Der historische Jesus: Tendenzen und Perspektiven der gegenwärtigen Forschung [Reprint 2012 ed.] 3110175118, 9783110175110

Der Band vereinigt Beiträge von Forschern aus Europa und den USA zur gegenwärtig wieder intensiv diskutierten Frage nach

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German Pages 482 [480] Year 2002

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Der historische Jesus: Tendenzen und Perspektiven der gegenwärtigen Forschung [Reprint 2012 ed.]
 3110175118, 9783110175110

Table of contents :
Vorwort
Einleitung
Der historische Jesus. Bedenken zur gegenwärtigen Diskussion aus der Perspektive mittelalterlicher, moderner und postmoderner Hermeneutik
Erzählung und Ereignis. Über den Spielraum historischer Repräsentation
Der unähnliche Jesus. Eine kritische Evaluierung der Entstehung des Differenzkriteriums und seiner geschichts- und erkenntnistheoretischen Voraussetzungen
“All that glisters is not Gold”. In Quest of the Right Key to unlock the way to the historical Jesus
Von der Historizität der Evangelien. Ein Beitrag zur gegenwärtigen Diskussion um den historischen Jesus
Q and the Historical Jesus
Assessing the Historical Value of the Apocryphal Jesus Traditions A Critique of Conflicting Methodologies
Der historische Jesus und der Christus der Evangelien
Jesus und der Nomos aus der Sicht des entstehenden Christentums Zum Jesus-Bild im ersten Jahrhundert n. Chr. und zu unserem Jesus-Bild
„Gericht“ und „Heil“ bei Jesus von Nazareth und Johannes dem Täufer Semantische und pragmatische Beobachtungen
Stilistische und rhetorische Eigentümlichkeiten der ältesten Jesustradition
Warum zog Jesus nach Jerusalem?
Jesus als der Christus bei Paulus und Lukas. Erwägungen zum Verhältnis von Bekenntnis und historischer Erkenntnis in der neutestamentlichen Christologie
Autorenverzeichnis
Register

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Der historische Jesus

Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche

In Verbindung mit James D. G. Dunn · Richard B. Hays Hermann Lichtenberger herausgegeben von Michael Wolter

Band 114

W G DE

Walter de Gruyter · Berlin · New York

2002

Der historische Jesus Tendenzen und Perspektiven der gegenwärtigen Forschung Herausgegeben von Jens Schröter und Ralph Brucker

W DE _G Walter de Gruyter · Berlin · New York 2002

® Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

ISBN 3-11-017511-8

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über < http://dnb.ddb.de > abrufbar.

© Copyright 2002 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Umschlaggestaltung: Christopher Schneider, Berlin

Vorwort

Die Idee, einen Band mit Beiträgen zur gegenwärtigen Jesusforschung zu publizieren, hat eine längere Geschichte. Sie entstand im Laufe der Beschäftigung mit den neuen Entwicklungen auf diesem Gebiet und der sich dabei als immer notwendiger erweisenden Aufgabe, die oftmals unausgesprochen im Hintergrund stehenden methodologischen und erkenntnistheoretischen Prämissen zu thematisieren. Die Idee konkretisierte sich während zweier Gastvorlesungen, die Prof. Dr. Werner H. Kelber im Sommersemester 1999 am Fachbereich Evangelische Theologie der Universität Hamburg hielt. Diese Vorlesungen stellen zugleich die Grundlage seines hier abgedruckten Beitrages dar. Im Anschluß an diese Vorträge gab es - nicht nur am Hamburger Fachbereich - intensive Diskussionen um die hermeneutischen Grundlagen von Geschichtskonstruktionen im allgemeinen und Konstruktionen der Person Jesu im besonderen. Deutlichere Gestalt gewann das Projekt im Zusammenhang eines Symposiums anläßlich der Verabschiedung unseres Kollegen Prof. Dr. Eckhard Rau, das im November 2001 an der Universität Hamburg unter dem Titel „Tendenzen und Perspektiven der gegenwärtigen Jesusforschung" abgehalten wurde. Bei dieser Gelegenheit wurden die hier publizierten Beiträge von Prof. Dr. Ulrich Luz, Prof. Dr. Michael Moxter und Prof. Dr. Dr. Petr Pokorny als Vorträge gehalten. Auch andere der hier abgedruckten Aufsätze gehen auf Vorträge zurück, die bei verschiedenen Gelegenheiten gehalten wurden: Prof. Dr. Jörg Frey, Prof. Dr. Andreas Lindemann, Prof. Dr. Christopher Tuckett und Prof. Dr. Michael Wolter haben sich bereit erklärt, ihre Vorträge für diesen Band zur Verfügung zu stellen und für den Druck zu bearbeiten. Prof. Dr. David Aune, Dr. David du Toit, Prof. Dr. James D. G. Dunn und PD Dr. Hermut Lohr haben die Einladung angenommen, zu weiteren Aspekten der Jesusforschung Beiträge zu verfassen, um dem Band ein eigenständiges Profil zu verleihen, das etliche wichtige Bereiche dieses Forschungsgebietes erfaßt. Ihnen allen sei an dieser Stelle ein herzlicher Dank der Herausgeber ausgesprochen.

VI

Vorwort

Wir danken des weiteren den Herausgebern der Reihe „Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche", den Herren Professoren Dr. Michael Wolter, Dr. James D. G. Dunn, Dr. Richard B. Hays und Dr. Hermann Lichtenberger, für die Sympathie, die sie dem Unternehmen eines solchen Bandes von Beginn an entgegengebracht haben, sowie für die Bereitschaft, ihn in dieser Reihe zu publizieren. Last but not least: Ein herzlicher Dank ergeht an den Verlag Walter de Gruyter - und hier insbesondere an Herrn Dr. Claus-Jürgen Thornton für die stets kompetente und freundliche Zusammenarbeit während der Erstellung des Bandes. Sie hat wesentlich dazu beigetragen, die Arbeit der Herausgeber zu einem angenehmen Erlebnis werden zu lassen. Die in diesem Band verwendeten Abkürzungen für Zeitschriften, Reihen usw. richten sich nach SIEGFRIED M. SCHWERTNER, Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete, Berlin/New York 2 1992 (= IATG 2 ). Biblische Zitate folgen den bei der Deutschen Bibelgesellschaft, Stuttgart, verlegten Standardausgaben: Der Biblia Hebraica Stuttgartensia, edd. ELLIGER/RUDOLPH/SCHENKER, 5 1 9 9 7 , der Septuaginta, ed. RAHLFS, 1 9 3 5 u. ö., und dem Novum Testamentum Graece, edd. N E S T L E / A L A N D , 2 7 1 9 9 3 .

Hamburg, im August 2002

Jens Schröter und Ralph Brucker

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

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JENS S C H R Ö T E R UND R A L P H BRUCKER

Einleitung

1

W E R N E R H . KELBER

Der historische Jesus Bedenken zur gegenwärtigen Diskussion aus der Perspektive mittelalterlicher, moderner und postmoderner Hermeneutik

15

MICHAEL MOXTER

Erzählung und Ereignis Uber den Spielraum historischer Repräsentation

67

DAVID S . DU T O I T

Der unähnliche Jesus Eine kritische Evaluierung der Entstehung des Differenzkriteriums und seiner geschichts- und erkenntnistheoretischen Voraussetzungen . .

89

JAMES D . G . D U N N

"All that glisters is not Gold" In Quest of the Right Key to unlock the way to the historical Jesus

. .

131

Von der Historizität der Evangelien Ein Beitrag zur gegenwärtigen Diskussion um den historischen Jesus . .

163

JENS S C H R Ö T E R

Vili

Inhaltsverzeichnis

CHRISTOPHER M . TUCKETT

Q and the Historical Jesus

213

DAVID E . A U N E

Assessing the Historical Value of the Apocryphal Jesus Traditions A Critique of Conflicting Methodologies

243

JÖRG FREY

Der historische Jesus und der Christus der Evangelien

273

HERMUT LOHR

Jesus und der N o m o s aus der Sicht des entstehenden Christentums Zum Jesus-Bild im ersten Jahrhundert n. Chr. und zu unserem Jesus-Bild

337

MICHAEL WOLTER

„Gericht" und „Heil" bei Jesus von Nazareth und Johannes dem Täufer Semantische und pragmatische Beobachtungen

355

PETR POKORNY

Stilistische und rhetorische Eigentümlichkeiten der ältesten Jesustradition

393

ULRICH LUZ

Warum zog Jesus nach Jerusalem?

409

ANDREAS LINDEMANN

Jesus als der Christus bei Paulus und Lukas Erwägungen zum Verhältnis von Bekenntnis und historischer Erkenntnis in der neutestamentlichen Christologie

429

Autorenverzeichnis

463

Register

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Einleitung JENS SCHRÖTER UND R A L P H BRUCKER

Die Beschäftigung mit Jesus von Nazareth stellt eine der zentralen Aufgaben und zugleich eine der großen Herausforderungen christlicher Theologie dar. Gründet sich das Christentum auf Wirken und Geschick Jesu als eines galiläischen Juden des 1. Jahrhunderts, so stellt sich die Frage, wie ein Bezug zu dieser Person herzustellen ist, unter den jeweils leitenden Prämissen der Deutung von Wirklichkeit immer wieder neu. Verschiedene hermeneutische und methodische Zugänge zur Vergangenheit haben deshalb immer auch in den Jesusbildern Ausdruck gefunden, die sie hervorbrachten. Eine der wichtigsten Entwicklungen der neueren Jesusforschung besteht darin, daß sie auf diesen Zusammenhang zwischen dem Bezug auf Jesus und den jeweiligen Prämissen, die unser Bild von der Vergangenheit steuern, aufmerksam gemacht hat. Damit werden neuere Einsichten in der Erkenntnis- und Geschichtstheorie aufgenommen. Diese besagen, daß die Beschäftigung mit den „Uberresten der Vergangenheit" (um einen Ausdruck des Begründers der modernen Historik, J O H A N N GUSTAV D R O Y SEN, aufzunehmen) niemals zu einer Wiederherstellung der Vergangenheit führt. Sie erfolgt vielmehr stets als ein sich die Uberreste aneignender, sie zu einem Bild von der Vergangenheit zusammensetzender Bezug auf zurückliegende Ereignisse. Kann dieses, aus späterer Perspektive gezeichnete und auf der Deutung der Uberreste basierende Bild niemals mit der Vergangenheit selbst identisch sein, ist Geschichte als Aneignung der Vergangenheit immer schon eine Hypothese darüber, wie es gewesen sein könnte, die der Orientierung in der Gegenwart dient. Angewandt auf die Jesusforschung bedeutet dies, daß Bilder, die von Jesus entworfen werden, zwischen der jeweiligen Gegenwart und derjenigen Person, bei der das Christentum seinen Ausgang genommen hat, vermitteln. Dieses zu bedenken, bedeutet zugleich, die Beschäftigung mit Jesus in den weiteren Horizont hermeneutischer Reflexionen einzustellen. Damit ist ein erster Schwerpunkt der hier versammelten Beiträge benannt.

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Jens Schröter und Ralph Brucker

WERNER H . KELBER schlägt in seinem Eröffnungsbeitrag einen weiten Bogen, einsetzend bei Beobachtungen zur Hermeneutik biblischer Texte in patristischer und mittelalterlicher Exegese, die den Hintergrund für seine Betrachtungen zu derjenigen Wende darstellen, die mit der Entstehung des historisch-kritischen Bewußtseins verbunden war. Mittelalterliche Theologen, wie etwa H u g o von St. Viktor, erscheinen so überraschend „modern": Weit davon entfernt, den wörtlichen Sinn des Textes beiseite zu schieben, war ihr eigentliches Augenmerk darauf gerichtet, die Bedeutung der Texte zu erheben, also der Frage nachzugehen, wie von den Buchstaben zur Wirklichkeit zu gelangen sei - wobei „Wirklichkeit" nicht auf vergangenes Geschehen beschränkt ist. Diese Sicht auf die Texte und ihre Bedeutung war auch für Luther noch leitend, dessen Einschränkung des mehrfachen Schriftsinns auf den sensus literalis nicht als Privilegierung einer historischen Interpretation im modernen Sinn zu verstehen ist, wenngleich sich hier gewisse Verbindungslinien erkennen lassen. Die mit der Entstehung des historischen Bewußtseins einhergehende Neuorientierung erscheint aus dieser Perspektive zunächst wie eine Reduktion: Indem der Blick auf die Frage gerichtet wird, was sich in der Vergangenheit tatsächlich zugetragen hat, wird der Text nicht mehr als Sinnpotential, sondern als Informationsquelle über vergangene Ereignisse betrachtet. KELBER stellt heraus, daß diese Betrachtungsweise bis heute nachwirkt und dazu geführt hat, den „wirklichen" mit dem „historischen" Jesus gleichzusetzen, den es hinter den Texten zu finden gelte. Die für neuzeitliches Bewußtsein überraschende Entdeckung liegt nun freilich darin, daß gerade die für die neueste Jesusforschung kennzeichnende Konzentration auf deren historischen Charakter statt zu einer Vereindeutigung vielmehr zu einer Pluralität von Jesusbildern geführt hat. Angesichts der unsicheren Ergebnisse historisch-kritischer Jesusforschung kam es im Gegenzug zur Ausbildung eines Alternativmodells, das als legitime Grundlage christlichen Glaubens nur den in den Evangelien verkündeten Christus und nicht den historisch rekonstruierten Jesus gelten läßt. Diese Auffassung wurde im späten 19. Jahrhundert von MARTIN KAHLER begründet, dominierte die sogenannte Dialektische Theologie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und wird in neuerer Zeit von LUKE TIMOTHY JOHNSON präsentiert. Dabei wird zum einen ins Feld geführt, daß der Auferstehung Jesu in der christlichen Tradition von Anfang an die Priorität gegenüber seinem Leben, Wirken und Sterben zugekommen sei; zum anderen wird von einem einheitlichen Christuszeugnis des Neuen Testaments ausgegangen. KELBER zufolge halten beide Argumente der kritischen Rückfrage nicht stand und stellen letztlich den Versuch dar, „Vieldeutigkeit durch Eindeutigkeit zu ersetzen" - um den Preis einer „radikalen Reduzierung der Vorstellungswelt des Neuen Testaments".

Einleitung

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Der spiegelbildliche Versuch, das historische Problem um die Person Jesu zu lösen, verbindet sich für KELBER exemplarisch mit dem N a m e n von JOHN DOMINIC CROSSAN. Auch hier identifiziert KELBER die implizite Prämisse, die eine Bedeutung zu fixieren, die sich mit seinem Auftreten verbindet, und diese anderen gegenüber abzugrenzen. Die Gegenüberstellung eines „sarkophilischen" und eines „sarkophobischen" Typs von Christentum privilegiert ein bestimmtes anthropologisches Modell auf Kosten eines anderen und sucht dessen Legitimation in einer ihrer vielfältigen Deutungsmöglichkeiten entkleideten Interpretation der Worte und Gleichnisse Jesu, die auf einen einzigen Sinn beschränkt werden. Die Vorbehalte, die KELBER gegenüber beiden Modellen anmeldet, basieren auf einem anderen Zugang zu Jesus, bei dem die Tatsache ernstgenommen wird, daß wir es mit einer sich im Medium der Mündlichkeit vollziehenden Wirksamkeit zu tun haben. Diese Tatsache wird KELBER zufolge regelmäßig unterschätzt, wenn der Versuch unternommen wird, die von Jesus gesprochenen Worte und Gleichnisse mit der am geschriebenen Wort geschulten Logik des Vergleichens verschiedener Versionen sowie der Reduktion auf den einen Ursprung zu erfassen, von dem dann alle anderen Fassungen abhängig seien. Eine solche Sicht verkürzt KELBER zufolge das Potential der Lehre Jesu, welches nur mit einer mündlichen Ästhetik angemessen zu erheben sei. Die Konsequenzen eines solchen Zugangs sind weitreichend. Sie lassen die Alternative „historischer Jesus oder biblischer Christus" zugunsten der Kategorie der „vergegenwärtigenden Erinnerung" hinter sich. Mit dieser soll der je eigene Bezug auf Jesus als Phänomen der Deutung von Gegenwart im Bezug auf eine orientierende Größe der Vergangenheit erfaßt werden. Die hermeneutischen Implikationen dieses Ansatzes sind in der Jesusforschung bislang erst ansatzweise aufgenommen worden. MICHAEL MOXTER verfolgt einen anderen, in seinen erkenntnistheoretischen Prämissen jedoch durchaus vergleichbaren Weg. Ausgehend von den Begriffen „Ereignis" und „Erzählung" fragt er nach einem plausiblen Modell, beides miteinander in Beziehung zu setzen. Leitend ist dabei die Kategorie der „historischen Repräsentation", die das vergangene Ereignis zugänglich macht, dabei jedoch niemals mit diesem identisch ist. MOXTER ordnet diese Beobachtung in die historische Jesusforschung seit WILLIAM WREDE ein. Dessen Abtrennung der Messiasdogmatik der nachösterlichen Gemeinde von der historischen Grundlage des Lebens Jesu habe einen Antagonismus zwischen Ereignis und Erzählung behauptet, der jedoch angesichts einer Reflexion auf den Begriff des Ereignisses zu kurz greife. MOXTER zeigt, daß der Versuch, Tatsachen und Ereignisse von ihrer späteren Repräsentation in der Erzählung abzutrennen, einer Logik verpflichtet ist, der zufolge historische Erkenntnis die Vergangenheit ab-

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Jens Schröter und Ralph Brucker

zubilden habe. Bei R U D O L F BULTMANN, der die erkenntnistheoretische Wende der analytischen Philosophie nicht mitvollzog, sondern stattdessen einen existentialen Zugang zur Geschichte suchte, wurde diese Linie insofern prolongiert, als er dem Historismus eine „Perspektive der Uneigentlichkeit" vorwirft; es gelte, das kontingente historische Ereignis des Gekommenseins Jesu als eschatologisches zu verstehen, was ihm zufolge bekanntlich durch die Verkündigung geschieht (oder zumindest geschehen kann). Auch bei BULTMANN werden somit Ereignis und Erzählung nicht miteinander in Beziehung gesetzt, vielmehr wird jenes durch die Verkündigung unmittelbar in die Gegenwart hineingeholt. M O X T E R schlägt nun einen anderen Weg ein. Er setzt hierzu bei P A U L RICOEUR an, der in seinem dreibändigen Werk „Zeit und Erzählung" in Anlehnung an Aristoteles die Erzählung als schöpferische Nachahmung bestimmt und dies auch auf die historische Erzählung angewandt hatte. Die historische Erzählung bildet vergangene Wirklichkeit nicht einfach ab, sondern repräsentiert sie in der jeweiligen Gegenwart. Das Verhältnis von Ereignis und Erzählung wird nun jedoch nicht einseitig zugunsten der letzteren aufgelöst. Vielmehr - und hier läßt sich eine weitere Verbindung zu K E L B E R S Beitrag erkennen - bleibt die historische Erzählung auf das Ereignis verwiesen, um Validität zu erlangen. M O X T E R greift hierzu auf den von LÉVINAS an R I C Œ U R vermittelten Begriff der Spur zurück, worin sich durchaus eine Analogie zu der von K E L B E R angeführten Kategorie der „Ethik des Erinnerns" erkennen läßt. M O X T E R S Beitrag stellt somit nicht nur ein Plädoyer für ein Uberdenken der Verhältnisbestimmung von historischer und dogmatischer Methode dar, die in einer vom Historismus beeinflußten Exegese nur zu oft als Gegensatz bestimmt wurden. Er macht darüber hinaus darauf aufmerksam, daß die Jesusforschung einer reflektierten Verhältnisbestimmung von vergangenem Ereignis und dessen Repräsentation in der deutenden Erzählung bedarf. Mit dem Beitrag von D A V I D S . DU T O I T steuert der Band auf die konkreten Fragenkreise der gegenwärtigen Jesusforschung zu. Du T O I T nimmt das Differenzkriterium ins Visier, um daran das Methodenproblem der historisch-kritischen Jesusforschung zu verdeutlichen. Vorausgesetzt ist dabei nicht nur die schon von E R N S T KÄSEMANN konzedierte Einschränkung, daß das Differenzkriterium nur erfassen kann, was Jesus von seinem historischen Kontext unterscheidet, vorausgesetzt ist vielmehr auch, daß es sich eigentlich um ein doppeltes Kriterium handelt, insofern sowohl die Differenz zum Judentum als auch diejenige zum Urchristentum (oder beide) gemeint sein können. Du T O I T geht auf dieser Basis den beiden „Differenzen" nach, mit denen Jesus seit Beginn der historisch-kritischen Jesusforschung zum

Einleitung

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Christentum und zum Judentum ins Verhältnis gesetzt wurde. Die These der Differenz zum Christentum verfolgt DU TOIT auf einer Linie, die bei HERMANN SAMUEL REIMARUS b e g i n n t u n d bis z u WILHELM HEITMÜLLER

führt. Aufschlußreich ist dabei, daß die Annahme dieser Differenz die liberale Leben-Jesu-Forschung des 19. Jahrhunderts und die mit KAHLER und WREDE einsetzende Problematisierung des historischen Wertes der Evangelien verbindet: Hier wie dort wird versucht, über die ältesten Quellen - seien es auf der Basis der Zwei-Quellen-Theorie M k und Q , sei es auf der Grundlage der Formgeschichte die hinter diesen liegende mündliche Uberlieferung - zu Jesus selbst vorzustoßen. D a s Differenzkriterium dient dabei in beiden Fällen zu einer kritischen Sichtung der Uberlieferung, nach deren ältester Schicht gesucht wird. Der behaupteten Differenz Jesu zum Judentum widmet sich DU TOIT in einem eigenen Abschnitt, indem er dessen geistesgeschichtliche Prämissen offenlegt. Diese sieht er zum einen in der für die Geschichtsauffassung des 19. Jahrhunderts zentralen Kategorie der Individualität, zum anderen in einem Negativbild des antiken Judentums, von dem Jesus abgesetzt wurde. Die Zusammenführung beider Differenzen - und damit die Etablierung des doppelten Differenzkriteriums in der Jesusforschung - ist nach DU TOIT wesentlich mit BULTMANN verbunden, der das Individualitätsideal des Historismus mit den Prämissen der Religionsgeschichtlichen Schule verbunden habe und auf diese Weise bis in die gegenwärtige Jesusforschung hineinwirke. D u TOIT stellt dem eine Alternative entgegen, die auf anderen erkenntnistheoretischen Prämissen basiert. Er bestreitet die Angemessenheit der Anwendung eines archäologischen Modells, das in Texten nach ältesten Schichten „gräbt", um auf diese Weise näher an die historische Wirklichkeit zu gelangen. Dieses Modell sei insonderheit darum unangemessen, weil es die Tatsache, daß wir es bei der Jesusüberlieferung mit einem ursprünglich mündlichen Phänomen zu tun haben, zu wenig in Rechnung stellt. Demgegenüber gelte es, mit der Einsicht ernst zu machen, daß Jesus als Person der Vergangenheit nur in seinem historischen Kontext zu erfassen ist; die „Karte, auf der Jesus zu verorten ist", müsse gerade „die spezifischen Kontinuitäten zwischen zeitgenössischem Judentum und frühem Christentum berücksichtig[en]". Der Beitrag von JAMES D . G . DUNN läßt sich als Präzisierung und Weiterführung desjenigen von DU TOIT lesen. Er geht zunächst verschiedenen Wegen der neuen Jesusforschung nach, auf denen der Schlüssel zum historischen Jesus gefunden werden sollte. Ein Weg besteht darin, über die Identifizierung einer frühen weisheitlichen Schicht in Q und deren vermuteter Analogie im Thomasevangelium an die Verkündigung Jesu zu gelangen. Dieses Modell ist in Teilen der

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Jens Schröter und Ralph Brucker

amerikanischen Jesusforschung in der Weise gedeutet worden, daß die vermutete weisheitliche Schicht darauf hinweise, daß Jesus selbst als Weisheitslehrer aufgetreten sei. DUNN macht nun auf zwei grundlegende Probleme dieses, außerhalb der genannten Richtung der amerikanischen Forschung auf wenig Akzeptanz gestoßenen Modells aufmerksam: Zum einen sei es schwierig, innerhalb des Q-Materials zwischen älteren Sammlungen und deren späterer Redaktion zu unterscheiden, zum anderen dürfe eine „Redaktion" nicht gegen die ursprüngliche Komposition eines Dokumentes ausgespielt werden. Der zweite Weg wird von DUNN als "grand narrative" bezeichnet. J O H N D O M I N I C CROSSANS Versuch, Jesus als einen "Mediterranean Jewish Peasant" zu zeichnen, erfasse ihn durch ein sehr grobes Raster, bei dem viele Fragen offen blieben. So sei etwa keineswegs deutlich, inwiefern etliche der von CROSSAN herangezogenen Quellen zur Erhellung des historischen Kontextes Jesu als eines Juden, der in der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts in Galiläa gelebt hat, beitragen sollen. Ahnliche Fragen stellen sich bei dem Entwurf von T O M W R I G H T . Dieser deutet die Verkündigung Jesu von der Gottesherrschaft vor dem Hintergrund der Themen „Exil und Wiederherstellung Israels". Auch diese "grand narrative" ist DUNN zufolge nur ungenügend an der tatsächlich feststellbaren Situation des palästinischen Judentums des 1. Jahrhunderts orientiert, für das sich das bevorstehende Ende des Exils ebensowenig als generelle Matrix einer Zukunftserwartung behaupten ließe wie für Jesus. DUNN macht diesen Wegen gegenüber andere Vorschläge der Annäherung an Jesus. So sei die oft behauptete Diastase zwischen der vorösterlichen Jesusverkündigung und deren nachösterlicher Rezeption häufig auf Kosten der festzustellenden Kontinuitäten übertrieben worden. Ebensowenig sei es plausibel, den „historischen Jesus" in Absetzung vom „synoptischen Jesus" zu suchen. Dieser Weg stehe vielmehr immer noch in der historistischen Tradition, hinter den Quellen nach dem „Eigentlichen" und „Wahren" der Vergangenheit zu suchen, er könne zudem nicht plausibel machen, warum die Wirkung Jesu, wie sie sich in den Evangelien manifestiert, historisch unzuverlässiger sein solle als heutige Konstruktionen seiner Person. Des weiteren sei zu beachten, daß sich die Verkündigung Jesu im mündlichen Medium vollzog und in diesem auch zunächst tradiert wurde. Dies habe sowohl zu verschiedenen Versionen einzelner Uberlieferungen als auch zu unterschiedlichen Sammlungen und Kompositionen geführt. Es sei deshalb fragwürdig, diese Vielfalt als Indiz für konkurrierende Gruppen, die nebeneinander oder gar in Konkurrenz zueinander existiert hätten, zu werten. Stattdessen schlägt DUNN vor, nach charakteristischen Merkmalen der Jesusverkündigung zu suchen. Er nennt die Ansage des zugleich angebrochenen und zugleich zukünftigen Gottesreiches, die Menschensohn-

Einleitung

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Bezeichnung, die Vateranrede Gottes sowie die Exorzismen. Auf der Basis derartiger Charakteristika lasse sich fruchtbarer nach einer plausiblen historischen Konstruktion suchen als auf den genannten, in ihren methodischen Prämissen und historischen Verfahrensweisen oftmals fragwürdigen Wegen. JENS SCHRÖTER setzt diese Richtung fort, indem er nach der Historizität der Evangelien fragt. Er arbeitet zunächst als eines der wesentlichen Charakteristika der neuen Jesusforschung heraus, daß sie sich als historische Disziplin verstehe, wohingegen in früheren Phasen oftmals die theologische Dimension der Jesusfrage im Vordergrund gestanden habe. Sodann führt er aus, daß der historische Wert der Evangelien in der historisch-kritischen Forschung mit zwei Argumenten bestritten wurde: Eine Linie beginnt bei DAVID FRIEDRICH STRAUSS und setzt sich über WREDE und BULTMANN bis in die gegenwärtige Jesusforschung hinein fort. Auf dieser Linie wurde die „mythische" bzw. „kerygmatische" Prägung der Uberlieferung gegen ihren historischen Wert ins Feld geführt mit der Konsequenz, daß sich die Forschung auf die Worte und Gleichnisse Jesu konzentriert, den deutenden „Rahmen" dagegen beiseite geschoben habe. Dieser Weg, der in BULTMANNS Jesusbuch deutlich zum Ausdruck kommt, ist in SCHRÖTERS Augen keineswegs überzeugend: Die Evangelien seien nicht einfach als legendarische, mythische Erzählungen ohne historischen Wert zu betrachten, sondern stellten gerade eine Verbindung von Ereignis und dessen späterer - ζ. T. durchaus auch mythischer - Deutung dar. Zudem sei es eine geschichtsmethodologisch defizitäre Sicht, die Verkündigung Jesu als eine ihres historischen Kontextes, in den sie in den Erzählungen der Evangelien eingebettet sei, entkleidete Botschaft zu deuten und die historischen Erinnerungen der Evangelien als unwesentlichen „zeitgeschichtlichen Rahmen" beiseite zu stellen. Die zweite Linie ist die mit KARL LUDWIG SCHMIDT einsetzende T h e s e

der literarischen Fiktion. Die richtige Beobachtung, daß die Darstellung des Wirkens und Geschicks Jesu in den Evangelien ein Produkt des Verfassers der jeweiligen Schrift ist, hat zu Unrecht dazu geführt, diese Darstellungen als historisch wertlos zu betrachten und sich im Gefolge der Formgeschichte auf die „kleinen Einheiten" zu konzentrieren. SCHRÖTER macht demgegenüber geltend, daß die Beobachtung, es handle sich bei den Evangelien um Erzählungen, die sich auf vergangene Wirklichkeit beziehen, gerade dazu führen müsse, das Verhältnis von Erzählung und Ereignis - hier ist ein Bezug zu dem Beitrag von MOXTER unverkennbar zu erfassen. Diesen Weg beschreitet SCHRÖTER in Anlehnung an RICŒUR, von dem er den Begriff der „Repräsentanz" vergangener Ereignisse bzw. Personen in der historischen Erzählung übernimmt. Er exemplifiziert dies anhand

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des Markus evangeliums in der Weise, daß er nach Facetten fragt, die sich historisch auswerten lassen. Genannt werden deren drei: Johannes der Täufer und dessen Verhältnis zu Jesus, die Konzentration der Wirksamkeit Jesu auf die Dörfer Galiläas, der gegenüber das völlige Fehlen einer Erwähnung von Sepphoris und Tiberias auffällt, sowie schließlich die Schilderung der Reisen Jesu in die an Galiläa angrenzenden Gebiete. Bei alledem geht es dezidiert nicht darum, in historistischer Manier eine Identität von Erzählung und Ereignis zu behaupten. Vielmehr läßt sich gerade auf der Grundlage der methodischen Einsicht, daß es sich hierbei um ein Verhältnis der Analogie handelt, Repräsentanz also Gemeinsamkeit und Differenz gleichermaßen umschließt, der Wert der Evangelien als Erzählungen, die sich auf vergangene Wirklichkeit beziehen, erheben. C H R I S T O P H E R M. T U C K E T T setzt sich in seinem Beitrag mit der Frage auseinander, wie sich die Entwicklungen in der Q - und der Jesusforschung der letzten 20-30 Jahre zueinander in Beziehung setzen lassen. Insbesondere wendet er sich dabei zwei Beiträgen von J O H N S. K L O P P E N BORG ( V E R B I N ) ZU, in denen eben diese beiden Bereiche und ihr Bezug zueinander thematisiert werden. Ubereinstimmend mit K L O P P E N B O R G V E R B I N hält T U C K E T T zunächst fest, daß der in Q repräsentierte Jesus denselben Status habe wie der Jesus des Markusevangeliums, fährt dann jedoch fort, daß auch das Sondergut von Mt und Lk für eine historische Konstruktion heranzuziehen sei, da dieses bezüglich seiner Bezeugung denselben Status besitze wie Q, nämlich bei Mt bzw. Lk zum ersten Mal in Erscheinung zu treten. T U C K E T T macht sodann darauf aufmerksam, daß wir bei „ Q " immer mit einem Dokument arbeiten, bei dem genauer Umfang und Wortlaut kontrovers diskutiert werden. Auch die kürzlich erfolgte Veröffentlichung eines von drei namhaften Forschern verantworteten Q-Textes (die dabei jedoch nicht in allen Fällen übereinstimmen) verändere diese Situation nicht. Ein weiteres Problem stelle die These eines in mehreren literarischen Schichten entstandenen Q-Dokumentes dar. Nicht von K L O P PENBORG V E R B I N selbst, sehr wohl aber von JAMES M. R O B I N S O N und B U R T O N L . M A C K , sei die postulierte erste Schicht eher unreflektiert mit Jesus selbst in Verbindung gebracht worden. Ein vergleichbares Verfahren sei bei C R O S S A N feststellbar, dessen Jesusbild auf einer Priorisierung von Q - besonders dessen weisheitlichen Teilen - und dem Thomasevangelium basiere. T U C K E T T macht gegenüber diesen Versuchen - und auch gegenüber K L O P P E N B O R G VERBINS Stratigraphiemodell - den Vorbehalt geltend, daß es grundsätzlich schwierig sei, innerhalb von Q zwischen verschiedenen Schichten zu unterscheiden, die sich als Tradition und Redaktion voneinander abheben ließen. Plausibler sei es, davon auszugehen,

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Einleitung

daß wir es bei Q mit einem Dokument zu tun haben, das ältere Traditionen aus einer bestimmten Perspektive aufgreift und anordnet. Im zweiten Teil seines Beitrags wendet sich TUCKETT anhand von zwei speziellen Themen dem Beitrag von Q für die Frage nach dem historischen Jesus zu. Das erste betrifft die in den Evangelien beschriebenen Sabbat-Konflikte, die anscheinend in Q nicht vorkamen. TUCKETT wendet sich gegen KLOPPENBORG VERBINS Vorgehen, hieraus vorschnell historische Schlußfolgerungen abzuleiten: Zum einen sei der Befund nicht völlig eindeutig (Lk 14,5/Mt 12,11 könne eine Reminiszenz an eine Q - U b e r lieferung darstellen), zum anderen sei es sehr wohl denkbar, daß Q von Konflikten um den Sabbat wußte, sie aber aufgrund der auch anderweitig erkennbaren positiven Stellung zur Tora überging. Das zweite Thema ist die Gerichts- und Gottesreichsvorstellung in Q und deren Auswertbarkeit im Blick auf den historischen Jesus. Auch hier sei es fragwürdig, die in Q erkennbare Vorstellung eines innerweltlichen Gerichtes und eines unmittelbaren Eingreifens Gottes als Elemente der Q-Redaktion zu erklären und damit von einem Bild Jesu auszuschließen. Dagegen spreche auch die in den synoptischen Evangelien und Q durchgehend anzutreffende Einordnung der Verkündigung Jesu in den Horizont des Auftretens des Täufers. Abschließend warnt TUCKETT prinzipiell davor, polemische Aspekte von Jesus fernzuhalten und späteren Schichten zuzuweisen. Hier bestehe die Gefahr einer unplausiblen Konstruktion, die nicht mehr verständlich machen könne, warum Jesus auf massiven Widerstand gestoßen sei, der schließlich sogar zu seiner Hinrichtung geführt habe. DAVID E. AUNE befaßt sich mit dem historischen Wert der apokryphen Jesusüberlieferung. Zur Auseinandersetzung wählt er die Jesusdarstellungen v o n JOHN

P. MEIER u n d JOHN

DOMINIC

CROSSAN, die auf

sehr

unterschiedliche Weise mit dieser Frage umgehen: Schließt MEIER die außerkanonische Uberlieferung aus seinem Jesusbild praktisch völlig aus, spielt sie bei CROSSAN eine zentrale Rolle. AUNE stellt zunächst die Frage nach der methodischen Grundlage dieser Differenz. MEIER schließt die apokryphe Uberlieferung mit dem theologischen Argument einer einheitlichen Glaubensüberzeugung im Urchristentum aus und unterläuft damit die von ihm selbst programmatisch vertretene Trennung von theologischer und historischer Fragestellung. Auf dieser Linie werde auch das Thomasevangelium, das AUNE in seinem Beitrag besonders interessiert, deshalb aus einer historischen Analyse ausgeschlossen, weil es von MEIER als gnostisch eingestuft wird. AUNE problematisiert nicht nur diese Zuweisung, sondern auch die Logik der Argumentation. Schließlich stellt er auch MEIERS Argumentation über das Verhältnis des Thomasevangeliums zu den synoptischen Evangelien auf den Prüfstand und kommt zu dem Schluß, daß es hier einer differenzierteren Bestimmung bedürfe als

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Jens Schröter und Ralph Brucker

sie in der pauschalen Alternative „abhängig/unabhängig" zum Ausdruck komme. Der prinzipielle Ausschluß der im Thomasevangelium gesammelten Jesusüberlieferung ist daher nach A U N E nicht gerechtfertigt, vor allem deshalb nicht, weil hier z. T. Analogien zu den synoptischen Worten und Gleichnissen vorliegen, die sich als interessante überlieferungsgeschichtliche Varianten, jedoch nicht in jedem Fall als spätere, von den Synoptikern abhängige Traditionen beurteilen ließen. Das genau entgegengesetzte Modell begegnet bei C R O S S A N . A U N E stellt heraus, daß dessen stratigraphisches Modell auf einigen ungeklärten Annahmen basiert. So mute etwa die zeitliche Einteilung der Strata willkürlich an, die angenommene Unabhängigkeit etlicher der angeführten Quellen berücksichtige die komplexen Uberlieferungsverhältnisse zu wenig, und die Zuschreibung von Uberlieferungen an Jesus basiere zu einseitig auf dem Kriterium der Mehrfachbezeugung. A U N E geht auch hier der Einbeziehung des Thomasevangeliums in die Jesusdarstellung näher nach. Er stellt heraus, daß die Gründe für C R O S S A N S Aufteilung dieser Schrift in zwei Strata, die verschiedenen zeitlichen Stufen seines Entwicklungsmodells zugewiesen werden, nicht deutlich würden, ebensowenig wie die Annahme, das erste Stratum habe aus denjenigen Logien bestanden, die Parallelen in synoptischen oder anderen kanonischen Texten besitzen, und gehöre in die früheste Phase der Überlieferung. A U N E schließt seine Betrachtung mit der Überlegung, daß in beiden Fällen eine Voreingenommenheit (spät und abhängig bzw. früh und unabhängig) den Umgang mit der apokryphen Jesusüberlieferung, speziell mit dem Thomasevangelium, präjudiziere. Dagegen sei in einer historischen Untersuchung von derartigen vorgängigen Urteilen abzusehen. Es dürfe nicht a priori ausgeschlossen werden, daß das Thomasevangelium alte Traditionen enthalten kann, die in eine Konstruktion des historischen Jesus einzubeziehen seien, wenngleich dies freilich ebensowenig vorab behauptet werden dürfe. Notwendig sei vielmehr eine differenzierte Beurteilung der einzelnen Überlieferungen. Waren die bisher vorgestellten Aufsätze mehr auf grundsätzliche Fragen der Methodik ausgerichtet, so widmen sich die übrigen Beiträge dieses Bandes einigen Einzelaspekten der Jesusforschung. J Ö R G F R E Y geht in seinem Beitrag der Frage nach, inwiefern die Deutung Jesu als Christus und Gottessohn in den Evangelien eine Kontinuität zum Sendungsanspruch des historischen Jesus aufweist. In einem ausführlichen forschungsgeschichtlichen Rückblick, der zugleich eine Überleitung von den methodischen Grundsatzüberlegungen zu den Einzelfragen der historischen Jesusforschung in diesem Band darstellt, führt er vor, welche hermeneutischen Probleme sich aus der seit LESSING und R E I M A RUS aufgeworfenen Frage nach dem historischen Jesus (im Unterschied

Einleitung

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zum verkündigten Christus) ergeben. Er hält fest, daß es sowohl historisch als auch theologisch unangemessen sei, „den .historischen Jesus' gegen den Christus des Glaubens und der nachösterlichen Verkündigung auszuspielen"; gerade weil sich der christliche Glaube auf eine konkrete geschichtliche Gestalt und auf geschichtliche Ereignisse zurückbeziehe, sei die historische Frage nach Jesus „auch theologisch von Belang". Nach diesen forschungsgeschichtlich-methodischen Vorklärungen widmet sich FREY im zweiten Teil seines Beitrags dem Sendungsanspruch des irdischen Jesus. Dabei wendet er sich gegen die in der Forschung weit verbreitete Auffassung vom .unmessianischen' Jesus, indem er auf die frühe Verwendung der Bezeichnung Χριστός im exklusiven Bezug auf Jesus sowie auf die aus römischer Perspektive formulierte Rede von Jesus als „König der Juden" verweist; von wesentlicher Bedeutung sei hierbei auch, daß man im Unterschied zur älteren Forschung heute (vor allem durch die Qumranfunde) nicht mehr mit einem festgeprägten jüdischen Messiasbegriff rechnen könne, sondern von einer Vielzahl unterschiedlicher messianischer Erwartungen ausgehen müsse. Die messianische Deutung der Person Jesu knüpfe an sein „exorzistisches und heilendes Wirken" in Verbindung mit seiner Rede von der Gottesherrschaft an (vgl. bes. Lk 11,20), in der sich ein „unerhörte [r] Sendungsanspruch" zeige. Nur auf der Basis dieses Sendungsanspruchs könne verstanden werden, wie es nach Ostern zur erstaunlich schnellen Ausbildung der Christologie kommen konnte: FREY zufolge „führt von der Erinnerung an den Irdischen und den hinzukommenden gedeuteten Erfahrungen von Karfreitag und Ostern ein durchaus konsequenter Weg zur Entfaltung der neutestamentlichen Christologie, zur Rede von Jesus als ,Sohn Gottes', wie sie bei Markus den Rahmen bildet, ja letztlich bis zu den christologischen Spitzenaussagen des Johannesevangeliums, demzufolge Jesus in wesenhafter Einheit mit dem Vater (Joh 10,30), d. h. kein anderer als ,Gott' ist (Joh 1,1.18; 20,28)". D e r B e i t r a g v o n H E R M U T L O H R t h e m a t i s i e r t das V e r h ä l t n i s J e s u z u m

Gesetz. Ausgehend von der Beobachtung, daß Jesus in Schriften des 2. Jahrhunderts als „neuer Gesetzgeber" apostrophiert wird, lenkt LOHR den Blick zurück auf die christlichen Quellen des 1. Jahrhunderts und versucht, „die verschiedenen frühchristlichen Jesus-Bilder, welche durch die Beschreibung seines Verhältnisse zur Tora geprägt werden, wahrzunehmen, zu vergleichen und mögliche Entwicklungslinien aufzuzeigen". Dieser rein wirkungsgeschichtliche Ansatz erscheint ihm als notwendiges Korrektiv gegenüber einer Rückfrage nach dem historischen Jesus „hinter" den Quellen, die ohnehin „zum Scheitern verurteilt" sei. Der Durchgang durch die frühchristlichen Schriften (Paulus, Q, Mk, Mt, lk Doppelwerk, Joh) ergibt ein differenzierendes Bild. Ein wichtiges Ergebnis ist dabei, daß dem irdischen Jesus „keine grundsätzliche Ablehnung der

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Tora" zugeschrieben werde. Vor allem die paulinische Spitzenaussage von Christus als dem „Ende des Gesetzes" (Rom 10,4) sei „nicht an der Darstellung einer inhaltlichen Stellungnahme des historischen Jesus zum Gesetz interessiert", sondern von Ostern her unter heilsgeschichtlicher Perspektive formuliert. Die schon früh (wenn auch nicht bei Paulus) überlieferten Aussagen Jesu, die „einzelnen wichtigen Regelungen der Tora sachlich direkt widersprechen", hätten wohl auch Anhalt am historischen Jesus, seien aber frühchristlich „ins Grundsätzliche" übersetzt worden, indem Jesus nun der Tora als ganzer „mit eigener Vollmacht und Souveränität gegenüber [tritt]". MICHAEL WOLTER widmet sich dem Begriffspaar „Gericht" und „Heil", das innerhalb der Jesusforschung „als antithetischer Dualismus verstanden wird". Damit verbunden ist die Frage nach den Gemeinsamkeiten und Differenzen zwischen Jesus von Nazareth und Johannes dem Täufer, deren jeweilige Verkündigung sich den beiden genannten Kategorien nicht sauber zuordnen lasse. WOLTER zeigt auf, daß sich im frühen Judentum zwar verschiedene Gerichtstypen unterscheiden lassen, diesen jedoch gemeinsam sei, „daß Gottes Gerichtshandeln immer als integraler Bestandteil seines Heilshandelns verstanden wird" (nicht als „Kehrseite"): „Den einen wird Heil und Rettung zugewiesen, den anderen [ . . . ] Vernichtung und Unheil." In bezug auf diesen „propositionalen Gehalt" lasse sich in den Gerichtserwartungen von Johannes und Jesus „kein Unterschied ausmachen". WOLTER interessiert nun jedoch mehr noch „die pragmatische Tiefenstruktur der Gerichtsaussagen", also ihre „Adressaten- und Hörerorientierung". So seien die Gerichtsankündigungen in der apokalyptischen Literatur für die intendierten Adressaten (die „Frommen und Gerechten") nichts anderes als Heilsankündigungen. Schwieriger sei die Zuordnung allerdings in der synoptischen Johannes- und Jesusüberlieferung, da die von der Forschung eruierten Einzellogien meist keinen eindeutigen Adressatenbezug erkennen ließen. WOLTER beschreitet daher den Weg einer Typologie von „kommunikativen Konstellationen" und unterscheidet drei idealtypische pragmatische Situationen, denen er die synoptischen Gerichtsaussagen zuordnet: einerseits Reden an die „noch indifferente Öffentlichkeit" (Stichwort „Umkehr"), andererseits Reden an den Jüngerkreis, letztere noch einmal unterteilt in „stabilisierende Heils- und Trostworte" und „postkonversionale Mahnreden". Abschließend nimmt WOLTER die Frage nach dem Unterschied zwischen Johannes und Jesus noch einmal auf und findet diesen darin, „daß Jesus sein eigenes Auftreten als integralen Bestandteil der machtvollen Durchsetzung der Königsherrschaft Gottes auf Erden ansah". PETR POKORNY macht in seinem Beitrag auf einige auffällige lexikalische und rhetorische Eigentümlichkeiten der ältesten Jesusüberlieferung aufmerksam. Zu den lexikalischen Eigentümlichkeiten gehören der

Einleitung

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Begriff „Reich Gottes" und die mit ihm verbundenen Wendungen (die „Nähe" des Reiches, das „Eingehen" in das Reich, aber auch die außerkanonisch bezeugte Wendung „das Geschlecht ohne König") sowie die Betonung des „Glaubens", von dessen Wortstamm wohl Jesus selbst den Ausdruck „Kleingläubigkeit" neu geprägt habe. Zahlreicher sind die rhetorischen Eigentümlichkeiten, von denen POKORNY „nur einen Ausschnitt" vorstellt: Verstehe man den Begriff „Reich Gottes" als „Grundmetapher" (nach RICOEUR und JÜNGEL), etwas, das sprachlich nicht anders ausgedrückt werden könne, so sei auch deren weitere Deutung nur durch metaphorische Sprache möglich; genannt werden hier die Gleichnisse vom Reich, die Zusage des Reiches an „unerwartete Adressaten" sowie als Sonderfall die „amoralischen Gleichnisse". Auch rhetorische „Intensivierungen" seien für die älteste Jesustradition bezeichnend; hierzu nennt POKORNY die Anrede in der 2. Person bei den Seligpreisungen, die Abba-Anrede Gottes sowie Hyperbeln und „sokratische Gegenfragen". Schließlich falle auf, daß die rhetorisch durchaus übliche Verwendung von Sprichwörtern und sprichwörtlichen Wendungen in der Jesustradition einen deutlichen Hang zur Rätselhaftigkeit bzw. Neuinterpretation aufweise. Insgesamt werde aus den angeführten Beobachtungen die innovative, vorgegebene Traditionen relativierende Sprachkraft der Verkündigung Jesu deutlich. Die von U L R I C H L U Z gestellte Frage „Warum zog Jesus nach Jerusalem?" wird, nach dem Siegeszug der Formgeschichte, in den Jesusbüchern des 20. Jahrhunderts eher vage beantwortet. Luz möchte, in Anknüpfung an ALBERT SCHWEITZER, diese „Frage des 19. Jahrhunderts wiederaufnehmen". Dazu rekurriert er zunächst auf die zeitgenössischen Quellen, v. a. Josephus, nach denen Jerusalem im 1. Jahrhundert „ein für einen Propheten gefährlicher Ort" war. Dies müsse Jesus klar gewesen sein, er müsse also die Lebensgefahr „bewußt in Kauf genommen haben", zumal seine Wirksamkeit schon in Galiläa auf Widerstand gestoßen sei. Luz verfolgt sodann Jesu Verhalten in Jerusalem - seinen Einzug in die Stadt, die Tempelreinigung und die Ankündigung der Zerstörung des Tempels und kommt auch hier zu dem Schluß, daß Jesus „seinen möglichen Tod bewußt in Kauf genommen oder ihn sogar gewollt" habe. Für die Frage, welchen Sinn Jesus selber mit seinem Tod verbunden haben könnte, stützt sich Luz auf das Logion Lk 12,49f und die Einsetzungsworte zum Abendmahl Mk 14,22-25 und kommt zu der vorsichtigen Antwort, es sei „denkbar, aber wirklich höchstens denkbar, daß Jesus seinen Tod in den Zusammenhang der endzeitlichen Drangsale gestellt hat [ . . . ] , daß er durch ihn das Kommen des Gottesreichs beschleunigen oder gar herbeiführen wollte" und daß er vielleicht sogar „durch seinen eigenen Tod stellvertretend seinen Jüngern das Erleiden der endzeitlichen Drangsale ersparen wollte".

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Der den Band abschließende Beitrag von ANDREAS LINDEMANN fragt nach dem Verhältnis der neutestamentlichen Bekenntnisaussagen über den auferweckten Jesus zum „historischen Jesus". Die von ihm vorangestellte „Skizze zu Jesu Leben und Verkündigung" endet mit der Feststellung, daß „das Geschehen nach Jesu Tod, also das .Osterereignis'," kein „mit den Mitteln historischer Forschung zu erfassendes Faktum" sei, sondern „ein vom Glauben ausgesprochenes Bekenntnis zum Handeln Gottes an dem Gekreuzigten". Die mit diesem Bekenntnis verbundene Problematik wird von LINDEMANN an zwei neutestamentlichen Texten näher ausgeführt: Rom 10,9 (soteriologisch orientierte Aufnahme zweier urchristlicher Bekenntnisformeln) und Apg 2,14-36 (die Pfingstpredigt des Petrus). Bei aller Unterschiedlichkeit sei beiden Texten gemeinsam, daß sie keinerlei Versuch unternehmen, einen „objektiven" Beweis für das Auferstehungszeugnis zu liefern; „für beide gehört die Auferweckung Jesu nicht auf die Ebene einer Faktenwirklichkeit, von der auch ohne den Glauben an Gottes Handeln hätte gesprochen werden können". Dieser Befund führt LINDEMANN zu grundsätzlicheren Erwägungen: Ein historischer „Realgrund" für das christologische Bekenntnis lasse sich nicht erweisen - sei es ein wie auch immer geartetes „messianisches Selbstbewußtsein" Jesu (auf das sich das urchristliche Bekenntnis dann seltsamerweise nicht berufen hätte), sei es ein „authentisches Selbstzeugnis" eines Auferstehungszeugen (das ohnehin nur subjektiven Wahrheitsanspruch anmelden könnte). Die Auferweckung Jesu sei „ein dem Bekenntnis vorausliegendes, also unverfügbar bleibendes Geschehen". Der sachliche Inhalt des Bekenntnisses, „daß der von Gott auferweckte Gekreuzigte der κύριος ist", sei einerseits „die Relativierung jeglicher Herrschaftsansprüche menschlicher oder dämonischer Mächte gleich welcher Art", andererseits die Gewißheit, „daß Gott sich dem Menschen in seiner Schwäche zuwendet, daß Gott sich offenbart im sichtbaren Scheitern eines Lebens". Die in diesem Buch versammelten Beiträge repräsentieren, wie der Untertitel sagt, „Tendenzen und Perspektiven der gegenwärtigen Forschung" zum historischen Jesus. Sie weisen eine Reihe von Berührungen auf (so besonders die Beiträge des ersten Teils), laden aber auch zum kritischen Vergleich ein (so etwa die den zweiten Teil .rahmenden' Beiträge von FREY und LINDEMANN). Die Herausgeber sind davon überzeugt, daß der Band wertvolle Anregungen enthält, die die historische Jesusforschung - vor allem in bezug auf die Frage nach den erkenntnistheoretischen und methodischen Voraussetzungen einer Konstruktion des historischen Jesus sowie nach dem Verhältnis von Wirken Jesu und Entstehung der Christologie - voranbringen werden.

Der historische Jesus Bedenken zur gegenwärtigen Diskussion aus der Perspektive mittelalterlicher, moderner und postmoderner Hermeneutik 1 WERNER H . KELBER

But as the dialectic of the Enlightenment unfolded, it became trapped in ever narrower models of what could count as truth. DAVID TRACY

The force of fact as modernity has constructed it has not gone uncontested. EDITH WYSCHOGROD

The best ethical criticism, ancient and modern, has insisted on the complexity and variety revealed to us in literature, appealing to that complexity to cast doubt on reductive theories. M A R T H A NUSSBAUM

By locating the world in relation to its creative origin we override the plurality and opacity of the world as phenomenologically accessible. JOSEPH STEPHEN O ' L E A R Y

I have suggested that the non-scientific or protoscientific nature of historiographical studies is signaled in the inability of historians to agree - as the natural scientists of the seventeenth century were able to agree - on a specific mode of discourse. HAYDEN W H I T E

The Early Church remains a period still charged with more than academic interest for many readers. Stereotypes, alternately placid and histrionic, gravitate around with remarkable ease. PETER BROWN

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Dieser Artikel erschien ursprünglich unter dem Titel "The Quest for the Historical Jesus: From the Perspectives of Medieval, Modern, and Post-Enlightenment Readings, and in View of Ancient, Oral Aesthetics" in The Jesus Controversy: Perspectives in Conflict, Trinity Press, Pa, 1999. Ich bedanke mich bei Henry L. Carrigan, Jr, Editorial Director, Trinity Press International, für die Erteilung der Erlaubnis zur Publikation dieser überarbeiteten Fassung in deutscher Sprache.

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Werner H. Kelber Einen durch historische Forschung gesicherten Jesus wird es nicht geben, sondern nur vorläufige, der Veränderung unterworfene Rekonstruktionen. JENS SCHRÖTER

In den folgenden Betrachtungen wird der Versuch unternommen, die Frage nach dem historischen Jesus in einem weitgespannten Rahmen mittelalterlicher, moderner und postmoderner Exegese neu zu überdenken. Ziel dieser Überlegungen ist es, der seit mehr als zweihundert Jahren andauernden Diskussion neue Aspekte abzugewinnen und einige richtungsweisende Akzente zu setzen.

Das Trauma der Geschichte und der Kanon der Tradition Unsere anfänglichen Betrachtungen gehen von dem exegetischen Modell des vielfachen Schriftsinnes aus, welches Verstehensbedingungen von Sprache und Sinngebung unterliegt, die tief in der hermeneutischen Tradition des mittelalterlichen Christentums verwurzelt waren. Die Uberzeugung, daß die Heilige Schrift von einem pluralistischen Sinnpotential geprägt war, bestimmte nahezu die gesamte mittelalterliche biblische Exegese. Sie war ein Gemeinplatz mittelalterlicher Schriftauslegung und wurde nicht oder selten als Risiko betrachtet, in schrankenlose Willkür auszuarten. Wenn immer der vielfache Schriftsinn praktizierte wurde, so geschah das meist im Rahmen sorgsam ausgewogener hermeneutischer Reflexionen. Dabei ließ man sich von der Grundüberzeugung leiten, daß die unermeßlichen Schätze biblischer Weisheit nicht im Kerker des einfachen Schriftsinnes verkümmern dürften. Im Gegenteil, man hielt es für eine der Intention der Bibel durchaus angemessene Vorstellung, im biblischen Text verborgenen und über den vorliegenden Text hinausgehenden Sinngehalten nachzuspüren, um Leser und Hörer mit der Fülle von Interpretationsmöglichkeiten vertraut zu machen. Im Zuge mittelalterlicher Exegese bediente man sich Metaphern wie Körper und Seele, Buchstabe und Geist, um die Differenzierung verschiedener Interpretationsstufen zum Ausdruck zu bringen und in Praxis umzusetzen. In den meisten Fällen postulierte man einen wörtlichen und einen geistigen Schriftsinn, die beide in einem hierarchischen, wenngleich keineswegs oppositionellen Verhältnis zueinander standen. Es war zudem üblich, den wörtlichen Schriftsinn als eine Art Brücke zum eigentlichen Ziel biblischer Hermeneutik, nämlich den geistigen Sinn oder die Schau Gottes, anzusehen. Die vorherrschende Praxis mittelalterlicher Bibelexegese war von der Theorie des vierfachen Schriftsinnes geprägt. Diese in vorbildlicher Weise

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von HENRI DE LUBAC vorgelegte These 2 postulierte, daß jeder Text einen vierfachen Textsinn beinhaltete, beziehungsweise einem solchen zugänglich war: der wörtliche Schriftsinn, der grammatikalischen und philologischen Details auf die Spur ging; der allegorische Schriftsinn, der nach höheren und tieferen Bedeutungen Ausschau hielt; der ethische Schriftsinn, der moralischen Sensibilitäten Rechnung trug; und der geistige Sinn, der zu himmlischen Wahrheiten aufstrebte. Ob man nun die vierfache Potenz völlig ausschöpfte oder nur einen zweifachen oder dreifachen Schriftsinn berücksichtigte, dem geistigen Sinn wurde in jedem Fall der Primat zuerkannt. Die mittelalterliche Exegese mag den modernen Interpreten verblüffen, wie sie imstande war, diversen und heterogenen Lesarten in einem einheitlichen Interpretationsmodell Raum zu schaffen. Man hielt es in vielen Fällen für durchaus angemessen, der wörtlichen, grammatologischen Eigenständigkeit biblischer Texte nachzugehen, den mehr oder weniger weiten Spielraum allegorischer Nuancen und Bedeutungsumformungen zu ermessen und ethische Implikationen in Erwägung zu ziehen und all diese exegetischen Möglichkeiten in einem hermeneutischen Modell zu integrieren, das unter der Voraussetzung Gültigkeit besaß, daß der geistige Sinn als letzte Instanz ewiger Wahrheiten anerkannt wurde. Was der Vielfalt ein integrierendes Einheitsmoment verlieh, war die Prämisse, daß die Bibel als Wort Gottes verstanden wurde. Das bedeutete unter anderem, daß die Gesamtheit biblischer Texte als ein einheitliches, von einer einzigen Intention getragenes Kommunikationsmodell gedacht war. In Predigten und erbaulichen Auslegungen konnten mittelalterliche Theologen den gesamten Textraum der Heiligen Schrift durchmessen, wobei sie Paulus und die Psalmen, Genesis und die Johannesapokalypse ohne Rücksicht auf jeweilige textspezifische Situationen zitieren konnten, da sie von der Uberzeugung getragen waren, daß es sich bei der Bibel zwar um eine Sammlung unterschiedlicher Texte, im Grunde aber um eine einheitliche Botschaft handele.3 Wenn man sich näher mit dem theologisch-exegetischen Denken des hohen und späten Mittelalters befaßt, so läßt sich eine in gewissen Kreisen gepflegte Tendenz beobachten, der Erfassung des wörtlichen Sinnes größere Aufmerksamkeit zuzuwenden. So legten beispielsweise im 12. Jahrhundert Hugo und Andreas vom Stift St. Viktor in Paris den Schwer2 3

DE LUBAC, Exégèse Médiévale. In bezug auf Augustin sei auf PETER BROWN, Augustine of Hippo, 254, verwiesen: "His memory, trained on classical texts, was phenomenally active. In one sermon, he could move through the whole Bible, from Paul to Genesis and back again, via the Psalms, piling half-verse on half-verse."

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punkt ihrer Exegese auf den wörtlichen, vom Autor intendierten Textsinn. Hugo machte sich über Exegeten lustig, die über den wörtlichen Sinn hinweghuschten, um so rasch wie möglich ins heilige Mysterium des geistigen Sinnes vorzudringen. In bezug auf Andreas bemerkte BERYL SMALLEY: " N O western [Christian] commentator before him had set out to give a purely literal interpretation of the Old Testament." Und sie fuhr fort, man traue seinen Augen kaum ("One sometimes rubs one's eyes"), wenn man einen christlichen Theologen des 12. Jahrhunderts beobachtet, wie er das Alte Testament in völlig unchristologischer Weise lesen kann, ohne dabei in offensichtliche Schwierigkeiten zu geraten.4 Bemerkenswerterweise haben weder Hugo noch Andreas den geistigen Sinn in Frage gestellt. Vielmehr rechtfertigten sie ihre Neigung zum wörtlichen Sinne damit, daß sie die Grundlage für den geistigen Sinn zu befestigen beabsichtigten. Im 14. und 15. Jahrhundert präzisierte die philosophische Richtung des Nominalismus erkenntnistheoretische Prinzipien bezüglich Sprache, Sinngebung und Wirklichkeit und leitete damit eine Geistesströmung ein, welche richtungsweisend für die via moderna sein sollte. Es war insbesondere der Franziskaner William von Ockham (ca. 1285-1349)5, gebürtiger Engländer, verurteilt in Avignon und gestorben im Münchner Exil, der die herkömmliche Vorstellung, daß Sprache, einschließlich biblischer Texte, auf geistige Realitäten, gewissermaßen auf transzendentale Signifikate außerhalb des menschlichen Erkenntnisvermögens hinwiesen, problematisierte. Auf Grund seiner Skepsis in bezug auf geistige Universalien rückte er die Realität der Einzelphänomene und einer an ihnen geschulten Erfahrungsweise in den Mittelpunkt seines philosophischen Denkens. Was die Bibel und biblische Exegese anbelangte, so konzentrierte sich Ockhams Nominalismus insbesondere auf den singulären Status individueller Texte. Die Heilige Schrift, in der Tat alle Texte, waren nach Ansicht Ockhams als eigengesetzliche, linguistische Systeme verständlich, und menschliches Denkvermögen, und zwar das eines jeden Menschen, war derart, daß es die individuellen Texte erfassen konnte. Infolge dieser vom Nominalismus geförderten intellektuellen Entwicklung wurde der wörtliche Textsinn auf subtile, doch unübersehbare Weise privilegiert. Als Luther im 16. Jahrhundert dem wörtlichen Schriftsinn den Primat zuerkannte, bewegte er sich anfänglich noch im Rahmen der viktorinischen Tradition und Ockhams Nominalismus. Aber als er es unternahm, den vierfachen Textsinn zu verwerfen, um einzig den wörtlichen Schrift* SMALLEY, The Study of the Bible, 83-195. 5

KLEIN, O c k h a m , 1556-1562.

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sinn zu legitimieren, und als er mit zunehmender Leidenschaft gegen die allegorische Exegese Einspruch erhob, setzte er sich in Widerspruch zu einer eineinhalbjahrtausendalten christlichen Tradition biblischer Exegese. Die Bibel, behauptete er, war ein in sich selbst verständliches, autosemantisches Buch. Sie legte sich selbst aus oder, wie er zu sagen pflegte, sie war sui ipsius interpres. Der sensus literalis spreche sich klar und unzweideutig aus. Verständlich in ihrem einfachen Wortsinn und ungehindert von anderen Sinnesdeutungen war die Bibel daher jedermann zugänglich. Damit war sie auch des Geheimnisschleiers beraubt, mit dem sie von theologischen Experten umwoben worden war. Stattdessen wurde sie zu einem offenen Text, der allen verständlich sein sollte, die hören und lesen konnten.6 In der praktischen Ausübung der Exegese stellte sich allerdings heraus, daß die Bibel alles andere als ein sich selbst regulierender, hermeneutischer Organismus war. Luther selbst unternahm gewaltige Anstrengungen, um dem von ihm bevorzugten Schriftsinn mittels eigener Ubersetzungen, interlinearer und marginaler Glossen, Einleitungen, Illustrationen und theologisch motivierter Formatierung des Textes eindeutig Ausdruck zu verleihen.7 Für Protestanten bedeutete Luthers hermeneutische Revolution das Ende mittelalterlicher Mystifikation und eine von vielen Kreisen herbeigesehnte Demokratisierung der Bibel und biblischer Lektüre. Katholiken erschien der revolutionäre Ansatz der neuen biblischen Hermeneutik allerdings in einem anderen Licht. Tief verwurzelt in der Tradition mittelalterlicher Exegese sahen sie in der via moderna eine rationalistische Degradierung des unermeßlichen Mysteriums der Bibel und den Aufstieg der Tyrannei des einen, wörtlichen Schriftsinnes. D A V I D O L S O N resümiert: "at the beginning [of the Middle Ages], texts were seen as boundless resource from which one could take an inexhaustible supply of meanings; at the end of the period, the meaning of the text is austerely anchored in the

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Luthers Distanzierung von der mittelalterlichen, biblischen Exegese war das Ergebnis eines längeren Prozesses. Vgl. hierzu die Ausführungen von WILHELM PAUCK, Luther, und darin vor allem seine "General Introduction," xvii-lxvi. Luthers Vorlesungen über den Römerbrief (begonnen zu Ostern 1515 und beendet im September 1516) waren in vieler Hinsicht noch der mittelalterlichen Bibelexegese verpflichtet. Der spätere Luther war zunehmend von dem Franziskaner Nikolaus von Lyra beeinflußt, ein zum christlichen Glauben übergetretener Jude, dessen Kenntnis des Hebräischen und der Kommentare zur Hebräischen Bibel ihn u. a. dazu veranlaßten, die allegorische Exegese einzuschränken und letztlich zu verwerfen.

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EDWARDS, Printing,Propaganda, and Martin Luther, 109-130.

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textual evidence." 8 Und es war diese strenge Eindeutigkeit biblischer Exegese, die zum Vorbild für die moderne, historische Interpretation wurde. Im Laufe des 17., 18. und 19. Jahrhunderts wurde der einfache Wortsinn auf wissenschaftlichen, künstlerischen und humanistischen Gebieten immer mehr im faktisch-repräsentativen Sinne verstanden. So wurde es immer mehr als ein erstrebenswertes Ziel angesehen, das komplexe Gewebe von Geschichte und Natur auf möglichst realistische Weise wiederzugeben. Unter den vielen Faktoren, welche zur Apotheose des repräsentativen Sinnes beitrugen, war eine auf die Natur gerichtete wissenschaftliche Neugierde, die davon ausging, daß die Natur lesbar und dem analytischen Erkenntnisdrang zugänglich war. Es gab eine Art, das Buch der Natur zu lesen, und eine Sprache, die den jeweiligen Daten gerecht werden konnte. So zeigte die holländische Malerei des 17. Jahrhunderts ein besonderes Interesse an realistischer, lebensnaher Repräsentation. 9 Malern wie Jan Vermeer, Jacob van Ruisdael, Willem Kalf und Jan van Goyen ging es nicht in erster Linie um thematische Erinnerung, rhetorische Überredung, religiöse Erbauung oder um erzählerische Darstellung, sondern vielmehr darum, die sichtbar-konkrete Welt in minutiöser Wirklichkeitsnähe wiederzugeben. Sie waren von dem Ehrgeiz besessen, Interpretation durch Repräsentation zu ersetzen. Das 19. Jahrhundert gilt weithin als das goldene Zeitalter des Romans. Es war eine Zeit, in der diese Erzählgattung ihren Höhepunkt in den realistischen Werken meisterhafter Schriftsteller wie Honoré de Balzac, Thomas Hardy, Anthony Trollop, Charlotte und Emily Brontë, Fjodor Dostojewski, Leo Tolstoi, Gustave Flaubert und anderer erreichte. Es entsprach der Idealvorstellung des Romans, eine der menschlichen Lebenserfahrung genauestens entgegenkommende Darstellung zu liefern, soziale, kulturelle und politische Gegebenheiten mit äußerstem Realismus und Hingabe zum Detail nachzuvollziehen und die menschliche Psyche mit analytischer Schärfe darstellerisch zu erschließen. Das 19. Jahrhundert war überdies von einem nahezu beispiellosen Aufblühen der Geschichtsschreibung als einer wissenschaftlichen Disziplin gekennzeichnet. Theodor Mommsen, Johann Gustav Droysen, Alexis de Tocqueville, Jakob Burckhardt und andere entwickelten präzise Forschungsmethoden, die uns die Grundprinzipien historischer Quellenforschung lehrten. Getragen von der Uberzeugung, daß es sowohl möglich wie auch erstrebenswert sei, die Vergangenheit so zu repräsentieren, wie sie sich eigentlich zuge-

8

OLSON, The World on Paper, 143-144. ' ALPERS, The Art of Describing.

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tragen hatte, schufen sie Werke über europäische und nordamerikanische Geschichte, die heute noch als Klassiker westlicher Geschichtsschreibung gelten. In diesen und vielen anderen wissenschaftlichen, künstlerischen und schriftstellerischen Strömungen des 17., 18. und 19. Jahrhunderts wird deutlich, wie der einfache Wortsinn und sein repräsentativer Inhalt imstande waren, sich mit beispielloser Wirkungskraft durchzusetzen. In diesem geschichtlichen Kontext konnte sich der biblische Text dem forschenden Willen zur repräsentativen Darstellung nicht entziehen. Wir sahen bereits, wie Luther selbst zusammen mit anderen Reformatoren den Anstoß zur via moderna des einfachen Wortsinnes gab. Um aber die Herausforderung, welche die historische Forschung für die biblische Exegese darstellte, recht zu verstehen, muß man bedenken, daß für Luther und weithin auch für die protestantische Orthodoxie der sensus literalis noch einen größeren Bedeutungsumfang besaß als für die moderne Geschichtsschreibung. Was beispielsweise die Evangelien betraf, so verstand Luther diese als von Evangelisten niedergeschriebene Erzählungen, welche zugleich die geschichtliche Faktizität des Erzählten repräsentierten. Man nahm also noch eine volle Ubereinstimmung von erzählter Darstellung und deren geschichtlicher Realität an. Mit anderen Worten, der Erzählablauf und dessen vermeintliche Geschichtlichkeit waren noch im wörtlichen Sinne vereinigt, der für die Gläubigen das Wort Gottes war.10 Erst unter dem Einfluß modernen, repräsentativen Denkens begann der reformatorische einfache Wortsinn einerseits in eine narratologische, theologische oder kerygmatische Lesart und andererseits in eine wörtlichfaktische, historische Lesart getrennt zu werden. Luthers sensus literalis, bereits das Ergebnis einer außerordentlichen Reduktion mittelalterlicher Hermeneutik, wurde nun noch weiter auf den rein faktisch-historischen Sinn reduziert. Wenn als Folge dieser Spaltung der narratologisch gestaltete, kerygmatische Jesus nicht mehr mit seinem historischen Urbild identifiziert werden konnte, dann mußte letzterer, der sogenannte historische Jesus, nun zum Hauptgegenstand der neuzeitlichen Suche nach dem einfachen, repräsentativen Sinn werden. Dies war, in groben Umrissen, die hermeneutische Entwicklung und das intellektuelle Klima, in welchem die Suche nach dem historischen Jesus zu einer unabdingbaren Notwendigkeit werden sollte. Die moderne Entschlossenheit, wissen zu wollen, was sich eigentlich zugetragen hat, bedeutete "a revolution in the morality of knowledge"11, welche das christliche Verhältnis zur Bibel bis heute traumatisiert hat. So10

11

FREI, T h e Eclipse, 1 8 - 4 1 .

HARVEY, The Historian and the Believer, 103.

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bald einmal die Heilige Schrift konsequent und rückhaltlos aus der Perspektive eines historisch verstandenen Literalsinnes untersucht wurde, war eine Entsakralisierung des Wortes Gottes unvermeidlich. Vielleicht darf man sagen, daß die sich nun anbahnende historischkritische Forschung auf kaum einem anderen Wissensgebiet derart weitreichende Folgen nach sich zog wie auf dem der Evangelienforschung, wie umgekehrt die historisch-kritische Analyse der Evangelien einen bedeutsamen Beitrag zur modernen europäischen Kultur- und Geistesgeschichte darstellte. Als man beispielsweise die Frage nach der historischen Entstehung der Evangelien konsequent verfolgte, war es nur folgerichtig, wenn man einer von menschlichem Traditions- und Gestaltungswillen getragenen Uberlieferungsgeschichte auf die Spur kam. Die Entdeckung literarischer Quellen und mündlicher Uberlieferungsprozesse, formgeschichtliche Einblicke in die Geschichte des Rezipierens, Tradierens und Revidierens von Einzelmaterialien, die Konzeption einer rational erfaßbaren Uberlieferungsgeschichte, die gewissermaßen eine genetische Vorgeschichte darstellte, welche vom redaktionellen Imprimatur des endgültigen Evangelientextes gekrönt wurde - all dies ließ wenig Raum mehr übrig für die Vorstellung der vom Heiligen Geist inspirierten Evangelisten. Was den Inhalt der Evangelien betraf, so darf es nicht verwundern, daß der neue Wissensdrang insbesondere die Wunder, die Verklärung und die Auferstehung einer kritischen Betrachtung unterzog - Geschichten also, welche mit dem Kanon rationaler, historischer Denkweise unvereinbar waren. Abgesehen von der Reflexion über diese sogenannten supranaturalistischen Geschichten richtete sich das kritische Augenmerk aber auf den gesamten Erzählablauf und problematisierte dessen Korrespondenz mit der biographisch-historischen Wirklichkeit des Lebens Jesu. So konnten sich die Evangelien nicht mehr gegenüber der entschlossenen Ernsthaftigkeit behaupten, mit der man dem einfachen, repräsentativen Schriftsinn nachspürte in der Hoffnung, das definitive Leben Jesu im Gegensatz zu den interpretierenden und mythisierenden Evangelienerzählungen rekonstruieren zu können. Wie auch immer man die Evangelien las und untersuchte - als theologische, mythologische, kerygmatische oder literarische Erzählungen - : der Zeitpunkt war gekommen, an dem man sie nicht mehr als Geschichten verstehen konnte, die den einer fernen Vergangenheit angehörenden historischen Jesus unmittelbar repräsentierten. Angesichts des Aufstieges des einfachen, repräsentativen Schriftsinnes und des Niederganges der historischen Glaubwürdigkeit der Evangelien erwies sich die Suche nach dem historischen Jesus darum als ein durchaus plausibles Unternehmen. Wenn die Evangelien einige Zeit nach den eigentlichen Ereignissen, als Folge eines Traditionsprozesses und nicht in

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voller Übereinstimmung mit der Faktizität der Erzählungen verfaßt waren, wie sahen dann die historischen Tatsachen aus? Und wenn die Evangelien nicht, oder nicht im vollen Sinne, mit der historischen Person Jesu in Deckung gebracht werden konnten, gab es eine Möglichkeit, sich hinter die Texte zurückzutasten, um den „echten" Jesus ausfindig zu machen? Gab es angesichts der vier kanonischen Evangelienfassungen eine Möglichkeit, eine sichere Methode zu konzipieren, welche Zugang zum eindeutigen, historischen Ursprung zu ermittelte? Es waren Fragen und Interessen dieser Art, die den unmittelbaren Anstoß zur Suche nach dem historischen Jesus gaben. Als die Arbeit an der historischen Rekonstruktion des Lebens Jesu einmal im späten 17. Jahrhundert begonnen hatte, wurde sie ohne sichtliche Unterbrechung, über eine Zeitspanne von etwa drei Jahrhunderten hinweg, bis in unsere Tage fortgesetzt. Ein schier nicht enden wollender Strom von Leben-Jesu-Büchern, von Juden und Christen, Akademikern und Schriftstellern, Gläubigen und Ungläubigen geschrieben, bezeugt die bewußte Abkehr von einer Hermeneutik des vielfachen Schriftsinnes und die leidenschaftliche Hinwendung zur einfachen, und zwar historisch verstandenen Wahrheit des Christentums. Diese Suche ist nicht ohne Ironie verlaufen, hat sie doch trotz ihrer unendlichen Sehnsucht nach dem eindeutigen historischen Ursprung eine Vielzahl von Leben-Jesu-Rekonstruktionen hervorgebracht, die nicht selten voneinander abwichen: Jesus wurde als Utopist beschrieben, der höchste geistige und ethische Ideale mit dem festen Glauben an eine Erneuerung der Welt vereinte; oder als apokalyptischer Menschensohn, der in dem Versuch, eine revolutionäre Umkehrung aller Werte herbeizuführen, vom Rad der Geschichte überrannt und zermalmt wurde; oder als Verkünder einer verinnerlichten Gottesherrschaft, die allen apokalyptischen Phantasien abgeschworen hatte; oder als politischer Revolutionär, dessen Tätigkeit darauf abzielte, Israel vom Joch römischer Unterdrükkung zu befreien; oder als jüdischer Reformer, der die im Gesetz und in den Propheten verankerten Prinzipien wieder ins kollektive Bewußtsein zurückrief. Diese Unfähigkeit, ein eindeutiges, konsensfähiges Leben Jesu zu schaffen, beschränkt sich keineswegs nur auf die in der Vergangenheit zurückliegende Forschung, der es, wie man vielleicht annehmen könnte, an Quellenbasis wie an Methodik gemangelt hätte. Auch die gegenwärtige Leben-Jesu-Forschung zeichnet sich bei aller eingehenden methodischen und sachlichen Beschäftigung mit den Quellen durch einen unverkennbaren Pluralismus aus.

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Für MORTON SMITH12 stellte Jesus religionssoziologisch gesehen den Typ des Magiers dar, der auf Grund seiner Wunder den Anspruch erhob, der Sohn Gottes zu sein, und vorwiegend durch Krafttaten und Exorzismen Menschen in seine Nachfolge rief. Nach EDWARD SCHILLEBEECKX13 verkündete und realisierte Jesus die Erlösung ausnahmslos für ganz Israel, wobei er das unkonventionelle Gebet zu Gott als abba in den Mittelpunkt seiner religiösen Erfahrung stellte. Für E. P. SANDERS14 war Jesus ein jüdischer Prophet, der sich als eschatologischer Abgesandter berufen fühlte, das Reich Gottes im Zusammenhang mit der Zerstörung und dem Wiederaufbau des Tempels herbeizuführen. Nach MARCUS BORG15 stand Jesus im Mittelpunkt einer charismatischen, jüdischen Tradition, welche eine intensive Erfahrung des Geistes und eine geheiligte Lebensführung praktizierte. N a c h ELISABETH SCHÜSSLER FIORENZA16 betrachtete sich J e -

sus als Kind der Frau Weisheit, welches die Präsenz des Gottesreiches in Form egalitärer Gemeinschaften mit Frauen in führenden Positionen realisierte. Für BURTON MACK17 stammte Jesus aus dem überwiegend hellenistischen Galiläa, praktizierte den Lebensstil eines Wanderpredigers und übte scharfe soziale Kritik aus, die sich nicht auf speziell jüdische Interessen einließ, sondern mehr auf der Linie der hellenistischen Popularphilosophie der Kyniker lag. Man wird nicht umhin können, mit LUKE T. JOHNSON festzustellen: Die in jüngster Zeit - meist in nordamerikanischen Veröffentlichungen - entworfenen "images of Jesus" sind "remarkably diverse if not mutually incompatible." JOHN O . CROSSAN pflichtet diesem Urteil bei: "it seems we can have as many pictures as there are exegetes", und diese repräsentieren insgesamt "a stunning diversity [that] is an academic embarrassment." 18 Wie lassen sich die Vielfalt und Widersprüchlichkeiten innerhalb der Leben-Jesu-Forschung in Vergangenheit und Gegenwart erklären? Zum Teil liegt es an den Daten, die der jeweilige Autor ins Zentrum der Untersuchungen gerückt hat. Es kann nicht ohne Folge bleiben, ob man das Gewicht auf Jesu Wirken oder Worte, auf seine Wunder oder die sogenannte Tempelreinigung, auf weisheitliche oder apokalyptische Logien legt. Weiterhin spielt die selektive Heranziehung der Quellen eine Rolle. Manche Autoren favorisieren ein oder zwei Evangelien, andere harmoniSMITH, Jesus the Magician. SCHILLEBEECKX, Jesus: An Experiment in Christology. 14 SANDERS, Jesus and Judaism. 15 BORG, Jesus, A New Vision. 12 1J

16

SCHÜSSLER FIORENZA, I n M e m o r y o f H e r .

MACK, A Myth of Innocence. 18 JOHNSON, The Real Jesus, 85; CROSSAN, The Historical Jesus, xxviii. 17

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sieren alle vier, während wieder andere allen Evangelien historische Glaubwürdigkeit absprechen und Jesus im Kontext griechisch-römischer und jüdischer Geschichte eruieren. In jüngster Zeit sind besonders in Nordamerika die Redequelle Q und das außerkanonische Thomasevangelium zu bevorzugten Kandidaten auf der Suche nach der authentischen Botschaft Jesu geworden. Je nachdem, ob man sich auf ein oder mehrere Evangelien oder auf das Thomasevangelium oder auf Q und eine oder mehrere literarische Schichten innerhalb dieser Quelle konzentriert, wird das Endergebnis zwangsläufig jeweils anders aussehen. So kann die selektive Datenverarbeitung bis zu einem gewissen Grade die Vielfalt der Leben-Jesu-Darstellungen erklären. Aber Selektion wirft ihrerseits neue Fragen hinsichtlich der dem Auswahlverfahren zugrundeliegenden bzw. vorangehenden Prämissen auf. W e n n m a n b e o b a c h t e t , w i e A L B E R T SCHWEITZER" e i n

apokalyptisches

Modell entwarf, wie ERNEST RENAN20 eine pastorale Idylle inszenierte und SCHÜSSLER FIORENZA die Thematik sexueller Gleichrangigkeit thematisierte, wie SANDERS ein jüdisches und MACK ein hellenistisches Milieu bevorzugten, muß man da nicht mit historischen und ideologischen Prädispositionen rechnen, welche in der Auswahl und Auswertung der Daten mitgespielt haben? Darf man nicht in der Fülle der Leben-Jesu-Bücher wie fundiert sie auch immer in bezug auf die historisch-kritischer Methodik sein mögen - vorkritische oder, um einen Begriff HAYDEN WHITES ZU gebrauchen, protowissenschaftliche (protoscientific) Verpflichtungen sehen, Jesus durch besondere Relevanz, oder Irrelevanz (!), für die Gegenwart des jeweiligen Autors ansprechbar zu machen? Kann man hier nicht eine Tendenz beobachten, gegenwärtige Interessen in den Ursprung zu projizieren, um diesen mit der Gegenwart kommunikationsfähig zu machen? Auf keinen Fall kann die Ironie der gesamten Leben-JesuForschung übersehen werden, ist doch die Suche nach dem eindeutigen, ursprünglichen Leben Jesu in eine kaum noch überschaubare Fülle von verschiedenen und sich teilweise widersprechenden Jesusdarstellungen und Jesusfiguren ausgewuchert. Die neuzeitliche Privilegierung historischer Eindeutigkeit und der Schock, den diese Denkart dem traditionellen Umgang mit der Bibel versetzte, sind nicht unbeantwortet geblieben. Getrieben von der Sorge um die Autorität der Evangelien, welche die historisch-kritische Forschung in Mißkredit zu bringen schien, schlug MARTIN KAHLER gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine Alternativlösung vor, die sich als nicht weniger be" SCHWEITZER, Geschichte der Leben-Jesu-Forschung, 390-443. RENAN, La vie de Jésus.

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deutsam erweisen sollte als die Leben-Jesu-Forschung selbst.21 K A H L E R hielt „diese ganze .Leben-Jesu-Bewegung' für einen Holzweg"22, da sie auf Mißverständnissen beruhe. Da war zunächst die mangelnde Zuverlässigkeit der historischen Forschung, der es nicht gelungen war, einen festen Kern des Glaubensgehaltes sicherzustellen; „denn die Umrisse und die eigentlichen Lebens züge [Jesu] ändern sich unaufhörlich nach dem wechselnden Befunde, den die Sichtung der biblischen Stoffe ergibt"23. Mit anderen Worten, K A H L E R forderte Klärung darüber, wie die unsicheren Ergebnisse historischer Forschung imstande sein könnten, Grundlage für Wahrheit und Erlösung zu bieten. Mehr noch als die unterschiedlichen Ergebnisse von Historikern beunruhigte ihn die Geschichtswissenschaft als solche, deren wissenschaftlicher modus procedendi Anspruch auf grundlegende theologische Wahrheiten erhob. War die historisch-kritische Methode berechtigt, Zugang zu den eindeutigen Wahrheitsgehalten biblischer Texte zu erstellen? K A H L E R äußerte ernsthafte Bedenken: Eine Rekonstruktion vergangener Ereignisse sei außerstande, die gegenwärtige menschliche Situation anzusprechen, denn „geschichtliche Tatsachen, welche die Wissenschaft erst klar zu stellen hat, können als solche nicht Glaubenserlebnisse werden."24 Es wird festzuhalten sein, daß es sich bei KÄHLERS Alternative zur historischen Leben-Jesu-Forschung um eine theologische These handelte, welche an das reformatorische Prinzip der Rechtfertigung durch den Glauben erinnert. Denn in bezug auf das reformatorische Prinzip lautete KÄHLERS These, daß Glaube nicht auf den Werken der Geschichte basieren könne, ohne dabei sein eigenständiges Wesen als reiner Glaube einzubüßen: „darum fließen Geschichte Jesu und christlicher Glaube wie Ol und Wasser auseinander."25 Historische Fakten und Glaubenserfahrung seien grundsätzlich unvereinbar. Mit K A H L E R ist die Diastase zwischen dem historischen Jesus und dem biblischen Christus in Theologie und Forschung institutionalisiert worden. Der historische Jesus wurde zu einer der Vergangenheit anhaftenden, unprofilierten Figur, die hinter den Evangelien verborgen lag und von geringer oder keinerlei Bedeutung für den christlichen Glauben war. Die Evangelien wurden andererseits als nachösterliche „Zeugnisse und Bekenntnisse von Christusgläubigen"2' bezeichnet, welche aufgrund apostolischer Tradition den präsenten Christus im Leben der Gläubigen verKAHLER, Der sogenannte historische Jesus und der geschichtliche, biblische Christus. A. a. O., 18. 23 A. a. O., 83-84. 24 A. a. O., 51 (Hervorhebung im Original; dort gesperrt). "Ebd. 26 A. a. O., 75. 21

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mittelten. Wir halten fest, daß die Auferstehung sowohl als ein die Evangelien begründendes Ereignis wie auch als Glaubenserfahrung eine entscheidende Rolle in KÄHLERS Verständnis der Evangelientexte und ihres Einflusses auf Hörer/Leser spielte. Es wird deutlich, daß von KÄHLERS theologischem Gesichtspunkt aus die Suche nach dem hinter den Evangelien liegenden historischen Jesus als ein Unterfangen beurteilt werden mußte, welches die religiöse Funktion und Identität der Evangelien mißverstanden und außer acht gelassen hatte. Seiner Auffassung nach wurden Texte, die wesenhaft Bekenntnisschriften waren und deren Intention darauf hinauslief, den auferstandenen Christus zu verkünden, irrtümlicherweise aufgrund ihrer historisch-wissenschaftlichen Evidenz ausgewertet. Es darf noch hinzugefügt werden, daß KAHLER überdies die traditionelle christliche Ansicht vertrat, auch das Alte Testament antizipiere Vorstellungen von Christus, welche sich mit dem Bilde Jesu im Neuen Testament deckten. Insgesamt repräsentierte KÄHLERS Christus demnach eine im Alten und Neuen Testament bezeugte einheitliche persona, deren Hauptfunktion die Erlösung von Schuld und Sühne war. Es ist durchaus nicht abwegig, in KÄHLERS Modell eine Defensivstrategie zu sehen, welche sich gegen das neuzeitliche, auf Fakten fundierte Ethos zu schützen suchte, in dem sie zu Recht eine Bedrohung für den traditionellen Umgang mit den Evangelien erkannte. Die Diastase von historischem Jesus vs. biblischem Christus scheint zumindest zum Teil von der Intention bestimmt, die Evangelien und den in ihnen für präsent angenommenen Christus mit einer Tabusphäre zu umgeben, um ihn vor dem schädlichen Einfluß historischer Neugierde in Schutz zu nehmen. Solch eine Strategie sah sich genötigt, der historischen Jesusforschung jegliche Berechtigung abzusprechen. KÄHLERS eindrucksvolles Alternativmodell zur historischen LebenJesu-Forschung hat das Klima der modernen Theologie in einem nicht zu unterschätzenden Maße beeinflußt. Es dominierte die sogenannte Dialektische Theologie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, und es wirkte auf das theologisch-biblische Denken bis in unsere Gegenwart hinein.27 Wie unterschiedlich auch immer die theologischen Prämissen eines K A R L BARTH, R U D O L F BULTMANN u n d PAUL TILLICH w a r e n , sie s t i m m -

ten darin überein, daß der in den Evangelien verkündete Christus und nicht der historisch rekonstruierte Jesus legitime Grundlage christlichen Glaubens sei. 27

Vgl. BRAATEN, Introduction to the English edition of Kähler's So-Called Historical Jesus, 32-38, v. a. 35: "With some warrant one can speak of the methodological raonophysitism in Kahler and dialectical theology if this means only that the historical method cannot objectively demonstrate the revelation upon which faith stands."

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Für B A R T H beinhaltete der Glaube an den biblischen Christus eine Negierung menschlichen Selbstbehauptung, einschließlich aller Versuche, den historisch auffindbaren Ursprung des Christentums zur Basis christlichen Glaubens zu machen. BULTMANN, der unter den Historikern des Neuen Testaments im 20. Jahrhundert nicht seinesgleichen hat, war imstande, das sogenannte Urchristentum bedenkenlos im Synkretismus des jüdischen, hellenistischen, gnostischen Milieus der Spätantike zu verorten. Und trotz, oder vielleicht wegen, der außerordentlichen Bedeutsamkeit seiner historischen Arbeiten war er stets darauf bedacht, den christlichen Glauben gegen die Konsequenzen seiner eigenen wissenschaftlichen Forschung zu immunisieren, indem er unerschütterlich an der These festhielt, der im Neuen Testament verkündete Christus könne und dürfe von der historischen Wissenschaft weder verifiziert noch verdrängt werden. In ähnlicher Weise betrachtete es T I L L I C H als eine Entstellung des Glaubens, wenn letzterer mit Glauben an die historisch verifizierbare Gültigkeit biblischer Texte gleichgesetzt würde. In unserer Zeit hat L U K E TIMOTHY JOHNSON mit seinem Buch The Real Jesus ein klassisches Werk in der Nachfolge K Ä H L E R S vorgelegt.28 Das Buch ist von einer ausnahmslos negativen Beurteilung der gegenwärtigen Leben-Jesu-Forschung und des nordamerikanischen Jesus Seminars gekennzeichnet. Man gehe durchwegs von der Annahme aus, schreibt J O H N S O N , Geschichte sei der Maßstab für Theologie in dem Sinne, daß sie theologische Normen für eine Reform der Kirche liefern könne. Hier würde mit Prämissen gearbeitet, welche protestantische und gezielt lutherische Vorstellungen verkörperten. Wie Luther bewußt auf die ursprüngliche Sprache und die theologischen Grundeinsichten des Neuen Testaments zurückgriff, um die berüchtigten Unzulänglichkeiten der mittelalterlichen Kirche zu exponieren, so versuchten viele Vertreter der gegenwärtigen Leben-Jesu-Forschung auf den historischen Jesus zu rekurrieren, um ihn der sich angeblich auf dem sukzessiven Abstieg befindlichen Theologie- und Kirchengeschichte als Spiegel vorzuhalten. Geschichte als Korrektiv des christlichen Dogmas und der christlichen Theologie - das sei die explizite oder implizite Zielsetzung vergangener und gegenwärtiger Leben-Jesu-Forschung gewesen. J O H N S O N hält das hartnäckige Bestehen auf historischer Verifikation für eines der "saddest paradoxes about the Jesus Seminar", da dieses doch "the same literalness and historical positivism that characterizes fundamentalism" teile - einer der Hauptangriffspunkte des Jesus Seminars 28

stellt die Verbindung zwischen J O H N S O N und K A H L E R in einer kenntnisreichen Rezension von J O H N S O N S The Real Jesus in Lexington Theological Quarterly 31 (1999) heraus.

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überhaupt. "The Seminar's obsessive concern with historicity and its extreme literalism merely represents the opposite side of fundamentalism." Aber, fragt JOHNSON, ist die Annahme "the origin of a religion defines its essence" überhaupt gerechtfertigt?29 Wenn man JOHNSON die Frage stellt, warum Geschichte und ein streng aus dem historischen Umfeld heraus verstandener Jesus nicht als Grundlage für den Glauben dienen können, erhält man eine Reihe von Antworten, die im großen und ganzen an KAHLER erinnern. Da wäre erstens das Problem hinsichtlich der historischen Quellen. Obwohl archäologische Entdeckungen, die Anwendung innovativer, soziologischer Methoden sowie unerwartete Textfunde im 20. Jahrhundert unsere Kenntnisse des gesamten Mittelmeerraumes durchaus bereichert hätten, hätte all dies nichts zu unserem Wissen um Jesu Leben in dieser Welt beigetragen. Das betreffe insbesondere auch die höchst bedeutsamen Funde von Qumran und Nag Hammadi, welche, laut JOHNSON, alle Erwartungen hinsichtlich neuer Information über den historischen Jesus nicht erfüllt hätten.30 Zweitens zeigt sich JOHNSON ganz im Sinne vieler anderer Kritiker beunruhigt über die erstaunliche und nicht enden wollende Fülle und Divergenz von Leben-Jesu-Büchern, 31 von denen ein jedes historische Glaubwürdigkeit beanspruche - ein Phänomen, welches uns ins Reich der Phantasien verweise und die historische Leben-Jesu-Forschung ad absurdum führe. Aber der dritte und bedeutsamste Grund für die Misere der LebenJesu-Forschung hat, so JOHNSON, weniger mit historischen Quellen und der Heterogenität der Rekonstruktionsversuche zu tun als vielmehr mit dem im Neuen Testament und im christlichen Glauben vorfindlichen Verständnis der Person Christi. "Christianity in its classic form has not based itself on the ministry of Jesus but on the resurrection of Jesus, the claim that after his crucifixion and burial he entered into the powerful life of God, and shares that life [ . . . ] with those who can receive it." Was die kanonischen Evangelien betreffe, so seien diese "narratives of faith" und vom Gesichtspunkt der Auferstehung Jesu und des Glaubens an den auferstandenen Sohn Gottes geschrieben.32 Diese Erinnerung an seine kontinuierliche und vollmächtige Gegenwart sei von der Kirche erhalten und tradiert worden, mit dem Ergebnis, daß "for the Christian confession, the risen Lord still powerfully alive is the 'real Jesus'" und die Nachfolger Jesu infolgedessen ihren Glauben nicht am historischen Jesus, sondern am le' T h e Real Jesus, 68, 26, 2 7 , 1 5 . JOHNSON, The Humanity of Jesus, 55. 31 The Real Jesus, 85-86. 32 A. a. O., 134, 110, 143, 151. 2

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benden Christus orientierten. Aus diesem Grunde seien die Texte des Neuen Testaments ungeeignet, die unverletzliche Identität des Ursprungs wiederherzustellen. In der Tat, eine Rekonstruktion des Lebens Jesu in der Absicht, eine Grundlage für den Glauben zu schaffen, "would be a form of idolatry." 33 Letztlich muß betont werden, daß JOHNSON, ganz im Stile KÄHLERS, mit einem einheitlichen Bild der Jesusfigur im Neuen Testament arbeitet. Obwohl JOHNSON über unterschiedliche Christologien im Frühchristentum durchaus unterrichtet ist, legt er den Akzent auf "a profound unity of understanding concerning Jesus throughout the New Testament literature" 34 , so daß man von einem "basic pattern of his life" sprechen könne. 35 Alle vier Evangelien, Paulus, die Petrusbriefe und der Hebräerbrief repräsentierten "the same pattern of messiahship and discipleship" sowie eine grundlegende Ubereinstimmung hinsichtlich des Charakters und der Existenz Jesu "as one of radical obedience toward God and self-disposing service toward others" 36 . JOHNSONS biblischer Christus ist ganz im Gegensatz zum historischen Jesus in den neutestamentlichen Schriften zugänglich und mittels der Wortverkündigung in der Gemeinde gegenwärtig. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß es sich bei der These JOHNSONS um ein sehr einflußreiches Denkmodell handelt, welches aus dem Trauma der Moderne geboren wurde und sich zumindest ein Jahrhundert bis auf MARTIN KAHLER zurückverfolgen läßt. Was diese sich von KAHLER bis

JOHNSON erstreckende Interpretationsgeschichte charakterisiert, ist die Identifizierung der Evangelien als nachösterliche, vom Auferstandenen ausgehende Geschichten. Mittels der Evangelien habe die Kirche dann die Erinnerung an den auferstandenen Herrn fortgeführt und im Leben der Gläubigen aufrecht erhalten. Aus diesem hermeneutisch-theologischen Gesichtswinkel ergibt es sich zwangsläufig, daß die Leben-Jesu-Forschung als ein theologisch unzweckmäßiges Projekt abgelehnt werden muß. Anstelle des historischen Jesus legitimiert man eine angeblich eindeutige, einheitliche, im Neuen Testament verankerte Konzeption von Christus und begründet auf diese Weise die unüberbrückbare Diastase zwischen dem biblischen Christus und dem historischen Jesus, wobei ersterer für den christlichen Glauben legitim und letzterer illegitim ist. Das

von

KAHLER

b i s JOHNSON

reichende

Interpretationsspektrum

stellt ein Christusmodell vor, welches jeglichen Diskurs mit der historiA. a. O., 57, 143. A. a. O., 152. 35 Humanity, 70. 36 The Real Jesus, 158, 149. 33 34

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sehen Leben-Jesu-Forschung untersagt. Schon aus diesem Grunde alleine sollte die These sorgsamst hinterfragt werden. Welche Gültigkeit kann dieser persona Christi zugesprochen werden, welche alle unsere historischen Impulse, Geschichtsereignissen auf den Grund zu gehen, problematisiert und unterdrückt? So ist beispielsweise die Prämisse daß die christliche Tradition "in its classic form" auf Jesu Auferstehung und nicht auf sein Leben, Wirken und Sterben fokussiert war, fragwürdig und in bezug auf das westliche, lateinische Christentum ein historischer Irrtum. Ein Beispiel muß genügen, um die Auferstehungsthese zu problematisieren. Es dürfte kaum zu bestreiten sein, daß ein Großteil christlicher Frömmigkeit im Westen vom 11. bis zum 15. Jahrhundert intensiv auf Christi Leiden und Tod ausgerichtet war.37 In der volkstümlichen Frömmigkeit, in theologischen Abhandlungen und Predigten, im Kult, in der Kunst und in Passionsspielen war die Körperlichkeit Christi als eine von Wunden geschlagene persona zu einer ausgesprochenen Zentralfigur geworden. Körper und Blut Christi waren Gegenstand extremer Faszination und ehrfurchtsvoller Meditation. Diese Valorisierung des geschlagenen Christus rief die verschiedensten Reaktionen unter Hörern, Lesern und Kultteilnehmern hervor: Mitgefühl für den stigmatisierten Körper, schmerzhaftes Gedenken an das Elend der menschlichen Existenz, reuevolles Bekennen der sündhaften Mitschuld und geistliche Läuterung, oder zumindest Hoffnung auf Erlösung dank der reinigenden Kraft des Blutes Christi. Nebenbei und doch nachdrücklich sei angemerkt, daß die mittelalterliche Verehrung des leidenden Körpers Christi nicht selten von Ausbrüchen außerordentlich gewalttätiger Judenfeindlichkeit begleitet war. Im Mittelpunkt spätmittelalterlicher Frömmigkeit stand das Sakrament der Eucharistie, der Ritus, in welchem Brot und Wein in Körper und Blut Christi verwandelt wurden. Vom 12. Jahrhundert an begann die Kirche, die Eucharistie als bedeutsamstes Fest hervorzuheben, und im 14. Jahrhundert wurde der Ritus durch die Einsetzung des Festes Corpus Christi mit einem einzigartigen Nimbus umgeben. Im mittelalterlichen Kult gab es kein ergreifenderes spirituelles und alle Sinne erfassendes Erlebnis als das Moment der Elevation und Konsekration der Hostie, welche die Präsenz Christi zur Wirklichkeit werden ließ und Teilnahme an ihr ermöglichte. Man darf durchaus damit rechnen, daß mittelalterliche Frömmigkeit und sakramentale Theologie in der Zelebration des Blutes und des Körpers Christi nicht schlechthin die menschliche, physische Natur Chri-

SLOYAN, The Crucifixion of Jesus; Ross, Grief of God; RUBIN, Corpus Christi, BECKWITH, Christ's Body; MARROW, Passion Iconography.

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sti verehrten. Der inkarnierte, leidende Körper wurde weithin als Ort göttlicher Gegenwart angesehen. In menschlicher Körperlichkeit inkarnierte Göttlichkeit - das mag die Vorstellung und das Erlebnis gewesen sein, welches im Mittelpunkt der eucharistischen Zelebration des Körpers Jesus stand. Auf jeden Fall war es "not Jesus Christ rising f r o m the dead that this culture found so remarkable; it was the miracle that G o d became embodied in order to suffer on behalf of humanity that captivated the imagination of medieval Christians. G o d bled and wept and suffered on the cross to draw persons to Godself; G o d bled and wept and suffered on the cross to manifest the boundless mercy of divine compassion." 3 '

Was immer man für Einwendungen gegen die Leben-Jesu-Forschung erheben mag, sie können daher nicht mit der Annahme begründet werden, das Christentum "in its classic form" habe dem physischen, menschlichen Jesus, seinem Wirken und seinem Tod, zugunsten des auferstandenen, lebenden Christus das Recht zur theologischen Existenz abgesprochen. Ganz im Gegenteil! In seinen verbalen, ikonographischen, theologischen und sakramentalen Manifestationen valorisierte das lateinische Christentum des Mittelalters den gebrochenen und stigmatisierten Körper Christi und erhob ihn zum Mittelpunkt der Eucharistiefeier. JOHNSONS andere These, daß die kanonischen Evangelien vom Gesichtspunkt der Auferstehung konzipiert seien, ist kaum weniger problematisch. Es handelt sich hier um eine der KÄHLER-JoHNSON-Hypothese besonders naheliegende Idee, welche, trotz mangelnder Beweiskraft, weit über diese beiden Exponenten hinaus bis hin zur modernen Theologiegeschichte häufig ins Feld geführt wird. Nun könnte man den Einwand erheben, die These sei indiskutabel und im Grunde nicht beweisbar. Doch im Gegensatz zu K A H L E R , welcher den Wissensstand des 19. Jahrhunderts vertrat, sehen wir uns am Anfang des 21. Jahrhunderts in einer günstigeren Position, aus gattungs- und traditionsgeschichtlichen Einsichten Nutzen zu ziehen, welcher für die Auferstehungsthese durchaus relevant ist. Dank der jüngsten Funde christlicher Literatur in der Nähe von Nag Hammadi in Oberägypten ist die Basis der Vergleichsmöglichkeiten hinsichtlich der Gattung Evangelium wesentlich erweitert und differenzierter geworden. 39 38 39

Ross, Grief of God, 137. Abgesehen davon, daß das lateinische Christentum des Mittelalters den Blick auf Jesu Wunden und Passion lenkte, müßte noch viel über das liturgische, homiletische, exegetische und ikonographische Erinnern an Jesu W o r t e n und Taten hinzugefügt werden: die Bergpredigt, die Anbetung der Weisen, die Verkündigung der Geburt, die Versuchung, Exorzismen, Heilungen, Speisungen, Verklärung, und so weiter - alles

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Unter den verschiedenen literarischen Gattungen der Nag-HammadiTexte findet sich ein Genre von Evangelium, welches fast ausschließlich aus Jesusworten und Diskursen besteht. Von der Perspektive der kanonischen Evangelien aus betrachtet vermißt man sowohl eine narrative Syntax wie eine kontinuierliche Redeeinheit. Einzelworte oder Gruppierungen von Worten und Diskursen sind nicht im Sinne des kanonischen Evangeliengenres in einen Erzählzusammenhang, und damit auch nicht in einer von der Erzählung geschaffenen Zeitlichkeit, eingebunden. Allen temporalen Verpflichtungen gegenüber der Vergangenheit enthoben, ist die Jesusfigur daher folgerichtig nicht der irdische, vergangene, sondern der gegenwärtige, gewissermaßen lebende Jesus. Kraft seiner Worte macht er seine Wirksamkeit unter Hörern geltend. In Texten wie dem Apokryphen des Jakobus, dem Thomasevangelium, dem Buch des Thomas (des Mitstreiters), dem Evangelium der Maria, dem Dialog des Erlösers, der Sophia Jesu Christi, der ersten und zweiten Apokalypse des Jakobus, den Taten des Petrus und der zwölf Apostel und dem Brief des Petrus an Philippus spricht der gegenwärtige Jesus zu einer Gruppe auserwählter Jünger und Jüngerinnen oder zu einem seiner Brüder. In diesen außerkanonischen Texten begegnet uns die Gattung eines Wort- oder Diskursevangeliums, in welchem Jesus, befreit von einem vergangene Zeitlichkeit konstruierenden Erzählzusammenhang, als präsente Gestalt zum Ausgangspunkt von Weisheitsworten und Offenbarungsreden gemacht wurde. Hier treffen wir eine Gattung von Evangelium an, welche vom Gesichtspunkt der kanonischen Evangelien aus gesehen eine nachösterliche Kompositionsform darstellt. So sieht die Gattung eines Evangeliums aus, welche KAHLER und JOHNSON im Sinne haben, wenn sie an den auferstandenen und lebenden Christus appellieren, welcher mit österlicher Vollmacht ausgestattet, seine Botschaft verkündet. Nur daß eben dieses KÄHLER-JoHNSON-Modell seine ideale Entsprechung im außerkanonischen Thomasevangelium und nicht etwa im kanonischen Markusevangelium findet, welch letzteres sich auf das irdische Leben Jesu konzentriert, in der Kreuzigung gipfelt und am Ende den auferstandenen Christus den unwissenden Jüngern vorenthält. Was immer man daher an Einwendungen gegen die Leben-JesuForschung vorbringen mag, sie können nicht mit der Annahme begründet werden, die kanonischen Evangelien seien vom Standpunkt der Auferstehung konzipiert und stünden deshalb im Widerspruch zum Ethos des historischen Erkenntnisdranges. Diese These hat keinerlei Anhalt an der Themen, die sich schlecht mit JOHNSONS These "Christianity in its classic form has based itself not on the ministry of Jesus but on the resurrection of Jesus" vereinbaren lassen.

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kanonischen Gattungsgeschichte der Evangelienliteratur, wiewohl sie weitaus besser auf die außerkanonische, von Nag Hammadi vertretene Evangeliengattung zutrifft. Die Thematik .Evangelium - Auferstehung' bedarf einer wesentlich nuancierteren Behandlung als das im Gefolge der KÄHLER-JoHNSON-Tradition der Fall war. Zumindest drei Aspekte müssen unterschieden werden: 1) Von synchronischer Perspektive aus gesehen laufen die Evangelienerzählungen auf Tod/Auferstehung/Erhöhung hinaus - allerdings mit bedeutsamen narrativen Differenzen. Zudem realisieren die Plotkonstruktionen der Evangelien zahlreiche religiöse und ethische Themen, schaffen Konstellationen von Raum und Zeit, entwickeln Charaktere und konstruieren Subplots mit mannigfachen narrativen Verzweigungen im Gesamtplot. Angesichts dieser narrativen Komplikationen ist es unangebracht, die Evangelien „Passionsgeschichten mit ausführlicher Einleitung" oder „Auferstehungsgeschichten mit ausführlicher Einleitung" zu nennen. 2) Von diachronischer Perspektive aus gesehen sind die Evangelien zutiefst in Tradition verwurzelt. Sie absorbieren, transformieren und respondieren auf traditionelle Elemente mannigfachster Art. Angesichts ihres vielfachen Engagements ist die These, sie seien einzig von der Perspektive der Auferstehung komponiert, unhaltbar. 3) Im mündlichen Vortrag oder im (lauten oder schweigsamen) Lesen wird der hermeneutische Prozeß vom Element der Anteilnahme mitbestimmt. Aber die mündliche Erfahrung des Hörers, oder die des Lesers, läuft keineswegs (in allen Fällen) auf eine Synchronisation mit dem auferstandenen Herrn hinaus. Eine Wundergeschichte, beispielsweise, erteilt eine Einladung an Hörer und Leser, auf das Geschehen zu reagieren, daran teilzunehmen und sein/ihr Leben entsprechend dem Wundergeschehen zu orientieren. Angesichts dieser performativen Dynamik ist die These unhaltbar, der Erinnerungsprozeß aktiviere stets den Auferstandenen.

Wie triftig sind letztlich die Gründe, die für eine einheitliche persona des sogenannten biblischen Christus sprechen, die JOHNSON im Neuen Testament vorzufinden vorgibt? Auch diese These muß sorgsam bedacht werden, erhebt sie doch den Anspruch, den historischen Jesus zu substituieren und seiner theologischen Legitimität zu berauben. Unsere Überlegungen beschränken sich auf die in den kanonischen Evangelien dargestellte Jesusfigur. Seit den 60er Jahren haben Neutestamentler und Literaturwissenschaftler zunehmend Interesse an den kanonischen Evangelien als Erzählungen gezeigt und die kompositorischnarrative Verarbeitung des von KAHLER SO benannten biblischen Christus analysiert. Zum Teil wohl auch in Reaktion auf das Trauma der Moderne, welche den historischen Jesus problematisiert hatte, lenkte man die Aufmerksamkeit von den hinter den Evangelien liegenden Traditionen und Ereignissen auf den sich in den Evangelien selbst abspielenden Erzählungsablauf. Anstatt eine homogene, allen Evangelien gemeinsame persona anzunehmen, unternahm man es, die literarische Landschaft und narrative Gestaltung Jesu in jedem Evangelium gesondert zu reflektieren. Insofern

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die Evangelien vor dem unbeugsamen Tribunal der Geschichtswissenschaft an Glaubwürdigkeit verloren hatten, wurden sie nun im Lichte literarisch-narrativer Kriterien begutachtet. Die Voraussetzung für diesen radikalen Methodenumschwung lag in der Annahme, daß es sich bei den Evangelien in erster Linie um narrativ gestaltete Kompositionen handelte. Die historische Frage wurde dabei bewußt ausgeklammert. J O H N S O N begrüßte nicht nur den Trend zur narrativen Erforschung der Evangelien, sondern er leistete im Anfangsstadium einen nicht unerheblichen Beitrag zum literarischen Verständnis von Lukas und der Apostelgeschichte.40 Anstatt die Evangelien als ein Hindernis zu betrachten, welches es zu überwinden galt, um zum Eigentlichen, nämlich zur historischen Grundlage, vorzudringen, begann man nun die volle Aufmerksamkeit auf die in den Evangelien gestaltete Erzählwelt zu richten. Wenn man den Blickpunkt derart auf die narrative Struktur der Evangelien richtete, stellte sich heraus, daß sie tief in Kompositionsstrukturen wurzelten, welche von einer literarisch-dramatischen Logik bestimmt waren. Es werden hier nur einige der zahlreichen literarischen und rhetorischen Kompositionsmerkmale aufgeführt: Anordnung und Folge einzelner Geschichten und Dialoge, dreigliedrige Wiederholungen und Doppelungseffekte verschiedener Art, die Spaltung einer Geschichte in zwei Teile, welche zum Rahmen für eine dazwischengeschobene Geschichte werden, Wiederaufnahme vorhergegangener Themen (narrative uptake), umsichtige Anordnung und Verarbeitung christologischer Titel, rückblickende Aneignung von Worten, Themen und Figuren aus der hebräischen Bibel, Prolepsen, deren narrative Realisierung entweder innerhalb oder jenseits des von der Evangelienhandlung gezeichneten Rahmens liegen, Plotkonstruktionen, die häufig durch die Dynamik des Konflikts gezeichnet sind, psychologische Einblicke in das innere Leben von Charakteren, Dialoge zwischen Jesus und den Jüngern, welche sowohl den beiden Diskussionspartnern wie den Lesern/Hörern zugänglich sind, beiseite gesprochene Bemerkungen {narrative aside), die nur für die Leser/Hörer bestimmt sind, welche stets besser informiert sind als jede andere Erzählfigur, und viele andere literarische und rhetorische Figuren mehr. Kurzum, wir haben es gelernt, die Evangelien mit der von R I C Œ U R SO genannten „zweiten Naivität"41 zu lesen, welche sich nicht mehr von der kritischen Frage nach der hinter den Texten liegenden Tatsächlichkeiten, sondern von einer neugewonnenen Sensibi40 41

JOHNSON, The Literary Function of Possessions. RICŒUR, Symbolism of Evil, 352. Obwohl RICŒUR den Begriff der „zweiten Naivität" auf Symbolik anwandte, ist er gleichermaßen auf Erzählung zutreffend, in welcher sich das Interesse nicht mehr auf die Faktizität des Erzählten, sondern auf die Formgestaltung der Erzählung richtet.

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lität für die durch die Evangelien konstituierten literarisch-narrativen Eigenwelten leiten zu lassen. Diese neue, auf den narrativen Charakter der Evangelien ausgerichtete Interpretation hat uns zweifellos eine Lektion hinsichtlich der differenzierten Kompositionsgestaltungen der vier Evangelien erteilt. Die Unterschiede sind derart, daß sie auf vier eigenständige, narrative Kompositionsstrukturen des Lebens und Todes Jesu hinauslaufen. Aber sobald jedem Evangelium eine eigene narrative Identität zugestanden ist, ist es nicht mehr länger möglich, ein Evangelium durch die Linse eines anderen zu lesen oder alle vier in einer eindeutigen Evangelienharmonie zu fusionieren. Die narrative Eigenart eines jeden Evangeliums erfordert, daß es nach seiner literarischen Eigengesetzlichkeit untersucht wird. Was die Frage der Christologie anbelangt, so kann sich diese keineswegs mehr auf die sogenannten Hoheitstitel oder Bekenntnisformeln beschränken. Vielmehr muß Jesus als Erzählfigur sowohl in der Ausgestaltung der einzelnen literarischen Mikrostrukturen, sowie in deren Querverbindungen zu narrativen Makrostrukturen interpretiert werden. So sieht es denn vom Standpunkt einer literarisch-narrativen Interpretation so aus, daß wir es mit einer Vierzahl von christologischen Erzählkomplexen zu tun haben, welche nur unter grober Mißachtung ihrer literarischen Eigenständigkeit auf ein eindeutiges christologisches Modell reduziert werden können. Dieses neuerliche Bewußtwerden von der Pluralität der Evangelienkompositionen problematisiert J O H N S O N S These von einer eindeutigen, einstimmigen persona Christi im Neuen Testament. Seine Konstruktion des sogenannten biblischen Christus negiert in seiner monolithischen Eindeutigkeit eines der bemerkenswertesten Charakteristiken des Neuen Testaments, nämlich die vielfachen und unterschiedlichen Manifestationen Jesu Christi. Was immer man daher an Einwendungen gegen die Leben-Jesu-Forschung vorbringen mag, sie können sich nicht auf die angeblich im Neuen Testament begründete Vorstellung eines einheitlichen Bildes Jesu berufen. Zusammenfassend darf gesagt werden, daß J O H N S O N S Deligitimierung der Leben-Jesu-Forschung und insbesondere seine Alternativlösung eines eindeutigen biblischen Christus der kritischen Analyse nicht standhalten. Im großen hermeneutischen Zusammenhang wird deutlich, daß sowohl die Suche nach dem historischen Jesus wie die KÄHLER-JOHNSON-These bezüglich der einheitlichen persona Christi von dem Wunsch beseelt ist, Vieldeutigkeit durch Eindeutigkeit zu ersetzen. Ganz im Gegensatz zur mittelalterlichen Hermeneutik, welche einer vieldeutigen Interpretation gegenüber offen gestanden hatte, operiert sowohl die moderne Leben-

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Der historische Jesus

Jesu-Forschung wie auch die KÄHLER-JOHNSON-Alternative im Interesse einer radikalen Reduzierung der Vorstellungswelt des Neuen Testaments.

Der Kanon der Geschichte und das Trauma der

Tradition

Im folgenden soll die gegenwärtige nordamerikanische Leben-Jesu-Forschung am Beispiel des Werkes von J O H N D O M I N I C C R O S S A N aufgezeigt werden. Sowohl J O H N S O N wie CROSSAN sind sich prinzipiell bewußt, daß jedes der vier Evangelien von einem eigenständigen Darstellungswillen gestaltet ist. Aber während JOHNSON die Disparatheit der vier Evangelienerzählungen durch das Postulat einer in den Evangelientexten liegenden eindeutigen christologischen Modellfigur überspielt, begibt sich CROSSAN auf die Suche nach der hinter den pluralistischen Evangelientexten liegenden eindeutigen, historischen Modellfigur, welche als Norm für den christlichen Glauben dienen kann. Während laut JOHNSON der christliche Glaube "has never [ . . . ] been based on historical reconstructions of Jesus [ . . . ] but on the resurrection of Jesus"42, gilt für C R O S S A N : "there is, ever and always, only one Jesus" - nämlich die historische Person, welche im Status der Auferstehung von Wundmalen gezeichnet ist; diese "came not from heaven but from history."43 Dies sind die beiden Positionen - einander diametral entgegengesetzt und im Grunde unvereinbar - welche sich in Reaktion auf das Trauma der Moderne und ihrer Forderung nach historischer Exaktheit und faktischer Verifizierbarkeit herausgebildet haben. Da nach JOHNSONS Ansicht alle Rekonstruktionsversuche, die von der Absicht getragen sind, eine Grundlage für den Glauben zu schaffen, theologisch illegitim sind, erscheint es angemessen, nach den logischen, theologischen oder historischen Prämissen zu fragen, die C R O S S A N anführt, um sein monumentales Werk The Historical Jesus: The Life of a Mediterranean Jewish Peasant zu rechtfertigen. Warum diese außerordentliche Investition in die Wiedergewinnung des historischen Jesus, der in seiner geschichtlichen Einmaligkeit in keinem einzigen Text und keiner einzigen Quelle oder Quellenschicht erhältlich ist? Wie kaum ein LebenJesu-Forscher vor ihm hat CROSSAN über seine Arbeit im Horizont historischer, theologischer, anthropologischer und nicht zuletzt methodologischer Überlegungen reflektiert. Sein Werk wird darum im folgenden zur Diskussion gewählt, weil sich geschichtstheoretische Probleme, Methodik

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JOHNSON, The Real Jesus, 133, 134. CROSSAN, "Historical Jesus as Risen Lord," 47.

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und Ergebnisse der gegenwärtigen Leben-Jesu-Forschung hier besonders ertragreich veranschaulichen lassen. C R O S S A N unterscheidet zwei Typen des Christentums, einen sarkophilischer oder inkarnierter Art und einen sarkophobischer oder doketischer Art. Von der griechischen Etymologie für Fleisch (sarx), Liebe (philia) und Furcht (phobos) hergeleitet, vertritt der sarkophilische Typ eine monistische Anthropologie der Einheit von Fleisch und Geist und der sarkophobische Typ eine Trennung von Fleisch gegenüber Geist. Der monistische Typ postuliert eine vom Geist erfüllte Körperlichkeit, welche sich einer Trennung von Körper und Geist widersetzt, eine Privilegierung aufgrund sexueller, biologischer Attribute ablehnt und den Menschen in seiner physisch-geistigen Einheit anerkennt. Der dualistische oder doketische Typ ist nach C R O S S A N ethisch problematisch, da er sich anmaßt, die Materie vom Geist zu trennen und letzteren zu privilegieren, Männlichkeit mit Geist und Weiblichkeit mit Körper gleichzusetzen und damit Sexualität und unsere Menschlichkeit zu degradieren. In christologischer Hinsicht proklamiert sarkophilisches Christentum die Körperlichkeit des irdischen Jesus, der als Auferstandener die von seiner Hinrichtung herrührenden Wundmale trägt. Es gibt in dieser Christologie nur einen Jesus, nämlich den Inkarnierten, der in physisch-materieller Kontinuität zu seiner Identität als Auferstandener steht. Sarkophobisches Christentum ist dadurch charakterisiert, daß es dem irdischen Jesus nur scheinbare Wirklichkeit zugesteht, bestenfalls eine geistige Kontinuität zwischen dem irdischen und dem auferstandenen Herrn anerkennt und nur dem geistigen Christus, im Gegensatz zum irdischen und historischen Jesus, religiöse Bedeutsamkeit einräumt. C R O S S A N bekennt sich zum sarkophilischen Typ, welcher in seiner humanen Befürwortung einer nicht-dualistischen, integrativen Anthropologie die theologische Grundlage und Rechtfertigung für alle modernen Bestrebungen zur Rekonstruktion des historischen Jesus bildet. C R O S S A N zieht scharf markierte Trennungslinien quer durch das weite Feld christlicher Traditionsgeschichte und fällt dabei gewichtige und harte Urteile, welche im Zeitalter inklusiven und ökumenischen Denkens und nicht mehr aufzuhaltender Globalisierungstendenzen Erstaunen erregen müssen. Vielleicht noch bedeutsamer aber ist es, daß sich seine geschichtstheoretischen und anthropologischen Thesen nicht mit dem Bild frühchristlicher und mittelalterlicher Geschichte vereinbaren lassen, welches sich im Laufe des letzten Jahrhunderts abzuzeichnen begonnen hat. Beginnen wir mit drei Thesen, die zwar nicht völlig unumstritten, aber doch weithin in der neutestamentlichen Forschung anerkannt sind und die angesichts CROSSANS geschichtsphilosophischer Reflexionen noch einmal neu ins Bewußtsein gerufen werden müssen.

Der historische Jesus

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Erstens hat die neutestamentliche Wissenschaft seit langem bewußt die kanonisch privilegierten Grenzen überschritten, um der Vielfalt christlicher Stimmen und Erfahrungen gerecht zu werden und diese in ein historisch repräsentatives Gesamtbild einzuordnen. In weiten Kreisen ist die Forschung von dem Drang beflügelt, sich alle nur erfindlichen Dokumente und Uberreste christlicher Vergangenheit zu eigen zu machen. Zu diesem Zweck hat sich der wissenschaftliche Forschungsdrang jedes Objekt schriftlicher, archäologischer und ikonographischer Erinnerung angeeignet, dessen man habhaft werden konnte. So versucht man beispielsweise, die zweifellos einseitige Betonung des westlichen, lateinischen Christentums - ein Modell, das uns ursprünglich von der lukanischen Apostelgeschichte und der in ihr geschilderten Ausbreitung christlichen Glaubens von Jerusalem nach Rom aufgeprägt worden ist - durch konzentrierte Einbeziehung des syrischen und ägyptischen Christentums auszugleichen. Überdies hat sich das jüngst wieder verstärkte Interesse an asketischen und monastischen Bewegungen im Frühchristentum zum Ziel gesetzt, die durch ausschließliche Lektüre der kanonischen Pastoralbriefe aufgedrängte Vorstellung zu korrigieren, das frühe Christentum habe sich ausschließlich in Hauskirchen und familiären Gemeinschaften konstituiert. Nicht zuletzt versucht man die Stimmen derer zu hören und vernehmen zu lassen, die an den Rand gedrängt oder ausgeschlossen wurden, in erster Linie Frauen, aber auch Sklaven, sowie Christen, die einen homoerotischen Lebensstil praktizierten. Summierend läßt sich sagen, daß die Forschung uns die weitverzweigte Mannigfaltigkeit frühchristlicher Traditionen zunehmend ins Bewußtsein gerufen hat. Zahllose christliche Propheten und Lehrer verkündeten ähnliche oder auch verschiedene Botschaften, praktizierten einen unterschiedlichen persönlichen Lebensstil und lebten in diversen Gemeinschaften, wobei jede Tradition die Wahrhaftigkeit ihres Christseins betonte. Dieser Pluralismus christlicher Uberzeugungen, Lebenserfahrungen und Verkündigungen war von einem Ausmaß, welches alle einseitigen Thesen und eindeutigen Methoden fragwürdig erscheinen läßt. Zweitens hat sich ein Bild der ersten Jahrhunderte der frühchristlichen Geschichte abzuzeichnen begonnen, welches nicht nur durch verschiedene Standortbestimmungen und unterschiedlichen Lebensstil, sondern auch durch Zwiespalt und Polemik gekennzeichnet ist. Nahezu von Anfang an war das Vermächtnis Jesu bei all denen, die ihm in treuer Nachfolge ergeben waren, mehr oder weniger heftig umstritten. Es muß hier betont werden, daß die Erkenntnis innerchristlicher Polemik durchaus auch Gefahr läuft, überbetont zu werden. So ist es beispielsweise methodisch unzulässig, aufgrund rein formgeschichtlicher und literarkritischer Analysen historische Schlußfolgerungen in bezug auf angeblich histori-

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sehe innerchristliche Parteiungen zu ziehen. Trotz möglicher Überbetonung darf aber daran festgehalten werden, daß innerchristliche Polemiken zuweilen kaum weniger intensiv waren als die zunehmenden jüdischchristlichen Dispute. Die innerchristlichen Auseinandersetzungen nahmen im 2. und 3. Jahrhundert an Intensität zu, und christliche Theologen begannen entscheidende Dispute hinsichtlich der Bedeutsamkeit des Märtyrertums, der apostolischen Tradition, des Sinnes vom Leiden und der Auferstehung Christi, episkopaler und kirchlicher Autorität und der Bedeutsamkeit und Tragweite persönlicher Visionen mit einer an häresiologischer Rhetorik geschulten Polemik auszutragen. Mit Hilfe von Kategorien, welche geeignet waren, scharfe Trennungslinien zu ziehen, gelang es Theologen vom Range eines Irenäus, Hippolyt, Tertullian und anderen ihre Identität im Gegensatz zu andersdenkenden Christen zu festigen, welche man nun mit dem Etikett „Häretiker" versah. Das Christentum begann, sich in Orthodoxie und Häresie zu zerspalten. Drittens, während das sich immer bewußter konstituierende kanonische Christentum seine Position gegenüber zahlreichen Alternativen mit zunehmender Klarheit definierte, richtete sich einer seiner Hauptangriffspunkte im 2. und 3. Jahrhundert gegen einen Typus von Christentum, welcher unter dem Namen Gnosis 44 bekannt wurde. Unter den zahlreichen Konfliktstoffen, welche sich die orthodoxe Position zunutze machte, um ihre Identität gegenüber der Gnosis zu festigen, spielte die Sinndeutung vom Leben, Tod und der Auferstehung Christi und dessen Funktion in der Erlösung eine führende Rolle. Die Orthodoxie bestand auf der unaufgebbaren Bedeutsamkeit von Jesu Inkarnation und dem Erlösungswerk seines der Auferstehung vorangehenden Todes, wobei sie sich von den in diesem Sinne verstandenen kanonischen Evangelien leiten ließ. Zudem optierte die Orthodoxie für eine wörtlich verstandene Interpretation der Auferstehung. Jesus war im Fleisch auferstanden, und wer immer diese Tatsache leugnete, wurde als Häretiker abgestempelt, dessen Glaube mit dem Evangelium für unvereinbar erklärt wurde. Für die gnostischen Christen war es weniger der irdische Jesus und sein Tod als vielmehr der geistige, lebendige Christus, der soteriologisch bedeutsam war. Seine Auferstehung wurde daher im geistigen und nicht im wörtlichen Sinn ausgelegt, und was bedeutsam erschien, war die innere Wahrnehmung und Aneignung des lebenden Christus. Zumindest in großen Zügen war dies die Christologie, welche die Orthodoxie für häretisch erklärte und welcher sie das Signum von Christsein aberkannte.

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PAGELS, The Gnostic Gospels, 1982. Vgl. auch ihren Artikel "The Orthodox against the Gnostics."

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Man darf davon ausgehen, daß in der gegenwärtigen Forschung hinsichtlich dieser drei Thesen ein weitgehender Konsens besteht, dem C R O S S A N durchaus imstande sein dürfte sich anzuschließen. Auf dem Hintergrund dieser sich in sehr allgemeinem Rahmen gehaltenen Synopse unserer gegenwärtigen Konzeption des Frühchristentums stellt C R O S S A N S Unterscheidung von einem sarkophilischen gegenüber einem sarkophobischen und einem monistischen gegenüber einem dualistischen Modell - von einer Ausnahme abgesehen - eine Fortsetzung bzw. Wiederaufnahme klassischer, häresiologischer Polemiken dar. Die Ausnahme besteht darin, daß die Anwendung der für die alte Kirche normativen Unterscheidungsmerkmale nicht mehr länger im Sinne einer Diastase von katholischer Orthodoxie gegenüber gnostischer Häresie brauchbar ist, da, wie er richtig beobachtet, Orthodoxie und Häresie jeweils Elemente des monistischen und des dualistischen Typus enthielten. Was man allgemein als Katholizismus und gnostisches Christentum versteht, "is hardly coincident with the monism and dualism under discussion." 45 Dies signalisiert ein beträchtliches Zugeständnis, hat es doch zur Folge, die konventionelle Demarkation grundlegend zu problematisieren. Aber anstatt nun die alte, mit häresiologischer Polemik belastete Nomenklatur aufzugeben, nimmt C R O S S A N sie in bezug auf die christliche und in der Tat gesamte westliche theologische Traditionsgeschichte wieder auf. So postuliert er "a profound fault line in Western sensibility and consciousness" 46 , welcher eine Separation einer monistischen von einer dualistischen Anthropologie und Christologie gleichkommt. Damit sind Begrifflichkeiten, welche sich für die Arbeit des Historikers als unbrauchbar erwiesen haben, erneut eine führende Rolle in der Deutung westlicher Geschichte und Kultur zuerkannt worden. C R O S S A N S These wirft vier Fragen auf, denen wir uns im folgenden zuwenden werden. Erstens, wenn sich Katholizismus und Gnosis nicht mehr mit der alten Klassifizierung eines monistischen gegenüber einem dualistischen Typus vereinbaren lassen, warum hält man dann überhaupt noch daran fest? Hat nicht die bipolare Simplizität im Rahmen der Pluralität christlicher Identitätsstiftungen grundsätzlich an Überzeugungskraft eingebüßt? Sollte man nicht angesichts einer beträchtlichen Vielfalt christlicher Erinnerungen und Erfahrungsweisen behutsam vorgehen und der Versuchung widerstehen, sich mit den von der Vergangenheit belasteten Kategorien erneut anzufreunden? C R O S S A N S These ermangelt nicht der Ironie, denn

45 46

CROSSAN, Historical Jesus as Risen Lord, 37. A. a. O., 39.

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während sie einerseits die anthropologische und christologische Bipolarität von Körper und Seele verabscheut, zeigt sie andererseits keinerlei Skrupel, die Bipolarität eines sarkophilischen gegenüber einem sarkophobischen Christentum als geschichtsdeutende Merkmale anzuwenden. Warum muß man sich der traditionellen Metaphern von christlicher Wahrheit gegenüber christlicher Unwahrheit bedienen, wenn es doch darum geht, die Fülle christlicher Glaubensweisen neu zu überdenken? Differenziertere Betrachtungsweisen sind nötig, um den konkreten Gegebenheiten frühchristlicher Geschichte gerecht zu werden. Zweitens: Kann man die sicherlich folgenschwere Dichotomie von Körper gegenüber Geist oder Seele summarisch als Ursache für grundsätzliche Problematiken in der westlichen Zivilisation anführen? Versuchen wir von dieser Perspektive einmal das von CROSSAN selbst angeführte Beispiel der sozialen Unterdrückung der Frau durchzudenken. Wieviel historisches Gewicht kann man seiner These beimessen, daß das sarkophobische Christentum und eine daraus resultierende Mißachtung des Körpers hauptverantwortlich für eine patriarchalische Unterdrückung gewesen sei? Die dieser These implizit zugrundeliegende Vorstellung, daß das sarkophilische Christentum seinerseits immun gegenüber patriarchalischen Ideologien gewesen sei, ist mit Sicherheit irreführend. So ist es im frühen Christentum beispielsweise Lukas gewesen, der zwar eine körperliche Auferstehung Jesu postulierte, diese aber zum Ausgangspunkt und Kriterium eines männlichen Apostolates machte (Apg 1,21-22; 10,39-41; 13,30-31). Bekanntlich vertrat Lukas eine sarkophilische Christologie, und überdies brachte er Frauen gegenüber eine für damalige Zeiten außerordentliche Sympathie entgegen. Aber "the doctrine of bodily resurrection also serves an essential political function" 47 — legitimierte sie doch bei Lukas eine apostolische Sukzession, die Frauen effektiv von einer offiziellen Rechtsnachfolge ausschloß. Feministische Studien haben in der Tat überzeugend nachgewiesen, daß die Entwicklung männlicher Führungsrollen, strenge Separation der Geschlechter und Rituale von Inklusivität und Exklusivität weitverbreitete politische und soziologische Konstruktionen gewesen waren.48 In der Antike und Spätantike waren Frauen jüdischer, griechisch-römischer und christlicher Herkunft Machtstrukturen unterworfen, deren Strategien darauf hinausliefen, ihnen Zugang zu Rechten und Machtpositionen zu verwehren, welche Männern vorenthalten waren. Jüdisch-patriarchalisches Ethos, soziale Netzwerke der grie47 48

PAGELS, Gnostic Gospels, 7. Zu philosophischen Implikationen feministischer Perspektiven vgl. TUANA/TONG (Hgg.), Feminism and Philosophy. Zu feministischen Implikationen für die Bibelwissenschaft vgl. COLLINS (Hg.), Feminist Perspectives on Biblical Scholarship.

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chisch-römischen Patronatsgesellschaft und die christlich-apostolische Sukzessionstradition hatten bei allen soziologischen und ideologischen Unterschieden den Effekt, Frauen eine strikt untergeordnete Rolle zuzuweisen. Wir haben es mit einer universalen Problematik in unserem antiken Erbe zu tun, welche quer durch alle Unterschiede monistischer und dualistischer Anthropologie lief und zutiefst in institutionellen und politischen Machtstrukturen verwurzelt war. Drittens kann man keineswegs mehr sicher sein, daß dualistische Ideologien in allen Fällen die plausibelste Erklärung für die von asketischer und monistischer Frömmigkeit praktizierte sarkophobische Kasteiung des Fleisches abgeben. Hier muß darauf hingewiesen werde, daß theologische common-sense-Vr'imisszn hinsichtlich der historischen Wurzeln, der Zielsetzung und der praktischen Ausübung eines asketischen Lebensstils seit geraumer Zeit beträchtlichen Revisionen unterworfen sind. Zwei herausragende Werke über die christliche Askese, PETER BROWNS The Body and Society und CAROLINE BYNUMS Holy

Feast

and

Holy Fast, erscheinen uns hinsichtlich CROSSANS Strukturierung christlicher Geschichte besonders aufschlußreich zu sein. BROWN hat mit historischer Akribie die Geschichte der Verwerfung sinnlicher Begierden und der Entsagung von jeglicher Sexualität in der westlichen und östlichen Kirche der ersten fünf Jahrhunderte untersucht. Es steht völlig außer Zweifel, daß viele Christen dem Körper gegenüber ein tiefes Mißtrauen empfanden, daß sexuelle Enthaltsamkeit vielfach mit christlichem Glauben gleichgesetzt wurde und daß das Christentum der ersten Jahrhunderte weithin etwas anderes war als was man heute im Westen darunter versteht. Um das Phänomen der Askese einigermaßen zu begreifen, meint BROWN, sähe man sich genötigt, sich mit einem Syndrom von Vorstellungen wie Virginität, Keuschheit und Spiritualität sowie einem allgemeinen Angstgefühl gegenüber dem Körper auseinanderzusetzen - Vorstellungen, welche in unterschiedlichen historischen und anthropologischen Konstellationen verortet waren. Die feste Entschlossenheit der jungfräulichen Thekla zum Beispiel, ihren Verlobten, einen jungen Mann mit einer vielversprechenden Zukunft im politischen Etablissement von Ikonium, nicht zu ehelichen, findet seine Erklärung in sozial und religiös komplexen Umständen. 4 ' Die Verweigerung der Ehe wurde von ihr selbst, von ihrem Verlobten und den Stadtvätern als ein Affront gegenüber den höchsten Werten der Gesellschaft angesehen, wie es denn auch unübersehbar ist, daß ihr Verhalten die Autorität der Stadt (polis) und die der Familie (oikia), der beiden bedeutsamsten Institutionen im sozialen Gefüge der hellenistischen Gesellschaft, provozierte. Mit dieser Einstellung machte sich Thekla "BROWN, Body and Society, 156-59. Vgl. auch MACDONALD, The Legend and the Apostle.

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zum Vorbild für junge Frauen, aber nicht weil sie die Erlösung ihres im körperlichen Kerker gefangenen geistigen Kernes erstrebte, sondern weil sie sich gegenüber den Bedrohungen einer politischen Machtstruktur wehrte, welche Frauen in die Rolle von Kindergebärerinnen zu drängen suchte. Andere Christen leiteten ihren asketischen Lebenswandel von einer besonderen Interpretation des Falles Adams und Evas ab, in welchem sie ein Ereignis sahen, das die Menschen in einem schicksalhaften circulus vitiosus von Sexualität und Sterblichkeit gefangenhielt. Nur sexuelle Enthaltsamkeit, so nahm man an, könne die Folgen des Falles wieder rückgängig machen und den ursprünglichen Zustand eines freien Willens und ungebrochener Identität wiederherstellen.50 Tertullian (ca. 160-220), der sich auf schärfste Weise gegen triebhafte Instinkte und sexuelle Phantasien aussprach, war dennoch "not a 'dualist' in any way."51 Vielmehr war es gerade sein Glaube an eine nahezu körperliche Form der Seele, welcher die Voraussetzung dafür schuf, daß eine körperliche Kasteiung den Zustand der Seele beeinflussen konnte. Nach dem Verständnis des Platonikers Orígenes (ca. 185-254) hatte die Befriedigung physischer Sinnesfreuden eine Abstumpfung rein geistlicher Sinnlichkeiten zur Folge, welch letztere dazu prädestiniert waren, die Weisheit Gottes schmecken, riechen und trinken zu lassen. Wenn es auch das Wesen eines christlichen Lebens ausmachte, unermüdlich sexuelle Disziplin auszuüben und den Körper zur Entsagung anzuhalten, so bestand das Ziel dennoch nicht darin, dem sinnlichen Genuß als solchem abzusagen, sondern vielmehr intensivste spirituelle Sinnesfreuden zu kultivieren, welche physische Lustbefriedigung bei weitem übertrafen, da sie von einer Intensität waren, wie sie der Körper selbst niemals imstande war hervorzubringen. Die ägyptischen Mönche des 4. Jahrhunderts waren herausragende, eine neue Menschlichkeit verkörpernde Gestalten, die fähig waren, in einer unbewohnbaren, unwirtlichen Gegend zu überleben. Sie verkörperten "a perpetual challenge to the situation of hunger and bitter dependence on the marketplace that characterized the society of a starving and laborious Near East."52 Gregor von Nyssa (ca. 335-394), ein weiterer Platoniker, vertrat die Ansicht, daß die Unterdrückung sexueller Triebe keineswegs im Interesse von Keuschheit und Abstinenz erstrebenswert war, sondern im Hinblick auf menschliche Vergänglichkeit und die Furcht vor dem Tode. Ehe zum Zwecke der Fortpflanzung war das augenfälligste Mittel, um den Blick vom Grab abzulenken und die Furcht hinsichtlich unserer persönlichen Vernichtung zu unterdrücken. Keuschheit, meinte Gregor, war die angemessenste, die einzige Möglichkeit, dem pathetischen Zwang, fruchtbar zu sein und sich zu mehren, zu entgehen und das unerbittliche Ticken der Zeit zu verkürzen. "To abandon marriage was to face down death. It was to deliver no further hostages to death in the form of children."53 Diese Beispiele müssen genügen, um die These zu verdeutlichen, die BROWN mit großer Uberzeugungskraft vorgelegt hat. Frühchristliche Askese kann nicht auf ein einziges anthropologische Schema wie etwa Dualismus reduziert werden. Vielmehr darf man eine angemessene Erklärung in dem dynamischen Wechselspiel von unterschiedlichen Motivierungen, 50

BROWN, a. a. O . , 9 2 - 9 6 . V g l . a u c h PAGELS, A d a m , E v e a n d t h e S e r p e n t .

51

BROWN, a. a. O . , 7 7 .

52 53

A. a. O., 221. A. a. O., 298.

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sozialen Gegebenheiten und anthropologischen Strukturen sehen. Gerade weil Diskurs und Praxis der Enthaltsamkeit der gegenwärtigen, westlichen Erfahrungswelt fremd geworden ist, stellt das Phänomen der Askese ernste Anforderungen an unsere Vorstellungskraft und "should challenge all interpreters of religion to rethink methods and approaches and questions."54 B Y N U M S Werk, welches von extravaganten Ausübungen des Fastens und selbstauferlegter Strafübungen christlicher Frauen im Mittelalter handelt, zielt darauf hin, die häufig geäußerte Erklärung, es handele sich um ein Phänomen offensichtlich dualistischen und darum pathologischen Ursprungs, zu widerlegen. Wenn, nach B Y N U M S Auffassung, Theologen meist männlichen Geschlechtes nicht selten die asketische Frömmigkeit dieser Frauen auf einen in die Innerlichkeit projizierten Dualismus und Selbsthaß zurückführten, so handelten sie dabei nicht unbedingt als authentische Sprecher dieser Frauen und ihrer körperlichen, sinnlichen Erfahrungen. Angesichts der Tatsache, daß die Menschlichkeit Christi eine zentrale Erfahrung für viele christliche Frauen (und Männer) im Mittelalter war, zog B Y N U M den Schluß, daß Fasten und Hungern, Keuschheit und Enthaltsamkeit sowie die Kultivierung physischer Schmerzen eine Art des "luxuriating in Christ's physicality" (Schwelgen in der Körperlichkeit Christi) war.55 Es ging also nicht darum, den Körper zu vernichten, sondern darum, latentes Potential des Körpers zu realisieren, indem die schmerzerregten Körper mit den Fleisch Christi vereint wurden, in dessen Wundmalen die Gläubigen soteriologische Therapie zu erleben meinten. Mittelalterliche Askese darf darum nicht so verstanden werden als sei sie "rooted in dualism, in a radical sense of spirit opposed to or entrapped by body."56 Vielmehr, meint B Y N U M , sollte man am zweckmäßigsten von einer imitano Christi im Sinne einer "incorporation of flesh into flesh" sprechen.57 Weder anthropologischer noch christlicher Dualismus kann als eine sachgemäße Erklärung für das mittelalterliche Phänomen weiblicher Selbstkasteiung dienen. Viertens kann man zumindest die Frage aufwerfen, ob das sarkophobische Christentum, soweit es in einem echten Dualismus von Körper vs. Geist oder Seele begründet war, in jedem Fall und zu allen Zeiten eine Degradierung der menschlichen Persönlichkeit darstellte, wie C R O S S A N das vorzugeben scheint. Könnte man sich nicht vorstellen, daß die Idee "WIMBUSH, Rhetorics of Restraint, 3 - 4 . Zur gegenwärtigen Erforschung jüdischer, griechisch-römischer und frühchristlicher Askese vgl. Semeia 57 und 58. 55

BYNUM, Holy Feast and Holy Fast, 246.

A. a. O., 294. " A . a. O., 257. 56

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eines unverletzlichen, geistigen, im hinfälligen Körper eingebetteten Kernes Gläubigen ein erhabenes Gefühl persönlicher Individualität und Wertschätzung vermitteln konnte? Was war eigentlich so menschenunwürdig an dem Wort Jesu, „Was nützt es dem Menschen, die ganze Welt zu gewinnen und seine Seele zu verlieren?" (Mk 8,36)? "Humble people everywhere, who made up the vast majority of people in antiquity, heard his [Jesus'] message and found themselves valued members of a new kind of kingdom in which quality of soul, not social position, was the measure of greatness." 58 Wir haben uns auf ein unverhältnismäßig weites Gebiet historischer Ereignisse und geschichtlichen Denkens eingelassen, um die Verifizierbarkeit einer Typologie zu überprüfen, welche ein Begriffsfeld umfaßt, in dem CROSSAN seine Jesusforschung verortet und expliziert. Seine historische Jesusforschung legitimiert sich demnach auf der Basis eines nichtdualistischen Modells, welches ganz auf den fleischgewordenen Jesus und seine physische Kontinuität im Status der Auferstehung ausgerichtet ist. Unsere Untersuchung versuchte aufzuzeigen, daß CROSSANS Kategorien sich schlecht mit den komplexen und diversen christlichen Erfahrungswelten in Einklang bringen lassen. Überdies laufen sie Gefahr, einen kulturell bedeutsamen Aspekt der christlichen Tradition in Mißkredit zu bringen. Gewiß, CROSSANS theologische Rechtfertigung, wie problematisch sie auch immer sein mag, muß seine Kompetenz als Leben-JesuForscher in keiner Weise in Frage stellen. Aber die Begründungen, welche er für seine historische Arbeit angibt, werfen die Frage auf, warum seine historische Kompetenz als Leben-Jesu-Forscher von einem derart unzulänglichen Verständnis christlicher Historie begleitet ist. Rückblickend erinnern wir daran, daß wir im ersten Teil unserer Ausführungen nachgewiesen haben, wie JOHNSONS Ablehnung der historischen Jesusforschung zusammen mit der Hochschätzung des lebenden biblischen Christus von einem mangelnden und sogar irrtümlichen Geschichtsverständnis begleitet war. Damit sieht man sich abschließend mit der merkwürdigen Tatsache konfrontiert, daß sowohl JOHNSON, der der religiösen Bedeutsamkeit des historischen Jesus prinzipiell ablehnend gegenübersteht, als auch CROSSAN, der die Rekonstruktion Jesu mit großem Können praktiziert, zu bedauerlichen Fehlurteilen bezüglich der Geschichte des Christentums gelangt sind. Wir werden der Frage nach den Ursachen dieses Sachverhaltes am Ende noch einmal nachgehen müssen. CROSSANS These stellt eine Modifikation eines häufig aufgestellten Postulats dar. Das kanonisch sanktionierte Christentum, so das allgemeine

58

RILEY, One Jesus, Many Christs, 30.

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Postulat, förderte die Sensibilitäten einer Inkarnationschristologie, welche die Identität Jesu im Fleische seines Menschseins begründeten. Es scheint unleugbar, daß die kanonischen Evangelien genau diese These narratologisch zu dramatisieren suchen. Was das lateinische Christentum anbelangt, so haben wir selbst darauf hingewiesen, in welch hohem Grade es der körperlichen Eigenart und der materiellen Präsenz Jesu verpflichtet war. Gemessen an diesen kanonischen und mittelalterlichen christologischen Normen sollte die neuzeitliche Leben-Jesu-Forschung daher schlechthin als die legitime Fortführung kanonischer Grund- und Ansätze angesehen werden. Dies ist das klassische Inkarnationsargument, welches zugunsten der modernen Suche nach dem historischen Jesus häufig ins Feld geführt wird. So plausibel auch immer dieses Argument erscheinen mag, es hat zur Folge, daß die beträchtliche Distanz, die sich zwischen den christologischen Modellen der Spätantike und des Mittelalters einerseits und dem historischen Jesus der Moderne andererseits auftut, unterschätzt und überspielt wird. Das Inkarnationsargument hat nicht genügend das Trauma der Moderne zur Kenntnis genommen, welches sich in einem exquisit historischen Bewußtsein und einer von diesem geleiteten leidenschaftlichen Erforschung des eindeutigen, repräsentativen Sinnes kundtut. Die Behauptung, daß der Bezug auf die historische Person Jesu - bestenfalls nur indirekt in den Evangelien vorfindlich und vorwiegend hinter den Evangelien liegend - die grundlegende und einzig berechtigte christliche Sinndeutung darstellt, ist, wie bereits ausgeführt, dem christologischen Denken der Spätantike, der Patristik und des Mittelalters eine von wenigen Ausnahmen abgesehene fremde Vorstellung. 59 Aber, so fragen wir noch einmal nach, ist es nicht unwiderlegbar, daß die kanonischen Evangelien in ihrer narrativen Dramatisierung des irdischen Jesus die Motivierung für die neuzeitliche Suche nach dem historischen Jesus legitimieren, ja geradezu provozieren? Was von der im historischen Bewußtsein verankerten Moderne aus gesehen selbstverständlich erscheinen mag, ist von den Christen während der längsten Zeit westlicher und östlicher Kirchen- und Theologiegeschichte keineswegs so gesehen worden. Hermeneutisch wurden die Evangelien entweder rhetorisch als Diskurs verstanden, welcher Anteil an Erlösung vermittelte, und/oder als ein uner5

' Nicht einmal die theologische Schule von Antiochia, die häufig mit dem wörtlichen Schriftsinn in Verbindung gebracht wird, beschäftigte sich mit einem hinter den Evangelien liegenden historischen Jesus. Die exegetischen Bemühungen eines Theodor von Mopsuestia und Johannes Chrysostomus waren auf den sprachlichen Kontext gerichtet und gerade nicht auf eine vom heiligen Text distanzierte und abstrahierte Sinngebung.

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schöpfliches Reservoir vielfacher Sinnesdeutungen. Man sollte überdies bedenken, daß der Kanon nicht ein Evangelium, sondern vier Evangelien privilegiert hat. Verrät nicht die vierfache Selektion wiederum pluralistische Interessen, welche sich nicht auf historische Eindeutigkeit reduzieren lassen? Ohne Zweifel war es durchaus üblich und akzeptabel, einzelne Evangelientexte miteinander zu harmonisieren und beispielsweise einen Evangelientext durch selektive Ausschnitte eines anderen zu ergänzen, wurde die Bibel doch, wie bereits erwähnt, als Produkt einer einheitlichen göttlichen Intention angesehen. Gewiß, Evangelienharmonien wie etwa Tatians Diatessaron im 2. Jahrhundert brachten deutlich den Wunsch zum Ausdruck, Einheit auf Kosten der Vielheit zu erlangen. Aber selbst Evangelienharmonien waren nicht dazu bestimmt, hinter den Texten vermutete Fakten zu rekonstruieren, sondern vielmehr bereits existierende Lesarten zu einem so verstandenen Idealtext zu fusionieren. Zudem darf man die Abfassung von Evangelienkommentaren nicht außer acht lassen. Von einem sehr frühen Zeitpunkt an schrieben Christen Kommentare zu den vier Evangelien, womit sie jedem Evangelium eine eigenständige Identität zuerkannten. Die kanonische Rezeption und die patristische und mittelalterliche Interpretation der vier Evangelienerzählungen wurde im Rahmen einer pluralistischen Konzeption von Hermeneutik unternommen, lange bevor man den schicksalhaften Schritt unternahm, die vierfache Darstellung auf historische Eindeutigkeit zu reduzieren. Die Legitimität der modernen Leben-Jesu-Forschung kann darum nicht einfach, wenn überhaupt, von der kanonischen, klassischen Inkarnationschristologie hergeleitet werden. Die geistesgeschichtlichen Ursachen der historischen Leben-Jesu-Forschung unterliegen überhaupt keiner monokausalen Erklärung. Wir erwähnten bereits die philosophische Schule des Nominalismus und die von ihr eingeschlagene intellektuelle Wende von den Universalien zu einem hermeneutischen, sprachphilosophischen Partikularismus, welcher in der biblischen Exegese eine Zuwendung zum Hier-und-Jetzt-Sein (haecceitas) des vorgegebenen Textes zur Folge hatte. Nominalistische Philosophie trug mit zum Niedergang des vielfachen und zum Aufstieg des einfachen Wortsinnes bei. Mediengeschichtlich darf man die Erfindung der einzelnen, aus Metall gegossenen Lettern erwähnen, welche die Grundlage für die high tech des modernen Buchdruckes bildeten. Die Typographie unterwarf Sprache einer bisher nie gekannten Reglementierung: Buchstaben von völlig identischer Größe wurden mit geradezu zwanghafter Präzision linear eingereiht und die einzelnen Zeilen im stets gleichem Abstand voneinander getrennt und mit einem geradlinigen Rand versehen. Die moderne Drucktechnik technisierte und verobjektivierte Sprache in einer nie dagewesenen Weise und produzierte Meisterwerke von ehrfurchtgebietender Ästhetik und Pro-

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portionalität. Sprache erhielt dadurch gewissermaßen eine technisch manipulierte, bislang nicht gekannte Autorität. Luthers zunehmende Verwerfung der Allegorie, seine Betonung des Literalsinnes und seine Behauptung, die Schrift sei ihre eigene Interpretin, sind alles Kennzeichen, welche ohne die moderne Erfindung des pnwi-Mediums und der damit verbundenen Illusion, Sprache sei gewissermaßen auf sich selbst gestellt, undenkbar wären. Diese und andere kulturelle Phänomene konvergierten im neuzeitlichen Bewußtsein, welches von einer unstillbaren Neugierde getragen war, den eindeutigen, faktischen Sinn in den Griff zu bekommen. So war es das Ethos der Neuzeit, dieser Durst nach Wissen als Repräsentation konkreter Ereignisse, diese Sehnsucht, Logik und Nexus sowohl von Gesetzmäßigkeiten wie von pathologischen Abartigkeiten zu erfassen - mit anderen Worten, der Wunsch, vollsten Ernst mit dem zu machen, was EDITH WYSCHOGROD "the rectitude of fact" 60 genannt hat was der historischen Fragestellung und dem modernen Forschungsbewußtsein den entscheidenden Antrieb verliehen hat. Der unersättliche Trieb, nach angeblich unzweideutigen und wahrhaft eindeutigen Fakten des Lebens und Todes Jesu zu fahnden, und der Wunsch, mit der Jesusgestalt faktisch ins reine zu kommen, sind daher mehr aus neuzeitlicher curiositasbi als aus innerchristlichen, sich mit zwingender Notwendigkeit ergebenden Entwicklungen zu erklären. So dürfte es sich bei der Leben-Jesu-Forschung wohl mehr um eine geistesgeschichtliche Entwicklung handeln, welche dem Druck modernen und auf Fakten ausgerichteten Denkens nachgegeben hat, als um wesenhafte Verbindungen zu einer sarkophilischen Inkarnationschristologie. Und der Preis, den man für die Unterwerfung unter die Vollmacht historischer Tatsachen zu zahlen genötigt war, war eine rationalistische Reduktion antiker, patristischer und mittelalterlich polyphoner Sensibilitäten auf die nüchterne Strenge des einen, eindeutigen historischen Sinnes. Diese neuzeitliche Fahndung nach Faktizität läßt sich aus keinem Wissensbereich, einschließlich dem der Leben-Jesu-Forschung, mehr wegdenken. In einem gewissen Sinn ist es heute intellektuell nicht mehr denkbar, über die seit der Aufklärung in Gange gekommenen Rationalisierungsprozesse einzig Klage zu führen. Zwar ist die Problemlage bekannt: die Unterdrückung vielfacher Wahrnehmungsfähigkeiten des Sensoriums, die Apotheose des wörtlichen und historischen Schriftsinnes, eine mangelnde Fähigkeit die der Logik selbst innewohnenden Problematiken zu erkennen, die Tendenz, Wahrheit und Fakten für identisch zu WYSCHOGROD, Ethics of Remembering, 66. " Eine meisterhafte philosophische Studie über curiositas (Neugierde) bietet BERG, Die Legitimität der Neuzeit. 60

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halten, und der naive Glaube an uninterpretierte Daten und Informationen, die unvermittelt vorgegeben sind, um lediglich heruntergeladen und auf dem Bildschirm projiziert zu werden. So bedauernswert diese bekannten Erscheinungen auch sind, sie dürfen uns nicht mehr davon abhalten, den Tatsachen auf den Grund gehen zu wollen. Wir blicken zu Beginn des 21. Jahrhunderts auf das vorangegangene Jahrhundert zurück aus dessen klaffenden Wunden noch das Blut strömt, eine Tatsache, welche die Suche nach den Fakten zu einem unaufgebbaren ethischen Gebot gemacht hat. Das Trauma unserer Geschichte ist weniger, daß Fakten unserem Glauben widersprechen oder unsere Fiktionen entlarven, sondern daß Fakten selbst unglaublich, undenkbar und unrepräsentativ geworden sind - und dennoch dringend der Erinnerung bedürftig sind. Die katastrophalen Völkermorde und der staatlich organisierte Terror des vergangenen Jahrhunderts, "whose sheer magnitude and unfigurable ethical force [ . . . ] resists emergence in word and image" 62 legen uns dennoch die Verpflichtung auf, Geschichte so gewissenhaft wie möglich nachzuzeichnen, um sie vor dem Vergessen zu bewahren und den Leugnern der Geschichte das letzte Wort abzusprechen. Historische Fakten sind zu einem ethischen Mandat und die Arbeit des Erinnerns unser moralischer Imperativ geworden. In der sich von KAHLER bis JOHNSON erstreckenden theologischen

Tradition hat man die Suche nach dem historischen Jesus unter dem Vorwand abgelehnt, Geschichte könne nicht als Maßstab für Theologie dienen und der historisch rekonstruierte Jesus sei unfähig, Glauben tragfähig zu machen. Diese Kritik an der Leben-Jesu-Forschung ist von der Polarität Geschichte vs. Glauben motiviert und von einer Leidenschaft, den reinen Glauben zu erhalten, animiert. Andererseits hat CROSSAN die LebenJesus-Forschung unter Hinweis auf ein sogenanntes sarkophilisches und unter Ausschluß eines sogenannten sarkophobischen Christentums zu legitimieren versucht. Im Gegensatz zu beiden rechtfertigen wir die historische Jesusforschung als eine „Ethik des Erinnerns", welche von den tiefen Wunden dieses Jahrhunderts motiviert und auf der moralischen Wirkungskraft historischer Tatsachen begründet ist. Wir privilegieren die historischen Tatsächlichkeiten Jesu gegenüber unserem Glauben, denn was in der Ethik des Erinnerns bedeutsam ist, ist die Verantwortlichkeit Ihm und seiner Geschichtlichkeit gegenüber und nicht das letztlich doch wohl eigennützige Bedürfnis, uns und unseren Glauben abzusichern. Das kann aber nicht bedeuten, daß wir der historischen Forschung kritiklos gegenüberstehen. Und so wenden wir uns im folgenden der von 62

WYSCHOGROD, Ethics of Remembering, 66.

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entwickelten Methodik zu, auf welcher sein Leben Jesu begründet ist. In der gesamten, sich über zwei Jahrhunderte erstreckenden Leben-Jesu-Forschung ist kaum jemals ein auf einer derart logischen und systematisch durchgearbeiteten methodischen Grundlage basierendes und mit einem derart überragenden technischen Können ausgeführtes Leben Jesu geschrieben worden. Wohl niemals zuvor hat man einen kritischen Apparat logischer, formaler Prinzipien entworfen und mit großem historisch-kritischen Geschick angewandt, um das vorhandene Logienmaterial und zum Teil auch Erzählungseinheiten zusammenzutragen, auszuwerten und zu klassifizieren. C R O S S A N S methodische Kompetenz stellt höchste Ansprüche an die gesamte zukünftige Leben-Jesu-Forschung. 63 CROSSAN

Moderne Historiker, die es sich zur Aufgabe gesetzt haben, ein auf den Quellen basiertes Leben Jesu zu schreiben, sehen sich, laut C R O S S A N , mit der Tatsache konfrontiert, daß das Jesusmaterial in verschiedenen Traditionskontexten eingebunden ist. Angesichts dieser Sachlage sei es methodisch unerläßlich, "to search back through those sedimented layers to find what Jesus actually said and did." 64 Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, klassifizierte C R O S S A N das gesamte Logienmaterial Jesu auf Grund einfacher, doppelter, dreifacher und vielfacher Bezeugung. Als nächstes unternahm er eine systematische Bestandsaufnahme kanonischer und außerkanonischer Texte. Unter Berücksichtigung chronologischer Prioritäten teilte er alsdann die gesamte Tradition auf Grund ihres Kompositionsdatums in vier Strata auf, welche von 30 bis 60, von 60 bis 80, von 80 bis 120 und von 120 bis 150 datiert werden. Und letztlich legte er eine Datenbank an, welche einfach, doppelt, dreifach und vielfach bezeugtes Material den jeweilig entsprechenden Strata zuordnete. Aus Platzmangel konzentrierte sich C R O S S A N S Werk fast ausschließlich auf das erste Stratum, und im Interesse maximaler Objektivität schloß er einfache Bezeugung aus, selbst wenn sie im ersten Stratum vorfindlich ist. Chronologische Priorität und Pluralität unabhängiger Bezeugungen werden als Indiz historischer Verläßlichkeit gewertet. "A first-stratum complex having, say, sevenfold independent attestation must be given very, very serious consideration." 65 C R O S S A N S methodisches Vorgehen ist prinzipiell nicht darauf angelegt, die eine ursprüngliche Version von Jesusworten wiederherzustellen. Stattdessen gilt sein Interesse dem gemeinsamen Nenner, welcher seiner Meinung nach den vielfach bezeugten Versionen eines bestimmten Logions zugrunde liegt. Indem er kompositions- und kontextbedingte Vari63

64 45

Vgl. dazu die kritische Analyse der Methodologie CROSSANS bei KELBER, Jesus and Tradition. CROSSAN, The Historical Jesus, xxxi. A . a. O., xxxii.

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anten von den vielen Lesarten eines Logions ablöste, versuchte er eine strukturelle Stabilität zu eruieren, die er "the aphoristic core" oder "the ipsissima structura"66 oder "the core of the complex" oder "a common structural plot" nannte.67 So läßt sich beispielsweise die vierfach unabhängige Bezeugung des Logions von „Gottesreich und Kindern" auf eine "central and shocking" Metapher reduzieren, welche letztlich auf Jesus zurückgeht. Sobald C R O S S A N diesen strukturellen Kern von „Gottesreich und Kindern" aus seinen verschiedenen Traditionsgebundenheiten herausgelöst hat, verpflanzte er ihn in den hellenistisch-jüdischen Kulturraum des 1. Jahrhunderts. In diesem historischen Kontext sind die Kinder weder eine Metapher für Demut (Markus) noch ein Vorbild der mit Wasser und Geist Neugetauften (Johannes) noch eine Anspielung auf die im Stande der Ehelosigkeit Lebenden (Thomas) - alles Varianten der Tradition - , sondern historisch eine Metapher für solche, die ohne jeglichen Rechte sind, die nobodies. Dies letztere ist es, was einem in Galiläa im 1. Jahrhundert unmittelbar in den Sinn gekommen sei, und es ist der Grund, warum der strukturelle Kern von „Gottesreich und Kindern" derart schockierend gewirkt haben mußte.68 Entgegen C R O S S A N kann man sich natürlich fragen, ob "nobody" in der Tat der erste Gedanke war, der einem im 1. Jahrhundert im Mittelmeerraum in den Sinn kam, wenn Jesus von Kindern sprach oder Kindern begegnete. Aber unser Interesse gilt C R O S S A N S Methodik, und das Logion von „Gottesreich und Kindern" ist ein treffendes Beispiel für einen wichtigen Aspekt seiner Methodologie: eine vergleichende Analyse von vielfachen und variablen Bezeugungen eines Logions ermittelt einen sogenannten strukturellen Wesenskern, dessen spezifische Sinndeutung in einem sekundären Vorgang dadurch bestimmt wird, daß diese - von der Tradition befreite - ipsissima structura in den primären Kausalnexus historischen Geschehens eingesetzt wird. "Method, method, and, once again, method"69 proklamierte C R O S S A N , wobei er so etwas wie eine Apotheose der Methodik heraufbeschwört. In der Tat, die Art, wie er Material kontrolliert und die Observationsbedingungen reguliert, verrät eine nahezu brillante Fähigkeit des Organisierens und Kategorisierens, der Stratifizierung oder Schichtenanalyse, des quantitativen Tabellierens, der Chronologisierung und der Benennung von Prioritäten. Die Logik, welche die Triebkraft für seine Methodologie bie" CROSSAN, In Fragments, 3 7 - 6 6 . " CROSSAN, The Historical Jesus, xxxiii, 261. 68

A. a. O., 2 6 6 - 2 6 9 .

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CROSSAN, Historical Jesus as Risen Lord, 5.

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tet, ist von einem effizienten Ordnungssinn, einem systematischen Scharfsinn und einer gedanklich unzweideutigen Klarheit gekennzeichnet. Einzelworte werden von ihrem Kontext losgelöst und isoliert und entsprechend struktureller Gemeinsamkeiten und chronologischer Prioritäten gruppiert und analysiert. Tradition wird in Strata oder Schichten zerlegt, welche nach dem Maßstab chronologischer Entwicklung gemessen werden. Quantitative Logik mißt dem numerisch-mathematisch berechenbaren Quantum von Logienversionen eine hohe Bedeutung bei. Es ist eine Logik, die zwischen sekundären, unwesentlichen Akkreszenzen und Revisionen einerseits und dem Urkern eines Wortes andererseits unterscheidet. Und die Hauptantriebskraft für die Suche nach dem einen, historischen Sinn ist Francis Bacons empirische Erkenntnislehre der Induktion, ein Teilgebiet der Logik, welche von der Betrachtung von Einzelfällen ausgehend zu allgemeinen Schlußfolgerungen gelangt. Wenn man davon ausgeht, daß Jesus allen Berichten zufolge ein aphoristischer und parabolischer Sprecher war, darf man die Frage stellen, wie es seinen Worten unter dem Reglement von CROSSANS Methodik ergeht und ob ihnen Gerechtigkeit vor dem Tribunal der rigorosen Logik zuteil wurde. Jesus war ein Redner, kein Schriftgelehrter oder Kopist, und soweit bekannt ist, sind seine Worte nicht einmal das Ergebnis seines Diktates. All unser Denken über Jesu Verkündigung sollte von dieser mediengeschichtlichen Tatsache ihren Ausgang nehmen. Darum werden sich Historiker, gerade wenn sie an der Performanz der Worte Jesu interessiert sind und sich nicht mit deren Verschriftlichung zufrieden geben, mit dem ungemein schwierigen Problem der Mündlichkeit auseinanderzusetzen haben. Man wird zunächst einmal davon ausgehen, daß Rede, im Gegensatz zu Schrift, keinen sichtbaren Nachweis hinterläßt. Rede geht im Akt des Redens auf. Obwohl die Rede von Logien und Gleichnissen darauf ausgerichtet war, Hörer zu beeinflussen, hat sie dennoch keine nachweisbaren Spuren hinterlassen. Ein Text gründet sich im Akt des Schreibens und überlebt ihn, während sich gesprochene Worte im Akt des Sprechens verbrauchen und bestenfalls unsichtbar im Denken und in den Herzen von Hörern weiterleben. Deshalb alleine schon kann man sich kaum des Eindrucks erwehren, daß die von Jesus gesprochenen Worte quantitativer und klassifikatorischer Logik nicht zugänglich sind. Der kritische Apparat der Logik entstammt und entspricht dem schriftlichen und ganz besonders dem/jnni-Medium und der ihm eigenen linguistischen Stabilität. Schriftlichkeit scheint eine visuell zugängliche Welt von photographischer Präzision darzustellen, welche die Möglichkeit eröffnet, Worte analytisch auseinanderzunehmen, klinische Eingriffe im Text vorzunehmen, Unterscheidungen zwischen traditionellen und redaktionellen Texteinheiten durchzuführen und den Text in klar profilierte

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Schichten zu unterteilen. Diese der Logik eigene Kompetenz, Worte zu isolieren und Wissen zu abstrahieren, entstammt einer langen und intensiven Beschäftigung mit dem geschriebenen und gedruckten Wort. Der Umgang mit gesprochenen Worten hingegen ist ein anderer. Sie ermangeln jeglicher quantitative verifizierbarer Existenz. Sie können nicht "'broken' and reassembled"70, isoliert und rekontextualisiert werden, denn sie entstehen und vergehen im Augenblick des Sprechaktes. So sieht man sich zu dem Schluß genötigt, daß das auf literarischen und typographischen Mediensensibilitäten beruhende formale Denken schwer Zugang zu der oralen Proklamation Jesu finden kann. So darf es für ein äußerst schwieriges Unterfangen gelten, sich eine Vorstellung von der mündlichen Hermeneutik des Vortrages Jesu zu machen, nicht nur weil dieser unseren tief verwurzelten, typographischen Gepflogenheiten zuwiderläuft, sondern auch weil er von einer sich über mehr als zwei Jahrhunderte erstreckenden historisch-kritischen Forschung und deren am chirographischen und print-Text orientierten Methodik überschattet wird. Denken wir zum Beispiel einmal an das Problem des mit der historischen Jesusforschung aufs engste verbundenen sogenannten ursprünglichen Wortes Jesu, des ipsissimum verbum. Es wird in der Leben-JesuForschung weithin angenommen, daß das ipsissimum verbum ein unumstößliches Faktum sprachlicher Existenz sei. Unendlich viel Energie wurde in der Forschung darauf verwendet, die ursprünglichen Worte Jesu zu rekonstruieren. Und dennoch, was Mündlichkeit charakterisiert, ist eine Pluralität von Sprechakten und nicht das eine ursprüngliche Logion. Es ist eine unleugbare Tatsache mündlicher Kommunikationsweise, daß Worte wiederholt und Geschichten erneut erzählt werden, um verschiedene Hörer anzusprechen. Dieses Bedürfnis nach Wiederholung trifft in ganz besonderem Maße auf den charismatischen Wanderprediger zu, dessen effektive Verkündigung von der Rezeption der Hörer abhängig war. Wenn er zuweilen dasselbe Publikum und häufig ein neues Publikum ansprach, so hatte er gar keine andere Wahl als Worte und Geschichten zu wiederholen. Pluralität und nicht eindeutige Originalität sind charakteristisch für die Modalität seiner Rede. Wenn wir uns mit der mündlichen Kommunikationsweise und der ihr angemessenen Hermeneutik vertraut machen wollen, müssen wir uns von einer tief in der Forschung verhafteten Bindung an die Vorstellung vom ursprünglichen Wort freimachen. Wenn Jesus ein aphoristisches Wort an einem Ort aussprach und sich anschließend entschloß, es andernorts er70

ONG, Presence of the Word, 323.

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neut zur Aussprache zu bringen, dann verstanden weder er noch seine Zuhörer diese erneute Wiedergabe als eine sekundäre Version des primären, ursprünglichen Wortes. Vielmehr war jede Wiedergabe ein autonomer Sprechakt. Die zweite Wiedergabe konnte mehr oder weniger identisch mit der ersten sein, oder sie konnte von der ersten unterschieden sein, insbesondere wenn ein neues Publikum angesprochen wurde, welches Anpassungen erforderte. Aber ob die wiederholte Rede identisch oder andersartig war, es wäre weder dem Redner noch seinen Zuhörern in den Sinn gekommen, die ursprüngliche von einer sekundären Version zu unterscheiden, denn jede Wiedergabe wurde als eine ursprüngliche, oder genauer gesagt, als die ursprüngliche Version angesehen. Wenn wir aber einräumen, daß das eine, ursprüngliche Wort in der Mündlichkeit seinen Sinn verloren hat, dann habe wir nicht einfach eine singuläre durch eine pluralistische Konzeption ersetzt. Vielmehr haben wir einen Einblick in die mündliche Hermeneutik gewonnen, in der die Idee des einen, ursprünglichen Wortes unverständig und gegenstandslos ist. Im Gegensatz zu vielen Jesusforschern zeigte CROSSAN ein gewisses Verständnis dafür, daß die Vorstellung vom ursprünglichen Wort mit der Hermeneutik und Ästhetik oralen Vortrages unvereinbar ist. Er selbst will die von ihm eingeführten Begriffe vom "aphoristic core" und der ipsissima structura als Zugeständnis zur mündlichen Hermeneutik verstanden wissen. Ist ein Logion einmal als echtes Jesuswort erwiesen, dann geht, seiner Ansicht nach, die mnemonisch stabile, generische Struktur prinzipiell auf Jesus selbst zurück; deren spezifische Bedeutung wird dann durch Wiedereinsetzung in einen historisch rekonstruierten Kontext bestimmt. Nun ist es wohl bekannt, daß in mündlichen Kulturen aufgewachsene Sprecher mit einer festgefügten und oft rhythmisch stabilen, formelhaften Diktion arbeiten. Aber im Gegensatz zu Theoretikern mündlicher Vortragskultur machte sich CROSSAN Stabilität als Träger der einen, einzigen Sinngebung zunutze. Der strukturelle Kern des Wortes über „Gottesreich und Kinder" wird auf die eine schockierende Metapher von der Aufnahme der Rechtlosen ins Reich Gottes reduziert. Damit hat er im Grunde die ipsissima structura im Sinne von ipsissimum verbum ausgelegt. Es ist natürlich möglich, daß ein struktureller Kern eine einzige Deutung beinhaltet. Aber in der Regel darf formelhafte Stabilität nicht mit Eindeutigkeit gleichgesetzt werden. In der Tat, nirgends ist die Identifizierung von struktureller Abstraktion mit inhaltlicher Eindeutigkeit weniger sinnvoll als in der mündlichen Kultur. Es ist weitaus angemessener, sich den aphoristischen Kern als eine Art von Instrument vorzustellen, dem der Künstler Musik zu entlocken vermag. Was im mündlichen Vortrag entscheidend ist, ist nicht nur das Instrument, sondern in ganz besonderem Maße auch die Performanz. Letztere geschieht, indem der

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Sprecher den strukturellen Kern eines Logions variiert, moduliert und transformiert. So kann das Wort vom „Gottesreich und den Kindern" in mündlichen Vorträgen durchaus unterschiedliche Bedeutungen annehmen. Variabilität von Kernstrukturen und nicht Reduktion einer Kernstruktur auf eine einzige Sinngebung charakterisiert den mündlichen Vortrag. CROSSANS Suche nach struktureller Stabilität offenbart den tiefen Wunsch der Logik, den Strom der Zeitlichkeit einzudämmen und eine die zeitgebundene Sprache überwindende Permanenz sicherzustellen. Aber die Worte des charismatischen Wanderpredigers lassen sich nicht auf Kernstrukturen mit eindeutigen Sinngebungen beschränken. Seine Verkündigung war gemäß der Logik mündlicher Hermeneutik aufs Ganze gesehen vielgestaltig, wobei jedes einzelne vorgetragene Logion gleichursprünglich mit jedem anderen war. Ein dreimal erzähltes Gleichnis konnte weder als eine authentische Version und zwei davon abgeleitete, sekundäre Varianten noch als Kernstruktur und drei Varianten verstanden werden, sondern stets als drei gleichursprüngliche Darbietungen, die durchaus verschiedene Interpretationen beinhalten konnten. CROSSAN versuchte ein weiteres Zugeständnis gegenüber mündlichem Pluralismus zu machen, indem er das Recht der Mehrheit privilegierte. Vielfacher Bezeugung schenkte er große historische Glaubwürdigkeit, wiewohl er, wie wir sahen, prinzipiell Pluralität als solcher abgeneigt ist und grundsätzlich für eine Reduktion des Plurals zum Singular optiert. Nun ist aber das Phänomen einer Pluralität von Versionen komplex, denn vielfache Bezeugung eines Logions ist sowohl auf der Ebene von Jesu eigener Verkündigung wie auf der Ebene der Tradition mit Sicherheit anzunehmen. In einem seiner eigenen Werke 71 hat CROSSAN überzeugend nachgewiesen, daß die Erhaltung der Vergangenheit als solcher keineswegs die einzige und häufig nicht einmal die wichtigste Motivation in der synoptischen Traditionsgeschichte war. Der stärkste Impuls für eine geschichtliche Entwicklung der Tradition lag im Erinnern an die Vergangenheit im Interesse der Gegenwart mit dem Ziel, die Vergangenheit gewissermaßen als Gegenwart zu legitimieren.72 Gemessen an dieser Einsicht besagen vielfache Bezeugung und große Variationsbreite eines Logions in erster Linie seine Funktionsfähigkeit im Kontext kultureller Erinnerungsprozesse. Diese Tatsache kann historische Echtheit weder beweisen noch widerlegen. Aber es ist unangemessen, den iterativen und

" CROSSAN, In Fragments. 72

ASSMANN, Das kulturelle Gedächtnis.

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adaptiven Charakter der Tradition prinzipiell als Evidenz für historische Authentizität auszuwerten. Kaum weniger problematisch ist die Ausscheidung eines jeden Falles singulärer Bezeugung. Dieser Umstand wiegt um so schwerer, wenn man bedenkt, daß in CROSSANS gesamter Materialsammlung von 522 Worten und Erzähleinheiten insgesamt 342 einfach bezeugt sind.73 Das bedeutet, daß etwa zwei Drittel der Jesus-Tradition wegen singulärer Bezeugung von jeglicher Reflexion ausgeschlossen sind. Hier handelt es sich um ein methodisch korrektes, aber historisch problematisches Verfahren. Es ist zweifellos methodisch korrekt, weil es völlig der Logik der quantitativen Methode entspricht. Man stößt all das aus, was außerhalb der relativ eng begrenzten methodischen Reichweite liegt. MICHAEL GIESECKE schreibt einmal in seinem Meisterwerk Der Buchdruck in der frühen Neuzeit, daß man für jede Methode einen Preis zahlen muß, wobei „viele Ideen und Fakten, die von allgemeinem Interesse sind, unter den Tisch fallen" 74 . Das Verfahren der Ausscheidung singulärer Bezeugung ist historisch problematisch, wenn man bedenkt, daß man es mit einer Persönlichkeit zu tun hat, die vom jüdischen Establishment nicht toleriert und von den römischen Machthabern zum Tode verurteilt wurde und deren Leben und Tod einen ungemein folgenschweren Erinnerungsprozeß ausgelöst hat. Man kann dieser Person einen hohen Grad an Autorität und ihrer Rede eine besondere Individualität kaum absprechen. So muß man befürchten, daß die systematische Aussonderung von zwei Dritteln singulär bezeugter Logientradition die Rekonstruktion des Lebens und der Botschaft Jesu aufs gröbste zu verzeichnen droht. Ganz gewiß, einfache Bezeugung kann historische Echtheit weder beweisen noch widerlegen. Aber es ist unangemessen, singuläre Bezeugung prinzipiell von jeglicher Erwägung auszuschließen. Aber halten wir für einen Augenblick inne, um CROSSANS Gesamtwerk in Analogie zu einem Beispiel aus der klassischen Geschichtsschreibung zu überdenken. Stellen wir uns eine Historikerin des klassischen Altertums vor, die es sich zur Aufgabe gestellt hat, eine Biographie des Vorsokratikers Heraklit von Ephesus zu schreiben. Unsere Historikerin beginnt mit den 130 Fragmenten, die uns von Heraklit erhalten sind, und sie rekonstruiert so weit wie möglich deren sogenannte ursprüngliche Fassung, bzw. deren strukturellen Kern, indem sie die Fragmente untereinander und mit den von einer Traditions geschieh te überlieferten HeraklitWorten vergleicht. Anschließend integriert sie die fragmentarischen

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CROSSAN, The Historical Jesus, xxxiii, 434. GIESECKE, Buchdruck, 23

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Kernstücke im Kontext der griechischen Geschichte des 6. und 5. Jahrhunderts, um auf diese Weise ihren historischen, von Heraklit beabsichtigen Sinn zu eruieren. Die Frage stellt sich, ob diese Art der Selektion, der Abstraktion und der Rekontextualisierung auch nur annähernd eine Biographie des Philosophen Heraklit zustande bringen könnte. Man mag einwenden, die Analogie liege schief, weil Heraklit ein Philosoph war, dessen Denken bewußt vom täglichen Leben abstrahierte, während Jesus, mutmaßlich eine charismatische, prophetische Figur, die menschliche Situation direkt ansprach. Andererseits darf man fragen, ob Heraklits oft dunkle und rätselhafte Fragmente ohne jeglichen Bezug auf die politische Katastrophe der brutalen Unterdrückung des Aufstandes griechischer Städte gegen den persischen König Darius I. waren. Letztlich aber hat man zu bedenken, ob man überhaupt das Recht zu einer historischen Biographie eines Heraklit, eines Napoleon, eines George Washington, oder einer Madame Curie beanspruchen kann, wenn man sich ausschließlich auf die Worte dieser Persönlichkeiten beschränkt, wie sachgemäß auch immer deren Rede rekonstruiert und in den entsprechenden historischen Kontext integriert sein mag. Kann man sich Historiker vorstellen, deren Biographie einer geschichtlichen Persönlichkeit sich ausschließlich auf der Basis höchst selektiver, oft sekundär rekonstruierter Worte gründet, welche dieser Person zugeschrieben werden? Trotz CROSSANS unerschütterlicher Zuversicht in Methodik wird man sagen dürfen, daß seine sich auf eine selektive Anthologie von Jesusworten stützende Biographie ein Modell der Geschichtsschreibung darstellt, welches außerhalb der neutestamentlichen Wissenschaft wohl wenig Zustimmung finden dürfte.

Schlußbemerkungen

Indem wir unsere Bedenken zur gegenwärtigen Jesusforschung zum Abschluß bringen, wollen wir damit keineswegs der Diskussion ein vorzeitiges Ende setzen. Im Gegenteil. Die fünf abschließenden Gedanken sollen neue Gedanken anregen, denn der gegenwärtige Forschungsstand ist von überflüssigen Wiederholungen, fragwürdiger Methodik und institutionell verwurzelten Kategorien und Gepflogenheiten belastet, die neue Perspektiven dringend notwendig erscheinen lassen. Erstens war ein diese Ausführungen stets begleitendes Thema die vielfach tradierte Traditionsgeschichte, welche sich im Vermächtnis Jesu kundtat. Es läßt sich schwerlich leugnen, daß Jesus, der Sprecher von Logien und Gleichnissen, gleiche und variable, aber stets gleichursprüngliche Versionen seiner Verkündigung zur Sprache brachte. Wenn wir uns Jesus

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als den Anfang der Traditions- und Rezeptionsgeschichte vorstellen, dann sollten wir Anfang nicht als ipissimum verbum oder ipsissima structura denken, sondern als eine Pluralität gleicher und disparater Worte. Am Anfang waren die Worte! Was die kanonische, neutestamentliche Schrifttradition betrifft, so bietet sie - weit davon entfernt, ein einheitliches christologisches Modell vorzustellen - ein kaum zu widerlegendes Beispiel von vielfachen christologischen Denkvorstellungen und Erzählweisen. Nach ASSMANN und mit SCHRÖTER kann die frühchristliche Tradition in höchst adäquater Weise als erinnernde Vergegenwärtigung, oder als produktive Erinnerung, expliziert werden, d. h. als ein Prozeß, die eigene Gegenwart von Jesu Ursprung her zu verstehen und religiös zu festigen bzw. die Vergangenheit als Gegenwart zu legitimieren.75 Frühchristliche, patristische und mittelalterliche Bibelexegese distanzierte sich im großen und ganzen von der Sequestrierung des unerschöpflichen Reichtums biblischer Verkündigung im Kerker des einfachen Wortsinnes. Wenn man unter Ironie den Vorgang versteht, das Gegenteil dessen zu erreichen, was man anfänglich beabsichtigte, dann ist Ironie ein die gesamte Geschichte der modernen Leben-Jesu-Forschung begleitendes Merkmal. Nur ist uns vielleicht das Ausmaß dieser Ironie noch nicht genügend zum Bewußtsein gekommen. Allzu häufig geht man noch immer von der unerschütterlichen Uberzeugung aus, daß uns die LebenJesu-Forschung eben doch Schritt für Schritt der historischen Wahrheit näher bringt. Aber wenn wir die Jesusforschung nicht aus einer langzeitigen, geschichtlichen Perspektive überblicken, können wir uns der ihr innewohnenden hermeneutischen Ironie nicht voll bewußt werden. Von der Perspektive der longue durée aus gesehen verließen wir das Haus antiker, patristischer und mittelalterlicher polyvalenter Exegese, um im Geiste der Aufklärung auf dem soliden Boden des einfachen, historischen Schriftsinnes Boden zu fassen. Zu Beginn des neuen Jahrhunderts scheinen wir uns mehr denn je in der Vielfalt einer verwirrenden, kein Ende nehmenden Proliferation von Jesusbüchern verloren zu haben. Jedes neue Jesusbuch intensiviert unser Bewußtsein des Pluralismus und entfernt uns immer weiter vom ursprünglich beabsichtigten, eindeutigen, repräsentativen Schriftsinn. Wenn der Pluralismus in der vergangenen und gegenwärtigen christlichen Traditionsgeschichte häufig als ein Hindernis betrachtet wird, das es zu überwinden gilt, dann sei daran erinnert, daß wir auf dem Gebiet der Kunst seit je an mannigfache Interpretationen religiöser Themen ge-

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ASSMANN, Das kulturelle Gedächtnis; SCHRÖTER, Erinnerung an Jesu Worte, 459-486; DERS., Jesus und die Anfänge.

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wohnt sind, die wir im allgemeinen als positive und bereichernde Erfahrungen beurteilt haben. Der Kern der Ironie ist darum nicht die pluralistische Proliferation als solche, sondern die Tatsache daß jeder neue Beitrag mit der dezidierten Absicht geliefert wurde, der Proliferation ein Ende zu setzen. 76 Zweitens lassen sich die Thesen JOHNSONS und CROSSANS bei aller Unterschiedlichkeit auf gewisse epistemologische Gemeinsamkeiten zurückführen. Zwar haben wir in unseren Ausführungen das antithetische Verhältnis beider Thesen klar herauszustellen versucht. JOHNSONS Rezeption des sogenannten biblischen Christus ist CROSSANS methodisch präziser Herausarbeitung des historischen Jesus diametral entgegengesetzt. Genaugenommen bringt CROSSAN der Tradition ein größeres Verständnis entgegen als JOHNSON dem historischen Jesus. Für JOHNSON ist "Christian faith not directed to a human construction about the past; that would be a form of idolatry." 77 CROSSAN hingegen räumt ein, "that there will always be divergent historical Jesuses, [and] that there will always be divergent Christs built upon them." 78 Abgesehen von diesen fundamental entgegengesetzten Ansätzen und Ausführungen neigten sowohl JOHNSON wie CROSSAN dazu, christliche Wahrheit mit einem monolithischen Aspekt der Tradition gleichzusetzen, sei es nun der biblische Christus oder der historische Jesus. Diese epistemologische Exklusivität des Ansatzes, welche beiden Autoren gemeinsam ist, hat ihre Spuren in beiden Thesen hinterlassen. Beide sind bemüht, das Phänomen einer pluralistischen Traditionsgeschichte zu überwinden. JOHNSONS biblischer Christus beruht auf dem Postulat einer grundlegenden Ubereinstimmung aller neutestamentlicher Christologien. CROSSAN wies das Phänomen der Pluralität der Tradition zu, um die Eindeutigkeit der Rede Jesu in den logischen Griff zu bekommen. Die singuläre Fokussierung führte in beiden Fällen zu einer Verkennung der frühchristlichen, pluralistischen Traditionsgeschichte. Hinzu kommt, daß beide Thesen ein mangelhaftes bzw. verzerrtes Bild insbesondere der mittelalterlichen Kirchengeschichte implizieren. Wir erinnern uns an das zu Anfang angeführte Motto TRACYS, daß das, was als Wahrheit Gültigkeit hatte, seit der Aufklärung in immer begrenztere Modelle eingefangen wurde. Im gewissen Sinne war sich JOHNSON dessen bewußt, wenn er feststellte: "by reducing everything to a single dimension, the historical model distorts what it can know and misses a " W a s das Phänomen des Pluralismus in der Tradition anbelangt, vgl. FROEHLICH, 'Aminadab's Chariot', und Luz, Kann die Bibel. 77 JOHNSON, The Real Jesus, 143. 78 CROSSAN, The Historical Jesus, 423.

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great deal of what is important to know" 79 . Wie wir zu zeigen versuchten, entwarf C R O S S A N gewissermaßen ein innerchristliches Feindbild, wobei er christliche Identitäten, Erfahrungen und Sensibilitäten einer scharfen Kritik aussetzte, weil sie mit dem von ihm rekonstruierten historischen Jesusbild, in das er einen großen Teil seines wissenschaftlichen Prestiges investiert hat, nicht übereinstimmten. Aber einen ähnlichen Einwand kann man gegen J O H N S O N erheben, insoweit er die Pluralität der Traditionen innerhalb des Neuen Testaments nivellierte und Teile der christlichen Tradition verzeichnete, gerade weil er sich einseitig einem einförmigen Modell des sogenannten biblischen Christus verpflichtet fühlte. Könnte es nicht sein, daß diese J O H N S O N und C R O S S A N charakterisierenden Problematiken mit einer jeweilig totalisierenden Epistemologie zu tun haben, in dem Sinne daß die einseitige Zentralisierung eines Aspektes der Tradition um den hohen Preis einer großen Vereinfachung christlicher Traditionen, einer Verkürzung christlicher Identitäten und einer Verzerrung, wenn nicht gar Verunglimpfung, christlicher Sensibilitäten erkauft wurde? Insofern wir drittens die historische Jesus-Forschung einer kritischen Analyse unterzogen, beabsichtigten wir keineswegs ihre theologische Relevanz zu bestreiten. Vielmehr geht es darum, den unkritischen Enthusiasmus eines historischen Positivismus in die Schranken zu fordern und hermeneutische Nachlässigkeit durch hermeneutische Reflexion zu ersetzen. Mit Recht hat JENS S C H R Ö T E R darauf aufmerksam gemacht, daß die „hermeneutische Frage nach der Aneignung der Vergangenheit in der neueren Diskussion [ . . . ] weitgehend in den Hintergrund getreten" ist.80 Angesichts des geradezu verblüffenden Optimismus, mit dem besonders in nordamerikanischen Fachkreisen die Jesus-Forschung vorangetrieben wird, muß man sich fragen, ob uns jeglicher Sinn für Hermeneutik, für die Geschichte und die Prozesse des Verstehens und für die Aneignung von Vergangenheit abhanden gekommen ist. Sind wir uns dessen bewußt, daß das qualvolle Ringen um ein Verstehen des Anderen, insbesondere des Vergangenen, ein zentrales philosophische Problem darstellt, welches im postmodernen Denken genau an der Schnittstelle zwischen Ethik und Hermeneutik liegt? Man kann sich manchmal des Eindruckes nicht erwehren, daß B U L T MANNS programmatisches Urteil, daß „jede Interpretation notwendig von einem gewissen Vorverständnis der in Rede oder in Frage stehenden Sache getragen ist"81 (eine Einsicht, die er sowohl S C H L E I E R M A C H E R wie JOHNSON, The Real Jesus, 172. SCHRÖTER, Jesus und die Anfänge, 13. 81 BULTMANN, Das Problem der Hermeneutik, 62. 75

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auch HEIDEGGER ZU verdanken hat), in der gegenwärtigen nordamerikanischen Leben-Jesu-Forschung in Vergessenheit geraten ist. Naturgemäß neigt jeder Autor dazu, sich für die historisch zuverlässige Autorität ihres oder seines Jesusbuches, unter Absehung der verwirrenden Fülle von Jesus-Darstellungen, zu verbürgen. Darin liegt die bereits erwähnte Ironie der Leben-Jesu-Forschung. Es muß hier an ein hermeneutisches Grundprinzip erinnert werden, daß es keine unbefangenen Autoren und Texte, keine unbeeinflußten Augen und Ohren und keine vorurteilsfreien Leser gibt. Daß Sprache sowohl enthüllt als auch verhüllt, ist eine Erkenntnis, die weit über die kleine Berghütte im Schwarzwald hinaus Anerkennung gefunden hat. Methode, das unaufgebbare Instrumentarium aller historischen Forschung, stipuliert die Bedingungen, unter denen Beweisstücke zugelassen werden, aber es setzt auch autoritär Grenzen für den Wissensbereich, innerhalb dessen Diskussion zulässig ist. Überdies sollten wir im Zeitalter der Postmoderne Einsicht in die mangelnde Stabilität aller Texte und in die politische Dimension des Schreibens und Lesens gewonnen haben. Angesichts dieser und vieler anderer hermeneutischer Problematiken und Einsichten wird man unumwunden dem Urteil SCHRÖTERS zustimmen können, welches wir als eines der Mottos über diese Ausführungen gesetzt haben: „Einen durch historische Forschung gesicherten Jesus wird es nicht geben, sondern nur vorläufige, der Veränderung unterworfene Rekonstruktionen." 82 Die Geschichte der Leben-Jesu-Forschung sagt viel über die Kraft und die Neigung unserer Sehnsucht aus, aber sie wird niemals eine gesicherte Erfüllung erfahren dürfen. Viertens messen wir der historischen Jesusforschung eine hohe Bedeutung zu und insistieren auf ihrer unaufgebbaren Bedeutung, auch wenn wir grundsätzliche Methoden, Prämissen und Ergebnisse problematisieren und die endgültige Zielsetzung in Frage stellen. Wenn man in der Tradition von KAHLER und JOHNSON mit dem Prinzip arbeitet, Glaube, der auf den Werken der Geschichte ruhe, sei kein reiner Glaube, so berufen wir uns dagegen auf die „Ethik des Erinnerns", welche an die moralische Aufgabe historischer Forschung appelliert. Traumatisiert vom Blutbad des vergangenen Jahrhunderts wehren wir uns dagegen, daß dem Glauben jemals wieder volle Immunität von der "rectitude of fact" gewährt werden darf, daß der Glaube jemals wieder von der Geschichte isoliert und von dem Geschick der namenlosen Vielen unberührt bleiben darf. Die Einbeziehung der ethischen Dimension in biblische Exegese füllt einen Platz, der in der Hermeneutik häufig unbesetzt geblieben ist.

82

SCHRÖTER, Jesus und die Anfänge, 20.

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Doch in welcher Weise dürfen beispielsweise in den Evangelien erzählte Christologien eine Korrektur durch den historischen Jesus erfahren, und wann darf die rekonstruierte historische Jesusfigur als Maßstab für die Vielzahl neutestamentlicher Christologien dienen? In der christlichen Tradition sollte die „Ethik des Erinnerns" einen gemeinsamen Bund mit der augustinischen Hermeneutik eingehen, welche „eine Interpretation die zum Reiche der caritas beisteuerte", zum Ziele hatte. Die „Ethik des Erinnerns" im Geiste der augustinischen caritas besagt, daß der historische Jesus durchaus als Korrektur für die Evangelien dienen kann, wenn durch letztere anderen Schaden zugefügt wird. Wenn man beispielsweise beobachtet, wie in den Evangelien die Schuld an Jesu Hinrichtung zunehmend von den römischen Autoritäten auf die Juden übertragen wird, dann fordert die „Ethik des Erinnerns", daß wir die Geschichte als Zeuge anrufen, um Korrektur an der Tradition vorzunehmen. Fünftens sollte die Problematik des einfachen vs. dem vielfachen Sinn, von Geschichte vs. Glaube und von Fakt vs. Fiktion nicht das letzte Wort dieser Ausführungen sein. Was den historischen Jesus anbelangt, so läßt sich vieles nicht in den genannten Kategorien ausdrücken und vieles nicht in sprachlichen, ikonographischen und elektronischen Medien wiedergeben. So steht uns zum Beispiel ein umfangreiches Material über die Passionsgeschichte zur Verfügung. Die historischen Umstände, die Rechtslage, die Quellenfrage und die narrative Darstellungen wurden sämtlich eingehendst studiert. Vom Standpunkt der „Ethik des Erinnerns" wird man aber sagen müssen, daß weder historische Akribie noch genaue juristische Kenntnisse noch Quellenanalyse, und nicht einmal die literarischen Plotstrukturen der Geschichte vom Tode Jesu gerecht werden können. Wie seltsam, daß die Forschung trotz eingehendster Untersuchungen aller Aspekte seines Todes selten, wenn überhaupt, die Einsicht auszusprechen wagte, daß die Kreuzigung im Grunde unvorstellbar und unrepräsentierbar sei. Fakt oder Fiktion, Geschichte oder Glaube, einfache oder mehrfache Bezeugung, Logik oder caritas - die Hinrichtung durch Kreuzigung wird sich für immer unserem Vorstellungs- und Interpretationsvermögen entziehen.

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Erzählung und Ereignis Uber den Spielraum historischer Repräsentation MICHAEL MOXTER

Zu den Grenzen unseres Wissens trägt auch die Unmöglichkeit bei, uns selbst historisch zu beobachten. Um so enger zeitgeschichtliche Betrachtungen an unsere eigene Gegenwart heranrücken, um so ungewisser wird uns die Zukunft der Erinnerung, gleichsam der Reim, den sich die Historiker über uns machen werden. Das liegt vor allem daran, daß wir nicht wissen können, im Lichte welcher zukünftigen Ereignisse von unserer Zeit erzählt werden wird. Die Unbestimmtheit der Zukunft und mit ihr die Ungenauigkeit aller Antizipationen bilden einen blinden Fleck unseres Selbstverständnisses. Was wir gleichwohl wissen können, das hat JAN ASSMANN unter der Frage, wie die Erinnerung an den 11. September sich darstellen wird, „wenn das, was jetzt Gegenwart ist, einmal Vergangenheit sein wird", mit der folgenden Behauptung umrissen: „Was und wie wir erinnern, richtet sich nicht nach dem, was eigentlich passiert und wie es eigentlich gewesen ist, sondern ausschließlich danach, warum wir die Geschichte davon erzählen werden, in Verfolgung welcher Ziele, welcher politischer Absichten"1. Diese Behauptung verdient eine Diskussion. Um sie voranzubringen, sollte man drei Begriffe in eine Ordnung bringen: Wäre da nicht das Ereignis, wir hätten nichts zu erzählen. Indem wir aber erzählen, indem wir zu sagen versuchen, was geschehen ist, bilden wir nicht nur Fakten ab, spiegeln wir nicht nur Tatsachen, sondern wir refigurieren und beurteilen unter allgemeinen Gesichtspunkten. Der Richtwert der Erzählung ist dabei nicht das, was eigentlich gewesen ist, sondern die Erinnerung und ihre Horizonte. Daraus entspringt eine konstitutive Spannung, aber auch eine unübersteigbare Differenz. Durch die Erzählung halten wir das Ereignis ebensosehr fest, wie wir uns zugleich von ihm entfernen. Die Logik der Erinnerung erlaubt es an keinem einzelnen Punkt, mit einem klaren kriteriologischen Schnitt die beiden Seiten dieser Differenz in ein sogenanntes ' So in der Frankfurter Allgemeinen vom 1. Oktober 2001.

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nacktes und uninterpretiertes Ereignis und in die eigene subjektive Erzählung zu zerlegen. Damit ist nicht gemeint, daß es überhaupt keinen Unterschied gäbe zwischen fiktiven und historischen Erzählungen oder zwischen eigener Konstruktion, eigenem Erleben und den Ereignissen. Kein Unterschied kann im Prinzip gewisser sein als dieser, denn mit ihm operiert der historische Sinn, durch ihn konstituiert sich das historische Bewußtsein. Daß die Grenze zwischen den Ereignissen und den sie deutenden Erzählungen gleichwohl nicht in jeder Hinsicht klar gezogen werden kann, ist jedoch eine Näherbestimmung dieses historischen Sinnes und der zu ihm gehörenden Unterscheidung. Auf beide Aspekte zielt im folgenden der Begriff eines Spielraumes historischer Repräsentation. Mit Spielräumen hat man es überall dort zu tun, wo es statt der einzig richtigen Lösung nur die gleichzeitige Vermeidung gegenläufiger Fehler gibt. Wie bei pathologischen Phänomenen der geschwächte Sinn für das Reale genauso neurotisierend sein kann wie der geschwächte Sinn für das Irreale2, Gesundheit also als Spielraum gilt, so bedarf auch der historische Sinn eines Spielraumes, dessen Pole nicht einseitig aufzulösen sind. ECKHARD RAU hat den Begriff des Spielraumes benutzt, um das Verfahren seiner Jesusdarstellung zu erläutern, sowohl historisch im Verhältnis zu ALBERT SCHWEITZERS Kritik der Leben-Jesu-Forschung wie auch

in methodologischer Hinsicht. 3 Denn es gilt die Einsicht, daß sich das Leben Jesu nicht darstellen läßt, ohne eine subjektive Einfärbung einzubringen, der man stets nachsagen kann, daß sie mehr über den Autor als über seinen Gegenstand verrät. Die subjektive Konstruktion, die Produktivität des ein Jesusbild entwerfenden Autors könne nicht sistiert werden, vielmehr müsse man, was sich nicht vermeiden läßt, nach Kräften nutzen und nach Möglichkeit methodisch kontrollieren.4 Insofern rücken SCHWEITZERS Begriffe der Intuition und des fortgesetzten Experimentierens gemeinsam mit dem aktuellen Begriff des Konstruktivismus in den Rang von Darstellungsprinzipien und -mittein. Freilich jeweils mit dem Zusatz, daß es sich um historische Intuition, um historisch-kritisch gezügelte Phantasie handele. Exegetisch steht die - von RAU abschlägig beschiedene - Frage zur Diskussion, ob es ein Kriterium gibt, das es erlaubt, echte von unechten Jesusworten klar zu unterscheiden. Daß ein solches Kriterium auch im dritten Anlauf der Jesusforschung nicht fundiert werden konnte und daß 2

3

4

Vgl. G . BACHELARD, zitiert nach B. WALDENFELS, In den N e t z e n der Lebenswelt, Frankfurt a. M . 2 1 9 9 4 , 232. E. RAU, Jesus - Freund von Zöllnern und Sündern. Eine methodenkritische Untersuchung, Stuttgart 2000, 79. A. a. O., 74.

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gleichwohl mit einer solchen Unterscheidung operiert werden muß, führt auf den Weg eines historischen Experimentierens, den SCHWEITZER gleichsam in Vorwegnahme einer Pointe des kritischen Rationalismus betritt. Aufgebaut werden soll ein hypothetisches Wissen, das „nur solange Gültigkeit hat, als es nicht durch eine absolute Unmöglichkeit bei der Anwendung auf die Gesamtheit der überlieferten Tatsachen außer Kraft gesetzt" 5 , also falsifiziert wird.6 Kann Wahrheit nicht im direkten Zugriff auf eine nur abzubildende Wirklichkeit ermittelt werden, bleibt jede Darstellung auch Verstellung und insofern .konstruktiv', so modifiziert dies den Wahrheitssinn zu einem Verhältnis von Interpretationsrisiko 7 und möglichem Scheitern. Als Alternative zur Skepsis ergibt sich so der „Mut zur Hypothese" 8 . Ich hoffe daher, daß der Begriff des Spielraumes historischer Repräsentation ein angemessener Titel ist, um den methodenkritischen Aspekt des von ECKHARD RAU eingeschlagenen Weges der Jesusforschung aus einer systematisch-theologischen Perspektive zu kommentieren. Dies soll in drei Schritten geschehen, indem am Leitfaden der Begriffe Ereignis und Erzählung zunächst das grundsätzliche Problem der Wahrnehmung des Historischen, dann die für BULTMANN charakteristische Reaktion auf die Leben-Jesu-Forschung beschrieben wird. Ein dritter Teil paraphrasiert, wie PAUL RICŒUR die historische Referenz unter der Bedingung der Erzählung denkt.

I. Voraussetzungen der historischen Frage 1901, also vor genau hundert Jahren, hat WILLIAM WREDE das Fazit gezogen, auch die älteste Quelle der Jesuserzählungen, das Markusevangelium, vermittle aufs Ganze gesehen keine historische Anschauung mehr vom wirklichen Leben Jesu. Es gehöre vielmehr bereits zur kirchlichen 5 6

7 8

Geschichte der Leben-Jesu-Forschung, 4 1926, 6f., zitiert nach RAU, a. a. O., 75. Man kann bei SCHWEITZER einen Einfluß seiner NIETZSCHE-Lektüre vermuten. Denn NIETZSCHES Begriff der Experimentalphilosophie ist der genaue Ausdruck eines Wahrheitssinnes, der unter der Voraussetzung radikaler Perspektivität aller unserer Erkenntnisse dennoch am Werk ist: „Ich lobe mir eine jede Skepsis, auf welche mir erlaubt ist zu antworten: .Versuchen wir's!' Aber ich mag von allen Dingen und allen Fragen, welche das Experiment nicht zulassen, Nichts mehr hören. Diess ist die Grenze meines .Wahrheitssinnes': denn dort hat die Tapferkeit ihr Recht verloren." (Die Fröhliche Wissenschaft, Stück Nr. 51, in: Nietzsche Werke. Kritische Gesamtausgabe, Bd. V2, hg. von G. COLLI und M. MONTINARI, Berlin/New Y o r k 1973, 89f.). Zur Verwendung des Risikobegriffs vgl. RAU, a. a. O., 76. Vgl. RAU, a . a . O . , 168.

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Dogmengeschichte, da es vor allem eine übergeschichtliche Glaubensauffassung enthalte. Aus heutiger Perspektive kann man diese Äußerung mit Sinn versehen und zugleich irritiert sein. Denn so sehr man der negativen Seite dieser Auskunft zustimmen möchte, so wenig kann man verkennen, daß die Leitbegriffe der Ubergeschichtlichkeit bzw. des Dogmas als willkürlicher Setzung und daß schließlich der Gegensatz, in den beide zum wirklichen Geschehen gesetzt werden, mit der für das neunzehnte Jahrhundert typischen Differenz von metaphysischer Spekulation und historischem Bewußtsein präzise übereinstimmen. Wie zu der Wirkungsgeschichte dieser Differenz die Historisierung auch des historischen Bewußtseins gehört, so darf man zu ihren Voraussetzungen die Uberzeugung rechnen, eben das, was der älteste Text nicht leiste, zähle zu den erfüllbaren Aufgaben des Historikers: ein objektives Bild der wirklichen Ereignisse zu geben. Das Problembewußtsein spannt sich auf zwischen einem historischen Positivismus, der Ereignisse als Fakten begreift, und einer Erzähltradition, die den Vorkommnissen einen Rahmen verschafft, aber auch die Wortüberlieferung durchgängig prägt - wie eine formgeschichtliche Analyse bald nachweisen sollte. Die Perspektiven dieses Problembewußtseins werden also durch einen Antagonismus von Ereignis und Erzählung geprägt. Aus dem Stil der Uberlieferung folgt die Unzugänglichkeit des Geschehens und hinsichtlich der Jesusworte die Unerreichbarkeit des Authentischen. Wir können die Eigenart der Erzähltradition auf die BLUMENBERGSche Formel bringen: „Die Rezeption der Quellen schafft die Quellen der Rezeption" 9 oder beispielsweise im Blick auf die alttestamentliche Theologie G E R H A R D VON R A D S auf Lektüreeindrücke verweisen, die sich zu der These zusammenfassen lassen, .Israel' gewinne seine Identität erst aus der Rezeption von Texten, die es selbst produziert hat.10 Wenn es sich mit der Eigenart der Erzählung so verhält, dann findet sich selbst in den ältesten Quellen stets Rezeption, nicht aber so etwas wie eine Urimpression. Der Begriff der Urimpression und der Hinweis auf die Paradoxie, daß wir uns mit jeder Wahrnehmung immer schon diesseits der Urimpression befinden, stammen aus anderen wissenschaftlichen Kontexten als denen der Jesusforschung. Sie markieren den Zusammenhang unserer Leitfrage mit erkenntnistheoretischen oder phänomenologischen Erörterungen: Wahrnehmung ist nie unmittelbare direkte Abbildung reiner Sinnesdaten, vielmehr erfolgt jede Rezeption im Modus des Rezipienten (so Thomas von Aquin), steht jede Erkenntnis unter den er-

9

10

H . BLUMENBERG, Arbeit am M y t h o s , Frankfurt a. M . 4 1986, 329.

Vgl. P. RICCEUR, Zeit und Erzählung, Bd. III: Die erzählte Zeit, München 1991, 398.

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fahrungskonstitutiven Kategorien des menschlichen Verstandes und der ihr entsprechenden Sinnlichkeit (so KANT). Die phänomenologische Variante dieses Sachverhaltes kann in derselben groben Skizzierung durch die Formel wiedergegeben werden, daß sich jedes Bewußtsein als Distanz zu seinen Eindrücken aufbaut. Die Begriffe Ereignis und Erzählung, mit denen ein methodisches Problem der Jesusforschung skizziert werden soll, haben nun die Eigenart, jeder für sich, aber auch jeder in Konkurrenz zum anderen, als Interpretamente des Begriffs der Geschichte aufzutreten. Deshalb kann man Auseinandersetzungen um die Methodologie der historischen Wissenschaften um diese Begriffe gruppieren. Als .Geschichte' bezeichnen wir ja beides: die Totalität der Ereignisse, deren Gesamtverlauf sich in dem Singular ,die Geschichte' unterbringen läßt. Aber Geschichte ist auch alles das, was erzählt werden kann und was darum im Singular ,eine Geschichte' heißt. Während der erste Singular (die Geschichte) den Plural leugnet, folgt dem Singular der narratio der Plural der .Geschichten' auf dem Fuße. Erzählt wird nämlich stets unter der Bedingung, daß dasselbe auch anders und daß auch ganz anderes erzählt werden kann. Mit der Pluralität der Geschichten ergibt sich ein Möglichkeitsüberschuß mit der Folge, daß der an der Rekonstruktion der geschichtlichen Wirklichkeit interessierte Historiker seiner Arbeit an den Quellen und Dokumenten mehr traut als dem, was die Leute so erzählen. Es macht deshalb Sinn, die historische Frage als die Frage zu charakterisieren, wie sich die Vielzahl der Geschichten zu der einen Geschichte verhalte. Insofern baut sich das historische Bewußtsein über den Unterschied auf, der die Gesamtheit der Geschichten in solche teilt, deren „Elemente" - mit einer Formulierung K A R L H E I N Z S T I E R L E S „das Faktische berühren" und solche, die das nicht tun.11 Daß wir überhaupt den Singular .die Geschichte' bilden, ist keineswegs selbstverständlich, und die Geschichte, wie es dazu kam, wurde beispielsweise als Geschichte der Auflösung des alten Topos historia magistra vitae erzählt. Er verlor seine Plausibilität, weil das, was man zunächst zu lernen suchte, exemplarisch für eine sich stets gleichbleibende menschliche Natur sein sollte, um als „Beweismittel moralischer, theologischer oder politischer Lehren" dienen zu können.12 Als nicht mehr die paradigmatische Erzählung, wie es um den Menschen steht, immer schon stand und weiter stehen wird, überzeugte, sondern als nach der Einordnung der menschlichen 11

K . STIERLE, Geschichte als Exemplum - Exemplum als Geschichte. Z u r Pragmatik und Poetik narrativer T e x t e , in: R . KOSELLECK u. W . D . STEMPEL ( H g g . ) , Geschichte - E r eignis und Erzählung (Poetik und Hermeneutik. Arbeitsergebnisse einer Forschungsgruppe V ) , München 1973, 3 4 5 - 3 7 5 (360).

12

Vgl. zu einer These R . KOSELLECKS a. a. O . , 3 6 7 .

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Angelegenheiten in den Strom stets sich ändernder Ereignisse gefragt wurde, entstand allererst der Kollektivsingular ,die Geschichte'. Die Uniiberschaubarkeit ineinander eingreifender, aber kontingenter Auswirkungen bestimmt den spezifischen Begriff der Geschichte, aus der sich sehr viel schwerer lernen läßt. Schon der Hinweis auf die Begriffsgeschichte zeigt also, daß das Phänomen der Erzählung nicht nur im biblischen Text, sondern auch im kulturellen Bewußtsein den ursprünglichen Horizont des Selbstverständlichen bildete. Erst die kritische Reflexion auf die bestehenden Erzählungen rief den Begriff der Geschichte hervor. Denn diese Reflexion mustert den Bestand der Erzählungen mit einer an den Begriff des Ereignisses gebundenen Logik von Ja-Nein-Stellungnahmen: ja, fand statt, oder nein, fand nicht statt - tertium non datur. Im Binnenraum der Erzählungen dagegen gibt es Varianten, aber keine Alternativen. Diese entstehen erst mit dem Diskurs der Behauptungen. Dennoch verführe man einseitig, wenn man die in den Begriff .Geschichte' eingelagerte Differenz von Erzählung und Ereignis ausschließlich zugunsten des letzteren fortbestimmen wollte. Die Gründe darzulegen, warum dies nicht sinnvoll ist, berührt systematische Fragestellungen, die ich unter dem Stichwort .implizite Ontologie' diskutieren möchte. Eine Verständigung über die Methodologie der Geschichtswissenschaften setzt eine Aufklärung über die implizite Ontologie voraus, die sich mit dem Begriff des Ereignisses verbindet.13 Für den Begriff des Ereignisses sind konstitutiv die Momente der Einmaligkeit, der Unwiederholbarkeit und der Unveränderlichkeit. Ereignisse sind gleichsam die Fakten im geschichtlichen Kontext, wie sie der Positivismus als Zustandsveränderungen im physikalischen Zusammenhang durch bloße Beobachtungssätze (Protokollsätze) notieren wollte. Oder - um eine andere Analogie zu wählen - Ereignisse sind gleichsam Atome der geschichtlichen Welt, letzte Bausteine, die als harter Kern einer Welt gelten. Faktische Teilbarkeit kann dennoch hingenommen werden, da es möglich sein muß, Ereignisse auf Teilereignisse zurückzuführen oder Handlungen in kleinere Teilhandlungen zu zerlegen. Entscheidend ist die methodische Operation, die das seinem Begriff nach punktuelle Ereignis an einem spezifischen Raum-Zeit-Punkt verortet. An ihm steht es unter der Bestimmung, stattgefunden zu haben. Mit dem Tractatus WITTGENSTEINS können wir im Blick auf diesen Ereignisatomismus sagen: „Die Welt ist alles, was der Fall ist" 14 und ergänzen, die geschichtliche Welt sei das Insgesamt " Sie wird .implizit' genannt, weil sie den Status eines ontological commitment hat. 14 L. WITTGENSTEIN, Tractatus logico-philosophicus, Frankfurt a. M. , 0 1975, Tractatus 1, S. 11.

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dessen, was der Fall war. Die Kategorie des Ereignisses gehört einer Tractatuswelt an, für die das Tatsächliche stets das unabhängig von unserer Rekonstruktion und Betrachtung Existierende ist. Dieser unabhängige Status ist den physikalischen und den historischen Ereignissen gemeinsam: Der Ausbruch eines Vulkans und der Ausbruch einer Revolution sind parallelisierbar als Ereignisse, die zu den Sachverhalten zählen, aus denen die Welt besteht. Unterschieden werden sie durch die zusätzliche Annahme, das eine Ereignis werde von Menschen stets nur erlitten, das andere dagegen von einigen Menschen auch gemacht. Diese Zusatzannahme hat aber keine Relevanz für die methodische Orientierung. Eine methodisch am Begriff des Ereignisses orientierte Geschichtsauffassung operiert bevorzugt auch mit dem anderen .Unteilbaren', das unsere Sprache kennt: Sie denkt vom Individuum aus, das als Basis der Handlung Ereignisse verursacht oder erleidet. Im Horizont dieser impliziten Ontologie ergibt sich für die Erkenntnis, daß sie die Abbildung der von ihr unabhängigen Tatsachen leisten soll. Für die Gesamtheit der Sätze folgt dementsprechend, daß sie in dem Maße wahr oder falsch sind, indem sie „Bilder der Tatsachen" 15 sind. Daraus folgt wiederum, daß der Begriff der Erzählung nicht aus dem Phänomen der Narrativität des Menschen entwickelt, sondern dem Begriff der Beschreibung der Welt angepaßt wird. Die nach Maßgabe des Ereignisbegriffs verstandene Erzählung erscheint als Beschreibung der Handlung. Daß diese Konzeption durch ein einseitiges Bild gebunden ist, hat die Diskussion der analytischen Philosophie gezeigt, wo immer sie sich im Ü b e r g a n g v o m WITTGENSTEIN des Tractatus zum WITTGENSTEIN der

Philosophischen Untersuchungen der menschlichen Praxis zugewandt hat. Vor allem A. C. DANTO" hat es als das charakteristische Vorurteil dieses Bildes bezeichnet, daß es mit einer Vorstellung operiert, nach der die Vergangenheit eindeutig bestimmt, unveränderlich in ihrem Sosein festgelegt ist, während die Zukunft als die gleichsam jetzt noch nicht vergangene Zeit und folglich als noch offen und unentschieden gedacht wird. Das am Ereignisbegriff und an den historischen Fakten orientierte Geschichtsverständnis denkt den Geschichtsprozeß nach dem Modell eines Gefäßes, in dem sich die Ereignisse allmählich sammeln, gleichsam wie der Sand im unteren Teil einer Sanduhr: Im Laufe der Zeit rieselt immer mehr Stoff aus dem Bereich des Möglichen in den Bereich der Fakten, in dem jedes Element für immer das bleibt, was es im Moment des Eintritts war. Das dementsprechende Ideal des historischen Wissens und Bewußt,5 16

Vgl. a. a. O., Tractatus 2.1, S. 16. A. C. DANTO, Analytical Philosophy of History, Cambridge 1965 (deutsch: Analytische Philosophie der Geschichte, Frankfurt a. M. 1974).

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seins ist das einer vollständigen Beschreibung, die jedes dieser Elemente je für sich erfaßt, gleichsam numeriert und in seiner Unverwechselbarkeit festhält. Der ideale Historiker erscheint demnach als ein Chronist, der in jedem Augenblick in einen Bericht transkribieren kann, was jeweils geschieht, ohne daß diese mitlaufende Zeugenschaft der bloßen Beobachtung etwas hinzufügen würde. Das historische Wissen begreift sich selbst als Kumulation, als Häufung von Ereignissen. 17 Die Paradoxie, die in dieser Zuspitzung markiert werden soll, ist klar erkennbar - ein solcher Chronist kann die Geschichte nur um den Preis erfassen, daß er selbst keine hat. Gerade so aber kommt ein Selbstverständnis von Geschichte nicht zustande.

II. Ereignis und Erzählung bei Bultmann RUDOLF BULTMANN bemüht wohl kaum eine Kategorie so oft wie die des Ereignisses 18 , wenn er seine Einstellung zur Frage nach dem historischen Jesus darlegt. Seine Verwendung des Begriffs unterscheidet sich aber fundamental von dem beschriebenen Ontologie-Modell, ja sie zielt gerade auf die Kritik eines Geschichtsverständnisses, das auf solcher Ontologie beruht. Es ist deshalb naheliegend, eine Reflexion der methodischen Voraussetzungen der Frage nach dem historischen Jesus einmal mehr an diesem Autor zu schärfen. Denn so gewiß wir die Phasen der Jesusforschung mit Bezug auf BULTMANN und seine Schule einzuteilen pflegen, so gewiß ist BULTMANNS Stellung zu dieser Frage eine Folge einer veränderten Ontologie. Um die Veränderung des theologischen und hermeneutischen Kontextes, der sich bei BULTMANN vollzieht, zu beschreiben, kann es hilfreich sein, an die Etymologie des Wortes Ereignis anzuknüpfen. Dieses kommt von .eräugen', etwas vor die Augen bringen, es zeigen. Das .Ereignis' gehört also einem semantischen Feld an, für das Verwandtschaft mit dem Phänomenbegriff notiert werden darf, weshalb es nicht verwundern muß, daß der Ereignisbegriff innerhalb der theologischen Hermeneutik FunkVgl. P. RICCEUR, Zeit und Erzählung, Bd. I: Zeit und historische Erzählung, München 1988, 217f. 18 Zu der von BULTMANN ausgehenden Stellung dieses Begriffs in der Theologie des zwanzigsten Jahrhunderts vgl. E. FUCHS, Was ist ein Sprachereignis? Ein Brief, in: DERS., Zur Frage nach dem historischen Jesus, Tübingen 1960, 424-430, sowie G . EBELING, Luther. Einführung in sein Denken, Tübingen 4 1981, 1 - 1 7 (Luther als Sprachereignis). 17

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tionen erfüllt, die dem Grundbegriff der Phänomenologie entsprechen. Was als Ereignis in die Augen springt, hebt sich von einem Hintergrund des Gleichförmigen als das unerwartet Besondere ab, das sich aufdringlich bemerkbar macht. Ereignisse sind stets das, was Aufmerksamkeit so bindet, daß man sie nicht länger übersehen kann. In diesem Sinne gilt als .Sprachereignis' „gerade dasjenige Geschehen, auf das es in der Sprache ankommt" 19 . BULTMANNS Deutung des Historismus als eines Positivismus wie seine theologische Kritik positiver heilsgeschichtlicher Tatsachen richten sich bekanntlich gegen die Vorherrschaft einer Ontologie, die alle ihr zugänglichen Phänomene unter der Seinsart des Vorhandenen subsumiert. Geschichte allein im Modus vergangener Ereignisse zu betrachten, ist Ausdruck einer Perspektive der Uneigentlichkeit. In ihr wird verfehlt, .worauf es unbedingt ankommt': die Existenz des Menschen wie auch Gott als alles bestimmende Wirklichkeit. Eine eigentliche Thematisierung der Geschichte vollzieht sich dagegen erst dort, wo am historischen Gegenstand nicht das Vorhandene, sondern das Dasein interessiert - nämlich ein solches Selbstverständnis, dem es um sein eigenes und unverfälschtes SeinKönnen, also um seine Freiheit, geht. Das vergangene Dasein zu verstehen heißt daher: in den Horizont einrücken, in dem es um das Entwed e r / O d e r d e r F r e i h e i t g e h t . R U D O L F BULTMANN w i e H A N S JONAS

be-

greifen die historische Arbeit an den relevanten Quellen als Mittel zur Freilegung eines Selbstverständnisses. Sie zeigen, daß sich die Unterscheidung von Uneigentlichem/Eigentlichem bzw. von Vorhandenheit/ Existenz auch von der anderen Seite aufbaut, also sich auch im Zusammenhang vorhandener Zeugnisse der Vergangenheit finden läßt. Das überlieferte Dokument erweist sich als prägnanter Ausdruck eines Entwurfs eigenster Möglichkeit und darum sozusagen als geeignet für den Wiedereintritt ins existentielle Entweder/Oder. Erwartet werden kann von einem solchen Entwurf, „daß in der Wiederholung die .Kraft' des Möglichen in die faktische Existenz hereinschlägt" 20 , so daß, was einst Ereignis war, erneut zum Ereignis wird. Es gehört insofern zum Ereignis, daß es sich an die Zukunft adressiert. HEIDEGGERS These, daß die Geschichte nicht in der Historie der Vergangenheit, sondern in der Zukunft ihren Ursprung habe, wird in diesem Sinne von beiden Autoren in die historische Arbeit eingebracht.21 " FUCHS, a. a. O., 426. M. HEIDEGGER, Sein und Zeit, Tübingen L2 1972, 395. 21 Für H . JONAS vgl. ders., Gnosis und spätantiker Geist. Erster Teil: Die mythologische Gnosis. Mit einer Einleitung zur Geschichte und Methodologie der Forschung, Göttingen 2 1964.

20

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Für BULTMANN dreht sich die theologische Arbeit um das eschatologische Ereignis, also darum, daß das kontingente historische Ereignis, Teil der Gruppe diverser „Ereignisse der Vergangenheit" 22 , erneut zum geschichtlichen Ereignis wird - was vor allem der Verkündigung des Evangeliums anheimfällt. W e n n mit Paulus (2Kor 6,2) gesagt werden kann: „Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, siehe, jetzt ist der Tag des Heils", dann wird das zum Ereignis, worauf es in der Geschichte ankommt. „Das

geschichtliche Faktum der Sendung Jesu ist also ein zweideutiges Faktum. Sofern es ein Faktum der konkreten Geschichte ist, hat es - wie jedes geschichtliche Ereignis - die Möglichkeit als ein Vorgang der Vergangenheit, vorfindlich in der durch Erinnerung vergegenwärtigten Vergangenheit, aufgefaßt zu werden. Und doch hat es auch die Möglichkeit, Gegenwart zu sein. Man kann im Aorist von ihm reden, d. h. als von einem Präteritum, und man kann im Perfektum von ihm reden, d. h. als von einer Gegenwart. Dadurch daß Jesus gekommen ist, ist er da. Aber dies perfektische Präsens seines Da-seins wird vom Unglauben zum Präteritum des

Vergangenseins, des Vorhandenseins in der Vergangenheit, gemacht" und darin als eschatologisches Ereignis verstellt. 23 BULTMANN ist weit davon entfernt - das darf nicht übersehen werden - , die Frage nach dem historischen Jesus gänzlich zu sistieren. Er behandelt sie nur in einer Perspektive, die ich als halbseitigen Konstruktivismus bezeichnen möchte. Einerseits nutzt BULTMANN die Doppeldeutigkeit des Wortes .Faktum' und unterstellt, daß das, was faktisch war, stets nur als das zugänglich ist, wozu es gemacht wurde, indem es in bestimmter Weise verstanden wird. Aber diese Unterstellung geht einseitig zu Lasten des Unglaubens, denn nur er ist es, der durch die Art seiner Betrachtung die Dinge zu dem macht, was sie für ihn sind. Dafür zahlt der Unglaube zugleich den Preis des existential unangemessenen Verstehens. Dagegen gehört es zur Eigentlichkeit, die Sache unverstellt als das zu nehmen, was sie ist: als Gottes Offenbarung, als eschatologisches Ereignis, als Heil etc. Die Positivismuskritik kann das vermeintliche Faktum als Resultat subjektiver Konstruktion dechiffrieren, gerade weil die Ontologie der Eigentlichkeit vor den Konsequenzen dieser Operation sichert. D e r Realismus der präsentischen Eschatologie vermeidet einen Ubergang zu dem M o t t o ,wenn nichts reines Faktum sein kann, dann ist alles Interpretation'. Die Kategorien Ereignis und Erzählung lassen sich vor diesem Hintergrund in Stellung bringen, um BULTMANNS Bearbeitung der Frage nach dem historischen Jesus zu charakterisieren. Von .Ereignis' wird in einem 22 23

Theologische Enzyklopädie, hg. v. E. JÜNGEL U. K. W. MÜLLER, Tübingen 1984, 95. Die Eschatologie des Johannes-Evangeliums, in: ders., Glaube und Verstehen. Gesammelte Aufsätze, Bd. I, Tübingen 2 1954, 134-152 (146).

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doppelten Sinn, historisch und eschatologisch, gesprochen. Es entscheidet sich am Standpunkt des Betrachters bzw. an der Involvierung dessen, der ein bloßer Betrachter nicht bleiben kann, ob es sich nur um das eine oder zugleich auch um das andere handelt. Dieser doppelte Ereignisbegriff entlastet die Kategorie der Erzählung. Unter sie fällt alles, was als menschliche Antwort auf das Ereignis zu gelten hat. Insofern ist die Erzählung von Haus aus Mythos, eine verendlichende Darstellung dessen, was sich eschatologisch ereignet hat. Die beiden Seiten unserer Leitunterscheidung .Ereignis und Erzählung' verhalten sich umgekehrt proportional zueinander. J e mehr das eschatologische Bewußtsein sich vergeschichtlicht, desto kräftiger schießt die Narrativität ins Kraut. Jeder Gewinn an produktiver Einbildungskraft, an menschlicher Erzählung schwächt das eschatologische Selbstverständnis. U m so reiner dieses jedoch am paradoxen Ereignis festhält, desto vollständiger kann es alle historischen Erzählungen beiseite setzen. Die einzige Bedingung, die erfüllt sein muß, um unter der fingierenden Kraft der Gemeindeproduktion an der Differenz von Wahrheit und Fiktion festzuhalten, liegt im Ereignis, im bloßen D a ß des Gekommenseins. Kraft der Faktizität, der Ereignishaftigkeit, bleibt die Auffassung ausgeschlossen, im Christentum hänge alles an der Idee, „es mag mit der Geschichte stehen wie es wolle". 24 Auf diese Grundstruktur der Theologie BULTMANNS fällt ein prägnantes Licht, wenn HANS BLUMENBERG schon 1954 ihr methodologisches Problem als das Problem eines Historikers beschreibt, „der historische Gestalt nicht wahrnimmt, weil er sie nicht wahrnehmen darf" 25 . Dieses Urteil hat BLUMENBERG 1988 noch einmal verschärft, wenn er unter dem Titel „Der Urschrei" erneut analysiert, wie die „Gestalt des Jesus von N a zareth" bei BULTMANN ZU stehen kommt. BULTMANN habe „nicht ohne Weisheit und Witz" 2 6 die „Schlußabrechnung" der historischen Kritik vollzogen in dem „Bewußtsein, daß das .Kerygma' nur im Maße gewinnt, wie der kontingente Text verliert" 27 . BULTMANNS Christologie erscheint bei BLUMENBERG als ein Reduktionismus, der von der Vielzahl der Worte Jesu „nichts anderes als das genuine Ich bin es" übriglasse. Verdichtet wird die Diagnose eines solchen Gefälles in einer Sichtung der Auslegung der Kreuzigungsszene, und zwar im Verhältnis zu dem, was Haydn und Bach musikalisch riskiert haben, als der eine zwischen 1785 und 1787 sich den letzten Worten Jesu durch eine rein instrumentale, dann zu einem 24

25 26 27

Zur Formulierung KANTS vgl. H . BLUMENBERG, Marginalien zur theologischen Logik Rudolf Bultmann, P h R 2 , Tübingen 1 9 5 4 / 5 5 , 1 2 1 - 1 4 0 (139). A. a. O., 140. H . BLUMENBERG, Matthäuspassion, Frankfurt a. M. 1988, 217. A. a. O., 218.

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Streichquartett vollendete Komposition näherte, der andere aber in der Matthäuspassion im Blick auf den Schrei und den anschließenden Ruf: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen" seine Darstellungsform fand. Im Vergleich mit der Musik notiert BLUMENBERG, daß sich BULTMANNS theologisches und hermeneutisches Programm darin vollende, die Anrufung Gottes als „sekundäre Interpretation des wortlosen Schreis Jesu" zu deuten. Die dogmatische Figur der reductio in nihilum, einem Nichts, aus dem Gottes Wort selbst und allein alles neu schaffen kann, schlage auf das exegetische Verfahren durch, das kein Wort Jesu als historisch erhalten kann, „nicht einmal das furchtbarste" 28 . Das bloße Daß des Sich-ereignet-Habens, das reine Ereignis des Schreis, also der Urschrei als Ereignis, müssen genügen. An dieser Analyse interessiert mich hier nur BLUMENBERGS Fazit. Es lautet: „Die Reduktion auf dessen [sc. des Kerygmas] harten unartikulierten Kern zerstört die Möglichkeit seiner Rezeption". Bach - nach BULTMANN gedacht - „wäre zur musikalischen Ohnmacht und zum Verstummen verurteilt gewesen. Bultmann nach Bach ist nur eine Marginalie zu einer Geschichte, die unabhängig von ihrer kritischen Stichhaltigkeit unzerstörbar geworden ist" 29 . Das Verhältnis von Theologie und Ästhetik, das sich in diesem Fazit auftut, kann hier nicht weiter verfolgt werden. Für unseren Zusammenhang muß der Hinweis auf die methodologische Kategorie genügen, die über das von BULTMANN aufgespannte Verhältnis von Ereignis und Erzählung hinausführt: auf die Kategorie der Rezeption. Sie führt auf das Problem zurück, das BULTMANNS begrifflicher Rahmen zugunsten des Evangeliums, aber zu Lasten der Evangelien gelöst hatte: das Problem der Erzählung.

III. Historie und Erzählung bei Ricoeur Wie sich das Verhältnis von Ereignis und Erzählung wandelt, wenn das Phänomen der Rezeption eine konstitutive Rolle erhält, sei im folgenden mit einigen Hinweisen auf PAUL R I C Œ U R S dreibändiges Werk Zeit und Erzählung angedeutet. Es handelt sich in ihm um einen Brückenschlag zwischen Geschichtsschreibung, Literaturkritik und Phänomenologie, der in Nachbarschaft zu dem 1975 erschienenen Buch La métaphore vive A. a. O., 220. " A . a . O . , 221. BLUMENBERG, der 1954 „Marginalien zu [ . . . ] Bultmann" beisteuern wollte, erklärt nun den Autor selbst für marginal. Freilich: für ihn war BULTMANN es zweifelsohne nicht. 28

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steht. Aus diesem weitverzweigten Anregungsmaterial möchte ich ein Thema herausgreifen und als roten Faden eigener Suchbewegungen nutzen. Mein Ausgangspunkt ist dabei RICŒURS Hinweis auf die aristotelische Theorie der Tragödie als Beispiel für einen Primat der Handlung. Die unserem biographischen Interesse eigentümliche Konzentration auf das Innenleben der Personen, auf das Private bzw. Intime und vor allem auf das Selbstverständnis ist dort (noch) nicht maßgeblich, wo sich jede Darstellung allein um die Nachahmung der Handlung dreht. N u r in ihr und durch sie kommt die Erkenntnis der Handelnden zustande. 30 Will man also beschreiben, wie einer war oder ist, so muß man von seinen Handlungen erzählen. 31 Folglich unterliegt die Darstellung der Person der Logik der Handlungsbeschreibung. N u n lassen sich Handlungen nur identifizieren, indem man die Veränderung von Weltzuständen unter der Einheit von Zweckbegriffen zusammenfaßt. Dies gelingt jedoch, wie die seit MACINTYRE32 einschlägige Antwort auf die Frage ,was tut der Nachbar im Garten?' zeigt, nur innerhalb von kulturell eingespielten Voraussetzungen: .Umgraben', ,den Boden auf die Aussaat vorbereiten', .sich Bewegung verschaffen', .einen Schatz suchen' oder .seiner Frau einen Gefallen tun' sind divergente Beschreibungen, die mit den Zwecken, Institutionen und narrativen Plots variieren, die eine kulturelle Lebensform zur Verfügung stellt. Wie zwei Wahrnehmungszustände in KANTS Erkenntnislehre erst unter den Kategorien des Verstandes zur Einheit einer Erfahrung synthetisiert werden, so verlangt die Identifikation dessen, was sich in Nachbars Garten ereignet, einer Zusammenhang stiftenden Erzählung. Die Variationsmöglichkeiten, die sich dabei auftun, sind stets ein Ausdruck der Lebensformen und kulturellen Symbolsysteme des Handelnden und des Betrachters. 33 Die raumzeitlich lokalisierbare Zustandsänderung (elementar: eine Körperbewegung zur Exekution eines getroffenen Entschlusses) gehört zwar zur Handlung, erlaubt aber von sich aus noch keine definitive Beschreibung. Deshalb müssen wir die kulturelle Situation spezifizieren, um zu erklären, warum wir mit ein und derselben Armbewegung einen Beitrag zur Diskussion ankündigen, ein Taxi anhalten oder eine politische Entscheidung treffen können. Eine solche Streubreite möglicher Beschreibungen besagt aber nicht, daß beliebige Identifikationen zwischen EreigRICCEUR, a. a. O.. Bd. I, 58. A. a. O.. 64f. 32 A. MACINTYRE, After Virtue. A Study in Moral Theory, London 1981 (deutsch: Der Verlust der Tugend. Zur moralischen Krise der Gegenwart, Frankfurt a. M. [u. a.] 1987), 192. 33 Vgl. RICŒUR, a. a. O., Bd. I, 95. 30 31

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nis und Erzählung möglich wären. Sie besagt nur, daß Ereignisse im Kontext von Erzählungen identifiziert werden, weshalb sich die generelle These, nach der Erkenntnis die Wirklichkeit nicht einfach kopiert, hier spezifisch zuspitzt. Die Nachahmung der Handlung durch die Erzählung nennt R I C C E U R deshalb eine schöpferische Nachahmung.34 Dieser paradox erscheinende Begriff vereinigt zwei Seiten unter der Voraussetzung, daß eine Handlung nur mit Bezug auf die Kontexte ihrer Darstellbarkeit gegeben ist. Das Leitmotiv .Zeit und Erzählung' klingt dabei in R I C C E U R S Gedanken an, die Erzählung als Vergegenwärtigung einer Handlung sei eine Repräsentation, die deren présence nicht wiederholen oder wie in einem Spiegel verdoppeln kann. Die Zeit der Handlung mündet nicht in die Zeit der Erzählung wie der Fluß ins Meer. Weil es kein natürliches Gefälle zwischen Ereignis und Erzählung gibt, bedarf es eines konstruktiven Beitrags, der in der Erzählung liegt und aus der Zeiterfahrung resultiert." Diese ist schon insofern Vollzug einer Interferenz, als Vergangenheit nur im Horizont der Gegenwart erinnert werden kann. Am deutlichsten zeigt sich das daran, daß die Erzählung im nachhinein auf etwas zurückkommt, was sich gerade ohne Wissen um den Ausgang zugetragen hat. Schon aufgrund ihrer zeitlichen Distanz ist die Erzählung gegenüber dem Ereignis überschüssig. Zugleich jedoch muß der Begriff einer schöpferischen Nachahmung, die sich auf Ereignisse bezieht, von der Freiheit schöpferischer Phantasie unterschieden werden. Um diese Differenz zu befestigen, greift R I C C E U R auf seine Theorie der Metapher zurück, handele es sich doch bei der lebendigen Metapher ebenfalls um das Phänomen einer Suspension wörtlichen Sinns und direkter Referenz, ohne daß durch sie Wirklichkeits- und Wahrheitsgehalt ruiniert würde. Die gelungene Metapher steigert vielmehr den Wirklichkeitssinn, indem sie ,auf den Trümmern' der Beschreibung eine unmittelbar gar nicht zugängliche Wirklichkeit eröffnet. 36 Entsprechend kann von Ereignissen nur erzählt werden, indem diese in den Horizont dessen gestellt werden, was hätte sein können. Dieser Horizont der Möglichkeiten, aber auch der Schluß, den die Erzählung den Ereignissen verschafft, konfiguriert das Geschehene neu. So lebt die Erzählung von dem Spannungsbogen, den sie aufbaut, indem ihr Schluß ebenso unvorhersehbar-überraschend kommt, wie er gleichwohl im Lichte des Erzählten annehmbar sein muß. Die Refiguration der Erzählung hält sich 34 35

36

A. a. O., 77. Vgl. U . BARTH, Die Christologie Emanuel Hirschs. Eine systematische und problemgeschichtliche Darstellung ihrer geschichtsmethodologischen, erkenntniskritischen und subjektivitätstheoretischen Grundlagen, Berlin/New York, 1992, 196f. RICCEUR, a. a. O . , B d . I, 9 .

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folglich schon deshalb im Zusammenhang der Gegenwart, weil man weder das Wahrscheinliche noch das Annehmbare von der kulturellen Form des jeweils als selbstverständlich Geltenden ablösen kann. Man muß mithin die Geschichte von Zeit zu Zeit umschreiben, „weil der Genösse einer fortschreitenden Zeit auf Standpunkte geführt wird, von welchen sich das Vergangene auf neue Weise überschauen und beurteilen läßt" 37 . Solche Transformationsleistungen sind nicht erst ein Resultat hinzugewonnenen oder veränderten Wissens, sondern eine Konsequenz der Eigenart des Erzählens. Erzählungen sind wiederholungstauglich und -anfällig, so daß ihre Rezeption sich mit der Dynamik des Wiedererzählens vermitteln kann. Die Kreativität der nachahmenden Erzählung kann sich im Prozeß der Rezeption und des Wiedererzählens verstärken. Die Differenz zwischen Ereignis und Erzählung unterliegt auch deshalb nicht allein der Logik der Abbildung. Diese Eigenart des Rezeptionsprozesses kann man sich am gottesdienstlichen Gebrauch der biblischen Texte klarmachen, der den Wiedereintritt der erzählten Zeit in die Zeit der Rezeption prägnant zum Zuge bringt. In Erzählungen kombinieren sich nach RICOEUR zwei unterschiedliche Ebenen: eine episodische Dimension, gemäß der die Ereignisse nacheinander erfolgen, und eine konfigurierende Dimension, die in der verwandelnden Kraft der Erzählung besteht. 38 RICŒUR parallelisiert - wie schon zweimal angedeutet - den Aufbau der jeweils einschlägigen Wirklichkeit mit dem Verfahren der kantischen Synthesis, da diese ebenfalls nicht einfach Wahrnehmungsdaten abbildet bzw. ein Subjekt mit einem Prädikat verknüpft, sondern ein Mannigfaltiges der Anschauung unter die Regel eines Begriffs bringt. 39 Dabei interessiert die - wie vieles andere im Modus der Andeutung verbleibende - Bemerkung: „ N o c h größer ist die Verwandtschaft zur reflektierenden Urteilskraft". Man darf dies als Hinweis darauf verstehen, daß durch die Erzählung etwas als bestimmt angesehen wird, ohne daß diese Bestimmung aus einer allgemeinen Regel hergeleitet werden könnte, die notwendig jedermanns Zustimmung erhält. Es ist die Eigenart der reflektierenden Urteilskraft, Zustimmung nur anzusinnen, die Subjekte aber hinsichtlich des Urteils selbst frei lassen zu müssen bzw. zu können. D e m entspricht RICŒURS Begriff des Mitvollzugs einer Geschichte, der ein weiterer Platzhalter für das Phänomen der Rezeption ist und erneut deutlich macht, daß die Erzählung nicht ausschließlich nach

37

S o J O H A N N W O L F G A N G V. G O E T H E , M a t e r i a l i e n z u r G e s c h i c h t e d e r F a r b e n l e h r e , i n :

Werke, Hamburger Ausgabe, Bd. 14, Hamburg 1960, 93. 38 RICŒUR, a. a. O., Bd. 1,107. 39 Ebd.

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der Logik einer Ereignis fundierten Abbildung funktioniert40: „Eine Geschichte mitvollziehen heißt, inmitten von Kontingenzen und Peripetien unter der Anleitung einer Erwartung voranzuschreiten, die ihre Erfüllung im Schluß findet. Dieser Schluß ist nicht im logischen Sinne in vorausgehenden Prämissen enthalten. Er gibt der Geschichte einen .Schlußpunkt', der wiederum den Gesichtspunkt beibringt, von dem aus die Geschichte als ein Ganzes wahrnehmbar wird. Die Geschichte verstehen heißt zu verstehen, wie und warum die einander folgenden Episoden zu diesem Schluß geführt haben, der keineswegs vorhersehbar war, doch letztlich als annehmbar, als mit den zusammengestellten Episoden kongruent erscheinen muß"41. Im Unterschied zum logischen Schluß ergibt sich das Fazit nicht aus einer allgemeinen Regel und der unter sie subsumierten Voraussetzung. Natürlich zeigt sich daran die dem Handeln eigentümliche Kontingenz, die nach H E R M A N N L Ü B B E und vor allem nach H A N N A H A R E N D T allererst eine Geschichte ausmacht.42 Mag das Herstellen zielkonsequent den gefaßten Plan umsetzen, so weicht von solcher Technik die geschichtliche Welt ab, weil in ihr die Handlungen eines Subjektes Teil eines Bezugsgewebes sind, in das auch andere ihre Fäden einschlagen. Nur als Gemisch von Zielabsicht und Widerfahrnis, von Erfolg und Scheitern, gibt es Geschichte - und nur so etwas zu erzählen. Der rote Faden der Erzählung wird also erst post festum geknüpft. Soweit die Phänomenologie der Erzählung. Ist sie triftig, so ist mit ihr eine ontologische und eine epistemologische Enttäuschung verbunden. Erstere spricht sich in dem Urteil aus: „Es gibt keine historische Wirklichkeit, die vor der Wissenschaft fertig existierte und einfach getreulich abzubilden wäre"43. Letztere räumt ein, daß uns keine fundierte allgemeine Gesetzmäßigkeit zur Verfügung steht, deren Anwendung auf Ereignisse Geschichte erklären könnte. Beide Enttäuschungen sind aus ein und demselben Grunde zumutbar - weil sie gerade Ausdruck der Eigenart historischer Wirklichkeit sind. Um diese Uberzeugung zur Geltung zu bringen, muß der kategoriale Vorsprung der Erzählung vor dem Ereignis mit dem Problem der Referenz von Erzählungen verbunden werden. Das historische Bewußtsein weiß, daß nur für es so etwas wie Geschichte gegeben ist. Gerade darin aber weiß es sich als fundiert. Zugleich stehen ErWie das kantische Geschmacksurteil: vgl. Kritik der Urteilskraft A 62. RICŒUR, a. a. O., Bd. I, 108; vgl. 225. " V g l . H. ARENDT, The Human Condition, Chicago 1958 (deutsch: Vita activa oder Vom tätigen Leben, München, Neuausgabe 1981, 175); H. LÜBBE, Geschichtsbegriff und Geschichtsinteresse. Analytik und Pragmatik der Historie, Basel/Stuttgart 1977, 58f. 43 R. ARON, zitiert nach RICŒUR, a. a. O., Bd. 1,144. 40 41

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zählungen immer im Verhältnis zu anderen Erzählungen und zu den Sinnunterstellungen einer Lebenswelt, wenn sie auf Ereignisse referieren. RICOEUR beschreibt diese doppelte Referenz in phänomenologischer Tradition als Ineinander von Referenz und Horizont. Im Blick auf die Zeitlichkeit der menschlichen Erfahrungen und aller Erzählungen könnte man auch sagen: Er beschreibt sie als Verschlingung von Retention und Protention, von noch innehabender Erinnerung und schon vorauseilender Antizipation; eine Verschlingung, ohne die kein Bewußtsein einen intentionalen Gehalt haben könnte. So gewiß das menschliche Zeitbewußtsein nicht punktuell, sondern fließend, also Bewußtseinsstrom ist, so gewiß gibt es kein isoliertes Ereignis - jedenfalls keines, an das man sich erinnern könnte. Für unseren Kontext ließe sich die Verschlingung der historischen Intentionalität mit den Horizonten gegenwärtiger Erfahrung an den Einsichten der Redaktionskritik verdeutlichen. Auch nach ihr gilt ja, daß wir noch das synoptisch Identische stets nur im Kontext spezifischer theologischer Prägungen zu Gesicht bekommen. Die von Markus, Lukas und Matthäus erzeugten Prägnanzen gestatten es nicht, den ursprünglichen Stoff, gleichsam das Metall der Wirklichkeit, und die prägende Form zu separieren/ 4 Die Wirklichkeit läßt sich nicht darstellen, ohne von Bedeutsamkeitsüberschüssen bereits Gebrauch zu machen. Der Gesichtspunkt, der damit zur Geltung gebracht wird, ist gewiß nicht neu. Daß es nur für den Handelnden und nicht für die Position des simultanen äußeren Beobachters Geschichte gibt und daß die historischen Wissenschaften deshalb nicht nach Maßgabe rein theoretischer Wissenschaft analysiert werden können, war bereits ein zentraler Gesichtspunkt im sogenannten Positivismusstreit der deutschen Soziologie, den J Ü R G E N H A B E R M A S 1967 unter dem Titel „Zur Logik der Sozialwissenschaften" ausführlich diskutiert hat. Nur lauteten die Leitworte, unter denen damals das Ungenügen einer auf bloß empirische Beobachtung beschränkten Chronistik behauptet wurde, „Praxis" bzw. „Interesse". Und erwiesen werden sollte das Desiderat einer Geschichtsphilosophie. 45 Auch H A N S G E O R G GADAMERS Rede von der Rehabilitierung des Vorurteils 46 könnte

44

Diese Anlehnung an eine Formulierung ERNST CASSIRERS ist sachgemäß, insofern es auch an dieser Stelle um eine Reflexion auf symbolische Formen geht; vgl. Zur Metaphysik der symbolischen Formen, E C N 1, Hamburger Ausgabe, hg. v. J. M. K o l s u. O . SCHWEMMER, Hamburg 1995, 3 - 1 0 9 (49).

45

Vgl. J. HABERMAS, Zur Logik der Sozialwissenschaften. Ein Literaturbericht (1967), in: ders., Zur Logik der Sozialwissenschaften. Materialien, Frankfurt a. M. 4 1977, 270ff.

44

H . - G . GADAMER, Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik [1960] ( = Gesammelte Werke, Bd. I), Tübingen 1990, 281ff.

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herangezogen werden, um deutlich zu machen, daß sich unsere Überlegungen in einer vertrauten Schleife bewegen. Freilich: die theologische Hermeneutik wird sich nicht in kurzschlüssiger Anlehnung an diese Theoriehorizonte damit begnügen können, ihre vom historischen Positivismus abweichende methodische Einstellung allein durch den Begriff des Interesses auszuweisen. Denn die Zurückweisung einer vermeintlich interesselosen Erkenntnis reicht nicht hin, um in der Umkehrung Interessen schon deshalb für gerechtfertigt zu halten, weil es die eigenen sind. Sowohl das Interesse der kirchlichen Verkündigung wie das Interesse an befreiender gesellschaftlicher Praxis sind nicht dadurch gerechtfertigt, daß es ohne standpunktbezogene, also interessegeleitete Konstitution nun einmal kein Verstehen gibt. Jedes andere Interesse täte es auch. Weil der Begriff der Rezeption größere Widerstände gegenüber der Hemmungslosigkeit der Interpretation in die Verstehensprozesse einbaut, weil dieser Begriff den Vorsprung des Rezipierten stets mit zum Ausdruck bringt, dürfte er geeigneter sein, um die Diskussion voranzubringen. Das gilt freilich nur, wenn es gelingt, beide Seiten unserer Leitunterscheidung gleichermaßen zur Geltung zu bringen. Die produktive Kraft der die Geschichte stets refigurierenden Erzählung wurde in unseren Überlegungen zwar als privilegierte Seite der Unterscheidung präsentiert. Wenn aber Beliebigkeit vermieden werden soll, so muß die Kategorie des Ereignisses auch auf dieser Seite wieder eingeführt werden. Dies geschieht zunächst durch RICŒURS Hinweis, daß die beständige Betonung des Zusammenhanges zwischen Historie und Narrativität nicht als Plädoyer für eine narrative Geschichtswissenschaft gemeint sei. Die Arbeit des Historikers konvergiert nicht mit der Tätigkeit eines Geschichtenerzählers, der die Taten und Erlebnisse nachzeichnet, die sich mit den großen oder kleinen Namen der Christentumsgeschichte verbinden. Von Individuen zu erzählen, statt Traditions- und Sozialgeschichte zu treiben, oder Epochenschwellen zu beschreiben, liegt nicht auf der Linie des RiCŒURSchen Argumentes: „nicht alles, was man Sinnvolles über die Geschichte sagt, [hat] unbedingt narrativen Charakter". 47 Auch liefe ein einseitiges Gefälle zugunsten der Erzählung darauf hinaus, daß entscheidende Veränderungen der refigurierenden Kraft zum eigentlichen historischen Ereignis würden. Um dies zu vermeiden, muß die als refigurierend begriffene historische Erzählung auf das Ereignis als auf ihr Anderes bezogen bleiben. Das historische Bewußtsein konstituiert sich eben nicht als ein höherer Fall der Erzählung, sondern durch kriti-

RICCEUR, a. a. O . , B d . I , 2 1 7 .

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sehe Suspension der umlaufenden Erzählungen.48 Deshalb kann der Hinweis auf die Unhintergehbarkeit des narrativen Moments nicht als der Vorschlag gelesen werden, sich beispielsweise mit den biblischen Erzählungen zu begnügen. Es kann nicht ratsam sein, die Phänomenologie der Geschichte anders entfalten zu wollen denn als eine kritische Phänomenologie, die einer Theorie der Geschichtswissenschaft zuarbeitet. RICCEUR versucht dem gerecht zu werden, indem er das Phänomen narrativer Rede im Blick auf die Differenz von Fiktionserzählung und Geschichtsschreibung spezifiziert. 4 ' Diese ergibt sich aus einer prinzipiellen Asymmetrie der jeweiligen Referenzmodi: „Nur die Geschichtsschreibung kann eine Referenz in Anspruch nehmen, die ihren Ort in der Empirie hat, soweit die historische Intentionalität auf Ereignisse geht, die tatsächlich stattgefunden haben."50 Es entsteht mithin die Aufgabe, die historische Referenz zurückzugewinnen, ohne die These von der Konfiguration durch Erzählung aufzulösen.51 Für dieses Problem steht der Begriff der ,Re-Konstruktion', der einerseits im Begriffsmoment .Konstruktion' gleichsam den Eigenanteil des Subjektes im Aufbau der Wirklichkeit einräumt, andererseits aber durch die Vorsilbe den Kredit andeutet, den die historische Arbeit ihrem Gegenstand schuldet. Daß sich die unhintergehbare Konstruktion angemessener, adäquater, als konkurrierende Entwürfe darstellt, ist ein Anspruch, ohne den der Sinn der historischen Arbeit kollabiert. Man kann beobachten, daß und wie RICOEUR dieses Problem in immer neuen Varianten rekapituliert: als wechselseitiges Geben und Nehmen zwischen Geschichtsschreibung und Fiktionserzählung, als überkreuzte Referenz, an späterer Stelle auch als überkreuzte Refiguration52. Von einer Lösung des Problems wird man wohl nicht sprechen können, eher von einer Strategie der Problemverschiebung, die mit dem Bedarf gleichzeitiger Abgrenzung nach zwei Seiten zusammenfällt: einerseits gegen eine positivistische Geschichtsschreibung, die den Anteil der Fiktion an der ihr eigentümlichen Referenz verkennt. Zugleich aber andererseits als Abgrenzung gegen eine Literaturwissenschaft, die ihrem Gegenstand jede Referenz abspricht. Um den Platzhalter der Wirklichkeit in der Erzählung, um ihren Bezug auf Ereignisse zu markieren, spricht RICCEUR von Repräsentation, 48

RICCEUR b e t o n t d i e s a. a. O . , 2 2 8 .

A. a. O., 128. 50 A. a. O., 129. 51 Das Problem ist eine Spielart der Frage, wie man das Wahrheitsmoment des Realismus wiedergewinnen kann, nachdem man einen naiven Realismus ontologischer Abbildung verabschiedet hat. 52 Zum Wechsel der Terminologie vgl. RICCEUR, a. a. O., Bd. III, 162. 49

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manchmal auch in Anspielung auf einen psychoanalytischen Begriff FREUDS von Repräsentanz. Gedacht ist an einen gleichsam untergründig mitspielenden Gegenhalt. Sowenig sich die das Unbewußte auszeichnende Triebkraft naturalistisch identifizieren läßt, sowenig besteht ein Verhältnis direkter Abbildung zwischen Ereignis und Erzählung. Sosehr aber andererseits sich der Trieb in den Umbesetzungen und Verstellungen bemerkbar macht, die sich allein im Bewußtsein zeigen53, kann gleichsam von einem Druck gesprochen werden, den die vergangenen Ereignisse auf die Erzählung ausüben. Die Begriffe der Repräsentation bzw. Repräsentanz stehen also für ein Darstellungsverhältnis, bei dem sich etwas als mitgesetzt bemerkbar macht, obwohl es nicht direkt angezeigt werden kann. Repräsentation ist insofern eine Platzhalterfunktion für etwas, das „die historische Intentionalität [mitbestimmt], indem es ihr eine realistische Note verleiht" 54 . Um dieses eigentümliche Repräsentationsverhältnis von den traditionellen Begriffe der Quelle, des Dokumentes und des Monumentes zu unterscheiden, spricht RICOEUR von ,Spur' und nennt er die spezifische Referenz der Geschichtserzählung .Spurenreferenz'. Es handelt sich bei dieser Terminologie natürlich um eine Anleihe bei LÉVINAS, durch die die phänomenologische Option auf die Reflexion der Geschichtswissenschaft einwirkt. ,Spur' ist eine Metapher für eine Repräsentationsform, die sich von einer als Gleichschaltung mit Präsenz entworfenen Metaphysik abhebt. Die Spur ist Zeichen für etwas, das sich der Anwesenheit entzogen hat, das vorübergegangen ist, und gerade so entdeckt werden kann. Im Modus der Zeit ist die Spur also zunächst und elementar eine Transzendenzmetapher. Sie wird als Zeichen gelesen, obwohl sie nicht als etwas gedacht sein soll, das absichtlich gelegt wurde und so Resultat einer Intention wäre. Die Spur bleibt nur zurück, sie ist eine unfreiwillige Hinterlassenschaft. In dieser Negativität steht sie für ein Anderes, das sich nicht direkt, sondern nur in der Brechung zeigt. Die Präsenz des Anderen kann sich nur in diesem Medium bemerkbar machen, denn ginge es in den vertrauten und wohldefinierten Zeichensystemen auf, so wäre es nur ein domestiziertes Anderes, dem der Stachel des Fremden 55 gezogen wäre. Nur in der Störung, nur in der Unordnung, die am Ort der Identifikationen entsteht, erscheint Andersheit als sie selbst. Darin darf man den entscheidenden Gesichtspunkt erkennen, der die Sprengmetapher ,Spur' im Zeichensystem auszeichnet. RICCEUR macht diesen Platzhalter phänome53

M 55

Vgl. M. MOXTER, Kultur als Lebenswelt. Studien zum Problem einer Kulturtheologie, Tübingen 2000, 347. RICŒUR, a. a. O . , Bd. 1,129. U m einen Titel von B. WALDENFELS auszuleihen.

Erzählung und Ereignis

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nologischen Differenzbewußtseins für die kritische Reflexion der historischen Wissenschaft fruchtbar, indem er der Spur einen Vorrang vor dem Zeugnis zuerkennt. Dieser Vorrang rechtfertigt sich daraus, daß sie nicht nur Zeichen, sondern auch Wirkung ist.56 Insofern zwar auch die Spur gedeutet werden muß und also im Modus der Deutung auftritt, bleibt sie Zeichen, fällt sie immer schon in den Horizont der Interpretation. Insofern sie aber Wirkung ist, markiert sie im Zeichensystem die Unverfügbarkeit des Ereignisses. Die Spur macht sich in, gegen und unter den Zeichen bemerkbar und zwar darin, daß sie die Ordnung durcheinander bringt. Mit diesem Modell einer indirekten Darstellung scheint mir der Begriff des Spielraumes der historischen Repräsentation insoweit erläutert zu sein, daß die Arbeit an der Frage nach dem historischen Jesu zu einem angemessenen Selbstverständnis finden kann. Sie gewinnt ihren Boden durch eine doppelte Grenzziehung. Nie kann sie die rekonfigurierende, neu gestaltende Dynamik der Erzählungen überschreiten, die sich der kulturell eingefärbten Imagination unserer Interpretation bedient. Andererseits aber bleibt sie begrenzt durch eine historische Wirklichkeit, die sich zwar nicht direkt kennzeichnen läßt, sich aber als Widerstand gegen die Interpretation bemerkbar macht. Konstruktive Perspektiven sind unvermeidbar, aber sie werden durch die Dimension dessen, was wir Ereignisse nennen, polarisiert und irritiert. Zwar kann auch der Historiker der Phantasie nicht entkommen, aber seine Arbeit an den Quellen und Texten durchsetzt sie mit gesteigerter und methodisch kontrollierter Störanfälligkeit. Gehört der so umrissene Spielraum zur historischen Arbeit selbst, dann fällt auch Licht auf die Unterscheidung von historischer und dogmatischer Methode. So wenig der Aufbau beispielsweise einer Christologie durch direkten Rekurs auf die neutestamentlichen Texte oder gar das ihnen zugrundeliegende Kerygma als verläßlich oder sachgemäß ausgewiesen werden kann, so sehr bleibt gerade die historische Interpretation der Quellen von den systematischen Horizonten unserer Zeichenordnungen und unseres Selbstbewußtseins abhängig. Und so sehr sich andererseits die Christologie als sachgemäße Auslegung auch des historisch zu rekonstruierenden Lebens Jesu verstehen muß, so wenig kann sie die Erfahrung leugnen, von Zeit zu Zeit durch neue historische Einsicht zum Umbau gezwungen zu sein. Insoweit wurde das vor hundert Jahren von WREDE gestellte Problem nicht gelöst, sondern nur beobachtet, wie sich die grundlegende Differenz 56

RICŒUR, a. a. O . , B d . I I I , 193.

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Michael Moxter

von Ereignis und Erzählung iteriert und wie sie mit größerer Umsicht angewandt wird. O f f e n b a r sind sowohl die D i f f e r e n z von historischer und dogmatischer Frage wie auch die (anders gelagerte) Unterscheidung von Ereignis und Erzählung unhintergehbar. Gerade deshalb aber sind wir skeptischer gegenüber dem aufklärerischen A u f r u f geworden, endlich die Höhle der dogmatischen Jesusbilder zu verlassen und uns der Sache selbst zuzuwenden. D o c h auch in der unhintergehbaren Abhängigkeit von gegebenen Bildern verliert sich nicht die kritische Urteilskraft, die zwischen den verschiedenen Entwürfen, die uns heute als Darstellungen Jesu angeboten werden, zu unterscheiden lernt. Ihre K o m p e t e n z speist sich aus dem Bewußtsein f ü r den historischen Gegenhalt der Ereignisse in den Abweichungen und Differenzen der neutestamentlichen Texte. W e n n es gestattet ist, ein W o r t E R N S T K Ä S E M A N N S ZU variieren, könnte man sagen: Das Leben Jesu ist nicht der hinter den Evangelien erkennbare G r u n d ihrer Einheit, sondern der in ihnen repräsentierte Anlaß ihrer Verschiedenheit. 57

57

Abschließend sei auf die - gerade an den zentralen Pointen - übereinstimmende Behandlung des Themas bei J. SCHRÖTER hingewiesen. Vgl. DERS., Die Frage nach dem historischen Jesus und der Charakter historischer Erkenntnis, in: The Sayings Source Q and the historical Jesus, hg. v. A . LINDEMANN, Leuven 2 0 0 1 , 2 0 7 - 2 5 4 .

Der unähnliche Jesus Eine kritische Evaluierung der Entstehung des Differenzkriteriums und seiner geschichts- und erkenntnistheoretischen Voraussetzungen DAVID S. DU T O I T

I. Einführung „Schluß mit der methodischen Anarchie!" mahnte HANS CONZELMANN 1959 in einem der Frage der Methodik der Leben-Jesu-Forschung gewidmeten Aufsatz und forderte, „die generellen Thesen über den historischen Jesus müssen verifiziert werden".1 In CONZELMANNS Sicht bedeutete dies, von „jeder Rekonstruktion [sc. des historischen Jesus] den methodischen Ausweis zu fordern, und zwar den formgeschichtlichen", eine Forderung, die er in seinem im selben Jahr erschienenen Jesus-Artikel in der dritten Auflage der R G G wiederholte2. Die Gefahr einer von unkontrollierter Subjektivität herbeigeführten anarchischen Situation in der Jesusforschung wollte CONZELMANN mit der Forderung nach historischer Verifikation und methodischer Stringenz begrenzen. Dementsprechend präzisierte er seine Forderung dahingehend, daß die Jesusüberlieferung im Rahmen des formkritischen Ansatzes anhand eines Echtheitskriteriums auf ihre Authentizität überprüft werden sollte3. Damit nimmt CONZELMANN ein Grundanliegen von ERNST KÄSEMANN auf, der seine ursprüngliche

Formulierung des Differenzkriteriums 4 als radikal kritische Maßnahme 1

CONZELMANN, M e t h o d e , 8 bzw. 9.

2

CONZELMANN, Methode, 8; DERS., Art. Jesus Christus, 621. „Was kann also als echt (im Sinne des historischen .Faktums') angesehen werden? [ . . . ] Für die Rekonstruktion der Lehre gilt der methodische Grundsatz: als echt ist anzusehen, was sich weder in das jüdische Denken einfügt noch in die Anschauungen der späteren Gemeinde", ebd., 623. „Einigermaßen sicheren Boden haben wir nur in einem einzigen Fall unter den Füßen, wenn nämlich Tradition aus irgendwelchen Gründen weder aus dem Judentum abgeleitet noch der Urchristenheit zugeschrieben werden kann [ . . . ] " , vgl. K Ä S E M A N N , 1 4 4 ( = EVB 205). Weitere Verweise auf diesen Aufsatz beziehen sich auf den Nachdruck

3

4

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David S. du Toit

betrachtete, die dem „Chaos" bzw. einem „bestürzende [n] Durcheinander von angeblich zuverlässigen Jesusbildern" Einhalt zu gebieten hat, das entsteht, wenn die Entscheidung über die Zuverlässigkeit der Uberlieferung jeweils der subjektiven Entscheidung des Kritikers überlassen würde5. Der erhoffte regulative Effekt ist nicht eingetreten: W. G. KÜMMEL sah sich schon 1983 gezwungen, in der Jesusforschung „den Eindruck eines völligen Meinungswirrwarrs"6 beklagen zu müssen, während J . D. CROSSAN "the impression of acute scholarly subjectivity in historical Jesus research" moniert 7 . In einem kürzlich veröffentlichten Uberblick über die Geschichte der Leben-Jesu-Forschung konstatiert J . C. PAGET ebenso ein "chaos of opinions" und geht (allerdings ohne dies zu betrauern) davon aus, daß dieser Zustand künftig weiterbestehen wird8. Hinzu kommt, daß CONZELMANNS klassischer Forderung nach doppelter Unähnlichkeit als Kriterium für die Echtheit der Jesusüberlieferung - von der man sich ja erhoffte, daß sie „für alle zukünftige Arbeit Maßstab und Grundlage zugleich sein sollte" 9 - heute radikal anderslautende, ja geradezu entgegengesetzte Formulierungen gegenüberstehen: In ihrem Lehrbuch zum historischen Jesus vertreten G. THEISSEN und A. MERZ die These, daß „zuverlässige Kriterien zur Scheidung von echter und unechter Jesusüberlieferung" fehlen 10 , während PAGET das Differenzkriterium schlichtweg als "flawed criterion" bezeichnen kann11. Kompliziert wird die Situation ferner dadurch, daß solchen eindeutigen Absagen an das Differenzkriterium12 anderslautende Aussagen gegenüberstehen, die sich von einer vor-

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' 10 11 12

( E V B 187ff.). KÄSEMANN fügt eine Präzisierung hinsichtlich des Judenchristentums hinzu: „ [ . . . ] speziell dann, wenn die Judenchristenheit ihr überkommenes Gut als zu kühn gemildert oder umgebogen hat". Auch gegenwärtige Vertreter des Differenzkriteriums verknüpfen diese Hoffnung mit dessen Verwendung, vgl. BECKER, Jesus, 17: Sie diene dazu, „einen willkürlichen Wechsel der Argumentationsmuster" zu vermeiden und „methodische Konsequenz" zu sichern. KÜMMEL, Dreißig Jahre Jesusforschung, 539 ( = DERS., Vierzig Jahre Jesusforschung, 695). CROSSAN, Historical Jesus, xxvii-xxviii. Er bezeichnet "that stunning diversity" als "academic embarrassment" und "something of a scholarly bad joke". PAGET, Quests, 152. Zu den scharfen Differenzen in der Jesusforschung vgl. DU TOIT, Erneut auf der Suche, 9 1 - 1 3 4 . PERRIN, Was lehrte Jesus wirklich?, 36f. THEISSEN/ MERZ, Jesus, 116. PAGET, Quests, 1 3 8 - 1 5 5 , dort 147. So sind THEISSEN/MERZ der Meinung, daß „[f]ür alle Strömungen innerhalb der 'third quest' [ . . . ] gilt: Die Jesusforschung löst sich eindeutig vom .Differenzkriterium' als methodische Grundlage der Jesusforschung", THEISSEN/MERZ, Jesus, 29.

Der unähnliche Jesus

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sichtigen oder eingeschränkten Bejahung des Differenzkriteriums 1 3 bis hin zu der Bekräftigung dessen fundamentalen Charakters 14 erstrecken. Das Differenzkriterium ist also fünfzig Jahre nach seiner erstmaligen Formulierung als Leitkriterium der Suche nach dem historischen Jesus wenn nicht in Verruf geraten, so doch zumindest ins Gerede gekommen 1 5 . Denn es hat einerseits nicht die von seinen frühen Vertretern beabsichtigte regulative Wirkung ausgeübt, andererseits wird seine Berechtigung, in der Jesusforschung als Fundamentalkriterium zu fungieren, inzwischen sogar prinzipiell in Frage gestellt 16 . Für eine erneute Beschäftigung mit ihm besteht also mehr als genug Anlaß. In diesem Aufsatz wird nun das Differenzkriterium einer kritischen Uberprüfung dahingehend unterzogen, daß nach seinen erkenntnis- und geschichtstheoretischen Voraussetzungen gefragt wird, um sie anschließend auf ihre Validität hin zu befragen und von dort aus ansatzweise zu einem Alternatiworschlag zu gelangen 17 . Der Aufsatz ist also in erster Linie historisch angelegt. Zunächst jedoch wende ich mich der Klärung einiger formaler Aspekte des Differenzkriteriums zu (II.). Dann wird die Entstehung des doppelten Differenzkriteriums nachgezeichnet (III.) - vorausgesetzt ist, daß sich die Voraussetzungen und Implikate des Differenzkriteriums im Rahmen eiVgl. z . B . MEIER, Marginal Jew, 171-174: "The Criterion is at once the most promising and the most troublesome"; ferner TUCKETT, Sources, 132f.: " T o say the dissimilarity criterion has been totally discredited would be too strong". In Teilen der neueren Jesusforschung zeichnet sich die Tendenz ab, das Differenzkriterium nur hinsichtlich des frühen Christentums und nicht mehr bezüglich des Judentums anzuwenden, vgl. dazu DU TOIT, Erneut auf der Suche, 114-116, bes. Anm. 106. M BECKER, Jesus, 17f.: „Das [ . . . ] Fundamentalkriterium [ . . . ] ist das Differenzkriterium. Es erfreut sich mit Recht weitgehender, manchmal sogar auch alleiniger Zustimmung [ . . . ] Das Kriterium bleibt [ . . . ] weit und breit konkurrenzlos [ . . . ] " . 15 Vgl. THEISSEN/WINTER, Kriterienfrage; HOLMEN, Doubts, 47-80; PORTER, Criteria. " Trotz der Tatsache, daß das Differenzkriterium von Anfang an Kritik ausgesetzt war, wurde es zum unbestrittenen Leitkriterium der Jesusforschung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dies lag vor allem daran, daß das Differenzkriterium - abgesehen von dem Kohärenzkriterium, das allerdings von jenem abhängig ist - faktisch das einzige Echtheitskriterium im eigentlichen Sinne darstellt, wie D. WINTER überzeugend gezeigt hat (vgl. THEISSEN/WINTER, Kriterienfrage, 11-19): Die anderen im Laufe der Jahre formulierten Kriterien sind entweder Spielarten des Differenzkriteriums (bes. das sog. 'Criterion of Embarrassment', vgl. ζ. Β. neuerdings MEIER, Marginal Jew I, 168-172), oder sie bilden Quellenwertargumente oder sind Besonderheitsindizien, die für sich nicht positive Echtheitskriterien bilden können. Bedeutende Diskussionen der Kriterien liegen vor bei CALVERT, Examination, 209-219; BORING, 'Criteria of Authenticity', 9-44; EVANS, Authenticity, 6-31; PORTER, Criteria, 69-102. 17 Zu Recht machen THEISSEN/WINTER, Kriterienfrage, 10, darauf aufmerksam, daß bei der Formulierung des Kriteriums eine Auseinandersetzung mit der allgemeinen Geschichtswissenschaft und ihren Methoden kaum eine Rolle spielte.

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David S. du Toit

ner Verortung in einem theoriegeschichtlichen Zusammenhang (hier: Jesusforschung, Formkritik) erkennen lassen18. Darauf folgt eine kritische Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen und Implikationen des Kriteriums (IV.)· Zum Schluß folgt ein Ausblick auf einen Alternatiworschlag, der der Kritik am Differenzkriterium Rechnung zu tragen versucht und seinen Ausgangspunkt in der in der modernen Geschichtstheorie geführten Debatte über den Charakter historischer Erkenntnis hat (V.)·

II. Formale Aspekte des

Differenzkriteriums

„Solche Tradition kann Jesus zugesprochen werden, deren Inhalt in zwei Zusammenhängen, nämlich innerhalb des Frühjudentums und des Urchristentums, in einer wesentlichen Hinsicht gesondert dasteht, also nach beiden Richtungen Originalität besitzt". An dieser jüngst von J Ü R G E N B E C K E R verfaßte Formulierung des Differenzkriteriums" läßt sich die formale Struktur des Kriteriums verdeutlichen. Mit dem Begriff Differenzkriterium wird demzufolge ein vergleichendes Verfahren bezeichnet, dessen Ziel es ist, die Differenz („in einer wesentlichen Hinsicht gesondert") einer in der Tradition Jesus zugeschriebenen Uberlieferungseinheit zu den beiden religions geschichtlichen Größen des Judentums zur Zeit Jesu und des frühen Christentums zu erfassen. Es geht jeweils um die Feststellung von Jesu Originalität in bezug auf diese beiden antiken Religionen. Da das Verhältnis Jesu zu ihnen wegen der geschichtlichen Ausgangslage prinzipiell ein jeweils anderes ist, handelt es sich dabei um unterschiedliche Formen der Originalität20. Originalität besitzt eine Überlieferung demnach gegenüber dem frühen Christentum, wenn keine plausiblen Motive für ihre Bildung bzw. Entstehung innerhalb der früh18

Es liegen schon mehrere Untersuchungen hinsichtlich der Geschichte des Differenzkriteriums bzw. der Authentizitätskriterien vor, von denen die hier vorgestellte Analyse profitieren konnte: L E N T Z E N - D E I S , Kriterien, 8 1 - 9 3 ; T H E I S S E N / W I N T E R , Kriteri-

19

BECKER, J e s u s , 17.

20

Diesem Unterschied trug K Ä S E M A N N mit seiner Formulierung „ [ . . . ] wenn [ . . . ] Tradition [ . . . ] weder aus dem Judentum abgeleitet noch der Urchristenheit zugeschrieben werden kann [ . . . ] " Rechnung. Parallele Formulierungen wie die von C O N Z E L M A N N („was sich weder in das jüdische Denken einfügt noch in die Anschauungen der späteren Gemeinde") können dazu verleiten, den besagten Unterschied zu übersehen und gleiche Verfahrensweisen vorauszusetzen - dies geschah in der Jesusforschung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts häufig.

enfrage, 2 8 - 1 7 4 ; PORTER, Criteria, 2 8 - 1 0 2 .

Der unähnliche Jesus

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christlichen Kult- und Theologiegeschichte ersichtlich sind21. Ein religionsgeschichtlicher Vergleich zum frühen Christentum ist also mit einer entstehungsgeschichtlichen Fragestellung verknüpft - ihn zeichnet eine diachrone Ausrichtung aus22. Es handelt sich um Originalität im Sinne von unabhängiger Entstehung. Dagegen besitzt eine Uberlieferung gegenüber dem Judentum zur Zeit Jesu Originalität, wenn sie in einem synchronen Vergleich mit religiösen Positionen, die im zeitgenössischen Judentum vorhanden waren, ein markantes Maß an Unterschiedlichkeit aufweist23, d. h. wenn sie im Vergleich mit einem aufgrund der verfügbaren Quellen konstruierten Bild des damaligen Judentums eine abweichende Position darstellt24. Es handelt sich um Originalität im Sinne von charakteristischer Eigentümlichkeit. Das Differenzkriterium ist also ein Verfahren, das darauf zielt, mittels eines doppelten religionsgeschichtlichen Vergleichs25 ein Urteil darüber zu ermöglichen, inwiefern authentisches Jesusgut in der Uberlieferung vorhanden ist26.

21 22

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26

So schon in aller Deutlichkeit formuliert von KÄSEMANN, Problem, 203-206. Der quellenkritische Aspekt des Verfahrens ist von einer durch die Methoden der Form-, Traditions- und Redaktionskritik ermittelten religionsgeschichtlichen Rekonstruktion der frühchristlichen Theologie- und Kultgeschichte abhängig. Anders THEISSEN/WINTER, Kriterienfrage, 2lf., die nur von einem quellenkritischen Verfahren sprechen wollen. Sofern im Rahmen eines solchen Vergleichs traditionsgeschichtliche Differenzen (ζ. B. bezüglich Johannes des Täufers) festgehalten werden, eignet ihm auch ein diachroner Aspekt. Es muß schon hier festgehalten werden, daß es ein merkwürdiger und somit erklärungsbedürftiger Tatbestand ist, daß das Differenzkriterium, das ja prinzipiell eine überlieferungskritische Ausrichtung hat, von Beginn an um diesen die Uberlieferungsproblematik nicht tangierenden Aspekt erweitert wurde. Vgl. auch LÜHRMANN, Frage, 64. Die Komplexität der jeweiligen Bezugsgrößen (Jesusüberlieferung, antikes Judentum und Christentum) und der angewandten Methodik führt zwangsläufig dazu, daß die postulierten Differenzen (und Analogien) ein ganzes Spektrum möglicher Thesen zur geschichtlichen Kontingenz eröffnet, das sich von „konkret nicht bezeugt und so zwar faktisch nicht ableitbar, jedoch prinzipiell ableitbar" bis zu „prinzipiell nicht ableitbar" erstrecken kann. Wenn THEISSEN/WINTER, Kriterienfrage, 22, solche Differenzierungen als Folge „sachlicher .Differenzen' im Verständnis" kritisieren, muß dies als unangemessene Vereinfachung der komplexen Sachlage zurückgewiesen werden. Die sehr unterschiedlichen Bezeichnungen für das Differenzkriterium lassen sich daher erklären, daß sie jeweils andere Aspekte des Verfahrens betonen: Wo das formale Moment des Vergleichs, der auf die Erfassung einer Differenz zielt, betont wird, tauchen Begriffe wie Differenz-, Unähnlichkeits- oder Dissimilaritätskriterium auf; wo das von einer solchen Differenz implizierte, religionsgeschichtlich kontingente Moment der Diskontinuität bzw. Unableitbarkeit in den Blick genommen wird, wird das Kriterium entsprechend bezeichnet; wo die überlieferungskritische Ausrichtung be-

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Vorausgesetzt ist bei diesem Verfahren, daß die urchristliche Tradition dem Verdacht unterliegt, nicht zuverlässig über die ihr überlieferten J e susereignisse und -worte zu informieren 27 . Dieses prinzipielle Verdachtsmoment konstituiert das Differenzkriterium - es steht somit generell in jener neuzeitlichen Tradition einer kritischen Geschichtswissenschaft, die mit einer Verdachtshermeneutik als grundlegender Steuerungsprämisse arbeitet, ferner in der kirchen- und dogmenkritischen Tradition der biblischen historischen Kritik. Dieser hermeneutische Verdacht gegenüber der Uberlieferung ist eine unaufgebbare Prämisse des Kriteriums 2 8 , weil auf ihm die Verpflichtung zur argumentativen Begründung im Rahmen des wissenschaftlichen Diskurses beruht 29 . Das Differenzkriterium unterliegt in formaler Hinsicht einer zweifachen Begrenzung. Z u m einen kann es per definitionem nur jenes authentische Jesusgut erfassen, das Jesus nicht mit dem zeitgenössischen Judentum und mit dem frühen Christentum gemein hat 30 . Dieses Manko 3 1

27

28

29

30 31

tont wird, heißt es Aussonderungsprinzip, usw. Daß hinter diesen unterschiedlichen Bezeichnungen sachliche Differenzen in der Anwendung des Kriteriums stünden (so THEISSEN/WINTER, Kriterienfrage, 22), läßt sich m. E. nicht nachweisen. KÄSEMANN, Problem, 203, hat dies bekanntlich als Ergebnis der formgeschichtlichen Sichtung der Uberlieferung angesehen und gefolgert, „daß wir nicht mehr die etwaige Unechtheit, sondern gerade umgekehrt die Echtheit des Einzelgutes zu prüfen und glaubhaft zu machen haben". Dementsprechend läßt sich das Differenzkriterium (bzw. jedes Authentizitätskriterium) dort effektiv aushebeln, wo dieses Verdachtsmoment aufgegeben wird und der Tradition grundsätzlich Vertrauen entgegengebracht wird. Vgl. die zahlreichen Beiträge der sogenannten „Skandinavischen Schule" (H. RIESENFELD; B . GERHARDSON; R . R I E S N E R ) ; ferner H I G G I N S , Tradition, 1 - 1 5 ; BOMAN, Jesus-Überlieferung; B A I R D , Audience Criticism; W. G. KÜMMEL, Jesu Antwort, 1 8 4 - 1 8 8 . Vgl. die kuriose Debatte in der Jesusforschung der 60er und 70er Jahre, die sich an KÄSEMANNS Forderung, „die Echtheit des Einzelgutes zu prüfen und glaubhaft zu machen", entfachte. Es ging um die Frage, ob die Beweislast der Echtheit des Traditionsguts bei demjenigen liege, der die Echtheit oder der die Unechtheit der Überlieferung behauptet, s. ζ. Β. KÜMMEL, ebd. Dabei ist es eine Grundvoraussetzung des (geschichts-) wissenschaftlichen Diskurses, daß jede Behauptung, die dem historischen Zweifel unterliegen kann, argumentativ plausibel zu machen ist. Solange also die historische Verläßlichkeit der Tradition im wissenschaftlichen Diskurs strittig ist, ist die etwaige Echtheit bzw. Unechtheit argumentativ plausibel zu machen. Vgl. PERRIN, Was lehrte Jesus, 37. Die Schärfe des Kriteriums wird in der Forschung durch das sog. Kohärenzkriterium gemildert, das es ermöglichen soll, den durch das Differenzkriterium gesicherten Minimalbestand echter Überlieferung vorsichtig auf das ausgesonderte Traditionsgut auszudehnen. Vgl. etwa PERRIN, Was lehrte Jesus, 3 7 - 4 0 , und die Diskussion bei T H E I S S E N / W I N T E R , Kriterienfrage, 1 7 - 1 9 .

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wurde von Anfang an konzediert 32 - es beruht darauf, daß es bei Traditionen, die frühchristlichen kultischen und theologischen Interessen entsprechen, kein methodisch gesichertes Verfahren gibt, zwischen authentischem und nicht-authentischem Gut zu unterscheiden 33 . Zum anderen unterliegt das Kriterium Einschränkungen, die durch den von ihm vorausgesetzten religionsgeschichtlichen Vergleich bedingt sind: Zum einen handelt es sich um die jeweils lückenhafte Quellenlage, die eine zuverlässige religionsgeschichtliche Rekonstruktion des Judentums zur Zeit Jesu und des Frühchristentums massiv beeinträchtigt, zum anderen um die Tatsache, daß die als Vergleichsgrößen herangezogenen Konstrukte des antiken Judentums und Christentums selber Produkte kritischer Geschichtsforschung (u. U. sogar von dem betreffenden Jesusforscher selbst) sind. Zum Schluß ist noch auf einen weiteren formalen Aspekt des Differenzkriteriums einzugehen. In jüngster Zeit ist die These vertreten worden, daß es sich bei dem Differenzkriterium nur vordergründig um ein Kriterium handele, tatsächlich seien es aber zwei unterschiedliche Kriterien34. Das Kriterium besteht tatsächlich - wie wir gesehen haben - aus einem zweigliedrigen vergleichenden Verfahren, d. h. aus zwei Komponenten, die allerdings nur in der konsequenten Verknüpfung dieser beiden Komponenten miteinander zum angestrebten Ziel führen 35 . Das bedeutet: Es handelt sich in seiner Handhabung um ein Kriterium, nicht um zwei unabhängige Kriterien: Nach dem Kriterium ist eine Traditionseinheit erst dann als authentisch zu betrachten, wenn beide Bedingungen erfüllt sind. Allerdings ist der besagten These dahingehend recht zu geben, daß die beiden Komponenten des Kriteriums zum einen sehr unterschiedliche

35

Vgl. KÄSEMANN, Problem, 205f., der direkt anschließend an seine klassische Formulierung des Differenzkriteriums formuliert: „Allerdings müssen wir uns dabei von vornherein dessen bewußt sein, daß man von hier aus keine Klarheit erhält, was Jesus mit seiner palästinischen Umwelt und seiner späteren Gemeinde verbunden hat. Da bleiben die Grenzen für verschiedenste Hypothesen weit offen". Vgl. KÄSEMANN, Problem, 211f.; PERRIN, Was lehrte Jesus, 37. Dort, wo das Kriterium so angewendet wird, daß das jeweils als nicht-differierend ausgesonderte Material grundsätzlich als unecht betrachtet wird (seine sog. negative Verwendung, vgl. dazu THEISSEN/WINTER, Kriterienfrage, 22), geschieht dies folglich in methodisch unzulässiger Weise, weil das, was das Differenzkriterium gemäß seiner Definition nicht leisten kann, nun als sein Ergebnis präsentiert wird.

34

T H E I S S E N / W I N T E R , K r i t e r i e n f r a g e , 1 9 - 2 2 , u n d i h n e n f o l g e n d TUCKETT, S o u r c e s , 133.

35

Es handelt es sich also um den logischen Operator . UND. ; vgl. die Formulierungen von KÄSEMANN („wenn Tradition weder aus dem Judentum abgeleitet noch der Urchristenheit zugeschrieben werden kann") und CONZELMANN („was sich weder in das jüdische Denken einfügt noch in die Anschauungen der späteren Gemeinde").

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religionsgeschichtliche Verfahrensweisen voraussetzen, zum anderen theoriegeschichtlich gesehen nicht im Verbund, sondern unabhängig voneinander entstanden sind und erst nachträglich miteinander verbunden wurden (vgl. hier unten III.l—III.3).

III. Differenz als Leitkategorie in der Entwicklung der Jesusforschung Das Differenzkriterium ist ein Produkt der neutestamentlichen Forschung des frühen 20. Jahrhunderts und gewinnt sein Profil auf diesem historischen Hintergrund. Andererseits ist jedoch zu beachten, daß die Jesusforschung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und mit ihr ihr Leit- und Fundamentalkriterium - wie noch zu zeigen ist - einen theoriegeschichtlichen Prozeß fortsetzt, dessen Ursprünge in die vom Rationalismus gespeiste Bibelkritik des 18. Jahrhunderts zurückreichen. Dieser geschichtlichen Entwicklung wenden wir uns im Folgenden zu und zeigen, daß die Kategorie der Differenz von Anbeginn an zentrale Bedeutung für die sich entfaltende Jesusforschung hatte.

1. Differenz zum Christentum 1.1 Differenz zum Frühchristentum als Bedingung der historischen Verläßlichkeit der Quellen Die Anfänge der kritischen Jesusforschung gehen bekanntlich auf eine von LESSING posthum ( 1 7 7 8 ) veröffentlichte Schrift von H E R M A N N S A MUEL REIMARUS „Vom Zwecke Jesu und seiner Jünger" zurück36, der dort erstmals in der Geschichte eine Diastase zwischen Jesus und dem frühen Christentum aufreißt37: „ [ . . . ] alles, was wir von seiner [sc. Jesu] Lehre und Handlungen wissen, ist in den Schriften seiner Jünger erhalten. Was nun seine Lehre besonders betrifft, so haben zwar unter seinen Jüngern nicht allein die Evangelisten, sondern auch die Apostel [d. h. Petrus, Johannes, Jakobus, Judas, und vor allem Paulus, D d T ] , ihres Mei36

Vgl. SCHWEITZER, Von Reimarus zu Wrede. Eine Geschichte der Leben-JesuForschung, Tübingen, 1906, 1 3 - 2 6 ; DERS., Geschichte, 1 3 - 2 6 . Auszüge des Textes leicht zugänglich bei BAUMOTTE, Frage, 1 1 - 2 1 .

37

Vgl. auch KÜMMEL, Das neue Testament, 105f.; ferner SCHMITHALS, Einleitung, 197f. Vgl. auch LESSINGS Traktat „Die Religion Christi", abgedruckt in BAUMOTTE, Frage, 2 2 - 2 4 , dort bes. § 6, ferner SCHMITHALS, Einleitung, 1 6 - 2 2 .

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sters Lehre vorzutragen unternommen: allein ich finde große Ursache, dasjenige, was die Apostel in ihren eignen Schriften vorbringen, von dem, was Jesus würklich selbst ausgesprochen und gelehrt hat, gänzlich abzusondern. Denn die Apostel sind selbst Lehrer gewesen, und tragen also das ihrige vor, haben auch immer behauptet, daß Jesus [ . . . ] selbst in seinem Leben alles dasjenige gesagt und gelehret, das sie schreiben." 3 8

betont die Differenz zwischen Jesu Lehre und der Lehre der Apostel über ihn, eine Vorwegnahme des im 20. Jahrhundert formulierten Gegensatz von Verkündiger und Verkündigtem. Allerdings sind die Evangelisten von diesem Verdacht ausgenommen, ihnen wird explizit eine zuverlässige Berichterstattung zugetraut: REIMARUS

„Dagegen führen sich die vier Evangelisten bloß als Geschichtsschreiber auf, welche das hauptsächliche, was Jesus sowohl geredet als gethan, zur Nachricht aufgezeichnet haben. Wenn wir nun wissen wollen, was eigentlich J e s u Lehre gewesen, [ . . . ] ist dieses aus den Nachrichten der Geschichtschreiber zu holen. D a nun diese Geschichtschreiber gar viere sind, und sie alle in der H a u p t - S u m m e der Lehre Jesu übereinstimmen: so ist weder an der Aufrichtigkeit ihrer Nachrichten zu zweifeln, noch auch zu glauben, daß sie einen wichtigen Punkt oder wesentliches Stück der Lehre J e s u sollten verschwiegen oder vergessen haben." 3 9

Die angenommenen Differenzen in Lehre zwischen der für die kirchlichen christologischen Dogmen grundlegenden Briefliteratur und den Evangelien führten also zunächst dazu, die historische Zuverlässigkeit der vier Evangelien zu postulieren, ein Zustand, der dann zunächst fortbestand: Kritische Jesusstudien der Folgezeit stehen zwar im Zeichen des Rationalismus und reflektieren insofern das Bedürfnis, Wunderbares, Widersprüchliches und Irrationales aus dem Leben Jesu wegzurationalisieren, den Evangelien wird jedoch grundsätzlich historische Zuverlässigkeit zugebilligt, um somit durch ein die Quellen harmonisierendes Verfahren zu einer Darstellung des Lebens Jesu zu gelangen40. Diese Sachlage ändert sich erst im Laufe des 19. Jahrhunderts, als das Johannesevangelium seinen Status als verläßliche historische Quelle für die kritische Jesusforschung einbüßte. Dieser tiefe Einschnitt in der Geschichte der Jesusforschung wurde entscheidend von D A V I D F R I E D R I C H STRAUSS und F E R D I N A N D C H R I S T I A N B A U R vorangetrieben. Das Ver-

38 39 40

BAUMOTTE, Frage, 13. BAUMOTTE, Frage, 13. Vgl. SCHWEITZER, Geschichte, 27-37.49-68. Zumeist bildet das Johannesevangelium das Gerüst der Darstellungen eines Lebens Jesu, so auch noch bei F. E. D . SCHLEIERMACHER (Das Leben Jesu, 1864).

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mächtnis von STRAUSS41 ist ein doppeltes: Zum einen besteht es darin, daß er das bis dahin geltende naive Zutrauen zu der historischen Verläßlichkeit der Evangelienüberlieferung dadurch erschütterte, daß er in seinem Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet (1835/36) durch eine radikale Kritik der Evangelienberichte herausstellt, daß das Gros der evangelischen Stoffe als unhistorische, mythische Sagengebilde zu betrachten ist. Seither ist die Jesusforschung mit der Aufgabe konfrontiert, über den Wert ihrer Quellen Rechenschaft abzulegen. Ferner zeigte STRAUSS, daß der Autor des J o hannesevangeliums seine Sprache auf Jesus und den Täufer übertragen hatte und daß das Evangelium gegenüber den Synoptikern eine fortgeschrittene Mythologisierung aufweist. Damit war der Quellenwert des Johannesevangeliums erschüttert. F. C . BAURS Beitrag42 besteht nun darin, daß er in seiner Studie Kritische Untersuchungen über die kanonischen Evangelien (1847) auf Grund seiner tendenzkritischen Analyse der Evangelien die Erkenntnis von STRAUSS hinsichtlich des Johannesevangeliums bestätigen konnte: In ihm liegt keine brauchbare historische Tradition vor, denn der Stoff ist von der Idee der göttlichen Herrlichkeit Jesu her gestaltet worden. Das Evangelium entfällt damit als Quelle für die Erforschung der Geschichte Jesu, und B A U R bescheinigt den Synoptikern im Vergleich zu Johannes explizit die größere historische Treue 43 . Für die vorliegende Fragestellung ist festzuhalten: In der Arbeit von STRAUSS und B A U R setzt sich die bei REIMARUS und der auf ihn folgenden Jesusforschung beobachtete Praxis fort, die die Differenz der Evangelien zur frühchristlichen Verkündigung als Maßstab verwendet, um der Tradition historische Verläßlichkeit zuzubilligen. Bei STRAUSS und B A U R wird dasselbe Prinzip in umgekehrter Richtung angewandt: Der Nachweis, daß das Johannesevangelium in die frühchristliche christologische Dogmenbildung hineingehört, hebt die Differenz zum Christentum auf und destruiert somit den historischen Quellenwert dieses Evangeliums. Parallel zu der soeben beschriebenen Entwicklung der Demontage des Johannesevangeliums als historischer Quelle für eine Geschichte Jesu 41

42

43

Vgl. SCHMITHALS, Einleitung, 1 2 6 - 1 3 5 . Wichtige Texte abgedruckt in KÜMMEL, Das Neue Testament, 1 4 7 - 1 5 5 . Vgl. SCHMITHALS, Einleitung, 1 5 2 - 1 6 3 ; eine Textauswahl bei KÜMMEL, Das Neue Testament, 1 6 9 - 1 7 6 . BAUR urteilt dennoch insgesamt skeptisch über die historische Verläßlichkeit der Synoptiker, räumt jedoch dem ihm zufolge recht tendenzfreien Matthäusevangelium eine relative Ursprünglichkeit und Glaubwürdigkeit gegenüber den anderen Evangelien ein, vgl. SCHMITHALS, Einleitung, 156ff. In diesem Zusammenhang sind auch die radikal kritischen Studien BRUNO BAUERS zu nennen, der die Authentizität der synoptischen Evangelien radikal in Frage stellte, vgl. SCHWEITZER, Geschichte, 1 4 1 - 1 6 1 ; SCHMITHALS, Einleitung, 1 7 4 - 1 7 8 .

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setzte sich eine andere Entwicklung durch, der für die Entstehung des Differenzkriteriums entscheidende Bedeutung zukommen sollte, nämlich die Formulierung von Benutzungsthesen innerhalb der synoptischen Fragestellung und dort besonders die umfassende Begründung der Markuspriorität

(K. LACHMANN; C . G . WILKE) und der

Zwei-Quellen-Hypo-

these (C. H. WEISSE). Der entscheidende Impuls für den Siegeszug der Zwei-Quellen-Hypothese ging von einem 1863 erschienenen Buch von HEINRICH JULIUS HOLTZMANN44 aus, in dem er die L ö s u n g des s y n o p t i -

schen Problems mit der Frage nach dem geschichtlichen Jesus, d. h. mit der Frage nach der historischen Zuverlässigkeit der synoptischen Evangelien verknüpft 45 . HOLTZMANN argumentiert gegen die Tübinger Schule, daß die synoptischen Evangelien weitgehend von der Tendenz zu dogmatisieren frei seien - sie wollen „Geschichte erzählen" (401). Das hier oben erwähnte Prinzip kommt hier also zu Anwendung: In dem Maße, wie eine Differenz zur frühchristlichen Dogmenbildung (Tendenzfreiheit) festgestellt werden kann, läßt sich historische Zuverlässigkeit postulieren. Im Rahmen der Zwei-Quellen-Hypothese begründet HOLTZMANN nun den überlegenen Quellenwert der ältesten Quellen ( = Q und ein Urmarkus A 46 ) im Vergleich zu Matthäus und Lukas. Zwei Argumentationsgänge sind entscheidend: Zum einen wird der markinischen Darstellung (bzw. dem Urmarkus A) mittels einer Wirklichkeitsanalogie eine größere Wirklichkeitstreue bescheinigt, während der kompositioneile Charakter der beiden anderen Evangelien gegen eine glaubwürdige Darstellung spricht47. Zum anderen wird Markus (bzw. dem Urmarkus A) und der Logienquelle eine größere Tendenzfreiheit bescheinigt48. Damit wird das erwähnte Differenzprinzip innerhalb der synoptischen Tradition angewandt, um den relativen historischen Quellenwert der Evangelien zu klären49.

44 45 46

47 41

49

HOLTZMANN, Evangelien, 191-197. HOLTZMANN, Evangelien, 1. HOLTZMANN hat später das von ihm angenommene Urmarkusevangelium A zurückgenommen, s. SCHMITHALS, Einleitung, 192f. HOLTZMANN, Evangelien, 418-443. HOLTZMANN, Evangelien, 377-401. So wird von der Redesammlung gesagt, sie sei „ohne alle dogmatisirende Absichtlichkeit, ganz nur im Interesse des grossen Inhalts abgefasst" (401). Von Matthäus heißt es z. B., daß er im Vergleich zu Markus „überhaupt schon in der späteren, einer dogmatischen Terminologie zustrebenden, Anschauung von Person und Werk Christi drinnen steht". Die historische Zuverlässigkeit von Mk und Q wird allerdings vor allem durch einen direkten Vergleich ihres Inhalts bewiesen - die Tatsache, daß in beiden dasselbe Jesusbild vorliege, erweise ihre Historizität, HOLTZMANN, Synoptischen Evangelien, 443-468.

100

David S. du Toit

Das Ergebnis der Untersuchung HOLTZMANNS ermöglichte nun die naheliegende, aber weitreichende Schlußfolgerung, daß die ältesten Quellen einen direkten und somit zuverlässigen Zugang zu dem geschichtlichen Jesus verbürgten50 - diese Annahme wurde zum treibenden Faktor hinter der sich in den nächsten Jahren etablierenden Leben-Jesu-Forschung51. Damit scheint HOLTZMANN „unter Anwendung der allein legitimen Mittel einer gewissenhaften, historischen Kritik" 52 die historische Skepsis der Tübinger Schule widerlegt zu haben. Damit ist auch der theoriegeschichtliche Kontext der HoLTZMANNschen Studie angesprochen: Sie steht im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung mit der spekulativen Methode der Tübinger Schule und nimmt die Kritik der sich zu dieser Zeit etablierenden Historismusbewegung an der HEGELschen Geschichtsspekulation auf53 - wie die Profanhistoriker strebte HOLTZMANN an, durch eine kritische Analyse der Uberlieferung zu einer möglichst exakt nachprüfbaren, objektiven Geschichtserkenntnis vordringen zu können54. Seine Bemühungen werden von der erkenntnistheoretischen Uberzeugung getragen, daß der Zugriff auf die ältesten Quellen einen objektiven und unmittelbaren Zugang zum historischen Objekt (hier: Jesus) ermögliche. Sie hat sich in der Folgezeit in der Jesusforschung als axiomatische Voraussetzung etabliert55.

50

N a c h HOLTZMANN verbirgt sich hinter Markus (bzw. dem Urmarkus) „die ursprünglichste Erinnerung der Jünger", wohingegen die Logienquelle als eine „von einem apostolischen Ohrenzeugen herrührende, fast ohne alle geschichtliche Einkleidung abgefasste, Redesammlung aufzufassen ist", ebd., 450f.

51

Diese Annahme war von A n f a n g an eine latente, wenn nicht gar die treibende Voraussetzung hinter der Formulierung aller Benutzungshypothesen. So läßt sich auch nachweisen, daß die die GRIESBACH-Hypothese vertretende Tübinger Schule trotz aller historischen Skepsis dem Matthäusevangelium als frühester Q u e l l e eine gewisse historische Glaubwürdigkeit zutraute, vgl. SCHMITHALS, Einleitung, 158f. HOLTZMANN, Evangelien, 1. Vgl. MEHLHAUSEN, Art. Geschichte/Geschichtsschreibung/Geschichtsphilosophie, 649-654. Schlagwörter wie „rein historisch" (so B. WEISS, Lehrbuch der Biblischen Theologie des N T ) , „streng geschichtlich" (so A. JÜLICHER, Einleitung in das N e u e Testament) usw. dokumentieren das Ideal einer objektiven (im Gegensatz zu einer philosophischspekulativen) historischen Erkenntnis. Vgl. auch THEISSEN/WINTER, Kriterienfrage, 81.

52 55

54

55

Der unähnliche Jesus

101

1.2 Das Differenzkriterium als Authentizitätsbzw. Aussonderungskriterium „Wir besitzen keine Quellen für ein Leben Jesu, welche ein Geschichtsforscher als zuverlässige und ausreichende gelten lassen kann": Mit dieser Aussage griff M A R T I N K A H L E R 1 8 9 2 die Grundvoraussetzung der historischen Jesus-Forschung seiner Zeit frontal an56 und nahm damit das Ergebnis der Forschung von W I L L I A M W R E D E und J U L I U S W E L L H A U S E N vorweg. W R E D E hat bekanntlich in seinem aufsehenerregenden Buch57 das bei Markus begegnende Messiasgeheimnis als nachösterliches dogmatisches Motiv der frühchristlichen Gemeinde gedeutet58, das Markus zum Organisationsprinzip seiner Jesus-Darstellung gemacht hat. Die im Markusevangelium geschilderte Entwicklung beruht nach W R E D E also nicht auf der Erinnerung an die tatsächliche geschichtliche Entwicklung des Lebens Jesu, sondern auf einem theologischen Motiv, das gerade die Unmessianität des historischen Jesu zu verschleiern hat. Offenbar unabhängig von W R E D E bestreitet W E L L H A U S E N 1905 ebenfalls den historischen Charakter des Markusevangeliums und stellt fest: „Markus schreibt nicht de vita et moribus Jesu [ . . . ] er will dartun, daß Jesus der Christus sei" 59 . Diese Einsicht erschütterte die Grundlagen der bisherigen Jesusforschung nachhaltig60: Entfällt das Markusevangelium als zuverlässige historische Quelle, weil es kein historischer Tatsachenbericht ist, sondern zur frühesten christlichen Dogmenentwicklung gehört, fehlt jegliche Quellengrundlage für eine historische Darstellung eines Lebens Jesu. Das Prinzip, daß die Differenz zum christologischen Dogma des frühen Christentums die Verläßlichkeit einer Quelle der Geschichte Jesu begründet, führte also schließlich dazu, daß die Jesusforschung Anfang des 20. Jahrhunderts oh-

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57

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60

KAHLER, Jesus, 21. Entsprechend scharf ablehnend fielen die Reaktionen liberaler Theologen aus, vgl. ebd., l l f . W R E D E , M e s s i a s g e h e i m n i s . V g l . d a z u SCHWEITZER, G e s c h i c h t e , 3 6 8 - 3 9 0 ;

EBELING,

Messiasgeheimnis, 3-19. Vorbereitet wurde dieser Weg durch WREDES Lehrer ALBERT EICHHORN, der 1898 nachweist, daß die Abendmahlsberichte der Evangelien von D o g m a und Kult der Gemeinde beeinflußt wurden, so daß sich der geschichtliche Vorgang nicht klar erkennen läßt; s. EICHHORN, Abendmahl. WELLHAUSEN, Einleitung, 51. Das Buch faßt die Ergebnisse seiner Kommentare zu den Synoptikern der Jahre 1903 (Mk) und 1904 (Mt; Lk) zusammen. Auch er urteilt: „Markus nahm auf, was die Tradition ihm bot. Die Zusammenstellung des Stoffes ist sein Werk" (Einleitung, 53). Ähnlich auch J. WEISS, Evangelium, der u. a. einen chronologischen Aufbau des M k ablehnt, ebd., 19-22, ferner 94-104 zum theologischen Charakter des Stoffes. So schon SCHWEITZER, Geschichte, 368-375.

102

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ne jegliche verläßliche Quellen dastand. Damit ist ein schwerwiegender historischer Einschnitt vergleichbar mit der Lage nach dem Erscheinen des Jesusbuches von STRAUSS gegeben: Noch einmal scheinen die Quellen für eine geschichtliche Darstellung Jesu völlig zu versagen. Damit schien die Möglichkeit einer wissenschaftlich verantworteten Jesusforschung nicht mehr gegeben61. Zur selben Zeit zeichnete sich jedoch eine andere Entwicklung ab, die der Jesusforschung neue Möglichkeiten eröffnete und die Weichen für die Entstehung des Differenzkriteriums stellte. In nuce liegt sie schon in der oben erwähnten Abhandlung E I C H H O R N S zur Abendmahlsfrage von 1898 vor62: „Es ist für uns sehr wichtig, die älteste Schicht der Überlieferung von Jesus zu erkennen, die uns bruchstücksweise gegeben ist. Großenteils ist sie überdeckt von jüngeren Schichten, und nur durch ein kritisches Verfahren können die älteren Schichten bloß gelegt werden. In diesem Bemühen wird man sich einig wissen mit der historisch-kritischen Methode. Andererseits ist es [ . . . ] noch wichtiger, die Umbildung der älteren Traditionen zu erkennen [ . . . ] Beiläufig möchte ich hier auf eine Thorheit der historischen Kritik hinweisen [ . . . ] Es giebt wirklich Leute, die glauben, die älteste uns erkennbare [sc. schriftlich fixierte, DdT] Uberlieferung mit dem geschichtlichen Vorgang identifizieren zu müssen. Die jüngsten Berichte, so meint man, muß jeder historisch-kritisch gebildete Theologe ablehnen, die ältesten Berichte muß man dagegen annehmen [ . . . ] Ich gestehe, daß ich diese Ansicht für sehr beschränkt halte [ . . . ] In Wirklichkeit ist es natürlich so, daß dieselben Faktoren, die innerhalb der schriftlich fixierten Tradition [ . . . ] wirksam gewesen sind, das Alte umzubilden, schon vorher eine entscheidende Rolle gespielt haben. Ich halte für wahrscheinlich, daß die wichtigsten Umbildungen der Traditionen in den ersten Jahrzehnten der christlichen Gemeinde stattgefunden haben."

Hier zeichnen sich drei entscheidende Entwicklungen ab: Zum einen wird der bisher übliche Ansatz der Jesusforschung, die ältesten schriftlichen Quellen mit der geschichtlichen Wirklichkeit zu identifizieren, prinzipiell in Frage gestellt. Zum anderen wird nicht nur den ältesten literarischen Quellen, sondern auch der vorliterarischen Überlieferung Beeinflussung durch Kult und Dogma des frühesten Christentums unterstellt. Des weiteren wird jedoch prinzipiell an dem Ideal festgehalten, die älteste Schicht

" Ihr Ende wurde endgültig besiegelt durch K. L. SCHMIDTS Studie Der Rahmen der Geschichte Jesu (1919), in der er nachwies, daß die Zeit- und Ortsangaben der Evangelien nicht zur Tradition gehörten, sondern der redaktionellen Tätigkeit der Evangelisten zugeschrieben werden müssen, so daß die Möglichkeit einer Lebensgeschichte Jesu im Sinne eines Entwicklungsvorgangs nicht mehr gegeben ist. 62 EICHHORN, Abendmahl, 15 (vgl. oben Anm. 58).

Der unähnliche Jesus

103

der Jesusüberlieferung erkennen zu können, um somit zu Jesus selbst vorzustoßen. Eine weitere entscheidende Voraussetzung der künftigen Entwicklung der Forschung bildet sich etwa zu derselben Zeit aus, nämlich die Vorstellung, daß die vorliterarische Jesusüberlieferung isoliert umlaufende, volkstümlich-mündliche, Wort- bzw. Anekdotenüberlieferung gewesen sei63. Der vorliterarischen mündlichen Uberlieferung wurden von Anfang an zwei charakteristische, aber zueinander in Spannung stehende Merkmale zugewiesen: Zum einen wurde unter Berufung auf die unliterarische und volkstümliche Art der Uberlieferung eine konservierende Tendenz der Uberlieferung ausgemacht, die es ermögliche, „daß sich Altes und Ursprüngliches gut erhalten in den Berichten findet" 64 - die Vorstellung setzt sich durch, daß die Evangelisten, besonders Markus, konservierende Sammler von vorliegenden, weitgehend bereits geformten Traditionen gewesen seien' 5 , die sie im Evangelium lediglich mit einem Rahmen versehen hätten". Zum anderen erkannte man in der Überlieferung eine wie EICHHORN schon nahelegte - zutiefst von den kultischen und theologischen Interessen der überliefernden Gemeinde (durch Auswahl, Umformung und Neubildung) geprägte Tradition 67 . Es oblag den drei Begründern der Formgeschichte, diese Erkenntnis künftig umfassend zu dokumentieren68. Für eine Einschätzung der sich am Anfang des 20. Jahrhunderts neu etablierenden Forschungslage ist es von entscheidender Bedeutung, darauf zu achten, daß die Hinwendung zur vorliterarischen Überlieferung im 63

" 65

"

"

"

Vgl. WEISS, Evangelium, 8 u. ö.; WELLHAUSEN, Einleitung, 43ff., bes. 52f.: „Die letzte Quelle der Evangelien ist mündliche Überlieferung, aber diese enthält nur zerstreuten Stoff" (43). DIBELIUS, Überlieferung, 4. Diese Vorstellung geht maßgeblich auf J. WEISS zurück, der den Nachweis führt, daß Markus kein Schriftsteller, sondern ein Vermittler ältester Gemeindeüberlieferung ist, s. DERS., Evangelium, 120-345. M. DIBELIUS nimmt sie auf (vgl. DERS., Überlieferung, 4) und sie fließt in dieser Form in die Formgeschichte ein, wo sie über Jahrzehnte einen festen Bestandteil des formgeschichtlichen Paradigmas bildet. Erst mit W. MARXSENS Studie Der Evangelist Markus (1957) setzte eine Neueinschätzung des schriftstellerischen und theologischen Beitrags des Evangelisten Markus ein. „Wir müssen immer deutlicher unterscheiden lernen zwischen der dem Evangelisten vorliegenden Tradition und dem Rahmen, den er ihr gegeben hat [ . . . ] " , fordert M. DIBELIUS, Rez. J. Weiß, Jesus von Nazareth. Mythus oder Geschichte, ThLZ 3 5 , 1 9 1 0 , 545ff. Vgl. die Evangelienkommentare WELLHAUSENS, ferner die zusammenfassende Darstellung des Überlieferungsprozesses in J. WEISS (Hg.), Die Schriften des Neuen Testaments I, Göttingen 1906, 36-56, ferner DIBELIUS, Überlieferung, 4 - 6 . DIBELIUS, Formgeschichte; SCHMIDT, Rahmen; BULTMANN, Geschichte.

104

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Rahmen des Fragenhorizontes der Leben-Jesu-Forschung stattfindet. 6 ' Sie setzt bruchlos das auf den Historismus zurückgehende Interesse der Leben-Jesu-Forschung an den ältesten Quellen als unmittelbarem Zugang zur historischen Wirklichkeit fort 70 . Ebenso bruchlos wird das Differenzprinzip aus den vorigen Jahrhunderten übernommen. Die neue Forschungslage impliziert allerdings eine erhebliche Verschiebung hinsichtlich der Funktion jenes Prinzips: Hatte es bis Anfang des 20. Jahrhunderts die Funktion, als Maßstab zur Bewertung des historischen Quellenwertes schriftlicher Uberlieferungskomplexe bzw. der Evangelien zu dienen, wird es nun zum Instrument zur Unterscheidung zwischen authentischer und nicht-authentischer Jesusüberlieferung. Dies folgt gewissermaßen zwingend aus der veränderten Forschungslage. Denn unter den Voraussetzungen, daß die vorliterarische Jesusüberlieferung als isolierte Einzelüberlieferung im Umlauf gewesen sei, und daß ein Teil dieser Uberlieferung gegebenenfalls ursprünglich, d. h. echte Jesusüberlieferung bzw. -Zeugnisse, sein könne, während ein Teil mit Sicherheit unter dem Druck der kultischen 71 und theologischen (christologischen!) Interessen des frühen Christentums umgebildet oder gar neugebildet worden sei, wird das Differenzprinzip zwingend zum Aussonderungsprinzip: Da die Tradition lediglich fragmentarisch vorliegt, kann das Differenzprinzip nicht mehr auf einen Traditionskomplex, sondern lediglich je für sich auf einzelne isolierte Traditionsstücke angewendet werden - nur jene Einzelüberlieferungen, denen nicht Beeinflussung durch das früheste Christentum nachzuweisen ist, haben Quellenwert für eine Geschichte Jesu. Unter den skizzierten forschungsgeschichtlichen Bedingungen erfolgte dann auch prompt die Ausformulierung eines Echtheitskriteriums im Sinne eines Aussonderungsprinzips. In aller Deutlichkeit liegt sie erstmals72 bei HEINRICH WEINEL vor 7 3 :

" Vgl. auch SCHMITHALS, Einleitung, 261. Die Tatsache, daß alle drei Kronzeugen der formgeschichtlichen Betrachtung Jesusstudien veröffentlichen, belegt dies eindeutig. Vgl. BULTMANN, Jesus; SCHMIDT, Art. Jesus Christus; DIBELIUS, Jesus. 70 Vgl. WEINEL, Verkündigung, 32: „Das Neue, das seit der Aufklärung eingetreten ist, ist [ . . . ] nur dies, daß der Prozeß der Sichtung der Überlieferung [ . . . ] nun endgültig und absolut fortgeführt wird bis auf Jesus selbst". 71 Hierin liegt auch eine Weiterentwicklung gegenüber früherer Anwendung des Differenzprinzips vor: Die Erkenntnisse der zu diesem Zeitpunkt aufblühenden religionsgeschichtlichen Erforschung des frühen Christentums werden so für die Frage nach der historischen Verläßlichkeit der Tradition fruchtbar gemacht. 72 THEISSEN/WINTER, Kriterienfrage, 66f., 83-87, vertreten den Standpunkt, daß P. W . SCHMIEDEL das Differenzkriterium erstmals im Jahre 1901 in einem EnzyklopädieArtikel (Art. Gospels, E B ( C ) 2, 1901, 1761-1898, dort 1872f.) formuliert habe. SCHMIEDELS Kriterium ist jedoch unter absichtlicher Umgehung der synoptischen

Der unähnliche Jesus

105

„Die literarische Kritik [...] hat sich zuerst auf die Feststellung dessen zu erstrecken, was die ältesten Quellen boten. Dann ist noch das von der mündlichen Uberlieferung Hinzugefügte durch historische Kritik festzustellen. Für diese nun hat als der einzige Maßstab, Echtes von Unechtem zu unterscheiden, der Grundsatz zu gelten: Nur solche Züge der Uberlieferung sind als unecht auszuschalten, die nicht aus einem Interesse Jesu, sondern nur aus einem Interesse der Gemeinde herstammen können. Dieser Grundsatz ist [...] nicht zu dem anderen auszuweiten, daß überall da, wo die Gemeinde ein Interesse hatte [...], die Überlieferung ganz und gar als unecht anzusprechen sei. Vielmehr muß, da es sich hier immer um eine Ausscheidungs-Operation handelt, erst der Beweis erbracht werden, daß das betreffende Interesse erst später aufgetaucht sein kann." Als WILHELM HEITMÜLLER 1912 seinen Jesus-Artikel in der ersten Ausgabe der R G G veröffentlichte, konnte er schon von diesem Kriterium als einem allgemein anerkannten Grundsatz sprechen 74 . Aus diesen E r ö r t e rungen ergibt sich: Die Entstehung des Differenzkriteriums als eines Maßstabs der Echtheit einer Traditionseinheit bzw. als eines Aussonderungsprinzips ist untrennbar mit der Hinwendung zur vorliterarischen mündlichen Uberlieferung im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts verknüpft. Die Entstehung des Differenzkriteriums fällt somit mit der Grundlegung der Formgeschichte zusammen 7 5 . Dementsprechend gehört es - wie BULTMANNS Geschichte der synoptischen Tradition zeigt - von Anfang an inhärent zum Instrumentarium der formgeschichtlichen Betrachtungsweise.

2. Differenz zum Judentum Der Ausgang des 19. Jahrhunderts war von dem Aufstieg der sogenannten religionsgeschichtlichen Betrachtungsweise gekennzeichnet, die darauf zielte, die Entstehung des Christentums auf dem Hintergrund seiner

73 74 75

Problematik formuliert worden und stellt somit eine untypische Position dar. Ferner ist es nicht als überlieferungskritisches Aussonderungsprinzip formuliert, sondern als Maßstab der Historizität des von den vorliegenden Evangelien gebotenen geschichtlichen Stoffes. Es stellt eher eine Vorform des späteren Criterion of Embarrassment dar und beruht auf Spekulation darüber, was angeblich im frühen Christentum nicht erfunden werden konnte. Darin unterscheidet es sich erheblich vom Differenzkriterium. WEINEL, Verkündigung, 28f. (Hervorhebung im Original). HEITMÜLLER, Art. Jesus Christus, 361. Alle grundlegenden Prämissen der Formgeschichte waren vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges schon gegeben. Es fehlte nur noch die ausführliche Dokumentation der Ergebnisse des dort anvisierten Programms (das Desiderat formulierte ζ. B. B O U S SET, Kyrios Christos, 246-269).

106

David S. du Toit

V e r f l e c h t u n g mit seiner religiösen U m w e l t ( J u d e n t u m , H e l l e n i s m u s )

zu

erklären. D i e E n t d e c k u n g der jüdischen A p o k a l y p t i k u n d ihrer B e d e u t u n g f ü r das f r ü h e C h r i s t e n t u m 7 6 b e r e i t e t e d e n W e g f ü r e i n e k o n s e q u e n t e E i n o r d n u n g J e s u in die j ü d i s c h e A p o k a l y p t i k . Sie w u r d e z u n ä c h s t v o r s i c h t i g v o n W I L H E L M BALDENSPERGER in A n g r i f f g e n o m m e n , d a n n a b e r in v o l l e r K o n s e q u e n z v o n JOHANNES WEISS u n d ALBERT SCHWEITZER

durchge-

f ü h r t . Z u r s e l b e n Z e i t b e t o n t e GUSTAF DALMAN die a r a m ä i s c h e H e r k u n f t d e r S p r a c h e u n d des D e n k e n s J e s u . T r o t z d e r w a c h s e n d e n

Erkenntnis,

d a ß J e s u s u n d s e i n e V e r k ü n d i g u n g n u r i m R a h m e n des z e i t g e n ö s s i s c h e n J u d e n t u m s v e r s t a n d e n w e r d e n k ö n n e n , z e i c h n e t e n die m e i s t e n J e s u s d a r s t e l l u n g e n J e s u s a m E n d e des 1 9 . b z w . z u A n f a n g des 2 0 . J a h r h u n d e r t s in scharfem Kontrast zum Judentum. Ich erwähne nur wenige Beispiele einiger einflußreicher Gelehrter. Da ist zunächst WILHELM BOUSSET ZU nennen, der zwar eine konsequente „Heranziehung der religiösen Gedanken- und Stimmungs-Welt des Spätjudentums zum Verständnis der geschichtlichen Erscheinung Jesu" forderte, andererseits aber urteilte, daß „die Predigt Jesu vor allem und in erster Linie in ihrem Gegensatz zum Judentum verstanden werden muß" und daß die Gesamtgestalt Jesu nicht „im Bannkreis des Judentums" stehe 77 . Trotz seines berühmten Diktums, daß Jesus nicht Christ, sondern Jude gewesen sei, der innerhalb des Judentums bleiben wollte, urteilte JULIUS WELLHAUSEN, „man darf das Nichtjüdische in ihm, das Menschliche, für charakteristischer halten, als das Jüdische" 78 . ADOLF HARNACK hat in seiner äußerst einflußreichen Vorlesung Das Wesen des Christentums (Erstveröffentlichung 1900) ein zum Teil düsteres Bild des antiken Judentums gezeichnet, um Jesus als die Verwirklichung des höchsten religiösen Ideals davon absetzen können. Ihm zufolge ist der Zusammenhang Jesu zum Judentum „nur noch ein lockerer", der Zusammenhang mit der Zeitgeschichte sei überhaupt unbedeutend 79 . PAUL WERNLE beklagte die Rejudaisierung des vom Judentum frei gewordenen Jesus im frühen Christentum, die „das Bild Jesu verfälscht durch die Eintragung ihm fremder judaistischer Züge" und die Jesus in jüdischen Gedanken einbalsamiere80. E s ist H E I N R I C H W E I N E L S V e r d i e n s t , d a ß e r das in d e r J e s u s f o r s c h u n g l a t e n t v o r h a n d e n e P r i n z i p d e r D i f f e r e n z z u m J u d e n t u m als m e t h o d i s c h e n G r u n d s a t z e r f a ß t e u n d klar f o r m u l i e r t e . S o m i t f i n d e t s i c h das d o p p e l t e D i f f e r e n z k r i t e r i u m s c h o n 1 9 1 0 v o l l s t ä n d i g bei i h m . W E I N E L b e t o n t e , d a ß

74 77

78 79

Vgl. die Pionierarbeit von HILGENFELD, Apokalyptik. BOUSSET, Jesu Predigt, 6.39.70. Schon der Titel ist instruktiv. Zum Jesusbild BOUSSETS s. THEISSEN/WINTER, Kriterienfrage, 9 2 - 9 8 . WELLHAUSEN, Einleitung, 108-115, dort 113f. HARNACK, Wesen, 23. Vgl. die Erörterungen bei VON DER OSTEN-SACKEN, Rückzug, 108-113.

80

WERNLE, Anfänge, I I I , 104f.

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mit dem Differenzprinzip zwar die von Jesus stammende echte Überlieferung gesichert werden könne, nicht jedoch das Wesentliche 81 : „Das Wesentliche bestimmt sich nach einer ganz anderen Methode als das Echte. Aus dem Echten [ . . . ] muß das Wesentliche noch erst ausgeschieden werden, und zwar nach dem Grundsatz: das Wesentliche ist das Originale. N i c h t was Jesus mit seinem Volk und seiner Zeit geteilt hat - das ist natürlich oft gerade das Echte an der Uberlieferung - sondern was ihn von seinem Volk und seiner Zeit unterschieden hat, das ist sein, das ist das Wesentliche an ihm und seiner Predigt."

Damit war das doppelte Differenzkriterium erstmals formuliert82 und ihre methodische Problematik klar umrissen83. Es stellt sich jedoch die Frage, weswegen - trotz der nicht zu leugnenden Tatsache, daß Jesus jüdischer Herkunft war, und trotz der sich durchsetzenden Erkenntnis, daß Jesu Verkündigung nur im Rahmen der zeitgenössischen jüdischen Vorstellungswelt verständlich ist - die Jesusforschung Jesus beharrlich von seiner jüdischen Umwelt zu isolieren versuchte. Die Formulierung W E I N E L S bietet einen ersten Hinweis zur Beantwortung dieser Frage und damit zugleich zur Beantwortung der Frage nach der Entstehung eines doppelten Differenzkriteriums am Anfang des 20. Jahrhunderts. Er erläutert nämlich die Funktion der Bestimmung einer Differenz zum Judentum dahingehend, daß sie dazu diene, Jesu Originalität bzw. Individualität hinsichtlich seiner jüdischen Umwelt zu bestimmen - das deutet auf den Historismus mit seiner Betonung geschichtswirksamer Individualität und Originalität als theoriegeschichtlichen Kontext des Kriteriums.

2.1 Der theoriegeschichtliche Kontext: Individualität im Historismus Die Tendenz der Jesusforschung des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, Jesus von seiner Verflechtung mit dem zeitgenössischen Judentum isolieren zu wollen, ist auf ihre Beheimatung im Historismus als ihrem geschichtstheoretischen Kontext zurückzuführen84. Der im 19. Jahrhundert

81 ,2

WEINEL, Verkündigung, 35. Anders THEISSEN/WINTER, Kriterienfrage, 115, die die erstmalige Formulierung bei R . BULTMANN finden.

83

Bei WEINEL ist eindeutig, (1) daß es sich um ein Zwei-Schritt-Verfahren handelt, (2) daß die Bestimmung der Differenz zum Judentum dem überlieferungskritischen Verfahren nachgeordnet ist und (3) daß es sich bei letzterem um einen religionsgeschichtlichen Vergleich handelt, s. DERS., Verkündigung, 35f.

84

Zum Historismus vgl. MURRMANN-KAHL, Heilsgeschichte, 7 5 - 2 0 4 , bes. 1 6 8 - 2 0 4 ; dort Literatur!

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aufkeimende Historismus übernimmt aus der Romantik und besonders von JOHANN G O T T F R I E D H E R D E R die Kategorie der Individualität als Leitkategorie der Geschichte85. Als Akteure der Geschichte gelten Individuen, d. h. Personen oder Kollektivindividuen (kulturelle Institutionen und Gebilde)86 - Aufgabe der Geschichtsschreibung ist es, die Handlungen solcher Individuen innerhalb eines Sinnzusammenhangs zu rekonstruieren. Charakteristisch für den Historismus ist nun, daß Individualität als Selbständigkeit, d. h. im Sinne einer relativen Unabhängigkeit von der historischen Umwelt, verstanden wird - das geschichtlich wirksame Individuum sei durch Unableitbarkeit hinsichtlich seiner Umwelt gekennzeichnet. Die Kategorie der Individualität wird ferner mit der Kategorie der historischen Persönlichkeit verknüpft87. Die individuelle Persönlichkeit wird als schöpferische Potenz innerhalb der Geschichte gedacht, die Neues, Originales, hervorbringt und somit eine neue Epoche in der Geschichte einleitet.88 Diese Konzentration auf geschichtsmächtige, individuelle Persönlichkeiten ist besonders für den Historismus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts typisch und läßt sich bei solch unterschiedlichen Historikern wie H. VON T R E I T S C H K E , J. B U R C K H A R D T und F . M E I NECKE nachweisen. Es wird mit unterschiedlichen Varianten des Geschichtsprinzips „große Männer machen Geschichte" gearbeitet8'. Auf diesem Hintergrund ist die Jesusforschung vor und nach der Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert zu verstehen90. Jesus wird als originaler, schöpferischer Denker und als handelnde Person gedacht. Als einmaliger, hervorragender homo religiosus wird er zum Stifter einer neuen Religion, der die alte Religion sprengt und damit endgültig überholt und ablöst. Als geschichtsmächtige individuelle Persönlichkeit ist er nur in seiner prinzipiellen Unverbundenheit mit seiner Umwelt richtig zu ver85 86

87

88

89 90

Vgl. JAEGER/RÜSEN, Geschichte, 81-86. In der Bibelforschung wird die historistische Kategorie des Kollektivindividuums zunächst im überlieferungsgeschichtlichen Ansatz GUNKELS wirksam: An die Stelle von schriftstellerischen Persönlichkeiten treten anonyme Kollektivgebilde, die die Tradition formen, umbilden und tradieren. In die neutestamentliche Forschung zieht als Kollektivindividuum die urchristliche Gemeinde ein. Zu einer Kritik der Kategorie der Kollektivindividualität vgl. MURRMANN-KAHL, Heilsgeschichte, 173-175. Die Kongruenz der Leben-Jesu-Forschung der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und des Historismus wird an diesem Punkt unübersehbar deutlich. Zu Recht macht MURRMANN-KAHL, Heilsgeschichte, 172, darauf aufmerksam, daß dadurch die historische Kausalität prinzipiell ausgehebelt wird, weil letztlich der Fortgang der Geschichte mit einer in der schöpferischen Persönlichkeit begründeten Letztursache erklärt wird. Vgl. MURRMANN-KAHL, Heilsgeschichte, 116. 172; JAEGER/RÜSEN, Geschichte, 135f. Vgl. die grundlegende Studie von MURRMANN-KAHL, Heilsgeschichte, bes. 365-424.

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s t e h e n - das W e s e n t l i c h e an i h m ist das Originale, das N e u e " . D i e J e s u s darstellungen dieser Z e i t s t e h e n also in jener h i s t o r i s t i s c h e n T r a d i t i o n , die geistig p o t e n t e „ g r o ß e M ä n n e r " als die eigentliche T r i e b f e d e r der

Ge-

s c h i c h t e b e t r a c h t e t 9 2 . D a r u m b e d e u t e t e die Ü b e r t r a g u n g d e r religionsges c h i c h t l i c h e n B e t r a c h t u n g s w e i s e auf den h i s t o r i s c h e n J e s u s i m R a h m e n der h i s t o r i s t i s c h e n V o r a u s s e t z u n g e n der damaligen J e s u s f o r s c h u n g

tat-

sächlich eine K o m p l i k a t i o n , die m e t h o d i s c h d a h i n g e h e n d g e l ö s t w u r d e , d a ß s o l c h e J e s u s ü b e r l i e f e r u n g , die m i t d e m z e i t g e n ö s s i s c h e n J u d e n t u m ü b e r e i n s t i m m t , m i t H i l f e eines A u s s o n d e r u n g s v e r f a h r e n s als u n w e s e n t lich, d. h. n i c h t original, a u s g e t r e n n t wird. So w u r d e die h i s t o r i s c h e A b s o l u t h e i t J e s u sichergestellt, die w i e d e r u m die A b s o l u t h e i t der v o n i h m a u s g e g a n g e n e n R e l i g i o n garantiert 9 3 . U n t e r m a u e r t w i r d dies o f t m a l s m i t einer S u b s t a n z l e h r e , die i m W e r k J e s u einen w e s e n t l i c h e n K e r n a u s m a c h t , der v o n der g e s c h i c h t l i c h b e d i n g t e n u n d partikularen H ü l l e o d e r Schale seiner g e s c h i c h t l i c h e n E r s c h e i n u n g differiere. 9 4 An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, daß das Individualitätsaxiom des Historismus sich auch hinsichtlich der Verhältnisbestimmung von Jesus und Christentum auswirkte. Dies läßt sich exemplarisch an J. WELLHAUSEN illustrieren. WELLHAUSEN zufolge haftet dem Christentum (wie dem nachexilischen Judentum) etwas Epigonenhaftes an, so daß es nicht vermag, Jesu einzigartigen Neuansatz in Reinform weiter zu führen. Vielmehr habe ein Rückfall eingesetzt, der endlich in eine Fortsetzung der jüdischen Theokratie in Gestalt der weltweiten Kirche gemündet sei' 5 . Ahnliches läßt sich bei WERNLE beobachten, der einen Rückfall der Nachfolger Jesu in jüdische Kategorien beklagt 96 . So be-

"

Vgl. auch THEISSEN/WINTER, Kriterienfrage, 4 5 - 6 3 .

92

Andere wirksame Kategorien waren die des Genius, des Heros, des Religionsstifters, des Ubergangsmenschen, usw. W. BOUSSET war in seiner Darstellung von Jesus besonders dem Herosbegriff des britischen Gelehrten T. CARLYLE verpflichtet, vgl. BERGER, Exegese, 92-109; ferner THEISSEN/WINTER, Kriterienfrage, 52f.; MURRMANN-KAHL, Heilsgeschichte, 414f., der zu Recht betont, daß die Rezeption CARLYLES durch BOUSSET vom Historismus vorbereitet wurde. So klassisch HARNACKS Wesen des Christentums, dazu MURRMANN-KAHL, Heilsge-

93

schichte, 3 8 6 - 3 9 6 ;

s. a u c h die E r ö r t e r u n g e n z u HOLTZMANN, e b d . , 4 1 0 - 4 1 2 ,

und

BOUSSET, e b d . , 3 9 6 - 4 0 4 . 4 1 3 - 4 1 8 . 94

95 96

V g l . M U R R M A N N - K A H L , H e i l s g e s c h i c h t e , 3 9 3 f . (HARNACK); 4 0 1 . 4 1 7 ( B O U S S E T ) ; f e r -

ner THEISSEN/WINTER, Kriterienfrage, 94f. So fordert WEINEL, Verkündigung, 31, die Trennung des Wesentlichen einer geschichtlichen Erscheinung von ihrer individuellen Gestalt. THEISSEN/WINTER, Kriterienfrage, 36-40, zeigen, daß damit die alte Akkomodationslehre der Deisten und der Aufklärung wiederbelebt wird, nach der eine überzeitlich-gültige Wahrheit von ihrer zeitbedingten, letztlich unverbindlichen Einkleidung unterschieden wird. WELLHAUSEN, Geschichte, 390-394; vgl. dazu LIEBESCHÜTZ, Judentum, 255f. WERNLE, Anfänge, 104ff.

110

David S. du Toit

kommt Jesus in beide Richtungen eine einzigartige, über seine Umgebung herausragende Stellung zugewiesen 97 .

2.2 Flankierende theoriegeschichtliche Entwicklungen Während das historistische Individualitätsaxiom eindeutig als die Hauptursache für die Entstehung eines Differenzkriteriums hinsichtlich des zeitgenössischen Judentums zu gelten hat, ist an dieser Stelle jedoch auf zwei weitere Entwicklungen aufmerksam zu machen, die die Anwendung jenes Individualitätsprinzips auf Jesus entscheidend vorangetrieben haben. Zunächst ist hier die sogenannte Propheten-Anschluß-Theorie zu erwähnen. Hatten schon die Aufklärung, H E G E L und SCHLEIERMACHER das Alte Testament radikal entwertet und so einen Keil zwischen das antike Judentum und das Christentum getrieben98, zeichnet sich in der Bibelkritik von W I L H E L M V A T K E eine Variation dieses Themas ab, die künftig große Wirkung zeigen sollte". V A T K E kommt unter dem Einfluß der H E GELschen Philosophie zu einer Auffassung der Geschichte der Religion Israels, die sie als einen im Dreischritt vollzogenen Aufstieg aus einer primitiven Naturreligion zu einer der individuellen Subjektivität Raum gewährenden Religion versteht, wie dies aus den Propheten und der Weisheitsliteratur hervorgehe. Der Pentateuch und damit zusammen die Entstehung einer am Gesetz orientierten Religion gehörten chronologisch nach diese Entwicklung und stellten eine Erstarrung dar: Es zeichnet sich die Vorstellung einer Epocheneinteilung Israel-Judentum ab, die die aufklärerische Abwertung des Alten Testaments bzw. der Religion Israels nun auf das spätere Judentum überträgt100. Während des letzten Viertels des 19. Jahrhunderts dominierten zwei Gelehrte, J U L I U S W E L L H A U S E N und B E R N H A R D D U H M , die alttestamentliche Forschung. Für die vorliegende Fragestellung nehmen sie entscheidende Weichenstellungen vor. D U H M zeichnet in seinem berühmten Buch Die Theologie der Propheten (1875) ein Bild der Entwicklung der Religion Israels, das die Propheten mit ihrer sittlichen Religion als höchste Stufe Israels darstellt. In diesem Geschichtsbild ist eine Abwertung der nachprophetischen Epoche schon implizit beschlossen. Auch W E L L H A U S E N betrachtet die prophetische Religion eines sittlichen und individualisti97 98

99 100

Vgl. THEISSEN/WINTER, Kriterienfrage, 58-62, bes. 62. Vgl. LIEBESCHÜTZ, Judentum, 1 - 4 2 (zu Aufklärung und HEGEL), 9 6 - 9 8 (zu SCHLEIERMACHER). Vgl. dazu LIEBESCHÜTZ, Judentum, 79-85. LIEBESCHÜTZ, Judentum, 86.

Der unähnliche Jesus

111

sehen Monotheismus als Höhepunkt der israelitischen Religion. Ihm zufolge diente die nachexilische Epoche der Organisation des Judentums mit Tempelkult und Ritualgesetz als zentralen Größen. Ihren inneren Wert hat diese Epoche darin, daß sie dem prophetischen Monotheismus eine Schale bzw. einen Panzer bietet, damit er der Welt nicht verlorengehe101. Die Geschichte Israels sei jedoch unaufhaltsam auf den „Untergang des jüdischen Gemeinwesens" zugesteuert102, das rabbinische Judentum habe die begonnene Erstarrung verstärkt fortgesetzt, so daß „eine geistige Knechtschaft, wie sie nie wirksamer bestanden hat", entstanden sei103. In Jesus und seinem Evangelium erblickt WELLHAUSEN einen Neuanfang, in dem die alte prophetische Religiosität wieder auflebe104: Er habe „den edelsten Individualismus" gepredigt und damit an die Tradition der Propheten angeschlossen. Er sei jedoch „mehr als ein Prophet" gewesen, der tief unter dem Schutt jahrhundertelanger Erstarrung eine Quelle aufgetan habe, der alles „Zufällige, Karikierte, Abgestorbene" zugunsten des Wesentlichen abgestoßen habe105. Diese Propheten-Anschluß-Theorie, die Jesus von seiner unmittelbaren jüdischen Umwelt isoliert, um ihn über fünf Jahrhunderte des Verfalls hinweg direkt an die Propheten Israels anschließen zu lassen, wurde - nicht zuletzt wegen des gewaltigen Einflusses WELLHAUSENS - zum Allgemeingut der exegetischen Zunft des 20. Jahrhunderts 106 . Die zweite Entwicklung, die hier anzusprechen ist, betrifft das Bild des antiken Judentums zur Zeit Jesu und der Entstehung des Christentums, 101

102

103

104 105

WELLHAUSEN, Geschichte, 191. Er betont den „Widerspruch, daß der Gott der Propheten sich jetzt in einer kleinlichen Heils- und Zuchtanstalt verpuppte". Das Gesetz habe eine „erstickende Wirkung", in der „der Kern hinter der Schale verholzte" (208). Zu WELLHAUSENS Sicht des Judentums vgl. LIEBESCHÜTZ, Judentum, 2 4 3 - 2 6 8 ; ferner PERLITT, Vatke und Wellhausen; KUSCHE, Unterlegene Religion, 3 0 - 7 4 . So der Titel des vorletzten Kapitels des Buches (in der 1. Auflage des letzten Kapitels). WELLHAUSEN, Geschichte, 379. Die Bezeichnung Spätjudentum hat ihre Entstehung im ausgehenden 19. Jahrhundert diesem verbreiteten Konzept einer Abfallgeschichte Israels zu verdanken. Vgl. dazu LIEBESCHÜTZ, Judentum, 2 4 3 - 2 6 8 , bes. 2 5 5 - 2 5 7 . WELLHAUSEN, Geschichte, 3 8 1 - 3 9 0 . Schon 1884 schrieb er: „Das Evangelium entwickelt verborgene Triebe des Alten Testaments, aber es protestiert gegen die herrschende Richtung des Judentums. Jesus versteht den Monotheismus anders als seine Zeitgenossen", zitiert nach THEISSEN/WINTER, Kriterienfrage, 76. Eine solche Propheten-Anschluß-Vorstellung läßt sich schon bei D. F. STRAUSS und in liberalen Jesus-Darstellungen nachweisen, vgl. ebd., 54f.

"* Vgl. KOCH, Ratlos, 3 5 - 3 7 . Die Rezeption setzt schon in BOUSSETS Jesusbuch ein, der Jesu universale und individuelle Gerichtspredigt auf altisraelitische Herkunft zurückführt, vgl. THEISSEN/WINTER, Kriterienfrage, 95f.

112

David S. du Toit

das sich im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts infolge der Rezeption von FERDINAND WEBERS 1880 posthum erschienenem Buch System der altsynagogalen palästinischen Theologie herauskristallisierte107. Dieses Bild zeichnet das Judentum in erster Linie als partikularistische Gesetzesfrömmigkeit angesichts eines unendlich fernen, transzendenten Gottes. Das von WEBER gezeichnete Negativbild eines legalistischen Judentums wurde durch die Rezeption in zwei Standardwerken der jüdischen Religiosität popularisiert und für Jahrzehnte festgeschrieben, nämlich durch EMIL SCHÜRERS dreibändige Geschichte des jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu Christi (ab 1886) und WILHELM BOUSSETS Die Religion des Judentums im neutestamentlichen Zeitalter (1903)108. Das antike Judentum bekam dadurch gerade für protestantische Jesusforscher ein äußerst unattraktives Gesicht 10 ', was eine Einbettung Jesu in seine jüdische Umwelt aus ihrer Sicht praktisch unmöglich und eine scharfe Absetzung Jesu von ihr geradezu unumgänglich machte110.

2.3 Sozialgeschichtlicher Einfluß: Der antijüdische Affekt Den hier erwähnten theoriegeschichtlichen Entwicklungen, die die Anwendung des Differenzprinzips auf das Judentum bedingten, sind nun auch sozialgeschichtliche Erwägungen zur Seite zu stellen. In einer umfangreichen Studie hat W. E. HEINRICHS dokumentiert, wie tief antijüdische Gefühle in den unterschiedlichsten Strömungen des Protestantismus des Deutschen Kaiserreichs verwurzelt waren111. Auch die liberale LebenJesu-Forschung und die Religionsgeschichtliche Schule konnten sich der Sogwirkung dieser sozialen Gegebenheiten nicht entziehen. Gerade im liberalen Protestantismus wurde seit 1880 die Partikularität und Exklusivität jüdischer Religiosität als Hemmnis der Integration deutscher Juden wahrgenommen - dem stünden die Merkmale der protestantischen Kultur, nämlich Freiheit, Toleranz und humaner Fortschritt, gegenüber. Vor allem wurde dem Judentum eine defizitäre Sittlichkeit vorgeworfen. Daß es in einem solchen Milieu schwer fallen mußte, Jesus - der ja als die identitätstiftende Figur des liberalen Protestantismus galt - in die Nähe 107

D a z u D E I N E S , P h a r i s ä e r , 2 4 5 - 2 5 5 ; WAUBKE, P h a r i s ä e r , 2 5 0 - 2 5 6 .

10S

Dazu ausführlich SANDERS, Paulus, 27-54. Zu BOUSSET vgl. THEISSEN/WINTER, Kriterienfrage, 9 2 - 9 8 .

109

110 111

Im Brennpunkt der Negativdarstellung standen vor allem die Pharisäer, s. WAUBKE, Pharisäer, 336-338. Siehe auch THEISSEN/WINTER, Kriterienfrage, 76-78. HEINRICHS, J u d e n b i l d , bes. 6 8 1 - 6 9 5 .

Der unähnliche Jesus

113

eines angeblich durch Partikularität und legalistisches Ethos gekennzeichneten antiken Judentums zu rücken, leuchtet sofort ein. „So schwankte die Stimmung des liberalen Protestantismus über den religionsgeschichtlichen Nachweis des jüdischen Erbes des Christentums zwischen einer Faszination [ . . . ] und einem .Hinterhauskomplex', der davon ausgeht, daß Jesus eigentlich im .falschen' Stall geboren wurde" 112 . Zeitgenössische antijüdische Empfindungen übten also in erheblichem Maße Druck aus, die Ergebnisse der religionsgeschichtlichen Forschung hinsichtlich Jesu Zugehörigkeit zum Judentum zu entschärfen. Dies war ein nicht zu unterschätzender Faktor für die Entstehung des Differenzkriteriums.

3. Die Etablierung des doppelten Differenzkriteriums Für die Etablierung des doppelten Differenzkriteriums als leitendem methodischem Instrument der Jesusforschung des 20. Jahrhunderts war RUD O L F B U L T M A N N S Geschichte der synoptischen Tradition (1921; 2 1931) 1 1 3 entscheidend. Sie wurde (vor allem die 2. Auflage) zur grundlegenden Urkunde des formgeschichtlichen Paradigmas, dessen Prämissen bis heute die Evangelienforschung bestimmen. Die enorme Breitenwirkung der Geschichte der synoptischen Tradition trug mehr als irgend etwas anderes zu der Verbreitung des doppelten Differenzkriteriums bei. Die Geschichte der synoptischen Tradition steht ganz im Zeichen der sachkritischen Frage nach der „Echtheit eines [Jesus-] Wortes" bzw. der „Geschichtlichkeit eines Berichtes", d. h. der Einzelüberlieferung über Jesus. Ziel ist es, „die ursprüngliche Form eines Erzählstückes, eines Herrenwortes, eines Gleichnisses zu erkennen", d. h. zu erkennen, ob es von Jesus stammt oder in der Gemeindetradition entstanden ist114. Als authentisches Jesusgut kommen nach B U L T M A N N fast nur die isolierten Herrenworte in Betracht, weil sich die Erzählstoffe als christologisch bedingte Gemeindeprodukte ohne biographisches Interesse erklären lassen115, während die Apophthegmata durchgehend apologetische und polemische Interessen

112 113 1.4 1.5

HEINRICHS, Judenbild, 468f. Zitiert wird nach der gegenüber der 2. Auflage unveränderten 9. Auflage von 1979. BULTMANN, Geschichte, 6f. BULTMANN, Geschichte, 223-335. Das von der Religionsgeschichtlichen Schule übernommene historistische A x i o m des Kollektivindividuums wird bruchlos in BULTMANNS Vorstellung der produktiven und zu Neuerung fähigen Gemeinde übernommen.

114

David S. du Toit

der (palästinischen) Gemeinde reflektieren 116 (d. h. beide scheiden aufgrund des Differenzprinzips hinsichtlich der frühchristlichen Dogmenund Kultbildung aus). Im Rahmen der Beurteilung der sogenannten Herrenworte kommt nun das doppelte Differenzkriterium zur Anwendung 1 1 7 und wird explizit im Zusammenhang mit der Gleichnisbetrachtung formuliert 118 : „Wo der Gegensatz zur jüdischen Moral und Frömmigkeit und die spezifische eschatologische Stimmung, die das Charakteristikum der Verkündigung Jesu bilden, zum Ausdruck kommt, und wo sich andererseits keine spezifisch christliche Züge finden, darf man am ehesten urteilen, ein echtes Gleichnis Jesu zu besitzen."

BULTMANNS Formulierung weist gegenüber der Formulierung WEINELS einen wichtigen Unterschied auf - die Differenz zum zeitgenössischen Judentum scheint hier ein Echtheitskriterium zu bilden 119 . Die Position BULTMANNS läßt sich nur dann erklären, wenn man begreift, daß der religionsgeschichtliche Vergleich mit dem Judentum hier in den Dienst des Aufweises einer Differenz zum Christentum gestellt wird: Da das palästinische Christentum im Judentum verankert war, lassen sich Erkenntnisse über das zeitgenössische Judentum anwenden, um Gemeindebildungen zu erkennen 120 . Obwohl BULTMANN die Möglichkeit der Authentizität solcher Stoffe explizit zugesteht, urteilt er, daß dies bedeutungslos sei, weil die Gemeinde „damit nichts Charakteristisches von ihm bewahrt" habe 121 . Bedeutsam seien lediglich Worte, die „etwas Charakteristisches, Neues, was über Volksweisheit und Volksfrömmigkeit hinausgeht und doch

116

BULTMANN, G e s c h i c h t e , 8 - 7 3 .

117

Zur Anwendung von Echtheitskriterien in BULTMANN, Geschichte, vgl. BAASLAND, T h e o l o g i e , 2 3 6 - 2 6 1 ; ferner THEISSEN/WINTER, Kriterienfrage, 1 1 4 - 1 1 6 .

118

BULTMANN, G e s c h i c h t e , 222.

" ' D a m i t ebnet er den Weg für eine in der späteren Jesusforschung gelegentlich vorkommende fehlerhafte Anwendung des Differenzkriteriums, die davon ausgeht, daß jüdische Stoffe in der Uberlieferung unecht wären. 120 Vgl. BULTMANN, Geschichte, 132: „Die erste grundlegende Beobachtung ist die, daß jüdisches Gut von der christlichen Tradition übernommen und Jesus in den Mund gelegt ist", vgl. ferner die Diskussion zu den Weisheitslogien ebd., 106-113, und zu den prophetischen Worten ebd., 132-138. Das Vorgehen BULTMANNS entspricht der hier oben erwähnten Position WERNLES, der eine Rejudaisierung Jesu im frühen Christentum beklagte. Streng genommen müßte man also sagen, daß Bultmann nicht ein doppeltes Differenzkriterium vertrat, sondern nur das an dem überlieferungsgeschichtlichen Problem orientierte Differenzkriterium zum Christentum. Die Differenz zum Judentum wird dazu instrumentalisiert, die Differenz zum Judenchristentum erkennen zu können. 121

BULTMANN, G e s c h i c h t e , 108.

Der unähnliche Jesus

115

ebensowenig spezifisch schriftgelehrt-rabbinisch oder jüdisch-apokalyptisch ist", enthalten122. Ausgesondert werden Worte, die „wenig oder gar nicht charakteristisch [sind] für eine neue und individuelle Frömmigkeit, die über das Judentum hinausgeht"123. Diese Äußerungen zeigen, daß BULTMANN jene historistische Position vertritt, nach der Jesus eine geschichtsmächtige, individuelle Persönlichkeit war, die nur in der prinzipiellen Unverbundenheit mit ihrer Umwelt richtig zu verstehen ist, weil das Originale und das Neue an ihr das Wesentliche bzw. das Charakteristische ist. Folglich kann alles typisch Jüdische, das die Gemeinde von Jesus tradiert hat, sei es nun aus dem Judentum übernommen und auf ihn projiziert, sei es nun echt, als unbedeutsam für das Verständnis Jesu betrachtet werden. Die von WEINEL vertretene Unterscheidung zwischen „Echt" und „Wesentlich" wird also von BULTMANN mittels der Differenz zum Judentum - wenn auch in einem anderen methodischen Zusammenhang aufrechterhalten. Diese Überlegungen zeigen, weswegen BULTMANN, obwohl er immer die Zugehörigkeit Jesu zum Judentum betont hat, an verschiedensten Punkten seiner Biographie von Jesus als „Abschluß und Erfüllung" (1920) bzw. als radikalem „Überwinder" (1960) des Judentums sprechen konnte 124 . Auch die anderen hier oben unter 2.2.2 und 2.2.3 genannten Faktoren dürften dabei eine Rolle gespielt haben: Die Aussage, daß „Jesus als Abschluß und Erfüllung in die Geschichte des Judentum hineingehört" zeigt ζ. B. deutliche Berührung mit WELLHAUSENS Vorstellungen über die Geschichte des Judentums und der hinter der Propheten-Anschluß-Theorie stehenden Epocheneinteilung' 2 5 . Daß BULTMANN das Negativbild vom „Spätjudentum" von SCHÜRER und BOUSSET übernommen hat, ist allgemein anerkannt 126 .

Zum Abschluß ist festzuhalten: Auch wenn in den zwanziger Jahren bei BULTMANN mit seiner Abkehr von den systematisch-theologischen und hermeneutischen Prämissen der Leben-Jesu-Theologie eine Wende bezüglich des Stellenwertes der Frage nach dem historischen Jesus für die Theologie eingetreten ist, blieben die geschichtstheoretischen und methodischen Voraussetzungen, unter denen er sich mit dem historischen 122 123 124

BULTMANN, Geschichte, 110. BULTMANN, Geschichte, 108. Die vollständigen Zitate und Literaturangaben bei THEISSEN/WINTER, Kriterienfrage, 113.

125

V g l . BAASLAND, T h e o l o g i e , 2 5 7 - 2 5 9 .

126

Vgl. SANDERS, Paulus, 27-54; vgl. ferner DE VALERIO, Altes Testament, 348-353. Sehr umstritten ist dagegen, ob BULTMANN antijüdische Gefühle nachgewiesen werden k ö n n e n ( s o z . B . VON DER OSTEN-SACKEN, R ü c k z u g , 1 1 3 - 1 2 2 ; STEGEMANN, 2 6 - 4 4 )

-

dies ist eher unwahrscheinlich, vgl. DE VALERIO, Altes Testament, 9-16, dort Literaturangaben zur Debatte.

116

David S. du Toit

Jesus beschäftigt, davon unberührt. Er übernahm das sich am Anfang des 20. Jahrhunderts infolge der religions- bzw. überlieferungsgeschichtlichen Wende abzeichnende Paradigma mitsamt seinen historistischen Prämissen. Es ist der gewaltigen Wirkung BULTMANNS ZU verdanken, daß diese Prämissen - trotz der Krise des Historismus - bis in das 21. Jahrhundert hinein in der neutestamentlichen Forschung nachwirken.

IV. Das Differenzkriterium auf dem Prüfstand Das Differenzkriterium wurde seit seiner programmatischen Einführung durch ERNST KÄSEMANN als Leitkriterium einer neuen Rückfrage nach Jesus angefochten. Die Kritik betraf vor allem zwei Aspekte: Zum einen wurde moniert, daß es Jesus von seiner jüdischen Umwelt und dem aus seiner Wirkung hervorgegangenen Christentum isoliere und somit ein ungeschichtliches Zerrbild produziere. Zum anderen bezog sich die Kritik auf die Unpraktikabilität des Kriteriums: Die Lückenhaftigkeit und der höchst hypothetische Charakter unseres Bildes vom Judentum zur Zeit Jesu und dem ältesten Christentum erlaubten nicht, die erforderliche Aussonderung der Anschauungen Jesu aus Judentum und Christentum zum methodischen Programm erheben zu können. Diese Kritik möchte ich hier nicht im einzelnen wiederholen, sondern nur dort darauf zurückgreifen, wo sie sich mit einer Kritik an geschichtstheoretischen Voraussetzungen des Kriteriums berührt.

1. Die Unhaltbarkeit des Differenzkriteriums bezüglich des Judentums Die Kritik am Differenzkriterium bezüglich des Judentums hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten zu Recht weitgehend durchgesetzt. Es wurde durch eine Prozedur ersetzt, in der die Differenz Jesu zum Judentum nur im Rahmen seiner grundlegenden Kontinuität mit dem Judentum eine Rolle spielt. Dabei wird vorausgesetzt, daß nur eine solche Jesusüberlieferung, die nachweislich auf das palästinische Judentum des ersten christlichen Jahrhunderts zurückgeführt werden kann, als historisch authentisch gelten kann. Kontextuelle Kontinuität bezüglich des palästinischen Judentums gilt als eine notwendige, jedoch nicht ausreichende Bedingung, um eine Uberlieferung als historisch authentisch einzustufen. Dieses Kriterium kontextueller Kontinuität wird dadurch ergänzt, daß man nach dem individuellen Profil Jesu innerhalb seines jüdischen Kon-

Der unähnliche Jesus

117

textes, d. h. nach jener besonderen Kombination kontextueller Elemente, die Jesu Individualität zu verantworten hat, fragt127. Zu dieser Entwicklung ist dreierlei zu bemerken: 1. Die faktische Aufgabe des Differenzkriteriums hinsichtlich des Judentums beruht auf der Erkenntnis, daß Individualität als ein Produkt kontextueller Faktoren und nicht als kontextlose Einzigartigkeit zu verstehen ist. Sie beruht also auf der Aufgabe der hier oben beschriebenen historistischen Prämisse der Unableitbarkeit des geschichtswirksamen Individuums. 2. Die Kategorie der Differenz wird nicht aufgegeben, sondern der Kategorie der kontextuellen Korrespondenz untergeordnet. Dadurch wird der grundlegenden sinnstiftenden bzw. semantischen Funktion der Kategorie der Differenz für die Geschichtsschreibung Rechnung getragen. 3. Das Kriterienmodell wird beibehalten - kontextuelle Kontinuität wird als Maßstab angelegt, um über die Authentizität der Einzelüberlieferungen zu befinden128.

2. Die fragwürdige Verquickung von Ideologiekritik und Quellenkritik Dem Differenzkriterium hinsichtlich des Christentums eignet ein doppeltes ideologiekritisches Moment. Dieses verdankt es der Entstehung der historischen Kritik in der Aufklärung. Es betrifft einerseits die geschichtliche Uberlieferung (die christliche Uberlieferung war von dogmatischen Interessen geleitet), andererseits die wissenschaftliche Exegese (es begründet die Verpflichtung, Rechenschaft über die eigene Bewertung des historischen Werts der jeweiligen Quellen abzulegen). Dies ist ein unaufgebbarer Aspekt jeder Beschäftigung mit der Frage nach dem historischen Jesus. Allerdings kam es im 19. Jahrhundert zu einer verhängnisvollen Entwicklung, als das ideologiekritische Moment der historischen Kritik in den Dienst der Quellenkritik gestellt wurde, indem die Differenz zum Christentum zum Ausscheidungsprinzip erhoben wurde. Ihm fiel zunächst das Johannesevangelium als historische Quelle zum Opfer, danach die Synoptiker und - nach der Übernahme in die Formkritik - der größte Teil der vorliterarischen Einzeltraditionen. Das Problem dieser Entwicklung besteht zunächst darin, daß sie von vornherein Jesu Differenz zum Christentum betont und so geradezu eine ' " T H E I S S E N / W I N T E R , K r i t e r i e n f r a g e , 1 8 3 - 9 4 , 2 0 9 - 1 2 , 2 1 5 - 1 7 . V g l . DU T O I T , E r n e u t a u f 128

der Suche, 109-116, zu den forschungsgeschichtlichen Zusammenhängen. Vgl. die Formulierung bei THEISSEN/MERZ, Jesus, 119: „Historische Kontextplausibilität haben Jesusüberlieferungen, wenn sie in den jüdischen Kontext des Wirkens Jesu passen und innerhalb dieses Kontextes als individuelle Erscheinungen erkennbar sind", ferner THEISSEN/WINTER, Kriterienfrage, 194-205.

118

David S. du Toit

Isolierung Jesu vom Christentum präjudiziert. Wo das Differenzprinzip dahingehend angewendet wird, daß eine mögliche christliche Beeinflussung als ein Aussonderungsgrund zu betrachten ist - wie dies vielfach im Gefolge der Formulierung K Ä S E M A N N S der Fall war - , wird Jesus vollends vom Frühchristentum isoliert129. Es ist offenkundig, daß das Aussonderungsprinzip und die historistische Vorstellung geschichtsmächtiger Individualität sich gegenseitig stützen. Ferner ist zu beachten: Je schärfer Jesus vom Frühchristentum isoliert wird, desto größer muß die Kreativität der christlichen Gemeinde geschrieben werden130. So lebt die historistische Vorstellung des kreativen und produktiven Kollektivindividuums dort latent weiter, wo das Differenzprinzip als Aussonderungsprinzip angewendet wird, so daß bei der Anwendung des Differenzkriteriums hinsichtlich des Christentums unmerklich ein ganzer Verbund fragwürdiger geschichtstheoretischer Postulate des Historismus wirksam ist131.

3. Die Fragwürdigkeit des Authentizitätsmodells In der neuesten Jesusforschung zeichnet sich ein gewisser Konsens ab, das Differenzkriterium hinsichtlich des Judentums und somit das historistische Verständnis geschichtlicher Individualität aufzugeben. Dagegen wird das Differenzkriterium hinsichtlich des Christentums als Aussonderungsbzw. Authentizitätskriterium weitgehend aufrechterhalten132. Dies ist eine Folge der Tatsache, daß die Jesusforschung unbeirrt an gewissen aus dem Historismus übernommenen Postulaten festhält - insbesondere an der Prämisse, der Zugang zum historischen Jesus erfolge am besten über den Dagegen wurde von A n f a n g der sogenannten N e w Q u e s t an Kritik laut - vgl. KÜMMEL, Vierzig Jahre Jesusforschung, 28-32, 100-108; s. bes. HOOKER, Using, 570-581. Vgl. aber schon WEINELS Einschränkung (hier oben Anm. 73). 130 Vgl. z. B. jene Darstellungen der Entstehung des frühen Christentums, die aus dem U m f e l d des J e s u s Seminars stammen (CROSSAN; MACK). ES ist eine Besonderheit des J e s u s Seminars, daß das Differenzkriterium in voller Schärfe gegenüber dem Christentum angewandt wird. 131 In einem Teil der neuesten Jesusforschung versucht man, die durch das Differenzkriterium herbeigeführte Isolierung J e s u durch die Forderung aufzufangen, daß die Entstehung des frühen Christentums als Wirkungsgeschichte der Geschichte J e s u plausibel gemacht werden soll; s. BECKER, Jesus, 4f.; THEISSEN/WINTER, Kriterienfrage, 129

1 7 6 - 1 8 3 , 2 1 2 - 2 1 4 ; THEISSEN/MERZ J e s u s , 1 1 7 - 1 2 0 . 132

Vgl. DU TOIT, Erneut auf der Suche, 116. Auch das von THEISSEN/WINTER und THEISSEN/MERZ vorgeschlagene Kriterium der Wirkungsplausibilität (bzw. Tendenzwidrigkeit/-sprödigkeit) ist nur eine Variante der Differenzkriteriums - auch sie zielt darauf, Einzelüberlieferungen auf ihre Authentizität hin zu prüfen und J e s u s zu- oder abzuerkennen.

Der unähnliche Jesus

119

Zugriff auf historisch authentisches Jesusgut, das dementsprechend aus der frühchristlichen Uberlieferung herauszufiltern sei 133 . Es ist also geboten, das Authentizitätsmodell auf die Validität seiner Voraussetzungen hin zu überprüfen.

3.1 Die Fragwürdigkeit einer überlieferungsgeschichtlichen Archäologie Wie tief die Jesusforschung noch am Ende des 20. Jahrhunderts in historistische Voraussetzungen verstrickt ist, läßt sich vor allem daran ablesen, daß sie sich eines der Archäologie vergleichbaren Verfahrens bedient Ziel ist es, die sekundären Schichten der Uberlieferung abzutragen, um zu der ältesten Uberlieferungsschicht vorzustoßen, die einen unmittelbaren Zugang zum historischen Jesus verspricht 134 . Dementsprechend ist oft von einer Rückfrage nach Jesus die Rede 135 . Dieses Modell verdankt seinen Ursprung der Tatsache, daß der Ubergang zu einer Untersuchung der vorliterarischen Uberlieferung am Anfang des 20. Jahrhunderts gänzlich im Rahmen der von der Jesusforschung des 19. Jahrhunderts vorgegebenen Zwei-Quellen-Hypothese stattfand 136 . Diese Verquickung der Frage nach dem historischen Jesus mit der Frage nach der Entstehung der Evangelien bestimmte auch jene Tendenz der Jesusforschung des 20. Jahrhunderts, die Quellenbasis auf die synoptische Uberlieferung einzuschränken, und stand einer Ausweitung auf die außersynoptische Uberlieferung bis zum Ende des 20. Jahrhunderts im Wege. Die Einsicht der prinzipiellen Gleichwertigkeit aller unabhängiger Überlieferungen begann sich erst seit den neunziger Jahren durchzusetzen"7. Wie lebendig jedoch die historistische Prämisse „je älter, desto zuverlässiger" noch am Ende des 20. Jahrhunderts ist, zeigt sich daran, daß gerade diejenigen, die die Relevanz außerkanonischer Quellen für die Jesusforschung betonen, großen Wert darauf legen, das Alter dieser Quellen oder ihrer primären Schichten (bes. des Thomas- bzw. Petrusevangeli-

Vgl. die Beiträge in CHILTON/EVANS, Words; CHILTON/EVANS, Activities. Vgl. auch WATSON, Quest, 156-169: "The Gospels derive from a process of accretion in which an original image of Jesus was overlaid with all kinds of later material [...] for the historian, the reality of Jesus is what comes to light when later accretions are removed and the surviving 'authentic' material is restored to its 'original context' [...]" (160). Vgl. ζ. Β. LÜHRMANN, Ursprüngliche Jesusworte, 69f., der jedoch vorsichtiger hinsichtlich der Unmittelbarkeit des Zugangs zum historischen Jesus urteilt. 135 Vgl. ζ. B . K E R T E L G E , Rückfrage, und HAHN, Methodologische Überlegungen, 1 1 - 7 7 . MUSSNER, 1 1 8 - 1 4 7 , redet vom „Weg zurück zu Jesus" ( 1 2 1 Í . 1 4 0 u. ö.). Siehe auch LENTZEN-DEIS, Kriterien, 104, der auf das gelegentlich verwendete Bild vom Zurückgehen zum Ursprung einer Quelle verweist. 136 SCHMITHALS, Einleitung, 234-298. 137 Vgl. DU TOIT, Erneut auf der Suche, 125f. 133 134

120

David S. du Toit

ums) hervorzuheben 1 3 8 . Sie ist auch dort wirksam, wo mit Hilfe einer Stratifikation der Quellen älteste Schichten als primäre Quellen ausgesondert werden, wie es z. B. im E n t wurf CROSSANS geschieht bzw. dort, wo eine primäre nicht-eschatologische, weisheitliche Schicht in Q einen direkten Zugang zum historischen Jesus verbürgen soll' 3 '.

Innerhalb dieser Rückfrageprozedur hat das Differenzkriterium die Funktion, nicht-authentisches Jesusgut aus der ältesten Schicht auszusondern und somit einen Zugriff auf die authentische Jesusüberlieferung zu ermöglichen. Voraussetzung einer solchen Verfahrensweise ist, daß authentisches, von Jesus selbst stammendes (bzw. zuverlässig über ihn berichtendes) Uberlieferungsgut dem Historiker einen direkten Zugang zu der unter vielen Schichten der sekundären Uberlieferung verborgenen historischen Wirklichkeit Jesu verschafft - „grundsätzlich [ . . . ] gilt es als möglich, bis zum Ursprung, d. h. bis zu Jesus, zu gelangen"140. Die Vorstellung, man könne mittels Authentizitätskriterien auf die historische Gestalt Jesu (bzw. Jesu Verkündigung) zugreifen, beruht letztlich auf einem revisionsbedürftigen, dem Historismus entstammenden Verständnis von Geschichtsforschung141. Denn das Authentizitätsmodell wird von der optimistischen Uberzeugung getragen, man könne die historische Wirklichkeit rekonstruieren, d. h. wiedergewinnen142 - vorausgesetzt, man hat Zugriff auf authentische historische Uberlieferung143. Geschichtliche Uberlieferungen und Artefakte sind jedoch Relikte vergangenen Geschehens, an das sie zwar erinnern, das sie aber niemals festhalten und unversehrt weitergeben können. Das Vergangene ist unwiderruflich vergangen. Ferner eignet aller geschichtlichen Uberlieferung ein fragmentarischer Charakter, so daß die Vergangenheit der historischen Betrachtung nur als Fragment und niemals als Ganzes zugänglich sein kann, wobei eine solche Betrachtung durch vielfache Brechung präfigu138

Als gutes Beispiel vgl. CROSSAN, Jesus, 4 2 7 - 4 3 0 .

139

Dazu DU TOIT, Erneut auf der Suche, 124f.

140

LENTZEN-DEIS, Kriterien, 104.

MI

Vgl. dazu SCHRÖTER, Jesus, 1 8 - 3 4 , dort auch Literaturhinweise.

1,2

Eine Äe-konstruktion setzt voraus, die vergangene Wirklichkeit wiedergewinnen und dann nachbilden (re-konstruieren!) zu können.

143

Man kann die weite Verbreitung dieser Vorstellung in der Jesusforschung an der Verwendung bestimmter sprachlicher Ausdrücke erkennen: So fragt man danach, wie es gelingen kann, „aus dem T e x t zurück in die Geschichte zu springen" (MUSSNER, Methodologie, 1 2 1 ) ; man redet von einer „Rekonstruktion" (der Verkündigung) des historischen Jesus (sogar in THEISSEN/MERZ, Jesus, 121; THEISSEN/WINTER, Kriterienfrage, 1 7 6 u. ö.) bzw. sucht nach dem „wirklichen" Jesus, der hinter den T e x t e n verborgen sei (vgl. die Verwendung des W o r t e s „wirklich" in den Titeln von PERRIN, Was lehrte Jesus wirklich?; HERBST, Der wirkliche Jesus; LÜDEMANN, D e r große Betrug: und was Jesus wirklich sagte).

Der unähnliche Jesus

121

riert ist. Eine hinter den Quellen verborgene Vergangenheit durch historische Rekonstruktion wirklichkeitsgetreu wiederauferstehen zu lassen, ist also eine Illusion - dem Historiker bleibt nur die Möglichkeit, in reflektierender Verantwortung angesichts der fragmentarischen Quellen Geschichte in einem kreativen Akt zu konstruieren144.

3.2 Das ungelöste Problem der Modalitäten der vorliterarischen Uberlieferung Das Kriterien- bzw. Authentizitätsmodell beruht auf der Prämisse, daß ein Teil der originalen Jesusüberlieferung die Jahrzehnte währende mündliche Phase des Uberlieferungsprozesses im frühen Christentum gewissermaßen unbeschadet überstanden hat. Es geht also davon aus, daß ein authentischer Kern der Uberlieferung (ipsissima verba / ipsissima vox bzw. ipsissima intentio) zu sichern sei. Die Voraussetzung dieser Prämisse ist nun wiederum, daß es im frühen Christentum Überlieferungsmodalitäten gegeben haben muß, die die Unversehrtheit eines Teils der Jesusüberlieferung sicherten. Damit stoßen wir auf ein für die Tragfähigkeit des Authentizitätsmodell entscheidendes Problem. Spätestens seit die moderne Mündlichkeitsforschung gezeigt hat, daß in mündlicher Uberlieferung im Normalfall nicht mit Stabilität zu rechnen ist145 - es sei denn, es liegen besondere Überlieferungsmodalitäten zur Sicherung der Stabilität der Tradition vor - reicht ein bloßes Vertrauen darauf, daß ein Teil der Überlieferung authentisch überliefert würde, nicht mehr aus, um den Anforderungen der Wissenschaftlichkeit zu genügen. Möchte man das Kriterienbzw. Authentizitätsmodell in der Jesusforschung aufrechterhalten, dann ist man geradezu gezwungen, Rechenschaft über die Überlieferungsmodalitäten im Frühchristentum abzulegen und die vorausgesetzte Stabilität eines Teils der Überlieferung plausibel zu begründen. Einen Versuch, die Frage nach den Uberlieferungsmodalitäten zu klären, haben HARALD RIESENFELD, BIRGER GERHARDSSON und neuerdings RAINER RIESNER unternommen. Das von ihnen vorgeschlagene Uberlieferungsmodell geht davon aus, daß die Überlieferung durch von Jesus selbst eingesetzte und unterrichtete Autoritäten gesteuert worden sei und daß die Modalitäten der rabbinischen mündlichen Uberlieferung auf die frühchristliche Jesusüberlieferung zu übertragen seien. Dieses Modell eignet sich schon deswegen nicht als methodische Grundlage des Kriterienmodells und somit als Basis einer von der Authentizitätsproblematik geleiteten Jesusforschung, weil es ein bestimmtes J e susbild (Jesus als Lehrer) voraussetzt, das die Jesusforschung erst zu eruieren hat.

144

SCHRÖTER, Jesus, 2 8 - 3 4 .

145

KELBER, Gospel; SILBERMAN, Orality; DEWEY, Orality.

122

David S. du Toit

Die Vertreter des formgeschichtlichen Überlieferungsmodells hingegen verweigerten in der Frage nach den Uberlieferungsmodalitäten des frühen Christentums konsequent jegliche Auskunft und zogen sich auf eine vage Vorstellung von einem freien (d. h. nicht von Autoritäten gesteuerten), anonymen Überlieferungsprozeß zurück, der von den praktischen Interessen der Gemeinden vorangetrieben wurde. Allerdings wird dieser Prozeß als so stabil gedacht, daß man Schichten der mündlichen Uberlieferung mit Hilfe literarkritischer Operationen freilegen könne. Eine plausible Erklärung für diese erstaunliche Stabilität fehlt noch immer - es ist ein dringendes Desiderat, daß sich die Anhänger des formgeschichtlichen Modells, das ja auch sonst schwerwiegender Kritik ausgesetzt i s t " ' , um eine historisch und soziologisch begründete Erklärung der von ihnen vorausgesetzten Überlieferungsmodalitäten bemühen.

Solange die offenen Fragen der Modalitäten der Uberlieferung nicht befriedigend geklärt sind, fehlt dem Kriterien- bzw. Authentizitätsmodell der Jesusforschung eine tragfähige methodische Grundlage. Es ist allerdings zu befürchten, daß Optimismus in dieser Frage fehl am Platz wäre. Die Komplexität mündlicher Uberlieferung gestattet voraussichtlich keine eindeutige Klärung der Modalitätenfrage.

V. Ausblick: Jesusforschung ohne Echtheitskriterien? Die bisherigen Überlegungen haben gezeigt, daß das in der Jesusforschung favorisierte heuristische Modell einer auf Authentizitäts- bzw. Echtheitskriterien basierenden Aussonderungsprozedur einerseits zutiefst in revisionsbedürftigen geschichtstheoretischen Voraussetzungen des Historismus verankert ist und daß ihm andererseits in der entscheidenden Frage der Überlieferungsmodalitäten eine tragfähige theoretische Grundlage fehlt. In der Jesusforschung besteht also zweifelsohne ein erheblicher Bedarf, von der ebenso hektischen wie optimistischen Produktion immer neuer Jesusbilder zu pausieren und sich ihrer erkenntnis- und geschichtstheoretischen Grundlagen zu vergewissern. Dabei ist ernsthaft zu erwägen, ob das Kriterienmodell als solches (auch in seinen revidierten Fassungen) nicht überholt ist und durch einen neuen Zugang zur Frage nach dem historischen Jesus zu ersetzen ist. Ein solcher Zugang kann hier nicht entwickelt werden - schon die aus der diffizilen Quellenlage resultierende Komplexität der Fragestellung verbietet dies. An dieser Stelle sollen nur einige Bedingungen für das Ge146

GÜTTGEMANNS, O f f e n e Fragen; G. STANTON, Form Criticism; KELBER, The Oral and the Written Gospel, 1-43; SCHMITHALS, Einleitung, 298-318; BERGER, Einführung; SCHRÖTER, Erinnerung, 1-65.

D e r unähnliche Jesus

123

lingen eines solchen Projekts skizziert werden. Zunächst ist festzuhalten, daß die bisherigen Beobachtungen deutlich vor Augen geführt haben, daß zum Teil überholte, zum Teil revisionsbedürftige erkenntnis- und geschichtstheoretische Prämissen die Jesusforschung des 20. Jahrhunderts bedingten. Diese zumeist latent vorhandenen Prämissen sind nachweislich auch in der sogenannten Third, Quest wirksam147. Es ist also essentiell wichtig, daß die Jesusforschung in einen intensiven interdisziplinären Austausch mit der in der Geschichtswissenschaft geführten Debatte über den Charakter historischer Erkenntnis tritt148. Ein solcher Austausch wird dazu beitragen können, den in der Jesusforschung nach wie vor virulenten historischen Positivismus zu beenden, und der Einsicht Bahn zu brechen, daß es in der Erforschung des historischen Jesus nicht um eine Offenlegung des einen hinter den Quellen verborgenen Jesus geht, sondern darum, durch rational verantwortete, kritisch reflektierende und kreativkonstruktive Interpretation der Quellen ein geschichtlich plausibles Bild von Jesus zu entwerfen. Ferner ist zu bedenken, daß die Komplexität mündlicher Uberlieferung allen Versuchen, die vorliterarische Uberlieferung rekonstruieren zu wollen, eine unüberwindbare Grenze setzt. Für die Konstruktion eines Jesusbildes steht dem Historiker also nur die Überlieferung in den Brechungen der vorliegenden schriftlichen Quellen zur Verfügung149. Die historiographische Herausforderung liegt also darin, eine wissenschaftlich kontrollierte Methode zu entwickeln, um ein Bild vom historischen Jesus ohne Rückgriff auf primäre, d. h. „authentische" Quellen (bzw. ohne die Illusion eines solchen Rückgriffs) zu entwerfen. Dann gilt es, die Erkenntnis der Third Quest zu berücksichtigen, daß Individualität eine Funktion von Kontextualität ist und daß der historische Kontext Jesu deswegen eine entscheidende und unentbehrliche Quelle ist, die darüber informiert, wer Jesus gewesen sein könnte. Damit kommt der Erforschung der gesellschaftlichen, kulturellen, ökonomischen, politischen und religiösen Situation Palästinas bzw. Galiläas des ersten Jahrhunderts nach Christus erhöhte Bedeutung für die Frage nach dem historischen Jesus zu150 - sie zeichnet gewissermaßen die Karte, auf der Jesus zu verorten ist. Zu ersten Umrissen des Bereiches innerhalb des M7

Vgl. auch DU TOIT, Erneut auf der Suche, 1 0 7 - 1 0 9 .

,4

' Vgl. dazu SCHRÖTER, Jesus, 6 - 6 1 ; ferner THEISSEN/WINTER, Kriterienfrage, 2 3 3 - 2 6 8 .

M

' Dabei ist der hypothetische und damit vorläufige Charakter aller konstruierten Quellen, besonders der Logienquelle, nie aus den Augen zu verlieren, vgl. dazu SCHRÖTER, Jesus, 9 0 - 1 1 7 , bes. 9 3 - 9 7 , dessen Analyse der Q - F o r s c h u n g zeigt, wie virulent ein historischer Positivismus in der derzeitigen neutestamentlichen F o r s c h u n g ist.

150

Vgl. DU TOIT, Erneut auf der Suche, 109f.

124

David S. du Toit

Judentums, wo der Standort Jesu anzusiedeln ist, gelangt man dadurch, daß man die spezifischen Kontinuitäten zwischen zeitgenössischem Judentum und frühem Christentum berücksichtigt. Es muß als sehr wahrscheinlich gelten, daß das, was dem antiken palästinischen Judentum und dem frühen Christentum gemeinsam war, auch für Jesus charakteristisch war151. Der historische Jesus ist also zunächst auf einer das Judentum und das entstehende Christentum verbindenden Linie anzusiedeln. Die Prämisse der Third Quest, daß Verbindungslinien vom historischen Jesus zum sich von zeitgenössischen Judentum unterscheidenden frühen Christentum hinführen müssen, d. h. daß es eine wirkungsgeschichtliche Kontinuität zwischen Jesus und frühem Christentum gegeben haben muß, ist weiter zu entwickeln. Dies kann gelingen, wenn man die über Jesus in der Tradition vorhandenen Informationen systematisch daraufhin untersucht, welche Bedeutungspotentiale sie in einem jüdischen Kontext gehabt hätten152. Bei Traditionen, die sich gegen jegliche Einordnung in das Judentum sperren, ist auf christlichen, d. h. nachösterlichen Ursprung zu schließen153. Wo allerdings ein innerjüdisches Bedeutungspotential zu eruieren ist, ist mit einem möglichen innerjüdischen Ausgangspunkt christlicher Tradition zu rechnen. Durch eine Auswertung der Konvergenz der so entstandenen Verbindungslinien ließen sich die Konturen des Bereiches auf einer Karte des palästinischen Judentums zur Zeit Jesu umreißen, wo Jesus seinen Standort gehabt haben könnte.

Dieser Ansatz läuft dem der Jesusforschung des 20. Jahrhunderts entgegen, der seit der Entstehung des Differenzkriteriums mit einem Rückfall des Judenchristentums in das Judentum, von dem Jesus sich getrennt haben soll, rechnet (vgl. z. B. das Zitat von P. WERNLE bei Anm. 80, ferner die Überlegungen hier oben zu BULTMANNS Anwendung des Differenzkriteriums und KÄSEMANNS Zusatzformulierung zu demselben (s. Anm. 4). Dieser Ansatz setzt jedoch ein bestimmtes Bild der geschichtlichen Entwicklung voraus, das nicht einfach vorausgesetzt werden darf, sondern historisch plausibel zu begründen ist. 152 Die den Quellen zu entnehmenden Informationen sind also von ihrem jetzigen Sinnzusammenhang in der jeweiligen narrativen Welt und dem jeweiligen symbolischen Universum zu abstrahieren und daraufhin zu überprüfen, welches Sinnpotential sie in einem anderen symbolischen Universum (des vorchristlichen, palästinischen Judentums) hätten haben können. Dieser Vorgang findet sich zum Teil schon jetzt in der Jesusforschung, z. B. dort, wo nach dem möglichen Sinn des Menschensohnbegriffes im Judentum gefragt wird. 153 Eine schöpferische Produktivität des frühen Christentums, die kaum Anhalt in den vorösterlichen Gegebenheiten gehabt haben soll, wie man es sich in der Nachfolge BULTMANNS vorstellt, ist mit Skepsis zu betrachten. Wenn Neuschöpfungen in der Tradition vermutet werden, ist dies plausibel zu begründen.

151

Der unähnliche Jesus

125

Diese Überlegungen können hier nicht weiter vertieft werden154. Sie sollen nur dazu dienen, zu zeigen, daß ein alternativer Zugang zur Jesusproblematik möglich ist, der einerseits die inhärenten methodischen Schwierigkeiten des Authentizitätsmodells meidet und andererseits den Entwicklungen der geschichtstheoretischen Debatte Rechnung trägt. Die Praktikabilität eines solchen Zugangs ließe sich nur in der konkreten Arbeit an den Quellen erweisen - eine Aufgabe, der ich hoffe, mich in der Zukunft widmen zu können.

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154

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"All that glisters is not gold" In Quest of the Right Key to unlock the way to the historical Jesus JAMES D . G . D U N N

In Shakespeare's Merchant of Venice, the suitors for the hand of Portia have to choose between three caskets, one of gold, one of silver, one of lead. Only one contains the picture of Portia. The first suitor asks for the key to the gold casket, and discovers therein only a skull, with a scroll which begins, "All that glisters is not gold". He has been misled by outward appearances, and chosen the wrong key and the wrong casket; his suit fails. Similarly with the second suitor, who chooses, of course, the casket of silver, only to be met with the portrait of a fool's head, and the slogan: "Who chooseth me shall have as much as he deserves". He too has chosen the wrong key and the wrong casket. It is the lead casket after all which contains the likeness of the play's heroine. The story can perhaps serve as an illustration of the "quest of the historical Jesus". So many keys have been tried to unlock the way to the historical Jesus. So many outwardly fair caskets of gold and silver have been opened in hope of finding therein the true likeness of Jesus. And so many attempts have been deemed a failure by succeeding generations, superficially appealing, but more death's head or fool's head than historical Jesus in outcome. In the history of the "quest" itself the earliest key tried was that of scientific criticism, where conformity to the laws of nature being newly discovered was taken to be the measure of historical truth; it produced the picture of a rationalised Jesus. D. F. STRAUSS thought that his concept of myth was the key and produced Jesus the ideal man. The assumption of confident, civilized, imperialist, liberal moralism produced Jesus the Victorian Sunday School teacher. SCHWEITZER insisted that the key was eschatology, and produced the failed apocalyptist. BULTMANN denied that there was an adequate key and settled for the kerygmatic Christ of faith. The second questers, in reaction to BULTMANN, wrestled with the key of double dissimilarity and found the answer in Jesus' own implied christology, while strangely insisting that it was detached both from the Judaism

132

James D. G. Dunn

of Jesus' day and the faith of the first Christians. Most of the third questers have found the key in the Jewishness of Jesus, and his aim/hope for the restoration of Israel, and have settled mostly on the picture of Jesus as the eschatological prophet.1 But the more the Jewishness of Jesus is stressed, of course, the wider the gap that must be crossed in moving from Jesus the Jew to the predominantly Gentile Christianity which soon emerged. Such brief characterisations, of course, run the risk of being caricatures. And each of the above attempts to unlock a surer way to the "historical Jesus" 2 surely deserves a much fuller and more nuanced critique. But there have been many such critiques offered over the past century,3 and there is neither scope nor sufficient reason here to undertake a fresh analysis. Instead it will have to suffice to examine in more detail two of the most interesting keys which have been offered in recent research,4 before proffering my own suggested key. One is the rather traditional recourse to literary analysis of the available sources. In this case the key is given by the isolation of an earliest stratum within the Q document, and its correlation with the Gospel of Thomas, as providing the most immediate access to Jesus' teaching. The second is to step back from the immediacy of the text and to read the text within a larger theoretical context, what might be called "a grand narrative". There have been two impressive examples in recent Jesus research. J. D . CROSSAN has no doubt that the conjunction of three vectors (a rather broadly conceived cross-cultural anthropology, Greco-Roman and Jewish history, and literary or textual 1

2

3

4

S A N D E R S sums up a fair consensus when he notes: "Many scholars have agreed that, of various roles which we can identify, Jesus best fits that of 'prophet' (Jesus and Judaism, 2 3 9 ) ; note also B E C K E R , Jesus of Nazareth, 2 1 2 - 2 2 6 , 2 2 7 ; the subtitles of A L L I S O N , Jesus of Nazareth, and E H R M A N , Jesus. Similarly M E I E R finds that his three volumes investigating the Jesus tradition support the self-chosen portrait of Jesus as "the Elijah-like, miracle-working, eschatological prophet" (Elijah-like Prophet 4 5 - 8 3 ) ; and see n. 40 below. I use the term "historical Jesus" here in the characteristically casual way of current Jesus research: that is, despite the recognition that the phrase denotes the figure of Jesus reconstructed by historical method, the phrase continues to be widely used in reference to the Jesus who conducted a mission in the Galilee during the years (probably) 27-30. But I point up the dangers of the usage below. See of course SCHWEITZER, Quest. Of recent treatments see e. g. ALLEN, The Human Christ; WEAVER, Historical Jesus; WITHERINGTON, The Jesus Quest; EVANS, Life of Jesus Research. With more space to command I would have liked to include critique also of M E I E R ' S magisterial four volume study of A Marginal Jew, in which he recognizes that "the quest for objectivity" is an unrealistic one (1.4-6), but nevertheless pursues the ideal of an exegete using "purely historical-critical methods" (1.197).

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133

analysis) gives him a sure way forward.5 And Ν . T . W R I G H T is equally convinced that by reading the elements of the Jesus tradition against the meta-narrative of Israel in exile and restoration, he has the necessary "large hypothesis", a serious historical hypothesis, within which all the details of the Jesus tradition find their place, a whole which illuminates the parts most satisfactorily.' I give my reasons for suggesting that such caskets of gold and silver yield a disappointing result. Whether the base metal of my own offering opens up to reveal the historical Jesus or is just another empty grasping after a will-o'-the-wisp I will have to leave others to decide.

1. To Jesus via Q' A strong feature of the Quest in the transition from 19th to 20th centuries was the focus on Mark's Gospel as the earliest written Gospel (Markan priority). For many this invited the obvious inference that Mark provides the most direct and immediate access to "the historical Jesus". 7 In an eerily reminiscent way, the transition from the 20th to 21st centuries has been marked by a similar focus on the other member of the "two document hypothesis", Q. The currently influential consensus, that not only the content and extent of the complete document but also an earliest stratum can be identified within Q, 8 seems to invite the equivalent inference that this earliest version of Q (Q 1 ) provides the most direct and immediate access to "the historical Jesus". 9 Moreover, the fact that Q 1 seems to be similar in character to the Gospel of Thomas (wisdom, rather

5

CROSSAN, Historical Jesus xxxi-xxxii; also Birth 1 4 6 - 1 4 9 .

6

WRIGHT, Jesus e. g. 79 ("The scholar must work with a large hypothesis, and must appeal, ultimately, to the large picture of how everything fits together as the justification for smaller-scale decisions"), 88, 225, 245, 517, 5 7 6 - 5 7 7 ("the controlling story: exile and restoration").

7

Illustrated by the brief outline of the life of Jesus with which HOLTZMANN ended his 1863 study of the Synoptics, and BURKITT'S Gospel History ch. 3.

8

By general consent the most persuasive analysis has been provided by KLOPPENBORG, Formation of Q , who detects three compositional layers/strata in present Q - a primary sapiential layer, composed of six "wisdom speeches" ( Q 1 ) ; a second apocalyptic layer, made up of five judgment speeches (Q 2 ); and a final not very substantial revision ( Q 3 ) (see e. g. 317, 243, 170). The argument is refined in KLOPPENBORG VERBIN, Excavating Q, chs. 2 - 3 .

9

KLOPPENBORG has always been cautious at this point (see particularly his Sayings Gospel Q ) ; but ROBINSON has been more sanguine (e. g. Critical Edition).

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James D. G . Dunn

than apocalyptically oriented) is the key consideration allowing some to argue that (the first edition of) Thomas is early,10 and that Q 1 and Thomas provide a mutually confirming way in to Jesus' teaching.11 That is to say, Jesus' own preaching must have had the same sapiential character as Q 1 and Thomas; and his preaching of the kingdom of God cannot have envisaged any divine intervention into history, any "apocalyptic" coming of the kingdom. But does this key really work? Is it a real key? At this point I have no desire to quarrel with the large consensus that there was a Q document. I am also impressed by the case for seeing Q as structured round the motif of coming judgment and on the lines of Deuteronomistic theology;12 as also by the evidence marshalled by J O H N K L O P P E N B O R G of interpolations into earlier material.13 I do not particularly wish to dissent from the working hypothesis that Q was a carefully structured document. What remains unclear to me, however, is what we might call the status of the Q 1 material.14 One principal line of critique has focused on the question of genre. K L O P P E N B O R G initially left himself somewhat vulnerable on this front by talking of sayings appropriate to different genres, and seeming to assume, for example, that a wisdom genre may not "permit" apocalyptic forms.15 Such an argument would fall into the same trap as the early form-critics who postulated the concept of "pure" forms, and consequently found it necessary to classify various of the actual Synoptic pericopes as "mixed" forms.16 But K L O P P E N B O R G is well aware of examples of "mixed genres"

KOESTER, Ancient Christian Gospels 87, 134-135. The basis for many of the Jesus Seminar's judgments as to the historicity of elements within the Jesus tradition (FUNK, Five Gospels). 12 See KLOPPENBORG VERBIN, Excavating Q 118-124; he now sees the story of Lot as a further structural element (118-121). 13 Q 6.23c; 1 0 . 1 2 , 1 3 - 1 5 ; 12.8-10 (Excavating Q 147-150). 14 KLOPPENBORG sees Q 1 as made up of six clusters of sayings: (1) 6.20b-23b, 27-35, 36-45, 46-49; (2) 9.57-60, (61-62); 10.2-11, 16, (23-24?); (3) 11.2-4, 9 - 1 3 ; (4) 12.27, 11-12; (5) 12.22b-31, 33-34 (13.18-19, 2 0 - 2 1 ? ) ; (6) 13.24; 14.26-27; 17.33; 14.3435 (Excavating Q 146). 15 I echo KLOPPENBORG'S language (Formation 31). " See particularly ALLISON, Jesus Tradition 4 - 7 , 41-42; KIRK, C o m p o s i t i o n 64-86: "the question of the degree of coherence and cohesion actually present in a given text must not be b e g g e d " (67); "mixing genres in literature often seems the rule rather than the exception" (270). C f . also HORSLEY in HORSLEY & DRAPER, Whoever 6 9 75. 10 11

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135

in the literature of the period,17 and that the second stage compiler, on his own hypothesis, evidently had no qualms in combining the different material (genres) of Q 1 and Q 2 . 18 So critics at this point should not themselves make the mistake of which they accuse K L O P P E N B O R G , that is, of assuming that the designation of a "sayings" genre as a " s a p i e n t i a l " sayings genre would necessarily be restricted to exclusively "wisdom" sayings.19 The deficiency of such categorisation is rather, as C H R I S T O P H E R T U C K E T T has repeatedly observed, that the range of material included by K L O P P E N BORG in this genre gives such a breadth of definition to "wisdom" as to diminish its usefulness as a distinguishing category.20 The likening of Q to a collection of Cynic chriae,21 a suggestion taken up and pushed further by others,22 has confused the issue still further.23 And to speak of a gnosticizing tendency in the sapiential genre24 is to confuse later development with original motivation,25 and to propagate a concept of genre as having an inherent character analogous to the genetic determinism advocated by some contemporary biologists. All in all, the attempt to classify and demarcate genre types has not proved very helpful in the discussion of Q. More to the point, is the question of redaction itself. Here we need to remind ourselves of the methodological problems in such an analysis.26 If we take the parallel of Mark, it has proved difficult enough to determine redaction in Mark's case. There are, after all, no firm criteria which enable 17

KLOPPENBORG notes that Proverbs contains some prophetic motifs and that Isaiah has absorbed sapiential elements (Formation 3 7 - 3 9 ) . See also e. g. C D and 1QS from the DSS, or T. 12 Patr. from Jewish pseudepigrapha and Revelation from the N T .

" Cf. TUCKETT, Stratification of Q , 215-216. " For KLOPPENBORG'S robust response to HORSLEY in particular, see Excavating Q 150-151 n. 71. 20 TUCKETT, Q particularly 345-348, 353-354; similarly HORSLEY in HORSLEY & DRAPER, Whoever 77-78, and further 75-82. SCHRÖTER also points out that the vagueness of "Logoi/Sayings" hardly makes it a suitable criterion to distinguish a specific genre (Erinnerung 9 5 - 9 6 ) . 21 KLOPPENBORG, Formation 306-316, 322-325; but he has repeatedly pointed out that he is thinking in terms of form not of content. 22 Especially DOWNING, Cynics and Christian Origins ch. 5; also The Jewish Cynic Jesus; MACK, Lost Gospel 45-46, 114-123; VAAGE, Galilean Upstarts; also Historical Jesus. 23 For TUCKETT'S critique see Q 368-391. See also the critiques of BETZ, Jesus and the Cynics; ROBINSON, Taxonomy of Q ; EDDY, Jesus as Diogenes? 24 As does ROBINSON, L O G O I S O P H O N ; TUCKETT'S critique in n. 23 above includes Robinson ( Q 3 3 7 - 3 4 3 ) . 25 Cf. LÜHRMANN'S critique of ROBINSON on this point (Redaktion 91). 26 KLOPPENBORG offers his "methodological considerations" in Formation 9 6 - 1 0 1 ; also Excavating Q 114-118.

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modern commentators to distinguish clearly (outside the more obviously editorial linking passages) what Mark has retained or added: for example, regularity of word and motif in Mark tells us nothing as to whether the word or motif occurred regularly, occasionally or not at all in Mark's sources. 27 And if identification of redaction is difficult in a case where the text of the document (Mark) is so firm, how much more difficult in the case of Q whose text is always a matter of argument and hypothesis. 28 How in particular is one to distinguish redaction from (initial) composition? 2 ' If a redactor was not troubled by the presence of aporiae and tensions in his final text, would an initial compositor of Q have felt any different? 30 How can one both argue for the coherence and unity of Q (as proof of its existence), and at the same time argue that internal tensions indicate disunity, without the one argument throwing the other into question? 31 Textual tensions are no clear proof of redactional layers (what author ever succeeded in removing all tensions from his/her final product, or attempted to do so?). 32 Clinical technique here is in danger of running ahead of common sense. That said, I do not deny the plausibility of detecting at least some redaction in the composition of Q . My questions begin to multiply however when we turn our focus on to Q 1 . KLOPPENBORG does not explicitly address the issue of whether Q 1 was also a document, certainly not in the way he addresses the issue of

27 28

29

30

31 32

Cf. particularly DSCHULNIGG, Sprache. The result has been, apart from those following KLOPPENBORG, that more or less every redactional study of Q comes up with its own compositional history; cf. e. g. SCHULZ, Q ; SATO, Q und Prophetie; ALLISON, Jesus Tradition 8-37. It is true, however, that KLOPPENBORG'S work has given rise to a substantial consensus regarding the redactional character of the theme of judgment against "this generation". N o t e particularly TUCKETT'S criticisms at this point (Q 52-82): e. g. "Lührmann's 'Redaktion' is not so very different from the 'Sammlung' from which he would distinguish it" (56). In KOESTER'S view the apocalyptic material "conflicts" with the emphasis of the wisdom and prophetic material (Ancient Christian Gospels 135). KLOPPENBORG speaks of "aporiae created by redactional activity", or of a group of sayings "modified by the insertion of a secondary expansion or commentary [ . . . ] " (Formation 97, 99); but that simply begs the question, as KLOPPENBORG seems to realise (Formation 99). JACOBSON, Unity, is particularly vulnerable at this point (cf. TUCKETT, Q 63-64). Recent treatments of Q argue for a single compositional stage: SCHRÖTER, Erinnerung, particularly 216-217, 292-293, 368-369, 449-450, 468-472; KIRK, Composition of the Sayings Source: " N o warrants exist for supposing that a single one (of Q ' s twelve speeches) formed gradually or incrementally or is a sedimentized witness to some multi-layered archaeology of early Christianity" (269); HORSLEY in HORSLEY & DRAPER, Whoever 23-24, 61-62, 83-93,148; HOFFMANN, Mutmaßungen über Q 286.

137

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whether Q itself was a document." All he actually demonstrates is the plausibility of detecting clusters of sayings which have been taken over (and redacted) at the stage of composing Q (or Q 2 ). He does not actually demonstrate that Q 1 ever functioned as a single document or stratum in his excavations into Q . And on closer examination it is hard to detect a unifying theme or redactional motif which links them together (as, arguably, is the case with the motif of coming judgment in Q itself). What we seem to have, rather, is six(?) clusters of Jesus' teaching: (1) the somewhat disparate material gathered into "the Sermon on the Plain" (Q 6.20-23, 27-49); (2) teaching on discipleship and mission (9.57-62; 10.211, 16); (3) teaching on prayer (11.2-4, 9 - 1 3 ) ; (4) encouragement to fearless confession (12.2-7, 11-12); (5) the right priorities (12.22-31, 3 3 34); (6) more teaching on discipleship (13.24; 14.26-27; 17.33; 14.34-35). There is no reason, however, why this material should be taken as a single document. 34 It looks in fact more like the sort of teaching material which was no doubt rehearsed in the Q communities in their regular gatherings, some individual items already grouped (different clusters) for convenience and as good pedagogical practice.35 If we follow this line of reasoning, then the rationale for two distinct compositional layers is undermined, and the related hypothesis that a single document (Q 1 ) represented the sole concerns and interests of the Q people makes even less sense.36 The evidence is fully satisfied by the alternative hypothesis of

33

H e does however assume it (Excavating Q 159, 197, 2 0 0 , 2 0 8 - 2 0 9 ) ; see also 1 5 4 - 1 5 9

34

Similarly HOFFMANN'S conclusion (Mutmaßungen über Q 2 6 6 ) . T h e considerations

on the genre of Q 1 . adduced by KLOPPENBORG (Excavating Q 1 4 4 - 1 4 6 ; referring back to F o r m a t i o n ch. 5) hardly demonstrate "in all likelihood [ . . . ] a discrete redactional stratum". c o m m o n structure?

(1) A

But t o describe the first item in each cluster as a "programmatic

saying" overstates the case. Since it is all teaching material with the character o f personal address ( " y o u " ) , it naturally evinces a "rhetoric o f persuasion", but that hardly marks it out as distinctive. And the designation of the last item in each cluster as one which "underscores the importance of the instructions" only applies even on KLOPPENBORG'S reckoning t o four of the six clusters.

(2) T o describe the content as "an

interlocking set o f concerns which have to do with the legitimation of a somewhat adventuresome social practice" implies a higher degree o f intention and coherence bonding the clusters than is actually evident. 35

This hypothesis makes as good if not better sense o f the case for "complexes o f logia" o r "collections

of aphoristic sayings" behind Q ,

as suggested by ZELLER,

Die

weisheitlichen Mahnsprüche 1 9 1 - 1 9 2 , and argued particularly by PIPER, W i s d o m in the Q-tradition. But ZELLER also gives a firm negative answer t o the question "Eine weisheitliche Grundschrift in der Logienquelle?". 36

T h e argument, e. g., that the absence of such concerns as purity distinctions and T o rah obedience indicates the limitation of the Q people's range o f interest, o r that they

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a single compositional act, when the Q author/editor pulled together these different clusters, adapted them (the redactional interpolations), and knitted them into the larger single collection Q (or Q 2 ). 3 7 What then of the inferences drawn from Q 1 that the earliest memories of Jesus were only of a teacher of wisdom? Several observations are called for, but I will briefly touch on only three here. (1) As KLOPPENBORG has been the first to insist, the compositional history of Q does not determine the date or origin of the material drawn in to Q at the different stages in its composition: "tradition-history is not convertible with literary history"; tradition brought in at a redactional stage might be as old or older than the tradition redacted 38 Even if we were able to distinguish later from earlier composition, it need only mean that Q 1 brought together one strand of the Jesus tradition. (2) This insight should be correlated with the widespread appearance of the motif of judgment on "this generation" within the wider Synoptic tradition and its relative absence elsewhere in the N T (Matt. 11.16/Luke 7.31; Matt. 12.41-42/Luke 11.31-32; Matt. 23.36/Luke 11.51; Mark 8.12, 38; Matt. 12.45; Luke 11.30, 50; 17.25) 39 which suggests a motif recalled as characteristic of Jesus' teaching and included in other retellings of the Jesus tradition for that reason.40 (3) Despite KOESTER'S best efforts, his argument that Thomas bears witness to an early non-apocalyptic stage in the Jesus tradition cannot es-

saw Jesus more as a sage than a prophet (KLOPPENBORG VEREIN, Excavating Q 199, 3 9 7 - 3 9 8 ) , only begins to make sense if Q 1 represented the complete range of concerns of the Q people. 17

See further TUCKETT, Q 7 1 - 7 4 ; DOWNING, Word-processing in the Ancient World 8 5 - 9 4 . HORSLEY in HORSLEY & DRAPER, Whoever 6 2 - 6 7 , sums up his genre critique: "The common features that supposedly characterize the sayings clusters assigned to the different strata either fail to appear in the clusters or do not appear consistently across the various clusters. The hypothesized layers cannot in fact be differentiated according to the stated criteria of these features" (67).

38

See particularly KLOPPENBORG, Formation 2 4 4 - 2 4 5 ; also Sayings Gospel Q , 323 n. 70, 337; also Excavating Q 151. See further my Jesus Remembered # 1 2 n. 177; also MEIER, Marginal Jew 2.209 n. 134. KOESTER notes that KLOPPENBORG assigns to the secondary stage not only sayings about the judgment of this generation and about the coming of the Son of Man, but also the entire sections in which these sayings are embedded ( Q 3 . 7 - 9 , 1 6 - 1 7 ; 4 . 1 - 1 3 ; 12.39-59; 17.23-37; and the Q materials in Luke 7 . 1 - 3 5 and 11.14-52), and argues for "a more explicit eschatological orientation of the earliest composition of Q " (Sayings of Q, 145); "the image of Jesus that is accessible through the most original version of Q is that of an eschatological prophet" (153).

39 40

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cape the charge of petitio principal In at least several instances it can equally or more persuasively be argued that Thomas has de-eschatologized the tradition which it has drawn upon. 42 In short, the key provided by the stratification of Q 1 and the conjunction of Q 1 and the Gospel of Thomas proves something of a broken reed. The promise it offered to open access to the historical Jesus reveals only a Jesus whose character as a teacher of subversive wisdom has been tailored by questionable assumptions and methodologies.

2. To Jesus by way of a grand narrative Another key offered to unlock the way into the Jesus tradition has been the master or meta-narrative. Indeed, some would say that without such a grid into which to fit the data, the evidence is capable of too many divergent readings. H A L V O R M O X N E S reminds us that Protestants were for a long time attracted by the master narrative of a decline from the age of spirit and freedom to the age of institutions and control ("early Catholicism" as a negative description). 43 And the grand narrative of modernity actually provided the key for the old Liberal questers: a non-miracle working, moral teacher affirmed a European optimistic individualism born of self-conscious cultural supremacy, industrial might and imperialistic conquest. The very idea of a grand narrative is itself a corollary of an apocalyptic vision of history: what happens on earth as the reflection of cosmic and epochal spiritual forces shaped in accordance with the divine purpose. So it is hardly surprising if most of the 20th century Quest took for granted the master narrative of Jewish apocalyptic expectation put to it by W E I S S and SCHWEITZER. 4 4 But now that paradigm in turn has been undermined for many, and other hermeneutical keys are being sought. 45 Those Jesus questers unwilling to align themselves wholly with postmodernism's pluralism and concomitant rejection of all grand narratives still 41

KOESTER, G N O M A I D I A P H O R O I 137-139; also Ancient Christian Gospels 92-99. In the last case, the comparison with John is similarly tendentious in claiming that John avoided the Gnostic implications (as indicated by Thomas) of the tradition he was using ( 1 1 5 - 1 2 3 ) .

42

43 44 45

See also ALLISON, Jesus of Nazareth 126-127, citing particularly G T h 35, 41 and 103, but referring also to GTh 10,16, and 91. MOXNES, Historical Jesus, 138. E. g. SANDERS, Jesus and Judaism 10; ALLISON, Jesus of Nazareth 36-44. See also MOXNES' critique of other "master narratives" on offer (Historical Jesus 138148).

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look for the grand narrative which will provide the key to resolve the riddle of Jesus' kingdom preaching. The two most impressive attempts to open the way to the historical Jesus using such a key have been those of J O H N D O M I N I C CROSSAN a n d T O M W R I G H T .

J. D. CROSSAN. In his Birth of Christianity, in which he provides, as it were, the footnotes lacking in his earlier Historical Jesus, CROSSAN makes clear that he operates with a grand narrative drawn from cross-cultural anthropology ("the Lenski-Kautsky model") - the master narrative of "peasant society", or egalitarian peasant society,46 exploited by and resistant to the ruling classes.47 On this broad template (not just peasant Judaism, but peasant society as such), CROSSAN stretches some of the particularities of Galilean archaeology,48 and finds confirmation of escalating peasant protest and turmoil at the time of Jesus in H O R S L E Y ' S thesis to that effect.49 Together with his literary analysis by chronological stratification,50 the result is one of the most impressive methodological tours-deforce since STRAUSS a century and a half earlier. When Jesus' kingdom preaching is located within this framework, CROSSAN argues that, while the kingdom could have been understood in apocalyptic terms at the time of Jesus, it was the sapiential kingdom which provides the best fit: "The sapiential Kingdom looks to the present rather than the future [ . . . ] One enters that Kingdom by wisdom or goodness, by virtue, justice, or freedom. It is a style of life for now rather than a hope of life for the future".51 There are several problems with this grand narrative. (1) Although CROSSAN protests that he does not wish simply to extrapolate from the Mediterranean world as though it was a single cultural unit, or to general2.1

46

CROSSAN, Historical Jesus 2 6 3 - 2 6 4 .

50

CROSSAN, Birth 1 5 1 - 1 5 9 , 1 6 6 - 1 7 3 ; "Peasant is an interactive term for farmers who are exploited and oppressed" (216). Birth ch. 13. Birth 148, 210, referring to HORSLEY & HANSON, Bandits, Prophets, and Messiahs; see also CROSSAN, Historical Jesus chs. 7, 9 (particularly 184-185), and 10 (particularly 218-219). The heart of CROSSAN'S claim is that there are three major sources which can be dated confidently to the period 3 0 - 6 0 CE: the earliest stratum of the Gospel of Thomas dated to about 50; Q dated to the 50s, but with the earliest sapiential layer (following KLOPPENBORG) presumably earlier; and CROSSAN'S own creation, the Cross Gospel, a linked narrative of Jesus' crucifixion and resurrection, constructed out of the Gospel of Peter (itself to be dated to the mid second century C E ) and postulated by CROSSAN as the source for the canonical passion narratives (Historical Jesus 427-429).

51

Historical Jesus 284-292 (here 292).

47

48 49

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141

ise too straightforwardly from the universals of peasant society, his treatment of Judaism is very limited and his analysis of the conditions in lower Galilee very restricted.52 But we really do need to have a clearer idea of what Judaism meant at the time of Jesus, of its distinctives, and how it shaped Jewish identity, in the Galilee as well. There were national and religious factors operative in Jewish society and not simply social and economic factors, and arguably the former provided the dominant narrative by which even Jewish peasants made sense of their lives.53 That narrative cannot simply be fitted into a larger economic narrative, à la MARX; the distinctives of Jewish tradition and identity actually form a counter narrative, which for Jesus at least seems to have been determinative, for his message of the kingdom not least. (2) The half dozen episodes of protest narrated by Josephus for the period are too easily linked into a single trajectory of escalating unrest and violence. But with the exception of the turmoil after the death of Herod the Great and the build up to the first revolt in 66, all we have is a few isolated and idiosyncratic incidents, whose impact in Galilee during the 20s and early 30s was probably minimal. For the rest, and during the ministry of Jesus, there is little indication of escalating unrest - injustice, oppression and complaint no doubt, but the impression of a moving escalator of heightening protest again owes more to a larger generalisation read into the particularities of Jesus' historical situation with too little care for the particularities themselves.54 (3) It is rather surprising that C R O S S A N draws his illustration and documentation for the sapiential kingdom entirely from diaspora Jewish (Philo, Wisdom of Solomon) and Greek literature (Sentences of Sextus). 55 Quite how that demonstrates an option open to Jesus is not clear, especially as the absence of king/kingdom language in Jewish wisdom is so 52

M

54

55

This criticism need be tempered to only a little extent by CROSSAN'S teaming up with the archaeologist, J. L . REED in their jointly-authored Excavating Jesus. See particularly the critique by FREYNE, Galilean Q u e s t i o n s : "If one were to follow Crossan's methodology to its logical conclusion [ . . . ] it would be difficult to locate Jesus anywhere, certainly not in Galilee" (64); and the warnings on this point by SAWACKI, Crossing Galilee 73-80. S e e e. g . F R E Y N E , G a l i l e e c h . 6; H O R S L E Y , J e s u s c h . 4 ; R A P P A P O R T , H o w

Anti-Roman

Was the Galilee?". C f . Tacitus' report that "under Tiberius (14-37 C E ) all was quiet" (Histories 5.9). BOND notes that during the first six years of Pilate's prefecture ( 2 6 32), that is the period of Jesus' activity, there was no Syrian legate in residence to oversee affairs in Palestine (Pontius Pilate 14). Historical Jesus 287-291. Sentences of Sextus - "a collection of Greek wisdom sayings assembled by a Christian redactor probably near the end of the 2d century C E " (F. WISSE, A B O 5.1146-1147).

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noticeable. In contrast the theme is prominent in psalms, prophets and apocalypses. 56 All of which suggests that CROSSAN is again extrapolating too quickly from a much wider hypothesis and pushing unjustifiably hard for a non-apocalyptic sense for "kingdom" as the context of meaning which would inform the hearing of Jesus' Galilean audiences. Ironically, the grand narrative in this case is proving as illiberal and as imperialistic as the other grand narratives which have shaped the reading of the Jesus tradition in decades gone by. is the most forthright in his assertion of the need for the quester to work with a grand narrative.57 He criticizes his predecessors for "pseudo-atomistic work on apparently isolated fragments" and argues instead that "the real task" is that of "major hypothesis and serious verification". 58 "The scholar must work with a large hypothesis, and must appeal, ultimately, to the large picture of how everything fits together as the justification for smaller-scale decisions". 5 ' In other words, verification essentially consists in demonstrating how well individual details fit within the framework of the larger story. The point here is that the phrase "kingdom of God" evokes a story, which may well be present even when the phrase is absent; and individual sayings can only be made sense of in relation to that story. 60 Jesus and the Victory of God is a massive exposition of Jesus on that basis, quite as impressive and enchanting as CROSSAN'S, as one might have hoped for from two who take so seriously the medium of story in their work. 2.2 N . T . WRIGHT

The problems with W R I G H T ' S exposition begin with his identification of the grand narrative. He has no doubt that "the controlling story" is that of "exile and restoration": 61 that is, the conviction of most of Jesus'

See e. g. the documentations in WILLIS, Kingdom; DULING, D . C., Kingdom of God, Kingdom of Heaven, A B D 4.49-56; MEIER, Marginal Jew 2.243-288; THEISSEN & MERZ, Historical Jesus 246-252. 57 "Critical realism" as WRIGHT understands it "sees knowledge of particulars as taking place within the larger framework of the story or worldview which forms the basis of the observer's way of being in relation to the world" (New Testament 37); "simplicity of outline, elegance in handling the details within it, the inclusion of all the parts of the story, and the ability of the story to make sense beyond its immediate subjectmatter: these are what counts" (42); see further 98-109. 51 WRIGHT, Jesus 33; see also 51, 87-89, 133. 59 Jesus 79. 60 Jesus 224-225. " Jesus 245, 576-577. SANDERS speaks more cautiously of "a common hope for the restoration of Israel which could embrace a variety of themes" (Jesus and Judaism 56

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143

contemporaries that Israel was still in exile,62 and the preaching of Jesus to the effect that the exile was now over. The proclamation that "the kingdom of God is at hand" summed up "the entire narrative of Israel's new exodus, her final return from exile".63 Here again there are three problems in particular to be considered. (1) WRIGHT exaggerates the importance of the theme of return from exile in Palestinian Judaism. It was certainly a feature of Jewish eschatological hope, that is, for the return of the scattered outcasts of Israel to the homeland, in accordance with the original schema of Deut. 30.64 But there is no real evidence that those who actually were living within the land thought of themselves as still in exile.65 Such a hypothesis hardly squares with the amazing hymn of praise to Simon the High Priest in Sir. 50,66 or with the confidence that the purification of altar and temple attested the restoration of Israel's heritage (2 Macc. 2.17). And the Sadducean priests responsible for the twice daily Tamid offering in the Temple presumably did not think of themselves as still in exile. The hypothesis hardly fits with the confidence of blamelessness of a Pharisee like Saul (Phil. 3.6), and "the righteous"/"sinners" antithesis so characteristic of the Psalms of Solomon evidently worked with a frame of reference which was not dependent on the exile-restoration paradigm. The Qumran community certainly made use of the exile-restoration motif, but in different ways: a return from "Damascus" already accomplished ( C D 1.4-8), an exile from Jerusalem in the wilderness (of Judea!), 67 and the threat of future exile to 124). WRIGHT also sees the expectation of Yahweh's return to Zion as integral to the controlling story (Jesus 616-623). 62 Particularly New Testament 268-272; Jesus xvii-xviii, 126-127, 203-204. 63 Jesus 244. 64 See e. g. Isa. 49.5-6, 22-26; 56.8; Jer. 3.18; 31.10; Ezek. 34.12-16; 36.24-28; Zech. 8.78; Tob. 13.5; 14.5-6; Sir. 36.11-15; 48.10; Bar. 4.37; 5.5; 2 Macc. 1.27, 29; Pss. Sol. 11.1-9; 17.31,44. 65 Writings like Daniel, Tobit and Baruch, of course, write from the perspective of those still scattered among the nations (Dan. 9.3-19; Tob. 13.3-18; Bar. 2.11-15; 3.7-14). Such imaginative living again (as in liturgy) through epochal events of Israel's history - covenants with the patriarchs, passover and exodus, wilderness wanderings and entry into the promised land, Davidic kingdom and resilient faith under oppression, exile and return, Maccabean triumph, loss of Temple (70 CE) - should not be treated woodenly or reduced to a single motif. " The appeal for deliverance from oppression in Sir. 36.1-22 is of a piece with the lamentation Psalms (Pss. 43, 54-57, 109, 140-141, 143) and does not presuppose that the speaker believed himself, or those who had already returned to the promised land, to be still in exile. 67

A B E G G (Exile, 120-124) cites lQpHab 11.4-8 (the "exile" [galoth] of the Teacher of Righteousness); 1 Q H 12.8-9 ("they drive me from my land"); 1QM 1.2-3 ("the exiles

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the wicked (repeating the pattern of Deut. 29.27-28). 68 The complexity of the use of the exile imagery is not adequately caught by concluding simply that the sect still considered itself in exile." The same point about the complexity of the motif of restoration can be made with regard to Jubilees70 and the "sign prophets" in Josephus (Ant. X X 97-98, 167-172)/ 1 And generally it goes beyond the evidence to deduce that those living in the land at the time of Jesus, who attended the Temple regularly or in pilgrimage, thought of themselves as still in exile. (2) A consideration of the scope of Jewish expectation in second Temple Judaism strongly suggests that there was no single comprehensive grand narrative shaping the thought of Jesus' contemporaries. Return of the scattered outcasts to the land was certainly a prominent feature, but did not itself constitute the grand narrative of which all other elements of expectation were only a part. A major weakness of W R I G H T ' S "major hypothesis" therefore is his assumption that "return from exile" (and Yahweh's return to Zion) were in effect the only "controlling stories" which need to be considered as the framework for Jesus' kingdom preaching. But even a hurried overview of Jewish expectation confirms that there were various other motifs in play, motifs which cannot simply be subsumed within the grand narrative of return from exile. We may think, for example of the hope for the removal of disabilities and defects (Isa. 29.18; 35.5-6; 42.7, 18), the imagery of a great feast (Isa. 25.6; Ezek, 39.17-20; l Q 2 8 a [ l Q s a ] 2; 1 En. 62.14), the expectation of grievous suffering (e. g. Isa. 13.8; Dan. 7.21; 12.1-2; Amos 4), the hope for the defeat of Satan (e. g. Isa. 24.21-22; Jub. 5.6; 10.7-11; 23.29; 1 En. [golah] of the desert"); 4 Q 1 7 1 2.26-3.1 ("the returnees/repentant from the desert"); 4 Q 1 7 7 8 - 1 0 ("exile"?); 4 Q 3 9 0 1 5-6 (the first to go up " f r o m the land of their captivity" [m'rtz shbim, an echo of Jer. 30.10; 46.27] in order to build the sanctuary, who will not join in the evil as of the pre-exilic period); cf. references to the community in the desert ( 1 Q S 8.13-14; 9.19-20). 4 Q 1 6 1 2.14, "when they returned from the wilderness of the pe[ople]s' evidently echoes Ezek. 20.35, with its conception of the wilderness as a purgative intermediate stage between exodus from the lands of the diaspora and entry into the land itself (20.33-38). 68 4 Q 1 6 9 3 - 4 4.1-4; ABEGG fills out 4 Q M M T C 2 1 b - 2 2 in the same terms (Exile 122123). " As ABEGG does (Exile 120 n. 38, 121). 70 HALPERN-AMARU concludes: " f r o m the postexilic perspective of the author, restoration of a lost purity, not exile and return to the Land, is the signature of the imminent eschaton" (Exile 144). 71 EVANS is unwilling for the obvious imagery of re-enacting the conquest of the promised land (the parting of the Jordan, the collapse of city walls) to stand without pressing the corollary that such movements must have "regarded Israel as in a state of bondage, even exile" (Aspects of Exile 305).

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145

and the certainty of (final) judgment (e. g. Isa. Dan. 7 . 1 0 ; Zeph. 3 . 8 ; Mai. 4 . 1 ) . The absence of a Messiah figure in much of Israel's eschatological expectation is often noted. And where hope of a messianic figure did feature, should we simply fit it into other talk of a rebuilt temple,72 or of Yahweh's return to Zion? And how should we square the very different expectations regarding the Gentiles in regard to restored Israel (destruction, enslavement, conversion)? 73 Are these all part of a single story? Or are they different stories, put forward by different sectarian groups in second Temple Judaism? When the hope actually expressed is so diverse and fragmentary, does not the production of a single master narrative fall under the condemnation of all grand narratives, as at best a human contrivance ultimately oppressive and totalitarian in character? 10.4, 1 1 - 1 3 ; 1 3 . 1 - 2 ; 14.5),

66.15-16;

In short, does the evidence actually justify the major hypothesis of a single, coherent grand narrative "controlling" the range of Jewish expectation at the time of Jesus? 74 (3) The most serious weakness of WRIGHT'S grand hypothesis is his inability to demonstrate that the narrative of return from exile was a controlling factor in Jesus' own teaching. It will not do simply to insert passages into the assumed narrative framework, or to read the richly diverse traditions of Jesus' kingdom preaching through spectacles provided by the controlling story, as though by invocation of the mantra, "end of exile", "return from exile", the interpretation of these traditions becomes clear.75 "Serious verification" requires demonstration of at least a fair number of plausible echoes and allusions to return from exile within the Jesus tradition itself. The most plausible is the parable of the prodigal son, who repents and returns from "a far country" (Luke 15.11-24). 76 But the grand narrative of return from exile proves inadequate to explain the second half of the parable, where the refusal of the elder brother to accept the younger clearly works with the different motif of contrasting pairs.77 And 72

73 74

75

Which SANDERS reckoned to be the focus of restoration theology (Jesus and Judaism 77-87). See e. g. the survey in SANDERS, Jesus and Judaism 213-218. C f . B O R G ' S criticism of S A N D E R S (using different imagery): "the lens of 'J e s u s a s prophet of restoration eschatology' enables us to see too limited a range of data and forces us to set aside too much data. Its explanatory power is inadequate" (Jesus 81). A somewhat disturbing feature of WRIGHT'S treatment is his willingness simply to cite texts without any supporting analysis (e. g. Jesus 166, 179-180).

76

WRIGHT, J e s u s

77

Contrasting pairs is one of the most characteristic features of J e s u s ' parables - e. g. shrunk/unshrunk cloth, new/old wineskins (Mark 2.21-22 pars.), two ways (Matt.

125-131.

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WRIGHT hardly strengthens his case by giving a pivotal place t o the parable of the sower (Mark 4 . 2 - 8 pars.). 7 8 The problem is not that an allusion to the idea of the returnees from exile as seed being sown (again) in the land is farfetched. 7 9 It is rather that planting and fruitful growth are metaphors of much more diverse application, 80 and that the parable's imagery of different soils and outcomes more naturally invites a different line of thought and application from that of return from exile. Again, the calling of twelve disciples certainly evokes thought of eschatological restoration or renewal of Israel (the twelve tribes), 81 but if "return-fromexile theology" was a prominent feature of the rationale, 82 it is surprising that so little is made of it. And the first petition of the Lord's Prayer ("May your name be sanctified"), could evoke the prophecy of Ezek. 3 6 . 2 2 - 2 8 , 8 3 though the implications of the petition are far broader than simply the restoration of Israel to the land. F o r the most part, however, WRIGHT is content t o read the Jesus tradition through the lens of his grand narrative without further attempt at justification. But in squeezing the diversity of Jesus' proclamation of the kingdom into conformity with that single controlling story 8 4 he misses much that is of central significance within that proclamation - not least Jesus' own critique of Israel's current leadership, outreach to the " p o o r " 7.13-14/Luke 13.23-24), wise and foolish builders (Matt. 7.24-27/Luke 6.47-49), two sons (Matt. 21.28-30), wise and foolish maidens (Matt. 25.1-13), pharisee and taxcollector (Luke 18.9-14). As the corollary to his reading of the parable WRIGHT (Jesus 127) infers that the elder brother would have been identified with the Samaritans (who objected to the return of the exiles to Judea), in complete disregard of the setting indicated by Luke (the parable was addressed to Pharisees' objection to Jesus eating with "sinners" - Luke 15.1-3). 78

WRIGHT, J e s u s 2 3 0 - 2 3 9 .

79

J e r . 2 4 . 6 ; 3 2 . 4 1 ; H o s . 2 . 2 3 ; A m o s 9 . 1 5 (cited b y WRIGHT, J e s u s 2 3 2 - 2 3 3 n . 1 2 8 ) .

80

Of the passages cited by WRIGHT, consider Jer. 31.27 and 4 Ezra 8.41; the parable could have evoked the classic reminder of God's part in the agricultural process (Isa. 28.23-26); at one point WRIGHT himself assumes the identity of "seed" and "word", as the (later) explanation invites (Jesus 238), but he seems unconcerned that the explanation attached to the parable (which he includes with the parable itself) shows no awareness of his own "controlling story" (Mark 4.13-20 pars).

81

SANDERS, J e s u s and J u d a i s m 9 8 - 1 0 2 .

82

WRIGHT, J e s u s 4 3 0 - 4 3 1 ; EVANS, Exile 3 1 7 - 3 1 8 . Even so, the t h o u g h t w o u l d b e o f t h e

outcasts of Israel restored to the land and reunited with those already living there, not that the latter were still in exile.

83

84

WRIGHT, J e s u s 2 9 3 ; and particularly LOHFINK, J e s u s 1 5 - 1 7 .

For example: Jesus' welcome of the poor was a sign of return from exile (Jesus 255); "forgiveness of sins is another way of saying 'return from exile'" (268-272); Mark 13 is "the story of the real return from exile", and the anticipated destruction of Jerusalem marks the end of exile (340-343, 358-359,364).

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147

and "sinners" and concern for life to be lived in the light of the coming kingdom. 85 In short, we can be sure that Jesus the Jew shared in his people's confidence in God with regard to Israel and the future. But otherwise we should heed postmodernism's warning against uncritical dependence on grand narratives, against the superimposition of a unitary meta-narrative on much more complex data.86 Here too the grand narrative seems to lock the resulting portrayal of Jesus into a "one message fits all" pattern rather than to unlock the rich diversity of the Jesus tradition.

3. To Jesus via a realistic appreciation of the character of the Jesus tradition My own suggestion for a key to unlock the way to Jesus the Galilean Jew has several strands to it. I put it forward in a sequence of theses. (1) We must take seriously the probability that the ultimate and primary source of the Jesus tradition is the impact made by Jesus during his mission on those who responded to him. We should not assume that the impact of Jesus only began with his resurrection, or if you prefer, from the conviction that the crucified Jesus had been raised from the dead. Of course the tradition as we now have it is indeed retold in the context and light of Easter faith; of that there is no doubt. But HEINZ SCHÜRMANN in particular has long ago demonstrated that many pericopes and motifs within the Jesus tradition have been shaped without any noticeable influence as such from Easter faith.87 Which is to say, these pericopes and motifs had probably already received their enduring shape before the rise of Easter faith. Which also means that their initiating impulse must be traced to the impact made by Jesus during his (pre-Good Friday) mission. We should not work methodologically with any assumption that Jesus must have been different from the Jesus of the Synoptic tradition - as though there must have been a Jesus who made a different impact from the one we see in the Jesus tradition, or a Jesus who made no discernible impact. As MARTIN KAHLER long ago argued: to dispense with the Jesus 85

See my Jesus Remembered # # 1 3 - 1 4 . On the other hand, simply to deny that Jesus made any use of the theme of the return of the exiles, as BECKER does (Jesus 129), hardly does justice to the data evoked and issues raised by WRIGHT.

86

C f . the critique o f MARSH, T h e o l o g i c a l H i s t o r y ? 8 7 - 8 8 , 9 1 - 9 2 .

87

SCHÜRMANN, Die vorösterlichen Anfänge.

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of the (Synoptic) Gospels is to open the door to a fifth gospel of personal prejudice and individual ideology.88 The ideal of a "historical Jesus" behind the Gospels who is accessible to us by historical method, a Jesus who is different from the Synoptic Jesus (otherwise why should we need to look for him), falls into the trap of the old historicism or historical positivism.89 We of the 21st century can only perceive the first century Jesus through the influence he exerted on others, through the eyes of those who witnessed his mission. And that means in this case, through the eyes of those who responded to him. It is the Jesus who made a difference that we want to find, is it not? - the Jesus who left his imprint on his time, the Jesus who transformed fishermen and toll-collectors into apostles. We have that impact nowhere clearer or fuller than in the Jesus tradition. We should recognize that the impact made by Jesus on his first disciples would almost certainly have at least included the formation of Jesus tradition. For most of those who had been so decisively influenced by Jesus, who had found his challenge literally life-transforming, could not have failed to speak of that impact to others who shared the new appreciation of God's kingship and its consequences for their living in the here and now. That impact-expressed-in-verbal-formulation was itself the beginning of the Jesus tradition proper - as also of embryonic ritual, as the disciple groups met together to share that tradition, no doubt regularly in the context of the shared meals which had themselves been so characteristic of Jesus' mission. This does not mean that we should be looking for some "original" form of the tradition. This was one of the false tracks taken by the early form critics.90 The presumption is still of some pristine word or deed which can be recovered through (and despite) the varied forms of the present Jesus tradition. But if what we are looking for (and at) is the impact made by Jesus, then we should expect a diversity of impact on different individuals. And in terms of impact-expressed-in-verbal-formulation, what we should expect to find is some kind of consensus of impact, the tradition being formed to express an impact shared within the group and " 89

90

KAHLER, Der sogenannte historische Jesus. See e. g. the discussion in JENKINS, Postmodern History Reader. CROSSAN, despite the otherwise revolutionary character of his approach, bases his analysis of the Jesus tradition on a surprisingly "objective" stratification of that tradition (cf. CHILDS, Myth ch. 2); and WRIGHT'S concern to avoid "having loose ends [ . . . ] flapping around all over the place" (Jesus 367) is surprisingly modernist in character. The lesson was brought home by greater familiarity with the character of oral tradition processes; see particularly KELBER, The Oral and the Written Gospel 29, 59, 62.

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therefore expressing the consistency, but also from the first, the diversity of ways in which any word or action impacted the different members of the group. In all this, it should be noted, we are able to take seriously the proper emphasis in contemporary literary theory on reception, on the hearer's response as a constitutive part of the effectively delivered message. To quest for an abstracted "historical Jesus", conceived as some artefact to be excavated below the lowest layer of the literary strata of tradition, is like the quest for the author's intention, conceived as mental processes behind the text, independent of the text, but somehow accessible through the text. In each case we only have the tradition/text itself. And what we really should be interested in is the impact which the tradition embodies, the intention as embodied in the text (entextualized). That there was an author responsible for the text's composition, we need not doubt. And that there was a Jesus who made the impact thus "en-traditioned" we can be even more confident of. But it is the Jesus who made just that impact which we should be interested in. And in any case, it is only the Jesus who made that impact that we have any realistic hope of finding in the casket of the Jesus tradition. (2) The character of the Jesus tradition is best understood for much if not the most part in terms of oral tradition rather than solely in terms of literary interdependence. We should cease to allow our perspective on the Synoptic tradition to be determined by the centuries-old Western cultural conditioning of a literary, print-dominated mind-set. Despite various, indeed repeated reminders that the earliest forms of the Jesus tradition must have been oral and not yet written, the Synoptic problem has consistently been perceived as a literary problem, of one text known to and influencing the composer of another text. The Synoptic problem has characteristically been defined primarily in terms of source (i. e. written source) criticism and redaction (literary editing) criticism. Now literary dependency, the phenomenon of intertextuality, is without serious doubt an important aspect of the whole picture. But should the whole process of Jesus tradition, formation and transmission, be restricted to the question of how Matthew or Luke derived (contrived) their version of particular traditions from Mark or Q? restricted, that is, by the assumption that they could not have known that

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particular tradition in any other form or from any other source than that provided by the text of Mark, or Q? 91 The classic two (or four) document hypothesis92 is easily demonstrated, as almost any lecturer to first year students will agree. The degree of close similarity between Matthew, Mark and Luke again and again demands a hypothesis of literary interdependence. Passages like Matt. 3.7-10/Luke 3.7-9 and Matt. 11.4-11/Luke 7.22-28 are very persuasive of the existence of a Q document, written in Greek, on which Matthew and Luke must have been able to draw. But it is easy to pass over the equally substantial traditional material where the Synoptic versions are very different, or where the agreement within pericopes is very uneven, close at one part, distant at another. Such material has usually been ignored in formulating solutions to the Synoptic problem. Or to be more precise, such material has usually been considered (as problematic) after the solution has been first drawn up on the basis only of the passages where literary interdependence can be more readily discerned. How different might the road taken have been if the more diverse/divergent material had been allowed to influence the hypothesis-making from the start. It is my thesis that when proper attention is given to the full range of inter-relationships between the various strands of the Synoptic tradition it becomes more appropriate to conceive the traditioning process of the earliest groups/communities also or rather more in terms of oral tradition. There is little doubt, after all, that the earliest groups/churches functioned in a highly oral society, where levels of literacy were low,93 and where most communication, even the reading of a Torah scroll, would have been heard by the audience.94 Within that context it makes best sense to conceptualize the earliest use of the Jesus tradition in terms of groups/communities gathered to celebrate the traditions which they cherished. In a pre-printing press, pre-radio, pre-cinema/TV age, that was how groups and communities functioned in communal gatherings after the sun had set and the day's work was done. At such a point the historian needs to make " It is one of KOESTER'S principal contributions to scholarship on early Christianity to demonstrate and argue for the likelihood that the Jesus tradition existed in oral streams well into the second century - already in his thesis (Synoptische Überlieferung), but the insight has been maintained consistently in his subsequent work until the present, repeatedly cautioning against the assumption of a purely literary and linear development of the tradition (see e. g. his Written Gospels). 92 STREETER, Four Gospels. 93 The level of literacy in Roman Palestine has been reckoned as lower than 10%, perhaps as low as 3% (HARRIS, Ancient Literacy; BAR-ILAN, Illiteracy in the Land of Israel; HEZSER, Jewish Literacy 496-497). M Cf. particularly ACHTEMEIER, Omne verbum sonat.

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a deliberate attempt to step beyond an imagination too much shaped by the taken-for-granted amenities of modern living and to exercise a responsible historical imagination alive to the realities of such groups and communities functioning orally. When we do so it will become more natural to imagine the first groups of Jesus' disciples meeting together, to recall the things Jesus had said and done which had brought them into discipleship, to retell stories of his healings, his parables, his teaching on various themes, for edification, for instruction, and to equip them to answer for their faith when questioned or challenged. Such historical re-imagining will have to include a conscious shift also from the prevailing Western individualism, where the traditioning process is conceived in terms of individual tradent or author, and of individual auditor or reader, where remembering Jesus' teaching and mode of operation is conceived in terms of casual reminiscence as at a College alumni reunion. We are talking rather of groups and communities which were bonded as groups precisely by the shared impact made by Jesus. We are talking rather of traditions which were important to these communities, because just these traditions constituted their identity and gave them their raison-d'être as a group. The traditions would not all have been of uniform or equal importance, of course. But oral tradition studies suggest that the more important a tradition was for a group, the more carefully it would be preserved and transmitted.95 The references to teachers and tradition in the earliest churches, and the various allusions to Jesus tradition in the letters of the New Testament are probably sufficient to confirm that this a priori reasoning is on the right lines." We should also avoid the too easy deduction that diversity of emphasis in the retelling of the traditions is evidence of a centrifugal force pulling the earliest disciple groups further and further from each other. The argument is the outcome of decades of interest in the distinctiveness of each canonical Gospel (redaction criticism) and is currently much used in reference to the Q traditions. In the latter case, the absence of a passion narrative (in a sayings source!) and lack of suffering son of man sayings have provoked a line of reasoning which concludes that "the Q community" had a different theology from the cross and resurrection gospel so familiar from the rest of the New Testament. There are several fallacies here. One is the fallacy that "all collections of Jesus tradition are Gospels". It is as though the only format for Jesus tradition was "gospel", so that ,s

I draw particularly, but not exclusively on the conclusions drawn by BAILEY (see particularly Jesus R e m e m b e r e d # 8 . 3 - 6 ) .

"

See further m y Jesus Remembered # 8 . 1 .

152

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any collection of Jesus tradition has to be denoted as "Gospel", and as "gospel" must be a different gospel from the gospel embodied in the canonical Gospels. Hence a Q Gospel/Sayings Gospel; and the Gospel of Thomas. But there were many reasons why Jesus traditions should have been gathered and sequenced - for teaching, for worship, for apologetic, and so on.97 That is to say, different collections/sequencing of Jesus tradition probably served different purposes. A second fallacy in such reasoning is what may be called the "one document per community" hypothesis. Not only must Q be conceived as a coherent document, but behind it must also be a Q community·, and not only so, but a community defined by that document in its beliefs and concerns; and not only so, but a community restricted in its beliefs and concerns to those evidenced in that document. Such reasoning is reminiscent of nursery-age children squabbling over a nursery toy, each insisting "It's mine!" No, the probability is much more that early Christian communities knew more than one grouping of Jesus tradition, each presumably for different purposes and with differing emphases, but quite capable of being held together by teachers and elders within the coherence of the group. If the second fallacy is that of a church limited by a single collection of Jesus tradition, a third fallacy is that of a "Gospel limited to a single church". Since the rise of redaction criticism it has become a quite fashionable assumption that each canonical Gospel was intended for the church where it was written. So, not only does each Gospel reflect the character of its community, but it must have been written (solely) for that community! 98 This ignores the well attested fact that the earliest churches saw themselves as of a piece - churches, or more explicitly "churches of Christ" (Rom. 16.16), "the church(es) of God" (e. g. Acts 20.28; 1 Cor. 10.32; 11.16, 22; Gal. 1.13). That is, they were conscious of being part of a larger whole. Not only so, but there are frequent indications of a network of communication between various churches, as merchants and travellers, and no doubt particularly apostles, teachers and prophets moved among them. If Paul's letters were being circulated within his lifetime, if both Q and Mark were so well known by both Matthew and Luke, and if copies of John's Gospel were already circulating in Egypt within a few decades of its composition, 9 ' then it can be safely judged to be more than likely that individual Gospels were written with a view to

97

Cf. MOULE, Birth.

"

See particularly the critique by BAUCKHAM, F o r W h o m were the Gospels W r i t t e n ? .

"

A s is well known, the earliest papyrus fragment o f J o h n ' s Gospel (p 5 2 ) is usually dated to about 125 C E .

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wider circulation and that in the event they were circulated more widely than in their originating church circle. How does this work out in terms of turning a key in the lock? My conviction, worked out in detail in Jesus Remembered, is that the Synoptic tradition, as we still have it, still retains much of the character of traditions told and retold orally. The Synoptic tradition through all its diversity embodies a remarkably consistent and coherent picture of Jesus, the impact made by Jesus, Jesus as he was in fact remembered in the earliest years of nascent Christianity. Most episodes, diverse in the telling, are recognizably the same episodes. There is a remarkable stability of theme and core elements within the often diverse (or diverging) tendencies of parallel traditions. It is such stabilities which both embody the initial impact thus en-traditioned and attest the bonding effect of shared discipleship as expressed in these traditions. It is such diversity which illustrates the vitality of the tradition as it was rehearsed and fresh lessons drawn from it in the diversity of early Christian communities.

(3) The characteristic and relatively distinctive features of the Jesus tradition are most likely to embody and reflect the consistency and distinctive character of the impact made by Jesus himself It is methodologically unwise to attempt entry into the Jesus tradition through a single episode or saying. The logic for many has been that if a single foothold can be found of sufficient strength, then that can serve as a kind of bridgehead which can be patiently expanded to take in more and more of the territory. It is the logic of the second quest's "criteria of dissimilarity": to find a minimal number of sayings whose "historicity" or "authenticity" can be more or less guaranteed, and then to expand that foothold by the criterion of coherence.100 So the attempt is undertaken to construct great pyramids upside down, as it were, with all dependent on the "authenticity" of a saying like Matt. 12.28/Luke 11.20 or Luke 17.2021. Alternatively, SANDERS thinks the episode in the Temple (symbolizing its destruction) gives him a sure point of entry to the Jesus tradition.101 My own conviction, shared with others in the "third quest", is that it would be wiser to look first at the broad picture,102 or, drawing on LEE KECK'S term, to look for the "characteristic Jesus" rather than the dis-

PERRIN, Rediscovering 3 9 - 4 4 . "" SANDERS, Jesus ch.l. 102 This is my variation of what TELFORD has categorized as the "holistic" method and the tendency to ask "broader questions" (Major Trends 50, 52, 57). 100

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similar Jesus. 103 Otherwise we are liable to become quickly bogged down and lost in a mire of details over individual disputed sayings.104 The logic is straightforward: if a feature is characteristic within and relatively distinctive of the Jesus tradition (in comparison with other Jewish traditions), then the most obvious explanation of its presence in the Jesus tradition is that it reflects the abiding impression which Jesus made on at least many of his first followers, which first drew them into and constituted their community with other disciples, and which was celebrated (together with the kerygmatic traditions of cross and resurrection) in the gatherings of the first churches through the first generation of Christianity· The credibility of the method proposed can be readily illustrated in reference to a number of much controverted issues.105 For example, it has long been recognized that the Synoptic tradition of Jesus' preaching of the kingdom contains a double and seemingly inconsistent temporal emphasis: the kingdom as near but yet to come; and the kingdom as already in some sense present or already operative. The attempts to eliminate one or other emphasis have never proved satisfactory. And since both emphases are thoroughly rooted in the Jesus tradition (and not simply in individual "kingdom" sayings) the most obvious conclusion to draw is that both were characteristic of Jesus' teaching.106 However awkward that is for the modern quester, it is much sounder methodologically to work with such well attested (albeit awkward) facts than to work from some modern ideal of consistency. The case is even stronger with the "son of man" motif. Because of perceived inconsistencies (in the eye of the beholder) there are still those who argue that the motif cannot be traced back to Jesus in any form. 107 But the facts are clear: it is a phrase whose New Testament usage is limited almost entirely to the Jesus tradition; and as a phrase it occurs almost exclusively on Jesus' own lips. Even when redactional criticism produces KECK, A Future for the Historical Jesus 33. In SANDERS' view, too much reliance on "careful exegesis of the sayings material'' has led too many N T scholars into a quagmire (Jesus and Judaism 131-133, 139); though as just noted, his own method of correlating words with deeds allows him to be surprisingly confident in his own ability to reach a firm conclusion regarding what Jesus said about the Temple (71-76). But "characteristic emphases" can be substantiated without necessarily being able to set each saying in a particular context. 105 For what follows see the detailed discussion in my Jesus Remembered # # 1 2 , 15.7 and 16. 106 BEASLEY-MURRAY, Jesus, provides one of the most thorough of recent analyses of the motif in Jesus' teaching. 107 It will be sufficient here simply to refer to BURKETT, The Son of Man Debate 50-56. 103

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evidence of the phrase added to the tradition (e. g. Matt. 16.28; 24.30a; 26.2), the same astonishing fact pertains: that the redaction conformed to the consistent pattern of usage, as a phrase ("the son of man") used by Jesus alone. In such circumstances, it flies in the face of all credibility to conclude other than that the phrase was remembered as a characteristic speech usage of Jesus himself, and that its appearance in the Gospel tradition stems from and reflects his own idiom. If these are two examples of "characteristic" features of the Jesus tradition, then it is equally easy to illustrate with two "relatively distinct" features of the Jesus tradition, which equally are best traced back to Jesus. Neither is so controversial as the first two. One is the use of "Abba" as relatively distinctive of Jesus' prayers. The classic statement of J. JEREMIAS on the subject is much criticized, but has proved nevertheless remarkably enduring. 108 Most surprising was the fact that second questers supported the conclusion, even though it failed the criteria of dissimilarity: prayers expressive of intimate sonship are attested in Jewish tradition; and the "Abba" prayer was certainly prominent in earliest Christianity (Rom. 8.15; Gal. 4.6). But the criterion so applied would be much too blunt an instrument. "Characteristic and relatively distinctive" is a quite sufficient and strong enough criterion. And when applied at this point the Jesus tradition seems to come through well: a way of praying to G o d as "Father" which seems to have been characteristic of Jesus, and which is remembered in Pauline usage as distinctive of those who thereby are assured that they share in Jesus' sonship. The other example is Jesus the exorcist. There is no doubt that there were many exorcists and healers in the ancient world, which by the criterion of dissimilarity should make us suspicious of the attribution of exorcistic and healing activity to Jesus. But the Gospels' picture is clear enough that such activity was characteristic of Jesus' mission; and it is confirmed by Josephus' description of Jesus as "a doer of extraordinary deeds (paradoxôn ergôn poiêtês)" (Ant. X V I I I 63). 109 And the "relatively distinctive" features are easily documented: in particular, the laying on of hands and lack of material aids; the fact that Jesus did not evoke a higher source of power ("I adjure you by . . . " ) ; and the eschatological significance which he saw attested in his healing ministry (Matt. 11.5/Luke 7.22; Matt 12.27-28/Luke 11.19-20). We can be confident that Jesus was well known as a great and successful healer and that he fully deserved the reputation. 108

See e. g. PERRIN, Rediscovering 4 0 - 4 1 ; FITZMYER, A b b a .

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Paradoxos has the basic sense of "contrary to expectation, incredible" (LSJ), "contrary to opinion or exceeding expectation" (BDAG).

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Space does not permit me to develop the hypothesis further. For any interested I may simply refer them to the fuller working out of my Jesus Remembered volume. But sufficient has been set out above, I hope, to indicate that there is another path for questers of "the historical Jesus" to explore, and that it promises a more successful outcome than most others being currently pursued. In short, if I am right, we have in this three-stranded hypothesis a more sure way to the Jesus from whom the whole sequence of discipleship, of Jesus tradition, of gospel and church began. Or to be more precise, we have a surer way to the life-transforming influence and effect of Jesus on those who first heard and followed him, and through the outline of the imprint he made we can discern the clear outline of the one who made that imprint. For many the procedure is rather unappealing, disappointing even - like trying to find the true likeness of Jesus in the lead casket of the Synoptic tradition. Was it not the very unappealing character of the traditional Jesus for Western modernity which drew so many of our predecessors in the quest towards the glittering appeal of a 19th or 20th century Jesus? But if we are serious about finding Jesus, the Jesus who was, the Jesus whose mission had such life-transforming effect, the Jesus from whom it all began, and not a Jesus who we simply drape in the clothes of our own projected hopes and ideals, then, I suggest, we are best advised to go down the track I have indicated above.

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Von der Historizität der Evangelien Ein Beitrag zur gegenwärtigen Diskussion um den historischen Jesus JENS SCHRÖTER

1. Die Evangelien und der historische Jesus Die historische Jesusforschung gehört bezüglich ihrer methodischen Voraussetzungen und der hierauf basierenden Verfahren zur Geschichtswissenschaft: Sie analysiert die zur Verfügung stehenden historischen Materialien1 und zeichnet auf deren Grundlage Bilder der historischen Person Jesu. Die Neuorientierung der letzten Jahre hat diesen Charakter der Jesusforschung betont. Sie hat zwischen einem theologischen Interesse an Jesus und der Methodik, der eine historische Konstruktion zu folgen hat, unterschieden2. Dies stellt gegenüber früheren Phasen insofern einen Neuansatz dar, als in diesen zumeist die theologische Dimension der Jesusfrage im Zentrum stand3. Demgegenüber hat die Jesusforschung der jüngsten Zeit zu Recht darauf insistiert, daß die theologische und die historische Frage zu unterscheiden sind: Eine sich kritisch vor ihren 1

2

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Diese können unterschiedlichen Charakter haben, je nachdem ob sie von der Vergangenheit unmittelbar Zeugnis geben oder aber von Menschen „zum Zweck der Erinnerung" geformt sind. Vgl. DROYSEN, Historik, 6 7 - 1 0 0 (dort die Unterscheidung der Materialien in Uberreste, Denkmale und Quellen, das Zitat a. a. O . , 426). Für die Jesusforschung sind aus der ersten Kategorie ζ. B. archäologische Zeugnisse aus Galiläa bedeutsam, die den Lebensraum Jesu zu erschließen helfen, aus der letzteren in erster Linie die Darstellungen der Evangelien. Vgl. etwa MEIER, Present State; CROSSAN, Faces; THEISSEN/WINTER, Kriterienfrage, hier Teil III: Das Historische Plausibilitätskriterium als Korrektur des Differenzkriteriums, 175-232. Im 19. Jahrhundert wird dies ζ. B. an dem Disput zwischen STRAUSS und WEISSE um die dogmatische Grundlage des christlichen Glaubens deutlich, im 20. Jahrhundert vor allem an der durch BULTMANN ausgelösten Diskussion darüber, wie eine Darstellung von Lehre und Wirken Jesu und eine Theologie des Neuen Testaments miteinander in Beziehung zu setzen seien. Vgl. die eingehende Erörterung der zuletzt genannten Problematik durch LINDEMANN, Jesus.

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Ursprüngen verantwortende Theologie bleibt auf den Bezug zur Geschichtswissenschaft verwiesen, eine historische Konstruktion der Person Jesu hat jedoch unabhängig von der Frage, wie sich diese zur Begründung des christlichen Glaubens verhält, zu erfolgen 4 . Diese methodische Einordnung der Jesusfrage zeitigt zwei Konsequenzen, die für die gegenwärtige Diskussion gleichermaßen von Bedeutung sind. Die erste Konsequenz bezieht sich auf die Beurteilung der Evangelien als Darstellungen, die von Wirken und Geschick Jesu Zeugnis geben 5 . In der neueren Forschung ist eine deutliche Tendenz erkennbar, diesen den Status historischer Quellen zuzuerkennen, ihre Jesuserzählungen also - über die in ihnen zweifellos zum Ausdruck kommenden Glaubensüberzeugungen hinaus - auch in historischer Hinsicht für relevant zu erachten'. Dies bedeutet insofern eine Wende in der Jesusforschung, als ihnen dieser Status längere Zeit abgesprochen wurde 7 . Das Urteil, die Damit soll nicht der naiven Vorstellung einer unvoreingenommenen Interpretation der Quellen das Wort geredet werden. Es ist vielmehr deutlich, daß jede historische Konstruktion eine Hypothese über die Vergangenheit darstellt, die in der Wirklichkeitswahrnehmung des Interpreten gründet und deshalb niemals mit der Vergangenheit identisch ist. Andererseits darf die Frage nach dem Verhältnis des christlichen Glaubens zur historischen Person Jesu nicht die Vorgehensweise der historischen Jesusforschung präjudizieren. 5 Gemeint sind hiermit die kanonischen und bei diesen wiederum in erster Linie die synoptischen Evangelien. Damit wird die von der kritischen Forschung erarbeitete Auffassung, daß diesen für die historische Jesusfrage Vorrang einzuräumen sei, aufgenommen, ohne damit dem JohEv einen Quellenwert abzusprechen. Die Frage, wie dieser näher zu bestimmen wäre, bedürfte einer eigenen Untersuchung. Die Frage, welche Schriften darüber hinaus für eine Jesusdarstellung heranzuziehen wären, wird hier nicht eigens diskutiert. Angemerkt sei jedoch, daß die Bedeutung - insonderheit der Nag-Hammadi-Schriften - für die historische Jesusforschung gegenwärtig mitunter überschätzt wird. Diese Schriften waren kaum an einer erinnernden Bewahrung und Interpretation des Wirkens Jesu interessiert, sondern stellen dieses in der Regel in Deutungsrahmen mythologischer oder philosophischer Provenienz. Dies ist zu beachten, wenn sie für die historische Jesusfrage herangezogen werden. Vgl. hierzu meine Rezension von M. FRANZMANN, Jesus in the Nag Hammadi Writings, Edinburgh 1996, in: OLZ 93 (1998), 666-674. Daß die in den Kanon aufgenommenen Evangelien die frühesten narrativen Verarbeitungen des Wirkens und Geschicks Jesu darstellen und zugleich einen historisch bewahrenden Charakter besitzen, dürfte dagegen unstrittig sein. Sie sind deshalb - und nicht wegen ihrer späteren Kanonisierung - die maßgeblichen Quellen für eine historische Konstruktion des Wirkens und Geschicks Jesu. ' Vgl. EVANS, Jesus and his Contemporaries, 8-10; CHARLESWORTH, Jesus, 9-18; E L L I S , Synoptic Gospels, der dies in Auseinandersetzung mit den historiographischen Defiziten der Formgeschichte darlegt. 7 Während die Formgeschichte davon ausging, daß in den Evangelien Traditionen gesammelt worden seien, die ihre Prägung maßgeblich den Uberzeugungen und Interes-

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Evangelien seien aufgrund ihres kerygmatischen Charakters bzw. ihrer literarischen Darstellung für eine historische Konstruktion der Wirksamkeit Jesu letztlich unergiebig, vermag jedoch nicht länger zu überzeugen. Sie werden stattdessen als Erzählungen wahrgenommen, die in vielfältiger Weise mit den zugrundeliegenden Ereignissen von Leben und Geschick Jesu von Nazaret verwoben sind8. Deutlich ist freilich: Die Jesusforschung kann sich unter den Bedingungen des historischen Bewußtseins nicht unkritisch auf die Evangelien berufen. Wie alle anderen Quellen auch, sind die Evangelien vielmehr daraufhin zu prüfen, wie sich in ihnen vergangene Ereignisse und deren Darstellung zueinander verhalten. Dabei ist die Intention der Evangelien, das irdische Wirken Jesu im Licht der Uberzeugung darzustellen, er sei zugleich der Auferstandene und zu Gott Erhöhte, ebenso zu berücksichtigen wie ihr Charakter als Erzählungen über das Wirken einer historischen Gestalt an einem konkreten Ort zu einer konkreten Zeit9. Jedes Jesusbild, das den Bedingungen des historischen Bewußtseins genügen will, muß sich deshalb an seinem kritischen Umgang mit den Evangelien als den frühesten Quellen für den historischen Jesus messen lassen. Nur ein solcher kritischer Umgang mit den Evangelien kann deutlich machen, inwiefern diese als historische Quellen auswertbar sind10.

sen der nachösterlichen Gemeinde verdankten, richtete die Redaktionsgeschichte ihr Augenmerk vornehmlich auf Kompositionsweise und Theologie der Evangelisten. Dieser, durch den narrative criticism dann noch einmal auf eine neue methodische Grundlage gestellte Zugang hat wichtige Einsichten für die Interpretation der Evangelien zutage gefördert. Die Frage nach deren historischer Referenz blieb dabei jedoch weitgehend unberücksichtigt. Auf diese richtet sich die hier verfolgte Fragestellung. 8 Vgl. hierzu THEISSEN/MERZ, Jesus, 41-48. 103-116. Dort werden die „Einwände historischer Skepsis" gegen die Historizität der Evangelien zusammenfassend dargestellt und auf ihre Stichhaltigkeit hin geprüft. Dabei wird zu Recht betont, daß die nachösterlich-deutende Perspektive nicht prinzipiell gegen den Charakter der Evangelien als historischer Quellen ins Feld zu führen, bei ihrer historischen Auswertung gleichwohl in Rechnung zu stellen ist. ' Es sei daran erinnert, daß sich diese Einsicht bereits in einem Beitrag von PERRIN aus dem Jahr 1966 (!) findet. Vgl. DERS., Wredestrasse, 299: "Instead of providing a hellenistic form, such as was provided by the myths of hellenistic religion, or a Jewish form, such as the apocalyptic vision, Mark has chosen to express a message of the risen Lord of his Christian experience in terms of a story about the earthly Jesus [. . .] The synoptic tradition as a whole is, in fact, neither pure myth nor interpreted historical narrative but a remarkable mixture of these two things." 10 Dieser kritische Umgang mit den Quellen ist bei jeder Beschäftigung mit der Vergangenheit gefordert. Im Blick auf die Evangelien gilt dabei noch einmal besonders, daß sie als biographische Erzählungen innerhalb der antiken Geschichtsschreibung zu beurteilen sind, näherhin im Rahmen von deren jüdisch-hellenistischer Ausprägung.

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Zu einer solchen Zugangsweise gehört des weiteren, daß die kulturellen, religiösen und sozialen Verhältnisse Palästinas - und hier noch einmal besonders des palästinischen Judentums - eine wichtige Rolle für die Konstruktion eines historisch plausiblen Bildes Jesu spielen. Diese sind aus den zur Verfügung stehenden literarischen und archäologischen Materialien zu erheben. Die neuere Forschung hat deutlich gemacht, daß eine historische Konstruktion der Person Jesu die Darstellungen der Evangelien mit diesen Materialien in Beziehung zu setzen und zu einem Gesamtbild zu verbinden hat". Auch damit ist gegenüber früheren Phasen insofern ein neuer Weg eingeschlagen, als dort der zeitgeschichtliche Kontext Jesu - wenn überhaupt - nur am Rande in den Blick trat12. Die zweite Konsequenz ist erkenntnistheoretischer Art. Die eingangs genannte Besinnung auf die geschichtswissenschaftlichen Grundlagen bedeutet, daß die Jesusforschung den Voraussetzungen und Grenzen des historischen Bewußtseins unterliegt. Eine Grundüberzeugung dieses Bewußtseins besagt, daß die Quellen der Vergangenheit selektive, deutende Bilder vermitteln. Sie sind von Menschen verfaßt, die mit ihren Darstellungen die Wirklichkeit, die sie erleben, interpretieren, mit diesen Interpretationen bestimmte Interessen verbinden und selbst an die Grenzen ihres Wissens und ihrer Sprache gebunden sind. Es ist deshalb eine methodische Voraussetzung des historisch-kritischen Bewußtseins, die Quellen nicht einfach mit der Wirklichkeit, auf die sie sich beziehen, zu identifizieren, sondern kritisch daraufhin zu prüfen, was sie von der Vergangenheit zu erkennen geben. Schon aufgrund des fragmentarischen, deutenden Charakters der Quellen kann historische Forschung also niemals eine Wiederherstellung der Vergangenheit sein. Dies ist aber auch aus einem weiteren, ebenso auf der Hand liegenden Grund ausgeschlossen: Historische Forschung ist nicht nur durch die Art der Quellen, sondern auch durch die notwendig perspektivierende Sicht des Historikers gekennzeichnet, der die Quellen seinerseits interpretiert und mit den ihm zugänglichen historischen Materialien zu einem Bild zusammenfügt. Erst die Deutung der Überreste und ihre Einordnung in einen vom Historiker entworfenen Zusammenhang " Vgl. hierzu REED, Archaeology, 1-22, der einen knappen, aber instruktiven Überblick über die archäologischen Forschungen zu Galiläa sowie deren Beitrag für die Jesusforschung gibt. 12 Terminologisch kennzeichnend für die ältere Forschung ist dabei der Begriff des „Rahmens", in den dann die „Verkündigung Jesu" gestellt wird. Völlig zu Recht bemerkt FREYNE, Geography, 75, deshalb im Blick auf eine gegenwärtig notwendige Orientierung der Jesusforschung: "Perhaps we are better placed today to undertake again the quest for Jesus within a specific social and cultural world."

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haucht deshalb den Überresten vergangener Zeiten Leben ein. Vergangenheit ist per definitionem dadurch gekennzeichnet, daß sie nicht mehr ist. Was von ihr Zeugnis gibt, muß gedeutet werden, damit es verstanden und für die Gegenwart bedeutsam wird. Unabhängig von dieser Interpretation der Uberreste gibt es keine Geschichte, sondern nur totes Material. Zu einer historischen „Quelle" wird ein Text deshalb erst dann, wenn er gelesen, interpretiert und mit anderen Materialien in Beziehung gesetzt wird. Historische Forschung stellt somit immer einen Prozeß der Interaktion dar, in dem Zeugnisse der Vergangenheit mit je gegenwärtigen Erkenntnisbedingungen vermittelt werden. Das Ziel historischer Forschung ist somit nicht Rekonstruktion der Vergangenheit, sondern Konstruktion von Geschichteu: Sie erstellt ein Bild der Vergangenheit, das relative Gültigkeit besitzt, abhängig von den je geltenden Plausibilitäten der Wirklichkeitsdeutung, determiniert durch den Kenntnisstand der Forschenden und bestimmt durch die Sicht, die der Interpret anhand des bekannten Materials entwirft. Aus dieser erkenntnistheoretischen Einsicht folgt, daß ein an den Evangelien orientiertes Jesusbild nicht mit der wirklichen Person, die im 1. Jahrhundert in Galiläa gewirkt hat, gleichzusetzen ist14. Eine Konstruktion der Person Jesu ist vielmehr ein hypothetischer, falsifizierbarer Entwurf, der die vorhandenen Quellen als Wirkungen derjenigen Ereignisse, auf die sie sich beziehen, verständlich zu machen versucht. Gerade in dieser Einsicht in den prinzipiell konstruierenden Charakter histo-

13

Anders als es L O R E N Z im Titel seiner Einführung in die Geschichtstheorie tut, ist es deshalb auch nicht sinnvoll, von Konstruktion der Vergangenheit zu sprechen, wohl aber von Konstruktion von Geschichte, durch welche wir uns die Vergangenheit aneignen. Mit dieser terminologischen Differenzierung wird die erkenntnistheoretisch relevante Einsicht zum Ausdruck gebracht, daß Vergangenheit und Geschichte nicht einfach miteinander identisch sind, sondern diese einen perspektivierenden, selektiven Bezug auf jene darstellt. Vgl. hierzu jetzt die wichtigen Ausführungen von G O E R T Z , Unsichere Geschichte: „Im übrigen wird nicht die Vergangenheit konstruiert, als ob es sie sonst nicht gäbe, konstruiert wird die Geschichte." (A. a. O., 37.) Im übrigen sei bemerkt, daß hier und im Folgenden bewußt von „Konstruktion" im Gegensatz zu „Äe-konstruktion" gesprochen wird. Letzterer Ausdruck verschleiert, was sich tatsächlich vollzieht, wenn wir historische Materialien auswerten und zu einer Hypothese über die Vergangenheit zusammensetzen. Er fällt damit hinter einen in der Geschichtstheorie erreichten Diskussionsstand über die erkenntnistheoretischen Prämissen historischer Hypothesen zurück und leistet deshalb in der Diskussion über den historischen Jesus einer letztlich unfruchtbaren Debatte Vorschub. In diesem Sinne bemerkt auch G O E R T Z (ebd.): „Wer sowohl von Konstruktion als auch von Rekonstruktion spricht, hat sich noch nicht auf die Radikalität diese neuen Geschichtsverständnisses eingelassen."

14

In diesem Sinne unterscheidet M E I E R zwischen "the historical Jesus" und "the real Jesus". Vgl. DERS., A Marginal Jew, I, 21-31.

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rischer Erkenntnis könnte somit ein wichtiges Merkmal der neuesten Jesusforschung liegen15. Dieser Weg ist allerdings bislang noch wenig ausgearbeitet, was sich bei einem näheren Blick in die Beurteilung der Evangelien als historischer Quellen zeigt. Der beschriebene Zugang zur historischen Jesusfrage war in der neutestamentlichen Wissenschaft lange Zeit keineswegs unproblematisch. Vielmehr läßt sich seit den Anfängen der historischen Jesusforschung bis in neueste Publikationen hinein die Tendenz feststellen, die Evangelien als historisch unzuverlässige Quellen zu beurteilen: In ihnen würden die zugrundeliegenden Ereignisse durch die Intentionen sowie die Darstellungsweise der Verfasser derart überformt, daß sie keinen Wert als historische Quellen beanspruchen könnten. Hieraus wurden dann Konsequenzen unterschiedlicher Art gezogen: Man fand sich damit ab, keine historische Jesusdarstellung geben zu können, da die zur Verfügung stehenden Quellen dies nicht zuließen. Stattdessen sei man auf den in den Evangelien bezeugten Christus verwiesen, jenseits dessen es keine Darstellung der Person Jesu mit Anspruch auf Validität geben könne16. Eine andere Konsequenz lautet: Aufgrund der historischen Unzuverlässigkeit der Evangelien könne der historische Jesus nur hinter diesen gefunden werden. Handle es sich bei den Evangelien um kerygmatische Erzählungen, deren historische Referenz sehr gering einzustufen sei, dann treffe man allenfalls gelegentlich auf ein authentisches Jesuswort, das jedoch von seinem sekundären Rahmen befreit werden müsse, wenn man zu Jesus selbst vorstoßen wolle. Eine notwendige Folge dieses Vorgehens ist die Reduktion des historischen Jesus auf einige für authentisch gehaltene Worte, die dann nachträglich in einen unabhängig davon entworfenen „Rahmen" gestellt werden17.

15

PORTER hat jüngst die Aufteilung der historisch-kritischen Jesusforschung in drei Phasen grundsätzlich in Frage gestellt. Vgl. DERS., Criteria, 28-59. In seiner Nachzeichnung der Forschungsgeschichte finden sich dabei viele wichtige Beobachtungen, die diese schematische Aufteilung ausdifferenzieren. Dennoch gibt es Merkmale, die dazu berechtigen, die drei Etappen der liberalen Jesusforschung, der sog. „neuen Frage" und der derzeit im Gang befindlichen „dritten Frage" voneinander zu unterscheiden. Die gegenwärtige Diskussion könnte dabei durch eine erkenntnistheoretisch fundierte Grundlegung historischer Konstruktionen die bisherige Jesusforschung weiterführen und dadurch einen Weg eröffnen, die Evangelien jenseits von Historismus und Kerygmatheologie als historische Erzählungen zu interpretieren.

" Dies war bekanntlich die Konsequenz von KAHLER, Jesus. Ahnlich urteilten dann BULTMANN, Verhältnis sowie in neuerer Zeit JOHNSON, Real Jesus. 17 Die schon genannte Aufteilung in einen „zeitgeschichtlichen Rahmen" und die hiervon abgetrennte „Verkündigung J e s u " begegnet zuerst in BULTMANNS Jesusbuch, von dem unten noch zu sprechen sein wird. Sie prägt dann Teile der gegenwärtigen Jesus-

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Beide Konsequenzen sind somit spiegelbildliche Wirkungen der Auffassung, die Evangelien ließen sich nicht als historische Quellen interpretieren. Damit wird jedoch deren Charakter als zugleich historischbewahrender und aktualisierender Jesuserzählungen verkannt. Dieser verbietet es, sie mit dem Verweis auf die in ihnen zum Ausdruck kommenden Uberzeugungen als historisch irrelevant zu beurteilen. Notwendig für die historische Jesusfrage ist stattdessen eine historisch-kritische Analyse ihrer narrativen Verarbeitungen des Wirkens und Geschicks Jesu. Um dieses zu demonstrieren, werden im Folgenden zunächst die Einwände gegen die Evangelien als historische Quellen in die kritische Jesusforschung eingeordnet und einer genaueren Prüfung unterzogen. Der dritte Teil wird sodann anhand einiger Konkretionen die Frage nach der Verwertbarkeit der Evangelien für eine historische Konstruktion der Person Jesu diskutieren. Am Ende steht eine knappe Zusammenfassung.

2. Zwei Einwände gegen die Verwendbarkeit der Evangelien als historische Quellen 2.1 Das Argument der sachlichen Diskrepanz Die Problematisierung des Charakters der Evangelien als Quellen für die Geschichte Jesu fällt mit dem Aufkommen der historisch-kritischen Jesusforschung zusammen. Sie läßt sich auf zwei Einwände zurückführen, die in verschiedenen Variationen begegnen. Das erste Argument läßt sich als dasjenige der sachlichen Diskrepanz bezeichnen. Es besagt, die Deutungen der Person Jesu ließen sich durch den Verweis auf von seinem Auftreten ausgegangene Impulse nur höchst unzureichend erklären. Dieses habe vielmehr nur den äußeren Anstoß geliefert, sei jedoch durch die Kategorien, die zu seiner Deutung herangezogen wurden, auf eine Weise überlagert worden, die den historischen Ausgangspunkt undeutlich und in seinem sachlichen Gehalt zweitrangig erscheinen lasse. D a s Diskrepanzargument wird zum ersten Mal von DAVID FRIEDRICH

STRAUSS auf die Evangelien angewandt18. Seiner Auffassung zufolge beruforschung, die sich vornehmlich auf Jesu Worte stützen, den erzählerischen Rahmen dagegen für historisch sekundär erachten. Es wird sich zeigen, daß dieses Urteil geschichtsmethodologisch unhaltbar ist. " Auf andere Weise spielt die Behauptung einer sachlichen Diskontinuität bereits bei REIMARUS eine Rolle, der zwischen der sittlichen Botschaft Jesu und der nach seinem T o d an deren Stelle getretenen Lehre der Apostel von einem leidenden, vom Tode

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hen die Evangelien auf Überlieferungen, die als „geschichtsartige Einkleidungen urchristlicher Ideen, gebildet in der absichtslos dichtenden Sage", zu beschreiben seien 1 9 . D i e in ihnen gesammelten U b e r l i e f e r u n g e n 2 0 besäß e n zwar in der P e r s o n J e s u ihren historischen A u s g a n g s p u n k t , seien jed o c h durch die M y t h e n als den zu ihrer D e u t u n g h e r a n g e z o g e n e n religiösen Ideen auf eine W e i s e geprägt, die es u n m ö g l i c h m a c h e , historischen K e r n u n d m y t h i s c h e D e u t u n g voneinander zu t r e n n e n . F ü r ihre I n t e r pretation m ü s s e deshalb ein „ m y t h i s c h e r S t a n d p u n k t " e i n g e n o m m e n w e r den, mit dessen H i l f e ihr Gehalt erhoben werden k ö n n e 2 1 . STRAUSS identifiziert verschiedene derartige M y t h e n , die größtenteils aus d e m A l t e n T e s t a m e n t s t a m m e n u n d ihr Z e n t r u m in d e m Messiasm y t h o s besitzen. D i e s e r habe seine ideelle Grundlage in den M e s s i a s v o r stellungen des A l t e n T e s t a m e n t s , seinen historischen B e z u g s p u n k t indes in d e m M e s s i a s b e w u ß t s e i n J e s u . E n t s c h e i d e n d aber ist, d a ß erst der A u f erstehungsglaube den entscheidenden Impuls dafür lieferte, das g e s a m t e L e b e n J e s u in m y t h i s c h e n K a t e g o r i e n zu deuten. Mit

der

mythischen

geschichtlichen

Betrachtungsweise

Grundlage

des christlichen

war

die

Glaubens

Frage

nach

in aller

der

Schärfe

auferstehenden und vom Himmel wiederkommenden Erlöser unterscheidet. Er wendet dieses Argument jedoch nicht auf die Evangelisten an. Diese betrachtet er vielmehr als glaubwürdige Geschichtsschreiber. Bei REIMARUS findet sich deshalb eine Unterscheidung zwischen der Darstellung Jesu in den Evangelien und der in den Briefen der Apostel entwickelten Deutung seiner Person, die sich hierzu gerade nicht auf die Worte und Taten Jesu berufen würden. Diese Modell besitzt in der späteren Differenzierung zwischen der Messiasdogmatik der palästinischen und dem Kyrioskult der hellenistischen Urgemeinde durch BOUSSET eine gewisse Analogie. Anders als bei STRAUSS führt das Diskrepanzargument bei REIMARUS also nicht zu einer Problematisierung des historischen Wertes der Evangelien. " STRAUSS, Leben Jesu, I, 75. 20 STRAUSS vertritt zwar die Mt-Priorität, bezüglich des Ursprungs der Evangelien ist jedoch sein Anschluß an die Traditionshypothese HERDERS grundlegend, weil diese es ihm ermöglicht, eine Phase anzunehmen, in welcher die Jesusüberlieferung vor ihrer Verschriftlichung tradiert und dabei mythisch geprägt worden sei. Vgl. DERS., Leben Jesu, I, 62-74. Damit vertritt STRAUSS ein Modell, das in der Formgeschichte wieder auftaucht, die den historischen Wert der Evangelien mit einem analogen Erklärungsmuster hinterfragt. Vgl. TUCKETT, Griesbach Hypothesis, bes. 32. WEISSE hat dies in seiner Auseinandersetzung mit STRAUSS sehr genau erkannt und nicht die Griesbach-, sondern die Traditionshypothese bekämpft (vgl. DERS., Geschichte, I, 3-137). 21

STRAUSS k n ü p f t d a b e i a n E I C H H O R N , G A B L E R , BAUER u n d DE W E T T E a n , die b e r e i t s

den Mythosbegriff zur Erklärung der biblischen Erzählungen herangezogen hatten. Er ist sich also bewußt, daß er keineswegs der erste ist, der den mythischen Standpunkt auf die „evangelische Geschichte" anwendet, erhebt allerdings den Anspruch, der erste zu sein, der ihn konsequent auf die gesamte Geschichte Jesu bezieht. Vgl. DERS., Leben Jesu, I, IV-VII. 27-51 sowie HARTLICH/SACHS, Ursprung, bes. 134-137.

Von der Historizität der Evangelien

171

gestellt. Zwar leugnet STRAUSS nicht, daß den Evangelien tatsächlich geschehene Ereignisse zugrunde liegen und auch das messianische Selbstverständnis Jesu einen historischen Impuls zur Entstehung des Glaubens an ihn geliefert habe22. Diese Anstöße reichen jedoch s. E. nicht aus, um die Erzählungen über ihn verständlich zu machen. Hierfür bedarf es vielmehr einerseits der Einbeziehung des - für STRAUSS in seiner Herkunft letztlich nicht aufzuhellenden - Auferstehungsglaubens 23 , andererseits der Beachtung des durch diesen veranlaßten mythischen Charakters der Uberlieferung. Beide Aspekte kulminieren schließlich in einer Trennung der geschichtlichen von der dogmatischen Grundlage des christlichen Glaubens. Das von STRAUSS festgehaltene Grundgerüst des Lebens Jesu 24 wird zu einem Ausgangspunkt, der die inhaltliche Gestalt der auf ihm aufbauenden Deutungen letztlich nur unwesentlich beeinflußt. Diese sind vielmehr von der mythischen Anschauungsweise geprägt, die die Ideen zwar geschichtsartig einkleidet, jedoch selbst kein Fundament in historischen Sachverhalten besitzt. Damit hatte STRAUSS eine Diastase zwischen dem Wirken Jesu und dessen auf dem Auferstehungsglauben gründender Darstellung behauptet, die überall dort nachwirkt, wo keine sachliche Entsprechung zwischen Jesus und der Entstehung des christlichen Glaubens gesehen wird. STRAUSS betrachtet den Mythos also als Kategorie, mit deren Hilfe die zufällige historische Einzelerscheinung in den Rang einer überzeitlichen Wahrheit erhoben wird. Das unbestreitbare Verdienst, das er sich damit in der Jesusforschung erworben hat, besteht darin, zum ersten Mal eine konsequente Interpretation der Evangelien durchgeführt zu haben, die deren Gehalt durch eine Verbindung von historischem Ereignis und deutender Kategorie zu bestimmen sucht. Seine Auffassung führt jedoch dazu, das konkrete Ereignis nur noch als Ausdrucksform einer überzeitlichen Idee zu betrachten25. Die spannungsvolle Einheit von Mythos und Geschichte, die die Evangelien kennzeichnet, wird deshalb von ihm letztlich nicht festgehalten. Die „Schlußabhandlung" seines Werkes trägt den bezeich22

23

24 25

Leben Jesu, I, 469: » [ . . . ] daß den Gestorbenen seine Jünger als den Messias festhielten, läßt sich nicht begreifen, wenn nicht der Lebende schon durch bestimmte Erklärungen diese Uberzeugung in ihnen gepflanzt hatte." Leben Jesu, 2. Auflage, I, 99: Es „lag in dem, wodurch auch immer entstandenen, Glauben an seine Auferstehung mehr als hinreichend Ueberzeugungskraft für seine Messianität". Leben Jesu, I, 72. Leben Jesu, I, VII: „Den inneren Kern des christlichen Glaubens weiss der Verfasser von seinen kritischen Untersuchungen völlig unabhängig. Christi übernatürliche Geburt, seine Wunder, seine Auferstehung und Himmelfahrt, bleiben ewige Wahrheiten, so sehr ihre Wirklichkeit als historischer Fakta angezweifelt werden mag."

172

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nenden Titel „Die dogmatische Bedeutung des Lebens Jesu"26. In diesem Abschnitt wird noch einmal deutlich, daß die religiösen Ideen für STRAUSS im Zentrum stehen, wogegen die historische Konkretion dahinter zurücktritt. Trotz des unbestreitbaren Fortschritts, den die Untersuchung von STRAUSS darstellt, bleibt somit letztlich ungeklärt, warum, die von ihm identifizierten Mythen auf das Leben Jesu angewandt wurden. Anders gesagt: Die Konstruktion von STRAUSS leidet darunter, daß sie die Mythen nicht mit einer historischen Analyse verbindet. Der „dogmatische Gehalt des Lebens Jesu" steht deshalb unverbunden neben dem in den Evangelien über Jesus Erzählten, insofern nicht deutlich wird, daß die entsprechenden Deutungskategorien nicht einfach auf Jesus übertragen, sondern zur Interpretation konkreter Ereignisse herangezogen wurden. Der Entwurf von STRAUSS hatte zur Folge, daß in Abwehr seiner kritischen Position in der Folgezeit intensiv nach dem historischen Wert der Evangelien gefragt wurde. Die hierfür als methodische Grundlage erarbeitete Zwei-Quellen-Theorie wurde in direkter Auseinandersetzung mit STRAUSS entwickelt: CHRISTIAN HERMANN W E I S S E , dessen Untersuchung der „evangelischen Geschichte" sich bereits im Untertitel „kritisch und philosophisch" nennt und damit den von STRAUSS geworfenen Fehdehandschuh aufnimmt, bestreitet dessen These von der mythischen Prägung der Jesusüberlieferung, die er stattdessen auf zwei durch Augenzeugen vermittelte bzw. direkt überlieferte Quellen - die im MkEv aufbewahrten Petruserinnerungen sowie die Spruchquelle des Apostels Matthäus - zurückführt und damit die bis heute grundlegende Theorie zur Verhältnisbestimmung der synoptischen Evangelien formuliert. Damit sollte zugleich der von STRAUSS vertretenen Annahme einer Phase, in der die Jesusüberlieferung mündlich tradiert und dabei mythisch geprägt worden sei, der Boden entzogen werden. W E I S S E räumt dabei der durch historische Kritik zu erarbeitenden „evangelischen Geschichte" eine wichtige Rolle bei der Entstehung des christlichen Glaubens ein, bestimmt das Verhältnis von historischer Grundlage und späterer Ausgestaltung der Evangelien also gerade anders als STRAUSS. Bei W E I S S E finden sich Einsichten in die Gestalt der synoptischen Evangelien, die bis heute Bestand haben. Hierzu gehören nicht nur die Mk-Priorität sowie die Zurückführung des gemeinsamen Nicht-MkStoffes von Mt und Lk auf eine weitere gemeinsame Quelle. Hierzu gehört auch die Unterscheidung zwischen einem kritisch zu sichernden historischen Kernbestand der Jesusüberlieferung und dessen späterer mythischer Ausgestaltung. Hierzu gehört schließlich die - von W E I S S E noch 26

Leben Jesu, II, 686-744.

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173

durch Rekurs auf das Papiaszeugnis begründete - Einsicht, daß sich aus dem MkEv nicht unmittelbar auf einen Verlauf der Wirksamkeit Jesu schließen läßt. Trotz dieser Erkenntnisse tendiert WEISSE in seiner Betonung eines unmittelbaren Bezugs auf die Person Jesu dazu, diese auf andere Weise als STRAUSS ebenfalls aus ihren konkreten geschichtlichen Bezügen zu isolieren und ihr eine quasi urbildliche Bedeutung zuzuschreiben. Bleibt bei STRAUSS das Verhältnis von historischem Ereignis und dessen Wirkung letztlich ungelöst, weil sein Mythosbegriff auf einer Entgegensetzung von Geschichte und Idee basiert, so ist das Gegenmodell von WEISSE, der den christlichen Glauben im Bezug auf eine aus ihren geschichtlichen Konkretionen gelöste Persönlichkeit Jesu sucht, nicht minder problematisch. Beiden gelingt es nicht, einen Bezug zur historischen Person Jesu zu erarbeiten, der die in den urchristlichen Entwürfen vorliegenden historischen Erinnerungen und von seinem Wirken ausgegangenen Impulse mit deren späterer Ausgestaltung und sachlichen Weiterführung vermittelt. Eine der Position von STRAUSS analoge Auffassung begegnet wieder in der Religionsgeschichtlichen Schule und ihrer in verschiedenen Ausformungen vertretenen These der nachösterlichen Entstehung der Christologie. Signifikant greifbar wird diese zunächst in WILLIAM WREDES Untersuchung über „Das Messiasgeheimnis in den Evangelien", die dem Problem des messianischen Selbstbewußtseins Jesu gewidmet ist. Aufgrund seiner Analyse vornehmlich des MkEv gelangt er zu der Auffassung, die Messianität Jesu sei „jedenfalls nicht ein Gedanke Jesu, sondern ein Gedanke der Gemeinde" 27 gewesen, der nachträglich auf seine irdische Wirksamkeit übertragen worden sei. Dieser Gedanke sei als „theologisch" oder „dogmatisch" zu bestimmen und nicht aus einer historischen Betrachtung des Lebens Jesu erwachsen. WREDES Position läßt sich somit als Zuspitzung der bereits bei STRAUSS anzutreffenden Sichtweise auffassen, insofern er nunmehr auch die bei diesem noch existierende Verbindung zwischen dem Selbstbewußtsein Jesu und der bei seinen Anhängern entstandenen Uberzeugung von seiner Messianität auflöst28. Die Frage, wie es zu dieser Überzeugung

27 28

Messiasgeheimnis, 218. Vgl. jedoch seine Äußerung in dem gerade veröffentlichten Brief an HARNACK vom 2.1.1905, in: ROLLMANN/ZAGER, 315-317, 317: „Ich bin geneigter als früher zu glauben, daß Jesus sich selbst als zum Messias ausersehen betrachtet hat." Freilich fährt WREDE dann fort: „Gewiß vereinten sich nun auch vorhandene Ideen vom Messias leicht mit dem Eindruck der Person. Eine Verschiebung wäre das aber dennoch, mochte sie sich auch auf die natürlichste Weise einstellen." Damit ist eine gegenüber seiner Untersuchung zum Messiasgeheimnis wichtige Modifikation angedeutet, inso-

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kommen konnte, verlangt freilich dennoch nach einer historischen Erklärung, die W R E D E in seinem Buch jedoch schuldig bleibt. Damit stellt sich die - hier vorerst anzudeutende - Frage, ob W R E D E S Beitrag zur Konzeption des MkEv in der Tat h i s t o r i s c h e Erklärungskraft beanspruchen kann. Daß die verborgene Identität Jesu eine wichtige Funktion für das narrative Konzept des MkEv besitzt, ist evident2'. Eine andere Frage ist freilich, ob dies den Schluß rechtfertigt, die Uberzeugung von der Messianität Jesu sei eine erst nachösterlich entstandene Theorie, die keinen Anhalt an seinem irdischen Wirken habe. In R U D O L F BULTMANNS Ansicht über die Entstehung der Christologie findet diese Linie einen gewissen Abschluß. In einem Aufsatz zur Christologie des Neuen Testaments wendet sich BULTMANN dezidiert gegen die Auffassung, die neutestamentliche Christologie lasse sich auf Wirkungen zurückführen, die von der Persönlichkeit Jesu ausgegangen seien. Stattdessen verweist er - in Aufnahme von W I L H E L M BOUSSETS „Kyrios Christos" - auf den Kyrioskult „als das eigentliche Rückgrat der christlichen Religion", der aus dem Menschen Jesus das Gottwesen Jesus Christus und den präexistenten Gottessohn geformt habe30. Diese Sicht bildet dann auch die Grundlage für BULTMANNS Beurteilung der Jesusüberlieferung, in der sich zwei signifikante Analogien zu STRAUSS und W R E D E feststellen lassen31. Die erste Analogie betrifft die Genese des synoptischen Stoffes selbst, bezüglich derer die von B U L T MANN aufgegriffene Kategorie des Sitzes im Leben eine wichtige Rolle spielt. Hatte bereits K A R L LUDWIG SCHMIDT, auf den der unten noch näher auszuführende zweite Einwand gegen den historischen Wert der Evangelien zurückgeht, die Jesusüberlieferung als „kultisch", „bildhaft"

29

fern nun genauer danach zu fragen wäre, wie diese Verschiebung vom Selbstverständnis Jesu zum Glauben an ihn vorzustellen ist. Vgl. hierzu jetzt auch HENGEL/ SCHWEMER, Anspruch, I X - X V , sowie den Hinweis von J. FREY in seinem Beitrag für diesen Band, unten S. 301. O b dies freilich im Sinne eines „Messiasgeheimnisses" zu erklären ist und WREDE hier nicht Aspekte zu einem Konzept verbindet, die bei Mk durchaus unterschiedliche Funktionen haben, wäre noch einmal eigens zu fragen. Vgl. dazu die knappen, aber instruktiven Bemerkungen von LINDEMANN, in: CONZELMANN/LINDEMANN, Arbeitsbuch, 322-324.

30

BULTMANN, C h r i s t o l o g i e , 2 5 3 .

31

Es ist aufschlußreich, daß BULTMANN seine „Geschichte der synoptischen Tradition" ursprünglich STRAUSS widmen wollte und dies nur auf den Rat HEITMÜLLERS hin unterließ. Immerhin wird STRAUSS in der 1. Auflage noch als erster (vor WREDE und WELLHAUSEN) „von den älteren Forschern" genannt, von denen er „in erster Linie für diese Arbeit gelernt" habe. Vgl. EVANG, Rudolf Bultmann, 71 mit Anm. 53 sowie SCHMITHALS, Johannes Weiß, 389.

V o n der Historizität der Evangelien

175

und „übergeschichtlich" charakterisiert und dem Milieu einer unliterarischen Volksüberlieferung zugewiesen32, so wird bei B U L T M A N N durch den Sitz im Leben ihre historische Entstehungssituation in Bedürfnissen der nachösterlichen Gemeinde gesucht und damit ihres historischen Wertes für die Konstruktion der Wirksamkeit Jesu entkleidet. Darin kann eine Analogie zu der von STRAUSS angenommenen, in dem Messiasmythos wurzelnden mythischen Form des Stoffes gesehen werde, denn auch hier wird eine Umprägung des Stoffes gegenüber seiner historischen Entstehung angenommen. Eine zweite Analogie besteht in der Auffassung von der theologischen Prägung der Jesusüberlieferung. Wie bei STRAUSS spielt hierfür auch bei B U L T M A N N der Auferstehungsglaube - bei ihm „urchristliches Kerygma" genannt - eine entscheidende Rolle. Dieser ist nach B U L T M A N N nicht auf dem Boden der die Jesusüberlieferung tradierenden Gemeinde entstanden, sondern davon unabhängig in der hellenistischen Gemeinde. Die nachträgliche Verbindung mit der Jesusüberlieferung habe dann dazu geführt, daß diese nunmehr zur Illustration des Kerygmas diente33. B U L T MANN sieht also keine sachliche Beziehung zwischen der nachösterlichen Prägung des Stoffes durch die tradierende Gemeinde und seiner später (bei Mk) erfolgten Verbindung mit dem hellenistischen Christuskerygma. Diesbezüglich rechnet er vielmehr mit zwei voneinander unabhängigen Entwicklungen in der palästinischen und der hellenistischen Gemeinde 34 . Ahnlich wie bei STRAUSS und W R E D E wird somit auch bei B U L T M A N N die sachliche Verbindung zwischen Wirken und Selbstverständnis Jesu einerseits, der Entstehung des christlichen Glaubens andererseits, problematisch. Mit S T R A U S S teilt er die Auffassung von der nachösterlichen Prä32

35 34

SCHMIDT, Rahmen, 19: „ D i e Erzählungen aus der Geschichte Jesu sind in der ersten Zeit von Mund zu Mund gegangen. Wenn die Christen zusammen waren, erzählten sie einander von den Worten und Taten des Herrn, einer den anderen ablösend, einer den anderen ergänzend. U n d wenn auch in den gottesdienstlichen Versammlungen die Bibel der J u d e n das heilige Buch war, s o wird doch von vornherein auch all das, was man von Jesus zu sagen wußte, eine bedeutende Rolle gespielt haben. Wir wissen über diese D i n g e nichts Bestimmtes. Wir können uns aber solches Reden und Erzählen über die Geschichte J e s u nicht lebendig genug vorstellen." Geschichte, 370-376. Geschichte, 371f., in Anschluß an WREDES Messiasgeheimnistheorie: „Jedenfalls ist es dem Verf. [gemeint ist Mk, J. S.] mit seinen Mitteln gelungen, die Tradition in eine bestimmte Beleuchtung zu rücken, ihr die Deutung aufzuprägen, deren sie in den hellenistischen Gemeinden der paulinischen Sphäre bedurfte; sie mit dem christologischen Kerygma dieses Christentums zu verbinden, in ihr die christlichen Mysterien Taufe und Abendmahl zu verankern und so erstmals eine Darstellung v o m Leben Jesu zu geben, die mit Recht als εύαγγέλιον Ίησοΰ Χ ρ ι σ τ ο ΰ bezeichnet werden konnte Mk 1,1)."

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gung des Stoffes, wobei bei ihm die soziologische Kategorie des Sitzes im Leben an die Stelle der mythischen Vorstellungen bei STRAUSS tritt. Mit WREDE teilt er die Auffassung vom erst nachösterlich entstandenen Glauben an die Messianität Jesu. Die Deutungskategorien, die dem Stoff bei seiner Verbindung mit diesem Glauben aufgeprägt wurden (von BULTMANN „dogmatische Motive" genannt), stammen s. E. aus hellenistischer bzw. gnostischer Religiosität, welche die Entstehung der Christologie maßgeblich beeinflußt habe. Daß BULTMANN das mit dieser doppelten Auflösung der sachlichen Kontinuität zwischen Jesus und der Christologie entstehende Problem durchaus gesehen hat, wird gleich noch zu zeigen sein. Das Diskrepanzargument macht seinen Einfluß bis in die gegenwärtige Jesusforschung hinein geltend. Es führt dazu, daß bei Konstruktionen der Person Jesu der historische Wert der Evangelien mit dem Hinweis auf ihren kerygmatischen Charakter von vornherein mit einem Fragezeichen versehen wird. Dem liegt die schon bei STRAUSS anzutreffende Auffassung zugrunde, die Stoffe der Jesusüberlieferung seien durch die in dem Auferstehungsglauben gründende Uberzeugung von seiner Messianität auf eine Weise umgeprägt worden, die eine historische Kontinuität unwahrscheinlich mache35. Eine solche wird dann im wesentlichen - wie schon bei BULTMANN selbst - in Jesu Worten gesehen, da diese am ehesten aus ihrer interpretierenden Verarbeitung zurückzugewinnen seien36. Hier deutet sich eine durchaus fragwürdige Unterscheidung zwischen der Wort- und der Erzählüberlieferung bezüglich ihres Wertes für die historische Rückfrage an, die schon von daher schwer nachzuvollziehen ist, als es sich auch bei den Worten um von späteren Tradenten ausgewählte und gedeutete Uberlieferungen handelt, die in eine historische Konstruktion nur als von einer bestimmten Person zu bestimmten Adressaten in bestimmten Situationen gesprochene einbezogen werden können. Dem Diskrepanzargument ist eine Berechtigung nicht generell abzusprechen. Zum einen ist evident, daß die Uberzeugung von Auferstehung 35

Vgl. etwa CROSSAN, Historical Jesus, xxx: "The Gospels are neither histories nor biographies, even within the ancient tolerances for those genres. They are what they were eventually called, Gospels or good newses [ . . . ] " . Diese Feststellung ist zum einen zu bezweifeln (die Evangelien lassen sich sehr wohl als Biographien verstehen), sie besagt zum anderen nichts über deren Wert als historische Erzählungen, der darum mit einer solchen Aussage auch nicht einfach beiseite geschoben werden kann.

36

Eine Fortführung dieses Ansatzes begegnet in der Konzentration auf Q und das EvThom in der neueren (vornehmlich nordamerikanischen) Jesusforschung, die hier auf originale Jesusworte stoßen möchte und diese dem nachösterlichen Kerygma gegenüberstellt; so etwa bei ROBINSON, der sich hierfür explizit auf BULTMANN beruft. Vgl. DERS., Critical Edition, 34 mit Anm. 14; 45-47 mit Anm. 31.

Von der Historizität der Evangelien

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und Erhöhung Jesu auch die Berichte der Evangelien über sein irdisches Wirken beeinflußt hat 37 . Berechtigt ist zum anderen der Hinweis auf die Deutungskategorien, die auf seine Person angewandt wurden. Es ist deutlich, daß das Wirken Jesu - seine Berufung von Nachfolgern, seine Heilungen, seine Interpretation der Thora - unter Rückgriff auf die Schrift und messianische Erwartungen des Judentums dargestellt wurden. Dies erfolgte freilich so, daß er dabei als Person erkennbar blieb, die in einem konkreten zeitlichen und geographischen Raum und im Kontakt mit den Menschen ihrer Umgebung gewirkt hat. Das Problem des Diskrepanzargumentes ist jedoch, daß es davon ausgeht, das Wirken des irdischen Jesus sei durch Auferstehungsglauben und messianische Uberzeugungen auf eine Weise überlagert worden, daß historisch verwertbare Erinnerungen allenfalls durch Herauslösung aus diesem Deutungsrahmen zu eruieren seien38. Daß Jesu Wirken und Geschick aus einer bestimmten Perspektive dargestellt wurden, führt jedoch keineswegs mit Notwendigkeit zur Annahme eines sachlichen Bruches zwischen den konkreten Ereignissen und deren späterer Deutung, weshalb auch die viel bemühte Rede vom „Ostergraben", der zwischen der Jesusüberlieferung und deren Deutung liege, in die Irre führt 39 . Die Evangelien stellen die Person Jesu vielmehr gerade so dar, daß die auf ihn angewand-

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Diese Ereignisse stellen einerseits die Voraussetzung für den Verweis auf den gegenwärtig zu Gott Erhöhten sowie für die Erwartung seines zukünftigen Wiederkommens dar. Andererseits wird, etwa in den Leidensweissagungen oder der Darstellung des irdischen Jesus als κύριος bei Mt und Lk, deutlich, daß bereits sein irdisches Wirken im Lichte dieser Ereignisse gezeichnet wird. Vgl. hierzu KELBER, Quest, 85-94, sowie seinen Beitrag in diesem Band. KELBEK zeigt eine Linie auf, die von KAHLER über BULTMANN zu JOHNSON führt und in der der Rekurs auf den historischen Jesus als theologisch illegitim erwiesen und durch den Bezug auf den biblischen Christus ersetzt werden sollte. KELBER macht völlig zu Recht geltend, daß in dieser Linie die Prägung durch den Osterglauben zu Unrecht gegen den historischen Wert der Evangelien ins Feld geführt wird, da sich diese - anders als etwa die Dialoge des Auferstandenen unter den Nag-Hammadi-Schriften - an die irdische Geschichte Jesu gebunden wissen. Es sei hier noch einmal (vgl. oben Anm. 28) auf WREDES kürzlich veröffentlichten Brief an HARNACK hingewiesen. WREDE benennt die soeben angeführten Aspekte der Messiasidee sowie des Auferstehungsglaubens als diejenigen Bereiche, in denen sich eine Verschiebung von Jesus zum nachösterlichen Glauben ereignet habe. In beiden Fällen versteht er diese Verschiebung jedoch nicht als Abbruch einer Beziehung zur historischen Person Jesu: Das Messiasbewußtsein wird bei ihm selbst verankert, die „Auferstehungsvisionen" werden mit einem „Reflex vom Eindruck der Person Jesu" in Zusammenhang gesehen. Die eigentliche Diskrepanz sieht WREDE dagegen zwischen Jesus und Paulus, den er „nicht als Interpreten und Fortsetzer Jesu" anerkennen kann.

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ten Deutungskategorien angesichts seines Wirkens und Geschicks transformiert und mit neuem Inhalt gefüllt werden. Die deutenden Erzählungen sind also durch historische Erinnerungen veranlaßt und stehen deshalb in Verbindung zu Jesu Wirken. Eine heutige Jesusdarstellung muß diese Beziehung von Ereignis und Deutung plausibel machen und darf nicht einen dieser Pole auflösen. Die Problematik des Diskrepanzargumentes sei deshalb abschließend an zwei Aspekten der Position BULTMANNS, durch den sie in der gegenwärtigen Jesusforschung einflußreich geworden ist, verdeutlicht. Wenn BULTMANN sein Jesusbuch zum einen dezidiert auf die Darstellung der Verkündigung Jesu beschränkt 4 0 dann verweist er hierzu einerseits auf das durch ALBERT SCHWEITZER offengelegte Scheitern der liberalen Leben-Jesu-Forschung, zum anderen darauf, daß man nur über seine Lehre auf das stoße, was Jesus selbst gewollt habe. Der Hinweis auf SCHWEITZER ist jedoch deshalb problematisch, weil dieser keineswegs der Auffassung BULTMANNS war, daß wir „vom Leben und der Persönlichkeit Jesu so gut wie nichts mehr wissen können, da die christlichen Quellen sich dafür nicht interessiert haben, außerdem sehr fragmentarisch und von der Legende überwuchert sind, und da andere Quellen nicht existieren." 4 1 SCHWEITZERS Kritik richtete sich vielmehr gegen eine naive Angleichung der Darstellungen Jesu an die jeweilige Gegenwart, die dessen Fremdheit nicht wirklich ernst genommen hätten. Daß man „so gut wie nichts mehr" von ihm wissen könne, war dagegen 40

41

Vgl. seine programmatische Formulierung, Jesus, 13: „Ihr [sc.: der folgenden Darstellung, J. S.] Gegenstand ist also nicht das Leben oder die Persönlichkeit Jesu, sondern nur seine .Lehre', seine Verkündigung." Entsprechend wird dann, nach der Darstellung des „zeitgeschichtlichen Rahmens", in drei Teilen „Jesu Verkündigung" unter verschiedenen Aspekten behandelt.: „Das Kommen der Gottesherrschaft", „Der Wille Gottes" und „Der ferne und der nahe Gott". Der Bemerkung von LINDEMANN „Dabei ist es von Bedeutung, daß Bultmann in diesem Buch nicht lediglich die Verkündigung Jesu darstellt, als sei Jesus lediglich als .Lehrer' zu sehen" und als Begründung auf die einleitenden Reflexionen und das Kapitel über den zeitgeschichtlichen Rahmen verweist (vgl. DERS., Einführung, 6), kann ich angesichts der soeben angeführten Absichtserklärung BULTMANNS nicht folgen. BULTMANN, Jesus, 10. Nach LINDEMANN (a. a. O., 5) ist BULTMANNS Kritik an der Frage nach dem historischen Jesus „nicht Ausfluß historischer Skepsis oder gar Konsequenz eines grundsätzlichen Desinteresses an historischen Fragen". Wie aber soll man eine Äußerung wie die soeben zitierte anders verstehen denn als historische Skepsis? Das Problem bei BULTMANN besteht letztlich darin, daß er seiner Kritik an der liberalen Leben-Jesu-Forschung einen Entwurf entgegensetzen will, der unabhängig von den Vorläufigkeiten historischer Erkenntnis zu einer unmittelbaren Begegnung mit der Vergangenheit führt und dabei die prinzipielle Relativität jedes Geschichtsentwurfes zu wenig berücksichtigt.

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ganz und gar nicht SCHWEITZERS Auffassung, auch wenn er gewisse Vorbehalte - etwa bezüglich des Lebens Jesu vor seinem öffentlichen Auftreten oder der Zeitdauer, die er im Gefolge des Täufers verbrachte formulierte 42 . Seine Kritik an der Leben-Jesu-Forschung ist insofern von BULTMANN nicht ganz richtig aufgenommen worden: Das Argument von SCHWEITZER läuft letztlich darauf hinaus, daß geschichtliche Erkenntnis nicht wirklich zu Jesus und damit zum wahren Fundament des christlichen Glaubens vordringen könne, weil sie ihn stets für die Gegenwart zurechtlege. Demgegenüber gelte es, ohne einen derartigen Umweg über den historischen Jesus direkt zur wahren Geschichte vorzudringen 43 . Diese - geschichtsmethodologisch durchaus fragwürdige - Sicht SCHWEIT-

ZERS, die den nicht zu hintergehenden Zusammenhang von Quellenforschung und Konstruktion der Wirklichkeit bei jeder Beschäftigung mit der Vergangenheit unberücksichtigt läßt, findet sich in BULTMANNS ebenso problematischer - Vorstellung einer persönlichen Begegnung mit der Geschichte wieder 44 . Wenn sie in gegenwärtigen Jesusdarstellungen wieder auftaucht, dann zeigt sich darin dieselbe Problematik eines Zugangs, der den „wirklichen" Jesus hinter den narrativen Verarbeitungen seines Wirkens und Geschicks finden möchte. Die dabei zugrundeliegende Diastase von Kerygma und Geschichte ist jedoch darin erkenntnistheoretisch defizitär, daß sie die Beziehung zwischen Ereignis und hi-

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44

Vgl. hierzu das Kapitel „Die Lösung der konsequenten Eschatologie" in: SCHWEITZER, Geschichte, 4 0 2 - 4 5 0 , wo er einen Uberblick über diejenigen Aspekte gibt, die sich s. E. für den historischen Jesus festhalten lassen. SCHWEITZER, Geschichte, 621: „Wir meinten, wir müßten unsere Zeit den Umweg über den historischen Jesus, wie wir ihn verstanden, machen lassen, damit sie zum Jesus käme, der in der Gegenwart geistige Kraft ist. Der Umweg ist nun durch die wahre Geschichte versperrt." Geschichtsmethodologisch ist das eine ganz unhaltbare Aussage. Es bleibt völlig unklar, wie man unter Verzicht auf stets relative historische Erkenntnis zu einer „wahren Geschichte" gelangen soll. Bei der Beschäftigung mit dem historischen Jesus kann es - anders als SCHWEITZER meinte - nie darum gehen, der defizitären historischen Erkenntnis den „wahren Jesus" gegenüberzustellen, sondern stets nur darum, ein den jeweiligen Erkenntnisbedingungen genügendes, vorläufiges Bild zu entwerfen. BULTMANN, Jesus, 9: „Also zu einer Geschichts-,Betrachtung' will ich den Leser im Grunde nicht führen, sondern zu einer höchst persönlichen Begegnung mit der Geschichte." Hierzu hat bereits LOHMEYER in seiner Rezension treffend bemerkt: „Mit anderen Worten, die Frage nach dem Gegenstande der Geschichte ist eine der schwierigsten Fragen der Methodenlehre, die um so weniger mit flüchtigen Bemerkungen über persönliche Begegnungen gelöst sind, als sie die Komplexion der Probleme, wie sie etwa in dem Begriff des geschichtlich Gewesenen, der geschichtlichen Zeit, der Notwendigkeit der geschichtlichen Darstellung und anderen mehr schlagwortartig umrissen sind, gar nicht berühren" (438).

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storischer Darstellung nicht aufzuhellen vermag und die Entstehung der Evangelien auf Deutungskategorien zurückführt, die mit der Geschichte Jesu nicht vermittelt werden. Nicht im Sinne S C H W E I T Z E R S ist dagegen B U L T M A N N S Beschränkung auf die Lehre Jesu, die einen Zugang zu ihm ermöglichen soll. Die Einbeziehung der in den Evangelien aufbewahrten Erinnerungen an Orte, Nachfolger, Gegner sowie politische und soziale Konstellationen Galiläas im 1. Jahrhundert ist vielmehr unverzichtbar, um zu einer historischen Anschauung zu gelangen - und es gibt keinen Grund, den Evangelien in dieser Hinsicht einen historischen Quellenwert abzusprechen. Dagegen ist das von B U L T M A N N entworfene Jesusbild - ebenso wie die diesem Ansatz verpflichtete Konzentration auf seine Worte in Teilen der gegenwärtigen Jesusforschung45 - ein letztlich ungeschichtliches Unternehmen, das in gewisser Weise an die oben skizzierte Position W E I S S E S erinnert, der einen den historischen Konkretionen enthobenen Bezug zur Persönlichkeit Jesu suchte46. Auch B U L T M A N N entkleidet seine Jesusdarstellung derartiger Konkretionen und trennt dessen „Lehre" auf durchaus fragwürdige Weise von einem Gesamtbild seiner Person47. 45

46

47

Vgl. etwa ROBINSON, Critical Edition, der die narrativen Evangelien mit einem Verweis auf SCHMIDT beiseite stellt und die historische Jesusfrage auf die s. E. älteste Schicht von Q beschränken möchte. Diese vermutete älteste Schicht der Wortüberlieferung tritt hier also an die Stelle dessen, was BULTMANN als die auf Jesus zurückzuführende „Verkündigung" betrachtete. Diese Gleichsetzung ist schon deshalb problematisch, weil auch Q ein auf Selektion und Interpretation beruhendes Jesusbild entwirft, das keinesfalls a priori für die historische Rückfrage in den Vordergrund zu stellen ist. Diese Problematik k o m m t auch in BULTMANNS Auffassung zum Ausdruck, daß J e s u Gottesgedanke entgeschichtlicht" sei, ebenso wie „der unter diesem Gottesgedanken gesehene Mensch", was bedeute: „das Verhältnis von Gott und Mensch ist den Bindungen an die Weltgeschichte entnommen." Vgl. DERS. Theologie, 25. Wie kann der Gottesgedanke Jesu als einer historischen Person seinen historischen Konkretionen und Bedingtheiten entnommen sein? LOHMEYER hat dieses Defizit des Jesusbuches von BULTMANN in seiner Rezension deutlich benannt. Vgl. etwa a. a. O., 434: „Alle Bemerkungen über Person und Auftreten fallen unter den Oberbegriff des .zeitgeschichtlichen Rahmens'; so wäre also das Werk, das die folgenden Kapitel schildern, wenn man das Gleichnis fortsetzen darf, das nicht mehr zeitgeschichtlich bestimmte ,Bild' von bleibender Giltigkeit? [. ..] wohl aber entsteht die Frage, ob unter einer solchen Betrachtung seine Einmaligkeit und Geschichtlichkeit nicht verkürzt zu werden droht." 437f.: „Was also das Buch geben will und nur gibt, ist nichts anderes als ,das Werk'; und mit Werk ist bei geschichtlichen Gestalten ,νοη ihrem Blickpunkt aus das gemeint, was sie eigentlich gewollt haben' [ . . . ] man weiß nicht was das .eigentlich' bedeuten soll, man kann auch sagen, wie Max Weber es getan hat, daß solche Gespenster wie eigentlicher Wille in der Geschichte nicht ihr Wesen treiben. Aber nimmt man einmal das Recht dieser

V o n der Historizität der Evangelien

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Die eingangs genannte geschichtsmethodologische Reflexion zeigt dagegen, daß es ungenügend ist, eine historische Jesusdarstellung auf dessen Worte zu konzentrieren, wie es bei BULTMANN und in Teilen der neueren Forschung geschieht. Ein solches Vorgehen basiert auf der Prämisse, in der Verkündigung Jesu des „Eigentlichen" seines Wirkens ansichtig zu werden und dieses unabhängig von seinen zeitlichen Bedingtheiten in die Gegenwart transferieren zu können. Die einseitige Bevorzugung von Q und dem EvThom - die dabei zudem unzutreffenderweise derselben Gattung zugewiesen werden48 - in Jesusdarstellungen wie derjenigen von J O H N D. CROSSAN oder das methodisch völlig unhaltbare Plädoyer für die historische Präferenz einer vermeintlich ältesten Schicht von Q bei JAMES M. R O B I N S O N verdanken sich einer solchen, von der historischen Konkretion absehenden Perspektive, die durch die Quellen nicht gedeckt wird. Jede historische Konstruktion der Person Jesu hat sich dagegen daran zu orientieren, daß seine Worte in konkreten Situationen zu konkreten Menschen gesprochen wurden, daß sie nur einen Aspekt seiner Wirksamkeit darstellen, neben dem andere - wie sein heilendes Wirken, die Konstitution eines Kreises von Nachfolgern, die Auseinandersetzung mit Gegnern, um nur einiges zu nennen - stehen und daß in den zur Verfügung stehenden Quellen Gesamtbilder seines Wirkens und Geschicks geboten werden und keine Spruchsammlungen49. Es ist keineswegs belang-

Definition an, dann fordert eben sie grundsätzlich die Einheit von Person und W e r k ; denn es sind bestimmte Gestalten, die etwas .eigentlich gewollt haben' [ . . . ] d. h., die Persönlichkeit ist nicht gleichgiltig, sondern in der Sache, die sie treibt, einzig wichtig." Mit diesen Einwendungen hat LOHMEYER zentrale Probleme der Beschränkung auf die „Lehre" Jesu benannt, die auch in der gegenwärtigen Forschung zu bedenken sind. 48

4

Das E v T h o m ist eine Spruchsammlung, die verschiedenartiges Material versammelt, das aus unterschiedlichen Quellen - darunter auch den synoptischen Evangelien stammt. Q ist dagegen eine Jesusdarstellung nach Art der synoptischen Evangelien, wenn auch in dem erkennbaren T e x t die narrativ-biographischen Züge weniger hervortreten. Dies kann zum Teil daran liegen, daß der T e x t nur teilweise rekonstruierbar ist, zum Teil daran, daß Q andere Akzente setzt als M k . D a ß es sich hierbei jedoch um eine Darstellung handelt, die - gewissermaßen in Analogie zu M k - eine Vorstufe zu den Großevangelien von M t und Lk darstellt, ist schon deshalb evident, weil Q auf analoge Weise wie M k beginnt. N u r so wird es auch verständlich, daß M t und Lk diese Quelle - ebenso wie das M k E v - aufnahmen und in ihre Erzählungen integrierten. Vgl. hierzu auch SCHRÖTER, Bedeutung.

' Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß mit dem E v T h o m eine auf die Darbietung der isolierten W o r t e und Gleichnisse konzentrierte Schrift vorliegt. Eine derartige Sammlung ist ein Kunstprodukt, das narrative Darstellungen des Wirkens Jesu bereits voraussetzt und diesen gegenüber einen anderen W e g einschlägt, die Bedeutung Jesu zu explizieren. D i e T h e s e vom altertümlichen Charakter einer solchen Sammlung wird

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los, wo Jesus gewirkt und an welche Menschen er sich gewandt hat. Es ist nicht gleichgültig, warum er dem MkEv zufolge in die an Galiläa angrenzenden Gebiete gezogen ist, die galiläischen Städte Sepphoris und Tiberias dagegen gemieden hat. Für eine historische Konstruktion ist es von entscheidender Bedeutung, daß die Quellen aus dem 1. Jahrhundert seine Wirksamkeit in einem solchen Kontext darstellen. Die Reduktion eines Jesusbildes auf die ihrer narrativen Einbettungen entkleidete „Verkündigung", die sekundär in einen „zeitgeschichtlichen Rahmen" gestellt wird, ist deshalb ein methodisch defizitäres Verfahren, bei dem ohne eine einleuchtende Begründung Aspekte seines Wirkens ausgeblendet werden, die für eine historische Konstruktion grundlegend sind 50 . Wenn BULTMANN, zweitens, an anderer Stelle auf den Kyrioskult der hellenistischen Gemeinde rekurriert, um eine Diskrepanz zwischen irdischem Jesus und nachösterlicher Christologie zu behaupten 51 , dann ist im dagegen durch Beobachtungen zum sekundären Charakter des EvThom gegenüber den synoptischen Evangelien ebenso widerlegt wie durch die Tatsache, daß mit den Philosophenbiographien des Diogenes Laertius sowie den Apophthegmata Patrum etwa zeitgleiche bzw. sogar spätere Parallelwerke vorliegen, bei denen der Sammlungscharakter ebensowenig etwas mit Altertümlichkeit zu tun hat. Vgl. hierzu auch HEZSER, V e r w e n d u n g , 393. 50

CROSSAN hat jüngst, gemeinsam mit REED, ein Buch über archäologische Funde in Galiläa veröffentlicht (vgl. DIES., Excavating Jesus). So sehr die Einbeziehung der Archäologie in die Jesusforschung zu begrüßen ist, wird der archäologische Befund hier nicht mit den literarischen Zeugnissen zu einer historischen Konstruktion verknüpft, sondern in das Bild eines "Mediterranean (!) Jewish Peasant" (so der Untertitel von CROSSANS J e s u s b u c h ) e i n g e o r d n e t . D i e K r i t i k v o n FREYNE an CROSSANS

Jesusdarstel-

lung bleibt somit trotz dieses neuen Buches bestehen: " O n e must deal with Galilee directly and not easily abandon it for a Mediterranean atopicality which Crossan's Jesus finds more congenial." Vgl. DERS., Galilean Questions, 213. Das methodische Problem liegt darin, daß in dem Buch von CROSSAN und REED die Interpretation von Texten in eine direkte Analogie zu archäologischen Grabungen und deren Auswertung gestellt wird: Kapitel 1 heißt "Layers upon Layers upon Layers" und wendet das stratigraphische Modell übereinanderliegender Schichten gleichermaßen auf Texte wie auf archäologische Funde an (a. a. O., 15-50). Auch hierzu hat FREYNE bereits vor Erscheinen dieses Buches das Notwendige gesagt: "I would prefer to query the very model that is being used - stratification - that is drawn from archaeology and shows a predilection for so-called hard facts. In dealing with a living and oral tradition I suspect that it is an unhelpful, and in the end distorting model in identifying literary sources for historical writing [ . . . ] Indeed if one were to follow Crossan's methodology to its logical conclusion, that is, use only material from stratum one, it would be difficult to locate Jesus anywhere in particular, certainly not in Galilee" (a. a. O., 209). Dieses Problem bleibt weiterhin bestehen, denn es wird nicht klar, warum man die postulierte älteste literarische Schicht ausgerechnet in Galiläa lokalisieren und mit den dortigen archäologischen Funden in Verbindung bringen soll. 51

V g l . DERS., C h r i s t o l o g i e , 2 5 2 - 2 5 6 , s o w i e V e r h ä l t n i s , 4 4 7 - 4 5 0 .

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Blick auf den (vor) paulinischen Strang der Christologie zweifellos etwas Zutreffendes erfaßt 52 . Auch wenn man die Grenzen hier nicht zu scharf ziehen sollte 53 , bleibt die Beobachtung bestehen, daß für die Bekenntnisaussagen, auf die Paulus zurückgreift, ebenso wie für seine eigene Deutung der Person Jesu, die in den Evangelien aufbewahrten Inhalte der Verkündigung Jesu keine zentrale Rolle spielen. Eine andere Frage ist, ob vorausgesetzt werden kann, daß diese Bekenntnistradition auch die Rezeption der Jesusüberlieferung maßgeblich beeinflußt hat und als sachliche Diskontinuität zwischen dem Wirken Jesu und der Entstehung der Evangelien zu deuten ist. Damit steht jedoch zugleich die Frage nach dem Verhältnis von Wirken Jesu und Entstehung des christlichen Glaubens zur Disposition. Formuliert BULTMANN hier ein Kriterium der Diskontinuität zum Christentum - Jesus sei innerhalb des Judentums zu verstehen, die Entstehung des Glaubens an ihn sei dagegen ein nicht aus seinem Wirken heraus erklärbares Phänomen 54 - , so steht dem entgegen, daß sich die Evangelien nicht einfach als nachösterliche Glaubenszeugnisse ohne historische Referenz interpretieren lassen. Auch das Kriterium der Diskontinuität zum Christentum muß deshalb durch eine Betrachtung ersetzt werden, die die Entstehung der Evangelien aus der Anknüpfung an Jesus heraus historisch plausibel macht 55 .

52

Am Rande sei notiert, daß in BULTMANNS Ansatz eine unaufgelöste Spannung bestehen bleibt. Wenn er einerseits davon spricht, daß in Jesu Verkündigung das Kerygma bereits in nuce enthalten sei, ist nicht einsichtig, warum er andererseits eine sachliche Kontinuität zur nachösterlichen Gestalt dieses Kerygmas bestreitet. SCHMITHALS verweist im Nachwort zur Taschenbuchausgabe des Jesusbuches diesbezüglich darauf, daß nach BULTMANNS Überzeugung das Kerygma „das .Einmal' des historischen Jesus in das ,>Ein-für-allemal< verwandelt hat [ . . . ] indem es über die Verkündigung Jesu hinaus den Glauben an den in ihm präsenten Jesus fordere (156f.). Abgesehen davon, daß es eine durchaus plausible Möglichkeit ist, die Uberzeugung von der einzigartigen Bedeutung seiner Person bereits mit dem historischen Jesus selbst in Verbindung zu bringen, bleibt schwer verständlich, wie sich diese Verwandlung des Kerygmas von der Verkündigung Jesu zum nachösterlichen Glauben damit verträgt, daß BULTMANN an anderer Stelle explizit schreibt, daß er vom irdischen Jesus nichts wissen wolle und dessen Anspruch „keine sachliche Einheit des Wirkens und der Verkündigung Jesu mit dem Kerygma" beweise (Verhältnis, 458). Wenn dieser Anspruch tatsächlich historisch belanglos wäre, wäre es auch unerheblich, ob in diesem das „Kergyma in nuce" zum Ausdruck kommt oder nicht.

53

Auch Paulus erwähnt die Herkunft Jesu aus dem Geschlecht Davids (Rom 1,3; vgl. 9,5; 11,26), kennt die mit den Passionsereignissen verbundene Einsetzung des Herrenmahles (IKor 11,23) und läßt gelegentlich synoptische Tradition anklingen. Ähnlich HOLMEN, Doubts. Vgl. DUNN, Third Quest, 36-44.

54 55

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Bevor diese Frage wieder aufgegriffen wird, wenden wir uns dem zweiten Argument zu, daß gegen die historische Auswertbarkeit der Evangelien formuliert wurde.

2.2 Das Argument der literarischen Fiktion Das zweite Argument, das gegen den Geschichtswert der Evangelien vorgebracht wurde, bezieht sich auf die Unterscheidung der literarischen von der historischen Fragerichtung. Bereits W R E D E hatte kritisiert, daß der „Boden des evangelischen Berichts" vorschnell verlassen werde, um ihn für die Geschichte Jesu zu verwerten 5 '. In Aufnahme von W R E D E wendet S C H W E I T Z E R wenig später gegen den Gebrauch der Mk-Hypothese durch die Leben-Jesu-Theologie ein, daß ,,[d]er Stoff, mit dem man die Einzelerzählungen zu einem Leben-Jesu zusammenlötete [ . . .] die Temperaturprobe nicht aus [hält]." 57 Wirksam wurde dieses Argument dann vor allem durch die Untersuchung von K A R L L U D W I G S C H M I D T „Der Rahmen der Geschichte Jesu" 5 8 , in welcher er zeigt, daß die Auffassung, in den synoptischen Evangelien (insbesondere im MkEv) spiegle sich der tatsächliche Verlauf der öffentlichen Wirksamkeit Jesu wider, dessen Charakter verfehle. Aus der Annahme, das MkEv sei das literarisch älteste, dürften deshalb keine unmittelbaren historischen Schlußfolgerungen abgeleitet werden. Erweise sich vielmehr auch die Darstellung des MkEv als ein nachträglich entworfener Zusammenhang von Einzelgeschichten, so lasse sich hieraus kein chronologischer Aufriß der Geschichte Jesu erheben. Die hier formulierte Einsicht in den literarischen Charakter des MkEv - und analog in denjenigen von Mt und Lk - ist in gewisser Weise durch die Redaktionskritik aufgegriffen, vor allem aber durch die Anwendung erzähltheoretischer Einsichten seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts vertieft worden. Es ist unbestreitbar, daß sich der chronologische und geographische Aufriß des Wirkens Jesu erzählerischen Konzepten verdankt, die auf der jeweiligen Deutung dieses Wirkens beruhen und nicht als Widerspiegelung seines tatsächlichen Verlaufs aufzufassen sind. Damit ist deutlich, daß die narrativen Kompositionen der Evangelien zentrale Bestandteile der jeweiligen Deutung der Person Jesu darstellen. An dieser Stelle wäre über S C H M I D T hinauszugehen, der bei einem negati56 57 58

Messiasgeheimnis, 2. Geschichte, 385. Bei SCHMIDT findet sich eine vergleichbare Formulierung, Rahmen, 17: „Historische und literarische Betrachtung werden überhaupt zu sehr in der F o r s c h u n g miteinander vermengt."

V o n der Historizität der Evangelien

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ven Ergebnis - der Nichtverwertbarkeit der erzählerischen Konzeptionen für die historische Rückfrage - Stehengeblieben war. Indem er jedoch die Frage nach der Interpretation der narrativen Konzeptionen nicht eigens stellte (was schon im Bild vom „Rahmen" für die Einzelerzählungen zum Ausdruck kommt), stellte er der - zu Recht kritisierten - Vermischung von literarischer und historischer Fragestellung durch die liberale LebenJesu-Forschung keine wirkliche Alternative entgegen, sondern bereitete stattdessen die Konzentration auf die „kleinen Einheiten" in der Formgeschichte vor. Diese Kritik an S C H M I D T bedeutet, daß die Einsicht in die Differenz beider Fragerichtungen den historischen Wert der Evangelien nicht einfach aufhebt. Dies wird schon daran erkennbar, daß sich der vermeintlich „kultische" Charakter der Jesusgeschichten (bezeichnenderweise auch „Perikopen" genannt) und dessen von S C H M I D T vermuteter „gottesdienstlicher [r] Gebrauch" weniger einer literarischen Analyse als vielmehr eigener Erfahrung von deren kirchlicher Verwendung zu verdanken scheint5'. Läßt man diese Prämisse dagegen beiseite, eröffnet sich ein anderer Blick auf das Verhältnis von erzählerischer Konzeption der Evangelien und zugrundeliegenden Ereignissen. Daß die Einzelerzählungen der Jesusüberlieferung in erzählerische Konzepte integriert wurden, bedeutet nämlich keineswegs eine Aufgabe des Bezugs zur Wirklichkeit, auf die sich diese Konzepte beziehen60. Vielmehr setzt genau an dieser die Stelle die Frage nach dem Verhältnis von Wirken und Geschick Jesu und dessen späterer Darstellung in historisch erinnernden Entwürfen - allgemeiner

59

60

Vgl. a. a. O., 19: „Es ist möglich, daß man für den gottesdienstlichen Gebrauch derartige K o m p l e x e niedergeschrieben hat, um mehrere Geschichten hintereinander vorzulesen. Dann wurde aber auch wieder mal nur eine Geschichte, eine Perikope dargeboten. Dabei blieb das κ α ι bestehen, genau so wie wir heute in unseren Kirchen das sonntägliche Evangelium verlesen und mit einem ,und' beginnen." Es ist deshalb überhaupt nicht einzusehen, warum ROBINSON, Critical Edition, 31, unter Berufung auf SCHMIDT formulieren kann: "Thus the preference for Narrative Gospels rather than Sayings Gospels seems to be no more than a preference for an unhistorical itinerary - a story but not history." Abgesehen davon, daß noch einmal eigens zu fragen wäre, was die Spruchevangelien den Erzählungen in historischer Hinsicht eigentlich voraus haben sollen (warum sollen Sammlungen von Worten historisch zutreffendere Bilder von Jesus vermitteln als Erzählungen über ihn?), scheitert der hier zugrunde gelegte Geschichtsbegriff an der methodologisch völlig unhaltbaren Opposition von " s t o r y " und "history" (wie soll es Geschichte anders geben als in F o r m von Erzählungen?). Der Bezug der Evangelien auf die in ihnen verarbeiteten historischen Ereignisse wird sich auf diese Weise jedenfalls nicht erklären lassen.

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formuliert: nach dem Verhältnis von vergangener Wirklichkeit und dessen narrativer Repräsentation - ein61. 2.3 Zusammenfassung Mit den Argumenten der sachlichen Diskrepanz und der literarischen Fiktion wurde der historische Wert der Evangelien durch die kritische Forschung auf doppelte Weise bestritten. Die Thesen der mythischen Einkleidung der Ereignisse des Lebens Jesu sowie des nachträglichen literarischen Zusammenhangs für die Einzelgeschichten ließen die historische Verbindung der Evangelien zu diesen Ereignissen problematisch werden. Dabei läßt sich eine Linie erkennen, die bei STRAUSS beginnt, der den historischen Wert der Evangelien als erster konsequent in Frage gestellt hatte, u n d die über WREDE und SCHMIDT hin zu BULTMANN führt.

Hatte bereits STRAUSS nach der „dogmatischen Grundlage des Lebens Jesu" gefragt, so kann dies - bei aller Verschiedenheit in der konkreten Durchführung und inhaltlichen Füllung - durchaus in Entsprechung zur Vorstellung des „Messiasgeheimnisses" bei WREDE gesehen werden, welches das irdische Leben Jesu nachträglich überformt habe, als auch zu derjenigen einer kultischen Prägung der Jesusüberlieferung bei SCHMIDT, die an die Stelle einer konkreten Anschauung des Lebens Jesu getreten sei, und schließlich zu derjenigen eines urchristlichen Kerygmas, das nicht in sachlicher Kontinuität zum Wirken des irdischen Jesus stehe, bei BULTMANN. Im Ergebnis fallen Wirksamkeit Jesu und Entstehung des christlichen Glaubens dabei auseinander, was zur Folge hat, daß eine Konstruktion des historischen Jesus nicht mehr an den narrativen Verarbeitungen seines Wirkens, sondern an Einzelüberlieferungen orientiert wird, die im Blick auf ihre Authentizität bewertet und in einen unabhängig davon konstruierten historischen „Rahmen" gestellt werden. Es ist gar nicht zu bestreiten, daß beide in der kritischen Jesusforschung entwickelten Argumente die Einsicht in die literarische und inhaltliche Eigenart der Evangelien auf maßgebliche Weise gefördert haben. Sie haben im Gegenzug gegen eine naive Gleichsetzung der Evangelien mit den tatsächlich geschehenen Ereignissen auf religiöse Uberzeugungen und Prämissen der Wirklichkeitsdeutung aufmerksam gemacht, die diese Jesusdarstellungen prägen. Sie haben zudem wichtige Erkenntnisse über den literarischen Charakter der Evangelien hervorgebracht und damit die

" Vgl. THEISSEN/MERZ, Jesus, 106-108, zum historisierend-erinnernden Charakter der Evangelien.

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Notwendigkeit, zwischen literarischer und historischer Frage zu differenzieren, herausgestellt. In der Evangelienforschung sind diese Ansätze durch Form- und Redaktionskritik sowie durch den narrative criticism weiterentwickelt worden. Keine historisch-kritische Beschäftigung mit der Person Jesu darf hinter diese Ergebnisse zurückfallen. Trotz der prinzipiellen Berechtigung beider Argumente ist der Bezug der Evangelien zu den Ereignissen des Wirkens und Geschicks Jesu damit jedoch noch nicht zureichend beschrieben. Daß das Leben Jesu mit „mythischen" Kategorien gedeutet wurde, beantwortet noch nicht die Frage nach dem Verhältnis zu den Ereignissen, auf die sich diese Deutungen beziehen. Ebenso ist die Kategorie des Sitzes im Leben ein durchaus ungeeignetes Instrument, um Schlüsse im Blick auf die historische Grundlage der Evangelien in der Geschichte Jesu zu ziehen. Möglicherweise können gattungsanalytische Beobachtungen Aspekte der Soziologie des Urchristentums erhellen. Daß sie sich gegen einen historischen Zusammenhang zwischen der literarisch geformten Jesusüberlieferung und dem Wirken Jesu selbst ins Feld führen ließen, ist dagegen durchaus zu bezweifeln62. Bei B U L T M A N N ließ sich diesbezüglich insofern eine merkwürdige Spannung konstatieren, als er einerseits an der sachlichen Entsprechung von Verkündigung Jesu und nachösterlichem Kerygma festhält, eine derartige Entsprechung andererseits jedoch zugleich bestreitet. Eine vergleichbare Ambivalenz ließ sich bei W R E D E feststellen, der in dem zitierten Brief an A D O L F H A R N A C K gegenüber seiner eigenen strikten Entgegensetzung von Wirken Jesu und nachösterlichem Glauben wichtige Differenzierungen anbrachte. Es scheint, als ob hier der Versuch gemacht wird, die bei STRAUSS und W E I S S E zum ersten Mal deutlich in Opposition zueinander getretenen Positionen - der christliche Glaube gründet in den Messiasvorstellungen sowie im Auferstehungsglauben der nachösterlichen Gemeinde oder in der historischen Person Jesu - miteinander zu vermitteln. Eine Konsequenz dieser Beobachtungen lautet, daß es in keiner Weise gerechtfertigt wäre, eine historische Konstruktion der Person Jesu ausschließlich oder vorrangig an seinen Worten auszurichten. Diese Tendenz, die sich seit BULTMANNS Jesusbuch konstatieren läßt und in Teilen 62

Es sei daran erinnert, daß genau an dieser Stelle DIBELIUS einen Einwand gegen BULTMANN formulierte, indem er darauf hinwies, daß dessen analytische Methode selbst nicht ohne ein konstruktives Moment auskomme. Vgl. DERS., Zur Formgeschichte der Evangelien, 193-195. Dies macht darauf aufmerksam, daß der Rückschluß von der Jesusüberlieferung auf die dahinterliegende Geschichte keineswegs durch die Kategorie des Sitzes im Leben auf die nachösterliche Gemeinde zu begrenzen ist.

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der gegenwärtigen Forschung zu einer einseitigen Gewichtung von Q und dem EvThom für die historische Rückfrage geführt hat63, ist schon von daher nicht plausibel, als die narrativen Verarbeitungen von Wirken und Geschick Jesu nicht einfach als für die historische Frage unerheblicher „Rahmen" beiseite geschoben werden dürfen64. Diese Tendenz basiert zudem auf einem methodisch defizitären Konzept, da sie den Zusammenhang von vergangener Wirklichkeit und deren nachträglicher narrativer Repräsentation nicht reflektiert. Diesbezüglich ist jedoch geltend zu machen, daß keine Darstellung vergangener Ereignisse diese einfach widerspiegelt, sondern sich interpretierend auf sie bezieht. Dies wiederum bedeutet, daß der historische Wert der Evangelien nur daran gemessen werden kann, wie sich in ihnen Ereignis und Deutung zueinander verhalten. Ebenso gibt die Einsicht in die literarische Fiktion, die die Erzählungen der Evangelien darstellen, noch keine Antwort auf die Frage nach deren historischem Wert. Die Einsicht, daß das Erzählgerüst der Evangelien nicht einfach auf die Geschichte Jesu übertragen werden kann, ist zweifellos zutreffend. Daraus folgt jedoch noch nicht, daß sie ausschließlich durch die kerygmatische Formung des Stoffes bestimmt oder ausschließlich aus ihrer Entstehungszeit heraus zu verstehen seien65. Es kann vielmehr gar nicht zweifelhaft sein, daß in ihnen historisch auswertbare Informationen verarbeitet wurden, die bei ihrer Interpretation zu berücksichtigen sind. Dies soll im Folgenden durch den Blick auf den Zusammenhang von vergangenem Ereignis und dessen Repräsentanz in der historischen Erzählung konkretisiert werden.

43

M

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Damit ist über den Wert beider Dokumente für die Jesusfrage keineswegs ein negatives Urteil gefällt. Allerdings kann die historische Beurteilung nicht darauf gestützt werden, daß sie vornehmlich Worte Jesu enthalten. Vgl. hierzu die methodisch wichtigen Bemerkungen von FREYNE, Galilee, Jesus and the Gospels, 5-30. Auf diese Weise haben die Form- sowie die Redaktionsgeschichte die Evangelien interpretiert und damit von den Ereignissen, von denen sie berichten, weitgehend abgelöst. Dabei wird jedoch der Charakter dieser Schriften als historischer Erzählungen zu wenig beachtet.

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3. Die „Repräsentanz" Jesu in der historischen Erzählung: Das Markusevangelium als Quelle für den historischen Jesus Nach den grundsätzlichen Bemerkungen des ersten Teils soll im Folgenden exemplarisch der Frage nach der Auswertbarkeit der Evangelien für ein Bild des historischen Jesus nachgegangen werden. Wir verwenden hierfür in Anlehnung an P A U L R I C Œ U R den Begriff der Repräsentanz, um damit zum Ausdruck zu bringen, daß die Darstellung vergangener Ereignisse in der historischen Erzählung diese - wie oben dargelegt - nicht einfach wiederherstellt, sondern durch Selektion und Refiguration vertritt^. Der Begriff der Repräsentanz erfaßt das Verhältnis zwischen Vergangenheit und Erzählung somit als eines der Analogie, indem er Gemeinsamkeiten und Differenzen gleichermaßen beinhaltet. Damit ist ein naives Verständnis von Referenz verabschiedet, dem zufolge sich die historische Erzählung unmittelbar auf die Vergangenheit bezieht. Mit dem Begriff der Repräsentanz ist dagegen zum Ausdruck gebracht, daß die historische Erzählung durch die Komposition einer Fabel67 zwischen den Ereignissen und der erzählten Geschichte vermittelt, sich somit im Modus des „Sehens als" auf die Vergangenheit bezieht und notwendig ein fiktionalisierendes Moment beinhaltet68. Diese Vertretungsfunktion erfüllen die Evangelien im Blick auf die Person Jesu ebenso wie heutige Jesusdarstellungen. Der Unterschied liegt indes darin, daß gegenwärtige Darstellungen den Prämissen des historisch-kritischen Bewußtseins unterliegen, wogegen für die Evangelien andere Erkenntnisbedingungen gelten69. Wir konzentrieren uns für einen solchen Zugang auf das MkEv als der ältesten narrativen Darstellung des Wirkens Jesu und hier insbesondere auf drei Facetten, mit denen das Wirken Jesu in Galiläa und den umliegenden Gebieten beleuchtet wird. Ein Seitenblick wird auch auf Q als 66

67

61

69

RICŒUR, Zeit und Erzählung, III, 2 5 3 - 2 5 7 u.ö. Vgl. etwa 254: „Repräsentanz [ . . . ] bedeutet nacheinander Reduktion aufs Selbe, Anerkennung von Alterität, analogisierendes Erfassen." Unter Fabel ist dabei - ebenfalls in Anlehnung an RICŒUR, der sich hierzu auf den von Aristoteles in der Poetik verwandten Ausdruck μΰθος bezieht - der eine Erzählung konstituierende Handlungsablauf verstanden. Vgl. RICŒUR, Zeit und Erzählung, I, 1 0 4 - 1 1 3 . Mit Fiktionalisierung ist dabei nicht freie Erfindung gemeint, sondern die für jedes „Intendieren der Vergangenheit" (RICŒUR, a. a. O., 295) notwendige Phantasie, die erst einen Bezug zwischen Gegenwart und Vergangenheit ermöglicht. In diesem Sinn formulieren auch THEISSEN/MERZ, Jesus, 31: „Historische Imagination schafft mit ihren Hypothesen ebenso eine ,Fiktionalitätsaura' um die Gestalt Jesu wie die religiöse Imagination des Urchristentums. Denn hier wie dort ist eine kreative Vorstellungskraft am Werk, entzündet durch dieselbe historische Gestalt."

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der zweiten frühen Quelle innerhalb des synoptischen Bereiches geworfen. Dabei wird zum einen an die in den zurückliegenden Jahrzehnten herausgearbeitete Einsicht der Forschung angeknüpft, daß es sich bei den Evangelien um Erzählungen handelt, weshalb zu ihrer Interpretation erzähltheoretische Verfahren heranzuziehen sind70. Dieser literarische Charakter der Evangelien wurde zuerst in der Mk-Forschung erarbeitet und dann auch auf die anderen Evangelien ausgeweitet 71 . Es handelt sich demzufolge beim MkEv um eine sorgfältig komponierte Erzählung, die eine Textwelt entwirft, innerhalb derer Wirken und Geschick Jesu angesiedelt werden. Vorausgesetzt wird des weiteren, daß die Evangelien ihnen vorausliegende Traditionen aufgreifen und mit Informationen über Personen und Ereignisse aus der Zeit des Wirkens Jesu zu einer historischen Erzählung verbinden 72 . Für Q trifft beides in analoger Weise zu: Obwohl die feststellbaren narrativen Elemente wesentlich spärlicher sind als bei Mk, begegnet die Person Jesu auch hier innerhalb einer konkreten Zeit und eines konkreten Raumes, auch hier wird auf Traditionen und historische Informationen zurückgegriffen, um diese Welt zu entwerfen 73 . Zusammengenommen bedeuten diese Einsichten, daß eine historische Auswertung der Evangelien von den hier entworfenen fiktionalen Welten auszugehen und diese mit den Mitteln historisch-kritischer Forschung zu analysieren und auf ihre historische Plausibilität hin zu befragen hat. Betont sei noch einmal: Das Ergebnis eines solchen Verfahrens ist nicht eine Wiederherstellung (i?e-Konstruktion) der Vergangenheit oder des 70

71

Für einen breiteren Überblick über Ansätze und Probleme der Integration literaturtheoretischer Ansätze in die neutestamentliche Wissenschaft vgl. PORTER, Literary Approaches. Speziell zum narrative criticism vgl. bereits POWELL, Narrative Criticism, sowie in neuerer Zeit MERENLAHTI/HAKOLA, Reconceiving Narrative Criticism. Vgl. RHOADS, Narrative Criticism; die Beiträge in: HAHN, Erzähler; MÜLLER, „Wer ist dieser?"; DORMEYER, Markusevangelium. Vgl. weiter zu Mt: KINGSBURY, Matthew; Luz, Jesusgeschichte; zu Lk: TANNEHILL, Unity; LÖNING, Geschichtswerk. Neuere Beiträge der Anwendung des narrative criticism auf die Evangelien finden sich in RHOADS/SYREENI, Characterization.

72

Inwieweit zu den von Mk verarbeiteten Stoffen auch schriftliche Texte gehörten, ist unsicher und braucht uns hier nicht weiter zu beschäftigen. Literarkritisch rekonstruieren lassen sich diese Quellen jedenfalls nicht, da Mk sie sprachlich und inhaltlich in seine Erzählung eingearbeitet hat. Daß sich von mündlichen Traditionen kein Wortlaut erheben läßt, ist durch die Forschung zu oralen Uberlieferungsprozessen aufgezeigt worden, die auch in der neutestamentlichen Wissenschaft rezipiert worden sind. Vgl. hierzu jüngst HOLLANDER, Words. Dies bedeutet, daß von der Aufnahme von Traditionen durch Mk auszugehen ist, auch wenn die konkrete Gestalt dieser Traditionen nicht mehr zugänglich ist.

73

Vgl. KLOPPENBORG, C i t y and Wasteland; JÄRVINEN, Son of Man; SCHRÖTER, Jesus,

62-89. 140-179.

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„wirklichen" Jesus hinter den Quellen, sondern eine Konstruktion, die den Erkenntnisbedingungen sowie dem Kenntnisstand des Auslegers unterliegt 74 . Eine derartige Konstruktion läßt sich deshalb mit RICOEUR als „Uberkreuzung von Historie und Fiktion" beschreiben 75 : Sie erschafft die Welt der Vergangenheit neu, indem sie die vorhandenen Materialien miteinander verknüpft und in eine Ordnung bringt, die sie für sich genommen nicht haben. Auf diese Weise eignet sie sich die Vergangenheit als Geschichte an. 1) Die mk Erzählung beginnt mit der Schilderung des Auftretens von J o hannes und Jesus. Dabei fallen zunächst die unterschiedliche Lokalisierung sowie die zeitliche Zuordnung beider auf: Johannes wirkt am Jordan, Jesus gehört nach Galiläa. Die erste von Jesus berichtete Aktivität ist deshalb das Kommen Jesu von Nazaret in Galiläa an den Jordan, um dort von Johannes getauft zu werden (1,9), sowie seine Rückkehr nach Galiläa im Anschluß an die Auslieferung des Johannes (1,14). Die mk Darstellung hebt die Bedeutung diese ersten Ereignisse durch Zitate und Anklänge an biblische Motive und Wendungen hervor: Das Auftreten des Johannes wird durch ein Jes-Zitat eingeleitet76, der O r t seines Auftretens (ή έρημος) wird aus diesem übernommen und auf Johannes als den von Gott gesandten Vorläufer Jesu angewandt 77 . Die Schilde-

74

75

76

77

Dieser Zugang befindet sich somit in Übereinstimmung mit GOERTZ, Unsichere Geschichte. Vgl. a. a. O., 37: „Der konstruktivistische Ansatz ist als äußerste Anstrengung zu verstehen, der .historischen Realität' abzutrotzen, was von ihr zu erkennen möglich ist. Ein solches historisches Konstrukt ist die Erzählung." RICCEUR, Zeit und Erzählung, III, 294-311. Vgl. auch den Rekurs auf RICCEUR bei FREYNE, Galilean Questions, 21 If. Es ist bekannt, daß es sich tatsächlich um ein Mischzitat (Ex 23,20/Mal 3,1/Jes 40,3) handelt. Nach der mk Darstellung ist es jedoch ein Zitat έν τ φ Ήσαΐςι τ φ προφήτη (Mk 1,2). Nach PESCH, Markusevangelium, 79, handelt es sich hierbei um eine „historische Angabe der Tradition [ . . . ] keine symbolische Einfügung mk Redaktion". Angesichts der Kombination der bei Mt und Lk getrennt aufgeführten, auf Joh bezogenen Zitate Ex 23,20/Mal 3,1 und Jes 40,3 sowie der abweichenden Lokalisierung von Johannes in Q in der Jordangegend, die angesichts von 1,5 (έβαπτίζοντο ύπ' αύτοϋ έν τ φ 'Ιορδάνη ποταμψ) und 1,9 (έβαπτίστη εις τόν Ίορδάνην ΰπό Ι ω ά ν ν ο υ ) auch für Mk nähergelegen hätte, ist dies jedoch unwahrscheinlich: Mk schildert die Tauftätigkeit, die den Jordan voraussetzt, dessen Erwähnung sich deshalb - ganz unabhängig von den sonstigen geographischen Gegebenheiten - eher angeboten hätte als die Wüste. Zu Recht bemerkt deshalb LÜHRMANN, Markusevangelium, 34f.: „Dadurch [sc.: durch die Identifizierung des Johannes mit dem Rufer in der Wüste aus dem Jes-Zitat, J . S.] kommt es zu der merkwürdigen Vorstellung, daß er, der zum Taufen das Wasser des Jordan braucht, in der Wüste predigt."

192

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rung seiner Nahrung und Kleidung verstärken dies, indem sie Johannes als Propheten zeichnen. Das Kommen Jesu wird mit den biblischen Wendungen και έγένετο und έν έκείναις ταΐς ήμέραις eingeleitet, seine Taufe wird ebenso wie seine Versuchung mit Anspielungen auf Stellen und Motive aus der Schrift geschildert. Mk verbindet somit bereits am Anfang seiner Erzählung die historischen Informationen über die unterschiedlichen Orte und Zeiten des Wirkens Johannes und Jesu mit einer Deutung, die beider Auftreten in einem bestimmten Licht erscheinen läßt: Johannes ist als Vorläufer Jesu der eschatologische Prophet, Jesus der Sohn Gottes. Die Erzählung erhält damit biblisches Kolorit, welches die berichteten Ereignisse in den Horizont der Geschichte Israels einrückt. Deutlich ist zugleich: Mk hat konkrete historische Erinnerungen an den Ort der Wirksamkeit des Johannes, die Herkunft Jesu sowie seine Taufe durch Johannes bewahrt. Daß diese historischen Informationen nicht nebensächlich sind, zeigt der weitere Verlauf der Erzählung, denn die Wirksamkeit Jesu erfolgt in Anknüpfung und Abgrenzung von derjenigen des Täufers, sie wird zudem nur aus dem geographischen und religiösen Kontext Galiläas heraus verständlich. Die Q-Texte bestätigen und ergänzen dieses Bild. Auch hier werden zunächst das Auftreten des Johannes und seine Botschaft geschildert, auch hier werden Johannes und Jesus geographisch voneinander abgesetzt 78 . Der Anfang von Q stellt somit eine Analogie zur mk Erzählung dar, indem hier ebenfalls eine Zuordnung von Johannes und Jesus sowie eine Lokalisierung des Geschehens erfolgen. Diese Zuordnung ist für Q sogar überaus bedeutsam, wie Q(Lk) 7,18-35 zeigt, wo das Verhältnis von Johannes und Jesus noch einmal thematisiert wird. Der historische Befund, daß Jesus vor dem Beginn seiner öffentlichen Wirksamkeit zum Kreis des Täufers gehörte, wird in der Erinnerung an ihn bewahrt und zu seinem Selbstverständnis, er selbst, nicht Johannes sei der entscheidende Repräsentant der Gottesherrschaft, in Beziehung gesetzt. Im Folgenden wird Galiläa zum Schauplatz der Handlung 79 . Der Autor läßt dabei eine Vorstellung von den konkreten Umständen des Auftretens

78

Auch wenn der Anfang von Q nicht mehr vollständig rekonstruierbar ist, ist erkennbar, daß Johannes mit der Wendung πάσα ή περίχωρος τοΰ 'Ιορδανού (Mt 3 , 5 / L k 3,3) in der Jordangegend lokalisiert wird, wogegen Jesus nach Nazaret (Mt 4 , 1 3 / L k 4,16: Ναζαρά) gehört. Dabei könnte die Bemerkung in Lk 4,16 (και ήλθεν εις Ναζαρά) den Beginn einer Episode in Q darstellen, die vom Auftreten Jesu in Nazaret nach der Taufe des Johannes berichtete. Vgl. hierzu SCHRÖTER, Bedeutung.

79

Vgl. FREYNE, Galilee, Jesus and the Gospels, 3 4 - 6 8 . Die joh Darstellung weicht hier freilich ab: J o h 3,22 zufolge tauft Jesus - nach den Anfängen in Galiläa - zeitgleich mit Johannes „im jüdischen Land".

Von der Historizität der Evangelien

193

Jesu erkennen: D e r See Galiläas ist ein O r t , zu dem Jesus des öfteren kommt (1,16; 2,13; 3,7; 4,1), es gibt Synagogen in Galiläa, in denen Jesus lehrt (1,39) 8 0 ; als O r t e kommen Kafarnaum (1,21; 2,1) sowie die Heimatstadt Jesu (ή πατρίδα αύτοΰ, 6,1; nach 1,9 handelt es sich dabei um N a zaret) in den Blick, als Personen treten die in die Nachfolge berufenen Jünger, das Volk, die Familie Jesu sowie Pharisäer und Schriftgelehrte als seine Gegner auf. In den mk Chrien werden dabei - anders als ζ. B. in denjenigen von Diogenes Laertius oder des E v T h o m - viele biographische Details bewahrt, sie werden zudem des öfteren untereinander verknüpft, so daß eine zusammenhängende Erzählung entsteht 8 1 . Dies ist ein deutliches Indiz für den historisch-erinnernden Charakter der Evangelien 82 . 80

81 82

Die Diskussion über Ursprung und Funktion der Synagogen wird gegenwärtig kontrovers geführt. Vgl. hierzu den (etwas schematischen) Uberblick von MCKAY, Ancient Synagogues. In der neueren Diskussion ist die Existenz von Synagogen als religiöser Institutionen und Gebäude vor 70 von KEE in einem programmatischen Artikel von 1990 bestritten worden. KEE vertritt hier - und in späteren Artikeln - die Auffassung, daß sich die Bezeichnung von Gebäuden mit dem Terminus συναγωγή erst ab dem späten 1. bzw. frühen 2. Jahrhundert nachweisen lasse, wogegen zuvor damit Versammlungen unterschiedlichen Charakters bezeichnet würden. In den Evangelien werde dagegen eine spätere Entwicklung in das Galiläa des 1. Jahrhunderts zurückprojiziert. Vgl. DERS., Transformation; DERS., Early Christianity, 3-14; DERS., Defining. Die These ist vielfach diskutiert und dabei mehrheitlich zurückgewiesen worden. Vgl. etwa O S T E R , Supposed Anachronism, der KEES These u. a. anhand einer Inschrift aus Berenice (vor 70) widerlegt, auf der der Terminus συναγωγή zweimal verwandt wird und dabei einmal die Versammlung, das andere Mal das Gebäude meint (a. a. O., 187); ATKINSON, Defining sowie STRANGE, Ancient Texts, der anhand der drei häufig angeführten archäologischen Befunde für Synagogen vor 70 (Gamia, Masada und des Herodiums) sowie Magdala die These KEES hinterfragt. Vgl. auch die Bestandsaufnahmen von FOERSTER, Ancient Synagogues; LEVINE, Nature; DERS., Synagogues; DERS., Judaism, 139-179 sowie jetzt DERS., Ancient Synagogue, 42-159. Ergänzend sei darauf hingewiesen, daß die Datierung der Theodotus-Inschrift in das 2. bzw. 3. Jahrhundert durch K E E durchaus zweifelhaft ist. Vgl. hierzu die Kritik von RIESNER, Synagogues, 192-201 sowie die eingehende Analyse der Inschrift und Auseinandersetzung mit K E E bei KLOPPENBORG VERBIN, Dating Theodotos. Für die hier diskutierte Fragestellung ist aus dieser Diskussion wichtig, daß sich Mk mit der Erwähnung von Synagogen in Galiläa keines Anachronismus schuldig macht, sondern auf einen historisch zutreffenden Sachverhalt rekurriert. Auch damit ist wiederum in keiner Weise gesagt, daß die mk Erzählungen von Szenen in Synagogen deshalb in einem naiven Sinn „historisch glaubwürdig" seien. Allerdings zeigt sich, daß Mk historisch plausibel erzählt. Zu den Chrien vgl. den informativen Beitrag von HEZSER, Verwendung. Exemplarisch verwiesen sei auf die Doppelchrie über die Berufung der Brüderpaare in Mk 1,16-20. Deutlich ist einerseits, daß die Prophetenberufung des Elisa durch Elia aus 3Βασ 19,19-21 als Modell im Hintergrund steht. Deutlich ist auch, daß es sich um zwei Variationen einer „idealen Szene" über Berufungen Jesu handelt, in denen jeweils

194

Jens Schröter

Obwohl Nazaret der Heimatort Jesu ist, tritt Kafarnaum als Ort seines Wirkens besonders hervor: Im Kontrast zu der summarischen Darstellungsweise in anderen Partien wird in 1,21-34 der Verlauf eines Sabbats in Kafarnaum geschildert, an dem Jesus zunächst in die Synagoge, anschließend in das Haus von Simon und Andreas (1,23.29) geht und am Abend viele Kranke und Besessene heilt (1,32-34). Kurz darauf, in 2,1, ist Jesus wieder im Haus in Kafarnaum, in 3,1 wiederum in der dortigen Synagoge. Kafarnaum wird somit zu demjenigen Ort, von dem aus Jesus in die umliegenden Orte und an den See geht und zudem er immer wieder zurückkehrt. In 2,1 und 9,33, vielleicht auch in 3,20 und 7,17, wird dabei an das in 1,29 erwähnte Haus des Petrus angespielt, in dem sich Jesus offenbar aufhält, wenn er in Kafarnaum ist 83 . Markus verfügt hier über die historische Information, daß es ein Haus in Kafarnaum gegeben hat, welches die Familie des Petrus bewohnte und welches ein Ort war, an dem Jesus lehrte und heilte. Unabhängig davon, ob man dieses Haus mit dem von den Franziskanern ausgegrabenen „ H a u s des Petrus" identifiziert 84 , ist deutlich, daß die Ausgrabungen von Kafarnaum einen Eindruck davon vermitteln, wie ein derartiges Wohnhaus

ein besonderer Aspekt (Menschenfischer werden, Vater verlassen) betont wird (vgl. Mk 2,14; Q 9,57-60). Im Blick auf die historische Auswertbarkeit ist indes von Interesse, daß ein konkreter Ort des Geschehens angegeben wird (ή θάλασσα της Γαλιλαίος), die N a m e n der Berufenen sowie deren Berufe (Fischer) und Familienverhältnisse (Brüder, Vater) erwähnt werden, die Tätigkeit, bei der Jesus sie antrifft (Netze auswerfen bzw. flicken) genannt wird und auch ein Detail wie die Tagelöhner des Vaters des zweiten Brüderpaares Erwähnung findet. Es kann kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, daß diese Darstellungsweise nicht auf legendarische Ausgestaltung von Worten Jesu zurückgeht, sondern auf historisch-erinnernde Bewahrung von Personen und Umständen seiner Wirksamkeit. Erzählerisch ist von Interesse, daß beide Szenen miteinander verknüpft werden (και προβάς ολίγον), wodurch der Eindruck eines geschlossenen Handlungsverlaufs entsteht. 83

14

In 3,20 und 7,17 ist die Lokalisierung unsicher. Die Wendung ερχεται (bzw. είσήλθεν) είς οίκον kann auch als „er geht/ging in ein H a u s " aufgefaßt werden. Möglicherweise legt sich von den anderen Stellen her jedoch die Bedeutung „nach H a u s e " (zumindest für 3,20) nahe. Z w i s c h e n 1968 u n d 1 9 8 6 w u r d e n v o n C O R B O u n d LOFFREDA 19

Ausgrabungskam-

pagnen in Kafarnaum durchgeführt. Besonderes Interesse galt dabei der Synagoge aus dem 4. Jahrhundert sowie der Insula sacra, ca. 30 m südlich der Synagoge. Die dabei unter der oktogonalen Kirche aus dem 5. Jahrhundert zum Vorschein gekommene Domus-Ecclesia aus dem 4. Jahrhundert wurde von den Genannten mit dem in den Evangelien erwähnten Haus des Petrus in Zusammenhang gebracht, welches am Ende des 1. Jahrhunderts zu einem Versammlungsort der christlichen Gemeinde umgebaut worden sei. Vgl. LOFFREDA, Kapernaum, 50-66; DERS., Capernaum, 418f.; DERS./ TZAFERIS, C a p e r n a u m , 2 9 5 ; C O R B O , C a p e r n a u m , 8 6 7 . A n d e r s TAYLOR,

268-294.

Christians,

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195

im 1. Jahrhundert ausgesehen hat. Damit werfen sie auch Licht auf eine Szene wie die in Mk 2,1-12 geschilderte, in der von einem Platz vor der Tür' 5 und vom Aufgraben (έξορύσσειν) des Daches die Rede ist". Diese Angaben lassen sich mit dem archäologischen Befund insofern in Beziehung setzen, als dieser Häuser zutage gefördert hat, die um Innenhöfe herum gebaut waren und Lehmdächer besaßen. Offensichtlich ist in 2,2 vorausgesetzt, daß nicht nur das Haus selbst, sondern auch der dazugehörige Hof überfüllt waren, weshalb diejenigen, die den Gelähmten tragen, über eine Treppe auf das Dach steigen und es aufgraben87. M i t alledem ist in k e i n e r W e i s e gesagt, d a ß sich die E r e i g n i s s e in Galiläa so z u g e t r a g e n h a b e n , wie sie v o n M k geschildert w e r d e n . E i n e d e r a r t i g e Identifikation v o n erzählten und geschehenen Ereignissen würde

zum

einen d e r E i n s i c h t in die prinzipielle D i f f e r e n z v o n T e x t u n d R e a l i t ä t widersprechen,

z u m a n d e r e n die spezifisch m k D a r s t e l l u n g s w e i s e

der

W i r k s a m k e i t J e s u u n b e r ü c k s i c h t i g t lassen. M k e r z ä h l t episodisch 8 8 , s c h e matisierend89 und unter A u f n a h m e von Schriftzitaten

und

deutenden

M o t i v e n . D a b e i ist g l e i c h w o h l n i c h t z u v e r k e n n e n , d a ß die R e p r ä s e n t a t i o n der W i r k s a m k e i t J e s u s o e r f o l g t , d a ß sie d u r c h die B e s c h r e i b u n g v o n O r ten, P e r s o n e n u n d k o n k r e t e n U m s t ä n d e n d e r e r z ä h l t e n H a n d l u n g e n in einen d e u t l i c h identifizierbaren h i s t o r i s c h e n K o n t e x t gestellt wird. Bei d i e s e m K o n t e x t h a n d e l t es sich s o m i t n i c h t u m einen s e k u n d ä r e n „ R a h m e n " , der für eine K o n s t r u k t i o n des h i s t o r i s c h e n J e s u s a u ß e r a c h t gelassen w e r d e n k ö n n t e . E b e n s o w e n i g w ä r e es plausibel, einen z e i t g e s c h i c h t l i chen

85

86 87

88

89

Kontext

unabhängig

von

den

literarischen

Darstellungen

des

Die Wendung μηδέ τά προς την {Κιραν ist als Accusativus Graecus zu interpretieren: „ [ . . . ] nicht einmal auf dem Platz vor der Tür"; vgl. 1,33. Vgl. BREYTENBACH, Mark and Galilee, bes. 80-85. In Kafarnaum wurden zwei Häusertypen ausgegraben, die in die hellenistisch-römische Zeit gehören: Individualhäuser und Gemeinschaftshäuser. Das sog. „Haus des Petrus" gehört zu letzterem Typ. Diese Häuser besaßen zwei oder drei Innenhöfe. Der Zugang von der Straße erfolgte über einen dieser Höfe. Im Fall des „Petrushauses" besaß der nördliche Hof einen östlichen Zugang, durch den man vom Cardo aus zu dem Haus gelangte. In den Innenhöfen befanden sich Treppen, über die man auf die Dächer der Häuser steigen konnte. Vgl. CORBO, Capernaum, 867. Zum episodischen Charakter der mk Erzählung vgl. BREYTENBACH, Markusevangelium. Bekanntlich ordnet Mk des öfteren Episoden gleichen Charakters zusammen. So werden ζ. B. in 2,1-3,6 verschiedene Konfliktszenen berichtet, bei denen es nicht auf eine chronologische Reihenfolge ankommt. In vergleichbarer Weise werden in 4,35-6,6a verschiedene Machttaten Jesu berichtet, die eine Facette seines Auftretens beleuchten. Es ist nicht notwendig, diese Komplexe auf vormk Sammlungen zurückzuführen. Näher liegt, daß sie auf mk Gestaltung zurückgehen, die von dem Gesamtporträt Jesu, wie es im MkEv gezeichnet wird, her konzipiert sind.

196

Jens Schröter

Wirkens Jesu zu entwerfen 90 . Eine historische Konstruktion kann vielmehr nur auf einer Verbindung des aus den literarischen Verarbeitungen des Wirkens Jesu zu erhebenden Befundes mit dem übrigen historischen Material beruhen 91 . 2) Eine weitere Facette. Schon immer ist die Merkwürdigkeit aufgefallen, daß die Darstellung der Wirksamkeit Jesu auf die Dörfer Galiläas beschränkt bleibt, wogegen die wichtigen Städte Galiläas - Sepphoris und Tiberias - nicht in den Blick treten. Ein Erklärungsversuch dieses Phänomens lautet, Jesus habe diese Städte - wobei vornehmlich an das in unmittelbarer Nachbarschaft zu Nazaret gelegene Sepphoris gedacht wird besucht, die Evangelien hätten sein dortiges Wirken jedoch übergangen, weil es erfolglos geblieben sei92. Diese Erklärung kann nicht befriedigen. Sie basiert auf einem argumentum e silentio, das zudem dadurch geschwächt wird, daß die Erfolglosigkeit Jesu in seiner Heimatstadt (Mk 6,1-6; Mt 13,54-58; Lk 4,22-29) ebensowenig verschwiegen wird wie die in den Weherufen gegen Chorazin, Betsaida und Kafarnaum zum Ausdruck kommende Ablehnung. Eine plausiblere Möglichkeit ist deshalb, die sozialen und kulturellen Unterschiede zwischen den hellenisierten Städten und den ländlichen Gebieten Galiläas als Hintergrund der auf die Dörfer gerichteten Wirksamkeit Jesu zu betrachten 93 . Dieses Vorgehen findet sich bei CROSSAN/REED, Excavating. Ihr Bild von der Wirksamkeit Jesu in Galiläa ist nicht an der literarischen Darstellung der Evangelien, sondern an CROSSANS Stratigraphiemodell orientiert, das auch die Grundlage für die Auswertung des archäologischen Befundes darstellt. Aus diesem postulierten ersten Stratum lassen sich jedoch keine Hinweis auf historische Konkretionen des Wirkens Jesu entnehmen, weshalb die Konstruktion von CROSSAN/REED auch in sehr allgemeinen Kategorien verbleibt. " OVERMAN formuliert in diesem Sinn völlig zu Recht: "Archaeology will not help one to know what Jesus said or did, or what the Gospel of Mark fabricated. It will and does help us to describe and understand the world and context into which we must place our texts and reconstructions." Vgl. DERS., Recent Advances, 49. 92 So BÖSEN, Galiläa, 69-75. BATEY, Jesus and the Theatre, zufolge Iäßt die Verkündigung Jesu Kenntnis des griechischen Theaters in Sepphoris erkennen. Dies wird jedoch schon von daher zweifelhaft, als das Theater neueren archäologischen Untersuchungen zufolge frühestens aus der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts (so REED, Archaeology, 119), möglicherweise aber auch erst vom Anfang des 2. Jahrhunderts (so MEYERS/MEYERS, Sepphoris, 533) stammt. Anders jedoch WEISS, Sepphoris, 1325: "early first century CE, possibly in the reign of Antipas". 93 Vgl. FREYNE, Galilee from Alexander the Great to Hadrian, 155-207; DERS., UrbanRural Relations; DERS., Jesus and the Urban Culture; DERS. Geography, 104-121;

,0

THEISSEN/MERZ, J e s u s , 1 6 2 - 1 6 7 .

Von der Historizität der Evangelien

197

Sepphoris war durch Antipas zu einer hellenistischen Stadt ausgebaut worden. Er ließ dort ein Theater und einen Palast errichten und die Stadt in eine Unter- und eine Oberstadt einteilen, jeweils mit einem dazugehörigen Markt 94 . Tiberias wurde von ihm im Jahr 19 an der Stelle eines jüdischen Friedhofs gegründet' 5 , erhielt ebenfalls die Gestalt einer hellenistischen πόλις und wurde Josephus zufolge nunmehr die Hauptstadt Galiläas 9 '. Das Verhältnis dieser πόλεις zu den umliegenden Dörfern war - wie bei anderen antiken Städten auch - einerseits durch Handelsbeziehungen geprägt, insofern die agrarischen Gegenden die Lebensgrundlage einer πόλις bildeten. Andererseits besaß die πόλις die administrative und politische Oberhoheit über die zu ihrem Territorium gehörenden Dörfer 9 7 . Diese Beziehungen konnten zu sozialen Konflikten führen, wenn sich die Spannungen zwischen der reichen Aristokratie in den Städten und der ärmeren Landbevölkerung zuspitzten. Für Galiläa unter der Herrschaft des Antipas (und auch noch zur Zeit des jüdischen Krieges) kann eine solche gespannte Situation aufgrund verschiedener Indizien angenommen werden, die auf Aufstände und Widerstandsbewègungen hindeuten".

Das von den Evangelien vermittelte Bild weist eindeutig darauf hin, daß sich Jesus mit seiner Botschaft von der anbrechenden Gottesherrschaft der Bevölkerung in den Dörfern zuwandte, die Städte dagegen mied. Stellt man die genannten sozialen und kulturellen Differenzen sowie die zwischen Stadt und Land bestehenden politischen Spannungen in Rechnung, so kann diese Ausrichtung als eine bewußte Entscheidung Jesu interpretiert werden, sich in demjenigen Umfeld zu bewegen, aus dem er selbst stammte und dessen Menschen er darum auch als die Adressaten seiner Botschaft betrachtete". Dabei kann auch die Herrschaft des Antipas eine Rolle gespielt haben, die Jesus bereits durch die Inhaftierung und Ent-

94

Zu Sepphoris vgl. SCHÜRER, History, II, 172-176; MEYERS, Roman Sepphoris; MEYERS/MEYERS, Sepphoris; STRANGE, Sepphoris; REED, Archaeology, 108-136. Einen Uberblick über die Ausgrabungskampagnen von 1983-1989 gibt STRANGE, Six Campaigns.

95

Josephus, Ant. 18,37f. Vit. 37: βουληθέντος αύτοϋ (sc. Ήρώδου) την Σεπφωριτών πόλιν τ η Τιβεριέων ύπακούειν. Vgl. etwa Josephus, Vit. 346; vgl. Bell. II 252: πόλεις συν ταΐς τοπαρχίαις. Vgl. auch die Wendung αί κώμαι Καισαρείας της Φιλίππου in Mk 8,27. Vgl. THEISSEN/MERZ, Jesus, 166f. A m Rande sei vermerkt, daß dieser Befund gegen die in der Jesusforschung gelegentlich wieder bemühte Analogie zu den Kynikern spricht. Selbst wenn man hier Ähnlichkeiten (etwa im bedürfnislosen Auftreten der Wandermissionare) feststellen kann, so ist doch das geistig-kulturelle Umfeld deutlich verschieden: Die kynische Bewegung ist auf die Städte konzentriert, die von Jesus initiierte Mission meidet diese dagegen gerade - mit der (erklärbaren) Ausnahme von Jerusalem. Vgl. auch RHODES EDDY, Jesus as Diogenes?, 463-467.

%

97

98 99

198

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hauptung des Täufers als Gefährdung begegnet war100. Die Annahme eines Auftretens Jesu in Sepphoris muß deshalb als eine unwahrscheinliche historische Hypothese bezeichnet werden. Wesentlich plausibler ist dagegen, daß das von den Evangelien entworfene Bild einer auf die ländlichen Gebiete konzentrierten Wirksamkeit Jesu, das sich durch soziologische Erwägungen sowie die archäologischen Funde in Sepphoris stützen läßt, Anhalt an den tatsächlichen Ereignissen hat. Durch den Befund in Q wird dies wiederum unterstützt. Sepphoris und Tiberias werden auch hier nicht erwähnt, über das in Mk Genannte treten dagegen die Orte Chorazin und Betsaida in den Blick (Lk 10,13/ Mt 10,21). Auch bei diesen handelt es sich um Dörfer in der Nähe des galiläischen Sees, die das an Mk gewonnene Bild einer Konzentration der geographischen Perspektive auf diese Gegend bestätigen 101 . Auch diese Beobachtung weist somit darauf hin, daß sich aus den Evangelien wichtige historische Informationen über den geographischen und sozialen Kontext des Auftretens Jesu entnehmen lassen. Auch hier wäre es fragwürdig, einen solchen Kontext zu negieren oder ihn unabhängig von diesen literarischen Zeugnissen zu entwerfen. 3) Eine letzte hier zu nennende Facette des mk Berichtes ist die Schilderung von drei Reisen, die Jesus in die angrenzenden Gebiete - das Land der Gerasener, die Gegend von Tyros, Sidon und die Dekapolis sowie die Dörfer von Cäsarea Philippi - unternimmt. Diese Berichte wurden in redaktionsgeschichtlich ausgerichteten Deutungen als Vorzeichen der späteren Heidenmission interpretiert, die Mk für seine eigene Zeit voraussetze und auf diese Weise mit dem Wirken Jesu verknüpfe102. In neuerer Zeit wurde dagegen danach gefragt, wie sich diese Berichte in historischer Perspektive verstehen lassen, was sie also über das Wirken Jesu selbst zu er-

100

In diesem Sinn erklären FREYNE und REED Jesu Vermeidung des Kontaktes mit Sepphoris. Vgl. FREYNE, Galilee, Jesus and the Gospels, 139f.; REED, Archaeology, 137f.

101

Während C h o r a z i n im Gebiet des Antipas lag, gehörte Betsaida zur Tetrarchie des Philippus und wurde von diesem in Julias umbenannt und in den Rang einer πόλις erhoben (Josephus, A n t . X V I I I 28, vgl. Bell. II 1 6 8 ) . Dies könnte jedoch z u m einen erst nach der Wirksamkeit Jesu geschehen sein, zum anderen dürfte es sich auch dann nicht um eine grundlegende Veränderung des Charakters dieses O r t e s

gehandelt

haben. 102

So ζ. B. LANG, „Sidon", bes. 1 5 5 - 1 5 9 , der in dem Komplex M k 7 , 2 4 - 8 , 9 das T h e m a „Anteil der Heiden am Heil" aus drei verschiedenen Perspektiven behandelt sieht ohne allerdings dem Verfasser deshalb Unkenntnis der geographischen Gegebenheiten zu unterstellen.

Von der Historizität der Evangelien

199

k e n n e n g e b e n 1 0 3 . D i e s e F r a g e r i c h t u n g ist d e m M k E v deshalb a n g e m e s s e n , weil in d i e s e m die e r z ä h l t e Z e i t v o n der eigenen u n t e r s c h i e d e n u n d e r s t in dieser U n t e r s c h e i d u n g v o n V e r g a n g e n h e i t

und Gegenwart

relevant

wird 1 0 4 . N i m m t m a n die T e x t e aus h i s t o r i s c h e r P e r s p e k t i v e in d e n Blick, s o stellt sich z u n ä c h s t die F r a g e n a c h der g e o g r a p h i s c h e n Plausibilität der Reisen J e s u . Ein erstes Problem stellt die Wendung ή χώρα των Γερασενών in 5,1 dar, denn das zur Dekapolis gehörige Gebiet von Gerasa grenzte nicht an den See, sondern war ein beträchtliches Stück von diesem entfernt 105 . Textkritisch wird sich die Schwierigkeit kaum befriedigend lösen lassen, denn die Varianten Γαδαρηνών (so auch Mt 8,28) und Γεργεσηνών (möglicherweise handelt es sich dabei um den Ort Kurse) stellen bereits Lösungsversuche des Problems dar. Andere Möglichkeiten bestehen deshalb darin, mit einer geographischen Unkorrektheit seitens Mk zu rechnen oder den Ausdruck χώρα των Γερασηνών auf die Dekapolis insgesamt zu beziehen 106 . Auffällig ist freilich, daß gar nicht von dem zu Gerasa gehörigen Gebiet (δρια), sondern von einer χώρα der Gerasener die Rede ist. Diese Bezeichnung steht somit im Gegensatz zu 7,24 (τά ορια Τύρου; vgl. 7,31); 7,31 (τά όρια Δεκαπόλεως) sowie 8,27 (at κώμαι Καισαρείας της Φιλίππου). Der Terminus χώρα wird zudem in 6,55 zur Bezeichnung der Landschaft Γεννησαρέτ (Γεννησάρ) verwendet, die sich am Nordwestufer des gleichnamigen Sees zwischen Tiberias und Kafarnaum erstreckt 107 . Geht man von diesem Gebrauch von χώρα im Unterschied zu δρια aus, dann besteht eine weitere Möglichkeit darin, daß Mk von einem Gebiet am Ostufer des Sees weiß, das im Besitz der Gerasener war, jedoch nicht innerhalb des zu Gerasa gehörigen Gebietes lag108. D i e g e o g r a p h i s c h e A n g a b e in M k 5,1 bleibt also s c h w i e r i g , sie s p r i c h t jed o c h n i c h t n o t w e n d i g gegen U n k e n n t n i s d e r t a t s ä c h l i c h e n V e r h ä l t n i s s e seitens des V e r f a s s e r s . Vgl. SCHMELLER, Jesus im Umland Galiläas. SCHMELLER wendet deshalb zu Recht gegen eine rein redaktionsgeschichtliche Deutung ein: „Die Vergangenheit muß m. E. für ihn [sc: Mk, J. S.] und seine Gemeinde(n) enger mit der Gegenwart verknüpft gewesen sein als allein über die theologische Frage der Einbeziehung von Heiden in das von Christus gebrachte Heil" (a. a. O., 53). 105 Vgl. MCRAY, Gerasenes; BIETENHARD, Dekapolis. 103

104

106

S o SCHMELLER, a. a. O . , 4 6 , in A n l e h n u n g an LÜHRMANN u n d T H E I S S E N . R i c h t i g i s t ,

daß Gerasa, wie aus 5,20 hervorgeht, für Mk der Ort ist, von dem aus sich die Kunde vom Wirken Jesu in der ganzen Dekapolis verbreitet. Ein Problem dieser Lösung besteht freilich darin, daß Mk nicht einfach irgendeinen Ort der Dekapolis zur Orientierung wählt, sondern die Heilung des Besessenen direkt am Ostufer des Sees lokalisiert (5,2). Gerasa ist jedoch als generelle Bezeichnung für das Gebiet östlich des Sees ansonsten nicht belegt. 107 Eine Beschreibung dieser Gegend gibt Josephus, Bell. III 516-521. 108 So BREYTENBACH, Mark and Galilee, 79. Auch dies ist freilich außerhalb von Mk nicht bezeugt und muß deshalb hypothetisch bleiben.

200

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Ein weiteres Problem stellt die in 7,31 beschriebene Reiseroute dar: Jesus geht aus dem Gebiet von Tyros über Sidon an den galiläischen See άνά μέσον των ορίων Δεκαπόλεως. Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß es sich hierbei nicht um die Beschreibung eines tatsächlichen Reiseweges Jesu handelt. M k beschreibt mit dieser Route vielmehr die nördliche Ausdehnung des Wirkens Jesu. Dies bedeutet freilich nicht notwendig, daß es sich um eine geographische Unmöglichkeit handelt 109 . Mit τά όρια Τύρου und Σιδών beschreibt Mk das Gebiet nordwestlich von Galiläa110. Die Wendung άνά μέσον των ορίων Δεκαπόλεως kann „mitten im" oder „mitten ins Gebiet der Dekapolis" bedeuten. Schwieriger wäre es dagegen, sie als Wegbeschreibung aufzufassen, also im Sinne von „mitten durch das Gebiet der Dekapolis"111. Im ersten Fall würde es sich um eine Lokalangabe handeln, die sich auf θάλασσα της Γαλιλαίας bezieht. Dies wäre in der Tat wenig sinnvoll, da der See zwar im Osten an die Dekapolis grenzte, auf keinen Fall aber „mitten in der Dekapolis" lag. Im zweiten Fall wäre es daVon einer solchen geht SCHWEIZER aus. Zur Illustration führt er an, der Weg sei einer Wanderung vergleichbar „von Darmstadt über Frankfurt nach Mannheim mitten durch das Neckartal". Vgl. DERS. Markus, 82. Vermutlich weil SCHWEIZER schreibt, man müsse sich „die Unmöglichkeit des Reiseweges an einem Beispiel der eigenen Gegend klarmachen", wurde das Beispiel in der Ausgabe des Kommentars für die DDR (Berlin 1981) ersetzt durch: „von Halle an der Saale nach Leipzig über Magdeburg durchs Erzgebirge". 1,0 Vgl. Mt 15,21: τά μέρη Τύρου καίΣιδώνος. 111 So ζ. Β. LÜHRMANN, Markusevangelium, 131, obwohl er im Kommentar dann schreibt, Jesus gehe „an den See von Galiläa zurück, wenn auch mitten in der Dekapolis" (132, gemeint ist offenbar: „mitten in die Dekapolis", da diese LÜHRMANN zufolge Schauplatz der folgenden Erzählung ist). Die von LANG rekonstruierte Reiseroute führt Jesus ebenfalls durch das Gebiet der Dekapolis, obwohl er Mk 7,31 mit „mitten ins Gebiet der Dekapolis" übersetzt. Auch SCHWEIZERS Illustration der mk Jesusreise mit Beispielen aus west- und ostdeutschen Gegenden basiert auf der Übersetzung „mitten hindurch durch das Gebiet der Dekapolis" (was nebenbei bemerkt so abwegig nicht wäre, wie er meint). Die dabei vorausgesetzte Deutung von άνά μέσον ist jedoch fragwürdig. Zum einen liegt es syntaktisch näher, die Lokalangabe άνά μέσον των όρίων Δεκαπόλεως zu dem mit εις eingeleiteten Satzteil zu rechnen und nicht zu διά Σιδώνος. Zum anderen kann die Präposition άνά zwar im Sinn von „durch/hindurch" gebraucht werden (etwa in der Wendung άνά χρόνον), das zusammengesetzte Adverb άνά μέσον bezeichnet jedoch stets das/den inmitten von etwas Befindliche (n), ebenso wie das davon abgeleitete Adjektiv άνάμεσος. Vgl. MAYSER, Grammatik, 1/3, 206; II/2, 403. Da man kaum annehmen wird, Mk wolle an dieser Stelle plötzlich Auskunft darüber geben, wo sich der (zuvor schon häufig erwähnte) See Galiläas befindet (dessen Lage er dann zudem unkorrekt beschreiben würde), bleibt als nächstliegende Möglichkeit, daß es sich um eine Angabe handelt, die das mit είς τήν •θάλασσαν της Γαλιλαίας beschriebene Ziel der Reise Jesu näher erläutert. Dann wäre zu übersetzen: „an den See Galiläas, (und zwar) in die Dekapolis", also an dessen Ostufer. Eine treffendere Analogie als die bei SCHWEIZER genannten wäre darum: „von Basel über Straßburg an den Bodensee, (und zwar) in die Schweiz".

109

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201

gegen eine Angabe des Ziels, an welches Jesus am Ende seiner Reise gelangt112. Diese geographische Angabe ist nun nicht sonderlich problematisch. Auch wenn bereits Plinius d. Ä. bemerkt, daß bezüglich der Zugehörigkeit der Städte zur Dekapolis einige Unsicherheiten bestehen"3, enthält die von ihm genannte Liste ausschließlich Städte östlich des Jordans, die - abgesehen von Damaskus, das einen gewissen Sonderfall darstellt114 auch ein zusammenhängendes Gebiet bilden. Dazu gehörten auf jeden Fall auch diejenigen Städte, deren Gebiet an das Ostufer des galiläischen Sees grenzte (nämlich Hippos und Gadara). Daß Mk die Reise Jesu also άνά μέσον των όρίων Δεκαπόλεως enden läßt, ist verständlich, wenn mit τά δρια Δεκαπόλεως das Gebiet östlich des Sees bezeichnet ist.

Die von Mk entworfene Reiseroute ist somit nicht so absurd, wie mitunter angenommen. Er steckt mit den genannten Gebieten vielmehr auf summarische Weise den geographischen Horizont der Wirksamkeit Jesu außerhalb Galiläas ab, indem er mit Tyros und Sidon das nordnordwestlich gelegene Gebiet bezeichnet und Jesus sodann wieder (vgl. 5,1) in das Gebiet östlich vom See gehen läßt. Die geographischen Angaben der Jesusreisen im MkEv sind somit weder Indizien für eine Unkenntnis des Verfassers noch lassen sie sich als exakte Reisebeschreibungen verstehen. Mit ihnen werden vielmehr summarisch diejenigen Gebiete bezeichnet, in denen Jesus außerhalb von Galiläa gewirkt hat. Inhaltlich sollte in dieser geographischen Erweiterung des Wirkungsgebietes nicht zu schnell ein ausschließlich redaktionelles Interesse an der Legitimation der Heidenmission gesehen werden. Heidenmission ist bei Mk kein Thema der Wirksamkeit Jesu in Galiläa und den angrenzenden Gegenden. Bei den genannten Texten handelt es sich vielmehr zunächst einmal um ein Aufsuchen von Gebieten, die nicht zum jüdischen Kernland gehörten. Dabei wird niemals gesagt, daß Jesus sich mit seiner Verkündigung oder seinem heilenden Wirken an Heiden wandte, sondern nur, daß er auf heidnischem Gebiet wirkte. Die Erzählung von der syrophönizischen Frau in 7,24-30 bestätigt dieses Bild. Zum einen ist es die Frau, die sich ihrerseits an Jesus wendet, zum anderen werden sowohl ihr Ersuchen, von Jesus Hilfe für ihre Tochter zu erhalten, als auch die schließlich erfolgende Heilung dezidiert als ein nicht vorgesehener AusZu Recht betont SCHMELLER, Jesus im Umland Galiläas, 47, Anm. 21, deshalb, daß der „Bedeutungsunterschied [ . . . ] nicht unerheblich" sei, da sich die zweite Variante „mit der historisch-geographischen Situation leichter vereinbar" lasse. 113 Hist. nat. V 16,74: Iungitur ei latere Syriae Decapolitana regio, a numero oppidorum, in quo non omnes eadem observant... 114 Damaskus ist möglicherweise erst später (evtl. unter Nero) der Dekapolis zugewiesen worden. Vgl. BIETENHARD, Dekapolis, 226. Anders LANG, „Sidon", 148-150, der dafür optiert, daß Damaskus als „Vorort und Modell der anderen der Städte dieses Bundes von Anfang an [also seit Pompejus, J. S.] und konstitutiv dazugehörte." 112

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nahmefall geschildert, bei dem die Rangordnung zwischen den Kindern Israels als den Adressaten von Jesu Wirken und den Heiden auch nicht etwa programmatisch durchbrochen, sondern gerade aufrechterhalten wird115. Daß die Wirksamkeit Jesu in den an Galiläa angrenzenden Gebieten als Aufsuchen der dortigen jüdischen Siedlungen zu verstehen ist, wird dadurch bestätigt, daß sowohl für Tyros und Sidon als auch für die Dekapolis jüdische Bevölkerungsteile nachgewiesen sind116. Ein ungehindertes Reisen zwischen Galiläa und den umliegenden Gebieten läßt sich zudem für die Zeit Jesu wesentlich leichter vorstellen als für diejenige der Abfassung des MkEv, in der das Verhältnis zwischen diesen Gebieten durch die Ereignisse im Vorfeld des jüdischen Krieges überaus gespannt war117. Auch hier gibt die mk Erzählung deutlich zu erkennen, daß sie zwischen der eigenen und der erzählten Zeit unterscheidet. Die drei angesprochenen Facetten der mk Erzählung zeigen somit, daß der geographische, religiöse und kulturelle Kontext, in den das Wirken Jesu gestellt wird, für die Interpretation der mk Erzählung von entscheidender Bedeutung ist. Er ist darüber hinaus auch in historischer Hinsicht eminent wichtig und nicht als sekundär geschaffener „Rahmen" ohne Anhalt an den berichteten Ereignissen zu betrachten. Die - zweifellos richtige - Einsicht, daß der literarische Kontext des Wirkens Jesu ein Produkt des Verfassers des MkEv ist, besagt, daß die Darstellung des Verlaufs der Wirksamkeit Jesu sowie etliche Deutungen von Einzelereignissen in einer historisch-kritischen Konstruktion nicht einfach wiederholt werden könDie Q-Erzählung vom Hauptmann zu Kafarnaum stellt eine Analogie zu dieser Episode dar. Auch in dieser geht es um den Glauben eines Heiden, der hier zusätzlich in Gegensatz zu demjenigen steht, den Jesus in Israel gefunden hat. Auch dabei geht es nicht um Heidenmission, sondern um die erstaunliche Tatsache des Zutrauens, das Nicht-Israeliten zu Jesus haben. Josephus schildert in Bell. II 466-480 Auseinandersetzungen zwischen Juden und der fremdstämmigen Bevölkerung der umliegenden Gebiete im Vorfeld des jüdischen Krieges und erwähnt dabei auch die dortigen jüdischen Bevölkerungsteile. Epigraphisch sind Juden für Tyros auf C I J II 879 und 880 belegt, auf C I J 991 zudem άρχισυνάγωγοι für Sidon und Tyros. Vgl. des weiteren die Hinweise bei SCHMELLER, Jesus im Umland Galiläas, 57f. FREYNE, Archaeology and the Historical Jesus, 169f., weist zudem darauf hin, daß die Funde jüdischer Haushaltsgegenstände für einen regen Handel zwischen dem galiläischen Kefar Hanania und den umliegenden (jüdischen und nicht-jüdischen) Städten sprechen. Möglicherweise läßt sich die Erwähnung von Produkten aus Kefar Hanania und Shikhin in der rabbinischen Literatur zudem als Indiz für "halachic concerns of some of the inhabitants of these places" (a. a. O., 170) interpretieren. 117 Hierauf verweist auch FREYNE, Jesus and the Urban Culture, 187f. 115

203

Von der Historizität der Evangelien

nen. Andererseits sind in der mk Erzählung zahlreiche historische Details über den geographischen, kulturellen und religiösen Kontext des Wirkens Jesu verarbeitet, die ohne diesen nicht erkennbar wären118. Diese Informationen stellen somit unverzichtbare Anhaltspunkte für eine historische Konstruktion der Person Jesu dar. Weiter ist festzuhalten, daß die von E R N S T L O H M E Y E R vorgetragene und danach verschiedentlich ausgebaute119 Sicht eines mit den Namen Galiläa und Jerusalem verbundenen theologischen Deutungsmusters insofern einer Modifizierung bedarf, als die historische Perspektive dabei unterbelichtet bleibt. Mk erzählt die Geschichte Jesu als eine solche, die sich einige Jahrzehnte zuvor zugetragen hat, er unterscheidet also bewußt zwischen seiner eigenen und der erzählten Zeit, was für den historischen Charakter seiner Erzählung von Bedeutung ist120. Die Orte haben nicht nur symbolische Bedeutung, sondern lokalisieren die Wirksamkeit Jesu dort, wo sie sich tatsächlich zugetragen hat. Dabei werden konkrete Umstände seines Wirkens aufgegriffen, die dann freilich transparent für die eigene Zeit gemacht werden. Die Diastase Jerusalem - Galiläa ist darum ebenso verkürzend wie diejenige von Juden und Heiden. Diese Dimension der mk Jesuserzählung ist zu beachten, um sie als eine historische Erzählung zu interpretieren.

4. Die Evangelien als historische Jesuserzählungen und die Jesuserzählung als historische Aufgabe Ausgangspunkt der hier angestellten Überlegungen war die Beobachtung, daß die gegenwärtige Forschung zu Recht den historischen Charakter der Jesusfrage herausgestellt hat. Dies führt zu einer gegenüber früheren Phasen veränderten Perspektive auf die Evangelien. Wurden diese in der historisch-kritischen Jesusforschung häufig als Glaubenszeugnisse betrachtet, die für eine historische Konstruktion des Wirkens Jesu allenfalls 118

Die hier vorgestellten Überlegungen haben sich am MkEv als der ältesten narrativen Verarbeitung des Wirkens Jesu orientiert. Damit ist nicht gesagt, daß sich aus den anderen Erzählungen nicht ebenfalls historische Erkenntnisse gewinnen ließen. Dies wäre Gegenstand weiterer Untersuchungen.

' " V g l . LOHMEYER, Galiläa und Jerusalem; MARXSEN, Evangelist; 9 6 - 1 1 6 ; STRUTHERS MALBON, Galilee and Jerusalem. 120

KELBER, Gospel,

Dies hatte ROLOFF bereits in seiner 1970 erschienen Untersuchung dargelegt. Vgl. DERS., Kerygma. Es ist jedoch in der von der Redaktionsgeschichte geprägten Phase weithin ungehört geblieben. Für die gegenwärtige Jesusforschung ist die Verbindung von Erzählung und Geschichte Jesu wieder neu ins Blickfeld zu rücken.

204

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untergeordneten Wert besäßen, so tritt diese, bei DAVID FRIEDRICH STRAUSS z u m ersten Mal begegnende und über RUDOLF BULTMANN bis in

die gegenwärtige Jesusforschung wirkende Beurteilung nunmehr in den Hintergrund. Die Alternative liegt jedoch nicht in der Rückkehr zu einer unreflektierten Identifizierung von Erzählung und Wirklichkeit, wie sie für die liberale Jesusforschung des 19. Jahrhunderts kennzeichnend war. Zentral für die gegenwärtige Jesusforschung ist vielmehr die geschichtsmethodologische Einsicht, daß jede Aneignung der Vergangenheit auf einer Verbindung von Ereignis und Erzählung beruht. Die bleibend gültigen Einsichten in den fiktionalen Charakter der Evangelien, die durch STRAUSS u n d KARL LUDWIG SCHMIDT herausgearbeitet wurden, entwer-

ten diese dann nicht als historische Jesuserzählungen. Es wird vielmehr deutlich, daß es sich um Erzählungen handelt, die auf einer Verbindung von historischer Erinnerung und Mythos basieren, in denen die Ereignisse also weder völlig hinter dem deutenden Mythos verschwinden noch so zurückzugewinnen sind, wie sie sich einst tatsächlich zugetragen haben121. Weiterführend in der gegenwärtigen Jesusforschung ist deshalb die Einsicht in den Charakter von Geschichte als Konstruktion, die auf Geschichtsdarstellungen generell und auf die Evangelien als antike religiöse Biographien, basierend auf israelitisch-jüdischen Glaubensüberzeugungen, in spezifischer Weise zutrifft. Deren Bezug auf die zugrundeliegenden Ereignisse ist deshalb mit einem geschichtsmethodologisch qualifizierten Begriff von „Erinnerung" zu erfassen, der Geschehen und deutende Kategorien - konkret: die Ereignisse um die Person Jesu und religiöse Uberzeugungen und Erwartungen des Judentums - miteinander verbindet. Eine Orientierung der historischen Jesusfrage an der Wortüberlieferung, die dann sekundär in einen unabhängig davon konstruierten „zeitgeschichtlichen Rahmen" gestellt wird, ist demgegenüber methodisch und historisch unbefriedigend. Dieses, von der Formgeschichte entwickelte „Perikopen-Modell" vernachlässigt das erzählerische Profil der Evangelien, indem es den Eindruck erweckt, es ließe sich zwischen einem „Rahmen" und einer hiervon abstrahierten „Verkündigung Jesu" unterscheiden, wobei die in dem „Rahmen" vorkommenden Lokal- und Zeitangaben

121

THEISSEN spricht in einer dem hier vertretenen Ansatz vergleichbaren Weise von einer Einheit von Geschichte und Mythos im Urchristentum, die nicht zugunsten einer Seite aufgelöst werden dürfe. Vgl. DERS., Die Religion der ersten Christen, 4 7 - 7 0 . Anders als THEISSEN würde ich jedoch von einer Einheit von Mythos und Ereignis bzw. Vergangenheit sprechen, da Geschichte immer schon einen Entwurf darstellt, der auf einer solchen Verbindung beruht. In vergleichbarer Weise sprechen MOXTER von Ereignis und Erzählung (vgl. seinen Beitrag in diesem Band) und GOERTZ in Anlehnung an FOUCAULT von Diskurs und Realität. Vgl. DERS., Unsichere Geschichte, 5 3 - 8 2 .

V o n der Historizität der Evangelien

205

sekundär und historisch unergiebig seien. Die Worte Jesu stellen jedoch nicht anders als seine Heilungen, seine Installation eines Kreises von Nachfolgern sein Auftreten in den Synagogen Galiläas, seine Reisen in die angrenzenden Gebiete und seine Konflikte mit Gegnern - Bestandteile seines Wirkens dar, das sich in einer bestimmten Zeit an bestimmten Orten abgespielt hat, die in den Evangelien bewahrt wurden. Eine historische Konstruktion hat diese deshalb ernst zu nehmen, denn sie stellen diejenigen Informationen dar, auf deren Grundlage ein Bild der Person Jesu zu erstellen ist. Auf diese Weise kann dann auch historisch plausibel gemacht werden, wie es zur Auffassung, Jesus sei der Gesalbte Gottes, kommen konnte, womit die seit W R E D E in der Jesusforschung gelegentlich auftauchende These eines „unmessianischen" Charakters des Wirkens Jesu vermieden wird. Die Entstehung der Evangelien als historischer Jesuserzählungen, die auf dieser Auffassung basieren, wird so verständlich, sie können als solche für gegenwärtige Konstruktionen des Wirkens Jesu herangezogen werden. Die Streiflichter des zweiten Teils haben in diesem Sinn gezeigt, daß die mk Erzählung die Person Jesu so repräsentiert, daß dabei Vergangenheit aus einer bestimmten Perspektive beleuchtet wird. Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß diese Repräsentation nicht einfach mit der Vergangenheit identisch ist. Dies wir schon dadurch deutlich, daß der Erzählverlauf von Mk selbst entworfen wurde, daß viele der berichteten Ereignisse im Licht atl.-jüdischer Uberlieferungen gedeutet werden, daß schließlich auf literarische Gattungen - etwa bei den Chrien und den Heilungserzählungen - zurückgegriffen wird, mit deren Hilfe paradigmatische Szenen entworfen werden. Auf der anderen Seite haben die angeführten Beispiele gezeigt, daß das MkEv eine historische Erzählung darstellt, die auf einer Verbindung von Ereignis und Erzählung basiert. Eine Auflösung dieser Verbindung hätte zur Folge, daß der historische Wert der Erzählung nicht mehr wahrgenommen und diese zu einem unhistorischen „Mythos" erklärt würde. Eine solche Auflösung hätte auch zur Folge, daß eine Jesusdarstellung von den Quellen abgelöst würde, die nicht mehr als historische Zeugnisse interpretiert, sondern für von diesen unabhängige Deutungen herangezogen würden. Stellt jedoch jede historische Konstruktion eine Verbindung von Ereignis und Erzählung dar, auch eine solche, die unter den Bedingungen des historisch-kritischen Bewußtseins verfaßt wird, dann kann auch eine gegenwärtige Jesusdarstellung die narrativen Repräsentationen der Person Jesu in den Evangelien nicht einfach beiseite stellen. Sie hat sich stattdessen an diesen zu orientieren und sie unter heutigen Erkenntnisbedingungen neu zusammenzusetzen. Das Ergebnis ist nicht der „wirkliche" Jesus hinter den Evangelien. Das Ergebnis

206

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ist eine historische Konstruktion, die den Anspruch erhebt, unter gegenwärtigen Erkenntnisbedingungen plausibel zu sein.

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Q and the Historical Jesus CHRISTOPHER M . TUCKETT

In a recent essay, J O H N KLOPPENBORG V E R B I N has noted that the last 20-30 years have seen significant and important developments in two areas of study based on the synoptic gospels. One is the resurgence of interest in the study of the historical Jesus, sometimes called the "third quest"; the other is the growth of scholarly interest in the sayings source Q, believed by many to lie behind Matthew and Luke. What is perhaps surprising at first glance, as K L O P P E N B O R G V E R B I N also noted, is that these two areas of study have tended to run parallel to each other but with relatively little sustained thought or critical analysis given to the question of how the two might or should relate to each other. 1 This situation is now changing. Thus in two important recent essays, K L O P P E N B O R G VERBIN himself has addressed many aspects of the question, discussing the key methodological issues and also suggesting some ways in which particular features of Q might bear on study of Jesus. 2 So too several of the papers given at the 2000 Leuven Biblical Colloquium address the broad question in different ways. 3 Others in recent years have also made significant contributions to the discussion of some of the methodological issues involved.4 The present essay is offered then as a small contribution to this on-going discussion of how modern studies of Q can or should bear on study of the historical Jesus. In many respects the key issues have already been fully highlighted in essays, and in relation to most of the broader, methodological issues I am in fundamental agreement with K L O P P E N B O R G . On some details I would differ; but the programmatic nature of his essays makes it appropriate to take his work as the starting point for any KLOPPENBORG'S

1

KLOPPENBORG VERBIN, Discursive Practices, 1 4 9 - 1 5 1 .

KLOPPENBORG, Sayings Gospel Q ; KLOPPENBORG VERBIN, Discursive Practices. 3 See the collected essays in LINDEMANN (ed.), Sayings Source Q . * Cf. e. g. KoscH, Q und Jesus; H O R S L E Y , Q and Jesus; above all S C H R Ö T E R , Erinnerung; Markus, Q und der historische Jesus 2

214

Christopher M. Tuckett

further discussion. In the present essay I therefore take his work as my main "conversation partner".5 Perhaps the first - and to many obvious - point to make is that study of Q is not to be identified with study of Jesus. That the two may not be totally unrelated to each other is of course equally obvious. Certainly in its origins, the study of Q in particular, and of the Synoptic Problem more generally, was very closely connected with the quest for the historical Jesus.6 By isolating and identifying the earlier sources in the tradition, many had as their aim the recovery of the historical Jesus, and moreover thought that such recovery had been all but achieved with the results of their source-critical analyses.7 Yet, as KLOPPENBORG has shown very clearly, study of Q within the last 30 to 40 years has proceeded in a rather different direction. For those persuaded that Q did exist in some shape or form,8 the dominant question among Q scholars has been not so much "what does Q tell us about Jesus?", but rather "what does Q tell us about those who preserved this body of tradition and handed it on?". In the (probably over-schematised) history of synoptic research often proposed, the source criticism of the 19th to the early 20th centuries gave way to the form criticism of the 1920s which in turn gave way to the "redaction" criticism of the period after World War II. And it is in the general area of (so-called) "redaction"-criticism that virtually all contemporary Q studies are to be located. Ever since the publication of D I E T E R LÜHRMANN'S Die Redaktion der Logienquelle in 1969 (but probably also going back to H. E. T Ö D T ' S 1959 study of the Son of Man tradition in the gospels),9 the focus of attention in Q studies has been on what we might be able to say about the distinctive and/or characteristic features of the Q tradition and what these might tell us about the "group" or "community" which preserved this tradition and handed it on. In this sense, therefore, modern Q study is exactly on a par with so much contemporary study of the gospel of Mark which seeks to identify and clarify particular features of the Markan presentation of Jesus. As KLOPPENBORG says, "the 'Jesus' of Q has the same status as the 5

' 7

8

'

And if the present essay inevitably focuses on points where I have disagreed with KLOPPENBORG, it should not disguise my deep appreciation for, and indebtedness to, his work. See especially LÜHRMANN, Logienquelle, 191-192. Cf. the use of Mark by HOLTZMANN, the use of Q by HARNACK or T. W . MANSON, or of Proto-Luke by STREETER or V. TAYLOR. Although I know that the existence of Q is debated by some, I assume its existence in the rest of this essay. F o r discussion of the theory of Q's existence, see TUCKETT, Q and the History, ch. 1; also KLOPPENBORG VERBIN, Excavating Q, ch. 1. LÜHRMANN, Redaktion; TÖDT, Menschensohn.

215

Q and the Historical Jesus

'Jesus' of Mark".10 No one today in the post-Wrede situation would assume without discussion that a simple equation can ipso facto be made between Mark's Jesus and the historical Jesus." So equally one cannot simply equate the Jesus of Q with the historical Jesus. Nor have any recent comprehensive studies of Q attempted to make such a simple equation without remainder. Thus KLOPPENBORG, referring to the large number of recent Q studies of Q, says (in my view rightly) "In these volumes there is practically nothing said about the historical Jesus. They attend to the reconstruction of various aspects of Q and the Jesus movement; they

are neither overtly nor covertly about Jesus."12

Further, it is almost certain that, as is the case with the other evangelists, Q has imposed at least an element of interpretation on the Jesus tradition it has received. It does indeed seem meaningful and sensible to speak of a "Q theology" in some shape or form. Thus a Q-editor has imposed specific ideas on to the tradition which then makes the attempt to get back from Q to Jesus at least a genuine problem. All this means that we cannot simply follow the approach of e. g. HARNACK in the past, or (if I have understood him correctly) J O H N M E I E R in the present, in regarding Q as an unmixed and un-"contaminated" source of sayings for the historical Jesus.13 If we seek to use Q in any reconstruction of Jesus we have to take full account of at least the possibility that Q has adapted and redacted the tradition no less than Mark or the other evangelists, so that Q is "a document whose editorial features must be noted and weighed before blithely ascribing its contents to Jesus. Clearly elements of Q redaction cannot be employed in a reconstruction of the historical Jesus." 14

The second main point to make is that in study of the historical Jesus, no one single source can or should necessarily be privileged in seeking eviKLOPPENBORG VERBIN, Discursive Practices, 161f. " This is not to say that in many instances a case can be made for such an equation; the point is that all are agreed that the case has to be made and argued. 12 KLOPPENBORG, Sayings Gospel Q, 324 (my stress); cf. too Discursive Practices, 161f. He refers here to studies on Q by a very wide range of people including himself,

10

LÜHRMANN, CATCHPOLE 13

14

HOFFMANN,

SCHULZ,

EDWARDS,

POLAG,

VAAGE,

SATO,

JACOBSON,

and myself.

KLOPPENBORG VERBIN, Discursive Practices, 155, 163f., with reference to e. g. the claims of MEIER, Marginal Jew, 2 . 1 7 7 - 1 8 1 , that Q's theology is not discoverable, that its alleged "community" is hypothetical and that Q is a "grab bag", to be mined for authentic material. (Cf. too "Sayings Gospel Q", 326 n. 85.) KLOPPENBORG, Sayings Gospel Q, 326.

216

Christopher M. Tuckett

dence for Jesus. In relation to the present discussion, one must therefore avoid the dangers of becoming too exclusively tied to Q in any quest for the historical Jesus; further, one must not lose sight of both the provisional nature of our knowledge as well as its limited extent. I am assuming here that the theory of the existence of a Q source lying behind Matthew and Luke is indeed well-founded (cf. η. 8 above). But any possible further precision within such a theory, as well as the implications about how Q should relate to other sources for Jesus which we have, are all matters of great dispute about which there is no unanimity and about which there must be great uncertainty. For example, the date of Q is notoriously uncertain. All we can say for certain is that Q must pre-date Matthew and Luke; but that will not help us if we cannot date Matthew and/or Luke precisely. Most would argue that Matthew and Luke are post-70 (cf. Mt 22,7; Lk 21,20). But that hardly helps in dating Q : Q must be pre-post-70! Whether Q itself is pre-70 is debated. 15 Equally the date of Mark is hotly debated. Further, we do not know if Q predates Mark or vice-versa. If we wished to assign dates to all our sources and privilege (in some sense) our earliest sources (as is done in part for example by CROSSAN), then we cannot be sure that Q is our earliest, let alone that it is prior to some arbitrary cut-off date." In any case we should perhaps be wary of placing too much weight on the dates of our literary sources per se. In one (but only one) way, such evidence may be valuable: in relation to sources which are in a literary relationship with each other, relative dates are of course significant with regard to the historical value of the sources. Thus where Matthew and/or Luke are dependent on Mark (if they are), the fact that Matthew/Luke are later than Mark means that we cannot place much weight on Matthew's/Luke's later - and probably redacted - version of the tradition compared with Mark's. This is of course well-known and almost universally respected as a principle. Nobody today would lightly use Mt 16,28 as evidence for the use of the term Son of Man by Jesus when it seems almost certain that the Son of Man reference is due to Matthew's redaction of Mk 9,1 which refers to the Kingdom of God and not to Son of Man.

15

A relatively late, i. e. post-70, date has been proposed by HOFFMANN, Q R und der Menschensohn; also MYLLYKOSKI, Social History of Q. " CROSSAN, Historical Jesus. Cf. CROSSAN'S well-known division of sources into strata with a date of 60 CE as the dividing line between the earliest stratum and the next oldest - with Q included in the earliest stratum: such confidence is simply not possible. Q may or may not be pre-60. But even if it could be established as such, it remains unclear why 60 CE should be regarded as the critical dividing line. Such a dividing line seems somewhat arbitrary.

Q and the Historical J e s u s

217

However, this does not apply in relation to sources that are not literarily related to each other. Assuming that Mark and Q are independent of each other,17 we cannot assume that one of the two is necessarily more reliable in historical terms than the other simply because it is earlier (if we could determine that). Further, the point at which the evidence "comes to light" and is attested for us 2000 years later can often be rather arbitrary and due to chance. In the case of Q we have to remember too that the evidence does not "come to light" in any tangible sense for us before the gospels of Matthew and Luke, and then only indirectly: we have no manuscript evidence of Q ; we only have Q as used by Matthew and Luke.18 We cannot then necessarily privilege Q above other strands of the tradition either on the basis of its date or in terms of any alleged "early" attestation. 19 In turn this means that we can scarcely turn our backs on other parts of the gospel tradition simply because those parts are not in a privileged "in-group" of sources, be they Q alone or Q and Mark. Thus when K L O P P E N B O R G says " F o r t y years of redactional analysis have shown that Matthew and L u k e have significantly reworked their two written sources, M a r k and Q . It is a priori likely that they have done similarly with M and L materials. O f course, M and L may have preserved s o m e authentic traditions. Awareness of the methodological implications of the T w o D o c u m e n t Hypothesis has made increasingly problematic any approach to the historical Jesus that allows the special elements of Matthew or Luke a determinative role," 2 0

some of what he says about "M" and " L " is unquestionable. But the same applies to Mark and Q in turn as well. All of the tradition has probably, or potentially, been reworked and we ignore that possibility at our peril. But conversely, so-called " M " or " L " material will have as little - or as much likelihood of being authentic material from Jesus as (Mark or) Q material. Unless one works with an a priori assumption that all this material is a reThis is probably the m o s t widely held view today, though with s o m e notable dissenters. 18 Even then we should remember that it only fully comes to light for us in the manuscripts of Matthew and Luke, m o s t of which date f r o m a time of 3 0 0 + years after the time of their original writing! " H e n c e contra CROSSAN, who regards attestation in Q as providing earlier attestation than Mark or traditions which appear in Matthew or L u k e alone. C f . t o o FREYNE, Galilean Q u e s t i o n s , 64: "the difficulties with claiming that only the earliest documents can serve as genuine sources in historical reconstruction have been exposed for a long time n o w . "

17

20

KLOPPENBORG VERBIN, Discursive Practices, 152.

218

Christopher M. Tuckett

dactional creation by Matthew/Luke then presumably both evangelists have used other source/sources for (at least some of) this material. And in terms of the date of the attestation in extant sources, such material is as well attested as Q material is! (It first surfaces to our sight in the gospels of Matthew and/or Luke.) Thus whilst few would quarrel with the K L O P P E N B O R G ' S point that M or L material should not maybe have a "determinative" role in reconstructions of the historical Jesus, it would be equally misguided to deny that material a potential role (alongside other material). Thus, for example, C R O S S A N ' S exclusion of this material from his "primary" ( = chronologically earliest) stratum is highly questionable on methodological grounds. We cannot privilege one source against another simply on chronological grounds or on the basis of the accidental "survival" of some sources but not others (bearing in mind too that Q itself has not "survived"!). For example, if we decide that Luke's parable of the Good Samaritan is not a wholesale LkR creation but goes back to an earlier source, then the parable is in one way no worse (or better) attested in terms of the date of extant witnesses than, say, the beatitudes of Q. 2 1 Even when we confine attention to Q and ask about its value as a source for the historical Jesus, there are still some important preliminary questions, in part methodological ones, to be raised and, if not answered, at least held in mind. In particular, there is the question of what exactly we mean by "Q". 2 2 This has at least two aspects to it. First there is the question of the extent of Q . For the most part the issue of the extent of Q is relatively uncontroversial. Q is (almost) "defined" as the material available to Matthew and Luke alone and, for those who would accept the broad parameters of the Q hypothesis, few would deny that Q contained major sections such as the preaching of John the Baptist, the temptation narrative, the Great Sermon, the question of John the Baptist to Jesus and Jesus' extended reply, a version of the mission charge etc. However, there have always been (and probably always will be - or always should be!: see below) debates about the precise limits to be placed around Q. 2 3 In relation to one issue to be discussed later in more detail in this paper, the question is of some importance. For example, 21

22

23

F o r further discussion of CROSSAN and a critique of his rather arbitrary appeal to sources in some documents but not in others, see TUCKETT, Historical Jesus. In almost every article, essay or other contribution I have ever written about Q , I seem to find myself raising the question of what we mean by " Q " and pleading for clarification! However I am totally unpersuaded by the arguments of RODD, Theology of Q , that the extent of Q is so uncertain that it is a hopeless exercise even to try to delineate a theology of Q . See TUCKETT, Search.

Q and the Historical Jesus

219

s h o u l d L k 1 4 , 5 (cf. M t 1 2 , 1 1 ) be r e g a r d e d as Q m a t e r i a l ?

D i d Q have a

v e r s i o n o f t h e d e b a t e a b o u t t h e d o u b l e love c o m m a n d ( L k 1 0 , 2 5 - 2 8 cf. M t 2 2 , 3 4 - 4 0 ) ? In relation t o the question of the attitude t o the Jewish law e v i d e n c e d in Q s u c h q u e s t i o n s c o u l d be o f s o m e i m p o r t a n c e . B o t h issues are h o w e v e r slightly c o n t r o v e r s i a l a m o n g Q scholars today.

( o r at least

debated)

F o r e x a m p l e , L k 1 4 , 5 w a s r e g a r d e d as p a r t o f Q

b y t h e m e m b e r s o f t h e I n t e r n a t i o n a l Q P r o j e c t ( I Q P ) in 1 9 9 1 , b u t is e x cluded f r o m Q

in t h e r e c e n t l y p u b l i s h e d Critical

Edition

of Q.2*

Lk

1 0 , 2 5 - 2 8 w a s n o t i n c l u d e d in Q b y t h e I Q P in 1 9 9 5 , t h o u g h w i t h m o r e u n c e r t a i n t y e x p r e s s e d at t h e t i m e b y HOFFMANN a n d ROBINSON; it is a l s o e x c l u d e d f r o m Q in t h e Critical

Edition

( 2 0 0 ) . Y e t the case f o r including

a v e r s i o n o f t h e s t o r y in Q has always h a d s o m e (albeit m i n o r i t y ) port.25

sup-

Similarly, it has always b e e n d i s p u t e d w h e t h e r t h e s t o r y o f t h e

b a p t i s m o f J e s u s was p a r t o f Q o r n o t . is i n c l u d e d in t h e Critical

Edition

(It was excluded b y the I Q P , but

[18].)

In m a n y c a s e s t h e e x c l u s i o n o r i n c l u s i o n o f o d d v e r s e s m a y n o t m a k e that m u c h difference. critical.

H o w e v e r , in s o m e i n s t a n c e s , t h e issue c o u l d b e

F o r e x a m p l e , t h e issue o f a t t i t u d e s t o t h e L a w m i g h t b e signifi-

c a n t l y a f f e c t e d b y t h e p r e s e n c e o r a b s e n c e o f L k 1 4 , 5 a n d / o r 1 0 , 2 5 - 2 8 in Q;

a n d in r e l a t i o n t o C h r i s t o l o g y , t h e i n t e r p r e t a t i o n o f t h e r e f e r e n c e s t o

J e s u s as " s o n / S o n o f G o d " in t h e t e m p t a t i o n n a r r a t i v e m i g h t b e a f f e c t e d

24

ROBINSON et al., Critical Edition, 426. - It would be a shame if the recent publication of a volume entitled The Critical Edition of Q were felt to foreclose discussion of such issues. This volume represents the distilled views of three of the main leaders of the I Q P , whose results in work devoted to trying to reconstruct the wording of Q were previously published in JBL. As such the volume represents a tremendous achievement and is immensely valuable. Yet, at the end of the day, it can do no more than represent one view among others; and even the three main editors themselves are not always in agreement, either with themselves or with their earlier views; equally the volume does not always agree with the earlier decisions of the I Q P . (All the changes are noted in NEIRYNCK, Reconstruction.) This is not intended as a criticism. The nature of the evidence is such that there will always be disagreement between scholars; equally it is entirely legitimate - and indeed laudable - that people should change their minds on particular issues: is one not allowed the chance to ponder and reconsider? All this means however that any "results" presented in a volume such as this, purporting to present the contents of Q , can be at best provisional. N o r can any "results" claimed here have any special status necessarily in relation to different decisions, as if the burden of proof must lie with those who take a slightly different view of the situation. At most a volume such as this can only claim to be "A Critical Edition"!

25

See my Q and the History, 416 with other literature cited. There are a number of agreements of Matthew and Luke against Mark which makes it at least plausible to think of a Mark-Q overlap here.

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by whether or not that story follows immediately on a baptism story where Jesus has been declared to be God's Son by G o d himself. The second methodological issue to do with what we mean by " Q " concerns the possible existence of "layers" or "strata" within Q . As is well known, it has been a feature of much (but not all!) recent Q study to argue that Q underwent a process of development with two or three stages in that development identifiable. KLOPPENBORG'S theories in this respect have been widely acclaimed and followed by many. 26 According to this general theory, a first "stratum" of Q ( Q 1 ) was characterised by "sapiential" material with little polemic evident; at a later stage, this Q 1 material was expanded by more "prophetic" material into a " Q 2 " stratum, with the more polemical material and threats of judgement against "this generation" and references to the violence suffered by the prophets in the past. Finally at a " Q 3 " stage, a few later additions were made, including the temptation narrative and perhaps some more Law-centred features (cf. Q 11,42c; 16,17). 27 This is not the place to debate the details, or the legitimacy, of the stratigraphical model proposed by KLOPPENBORG. Others (including myself) have questioned many of its details. I myself would argue that it is probably too optimistic in being able to identify so precisely the development of Q as a literary whole. 28 Thus whilst I believe it is very likely that individual Q traditions or sections underwent a (possibly highly complex) history of development (e. g. Q 7,18-35), it may be less certain whether we can correlate many such developments across several Q traditions and claim that Q itself underwent such a clear, well-defined development. I have argued elsewhere (and am still not persuaded otherwise) that we should reserve the siglum " Q " for the "final" form of the "text" (bearing in mind of course that we do not have the text extant!), i. e. for that stage in the development of the Q tradition as it was used by Matthew and Luke. 2 9 In terms of the KLOPPENBORG model this might mean that " Q " should really be seen as " Q 3 " (and not then " Q 2 " ) !

26 17 28

29

Cf. his (by now classic) analysis of Q : KLOPPENBORG, Formation. For the latter, see KLOPPENBORG, N o m o s and Ethos. See my Q and the History, 70-75; also my Stratification of Q ; also HOFFMANN, Mutmaßungen; SCHRÖTER, Jesus, 103-117. Others have proposed rather different models for the growth of Q : cf. JACOBSON, First Gospel; SATO, Q und Prophetie; ALLISON, The Jesus Tradition in Q . Q and the History, 75-82. (I am fully aware that this in turn may beg a number of questions, e. g. whether Matthew and Luke had the same form of Q available to them.)

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How far all this should bear (or does bear: the two are not the same!) on study of the historical Jesus is however another issue. KLOPPENBORG himself has argued vehemently on many occasions that stratigraphical analyses of Q and study of the historical Jesus are not necessarily related at all. He has himself often referred to his own formulation in his 1987 book The Formation of Q : " T o say that the wisdom components were formative for Q and that the prophetic judgment oracles and apophthegms describing Jesus' conflict with "this generation" are secondary is not to imply anything about the ultimate tradition-historical provenance of any of these sayings. It is indeed possible, indeed probable, that some of the materials from the secondary compositional phase [ = " Q 2 " ] are dominical or at least very old, and that some of the formative elements [ = " Q 1 " ] are, from the standpoint of authenticity or tradition-history, relatively young. Tradition history is not convertible with literary history and it is the latter we are treating here." 30

So too KLOPPENBORG has responded very robustly to those who have assumed that his stratigraphical model can be applied to study of the historical Jesus too simplistically, as if his " Q 1 " can be equated with the historical Jesus and " Q 2 " identified as later Christian redaction.31 Whether KLOPPENBORG himself has been quite true to his methodological principles is I believe slightly questionable. It is true that part of his reasoning for distinguishing " Q 1 " material from " Q 2 " material has been his claim that in some Q 1 sections, later "redactional" glosses can be identified; and in this he is clearly working with (what I would call) literary-critical criteria. Certainly too he has heavily criticized (in my view rightly) the theories of those such as S. SCHULZ who sought to delineate layers within Q on the basis of similar content or ideas, i. e. on what I presume is meant by "tradition-critical" criteria.32 Yet when KLOPPENBORG himself seeks to expand the (relatively small) "Q 2 "-type glosses by much larger whole discourses (e. g. the preaching of John the Baptist, or the series of woes in Q 11), partly on the grounds of similar content, there is a sense in which he too is working with tradition-history rather than literary history.33 30

31

32 33

Formation, 244-245; cf. too Sayings Gospel Q , 322; Discursive Practices, 159; Excavating Q , 351. Sayings Gospel Q , 323 (on FULLER, MEADORS, WITHERINGTON and others); Discursive Practices, 161; Excavating Q , 351 etc. See SCHULZ, Q ; KLOPPENBORG, Tradition and Redaction. Cf. the way in which at least part of the reason for separating the different layers is on the basis of "common/characteristic motifs" (cf. Formation of Q , 169, 240). O n this see my Son of Man and Daniel 7, 384; see also SCHRÖTER, Jesus, 108.

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KLOPPENBORG'S stratigraphical model has been used by those more explicitly interested in, and writing about, the historical Jesus. The most notable examples in recent years are probably CROSSAN and MACK,34 to which might also now be added J. M. ROBINSON. Thus in a recent essay on "The Critical Edition of Q and the Study of Jesus", 35 ROBINSON virtually equates what he calls "the archaic collections of Q " (by which he means the material broadly speaking in KLOPPENBORG'S " Q 1 " ) with the historical Jesus without remainder: "It is in the archaic collections embedded in Q that one can with the most assurance speak of material that goes back to sayings of Jesus himself." (44). "Any presentation of Jesus that lacks at its core these collections that comprise the oldest core of Q is to that extent deficient." (45, his stress).

So too ROBINSON drives at times a sharp wedge between the ideas of these collections and the (later) Q redaction (i. e. " Q 2 " ) , e. g. in relation to the latter's stress on the threat of judgement. Thus the Q redaction "has in fact glossed over central dimensions in the archaic collections, as to how, in Jesus' view, one should think of God [.. .]." (39, my stress). "One must take seriously the substantive - theological and ethical - tension between the two main layers of Q , that of the archaic clusters, and that of the final redaction. Jesus' vision of a caring Father who is infinitely forgiving [ . . . ] may have been lost from sight a generation later." (42f., my stress).

In all this then, a tension is seen between the outlook of Q 1 and Q 2 , and Q 1 is equated with the historical Jesus almost tout court. The same seems to be true in the writings of MACK. KLOPPENBORG has sought to defend MACK, claiming that MACK'S thesis of Jesus as a Cynic-type aphorist depends in part on theories about Q but also on other factors (his beliefs about Mark, about kingdom sayings, about Galilee).36 This may be true in part, but it is still the case that a significant element within MACK'S overall argument is based on a fairly simple equation of the historical Jesus with the earliest layer in Q , and this coupled with the negative converse that later strata in Q are deemed to be alien to

34 35 36

CROSSAN, Historical Jesus; MACK, Lost Gospel. ROBINSON, Critical Edition. Discursive Practices, 160.

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the historical Jesus. Thus he writes about the material in the earliest stratum o f Q which he identifies: "If we ask about the character of the speaker of this kind of material, it has its nearest analogy in contemporary profiles of the Cynic-sage. This is as close to the historical Jesus as Q allows us to get, but it is close enough for us to reconstruct a beginning of the movement that is both plausible and understandable."37 "The strata he [ = KLOPPENBORG] identified in the compositional history of Q as a document I have taken as a written record of the social history of the first followers of Jesus."38 Conversely, the division of material between " Q 1 " and " Q 2 " , with the former containing "aphoristic wisdom" and the latter "apocalyptic prediction and pronouncement of d o o m " suggests that "aphoristic wisdom is characteristic of the earliest layer. This turns the table on older views of Jesus as an apocalyptic preacher and brings the message of Jesus around to another style of speech altogether."39 As with ROBINSON then, an important methodological step is taken in seeing the earliest stratum within Q as determinative in any reconstruction of the historical Jesus. KLOPPENBORG'S own warnings here, about the dangers of confusing tradition history and literary history, are apparently being ignored, as are also all the dangers of focusing t o o closely on one and only one strand of the gospel tradition and ignoring others (such as Mark, M or L). 4 0 CROSSAN'S use of KLOPPENBORG'S theory is perhaps less direct. KLOPPENBORG points out that the CROSSAN ascribes both Q 1 and Q 2 t o 37

38

39 i0

MACK, Lost Gospel, 203. It seems clear that the "plausible and understandable" picture is being equated with the historical Jesus without too many qualms or exceptions. MACK, Q and a Cynic-like Jesus, 31 (my stress). The equation seems quite explicit here between the (alleged) early/later literary stages of Q and the early/later stages of the (social) history of the community responsible for Q. Cf. too MARSHALL, Gospel of Thomas, 40: "Mack uses Kloppenborg's stratigraphy and treats what Kloppenborg designates as primary in a literary sense as also historically primary. He makes no allowance for authentic Jesus sayings employed in the framing redaction." MACK, Myth of Innocence, 59. It should also be noted that MACK'S own stratigraphical analysis is different from KLOPPENBORG'S (postulating c. five, rather than three, stages) and the basis for such a division is by no means clear: certainly the ascription of some elements to one stratum rather than another is at times somewhat arbitrary and contradicts the very reasons for postulating a stratigraphy (e. g. by KLOPPENBORG) in the first place. On this see ROBINSON, Taxonomy.

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his earliest stratum: hence the two strata have equal pedigree in terms of CROSSAN'S methodology. KLOPPENBORG also refers to the fact that much more important for CROSSAN is the criterion of multiple attestation and in this Q counts as only one vote.41 This is probably true: just as important for CROSSAN are his theories about the Gospel of Thomas, including his stratification theory in relation to Thomas whereby one stratum of Thomas is dated into his earliest period; hence where Thomas and Q overlap (material which is almost by definition of the proposed strata in Thomas constitutes the earliest stratum of Thomas), the criterion of multiple attestation inevitably includes these elements as primary in CROSSAN'S "database". It may thus be CROSSAN'S theories about Thomas and its strata which have more influence than theories about Q and its possible strata.42 And in any case, as KLOPPENBORG points out, scholars such as MARCUS BORG have reached similar conclusions (e. g. about a non-eschatological Jesus) without adopting any theory of strata within Q. 43 Nevertheless, even if the stratification model is not appealed to directly by CROSSAN, it is probably being introduced implicitly: Q material paralleled in Thomas is given priority, but the content of Thomas (lacking for the most part the polemical "Q 2 " material) leads inexorably to "Q 1 " material being prioritised.44 One can therefore see that, in a number of recent studies of Jesus, the Q 1 material is taken as the primary body of evidence. What is "later" in literary terms within the development of the Q tradition is regarded as secondary in terms of tradition history: hence an equation is effectively being made between " Q " ' and the historical Jesus; " Q 2 " is regarded as part of the secondary, post-Easter development of the Jesus tradition and not to be ascribed to Jesus. Further, what others might regard as potentially equally important primary source material, e. g. in Mark, "M" or "L", is also sidelined.45 Such a model is clearly methodologically more 41 42 43 44

45

Discursive Practices, 160. See further my Historical Jesus. Discursive Practices, 161. Some of the eschatological material in Q (most of it usually assigned to Q 2 in any stratification model) is eliminated from the body of authentic material by CROSSAN by some sleights of hand, e. g. in the definitions of the units of tradition (what CROSSAN calls "complexes") to be considered: see TUCKETT, Historical Jesus, 2 6 6 - 2 6 8 . In the case of CROSSAN, this is in part due to his dating of what he takes to be "the" sources: all three synoptic gospels are dated after the crucial dividing line of 60 C E which marks the end of CROSSAN'S earliest stratum. Yet this is connected in CROSSAN'S work with a somewhat selective appeal to sources (e. g. Q is accepted as a source, but no attempt is made to identify sources behind most of Mark, or the " L " material); also the dating is rather arbitrary or uncertain (cf. above on the date of Q),

Q and the Historical Jesus

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than a little suspect. It ignores K L O P P E N B O R G ' S own warning that "tradition history is not convertible with literary history" (cf. above), as well as focusing somewhat narrowly on only one part of the available evidence. Although debates on such issues have often focused on the differences between Q 1 and Q 2 , it should not be forgotten that K L O P P E N B O R G proposed a three-fold stratification of Q and it may be that the alleged " Q 3 " is just as significant in this context. I have noted elsewhere that Q 3 is very often used by some Q scholars as a convenient dumping ground to get rid of - and then forget about - awkward pieces of evidence that do not appear to fit with other parts of Q . Hence the temptation narrative, as well as some of the "nomistic" glosses (Q 11,42c; 16,17), are assigned by K L O P P E N B O R G to Q 3 , as is the awkward Q 12,10 by VAAGE. 4 6 Very often too these are effectively regarded as almost posi-"redactional" and the "real"/"true" "redactional" level is taken to be Q 2 . 4 7 This is however somewhat questionable. If, as I argued, we take " Q " to be the "final" form of Q , then it is the Q 3 level which should be regarded as "redactional", and the Q 2 material is part of the pre-redactional material. But either way, K L O P P E N B O R G ' S strictures about tradition history and literary history apply as much to Q 3 as they do to Q 2 ! Dumping some awkward pieces of evidence into Q 3 may make life easier in constructing a more self-consistent Q 2 strand; but it says nothing about the ultimate historicity of the traditions in question. To make deductions at that level we shall have to invoke other factors and other arguments. However, quite apart from the issue of distinguishing " Q 2 " and " Q 3 " , there is a more fundamental issue concerning what we mean by "redactional" in relation to study of Q materials and their possible relevance for study of Jesus. I referred earlier to K L O P P E N B O R G ' S assertion that "elements of Q redaction cannot be employed in a reconstruction of the historical Jesus' (see above n. 14). At one level this is of course totally unexceptional. As I have already noted myself, no one today would lightly use a "redactional" text such as Mt 16,28 as evidence for the use of the term Son of Man by Jesus. This Son of Man reference is due to Matthew's own redactional change of Mark. If then Q has been as active as

as well as rather inconsistent in its application. (Traditions in Q are dated in relation to Q itself, although the Q material is in fact first attested in manuscript form in the gospels of Matthew and Luke; but any pre-Markan traditions which there might be are dated to the time of the composition of Mark.) See TUCKETT, Historical Jesus, 262f. 46

VAAGE, S o n of M a n S a y i n g s .

47

C f . the terminology used by ROBINSON (cf. above) in talking about the "Q when he quite clearly has in mind Q 2 , not Q 3 .

redaction"

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Matthew in reworking the tradition, we can use Q-redactional ( = QR) elements no more than we can use MtR or LkR elements as evidence for Jesus. On the other hand, the situation with Q is not quite the same as the situation with Matthew, if only because we have neither Q nor Q's tradition extant and available for us to compare the two. With Mt 16,28 we have Mk 9,1 to be able to put alongside, together with the theory (or assumption) that Mk 9,1 is the source for Matthew's reworking. With Q (as with Mark) we do not have such a luxury to hand. Hence it is very much harder to identify "redactional" elements in a "text" such as Q. This is not to say that it is impossible to make at least an educated guess at one or two points. Indeed KLOPPENBORG'S original analysis of Q into strata was based in part on his claims that some elements in the Q discourses appeared to be secondary glosses on an earlier form of the tradition (e. g. Q 6,23c; 11,42c). Yet this will probably yield only a relatively small harvest. The number of instances where such glossing has taken place, and with a sufficient degree of clumsiness and/or artificiality to make the gloss identifiable to modern readers, is inevitably rather small. Thus the more fruitful line of enquiry in seeking to identify the particular concerns of Q and its "shaper(s)" or "editor(s)" has been to consider what K L O P P E N B O R G has called its "invention" or "arrangement" of the materials which now appear in Q. 48 By "invention" K L O P P E N B O R G explicitly rejects any notion necessarily of "fabrication" but means rather "the strictly rhetorical sense, denoting the intellectual process or finding and arranging materials germane to the conduct of an argument and the rendering plausible of a certain conclusion" 4 '.

The jargon we use can vary. For others, this might be termed "composition criticism" rather than "redaction criticism", paying attention to the way in which the total material is now presented, almost irrespective of its ultimate origin. In terms of method, there is virtually nothing I would wish to quarrel with here. Indeed it was precisely this kind of approach which I myself tried to use in my own study of Q. 50 But this in turn does mean that it may become much harder to use any such results about a possible Q theology discussions of authenticity and/or the historical Jesus. If the process of "invention" does not necessarily mean fabrication (or "redactional 48 49 50

Sayings Gospel Q, 326. Ibid. Cf. Q and the History, esp. 80.

Q and the Historical Jesus

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creation"), but involves "finding and arranging", then the present form of the "text" is as likely as not to be the result of using earlier traditions which will have as good (or as bad) a chance as any of being authentic. Hence the fact that one particular unit or discourse in Q appears to be thoroughly in line with Q ' s general ideological outlook (or that of " Q 2 " ) cannot mean that that whole tradition can be written off (in relation to the question of authenticity) as a redactional creation de novo. Q may just as well have "found" all the elements of the unit in its tradition and written them up to form the unit as it now appears in Q so that the present form contributes strongly to Q ' s overall perspective but does so by using elements that may be firmly authentic. If we can identify clear glosses that appear to be secondary additions to earlier traditions, and which could not really exist in isolation, then a claim to inauthenticity might be justified. But in the absence of such evidence, we cannot simply make deductions about authenticity on the basis of Q ' s "rhetoric" or "arrangement" or "invention" alone. T o take one example of what seems to me an illegitimate appeal to such considerations, I refer to KLOPPENBORG'S discussion of Q 22,28-30. 51 KLOPPENBORG refers (in my view rightly) to the fact that "the saying is deeply embedded in the rhetoric of Q as a document": it is (probably) the final saying of Q and may therefore have formed its climax; it "recapitulates and extends the motif of the judgment of 'this generation'" which is a key element of Q ; and it forms the climax of a smaller sequence of sayings in Q 17 and 19. KLOPPENBORG'S conclusion is then that, in light of the strategic importance which the saying has in Q ' s overall arrangement, "one must offer good reasons for not thinking that Q 22,28-30 is simply a creation of Q " . Yet whilst agreeing (as I do) with all that KLOPPENBORG says about the place of the saying within Q , one cannot really say, on that basis alone, whether Q "found" the saying Q 22,28-30 in its tradition and used it with compositional "added value", or whether Q invented the saying de novo. It is not the case that the saying functions as a secondary, separable gloss on an earlier self-contained saying and that it could not exist in isolation (as e. g. in Q 11,42c); rather, the saying can (and e. g. in Luke does) stand on its own. Thus appeals to Q ' s composition, or "invention" cannot settle questions of authenticity quite so easily. 52

51 52

See his discussion in Sayings Gospel Q , 327-328. The issue of the authenticity of this tradition is a complex one. See the full discussion of VERHEYDEN, Conclusion of Q .

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In the second part of this essay, I consider two specific topics in relation to study of the historical Jesus where it has been claimed that the evidence of Q may be highly significant. In both I refer once again to the work of KLOPPENBORG. The first concerns the Sabbath controversies in the gospel tradition. Certainly the existence of these stories in the tradition have in the past played a significant role in reconstructions of the historical Jesus. However, KLOPPENBORG refers to the (apparent) absence of such stories in Q. 5 3 H e claims that, unlike some other apparent silences in Q , this silence may be significant, "since it is very difficult to argue that Q knew of Sabbath controversies but disregarded them" (Sayings Gospel Q , 333). Q does indeed know of other points of difference between Jesus and Pharisaic practice (cf. the woes of Q 11), and lampoons the latter; hence " Q ' s silence seems to imply that it knew nothing of Sabbath controversies." (ibid.) According to KLOPPENBORG, Q ' s silence suggests that Jesus cannot have been involved in any programmatic critique of Sabbath observance. He claims that the case is slightly different in relation to the issues of purity and tithing. For example in the saying on tithing (Q 11,42), the final clause (11,42c) conflicts with the rest of the saying, but this is probably a later addition to Q "by a 'nervous glossator' who wishes to avoid a potentially antinomian interpretation of 11,42b" (Sayings Gospel Q , 334). But in any case, in the earlier forms of the sayings on washing cups and on tithing (11,39-41 and 11,42), there are no programmatic critiques of the Law but (only) attempts to ridicule Pharisaic practice. "Jesus may have made statements that touched on purity, tithing and other legal issues - but this does not imply that he offered a programmatic critique of the Torah or that he put himself forward as a Torah-interpreter. That is Matthew's Jesus." 5 4

Hence "When Q gives no evidence of knowing items that otherwise it might have been expected to have employed, however, as in the case of Sabbath controversies, it is very doubtful that these should be ascribed to Jesus." 5 5

KLOPPENBORG thus claims that a reference to Q would give strong support to the views of others who have questioned the historicity of this aspect of the tradition on other grounds.56 53 54 55

Sayings Gospel Q , 332-334. Ibid., 334. Ibid.

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More generally, KLOPPENBORG criticizes many treatments of Jesus in the past which have focused on the issue of attitudes to the Jewish Law as not having taken seriously enough the implications of the Synoptic Problem. He quotes approvingly a section of a paper of LÜHRMANN: " A critical examination of Jesus literature, even the most recent, certainly arouses the suspicion that the methodological implications of the Two Source Hypothesis have not been taken seriously enough. Generally speaking, it is Matthew's portrait of Jesus that has left its impression. It is only on this basis that one can account for the fact that the issue of Jesus' understanding of the Law is a seemingly unavoidable question for Jesus-scholarship. But the word νόμος does not even appear in Mark, and in Q only in texts that are probably late (Q 16,16-17). It was Matthew who first seriously raised the issue in the tradition of Jesus' sayings." 5 '

All this is however not fully persuasive. I take first the more general point that attributing to Jesus a concern about the Law is really only a feature of Matthew's presentation and hence does not go back earlier (to Mark or Q , let alone the historical Jesus). It may be the case that the Greek word νόμος itself is more characteristic of Matthew than of Mark or Q . Nevertheless, it seems undeniable that the issue of Torah observance was a feature of the earlier (one might almost say the earliest) tradition. If we come at the issue from the point of view of later traditions, adopting what one might call a wirkungsgeschichtlich approach, it is clear that certainly some (relatively early) interpreters of the tradition thought that the issue was acutely raised in the earlier tradition. We can consider Matthew himself and his well-known attempts to tone the apparently radical stance of Jesus in relation to the Law in the Markan tradition (in relation to Sabbath observance, hand washing, divorce etc.). Whether the historical Jesus was so radical may be disputed; but it seems undeniable that Matthew read Mark in this way, or at least thought that Mark could be read in this way, and was concerned to "correct" the picture. The same is true for Q . Many have argued that Q ' s "arrangement", and perhaps even at times Q ' s creative redactional activity, shows a con56

57

In the recent debates, most notably SANDERS, Jesus, 264-269; Jewish Law, 1-96. The theory that the Sabbath controversies are all "ideal scenes", reflecting primarily debates of the early Christians rather than those of Jesus, goes back of course to BULTMANN, History, 48. KLOPPENBORG regards it as slightly ironic that the Q theory lends support to SANDERS since SANDERS himself does not believe in Q ! KLOPPENBORG cites this passage twice (Sayings Gospel Q , 325; Discursive Practices, 153) as coming from an unpublished paper presented at the Westar Institute, 1991. The same passage (in German of course!) now appears in LÜHRMANN, Logienquelle, 196-197.

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cern to alleviate and soften potentially radical statements of the earlier tradition in relation to the Law. I have already referred to Q 11,42c. The same might apply to Q 16,17 following (probably) in Q after 16,16. 58 The claim in v. 17 that not the tiniest part will vanish from the Law serves to guard against any possible implication of the saying in Q 16,16 ("the Law and the prophets were until John") that the era of the validity of the Law was now over.59 KLOPPENBORG attributes these to his "nervous glossator" and ascribes them to a Q 3 stage in the development of the tradition. Whether in doing so we can then quietly ignore such sentiments in relation " Q proper" is doubtful as I have tried to show earlier. Q 3 is presumably the more recent stratum and if anything must then count as " Q ' s " redaction if " Q " is to be seen as the "final" form of the Q tradition. But, as with Matthew, this shows that Q too appears to have been aware of possible implications and interpretations of its earlier tradition and was concerned to guard against them. By contrast, the situation in Mark seems to have been different. Mark (much to Matthew's discomfort!) has a number of traditions which show Jesus perhaps questioning the fundamental aspects of the Law, e. g. on Sabbath, on food laws and on divorce.60 And wherever Mark offers a view, Mark appears to be thoroughly endorsing such a critique. Thus whatever the saying in Mk 7,15 may have meant in any earlier tradition (if it existed there), Mark himself seems in no doubt: with his clarification in 7,19 he makes it unambiguously clear that, as far as he is concerned, Jesus has called all the food laws of the O T into question.61 Whichever way we come at the evidence, it seems clear that the Jesus tradition was seen as capable of being taken in a radically "antinomian" way. Among the gospel writers or tradents, we thus see different attitudes reflected. Matthew seems to see this as a danger to be guarded against; Mark appears to see it as a welcome trend to be embraced. But either way it seems clear that the tradition was regarded as potentially an58

59

60

61

It is difficult to ascribe both to later tradition, as LÜHRMANN appears to do. Rather, v. 17 looks as if it is seeking to modify v. 16 and hence is probably added to a form of the tradition where v. 16 was already included. (At least if they are "later", one is later than the other!) I have assumed here that Q 16,16 and 16,17 were adjacent in Q . I am aware that this is disputed (e. g. most recently see SCHRÖTER, Erwägungen, arguing that the putting together of the verses in Luke 16,16-18 is due to Luke.) However, the force of Q 16,17 within Q as an attempt to assert the validity of the Law does not depend on this (cf. SCHRÖTER'S own discussion of the significance of this verse.) Cf. Mk 2,27; 7,15; 10,11-12 etc. The issue of Jesus and the Law is thus not "first seriously raised" only by Matthew, pece LÜHRMANN. It is almost universally agreed that Mk 7,19 is due to Markan redaction.

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tinomian. Within the spectrum of possible responses, Q's attitude seems clear: Q's sympathies were evidently more with Matthew than with Mark (not altogether surprisingly since Matthew adopted Q ! ) . Q was thus concerned to minimise any suggestions that Jesus may have questioned the Law. With this in mind, the possible selection of material in Q may be more intelligible. Q certainly does have Jesus engaged in fierce debate with Pharisees and "lawyers" (Q 11) over issues which may have been of particular concern to Pharisees (tithing, purity laws and eating). And in this, as KLOPPENBORG rightly says, Q's Jesus is portrayed as ridiculing Pharisaic practices in some respects. On the other hand, tithing and/or detailed purity concerns on the one hand and Sabbath observance on the other may not have been regarded as parallel phenomena. Debates about Sabbath legislation do not seem to appear quite as frequently in our extant sources as other issues which Pharisees debated at great length. Yet, as Sanders has noted, this may not be because Sabbath observance was not a high priority for Pharisees; it may simply be that observance of Sabbath protocol was common ground for so many Jews: hence there was no need to engage in debate on many matters relating to this.62 By contrast, issues about the appropriate level of purity which should be maintained, and perhaps tithing, were questions which were more debatable - and were debated - at the time. Thus when KLOPPENBORG runs together the issue of the Sabbath observance and "other points of difference between Jesus and Pharisaic practice" 63 and claims that it is difficult to believe Q "disregarded" the Sabbath issue, he may be ignoring the distinction between Sabbath and say purity issues. The Jesus of Q engages with the Pharisees in matters that are intra-Pharisaic issues, or issues of debates between Pharisees and non-Pharisees. But possible challenges to Sabbath legislation might have been regarded as qualitatively different. In fact, Q may not be wholly silent on the issue of Sabbath. Many have argued that Lk 14,5 (cf. Mt 12,11) may represent a fragment of a tradition which belonged to Q. 64 If it did belong to Q, Matthew certainly and Luke possibly - have chosen to embed the tradition in a different story: Matthew in the (Markan) story of the man with a withered hand, Luke in the story of the woman with the dropsy (Lk 14,1-6). As I have 62 63 64

SANDERS, Jewish Law, 1 5 - 1 6 . Sayings Gospel Q , 333. See my Q and the History, 414 with further literature cited. There is substantial agreement in general terms between Matthew and Luke here. The I Q P included it in Q with a " C " rating; however, it is now excluded from the Critical Edition of Q (see above).

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argued elsewhere, the saying only makes sense as some kind of argument to defend an apparent breach of Sabbath law.65 It is "experientially based", rather than "halakic", 66 but this is not necessarily significant: in any case what we have is only a torso (and we do not know if it was supplemented by other "halakic" arguments; but in any case the distinction may be an artificial one). The verse does show an awareness - probably within Q that Jesus' actions could be construed as breaching Sabbath observance, but that arguments could be - and here are - produced to show that any apparent breach of this nature was justifiable and justified. With this in mind, Q's (perhaps only partial) silence may be intelligible. Against KLOPPENBORG, it is certainly not inconceivable that " Q knew of Sabbath controversies but disregarded them" (though we must concede that we can never really know Q's sources with such precision that we can identify material available to, but omitted by, Q ) . In any case we know little or nothing of Q's sources at the level of material available to Q but which Q chose to omit.) The intra-Pharisaic debate (on e. g. purity or tithing) may have been acceptable simply because it was recognised as an "in-house" argument which did not necessarily challenge of the basic "ground rules" of life under Torah. Debates about Sabbath would have been of a different order. Q shows an awareness of the more general danger of possibly subverting the Law elsewhere: Q 11,42c; 16,17 have already been noted. The temptation narrative of Q 4,1-11 has as an important function to show that Jesus is obedient to the word of God as revealed in the Law.67 So too, if Q contained a version of the story about the double love command (cf. above), the inclusion of the story in Q may show a concern by the Q editor(s) to show Jesus as in line with Torah, appealing to the Torah as the basis of his teaching and doing so precisely in order to counter opposition from others suspicious of him.68 That Q might then have known of Sabbath stories and deliberately not included them seems entirely credible and in line with what we can discern of Q's overall strategy and concerns. Whether we should then deduce that the historical Jesus was a radical questioner of Sabbath and other major parts of the Torah is quite another matter. It may well be that Jesus' attitude to the Sabbath was somewhat ambiguous, that the tradition was not clear, and the resulting variety in early Christian responses is in part the result of such unclarity. Further, 65 66 67 68

Q and the History, 415. KLOPPENBORG, Sayings Gospel Q, 332. citing KOSCH, Q und Jesus, 36. See TUCKETT, Temptation Narrative. In Matthew and Luke, the question put to Jesus is a hostile one, unlike the situation in Mark.

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any questioning of Sabbath law by Jesus may have been well within the parameters of debates at the time about how exactly one should keep Sabbath and what might constitute an acceptable to reason for doing "work" on the Sabbath.69 However, it seems unjustified to deduce from Q's apparent silence that such debates never occurred within Jesus' lifetime. If all the Sabbath debates are reflections of early Christian controversies, and if none goes back to Jesus, we have to face the problem of explaining why then Sabbath controversies dominate (at least parts of) the gospel tradition but are notable by their (almost total) absence from non-gospel Christian literature in the first century (e. g. the epistles, the Didache etc.). 70 It seems much more plausible to argue that Sabbath controversies do go back to Jesus in some shape or form, that the early Christians reacted differently to the tradition and that one possibility was to try to sweep the issue under the metaphorical carpet. Q's relative silence (which may not have been total, cf. Q 14,5) should therefore be interpreted with something of a critical eye.

A second key issue in study of the historical Jesus, where KLOPPENBORG claims that the evidence of Q may have a significant contribution, concerns the question of whether Jesus expected an imminent transformation of the cosmos. The question is of course a very important one in modern Jesus study with, at one end of the spectrum, scholars like MARCUS BORG arguing that none of the authentic Jesus tradition implies an imminent end of the world, with others such as DALE ALLISON arguing for a thoroughgoing apocalyptic interpretation of Jesus.71 KLOPPENBORG argues that the evidence of Q what may have an important contribution to this debate. In particular he argues that "it is impossible to deduce from Q a coherent temporal scenario of imminent cosmic transformation, as can be done in the case of Mark 13". 72 There

"

Cf. SANDERS, Jewish Law, 23; also MARGUERAT, Jésus et la loi. Nevertheless, the tradition seems to be better explained if there were apparently critical tendencies in the tradition from the very beginning. Cf. in more general terms, SCHRÖTER, Erwägungen, 458.

70

There are a few passing references in the Pauline letters, but the pressing issues there are much more circumcision and food laws. Cf. BORG, Jesus; ALLISON, Jesus of Nazareth. Discursive Practices, 165; Sayings Gospel Q, 341.

71 72

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are announcements of judgement, 73 some of which may be authentic, but "most, however, give no indication of how near such a judgment might be". Thus there is "no temporal horizon for 6,37-38 and 6,47-49. The first only indicates that judgment will occur, and the second, that nonadherence to Jesus' words will lead to disaster". Similarly, judgment sayings occur in 11,19 and 12,8-9, "indicating that it is certain; but there is no indication of its imminence". 74 Sayings such as 12,39-40; 17,26-27, 34-35 imply that judgment is "quite unpredictable [ . . . ] Such sayings seem, if anything, to be formulated against the expectations conjured up by Mark 13." 75 In fact, KLOPPENBORG argues, "it is only the literary and redactional juxtaposition of these oracles with the Baptist oracle (Q 3,7-9.16-17) that confers the impression of imminence at the level of Q redaction". 76 In addition the imminence of the judgement motif is enhanced in 10,9-15 by 10,12 which links the announcements of the kingdom with the judgement oracles of 10,13-15, but Q 10,12 is widely accepted as a Q R creation. Similarly the doom oracle of 11,49-51 gains its note of imminence with the threat of judgement against "this generation" in v. 51b, but 11,51b is also widely regarded as a Q R addition to the oracle. "The impression of imminent catastrophic judgment that it conveys is a function of Q ' s framing." 77 Sayings such as 12,49 may be a Q R creation; the parable in Q 12,42-46 may be a secondary creation. 78 And the saying 13,28-29 may imply an element of imminence with its 2nd person plural address, "but the centre of gravity of this saying is not with the temporal aspect but rather with the inversion of social roles", 79 contrasting those claiming privilege on the basis of kinship with outsiders, a theme which is prominent elsewhere in Q ' s rhetoric. KLOPPENBORG concludes that Q indeed implies an imminent judgement and an imminent intervention by God. But those features are conveyed by redactional elements. "It would be most unwise to base a conclusion that Jesus embraced an imminent catastrophic judgment on elements in Q that are either non-dominical or redactional". 80 In his earlier essay, 73

In S a y i n g s G o s p e l Q , KLOPPENBORG m e n t i o n s Q 1 0 , 1 3 - 1 5 ; 1 1 , 1 9 . 2 4 - 2 6 . 3 1 - 3 2 ;

Discursive

Practices,

he

adds

Q

6,37-38.47-49;

46.49.58-59. 74 75 76 77 78 79 80

Discursive Practices, 165. Ibid. Sayings Gospel Q , 341; cf. Discursive Practices, 166. Discursive Practices, 168. Sayings Gospel Q , 341; Discursive Practices, 168. Discursive Practices, 169, cf. Saying Gospel Q , 342. Discursive Practices, 169.

10,12.50.51;

in

12,8.9.39-40.42-

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KLOPPENBORG is a little more positive. He says that in general terms one must assume an element of continuity between Jesus and Q and hence "the gap between Jesus and Q is probably not too great" ("Sayings Gospel Q " , 343). Thus " Q ' s willingness to use the symbol of God's kingship to undergird its social practice and its invocation of scenarios of judgment (to create 'room' for that practice) no doubt suggests that both aspects had roots in Jesus' discourse" (ibid.). He cites KOESTER to the effect that a non-eschatological Jesus would make early Christianity, which is so eschatologically oriented, a "complete conundrum". 81 Nevertheless, he claims that "a Schweitzerian Jesus reconstructed in the image of John makes the restraint of Q (to say nothing of the Gospel of Thomas) a yet more serious conundrum" (ibid., 343). There is much here with which I have little quarrel. I would not dispute KLOPPENBORG'S claim that e. g. Q 12,49 and 12,42-46 may not be dominical.82 So too I agree with KLOPPENBORG (and several others) that verses like Q 10,12 and 11,51b may well be Q R creations. On the other hand, we should be clear what we are discussing or might be arguing or disagreeing about. That the eschatology of Q is rather different in tone from the eschatology of Mark, and especially of Mk 13, is undisputed and undeniable. (How far Q ' s eschatology or "apocalyptic" is unusual in relation to a broader spectrum of Jewish "eschatological" or "apocalyptic" texts is more debatable and may depend on just what one allows as legitimate "apocalyptic" material.) Yet very few today would argue that the detailed apocalyptic timetable of e. g. Mk 13 is something that can confidently be traced back to the historical Jesus. That chapter is more likely to reflect the views and concerns of Mark, rather than of Jesus, and in turn may be concerned as much to dampen down any apocalyptic enthusiasm and expectation as it is to encourage such hopes.83 Equally we have to be aware of the limited nature of the evidence we have. KLOPPENBORG is right to refer to the fact that a number of sayings in the tradition refer to a future judgement but do not explicitly mention its imminence. On the other hand, we must ask whether one would expect to see such explicit references every time! N o speaker, teacher or preacher spells out all the assumptions, presuppositions and a full statement of their views on each and every occasion: at times some things can be - and have to be - taken as read. In any case there is a sense in which 81 12

83

KOESTER, Historical Jesus, 14. Whether Lk 12,49 is relevant to study of Q is another matter: there is no parallel in Matthew and hence its presence in Q is uncertain. The interpretation of the chapter is much debated; for the above, see HOOKER, Trial and Tribulation.

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the threats of judgement only have a sense of relevance and urgency if it is assumed that such judgement is imminent. We also have to remember that no discourse - by Jesus, Q ' s Jesus, or Mark's Jesus - takes place in a vacuum. It is certainly the case that the threats of judgement in Q gain an (increased) note of imminence by being set in a (literary) context of the Baptist's oracles. Yet any discourse of the historical Jesus requires a social context to give it meaning. N o w it is widely accepted that part of the "social", or "religious", background of Jesus' ministry is precisely the activity of John the Baptist. The baptism of Jesus by John is one of the best attested events in Jesus' life;84 and whatever the event may have meant for Jesus' inner ruminations, it seems to imply at the very least an agreement by Jesus with John's message and a willingness to align himself positively with John's cause.85 Further, it is (fairly) widely agreed that, of all the elements in the gospel tradition about John's preaching, it is his eschatological preaching that is most likely to be authentic. This then suggests that placing Jesus within a context of John's eschatological preaching is not only a result of Q ' s editorial activity; it is something we can, with a certain amount of confidence, trace back to the historical Jesus himself.86 Q ' s literary activity is placing the teaching of Jesus in the context of John's preaching may thus be a reliable reflection of the context in which the teaching of Jesus should be placed.87 Thus any note of imminence in the Jesus tradition is not necessarily just a reflection of Q ' s redactional and literary activity. Whether we land up with a "Schweitzerian" Jesus is another issue which there is no time or space to discuss here. The nature and the role of eschatology, and of an imminent futurist eschatology, within the teaching of the historical Jesus, is obviously a topic which needs considerably more discussion and precision. Its presence in some shape or form is however certainly attested by Q ; and even after making full allowance for the redactional and editorial activity by Q in reworking the Jesus tradition it received, there seems lit—

84

85 86

87

Few have disputed the historicity of the baptism of Jesus, especially in the light of the evident embarrassment it caused for early Christians. Cf. SANDERS, Jesus, 91-95,152-156; also BECKER, Jesus of Nazareth, 49-53. Unless one postulates a change of mind on the part of Jesus and distinguishes between an "early Jesus" and a "later Jesus": cf. CROSSAN, Historical Jesus, 237-238. Such a theory is of course possible, though it opens the floodgates to all kinds of possibilities and it is then hard to know what kind of controls one could have in assessing the evidence. For a generally positive view of the authenticity of the sayings about judgement in the synoptic tradition, see too REISER, Jesus and Judgment.

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tie to suggest that, in this respect, Q and Jesus were radically different from each other. One may also consider here a slightly more broader issue. The threats of catastrophic judgement are all part of the " Q 2 " material (for those who accept the stratigraphical analysis of Q on which the terminology is based). I have earlier referred to the dangers of separating off the " Q 1 " material from " Q 2 " and assigning only the former to the historical Jesus, primarily in terms of methodology: such a procedure may be pressing literary-critical judgements into a tradition-critical area where they are in danger of being inappropriate if not irrelevant. However, in relation to the material itself, other factors may also be relevant in this discussion. The " Q 2 " material contains much of the "apocalyptic" and/or "prophetic" material in the tradition, where Jesus is seen as being more polemical, attacking opponents etc. By contrast the Jesus of " Q 1 " is more irenic, perhaps the almost playful Cynic-sage of MACK, the Jewish Cynic peasant of CROSSAN, or the teacher of infinite forgiveness of ROBINSON. 88

Yet, as I have sought to argue elsewhere, any attempt to reconstruct a picture of the historical Jesus has to pass a number of critical tests. Of course any sifting of the individual elements of the tradition has to go through the process of considering the "criteria for authenticity" such as dissimilarity, coherence multiple attestation etc. in some shape or form. But any final result, any picture which claims to re-present the historical Jesus with any degree of accuracy, has to pass a further acid test in that it must "cohere" or "fit" with the unquestioned fact that Jesus was crucified.89 N o one has ever seriously doubted the fact of the cross. Explaining it in any detail is of course notoriously problematic. But at the very least, this brute fact has to be placed alongside any reconstruction of the historical Jesus and some attempt made to explain how the latter could end up crucified. And it may be a difficulty for some "Q'-based" historical Jesuses that the resulting picture is so ««polemical, and ¿«offensive, that it becomes all the harder to envisage why such a Jesus aroused such intense passion and hatred on the part of at least some sections of the population that he was executed in this way. Unless one goes down the route of saying that the cross was a complete accident of history, and that 88

89

Indeed it was precisely this distinction between the more overtly polemical material and the more irenic appeals to the sensibilities of the audience that functioned as the criterion for distinguishing strata in Q at all: cf. KLOPPENBORG, Formation, 167, 238, and the appeals there to "projected/implied audience (s)" as distinguishing the strata. TUCKETT, Sources and Methods, 136.

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it bore no relationship at all to Jesus' life and activity,90 then it seems one needs an element of real polemic and offensiveness in Jesus' teaching to explain his death (at least in very general terms). A reconstruction of Jesus who is too "Q'"-like is thus perhaps historically unpersuasive if only because alongside any such Jesus one has to put the brute fact of the cross.

In conclusion, I would propose: (1) Study of Q and study of the historical Jesus must be recognised and accepted as separate enterprises. (2) Earlier traditions which can be identified within Q cannot necessarily be taken as dominical without more ado; conversely, elements which are added later in the growth of the Q tradition are not necessarily ipso facto undominical. Equally Q , even "early Q " , does not have a monopoly of authentic tradition. (3) The absence of (most) Sabbath stories in Q cannot necessarily be taken as a reflection of the situation in Jesus' ministry, given Q ' s apparent concern to tone down potentially "antinomian" tendencies in the tradition. (4) The eschatology of Q may be valid reflection of Jesus' own teaching: the literary activity of Q in placing Jesus teaching in a broader context may well show important elements of continuity with Jesus. (5) Some of the more polemical material in the tradition, placed by many in a later stage of Q in relation to the development of Q , may be plausibly traced back to Jesus in general terms if one is to seek to explain the fact of Jesus' crucifixion.

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90

Such a move is a theoretical possibility - Jesus was executed almost by accident - but few if any have felt comfortable with such a view.

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Assessing the Historical Value of the Apocryphal Jesus Traditions A Critique of Conflicting Methodologies DAVID E . A U N E

1.

Introduction

Two prominent American New Testament scholars, JOHN P. MEIER and JOHN DOMINIC CROSSAN, have both produced methodologically rigorous and influential reconstructions of the life and teachings of Jesus. Yet paradoxically, they take diametrically opposed views of the historical value of Jesus traditions in the apocryphal gospels. MEIER essentially denies the historical value of any apocryphal Jesus traditions, regarding them as late, fictional, and dependent on the canonical Gospels, while CROSSAN elevates many of them to a place of central importance and considers some of them earlier than the canonical Gospels themselves and independent of them. How is it possible that two such prominent scholars can hold such contrary views? While the relationship between the Jesus tradition in the apocryphal gospels (particularly the Gospel of Thomas) and the canonical Gospels has frequently been discussed in the past, the antithetical positions of MEIER and CROSSAN on the subject indicate the presence of deep divisions on the subject within the academy. My purpose in this essay is to discuss the ideological, methodological and interpretive differences between the approaches of MEIER and CROSSAN (and their intellectual allies), particularly in their treatment of the Gospel of Thomas, arguably the most important recent textual discovery both for our knowledge of the transmission of Jesus traditions during the first and second centuries CE, but also for our knowledge of some of the many images and interpretations of Jesus which were significant for second century Christianity. New Testament scholarship is a complex enterprise driven by a variety of explicit and implicit ideologies and motivations. All scholarship is pursued within an ideological context, of course, whether the individual scholar admits it or not and whether she or he is fully aware of it or not.

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David E. Aune

O n e of the central issues in assessing the historical value o f apocryphal Jesus traditions is the soundness of the criteria for assessing the historicity of Jesus traditions which have been formulated, critiqued and refined during the past half century. 1 B o t h MEIER and CROSSAN have carefully articulated their historical methodology and it is for this very reason that their antithetical approach t o the apocryphal Jesus traditions is so striking and methodologically challenging. The radical difference in their approach t o the potential value of apocryphal Jesus traditions suggests that deeply held convictions are at stake for both scholars. In this essay, however, the focus will be on the explication and critique of the methodological stance of each of these influential scholars with regard to the potential historical value of apocryphal Jesus traditions.

2. Assessing the Methodology of John P. Meier Three volumes of JOHN MEIER'S massive and erudite reconstruction of the teachings and deeds of the historical Jesus, A Marginal Jew, have thus far been published, a total of 2 , 3 0 4 pages of densely argued historical reconstructions (not counting prefatorial material). 2 In the first volume,

1

2

MAJELLA FRANZMANN, Jesus in the Nag Hammadi Writings (Edinburgh: T. & T. Clark, 1996), makes the following claim on p. 21 of her monograph: "The study in the next chapters will be an attempt to present a description of the Jesus/es one finds in the texts of Nag Hammadi. I see this as a valid investigation of the historical Jesus since the texts belong to one strand of the many interpretive traditions about him." The fact that nowhere in the book does FRANZMANN make use of any criteria for determining historicity suggests that her interest is not in the historical Jesus but in a study of the early traditions and images about him. She explicitly denies, however, that these are two different enterprises, since "both the material about the 'real' Jesus and the early traditions are interpretations" (p. 20). While FRANZMANN knows about JOHN MEIER'S distinction between the "real Jesus" (unknown and unknowable) and the "historical Jesus" (recoverable using the modern tools of scientific historical research), she seems to regard the latter (if that indeed is what she means by the "real" Jesus) as indistinguishable from her own enterprise. While her own enterprise is certainly valid, her unwillingness to distinguish between the history of faith-images of Jesus and the historical reconstruction of the life and teachings of Jesus is simply muddleheaded. JOHN P. MEIER, The Roots of the Problem and the Person, vol. 1 of A Marginal Jew: Rethinking the Historical Jesus (ABRL; New York: Doubleday, 1991); IDEM, Mentor, Message and Miracles, vol. 2 oí A Marginal Jew: Rethinking the Historical Jesus (ABRL; New York: Doubleday, 1994); IDEM, Companions and Competitors, vol. 3 of A Marginal Jew: Rethinking the Historical Jesus (ABRL; New York: Doubleday, 2001). For a

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245

includes a careful discussion of historical criteria for deciding what comes from Jesus on the basis of greater or lesser probability, 3 and formulates five primary criteria and five secondary (i. e., dubious) criteria. The five primary criteria including the criteria of (1) embarassment, (2 discontinuity (or dissimilarity), (3) multiple attestation, (4) coherence and (5) rejection and execution (i. e., ways of explaining the death of Jesus). The five secondary criteria include: (1) traces of Aramaic language and usage, (2) awareness of the Palestinian environment, (3) vividness of narration, (4) tendencies of the Synoptic tradition, and (5) historical presumption (i. e., the judgment that it is reasonable that a certain thing happened). In the three volumes which have thus far appeared, M E I E R uses essentially an atomistic approach to determine the degree of probable authenticity which ought to be assigned to each constituent unit of Jesus traditions arranged in thematically coherent groups, e. g., kingdom sayings, miracles. H e avoids the kind of general characterizations of Jesus and his ministry which have characterized a great deal of recent historical Jesus research, e. g., Jesus the magician, Jesus the eschatological prophet, Jesus the Galilean charismatic, and so on. MEIER

The first volume of M E I E R ' S work devotes 125 pages to the problem of sources, the last 44 of which focus on "The Agrapha and the Apocryphal Gospels." 4 While my main concern is with the Gospel of Thomas and particularly on the fourteen parables it contains, a few observations on M E I E R ' S treatment of sources in the canonical New Testament as well as on his discussion of the possible historical value of the Agrapha and the Apocryphal Gospels is in order. Some of the more striking features of M E I E R ' S discussion of the canonical books of the New Testament include his overly succinct discussion of the Gospels and their sources, whose potential historical value is assumed rather than addressed. Particularly in the case of Q , Special M and Special L, a critical review of the scholarship on these reconstructed sources together with a detailed description of M E I E R ' S own views would have been appropriate. Readers do not know, for example, if M E I E R regards Special Μ and/or Special L as coherent documents with an ascer-

3 4

succinct précis and critique of the first two volumes, see JULIAN V. HILLS, The Jewish Genius: Jesus according to John Meier, Forum, n. s. 1 (1998), 327-347. MEIER, The Roots of the Problem, 167-195. MEIER, The Roots of the Problem, 41-166 contains four chapters on sources including the canonical books of the New Testament (41-55), Josephus (56-88), "Other Pagan and Jewish Writings" (89-111), and finally, the largest section is devoted to "The Agrapha and the Apocryphal Gospels" (112-166).

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tainable style, structure and vocabulary or not.5 Further, somewhat surprisingly, MEIER does not think it necessary to tackle the complex problems involved in using the Fourth Gospel as an historical source, and no mention is made of the Johannine Signs Source despite the fact that it has been widely discussed in recent scholarship. Also striking is the absence of any mention of the canonical agraphon preserved in Acts 20:35, a passage not mentioned in the three volumes of A Marginal Jew which have thus far appeared.6 MEIER'S general underestimation of the continuing vitality of oral tradition probably accounts for his failure to deal with the not unlikely possibility that Patristic quotations of Jesus tradition have been influenced by oral tradition as well as written texts.7 The continuing existence of the oral transmission of Jesus traditions and the likelihood that they continued to influence written texts is indeed a wild card in the deck which (if admitted into play) would skew the presumption of the more linear conception of textual transmission and development which MEIER generally follows. It is primarily in the chapter on the Agrapha and the Apocryphal Gospels, however, that MEIER appears to have temporarily bracketed the scientific historical method to which he normally adheres with great rigor. One indication of this is the "nothing new" refrain that punctuates his discussion of sources. He suggests, for example, that even if all eighteen of the agrapha examined by JOACHIM JEREMIAS were authentic, "nothing new is added to our picture" of the historical Jesus. 8 In his earlier discussion of the Testimonium Flavianum of Josephus, M E I E R concluded that, if it were accepted as historical, "nothing really new or different" is added to the Gospel portraits of Jesus.' Finally, following a negative evaluation of the investigation of Jesus traditions in the Apostolic Fathers by several scholars, MEIER concludes that "even if a good deal of the material investigated by Hagner and Draper does represent independent variants of the gospel tradition, nothing substantially new about the historical Jesus is added to our data base." 10 A variation on this motif is found in a footnote at the conclusion of his chapter on "The Agrapha and the Apocryphal FRIEDRICH REHKOPF argues this for Special L, in Die lukanische Sonderquelle: Ihr Umgang und Sprachgebrauch, W U N T 5 (Tübingen: Mohr-Siebeck, 1959). 6 Though the index to vol. 2 lists a reference to Acts 20:35 on p. 238, this apparently an error; JOHN P. MEIER, Mentor, Message, and Miracles, vol. 2 of A Marginal Jew: Rethinking the Historical Jesus (ABRL; New York: Doubleday, 1994), 1092. 7 MEIER, The Roots of the Problem, 160-161, note 114 is an extended critique of KOESTER'S work on Jesus traditions in the Apostolic Fathers. 8 MEIER, The Roots of the Problem, 114 (emphasis added). ' MEIER, The Roots of the Problem, 139-140 (emphasis added). 10 MEIER, The Roots of the Problem, 161 (emphasis added). 5

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Gospels": 1 1 After admitting the theoretical possibility that some individual, stray saying in Thomas or another apocryphal gospel might actually come from Jesus, he concludes: "But such an isolated random datum would make no difference in the overall picture we draw of Jesus." These four quotes suggest that MEIER has temporarily lost sight of the value of the criterion of multiple attestation in valuing what is "new" and "different" in Jesus traditions. 12 MEIER'S position on the essential unity of first and second generation Christianity on central issues (in which he rephrases views of RAYMOND BROWN),13 is a theological argument for restricting his quest for data relating to the historical Jesus within the context of the N e w Testament canon: 14 "The radical claims usually overlook the fact that, for all the differences and even conflicts among first-generation Christian leaders, there was a common gospel message on which all of them agreed (cf. Paul's affirmation of a common proclamation by all Christian preachers in 1 C o r 15:11). Unlike the picture painted by those who want to make some form of gnostic Christianity an equally valid manifestation of first-generation Christian experience, the mainstream picture of Christianity presented by documents and traditions that definitely do come from the first and second generations are different from some of the wilder developments among certain Christians in the 2d century."

Another claim which bears closer examination is the following: 15 "There was no period when individual bits of tradition about Jesus floated about in a Church bereft of the larger grid that the life, death, and resurrection of Jesus provided."

These two quotations nicely illustrate the fact that the "faith-knowledge," which MEIER claims to have bracketed in the interest of historical re-

11 12

13

14 15

MEIER, The R o o t s of the Problem, 166. MEIER, The R o o t s of the Problem, treats the criterion of discontinuity on 171-174 and the criterion of multiple attestation on 174-175. RAYMOND E . BROWN, The Gospel of Peter and Canonical Gospel Priority, N T S 33 (1987), 321-343. BROWN, however, does not speak of a " c o m m o n gospel message" as the quote suggests; he does claim that "one may intelligently speak of lines of development leading from the early preaching through significant N T attestations to the sub-apostolic writings and ultimately to the church fathers - and that is what orthodoxy means, if, as R. H . Fuller points out, it is seen as a direction rather than as a static datum." MEIER, The R o o t s of the Problem, 118. MEIER, The Roots of the Problem, 161

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search, 16 is still in play. The term "mainstream" in the first quotation is a value-laden term which implicitly denigrates lesser tributaries based on theological rather than historical presuppositions. MEIER opposes those (e. g., DOMINIC CROSSAN in the context) who hold that "forms of gnostic Christianity [are] an equally valid manifestation of first-generation Christian experience." However, for the historian, no form of Christianity can or should be privileged over others, since historical research is interested in historical truth (i. e., what really happened and what was really said) not in ultimate truth, which is a metaphysical issue. F r o m a strictly historical perspective, therefore, no form of Christianity is any more "valid" than any other. The opponents reflected in the letters of Paul, in the Johannine letters, and in the Apocalypse of John (none of whom apparently count as "first-generation Christian leaders"), did not become part of "mainstream" Christianity even though from a strictly historical point of view, their existence was an essential part of the overall identity of the Jesus movement in the first century. In the second quotation MEIER argues that in the early period, Jesus traditions were always circulated within "the larger grid that the life, death, and resurrection of Jesus provided." Surely this too is a generality based, not on historical research, but rather on "faith-knowledge," i. e., it is what MEIER believes·, not what he (or anyone else) can demonstrate historically. More important for the purpose of this essay, however, is MEIER'S assessment of the historical potential of the N a g Hammadi material, and specifically the Gospel of Thomas. MEIER expresses relief that it is unnecessary "to agonize our way through every Christian document in the N a g Hammadi library to see whether it contains sayings or deeds of Jesus independent of the Synoptic tradition." 17 We are spared this agony because MEIER adduces CHRISTOPHER TUCKETT'S judgment that (apart from the Gospel of Thomas), "there is no evidence for the use of pre-Synoptic sources (including the Q document) in the Christian N a g Hammadi material." 18 TUCKETT does leave the door open for the possible presence of para-Synoptic traditions in the Apocryphon of James and the Second Apocalypse of James,™ but MEIER slams it shut before we can even get a

" MEIER, The Roots of the Problem, 30. 17 MEIER, The Roots of the Problem, 124. 18 MEIER, The Roots of the Problem, 124, referring to CHRISTOPHER TUCKETT, Nag Hammadi and the Gospel Tradition (Edinburgh: T. & T. Clark, 1986) 149. " TUCKET, N a g Hammadi and the Gospel Tradition, 149, n. 553. TUCKET does not refer to the study published two years earlier: RON CAMERON, Sayings Traditions in the Apocryphon of James, HThS 34 (Philadelphia: Fortress, 1984), which discusses Jesus traditions in some detail.

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peek inside, based on the following judgment:20 "Since both of these works present discourses of the risen Jesus that have a clearly gnostic coloration, I do not think that they have anything to contribute to a quest for the historical Jesus." This is, of course, a non sequitur, since a "gnostic coloration" does not in and of itself mean that either these texts or the Jesus traditions they contain were composed by "gnostics," only that they were embellished by "gnostics." MEIER'S strategy for dealing with the Gospel of Thomas is to categorize it as "gnostic" by reconstructing the gnostic myth which it supposedly implies and in light of which it was intended to be read. Labeling Thomas as "gnostic" is frosting on the cake for MEIER, since his basic rejection of Thomas as a source for authentic historical Jesus traditions is based on his conviction that Thomas is completely dependent on the canonical Gospels. He has apparently reconstructed this gnostic myth (which he describes as a mixture of mysticism, asceticism, pantheism, and polytheism), based on other gnostic Thomas literature,21 though references are made to the Gospel of Thomas alone in the notes. For M E I E R , the redactor of the Thomas has a basically "gnostic " intention, and the following is his reconstruction of the gnostic myth implied in Thomas (emphasis mine: the italicized portions are not found in Thomas, the underlined portions are exaggerations of what is found in Thomas, and the bolded portion contradicts what is found in Thomas) :22 "In the gnostic myth implied in the Gospel of Thomas, the individual spirits originally dwelt in the kingdom of light, the kingdom of the Father, who is the first principle of 'the All' ( = the spiritual universe of divine beings). By their very nature, these spirits were all united with and one substance with the divine. Through some sort of primeval catastrophe, some of the spirits entered into the poverty of this material world and are imprisoned in the fleshly garments of human bodies [Log. 29]. This fall and imprisonment have caused them to fall asleep spiritually, have caused them to forget their true origin in the kingdom of light·, they are like drunkards and blind men in the realm of darkness [Log 28], The 'living' Jesus (basically, the timeless, eternal Son, without any true incarnation in matter, length earthly ministry to the Jewish people in general, real death, or true bodily resurrection) comes into this world to wake these spirits up, to remind them of their true origin and destiny, to free them from the illusion that they belong to this material world of death.

20 21

22

MEIER, The Roots of the Problem, 153, n. 67. MEIER, Roots of the Problem, 125: [The gnostic myth is] "implied in many of the sayings of the Gospel of Thomas, but a myth that can be fully understood only by looking at other gnostic writings from the "School of St. Thomas," such as the Hymn of the Pearl. MEIER, R o o t s of the Problem, 1 2 5 - 1 2 6 .

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One in divine substance with those he seeks, Jesus saves them simply by revealing to them the truth of who they are, i. e., divine beings who belong to another world. This knowledge, pure and simple, saves these spiritual persons right now. As soon as they realize who they are, they are immediately free from the 'garments' of their material bodies, which they can trample underfoot [Log. 37]. Even now they can find the treasure of true knowledge that means eternal life; even now they can enter into the 'place' or 'rest' of the Father. Fully integrated with the divine source form which they came, there is no salvation to be awaited in the future; the Gospel of Thomas thus represents 'realized eschatology' in its most radical form. Indeed, it is perhaps more accurate to speak of a return to the primordial paradise than an anticipation of a future consummation. There is no kingdom to be awaited from above or in the future; the spiritual kingdom is already within them and surrounding them, if only they open their inner eyes to see it [Log. 3, 113]. The material world and physical bodies are rejected as evil, and one abstains as far as possible from things material. Sex is seen as an evil. and the female role in hearing new spirits imprisoned in bodies is especially deprecated [Log. 79, 114], By asceticism the spirits already triumph in principle over the body, which will be totally left behind as physical death. Physical death does not spell destruction for the initiated who have 'found the interpretation' of Jesus' sayings and who therefore do not experience death [Log. 1]. Physical death is simply final release from the evil material world." This reconstructed gnostic myth is not without problems. First, the obvious error in this reconstructed myth is the claim that the Living Jesus of Thomas was "without any true incarnation in matter," a statement contradicted by Logion 2 8 (LAMBDIN): "Jesus said: Ί took my place in the midst of the world and I appeared to them in flesh [Coptic: hn sarx\," a passage in which neither "world" nor "flesh" has a pejorative meaning. 23 This passage is one of those extant in Greek, for P O x y 1 . 1 3 - 1 4 reads: και έν σαρκΐ ώ φ ϋ η ν αύτοΐς, "and I appeared to them in flesh."24 Second, the terms "imprisoned" and "imprisonment" are exaggerations, for while parts of Thomas indeed reflect the Hellenistic view of the dualism of body and soul in which the body is depreciated (e. g., life in the body is referred to as dwelling in "poverty," log. 3, 2 9 ) , the relationship between soul and body is never referred to under the metaphor of imprisonment. Similarly, MEIER uses the term "evil" in an exaggerated way, for while the term [i. e., the Greek loanword κακός] occurs six times in Thomas (log. 14, 45

The Gospel of Thomas (London and New York: Routledge, 1997) 102. 24 HAROLD W. ATTRIDGE, The Greek Fragments, in: Nag Hammadi Codex 11,2-7, ed. BENTLEY LAYTON, NHS 20 (2 vols.; Leiden: Brill, 1989), 1.118-119. Since the noun and verb in this phrase have their closest parallel in 1 Tim 3:16 (δς εφανερώθη έν σαρκί) it is not possible to insist on a Docetic meaning of φανερόω. 23

RICHARD VALANTASIS,

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251

[five occurrences]), it is never used of the body or the material world. Similarly, MEIER'S use of the terms "primeval catastrophe" and "fall" are also unfortunate, since there are no corresponding expressions found in the Greek and Coptic texts of Thomas. Third, the portions of MEIER'S reconstruction which I have italicized above clearly represent an importation of "gnostic" theology which finds no explicit counterpart in the text of Thomas. While many of these statements can be read into Thomas, many of the critical passages can more easily and more readily be construed in other ways. One important problem with MEIER'S reconstructed "gnostic" myth remains to be mentioned. The problem of defining "gnosticism" was a major concern of scholars during the second half of the Twentieth Century.25 Emerging from this discussion was the notion that the indispensable feature of "gnosticism" was anthropological idea of the divided self in which the essential person was constituted by an inner self thought to have originated in the divine world correlated with the cosmological notion of a reality divided into a transcendent divine world separated from the cosmos itself which was created by an inferior ignorant demiurge.26 While the anthropological notion is arguably present in Thomas, the supportive radically dualistic cosmology is conspicuous by its absence. In fact, while on one hand the cosmos can be regarded as worthy (logia 21, 27, 56, 80, 111), it can also be regarded as created by God (logia 12, 89). The absence of this dualistic cosmology puts Thomas at a certain distance on the continuum from such other "gnostic" Nag Hammadi treatises as the Gospel of Philip and the Apocryphon ofJohn·, in many respects the view

" U G O BIANCHI (ed.), The Origins of Gnosticism: Colloquium of Messina 13-18 April 1966: Texts and Discussions, SHR 12 (Leiden: Brill, 1967; reprinted, 1970), xxvi. The problematic terms "proto-Gnosticism" and "pre-Gnosticism" are discussed briefly on pp. xxvii-xxviii. The definitions formulated at Messina, however, were subjected to harsh criticism by MORTON SMITH, Review of The Origins of Gnosticism, ed. Ugo Bia n c h i , J B L 8 9 ( 1 9 7 0 ) , 8 2 - 8 4 ; KURT RUDOLPH, R a n d e r s c h e i n u n g e n des J u d e n t u m s u n d

das Problem der Entstehung des Gnostizismus, Kairos 9 (1967), 105-122; MORTON SMITH, The History of the Term Gnostikos, in: The Rediscovery of Gnosticism: Proceedings of the Conference at Yale, New Haven, Connecticut, March 28-31, 1978, SHR

41,

ed.

BENTLEY

LAYTON

(2

vols.;

Leiden:

Brill,

1981),

2.796-807;

KURT

RUDOLPH, 'Gnosis' and 'Gnosticism' - The Problems of their Definition and their Relation to the Writings of the New Testament, in: The New Testament and Gnosis: Essays in Honour of Robert McLachlan Wilson, ed. A. H . B. LOGAN and A. J. M. WEDDERBURN ( E d i n b u r g h : T . & T . C l a r k , 1 9 8 3 ) , 2 1 - 3 7 . 26

KURT R U D O L P H , ' G n o s i s ' a n d ' G n o s t i c i s m ' , 2 9 - 3 0 ; BIRGER A . PEARSON, " I n t r o d u c -

tion," Gnosticism, Judaism, and Egyptian Christianity, ed. BIRGER A. PEARSON (Minneapolis: Fortress, 1990), 7 - 8 .

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of the world reflected in much of Thomas is relatively close to that found in the Gospel of John. 2 7 Labeling is a wonderfully effective means of effacing the historical particularities of persons and documents in the interest of eliminating messy facts that may not easily fit existing categories. The terms "gnostic" and "gnosticism" are fuzzy categories used to describe the religious ideologies which characterize such texts as the Gospel of Thomas (or the Odes of Solomon, or the Fourth Gospel), 28 since they are used in such an elastic and unhistorical way. GRENFELL and H U N T , in the editio princeps of what would become known as POxy 654, commented briefly on the suggestion that Logion 5 was "clearly Gnostic," and anticipated how other scholars would label other sayings in their newly discovered papyrus fragment: "And if the other new logia are to be branded as 'Gnostic,' it is difficult to see what might not be included under that convenient category." 29 Recently, of course, it has become increasing evident that even terms like "Judaism" and "Christianity" (even when their pluriform character is recognized through the plural forms "Judaisms" and "Christianities"), are anachronistic labels not fully appropriate for the first century C E realities they attempt to describe.30 MICHAEL WILLIAMS has recently argued at length that the "gnostic" label not only needs rethinking, but also needs to be recognized for the dubious category it is.31 The abstract term "Gnosticism," an 18th century neologism, is more problematic than the labels "Judaism" and "Christianity" in the first century C E . Turning to the debated question of whether sayings of Jesus in the are dependent or independent of the Synoptic Gospels,

Gospel of Thomas

MEIER calls attention to the influential view of HELMUT KOESTER (ref l e c t e d i n t h e w o r k o f R O N CAMERON, STEVAN DAVIES, JAMES ROBINSON

27

ANTTI MARJANEN, IS Thomas a Gnostic Gospel?, in: Thomas at the Crossroads: Essays on the Gospel of Thomas, ed. RISTO URO (Edinburgh: T. & T. Clark, 1998),

28

See M I C H A E L A L L E N WILLIAMS, R e t h i n k i n g " G n o s t i c i s m " : A n A r g u m e n t f o r D i s -

29

BERNARD P . G R E N F E L L a n d ARTHUR S. H U N T , Λ Ο Γ Ι Α Ι Η Σ Ο Υ : S a y i n g s o f O u r L o r d

107-139.

mantling a Dubious Category (Princeton: Princeton University, 1996).

30

31

(London: Henry Frowde, 1897), 20. On "Christian," see JOHN H. ELLIOTT, 1 Peter: A New Translation with Introduction and Commentary (AB 37B; New York: Doubleday, 2000), 789-794 on 1 Pet 2:16a ("if anyone suffers as a Christian"); JOHN PILCH, Jews and Christians, in: The Cultural Dictionary of the Bible (Collegeville: Liturgical Press, 1999), 98-104; IDEM, Are there Jews and Christians in the Bible?, Hervormde Teologiese Studies 53 (1997), 1-7. WILLIAMS, Rethinking "Gnosticism" (see n. 28).

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and D O M I N I C CROSSAN) 32 , that the Gospel of Thomas may have been written in the latter half of the first century C E and that it shows no dependence on the Synoptic Gospels. M E I E R then musters an imposing roster of (largely European) scholars representing the contrary view that Thomas is in fact dependent on the Synoptics, including H. E. W. TURNER, R O B E R T M . G R A N T , JEAN-MARIE SEVRIN, B E R T I L GÄRTNER, K U R T

and WOLFGANG SCHRÄGE. The rhetorical purpose of orchestrating this standoff serves as a fanfare for MEIER'S conclusion: "With all due hesitation, I incline to the view that the Gospel of Thomas is dependent on the Synoptic tradition."33 M E I E R bases this decision on five lengthy arguments,34 each of which I will paraphrase, then follow with a brief response: (1) MEIER: Virtually all second-century apocryphal Jesus literature was inspired, in one way or another, by the powerful impact of the four (eventually canonical) Gospels; if the Gospel of Thomas is judged dependent on the canonical Gospels, it coheres well with the general development of second-century Christian literature; otherwise, it is anomalous. Response: M E I E R has in part created the pattern of regular dependence on the Synoptics and John which he finds in all apocryphal Jesus literature simply by denying the independent value of any apocryphal text, even though in particular instances he admits that such explanations are possible.35 Similarly, he uses TUCKETT'S judgments on the dependence of most Nag Hammadi sayings of Jesus on canonical tradition when it supports his own position, but is unwilling to allow TUCKETT'S view that paraSynoptic traditions in the Apocryphon of James and the Second Apocalypse of James might be authentic. (2) MEIER: Since the canonical Gospels both come from oral tradition and generate oral tradition, it becomes increasingly difficult to identify sayings of Jesus which might be independent of the Synoptics and John as the second century progresses. The dependence of Thomas on the Synoptics and John can be understood in more than one way, i. e., direct dependence on written texts as well as indirect dependence on institutions RUDOLPH

HANS-MARTIN SCHENKE refers to "the Koester school of thought," of which he considers himself a member, even though he differs on some basic issues, such as preferring the date of 140 C E for the composition of Thomas (On the Compositional History of the Gospel of Thomas, Institute for Antiquity and Christianity, Occasional Papers, 40 [Claremont: Institute for Antiquity and Christianity, 1998], 5. 33 MEIER, The Roots of the Problem, 130. 34 MEIER, The Roots of the Problem, 130-139. 35 This is a paraphrase of MEIER'S discussion of DODD'S assessment that PEgerton 2 is independent of the Synoptic tradition (The Roots of the Problem, 119): "I admit that Dodd's explanation is also possible."

32

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influenced by them such as preaching, catechesis, citation from memory, Gospel harmonies and creative reworking (all but Gospel harmonies qualify as "secondary orality"). Response: Though MEIER thinks it correct that oral tradition "did not die out the day after a canonical Gospel was published," 3 6 recognition of this fact plays no subsequent role in his discussion whatsoever. However, the fact that oral tradition continued to have vitality in the second century is demonstrated in part by its putative influence on the written Gospels, a fact demonstrated by the many additions to the hand-copied manuscripts of the Gospels. 3 7 MEIER is correct, however, in implying that oral tradition becomes an increasingly less reliable means for transmitting historically reliable data, though there are many complex factors involved (the length of the traditions, whether they are transmitted in poetry or prose, whether they are transmitted by specialists or within families, etc.). 38 Oral traditions can, at any given point, be reduced to writing (a process called "transcription" rather than "composition"), 3 9 the written versions can then affect oral versions of the same tradition, and one can never really know with any assurance the age of the exemplar of a given text (such as Thomas). Further, this argument does not touch the many sayings in Thomas (approximately half) which have no parallels to the canonical Gospels. (3) MEIER: The argument that the relative brevity of many sayings in the Gospel of Thomas compared to their Synoptic counterparts means that they are earlier and independent, maintains MEIER (correctly), is invalid. Further, in the interest of gnostic obfuscation, the redactor of the Gospel of Thomas removed clear and easily comprehensible elements from Syn-

MEIER, The R o o t s of the Problem, 131. JOËL DELOBEL, The Sayings of Jesus in the Textual Tradition: Variant Readings in the Greek Manuscripts of the Gospels, in: Logia: Les Paroles de Jésus - The Sayings of Jesus. Mémorial J o s e p h C o p p e n s , ed. JOËL DELOBEL, E T h L 59 (Leuven: Leuven University, 1982), 431-457. Distinguished a rhetorical or oral culture from a scribal culture, WALTER ONG argues that " O n l y during the last half of the second century did a scribal culture [ . . . ] begin to dominate the transmission of early Christian literature" (Interfaces of the Word: Studies in the Evolution of Consciousness and Culture [Ithaca: Cornell University, 1977], 214). 3 ' ROSALIND THOMAS, Oral Tradition and Written Record in Classical Athens (Cambridge: Cambridge University, 1989), 123-131, suggests that three generations is the limit for the transmission of reliable information in extended family contexts in ancient Athens. 39 E. J. BARKER, HOW Oral is Oral Composition?, in: Signs of Orality: The Oral Tradition and Its Influence in the Greek and Roman World, ed. E. A . MACKAY, Mnemosyne Suppl. 188 (Leiden: Brill), 31. 36

37

Assessing the Historical Value of the Apocryphal Jesus Traditions

255

optic sayings, thus rendering them shorter. Finally, the ahistorical, atemporal and amaterial ideology of the redactor motivated him to drop features contradicting these conceptions. Response: While it is true that the shorter version of a text is not invariably earlier than a longer version (the contrary view was falsified by E. P. SANDERS), it is often true that the shorter version can be shown to be an earlier version. In effect, M E I E R uses generalities, not exegesis, to argue that the shorter Thomas sayings are later than their longer Synoptic counterparts because of the compositional tendencies and motivations of the "gnostic" redactor. If the generality that the shorter text is the earlier text is invalid, MEIER'S assertion that the "gnostic" redactor shortened canonical texts is also invalid, unless and until each saying is analyzed in its own terms to determine its relationship to parallel or partially parallel texts and not dismissed out of hand as "gnostic." (4) M E I E R maintains that it is unlikely that the very early source of the sayings of Jesus upon which the Gospel of Thomas supposedly drew would have contained the broad spread of sayings from first century Jesus tradition evident in the Gospel of Thomas, including Q , Special M, Special L, Matthaean and Lucan redaction, the triple tradition and possibly the Johannine tradition; rather, it is more likely that Thomas has conflated material from Matthew and Mark and possibly from Mark and John as well.40 MEIER points particularly to the special Matthean material ( " M " ) , observing that "some of the M passages may be Matthew's own redactional creations."41 He lists several passages in Thomas which are arguably dependent on M, and then concludes: "In sum, only one of the passages I have listed would have to be Matthew's own creation or reflect Matthew's redaction to prove beyond a doubt that Thomas knows and uses Matthew's Gospel to compose his own."

then argues along the same lines for the dependence of Thomas on special Lukan material ("L"). Response: First, the notion that Thomas used "a single very early source" which contained material, now recognized as belonging to Q , Special M, Special L, Matthean and Lucan redaction, the triple tradition and possibly the Johannine tradition, is a supposition not held by Thomas

MEIER

The same objection to the independence of the Thomas traditions is made by KLYNE R. SNODGRASS, The Gospel of Thomas a Secondary Gospel, SecCent 7 (1989/90), 24-25. Both SNODGRASS and MEIER, incorrectly suppose (I believe) that Thomas exhibits literary dependence on the Fourth Gospel (see below). 41 MEIER, The Roots of the Problem, 135. 40

256

David E. Aune

scholars, with the exception of those few who suppose that Thomas was 42 dependent on Tatian's Syriac Diatessaron. Second, MEIER'S assumption (following R. E. BROWN) that Thomas is dependent on the Fourth Gospel is unfounded (see below). Third, if Thomas (dated by most scholars no later than 140 C E ) , exhibits dependence on Q, Special M, Special L, and the triple tradition, 43 then Thomas is the earliest Christian text to do so, and is remarkable in that respect. The next author to exhibit a similar pattern of dependence on the Synoptics is Justin Martyr (died ca. 165 CE) who, similarly, alludes neither to distinctive Markan passages nor the Fourth Gospel). 44 However, geographical distance is a significant factor: Justin was active in Rome while Thomas very probably originated in Syria (or at least in the eastern Empire). Further, while Justin shows no dependence on any non-canonical gospel,45 51 of the 114 logia in Thomas (45%) have no significant verbal parallels in the Synoptics or John. 4 6 Therefore "the broad spread of sayings" in Thomas is much broader than MEIER suggests, and is itself an anomaly. Fourth, MEIER'S statement that "some of the Μ passages may be Matthew's own redactional creations," is striking because of the phrase "may be" which implies that each case of possible dependence must be carefully investigated. Further, MEIER'S view that a single attested instance of the dependence of Thomas on a passage which is a Matthaean creation or exhibits Matthean redactional features proves that Thomas knew and used the Gospel of Matthew is simply not correct. The complex origins and redactions of Thomas are such that the dependence of a single logion on the Gospel of Matthew proves only the dependence of that logion.

42

T. BAARDA, Early Transmission of the Words of Jesus: Thomas, Tatian and the Text of the New Testament (Amsterdam, 1983) 49; H. J. W. DRIJVERS, Facts and Problems in Early Syriac-Speaking Christianity, SecCent 2 (1982), 173. This position is critiqued by W. L. PETERSEN, Tatian's Diatessaron: Its Creation, Dissemination, Significance, & History of Scholarship (VigChr.S 25; Leiden: Brill, 1994), 298-300. The opposite view, that the Diatessaron was dependent on Thomas, maintained by JACQUES-É. MÉNARD, L'évangile selon Thomas, N H S 5 (Leiden: Brill, 1975), is extremely unlikely

43

Dependence on the triple tradition is extremely difficult to prove. I do not think that there is any clear evidence that Thomas was dependent on Mark. A. J. BELLINZONI, The Sayings of Jesus in the Writings of Justin Martyr, NT.S 17 (Leiden: Brill, 1967), 139-142.

( W . L . PETERSEN, D i a t e s s a r o n , 2 9 6 - 2 9 7 ) .

44

45

BELLINZONI, J u s t i n M a r t y r , 1 3 1 - 1 3 8 .

46

The logia with no verbal parallels to the canonical Gospels are the following: 2, 7, 11, 13, 15, 17, 18, 19, 22, 23, 24, 27, 28, 29, 37, 38, 42, 43, 49, 50, 51, 52, 53, 56, 58, 59, 60, 67, 71, 74, 75, 77, 8k0, 81, 82, 83, 84, 85, 87, 88, 95, 97, 98, 102, 105, 106, 108, 110, 111, 112,114.

Assessing the Historical Value of the Apocryphal Jesus Traditions

257

(5) MEIER: Finally, even though Thomas "censors out" elements of Synoptic redaction, occasionally traces of the order or theological tendencies of the Synoptic Gospels survive. Response: First of all, the proposal that the general absence of redactional features are the result of a systematic elimination by the redactor of Thomas, is not impossible, though it is very difficult to imagine. There are, admittedly, several logia in Thomas which arguably preserve redactional features of Matthew and Luke (though none from John and probably none from Mark). I will give two examples. One instance is logion 31a (87.5-6) = P O x y 1.30-32: "Jesus said, 'No prophet is acceptable in his village,'" which is closest to Luke in the triple tradition and John (Mark 6:4 = Matt 13:57 = Luke 4:24 = John 4:44); according to Luke 4:24: "And he said, 'Truly, I say to you, no prophet is acceptable in his own country.'" The term δεκτός ("acceptable") is found in Luke 4:24 and Thomas only, suggesting oral or literary dependence on this saying in Luke.47 Another example is logion 47a (89.12-17) : "Jesus said, 'It is impossible for a man to mount two horses and to stretch two bows, and it is impossible for a servant [hmhal] to serve two masters, otherwise he will honour the one and offend the other."' While the last part of this quotation has a close parallel in the double tradition (Luke 16:13 = Matt 6:24), only Luke has οΐκέτης ("servant"), a redactional feature,48 which corresponds to hmhal ("servant") in Thomas. Second, by "order [ . . . ] of the Synoptic Gospels," MEIER is referring to the microstructure of individual pericopes, not the macrostructure of the Gospels themselves. As the examples in the preceding paragraph indicate, I am not reluctant to admit that Thomas sometimes preserves redactional features of the Synoptic Gospels, whether through oral or written dependence (or some combination of the two). One of the examples which MEIER adduces for demonstrating the dependence of Thomas on the order of Synoptic pericopes is Luke 10:8-9, which he thinks can be glimpsed in logion 14: "When you go into any land and walk about in the districts, if they receive you, eat what they will set before you, and heal the sick among them." MEIER is correct this portion of a rather compositionally complex logion reflects dependence on Luke,49 because the phrase in Luke

JOSEPH FITZMYER, The Gospel According to Luke, A B 28, 28A (2 vols.; Garden City: Doubleday, 1981-1985), 1.527-528. 48 JOACHIM JEREMIAS, Die Sprache des Lukasevangeliums: Redaktion und Tradition im Nicht-Markusstoff des dritten Evangeliums, KEK Sonderband (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1980), 258. 49 JENS SCHRÖTER, Erinnerung an Jesu Worte: Studien zur Rezeption der Logienüberlieferung in Markus, Q und Thomas, W M A N T 76 (Neukirchen: Neukirchener Verlag,

47

258

David E. Aune

10:8b, "eat what is set before you," is probably, though not certainly, a redactional addition to Q. 50 There is at least one memorable line in a satirical western movie "The Life and Times of Judge Roy Bean" (1972): "Can we hang him now, Judge, or do we need to hold a trial first?" The outcome of MEIER'S discussion of the Gospel of Thomas is about as unexpected as the results of that fictional trial:51 "Since I think that the Synoptic-like sayings of the Gospel of Thomas are in fact dependent on the Synoptic Gospels and that the other sayings stem from 2dcentury Christian gnosticism, the Gospel of Thomas will not be used in our quest as an independent source for the historical Jesus."

Nevertheless, since MEIER recognizes that all scholars do not agree with his assessment, he promises that throughout his project, he will keep an eye on the sayings in Thomas throughout his project as a check and control on his own interpretation of the data in the canonical Gospels. He does follow through on this promise occasionally, as a few entries in the index under "Gospel of Thomas" indicate, though never with the rigor that one might wish. One of the consequences of MEIER'S wholesale rejection of Thomas - and one of which he is fully aware - is the problem that few parables in the Jesus tradition exist in more than one independently attested version, so that the criterion of multiple attestation cannot be used.52

3. The Methodology of John Dominic

Crossan

J O H N D O M I N I C CROSSAN is a p r o l i f i c a n d e l o q u e n t s c h o l a r w h o h a s p r o -

duced twenty books, sixteen on aspects of the life and teachings of Jesus and related sources. His 1991 book The Historical Jesus is at once the best known, most exciting, and yet most controversial of his books. 53 Unlike 1997), 2 3 2 - 2 3 3 ; RISTO URO, Thomas and the Oral Gospel Tradition, in: Thomas at the Crossroads: Essays on the Gospel of Thomas, ed. RISTO URO (Edinburgh: T. & T. Clark, 1998), 2 6 - 3 1 . 50

51 52 53

JAMES M . ROBINSON, P A U L HOFFMANN a n d JOHN S. KLOPPENBORG, T h e

Critical

Edition of Q (Minneapolis: Fortress; Leuven: Peeters, 2000), 170-171. MEIER, The Roots of the Problem, 139. MEIER, Mentor, Message, and Miracles, 290. JOHN DOMINIC CROSSAN, The Historical Jesus: The Life of a Mediterranean Jewish Peasant (San Francisco: HarperSanFrancisco, 1991).

Assessing the Historical Value of the Apocryphal Jesus Traditions

259

MEIER, CROSSAN is concerned to present an overall conception of Jesus which makes sense of the many individual complexes of Jesus tradition. For CROSSAN, Jesus was a peasant Jewish Cynic, part of an inclusive form of Judaism, who announced the "brokerless kingdom of God," i. e., there should be no mediator between people and God or even between individual people themselves. The macrocosmic and microcosmic emphases of his work become obvious in a succinct eight-page discussion of his method, really a conceptual model, which he refers to as a "triple triadic process:" 54 "The first triad involves the reciprocal interplay of a macrocosmic level using cross-cultural and cross-temporal social anthropology, a mesocosmic level using Hellenistic or Greco-Roman history, and a microcosmic level using the literature of specific sayings and doings, stories and anecdotes, confessions and interpretations concerning Jesus. All three levels, anthropological, historical and literary, must cooperate fully and equally for an effective synthesis."

In the first level, CROSSAN makes heuristic use of a spectrum of anthropological models and typologies (e. g., honor and shame; patron-client relations). In the second level, he uses historical studies which illuminate various religious and cultural practices and ideologies which provide a context for the Jesus tradition. In the third level, he argues that the Jesus tradition (which consists both of intracanonical and extracanonical Jesus traditions), has three major layers, consciously avoiding what he considers the pejorative language of "authentic" and "inauthentic": (1) Retention·. the essential core of the words and deeds of Jesus, (2) Development: applying these data to new situations and problems, and (3) Creation: the composition of new sayings and stories and the development of larger complexes which thereby changed the contents. The second triad focuses on the problems presented by the Jesus tradition itself, and consists of three steps: (1) Inventory: a declaration of all the major sources and texts, both intracanonical and extracanonical, which will be used (there are 522 complexes in that inventory). 55 (2) Stratification: the placement of the inventoried sources in chronological order in four major groups: (a) 30-60 CE, (b) 60-80 CE, (c) 80-120 CE, (d) 120-150 CE. (3) Attestation: a presentation of the stratified inventory of sources in terms of multiplicity of independent attestation, the number

54 55

CROSSAN, Historical Jesus, xxviii-xxix. CROSSAN, Historical Jesus, 427-450: "Appendix 1: An Inventory of the Jesus Tradition by Chronological Stratification and Independent Attestation."

260

David E. Aune

of times a given tradition appears in sources literarily independent of each other. The third triad centers on the methodological manipulation of the inventory which has been arranged chronologically and numbered attestion: (1) Sequence of strata·, the focus is on the first stratum (chronologically closest to the historical Jesus and the stratum with which C R O S S A N is most concerned in this book), then the next strata in order, though "a unit from the fourth stratum could be more original than one from the first stratum." 56 (2) Hierarchy of attestation·, the emphasis on the first stratum (where everything is considered original until argued otherwise) is qualified by an emphasis on those complexes with the highest count of independent attestation, for "at least two independent sources from the primary stratum cannot have been created by either of them." 57 (3) Bracketing of singularity: the complete avoidance of units in the first stratum which are singly attested. Since C R O S S A N ' S inventory of 5 2 2 complexes of sources for Jesus tradition is only a list of passages, it presupposes arguments for chronological arrangement which the author does not make explicit in this book, though he has argued for many of these conclusions in earlier studies,58 and also cites modern scholars in support of his views. Since C R O S S A N places most emphasis on the first stratum (30-60 CE), I will list the thirteen sources he places in this chronological category, followed by the eight sources in his second stratum (byway of contrast): 59 First Stratum (30-60 CE) 1. 1 Thessalonians (50 CE) 2. Galatians (52-53 CE) 3. 1 Corinthians (53-54 CE) 4. Romans (55-56 CE) 5. Gospel of Thomas I (a second stratum, Gospel of Thomas II is assigned to 60-80 CE) 6. Egerton Gospel (PEgerton 2; PKöln 255) 60 CROSSAN, Historical Jesus, xxxii. CROSSAN, Historical Jesus, xxxii-xxxiii. 58 JOHN DOMINIC CROSSAN, Four Other Gospels: Shadows on the Contours of the Canon (Minneapolis: Winston, 1985; IDEM, The Cross that Spoke: The Origins of the Passion Narrative (San Francisco: Harper & Row, 1988). 56 57

59

CROSSAN, Historical Jesus, 4 2 7 - 4 3 0 .

60

While these three papyrus fragments were dated ca. 150 C E (H. I. BELL and T. C. SKEAT, Fragments of an Unknown Gospel [London: Trustees of the British Museum, 1935], this date has been advanced to ca. 200 C E by E. G. TURNER, Greek Manuscripts of the Ancient World (Oxford: Clarendon, 1971), 13. It has been argued by some that this fragmentary work is earlier than both John and the Synoptics (the view of CROS-

Assessing the Historical Value of the Apocryphal Jesus Traditions

261

7. Papyrus Vindobonensis Greek 2325 8. Papyrus Oxyrhynchus 1224 9. Gospel of the Hebrews, known only from seven patristic quotations (50's C E ) 10. Sayings Gospel Q (50's C E ) 11. Miracles Collection, now embedded in Mark and J o h n (50's C E ) 12. Apocalyptic Scenario, now embedded in Didache 16 and Matthew 24 13. Cross Gospel, now embedded in the Gospel of Peter (50's C E ) Second Stratum (60-80 CE) 1. Gospel of the Egyptians, known only from six patristic citations (by the 60's CE) 2. Secret Gospel of Mark, the first version of the Gospel of Mark (early 70's C E ) 3. Gospel of Mark, the second version (end of the 70's C E ) 4. Papyrus Oxyrhynchus 840 (formally more developed than debates in the Egerton Gospel or Mark 7, so may be dated around the 80's) 5. Gospel of Thomas II 6. Dialogue Collection, now embedded in the Dialogue of the Savior, clearly distinguishable in Dial. Sav. 124.23-127.18; 131.19-132.15; 137.3-147.22 (shows a more developed dialogue format than in the Gospel of Thomas or in the Sayings Gospel Q . 7. Signs Gospel of Book of Signs, now embedded within the Gospel of John 8. Colossians T h e c o n c e p t u a l i z a t i o n o f C R O S S A N ' S m e t h o d o l o g y in t h r e e

interlocking

triads is d o u b t l e s s o n e o f t h e m o s t c o m p l e x a n d e l e g a n t a t t e m p t s o f a n y historical Jesus scholar t o articulate historical m e t h o d o l o g y .

A t the same

t i m e it is s t r i k i n g h o w f r e q u e n t l y C R O S S A N ' S m e t h o d o l o g y is p a s s e d o v e r in s i l e n c e in d i s c u s s i o n s o f c r i t e r i a u s e d t o r e c o n s t r u c t t h e w o r d s deeds o f Jesus.61

and

T h e f i r s t t r i a d , w i t h its e m p h a s i s f i r s t o n c r o s s - c u l t u r a l

SAN), while others regard it as dependent on them (JOACHIM JEREMIAS and WILHELM SCHNEEMELCHER in N e w T e s t a m e n t A p o c r y p h a , ed. W I L H E L M SCHNEEMELCHER [rev.

ed.; 2 vols.; Louisville: Westminster John Knox, 1991], 1.96-98). " Two recent books on the criteria for historical Jesus research virtually ignore the method

articulated

by

CROSSAN:

BRUCE

CHILTON

and CRAIG

A.

EVANS

(eds.),

Authenticating the Words of Jesus, N T T S 28,1 (Leiden: Brill, 1999), and STANLEY E. PORTER, The Criteria for Authenticity in Historical-Jesus Research: Previous Discussion and N e w Proposals, J S N T . S 191 (Sheffield: Sheffield Academic Press, 2000). Porter claims that recent historical Jesus research is dominated by three scholars, E. P. SANDERS, J O H N P . M E I E R a n d T O M W R I G H T .

T h e o m i s s i o n o f CROSSAN'S n a m e is

striking, and the excuse given is that CROSSAN is a member of the Jesus Seminar which the author does not want to discuss in this volume. This is an astonishing omission, given the independence and creativity of CROSSAN'S work. N o t e the very positive assessment of CROSSAN'S book in N . T . WRIGHT, Jesus and the Victory of God (Minneapolis: Fortress, 1996), 44. The one book on criteria for historical Jesus research w h i c h d o e s t r e a t CROSSAN'S m e t h o d is G E R D THEISSEN a n d DAGMAR W I N T E R , D i e

Kriterienfrage

in

der Jesusforschung:

Vom

Differenzkriterium

zum

Plausibili-

262

David E. Aune

and cross-temporal social anthropology, and secondly on Hellenistic and Roman history, constitutes an implicit Plausibilitätskriterium ("criterion of [historical] plausibility"), a method which has much in common with M E I E R ' S "criterion of Palestinian environment" (one of the criteria he labels as dubious), 62 and with T O M H O L M E N ' S recent arguments for rejecting "double dissimilarity" (a Jesus tradition may be authentic which does not derive from first century Judaism or Christianity), in favor of dissimilarity with early Christianity only.63 Indeed, one of the basic features of the so-called Third Quest is the interpretation of Jesus within his Jewish context. 64 The third part of the first triad is the inclusion of all relevant Jesus traditions, whether intracanonical or extracanonical. This is surely a reasonable historical approach to the evidence. The second triad consists of inventory, stratification and attestation. C R O S S A N ' S inventory of 51 major sources texts listed in four chronological categories is a forthright way of presenting his conception of the general character of the evidence, as is the further elaboration of 522 complexes of Jesus tradition similarly arranged in four chronological strata, and within each stratum in terms of the number of times each independent complex of Jesus tradition occurs. C R O S S A N further places a + before complexes of tradition which in his view are originally from Jesus, a before complexes of tradition which are not, and an equivocal + / - before those which cannot be decided. He categorizes each of the 522 complexes of tradition using this system; it is only in the fourth stratum that not a single one of the 34 complexes of tradition included in the inventory is judged not to originate with Jesus. The third triad consists primarily of value judgments added to the second triad by emphasizing the primary evidential value of the first stratum of evidence (30-60 CE), by valuing complexes with the highest count of independent attestation, and by the bracketing out of Jesus traditions attested only once. The cornerstone of C R O S S A N ' S project is his assignment of texts and sources to the four chronological strata and his emphasis on the historical tätskriterium, N T O A 34 (Freiburg: Universitätsverlag; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1997). 62 MEIER, R o o t s of the Problem, 180. A TOM HOLMÉN, D o u b t s about Double Dissimilarity: Restructuring the Main Criterion of J e s u s - o f - H i s t o r y Research, in: Authenticating the Words of Jesus, ed. BRUCE CHILTON and CRAIG A. EVANS, N T T S 28,1 (Leiden: Brill, 1999), and more recently in: Jesus and Jewish Covenant Thinking, BIS 55 (Leiden: Brill, 2001), 28-29. HOLMÉN expresses dependent on BEN F. MEYER, The Aims of Jesus (London: S C M Press, 1979) 86. 44 BEN WITHERINGTON III, T h e Jesus Q u e s t : The Third Search for the J e w of Nazareth (2ntl ed.; Downers Grove: InterVarsity, 1997) 14-41.

Assessing the Historical Value o f the Apocryphal Jesus Traditions

263

value of multiple attestations of independent sources in the first stratum. A complex of Jesus traditions belongs to the first stratum if an item occurs in just one source or text in the first stratum. These basic moves, however, are problematic for several reasons. First, given the inability of New Testament scholars to date many early Christian texts with any precision (the leeway in dating is often several decades), the overly-precise chronological time slots proposed by C R O S S A N (30-60, 60-80, 80-120, 120-150) are inappropriately specific. Second, the time slots are arbitrary, which makes the evidentiary value of texts and sources placed in the "first" stratum problematic. Why, for example, should the first stratum end ca. 60 CE, rather than 50, 55, 65 or 70? This is a critical issue, since texts and sources from the first stratum are regarded as qualitatively superior to those in the second stratum (not to mention the third and fourth strata). Moreover, why should the second stratum begin in 60 C E (rather than a decade earlier or later) and conclude with 80 C E (rather than a decade earlier or later) ? Third, the notion of "independent" sources, critical for the validity of the criterion of multiple attestation, oversimplifies the complex relationship between oral and written tradition, which must allow for various types of interaction between them during the first and second centuries CE. For CROSSAN, multiple attestation is a black and white issue; complexes of Jesus tradition are either "independent" or "dependent," with no allowance for the observable phenomenon of the influence of oral tradition on written texts as well as the influence of written texts on oral tradition ("secondary orality"). Perhaps the single most striking feature of C R O S S A N ' S methodology which distinguishes it from that of almost all other historical Jesus scholarship is his complete disinterest in the criterion of dissimilarity.'5 In an article which appeared in 1988, C R O S S A N comments directly on the criterion of dissimilarity, after quoting B U L T M A N N and K Ä S E M A N N on the subject: 66 "I do not really disagree with that principle in theory but have some doubts about it in practice." These doubts are based on a frank recognition of the complex and variegated character as well as the plurality of the early Judaisms and early Christianities of the first and second centu-

"THEISSEN and WINTER, Die Kriterienfrage in der Jesusforschung, 154: " F ü r unsere Kriterienfrage ist wichtig, daß Crossan dezidiert auf das Differenzkriterium in allen seinen F o r m e n als Mittel zur Rekonstruktion authentischer Jesusüberlieferung verzichtet." " J O H N DOMINIC CROSSAN, Divine Immediacy and H u m a n Immediacy: Towards a N e w First Principle in Historical Jesus Research, Semeia 4 4 ( 1 9 8 8 ) , 123.

264

David E. Aune

ries CE. 67 Elsewhere he has formulated what he has designated the "criterion of adequacy" as an alternative first principle to the criterion of dissimilarity: "that is original which best explains the multiplicity engendered in the tradition."68 Further, the extensive application of this criterion of adequacy is evident in C R O S S A N ' S earlier detailed transmission analysis of 133 aphorisms attributed to Jesus in both the intracanonical and extracanonical texts.69 While C R O S S A N makes no mention of the criterion of adequacy in the introduction methodological discussion in The Historical Jesus, it is clearly the driving conviction behind his emphases on the multiplicity of independent attestation and the chronological stratification of the individual complexes of Jesus tradition. Conclusions based on these multiply attested complexes in the first stratum become the "bedrock" for the analysis of later strata and single attestations.70 In The Historical Jesus, the methodological process which C R O S S A N has used to date sources and texts in the first stratum is not (with some minor exceptions) made explicit, nor is the methodological process where by he judges that the 522 complexes of Jesus tradition (186 of which are located in the first stratum) originated with Jesus, did not originate with Jesus, or cannot be decided. Occasionally, C R O S S A N does make such judgments explicit. The Gospel of the Egyptians, he observes, has a dialogue format more developed than that in the Gospel of Thomas.71 POxy 840, which belongs to the second stratum, is placed there because it "is formally more developed than the debates in the Egerton Gospel or Mark 7, so it may be dated tentatively around the eighties (if so, it does not belong in the second stratum, 60-80 CE, where he has assigned it, but rather in the third, 80-120). 7 2 Such arguments, which presuppose that compositional complexity can be correlated with chronological development, have little credibility since the work of E. P. SANDERS on the "tendencies" of the Synoptic tradition.73

1 am responsible for the pluralization of "Judaism" and "Christianity" in the above statement, but I think that CROSSAN would agree with the implications of those plural forms. 68 CROSSAN, Divine Immediacy and Human Immediacy, 125. " J O H N DOMINIC CROSSAN, In Fragments: The Aphorisms of Jesus (San Francisco: Harper & Row, 1983). 70 CROSSAN, Historical Jesus, 410. 71 CROSSAN, The Historical Jesus, 429. 72 CROSSAN, T h e Historical Jesus, 430. 73 ED P. SANDERS, The Tendencies of the Synoptic Tradition, SNTSMS 9 (Cambridge: Cambridge University, 1969). Among other things, SANDERS argues that the generalization that Matthew abbreviates Mark is invalid. 67

Assessing the Historical Value of the Apocryphal Jesus Traditions

265

CROSSAN'S inventory of sources and texts found in the first and second strata are of particular interest. O f the thirteen sources placed in the first stratum (30-60 CE), four are complete early Christian texts (1 Thessalonians, Galatians, 1 Corinthians, and Romans), five are reconstructed sources (Gospel of Thomas I, Sayings Gospel Q, Miracles Collection [embedded in Mark and John], Apocalyptic Scenario [embedded in Did 16 and Matt 24], and the Cross Gospel [embedded] in the Gospel of Peter), three are papyrus fragments of otherwise unknown gospels (Egerton Gospel,74 Papyrus Vindobonensis Greek 2325, Papyrus Oxyrhynchus 1224), and the Gospel of Hebrews, known only from seven patristic citations. O f the eight sources assigned to the second stratum (60-80 CE), two are complete early Christian texts (Mark, Colossians), several are reconstructed sources (Gospel of Thomas II, Dialogue Collection, Signs Gospel), and three are fragments (Gospel of the Egyptians [known only from six patristic quotations], Secret Gospel of Mark, Papyrus Oxyrhynchus 840).

In the case of the Egerton Gospel, CROSSAN has argued elsewhere that this fragmentary gospel is earlier than Mark.75 However, his reasoning for this view is peculiar. Rather than observe, as others have, that PEger 2, frag. 2, lines 43-59 clearly reflects a knowledge of all three Synoptic Gospels: (1) Lines 43-50 reflect Mark 12:14-15 (the double question is found only here), (2) Lines 50-53 betray a knowledge of the saying found only in Luke 6:46 ("Why do you call me 'Lord, Lord,' and do not do what I tell you?"), and (3) Lines 54-59 reflects Matt 15:7-8 (similar to Mark 7:6-7, though this includes the term "hypocrites" which is not found in PEger). CROSSAN is impressed with the compositional structure of PEger 2, fr. 2, lines 53-59, and for that reason gives it priority.76 However, there is no inherent reason why the author-editor of the Egerton Gospel could not have created a coherent pericope out of materials found in the Synoptics and John.

JOHN DOMINIC CROSSAN, Four Other Gospels: Shadows on the Contours of the Canon (Minneapolis: Winston, 1985), 65-75. 75 CROSSAN, Four Other Gospels, 86. 76 CROSSAN, Four Other Gospels, 78-86. KOESTER regards as implausible either that the Egerton Gospel (with specific reference to the Paying Taxes to Kings pericope) is an independent older tradition or that it is an apophthegma pieced together from sentences from three different gospels, but rather is drawn from oral tradition not from existing gospels (Ancient Christian Gospels [Philadelphia: Trinity Press International, 1990], 213-215. The second "implausible" alternative could be based on memory, suggests KOESTER, but he asks whether this memory was based on written or oral gospels? He prefers the second alternative, but the first is just as viable. 74

266

David E. Aune

CROSSAN'S extensive utilization of the Gospel of Thomas is a distinctive feature of his historical Jesus enterprise, fueled by the conviction that "The collection [of sayings of Jesus in Thomas] is independent of the intracanonical gospels." 77 One difficulty is that CROSSAN nowhere explains just what he means by Gospel of Thomas I and II, except for the general observation that one layer of Thomas was composed by the 50's CE, and a second layer was added as early as the 60's or 70's under the aegis of the "Thomas authority." 78 A survey of the 186 complexes of Jesus tradition included in CROSSAN'S First Stratum (the most historically important), reveals that of the 114 logia found in Thomas, no less than 66 are listed (in whole or in part) as evidence for this earliest period (30-60 CE), under the categories of multiple, triple and double independent attestation. N o Thomas logia are listed among the 54 complexes of Jesus tradition which have only single attestation.

At this point, before getting into more detail about the qualitative and quantitative reasons why CROSSAN used the Thomas logia in his data base, a brief explanation of the arrangement of Thomas is necessary. The conventional division of Thomas into 114 logia is not completely satisfactory, since many individual logia contain two, three, or even four units which can reasonably be considered separable. There is, however, no standard way of referring to these units. Thus when CROSSAN refers to Thomas 38:2 or 79:3, it is not always clear which precise part of each logion he has in mind. If the components of each logion are listed separately, there are at least 144 separate sayings of Jesus are found in Thomas (by my reckoning), the total number of saying-units that CROSSAN uses will exceed by thirty the 114 conventional logia-division of Thomas. Returning to the 66 logia which CROSSAN lists as primary evidence for the First Stratum, it so happens that all but one79 of these 66 logia have relatively close parallels in the Synoptics and John. This is striking when one realizes that all or part of 64 logia in Thomas (56.14%), have no parallel in the Synoptics or John (using the more detailed breakdown of 144 sayings, 70 or 46.97%, have no parallel in the Synoptics or John). Where,

77

CROSSAN, The Historical Jesus, 427, referring there to the work of STEVAN L. DAVIES, The Gospel of Thomas and Christian Wisdom (New York: Seabury, 1983), to his own book Four Other Gospels, and especially to the dissertation of Stephan Patterson, subsequently published as The Gospel of Thomas and Jesus (Sonoma: Polebridge, 1993).

7"

CROSSAN, The Historical Jesus, 427. CROSSAN, The Historical Jesus, 437, no. 37: Thomas 57, which is listed with Dial. Sav. 49-52; Dial. Sav. 84—85 (neither of which are convincing oral or literary parallels), and Gos. Eg. 5a.

7'

Assessing the Historical Value of the Apocryphal Jesus Traditions

267

if at all, does CROSSAN use these logia which have no apparently relationship to Synoptic or Johannine tradition? The answer is that 32 of the remaining logia are assigned to the Second Stratum (60-80 CE); nearly all of these being logia which have no significant parallels in the Synoptics and John. 80 This is all quite remarkable, for it means that CROSSAN'S early stratum of Thomas (30-60 CE) consists almost exclusively of logia with canonical parallels, while his later stratum (60-80 CE) consists almost exclusively of logia which have no canonical parallels. CROSSAN makes no mention of this approach to stratifying Thomas in his earlier discussion Four Other Gospels, nor is such a stratification scheme found in any other discussion of the composition and redaction of Thomas in Thomas scholarship (so far as I am aware).81 Such a stratification hypothesis certainly needs careful and convincing argumentational support before it can be used as a tool for historical research. A second problem, not unrelated to CROSSAN'S arbitrary stratification proposal, is his uniform dating of virtually all Thomas logia with Synoptic or Johannine parallels to 30-60 CE, his First Stratum. Like most other aspects of Thomas research, of course, there is widespread disagreement about the date when the work was composed, though it is unnecessary to parade the various proposals before the reader. Suffice it to say that when any scholar departs significantly from the date of composition of Thomas which is most widely held in the academy, namely ca. 140 CE, significant arguments need to be adduced in support of that position. In an earlier discussion of the logia of Thomas, CROSSAN concluded that "the tradition in Thomas is independent of the intracanonical gospels but, of course, this working hypothesis will have to be tested in every single case to be considered."82 Well and good. However, by assigning nearly all of the Thomas logia which have Synoptic or Johannine parallels (arbitrarily) to the First Stratum, this aspect of his data base of complexes of Jesus tradition becomes extremely tenuous. It is essentially an unlikely hypothesis which

80

The vast major of the Thomas logia assigned to the second stratum have only a single attestation (though eight of these are judged by CROSSAN to be authentic: 25, 42, 47a, 58, 77b, 97, 98, 110), while the four listed under double attestation have only noncanonical parallels: # 2 0 6 : Knowing Yourself (Thomas 3:2; Dial. Sav. 3 0 ) , # 2 0 8 : Life and Death (Thomas l l : l - 2 a ; 111:1; Dial. Sav. 5 6 - 5 7 ) , # 209: The Bridal Chamber (Thomas 75; Dial. Sav. 50b); see CROSSAN, The Historical Jesus, 444.

81

See, for example, HANS-MARTIN SCHENKE, O n the Compositional History of the Gospel of Thomas, The Institute for Antiquity and Christianity Occasional Papers, 40 (Claremont: Institute for Antiquity and Christianity, 1998). CROSSAN, F o u r O t h e r Gospels, 37.

82

268

David E. Aune

is then linked to other hypotheses of varying degrees of probability, making the whole project methodologically fragile. A third problem with CROSSAN'S insistence on including most of the Thomas logia with canonical parallels in his First Stratum, is that in many instances clusters of Jesus tradition in that stratum consist primarily of material which belongs chronologically in the periods 60-80 C E and 80-120 C E (i. e., the Second and Third Strata), but which have a foot in the door of the First Stratum only because the Thomas logion which is part of that Jesus tradition cluster is assigned to the First Stratum. Of the 131 complexes of Jesus tradition in the First Stratum which are independently attested two or more times, 30 are only in that stratum because of the Thomas logion with which they are closely parallel (of these 30, 19 are judged to come originally from Jesus, 8 of which are parables). If the Thomas I material which CROSSAN assigns to the 30-60 C E slot were shifted to the 60-80 C E slot (a period earlier than most Thomas scholars would accept), 30 complexes of Jesus tradition would have to be shifted into the Second Stratum, thus (methodologically, at least) radically altering the corpus of material which could be considered as originating with Jesus. A fourth, and more general issue, has to do with the importance which reconstructed or hypothetical texts have for CROSSAN'S enterprise. While Q is the most widely accepted of the hypothetical sources which CROSSAN accepts, the stratification of Q which he accepts ( Q l , Q 2 and Q 3 ) , is one of many recent proposals and is problematic for CROSSAN'S enterprise primarily because it is not defined more closely. The real problem lies, not in the viability of a different reconstruction of the composition and redaction of Q , but to the problem of dating. While KLOPPENBORG VERBIN thinks that dating Q in the 50's or 60's is possible, he (and a number of others) think that the bulk of Q was redacted before the 66-70 C E revolt, but that it was given final form after 70 CE. 83 Dating Q in the 60's and 70's, of course, would exclude Q from CROSSAN'S First Stratum (30-60 CE), pushing it into the Second (60-80 CE), thus radically changing the configuration of Jesus material which could quality as original. Further, since CROSSAN includes a number of other reconstructed texts, such as a miracle collection embedded in Mark and John and the apocalyptic scenario embedded in Didache 16 and Matthew 24, it is somewhat odd that he does not consider as pre-Markan the collection of Streitgespräche in Mark 2:1-3:6, or the collection of parables in Mark

83

JOHN S. KLOPPENBORG VERBIN, Excavating Q : The History and Setting of the Sayings Gospel (Minneapolis: Fortress, 2000), 87.

Assessing the Historical Value of the Apocryphal Jesus Traditions

269

4:1-34 or Special L or Special M. All of these are controversial reconstructions, however, and tend to lessen the persuasive power of the entire enterprise. CROSSAN is fully aware of what he is doing, of course, and essentially presents his entire data base as a complex hypothesis which readers can either accept or argue for modifications. However, including any or all of the reconstructed sources which CROSSAN has not used to this point, would significantly alter the array of material qualifying for attribution to Jesus.

4. Methodological

Reflections

Both M E I E R and CROSSAN have, each in their own way, violated a rule of criticism which I will call the "criterion of unpredictability," by which I mean that suspicion attaches to the critical methodology of those whose interpretive moves are excessively predictable. For example, while K L Y N E SNODGRASS is convinced that Thomas is derived from canonical traditions, he also maintains that Thomas doubtless contains independent traditions not found in the canonical Gospels and perhaps parallel traditions that were not derived from the canonical Gospels.84 For this reason, I think that it is obvious that SNODGRASS is using critical judgment and is not in thrall to some theological or ideological position. The same can be said for the important recent work of JENS S C H R Ö T E R , whose analysis of the relationship between Thomas traditions and Mark and Q is credible precisely because he sometimes judges for and other times against the dependency of Thomas on Synoptic tradition. J O H N M E I E R does not come off nearly so well, for I think that it would be incredible if a document like Thomas, containing nearly 150 sayings of Jesus, and compiled ca. 140 CE (while oral tradition still retained some measure of vitality) did not contain at least some happy vestiges of original historical Jesus traditions. CROSSAN does not comport himself very well either, for it would be incredible if a document like Thomas did not contain at least a smidgen of Jesus traditions which were dependent on the Synoptic Gospels. Both scholars evaluate the historical value of the Jesus traditions in Thomas in such a consistent way that their general approach to Thomas must be called into question.

84

KLYNE R. SNODGRASS, The Gospel of Thomas: A Secondary Gospel, SecCent 7 (1989/90), 19.

270

David E. Aune

The issue of whether or not Thomas is dependent or independent of the canonical Gospels is still hotly debated and cannot be solved simply by marshaling a roster of authorities who agree with one or another position, and then by cavalierly dismissing the claims of those holding the opposite position. As RON CAMERON (an adherent of the "Koester school") observed nearly a decade ago, "The question of the relationship of Gos. Tbom. and the Gospels of the N T is still to be resolved."85 While disagreement on this issue will probably continue into the indefinite future, it must be said that at the present time, Thomas scholars (that is, those who have made the study of the Gospel of Thomas the focus of their professional careers), tend to agree that a substantial number of sayings in Thomas are independent of the canonical Gospels. In this climate, then, it is essential that whatever side a scholar takes on this issue, each saying of Jesus preserved in Thomas be tested to determine whether it is dependent or independent of canonical Jesus tradition. There is simply no other alternative. Despite the intense study of the Gospel of Thomas since the publication of the Coptic text in 1959, the complex character and history of this work has yet to be fully explored, and this further exploration is critical for understanding the character of oral and written Jesus traditions in the first and second centuries CE. Several issues come immediately to mind which should be high on the agenda of future research:86 (1) Dating the Redactions of Thomas. While dates from the mid-first to the late second century CE have been proposed for the composition of Thomas, the probability that it came into existence in stages is a possibility that needs to be seriously considered. CROSSAN'S bifurcation of Thomas into two strata recognizes the compositional and redactional complexity of the work, but deals with the problem in an overly simplistic manner. (2) The Ideology or Theology of Thomas. In the past, Thomas has been labeled "gnostic" (MEIER'S preferred category), "encratite," or "ascetic" (CROSSAN'S choice) "wisdom," 87 and as "mystical."88 I have already suggested above that the "gnostic" category is problematic for the Gospel of Thomas. The "encratite" or "ascetic" characterization of Thomas is also problematic because of

85

"Thomas, Gospel of," A B D 6.537. " See also the balanced essay by P H I L I P H . SELLEW, The Gospel of Thomas: Prospects for Future Research, in: The N a g Hammadi Library after Fifty Years: Proceedings of the 1 9 9 5 Society of Biblical Literature Commemoration, ed. J O H N D . T U R N E R and A N N E M C G U I R E , N H M S 4 4 (Leiden: Brill, 1 9 9 7 ) , 3 2 7 - 3 4 6 . 87 DAVIES, The Gospel of Thomas and Christian Wisdom. 88 A P R I L D . D E C O N I C K , Seek to See Him: Ascent and Vision Mysticism in the Gospel of Thomas, VigChr.S 33 (Leiden: Brill, 1996).

Assessing the Historical Value of the Apocryphal Jesus Traditions

271

a number of internal tensions in the text (such as different attitudes toward marriage and celibacy) which suggest the presence of several types of ascetic traditions. 8 9 DE CONICK'S emphasis on mysticism in Thomas appears somewhat one-sided, but has yet to provoke a response from the academy. (3) The Interaction of Oral and Written Tradition. For New Testament scholars, whose work is largely limited to the study of written texts, one of the more critical issues concerns the relationship between oral and written transmission of Jesus traditions, and the interaction between them. KLOPPENBORG VERBIN, referring specifically t o the Synoptic Problem, comes to the heart of the problem (which is analogous to the even more complex problem of the relationship between Thomas and the Synoptic tradition) "Few critics nowadays focus much attention on the transformations and developments that doubtless occurred in the oral tradition prior to its inscription in written documents as a means of resolving the Synoptic Problem. This is not because such knowledge would not be quite useful, but because it is simply beyond our reach." HELMUT KOESTER has laid out influential arguments for the viability of oral Jesus traditions well into the second century CE. 9 1 Since the work of PARRY and LORD on oral formulaic theory, classicists have become increasing interested in the phenomenon of orality and oral tradition in the Greek and Roman world. 9 2 N e w Testament scholars have followed suit, 93 and have begun to use insights from the modern study of orality and oral

" RISTO URO, IS Thomas an Encratite Gospel?, in: Thomas at the Crossroads: Essays on the Gospel 90

91

of Thomas,

ed. RISTO U R O (Edinburgh: T . & T . C l a r k , 1 9 9 8 ) , 1 4 0 - 1 6 2 .

KLOPPENBORG VERBIN, Excavating Q , 5 2 - 5 5 .

HELMUT KOESTER, Synoptische Uberlieferung bei den apostolischen Vätern, TU 65 (Berlin: Akademie-Verlag, 1957), to be supplemented by his more recent work, Ancient Christian Gospels: Their History and Development (Philadelphia: Trinity Press International, 1 9 9 0 ) .

E. ANNE MACKAY, Signs of Orality: The Oral Tradition and Its Influence in the Greek and Roman World, Mnemosyne Suppl. 188 (Leiden: Brill, 1999). 93 WERNER H. KELBER, The Oral and the Written Gospel: The Hermeneutics of Speaking and Writing in the Synoptic Tradition, Mark, Paul, and Q (Philadelphia: Fortress, 1983; PAUL J. ACHTEMEIER, Omne Verbum Sonat: The New Testament and the Oral

92

E n v i r o n m e n t o f Late W e s t e r n A n t i q u i t y , J B L 109 ( 1 9 9 0 ) , 3 - 2 7 ; DAVID E . AUNE, P r o -

legomena to the Study of Oral Tradition in the Hellenistic World; IDEM, Oral Tradition and the Aphorisms of Jesus, in: Jesus and the Oral Gospel Tradition, ed. HENRY WANSBROUGH, J S N T . S 6 4 (Sheffield: Sheffield A c a d e m i c P r e s s , 1 9 9 1 ) , 5 9 - 1 0 6 and 211-265.

272

David E. Aune

tradition to understand the complex relationship between oral and tradition in the formation of the Gospel of Thomas?*

94

URO, Thomas and the Oral Gospel Tradition, 8-32.

Der historische Jesus und der Christus der Evangelien"" J Ö R G FREY

„Ob Christus mehr als Mensch gewesen, das ist ein Problem. Daß er wahrer Mensch gewesen, wenn er es überhaupt gewesen; daß er nie aufgehört hat, Mensch zu sein, das ist ausgemacht" 1 . Mit diesen Worten hat G O T T HOLD E P H R A I M LESSING im Jahr 1780 seine Thesenreihe über „Die Religion Christi" eröffnet und damit die spezifisch neuzeitliche Wendung der Frage nach Jesus aufs deutlichste markiert. Hatte die traditionelle Christologie, letztlich im Anschluß an das vierte Evangelium, das Wesen und Wirken Jesu unter dem Aspekt der Inkarnation des Logos (Joh 1,14) bzw. der Sendung des Sohnes (Joh 3,16f.), also „von oben" her verstanden, so erhält nun in LESSINGS These die Perspektive „von unten" die Priorität 2 . Daß Jesus Mensch war, ist dem neuzeitlichen, historisch ansetzenden Fragen unproblematisch. Fraglich wurde das andere, ob er mehr war als ein .bloßer' Mensch. Fraglich wurde damit nicht nur das vere Deus der klassischen Zwei-Naturen-Lehre, sondern letztlich auch das Christusbild der Evangelien.

* Wesentlich erweiterte Fassung eines Vortrags, der am 7. November 2001 im Rahmen einer Ringvorlesung der Theologischen Fakultäten der Ludwig-Maximilians-Universität München und am 12. Dezember 2001 an der Theologischen Fakultät der GeorgAugust-Universität Göttingen gehalten wurde. Ich danke meinem Kollegen Jens Schröter für sein Interesse an dem Beitrag sowie meinen studentischen Mitarbeitern Sebastian Eisele, Daniela Inzenhofer und Dorothée König für die Mithilfe bei den Korrekturen. 1

LESSING, R e l i g i o n , 3 5 2 (§ 1 ) .

2

Zum historischen Kontext und zur Konnotation dieser Termini s. PANNENBERG, Grundzüge, 310-315.

26-31;

DERS.,

Theologie

II,

316-336;

SLENCZKA,

Geschichtlichkeit,

Jörg Frey

274

I. Die historische Frage nach Jesus und ihre hermeneutischen

Implikationen

1. Die Frage nach dem historischen Jesus als Infragestellung der Christologie An die zitierte These fügt LESSING weitere Unterscheidungen an, in denen bereits die Entfaltung der Frage nach dem „historischen Jesus" präfiguriert ist: Zu unterscheiden sei zwischen der „Religion Christi" und der „christliche [n] Religion", d. h. also zwischen dem Glauben Jesu, zu dem wir Menschen kraft unserer eigenen Religiosität natürlichen Zugang besitzen, und dem Glauben an Jesus, der Jesus zum Gegenstand der Verehrung macht 3 . Für LESSING ist es „unbegreiflich", wie beide „in Christo als einer und ebenderselben Person bestehen können" 4 . Für die ältere Tradition war es in der Regel völlig unstrittig gewesen, daß sich der irdische Jesus selbst so verstanden hatte, wie er nach Ostern von der christlichen Gemeinde verkündigt wurde, nämlich als Messias und Gottessohn. Diese Gewißheit war nun, ζ. B. in den von LESSING selbst herausgegebenen „Fragmenten eines Ungenannten" 5 , zerbrochen: Die Intentionen Jesu der .Ungenannte', H E R M A N N SAMUEL REIMARUS, hatte vom „Zwecke Jesu" gesprochen - und die seiner Jünger und späteren Nachfolger traten auseinander. Oder in der Terminologie späterer Generationen: Der Verkündiger war vom Verkündigten zu unterscheiden, die Worte Jesu von den Lehren der Apostel', der „historische Jesus" vom Christusbild der Evangelien bzw. der nachösterlichen Christologie. Es zeigt sich hier an der Schwelle neuzeitlich-historischen Denkens der enorme Plausibilitätsverlust der altkirchlichen Christologie, die für LESSING nicht nur „unbegreiflich" geworden, sondern nach seiner Auffassung auch in der Schrift nicht eindeutig bezeugt ist - wobei man freilich berücksichtigen muß, daß auch ein eindeutiges Schriftzeugnis für LESSING nicht die Autorität besäße, die Vernunft von der Notwendigkeit und da-

3

LESSING, R e l i g i o n , 3 5 2 ( § 3 - 4 ) .

4

LESSING, R e l i g i o n , 3 5 3 ( § 5 ) .

5

Siehe die vollständige Ausgabe des Werks: REIMARUS, Apologie 1-2; sowie zu Jesus insbesondere das siebte Fragment mit dem Titel „Von dem Zwecke Jesu und seiner Jünger", vgl. die von LESSING besorgte Erstausgabe REIMARUS, Von dem Zwecke, sowie das klassische Referat bei SCHWEITZER, Geschichte, 56-68. So REIMARUS, Von dem Zwecke § 3 (zit. nach BAUMOTTE, Frage, 13): „Ich finde große Ursache, dasjenige, was die Apostel in ihren eignen Schriften vorbringen, von dem, was Jesus in seinem Leben würklich selbst ausgesprochen und gelehret hat, gänzlich abzusondern".

6

Der historische Jesus und der Christus der Evangelien

275

mit der theologischen Wahrheit einer Lehre zu überzeugen 7 . Der sprichwörtliche Graben ist garstig und breit, und ein Geltungsanspruch der Tradition aufgrund übernatürlicher Autorität definitiv in Frage gestellt. Wenn aber der .supranaturalistische' Zugang zum Wesen Jesu versperrt ist, dann bleibt nur der Weg der historischen Nachfrage nach dem Menschen Jesus. Und diese ist in ihren Anfängen, bei REIMARUS oder bei JOHANN SALOMO SEMLER, unübersehbar geprägt von dem Streben nach Emanzipation von der überkommenen Dogmatik. Die historische Frage nach Jesus wird daher zunächst formuliert als Infragestellung der Christologie, und sie lebt - zumindest in manchen ihrer Vertreter - bis in heute von diesem antidogmatischen Impetus, der freilich alles andere als eine .undogmatische' Haltung widerspiegelt8.

2. Die Frageansätze in den verschiedenen Phasen der Jesus-Forschung Diese theologischen und hermeneutischen Aspekte der Frage nach Jesus sind zu reflektieren. Selbst wenn man wollte, könnte man dem hier vorliegenden hermeneutischen Zirkel nie völlig entrinnen. Dies zeigt sich an der Geschichte der Leben-Jesu-Forschung, deren wesentliche Phasen ich hier nur in aller Knappheit skizzieren möchte 9 .

7

8

9

Siehe das berühmte Zitat von LESSING: „Zufällige Geschichtswahrheiten können der Beweis von notwendigen Vernunftwahrheiten nie werden" (Beweis, 47). Man könnte wohl eine Geschichte der neuzeitlichen Jesusforschung schreiben als Geschichte der Eintragung moderner .Dogmen' und Ideale in das Bild des .historischen' Jesus von Nazareth. Die Untergliederung dieser Forschung in Phasen ist notwendigerweise schematisch und erfolgt entsprechend der Gewichtung der einzelnen Charakteristika in unterschiedlicher Weise. Vgl. zu einer Gliederung in fünf Phasen THEISSEN/MERZ, Jesus, 2 2 - 3 0 („die kritischen .Anstöße' [ . . . ] durch H. S. Reimarus und D . F. Strauß", „der Optimismus der liberalen Leben-Jesu-Forschung", „der Zusammenbruch der LebenJesu-Forschung", „die .neue Frage' nach dem historischen Jesus", „the .third quest' for the historical Jesus"); daneben den Uberblick bei PORTER, Criteria, 6 0 - 6 2 , der mit vier Phasen rechnet ("old quest", "no quest", "new quest", "third quest"); s. auch REUMAN, Jesus and Christology, 502. Eine andere Terminologie wählt DU TOIT, Erneut auf der Suche, 92f. („erste Phase der Jesusforschung" - „Bultmannphase" „zweite Phase", „dritte/neuere Phase"). Zur Forschung im 19. Jh. s. nach wie vor das unübertroffene Werk von SCHWEITZER, Geschichte; vgl. auch KÜMMEL, Testament; NEILL/WRIGHT, Interpretation; für die Zeit von 1900 bis 1950 die ausführliche Darstellung von WEAVER, Jesus; kürzer THEISSEN/WINTER, Kriterienfrage, 9 8 - 1 1 7 ; LINDEMANN, Einführung, 1 - 1 4 ; für die Zeit ab ca. 1950 s. KÜMMEL, Vierzig Jahre; THEISSEN/WINTER, Kriterienfrage, 117-145; zur Bibliographie s. den Überblick bei EVANS, Life, sowie PORTER, Criteria, 2 8 - 6 2 .

Jörg Frey

276

2 . 1 D i e e r s t e n A n s t ö ß e u n d die k l a s s i s c h e L e b e n - J e s u - F o r s c h u n g : V o n R e i m a r u s bis S c h w e i t z e r D i e e r s t e , in s i c h vielfältig d i f f e r e n z i e r t e P h a s e d i e s e r F o r s c h u n g

„von

R e i m a r u s z u W r e d e " h a t ALBERT SCHWEITZER in s e i n e r „ G e s c h i c h t e d e r Leben-Jesu-Forschung"

in u n ü b e r t r o f f e n e r W e i s e b e s c h r i e b e n u n d

mit

dieser Darstellung selbst zu ihrem E n d e gebracht10. D i e s e P h a s e w a r geprägt v o n der Suche nach d e m ,wirklichen' Jesus, nach den

.Tatsachen'

unter ihrer d o g m a t i s c h e n U b e r m a l u n g . Bei den A u t o r e n dieser E p o c h e z e i g t sich i m m e r w i e d e r ein aus h e u t i g e r S i c h t n a i v z u n e n n e n d e r

Opti-

m i s m u s , m a n k ö n n e n o c h ein B i l d d e r P e r s ö n l i c h k e i t J e s u u n d s e l b s t sein e r i n n e r e n E n t w i c k l u n g z e i c h n e n u n d - l e t z t l i c h v e r e i n n a h m e n d - als r e ligiöses o d e r s i t t l i c h e s Ideal in die e i g e n e G e g e n w a r t s t e l l e n . Nachdem LESSING durch die Publikation der REIMARUS-Fragmente die Brandfackel geschleudert hatte", war das Feuer der Kritik nicht mehr zu halten. Doch fehlten die methodischen Grundlagen, v. a. eine kritische Analyse der Quellen, noch völlig 12 . Der Anstoß dazu ging erst von dem nächsten epochemachenden Werk aus, dem berühmten „Leben Jesu" des Tübinger Stiftsrepetenten DAVID FRIEDRICH STRAUSS'3. Auch er bot noch keine methodisch durchreflektierte Quellenanalyse 14 . Ihm ging es um den Nachweis, daß die evangelische Geschichte im Ganzen „mythisch" 15 , d. h. als geschichtliche Einkleidung von Ideen aus dem Alten Testament, insbesondere der jüdischen Messiaserwartung, gestaltet sei. Mit diesem Ansatz war die Frage nach der Bedeutung der Geschichtlichkeit Jesu in bislang unerhörter Schärfe gestellt. Das Verdikt des .Mythischen' war bei STRAUSS auf alle Evangelien gemünzt, am stärksten auf Johannes". Aber da Matthäus traditionell als das älteste Evangelium galt,

10

11 12

13 14

15

16

SCHWEITZER, Geschichte. Die erste Auflage erschien 1906 unter dem Titel: „Von Reimarus zu Wrede". So die Metapher bei SCHWEITZER, Geschichte, 58. D i e rationalistischen Ausleger wie HEINRICH EBERHARD GOTTLOB PAULUS ( L e b e n

Jesu) beschränkten sich noch weithin darauf, Einzelphänomene wie die Wunder Jesu .natürlich' zu erklären. Andere, historisch gleichermaßen problematische Teile der Uberlieferung wie ζ. B. die Jungfrauengeburt waren für PAULUS auffälligerweise noch nicht von Interesse (Hinweis von Prof. Dr. Hans Klein, Sibiu/Hermannstadt). STRAUSS, Leben Jesu. „Eine synoptische Frage existiert für ihn eigentlich nicht [ . . . ] , Strauß ist skeptischer Eklektiker" (SCHWEITZER, Geschichte, 125). Zum hier vorliegenden Mythosbegriff s. HARTLICH/SACHS, Ursprung 134-147; s. auch BERGER, Exegese und Philosophie, 62f. Im schroffen Gegensatz zu SCHLEIERMACHERS theologischer und historischer Bevorzugung des johanneischen Christusbildes zeigte STRAUSS, daß im vierten Evangelium „eine den Synoptikern gegenüber fortgeschrittene Form des Mythos vorliege. Damit hat STRAUSS als erster die Alternative .Synoptiker oder Johannes' für die Jesusforschung aufgestellt, der die neutestamentliche Wissenschaft von da an nicht mehr aus-

277

D e r historische Jesus und der Christus der Evangelien

m u ß t e der Aufweis des . m y t h i s c h e n ' Charakters auch das Vertrauen in dieses W e r k b e sonders nachhaltig erschüttern. E s war nicht zuletzt eine F o l g e der D i s k u s s i o n e n um das W e r k von STRAUSS, daß sich die T h e s e der Markuspriorität und schließlich die Zweiquellentheorie als vorläufige L ö s u n g des Quellenproblems durchsetzen k o n n t e 1 7 . M i t dieser neuen Sicht des synoptischen P r o b l e m s verband sich die H o f f n u n g , daß nun zumindest das weniger . m y t h i s c h ' geprägte markinische W e r k z u s a m m e n mit der Logienquelle als Grundlage für die R e k o n s t r u k t i o n des historischen Bildes J e s u dienen k ö n n t e , und die A u t o r e n des späten 19. J h . s " versuchten auf dieser B a s i s " , ein Bild nicht nur des W i r k e n s J e s u , sondern auch der Entwicklung seiner Persönlichkeit und des religiösen und ethischen Gehalts seiner Lehre herauszuarbeiten. A b e r auch dieser O p t i m i s m u s der R e k o n s t r u k t i o n wurde zerstört, als nämlich W I L LIAM WREDE 1901 mit seiner Arbeit zum „Messiasgeheimnis im Markusevangelium" 2 0 den Nachweis erbrachte, daß auch das älteste uns erhaltene Evangelium von theologischen G e s i c h t s p u n k t e n aus gestaltet ist. D a m i t m u ß t e der V e r s u c h , auf der Basis der literarisch vorliegenden Q u e l l e n zu einer historisch gesicherten Biographie J e s u zu gelangen, vorerst als gescheitert gelten.

Die Aporie der klassischen Leben-Jesu-Forschung wurde um 1900 von zwei Gelehrten sehr nachdrücklich herausgestellt. Der Hallenser systematische Theologe MARTIN KAHLER protestierte 1892 in seinem Vortrag „Der sogenannte historische Jesus und der geschichtliche, biblische Christus" gegen die verbreitete Tendenz, zwischen Jesus und der nachösterlichen Verkündigung eine Kluft aufzureißen. Der Titel ist Programm, denn KAHLER setzt den Konstrukten eines .historischen Jesus' den .biblischen Christus' des gepredigten und geglaubten Zeugnisses als den eigentlich wirklichen gegenüber: „Der Jesus der .Leben Jesu' ist nur eine moderne weichen k o n n t e " (KÜMMEL, T e s t a m e n t , 152; s. zum P r o b l e m auch FREY, Eschatologie I, 3 0 - 4 2 ) . 17

Vgl. den Aufweis bei STOLDT, G e s c h i c h t e , 2 0 6 - 2 1 4 . D e r D u r c h b r u c h der Zweiquellentheorie erfolgte maßgeblich durch das W e r k von HEINRICH JULIUS HOLTZMANN, Evangelien.

18

W e s e n t l i c h e V e r t r e t e r waren z. B . RENAN, La vie de J é s u s ; HASE, G e s c h i c h t e J e s u ; BEYSCHLAG, L e b e n J e s u ; OSKAR HOLTZMANN, Leben J e s u . A b e r : „Das ideale Leben J e s u des ausgehenden n e u n z e h n t e n Jahrhunderts ist das ungeschriebene von Heinrich Julius H o l t z m a n n . M a n erhält es, wenn man seinen S y n o p t i k e r k o m m e n t a r und seine neutestamentliche T h e o l o g i e ineinanderliest." (SCHWEITZER, G e s c h i c h t e , 3 4 2 ) .

"

Allerdings wurden in dieses aus M k und Q gewonnene Bild n o c h i m m e r wieder j o hanneische Z ü g e eingemischt, durch die der .historische' J e s u s dem

liberal-theo-

logischen Sinn akzeptabler wurde (s. FREY, Eschatologie I, 37; s. auch SCHWEITZER, G e s c h i c h t e , 2 2 6 f . (zu SCHENKEL und WEIZSÄCKER) und 2 3 7 (zu HASE). 20

WREDE, Messiasgeheimnis. D a ß WREDES wirkungsvolle T h e s e z u m .Messiasgeheimnis' im Markusevangelium alles andere als unproblematisch ist, wurde in der F o r schung aus unterschiedlichen Blickwinkeln festgestellt (vgl. aus neuerer Zeit BETZ, Frage; RAISÄNEN, Messiasgeheimnis; FENDLER, Studien; PERRY, Exploring; HENGEL, Messias, 1 8 - 2 7 ) . D i e Tatsache, daß das M k ein theologisch gestalteter B e r i c h t des .Lebens J e s u ' ist, bleibt von der Kritik an WREDES T h e s e allerdings unberührt.

278

Jörg Frey

Abart von Erzeugnissen menschlicher erfindender Kunst, nicht besser als der verrufene dogmatische Christus der byzantinischen Christologie; sie stehen beide gleich weit von dem wirklichen Christus" 2 1 . Damit ist erkannt, daß die Produkte der historischen Rekonstruktion letztlich Fiktionen sind, Projektionen ihrer Autoren, in denen sich nur allzu oft „der Herren eigner Geist" spiegelt 22 . D e r „sogenannte historische Jesus", wie ihn seine Autoren schildern, hat in dieser Form nie existiert, „der wirkliche, d. h. der wirksame Christus [ . . . ] ist der gepredigte Christus" 2 3 , d. h. der geglaubte Christus, der Christus der Evangelien. Darüber hinaus betont KAHLER mit Recht, daß die neutestamentlichen Evangelien nicht zu dem Zweck verfaßt sind, Anhaltspunkte für eine Biographie Jesu im neuzeitlichen Sinn zu bieten. D. h. die im liberal-theologischen Interesse angetretene Leben-Jesu-Forschung mußte letztlich am Charakter ihrer Quellen scheitern. Dieses Scheitern wurde 14 Jahre später noch eindrücklicher herausgestellt durch ALBERT SCHWEITZER. Das eindrückliche Fazit seiner epochemachenden „Geschichte der Leben-Jesu-Forschung" lautet: „Der Jesus von Nazareth, der als Messias auftrat, die Sittlichkeit des Gottesreiches verkündete, das Himmmelreich auf Erden gründete und starb, um seinem Werke die Weihe zu geben, hat nie existiert. Sie [sie!] ist eine Gestalt, die vom Rationalismus entworfen, vom Liberalismus belebt und von der modernen Theologie in ein geschichtliches Gewand gekleidet wurde. Dieses Bild ist nicht von außen zerstört worden, sondern in sich selbst zusammengefallen." 24 N o c h mehr als bei KAHLER wurde bei SCHWEITZER der projektive Charakter aller Leben-Jesu-Darstellungen deutlich: D e r Anspruch, den .wirklichen' Jesus zu präsentieren und diesem Konstrukt eine theologische Bedeutsamkeit zuzuerkennen, war damit gründlich diskreditiert - so gründlich, daß eine „neue Rückfrage nach dem historischen Jesus", abgesehen von einigen Außenseitern, erst ein halbes Jahrhundert später wieder einsetzen konnte.

2.2. D e r Verzicht auf die Rückfrage: Rudolf Bultmann Dazwischen steht ein auffälliges Vakuum, eine Periode, die - jedenfalls im deutschen Sprachraum - durch den weitgehenden Verzicht auf die histori21 22

23 24

KAHLER, Jesus, 16. KAHLER, Jesus, 30: „Es ist zumeist der Herren eigner Geist, in dem Jesus sich spiegelt". KAHLER, Jesus, 44. SCHWEITZER, Geschichte, 620.

Der historische Jesus und der Christus der Evangelien

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s e h e R ü c k f r a g e n a c h J e s u s g e k e n n z e i c h n e t ist 2 5 . D i e s e r v e r b i n d e t s i c h v o r a l l e m m i t d e m N a m e n R U D O L F BULTMANNS. M a n k a n n die v o n

BULT-

MANN e i n g e n o m m e n e F o r s c h u n g s p o s i t i o n 2 6 e r k l ä r e n aus d e m Z u s a m m e n b r u c h der liberalen T h e o l o g i e im ersten W e l t k r i e g u n d den späteren dial e k t i s c h - t h e o l o g i s c h e n A u f b r ü c h e n , s o w i e a u s d e m d u r c h K A R L LUDWIG SCHMIDT u n d MARTIN DIBELIUS f a s t g l e i c h z e i t i g b e g r ü n d e t e n s c h i c h t l i c h e n N e u a n s a t z in d e r S y n o p t i k e r f o r s c h u n g 2 7 : D e r

formge-

chronologi-

s c h e R a h m e n d e r E v a n g e l i e n , a u c h des M k , w a r z e r b r o c h e n , u n d als R e s t bestände der ältesten T r a d i t i o n blieben n u r n o c h .kleine E i n h e i t e n ' übrig, d e r e n B i l d u n g u n d A u s g e s t a l t u n g m a n d a n n w e i t h i n a u f das B e d ü r f n i s d e r Gemeinde zurückführte,

s o daß sich der R ü c k s c h l u ß auf J e s u

eigenes

W i r k e n als i m m e r s c h w i e r i g e r , w e n n n i c h t g a r u n m ö g l i c h e r w i e s 2 8 . D i e s e s e h r w e i t g e h e n d e h i s t o r i s c h e S k e p s i s 2 ' v e r b a n d s i c h bei B U L T MANN m i t e i n e r t h e o l o g i s c h e n E i n s c h ä t z u n g , in d e r J e s u A u f t r e t e n als historischem

Phänomen

keine

theologische

Relevanz

mehr

zukommen

k o n n t e . A l s t h e o l o g i s c h b e d e u t s a m galt allein das K e r y g m a , die heilvolle

25

Daß der Sachverhalt komplexer ist, formuliert PORTER, Criteria, 36: "all that was really brought to an end by Schweitzer and others was quests that remained optimistic of writing romanticised and overly psychologized lives o f Jesus along antisupernatural lines (and usually in German)". A. a. O . , 47: "the rubric 'no quest' describes an abandonment in some, perhaps mostly German, circles of the agenda of some nineteenth-century questing after Jesus, but it can hardly be used as an adequate label for the entire period of research [ . . . ] " . Deshalb ist auch die in den 50er Jahren einsetzende ,neue Frage' lediglich im Kontext der BULTMANN-Schule und ihrer Kerygma-Theologie ,neu', während in der französischen oder der angelsächsischen Forschungstradition (und bei .Außenseitern' in der deutschen Forschung) die ,alte' Jesusforschung teilweise ungebrochen weitergeführt wurde; vgl. etwa die J e s u s bücher' von BURKITT, Jesus Christ; MANSON, Jesus; TAYLOR, Work; GOODSPEED, Life; LAGRANGE, L'évangile; F.-M. BRAUN, Jésus, sowie das Werk des jüdischen Gelehrten JOSEPH KLAUSNER, Jesus.

26

Zur Genese und Interpretation der Synoptiker- und Jesusdeutung BULTMANNS s. grundlegend BAASLAND, Theologie; zu Bultmanns Jesusbuch s. jetzt SCHMITHALS, Jesus. SCHMIDT, Rahmen; DIBELIUS, Formgeschichte. Die beiden grundlegenden Werke erschienen 1919 fast gleichzeitig und bildeten so einen markanten Neueinsatz für die Forschung nach dem ersten Weltkrieg. Siehe zur forschungsgeschichtlichen Einführung weiter HAHN, Formgeschichte. Zu beachten ist jedoch, daß MARTIN DIBELIUS in späteren Arbeiten (DIBELIUS, Evangelienkritik; DERS., Jesus) eine historisch sehr viel weniger pessimistische Haltung einnimmt als Bultmann. Vgl. BULTMANN, Jesus, 10, mit der Meinung, „daß wir vom Leben und von der Persönlichkeit Jesu so gut wie nichts mehr wissen können", im folgenden verweist BULTMANN auf die Darstellung ALBERT SCHWEITZERS. Zur Entwicklung der Interpretation der Verkündigung Jesu im Werk BULTMANNS S. BAASLAND, Theologie, 4 2 3 - 4 3 2 .

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29

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Jörg Frey

Verkündigung von Jesus als dem Christus, die sich in dieser Form erst in nachösterlicher Zeit herausbildete. Die Rückfrage hinter dieses Kerygma nach historischen Sachverhalten oder dem historischen Jesus zog hingegen den Verdacht auf sich, sie strebe nach einer falschen .Objektivierung', sie sei also ein Absicherungsversuch, den der wahre Glaube nicht benötigt. Der dialektisch-theologische Ansatz verband sich hier mit dem neukantianischen Erbe der Diastase von Glaube und Geschichte bzw. Geschichtswissenschaft 30 in einer für die Frage nach Jesus letztlich fatalen Weise: BULTMANN schrieb ein Jesusbuch, in dem die Person des irdischen Jesus fast keine Rolle spielt 31 , und in seiner Theologie des Neuen Testaments wird Jesu Verkündigung nur knapp unter den jüdischen „Voraussetzungen" abgehandelt 32 , die von dem christlichen Kerygma durch einen Graben getrennt ist 33 . So konnte BULTMANN die von WREDE übernommene skeptische Sichtweise, daß „das Leben Jesu" tatsächlich „ein unmessianisches" war 34 , festhalten, aber das .Eigentliche', das Kerygma, in eine vor jeder historischen Infragestellung geschützte Zone .retten'. Die Frage, wie aus dem Verkündiger der Verkündigte wurde 35 , welche Beziehung also zwischen der vorösterlichen Verkündigung Jesu und der nachösterlichen Verkündigung von Jesus als dem Christus besteht, mußte historisch ein Rätsel bleiben. BULTMANN selbst hat sich und anderen diese Frage verboten36, und er meinte dabei sogar, Paulus auf seiner Seite zu haben 37 . In die30

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35 36

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Zum neukantianischen Erbe s. BAASLAND, Theologie, 9 3 - 1 1 7 ; B E R G E R , Exegese und Philosophie, 1 6 0 - 1 6 7 ( 1 6 2 ) . Vgl. das Urteil von L O H M E Y E R in seiner Rezension über B U L T M A N N S Jesusbuch ( 4 3 7 ) „Es ist eines der charakteristischen Merkmale des Bultmannschen Buches von Jesus, daß es nicht nur auf alles Biographische, sondern auch auf alle Fragen nach der .Person' verzichtet [ . . . ] Es ist in gewissem Sinne ein Buch von Jesus ohne Jesus". BULTMANN, Theologie, 1-33; vgl. DERS., Urchristentum 79ff., wo die Verkündigung Jesu in den Rahmen des Judentums eingeordnet wird. B U L T M A N N S vorherrschende Interpretation des irdischen Jesus erfolgte in der Kategorie eines jüdischen Propheten (s. auch BAASLAND, Theologie, 430). BULTMANN, Theologie, 2. BULTMANN, Theologie, 33; vgl. DERS., Jesus, 11.

Vgl. zu dieser Frage BULTMANN, Theologie, 35ff. „Man darf nicht hinter das Kerygma zurückgehen, es als Quelle benutzend, um einen historischen Jesus zu rekonstruieren" (BULTMANN, Bedeutung, 208). B U L T M A N N verwies zur Begründung auf 2Kor 5,16 und meinte, Paulus wolle den „Christus nach dem Fleisch" nicht mehr kennen (vgl. Theologie, 238f.294 etc., DERS., Zur Frage, 101: „Der Χριστός κατά σάρκα geht uns nichts an". Diese philologisch unrichtige Auffassung der Wendung γινώσκειν κατά σάρκα Χριστόν, in der κατά σάρκα sicher adverbial aufzufassen ist (also: „Christus auf fleischliche Weise kennen"), findet sich bereits bei B O U S S E T , Kyrios Christos, 118 (vgl. 104ff). B U L T M A N N interpretiert hier aus sachlichen Gründen gegen die philologischen Befunde, wenn er behauptet: „ein κατά σάρκα gekannter Christus ist eben ein Χριστός κατά σάρκα"

D e r historische J e s u s und der Christus der Evangelien

281

sem letztlich unzutreffenden Postulat liegt die Achillesferse des systematisch großartigen, aber für die historische Frage katastrophalen Entwurfs BULTMANNS.

2.3 Die „neue Frage": Ernst Käsemann und die Folgen Aber die Fragen ließen sich nicht auf Dauer verbieten 38 . Sie standen im Raum, und es war 1953 zuerst ERNST KÄSEMANN, der seinem Lehrer dezidiert widersprach und „das Problem des historischen Jesus" 3 9 neu aufrollte. Diese - jedenfalls im deutschen Sprachraum - „neue Frage nach dem historischen Jesus" 4 0 ging ebenso wie BULTMANNS Interpretation 41 von einem dezidiert theologischen Interesse aus: von der Uberzeugung, daß das Kerygma selbst zur Frage „nach der Kontinuität des Evangeliums in der Diskontinuität der Zeiten" 42 und damit zur historischen .Rückfrage' nach Jesus nötigt. So stellte GERHARD EBELING fest, „der Bezug auf Jesus" sei für die Christologie „konstitutiv": Die Christologie wäre „erledigt", wenn man erweisen könnte, daß sie „keinen Anhalt habe am historischen Jesus" 43 . Die an der „neuen Frage" interessierten Exegeten hielten aber nicht nur an der Notwendigkeit und Legitimität, sondern auch an der Möglich-

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(Theologie, 239). Siehe zur Kritik dieser Interpretation bereits MICHEL, Erkennen, 22f.; weiter BETZ, Christuserkenntnis; WOLFF, T h H K 8, 125; STUHLMACHER, T h e o logie I, 301; Vgl. auch EHLER, Herrschaft, 190f., der zeigt, daß 2 K o r 5,16 durch die von BULTMANN herangetragene Fragestellung unangemessen gepreßt wird. Darauf wiesen einige aus dem Kreis der BuLTMANN-Schüler explizit hin, vgl. EBELING, J e s u s und Glaube, 68: „ E s hat sich das seltsame D o g m a verbreitet, man dürfe über die Zeugnisse des N e u e n Testaments nicht zurückfragen nach dem historischen J e s u s . Wer will denn das verbieten?"; vgl. auch BORNKAMM, J e s u s , 20. KÄSEMANN, Problem. Z u m Kontext der Fragestellung KÄSEMANNS S. EHLER, Herrschaft, 161-273 (164-166). Die Rede von der „neuen Frage" geht insbesondere zurück auf ROBINSON, N e w Quest. Interessanterweise kann BAASLAND, Theologie, 109, „die N e w - Q u e s t Bewegung als eine Wiederholung der Position Bultmanns in den Jahren 1 9 2 4 - 2 6 " sehen, also etwa z u der Zeit, als KÄSEMANN u n d BORNKAMM b e i BULTMANN s t u d i e r t e n .

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S o bereits KÄSEMANN, Problem, 213: „ D i e Frage nach dem historischen J e s u s ist legitim die Frage nach der Kontinuität des Evangeliums in der Diskontinuität der Zeiten und in der Variation des Kerygmas. Solcher Frage haben wir uns zu stellen [ . . . ] D a s Evangelium ist an den gebunden, der sich vor und nach O s t e r n den Seinigen als der Herr offenbarte, indem er sie vor den nahen G o t t [ . . . ] stellte. [ . . . ] E r tat es einst ohne jede ausweisbare Legitimation [ . . . ] und tat es doch in der Vollmacht dessen, den das vierte Evangelium den eingeborenen Sohn nennt." EBELING, Frage, 14f.

282

Jörg Frey

keit der Rückfrage nach dem historischen Jesus fest 44 : Sie wollten zwar nicht mehr wie die alten Liberalen ein .Persönlichkeitsbild' Jesu erheben, aber doch die Grundzüge seiner Verkündigung herausarbeiten. Als sicherstes Kriterium dafür erschien ihnen das sogenannte „doppelte Unableitbarkeitskriterium" oder „Differenzkriterium": Eine Tradition ist am ehesten als authentisch jesuanisch zu klassifizieren, wenn sie - in der klassischen Formulierung KÄSEMANNS -

„aus irgendwelchen

Gründen

weder aus dem Judentum abgeleitet noch der Urchristenheit zugeschrieben werden kann" 45 . Mit diesem keineswegs unproblematischen, aber angesichts der in der damaligen Forschungssituation vorherrschenden radikalen historischen Skepsis46 allein anwendbaren Kriterium war wenigstens die Möglichkeit gegeben, „ein kritisch gesichertes Minimum" 4 7 an Traditionen auf den irdischen Jesus zurückzuführen. Freilich mußte man sich dessen bewußt sein, daß man mit diesem Kriterium aus methodischen und epistemologischen Gründen nur einen kleinen Ausschnitt dessen erheben konnte, was Jesus während seines Erdenwirkens tatsächlich gesagt und verkündigt hatte 48 , einen „gewissen .Kernbestand'", der „als Ausgangsbasis" dienen konnte 49 , aber durch andere Überlegungen zu erweitern war

44

V g l . z u r A r g u m e n t a t i o n KÄSEMANNS a u s f ü h r l i c h E H L E R , H e r r s c h a f t , 2 1 9 - 2 6 2 .

45

So die grundlegende Formulierung des Kriteriums bei KÄSEMANN, Problem, 205. Aufschlußreich ist allerdings die Weiterführung des Satzes: „speziell dann, wenn die Judenchristenheit ihr überkommenes Gut als zu kühn gemildert oder umgebogen hat" (a. a. O . ) . Dieser Zusatz macht deutlich, daß die beiden Komponenten des Kriteriums nicht wirklich gleichrangig nebeneinander stehen, daß für KÄSEMANN vielmehr die Unterscheidung Jesu vom zeitgenössischen Judentum im Vordergrund steht. Eine ausführliche Geschichte des aus zwei Komponenten (Differenz zum frühen Christentum/Differenz zum Judentum) bestehenden Kriteriums bieten THEISSEN/WINTER, Kriterienfrage, 2 8 - 2 3 2 . Das Kriterium selbst ist bereits in BULTMANNS „Geschichte der synoptischen Tradition" formuliert und angewandt (BULTMANN, Geschichte, 222) und geht zumindest in seinen Einzelkomponenten auf die ältere liberale Forschung zurück. Siehe das Diktum bei KÄSEMANN, Problem, 203: „Nicht das Recht der Kritik, sondern ihre Grenze ist heute zu beweisen." Die Folge ist, „daß die historische Glaubwürdigkeit der synoptischen Tradition auf der ganzen Linie zweifelhaft geworden ist" ( a . a . O . , 205). So DAHL, Jesus, 126, in seiner kritischen Rezeption des Ansatzes von KÄSEMANN. Voraussetzung einer sicheren Anwendung des Unableitbarkeitskriteriums wäre eine vollständige Kenntnis dessen, was in der jüdischen Umwelt Jesu wie in den verschiedenen Traditionen der Urkirche insoweit vorstellbar ist, daß der begründete Verdacht besteht, eine gegebene Tradition sei aus diesem Kontext ableitbar. Eine so vollständige Kenntnis ist freilich nicht nur angesichts der Lückenhaftigkeit der Uberlieferung, sondern viel grundsätzlicher auch angesichts der Begrenztheit jeder historischen Erkenntnis nicht gegeben. So HAHN, Methodologische Überlegungen, 34.

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47 48

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Der historische Jesus und der Christus der Evangelien

283

und nicht in ausgrenzender Weise gehandhabt werden durfte 50 . Aus den mit Hilfe des Differenzkriteriums als wahrscheinlich authentisch zu erkennenden Logien allein ließ sich - auch in der Summe - noch kein historisch plausibles Bild der Verkündigung Jesu rekonstruieren. Oies zeigt sich angesichts des Charakters der mit diesem Kriterium für authentisch zu erklärenden Logien. Ein Logion, für das ein solches Urteil recht sicher gefällt werden kann, ist ζ. B. der bei Mt und Lk in ein Apophthegma eingebettete Spruch „Laß die Toten ihre Toten begraben!" (Q 9,60 = Mt 8,22 par Lk 9,60). Dieses kurze Wort enthält einen skandalösen Affront gegen jede Pietätspflicht im Judentum und in der hellenistischen Welt und ist als urchristliche .Gemeindebildung' durch nichts zu erklären51. Aber es ist zugleich inhaltlich ziemlich dürftig und zunächst ohne erkennbaren Bezug zu Kernthemen der Jesustradition. Für andere, sachlich gehaltvollere Logien, in denen sich ein spezifischer Anspruch Jesu, eine implizite oder gar explizite Christologie, äußert, konnte im Kontext einer radikalen historischen Skepsis der .Verdacht' einer nachösterlichen Bildung oder Uberformung selten völlig entkräftet werden. Deshalb konnten diese Logien mit Hilfe des Differenzkriteriums nicht als authentisch ausgewiesen werden, und die rigide Anwendung dieses Kriteriums geschah nicht selten in dem Anliegen, eine .unkritische' Identifikation der urchristlichen Jesusbilder mit dem .wahren', historischen Jesus zu vermeiden - d. h. in einem grundlegend dogmenkritischen Interesse52. Daraus konnte sich nur allzu schnell das umgekehrte .Dogma' entwickeln, daß der irdische Jesus letztlich völlig .unmessianisch' aufgetreten sei53 oder - als religionsgeschichtliche Vari-

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Eben dies geschah und geschieht in der Praxis freilich häufig, wenn die historisch nicht als authentisch zu erweisenden Bestandteile der synoptischen Tradition in der weiteren Erörterung als unauthentisch betrachtet wurden, d. h. dem aus epistemologischen Gründen nicht auszuräumenden .Verdacht' ohne weitere sachliche Gründe Recht gegeben wird. Zugrunde liegt hier eine generelle Skepsis gegenüber der synoptischen Tradition, die dann auch KÄSEMANNS Formulierung der .Beweislastregel' zugrundeliegt. Vgl. dazu THEISSEN/WINTER, Kriterienfrage, 131f. Siehe dazu HENGEL, Nachfolge, 6-17; Luz, EKK 1/2, 24f. Interessanterweise ist dieses Logion auch kaum selbständig tradierbar. Es scheint von Anfang an seinen .Rahmen' (d. h. Q 9,59 = Mt 8,21 par Lk 9,59) mit sich getragen haben. Dies spricht auch gegen die oft axiomatisch gehandhabte Regel, nur Logienüberlieferungen auf einen vorösterlichen Ursprung zurückzuführen. Dieses steht nach THEISSEN/WINTER, Kriterienfrage, 68f., hinter der Komponente .Differenzkriterium gegenüber dem Christentum'. So in der Tradition von W R E D E und BULTMANN Z. B . FUCHS, Jesus, 107, mit einer tatsächlich dogmatisierenden Formulierung: „Das Unmessianische ist nicht bloß als historische Tatsache, sondern zuvor als Notwendigkeit in Jesu Auftreten zu verstehen." Im Kontext der BuLTMANN-Schule wurde selbst Jesu Rede vom .Menschensohn' von vielen Auslegern gänzlich der Gemeindetheologie zugeschrieben und dem irdischen Jesus abgesprochen (so z.B. KÄSEMANN, Problem, 211; CONZELMANN, Jesus Chris t u s , 6 3 1 ; BORNKAMM, J e s u s , 2 0 8 ; vgl. a u c h VIELHAUER, G o t t e s r e i c h ; DERS., J e s u s ;

aufgenommen bei V Ö G T L E , Gretchenfrage, 132f.). Für CONZELMANN ist Jesus dementsprechend keine .messianische' Gestalt, sondern lediglich der „letzte Rufer" (op. cit., 633), d. h. eine letztlich immer noch - wie bei BULTMANN - prophetische Gestalt.

284

J ö r g Frey

ante dieser Position - daß seine Geschichte allenfalls als eine Geschichte „zerbrochener Messiaserwartungen" 5 4 gewesen sein könne. Diese dogmen- und kirchenkritische Motivation des Differenzkriteriums (bzw. der Komponente der Differenzierung zwischen Jesus und dem Urchristentum) zeigt sich auch bei den Vertretern der .neuen Frage' in hohem Maße, und die Betonung des .Bruches' zwischen Jesus und der Urkirche bzw. des mit dem Kerygma gegebenen radikal .Neuen' führt dazu, daß das rekonstruierte Bild der Verkündigung Jesu und v. a. seine Beziehung zur nachösterlichen Tradition historisch ζ. T . unplausibel bleibt 5 5 . Ein zweites Problem des Differenzkriteriums wurde weithin als noch gravierender empfunden. Seine religionsgeschichtliche Komponente, der Aspekt der Differenz Jesu vom zeitgenössischen Judentum, führte dazu, daß in dem Bestand der als authentisch erhobenen Logien insbesondere diejenigen enthalten waren, die Jesu Unterscheidung von seinem jüdischen Kontext, einzigartiges Selbstverständnis, seine Kritik am .Gesetz' und an der jüdischen Frömmigkeit zur Sprache bringen. Hingegen ließ sich für jene Logien, die sich besser in einen jüdischen Kontext einfügen, der .Verdacht' einer Bildung in nachösterlich-judenchristlichen Kreisen nicht streng ausschließen. Das resultierende J e susbild betonte dementsprechend die Einzigartigkeit Jesu im Kontrast zu seiner jüdischen Umwelt und seine Radikalität seiner Verkündigung - häufig auf dem Hintergrund eines überwiegend negativen Bildes des so genannten .Spätjudentums' 5 ' - , während die Entwicklung der nachösterlichen Tradition dann als eine „Geschichte der Mißverständnisse" 5 7 , als nomistische und partikularistische Verengung der Jesustradition verstanden wurde. D o c h ist diese Konstruktion nicht nur in dem ihr vorausgesetzten Bild des zeitgenössischen Judentums problematisch, sondern auch in ihrer kriterialen Anwendung auf die Verkündigung Jesu: Sollte es historisch plausibel sein, den irdischen Jesus nur in stetem Gegensatz zu seiner Umwelt, insbesondere seiner jüdischen Umwelt zu denken 58 ? M u ß t e man nicht damit rechnen, daß der irdische Jesus vor aller möglichen .Originalität' und .Individualität' zunächst eine Vielzahl von Vorstellungen mit seiner jüdischen Umwelt teilte und daß daher Logien und Handlungsweisen, die sich von dieser nicht durch das Differenzkriterium abheben ließen, dem irdischen Jesus mit einer hohen Wahrscheinlichkeit zuzuschreiben sind?

Ü b e r diese letztlich dogmatischen Restriktionen hinaus wagte sich zunächst nur ERNST KÄSEMANN in seinem berühmten Vortrag, wenn er formulierte (Problem, 2 0 6 ) : „Die einzige Kategorie, die seinem Anspruch gerecht wird, ist völlig unabhängig davon, o b er sie selber benutzt oder gefordert hat oder nicht, diejenige, welche seine Jünger ihm dann auch beigemessen haben, nämlich die des Messias." 54 BORNKAMM, Jesus, 158. 55 GERD THEISSEN hat dagegen korrigierend den Aspekt der .Wirkungsplausibilität' eingeführt (THEISSEN/WINTER, Kriterienfrage, 1 7 6 - 1 8 3 . 2 1 0 - 2 1 2 . 2 4 0 - 2 5 0 ) . 56 Vgl. dazu KÄSEMANN, Problem, 2 0 6 - 2 1 3 ; s. auch STRECKER, Theologie, 3 0 6 - 3 0 9 ; zum Jesusbild in der Monographie von BORNKAMM S. THEISSEN/WINTER, Kriterienfrage, 139-144. 57 KÄSEMANN, Problem, 206. S ' KÄSEMANN weiß um das Problem, daß man mit Hilfe seines Kriteriums „keine Klarheit über das erhält, was Jesus mit seiner palästinischen Umwelt und seiner späteren Gemeinde verbunden hat", aber wichtiger doch, „wenn wir zu Gesicht bekommen, was ihn von Gegnern und Freunden trennte" (Problem, 205f.).

Der historische Jesus und der Christus der Evangelien

285

Es war daher schon den Vertretern der .neuen Frage' deutlich, daß man das Kriterium der Unableitbarkeit mit anderen, weniger sicheren, aber ergänzenden Kriterien verbinden mußte, wenn man zu einem historisch plausiblen Bild der W o r t e (und des Wirkens) Jesu kommen wollte 59 . Zu nennen sind hier v. a. das Kriterium der Kohärenz einzelner W o r t e mit einem bereits als authentisch erwiesenen Bestand 6 0 , das Kriterium der mehrfachen Bezeugung in unabhängigen Quellenschichten 6 1 sowie Beobachtungen zur sprachlichen Formung oder typischen Stilmitteln und -techniken (auf dem Hintergrund des Aramäischen) 6 2 . Gleichwohl führte die Rückfrage nach Jesus in dieser Phase der Forschung immer noch häufig zu einem eher minimalistischen Bild der Verkündigung Jesu, und der Einwand lag nahe, ob denn die Beweislast wirklich dem obliege, der ein Jesuswort tatsächlich auf Jesus zurückführen will, oder ob nicht zumindest in gleichem Maße die Behauptung einer .Gemeindebildung' ebenso gründlich plausibel gemacht werden müsse 63 . Programmatisch formulierte MARTIN HENGEL: „ W e r eine .Gemeindebildung' annimmt, m u ß dann auch O r t , Zeit und Gründe angeben" 6 4 . Die in der formgeschichtlich geprägten Forschung verbreitete These, daß die Urchristenheit in großem Stil Prophetenworte in I c h - F o r m gebildet und Jesus in den Mund gelegt hätte 65 , ließ sich historisch nicht hinreichend belegen 66 . Sie kann deshalb

59

Siehe dazu den Überblick bei PERRIN, Was lehrte Jesus, 6-51; PORTER, Criteria, 6 3 - 1 2 3 . vgl. w e i t e r die D i s k u s s i o n

bei THEISSEN/WINTER, Kriterienfrage;

SCRIBA,

Echtheitskriterien. 60 Siehe dazu PERRIN, Was lehrte Jesus, 37-40; PORTER, Criteria, 79-82. " Siehe dazu PERRIN, Was lehrte Jesus, 40-42; PORTER, Criteria, 82-89. Dieses Kriterium läßt sich auch auf die Uberlieferung der Taten Jesu, z. B. auf seine therapeutische und exorzistische Tätigkeit anwenden; s. dazu THEISSEN/MERZ, Jesus, 269-275; MEIER, Marginal Jew II, 619-623; FREY, Verständnis, 12f. 62 Siehe dazu grundlegend JEREMIAS, Theologie I, 19-46. Das Kriterium der semitischen Sprachgestalt (s. dazu skeptisch PORTER, Criteria, 89-99) läßt sich vom Differenzkriterium unabhängig einsetzen, es kann allerdings nur Indizien für das hohe Alter einer Tradition beisteuern, nicht jesuanische Authentizität beweisen. Erst in Verbindung mit anderen Beobachtungen wie Häufigkeit eines Phänomens, sprachlicher Formung etc. lassen sich weitergehende Folgerungen ziehen, wobei immer noch nicht auszuschließen ist, daß jesuanische Formulierungen in andere Logien .gewandert' sind (vgl. RIESNER, Jesus, 92f.). 63 So gegen die .Beweislastregel' bei KASEMANN, Problem, 203, und anderen zunächst KÜMMEL, Antwort, 187f., der das Diktum prägte, die Jesusüberlieferung verdiene „kritische Sympathie"; vgl. STUHLMACHER, Theologie I, 43-45. M HENGEL, Geschichtsschreibung, 29; ähnlich bereits DROYSEN, Historik, 99f.: „Zum vollen Beweis der Unechtheit gehört, daß der wirkliche Ursprung des Gefälschten, die Zeit, der Zweck der Fälschung nachgewiesen wird". 65 Dies wird nicht zuletzt von KÄSEMANN, Problem, 211 (vgl. DERS., Sätze) betont. " Vgl. die Analyse bei AUNE, Prophecy, 233-245.

286

Jörg Frey

auch nicht mehr - wie noch bei KÄSEMANN - zur Legitimation einer grundlegenden Skepsis gegenüber der Jesusüberlieferung herangezogen werden. Der hier nur knapp skizzierte Streit zwischen .Minimalisten' und ,Maximalisten' verband sich zugleich stets mit der Frage, welche theologische Relevanz dem Ergebnis der Rückfragt nach dem historischen Jesus beigemessen wurde: Welche theologische Bedeutung und welche Relevanz für den christlichen Glauben hat es, daß Jesus tatsächlich Heilungen vollbracht, daß er einen .messianischen' Selbstanspruch erhoben und seinen Tod selbst gedeutet hat? Dabei ist häufig zu beobachten, daß historisch .konservativere' Autoren dazu tendieren, dem so erhobenen Bild Jesu eine stärker normative Bedeutung beizumessen 67 , während historisch skeptischere Autoren die theologische Bedeutung der historischen Rückfrage eher gering ansetzen 68 . Dies zeigt erneut, daß die Frage nach Jesus trotz der elaborierten Versuche, mit Hilfe strikter Kriterien zu einem möglichst .objektiven' Bild des historischen Jesus zu gelangen, stets in einem hermeneutischen Zirkel erfolgt, in dem die theologische Option der einzelnen Interpreten nie ganz ausgeklammert werden kann.

2.4 Die „dritte Frage" bzw. die neueste Phase der Jesusforschung Seit dem Ende der 80er Jahre gibt es in der anglo-amerikanischen Forschung das Diktum von einer „dritten Frage" nach Jesus, bzw. einem „Third Quest" 69 , der seit ca. 1980 zu einer neuen Flut von Publikationen

Dies ist deutlich erkennbar bei STUHLMACHER, Theologie I, 4 0 - 5 0 . Siehe die Erörterungen bei STRECKER, Theologie, 2 6 4 - 2 6 9 . Eine Ausnahme im deutschen Sprachraum bildet GERD LÜDEMANN, der seinem historisch sehr skeptischen Bild Jesu zugleich eine gegen das kirchliche Dogma gewendete kritische Normativität zuerkennen wollte (so bereits in DERS., Auferstehung, 220: „Hier, am historischen Jesus, wie er mir durch die Texte vorgegeben ist und durch historische Rekonstruktion als Person begegnet, fällt also die Entscheidung des Glaubens"). Ahnliche Tendenzen bestehen bei den im Jesus-Seminar' vereinten nordamerikanischen Forschern, die primär in Auseinandersetzung mit einem amerikanischen Bibelfundamentalismus ein neues Jesusbild "free of ecclesiastical and religious control" (FUNK, Gospels, xviii), aber doch nicht ohne das Pathos eines gesteigerten Wahrheitsanspruchs, verbreiten will. Dies zeigt sich schon in der Widmung der .Bibelausgabe' des Jesus-Seminar' an Galileo Galilei, Thomas Jefferson und David Friedrich Strauß. Die alte aufklärerische .antidogmatisch-dogmatische' Denkfigur kehrt hier in neuem Gewand wieder. " Die Bezeichnung wurde 1987 von TOM WRIGHT in seiner Weiterführung der Geschichte der neutestamentlichen Forschung von STEPHEN NEILL eingeführt: NEILL/ WRIGHT, Interpretation, 379. CHARLESWORTH, Jesus, 2, spricht von einem .Paradig-

67 68

Der historische Jesus und der Christus der Evangelien

287

über Jesus geführt hat. Diesem Zweig der Forschung hat sich im deutschen Sprachraum vor allem G E R D T H E I S S E N zugeordnet70. Und auch wenn zwischen der .neuen' und der .neuesten' Phase der Jesusforschung nicht immer eine klare Zäsur zu erkennen ist71, so gibt es doch eine Reihe von Verschiebungen im Diskussionsrahmen und einzelnen Fragestellungen, die hier nur in aller Kürze benannt werden können72: a) Ein wesentliches Kennzeichen der neueren Forschung ist zunächst die „Betonung der historischen Dimension der Jesusfrage "73: Das theologische Interesse der Rückfrage nach Jesus, das noch bei den Vertretern der .neuen Frage' wie K Ä S E M A N N oder B O R N K A M M leitend war, ist zurückgetreten und ζ. T. dezidiert ausgeklammert74. Die im Banne der Theologie B U L T MANNS beherrschende Diskussion, ob die historische Rückfrage nach Jesus theologisch .erlaubt' sei oder nicht, wird vielerorts nur noch mit Verständnislosigkeit zur Kenntnis genommen. Die Legitimität der historischen Jesusfrage ist - von wenigen Außenseitern abgesehen - nicht mehr ernsthaft in Frage gestellt. Daß das christliche Kerygma die Rückbindung an den irdischen Jesus fordert, muß zur Begründung der Frage nach dem historischen Jesus nicht mehr eigens angeführt werden. Der älteren Forschung wird vorgehalten, sie hätte historische Fragen allzu sehr mit theologischen Interessen vermischt75. Die Beobachtung ist zutreffend, und sie erfaßt in unterschiedlicher Weise sowohl die ältere liberale Leben-

70

71

72

menwechsel' der Jesusforschung; vgl. auch TELFORD, Trends, 33f.57—61. Zur Kritik an dieser Behauptung einer .epochalen' W e n d e s. PORTER, Criteria, 5 1 - 5 5 . THEISSEN/MERZ, Jesus, 28f.; THEISSEN/WINTER, Die Kriterienfrage, bes. 1 7 5 - 2 3 2 ; vgl. auch SCHRÖTER, Jesus, 8 - 1 4 . So PORTER, Criteria, 5 1 : "there is a great deal of evidence that there has always been just one multi-faceted quest for the historical Jesus"; vgl. auch DU TOIT, Emeut auf der Suche, 108f., der meint, „daß man trotz aller Differenzen festhalten muß, [ . . . ] daß beide Phasen auf breiter Front eine grundlegende Kontinuität aufweisen". Siehe zum Überblick SCHRÖTER, Jesus, 8 - 1 3 ; THEISSEN/WINTER, Kriterienfrage, 145— 157; DU T o r r , Erneut auf der Suche; BORG, Scholarship, 3 - 4 7 ; PORTER, Criteria, 5 1 55; TELFORD, Trends; EVANS, Contemporaries, 1 - 4 9 ; WITHERINGTON, Jesus Quest.

73

SCHRÖTER, J e s u s , 8 .

74

Vgl. EVANS, Contemporaries, lOf.: "Unlike the earlier quests, the Third Quest is not driven by theological-philosophical concerns. There has been a shift away f r o m a philosophical orientation to a historical orientation". Vgl. MEIER, Marginal J e w I, 2 5 - 3 1 ; s. auch SANDERS, Jesus, 331.333f., mit dem Anliegen der Befreiung von "history and exegesis f r o m the control of theology". Dabei kann man mit THEISSEN/WINTER (Kriterienfrage, 146f.) beobachten, daß der „profanhistorische Impetus [.. .] sich bei einigen Vertretern des Third Quest mit einem A f f e k t gegen die deutsche Theologie [verbindet] und [ . . . ] insofern zugleich eine Emanzipation angelsächsischer Theologie gegenüber der früheren Dominanz deutschsprachiger Theologie" darstellt.

75

288

Jörg Frey

Jesu-Forschung als auch die Vertreter der .neuen Frage'. Demgegenüber ist es zweifellos ein Fortschritt, wenn in der neueren internationalen F o r schung ein „identitätsoffener Dialog über Jesus" 7 6 unter Beteiligung von Wissenschaftlern aus sehr verschiedenen konfessionellen und religiösen Kontexten eingesetzt hat. Andererseits sind auch die sehr unterschiedlichen Jesusbilder aus der Feder neuerer Autoren77, insbesondere die Rekonstruktionen aus dem Jesus-Seminar' und die Versuche, in den Quellen oder eher hinter den Quellen einen unapokalyptischen bzw. uneschatologischen78, rein weisheitlichen79 oder kynisch-popularphilosophischen80 oder gar einen rein politisch-religiösen81 Jesus zu .entdecken', dahingehend zu befragen, inwieweit sie nicht auch in hohem Maße eine Widerspiegelung dessen sind, was ,der Herren eigner Geist' sich vorzustellen vermag oder für akzeptabel hält82. Die Uberzeugung, daß der .wirkliche' Jesus nicht von einem Ende der Welt, einem letzten Gericht oder gar von seiner Wiederkunft gesprochen habe, daß er das Gottesreich nicht als eine bald einbrechende, sondern als eine gegenwärtig verborgene Wirklichkeit verkündigt habe, daß er nicht die Bibel zitiert und seinen Freunden zwar Weisheitsworte, aber keine wirkliche .Lehre' aufgab83 - das alles fügt sich eher in die Kontext einer nachchristlich-aufgeklärten, postmodern-toleranten Gesellschaft als in das Palästina der Zeitenwende. Was A L B E R T SCHWEITZER einst über die Jesusbilder der liberalen Jesusforschung sagte, ließe sich angesichts mancher Konstruktionen der neuesten Forschung mutatis mutandis wiederholen. Die Prämissen des Jesus-Seminar' haben offenbar dazu geführt, daß die Regel "Beware of finding a Jesus entirely congenial to you"84 gerade nicht zur Wirkung kommen konnte85.

76

77 78 79 80

81 82

83

84 85

THEISSEN/WINTER, Kriterienfrage, 147.

Siehe dazu B O R G , Scholarship, 8 - 1 2 . 1 8 - 4 3 ; DU T O I T , Erneut auf der Suche, 9 3 - 1 0 6 . So ζ. B. BORG, Scholarship, 47-68; DERS., Jesus. So ζ. B. CROSSAN, The Historical Jesus. So über CROSSAN hinaus v. a. MACK, Myth, 56; DERS., Cynic-Like Jesus; DOWNING, Jewish Cynic Jesus. So MALINA, Criteria, 42: "Jesus was interested solely in political religion." Siehe die entlarvenden Bemerkungen von O T T O BETZ über die .Bibelausgabe' des J e sus-Seminar': „Der historische Jesus der .Five Gospels' ist [ . . . ] der Anwalt der Armen und Diskriminierten, der Schrecken für die Scheinfrommen und die Reichen: das Erbe der .Theologie der Befreiung* wird durch ihn mitverwaltet. [ . . . ] Der .rote' Jesus dieses Buches, respektlos und rebellisch gegenüber Frommen und Reichen, dem einfachen Volk verbunden, dessen vulgäre Sprache er übernahm, ist eher selbst ein vorbildlicher .Fellow', eine Art von geistlichem enfant terrible und troublemaker [ . . . ] In summa: Der .historische' Jesus der .Fünf Evangelien' ist [ . . . ] vor allem ein Held unserer Zeit" (BETZ, ThLZ 119,989f.) Vgl. den Uberblick über die kollektive Meinung des Jesus-Seminar' bei BORG, Scholarship, 164-168. Vgl. auch die programmatische These bei CROSSAN, Jesus, xxxi: "Jesus left behind him thinkers not memorizers, disciples not reciters, people not parrots." So die siebte .Säule der wissenschaftlichen Weisheit' in FUNK (ed.), Five Gospels, 5. BETZ, T h L Z 119, 989.

Der historische Jesus und der Christus der Evangelien

289

Dies zeigt, daß die Jesus-Forschung dem grundlegenden hermeneutischen Zirkel nicht zu entrinnen vermag - am wenigsten durch das Postulat, man wolle völlig .undogmatisch' vorgehen! b) Der historische Ansatz fordert mit Entschiedenheit die Einbeziehung aller Quellen, die für die präzise Beschreibung des Umfeldes Jesu in politischer, sozialer, kultureller und religiöser Hinsicht zur Verfügung stehen. Neben den neutestamentlichen Texten sollen auch die archäologischen Zeugnisse sowie die Zeugnisse des zeitgenössischen Judentums und die nicht kanonisch gewordenen frühchristlichen Zeugnisse einbezogen werden. Dabei bleibt der Quellenwert der einzelnen Texte und Quellen selbstverständlich umstritten. Fraglich ist insbesondere, ob man zusätzlich zu den bei Markus und in Q sowie im Lukas- und MatthäusSondergut überlieferten Traditionen hinter einigen außerkanonischen Texten noch Quellen für die älteste Zeit des Urchristentums erheben kann86. CRAIG A. EVANS hat zutreffend beobachtet, daß die breite Heranziehung, ja z. T. Höherschätzung der außerkanonischen, oft nur durch hypothetische Rekonstruktionen gewonnenen .Quellen' vor allem ein amerikanisches Phänomen darstellt 87 . Es ist völlig selbstverständlich, daß eine um historisches Verstehen bemühte Forschung nicht an den Grenzen des Kanons enden darf, sondern möglichst alle verfügbaren Quellen kritisch in ihr Gesamtbild einbeziehen muß, aber die Rezeption der außerkanonischen Traditionen erfolgt gelegentlich mit einer recht unkritischen Begeisterung an den .neuen' Stoffen ganz im Gegensatz zur skeptischen Einschätzung der synoptischen Traditionen 88 . Im B l i c k auf die q u e l l e n k r i t i s c h e n

U r t e i l e v o n HELMUT KOESTER o d e r JOHN

DOMINIC

CROSSAN h a t D W I G H T M O O D Y SMITH m i t R e c h t f e s t g e s t e l l t " t h a t w e a r e s e e i n g n o w a

willingness or propensity to credit the independence and antiquity of the apocryphal gospels that is somewhat surprising in view of what is allowed in case of the canonicals" 89 . Diese kritischen Fragen beruhen nicht nur - wie gerne unterstellt wird - auf einer .dogmatischen Voreingenommenheit' 90 , sondern auf quellenkritischen Überlegungen.

86 87 88

89 90

Vgl. dazu EVANS, Contemporaries, 26-49. EVANS, Contemporaries, 27. Dies gilt sowohl für die Authentizitätsurteile des Jesus Seminar' (FUNK [ed.], The Five Gospels) als auch für die Rekonstruktion der ältesten Traditionsschicht bei CROSSAN, Jesus, 427-450, wo nicht nur dem koptischen Thomasevangelium, sondern noch zahlreichen weiteren, z. T. erst quellenkritisch extrahierten Texten in extremer Frühdatierung die historische Priorität vor den synoptischen Traditionen eingeräumt wird. SMITH, Problem, 151. So der Vorwurf gegen die Verteidiger der historischen Priorität der kanonischen Evangelien bei KOESTER, Gospels, xxx. Es läßt sich freilich beobachten, daß gerade im einflußreichen Werk HELMUT KOESTERS - seit seinen Anfängen in der bei BULTMANN geschriebenen Dissertation über .Synoptische Uberlieferung bei den Apostolischen

290

Jörg Frey

Diese können hier nicht im Detail ausgeführt werden. Doch ist festzustellen, daß die Rekonstruktionen und Datierungen, wie sie etwa bei CROSSAN vorgenommen werden, auch in der amerikanischen Forschung und bei anderen Vertretern des .Third Quest' mit guten Gründen auf Widerspruch stoßen".

Davon unberührt ist jedoch das Postulat, daß ein historisch plausibles Bild des irdischen Jesus auf einer möglichst breiten Quellenbasis und im Rahmen des sozialen und religiösen Kontextes seiner Zeit zu zeichnen ist. Dabei kommt den Texten des zeitgenössischen Judentums 92 und den archäologischen Zeugnissen, insbesondere auch im galiläischen Raum zentrale Bedeutung zu. c) Mit dem primär historischen Ansatz und aufgrund der Einbeziehung der jüdischen Forschung 93 wurden schließlich auch die Kriterien zur Identifikation authentischen Jesusguts neu zur Diskussion gestellt. War für die Forschung im Anschluß an K Ä S E M A N N oder B O R N K A M M das Differenzkriterium weithin fraglos in Geltung, so hat sich in der jüngeren Forschung gegen dieses Kriterium breite Kritik formiert94, jedoch wurde in der Kriterienfrage gerade kein neuer Konsens erreicht95. Die zur GelVätern' - ein systematisch reflektiertes Programm wirksam ist, das in der Kritik am .frühkatholischen' Kanon der Kirche .Rechtgläubigkeit' dort finden will, wo „die Existenz der Glaubenden radikal geschichtlich verstanden ist", während das Gegenteil eben dort vorliegt, wo von einem „Versagen der Entmythologisierung im Urchristentum" gesprochen werden muß - ζ. B. in den .frühkatholischen Evangelien (KOESTER, Häretiker, 71.73; vgl. auch DERS., Ein Jesus, 184ff.: „Die kanonischen Evangelien und das rechtgläubige Bekenntnis"). Dieses theologische Programm hat sich bei KOESTER natürlich gewandelt, aber noch 1991 formulierte er, es sei die Aufgabe der Bibelwissenschaft, die bestehenden Sicherheiten und Strukturen religiöser und politischer Macht in Frage zu stellen (KOESTER, Epilogue, 475.) - das bultmannianische Programm ist damit ins Politische ausgeweitet. Siehe zu diesen - in der amerikanischen Diskussion meist übersehenen - Wurzeln der .Harvard-Schule' auch FREY, Eschatologie I, 367-370; zur Auseinandersetzung mit den Prämissen KOESTERS auch SCHRÖTER, Jesus, 189-195. " 92

93

94

Siehe zur Kritik exemplarisch CHARLESWORTH/EVANS, Jesus in the Agrapha; MEIER, Marginal Jew I. 112-166. Vgl. dazu EVANS, Non-Christian Sources; einen breiten Überblick bietet DERS., Contemporaries. Den Beitrag der jüdischen Forschung zur Genese des „Third Quest" beschreiben THEISSEN/WINTER, Kriterienfrage, 148-151. Zur Kritik am Differenzkriterium bzw. zur Diskussion um seine Modifikation s. CATCHPOLE, T r a d i t i o n H i s t o r y , 1 7 4 - 1 7 8 ; T H E I S S E N / W I N T E R , K r i t e r i e n f r a g e , 124-145.157-166;

DU T O I T , E r n e u t a u f d e r S u c h e ,

1 1 4 - 1 1 6 ; vgl. a u c h

19-26.

BAASLAND,

Theologie, 159-161. 95

Dies zeigt das Werk von PORTER mit den von ihm eingeführten .neuen' Kriterien wie z. B. dem Kriterium der griechischen Sprache (!), s. Criteria, 126-180; ganz andere,

D e r historische Jesus und der Christus der Evangelien

291

tung gebrachten Kriterien sind ζ. T. lediglich Spiegel der jeweiligen Jesusbilder, so daß ihre argumentative Kraft nicht über jeden Zweifel erhaben ist. Eine Reihe von Forschern hat die Frage nach Kriterien für die Herausarbeitung authentischen Jesusguts überhaupt preisgegeben" - mit der Folge, daß das Bild Jesu mit dem seiner Umwelt oder der frühen Gemeinde verschwimmt, aber dann auch beliebig instrumentalisierbar zu werden droht. In seiner klassischen, durch KÄSEMANN formulierten Prägung ist das Kriterium der doppelten Unableitbarkeit jedenfalls weithin aufgegeben worden. Einzelne Ausleger halten die Differenz vom nachösterlichen Christentum bereits für suffizient, während eine Differenz zum Judentum nicht mehr als notwendig angesehen wird, um ein Logion als jesuanisch zu qualifizieren97. Dabei ergibt sich freilich die Folge, „daß Jesus völlig vom antiken Christentum isoliert wird" 98 und die Wirkungen Jesu im frühen Christentum historisch unerklärlich werden 99 . Doch wurde es in der neueren Jesusforschung weithin Konsens, daß Jesus in der kontextuellen Verbindung mit dem zeitgenössischen Judentum zu verstehen ist 100 - man muß präzisieren: als galiläischer Jude innerhalb des komplexen Gefüges des Judentums seiner Zeit. Dabei ist vorausgesetzt, daß das palästinische J u d e n t u m der Z e i t J e s u ein vielfältig differenziertes war. D i e früher übliche, auf den späteren rabbinischen Zeugnissen basierende Rede von einem .normativen' J u d e n t u m 1 0 1 , von dem sich lediglich einzelne . S e k t e n ' wie ζ. B . die E s s e n e r oder eben auch Jesus und seine A n h ä n g e r wie von einer dunklen F o l i e abheben k o n n t e n , ist durch die Erschließung neuer Quellen (wie ζ. B . der Q u m r a n Funde sowie archäologischer Zeugnisse) wie auch durch die differenziertere historische Erschließung der rabbinischen Literatur als unhaltbar erkannt worden. A u c h die im A n -

vorwiegend inhaltliche, am Bild des politischen .Bauernpropheten* orientierte Kriterien will ζ. B . MALINA, Criteria, 43, einführen. 96

Vgl. etwa BERGER, Kriterien.

97

S o etwa HOLMÉN, D o u b t s , der für Logien, bei denen eine solche D i f f e r e n z festzustellen ist, dann eher eine Bildung durch das frühe C h r i s t e n t u m erwägt. Eine einseitige W e n d u n g des Differenzkriteriums im Sinne einer D i f f e r e n z zum C h r i s t e n t u m bei gleichzeitiger K o n t i n u i t ä t zum J u d e n t u m zeigt sich bei CHARLESWORTH, J e s u s .

98 99

Vgl. DU T O I T , E r n e u t auf der Suche, 116 A n m . 106 Es wäre keine L ö s u n g dieses Problems, wenn dann sehr schnell .hellenistische Einflüsse' in der frühen K i r c h e für das verantwortlich gemacht würden, was man Jesus selbst aufgrund der Analogielosigkeit im zeitgenössischen J u d e n t u m n i c h t m e h r zuzuschreiben wagt.

100

Vgl. die T i t e l neuerer J e s u s b ü c h e r : SANDERS, J e s u s and Judaism; CHARLESWORTH, J e sus within Judaism; MEIER, A Marginal J e w ; CHILTON/EVANS, J e s u s in C o n t e x t .

" " D e r B e g r i f f geht auf GEORGE FOOT MOORE zurück, wo er im B l i c k auf das rabbinische J u d e n t u m und zur A u s g r e n z u n g des hellenistischen J u d e n t u m s und der A p o k a lyptik dient, s. DERS., J u d a i s m I, 125.

292

Jörg Frey

schluß an Ε. P. SANDERS verbreitete Rede von einem .Common Judaism' kann der Gefahr nicht entgehen, die vielfältigen Differenzierungen und tiefgreifenden Gruppenkonflikte in der Spätzeit des Zweiten Tempels in unangemessener Weise einzuebnen 102 . Eine jüdische .Orthodoxie', gegenüber der sich Jesus en bloc abheben könnte, gab es vor dem Jahr 70 nicht. Wie sich sein Wirken und seine Botschaft in das Judentum seiner Zeit einfügen konnte und worin er sich von einzelnen Gruppen desselben unterschied oder gar Anstoß und Gegnerschaft provozieren konnte, muß deshalb im Blick auf die verschiedenen sozialen und religiösen Gruppenbildungen im palästinischen Judentum dieser Zeit differenziert beantwortet werden.

Im Blick auf die Kriterien für die Authentizität von Traditionen ist daher das Kriterium der Differenz gegenüber dem Judentum nur noch „im Rahmen einer grundlegenden Kontinuität Jesu zum Judentum" anwendbar103, und man kann den ,Third Quest' gerade dadurch gekennzeichnet sehen, daß der jüdische Charakter Jesu hier in vollem Maße zum Bewußtsein gebracht wurde104. Ohne die Einbettung in den sprachlichen und kulturellen Kontext des zeitgenössischen Judentums hätte Jesus von niemandem verstanden werden können. Andererseits reicht der .jüdische' Charakter einer Tradition nicht hin, um diese als spezifisch jesuanisch zu qualifizieren. So bleibt die Frage nach dem besonderen Profil Jesu bzw. nach Kriterien, die es ermöglichen, innerhalb des zeitgenössisch-jüdischen Kontextes jene Elemente zu identifizieren, die nicht einfach von anderen Personen der frühen, noch ganz judenchristlichen Gemeinde übernommen und in die Jesustradition eingetragen sein können, sondern mit besonders hoher Wahrscheinlichkeit von Jesus selbst formuliert sein dürften. GERD THEISSEN will in seiner Umformung des Differenzkriteriums hier von zwei Komponenten der so genannten .Kontextplausibilität' reden, einer .Kontextentsprechung' (nach der eine Tradition innerhalb des jüdischen Kontextes denkmöglich sein muß) und einer .kontextuellen Individualität', die sich im Vergleich mit anderen jüdischen Gruppen und Gestalten oder in bestimmten sprachlichen .Besonderheitsindizien' (wie z. B. dem .nicht-responsorischen Amen') 105 zeigt. Diese Argumente Siehe dazu jetzt den Sammelband von CARSON/O'BRIEN/SEIFRID, Justification; sowie die profunde Kritik von HENGEL/DEINES, Common Judaism. 103 DU TOIT, Erneut auf der Suche, 115. ,