelung zur Erlösverteilung in einer Liquidation enthält und damit in einem Szenario keine Aussagekraft haben kann, in dem die Gesellschaft das Insolvenzverfahren übersteht, so ist zugleich klar, dass sich aus dieser Norm nicht herleiten lässt, dass sich die Gesellschafter hinsichtlich der Entscheidungen über den Fortbestand ihrer Gesellschaft dem Willen der Gläubiger beugen müssen. Einen absoluten Gläubigervorrang in allen für die Insolvenzbewältigung auftretenden Fragen kann diese Norm nicht begründen. 579 Stattdessen lässt sich aus § 201 InsO herauslesen, dass die Gläubigerrechte im Fall des Fortbestands des Schuldners nach der Insolvenz im Einklang mit der Grundfunktion des Insolvenzrechts rein vollstreckungsrechtlich legitimiert sind. Das Szenario einer Liquidation ist mithin stets klar von dem einer Reorganisation zu unterscheiden. Die Blockademacht der Gesellschafter bei einer im Insolvenzverfahren angestrebten Reorganisation lässt sich mithin darauf zurückführen, dass für die Reorganisation der Schuldnergesellschaft im Gegensatz zur ihrer Liquidation (mittels Zerschlagung oder übertragender Sanierung) ein Gegenstand benötigt wird, der den Gläubigern vollstreckungsrechtlich eben nicht zugewiesen ist: der Rechtsträger bzw. Verband und die diesbezügliche Entscheidungshoheit der Gesellschafter. In der Reorganisation wird die Gesellschaft als Verband benötigt und erhalten, da sie Rechtspositionen beinhaltet, die zwar werthaltig, aber im Vollstreckungswege nicht zu verwerten sind. Sie sind damit quasi »unpfändbar« und können folglich nur zum Vorteil der Gläubiger verwendet werden, wenn der Schuldner sie in Zukunft gewinnbringend wirtschaftlich nutzt. Da (und solange) aber in Deutschland das Insolvenzrecht allein dem Ziel bestmöglicher Gläubigerbefriedigung dient und damit vollstreckungsrechtlich geprägt ist, kann es den Gläubigern im Insolvenzverfahren über eine Gesellschaft lediglich deren Vermögen, nicht aber deren Willensbildung oder gar die privaten Rechte der Gesellschafter als Haftungsmasse zuweisen.580 Ein Zugriff der Gläu579 Auch § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO kann einen solchen Vorrang nicht begründen, da auch diese Norm nur die Rangstellung von Gesellschaftern regelt, die der Gesellschaft als (Darlehens-)Gläubiger gegenüberstehen. Sie enthält keine Regelung über die Rangstellung der Mitgliedschaftsrechte aller Gesellschafter. 580 Gerade diese vollstreckungsrechtliche Natur der Gläubigerrechte in der Insolvenz wird verbreitet übersehen – vgl. Verse, ZGR 2010, 299, 307; auch Kresser, ZInsO 2010, 1409, 1416 oder Sassenrath, ZIP 2003, 1517, 1524 f. Auch ein Allgemeininteresse auf die bestmögliche Verwertung eines Unternehmens in der Insolvenz im Sinne einer »Abwehr wirtschaftlicher Verschwendung«, das zugleich auch die Beseitigung der Verbandsautonomie des Unternehmensträgers, also einen Eingriff in Art. 9 Abs. 1 GG, rechtfertigt, existiert – entgegen der Argumentation von Brüning, Gesellschafter und Insolvenzplan, S. 284 f. – derzeit jedenfalls

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biger oder auch des Insolvenzverwalters auf diese Rechte muss daher auch in der Insolvenz unterbleiben. Die Willensbildung über eine Fortsetzung des Verbandes bleibt mithin stets Sache des Verbandes und als solche den Gesellschaftern übertragen. Diese Autonomie ist eben nicht dem Vollstreckungszugriff der Gläubiger ausgesetzt und mithin auch nicht Teil der Forderungsrechte der Gläubiger, die den Schutz des Art. 14 GG beanspruchen. Deren Eigentumsschutz wird somit durch die Vereinigungsfreiheit nie berührt. Eine praktische Konkordanz dieser Verfassungsgüter muss mangels einer Kollision folglich auch nicht hergestellt werden. Wer dies anders sehen will, hat sodann zu beachten, dass der Ausgleich beider Grundrechtspositionen im Wege der praktischen Konkordanz nur im Ausnahmefall zu einem vollständigen Vorrang der Gläubigerrechte bei vollständiger Verdrängung der Gesellschafterrechte führen kann, wie es ein generelles Obstruktionsverbot bewirken würde. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verbietet nun allerdings solch radikale Lösungsansätze, solange mildere und ebenso effektive Regelungen möglich sind. Selbst wenn man also eine Kollision des Eigentumsschutzes der Gläubiger mit der Vereinigungsfreiheit der Gesellschafter (zu Unrecht) annimmt, so ist jeder Lösungsansatz unverhältnismäßig, der gänzlich auf eine Willensbildung der Gesellschafter über einen Sanierungsplan in der Krise oder Insolvenz verzichtet, ist es doch keineswegs von vornherein auszuschließen, dass sich alle Beteiligten einem gemeinsam entwickelten Sanierungskonzept mit den notwendigen Mehrheiten anschließen, wenn dieses die Sanierungsopfer nach ihrer Auffassung angemessen verteilt. Die ideale Lösung des Interessenkonflikts ist nun einmal der Konsens, auch wenn dieser auf Mehrheitsvoten in beiden Interessengruppen basiert. Folgerichtig vertraut sowohl das U. S.-amerikanische Recht in Chapter 11 als auch das englische Recht in einem Company Voluntary Arrangement auf eine Abstimmung beider Interessengruppen über den Reorganisationsplan. Eine solche Konsenslösung von vornherein auszuschließen, indem etwa der Insolvenzverwalter berechtigt wird, in der Insolvenz alle Gesellschaftsanteile zwangsweise einzuziehen, 581 ist unnicht. Das Insolvenzrecht dient als Teil des Vollstreckungsrechts dem Privatinteresse der Gläubiger, nicht dem Verteilungsinteresse eines Gemeinwohls. Für das Gemeinwohl übernimmt es lediglich Ordnungsaufgaben. Sie dazu bereits die Ausführungen zu Beginn unter A. II. Es wäre die Aufgabe des Gesetzgebers, dies zu ändern; die Rechtsfortbildung darf es nicht. 581 Vgl. die Vorschläge von Bitter, ZGR 2010, 147, 195 f.; Bitter/Laspeyres, ZIP 2010, 1157, 1165; Braun, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 217 Rn. 41 ff.; ders., FS Fischer, 2008, 53, 70; Jaffé, in: Frankfurter Kommentar, InsO, § 221 Rn. 8; ders., in: Kölner Schrift zur InsO, S. 743 ff. Rn. 57; Uhlenbruck, NZI 2008, 201, 203, und Vallender, NZI 2007, 129, 136 f. Auch Kresser, ZInsO 2010, 1409, 1415, will auf jede Abstimmung der Gesellschafter über den Plan verzichten. Im Kern folgen diese Vorschläge der Idee eines »preemptive cram down« von LoPucki/Whitford, 65 Am. Bankr. L. J. 625 (1991). Danach sollen Gesellschafter, deren Anteile wirtschaftlich wertlos sind und die nach dem Plan auch nichts erhalten sollen, schon von der Abstimmung über den Insolvenzplan ausgeschlossen werden, damit sie die Verhandlungen

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verhältnismäßig und folglich mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht in Einklang zu bringen. Dasselbe muss für ein Obstruktionsverbot gelten, dass die Willensbildung der Gesellschafter zu einer reinen Formsache degradiert und daher in der Sache entbehrlich macht. Auch solche Lösungen nehmen die Verfassungsrechte der Gesellschafter nicht ernst und sind infolge dessen nicht haltbar, zumal – wie noch aufzuzeigen sein wird – andere Konfliktlösungen denkbar sind. Im Ergebnis darf die ablehnende Gesellschaftergruppe damit im Gegensatz zu ablehnend votierenden oder nachrangigen Gläubigergruppen nicht einem wohl stets einschlägigen Obstruktionsverbot unterworfen werden. Die hierin liegende Gläubigerdiskriminierung findet ihre sachlichen Gründe im besonderen verfassungsrechtlichen Schutz der Gesellschafterrechte aus Art. 9 Abs. 1 GG. Auch der insofern denkbare Vorwurf eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist unbegründet. (c) Art. 25 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie. Während insbesondere der deutsche Insolvenzrechtsgesetzgeber die Bedeutung des Schutzes der Gesellschafterrechte aus Art. 9 GG bislang verkennt, 582 hat der europäische Gesetzgeber bereits früh die Schutzbedürftigkeit der Aktionäre gegenüber staatlichen Eingriffen in ihre Mitgliedschaftsrechte erkannt und auf europarechtlicher Ebene mit der Kapitalrichtlinie583 insbesondere die Willensbildungsrechte der Aktionäre geschützt. Der Kern dieses Schutzes findet sich in Art. 25 der Richtlinie, der für Aktiengesellschaften bestimmt, dass jede Kapitalerhöhung von der Hauptversammlung zu beschließen ist. Gerade das in der finanzwirtschaftlichen Sanierung so wichtige Instrument des Kapitalschnitts bedarf danach stets eines entsprechenden Hauptversammlungsbeschlusses. Diese Zuständigkeit, so hat der Europäische Gerichtshof inzwischen mehrfach entschieden, ist gerade auch in der Krise des Unternehmens zu wahren und zwar selbst dann, wenn die Rettung volkswirtschaftlich wichtiger Unternehmen auf dem Spiel steht. 584 Eine Ersetzung des Hauptversammlungsbeschlusses durch einen Gläubigerbeschluss oder aber eine gerichtliche bzw. sonstige staatliche Entscheidung darf es nicht geben, so dass nicht mehr verzögern können. Allerdings werden durch diese Modelle nur die wirtschaftlichen Aspekte der Gesellschafterstellung betrachtet und die Probleme mit der Verbandsautonomie ausgeblendet. Eine solche Betrachtung greift zu kurz – insofern zutreffend Smid/ Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 6.24–6.27. 582 Auch in der allgemeinen Begründung des Diskussionsentwurfes für ein Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen findet sich unter Gliederungspunkt A. II. 2. zur Rechtfertigung des Eingriffs in die Gesellschafterrechte allein ein Hinweis auf Art. 14 GG. Die Bedeutung von Art. 9 GG wird nicht gesehen. 583 Zweite Richtlinie 77/91/EWG des Rates vom 13. Dezember 1976 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen. 584 EuGH Slg. 1991, I-2691 Rz. 30 (»Karella«); Slg. 1992, I-2111 Rz. 37 (»Syndemos Melon«); Slg. 1996, I-347 Rz. 38 ff. (»Pafitis«); Slg. 1998, I-2843 (»Kefalas«); Slg. 2000, I-1705 (»Diamantis«).

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eine zwangsweise Sanierung gegen die Zustimmung der Gesellschafter im Wege eines Kapitalschnitts oder eines debt-equity-swaps – jedenfalls außerhalb eines Insolvenzverfahrens – europarechtlich unzulässig ist. Ob die Kapitalrichtlinie der Hauptversammlung auch in einem gerichtlichen Insolvenz(plan)verfahren Schutz bieten kann, ist nun noch nicht ausdrücklich durch den EuGH entschieden worden. Während einige Stimmen im Schrifttum 585 davon ausgehen, dass insofern ein Zwangsvollstreckungsverfahren vorliege, auf welches die Richtlinie bei zutreffender, weil zweckentsprechend einschränkender Auslegung keine Anwendung finden darf, sehen andere586 weder in der Richtlinie noch in deren Interpretation durch den Europäischen Gerichtshof einen Anhalt für einen Wegfall der Schutzwirkungen in der Insolvenz, wenn dort die Reorganisation der Aktiengesellschaft unternommen wird. Betrachtet man nun die bisherige Rechtsprechung des EuGH, so erscheint dessen Linie allerdings in der Tat recht eindeutig: »Die Richtlinie steht zwar nicht dem Erlass von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, durch die die Gesellschaft zum Erlöschen gebracht werden soll, und insbesondere nicht Abwicklungsregelungen entgegen, die die Gesellschaft zum Schutz der Rechte der Gläubiger einer Zwangsverwaltungsregelung unterstellen. Sie findet jedoch im Fall einer einfachen Sanierungsregelung, die den Fortbestand der Gesellschaft sichern soll, weiter Anwendung, auch wenn diese Regelung bewirkt, dass die Aktionäre und die satzungsmäßigen Organe der Gesellschaft vorübergehend ihrer Rechte enthoben werden.«587 Diese Rechtsprechungsgrundsätze decken sich mit der zuvor gemachten Erkenntnis, dass das Szenario einer Liquidation stets klar von dem einer Reorganisation zu unterscheiden ist und die Gläubigerrechte im Fall einer Reorganisation, also des Fortbestands des Schuldners nach der Insolvenz, im Einklang mit der Grundfunktion des Insolvenzrechts rein vollstreckungsrechtlich definiert sind und keinen Zugriff auf die Gesellschafterrechte erlauben. Es sind diese Grundsätze, auf denen offensichtlich auch die – zutreffende – Rechtsprechung des EuGH zur Reichweite des Schutzes der Kapitalrichtlinie basiert, da auch der EuGH streng zwischen einem Liquidations- und einem Sanierungsszenario unterscheidet und nur bei Letzterem die Satzungsautonomie der Aktionäre durch die Richtlinie schützt.588

585 Eidenmüller/Engert, ZIP 2009, 541, 548; Jaffé, in: Kölner Schrift zur InsO, S. 743 ff. Rn. 60 f. oder Verse, ZGR 2010, 299, 313 f. Auch das Bundesministerium der Justiz hofft in der Begründung seines Diskussionsentwurfs für ein Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen aus dem Sommer 2010 auf eine entsprechende Auslegung der Richtlinie, um in der Insolvenz Kapitalmaßnahmen gegen den Willen der Gesellschafter durchsetzen zu können. 586 Drouven, ZIP 2009, 1052; Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 365 f.; Schuster, ZGR 2010, 325, 349 ff.; auch Wallner, ZInsO 2010, 1419, 1422. 587 EuGH Slg. 1996, I-347 Rz. 57 (»Pafitis«). 588 EuGH Slg. 1996, I-347 Rz. 57 (»Pafitis«).

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(2) Die Einbindung der Willensbildung der Gesellschafter über den Insolvenzplan Beachtet man die Vorgaben höherrangigen Rechts für eine Umgestaltung des Insolvenzrechts, so bleibt kaum ein Raum für Zwangsmaßnahmen gegenüber den Gläubigern im Interesse einer Effektivierung des Planverfahrens in der Insolvenz. Solche Maßnahmen erscheinen bei genauer Betrachtung allerdings für die Schaffung eines effektiven Insolvenzplans in der Insolvenz ebenso wenig notwendig wie für einen vorvereinbarten Insolvenzplan in einer Bestätigungsinsolvenz. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Nutzung eines Forderungstausches als Sanierungsinstrument. Hierzu ist in einem ersten Schritt die Willensbildung der Gesellschafter in das Planverfahren zu integrieren. Sodann ist danach zu fragen, inwieweit ein Obstruktionsverbot ihnen gegenüber normiert werden darf. (a) Die Abstimmung der Gesellschafter über den Insolvenzplan. Als Produkt erfolgreicher außergerichtlicher Verhandlungen wird ein bereits außergerichtlich beschlossener Insolvenzplan, also ein pre-voted plan, ohnehin nur dann dem Insolvenzgericht vorgelegt werden, wenn er eine breite Zustimmungsbasis gewinnen konnte, also in der Abstimmung nicht nur von der notwendigen Gläubigermehrheit angenommen wurde, sondern auch von den Mehrheitsgesellschaftern in der Gesellschaft unterstützt wird. Folgerichtig werden daher in einen solchen Plan auch die gesellschaftsrechtlich notwendigen Sanierungsmaßnahmen aufgenommen und die Beiträge und Beschlüsse der Gesellschafter festgelegt werden. Die Gesellschafter sind daher am Ende der Verhandlungen ebenso wie die Gläubiger aufzurufen, über den vorgelegten Insolvenzplan inklusive der darin enthaltenen gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen abzustimmen. Dies kann natürlich in einer hierzu eigens anzuberaumenden Gesellschafterversammlung erfolgen.589 De lege ferenda scheint aber auch ein Abstimmungsverfahren denkbar, dass wie bei den Gläubigern schriftlich erfolgt und damit kostengünstiger ist. Mit der so erzeugten Parallelität der Abstimmungsverfahren der Gesellschafter und der Gläubiger würde das Planverfahren einem Muster folgen, das sich auch im neuen Schuldverschreibungsgesetz wiederfindet. Soll durch einen Insolvenzplan auch in die Rechte von Anleihegläubigern eingegriffen werden, so bestimmt § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG, dass eine Versammlung dieser Gläubiger 589 Solche (außerordentlichen) Hauptversammlungen sind schon nach der heutigen Rechtslage notwendig und üblich, um die nach dem Sanierungskonzept erforderlichen Beschlüsse zustande zu bringen. Siehe als anschauliches Beispiel etwa das Planverfahren der Senator Entertainment AG (geschildert von Fritze, DZWIR 2007, 89 ff.). Die dabei derzeit auftretende Probleme der Harmonisierung von Insolvenz- und Gesellschaftsrecht stellen sich bei einer vorvereinbarten Insolvenz nicht, da hier zum Zeitpunkt der Hauptversammlung noch kein Insolvenzverfahren eröffnet ist und folglich allein das Gesellschaftsrecht Anwendung fi ndet.

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nach den Vorschriften des Schuldverschreibungsgesetzes stattzufinden hat, in der die Gläubiger einen gemeinsamen Vertreter bestellen und diesem die Wahrnehmung ihrer Rechte im Planverfahren übertragen können. Ihnen ist es dabei insbesondere erlaubt, in der Versammlung über die Zustimmung zu einem vorgelegten Insolvenzplan zu entscheiden, wobei gemäß § 5 Abs. 3 und 4 SchVG eine Drei-Viertel-Mehrheit dem Plan zustimmen muss, wenn dieser Kürzungen oder Stundungen der Anleiheforderungen vorsieht. Eine danach zustande kommende Entscheidung über den Insolvenzplan bindet auch den gemeinsamen Vertreter dieser Gläubiger, die im Planverfahren gemäß § 19 Abs. 3 SchVG als einzige Person berechtigt ist, für diese Gläubigergruppe aufzutreten, und daher insbesondere auch im Abstimmungstermin das Stimmrecht dieser Gläubigergruppe ausübt. Die Willensbildung der Anleihegläubiger über den Insolvenzplan erfolgt damit unabhängig und gleichsam parallel zur Willensbildung der übrigen Gläubigergruppen. Doch nicht nur diese Parallelität ist bemerkenswert. In der Gesamtschau bewirken die Regelungen des Schuldverschreibungsgesetzes zudem eine zeitliche »Aufgliederung des Abstimmungsverfahrens in eine (vorherige) Abstimmung der Anleihegläubiger und eine spätere Einbringung eines einheitlichen Abstimmungsergebnisses in die Insolvenzgläubigerversammlung.«590 Das Grundprinzip der pre-voted bankruptcy findet sich insofern bereits im geltenden Recht wieder. Zwar kann aufgrund der derzeitigen insolvenzrechtlichen Gesetzeslage auf eine Stimmabgabe der Anleihegläubiger im Abstimmungstermin noch nicht gänzlich verzichtet werden; diese Stimmabgabe wird aber durch das Auftreten des gemeinsamen Vertreters zur reinen Formalität, überbringt dieser doch nur den bereits gefundenen Willen der Anleihegläubiger. Die Integration der Gesellschafter in das Planverfahren darf allerdings nicht im Abstimmungstermin enden. Wird der Insolvenzplan von einer Mehrheit der Gesellschafter unterstützt, so genügt der sich darin ausdrückende kollektive Wille zur Bindung aller Gesellschafter an den Insolvenzplan, können doch nun die Grundsätze der Girmes-Rechtsprechung Anwendung finden, wonach die Minderheitsgesellschafter einer vernünftigen und mehrheitlich gewünschten Sanierung des Unternehmens ihre Unterstützung nicht versagen dürfen und folgerichtig zur Zustimmung gezwungen werden können.591 Das Gesellschaftsrecht selbst bietet damit eine hinreichende Legitimation der Durchsetzung des Mehrheitswillens gegenüber den Minderheitsgesellschaftern.592 590

Kuder/Obermüller, ZInsO 2009, 2025, 2028. BGHZ 129, 136, 151 f. (sog. Girmes-Entscheidung des BGH); dies kann sogar zum Ausschluss nicht mitwirkungswilliger Minderheitsgesellschafter führen (BGH NJW 2010, 65, 66 f.). Einen Überblick über die vorhandene Rechtsprechung zur Durchsetzung mehrheitlich beschlossener Sanierungsmaßnahmen findet sich bei Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 322 ff.; siehe auch Brüning, Gesellschafter und Insolvenzplan, S. 192 ff. oder Schmidt, JZ 2010, 125, 126 ff. 592 Die Nutzung dieser gesellschaftsrechtlichen Zwangsinstrumente in der Insolvenz emp591

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Die Durchsetzung der aus dieser Rechtsprechung folgenden Mitwirkungspflichten darf dann aber aus Gründen der Prozessökonomie nicht den langsam mahlenden Mühlen der ordentlichen Gerichtsbarkeit zugewiesen werden. Wenn man die Bestätigungsentscheidung zutreffend als Ort der richterlichen Feststellung von Zustimmungspflichten begreift und zudem den Sachzusammenhang des Gesellschafterbeschlusses mit der insolvenzbedingten Reorganisation der Gesellschaft berücksichtigt, so sollte dem Insolvenzgericht nicht nur die Bindung der Gläubigerminderheit an den Insolvenzplan obliegen. Es sollte zugleich auch über die Bindung der Gesellschafterminderheit an die im Insolvenzplan vorgesehenen gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen entscheiden und folgerichtig in seiner Bestätigungsentscheidung auch die Wirksamkeit des Insolvenzplans gegenüber allen Gesellschaftern feststellen können, wodurch sich die Planwirkungen automatisch auch auf diese Personen erstrecken. Beschlussmängelklagen nach dem Gesellschaftsrecht, aber auch nach dem Schuldverschreibungsgesetz (§ 20 SchVG), werden auf diese Weise überflüssig, da die zugrunde liegenden Rechtsfragen in das Bestätigungsverfahren integriert werden. Diese insgesamt effektive Form der Einbindung der Gesellschafter in ein Planverfahren bietet sich allerdings nicht nur in den Fällen eines bereits außergerichtlich beschlossenen Insolvenzplans an. Auch in den Fällen, in denen wie bisher über den Insolvenzplan erst im Planverfahren abgestimmt wird, sollten die gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen in den Plan aufgenommen werden. Zugleich sollte die zur Umsetzung der Maßnahmen notwendige Beschlussfassung der Gesellschafter in den Erörterungs- und Abstimmungstermin der §§ 235 ff. InsO integriert werden, ist dies doch das Forum, in dem das Sanierungskonzept erläutert und diskutiert wird. Einen Grund, die Gesellschafter hiervon auszuschließen, gibt es nicht.593 Die Verbandsautonomie verlangt nur nach einer eigenständigen Willensbildung der Gesellschafter, also nach einer eigenen Abstimmungsgruppe, nicht jedoch nach einem eigenen Abstimmungstermin bzw. einem eigenen Abstimmungsforum. Die Integration der Gesellschafter in die Entscheidung über den Insolvenzplan sollte daher durch die Bildung einer Gruppe der Gesellschafter im Plan erfolgen, denen aufgrund der im Plan vorgesehenen gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen ein Stimmrecht zukommt.594 Diese Gruppe stimmt dann im Abstimmungstermin ebenso über den fiehlt auch Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 369 ff. Voraussetzung hierfür ist natürlich, dass die der Zustimmungspflicht zugrunde liegende Treuepfl icht des Minderheitsgesellschafters auch in der Insolvenz der Gesellschaft noch besteht (zweifelnd etwa Schwalme, DZWIR 2004, 230, 231; Uhlenbruck, FS Lüer, 2008, 461, 470 f.), was bei einem Mehrheitsbeschluss der Gesellschafter zugunsten eines Reorganisationsplans allerdings zu bejahen sein wird. Für eine Zustimmungspflicht aller Gesellschafter zu einem nur von den Gläubigern gewollten Insolvenzplan fehlt hingegen eine entsprechende Treuepflicht. 593 Selbst Brüning, Gesellschafter und Insolvenzplan, S. 338 ff., befürwortet in seinem Reformentwurf eine Beteiligung der Gesellschafter am Erörterungstermin. 594 Eine Reduzierung der Abstimmungsrechte der Gesellschafter auf ein Widerspruchs-

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Insolvenzplan ab wie jede Gläubigergruppe, wobei sich die notwendigen Zustimmungsmehrheiten allerdings nicht aus den §§ 243 ff. InsO, sondern aus den einschlägigen gesellschaftsrechtlichen Normen ergeben. 595 Die insolvenzrechtliche Willensbildung der Gläubiger und der Schuldnergesellschaft über den Insolvenzplan wird auf diese Weise zwanglos mit der gesellschaftsrechtlichen Willensbildung harmonisiert. 596 (b) Kein generelles Obstruktionsverbot. Damit bleibt noch die Frage nach dem Schicksal eines Insolvenzplans zu beantworten, den nur die Gläubigergruppen, nicht aber die Gesellschaftergruppe mehrheitlich angenommen haben. De facto ist bei einem solchen Abstimmungsergebnis die Absegnung des bisherigen Verhandlungsergebnisses gescheitert, so dass bei einer außergerichtlichen Abstimmung die Verhandlungen fortzuführen oder aber die unvorbereitete und dann wohl auf eine Liquidation hinauslaufende Insolvenz zu beantragen wären. Findet die Abstimmung erst in der Insolvenz, also in einem Planverfahren statt, so würde dies das Scheitern des Plans und damit wohl die Liquidation der Schuldnergesellschaft nach sich ziehen. Eine derartige Blockademacht der Gesellschafter gegenüber einer von den Gläubigern gewünschten Sanierung des Schuldnerunternehmens wird nun verbreitet als untragbar angesehen. Zu ihrer Überwindung wird vorgeschlagen, die Obstruktionsverbote auch gegenüber den Gesellschaftern eingreifen zu lassen. Vereinzelt wird eine Anwendung des § 246 InsO auf die Gesellschaftergruppe gefordert, da diese rangmäßig den nachrangigen Insolvenzgläubigern nachfolgen, so dass deren ablehnendes Votum stets irrelevant wäre.597 Überwiegend recht wie das des Schuldners in § 247 Abs. 1 InsO, wie Brüning, Gesellschafter und Insolvenzplan, S. 335 ff., es befürwortet, mündet am Ende in der Frage, wer diesen Widerspruch erklären darf. Wenn man zur Beantwortung dieser Frage wie Brüning (S. 343) unter Rückgriff auf die Mehrheitsregel in den Plangruppen auf den Willen der Mehrheit der Gesellschafter abstellt, so steht auch hinter dem Widerspruchsrecht der Gesellschafter nichts anderes als eine Abstimmung derselben. Folglich sollte diese Abstimmung unmittelbar zum Anknüpfungspunkt des Gesellschafterwillens über den Insolvenzplan werden. 595 Dies ist die zwingende Folge der Verbandsautonomie der Gesellschaft und wird bei einer rein vermögensorientierten Sichtweise auf den Konflikt des Gesellschafts- mit dem Insolvenzrecht gern übersehen – siehe etwa Brüning, Gesellschafter und Insolvenzplan, S. 342 f.; auch Verse, ZGR 2010, 299, 320. Dies soll den Gesetzgeber im Gesellschaftsrecht allerdings nicht daran hindern, für Sanierungsentscheidungen die notwendigen Mehrheiten de lege ferenda zu senken, wie es etwa Schuster, ZGR 2010, 325, 337 f. vorschlägt. Der Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen aus dem Sommer 2010 (ESUG 2010) geht einen Mittelweg und verlangt in einem neuen § 244 Abs. 3 die Zustimmung der Summenmehrheit in der Gesellschaftergruppe. 596 Der Diskussionsentwurf zum ESUG 2010 sieht nun ebenfalls die Einbeziehung der Gesellschafter als eigene Gruppe ins Abstimmungsverfahren vor, wenn der Insolvenzplan in ihre Rechte eingreifen will. 597 So der Vorschlag von Sassenrath, ZIP 2003, 1517, 1528 f. (unter Vorschlag 2.9). Auch bei Carli/Rieder/Mückl, ZIP 2010, 1737, 1741, findet sich diese Überlegung.

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wird demgegenüber die Anwendung der §§ 245 bzw. 247 InsO ins Spiel gebracht, so dass die Ablehnung der Gesellschafter nur im Fall einer fehlenden Schlechterstellung im Plan gegenüber dem Regelinsolvenzverfahren unerheblich wäre.598 Der Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen aus dem Sommer 2010 folgt im Kern dieser Ansicht und schlägt einen neuen § 245 Abs. 3 InsO vor, der die Zustimmung der Gesellschafter fingiert, wenn der Plan keinem Gläubiger mehr als eine volle Befriedigung gewährt und im Übrigen alle Gesellschafter gleichbehandelt. Bei insolventen Gesellschaften ist das damit erreichte Ergebnis allerdings identisch, wird hier doch kein Gläubiger nach dem Plan einen wirtschaftlichen Wert erhalten, der den vollen Betrag seines Anspruchs übersteigt. Die kollektive Willensbildung der Gesellschafter würde wegen der stets drohenden Anwendung eines Obstruktionsverbotes unerheblich und damit zur Fiktion. Ob die Gesellschafter dem Plan tatsächlich zustimmen oder nicht, wäre eine reine Formalie im Bestätigungsverfahren.599 Eine derartige völlige Missachtung der Willensbildung in der Gesellschaft und der Entscheidungsrechte der Gesellschafter verstößt nun allerdings – wie bereits im vorangegangenen Abschnitt dargelegt wurde – gegen die Vereinigungsfreiheit der Gesellschaft sowie der Gesellschafter aus Art. 9 Abs. 1 GG sowie bei Aktiengesellschaften gegen das Europarecht in Gestalt der Kapitalrichtlinie. 600 Allein die wirtschaftliche Wertlosigkeit der Anteilsrechte in einer Liquidation rechtfertigen diesbezügliche Eingriffe eben gerade nicht. 601 Derartige Obstruktionsverbote führen mithin nicht zu einer praktischen Konkordanz der beteiligten Rechtspositionen, sondern zu einem Wegfall der Rechte 598 So etwa der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (Vorschlag 4, abgedruckt in ZInsO 2009, 2288, 2289), Carli/Rieder/Mückl, ZIP 2010, 1737, 1741 (als 2. Alternative); Eidenmüller, ZIP 2010, 649, 657; ders., Finanzkrise, Wirtschaftskrise und das deutsche Insolvenzrecht, S. 36 f.; Eidenmüller/Engert, ZIP 2009, 541, 549 f.; Verse, ZGR 2010, 299, 320 f.; Brüning, Gesellschafter und Insolvenzplan, S. 345 f. (allerdings über § 247 Abs. 2 InsO) und (wenngleich nur hilfsweise) Westpfahl/Janjuah, ZIP 2008, Beilage zu Heft 3, 1, 16. 599 Deutlich Kresser, ZInsO 2010, 1409, 1415: Es ist »unwahrscheinlich, dass eine fehlende Zustimmung der Gesellschaftergruppe nicht regelmäßig fingiert würde.« 600 Im Ergebnis ebenso Drouven, ZIP 2009, 1052; Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 365 f.; Schuster, ZGR 2010, 325, 349 ff.; andere Ansicht (jedenfalls im Rahmen eines Insolvenzverfahrens) aber Eidenmüller/Engert, ZIP 2009, 541, 548; Jaffé, in: Kölner Schrift zur InsO, S. 743 ff. Rn. 60 f.; Verse, ZGR 2010, 299, 313 f. sowie das Bundesministerium der Justiz in der Begründung des Diskussionsentwurfs zum ESUG 2010. 601 So aber insbesondere Eidenmüller, ZIP 2007, 1729, 1736; ders., ZIP 2010, 649, 657; ders., in: MünchKomm, InsO, § 217 Rn. 76; ders., Finanzkrise, Wirtschaftskrise und das deutsche Insolvenzrecht, S. 36 f., der wegen der wirtschaftlichen Wertlosigkeit der Gesellschaftsanteile in der Insolvenz in der Entziehung der Gesellschafterposition durch den Beschluss der Insolvenzgläubiger keine verfassungsrechtlich bedenkliche Enteignung erkennen mag. Ebenso Bitter, ZGR 2010, 147, 191 ff.; Carli/Rieder/Mückl, ZIP 2010, 1737, 1739/1741; Eidenmüller/ Engert, ZIP 2009, 541, 549 f.; Jaffé/Friedrich, ZIP 2008, 1849, 1853 f.; Kresser, ZInsO 2010, 1409, 1416 f.; Verse, ZGR 2010, 299, 320 f.; Westpfahl/Janjuah, ZIP 2008, Beilage zu Heft 3, 1, 16.

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der Gesellschafter im Interesse einer Sanierung ihrer Gesellschaft zum Vorteil der Gläubiger. Die Entscheidung des Reformgesetzgebers von 1994 602 gegen ein Eingriffsrecht der Gläubiger in die Verbandsautonomie war insoweit folglich zutreffend. 603 Derartige Zwangsmaßnahmen haben auch weiterhin zu unterbleiben. Erst wenn sich der Gesetzgeber dazu entschließt, das Insolvenzplanverfahren vom Ziel der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung abzukoppeln und für dieses Verfahren als primäres Ziel die Entschuldung des insolventen Rechtsträgers bestimmt, wenn also nicht mehr die Gläubigerbefriedigung, sondern der »fresh start« als Verfahrensziel definiert wird, wie wir es beim U. S.-amerikanischen Chapter 11-Verfahren oder aber auch beim englischen Company Voluntary Arrangement finden, enden die vollstreckungsrechtlichen Bindungen der Gläubigermacht. Ist allein604 die Sanierung das Verfahrensziel, so können alle Beteiligten – Gläubiger wie Gesellschafter – gesetzlich vielleicht zu Opfern gezwungen werden, die dann nur noch wirtschaftlich zu entschädigen sind. 605 Ein solches Rettungsverfahren müsste weder an den Eintritt einer Insolvenz anknüpfen noch im Insolvenzrecht geregelt sein. Ob solche Sanierungen um ihrer selbst willen allerdings zu empfehlen sind, muss in einer Marktwirtschaft bezweifelt werden. 606 In einer solchen Gesellschaftsordnung kann die Erhaltung eines insolventen Unternehmens »kein Selbstzweck« sein, so dass die Gläubigerbefriedigung alleiniger Zweck eines Unternehmensinsolvenzverfahrens bleiben muss und auch die Sanierung in der Insolvenz bestimmt. 607 »Ziel des Insolvenzverfahrens [. . .] ist nicht per se die Sanierung des Unternehmens, ist nicht der Erhalt von Arbeitsplätzen und nicht das Unternehmens als solches.«608 Solange diese Zweckbindung das Insolvenzrecht beherrscht, müssen 602

Siehe BT-Drucks. 12/2443, S. 83. Ebenso Kessler, Die Aktiengesellschaft in der Eigenverwaltung, S. 388; Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 366; Noack, FS Zöllner, 1998, 411, 416. 604 Es ist also bei jeder Insolvenzrechtsreform mit dem Ziel der Sanierungserleichterung genau zu hinterfragen, in welchem Verhältnis die Ziele der Sanierung eines Unternehmens und der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung in Zukunft zueinander stehen sollen. Eine bloße Aufnahme der Sanierung als zweites Verfahrensziel in einem geänderten § 1 InsO, wie sie etwa Frind, ZInsO 2010, 1161, 1162 vorschlägt, enthält gerade diese Grundentscheidung nicht. 605 Dogmatisch ließen sich diese Vermögensopfer dann (aber auch erst dann) als Aufopferung einordnen – so auch, allerdings schon für das geltende Recht Bitter, ZGR 2010, 147, 172 ff. 606 Siehe dazu die Ausführungen am Anfang dieses Kapitels unter A. I. 607 Von diesen Grundlagen geht auch das Bundesministerium der Justiz in seiner Begründung des Diskussionsentwurfs für ein Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen aus dem Jahr 2010 aus. Leider beachtet es die sich daraus ergebenden Notwendigkeiten in der Folge dann nicht; insofern sind die kritischen Fragen nach einer »Sanierung um jeden Preis« (so Lüke in seiner Stellungnahme zum Entwurf in ZIP 2010, 1371) durchaus berechtigt. 608 So zuletzt ausdrücklich und mustergültig Haarmeyer/Wutzke, ZInsO 2010, 1201, 1203. 603

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auch die sich aus ihr ergebenden Grenzen der Gläubigerherrschaft gesehen und respektiert werden. Gelingt es den Verhandlungsführern also in der Krise nicht, die Gesellschafter mehrheitlich für den Sanierungsplan zu gewinnen, so darf ihnen auch kein generelles Obstruktionsverbot weiterhelfen. Den Gläubigern bleibt dann nur das Recht, die Gesellschaft im Insolvenzverfahren zu liquidieren. Hier steht es den Gläubigern steht frei, als Alternative zu einer Zerschlagung den Weg über die Unternehmensveräußerung als Einheit zu beschreiten. 609 Wenn auf diesem Wege steuerliche Verlustvorträge oder besondere Genehmigungen und Vertragsbeziehungen verloren gehen, so liegt dies daran, dass diese Vorteile von nicht übertragbarer Natur sind und daher den Gläubigern ohnehin vollstreckungsrechtlich nicht als Haftungsobjekt zur Verfügung stehen. 610 Das Vollstreckungsrecht erlaubt eben nur den Zugriff auf das Vermögen des Schuldners. Ist für eine Reorganisation auch eine aktive Mitwirkung Dritter notwendig, so ist darüber zu verhandeln. Erzwingen lässt sich eine aktive Mitwirkung Dritter zur Steigerung des Gläubigererlöses weder in der Zwangsvollstreckung noch in der Insolvenz. (c) Ein Obstruktionsverbot bezüglich der Gewinnverwendung. Die verfassungsrechtlich geschützte Autonomie der Gesellschaft erlaubt es in einem auf dem Vollstreckungsrecht und dem Primat der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung basierenden Insolvenzverfahren zwar nicht, die Gesellschafter im Wege eines generellen Obstruktionsverbots an einen nur von den Gläubigern gewollten Insolvenzplan zu binden, wenn dieser ihre satzungsmäßigen Mitgliedschaftsrechte berührt. Ein Zugriff auf diese, klar vom Schuldnervermögen zu unterscheidenden Gegenstände steht den Gläubigern nicht zu. Was sie aber nicht nur wirtschaftlich, sondern auch rechtlich beanspruchen können, ist das nach der Verfahrensaufhebung durch die Schuldnerin erwirtschaftete Neuver609 Der gleichlautende Hinweis in der Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 12/2443, S. 83, ist in jeder Hinsicht zutreffend. Diese Übertragung kann natürlich auch im Wege der Ausgliederung des Schuldnerunternehmens gemäß § 123 Abs. 3 UmwG auf eine Übernahmegesellschaft geschehen, wie Drouven es in seinem Ausgliederungsmodell vorschlägt; vgl. Drouven, ZIP 2009, 1052, 1053; nun auch Wallner, ZInsO 2010, 1419, 1422 ff. Der Gesetzgeber könnte auf den dazu grundsätzlich notwendigen Gesellschafterbeschluss (§§ 125, 50 Abs. 1 bzw. 65 Abs. 1 UmwG) de lege ferenda für den Sanierungsfall tatsächlich verzichten, da es sich bei der Ausgliederung um eine Liquidationshandlung handelt, die den Gläubigern in der Insolvenz zusteht. 610 Die hieran anknüpfende Kritik an der geltenden Gesetzeslage – etwa von Braun, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 217 Rn. 39; ders., FS Fischer, 2008, 53, 65 f.; Brüning, Gesellschafter und Insolvenzplan, S. 211 f. undOtte, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 217 Rn. 60 – kann daher kaum überzeugen. Auch das Ausgliederungsmodell von Drouven (ZIP 2009, 1052, 1053) hilft diesbezüglich nicht weiter, da auch nach diesem Modell über § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG eine Rechtsnachfolge stattfindet, die an den alten Rechtsträger geknüpfte, nicht übertragbare Rechte eben nicht erfasst. Das Schlagwort der »Gesamtrechtsnachfolge« ändert daran nichts.

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mögen. Diesbezüglich ist in Erinnerung zu rufen, dass ein Insolvenzplan keine Restschuldbefreiung vorsehen muss (vgl. § 227 Abs. 1 InsO). Gewährt er weder eine vollständige Befriedigung noch eine Restschuldbefreiung, so muss der Schuldner aus dem nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens erworbenen Vermögen weiter zunächst die Altgläubiger befriedigen, bevor er einen Gewinn an seine Gesellschafter ausschütten darf (vgl. § 201 InsO). Auf dieses neue Vermögen haben die Gläubiger einen Rechtsanspruch. Regelt ein Insolvenzplan nun allein die Modalitäten der Befriedigung dieses Anspruchs und lässt er gleichzeitig die Mitgliedschaftsrechte der Gesellschafter unangetastet, so verschlechtert er die Rechtsstellung der Gesellschafter nicht, solange zugleich sichergestellt wird, dass kein Gläubiger mehr als die volle Befriedigung seiner Restforderungen erhält. Die Zustimmung zu einem solchen Insolvenzplan nimmt mithin nur vorweg, was eine Gesellschafterversammlung im eigenen Interesse ohnehin beschließen würde, da auch ein Gewinnverwendungsbeschluss jedes Jahr die vorrangige Bedienung der alten Insolvenzgläubiger vorzusehen hätte. Lehnen die Gesellschafter in der Abstimmung als Gruppe dennoch einen solchen Insolvenzplan ab, so liegt darin tatsächlich ein Missbrauch ihrer Entscheidungsmacht, der durch ein Obstruktionsverbot sanktioniert werden sollte. Dieses Verbot kann dabei durchaus so formuliert sein, wie es der Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen aus dem Sommer 2010 in einem neu zu schaffenden § 245 Abs. 3 InsO vorsieht, 611 wenn als zusätzliche Bedingung formuliert wird, dass Zwangseingriffe in die Mitgliedschaftsrechte der Gesellschafter nach dem Plan nicht erfolgen. Ein derartige interpretiertes Obstruktionsverbot würde einen klassischen debt-equity-swap zwar weiter von der Kooperationsbereitschaft der Gesellschafter (und der Gläubiger) abhängig machen, hätte aber eine gangbare Alternative zu bieten, da es jedenfalls einen Umtausch der Gläubigerforderungen in entsprechend bedingte Genussrechte auch gegen den Widerstand der Gesellschafter zulassen würde. Eine solche Forderungsumwandlung in Genussrechte hat dieselben Vorteile für den Schuldner wie ein debt-equity-swap, da sie bei einer entsprechenden Ausgestaltung der Genussrechtsbedingungen zu einer schnellen und unkomplizierten Umwandlung von Fremdkapital in eigenkapitalnahes Mezzanine-Kapital führt. 612 Mit ihrer Hilfe lässt sich also ebenfalls die mit jedem Forderungstausch bezweckte schnelle bilanzielle Entschuldung von operativ gesunden, aber überschuldeten Unternehmen erreichen. Zugleich weist die Umwandlung in Genussrechte mehrere entscheidende Vorteile gegenüber einem klassischen debt-equity-swap auf. Zum einen ist ein debt-mezzanine611 Danach kann die Obstruktion der Gesellschaftergruppe überwunden werden, wenn diese voraussichtlich nicht schlechter stehen als ohne Plan, kein Gläubiger mehr als die volle Befriedigung seiner Forderungen erhält und alle Anteilseigner gleichbehandelt werden. 612 Die Vorteile von eigenkapitalnah ausgestalteten Genussrechten wurden bereits im Ersten Kapitel unter A. II. 3. b) (2) erläutert.

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swap bei jeder Rechtsform der Schuldnergesellschaft denkbar, ohne dass die Gläubiger das Risiko einer persönlichen Gesellschafterhaftung eingehen. Da sie gerade nicht Gesellschafter werden, droht ihnen weder eine persönliche Mithaftung für Gesellschaftsschulden, wie sie in Personengesellschaften üblich ist, noch eine Differenzhaftung infolge einer Falschbewertung der eingebrachten Forderung. 613 Hinzu kommt der steuerliche Effekt, dass die Schuldnergesellschaft Genussrechte nicht nur als Eigenkapital ausweisen, sondern darüber hinaus auch alle Ausschüttungen auf das Genussrecht als Betriebsausgabe geltend machen kann. Zugleich werden durch die unangetastete Gesellschafterstruktur jegliche Auseinandersetzungen mit den Finanzbehörden über den Anwendungsbereich von § 8c KStG vermieden. 614 Schließlich können die Genussrechtsbedingungen so flexibel gestaltet werden, dass für jeden Einzelfall eine maßgeschneiderte Lösung vorstellbar ist. Dies gilt sowohl für den Umfang der Informations- und Kontrollbefugnisse der Genussrechtsinhaber als auch für die Gestaltung der Ausschüttungen. Insgesamt bietet der Umtausch der Forderungen in Genussrechte Vorteile für alle Beteiligten und scheint insofern einem debt-equity-swap überlegen. Er dürfte sich oft als das bessere Instrument zur Durchführung einer schnellen bilanziellen Entlastung des Schuldners erweisen, ohne dazu in Mitgliedschaftsrechte eingreifen zu müssen. 615 Ein entsprechender Insolvenzplan kann und sollte daher auch gegen den Widerstand der Gesellschaftermehrheit durchsetzbar sein. Schließlich ist zu bedenken, dass schon ein derartig vorsichtiges Obstruktionsverbot einem Planinitiator eine gute Verhandlungsbasis gegenüber den Gesellschaftern verschafft. Er kann ihnen zwar nicht mit einer Zwangsenteignung drohen, wohl aber mit der Aussicht, ihnen mittels eines debt-mezzanine-swap jegliche Gewinnbeteiligung, also jegliche Sanierungsdividende, zu nehmen. Zugleich dürfte der Plangestalter die Gesellschafter mit der Aussicht auf eine 613 Carli/Rieder/Mückl, ZIP 2010, 1737, 1742 f.; Klusmeier, ZInsO 2010, 1873, 1874 (auch zur Frage der Anwendung von § 39 Abs. 2 Nr. 5 Alt. 2 InsO auf Genussrechte). Wegen der Einzelheiten der gesellschaftsrechtlichen Haftungsrisiken bei einem debt-equity-swap kann auf die Ausführungen im Ersten Kapitel unter A. II. 3. b) (4) (a) verwiesen werden. 614 Auf diese steuerlichen Aspekte weisen insbesondere auch Carli/Rieder/Mückl, ZIP 2010, 1737, 1742 sowie Oelke/Wöhlert/Degen, BB 2010, 299, 300 f. hin. 615 Diese Entschuldungsfunktion jeder Umwandlung von Insolvenzforderungen begründet auch, warum in der Sanierungspraxis stets der Schuldner, nur sehr selten aber Insolvenzgläubiger an einem debt-equity-swap interessiert sind; vgl. Wallner, ZInsO 2010, 1419, 1422. Letztere erwarten keine Anteile am Unternehmen, sondern Geldleistungen auf ihre Forderung. Genussrechte dürften daher ihren Interessen näher kommen und so auch die Motivation der Gläubiger erhöhen, einer Umwandlung ihrer Forderungen zuzustimmen. Dass diese Zustimmung stets notwendig ist, wurde bereits im Dritten Kapitel unter E. V. 4. c). erläutert. Es spricht allerdings viel dafür, die Umwandlung von Forderungen in Genussrechte auch obstruierenden Gläubigern auch zwangsweise auferlegen zu können, da mit dem Genussrecht eine der Barzahlung ähnliche und damit angemessene wirtschaftliche Entschädigung für ihr entzogenes Forderungsrecht erhalten – siehe zur diesbezüglichen verfassungsrechtlichen Problematik die Ausführungen im Dritten Kapitel unter E. V. 4.

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erneute Werthaltigkeit ihrer Anteile 616 zur Teilnahme an einer Planlösung motivieren können, die insofern auch für die Gesellschafter zumindest einen wirtschaftlichen Vorteil gegenüber der sonst drohenden Liquidation und dem dortigen Totalverlust hat. Eine vollständige Blockade der Planlösung ist nun auch für die Gesellschafter nicht mehr rational. Schließlich müssten die Werte, die an die Gesellschafter fließen, nicht von den Gläubigern bezahlt werden, da diese vorrangig über ihre Genussrechte bedient werden und so primär von der Sanierung profitieren. Insgesamt scheint damit ein angemessener Ausgleich der Gesellschafter- und Gläubigerinteressen in einer Reorganisation im Wege praktischer Konkordanz gefunden. d) Der notwendige Umfang gesetzgeberischen Tätigwerdens Die gesellschaftsrechtliche Willensbildung über einen außergerichtlich zu beschließenden Insolvenzplan wird stets in einer Gesellschafterversammlung stattfinden, so dass sich insofern keine Konflikte zwischen den Planwirkungen und der autonomen Willensbildung in der Gesellschaft ergeben. Entschließt sich eine Mehrheit der Gesellschafter zur plangemäßen Sanierung des Unternehmens, so bindet dieser Beschluss nach den rein gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen der Girmes-Rechtsprechung auch die Minderheitsgesellschafter und sollte dann – als einzige Neuerung – durch das Insolvenzgericht durchgesetzt werden. Die im bestätigten Insolvenzplan vorgesehenen gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen gelten in der Folge als in der Gesellschaft beschlossen und werden damit zum Gegenstand der Planwirkungen und des § 254 Abs. 1 InsO, so dass beispielsweise die für die Übertragung von Anteilen oder Sachwerten notwendigen Willenserklärungen als formgerecht abgegeben gelten können. Die Anerkennung einer Bestätigungsinsolvenz (pre-voted bankruptcy) und deren Wirkungserstreckung auch auf die Gesellschafter des Krisenunternehmens verlangt damit zunächst nur nach einer gesetzgeberischen Klarstellung darüber, dass auch gesellschaftsrechtliche Maßnahmen in den darstellenden und gestaltenden Teil des Insolvenzplans aufzunehmen sind. Des Weiteren ist die Bestätigungsentscheidung des Insolvenzgerichts um den Prüfungspunkt eines wirksamen Gesellschafterbeschlusses zu ergänzen, wobei ein Obstruktionsverbot geschaffen werden sollte, dass zwar keine Eingriffe in die Mitgliedschaftsrechte der Gesellschafter, wohl aber eine Planregelung zur Gewinnverwendung auch gegen den Willen der Gesellschaftergruppe zulässt. Zugleich ist 616 Diese Wertsteigerung sollte allerdings nicht überschätzt werden, kann der Anteil doch auf absehbare Zeit keine Gewinnbeteiligung verkörpern. Dem Gesellschafter sollte es daher erlaubt werden, Gläubigern Genussrechte zum jeweils vollen Forderungswert (den sie ja verkörpern) abzukaufen. Bezüglich dieses Ablösungsrechts können die Regeln der Modelle von Bebchuck oder Aghion, Hart und Moore Anwendung finden; Einzelheiten dazu finden sich in diesem Kapitel unter A. III. 2. b) und c) (2).

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§ 254 InsO dahin gehend zu erweitern, dass auch diese Maßnahmen mit Eintritt der Planwirkungen verbindlich werden. Im Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen aus dem Sommer 2010 werden diese Vorgaben bereits weitgehend erfüllt. 617 Ansonsten ist gerade im Fall einer Bestätigungsinsolvenz darauf hinzuwirken, dass jegliche Unterbrechung der Unternehmenskontinuität infolge der kurzen Verfahrenseröffnung vermieden wird. Neben der zwingenden Anordnung der Eigenverwaltung erscheint dabei insbesondere eine Neuregelung des Gesellschaftsrechts dahin gehend notwendig, dass (zumindest) ein solches Insolvenzverfahren nicht als Auflösungsgrund angesehen wird und zur Beendigung einer unternehmenstragenden Gesellschaft führt. 618

V. Die notwendige Beschränkung der Rechtsmittel Ein schlankes und möglichst eingriffsfreies Bestätigungsverfahren wie die Bestätigungsinsolvenz nützt den Beteiligten nur wenig, wenn die Rechtsordnung es obstruierenden Minderheitsgläubigern und -gesellschaftern erlaubt, die gebotene schnelle Planumsetzung durch die Einlegung von Rechtsmitteln gegen die Bestätigungsentscheidung auf unabsehbare Zeit zu verzögern. 619 Dennoch mutet das deutsche Insolvenzrecht den Beteiligten genau dies zu, wenn es zum einen in § 253 InsO jedem einzelnen Gläubiger sowie dem Schuldner die Befugnis zugesteht, gegen den Bestätigungsbeschluss des Insolvenzgerichts das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde einzulegen, wozu er wiederum lediglich eine materielle Beschwer glaubhaft machen muss. 620 Wirklich verheerend wirkt sich diese breite Rechtsmittelbefugnis aber erst durch die Regelung in § 254 Abs. 1 Satz 1 InsO aus, nach welcher der Eintritt jeglicher Wirkungen des Insolvenzplans an den Eintritt der Rechtskraft der Bestätigung geknüpft ist. Eine planmäßige Sanierung kann danach erst beginnen, wenn über jedes einzelne Rechtsmittel rechtskräftig entschieden wurde. Kaum ein sanierungsbedürftiges Unternehmen kann den bis dahin eintretenden Schwebezustand wirt-

617 Die §§ 217, 220, 222, 235, 243, 244, 245, 251 und 253 InsO werden darin entsprechend geändert und um die neuen §§ 225a, 246a sowie 254a und 254b InsO ergänzt, um dem Insolvenzplan Eingriffe in Gesellschafterrechte zu ermöglichen. 618 So aber die derzeitige Gesetzeslage in § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG, § 262 Abs. 1 Nr. 3 AktG oder § 131 Abs. 1 Nr. 3 HGB. Nach Uhlenbruck, NZI 2008, 201, 204, sollte sogar jede prepackaged bankruptcy, also jedes Insolvenzverfahren, bei dem der Eröffnungsantrag mit einer Planvorlage nach § 218 Abs. 1 Satz 2 InsO verbunden wird, nicht zur Auflösung der Gesellschaft führen. 619 Vgl. Pape/Pape, ZInsO 2010, 1345, 1365: »Pläne, die durch mehrere Instanzen müssen, haben [. . .] keine Chance.« 620 Das Erfordernis einer formellen Beschwer hat der BGH hingegen verneint – vgl. BGHZ 163, 344, 347 – zustimmend etwa Sinz, in: MünchKomm, InsO, § 253 Rn. 20.

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schaftlich verkraften, der in Deutschland derzeit durchaus mehrere Jahre anhalten kann. 621 Die Verzögerungspotenziale einer derartigen Verfahrensgestaltung sind also offensichtlich. Dennoch ließ sich der Gesetzgeber in den 1980iger und 1990iger Jahren bei Schaffung des Insolvenzplanverfahrens nicht von eben diesen Traditionen der Vorgängerregelungen in der Konkurs- und Vergleichsordnung abbringen622 und unterschätzte dabei die Bedeutung des Zeitmoments für Sanierungsbemühungen. 623 Als Folge dieser Fehleinschätzung blieben alternative Regelungsmodelle außer Betracht, die sich sowohl im U. S.-amerikanischen Insolvenzrecht als auch im deutschen Zivilprozessrecht finden lassen und die weitaus sanierungsfreundlicher sind. 1. Der Grundsatz der sofortigen Vollziehbarkeit eines Chapter 11-Plans Wiederum erweist sich vor allem das U. S.-amerikanische Insolvenzrecht als vorbildlich. Dies liegt zum einen an der Regelung in Rule 3020(e) der Federal Rules of Bankruptcy Procedure, nach welcher der Bestätigungsbeschluss über einen Chapter 11-Plan grundsätzlich bereits mit Ablauf von vierzehn Tagen nach seinem Erlass Wirkung entfaltet. 624 Jeder bestätigte Plan ist daher grundsätzlich spätestens am 15. Tag nach seiner Bestätigung durchführbar. Die sofortige Vollstreckbarkeit bestätigter Insolvenzpläne kann insofern als ein Grundprinzip des amerikanischen Insolvenzrechts angesehen werden. 625 Dieser Grundsatz wird in einem zweiten Schritt vor allem dadurch geschützt, dass das amerikanische Insolvenzprozessrecht jedem Rechtsmittel gegen den Bestätigungsbeschluss des Bankruptcy Judge (confirmation order) eine aufschiebende Wirkung abspricht. 626 Entschließt sich also einer der Gläubiger oder der Schuldner dazu, die Bestätigungsentscheidung anzufechten, so verhindert allein seine – gemäß Rule 8002(a) ebenfalls binnen vierzehn Tagen einzureichende – Beschwerde (appeal) nicht die Umsetzung des Plans nach Ablauf der Wartefrist von vierzehn Tagen. Ein Vollzugsstopp tritt für die Zeit des Be621 Als Beispiele seien hier nur auf die prominenten Fällen der Konsumgesellschaft Berlin und Umgebung e.G. (dazu BGHZ 163, 344; Smid, NZI 2005, 296 oder Heublein, NZI 2005, 381) sowie der Senator Entertainment AG (hierzu Fritze, DZWIR 2007, 89) genannt, bei denen von der Bestätigung bis zur Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses drei Jahre bzw. über ein Jahr vergingen. 622 Siehe BT-Drucks. 12/2443, S. 212: »Die Vorschriften über die Wirkungen des bestätigten Plans [. . .] entsprechen weitgehend dem geltenden Recht des gerichtlichen Vergleichs und des Zwangsvergleichs im Konkurs.« 623 Ebenso Jaffé/Friedrich, ZIP 2008, 1849, 1853. 624 Zum 1. Dezember 2009 wurde die Frist von zehn auf vierzehn Tage verlängert, um sie an die Vereinheitlichung der anderen Rechtsmittelfristen anzupassen. Dem Bankruptcy Judge steht es zudem frei, im Einzelfall eine kürzere Frist festzusetzen. 625 So ausdrücklich Norton, Bankruptcy Law and Practice, Fed. R. Bankr. P. 8005. 626 9E Am.Jur. 2d Bankruptcy § 3823 (2010).

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schwerdeverfahrens gemäß Rule 8005 der Federal Rules of Bankruptcy Procedure nur dann ausnahmsweise ein, wenn der Beschwerdeführer rechtzeitig die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Appeals (stay pending appeal) beim Bankruptcy Judge beantragt. Über diesen Antrag entscheidet der Richter nach freiem Ermessen, wobei in der gerichtlichen Praxis folgende Voraussetzungen vom Antragsteller glaubhaft zu machen sind: (1) die überwiegenden Erfolgsaussichten des Rechtsmittels; (2) der Eintritt irreparabler Schäden beim Beschwerdeführer durch den Planvollzug, (3) die geringe Wahrscheinlichkeit einer Schädigung Dritter durch einen Aufschub des Planvollzugs sowie (4) die Beachtung der Interessen des Gemeinwohls im Falle eines Aufschubs. 627 Die Glaubhaftmachung dieser hohen Anforderungen gelingt in der Praxis nur selten, 628 weshalb die aufschiebende Wirkung von Rechtsmitteln gegen einen bestätigten Chapter 11-Plan die Ausnahme bleibt. Ist aber der Versuch, den Planvollzug durch richterliche Anordnung für die Zeit des Rechtsmittelverfahrens zu hemmen, erfolglos, so hat der nachfolgend einsetzende Planvollzug wiederum Auswirkungen auf die eingelegte Beschwerde, wäre doch selbst ein nachfolgend erfolgreiches Rechtsmittelverfahren nun nicht mehr dazu in der Lage, alle aufgrund des Plans erfolgten Leistungen und Rechtsveränderungen rückgängig zu machen. Folgerichtig sehen einige Berufungsgerichte in der einsetzenden Planumsetzung stets einen Erledigungsgrund für das Rechtsmittelverfahren, würde dieses doch nun seinen Sinn verlieren (doctrine of mootness). 629 Ein abgelehnter Antrag auf Aussetzung der Planvollziehung bedeutet danach stets auch die Erledigung der Beschwerde, so dass die Bestätigungsentscheidung nicht nur schnell vollzogen, sondern auch schnell in Rechtskraft (res judicata) erwachsen kann. Verschiedene jüngere Entscheidungen wollen demgegenüber eine derartig pauschale Erledigung des Rechtsmittelverfahrens aufgrund der bloßen Planvollziehung nicht annehmen. Vielmehr müsse jedes Beschwerdegericht genau prüfen, ob im Fall eines erfolgreichen Rechtsmittels die inzwischen eingetretenen Planwirkungen durch Anordnungen des Beschwerdegerichtes noch aufgehoben werden können, ohne dass dabei die Rechte unbeteiligter Dritter beeinträchtigt werden. 630 Dies wird 627 Vgl. statt vieler In re Wymer, 5 B. R. 802 (B. A. P. 9th Cir. 1980); In re Overmeyer, 53 B. R. 952, 955 (Bankr. S. D. N. Y. 1985); In re Porter, 54 B. R. 81, 82 (Bankr. N. D. Okla. 1985); In re Cybernetic Services, Inc, 94 BR 951, 954–955 (WD Mich. 1989). 628 9E Am.Jur. 2d Bankruptcy § 3827 (2010); Broude, Reorganizations Under Chapter 11, § 14.01 [1]. 629 In re Robert Farms, Inc., 652 F.2d 793, 797 (9th Cir. 1981);Rochman v. Northeast Utilities Service Group (In re Public Service Co. of New Hampshire), 963 F.2d 469, 476 (1st Cir. 1992); siehe auch Broude, Reorganizations Under Chapter 11, 2009, § 14.01 [1] m. w. N. in Fn. 7. 630 Siehe etwa Frito-Lay, Inc. v. LTV Steel Co. (In re Chateaugay Corp.), 10 F.3d 944, 952–53 (2d Cir. 1993); Matter of Commodore Corp., 86 B. R. 564 (N. D. Ind. 1988); In re UNR Industries, Inc., 20 F.3d 766, 769 (7th Cir. 1994); In re 203 North LaSalle Street Partnership, 126 F.3d 955 (7th Cir. 1997); Broude, Reorganizations Under Chapter 11, 2009, § 14.01 [1]. So

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Kapitel 5: Optimierung des deutschen Reorganisationsrechts in der Insolvenz

jedoch gerade bei Reorganisationsplänen selten möglich sein, so dass im Ergebnis wohl unbestritten ist, dass ein fortgeführtes Rechtsmittelverfahren die beginnende Reorganisation des Schuldnerunternehmens auf Grundlage des bestätigten Plans nicht mehr gefährden darf. 631 Anders als im deutschen Insolvenzrecht sind damit im amerikanischen Recht Blockade- und Verzögerungsstrategien gegen einen bestätigten Reorganisationsplan ausgeschlossen, soweit diese auf der Einlegung von Rechtsmitteln beruhen. Stattdessen entscheidet der bereits mit der Bestätigung befasste und daher über den Fall bestens informierte Bankruptcy Judge, ob aufgrund der überragenden Schutzbedürftigkeit des Beschwerdeführers ausnahmsweise eine Verzögerung in der Planumsetzung eintreten soll. 2. Die fehlende aufschiebende Wirkung einer sofortigen Beschwerde Interessanterweise sie die dargestellte amerikanische Verfahrenslösung dem deutschen Prozessrecht gar nicht so fremd, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Vielmehr findet sich auch im deutschen Zivilprozessrecht – genauer gesagt in gemäß § 570 Abs. 1 ZPO – der Grundsatz, dass einer sofortigen Beschwerde grundsätzlich jede aufschiebende Wirkung fehlt. 632 Auch hier obliegt es dem Richter im Ausgangsverfahren, im Einzelfall nach freiem Ermessen die sofortige Vollziehung der angefochtenen Entscheidung für die Dauer des Beschwerdeverfahrens auszusetzen (§ 570 Abs. 2 ZPO). Folglich könnte das sanierungsfreundliche Rechtsmittelmodell des U. S.-Insolvenzprozessrechts ohne große Verwerfungen in das deutsche Insolvenzprozessrecht übernommen werden, welches in § 4 InsO ohnehin lückenfüllend auf die Zivilprozessordnung zurückgreift. Der Effektivitätsgewinn eines derart neu gestalteten Rechtsmittelsystems gegen die Bestätigungsentscheidung des Insolvenzgerichts beruht dabei entscheidend auf dem Umstand, dass im Regelfall nur noch ein einziger Richter in der Sache entscheidet, bevor die Entscheidung für den Vollzug freigegeben wird. Allein die Bestätigungsentscheidung des Insolvenzgerichts legitimiert danach den Planvollzug. Verfassungsrechtlich ist eine derartige Verkürzung des Rechtsweges möglich, beinhaltet doch die in Art. 19 Abs. 4 GG sowie dem allgemeinen Justizgewährungsanspruch des Rechtsstaatsprinzip verankerte Garantie des gerichtlichen Rechtsschutzes gegenüber staatlichen Entscheidungen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts allerdings nur das Recht auf Offenstehen eines Rechtsweges, also auf die Möglichkeit der Erlankann etwa bei einem Liquidationsplan oft noch die weitere Liquidation oder Verteilung gestoppt werden; so schon In re Combined Metals Reducion Co., 557 F.2d 179 (9th Cir. 1977). 631 So ausdrücklich etwa Frito-Lay, Inc. v. LTV Steel Co. (In re Chateaugay Corp.), 10 F.3d 944, 952–53 (2d Cir. 1993). 632 Vgl. Lipp, in: MünchKomm, ZPO, § 570 Rn. 2.

C. Die Vorverlagerung der Entscheidungsfi ndung

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gung einer Entscheidung eines unabhängigen Gerichtes unter Beachtung aller Verfahrensgrundrechte; ein Instanzenzug ist hingegen nicht garantiert. 633 Dies bedeutet aber zugleich auch, dass die Bestätigungsentscheidung zwingend von einem Richter zu treffen ist. Dies garantiert die derzeitige Regelung in § 18 RPflG aber leider nicht. Begreift man aber richtigerweise die Natur der Bestätigungsentscheidung als Akt der Rechtsprechung634 und behält man sie daher durch eine entsprechende Ergänzung des § 18 Abs. 1 RPflG zwingend dem Insolvenzrichter vor635 , so finden sich keine rechtlichen Hindernisse für eine Abkehr vom verzögerungsanfälligen Rechtsmittelsystem der Konkurs- und Vergleichsordnung zugunsten einer Neuregelung nach U. S.-amerikanischem Vorbild. 3. Notwendigkeit einer entsprechende Neuregelung in den §§ 253, 254 Abs. 1 InsO Orientiert man sich bei einer Reform der §§ 253, 254 Abs. 1 InsO mithin an den aufgezeigten Vorbildern, so entfiele keineswegs das derzeitige Beschwerderecht für alle Planbetroffenen. Stattdessen müsste in Anlehnung an § 570 ZPO und die gleichlautenden Regelungen im U. S.-amerikanischen Insolvenzprozessrecht jeder erhobenen sofortigen Beschwerde im Grundsatz die aufschiebende Wirkung genommen werden. Die Einlegung eines Rechtsmittels könnte aufgrund dessen die schnelle Umsetzung eines bestätigten Insolvenzplans nur noch verzögern, wenn der mit der Bestätigungsentscheidung befasste und daher mit der Sache vertraute Insolvenzrichter dem Suspensivinteresse des einzelnen Beschwerdeführers im Einzelfall den Vorrang vor dem Umsetzungsinteresse der übrigen Beteiligten einräumt. 636 Damit ein Vorrang des Suspensivinteresses des Beschwerdeführers die Ausnahme bleibt, sollte allerdings die Ablehnung eines Antrags auf Aussetzung der Planvollziehung nicht nach amerikanischem Vorbild zu einer nahezu automatischen Erledigung des Beschwerdeverfahrens führen. Stattdessen bietet es sich an – in Anlehnung an die Regelung in § 246a Abs. 4 AktG zur Behandlung der Anfechtungsklage eines Aktionärs gegen einen freigegebenen Hauptversammlungsbeschluss – das Beschwerdeverfahren fortzuführen, ohne dass es im Erfolgsfall noch eine Plankassation bewirken könnte, und das Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers auf sein Schadenersatzinteresse zu reduzieren. 633 BVerfGE 107, 395, 402. Ebenso in der Sache bereits BVerfGE 11, 232, 233; 28, 21, 36; 54, 277, 291. 634 Dazu ausführlich im Vierten Kapitel C. IV. 3. 635 Der Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen aus dem Sommer 2010 beinhaltet in seinem Artikel 2 endlich eine entsprechende Änderung des § 18 Abs. 1 RPflG. 636 Ausführlich zum Ganzen: Madaus, NZI 2010, 430, 434; zustimmend Frind, ZInsO 2010, 1426, 1431.

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Durch diese Vorkehrungen wären wie im Aktienrecht die berechtigten Interessen jedes obstruierenden Gläubigers hinreichend gewahrt. 637 Einer ebenfalls denkbaren Übernahme des aktienrechtlichen Freigabeverfahrens (§ 246a AktG) in das Insolvenzplanverfahren638 ist die hier propagierte Lösung allerdings in ihrer Schnelligkeit und Planungssicherheit überlegen, kann doch ein bestätigter Insolvenzplan nicht erst nach Abschluss eines Freigabeverfahrens von ungewisser Dauer, sondern im Grundsatz nach zwei Wochen umgesetzt werden. Gerade diese Planungssicherheit spricht (neben der Zuweisung der Beweislast für ein überwiegendes Suspensivinteresse an den Beschwerdeführer) für die Vorzugswürdigkeit des hier aufgezeigten Modells. 639

VI. Die Einordnung der Bestätigungsinsolvenz in die aktuelle Reformdiskussion Die Bestätigungsinsolvenz ist eine organische Weiterentwicklung des klassischen deutschen Insolvenzrechts. Sie verbindet die Effizienzvorteile moderner außergerichtlicher Workout-Verfahren mit dem hergebrachten Verständnis der Durchsetzung einer Mehrheitsentscheidung und stärkt damit insbesondere auch die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Insolvenzrechts im europäischen Rechtsraum. 1. Der Vergleich mit dem Company Voluntary Arrangement des englischen Insolvency Act 1986 Die Wettbewerbsfähigkeit des geltenden deutschen Sanierungsrechts ist insbesondere dadurch zweifelhaft geworden, dass einzelne deutsche Unternehmen 637 Ausführlich wiederum Madaus, NZI 2010, 430, 434. Das fortzuführende Beschwerdeverfahren erhielte damit einen Sinn, der mit einem gesellschaftsrechtlichem Spruchverfahren vergleichbar ist, dem allerdings die Inter-Omnes-Wirkung fehlt; es dient nur noch der Klärung der Frage nach der Angemessenheit der für einen Rechtsverlust festgesetzten Abfi ndung. Ein derartiges Verfahren befürworten auch Jaffé, in: Kölner Schrift zur InsO, S. 743 ff. Rn. 67–70; Jaffé, ZGR 2010, 248, 259 und Jaffé/Friedrich, ZIP 2008, 1849, 1855 f. Ein ähnlicher Vorschlag findet sich zudem bei Bork, ZIP 2010, 397, 411 f., der für ein künftiges vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren jegliche Rechtsmittel gegen den Bestätigungsbeschluss ausschließen und die Beteiligten wegen eventueller Nachteile allein auf eine Zahlungsklage verweisen will. 638 Hierfür plädieren insbesondere Eidenmüller, ZIP 2010, 649, 657; ders., Finanzkrise, Wirtschaftskrise und das deutsche Insolvenzrecht, S. 38 f.; Jaffé, in: Kölner Schrift zur InsO, S. 743 ff. Rn. 68; Jaffé/Friedrich, ZIP 2008, 1849, 1855; Undritz, ZGR 2010, 201, 210; auch Hirte, ZGR 2010, 224, 244. 639 Es ist natürlich auch den sehr behutsamen Einschränkungen der Beschwerdebefugnis vorzuziehen, die im Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen aus dem Sommer 2010 vorgeschlagen wurden und primär darauf beruhen, eine Ausschöpfung aller verfahrensrechtlichen Möglichkeiten zu verlangen sowie die Bedeutung salvatorischer Klauseln zu erhöhen.

C. Die Vorverlagerung der Entscheidungsfi ndung

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(Schefenacker, Deutsche Nickel) ihren Sitz nach England verlegt haben, um die Vorteile des dortigen Insolvenzrechts für eine Sanierung zu nutzen. 640 Zweck dieser Umsiedlungen war insbesondere das in Part I des Insolvency Act 1986 normierte Company Voluntary Arrangement (CVA), ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren. 641 Dieses erlaubt dem Management eines Krisenunternehmens, zur Abwendung der Insolvenz ein Sanierungskonzept sowie einen »nominee« vorzuschlagen. 642 Dieser (als »insolvency practitioner« qualifizierte) 643 Fachmann hat dann binnen 28 Tagen das Konzept zu prüfen und dem Insolvenzgericht seine Auffassung über dessen Erfolgsaussichten mitzuteilen, woraufhin im Fall einer positiven Bewertung sowohl eine Gläubiger- als auch eine Gesellschafterversammlung durch den »nominee« einberufen wird. 644 Stimmen die dort anwesenden Gläubiger mit einer Drei-Viertel-Summenmehrheit und die dort anwesenden Gesellschafter mit einfacher Anteilsmehrheit dem CVAVorschlag zu, 645 so bindet das CVA sofort alle stimmberechtigten Personen. 646 Stimmen nur die Gläubiger dem Vorschlag zu, so genügt dies ebenfalls zur Annahme des CVA, wobei allerdings jedem Gesellschafter für 28 Tage die Möglichkeit offen steht, beim Insolvenzgericht die Ablehnung oder Beschränkung des CVA zu beantragen. 647 Daneben hat jeder stimmberechtigte Beteiligte ebenfalls für 28 Tage das Recht, wegen der Bevorzugung einzelner Gläubiger durch das CVA oder Verfahrensfehler in der Abstimmung die Aufhebung des CVA bzw. eine neue Abstimmung zu verlangen. 648 Nach der Annahme des CVA wird der »nominee« zum »supervisor« und ihm obliegt nun – unter optionaler Mithilfe des Insolvenzgerichts – die Umsetzung der im CVA vorgesehenen Maß-

640 Diesbezügliche Sorgen finden sich etwa bei Eidenmüller, ZZP 121 (2008), 273, 274 f.; Geldmacher, ZInsO 2010, 696, 698; Paulus, ZIP 2005, 2301, 2302 oder Westpfahl/Janjuah, ZIP 2008, Beilage zu Heft 3, 1, 2 f. Unverständnis gegenüber dieser Praxis äußern hingegen etwa Andres/Grund, NZI 2007, 137, 138 und 143 oder Seagon, ZVerglRWiss 108 (2009), 203, 207. Andere, wie etwa Meyer-Löwy/Plank, NZI 2006, 622, 624 oder Vallender, NZI 2007, 129, 137, versprechen sich demgegenüber aus dem steigenden Konkurrenzdruck auf das deutsche Insolvenzrecht einen eher wünschenswerten Effekt, könne dieses doch nun seine Stärken herausstellen. Die jüngste empirische Studie zum Wettbewerb unter den europäischen Insolvenzordnungen konnte eine solchen Wettbewerbsdruck allerdings schon nicht mehr nachweisen: Eidenmüller/Frobenius/Prusko, NZI 2010, 545, 547 ff. 641 Einen kurzen Überblick zur Gesetzgebungsgeschichte dieses Verfahrens bietet etwa Piekenbrock, ZVglRWiss 108 (2009), 242, 250 ff. 642 Sec. 1 des Insolvency Act 1986. Der Nachweis einer Insolvenz oder eines Insolvenzgrundes ist nicht notwendig; Piekenbrock, ZVglRWiss 108 (2009), 242, 250. 643 Näher zur Qualifikation dieser Person etwa Andres/Grund, NZI 2007, 137, 142. 644 Sec. 2 und 3 des Insolvency Act 1986. 645 Rule 1.19 (2) und 1.20 (1) der Insolvency Rules 1986. 646 Sec. 4A (2) (a) und 5 (2) des Insolvency Act 1986. 647 Sec. 4A (3) – (6) des Insolvency Act 1986. Das Insolvenzgericht entscheidet über diesen Antrag nach eigenem Ermessen. 648 Sec. 6 des Insolvency Act 1986 sowie Rule 1.25 der Insolvency Rules 1986.

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Kapitel 5: Optimierung des deutschen Reorganisationsrechts in der Insolvenz

nahmen entsprechend der ihm nach dem CVA freiwillig zugewiesenen Befugnisse. 649 Der maßgebliche Vorteil des CVA liegt (neben dem alleinigen Vorschlagsrecht des Schuldners hinsichtlich des »nominee«) 650 vor allem darin, dass ein Sanierungskonzept, das nicht von allen Beteiligten, sondern nur von einer qualifizierten Mehrheit der Gläubiger getragen wird, schnell rechtlich verbindlich fixiert und umgesetzt werden kann. Die maßgebliche Vereinfachung beruht dabei keinesfalls darauf, auf eine Beteiligung des Insolvenzgerichts gänzlich zu verzichten. Im Gegenteil, auch dieses Verfahren findet unter den Augen des Insolvenzgerichts statt, sind doch sowohl der CVA-Vorschlag als auch der Bericht über die Versammlungen der Gläubiger und Gesellschafter stets dem Gericht vorzulegen und steht jedem Beteiligten doch jederzeit die Anrufung des Insolvenzgerichts zu. Die Sanierungsbemühungen werden folglich – anders als in reinen Workouts – stets öffentlich und erzeugen daher sowohl direkte als auch indirekte Insolvenzkosten. Der Kern der Attraktivität des CVA liegt damit nicht in den Effizienzvorteilen einer gänzlich fehlenden Gerichtsbeteiligung, sondern in dem Verzicht auf eine obligatorische gerichtliche Bestätigung des angenommenen CVA. Im günstigsten Fall kann das unter den Augen des Insolvenzgerichts angenommene CVA damit ohne gerichtliche Bestätigung alle Beteiligten binden, obwohl ihm nur eine Mehrheit von ihnen zustimmte. Den überstimmten Gläubigern oder Gesellschaftern wird diese Bindung allerdings nicht ohne gerichtliche Rechtsschutzmöglichkeit aufgezwungen. Der eigentliche Unterschied zum derzeitigen deutschen Recht besteht allein darin, dass der richterliche Minderheitenschutz nachgelagert und nur auf Antrag, also optional stattfindet. 651 An einer Verhinderung des CVA interessierte Gläubiger oder Gesellschafter können daher ohne weiteres die Umsetzung des CVA verhindern, wenn sie eine Bevorzugung einzelner Gläubiger oder Verfahrensfehler glaubhaft machen können. Gerade umstrittene Sanierungskonzepte, also solche, die nur von einer Mehrheit getragen werden, weisen daher in der Praxis einen Verfahrensablauf auf, der sich weitgehend mit dem Ablauf einer Bestätigungsinsolvenz deckt: die Verhandlungen und Abstimmung über das Sanierungskonzept in der Gläubigerschaft und der Gesellschafterversammlung sowie der nachgelagerte gerichtliche Minderheitenschutz. 652

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Sec. 7 des Insolvency Act 1986 sowie Rule 1.26A der Insolvency Rules 1986. Hierin sehen Andres/Grund, NZI 2007, 137, 138, den maßgeblichen Anreiz für eine Abwanderung deutscher Unternehmen in englische Sanierungsverfahren. 651 Jaffé, in: Kölner Schrift zur InsO, S. 743 ff. Rn. 44; Windsor/Müller-Seils/Burg, NZI 2007, 7, 11. 652 Lediglich die Initiative zur gerichtlichen Beteiligung ist im Grundsatz unterschiedlich verteilt, da sich in der Bestätigungsinsolvenz nicht der gegen seinen Willen betroffene Beteiligte, sondern stets das um Bestätigung bemühte Schuldnerunternehmen an das Gericht wenden wird. 650

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So ähnlich die Abläufe in der Praxis auch erscheinen mögen, der dogmatische Hintergrund des CVA und einer Bestätigungsinsolvenz bleibt grundverschieden. Das englische Recht verzichtet bei einem nur mehrheitlich angenommenen CVA auf jede (Fiktion einer) Willenserklärung der überstimmten sowie nicht abstimmenden Gläubiger bzw. Gesellschafter. Zustimmungsfiktionen wie im deutschen Insolvenzrecht (vgl. etwa § 245 InsO) finden sich nicht. Die Bindung der nicht zustimmenden Beteiligten an das CVA basiert im englischen Recht folglich allein auf einem gesetzlichen Diktat. Der Verzicht auf jede Fiktion von Willenserklärungen macht das CVA damit zu einem diktierten Vertrag im engeren Sinn. 653 Eine entsprechende gesetzliche Regelung wäre auch in Deutschland denkbar, 654 würde doch das Mehrheitsvotum zusammen mit der optionalen richterlichen Beschlusskontrolle sowohl für eine hohe Richtigkeitsgewähr sorgen655 als auch die verfassungsrechtlichen Grenzen einer Zwangsbindung656 respektieren. Dennoch sollte eine vorschnelle Übernahme eines derartigen Regelungsmodells in das deutsche Insolvenzrecht unterbleiben. Das entscheidende Argument ist dabei weniger der darin liegende Bruch mit den Rechtstraditionen deutscher Akkordverfahren, die eine Zwangsbindung der Minderheit bislang stets von der gerichtlichen Bestätigung abhängig machten. Für eine obligatorische gerichtliche Kontrollinstanz sprechen vielmehr – und vielleicht überraschenderweise – vor allem Effizienzerwägungen. Gelingt es, das deutsche Planverfahren um die hier propagierte Bestätigungsinsolvenz zu bereichern und gleichzeitig durch die vorgeschlagene Straffung der Rechtsmittel gegen die Bestätigungsentscheidung das Zeitmoment der gerichtlichen Verfahrensbeteiligung streng zu limitieren, so wird ein nur mehrheitlich unterstützter außergerichtlicher Vergleich in Zukunft in einem sehr kurzen gerichtlichen Entscheidungsprozess verbindlich werden, der zugleich Eingriffe in die Unternehmenskontinuität vermeidet. Die Beteiligung des Insolvenzgerichtes wiese nicht mehr die Nachteile der gegenwärtigen Rechtslage auf und wäre zudem wegen der Planungssicherheit hinsichtlich des Ob einer gerichtlichen Auseinandersetzung über das Sanierungskonzept zugleich der in dieser Hinsicht unsicheren und damit kaum planbaren englischen Rechtslage überlegen. Die obligatorische gerichtliche Planbestätigung erlaubt es zudem, die Wohltaten der Rechtskraft, insbesondere die der Mangelheilung, für eine erhöhte Rechtssicherheit zu nutzen. Eine auf das richtige Maß beschränkte gerichtliche Kontrollinstanz sollte insofern als Chance und Zugewinn erkannt werden Gegen eine Übernahme des CVA-Verfahrens in das deutsche Insolvenzrecht sprechen neben grundsätzlichen Erwägungen auch konkrete Unzulänglich653 654 655 656

Näher hierzu im Dritten Kapitel E. V. 3. c). So schon das Ergebnis der Betrachtungen im Vierten Kapitel B. IV. 3. Siehe dazu die Ausführungen im Dritten Kapitel C. IV. 2. b). Siehe dazu die Ausführungen im Dritten Kapitel C. IV. 2. d).

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keiten im heutigen englischen Modell. So verbietet Sec. 4 (3) und (4) des Insolvency Act 1986 jeden Zwangseingriff in die Rechte gesicherter sowie vorrangiger Insolvenzgläubiger, weshalb das CVA wie jede klassische »composition« des anglo-amerikanischen Rechtskreises 657 nur ein Sanierungskonzept beinhalten kann, das sich auf die Entschuldung des Schuldnerunternehmens durch Eingriffe bei den einfachen Insolvenzgläubigern beschränkt. Diese Entschuldung erfolgt dabei in der Regel mittels eines Forderungstausches (debt-equityswaps). Eine umfassende Sanierung, wie sie das U. S.-amerikanische Chapter 11-Verfahren oder die hier vorgeschlagene Bestätigungsinsolvenz ermöglichen, kann mittels eines CVA hingegen nur umgesetzt werden, wenn alle gesicherten oder vorrangigen Gläubiger dieser ausdrücklich zustimmen. 658 Ein weiterer Nachteil des derzeitigen CVA-Verfahrens liegt darin, schon im Zeitpunkt seiner Einleitung im Wege eines Sanierungsvorschlags ein öffentliches gerichtliches Verfahren entstehen zu lassen, so dass entsprechende direkte und indirekte Kosten entstehen. Das CVA bewirkt mithin gerade keine echte Privatisierung der Insolvenzbewältigung; die gerichtliche Verfahrensaufsicht bleibt unangetastet. Insgesamt muss dem deutschen Gesetzgeber daher empfohlen werden, auf die Schaffung eines derartigen Verfahrens in Deutschland zu verzichten und stattdessen den Tradition des deutschen Insolvenzrechts zu folgen, also ein obligatorisches gerichtliches Bestätigungserfordernis bei angenommenen Insolvenzplänen beizubehalten und die hier vorgeschlagene Bestätigungsinsolvenz zu schaffen. 2. Zur Notwendigkeit eines besonderen vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens Von dem Verfahren über das Company Voluntary Arrangement zu trennen ist die generelle Beurteilung der Frage, ob es für den Zeitraum von Workout-Verhandlungen vor einem Insolvenzantrag eines Vollstreckungsschutzes für den Schuldner, also eines Moratoriums, bedarf. Das englische Insolvenzrecht stellt ein derartiges Moratorium als Begleitinstrument zu einem CVA für sog. small companies659 optional zur Verfügung, wobei das CVA-Verfahren in einem sol657 Näher zur U. S.-amerikanischen »composition« des Bankruptcy Act von 1898 im Ersten Kapitel C. V. 1. a) (3). 658 In England wird daher in Fällen, in denen zum Zwecke der Sanierung auch in die Rechte gesicherter Gläubiger eingegriffen werden soll, nicht nicht ein CVA, sondern ein (im Kern gesellschaftsrechtliches) Scheme of Arrangement nach den Sec. 895 bis 901 des Companies Acts 2006 angestrebt, das eine Abstimmung in Gläubigergruppen sowie eine gerichtliche Aufsicht und Bestätigung vorsieht, insofern also stark dem deutschen Planverfahren ähnelt. Es bewirkt aber weder ein Moratorium noch eine Verwalterbestellung, weshalb es nicht als Insolvenzverfahren betrachtet wird. Vgl. zum Ganzen Westpfahl, ZGR 2010, 385, 408. 659 Rule 1A (1) der Insolvency Rules 1986 sowie Sec. 3 (2) (a) des Schedule A1 des Insolvency Act 1986, wobei der Begriff einer small company aus Sec. 382(3) des Companies Act 2006

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chen Fall nicht den Regelungen der Sec. 2–7 des Insolvency Act 1986, sondern Schedule A1 des Insolvenzy Act 1986 unterliegt, was allerdings hinsichtlich des konkreten Ablaufs des CVA-Verfahrens keine wesentlichen Änderungen bedeutet. Einzige Voraussetzung für den Eintritt des Moratoriums ist dann gemäß Sec. 7 des Schedule A1 des Insolvency Act 1986 ein entsprechender Schuldnerantrag an das Insolvenzgericht, der mit einem CVA-Vorschlag und einer diesbezüglich positiven Stellungsnahme des »nominee« verbunden werden muss. 660 Das Insolvenzgericht bestätigt in diesem Fall schlicht das Moratorium, 661 welches dann grundsätzlich bis zum Abstimmungstermin über das CVA in Kraft bleibt. 662 Diese einfache Regelungsstruktur ist allein aus dem Grund möglich, dass das CVA-Verfahren eben ein Verfahren unter gerichtlicher Aufsicht ist und daher Zwangsmaßnahmen wie ein Moratorium denkbar sind. In Deutschland beginnt die gerichtliche Beteiligung an Sanierungsbemühungen derzeit erst mit der Stellung eines Insolvenzantrags, weshalb in der Phase davor ein Vollstreckungsschutz oder Moratorium mit entsprechender Zwangswirkung gegenüber allen Gläubigern nicht möglich ist. 663 Folgerichtig müssen die Befürworter eines solchen Schutzschirms in der Workout-Phase für die Einführung eines vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens plädieren. 664 übernommen wird. Ansonsten ist ein Moratorium nur bei einem CVA im Rahmen eines administration-Verfahrens möglich. Inzwischen wird allerdings erwogen, die enge Begrenzung des Anwendungsbereichs des bloßen CVA-Moratoriums auch auf andere Unternehmen auszuweiten; vgl. Westpfahl, ZGR 2010, 385, 406 (Fn. 70). 660 Die positive Stellungnahme des »nominee« zu einem CVA-Vorschlag beinhaltet daher stets auch die Möglichkeit eines Moratoriums, wenn das Schuldnerunternehmen nicht ausnahmsweise aus dem Anwendungsbereich des Schedule A1 ausgenommen ist. Hierzu sind die Bestimmungen in den Sec. 2–5 des Schedule A1 des Insolvency Act 1986 zu beachten. Dennoch sind in den ersten Jahren nach Einführung des CVA diese häufig – jedenfalls nicht automatisch – mit einem Moratorium verbunden worden, was zu Nachbesserungen des Gesetzgebers führte – vgl. Windsor/Müller-Seils/Burg, NZI 2007, 7. 661 Rule 1.40 (1) der Insolvency Rules 1986. 662 Sec. 8 (2) des Insolvency Act 1986. 663 Freiwillige Moratorien, wie sie Piekenbrock, ZVglRWiss 108 (2009), 242, 266 f. vorschlägt, sind hingegen auch in Deutschland denkbar, können aber eben nur die teilnehmenden Gläubiger binden. 664 So etwa Flessner, KTS 2010, 127, 144 ff.; Geldmacher, ZInsO 2010, 696, 701; Jacoby, ZGR 2010, 359, 371 ff.; Westpfahl, ZGR 2010, 385, 421 f.; Vorschlag 9 des Konzeptes des Deutschen Industrie- und Handelskammertags für ein reformiertes Insolvenzrecht (ZInsO 2009, 2288, 2290); die Entschließung des Bundeskongresses »Sanierung als Chance für den deutschen Mittelstand« vom 4. 3. 2010 (ZInsO 2010, 473) unter Punkt IV. oder der Vorschlag von Jaffé, in: Kölner Schrift zur InsO, S. 743 ff. Rn. 50, 59–61, 71; zuvor schon Jaffé/Friedrich, ZIP 2008, 1849, 1856 f. Siehe insbesondere auch Bork, ZIP 2010, 397, 406. Dessen Vorschlag gleicht in weiten Teilen dem englischen CVA, soll doch ein solches Verfahren nur auf Antrag des Schuldners unter Glaubhaftmachung einer Krise eingeleitet werden (S. 401 ff.), der Erarbeitung eines Sanierungsplans – ggf. unter Mithilfe eines neutralen Sanierers (S. 404 f.) – dienen, der nur Zwangseingriffe in die Rechte der ungesicherten Gläubiger vorsehen darf (S. 407 f.) und von diesen mit einer Summenmehrheit von 75 Prozent der anwesenden Gläubiger angenommen werden muss. Anders als das CVA soll sein Sanierungsplan dann aber stets einer

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Kapitel 5: Optimierung des deutschen Reorganisationsrechts in der Insolvenz

Dies würde allerdings nicht nur die vielgelobte und gerade einmal gut zehn Jahre alte Eingleisigkeit des deutschen Insolvenzverfahrens beenden, indem ein der Vergleichsordnung ähnliches, gerichtliches Verfahren zur Abwendung einer Insolvenz mittels Zwangsmoratoriums und gerichtlich bestätigtem Vergleichs geschaffen wird. Gerade die Effizienzvorteile eines solchen Restrukturierungsverfahrens wären (wie schon das alte Vergleichsrecht gezeigt hat) eher gering. 665 Der entscheidende Vorteil eines Workout liegt ja gerade in dem Umstand, weitgehend diskret mit geringen Kosten und hoher Flexibilität Lösungen verhandeln zu können und exakt dieser Vorteil würde aufgegeben, wenn man Workout-Verhandlungen in ein gerichtliches Verfahren integriert. 666 Demgegenüber kann das mit der Gerichtsbeteiligung primär verfolgte Ziel, auch Gläubiger mit Blockadehaltungen an den mehrheitlich gewollten Vergleich zur Abwendung einer Insolvenz zu binden, 667 ebenso gut mit einer nachgelagerten Bestätigungsinsolvenz erreicht werden kann. Entsprechendes gilt schließlich auch für ein gewünschtes Moratorium. Bedarf das Krisenunternehmen zur Sicherung einer Sanierungschance bereits zum Zeitpunkt der Workout-Verhandlungen einer Atempause, also eines Schutzschirms gegen fällige Gläubigerforderungen, um Liquidität zu sichern, so ist eine Krisenphase erreicht, die zumindest den Insolvenzgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) erfüllt. Das in solchen Situationen sicher hilfreiche Moratorium lässt sich dann als Sicherungsmaßnahme in einem vorläufigen Insolvenzverfahren anordnen (vgl. § 21 Abs. 2 Nr. 3 und 5 InsO). 668 Schafft man also de lege ferenda mittels der Bestätigungsinsolvenz und der mit ihr einhergehenden Stärkung der Eigenverwaltung ein planbareres und die Managementstrukturen des Unternehmens schonendes Insolvenzverfahren, so lässt sich ein notwendiger Vollstreckungsschutz für Krisenunternehmen in attraktiver und zwangloser Weise über den Insolvenzgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit in § 18 InsO erreichen.

gerichtlichen Bestätigung bedürfen, wobei allerdings nur Verfahrensfehler Prüfungsgegenstand seien sollen, da er Einwände dissentierender Gläubiger nur in einem gesonderten Nachbesserungsverfahren vor den Zivilgerichten berücksichtigen lassen will (S. 411). 665 So mit Blick das alte Vergleichsverfahren: Pape, ZInsO 2009, 1, 6; ders., ZInsO 2010, 1582, 1583; Pape/Pape, ZInsO 2010, 1345 f. Smid verweist auf die negativen Ergebnisse des Ausgleichsverfahrens in Österreich (DZWIR 2009, 397, 399). Hoffnungsvoll äußert sich hingegen Seagon, ZVerglRWiss 108 (2009), 203, 214. 666 Eidenmüller, ZIP 2010, 649, 655 f.; ebenso Pape, ZInsO 2010, 1582, 1584; Pape/Pape, ZInsO 2010, 1345, 1346. 667 Bork, ZIP 2010, 397, 406; Westpfahl, ZGR 2010, 385, 415 f.; ausdrücklich Jacoby, ZGR 2010, 359, 376: »Der Sanierungsvergleich ist das Herzstück des vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens.« 668 Die Schaffung eines weitergehenden Vollstreckungsschutzes in der Krise dürfte gegenüber den betroffenen Gläubigern kaum zu rechtfertigen sein; so zutreffend Uhlenbruck, NZI 2008, 201, 204.

C. Die Vorverlagerung der Entscheidungsfi ndung

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Für ein neues vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren entfiele dann jede Notwendigkeit. 669 3. Zu einem Sanierungsvergleichsgesetz nach Hölzle und einem neuen § 270b InsO Im Gegensatz zu den vorhergehend angeführten Reformüberlegungen verzichtet Gerrit Hölzle auf ein besonderes vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren. Stattdessen will auch er den Insolvenztatbestand der drohenden Zahlungsunfähigkeit in § 18 InsO nutzen, um unter dem Schirm des Eröffnungsverfahrens ein gerichtliches »Sanierungsvergleichsverfahren« ablaufen zu lassen. 670 Dazu soll der Schuldner mit dem Insolvenzantrag ein Sanierungsgutachten eines Wirtschaftsprüfers einreichen, woraufhin das Insolvenzgericht zwar einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt, dessen Befugnisse aber zugunsten der Stellung als Sanierungstreuhänder suspendiert. 671 Daneben würde ein Sanierungsgläubigerausschuss gebildet, der das im Gutachten enthaltene Sanierungskonzept weiterentwickeln und allen Gläubigern zur Stellungnahme zusenden soll. Nach Einarbeitung relevanter Stellungnahmen müsste der Ausschuss dann allen Gläubigern die so entstandene Beschlussvorlage erneut zur Abstimmung zusenden, wobei die Abstimmungsregelungen der §§ 244 ff. InsO gelten sollen. Ein danach angenommener Sanierungsvergleich müsste schließlich vom Insolvenzgericht entsprechend der §§ 248 ff. InsO bestätigt werden und würde dann das Insolvenzverfahren beenden. 672 Der im Sommer 2010 durch das Bundesministerium der Justiz erarbeitete Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen enthält interessanterweise ein nahezu identisches Verfahren in seinem (neuen) § 270b InsO. Auch dieses Verfahren will bei drohender Zahlungsunfähigkeit das Eröffnungsverfahren nutzen, um einen Vollstreckungsstopp zu erzeugen und unter diesem Schirm dem Schuldner in Eigenverwaltung 669 Ablehnend äußert sich im Ergebnis auch Eidenmüller, ZIP 2010, 649, 655 ff. und Finanzkrise, Wirtschaftskrise und das deutsche Insolvenzrecht, S. 29 f., der vor allem Missbrauchs- und Überregulierungsgefahren aufführt; ebenso Frind, ZInsO 2010, 1426, 1427 ff.; Pape, ZInsO 2010, 1582, 1585 f.; Pape/Pape, ZInsO 2010, 1345, 1346; auch Vallender, NZI 2010, 838, 843; Willemsen/Rechel, BB 2010, 2059, 2060. Selbst Bork erkennt am Ende an, dass eine grundlegende Umgestaltung des Insolvenzverfahrens ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren entbehrlich machen könne, geht dieser Frage dann aber nicht weiter nach (ZIP 2010, 397, 412 f.). Die Bestätigungsinsolvenz bietet exakt diese von ihm offen gelassene Insolvenzrechtsreform. 670 Hölzle, NZI 2010, 207. 671 Hölzle, NZI 2010, 207, 211. Haarmeyer/Wutzke, ZInsO 2010, 1201, 1203 ff., wollen stattdessen den Sanierungstreuhänder neben dem Insolvenzverwalter als Vertreter der Sanierungsinteressen am Eröffnungsverfahren beteiligen, dessen Vergütung allerdings nicht die Masse belasten, sondern ein sanierungsinteressierter Dritter garantieren soll. 672 Hölzle, NZI 2010, 207, 212.

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und sehr zurückhaltenden Sicherungsmaßnahmen die Erarbeitung eines Insolvenzplans zu ermöglichen. 673 Das Positive an diesen Verfahrensmodellen ist die Beibehaltung der Einheitlichkeit des Insolvenzverfahrens. Dieses bietet als einziges und allein über die bekannten Insolvenzgründe eine Handhabe zur Verhängung eines Vollstreckungsverbotes. 674 Zugleich regt auch Hölzle zu Recht ein schriftliches Abstimmungsverfahren unter den Gläubigern an, erscheint dieses doch schlicht effektiver. Die Schwäche der Modelle liegt weiter darin, nicht auf eine gerichtliche Aufsicht in der Phase der Verhandlungen sowie der Abstimmung über das Sanierungskonzept zu verzichten. Die maßgeblichen Vorteile eines Workout werden auf diese Weise verschenkt. Es ist mithin weiter allein die Bestätigungsinsolvenz, welche die Vorteile eines Workout bestmöglich mit denen einer insolvenzgerichtlichen Bestätigung kombinieren kann.

VII. Ergebnis Das deutsche Insolvenzrecht benötigt zur Entfaltung seiner Potenziale weder ein außergerichtliches Sanierungsverfahren noch ein Sanierungsvergleichsgesetz. Die Hauptprobleme des geltenden Reorganisationsrechts können stattdessen bereits gelöst werden, indem man das Insolvenzrecht an einigen wenigen Stellen neu justiert. Hierzu bedarf es weder einer grundsätzlichen Änderung der Strukturen des Eröffnungs-, des Regelinsolvenz- oder des Planverfahrens noch eines tiefgreifenden Eingriffs in das Gesellschaftsrecht. Der Kern des hier vorgestellten Reformmodells liegt in der Zulassung einer Bestätigungsinsolvenz im Wege der gesetzlichen Anerkennung einer bereits außergerichtlich erfolgten Abstimmung über einen – den gesetzlichen Vorgaben der §§ 219 ff. InsO entsprechenden – Insolvenzplan als eine auch für ein anschließendes Insolvenzplanverfahren maßgebliche Annahme des Insolvenzplans durch die Gläubiger. Diese Neuerung entwickelt das Rechtsinstitut des Insolvenzplans auf dem Boden seiner Vertragsnatur fort und fügt sich insoweit nahtlos in das vorhandene Regelungssystem des Insolvenzrechts ein. An diese Neuerung anknüpfend sind dann lediglich die Verfahrensregelungen anzupassen, die einen schnellen und möglichst störungsfreien Gang des Schuldnerunternehmens durch das nun auf eine bloße Bestätigungsentscheidung reduzierte Insolvenzplanverfahren garantieren. So sollte im Eröffnungsverfahren auf die Sicherungsmaßnahmen der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters ebenso verzichtet werden wie auf Verfügungsbeschränkungen oder eine Post673 Der entscheidende Nachteil dieses Verfahren liegt allerdings schon darin, dass es gemäß § 270b Abs. 3 Nr. 1 immer unter dem Damoklesschwert der eintretenden Zahlungsunfähigkeit stattfinden soll. Eine sichere Planbarkeit der Sanierung wird so weiter nicht erreicht. 674 Hölzle will die Verhängung eines Vollstreckungsverbotes als vorläufige Sicherungsmaßnahme wie bisher in das Ermessen des Insolvenzgerichtes stellen (NZI 2010, 207, 212).

C. Die Vorverlagerung der Entscheidungsfi ndung

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sperre. Im anschließenden Planverfahren muss die Anordnung der Eigenverwaltung zur Regel werden. Zugleich hat sich die Tätigkeit des Insolvenzgerichts auf die Anhörung nach § 248 Abs. 2 InsO und die Bestätigungsentscheidung nach §§ 248 Abs. 1, 252 InsO zu beschränken. Ein derart kurzes und angesichts der außergerichtlichen Abstimmung bereits vorinsolvenzlich planbares Insolvenzverfahren, hier als Bestätigungsinsolvenz bezeichnet, sollte nicht nur dazu in der Lage sein, außergerichtliche Sanierungsbemühungen zu unterstützen. Es bietet endlich auch eine planbare Option für die Durchsetzung nur mehrheitlich getragener Sanierungskonzepte in einem kurzen und effektiven Insolvenzverfahren, das die Bezeichnung als »Planinsolvenz« endlich verdient. Die Bestätigungsinsolvenz ist aber nicht nur dazu in der Lage, eine Unzulänglichkeit im Entscheidungsfindungsmechanismus der derzeitigen Planinsolvenz zu schließen. Sie kann darüber hinaus auch eine wertvolle Anregung zur Einbindung der Gesellschafter in die Verhandlungen und die Entscheidungsfindung über das zu bevorzugenden Verwertungskonzept geben, erfolgen doch die außergerichtlichen Entscheidungen über die Annahme eines Insolvenzplans notwendigerweise in den Gläubigergruppen nach den Vorgaben des Insolvenzrechts und in der Gesellschafterversammlung nach den Normen des Gesellschaftsrechts. Koordinationsprobleme ergeben sich hier kaum, da die insofern negativen Wirkungen eines Insolvenzverfahrens noch nicht eingetreten sind. Insbesondere die Auflösung einer Gesellschaft infolge des Insolvenzverfahrens ist noch nicht erfolgt und sie sollte in den Fällen einer Bestätigungsinsolvenz wegen des absehbaren Überlebens der Gesellschaft auch generell ausgeschlossen werden. Eine gerichtliche Kontrolle der in diesen verschiedenen Entscheidungsgremien gefassten Beschlüsse als auch die Feststellung der Bindungswirkung dieser Beschlüsse zu Lasten der jeweiligen Minderheit sollte dann allerdings nicht mehr parallel beim Insolvenzgericht in der Bestätigungsentscheidung und beim Zivilgericht in der Entscheidung über Beschlussmangelklagen erfolgen. Beachtet man die Entscheidungskompetenz des Insolvenzgerichts für den Insolvenzplan sowie die Natur der Bestätigungsentscheidung als klassische Gewährung von Rechtsschutz, so leuchtet es ohne weiteres ein, dass bei Zulassung einer Abstimmung der Gesellschafter über einen Insolvenzplan das Insolvenzgericht in seiner Bestätigungsentscheidung auch über die gesellschaftsrechtlich rechtmäßige Annahme durch die notwendige Gesellschaftermehrheit befinden und die sich daraus ergebenden Treuepflichten auch gegenüber den Minderheitsgesellschaftern feststellen muss. Als Folge dieser Konzentration sollten die gesellschaftsrechtlichen Sanierungsmaßnahmen in den Planinhalt aufgenommen und zum Teil der Planwirkungen gemacht werden. Das Gesellschaftsrecht wird auf diese Weise in das Insolvenzverfahren integriert, ohne es zu verdrängen. Der Geltungsanspruch beider Rechtsgebiete bleibt unangetastet. Hieraus folgt zugleich aber auch, dass es ein generelles insolvenzrechtliches Obstruktionsverbot

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zu Lasten der Gesellschafter nicht geben kann, auch wenn in der Konsequenz dessen die Blockademacht einer den Plan ablehnenden Gesellschaftermehrheit erhalten bleibt. Den Gläubigern bleibt in solchen Fällen nur die Wahrnehmung einer anderen Verwertungsoption.

D. Zusammenfassung und Ausblick Das Insolvenzrecht kann keine Wunder bewirken. Insbesondere kann es wirtschaftlich scheiternde Unternehmen nicht dauerhaft retten. Ein ideales Insolvenzrecht sollte daher alle Handlungsoptionen in der Insolvenz zur Verfügung stellen und zugleich keine dieser Optionen bevorzugen. Die diesbezüglichen (kostenträchtigen) Schwächen des amerikanischen Insolvenzrechts, das ein Reorganisations- oder ein Liquidationsverfahren (Chapter 11 bzw. 7) von vornherein unterscheidet, hat der deutsche Reformgesetzgeber vermieden, indem die Insolvenzordnung es erlaubt, für jedes insolvente Unternehmen eine an seine Fortführungsaussichten angepasste Verwertungsart zu wählen, ohne dabei eine zu privilegieren (vgl. §§ 157, 160, 217 InsO). Die Inhaltsoffenheit, also die Qual der Wahl, sollte grundsätzlich als Stärke des deutschen Insolvenzrechts begriffen werden. Die danach zu treffende Auswahlentscheidung zwischen den denkbaren Handlungsoptionen sollte dann grundsätzlich keinem einzelnen Entscheidungsträger überlassen werden, sondern als Entscheidung mit einem erheblichen Prognoserisiko die Weisheit der Vielen nutzen und daher einer Personengruppe zugewiesen werden. Als Aggregationsmechanismus bietet sich eine Abstimmung, in den Fällen einer Entscheidung unter Unsicherheit aber vor allem auch das Vertragsprinzip an, kann dieses doch in nahezu idealer Weise die positiven Effekte der Weisheit der Vielen für die Richtigkeitsgewähr der Prognoseentscheidung mit der subjektiven Richtigkeitsgewähr des Konsensprinzips verbinden. Kooperationsprobleme können durch die Absicherung des Vertragsschlusses behoben werden, welche klassischerweise über einen Kontrahierungszwang erfolgt. Insgesamt entsteht auf diese Weise der effiziente Entscheidungsmechanismus einer eingeschränkten Vertragslösung, der auch dem geltenden deutschen Insolvenzrecht zugrunde liegt. In der Mehrzahl der praktischen Insolvenzfälle, in denen kein Reorganisationskonzept, sondern allein eine Liquidation zur Diskussion steht, können die Gläubiger nach erfolgter Aufklärung über die Gesamtlage des Unternehmens in einer Abstimmung entscheiden, wie die Liquidation konkret geschehen soll. Steht also etwa ein passender Käufer zur Verfügung, so können sie einer Veräußerung zustimmen, wenn sie den gebotenen Kaufpreis für angemessen halten. Da diese Kaufpreissumme unmittelbar die an die Gläubiger auszuschüttende

D. Zusammenfassung und Ausblick

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Quote bestimmt, entscheiden exakt diejenigen über die Durchführung der Veräußerung, die auch das Risiko einer Fehleinschätzung tragen. Die von ihnen getragene Lösung besitzt damit wiederum die Vermutung der inhaltlichen Richtigkeit und ist insoweit im Verfahren – auch vom Insolvenzgericht – zu respektieren. Eine »richtigere« Lösung kann auch kein Richter finden. Zugleich wird auf diesem Wege eine schnelle Veräußerung des Schuldnerunternehmens im Sinne der Auktionsmodelle möglich. Findet sich also ein Käufer für das Unternehmen, so kann dieses innerhalb weniger Wochen aus der Insolvenz heraus gekauft und fortgeführt werden. Findet sich kein Investor, der für das Unternehmen einen akzeptablen Preis bietet oder verspricht die Zerschlagung des Unternehmens einen höheren Erlös, so können sich die Gläubiger auch für diese Variante entscheiden. In den wenigen Fällen hingegen, in denen ein Insolvenzplan mit einem Reorganisationskonzept vorgelegt wird, sind von der Auswahlentscheidung nicht mehr allein die Interessen der Gläubiger betroffen, sondern auch die des danach fortbestehenden Schuldners. In diesen Fällen bietet allein der Vertragsschluss zwischen allen Betroffenen eine hinreichend sichere Gewähr für das Zustandekommen der richtigen (auch negativen) Entscheidung, wenn er denn gegen unberechtigte Blockaderisiken hinreichend abgesichert wird. Die Inhaltsoffenheit des Verhandlungsprozesses lässt es dabei auch zu, ein Reorganisationskonzept zu beschließen, das auf einem (von einem Konsens getragenen) debt-equityswap beruht. Es wird sogar denkbar, einen Plan zu verabschieden, der eines der auf den Ideen Bebchuks beruhenden Optionsmodelle umsetzen will. Das wesentliche Defizit der derzeitigen deutschen Regelung liegt mithin nicht in ihrem Entscheidungsmechanismus, sondern in der Unfähigkeit, außergerichtlich erreichte Verhandlungsergebnisse, die das Einstimmigkeitserfordernis verfehlt haben, effektiv zu nutzen. Es bietet weder außergerichtliche Zustimmungspflichten für Akkordstörer noch ein effektives Durchsetzungsverfahren für dieselben. Stattdessen verlangt es zwingend danach, die Abstimmung über ein Verwertungskonzept in der Arena des Insolvenzgerichts zu wiederholen. Der Erfolg der Sanierungsbemühungen bleibt damit bis zum Ende des Insolvenzplanverfahrens offen. Eine Planinsolvenz ist damit weder planbar noch ohne wesentliche Störungen im Unternehmensablauf durchführbar. Diese Defizite kann eine Bestätigungsinsolvenz beheben, die es nach dem Vorbild der U. S.-amerikanischen pre-voted bankruptcy dem Schuldner erlaubt, das außergerichtliche Abstimmungsergebnis auch im Planverfahren zu verwenden und zugleich Herr über sein Unternehmen zu bleiben. Die wesentlichen Abschreckungsfaktoren der Planinsolvenz, die Unsicherheit über die Willensbildung in der Insolvenz und der Verlust der Unternehmenskontrolle, wären beseitigt. Das Planverfahren würde immer noch keine Wunder bewirken können. Es könnte sich aber endlich zu dem Instrument der Sanierung von Krisenunternehmen entwickeln, das es eigentlich schon seit mehr als zehn Jahren sein sollte.

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Sachregister »ACCORD Scheme« 526 f. Abgesicherter Vertragsschluss 514 ff. absolute priority rule 127, 140, 255, 256, 289 – new value exception 141, 289 Abstimmungserklärung – siehe Stimmabgabe Abstimmungstermin 183 – bei konkurrierenden Plänen 321 Akkord – Begriff 58 – historische Bedeutung 83 f. Akkordstörer 39, 47 Alternativmodelle – siehe Auktionsmodelle, Optionsmodelle Amtsermittlungsgrundsatz 284, 312 f., 350, 398 f. – bei der Planbestätigung 399 ff. Anfechtung eines Akkords 407 Anleihe 18, 605 f. – Optionsanleihe 20 – Wandelanleihe 20 Atypische stille Gesellschaft 21 Aufopferung 208 f. Aufschiebende Wirkung – siehe Rechtsmittel Auktionsmodelle 449 ff., 464 ff., 527 f. – Bietermarkt 475 – Gerichtsbeteiligung 479 f. – Kosten 476 f. – Schweden 485 f. – Unzulänglichkeiten 486 f. Außergerichtlicher Vergleich – siehe Sanierungsvergleich Bankkredit 17 Bankruptcy Acts 114 ff. »Bebchuck-Modell« 458 ff., 525

Beschlagsrecht 193 Beschlussausführung 234 ff., 237 f. Beschlussverfahren 186, 220, 225, 300 Besserungsvereinbarungen 27 best interest test 117, 125, 140, 255, 256 Bestätigung durch das Gericht – Gestaltungswirkung 311 ff., 328 ff. – (als) Gewährung von Rechtsschutz 300, 329 ff., 364 f. – Inhalt 414 f. – Prüfungsgegenstand 362 f. – Rechtsgeschichte 299 – (materielle) Rechtskraft 410 ff. – Rechtsmittel 615 ff. – Rechtsvergleichung 299 – Richtervorbehalt 366 f., 619 – (als) Staatsakt 74 – verfassungsrechtliche Notwendigkeit 300 – (als) Vertragsgenehmigung 69, 363 f. – Wesen 366 Bestätigungsinsolvenz 434, 561 f., 578 ff., 628 ff. – Bindung der Gesellschafter 590 ff. – Definition 564 – Eigenverwaltung des Schuldners 580 ff. – notwendige Neuregelungen 588 f., 614 f. – Stimmabgabe als antizipierte Zustimmung 586 f. – Stimmrechte 589 – Zulässigkeit im deutschen Recht 578 ff. »better positioned agent« 496 ff. Blockadehaltungen 514 ff., 519, 549, 569, 608, 615 Bruchteilsgemeinschaft – Entstehungsgrund 200

668 – – – – – – – –

Sachregister

der Gläubigergruppe 191 f., 212 der Insolvenzgläubiger 192 ff., 201, 213 Mehrheitsbeschlüsse 223 ff., 237 Rechtsfähigkeit 203 ff. (an einer) Rechtsgesamtheit 194 ff. Spezialitätsgrundsatz 196 ff. vor der Insolvenz 206, 542 Wirkungskreis 215 f.

cessio bonorum 57 f. »chameleon-equity« 470 f. Chapter 11 U. S. Bankruptcy Code 134 ff., 563 ff. – Defizite 478 f., 528 – disclosure statement 138 f. – Eröffnungsfolgen 137 – Eröffnungsvoraussetzungen 135 f. – Planannahme und -bestätigung 139 ff. – Planerstellung und -inhalt 137 f. – Rechtsmittel 616 f. – Rechtsnatur des Plans 142 ff. – Verfahrensablauf 136 ff. – (als) Verhandlungsrahmen 145 f. – siehe auch U. S. Bankruptcy Law Coase-Theorem 449, 474 Codex Hamurabi 56 Company Voluntary Arrangement 620 ff. – Moratorium 624 f. – Nachteile gegenüber der Bestätigungsinsolvenz 623 f. – Verfahren 621 f. – (als) Vertragsdiktat 623 Condorcet’s Jury Theorem 506 f. consent decree 153 f. »contract theory approach« 530 ff., 552 Covenants 17 debt-equity-swap – (als) Alternative zum Insolvenzplan 454 ff., 481 f. – automatischer debt-equity-swap 470, 472 f. – Begriff 24 – debt-reducing exchange offers 483, 572 – Obstruktionsverbot 286 f., 612 – Risiken 25 f.

– Verfahren 24 – Vorteile 24 f. – siehe auch Optionsmodelle debt-mezzanine-swap 612 f. »dilution mechanism« 468 f. Differenzhaftung 26 Diktierter Vertrag 270 ff. – im engeren Sinn 273 ff. – im weiteren Sinn 272 – und Insolvenzplan 276 ff., 425 Doppelnatur – des konkursabwendenden Vergleichs 77 – des Zwangsvergleichs 70 Doppeltatbestand 379, 396 ff. Doppelwirkung 375 Drohende Zahlungsunfähigkeit 560, 626, 627 »dual-track case« 574, 586 Eigenverwaltung – bei vorbereiteten Plänen 580 ff. – empirische Bedeutung 560 – und vorläufige Sicherungsmaßnahmen 583 f. Eingeschränkte Vertragslösung 524 f. Einstimmigkeit 220, 224 Einzelentscheidungsbefugnis 490 ff. – des Insolvenzgerichts 500 – des Schuldners 501 – einer Behörde 498 – einzelner Gläubiger 490 ff. Empirische Bedeutung – Akkord 83 – Insolvenzplan 109 f. – Insolvenzverfahrenseröffnung 108 – Zwangsvergleich/Vergleich 84 ff. Englisches Insolvenzrecht – Rechtsgeschichte 113 – siehe auch Company Voluntary Arrangement Entlastungsfunktion des § 4 ZPO 340 f. Entscheidung unter Ungewissheit 503 Entscheidungstheorie 504 Entscheidungsträger 34 f., 502 ff., 523 Entscheidungszeitpunkt 529 ff. – Vorverlagerung 559 ff. Equity Receivership 118 ff., 445, 487, 565

Sachregister

– Bedeutung 128 f. – Kodifizierung 129 ff. – Missbrauch 121 ff. – Missbrauchsbekämpfung 125 ff. – Planbestätigung 128 – Verfahren 119 f. Eröffnungsverfahren 107 f., 627 Expertenwissen 504 f. Fiktion von Willenserklärungen – § 247 Abs. 1 InsO 252, 277 – § 254 Abs. 1 Satz 3 InsO 241, 277 – § 894 ZPO 238, 246, 271, 272, 277, 331 ff. – einstweiliger Rechtsschutz 545 f. – Funktionsweise 334 ff. – Kontrahierungszwang 270 f., 277 – Schweigen 249 ff., 256 Fiskusvorrecht 94, 105 Forderungskauf 314 Fortführungswert – Begriff 440 f. – Bestimmung durch Konsens 513 – Realisierung in der Insolvenz 441 f. »free-rider« – siehe Trittbrettfahrer Freiwillige Gerichtsbarkeit 346 ff. – formelle Zuordnung 347 f. – materielle Zuordnung 348 ff. Gefangenendilemma 516, 553 Generalität 167 Genussrecht 20 f., 287, 612 f. – Genussschein 21 – Wandelgenussrecht 27 Gerichtliche Bestätigung – siehe Bestätigung durch das Gericht Geschäftsaufsicht – siehe Verordnung über die Geschäftsaufsicht Gesellschaft bürgerlichen Rechts – der abstimmungsberechtigten Gläubiger 189 – der Gläubigergruppe 188 – der Gläubiger vor der Insolvenz 209, 541 – der Insolvenzgläubiger 188, 190 f. – Mehrheitsbeschlüsse 221 f.

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Gesellschafter des Schuldners – Aktionärsrechte 598 f., 603 f. – (in einer) Bestätigungsinsolvenz 605 ff. – Chapter 11-Verfahren 590 – Grundrechtsschutz 595 ff. – Kapitalrichtlinie 603 f., 609 – klassische Akkordverfahren 590 f. – Obstruktionsverbot 599, 602 f., 608 ff. – Vorzugsaktionäre 593 – Willensbildung 595, 605 ff. – Wirkungsbereich des Insolvenzplans 50 f., 591 ff. Gestaltungsurteil 303, 305 ff. – § 894 ZPO 332 ff. – Beschlussform 308 – Bindung an den Plan als 327 ff. – Gestaltungsklage 305 – Gestaltungsspielraum 306 f., 329 – Kriegsausgleichsverfahren 309 f. – Planbestätigung als 311 ff., 329 f. Gläubiger – als Bruchteilsgemeinschaft 206 – als Gesellschaft bürgerlichen Rechts 209 – als Interessengemeinschaft 207 f. – gesicherte 41, 89 – Schlüsselgläubiger 41 – siehe auch Insolvenzgläubiger Gläubigergesamtheit 185, 187, 205 Gläubigergruppen – als Entscheidungsträger 187 – als Interessengemeinschaft 212 – Mehrheitsmacht 229, 231 – Ursprung in der Equity Receivership 122 f. – Wirkungskreis 218 f. – Zweck 210 ff. Gläubigerplan 175 f. Gläubigerrechte – vollstreckungsrechtliche Natur 599, 601 f., 604, 611 – Vorrang vor Gesellschafterrechten 600 f. Grundrechte – Eigentum 230, 232, 264, 279, 595 f., 599 f. – Gleichbehandlung 231, 233, 603 – Justizgewährungsanspruch 618 f.

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Sachregister

(praktische) Konkordanz 602, 614 Konkurrenz zueinander 597 f. Privatautonomie 230, 264 f., 279 ff. rechtliches Gehör 291 Vereinigungsfreiheit 595, 596 ff., 609

Heilung von Planmängeln 407 ff. Heteronomität 166, 220, 239, 270, 303 Homogenität der Interessen 212, 219, 434, 519 Informationsbasis der Abstimmung 314 Insolvenz – als Auflösungsgrund 615 – als Makel 58, 110 Insolvenzantragsfrist 43, 54 Insolvenzantragspflicht 93, 106 Insolvenzbeschlag 192, 201 Insolvenzgläubiger – als Bruchteilsgemeinschaft 192 ff., 201 – als Interessengemeinschaft 205 f. – als Schicksalsgemeinschaft 102 Insolvenzkosten – direkte 38, 48, 570 – indirekte 37 f., 48, 571 f. Insolvenzmasse – Rechtsfähigkeit 190, 202 f. – Rechtsträger 190, 192 Insolvenzordnung – als eigenständige Verfahrensordnung 361 – als Krisenprodukt 98 ff. – als Vollstreckungsrecht 340 Insolvenzplan – betriebswirtschaftliche Funktion 56 – als Instrument der Haftungsverwirklichung 343 – als Normenvertrag 169 f. – als prozessualer Verpfl ichtungsvertrag 383 – als Prozessvertrag 376, 379 ff., 395, 426 – als Rechtsnorm 165 ff. – als Vergleich gemäß § 779 BGB 427 ff. – als Vertrag 173 ff., 243 f., 424 ff. – als Verwertungsvertrag der Gläubiger 244 – verfahrensgestaltende Wirkung 390 ff.

– verfahrensbeendigende Wirkung 387 ff. – Vollstreckungstitel 383 ff. Insolvenzplanverfahren – Dauer 49 – empirische Daten 109 f., 111 – Gesellschafter 50 f., 591 ff. – Grenzen 55, 111 – Nachteile 48 f., 110, 559 ff. – Prozesshandlungen 376 ff. – Rechtsmittel 615 ff. – Regelungsstreitigkeit 358 f. – verfassungsrechtliche Aufgabe 232 – Vorteile 47 f. – Zielgruppe 55, 111 – Zweckvielfalt 355 Insolvenzrisiko 101 Insolvenzverfahren – administrative 498 ff. – als eigenständiges Verfahren 361 – als FG-Verfahren 346 ff. – als Liquidationsverfahren 351 ff. – als Regelungsstreitigkeit 357 f. – als Zwangsvollstreckungsverfahren 340 ff., 352, 599 f. – soziale Belange 436 f. – Ziel 436 ff., 446 f., 610 – Zwecke 342 ff., 354 f., 610 Insolvenzverwalter – Planvorlagerecht 175 ff. – Rechtsstellung 177 f. Instanzenzug 619 Interessengemeinschaft 205, 212, 218, 542 f. invitatio ad offerendum 174 f., 179, 182, 247, 404 Kapitalrichtlinie 603 f., 609 Kapitalschnitt 23, 603 Konkurrierende Insolvenzpläne 319 ff. – verfahrensrechtliche Lösung 325 f. Kontrahierungszwang 261 ff., 520 f. – allgemeiner Kontrahierungszwang 264 f. – diktierter Vertrag 270 ff. – gesetzlicher Kontrahierungszwang 266 f. – Obstruktionsverbot 268 f.

Sachregister

– Vertragsnatur 262 ff., 272, 275 – Zustimmungspflicht als Folge 270 f. Konsensprinzip 511, 513 Konzentrationsgrundsatz – siehe Verfahrensstraffung Kooperation – siehe Verhandlungen Kooperationspflichten – siehe Zustimmungspflichten Krise des Konkursrechts 83 ff. Legitimation 220, 231, 245, 257 Lieferantenkredit 18 Liquidation 439 f. – freiwillige 12 f., 537 – und Reorganisation 444 ff., 449 Liquidationsplan 389 Liquidationsverfahren 351 ff., 439 f. lock agreement 539 Massearmut 98 Massegläubiger 91 f., 105 f. Masselosigkeit des Konkurses – siehe Krise des Konkursrechts Mehrheitsprinzip 220 ff., 225, 257 – und Richtigkeitsgewähr 226 ff. – verfassungsrechtliche Aspekte 229 ff. »menu approach« 533 f. Mezzanine-Kapital 18, 27, 612 f. – mit Eigenkapitalausrichtung 20 – mit Fremdkapitalausrichtung 19 Minderheitenschutz 229 ff.; 280 ff.; 311 ff., 363 Moratorium 624 ff. Nachforderungsrecht 232 f. Nachrangdarlehen 19 »non-cash auctions« 467 f. »noncash bid« 465 f. Normenvertrag 74 f., 169 f. Obstruktionsverbot 181, 255 ff. – Abstimmungsprinzip 260 – Darlegungs- und Beweislast 284 – Deutung als Kontrahierungszwang 268 f. – gegen Absonderungsberechtigte 287 f. – gegen Gesellschafter 599, 602 f., 608 ff.

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– gegen Insolvenzgläubiger 255 – gegen nachrangige Insolvenzgläubiger 256 – gegen den Schuldner 256 f. – Legitimation 257 ff., 280 ff. – Vereinigungsfreiheit 599 – Vertragsnatur des Insolvenzplans 278 Optionsmodelle 454 ff., 525 – Anwendungsbereich 481 f. – Gerichtsbeteiligung 479 f. – Kosten 477 f. – unter deutschem Insolvenzrecht 525 Organisatorische Selbstbestimmung des Verbandes 597 Organtheorie 202 f. Pareto-Optimum 438, 516 Parallele Auktionsverfahren 453 Partiarisches Darlehen 20 »perfect markets solution« 449, 474 Pfändungspfandrecht 193 Planbedingung 315 ff. Plangarant 295, 386, 417 ff. Planmängel 407 ff. Planvorlage 174 ff. – durch den Insolvenzverwalter 175 – durch den Schuldner 179 – Prozesshandlung 179, 378, 404 – Rücknahme 402 ff. – Zustimmungsobjekt 183 f. Präklusion von Tatsachen 415 ff. »preemptive cramdown« 602 pre-packaged bankruptcy 558, 561, 563 ff. – Begriff 563 – Dauer 570 – gesetzliche Regelung in Chapter 11 565 ff. – Quoten 575 f. – post-negotiated plan 563 – pre-negotiated plan 564 – pre-voted plan 564 pre-voted bankruptcy 434, 564 ff. – Ablauf 567 f. – Begriff 564 – Bindung der Gesellschafter 594 f. – Dauer 570 – »dual-track case« 574

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Sachregister

Effekte 569 ff. empirische Daten 566 f. Funktionsweise 584 ff., 594 f. Kosteneinsparungen 570 ff. Quoten 575 f. Stimmabgabe als antizipierte Zustimmung 586 f. – Vollstreckungsstopp 575 – Zeitpunkt des Vertragsschlusses 585 – siehe auch Bestätigungsinsolvenz Privatautonomie 230, 238, 262 ff., 279 ff. Procédure de Sauvegarde 500 Prognoseentscheidungen 503 ff. Prognoseunsicherheit 290 Prozesshandlungen 368 ff. – Begriff 368 ff. – beim Zwangsvergleichsschluss 70 f. – Doppelwirkung 375 f. – Einbringen von Tatsachen 396 f. – im Insolvenzplanverfahren 378 f. – Planvorlage 179, 182 – siehe auch Prozessvertrag Prozessvergleich 379 ff. – und außergerichtlicher Vergleich 380 ff. Prozessvertrag 71, 77, 370 ff. – als Prozesshandlung 369, 370 ff. – Insolvenzplan als 379 ff. Prozessvollmacht 406 Prüfungs- und Feststellungsverfahren 385 »public-goods game« 517 f. Rechtsfähigkeit 201 f. Rechtsfürsorge 349 f., 352, 354 Rechtsgemeinschaft – siehe Bruchteilsgemeinschaft Rechtsinstitut sui generis – Insolvenzplan als 161, 296, 432 – Zwangsvergleich als 72 f. Rechtskraft 302 ff. – als Grundlage der Mangelheilung 408 ff. – formelle 409 – Grenzen 416 ff. – materielle 408 – Plangaranten 417 ff. – Umfang 412 ff.

Rechtskrafttheorien – materielle 302, 304, 408 – prozessuale 303, 408 f. Rechtsmittel 615 ff. – aufschiebende Wirkung 618 ff. – Schadenersatz 619 f. – sofortige Beschwerde 618 Rechtsnatur – Chapter 11-Plan 142 ff. – composition agreement 146 ff. – Planbestätigung 339 ff. – Insolvenzplan 424 ff. – Vergleich der VglO 73 ff. – Zwangsvergleich 63 ff. Rechtsnormtheorie 165 ff. Regelungsstreitigkeit 355 ff. Reorganisation – außergerichtliche 37, 442 f. – Begriff 28 – Deutung als Unternehmensverkauf 447 – kleine Unternehmen 450 f. – Notwendigkeit in der Insolvenz 443 ff., 446, 449, 473 ff., 488 – Vorteile 33 Reorganisationsmehrwert 447 ff. »restricted auction mechanism« 451 Restrukturierungsverwaltung 499 Restschuldbefreiung – als Verfahrenszweck 344 ff. – bei Verbrauchern 1 f., 109, 114 – rechtsgeschichtliche Entwicklung der Idee der 56, 113 Richterliches Ermessen 227 f. – bei Chapter 11-Verfahren 157 f. – bei Gestaltungsurteilen 306 f. – bei konkurrierenden Plänen 319 ff., 322 – im Insolvenzplanverfahren 310 ff., 338 – in den Kriegsausgleichsverfahren 309 f., 358 – Planbestätigung 311 ff. – Vorprüfung 317 ff. Richterliche Inhaltskontrolle 227 f., 520 f. Richterliche Vertragshilfe – im Gesetz über die Bereinigung alter Schulden von 1938 77 – im Kriegsausgleichsverfahren 78 f., 273

Sachregister

– in der Vertragshilfeverordnung 80 f., 273 – Gesamtvertragshilfe 81 – Regelungsstreitigkeit 359 – richterliche Gestaltungsmacht 309 f. – und Vertragsbegriff 79, 81, 274 f. – und Zwangsvergleich 82 f. Richtigkeitsgewähr – bei der Verwertungsentscheidung 502 ff. – Expertenwissen 505 f. – Gruppenentscheidungen 506 ff. – Mehrheitsbeschlüsse 226 ff., 519 f. – Verträge 226 f., 511 f. Rücknahme der Planvorlage 402 ff. Salvatorische Klausel 285 f. Sanierung – Begriff 12 – finanzwirtschaftliche 17 – leistungswirtschaftliche 16 – rechtliche Fixierung 37 – übertragende, siehe dort Sanierungsarten 28 – Auswahlkriterien 32 – Entscheidungsträger 34 Sanierungsbehörde 498 Sanierungsfähigkeit 15, 36 Sanierungsfusion 31 Sanierungskonzept 16, 36 Sanierungskredit – Haftungsrisiken 42 f. – Kreditrahmen 48 – Pflicht zur Gewährung 41 Sanierungsplan 16, 37 Sanierungsprozess 36 Sanierungstreuhänder 627 Sanierungsvergleich 37, 430, 627 – Vorteile 37 f. – Nachteile 39 – unter dem Konkursrecht 97 Sanierungsvergleichsgesetz 627 f. Sanierungswürdigkeit 13 f. Schiedsrichterliche Tätigkeit 357, 551 Schlichter 357 Schuldverschreibungsgesetz 208, 588, 605 f. Schweigen als Willenserklärung 247 ff.

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– beredtes Schweigen 248 – mit Erklärungswirkung 249 – und Treu und Glauben 250 f. »selective stay model« 490 f. Sicherungsrechte – Behandlung durch die InsO 98 ff., 103 f. – in früheren Akkordverfahren 95 – masselose Konkurse 89 f. »single real estate«-Plan 393 »SIR«-Verfahren 493 ff. »slice-of common-stock-sale« 455 Sofortige Beschwerde – siehe Rechtsmittel Sonderinsolvenzrecht 433 Sozialbindung des Eigentums 230 Stimmabgabe – Doppeltatbestand 396 f. – Prozesshandlung 379 – Willenserklärung 184 f., 235 – zur Willensbildung 185 Stimmbindungsvertrag 587 Stimmenkauf 314 Stimmrechtsfestsetzung 420 ff. Stimmrechtsvollmacht 405 f., 422 f. »suspension clause solution« 553 f. Tabelleneintragung 384, 386 Titulierung von Forderungen durch den Plan 384, 386 f. Transaktionskosten 535 Trittbrettfahrer 515, 518 Übertragende Sanierung 28 ff., 96, 111, 389, 441, 483 f. – Auffanggesellschaft 30 f. – Begriff 28 – Betriebsübernahmegesellschaft 30 – Entschuldungseffekt 29 – Nachteile 33 Übertragungsplan 388 Ultimatum-Spiel 516 f. Unsicherheit der Planinsolvenz 559 ff. Unternehmensanalyse 15 Unternehmensbewertung durch Konsens 513 Unternehmensfinanzierung 17 – durch Eigenkapital 22

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Sachregister

– durch Fremdkapital 17 – hybride 19 Unternehmenskrise – Begriff 8 – Ergebniskrise 12 – Frühwarnsystem 11 – Krisenreaktion 12, 34 f. – latente 11 – Liquiditätskrise 12 – Phasen 10 f. – Ursachen 9 Unternehmensveräußerung – außergerichtlich 44 f. – gerichtlich 52 f. – Zweck 444 f. Unterwerfung 221 Urteilstheorie 63 f., 80, 301 f., 328 – für den Chapter 11-Plan 155 f. – und Rechtskraftwirkung 302, 304 U. S. Bankruptcy Law 112 ff., 563 ff. – absolute priority rule 127, 140 – arrangement 132 f., 152 – automatic stay 137 – Bankruptcy Acts 114 ff., 129 – best interest test 117, 125, 133, 140 – Chandler Act 131 f. – Chapter 11 133, 134 ff., 151 f. – composition (agreement) 116 f., 126, 129, 131, 146, 148 ff. – englische Quellen 113, 115 – Equity Receivership 118 ff., 445 – Rechtsmittel 616 f. – Rezeption ins deutsche Recht 112, 159 ff. – Unternehmensveräußerung 444, 484 f. – siehe auch pre-packaged bankruptcy Verdeckte Verweisung 335, 337 »Verfahrensleitender Insolvenzplan« 390 ff. Verfahrensstraffung 235 f., 239, 242 f., 277, 364 f. Verfahrenstheorie 327 ff. Vergleich zur Abwendung des Konkurses – Entstehung mit der VglO 61 f. – Mindestquote 95 – Rechtsnatur 73 ff. – Vergleichswürdigkeit 96

Vergleichsrechnung 284 f. Verhandlungen – Blockadehaltungen 514 ff. – Kostennachteile 448, 490 – Spieltheorie 516 ff. – unter gerichtlicher Aufsicht 557 ff. – Vorzüge 514 Verordnung über die Geschäftsaufsicht 61 Versagungsbefugnis 311 ff. Vertragsschlussmechanismus 183 f. Vertragsfreiheit – siehe Privatautonomie Vertragshilfe – siehe richterliche Vertragshilfe Vertragstheorie – beim Chapter 11-Plan 143 ff., 152 – beim Insolvenzplan 292 ff., 296, 424 ff. – beim konkursabwendenden Vergleich 76, 430 – beim Zwangsvergleich 65 ff., 430 Verwalterplan 177 Verwertungsoptionen 502, 522 f. Verwertungsrecht der Insolvenzgläubiger 192 Vollstreckungsakt 337 Vollstreckungsrechtliche Natur der Gläubigerrechte in der Insolvenz 599, 601 f., 604, 611 Vollstreckungstitel 383 ff. Vorbereitete Insolvenz – siehe pre-packaged bankruptcy Vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren 433, 624 ff. – siehe auch Sanierungsvergleichsverfahren Vorprüfung des Insolvenzplans 317 ff. Vorwegnahme der Hauptsache 545 f., 551 Vorzugsaktionäre 593 »waiver contracts« 492 f. Weisheit der Vielen 508 ff. – und Vertragsschluss unter Vielen 512 Wettbewerb der Insolvenzrechte 561, 620 f. Willensbildung 186 – der Anleihegläubiger 606 – der Gesellschafter 595, 605 ff.

Sachregister

Willenserklärung 176 – ablehnende Beteiligte, siehe Obstruktionsverbot – abstimmender Schuldner 246 – Dritte 295 – Gesellschafter 245 f., 606 – Gläubigergruppe 234 – Insolvenzverwalter 177 – Konkursgläubiger 66 – Konkursgläubigerschaft 67 – nicht abstimmende Gläubiger 240 f. – schweigender Schuldner 247 ff. – überstimmte Gläubiger 236 ff. – Zugang 183, 241 f., 246 – zustimmende Gläubiger 234 ff., 236 Willensmängel 365, 407 ff. Wirkungskreis der Beschlüsse 187, 214 ff. – der Gläubigergemeinschaft 215 ff., 258 – der Gläubigergruppe 218 f. – der Konkursgläubiger 68 f., 218 Wirtschaftlicher Wert der Insolvenzforderung 232 f., 283 Zerschlagungswert 439 f. Zustimmung des Schuldners – bei Schweigen 252 f.

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– bei Zustimmung 246 – Notwendigkeit 179 f., 246 Zustimmungspflichten in der Insolvenz – bei Gesellschaftern 245 f., 606 – Durchsetzung 237 f., 556 f., 607 – gerichtliche Prüfung 313 f. – Grundlage 556 – Kontrahierungszwang 270 ff. – nicht abstimmende Gläubiger 240 f. – überstimmte Gläubiger 236 ff. Zustimmungspflichten vor der Insolvenz – bei Gesellschaftern 40, 540, 606 – bei Gläubigern 39, 540 ff. – einstweiliger Rechtsschutz 544 ff. – Geständnisfiktion des § 138 Abs. 3 ZPO 550 – lock agreements 539 – Schiedsgerichte 551 ff. Zwangsvergleich – Rechtsnatur 63 ff. – römisch-rechtliche Vorgänger 57 f. – Vorgängerregelungen 58 f. – Zustandekommen 60 f. Zwecke des Insolvenzverfahrens 342 ff., 354 f.