Der Grundsatz der Unmittelbarkeit im deutschen Strafverfahren [Reprint 2012 ed.] 9783110888768, 9783110072563

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Der Grundsatz der Unmittelbarkeit im deutschen Strafverfahren [Reprint 2012 ed.]
 9783110888768, 9783110072563

Table of contents :
Schrifttumsverzeichnis
Einleitung
I. Problemstellung
II. Umfang und Grenzen der vorliegenden Abhandlung
Erster Teil: Geschichtliche Grundlagen des Unmittelbarkeitsgrundsatzes
1. Kapitel: Der gemeinrechtliche deutsche Inquisitionsprozeß
I. Die frühen Grundlagen
II. Die Rezeption
III. Der gemeine Strafprozeß nach der „Carolina“ bis zum Beginn des 19 Jahrhunderts
2. Kapitel: Ausländische Vorbilder
I. Das englische Strafverfahren
II. Das französische Strafverfahren (nach dem „Code d’Instruction Criminelle“ von 1808)
3. Kapitel: Die deutsche Reformbewegung des 19. Jahrhunderts
I. Die literarische Reformbewegung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
II. Die partikulare Reformgesetzgebung in der Mitte des 19. Jahrhunderts
III. Zusammenfassung
4. Kapitel: Die Reichs-Strafprozeßordnung vom 1. Februar 1877
I. Zur Struktur des Vorverfahrens
II. Die Verlesung früherer Protokolle
Zweiter Teil: Theoretische und dogmatische Grundlagen des Unmittelbarkeitsprinzips
5. Kapitel: Der bisherige Meinungsstand
I. Der „formelle“ Unmittelbarkeitsbegriff
II. Der „materielle“ Unmittelbarkeitsbegriff
6. Kapitel: Die formelle Seite des Unmittelbarkeitsgrundsatzes
I. Die „formelle Unmittelbarkeit“ im System der Prozeßmaximen
II. Zur praktischen Bedeutung der „formellen Unmittelbarkeit“
7. Kapitel: Die materielle Seite des Unmittelbarkeitsgrundsatzes
I. Die „materielle Unmittelbarkeit“ als abstraktes Denkprinzip
II. Die „materielle“ Unmittelbarkeit im System der Prozeßmaximen
8. Kapitel: Der Unmittelbarkeitsgrundsatz in seiner besonderen Ausgestaltung nach § 250 StPO
I. Inhalt und Bedeutung des Vernehmungsgebotes (§ 250 Satz 1 StPO)
II. Inhalt und Bedeutung des Verlesungsverbotes (§ 250 Satz 2 StPO)
III. Zum Verhältnis des Satzes 2 zu Satz 1
9. Kapitel: § 250 StPO auch als Regelung des Hörensagenbeweises?
I. Begriff und Inhalt des Hörensagenbeweises
II. Lösungsversuche aus § 250 StPO
III. Exkurs: Lösungsversuche außerhalb der Strafprozeßordnung
IV. Schlußfolgerungen
10. Kapitel: Hörensagenbeweis speziell durch Vernehmung von Verhörpersonen
I. Vorbemerkungen
II. Zum„Normalfall“ der Vernehmung von Verhörpersonen
III. Die Vernehmung von Verhörpersonen speziell bei behördlich geheimgehaltenem V-Mann

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Klaus Geppert Der' Grundsatz der Unmittelbarkeit im deutschen Strafverfahren

Klaus Geppert

Der Grundsatz der Unmittelbarkeit im deutschen Strafverfahren

w DE

G 1979

Walter de Gruyter · Berlin · New York

Dr. jur. Klaus Geppert o. Professor an der Freien Universität Berlin

CIP-Kurztitelaufnahme

der Deutschen

Bibliothek

Geppert, Klaus: Der Grundsatz der Unmittelbarkeit im deutschen Strafverfahren / Klaus Geppert. - Berlin, New York : de Gruyter, 1979. ISBN 3-11-007256-4

Als Habilitationsschrift auf Empfehlung der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Copyright 1978 by Walter de G r u y t e r & C o . , vormals G J . Göschen'sche Verlagshandlung, J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, Georg Reimer, Karl J. Trübner, Veit & C o m p . , 1000 Berlin 30 Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Ubersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany Satz und Druck: Saladruck, Steinkopf & Sohn, 1000 Berlin 36 Buchbinderei: Wübben & C o . , 1000 Berlin 42

Meinem verehrten Lehrer Rudolf Schmitt

Vorwort Die vorliegende (im Januar 1976 abgeschlossene) Arbeit wurde im Sommersemester 1976 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. als Habilitationsschrift angenommen. Sie geht zurück auf eine Anregung meines verehrten akademischen Lehrers, Herrn Prof. Dr. Rudolf Schmitt. Ihm vor allem gilt mein besonderer Dank. Ihm ist diese Arbeit gewidmet. Seine wertvollen fachlichen Hinweise und Ratschläge, sein Verständnis dem damaligen Assistenten gegenüber und nicht zuletzt sein persönlicher Zuspruch haben die Arbeit von Anfang an hilfreich begleitet. Ebenfalls zu Dank verpflichtet bin ich der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die durch großzügigen finanziellen Beitrag zu den Druckkosten die Veröffentlichung der Arbeit ermöglichte. Ich habe mich bemüht, Literatur und Rechtsprechung bis 31. Dezember 1977 zu berücksichtigen. Berlin, im Februar 1978 Klaus

Geppert

Inhaltsverzeichnis Seite

Schrifttumsverzeichnis

XV

Einleitung I. Problemstellung II. Umfang und Grenzen der vorliegenden Abhandlung

1 3

Erster Teil: Geschichtliche Grundlagen des Unmittelbarkeitsgrundsatzes 1. Kapitel: Der gemeinrechtliche deutsche Inquisitionsprozeß I. Die frühen Grundlagen 1. Der altdeutsch-germanische Rechtsgang 2. Der römische Strafprozeß 3. Der kanonisch-italienische Strafprozeß 4. Das mittelalterlich-deutsche Inquisitionsverfahren II. Die Rezeption 1. DieZeitvorder,,ConstitutioCriminalisCarolina"(1532) 2. Der Strafprozeß der,,Carolina" a) Gerichtsorganisatorische Fragen und Gang des Verfahrens b) Das Beweisrecht III. Der gemeine Strafprozeß nach der „Carolina" bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts 1. Der Strafprozeß zur Zeit Benedikt Carpzows (1595 bis 1666) 2. DerStrafprozeßinderPartikulargesetzgebungdes beginnenden 19.Jahrhunderts

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2. Kapitel: Ausländische Vorbilder I. Das englische Strafverfahren 1. Der Gang des Verfahrens a) Das summarische Verfahren b) Das ordentliche (anklageschriftliche) Verfahren aa) Das Vorverfahren bb) Das Verfahren vor dem erkennenden Gericht 2. Das Beweisrecht a) Grundlagen b) Die,,Best Evidence Rule" c) Spezialfälle der „Best Evidence Rule" aa) Die Verwertung von Vernehmungsprotokollen bb) Die „Hearsay Rule" d) Die Verwertung von Geständnissen II. Das französische Strafverfahren (nach dem „ C o d e d'Instruction Criminelle" von 1808)

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X

Inhaltsverzeichnis 1. Die Entwicklung vor 1808 2. Der Gang des Verfahrens (nach dem „Code d'Instruction Criminelle" von 1808) a) Das Vorverfahren aa) Die gerichtliche Voruntersuchung („Instruction préparatoire") bb) Das staatsanwaltschaftliche Vorverfahren („poursuite") b) Das Zwischenverfahren aa) vorderRatskammer(„chambreduconseil") bb) vor dem Anklagesenat („chambre des mises en accusation") c) Das Hauptverfahren aa) vor dem „tribunal de simple police" bb) vordem „tribunal correctionel" cc) vorder„courd'assisses" 3. Das Beweisrecht a) Grundlagen b) Einzelne Beweismittel aa) Die Vernehmung des Beschuldigten bb) Der Zeugenbeweis, insbesondere das Zeugnis vom Hörensagen cc) Der Urkundenbeweis, insbesondere die Verwertung von Protokollen . c) Beweisrechtliche Besonderheiten aa) beim,.tribunal depolice" und beim,.tribunal correctionel" bb) bei der,,courd'assisses"

3. Kapitel:DiedeutscheReformbewegungdesl9. Jahrhunderts I. Die literarische Reformbewegung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 1. Anselm von Feuerbach 2. Carl Joseph Anton Mittermaier II. DiepartikulareReformgesetzgebunginderMittedesl9. Jahrhunderts 1. Ansätze eines,.reformierten" Verfahrens vor 1848 a) Preußen und Württemberg b) Bayern, Sachsen und Baden 2. Der Rechtszustand nach 1848 a) Fortgeltung des gemeinrechtlichen Inquisitionsprozesses b) Herrschaftsbereich des „Code d'Instruction Criminelle" c) Der,,reformierte" Strafprozeß nach französischem Vorbild aa) Der Grundsatz unmittelbar-mündlicher Hauptverhandlung bb) Der Einfluß früherer Zeugenprotokolle aaa) Ersatzweise Verlesung bbb) Ergänzende Verlesung ccc) Vorhalt aus Protokollen cc) Der Einfluß früherer Geständnisprotokolle dd) Das Zeugnis vom Hörensagen d) Einflüsse des englischen Strafverfahrens aa) im Vorverfahren bb) in der Hauptverhandlung III. Zusammenfassung 4. Kapitel:DieReichs-Strafprozeßordnungvomi. Februarl877 I. Zur Struktur des Vorverfahrens 1. Entwurf I 2. Entwurf II 3..EntwurfIII

41 45 46 46 49 50 50 51 52 52 53 54 58 58 60 60 60 62 64 64 66 67 68 69 73 76 77 77 79 83 84 84 85 85 86 86 90 91 92 93 94 95 95 96 100 100 101 102 103

Inhaltsverzeichnis 4. Die Beratungen im Reichstag a) Erste Lesung in der Reichsjustizkommission b) Zweite Lesung in der Reichs justizkommission c) Zweite und dritte Plenarberatung II. Die Verlesung früherer Protokolle 1. Der Grundsatz unmittelbar-mündlicher Hauptverhandlung a) Entwurfl(§ 204) b) Entwurf II (S 209) c) Entwurf III ( § 2 1 2 ) 2. Die ersatzweise Verlesung früherer Protokolle a) Die drei Entwürfe aa) E n t w u r f l ( § 205) bb) EntwurfII(§ 210) und Entwurf III ( § 2 1 3 ) b) Erste Plenarberatung sowie die Lesungen in der Reichsjustizkommission . . . ~c) Zweite und dritte Plenarberatung 3. Ergänzende Verwertung früherer Protokolle a) Entwurfl(§ 206) b) EntwurfII(§§ 211 ff.) und Entwurf III (§ 214 f.) c) Die Lesungen in der Reichsjustizkommission aa) Erste Lesung bb) Zweite Lesung d) Zweite und dritte Plenarberatung 4. Anhang: Novellierungen der§ 250 ff. StPOnach 1877

XI 104 104 104 105 106 106 106 107 108 109 109 110 110 110 112 113 113 115 116 116 117 118 119

Zweiter Teil: Theoretische und dogmatische Grundlagen des Unmittelbarkeitsprinzips 5. Kapitel: Der bisherige Meinungsstand I. Der „formelle" Unmittelbarkeitsbegriff II. Der „materielle" Unmittelbarkeitsbegriff 1. Der gemeinsame Ausgangspunkt 2. Der Streit, insbesondere im Bereich des Hörensagenbeweises a) Das Gebot,.relativer" Unmittelbarkeit b) Das „absolute" Verbot des Hörensagenbeweises c) Die „herrschende Meinung" . . . · .

121 122 127 127 130 130 132 134

6. Kapitel: Die formelle Seite des Unmittelbarkeitsgrundsatzes 136 I. Die„formelleUnmittelbarkeit"imSystemderProzeßmaximen 136 1. Unmittelbarkeit und Mündlichkeit 137 2. Unmittelbarkeit und Konzentrationsmaxime 142 3. Unmittelbarkeit und Grundsatz der Verhandlungseinheit 143 4. Unmittelbarkeit und § 261 StPO 144 II. Zurpraktischen Bedeutung der,, formellen Unmittelbarkeit" 146 1. Zur Forderung nach voller Wahrnehmungsfähigkeit der erkennenden Richter . . 147 2. Zur Verwertung privaten richterlichen Tatwissens 150 3. Zur verfahrensrechtlichen Behandlung offenkundiger Tatsachen 154 4. Schlußbemerkungen 158 7. Kapitel: Die materielle Seite des Unmittelbarkeitsgrundsatzes I. Die „materielle Unmittelbarkeit" als abstraktes Denkprinzip

162 162

XII

Inhaltsverzeichnis

1. „Unmittelbarkeit" als Forderung nach dem tatnächsten Beweisthema? a) Der Begriff des („mittelbaren") Indizienbeweises b) Der Indizienbeweis im Zusammenhang der §§ 244 Abs. 2 und 261 StPO . . . c) Ergebnis 2. „Unmittelbarkeit" als Forderung nach dem beweisthema-nächsten Beweismittel 3. Zum Beweiswert von Beweissurrogaten a) Die Reproduktion persönlicher Beweismittel aa) durch Vernehmungsniederschriften bb) durch private schriftliche Aufzeichnungen cc) durch Tonaufnahmen dd) durch Zeugen vom Hörensagen b) Die Reproduktion sachlicherBeweismittel aa) durch sachliche Beweise bb) durch persönliche Beweise 4. Ergebnis II. Die „materielle" Unmittelbarkeit im System der Prozeßmaximen 1. Unmittelbarkeit und freie Beweiswürdigung (§ 261 StPO) 2. Unmittelbarkeit und gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2StPO)

163 163 163 165 166 167 168 168 172 173 176 179 180 180 180 181 181 184

8. Kapitel: Der Unmittelbarkeitsgrundsatz in seiner besonderen Ausgestaltung nach § 250 StPO 186 I. Inhalt und Bedeutung des Vernehmungsgebotes (§ 250 Satz 1 StPO) 187 1. Keine Geltung für sachliche Beweise 187 2. Zum Kreis der Aussagepersonen 193 a) Zeugen und Mitbeschuldigte 193 b) Sachverständige 193 c) „Augenscheinsgehilfen"? 195 d) Der Angeklagte selbst 196 3. Zum Gegenstand der Aussage 197 II. Inhalt und Bedeutung des Verlesungsverbotes (§ 250 Satz 2 StPO) 197 1. Die von § 250 Satz 2 StPO erfaßten Beweismittel 198 a) Vernehmungsprotokolle 198 b) Private „schriftliche Erklärungen" 199 c) Tonaufnahmen 201 d) Zusammenfassung 205 2. Das Verlesungsverbot des § 250 Satz 2 StPO im System der Beweisverbote . . . . 205 a) Grundlagen 205 b) § 250 Satz 2 StPO als Beweisverbot 213 III. Zum Verhältnis des Satzes 2 zuSatz 1 215 9. Kapitel: § 250 StPO auch als Regelung des Hörensagenbeweises? I. Begriff und Inhalt des Hörensagenbeweises II. Lösungsversuche aus § 250 StPO 1. Lösung allein aus Satz 1 2. Lösung aus dem Verhältnis von Satz 1 zu Satz 2 3. Lösung speziell aus Satz 2 III. Exkurs: Lösungsversuche außerhalb der Strafprozeßordnung 1. Lösungsversuche aus dem Grundgesetz a) Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) b) Postulat der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) c) Prinzip der Rechtsstaatlichkeit (Art. 20 Abs. 3 GG)

216 216 221 222 223 231 236 236 236 238 238

Inhaltsverzeichnis

XIII

2. Lösungsversuche aus der Europäischen Menschenrechtskonvention a) Art. 6 Abs. 3 d M R K b) Art. 6 Abs. 1 Satz 1 M R K IV. Schlußfolgerungen 1. fürden Hörensagenbeweis schlechthin 2. Ausblick auf den reproduzierenden Sachverständigenbeweis a) bei Befundtatsachen b) bei Zusatztatsachen c) Spezialfragen

239 243 247 249 249 250 251 253 255

10. Kapitel: Hörensagenbeweis speziell durch Vernehmung von Verhörpersonen . . . . I. Vorbemerkungen 1. Zum Komplex des § 252 StPO 2. Zum Begriff der „Verhörperson" II. Zum „Normalfall" der Vernehmung von Verhörpersonen 1. Unzulässige Rollenvertauschung? a) Der,,Rollengedanke" im älteren Schrifttum b) Dermoderne,,Rollengedanke"(KarlPeters) 2. Lösung aus dem Gesamtgefüge der §§ 250 ff. StPO? a) Gemeinsamer Ausgangspunkt b) Unterschiedliche Schlußfolgerungen c) Eigene Ansicht 3. Lösung außerhalb der Strafprozeßordnung? III. Die Vernehmung von Verhörpersonen speziell bei behördlich geheimgehaltenem V-Mann 1. Partielle Aussageverweigerung (§ 54 StPO) 2. Lösungdurch§§ 250 ff. und244 Abs. 2 StPO? 3. Zum Grundsatz freier und richterlicher Beweiswürdigung (§ 261 StPO) a) BesonderheitenderBeweiswürdigungbeiV-Mann-Aussagen b) Zum Erfordernis der,, Richterlichkeit" der Beweiswürdigung c) Eigene Ansicht aa) Die Auseinandersetzung mit dem Reichsgericht bb) Die Auseinandersetzung mit dem Bundesgerichtshof 4. Aspekte außerhalb der Strafprozeßordnung a) Art. 103 Abs. 1 G G b) Art. 20 Abs. 3 G G c) Art. 6 Abs. 3 d und 6 Abs. 1 Satz 1 M R K

257 258 258 263 266 267 267 272 275 275 278 280 282 283 284 296 287 288 289 291 291 293 297 298 299 300

Schrifttumsverzeichnis Aleksic, Zivojin Allen, Claud Alsberg, Max

Alsberg-Nüse Ammann, Karl

Andenaes, John

Arens, Peter Arndt, Adolf

Arntzen, Friedrich

Arzt, Gunther

Persönliche Beweismittel im Strafverfahren. Hamburg 1969 (zit. : Beweismittel) Grundsätze und Methoden der Beweiserhebung im englischen Strafprozeß; in: ZStW 72 (1960), S. 650 ff. Mit welchen Hauptzielen wird die Reform des Strafverfahrens in Aussicht zu nehmen sein? in: Verhandlungen des 35. Deutschen Juristentages (Salzburg), Erster Band, S. 440 ff. Berlin und Leipzig 1928 (zit.: Alsberg, Gutachten zum 35. DJT) Der Beweisantrag im Strafprozeß. Vierte Auflage, Köln und Berlin 1969 (zit.: Beweisantrag) Gerichtsverfassung und Strafprozeßordnung für das Großherzogthum Baden mit Erläuterungen für den praktischen Gebrauch. Karlsruhe 1865 (zit.: Ammann, Bad. StPO 1864) Beweisverbote im Strafprozeß nordischer Länder. Gutachten für den 46. Deutschen Juristentag (Essen 1966); in: Band I (Gutachten) Teil 3 A, S. 1 ff. München und Berlin 1966 (zit. : Andenaes, Beweisverbote) Mündlichkeitsprinzip und Prozeßbeschleunigung im Zivilprozeß. Berlin 1971 (zit.: Mündlichkeit) Anmerkung zum Urteil des OLG Düsseldorf vom 3. Mai 1961-(2) Ss249/61 (= NJW1961, S. 1734 f.); in: NJW 1961, S. 1734 f. Anmerkung zum Urteil des OLG Schleswig vom 1. August 1962 - 1 Ss 295/62 (= NJW 1963, S. 455 f.); in: NJW 1963, S. 455 Anmerkung zur Entscheidung des BayVerfGH vom 15. Mai 1962-Vfl39/VI/61(= JZ1963, S. 63 f.); in: JZ 1963, S. 65 ff. Das rechdiche Gehör; in: NJW 1959, S. 6 ff. Umwelt und Recht: . . . 2. Fragen des rechdichen Gehörs; in: NJW 1962, S. 25 ff. Umwelt und Recht: . . . 2. Rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und Zeugnis vom Hörensagen; in: NJW 1963, S. 432 ff. Mittelbares Zeugnis? Wahrheitsermittlung und Nachforschung der Presse; in: NJW 1962, S. 1192 ff. Vernehmungspsychologie (Psychologie der Zeugenvernehmung). München 1978 (zit.: Vernehmungspsychologie) Anmerkung zum Urteil des BGH vom 6. September 1968 - 4 StR 339/68 (= JZ 1969, S. 437 f.); in: JZ 1969, S. 438 ff.

XVI

Schrifttumsverzeichnis Anmerkung zum Urteil des B G H vom 19. Juni 1970 - IV Z R 45/69 ( = J Z 1971, S. 387 f.); in: J Z 1971, S. 388 ff. Der befangene Strafrichter. Tübingen 1969 (zit. : Befangener Strafrichter) Zum Verhältnis von Strengbeweis und freier Beweiswürdigung; in: Einheit und Vielfalt des Strafrechts (Festschrift für Karl Peters zum 70. Geburtsteg), S. 223 ff. Tübingen 1974 (zit.: Arzt, Peters-Festschrift)

Aschrott, P. F .

Generalreferat über die Reform des Strafprozesses (erstattet für die X I . Versammlung der I K V - Gruppe Deutsches Reich); in: Reform des Strafprozesses, herausgegeben von P. F . Aschrott, S. 46 ff. Berlin 1906 (zit. : Aschrott, Generalreferat) Reform des Strafprozesses. Kritische Besprechungen der von der Kommission für die Reform des Strafprozesses gemachten Vorschläge. Herausgegeben von P. F . Aschrott. Berlin 1906 (zit.: Aschrott, Reform)

Bader, Wolfgang

Die Verwertung rechtswidrig erlangten Beweismaterials im anglo-amerikanischen Strafverfahren. Diss, jur. München 1966 (zit.: Diss. jur. München 1966) Kritik der Principien des Entwurfs einer Deutschen Strafprozeßordnung vom Januar 1873. Breslau 1873 (zit.: Kritik)

Bar, Ludwig von

Baumann, Jürgen

Beling, Ernst

Bennecke-Beling

Best-Marquardsen

Biener, Friedrich August

Grundbegriffe und Verfahrensprinzipien des Strafprozeßrechts (eine Einführung an Hand von Fällen). Zweite Auflage, Stuttgart 1972 (zit.: Grundbegriffe) Sperrkraft der mit unzulässigen Mitteln herbeigeführten Aussage; in: G A 1959, S. 33 ff. Die Beweisverbote als Grenzen der Wahrheitserforschung im Strafprozeß. Breslau 1903 (zit.: Beweisverbote) Deutsches Reichs-Strafprozeßrecht mit Einschluß des Strafgerichtsverfassungsrechts. Berlin und Leipzig 1928 (zit.: Reichs-Strafprozeßrecht) Lehrbuch des Deutschen Reichs-Strafprozeßrechts. Zweite Auflage, Berlin 1900 (zit.: Bennecke-Beling, Reichs-Strafprozeßrecht) W . M . Best's „Grundzüge des Englischen Beweisrechts", bearbeitet und mit Anmerkungen und Beilagen über den englischen Prozeß herausgegeben von Heinrich Marquardsen. Heidelberg 1851 (zit.: Best-Marquardsen, Beweisrecht) Das englische Geschwornengericht. Leipzig 1852 bis 1855 (zit.: Geschwornengericht) Über die neueren Vorschläge zur Verbesserung des Criminalverfahrens in Deutschland. Berlin 1844 (zit. : Vorschläge)

Schrifttumsverzeichnis Binding, Karl Birkmeyer, Karl

Bockelmann, Paul

Bouzat-Pinatel

Brauer, Eduard

Brunner, Heinrich Bruns, Hans-Jürgen

Brutzer, Roland

XVII

Grundriß des Deutschen Strafprozeßrechts. Vierte Auflage, Leipzig 1900 (zit.: Strafprozeßrecht) Deutsches Strafprozeßrecht mit eingehender Bezugnahme auf die preußischen und bayerischen Ausführungsbestimmungen und unter Berücksichtigung des oesterreichischen Strafprozeßrechts. Berlin 1898 (zit. : Strafprozeßrecht) Menschenrechtskonvention und Notwehrrecht; in: Festschrift für Karl Engisch zum 70. Geburtstag, S. 456 ff. Frankfurt 1969 (zit.: Bockelmann, Engisch-Festschrift) Traité de droit pénal et de criminologie, Band II. Paris 1963 (zit.: Bouzat-Pinatel, Traité de droit pénal Bd. II) Uber die Befreiung der nächsten Angehörigen des Angeschuldigten vom Zeugniß; in: GS 8 (1856/1), S. 3 ff. Uber die Zulassung der Zeugen vom Hörensagen nach Maßgabe allgemeiner Beweisgrundsätze (mit besonderer Rücksicht auf das Schwurgerichtsverfahren); in: GS 9 (1857/1), S. 48 ff. Die Entstehung der Schwurgerichte. Berlin 1872 (zit. : Schwurgerichte) Rezension von J. Herrmann, Die Reform der deutschen Hauptverhandlung nach dem Vorbild des anglo-amerikanischen Strafverfahrens; in: G A 1973, S. 318 ff. Offenkundigkeit (Wesen und Wert des Begriffs im Strafrecht). Diss. jur. Göttingen 1973 (zit.: Offenkundigkeit)

Cramer, Peter

Zur Berechtigung absoluter Revisionsgründe (zugleich ein Beitrag zur Reform des Strafprozeßrechts) ; in: Einheit und Vielfalt des Strafrechts (Festschrift für Karl Peters zum 70. Geburtstag), S. 239 ff. Tübingen 1974 (zit.: Cramer, Peters-Festschrift)

Dahs, Hans (sen.)

Handbuch des Strafverteidigers. Vierte Auflage (neubearbeitet und erweitert von Dahs jun.), Köln 1977 (zit. : Dahs, Handbuch) Die Revision im Strafprozeß. München 1972 (zit.: Revision) Besprechung von Holle Eva Lohr, Der Grundsatz der Unmittelbarkeit im deutschen Strafprozeßrecht; in: GA 1973, S. 317 f. Das rechtliche Gehör im Strafverfahren. München und Berlin 1965 (zit.: Rechtliches Gehör) Uber das Prinzip der Mündlichkeit im Strafverfahren, insbesondere in Ansehung des Zeugenbeweises; in: Archiv für Preußisches Strafrecht Band 12 (1864), S. 83 ff. (zit.: Dalcke GA 12 (1864), S. 83 ff.)

Dahs-Dahs Dahs, Hans (jun.)

Dalcke

XVIII Daliinger, Wilhelm Dalloz

von Daniels

Dencker, Friedrich

Ditzen Dochow

Döhring, Erich zu Dohna, Alexander Graf

Dolderer, Ottmar

Donnedieu de Vabres Dünnebier, Hans

Echterhölter, Rudolf —

Schrifttumsverzeichnis Zur Vereinheitlichung des Strafverfahrens; in: SJZ 1950, Sp. 732 ff. Code d'Instruction Criminelle et Code Pénal. Annotés d'après la doctrine et la jurisprudence, avec renvois aux ouvrages de M. M. Dalloz. Vierundzwanzigste Auflage, Paris 1926 (zit.-.Dalloz, C I C ) Criminal-Gesetzbuch Frankreichs, Erster Theil („Gesetzbuch über das gerichtliche Verfahren in Criminal-Sachen oder Criminal-Prozeß-Ordnung", aus dem Französischen nach dem officiellen Text übersetzt von Gottfried von Daniels). Zweite Auflage, Cöln 1812 (zit.: von Daniels, Criminalgesetzbuch Bd. I) Grundsätze des Rheinischen und Französischen Strafverfahrens mit vergleichender Berücksichtigung der auf Mündlichkeit, Öffentlichkeit und Schwurgericht gegründeten neuesten Gesetze und Gesetzesentwürfe. Berlin 1849 (zit.: von Daniels, Französisches Strafverfahren) Verwertungsverbote im Strafprozeß (ein Beitrag zur Lehre von den Beweisverboten). Köln, Berlin, Bonn und München 1977 (zit.: Verwertungsverbote) Uber Zeugenbeweisanträge im Strafverfahren; in: ZStW 10 (1890), S. 111 ff. Die Deutsche Strafprozeß-Ordnung vom 1. Februar 1877; in: von Holtzendorff, Handbuch des deutschen Strafprozeßrechts, 1. Band, S. 103 ff. Berlin 1879 (zit.: Dochow, StPO von 1877) Die Erforschung des Sachverhalts im Prozeß. Berlin 1964 (zit.: Erforschung) Mit welchen Hauptzielen wird die Reform des Strafverfahrens in Aussicht zu nehmen sein? in: Verhandlungen des 35. Deutschen Juristentages (Salzburg), Erster Band, S. 129 ff. Berlin und Leipzig 1928 (zit.: zu Dohna, Verhandlungen des 35. D J T ) Das Strafprozeßrecht. Dritte Auflage, Berlin 1929 (zit. : Strafprozeßrecht) Beweis durch Urkunden im Strafprozeß (§§ 249 bis 256 StPO) unter besonderer Berücksichtigung der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit. Diss. jur. Tübingen 1956 (zit.: Beweis durch Urkunden) Précis de droit criminel. Paris 1946 (zit.: Précis) Zur Tagebuchentscheidung des Bundesgerichtshofes; in: M D R 1964, S. 965 ff.

Die Europäische Menschenrechtskonvention in der juristischen Praxis; in: J Z 1956, S. 142 ff. Die Europäische Menschenrechtskonvention im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung; in: J Z 1955, S. 689 ff.

Schrifttumsverzeichnis Engisch, Karl

Erdmann, Hans-Henning

Eser, Albin

Esmein

Evers, Hans-Ulrich

Feckler, Hans-Gerhard Feldmann Feuerbach, Paul Johann Anselm von

Fezer, Gerhard

Fincke, Martin Fölix Foth, Eberhard

XIX

Literaturbericht: Rechtsphilosophie (Teil II); in ZStW 84 (1972), S. 75 ff. Logische Studien zur Gesetzesanwendung. Heidelberg 1943 (zit.: Logische Studien) Die Ausdehnung der strafprozessualen Garantien der US-Bundesverfassung auf den Strafprozeß der Einzelstaaten. Bonn 1969 (zit.: Strafprozessuale Garantien) Aussagefreiheit und Beistand des Verteidigers im Ermittlungsverfahren. Rechtsvergleichende Beobachtungen zur Rechtsstellung des Beschuldigten; in: ZStW 79 (1967), S. 565 ff. Das rechdiche Gehör im Strafbefehls- und Strafverfügungsverfahren; in: JZ 1966, S. 660 ff. Das Verwertungsverbot des § 252 StPO und die Vernehmung des vernehmenden Richters; in: NJW1963, S. 234 ff. Histoire de la Procédure Criminelle en France et spécialement de la Procédure Inquisitoire depuis le XlIIe siècle jusqu'à nos jours. Paris 1882 = unveränderter Neudruck, Frankfurt am Main 1969 (zit.: Esmein, Histoire) Privatsphäre und Ämter für Verfassungsschutz. Berlin 1960 (zit.: Privatsphäre)

Die Verwendbarkeit von Tonbandaufnahmen als Beweismittel im Strafprozeß. Diss. jur. Köln 1962 (zit.: Tonbandaufnahmen) Das Tonband als Beweismittel im Strafprozeß; in: NJW 1958, S. 1166 ff. Betrachtungen über das Geschwornen-Gericht. Landshut 1813 (zit.: Geschwornen-Gericht) Betrachtungen über die öffendichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege. Band I (Gießen 1821) und Band II (Gießen 1825) Die Funktion der mündlichen Verhandlung im Zivilprozeß und im Strafprozeß. Tübingen 1970 (zit.: Mündliche Verhandlung) Grundfälle zum Verlesungs- und Verwertungsverbot im Strafprozeß. - 1. Teil: Die Verlesungsverbote der §§ 250, 251, 253 und 254 StPO; in: JuS 1977, S. 234 ff., S. 382 ff.undS. 520 f f . - 2 . Teil: Das Verlesungs- und Verwertungsverbot des § 252 StPO; in: JuS 1977, S. 669 ff. und S. 813 ff. Die Pflicht des Sachverständigen zur Belehrung des Beschuldigten; in: ZStW 86 (1974), S. 656 ff. Uber Mündlichkeit und öffendichkeit des Gerichtsverfahrens. Carlsruhe 1843 Polizeibeamte als Zeugen; in: DRiZ 1971, S. 341

XX Frey, Ludwig

Friedrichs, Helmut

Fuchs

Fuhrmann, Hans

Gallas, Wilhelm Garraud Geerds, Friedrich

Geib Geisler, Werner Gerland, Heinrich Geyer, August

Schrifttumsverzeichnis Frankreichs Civil- und Criminalverfassung mit Beziehungen auf England, nebst einer Darstellung der in Deutschland erschienenen vollständig in sich abgeschlossenen Gerichtsverfassungen. Zweite Auflage, Erlangen 1851 Sachverständigengruppe und ihr Leiter - Fortentwicklung des Sachverständigenbeweisrechts? Zugleich eine Stellungnahme zu BGHSt. 22, 268; in: JZ 1974, S. 257 f. Die Hauptverhandlung; in: von Holtzendorff, Handbuch des deutschen Strafprozeßrechts, 2. Band, S. 1 ff. Berlin 1879 (zit. : Fuchs, Hauptverhandlung) Das Verwertungsverbot des § 252 StPO und die Aufklärungspflicht des Gerichts (BGHSt. 17, 324); in: JuS 1963, S. 273 ff. Zur Struktur des kommenden Strafverfahrens. Bemerkungen zu dem Bericht der amtlichen Strafprozeßkommission; in: ZStW 58 (1939), S. 624 ff. Traité théoretique et pratique d'Instruction Criminelle et de Procédure Pénale, Band II. Paris 1932 (zit. : Garraud, Instruction Criminelle Bd. II) Maximen des Strafprozesses. Gedanken zur Funktion der Prozeßgrundsätze im deutschen Strafverfahrensrecht; in: SchlHA 1962, S. 181 ff. Revision bei Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze? Ein Beitrag zum Umfang und zur Art richterlicher Kontrolle; in: Einheit und Vielfalt des Strafrechts (Festschrift für Karl Peters zum 70. Geburtstag), S. 267 ff. Tübingen 1974 (zit.: Geerds, Peters-Festschrift) Strafrechtspflege und prozessuale Gerechtigkeit; in: SchlHA 1964, S. 57 ff. Die Reform des deutschen Rechtslebens. Leipzig 1848 Anmerkung zum Beschluß des OLG Frankfurt vom 9. Dezember 1975 - Ζ Ss 511/75 (= NJW 1976, 985 f.); in: NJW 1976, S. 1986 f. Der deutsche Strafprozeß. Eine systematische Darstellung. Mannheim, Berlin und Leipzig 1927 (zit.: Strafprozeß) Bemerkungen zu dem Entwurf einer Deutschen Strafprozeßordnung; in: Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, 15. Band (1873), S. 481 ff. Bemerkungen zum revidierten Entwurf einer deutschen Strafprozeßordnung; in: Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, 16. Band (1874), S. 321 ff. Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafproceßrechts. Leipzig 1880 (zit.: Strafproceßrecht)

Schrifttumsverzeichnis Glaser, Julius

Glatthaar, Wilfried

Gleispach, Wenzel Graf von Gneist, Rudolf Gösch

Gössel, Karl Heinz Goldschmidt, James

Gollwitzer, Walther

Gossrau, Eberhard Grebing, Gerhardt

Grotefend, G. A.

Groth, Gerhard Grünhut, Max

Grünwald, Gerald

XXI

Beiträge zur Lehre vom Beweis im Strafprozeß. Leipzig 1883 (zit.: Beweis) Die geschichtlichen Grundlagen des neuen Deutschen Strafprozeßrechts; in: von Holtzendorff, Handbuch des deutschen Strafprozeßrechts, 1. Band, S. 3 ff. Berlin 1879 (zit.: Glaser, Grundlagen) Handbuch des Strafprozesses, erster Band. Leipzig 1883 (zit.: Handbuch I) Zur Kritik des Zeugenbeweises im Strafprozeß; in: GS 33 (1881), S. 1 ff. Die Rechtsstellung der Polizei im französischen Strafverfahren. Diss. jur. Marburg 1960 (zit.: Polizei im franz. Strafverfahren) Deutsches Strafverfahrensrecht. Berlin 1943 (zit.: Strafverfahrensrecht) Vier Fragen zur Deutschen Strafprozeßordnung. Berlin 1874 (zit.: Vier Fragen) Dürfen über die frühere Aussage eines erst in der Hauptverhandlung von seinem Verweigerungsrechte Gebrauch machenden Zeugen diejenigen Personen vernommen werden, in deren Gegenwart das frühere Zeugniß abgegeben worden ist? in: Mecklenburgische Zeitschrift für Rechtspflege und Rechtswissenschaft Bd. 1 (1881), S. 141 ff. Strafverfahrensrecht. Stuttgart, Berlin, Köln und Mainz 1977 (zit.: Strafverfahrensrecht) Der Kommentar von Löwe-Rosenberg (Besprechung); in: JW 1929, S. 2993 ff. Der Prozeß als Rechtslage. Eine Kritik des prozessualen Denkens. Berlin 1925 (zit.: Prozeß) Anmerkung zum Urteil des O L G Stuttgart vom 25. Mai 1 9 7 6 - 3 S s l 9 7 / 7 6 ( = J R 1 9 7 7 , S . 205 ff.);in: JR 1977, S. 207 Unterlassen der Zeugenbelehrung als Revisionsgrund; in: MDR 1958, S. 468 ff. Die Untersuchungshaft in Frankreich. Entwicklung, Praxis und Reform. Bonn 1974 (zit.: U-Haft in Frankreich) Die Gesetze und Verordnungen nebst den sonstigen Erlassen für den preußischen Staat und das deutsche Reich (1806 bis 1875). Zweiter Band (1850 bis 1867). Köln 1875 (zit.: Grotefend, Preuß. Gesetze Bd. II) Der Urkundenbeweis im Strafprozeß. Berlin 1937 (zit.: Urkundenbeweis) Die Bedeutung englischer Verfahrensformen für eine deutsche Strafprozeßreform; in: Festschrift für Hellmuth von Weber zum 70. Geburtstag, S. 343 ff. Bonn 1963 (zit.: Grünhut, H . v. Weber-Festschrift) Beweisverbote und Verwertungsverbote im Strafverfahren; in: JZ 1966, S. 489 ff.

XXII —

Guradze, Heinz

— Guttmann, Max

Haag, Ferdinand

Haeberlin Haffke, Bernhard Hahn, C.

Hahn, Wolfgang Hanack, Ernst-Walter

Schrifttumsverzeichnis Empfiehlt es sich, besondere strafprozessuale Vorschriften für Großverfahren einzuführen? Gutachten für den 50. Deutschen Juristentag. München 1974 (zit. : Griinwald, Großverfahren) Anmerkung zum Beschluß des BVerfG vom 14. Januar 1 9 6 0 - 2 BvR 243/60 (= N J W I960, S. 1243 f.); in: N J W 1960, S. 1243 Die Europäische Menschenrechtskonvention (Kommentar). Berlin und Frankfurt 1968 (zit.: MRK) Die Preisgabe der Unmittelbarkeit und die Abkehr vom Juristenstand; in: Zeitschrift für Deutschen Zivilprozeß (ZZP) 55 (1930), S. 39 ff.

Beweisfragen des geltenden und künftigen Strafprozesses, Teil I: Zum Gebot der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit, in: DStR 1938, S. 409 ff. Die Zeugen vom Hörensagen im Strafprozeß; in: DJ 1937, S. 809 ff. Sammlung der neuen deutschen Strafprozeßordnungen. Greifswald 1852 (zit.: Sammlung) Schweigepflicht, Verfahrensrevision und Beweisverbot; in: GA 1973, S. 65 ff. Die gesamten Materialien zur Strafprozeßordnung und dem Einführungsgesetz zu derselben, erste Abtheilung. Zweite Auflage, Berlin 1885 (zit.: Hahn, Materialien Bd. I) Die gesamten Materialien zur Strafprozeßordnung und dem Einführungsgesetz zu derselben, zweite Abtheilung. Zweite Auflage, Berlin 1885 (zit.: Hahn, Materialien Bd. II) Ton- und Bildträger als Beweismittel im Strafprozeß. Diss. jur. München 1964 (zit.: Tonträger) Anmerkung zum Urteil des B G H vom 21. Juli 1971 2 StR 199/71 (= JR 1971, S. 512); in: JR 1971, S. 512 ff. Das Legalitätsprinzip und die Strafrechtsreform. Bemerkungen zu § 153 a des Entwurfs für ein Erstes Gesetz zur Reform des Strafverfahrensrechts vom 13. April 1972; in: Festschrift für Wilhelm Gallas zum 70. Geburtstag, S. 339 ff. Berlin 1973 (zit.: Hanack, Gallas-Festschrift) Zum Problem der persönlichen Gutachterpflicht, insbesondere in Kliniken; in: N J W 1961, S. 2041 ff. Protokollverlesungen und -vorhalte als Vernehmungsbehelf; in: Festschrift für Erich SchmidtLeichner zum 65. Geburtstag, S. 83 ff. München 1977 (zit.: Hanack, Festschrift Schmidt-Leichner) Prozeßhindernis des überlangen Strafverfahrens? in: JZ 1971, S. 705 ff.

Schrifttumsverzeichnis

Hegler, August Heinitz, Ernst

Heinze, Rudolf

Heissler, Udo

Henkel, Heinrich

Henrichs, Wilhelm von Hentig Hepp

Herrmann, Joachim

Hesse, Konrad

von Hippel, Robert

XXIII

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Strafverfahrensrecht (Band 11 bis 22 der Amtlichen Sammlung); in: J Z 1971, S. 126 ff., J Z 1972, S. 202 ff. und JZ 1972, S. 236 ff. Zur Reform des Rechts der Wiederaufnahme des Verfahrens im Strafprozeß; in: J Z 1973, S. 393 ff. Mündlichkeit und Unmittelbarkeit im Prozeß; in: Der Rechtsgang Band I (1913), S. 192 ff. und Band II (1916), S. 267 ff. (zit.: Rechtsgang I und II) Grenzen der Zulässigkeit eigener Ermittlungstätigkeit des Sachverständigen im Strafprozeß; in: Festschrift für Karl Engisch zum 70. Geburtstag, S. 693 ff. Frankfurt 1969 (zit.: Heinitz, EngischFestschrift) Bemerkungen zu den dem Reichstag vorliegenden Entwürfen eines Gerichtsverfassungsgesetzes und einer Strafprozeßordnung; in: GA 23 (1875), S. 241 ff. Strafprozessuale Erörterungen. Beitrag zur Kritik der dem Reichstag vorliegenden Entwürfe einer Strafprozeßordnung und eines Gerichtsverfassungsgesetzes. Stuttgart 1875 (zit.: Erörterungen) Die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme im Strafprozeß unter besonderer Berücksichtigung des Zeugnisses vom Hörensagen. Diss. jur. Tübingen 1973 (zit. : Unmittelbarkeit) Strafverfahrensrecht. Ein Lehrbuch. Zweite Auflage, Stüttgart 1968 (zit.: Strafverfahrensrecht) Die Zulässigkeit und die Verwertbarkeit von Tonbandaufnahmen bei der Wahrheitserforschung im Strafverfahren; in: J Z 1957, S. 148 ff. Änderung der ZPO durch die Konvention von Rom? in: M D R 1955, S. 140 ff. Häftlinge und Vertrauensleute im Beweisverfahren; in: MSchrKrim 1965, S. 105 ff. Anklageschaft, Öffentlichkeit und Mündlichkeit des Strafverfahrens. Tübingen 1842 Rückblick auf die Strafproceßgesetzgebung der letzten fünf Jahre; in: GS 3 (1851/2. Band), S. 271 ff. Literaturbericht „Strafprozeßrecht"; in: ZStW 89 (1977), S. 164 ff. Die Reform der deutschen Hauptverhandlung nach dem Vorbild des anglo-amerikanischen Strafverfahrens. Bonn 1971 (zit.: Hauptverhandlung) Das Versagen des überlieferten Strafprozeßrechts in Monstreverfahren; in: ZStW 85 (1973), S. 255 ff. Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland. Zehnte Auflage, Karlsruhe 1977 (zit. : Verfassungsrecht) Der deutsche Strafprozeß. Lehrbuch. Marburg 1941 (zit.: Strafprozeß)

XXIV

Hirschberg, Max

Höchster, Ernst Hermann Höpler

Holtzendorff, Franz von (Herausgeber) Honig, Richard M. Hiifner

Hiirter, Emil

Jahn, Anton

Jahn, Gerhard

Jescheck, Hans-Heinrich

Schrifttumsverzeichnis Deutsches Strafrecht, Erster Band (Allgemeine Grundlagen). Berlin 1925 (zit. : Strafrecht I) Das amerikanische und deutsche Strafverfahren. Neuwied 1963 (zit.: Amerik. Strafverfahren) Das Fehlurteil im Strafprozeß (Zur Pathologie der Rechtsprechung). Stuttgart 1960 (zit.: Fehlurteil) Lehrbuch des französischen Strafverfahrens. Bern 1850 (zit.: Franz. Strafverfahren) Mit welchen Hauptzielen wird die Reform des Strafverfahrens in Aussicht zu nehmen sein? in: Verhandlungen des 35. Deutschen Juristentages (Salzburg), Zweiter Band, S. 591 ff. Berlin und Leipzig 1928 (zit.: Höpler, 35. D J T / 2 . Bd) Handbuch des deutschen Strafprozeßrechts, 1. und 2. Band. Berlin 1879 (zit.: von Holtzendorff, Handbuch I und II) Beweisverbote und Grundrechte im amerikanischen Strafprozeß. Tübingen 1967 (zit.: Beweisverbote) Der Fall Bullerjahn und die Presseangriffe auf das Reichsgericht, von rechdichen Gesichtspunkten aus beurteilt; in: Leipziger Zeitschrift (LZ) 23 (1929), Sp. 745 ff. Der Grundsatz der Unmittelbarkeit im Strafprozeß. Diss. jur. Köln 1928 (zit.: Unmittelbarkeit) Das Prinzip der Unmittelbarkeit im Strafprozeß und seine Anwendung. Diss. jur. Freiburg 1902 (zit.: Unmittelbarkeit) Gedanken zur Reform des Strafverfahrensrechts; in: Recht (Informationen des Bundesministers der Justiz) 1973, S. 210 ff. Die Bedeutung der Öffentlichkeit für die moderne Kriminalpolitik; in: ZStW 71 (1959), S. 1 ff. Beweisverbote im Strafprozeß. Rechtsvergleichendes Generalgutachten für den 46. Deutschen Juristentag (Essen 1966); in: Bandi, Teil 3/B. München und Berlin 1966 (zit.: Jescheck, Beweisverbote) Neue Entwicklungstendenzen des deutschen Strafverfahrensrechts im Vergleich mit dem oesterreichischen Recht; in: Hundert Jahre oesterreichische Strafprozeßordnung 1873-1973, S. 39 ff. Wien 1973 (zit. : Entwicklungstendenzen) Die europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten; in: N J W 1954, S. 783 ff. Lehrbuch des Strafrechts. Allgemeiner Teil. Zweite Auflage, Berlin 1972 (zit.: Strafrecht AT) Rechtsvergleichung als Grundlage der Strafprozeßreform; in: ZStW 86 (1974), S. 761 ff. Der Strafprozeß - Aktuelles und Zeitloses; in: J Z 1970, S. 201 ff.

Schrifttumsverzeichnis

XXV

John

Kommentar zur Strafprozeßordnung, Band III (SS 225 bis 275 StPO). Um 1888 (zit.: StPO III)

Käßer, Wolfgang

Wahrheitserforschung im Strafprozeß (Methoden der Sachverhaltsaufklärung). Berlin 1974 (zit. : Wahrheitserforschung) Revidierter Entwurf der Strafprozeß-Ordnung für die Preußischen Staaten. Erster Theil (Entwurf) und Zweiter Theil (Motive). Berlin 1841 Der Sachverständige im Strafprozeß; in: NJW 1968, S. 1173 Strafverfahrensrecht. Vierzehnte Auflage, München 1976 (zit.: Strafverfahrensrecht) Die tatsächliche Grundlage des Sachverständigengutachtens. Zugleich eine vergleichende Betrachtung der verschiedenen Verfahrensordnungen. Diss. jur. Freiburg 1974 (zit.: Diss. jur. Freiburg 1974) Die Stellung der Staatsanwaltschaft im französischen und deutschen Strafverfahren. Eine rechtsvergleichende Untersuchung. Diss. jur. Bonn 1960 (zit.: Staatsanwaltschaft) Anwesenheitsrecht des Verteidigers im Ermittlungsverfahren; in: NJW 1966, S. 1800 f. Die Beweisverbote im Strafprozeß. Gedanken zu einem Thema des 46. Deutschen Juristentages; in: NJW 1966, S. 1537 ff. Strafprozeßordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz und Nebengesetzen. 33. Auflage, München 1977 (zit.: StPO) Der Vollzug der Untersuchungshaft; in: JZ 1953, S. 531 ff. Beweisverbote im Strafprozeß. Referat für den 46. Deutschen Juristentag (Essen 1966), Band II/F, S. 30 ff. München und Berlin 1967 (zit.: Klug, Beweisverbote) Das Verhältnis zwischen der Europäischen Menschenrechtskonvention und dem Grundgesetz; in: Gedächtnisschrift für Hans Peters, S. 434 ff. Berlin, Heidelberg und New York 1967 (zit. : Klug, Hans-Peters-Gedächtnisschrift) Kommentar zur Strafprozeßordnung und zum Gerichtsverfassungs- und Ordnungswidrigkeitsgesetz; erster Band (Strafprozeßordnung). Sechste Auflage, herausgegeben von Hermann Müller und Walter Sax. Darmstadt 1966 (zit.: KMR, StPO) Die Reform des Strafverfahrensrechtes im Dritten Reich unter besonderer Berücksichtigung des StVO-Entwurfs 1939 (ein Beitrag zur Strafrechtsgeschichte). Diss. jur. Erlangen-Nürnberg 1972 Der Wendepunkt des deutschen Strafverfahrens im 19. Jahrhundert. Tübingen 1849

von Kamptz Karpinski, Kurt Kern-Roxin Kessler, Michael

Kill, Franz

Kion, Dieter Kleinknecht, Theodor

Klug, Ulrich

KMR

Koch, Wolf-Peter

Köstlin

XXVI Koffka, Else

Kohlhaas, Max

Krattinger, Peter Georg

Krause, Friedrich-Wilhelm

Krause, Winfried

Krauß, Detlef Kreuzer, Elisabeth

Kries, August von

Kuckuck, Bernd

Kühne, Hans-Heiner

Küper, Wilfried

Kulischer, Eugen

Schrifttumsverzeichnis

Anmerkung zum Urteil des B G H vom 9. Juli 1968 5 StR 317/68 (= JR 1969, S. 305 f.); in: JR 1969, S. 306 Literaturbericht „Strafprozeßrecht"; in: ZStW 81 (1969), S. 954 ff. Reformbedürftigkeit der Gerichtsberichterstattung? in: N J W 1963, S. 477 ff. Die Tonbandaufnahme als Beweismittel im Strafprozeß; in: N J W 1957, S. 81 ff. Tonbandaufnahmen im Strafprozeß; in: DRiZ 1955, S. 80 ff. Vom ersten Zugriff zum Schlußgehör; in: N J W 1965, S. 1254 ff. Die Strafverteidigung im Vorverfahren im deutschen, französischen und englischen Strafprozeß und ihre Reform. Bonn 1964 (zit.: Strafverteidigung im Vorverfahren) Grenzen richterlicher Beweiswürdigung im Strafprozeß; in: Einheit und Vielfalt des Strafrechts (Festschriftfür Karl Peters zum 70. Geburtstag), S. 323 ff. Tübingen 1974 (zit. : Krause, Peters-Festschrift) Zum Urkundenbeweis im Strafprozeß. Hamburg 1966 (zit.: Urkundenbeweis) V-Leute und die Verwertung ihrer Nachrichten im strafgerichtlichen Verfahren. Diss. jur. Berlin 1969 (zit.: V-Leute) Richter und Sachverständiger im Strafverfahren; in: ZStW 85 (1973), S. 320 ff. Die Bestimmung des Umfangs der Beweisaufnahme im deutschen, französischen und italienischen Strafprozeß. Diss. jur. Freiburg 1964 (zit.: Beweisaufnahme) Lehrbuch des Deutschen Strafprozeßrechts. Freiburg 1892 (zit.: Lehrbuch) Das Prinzip der Unmittelbarkeit im Beweisverfahren der deutschen Prozeßordnungen; in: ZStW 6 (1886), S. 88 ff. Zur Zulässigkeit von Vorhalten aus Schriftstücken in der Hauptverhandlung des Strafverfahrens. Strafrechtliche Abhandlungen, neue Folge Band 31. Berlin 1977 (zit.: Zulässigkeit von Vorhalten) Strafprozessuale Beweisverbote und Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz. Zugleich ein Beitrag zur Auslegung des Rechtsbegriffs Menschenwürde. Köln 1970 (zit.: Beweisverbote) Die Richteridee der Strafprozeßordnung und ihre geschichtlichen Grundlagen. Berlin 1967 (zit. : Richteridee) Das Zeugnis vom Hörensagen; in: Grünhut's Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart Bd. 34 (1907), S. 169 ff.

Schrifttumsverzeichnis

Lang, Wilhelm

Larenz, Karl

Leman Lerche, Peter Leue Liepmann, Paul

Liermann, Stephan Lilienthal, Karl von Liszt, Franz von

Lohr, Holle Eva

Löwe-Rosenberg

Liiderssen, Klaus

Liirken, Günter Maas, Sally

XXVII

Ton- und Bildträger (materielle und prozessuale Grundfragen in persönlichkeitsrechtlicher Sicht). Bielefeld 1960 (zit.: Ton- und Bildträger) Methodenlehre der Rechtswissenschaft. Dritte Auflage; Berlin, Heidelberg und New York 1975 (zit.: Methodenlehre) Uber öffendichkeit und Mündlichkeit des Strafverfahrens in den preußischen Staaten. Culm 1842 Zum „Anspruch auf rechdiches Gehör"; in: Zeitschrift für Zivilprozeß (ZZP) 78 (1965), S. 2 ff. Der mündliche öffentliche Anklage-Proceß und der geheime Untersuchungs-Proceß in Deutschland. Aachen 1840 Summarisches Strafverfahren in England; in: Liepmann - Mannhardt, Summarisches Strafverfahren in England und Schottland. Berlin 1908 (zit. : Liepmann, Summarisches Strafverfahren) Das Vorverfahren im englischen Strafprozeß mit besonderer Berücksichtigung der den Polizeirichtern und Polizeibeamten übertragenen Machtbefugnisse; in: ZStW 6 (1886), S. 413 ff. Die Tonbandaufnahme als Beweismittel im Strafprozeß. Diss. jur. Bonn 1963 (zit.: Tonbandaufnahme) Strafprozeßrecht. Heidelberg 1923 (zit. : Strafprozeßrecht) Die Reform des Strafverfahrens. Berlin 1906 (zit. : Reform) Strafrecht und Psychologie; in: Deutsche Juristenzeitung (DJZ) 7 (1902), S. 16 ff. Der Grundsatz der Unmittelbarkeit im deutschen Strafprozeßrecht. Strafrechdiche Abhandlungen, neue Folge Band 8. Berlin 1972 (zit.: Unmittelbarkeit) Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz (Großkommentar). Erster Band (Einleitung; SS 1 bis 111 n). 23. Auflage, Berlin und New York 1976 (zit.: Löwe-Rosenberg, StPO I) Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz (Großkommentar). Dritter Band (SS 213 bis 358). 23. Auflage, Berlin und New York 1978 (zit. : Löwe-Rosenberg, StPO III) Verbrechensprophylaxe durch Verbrechensprovokation? in: Einheit und Vielfalt des Strafrechts (Festschrift für Karl Peters zum 70. Geburtstag), S. 349 ff. Tübingen 1974 (zit.: Liiderssen, Peters-Festschrift) Auswahl und Leitung des Sachverständigen im Strafprozeß (SS 73, 78 StPO); in: N J W 1968, S. 1161 ff. Der Grundsatz der Unmittelbarkeit in der Reichsstrafprozeßordnung. Breslau 1907 (zit.: Unmittelbarkeit)

XXVIII Marquardsen

Marxen Maunz-Dürig-Herzog-Scholz Mayer, Hellmuth Mehner, Ingo Meilicke, Heinz Merckel Meyer, Dieter Meyer, Hugo

Meyer, Jürgen Meyer, Karl E. Michaelis

Mitteis-Lieberich Mittermaier, Carl Joseph Anton

Schrifttumsverzeichnis Die Evidenz nach englischem Recht, ihre Grundzüge und Anwendbarkeit im deutschen Strafprozeß; in: GS 1 (1849/2. Band), S. 116 ff. Tonaufnahmen währen der Hauptverhandlung für Zwecke der Verteidigung; in: NJW 1977, S. 2188 ff. Grundgesetz (Kommentar), Band III (Art. 92-146). Loseblattsammlung (Stand: Mai 1977), München 1977 (zit.: GG) Der Sachverständige im Strafprozeß; in: Festschrift für Edmund Mezger zum 70. Geburtstag, S. 455 ff. München und Berlin 1954 (zit.: Hellmuth Mayer, Mezger-Festschrift) Die Vernehmung von Verhörspersonen im deutschen Strafprozeß. Köln 1975 (zit.: Vernehmung von Verhörspersonen) Der vom Staatsgeheimnis verhüllte V-Mann-Belastungszeuge? in: NJW 1963, S. 425 ff. Über die Beweiskraft der amtlichen Protokolle in Strafsachen nach französisch-rheinischem Recht; in: GS 2 (1850/2. Band), S. 158 ff. Nochmals - Auslegung des Art. 6 Abs. 3 lit. c und e MRK; in: NJW 1974, S. 1175 f. Die Mitwirkung der Parteien im Strafproceß. Ein Beitrag zur Beurteilung des Entwurfs einer Deutschen Strafproceßordnung. Erlangen 1973 (zit.: Mitwirkung) Dialektik im Strafprozeß. Tübingen 1965 (zit.: J. Meyer, Dialektik) Mündlichkeit und Unmittelbarkeit der Hauptverhandlung in Gefahr!; in: GA 74 (1930), S. 178 ff. und S. 348 ff. Anmerkung zum Urteil des BGH vom 14. März 1967 - 5 StR 540/66 (= BGHSt. 21,218 ff.) ; in : NJW 1968, S. 58 ff. Zum Zeugnisverweigerungsrecht im Strafverfahren; in: NJW 1969, S. 730 f. Deutsche Rechtsgeschichte. Vierzehnte Auflage, München 1976 (zit.: Rechtsgeschichte) Uber die Bedeutung der englischen Beweislehre; in: Best-Marquardsen, Beweisrecht, S. XI-XXVII. Heidelberg 1851 (zit.: Mittermaier, in: Best-Marquardsen, Beweisrecht) Erfahrungen über die Wirksamkeit der Schwurgerichte in Deutschland, vorzüglich im Herzogthum Braunschweig; in: GS 5 (1853/1), S. 3 ff. Die Gesetzgebung und Rechtsübung über Strafverfahren nach ihrer neuesten Fortbildung. Erlangen 1856 (zit.: Gesetzgebung) Die Lehre vom Beweise im deutschen Strafprozesse nach der Fortbildung durch Gerichtsgebrauch und deutsche Gesetzbücher in Vergleichung mit den An-

Schrifttumsverzeichnis

XXIX

sichten des englischen und französischen Strafverfahrens. Darmstadt 1834 (zit.: Beweis) Die Mündlichkeit, das Anklageprinzip, die Öffentlichkeit und das Geschworenengericht in ihrer Durchführung in den verschiedenen Gesetzgebungen dargestellt und nach den Forderungen des Rechts und der Zweckmäßigkeit mit Rücksicht auf die Erfahrungen der verschiedenen Länder. Stuttgart und Tübingen 1845 (zit.: Mündlichkeit) Über die Stellung des Assisenpräsidenten; in: GS 1 (1849/1), S. 17 ff. Der deutsche Strafprozeß, verglichen mit dem auf Ö f fentlichkeit, Mündlichkeit und Anklageprincip gebauten Verfahren; in: Archiv des Criminalrechts (neue Folge) 1842, S. 61 ff., S. 259 ff. und S. 424 ff. Das deutsche Strafverfahren in Fortbildung durch Gerichtsgebrauch und Partikular-Gesetzbücher. Heidelberg 1827 (zit. : Strafverfahren in Fortbildung) Das englische, schottische und nordamerikanische Strafverfahren im Zusammenhange mit den politischen, sittlichen und socialen Zuständen und in den Einzelheiten der Rechtsübung. Erlangen 1851 (zit.: Engl. Strafverfahren) Theorie des Beweises im Peinlichen Prozesse. Darmstadt 1821 (zit.: Theorie) Das Verhältnis der Öffentlichkeit und Mündlichkeit im Strafprozesse zur Motivierung der Strafurtheile und zur Gestaltung der Berufung in Strafsachen; in: Archiv des Criminalrechts (neue Folge), 1843, S. 69 ff. Mönkehaus, Heinz

Mommsen, Theodor Motive

Mueller, Gerhard O . W.

Münch, Fritz

Das Tonband im Strafverfahren unter besonderer Berücksichtigung des deutschen und schweizerischen Rechts. Diss. jur. Basel 1970 (zit.: Tonband) Römisches Strafrecht. 1899 (Nachdruck: Graz 1955) (zit.: Rom. Strafrecht) zu dem Entwurf einer Deutschen Strafprozeß-Ordnung. Königliche Hofbuchdruckerei R . v. Decker, Berlin 1872 (zit. : Motive zum Entwurf I) und Berlin 1873 (zit.: Motive zum Entwurf II) Beweisverbote im amerikanischen Strafprozeß. Gutachten für den 46. Deutschen Juristentag (Essen 1966). Band I/Teil 3A, S. 33 ff. München und Berlin 1966 (zit.: Mueller, Beweisverbote) Zur Anwendung der Menschenrechtskonvention in der Bundesrepublik Deutschland; in: J Z 1961, S. 153 ff.

Muskat, Eugen

Das Zeugnis vom Hörensagen im Deutschen Strafprozesse; in: G A 36 (1888), S. 281 ff.

Newman, Κ. M .

Das englisch-amerikanische Beweisrecht. Heidelberg 1949 (zit.: Beweisrecht)

XXX Niese, Werner

Niethammer, E .

Nüse, Karl-Heiz

Schrifttumsverzeichnis Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in Strafsachen (Band 1 und 2 der Amtlichen SammlungEntscheidungen zur StPO); in: J Z 1953, S. 219 ff. Die Hauptverhandlung bis zum Urteil; in: Das kommende deutsche Strafverfahren (Bericht der amtlichen Strafprozeßkommission), herausgegeben von Franz Gürtner, S. 149 ff. Berlin 1938 (zit.: Niethammer, Das kommende Strafverfahren) Zur Ablehnung von Beweisanträgen wegen Offenkundigkeit; in: GA 1955, S. 72 ff. Zu den Beweisverboten im Strafprozeß; in: J R 1966, S. 281 ff.

Nuvolone, Pietro

Beweisverbote im Strafverfahren der Länder des romanischen Rechtskreises. Gutachten für den 46. Deutschen Juristentag (Essen 1966). Band I/Teil 3 A , S. 55 ff. München und Berlin 1966 (zit.·.Nuvolone, Beweisverbote)

Oetker, F .

Mündlichkeit und Unmittelbarkeit im Strafverfahren unter besonderer Berücksichtigung der Monstreprozesse; in: GS 105 (1935), S. 1 ff. Die Preußischen Gesetze über das mündliche und öffendiche Verfahren in Strafsachen. Berlin 1860 (zit.: Oppenhoff, Preuß. Gesetze) Der Anspruch auf rechdiches Gehör und seine Bedeutung im Strafverfahren. Diss. jur. Freiburg 1964 (zit.: Rechtliches Gehör) Der Amts- und Untersuchungsrichter und deren Gerichtsschreiber als Zeugen in der Hauptverhandlung betreffs der im Vorverfahren erhobenen Beweise; in: GS 37 (1885), S. 212 ff. und S. 358 ff. Grenzen und Tragweite der Beweisverbote im Strafverfahren; in: G A 1970, S. 289 ff.

Oppenhoff, F. C .

Ortlieb, Dieter

Ortloff

Otto, Harro

Partsch, Karl Josef

Paulsen Pelchen

Pelckmann, Horst Peters, Egbert

Die Rechte und Freiheiten der europäischen Menschenrechtskonvention. Sonderdruck aus dem Handbuch „Die Grundrechte Band I " . Berlin 1966 (zit.: Partsch, M R K ) Grundzüge des amerikanischen Strafprozesses; in: ZStW 77 (1965), S. 637 ff. Anmerkung zum Urteil des B G H vom 30. Oktober 1 9 6 8 - 4 StR 281/68 ( = B G H S t . 22, 268 ff.); in: L M N r . 18 zu § 250 StPO , .Amerika - Du hast es besser?" Die Rechte des verhafteten Beschuldigten; in: N J W 1965, S. 2143 ff. Der sogenannte Freibeweis im Zivilprozeß. Köln und Berlin 1962 (zit.: Egbert Peters, Freibeweis) Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweise und Beweismittel im Zivilprozeß; in: Zeitschrift für Zivilprozeß (ZZP) Bd. 76 (1963), S. 145 ff.

Schrifttumsverzeichnis Peters, Karl















XXXI

Anmerkung zum Urteil des B G H vom 16. Februar 1 9 6 5 - 1 StR 4/65 ( = JZ 1965, S. 649 f.); in: JZ 1965, S. 650 Anmerkung zum Urteil des B G H vom 25. Oktober 1968 - 4 StR 412/68 ( = BGHSt. 22, 268 ff.); in: JR 1969, S. 427 f. Anmerkung zum Urteil des B G H vom 30. Oktober 1968 - 4 StR 281/68 ( = JR 1969, S. 427 f.); in: JR 1969, S. 428 f. Beweisverbote im deutschen Strafverfahren. Gutachten für den 46. Deutschen Juristentag (Essen 1966), Band I/Teil 3 A, S. 91 ff. München und Berlin 1966 (zit. : Peters, Beweisverbote) Freie Beweiswürdigung und Justizirrtum; in: Festschrift für Karl Olivecrona, S. 532 ff. Stockholm 1964 (zit. : Peters, Olivecrona-Festschrift) Fehlerquellen im Strafprozeß. Eine Untersuchung der Wiederaufnahmeverfahren in der Bundesrepublik Deutschland. 1. Band (Karlsruhe 1970) und 2. Band (Karlsruhe 1972) (zit.: Peters, Fehlerquellen I und Fehlerquellen II) Individualgerechtigkeit und Allgemeininteresse im Strafprozeß; in: Summum ius, summa iniuria, S. 191 ff. Tübingen 1963 (zit. : Peters, Summum ius) Die strafrechtsgestaltende Kraft des Strafprozesses. Tübingen 1963 (zit.: Peters, Strafrechtsgestaltende Kraft)



Strafgerichtsbarkeit; in: Staatslexikon, herausgegeben von der Görres-Gesellschaft. Siebter Band, Sp. 736 ff. Sechste Auflage, Freiburg 1962 (zit.: Peters, Strafgerichtsbarkeit)



Strafprozeß. Ein Lehrbuch. Zweite Auflage, Karlsruhe 1966 (zit.: Strafprozeß)



Strafprozeßlehre. Zugleich ein Beitrag zur Rollenproblematik im Strafprozeß; in: Gedächtnisschrift für Hans Peters, S. 891 ff. Berlin, Heidelberg und N e w York 1967 (zit.: Peters, Hans-Peters-Gedächtnisschrift)



Strafprozeßlehre im System des Strafprozeßrechts; in: Festschrift f ü r Reinhart Maurach zum 70. Geburtstag, S. 453 ff. Karlsruhe 1972 (zit.: Peters, Maurach-Festschrift)



Gescheiterte Wiederaufnahmeverfahren; in: Festschrift für Wilhelm Gallas zum 70. Geburtstag, S. 441 ff. Berlin 1973 (zit.-.Peters, Gallas-Festschrift) Uber die Abweichungen von dem Principe der Mündlichkeit und die discredonnäre Gewalt des Schwurgerichtspräsidenten, nach den Vorschriften des neuen bayerischen Strafprocesses; in: GS 2 (1850/2. Bd.), S. 113 ff.

Petersen

XXXII Petry, H o r s t Planck, Julius Wilhelm

Pollack

Puchta

Schrifttumsverzeichnis Beweisverbote im Strafprozeß. Darmstadt 1971 (zit.: Beweisverbote) Systematische Darstellung des deutschen Strafverfahrens auf Grundlage der neueren Strafprozeßordnungen seit 1848. Göttingen 1857 (zit.: Systematische Darstellung) Mitteilung aus der Praxis: ein Beitrag zur Auslegung der §§ 244, 249, 251 und 51 der S t P O ; in: G A 33 (1885), S. 232 ff. D e r Inquisitionsprozeß mit Rücksicht auf eine zeitgemäße Reform des deutschen Strafverfahrens überhaupt und besonders auf die Öffentlichkeitsfrage betrachtet. Erlangen 1844

Q u i s t o r p , Johann Christian von

Grundsätze des deutschen Peinlichen Rechts, zweiter Teil. 1796 (zit. Peinliches Recht II)

Radbruch, Gustav

Paul Johann Anselm Feuerbach (ein Juristenleben). Wien 1934 (zit.: Radbruch, Feuerbach) (Herausgeber): Die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karl V . von 1532 (Carolina). Stuttgart 1960 (zit.: Radbruch, CCC)

Radzinowicz, Leon

A History of English Criminal Law and its Administration from 1750, Volume 1 (The Movement for Reform). L o n d o n 1948 (zit.: History B d . I) Die Verwertung des Vernehmungsprotokolls in der Hauptverhandlung. Diss. jur. Frankfurt 1972 (zit.: Vernehmungsprotokoll) Die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme in der Zivilprozeßordnung. Diss. jur. Gießen 1971 (zit.: Unmittelbarkeit) U b e r die Vernehmung von Zeugen in Untersuchungen, welche das Recht haben, das Zeugniß zu verweigern, oder gegen deren Abhör Einsprache erhoben werden kann; in: G S 7 (1855/2. B d . ) , S. 302 ff. Die Ausfüllung primärer und sekundärer Gesetzeslücken nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs; in: N J W 1952, S. 1153 ff. Die Auslegungsgrundsätze des Bundesgerichtshofes; in: N J W 1951, S. 681 ff. Die Bedeutung des Wortlauts bei der Auslegung von Gesetzen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs; in: N J W 1952, S. 1033 ff. Störung der Strafrechtspflege durch Berichterstattung in den Massenmedien. Diss. jur. Bonn 1975 Criminal Procedure According to the law of Scotland. Dritte Auflage, Edinburgh 1956 (zit.: Criminal Procedure)

Redecker, Hans-Dieter

Reichel, Jürgen

Reichmann

Reinicke, G . und D .

Reiß

Renton-Brown

Riegner, H .

Verhörsbeamte als Zeugen in der Hauptverhandlung; in: N J W 1961, S. 63 f.

Schrifttumsverzeichnis

XXXIII

Rieß, Peter

Die Durchführung der Hauptverhandlung ohne Angeklagten. Zugleich ein Beitrag zum neuen § 231 a StPO; in: J Z 1975, S. 265 ff. Der Hauptinhalt des Ersten Gesetzes zur Reform des Strafverfahrensrechts (1. StVRG); in: N J W 1975, S. 81 ff.

Röhl, Hellmut

Hauptverhandlungsprotokoll auf Tonband? in: J Z 1956, S. 591 ff. Rechtsprobleme bei der Verwendung von V-Leuten für den Strafprozeß. Diss. jur. Erlangen-Nürnberg 1974 (zit.: V-Leute) Die Verwertung von Mitteilungen anonymer Gewährsleute im Strafprozeß. Diss. jur. Marburg 1969 (zit.: Anonyme Gewährsleute) Das Tonband im Verfahrensrecht. Göttingen 1962 (zit.: Tonband) Materielle Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme - ein Prinzip der StPO wie der ZPO? Diss. jur. Kiel 1972 (zit.: Unmittelbarkeit) Der Reichs-Strafprozeß. Ein Lehrbuch. Vierte und fünfte Auflage, Berlin 1912 (zit. : Reichs-Strafprozeß) Französisches Strafverfahrensrecht. Bonn 1951 (zit.: Franz. Strafverfahrensrecht) Das französische Strafverfahrensrecht und seine Reform. Diss. jur. Freiburg 1963 (zit.: Reform des franz. Strafverfahrensrechtes) Die Reform der Hauptverhandlung im deutschen Strafprozeß; in: Probleme der Strafprozeßreform, herausgegeben von Hans Lüttger, S. 52 ff. Berlin 1975 (zit. : Roxin, Reform der Hauptverhandlung) Die Revisibilität von Verfahrensmängeln im Strafprozeß; in: M D R 1970, S. 93 ff. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs und seine Bedeutung im Strafverfahren. Strafrechdiche Abhandlungen, neue Folge Band 26. Berlin 1976 (zit. : Rechtliches Gehör) Der Beweis im Strafverfahren. Freiburg und Tübingen 1884 (zit.: Beweis) Beweisverbote im Strafprozeß in verfassungsrechtlicher Sicht. Gutachten für den 46. Deutschen Juristentag (Essen 1966), Band I/Teil 3 A, S. 165 ff. München und Berlin 1966 (zit.: Rupp, Beweisverbote) Lehren aus der „Quick-Affäre"; in: ZRP 1972, S. 237 ff. Tatsachenbekundungen des Sachverständigen im Strafprozeß; in: N J W 1963, S. 385 ff.

Röhrich, Christian

Röther, Hans-Peter

Roggemann, Herwig Rohwer, Wiebke Annelene

Rosenfeld, Ernst-Heinrich Roskothen, Ernst Roth, Uta Margrit

Roxin, Claus

Rudolphi, Hans-Joachim Riiping, Hinrich

Rupp, Erwin Rupp, Hans-Heinrich

Russ, Wolfgang

Sachs, Walter

Die Behandlung des Beweisproblems im deutschen Strafverfahren; in: Newman, Das englisch-amerikanische Beweisrecht, S. 9 ff. Heidelberg 1949 (zit.:

XXXIV

Sarstedt, Werner

Sattler, Detlev

von Savigny von Scanzoni, G. Schaefer, Siegbert Schäffer Schaffer, Helmut Schill, Hans J.

Schmid, Richard Schmid, Werner

Schmidt, Eberhard

Schrifttumsverzeichnis Sachs; in: Newman, Beweisrecht) Auswahl und Leitung des Sachverständigen im Strafprozeß (SS 73, 78 StPO); in: NJW 1968, S. 177 ff. Beweisverbote im Strafprozeß. Referat für den 46. Deutschen Juristentag (Essen 1966); in: Band II (Sitzungsberichte)/Teil F, S. 8 ff. München und Berlin 1967 (zit.-.Sarstedt, Beweisverbote) Die Revision in Strafsachen. Vierte Auflage, Essen 1962 (zit.: Revision) Wiederaufnahme des Strafprozesses nach Feststellung der Konventionswidrigkeit durch Organe der Europäischen Menschenrechtskonvention. Diss. jur. Freiburg 1973 (zit.: Diss. jur. Freiburg 1973) Die Principienfragen in Beziehung auf eine neue Strafproceß-Ordnung. Berlin 1846 Anmerkung zum Urteil des Reichsgerichts vom 22. Januar 1925-2 D 904/24 ( = J W 1925, S. 997 f.); in: JW 1925, S. 997 Zeugnis vom Hörensagen und freie Beweiswürdigung im Strafprozeß. Breslau 1933 (zit. : Zeugnis vom Hörensagen) Betrachtungen über die Vernehmung des Angeklagten und der Zeugen vor den Geschworenen; in: GS 5 (1853/1. Bd.), S. 387 ff. Das strafprozessuale Vorverfahren in Frankreich und Deutschland. Diss. jur. Berlin 1964 (zit.: Vorverfahren) Die Stellung des Richters in Frankreich. Eine rechtshistorische Darstellung unter Einbeziehung der Gerichtsverfassung. Bonn 1961 (zit.: Richter in Frankreich) Einwände. Kritik an Gesetzen und Gerichten. Stuttgart 1965 (zit.: Einwände) Der revisionsgerichtliche Augenscheinsbeweis; in: ZStW 85 (1973), S. 893 ff. Die „Verwirkung" von Verfahrensrügen im Strafprozeß. Frankfurt 1967 (zit.: Verwirkung) Anmerkung zum Urteil des BGH vom 7. 6. 1956 - 3 StR 136/56 (= JZ 1957, S. 227 ff.); in: JZ 1957, S. 229 f. Anmerkung zum Urteil des BGH vom 1 . 8 . 1962 - 3 StR 28/62 (= BGHSt. 17, 382 ff.); in: JZ 1962, S. 761 ff. Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege. Dritte Auflage, Göttingen 1965 (zit.: Geschichte) Zur Entwicklung des Inquisitionsprozesses in Baiern; in: ZStW 85 (1973), S. 857 ff. Zur Frage nach der Notwendigkeit von Veränderungen der Hauptverhandlungsstruktur; in: MDR 1967, S. 877 ff.

Schrifttumsverzeichnis

XXXV

Inquisitionsprozeß und Rezeption. Studien zur Geschichte des Strafverfahrens in Deutschland vom 13. bis 16. Jahrhundert. Leipzig 1940 (zit.: Inquisitionsprozeß) Justiz und Publizistik. Tübingen 1968 (zit.: Justiz und Publizistik) Lehrkommentar zur Strafprozeßordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz. Teil I (Die rechtstheoretischen und die rechtspolitischen Grundlagen des Strafverfahrensrechtes). Zweite Auflage, Göttingen 1964 (zit.: StPO I) Lehrkommentar zur Strafprozeßordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz. Teil II (Erläuterungen zur StPO und zum Einführungsgesetz zur StPO). Göttingen 1957 (zit.: StPO II) Lehrkommentar zur Strafprozeßordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz. Nachträge und Ergänzungen zu Teil II (Strafprozeßordnung). Göttingen 1967 (zit.: StPO-Nachtragsband I) Probleme der richterlichen Unabhängigkeit; in: DRiZ 1962, S. 401 ff. Probleme der richterlichen Verantwortung; in: DRiZ 1963, S. 376 ff. § 261 StPO in der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung; in: JZ 1970, S. 337 ff. Sinn und Tragweite des Hinweises auf die Aussagefreiheit des Beschuldigten (§§ 115 Abs. 3, 136 Abs. 1, 163 a Abs. 3, 4, 243 Abs. 4 StPO); in: N J W 1968, S. 1209 ff. Staatsanwalt und Gericht. Betrachtungen zur Verfahrensstruktur auf Grund der Novellengesetzgebung zur Reichsstrafprozeßordnung und der Reformvorschläge; in: „Probleme der Strafrechtserneuerung" (Festschrift für Kohlrausch), S. 263 ff. Berlin 1944 (zit. : Eb. Schmidt, Kohlrausch-Festschrift) Der Stand der Rechtsprechung zur Frage der Verwendbarkeit von Tonbandaufnahmen im Strafprozeß; in: JZ 1964, S. 537 ff. Der Strafprozeß (Aktuelles und Zeidoses); in: N J W 1969, S. 1137 ff. Deutsches Strafprozeßrecht (ein Kolleg). Göttingen 1967 (zit.: Eb. Schmidt, Kolleg) Strafrechtspflege und Rezeption; in: ZStW 62 (1943), S. 232 ff. Die Verletzung der Belehrungspflicht gemäß § 55 Abs. 2 StPO als Revisionsgrund; in: JZ 1958, S. 596 ff. Die Verwendbarkeit von Tonbandaufnahmen im Strafprozeß. Ein Beitrag zum Verhältnis Rechtsstaat und Technik; in: Forschungen und Berichte aus dem öffendichen Recht (Gedächtnisschrift für Walter Jel-

XXXVI

Schmidt-Hieber, Werner

Schmidt-Leichner Schmitt, Rudolf Schneider, Egon Schneidewin Schnellbach, Dietrich

Schöneborn, Christian

Schorn, Hubert

Schreiber, Hans-Ludwig

Schroth, Hans-Jürgen Schwarze, Friedrich Oskar

Schweikert, Heiko Seibert, Claus

Seiler, Robert

Sendler, Horst

Schrifttumsverzeichnis linek), S. 625 ff. München 1955 (zit.: Eb. Schmidt, Walter-Jellinek-Gedächtnisschrift) Richtermacht und Parteiherrschaft über offenkundige Tatsachen. Diss. jur. Freiburg 1974 (zu.·. SchmidtHieber, Offenkundige Tatsachen) Ist und bleibt Schweigen des Beschuldigten zweischneidig? in: N J W 1966, S. 189 ff. Tonbänder im Strafprozeß ( O L G Celle N J W 1965, S. 1677); in: JuS 1967, S. 19 ff. Vernehmungskunst und Protokollierungstechnik; in: M D R 1965, S. 715 ff. Der Urkundenbeweis in der Hauptverhandlung; in: J R 1951, S. 481 ff. Sachverständigengutachten kollegialer Fachbehörden im Prozeß (unter besonderer Berücksichtigung des österreichischen Rechts). Diss. jur. Marburg 1964 Die strafprozessuale Beweisverwertungsproblematik aus revisionsrechtlicher Sicht; in: GA 1975, S. 33 ff. Die Beweisverbotsproblematik der §§ 52 Abs. 2, 55 Abs. 2 StPO im Lichte des § 68 Satz 2 StPO; in: M D R 1974, S. 457 f. Die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und ihr Zusatzprotokoll in Einwirkung auf das deutsche Recht (Text und Kommentar). Frankfurt 1965 (zit.: Schorn, MRK) Der Schutz der Menschenwürde im Strafverfahren. Neuwied 1963 (zit.: Menschenwürde) Akteneinsicht für Laienrichter? Zu den Grundsätzen von Mündlichkeit und Unmittelbarkeit im Strafprozeß; in: Festschrift für Hans Welzel zum 70. Geburtstag, S. 941 ff. Berlin 1974 (zit.-.Schreiber, Welzel-Festschrift) Der Vorhalt eigener protokollierter Aussagen an den Angeklagten; in: ZStW 87 (1975) S. 103 ff. Beitrag zur Auslegung des § 251 der Strafprozeßordnung; in: GS 33 (1881), S. 270 ff. Das Geschworenengericht. Dresden 1849 Zur Reform des Strafverfahrensrechts in Frankreich; in: ZStW 69 (1957), S. 684 ff. Der verhandlungsunfähige oder unaufmerksame Richter im Strafverfahren; in: N J W 1963, S. 1044 ff. Beweismethodenverbote im oesterreichischen Strafprozeß; in: Einheit und Vielfalt des Strafrechts (Festschrift für Karl Peters zum 70. Geburtstag), S. 447 ff. Tübingen 1974 (zit. : Seiler, Peters-Festschrift) Die Beweisverbote im Strafprozeß; in: Juristische Blätter (JB1) 1974, S. 57 ff. sowie S. 123 ff. Die Verwertung rechtswidrig erlangter Beweismittel im Strafprozeß mit Berücksichtigung des anglo-ame-

Schrifttumsverzeichnis

Siegert, Karl

Spendel, Günter

Sprang, Irmgard

Staud, E. Stéfani-Levasseur

Stegmaier, Hans

Stegmann, Thorolf

Stein, Friedrich Stelter, Peter von Stemann

Stephen, James

Stephen-Miihry Stern, William

Stock, Ulrich Studer, Peter

XXXVII

rikanischen und des französischen Rechts. Diss. jur. Berlin 1956 (zit.: Verwertung) Fehlerhafte Besetzung des Kollegialgerichts nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes; in NJW 1957, S. 1622 ff. Beweisverbote im Strafprozeß; in: NJW 1966, S. 1102 ff. Wahrheitsfindung im Strafprozeß; in: JuS 1964, S. 465 ff. Die Zulässigkeit des Beweises durch Zeugen vom Hörensagen, insbesondere im Rahmen des § 252 StPO. Diss. jur. Göttingen 1960 (zit.: Zeugen vom Hörensagen) Einiges zur Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme; in: Deutsche Justiz 1934, S. 512 Droit Pénal Général et Procédure Pénale, Band II (Procédure Pénale). Neunte Auflage, Paris 1975 (zit. : Procédure Pénale) Die Frage der Unmittelbarkeit bei der Behandlung von Zeugen und Sachverständigen in der Gesetzgebung und im Schrifttum des reformierten deutschen Strafprozesses vor der Reichsstrafprozeßordnung. Diss. jur. Gießen 1935 (zit.: Unmittelbarkeit) Behördlich geheimgehaltene Zeugen als Beweismittel im Strafprozeß. Diss. jur. Tübingen 1967 (zit. : Diss, jur. Tübingen 1967) Das private Wissen des Richters. Leipzig 1893 (zit.: Privates Wissen) Die Hearsay Rule und ihre Ausnahmen im englischen Strafprozeß. Berlin 1969 (zit.: Hearsay Rule) Zur Lehre vom Zeugenbeweise in Strafsachen; in GS 4 (1852/1. Bd.), S. 70 ff. Die Voruntersuchung nach dem Entwürfe der Deutschen Strafprozeßordnung; in: GS 15 (1873), S. 188 ff. A History of the Criminal Law of England, Volume 1. London 1883 (zit.: History Bd. 1) Über den gegenwärtigen Zustand des englischen Strafrechts und die Pläne zu dessen Kodifikation; in: ZStW 1 (1881), S. 439 ff. . Handbuch des englischen Strafrechts und Strafverfahrens. Göttingen 1843 (zit.: Handbuch) Zur Psychologie der Aussage (experimentelle Untersuchungen über Erinnerungstreue); in: ZStW 22 (1902), S. 315 ff. Strafprozeßrecht (Grundriß). Tübingen 1952 (zit.: Strafprozeßrecht) Die anonyme Gewährsperson im Strafprozeß. Zürcher Schriften zum Verfahrensrecht Heft 12. Zürich 1975 (zit.: Anonyme Gewährsperson)

XXXVIII Sundelin, P.

Sydow, Fritz

Thilo, Wilhelm

Tiedemann, Klaus

von Tippeiskirch

Tittmann, Carl August

Ulimann, Emanuel

von Ungern-Sternberg, Sven

Vidal-Magnol Vitu Vogler, Theo

Schrifttumsverzeichnis Sammlung der neueren deutschen Gesetze über Gerichtsverfassung und Strafverfahren. Berlin 1861 (zit. : Sammlung) Kritik der Lehre von den „Beweisverboten". Würzburg 1976 (zit.: Beweisverbote) Strafproceßordnung für das Großherzogthum Baden mit den Motiven der Regierung und den Resultaten der Ständeverhandlungen. Karlsruhe 1845 (zit.: Thilo, Bad. StPO von 1845) Anmerkung zum Beschluß des BVerfG vom 26. Mai 1966-2 BvR261/66 (= JZ 1967, S. 570); in: JZ1967, S. 570 f. Zur verfassungsrechtlichen Bedeutung der Vernehmung mittelbarer Zeugen im Strafprozeß; in: MDR 1963, S. 456 ff. Zum Fortgang des Streites um die Zulassung von VLeuten im Strafprozeß; in: MDR 1965, S. 870 ff. Welche strafrechtlichen Mittel empfehlen sich für eine wirksamere Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität? Gutachten zum 49. Deutschen Juristentag, München 1972 (zit.: Tiedemann, Gutachten zum 49. DJT) Zeugen vom Hörensagen im Strafverfahren (BGHSt. 17/382); in: JuS 1965, S. 14 ff. Beiträge zur künftigen Strafprozeß-Ordnung für Preußen (Zweiter Artikel : Von der Voruntersuchung, der Versetzung in den Anklagestand und Stellung der Anklage); in: GA 2 (1854), S. 313 ff. Beiträge zur künftigen Strafprozeß-Ordnung für Preußen (Siebenter Artikel : Von der Beweistheorie in Strafsachen); in: GA 5 (1857), S. 303 ff. Handbuch der Strafrechtswissenschaft und der deutschen Strafgesetzkunde; vierter Teil, Halle 1810 (zit. : Handbuch IV) Lehrbuch des Deutschen Strafprozeßrechts. München 1893 (zit.: Strafprozeßrecht) Die Oesterreichische Strafprozeß-Ordnung vom 23. Mai 1873; in: von Holtzendorff, Handbuch des deutschen Strafprozeßrechts, 1. Band, S. 77 ff. Berlin 1879 (zit.: Ulimann, Oest. StPO 1873) Die schottische Strafgerichtsverfassung in Vergangenheit und Gegenwart. Diss. jur. Freiburg 1973 Cours de droit criminel et de science pénitentiaire. Achte Auflage, Paris 1935 (zit.: Droit criminel) Procédure Pénale. Paris 1957 (zit. : Procédure Pénale) Die Spruchpraxis der Europäischen Kommission und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte

Schrifttumsverzeichnis

XXXIX

und ihre Bedeutung für das deutsche Straf- und Strafverfahrensrecht; in: ZStW 82 (1970), S. 743 ff.

Wahlberg von Weber, Hellmuth

Weinmann, Hans-Joachim Weiß, Claus

Weiß, Manfred

Wessels, Johannes Westhoff, Ursula

Wetterich, Paul Willms, Günther Wimmer, August

von Winterfeld, Achim Woesner, Horst Wolschke, Heinz Günther

Zachariae, Heinrich



von Zezschwitz, Friedrich

Kritik des Entwurfs einer Strafproceßordnung für das deutsche Reich. Wien 1873 (zit.: Kritik) Die strafrechtliche Bedeutung der Europäischen Menschenrechtskonvention; in: ZStW 65 (1953), S. 334 ff. Das Tonband als Beweismittel im Strafprozeß. Diss, jur. Mainz 1959 (zit.: Tonband) Die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Frankfurt und Berlin 1954 (zit.: Weiß, M R K ) Heimliche Tonaufnahmen durch Strafverfolgungsorgane. Diss. jur. Erlangen-Nürnberg 1976 (zit. : Heimliche Tonaufnahmen) Die Aufklärungsrüge im Strafprozeß; in: JuS 1969, S. 1 ff. Über die Grundlagen des Strafprozesses mit besonderer Berücksichtigung des Beweisrechts. Berlin 1955 (zit.: Beweisrecht) Der Polizeibeamte als Zeuge. Stuttgart 1970 (zit. : Polizeibeamter) Anonyme Zeugen. Zeugnis über die Bekundungen anonymer Gewährsleute; in: DRiZ 1964, S. 234 f. Anmerkung zur Entscheidung der Europäischen Kommission für Menschenrechte vom 17. Januar 1963 ( = N J W 1963, S. 2247 f.); in: N J W 1963, S. 2247 f. Einführung in das englische Strafverfahren. Bonn 1947 (zit.: Engl. Strafverfahren) Das Verfassungsprinzip des rechtlichen Gehörs; in: N J W 1961, S. 849 ff. Rechtsstaatliches Verfahren in Staatsschutzsachen; in: N J W 1961, S. 533 ff. Leitgesichtspunkte zur Sachverständigenbeiziehung im Strafprozeß. Diss. jur. Freiburg 1973 (zit.: Sachverständigenbeiziehung)

Die Gebrechen und die Reform des deutschen Strafverfahrens, dargestellt auf der Basis einer consequenten Entwicklung des inquisitorischen und des accusatorischen Prinzips. Göttingen 1846 (zit. : Gebrechen) Handbuch des deutschen Strafprozesses. Erster Band (Göttingen 1861) und Zweiter Band (Göttingen 1868) (zit.: Zachariae, Handbuch I und II) Verfassungsrechdiche Problematik administrativer Aussagebeschränkungen im Strafprozeß; in: N J W 1972, S. 796 ff.

XL Ziegler, Gerhard

Ziegler, Wolfgang

Zimmermann, Theo

Zipf, Heinz Zitscher, Wolfram

Schrifttumsverzeichnis Urkundenbeweis und Mündlichkeit des Verfahrens nach deutschem und französischem Strafprozeßrecht. Diss. jur. Berlin 1934 (zit.: Urkundenbeweis) Zweckmäßigkeitstendenzen in der höchstrichterlichen Auslegung des Beweisrechts im Strafverfahren. Tübingen 1969 (zit.: Zweckmäßigkeitstendenzen) Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Anpassung der Gesetze an die veränderten wirtschafdichen Verhältnisse; in: NJW 1953, S. 484 ff. Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Berichtigung der Gesetze; in: NJW 1952, S. 959 ff. Strafprozeßrecht. Zweite Auflage, Berlin 1977 (zit.: Strafprozeßrecht) Die Beziehungen zwischen der Presse und dem deutschen Strafrichter. Itzehoe 1968

Einleitung I. Problemstellung Die vorliegende Arbeit zum „Grundsatz der Unmittelbarkeit im deutschen Strafverfahren" beschäftigt sich mit einem Thema, das bereits im vergangenen 19. Jahrhundert als elementares Kernstück des „reformierten" Strafprozesses im Verhältnis zum überlieferten Inquisitionsprozeß auffällig oft Gegenstand wissenschaftlicher Bemühungen gewesen und das auch in unserem Jahrhundert bis zum heutigen Tag trotz vielfältigster Ansätze erstaunlich umstritten geblieben ist. Immerhin wurde eben dieses strafprozessuale Unmittelbarkeitsprinzip vom Reichsgericht schon früh als der „Fundamentalsatz" unseres Strafverfahrensrechts bezeichnet 1 , und anderenorts wurde der gleiche Unmittelbarkeitsgrundsatz als „vom gesunden Menschenverstand geboten" 2 oder gelegentlich sogar als „strafprozessual selbstverständlich" 3 charakterisiert. Was freilich unter diesem Grundsatz zu verstehen ist, welchen Ausdruck er im einzelnen in der Strafprozeßordnung gefunden hat und wie von hier aus eine Vielzahl die Strafrechtspraxis tagtäglich beschäftigender Streitfragen zu lösen ist, darüber besteht auch heute noch alles andere als Einigkeit. Einig ist man sich nur in der Feststellung, daß diese „Unmittelbarkeit" im Gesetz keine unmißverständlich klare Regelung gefunden hat. Ansonsten herrscht nicht nur in der Terminologie, sondern in der Sache selbst nach wie vor oft unüberbrückbarer Streit. Die Meinungsverschiedenheiten zeigen sich vor allem in der vielfach erörterten Problematik des „Zeugen vom Hörensagen", bei der die (wohlgemerkt: de lege lata) angebotenen Lösungsmöglichkeiten noch heute von unbedenklicher Statthaftigkeit über bloß „relative" Unzulässigkeit bis hin zum „absoluten" Verbot des Hörensagenbeweises reichen. Auch die in jüngerer Zeit mit dem Schwergewicht auf eben diesem Zeugen vom Hörensagen vorgelegten Monographien von Holle Eva Lohr4 und Udo Heissler5 bringen diesbezüglich keine endgültige Klarheit, kommen sie doch - offensichtlich parallel zueinander geschrieben - in dieser Kernfrage mittelbarer Beweisführung wiederum zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen. Der Grund für diese Meinungsverschiedenheiten liegt speziell im Fall des Hörensagenbeweises zunächst einmal in der 1

RGSt. 12, 104 (105). Staud DJ 1934, S. 512. 3 Maas, Unmittelbarkeit, S. 58. 4 „ D e r Grundsatz der Unmittelbarkeit im deutschen Strafprozeßrecht." Strafrechtliche Abhandlungen, neue Folge Band 8. Berlin 1972. 5 „ D i e Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme im Strafprozeß unter besonderer Berücksichtigung des Zeugnisses vom Hörensagen". Diss. jur. Tübingen 1973. 2

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Einleitung

wenig geglückten Gesetzesfassung des § 250 StPO. Doch schon hier zeigt sich deutlich, daß die mannigfachen Unklarheiten im Bereich mittelbarer Beweisführung schlechthin immer wieder auf die Vieldeutigkeit des Begriffes „Unmittelbarkeit" zurückzuführen sind und letztlich auf der Tatsache beruhen, daß nicht scharf genug getrennt wird zwischen der Unmittelbarkeitsidee gewissermaßen als abstraktem Denk- und Erkenntnisprinzip einerseits und dem Unmittelbarkeitsgebot andererseits, wie es in der Strafprozeßordnung konkret verwirklicht worden ist. Unklar bleibt insbesondere das Verhältnis der (im Anwendungsbereich deudich eingeschränkten) Spezialvorschriften der §§ 250 ff. StPO zu den allgemeinen Verfahrens- und Beweismaximen der §§ 244 Abs. 2 und 261 StPO. Alle diese Fragen bedürfen der Klärung, sind sie doch für die Handhabung der einschlägigen §§ 250 ff. StPO (die nach dem Urteil eines so erfahrenen Praktikers wie Schneidewin6 ,,so unübersichtlich . . . und so schwer zu behalten und zu beherrschen (sind), daß es eine mißliche und manchmal fast erschreckende Aufgabe ist, mit ihnen praktisch zu arbeiten") von außerordentlicher Bedeutung. Auch de lege ferenda wird dieses „wichtigste unter allen Prozeßprinzipien" 7 Wissenschaft und Gesetzgebung vor große Probleme stellen. Bekanntlich wurde schon die Reichs-Strafprozeßordnung von 1877, die vorwiegend Ziele der Rechtsvereinheitlichung verfolgt hat 8 , nur als „Versuchsbau" betrachtet, den zu „etwas Vollendeterem" zu bringen späterer Zeit vorbehalten bleiben sollte 9 . Nachdem inzwischen für manche „der Glanz des funkelnagelneuen (Unmittelbarkeits-) Prinzips doch beträchtlich nachgelassen" hat 1 0 , wird es Zeit, sich über Sinn und Berechtigung der §§ 250 ff. StPO auch de lege ferenda Gedanken zu machen. So wird beispielsweise auch gefragt werden müssen, ob und in welcher Weise technische Errungenschaften neuerer Zeit wie insbesondere die dem Gesetzgeber des Jahres 1877 noch unbekannten Möglichkeiten reproduzierender Beweisaufnahmen in das System unseres Beweisrechts eingebaut werden können. Die Diskussion um den Unmittelbarkeitsgrundsatz spitzt sich letztlich immer wieder auf die Frage zu, in welchem Umfang die im Vorverfahren gewonnenen Beweise in der späteren Hauptverhandlung verwertet werden können. Zunächst wird sicherlich gesagt werden dürfen, daß die mündlich-persönliche Aussage (eines Zeugen, eines Sachverständigen oder des Angeklagten selbst) aus mancherlei Gründen „besser" ist als die Reproduktion dieser Aussage - sei es, daß diese Reproduktion in Form von privaten schriftlichen Erklärungen der Beweisperson selbst, in Form von amtlichen Vernehmungsniederschriften oder durch abgeleiteten Personalbeweis erfolgt. Hinreichend bekannt ist freilich auch, daß eine Aussage mit zunehmendem Zeitablauf qualitativ an Wert verlieren und sogar „schlechter" werden kann als das zeitlich frühere entsprechende Vernehmungsprotokoll, sofern dieses unter dem noch frischen Eindruck der Tat oder der be" JR 1951, S. 481. 7 Franz von Liszt, Reform, S. 29. 8 Vgl .von Schwarze im Bericht der Reichsjustizkommission (1876): nach Aschrott, neralreferat, S. 46*. 9 Aschrott, Generalreferat, S. 46* f. 10 W. Schmid ZStW 85 (1973), S. 913.

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Einleitung

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weisrelevanten Wahrnehmung entstanden ist. So wäre es „Prinzipienreiterei" und letztlich weder der Wahrheitsfindung noch der Prozeßökonomie dienlich, wollte man die Beweisergebnisse früherer Verfahrensabschnitte in der späteren Hauptverhandlungvö/Äg ignorieren. Nur darf man nicht so weit gehen, die erstinstanzliche Hauptverhandlung praktisch zur Berufung gegen die Vernehmungen im Ermittlungsverfahren umzufunktionieren. Hier den Kompromiß deutlich herauszuarbeiten, der dem Gesetzgeber des Jahres 1877 vorgeschwebt hat, und darüber hinaus auf Grund nunmehr bald einhundertjähriger Erfahrungen de lege ferenda nach Lösungen zu suchen, die eine mögliche Einschränkung des Unmittelbarkeitsprinzips mit verstärkten Garantien anderer Art verbindet, sollte ein weiteres Hauptanliegen der vorliegenden Arbeit werden. II. Umfang und Grenzen der vorliegenden Abhandlung Aus dieser allgemeinen Zielsetzung folgen Umfang und Grenzen der vorliegenden Arbeit sowie der Aufbau der Darstellung. Um über Begriff und Bedeutung des Unmittelbarkeitsprinzips und über den heutigen Rechtszustand die gewünschte Klarheit zu gewinnen und um reformpolitische Änderungen des augenblicklichen gesetzlichen Konzepts entwickeln zu können, galt es zunächst einmal, die geschichtlichen (und eingebettet darin: die geschichtlich-rechtsvergleichenden) Grundlagen des Unmittelbarkeitsgrundsatzes zu verdeutlichen (Erster Teil). Da das Unmittelbarkeitsprinzip wie kaum eine andere Prozeßmaxime auf geschichtlichen Erfahrungen beruht, ist gerade der rechtsgeschichtliche Rückblick auf den gemeinrechtlichen deutschen Inquisitionsprozeß (1. Kapitel) für das Verständnis der Unmittelbarkeitsidee unentbehrlich. Dabei wird freilich nicht genügen, allein den rechtshistorischen Hintergrund zu erhellen, vor dem der Gesetzgeber des Jahres 1877 gestanden hat; es wird sich als nützlich erweisen, auch die älteren Wurzeln des gemeinrechtlichen Inquisitionsprozesses in unsere Betrachtung zumindest kurz miteinzubeziehen. Im übrigen wird sich die Reformbewegung des 19. Jahrhunderts, die bekanntlich weitgehend von den Impulsen aus dem benachbarten Frankreich und wenigstens teilweise auch aus dem angelsächsischen Rechtskreis gelebt hat, ohne einen rechtsvergleichenden Blick in das Verfahrensrecht dieser Länder kaum darstellen lassen (2. Kapitel). Dabei sei freilich vorweg darauf hingewiesen, daß keine detaillierte und umfassende rechtsvergleichende Übersicht neuesten Standes angestrebt ist. Es wird allein darum gehen, den Strafprozeß Frankreichs und Englands im 19. Jahrhundert aus der Perspektive der deutschen Reformbewegung der damaligen Zeit darzustellen. Auf der Grundlage dieses rechtsgeschichtlichen und geschichtlich-rechtsvergleichenden Überblicks wird dann die deutsche Reformbewegung des 19. Jahrhunderts dargestellt werden (3. Kapitel). Hierbei sollen statt vieler die beiden Vertreter der Wissenschaft zu Wort kommen, die mit ihren Arbeiten die Reformdiskussion der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts entscheidend bestimmt haben : Anselm von Feuerbach und Carl Joseph Anton Mittermaier. Gerade diese beiden Vorkämpfer unseres heutigen Strafverfahrensrechts haben die im Zusammenhang mit dem Unmittelbarkeitsprinzip (oder, wie sie gesagt haben: dem

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Einleitung

Mündlichkeitsprinzip) auftretenden Probleme bereits größtenteils vordiskutiert. Der anschließende Blick auf die partikulare Reformgesetzgebung in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts ist notwendig, um die Vorstellungen des späteren Einheitsgesetzgebers und sein Verständnis vom Unmittelbarkeitsprinzip (4. Kapitel) besser verstehen zu können. Von unserem Thema her interessieren dabei in erster Linie die Überlegungen des parlamentarischen Gesetzgebers zur Verlesung früherer Vernehmungsniederschriften; insofern gilt dieses 4. Kapitel der parlamentarischen Entstehungsgeschichte unserer heutigen §§ 250 ff. StPO. Vom Thema her hätten an sich auch die Überlegungen des Gesetzgebers zum Instanzenzug interessiert. Gerade vom Unmittelbarkeitsgrundsatz her tauchen äußerst schwierige Fragen auf, wenn man der schon damals diskutierten Reformforderung folgen will und gegenüber allen erstinstanzlichen Urteilen eine zweite Tatsacheninstanz schafft; das aber wäre nur dann praktikabel, wenn eine solche zweite Tatsacheninstanz vermehrt auf den Beweisergebnissen der Vor-Instanz aufgebaut wäre, wenn also der Grundsatz unmittelbar-persönlicher Vernehmung der in Betracht kommenden Beweispersonen in einer zweiten Tatsacheninstanz in gewissem Umfang eingeschränkt würde. Die Einbeziehung dieses Problemkomplexes schon in der Form, wie er Gegenstand der parlamentarischen Überlegungen des vergangenen Jahrhunderts war, hätte den Umfang der vorliegenden Arbeit außerordentlich erweitert. Daher wird bereits in diesem 4. Kapitel und von hier aus konsequenterweise auch im folgenden darauf verzichtet, die Rechtsmittelproblematik in unser Thema miteinzubeziehen. Im Zweiten Teil der vorgelegten Arbeit werden die theoretischen und dogmatischen Grundlagen des Unmittelbarkeitsprinzips entwickelt. Zur Entlastung der späteren Ausführungen wird zunächst ein Uberblick über den in seiner Vielfältigkeit manchmal kaum noch überschaubaren bisherigen Meinungsstand von Nutzen sein (5. Kapitel). Im folgenden soll durch die Unterscheidung zwischen „formeller" und „materieller" Unmittelbarkeit der entscheidende Unterbau zum besseren Verständnis der Unmittelbarkeitsidee errichtet werden. Dabei gilt das 6. Kapitel der mehr formellen Seite dieses einheitlichen Beweis- und Verfahrensprinzips und dazu, diesen Aspekt der Unmittelbarkeitsidee an Hand praktisch bedeutsamer Streitfragen zu verdeutlichen. Im nachfolgenden 7. Kapitel wird entsprechend die materielle Perspektive des Unmittelbarkeitsprinzips durchleuchtet werden. Dabei soll begrifflicher und gedanklicher Klarheit wegen sehr scharf unterschieden werden zwischen dieser materiellen Unmittelbarkeit als abstrakt-theoretischem Erkenntnisprinzip einerseits (wichtig hier vor allem die Darstellung der Gefahren, die mit der Verwertung von Beweissurrogaten verbunden sind) und den Konsequenzen, die das Gesetz für jede Art mittelbarer (= reproduzierender) Beweisführung gezogen hat. Von diesem Unterbau aus beschäftigt sich das 8. Kapitel mit einer Analyse des zentralen § 250 StPO und damit mit jenem Teilbereich mittelbarer Beweisführung, wie er vom Gesetz eine deutliche Sonderregelung erfahren hat. Dadurch soll es erleichtert werden, im 9. Kapitel die gesetzliche Regelung des Hörensagenbeweises schlechthin und im abschließenden 10. Kapitel diejenige des Hörensagenbeweises in Form der Vernehmung von Verhörpersonen - des geradezu „klassischen" Falles eines Zeugen vom Hörensagen - herauszufinden.

Einleitung

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Die vorliegende und hiermit der Öffentlichkeit vorgelegte Arbeit war ursprünglich darauf angelegt, in einem Dritten Teil die Ausnahmen vom zentralen § 250 StPO darzustellen. Dieser 3. Teil sollte sich also insbesondere mit den de lege lata „wenig geglückten" 1 1 und demgemäß auch höchst umstrittenen sowie de lege ferenda außerordentlich schwierigen §§ 251, 253 und 254 StPO befassen. Es sollte gefragt werden, welche (echten oder unechten) Ausnahmen vom apodiktischen Verbot des § 250 StPO bereits vom Gesetzgeber früherer Jahre vorgesehen oder welche späteren (unverwirklichten) Reformen geplant waren, wie sich diese Durchbrechungen bislang bewährt oder auch nicht bewährt haben und wo künftig Erweiterungen oder Einschränkungen geboten erscheinen. So sollte insbesondere auch die Frage geklärt werden, in welcher Form und in welchem Umfang Beweisreproduktionen durch (dem Gesetzgeber des Jahres 1877 unbekannte) moderne technische Mittel wie vor allem Tonträger in das Gesamtgefüge der §§ 250 ff. StPO eingepaßt werden können. Alle diese Fragen wären unvollständig beantwortet, wenn nicht zugleich auch die untrennbar damit verbundene Problematik des sogenannten „Vorhalts" aus den Akten (neuerdings vermehrt auch aus Tonaufnahmen) behandelt würde. Die ,,Vorhalt"-Problematik ihrerseits 12 führt zwangsläufig dazu, auch Fragen der Aktenkenntnis des erkennenden Gerichts und - angesichts der reformpolitischen Zielrichtung dieses geplanten 3. Teils - Fragen nach grundsätzlicher Neustrukturierung unserer Hauptverhandlung (Stichwort: Beweisaufnahme und insbesondere Vorhalt in die Hand der „Parteien"?) nicht auszusparen. Daß dieser Teil der Arbeit noch nicht vorliegt, ist ein Mangel, den wohl niemand belastender empfindet als der Verfasser selbst. Nachdem jedoch bereits die beiden hier vorgelegten ersten Teile von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg als schriftliche Habilitationsleistung anerkannt waren, wurde der Autor alsbald als Hochschullehrer „in die Pflicht genommen". Dementsprechend langsam ging denn auch die Arbeit an diesem geplanten letzten Teil vonstatten. Nach langem und reiflichem Uberlegen habe ich mich dazu entschlossen, die bereits fertiggestellten beiden Teile als selbständige und in sich abgeschlossene Arbeit der Öffentlichkeit vorzulegen. Als Autor hoffe ich diesbezüglich um das Verständnis des Lesers und im übrigen darauf, das schon weit vorangetriebene Restvorhaben möglichst bald in einer weiteren (selbständigen) Monographie veröffentlichen zu können.

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Schneidewin JR 1951, S. 481.

Siehe hierzu insbesondere die zwischenzeitlich vorgelegte Monographie von Kuckuck ( „ Z u r Zulässigkeit von Vorhalten aus Schriftstücken in der Hauptverhandlung des Strafverfahrens", 1977); vgl. zusätzlich auch die erst kurz vor Abschluß der vorliegenden Arbeit veröffentlichten Ausführungen von Hanack zu , .Protokollverlesungen und -vorhalte als Vernehmungsbehelf" (Festschrift für Erich Schmidt-Leichner, 1977, S. 83 ff.). 12

ERSTER TEIL Geschichtliche Grundlagen des Unmittelbarkeitsgrundsatzes 1. Kapitel: Der gemeinrechtliche deutsche Inquisitionsprozeß Das Wesen des heute geltenden Strafverfahrensrechts erschließt sich nur dem, der seine geschichtliche Entwicklung zurückverfolgt. Dies gilt in besonderem Maße bezüglich des Grundsatzes der Unmittelbarkeit, beruht doch gerade dieses Prinzip weitgehend auf geschichtlichen Erfahrungen. Es sollte folglich - wie im übrigen alle Prozeßgrundsätze - nicht als gleichsam unabänderbares Naturgesetz mißbegriffen, sondern immer auch als Ergebnis rechtspolitischer Zweckmäßigkeitsentscheidungen verstanden werden 1 . Nun ist freilich eine umfassende Darstellung der rechtsgeschichtlichen Entwicklung unseres Strafverfahrensrechts vorliegend nicht möglich und im übrigen auch nicht erforderlich. Es geht im Rahmen des folgenden nur darum, den rechtsgeschichtlichen Hintergrund zu erhellen, von dem aus die Reformbewegung des 19. Jahrhunderts zur Verwirklichung der Unmittelbarkeitsidee in der Reichs-Strafprozeßordnung von 1877 geführt hat. Hierzu genügt jedoch nicht, sich allein auf die Darstellung des gemeinrechtlichen Inquisitionsprozesses in der Form, wie er sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts konsolidiert hat, zu beschränken. Da dieser Inquisitionsprozeß seinen reichseinheitlichen Ausgangspunkt in der „Peinlichen Hals-Gerichtsordnung" Karls V. (1532) genommen hat 2 und der Prozeß der „Carolina" ohne Erläuterung seiner historischen Wurzeln nur schwer verständlich wäre, sollen auch diese historischen Vorläufer kurz gestreift werden. Darüber hinaus empfiehlt sich ein knapper Blick auch auf ausländische Rechtsordnungen, die der deutschen Reform des 19. Jahrhunderts wesentliche Impulse gegeben haben. Im übrigen versteht es sich, daß dieser rechtsgeschichtliche (und rechtsgeschichtlich-rechtsvergleichende) Abriß sich im wesentlichen auf die Erscheinungsformen beschränken wird, die einen Bezug zu unserem Thema erkennen lassen. So gesehen werden vorwiegend das Verhältnis des erkennenden Gerichts zu den Beweismitteln, die Frage der Verwertung von Protokollen aus dem Vorverfahren sowie die Problematik des Zeugnisses vom Hörensagen unser Interesse finden müssen3.

Vgl. Geerds SchlHA 1962, S. 181. So ausdrücklich Eb. Schmidt ZStW 85 (1973), S. 859. 3 Aus gleichem Grund beginnt Kuckuck seine Ausführungen zur „Zulässigkeit von Vorhalten aus Schriftstücken in der Hauptverhandlung des Strafverfahrens" (Berlin 1977) mit einem Rückblick auf die geschichtlichen Grundlagen (a. a. O. S. 18 ff.), und zwar „unter besonderer Betonung des Vorhalts" (S. 18). 1

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1. Kapitel : Der gemeinrechtliche deutsche Inquisìtionsprozeß

I. Die frühen Grundlagen 1. Der altdeutsch-germanische Rechtsgang In heutiger Terminologie läßt sich das altdeutsch-germanische Strafverfahren charakterisieren als „zwischen zwei Parteien vor Gericht öffentlich und mündlich geführter, auf dem Anklage- und Verhandlungsgrundsatz beruhender, vom Parteibetrieb getragener Rechtsstreit" 4 . Insofern weniger öffentliches Straf- als privates Sühneverfahren, bezweckte es die Versöhnung des Verletzten oder seiner Sippe mit dem Rechtsbrecher im Wege eines streng formalen Rechtsganges 5 . Aus diesem Grund wurde jenes Büß verfahren nur durch die Parteien in Gang gesetzt („Wo kein Kläger, da kein Richter") und auch im weiteren von den Parteien in kontradiktorischer Verhandlung bestimmt. Der auf Aussöhnung der Parteien gerichtete Streit6 wies dem verhandlungsleitenden Richter und noch mehr dem von ihm getrennten „Urteiler"-Kollegium der Schöffen („rachimburgi") eine weitgehend passive Betrachterrolle zu. Der „Richter" hatte den ordnungsgemäßen Streitablauf sicherzustellen, die „Urteiler" hatten die Entscheidung zu fällen. Dieser volkstümlichen Rechtspflege entsprach im Beweisverfahren rigorose Formenstrenge. Der gerichtliche Beweis galt nicht der Wahrheit oder Unwahrheit der Klagebehauptungen (kein Prinzip „materieller" Wahrheit). Statt dessen sollte dem Beklagten Gelegenheit gegeben werden, sich öffentlich vom Klagevorwurf zu „reinigen". Aus diesem Grund waren die Beweismittel weitgehend sakral-formaler Natur (Reinigungseid des Beklagten, Zweikampf, Gottesurteil u. ä.). Auch wenn der Eid des Beklagten von sog. „Schreimannen" unterstützt wurde, handelte es sich dabei nicht um Wahrnehmungszeugen, sondern um eine Art Leumundszeugnis zugunsten der Glaubwürdigkeit des Beklagten 7 . Daß ein solches Beweissystem geradezu dazu drängt, das, was wir heute Hauptverhandlung und Beweisaufnahme nennen würden, „unmittelbar" vor den Urteilsfindern an geheiligter Stätte stattfinden zu lassen, versteht sich nach alledem 8 . An dieser Grundstruktur des Beweisrechts änderte sich auch in der Folgezeit lange nichts Wesentliches. Zwar entwickelten sich neben dem soeben skizzierten germanischen Rechtsgang, der in dieser seiner Grundform noch über die Zeit des Sachsenspiegels (um 1220) hinaus fortdauerte, in fränkischer Zeit mit dem Entstehen einer eigenen Königsgerichtsbarkeit 9 und später durch Errichtung erster öf-

4 Henkel, Strafverfahrensrecht, S. 26. Speziell zu Fragen des Unmittelbarkeitsgrundsatzes für die Zeit des altdeutsch-germanischen Rechtsgangs vgl. Jahn, Unmittelbarkeit, S. 7 ff., Hürter, Unmittelbarkeit, S. 4, Krause, Urkundenbeweis, S. 7 ff. sowie Heissler, Unmittelbarkeit, S. 13 ff. 5 Weiterführend vgl. Glaser, Handbuch I, S. 49 ff. und Eb. Schmidt, Geschichte, S. 37 ff. 6 Der im übrigen nicht unbedingt vor Gericht geführt werden mußte: Eb. Schmidt, Geschichte, S. 37 und Henkel, Strafverfahrensrecht, S. 23. 7 Vgl. Eb. Schmidt, Geschichte, S. 40, Mitteis-Lieberich, Rechtsgeschichte, S. 37 und Glaser, Handbuch I, S. 57 f. 8 So auch ausdrücklich Jahn, Unmittelbarkeit, S. 8 und Heissler, Unmittelbarkeit, S. 14. 9 Weiterführend Mitteis-Lieberich, Rechtsgeschichte, S. 83 ff. und insbesondere

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I. Die frühen Grundlagen

fentlicher Anklagebehörden 1 0 Ansätze einer öffentlichen Strafverfolgung. Parallel dazu wurden die zunehmend als unbefriedigend angesehenen klägerischen Uberführungsmöglichkeiten erweitert. Im Falle des „Handhaftverfahrens", bei dem der auf frischer Tat betroffene Rechtsbrecher gefesselt vor Gericht geführt wurde, war es ausnahmsweise dem Kläger erlaubt, dem Beklagten mit Hilfe von (meist sechs) Eideshelfern („Schreimannen") die Möglichkeit des Reinigungseides zu versagen". Etwa ab dem 12. Jahrhundert wurde dieses Verfahren auch auf „landschädliche" Schwerverbrecher übertragen, so daß der Kläger dem Beklagten auch in diesen Fällen mit Hilfe von sechs Eideshelfern (daher „Übersiebnungsverfahren") den Reinigungseid verwehren konnt^ 1 2 . Diese „Schreimannen" waren nach wie vor reine Eideshelfer und keine Wahrnehmungszeugen. Es versteht sich allerdings, daß sich der Kläger möglichst solche Helfer suchte, die die Tat entweder selbst miterlebt oder doch zumindest davon gehört hatten ; von ihrer Funktion her war dies freilich nicht geboten. Als das Handhaftverfahren auf die „landschädlichen" Leute übertragen wurde, genügte es im übrigen, daß der Kläger den bösen Leumund des Festgenommenen als eines schädlichen Mannes beschwor und die Eideshelfer ihm darin beitraten' 3 . Offenbar als Folge zunehmenden Einflusses des Christentums, das solche germanisch-sakralen Verfahrensformen wie Gottesurteil und Zweikampf allmählich in den Hintergrund drängte, traten etwa ab dem 11. Jahrhundert auch schon in diesem germanischen Rechtsgang zunehmend echte Wahrnehmungszeugen auf 1 4 . Das Ende des germanischen Rechtsganges kündigte sich an. 2. Der römische Strafprozeß Im Gegensatz zum germanischen Recht und seinem streng formalen Beweisverfahren war der römische Strafprozeß von frühesten Anfängen an auf Erforschung der „materiellen" Wahrheit angelegt 15 . Dies gilt f ü r den frühen Volks- oder CoEb. Schmidt, Geschichte, S. 43 ff. : Aus diesem die Herrschaft der Parteien zurückdrängenden königsgerichtlichen Verfahren ist erwähnenswert das sog. „Rügeverfahren", in dem gut beleumundete auserwählte Rügegeschworene zur eidlichen Aussage über in ihrem Bezirk begangene Straftaten verpflichtet waren. Diese Aussage galt als „Anklage", von der sich der Beschuldigte wiederum durch Eid reinigen konnte. Eb. Schmidt (a. a. Q . S. 45) sieht darin eine Wurzel des späteren Inquisitionsprozesses. 10

Vgl. Eb. Schmidt,

Geschichte, S. 84 und

Mitteis-Lieberich,

Rechtsgeschichte,

S. 234 f. 11 Zu diesem frühen „Handhaftverfahren" siehe vor allem Eb. Schmidt, S. 40. 12

Vgl. Eb. Schmidt,

Geschichte, S. 82 ff. und

v. Hippel,

Geschichte,

Strafprozeß, S. 28 mit

Anm. 9. 13 So wurde das „Obersiebnungsverfahren" zum „Leumundsverfahren": näher hierzu

Eh. Schmidt, 14

Geschichte, S. 82 ff.

Mit zahlreichen Einzelbeispielen hierfür Eb. Schmidt,

ner v. Hippel, Strafrecht I, S. 154 mit Anm. 9, Henkel,

Geschichte, S. 77 ff. Vgl. fer-

Strafverfahrensrecht, S. 26 ff.,

Kern-Roxin, Strafverfahrensrecht, S. 340 sowie Glaser, Beweis, S. 197 f. 15 N e b e n dem umfassenden Werk Mommsens (Römisches Strafrecht, 1899) siehe zusammenfassend vor allem Zachariae, Handbuch I, S. 85 ff., Geyer, Strafproceßrecht,

S. 23 ff., Glaser, Handbuch I, S. 59 ff. und Birkmeyer,

Strafprozeßrecht, S. 806 ff.

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1. Kapitel: Der gemeinrechtliche deutsche Inquisitionsprozeß

mitialprozeß, auf den im folgenden nicht näher eingegangen werden soll, ebenso wie für den Quaestionenprozeß der späteren Republik und des Prinzipats sowie schließlich für die Zeit des kaiserlichen Strafverfahrens. Der Quaestionenprozeß ist Anklageprozeß, bei dem jeder Bürger anklageberechtigt war. Die Verhandlung erfolgte öffentlich auf dem Forum. Die Entscheidung traf eine Art Geschworenengericht, dessen Vorsitz der beamtete Quaesitor führte. Das Verfahren im einzelnen zerfiel in zwei Abschnitte: in das Verfahren ,,in iure" vor dem Praetor (einer Art Vorverfahren, in dem über die Zulässigkeit der Anklage entschieden wird 1 6 ) und in das eigendiche Erkenntnisverfahren ,,in iudicio". Dieser zweite Verfahrensabschnitt - wenn man will: die „Hauptverhandlung" heutiger Art - begann mit den Anklage- und Verteidigungsreden der Parteien oder ihrer Vertreter. Es war Aufgabe der Beteiligten und insbesondere des Anklägers (den die Beweislast traf), dem Gericht die einzelnen Beweismittel vor allem Zeugen, welche von den Parteien ins Kreuzverhör genommen werden durften („altercationes") - vorzutragen 1 7 . Folglich spielte sich die gesamte Beweisaufnahme unmittelbar vor dem erkennenden Gericht ab, das sein Urteil allein auf seine eigenen Wahrnehmungen des Beweismittels zu gründen und im übrigen im Wege freier Beweiswürdigung zu entscheiden hatte 1 8 . Nach alledem versteht es sich, daß das Verfahren , ,in iudicio" zusammenhängend in einer Sitzung durchgeführt werden mußte 1 9 und daß Schriftlichkeit i. S. einer Entscheidung nach Akten schlechterdings ausgeschlossen war. Schriftliche Elemente weist dieses Verfahren nur insofern auf, als die Anklage und damit der Prozeßgegenstand schriftlich fixiert und das Urteil (wenigstens gegen Ende des Prinzipats) schriftlich festgehalten wurden 2 0 . Entscheidende Änderungen erfuhr das bisher geschilderte Verfahren dann aber (allmählich) durch den kaiserlichen Strafprozeß. Jetzt übernahm zunehmend der beamtete Vorsitzende selbst die Beweisaufnahme (und insbesondere die Zeugenvernehmung) und drängte die Geschworenen immer mehr zurück, bis er schließlich allein entschied 2 1 . Das führte dazu, daß die Öffentlichkeit des Verfahrens im-

16 Erwähnenswert aus diesem streng formellen Vorverfahren („sollennia accusationum") ist die amtliche Protokollierung („inscriptio criminis") der mündlichen Anklage, die durch eine schriftlich eingereichte Anklage des Anklägers selbst („libellus accusationis") ersetzt werden konnte. Im übrigen war sogar eine mündliche Anhörung des Beschuldigten („interrogatio") möglich, was das spätere Verfahren „in iudicio" freilich nicht überflüssig machte: vgl .Birkmeyer, Strafprozeßrecht, S. 808 f., Geyer, Strafproceßrecht, S. 28 ff. und Zachariae, Handbuch I, S. 100 ff. 1 7 Näher hierzu Mommsen, Römisches Strafrecht, S. 426 ff. Er (a. a. O. S. 430) weist darauf hin, daß eine förmliche Angeklagtenvernehmung (außer in Form der Verteidigungsrede) nicht vorgesehen war. Folter war nur gegenüber Sklaven (und zwar nur auf Anordnung des „iudex quaestionis") möglich: vgl. Glaser, Handbuch I, S. 66. 1 8 Vgl. Zachariae, Handbuch I, S. 98 f., Geyer, Strafproceßrecht, S. 28 und Birkmeyer, Strafprozeßrecht, S. 809. Ebenso Jahn, Unmittelbarkeit, S. 3 und HUrter, Unmittelbarkeit, S. 3. 1 9 So ausdrücklich Zachariae, Handbuch I, S. 99. 20 Birkmeyer, Strafprozeßrecht, S. 808 und Zachariae, Handbuch I, S. 104. 2 1 Näher zu dieser Entwicklung Glaser, Handbuch I, S. 67 ff.

I. Die frühen Grundlagen

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mer mehr verloren ging und schließlich weitgehend geheim getagt wurde. Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme blieb zwar insoweit gewahrt, als der Magistratsrichter seine Entscheidung nur auf selbst wahrgenommenes und ihm vorgetragenes Beweismaterial stützen durfte. Als dann freilich die Appellation an ein höheres Gericht zugelassen wurde, wurde der wesentliche Inhalt der (erstinstanzlichen) Zeugenaussagen und auch das Parteivorbringen in schriftlichen Akten („gesta") für die zweite Instanz festgehalten22. Als für die Folgezeit besonders bedeutungsvoll sollte sich vor allem der Abbau der bisher weitgehend „freien" (wenngleich auch unrational-emotionellen) Beweiswürdigung erweisen, der in diese Zeit des spätrömischen kaiserlichen Prozesses fällt 23 . Immer zahlreicher wurden die Regeln, die dem Richter je nach Stellung des Zeugen (frei oder unfrei), je nach Leumund (angesehen oder nicht angesehen), je nach Ort des Zeugnisses (gerichtlich oder außergerichtlich), je nach seinem persönlichen Verhältnis zum Angeklagten oder nach Zahl der Zeugen eine unterschiedliche Würdigung und Wertung vorschrieben. Man kann insoweit durchaus von einer gesetzlichen Beweistheorie des spätrömischen Rechts sprechen. Parallel hierzu gewann das Geständnis immer größere Bedeutung. Die anderen Beweismittel wurden zunehmend zu Hilfsmitteln zur Erlangung des Geständnisses, wobei sich die Folter als bequemer und immer häufiger beschrittener Weg erwies. Aus dieser Zeit stammen auch erste Stellungnahmen zum Zeugnis vom Hörensagen24. Man ordnete die Zeugen, die nur über Tatsachen berichten können, die sie von Dritten gehört haben, der Kategorie der „verdächtigen Zeugen" zu. Ebenso wie diesen wurde auch der Aussage eines „testis de auditu" die Kraft abgesprochen, allein ausreichenden Beweis zu erbringen25. 3. Der kanonisch-italienische Strafprozeß Der kanonische Prozeß der römischen Kirche knüpfte zunächst am römischen Strafverfahren spätkaiserlicher Zeit an 26 . Freilich setzten sich allmählich auch 2 2 Vgl. Glaser, Handbuch I, S. 67, Zachariae, ceßrecht, S. 2 8 .

Handbuch I, S. 99 und Geyer,

Strafpro-

2 3 Sehr eingehend Mommsen, Römisches Strafrecht, S. 4 0 0 ff. und S. 4 3 5 ff. Zusammenfassend siehe auch Westhoff, Beweisrecht, S. 72 ff., w o zu Recht weniger auf die Härte (Folter!) und Reglementierung dieser Entwicklung (einseitig daher v. Hippel, Strafprozeß, S. 2 0 ) als vielmehr auf die „ungeheuere geistige Leistung" der Disziplinierung der Beweiswürdigung abgestellt wird (a. a. O . S. 77).

Nachweise bei Mommsen, Römisches Strafrecht, A n m . 5 auf S. 4 4 0 . Vgl. Glaser, Beweis, S. 199 sowie später Sprang, Zeugen v o m Hörensagen, S. 17 und Westhoff, Beweisrecht, S. 75. Falsch ist freilich der Hinweis Sprungs (a. a. O . ) auf C o d . Just. 4 . 2 0 . 4 . („Solam testationem prolatam nec aliis legitimis adminiculis causa approbata nullius esse momenti certum est"). Diese Bestimmung (aus dem Jahre 284 n. C h r . ) bezieht sich nicht speziell auf den Zeugen vom Hörensagen, sondern generell auf jede Zeugenaussage. Man kann hieraus allenfalls schlußfolgern: wenn schon die Aussage eines einzigen Zeugen nur in Verbindung mit anderen zulässigen Indizien („adminiculum" = Hilfsmittel, Indiz) Beweiswert hat, dann gilt dies „ e r s t recht" für das bloße Zeugnis v o m Hörensagen. 24

25

2 6 Zum kanonischen Strafprozeß siehe weiterführend Zachariae, Handbuch I, S. 106 ff., Geyer, Strafproceßrecht, S. 31 ff., Glaser, Handbuch I, S. 69 ff., Birkmeyer,

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1. Kapitel: Der gemeinrechtliche deutsche Inquisìtionsprozeß

germanisch-rechtliche Einflüsse durch, was durchaus begreiflich ist, wenn man an die germanischen Staatsgründungen in Italien und an die zunehmende Verbreitung der Kirche über die damals vorwiegend germanisch orientierten Länder West- und Mitteleuropas denkt. Später ging die Entwicklung des kirchlichen Verfahrensrechtes - vor allem auf Grund der Reformen von Papst InnocenzIII. (Viertes Lateranisches Konzil von 1215) - völlig selbständige Wege, so daß mit Recht von einem eigenständigen kanonischen Strafprozeß gesprochen werden kann. Dieser kanonische Strafprozeß läßt sich - wiederum in heutiger Terminologie-als „parteiloses, vom Inquisitionsprinzip beherrschtes und vom Richter alleinverantwortlich und autoritär geführtes, auf Erforschung der materiellen Wahrheit abzielendes, schriftliches und geheimes Verfahren" bezeichnen 27 . Der Charakter des kanonischen Strafprozesses entspricht der disziplinarischen Strafauffassung der Kirche, die in der von ihr abzuurteilenden Tat in erster Linie die zu bestrafende „Sünde" sieht. So gesehen war es nur verständlich, daß der bisherige kontradiktorische Parteienstreit zum Inquisitionsverfahren „ex officio" drängte. Schon verhältnismäßig früh wurden neben dem herkömmlichen Akkusationsverfahren Formen ohne Anklage entwickelt. So konnte der Richter bei offenkundigen Delikten („per notorium") und auf Grund von Gerüchten („per infamationem") von Amts wegen einschreiten. Verständlicherweise mußte die Glaubwürdigkeit solcher Gerüchte oder der Offenkundigkeit durch eine „inquisitio" überprüft werden. Das Ergebnis dieser amtlichen Untersuchung galt als Anklage, über die dann übrigens der gleiche Inquirent zu entscheiden hatte 2 8 . Daneben gab es noch das Rügeverfahren der bischöflichen Sendgerichte 29 . Ein Kreis auserwählter Gemeindemitglieder hatte den Bischof während seiner Rundreisen auf Befragung („inquisitio") über Verbrechen zu informieren; auch hier konnte sich der so Beschuldigte durch Reinigungseid exkulpieren. Unter Papst Innocenz III. wurden alle diese Verfahren vereinheitlicht und gesetzlich im Vierten Lateranischen Konzil (1215) abgesichert. Eine Spezialregelungfand insbesondere das Verfahren „per infamationem". Hier wurde die Möglichkeit von Reinigungseid und Gottesurteil versagt und durch eine Untersuchung („inquisitio") 3 0 des Richters ersetzt. Gleiches galt für das Verfahren „per denuntiationem". Im übrigen aber verhalf die Reform Innocenz' III. dem römischen Recht endgültig zum Sieg. Das Beweisrecht des spätrömischen Strafprozesses und dessen Ansätze zu einer gesetzlichen Beweistheorie wurden weitgehend übernommen 31 . Unmittelbarkeit der BeweisaufStrafprozeßrecht, S. 809 ff. Vgl. auch die knappen Zusammenfassungen bei Gerland, Strafprozeß, S. 17 f. und Henkel, Strafverfahrensrecht, S. 35 ff. 27 Henkel, Strafverfahrensrecht, S. 37. 2 8 Näher: Zachariae, Handbuch I, S. 107 f., Geyer, Strafproceßrecht, S. 32 und von Kries, Lehrbuch, S. 23 f. 2 9 Vgl. Glaser, Handbuch I, S. 73, von Kries, Lehrbuch, S. 23 und Geyer, Strafproceßrecht, S. 33. Die Parallele zum altfränkischen Rügeverfahren weltlichen Rechts (vgl. oben Anm. 9) ist nicht zu übersehen. 3 0 Unter Innocenz IV. (1245) wurde dann zwischen vorbereitender Ermittlung gewissermaßen gegen Unbekannt („inquisitio generalis") und der Verfolgung eines bestimmten Täters („inquisitio specialis") unterschieden: vgl. v. Hippel, Strafprozeß, S. 22. 3 1 Zusammenfassend Westhoff, Beweisrecht, S. 79 ff.

I. Die frühen Grundlagen

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nähme war insofern gewährleistet, als der in Personalunion zugleich inquirierende und entscheidende Richter die Beweismittel selbst wahrnehmen mußte 3 2 ; Schriftlichkeit war dem Verfahren insofern an sich fremd. E r s t als Innocenz III. im Hinblick auf die Rechtsmittelinstanz für die gesamte erste Instanz sorgfältige Protokollierung aller Vorgänge vorschrieb 3 3 , begann die Herrschaft der Schriftlichkeit schlechthin. Größere Beachtung als im römischen Recht wurde im kanonischen Beweisrecht dem Zeugnis v o m Hörensagen geschenkt 3 4 . I m Ergebnis wurde dem „testis de a u d i t u " - ebenso wie dort - nur in Verbindung mit anderen Beweismitteln ausreichender Beweiswert beigemessen. Dieses kirchlich-kanonische Strafverfahren galt zunächst nur gegenüber Klerikern, wurde im L a u f e der Zeit für den weiten Bereich der „delicta m i x t a " (insbesondere Ehe- und Sittlichkeitsdelikte) aber auch gegenüber Laien angewendet. D u r c h Vermittlung der italienischen Rechtswissenschaft (insbesondere der bekannten oberitalienischen Rechtsfakultäten) wurde der kanonische Prozeß etwa ab dem 13. Jahrhundert allmählich auch in der Praxis der weltlichen Gerichte anerkannt, so daß man für jene Zeit v o m kanonisch-italienischen Strafverfahren sprechen kann. 4. Das mittelalterlich-deutsche

Inquisitionsverfahren

Bevor auf den gemeinrechtlichen Inquisitionsprozeß in der F o r m , die er durch die Rezeption in der ,,Constitutio Criminalis C a r o l i n a " Karls V . (1532) erhalten hat, eingegangen werden kann, bedarf es noch einmal eines Blicks speziell ins Recht des deutschen Mittelalters. E s ist vorwiegend das Verdienst von Eberhard Schmidt, nachgewiesen zu haben, daß auf deutschem B o d e n bereits i>or der Rezeption „ f r e m d e n " Rechts neben den bereits dargestellten F o r m e n des germanischen Rechtsganges Verfahrensweisen mit rein inquisitorischen Zügen entstanden waren 3 5 . Als F o l g e der „ L a n d f r i e d e n s " - B e w e g u n g und angesichts der Tatsache, daß der altdeutsche formalisierte Parteien-Rechtsgang vor allem in den Städten der zunehmenden Kriminalität nicht mehr H e r r wurde, entwickelten sich etwa ab dem 12. Jahrhundert Verfahrensweisen, bei denen die gesamte Strafverfolgung auf amtlicher Initiative beruhte (Offizialmaxime) und die Tätigkeit des Gerichts auf Erforschung der materiellen Wahrheit gerichtet war (Instruktionsmaxime) 3 f i . Dieses neue Verfahren war ausschließlich auf Bedürfnisse der Praxis ausgerich-

3 2 Daß im kanonischen Recht erstmals ein Verfahren gegen Abwesende ( „ i n contumaciam") vorgesehen war (vgl. Geyer, Strafproceßrecht, S. 32), stellt angesichts der Identität von untersuchendem und erkennendem Richter keinen allzu gravierenden Einbruch in die , Unmittelbarkeit" dar. 3 3 Nachweis bei Zachariae, Handbuch I, S. 115. 3 4 Zahlreiche Nachweise bei Sprang, Zeugnis vom Hörensagen, S. 17 f. 3 5 Vgl. vor allem Eb. Schmidt, Inquisitionsprozeß (1940), derselbe ZStW 62 (1943), S. 232 ff. sowie derselbe, Geschichte, S. 86 ff. Diese Ansicht Eb. Schmidts ist zwar noch nicht ganz unbestritten; zustimmend aus neuerer Zeit Henkel, Strafverfahrensrecht, S. 38, Mitteis-Liebench, Rechtsgeschichte, S. 234 f. und Westhoff, Beweisrecht, S. 82 ff. 3 6 Durch diese beiden Elemente ist für Eb. Schmidt (Geschichte, S. 87) der Inquisitionsprozeß charakterisiert.

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1. Kapitel: Der gemeinrechtliche deutsche Inquisitionsprozeß

tet und folglich gekennzeichnet durch mangelnde systematische Durchdenkung. Das hatte Konsequenzen natürlich vor allem im Bereich des Beweisverfahrens. Mit dem Verzicht auf das ungeeignete Beweisinstrumentarium des germanischen Rechtsgangs trat die Befragung von Wahrnehmungszeugen und die Vernehmung des Beschuldigten selbst immer mehr in den Vordergrund. Das Geständnis wurde auch im deutschen Recht zur „regina probationis". Um Geständnisse zu erzielen, griff man in zunehmendem Maße zur Folter 37 . Insbesondere wegen der mit der Befragung des Beschuldigten verbundenen Folterung fand seine „Vernehmung" nicht mehr vor dem , .gehegten" Gericht, sondern in einem Vorverfahren vor wenigen beauftragten Schöffen statt. War auf diese Weise ein Geständnis erzielt worden, so erfolgte die Verurteilung anschließend in einem in der alten Form des Rechtsgangs ablaufenden Termin, dem „Endlichen Rechtstag". Weil eine Verurteilung nur auf Grund des Geständnisses möglich war und der Beschuldigte bei Widerruf freigelassen werden mußte, ging man nach anfänglichem Zögern etwa seit dem 14. Jahrhundert dazu über, die Verhörschöffen, die das durch Folter erzwungene Geständnis mitangehört hatten, als Zeugen zuzulassen38. So wurde das Schwergewicht des Verfahrens weitgehend in das geheime Vorverfahren vorverlegt. Der „Endliche Rechtstag" verkümmerte zu einem „der öffendichkeit gebotenen formalen Schaustück", bei dem lediglich die alten Formen „in völliger Erstarrung eines hyperformalistischen Ritus" gewahrt waren39. In dieser Form blieb jenes Verfahren bis zu den „Halsgerichtsordnungen" des ausgehenden 15. Jahrhunderts in Übung. Der Willkür und dem Mißbrauch waren keine Schranken gesetzt - für Eb. Schmidt40 ein Beweis dafür, daß der Inquisitionsprozeß in dieser rudimentären und formlosen Gestalt noch „keinen Hauch des Rezeptionsgeistes" und des disziplinierten kanonisch-italienischen Beweisrechts enthalten hatte. II. Die Rezeption 1. Die Zeit vor der „Constitutio Criminalis Carolina" (1532) Uber die an den italienischen Rechtsfakultäten ausgebildeten Juristen kam etwa ab Mitte des 13. Jahrhunderts das kanonisch-italienische („keyserliche") Recht auch nach Deutschland. Die Richterstellen wurden zunehmend mit jenen dort ausgebildeten gelehrten Beamten besetzt, die das „fremde" Recht verständlicherweise auch in der Praxis ihrer neuen Wirkungsstätte durchzusetzen bestrebt waren4 1. So entstand auf dem Gebiet der Strafrechtspflege der heillos verwirrende unVgl. Eb. Schmidt, Geschichte, S. 89 ff. Vgl. Eb. Schmidt, Geschichte, S. 100 f. (mit zahlreichen Quellennachweisen). In den sog. „Magdeburger Fragen" (1385 bis 1402) und vor allem in der „Blume des Sachsenspiegels" (Ende des 14. Jahrhunderts) war ein solches Verfahren noch ausdrücklich verworfen worden: vgl. Eb. Schmidt a. a. O . S. 96 f. 39 Eb. Schmidt, Geschichte, S. 101/102. Aus diesem Grund war in der „Tiroler Malefizordnung" (1499) und in der „Radolfzeller Halsgerichtsordnung" (1506) auf den Endlichen Rechtstag als dem letzten Rest eines unmittelbaren Verfahrens völlig verzichtet worden: vgl. Eb. Schmidt a. a. O . S. 102 ff. 4 0 Geschichte, S. 105. 4 1 Zumal das kanonisch-italienische Recht als „kaiserliches" Recht Anspruch auf Gel17

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II. Die Rezeption

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tragbare Zustand, daß auf deutschem Boden nicht weniger als drei verschiedene Prozeßformen in Übung waren: der akkusatorische Parteien-Rechtsgang altdeutscher Prägung, der mittelalterlich-deutsche Inquisitionsprozeß in seiner rudimentären Form sowie (in immer größerem Umfang) der kanonisch-italienische Inquisitionsprozeß. Die Praxis wurde dieser Zustände nicht mehr Herr und drängte auf ein Eingreifen des „Gesetzgebers" 42 . Erste Erfolge zeigten die „Wormser Reformation" (1498), in die erstmalig kanonisch-italienisches Recht einströmte, und dann vor allem die „Constitutio Criminalis Bambergensis" (1507), in der Jobann von Schwarzenberg dem fremden Recht endgültig zum Sieg verhalf. Da die „Bambergensis" in wesentlichen Teilen wörtlich in die „Constitutio Criminalis Carolina" (1532) einfloß, genügt es im folgenden, sich auf die Darstellung der „Carolina" zu beschränken. 2. Der Strafprozeß der „Carolina" Die „Constitutio Criminalis Carolina" suchte das „fremde" Recht mit dem alt-herkömmlichen möglichst homogen zu verbinden 43 . Dieses Bestreben schlug sich natürlich vorwiegend in gerichtsorganisatorischen Fragen nieder, obwohl sich letztlich auch hier das Neue entscheidend durchsetzte. a) So wurde zwar die herkömmliche Unterscheidung in „Richter" und „Urteiler" beibehalten (Art. 1 CCC); aufgehoben wurde dagegen die deutsch-rechtliche Trennung von Verhandlungsleitung und Urteilsfindung. Der verhandlungsführende (meist gelehrte) Richter wurde an der Urteilsfindung beteiligt (Art. 81 und 91 bis 93 CCC). Das führte zwangsläufig zu einem immer stärkeren Ubergewicht des gelehrten Richters den ungelehrten „Urteilern" gegenüber, so daß diesen schließlich nur noch der „Schein alter Herrlichkeit" verblieb 44 . Weiteren Einfluß verlor die Richterbank insgesamt dadurch, daß sie „inn allen zweiuelichen feilen" den Rat eines auswärtigen rechtsgelehrten Kollegiums - der „Oberhöfe" (Behörden des Landesherm), der Rechtsfakultäten oder der mit ausgebildeten Juristen besetzten „Schöppenstühle" - einzuholen hatte (Art. 219 CCC) 45 . tung innerhalb des gesamten Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation erhob: vgl. Henkel, Strafverfahrensrecht, S. 38. 42 Auf Drängen insbesondere des 1495 eingesetzten Reichskammergerichts entschloß sich der Reichstag auf dem Freiburger Reichstag (1497) zu zukünftiger Abhilfe: vgl. von Kries, Lehrbuch, S. 28. 43 Besonderen Ausdruck fand dieses Bemühen in der „Salvatorischen Klausel" der CCC (zitiert nach Radbruch, CCC, S. 28), wonach den „Churfürsten, Fürsten und Stenden an jren alten wohlherbrachten rechtmessigen vnnd billichen gebreuchen (ergänze: durch die CCC) nichts benommen" werden sollte. Obwohl die C C C demzufolge dem Partikularrecht gegenüber zunächst nur subsidiär galt (wobei freilich Art. 218 CCC eine Reihe herkömmlicher Mißbräuche ausdrücklich abschaffte), setzte sie sich allmählich für das ganze Reich durch: vgl.Gerland, Strafprozeß,S. 19und v. Hippel, Strafprozeß, Anm. 6aufS. 30.Zum Strafprozeß der „Carolina" siehe inzwischen auch den kurzen Uberblick bei Kuckuck, Zulässigkeit von Vorhalten, S. 19 ff. 44 Geyer, Strafproceßrecht, S. 58. 45 Hier liegt die Wurzel der „Aktenversendung", die bis ins 19. Jahrhundert hinein Anwendung fand: vgl. Eb. Schmidt, Geschichte, S. 135.

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1. Kapitel: Der gemeinrechtliche deutsche Inquisitionsprozeß

Daß die Einschaltung dieses Kollegiums grundsätzlich in allen Zweifelsfragen (mochten diese das Endurteil oder nur vorausgehende Detail- oder Verfahrensfragen betreffen) erforderlich war und sein Gutachten im übrigen bindende Wirkung hatte, hat gerade für das uns beschäftigende Thema bedeutungsvolle Konsequenzen. Die wichtigste ist zunächst die, daß die eigentliche Entscheidung bei jenem rechtsgelehrten Kollegium und nicht beim peinlichen Gericht lag. Dieses hatte das schriftlich abgefaßte Gutachten der Rechtsgelehrten lediglich noch als Urteil zu verkünden (Art. 81 und 94 C C C ) . Zum anderen bedingte das Institut der Aktenversendung die schriftliche Aufzeichnung aller bisherigen Verfahrensergebnisse. Der Gerichtsschreiber wurde zum Mitglied des peinlichen Gerichts (Art. 1 C C C ) und erhielt in den Art. 181 ff. C C C detaillierte Anweisungen für die Abfassung der Protokolle 46 . Allein schon aus dieser Sicht war der Prozeß weitgehend schriftlich geworden, zumal dem Beschuldigten und seinem Fürsprecher gestattet war, ihre Stellungnahmen schriftlich vorzutragen (Art. 89 und 90 CCC). Es lag jedoch nicht nur an der Verpflichtung zur Einholung rechtsgelehrten Rates, daß die Urteilsfindung vom erkennenden Gericht praktisch auf das Gutachterkollegium überging und das Verfahren weitgehend schriftlichen Charakter annahm. Daß der Prozeß nicht mehr in einer Sitzung erledigt werden konnte und in eine Vielzahl von Teilakten zerfiel (wiederum mit der Folge, daß die eigentliche Entscheidung ins Vorverfahren verlagert wurde und die Schriftlichkeit weiteren Boden gewann), hat noch andere Gründe. Grundsätzlich sah die C C C zwei Möglichkeiten zur Einleitung des Verfahrens vor. Es konnte einmal durch Anklage des Verletzten oder eines öffentlichen Anklägers in Gang gebracht werden. Das Verfahren konnte daneben aber auch - was nach den Art. 6 bis 10 C C C gesetzlich an sich die Ausnahme war, in der Praxis freilich zunehmend die Regel wurde 4 7 - „von der oberkeyt ynnd ampts wegen" in Gang gebracht werden 4 8 . Man ist sich heute darüber einig, daß auch das durch Anklage in Gang gesetzte Verfahren durch Anklage nur begonnen, im weiteren Verlauf aber streng „inquisitorisch" durchgeführt wurde. Das Verfahren war nicht mehr vom Verhandlungsgrundsatz, sondern vom Offizialprinzip beherrscht und im übrigen auf strikte Erforschung der Wahrheit angelegt 49 . Diese inquisitorische Zielrichtung brachte es 4 " Erwähnenswert in diesem Zusammenhang auch Art. 71 C C C , wonach der Gerichtsschreiber bei der Zeugenvernehmung aufzuschreiben hatte, ,,ob der zeug inn seiner sage würd wanckelmütig vnd vnbestendig erfunden, solch vmbstende, vnd wie er den zeugen inn eusserlichen geberde vermerckt zu dem handel auffschreiben". Hier liegt die Grundlage für die im späteren Inquisitionsprozeß so bedeutungsvollen „Gebärdenprotokolle": vgl. dazu Zachariae, Gebrechen, S. 162 ff. 47 Zumal vor allem dem privaten Ankläger die Anklage in den Art. 12 ff. C C C außerordentlich erschwert wurde: vgl. Henkel, Strafverfahrensrecht, S. 40/41 sowie Eb. Schmidt, Geschichte, S. 126. 48 Einschreiten von Amts wegen war vor allem bei einem verbreiteten Gerücht (Art. 6 C C C : „eyner übelthat durch gemeynen leumut berüchtiget"), bei glaubwürdig begründetem Verdacht (Art. 6 C C C : „andere glaubwirdige anzeyung verdacht vnd argkwonig") sowie bei Offenkundigkeit (Art. 8 C C C : „eyner todtstraff halben kündtlich") möglich. 49 Statt vieler: Eb. Schmidt, Geschichte, S. 126 und Henkel, Strafverfahrensrecht, S. 41. - So auch neuerdings Kuckuck, Zulässigkeit von Vorhalten, S. 20.

II. Die Rezeption

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mit sich, daß der entscheidungsrelevante Stoff nach und nach zusammengetragen wurde und daß folglich nicht alle Beweisaufnahmen vor vollständig besetztem Gericht stattfinden konnten. So gab beispielsweise Art. 47 C C C die Möglichkeit peinlicher Befragung des Beschuldigten nur „inn gegenwertigkeyt des Richters vnd zum wenigsten zweyer des gerichts vnd des gerichts schreibers". Art. 72 erlaubte die Vernehmung von Zeugen außerhalb des Gerichts durch von der „riechst en oberkeyt" bestellte rechtsverständige „kundtschafft verhörer oder Commissarien". Es versteht sich, daß in allen diesen Fällen eine Protokollierung durch den Gerichtsschreiber erforderlich wurde. Dem Urteilerkollegium als solchem blieb der unmittelbare Gesamteindruck der Beweisaufnahme verschlossen; es mußte sich mit den „mittelbaren" Protokollen begnügen. Grundlage für das Urteil waren im Prozeß der „Carolina" meistenfalls nicht das gesprochene Wort, sondern schriftlich abgefaßte Protokolle. Das war zwar nicht ausdrücklich vom Wortlaut des Gesetzes geboten, mußte aber von seiner Anlage her in der Praxis zwangsläufig dazu führen. Es galt im Ansatz schon damals: „Quod non est in actis, non est in mundo!" Und ebensowenig wie Mündlichkeit der Rede war Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme gewahrt. In den zahlreichen Fällen der Aktenversendung lag die eigentliche Urteilsfindung nicht in den Händen des peinlichen Gerichts, vor dem (einmal unterstellt) die Beweisaufnahme stattgefunden hatte, sondern bei dem auswärtigen Gutachterkollegium; dieses Kollegium aber hatte den Prozeßstoff nicht unmittelbar selbst aufgenommen, sondern nur durch schriftliche Protokolle vermittelt bekommen. In den wenigen Fällen, in denen das peinliche Gericht die Hilfe des Gutachterkollegiums nicht nötig gehabt hatte, war die Besetzung des erkennenden Gerichts bei den meist vorgezogenen Beweisterminen in aller Regel nicht vollzählig. Die Mehrheit der schließlich erkennenden Richter war letzten Endes doch wieder nur auf den Akteninhalt angewiesen, ohne einen eigenen Eindruck vom Beschuldigten oder den Zeugen erlangt zu haben. So gingen Schriftlichkeit und Mittelbarkeit in der Praxis der „Carolina" Hand in Hand. Daran änderte auch die in den hergebrachten Formen ablaufende öffentlich-mündliche Schlußverhandlung, die auf Antrag des Klägers oder des Beklagten möglich war (Art. 78 ff. C C C ) , nichts Wesentliches. Der „Endliche Rechtstag" (auf dem neue Tatsachen im übrigen nicht vorgebracht werden konnten) war nicht zur Sachverhandlung bestimmt und diente lediglich der Bekanntgabe des als Urteil bereits schriftlich vorliegenden Gutachtens des rechts gelehrten Kollegiums 50 . Eine solche Schluß-,, Verhandlung" war nichts mehr als ein dem Verfahren angehängtes bloßes Zeremoniell ohne jede Sachbedeutung, man kann auch sagen: reine „Komödie" 5 1 .

5 0 Das folgt einmal aus Art. 81 C C C , wonach Urteiler und Richter bereits vor dem Rechtstag auf Grund der,,ordenlich beschriben" Protokolle zu beschließen hatten,,,was sie zu recht sprechen wollen". Falls sie hierzu aber nicht (fachlich) in der Lage waren, sollten sie „weither radts pflegen bei den rechtuerstendigen" (Art. 81 C C C ) , deren „inn schrifften verfasset . . . entlich urtheyl" sie dann nach Art. 94 C C C im Endlichen Rechtstag zu verlesen hatten. 5 1 So wörtlich von Kries, Lehrbuch, S. 33. Bezeichnend denn auch Art. 123 C C C : , , . . . umb des gemeynen volks und alter gewohnheyt willen . . . " .

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Geppert, Grundsatz

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1. Kapitel: Der gemeinrechtliche deutsche Inquisitionsprozeß

b) Was speziell das Beweisrecht der C C C betrifft, so gelang hier endgültig die Abkehr vom formalen Beweisprinzip altdeutscher Art zugunsten einer differenzierteren Beweislehre mit Ansätzen einer gesetzlichen Beweistheorie 52 . Es war dies im wesentlichen das Verdienst von Schwarzenberg, dessen „Constitutio Bambergensis" insofern weitgehend in die „Carolina" übernommen wurde. Einzelheiten interessieren hier weniger. N u r so viel: Die „Carolina" unterschied sehr streng zwischen der Frage, wann und unter welchen Voraussetzungen verurteilt werden durfte, und der weiteren Frage, wann gefoltert werden konnte. Eine Verurteilung konnte nicht auf Indizien gestützt werden; sie war nur möglich bei glaubhaftem Geständnis oder bei Überführung durch mindestens zwei Zeugen 53 . Grundlage einer Verurteilung war in erster Linie das (gerichtliche) 54 Geständnis des Beschuldigten (Art. 60 C C C ) , das der Richter nach Lage des Einzelfalles auf seine Glaubwürdigkeit zu überprüfen hatte. Detaillierte Anweisungen hierzu gaben ihm Art. 48 ff., deren Lektüre nicht nur rechtsgeschichtlichen Wert hat, sondern zum Teil noch heute aussagepsychologisch von Bedeutung ist. Dem Richter war ausdrücklich aufgegeben, bei dieser Prüfung „auff den grundt der warheyt (zu) kommen" (Art. 56 C C C ) und „nach ermessung eyns guten vernünfftigen Richters" zu entscheiden (Art. 58 CCC). In Art. 56 C C C wurde er - heute genauso aktuell wie im Jahre 1532 - sogar ausdrücklich vor den Gefahren des Vorhalts gewarnt 55 . Für den Fall, daß das Geständnis auf dem „Endlichen Rechtstag" widerrufen würde, ließ Art. 91 C C C nunmehr aber ausdrücklich die eidliche Vernehmung der „zwen geordenten schöpffen" zu, die die „verleßne vrgicht ( = Geständnis) vnd bekanntnuß gehört haben". Subsidiär 56 war Verurteilung aber auch möglich bei Überführung durch mindestens „zweyen glaubhafftigen guten zeugen" (Art. 67 C C C ) . Auch hier waren dem Richter in den Art. 63 ff. Hilfen gegeben, in welchen Fällen er von „genug52 Vgl. die Zusammenfassungen bei Küper, Richteridee, S. 125 ff. und bei Westhoff, Beweisrecht, S. 84 ff. Siehe auch Glaser, Beweis, S. 108 ff. und neuerdings Kuckuck, Zulässigkeit von Vorhalten, S. 21. 53 Unmißverständlich klar die zentrale Vorschrift des Art. 22 C C C : „Item es ist auch zu merken, daß niemant auff eynicherley anzeygung, argkwons warzeichen oder verdacht entlich zu peinlicher straff soll verurtheylt werden", sondern allein „auß eygen bekennen oder beweisung". 54 Ein außergerichtliches Geständnis wurde nur als Indiz zur Anwendung der Folter und nur dann zugelassen, sofern der Verdächtige ,,eyn solche person (ist), daß man sich der selben that zu jr versehen mag" (Art. 32 C C C ) : vgl.Mittermaier, Beweis, S. 251 f. sowie Glaser, Beweis, S. 110 und S. 286. Vgl. hierzu früher schon Tittmann, Handbuch IV, S. 652. 55 So befürchtet Art. 56 C C C , der Richter würde nicht „auff den grundt der warheyt kommen", falls dem Beschuldigten , ,die selben vmbstende der missethat vorgesagt vnd darauff gefragt" würden. 56 Die Subsidiarität folgt aus Art. 69 C C C , wonach dem Beschuldigten ein erfolgreicher Zeugenbeweis nochmals vorgehalten werden sollte, um doch noch zu einem Geständnis zu kommen: vgl. Glaser, Beweis, S. 285 sowie inzwischen auch Kuckuck, Zulässigkeit von Vorhalten, S. 21 mit Anm. 17.

III. Der gemeine Strafprozeß nach der „Carolina" bis zum Beginn des 19. Jahrh. 19

samen zeugen" ausgehen konnte 57 . Bloßes Zeugnis vom Hörensagen jedenfalls konnte nicht zur Verurteilung führen. Insofern unmißverständlich klar Art. 65 CCC: „Item die zeugen sollen sagen, von jrem selbs eygen waren wissen, mit anzeygung jres wissen gründtlicher vrsach. So sie aber vonn frembden hören sagen würden, das soll nit gnugsam geacht werden."

Wenn ein freiwilliges Geständnis des Beschuldigten nicht zu erzielen war und der Beweis durch mindestens zwei „gnugsame zeugen" ebenfalls nicht gelang, konnte zur „peinlichen Frage" geschritten werden. Diese „peinliche Frage" (Folter) aber war freilich nur möglich, wenn hinreichender Tatverdacht vorhanden war. In diesem Zusammenhang nun entwickelte die „Carolina" im Anschluß an die Vorarbeiten Schwarzenbergs eine detaillierte Indizienlehre (Art. 18 ff. CCC), die dem Gebrauch der Folter Grenzen zu setzen und bezüglich der Verwertung des zwangsweise erzielten Geständnisses Sicherungen zu schaffen bestrebt war58. Bisher nahm man ohne weiteres an, daß ein Zeugnis vom Hörensagen (wenn auch nicht zur Verurteilung, so doch) zur Anwendung der Folter führen konnte 59 . Diese Annahme wird heute nicht mehr unbeschränkt geteilt. Denn Art. 22 und 23 CCC, auf die sich die Vertreter der herrschenden Auffassung berufen, verlangen ausdrücklich „gnugsame anzeygung" (= Indizien) oder „zweyen gute zeugen". Da das Gesetz aber bei Aufzählung dieser „gnugsamen" Zeugen den Zeugen vom Hörensagen nicht ausdrücklich nennt, schlußfolgert Heissler, das Zeugnis vom Hörensagen reichte auch für Anwendung der Folter nicht aus60. Dem ist freilich entgegenzuhalten, daß Art. 18 CCC in einer Art Generalklausel ausdrücklich darauf hinweist, daß der im Gesetz genannte Katalog „redlich gnugsamer anzeygen" nicht enumerativ ist. Sicher erscheint daher nur, daß zumindest ein Zeuge vom Hörensagen die Anwendung der Folter nicht rechtfertigen konnte; das folgt unmißverständlich aus Art. 23 CCC. Im übrigen aber muß man feststellen, daß die bis heute fortbestehende Unklarheit über die Zulässigkeit des Zeugnisses vom Hörensagen insofern schon in der „Constitutio Carolina" des Jahres 1532 ihren Anfang genommen hat. III. Der gemeine Strafprozeß nach der „Carolina" bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts Hatte die CCC Mündlichkeit und Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme wenigstens noch dem Scheine nach aufrechterhalten, so war es der Folgezeit vorbehal57 So genügten nach Art. 63 „vnbekannte zeugen" beispielsweise nur, sofern der Beweisführer den Beweis erbrachte, „daß sie redlich vnd vnuerleumbt weren". Wer sieht nicht die heutige Problematik des unbekannten V-Mannes? 5 8 Weiterführend Eh. Schmidt, Geschichte, S. 127 ff., Küper, Richteridee, S. 128 ff. und Westhoff, Beweisrecht, S. 84 ff. (jeweils mit weiteren Nachweisen). 5 9 So vor allem Sprang, Zeugen vom Hörensagen, S. 20 (im Anschluß an ältere Autoren wie Brauer GS 9 (1857), S. 56, Tittmann, Handbuch IV, S. 622 f. und Quistorp, Peinliches Recht II, S. 272 f.). So auch Kulischer Grünhut's Zeitschrift 34 (1907), S. 170 f. 6 0 Unmittelbarkeit, S. 21 f. - freilich mit der sofortigen Einschränkung, dieses Verbot sei in der Praxis wahrscheinlich nicht eingehalten worden.

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1. Kapitel: Der gemeinrechtliche deutsche Inquisitionsprozeß

ten, den Prozeß der „Carolina" dieses Scheins endgültig zu entkleiden und ihn zu dem zu machen, was unter der Bezeichnung „geheimer schriftlicher Inquisitionsprozeß gemeinen Rechts" zur Reformbewegung des 19. Jahrhunderts geführthat. Diese Entwicklung ging natürlich nur allmählich und mit fließenden Übergängen vonstatten und kann in Einzelheiten hier nicht dargestellt werden61. Immerhin scheinen diese knapp 300 Jahre deutlich zwei Schwerpunkte aufzuweisen, an Hand derer die Entwicklungsgeschichte des gemeinen deutschen Strafprozesses kurz verdeutlicht werden soll. Ein erster Abschnitt ist mit dem Namen Benedikt Carpzow (1595 bis 1666) verbunden, und ein zweiter kann an die partikularrechtlichen Kodifikationen insbesondere Preußens (1805) und Bayerns (1813) geknüpft werden. 1. Der Strafprozeß zur Zeit Benedikt Carpzows (1595 bis 1666) Wohl ihren endgültigen Abschluß fand die Rezeption italienisch-kanonischen Rechts in den Arbeiten Benedikt Carpzows. In seinen „Practica nova imperialis saxonica rerum criminalium" (1635) faßte Carpzow die Spruchpraxis des Leipziger Schöffenstuhles und der Leipziger Rechtsfakultät, deren beider langjähriges Mitglied er war, in einer Weise zusammen, daß dieses Kompendium praktisch ein Jahrhundert lang gesetzliches Ansehen genoß 62 . Da das akkusatorische Prinzip zur Zeit Carpzows auch als Einleitungsiorm allmählich jede Bedeutung verloren hatte, zerlegte er den Prozeß in zwei scharf geschiedene Verfahrens-Abschnitte. In der „Generalinquisition" ging es noch ganz allgemein um die Frage, ob eine bestimmte Tat überhaupt begangen war und wer als Täter in Betracht kam. Diese „Generalinquisition" war an sich als Schutzmaßnahme zugunsten des Beschuldigten gedacht, der zwar auch hier schon vom Untersuchungsrichter (dem „Inquirenten") verhört, aber eben noch nicht als „Inquisitus" in Haft genommen und der Folter unterworfen werden durfte. Das war erst möglich im zweiten Stadium, der „Spezialinquisition". Beschuldigter und im übrigen auch Zeugen wurden also insgesamt zweimal vernommen, und zwar im Wege des sog. „Artikelverhörs". Auf Grund der Generalinquisition hatte der Untersuchungsrichter (meist zugleich auch Mitglied des später erkennenden Gerichts) den gesamten Prozeßstoff in schriftlich formulierte Fragen aufgelöst, um in der anschließenden Spezialinquisition die Vernehmungen an Hand dieser „Artikel" durchführen zu können 63 . Der fehlende unmittelbare Eindruck von den Beweismitteln sollte durch die schon aus der „Carolina" bekannten Gebärdenprotokolle ersetzt werden. Hier versuchte der Inquirent, möglichst genau Haltung, Ton, Miene, Gesten, Erröten, Erbleichen, Stammeln, Widersprüche u. ä. der Zeugen bzw. des Beschuldigten festzuhalten. Andere Neuerungen waren demgegenüber von recht zweifelhaftem Wert. Ge"' Weiterführend Glaser, Handbuch I, S. 91 ff., Geyer, Strafproceßrecht, S. 62 ff. und Zachanae, Handbuch I, S. 142 ff. Vgl. insbesondere auch Eb. Schmidt, Geschichte, S. 176 ff., S. 194 ff. und S. 268 ff. sowie inzwischen die kurze Ubersicht bei Kuckuck, Zulässigkeit von Vorhalten, S. 22 f. 6 2 Vgl. von Kries, Lehrbuch, S. 37 und v. Hippel, Strafprozeß, S. 35. 6 3 Vgl. Eb. Schmidt, Geschichte, S. 177 und S. 197.

III. Der gemeine Strafprozeß nach der „Carolina" bis zum Beginn des 19. Jahrh. 21

dacht ist dabei weniger an den endgültigen Verzicht auf den „Endlichen Rechtstag" als an folgenschwere Änderungen im Beweisrecht. Hier entfernte sich Carpzow entscheidend vom System der „Carolina". Denn während die Beweislehre Schwarzenbergs dem Richter durchaus Möglichkeiten der Beweisw»n//g««g geboten hatte und deutlich bestrebt war, dem Richter bei Würdigung der Beweise Richtnormen und Leitlinien zu geben64, erfolgte nunmehr der endgültige Wandel zur strengen gesetzlichen Beweistheorie. Die ehemals nicht zwingenden Beweisregeln wurden zu absolut bindendem Recht 55 . Das Geständnis blieb zwar noch immer,,regina probationum". Mit dem beginnenden Abbau der Folter mußte sich aber notwendig das ganze Beweissystem ändern66. Die Folter blieb nur noch schwereren Taten vorbehalten, wurde hier freilich an erleichterte Voraussetzungen geknüpft. Für leichtere Taten wurde sogar der alte „Reinigungseid" wieder eingeführt. Wo die Folter nicht zu einem Geständnis führte, übernahm Carpzow aus dem kanonischen Recht die sog. „poena extraordinaria", die nichts anderes war als eine Verdachtsstrafe, bei der man praktisch „den Beweis und gewissermaßen auch die Strafe halbierte" 67 . Und schließlich ließ man - wiederum an kanonische Vorbilder anknüpfend - überall dort, wo die Indizien nicht einmal für eine Verdachtsstrafe ausreichten, die Entbindung von der Instanz („absolutio ab instantia") zu. Der Prozeß wurde bis zur Beibringung neuer Verdachtsgründe also nur vorläufig eingestellt68. Alles dies zeigt deutlich, daß der Richter nunmehr in erster Linie zum Strafverfolgungsorgan geworden war. Seine Aufgabe war weniger das Urteilen als in erster Linie das Ver-Urteilen 69 . Der Prozeß jener Zeit war endgültig zum reinen „Inquisitions"-Verfahren geworden. 2. Der Strafprozeß in der Partikulargesetzgebung des beginnenden 19. Jahrhunderts Diese Entwicklung nahm in der Folgezeit des Polizeistaates, wie er sich im Gefolge des Absolutismus entwickelte, ihren verständlichen konsequenten Fortgang. Die letzten als Schutz gedachten Prozeßformalien wurden eine um die andere beseitigt. Es begann damit, daß man die Trennung in General- und Spezialinquisition sowie die damit verbundene Doppel-Arbeit zweimaliger Vernehmung als überflüssig aufhob und der einmaligen Vernehmung (im Vorverfahren!) den Vorzug gab. Mit dieser Änderung war natürlich auch der Verzicht auf das „Artikelverhör" verbunden. Mit der endgültigen Aufhebung der Folter 70 war die Macht-

" 4 Siehe insofern Westhoff, Beweisrecht, S. 84 ff. und Küper, Richteridee, S. 128 ff. 6 5 Weiterführend Westhoff Beweisrecht, S. 85 ff. und Rüper, Richteridee, S. 131. 6 6 Sehr lesenswert insofern noch heute Glaser, Handbuch I, S. 98 ff. und derselbe, Beweis, S. 6 ff. 67 Geyer, Strafproceßrecht, S. 66. Siehe ferner von Kries, Lehrbuch, S. 39 und Eb. Schmidt, Geschichte, S. 178. 6 8 Vgl. Eb. Schmidt, Geschichte, S. 178. 6 9 So ausdrücklich von Kries, Lehrbuch, S. 41. 70 Friedrich der Große schaffte für Preußen am 3. Juni 1740 die Folter ab (nach Eb. Schmidt, Geschichte, S. 269). Maria Theresia entschloß sich für Oesterreich 1776 zur Aufgabe der Folter (nach von Kries, Lehrbuch, S. 46).

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1. Kapitel: Der gemeinrechtliche deutsche Inquisitionsprozeß

fülle des Inquirenten weiter gewachsen. Nachdem physischer Zwang zur Erlangung des Geständnisses nur noch in Form von Prügelstrafen und Arrest angewendet werden konnte, bildete sich statt dessen ein letztlich ebenso bedenkliches Verfahren psychischen Drucks, dem der Beschuldigte immer schutzloser ausgeliefert war 71 . Der Untersuchungsrichter war vom erkennenden Gericht klar getrennt; die Urteilstätigkeit ging ganz in die Hand staatlicher Spruchbehörden über. Das wiederum hatte folgenschwere Konsequenzen: Der Untersuchungsrichter faßte die Ergebnisse seines „summarischen" Verhörs - man darf wohl annehmen: entsprechend seines Selbstverständnisses als Strafverfolgungsorgan in aller Regel „wohlgefärbt" - in schriftlichen Protokollen zusammen und leitete diese dem Justizkollegium zu. Dieses Kollegium entschied dann ausschließlich nach Lage der Akten, ohne den Beschuldigten oder die Zeugen persönlich gesehen oder gehört zu haben. Um den durch die Vielzahl der Verfahren häufig überbeschäftigten Spruchkörper zu entlasten, ließ man es darüber hinaus sogar zu, daß nur ein Mitglied des Kollegiums (der Referent) die gesamten Akten las und dem Rest des Kollegiums dann zusammen mit dem Urteilsvorschlag eine kurze Zusammenfassung des entscheidungsrelevanten Stoffes gab. Es versteht sich, daß der Berichterstatter in seinem Vortrag (= Relation) natürlich meist nur die Punkte hervorhob, die nach seiner Beurteilung des Falles relevant waren. Das erkennende Gericht nahm insofern Kenntnis gewissermaßen aus dritter Hand 72 . Der Prozeß war ausschließlich zum schriftlichen geworden und „mittelbar" insofern, als das letzt-entscheidende Gericht seine Erkenntnis von den Beweisen und dem Täter nur über Referent und Akten vermittelt erhielt. Noch in dieser Form hatte der geheime, schriftliche und mittelbare Inquisitionsprozeß gemeinen Rechts mit im einzelnen nur geringfügigen Abweichungen ausdrücklichen gesetzlichen Niederschlag in den Partikulargesetzen des ausgehenden 18. und noch des beginnenden 19. Jahrhunderts gefunden: insbesondere im österreichischen „Strafgesetz über Verbrechen und schwere Polizeiübertretungen" vom 3. September 180373, in der preußischen „Criminal-Ordnung" vom 11. Dezember 180574 und schließlich im Zweiten Teil des „Strafgesetzbuches für das Königreich Bayern" vom 1. Oktober 18 1 3 75 . 71 Näher hierzu Glaser, Handbuch I,S. 97 ff. und derselbe, Beweis, S. 8 f., vonKries, Lehrbuch, S. 49 ff. sowie Westhoff, Beweisrecht, S. 90 ff. 72 Treffend daher v. Schwarze, Geschworenengericht, S. 6: „Die Richter sehen, wie man gesagt hat, nicht mit eigenen Augen, sondern durch eine doppelte, überdies vielleicht getrübte Brille - nämlich die des Inquirenten und die des Referenten." 73 Vorläufer dieses Gesetzes waren die, ,Constitutio Criminalis Theresiana" (1768) sowie das „Allgemeine Gesetz über Verbrechen und derselben Bestrafung" von 1787 (die sog. , Josephiana"). 74 Weiterführend, speziell auch zum Beweisrecht dieses Gesetzes: Geyer, Strafproceßrecht, S. 81 f., Glaser, Handbuch I, S. 120 ff., von Kries, Lehrbuch, S. 49 ff. sowie Eh. Schmidt, Geschichte, S. 271 ff. 75 Weiterführend, speziell auch zu Beweisfragen: Geyer, Strafproceßrecht, S. 82 ff., Glaser, Handbuch I, S. 120 ff. und von Kries, Lehrbuch, S. 49 ff. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang, daß sich Feuerbachs (des Schöpfers des Bayrischen StGB von 1813) Vorschlag einer öffentlich-mündlichen Schlußverhandlung nicht durchgesetzt hat: vgl. Eb. Schmidt, Geschichte, S. 280.

III. Der gemeine Strafprozeß nach der „Carolina" bis zum Beginn des 19. Jahrh. 23

Das Beweisrecht dieser drei Partikulargesetze bedarf im einzelnen keiner näheren Darstellung. Es muß der Hinweis genügen, daß sich die schon bei Carpzow bemerkbare Tendenz zur gesetzlichen Beweistheorie weiter verfestigt hat. Die Entbindung von der Instanz und die Verdachtsstrafe der „poena extraordinaria" wurden - letztere freilich nur in Preußen - beibehalten. Lediglich zum Beweis vom Hörensagen seien abschließend einige Bemerkungen erlaubt76: Die Unklarheit in diesem Punkt, von der bereits bei Darstellung der „Carolina" die Rede war, hat sich auch in den genannten Partikulargesetzen nicht ganz verflüchtigt. Fest steht nur, daß eine Verurteilung zu ordentlicher Strafe nur bei glaubwürdigem gerichtlichem Geständnis oder bei Uberführung durch zwei vereidigte Zeugen möglich war77. Letzterenfalls verlangten die erwähnten Gesetze nahezu gleichlautend, ein solcher Zeuge dürfe „nur über eigentliche Tatsachen, die er mit seinen Sinnen erkannt oder erfahren hat", aussagen78. Ob das Zeugnis vom Hörensagen dagegen für die Entbindung von der Instanz ausreichte, ist allein aus dem Wortlaut der genannten Gesetze nicht eindeutig zu klären79 und im übrigen bis heute umstritten80. Angesichts der immer laxeren Formenstrenge und der damit verbundenen zunehmenden Schutzlosigkeit des Angeklagten spricht nach meinem Eindruck mehr dafür, diese Frage zu bejahen. Immerhin hat auch die ältere Literatur81, die der Praxis damaliger Zeit näher stand als ein Autor von heute, dem Zeugnis vom Hörensagen bei Unterstützung durch andere Indizien übereinstimmend einen gewissen Indizwert zugesprochen. So scheint der Schluß erlaubt, daß der Beweis vom Hörensagen wenn auch nicht zu ordentlicher Verurteilung, so aber doch (in Verbindung mit anderen Indizien) zur „absolutio ab instantia" füh-

7 6 Näher hierzu Sprang, Zeugen vom Hörensagen, S. 20 ff. sowie Heissler, Unmittelbarkeit, S. 23 ff. 7 7 v gl· S S 3 7 0 u n d 386 der preußischen „Criminal-Ordnung" von 1805, vgl. Art. 267, 285 und 290 des bayrischen StGB (II. Teil) von 1813 sowie §§ 351, 352 und 368 des oesterreichischen Strafgesetzes von 1803. Siehe auch Eb. Schmidt, Geschichte,S. 272, vonKries, Lehrbuch, S. 59 f., Glaser, Beweis, S. 207 ff. und Mittermaier, Beweis, S. 361 ff. 7 8 So§ 324 der preußischen,, Criminal-Ordnung" von 1805. Ähnlich Art. 277 des bayrischen StGB (II. Teil) von 1813: „Überdies wird zur Gültigkeit einer Zeugenaussage überhaupt erfordert, daß dieselbe auf eigener unmittelbarer Erfahrung der zu erweisenden Tatsache, nicht bloß auf Hörensagen, Vermutungen oder Schlüssen beruhe." Ähnlich schließlich § 367 Nr. e des oesterreichischen Strafgesetzes von 1803 („von eigenem Wissen und Kenntnisse"). 7 9 Für die (nur in Preußen fortgeltende) „poena extraordinaria" dürfte die Frage klar zu beantworten sein. Aus § 398 Nr. 1 der preußischen Criminal-Ordnung von 1805 folgt, daß auch für die „poena extraordinaria" (§ 391) ein „vollgültiger Zeuge" erforderlich war, der „die Hauptumstände eines begangenen Verbrechens aus eigener Sinneserfahrung eidlich ausgesagt hat". 8 0 Vgl. die Kontroverse Heisslers, Unmittelbarkeit, S. 23 ff. (ablehnend) gegen Sprang, Zeugen vom Hörensagen, S. 22 ff. (bejahend). 81 Vgl. Tittmann, Handbuch IV, S. 622 f. und Quistorp, Peinliches Recht II, S. 272 f. Weiter hierzu: Kulischer Grünhut's Zeitschrift 34 (1907), S. 172, Haag DJ 1937, S. 809 und Dolderer, Beweis durch Urkunden, S. 60 f.

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2. Kapitel: Ausländische Vorbilder

ren konnte. Dieses Ergebnis widerspricht dem Wortlaut der erwähnten Gesetze jedenfalls nicht 82 . 2. Kapitel: Ausländische Vorbilder Die literarische Reformbewegung im Deutschland des 19. Jahrhunderts ist nicht denkbar ohne die Einflüsse, die sie insbesondere aus dem benachbarten Frankreich und (etwa ab Mitte des Jahrhunderts) teilweise auch aus dem angelsächsischen Rechtsbereich1 erfahren hat. Die Reform des deutschen Strafverfahrens seit Beginn des vergangenen Jahrhunderts hat sich bekanntlich auf zwei großen Stufen abgespielt2. Die erste Stufe ist gekennzeichnet durch die Reformbewegung des 19. Jahrhunderts. Hier wurde der dem Absolutismus vergangener Jahrhunderte entsprechende Inquisitionsprozeß vom reformierten Strafprozeß des Liberalismus abgelöst; das Ende dieser ersten Etappe bildet die Reichs-Strafprozeßordnung von 1877. Zur Zeit befindet sich die Prozeßreform auf ihrer (im Grunde bereits 1877 vorangekündigten) zweiten Stufe. Wer sich gegenwärtig mit Problemen der Prozeßreform befaßt, muß zwangsläufig auf jene frühere erste Stufe zurückgreifen und dabei - eigentlich kaum erstaunt - immer wieder feststellen, wie sehr die Grundfragen doch die gleichen geblieben sind. Eben daher erscheint es nützlich, den Streitstand vor Inkrafttreten der Reichs-Strafprozeßordnung von 1877 herauszuarbeiten und zugleich deutlich zu machen, was von den damals erstrebten Neuerungen in welcher Form verwirklicht wurde und was andererseits von den damals erhofften Zielen aus welchen Gründen (noch) nicht Gesetz geworden ist. Weil die deutsche Reformdiskussion des vergangenen Jahrhunderts aber weitgehend von der Rechtsvergleichung gelebt hat, muß auch die vorliegende Arbeit von dieser Grundlage ausgehen. Wer die Entstehungsgeschichte der für unser Thema maßgeblichen Bestimmungen der StPO aufzeichnen will, kurz: wer die „Geschichte des Unmittelbarkeitsprinzips im deutschen Strafprozeß" skizzieren möchte, muß zwangsläufig auch das Bild miteinbeziehen, das sich die deutsche Literatur des 19. Jahrhunderts vom (damaligen) französischen und englischen Strafprozeß gemacht hat. Damit sind zugleich die Schranken aufgezeigt, vor denen sich dieses „Zweite Kapitel" sieht. Es geht im folgenden also nicht um einen detaillierten rechtsvergleichenden Unterbau und schon gar nicht um eine rechtsvergleichende Betrachtung, die den englischen und französischen Strafprozeß bis heute mitverfolgt. Erklärte Absicht ist lediglich, zum besseren Verständnis der einschlägigen Bestimmungen der RStPO von 1877, in der die Reformdiskussion des 19. Jahrhunderts ihren gesetzlichen Abschluß gefunden hat, 8 2 Nach § 409 der preußischen Criminal-Ordnung war die Entbindung von der Instanz möglich, sofern „der eigentliche Hergang der Sache gar nicht hat aufgeklärt werden und der Verdächtige den gegen ihn streitenden Verdacht nicht hat ablehnen können". Ähnliches folgt für das oesterreichische Gesetz v o n l 8 0 3 ausdessen §§377 und 386 ( i . V . m i t §384).

' Letzteres insbesondere auf Grund der Arbeiten von /. C. A. Mittermaier: vgl. Mittermaier, Englisches Strafverfahren (1851). Noch 1851 beklagte Marquardsen (in: BestMarquardsen, Beweisrecht, S. VII), daß „die neuesten Reformen im Strafrecht und Prozeß . . . eine große Unbekanntschaft mit dem englischen Recht zu Tage gebracht" haben. 2 Vgl. Jescheck ZStW 86 (1974), S. 761 ff.

I. Das englische Strafverfahren

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deutlich herauszuarbeiten, was die zeitgenössischen deutschen Autoren seinerzeit unter dem ausländischen Recht verstanden und worin sie nachahmenswerte Vorbilder erblickt haben. Aus diesem Grund stützen sich die folgenden Ausführungen weniger auf Original-Quellen und ausländische Literatur/Rechtsprechung denn im Schwergewicht auf die deutschsprachige (Sekundär-)Literatur der damaligen Zeit 3 . I. Das englische Strafverfahren Anders als das deutsche Strafverfahren hat das angelsächsische das Stadium eines reinen Inquisitionsprozesses niemals durchgemacht. Es hat sich vom Anklageprozeß altdeutschen Vorbildes schon in früher Zeit weitgehend verselbständigt. O b wohl auch in England-vorwiegend im 16. und 17. Jahrhundert, als das Königtum auch hier mit Gewalt zu absolutistischen Formen drängte - die Strafrechtspflege von Willkürakten nicht völlig verschont blieb, hat doch der englische Strafprozeß den Anklagegrundsatz und das Erfordernis einer mündlichen Hauptverhandlung vor einem Geschworenengericht von frühesten Anfängen an gekannt und im folgenden bewahren können 4 . Eine entscheidende Wende hatte das englische 5 Strafverfahren dann ausgangs des 17. Jahrhunderts genommen. Nach dem Sturz Jakobs II. schlug sich der Ruf nach einem ,,fair trial" in zahlreichen,,rules" (gesetzten oder auch nur richterlichen Rechts) erfolgreich nieder. Als der Beschuldigte im Strafprozeß des Kontinents noch mehr oder weniger schutzloses Untersuchungsobjekt war, hatte das englische Strafverfahren ihn als Prozeßbeteiligten bereits weitgehend anerkannt 6 . Zwei Charakteristika sind im englischen Strafprozeß besonders auffällig; diese zwei Punkte haben sein Wesen bis heute entscheidend geprägt: Es ist dies zum ei3 Diese Beschränkung (im Thema und in den Quellen) dürfte zum einen vom vorliegend verfolgten Ziel her einsichtig und zum anderen vor allem deshalb vertretbar sein, weil es hier im wesendichen um die allgemeinen Grundzüge geht. Diese allgemeinen Grundlagen sind speziell im Beweisrecht sowohl im englischen wie im französischen Strafprozeß weitgehend gleich geblieben. Nicht verkannt ist, daß der äußere Verfahrensgang insbesondere des französischen Strafprozesses durch zwischenzeidiche Gesetzesänderungen (und zwar nicht erst durch den „Code de Procedure Pénale" von 1959) bedeutende Änderungen erfahren hat, durch die die praktischen Dimensionen der einzelnen Prozeßarten schwerwiegend verschoben wurden. 4 Selbst die zunehmende Formalisierung des Strafverfahrensrechts etwa ab Mitte des 18. Jahrhunderts hatte hieran nichts zu ändern vermocht. Diese deutlich verstärkte Formenstrenge diente vorwiegend dazu, den Angeklagten vor den überaus strengen Strafen, insbesondere der überreichlich vorgesehenen Todesstrafe, zu schützen: siehe weiterführend Radzinowicz, History Bd. 1, S. 23 ff. und S. 97 ff. sowie Stephen, History Bd. 1, S. 469 ff. 5 Zu der etwas anders verlaufenden Entwicklung in Schotdand vgl. Mittermaier, Englisches Strafverfahren, S. V und passim (zu den Unterschieden im Vorverfahren: a. a. O. •S. 182 ff.; zur Verwertung schrifdicher Geständnisse und Protokolle: a. a. O. S. 336 f.). Zur unterschiedlichen Gerichtsverfassung neuerdings von Ungern-Stemberg, Diss. jur. Freiburg (1973). 6 Zur geschichdichen Entwicklung Mittermaier, Englisches Strafverfahren, S. 2 ff. und Zachariae, Handbuch I, S. 151 ff.

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2. Kapitel: Ausländische Vorbilder

nen die Waffengleichheit der Beteiligten, die schon früh zu einer Art von Parteien-Prozeß zwischen dem Vertreter der Anklage und der Beschuldigtenseite führte und den (Vorsitzenden) Richter während des Prozesses demzufolge weitgehend auf eine Schiedsrichterposition zur Überwachung der „Wettkampf"-Regeln festlegte7. Zum zweiten ist dies di e Idee der Geschworenengerichte in ihrer Verbindung mit weitestmöglicher Öffentlichkeit des Verfahrens. Eben diese Geschworenenverfassung8 hat gerade für die uns beschäftigenden Fragen des Unmittelbarkeitsgrundsatzes wichtige Weichen gestellt. So hat die Laien-Beteiligung nicht nur eine strenge Aufgabenverteilung zwischen dem die Schuldfrage entscheidenden Laien-Kollegium einerseits und dem Berufsrichter andererseits mit sich gebracht. Mit der Entwicklung von einer Art „Zeugen"-Jury zu echter „Urteils"-Jury hat die Geschworenenverfassung - wie noch zu zeigen sein wird - darüber hinaus zu der im wesentlichen noch heute gültigen englischen Beweislehre entscheidend beigetragen. Weil jedoch gerade das englische Beweisrecht letztlich nur von seinem gerichtsorganisatorischen Unterbau und dem äußeren Gang des Verfahrens her verständlich wird, soll zunächst von diesen Fragen gesprochen werden. 1. Der Gang des Verfahrens Die englische Gerichtsverfassung war (und ist noch heute) äußerst unübersichtlich. Einmal, weil es trotz strengen Akkusationsprinzips kein behördliches Anklagemonopol etwa in Form der deutschen Staatsanwaltschaft gab (und bis heute nicht gibt) 9 ; zum anderen, weil die Zahl erstinstanzlicher Spruchkörper vielfältig groß und die erstinstanzliche Zuständigkeit zudem bei den meisten Straftaten nicht genau bestimmt ist. Der englische Strafprozeß um 1800 kannte grundsätzlich zwei Verfahrens arten, das summarische Verfahren („summary trial") vor den Friedens- oder Polizeigerichten für die kleinere Kriminalität und das anklageschriftliche Verfahren („trial on indictement") vor den Geschworenengerichten. Diese Unterscheidung war in der Praxis deshalb so verwirrend, weil sich oft erst nach Verfahrensbeginn vor dem Friedensrichter (vor dem in aller Regel beide Verfahrensarten begannen) entschied, ob sich die Sache nach ihrer Schwere und nach der zu erwartenden Strafe für das summarische Verfahren überhaupt eignete. 7 Freilich ist nicht zu übersehen, daß der englische Strafprozeß insbesondere im 18. und 19. Jahrhundert teilweise so stark von der Idee des Wettkampfes zwischen den Parteien geprägt war, daß darunter die Wahrheitserforschung zu leiden drohte: vgl. hierzu Radzinowicz, History Bd. 1, S. 97 ff.; siehe zusammenfassend auch Herrmann, Hauptverhandlung, S. 154 ff. 8 Deren rechtsgeschichtlicher Hintergrund bis heute noch nicht resdos geklärt scheint: weiterführend Brunner, Die Entstehung der Schwurgerichte (1872) sowie Biener, Das englische Geschworenengericht, 3 Bände (1852 bis 1855); zusammenfassend Zachariae, Handbuch I, S. 170 ff. sowie Westhoff, Beweisrecht, S. 94 ff. 9 Als Ankläger konnten auftreten der Verletzte selbst (schon früher seltener Ausnahmefall), sein Anwalt, die Polizei oder in bestimmten Fällen behördlich beauftragte Anklagevertreter: Näheres bei Zachariae, Handbuch I, S. 166 ff., Mittermaier, Englisches Strafverfahren, S. 75 ff., Geyer, Strafproceßrecht, S. 109 ff. und bei Glaser, Handbuch I, S. 134 ff. - Anders insofern die Rechtslage in Schottland (auf die - siehe obige Anm. 5 - im folgenden freilich nicht näher eingegangen wird): dort gab es eine eigene Anklagebehörde mit dem Lord Advocate an der Spitze (vgl. Renton-Brown, Criminal Procedure, S. 26 ff.).

I. Das englische Strafverfahren

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a) Betrachten wir zunächst in aller Kürze das summarische Verfahren10. Es begann mit der Vorlage einer Strafanzeige („information") durch den Ankläger („prosecutor"), der sein Beweismaterial in einem gesetzlich nicht näher geregelten Ermittlungsverfahren gesammelt hatte. Auch nach Einleitung des summarischen Verfahrens entwickelte der Friedensrichter in aller Regel keine eigene Ermittlungs- und Untersuchungstätigkeit. Es war Sache zunächst des Anklägers, seine Beweise - zumeist in öffentlicher Verhandlung - dem Richter vorzulegen ; ebenso blieb es dem Beschuldigten und seinem Anwalt überlassen, entsprechendes Entlastungsmaterial herbeizuschaffen. Dann hatten die „Parteien" die Möglichkeit des Kreuzverhörs („cross-examination"), bei dem sie die Zeugen oder die Sachverständigen der Gegenseite einem scharfen Gegenverhör unterziehen konnten. Der Beschuldigte selbst wurde nicht förmlich vernommen. Außergerichtliche Geständnisse aus dem vorangegangenen Ermittlungsverfahren konnten in diesem Stadium des Verfahrens grundsätzlich nicht verwertet werden. Selbstverständlich erhielt der Beschuldigte jedoch Gelegenheit, sich zu jedem einzelnen Beweismittel zu äußern. Der Richter selbst hatte keine Untersuchungsaufgaben, da das Beweismaterial ausschließlich von den Parteien aufzubereiten war. Es versteht sich freilich, daß auch er jederzeit klärende Zwischenfragen stellen konnte. Die Ergebnisse der Beweisaufnahme wurden vom jeweiligen „clerc" (einem juristisch ausgebildeten Geschäftsstellenbeamten, der den Friedensrichter fachlich zu beraten hatte) in Protokollen festgehalten. Diese Niederschriften mußten dem Beschuldigten vorgelesen und vom Richter beglaubigt werden. Das summarische Verfahren endete in den Fällen, in denen die Zuständigkeit des Friedens- oder Polizeirichters gegeben und die Einschaltung einer Laienjury demnach nicht erforderlich war, durch Urteil des Friedens- oder Polizeirichters. In allen anderen Fällen setzte der Friedensrichter den Beschuldigten außer Verfolgung („discharged") 1 1 oder sprach die Verweisung der Sache ins anklageschriftliche Verfahren aus („committed for trial"). b) Das ordentliche (anklageschriftliche) richt konnte

Verfahren vor dem Geschworenenge-

10 Näheres (mit weiterführenden Nachweisen) bei Mittermaier, Englisches Strafverfahren, S. 90 ff., Best-Marquardsen, Beweisrecht, S. 457 ff., Stephen-Mühry, Handbuch, S. 383 ff., Glaser, Handbuch I, S. 137 ff. sowie bei Geyer, Strafproceßrecht, S. 111 f. Zum summarischen Verfahren im Rahmen des „Gerichts der Allgemeinen Vierteljährigen Sitzungen der Friedensrichter" siehe Stephen-Mühry, Handbuch, S. 369. Aus neuerer Literatur vgl. vor allem die Zusammenfassung bei Krattinger, Strafverteidigung im Vorverfahren, S. 150 ff. Nach Krattinger {Λ. a. O . S . 152) werden über 80 % aller anklageschrifdich verfolgbaren Straftaten, die zugleich summarisch verhandelt werden können, im summarischen Verfahren abgeurteilt (Arbeit aus dem Jahre 1964). Herrmann, Hauptverhandlung, S. 161 geht sogar von etwa 98 % aus (Arbeit aus dem Jahre 1971). Einen zahlenmäßigen Uberblick über die ältere Zeit (1838), bei der das Verhältnis beider Verfahrensarten noch etwas ausgeglichener war, geben Stephen-Mühry (Handbuch, S. 577 f.). 11 Mit der Folge, daß bei besserem Beweismaterial erneut angeklagt werden kann: vgl. Stephen-Mühry, Handbuch, S. 573 und Westhoff, Beweisrecht, S. 102. Aus diesem Grund zogen es viele Beschuldigte vor, sofort Uberweisung ins anklageschriftliche Verfahren zu beantragen: vgl. Mittermaier, Englisches Strafverfahren, S. 95 f.

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2. Kapitel: Ausländische Vorbilder

aa) auf dreifache Weise zustande kommen. Die schriftliche Anklageerhebung durch „information" war eine außerordentliche Klageerhebung, die den Straffall ohne jede Voruntersuchung sofort vor das erkennende Gericht („petty jury") brachte 1 2 . - Eine besondere Art der Einleitung des ordentlichen Verfahrens kannte das englische Strafverfahrensrecht zur Aufklärung zweifelhafter Todesursachen 13 . In diesen Fällen entfaltete der „coroner" - insofern dem deutschen Inquirenten nicht unähnlich - vor der „coroner's jury" eigene umfassende Ermittlungstätigkeit. In inquisitorischer Art vernahm er selbst Zeugen und Sachverständige; ein Kreuzverhör durch die Parteien war nicht möglich. Alle Aussagen wurden protokolliert und von den Zeugen sowie vom „coroner" unterschrieben. Der Wahrspruch der Geschworenen („présentement") ersetzte gewissermaßen die Entscheidung einer Anklage-Jury und führte die Sache unmittelbar vor das erkennende Gericht. - Die Regelform der Anklage schließlich (,,indictement"-'Veriahren) 14 begann mit einem Vorverfahren vor dem Friedensrichter, das sich in seinem Ablauf mit dem bereits geschilderten summarischen Verfahren äußerlich deckte. Auch als „examining judge" wurde der Friedensrichter also nicht inquisitorisch tätig, sondern überwachte nur die Beweisaufnahme durch die Parteien. Dieses Vorverfahren, dem der Beschuldigte übrigens nicht zwingend unterworfen war 1 5 , war demnach eine Art von kontradiktorischem Eröffnungsverfahren. Es diente nicht der Sammlung von Beweismaterial mit dem Ziel der späteren Verwertung in der Hauptverhandlung, sondern hatte in erster Linie die Aufgabe, den Angeklagten mit dem gegen ihn vorgebrachten Belastungsmaterial bekannt zu machen. Es sollte ihm Gelegenheit zu eigenen Entlastungsbeweisen verschaffen, um so möglicherweise den Beschwernissen einer Hauptverhandlung zu entgehen. Daneben diente das Vorverfahren freilich auch der Entscheidung über eine mögliche Untersuchungshaft oder eventuell notwendige andere Zwangsmittel. Wie bereits dargestellt, endete das Vorverfahren entweder in der Entscheidung „discharged" oder aber dadurch, daß die Sache an die Anklage-Jury („grand jury") verwiesen wurde („committed for trial"). Letzterenfalls schickte der Friedensrichter die Protokolle an die Anklage-Jury, die nun ihrerseits den Beschuldigten außer Verfolgung setzen oder aber die ihr schriftlich vorgelegte Anklage (,,indictement") l f i mit den Zum ,,information"-Verfahren vgl. Glaser, Handbuch I, S. 137, Stephen-Mühry, Handbuch, S. 4 3 7 ff. und Mittermaier, Englisches Strafverfahren, S. 130 ff. 1 3 Zur „ c o r o n e r ' s inquestion" vgl. Mittermaier, Englisches Strafverfahren, S. 9 6 ff., Stephen-Mühry, Handbuch, S. 374 ff., Zachariae, Handbuch I, S. 162 f. sowie Geyer, Strafproceßrecht, S. 107 f. Aus neuerer Zeit vgl. Krattinger, Strafverteidigung im Vorverfahren, S. 159 f. 1 4 Zum ,,indictement"-Verfahren: Mittermaier, Englisches Strafverfahren, S. 64 ff., Best-Marquardsen, Beweisrecht, S. 4 5 9 ff., Stephen-Mühry, Handbuch, S. 4 1 8 ff. und P. Liepmann Z S t W 6 (1886), S. 4 1 8 ff. Aus neuerer Zeit vgl. wiederum Krattinger, Strafverteidigung im Vorverfahren, S. 156 ff. 1 5 E r konnte jederzeit die sofortige Verweisung an die Anklage-Jury beantragen: vgl. Mittermaier, Englisches Strafverfahren, S. 64 sowie von Tippeiskirch G A 2 (1854), S. 316. 1 6 Die der Anklage-Jury vorgelegte schriftliche Anklage zeichnete sich nach dem Urteil zeitgenössischer deutscher Autoren durch ihre knappe und gedrängte Sprache aus. Abgestellt auf die Aufnahmefähigkeit der Laiengeschworenen, habe sie sich auf eine kurze Tatbeschreibung (aus der Sicht des Anklägers) sowie darauf beschränkt, die beabsichtigte Beweis-

I. Das englische Strafverfahren

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Worten ,,a true bill" zur Entscheidung an das erkennende Gericht verweisen konnte. Das nicht-öffentliche Verfahren vor der Anklage-Jury war in aller Regel äußerst kurz und nach Urteil der zeitgenössischen Autoren auch meist nur oberflächlich 1 7 . Protokolle wurden nicht geführt. Der Beschuldigte selbst durfte nicht erscheinen. Zeugenvernehmung war möglich, aber nicht üblich. Im übrigen trug allein der Ankläger seine Beweise vor. Diese Beweise wurden von der „grand j u r y " , der die Akten der Voruntersuchung im einzelnen unbekannt blieben, in einer Art Schlüssigkeitsprüfung gewertet - ein Verfahren, das zwar viel Kritik hervorgerufen hat, in dieser negativen Kritik aber andererseits nicht überbewertet wurde, weil die nachfolgende Hauptverhandlung vor der „petty j u r y " besondere Sorgfalt versprach. bb) War der Beschuldigte durch die Anklage-Jury formell in den Anklagestand versetzt und hatte er die Frage, ob er „guilty" oder „not guilty" plädiere, mit „nichtschuldig" beantwortet 1 8 , begann das eigentliche Erkenntnisverfahren vor der „petty j u r y " . Zunächst gab der Ankläger in knappen Worten den Inhalt der Anklage bekannt 1 9 und erläuterte kurz die von ihm beabsichtigte Beweisführung („opening the case"). Im Anschluß hieran führte er sein Belastungsmaterial vor, demgegenüber der Verteidiger die Möglichkeit des Kreuzverhörs erhielt. In gleicher Weise brachte dann der Verteidiger seine Beweise vor, die der Ankläger seinerseits einem scharfen Kreuzverhör unterziehen durfte. Eine förmliche Vernehmung des Angeklagten war zu der Zeit, die hier geschildert wird, nicht vorgesehen 2 0 . Es versteht sich jedoch, daß der Angeklagte natürlich zu jedem Beweismittel sich äußern konnte. U n d selbstverständlich konnte ein gerichtliches Geständnis jederzeit berücksichtigt werden 2 1 . führung kurz zu erläutern. Inhaltliche Wiedergabe vorangegangener Zeugenaussagen sei weitgehend vermieden worden: vgl. insofern die positiven Stellungnahmen Mittermaiers (Englisches Strafverfahren, S. 244 ff.) sowie von Tippeiskirchs ( G A 2 (1854), S. 326). 1 7 Vgl. Mittermaier, Englisches Strafverfahren, S. 2 6 8 ff., Stephen-Mühry, Handbuch, S. 4 1 9 und S. 5 8 7 ff. und P. Liepmann Z S t W 6 ( 1 8 8 6 ) , S . 4 6 4 ff. Etwas weniger kritisch insofern von Tippeiskirch G A 2 (1854), S. 317. 1 8 Unterwarf sich der Angeklagte der Anklage („arraignment"), bedurfte es im weiteren der „ p e t t y j u r y " nicht. Der Richter fällte ohne Beweisaufnahme das Urteil, gebunden nur an die durch die Anklage-Jury bestätigte Anklageschrift. Weiterführend (auch zum rechtsgeschichdichen Hintergrund dieses „plea-guilty-Verfahrens"): Mittermaier, Englisches Strafverfahren, S. 352 ff. und Stephen-Mühry, Handbuch, S. 4 5 8 ff. 1 9 Die Geschworenen bekamen also - darauf sei ausdrücklich aufmerksam gemacht - die Anklageschrift nicht zu sehen. Sie entschieden ausschließlich auf Grund des ihnen in der Hauptverhandlung vorgetragenen Beweismaterials. W o h l aber hatte Aktenkenntnis (bezüglich der Anklageschrift und der Untersuchungsprotokolle) der Vorsitzende Richter: vgl. Stephen-Mühry, Handbuch, S. 595, Wimmer, Englisches Strafverfahren, S. 3 0 und Krattinger, Strafverteidigung im Vorverfahren, S. 186. 2 0 Nachdem die Möglichkeit förmlicher Angeklagten-Vernehmung noch 1879 im englischen Unterhaus ausdrücklich abgelehnt worden war (vgl. Geyer, Strafproceßrecht, S. 117), brachte der „Criminal Evidence A c t " von 1898 die Möglichkeit (freiwilliger) zeugeneidlicher Vernehmung des Angeklagten (mit dem Risiko des sich daran anschließenden Kreuzverhörs): vgl. Herrmann, Hauptverhandlung, S. 421. 21

Vgl. Best-Marquardsen,

Beweisrecht, S. 341 ff. (351 f.).

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2. Kapitel: Ausländische Vorbilder

Die Beweisaufnahme war also, wie aus dem bereits Gesagten folgt, grundsätzlich Sache der Parteien. Der Richter entschied über die Zulässigkeit eines Beweismittels und über Zulässigkeit oder Nichtzulässigkeit der einzelnen Fragen des Kreuzverhörs; ansonsten hatte er lediglich die Möglichkeit klärender Zusatzfragen, von der er meist nur zurückhaltend Gebrauch machte und - wenn überhaupt - dann oft zugunsten des Angeklagten, insbesondere bei Fehlen eines Verteidigers 22 . Nach beendeter Beweisaufnahme erhielten Verteidiger und Ankläger in dieser Reihenfolge Gelegenheit zu ihren Plädoyers; dann folgte der Schlußvortrag („charge") des Richters. Hier faßte dieser das Ergebnis der Beweisaufnahme für die Geschworenen noch einmal zusammen, wobei er auf die nach seiner Meinung entscheidenden Punkte aufmerksam machte und im übrigen großes Gewicht darauf legte, die Geschworenen über die nach Lage des Falles einschlägigen Beweisregeln zu informieren. Hierbei war es üblich, daß der Richter sich bei seinem Schlußvortrag auf private Notizen stützte, die er sich während der Beweisaufnahme als Gedächtnisstützen angefertigt hatte 23 . Dem Schlußvortrag des Richters folgte die geheime 24 Beratung der Geschworenen, denen in ihrem Beratungszimmer die amtlichen Verhörprotokolle und die schriftliche Anklage natürlich auch jetzt nicht zur Verfügung standen; auch die Geschworenen durften sich allerdings auf private Gedächtnisnotizen stützen. In öffentlicher Sitzung verkündete der Obmann der Geschworenen (ohne Angabe von Gründen) ihr „Schuldig" oder „Nicht-schuldig". Bei „Schuldig" entschied der Richter anschließend über das entsprechende Strafmaß 25 . 2. Das Beweisrecht a) Das englische Beweisrecht ist in eindrucksvoller Weise Produkt der dortigen Gerichtsverfassung, wurde es doch entscheidend geprägt von der jahrhundertealten Aufteilung der Rechtsprechungsfunktion auf juristisch ausgebildete Richter einerseits und Laien-Beisitzer andererseits. Gekennzeichnet durch eine Vielzahl meist gewohnheitsrechtlich entwickelter Beweisregeln („rules"), hält das englische Beweisrecht gewissermaßen die Mitte zwischen einer gesetzlichen Beweistheorie, wie sie für den gemeinrechtlichen Inquisitionsprozeß deutscher Prägung bezeichnend ist, und dem Grundsatz freier richterlicher Beweiswürdigung, wie " Darauf weist Mittermaier (Englisches Strafverfahren, S. 313 und S. 421) ausdrücklich hin. 23 Interessant in diesem Zusammenhang eine beiläufige Bemerkung Mittermaiers (Englisches Strafverfahren, Anm. 18 auf S. 313): Nach Meinung englischer Juristen sei es allein schon wegen dieser schriftlichen Notizen, die sich der Richter für seine , .charge" anfertigen müsse, unbedingt nötig, daß er nur zuhört und nicht durch die Leitung der Beweisaufnahme in Anspruch genommen wird. 24 Glaser (Handbuch I, S. 139 f.) weist darauf hin, daß die Geschworenen ab Verhandlungsbeginn bis zur Verkündung ihres Spruchs von der Umwelt strengstens abgeschirmt werden; man darf wohl ergänzen: damit sie ihr Urteil wirklich nur „dem Inbegriff der Verhandlung" entnehmen. 25 Auf Korrekturmöglichkeiten des Richters dem Wahrspruch der Geschworenen gegenüber (hierzu Mittermaier, Englisches Strafverfahren, S. 490 ff.) sowie auf Rechtsmittelfragen kann vorliegend nicht eingegangen werden.

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ihn die deutsche Reichs-Strafprozeßordnung von 1877 vom französischen Recht übernommen hat. U m die Eigenart des englischen Beweisrechts gegenüber gesetzlichen Beweistheorien auf der einen und freier Beweiswürdigung auf der anderen Seite zu verdeutlichen, bedarf es eines kurzen Rückblicks auf die geschichtliche Entwicklung der Geschworenenverfassung 2 6 : Als etwa zu Beginn des 13. Jahrhunderts und als Folge des Lateranischen Konzils (1215) auch in England die bis dahin gebräuchlichen sakralen Beweisformen (Gottesurteil, gerichtlicher Zweikampf, Reinigungseid u. ä.) außer Gebrauch kamen, übernahm man im Strafverfahren eine Einrichtung, die bereits im Zivilprozeß seit Mitte des 12. Jahrhunderts unter dem Namen „ J u r a t a " oder „ G r o ß e Assise" in Übung war. Mehrere (meist zwölf) Personen aus der Gegend, in welcher der Rechtsstreit zu lokalisieren war, wurden von Amts wegen aufgerufen, ihr Wissen von der Angelegenheit, das sie durch eigene Wahrnehmungen oder vom Hörensagen erfahren haben konnten, gerichtlich zu beschwören. So gesehen waren die ersten Geschworenen nichts anderes als eine Art öffentlich berufener Zeugen. In einem bis heute nicht restlos geklärten Entwicklungsprozeß änderte sich im Laufe der Jahrhunderte die Funktion der Geschworenen, indem aus Zeugen nunmehr Richter über die Tatsachen wurden. U m diese Laienrichter sachgerecht beraten zu können, man wird wohl auch sagen dürfen: um ihre übergroße Macht in Grenzen halten zu können, wurde ihnen ein juristisch ausgebildeter Fachmann zur Seite gestellt. So war die ursprüngliche ,,Beweis"-Jury etwa mit Beginn des 16. Jahrhunderts endgültig zur ,,Urteils"-Jury heutiger Prägung geworden. Parallel hierzu war Schritt für Schritt ein eigenständiges Beweisrecht entstanden. Dabei waren die Beweisregeln zunächst nichts anderes als unverbindliche Anleitungen und Ratschläge, gewissermaßen „Klugheitsregeln" des prozeßerfahrenen Fachmanns; die rechtsunerfahrenen Geschworenen konnten diese Hilfen nach Belieben befolgen oder auch nicht. Dieser beweisrechtliche Entwicklungsprozeß ging freilich langsamer vonstatten als die gerichtsorganisatorische Entstehung der Urteils-Jury 2 7 . Erst etwa ab Mitte des 17. Jahrhunderts waren die Beweisregeln überwiegend als zwingendes Recht anerkannt. Von hier aus erklärt sich übrigens auch die Natur der „rules" gerade als fteweisausschließungsregeln. Ebenso wie die (positiven oder negativen) Beweisregeln der gemeinrechtlichen gesetzlichen Beweistheorien wollen sie verhindern, daß das Urteil auf qualitativ unzuverlässigem Beweismaterial beruht. Grundverschieden sind nur die Mittel, dieses gemeinsame Ziel zu erreichen. Während die gemeinrechtlichen Beweisregeln

2I ' Zur geschichtlichen Entwicklung der englischen Geschworenenverfassung insbesondere in bezug zum Beweisrecht: Stephen ZStW 1 (1881), S. 453 ff., Geyer, Strafproceßrecht, S. 98 ff., Best-Marquardsen, Beweisrecht, S. 100 ff., Newman, Beweisrecht, S. 33 und KulischerGrünhut's Zeitschrift 3 4 ( 1 9 0 7 ) , S . 180 ff. Vgl. imiibrigenobige Anm. 8(mit weiteren Nachweisen). 2 7 Der entscheidende Grund hierfür dürfte vor allem in der Tatsache zu finden sein, daß erst mit den allmählich zunehmenden Verteidigerbefugnissen Einwendungen gegen Beweisführung und Beweiswürdigung häufiger wurden und von hier aus der Wechsel von unverbindlichen Zweckmäßigkeitsregeln zu zwingendem Recht die natürliche Folge war: vgl. Best-Marquardsen, Beweisrecht, S. 113 f.

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2. Kapitel: Ausländische Vorbilder

dem Richter den Wert eines bestimmten Beweismittels bindend vorschrieben und ihm eine differenzierende Abwägung der Beweise im Einzelfall versagten, beeinträchtigen Beweisausschließungsregeln die selbstverantwortliche freie Schlußfolgerung des Richters keineswegs und lassen ihm die Möglichkeit freier Beweiswürdigung 28 . Sie disziplinieren den Richter nicht in seinen Schlußfolgerungen, sondern befassen sich mit den Beweisunterlagen selbst, indem sie das Beweismaterial ausscheiden, das für ein zuverlässiges Urteil erfahrungsgemäß unbrauchbar ist oder wegen zu großer Gefahrenquellen zumindest als bedenklich erscheint. Daß diese Beweisvorschriften den Charakter von Beweisausschließungsregeln haben, folgt aus der gerichtsorganisatorischen Trennung in Richter und Geschworene. Der Richter kann die grundsätzlich unabhängigen Geschworenen weder rechtlich noch faktisch zwingen, aus einem bestimmten Beweismittel einen ganz bestimmten Schluß zu ziehen oder dies zu unterlassen. Wohl aber kann er verhindern, daß die Geschworenen sich mit diesem Beweismaterial überhaupt befassen können 29 . b) Als sicherlich wichtigste Grundregel des englischen Beweisrechts ist seit langem die ,,best evidence rule" anerkannt. Nach dieser Maxime muß ,,das beste Beweismittel, welches die Natur des Falles zuläßt, wenn es zu haben ist, beigebracht werden . . . ; kann man es nicht haben, so muß das nächst beste" herangezogen werden 30 . Dabei versteht sich nach dem soeben Gesagten gerade für das englische Recht, daß privates Wissen der Geschworenen für die Urteilsfindung nicht verwertet werden darf. Sinn und Zweck der „best evidence rule" werden am besten verdeutlicht durch die Forderung nach ursprünglichen Beweisen, negativ: durch die Ablehnung abgeleiteter Beweise, die als solche ihre Kraft einem anderen Beweismittel entnehmen. Von grundlegender Bedeutung für das englische Beweisrecht ist demzufolge die Unterscheidung von Originalbeweis einerseits und nichtoriginalem, abgeleitetem oder überliefertem Beweis („secondary evidence") andererseits31. Nochmals: Originalbeweismittel sind solche, die ihre Beweiskraft aus sich selbst schöpfen; abgeleitet sind diejenigen Beweise, die ihre Kraft aus und von anderen Beweisen herleiten 32 . 2 8 So auch ausdrücklich Mittermaier, Englisches Strafverfahren, S. 325 f. und derselbe, Mündlichkeit, S. 27 ff., Sachs, in: Newman, Beweisrecht, S. 19 und Feuerbach, Mündlichkeit Bd. II, S. 459 ff. Vgl. auch Kulischer Grünhut's Zeitschrift 34 (1907), S. 172. 2 9 Eine andere Frage ist, ob die „Parteien" solche Beweisausschließungsregeln durch Vereinbarung außer Kraft setzen können. Im vorigen Jahrhundert wurde diese Frage im Grundsatz verneint, obwohl schon damals zahlreiche Ausnahmen zugestanden waren (vgl. Best-Marquardsen, Beweisrecht, S. 91 ff.). Herrmann (Hauptverhandlung, S. 164 ff.) weist darauf hin, daß das amerikanische Recht insofern schon immer großzügiger war und daß in neuester Zeit auch das englische Recht aus Gründen der Verfahrensvereinfachung und zur Beschleunigung der Hauptverhandlung solche Parteiabreden in vermehrtem Umfang zuläßt. 3 0 So wörtlich Stephen-Mühry, Handbuch, S. 505. Sachlich gleich Marquardsen GS 1 (1849), S. 120 f. und Mittermaier, Englisches Strafverfahren, S. 327. 3 1 Vgl. hierzu insbesondere Best-Marquardsen, Beweisrecht, S. 20 ff. und S. 318 ff. 3 2 Völlig zu Recht wollen Best-Marquardsen (Beweisrecht, S. 20 und insbesondere S. 272 ff.) von dem Begriffspaar „Original- und abgeleiteter Beweis" jenes andere Begriffspaar „direkter und indirekter Beweis" streng unterschieden wissen. Von direktem Beweis

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Innerhalb der abgeleiteten Beweismittel, die in ihrem Wert erfahrungsgemäß dem Originalbeweis unterlegen sind und mit zunehmender Zahl der ableitenden Medien natürlich weiter an Beweiswert verlieren, unterscheidet das englische Beweisrecht im einzelnen fünf A r t e n 3 3 : (1) Wenn ein Zeuge mündlich wiedergibt, was ihm eine andere Person erzählt hat, wird mündliche Evidenz durch mündliche Evidenz vermittelt. Hier handelt es sich u m den klassischen Fall des Beweises v p m „ H ö r e n s a g e n " . (2) Wenn der Inhalt einer U r k u n d e durch eine Zeugenaussage über den Inhalt eben dieses D o k u m e n t s ersetzt wird, wird schriftliche Evidenz durch mündliche vermittelt. (3) Wenn Existenz oder Inhalt einer U r k u n d e durch eine Abschrift des Originals bewiesen werden soll, wird schriftliche Evidenz durch schriftliche vermittelt. (4) Wenn statt einer mündlichen Zeugen- oder Sachverständigenaussage vor Gericht das entsprechende Aussageprotokoll verlesen wird, wird mündliche Evidenz durch schriftliche vermittelt. (5) U n d wenn schließlich beispielsweise ein Polizeibeamter als Zeuge über Tatort, Spuren, L a g e des M o r d o p f e r s u. ä. berichtet, wird Real- oder Augenscheinsevidenz durch mündliche Evidenz vermittelt. Wenn eben jener Polizeibeamte statt dessen aber ein entsprechendes schriftliches Protokoll vorlegt oder dem Gericht eine von ihm selbst gefertigte Skizze überbringt, dann wird Augenscheinsevidenz durch schriftliche ( = berichtete) Realevidenz b z w . durch weitere Realevidenz reproduziert. U m es nochmals zu betonen: Hauptanwendungsgebiet der „ b e s t evidence r u l e " ist das V e r b o t abgeleiteter Beweise. Verlangt wird freilich nur die im Einzelfall bestmögliche Evidenz. Ist originärer Beweis nach L a g e des konkreten Falles erwiesenermaßen nicht möglich, ist auch der Rückgriff auf abgeleitete Beweise zulässig 3 4 , innerhalb deren das englische Beweisrecht dann im übrigen keinerlei Gradunterschiede kennt 3 5 . Terminologisch versucht das Schrifttum 3 6 dies da-

sei zu sprechen, wenn die zu beweisende Haupttatsache (das für den Schuld- oder Strafausspruch bedeutsame „factum probandum") selbst Gegenstand des Beweises ist (Beispiel: A sieht, wie Β den C mit einem Messer ersticht) ; von indirektem Beweis (Anzeigenbeweis oder „circumstantial evidence") dagegen spreche man, wenn Haupttatsache und Beweistatsache nicht identisch sind und aus der Beweistatsache auf das factum probandum rückgeschlossen werden muß (Beispiel: A sieht, wie Β mit gezogenem Messer wegschleicht und kurze Zeit später mit blutiger Waffe zurückkehrt). Auch der Anzeigenbeweis ist ursprünglich und damit Original-Evidenz; denn er schöpft seine Beweiskraft aus sich selbst und nicht aus anderen Beweisquellen (Best-Marquardsen a. a. O. S. 273). Aus diesem Grund ist nach englischer Beweislehre direkter und indirekter (Indizien-)Beweis grundsätzlich gleichwertig. 3 3 Nach Best-Marquardsen, Beweisrecht, S. 22 f. und S. 318. 3 4 So immer wieder Best-Marquardsen, Beweisrecht, S. 84, S. 208 f. und S. 310. Weitere Nachweise oben Anm. 30. 3 5 Zulässig ist dann jede Art abgeleiteten Beweises: Fehlt beispielsweise die Originalurkunde, so ist nach Belieben des Gerichts entweder Zeugenvernehmung über den Inhalt der Urkunde oder Vorlage einer Kopie des Originals möglich : Best-Marquardsen, Beweisrecht, S. 83 und S. 312. 3 6 Vgl. insbesondere Best-Marquardsen, Beweisrecht, Anm. 1 auf S. 320. 3

Geppert, Grundsatz

2 . Kapitel: Ausländische Vorbilder

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durch z u m A u s d r u c k zu bringen, daß es - im Gegensatz zu schlechterdings unzulässiger Evidenz zweiter H a n d ( „ e v i d e n c e second h a n d " ) - von grundsätzlich zulässiger Evidenz zweiter Klasse ( „ s e c o n d a r y evidence") spricht. „ S e c o n d a r y evid e n c e " demnach stellt bei Fehlen von ursprünglichen Beweisen durchaus zulässige Evidenz dar; „evidence second h a n d " dagegen ist ausnahmslos unstatthaft und auch bei Fehlen von Originalbeweisen nicht zulässig. c) In einer Abhandlung z u m strafprozessualen Unmittelbarkeitsgrundsatz sind natürlich vor allem Fallgruppe N r . 1 (Beweis vom Hörensagen) sowie Fallgruppe N r . 4 (Verwertung v o n gerichtlichen Protokollen) von besonderer Bedeutung. Diese beiden wohl wichtigsten Anwendungsfälle der „ b e s t evidence r u l e " sollen folglich etwas ausführlicher dargestellt werden: aa) In der gerichtlichen Voruntersuchung wurde bekanntlich jede Zeugen- oder Sachverständigenaussage v o m zuständigen Gerichtsschreiber in Protokollen festgehalten. Diese Niederschriften mußten dem Zeugen/Sachverständigen vorgelesen, von ihnen unterschrieben und v o m Friedens- b z w . Polizeirichter beglaubigt werden 3 7 und wurden dann dem erkennenden Gericht übersandt 3 8 . In diesem Zusammenhang verdient hervorgehoben zu werden, daß auch nach angelsächsischem Recht dem Richter Aktenkenntnis 3 9 nicht verwehrt ist. Vielmehr war der angelsächsische Richter schon früher (und ist noch heute) rechtlich in der L a g e , diese seine Aktenkenntnis im Hinblick auf Beweisergänzungen sowie vor allem bei seinem „ s u m m i n g u p " zu verwerten 4 0 . Eine andere Sache ist jedoch, in welchem U m f a n g der Richter von dieser seiner Aktenkenntnis Gebrauch macht. Auf G r u n d der Tatsache, daß die Beweisaufnahme grundsätzlich in den H ä n d e n der „ P a r t e i e n " liegt, wird er freilich nur selten aktiv in die Beweisaufnahme eingreifen und Gelegenheit nehmen, seine theoretisch vorhandene Aktenkenntnis zu gebrauchen. D i e o f t gerühmte Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit des englischen Richters beruhte (und beruht) also nicht etwa auf gesetzlichem E n t z u g der Aktenkenntnis, sondern allein auf der Tatsache, daß die Beweisaufnahme A u f g a b e der Parteien ist 4 1 . Vgl. Stephen-Mühry, Handbuch, S. 508 und Best-Marquardsen, Beweisrecht, S. 97. Siehe vor allem P. Liepmann, Summarisches Strafverfahren, S. 61 f. und S. 114 f. — Daran hat sich bis heute grundsätzlich nichts geändert: vgl. Krattinger, Strafverteidigung im Vorverfahren, S. 186 und Herrmann, Hauptverhandlung, S. 313 ff., jeweils mit weiterführenden Nachweisen. 3 9 Und zwar vor allem hinsichdich der Anklageschrift, die freilich weniger ausführlich ist als bei uns (sie kennt nicht das bei uns übliche „wesentliche Ergebnis der Ermittlungen" : vgl. § 200 Abs. 2 Satz 1 StPO), sowie hinsichtlich der im Vorverfahren gewonnenen Aussageprotokolle. 4 0 Siehe vor allem P. Liepmann, Summarisches Strafverfahren, S. 61 f. und S. 114 f. (mit weiteren Nachweisen für die frühere Zeit) sowie Stephen, History Bd. 1, S. 544 und S. 565. Bezüglich der heutigen Rechtslage siehe vor allem Krattinger, Strafverteidigung im Vorverfahren, S. 186 und Herrmann, Hauptverhandlung, S. 313 ff. 4 1 Es ist im übrigen vor allem das Verdienst von Herrmann, in seiner Habilitationsschrift („Reform der deutschen Hauptverhandlung nach dem Vorbild des anglo-amerikanischen Strafverfahrens", Bonn 1971) überzeugend nachgewiesen zu haben (a. a. O . S . 313 ff.), daß auch der angelsächsische Richter trotz des dort gültigen anderen Beweisaufnahmesystems 37

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Die Geschworenen demgegenüber kennen die Aussageprotokolle nicht. Insofern gilt die allgemeine Regel der „best evidence": Alle Zeugen und Sachverständigen haben ihre Aussage persönlich vor der „petty jury" zu erstatten 42 . Die Verlesung von Protokollen ist abgeleiteter Beweis und somit grundsätzlich unzulässig· Als Evidenz zweiter Klasse („secondary evidence") sind die ordnungsgemäß aufgenommenen Protokolle der gerichtlichen Voruntersuchung ausnahmsweise aber dann verlesbar, wenn das originale Beweismittel nicht mehr zur Verfügung steht. Ist beispielsweise der betreffende Zeuge zwischenzeitlich verstorben, ist sein Erscheinen vor Gericht wegen Krankheit nicht möglich oder ist der Zeuge für längere Zeit außer Landes bzw. erwiesenermaßen durch den Angeklagten selbst von der Hauptverhandlung ferngehalten, so kann das frühere gerichtliche Protokoll verlesen werden, wenn die betreffende Aussage in Gegenwart des Beschuldigten bzw. seines Verteidigers gemacht worden war und wenn die Beschuldigtenseite Gelegenheit zum Kreuzverhör gehabt hatte 43 . Darüber hinaus ist eine förmliche Protokoll-Verlesung allerdings auch dann erlaubt, wenn das persönliche Erscheinen des Zeugen in der Hauptverhandlung von den Parteien bereits während der Voruntersuchung übereinstimmend als nicht notwendig bezeichnet worden war und seine Anwesenheit auch bei Beginn der Hauptverhandlung nicht gefordert wird 4 4 . Weicht die Aussage des in der Hauptverhandlung erschienenen Zeugen/Sachverständigen von seiner in der Voruntersuchung protokollarisch festgehaltenen Erklärung ab, so kann die frühere Aussage nicht ohne weiteres und vor allem nicht von der Seite, die den betreffenden Zeugen/Sachverständigen geladen hat, vorgehalten werden 4 5 . Zum Beweis dafür, daß die widersprüchliche frühere Aussage tatsächlich und inhaltlich so erfolgt ist, muß der Gegenanwalt zunächst das Protokoll des Vorverfahrens verlesen lassen 46 . Erst dann kann er dem Zeugen im Kreuzverhör seine widersprüchliche frühere Aussage vorhalten und nicht behobene Wi-

durchaus nicht nur der ahnungslose „Schiedsrichter" ist, wie man hierzulande noch gelegentlich annimmt. 42 Dabei sind private Notizen der Zeugen zur Auffrischung ihres Gedächtnisses auch nach englischem Recht zulässig: vgl. P. Liepmann ZStW 6 (1886), S. 435 sowie Best-Marquardsen, Beweisrecht, S. 214. 43 So übereinstimmend Best-Marquardsen, Beweisrecht, S. 93 und S. 97 f., Mittermaie,r, Englisches Strafverfahren, Anm. 9 auf S. 308 und S. 333 f., von Tippeiskirch GA 2 (1854), S. 317, Stephen-Mühry, Handbuch, S. 508 sowie Marquardsen GS 1 (1849), S. 125. 44 Vgl. Best-Marquardsen, Beweisrecht, S. 98 (kein Zeugenprotokoll dürfe „ohne die Zustimmung der Partei, gegen welche (es) gerichtet" sei, verlesen werden). Nach Krattinger (Strafverteidigung im Vorverfahren, S. 187mitAnm. 130) ist dies durch Sect. 13des Criminal Justice Act von 1925 ausdrücklich bestätigt worden. 45 Nicht ganz klar insofern die Bemerkungen von Marquardsen GS 1 (1849), S. 125 und Glaser, Beweis, Anm. 109 auf S. 264, wonach dem Zeugen widersprüchliche frühere Aussagen vorzuhalten seien. 46 Dies ist ohne weiteres zulässig, da es sich bezüglich des Widerspruchs um originalen Beweis handelt. 3»

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2. Kapitel: Ausländische Vorbilder

dersprüchlichkeiten im abschließenden Plädoyer gebührend hervorheben 4 7 . D e r Vorsitzende Richter selbst hält sich in diesem Zusammenhang erfahrungsgemäß zurück, obwohl auch er - das sei nochmals wiederholt - auf Grund seiner Aktenkenntnis theoretisch die Möglichkeit zu Vorhalten besitzt. bb) A u f die „ b e s t evidence rule" läßt sich letztlich auch eine weitere Eigenart des englischen Beweisrechts zurückführen, die sog. „hearsay rule"48. Diese in der Praxis englischer Gerichte überaus bedeutungsvolle (etwa seit Mitte des 17. Jahrhunderts als bindend anerkannte) Beweisausschließungsregel 4 9 hat sich, was besonderer Betonung wert ist, gegenüber der „best evidence rule" freilich weitgehend verselbständigt 5 0 . O b w o h l es sich auch beim Hörensagenbeweis u m abgeleiteten und somit nicht-originalen Beweis handelt, wird der Beweis durch Zeugen v o m Hörensagen anerkanntermaßen nicht als „secondary evidence" angesehen (zur Wiederholung: was zur Folge hätte, daß bei Fehlen von ursprünglichem, d. h. nicht abgeleitetem Beweis auf den sozusagen zweitbesten, nämlich den H ö rensagenbeweis zurückgegriffen werden könnte). Beweis v o m Hörensagen ist Evidenz zweiter H a n d („evidence second h a n d " ) und damit schlechterdings unzulässig 5 1 . Aus Gründen der Beweisnot freilich sind seit langem bestimmte Ausnahmen zugelassen. N a c h der ,,hearsay rule" sind alle schriftlichen oder mündlichen Zeugenaussagen, welche die Weitergabe fremder Tatsachenwahrnehmungen zum Inhalt haben und die Wahrheit der mitgeteilten Tatsachen erweisen sollen, grundsätzlich unzulässig. Detailliert ist die „hearsay evidence" in neuerer Zeit einmal wie folgt beschrieben w o r d e n 5 2 : 47 Vgl.Best-Marquardsen, Beweisrecht, S. 308 f. (unter Hinweis auf eine entsprechende richterliche Beschlußfassung aus dem Jahre 1837); ähnlich Stephen-Miihry, Handbuch, S. 509 sowie Mittermaier, Englisches Strafverfahren, S. 334 f. 4 8 Näher hierzu vor allem Stelter, Hearsay rule (1969), Lohr, Unmittelbarkeit, S. 91 ff., Sprang, Zeugen vom Hörensagen, S. 117 ff. und Best-Marquardsen, Beweisrecht, S. 320. 4 9 Die Schwächen des Hörensagenbeweises waren freilich schon seit Beginn des 15. Jahrhunderts bekannt, haben aber erst ab Mitte des 17. Jahrhunderts zum bindenden Beweisausschluß geführt. Zur geschichtlichen Entwicklung der „hearsay rule" vgl. insbesondere Kulischer Grünhut's Zeitschrift 34 (1907), S. 187 ff., Stelter, Hearsay rule, S. 14 ff. (mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen) und Best-Marquardsen, Beweisrecht, S. 110 ff. 5 0 Der Grund hierfür dürfte u. a. im geschichtlichen Hintergrund der Geschworenenverfassung zu finden sein. Bekanntlich waren die ersten Geschworenen nichts anderes als öffentlich berufene Zeugen, die ihr Wissen von der Streitsache meist gerüchtweise- d. h. eben vom Hörensagen - erlangt hatten. Der Umwandlung dieser ,,Zeugen"-Jury in eine echte ,,Urteils"-Jury war nahezu zwangsläufig auch die Ablehnung des Hörensagenbeweises schlechthin gefolgt: vgl. Kulischer Grünhut's Zeitschrift 34 (1907), S. 191. 5 1 Richtig insofern Lohr, Unmittelbarkeit, Anm. 187 auf S. 93 und schon Best-Marquardsen, Beweisrecht, S. 84. Ungenau insofern die Bemerkungen Newmans (Beweisrecht, Anm. 7 auf S. 63) und Mittermaiers (Englisches Strafverfahren, S. 327), wo die „hearsay rule" ohne weitere Erläuterung als Anwendungsfall der „best evidence rule" bezeichnet wird. 5 2 So das Judicial Committee of the Privy Council aus dem Jahre 1956 (zitiert nach Stelter, Hearsay rule, S. 13 f.). - Eigene Ubersetzung: „ D e r Beweis einer Äußerung, die von jemandem, der nicht selbst als Zeuge aufgerufen ist, einem Zeugen gegenüber gemacht wur-

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"Evidence of a statement made to a witness by a person who is not himself called as a witness may or may not be hearsay. It is hearsay and inadmissible when the object of the evidence is to establish the truth of what is contained in the statement. It is not hearsay and is admissible when it is proposed to establish by the evidence, not the truth of the statement, but the fact that it was made." Hiernach können also solche Äußerungen nicht v o r Gericht auftretender Dritter, die gleichzeitig mit der Tat gefallen sind oder in enger Verbindung zum Tatverlauf stehen 5 3 , in gleichem Maße wie Handlungen die Tat selbst darstellen und bilden demnach als „ r e s gestae" überhaupt keinen Fall (und auch keine Ausnahm e ! ) v o m H ö r e n s a g e n 5 4 . Aussagen über „res gestae" sind immer zulässig. Als originaler Beweis wollen sie nicht die inhaltliche Wahrheit der Äußerung, sondern lediglich die Tatsache, daß solche W o r t e gefallen sind, beweisen. N u r w o es um die inhaltliche Wahrheit der weitervermittelten Äußerung geht, liegt der Sache nach Beweis v o m Hörensagen vor. Solche „hearsay evidence" ist grundsätzlich unzulässig 5 5 . Zur Begründung 5 6 hierfür werden verschiedene A r gumente angeführt, die freilich nicht alle von gleicher Überzeugungskraft sind. So mag zwar die Zulassung des Hörensagenbeweises die Dauer des gerichtlichen E r kenntnisverfahrens in vielen Fällen verlängern; es ist aber ebensogut vorstellbar, daß das Verfahren auf Grund von „hearsay evidence" im Einzelfall auch schneller abgewickelt werden kann. Die Verkürzung der Prozeßdauer ist daher kein stichhaltiges Argument für die Unzulässigkeit des Hörensagenbeweises 5 7 , zumal Verfahrensbeschleunigung in einem auf materielle Wahrheitsfindung ausgerichteten Strafprozeß nicht Selbstzweck sein sollte. Der Beweis v o m Hörensagen mag des weiteren gelegentlich durchaus die Fähigkeiten gerade einer Laien-Jury in Fragen der Beweiswürdigung überfordern. Andererseits gibt es aber auch im englischen Recht sehr viele Verfahren, die ohne jede Beteiligung von Laien durchgeführt de, kann Hörensagen sein oder auch nicht. Es ist Hörensagen und damit unzulässig, wenn der Gegenstand des Beweises darin besteht, die Wahrheit von dem, was in der Äußerung enthalten ist, festzustellen. Es ist nicht Hörensagen und damit zulässig, wenn bezweckt wird, durch den Beweis nicht die Wahrheit der Äußerung als solcher festzustellen sondern nur die Tatsache, daß diese Äußerung gemacht wurde." 5 3 Paradebeispiel hierfür: die Hilfeschreie der Genotzüchtigten (vgl. Best-Marquardsen, Beweisrecht, S. 321). 5 4 Dies ist im Grundsatz allgemein anerkannt: vgl. Best-Marquardsen, Beweisrecht, S. 321, Newman, Beweisrecht, S. 63, Westhoff, Beweisrecht, S. 125, von Tippeiskirch G Ä 5 ( 1 8 5 7 ) , S . 317und Lohr, Unmittelbarkeit, S. 91. Die Grenzen zu unzulässiger „hearsay evidence" im einzelnen sind freilich oft umstritten: hierzu Steher, Hearsay rule, S. 106 ff. 5 5 Dies selbst dann, wenn der Zeuge vom Hörensagen nur ergänzend neben dem ursprünglichen Zeugen vernommen wird (vgl. Sprang, Zeugen vom Hörensagen, S. 118 und Kulischer Grünhut's Zeitschrift 34 (1907), S. 195) oder wenn ein Zeuge neben eigenen Wahrnehmungen zugleich auch über Tatsachen berichtet, die er nur vom Hörensagen kennt (vgl. Lohr, Unmittelbarkeit, S. 92). 5 6 Weiterführend vor allem die ausführliche Zusammenstellung bei Steher, Hearsay rule, S. 42 ff. 57 So auch Kulischer Grünhut's Zeitschrift 34 (1907), Anm. 73 auf S. 196 und Stelter, Hearsay rule, S. 45; wenig überzeugend insofern Newman, Beweisrecht, S. 63.

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2. Kapitel: Ausländische Vorbilder

werden und wo der Hörensagenbeweis ebenfalls verboten ist. Der gelegentliche Hinweis auf Irreführung der Jury gibt folglich ebenfalls keine tragfähige Grundlage für den generellen Ausschluß des Beweises vom Hörensagen 5 8 . Großes Gewicht legt man des weiteren seit langem der Tatsache bei, daß die ursprüngliche Erklärung von dem Erklärenden nicht unter Eid abgegeben worden war 5 9 . Mit Zunahme auch unbeeidigter Aussagen und angesichts der Tatsache, daß im Laufe der Zeit der Eid als Wahrheitsgarantie auch im englischen Recht viel von seiner früheren Bedeutung verloren hat, dürfte auch diesem dritten Argument - zumindest heute - keine allzugroße Bedeutung mehr beigemessen werden dürfen 6 0 . Somit bleiben allein zwei Gründe, die die generelle Unzulässigkeit des Hörensagenbeweises überzeugend zu tragen imstande sind. Es ist dies einmal die Gefahr der Entstellung und der fehlerhaften, widersprüchlichen oder lückenhaften Wiedergabe, die mit einer Aussage nur nach dem Hörensagen erfahrungsgemäß verbunden ist 61 . Als letztlich ausschlaggebend wird zum andern aber angesehen, daß die ursprüngliche Erklärung nicht unter den prozessualen Garantien abgegeben wurde, die im Interesse der Wahrheitsfindung im englischen Rechtsbewußtsein seit langem tief verwurzelt sind 62 : die ursprüngliche Erklärung sei weder,, viva voce in Gegenwart der Partei, gegen welche sie vorgebracht" wird, noch in öffentlicher Verhandlung erfolgt 63 ; und im übrigen habe die gegnerische Partei nicht die Möglichkeit gehabt, den Wahrheitsgehalt der ursprünglichen Erklärung durch Kreuzverhör eingehend zu überprüfen. Insbesondere aus letztgenannten beiden Gründen ist der Beweis vom Hörensagen nach englischem Recht grundsätzlich unzulässig. Unzulässig selbst dann, wenn - und das sei ausdrücklich wiederholt - eine Vernehmung des eigentlichen Wahrnehmungszeugen im Einzelfall ausgeschlossen ist. Aus Gründen der Beweisnot war die englische Praxis freilich schon früh gezwungen, Ausnahmen zu entwickeln und so die Rigorosität des völligen Ausschlusses von „hearsay evidence" auf ein kriminalpolitisch vertretbares Maß abzuschwächen 64 . Im Rahmen die-

58 Gegen Mittermaier (in: Best-Marquardsen, Beweisrecht, S. XXVI) insofern zu Recht Stelter, Hearsay rule, S. 49. 59 Zahlreiche Nachweise bei Stelter, Hearsay rule, S. 49 f. mit Anm. 181 und 182. Vgl. ferner Newman, Beweisrecht, S. 63, Kulischer Grünhut's Zeitschrift 34 (1907), S. 198, Marquardsen GS 1 (1849), S. 123, Mittermaier, in: Best-Marquardsen, Beweisrecht, S. XIX und Sprang, Zeugen vom Hörensagen, S. 119. 60 Wie hier auch Stelter, Hearsay rule, S. 50 und Lohr, Unmittelbarkeit, Anm. 176 auf S. 92. 61 Siehe Kulischer Grünhut's Zeitschrift 34 (1907), S. 196 f f . u n d S . 231, Mittermaier, in: Best-Marquardsen, Beweisrecht, S. XXVI und Sprang, Zeugen vom Hörensagen, S. 118. 62 Vgl. vor allem Best-Marquardsen, Beweisrecht, S. 93 f. sowie des weiteren Mittermaier, in: Best-Marquardsen, a. a. O . S. XIX, Newman, Beweisrecht, S. 63, Kulischer Grünhut's Zeitschrift 34 (1907), S. 198 und S. 231, Sprang, Zeugen vom Hörensagen, S. 119 sowie Lohr, Unmittelbarkeit, S. 92 f. (mit zahlreichen Nachweisen). 63 Best-Marquardsen, Beweisrecht, S. 93. 64 Ausführlich hierzu Stelter, Hearsay rule, S. 53 ff. In neuester Zeit ist im übrigen auch der englische Gesetzgeber zunehmend dazu übergegangen, gesetzliche Ausnahmen („Statute law") zu formulieren: siehe Stelter a. a. O . S. 109 ff.

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ser Ausnahmen erlangen wiederum jene Gründe Bedeutung, die zur generellen Unzulässigkeit des Hörensagenbeweises geführt haben. Denn in aller Regel wurden Ausnahmen nur insoweit erlaubt, als ein überzeugender Ausgleich beispielsweise für das Fehlen des Eides oder für das fehlende Kreuzverhör vorhanden ist. Der Wahrheitsgehalt der ursprünglichen Aussage muß also in anderer Weise garantiert sein. Zwar ist der Katalog der Ausnahmen im einzelnen nicht unbestritten. Doch geht es vorliegend weniger um eine vollständige Aufzählung als vielmehr darum, den Weg zu verdeutlichen, den das englische Recht eingeschlagen hat (nämlich : generellen Ausschluß des Hörensagenbeweises mit Ausnahmen im Einzelfall). Folglich mögen in diesem Zusammenhang einige wenige Bemerkungen genügen: Der wohl älteste Ausnahmefall betrifft die Aussagen Sterbender, die diese noch vor ihrem Tod einem Dritten gegenüber gemacht haben („dying declarations") 65 . Sofern diese Äußerung im klaren Bewußtsein des nahen und unabwendbaren Todes gefallen (und der Tod auch tatsächlich eingetreten) ist und soweit sie sich auf die Umstände der Tötung bezogen hat, kann sie in einem Verfahren, dessen Gegenstand eben diese Tötung ist, ausnahmsweise auch vom Dritten bezeugt werden. Neben Gründen der Beweisnot wird diese (unbestritten anerkannte) Ausnahme vor allem mit dem Hinweis gerechtfertigt, ein Sterbender werde angesichts des nahenden Todes wohl kaum noch lügen. Eine weitere Ausnahme hat das englische Recht zugelassen, wo der Verletzte die ihm zugefügte Verletzung (es handelte sich hierbei meist um Sexualdelikte) sogleich nach der Tat einer anderen Person mitgeteilt hat. Zur Bestätigung der eidlichen Aussage des Verletzten selbst wird auch hier der Beweis vom Hörensagen zugelassen 66 . Vorwiegend in Zivilprozessen, gelegentlich aber auch in Strafverfahren können schließlich folgende Ausnahmen bedeutungsvoll werden: dienstliche Äußerungen verstorbener Personen, die diese im Rahmen ihres Aufgabenbereiches noch vor Streitbeginn abgegeben haben („declarations of deceased persons in the course of duty") 6 7 , Erklärungen über öffentliche Rechte („declarations as to public rights") 68 sowie Zeugenaussagen in anderen Prozessen, sofern der zwischenzeitlich verstorbene Zeuge in dem zwischen denselben Parteien vorangegangenen Verfahren dem Kreuzverhör unterzogen worden ist 69 . Und schließlich erfährt das Verbot des Beweises vom Hörensagen vor allem bei Geständnissen des Angeklagten eine außerordentlich bedeutungsvolle und in der Diskussion um „hearsay evi-

'' s Vgl.Stephen-Mühry, Handbuch, S. 509, Best-Marquardsen, Beweisrecht, S. 153 und S. 327 f., Mittermaier, Englisches Strafverfahren, S. 328, Newman, Beweisrecht, S. 68, Kulischer Grünhut's Zeitschrift 34 (1907), S. 199 ff. und insbesondere Stelter, Hearsay rule, S. 77 ff. (mit zahlreichen weiteren Nachweisen). 66 Vgl. Mittermaier, Englisches Strafverfahren, S. 328, Glaser, Beweis, Anm. 109 auf S. 264 und Stelter, Hearsay rule, S. 106 ff. f7 ' Vgl. Newman, Beweisrecht, S. 66 und Stelter, Hearsay rule, S. 90 ff. 68 Vgl. Stephen-Mühry, Handbuch, S. 509, Best-Marquardsen, Beweisrecht, S. 323, Newman, Beweisrecht, S. 67 und wiederum Stelter, Hearsay rule, S. 95 ff. 69 Siehe Newman, Beweisrecht, S. 69 und Best-Marquardsen, Beweisrecht, S. 322.

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d e n c e " nicht selten übersehene Ausnahme. Diesem Fragenkomplex gelten die abschließenden Ausführungen. d) Bei der gerichtlichen Verwertung von Geständnissen eines in der Hauptverhandlung von früheren Selbstbelastungen abrückenden Angeklagten unterscheidet das englische Beweisrecht zwischen außergerichtlichen Geständnissen einerseits und gerichtlich protokollierten Geständnissen andererseits: Selbstbelastungen eines Angeklagten, die dieser außergerichtlich vor Dritten gleichgültig, ob vor Privatpersonen oder vor Strafverfolgungsorganen - gemacht hat, können nach allgemeiner Ü b e r z e u g u n g von diesen Dritten vor Gericht bezeugt w e r d e n 7 0 . Ein solches Zeugnis stellt an sich einen klaren Verstoß gegen das Verbot d e r , , h e a r s a y r u l e " dar. D o c h da der Angeklagte nach englischem Recht im vorigen Jahrhundert zunächst überhaupt nicht vernommen werden konnte (und im übrigen eine Pflicht zur zeugeneidlichen Angeklagtenvernehmung auch heute nicht besteht), hat die Praxis englischer Gerichte aus Beweisnot insofern schon früh eine entsprechende Ausnahme zugelassen. Im Hintergrund stand hierbei sicherlich die Überlegung, daß der „ Z e u g e gegen sich s e l b s t " wohl immer der beste Zeuge sei 7 1 , daß also ungünstige Selbstaussagen auch dort, wo sie nicht dem Kreuzfeuer des Kreuzverhörs ausgesetzt waren, eine Vermutung inhaltlicher Richtigkeit für sich hätten 7 2 . Unabdingbare Voraussetzung dieser Ausnahme ist jedoch die von Seiten der Anklage nachzuweisende Freiwilligkeit des Geständnisses. In diesem Zusammenhang bleibe nicht unerwähnt, daß die Praxis vor allem bei Selbstbelastungen gegenüber Strafverfolgungsorganen seit alters außerordentlich strenge Maßstäbe anzulegen pflegt 7 3 . H a t der Angeklagte jedoch im Vorverfahren vor dem Polizei- oder Friedensrichter ein Geständnis abgelegt, so kann dieses Protokoll ohne weiteren Nachweis der Freiwilligkeit zum Beweisgegenstand der Hauptverhandlung gemacht werd e n 7 4 . D e r Verzicht auf den besonderen Nachweis der Freiwilligkeit erscheint ebenso wie die gesteigerte Beweiskraft, die einem gerichtlich protokollierten G e ständnis allgemein zugesprochen w i r d 7 5 , durchaus gerechtfertigt, da die engli7 0 Vgl. Newman, Beweisrecht, S. 65 f., Kulischer Grünhut's Zeitschrift 34 (1907), S. 187 ff., Marquardsen GS 1 (1849), S. 123, Glaser, Beweis, Anm. 109 auf S. 264 und S. 301 f. sowie Stephen-M Uhry, Handbuch, S. 506. 71 Nach dem Motto „Habemus optimum testem, confitentem reum": vgl. Best-Marquardsen, Beweisrecht, S. 342 ff. 7 2 Günstige Selbstaussagen dagegen stellen im allgemeinen keine zulässige Evidenz dar (vgl. Best-Marquardsen, Beweisrecht, S. 342): es sei denn, die günstige Selbstaussage falle mit einer gegen den Angeklagten vorgebrachten Selbstbelastung zusammen: vgl. Stelter, Hearsay rule, S. 68 (mit Nachweisen aus früherer Zeit). 73 Vgl. Stelter, Hearsay rule, S. 59 ff. Siehe auch Best-Marquardsen, Beweisrecht, S. 353 ff. sowie Glaser, Beweis, S. 302; ebenso auch Krattinger, Strafverteidigung im Vorverfahren, S. 187. 7 4 Vgl. Glaser, Beweis, S. 305 ff., Stephen-Mühry, Handbuch, S. 507, Marquardsen GS 1 (1849), S. 121 und Best-Marquardsen, Beweisrecht, S. 351. 7 5 Nach allgemeiner Ansicht ist ein solches Geständnis schon für sich allein zur Verurteilung ausreichend: vgl. Glaser, Beweis, S. 306, Best-Marquardsen, Beweisrecht, S. 351 und neuerdings auch Krattinger, Strafverteidigung im Vorverfahren, S. 187.

II. Das französische Strafverfahren

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sehen Gerichte an solche Geständnisprotokolle außerordentlich strenge Formerfordernisse anzulegen pflegen 7 6 . So wird ein formgültiges Protokoll nur dann bejaht, (1) wenn nach Verlesung der Anklage zuvor alle Belastungszeugen in Gegenwart des Angeklagten vernommen und dem Kreuzverhör unterworfen worden waren, (2) wenn der Angeklagte über sein Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen, belehrt worden und wenn schließlich (3) das (möglichst in den eigenen Worten des Angeklagten abzufassende) Protokoll dem Angeklagten vorgelesen 77 und vom Richter beglaubigt worden war. Ein solches formgültiges Protokoll hatte das verdient, eigens hervorgehoben zu werden - unbedingten Vorrang vor einem entsprechenden mündlichen Zeugnis 78 . Verhörpersonen 79 durften das von ihnen mitangehörte Geständnis nur dann bezeugen, wenn erwiesenermaßen überhaupt oder kein formgültiges Protokoll vorhanden war 8 0 . II. Das französische Strafverfahren (nach dem „Code d'Instruction Criminelle" von 1808) 1. Die Entwicklung vor 1808 Die geschichtliche Entwicklung des französischen Strafprozesses etwa bis Ende des 18. Jahrhunderts ähnelt weitgehend der des deutschen Strafverfahrens. Ebenso wie in Deutschland hatte sich auf dem Hintergrund des römisch-kanonisch-fränkischen Rechts auch in Frankreich ein an starre Beweisregeln gebundenes, heimliches, schriftliches und nicht-kontradiktorisches Inquisitionsverfahren entwickelt. Der Beschuldigte war bloßes Untersuchungsobjekt und weitgehend der Willkür eines allgewaltigen Gerichts preisgegeben 81 . Gesetzlich verankert wurde dieser Inquisitionsprozeß durch verschiedene königliche Verordnungen („ordonnances") 8 2 . Die wichtigste davon ist die auf Initiative von Colbert 8 3 ent-

Vgl. hierzu insbesondere Glaser, Beweis, S. 305 f. und Stephen-Mühry, Handbuch, S. 507. 7 7 Die Unterschrift des Angeklagten war nicht zwingend vorgeschrieben: vgl. Glaser, Beweis, S. 306. 7 8 So ausdrücklich Marquardsen G S 1 (1849), S. 121 und Stephen-Mühry, Handbuch, S. 507. 7 9 Zu denen auch der „prosecutor" gehört: vgl. P. Liepmann Z S t W 6 (1886), S. 425. 80

So Marquardsen

GS 1 (1849), S. 121, Stephen-Mühry,

Handbuch, S. 507 und Gla-

ser, Beweis, S. 307. 8 1 Zu dieser Zeit des französischen Strafverfahrens siehe insbesondere Esmein, Histoire, S. 1 f f . („Première partie: La Procédure Criminelle en France du XlIIe au X V I e siècle"). 8 2 Siehe zunächst die Ordonnancen von 1498 unter Ludwig XII. und die von 1539 unter Franz I. (ausführlich hierzu: Esmein, Histoire, S. 135 ff.) sowie dann insbesondere die „Ordonnance Criminelle" von 1670 unter Ludwig X I V . , die zur Würdigung ihres Inhalts und ihrer Bedeutung entsprechend als „Grande Ordonnance sur la Procédure Criminelle" bezeichnet zu werden pflegt (ausführlich hierzu: Esmein a. a. O . S. 175 ff.). Vgl. auch die älteren Zusammenfassungen im deutschsprachigen Schrifttum bei Zachariae, Handbuch I, S. 189 f f . und von Daniels, Französisches Strafverfahren, S. 7 f f . 8 3 Weitere Namen, die sich mit dieser „ G r a n d e Ordonnance" verbinden, sind die von Pussort, Lamoignon und Talbon : vgl. Esmein, Histoire, S. 1 7 7 ff.

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2. Kapitel: Ausländische Vorbilder

standene „ G r a n d e O r d o n n a n c e sur la Procédure Criminelle" unter L u d w i g X I V . (1670). D i e s e „ G r o ß e O r d o n n a n c e " faßte systematisch alle früheren O r d o n n a n cen zusammen und gab dem Inquisitionsprozeß gewissermaßen in der Gestalt einer vollständigen Strafprozeßordnung seine formelle Vollendung 8 4 . Hier findet sich übrigens schon die Dreiteilung des Verfahrens in die Phase der „ i n f o r m a t i o n " , der „instruction préparatoire" und der „instruction définitive", die den französischen Strafprozeß bis heute beherrscht. Mit dem „lieutenant-criminel de bailliage" wurde hier eine Richterfigur geschaffen, die mit umfassenden Ermittlungskompetenzen ausgestattet war und zugleich als erkennender Richter (mit-) fungierte 8 5 . Anders als der zeitgenössische deutsche Inquisitionsprozeß trug der französische freilich deutlich akkusatorische Züge. Bereits ausgangs des 13. Jahrhunderts kannte man in Frankreich die sogenannten „ g e n s du r o i " b z w . „ a v o c a t s et procureurs du r o i " . Ursprünglich nur private und fiskalische Interessen des K ö nigs wahrnehmend, entwickelte sich aus ihnen allmählich eine hierarchisch gegliederte und v o m Richterstand getrennte öffentliche Anklagebehörde, die spätere französische Staatsanwaltschaft („ministère p u b l i c " ) 8 6 . D i e Gedanken der Aufklärung führten zur Revolution des Jahres 1789. Mit der absolutistischen Staatsform mußte zugleich die ihr „ k o n g e n i a l e P r o z e ß f o r m " 8 7 des Inquisitionsverfahrens fallen. In einer sich überstürzenden Vielzahl von G e setzen schuf sich die Revolution - deutlich beeinflußt von englischen Rechtsformen, wenngleich nur selten getragen v o m Geiste des jahrhundertelang organisch gewachsenen englischen Rechts - einen völlig neuen Strafprozeß 8 8 . D i e R e f o r m stand unter den Leitideen öffendicher Verhandlung, des Rechts auf Verteidigung, der Mitwirkung von Laienrichter, kontradiktorischer und mündlicher Hauptverhandlung sowie der Idee freier Beweiswürdigung ( „ i n t i m e conviction"). D i e Folter, alle Verdachtsstrafen und die Entbindung von der Instanz wurden beseitigt.

8 4 Ihre Hauptabsicht war es anerkanntermaßen, „ d i e öffentliche Ruhe zu sichern und den Nachdruck der Strafgewalt zu verstärken": vgl. von Daniels, Franz. Strafverfahrensrecht, S. 8. 8 5 Dieser „lieutenant-criminel de bailliage" (zu seinen historischen Ursprüngen: vgl. Esmein, Histoire, S. 33 ff.) wurde übrigens zum Vorbild des späteren französischen Untersuchungsrichters: vgl. Donnedieu de Vabres, Précis, S. 257 f. 8 6 Zur geschichtlichen Entwicklung des „ministère public" vgl. von Daniels, Franz. Strafverfahrensrecht, S. 37 ff., Frey, Criminalverfassung, S. 197 ff. und Zachariae, Handbuch I, S. 194 ff. Zur vorübergehenden Zweiteilung der Staatsanwaltschaft (in vom Volk gewählte „accusateurs publics" einerseits und beamtete „commissaires du pouvoir exécutif" andererseits) während der Französischen Revolution vgl. Frey, Criminalverfassung, S. 203 ff. und Zachariae, Handbuch I, S. 199 ff. 87 Glaser, Geschichtliche Grundlagen, S. 15. 8 8 Siehe hierzu zunächst und vor allem Esmein, Histoire, S. 397 ff. („Troisième Partie: Les lois de l'époque intermédiaire . . .") sowie die Zusammenfassung bei Donnedieu de Vabres, Précis, S. 259 f. Zum Strafprozeß der Französischen Revolution („droit intermédiaire") siehe aus dem älteren deutschen Schrifttum von Daniels, Franz. Strafverfahren, S. 8 ff., Geyer, Strafproceßrecht, S. 127 ff. und Glaser, Handbuch I , S . 149 ff. Vgl. im übrigen auch Schill, Richter in Frankreich, S. 92 ff., Krattinger, Strafverteidigung im Vorverfahren, S. 31 ff. und Roskothen, Franz. Strafverfahren, S. 12 ff.

II. Das französische Strafverfahren

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Mit fortschreitender Zeit wurden diese Grundsätze freilich immer mehr verwässert; der Kompromiß zum „système mixte" des „Code d'Instruction Criminelle" von 1808 kündigte sich deutlich an. Das Dekret der Nationalversammlung vom Oktober 1789 beseitigte die Folter, vermehrte die Verteidigungsbefugnisse des Betroffenen und führte ein öffentliches, kontradiktorisches Schlußverfahren ein. Langdauernde fruchtbare Wirkung zeigte das Dekret vom August 1790, in dem die Figur des Friedensrichters ( „ juge de paix") eingeführt wurde. Das Dekret vom September 1791 („décret concernant la police de sûreté, la justice criminelle et l'établissement de jurés"), in dem die „Grande Ordonnance" von 1670 formell aufgehoben wurde, brachte neben einer Art Popularklage („dénonciation civique") eine völlige Neuorganisation der Strafgerichtsbarkeit. Ausgehend von einer materiellen Dreiteilung der Straftaten wurden die „contraventions" (Übertretungen) dem „tribunal de police municipale", die „délits" (Vergehen) im wesentlichen dem „tribunal de police correctionelle" und die „crimes" (Verbrechen) schließlich dem „tribunal de justice criminelle" zugeordnet. Für diese schweren Fälle wurde nach englischem Vorbild eine Urteils-Jury von zwölf Laienrichtern eingeführt 8 9 . Im übrigen übernahm man vom „ancien régime" in groben Umrissen die Dreiteilung des Verfahrens in ein weitgehend schriftliches Vorverfahren („information"), in ein Zwischenverfahren zur Versetzung in den Anklagestand 90 und in eine öffentliche, mündliche Hauptverhandlung. Den entscheidenden gesetzlichen Umschwung, notwendig geworden durch die Auswüchse praktizierter Revolutions-„Rechtsprechung", brachten der „Code des délits et des peines" vom 3. Brumaire des Jahres IV ( = 25. Oktober 1795) 91 sowie dann vor allem die Gesetze vom 7. und 18. Pluviôse des Jahres I X ( = 27. Januar und 7. Februar 1800) 9 2 . Parallel zu erweiterten Befugnissen des „directeur du jury" wurden die Verteidigungsgarantien des Betroffenen nicht unerheblich abgebaut und das Vorverfahren der „information" dem traditionellen Vorverfahren aus der Zeit der „Grande Ordonnance" so weit angeglichen, daß von unmittelbar-mündlicher Hauptverhandlung nur noch schwer die Rede sein konnte. Die Hauptverhandlung war zu einer Art Berufung gegen die Ergebnisse des Vorverfahrens abgewertet worden. Die bereits angedeutete Reaktion des französischen Gesetzgebers gegen die in den ersten Revolutionsjahren überhastet erfolgte Übernahme englischer Rechtseinrichtungen fand ihren gesetzlichen Abschluß dann in Napoleons „Code d'In-

8 9 Bezeichnend dafür, wie wenig die F o r m der Geschworenenverfassung vom Geist englischen Rechts getragen war (näher hierzu Mittermaier, Mündlichkeit, S. 41 ff.) ist die Tatsache, daß die Abstimmung der Geschworenen in Gegenwart des Richters und sogar des „commissaire" stattzufinden hatte: vgl. Geyer, Strafproceßrecht, S. 129. 9 0 Worüber in schweren Fällen - wiederum nach englischem Vorbild - eine aus acht Laien gebildete und unter der Leitung eines beamteten „directeur du jury" stehende Anklagejury zu entscheiden hatte. 9 1 Der nach Esmein (Histoire, S. 439) in der Praxis der täglichen Strafrechtspflege freilich nicht immer respektiert wurde: ausführlich zu diesem Gesetz vom 25. Oktober 1795 siehe Esmein a. a. O . S. 439 ff. 92

Ausführlich hierzu Esmein,

Histoire, S. 451 ff.

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2. Kapitel: Ausländische Vorbilder

struction Criminelle" von 1808. Zusammen mit dem (materielles R e c h t betreffenden) „ C o d e P é n a l " trat dieses Gesetzeswerk am 1. Januar 1811 in Kraft und galt in seinen Grundzügen bis in die Mitte unseres Jahrhunderts f o r t 9 3 . Die Verfasser des C I C fanden einen Mittelweg (daher „système m i x t e " ) zwischen dem Verfahren des „ancien régime", wie es schließlich in der „ G r a n d e O r d o n n a n c e " gesetzlich sanktioniert worden war, und dem englischen Vorbildern entlehnten Prozeß der frühen Revolutionsjahre. Auf das Wesentliche vereinfacht: das Vorverfahren wurde weitgehend den Prinzipien des alten Inquisitionsverfahrens (geheim, schriftlich, nicht-kontradiktorisch, ohne besondere Verteidigungsgarantien) angepaßt. Das Hauptverfahren dagegen sollte in stärkerem Maße von den Ideen unmittelbar-mündlicher und kontradiktorischer Hauptverhandlung geprägt sein. A m treffendsten hat wohl Mittermaier das Strafverfahren des „ C o d e d'Instruction Criminelle" charakterisiert 9 4 : Der Strafprozeß des C I C beruhe „auf einer aus einem Gusse hervorgegangenen organisch gegliederten Gerichtsverfassung, . . . insbesondere auf der Tätigkeit eines mit großen Mitteln zur Entdeckung des Verbrechens versehenen Staatsanwalts, und einer inquisitorisch und geheim geführten Voruntersuchung, deren Materialien möglichst in der Hauptverhandlung benützt werden. (Er) fordert in der mündlichen öffentlichen Hauptverhandlung, die auf den Grund einer von einem Gerichtshofe zugelassenen Anklage stattfindet, eine inquisitorische Tätigkeit eines Assisenpräsidenten; (er) beschränkt die Wirksamkeit des Schwurgerichts nur auf die Entscheidung der schwersten Straffälle und ordnet das Verhältnis so, daß die Geschworenen, ohne durch Schranken von Beweisregeln gebunden zu sein, nach sogenannter innerer Überzeugung über die von dem Präsidenten vorgelegten Fragen zu urteilen haben". Speziell dieser „ C o d e d'Instruction Criminelle" von 1808 wurde zum entscheidenden Vorbild der deutschen R e f o r m des 19. Jahrhunderts. So gesehen liegt es nahe, die Grundzüge seines Verfahrensganges und die hiervon abhängigen und für unser T h e m a einschlägigen Beweisfragen im folgenden etwas ausführlicher zu skizzieren 9 5 . Die folgenden Ausführungen sind - das sei nochmals betont - auf die Darstellung des Gesetzes von 1808 beschränkt. Verfasser hat dabei keineswegs verkannt, daß die zahlreichen Novellen des französischen Gesetzgebers noch im vorigen Jahrhundert 9 6 sowie die Reformgesetze nach 1900 bis hin schließlich zum

9 1 Der „Code d'Instruction Criminelle" von 1808 wurde schließlich 1959 vom „Code de Procédure Pénale", in dem die Grundstrukturen des alten C I C freilich unverkennbar fortwirkten, abgelöst. Weiterführendes deutsches Schrifttum: Schweikert ZStW 69 (1957), S. 684 ff., Roth, Reform des franz. Strafverfahrensrechtes (Diss. jur. Freiburg 1963), Schaffer, Strafprozessuales Vorverfahren in Frankreich und Deutschland (Diss. jur. Berlin 1964), Glatthaar, Polizei im franz. Strafverfahren (Diss. jur. Marburg 1960), Kill, Staatsanwaltschaft im franz. und deutschen Strafverfahren (Diss. jur. Bonn 1960) und Krattinger, Strafverteidigung im Vorverfahren, S. 89 ff. 9 4 Englisches Strafverfahren, S. IV. 9 5 Weiterführend auch hier wiederum Esmein, Histoire, S. 481 bis S. 558. 9 6 Die literarische Kritik am „Code d'Instruction Criminelle" von 1808 richtete sich von Anfang an gegen dessen streng inquisitorisch ausgestaltetes Vorverfahren. Letztlich alle Reformgesetze (und zudem eine nicht unbeträchtliche Zahl erfolglos gebliebener Reformversuche) erstrebten eine Verbesserung des Vorverfahrens durch Verstärkung der Verteidigungs-

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„ C o d e de Procédure Pénale" von 1 9 5 9 9 7 insbesondere im äußeren Verfahrensgang 9 8 nicht unerhebliche Änderungen auch im Beweisrecht (hier: in der Verwertung von Beweismaterial, das vor der Hauptverhandlung gewonnen wurde) gebracht haben. Angesichts der erklärten Absicht, die mit diesem „rechtsvergleichenden Rückblick" verfolgt wird, ist vorliegend jedoch alleinentscheidend, daß eben jenes Gesetz des Jahres 1808 und nicht die späteren Reformgesetze zum Vorbild der deutschen Reformgesetzgebung des 19. Jahrhunderts und schließlich der Reichs-Strafprozeßordnung von 1877 geworden sind 9 9 . 2. Oer Gang des Verfahrens (nach dem „Code d'Instruction Criminelle" von 1808) D e r „ C o d e d'Instruction Criminelle" scheint gesetzestechnisch von einer Zweiteilung des Verfahrens auszugehen. In einem 1. Buch („Livre Premier de la police judiciaire et des officiers de police qui l ' e x e r c e n t " : Art. 8 bis 136) werden Befugnisse und Aufgaben der gerichtlichen P o l i z e i 1 0 0 und in einem 2. Buch („Livre Deuxième de la justice": A r t . 137 bis 6 4 3 ) Zuständigkeiten und Funktionen der Gerichte dargestellt. T r o t z dieser scheinbaren gesetzlichen Zweiteilung läßt sich das Strafverfahren des C I C der Sache nach klar in drei Abschnitte aufteil e n ' 0 1 : in ein Vorverfahren, in ein Zwischenverfahren und schließlich in das Hauptverfahren 1 0 2 . G r o ß e Bedeutung für den Gang des Verfahrens, der hier frei-

garantien. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang vor allem das Gesetz vom 17. Juli 1856 (Änderung der Untersuchungsgerichtsbarkeit, Beseitigung der „chambres du conseil": näher hierzu Esmein, Histoire, S. 574 ff.) sowie die sog. „Loi constant" vom 8. Dezember 1897 (Grundsatznovelle zur Reform des Vorverfahrens). Aus dem deutschsprachigen Schrifttum siehe hierzu Geyer, Strafproceßrecht,S. 138 ff., Glaser, Handbuch I, S. 152 ff. und derselbe, Grundlagen, S. 26 ff. sowie - aus späterer Zeit - Roth, Reform des franz. Strafverfahrensrechts, S. 4 ff., Roskothen, Franz. Strafverfahrensrecht, S. 14 ff., Glatthaar, Polizei im franz. Strafverfahren, S. 37 ff. und Schweikert ZStW 69 (1957), S. 689 ff. 9 7 Zu nennen sind insofern vor dem „Code de Procédure Pénale" von 1959 insbesondere das Gesetz vom 7. Februar 1933, das auf dem Weg weiterer Liberalisierung fortschritt, sowie das Gesetz des Jahres 1941 (betr. Änderungen im Ablauf des Schwurgerichtsverfahrens). Weiterführend insofern Roth, Reform des franz. Strafverfahrensrechtes, S. 4 ff. sowie Roskothen, Franz. Strafverfahrensrecht, S. 14 ff. 9 8 Und zwar vor allem in der effektiveren Ausgestaltung der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsphase sowie im Ausbau der Stellung und Rechte des Angeklagten/Verteidigers in der gerichtlichen Voruntersuchung. 9 9 In diesem Sinn denn auch schon Zachariae, Handbuch I, S. 194: „Was die spätere Gesetzgebung (am C I C von 1808) geändert . . . hat, . . . hat für uns insofern keine Bedeutung, als auf deutschem Boden nur der ursprüngliche Code von 1808 . . . in Geltung geblieben und resp. nachgeahmt worden ist." 1 0 0 Wozu nach Art. 9 C I C neben den Staatsanwälten („procureurs du R o i " bzw. „procureurs de la République") und ihren zahlreichen Hilfsbeamten insbesondere auch der Friedensrichter („juge de paix") und vor allem der Untersuchungsrichter („juge d'instruction") gehörten. 1 0 1 Nach Hoechster, Franz. Strafverfahren, S. 3. 1 0 2 Die französische Literatur neuerer Zeit demgegenüber (vgl. beispielsweise BouzatPinatel, Traité de droit pénal Bd. 2, Nr. 938 sowie Stéfani-Levasseur, Procédure Pénale,

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2. Kapitel: Ausländische Vorbilder

lieh nur in seinen Grundzügen 1 0 3 und (nochmals!) nur für den „ C o d e d'Instruction Criminelle" in seiner ursprünglichen Gesetzesform skizziert werden kann, hat die bereits erwähnte Dreiteilung der Straftaten in Übertretungen, Vergehen und Verbrechen. Ihr entspricht gerichtsorganisatorisch die Dreiteilung der Strafgerichtsbarkeit in „tribunaux de simple police" (Einzelrichter), in „tribunaux correctionels" (Richterkollegien) und „cours d'assises" (Schwurgerichte). a) Das Ermittlungs- oder Vorverfahren verfolgte vor allem den Zweck, die Entscheidung über die öffentliche Anklage vorzubereiten und für die spätere Hauptverhandlung Beweise zu sammeln (Art. 8). Es entsprach im wesentlichen dem Vorverfahren der „Grande Ordonnance" von 1670 und war demzufolge rein inquisitorisch ausgestaltet. Es fand von Amts wegen statt, war geheim und schriftlich und bot praktisch keinerlei Verteidigungsgarantien. aa) Nach der Vorstellung des Gesetzes offensichtlich als Regelform gedacht und daher verhältnismäßig detailliert geregelt war die gerichtliche Voruntersuchung (,,instruction préparatoire"·. Art. 55 bis 136) durch den Untersuchungsrichter 104 . Sie war bei Verbrechen zwingend vorgeschrieben und bei Vergehen fakultativ möglich, wenngleich im allgemeinen die Regel 105 . Die „instruction préparatoire" wurde grundsätzlich nur vom Untersuchungsrichter durchgeführt, der in der Mehrzahl der Fälle auf Initiative der Staatsanwaltschaft tätig wurde. So beantragte die Staatsanwaltschaft sofort nach Bekanntwerden eines Verbrechens oder Vergehens die Eröffnung der Voruntersuchung und ersuchte - sofern nötig den Untersuchungsrichter um selbständige Beweissammlung (Art. 47). Oder aber die Staatsanwaltschaft übergab dem Untersuchungsrichter die von ihr selbst (oder ihren Hilfsbeamten) gewonnenen Ermittlungsergebnisse (Anzeigen, Berichte, Protokolle, beschlagnahmte Beweisstücke) zur weiteren Bearbeitung (Art. 53 und 54). Darüber hinaus konnte der Untersuchungsrichter seine Untersuchung unmittelbar auf Antrag der verletzten Partei aufnehmen, die ihre Strafanzeige („piainte") entweder direkt oder über den zuständigen Staatsanwalt an den „juge d'in-

N r . 60 ff. ( N r . 62 ff.)) geht zwar auch von einer Dreiteilung aus, jedoch mit anderer G e wichtung: polizeilich-staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren („information"), gerichtliche Voruntersuchung („instruction préparatoire") und Hauptverfahren („instruction définitive et audience"). Diese (gegenüber der zeitgenössischen deutschen Literatur der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts) unterschiedliche Wertung hängt offenbar damit zusammen, daß das frühere Zwischenverfahren insbesondere durch das Gesetz vom 18. Juli 1856 sowie durch die „ L o i constant" vom 8. Dezember 1897 deutlich an Bedeutung verloren hat. Vgl. im übrigen die obige A n m . 96. 103 Dies aber erscheint unbedingt geboten; denn ähnlich wie im englischen Strafverfahren erklären sich auch in Frankreich die Besonderheiten des französischen Beweisrechts letzdich immer wieder aus diesen organisatorischen Grundfragen und aus dem äußeren Gang des Verfahrens. 104 Z u Einzelheiten von Daniels, Franz. Strafverfahren, S. 145 ff., Höchster, Franz. Strafverfahren, S. 71 ff. und Feuerbach, Mündlichkeit Bd. II, S. 336 ff. Vgl. auch die Zusammenfassung bei Donnedieu de Vabres, Précis, S. 348 ff. 105 Bei Übertretungen fand - vom Ausnahmefall des Art. 148 C I C (einer Art Beweissicherungsverfahren) abgesehen - keine gerichdiche Voruntersuchung statt: vgl. von Daniels, Franz. Strafverfahren, S. 145 f.

II. Das französische Strafverfahren

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struction" richten konnte (Art. 63 und 64). Und es bestand drittens die Möglichkeit, daß das unmittelbar angerufene „tribunal correctionel" die Sache zunächst einmal zur gerichtlichen Voruntersuchung an den zuständigen Untersuchungsrichter zurückverwies. Außer im Falle von „flagrants délits" 106 konnte der Untersuchungsrichter demnach nicht auf Grund eigener Initiative tätig werden. Dies führt zwangsläufig zu der Frage, in welchem (Abhängigkeits-)Verhältnis der Untersuchungsrichter zur Staatsanwaltschaft stand 107 : Der „juge d'instruction" des Jahres 1808 hatte eine für uns verwirrende (und später im übrigen auch beseitigte) Doppelstellung inne. In seiner Ermittlungsfunktion war er Mitglied der „police judiciaire" (Art. 9) und insofern als echtes Strafverfolgungsorgan unter die Dienstaufsicht der Staatsanwaltschaft gestellt (Art. 57). Als Mitglied der Ratskammer („chambre du conseil"), die über die Zulässigkeit der Anklage entschied und der er über seine abgeschlossenen Ermittlungen zu berichten hatte (Art. 127), war der Untersuchungsrichter zugleich aber auch unabhängiger Richter 108 . Was die reine Ermittlungstätigkeit angeht, so war er zwar in seinen Initiativen von den Anträgen der Staatsanwaltschaft abhängig, in seinen konkreten Ermittlungen ansonsten jedoch an Anträge und Auffassungen der Staatsanwaltschaft nicht gebunden109. Nur bei auf frischer Tat betroffenen Tätern („flagrants délits") 119 - und zwar zwecks rascher Aufklärung und zur Verhinderung von Beweis Verlusten - sollte der Untersuchungsrichter die Befugnisse haben, die sonst nur dem Staatsanwalt zustanden (Art. 59). Das bedeutet, daß der Untersuchungsrichter bei „flagrants délits" ausnahmsweise auch ohne Antrag der Staatsanwaltschaft tätig werden und nach eigenem Belieben die Staatsanwaltschaft zu seinen Ermittlungen zuziehen konnte oder auch nicht. Darüber hinaus war es dem Untersuchungsrichter im übrigen überlassen, von der Staatsanwaltschaft ""' Für die Ausnahrae im Fall von „flagrants délits" vgl. den Umkehrschluß aus den Art. 59 und 61 C I C . 1 0 7 Näher hierzu von Daniels, Franz. Strafverfahren, S. 87 ff., Höchster, Franz. Strafverfahren, S. 71 ff., Feuerbach, Mündlichkeit Bd. II, S. 341 ff., Mittermaier, Mündlichkeit, S. 322 ff. Zahlreiche weitere Nachweise bei Grebing, U - H a f t , Anm. 45 auf S. 150; vgl. auch Donnedieu de Vabres, Précis, S. 330. 1 0 8 U n d auch die diversen Zwangsbefugnisse (Verhaftungen, Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmungen u. ä.) waren nicht der Staatsanwaltschaft anvertraut, sondern allein dem Untersuchungsrichter in seiner Funktion als unabhängiger Richter vorbehalten: vgl. Art. 91 ff. C I C . 1 0 9 Die Staatsanwaltschaft ihrerseits besaß im übrigen diverse Mitwirkungsbefugnisse : So hatte sie insbesondere das Recht, sich vom Untersuchungsrichter über alle seine Untersuchungsakte umfassend informieren zu lassen (Art. 61). Einen Haft- oder Vorführungsbefehl durfte der Untersuchungsrichter erst nach vorheriger Mitteilung an die Staatsanwaltschaft erlassen (Art. 94). Die Staatsanwaltschaft hatte ferner das Recht, alle Akten und Ermittlungsergebnisse bis zu drei Tagen vom Untersuchungsrichter herauszuverlangen (Art. 61). 1 1 0 Unter „flagrants délits" verstand der C I C im übrigen nicht nur Taten, die gerade verübt werden oder die soeben verübt wurden (Art. 41 Abs. 1: „qui se commet actuellement ou qui vient de se commettre"), sondern auch Fälle (in heutiger Rechtssprache) sogenannter „Nacheile" (vgl. Art. 41 Abs. 2: zu den „flagrants délits" seien auch jene Fälle zu zählen, „ o u le prévenu est poursuivi par la clameur publique et . . . le prévenu est trouvé saisi d'effets, armes, instruments . . . pourvu que ce soit dans un temps voisin du délit").

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2. Kapitel: Ausländische Vorbilder

vorweggenommene Untersuchungsakte 111 selbstverantwortlich zu wiederholen. Was nun die Tätigkeit des Untersuchungsrichters im einzelnen anging, so interessieren vorliegend weniger seine speziellen Zwangsbefugnisse (Art. 87 ff.) als vielmehr die eigentliche Ermittlungstätigkeit und die Sammlung der Beweise für die spätere Hauptverhandlung. Bei Anfertigung der förmlichen Protokolle (,,procès-verbaux") hatte sich der Untersuchungsrichter im allgemeinen der Hilfe des Urkundsbeamten („greffier") zu bedienen. Nach Art. 76 und 78 C I C mußte das Protokoll dem Zeugen vorgelesen und vom Urkundsbeamten sowie vom Untersuchungsrichter Seite für Seite unterschrieben werden. Zwischenräume zwischen den Zeilen waren nicht erlaubt; nachträgliche Änderungen oder Randbemerkungen mußten ausdrücklich unterschrieben werden. Wenn der Zeuge die Unterschrift verweigerte oder seinen Namen nicht schreiben konnte, mußte dies vermerkt werden. Sehr detailliert und offensichtlich mit besonderer Sorgfalt geregelt waren insbesondere die Vorschriften zur untersuchungsrichterlichen Zeugenvernehmung (Art. 71 bis 86). Hièrin sah der Gesetzgeber offenkundig die Hauptaufgabe des Untersuchungsrichters. So waren dem Untersuchungsrichter in der Auswahl der Zeugen grundsätzlich keine Grenzen gesetzt. Er hatte sowohl Belastungs- als auch Entlastungszeugen zu hören und hatte diese grundsätzlich schon im Vorverfahren zu vereidigen (Art. 71 und 75). Zeugnisfähig waren in diesem frühen Stadium auch die Zeugen, die in der späteren Hauptverhandlung wegen naher Verwandtschaft (Art. 156 und 189) oder als bezahlte Denunzianten (Art. 322) vom Zeugnis ausgeschlossen w a r e n " 2 . Die Zeugen waren getrennt und in Abwesenheit des Angeklagten zu befragen (Art. 73); eine Gegenüberstellung mit dem Angeklagten war freilich nicht ausgeschlossen. Die Aussagen der Zeugen sollten möglichst in Frage- und Antwortform festgehalten werden (Art. 75). Weniger klar war das Gesetz hinsichtlich der Vernehmung des Beschuldigten selbst; denn eine der Zeugenvernehmung (Art. 71 ff.) entsprechende ausdrückliche Regelung fehlte. Aus verschiedenen Andeutungen des Gesetzes geht jedoch eindeutig hervor 1 1 3 , daß auch das untersuchungsrichterliche Verhör des Beschuldigten zulässig war. Eine Pflicht zur Selbstbelastung war freilich dem französischen Recht fremd; Zwangsmittel gegenüber dem Beschuldigten waren unzuläs' 1 ' Selbständige Untersuchungsbefugnisse besaß der Staatsanwalt bei unnatürlichen/gewaltsamen Todesfällen (Art. 44) oder dann, wenn ihn ein Hausherr zur Klärung eines im Innern des Hauses begangenen Verbrechens oder Vergehens gerufen hatte (Art. 46). 1 , 2 Die Zeugenvernehmung im Fall der Art. 156,189 und 322 CIC galt freilich nur reiner Ermitdung, nicht aber der Beweissammlung. In der späteren Hauptverhandlung durften diese Protokolle nicht verwertet werden: vgl. von Daniels, Franz. Strafverfahren, S. 105 sowie Donnedieu de Vabres, Précis, S. 342 (Nr. 969 Nr. 1). 113 Siehe vor allem die Art. 91 und 93 (Vorführungsbefehl gegen den Beschuldigten) sowie Art. 103 CIC. n 4 So ausdrücklich Höchster, Franz. Strafverfahren, S. 105 und Mittermaier, Mündlichkeit, S. 211. Nach Art. 10 des Revolutionsgesetzes vom 7. Pluvoise des Jahres IX war der Beschuldigte zunächst ohne genaue Kenntnis der Beschuldigung zu vernehmen. Erst nach dem Verhör war ihm die genaue Anschuldigung mitzuteilen und ihm auf Antrag eine ergänzende Vernehmung zu gestatten. Diese Übung ist auch nach 1808 beibehalten worden {Glaser, Beweis, Anm. 163 auf S. 297).

II. Das französische Strafverfahren

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Die gerichtliche Voruntersuchung endete, indem der Untersuchungsrichter die gesamten Akten an die Staatsanwaltschaft weiterleitete und im übrigen die Entscheidung der zuständigen kollegialen Untersuchungsgerichte einholte, von denen gleich zu sprechen sein wird. bb) Von der als Regelform gedachten gerichtlichen Voruntersuchung („instruction préparatoire") ist die vom Gesetz nicht näher geregelte Voruntersuchung („poursuite") der Staatsanwaltschaft und ihrer Hilfsbeamten zu unterscheiden11S. Wie bereits angedeutet, blieb die Staatsanwaltschaft an sich grundsätzlich darauf beschränkt, das nach Eingang einer Anzeige des Verletzten oder von Amts wegen aufgenommene Ermittlungsverfahren entweder von vornherein einzustellen (besser: mangels hinreichenden Tatverdachts überhaupt nicht aufzugreifen) oder unmittelbar vor Gericht anzuklagen oder schließlich - wenn zwingend geboten oder zweckmäßig - den Untersuchungsrichter mit der gerichtlichen Voruntersuchung zu beauftragen. So gesehen lag für den Gesetzgeber des Jahres 1808 die Bedeutung der „poursuite" in erster Linie darin, die Entscheidung über die Einleitung eines Strafverfahrens („action publique") in die Hand eines von der Dritten Gewalt getrennten Staatsorgans zu legen. Mit eigentlichen Ermittlungsaufgaben sollte die Staatsanwaltschaft im Verhältnis zum Untersuchungsrichter allenfalls subsidiär, insbesondere in Eilfällen betraut werden. So waren der Staatsanwaltschaft, wie wir gesehen haben, an sich nur bei, .frischer Tat" (Art. 41) und den ihr gleichgestellten Fällen (Art. 44 und 46) echte Untersuchungskompetenzen und entsprechende Zwangsbefugnisse zugestanden. So sollte der Staatsanwalt an sich nur in diesen Fällen noch vor Eintreffen des Untersuchungsrichters Verhaftungen aussprechen (Art. 40), beim Beschuldigten Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen vornehmen (Art. 35 ff.), den Beschuldigten verhören (Art. 40 Abs. 1 und Abs. 4) oder den erforderlichen Augenschein wahrnehmen dürfen (Art. 32 und 33). Die protokollarischen Ergebnisse dieser seiner Ermittlungen hatte er in jedem Fall unverzüglich dem Untersuchungsrichter mitzuteilen (Art. 60). Dieser vom Gesetzgeber aus rechtsstaatlichen Gründen und im Interesse des Beschuldigten gewollte Vorrang der untersuchungsrichterlichen „instruction" vor der staatsanwaltschaftlichen , poursuite" ging in der Folgezeit freilich weitgehend verloren" 6 . Die Gründe hierfür liegen auf der Hand. Angesichts ihrer geringen Zahl waren die Untersuchungsrichter nur schwer in der Lage, alle bei Polizei oder Staatsanwaltschaft eingegangenen (und sich nicht für eine unmittelbare Anklage zum erkennenden Gericht eignenden) Anzeigen in der gesetzlich vorgesehenen Weise selbständig zu bearbeiten. Im übrigen war die Mehrzahl der Untersuchungsrichter auf Grund ihrer Ausbildung und angesichts der ihnen zur Verfügung stehenden technischen Ausrüstung kaum fähig, kriminalistisch mit der zunehmenden Kriminalität Schritt zu halten. Allein schon aus diesen Gründen und sicherlich auch im Bestreben, an gewohnten Praktiken früherer Zeit festzuhalten, kam es seitens der Staatsanwaltschaft allmählich zu der zunächst zwar umstritteZur Abgrenzung vgl. Bouzat-Pinatel, Traité de droit pénal Bd. 2, Nr. 1253. ' 1 6 Näher zu dieser Entwicklung siehe vor allem Glatthaar, Polizei im franz. Strafverfahren, S. 31 ff. und S. 68 ff., Schaffer, Vorverfahren, S. 41 ff. und Roth, Reform des franz. Strafverfahrens, S. 54 ff. 115

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Geppert, Grundsatz

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2. Kapitel: Ausländische Vorbilder

nen, in der Praxis dann aber mehr und mehr üblichen „enquête officieuse"1'7, die unserem heutigen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren vergleichbar ist. Diese Entwicklung gelang auf zweifache Weise: einmal durch immer extensivere und großzügigere Auslegung der Ausnahmekompetenzen, die der Staatsanwaltschaft bei „flagrants délits" gewährt w a r e n " 8 ; z u m anderen, indem sich die Staatsanwaltschaften auf den Standpunkt stellten, sie könnten nur dann selbstverantwortlich entscheiden, o b das Verfahren einzustellen sei, o b es sich für eine unmittelbare Anklage eigne oder o b es der gerichtlichen Voruntersuchung bedürfe, wenn sie die Sache zuvor selbständig untersucht hätten. Entgegen der unmißverständlich klaren Absicht des Gesetzes war in der Praxis - das bleibt abschließend festzuhalten - die Staatsanwaltschaft und nicht der Untersuchungsrichter der eigentliche H e r r des Vorverfahrens. b) War eine gerichtliche Voruntersuchung vorausgegangen, so kam es zu einer Art Zwischenverfahren " 9 . Hier galt es festzustellen, o b auf G r u n d der bisherigen Beweisergebnisse ein Hauptverfahren angebracht und welches erstinstanzliche Gericht gegebenenfalls zuständig sei. A u c h dieses Übergangsverfahren war geheim und schriftlich; die befaßten kollegialen Untersuchungsgerichte hatten in Abwesenheit des Beschuldigten und des Staatsanwalts sowie ausschließlich auf G r u n d des ihnen vorgelegten Aktenmaterials zu entscheiden. Im einzelnen gab es zwei Möglichkeiten: aa) N a c h der ursprünglichen Fassung des „ C o d e d'Instruction Criminelle" hatte der Untersuchungsrichter bei der Ratskammer ( „ c h a m b r e du conseil"), deren Mitglied er selber war, mindestens einmal in der Woche mündlichen Bericht zu erstatten (Art. 127). D i e Ratskammer - unter Einschluß des Untersuchungsrichters aus drei Berufsrichtern bestehend und als Untersuchungsgericht dem Tribunal erster Instanz zugeordnet - hatte auf G r u n d des untersuchungsrichterlichen Vortrage und unter Berücksichtigung der jeweiligen Anträge der Staatsanwaltschaft die Möglichkeit, das Verfahren einzustellen (Art. 128) oder Fortsetzung der gerichtlichen Voruntersuchung anzuordnen. K a m die Ratskammer jedoch zur Ü b e r z e u g u n g hinreichenden Tatverdachts, so war die Sache bei Übertretungen an den zuständigen Einzelrichter und bei Vergehen an das , .tribunal correctionel" zu verweisen (Art. 129 und 130). L a g schließlich nach Ansicht der Ratskammer ein Verbrechen vor, so mußte die Sache an den zuständigen Anklagesenat verwiesen " 7 Endgültig abgedeckt war dieses an sich außergesetzliche Verfahren, als der Kassationsgerichtshof im Jahre 1911 die Aufnahme polizeilicher Protokolle als die Verjährung unterbrechend anerkannt hat: vgl. Glatthaar, Polizei im franz. Strafverfahren, S. 39 f. Weitere Rechtsprechungsnachweise bei Roth, Reform des franz. Strafverfahrensrechts, S. 5 7 . Endgültig gesetzlich legalisiert wurde dieses Verfahren dann in den Art. 75 ff. („enquête préliminaire") des „ C o d e de Procédure Pénale" von 1959. 1 1 8 Hierzu und insbesondere zur Streitfrage, ob die Ausnahmeprozedur der FlagranzDelikte nur bei „Verbrechen" (so offenbar die Art. 32 Abs. 1 und 41) oder auch bei „Vergehen" einschlägig sei (so offenbar die Art. 42 Abs. 1, 43 und 46), siehe schon Höchster, Franz. Strafverfahren, S. 81 mit Anm. d auf S. 82; vgl. im übrigen auch Glatthaar, Polizei im franz. Strafverfahren, S. 78 ff. Bouzat-Pinatel (Traité de droit pénal Bd. 2, Nr. 1299) jedenfalls bemerken ebenfalls, daß die französische Praxis die Vorschriften des Flagranzverfahrens schon im vorigen Jahrhundert auch bei „Vergehen" anzuwenden pflegte.

II. Das französische Strafverfahren

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(„mise en accusation") und ein besonderes Zwischenverfahren eingeleitet werden (Art. 133 und 134). Das Verfahren vor der Ratskammer erwies sich sehr bald als zeitraubend und reichlich überflüssig. In der Mehrzahl aller Fälle war die Kammer sehr schnell bereit, der Relation ihres mitentscheidenden Kollegen (des Untersuchungsrichters) zu folgen. Aus diesem Grund schaffte das Gesetz vom 17. Juli 1856 die Ratskammer ab und übertrug praktisch alle ihre Befugnisse auf den Untersuchungsrichter 1 2 0 . bb) Bei Verbrechen kam es zu dem besonderen Verfahren vor dem Anklagesenat („chambre des mises en accusation"), einem aus mindestens fünf Berufsrichtern bestehenden besonderen Untersuchungsgericht beim Appellationshof (Art. 217 ff.). Das Verfahren vor diesem Anklagesenat, in dem man sehr leicht eine Fortbildung der alten „Anklage-Jury" aus der Revolutionszeit erkennt, war geheim, schriftlich und nicht-kontradiktorisch. Die Mitglieder des Senats hatten unbeschränkte Aktenkenntnis (Art. 222). Die Anwesenheit des Beschuldigten und der verletzten Partei war nicht gestattet; zur eigentlichen Verhandlung war auch die Staatsanwaltschaft nicht zugelassen (Art. 223 bis 225). Auf mündlichen oder schriftlichen Antrag des Generalstaatsanwalts, dem der Verletzte und der Beschuldigte ihre Stellungnahmen beifügen konnten, erfolgte nach streng geheimer Beratung die summarisch begründete schriftliche Entscheidung des Anklagesenats. Wurde hinreichender Tatverdacht verneint, so wurde der Beschuldigte freigelassen (Art. 229: „mise en liberté") und das Verfahren eingestellt („arrêt de non-lieu"). War der Sachverhalt nach Ansicht des Anklagesenats noch nicht hinreichend aufgeklärt, konnte eine Ergänzung der Untersuchung angeordnet werden; in diesem Fall fungierte eines der Senatsmitglieder als Untersuchungsrichter (Art. 235 bis 237). Hielt der Senat dagegen nur eine Übertretung oder ein Vergehen für gegeben, so erfolgte die Verweisung an das zuständige,,tribunal de police" bzw. „tribunal correctionel" (Art. 230). Bei Verbrechen schließlich wurde der Beschuldigte formell in den Anklagestand versetzt („mise en accusation") und die Verweisung an das zuständige Schwurgericht ausgesprochen (Art. 231). Auf Grund dieser Verweisung an das Schwurgericht war die Staatsanwaltschaft verpflichtet, eine Anklageschrift zu entwerfen (Art. 241); dabei war sie sachlich an das Erkenntnis des Anklagesenats gebunden (Art. 271). Die Anklageschrift („acte d'accusation") hatte die Identität des Angeklagten genau zu bezeichnen, die Rechtsnatur des angeklagten Deliktes anzugeben und eine Beschreibung der Tat und aller Beweise zu liefern (Art. 241). Obwohl vom Wortlaut des Gesetzes nicht

1 9 ' Dabei ist nicht verkannt, daß dieses Zwischen- oder Ubergangsverfahren an sich noch zur „instruction préparatoire" zählt. Andererseits ist dieser Teil der gerichtlichen Voruntersuchung ein in sich abgeschlossenes und verselbständigtes Stück des der Hauptverhandlung vorgehenden Verfahrens und vom eigentlichen Untersuchungs-Stadium klar abgegrenzt (davon geht im übrigen auch die Kapitel-Überschrift vor den einschlägigen Art. 127 ff. C I C aus: „ D u Rapport des Juges d'instruction quand la procédure est complète"). Vgl. im übrigen die beiden obigen Anm. 96 und 102. 120 Vgl. auch Geyer, Strafproceßrecht, S. 140 f.



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2. Kapitel: Ausländische Vorbilder

ausdrücklich vorgeschrieben 121 , pflegte die Staatsanwaltschaft ihre Anklageschrift mit einem ausführlichen Ermittlungsergebnis zu beenden. Schon die zeitgenössische deutsche Literatur erkannte die darin liegende Gefahr : als , vollständige Relation aus den Voruntersuchungsakten" gefährde eine derart ausgeweitete Anklageschrift die Unvoreingenommenheit des erkennenden Gerichts und vor allem mitwirkender Laienrichter in besonderem Maße 1 2 2 . c) Im Gegensatz zu dem inquisitorisch ausgestalteten Vor- und Übergangsverfahren wurde (und wird) das Hauptverfahren des französischen Strafprozesses („instruction définitive") und sein Mittelpunkt, die Hauptverhandlung („audience"), wegen ihrer angeblichen Ähnlichkeit mit dem englischen Verfahren häufig hochgelobt. Allenthalben kann man lesen, daß sich mit dem „Code d'Instruction Criminelle" im Anschluß an englische Vorbilder die Idee unmittelbar-mündlicher Verhandlung gegenüber dem schriftlichen Aktenprozeß herkömmlicher Art erfolgreich durchgesetzt habe 1 2 3 . Zum Beweis dafür, daß dem nicht uneingeschränkt zu folgen ist und daß der französische Strafprozeß gerade in diesem Punkt sein englisches Vorbild bei weitem nicht erreicht hat, bedarf es einer etwas ausführlicheren Darstellung des französischen Hauptverfahrens: aa) Übertretungen und zahlreiche enumerativ aufgeführte Vergehen wurden von einem Einzelrichter („tribunal de simple police") entschieden (Art. 137 ff.). Diesem Einzelrichter - meist der Friedensrichter, gelegentlich aber auch der örtlich zuständige Bürgermeister - war in der Person des „greffier" eine Art juristisch ausgebildeter Geschäftsstellenbeamter zur Seite gestellt. Das Verfahren vor dem Einzelrichter wurde im allgemeinen durch „citation directe" anhängig (Art. 145). Staatsanwaltschaft oder der Verletzte konnten den Beschuldigten unmittelbar förmlich laden lassen. In der öffentlichen Hauptverhandlung war das persönliche Erscheinen des Beschuldigten nicht zwingend geboten; er konnte sich vertreten lassen (Art. 152)' 2 4 . Der Gang der Hauptverhandlung selbst war in Art. 153 näher bestimmt. Nach Aufruf der Sache und einer ersten Vernehmung des Beschuldigten durch den Richter wurden zunächst die bisherigen Beweisprotokolle verlesen; erst im Anschluß hieran wurden die Zeugen und Sachverständigen vernommen. Zusatzfragen der 1 2 1 Art. 241 Abs. 2 C I C : „ L ' a c t e d'accusation exposera: (1) la nature du délit qui forme la base de l'accusation, (2) le fait et toutes les circonstances qui peuvent aggraver ou diminuer la peine; le prévenu y sera dénommé et clairement désigné". 1 2 2 So von Tippelskirch G A 2 (1854), S. 325 f. Kritisch auch schon Feuerbach, Mündlichkeit Bd. II, S. 487 f., Mittermaier, Englisches Strafverfahren, S. 245 f. und derselbe, in: Best-Marquardsen, Beweisrecht, S. X I V . 1 2 3 Statt vieler: Höchster, Franz. Strafverfahren, S. 5 f. sowie später Roskothen, Franz. Strafverfahrensrecht, S. 75 f. und Roth, Reform des franz. Strafverfahrensrechts, S. 49 und S. 143. Kritische Stimmen freilich auch schon im vergangenen Jahrhundert: vgl. Mittermaier, Mündlichkeit, S. 41 ff. und S. 245 ff. sowie Feuerbach, Mündlichkeit Bd. II, S. II (des französischen Strafverfahrens „Mündlichkeit betreffend so werden ihr, des Plaidierens ungeachtet, fast eben so große Lastwägen unnütz beschriebenen Papiers voraus- und hintennach gefahren, wie mancher deutschen Justiz"). 1 2 4 Gegen den förmlich geladenen und auch nicht in Person eines Bevollmächtigten erschienenen Beschuldigten war ein Abwesenheits-Verfahren möglich (Art. 149 ff.): näher hierzu Höchster, Franz. Strafverfahren, S. 210 ff.

II. Das französische Strafverfahren

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Beteiligten waren möglich, wenngleich nur über den Mund des Richters. Nach der Beweisaufnahme erhielt zunächst der Ankläger die Möglichkeit zu seinem Plädoyer, dann der (erst im Stadium der Hauptverhandlung zugelassene) Verteidiger. Der Beschuldigte selbst hatte das letzte Wort. In aller Regel erfolgte die öffentliche Urteilsverkündung noch in der gleichen Sitzung. Es bleibt hervorzuheben, daß die gesamte Beweisaufnahme in den Händen des Richters lag, dieser demnach Inquirent und Urteiler zugleich war. Die Beweisaufnahme selbst („instruction") erfolgte an sich in der Hauptverhandlung. Das allein besagt freilich nicht allzu viel, hatte doch der Richter bereits bei Beginn der Hauptverhandlung in detaillierter Weise Kenntnis aller angefallenen Akten und insbesondere der Beweisprotokolle. Und diese Beweisprotokolle mußten - was im Rahmen der Beweislehre von Bedeutung sein wird - bezeichnenderweise vor der mündlichen Zeugenvernehmung verlesen werden. bb) Für das Verfahren vor dem mit drei Berufsrichtern besetzten „ tribunal correctionel" ergaben sich keine wesentlichen Abweichungen (Art. 179 bis 216). Anhängig wurde dieses Verfahren entweder (nach vorangegangener gerichtlicher Voruntersuchung) durch Verweisung seitens der besonderen Untersuchungsgerichte (Art. 130 bis 230) oder aber (ohne gerichtliche Voruntersuchung) durch, .citation directe" (Art. 182). Zusätzlich hatte die Staatsanwaltschaft in der sog. ,,correctionalisation" freilich einen an sich ungesetzlichen, von der Praxis aber überwiegend geduldeten Weg gefunden, die Bedeutung des Verfahrens vor dem „tribunal correctionel" zum Nachteil des (von der Staatsanwaltschaft mit gewissem Mißtrauen betrachteten) Jury-Verfahrens zu vergrößern125. Dies gelang der Staatsanwaltschaft, indem sie ein Verbrechen, das als solches an sich nach gerichtlicher Voruntersuchung verlangte, einfach nur als Vergehen darstellte (beispielsweise, indem sie erschwerende Tatumstände oder den auf ein Verbrechen gerichteten Vorsatz unberücksichtigt ließ). So wurde die schwerfällige gerichtliche Voruntersuchung umgangen; der Weg zur „citation directe" war gewonnen und damit erweiterter Einfluß der Staatsanwaltschaft gegenüber dem Untersuchungsrichter. Bei leichteren Fällen war auch vor dem „tribunal correctionel" eine Vertretung des Beschuldigten - wenngleich nur durch einen zugelassenen Anwalt - möglich. Doch konnte das Gericht das persönliche Erscheinen des Beschuldigten in der Hauptverhandlung anordnen (Art. 185). Ansonsten war der Gang der öffentlichen Hauptverhandlung ähnlich wie vor dem Einzelrichter (Art. 190) 126 . Nach einem Einleitungsverfahren, in dem der Kläger seine Anklage darzustellen hat, erfolgte das eigentliche Instruktionsverfahren, das wiederum mit der Vernehmung des Beschuldigten eröffnet wurde. Die Beweisaufnahme begann zunächst mit der Protokollverlesung und der Vorlage der Uberführungsstücke - wiederum also, noch bevor die Zeugen gehört wurden. Der Beweisaufnahme (über die der Urkundsbeamte ein Inhaltsprotokoll anzufertigen hatte) folgte das Debattierungsverfahren, in dem die Ankläger- und die Beschuldigtenseite in dieser Reihenfolge 1 2 5 Hierzu vor allem Vitu, Procédure Pénale, S. 132 ff. und Donnedieu de Wahres, Précis, S. 318 f.; vgl. auch Glatthaar, Polizei im franz. Strafverfahren, S. 67 f. und Roskothen, Franz. Strafverfahrensrecht, S. 57. 1 2 6 Einzelheiten bei Höchster, Franz. Strafverfahren, S. 243 ff. und Feuerbach, Mündlichkeit Bd. II, S. 400 ff.

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2. Kapitel: Ausländische Vorbilder

ihre Plädoyers halten konnten. In aller Regel wurde in der gleichen Sitzung durch den Vorsitzenden Richter öffentlich das Urteil verkündet. Die Stellung des Vorsitzenden Richters war ähnlich stark wie die des Einzelrichters. Der Vorsitzende Richter leitete die Beweisaufnahme in eigener Verantwortung und gab die Zusatzfragen der Beteiligten, sofern er sie überhaupt gestattet hatte, an die Zeugen und Sachverständigen weiter. Bereits bei Beginn der Hauptverhandlung besaß auch er erschöpfende Kenntnis aller angefallenen Akten 127 . cc) Für die Aburteilung von Verbrechen, deren der „Code Pénale" übrigens eine stattliche Anzahl vorsah 128 , war das Schwurgericht („cour d'assises") zuständig129. Es war ein periodisch zusammentretendes Spruchorgan beim Appellationsgericht und bestand aus fünf (später : drei) Berufsrichtern („Assisenhof") und zwölf Laiengeschworenen (, J u r y " ) 1 3 0 . Zumindest paragraphenmäßig sah das Gesetz bei diesem schwurgerichtlichen Verfahren offensichtlich sein Schwergewicht (Art. 251 bis 406), und es verwundert nicht, daß dieses Verfahren in der Literatur gerne als der französische Strafprozeß geschildert wird 131 . Gleichwohl - das sei besonders betont - handelte es sich bei diesem schwurgerichtlichen Verfahren in der Praxis mehr um die Ausnahme und nicht um den Regelprozeß. Noch vor der eigentlichen (mündlichen und öffentlichen) Hauptverhandlung mußte eine nicht-öffentliche Vorverhandlung des Assisenpräsidenten (oder des von ihm beauftragten Richters) mit dem Angeklagten stattfinden (Art. 291 ff.) 1 3 2 . Der Assisenpräsident sollte sich in Ergänzung der ihm zu diesem Zeitpunkt bereits vollständig bekannten Vorakten und zur Vorbereitung der späteren Hauptverhandlung einen persönlichen Eindruck vom Angeklagten verschaffen können; und dem Angeklagten selbst sollte Gelegenheit gegeben werden, auf neue Bewei-

1 2 7 Wenn die beisitzenden Richter die Vorakten nicht bereits vor Beginn der Hauptverhandlung eingesehen hatten, so pflegten sie ihnen doch während der Hauptverhandlung frei vor Augen zu liegen: vgl. Feuerbach, Mündlichkeit Bd. II, S. 382. 1 2 8 Nicht zuletzt aus diesem Grund sowie aus der Tatsache, daß die französische Reformdiskussion in der Zeit vor dem „Code d'Instruction Criminelle" in besonderem Maße mit dem , Jury-Gedanken" (als einem Erbe der Revolution) befaßt war, erklärt sich die relativ ausführliche Regelung des Schwurgerichtsverfahrens im CIC von 1808. 1 2 9 Staatsschutz-Verbrechen unterlagen freilich einer Sondergerichtsbarkeit (Art. 553 ff.). 1 3 0 Rein gerichtsorganisatorische Fragen - wie beispielsweise die Zusammensetzung des Richterkollegiums und die Bildung der Geschworenenbank - können hier nicht weiterverfolgt werden. Näher zu den Art. 251 ff. (Besetzung des Assisenhofes) und den Art. 381 ff. (Bildung der „Jury"): vonDaniels, Franz. Strafverfahren, S. 157 ff. und Höchster, Franz. Strafverfahren, S. 300 ff. Außerordentlich kritisch (vor allem wegen der Auswahl der Geschworenen) insofern Feuerbach, Mündlichkeit Bd. II, S. 420 ff.: die französische Jury sei eine „partie honteuse" (a. a. O. S. 420), sei das „spottende Zerrbild von einem Geschworenengericht" (a. a. O. S. 431). 1 3 1 Bezeichnend hierfür (statt vieler) Birkmeyer, Strafprozeßrecht, S. 825. Völlig zutreffend dagegen schon Feuerbach, der das schwurgerichtliche Verfahren des CIC als „die Ausnahme" ansah und „eigentlich zu den tribunaux d'exception" zählen wollte (Mündlichkeit Bd. II, S. 333). Siehe im übrigen obige Anm. 128. 1 3 2 Näher hierzu Höchster, Franz. Strafverfahren, S. 334 ff.

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se, Lücken in der vorangegangenen Untersuchung und auf Mängel des bisherigen Verfahrens aufmerksam zu machen (Art. 293) 1 3 3 . Bezeichnenderweise enthielt freilich erst der nachfolgende Art. 294 die Verpflichtung des Richters, den Angeklagten auf die Möglichkeit eines Verteidigers hinzuweisen oder ihm gegebenenfalls selbst einen (Pflicht-JVerteidiger zu bestellen. Wurde gegen diese Vorschrift (die freilich durch keine Frist abgesichert war) verstoßen, war Nichtigkeit des ganzen späteren Verfahrens die Folge 1 3 4 . Im übrigen mußten dem Angeklagten bis mindestens 24 Stunden vor Beginn der Hauptverhandlung nicht nur die Zeugenund Geschworenenlisten zugänglich gemacht werden; der Angeklagte hatte auch das Recht, sich unentgeltlich von allen förmlichen (Zeugen-, Sachverständigenund Geständnis-)Protokollen eine Abschrift fertigen zu lassen (Art. 305 Abs. 2) 1 3 5 . Nachdem aus der 36 Geschworene umfassenden Sessionsliste die endgültige Urteilsjury der 12 Geschworenen gebildet war (Art. 309 und 399), begann die öffentliche Hauptverhandlung vor der vollständig versammelten ,,cour d'assises" mit einer Art Einleitungsverfahren. Zunächst wurde der Angeklagte vom Präsidenten zur Person vernommen (Art. 310); dann wurde der Verteidiger ermahnt, nicht gegen sein Gewissen zu verstoßen und dem Gesetz die gebührende Achtung zu erweisen (Art. 311), und schließlich wurden die Geschworenen vereidigt (Art. 312). Im Anschluß an die Verlesung des Verweisungsbeschlusses (des Anklagesenats) und der staatsanwaltschaftlichen Anklageschrift (Art. 313 Abs. 2) erläuterte der Assisenpräsident sodann noch einmal mündlich die in der Anklageschrift enthaltenen Vorwürfe (Art. 314). Doch nicht genug damit: Nach dem Vorsitzenden erhielt auch der Staatsanwalt Gelegenheit, die Anklage und das Beweis material mündlich zu erläutern (Art. 315 Abs. 1). Erst j e t z t - s o zumindest Art. 3 1 6 - m u ß ten die in aller Regel bereits im Sitzungsraum versammelten Zeugen aus dem Verhandlungszimmer hinausgeschickt werden. Demnach wurden - das sei doch hervorgehoben - nicht nur dem Angeklagten, sondern zwangsläufig auch den Zeugen und vor allem den Geschworenen die Anklage und das sie stützende Beweisgebäude nicht weniger als dreimal in detaillierter Weise vorgetragen. Daß die Zeugen später dann nur getrennt vernommen werden durften, war eine Vorsichtsmaßnahme, die weitgehend ins Leere laufen mußte 1 3 6 . 133 Mittermaier, ansonsten ein strenger Kritiker des französischen Strafprozesses, empfand diese vorgezogene Verhandlung nicht als Verletzung der Garantien einer mündlichen und öffentlichen Hauptverhandlung. Er sah in ihr vielmehr das „zweckmäßige Mittel, die (vorangegangene) Untersuchung zu ergänzen und die Sitzung gehörig vorzubereiten" (Mündlichkeit S. 225). 1 3 4 Erst nach Beendigung der Vorverhandlung hatte der Verteidiger uneingeschränkte Besuchsmöglichkeit und (sofern das Verfahren hierdurch nicht verzögert wurde) umfassendes Akteneinsichtsrecht (Art. 302 und 305): vgl. Höchster, Franz. Strafverfahrensrecht, S. 336 ff. 1 3 5 Bei Verstoß gegen diese Vorschrift, deren Einhaltung das Gericht und sogar die Staatsanwaltschaft zu überwachen hatten (Art. 305 Abs. 3), nahm die Praxis jedoch keine Nichtigkeit an: vgl. Höchster, Franz. Strafverfahrensrecht, S. 341. 1 3 6 Zu Recht kritisierte Feuerbach (Mündlichkeit Bd. II, S. 487 f. und Anm. 42 auf S. 389), daß durch den detaillierten Vortrag aller im Vorverfahren gegen den Angeklagten

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Die der Einleitungsprozedur folgende Beweisaufnahme („instruction") lag ausschließlich in den Händen des Vorsitzenden. Sie begann, obwohl gesetzlich nicht ausdrücklich vorgeschrieben, in aller Regel mit der Vernehmung des Angeklagten zur Sache; ihr folgte gewöhnlich das Verhör der Zeugen. Die Zeugen - und zwar zunächst die des Staatsanwalts, dann erst die Entlastungszeugen (Art. 317 und 321) - mußten getrennt vernommen werden und hatten das Recht zusammenhängender Darstellung, wobei sie sich in der Regel keiner schriftlichen Gedächtnisstützen bedienen sollten 137 . Berufsrichter, Staatsanwalt und Geschworene durften - in dieser Reihenfolge - unmittelbar Fragen an die Zeugen stellen, sofern ihnen hierzu vom Vorsitzenden (der natürlich selbst ein unbeschränktes Fragerecht hatte) das Wort erteilt wurde. Die Beschuldigtenseite dagegen konnte Zusatzfragen nur durch den Mund des Vorsitzenden stellen (Art. 319 Abs. 2) 1 3 8 . Abweichungen der mündlichen Zeugenaussagen von den früher protokollierten konnten auf Anordnung des Vorsitzenden im Protokoll vermerkt werden (Art. 318). Dem Zeugenverhör folgten, soweit geboten, die Gutachten der Sachverständigen, die Verlesung von Urkunden sowie die Vorlage sonstiger Uberführungsstücke. Der Vorsitzende stellte schließlich das Ende der Beweisaufnahme fest. Im übrigen wurden Ablauf und Umfang der Beweisaufnahme im einzelnen durch die ,,pouvoir discrétionnaire" des Vorsitzenden, von der vor allem im Rahmen der Beweislehre noch die Rede sein wird, bestimmt. Kraft dieser „diskretionnären Gewalt" 1 3 9 durfte der Vorsitzende - notfalls gegen sein Kollegium, wenngleich freilich nur im Rahmen der Gesetze - alles tun, was ihm zur Aufdeckung der Wahrheit erforderlich schien. Diese „diskretionnäre Gewalt" berechtigte ihn beispielsweise dazu, die Reihenfolge der Beweisaufnahme nach seinem Belieben zu gestalten, auch nicht geladene Zeugen (uneidlich) zu hören, die Untersuchung auf neue Beweise zu erstrecken, verfahrensverzögernde Anträge der Beteiligten zurückzuweisen (Art. 270) oder notfalls mit dem ganzen Gericht und allen Beteiligten einen Ortstermin außerhalb des Verhandlungsraumes wahrzunehmen. gesammelten Beweise alle späteren Verfahrens- und beweisrechtlichen Sicherungen unterlaufen würden: die Zeugen würden ihre Aussagen auf ihre früheren protokollarisch vorliegenden Äußerungen abstimmen können und die Geschworenen mußten in Gefahr geraten, von vornherein gegen den Angeklagten vor-eingenommen zu sein. — Insofern hat im übrigen der „ C o d e de Procédure Pénale" von 1959 in den Art. 324 ff. eine wichtige Änderung gebracht: die Zeugen haben nach ihrem Aufruf den Sitzungssaal zu verlassen; erst dann wird die Anklage verlesen. 1 3 7 So ausdrücklich Höchster, Franz. Strafverfahrensrecht, S. 388; ähnlich Donnedieu de Vabres, Précis, S. 383. Zahlreiche Nachweise für die (nach anfänglicher Strenge großzügiger werdende) Rechtsprechung bei Petersen G S 2 (1850), S. 122. - Inzwischen ist in Art. 452 Abs. 2 des „ C o d e de Procédure Pénale" übrigens ausdrücklich festgelegt, daß sich Zeugen ausnahmsweise - und zwar nur nach Erlaubnis des Vorsitzenden - auf schriftliche Unterlagen stützen dürfen. 1 3 8 Von „Waffengleichheit" zwischen Staatsanwalt und Beschuldigtem konnte so in keiner Weise die Rede sein: kritisch insofern schon Mittermaier, Mündlichkeit, S. 214 ff. 1 3 9 Vgl. Art. 268 C I C : „ L e président est investi d'un pouvoir discrétionnaire, en vertu duquel il pourra prendre sur lui tout ce qu'il croira utile pour découvrir la vérité; et la loi charge son honneur et sa conscience d'employer tous les efforts pour en favoriser la manifestation." Ausführlich hierzu Mittermaier G S 1 (1849), S. 17 ff.

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Nach Schluß der Beweisaufnahme begann das Debattierungsverfahren. Nacheinander erhielten der Verletzte, der Vertreter der Staatsanwaltschaft und der Verteidiger die Möglichkeit ausführlichen Plädierens. Der Angeklagte selbst hatte das letzte Wort (Art. 335). Den Plädoyers folgte ein kompliziertes Übergangs- und S chlußv erfahren, in dem bereits kurz nach Inkrafttreten des „Code d'Instruction Criminelle" zahlreiche gesetzliche Änderungen stattfanden: In einem Schluß vortrag („résumé") faßte der Assisenpräsident - vom Ansatz her der „charge" des englischen Richters gleich - die in der Hauptverhandlung vorgebrachten Beweise nochmals übersichtlich und anschaulich zusammen und erteilte den Laienrichtern die nötige Rechtsbelehrung (Art. 336). Diese Darstellung hatte zwar unparteiisch zu sein und sich jeder persönlichen Stellungnahme zu enthalten; doch abgesehen davon, daß selbst diese Selbstbeschränkung in der Praxis der damaligen Zeit nicht unbestritten war 140 , versteht es sich, daß starke Richterpersönlichkeiten auf diesem Weg entscheidenden Einfluß auch auf die Schuldfeststellung nehmen konnten. Im übrigen hatte der Präsident den Geschworenen detaillierte schriftliche Fragen vorzulegen, über die die Jury zu beraten und abzustimmen hatte 141 . Die Beratung der Jury war an sich geheim. Mit schriftlicher Ausnahmeerlaubnis des Präsidenten konnte freilich jedermann - mit Ausnahme des Präsidenten selbst, der das Beratungszimmer nur auf Ersuchen der Geschworenen und nur in Begleitung von Staatsanwalt und Verteidiger betreten durfte - der Eintritt gestattet werden (Art. 343) 142 . Auch in der Auswahl der Akten, die die Jury in das Beratungszimmer mitnehmen konnte, war das Gesetz verhältnismäßig großzügig. Zwar waren nach Art. 341 Abs. 1 Zeugen-Protokolle ausgeschlossen143; neben privaten Gedächtnisnotizen'44 wurden den Geschworenen aber der Verweisungsbeschluß des Anklagesenats, die staatsanwaltliche Anklageschrift samt ausführlichen Ermittlungsergebnisses und alle Sachverständigen-, Augenschein- und Geständnisprotokolle ins Beratungszimmer mitgegeben. Auch die Jury konnte ihre endgültige Entscheidung demnach weitgehend mit dem Inhalt der schriftlichen Vor-Akten abstimmen. Zunächst gab die Jury ihr Abstimmungsergebnis in öffentlicher Verhandlung, doch in Abwesenheit des Angeklagten bekannt (Art. 348). Erst wenn von der 1 4 0 Vgl. von Daniels, Franz. Strafverfahren, S. 184 ff. - Das „résumé" des Schwurgerichtspräsidenten wurde dann übrigens in der Novelle des Jahres 1881 abgeschafft. 1 4 1 Zu diesen Fragen, die sich 1808 noch weitgehend auf die Schuldfrage bezogen und erst später auf Strafzumessungstatsachen erweitert wurden: Höchster, Franz. Strafverfahren, S. 411 ff., von Daniels, Franz. Strafverfahren, S. 186 ff. und Mittermaier, Mündlichkeit, S. 392 ff. 1 4 2 Äußerst kritisch gegenüber dieser Art von „Geheimheit" Feuerbach, Mündlichkeit Bd. II, S. 452 ff. 1 4 3 Ein Verstoß hiergegen war freilich nicht revisibel (vgl. Roth, Reform des franz. Strafverfahrens, S. 164: mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen). Im übrigen waren auch Zeugenprotokolle, deren Aussagen sich nur auf Vergehen bezogen (vgl. Roth a. a. O . S. 164) oder bei denen die Zeugen bereits vor der Hauptverhandlung verstorben waren (vgl. Höchster, Franz. Strafverfahren, Anm. e auf S. 422), von dem Gebot des Art. 341 ausgenommen. 144

Vgl. Art. 328 C I C : hierzu auch Höchster,

Franz. Strafverfahren, S. 391.

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Möglichkeit des Berichtigungsverfahrens seitens des Assisenhofes kein Gebrauch gemacht worden war 145 , wurde die Entscheidung der Jury nunmehr in Anwesenheit des Angeklagten nochmals verlesen (Art. 357). Bei einem „Nicht-Schuldig" hatte der Präsident (ohne Mitwirkung des Kollegiums) den Angeklagten von der Anklage freizusprechen und die Freilassung anzuordnen (Art. 358 Abs. 1). Hatten die Geschworenen den Angeklagten für „schuldig" erklärt, so konnte das Richterkollegium bei einstimmiger Entscheidung die Sache gleichwohl zu nochmaliger vollständiger Verhandlung vor eine neue Jury verweisen (Art. 352 Abs. 1). Auf Freispruch lautete die Entscheidung des Assisenhofes, sofern ein gesetzlicher Straftatbestand fehlte (Art. 364). Ansonsten aber wurde der Angeklagte zu einer bestimmten Strafe verurteilt (Art. 365). 3. Das Beweisrecht a) Auch die französische Beweislehre ist - ähnlich wie schon das englische Beweisrecht - Spiegelbild der Gerichtsverfassung und nur vom äußeren Verfahrensgang her verständlich. Es sind letztlich zwei tragende Grundsätze des Verfahrens, aus denen sich das System des französischen Beweisrechts (bis heute) erschließt. Bezüglich der Sammlung des Β e weis materials ist dies einmal die den inquisitorischen Zügen des Verfahrens entsprechende materielle Wahrheitsermittlungspflicht des Gerichts von Amts wegen (,,le pouvoir d'initiative et le devoir d'investigation du juge"), wie sie sich vor allem in der diskretionnären Gewalt des Assisenpräsidenten ausdrückt146. Und zum anderen ist dies bezüglich der Bewertung des in der Hauptverhandlung aufbereiteten Beweismaterials das Prinzip der freien Beweiswürdigung („intime conviction"), wie es sich - Frucht der Aufklärung und Erbe der französischen Revolution - als Postulat (geschworenen-Richterlicher Freiheit in Art. 342 gesetzlich niedergeschlagen hat. Ursprünglich nur als Instruktion für die Geschworenen gedacht, denen die Formel von ihrem Obmann vor der Urteilsberatung zu verlesen war (Art. 342 Abs. 3), wurde der darin enthaltene Grundsatz der ,,intime conviction" als allgemeines Prinzip vom schwurgerichtlichen Verfahren sehr schnell auf alle Verfahren, also auch auf Kollegial- und Einzelgerichte, übertragen. Jener Abs. 3 von Art. 342 CIC 1 4 7 sei seiner überragenden Bedeutung und der vielen Mißverständnisse wegen, denen er ausgesetzt war 148 , wörtlich zitiert , 4 8 a : 1 4 5 Nach Art. 350 war die Entscheidung der Jury an sich unantastbar; die Rechtsprechung hat aber gleichwohl ein Berichtigungsverfahren entwickelt: näher Höchster, Franz. Strafverfahren, S. 433 ff. 1 4 6 Vgl. Art. 268 C I C : „II pourra prendre sur lui tout ce qu'il croira utile pour découvrir la vérité". Diese Vorschrift galt übrigens für alle Gerichte schlechthin: vgl. Lohr, Unmittelbarkeit, S. 9 (mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen), Westhoff, Beweisrecht, S. I l l und Kreuzer, Beweisaufnahme, Anm. 3 auf S. 113. 1 4 7 Als allgemeines Prinzip gilt die „intime conviction" in Frankreich noch heute: Nachdem das Gesetz vom 25. 11. 1941 jenes Prinzip nur als selbstverständlich und damit als überflüssig gestrichen hat (vgl. Lohr, Unmittelbarkeit, S. 99), findet sich der alte Art. 342 Abs. 3 C I C heute wörtlich wieder in Art. 353 Abs. 2 des „Code de Procédure Pénale". 1 4 8 Vgl. vor allem die oft ungerechte Kritik Feuerbachs, Mündlichkeit Bd. II, S. 455 ff.; kritisch im übrigen auch Mittermaier, Mündlichkeit, S. 390 f. 1 4 8 a In deutscher Ubersetzung: „Das Gesetz verlangt von den Geschworenen keine Re-

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«La loi ne demande pas compte aux jurés des moyens par lesquels ils se sont convaincus ; elle ne leur prescrit point de règles desquelles ils doivent faire particulièrement deprende la plénitude et la suffisance d'une preuve; elle leur prescrit de s'interroger eux-mêmes dans le silence et le recueillement, et de chercher, dans la sincérité de leur conscience, quelle impression ont faite sur leur raison les preuves rapportés contre l'accusé et les moyens de sa défense. La loi ne leur dit point: Vous tiendrez pour vrai tout fait attesté par tel ou tel nombre de témoins; elle ne leur dit pas non plus: Vous ne regarderez pas comme suffisamment établie toute preuve qui ne sera pas formée de tel procès-verbal, de telles pièces, de tant de témoins ou de tant d'indices; elle ne leur fait que cette seule question, qui renferme toute la mesure de leurs devoirs: Avez-vous une intime conviction?» D i e Gefahr des Mißbrauchs, der diese Vorschrift insbesondere in der nach-revolutionären und napoleonischen Zeit ausgesetzt war, sei nicht verschwiegen. Betrachtet man freilich weniger den Mißbrauch, der z u m großen Teil aus einer Überforderung der Geschworenen durch das völlig N e u e resultierte, als vielmehr die mit dieser Vorschrift verfolgte Tendenz, so gilt es festzustellen: D i e Vorschrift richtete sich eindeutig und in erster Linie gegen die gesetzlichen Beweistheorien des traditionellen Inquisitionsprozesses mit ihren altbekannten Gepflogenheiten der halben oder unvollkommenen Beweise, der gesetzlichen Beweisregeln und der übersteigerten Indizienlehre. Sie richtete sich freilich zugleich gegen das englische System der Beweisausschließungsregeln, die mit dem neuen Verständnis volksrichterlicher Unabhängigkeit als nicht vereinbar angesehen w u r d e n 1 4 9 . D e r pauschale Vorwurf jedoch, die freie Beweis Würdigung sei nichts anderes als ein „ W a h r h e i t s i n s t i n k t " 1 5 0 , wird durch den Wortlaut des Gesetzes eindeutig widerchenschaft darüber, wie sie zu ihrer Uberzeugung gelangt sind; es schreibt ihnen keine Regeln vor, von denen sie im Einzelfall abhängig machen sollen, ob ein Beweis vollkommen und ausreichend sei; es schreibt ihnen nur vor, sich selbst still und gesammelt zu befragen und im Innersten ihres Gewissens zu erforschen, welchen Eindruck die gegen den Angeklagten vorgebrachten Beweise und die zu seiner Entlastung angeführten Gründe auf ihren Verstand (!) gemacht haben. Das Gesetz sagt den Geschworenen keineswegs: Ihr sollt jeden Tatumstand für wahr erachten, der von einem ganz bestimmten Zeugen oder einer ganz bestimmten Anzahl von Zeugen vorgebracht wurde; es sagt ihnen ebensowenig: Ihr sollt jeden Beweis für unzureichend ansehen, der nicht auf einem ganz bestimmten Protokoll, auf ganz bestimmten Uberführungsstücken, auf so und soviel Zeugen oder so und soviel Indizien beruht; es stellt an die Geschworenen letztlich nur die eine Frage, die den Inbegriff aller ihrer Pflichten enthält: Seid ihr innerlich-persönlich (ergänze: von der Schuld des Angeklagten) überzeugt?" 149 Westhoff (Beweisrecht, S. 114) betrachtet das Fehlen (englisch-rechtlicher) Beweisausschließungsregeln als „einzigartiges historisches MißVerständnis"; denn „dem Vorbild der englischen Jury (sei) unter Außerachdassung eines ihrer wesentlichen Momente, dem ausgeprägten Beweisrecht, nachgeeifert" worden. 1 5 0 So Feuerbach, Geschworenen-Gericht, S. 117. Ähnlich scharf derselbe, Mündlichkeit Bd. II: „Vorgefaßte Meinungen, edle und gemeine Leidenschaften, kurzsichtige Beschränktheit des Verstandes oder vorschnelle Leichtfertigkeit des Urteils, welche mittels der Einbildungskraft in jedem Nichts Etwas sieht, das Entfernteste verknüpft, das Widersprechendste zusammenreimt, jede Ungereimtheit ihrer Hypothesen mit neuen Hypothesen zudeckt" (a. a. O. S. 456), so daß solche richterliche Entscheidungen „keine stärkere Bürgschaft der Wahrheit für sich haben, als hätte man über das Schuldig oder Nichtschuldig das Los aus einer Urne gezogen" (a. a. O. S. 476).

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legt. D e r persönliche richterliche Eindruck, den zeitgenössische Autoren als „ A p o s t r o p h e n an das G e m ü t der Geschworenen und A u f r e g u n g ihrer G e f ü h l e " aufgefaßt h a b e n 1 5 1 , ist v o m G e s e t z eindeutig auf den Verstand und die Urteilskraft der Geschworenen bezogen ( „ q u e l l e impression ont faite sur leur raison les preuv e s " ) . D a ß das G e s e t z d e m Richter eine gewissenhafte A b w ä g u n g aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Beweise auferlegt, beweist ebenfalls, daß dem Richter eindeutig eine Verstandesoperation abverlangt wurde. Insofern ist die heute im Rahmen des § 261 unserer S t P O unbestritten anerkannte Erkenntnis, daß das Prinzip freier richterlicher Beweiswürdigung unter dem Erfordernis der rationalen Nachvollziehbarkeit durch andere, insbesondere durch andere Richter steht (sog. „Intersubjektivität"), bereits im W o r d a u t jenes Art. 342 des „ C o d e d'Instruction Criminelle" angedeutet. b) D e r Sache nach kannte schon das Beweisrecht des „ C o d e d'Instruction Criminelle" einen geschlossenen Katalog von Beweismitteln. Zu diesen Beweismitteln sind neben dem hier weniger interessierenden Sachverständigen- und Augenscheinsbeweis 1 5 2 vor allem Vernehmung des Beschuldigten, Zeugenaussage und Urkundenbeweis zu zählen. aa) O b w o h l nicht förmlich geregelt, war - dies folgt aus einer Vielzahl von Vorschriften 1 5 3 - die Vernehmung des Beschuldigten von der Praxis als Beweismittel allgemein anerkannt. J a , die Beschuldigtenvernehmung, sprich : die J a g d nach dem Geständnis stand auch in der täglichen Praxis des französischen Strafprozesses nach wie vor im Mittelpunkt der Beweisfindung, war wie in Deutschland deutliches Zeichen des (wenn auch abgeschwächt) fortwirkenden Inquisitionsprozess e s 1 5 4 . Zwar war schon dem C I C eine Pflicht zur Selbstbelastung fremd. War das Geständnis aber einmal vorhanden, so unterlag es generell - unabhängig, o b gerichtlich oder außergerichtlich e r l a n g t - der freien Beweiswürdigung des Gerichts. Wie das vor der Hauptverhandlung gewonnene Geständnis insbesondere dann, wenn es in der Hauptverhandlung widerrufen oder v o m nicht-anwesenden Angeklagten 1 5 5 nicht bestätigt wurde, beweismäßig in den Prozeß eingeführt werden konnte, ist freilich eine andere Frage. Hierüber wird später noch zu reden sein, bb) Im Rahmen des Zeugenbeweises jener frühen Zeit des französischen StrafMittermaier, Mündlichkeit, S. 391. Die gesetzlichen Bestimmungen über den (ebenfalls der freien richterlichen Beweiswürdigung unterworfenen) Sachverständigenbeweis waren äußerst unzureichend: näher Höchster, Franz. Strafverfahren, S. 97 ff., von Daniels, Franz. Strafverfahren, S. 109 f. und Westhoff, Beweisrecht, S. 139. - Zum Augenscheinbeweis siehe Höchster a. a. O. S. 96 ff. und von Daniels a. a. O. S. 102 ff. 1 5 3 Neben den in Anm. 113 genannten Vorschriften siehe auch die Art. 190 und 319 Abs. 3. 154 Ausführlich hierzu schon Glaser, Beweis, S. 294 ff.; interessant in diesem Zusammenhang Zachariae, Gebrechen, S. 45 ff. : aus dem Wesen des Inquisitionsprinzips, das den Beschuldigten nicht als Prozeßsubjekt, sondern als Untersuchungsgegenstand verstehe, folge zwangsläufig die Uberbewertung des Geständnisses. 1 5 5 Wie aus den Art. 149 und 152 bzw. 185 folgt, war der C I C in dem Erfordernis persönlicher Anwesenheitspflicht des Angeklagten im Verfahren vor dem Einzelrichter und dem Kollegialgericht recht großzügig. 151

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prozesses interessiert vom vorliegenden Thema her weniger die Differenzierung in Personen, die unter (Vor-)Eid Zeugnis abzulegen hatten, und in solche, die bloß uneidlich (,,à titre de renseignement") vernommen werden konnten 1 5 6 . Hervorzuheben ist allenfalls die Strenge, mit der ordnungsgemäß geladene Zeugen zum Erscheinen vor Gericht und zu (wahrheitsgemäßer) Aussage verpflichtet waren (Art. 80 ff. und 304). Dieser Strenge entsprechend war ein Zeugnisverweigerungsrecht nur zum Schutze des Berufsgeheimnisses anerkannt 157 ; in allen anderen Fällen führte die Zeugnisverweigerung zu strenger Bestrafung 158 . Hervorzuheben ist jedoch, daß schon das Beweisrecht des „Code d'Instruction Criminelle" keinerlei gesetzliche Bestimmungen kannte (und im übrigen auch der „Code de Procédure Pénale" von heute nicht kennt), die die Vernehmung eines Zeugen vom Inhalt seiner Aussage abhängig machen. Folglich berührte denn auch der „Code d'Instruction Criminelle" jenes im englischen Prozeß so bedeutungsvolle und bei uns bis heute so umstrittene Problem des Zeugen vom Hörensagen mit keinem einzigen Wort. Selbst wenn in späterer Zeit gelegentlich auch französische Autoren vor dem Wert eines Hörensagenbeweises („oui-dire") warnten 159 , der Hörensagenbeweis war und ist im französischen Strafprozeß als zwangsläufige Folge uneingeschränkter amtlicher Aufklärungspflicht grundsätzlich zulässig. Der mögliche Minderwert des auf fremder Tatsachenwahrnehmung basierenden Hörensagenbeweises, selbstverständlich auch von der französischen Praxis und Literatur nicht übersehen, konnte und sollte auf der Stufe der Beweiswürdigung im Rahmen der „intime conviction" 1 6 0 berücksichtigt werden 161 . Gleiches galt und gilt dementsprechend für die Vernehmung von Verhörpersonen. Es ist seit langem anerkannt, daß solche Verhörpersonen die vor ihnen im Vorverfahren abgegebenen Aussagen - und zwar solche von Zeugen ebenso wie die des Angeklagten selbst - als Beweis vom Hörensagen in das Erkenntnisverfahren einbringen

1 5 6 Eidesunfähig waren beispielsweise Kinder unter 15 Jahren (Art. 79 C I C : „par forme de déclaration et sans prestation de serment") oder bestimmte vorbestrafte Personen (Art. 34 Nr. 3 Code Pénal). Enumerativ genannte Angehörige des Angeklagten waren - sofern auch nur ein Prozeßbeteiligter widersprach - vom Zeugnis sogar grundsätzlich ausgeschlossen (Art. 156 und 322 CIC) ; im schwurgerichtlichen Verfahren konnte der Gerichtsvorsitzende freilich auch diesen Personenkreis kraft seiner „pouvoir discrétionnaire" zur (uneidlichen) Auskunft vernehmen. 1 5 7 Vgl. Art. 378 Code Pénal. Trotz dessen strengen Wortlauts hat die höchstrichterliche Rechtsprechung diesbezüglich ein striktes Beweisverwertungsverbot freilich erst gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts anerkannt: siehe Sprang, Zeugen vom Hörensagen, S. 110 f. 1 5 8 Vgl. Art. 80, 157, 189 und 355 CIC. 1 5 9 So beispielsweise Bouzat-Pinatel, Traité de droit pénal Bd. 2, Nr. 1222, Vidal-Magnoi, Droit criminel, S. 848 f. und Donnedieu de Vabres, Précis, S. 343. 1 6 0 Die sich rechtsgeschichtlich ja bekanntlich parallel zum Amtsaufklärungsgrundsatz durchgesetzt hatte. 1 6 1 Weiterführend Sprang, Zeugen vom Hörensagen, S. 105 ff. und Lohr, Unmittelbarkeit, S. 97 ff.: jeweils mit zahlreichen französischen Literatur- und Rechtsprechungsnachweisen. Vgl. im übrigen auch schon Feuerbach, Mündlichkeit Bd. II, S. 469 f.

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konnten 162 . Gleichwohl aber hatte der bei uns noch heute so beliebte Ausweg, bei Verweigerung der Aussage oder bei Unzulässigkeit der Protokollverlesung die entsprechende Verhörperson zu vernehmen, im französischen Recht bei weitem nicht die Bedeutung wie später bei uns. Auf die Gründe hierfür wird noch einzugehen sein 163 . cc) Von großer Bedeutung für die vorliegende Thematik ist schließlich der Urkundenbeweis (,,preuve par écrit"). Innerhalb der Urkunden, die auch im französischen Recht durch den verlesbaren gedanklichen Inhalt des Schriftstückes charakterisiert sind, unterscheidet man Original- und berichtende Urkunden. Dabei interessieren uns weniger die Originalurkunden, die selbst den (direkten oder indizierenden) rechtserheblichen Tatbestand verkörpern, als vielmehr die , berichtenden Urkunden" - also jene Urkunden, die auf den Inhalt anderer (Personal-) Beweismittel hinweisen. Beide Arten von Urkunden wurden, wie aus den Art. 153 Abs. 2 und 190 Abs. 2 deutlich hervorgeht, durch mündliche Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt. Schon diese Form der mündlichen Verlesung von Urkunden, insbesondere von Protokollen, verdient gegenüber dem früheren Zustand besondere Hervorhebung. Denn auch im französischen Inquisitionsprozeß waren die im Vorverfahren gewonnenen Akten dem Gericht meist nur in Form einer auszugsweisen „Relation" vermittelt worden. Hervorzuheben ist dieses Erfordernis mündlicher Verlesung des weiteren deshalb, weil es eine Folge des „débat oral" ist-jenes „débat oral", der übereinstimmend als die fundamentale Regel des neuen französischen Strafverfahrens bezeichnet wurde 164 und von dem allein aus sich die uns beschäftigende Problematik der Protokollverwertung erschließt. Die Idee des „débat oral" ist dem Vorbild des englischen Parteienprozesses und der dort verwirklichten Waffengleichheit nachgebildet 165 . Wie der Name zum Ausdruck bringen will, soll zwischen den Parteien ein „mündlicher Kampf" geführt werden. Dieser Kampf aber kann dem Angeklagten gegenüber nur dann fair und von seiner Seite aus nur dann mit Aussicht auf Erfolg geführt werden, wenn die den Angeklagten belastenden Beweise in derselben Art und Weise vorgebracht werden, wie er sich dagegen wehren kann. Dieser Gedanke der Waffengleichheit führt einmal dazu, daß die schriftlichen Beweise in der Hauptverhandlung in Anwesenheit des Angeklagten vollinhaltlich zu verlesen sind. Er bekämpft darüber hinaus zugunsten des Angeklagten die schon im Ansatz unfaire Auseinandersetzung mit im Vorverfahren geheim gewonnenen Protokollen. Er möchte dem Angeklagten den Kampf gegen einen gewissermaßen unsichtbaren Gegner ersparen. 11,2 Siehe hierzu insbesondere Sprang, Zeugen vom Hörensagen, S. 107 ff. Siehe auch Donnedieu de Vabres, Précis, Anm. l a u f S . 343 sowie S. 345 (hier bezüglich eines außergerichtlichen Geständnisses). 1 6 3 Auf einen Grund sei bereits jetzt hingewiesen: da dem früheren französischen Recht - mit Ausnahme des Art. 378 Code Pénal (Zeugnisverweigerungsrecht bestimmter Berufsgruppen: vgl. obige Anm. 157) - Zeugnisverweigerungsrechte im allgemeinen unbekannt waren, war schon aus diesem Grund das praktische Bedürfnis zur Vernehmung von Verhörpersonen weitaus geringer als bei uns. Siehe hierzu auch Sprang, Zeugen vom Hörensagen, S. 110 f. 1 6 4 So vor allem schon von Poittevin, C I C , Nr. 217 zu Art. 317. 1 6 5 Näher hierzu insbesondere Ziegler, Urkundenbeweis, S. 27 ff.

II. Das französische Strafverfahren

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D e m Angeklagten ist ein (Zeugen-)Gegner gegenüberzustellen, der persönlich vor Gericht zu erscheinen und dort seine A u s s a g e in Anwesenheit des Gerichts und des Angeklagten zu machen hat. N u r so könne es dem Angeklagten b z w . seinem Verteidiger gelingen, in mündlicher Gegenrede auf mündliche Vorrede - wenn man will: in einer A r t „ K r e u z v e r h ö r " - den „ a n g r e i f e n d e n " Zeugen auf Widersprüche, Unklarheiten und Unvollständigkeiten aufmerksam zu machen; die durch die P r o t o k o l l - U r k u n d e verkörperte geheime frühere A u s s a g e demgegenüber w ü r d e gewissermaßen schwarz auf weiß und nahezu unangreifbar stehenbleiben. A u s dieser Idee des „ d é b a t o r a l " 1 6 6 folgt der allgemeingültige wichtige Satz, daß Zeugen (und dementsprechend natürlich auch Sachverständige) in der Hauptverhandlung selbst anwesend sein und mündlich aussagen müssen (Art. 317 A b s . 2: „ l e s témoins déposeront oralement"). D e r Idee des „ d é b a t o r a l " widerspricht an sich eindeutig die Einführung von Protokollen des Vorverfahrens in den H a u p t p r o z e ß . U n d dennoch wurde das Prinzip der „ o r a l i t é " bei der Verwertung solcher Protokolle aus vielerlei Gründen weitgehend aufgelockert. D a s hing damit z u s a m m e n , daß die Praxis unter Billigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung trotz fehlender gesetzlicher G r u n d lage neben den untersuchungsgerichtlichen Protokollen auch Niederschriften aus der „ e n q u ê t e officieuse" als Beweismittel anerkannte 1 6 7 . Wie sehr die französische Praxis die Waffengleichheit englischen Vorbilds mißverstanden hat, beweist des weiteren die Tatsache, daß (gerichtliche oder polizeilich-staatsanwaltschaftliche) Geständnisprotokolle ohne weiteres verlesbar waren und der freien richterlichen Beweiswürdigung unterlagen 1 6 8 . A u s diesem G r u n d war auch bei Widerruf eines Geständnisses ein praktisches Bedürfnis für die Vernehmung von Verhörpersonen meist nicht vorhanden. A u c h hinsichtlich Zeugenprotokollen wurde das v o m „ d é b a t o r a l " gebotene Verlesungsverbot nicht konsequent verwirklicht: einmal weil die französische Praxis trotz gelegentlicher literarischer Kritik frühere Zeugenprotokolle verlesen ließ, sofern der Zeuge erwiesenermaßen verstorben, nicht erreichbar oder wegen Krankheit nicht vernehmungsfähig w a r 1 6 9 . Z u m anderen w u r d e es mit der Vorstellung eines „mündlichen K a m p f e s " für vereinbar angesehen, nach mündlicher Zeugenaussage ergänzend auch noch das frühere Protokoll zu verlesen; etwaige Abweichungen wurden der freien BeweiswürdiDie französische Literatur pflegt in der Regel von „oralité" zu sprechen (vgl. beispielsweise Donne dieu de Wahres, Précis, S. 374; weiter hierzu Ziegler, Urkundenbeweis, S. 28). Der Begriff „immédiateté ( = Unmittelbarkeit) findet sich im französischen Sprachgebrauch selten, so aber beispielsweise bei Garraud (Instruction Criminelle Bd. 2) - und hier bezeichnenderweise unter Berufung auf deutsches Recht (a. a. O . S. 20 und S. 114). 1 6 7 Vgl. statt vieler Schweiken ZStW 69 (1957), S. 688, Roth, Reform des franz. Strafverfahrensrechts, S. 46 und S. 57 (mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen) und Krattinger, Strafverteidigung im Vorverfahren, S. 132 mit Anm. 138. 1 6 8 Vgl. Feuerbach, Mündlichkeit Bd. II, S. 379 ff.; weiterführend Ziegler, Urkundenbeweis, S. 50. 1 6 9 Weiterführend auch hier Ziegler, Urkundenbeweis, S. 52; vgl. auch Mittermaier, Mündlichkeit, S. 53 und (für die neuere Zeit) Krattinger, Strafverteidigung im Vorverfahren, S. 131. Ergänzend sei hinzugefügt, daß nach Art. 477 im Kontumazialverfahren die Verlesung von Zeugenprotokollen sogar ausdrücklich gestattet war.

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2. Kapitel: Ausländische Vorbilder

gung des Gerichts überlassen170. Nach alledem überrascht es kaum, daß die Rechtsprechung nach anfänglicher Strenge sogar private Aufzeichnungen der Zeugen verlesen ließ - wenngleich auch nur unter der Voraussetzung, daß diese zwischenzeitlich verstorben, nicht vernehmungsfähig oder unerreichbar waren und mit einer mündlichen Vernehmung in absehbarer Zeit nicht gerechnet werden konnte 171 . c) Schon nach allem bisher Gesagten kann man kaum von einem ,,débat oral" im Sinn jener Waffengleichheit des englischen Rechts sprechen, hatte dieses doch den erkennenden Gerichten in der beweismäßigen Verwertung von Protokollen bekanntlich größte Beschränkungen auferlegt. Es kommt hinzu, daß den Protokollen des Vorverfahrens auf Grund beweisrechtlicher Besonderheiten im Verfahren vor Berufsrichtern einerseits und Laienrichtern andererseits noch weitergehende Bedeutung zuerkannt wurde. aa) Für das Verfahren vor dem „tribunal de simple police" und dem „tribunal correctionel" bestimmten Art. 154 und (der auf diese Vorschrift Bezug nehmende) Art. 189, der Beweis werde entweder durch Protokolle oder - bei Fehlen solcher Protokolle oder zu deren Unterstützung - durch Zeugen geführt172. Diese Regelung - im Ausgangspunkt übrigens auch vom „Code de Procédure Pénale" von 1959 beibehalten173 - entsprang grundsätzlichen Erwägungen über die Verschiedenheit des Verfahrens vor Berufsrichtern einerseits und Laienrichtern andererseits. Der Gesetzgeber glaubte, von einer strengen Durchführung der ,,oralité" vor den ausschließlich mit Berufsrichtern besetzten Gerichten absehen zu können ; denn diese seien erfahrungsgemäß eher als die Laienrichter imstande, die mit dem Urkundenbeweis verbundenen schwierigen Fragen der Beweiswürdigung zu bewältigen. Im einzelnen unterschied das Gesetz zwei Arten von Protokollen (Art. 154 Abs. 2) : den gesetzlich jeweils ausdrücklich bestimmten Ausnahmefall jener Feststellungsurkunden, die Beweis erbringen bis zum Nachweis der Fälschung des Protokolls („jusqu'à inscription de faux"), sowie als Regelfall die Protokolle der „officiers de police judiciaire", die grundsätzlich bis zum Nachweis des Gegenteils beweiskräftig sind („jusqu'à preuve contraire") 174 . Im ersten Fall 175 konnte der Gegenbeweis nur in Form eines förmlich geregelten Fälschungsverfahrens geMit entsprechenden Nachweisen: Ziegler, Urkundenbeweis, S. 47. Vgl .Ziegler, Urkundenbeweis, S. 44 und Petersen GS 2 (1850), S. 122 f.: jeweils mit entsprechenden Rechtsprechungsnachweisen. 1 7 2 Art. 154 Abs. 1: „Les contraventions seront prouvées, soit par procès-verbaux . . . , soit par témoins à défaut de . . . procès-verbaux ou à leur appui." 1 7 3 Lediglich mit dem Unterschied, daß die Zahl der beweiskräftigen Protokolle im Verfahren vor dem „tribunal correctionel" verringert wurde: vgl. Krattinger, Strafverteidigung im Vorverfahren, S. 131, Kreuzer, Beweisaufnahme, S. 89 und Glatthaar, Polizei im franz. Strafverfahren, S. 65 f. 1 7 4 Weiterführend Höchster, Franz. Strafverfahren, S. 75 f.undS. 198 ff., Merckel GS 2 (1850), S. 158 ff., Ziegler, Urkundenbeweis, S. 29 ff. sowie (für die neuere Zeit) Kreuzer, Beweisaufnahme, S. 85 ff. und Krattinger, Strafverteidigung im Vorverfahren, S. 131 ff. Vgl. auch Donnedieu de Vabres, Précis, S. 265 und S. 342. 1 7 5 Hauptanwendungsbereich: Jagd-, Zoll-, Steuer- und Wirtschaftsstrafrecht (Nachweise bei von Daniels, Franz. Strafverfahren, S. 112 und Merckel GS 2 (1850), S. 173 ff.). 170 171

II. Das französische Strafverfahren

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führt werden, bei dem die zeugeneidliche Vernehmung des Protokollanten ausgeschlossen war (Art. 448 ff.). Wurde ein solches Protokoll weder als falsch noch als verfälscht angegriffen oder war das Fälschungsverfahren erfolglos verlaufen, war das erkennende Gericht an den Inhalt des Protokolls gebunden. In der Mehrzahl aller Fälle ließen die Protokolle der gerichtlichen Polizei jedoch den Gegenbeweis zu. H i e r f ü r genügt zwar nicht bloßes Bestreiten des Beschuldigten; ansonsten waren jedoch alle gesetzlich zugelassenen Beweismittel zur Führung des Gegenbeweises geeignet. O b der Gegenbeweis gelungen war, unterlag der freien Beweiswürdigung des erkennenden Gerichts. Solange der Fälschungsnachweis bzw. der Gegenbeweis nicht angetreten oder nicht erfolgreich verlaufen war, blieb das erkennende Gericht - insofern eine gewichtige Durchbrechnung des Grundsatzes freier Beweiswürdigung - an die besondere Beweiskraft des Protokolls gebunden. Dabei darf freilich nicht verschwiegen werden, daß die Beweisfähigkeit des Protokolls sich anerkanntermaßen nur auf solche Tatsachen erstreckte, die von dem beurkundenden Beamten selbst wahrgenommen worden waren 1 7 6 . Soweit der beweiskräftige Gegenstand des Protokolls nicht betroffen war, war eine weitere Beweisaufnahme sehr wohl möglich. Sofern die beweiserheblichen Tatsachen des Protokolls als wahr unterstellt wurden, ließ man eine Erweiterung der Beweisaufnahme sogar bezüglich des beweiskräftigen Protokollinhalts zu ( „ p o u r dissiper certaines obscurités et combler certaines lacumes des constations de fait") 1 7 7 . Falls ein Protokoll überhaupt fehlte, inhaltlich unvollständig/widersprüchlich oder formell fehlerhaft war, blieb es bei den allgemeinen Regeln 1 7 8 . Angesichts solcher Großzügigkeit des Gesetzes in der Protokollverwertung war das Bedürfnis f ü r die Vernehmung von Verhörpersonen in der Praxis verständlicherweise nicht allzu groß. Ein solches Bedürfnis wäre allenfalls in bezug auf frühere Aussagen von Angehörigen des Beschuldigten vorhanden gewesen, da diese im Verfahren vor dem „tribunal de simple police" und dem „tribunal correctionel" nach Art. 156 und 189 bekanntlich an sich überhaupt nicht vernommen werden konnten 1 7 9 . Diese Einschränkung galt freilich nur unter der Voraussetzung, daß einer der Verfahrensbeteiligten ausdrücklich einen entsprechenden Antrag stellte. N u r in diesem Fall war auch die Vernehmung einer Verhörperson unzulässig. H a t t e dagegen der Angeklagte, der Staatsanwalt oder der Verletzte die Zeugenvernehmung eines Angehörigen des Angeklagten stillschweigend zugelassen, so konnte auch diese Aussage im Wege freier Beweiswürdigung verwertet werden, und die Vernehmung einer Verhörperson war insoweit wiederum unnötig 1 8 0 . 176 Handelte es sich beispielsweise um ein protokollarisch festgehaltenes Geständnis, so war von der besonderen Beweiskraft des Protokolls nur die Tatsache, daß ein Geständnis abgelegt war, erfaßt, nicht aber dessen inhaltliche Wahrheit: vgl. Kreuzer, Beweisaufnahme, Anm. 1 aufS. 86; siehe ferner von Daniels, Franz. Strafverfahren, S. 112 und Krattinger, Strafverteidigung im Vorverfahren, S. 132. 177 Leloir (zitiert nach Ziegler, Urkundenbeweis, S. 30); ähnlich auch Höchster, Franz. Strafverfahren, Anm. c auf S. 199. 178 Vgl. Höchster, Franz. Strafverfahren, S. 199 und Ziegler, Urkundenbeweis, S. 29 (mit weiteren Nachweisen). 179 Vgl. obige Anm. 156. 's« Vgl. Sprang, Zeugen vom Hörensagen, S. 107 ff.

5 Geppert, Grundsatz

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2. Kapitel: Ausländische Vorbilder

b b ) O b w o h l der Vcfrrang schriftlicher Protokolle, wie er in den Art. 154 und 189 z u m A u s d r u c k gekommen ist, im Verfahren vor dem Schwurgericht hinter das dort strenger beachtete Prinzip der „ o r a l i t é " zurückzutreten hatte, war auch im schwurgerichtlichen Verfahren v o m Geist des englischen Vorbilds letztlich nicht viel übriggeblieben. Der wichtige G r u n d s a t z des A r t . 317 A b s . 2, wonach die Zeugen in der Hauptverhandlung vor dem erkennenden Gericht mündlich auszusagen haben, war nämlich entscheidend abgeschwächt w o r d e n : die Zeugen waren in der Hauptverhandlung zwar durchaus mündlich-persönlich zu vernehmen, freilich nur, wenn eine Zeugenaussage überhaupt erforderlich war. D e r G r u n d für diese gewichtige Einschränkung lag in der bereits mehrfach erwähnten „ p o u v o i r discrétionnaire" des Assisenpräsidenten. A u f G r u n d dieser diskretionnären G e walt konnte der Gerichtsvorsitzende auch nicht förmlich geladene Zeugen ( „ t é moins discrétionnaires") in der Hauptverhandlung uneidlich vernehmen und ihre A u s s a g e im Wege freier Beweiswürdigung verwerten 1 8 1 . D e r Vorsitzende konnte darüber hinaus - so wenigstens nach anfänglicher Strenge die ständige Rechtsprechung - auch im Falle geladener, aber nicht erschienener Zeugen deren protokollarisch festgehaltene frühere Aussagen ohne den Nachweis eines gesetzlichen Hinderungsgrundes ( T o d , Krankheit, Unerreichbarkeit) frei verlesen lassen 1 8 2 . Daß Abweichungen der mündlichen Zeugenauskünfte von den protokollierten früheren Aussagen auf Anweisung des Präsidenten im Protokoll ausdrücklich zu vermerken waren (Art. 318 A b s . 2), ist bereits erwähnt. Eben wegen dieser Vorschrift und in Verbindung mit der diskretionnären Gewalt des Gerichtsvorsitzenden erachtete es die Praxis für zulässig, (nach der mündlichen Aussage) eine schriftlich protokollierte A u s s a g e z u m Zwecke des Vorhalts verlesen zu lassen 1 8 3 . Wenn man zeitgenössischen Autoren glauben darf, bedurfte es dieses ausdrücklichen Vorhalts in sehr vielen Fällen freilich überhaupt nicht. Bekanntlich konnten die Zeugen die Anklageschrift samt ihres (auf den früheren Aussagen aufbauenden) detaillierten Ermitdungsergebnisses sowie z u d e m noch die zusammenfassenden Darstellungen des Assisenpräsidenten und des Staatsanwalts mitanhören und ihre mündliche Einlassung demzufolge auf ihre frühere protokollierte Aussage hin sorgfältig a b s t i m m e n 1 8 4 . Alles in allem: T r o t z des gesetzlichen Bekenntnisses z u m „ d é b a t o r a l " hatten die Protokolle des Vorverfahrens auch im schwurgerichtlichen Verfahren auf die Urteilsfindung nach wie vor außerordentlich großen Einfluß. D e r weitgehend aktenschriftliche Inquisitionsprozeß alter Prägung war insofern nur unvollständig überwunden.

181 Vgl. Mittermaier, Mündlichkeit, S. 272 mit Anm. 65, Höchster, Franz. Strafverfahren, S. 383 und Feuerbach, Mündlichkeit Bd. II, S. 470 f. Siehe auch Krattinger, Strafverteidigung im Vorverfahren, S. 130 und Glatthaar, Polizei im franz. Strafverfahren, S. 66. ' 8 2 Vgl. Mittermaier, Mündlichkeit, S. 53 und S. 271 f. (jeweils mit weiteren Nachweisen), von Daniels, Franz. Strafverfahren, S. 180 und Feuerbach, Mündlichkeit Bd. II, S. 377 ff. Zahlreiche Rechtsprechungsnachweise auch bei Petersen GS 2 (1850), S. 124. 1 8 3 Vgl. Höchster, Franz. Strafverfahren, S. 401 (in Anm. c mit Hinweisen auf entsprechende Entscheidungen des Kassationshofes). 184 Kritisch insofern vor allem Feuerbach, Mündlichkeit Bd. II, S. 389mitAnm. 42und S. 487.

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3. Kapitel: Die deutsche Reformbewegung des 19. Jahrhunderts Im oesterreichischen Gesetz von 1803, in der preußischen Criminal-Ordnung von 1805 und im bayrischen Strafgesetzbuch von 1813 hatte der gemeine Inquisitionsprozeß nochmals einen ausdrücklichen gesetzlichen Niederschlag gefunden1. Nahezu zu gleicher Zeit begann in Deutschland freilich bereits der Kampf gegen das Inquisitionsverfahren. Dieser Kampf läßt sich im wesentlichen auf drei teilweise miteinander zusammenhängende Gründe zurückführen. In erster Linie waren es die aus Frankreich kommenden Ideen der Aufklärung und der Französischen Revolution, die auf Beseitigung des Absolutismus und parallel dazu auf Beendigung des dieser Herrschaftsform typisch zugeordneten Inquisitionsprozesses drängten. Das überkommene Verfahrensrecht erschien als schlechterdings unvereinbar mit dem vom bürgerlichen Liberalismus erstrebten neuen Staat, für den der Schutz des einzelnen gegen Staats-Allmacht und die Mitbeteiligung und Mitverantwortung des Bürgers an diesem Staate im Vordergrund standen. Dazu kam die allgemeine Unzufriedenheit mit den traditionellen Formen des Strafverfahrens. Gegenstand der Kritik waren inbesondere die schrankenlose Gewalt des Inquirenten und die damit verbundene Ohnmacht des Inquisiten, die Vereinigung sich widersprechender Aufgaben in der Hand einer Person, die Urteilsfindung von Berufsrichtern (die ihr Urteil weitgehend auf schriftliches und meist durch einen Berichterstatter tendenziös vermitteltes Aktenmaterial stützten), die fehlende Transparenz des Verfahrens und nicht zuletzt die gesetzlichen Beweistheorien. Unzufriedenheit herrschte über das Ärgernis von Verdachtsstrafen u. ä. Und schließlich gab der deutschen Reformbewegung entscheidenden Auftrieb die Tatsache, daß der den überlieferten Inquisitionsprozeß (wenn auch nur teilweise) überwindende französische „Code d'Instruction Criminelle" von 1808 auch nach Beseitigung der Napoleonischen Fremdherrschaft in den linksrheinischen Gebieten Rheinpreußens, Rheinbayerns und Rheinhessens als Partikularrecht fortbestand und von hier aus in die übrigen deutschen Einzelstaaten fortwirkte. Die neue Form des Prozesses erfreute sich in den linksrheinischen Gebieten bei Justiz und Bevölkerung zunehmender Beliebtheit, was vor allem darin zum Ausdruck kam, daß die 1816 eingesetzte preußische „Immédiat-Kommission" sich für die preußischen Rheinprovinzen zur Beibehaltung des französischen Rechts entschied2. Der dadurch bedingte Verfahrensdualismus drängte verständlicherweise zu einer Einheits-Lösung und mußte im Laufe der Zeit éin Ende finden, da in ein und demselben Staatsgebiet auf Dauer nicht zwei völlig unterschiedliche Verfahrensordnungen nebeneinander Bestand haben konnten.

1 Erste Reformbemühungen Anselm von Feuerbachs und insbesondere sein Versuch, in das bayrische Gesetz von 1813 bei Kapitalverbrechen ein mündlich-öffentliches Schlußverfahren einzuführen (vgl. hierzu die rechtfertigende „amtliche Äußerung" Feuerbachs: Beilage I, in: Mündlichkeit Bd. I, S. 416 ff.) sind bekanntlich im bayrischen Geheimen Rat zunichte gemacht worden: vgl. Radbruch, Feuerbach, S. 84. 2 Vgl. Stegmaier, Unmittelbarkeit, S. 12 ff.

5'

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3. Kapitel: Die deutsche Reformbewegung des 19. Jahrhunderts

I. Die literarische Reformbewegung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Zunächst war es nahezu ausschließlich die Wissenschaft, die den Kampf um die Reform eröffnete. Gegen Mitte des Jahrhunderts Schloß sich diesem Kampf allmählich auch die Strafrechtspraxis an, und zwar waren es vor allem die aus den linksrheinischen Gebieten in die Mutterlande versetzten Richter, die hier für die Übernahme des neuen (französischen) Verfahrensrechtes sprachen 3 . Die betroffenen Länder hatten zunächst am Verfahrensdualismus festgehalten 4 . Die ersten partikularen Entwürfe bzw. die ersten erfolgreich durchgesetzten einzelstaatlichen ,,Reform"-Gesetze waren, wie noch zu zeigen sein wird, den Weg einer punktuellen Reform des alten Inquisitionsprozesses gegangen. Auch die Wissenschaft 5 hatte zunächst noch geglaubt, durch „Umgestaltung einzelner Räder im Mechanismus des (Inquisitions-)Prozesses . . . einzelne Umstände beheben (und) mancherlei Mißbräuche beseitigen oder doch einschränken" zu können 6 . Sehr bald setzte sich hier jedoch die Erkenntnis durch, daß eine prinzipielle Neugestaltung erforderlich und ohne Heranziehung ausländischer Vorbilder nicht möglich war. Den geistigen Anstoß für die grundlegende Umgestaltung des Verfahrens mußte daher zwangsläufig die rechtsvergleichende Wissenschaft geben, deren erster Höhepunkt in diese erste Hälfte des vergangenen Jahrhunderts fällt und deren Vertreter - um mit Mittermaier einen dieser Vorkämpfer zu zitieren 7 - den Augen der damaligen Zeit zunächst „als gutmüthige Schwärmer oder als unzufriedene ungestüme Anhänger von Neuerungen, als verkappte Demagogen oder Anhänger des Franzosen turns" erschienen. Angesichts der politischen Lage und des dadurch verursachten Verfahrensdualismus sowie nicht zuletzt auf Grund der Tatsache, daß das Verfahrensrecht des benachbarten Frankreich aus einem dem deutschen Verfahren ähnlichen Entwicklungsprozeß hervorgegangen war, hatte das neue französische Recht dem englischen gegenüber in der literarischen Diskussion (vor allem in der ersten Hälfte des Jahrhunderts) ein deutliches Übergewicht. Dies schlug sich auch in der Partikulargesetzgebung und schließlich in der ReichsStrafprozeßordnung von 1877 nieder und ist im Grunde bis zum heutigen Tag so geblieben 8 . So standen sich denn der gemeine Inquisitionsprozeß deutscher Prägung und 3 Vgl. Mittermaier, Mündlichkeit, S. 4, Glaser, Grundlagen, S. 12 und Westhoff, Beweisrecht, S. 115. 4 Bezeichnend hierfür die Kabinett-Order des preußischen Königs vom 26. Juli 1826 (zitiert nach Stegmaier, Unmittelbarkeit, S. 13): „Es ist nicht mein Wille, ein neues Gesetzbuch an die Stelle des gegenwärtigen (gemeint: der preußischen Criminal-Ordnung von 1805) treten zu lassen; meine Absicht ist vielmehr, daß die jetzt bestehende Gesetzgebung zum Grunde gelegt und aufrecht erhalten werde." 5 Vgl. in diesem Zusammenhang insbesondere Mittermaier, Theorie, S. 20 (im Jahre 1821), Feuerbach, Geschwornengericht, S. 148 (im Jahre 1813) und derselbe, Mündlichkeit Bd. I, S. 300 ff. (im Jahre 1821). 6 Glaser, Grundlagen, S. 12. 7 Mündlichkeit, S. 2. 8 Ebenso Glaser, Grundlagen, S. 46 ff. (aus der Perspektive des vergangenen Jahrhunderts) sowie Jescheck ZStW 86 (1974), S. 767 (aus der Perspektive des Jahres 1974).

I. Die literarische Reformbewegung in der ersten Hälfte des 19. Jahrh.

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das neue französische Strafverfahren, dessen Charakteristika in die Schlagworte „Mündlichkeit, Öffentlichkeit, Anklageverfahren, Geschworenengericht und richterliche Unabhängigkeit"9 gekleidet werden können, konträr gegenüber. Die Idee der „Mündlichkeit" freilich, die unser Thema betrifft, war an sich weitgehend außer Streit. Sie erschien der damaligen Zeit gleichsam als „Erlösung aus der Finsternis" 10 . Gleichwohl hatten gerade in diesem Punkt die Vernachlässigung des englischen Vorbildes und die Dominanz des französischen Rechts, insbesondere wegen des völlig anderen Gewichts des Vorverfahrens sowie wegen der überragenden Stellung des Gerichts Vorsitzenden, schwerwiegende Auswirkungen. Um dies zu verdeutlichen und um den damaligen Streitgegenstand für heute fruchtbar zu machen, sollen im folgenden für eine Vielzahl von Stimmen1 ' die beiden Autoren zu Wort kommen, die mit ihren rechtsvergleichenden Arbeiten die Reformdiskussion der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts entscheidend bestimmt haben: Anselm von Feuerbach und Carl Joseph Anton Mittermaier. 1. Anselm von Feuerbach Eine erste umfassende Bestandsaufnahme in diesem leidenschaftlich geführten Kampf um die Einführung des „öffentlich-mündlichen" Strafverfahrens nach französischem Vorbild hat seinen damaligen Zeitgenossen und uns Anselm von Feuerbach (1775 bis 1833) gegeben. In seinen inzwischen klassisch gewordenen „Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege" - seiner wohl bedeutendsten Arbeit 12 - hat Feuerbach es unternommen, die vom Geist der damaligen Zeit stürmisch geforderten beiden Losungsworte „Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Rechtspflege" zunächst einmal begrifflich-sachlich zu klären, rechtshistorisch und rechtsvergleichend zu untermauern und vom Hintergrund seiner praktischen richterlichen Erfahrung aus reformpolitisch nutzbar zu machen. Dabei ist es ihm vor allem darum gegangen, „der unseligen Vermischung des allerdings wohlbegründeten Interesses an der öffentlichmündlichen Rechtspflege mit dem hiervon ganz verschiedenen Interesse an den Formen der französischen Gerichtsverfassung und Rechtsverwaltung" entschieden entgegenzutreten13. Eindringlich warnte er davor, wegen dieser zu Recht geforderten „Öffentlichkeit und Mündlichkeit" unbesehen das ganze französische Verfahren mitzuübernehmen. Mit Nachdruck trat er der damaligen allgemeinen Meinung entgegen, mit einer Kritik am französischen Verfahren sei automatisch auch der Stab über „Öffentlichkeit und Mündlichkeit" gebrochen. In dem Ersten Band der „Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege", 1821 erschienen und vonFeuerbach gewisser9 „Richterliche Unabhängigkeit" verstanden als Freiheit des Richters gegenüber dem Staat und gegenüber gesetzlichen Beweisregeln. 10 Guttmann ZZP 55 (1930), S. 41. 11 Aus dem umfangreichen Schrifttum zum Reformziel „Mündlichkeit und Unmittelbarkeit" vgl. neben Feuerbach und Mittermaier vor allem (in zeitlicher Reihenfolge) : Lene (1840), Hepp (1842), Leman (1842), Fölix (1843), Biener, Vorschläge (1844), Puch ta (1844), von Savigny (1846), Geib (1848) und Köstlin (1849). 12 So ausdrücklich Feuerbachs Biograph: Radbruch, Feuerbach, S. 152. , 3 Mündlichkeit Bd. II, S. I.

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3. Kapitel: Die deutsche Reformbewegung des 19. Jahrhunderts

maßen als „Allgemeiner Teil" verstanden 14 , sollten auf rechtshistorischem und teilweise rechtsvergleichendem Hintergrund zunächst die begrifflichen und sachlichen Grundlagen geschaffen und nüchtern Argumente für und gegen zusammengetragen werden. In einem ersten Hauptteil befaßt sich Feuerbach mit dem Öffentlichkeitsprinzip. Dabei unterscheidet er zwei Arten von gerichtlicher Öffentlichkeit, die „partheiliche" sowie die „volkstümliche Öffentlichkeit". In der „partheilichen Öffentlichkeit", die nach „persönlicher Gegenwart der Partheien oder ihrer Vertreter" verlange, sieht Feuerbach den „Mittelpunkt, in welchem gemeinsam alle Strahlen einer vernünftigen Vorstellung von der gerichtlichen Öffentlichkeit sich vereinigen und durch welchen alles übrige erst seine volle Kraft und Bedeutung erhält" (S. 9 6 ) , s .

Von hier aus folgt zwangsläufig die Forderung, daß auch die Beweisaufnahme im Vorverfahren grundsätzlich partei-öffentlich sein müsse 1 6 : würden in der Hauptverhandlung lediglich früher gewonnene Protokolle öffentlich verlesen, so wäre dies ein „lächerliches Etwas" (S. 59) und eine völlig nutzlose „Förmlichkeit und Feierlichkeit" (S. 61). Aus diesem Grund verlangt Feuerbach für alle zu späteren Beweiszwecken bestimmten Protokolle zwingend die persönliche Gegenwart der Parteien bzw. ihrer Vertreter 1 7 . Denn: „Wie sie (gemeint: die Protokolle des Vorverfahrens) geworden, was hinter ihnen liegt, was ihnen vorausging, was nebenbei geschah oder nicht geschah, als sie angefertigt wurden: von allem dem erscheint an ihnen mehr nicht, als sie selbst davon zu melden für gut fanden." (S. 100) , , . . . Protokolle legen wenigstens wider sich selbst kein Zeugniß ab. Klagt aber der Angeschuldigte das Protokoll und den Richter an, so können die stummen Wände für ihn kein Zeugniß geben." (S. 165)

Den zweiten Hauptteil seiner Ausführungen widmet Feuerbach der „Mündlichkeit der Rechts Verwaltung". Hierbei beklagt er zunächst die häufige Begriffsverwirrung, die in bezug auf Mündlichkeit und ihren Gegensatz, die Schriftlichkeit, allenthalben zu erkennen sei. Er definiert: „Mündlichkeit ist im Allgemeinen diejenige Mitteilung, welche vom Mund zum Ohr geschieht; wenn hingegen die Kenntniß, welche einem anderen mitgetheilt werden soll, durch eine Urkunde vermittelt ist, so wird diese Mittheilung zu einer schriftlichen. . . . Was die Grenzen beider Begriffe bestimmt, ist blos die Verschiedenheit des Organs, durch welches der Gedankenverkehr zwischen dem Einen und dem Andern vermittelt Mündlichkeit Bd. II, S. X V I . Ähnlich auch in: Mündlichkeit Bd. I, S. 147. - Zur „volkstümlichen Gerichtsöffentlichkeit", die vorliegend weniger interessiert, vgl. Feuerbach, Mündlichkeit Bd. I, S. 147 ff. 16 Auch Feuerbach vertritt freilich die Auffassung, das Vorverfahren müsse, soweit es nur Ermittlungszwecken und der Vorbereitung einer Anklage diene, aus der Natur der Sache nicht-öffendich und schriftlich sein: Mündlichkeit Bd. I, S. 54 ff. sowie Mündlichkeit Bd. II, S. 349 ff. 1 7 An anderer Stelle (Mündlichkeit Bd. II, S. 194) wird freilich klargestellt, daß der Parteiöffentlichkeit genügt sei, wenn die Partei oder ihr Vertreter der Verhandlung beiwohnen dürfe: „daß sie wirklich gegenwärtig sey", sei nicht erforderlich. 14

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I. Die literarische Reformbewegung in der ersten Hälfte des 19. Jahrh.

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wird : ob durch das gesprochene und gehörte, oder das geschriebene und gelesene Wort? Wer nicht blos unmittelbar aus dem Geist, sondern von dem Papier zu einem andern spricht, steht mit diesem in mündlicher Verhandlung: wer einem Zweiten in die Feder sagt, was ein dritter erst durch diese Schrift erfahren soll, verhandelt mit diesem schrift-

lich." (S. 196 f.) Wie sehr Feuerbach den Begriff der Mündlichkeit von der damit nicht zu verwechselnden Parteiöffentlichkeit her versteht, beweist die Tatsache, daß er das Mündlichkeitsprinzip immer nur auf das Verhältnis der Parteien zum erkennenden Gericht bezieht 1 8 . Die Frage, ob Zeugen oder Sachverständige unmittelbar vor dem erkennenden Gericht zu erscheinen und dort auszusagen haben oder ob sie außerhalb des Erkenntnisverfahrens protokollarisch vernommen werden können, wird nicht dem Mündlichkeitsbegriff als solchem zugeordnet (S. 200). Hierbei k n ü p f t Feuerbach die entscheidende Wirksamkeit der (mündlichen) Gedankenäußerung an das „lebendig gesprochene W o r t " (S. 199). Nach dieser Begriffserklärung referiert der Autor äußerst sachlich über die üblicherweise vorgebrachten Vor- und Nachteile von Mündlichkeit einerseits und Schriftlichkeit andererseits. Dabei werden finanzielle Gesichtspunkte als der Justiz „ u n w ü r d i g " nicht geltengelassen (S. 285) und eine angeblich umständliche Langsamkeit ebenfalls nicht als ausschlaggebend akzeptiert 1 9 . Als wichtigsten Punkt gegen die Schriftlichkeit bezeichnet Feuerbach die Tatsache, daß jedes schriftliche Verfahren - wie die schlechten Erfahrungen mit dem Inquisitionsprozeß gezeigt hätten - zwangsläufig zur Berichterstattung aus den Vorakten geführt habe und die Beteiligten demzufolge „aus dem unmittelbaren Verhältnisse zu dem Gericht in ein blos mittelbares" getreten seien (S. 240). In diesem Zusammenhang: Höre das erkennende Gericht „blos den Berichterstatter, so ist diese Uberzeugung, so weit sie erzählte Thatsachen zum Gegenstand hat, durch den Glauben auf die Einsicht und Treue des Berichterstatters vermittelt. Ist eigne Erfahrung nicht besser und sicherer als das bloße Zeugniß eines Anderen über das von ihm Erfahrne? unmittelbare Erkenntnis nicht vorzüglicher als mittelbare? . . . Und warum erst aus der zweiten Hand nehmen, was man weit kürzer und weit sicherer aus der ersten haben kann?" (S. 241)

Auch mögliche Mängel des rein mündlichen Verfahrens werden nicht verschwiegen (S. 251 ff.). So wzmtFeuerbach vor der gefährlichen „ M a c h t der Rednerkünste und der diese begleitenden Äußerlichkeiten über die Sinne, die Einbildungskraft und die Gefühle, wodurch den Richtern das Gesetz und die Wahrheit aus den Augen gerückt, ihr Verstand geblendet, ihre Neigung bestochen" werde (S. 263 f.). In diesem Zusammenhang verdient besondere Erwähnung, daßFeuerbach sich unmißverständlich deutlich für eine sorgfältige Aktenkenntnis des Vorsitzenden Richters ausspricht 2 0 und im übrigen private schriftliche Gedächtnishil18

Vgl. vor allem Mündlichkeit Bd. I, S. 199. Mündlichkeit Bd. I, S. 236: „Schnelligkeit als höchstes Gesetz opfert die Wahrheit und das Recht einem baldigen Frieden . . . " 20 Mündlichkeit Bd. I, S. 278: Es sei nicht im Sinne wohlverstandener Mündlichkeit, , ,daß alle unvorbereitet, mit verwirrten, halben, unvollständigen Vorstellungen von der Sache an die Entscheidung derselben gehen, (sondern) daß wenigstens Einer dazu besonders vorbereitet, mit der gründlichen, bereits vollkommen geordneten Kenntniß derselben, unter den übrigen Mitrichtern erscheine". 19

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3. Kapitel: Die deutsche Reformbewegung des 19. Jahrhunderts

fen weder bei Zeugen/Sachverständigen noch bei den Beteiligten noch schließlich beim Gericht als mit der Mündlichkeit im Widerspruch sieht 21 . In sorgfältiger Abwägung des Für und Wider entscheidet sich Feuerbach schließlich für die Idee der Mündlichkeit (S. 284 ff.). Entscheidend ist für ihn das Erfordernis „unmittelbaren Verkehrs zwischen den Partheien und dem aus mehreren Personen zusammengesetzten Gerichte" ; bei Zwischenschaltung eines Referenten werde „einer Parthei ganz das Gehör verweigert" (S. 296). Im übrigen hält er trotz grundsätzlichen Bekenntnisses zur Mündlichkeit eine „geschickte Kombination des Mündlichen mit dem Schriftlichen" für zweckmäßig (S. 300). So befürwortet er für das Ermittlungsverfahren eindeutig den Vorrang der Schriftlichkeit - mit der Einschränkung freilich, daß die schriftlichen Protokolle nur der Ermittlung und Vorbereitung der Hauptverhandlung, in der Regel aber nicht als Beweisgrundlage für das spätere Erkenntnis zu dienen hätten (S. 323 ff.). In Feuerbachs blumenreicher Sprache (S. 324): „ K a u m drei Ochsen sind im Stand, ein Blatt Papier, welches der Wind in ein Gericht geweht, wieder herauszuzerren."

Abschließend: Feuerbach hat den Grundsatz der Mündlichkeit - das Wort „Unmittelbarkeit" ist, soweit ersichtlich, in beiden Bänden nicht gefallen - letztlich allein vom Öffentlichkeitsprinzip her verstanden. Die Mündlichkeit des Prozesses bildet für ihn gleichsam die Brücke zur volkstümlichen Öffentlichkeit und was für ihn offenbar noch wichtiger ist - zur Parteiöffentlichkeit 22 . Es geht ihm weniger um die prozeßpsychologische Frage der Wahrheitsfindung im Sinne der Tatsachenermittlung als vielmehr um die Tatsachen«¿ermittlung, d. h. um die Stellung des Gerichts den Prozeßbeteiligten gegenüber. Aus diesem Grund wird die Problematik der beweismäßigen Verwertung von Zeugen-Protokollen nicht dem Mündlichkeitsprinzip zugeordnet, sondern als Ausfluß der Parteiöffentlichkeit verstanden. Den Erfahrungsbericht einer vom bayrischen König finanzierten Studienreise in die linksrheinischen Gebiete und nach Frankreich legt Feuerbach im Jahre 1825 im Zweiten Band seiner „Betrachtungen" der Öffentlichkeit vor. In dieser Arbeit, die der Autor als ,,Besonderen Teil" des 1. Bandes angesehen hat 23 , sollen das interessierte Publikum und die Strafrechtspraxis mit dem System des neuen französischen Prozesses, so wie er tatsächlich gehandhabt werde, bekannt gemacht werden. Dadurch will der Autor vor allem verhindern, daß in Deutschland gewissermaßen „als Zugabe" zu Öffentlichkeit und Mündlichkeit eine Vielzahl von Mängeln, die durch die Idee mündlich-öffentlicher Verhandlung nicht wesensmäßig bedingt seien, mitübernommen wird (S. I X f.). Dieses Ziel hofft Feuerbach dadurch zu erreichen, daß er die Mißstände im neuen Prozeß des „Code d'Instruction Criminelle" an Hand praktischer Fälle beschreibt und dem französischen Recht detailliert entsprechende Regeln des englischen Rechts gegenüberstellt. Vgl. Mündlichkeit Bd. I, S. 197 und S. 2 5 9 ff. Mündlichkeit Bd. II, S. 194: „ D i e Mündlichkeit der Verhandlung schließt von selbst auch schon die Öffentlichkeit mit in sich." 21

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Mündlichkeit Bd. II, S. X V I .

I. Die literarische Reformbewegung in der ersten Hälfte des 19. Jahrh.

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Nachdem die Wesenseigentümlichkeiten des englischen Strafverfahrens und des damals neuen französischen Prozesses bereits im vorigen Kapitel dargestellt sind, braucht die Kritik Feuerbachs am französischen Verfahren nicht mehr ausführlich erörtert zu werden. Nur so viel -.Feuerbach gibt der Mündlichkeit und Öffentlichkeit des englischen Verfahrens eindeutigen Vorrang. Er betrachtet, ,das ganze öffentlich-mündliche Verfahren (des Code d'Instruction Criminelle) nur als eine die treuherzige Einfalt täuschende Maskerade" (S. 383) und ,,als ein Märchen der Scheherazade" (S. 212). Neben der Jury-Verfassung, dem Prinzip freier Beweiswürdigung im Sinn der „intime conviction", der umfassenden diskretionnären Gewalt des Assisenpräsidenten und der fehlenden Waffengleichheit der Beteiligten vor allem im (geheimen) Vorverfahren bemängelt Feuerbach am französischen Strafprozeß insbesondere das Gewicht, das dem Vorverfahren gegenüber der öffentlich-mündlichen Hauptverhandlung eingeräumt sei (S. 349 ff.). Das französische Recht sei - anders als die weit bessere Regelung des englischen Prozesses - in der Verlesbarkeit von Protokollen aus dem Vorverfahren viel zu großzügig. Dabei stellt für ihn das größte Ärgernis dar, daß „ v o n den Protocollen der geheimen polizeylichen Voruntersuchung auch bei den öffentlichen Hauptverhandlungen so oft Gebrauch gemacht (wird), . . . so daß nicht blos dasjenige, was in dem öffentlichen Gerichte selbst mündlich vorgekommen ist, was Richter und Geschworene selbst gesehen und gehört haben, sondern auch die geheimen, vielleicht erschlichenen oder erpreßten schriftlichen Geständnisse, die geheimen, vielleicht halb untergeschoben, dem Zeugen in den Mund gelegten, falsch oder unvollständig niedergeschriebenen Zeugenaussagen, auf das Urtheil über die Schuld mit einwirken, dieses oft ganz allein entscheiden" (S. 374 f.).

In diesem Zusammenhang mißbilligt Feuerbach auch die umfassende Aktenkenntnis aller Richter und insbesondere der Geschworenen sowie die extensive Handhabung des Vorhalts aus den Akten (S. 381 ff.). 2. Carl Joseph Anton Mittermaier Rund zwanzig Jahre später - die Diskussion um Mündlichkeit und Öffentlichkeit des Verfahrens war zwischenzeitlich „aus den Hallen der Wissenschaft . . . auf den lauten Markt" der Politik getreten24 - unternimmt es Carl Joseph Anton Mittermaier (1787 bis 1867), seine zahlreichen früheren Äußerungen zu diesen dringenden Reformfragen zusammenzufassen. Im Jahre 1845 erscheint seine wohl bekannteste Schrift „Die Mündlichkeit, das Anklageprinzip, die Öffentlichkeit und das Geschworenengericht"25. Ähnlich wie vor ihm schon Feuerbach sieht auch Mittermaier in dem immer stürmischer geforderten und auch von ihm uneingeschränkt befürworteten öffentlich-mündlichen Verfahren „keine Zauberformel". Auch er verlangt „genaue Kenntniß der Einzelheiten, durch welche das Verfahren, dessen Einführung man wünscht, in der Anwendung sich gestaltet" 26 . Mittermaier, Mündlichkeit, S. 3. Neben diesem (1845 veröffentlichten) Standardwerk vgl. vor allem noch: Mittermaier Archiv des Criminalrechts (neue Folge) 1842, S. 61 ff., S. 2 5 9 ff. und S. 424 ff. sowie derselbe Archiv des Criminalrechts (neue Folge) 1843, S. 69 ff. Zusammenfassend später (1856) dann nochmals in: Gesetzgebung, S. 305 ff. 24

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Mündlichkeit, S. III f.

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3. Kapitel: Die deutsche Reformbewegung des 19. Jahrhunderts

Aus eben diesem Grund bringt auch Mittermaier neben einer sorgfältigen Ubersicht über den Stand der deutschen partikularen Reformgesetzgebung (bis Herbst 1844)27 und einer ausführlichen rechtsvergleichenden Darstellung eine kurzgefaßte Gegenüberstellung des öffentlich-mündlichen Verfahrens nach dem französischen „ C o d e d'Instruction Criminelle" einerseits und dem englischen Strafprozeß andererseits 28 . Dabei tadelt er die immer wiederkehrende Identifizierung beider Verfahrenssysteme als „Ausflüsse der nämlichen Grundideen" als sachlich nicht gerechtfertigt 29 . Anders als bei Feuerbach und anders auch als in seinen eigenen früheren Schriften 30 hat sich bei Mittermaier zwischenzeitlich die Erkenntnis durchgesetzt, daß statt einer bloßen Verbesserung des herkömmlichen Inquisitionsprozesses eine völlige Neustrukturierung des Verfahrens nach ausländischem Vorbild angebracht sei 31 . Mittermaier gibt insgesamt dem englischen Verfahrenssystem deutlich den Vorrang, obwohl er auch hier seinen kritischen Blick nicht verliert 32 . Im Prozeß des „Code d'Instruction Criminelle" findet er viele Mängel. Eindeutig positiv bewertet er hier lediglich die Existenz einer hierarchisch gegliederten Anklagebehörde, die Übersichtlichkeit der äußeren Gerichtsorganisation und die (aus der Kodifizierung folgende) Transparenz des Verfahrens ganz allgemein 33 . Als Hauptfehler des französischen Verfahrens bezeichnet Mittermaier neben der mißglückten JuryVerfassung und dem Prinzip freier Beweiswürdigung („intime conviction") insbesondere die fehlende Waffengleichheit der Beteiligten, die übermächtige Stellung des Gerichtsvorsitzenden sowie das die Anklägerseite einseitig begünstigende geheime Vorverfahren 34 . Damit wird zugleich auch Mittermaiers Stellungnahme zum englischen Prozeß erkennbar. Hier rühmt er an vorderster Stelle die konsequente Waffengleichheit der Beteiligten, die sich vor allem im Vorverfahren und in der Beweisaufnahme vor dem erkennenden Gericht außerordentlich bewährt habe 35 . Positiv beurteilt werden die neutrale („Schiedsrichter"-)Stellung des englischen Gerichtsvorsitzenden, das englische Beweisrecht mit seinen verschiedenartigsten Beweisausschließungsregeln und die Struktur des Vorverfahrens 36 . Mittermaier gefallen besonders das Erfordernis strengster Parteiöffentlichkeit schon im Vorverfahren sowie die Tatsache, daß das Vorverfahren in aller Regel nur der Aufklärung des Sachverhalts 27

A. a. O . S. 103 ff. Zur Übersicht über die partikulare StPO-Reform von 1845 bis 1856: Mittermaier, Gesetzgebung, S. 10 ff. 28 Mündlichkeit, S. 201 ff. 29 Mündlichkeit, S. 202. 30 Vgl. neben Anm. 5 auch Mittermaier, Strafverfahren in Fortbildung, S. 122. 31 Mittermaier, Mündlichkeit, S. 11 und vor allem S. 223. 32 Vgl. seine beiläufige Bemerkung vom „häufig zu sehr gepriesenen englischen Prozeß" (Strafverfahren in Fortbildung, S. 113). 33 Mündlichkeit, S. 44 ff. und S. 309 ff. (Anklagebehörde), a. a. O . S. 44 und S. 218 (Gerichtsorganisation) und a. a. O . S. 218 f. (Transparenz schlechthin). 34 Mündlichkeit, S. 212 ff. und passim. 35 Mündlichkeit, S. 209 und S. 220 ff. 36 Mündlichkeit, S. 220 ff. (Stellung des Vorsitzenden) und a. a. O . S. 390 ff. (Beweisrecht).

I. Die literarische Reformbewegung in der ersten Hälfte des 19. Jahrh.

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und der Entscheidung über die Eröffnung einer Hauptverhandlung dient 37 . Angesichts der Parteiöffentlichkeit schon im Vorverfahren und auf Grund des schon hier durchgeführten Kreuzverhörs würden die Interessen des Beschuldigten selbst dort nicht unzumutbar beeinträchtigt und die Wahrheitsfindung nicht gravierend gefährdet, wo zur Verhinderung von Beweisverlusten ausnahmsweise auch einmal Protokolle des Vorverfahrens in die Hauptverhandlung eingeführt würden. Eben diese Wahrheitsfindung ist es auch, die für Mittermaier beim Mündlichkeitsprinzip im Vordergrund steht. Während er sich in seinen rechtspolitischen Forderungen von Feuerbach allenfalls in Nuancen unterscheidet, hat er die Forderung nach Mündlichkeit des Verfahrens aus dem Zusammenhang mit den justizpolitischen Gedanken der Gerichtsöffentlichkeit gelöst und deutlich die prozeßpsychologische Seite des Problems in den Vordergrund gestellt. Das Mündlichkeitsprinzip hat sich aus einer rein formal verstandenen Verfahrensart zu einem auf die richterliche Uberzeugungsbildung bezogenen materiellen Erkenntnisprinzip gewandelt 38 . Dieser Wandel hängt für Mittermaier einmal mit dem sich fortentwikkelnden Charakter der materiellen Strafgesetzgebung zusammen; denn zunehmend habe man gerade in jener Zeit erkannt, „ d a ß es nun Pflicht der Richter wurde, auf das Gewissenhafteste den G r a d der Verschuldung des Falles und dadurch die Individualität des Angeklagten zu würdigen. Hierzu aber genügten die Akten des geheimen deutschen Verfahrens nicht. D a s Bedürfnis, die Angeklagten und die Zeugen selbst zu sehen, zu hören, sie zu befragen, drängte sich den Richtern als unabweislich auf und die Uberzeugung, daß mündliches Verfahren nothwendig sey, wurzelte immer m e h r " 3 9 .

Zum andern verlange die allmähliche Anerkennung des Indizienbeweises nach sorgfältigen Beurteilungsgrundlagen, nach besseren jedenfalls, als schriftliche Akten (und die Berichterstattung aus diesen Akten durch den Referenten) sie zu geben imstande seien 40 . Immer wieder spricht Mittermaier von der „wohlthätigen Wirkung der Mündlichkeit", dank derer „die Richter fühlen, daß sie dadurch den Angeschuldigten selbst sehen, seine eigenen Erklärungen erfahren, Fragen an ihn stellen können, nicht selten bessere Materialien der Urtheilsfällung . . . erhalten" 4 1 . Von hier aus sieht Mittermaier das Wesen der Mündlichkeit, das nach seinen eigenen Worten „passend auch das der Unmittelbarkeit genannt werden" könne, „ i n einer solchen Einrichtung des Verfahrens, daß alle Verhandlungen, auf deren Grund verurtheilt werden kann, daher die Anklage, alle Beweise, die Begründung derselben von den Richtern, welche das Urtheil fällen sollen, selbst geführt werden und zwar so, daß die

"

Mündlichkeit, S. 203 ff. und S. 266 ff. Vgl. hierzu Küper, Richteridee, S. 185 und Eb. Schmidt, Geschichte, S. 290. 3 9 Mündlichkeit, S. 11. Ebenso Mittermaier Archiv des Criminalrechts (n. F . ) 1842, S. 68 ff. 4 0 Vgl. Mittermaier, Mündlichkeit, S. 10 und derselbe Archiv des Criminalrechts (n. F . ) 1842, S. 71. 4 1 Mündlichkeit, S. 110. Ebenso an zahlreichen anderen Stellen (beispielsweise a. a. O . S. 11 und S. 22). 38

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3. Kapitel: Die deutsche Reformbewegung des 19. Jahrhunderts Richter ebenso wie der Ankläger und der Angeklagte die Benützung und Erhebung der Beweise beobachten und darauf wirken können" 4 2 .

Konsequenz aus alledem: Damit das erkennende Gericht sich von dem Angeklagten ein eigenes Bild machen und der Angeklagte selbst auf die Beweisfindung einwirken könne, müsse er selbst vor Gericht erscheinen. Die Richter müßten alle Zeugen und Sachverständigen, auf deren Aussagen sie ihr Urteil bauen wollten, selbst sehen und hören, um durch Zusatzfragen43 und auf Grund persönlichen Eindrucks der Wahrheit näher zu kommen 44 . Dabei mißt Mittermaier der Möglichkeit klärender Zusatz- und Ergänzungsfragen unverkennbar größere Bedeutung bei als der vielgepriesenen „Allmacht des Totaleindrucks", vor dessen Uberschätzung er warnt 45 . Auch Mittermaier erkennt, daß zentrales Problem für die „Unmittelbarkeit des mündlichen Verfahrens" 46 letztlich „die Feststellung des richtigen Verhältnisses der Voruntersuchung und des Hauptverfahrens" ist 47 und daß jedwede Verlesung eines früheren Aussageprotokolls grundsätzlich eine Verletzung jener Unmittelbarkeit des mündlichen Verfahrens darstellt 48 . Aus diesem Grund plädiert er dafür, daß - nach englischem Vorbild - das Vorverfahren prinzipiell nur der Entscheidung über die Zulässigkeit einer Anklage zu dienen habe und im Vorverfahren gewonnene Beweise nur ausnahmsweise, insbesondere bei drohendem Beweisverlust, der späteren Urteilsfindung zugrunde zu legen seien. Dabei ist er bezüglich der Verlesung von Zeugenprotokollen noch strenger als das englische Recht, will doch er die ausnahmsweise Verlesung nur im Falle zwischenzeitlich verstorbener Zeugen zulassen 49 . Weniger streng ist freilich auch Mittermaier hinsichtlich der Verlesung früherer Geständnisprotokolle; deren Verwertung widerspricht er nur für den Fall, daß der Angeklagte plausible Gründe für seinen Widerruf (ζ. B. Zwang, Drohung, unkorrekte Niederschrift) vorbringen könne 50 . II. Die partikulare Reformgesetzgebung in der Mitte des 19. Jahrhunderts Anfangs der dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts häufte sich die Zahl der politischen Prozesse, in denen sich die politischen Ereignisse des Jahres 1848 4 2 Mündlichkeit, S. 246; ebenso Mittermaier GS 1 (1849), S. 24. Im übrigen führt auch Mittermaier die Mündlichkeitsidee u. a. auf den Gedanken der Waffengleichheit zurück: Mündlichkeit, S. 245. 4 3 Und zwar durch die nach dem Stand der Beweisaufnahme richtigen Zusatzfragen, die nur das erkennende Gericht stellen könne: Mittermaier, Mündlichkeit, S. 250. 4 4 Im übrigen sei in diesem Zusammenhang bemerkt, daß auch die Öffentlichkeit für Mittermaier (und seine Zeitgenossen: vgl. ζ. B . Leue, Anklageprozeß, S. 239 ff.) weniger eine justizpolitische Verfahrensgarantie als vielmehr wiederum Mittel sorgfältiger Wahrheitsfindung ist: vgl. Mittermaier, Mündlichkeit, S. 338 ff. Hierzu auch Küper, Richteridee, S. 186 f. 4 5 Mündlichkeit, S. 407. 4 6 Mündlichkeit, S. 406. 4 7 Mündlichkeit, S. 266 ff. 4 8 Mündlichkeit, S. 70. 4 9 Mündlichkeit, Anm. 70 auf S. 273 (und dies sogar nur unter Bedenken). 5 0 Mündlichkeit, S. 276 ff.

II. Die partikulare Reformgesetzgebung in der Mitte des 19. Jahrh.

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ankündigten. D e r Mißbrauch inquisitorischer F o r m e n war in diesen Prozessen kaum zu übersehen. Als F o l g e hiervon w u r d e auch in der Bevölkerung der Ruf nach Einführung mündlich-öffentlicher Verhandlung immer stärker 5 1 . U m diesem Ruf gerecht zu werden, zeigten sich die Gesetzgeber der deutschen Partikularstaaten (zunächst nur) dazu bereit, dem herkömmlichen gemeinen Inquisitionsprozeß punktuell „ e i n i g e humanisierende Neuerungen a u f z u p f r o p f e n " 5 2 ; die Scheu vor einer durchgreifenden Umgestaltung des Verfahrens war noch (zu) groß 5 3 . N u r ganz langsam fanden erste schüchterne Ansätze des öffentlich-mündlichen Verfahrens Eingang, zunächst in R e f o r m - E n t w ü r f e und schließlich auch und zwar noch vor 1848 - in partikulare Reformgesetze. 1. Ansätze eines „reformierten " Verfahrens vor 1848 a) E s war der bereits erwähnte Feuerbach'sehe Vorschlag einer mündlichen Schlußverhandlung, durch den die Idee unmittelbar-mündlicher Verhandlung in die praktische Reformarbeit einfließen sollte. So enthielten in Preußen die Entwürfe von 1828 (Scheller), von 1828/29 (von Danckelmann) und der Revidierte Entwurf von 1841 (von Kamptz) auf der Basis rein inquisitorischer Untersuchung vor der Urteilsabfassung eine mündliche Schlußverhandlung, in der die Beteiligten persönlich zur Sache sprechen konnten und eine mündliche Vernehmung der Zeugen möglich w a r 5 4 . D a b e i zeigte sich der erste Entwurf (1828) am fortschrittlichsten. Zwar verzichtete er nicht völlig auf die Relation aus den Akten (§ 439), sah jedoch bezüglich aller persönlichen Beweismittel und auch für die Äußerungen des Angeklagten selbst die unmittelbar-mündliche Verhandlung vor (§§ 443 A b s . 1 und 444). Freilich w u r d e diese Fortschrittlichkeit durch die außerordentlich weite Ausnahmevorschrift des § 443 A b s . 3 weitgehend wieder aufgehoben 5 5 . In schwierigen und zweifelhaften Fällen konnte doch wieder entscheidend auf die Akten zurückgegriffen werden (§ 441). - Einen ersten Schritt zurück tat dann der (auf Drängen des damaligen Justizministers von Danckelmann geänderte) Entwurf von 1828/29, wurde hier doch die persönliche Vernehmung in der Schlußverhandlung v o m Ermessen des Gerichts abhängig gemacht. - N o c h restriktiver fiel schließlich der unter dem seinerzeitigen Justizminister von Kamptz revidierte Vgl. Glaser, Grundlagen, S. 16 ff. und Mittermaier, Mündlichkeit, S. 5. Eb. Schmidt, Geschichte, S. 281 (mit Nachweisen). 5 3 Bei diesen Gesetzen - z . B . Mecklenburg ( 1817, 1838 und 1841), Weimar (1819), Sachsen (1838) und Hannover (1840) - ging es im wesentlichen um Verbesserungen des Beweisrechts (Anerkennung des Indizienbeweises; Ablösung der positiven gesetzlichen Beweistheorie durch negative Beweisregeln): vgl. Mittermaier Archiv des Criminalrechts (n. F.) 1842, S. 71 ff., Geyer, Strafproceßrecht, S. 90 f. und Eb. Schmidt, Geschichte, S. 281. Vgl. auch die Zusammenstellung bei Zachariae, Handbuch I, Anm. 6 auf S. 8 ff. 5 4 Hierzu vor allem Geyer, Strafproceßrecht, S. 92 ff., Mittermaier, Mündlichkeit, S. 114 ff. und derselbe Archiv des Criminalrechts (n. F.) 1842, S. 291 ff., Zachariae, Handbuch I, Anm. 13 auf S. 13 f. sowie Stegmaier, Unmittelbarkeit, S. 25 ff. 5 5 § 443 Abs. 3: „Ist die Vorladung eines während der bisherigen Untersuchung bereits abgehörten Zeugen oder Sachverständigen zu der mündlichen Schlußverhandlung unmöglich oder mit besonderen Schwierigkeiten verknüpft, so genügt die demnächstige Vorlesung der Deposition derselben in der mündlichen Spruchverhandlung." 51

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Entwurf von 1841 aus 5 6 . Laut § 317 dieses Entwurfes mußte „nach dem Schluß der Beratung über den Vortrag des Referenten vor der Abstimmung eine mündliche Verhandlung vor dem erkennenden Gericht stattfinden, wenn entweder demselben die nochmalige Vernehmung des Inquisiten, der Zeugen oder anderer Personen notwendig oder zweckmäßig erscheint oder Bedenken über die Schuld oder Unschuld vorhanden sind oder wenn der Inquisii oder sein Verteidiger auf eine solche mündliche Verhandlung angetragen hat". Gemäß § 318 sollte diese mündliche Schluß Verhandlung „mit der Vorlesung der in der Relation enthaltenen Geschichtserzählung" beginnen; ihr hatte sich die (punktuelle) Befragung anzuschließen. Zweck dieser mündlichen Vernehmung war bezeichnenderweise, „die bei dem Vortrag der Referenten sich herausgestellten Bedenken . . . in ein näheres Licht zu setzen" (§318 Abs. 1 Satz 2). Auch für den Fall einer mündlichen Schluß Verhandlung sollte das endgültige Urteil freilich erst „nach abermaligem Vortrage der Referenten" gefällt werden (§ 321 Satz 1). Man erkennt deutlich: Alle diese Entwürfe können die Skepsis gegenüber der Mündlichkeitsidee kaum verbergen. Im übrigen wurden alle drei nicht Gesetz. Ausdrücklichen gesetzlichen Niederschlag fand der Vorschlag einer mündlichen Hauptverhandlung erstmals in der preußischen „Verordnung betreffend die Kriminalgerichtsverfassung und das Untersuchungsverfahren in Neu-Vorpommern und Rügen" vom 18. Mai 1839 57 . Nach § 5 dieser Verordnung hatte die Untersuchung als solche „vor versammeltem Gericht" stattzufinden. Sofern „das ganze Verfahren in einem Termin beendigt werden" konnte, sollten die Beratung und das Urteil „der Regel nach . . . gleich nach dem Schluße der Sache" erfolgen (§11 Abs. 1). Obwohl auch hier zahlreiche Ausnahmen den allgemeinen Grundsatz teilweise nicht unerheblich wieder verwässerten 58 und obwohl „in wichtigen oder verwickelten oder weitläufigen Sachen . . . eine schriftliche Relation auszuarbeiten" war ( § 1 1 Abs. 4), so ist hier doch erstmals die Idee unmittelbar-mündlicher Hauptverhandlung mit Gesetzeskraft verwirklicht worden. Einen verheißungsvollen Auftakt zu weitergreifenden Neuerungen stellte das (von den politischen Ereignissen der kommenden Jahre freilich zunächst überrollte) Gesetz vom 17. Juli 1842 dar 59 . Vom preußischen König initiiert60 und durch den zwischenzeitlich zum Justizminister bestellten von Savigny deutlich geprägt 61 , bekannte sich dieses Gesetz erstmals eindeutig zum Prinzip freier Beweiswürdigung (§ 19) und in § 15 zum Grundsatz mündlicher Verhandlung: 5,1 Vgl. von Kamptz, Revidirter Entwurf (1841): Teil I (Entwurf) und Teil II (Motive). Ausführlich und kritisch hierzu Mittermaier, Mündlichkeit, S. 114 ff. sowie derselbe Archiv des Criminalrechts (n. F . ) 1842, S. 291 ff. 5 7 Gesetzes-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1839, S. 207 ff. 5 8 Für die Schwerkriminalität (§ 1) galt der gemeine Inquisitionsprozeß, für leichte Fälle (§§ 14 und 15) war ein „summarisches rein inquisitorisches Verfahren" vorgesehen. Recht großzügig waren auch die Möglichkeiten der Beweisaufnahme durch den beauftragten Richter (§ 6). Kritisch hierzu Hepp G S 3 (1851/11), S. 287 ff. 5 9 Vgl. hierzu vor allem Hepp G S 3 (1851/11), S. 285 ff. 6 0 In der Kabinett-Order vom 28. 2. 1842: vgl. Zacharide, Gebrechen, S. 19/20. 61 Savigny s Denkschrift „ D i e Principienfrage in Beziehung auf eine neue StrafproceßO r d n u n g " (Berlin 1846) ist kurz vor Publikation dieses Gesetzes erschienen.

II. Die partikulare Reformgesetzgebung in der Mitte des 19. Jahrh.

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„ D e r Fällung des Urteils soll ein mündliches Verfahren vor dem erkennenden Gericht vorgehen, bei welchem der Staatsanwalt und der Angeklagte zu hören, die Beweisaufnahme vorzunehmen und die Verteidigung des Angeklagten mündlich zu führen ist."

Deutliche Parallelen zur Entwicklung in Preußen zeigt die Prozeßreform Württembergs62. Auch hier war schon verhältnismäßig früh der Vorschlag einer mündlichen SchlußVerhandlung gemacht worden (Entwurf Weber von 1820); dieser Entwurf war aber ebensowenig wie die ähnlich lautenden von 1830 und 1834 in den Landständen zur Beratung gekommen. Anläßlich des erneut vorgelegten Entwurfs von 1839 kam es dann in den beiden Kammern zur entscheidenden Auseinandersetzung. Während sich die Erste (Stände-)Kammer eindeutig für die Beibehaltung der herkömmlichen inquisitorischen Verfahrensordnung aussprach63, befürwortete die Zweite Kammer eine Reform nach französischem Vorbild. Diesen Gegensatz zu lösen, bemühte sich das Kompromißgesetz vom 22. Juni 1843, das - als ausdrücklich auf sechs Jahre befristetes Provisorium - in seinen wesentlichen Grundzügen weitgehend dem preußischen Entwurf von 1841 entsprach. Der geheime und schriftliche Inquisitionsprozeß wurde beibehalten, zur Kontrolle des schriftlichen Untersuchungsverfahrens ,,in höheren Straffällen" jedoch eine mündliche Schluß Verhandlung vorgesehen (vor Art. 256). Ähnlich wie § 317 des preußischen Entwurfs von 1841 - eine „Comödie", wi eZachariae meinte 6 4 -bestimmte auch Art. 278 dieses württembergischen Gesetzes 65 : „ D i e Vernehmung des Angeschuldigten bei der Schlußverhandlung kann, wenn das Kreisgericht solches zur Ermittlung der Wahrheit für nothwendig erachtet und hierüber von Amtswegen oder auf den Antrag des Angeschuldigten, seines Vertheidigers oder des Staatsanwaltes beschließt, auch auf frühere Angaben des Angeschuldigten, deren Inhalt Zweifel übrig läßt, durch den Gerichtsvorstand erstreckt werden. U n t e r denselben Voraussetzungen können bereits gehörte Zeugen vorgeladen und in gleicher Weise, wie der Angeschuldigte, vernommen w e r d e n . "

b) Alle bisher referierten Bemühungen um die mündliche Verhandlung beschränkten sich auf die Einführung eines mündlichen Schlußtermins, sind damit gewissermaßen „auf halbem Weg" stehengeblieben. Demgegenüber suchten andere Länder von vornherein nach „ganzen" Lösungen. Zu nennen sind hier zunächst einmal die Reformbestrebungen in Bayern und Sachsen, obgleich - das sei vorweggeschickt - beiden Ländern vor 1848 ein gesetzlicher Erfolg letztlich nicht beschieden war. In Bayern hatten bereits die Entwürfe von 1828 (von Schmidtlein) und 1830 (von Grandauerj den mündlichen und öffentlichen Anklageprozeß nach französi1,2 Weiterführend Mittermaier, Mündlichkeit, S. 103 ff. und derselbe Archiv des Criminalrechts (n. F . ) 1842, S. 88 ff., S. 2 7 0 f f . u n d S . 2 9 3 ff., Hepp G S 3 (1851/11), S. 273 ff. und Zachariae, Gebrechen, S. 225 ff. 6 3 Die entscheidenden Argumente: Die mündliche Vernehmung des Angeklagten vor dem Gericht stünde der Erzielung von Geständnissen entgegen; der unmittelbare Eindruck sei gefährlich für die Wahrheitsfindung; die Mündlichkeit des Verfahrens sei mit einer zweiten Instanz unvereinbar: vgl. Mittermaier, Mündlichkeit, S. 105 ff. 64

Gebrechen, S. 230.

65

Zitiert nach Häberlin,

Sammlung, S. 570 f.

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schem Vorbild vorgesehen 66 . Die Verlesung früherer Protokolle sollte nur bei Einwilligung aller Beteiligten zugelassen werden (§ 153 E 1830). Vor allem der Bericht von Rudharts, der leider nicht vor die beiden Kammern gekommen ist, enthielt eine außerordentlich gründliche und kritische Auseinandersetzung mit den Mängeln des überlieferten Inquisitionsverfahrens 67 . Ähnlich kritisch fiel auch die Stellungnahme beider Kammern im Jahre 1842 aus. Dies hatte zur Folge, daß die Regierung sich überhaupt nicht zu einem Gesetz entschloß. Doch sollte diese intensive Vor-Diskussion in der Zeit nach 1848 noch ihre Früchte tragen. Ähnliches gilt für die Reformbemühungen in Sachsen68. Hier war der Regierungs-Entwurf von 1842/43 unverkennbar noch auf dem Boden des gemeinen Inquisitionsprozesses geblieben. Während die Erste Kammer diesen wenig fortschrittlichen Entwurf mit 23 : 18 Stimmen gutgeheißen hatte 6 9 , entschloß sich die Zweite mit klarer Mehrheit von 71 : 4 Stimmen für die Mündlichkeit der Hauptverhandlung. Mit außergewöhnlicher Sorgfalt hat sich diese Zweite Kammer um eine prinzipielle und praktikable Lösung der Probleme bemüht 7 0 . Jedenfalls hatte jene überwältigende Mehrheit, mit der die Zweite Kammer für eine tiefgreifende Umgestaltung des Verfahrens plädiert hatte, zur Folge, daß die Regierung zumindest ihren rückschrittlichen Entwurf zurückzog und auf (einstimmigen) Antrag der Zweiten Kammer vom 20. September 1845 die Vorlage eines neuen Entwurfs im Sinne eines mündlichen und öffentlichen Anklageprozesses versprach 71 . Größeren Erfolg zeigten die Reformbemühungen im Großherzogtum Baden. Hier wurde der Kommissions-Entwurf von 1835, der sich deutlich an das Vorbild des benachbarten Frankreich angelehnt hatte, in leicht überarbeiteter Form 1843 den Ständevertretungen vorgelegt. Ihr intensives Beratungsergebnis 72 führte zu jenem epochalen Gesetz, der Strafprozeßordnung vom 6. März 1845 73 . So hatte (6 ' Hierzu vor allem Mittermaier, Mündlichkeit, S. 126 ff. und derselbe Archiv des Criminalrechts 1842 (n. F.), S. 79 ff. sowie Hepp GS 3 (1851/11), S. 294 ff. 67 Nachweise bei Mittermaier (vgl. Anm. 66). 68 Hierzu wiederum Mittermaier, Mündlichkeit, S. 117 ff. und derselbe Archiv des Criminalrechts (n. F.) 1842, S. 424 ff., Hepp GS 3 (1851/11), S. 277 ff. und Zacbariae, Gebrechen, S. 14 ff. 69 Ausschlaggebend war auch hier wieder: Mündlichkeit des Verfahrens ermögliche keine schriftlichen Entscheidungsgründe und sei mit einer Rechtsmittelinstanz unvereinbar (hiergegen später ausführlich Mittermaier Archiv des Criminalrechts (n. F.) 1843, S. 69 ff.); des weiteren leide die Gründlichkeit der Wahrheitsfindung: vgl. Mittermaier Archiv des Criminalrechts (n. F.) 1842, S. 424 ff. 70 Zeitgenössische Autoren bescheinigen dieser parlamentarischen Arbeit für die Folgezeit wichtige Bedeutung: vgl. Mittermaier, Mündlichkeit, S. 125 und Zacbariae, Gebrechen, S. 17. 71 Vgl. Eb. Schmidt, Geschichte, S. 329/30. 72 Zu diesen Beratungen insbesondere Mittermaier, Mündlichkeit, S. 131 ff. und derselbe Archiv des Criminalrechts (n. F.) 1842, S. 80 ff. 73 Gesetzestext beiHäberlin, Sammlung, S. 353 ff. oder bei Thilo, Bad. StPO von 1845, S. 25 ff. Dieses Gesetz ist jedoch (zunächst wegen gerichtsorganisatorischer Probleme: vgl. Hepp GS 3 (1851/11), S. 283) ebensowenig in Kraft getreten wie jenes spätere vom 17. Februar 1849 (die Einführung von Geschworenengerichten betreffend). Das revidierte Gesetz vom 5. Februar 1851 (Text bei Häberlin, Sammlung, S. 422 ff.) bedeutete dann einen gro-

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Baden als erster 74 deutscher Staat den fortschrittlichen Strafprozeß neuer Konzeption verwirklicht: auf Mündlichkeit und Öffentlichkeit der Hauptverhandlung gebaut, strikt die Anklageform verwirklichend, die Urteilsfällung aber ausschließlich rechts gelehrten Richtern übertragend. Die Motive zu diesem Gesetz, das den meisten partikularen Strafprozeßordnungen nach 1848 zum Vorbild werden sollte, sahen denn auch in der Mündlichkeit der Hauptverhandlung, die „anderwärts auch mit den Namen der Unmittelbarkeit bezeichnet" werde (!), die „wichtigste Abweichung von dem Systeme des bisherigen Strafverfahrens" 75 . Ähnlich wie Mittermaier, der offenbar weitgehend auf diese badischen Gesetzesmaterialien zurückgegriffen hatte, sah auch der badische Gesetzgeber den Sinn der Mündlichkeit oder (gleichverstanden: der) Unmittelbarkeit in besserer Wahrheitsfindung und damit zusammenhängend - in verstärkten Verteidigungsgarantien 76 . Die Unmittelbarkeit der mündlichen Hauptverhandlung wurde demnach begriffen als 77 „Einrichtung, vermöge welcher das urtheilende Gericht in einer vor ihm stattfindenden Verhandlung den Angeschuldigen, die Zeugen und Sachverständigen selbst anhört, anstatt nur schriftlich (durch die Untersuchungsakten und Vorträge von Referenten) von den Aussagen derselben in Kenntniß gesetzt zu werden." Im äußeren Verfahrensgang war das Vorbild des „ C o d e d'Instruction Criminelle" unverkennbar 78 . Angesichts dieser Ähnlichkeit entsprach die Mündlichkeit, wie sie in der badischen StPO von 1845 verwirklicht wurde, sachlich weitgehend jener von Frankreich; in einigen Punkten war sie freilich deutlicher herausgearbeißen Schritt zurück. Hier war nur für die schwereren Fälle der mündlich-öffentliche Anklageprozeß nach französischem Vorbild vorgesehen, im übrigen aber blieb es beim (verbesserten) alten Inquisitionsprozeß: vgl. Planck, Systematische Darstellung, S. XV f. und Mittermaier, Gesetzgebung, S. 16 ff. Erst die StPO vom 18. März 1864 (Amtliche Ausgabe, Karlsruhe 1864) knüpfte wieder an jener ersten StPO von 1845 an. 74 Wenn man von jener „preußischen Verordnung für Neu-Vorpommern und Rügen" vom 18. Mai 1839 absieht, die zwar Ansätze einer mündlich-unmittelbaren Hauptverhandlung enthalten hatte, in ihrem Gesamtkonzept aber noch zu sehr dem herkömmlichen Inquisitionsverfahren verbunden war. 75 So die „Allgemeinen Bemerkungen der Regierungscommission über die Grundlagen der Strafprozeßordnung", zitiert nach Thilo, Bad. StPO von 1845, S. 1. 76 Vgl. die Motive, zitiert nach Thilo, Bad. StPO von 1845, S. 2 ff. und S. 13 ff. 77 Motive: nach Thilo, Bad. StPO von 1845, S. 1. 7 8 Besonders deutlich wird die Ähnlichkeit in zwei Fällen: einmal in der Möglichkeit unbeeidigter informatorischer Vernehmung (z. B. §§ 43, 149 und 157) ähnlich den bloßen „renseignements" französischen Rechts; zum anderen bei der Eröffnung der Hauptverhandlung, wo - ähnlich wie nach CIC - der Gerichtsvorsitzende die Hauptverhandlung mit einer kurzen mündlichen Darstellung des Gegenstandes des Verfahrens eröffnet (§ 229), daraufhin die schriftliche Anklage verlesen und vom Staatsanwalt nochmals schriftlich erläutert wird (§ 230) und dann erst die Zeugen aus dem Sitzungszimmer entfernt werden (§231). Die Fortentwicklung liegt hauptsächlich auf verstärkten rechtsstaatlichen Sicherungen (was die Motive ausdrücklich hervorheben : nach Thilo, Bad. StPO von 1845, S. 10) : So sind die Zwangseingriffe gegenüber dem Beschuldigten deutlich an strengere Voraussetzungen gebunden (vgl. §§112 ff. und 174 ff.). In den Aussage- und Zeugnisverweigerungsrechten ist die badische StPO weit großzügiger (vgl. §§ 149, 150 und 156). Schließlich finden sich ausdrückliche Hinweise auf unzulässige Vernehmungsmethoden (§§ 199 ff.).

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Geppert, Grundsatz

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tet. So verlangte § 81 Abs. 1 (bad. S t P O ) , daß eine jede Aussage im Protokoll des Vorverfahrens „in directem Style und, so weit es möglich ist, in denselben Ausdrücken worin sie geschahen, nöthigenfalls mit den eigenen Erläuterungen des Vernommenen", niederzuschreiben sei. In Abs. 2 dieser Vorschrift war dem Vernommenen sogar die Befugnis zugestanden, „die Berichtigung des Niedergeschriebenen selbst zu Protokoll (zu) diktieren". Ausdrückliche Betonung fand die Idee der Mündlichkeit im übrigen für die untersuchungsrichterliche Zeugenvernehmung. Nach § 152 Satz 2 durfte der Zeuge, „wenn er sprechen kann, seine Aussagen nicht schriftlich ablegen" 7 9 . Parteiöffentlichkeit bei Zeugenvernehmungen im Vorverfahren war freilich auch in der badischen StPO nicht verwirklicht (§§ 76 und 152 Satz 1). Zentrale Bedeutung schließlich kam dem Mündlichkeits- oder Unmittelbarkeitsprinzip in der Hauptverhandlung zu, wo in § 241 Abs. 2 - insofern unserem heutigen § 261 S t P O ähnlich - unmißverständlich klar bestimmt ist: „Das Gericht hat bei der Urtheilsfällung nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in der Schlußverhandlung vorgekommen ist." Was freilich dieser § 241 Abs. 2 bezüglich der Unmittelbarkeit mündlicher Hauptverhandlung gab, nahmen die §§ 248 ff. in weitem Ausmaße wieder zurück. Über diese Vorschriften gewannen die Ergebnisse des Vorverfahrens und hier insbesondere die Zeugen- und Geständnisprotokolle auch in der badischen StPO von 1845 letztlich doch wieder jene weitreichende Beweisbedeutung wie im Strafprozeß Frankreichs. Das den §§ 248 ff. zugrunde liegende Beweissystem kann hier nicht näher vertieft werden 8 0 . Zum besseren Verständnis für die uns beschäftigenden Fragen nur soviel: Das badische Gesetz von 1845 fand beweisrechtlich einen für die damalige Zeit außerordentlich interessanten Kompromiß. Skeptisch gegenüber dem unbeschränkt weiten Prinzip freier richterlicher Beweiswürdigung im Sinn der französischen „intime conviction" und ebenso kritisch gegenüber der positiven Beweistheorie des herkömmlichen Inquisitionsprozesses, stellte der badische Gesetzgeber negative gesetzliche Beweisregeln (mit einem Minimum an Beweisanforderungen) auf. Zentrales Gewicht hatten freilich weniger diese Beweisminima und auch nicht die Unterscheidung in vollkommene (§§ 248 bis 264) sowie unvollkommene (§§ 265 bis 269) Beweise als vielmehr jener in den Motiven immer wieder herausgestellte gewichtige § 270; denn hiernach war der Schuldspruch selbst bei Vorliegen jener Beweisminima letztlich doch wieder von der freien richterlichen Überzeugung abhängig gemacht 8 1 . Mit dem Vertrauen auf diesen bedeu7 9 Schriftliche Gedächtnishilfen sollten freilich zulässig sein (vgl. die Motive zu § 152: nach Thilo, Bad. StPO von 1845, S. 155 f.). 8 0 Siehe stattdessen die lehrbuchartige Zusammenfassung der Amtlichen Begründung vor §§ 248 ff. (zitiert nach Thilo, Bad. StPO von 1845, S. 184 ff.). 8 1 Jener zentrale § 270 wörtlich: „Auch bei dem Dasein der Voraussetzungen der §§ 248 bis 269 (gemeint : bei vollkommenen und unvollkommenen Beweismitteln) sollen die Richter eine Anschuldigungsthatsache nur dann als wahr annehmen, wenn sie nach der Glaubwürdigkeit, welche den unmittelbaren Beweisen nach den Umständen des einzelnen Falles zukommt, und nach der Stärke der ineinandergreifenden, sich gegenseitig unterstützenden, auf

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tungsvollen § 270 wurde denn auch die Großzügigkeit des Gesetzes in der Verlesung von Protokollen aus dem Vorverfahren gerechtfertigt. So sollte ein freiwillig abgelegtes gerichtliches Geständnisprotokoll nicht durch einfachen grundlosen Widerruf entkräftet (§§ 252 und 253), sondern bei unbegründetem Widerruf verlesen werden können 82 . In gleicher Weise sollte ein außergerichtliches Geständnisprotokoll in der Hauptverhandlung verlesen werden können, wenngleich nach § 265 Nr. 6 nur mit dem Wert eines unvollkommenen Beweises83. Etwas kompliziert wirkt auf den ersten Blick die Verlesung (gerichtlicher oder außergerichtlicher) Zeugenprotokolle. Hierzu muß man wissen, daß „vollkommenen" Beweis nur die gerichtlichen Aussagen zweier beeidigter vollgültiger84 Zeugen ausmachten. Ein vollgültiger beeidigter (also richterlich vernommener) Zeuge, zwei nicht vollgültige beeidigte Zeugen oder schließlich nicht-richterlich vernommene Zeugen dagegen ergaben nur „unvollkommenen" Beweis (§ 265 Nr. 1 und Nr. 3 bzw. § 266). Nur bei Zusammentreffen von mindestens zwei solchen unvollkommenen Beweisen war den minimalen Beweisanforderungen genügt. Von hier aus zurück zu den Zeugenprotokollen: Wenn § 259 die Beweiskraft solcher Protokolle „nach den Grundsätzen beurtheilt, welche über die Beweiskraft von . . . Zeugnissen gelten", so bedeutete das nichts anderes, als daß diese Protokolle nicht nur im Falle zwischenzeitlich verstorbener oder unerreichbarer Zeugen, sondern grundsätzlich unbeschränkt verlesen werden konnten. Diese Verlesung stellte freilich nur unvollkommenen Beweis dar und bedurfte der Unterstützung durch weitere Beweise85. Alles in allem bleibt festzuhalten, daß auch das badische Gesetz vom 6. März 1845 trotz seines formalen Bekenntnisses zur Unmittelbarkeit mündlicher Hauptverhandlung (§ 241 Abs. 2) den schriftlichen Protokollen aus dem Vorverfahren nach wie vor außerordentlich weite Beweisbedeutung beimaß 86 . 2. Der Rechtszustand nach 1848 Das Jahr 1848 brachte mit der politischen Wende auch in der Reform des deutschen Strafverfahrens den entscheidenden Durchbruch. Die Idee mündlicher Hauptverhandlung fand ihren Niederschlag in den von der Frankfurter Nationalversammlung proklamierten „Grundrechten des Deutschen Volkes" (21. Dezember 1848) und von hier aus Eingang in § 178 der Reichsverfassung vom 28. März 1849: „Das Gerichtsverfahren soll öffentlich und mündlich sein." keine nur irgend wahrscheinliche Weise anders erklärbaren Anzeigungen die vollkommene Überzeugung von der Wahrheit der Thatsache erlangt haben." 8 2 Vgl. Begründung zu §§ 252, 253 (zitiert nach Thilo, Bad. StPO von 1845, S. 196): a. a. O. S. 197 der ausdrückliche Hinweis auf § 270, der eine Verlesung rechtfertige. 8 3 Die in § 265 kasuistisch aufgezählten „unvollkommenen Beweismittel" sollten den Beweisanforderungen nur genügen, wenn mehrere solcher unvollkommener Beweise zusammentreffen. 8 4 § 255 zählt die Gründe auf, die einen Zeugen zum „nicht vollgiltigen" machen. 8 5 Vgl. Amtliche Begründung zu § 259 (zitiert nach Thilo, Bad. StPO von 1845, S. 203 f.). 8 6 Und zwar ganz bewußt, wie aus der Amtlichen Begründung (zitiert nach Thilo, Bad. StPO von 1845, S. 14) deutlich hervorgeht. 6'

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In der Folgezeit überstürzten sich in den deutschen Partikularstaaten die Kodifizierung neuer bzw. die Novellierung bereits bestehender Strafverfahrensgesetze. Einer ersten Phase des Uberschwangs in den Revolutionsjahren 1848/49, in denen unter dem Eindruck der stürmischen Forderungen „radikaler" Volksvertretungen der Strafprozeß des benachbarten Frankreich oft nahezu wörtlich übernommen wurde 87 , folgte eine gewisse Ernüchterung 88 . Erst gegen Ende der 50er Jahre konsolidierte sich die Gesetzgebungsarbeit, und bis etwa um das Jahr 1870 hatten sich fast alle deutschen Einzelstaaten ein neues Strafverfahren - den „reformierten" Strafprozeß - gegeben. Eine auch nur annähernd erschöpfende Übersicht über zeitliche Entwicklung und Inhalt aller oder auch nur der wichtigsten dieser partikularen Strafprozeßgesetze zu geben, ist vorliegend schlechterdings unmöglich 89 . Es erscheint sogar gewagt, in dieser fast unübersehbaren Vielfalt einzelstaatlicher Verfahrensordnungen auch nur eine gewisse Klassifizierung vorzunehmen 90 . Wenn überhaupt, dann könnte man für die Zeit ab 1855 bis zum Inkrafttreten der Reichsstrafprozeßordnung allenfalls etwa folgende Einteilung festhalten: a) Trotz der Proklamation der Frankfurter Nationalversammlung verzichteten einige wenige deutsche Partikularstaaten (Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Schaumburg-Lippe und Lippe-Detmold) auch nach 1848 auf die Einführung des neuen Verfahrens und behielten den herkömmlichen schriftlichen Inquisitionsprozeß - wenngleich natürlich mit diversen Verbesserungen 9 ' - bis zum Inkrafttreten der Reichs-Strafprozeßordnung bei. b) In Elsaß-Lothringen, im linksrheinischen Preußen, in Bayern und in Hessen galt bis zum Jahre 1879 - natürlich wiederum vielfach novelliert - das Verfahrensrecht des französischen „ C o d e d'Instruction Criminelle" 92 . 8 7 Bezeichnend hierfür insbesondere die preußische „Verordnung vom 3. Januar 1849 über die Einführung des mündlichen und öffentlichen Verfahrens mit Geschworenen in Untersuchungssachen" (Text bei Häberlin, Sammlung, S. 194 ff.; Kommentierung durch Oppenhoff, Preußische Gesetze), das Kurhessische Gesetz (Hessen-Cassel) vom 31. Oktober 1848 (Text bei Häberlin a. a. O . S . 447 ff.) sowie das hessische Gesetz für Starkenburg und Oberhessen vom 28. Oktober 1848 (Text bei Häberlin a. a. O . S. 639 ff.). 8 8 Bezeichnend hierfür insbesondere das badische Gesetz vom 5. Februar 1851 (Text bei Häberlin, Sammlung, S. 422 ff.) und das württembergische vom 14. August 1849 (Text bei Häberlin a. a. O . S. 600 ff.). 8 9 Vgl. stattdessen den zusammenfassenden Uberblick bei Planck, Systematische Darstellung, S. VIII ff. und S. X I X ff. (bis zum Jahre 1857), Zacbariae, Handbuch I, S. 18 ff. (bis zum Jahre 1861) und derselbe, Handbuch II, S. VII ff. (bis zum Jahre 1868), Glaser, Grundlagen, S. 67 ff. (bis zum Jahre 1879) sowie Geyer, Strafproceßrecht, S. 148 ff. und Glaser, Handbuch I, S. 165 ff. (Zeit nach 1879).-Einen Uberblick über den partikularen deutschen Strafprozeß nach 1848 gibt zwischenzeitlich auch Kuckuck („Zur Zulässigkeit von Vorhalten aus Schriftstücken in der Hauptverhandlung des Strafverfahrens", Berlin 1977), dem betr. Thema gemäß mit dem Schwergewicht auf Fragen des Vorhalts (a. a. O . S. 23 ff.). 9 0 Vgl. die Klassifizierungsversuche bei Planck, Systematische Darstellung, S. XVII ff. (aus der Perspektive des Jahres 1857), Mittermaier, Gesetzgebung, S. 14 ff. und S. 38 ff. (aus der Perspektive des Jahres 1856) und schließlich bei Zacbariae, Handbuch I, S. 17 ff. (aus dem Jahre 1861) sowie Handbuch II, S. V ff. (von 1868). 9 1 Hierzu Mittermaier, Gesetzgebung, S. 56 f. sowie Glaser, Grundlagen, S. 75 f. 9 2 Vgl. Glaser, Grundlagen, S. 76.

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c) In der Mehrzahl aller Fälle aber entschieden sich die Gesetzgeber der Partikularstaaten für den mündlich-öffentlichen Anklageprozeß nach französischem Vorbild. Obgleich natürlich gewisse Eigenständigkeiten dieser (französisches Recht rezipierenden) Gesetze nicht zu übersehen sind, hat sich doch in gerichtsorganisatorischer Hinsicht, im äußeren Gang des Verfahrens und gerade in der uns beschäftigenden Frage unmittelbar-mündlicher Hauptverhandlung das französische Vorbild entscheidend durchgesetzt. Insofern scheint es sachlich gerechtfertigt, von einem „reformierten" Strafprozeß nach französischem Vorbild zu sprechen und ihm die Linder Preußen (samt den mit Preußen seit 1866 vereinigten Hannover, Kurbessen, Nassau und Frankfurt), Sachsen, 'Württemberg, Baden, Oldenburg, Hamburg und Bremen einerseits (jeweils mit Einführung von Geschworenen-Gerichten) sowie Sachsen-Altenburg und Lübeck andererseits (jeweils ohne Geschworene) zuzurechnen. aa) In mehr oder weniger gleichlautenden Formulierungen bekannten sich alle diese Gesetze ausdrücklich zum Grundsatz mündlicher Hauptverhandlung. So bestimmte schon die preußische Verordnung vom 3. Januar 1849 93 , daß „der Fällung des Urtheils . . . ein mündliches . . . Verfahren vor dem erkennenden Gericht vorhergehen (solle), bei welchem der Staatsanwalt und der Angeklagte zu hören, die Beweisaufnahme vorzunehmen und die Vertheidigung des Angeklagten mündlich zu führen ist" (§ 14). § 22 dieser Verordnung ergänzte dies dahin, der erkennende Richter habe „fortan unter genauer Prüfung aller Beweise . . . nach seiner freien, aus dem Inbegriffe der vor ihm erfolgten Verhandlung geschöpften Überzeugung zu entscheiden" 94 . Hieraus folgten zwangsläufig das Erfordernis fortdauernder Anwesenheit aller erkennenden Richter 95 sowie das Postulat möglichst ununterbrochener Hauptverhandlung96. Im übrigen waren die meisten Gesetze in bezug auf Mündlichkeit der Zeugenvernehmung bereits im Vorverfahren im allgemeinen sehr streng 97 . Nur wenige Gesetze begnügten sich insoweit ergänzend auch mit schriftlichen Zeugenäußerungen98. Der Beschuldigte selbst, zur Eigenbelastung ohnehin nicht verpflichtet, konnte sich in der Voruntersuchung im allgemeinen auch schriftlich äußern 99 . Text bei Häberlin, Sammlung, S. 194 ff. So auch §§ 32 und 119 des Kurhessischen Gesetzes vom 31. Oktober 1848 (Text bei Häberlin, Sammlung, S. 462 ff.) sowie § 6 der bad. StPO vom 28. Mai 1864 (Text bei Ammann, Bad. StPO 1864, S. 51 ff.), § 6 der preußischen StPO vom 1. September 1867 (Text bei Grotefend, Preuß. Gesetze Bd. II, S. 741 ff.), Art. 4 und 6 der württembergischen StPO vom 26. Mai 1868 (Regierungsblatt für das Königreich Württemberg 1868, S. 205 ff.) und Art. 4 Abs. 4 und Art. 5 Abs. 1 der sächsischen StPO vom 1. Oktober 1868 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen 1868, Zweite Abtheilung, S. 1036 ff.). 9 5 Vgl. § 134 Abs. 1 der hannoverschen StPO vom 8. 11. 1850 (Text bei Häberlin, Sammlung, S. 279 ff.), § 227 bad. StPO 1864, § 226 preuß. StPO 1867, Art. 297 württ. StPO 1868 und Art. 16 Abs. 1 sächs. StPO 1868. 9 6 Vgl. § 230 preuß. StPO 1867. Weitere Nachweise aus früheren Gesetzen bei Planck, Systematische Darstellung, Anm. 1 auf S. 449. 9 7 Vgl. beispielsweise § 94 Abs. 1 der hannoverschen StPO vom 8. November 1850. 9 8 Vgl. Art. 222 Abs. 3 sächs. StPO 1868. 9 9 Vgl. beispielsweise A n . 163 sächs. StPO 1868. 93

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Wie nach dem literarischen Erkenntnisstand damaliger Zeit verständlich sein dürfte, waren sich die partikularen Gesetzgeber im Grundsatz darüber klar, daß die für die Hauptverhandlung erstrebte Unmittelbarkeit mündlicher Beweisaufnahme entscheidend davon abhängt, welchen Einfluß auf die endgültige Urteilsfindung man Vernehmungsprotokollen aus dem (grundsätzlich mc^t-parteiöffentlichen)100 Vorverfahren einräumte. Dabei gingen theoretisch alle Gesetze davon aus, daß das Vorverfahren nur der Aufklärung des Sachverhalts und der Beweissammlung für die Entscheidung darüber zu dienen habe, ob eine Hauptverhandlung stattfinden solle oder nicht. Unmißverständlich klar insoweit jener § 65 Abs. 2 der badischen StPO von 1864: „Die Beweise, die in der Hauptverhandlung noch erhoben werden können, sind in der Voruntersuchung nur insoweit zu erheben, als erforderlich ist, um zu beurtheilen, ob die Hauptverhandlung anzuordnen oder das Verfahren einzustellen ist."

Freilich hat selbst dieses Gesetz, wie noch zu zeigen sein wird, jenen Grundsatz ebensowenig konsequent verwirklicht wie die anderen nach französischem Vorbild reformierten Verfahrensordnungen. bb) Die Protokolle früherer Zeugenvernehmungen können in der Hauptverhandlung bekanntlich auf mehrfache Weise Bedeutung erlangen: einmal durch ersatzweise „Verlesung" überall dort, wo der Zeuge in der Hauptverhandlung überhaupt nicht erscheint/nicht erscheinen kann oder seine Aussage verweigert; zum anderen in ergänzender Form, indem das Vorverfahrensprotokoll in der Hauptverhandlung zusätzlich zur mündlichen Zeugenaussage „verlesen" wird. Und schließlich in Form eines Vernehmungsbehelfs, indem das beweiserhebende Gericht der Aussageperson Ermittlungsergebnisse aus dem Vorverfahren „vorhält" (diese „vorgehaltenen" früheren Aussagen aber nur verwerten darf, wenn der Zeuge sie in seine mündliche Aussage vor Gericht übernimmt). aaa) Daß die ersatzweise Verlesung früherer Zeugenprotokolle101 eine Ausnahme vom Unmittelbarkeitsprinzip darstellt, war klar erkannt und kam im übrigen in den einzelnen Gesetzen meist deutlich zum Ausdruck 102 . Die gesetzlichen Ausnahmemöglichkeiten waren freilich so zahlreich und oft so unbestimmt-weit, daß der unmittelbare Verkehr zwischen erkennendem Gericht und Zeugen103 im Ergebnis sehr stark beeinträchtigt war. In der Vielzahl der einzelgesetzlichen Vorschriften aus damaliger Zeit lassen sich folgende Ausnahmegruppen erkennen: (1) Den Mitgliedern der regierenden Fürstenhäuser war kraft ihres Standes das Privileg zuerkannt, sich in ihren Wohnungen vernehmen zu lassen. Derart richter1 0 0 Vgl. hierzu § 91 Abs. 2 hannov. StPO von 1850 (Häberlin, Sammlung, S. 305), Art. 161 Abs. 1 sächs.-altenburgsche StPO von 1854 (Sundelin, Sammlung, S. 420) und Art. 120 Abs. 2 bad. StPO 1864 (Ammann, S. 123). Insofern offenbar die einzige Ausnahme: Art. 248 Abs. 3 württ. StPO vom 26. 5. 1868 (Regierungsblatt 1868, S. 205 ff.). 1 0 1 Näher hierzu Dalcke GA 12 (1864), S. 83 ff. und Zachanae, Handbuch II, S. 365 ff.; zusammenfassend Stegmaier, Unmittelbarkeit, S. 42 ff. 1 0 2 Besonders deudich § 151 der hannov. StPO 1859 (Sundelin, Sammlung, S. 157) und § 245 Abs. 2 preuß. StPO 1867 (Grotefend, Preuß. Gesetze Bd. II, S. 764). 1 0 3 Bezüglich der Verlesung sachverständiger Äußerungen siehe weiterführend Stegmaier, Unmittelbarkeit, S. 65 ff.

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lieh protokollierte Zeugenprotokolle konnten in der Hauptverhandlung wie selbstverständlich verlesen werden 1 0 4 . Einige wenige Gesetze begnügten sich sogar bei militärischen Dienstpersonen mit der Verlesung ihrer vor dem Untersuchungsrichter oder dem Militärgericht gemachten Zeugenaussagen 1 0 5 . (2) Im einzelnen an sehr unterschiedliche Voraussetzungen waren jene Fälle geknüpft, die sich unter dem Stich w o r t „tatsächliche Verhinderung mündlichpersönlicher Aussage" zusammenfassen lassen. Fast alle Gesetze der damaligen Zeit erlaubten die Verlesung richterlicher Zeugenprotokolle, sofern der betreffende Zeuge zwischenzeitlich verstorben war 1 0 f i . N o c h verhältnismäßig klar waren auch Formulierungen wie „Krankheit, Altersschwäche oder Gebrechlichkeit" 1 0 7 , „unbekannter Aufenthalt" 1 0 8 , „Aufenthalt im Ausland" 1 0 9 oder auch nur „ g r o ß e Entfernung" 1 1 0 , an die ebenfalls Verlesungsmöglichkeiten geknüpft waren. Darüber hinaus gab es freilich nicht selten Formulierungen, die dem erkennenden Gericht einen außerordentlich weiten Beurteilungsspielraum ließen. So allgemein gehaltene Verlesungsgründe wie „erhebliche Hindernisse f ü r längere Z e i t " 1 " , „unabwendbares Ereignis" 1 1 2 oder „andere dauernde U r s a c h e n " " 3 führten nur allzu leicht zu einer Umgehung des Grundsatzes unmittelbar-mündlicher Hauptverhandlaung. (3) Manche Gesetze gaben bereits der Rats- oder Anklagekammer die Möglichkeit, noch vor der Hauptverhandlung die spätere Verlesung richterlicher Zeugenprotokolle zuzulassen. Sofern eine solche Erlaubnis an genau beschriebene Verhinderungsgründe gebunden war 1 1 4 , war das an sich nichts besonders Auffälliges. Solche Vorab-Genehmigungen wurden in einigen Gesetzen freilich auch nur mit

104 Vgl. § 146 hannov. StPO 1850 (Häberlin, Sammlung, S. 320), Art. 133 bayr. Gesetz vom 10. 11. 1848 {Häberlin a. a. O. S. 253), Art. 228 Abs. 6 sächs. StPO 1868 (Gesetzund Verordnungsblatts. 1114) und §§ 240 Abs. 1, 119 bad. StPO 1864 (Ammann a. a. O. S. 178/179). Näher hierzu Stegmaier, Unmittelbarkeit, S. 53 ff. 105 Vgl. §§ 224, 246 Nr. 2 preuß. StPO 1867 (Grotefend, Preuß. Gesetze Bd. II, S. 762 ff.) und § 81 Kurhess. StPO 1848 (Häberlin, Sammlung, S. 470 f.). 106 Vgl. § 21 preuß. VO vom 3. 1. 1849, Art. 166 Bayern 1848, § 145 Hannover 1850, Art. 289 Abs. 2 Sachsen 1855, Art. 313 Abs. 1 Wüttemberg 1868 u. v. a. 107 Vgl. §§ 224, 246 Nr. 2 Preußen 1867, Art. 166 Bayern 1848 und § 241 Oesterreich 1853. 108 Vgl. § 145Hannover 1850, § 105 Kurhessen 1848, § 241 Oesterreich 1853, §§ 240mit 217 Baden 1864 und Art. 313 Abs. 1 Württemberg 1868. 109 Vgl. Art. 289 Abs. 2 Sachsen 1855: angesichts der Vielzahl partikularer Einzelstaaten war dies freilich bereits ein relativ weiter Verlesungsgrund. 110 Vgl. § 21 preuß. VO vom 3. 1. 1849, Art. 166 Bayern 1848 und § 241 Oesterreich 1853.Die §§ 59,90 und 131 braunschweig. StPO vom21. 8. 1849 nennen sogar eine genaue Zahl („fünf Meilen"). 111 Vgl. § 145 Abs. 1 Hannover 1850, § 105 Abs. 1 Kurhessen 1848 und § 241 Oesterreich 1853. 2 " So § 21 preuß. VO vom 3. 1. 1849. 1.3 So Art. 216 Abs. 1 Frankfurt 1856; die §§ 240, 217Baden 1864 sprechen von „unverhältnismäßigem Zeitaufwand". 1.4 Wie beispielsweise nach § 152 der hannoverschen StPO von 1859.

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dem Hinweis auf ein bereits vorliegendes Geständnis begründet 115 oder aber überhaupt nicht näher eingeschränkt 116 . (4) Einige wenige Gesetze machten die Verlesung richterlicher Zeugenprotokolle u. a. allein von der Zustimmung des Angeklagten abhängig 117 . Die oesterreichische StPO von 1853 verlangte in § 241 insofern immerhin das Einverständnis des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft. (5) Notwendigkeiten zur Verlesung von Protokollen ergaben sich weiter dort, wo ein Zeuge zwar vor dem Untersuchungsrichter ausgesagt hat, dann aber in der Hauptverhandlung seine Aussage verweigert. Die Verlesung des richterlichen Protokolls war nach Art. 313 Abs. 1 der württembergischen StPO von 1868 ausdrücklich nur im Fall unberechtigter Zeugnisverweigerung erlaubt. Überwiegend konnte ein früheres Zeugenprotokoll jedoch auch bei berechtigter Aussageverweigerung verlesen werden 1 1 8 . Ein generelles Beweisverwertungsverbot war in diesem Punkte weitgehend unbekannt 1 1 9 . (6) Die diskretionnäre Gewalt des französischen Schwurgerichtspräsidenten hatte auch in die meisten deutschen Partikulargesetze Eingang gefunden 120 und so eine weitere gewichtige Möglichkeit zur Verlesung früherer Zeugenprotokolle mit sich gebracht 121 . Zwar sprachen sich einige wenige von diesen Gesetzen, die dem Gerichtsvorsitzenden (also nicht nur dem Schwurgerichtspräsidenten!) eine Art diskretionnärer Gewalt an sich zu geben bereit waren, im Interesse unmittelbarmündlicher Beweisaufnahme mehr oder weniger deutlich gegen eine aus dieser Gewalt herleitbare Verlesbarkeit früherer Protokolle aus 122 . Die Mehrzahl der neuen Verfahrens Ordnungen erlaubte jedoch dem Vorsitzenden im Interesse möglichst sorgfältiger Wahrheitsfindung, ,,alle neueren Beweismittel zur Stelle (zu) schaffen, von welchen er nach den bisherigen Verhandlungen eine Aufklärung der Sache hofft" 1 2 3 . O b ein derart unscharfer Gesetzestext (denn zu fragen wäre hier

115

So beispielsweise in § 211 Abs. 2 bad. StPO 1845 (kritisch hierzu Mittermaier, Gesetzgebung, S. 315) sowie in § 217 Abs. 2 Baden 1864. Weitere Nachweise bei Kuckuck, Zulässigkeit von Vorhalten, S. 31. 1 K> So § 230 mit §§ 185 Abs. 4 und 203 StPO Sachsen-Altenburg 1854 (Sundelin, Sammlung, S. 425 ff.). 1,7 Vgl. Art. 167 Bayern 1848 sowie Art. 292 sächs. StPO 1855 (ebenso Art. 292 Abs. 1 Sachsen 1868). 118 Vgl. § 241 Oesterreich 1853, § 246 Abs. 1 N r . 3 Preußen 1867 sowie Art. 289 Abs. 1 Sachsen 1868. 119 Lobenswerte Ausnahme insoweit: § 240 Abs. 1 bad. StPO 1865. 120 N u r wenige Gesetze lehnten die Einführung der diskretionnären Gewalt völlig ab : so ζ. B. das „provisorische Gesetz" Kurhessens vom 22. 7. 1851 (Häberlin, Sammlung, S. 511 ff.). Weitere Nachweise bei Stegmaier, Unmittelbarkeit, Anm. 3 auf S. 52. 121 Näher hierzu Petersen GS 2 (1850/11), S. 113 ff., Stegmaier, Unmittelbarkeit, S. 50 ff. sowie Krause, Urkundenbeweis, S. 90 ff. 122 Vgl. Art. 141, 166 und 167 Bayern 1848 (Häberlin, Sammlung, S. 233 ff.), § 250 mit §§ 245 ff. StPO Preußen 1867 (Grotefend, Preuß. Gesetze Bd. II, S. 765) sowie § 252 Oesterreich 1873. 123 So beispielsweise § 136 Abs. 4 hannov. Gesetz 1850 (Häberlin, Sammlung, S. 317). Ähnlich § 93 Abs. 1 bad. Gesetz vom 5. 2. 1851 (Häberlin a. a. O . S . 436),Art. 232Abs. 1

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natürlich: Sind unter „neuere Beweismittel" auch die dem Gericht ja hinlänglich bekannten früheren Zeugenprotokolle zu verstehen?) ähnlich wie schon die französischen Gerichte auch die deutsche Praxis zu extensiver Handhabung verleitete, mag offenbleiben 124 . Jedenfalls haben zumindest einige deutsche Partikulargesetze unmißverständlich klar zum Ausdruck gebracht, daß die diskretionnäre Gewalt des Gerichtsvorsitzenden in Richtung auf ein allgemeines Verlesungsverbot grundsätzlich nicht beschränkt sein sollte 125 . Man sieht hier deutlich die Skepsis gegenüber der Idee unmittelbar-mündlicher Hauptverhandlung. Trotz aller an sich anderslautender Bekenntnisse glaubte man die materielle Wahrheitsfindung letztlich besser gefördert, wenn man dem Gericht auch bei Verlesung früherer Zeugenprotokolle möglichst freie Hand ließ. (7) Die gleiche Tendenz wird schließlich auch bei jenen Vorschriften erkennbar, in denen die Verlesung richterlicher Zeugenprotokolle bereits bei Nichterscheinen geladener Zeugen für zulässig erachtet wurde 126 . Hier ist sachlich kaum noch ein Unterschied zu erkennen zu jenem uferlos weiten Art. 25 des preußischen Gesetzes vom 3. Mai 1852, der das Prinzip mündlich-persönlicher Zeugenvernehmung praktisch aufgehoben hat 127 : „Insoweit es jedoch . . . zur Aufklärung der Sache als nothwendig oder dienlich erscheint, ist das Gericht befugt, auf den Antrag der Staatsanwaltschaft, des Angeklagten oder von Amtswegen die Verlesung eines jeden Schriftstückes anzuordnen."

Alle bisher referierten Ausnahmen betreffen ausnahmslos richterliche Zeugenprotokolle. So großzügig die nach dem „Code d'Instruction Criminelle" reformierten deutschen Partikulargesetze im Anschluß an eben ihr französisches Vorbild bei Verlesung richterlicher Zeugenprotokolle waren, um so strenger waren sie andererseits gegenüber außergerichtlichen Protokollen. In diesem Punkt fand die Praxis französischer Gerichte im „reformierten" deutschen Strafprozeß keine Nachahmung. Staatsanwaltschaftliche oder gar polizeiliche Zeugenprotokolle durften grundsätzlich nicht verlesen werden128. Ersichtlich die einzige Ausnahme Sachsen-Altenburg 1854 (Sundelin,

(Sundelin

a. a. O. S. 707).

Sammlung, S. 435) sowie Art. 277 Abs. 6 Sachsen 1855

124 Näherhierzu Petersen GS2(1850/11),S. 113 f f . 5 r a « e r G S 8 ( 1 8 5 6 / I ) , S . 15 f. jedenfalls scheint dies zu bejahen: die Zeugnisverweigerung eines früher aussagebereiten Zeugen in der Hauptverhandlung sei beispielsweise ein „neuer" Umstand, der den Vorsitzenden kraft seiner diskretionnären Gewalt zur Verlesung früherer Zeugenprotokolle berechtige. 1 2 5 So Art. 222 Frankfurt 1856, § 152 Abs. 3 Hannover 1859, Art. 273 Abs. 2 und 263 Oldenburg 1857 ( S u n d e l i n , Sammlung, S. 532 f.) sowie Art. 314 Abs. 2 und 300 Abs. 1 Württemberg 1868. 1 2 6 So § 222 Sachsen-Weimar 1850 ( H ä b e r l i n , Sammlung, S. 797), § 270 Oesterreich 1850, § 254 Baden 1864 und Art. 289 Abs. 1 Sachsen 1868. 1 2 7 Zitiert nach Häberlin, Sammlung, S. 232 e. Enger dann wieder die §§ 245 ff. preuß. StPO 1867 ( G r o t e f e n d , Preuß. Gesetze Bd. II, S. 765). 1 2 8 So ausdrücklich Planck, Systematische Darstellung, S. 379mitAnm. 3: das „außergerichtliche unbeschworene Zeugniß (habe nicht nur) keinen Werth, sondern es widerstreitet auch die Verlesung solcher Urkunden dem Grundsatz der Mündlichkeit". Ebenso a. a. O. S. 59 f. bezüglich polizeilicher Protokolle und a. a. O. S. 41 mit Anm. 12 bezüglich staatsanwaltschaftlicher Protokolle (mit Hinweis auf die Idee der Waffengleichheit).

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machte insofern die sächsisch-altenburgische StPO vom 27. Februar 1854 129 . Unter den beschränkten Voraussetzungen der Art. 230 Abs. 2 und 185 Abs. 4 durften freilich auch hier nur staatsanwaltschaftliche Zeugenprotokolle verlesen werden. bbb) In welchem Umfang frühere Vernehmungsprotokolle zusätzlich zu der in der Hauptverhandlung mündlich-persönlich abgegebenen Zeugenaussage verwertbar sein sollten, war in den einzelnen Partikulargesetzen nur unvollständig geregelt130. Ebenso wie im übrigen in der zeitgenössischen Literatur' 3 ' waren die Gefahren, die mit einer solchen ergänzenden Verwertung früherer Protokolle für das Prinzip unmittelbarer Hauptverhandlung verbunden waren, klar erkannt. Gleichwohl war die Bereitschaft sowohl der partikularen Gesetzgeber wie auch des damaligen Schrifttums, im Interesse umfassender Sachaufklärung von der Möglichkeit der Nebenher-Verwertung extensiven Gebrauch zu machen, nicht zu übersehen. Im übrigen fällt bei einer Analyse des früheren Gesetzesmaterials und entsprechender literarischer Äußerungen auf, daß zwischen einer echten zusätzlichen Urkunds-,,Verlesung" und einem bloßen Vorhalt (i. S. eines Vernehmungsbehelfs) häufig nicht exakt getrennt wurde. Betrachten wir zunächst die Möglichkeiten der ergänzenden Protokoll-,, Verlesung", so lassen sich folgende Feststellungen treffen: (1) Die meisten Gesetze waren sich darin einig, den Zeugen zunächst zusammenhängend seine Aussage machen zu lassen und ersi dann zur Ergänzung oder zur Beseitigung von Unklarheiten, Widersprüchlichkeiten u. ä. Zusatzfragen zu gestatten' 32 . (2) Des weiteren bestand grundsätzlich Einigkeit darüber, daß die auch nur ergänzende Nebenher-,,Verlesung" eigener schriftlicher Zeugenaussagen unzulässig war 133 . (3) Offenbar insgesamt recht streng waren die meisten Gesetze bei der Frage, inwieweit frühere Zeugenprotokolle oder zeugeneigene Aufzeichnungen zur Gedächtnisunterstützung „verlesend" herangezogen werden durften. Lediglich § 248 des preußischen Gesetzes vom 25. Juni 1867 sah nach mündlicher Vernehmung des Zeugen „zur Unterstützung seines Gedächtnisses" ausdrücklich eine „Verlesung" des früheren richterlichen Protokolls vor' 3 4 . (4) Deutlich großzügiger waren die Gesetze überwiegend dort, wo sich ein Zeuge bei seiner mündlichen Aussage mit den protokollierten früheren Äußerungen in Widerspruch setzt. Denn in diesem Fall ließen neben dem bereits erwähnten Text bei Sundelin, Sammlung, S. 434. Vgl. zwischenzeitlich die Übersicht bei Kuckuck, Zulässigkeit von Vorhalten, S. 27 ff. 1 3 1 Vgl. zwischenzeidich die Ubersicht bei Kuckuck, Zulässigkeit von Vorhalten, S. 34 ff. 1 3 2 Zahlreiche Nachweise bei Kuckuck, Zulässigkeit von Vorhalten, S. 27 f. 1 3 3 Vgl. § 143 Nr. 5 Hannover 1850 (ebenso § 150 Nr. 7 Hannover 1859) sowie Art. 126 Nr. 1 Oldenburg 1857. Ebenso Planck, Systematische Darstellung, Anm. 6 auf S. 368 sowie Petersen GS 2 (1850/11), S. 130. 1 3 4 Daß nur „richterliche" Protokolle unterstützend herangezogen werden durften, folgt aus § 256 Nr. 4 jenes Gesetzes (Text bei Grotefend, Preuß. Gesetze Bd. II, S. 765). 129

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§ 248 der preußischen S t P O von 1867 noch zahlreiche andere Gesetze 1 3 5 die Protokollverlesung „ z u r H e b u n g von Widersprüchen" zu. Die Verlesbarkeit war aber ausdrücklich auf richterliche Vernehmungsprotokolle beschränkt. Im übrigen war hier klar z u m Ausdruck gebracht, daß es sich insofern um echte „Verlesung" handelte und die anderslautende frühere Aussage als Urkundenbeweis berücksichtigt werden d u r f t e ' 3 6 . (5) Ungeachtet aller dieser gesetzlichen Verlesungsmöglichkeiten : überall dort, wo der Partikulargesetzgeber die diskretionnäre Gewalt des Gerichtsvorsitzenden nach französischem Vorbild übernommen hatte 1 3 7 , war es letztlich dem erkennenden Gericht überlassen, in welchem U m f a n g es von der Möglichkeit einer ergänzenden Protokollverlesung Gebrauch machte. So gesehen ist das Resumée von heute sicherlich nicht zu hart, daß spätestens über diese „diskretionnäre" Gewalt das Prinzip der ausschließlichen mündlichen Zeugenvernehmung in der Praxis der damaligen Strafrechtspflege weitgehend zur Ausnahme wurde 1 3 8 . ccc) Abschließend noch einige wenige Bemerkungen zur ergänzenden Verwertung früherer Ermittlungsergebnisse im Wege des Vorhalts: (1) In einigen Gesetzen ist eine gewisse Skepsis gegenüber dem Vorhalt und die Warnung vor ihm durchaus zu erkennen. So sind beispielsweise nach § 173 Satz 2 der oesterreichischen S t P O von 1850 „Fragen, durch welche ihm (dem Zeugen) Thatumstände vorgehalten werden, welche erst durch seine Antwort festgestellt werden sollen, möglichst (!) zu vermeiden". Wieder andere Gesetze lassen den Vorhalt gewissermaßen als letztes Mittel dann z u , , , wenn der Zeuge nicht in anderer Weise darauf (gemeint: auf die zu erforschende Tatsache) hingeführt werden konnte" 1 3 9 . Aus dem systematischen Gesamtzusammenhang, in dem diese Vorschriften zu sehen sind, folgt freilich, daß die betreffenden Gesetze hier weniger dem Vorhalt schlechthin als einem zu frühen Vorhalt entgegentreten wollten. (2) Relativ selten erwähnten die damaligen Gesetze den Vorhalt bei widersprüchlichen Zeugenaussagen 1 4 0 . Etwas häufiger war demgegenüber erwähnt der Vorhalt zur Auffrischung des Gedächtnisses. Ähnlich wie Art. 126 N r . 2 des ol135 Vgl. Art. 243 Sachsen-Weimar 1850(Häberlin, Sammlung, S. 800), § 241 Abs. 1 Satz 4 Oesterreich 1853 (Sundelin, Sammlung, S. 53), Art. 220 Abs. 1 Frankfurt 1856 (Sundelin a. a. O. S. 609) sowie Art. 313 Abs. 1 Württemberg 1868. 136 Dies wird besonders deutlich in Art. 315 Württemberg 1868. 137 Vgl. oben die Anm. 120 bis 125 sowie zwischenzeitlich die Nachweise bei Kuckuck, Zulässigkeit von Vorhalten, S. 32 ff. 138 Wie hier im übrigen inzwischen auch die Bewertung durch Kuckuck, Zulässigkeit von Vorhalten, S. 33. 139 So Art. 204 Abs. 1 mit Abs. 3 der württembergischen StPO von 1868. Vgl. auch Art. 125 der oldenburgischen StPO von 1857. 140 So beispielsweise Art. 284 Abs. 3 und Abs. 4 der sächsischen StPO von 1868; ebenso im übrigen § 106 der kurhessischen StPO: „Uber Widersprüche zwischen den Aussagen in der Gerichtsverhandlung und dem vorbereitenden Verfahren ist aus den Akten des letzteren, wie den Angeklagten so auch den Auskunftspersonen Vorhalt zu machen, und das Ergebnis der Voruntersuchung zum Zwecke der Ergänzung der Angaben in der Hauptverhandlung zu benutzen."

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denburgischen Gesetzes vom 2. November 1857 1 4 ' formulierten einige andere Verfahrensordnungen 1 4 2 : , .Nachdem der Zeuge Alles, dessen er sich zu erinnern vermochte, angegeben hat, kann ihm gestattet werden, Schriftstücke einzusehen und danach seine Aussage zu vervollständigen. D e r auf diese Weise hinzugetretene Theil der Aussage ist in dem Protokoll als solcher zu bezeichnen."

O b mit der Bezeichnung „Schriftstücke" auch außergerichtliche Vernehmungsniederschriften erfaßt sein sollten 1 4 3 , läßt sich mangels eindeutiger Stellungnahmen im damaligen Schrifttum allenfalls vermuten. Durch den Wortlaut des Gesetzes, das von „Vervollständigung" der Aussage und von dem „auf diese Weise hinzugetretenen Teil der Aussage" spricht, dürfte dagegen die Feststellung gedeckt sein, daß es sich bei dieser Gedächtnishilfe nicht um eine „Verlesung" im Sinne echten Urkundenbeweises, sondern um einen Teil der mündlichen Aussage handelte. Im Urteil konnte beweismäßig demnach nur Verwendung finden, was der Zeuge aus dem ihm als Gedächtnisstütze Vorgelesenen sich ausdrücklich zu eigen machte. (3) Daß sich in jenen Partikulargesetzen - soweit ersichtlich - nur so wenige dezidierte Stellungnahmen zur Zulässigkeit des (nachträglichen) Vorhalts finden lassen, berechtigt freilich nicht zu der Schlußfolgerung, der Vorhalt sei ansonsten für unzulässig gehalten worden. In Wahrheit hielt die große Mehrheit der damaligen Gesetze eine solche Vorschrift offenbar für überflüssig. Aus der diskretionnären Gewalt des Gerichtsvorsitzenden und insgesamt aus der deutlich inquisitorischen Natur der Beweisaufnahme wurde wie selbstverständlich unterstellt, daß derartige Vorhalte - gleichgültig, ob aus gerichtlichen oder außergerichtlichen Vernehmungsniederschriften - als Vernehmungsmittel unbeschränkt zulässig seien 1 4 4 . cc) Inwiefern frühere Geständnisprotokolle verwertet werden konnten, war in deutlich weniger Fällen gesetzlich geregelt 1 4 5 . Nur einige wenige Reformgesetze sahen bei Widerruf eines (protokollierten) früheren Geständnisses des Angeklagten expressis verbis eine Ersatz- Verlesung vor. Dabei beschränkten einige dieser Gesetze die Verlesungsmöglichkeit auch hier ausdrücklich auf, richterliche" Protokolle 1 4 6 , während andere die Verlesung auch außergerichtlicher GeständnisurT e x t nach Sundelin, Sammlung, S. 512. So beispielsweise Art. 101 Abs. 2 Hannover 1859, Art. 143 Hessen-Darmstadt 1865, § 123 Baden 1864 sowie Art. 153 Württemberg 1868. 141

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1 4 3 So aber offenbar Stegmaier, Unmittelbarkeit, S. 62 f. Unklar insofern jedoch die von Stegmaier a. a. O . zitierte Bemerkung Oppenbofs, Preuß. Gesetze, S. 3 6 0 ; ohne dezidierte Stellungnahme insofern Dalcke G A 12 (1864), S. 83 ff. und Petersen GS 2 (1850/11), S. 113 ff. 1 4 4 Vgl. Petersen GS 2 (1850/11), S. 130, Planck, Systematische Darstellung, S. 3 6 9 und Zachariae, Handbuch II, S. 2 0 7 mit A n m . 8. Siehe im übrigen zwischenzeitlich auch

Kuckuck, Zulässigkeit von Vorhalten, S. 35 f. 1 4 5 Vgl. zwischenzeitlich den kurzen Überblick bei Kuckuck, ten, S. 2 6 f.

Zulässigkeit von Vorhal-

1 4 6 So beispielsweise Art. 235 Abs. 3 Sachsen-Weimar 1850 ( H ä b e r l i n , Sammlung, S. 799), Art. 2 2 0 Abs. 2 Sachsen-Altenburg 1854 (Sundelin, Sammlung, S. 433) und Art. 2 8 0 Abs. 2 Sachsen 1868.

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künden zuließen 1 4 7 . Meistenteils fehlte freilich eine spezielle gesetzliche Regelung. Das berechtigt zur Annahme, daß eine solche Verlesungsmöglichkeit wie selbstverständlich unterstellt wurde, wofür im übrigen auch die spärlichen Äußerungen zeitgenössischer Autoren sprechen 1 4 8 . Das Geständnis als „regina probationum" war insofern auch im „reformierten" Strafprozeß als Restsplitter inquisitorischen Gedankengutes erhalten geblieben. „ E r s t recht" großzügig war der reformierte Strafprozeß bei der ergänzenden Verwertung früherer Einlassungen des Angeklagten 1 4 9 . Bei Widersprüchen mit früheren Aussagen wurde eine ergänzende Verlesung offenbar als so selbstverständlich unterstellt, daß nur wenige Gesetze dies eigens hervorheben zu müssen glaubten 1 5 0 . Daß dem Angeklagten frühere Äußerungen aus den (gerichtlichen oder außergerichtlichen) Akten des Vorverfahrens vorgehalten werden konnten, versteht sich nach alledem ohne weiteres 1 5 1 . dd) Abschließend noch einige Bemerkungen zum ,,Zeugen vom Hörensagen": Auch nach 1848 hatten zunächst noch einige wenige Partikulargesetze am herkömmlichen Beweisrecht festgehalten und von hier aus den Zeugen vom Hörensagen nicht zu den vollgültigen Beweismitteln gezählt 1 5 2 . Für die übergroße Zahl aller Reformgesetze war der Hörensagenbeweis freilich bald nicht mehr Streitgegenstand. Nach französischem Vorbild zu uneingeschränkter Wahrheitsermittlungspflicht sich bekennend, bestand für sie kein Anlaß, zur Zulässigkeit des Hörensagenbeweises gesetzlich Stellung zu beziehen. Viele dieser Gesetze erwähnten die Problematik des Hörensagenbeweises freilich indirekt, indem sie den vernehmenden Richter eigens verpflichteten, den Zeugen nach dem „ G r u n d seines Wissens" 1 5 3 oder danach zu fragen, „ o b und wieweit (seine Aussage) auf eigener Sinneswahrnehmung beruhe" 1 5 4 . In derartigen Formulierungen ist freilich nicht das Verbot des Hörensagenbeweises zu sehen, sondern allein eine Warnung vor seinen Gefahren und allenfalls der Hinweis, bei der Würdigung eines solchen Zeugnisses besonders vorsichtig zu sein. Zu solcher Vorsicht - so offenbar der Standpunkt damaliger Zeit - sei das erkennende Gericht auf Grund des Prinzips freier richterlicher Beweiswürdigung, das sich in den erwähnten Gesetzen parallel zum amtli-

147 So beispielsweise § 247 Nr. 2 Preußen 1867 (Grotefend, Preuß. Gesetze Bd. II, S. 764) und Art. 312 Württemberg 1868. 148 Vgl. Planck, Systematische Darstellung, S. 379 f., der (bezeichnenderweise ohne jede Begründung) von der Verlesung auch außergerichdicher Gestandnisprotokolle ausging. Ebenso wie hier im übrigen auch Kuckuck, Zulässigkeit von Vorhalten, S. 27mitAnm. 61. 149 Siehe hier vor allem Petersen GS 2 (1850/11), S. 130. 150 So beispielsweise § 106 Kurhessen 1848 (Häberlin, Sammlung, S. 473) und Art. 280 Abs. 2 Sachsen 1868. 151 So aber ausdrücklich Art. 122 Abs. 2 Württemberg 1848 (Häberlin, Sammlung, S. 616/617) und§ 304 Kurhessen 1848 (Häberlin a. a. O . S . 493). Ebenso auch ganz beiläufig Planck, Systematische Darstellung, S. 360 und Schäffer GS 5 (1853/1), S. 388. 152 So § 269 Nr. c Oesterreich 1853 (Sundelin, Sammlung, S. 59) und § 75 Kurhessen 1848 (Häberlin, Sammlung, S. 470). 153 Vgl. Art. 222 Abs. 2 Sachsen 1868 und Art. 122 Abs. 2 Baden 1864; ähnlich § 94 Abs. 1 Hannoverl 850 {Häberlin, Sammlung, S. 305) und § 141Abs. 1 Satz 3 Preußen 1867. 154 So beispielsweise Art. 152 Abs. 2 Württemberg 1868.

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chen Aufklärungsgrundsatz durchgesetzt hatte 1 5 5 , im jeweiligen Einzelfall durchaus auch in der Lage. Eben diesen Standpunkt nahm dementsprechend auch das zeitgenössische Schrifttum ein. Nachdem der literarische Kampf um das Beweisrecht sehr schnell zum Nachteil der englischen Beweislehre mit ihren strengen Beweisausschließungsregeln entschieden war 1 5 f i , hörte auch der Hörensagenbeweis auf, Gegenstand der literarischen Reformdiskussion zu sein. Zu Unrecht behauptet daher Stegmaier157, in dieser Frage habe im damaligen Schrifttum große Unsicherheit geherrscht. Seine Annahme ist unrichtig, durch das Schweigen des Gesetzgebers sei jene (angebliche) Unklarheit noch gefördert worden. Richtig ist demgegenüber, daß der Zeuge vom Hörensagen auch nach dem Schrifttum des „reformierten" Strafprozesses im Rahmen der amtlichen Wahrheitsermittlungspflicht anerkanntermaßen zulässig war 1 5 8 . Wie selbstverständlich wurde im übrigen auch die Zeugenvernehmung früherer (richterlicher oder nicht-richterlicher) Verhörpersonen bejaht 1 5 9 , ohne daß de lege lata (also vom Boden der damaligen neuen Gesetze aus !) irgendwelche Zweifel in bezug auf Unmittelbarkeit oder Mündlichkeit geäußert wurden. Selbst Brauer - einer jener Autoren, die sich de lege ferenda/wr das englische Beweisrecht und damit gegen den Zeugen vom Hörensagen ausgesprochen hatten - wollte bei Widerruf außergerichtlicher Geständnisse, bei Zeugnisverweigerung und bei Widersprüchen mit früheren (Angeklagten- oder Zeugen-)Aussagen die jeweilige Verhörperson de lege ferenda zum Zeugnis vom H ö rensagen zulassen 1 6 0 . Dies alles zeigt deutlich, daß Gesetzgebung und Schrifttum der damaligen Zeit die Gefahren, die für die Idee unmittelbar-mündlicher Hauptverhandlung in der Vernehmung von Verhörpersonen liegen, im Interesse der Wahrheitsfindung bewußt in Kauf genommen und im übrigen auf die Kraft freier Beweiswürdigung vertraut haben. d) Eine Sonderstellung in den partikularen Reformgesetzen jener Zeit nehmen , S 5 Vgl. nur Art. 10 Sachsen 1868, § 273 Baden 1864, § 149 Abs. 6 Hannover 1850, § 7 Preußen 1867 und Art. 6 Württemberg 1868. 1 5 6 Für die Unzulässigkeit des Hörensagenbeweises nach englischem Vorbild plädierten (freilich nur de lege ferenda!) von Stemann GS 4 (1852/1), S. 84 ff. und Brauer GS 9 (1857/1), S. 48 ff. 1 5 7 Unmittelbarkeit, S. 35. Umstritten war freilich schon damals die Problematik des heutigen § 252 StPO, ob nämlich die Zeugnisverweigerung durch Vernehmung der früheren Verhörpersonen umgangen werden konnte: hierzu schon Reichmann GS 7 (1855/11), S. 302 ff. und Brauer GS 9 (1857/1), S. 53 f. 1 5 8 Eindeutig insofern Oppenhoff, Preuß. Gesetze, Anm. 43 und Anm. 56 zu § 22 der preuß. Verordnung vom 3. 1. 1849, Planck, Systematische Darstellung, S. 60, Reichmann GS 7 (1855/11), S. 307 und Mittermaier GS 5 (1853/1), S. 5. 1 5 9 Vgl. Planck, Systematische Darstellung, S. 60, von Stemann GS 4 (1852/1), S. 75, Reichmann GS 7 (1855/11), S. 307 und Mittermaier GS 5 (1853/1), S. 5. In dieser Richtung auch die (nach Stegmaier, Unmittelbarkeit, S. 34 zitierten) Privat-Entwürfe von Leue („Motivierter Entwurf zu einer Kriminalprozeßordnung", Leipzig 1850) und Weeber („Die Grundprinzipien des Strafprozesses nebst dem Entwurf einer StPO", Weißkirchen 1861), die in ihren Art. 184 Abs. 2 (Leue) bzw. Art. 302 Abs. 2 und 312 Abs. 3 (Weeber) ausdrücklich die Zeugenvernehmung der Verhörpersonen vorsahen. 1 6 0 GS 9 (1857/1), S. 52 ff.

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die Gesetze des Herzogtums Braunschweig vom 21./22. August 1849 ein 161 . Um hier von einem nach englischem Vorbild reformierten Verfahren sprechen zu dürfen, ist die Ähnlichkeit mit dem Strafprozeß Frankreichs in gerichtsorganisatorischen Fragen und im äußeren Gang des Verfahrens noch zu augenscheinlich. Jedoch ist diese braunschweigische Strafprozeßordnung die einzige162, die deutlich auch vom englischen Recht beeinflußt ist 163 . aa) Dies zeigt sich schon daran, wie das Vorverfahren geregelt war. Deutlich ist hier das Bestreben des Gesetzgebers zu erkennen, schon im Vorverfahren weitestmögliche Waffengleichheit der Beteiligten zu gewähren. So gestattete § 7 der braunschweig'schen StPO vom 22. August 1849 dem Beschuldigten ausdrücklich, sich ,,in jeder Lage der Untersuchung" des Beistandes eines Verteidigers zu bedienen und sich mit diesem „ohne Zeugen" zu besprechen. Damit war der Grundsatz der Parteiöffentlichkeit schon in der Voruntersuchung garantiert164. In § 35 war ausdrücklich klargestellt, daß Zweck der gerichtlichen Voruntersuchung „allein der (sei), das Dasein und die Art des Verbrechens, die Person des Thäters oder die für oder gegen den Verdächtigen sprechenden Anzeigen soweit zu erforschen und festzustellen, als dies zur Begründung der Anklage und Vorbereitung des Hauptverfahrens erforderlich ist". Unmißverständlich setzte sich das Gesetz in § 27 vom französischen Vorbild ab und sprach den staatsanwaltschaftlichen und polizeilichen Protokollen jeglichen „öffentlichen Glauben" ab 165 . bb) Für die Hauptverhandlung war das Erfordernis unmittelbar-mündlicher Beweisaufnahme ausdrücklich erwähnt (§§ 50 und 57). Über dieses grundsätzliche Bekenntnis hinaus hatte sich das Gesetz auch im Detail spürbar um größtmögliche Unmittelbarkeit bemüht. Das zeigt sich in solchen „Kleinigkeiten" wie beispielsweise den §§ 130 ff., wo Vorkehrungen dagegen getroffen waren, daß die Zeugen weder die Verlesung und Erläuterung der Anklageschrift noch die Stellungnahme des Angeklagten zu dieser Anklageschrift mitanhören konnten. Beweis hierfür ist schließlich auch jener § 141 Abs. 1, wonach den Geschworenen verboten war, irgendwelches Aktenmaterial und insbesondere in der Sitzung verlesene Vernehmungsprotokolle ins Beratungszimmer mitzunehmen. Text bei Häberlin, Sammlung, S. 721 ff. ; spätere Novellen bei Sundelin, Sammlung, S. 277 ff. ' 6 2 Wenn man von der oesterreichischen StPO vom 23. Mai 1873 absieht, die sich freilich schon als Reform des „reformierten" Strafprozesses - ähnlich der deutschen RStPO von 1 8 7 7 - darstellt: näher zur oest. StPO 1873 Ulimann, Oest. StPO 1873, S. 77 ff. und Glaser, Handbuch I, S. 182 ff. 1 6 3 So ausdrücklich schon Planck, Systematische Darstellung, S. XIII, Geyer, Strafproceßrecht, S. 159 sowie Mittermaier GS 5 (1853/1), S. 3 ff. (mit außerordendich positiver Stellungnahme). 1 6 4 Aus Gründen der Waffengleichheit gibt § 44 dieses Recht auch der Staatsanwaltschaft. 1 6 5 Einen Rückschritt stellt insofern aber § 15 Abs. 3 des „Gesetzes die gerichtliche Polizei und die mit deren Ausübung beauftragten Beamten betreffend" vom 19. März 1850 (Sundelin, Sammlung, S. 289 ff.) dar, wo den Protokollen der Ortspolizeibehörden - deutlich nach französischem Vorbild - in bestimmten Fällen von Bagatellkriminalität doch wieder „öffentlicher Glauben" zugesprochen wird.

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3. Kapitel: Die deutsche Reformbewegung des 19. Jahrhunderts

Auch in der Verlesung früherer Aussageprotokolle hatte sich das braunschweig'sche Gesetz äußerste Zurückhaltung auferlegt. So war eine Verlesung früherer Zeugenprotokolle nur in drei Fällen möglich: wenn der Zeuge mehr als „fünf Meilen vom Sitze des Kreisgerichts entfernt" wohnte (§ 59 Abs. 1), bei „unabwendbaren Hindernissen" (§ 90 Abs. 1 Satz 6) oder bei Einverständnis des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft (§ 131 Satz 1). In § 28 Abs. 1 war zudem klargestellt, daß nur „richterliche" Protokolle verlesen werden durften. Eine ausdrückliche Stellungnahme zur Verlesung von Geständnisprotokollen findet sich im Gesetz freilich nicht. Aus jenem § 28 ergibt sich nur, daß jedenfalls die Verlesung außergerichtlicher Geständnisprotokolle ausgeschlossen sein sollte. Im übrigen beließ es § 58 Abs. 1 „bei den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen über die Zulässigkeit der Beweismittel in Strafsachen" 166 . Hieraus wird gefolgert werden dürfen, daß es bei Widerruf eines Geständnisses oder zur Klärung von Widersprüchen bei der herkömmlicherweise üblichen Verlesung früherer (richterlicher) Geständnisprotokolle geblieben ist. III. Zusammenfassung Die Abkehr vom schriftlichen Aktenprozeß vergangener Jahrhunderte ist sicherlich ein entscheidendes Charakteristikum des „reformierten" Strafverfahrens im Deutschland des 19. Jahrhunderts. Sieht man von jenen wenigen Partikularstaaten ab, die den traditionellen Inquisitionsprozeß bis zum Inkrafttreten der Reichs-Strafprozeßordnung von 1877 mehr oder weniger unverändert beibehalten haben, so waren alle übrigen Reformgesetze deutlich bestrebt, den Einfluß des Vorverfahrens auf die Urteilsfindung abzuschwächen und der Idee unmittelbarmündlicher Hauptverhandlung gerecht zu werden. Daß dieses Ziel und aus welchen Gründen insgesamt nur unvollkommen erreicht wurde, dürfte hinreichend klar geworden sein. Zusammenfassend sei festgehalten: (1) Spätestens seit Mittermaier hat sich das Mündlichkeits- oder, wie in der Reformdiskussion mehr oder weniger synonym formuliert wurde167, Unmittelbarkeitsprinzip aus einer (vom Öffentlichkeitsgedanken'68 her entwickelten) rein formalen Verfahrensart zu einem materiellen Erkenntnisprinzip gewandelt. Zumindest was die Erkenntnisvermittlung ausschließlich durch Akten und was die diese Akten vermittelnde Relation eines Berichterstatters betrifft, war der alte schriftliche Aktenprozeß jedenfalls theoretisch überwunden. Es hatte die Einsicht gesiegt, daß im Interesse der Wahrheitsfindung eine unmittelbar-persönliche Füh1 6 6 I n d i e s e m § 58 Abs. l i s t m . E . auch der Grund dafür zu sehen, daß die braunschweigische S t P O den „Zeugen vom Hörensagen" nicht ausdrücklich erwähnt. 1 6 7 Die Unsicherheit in der Terminologie, insbesondere die synonyme Gleichsetzung von Unmittelbarkeit und Mündlichkeit, die bis heute nicht völlig überwunden ist, stammt aus dieser Zeit: vgl. statt vieler Mittermaier, Gesetzgebung, S. 3 0 5 , Gneist, Vier Fragen, S. 89 und immer wieder Zachariae, Gebrechen, S. 12 und passim. 1 6 8 Interessanterweise lief der Verlust der „Unmittelbarkeit" entwicklungsgeschichtlich parallel mit dem Rückgang d e r , .Öffentlichkeit" (besonders deutlich im römischen Strafprozeß). Beim ,,öffentlichkeits"-Gedanken hat denn auch der Reformkampf um die „ U n m i t telbarkeit" wieder begonnen.

III. Zusammenfassung

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lungnahme des Gerichts mit den Beweismitteln erforderlich ist. Das erkennende Gericht sollte sein Urteil nicht auf schriftliche Aufzeichnungen und nicht auf die Relation eines Vermittlers gründen. Statt dessen sollte ihm „eine unmittelbare, lebendige und originäre Anschauung in zusammenhängender Entwicklung" 1 6 9 und die Möglichkeit klärender Zusatzfragen gewährt werden. Die Wertschätzung „der Wirkung des lebendigen Wortes als Ausdruck des frischgeborenen Gedankens und der dramatischen Reproduktion der relevanten thatsächlichen Moment e " 1 7 0 ging dabei Hand in Hand mit der qualitativen Geringachtung schriftlicher Protokolle. (2) Dies führte konsequent zur Forderung nach ununterbrochener Hauptverhandlung und möglichst schneller Urteilsfällung, zur Notwendigkeit dauernder Anwesenheit der zur Urteilsfindung berufenen Personen und zum Postulat persönlichen Erscheinens/mündlicher Aussage von Zeugen und Sachverständigen 1 7 1 . Und aus eben diesem Grund sollte gegen den Angeklagten selbst-auch aus Gründen der Wahrheitsfindung - grundsätzlich nicht in Abwesenheit verhandelt werden. (3) Im Prinzip bekannte sich der „reformierte" Strafprozeß zum Primat der mündlichen Hauptverhandlung. Das schrifdiche Vorverfahren dagegen sollte an sich nur der Aufklärung des Sachverhalts und der Vorbereitung der Hauptverhandlung dienen. Man war sich der Gefahr, daß „die schriftliche Voruntersuchung in das Hauptverfahren eingeschoben" würde 1 7 2 und dieses dadurch zu einem dem schriftlichen Vorverfahren aufgepfropften Schlußtermin zu werden drohe, theoretisch sehr wohl bewußt. Daß der Primat der Hauptverhandlung, d. h. das Prinzip unmittelbar-mündlicher Beweisaufnahme, in mancherlei Hinsicht schließlich doch unverwirklicht blieb, hat vielerlei Gründe. (4) Ein entscheidender Grund liegt vor allem darin, daß bestimmte Grundstrukturen des herkömmlichen Inquisitionsprozesses mehr oder weniger bewußt nach wie vor fortwirkten. So kannte der Inquisitionsprozeß bekanntlich keine Vorrangstellung des endgültigen Urteilsverfahrens vor der vorangegangenen (General- und Spezial-)Inquisition. Er bewertete alle Verfahrensabschnitte grundsätzlich gleich und war von hier aus an einer beweismäßigen Verwertung früherer Akten grundsätzlich nicht gehindert. Nun hat aber der „reformierte" Strafprozeß das Vorverfahren ganz bewußt dem alten Inquisitionsverfahren angeglichen und damit deutlich eine erste Bruchstelle geschaffen. Es kam hinzu die übergroße Machtfülle, mit der auch das neue Recht den Gerichtsvorsitzenden ausgestattet hat. Dieser war nicht nur erkennender Richter, sondern leitete zugleich auch die Beweisaufnahme und besaß aus diesem Grunde umfassende Kenntnis aller Vorakten 1 7 3 . Ausdrücklich der Ermittlung der materiellen Wahrheit verpflichtet, war er

Zachariae, Handbuch I, S. 49. Zachariae, Gebrechen, S. 83 und S. 89 f. 1 7 1 Vgl. Planck, Systematische Darstellung, S. 112 Ii., Zachariae, Handbuch I, S. 54 ff. und Geyer, Strafprozeßrecht, S. 13 ff. 172 Zachariae, Handbuch II, S. 368. 1 7 3 Der „Inquisitionsplan", den sich ein Vorsitzender für die von ihm zu leitende Beweisaufnahme an Hand seiner Aktenkenntnis zurechtlegt, erinnert im Ansatz an die alten 169 170

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Geppen, Grundsatz

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3. Kapitel: Die deutsche Reformbewegung des 19. Jahrhunderts

in der Hauptverhandlung zugleich Inquirent und Urteiler in einer Person geblieben. Alles dies zusammen brachte (und bringt bis heute) den Gerichtsvorsitzenden zwangsläufig in die Gefahr, im Interesse der Wahrheitsfindung möglichst auch die Ergebnisse des Vorverfahrens für die Urteilsfällung verwerten zu wollen. Besonders deutlich wird inquisitorisches Gedankengut bei der Verwertung früherer Geständnisse spürbar. Auch d e r , .reformierte" Strafprozeß hat sich insofern vom Geständnis als „regina probationum" nicht zu lösen vermocht. Die unbeschränkt-weiten Verlesungsmöglichkeiten hinsichtlich früherer Einlassungen des Angeklagten bringen klar zum Ausdruck, daß der „Unmittelbarkeit" in diesem Punkt nur nachrangige Bedeutung beigemessen wurde. (5) Ein zweiter Grund, weshalb die Bedeutung der Hauptverhandlung in der partikularen Strafprozeßreform gewichtmäßig zugunsten des Vorverfahrens abgeschwächt wurde, läßt sich im mächtigen Einfluß des französischen Strafverfahrens erkennen. Indirekt wirkt damit freilich wiederum der herkömmliche Inquisitionsprozeß fort, hat sich doch der Prozeß des „ C o d e d'Instruction Criminelle" bewußt als Kompromiß („système mixte") verstanden und insofern deutlich (und bewußt) Züge des Inquisitionsverfahrens mitübernommen. Hier waren es vor allem zwei Punkte, die - aus dem französischen Strafverfahren in den „reformierten" Strafprozeß Deutschlands übernommen - einer konsequenten Verwirklichung „unmittelbarer" Hauptverhandlung entgegenwirkten: es war dies einmal die Entscheidung für ein nicht-parteiöffentliches, schriftliches und Waffengleichheit der Beteiligten weitgehend versagendes Vorverfahren; und es war dies zum anderen die diskretionnäre Gewalt des Gerichtsvorsitzenden. (6) Trotz aller Warnungen schon Feuerbachs und später insbesondere Mittermaiers hat der „reformierte" Strafprozeß die Mündlichkeitsidee in der unvollkommenen Form des französischen „débat oral" übernommen. Demgemäß wurde nur eine „halbe Mündlichkeit" verwirklicht 174 . Die entscheidenden Charakteristika des englischen Strafverfahrens (nämlich: Waffengleichheit der Beteiligten in allen Stadien des Verfahrens, insbesondere auch im Vorverfahren sowie kontradiktorische Beweisaufnahme durch die Parteien), also gerade jene Elemente, aus denen sich die englische Spielart unmittelbar-mündlicher Hauptverhandlung entwickelte, wurden in Deutschland ebensowenig rezipiert wie zuvor in Frankreich. Im übrigen wurde nicht nur die englische Strenge in der Frage der Protokoll-Verwertung gering geachtet; man hat nicht einmal das dem englischen Recht - trotz seiner Strenge! - eigene Korrektiv partei-öffentlicher Beweisaufnahme schon im Vorverfahren geglaubt übernehmen zu können. Die Gründe, weshalb sich in jener Zeit das französische Verfahrensrecht dem englischen gegenüber so entscheidend durchgesetzt hat, sind zahlreich 175 . Es war „Artikel-Verhöre". Auch von hier aus bestätigt sich der Trend zu möglichst vollständiger Verwertung des vorliegenden Aktenmaterials. Daher sah schon Gneist (Vier Fragen, S. 7) in diesem aus den Vorakten erarbeiteten „Inquisitionsplan" einen Grund für die nur „halbe Mündlichkeit". 174 Gneist, Vier Fragen, S. 7. 175 Hierzu zusammenfassend Geyer, Strafproceßrecht, S. 86 ff. und Glaser, Grundlagen, S. 46 ff.

III. Zusammenfassung

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nicht nur der politische Sieg der aus Frankreich nach Deutschland getragenen fortschrittlichen Ideen, der zugleich auch den französischen Strafprozeß mitgebracht hat. Der Vergleich des linksrheinischen französischen Strafverfahrens mit der Praxis des bisherigen „gemeinen" Strafprozesses fiel für das französische Vorbild so deutlich vorteilhaft aus, daß bei der Bevölkerung und den zuständigen politischen Entscheidungsträgern die Entscheidung für den französischen Prozeß bereits gefallen war, als in der Mitte des 19. Jahrhunderts allmählich auch der Strafprozeß Englands in die Reformdiskussion eingeführt wurde. Nicht zuletzt war es aber der für Frankreich und Deutschland gemeinsame (politische und strafprozessuale) entwicklungsgeschichtliche Hintergrund, der den Ausschlag zugunsten Frankreichs gegeben hat; ganz abgesehen schließlich davon, daß das kodifizierte französische Recht transparenter und einer Rezeption damit viel zugänglicher war als das unüberschaubare Verfahrensrecht Englands. (7) In einem wichtigen Punkt hat sich freilich auch der „reformierte" Strafprozeß von seinem französsichen Vorbild deutlich abgesetzt: in der Zurückhaltung gegenüber außergerichtlichen Vernehmungsniederschriften. Das ist nach meinem Eindruck jedoch weniger auf den englischen Einfluß zurückzuführen176 als vielmehr auf jene Mißbräuche, zu denen sich in Frankreich die extra legem entwickelte „enquête officieuse" hatte verleiten lassen. Die schlechten Erfahrungen, die man in Frankreich mit der Verwertung auch polizeilich-staatsanwaltschaftlicher Protokolle gemacht hatte, waren in Deutschland nicht übersehen worden. (8) Mit der Entscheidung des „reformierten" Strafprozesses für den Grundsatz uneingeschränkter amtlicher Aufklärungspflicht war in Deutschland zwangsläufig auch die Entscheidung zugunsten der Zulässigkeit des Hörensagenbeweises gefallen . Mängel in der Qualität solchen Beweises waren zwar nicht übersehen worden ; jedoch glaubte man, diese Mängel im Einzelfall über das Prinzip freier richterlicher Beweis Würdigung (das sich entwicklungsmäßig zugleich mit der Aufklärungsmaxime durchgesetzt hatte) angemessen ausgleichen zu können. So war es nur konsequent, daß auch frühere (richterliche oder nicht-richterliche) Verhörpersonen als Zeugen vom Hörensagen über die von ihnen mitangehörten früheren Aussagen des Angeklagten oder eines Zeugen vernommen werden konnten. Daß auf diesem Weg das Vorverfahren besonders gewichtig in die Hauptverhandlung „eingeschoben" wurde, hat der „reformierte" Strafprozeß offenbar nicht erkannt 177 , zumindest aber diese Gefahr im Vertrauen auf die Kraft freier richterlicher Beweiswürdigung deutlich unterschätzt.

1 7 6 Dort resultierte die Unverwertbarkeit außergerichtlicher Protokolle zwangsläufig aus der kontradiktorischen und waffengleichen Natur des Vorverfahrens. 1 7 7 Eine einzige Andeutung findet sich bei Brauer GS 9 (1857/1), Anm. 18 auf S. 56.1m übrigen spricht sich auch dieser Autor (a. a. O . S . 53 f.) bei außergerichtlichem Geständnis, bei Zeugnisverweigerung und im Falle widersprüchlicher Aussagen eindeutig für die Vernehmung von Verhörpersonen aus.

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4. Kapitel: Die Reichs-Strafprozeßordnung v o m 1. Februar 1877

4. Kapitel: Die Reichs-Strafprozeßordnung vom 1. Februar 1877 Mit der Abkehr vom traditionellen Inquisitionsverfahren hatte die Reformbewegung des 19. Jahrhunderts zum Verlust der Einheit deutscher Strafrechtspflege geführt. Mit dem politischen Scheitern der Frankfurter Nationalversammlung (1848) hatte sich auch die Hoffnung, auf der Grundlage des „reformierten" Strafprozesses die Strafrechtseinheit wiederzugewinnen, sehr bald zerschlagen. Im Gegenteil, in ihrem Drang nach Eigenentwicklung hatten die partikularen Einzelstaaten die Rechtszersplitterung immer weiter getrieben. N u r die Rezeption des französischen Rechts hatte auf dem Gebiet des Strafverfahrensrechtes wenigstens eine vage Einheitlichkeit bewahren können. So war es alles andere als überraschend, daß die (dank des Bismarck'schen politischen Einigungswerkes zustande gekommene) neue Reichs-Strafprozeßordnung von 1877 sachlich im wesentlichen zur reichseinheitlichen Festschreibung der Hauptprinzipien des französischen Strafverfahrens, so wie diese bereits überwiegend von den Partikulargesetzen übernommen waren, geführt hat. Wenngleich natürlich eine weitere und verbessernde Verselbständigung des neuen reichseinheitlichen Strafprozesses nicht zu übersehen ist, so erscheint die am 1. Februar 1877 verkündete und am 1. Oktober 1879 in Kraft getretene Reichs-Strafprozeßordnung letztlich doch gewissermaßen als „Spätfrucht der Französischen Revolution" 1 . Im folgenden soll die neue Reichs-Strafprozeßordnung nun nicht etwa inhaltlich dargestellt oder auch nur in ihren wichtigsten Prozeßprinzipien skizziert werden. Es ist hinreichend bekannt, daß jenes Gesetzeswerk von 1877 aus dem französischen Recht das weitgehend inquisitorisch ausgestaltete Vorverfahren, die Anklageform, den Amtsermittlungsgrundsatz und im Zusammenhang damit die „inquisitorische" Stellung des Gerichtsvorsitzenden, das Prinzip freier Beweiswürdigung sowie die Grundsätze öffentlich-unmittelbarer Hauptverhandlung übernommen hat. In diesem Ersten (gewissermaßen „geschichtlichen") Teil der vorliegenden Arbeit sind für uns von besonderem Interesse die Überlegungen des damaligen parlamentarischen Gesetzgebers zur Struktur des Vorverfahrens und insbesondere zur Frage der Verlesung früherer Protokolle. An Hand der Gesetzgebungsmaterialien 2 soll entstehungsgeschichtlich der Frage nachgegangen werden, wie sich der damalige Gesetzgeber die Durchführung des Vorverfahrens vorgestellt hat und welche Vorstellungen ihn hinsichtlich der Verlesungsmöglichkeiten früherer Protokolle geleitet haben. Gerade dieser letzte Punkt ist für die Auslegung der einschlägigen §§ 250 ff. und vor allem des zentralen § 250 StPO von großer Bedeutung. I. Zur Struktur des Vorverfahrens Mit Beschluß des Reichstages vom 18. April 1868 und mit gleichlautender ReBaumann, Grundbegriffe, S. 25. Zur Entstehungsgeschichte der Reichs-StPO von 1877 vgl. insbesondere Dochow, S t P O von 1877, S. 103 f f . , Glaser, Handbuch I, S. 188 ff. und Eb. Schmidt, Geschichte, S. 345 f. J

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I. Zur Struktur des Vorverfahrens

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solution des Bundesrates v o m 5. J u n i des gleichen Jahres wurde der Bundeskanzler aufgefordert, „ d e n Entwurf eines gemeinsamen Strafrechts und eines gemeinsamen Strafprozesses . . . baldthunlichst vorzubereiten und dem Reichstage vorlegen zu l a s s e n " . D e r Kanzler gab diesen Auftrag an den preußischen Justizminister weiter, der seinerseits eine aus vier Mitgliedern bestehende K o m m i s s i o n (Vorsitz Friedberg) mit der Erarbeitung eines Entwurfs beauftragte. 1. Entwurf I I m Januar 1873 wurde das Arbeitsergebnis dieser K o m m i s s i o n dem Bundesrat vorgelegt und nebst Motiven sowie Anlagen veröffentlicht (Entwurf I) 3 . Dieser erste Entwurf verstand sich ausdrücklich als „ F o r t b i l d u n g und A u s b a u des Besteh e n d e n " 4 . Als wesentliche Abweichung gegenüber dem bisherigen („reformiert e n " ) Strafprozeß waren in den Motiven hervorgehoben: die Einführung von (aus Rechtsgelehrten und Laienrichtern zusammengesetzten) „ S c h ö f f e n g e r i c h t e n " , das Fehlen einer B e r u f u n g und die Strenge im Kontumazialverfahren. Im übrigen aber sind die entscheidenden Neuerungen im Vorverfahren zu finden, bei dessen Ausgestaltung dieser erste Entwurf bewußt einen Mittelweg zwischen dem geheimen und inquisitorischen Vorverfahren französischen Vorbilds und dem öffentlichen und kontradiktorischen Vorverfahren englischer Art eingeschlagen hat 5 . Zwar sollte die inquisitorische N a t u r grundsätzlich beibehalten, die Anklageform freilich durch erweiterte Mitwirkungsbefugnisse von Staatsanwaltschaft und Verteidigung deutlich verstärkt werden. A u s diesem G r u n d gab § 120 dem Beschuldigten das Recht, „ s i c h in jeder L a g e des Verfahrens des Beistandes eines Vertheidigers zu bedienen". D i e untersuchungsgerichtliche Vernehmung des Beschuldigten selbst hatte jedoch „ i n Abwesenheit der Staatsanwaltschaft und des Vertheidig e r s " zu erfolgen (§ 153 A b s . 2) 6 . Im übrigen aber garantierte § 154 A b s . 1 das Prinzip der Parteiöffentlichkeit erstmals auch im Vorverfahren: „Der Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten und dem Vertheidiger muß auf ihr Verlangen gestattet werden, der Vernehmung der Zeugen und Sachverständigen und der Einnahme des Augenscheins beizuwohnen." Allerdings erfuhr dieser G r u n d s a t z in den folgenden Vorschriften (§§ 154 A b s . 3, 155 und 156) alsbald wieder gewichtige Einschränkungen. So sah insbesondere § 156 die Ausschließung des Beschuldigten vor, wenn durch seine G e genwart die Wahrheitsfindung nachteilig beeinflußt w ü r d e 7 . Im übrigen war sich der Entwurf darüber im klaren, „ d a ß es dem Wesen der Sache nicht entspreche, in der Voruntersuchung alle überhaupt zugänglichen Beweisquellen vollständig zu 3 Text dieses Entwurfes I in GA 21 (1873), S. 5 ff. Seine Motive und Anlagen sind als „Motive zu dem Entwurf einer Deutschen Strafprozeß-Ordnung" (Königliche Hofbuchdruckerei Decker, Berlin 1872) veröffentlicht. 4 Motive zum Entwurf I, S. 6. 5 Ausführlich hierzu die Motive zum Entwurf I, S. 110 ff. 6 Zugegebenermaßen aus Furcht, sonst würden keine Geständnisse erzielt werden können: Motive S. 127. 7 Immerhin aber war der Beschuldigte nach Beendigung der Vernehmung vom Inhalt der Aussagen in Kenntnis zu setzen: § 156 Abs.2.

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4. Kapitel: Die Reichs-Strafprozeßordnung vom 1. Februar 1877

erschließen und auf diese Weise den Schwerpunkt des Verfahrens in die Voruntersuchung zu verlegen, die Hauptverhandlung dagegen zu einer bloßen Schlußverhandlung herabzudrücken" 8 . Die Stellungnahme der Literatur zu diesem Entwurf I fiel weitgehend negativ aus 9 . Man anerkannte zwar gewisse Verbesserungen, bedauerte aber zugleich, daß der Entwurf bei der Ausgestaltung des Vorverfahrens noch allzusehr dem französischen Vorbild verhaftet geblieben sei und sich nicht für noch weitergehende Mitwirkungsbefugnisse der Beteiligten habe entscheiden können. Kurz, das Schrifttum kritisierte den fehlenden Einfluß des englischen Rechts 10 . Daher wurde insbesondere jener § 153 (Vernehmung des Beschuldigten in Abwesenheit von Staatsanwaltschaft und Verteidiger) strikt abgelehnt und die Parteiöffendichkeit der §§ 154 ff. zwar begrüßt, die Regelung insgesamt aber als verbesserungsbedürftig bezeichnet". 2. Entwurf II Den ihm vorgelegten Entwurf I hat der Bundesrat im März 1873 an eine von ihm eingesetzte (aus elf Mitgliedern bestehende) Kommission' 2 weiterverwiesen. Diese Kommission hat die Grundlagen und das System des ersten Entwurfs im wesentlichen unverändert beibehalten und sich weitgehend auf Sprachregulierungen sowie Überprüfung technischer Details beschränkt. Das Ergebnis dieser Überarbeitung, im Juli 1873 der Öffentlichkeit vorgelegt, ist als „Entwurf I I " in die Literatur eingegangen 13 . Dieser Entwurf II hat die literarischen Anregungen nicht aufgenommen. Die inquisitorische Form des Vorverfahrens blieb erhalten, die erwähnten §§ 120, 153 Abs. 2 und 154 bis 156 Entwurf I wurden - nur geringfügig umformuliert - als §§ 122, 155 Abs. 2 und 156 f. in den Entwurf II übernommen. In einem Punkt ging dieser neue Entwurf sogar hinter seinen Vorgänger zurück. So war jener § 156 Abs. 2 Entwurf I, wonach der Beschuldigte über eine in seiner Abwesenheit erfolgte Vernehmung zu informieren war, im Entwurf II gestrichen worden. Die Kritik der Literatur war verständlicherweise wiederum negativ; man vermißte den Einfluß des englischen Vorverfahrens: es sei leider nur bei einem „halben Anklageprozeß" geblieben 14 . Motive zum Entwurf I, S. 120 f. Vgl. insbesondere Wahlberg, Kritik (S. 58 ff.: zum Vorverfahren), Meyer, Mitwirkung (S. 9 ff. : zum Vorverfahren), von Bar, Kritik (S. 22 ff.), Geyer, Kritische Vierteljahresschrift 15 (1873), S. 481 ff. und von Stemann GS 15 (1873), S. 188 ff. 10 So unmißverständlich Geyer Kritische Vierteljahresschrift 15 (1873), S. 530 und von Bar, Kritik, S. 57. 11 Vgl .Wahlberg, Kritik, S. 61, Meyer, Mitwirkung, S. 19 f., von Bar, Kritik, S. 23 ff. und von Stemann GS 15 (1873), S. 219 ff. 12 Vorsitzender war wiederum Friedberg: Mitglieder u. a. von Schwarze und Zachariae: vgl. Dochow, StPO von 1877, S. 110 f. 13 Dieser Entwurf II ist veröffentlicht als Sonderdruck bei der Königlichen Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei R. v. Decker, Berlin, 1873. 14 So vorallem Gneist, Vier Fragen, S. 6 (S. 58 ff.: zur „Öffentlichkeit der Voruntersuchung") und Geyer, Kritische Vierteljahresschrift 16 (1874), S. 327 ff. 8

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I. Zur Struktur des Vorverfahrens 3. Entwurf

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III

Schon der erste Entwurf hatte sich gegen das reine Geschworenensystem und für die Mischform einer Schöffengerichtsverfassung entschieden. Diese Entscheidung war alsbald zum Gegenstand heftigsten Streits geworden. Es hatte nichts geholfen, daß das preußische Justizministerium zur Rechtfertigung des „Schöffengerichts" noch im Jahre 1873 eine „Amtliche Denkschrift über die Schöffengerichte" veröffentlicht und das sächsische Justizministerium zu Beginn des nächsten Jahres einen (überaus positiven) Erfahrungsbericht über das Institut der Schöffengerichte im Königreich Sachsen vorgelegt hatte 1 5 . Der Trend ging eindeutig auf Einführung des reinen Geschworenensystems. Aus diesem Grund sah sich der Bundesrat veranlaßt, den ihm vorgelegten Entwurf II einer erneuten Prüfung zu unterziehen. Zusammen mit einer Reihe von Änderungsbeschlüssen' 6 überwies er den Entwurf zu nochmaliger Beratung an eine Unterkommission. Diese legte ihre Arbeitsergebnisse im Mai 1874 erneut dem Bundesrat vor, und dieser reichte die Vorlage im Oktober praktisch unverändert als Entwurf III dem Reichstag zur offiziellen Beratung weiter' 7 . Der neue Entwurf ( = die förmliche Regierungsvorlage) bekannte sich wieder weitgehend zum Geschworenensystem und hatte auch sonst zahlreiche weitere Änderungen erfahren. So war insbesondere der Umfang parteiöffentlicher Beweiserhebung im Vorverfahren weiter eingeschränkt worden' 8 . Die Begründung der Motive war in diesem Punkt äußerst knapp, wenngleich eindeutig 19 : aus Gründen der Wahrheitsfindung verdiene im Vorverfahren das inquisitorische Prinzip den Vorrang; die an sich wünschenswerte Partei-Öffentlichkeit sei mit einer inquisitorischen Untersuchung nicht vereinbar. - So blieb es nicht nur bei der untersuchungsgerichtlichen Vernehmung des Beschuldigten „in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft und des Verteidigers" (§ 158 Abs. 2). Die partei-öffentliche Beweiserhebung im Vorverfahren wurde in § 159 darüber hinaus gegenüber den bisherigen Entwürfen noch weiter eingeschränkt. Daß die Literatur diesen deutlichen Rückschritt und insbesondere die weitgehende Beseitigung partei-öffentlicher Beweiserhebung im Vorverfahren heftig, wenngleich erfolglos kritisierte 2 0 , versteht sich nach dem bisher Gesagten.

1 5 Die „Amtliche Denkschrift über die Schöffengerichte" ist veröffentlicht in G A 21 (1873), S. 4 0 ff. Der sächsische Erfahrungsbericht ist als „ N a c h t r a g zu den Motiven des Entwurfs einer Deutschen Strafprozeßordnung und eines Gesetzes über die Verfassung der Gerichte im Deutschen Reiche" (Hofbuchdruckerei von Decker, Berlin 1874) veröffentlicht.

Veröffentlicht in G A 2 2 (1874), S. 3 7 0 bis 382. ' 7 D e r Text dieses Entwurfs III ist in G A 22 (1874), S. 3 2 6 ff. veröffentlicht. Die Motive zu diesem Entwurf III sind veröffentlicht bei Hahn, Materialien Bd. I, S. 58 ff. 16

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Vgl. N r . 33 der Änderungsbeschlüsse: nach G A 2 2 (1874), S. 374. Vgl. Hahn, Materialien Bd. I, S. 156.

2 0 Vgl. vor allem Heime, Erörterungen, der a. a. O . S. 18 ff. die fehlende Waffengleichheit der Beteiligten und a. a. O . S. 38 ff. die inquisitorische N a t u r des Vorverfahrens kritisiert (speziell zu § 159: a. a. O . S. 43 ff.).

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4. Kapitel: Die Reichs-Strafprozeßordnung vom 1. Februar 1877

4. Die Beratungen im Reichstag Am 24. November 1874 begann im Reichstags-Plenum die erste Beratung der drei sogenannten „Justizgesetze" (GVG, StPO und ZPO). Auf Antrag von Rudolf Gneist wurde die Detailberatung sofort an die aus 28 Mitgliedern bestehende „Reichsjustizkommission"21 weiterdelegiert. Die Arbeit der Reichsjustizkommission, die kraft besonderer gesetzlicher Ermächtigung über die Sessionen des Reichstages hinweg im Amt blieb, begann am 26. Januar 1874 und endete (nach insgesamt 160 Sitzungen) am 3. Juli 1876. Nach äußerst sorgfältiger erster Lesung22 legte die Reichsjustizkommission ihre Ergebnisse in vorläufiger Fassung dem Bundesrat vor, dessen Änderungswünsche23 dann in der zweiten Lesung mitbehandelt wurden. Zusammen mit einem „Bericht" 24 kam der Entwurf der StPO in der Form, die er nach der zweiten Lesung durch die Reichsjustizkommission erfahren hatte 25 , im November 1876 in die zweite Beratung vor das Reichstags-Plenum. a) Nachdem die erste Plenardebatte des Reichstags nichts wesentlich Neues gebracht hatte, begann die Detailberatung im Kreise der „Reichsjustizkommission". Hier versuchten in der Frage partei-öffentlicher Beweiserhebung schon im Vorverfahren einige Abgeordnete in langen Debatten vergeblich, das Rad wieder zurückzudrehen und den (verhältnismäßig) progressiven Vorschlag der Entwürfe I und II wieder zur Geltung zu bringen26. Die Mehrzahl der Kommission entschied sich jedoch eindeutig für die strenge Fassung des Entwurfes III: weitergehende Parteiöffentlichkeit sei mit der inquisitorischen Natur des Vorverfahrens unvereinbar und führte „auf die Spitze getrieben zu den verderblichsten Konsequenzen" 27 , kurz: sei „wissenschaftliche Theorie" und in der Praxis nicht brauchbar28. So blieb es nach der ersten Lesung der Reichsjustizkommission bei der restriktiven Lösung des § 159 Entwurf III. b) Nachdem der Bundesrat in diesem Punkt keine Änderungswünsche vorzutragen hatte, brachte auch di e zweite Lesung keine neuen Gesichtspunkte. Es blieb bei § 159 Entwurf III. Diese Entscheidung wurde im schriftlichen „Kommissionsbericht" noch einmal zusammenfassend begründet29: Nur zur Vorbereitung auf seine Verteidigung habe man dem Beschuldigten schon im Vorverfahren weitergehende Mitwirkungsbefugnisse eingeräumt, ohne damit aber am inquisitori2 1 Die Kommission bestand aus 27 Juristen (u. a. Miquél als Vorsitzendem und von Schwarze und Gneist) und einem Arzt (Zinn): vgl. Dochow, StPO von 1877, S. 119 ff. 2 2 Die Protokolle sind veröffentlicht bei Hahn, Materialien Bd. I, S. 549 ff. Der Entwurf in der Fassung nach der ersten Lesung ist veröffentlicht bei Hahn, Materialien Bd. II, S. 2133 ff. 2 3 Vgl. Hahn, Materialien Bd. II, S. 1620 ff. 2 4 Vgl. Hahn, Materialien Bd. II, S. 1532 ff. 2 5 Veröffentlicht bei Hahn, Materialien Bd. II, S. 2133 ff. 2 6 So vor allem die Abgeordneten Eysoldt, Klotz und Herz (Hahn, Materialien Bd. I, S. 776 f.), Gneist (a. a. O . S. 779 und S. 785), Marquardsen (a. a. O . S. 780 f. und S. 786) und Wolffson (a. a. O . S. 783). 2 7 So wörtlich Bahr (Hahn, Materialien Bd. I, S. 778). 2 8 So Reichensperger (Hahn, Materialien Bd. I, S. 784). 2 9 Vgl. Hahn, Materialien Bd. II, S. 1573 ff.

I. Zur Struktur des Vorverfahrens

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sehen Charakter der Voruntersuchung etwas ändern zu wollen. Partei-öffentliche Beweiserhebung sei im Vorverfahren nur bei drohendem Beweisverlust und bei voraussehbarer späterer Protokollverlesung angebracht. In diesem Fall allerdings „ersetze die Parteien-Öffentlichkeit im Vorverfahren die Mündlichkeit in der Hauptverhandlung" 30 . c) In der Fassung, die der StPO-Entwurf nach der zweiten Lesung durch die Reichsjustizkommission erhalten hatte, kam er zusammen mit den Änderungswünschen des Bundesrates zur zweiten Beratung vor das Reichstagsplenum. Das Ergebnis der zweiten Plenarberatung31 hatte freilich die schon zwischen der Reichsjustizkommission und dem Bundesrat bzw. dessen Justizausschuß hervorgetretenen Differenzen nicht beseitigen können. Aus diesem Grund wurden dem Reichstag erneut die unabdingbaren Abänderungswünsche des Bundesrates vorgelegt 32 . U m das endgültige Scheitern des Reformvorhabens zu verhindern, kam es zu Kompromißgesprächen zwischen einigen Reichstagsabgeordneten (unter Führung von Miquél) und Mitgliedern der verschiedenen Länderregierungen. Die Einigung gelang und fand ihren Ausdruck in den als „Kompromißanträgen von Miquél und Genossen" bekanntgewordenen Änderungsvorschlägen 33 . Die Kompromißanträge wurden in der dritten Plenarberatung vom Reichstag angenommen. Die Verabschiedung aller drei Reichsjustizgesetze war gesichert. Die StPO konnte am 1. Februar 1877 verkündet werden 34 . In der zweiten Plenardebatte wurde der bisherige § 159 (parteiöffentliche Beweiserhebung in der gerichtlichen Voruntersuchung) ohne Debatte angenommen und stand folglich auch in der dritten Plenardebatte nicht mehr zur Diskussion. Die Partei-Öffentlichkeit in der gerichdichen Voruntersuchung (also nicht im polizeilich-staatsanwaltschaftlichen Vorverfahren) fand somit in der endgültigen Fassung der neuen StPO folgende gesetzliche Regelung: § 190 Abs. 2 „ D i e Vernehmung (des Angeschuldigten) erfolgt in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft und des Vertheidigers." § 191 Abs. 1 „Findet die Einnahme des Augenscheins statt, so ist der Staatsanwaltschaft, dem Angeschuldigten und dem Vertheidiger die Anwesenheit bei der Verhandlung zu gestatten." Abs. 2 „Dasselbe gilt, wenn ein Zeuge oder Sachverständiger vernommen werden soll, welcher voraussichdich am Erscheinen in der Hauptverhandlung verhindert, oder dessen Erscheinen wegen großer Entfernung besonders erschwert sein wird." Abs. 3 „ V o n den Terminen sind die zur Anwesenheit Berechtigten vorher zu benachrichtigen, soweit dies ohne Aufenthalt für die Sache geschehen kann." Abs. 4 „ E i n e n Anspruch auf Anwesenheit hat der nicht auf freiem Fuß befindliche Angeschuldigte nur bei solchen Terminen, welche an der Gerichtsstelle des Orts abgehalten werden, wo er sich in H a f t befindet." Hahn, Materialien Bd. II, S. 1574. Text der Entwurfs-Fassung nach der zweiten Plenarberatung: Aktenstück N r . 82 in den stenographischen Berichten Bd. 3, S. 683 ff. 3 2 Veröffentlicht bei Hahn, Materialien Bd. II, S. 2012 ff. 3 3 Veröffentlicht bei Hahn, Materialien Bd. II, S. 2016 f. 3 4 Text der StPO, wie er nach der dritten Plenartagung verkündet wurde: Hahn, Materialien Bd. II, S. 2394 ff. ,0

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4. Kapitel: Die Reichs-Strafprozeßordnung vom 1. Februar 1877

Abs. Í „ A u f die Verlegung eines Termins wegen Verhinderung haben die zur Anwesenheit Berechtigten keinen A n s p r u c h . " § 192 „ D e r Richter kann einen Angeschuldigten von der Anwesenheit bei der Verhandlung ausschließen, wenn zu befürchten ist, daß ein Zeuge in seiner Gegenwart die Wahrheit nicht sagen w e r d e . "

II. Die Verlesung früherer Protokolle Im vorangegangenen 3. Kapitel dürfte hinreichend deutlich geworden sein, daß sich das Problem unmittelbar-mündlicher Hauptverhandlung insbesondere auf die Frage zuspitzt, in welchem Umfang im Vorverfahren gewonnene Protokolle in der späteren Hauptverhandlung beweismäßig verwertet werden können. Aus diesem Grund ist es für die vorliegende Arbeit von außerordentlich großer Bedeutung zu erfahren, wie die einschlägigen §§ 250 ff. StPO - dieses „besonders heikle und schwierige, wenig geglückte Stück" unserer heutigen Strafprozeßordnung 35 - im einzelnen zustande gekommen sind und von welchen Vorstellungen sowie Überlegungen der damalige Gesetzgeber ausgegangen ist. Anders als im vorangegangenen Abschnitt über die Struktur des Vorverfahrens empfiehlt sich der Übersichtlichkeit wegen, für den Werdegang der „Verlesungsvorschriften" nicht nach historischen Etappen, sondern nach sachlichen Fallgruppen zu gliedern. Wie schon bei Darstellung des nach französischem Vorbild reformierten partikularen Strafprozesses soll demnach im folgenden zwischen der ersatzweisen Verlesung früherer Protokolle einerseits und der bloß ergänzenden Verwertung andererseits unterschieden werden. Aus Raumgründen ist eine Beschränkung auf Zeugen- und Geständnisprotokolle erforderlich. 1. Der Grundsatz unmittelbar-mündlicher Hauptverhandlung Die meisten partikularen Reformgesetze der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatten es noch für notwendig erachtet, sich ausdrücklich vom herkömmlichen schriftlichen Inquisitionsprozeß zu distanzieren und sich ausdrücklich zum Grundsatz mündlicher Hauptverhandlung zu bekennen 36 . Derartige Bekenntnisse hat der Gesetzgeber der neuen Reichs-Strafprozeßordnung für unnötig weil zwischenzeitlich selbstverständlich - erachtet. a) So hielt Entwurf I es für ausreichend, den jeweiligen Bezug zum Grundsatz der Mündlichkeit (oder synonym hier und in den folgenden Entwürfen immer wieder: zum Grundsatz der Unmittelbarkeit 37 ) nur im Rahmen der Motive kurz zu erwähnen. Im Anschluß an seine partikularen Vorgänger sah der Entwurf I im Erfordernis dauernder Anwesenheit der zur Urteilsfindung berufenen Personen (§ 182), in der Notwendigkeit ununterbrochener Hauptverhandlung (§ 183) und in der Strenge bezüglich des Verfahrens gegen Abwesende (§§ 185 bis 191) eindeutige Konsequenzen aus der Mündlichkeit^- oder Unmittelbarkeitsidee 38 . Schon Schneidewin J R 1951, S. 4 8 1 . ' Vgl. oben: 3. Kapitel I I / 2 c/aa. 3 7 Vgl. statt vieler: Motive zum Entwurf I, S. 1571. 3 8 Z u § 182 vgl. MotiveS. 157, zu § 183 vgl. Motive S. 158 und zu §§ 185 ff. vgl. Motive S. 161. 35

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