Der Ersatz immaterieller Schäden beim Unfalltod: Eine vergleichende Studie zwischen deutschem und chinesischem Recht [1 ed.] 9783428584307, 9783428184309

Weil das deutsche Recht kein Angehörigenschmerzensgeld anerkennt und die Angehörigen des Unfallopfers nur im Wege der Sc

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Der Ersatz immaterieller Schäden beim Unfalltod: Eine vergleichende Studie zwischen deutschem und chinesischem Recht [1 ed.]
 9783428584307, 9783428184309

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Studien zum vergleichenden Privatrecht Studies in Comparative Private Law Band / Volume 15

Der Ersatz immaterieller Schäden beim Unfalltod Eine vergleichende Studie zwischen deutschem und chinesischem Recht

Von

Yiyue Wu

Duncker & Humblot · Berlin

YIYUE WU

Der Ersatz immaterieller Schäden beim Unfalltod

Studien zum vergleichenden Privatrecht Studies in Comparative Private Law Band / Volume 15

Der Ersatz immaterieller Schäden beim Unfalltod Eine vergleichende Studie zwischen deutschem und chinesischem Recht

Von

Yiyue Wu

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2021 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2022 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 2567-5427 ISBN 978-3-428-18430-9 (Print) ISBN 978-3-428-58430-7 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern und meiner Frau

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2021 von der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin als Dissertation angenommen. Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur wurden bis zum Mai 2021 berücksichtigt. Mein herzlicher und besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Reinhard Singer für die beispielhafte Betreuung. Er hat mir alle Freiheiten gelassen und mich ermutigt, deutschen Juristen das chinesische Rechtssystem vorzustellen. Des Weiteren bin ich Herrn Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens zu Dank verpflichtet. Daneben danke ich Herrn Dr. Eike Michael Frenzel, der mir sehr geholfen hat, seit ich vor sieben Jahren zum ersten Mal nach Deutschland kam. Danken möchte ich außerdem dem Chinesisch-Deutschen Institut für Rechtswissenschaft (CDIR) an der China University of Political Science and Law (CUPL) in Beijing. Über die CDIR-Kooperation mit dem DAAD absolvierte ich ein LL.M.Studium an der Humboldt-Universität zu Berlin, das mir auch die Möglichkeit gegeben hat, weiter zu promovieren. Der Direktor des CDIR, Herr Prof. Dr. Libin XIE, hat mir viel Hilfe und Anleitung gegeben. Vielen Dank! Ich freue mich sehr darüber, dass ich nach der Promotion ans CDIR zurückkehren und dort lehren kann. Mein Dank gebührt auch dem China Scholarship Council (CSC) für die Finanzierung meiner Promotion. Der größte Dank gilt meiner Familie. Meine Eltern, Herr Prof. Dr. Xuedong WU und Frau Maofang XU, haben meine Ausbildung und auch die Entstehung dieser Arbeit durch ihre großzügige und dauerhafte Unterstützung erst ermöglicht. Meine Frau Songyan ist mir gegenüber immer sehr verständnisvoll und rücksichtsvoll. Wir haben oft akademische Diskussionen, die mich sehr inspirieren. Beijing, im Oktober 2021

Yiyue Wu

Inhaltsverzeichnis Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 I. Begriff des Ersatzes immaterieller Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 II. Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

1. Kapitel Grundlage

19

§ 1 Entwicklung des Ersatzes immaterieller Schäden seit dem Ende des 19. Jahrhunderts 19 I. Schmerzensgeld im Vorfeld des BGB: zwei Urteile des Reichsgerichts aus 1882 als Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1. Eisenwerk Kaiserslautern gegen Wilhelm und Henle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2. Steup gegen Kolb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 3. Gegenüberstellung der zwei Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 II. Festlegung des Schmerzensgeldes im BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 III. Wandel der Regelungen des Ersatzes immaterieller Schäden im BGB . . . . . . . . 22 § 2 Funktionen des Ersatzes immaterieller Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 I. Ausgleichsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 II. Genugtuungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 III. Straf- oder Präventionsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 § 3 Bemessungsfaktoren für die Höhe des Schmerzensgeldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 § 4 Die Besonderheiten beim Unfalltod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

2. Kapitel Ansprüche der Unfallopfer

31

§ 5 Ansprüche der Unfallopfer nach deutschem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 I. Keine immaterielle Beeinträchtigung beim sofortigen Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 II. Tod nach kurzer Überlebenszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 1. Kurze Überlebenszeit ohne Bewusstsein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2. Kurze Überlebenszeit mit Bewusstsein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 III. Todesangst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

8

Inhaltsverzeichnis IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

§ 6 Ansprüche der Unfallopfer nach chinesischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 I. Rechtslage vor und nach dem 31. 12. 2020 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 II. Übertragbarkeit bzw. Vererbbarkeit des Anspruchs auf Ersatz immaterieller Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

3. Kapitel Ansprüche der Angehörigen in Deutschland

43

§ 7 Schockschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 I. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 1. Seelische Erschütterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 2. Krankheitswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 3. Ein nahestehendes Verhältnis zum Getöteten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 4. Kein allgemeines Lebensrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 II. Kritik an Schockschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 1. Über „normales“ Maß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 2. Kreis der Anspruchsberechtigten zu eng . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 3. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 4. Kein spezifischer Anspruch für Angehörigen des Unfallopfers . . . . . . . . . . . 53 III. Kein Angehörigenschmerzensgeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 § 8 Das Hinterbliebenengeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 I. Trauriger Anreiz: Germanwings-Absturz am 24. Mai 2015 . . . . . . . . . . . . . . . . 57 II. Das Gesetzgebungsverfahren und der Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 III. Voraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 1. Unerlaubte Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 2. Todesfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3. Ein besonderes persönliches Näheverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 4. Seelisches Leid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 IV. Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 1. Menschliche Fürsorge des Zivilrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 2. Harmonisierung mit anderen EU-Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 3. Anpassung an die Entwicklung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 V. Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 1. Beschränkung auf Todesfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 2. Ausschluss vertraglicher Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 3. Höhe des Hinterbliebenengeldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

Inhaltsverzeichnis

9

VI. Verhältnis zu Schockschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 1. Die Höhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 2. Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 § 9 Entschädigung nach Terroranschlägen am Beispiel des Anschlags am Breitscheidplatz in Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 I. Die aktuelle Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 1. Grundsatz: Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz . . . . . . . . . 73 a) Ausschluss in § 1 Abs. 11 OEG a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 b) Härteausgleich nach dem Opferentschädigungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . 74 2. Entschädigungsanspruch gegen Versicherer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 a) Gegen Kfz-Haftpflichtversicherer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 b) Gegen Verkehrsopferhilfe e. V. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 3. Härteleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 II. Die künftige Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

4. Kapitel Der Ersatz immaterieller Schäden beim Unfalltod in China § 10 Gescheiterte Versuche der Kodifizierung eines Zivilgesetzbuches in der VR China

80 80

§ 11 Einschlägige Regelungen – nach der Reihenfolge der Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 I. Allgemeine Grundsätze des Zivilrechts 1986 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 II. Konkretisierung der „anderen Kosten“ durch weitere Regelungen . . . . . . . . . . . 83 1. § 36 der „Maßnahmen zur Behandlung von Verkehrsunfällen“ 1991 . . . . . . . 83 2. § 4 der „Konkreten Bestimmungen für den Schadensersatz bei auslandsbezogener Körperverletzung oder Tod auf See“ 1991 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 3. § 32 Abs. 1 Hs. 2 Produktqualitätsgesetz 1993 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 4. § 42 Hs. 1 Verbraucherschutzgesetz 1993 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 5. § 27 Nr. 3 Gesetz über staatliche Entschädigung 1994 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 6. § 44 Abs. 1 Hs. 3 Produktqualitätsgesetz 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 7. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 III. Justizielle Auslegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 1. Justizielle Auslegung – justizielles normatives Dokument mit chinesischen Merkmalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 2. Auslegung für immateriellen Schadensersatz a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 a) § 7 a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 b) § 8 a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 c) § 9 a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 3. Auslegung der Entschädigung für Personenschäden a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . 91 a) § 17 a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

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Inhaltsverzeichnis b) § 18 a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 c) § 29 a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 IV. Deliktshaftungsgesetz 2009 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 V. Das chinesische ZGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 1. Einschlägige Vorschriften in ZGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 2. Entsprechende Revisionen der justiziellen Auslegungen . . . . . . . . . . . . . . . . 96 a) Revision der Auslegung für immateriellen Schadensersatz . . . . . . . . . . . . 96 b) Revision der Auslegung der Entschädigung für Personenschäden . . . . . . . 97 VI. Zusammenfassung der bisherigen Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97

§ 12 Todesentschädigungsgeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 I. Unterschiedliche Theorien über das Todesentschädigungsgeld . . . . . . . . . . . . . . 98 1. „Verlust-des-Unterhalts“-Theorie und „Verlust-der-Erbschaft“-Theorie . . . . . 99 a) Hauptpunkte dieser beiden Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 b) Verkörperung der Theorien in den Gesetzen und justiziellen Auslegungen 100 2. „Aufrechterhalten-eines-bestimmten-materiellen-Lebensstandards“- Theorie 101 3. „Erbrechts“-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 4. „Tod-als-Schaden“-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 II. Rechtsnatur des Todesentschädigungsgeldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 III. Berechnung des Todesentschädigungsgeldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 1. Mit oder ohne Lebensunterhalt der vom Verstorbenen unterstützten Person? 108 2. Abzug der fiktiven notwendigen Lebenshaltungskosten des Verstorbenen?

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3. „Unterschiedlicher Preis für gleiches Leben“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 a) Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 b) Probleme mit der Berechnungsmethode bei der Auslegung der Entschädigung für Personenschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 c) Vereinheitlichung der Berechnungsmethode des Todesentschädigungsgeldes für Stadt- und Landbewohner in der Gesetzgebung und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 d) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 e) Neue Chance mit der künstlichen Intelligenz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 aa) Intelligentes Gericht in China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 bb) Zweifel an den algorithmenbasierten Systemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 cc) Anwendung auf individuelles Modell für Todesentschädigungsgeld 123 § 13 Ersatz immaterieller Schäden im engeren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 II. Eigener Anspruch der Angehörigen auf Ersatz immaterieller Schäden . . . . . . . 125 III. Beweislast für die erlittenen immateriellen Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 IV. Höhe des Ersatzes immaterieller Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

Inhaltsverzeichnis

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V. Schockschäden in China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 1. „LIN-Yunuan“-Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 2. Missverständnisse in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 3. Die Position der Schockschäden im chinesischen Rechtssystem . . . . . . . . . . 131

5. Kapitel Verteilung des Ersatzes immaterieller Schäden zwischen Angehörigen

132

§ 14 Selbständige Ansprüche der Angehörigen in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 § 15 Verteilung des Ersatzes immaterieller Schäden in China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 I. Verteilung des Todesentschädigungsgeldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 II. Verteilung des Ersatzes immaterieller Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 I. Deutsche und englische Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 II. Chinesische Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153

Abkürzungsverzeichnis AbgG Abs. AcP ADAC a. F. AGZR AMG Anm. ArchBürgR Art. AT AtG ATZR Aufl. BeamtVG BeckOK BeckRS Begr. BfJ BGB BGBl. BGH BGHZ BMJV BSG BStMJ BStMJV BT BT-Drs. BVerfG BVG bzw. ca. CDU COMPAS CSU DAR DM DRiZ EGBGB EU

Abgeordnetengesetz Absatz Archiv für die civilistische Praxis Allgemeiner Deutscher Automobil-Club alte Fassung Allgemeine Grundsätze des Zivilrechts der VR China Arzneimittelgesetz Anmerkung Archiv für bürgerliches Recht Artikel allgemeiner Teil Atomgesetz Allgemeiner Teil des Zivilrechts der VR China Auflage Beamtenversorgungsgesetz Beck’sche Online-Kommentare beck-online. RECHTSPRECHUNG Begründer Bundesamt für Justiz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Bundessozialgericht Bayerisches Staatsministerium der Justiz Bayerisches Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Bundestag Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Bundesversorgungsgesetz beziehungsweise circa Christlich Demokratische Union Correctional Offender Management Profiling for Alternative Sanctions Christlich-Soziale Union Deutsches Autorecht (Zeitschrift) Deutsche Mark Deutsche Richterzeitung Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Europäische Union

Abkürzungsverzeichnis f./ff. Fn. FS GenTG GesR GG ggf. HGB HK HPflG Hrsg. Hs. HUK-Verband i. H. v. i. S. v. i. V. m. JA JURA JuS JZ Kfz KH LG LKW LMK LPartG LuftRAAbkDG LuftVG m. MDR MedR Mio. MMR MükoBGB NDR n. F. NJW NJW-RR NK No. Nr. NZV OEG OLG OR PflVG pp.

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folgende Fußnote Festschrift Gentechnikgesetz Zeitschrift für GesundheitsRecht Grundgesetz gegebenenfalls Handelsgesetzbuch Handkommentar Haftpflichtgesetz Herausgeber Halbsatz Haftpflicht-, Unfall-, Kraftfahrtversicherer-Verband in Höhe von im Sinne von in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter Juristische Ausbildung (Zeitschrift) Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristenzeitung Kraftfahrzeug Kraftfahrzeughaftpflicht Landesgericht Lastkraftwagen Lindenmaier-Möhring Kommentierte BGH-Rechtsprechung Lebenspartnerschaftsgesetz Gesetz zur Durchführung des Ersten Abkommens zur Vereinheitlichung des Luftprivatrechts Luftverkehrsgesetz mit Monatsschrift für Deutsches Recht Medizinrecht (Zeitschrift) Millionen Multimedia und Recht (Zeitschrift) Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Norddeutscher Rundfunk neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Nomos Kommentar Number Nummer Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht Opferentschädigungsgesetz Oberlandesgericht Obligationenrecht (Schweiz) Pflichtversicherungsgesetz pages

14 ProdHaftG RabelsZ RGBl. RGZ RIW Rn. r+s S. s. SeuffA SGB s. o. sog. SozEntschR SozR SPD StGB StVG SVG SVR u. a. UmweltHG usw. Var. VersR vgl. VOH Vol. VR VuR VVG WD z. B. ZChinR ZEuP ZfS ZGB ZPO ZRP

Abkürzungsverzeichnis Produkthaftungsgesetz Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der Internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Randnummer recht und schaden (Zeitschrift) Seite/Satz siehe Seuffert’s Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten Sozialgesetzbuch siehe oben sogenannte Soziales Entschädigungsrecht Sammlung Sozialrecht Sozialdemokratische Partei Deutschlands Strafgesetzbuch Straßenverkehrsgesetz Soldatenversorgungsgesetz Straßenverkehrsrecht (Zeitschrift) unter anderem Umwelthaftungsgesetz und so weiter Variante Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht vergleiche Verkehrsopferhilfe e.V. Volumen Volksrepublik Verbraucher und Recht (Zeitschrift) Versicherungsvertragsgesetz Wissenschaftliche Dienste zum Beispiel Zeitschrift für Chinesisches Recht Zeitschrift für europäisches Privatrecht Zeitschrift für Schadensrecht Zivilgesetzbuch Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik

Einführung I. Begriff des Ersatzes immaterieller Schäden Unter einem Schaden ist jeder Nachteil zu verstehen, der an den Rechtsgütern einer Person entsteht.1 Im Schadensersatzrecht werden weiterhin grundsätzlich zwei Arten von Schäden unterschieden: der materielle Schaden (Vermögensschaden) und der immaterielle Schaden (Nichtvermögensschaden). Nach § 249 Abs. 1 BGB hat der Schadensersatzpflichtige den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Dies ist das sog. Prinzip der Naturalrestitution, das im deutschen Schadensersatzrecht eine zentrale Rolle spielt und an dem die Väter des BGB grundsätzlich keinen Zweifel gelassen haben.2 Das BGB kennt zwei Grundformen, wie dieser Zustand herbeigeführt werden kann: die „reale“ Naturalerfüllung und die „rechnerische“ Naturalerfüllung,3 das heißt den Geldersatz. Im Fall der Verletzung einer Person oder wegen der Beschädigung einer Sache kann der Geschädigte nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ersatzweise den für die Wiederherstellung notwendigen Geldbetrag fordern. In diesen Fällen ist es weder zweckmäßig noch für den Geschädigten zumutbar, dass der Verletzer selbst die Heilung bzw. Reparatur herbeiführen soll.4 Bei der Verletzung des Körpers und der Gesundheit einer Person treten normalerweise sowohl ein materieller als auch ein immaterieller Schaden gleichzeitig auf. Freilich steht dem Verletzten ein Anspruch auf Geldersatz für Vermögensschäden zu, vor allem, um die Aufwendungen für die medizinische Behandlung und die Aufenthaltskosten im Krankenhaus sowie die Begleitkosten auszugleichen.5 Als erforderlich gilt allerdings nur der zur Wiederherstellung der materiellen Schäden notwendige Geldbetrag. Daneben sind insbesondere die immateriellen Schäden im Fall der Verletzung einer Person nicht zu übersehen. Als immaterielle Schäden oder Nichtvermögensschäden werden alle Einbußen verstanden, die nicht das Vermögen einer Person betreffen.6 Dazu gehören beispielsweise Schmerzen und Wegfall der Lebensfreude durch die Körperverletzung und die Gesundheitsschädigung. Unabhängig davon, was der Ersatzpflichtige leistet, 1

Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, S. 209. Wolter, Das Prinzip der Naturalrestitution in § 249 BGB, S. 83. 3 BeckOK BGB/Flume, BGB § 249 Rn. 1. 4 Wagner, Deliktsrecht, S. 261; s. auch Mugdan, Die gesamten Materialien zum BGB, II. Band, S. 1235. 5 Jauernig/Teichmann, BGB § 249 Rn. 3 f. 6 Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, S. 232. 2

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um den ursprünglichen Zustand so weit wie möglich wiederherzustellen, würde der Zustand keinesfalls wieder so bestehen, als wäre der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten. In Bezug auf die Verletzung des Körpers und der Gesundheit einer Person lässt sich die Wiederherstellungsfunktion hier nicht wie bei der Naturalherstellung von Vermögensschäden durchführen. Insoweit gibt es keine wirkliche Wiedergutmachung.7 Auch wenn die Wunde geheilt und der Verletzte von der Krankheit wieder genesen ist, bleiben die Schmerzen und die unangenehmen Gefühle wahrscheinlich für immer in Erinnerung. Die immateriellen Schäden in der Vergangenheit lassen sich nicht ungeschehen machen.8 Auch wenn der Ersatzpflichtige eine Geldsumme als Ersatz für die immateriellen Schäden geleistet hat, könnten Letztere tatsächlich nicht ausgeglichen werden, weil das Geschehene nicht rückgängig gemacht werden kann. Insoweit versagt somit das Ausgleichsprinzip.9 Die nachträgliche Leistung einer bestimmten Geldsumme dient nicht dazu, die Schmerzen vollständig zu beseitigen, was auch unmöglich ist, sondern nur dazu, dem Verletzten wieder Wohlbefinden zu schaffen. Schwierig zu beantworten ist die schon seit Langem gestellte Frage, ob und wie immaterielle Schäden in Geld bemessen werden können. Obwohl es weitestgehend anerkannt ist, dass immaterielle Schäden tatsächlich inkommensurabel sind, bedeutet das allerdings nicht, dass ein Ersatz immaterieller Schäden total unmöglich ist. Zur Lösung ist eine Verbindung der Logik mit Erfahrungen notwendig. Vor über einem Jahrhundert wurde der Begriff des Ersatzes immaterieller Schäden gleichzeitig mit der Entstehung des BGB im deutschen Recht eingeführt. Dies wurde hauptsächlich in § 847 BGB a. F. dargestellt, der im 20. Jahrhundert mit Ausnahme des Wegfalls des Abs. 1 S. 2 im Jahr 1990 relativ unverändert blieb. Demnach kann der Verletzte im Falle der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit sowie bei einer Freiheitsentziehung eine billige Entschädigung in Geld und damit das gebräuchliche Schmerzensgeld verlangen. Nach dem Eintritt in das 21. Jahrhundert wurde auch dieses Institut weitgehend innoviert, indem § 847 BGB a. F. durch das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften 2002 gestrichen und § 253 Abs. 2 BGB neu formuliert wurde. Die letztere Norm nimmt sich die bisherige Schmerzensgeldregelung des § 847 BGB a. F. zum Vorbild und knüpft den Ersatzanspruch an die Verletzung der Rechtsgüter Körper, Gesundheit, Freiheit oder sexuelle Selbstbestimmung.10 Das Leben steht allerdings außerhalb des Anwendungsbereiches des Ersatzes immaterieller Schäden und spielt bei dessen Verletzung nur eine geringe Rolle, obwohl es das ranghöchste Rechtsgut darstellt.11 In Reaktion auf die Kritik und das wirklich bestehende Problem, dass das Leben im Bereich des Ersatzes immaterieller Schäden zu schwach geschützt wird, wurde eine Vorschrift 7

BGHZ 18, 149, 156. Medicus, JZ 2006, 805, 805. 9 Medicus, JZ 2006, 805, 805. 10 Kafitz, Der Kampf ums Schmerzensgeld, S. 153. 11 MükoBGB/Wagner, BGB § 823 Rn. 165. 8

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über das sog. Hinterbliebenengeld durch das Gesetz zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld 2017 als Abs. 3 in § 844 BGB eingegliedert, wodurch der Inhalt des Ersatzes immaterieller Schäden bereichert wird. Die Gesetzgebung des Zivilrechts in der VR China begann relativ spät. Grundsätzlich folgt die chinesische Gesetzgebung des Zivilrechts der Tradition des kontinentalen Rechts. Dabei wird das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch insbesondere als Vorbild verwendet. Im Bereich des Ersatzes immaterieller Schäden unterscheidet sich das chinesische Recht in der konkreten Gestaltung jedoch erheblich vom deutschen Recht, da es einen eigenen Weg mit zahlreichen Besonderheiten entwickelt hat. Der Ersatz immaterieller Schäden in China besteht bisher aus dezentralisierten Regelungen in zahlreichen Gesetzen und justiziellen Auslegungen, was es schwieriger macht, sich einen Überblick darüber zu verschaffen und eingehende Untersuchungen durchzuführen. Mit dem neuen chinesischen ZGB wird die Rechtslage diesbezüglich kaum verändert.

II. Gang der Darstellung Die vorliegende Arbeit dient einer rechtsvergleichenden Studie zwischen dem deutschen und dem chinesischen Recht über den Ersatz immaterieller Schäden beim Unfalltod und zielt darauf ab, Stärken und Probleme von beiden zu zeigen, um das gegenseitige Lernen zu fördern und Lösungen für ihre jeweiligen Probleme zu finden. Im 1. Kapitel werden die Grundlagen des Themas dargestellt. Zunächst wird kurz auf die Entwicklung des Ersatzes immaterieller Schäden seit dem Ende des 20. Jahrhunderts zurückgeblickt. Dann konzentriert sich die Darstellung auf die Funktionen des Ersatzes immaterieller Schäden. Die Erforschung seiner Geschichte hilft dabei, dessen Funktionen besser zu erkennen und zu verstehen. Danach werden die Bemessungsfaktoren für die Höhe des Schmerzensgeldes und die Besonderheiten des Ersatzes immaterieller Schäden beim Unfalltod erörtert. Im 2. Kapitel werden zuerst die Ansprüche auf Ersatz immaterieller Schäden der Unfallopfer selbst, das heißt nicht ihrer Angehörigen, dargestellt. Diese sind jeweils nach den geltenden konkreten Regelungen in Deutschland und China zu untersuchen. Beide Länder sind auf ein gemeinsames Problem gestoßen: Soll der Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden übertragbar bzw. vererbbar sein? Im 3. Kapitel werden die Rechtslage und die Rechtsprechung zu Ansprüchen der Angehörigen in Deutschland umfassend diskutiert. Dazu gehören typischerweise die Schockschäden, das Hinterbliebenengeld und ein besonderer Fall: die Opfer von Terroranschlägen. Im 4. Kapitel wird der Ersatz immaterieller Schäden beim Unfalltod in China dargestellt. Dabei sind zunächst die einschlägigen Regelungen in unterschiedlichen Gesetzen und justiziellen Auslegungen zusammenzufassen. Danach werden das sog.

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Todesentschädigungsgeld und der Ersatz immaterieller Schäden untersucht. Weil sich China zurzeit am Anfang der Ära des Zivilgesetzbuchs befindet, ist das Thema insbesondere vor dem Hintergrund des neuen chinesischen ZGB zu überprüfen. Im 5. Kapitel wird schließlich die Verteilung des Ersatzes immaterieller Schäden zwischen Angehörigen untersucht. Dies stellt in Deutschland normalerweise kein Problem dar, während es in China besonders kompliziert und wichtig erscheint.

1. Kapitel

Grundlage § 1 Entwicklung des Ersatzes immaterieller Schäden seit dem Ende des 19. Jahrhunderts I. Schmerzensgeld im Vorfeld des BGB: zwei Urteile des Reichsgerichts aus 1882 als Beispiele Das gesamte 19. Jahrhundert lag im Vorfeld des Inkrafttretens des BGB. Das Schmerzensgeld wurde mehrmals in der Rechtsprechung erwähnt, wobei es sich in zwei Gruppen einteilen lässt: Während einige Entscheidungen einen Schmerzensgeldanspruch ablehnten, erkannten die meisten Urteile einen solchen Anspruch an. Die zustimmenden Entscheidungen spalten sich wiederum in zwei Lager: Wenige Gerichte gaben dem Schmerzensgeld eine Straffunktion, aber die weit überwiegenden Entscheidungen gingen von einem ausschließlich zivilrechtlichen Ersatzanspruch aus.1 Davon sind zwei Urteile des Reichsgerichts aus dem Jahr 1882 besonders zu berücksichtigen, die im Fall Eisenwerk Kaiserslautern gegen Wilhelm und Henle2 und im Fall Steup gegen Kolb3 ergingen. Diese beiden können als ein Querschnitt des Schmerzensgeldes im gesamten 19. Jahrhundert angesehen werden, sie stellen „mehr als nur Statisten, sondern treibende Kräfte“4 für das Schmerzensgeld dar. 1. Eisenwerk Kaiserslautern gegen Wilhelm und Henle In der Entscheidung im Fall Eisenwerk Kaiserslautern gegen Wilhelm und Henle vom 27. Juni 1882 wurde eine Geldsumme für die Schmerzen, die die Eheleute nach dem Verlust des einzigen Sohns erlitten hatten,5 abgelehnt. Dafür hat das Reichsgericht so argumentiert: „[…] allein der Zuspruch einer Geldsumme bloß mit Rücksicht darauf, daß Schmerzen verursacht, das Ehrgefühl gekränkt worden ist, würde sich nicht als die vom Gesetz gewollte 1 2 3 4 5

Göthel, AcP 205 (2005), 36, 38. RGZ 7, 295. RGZ 8, 117. Kafitz, Der Kampf ums Schmerzensgeld, S. 142. RG, Zeitschrift für französisches Civilrecht 14 (1883), 261 ff.

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1. Kap.: Grundlage Entschädigung darstellen, sondern als eine reine Privatstrafe, die beim Mangel einer bezüglichen Gesetzesbestimmung als statthaft nicht erachtet werden kann.“6

Im vorliegenden Fall handelte es sich um die Schmerzen, die die Kläger nach dem Verlust des einzigen Sohnes erlitten hatten. Die Ablehnung des Reichsgerichts war allerdings nicht auf das umstrittene Angehörigenschmerzensgeld zurückzuführen. Vielmehr waren die Richter generell gegen das Institut des Schmerzensgeldes eingestellt. Die Tatsache, dass die Eltern nur Dritte bzw. mittelbar Verletzte der Verletzung bzw. Tötung waren, wurde in der Begründung der Entscheidung nicht als Gegenargument erwähnt. Stattdessen konzentrierte sich die Begründung auf die Entschädigung für die Schmerzen als solche. Dies zeigt, dass der zweite Zivilsenat das Schmerzensgeld nicht als zivilrechtlichen Schadensersatz betrachtete. 2. Steup gegen Kolb In diesem Fall versetzte der Beklagte dem Kläger im Jahr 1862 einen Stich mit einem Messer in die rechte Wange. Dabei brach die Klinge ab und das abgebrochene Stück verblieb für 16 Jahre im Backenknochen des Klägers, bis es 1878 ärztlich entdeckt und entfernt wurde. Inzwischen erlitt der Kläger große Schmerzen und klagte deshalb auf Ersatz des Vermögensschadens und auch auf Schmerzensgeld.7 Das Reichsgericht führte aus, nach der damaligen gemeinrechtlichen Theorie und Praxis sei anzunehmen, dass der durch ein Delikt an seinem Körper Verletzte Anspruch auf ein Geldäquivalent für die durch die Verletzung erlittenen Schmerzen, das heißt ein Schmerzensgeld, habe.8 Im Unterschied zu der Entscheidung Eisenwerk Kaiserslautern gegen Wilhelm und Henle wurde das Schmerzensgeld in der Entscheidung Steup gegen Kolb nicht als Privatstrafe, sondern als ein zivilrechtlicher Ersatzanspruch wegen erlittener Schmerzen angesehen. Aus diesen Gründen billigte das Reichsgericht eine Entschädigungssumme von 3.000 Mark als Schmerzensgeld zu.9 3. Gegenüberstellung der zwei Entscheidungen Die beiden Urteile wurden im Jahr 1882 vom Reichsgericht getroffen, aber sie unterschieden sich insbesondere bei der Beantwortung der Frage, ob es sich beim Schmerzensgeld im Wesentlichen um eine Privatstrafe oder eine Art des zivilrechtlichen Schadensersatzes handelt. Für den Unterschied in den Entscheidungen spielten die Sachverhalte nur eine untergeordnete Rolle, denn in den Kernbereichen

6 7 8 9

RGZ 7, 295, 296. RGZ 8, 117, 117. RGZ 8, 117, 117 f. RGZ 8, 117, 118.

§ 1 Entwicklung des Ersatzes immaterieller Schäden

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der beiden Urteile blieben die Sachverhalte unerwähnt.10 Da die beiden Urteile nicht von demselben Senat im Reichsgericht verkündet wurden, sondern die erste Entscheidung vom zweiten Zivilsenat11 und die zweite vom dritten Zivilsenat12, spiegelte der Unterschied vielmehr die entgegengesetzten Haltungen einzelner Senate wider: „Schmerzensgeld: ja oder nein?“13 Im Hinblick auf die nachfolgende Entwicklung der Rechtspraxis und der wissenschaftlichen Forschung wurde die Entscheidung des zweiten Senats im Fall Eisenwerk Kaiserslautern gegen Wilhelm und Henle kritisiert,14 der grundsätzliche Ausschluss des Ersatzes immaterieller Schäden von der Kompensation traf schon zum Zeitpunkt der Entscheidung auf Kritik.15 Es ist wichtig, zu erkennen, dass die Zuordnung des Ersatzes immaterieller Schäden zu der Privatstrafe fehlerhaft ist. Die Konstellation, dass zwei völlig entgegengesetzte Urteile in ähnlichen Fällen getroffen wurden, ist allerdings nicht aus der heutigen Sicht zu bewerten, weil es damals noch kein einheitliches Bürgerliches Gesetzbuch in Deutschland gab. Stattdessen wurden die „gemeinrechtliche Theorie und Praxis“16 und die „gewohnheitsrechtliche Norm“17 in der Entscheidung als Rechtsquelle für das Schmerzensgeld anerkannt.

II. Festlegung des Schmerzensgeldes im BGB Im ersten Entwurf zum Bürgerlichen Gesetzbuch war bereits eine Vorschrift enthalten, die den Ersatz immaterieller Schäden regulierte. § 728 Abs. 1 des Entwurfs lautet: „In den Fällen der §§ 726 (Körperverletzung), 727 (Freiheitsentzug) kann von dem Gericht dem Verletzten oder demjenigen, welchem die Freiheit entzogen ist, auch wegen eines anderen als eines Vermögensschadens nach freiem Ermessen eine billige Geldentschädigung zugesprochen werden. Der Anspruch auf diese Entschädigung geht weder auf den Erben des Berechtigten über, noch ist er übertragbar, es sei denn, daß er vertragsmäßig anerkannt oder rechtshängig geworden ist.“18

In der Vorschrift wurde der Ersatz immaterieller Schäden bereits als „Geldentschädigung“ bezeichnet und in der Denkschrift wurde auch angemerkt, dass es um 10 11 12 13 14 15 16 17 18

Kafitz, Der Kampf ums Schmerzensgeld, S. 16 f. RGZ 7, 295. RGZ 8, 117. Vgl. Kafitz, Der Kampf ums Schmerzensgeld, S. 17. Kohler, ArchBürgR 5 (1891), 161, 260 f.; Wagner, ZEuP 2000, 200, 203, Fn. 17. HK-BGB/Schulze, BGB § 253 Rn. 1. RGZ 8, 117, 117. RGZ 8, 117, 118. Mugdan, Die gesamten Materialien zum BGB, II. Band, S. CXXIX.

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1. Kap.: Grundlage

den „Ersatz nichtvermögensrechtlichen Schadens“ gehe.19 Außerdem wurde die Rechtsnatur als zivilrechtliche Entschädigung festgelegt und ein strafrechtlicher Charakter ausgeschlossen.20 Während des Gesetzgebungsverfahrens gab es kaum Streit über die Rechtsnatur des Schmerzensgeldes. Das heißt, damals bestand im Grunde Konsens und das Thema erforderte keine intensive Diskussion. Im nachfolgenden Verfahren wurde die Vorschrift im Wesentlichen nicht geändert und am 24. August 1896 wurde § 847 Abs. 1 BGB a. F. veröffentlicht: „Im Falle der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit sowie im Falle der Freiheitsentziehung kann der Verletzte auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld verlangen. Der Anspruch ist nicht übertragbar und geht nicht auf die Erben über, es sei denn, daß er durch Vertrag anerkannt oder daß er rechtshängig geworden ist.“21

III. Wandel der Regelungen des Ersatzes immaterieller Schäden im BGB Der ursprüngliche § 847 BGB a. F., der 1896 im Reichsgesetzblatt veröffentlicht wurde, umfasste zwei Absätze. Der Absatz 1 lautete wie oben und gemäß Absatz 2 a. F. steht ein gleicher Anspruch einer „Frauensperson“ zu, gegen die ein Verbrechen oder Vergehen wider die Sittlichkeit begangen oder die durch Hinterlist, durch Drohung oder unter Missbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses zur Gestattung der außerehelichen Beiwohnung bestimmt wird. Für Fälle, in welchen gegen eine Frau durch Vollziehung des Beischlafs eine der in den §§ 176, 177, 179, 182 a. F. StGB bezeichneten strafbaren Handlungen begangen wird, gelten ähnliche Erwägungen wie für die in § 847 Abs. 1 a. F. geregelten Fälle der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit sowie Freiheitsentziehung.22 Der ursprüngliche § 847 BGB a. F. blieb für fast ein Jahrhundert unverändert. Die erste Änderung erfolgte erst am Ende des 20. Jahrhunderts. Durch Artikel 1 des Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze vom 14. März 199023 wurde § 847 Abs. 1 S. 2 BGB a. F. gestrichen, das heißt, das grundsätzliche Verbot des Übertragens und Vererbens des Ersatzes immaterieller Schäden wurde beseitigt. Obwohl der Begriff „Schmerzensgeld“ bereits vor dem Erlass des BGB mehrmals in amtlichen Dokumenten Erwähnung gefunden hatte,24 wurde die Bezeichnung als 19 20 21 22 23 24

Mugdan, Die gesamten Materialien zum BGB, II. Band, S. 1119. Mugdan, Die gesamten Materialien zum BGB, II. Band, S. 1119. RGBl. I 1896, S. 195. Motive zu dem Entwurfe eines BGB, Band II, S. 801 f. BGBl. I 1990, S. 478. Motive zu dem Entwurfe eines BGB, Band II, S. 801.

§ 1 Entwicklung des Ersatzes immaterieller Schäden

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Ersatz immaterieller Schäden erst 2001 durch Artikel 1 Abs. 2 S. 225 i. V. m. der Anlage (zu Artikel 1 Abs. 2)26 des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 der Untergliederung des Bürgerlichen Gesetzbuchs eingeführt. Dabei wurde § 847 BGB a. F. als „Schmerzensgeld“ bezeichnet.27 Daher stellt das „Schmerzensgeld“ keinen Begriff der Alltagssprache, sondern einen gesetzlichen Begriff dar. Durch das am 1. August 2002 in Kraft getretene Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften28 ist § 847 BGB a. F. weggefallen und sein Inhalt entsprechend in § 253 Abs. 2 BGB aufgenommen worden. Dabei wurden die zwei Absätze des § 847 a. F. BGB zu einem komprimiert und die in § 847 Abs. 2 BGB a. F. geregelten Fälle als „Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung“ zusammengefasst. Da § 253 BGB den Titel „Immaterieller Schaden“ trägt, verliert der Begriff „Schmerzensgeld“ wieder seine dortige Stelle, die ihm weniger als ein Jahr zuvor durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts verliehen wurde. § 253 BGB erfasst nicht nur Schmerzen, sondern alle Einbußen des Geschädigten, die nicht in Geld messbar sind, als Nichtvermögensschaden.29 Daher ist der Begriff des Schmerzensgeldes unzureichend, obwohl er in Rechtspraxis und Rechtswissenschaft geläufig ist. Präziser ist, vom „Ausgleich immaterieller Schäden in Geld“ bzw. von der „Entschädigung für Nichtvermögensschäden“ u. a. zu sprechen, wenn es um die Kompensation dieser Schäden durch Geld geht.30 Darüber hinaus greift § 253 BGB nicht mehr nur bei verschuldensabhängiger Deliktshaftung, sondern ebenso in Fällen verschuldensunabhängiger außervertraglicher Haftung einschließlich der Gefährdungshaftung sowie bei vertraglicher Haftung.31 Somit führte das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften zu einer bedeutsamen Reform des gesamten Institut des Ersatzes immaterieller Schäden. Weil das Leben nicht als eines der geschützten Rechte oder Rechtsgüter in § 253 Abs. 2 BGB genannt wird, führt der Tod des Verletzten grundsätzlich nicht zur Entschädigung.32 Forderungen nach Einführung eines „Angehörigenschmerzensgeldes“33 wurden immer wieder laut und mündeten schließlich in das Gesetz zur 25

BGBl. I 2001, S. 3170. BGBl. I 2001, S. 3189. 27 BGBl. I 2001, S. 3201. 28 BGBl. I 2002, S. 2674. 29 MükoBGB/Oetker, BGB § 253 Rn. 4. 30 Schubert, Die Wiedergutmachung immaterieller Schäden, S. 15; MükoBGB/Oetker, BGB § 253 Rn. 4. 31 Kafitz, Der Kampf ums Schmerzensgeld, S. 151. 32 MüKoBGB/Oetker, BGB § 253 Rn. 28. 33 Vgl. Katzenmeier, JZ 2002, 1029 ff.; Jansen, ZRP 2003, 156 ff.; Wagner, JZ 2004, 319, 326 f.; Klinger, NZV 2005, 290 ff.; Adelmann, VersR 2009, 449, 454 f.; Diederichsen, DAR 2011, 122 ff.; Huber, NZV 2012, 5 ff.; Schwintowski/Sedi/Sedi, ZfS 2012, 6 ff.; Luckey, SVR 2012, 1 ff.; Neuner, JuS 2013, 577, 582 f.; Wagner, in: FS Stürner, 2013, 231, 238 ff.; Zwickel, NZV 2015, 214, 215. 26

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1. Kap.: Grundlage

Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld34 vom 17. Juli 2017. Dadurch wurde § 844 BGB um einen Abs. 3 erweitert und das sog. Hinterbliebenengeld als ein Ersatzanspruch Dritter bei Tötung geregelt.35

§ 2 Funktionen des Ersatzes immaterieller Schäden Die Diskussion um die Funktionen des Schmerzensgeldes ist so alt wie das Schmerzensgeld selbst.36 Einer der Brennpunkte der zwei oben dargestellten Urteile des Reichsgerichts aus dem Jahr 1882 lag auch in den Funktionen des Schmerzensgeldes. Für den Umfang und die Reichweite des Ersatzes immaterieller Schäden aus dem jetzt geltenden § 253 Abs. 2 BGB sind die Bestimmung der Funktionen des Schmerzensgeldes sowie ihr Zusammenspiel im konkreten Fall von essenzieller Bedeutung.37 Als wichtigste Funktion des Schmerzensgeldes wurde bereits von den Vätern des Bürgerlichen Gesetzbuchs festgelegt, dass es sich um eine zivilrechtliche Entschädigung handelte, die keinen strafrechtlichen Charakter hatte.38 In älteren Entscheidungen hat der BGH betont, dass der Ersatz immaterieller Schäden parallel zum Ersatz für Vermögensschäden besteht, weshalb der Schwerpunkt des Schmerzensgeldes auch auf den Ausgleich des immateriellen Schadens gelegt wird.39 Nur wenige Jahre später hat der BGH seine vorherige Meinung korrigiert und eine neue Auffassung entwickelt, dass der Schmerzensgeldanspruch kein gewöhnlicher Schadensersatzanspruch ist, sondern einen Anspruch eigener Art mit einer doppelten Funktion – der Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion – darstellt.40 Dem Geschädigten soll ein angemessener Ausgleich für die immateriellen Schäden geboten werden, insbesondere für die erlittenen Einbußen an Lebensfreude und -chancen. Neben diesem Ausgleichsziel gibt es auch die Genugtuungsfunktion, wonach das Schmerzensgeld zugleich dem Gedanken Rechnung tragen soll, dass der Schädiger dem Geschädigten Genugtuung für das, was er ihm angetan hat, schuldet.41 Die Doppelfunktionstheorie wurde nachfolgend durch die ständige Rechtsprechung und herrschende Lehre übernommen und wird bis heute für gültig gehalten.

34 35 36 37 38 39 40 41

BGBl. I 2017, S. 2421. Gründe für diese Erweiterung s. u. § 8. Göthel, AcP 205 (2005), 36, 36. BeckOK BGB/Spindler, BGB § 253 Rn. 13. Mugdan, Die gesamten Materialien zum BGB, II. Band, S. 1119. Looschelders, Schuldrecht AT, S. 391; BGHZ 7, 223, 226. BGHZ 18, 149. BGHZ 18, 149.

§ 2 Funktionen des Ersatzes immaterieller Schäden

25

I. Ausgleichsfunktion Als primäre Zielsetzung zielt die Ausgleichsfunktion vor allem darauf, als eine Art immaterielle „Naturalrestitution“ zu wirken, auch wenn erlittene psychische Beeinträchtigungen oder Schmerzen nicht mit Geld aufgewogen werden können,42 sie intendiert somit, einen Ausgleich für die erlittenen Nachteile zu verschaffen. Wenn eines oder mehrere der in § 253 Abs. 2 BGB aufgezählten Rechtsgüter – der Körper, die Gesundheit, die Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung – verletzt wird, können regelmäßig nicht nur Vermögensschäden wie z. B. Heilungskosten und Pflegekosten, die gemäß § 249 bis 252 BGB auszugleichen sind, sondern auch immaterielle Schäden,43 etwa Schmerzen, seelische Qual, Befürchtungen, Entstellungen oder die Verminderung der Berufs- oder Heiratsaussichten, eintreten.44 Obwohl eine Naturalherstellung bei solchen immateriellen Schäden grundsätzlich unmöglich erscheint, soll für den Geschädigten vor allem erreicht werden, die eingetretenen immateriellen Nachteile, das heißt vor allem die Einbuße an körperlichem und seelischem Wohlbefinden, durch Vorteile auszugleichen und sein Wohlbefinden zu erhöhen.45 Den zugrunde liegenden Gedanken könnte man etwa dahin formulieren, dass der Schädiger, der dem Geschädigten über den Vermögensschaden hinaus das Leben erschwer hat, nun durch seine Leistung dabei helfen soll, es ihm im Rahmen des Möglichen wieder leichter zu machen.46 Dadurch könnte sich der Verletzte von seiner Unbill ablenken und wieder auf die Lebensfreude konzentrieren. Obwohl der Entschädigungs- oder Ausgleichsgedanke im Vordergrund steht,47 ist die Erreichung dieses Ausgleichszweckes allerdings nicht Voraussetzung für die Zubilligung einer Entschädigung wegen immaterieller Schäden. Möglich wäre auch ein Verletzter, der wirtschaftlich so gestellt ist, dass bei ihm durch keine Geldbeträge ein Lustgefühl als Ausgleich für die erlittenen immateriellen Schäden hervorgerufen werden könnte.48 Daher bedeutet die Ausgleichsfunktion nicht, dass so viel an ihn zu zahlen ist, bis der Verletzte wieder Freude empfindet.49

II. Genugtuungsfunktion Mit dem Beschluss des BGH vom 6. Juli 1955, der in der Literatur als „überaus sorgfältig, eingehend und tiefschürfend begründete“50 Entscheidung gelobt wird, 42 43 44 45 46 47 48 49 50

BeckOK BGB/Spindler, BGB § 253 Rn. 14. MükoBGB/Oetker, BGB § 253 Rn. 10. Deutsch/Ahrens, S. 237. MükoBGB/Oetker, BGB § 253 Rn. 10. BGHZ 18, 149, 154. BGHZ 18, 149, 154. BGHZ 18, 149, 157. Biesalski, Grundzüge der Deliktshaftung im Französischen Recht, S. 148. Böhmer, JZ 1955, 670, 676.

26

1. Kap.: Grundlage

wurde ausdrücklich deutlich gemacht, dass die besondere Bedeutung der Genugtuungsfunktion aus der Regelung des Ersatzes immaterieller Schäden nicht wegzudenken ist. Danach kommt dem Schmerzensgeld neben der Ausgleichsfunktionen auch eine Genugtuungsfunktion zu.51 Genugtuung bedeutet, dass der Verletzte eine Geldzahlung wegen der Verletzung, jedoch nicht so sehr zum Ausgleich des Schadens erhalten soll. Damit sollen die negativen Gefühle besänftigt werden, die aus der flagranten Verletzung des Rechts entstehen.52 In der Rechtsprechung wird auch die Theorie einer doppelten Funktion des Schmerzensgeldes dergestalt verfolgt,53 dem Geschädigten in erster Linie einen angemessenen Ausgleich für seine nicht vermögensrechtlichen Schäden zu bieten, aber auch dem Gedanken Rechnung zu tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten Genugtuung schuldet. Zwar werden die Ausgleichsfunktion und die Genugtuungsfunktion (oder eine Doppelfunktion) des Schmerzensgeldes weitestgehend anerkannt, allerdings handelt es sich um einen einheitlichen Anspruch, weswegen die Rechtsprechung regelmäßig verweigert hat, die Funktionen aufzuschlüsseln und eine Aufspaltung der geforderten Summe des Schmerzensgeldes nach der Ausgleichsfunktion und der Genugtuungsfunktion vorzunehmen.54 In der Literatur wird auch die Auffassung vertreten, dass der Genugtuungsfunktion nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit eine eigenständige Bedeutung zukommt.55 Dies entspricht auch weitgehend der gängigen Rechtspraxis.56 Deshalb gibt es bei Ansprüchen aus Gefährdungshaftung für sie ohnehin keinen sinnvollen Anknüpfungspunkt. Außerdem spielt die Genugtuungsfunktion bei Verkehrsunfällen im Allgemeinen keine Rolle, weil der Schadensersatz normalerweise vom Haftpflichtversicherer geleistet werden soll.

III. Straf- oder Präventionsfunktion Die Debatte über die Funktionen des Schmerzensgeldes konzentriert sich hauptsächlich darauf, ob es eine Straf- oder eine Präventionsfunktion hat. Dies stellt keine moderne Frage dar, diese ist vielmehr noch älter als das BGB selbst.57 Die Diskussion darüber scheint niemals zu enden, sondern wird für immer weitergehen. Nach Göthels Recherchen58 kommen die einzigen ersichtlichen Entscheidungen, die 51

Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, S. 237; Wagner, ZEuP 2000, 200, 204. Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, S. 238. 53 Vgl. BGHZ 35, 363, 369; BGH NJW 1976, 1147, 1148. 54 BGHZ 128, 117, 121 f.; BGH BeckRS 2015, 5468. 55 Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, S. 238; Slizyk, Schmerzensgeld 2021, Rn. 78 ff.; NKBGB/Huber, BGB § 253 Rn. 29; Jaeger, in: FS Lorenz 2004, 377, 379 f. 56 Looschelders, Schuldrecht AT, S. 391. 57 Näher s. Göthel, AcP 205 (2005), 36; Göthel, RabelsZ 69 (2005), 255; U. Walter, Geschichte des Anspruchs auf Schmerzensgeld, S. 67 ff. 58 Göthel, AcP 205 (2005), 36, 40 f. 52

§ 2 Funktionen des Ersatzes immaterieller Schäden

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dem Schmerzensgeld eine Straffunktion zusprachen, aus Celle59 und Kassel60. Die oben genannte Entscheidungen des Reichsgerichts aus dem Jahr 1882 im Fall Eisenwerk Kaiserslautern gegen Wilhelm und Henle gab dem Schmerzensgeld deutlich einen Strafcharakter.61 Obwohl für die Rechtsnatur des Schmerzensgeldes bei der Entstehung des BGB festgelegt wurde, dass es im Wesentlichen eine Art der zivilrechtlichen Entschädigung darstellt,62 wurde auch die Zuordnung einer Straffunktion noch aufrechterhalten. Dabei ist aber die Straffunktion nicht mit der Rechtsnatur der Privatstrafe zu verwechseln, weil eine eventuelle sekundäre Funktion nicht das gesamte Schmerzensgeld betreffen kann. Nachdem der BGH die Genugtuungsfunktion für das Schmerzensgeld festgelegt hatte, wurde die Diskussion um eine abgeleitete Straffunktion noch heftiger. Die Anerkennung einer selbständigen Genugtuungsfunktion hat einzelne Gerichte später dazu bewogen, die Geldentschädigung zu einer Abschreckungssanktion fortzuentwickeln.63 Aber dies verstärkt die Neigung, das Schmerzensgeld als Geldentschädigung mit pönalen Elementen aufzuladen und dann sogar eine Qualifikation der Geldentschädigung als Privatstrafe vorzunehmen.64 Der Grund dafür wird unter anderem darin gesehen, dass der Begriff „Genugtuung“ sehr „schillernd“65 sei und die Frage, was unter „Genugtuung“ zu verstehen ist, weitgehend offen bleibe.66 Aus dem Begriff lässt sich für die Frage, ob es hier um die Privatstrafe geht, nicht ohne Weiteres etwas Sachdienliches entnehmen.67 Tatsächlich stammt der Begriff „Genugtuung“ aus dem schweizerischen Recht68 und hat seinen Ursprung in den Art. 47, 49 des Obligationenrechts (OR). Nach Art. 47 OR kann der Richter bei Tötung eines Menschen oder Körperverletzung unter Würdigung der besonderen Umstände den Angehörigen des Getöteten oder dem Verletzten eine angemessene Geldsumme als Genugtuung zusprechen. Von den Schweizer Wissenschaftlern wird der Begriff „Genugtuung“ oft gleichbedeutend mit „Ausgleich“ verwendet.69 Gemäß der Forschung deutscher Rechtswissenschaftler zum schweizerischen Recht ist „Genugtuung“ in den Art. 47, 49 OR nichts anderes als die Bezeichnung der bei Nichtvermögensschäden zu zahlenden Geldentschädigung, die nur deshalb nicht beim Namen genannt wird, weil das schweizerische Recht, das der römischen Tradition folgt, 59 Oberappellationsgericht zu Celle, SeuffA 13 (1860), Nr. 31, 45; Appellationsgericht zu Celle, SeuffA 27 (1873) Nr. 30, 43. 60 Oberappellationsgericht zu Kassel, SeuffA 8 (1855), Nr. 138, 198. 61 RGZ 7, 295. 62 Mugdan, Die gesamten Materialien zum BGB, II. Band, S. 1119. 63 OLG Karlsruhe/Freiburg NJW 1973, 851; BGHZ 35, 363; BGHZ 39, 124. 64 Lorenz, Immaterieller Schaden und „billige Entschädigung in Geld“, S. 41. 65 Hirsch, in: FS Karl Engisch 1969, 304, 306. 66 Wagner, EZuP 2000, 200, 205. 67 Hirsch, in: FS Karl Engisch 1969, 304, 306. 68 Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, S. 238. 69 Winter, Die Wiedergutmachung immaterieller Beeinträchtigung bei Körperverletzung und Tötung, S. 64 ff.

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1. Kap.: Grundlage

allein den Vermögensschaden auch als solchen ansprechen kann.70 Mit anderen Worten kann eindeutig daraus geschlossen werden, dass der Begriff „Genugtuung“ selbst nicht die Bedeutung der Bestrafung enthält. In der deutschen höchstgerichtlichen Rechtsprechung haben sich die Funktionen des Schmerzensgeldes weiterentwickelt. In der Entscheidung „Caroline von Monaco I“ vom 15. November 1994, die als nahezu legendär bezeichnet wird,71 hat der BGH die Präventionsfunktion bestätigt: „Erfolgt der Einbruch in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vorsätzlich mit dem Ziel der Auflagensteigerung und Gewinnerzielung, dann gebietet der Gedanke der Prävention, die Gewinnerzielung als Bemessungsfaktor in die Entscheidung über die Höhe der Geldentschädigung einzubeziehen.“72

Nachfolgend hielt der BGH in der Entscheidung „Caroline von Monaco II“ vom 5. Dezember 1995 an den Gedanken der Prävention fest, dass bei der Bemessung einer Geldentschädigung, die im Fall einer schweren Verletzung des Persönlichkeitsrechts zu zahlen ist, dem Präventionsgedanken besondere Bedeutung zukomme.73 Bei der Bemessung der Entschädigungshöhe war die Rechtsprechung auch wesentlich großzügiger als im Anwendungsbereich des § 253 Abs. 2 BGB.74 Dies wurde später auch vom BVerfG größtenteils verfassungsrechtlich gebilligt.75 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der BGH dem Schmerzensgeld keine allgemeine Präventionsfunktion zugesprochen, sondern in den zwei genannten Entscheidungen „Caroline von Monaco“76 lediglich einen ziemlich engen Anwendungsbereich dafür festgelegt hat. Außerdem war der BGH sehr vorsichtig und wies deutlich darauf hin, dass es sich bei einer Entschädigung wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im eigentlichen Sinn nicht um das Schmerzensgeld nach § 847 BGB a. F., sondern um einen Rechtsbehelf, der auf den Schutzauftrag aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG zurückgeht, handelt.77 Nur dann, wenn der Schädiger aus der Zwangskommerzialisierung der Persönlichkeit Vorteile gezogen hat, wird eine selbstständige Präventionsfunktion anerkannt. Das Schmerzensgeld hat somit keine selbstständige Präventionsfunktion, sondern dabei handelt es sich um einen Nebeneffekt.78 Daher kann keine Schlussfolgerung gezogen werden, dass der BGH dem Schmerzensgeld eine allgemeine Straf- oder Präventionsfunktion ohne Beschränkungen gewähren wollte. 70 71

S. 15. 72 73 74 75 76 77 78

Wagner, ZEuP 2000, 200, 207. Bost, Effiziente Verhaltenssteuerung durch den Ersatz von Nichtvermögensschäden, BGHZ 128, 1. BGH NJW 1996, 984. Looschelders, Schuldrecht AT, S. 393. BVerfG NJW 2000, 2187. BGHZ 128, 1; BGH NJW 1996, 984. BGHZ 128, 1, 9 f. Schubert, in: Karlsruher Forum 2016, 1, 15 f.

§ 3 Bemessungsfaktoren für die Höhe des Schmerzensgeldes

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§ 3 Bemessungsfaktoren für die Höhe des Schmerzensgeldes Die Kriterien für die Bemessung des Schmerzensgeldes legen § 847 BGB a. F. sowie § 253 Abs. 2 BGB n. F. in die Hände von Rechtsprechung und Wissenschaft, indem sich auf die Forderung nach „billiger Entschädigung“ beschränkt wird.79 Außerdem bedingt die Inkommensurabilität der immateriellen Schäden, dass eine angemessene oder billige Entschädigung von den Gerichten festzusetzen ist.80 Mit dem einflussreichen Beschluss des BGH vom 6. Juli 1955 legte dieser nicht nur die Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes, sondern auch die Bemessungsfaktoren für die Höhe dieser billigen Entschädigung fest. Dabei nahm der BGH die offenere Haltung ein, dass grundsätzlich alle in Betracht kommenden Umstände des Falles berücksichtigt werden dürfen.81 Im Vordergrund zu stehen habe die Berücksichtigung von Höhe und Maß der Beeinträchtigung (Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen), das heißt der Schwere der Verletzung, dies bildet die wesentlichste Grundlage bei der Bestimmung der billigen Entschädigung.82 Außerdem seien der Grad des Verschuldens des Schädigers,83 die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten und auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers84 bei Bemessung der Entschädigung nach § 847 BGB a. F. zu berücksichtigen. In den letzten Jahren wird in der Literatur vorgeschlagen, dass das Lebensalter des Verletzten ebenfalls als eine Bemessungsdeterminante beim Schmerzensgeld angesehen werden sollte.85 Mit der Entscheidung „Caroline von Monaco I“ vom 15. November 199486 hat der BGH die Bemessungsfaktoren in bestimmten Fällen um die „Gewinnerzielung“ erweitert, weswegen der Gedanke der Prävention auch die Höhe des Schmerzensgeldes beeinflussen könnte. Tatsächlich wurde die Gewinnerzielung jedoch nicht als ein genereller erweiterter Bemessungsfaktor angesehen, weil alle in Betracht kommenden Umstände des Falles berücksichtigt werden dürfen.87 Motive des Schädigers wie etwa die Auflagensteigerung und Gewinnerzielung gehören freilich auch dazu. Deshalb wurde durch die Entscheidung „Caroline von Monaco I“ nur festgestellt, dass die Gewinnerzielung bei der Entscheidung nicht übersehen werden sollte.

79

Rolfs, in: Karlsruher Forum 2016, 41, 46. Schubert, in: Karlsruher Forum 2016, 1, 17. 81 BGHZ 18, 149. 82 BGHZ 18, 149, 154. 83 BGHZ 18, 149, 157 f. 84 BGHZ 18, 149, 159 ff. 85 Huber, VersR 2016, 73, 75 ff.; Wagner, Deliktsrecht, S. 283; Schubert, in: Karlsruher Forum 2016, 1, 18. 86 BGHZ 128, 1. 87 BGHZ 18, 149. 80

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1. Kap.: Grundlage

§ 4 Die Besonderheiten beim Unfalltod Die Verletzung des Lebens bedeutet eigentlich Tötung, wodurch der Verletzte selbst seine Rechtsfähigkeit verliert.88 Dann wäre die Geltendmachung eines Anspruchs durch den Verletzten selbst unmöglich. Daher wird das Stellen eventueller Ansprüche des Verstorbenen von seinen Angehörigen durchgeführt. Das „Leben“ gehört nicht zu in § 253 Abs. 2 BGB aufgelisteten Rechtsgütern Körper, Gesundheit, Freiheit und sexuelle Selbstbestimmung. Wie oben bereits erwähnt, bleibt das Leben, obwohl es das ranghöchste Rechtsgut ist, nach dem Wortlaut des § 253 Abs. 2 BGB außerhalb des Anwendungsbereiches der immateriellen Schäden, weshalb seine Verletzung nur eine geringe Rolle spielt.89 Der Schaden, der durch die Tötung eines Menschen selbst entsteht, ist damit nach geltendem deutschem Recht nicht ersatzfähig.90 Die Angehörigen der Getöteten können allein aufgrund seines Verlusts oder der Verkürzung seiner Lebenserwartung keinen Schadensersatz beanspruchen, da die typischen immateriellen Schäden wie etwa Schmerzen, seelische Qual, Entstellungen und die Verminderung der Berufs- oder Heiratsaussichten91 dabei nicht entstehen oder vom Getöteten nicht empfunden werden, wenn der Tod alsbald nach der Verletzungshandlung eintritt. Das heißt, in den meisten Fällen hat der Getötete selbst keinen Anspruch auf Schmerzensgeld. Tatsächlich kann der Tod eines Menschen ein enormer Verlust für seine nahen Angehörigen sein, obwohl sie nicht direkt von einem Unfall betroffen sind. Neben materiellen Schäden sind insbesondere immaterielle Schäden der Angehörigen beim Unfalltod zu berücksichtigen. Fragen, die beim Unfalltod berücksichtigt werden müssen, sind daher, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Angehörigen des Verstorbenen einen Anspruch haben, Schadensersatz zu verlangen.

88 89 90 91

HK-BGB/Dörner, BGB § 1 Rn. 5. MükoBGB/Wagner, BGB § 823 Rn. 165. Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, S. 215. Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, S. 237.

2. Kapitel

Ansprüche der Unfallopfer § 5 Ansprüche der Unfallopfer nach deutschem Recht I. Keine immaterielle Beeinträchtigung beim sofortigen Tod Während das Leben in § 253 Abs. 2 BGB nicht aufgezählt wird, wird es nach § 823 Abs. 1 BGB geschützt. Ersichtlich ist, dass der Gesetzgeber den Status des Lebens im Bereich der Entschädigung für immaterielle Schäden bewusst gesenkt hat. Der Grund dafür besteht darin, dass der Tod keinerlei Ansprüche des Verletzten selbst, sondern allenfalls Schadensersatzpflichten gegenüber dessen Angehörigen nach Maßgabe der §§ 844 ff. BGB auslöst.1 Nach der Auffassung von Medicus/ Lorenz kann der Betroffene (der Getötete) im Fall der Verletzung des Lebens selbst keine Ansprüche mehr haben, sondern es kommen nur Ansprüche der Erben und der hinterbliebenen Angehörigen in Betracht.2 In den meisten Todesfällen ist der Auffassung vom Medicus/Lorenz zuzustimmen, da das Verletzungsereignis und der Tod untrennbar kombiniert werden, indem der Verletzte unmittelbar im Anschluss an die erlittene Verletzung verstirbt.3 Wenn die Verletzung den Tod sofort herbeigeführt hat oder der bis zum Tod verstrichene Zeitraum so kurz ist, dass die Körperverletzung keine abgrenzbare immaterielle Beeinträchtigung darstellt, die einen Ausgleich in Geld erforderlich macht, dann kommt der Ausschluss einer Entschädigung für den Getöteten selbst in Betracht.4 Da der Verletzte alsbald nach der Verletzung verstirbt, gibt es keinen Raum für die Ausgleichsfunktion sowie die Genugtuungsfunktion. Dann ist davon auszugehen, dass der Opfer selbst keine ersatzfähigen immateriellen Schäden i. S. v. § 253 Abs. 2 BGB oder § 847 BGB a. F. erlitten hat. Dementsprechend ist keine diesbezügliche Entschädigung erforderlich.

1 2 3 4

MüKoBGB/Wagner, BGB § 823 Rn. 165. Medicus/Lorenz, Schuldrecht II BT, S. 472. Notthoff, r + s 2003, 309, 310. BGHZ 138, 388, 394; MüKoBGB/Oetker, BGB § 253 Rn. 31.

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2. Kap.: Ansprüche der Unfallopfer

II. Tod nach kurzer Überlebenszeit Eine weitere zu beachtende Situation, die im Alltagsleben tatsächlich noch häufiger vorkommt, ist, dass das Opfer nicht nahtlos nach der Verletzung verstirbt, sondern noch eine kurze oder längere Zeitspanne überlebt. Tatsächlich kommen das Verletzungsereignis und das Todesergebnis eigentlich nicht gleichzeitig, sondern nacheinander zustande. Der Zeitraum dazwischen kann lang oder kurz sein. Hier muss klar sein, dass diese Zeitspanne nicht ohne Weiteres übersehen werden darf. Dazwischen könnte der Geschädigte (Getötete) immaterielle Schäden wie Schmerzen und Todesangst erleben und erleiden, die einen Anspruch auf Schmerzensgeld begründen könnten. Ein solcher Anspruch kann nicht vom Getöteten selbst geltend gemacht werden, sondern wird auf seine Angehörigen bzw. Erben übertragen, was früher gemäß § 847 Abs. 1 S. 2 BGB a. F. grundsätzlich ausgeschlossen war. 1. Kurze Überlebenszeit ohne Bewusstsein Bei diesem Thema sind grundsätzlich zwei Fallgruppen danach zu unterscheiden, ob das Opfer zwischen dem Unfallereignis und dem Tod mit oder ohne Bewusstsein die Verletzungsfolgen miterlebt und erleidet.5 Für die Fälle, in denen das Opfer seine ausweglose Situation bei vollem Bewusstsein miterleben und unvorstellbare, wenn auch zeitlich begrenzte, Todesqualen durchleiden musste, gebiete es neben der hier vorrangig zu bewertenden Genugtuungsfunktion auch die Ausgleichsfunktion, dass ein angemessen hohes Schmerzensgeld zugesprochen werde.6 Völlig anders zu bewerten seien dagegen die Fälle, in denen das sofort bewusstlose Unfallopfer infolge seiner schweren Verletzungen kurze Zeit nach dem Unfall verstirbt.7 Wenn das Opfer verstirbt, ohne das Bewusstsein wiederzuerlangen, wird die Zulässigkeit des Schmerzensgeldanspruches infrage gestellt, weil das Opfer tatsächlich keine Schmerzen oder Qualen empfinden konnte. Die Ausgleichsfunktion im engen Sinn könnte auch nicht wirken, weil das Opfer nicht durch die Leistung des Geldes gesänftigt und sein Wohlbefinden auch nicht dadurch erhöht werden könnte. Tatsächlich hat der BGH bereits deutlich darauf hingewiesen, es sei nicht anzunehmen, dass für eine Leistung des Schädigers nur Raum ist, wo eine solche Wahrnehmungsfähigkeit besteht.8 Ein immaterieller Schaden bestehe nicht nur in körperlichen oder seelischen Schmerzen, das heißt in Missempfindungen oder Unlustgefühlen als Reaktion auf die Verletzung des Körpers oder die Beschädigung der Gesundheit. Vielmehr stellten die Einbuße der Persönlichkeit und der Verlust an personaler Qualität infolge schwerer Hirnschädigung schon für sich allein einen auszugleichenden immateriellen Schaden dar. Die sei unabhängig davon, ob der 5 6 7 8

Vgl. Slizyk, Schmerzensgeld 2021, Rn. 281 ff. Slizyk, Schmerzensgeld 2021, Rn. 284 ff. Slizyk, Schmerzensgeld 2021, Rn. 282 f. BGH NJW 1976, 1147, 1148.

§ 5 Ansprüche der Unfallopfer nach deutschem Recht

33

Betroffene die Beeinträchtigung empfinden kann.9 Beispielsweise lag einer Entscheidung vom 16. Dezember 1975 ein Sachverhalt zugrunde, bei dem der Schädiger ein 14 Monate altes Kind lebensgefährlich verletzte. Seitdem war das Kind infolge schwerster Hirnschädigung völlig gelähmt und zu keiner geistigen Betätigung oder Sinneswahrnehmung fähig. Ein Schmerzensgeld wurde aus dem allgemeinen Gesichtspunkt einer symbolischen Wiedergutmachung zugebilligt.10 In einem Fall, der am 13. Oktober 1992 entschieden wurde, erlitt ein Kind bei der Geburt durch einen Behandlungsfehler des Geburtshelfers einen schweren Hirnschaden, der zum weitgehenden Verlust der Wahrnehmungs- und Empfindungsfa¨ higkeit führte. Der BGH sah eine Pflicht, den immateriellen Schaden durch eine Geldentschädigung auszugleichen, die auch nicht auf symbolhafte Entschädigung reduziert werden dürfe.11 In beiden Fällen ist zu berücksichtigen, dass die jeweiligen Opfer zur Zeit der Verletzungen noch Kinder waren und dann ohne Wahrnehmungs- und Empfindungsfa¨ higkeit weiterleben mussten. Somit besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen diesen Fällen und jenen, in denen das Opfer kurz nach dem Unfallereignis verstirbt. Mit einem Urteil vom 11. März 1996 hat das OLG Düsseldorf ebenfalls deutlich gemacht, dass die Rechtsprechung des BGH zum Schmerzensgeld bei Verlust der Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit auf einen Fall des kurz nach der Schädigung eintretenden Todes keine Anwendung finden kann.12 In einem Fall, in dem die Mutter des Klägers durch den Unfall lebensgefährliche Verletzungen u. a. erlitt, an denen sie trotz eingeleiteter Notbehandlung etwa eine Stunde nach dem Unfall verstarb, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben,13 hat der BGH am 12. Mai 1998 entschieden und verdeutlicht, dass nicht nur das Leiden, sondern auch dessen Wahrnehmung sowie der Zeitraum zwischen Verletzung und Eintritt des Todes die Anerkennung des Schmerzensgeldanspruches beeinflussen.14 Wenn nach den konkreten Umständen, insbesondere wegen der Kürze der Zeitspanne zwischen Schadensereignis und Tod sowie nach dem Ablauf des Sterbevorgangs im Vordergrund steht, dass eine immaterielle Beeinträchtigung durch die Körperverletzung als solche nicht fassbar ist und folglich auch die Billigkeit keinen Ausgleich in Geld gebietet, dann stelle die Körperverletzung gegenüber dem nachfolgenden Tod keine immaterielle Beeinträchtigung dar, die nach Billigkeitsgrundsätzen einen Ausgleich in Geld erforderlich mache.15 Die Entscheidung stellt einen wichtigen Meilenstein dar und legt im Grundsatz fest, dass nur dann, wenn die Körperverletzung gegenüber dem nachfolgenden Tod wirklich eine vom Todesergebnis trennbare immaterielle Beeinträchtigung darstellt, ein 9

BGHZ 120, 1, 8. BGH NJW 1976, 1147. 11 BGHZ 120, 1, 1. 12 OLG Düsseldorf NJW 1997, 806. 13 BGHZ 138, 388, 389. 14 BGHZ 138, 388. 15 BGHZ 138, 388, 394.

10

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2. Kap.: Ansprüche der Unfallopfer

Schmerzensgeld zuzusprechen wäre, weil § 253 Abs. 2 BGB bzw. § 847 BGB a. F. nach der grundsätzlichen Wertung des Gesetzgebers weder für den Tod noch für die Verkürzung der Lebenserwartung eine Entschädigung vorsieht.16 Nur wenn die Körper- oder Gesundheitsverletzung vor dem Eintritt des Todes selbst die Voraussetzungen eines immateriellen Schadens i. S. v. § 253 Abs. 2 BGB erfüllen kann, soll ein Schmerzensgeld dafür bejaht werden. Darüber hinaus ist dabei auch die „Länge“ der kurzen Überlebenszeit zu berücksichtigen. In der Rechtsprechung wird diese allerdings nicht quantifiziert, sondern stattdessen lediglich die Tatsache hervorgehoben, dass das Opfer nach der Verletzung einige Zeit überlebt und dann verstirbt, unabhängig davon, ob die Dauer wenige Sekunden17, zehn Minuten18 oder acht Tage19 beträgt. In der Entscheidung vom 11. März 1996 hat das OLG Düsseldorf zuerst behauptet, die Beurteilung sei unabhängig davon, wie lange der Verletzte mit dem Tode gerungen hat, bis er seinen Verletzungen erlegen ist, sodass es im zu beurteilenden Fall nicht von Bedeutung sein könne, dass der Erblasser nicht nur wenige Sekunden, sondern fast drei Stunden bis zum Eintritt seines Todes weitergelebt hat, ohne seinen Todeskampf mit Bewusstsein wahrgenommen zu haben.20 In diesem Urteil war das OLG Düsseldorf auch der Meinung, wenn man dem Unfallopfer ein Schmerzensgeld aus Genugtuungsgesichtspunkten zubilligen würde, könne nur auf die dauernden immateriellen Schäden abgestellt werden, die das Opfer in der kurzen Überlebenszeit erlitten hat.21 Dementsprechend hängt die Höhe des Schmerzensgeldes doch von der Länge der Überlebenszeit ab. Das OLG Hamm war der gleichen Ansicht, dass die Dauer des Überlebens maßgeblich für die Höhe des Schmerzensgeldes sein soll.22 Nach einer Ansicht sollte die Höhe des Schmerzensgeldes sogar lediglich auf der Grundlage der Länge berechnet werden: „Sofern es sich dabei um Zeiträume von bis zu 90 Minuten handelt, dürfte ein Schmerzensgeld i. H. v. maximal 1.000 – 1.500 Euro angemessen sein. Sofern die Zeit des Überlebens im Nachgang zu einem Verkehrsunfall in Tagen zu bemessen sein sollte und der Zeitraum 30 Tage nicht überschreiten sollte, dürfte ein Schmerzensgeld i. H. v. 150 – 200 Euro pro Tag bzw. 5.000 – 6.000 Euro pro Monat angemessen sein.“23

Der BGH legte am 12. Mai 1998 fest, dass die Zeitspanne zwischen Verletzung und Eintritt des Todes auch die Überprüfung des Schmerzensgeldanspruches beeinflussen sollte.24 Je länger das Opfer überlebt, desto wahrscheinlicher ist es, dass 16 17 18 19 20 21 22 23 24

BGHZ 138, 388, 394. OLG Düsseldorf NJW 1997, 806, 807. OLG Karlsruhe r + s 1998, 375. OLG Koblenz NJW 2003, 442. OLG Düsseldorf NJW 1997, 806, 807. OLG Düsseldorf NJW 1997, 806, 807. OLG Hamm NZV 1997, 233. Notthoff, r + s 2003, 309, 311. BGHZ 138, 388.

§ 5 Ansprüche der Unfallopfer nach deutschem Recht

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immaterielle Schäden vorliegen und der Anspruch auf Entschädigung dafür anerkannt wird. Obwohl eine Reform des Schadensersatzrechts in Deutschland nach der Verkündung des Urteils in 1998 durchgeführt wurde, wurde allerdings der alte Gesetzeswortlaut des § 847 BGB a. F. fast unverändert in den neuen § 253 Abs. 2 BGB überführt.25 Daher hat sich die Rechtslage über die Kernfragen bis heute nicht geändert. Trotz der ausdrücklichen Regelung in § 253 Abs. 2 BGB und der eindeutigen Vorgabe des BGH, die heutzutage noch als ein Vorbild gelten sollte, sind in der Praxis die Urteile, in denen einen Schmerzensgeldanspruch wegen sehr kurzer Überlebenszeit ohne Bewusstsein abgelehnt wird, in der jüngeren Rechtsprechung eher selten.26 Selbst bei nur zehnminutiger bewusstloser Phase zwischen Unfallverletzung und Todeseintritt wurde der Schmerzensgeldanspruch vom OLG Karlsruhe nicht verneint.27 Das KG formulierte sogar deutlich: „Auch wenn der Verletzte verstorben ist, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben, kann der Schmerzensgeldanspruch des Verstorbenen von den Erben geltend gemacht werden.“28 Dies ist möglicherweise auf den vom BGH am 6. Juli 1955 festgelegten Grundsatz zurückzuführen, dass bei der Festlegung des Schmerzensgeldes grundsätzlich alle in Betracht kommenden Umstände des Falles berücksichtigt werden dürfen und sich hieraus durchaus Situationen des jeweiligen Sachverhaltes ergeben, die doch ein Schmerzensgeld rechtfertigen oder gar erfordern.29 In den Fällen beruht das Schmerzensgeld somit auf der Billigkeit.30 Jedenfalls spiegelt ein solcher Dogmatik-Praxis-Konflikt die Spannungen wider, dass die juristische Beurteilung in derartigen Fällen den menschlichen Erwartungen und Wertungen nicht entspricht. Bei der Überprüfung und Bemessung des Schmerzensgeldes kommt es nicht nur darauf an, ob das Opfer nach der Verletzung noch Wahrnehmungs- und Empfindungsfa¨ higkeit hat und wie lange die Zeitspanne zwischen der schädigenden Handlung und dem Tod dauert. Vielmehr sind alle individuellen Einzelheiten des Einzelfalles ebenfalls heranzuziehen, da es andernfalls eventuell zu einem unvernünftigen Ergebnis kommt. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass bei kurzer Überlebenszeit ohne Bewusstsein die jeweils zugesprochenen Entschädigungen relativ gering waren, z. B. 800 DM bei ca. siebenstündiger Überlebenszeit im Jahr 1994,31 3.000 DM beim Überleben von etwa zehn Minuten im Jahr 199732 sowie 12.000 DM beim Überleben 25

Wagner, NJW 2002, 2049, 2053. Eine Verweigerung des Schmerzensgeldanspruches bei sehr kurzer Überlebenszeit ohne Bewusstsein wurde doch ausgesprochen, beispielsweise OLG Naumburg BeckRS 2013, 22072; OLG Köln BeckRS 2013, 3957. 27 OLG Karlsruhe r + s 1998, 375. 28 KG NJW-RR 1995, 91. 29 BGHZ 18, 149. 30 Notthoff, r + s 2003, 309, 313. 31 KG NJW-RR 1995, 91. 32 OLG Karlsruhe r + s 1998, 375. 26

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2. Kap.: Ansprüche der Unfallopfer

von acht Tagen im Jahr 2002.33 Das bei einer kurzen Überlebenszeit ohne Bewusstsein zugesprochene Schmerzensgeld stellt eigentlich eher eine sogenannte symbolische Wiedergutmachung dar. Anders als bei der Zustimmung zu einer solchen Wiedergutmachung des BGH in der Entscheidung vom 16. Dezember 197534 und seiner Absage in der Entscheidung vom 13. Oktober 199235 wäre eine symbolische Wiedergutmachung für die Fälle, in denen das Opfer kurz nach dem Verletzungsereignis verstirbt, von großer Bedeutung. Ein Schmerzensgeld in symbolhafter Höhe hilft dabei, eine Reduzierung auf null zu vermeiden, die offensichtlich den Erwartungen der Angehörigen und Erben nicht entspricht. Darüber hinaus dient es als Besänftigung und Beruhigung, weil wenig noch besser als nichts ist. Aktuell ist das Problem weniger auffällig. Das Gesetz zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld,36 das am 22. Juli 2017 in Kraft trat, hilft den Hinterbliebenen beim Unfalltod eines nahen Angehörigen. Den Hinterbliebenen, die in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis zum Getöteten standen, wird gemäß § 844 Abs. 3 BGB ein Anspruch gegen den Verantwortlichen auf angemessene Entschädigung in Geld für das zugefügte seelische Leid eingeräumt. Dabei ist völlig gleichgültig, ob das Todesopfer nach dem Verletzungsereignis sofort oder nach kurzer Überlebenszeit mit oder ohne Bewusstsein verstirbt. 2. Kurze Überlebenszeit mit Bewusstsein Der wesentliche Unterschied zwischen den Situationen mit Bewusstsein und denjenigen ohne Bewusstsein besteht darin, dass das Opfer, wenn es das Bewusstsein in der kurzen Zeit nicht verloren hat, Schmerzen und Qualen sowie Todesangst erleben musste. Dann entstehen ohne Zweifel die immateriellen Schäden im engen Sinn, die als Grundlage für das Schmerzensgeld gelten, wofür Ausgleichsfunktion und Genugtuungsfunktion eine Rolle spielen können. Nach Slizyks Ansicht muss bei der Fallgruppe der kurzen Überlebenszeit mit Bewusstsein eine klare Grenze zu derjenigen ohne Bewusstsein gezogen werden, damit dafür ein nicht nur symbolhaftes, sondern vielmehr ein gerade unter dem Aspekt der Genugtuungsfunktion angemessen hohes Schmerzensgeld zugesprochen werden kann.37 Dementsprechend werden in der jüngeren Rechtsprechung eher Schmerzensgeldansprüche mit erhöhtem Betrag zuerkannt, beispielsweise in der Höhe von 50.000 Euro vom BGH mit Urteil vom 14. Januar 2016, wenn das Opfer 24 Stunden nach der Tat qualvoll verstarb.38 In einem Urteil vom 29. Oktober 2015 sah das LG Bochum eine Erhöhung des Schmerzensgeldes als angemessen an und sprach den hinterbliebenen Eltern aus 33 34 35 36 37 38

OLG Koblenz NJW 2003, 442. BGH NJW 1976, 1147. BGHZ 120, 1. BGBl. I 2017, S. 2421 ff. Slizyk, Schmerzensgeld 2021, Rn, 287. BGH NJW 2016, 2516.

§ 5 Ansprüche der Unfallopfer nach deutschem Recht

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übergegangenem Recht ein Schmerzensgeld von 50.000 Euro für ihren getöteten Sohn zu, der vier Tage nach dem Messerangriff verstarb.39 LG Frankenthal hat in einem Urteil vom 9. April 2014 im Fall einer Frau, die mindestens 30 Minuten Verbrennungsschmerzen bewusst erlitten hat, ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 Euro zugesprochen.40 In einem aktuellen Fall des OLG Bremen ermordete der Beklagte die Tochter der Klägerin auf bestialische Weise und versetzte diese in „schwerste Todesängste“, wobei das bewusst erlebte Martyrium nach „ca. 30 Minuten“ mit dem Tode der jungen Frau endete. Das OLG Bremen sprach hierfür ein Schmerzensgeld von 50.000 EUR zu.41

III. Todesangst Die Todesangst kann nach dem Zeitpunkt ihres Auftretens in zwei Typen unterteilt werden: diejenige, die zwischen der Verletzung und dem Tod besteht, und jene, die bereits vor der Verletzung besteht. Erstere beruht auf dem Bewusstsein und der Wahrnehmungsfähigkeit des Verletzten, weswegen sie freilich als psychisches Leiden angesehen wird und das Schmerzensgeld erhöhend beeinflussen kann. Von dieser Situation abzugrenzen ist die Todesangst, die vor dem Unfall oder der Tat besteht. Das heißt, vor dem schädigenden Ereignis nimmt das Opfer schon zur Kenntnis, dass es keinen Weg gibt, einen Unfall oder eine Tat zu vermeiden. Bereits ab diesem Moment besteht Angst. Es gibt keinen Zweifel, dass die Todesangst nach dem Unfallereignis schmerzensgelderhöhend zu berücksichtigen ist, weil sie als eine Art des psychischen Leidens zu den immateriellen Schäden gerechnet werden sollte. Wenn das Opfer jedoch Todesangst vor der Verletzung erleidet, hat es tatsächlich noch keine körperliche oder gesundheitliche Verletzung erlitten. Deswegen stellt die Todesangst vor dem verletzenden Ereignis eine ganz andere Situation dar. Ob die Todesangst vor dem verletzenden Ereignis zur Bemessung des Schmerzensgeldes beiträgt, ist umstritten. Der Einwand dagegen lautet, dass das Leben nicht in § 253 Abs. 2 BGB genannt wird und somit die Todesangst nicht schmerzensgelderhöhend berücksichtigt werden darf.42 Stattdessen sollte sie eher dem allgemeinen Lebensrisiko zugeordnet werden.43 Nur wenn sich die Todesangst zu einer damit einhergehenden Gesundheitsbeschädigung entwickelt, ist sie ersatzfähig.44 Die Todesangst wird in der Rechtsprechung eher als beeinflussend angesehen und führt generell zur Erhöhung des Schmerzensgeldes.45 Beispielsweise hat das OLG 39 40 41 42 43 44 45

LG Bochum BeckRS 2015, 18726. LG Frankenthal BeckRS 2014, 11448. OLG Bremen BeckRS 2012, 07689. Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, Rn. 468. Schubert, in: Karlsruher Forum 2016, 1, 29. Schubert, Die Wiedergutmachung immaterieller Schäden, S. 654. BeckOK BGB/Spindler, BGB § 253 Rn. 37.

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2. Kap.: Ansprüche der Unfallopfer

Düsseldorf mit Urteil vom 12. Oktober 2012 ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro in einem Fall anerkannt, in dem der Ehemann der Klägerin in einem Flugzeugsunglück ums Leben gekommen war.46 Bei der Germanwings-Katastrophe vom 24. März 2015 hat die Lufthansa Gesellschaft neben 50.000 Euro als Ersatz für den materiellen Schaden an die Hinterbliebenen jedes Opfers 25.000 Euro Schmerzensgeld für das Leiden des Opfers selbst sowie 10.000 Euro an jeden nächsten Angehörigen für dessen erlittene Schmerzen gezahlt.47 Die 25.000 Euro wurden Presseberichten zufolge48 für die Todesangst von sechseinhalb Minuten angesetzt. Theoretisch sollte es darauf ankommen, wann ein Passagier zur Kenntnis nahm, dass ein Unfall unvermeidlich passieren würde, und die Todesangst begann, denn unterschiedliche Zeitpunkte bedeuteten unterschiedliche Leidenszeiten. Allerdings konnte der Zeitpunkt der Kenntnis im Flugzeugsunglück nicht mehr ermittelt und bewiesen werden, weswegen alle Opfer gleichmäßig entschädigt wurden.49

IV. Zwischenergebnis Um einen Anspruch geltend zu machen, muss man zuerst nach § 51 ZPO i. V. m. § 104 BGB prozessfähig bzw. geschäftsfähig sein. Dem materiell-rechtlichen Begriff der Geschäftsfähigkeit entspricht im verfahrensrechtlichen Bereich die Prozessfähigkeit, das heißt die Fähigkeit, Prozesshandlungen selbst oder durch selbst bestellte Vertreter wirksam vorzunehmen oder entgegenzunehmen.50 Deshalb stellt der Anspruch des Unfallopfers in Deutschland eigentlich einen auf die Angehörigen bzw. Erben übertragbaren Anspruch dar, den sie statt des Opfers geltend machen können. Ob dem Opfer ein Anspruch auf Schmerzensgeld zusteht, hängt dogmatisch davon ab, ob die Körperverletzung gegenüber dem nachfolgenden Tod eine immaterielle Beeinträchtigung darstellt, die nach Billigkeitsgrundsätzen einen Ausgleich in Geld erforderlich macht.51 In der jüngeren Rechtsprechung werden jedoch die dogmatischen Voraussetzungen nicht so streng einhalten und ein Anspruch auf Schmerzensgeld wird in den meisten Fällen von den Gerichten auch nicht vollständig abgelehnt, wenn das Opfer kurz nach dem Verletzungsereignis ohne Bewusstsein verstirbt. Vielmehr dürfen bei der Festsetzung des Schmerzensgeldes grundsätzlich 46

OLG Düsseldorf BeckRS 2013, 18320. Frankfurter Allgemeine Zeitung, Onlineausgabe vom 21. 07. 2015, https://www.faz.net/ aktuell/gesellschaft/ungluecke/lufthansa-zahlt-den-hinterbliebenen-jedes-opfers-von-germanw ings-absturz-100000-euro-13714593.html, zuletzt abgerufen am 10. 02. 2021. 48 Spiegel, Onlineausgabe vom 21. 07. 2015, www.spiegel.de/panorama/justiz/germanw ings-katastrophe-die-fragen-zum-schmerzensgeld-a-1044689.html, zuletzt abgerufen am 10. 02. 2021. 49 Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, Rn. 468k ff. 50 MüKoBGB/Schmitt, BGB § 104 Rn. 6. 51 BGHZ 138, 388, 394. 47

§ 6 Ansprüche der Unfallopfer nach chinesischem Recht

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alle in Betracht kommenden Umstände des Falles berücksichtigt werden.52 Deshalb wäre ein Schmerzensgeld in symbolhafter Höhe für die Fallgruppe der kurzen Überlebenszeit ohne Bewusstsein empfehlenswert. Demgegenüber wird ein Schmerzensgeld bei kurzer Überlebenszeit mit Bewusstsein in der Regel ohne Zweifel zugesprochen, wobei nicht nur die Ausgleichsfunktion, sondern auch die Genugtuungsfunktion in den Vordergrund tritt. Darüber hinaus ist das Hinterbliebenengeld auch neben dem Schmerzensgeld anwendbar, weil der Anspruch der Hinterbliebenen und der Anspruch des Unfallopfers auf Schmerzensgeld auf unterschiedlichen Grundlagen basieren: Ersteres beruht auf den immateriellen Schäden des Opfers vor dem Eintritt des Todes, Letzteres auf dem seelischen Leid der Hinterbliebenen.

§ 6 Ansprüche der Unfallopfer nach chinesischem Recht I. Rechtslage vor und nach dem 31. 12. 2020 Im Vergleich zur differenzierten Begründung in der deutschen Rechtsprechung dazu, ob die Körperverletzung nach den Umständen des Falles gegenüber dem alsbald eintretenden Tod keine abgrenzbare immaterielle Beeinträchtigung darstellt, insbesondere im Urteil des BGH vom 12. Mai 1998,53 war die Rechtslage in China bis zum 31. 12. 2020 viel einfacher. Der Anspruch des Unfallopfers auf Ersatz immaterieller Schäden wurde von vornherein ausgeschlossen, weil § 18 Abs. 2 der „Auslegung des Obersten Volksgerichts zu einigen Fragen der Rechtsanwendung bei der Behandlung der Entschädigung für Personenschäden“ (2003) a. F.54 (abgekürzt als „Auslegung der Entschädigung für Personenschäden“) lautet: „Der Anspruch, auf Schadensersatz wegen immateriellen Schäden zu verlangen, darf weder übertragen noch vererbt werden. Dies gilt nicht, wenn der Entschädigungspflichtige schriftlich zugesagt hat, eine Geldentschädigung zu leisten, oder der Entschädigungsberechtigte bereits eine Klage beim Volksgericht eingereicht hat.“ Daher wird es im Schrifttum und in der Rechtsprechung in China kaum diskutiert, ob den Unfallopfern selbst Ansprüche auf Ersatz immaterieller Schäden zustehen. Die damalige Erstellung des § 18 Abs. 2 der Auslegung der Entschädigung für Personenschäden in 2003 wurde nach dem Vorbild ausländischer Rechtsordnungen durchsetzt.55 Vor allem das deutsche Recht hat den Inhalt enorm beeinflusst.56 Daher 52

BGHZ 18, 149. BGHZ 138, 388. 54 Diese Auslegung wird auch vollständig ins Deutsche übersetzt. Vgl. Erläuterungen des Obersten Volksgerichts zum Schadensersatz für Körperschäden, übersetzt von Matthias Göbel, ZChinR 2004, 287 ff. 55 ), Studies in Law and Business 2010/06, 11, 11. Xie, Hongfei ( 56 Ye, Jinqiang ( ), The Jurist 2011/05, 87, 91. 53

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2. Kap.: Ansprüche der Unfallopfer

ähnelt diese Vorschrift § 847 Abs. 1 S. 2 BGB a. F. sehr und auch die zwei Ausnahmefälle sind im Wesentlichen identisch. Aber der in § 847 Abs. 1 S. 2 BGB a. F. angeordnete grundsätzliche Ausschluss der Übertragbarkeit und Vererbbarkeit wurde bereits durch Gesetz vom 14. März 199057 aufgehoben. Demensprechend ist die Übertragbarkeit und Vererbbarkeit des Schmerzensgeldes allgemein zulässig.58 Das chinesische Oberste Volksgericht, der die „Auslegung der Entschädigung für Personenschäden“ erstellte, hatte allerdings nur die Rechtslage bis 1990 in Deutschland und nicht die Reform danach berücksichtigt. Die aktuelle Rechtslage in Deutschland war ihm noch für viele Jahre fremd. Die mangelhafte Kenntnis des deutschen Rechts führte dazu, dass das Übertragen und Vererben des Ersatzes immaterieller Schäden in China für fast zwei Jahrzehnte grundsätzlich verboten war. Eine Änderung dieser Rechtslage fand erst kürzlich statt. Zum Jahresende 2020 wurden zahlreiche justizielle Auslegungen einschließlich der Auslegung der Entschädigung für Personenschäden vor dem Hintergrund des Inkrafttretens des neuen chinesischen ZGB vom Obersten Volksgericht überarbeitet und alle neuen Fassungen traten gleichzeitig mit dem ZGB am 1. Januar 2021 in Kraft. Der vorherige § 18 der Auslegung der Entschädigung für Personenschäden wurde unter Aufhebung des Abs. 2 in § 33 n. F. eingegliedert. Das bedeutet, seit dem 1. Januar 2021 ist kein allgemeines Verbot der Übertragbarkeit bzw. Vererbbarkeit des Anspruchs auf Ersatz immaterieller Schäden mehr vorgesehen und die Ansprüche der Unfallopfer selbst darauf sollen auch in Betracht kommen.

II. Übertragbarkeit bzw. Vererbbarkeit des Anspruchs auf Ersatz immaterieller Schäden Die Änderungen der Vorschriften zeigen die Thematik nur an der Oberfläche. Dagegen kommt es auf die zugrunde liegende Idee an. Gegen die Übertragbarkeit bzw. die Vererbbarkeit des Ersatzes immaterieller Schäden wird in China hauptsächlich eingewendet, dass der Anspruch auf immateriellen Schadensersatz höchstpersönlich ist, weil diese Entschädigung vor allem den Ausgleich für die erlittenen Schmerzen bezweckt. Daher sollte er allein vom Verletzten selbst abhängen.59 Das Verbot gilt allerdings nicht, wenn der Entschädigungspflichtige schriftlich zugesagt hat, eine Geldentschädigung zu leisten (§ 18 Abs. 2 S. 2 Var. 1 der Auslegung der Entschädigung für Personenschäden a. F.), oder der Entschädigungsberechtigte bereits eine Klage beim Volksgericht eingereicht hat (§ 18 Abs. 2 S. 2 Var. 2 der Auslegung der Entschädigung für Personenschäden a. F.). Dies ent57

BGBl. 1990 I S. 478. BGH NJW 1995, 783; OLG Stuttgart NJW 1994, 3016. 59 )/Xiong, Ni ( ), Journal of Wuhan University of Technology Zhang, Shanbin ( (Social Science Edition) 2014/03, 445, 447. 58

§ 6 Ansprüche der Unfallopfer nach chinesischem Recht

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spricht genau den zwei Ausnahmen in § 847 Abs. 1 S. 2 BGB a. F.: Der Anspruch ist durch Vertrag anerkannt (Var. 1) oder rechtshängig geworden (Var. 2). In der Begründung für die Aufhebung des § 847 Abs. 1 S. 2 BGB a. F. in Deutschland wird die Schwierigkeit betont, dass man im Falle der Bewusstlosigkeit (und damit Geschäftsunfähigkeit) des Opfers der Prozessbevollmächtigte darauf verwiesen ist, zunächst die Anordnung einer Pflegschaft und die Bestellung eines Pflegers zu erwirken. Erst dann kann der Anspruch des Verletzten auch materiell wirksam rechtshängig gemacht werden.60 Daher führen die Ausnahmen in § 847 Abs. 1 S. 2 BGB a. F. gerade bei schwersten Verletzungen mit der Folge der Bewusstlosigkeit des Verletzten und akuter Lebensgefahr oftmals zu einem „Wettlauf mit dem Tod“61 bzw. „Wettrennen mit der Zeit“,62 was von vielen nahen Angehörigen als respektlos und unwürdig empfunden wird.63 Deshalb entschied sich der deutsche Gesetzgeber bewusst für die freie Übertragbarkeit und Vererbbarkeit des Schmerzensgeldanspruchs ohne Einschränkungen, indem er eine gesetzliche Neuregelung am 14. März 1990 veranlasste, nach der § 847 Abs. 1 S. 2 BGB a. F. weggefallen ist. Fragen wie „Wettlauf mit dem Tod“ und verwandte Diskussionen erscheinen in der Literatur und der Praxis in China kaum.64 Einer der Gründe liegt darin, dass China noch kein entwickeltes System der Entmündigung oder rechtlichen Betreuung hat und sich die Betreuung von Erwachsenen in China noch auf Geisteskranke und Demenzkranke beschränkt.65 Daher ist ein „Wettlauf mit dem Tod“ aus praktischen Gründen in China unmöglich. Ein weiterer Grund besteht darin, dass der Ersatz immaterieller Schäden, insbesondere der Anspruch des Opfers selbst darauf, aufgrund des Bestehens eines Todesentschädigungsgeldes (s. u. 4. Kapitel) und des Ersatzes für die Angehörigen keine entscheidende Rolle bei der gesamten Summe in Chinas Todesentschädigungssystem spielt. Daher wird dieser auch nicht ernst genommen. Nach dem chinesischen Obersten Volksgericht bedeutet die Formel, wonach „der Entschädigungsberechtigte bereits eine Klage beim Volksgericht eingereicht hat“ in § 18 Abs. 2 S. 2 Var. 2 der Auslegung der Entschädigung für Personenschäden a. F., dass der verstorbene Verletzte zuvor selbst eine Klage auf Ersatz immaterieller Schäden beim Volksgericht eingereicht hat. Dann können seine Erben den Anspruch erben.66 Die Ansicht, dass ausschließlich der Verletzte selbst den Anspruch auf Trostgeld hat, herrschte auch im japanischen Recht. Nach einer solchen Ansicht gäbe es al60

BT-Drs. 11/4415, S. 4. BGH NJW 1995, 783. 62 BT-Drs. 11/4415, S. 1. 63 BT-Drs. 11/4415, S. 4. 64 ), Global Law Review 2006/02, 198, 204 ff. Vgl. Zhu, Ye ( 65 Li, Hao ( ), Global Law Review 2013/01, 72, 90; Li, Xia ( ), China Legal Science 2015/02, 199, 201. 66 Huang, Songyou ( ) (Hrsg.), Verständnis und Anwendung der Auslegung der Entschädigung für Personenschäden, S. 277. 61

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2. Kap.: Ansprüche der Unfallopfer

lerdings ein Ungleichgewicht zwischen den Fällen, in denen sich das Opfer nach der Verletzung in einem kritischen Zustand befindet oder sofort verstirbt, weshalb es den Willen nicht ausdrücken bzw. keinen Antrag auf Ersatz immaterieller Schäden stellen kann, und den Konstellationen, in denen der Verletzte selbst den Antrag auf Trostgeld stellen kann.67 Daher hat sich die Ansicht seitdem auch verändert. In der heutigen Rechtspraxis in Japan können die Erben des Opfers in den Anspruch eintreten, Trostgeld zu fordern. Die Situation, die für die Aufhebung des § 847 Abs. 1 S. 2 BGB a. F. in Deutschland spricht, gibt es in China eigentlich nicht. Aber die allgemeine Übertragbarkeit bzw. Vererbbarkeit des Anspruchs auf Ersatz immaterieller Schäden dient nicht nur dem prozessualen Ziel, sondern auch dem Respekt vor dem Leben. Daher ist die Aufhebung des grundsätzlichen Ausschlusses der Übertragbarkeit und Vererbbarkeit zu begrüßen. Dadurch wird sowohl der höchstpersönlichen Natur des Schmerzensgeldes nicht geschadet68 als auch die Missachtung des Verstorbenen und seiner Angehörigen beseitigt.

67 68

), Japanisches Deliktsrecht, S. 253. Tianshan Huiming ( BT-Drs. 18/4415, S. 4; BGH NJW 1995, 783, 784.

3. Kapitel

Ansprüche der Angehörigen in Deutschland Obwohl die Übertragbarkeit und Vererbbarkeit des Schmerzensgeldes in Deutschland nach dem jetzigen geltenden Recht ohne Einschränkungen zulässig sind, wird ein Schmerzensgeldanspruch des Unfallopfers selbst in der Rechtsprechung nicht immer zubilligt, insbesondere dann, wenn das Opfer nach dem Unfall alsbald verstirbt oder unmittelbar in Bewusstlosigkeit verfällt und dieses bis zum Tod nicht wiedererlangt. Neben dem Anspruch des Unfallopfers kommt noch die Frage in Betracht, ob den Angehörigen des Verstorbenen eigene Ansprüche auf immateriellen Schadensersatz zustehen könnten und was hierfür gegebenenfalls die Anspruchsgrundlage bilden kann. Weil weder das Leben noch die Verwandtschaft zu den von § 253 Abs. 2 aufgezählten Rechtsgütern gehören, gilt § 253 Abs. 2 nicht als eindeutige und unmittelbare Rechtsgrundlage für die Ansprüche der Angehörigen. Allerdings besteht auch die Möglichkeit, dass den Angehörigen ein eigener Anspruch zusteht, wenn die Voraussetzungen der sogenannten „Schockschäden“1 erfüllt werden. Darüber hinaus wird § 847 BGB um einen neuen Abs. 3 erweitert, um das sogenannte Hinterbliebenengeld zu regulieren. Daher wird eine neue Anspruchsgrundlage der Hinterbliebenen selbst für immateriellen Schadensersatz verschafft.

§ 7 Schockschäden Der Begriff „Schockschäden“ wurde vom BGH mit der Entscheidung vom 11. Mai 1971 etabliert,2 die von ihm danach vielmals bestätigt wurde und von der Rechtsprechung bis heute festgehalten wird.3 Das bedeutet allerdings nicht, dass es zuvor keinen ähnlichen Begriff gab. Tatsächlich ist es in der Rechtsprechung seit Langem anerkannt, dass eine Gesundheitsbeschädigung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB keine physische Einwirkung auf den Körper des Verletzten voraussetzt, sondern auch psychisch zugefügt werden kann.4 Damals wurde dies unter dem Begriff „Schreckwirkung“ oder „Fernwirkungsschadens“5 erörtert.6 1 2 3 4

NK-BGB/Huber, BGB § 253 Rn. 64. BGHZ 56, 163. Schwintowski/Sedi/Sedi, ZfS 2012, 6, 9. BGH BeckRS 1968, 30379557.

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3. Kap.: Ansprüche der Angehörigen in Deutschland

Nach der jetzigen herrschenden Meinung sind die Schockschäden eine psychisch vermittelte Gesundheitsverletzung, die nicht einen der an dem jeweiligen Unfallgeschehen unmittelbar Beteiligten, sondern einen Dritten trifft, der einem Unfall als Zeuge beiwohnt oder vom Tod oder der schweren Verletzung eines Angehörigen benachrichtigt wird.7 Im BGB ist der Schaden eines Dritten jedoch grundsätzlich nicht ersatzfähig8 und die einzigen Ausnahmen bestehen in § 844 BGB „Ersatzansprüche Dritter bei Tötung“ und § 845 BGB „Ersatzansprüche wegen entgangener Dienste“. Die danach noch bestehende „Lücke“ zwischen der Rechtsgutsverletzung beim Opfer und der Gesundheitsverletzung eines Dritten wird aber durch die Grundsätze der „Schockschäden“ geschlossen.9 Wenn ein Dritter wegen des Todes einer nahestehenden Person auch selbst eine Gesundheitsbeeinträchtigung erleidet, dann ist dies kein „mittelbarer“ Schaden im eigentlichen Sinn, sondern ein unmittelbarer Eingriff in die Gesundheit.10 Daher stellen die Schockschäden keinen Abbruch der allgemeinen deliktsrechtlichen Grundsätze dar, da es sich bei Schockschäden gar nicht um einen „Drittschaden“, sondern um eine eigenständige Rechtsgutsverletzung handelt, deren Folgen auszugleichen sind.11 Die Schockschäden sind mit dem BGB dogmatisch kompatibel und beruhen auch auf § 823 i. V. m. § 253 Abs. 2 BGB.12 Deshalb werden die Schockschäden auch nicht durch die Einführung des Hinterbliebenengeldes in § 844 Abs. 3 BGB ausgeschlossen.13 Für das Vorliegen der Schockschäden sollten neben den Voraussetzungen von § 823 Abs. 1 und § 253 Abs. 2 BGB auch eigene spezifische Voraussetzungen erfüllt werden.

I. Voraussetzungen § 823 Abs. 1 BGB macht den Verursacher der Verletzung bestimmter geschützter Rechtsgüter – Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen – ersatzpflichtig. Für die Fälle der Schockschäden sind der Körper und die Gesundheit relevant. Der Begriff der Körperverletzung ist nach dem BGH weit auszulegen, er umfasst somit jeden unbefugten, weil von der Einwilligung des Rechtsträgers nicht gedeckten Eingriff in die Integrität der körperlichen Be-

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RGZ 133, 270, 272. Fischer, Der Schockschaden im deutschen Recht und im Common Law, S. 22 Fn. 7. 7 MükoBGB/Wagner, BGB § 823 Rn. 186. 8 MükoBGB/Oetker, BGB § 249 Rn. 149. 9 BGH NJW 2019, 2387, 2389. 10 BGHZ 56, 163, 168. 11 MükoBGB/Wagner, BGB § 823 Rn. 187; Looschelders, Schuldrecht AT, S. 374. 12 Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, Rn. 890. 13 BT-Drs.18/11397, S. 12. 6

§ 7 Schockschäden

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findlichkeit.14 Die Verletzung der Gesundheit ist die Beeinträchtigung der inneren Funktionen. Dazu zählen physische und psychische Erkrankungen, posttraumatische Belastungsstörungen und auch Beeinträchtigungen des Wohlbefindens.15 Die Unterscheidung dazwischen in der Praxis ist allerdings zweifelhaft und sogar ohne Bedeutung.16 Eine klare Abgrenzung zwischen Körperverletzung und Gesundheitsverletzung fällt schwer, ist aber wegen der identischen Rechtsfolgen irrelevant und wird daher nicht vorgenommen.17 In den Fällen der Schockschäden werden jedoch hauptsächlich psychische Beeinträchtigungen in Betracht gezogen, daher tritt dabei die Gesundheitsverletzung in den Vordergrund. Aber speziell zum Thema der Schockschäden wäre eine einfache Gesundheitsverletzung wenig hilfreich, denn die Anerkennung solcher Beeinträchtigungen als Gesundheitsverletzung widerspräche der Absicht des Gesetzgebers, die Deliktshaftung gerade in § 823 Abs. 1 BGB sowohl nach den Schutzgütern als auch nach den durch sie gesetzten Verhaltenspflichten auf klar umrissene Tatbestände zu beschränken und Beeinträchtigungen, die allein auf die Verletzung eines Rechtsgutes bei einem Dritten zurückzuführen sind, mit Ausnahme der §§ 844, 845 BGB ersatzlos zu lassen.18 Daher wurden in der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung ziemlich strikte Maßstäbe dafür gesetzt. 1. Seelische Erschütterung In der Regel hat jeder geistig normale Mensch unterschiedlich schwere negative Emotionen wie Trauer und seelischen Schmerz, wenn er mit dem plötzlichen Tod eines geliebten oder in einer engen Beziehung stehenden Menschen konfrontiert wird. Solche psychische Erschütterungen wie Trauer oder seelischer Schmerz, denen Betroffene beim Tod oder einer schweren Verletzung eines Angehörigen erfahrungsgemäß ausgesetzt sind, begründen auch dann nicht ohne Weiteres eine Gesundheitsverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB, wenn sie von Störungen der physiologischen Abläufe begleitet werden und für die körperliche Befindlichkeit medizinisch relevant sind. Darüber hinaus postuliert der BGH eine Erheblichkeitsschwelle, die die Beeinträchtigung des Dritten überschreiten muss, um als Gesundheitsverletzung restitutionsfähig zu sein.19 Die Schwelle basiert auf den psychischen Beeinträchtigungen, die normale Menschen beim Tod oder einer schweren Verletzung eines Angehörigen erfahrungsgemäß erleiden würden. Außerdem handelt es sich bei der Erheblich14

BGH NJW 2013, 3634, 3635; BGHZ 124, 52, 52. Jauernig/Teichmann, BGB § 823 Rn. 3. 16 Jauernig/Teichmann, BGB § 823 Rn. 3. 17 Fischer, Der Schockschaden im deutschen Recht und im Common Law, S. 40. 18 BGHZ 56, 163, 168; BGH NJW 1984, 1405; BGH NJW 2015, 1451, 1451; BGH NJW 2019, 2387; Stoll, Gutachten für den 45. Deutschen Juristentag, S. 19 ff. 19 MükoBGB/Wagner, BGB § 823 Rn. 188. 15

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3. Kap.: Ansprüche der Angehörigen in Deutschland

keitsschwelle nicht nur um die Schwere einer Verletzung, sondern auch die zeitliche Dimension, da auch eine nachhaltige Verletzung20 vorliegen muss. Deshalb muss die seelische Erschütterung naher Angehörigen eines bei einem Unfall Getöteten infolge der Nachricht von dem plötzlichen Unfalltod über „normale“ Schmerzen oder Trauer hinausgehen und bis zu einem Gesundheitsschaden reichen, was erfahrungsgemäß auch keine seltene Ausnahme darstellt.21 2. Krankheitswert Wie oben bereits erwähnt, ist die Verletzung der Gesundheit eine Beeinträchtigung der inneren Funktionen. Dazu zählen physische und psychische Erkrankungen, posttraumatische Belastungsstörungen und auch Beeinträchtigungen des Wohlbefindens.22 Aber in den Fällen von Schockschäden ist die Abgrenzung der Gesundheitsverletzung i. S. v. § 823 Abs. 1 BGB im üblichen Sinne nicht direkt und unbeschränkt zu übertragen. Stattdessen ist deren Bereich weiter zu begrenzen, was das eigentliche Problem der Schockschäden darstellt.23 Nur wenn dies pathologisch fassbar ist und deshalb nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als Verletzung der Gesundheit angesehen wird, ist es ausreichend für ein Schmerzensgeld aufgrund von Schockschäden. Die psychische Beeinträchtigung muss somit Krankheitswert erreichen. In einer Entscheidung vom 27. Januar 2015 betonte der BGH wiederholt die strengen Maßstäbe für die zu entschädigenden Schockschäden und führte aus, dass psychische Beeinträchtigungen infolge des Todes naher Angehörigen, auch wenn sie für die körperliche Befindlichkeit medizinisch relevant sein, nur dann als Gesundheitsverletzung i. S. v. § 823 I BGB angesehen werden können, wenn sie pathologisch fassbar sind und über die gesundheitlichen Beeinträchtigungen hinausgehen, denen Hinterbliebene bei der Benachrichtigung über einen tödlichen Unfall eines Angehörigen erfahrungsgemäß ausgesetzt sind.24 Eine – auch pathologische – bloße Störung bleibt danach entschädigungslos, wenn sie sich noch im Bereich einer normalen Trauerreaktion bewegt.25 Dies wurde eigentlich bereits im Urteil vom 11. Mai 1971 zum ersten Mal klargestellt, denn der Schutzzweck des § 823 Abs. 1 BGB deckt nur Gesundheitsschädigungen, die nach Art und Schwere die gesundheitlichen Beeinträchtigungen überschreiten, denen nahe Angehörige bei Todesnachrichten erfahrungsgemäß ausgesetzt sind.26 Das heißt, die Begrenzung der Schockschäden wurde bereits vom BGH zeitgleich mit dem Entstehen des Begriffs 20 21 22 23 24 25 26

BGHZ 93, 351, 355. BGH NJW 1971, 1883, 1884. Jauernig/Teichmann BGB § 823 Rn. 3. MükoBGB/Wagner, BGB § 823 Rn. 188. BGH NJW 2015, 1451, 1451. Thora, NJW 2015, 1452. BGHZ 56, 163.

§ 7 Schockschäden

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bestätigt und das Kriterium dafür wird bis heute beibehalten. In den nachfolgenden Entscheidungen wird das Kriterium weiterhin auf verschiedene konkrete Sachverhalte angewendet und der Anwendungsbereich auch erweitert, z. B., wenn das haftungsbegründende Ereignis kein Unfallereignis im eigentlichen Sinne, sondern eine fehlerhafte ärztliche Behandlung ist.27 3. Ein nahestehendes Verhältnis zum Getöteten In der höchstrichterlichen Rechtsprechung wird darüber hinaus anerkannt, dass es an dem für eine Schadensersatzpflicht erforderlichen Schutzzweckzusammenhang fehlt, wenn der Dritte, auf dessen Tod oder schwere Verletzung die psychischen Beeinträchtigungen des Betroffenen zurückgehen, diesem nicht persönlich nahesteht; auch insoweit verwirklicht sich allein ein – dem Schädiger nicht zurechenbares – allgemeines Lebensrisiko.28 Durch die Entscheidung vom 20. März 2012 wurde vom BGH verdeutlicht, dass die Rechtsprechung zu Schmerzensgeldansprüchen in Fällen psychisch vermittelter Gesundheitsbeeinträchtigungen mit Krankheitswert bei der Verletzung oder Tötung von Angehörigen oder sonst nahestehenden Personen (Schockschäden) nicht auf Konstellationen psychischer Gesundheitsbeeinträchtigungen im Zusammenhang mit der Verletzung oder Tötung von Tieren zu erstrecken ist.29 Bei den Schockschäden dient die enge personale Verbundenheit dazu, den Kreis derer zu beschreiben, die den Integritätsverlust des Opfers als Beeinträchtigung der eigenen Integrität und nicht als „normales“ Lebensrisiko der Teilnahme an den Ereignissen der Umwelt empfinden.30 Die Voraussetzung für die Schockschäden ist zunächst ein enges Angehörigenverhältnis zum Getöteten. Es besteht kein Zweifel, dass Ehegatten, eingetragene Lebenspartner i. S. d. LPartG, Eltern und Kinder zu diesem Kreis gehören. Darüber hinaus wird Letzterer im Schrifttum dahingehend erweitert, dass das nahestehende Verhältnis nicht dem Angehörigenverhältnis im familienrechtlichen Sinne gleichgestellt und darauf beschränkt sei, sondern beispielsweise ebenfalls Verlobte und Lebensgefährten einschließen sollte.31 Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts am 1. Oktober 2017 können zwei Personen des gleichen Geschlechts gemäß § 1353 Abs. 1 BGB auch die Ehe schließen. Dementsprechend können Lebenspartnerschaften zwischen zwei Personen gleichen Geschlechts nach dem 30. September 2017 nicht mehr nach § 1 LPartG begründet werden. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass Lebenspartner i. S. d. LPartG noch weiter existieren, wenn keine Umwandlung einer Lebenspartnerschaft 27 28 29 30 31

BGH NJW 2019, 2387. BGH NJW 2019, 2387, 2388; MüKoBGB/Oetker, BGB § 249 Rn. 194. BGH NJW 2012, 1730. BGH NJW 2012, 1730. Zur Gegenmeinung vgl. Huber, LMK 2012, 336116. MükoBGB/Oetker, BGB § 249 Rn. 153.

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3. Kap.: Ansprüche der Angehörigen in Deutschland

in eine Ehe durchgeführt wird. Daher gehören die noch bestehenden Lebenspartnerschaften auch zu den nahestehenden Personen. 4. Kein allgemeines Lebensrisiko Wegen der Besonderheit der Schockschäden, dass sich ein scheinbar „mittelbar“ Verletzte in einen „unmittelbar“ Verletzten umwandelt, ist insbesondere die Abgrenzung zum sogenannten allgemeinen Lebensrisiko zu erörtern. Der Begriff des allgemeinen Lebensrisikos kann auf zwei Ebenen verstanden werden: Auf der einen Ebene gehört es dogmatisch zur Haftungsbegrenzung durch das Kriterium des Schutzzwecks der Norm32 und kann als negativer Zurechnungsgrund mit selbständigem Inhalt gefüllt werden.33 Die Einstandspflicht eines Schädigers erstreckt sich nicht auf solche Folgeschäden seiner unerlaubten Handlung, die bei wertender Betrachtung nicht mehr in einem inneren Zusammenhang mit der Unfallverletzung des Geschädigten stehen, sondern mit dieser nur eine bloß zufällige äußere Verbindung haben und sich deshalb letztlich als Verwirklichung eines allgemeinen Lebensrisikos darstellen. Handelt es sich um die Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos, dann entfällt eine Ersatzpflicht durch den fehlenden Zusammenhanges zwischen der vom Schädiger geschaffenen Gefahrenlage und dem eingetretenen Schaden.34 nach diesem Verständnis wird die psychisch vermittelte Gesundheitsbeeinträchtigung infolge der Verletzung eines Haustieres in der Rechtsprechung als die Realisierung des allgemeinen Lebensrisikos angesehen und ihm zugeordnet.35 Auf der anderen Ebene kennzeichnet das allgemeine Lebensrisiko einen Bereich der Zuweisung des Schadens an den Inhaber des Rechtsguts, der von der normalen Haftung wegen Gefährdung oder Verschulden nicht durchbrochen wird.36 Nach dieser Sicht sind normale psychische Belastungen durch die Nachricht von einem Unfalltod einer Angehörigen schon relativ früh dem allgemeinen Lebensrisiko zugeschlagen worden.37 Deshalb kann das allgemeine Lebensrisiko sowohl für den Haftungsgrund als auch nur für den Haftungsumfang gelten. In anderen Extremfällen, wenn das schädigende Ereignis ganz geringfügig ist (Bagatelle), nicht gerade speziell die Schadensanlage des Verletzten betrifft und deshalb die psychische Reaktion im konkreten Fall, weil sie in einem groben Missverhältnis zu dem Anlass steht, nicht mehr verständlich ist,38 dann fehlt der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang. Gleiches gilt auch, wenn eine Bagatellverletzung psychische Folgewirkungen hat und die Ursachen und Folgen in 32 33 34 35 36 37 38

MüKoBGB/Oetker, BGB § 249 Rn. 194. Vgl. Deutsch, VersR 1993, 1041. BHHJ/Jahnke, BGB vor § 249 Rn. 35. BGH NJW 2012, 1730. Deutsch, VersR 1993, 1041, 1046. Deutsch, VersR 1993, 1041, 1046. BGH NJW 1996, 2425, 2426.

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einem groben Missverhältnis39 stehen. Im Fall eines Schlaganfalls des von der nicht schwer verletzten Tochter selbst zur Unfallstelle gerufenen Vaters lautet die Entscheidung, die psychische Einwirkung habe Schäden hervorgerufen, die nicht in einem angemessenen Verhältnis zum Anlass stehen.40 Deshalb fehlt hier auch der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang. Allerdings stellt der Unfalltod unter keinen Umständen eine Bagatellverletzung dar und ein grobes Missverhältnis ist eher selten. Beim Unfalltod fehlt jedoch manchmal auch der Zusammenhang. In einem vom BGH im Jahr 1984 entschiedenen Fall verschlimmert sich die Alkoholabhängigkeit einer Frau nach dem Unfalltod ihres Ehemannes nur deshalb, weil dieser nicht mehr stabilisierend auf sie einwirken kann. Dann steht ihr wegen der durch den Alkoholmissbrauch eintretenden Gesundheitsverletzung kein Schadensersatzanspruch gegen den Verursacher des Unfalles zu.41 Wenn der Angehörige des Getöteten vorher schon an einer Krankheit gelitten hat, dann kommt eine Unterbrechung des Kausalzusammenhangs in Betracht.

II. Kritik an Schockschäden Obwohl die Schockschäden den Angehörigen des Getöteten eine Möglichkeit bieten, die Leiden wegen des Verlusts einer nahen Angehörigen durch Geld auszugleichen, insbesondere dann, wenn das Opfer kurz nach der Verletzung ohne Bewusstsein verstirbt, wird ein übergehender Schmerzensgeldanspruch des Opfers selbst mit hoher Wahrscheinlichkeit verneint. Durch die Rechtsprechung zu den Schockschäden wird nur ein relativ kleiner Teil der Bevölkerung geschützt, welcher infolge psychischer Besonderheiten den Verlust eines Angehörigen durch die Schockschädigung besonders stark empfindet.42 Die relativ zurückhaltende Haltung der Rechtsprechung löste viel Kritik aus, die sich insbesondere auf zu harte Voraussetzungen konzentriert. 1. Über „normales“ Maß In der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung wird festgestellt, dass psychische Beeinträchtigungen infolge des Todes naher Angehöriger nur dann als Gesundheitsverletzung i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB angesehen werden können, wenn sie pathologisch fassbar sind und über die gesundheitlichen Beeinträchtigungen hinausgehen, denen Hinterbliebene bei der Benachrichtigung von einem tödlichen

39 40 41 42

BGH NJW 1998, 810, 811 f. OLG Nürnburg r+s 2006, 395. BGH NJW 1984, 1405. Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, S. 237.

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3. Kap.: Ansprüche der Angehörigen in Deutschland

Unfall eines Angehörigen erfahrungsgemäß ausgesetzt sind.43 Nur sollen die Voraussetzungen für Schockschäden erfüllt sein. Außerdem muss die Gesundheitsverletzung schwer und nachhaltig sein44 und ein Krankheitswert erreicht werden. Mit der Wortwahl „normale Menschen“ und „erfahrungsgemäß“ macht der BGH in der Rechtsprechung deutlich, dass sich solche psychische Belastungen außerhalb des Anwendungsbereichs der Schockschäden befinden, wenn die Reaktion einer Person bei der Nachricht des Verlusts eines Angehörigen aus der Perspektive eines vernünftigen Dritten in der Gesellschaft als unnormal angesehen wird. Jaeger kritisiert die Entscheidung des BGH heftig, da der von der Rechtsprechung geforderte eigenständige Krankheitswert nicht mehr in die Jetztzeit passe, konservativ und willkürlich sei.45 Wenn ein Anspruch auf Schockschäden ausgeschlossen sein sollte, sofern Trauer und Schmerzen der Angehörigen dem entsprechen, was normalerweise beim Tod eines nahen Angehörigen empfunden wird, ist dennoch zu fragen, welche Reaktion die Rechtsprechung als „normal“ aussieht. Immerhin geht es um Fälle, in denen ein naher Angehöriger durch einen Unfall oder durch eine Straftat getötet wurde, was nicht „normal“ ist. Wie kann man fragen, was ein Mensch beim Tod einer nahen Angehörigen empfinden soll? Normalerweise wäre der Angehörige zu dieser Zeit nicht gestorben und hätte auch keinen gewaltsamen Tod erlitten. Regelmäßig sterben Menschen alters- und krankheitsbedingt und damit gewissermaßen mit einer Vorankündigung für die Angehörigen, sodass diese die Entwicklung schon vorhersehen und auf diese schlimme Nachricht vorbereiten sowie verabschieden können. Das alles fehlt beim Unfalltod.46 Deshalb kann bei der Reaktion auf den Unfalltod nicht von einer normalen Reaktion gesprochen werden.47 Schwintowski übt Kritik auch an die Haltung, dass nur diejenigen, die unter dem Schicksalsschlag zusammenbrechen, die eine „echte körperliche“ oder „geistigseelische Gesundheitsschädigung“ erleiden, mit einem Schmerzensgeld rechnen können. Diese Argumentation verhöhnt die psychisch starken Angehörigen.48 Menschen unterscheiden sich nicht nur durch körperliche, sondern auch in der psychischen Stärke. Beim Unfalltod naher Angehörigen erleidet man schwere psychische Störungen und lebenslange Schmerzen. Bei manchen Menschen führen diese zur Gesundheitsschädigung mit Krankheitswert, bei den anderen zum Glück nicht. Allerdings kann man nicht davon ausgehen, dass die Angehörigen, bei den sich das psychische Leid nicht zur Gesundheitsschädigung entwickelt, weniger Schmerzen und Trauer erlitten haben. Der einzige Grund für den Unterschied liegt darin, dass sie psychisch stärker sind, das traurige Schicksal überwinden wollten und 43 BGHZ 56, 163; BGH NJW 1984, 1405; NJW 1989, 2317, 2318; NJW 2015, 1451, 1452; NJW 2019, 2387, 2388. 44 BGHZ 93, 351, 355. 45 Jaeger, VersR 2017, 1041, 1045. 46 Jaeger, VersR 2017, 1041, 1045. 47 Jaeger/Luckey, Das neue Schadensersatzrecht, Rn. 79. 48 Schwintowski, VuR 2016, 18, 19.

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dies wirklich geschafft haben. Die psychische Stärke sollte nicht negativ bewirken, einen Schmerzensgeldanspruch zu verneinen. Um die Anspruchsvoraussetzungen zu erfüllen, muss der Schockgeschädigte immer negativ eingestellt bleiben, sich den Schmerzen überlassen und die Ablenkung aufgeben, sogar wenn er Gelegenheiten zur Wiederherstellung hat, denn nur daraus erwächst eine entsprechende Gesundheitsschädigung. Deshalb wird die Rechtsprechung des BGH von Schwintowski als „menschenverachtend“49 bezeichnet. 2. Kreis der Anspruchsberechtigten zu eng Nach der ständigen Rechtsprechung ist die Existenz einer persönlichen Nähebeziehung zwischen primärem Opfer und Schockgeschädigtem eine der erforderlichen Voraussetzungen für den Schockschadenanspruch. Der Schockgeschädigte kann ein Angehöriger oder sonst dem Betroffenen nahestehender Mensch sein.50 Aber die Nähebeziehung darf nicht den Angehörigen im familienrechtlichen Sinne (Eheleute, Eltern bzw. Kinder, Lebenspartner i. S. v. LPartG) gleichgestellt werden.51 Der berechtigte Personenkreis umfasst in der Schweiz Familienangehörige (Ehegatten und Verlobte, Kinder, Geschwister, Eltern), in Frankreich und Italien auch faktische Familienangehörige wie Pflegekinder und Lebensgefährten.52 Nach einem Vorschlag im Schrifttum sollte der Kreis um Verlobte und Lebensgefährten53 sowie verfestigte nichteheliche Lebensgemeinschaften54 erweitert werden. Ein Grund für die Erweiterung des Kreises der Anspruchsberechtigten besteht darin, dass die Rechtsprechung bereits relativ strenge Voraussetzungen für die Schockschäden festgelegt hat. Daher scheint eine weitere Einschränkung der persönlichen Nähebeziehung unnötig und unverständlich zu sein, denn bei besonders schweren Unfällen, die unmittelbar miterlebt werden, kann sogar völlig Fremden ein ersatzfähiger Schockschaden zugebilligt werden.55 Daher sollte es auf die tatsächlich erlittenen psychischen Schäden und nicht auf die Nähebeziehung ankommen. Beim Verlust eines Geschwisters oder der Freundin/des Freundes, durch den die Lebenden große Schmerzen erleiden, die über „normales“ Maß hinausgehen und pathologisch fassbar sind, gibt es keinen Grund, den Schockschadenanspruch zu verneinen. Nach einer Auffassung für die Einschränkung der persönlichen Nähebeziehung ist hier nicht ein juristisches Kernproblem entscheidend, denn es lasse sich nicht wie bei einem Knochenbruch unter dem Röntgengerät objektivieren, ob die behaupteten 49 50 51 52 53 54 55

Schwintowski, VuR 2016, 18, 20. BGH NJW 2012, 1730, 1731. MükoBGB/Oetker, BGB § 249 Rn. 153; MüKoBGB/Wagner, BGB § 823 Rn. 191. Kadner, ZEuP 1996, 135, 148. MükoBGB/Oetker, BGB § 249 Rn. 153. Quaisser, NZV 2015, 465, 466. BGHZ 172, 263, 268. Vorher offengelassen in BGH NJW 1986, 777, 778.

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3. Kap.: Ansprüche der Angehörigen in Deutschland

Beschwerden tatsächlich vorliegen und zumindest mit unfallbedingt sind.56 Daher sollen solche Einschränkungen auch die Möglichkeit beseitigen oder zumindest verringern, dass die fehlende Objektivierbarkeit missbraucht werden. Diese Sichtweise stellt jedoch im Wesentlichen eine Herausforderung für das gesamte System des Ersatzes immaterieller Schäden dar, da die damit verbundenen Probleme dieses gemeinsam betreffen und sich nicht nur auf die Schockschäden beziehen. Um einen solchen Missbrauch zu vermeiden, kann der Kreis der Anspruchsberechtigten nicht ohne Einschränkungen bleiben. Vielmehr ist sinnvoll und erforderlich, eine Grenze zwischen Anspruchsberechtigten und anderen, z. B. gewöhnlichen Freunde, Kollegen, entfernten Verwandte usw. zu ziehen. Eine übermäßige Einschränkung dieses Kreises erscheint jedoch nicht erforderlich. Darüber hinaus zeigt das Hinterbliebenengeld gemäß § 844 Abs. 3 BGB ein gutes Beispiel, dass dann, wenn der Hinterbliebene der Ehegatte, der Lebenspartner, ein Elternteil oder ein Kind des Getöteten war, ein besonderes persönliches Näheverhältnis vermutet wird. Die vier Menschengruppen dienen nur als Beispiele und ein besonderes persönliches Näheverhältnis beschränkt sich nicht ausschließlich auf diese. Theoretisch kann jeder Mensch einen Anspruch auf Hinterbliebenengeld geltend machen, wenn er ein solches Verhältnis beweisen kann.57 Wie dies der Entwurf des Gesetzes zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld formuliert, gibt es heute zwar verschiedene Familiensituationen, z. B. die sog. Patchwork-familie, die zwar dem familienrechtlichen Standard nicht entsprechen, zwischen deren Mitgliedern aber tatsächlich ein besonderes persönliches Näheverhältnis besteht.58 Das Verhältnis sollte kein Hindernis darstellen, wenn es bewiesen werden kann. Außerdem können z. B. Partner einer ehe- oder lebenspartnerschaftsa¨ hnlichen Gemeinschaft, Verlobte (auch im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Stief- und Pflegekinder sowie Geschwister des Getöteten zum Kreis der Anspruchsberechtigten gehören.59 Die Behandlung eines besonderen persönlichen Näheverhältnisse beim Hinterbliebenengeld stellt auch ein gutes Vorbild für die Schockschäden dar, wobei nur die Intensität der tatsächlich gelebten Beziehung entscheidend ist. Gleichzeitig ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Kreis der gesetzlichen Erben nicht zu übertragen ist, da im Erbrecht ein Eingriff des Staats in die Verteilung des Erbes möglichst vermieden werden sollte. Daher wäre es besser, den Nachlass einem dem Erblasser kaum noch bekannten entfernten Verwandten zuzuwenden60, als dem Staat zu überlassen. Aber die Schockschäden zielen auf solche Personengruppe ab, die den Integritätsverlust des Opfers als Beeinträchtigung der eigenen Integrität

56 57 58 59 60

Elsner, NJW 2007, 2764, 2766. Wagner, NJW 2017, 2641, 2644. BT-Drs. 18/11397, S. 15. BT-Drs. 18/11397, S. 13. Schmoeckel, Erbrecht, S. 73.

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empfinden,61 während ein dem Opfer kaum bekannter entfernter Verwandten außer Betracht bleibt. Daher ist der Kreis der Anspruchsberechtigten bei Schockschäden in gewissem Maße zu erweitern, wobei dies aber nicht übertrieben werden darf. 3. Beweislast Um einen Schockschadensanspruch geltend zu machen, müssen die Angehörigen beweisen, dass bei ihnen eine Gesundheitsschädigung eingetreten ist, die auch pathologisch fassbar ist. Damit dies gelingt, sind zahlreiche medizinische Überprüfungen sowie Gutachten unvermeidbar. Durch ständige Fragen und Bitten um Auskünfte erinnern sich die lebenden Angehörigen stets an den Verlust eines nahen Angehörigen und die eigene psychische Störung, wodurch sogar eine erneute psychische Verletzung verursacht werden könnte. Der Vorgang widerspricht genau dem Ziel des Schmerzensgeldes, sich von dem Unglück abzulenken und das Wohlbefinden zu erhöhen. Damit erscheint die Beweispflicht der Angehörigen unangemessen, da sie nicht in Bezug auf die Schmerzen tröstet, sondern eventuell erneute psychische Schädigung verursacht. 4. Kein spezifischer Anspruch für Angehörigen des Unfallopfers Obgleich keine gesetzliche Definition von Schockschäden besteht, gibt es in der Rechtsprechung kaum Streit über ihre Voraussetzungen. Die betrifft nicht nur die Personen, die einen Schock wegen des Todes oder der schweren Verletzung eines Angehörigen erleiden, sondern Dritte, die einem Unfall als Zeuge beiwohnt haben.62 Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 22. Mai 2007 die psychische Gesundheitsbeeintra¨ chtigung eines Polizisten, der mit ansehen musste, wie die Insassen der beteiligten Unfallfahrzeuge verbrannten, ohne helfend eingreifen zu können, verneint, weil dieser an dem eigentlichen Unfallgeschehen nicht beteiligt war.63 Der Geschädigte war im vorliegenden Fall Polizist, daher sei das allgemeine Berufsrisiko verwirklicht worden, das als ein Unterfall des allgemeinen Lebensrisikos gilt.64 Eine normale Person hat einen Ersatzanspruch wegen Schockschäden, wenn sie als Schockgeschädigte selbst unmittelbar an einem Unfall beteiligt ist. Ob ein Angehörigenverhältnis zum primären Geschädigten besteht, ist nicht von Bedeutung. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass das Verletzungsereignis nicht zum Tod führen muss, sondern bereits eine schwere Verletzung ausreicht, um die Voraussetzungen der Schockschäden zu erfüllen.65 Bei einer schweren Verletzung wird 61

BGH NJW 2012, 1730 Rn. 8. MükoBGB/Wagner, BGB § 823 Rn. 186; Quaisser, NZV 2015, 465, 465. 63 BGHZ 172, 263, 263 f. 64 BGHZ 172, 263, 265. 65 Slizyk, Schmerzensgeld 2020, Rn, 301; MükoBGB/Wagner, BGB § 823 Rn. 186; BGHZ 93, 351. 62

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3. Kap.: Ansprüche der Angehörigen in Deutschland

dem Verletzten wahrscheinlich gemäß § 253 Abs. 2 i. V. m § 823 Abs. 1 BGB ein eigener Schmerzensgeldanspruch zustehen, während dies bei Unfalltod zweifelhaft ist. Deshalb begründen die Schockschäden keinen spezifischen Anspruch für die Angehörigen des Unfallopfers, sondern ein pauschales Institut, das unter strengen Voraussetzungen auch für diese anwendbar ist. Die strengen Voraussetzungen ergeben, dass ein Schmerzensgeldanspruch aufgrund von Schockschäden für die Angehörigen des Getöteten normalerweise einen Ausnahmefall darstellt. Dadurch genießen die Angehörigen des Unfallopfers keinen spezifischen Schutz, der ihnen hilft, sich von den Schmerzen abzulenken und das Unglück zu überwinden. Als das ranghöchste Rechtsgut verdient das Leben mehr Aufmerksamkeit und Schutz. Wenn es verletzt ist, sollten die Angehörigen des Opfers auch durch stärkere Maßnahmen geschützt werden. Wie kann das Leben sonst als das ranghöchste Rechtsgut bezeichnet werden?

III. Kein Angehörigenschmerzensgeld Art. 2 Abs. 2 GG lautet: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“ In § 823 Abs. 1 BGB wird auch zunächst das Leben als eines der geschützten Rechtsgüter genannt. Damit ist das Leben das ranghöchste Rechtsgut.66 Grundsätzlich sollte das ranghöchste Rechtsgut auch den besten Schutz durch das Gesetz genießen und der rechtswidrige Eingriff in das Leben sollte die stärkste Rechtsfolge verursachen. Aber im Gegensatz dazu nennt § 253 Abs. 2 BGB das Leben absichtlich nicht. Wie bereits besprochen, stand den meisten Angehörigen bei unmittelbarem Tod und kurzer Überlebenszeit ohne Bewusstsein des Unfallopfers kaum ein Schmerzensgeldanspruch zu, womit das Leben tatsächlich nur sehr schwach geschützt wurde. Danach entsprach der praktische Wert des Lebens nicht seinem höchsten Rang, was auch der Wertung der Alltagsmenschen widersprach und ein Gefühl von Ungerechtigkeit verursachte. Ironische Aussagen in der deutschen Literatur lauteten etwa, der Verursacher eines Verkehrsunfalls habe „Glück gehabt“, wenn sein Opfer verstirbt und keine unterhaltsberechtigten Angehörigen hinterlässt,67 oder, eine Tötung komme billiger als eine bloße Verletzung.68 Außerdem stellte sich die Frage, wie das deutsche Recht mit demjenigen der anderen EU-Länder zu harmonisieren war, wenn 25 europäische Länder bereits das Angehörigenschmerzensgeld anerkannten, darunter z. B. Frankreich, Italien, Österreich und Spanien.69 Wenn das deutsche Recht mit seinem Standpunkt in Europa weitgehend isoliert sein sollte,70 hätte dies eine Herausforderung für das deutsche Recht bedeutet. 66 67 68 69

MükoBGB/Wagner, BGB § 823, Rn. 165. Wagner, Neue Perspektiven im Schadensersatzrecht, S. A 61. Medicus, JZ 2006, 805, 808; Deutsch, NJW 1993, 781, 784. Kadner-Graziano, RIW 09/2015, 549, 555; Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, Rn. 482.

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Daher wurde in den letzten Jahrzehnten in der Literatur vorgeschlagen, die Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden unabhängig von der Verletzung eines personenbezogenen Rechtsguts zu erweitern. Im Mittelpunkt der Diskussion stand das sog. Angehörigenschmerzensgeld.71 Weil die große Mehrheit der europäischen Staaten ein solches anerkannt hat bzw. in absehbarer Zeit anerkennen würde, wäre es aus der europäischen Perspektive von Vorteil gewesen, sich der Mehrheit der Staaten bereits mit der Schadensersatzrechtsreform anzupassen und ein eng umgrenztes Angeho¨ rigenschmerzensgeld gesetzlich zu verankern.72 Außerdem wurde das Angehörigenschmerzensgeld nicht als Systemabbruch angesehen und seine Einführung diente auch einer EU-Harmonisierung.73 Unter Leitung der damaligen Staatsministerin Beate Merk fand am 29. Oktober 2010 ein rechtspolitisches Fachgespräch über das Schmerzensgeld für Angehörigen in München statt. Es führte zu dem Ergebnis, dass die Harmonisierung mit dem europäischen Schadensersatzrecht und die Systemgerechtigkeit für das Schmerzensgeld für Angehörigen sprechen, mit dem Schmerzensgeld die soziale Stellung der Angehörigen als Mitgeschädigte anerkannt und ihnen bei der Verarbeitung eines schrecklichen Geschehens geholfen werden könnte.74 Der 50. Verkehrsgerichtstag im Jahr 2012 befasste sich in seinem Arbeitskreis I mit dem Thema „Ansprüche naher Angehöriger von Unfallopfern“75 und empfahl das Schmerzensgeld für Angehörige. Die Empfehlung des Arbeitskreises I lautete: „Eine finanzielle Entschädigung für nächste Angehörige Getöteter kann als Symbol für Mitgefühl mit dem seelischen Leid Genugtuung schaffen und ein Gefühl von Gerechtigkeit vermitteln. Die nach der Rechtsprechung gegebenen Ansprüche Angehöriger wegen eines Schockschadens werden dem derzeit nicht gerecht. In den Fällen fremd- verursachter Tötung eines nahen Angehörigen soll ein Entschädigungsanspruch für Ehe- und Lebenspartner sowie Eltern und Kinder geschaffen werden. Nach Auffassung des Arbeitskreises sollte dieser durch die Legislative entwickelt werden. Die Bemessung sollte den Gerichten nach den Umständen des Einzelfalls überlassen bleiben.“76

Die Einführung eines Angehörigenschmerzensgeldes in das Gesetz war nach dieser Empfehlung nicht nur hilfreich, sondern auch gerecht und erforderlich.

70

Wagner, ZEuP 2015, 869, 882. Wagner, in: FS Stürner 2013, S. 231 ff.; Schubert, in Karlsruher Forum 2016, 1, 28 ff. 72 Janssen, ZRP 2003,156, 159. 73 Jeinsen, ZfS 2008, 61, 65 ff. 74 Schultzky, VersR 2011, 857, 860 f. 75 Born, NZV 2012, 118, 118 f. 76 50. Deutscher Verkehrsgerichtstag Empfehlung, S. 1, https://www.deutscher-verkehrsge richtstag.de/images/empfehlungen_pdf/empfehlungen_50_vgt.pdf, zuletzt abgerufen am 10. 02. 2021. 71

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3. Kap.: Ansprüche der Angehörigen in Deutschland

Am 15. Februar 2012 hat das Bayerische Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BStMJV) einen Diskussionsentwurf77 mit dem Ziel erstellt, einen § 844a „Ersatzansprüche nächster Angehöriger wegen immaterieller Schäden“ in das BGB einzufügen. Durch den 50. Verkehrsgerichtstag und den Gesetzentwurf des BStMJV wurde das Thema des Angehörigenschmerzensgeldes wieder in den Fokus gestellt. Im selben Jahr wurden auch mehrere Aufsätze zum Thema veröffentlicht: Nach Ansicht von Huber bestehe für die Etablierung eines Trauerschmerzensgeldes im deutschen Schadensersatzrecht eine dringende Notwendigkeit bestehe.78 Kuhn stimmte ebenfalls der Einführung des Angehörigenschmerzensgeldes zu, aber nur für Angehörige des Verstorbenen, nicht dagegen für Angehörige Schwerstverletzter. Außerdem solle es sich bei den Zahlungen an Angehörige um symbolische Leistungen handeln.79 Nach Luckeys Meinung nahm das deutsche Recht gerade im europäischen Vergleich eine eher restriktive Rolle ein. Das Prinzip, nur bei eigener Rechtsgutsverletzung Ersatzansprüche zu gewähren, und eine Zurückhaltung der Rechtsprechung bei der Zurechnung psychisch vermittelter Beeinträchtigung führten dazu, dass Angehörige von Unfallopfern kaum einen angemessenen Ausgleich für immaterielle Schäden erlangen konnten.80 Mit der Zahlung des Angehörigenschmerzensgeld werde gezeigt, dass ein Tod mehr als Beerdigungskosten und entgehenden Unterhalt auslöse. Eine solche Geste stünde der vielfach als kalt empfundenen Rechtsordnung gut. Mit der Einführung eines Angehörigenschmerzensgeldes würde das Recht um eine menschliche Dimension erweitert.81 Am 1. Januar 2015 hat das Bayerische Staatsministerium der Justiz (BStMJ) wiederum einen Gesetzentwurf82 für das Angehörigenschmerzensgeld eingebracht. Der Inhalt des § 844a BGB de lege ferenda aus dem Jahr 2012 wurde hauptsächlich aufrechterhalten, allerdings mit einer Begrenzung des Anwendungsbereichs nur auf die Tötung.

77 BStMJV, Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der zivilrechtlichen Rechtsstellung der Angeho¨ rigen von Unfallopfern, S. 3 ff., https://www.justiz.bayern.de/media/ gesetzentwurf_verb_zivilrechtl_rechtstellung_unfallopfer.pdf, zuletzt abgerufen am 10. 02. 2021. 78 Huber, NZV 2012, 5, 11. 79 Kuhn, SVR 2012, 288, 290. 80 Luckey, SVR 2012, 1, 1. 81 Hoppenstedt/Stern, ZRP 2015, 18, 21. 82 BStMJ, Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der zivilrechtlichen Rechtstellung der Angehörigen von Unfallopfern und zur Änderung des § 1374 Absatz 2 BGB, S. 3 ff., https: //www.justiz.bayern.de/media/pdf/gesetze/gesetzentwurf_angehoerigenschmerzensgeld.pdf, zuletzt abgerufen am 10. 02. 2021.

§ 8 Das Hinterbliebenengeld

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§ 8 Das Hinterbliebenengeld I. Trauriger Anreiz: Germanwings-Absturz am 24. Mai 2015 Am 24. Mai 2015 zerschellte das Flugzeug vom Typ Airbus A320 – 211 der Fluggesellschaft Germanwings auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf in Südfrankreich. An Bord waren 144 Passagiere aus 18 Ländern und sechs Besatzungsmitglieder, die alle ums Leben kamen.83 Dabei waren die Schadensersatzansprüche der Opfer und ihrer Hinterbliebenen nach verschiedenen Rechtsordnungen zu beurteilen. So konnte es dazu kommen, dass spanische Angehörige der Opfer des Flugzeugabsturzes Schmerzensgeld erhielten, die Angehörigen deutscher Opfer aber nicht.84 Außerdem war ein Angehörigenschmerzensgeld seit Langem im französischen Recht verankert.85 Nach dem damaligen deutschen Recht waren den Angehörigen neben den Beerdigungskosten (§ 844 Abs. 1 BGB) und entgangenem Unterhalt (§ 844 Abs. 2 BGB) lediglich qua Erbfolge übergegangene Schmerzensgeldansprüche der Opfer (§ 36 S. 2, 45 LuftVG) sowie Schockschäden zu ersetzen.86 Ein solcher Unterschied der Schadensersatzansprüche für die Opfer desselben Flugzeugunglücks war für die Angehörigen sehr schwer zu verstehen und verursachte ein Gefühl von Ungerechtigkeit. Dies spiegelte auch die Unterschiede zwischen dem deutschen Recht und dem Recht anderer EU-Länder wider. Dabei ist festzuhalten, dass die zunehmende und grundfreiheitlich abgesicherte Mobilität die Deutschen in immer stärkerem Maße mit ausländischem Schadensersatzrecht konfrontierte.87 Dieser eindeutige Gegensatz hat der Ersatz immaterieller Schäden in deutschem Recht wieder in den Vordergrund gerückt und die Kritik war endlos. Klar erkennbar ist, dass nicht nur die Rechtswissenschaftler und die Regierung, sondern auch die Rechtspraxis selbst für ein Schmerzensgeld für Angehörige oder einen ähnlichen Mechanismus plädierten. Diese Aufgabe war vom Gesetzgeber zu erfüllen. Daher gab der Germanwings-Absturz am 24. Mai 2015 einen traurigen Anreiz zur Reform des Ersatzes immaterieller Schäden im deutschen Recht.

II. Das Gesetzgebungsverfahren und der Inhalt Am 23. Dezember 2016 legte das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Einführung eines

83 BEA, Abschlussbericht Unfall am 24. März 2015, S. 8 ff., https://www.bea.aero/uploads/ tx_elydbrapports/BEA2015-0125.de-LR.pdf, zuletzt abgerufen am 10. 02. 2021. 84 Wagner/Bsaisou, JURA 2016, 579, 593. 85 Staudinger, NJW 2006, 2433, 2435. 86 Weller/Rentsch/Thomale, NJW 2015, 1909, 1914. 87 Staudinger, NJW 2006, 2433, 2435.

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3. Kap.: Ansprüche der Angehörigen in Deutschland

Anspruchs auf Hinterbliebenengeld vor.88 Am 7. Februar 2017 wurde der Referentenentwurf von der Bundesregierung als Gesetzentwurf angenommen und vorgelegt.89 Am 7. März 2017 wurde der Entwurf mit dem gleichen Inhalt durch die Fraktionen der CDU/CSU und SPD vorgelegt.90 Am 17. Juli 2017 wurde das „Gesetz zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld“ vom Bundestag beschlossen und am 21. Juli 2017 im Bundesgesetzblatt verkündet.91 Dieses neue Gesetz trat am 22. Juli 2017 in Kraft.92 Das Gesetz zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld beinhaltet insgesamt zwölf Paragrafen. Am wichtigsten ist § 1, mit dem zunächst § 844 BGB um einen neuen Absatz 3 erweitert wird, der lautet: „Der Ersatzpflichtige hat dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das dem Hinterbliebenen zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten. Ein besonderes persönliches Näheverhältnis wird vermutet, wenn der Hinterbliebene der Ehegatte, der Lebenspartner, ein Elternteil oder ein Kind des Getöteten war.“ Durch § 2 und § 3 sowie § 5 bis § 10 des Gesetzes wird das Hinterbliebenengeld jeweils in § 86 Abs. 3 AMG, § 32 Abs. 4 GenTG, § 7 Abs. 3 ProdHaftG, § 12 Abs. 3 UmweltHG, § 28 Abs. 3 AtG, § 10 Abs. 3 StVG, § 5 Abs. 3 HPflG, § 35 Abs. 3 LuftVG angefügt und die entsprechenden Veränderungen werden vorgenommen. Durch § 4 wird § 43 in EGBGB angefügt und durch § 11 wird § 1 Abs. 1 LuftRAAbkDG auch entsprechend geändert. § 12 regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.93 Im Unterschied zu dem Diskussionsentwurf des BStMJV aus dem Jahr 2012 und dem Gesetzentwurf des BStMJ aus dem Jahr 2015 wurde kein § 844a in das BGB eingefügt, sondern § 844 BGB um einen neuen Absatz 3 erweitert. Statt eines selbständigen Hinterbliebenenparagrafen wird das Hinterbliebenengeld den Ersatzansprüchen Dritter bei Tötung unterstellt, was einer besseren Harmonisierung des Hinterbliebenengeldes im BGB dient.

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BMJV, Referentenentwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld. https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RefE_ Hinterbliebenengeld.pdf?__blob=publicationFile&v=1, zuletzt abgerufen am 11. 02. 2021. 89 Bundesregierung, Gesetzentwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld. https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/ RegE_Hinterbliebenengeld.pdf?__blob=publicationFile&v=3, zuletzt abgerufen am 11. 02. 2021. 90 BT-Drs. 18/12421. 91 BGBl. I 2017, S. 2421 ff. 92 BGBl. I 2017, S. 2423. 93 BGBl. I 2017, S. 2421 ff.

§ 8 Das Hinterbliebenengeld

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III. Voraussetzung 1. Unerlaubte Handlungen Die Hinterbliebenengeld-Vorschrift des § 844 Abs. 3 BGB gehört zum Titel „Unerlaubte Handlungen“, weshalb ein Anspruch auf Hinterbliebenengeld nur dann begründet werden kann, wenn sämtliche Voraussetzungen der betreffenden unerlaubten Handlung vorliegen. Das heißt, durch die Person des Anspruchsgegners müssen die haftungsbegru¨ ndenden Voraussetzungen einer der deliktsrechtlichen Haftungen nach den §§ 823 ff. BGB erfüllt sein.94 Die unerlaubten Handlungen im BGB setzen grundsätzlich das Verschulden des Schädigers voraus, allerdings mit einer Ausnahme bei der Haftung des Tierhalters gemäß § 833 S. 1 BGB. Nach § 2 ff. Gesetz zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld ist das Hinterbliebenengeld auch im AMG, GenTG, ProdHaftG usw. eingeführt, weswegen es auch für die Gefährdungshaftung gilt. Dies führt schließlich zu dem Ergebnis, dass ein Anspruch auf Hinterbliebenengeld nicht nur bei der deliktischen Verschuldenshaftung, sondern auch bei der Gefa¨ hrdungshaftung gewährt wird.95

2. Todesfall Anstatt eines Angehörigenschmerzensgeldes, das häufiger in der Literatur besprochen wird,96 hat der Gesetzgeber tatsächlich ein „Hinterbliebenengeld“ etabliert. „Hinterbliebenen“ ist kein neuer Begriff im deutschen Recht, denn der besteht bereits in SGB, SVG, BVG, AbgG, BeamtVG usw. Mit der Bezeichnung wird klargestellt, dass nur nächste Angehörige eines Verstorbenen einen Anspruch darauf haben können. Deshalb setzt ein Anspruch auf Hinterbliebenengeld einen Todesfall voraus, und die Fälle der Körperverletzung und Gesundheitsschädigung kommen nicht in Betracht. Wenn der Tod nicht sofort, sondern erst mit zeitlicher Verzögerung als mittelbare Folge einer durch die unerlaubte Handlung beigebrachten Körperverletzung eintritt, dann kann die Feststellung der Kausalität der unerlaubten Handlung für die Tötung problematisch sein.97 Je größer der zeitliche Abstand zwischen Körperverletzung und Todeseintritt ist, umso zweifelhafter wird der Zusammenhang.98 Die Kausalität ist unter Zugrundelegung der Kriterien der Adäquanz sowie des Schutzzwecks der Norm zu recherchieren.99 Aber hier ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die 94

BT-Drs. 18/11397, S. 13. BT-Drs. 18/11397, S. 10. 96 Vgl. Janssen, ZRP 2003, 156; Jeinsen, ZfS 2008, 61; Huber, NZV 2012, 5; Schwintowski/ Sedi/Sedi, ZfS 2012, 6; Wagner, in: FS Stürner 2013, S. 231 ff.; Hoppenstedt/Stern, ZRP, 2015, 18. 97 BT-Drs. 18/11397, S. 13. 98 Vgl. Staudinger BGB/Ro¨ thel, § 844 Rn. 44. 99 BT-Drs. 18/11397, S. 13. 95

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3. Kap.: Ansprüche der Angehörigen in Deutschland

Kausalität zwischen der unerlaubten Handlung und dem Todesergebnis nicht der Frage gleichgestellt werden kann, ob ein Anspruch auf Schmerzensgeld des Opfers selbst nach § 253 Abs. 2 BGB beim Tod mit kurzer Überlebenszeit zugesprochen werden sollte. Diese beiden Fragestellungen sind nicht zu verwechseln. 3. Ein besonderes persönliches Näheverhältnis § 844 Abs. 3 S. 1 BGB setzt ein besonderes persönliches Näheverhältnis voraus. Das Adjektiv „besonderes“ deutet an, dass es sich um eine Steigerungsform handeln muss, die über die Tiefe und Intensität freundschaftlicher Verbindungen in der Sozialspha¨ re, das heißt in Beruf, Sport und Freizeit, deutlich hinausgeht.100 Das abstrakte Adjektiv hilft jedoch nicht dabei, die Rechtssicherheit, Vorhersehbarkeit und justizielle Effektivität zu optimieren. Um die Über- und Unterinklusivita¨ t der Regelung zu vermeiden101 hat der Gesetzgeber eine gesetzliche Vermutung in S. 2 geregelt. Wenn der Hinterbliebene der Ehegatte, der Lebenspartner, ein Elternteil oder ein Kind des Getöteten war, wird ein besonderes persönliches Näheverhältnis vermutet. Der anspruchsberechtigte Personenkreis ist allerdings nicht darauf beschränkt. Die gesetzliche Vermutung in § 844 Abs. 3 S. 2 BGB wird nur als ein Vorbild für ein besonderes persönliches Näheverhältnis angesehen. Für das Vorliegen eines solchen ist die Intensität der tatsächlich gelebten sozialen Beziehung entscheidend.102 Den Personen, die sich außerhalb der gesetzlichen Vermutung befinden, aber tatsächlich in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis zu dem Getöteten standen, wird auch ein Anspruch auf Hinterbliebenengeld zugesprochen. Die Gesetzesbegru¨ ndung führt aus: „Wenn dies vorliegt, können z. B. Partner einer ehe- oder lebenspartnerschaftsa¨ hnlichen Gemeinschaft, Verlobte (auch im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Stief- und Pflegekinder sowie Geschwister des Getöteten zum Kreis der Anspruchsberechtigten gehören.“103 Der Kreis könnte sogar noch erweitert werden. Theoretisch kann jede Person in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis zu dem Getöteten gestanden haben, sofern sie das Verhältnis nachweisen könnte, selbst wenn sie kein Verwandtschaftsverhältnis im familienrechtlichen Sinn zu dem Getöteten hat. Aber es ist auch zu beachten, dass das besondere persönliche Näheverhältnis schon zur Zeit der Verletzung bestehen muss. Ein typisches Gegenbeispiel könnte dann vorliegen, wenn sich ein neues besonderes persönliches Näheverhältnis durch die Pflege entwickelt, sofern das Opfer nach der Verletzung nicht sofort, sondern mit einer zeitlichen Verzögerung stirbt. Ein solches neu entwickeltes Verhältnis wird beim Hinterbliebenengeld nicht berücksichtigt.

100 101 102 103

Wagner, NJW 2017, 2641, 2644. Wagner, NJW 2017, 2641, 2643. BT-Drs. 18/11397, S. 13. BT-Drs. 18/11397, S. 13.

§ 8 Das Hinterbliebenengeld

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Allerdings ist ein Anspruch auf Hinterbliebenengeld im Rahmen der gesetzlichen Vermutung auch nicht unbedingt garantiert. Diese stellt nur ein Vorbild für ein besonderes persönliches Näheverhältnisses dar, dem vom Anspruchsgegner jedoch im Einzelfall widersprochen werden kann.104 Dies kann Fälle betreffen, in denen zwischen dem Getötetem und einem nach § 844 Abs. 3 S. 2 privilegierten Anspruchsteller nur noch ein formales familienrechtliches Band bestand, die Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartner getrennt lebten und die Voraussetzungen des § 1933 BGB bzw. des § 10 Abs. 3 LPartG vorlagen.105 So soll vermieden werden, dass dem formalen Verwandten, der tatsächlich kein besonderes persönliches Na¨ heverha¨ ltnis zu dem Getöteten mehr unterhielt, ein Anspruch auf Hinterbliebenengeld als unerwarteter Vorteil zukommt,106 was der Anspruchsgegner zu beweisen hat. 4. Seelisches Leid Das Hinterbliebenengeld bezweckt den Ausgleich für das zugefügte seelische Leid. Deshalb setzt es auch voraus, dass die Hinterbliebenen infolge der Tötung seelisches Leid erlitten haben. Das Gesetz schränkt den Begriff des seelischen Leids bewusst nicht ein und sieht insbesondere kein Mindestmaß vor, sodass der Anspruch auf Hinterbliebenengeld keine außergewöhnliche gesundheitliche Beeinträchtigung voraussetzt.107 Der Auffassung, dass damit der Ausgleichsaspekt weitgehend entfällt und mit dem Hinterbliebenengeld vorwiegend einem verbleibenden Genugtuungsund Anerkennungsgedanken Rechnung zu tragen ist,108 ist entgegenzutreten, weil zwar keine außergewöhnliche gesundheitliche Beeinträchtigung, aber jedenfalls seelisches Leid vorausgesetzt wird. Grundsätzlich wird das für den Anspruch geforderte besondere persönliche Na¨ heverha¨ ltnis zum Getöteten indizieren, dass der Hinterbliebene infolge der Tötung seelisches Leid empfindet. Nur bei einem Hinterbliebenen, der keine innere Beziehung zum Getöteten hatte oder aus besonderen Gründen dessen Tod nicht als Verlust empfindet, wird dies nicht der Fall sein.109 Sofern der Anspruchsgegner dies erfolgreich nachweisen kann, wird er von der Zahlung des Hinterbliebenengeldes befreit. Der wichtigste Unterschied zwischen Hinterbliebenengeld und Schockschäden liegt darin, dass beim Hinterbliebenengeld keine besondere Schwere der Gesundheitsverletzung mit Krankheitswert erforderlich ist. Klar erkennbar ist, dass diese Voraussetzung nicht so streng wie bei den Schockschäden ist und damit die Hürden für einen Ausgleichsanspruch abgesenkt werden sollten.110 104 105 106 107 108 109 110

Jauernig/Teichmann, BGB § 844 Rn. 11. BT-Drs. 18/11397, S. 14. BT-Drs. 18/11397, S. 15. BT-Drs. 18/11397, S. 14. Burmann/Jahnke, NZV 2017, 401, 411. BT-Drs. 18/11397, S. 14. Steenbuck, r+s 2017, 449, 451.

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3. Kap.: Ansprüche der Angehörigen in Deutschland

IV. Vorteile Seit Jahrzehnten bleibt das Angehörigenschmerzensgeld ein beliebtes Thema in Deutschland und viele Wissenschaftler diskutieren und kritisieren dessen Fehlen im deutschen Recht. Nun werden die Fragen endlich vom Gesetzgeber beantwortet. Die neue Gesetzgebung zum Hinterbliebenengeld zielt auf die Lösung des Problems, das ständig im gesellschaftlichen Leben auftritt, und spricht den Hinterbliebenen des Verstorbenen eine Art der immateriellen Schadensersatzansprüche zu. Dadurch wird das geltende Rechtssystem in Deutschland nicht zerstört, sondern entwickelt und verbessert. Darüber hinaus hat dies zur Harmonisierung mit den Gesetzen anderer europäischer Länder beigetragen111 und bemerkenswerte Ergebnisse erzielt. 1. Menschliche Fürsorge des Zivilrechts Vor der Einführung des Hinterbliebenengeldes hielt der BGH hartnäckig an den strengen Voraussetzungen für die Schockschäden fest. Es wird allerdings als irrational angesehen, einen „normalen“ psychischen Schaden bei einem völlig abnormalen Unfalltod festzustellen.112 In gewissem Maße stellen die Kriterien der Schockschäden eine Ungerechtigkeit gegenüber den psychologisch starken Angehörigen dar, was eine Verachtung der menschlichen Natur und eine Verletzung der Menschenwürde bedeutet.113 In Bezug auf die Schmerzen des Todeskampfes sollte das Zivilrecht den Angehörigen der Verstorbenen so weit wie möglich helfen, ihren Kummer so schnell wie möglich zu beseitigen, anstelle sie aufzufordern, ihren erlittenen seelischen Schaden zu beweisen. Aus der gesetzgeberischen Begründung für das Hinterbliebenengeld ergibt sich eindeutig, dass keine Mindestanforderungen an den seelischen Schadens der Hinterbliebenen bestehen und sie die erlittenen psychischen Schaden auch nicht nachweisen müssen.114 In der Literatur herrscht weitgehende Übereinstimmung, dass das Hinterbliebenengeld zumindest zur Linderung der Schmerzen und des psychischen Schadens beitragen könnte, die durch den Tod der Angehörigen verursacht werden.115 Das menschliche Leben als ranghöchstes Gut darf nicht mit Geld gemessen oder kommerzialisiert werden. Die Funktion des Hinterbliebenengeldes liegt nicht darin, den Verlust der getöteten Person zu monetisieren, sondern vielmehr darin, das Leid der Hinterbliebenen zu kompensieren116 sowie Trost und Hilfe zu leisten. Das Hinterbliebenengeld zerstört nicht die inhärenten Prinzipien des Zivilrechts, sondern spiegelt stattdessen die humane Fürsorge des Zivilrechts wider. 111 112 113 114 115 116

Müller, VerR 2017, 321, 321. Jaeger, VersR 2017, 1041, 1045. Schwintowski, VuR 2016, 18, 18. BT-Drs. 18/11397, S. 14. Jaeger, VersR 2017, 1041, 1049; Fechner, DRiZ 2017, 84, 84. MüKoBGB/Wagner, BGB § 844 Rn. 4.

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2. Harmonisierung mit anderen EU-Mitgliedstaaten Der Austausch zwischen europäischen Ländern, insbesondere innerhalb der EU, ist weitaus enger als die internationale Kommunikation im allgemeinen Sinne, und der Personenverkehr zwischen verschiedenen EU-Ländern findet häufig statt. Wenn man sich in anderen europäischen Ländern umschaut, ist zu erkennen, dass das Schmerzensgeld für Angehörige zwar in verschiedenen EU-Ländern in unterschiedliche Formen etabliert ist, jedoch erkennt fast jeder den Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden von nahen Angehörigen im Todesfall an. Laut der Studie von Kadner-Graziano haben 25 wichtige europäische Länder wie Frankreich, Italien, Großbritannien, Österreich, Spanien, Portugal, Griechenland und die Tschechische Republik ein Schmerzensgeld für nahe Angehörigen festgelegt.117 Gemäß der Kollisionsregel gelten die Rom-I-Verordnung und die Rom-II-Verordnung in der EU jeweils für das vertragliche Verhältnis und das außervertragliche Schuldverhältnis.118 Im Falle eines schweren Unfalls mit unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten ist, wenn die Opfer bzw. ihre Angehörigen den Anspruch auf Schadensersatz geltend machen, teilweise gemäß Art. 4 der Rom-II-Verordnung das Recht des Ortes, an dem der Unfall eingetreten ist, teilweise jedoch auch das Recht des Wohnsitzes anzuwenden.119 Vor der Einführung des Hinterbliebenengeldes in Deutschland war der Schutz der Angehörigen des Verstorbenen durch das deutsche Recht wesentlich schwächer als derjenige in anderen Ländern, was zu Widersprüchen und Unzufriedenheit führte. Daraus kann geschlossen werden, dass die Praxis, das Schmerzensgeld von nahen Angehörigen nicht anzunehmen, Deutschland in Europa extrem isolierte.120 Mit dem „neuen“ Hinterbliebenengeld der Angleichung an „zahlreiche andere europäische Länder“ nachgekommen werden.121 Die Reform des Ersatzanspruchs der nahen Angehörigen im Todesfall in Deutschland dient hauptsächlich der Harmonisierung mit der Rechtslage in anderen europäischen Ländern und ist von größter Bedeutung.122 Zudem wird auch einer Forderung des EGMR nachgekommen.123 Das neue Gesetz zum Hinterbliebenengeld hat das gesetzte Ziel mindestens teilweise erreicht. 3. Anpassung an die Entwicklung in der Praxis Nach einer Auffassung zeigt die Position, das Schmerzensgeld für nahe Angehörigen nicht anzuerkennen, deutlich, dass das deutsche Schadensersatzrecht er117 118 119 120 121 122 123

Kadner-Graziano, RIW 09/2015, 549, 555. Wagner/Bsaisou, JURA 2016, 579, 581. Staudinger, SVR 2005, 441, 443. Janssen, ZRP 2003,156, 159. Jauernig/Teichmann, BGB § 844 Rn. 9. Wagner, Neue Perspektiven im Schadensersatzrecht, S. A 65. Jauernig/Teichmann, BGB § 844 Rn. 9.

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3. Kap.: Ansprüche der Angehörigen in Deutschland

heblich veraltet war.124 Obwohl der BGH und auch andere Gerichte hartnäckig an dieser konsequenten Rechtsprechung festhielten,125 konnten sie die Entwicklung und die Erleichterung für die nahen Angehörigen in der Praxis nicht verhindern. Am 3. Juni 1998 prallte ein Zug der Deutschen Bahn aufgrund eines gebrochenen Radreifens mit einer Geschwindigkeit von 200 Stundenkilometern gegen eine Brücke, wobei 101 Menschen getötet wurden.126 Danach zahlte die Deutsche Bahn an die Angehörigen der Verstorbenen unter Verzicht auf den Beweis ihres psychischen Schadens für jedes Opfer 30.000 DM.127 Nach dem Absturz des GermanwingsPassagierflugzeugs am 24. März 2015 leistete die Lufthansa, die Muttergesellschaft der Germanwings, neben einer Nothilfegebühr von 50.000 Euro für jedes Opfer ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 Euro für das Opfer und 10.000 Euro für jeden nahen Angehörigen des Opfers. Das Schmerzensgeld von 25.000 Euro für jedes Opfer beruhte hauptsächlich auf der enormen Todesangst, das es vor dem Absturz erlitt, und wurde an die Erben der Opfer gezahlt.128 Am 9. Februar 2016 kollidierten zwei Züge in Bad Aibling und elf Menschen wurden getötet. Danach erhielt jeder nahe Angehörige jedes Opfers einen Ersatz für den immateriellen Schaden in Höhe von 21.000 Euro unabhängig von dem spezifischen Grad der psychischen Schäden, die er tatsächlich erlitten hatte.129 Ersichtlich ist, dass der Schadensersatzpflichtige nach dem Todesunfall, insbesondere dann, wenn mehrere Menschen dabei ums Leben gekommen sind, den nahen Angehörigen der Opfer häufig zusätzlich zu dem gesetzlich vorgeschriebenen Ersatz materieller Schäden auch einen bestimmten Betrag gewährt. Dies ist im Umgang mit Todesfällen in der Praxis seit Langem üblich und spiegelt auch den Respekt vor dem Leben und die Fürsorge für die Angehörigen des Verstorbenen wider. Daher stellten die konkreten Fälle und die getroffenen Ersatzvereinbarungen eine große Herausforderung für das damalige bestehende Rechtssystem in Deutschland dar.130 Da die Rechtsprechung die neue Aufgabe nicht leisten konnte oder wollte, kam nur eine gesetzgeberische Änderung in Betracht.131 Die Verkündung und das Inkrafttreten des Gesetzes zur Einführung des Hinterbliebenengeldes zeigt, dass der

124

Schmid, VersR 2002, 26, 28. Vgl. Slizyk, Schmerzensgeld 2021, Rn. 302. 126 NDR, Onlineausgabe vom 29. 05. 2018, https://www.ndr.de/geschichte/chronologie/WieUnglueck-von-Eschede-geschah,eschede18.html, zuletzt abgerufen am 15. 02. 2021. 127 Schmid, VersR 2002, 26, 28. 128 Spiegel, Onlineausgabe vom 21. 07. 2015, http://www.spiegel.de/panorama/justiz/ger manwings-katastrophe-die-fragen-zum-schmerzensgeld-a-1044689.html, zuletzt abgerufen am 15. 02. 2021. 129 Focus, Onlineausgabe vom 19. 02. 2016, http://www.focus.de/finanzen/recht/angehoeri ge-sind-irritiert-opfer-des-zugungluecks-in-bad-aibling-bekommen-21-000-euro-entschaedi gung_id_5298934.html, zuletzt abgerufen am 15. 02. 2021. 130 Jaeger, VersR 2017, 1041, 1043. 131 Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, S. 130 ff. 125

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deutsche Gesetzgeber große Aufmerksamkeit auf die Entwicklung der Praxis gerichtet und die schwere Verantwortung der Änderung wahrgenommen hat.

V. Nachteile Als die Rechtsprechung ins Wanken geriet, übernahm der Gesetzgeber diese wichtige Aufgabe und verkündete das Gesetz zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld. Dies ist ein wichtiger Fortschritt im Bereich des Schadensersatzrechts. Allerdings ist einzuräumen, dass diese Gesetzgebung noch einige Unzulänglichkeiten aufweist. 1. Beschränkung auf Todesfall Allein aus dem Begriff „Hinterbliebenengeld“ wird ersichtlich, dass es nur für Todesfälle gilt und dagegen schwerste Verletzungen nicht abdeckt. In anderen EULändern wie Frankreich ist dies nicht deckungsgleich. Wenn der Geschädigte schwer verletzt wird, haben seine nahen Angehörigen auch das Recht, den Ersatz immaterieller Schäden zu verlangen.132 Die deutsche Gesetzgebung lehnt diese Handlungsweise hauptsächlich aus zwei Gründen ausdrücklich ab: Erstens könne der Geschädigte, wenn er eine schwerste Verletzung überlebt, im eigenen Namen Schmerzensgeld nach § 253 Abs. 2 BGB fordern; zweitens es sei sehr schwierig, zwischen schwersten Verletzungen, bei denen zugefügtes Leid einen Anspruch auf Hinterbliebenengeld auslösen würde, und solchen Verletzungen, bei denen dies nicht der Fall wäre, abzugrenzen.133 Der Ausschluss der schwersten Verletzungen hilft, die Schwierigkeiten zu vermeiden. Seit der Gesetzentwurf durch das BMJV veröffentlicht wurde, wird dieses Merkmal des Hinterbliebenengeldes heftig kritisiert: Nach einer Meinung sind die beiden in der gesetzgeberischen Begründung gegebenen Gründe absolut nicht überzeugend.134 Erstens beruhten der Ersatz immaterieller Schäden für das Opfer selbst und für seine Angehörigen auf vollständig unterschiedlichen Rechtsgrundlagen. Wenn das Opfer ein relativ hohes Schmerzensgeld erhalten könnte, könnten seine Angehörigen bis zu einem gewissen Grad daran teilhaben. Aber bei der Bestimmung der Höhe des Schmerzensgeldes für das Opfer werden die psychischen Schäden seiner nahen Angehörigen nicht berücksichtigt,135 weil sie in Bezug auf unterschiedliche Grundlagen, die Schäden des Opfers selbst und diejenigen seiner Angehörigen, zugesprochen werden. Zweitens sollten die Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen schweren Verletzungen und geringfügigen Verletzungen nicht als 132 133 134 135

Kadner-Graziano, RIW 09/2015, 549, 556. BT-Drs. 18/11397, S. 9. Bischoff, MDR 2017, 739, 740; Jaeger, VersR 2017, 1041, 1050. Jaeger, VersR 2017, 1041, 1050.

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3. Kap.: Ansprüche der Angehörigen in Deutschland

Rechtfertigung für den Ausschluss der schwersten Verletzungen von seinem Anwendungsbereich dienen. In einer Situation, in der das Gericht den Betrag des Schadensersatzes auf der Grundlage des tatsächlichen Sachverhalts bestimmen muss, besteht immer die Frage der Abgrenzung und Bewertung.136 Zudem scheint es nicht völlig unmöglich, schwerwiegende Verletzungen und geringfügige Verletzungen – insbesondere durch moderne medizinische Identifizierungsmethoden und Verweisung auf einschlägige Kennzeichnungsstandards137 im Strafrecht – zu unterscheiden. Tatsächlich sind die psychischen Schäden, die die nahen Angehörigen des Opfers in einer schwersten Verletzungssituation erleiden, nicht unbedingt leichter als diejenigen beim Todesfall, sondern vielleicht noch schwerer. Wenn eine junge Frau ihren Ehemann verliert, der wegen eines Flugzeugabsturzes ums Leben gekommen ist, könnte sie nach einer Zeit der Trauer und seelischen Schmerzen wieder heiraten und ein neues Leben beginnen. Wenn ihr Mann hingegen schwer verletzt und dauerhaft pflegebedürftig geworden ist und sie zum abgegebenen Eheversprechen „bis der Tod uns scheidet“ steht, muss sie tatsächlich mehr erleiden und auf vieles verzichten.138 Obwohl das schweizerische Gesetz und das österreichische Gesetz das Schmerzensgeld von nahen Angehörigen nur für den Todesfall vorsehen, wird der Anwendungsbereich durch die Rechtsprechung auch auf schwere Verletzungen ausgeweitet.139 Aber das Gesetz zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld übersieht diese neue Entwicklung, was eine schwerwiegende Unzulänglichkeit darstellt. 2. Ausschluss vertraglicher Haftung Durch das Zweite Schadensersatzrechtsänderungsgesetz wurde die Schmerzensgeld-Klausel vom § 847 BGB a. F. in § 253 Abs. 2 BGB eingegliedert und somit nicht mehr dem Deliktsrechts, sondern dem allgemeinen Teil des Schuldrechts zugeordnet. Ziel war, das Schmerzensgeld nicht nur für die Verschuldenshaftung, sondern auch für die Gefährdungshaftung und die vertragliche Haftung zur Verfügung zu stellen.140 Bereits die Vorschläge des BStMJV/BStMJ aus den Jahren 2012 und 2015 wurden dahin kritisiert, der aktuellen Entwicklung zu widersprechen, indem sie die Entschädigung der Angehörigen ins Deliktsrecht einordnen (§ 844a BGB-Entwurf).141 Allerdings wird das Hinterbliebenengeld endgültig in § 844 Abs. 3 BGB und damit im Deliktsrecht geregelt. Daher gilt es nur für unerlaubte 136

Zwickel, NZV 2015, 214, 217. MüKoStGB/Hardtung, StGB § 223 Rn. 32 ff.; Schönke/Schröder/Eser/Sternberg-Lieben, StGB § 223 Rn. 4a. 138 Huber, NZV 3/2017, Editorial. 139 Klinger, NZV 2005, 290, 291; Huber, NZV 3/2017, Editorial. 140 Wagner, NJW 2002, 2049, 2049. 141 Schubert, in Karlsruher Forum 2016, 1, 32 f. 137

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Handlungen. Die vertragliche Haftung fällt dagegen nicht in seinen Anwendungsbereich, was der Regelungstendenz des Zweiten Schadensersatzrechtsänderungsgesetzes 2002 widerspricht.142 Aus der Sicht der Rechtsvergleichung sprechen auch die besseren Argumente für eine Zubilligung des Anspruchs auch bei einer vertraglichen Anspruchsgrundlage, wie das etwa in der Schweiz und Österreich anerkannt ist.143 Für diese organisatorische Anordnung spricht nach Ansicht des Gesetzgebers, dass der Anwendungsbereich des Hinterbliebenengeldes nicht auf die vertragliche Haftung ausgedehnt werden müsse. Wenn der Tod wegen Verletzung der vertraglichen Schutzpflicht eintritt, entstehe in der Regel auch ein Schadensersatzanspruch wegen unerlaubter Handlungen. Die nebeneinander bestehenden Ansprüche aus Vertragsrecht und Deliktsrecht würden letztendlich zu ähnlichen Ergebnissen führen.144 Daher war der Gesetzgeber der Ansicht, dass die Ausweitung um vertragliche Verpflichtungen keine praktische Bedeutung habe. Diese Sicht wird auch befürwortet, da das Rechtsgut Leben vom Schutzbereich der allgemeinen Fahrlässigkeitshaftung gemäß § 823 I BGB umfasst ist, wird mit der Vertragsverletzung in aller Regel auch ein Delikt gegeben sein.145 Im Bereich des Dienstvertragsrechts hat die Entscheidung, die vertragliche Haftung aus dem Anwendungsbereich des Hinterbliebenengeldes auszuschließen, vielleicht keine negative Auswirkung, weil § 618 Abs. 3 BGB und § 62 Abs. 3 HGB auf die §§ 842 ff. BGB und damit auch auf § 844 Abs. 3 BGB verweisen.146 Diese Konklusion lässt sich jedoch nicht auf alle Vertragstypen verallgemeinern oder unbedingt bejahen.147 Vor allem bei der Arzthaftung und im Reiserecht spielen die Beweislastverteilung und die Zurechnung des Gehilfenverhaltens eine wichtige Rolle; der deliktische Anspruch, der in solchen Fällen durchaus besteht, ist mitunter anders als der vertragliche nicht durchsetzbar,148 denn die für die Haftung aus ärztlichem Behandlungsvertrag in § 630h BGB geregelten Beweiserleichterungen, insbesondere bei schweren Behandlungsfehlern (§ 630h Abs. 5 BGB), gelten nur für die Vertragshaftung.149 Wenn ein Patient aufgrund eines schweren Operationsfehlers des Arztes verstirbt und seine Hinterbliebenen wegen des Mangels an erforderlichen Fachkenntnissen die Beweiserleichterungen gemäß § 630h BGB nutzen möchten, wird der Weg zu § 844 Abs. 3 BGB versperrt.150 Nur wenn die Hinterbliebenen 142 143 144 145 146 147 148 149 150

73 ff.

Wagner, NJW 2017, 2641, 2643. Huber, in: FS Schwintowski 2017, 920, 929. BT-Drs. 18/11397, S. 9. Wagner, NJW 2017, 2641, 2643. BT-Drs. 18/11397, S. 9; Wagner, NJW 2017, 2641, 2643. Jaeger, VersR 2017, 1041, 1051. Huber, NZV 3/2017, Editorial; Huber, in: FS Schwintowski 2017, 920, 929. MüKoBGB/Wagner, BGB § 844 Rn. 7. Gegenmeinung s. MüKoBGB/Wagner, BGB § 844 Rn. 7; Schiemann, GesR 2018, 69,

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3. Kap.: Ansprüche der Angehörigen in Deutschland

beweisen könnten, dass der Arzt mit Verschulden eine Deliktshandlung vorgenommen hat, dürfen sie das Hinterbliebenengeld zu erwarten. Da die vertragliche Haftung durch das Gesetz zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld bewusst vom Gesetzgeber ausgeschlossen wird, könnten die Hinterbliebenen im Falle eines Todesfalls nach einem ärztlichen Behandlungsfehler möglicherweise nicht das Hinterbliebenengeld erhalten, um ihr eigenes Leiden zu lindern. Damit hinterlässt die Regelung, die vertragliche Haftung auszuschließen, wahrscheinlich eine Lücke des Rechtschutzes. 3. Höhe des Hinterbliebenengeldes § 1 Gesetz zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld und damit § 844 Abs. 3 BGB legen keine bestimmte Höhe des Hinterbliebenengeldes fest, sondern schreiben „eine angemessene Entschädigung in Geld“ vor. Das heißt, die Bestimmung der Höhe des Hinterbliebenengeldes steht dem im Einzelfall zuständigen Richter zu. Nachdem das BMJV den Gesetzentwurf veröffentlicht hatte, vertraten einige einflussreiche Branchenverbände wie der Deutsche Anwaltverein und der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC) die gleiche Meinung, dass ein gesetzlich vorgeschriebener Geldbetrag des Hinterbliebenengeldes festgelegt werden sollte.151 Es wurde auch vorgeschlagen, dass Deutschland dem Vorbild des Vereinigten Königreichs folgen und die Höhe des Hinterbliebenengeldes im Gesetz eindeutig festlegen sollte,152 wodurch die Verfahren vereinfacht und die administrativen Ausgaben gespart werden könnten. Der deutsche Gesetzgeber war jedoch der Ansicht, dass der Betrag des Hinterbliebenengeldes nach den spezifischen immateriellen Nachteilen der Angehörigen im einzelnen Fall bestimmt werden muss, um die Gerechtigkeit der Rechtsprechung zu gewährleisten.153 Daher ist das zuständige Gericht für die die Bestimmung der Höhe des Hinterbliebenengeldes verantwortlich. Dies wird in der Literatur sehr unterschiedlich bewertet. Einige Juristen sind der Auffassung, dass der gesetzlich festgelegte Betrag des Hinterbliebenengeldes zur 151 Vgl. Deutscher Anwaltverein, Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins durch Ausschüsse Zivilrecht und Verkehrsrecht zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld, S. 5, https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetz gebungsverfahren/Stellungnahmen/2017/Downloads/01172017_Stellungnahme_DAV_RefE_ Hinterbliebenengeld.pdf?__blob=publicationFile&v=1, zuletzt abgerufen am 15. 02. 2021; ADAC, Referentenentwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenschmerzensgeld, S. 3, https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Stellung nahmen/2017/Downloads/01162017_Stellungnahme_ADAC_RefE_Hinterbliebenengeld. pdf;jsessionid=C5739194E3FF0C9A2373CF26F4C671A8.1_cid297?__blob=publicationFi le&v=1, zuletzt abgerufen am 15. 02. 2021. 152 § 1 A Abs. 3 „Fatal Accidents Act 1976“ im Vereinigten Königreich legt einen entsprechenden Schadensersatz auf 15,120 £ (seit 01. 05. 2020) fest. 153 Wagner, NJW 2017, 2641, 2644 f.

§ 8 Das Hinterbliebenengeld

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Verbesserung der Effizienz des Gerichts und Ersparung der administrativen Kosten beitrage und die Hinterbliebenen ebenfalls vom Nachweis ihrer psychischen Nachteile befreie, weshalb dies praktisch funktioniere. Andere Juristen vertreten die entgegengesetzte Ansicht, dass einzelne Fälle große Unterschiede aufweisen. In konkreten Fällen erlitten die Hinterbliebenen tatsächlich unterschiedliche psychische Schäden, sodass das Hinterbliebenengeld von Fall zu Fall vom Gericht entschieden werden müsse.154 Es bestehen jedoch Hinweise darauf, wie das Gericht über die Höhe des Hinterbliebenengeldes entscheidet. Die gesetzgeberische Begründung im Gesetzentwurf gibt einen bestimmten Referenzindex für die Höhe an:155 Unter Zugrundelegung von jährlich etwa – 3.000 fremdverursachten Todesfällen im Straßenverkehr, – 1.500 auf ärztliche Behandlungsfehler zurückgehenden Todesfällen, – 500 Opfern vollendeter Mord- und Totschlagsdelikte sowie – geschätzten weiteren 1.000 haftungsauslo¨ senden Todesfällen (darunter Gefa¨ hrdungshaftungsfa¨ lle außerhalb des Straßenverkehrs) – sowie von durchschnittlich 4 Hinterbliebenen je Todesfall ist von jährlich etwa 24.000 Haftungsfa¨ llen auszugehen. Angesichts der durchschnittlichen Beträge von etwa 10.000 Euro, die derzeit von den Gerichten bei der Tötung eines Angehörigen als Entschädigung für sog. Schockscha¨ den, die über das gewöhnliche Maß an Trauer und seelischem Leid hinausgehen, zugesprochen werden, ist mit jährlichen Gesamtkosten durch die Zahlung von Hinterbliebenengeld von nicht mehr als rund 240 Mio. Euro zu rechnen.

Im Vergleich mit anderen „großzügigen“ EU-Ländern wie z. B. Österreich, Italien, Spanien usw. liegt die Höhe des Hinterbliebenengeldes in Deutschland mit 10.000 Euro auf einem relativ niedrigen Niveau.156 Auch zu berücksichtigen ist, dass der Anspruch auf Hinterbliebenengeld den Anspruch auf Schockschäden nicht ausschließt.157 Da ein Anspruch auf Schmerzensgeld wegen Schockschäden eine Gesundheitsverletzung mit Krankheitswert voraussetzt, während es beim Hinterbliebenengeld keine solche Anforderung gibt, sollte das Hinterbliebenengeld niedriger als das Schmerzensgeld wegen Schockschäden sein. Weil der deutsche Gesetzgeber und die Rechtsprechung immer vorsichtig und sogar zurückhaltend sind, ist die Höhe des Schmerzensgeldes bei Schockschäden ebenfalls nicht so groß.158 Daher gibt es doppelte Einschränkungen für die Höhe des Hinterbliebenengeldes: Erstens ist die Rechtsprechung ziemlich zurückhaltend, daher ist die Höhe der 154 155 156 157 158

Schultzky, VersR 2011, 857, 859. BT-Drs. 18/11397, S. 11. Schultzky, VersR 2011, 857, 857 f. BT-Drs. 18/11397, S. 12. Vgl. Slizyk, Schmerzensgeld 2021, Rn. 302.

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3. Kap.: Ansprüche der Angehörigen in Deutschland

Entschädigung aus Vorsicht im Allgemeinen relativ gering; zweitens kann die Höhe des Hinterbliebenengeldes, da es mit den Schockschäden harmonieren sollte, die Beträge bei Letzteren nicht überschreiten. Aus beiden Gründen kann die Höhe des Hinterbliebenengeldes in Deutschland nicht den Niveaus anderer europäischer Länder entsprechen. Trotz des Hinterbliebenengeldes besteht die rechtliche Kluft zwischen Deutschland und anderen EU-Ländern weiterhin.

VI. Verhältnis zu Schockschäden Der wichtigste Unterschied zwischen Hinterbliebenengeld und Schmerzensgeld bei Schockschäden liegt darin, dass die anspruchsbegru¨ ndende Rechtsgutsverletzung beim Hinterbliebenengeld die Rechtsgutsverletzung (Tod) bei einem Dritten ist.159 Bei den Schockschäden ist der Anspruchsberechtigte selbst durch eine Gesundheitsbeschädigung mit Krankheitswert in seinen Rechtsgütern betroffen. Unter anderem sind die beiden Ansprüche unter den folgenden Aspekten zu vergleichen. 1. Die Höhe Wie oben bereits erwähnt, setzen die Schockschäden eine psychische Gesundheitsverletzung mit Krankheitswert voraus, während beim Hinterbliebenengeld keine solche Anforderung besteht. Deshalb sollte die Höhe des Hinterbliebenengeldes in der Regel niedriger als das Schmerzensgeld für Schockschäden sein. Die durchschnittlichen Beträge, die derzeit von den Gerichten bei der Tötung eines Angehörigen als Entschädigung für Schockschäden zugesprochen werden, liegen bei etwa 10.000 Euro.160 Aber wenn der Gesetzgeber sich bei der Höhe des Hinterbliebenengeldes an den Schockschäden orientiert und dafür einen durchschnittlichen Standard von 10.000 Euro festlegt, sollten die durchschnittlichen Beträge für Schockschäden dadurch beeinflusst werden, denn eine maßvolle Erhöhung der Entschädigungssummen bei Schockschäden erscheint rechtfertigt.161 In diesem Sinne dürfte jedenfalls bei Verlust eines Kindes, Lebenspartners, Ehegatten oder einer ähnlich eng verbundenen Person ein Betrag von 10.000 Euro nicht den Durchschnitt, sondern die Untergrenze darstellen.162 2. Konkurrenz Die Begründung für den Gesetzentwurf zum Hinterbliebenengeld zeigt, dass eine Veränderung des Anspruches auf Ersatz für Schockschäden durch die Gesetzesre159 160 161 162

BHHJ/Jahnke, BGB § 844 Rn. 112. BT-Drs. 18/11397, S. 11. MüKoBGB/Wagner, BGB § 844 Rn. 7. Wagner, NJW 2017, 2641, 2645.

§ 8 Das Hinterbliebenengeld

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form erklärtermaßen nicht gewollt ist.163 Die gesetzliche Einräumung des Anspruchs auf Hinterbliebenengeld führt nicht dazu, dass ein (weitergehender) Anspruch auf Erstattung der Schockschäden ausgeschlossen wäre.164 Dogmatisch beruhen der Anspruch auf Schmerzensgeld und derjenige auf Hinterbliebenengeld auf zwei unterschiedliche Anspruchsgrundlagen. Während der Anspruch auf Schmerzensgeld auf § 253 Abs. 2 i. V. m. §§ 823 ff. BGB basiert, stützt sich ein Anspruch auf Hinterbliebenengeld auf § 844 Abs. 3 BGB. Weil bei den Schockschäden strenge Voraussetzungen erfüllt werden müssen, dass eine gravierendere Folge als das „normale“ seelische Leid für den Angehörigen vorliegt, könnte ein Vorrang der Schockschäden gegenüber dem Anspruch auf Hinterbliebenengeld bestehen. Der Anspruch auf Hinterbliebenengeld würde durch den umfangreicheren Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes wegen Schockschäden verdrängt.165 Nach der herrschenden Meinung geht der Anspruch auf Hinterbliebenengeld in dem Anspruch auf Schmerzensgeld gemäß § 253 Abs. 2 BGB auf, wenn die Voraussetzungen für die Entschädigung der Beeinträchtigung als Schockschaden vorliegen.166 Nach Staudinger ist diese Ansicht allerdings kritikwürdig, weil der Schockschadensersatz und das Hinterbliebenengeld eine unterschiedliche Rechtsnatur aufweisen.167 § 844 Abs. 3 S. 1 BGB setzt weder einen materiellen noch immateriellen Schaden, sondern das seelische Leid ohne Mindestanforderung voraus. Zudem richtet sich die Regelung auf eine angemessene Entschädigung und gerade nicht auf Schadensersatz, der nach den §§ 249 ff. BGB zu erfolgen hat. Wortlaut und Schutzzweck sind insofern in keiner Hinsicht deckungsgleich.168 Aber für die beiden Ansprüche sind seelische Nachteile unabhängig davon erforderlich, ob sie psychisches Leid oder eine immaterielle Beeinträchtigung darstellen. Der entscheidende Unterschied liegt darin, ob eine Mindestanforderung besteht. Die seelischen Nachteile dürfen nicht wieder bewertet werden. Somit besteht ein konkurrierendes Verhältnis zwischen diesen beiden Ansprüchen. Wenn die seelischen Nachteile als eine der Voraussetzungen für einen Anspruch bewertet werden, dann fällt der andere Anspruch automatisch aus. Aus Perspektive der Privatautonomie wäre es eigentlich besser, den Hinterbliebenen eine Option zu geben, selbst zu entscheiden, welchen Anspruch sie geltend machen, wenn die Voraussetzungen beider Ansprüche erfüllt sind. Trotz der eventuell höheren Beträge des Schmerzensgeldes bei Schockschäden könnten die Hinterbliebenen auch einen Anspruch auf Hinterbliebenengeld geltend machen, um die 163

Burmann/Jahnke, NZV 2017, 401, 407. BT-Drs. 18/11397, S. 12. 165 Burmann/Jahnke, NZV 2017, 401, 407. 166 BT-Drs. 18/11397, S. 11; Wagner, NJW 2017, 2641, 2645; Jaeger, VersR 2017, 1041, 1051; Burmann/Jahnke, NZV 2017, 401, 407; Schiemann, GesR 2018, 69, 73; Walter, MedR 2018, 213, 217; BHHJ/Jahnke, BGB § 844 Rn. 113. 167 HK-BGB/Staudinger, BGB § 844 Rn. 18. 168 HK-BGB/Staudinger, BGB § 844 Rn. 18. 164

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3. Kap.: Ansprüche der Angehörigen in Deutschland

Beweislast für die erlittenen immateriellen Schäden mit Krankheitswert zu vermeiden. Wenn sie im Ergebnis keinen großen Unterschied dabei sehen, ob sie einen Anspruch auf Hinterbliebenengeld oder aufgrund Ersatzes von Schockschäden geltend machen, würden sie vielleicht lieber Ersteres verlangen, um zeitliche und personale Kosten zu sparen. Weil die Voraussetzungen für die beiden Ansprüche nicht deckungsgleich sind, gibt es Fälle, in denen sowohl §§ 823 ff. i. V. m. § 253 Abs. 2 BGB als auch § 844 Abs. 3 BGB insofern eigenständige Bedeutung zukommt, als nur die Voraussetzungen einer der beiden Anspruchsgrundlagen erfüllt sind.169 Wenn beispielsweise die besonders nahestehende Person schwer verletzt überlebt hat, wird die Anwendung von § 844 Abs. 3 BGB von vornherein ausgeschlossen und es kommt die Anwendung der §§ 823 ff. in Verbindung mit § 253 Abs. 2 BGB in Betracht. Demgegenüber wird § 253 Abs. 2 i. V. m. §§ 823 ff. BGB nicht angewandt, wenn beispielsweise das seelische Leid der Angehörigen den medizinischen Krankheitswert nicht erreicht.

§ 9 Entschädigung nach Terroranschlägen am Beispiel des Anschlags am Breitscheidplatz in Berlin Freilich setzt die erfolgreiche Durchsetzung des Anspruchs auf Schmerzensgeld oder Hinterbliebenengeld voraus, dass die Opfer bzw. die Hinterbliebenen oder nahen Angehörigen genau wissen, gegen wen den Anspruch geltend zu machen ist, das heißt, wer der Schädiger bzw. eventuelle Ersatzpflichtige ist. Nur wenn ein bestimmter Anspruchsgegner feststeht, könnte das ganze Verfahren fortlaufen. Bei den Opfern von Terroranschlägen, insbesondere Selbstmordanschlägen, ist die Situation anders, weil der Täter häufig bei oder nach Verübung des Anschlags ohnehin getötet wird, sodass zivilrechtliche Ansprüche völlig ausfallen. Teilweise bleibt unklar, wer den Anschlag verübt hat und wer dafür verantwortlich ist, oder der Attentäter verfügt nicht über die für den Schadensausgleich erforderlichen finanziellen Mittel.170 Daher sind die Ansprüche auf zivilrechtlichen Schadensersatz häufig für die Opfer faktisch wertlos171 und diese werden in der Praxis außerhalb des zivilrechtlichen Schadensersatzes entschädigt.172 Terroranschläge sind Angriffe auf das gesamte staatliche Gemeinwesen und die Art des Lebens. Dabei werden Bürger stellvertretend für den Staat getroffen und dies bedeutet für Opfer und Hinterbliebene unendliches Leid. Der Staat steht in besonderer Verantwortung, schnelle praktische 169 170 171 172

S. 32.

BT-Drs. 18/11397, S. 12. Balke, SVR 2020, 16, 17. Kranig, NZV 2020, 21, 23. Bundesregierung, Bericht Maßnahmen zur Verbesserung der Situation von Terroropfern,

§ 9 Entschädigung nach Terroranschlägen

73

und finanzielle Unterstützung zu leisten und Opfer und Hinterbliebene bestmöglich zu betreuen.173 Am 19. Dezember 2016 raste der 24-ja¨ hrige Tunesier Anis Amri mit einem gestohlenen LKW, nachdem er den polnischen-Fahrer erschossen hatte, in den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz in Berlin.174 Dabei wurden elf Menschen getötet und mehr als 100 wurden verletzt.175 In der Zeit nach der Akutphase wurden Fragen der Entschädigung relevant. Hier wurde kritisiert, dass zunächst nicht ganz klar war, welche Entschädigungsquellen für die Opfer und Hinterbliebenen des Anschlags auf dem Breitscheidplatz mit welchen Leistungen greifen.176 Fraglich bleibt nach wie vor, welche Entschädigungsansprüche die Opfer und deren Hinterbliebenen haben und gegen wen sie vorgehen können.

I. Die aktuelle Rechtslage 1. Grundsatz: Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz a) Ausschluss in § 1 Abs. 11 OEG a. F.177 Bei der Entschädigung für die Opfer des Terroranschlags und ihre Hinterbliebenen kommt in der Regel die Anwendung des Opferentschädigungsgesetzes (OEG) in Betracht. Nach § 1 Abs. 1 S. 1 OEG haben Opfer von Gewalttaten Entschädigungsansprüche gegen das zuständige Land (§ 4 OEG) in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), wenn die darin genannten Voraussetzungen vorliegen. Nach § 1 Abs. 8 OEG a. F.178 haben die Hinterbliebenen des Geschädigten beim Tod ebenfalls Entschädigungsansprüche. Die Leistungen des OEG richten sich nach dem BVG, weil das OEG keine eigenständigen Regelungen zu Versorgungsleistungen enthält.179 Die Art und der Umfang der Entschädigungsansprüche richten sich nach dem für Soldaten und Kriegsopfer der 173

S. 4.

Bundesregierung, Bericht Maßnahmen zur Verbesserung der Situation von Terroropfern,

174 Abschlussbericht des Bundesbeauftragten für die Opfer und Hinterbliebenen des Terroranschlags auf dem Breitscheidplatz, S. 6. 175 Bundesregierung, Bericht Maßnahmen zur Verbesserung der Situation von Terroropfern, S. 5. 176 Abschlussbericht des Bundesbeauftragten für die Opfer und Hinterbliebenen des Terroranschlags auf dem Breitscheidplatz, S. 12 f. 177 Mit Wirkung zum 1. Juli 2018 ist das Gesetz zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechtes teilweise u. a. mit dem Art. 3 (Änderung des Opferentschädigungsgesetzes) in Kraft getreten. Danach besteht der Anspruchsausschluss fort; diese Bestimmung erfährt innerhalb des § 1 OEG nur eine redaktionelle Veränderung: § 1 Abs. 11 OEG a. F. wurde ohne inhaltliche Veränderung zur § 1 Abs. 8 OEG n. F. verändert. 178 § 1 Abs. 8 OEG a. F. wurde durch Art. 3 Gesetz zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechtes mit der Streichung des Satz 2 und 3 zu § 1 Abs. 5 OEG n. F. verändert. 179 BT – WD 6 – 3000 – 017/17, S. 6.

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3. Kap.: Ansprüche der Angehörigen in Deutschland

beiden Weltkriege entwickelten umfassenden, dem Aufopferungsgedanken entsprechenden Leistungskatalog des BVG.180 Auf das OEG können sich Betroffene und Angehörige beim Anschlag am Breitscheidplatz in Berlin nicht berufen, weil das Gesetz gemäß § 1 Abs. 11 OEG a. F. nicht auf Schäden aus einem tätlichen Angriff, die von dem Angreifer durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeugs oder eines Anhängers verursacht worden sind, anzuwenden ist. Obwohl in diesem Fall das Fahrzeug als Waffe oder Werkzeug vorsätzlich gegen die Menschen gerichtet wurde, ist schon der engere Begriff des Gebrauchs eines Kraftfahrzeugs erfüllt.181 Daher haben nur die Angehörigen des polnischen LKW-Fahrers einen unstreitigen Anspruch auf Entschädigung, da er nicht durch den Einsatz eines Fahrzeugs, sondern vorher durch einen Kopfschuss von dem Attentäter getötet wurde.182 Die anderen Opfer, die mittels eines Kraftfahrzeugs getötet werden, sind durch den Ausschluss in § 1 Abs. 11 OEG auch nicht schutzlos. Sie werden jedoch auf eine andere Art der Entschädigung verwiesen, weil die Vorschrift mit der Regelung des Ersatzanspruchs mit dem „Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen“ in § 12 Abs. 1 Nr. 3 Pflichtversicherungsgesetz (PflVG) korreliert. Der Anschlag am Berliner Breitscheidplatz macht deutlich, dass dies bei Anschlägen mit vielen Toten und Verletzten nicht zu akzeptablen Ergebnissen der Entschädigung führt.183 Diese geltende Rechtslage wird auch von Roland Weber, dem Opferbeauftragten des Landes Berlin, kritisiert.184 b) Härteausgleich nach dem Opferentschädigungsgesetz Jedoch ist es nicht absolut unmöglich, Leistungen nach dem OEG für den Anschlag am Breitscheidplatz in Berlin zu verlangen, denn das OEG sieht auch einen sog. Härteausgleich vor, wenn sich „aus den Vorschriften dieses Gesetzes besondere Härten ergeben“ (§ 1 Absatz 12 OEG a. F.185 in Verbindung mit § 89 BVG)186 und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales der Gewährung von Härteausgleichen allgemein zustimmt. Rund einen Monat nach dem Terroranschlag wurde zwischen der damaligen Bundesarbeitsministerin und dem damaligen Bundesjustizminister eine Einigung über die zusätzliche finanzielle Hilfe für die Opfer in der Form erzielt, dass auch Geld über das OEG bereitgestellt werden soll.187 Diese Zahlungen sollen im Rahmen eines Härteausgleichs gemäß § 89 BVG erfolgen. 180

HK-SozEntschR/Rademacker, OEG § 1 Rn. 96. BGH NJW 1962, 1676; HK-SozEntschR/Rademacker, OEG § 1 Rn. 152. 182 BT-Drs. 18/11027, S. 1. 183 Kranig, NZV 2020, 21, 24 f. 184 Krücker, DAR 2020, 18, 18. 185 § 1 Abs. 12 OEG a. F. wurde ebenfalls durch Art. 3 Gesetz zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechtes ohne inhaltliche Veränderung zu § 1 Abs. 9 OEG n. F. verändert. 186 Abschlussbericht des Bundesbeauftragten für die Opfer und Hinterbliebenen des Terroranschlags auf dem Breitscheidplatz, S. 20. 187 Redaktion beck-aktuell, 20. Januar 2017. 181

§ 9 Entschädigung nach Terroranschlägen

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Nach Rademacker setzt die Gewährung eines Härteausgleichs voraus, „dass sich aus der Anwendung des Gesetzes im Einzelfall eine besondere Härte ergibt.“188 Wegen der Umstände des Einzelfalls, die der Gesetzgeber nicht vorhergesehen hat, müssen die Auswirkungen der Gesetzesanwendung dem Zweck der begehrten, aber abgelehnten Leistung in unbilliger Weise widersprechen.189 Eine besondere Härte kann vorliegen, wenn ein Geschädigter nicht alle gesetzlichen Voraussetzungen vollständig erfüllt, aber eine Schädigung erlitten hat, für die die Allgemeinheit verantwortlich ist.190 Nach § 4 Abs. 1 OEG ist Kostentra¨ ger der Leistungen das Bundesland, in dem die Schädigung eingetreten ist, im obigen Fall somit das Land Berlin. Nach § 4 Abs. 2 OEG trägt der Bund die Kosten der Versorgung, wenn der Geschädigte zur Tatzeit seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Geltungsbereich dieses Gesetzes hatte. Dieser Absatz findet beim Berliner Terroranschlag auch Anwendung, denn eines der Opfer lebte in Israel und der ermordete LKW-Fahrer in Polen. Die entsprechenden Vorschriften im BVG finden dabei ebenfalls Anwendung. Die von der Versorgung umfassten Leistungen werden in § 9 BVG aufgezählt. Die Versorgung umfasst nach § 9 Abs. 1 BVG z. B. die Heil- und Krankenbehandlung, eine Rente oder einen Berufsschadensausgleich.191 In Bezug auf den Todesfall regelt § 9 Abs. 1 Nr. 4 ff. BVG das Bestattungsgeld (§ 36), das Sterbegeld (§ 37), die Hinterbliebenenrente (§§ 38 bis 52) und das Bestattungsgeld beim Tode von Hinterbliebenen (§ 53).

2. Entschädigungsanspruch gegen Versicherer a) Gegen Kfz-Haftpflichtversicherer Falls keine besondere Härte i. S. v. § 89 BVG vorliegt und dann die Anschlagopfer und ihre Angehörigen keine soziale Entschädigung nach OEG beanspruchen können, wenn die Schäden von dem Angreifer durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeugs oder eines Anhängers verursacht werden, tritt das PflVG ein.192 Allerdings kann der Kfz-Haftpflichtversicherer eine solche Entschädigung verweigern, denn der Versicherer ist nach § 103 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) „nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich und widerrechtlich den bei dem Dritten eingetretenen Schaden herbeigeführt hat“. Beim Terroranschlag am Breitscheidplatz in Berlin verursachte der Attentäter Anis Amri die Schäden offensichtlich vorsätzlich mit einem LKW. Da er nicht zugleich auch Fahrzeughalter bzw. Versicherungsnehmer war und das Fahrzeug ohne 188 189 190 191 192

HK-SozEntschR/Rademacker, OEG § 1 Rn. 97. BSG NJW 1996, 1620. BSG SozR 3850 § 54 Nr. 1. BT – WD 6 – 3000 – 017/17, S. 7. BT – WD 6 – 3000 – 017/17, S. 6.

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3. Kap.: Ansprüche der Angehörigen in Deutschland

Wissen und Wollen des Halters in Gebrauch genommen, ohne dass Letzterer dies durch sein Verschulden ermöglicht hat, scheidet ein Direktanspruch des Geschädigten gegen den Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer nach § 115 VVG aus.193 Deshalb ist der Versicherer nach dem deutschen sowie dem vergleichbaren polnischen Recht nicht verpflichtet, derartige Schäden zu erstatten. b) Gegen Verkehrsopferhilfe e. V. Weiterhin kommt die Entschädigung für die Opfer gemäß § 12 PflVG durch die Verkehrsopferhilfe e. V. (VOH) in Betracht.194 Der Verein Verkehrsopferhilfe e. V. wurde im Jahre 1963 von allen Autohaftpflichtversicherern, die dem früheren Verband der Haftpflicht-, Unfall- und Kfz-Versicherung (HUK-Verband) angehörten, gegründet. Mit Wirkung zum 1. Januar 1966 wurde ihm die Stellung des gesetzlichen Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen zugewiesen; seit dem 1. Januar 2003 fungiert er nach § 13a PflVG auch als von Art. 6 der 4. KHRichtlinie geforderte nationale Entschädigungsstelle für Auslandsunfälle. Ziel des Fonds ist, die eventuell verbliebenen Lücken im PflVG zu schließen.195 Nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 PflVG, der mit § 1 Abs. 11 OEG a. F. korreliert, tritt der Fonds ein, „wenn für den Schaden, der durch den Gebrauch des ermittelten oder nicht ermittelten Fahrzeugs verursacht worden ist, eine Haftpflichtversicherung deswegen keine Deckung gewährt oder gewähren würde, weil der Ersatzpflichtige den Eintritt der Tatsache, für die er dem Ersatzberechtigten verantwortlich ist, vorsätzlich und widerrechtlich herbeigeführt hat.“

Das entspricht gerade dem Sachverhalt beim Berliner Terroranschlag am Breitscheidplatz. Die Verkehrsopferhilfe tritt wie ein leistungsfreier Versicherer und damit insbesondere im Rahmen der geltenden Mindestdeckungssummen ein. Diese betragen bei Verletzung oder Tötung von Personen maximal 7,5 Mio. Euro pro Schadenfall unabhängig von der Anzahl der verletzten oder getöteten Personen und bei Sachschäden 1,12 Mio. Euro. Diese auf den ersten Blick großzügig bemessenen Summen können sich im Einzelfall als unzureichend erweisen. Rechtlich wird ein mit einem Kraftfahrzeug ausgeführter Terrorangriff, der wie auf dem Berliner Breitscheidplatz viele Opfer mit sich bringt, als ein Schadensereignis gewertet. Die wegen vielfältiger Körper-, Sach- und Vermögensschäden Anspruchsberechtigten müssen sich deshalb die vorgenannten Deckungssummen teilen.196 Auf der Grundlage des neuen Anspruchs auf Hinterbliebenengeld hat die VOH inzwischen Zahlungen an nahe An-

193 194 195 196

Balke, SVR 2018, 44, 46. Balke, SVR 2018, 44, 46. Lemor, DAR 2014, 248, 249. Krücker, DAR 2020, 18, 18.

§ 9 Entschädigung nach Terroranschlägen

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gehörigen in Höhe von 8.000 Euro bis 12.000 Euro geleistet.197 Ansprüche der Hinterbliebenen des polnischen LKW-Fahrers gegen die VOH bleiben allerdings von vornherein ausgeschlossen. Dieser wurde offenbar durch einen Schuss in den Kopf getötet und war nicht mehr am Leben, als es zur Anschlagsfahrt auf dem Breitscheidplatz kam. Wäre er noch am Leben gewesen und erst in Folge der Kollision verstorben, sähe die Situation anders aus.198 Auch ist zu berücksichtigen, dass es einen beschränkten Bereich für die Entschädigungsquelle „Verkehrsopferhilfe“ gibt. Im Falle eines Terroranschlags, bei dem kein Kraftfahrzeug verwendet wird, muss die Verkehrsopferhilfe e. V. insgesamt keine Kosten erstatten.199 3. Härteleistungen Härteleistungen werden als freiwillige, besondere Solidaritätsleistung des Staates für Opfer terroristischer und extremistischer Straftaten erbracht. Eine gesetzliche Regelung hierzu oder einen Rechtsanspruch hierauf gibt es nicht. Jährlich werden im Haushaltsgesetz durch den Deutschen Bundestag zweckgebundene Mittel für Opfer solcher Straftaten bereitgestellt.200 Auf diese freiwillig aus Billigkeit gewährte Härteleistung (Soforthilfe für das Opfer) besteht kein Rechtsanspruch.201 Der Prüfungsmaßstab richtet sich für die Opfer terroristischer Straftaten nach der „Richtlinie zur Zahlung von Härteleistungen für Opfer terroristischer Straftaten“ des BMJV202 und das BfJ ist für die Bewilligung der Härteleistungen zuständig. Nach § 2 Abs. 1 der Richtlinie kommen Härteleistungen in Betracht, wenn die Tat in Deutschland begangen wurde, für Deutsche und Ausländer mit Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis gilt dies auch bei Taten im Ausland. Die Härteleistungen können als Geldentschädigung für Körperschäden gewährt werden, worunter materielle und immaterielle Schäden fallen. Die Leistungen sind nach § 2 Abs. 3 subsidiär gegenüber anderen Leistungen und „werden nicht gewährt, soweit das Opfer von anderen tatsächlich Ersatz kurzfristig erlangen kann“. Die Härteleistungen von 10.000 Euro bzw. 5.000 Euro im Falle des Todes eines nahen Angehörigen wurden nach dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz in Berlin

197

S. 33. 198

Bundesregierung, Bericht Maßnahmen zur Verbesserung der Situation von Terroropfern,

Schwab, DAR 2017, 168, 170. Abschlussbericht des Bundesbeauftragten für die Opfer und Hinterbliebenen des Terroranschlags auf dem Breitscheidplatz, S. 23. 200 Abschlussbericht des Bundesbeauftragten für die Opfer und Hinterbliebenen des Terroranschlags auf dem Breitscheidplatz, S. 21 f.; Bundesregierung, Bericht Maßnahmen zur Verbesserung der Situation von Terroropfern, S. 27. 201 BHHJ/Jahnke, StVG § 16 Rn. 36b. 202 Abrufbar unter https://www.bundesjustizamt.de/DE/Themen/Buergerdienste/Haerteleis tungen/terroristisch/Recht/Rechtliches_node.html. 199

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3. Kap.: Ansprüche der Angehörigen in Deutschland

von den Betroffenen als zu gering kritisiert.203 Der Beauftragte der Bundesregierung für die Opfer und Hinterbliebenen des Terroranschlags auf dem Breitscheidplatz hat in dem Abschlussbericht eine Erhöhung der Beträge vorgeschlagen.204 Daher hat die Bundesregierung die pauschalen Härteleistungen im Falle des Todes eines nahen Angehörigen rückwirkend erhöht: 30.000 Euro für hinterbliebene nächste Angehörige (statt bislang 10.000 Euro) und 15.000 Euro für hinterbliebene Geschwister (statt bislang 5.000 Euro).205 Für die Zukunft sind weitere Härteleistungen deutlich erhöht worden: So steigt die einmalige Pauschale zur Abmilderung eines Unterhaltsschadens auf 25.000 Euro für hinterbliebene (Ehe-)Partner (statt bislang 10.000 Euro) und auf 25.000 bis 45.000 Euro für hinterbliebene Kinder (statt bislang 10.000 bis 16.000 Euro).206

II. Die künftige Rechtslage Eine wesentliche Folgerung aus den Auswirkungen des verheerenden Terroranschlags auf dem Breitscheidplatz in Berlin ist, dass Opfer Leistungen schneller und zielgerichteter als bisher erhalten müssen. Daher hat der Gesetzgeber vorangetrieben, das Soziale Entschädigungsrecht, das auf dem im Jahr 1950 für die Versorgung der Kriegsgeschädigten, ihrer Angehörigen und Hinterbliebenen geschaffenen BVG und dem 1976 geschaffenen OEG beruht,207 zukünftig an den heutigen Bedarfen der Betroffenen, insbesondere der Opfer von Gewalttaten einschließlich der Opfer von Terrortaten, auszurichten und die Entschädigungszahlungen wesentlichzu erhöhen.208 Letztlich wurde das Gesetz zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts209 am Ende 2019 verkündet. Damit werden die bedeutendsten Vorschriften210 des Sozialen Entschädigungsrechts in einem eigenen Buch des Sozialgesetzbuchs (Sozialgesetzbuch Vierzehntes Buch – SGB XIV) zusammengefasst. Außer einigen Regelungen, die bereits rückwirkend zum 1. Juli 2018 gelten, wird das neue SGB XIV grundsätzlich am 1. Januar 2024 in Kraft treten. Das SGB XIV kodifiziert diejenigen Rechtsmaterien des Sozialen Entschädigungsrechts, die tatsächlich noch relevant sind, z. B. die Entschädigung der Opfer 203

S. 28. 204

Bundesregierung, Bericht Maßnahmen zur Verbesserung der Situation von Terroropfern,

Abschlussbericht des Bundesbeauftragten für die Opfer und Hinterbliebenen des Terroranschlags auf dem Breitscheidplatz, S. 33. 205 Bundesregierung, Bericht Maßnahmen zur Verbesserung der Situation von Terroropfern, S. 28. 206 Bundesregierung, Bericht Maßnahmen zur Verbesserung der Situation von Terroropfern, S. 29. 207 Balke, SVR 2020, 16, 18. 208 BT-Drs. 19/13824, S. 1. 209 BGBl. I 2019, S. 2652 ff. 210 Krücker, DAR 2020, 18, 18.

§ 9 Entschädigung nach Terroranschlägen

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einer Gewalttat bzw. eines Terroranschlags, der beiden Weltkriege usw. und ihrer Angehörigen, Hinterbliebenen und Nahestehenden.211 Die neuen Regelungen sind klar strukturiert, transparent und erleichtern den Ländern die Gesetzesausführung.212 Damit sind wesentliche Verbesserungen für die Opfer von Gewalttaten und besonders auch für die Opfer terroristischer und extremistischer Anschläge erreicht worden.213 Die tatsächlichen Auswirkungen des SGB XIV, vor allem, ob durch die „umfangreichen und komplizierten Regelungen“ der Zugang zur tatsächlichen Hilfen und die Durchsetzung von Ansprüchen erleichtert werden, werden weiterhin bezweifelt.214

211 212 213 214

Vgl. § 1 Abs. 2, § 2 SGB XIV. BT-Drs. 19/13824, S. 2. Kranig, NZV 2020, 21, 33. Vgl. Balke, SVR 2020, 16, 19.

4. Kapitel

Der Ersatz immaterieller Schäden beim Unfalltod in China Unfälle und Unfalltode sind zweifellos Tragödien. Man sollte alles Erforderlich unternehmen, um sie zu vermeiden. Trotzdem entstehen sie jeden Tag in jedem Land. China hat die größte Bevölkerung in der Welt und die Bevölkerungsdichte ist entsprechend sehr hoch, insbesondere in Metropolen. Unfälle und Todesfälle sind dadurch unvermeidlich. Allein im Jahr 2019 gab es 215.009 Verkehrsunfälle in China, wobei 56.924 Menschen getötet und 221.309 verletzt wurden.1 Der zivilrechtliche Schadensersatz bei den Unfällen bildet daher einen wichtigen juristischen Bereich in China, der immer mehr Berücksichtigung verdient.

§ 10 Gescheiterte Versuche der Kodifizierung eines Zivilgesetzbuches in der VR China Im Bereich des Zivilrechts bindet sich China eng an das kontinentale Rechtsdenken.2 Im Zivilrechtssystem der kontinentaleuropäischen Länder steht ein Zivilgesetzbuch im Mittelpunkt und spielt eine entscheidende Rolle. Seit der Gründung der VR China im Jahr 1949 wurde immer wieder die Kodifizierung eines Zivilgesetzbuches erwähnt, die allerdings einen gewundenen Kurs durchlaufen hat. In den ersten 30 Jahren nach der Gründung der VR China wurde in den 1950er-, 1960er- und 1970er-Jahren dreimal versucht, ein umfangreiches Zivilgesetzbuch zu kodifizieren.3 Die ersten zwei Versuche scheiterten wegen politischer Unruhen. Beim dritten Versuch wurde der erste Entwurf mit 501 Paragrafen am 15. August 1980 veröffentlicht. Er wurde in den nächsten 20 Monaten dreimal überarbeitet, bis der vierte Entwurf am 1. Mai 1982 veröffentlicht wurde.4 Aber die Entwürfe wurden nicht mit dem Titel „Entwurf zum Zivilgesetzbuch“, sondern als „Entwurf zum Zivilrecht“ bezeichnet. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass dieser Entwurf in 1

National Bureau of Statistics, China Statistical Yearbook 2020, § 24 – 5. Kischel, Rechtsvergleichung, S. 756 ff. 3 ) (Hrsg.), Rückblick des Erstellungsprozesses des neuen ZivilZhao, Xiaogen ( gesetzbuches in China, S. 59 ff. 4 He, Qinhua ( )/Li, Xiuqing ( )/Chen, Yi ( ) (Hrsg.), Überblick über die Entwürfe zum Zivilgesetzbuchs in der VR China, Band II, S. 1151 ff. 2

§ 10 Gescheiterte Versuche der Kodifizierung eines Zivilgesetzbuches

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Bezug auf Systematisierung und Vollständigkeit von einem richtigen Zivilgesetzbuch noch weit entfernt war, obwohl er inhaltlich den meisten Stoff eines Zivilgesetzbuchs wie Grundsätze des Zivilrechts (1. Teil), Subjekte im Zivilrecht (2. Teil), Eigentum (3. Teil), Vertrag (4. Teil), das Recht auf geistiges Eigentum (5. Teil), Erbrecht (6. Teil) und Zivilrechtliche Haftung (7. Teil) beinhaltete.5 Der dritte Versuch der Kodifizierung stand vor dem Hintergrund der Reform- und Öffnungspolitik, die den Gesetzgebern klar gemacht hat, dass dem Zivilgesetzbuch die Erfahrungen der Wirtschaftsreformen zugrunde liegen müssen. Im Jahr 1982 hatten einerseits die Wirtschaftsreformen in den Städten noch nicht vollständig begonnen und es gab nur wenig Erfahrung. Andererseits war es unmöglich, die Kodifizierungsarbeit auf Wirtschaftsreformen und Erfahrungen warten zu lassen. Daher stellte sich inzwischen die Frage, ob die gesellschaftlichen Bedingungen für ein Zivilgesetzbuch tatsächlich reif waren.6 Nach sorgfältiger Überlegung gab der Gesetzgeber die Kodifizierung des Zivilgesetzbuchs vorübergehend auf7 und entschied, zuerst einige zivilrechtliche Sondergesetze zu schaffen.8 Seitdem wurde die neue gesetzgeberische Idee für mehrere Jahrzehnten realisiert. In gewissem Sinne begann der zeitgenössische chinesische Privatrechtsprozess daher am Ende der 1970er-Jahren.9 1998 begann der chinesische Gesetzgeber erneut mit der Kodifizierung des Zivilgesetzbuchs und startete somit den vierten Versuch. Im Unterschied zu den ersten drei Versuchen wurde diesmal erstmalig ein Entwurf zum Zivilgesetzbuch dem Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses der VR China zur Beratung vorgelegt.10 Jedoch hat der Entwurf im Wesentlichen nur eine Sammlung der vorhandenen zivilrechtlichen Sondergesetzen dargestellt, obgleich diese Kodifizierungstätigkeit weite Berücksichtigung in der Gesellschaft gefunden hat. Das Vertragsgesetz (1999), das Adoptionsrecht (1991), das Ehegesetz (1980) und das Erbgesetz (1985) wurden unverändert im Entwurf übernommen. Der Entwurf hatte sogar keine einheitliche Paragrafennummern, sondern begann diese in jedem Teil erneut.11 Der damalige Vorsitzender des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses, LI Peng, beschloss, nicht jeden Paragrafen neu zu schaffen, sondern die bestehenden zivilrechtlichen Sondergesetze zusammenzustellen und die Unabhängigkeit der einzelnen 5

)/Li, Xiuqing ( )/Chen, Yi ( ) (Hrsg.), Überblick über die He, Qinhua ( Entwürfe zum Zivilgesetzbuchs in der VR China, Band II, S. 1295 ff. 6 Gu, Angran ( ), Notizen der Gesetzgebung – Einführung in den Hintergrund einiger Gesetze in China (1982 – 2004), S. 215 f. 7 Zhao, Xiaogen ( ) (Hrsg.), Rückblick des Erstellungsprozesses des neuen Zivilgesetzbuches in China, S. 92 ff. 8 Gu, Angran ( ), Überblick über das neue chinesische Zivilrecht, S. 9 – 10. 9 Liu, Jingwei ( ), Journal of Henan University of Economics and Law 2012/2, 1, 2. 10 Gu, Angran ( ), Notizen der Gesetzgebung – Einführung in den Hintergrund einiger Gesetze in China (1982 – 2004), S. 355 ff. 11 Vgl. He, Qinhua ( )/Li, Xiuqing ( )/Chen, Yi ( ) (Hrsg.), Überblick über die Entwürfe zum Zivilgesetzbuchs in der VR China, Band III, S. 1483 ff.

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4. Kap.: Der Ersatz immaterieller Schäden beim Unfalltod in China

Sondergesetze zu wahren. Er war der Meinung, dass ein auf diese Weise kodifiziertes „Zivilgesetzbuch“ sehr flexibel wäre und leicht an die soziale Entwicklung angepasst werden könnte.12 Daher war der Entwurf kein systematisches Produkt und weit davon entfernt, ein Niveau zu erreichen, das ein Zivilgesetzbuch haben sollte.13 Wahrscheinlich aufgrund der Probleme mit dem gesetzgeberischen Ziel und dem Entwurf selbst wurde dieser Gesetzesentwurf nach der Vorlage nur sehr selten vom Gesetzgeber erwähnt und ist allmählich außer Sichtweite geraten.14 Aus diesem Grund führte der vierte Versuch zu keinen wesentlichen Ergebnissen und ist ein „ungelöster Fall“ in der Geschichte der Gesetzgebung der VR China.

§ 11 Einschlägige Regelungen – nach der Reihenfolge der Zeit I. Allgemeine Grundsätze des Zivilrechts 1986 Am Anfang der 1980er-Jahre gab der chinesische Gesetzgeber die Kodifizierung des Zivilgesetzbuchs vorübergehend auf. Im Jahr 1986 wurden die Allgemeinen Grundsätze des Zivilrechts (AGZR)15 verkündet, die auch als Fundament des modernen chinesischen Zivilrechts anerkannt sind. Die AGZR beinhalten insgesamt nur 156 Paragrafen, die in neun Abschnitte eingeteilt werden: Grundprinzipien, Bürger (natürliche Personen), juristische Personen, Zivilrechtsgeschäfte und Vertretung, Zivilrechte, zivilrechtliche Haftung, Klageverjährung, Rechtsanwendung bei Zivilbeziehungen mit Auslandsberührung und ergänzende Regeln. Man kann davon ausgehen, dass sich die Vorschriften auf mehrere Rechtsbereiche wie den allgemeinen Teil des Zivilrechts, das Vertragsrecht, das Deliktsrecht und sogar das internationale Privatrecht beziehen. Die einzige Vorschrift im AGZR in Bezug auf den Schadensersatz beim Unfalltod ist § 119: „Wer den Körper eines Bürgers verletzt, soll für die Kosten für medizinische Behandlung, das durch die versäumte Arbeit gekürzte Einkommen, die Unterhaltsbeihilfe für Behinderte und andere Kosten Ersatz leisten; im Todesfall soll er zudem für die Beerdigungskosten, die notwendigen Unterhaltskosten der vom Verstorbenen unterstützten Person und andere Kosten Ersatz leisten.“

Die Regelung des § 119 Hs. 2 AGZR ähnelt § 844 Abs. 1 und 2 BGB, indem die Beerdigungskosten und die notwendigen Unterhaltskosten der vom Verstorbenen 12

), Gesetzgebung und Aufsicht: Li Pengs Tagebuch über den Volkskongress, Li, Peng ( Band II, S. 2002. 13 Liang, Huixing ( ), Tribune of Political Science and Law 2003/1, 1. 14 Liu, Jingwei ( ), Journal of CUPL 2013/01, 43, 44 f. 15 Deutsche Übersetzung s. Frank Münzel (Hrsg.), Chinas Recht, 12.4.86/1, http://www.chi nas-recht.de/zivilrecht.htm, übersetzt von Frank Münzel.

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unterstützten Person namentlich aufgezählt werden. Der Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 119 Hs. 2 AGZR beschränkt sich jedoch nicht auf diese zwei Arten, weil „andere Kosten“ auch genannt sind. Das bedeutet, dass andere Kosten, die nach Ermessen des Gerichts mit den beiden aufgezählten Kosten vergleichbar sind, auch zu ersetzen sind. Nach § 119 Hs. 2 AGZR besteht somit keine gesetzliche Einschränkung für die Schadensersatzarten, die der Ersatzpflichtige beim Unfalltod zu leisten hat. Damit unterscheidet sich § 119 Hs. 2 AGZR von § 844 Abs. 1 und 2 BGB. Welche Kosten als andere i. S. v. § 119 Hs. 2 AGZR verstanden werden könnten, bleibt allerdings offen. Aufgrund der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit musste das Problem so schnell wie möglich behoben werden.

II. Konkretisierung der „anderen Kosten“ durch weitere Regelungen 1. § 36 der „Maßnahmen zur Behandlung von Verkehrsunfällen“ 1991 Im September 1991 verkündete Chinas Zentralregierung, das heißt Chinas Staatsrat, die „Maßnahmen zur Behandlung von Verkehrsunfällen“, die als Verwaltungsvorschriften in ganz China galt. § 36 lautet: „Zum Schadensersatz gehören: Kosten für medizinische Behandlung, Ersatz für das durch versäumte Arbeit verminderte Einkommen, Krankenhausessenzuschuss, Pflegekosten, Lebenszuschuss für Behinderte, Kosten von alltäglichen Hilfsgeräten bei Behinderung, Beerdigungskosten, Todesausgleichsgeld, Unterhaltskosten der vom Verstorbenen unterstützten Person, Transportkosten, Unterkunftskosten und direkter Vermögensverlust.“

Diese Vorschrift bezieht sich nicht nur auf Todesfälle, sondern auch auf Körperverletzungen durch Verkehrsunfälle. Dabei hängen die „Beerdigungskosten, Todesausgleichsgeld, Unterhaltskosten der vom Verstorbenen unterstützten Person“ direkt mit dem Tod zusammen. Ersichtlich ist, dass das sogenannte „Todesausgleichsgeld“ im Vergleich zu den beiden in § 119 Hs. 2 AGZR genannten Schadensersatzarten eine neu hinzugefügte Art ist. Daher stellt dies offenbar eine Konkretisierung der „anderen Kosten“ dar. Obwohl die „Maßnahmen zur Behandlung von Verkehrsunfällen“ durch das Inkrafttreten des § 115 der „Vorschriften zur Durchführung des Straßenverkehrssicherheitsgesetzes der VR China“ 2004 aufgehoben wurden, schrieben sie erstmals das „Todesausgleichsgeld“ in den chinesischen Gesetzen oder Verwaltungsvorschriften vor, was das Schadensersatzsystem beim Unfalltod in China tiefgreifend geprägt hat.

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4. Kap.: Der Ersatz immaterieller Schäden beim Unfalltod in China

2. § 4 der „Konkreten Bestimmungen für den Schadensersatz bei auslandsbezogener Körperverletzung oder Tod auf See“ 1991 Im November 1991 veröffentlichte das Oberste Volksgericht der VR China „Konkrete Bestimmungen für den Schadensersatz bei auslandsbezogener Körperverletzung oder Tod auf See“, wobei § 4 den Umfang und die Berechnungsformel für den Schadensersatz beim Unfalltod festlegt: (1) Einkommensverlust. Der Einkommensverlust beruht auf dem Gesamteinkommensniveau des Verstorbenen vor seinem Tod. Einkommensverlust = (Jahreseinkommen – jährlicher eigener Lebensunterhalt) × Jahre vom Tod bis zu normalen Renten + jährliche Rente × 10 Der jährliche eigene Lebensunterhalt des Verstorbenen macht 25 % bis 30 % des Jahreseinkommens aus. (2) Kosten für medizinische Behandlung und Pflegekosten. (3) Trostgeld. Es bezieht sich auf den Ausgleich für die psychischen Schäden der Hinterbliebenen des Verstorbenen. (4) Beerdigungskosten. Angemessene Kosten wie Leichentransport, Einäscherung, Totenurne und Lagerung der Totenurne für eine Periode sind eingeschlossen. Allerdings ist dabei das Gesamteinkommen des Verstorbenen für sechs Monate vor seinem Tod nicht zu überschreiten. (5) Sonstige notwendige Aufwendungen, einschließlich der Kosten für die Suche nach Leichen, Transport, Unterkunft und Zeitverlust sowie anderen angemessenen Kosten von Hinterbliebenen.

Im Vergleich zu anderen Vorschriften nennt § 4 hier die meisten und spezifischsten Arten von Todesersatzleistungen sowie sogar eine vollständige und detaillierte Berechnungsmethode. Darüber hinaus wird ein sogenanntes „Trostgeld“, das im Wesentlichen einen Ausgleich für die psychischen Schäden darstellt, vorgesehen. Daher werden die „anderen Kosten“ nach § 119 Hs. 2 AGZR weiter konkretisiert, indem die Schadensersatzarten beim Unfalltod um den Ersatz immaterieller Schäden erweitert werden. 3. § 32 Abs. 1 Hs. 2 Produktqualitätsgesetz 1993 Das Produktqualitätsgesetz, das im Februar 1993 verkündet wurde, schreibt in § 32 Abs. 1 Hs. 2 vor: „Wenn der Tod durch die Qualität des Produkts verursacht wird, muss die Beerdigungskosten, das Unterstützungsgeld, den Lebensunterhalt der vom Verstorbenen unterstützten Person und andere Kosten gezahlt werden.“

). In China Damit ist ein neuer Begriff entstanden: das Unterstützungsgeld ( gibt es in der Regel zwei Arten vom Unterstützungsgeld: Unterstützungsgeld für den Tod und für die Invalidität. Wenn Bürger nach dem Tod als Märtyrer eingestuft

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werden, Militärpersonal und Polizeibeamte nach dem Tod als Märtyrer anerkannt werden oder bestätigt wird, dass sie sich für offizielle Aufgaben oder durch Krankheit geopfert haben, soll der Staat ihren Hinterbliebenen einen bestimmten Geldbetrag als Unterstützungsgeld leisten.16 Mit anderen Worten gibt es eine staatliche Unterstützung für bestimmte Personen, die sich für nationales oder öffentliches Interesse opfern oder dadurch behindert sind und deren Angehörige. Im § 32 Abs. 1 Hs. 2 Produktqualitätsgesetz ist dies allerdings offensichtlich nicht der Fall, weil dabei zivilrechtliche Schadensersatzansprüche geregelt werden sollten. Daher wurde der Begriff des Unterstützungsgeldes missverstanden und in § 32 Abs. 1 Hs. 2 Produktqualitätsgesetz 1993 fehlerhaft verwendet. 4. § 42 Hs. 1 Verbraucherschutzgesetz 1993 § 42 Hs. 1 Verbraucherschutzgesetz 1993 lautet: „Wenn der Betreiber Waren oder Dienstleistungen erbringt und den Verbraucher oder andere Opfer zum Tode führt, muss er die Beerdigungskosten, das Todesentschädigungsgeld und den Lebensunterhalt der vom Verstorbenen unterstützten Person und andere Kosten leisten.“

Damit wurde der Begriff „Todesentschädigungsgeld“ erstmals ins Gesetz eingeführt, während § 36 der „Maßnahmen zur Behandlung von Verkehrsunfällen“ 1991 ein „Todesausgleichsgeld“ vorsah. Diese beiden Begriffe erscheinen sehr ähnlich, sind aber wörtlich nicht deckungsgleich. Der Gesetzgeber hat die Beziehung zwischen den beiden Bezeichnungen auch nicht zum Ausdruck gebracht. Daher gab es unterschiedliche Ansichten über deren Beziehung. Nach einer Ansicht richtet sich das Todesausgleichsgeld gegen Vermögensschäden und das Todesentschädigungsgeld gegen Nichtvermögensschäden.17 Allerdings sind „Todesausgleichsgeld“ und „Todesentschädigungsgeld“ nach der ganz herrschenden Meinung von gleicher Bedeutung,18 was sich in der weiteren Entwicklung als richtig erwiesen hat. Später werden die beiden einheitlich als Todesentschädigungsgeld bezeichnet, was sich tiefgreifend auf die spätere Gesetzgebung und justizielle Auslegung auswirkt. 5. § 27 Nr. 3 Gesetz über staatliche Entschädigung 1994 Obgleich das Gesetz über staatliche Entschädigung nur für Fälle der staatlichen Entschädigung gilt, sind seine Vorschriften über die Entschädigung beim Todesfall von Bedeutung. Nach § 27 Nr. 3 müssen die Beerdigungskosten und das Todes16

), Arbeits- und Sozialversicherungsrecht, S. 309. Liu, Jun ( Liang, Xiaoping ( )/Chen, Zhiwei ( ), Tribune of Political Science and Law 2010/05, 179 ff. 18 Yao, Hui ( )/Qiu, Peng ( ), Journal of Renmin University of China 2006/4, 114, 120. 17

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4. Kap.: Der Ersatz immaterieller Schäden beim Unfalltod in China

entschädigungsgeld beim Unfalltod geleistet werden und der Gesamtbetrag beträgt das Zwanzigfache des durchschnittlichen Jahresgehalts des Arbeitnehmers im Vorjahr. Für die vom Verstorbenen unterstützte und arbeitsunfähige Personen muss auch Lebensunterhalt gezahlt werden. Zu sehen ist, dass das Todesentschädigungsgeld erneut aufgetreten ist. 6. § 44 Abs. 1 Hs. 3 Produktqualitätsgesetz 2000 2000 wurde das Produktqualitätsgesetz verändert, wobei der Begriffsmissbrauch des Unterstützungsgeldes korrigiert wurde. § 42 Hs. 1 Verbraucherschutzgesetz 1993 entsprechend wurde der frühere § 32 auch geändert, indem „die Beerdigungskosten, das Todesentschädigungsgeld, der Lebensunterhalt der vom Verstorbenen unterstützten Person und andere Kosten“ als Schadensersatzarten beim Todesfall vorgesehen werden. Danach wurde das Produktqualitätsgesetz in den Jahren 2009 und 2018 zweimal verändert, aber die im Jahr 2000 festgelegten Schadensersatzarten beim Todesfall, „die Beerdigungskosten, den Todesentschädigungsgeld, den Lebensunterhalt der vom Verstorbenen unterstützten Person und andere Kosten“, bleiben unberührt. 7. Zwischenergebnis Unzweifelhaft ist, dass die in § 119 AGZR namentlich aufgezählten Schadensersatzarten, die Beerdigungskosten und die notwendigen Unterhaltskosten der vom Verstorbenen unterstützten Person, beim Unfalltod den Hinterbliebenen zu leisten sind. Durch andere Gesetze, justizielle Auslegung sowie Verwaltungsvorschriften arbeiteten der Gesetzgeber, das Oberste Volksgericht sowie die Zentralregierung daran, die „anderen Kosten“ in § 119 Hs. 2 AGZR auszulegen und zu konkretisieren. In § 4 Nr. 3 der „Konkreten Bestimmungen für den Schadensersatz bei auslandsbezogener Verletzung oder Tod auf See“ 1991 wurde ein Ausgleich für die psychischen Schäden der Hinterbliebenen, das sogenannte Trostgeld, eindeutig vorgeschrieben. Weil diese Bestimmung vom Obersten Volksgericht der VR China veröffentlicht wurde, ist davon auszugehen, dass dieser einen Ersatz für die immateriellen Schäden der Hinterbliebenen pauschal zugebilligt hat. Zu berücksichtigen ist, dass es in den chinesischen Gesetzen und Verwaltungsvorschriften eine spezifische Art vom Schadensersatz aufgrund des Todes selbst gibt. Aber das Problem besteht darin, dass dieser in verschiedenen Gesetzen auch abweichend bezeichnet wird, beispielsweise das „Todesausgleichsgeld“ in § 36 der „Maßnahmen zur Behandlung von Verkehrsunfällen“ 1991, das „Todesentschädigungsgeld“ in § 42 Hs. 1 Verbraucherschutzgesetz 1993 und § 27 Nr. 3 Gesetz über staatliche Entschädigung 1994 sowie das missbrauchte „Unterstützungsgeld“ in § 32 I Hs. 2 Produktqualitätsgesetz 1993, das durch die Reform des Gesetzes im Jahr 2000 von Todesentschädigungsgeld verdrängt wurde. Trotz des wörtlichen Unterschiedes

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sind „Todesausgleichsgeld“ und „Todesentschädigungsgeld“ nach der ganz herrschenden Meinung von gleicher Bedeutung.19 Insbesondere ergibt die Korrektur in § 44 I Hs. 3 Produktqualitätsgesetz 2000, dass der Gesetzgeber die Bezeichnung „Todesentschädigungsgeld“ bevorzugte. In der nachfolgenden Entwicklung wurde die Bezeichnung „Todesentschädigungsgeld“ endgültig festgelegt. Ähnlich wie das „Schmerzensgeld“ im deutschen Recht ist die Bezeichnung „Todesentschädigungsgeld“ dogmatisch nicht präzise. Man sollte jedoch von den Bezeichnungen keine übertriebene Genauigkeit verlangen. Durch verschiedene Gesetze und Verwaltungsvorschriften wurden „andere Kosten“ in § 119 Hs. 2 AGZR Schritt für Schritt konkretisiert und geklärt. Schließlich werden sie in zwei Kategorien differenziert: den Ersatz für die psychischen Schäden und das Todesentschädigungsgeld. Beide und dabei insbesondere das Todesentschädigungsgeld, spielen eine gewichtige Rolle bei der Bestimmung des endgültigen Betrags des Ersatzes. Da die Rechtsnatur des Todesentschädigungsgeldes bisher in keinen Gesetzen deutlich erläutert wird, wird sie in der Literatur unterschiedlich dargestellt und ausgelegt. Einer Meinung nach wird es als Schadensersatz für den Verlust der Heranbildungskosten betrachtet, die die Eltern des Verstorbenen für seine Lebenszeit darin investiert haben.20 Nach einer anderen Auffassung wird es als die Entschädigung für das Recht auf Leben im allgemeinen Sinne angesehen.21 Einer weiteren Ansicht nach wird es als ein Ausgleich betrachtet, der nicht nur der Linderung der seelischen Schmerzen dient, sondern auch weitere Funktionen hat, um die Schwierigkeiten bei Nachweis der spezifischen Schäden abzuschwächen und den Gesamtbetrag der Entschädigung zu erhöhen.22 Solcher Streit in der Literatur ist auf die Unklarheit in der Gesetzgebung zurückzuführen, die eine Anwendung in der Rechtspraxis auch erschwert. Daher hat das Oberste Volksgericht der VR China Maßnahmen ergriffen.

III. Justizielle Auslegungen Obwohl allein aus den obigen Gesetzen und Verwaltungsvorschriften zwar für das chinesische Schadensersatzsystem beim Unfalltod nicht völlig klargestellt wird, zu welcher Rechtsnatur das Todesentschädigungsgeld im Wesentlichen gehört und nach welchen Kriterien es festzulegen ist, ist es insgesamt logisch und widerspricht sich nicht. Diese Rechtslage veränderte sich mit der Verkündung der „Auslegung des Obersten Volksgerichts zu einigen Fragen der Feststellung der zivilrechtlichen Deliktshaftung für immateriellen Schadensersatz“ (2001) (abgekürzt als „Auslegung 19

)/Qiu, Peng ( ), Journal of Renmin University of China 2006/4, 114, Yao, Hui ( 120. Gegenmeinung vgl. Liang, Xiaoping ( )/Chen, Zhiwei ( ), Tribune of Political Science and Law 2010/05, 179 ff. 20 Yang, Lixin ( ), Persönlichkeitsrecht, S. 423. 21 Feng, Kai ( ), Journal of Political Science and Law 2004/2, 46, 47 f. 22 Yu, Min ( ), Japanisches Deliktsrecht, S. 384.

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4. Kap.: Der Ersatz immaterieller Schäden beim Unfalltod in China

für immateriellen Schadensersatz“)23 am 8. März 2001 und der Verkündung der „Auslegung der Entschädigung für Personenschäden“24 am 26. Dezember 2003, die die Wurzeln für das nachfolgende Chaos der Regelungen über das Todesentschädigungsgeld gelegt haben.25 Bevor man diese zwei justiziellen Auslegungen als „troublemaker“ nennen kann, ist vor allem die justizielle Auslegung in China, ein justizielles normatives Dokument mit chinesischen Merkmalen, darzustellen. 1. Justizielle Auslegung – justizielles normatives Dokument mit chinesischen Merkmalen Jedes Mal, wenn das Gericht eine Entscheidung treffen will, ist das Gesetz auszulegen und anzuwenden. „Auslegen“ ist ein vermittelndes Tun, durch das der Auslegende den Sinn eines Textes, der ihm problematisch erscheint, verständlich machen will.26 Chinas justizielle Auslegung ist eine spezifische Art davon, weil sie nicht nur eine Handlung durch das Gericht im einzelnen Fall, sondern häufig ein normatives Dokument darstellt, das teilweise auch systematisch und umfangreich ist. Die justizielle Auslegung bezieht sich auf die abstrakte gerichtliche Auslegung mit allgemeiner Rechtswirkung, die vom Obersten Volksgericht vorgenommen wird.27 Nach der herrschenden Meinung beruht die Befugnis des Obersten Volksgerichts, justizielle Auslegungen zu treffen, auf der Sondervollmacht der Legislative und damit des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses,28 da § 2 S. 1 im „Beschluss des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses zur Stärkung der Rechtsauslegungstätigkeit“ vom 10. Juni 1981 lautet: „Die Fragen bezüglich der konkreten Anwendung von Gesetzen und Verordnungen in den Gerichtsverfahren des Gerichts werden vom Obersten Volksgericht ausgelegt.“29

Danach wurde die Befugnis des Obersten Volksgerichts auch in § 18 Volksgerichtsverfassungsgesetz und § 31 ff. Gesetz zur Aufsicht durch die Ständigen Ausschüsse der Volkskongresse auf allen Ebenen festgestellt. Das Oberste Volksgericht verkündete im Jahr 1997 „Mehrere Bestimmungen über die Rechtsauslegungstä23 In der chinesischen Literatur wird diese Auslegung häufiger mit der Dokumentnummer [2001] 7 ) bezeichnet. abgekürzt als „Justizielle Auslegung [2001] Nr. 7“ ( 24 In der chinesischen Literatur wird diese Auslegung auch häufiger mit der Dokumentnummer abgekürzt als „Justizielle Auslegung [2003] Nr. 20“ ( [2003] 20 ) bezeichnet. 25 Ma, Changhua ( )/Song, Min ( ), Journal of Jinan University (Philosophy and Social Science) 2009/2, 35, 36. 26 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 133. 27 Chen, Su ( ), Chinese Journal of Law 2012/2, 3. 28 ), China Legal Science 1994/1, 87, 87; Cao, Shibing ( Vgl. Zhou, Daoluan ( ), China Legal Science 2006/3, 175, 175; Huang, Jinrong ( ), Law Science 2014/7, 10, 16. 29 Beschluss des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses zur Stärkung der Rechtsauslegungstätigkeit, http://www.npc.gov.cn/wxzl/gongbao/2000-12/06/content_50044 01.htm, zuletzt abgerufen am 21. 02. 2021.

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tigkeit“, in denen die Art, Wirksamkeit, Klassifizierung und Verfahren für die justizielle Auslegung näher erläutert wurden. Die justizielle Auslegung hat daher Rechtswirkung und stellt gewissermaßen auch eine Rechtsquelle dar.30 Nicht ignoriert und geleugnet werden kann, dass die justizielle Auslegung in China schon weit über die Rechtsauslegung im allgemeinen Sinn hinausgeht und einen gesetzgeberischen Charakter besitzt.31 Damit wird die Gewaltenteilung zwischen Judikative und Legislative gefährdet oder teilweise aufgehoben. Deswegen wird die Konstellation von Zeit zu Zeit kritisiert. Allerdings ist es bereits zu einer Tatsache geworden, dass die justiziellen Auslegungen in China als normative Dokumente eine wichtige Rolle spielen. Dies gilt nicht nur in der Justizpraxis, sondern auch in der rechtswissenschaftlichen Forschung. Die justiziellen Auslegungen des Obersten Volksgerichts sind extrem häufig, weshalb es bisher schon zahlreiche solche in China gibt. Zudem ist auch zu berücksichtigen, dass die justiziellen Auslegungen im engen Sinn nicht unbedingt einheitlich als „justizielle Auslegung“ bezeichnet werden, sondern mit verschiede), „Auslegung“ ( ), „Antwort“ nen Titel erscheinen, z. B. „Stellungnahme“ ( ( ), „Bestimmung“ ( ), „Beschluss“ ( ), „Lösung“ ( ), „Mitteilungen“ ( ), „Sitzungsprotokoll“ ( ) usw.32 Dies spiegelt auch wider, dass die Verkündung der justiziellen Auslegung vom Obersten Volksgericht relativ frei scheint und das Verfahren nicht streng und normiert genug ist. Diese Situation ist auch darauf zurückzuführen, dass die vom Ständigen Ausschuss des Nationalen Volkskongresses erteilte Sondervollmacht zu pauschal ist. Mit dem Ausdruck „die Fragen bezüglich der konkreten Anwendung von Gesetzen und Verordnungen“ in § 2 S. 1 im „Beschluss des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses zur Stärkung der Rechtsauslegungstätigkeit“ wird der Kompetenzbereich scheinbar abgegrenzt, allerdings wird tatsächlich keine klare Grenze für die Kompetenz des Obersten Volksgerichts gezogen. Dies könnte dazu führen, dass der Tätigkeitsbereich des Obersten Volksgerichts in Bezug auf justizielle Auslegungen ohne offensichtliche Einschränkungen schrittweise erweitert wird. Bevor die Auslegung für den immateriellen Schadensersatz und die Auslegung der Entschädigung für Personenschäden am Ende 2020 überarbeitet wurden, spielten beide gemeinsam eine entscheidende Rolle im gesamten Schadensersatzsystem für immaterielle Schäden. Aber einige Inkonsistenzen zwischen den beiden hatten zu Schwierigkeiten bei der praktischen Anwendung geführt und waren zum Schwerpunkt der wissenschaftlichen Forschung geworden.

30 Eine ausführliche Darstellung zur Rechtsquellen in China vgl. Kischel, Rechtsvergleichung, S. 755 f. 31 ), China Legal Science 2006/3, 175, 177. Cao, Shibing ( 32 Zhang, Zhiming ( ), Social Sciences in China 1997/2, 100, 102.

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4. Kap.: Der Ersatz immaterieller Schäden beim Unfalltod in China

2. Auslegung für immateriellen Schadensersatz a. F. Die Auslegung für immateriellen Schadensersatz wurde am 8. März 2001 verkündet und trat am 10. März 2001 in Kraft. Sie besteht aus zwölf Paragrafen, die relativ detailliert den Ersatz immaterieller Schäden wegen unerlaubter Handlung vorsehen. Unter ihnen beziehen sich die §§ 7 bis 9 a. F. auf den Unfalltod. a) § 7 a. F. Nach § 7 der Auslegung für immateriellen Schadensersatz a. F. haben die Ehepartner, Eltern und Kinder des Verstorbenen das Recht, im eigenen Namen vor dem Volksgericht zu klagen, um den Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden geltend zu machen; falls keine Ehepartner, Eltern oder Kinder vorhanden sind, dann können andere nahe Angehörigen des Verstorbenen die Klage erheben. Durch die Vorschriften wird festgesetzt, dass immaterielle Schäden neben materiellen auch zu ersetzen sind. b) § 8 a. F. In § 8 a. F. wird der Ersatz immaterieller Schäden als „Trostgeld für psychische Schäden“ bezeichnet, was auch im Einklang mit § 4 Nr. 3 der „Konkreten Bestimmungen für den Schadensersatz bei auslandsbezogener Verletzung oder Tod auf See“ 1991 steht. c) § 9 a. F. § 9 a. F. führt allerdings zu vielen Schwierigkeiten beim Verständnis und bei der Anwendung zum Ersatz immaterieller Schäden. Er lautet: „Ersatz immaterieller Schäden umfasst folgende Arten: (1) Wenn die Behinderung einer Person verursacht wird, dann handelt es sich um den Ersatz für die Behinderung; (2) Wenn die Tötung einer Person verursacht wird, dann handelt es sich um den Todesentschädigungsgeld; (3) Trostgeld für sonstige immaterielle Schäden.“

Nach Nr. 2 heißt der Ersatz immaterieller Schäden beim Unfalltod Todesentschädigungsgeld. Diese Bestimmung weicht von dem obigen Zwischenergebnis nach der Aussortierung der relevanten Gesetze und Vorschriften ab, da „andere Kosten“ in § 119 Hs. 2 AGZR in zwei nebeneinanderstehenden Kategorien konkretisiert werden: Ersatz immaterieller Schäden und Todesentschädigungsgeld. § 9 Nr. 2 a. F. verursacht aber auch keinen offensichtlichen Widerspruch mit den vorherigen Gesetzen und anderen Bestimmungen, weil früher der Ersatz immate-

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rieller Schäden und das Todesentschädigungsgeld niemals gleichzeitig in demselben Dokument vorgeschrieben wurden. Daher könnte allein aufgrund dieses Paragrafen der Schluss gezogen werden, dass der Ersatz immaterieller Schäden und das sogenannte Todesentschädigungsgeld zu einem Anspruch zusammengeführt werden. Diese Schlussfolgerung wurde damals auch vom Obersten Volksgericht bestätigt.33 Ob die Festlegung in § 9 a. F. richtig und die damit verbundene Schlussfolgerung zuverlässig ist, hängt von der späteren Entwicklung ab. 3. Auslegung der Entschädigung für Personenschäden a. F. Die Auslegung der Entschädigung für Personenschäden wurde am 26. Dezember 2003 verkündet und trat am 1. Mai. 2004 in Kraft. Hierbei beziehen sich mehrere Bestimmungen auf den Schadensersatz im Todesfall. a) § 17 a. F. In § 17 Abs. 1 a. F. werden mehrere typische Arten des Ersatzes für Vermögensschäden namentlich aufgezählt, etwa Kosten für die medizinische Behandlung und Einkommensverlust wegen des Arbeitsausfalls, Pflegekosten, Transportkosten, Unterkunftskosten, Zulage für stationäre Lebensmittel und notwendige (therapeutische) Ernährungskosten. Nach Abs. 3 hat der Ersatzpflichtige im Todesfall des Opfers neben den in Abs. 1 genannten Kosten noch die Beerdigungskosten, den Lebensunterhalt der vom Verstorbenen unterstützten Person, das Todesausgleichsgeld sowie andere angemessene Ausgaben der Angehörigen zur Durchführung der Bestattungsangelegenheiten wie die Transportkosten, Unterkunftskosten, Einkommensverlust wegen des Arbeitsausfalls und andere angemessene Kosten zu ersetzen. In Abs. 3 wird auch Ersatz für Vermögensschäden vorgesehen, die denen in Abs. 1 entsprechen, das heißt Transportkosten, Unterkunftskosten und Einkommensverlust wegen des Arbeitsausfalls. In Abs. 3 handelt es sich jedoch um die Vermögensschäden der Angehörigen des Verstorbenen, während es in Abs. 1 um diejenigen des Verletzten bzw. Verstorbenen selbst geht. In § 17 Abs. 3 a. F. wird der Begriff „Todesausgleichsgeld“, der erstmals in § 36 der „Maßnahmen zur Behandlung von Verkehrsunfällen“ 1991 genannt wurde, wiederum verwendet, während die üblichere Bezeichnung „Todesentschädigungsgeld“ in § 29 der Auslegung der Entschädigung für Personenschäden a. F. erwähnt wird. Wie oben bereits ausgeführt, sind beide Bezeichnungen nach der herrschenden Meinung jedoch von gleicher Bedeutung, obgleich sie wörtlich voneinander ab-

33 ) (Hrsg.), Verständnis und Anwendung der Auslegung für immaTang, Dehua ( teriellen Schadensersatz, S. 15 f.

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4. Kap.: Der Ersatz immaterieller Schäden beim Unfalltod in China

weichen.34 Ersichtlich ist, dass dies grundsätzlich mit den bisherigen Regelungen übereinstimmt und keinen offensichtlichen Konflikt verursacht. b) § 18 a. F. § 18 Abs. 1 der Auslegung der Entschädigung für Personenschäden a. F. beendet allerdings die bisherige scheinbare Kompatibilität der Regelungen in verschiedenen Gesetzen und justiziellen Auslegungen und führt dazu, dass das gesamte System angezweifelt wird, weil die Opfer oder die nahen Angehörigen des Verstorbenen demnach einen Ersatz für die erlittenen immateriellen Schäden verlangen können. Eine Kollision in den Regelungen ragt heraus: Während § 17 der Auslegung der Entschädigung für Personenschäden a. F. das Todesausgleichsgeld bzw. das Todesentschädigungsgeld vorschreibt, wird der Ersatz immaterieller Schäden gleichzeitig in § 18 geregelt. Die beiden Paragrafen ergeben, dass das Todesentschädigungsgeld sich deutlich vom Ersatz immaterieller Schäden unterscheidet. Daher widersprechen die beiden Regelungen § 9 Nr. 2 der Auslegung für immateriellen Schadensersatz a. F. eindeutig, nach dem der Ersatz immaterieller Schäden beim Todesfall das Todesentschädigungsgeld ist. Obgleich § 18 Abs. 1 der Auslegung der Entschädigung für Personenschäden a. F., der das Trostgeld im Todesfall vorsieht, auch auf die Auslegung für immateriellen Schadensersatz verweist, ergibt eine solche formelle Verbindung tatsächlich keinen Sinn. Da sich die beiden justiziellen Auslegungen direkt widersprechen, ist der Verweis für die Lösung des Problems nicht hilfreich. Weil beide justiziellen Auslegungen vom Obersten Volksgericht verkündet wurden, stehen sie auf der gleichen Ebene. Obwohl die Auslegung der Entschädigung für Personenschäden zwei Jahre später verkündet wurde, verweist § 18 a. F. noch auf die Auslegung für immateriellen Schadensersatz. Daher findet auch keine Aufhebung der älteren Auslegung durch die jüngere nach dem Grundsatz „lex posterior derogat legi priori“ statt. Allein aus den zwei justiziellen Auslegungen lässt es sich daher keine Schlussfolgerung ziehen, ob § 9 der Auslegung für immateriellen Schadensersatz a. F. durch die Auslegung der Entschädigung für Personenschäden aufgehoben oder korrigiert wird. Tatsächlich ist der Widerspruch zwischen §§ 17, 18 der Auslegung der Entschädigung für Personenschäden a. F. und § 9 der Auslegung für immateriellen Schadensersatz a. F. auf den Wechsel der zugrundeliegenden Theorien über das Todesentschädigungsgeld – von der „Verlust-des-Unterhalts“-Theorie zu der „Verlust-der-Erbschaft“-Theorie (s. u. § 12 I 1) – zurückzuführen.

34

120.

Yao, Hui (

)/Qiu, Peng (

), Journal of Renmin University of China 2006/4, 114,

§ 11 Einschlägige Regelungen – nach der Reihenfolge der Zeit

93

c) § 29 a. F. In § 29 a. F. wird die Berechnungsmethode für das Todesentschädigungsgeld vollständig erläutert, die in der folgenden Tabelle ausgedrückt werden kann: Tabelle 11 Wohnort Alter

Auf dem Land

In der Stadt

,60

20 × pro Kopf verfügbares Einkommen der Landbewohner im Vorjahr

20 × pro Kopf verfügbares Einkommen der Stadtbewohner im Vorjahr

61 bis 75

[20 – (Alter – 60)] × pro Kopf verfügbares Einkommen der Landbewohner im Vorjahr

[20 – (Alter – 60)] × pro Kopf verfügbares Einkommen der Stadtbewohner im Vorjahr

5 × pro Kopf verfügbares Einkommen der Landbewohner im Vorjahr

5 × pro Kopf verfügbares Einkommen der Stadtbewohner im Vorjahr

75 1

Eigene Darstellung

Demnach hängt das zu leistende Todesentschädigungsgeld davon ab, ob das Opfer auf dem Land oder in der Stadt wohnt, in welcher Provinz35 es lebt und wie alt es ist. Die Berechnungsmethode für die Personengruppe zwischen 61 und 75 Jahren ergibt, dass diese Vorschrift für die durchschnittliche Lebenserwartung einer Person grundsätzlich 80 Jahre annimmt. Für ein Opfer, das über 75 Jahre alt war, geht die Vorschrift somit davon aus an, dass es noch für fünf Jahre leben könnte. Aber es scheint unverständlich und ungerecht, die 20 Jahre als verbleibendes Leben bei der Personengruppen unter 60 Jahren zu verallgemeinern. Beispielsweise wird bei einem 30-jährigen Opfer angenommen, dass seine normale Lebenserwartung noch 50 Jahre betragen hätte, wenn ihm dieser Unfall nicht passiert wäre. Dies steht offensichtlich im Widerspruch zur tatsächlichen Situation und zu den Regelungen für die Personen ab 60 Jahren. Zunächst erscheint es empfehlenswerter, durch die Formel „(80 – Alter) × pro Kopf verfügbares Einkommen der Stadt- oder Landbewohner im Vorjahr“ zu berechnen. Dann wäre jedoch allein das Alter für die Höhe des Todesentschädigungsgeldes ausschlaggebend. Je jünger das Opfer wäre, desto mehr Todesentschädigungsgeld würde seinen nahen Angehörigen geleistet, was auch keine ideale Lösung darstellt.

35 In Festlandchina gibt es 31 Verwaltungseinheiten auf Provinzebene. Davon sind 22 Provinzen, fünf autonome Regionen (Autonomes Gebiet Innere Mongolei, Autonomes Gebiet Tibet, Uigurisches Autonomes Gebiet Xinjiang, Autonomes Gebiet Ningxia der Hui-Nationalität, Autonomes Gebiet Guangxi der Zhuang-Nationalität) und vier Städte direkt der Zentralregierung unterstellt (Beijing, Tianjin, Shanghai, Chongqing). Zur Vereinfachung des Ausdrucks werden in dieser Dissertation alle 31 Verwaltungseinheiten auf Provinzebene einheitlich als „Provinzen“ bezeichnet.

94

4. Kap.: Der Ersatz immaterieller Schäden beim Unfalltod in China

IV. Deliktshaftungsgesetz 2009 Das chinesische Deliktshaftungsgesetz36 wurde am 26. Dezember 2009 verkündet und trat am 1. Juli 2010 in Kraft. Vor seinem Inkrafttreten waren Vorschriften über die Entschädigung im Todesfall in zahlreichen Gesetzen und justiziellen Auslegungen verstreut. Diese Vorschriften unterscheiden sich in einigen Punkten und widersprechen sich sogar, was teilweise die Einheitlichkeit der Rechtsprechung erschwert. Daher hat das Deliktshaftungsgesetz die Aufgabe, die zahlreichen Regelungen des Deliktsrechts einschließlich der früheren deliktsrechtlichen Regelungen und der damit verbundenen justiziellen Auslegungen zu systematisieren und modernisieren.37 Weil das Deliktshaftungsgesetz vom ständigen Ausschuss des Nationalen Volkskongresses verabschiedet wurde, hat es damit Vorrang bei der Rechtsanwendung. Und weil das Deliktshaftungsgesetz später als die obigen Gesetze, Verwaltungsvorschriften und gerichtlichen Auslegungen geschaffen und verkündet wurde, hatte der Gesetzgeber bis darin bereits Probleme mancher Vorschriften entdeckt und Erfahrungen in der Rechtsanwendung gesammelt. Daher konnten die zuvor entdeckten Probleme gezielt gelöst werden. Im Deliktshaftungsgesetz sind die §§ 16, 17, 18 und 22 direkt für den Schadensersatz beim Unfalltod einschlägig. § 16 Deliktshaftungsgesetz lautet: „Werden Körperschäden eines anderen verursacht, müssen die Kosten medizinischer Behandlung, der Pflege, des Transports und andere angemessene Kosten für Behandlung und Rehabilitation sowie das durch versäumte Arbeit verminderte Einkommen ersetzt werden. Wird eine Behinderung verursacht, müssen auch die Kosten von alltäglichen Hilfsgeräten bei Behinderung und ein Behinderungsentschädigungsgeld ersetzt werden. Wird der Tod verursacht, müssen auch die Beerdigungskosten und das Todesentschädigungsgeld ersetzt werden.“

§ 17 schreibt einen Durchbruch der Stadt-Land-Grenze des Todesentschädigungsgeldes in einer bestimmten Situation vor, dass, wenn die gleiche rechtsverletzende Handlung den Tod mehrerer Personen verursacht, dann kann das Todesentschädigungsgeld über einen gleichen Betrag feststellt werden.38 Der „Betrag“ hier bezieht sich nicht auf den Endbetrag des Todesentschädigungsgeldes, sondern auf den für die Berechnung verwendeten Basisbetrag, das heißt das pro Kopf verfügbare Einkommen. § 18 sieht das Recht der nahen Angehörigen des Verstorbenen vor, vom Verletzer die Übernahme der Haftung für Rechtsverletzung zu verlangen. 36

Das wird auch als „Gesetz der Volksrepublik China über die Haftung für die Verletzung von Rechten“ übersetzt. Vgl. Liu, Xiaoxiao/Knut Benjamin Pißler (Übersetzer), ZChinR 2010, 41 ff. 37 ), Social Sciences in China 2012/12, 103, 105. Long, Weiqiu ( 38 Liu, Xiaoxiao/Knut Benjamin Pißler (Übersetzer), ZChinR 2010, 41, 44.

§ 11 Einschlägige Regelungen – nach der Reihenfolge der Zeit

95

§ 22 sieht einen Anspruch des Geschädigten auf immateriellen Schadensersatz vor, falls durch die Verletzung der personellen Rechtsinteressen ein erheblicher seelischer Schaden verursacht wird. Gemäß § 22 Deliktshaftungsgesetz steht somit der Ersatz immaterieller Schäden neben dem Todesentschädigungsgeld im Deliktshaftungsgesetz. Damit ist § 9 Nr. 2 der Auslegung für immateriellen Schadensersatz a. F. aufgehoben, nachdem das Todesentschädigungsgeld eine Art Ersatz immaterieller Schäden darstellt, wenn eine Person getötet wird.

V. Das chinesische ZGB 1. Einschlägige Vorschriften in ZGB Im November 2014 wurde der „Beschluss des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas über mehreren wichtigen Fragen über die umfassende Weiterentwicklung des Rechtsstaats“ verkündet, der eindeutig vorschlug, ein Zivilgesetzbuch zu kodifizieren. Seitdem ist die Kodifikation des ZGB in China in vollem Gange. Diesmal wird die Kodifikation auch in zwei Schritten erfolgen, das heißt, zuerst wird der allgemeine Teil geschaffen und verkündet und dann werden die besonderen Teile kodifiziert. Nachdem der Allgemeine Teil des Zivilrechts (ATZR) am 15. März 2017 verkündet wurde und am 1. Oktober 2017 in Kraft trat, setzte sich die Kodifikation der besonderen Teile weiterhin fort. Das vollständige ZGB mit der Integration der ATZR wurde am 28. Mai 2020 verabschiedet und trat am 1. Januar 2021 in Kraft. Das neue ZGB39 enthält insgesamt 1260 Paragrafen in sieben Bücher: Allgemeiner Teil (Buch 1), Sachenrecht (Buch 2), Vertragsrecht (Buch 3), Persönlichkeitsrecht (Buch 4), Ehe- und Familienrecht (Buch 5), Erbrecht (Buch 6) und Deliktshaftungsrecht (Buch 7). Darin schreibt § 110 ZGB im Allgemeinen Teil ausdrücklich vor, dass natürliche Personen das Recht auf Leben haben. Außerdem liegt ein wichtiges Merkmal des chinesischen ZGB darin, dass die Vorschriften, die die Persönlichkeitsrechte regeln, das selbständige Buch 4 (§§ 989 bis 1039) bilden. Der Grund dafür besteht darin, dass die Persönlichkeitsrechte nicht nur Verteidigungsrechte sind, sondern auch aktiv ausgeübt werden können. Daher sei das „Auflisten der Persönlichkeitsrechte im Allgemeinen Teil plus Deliktshaftung bei einer Rechtsverletzung“-Modell unzureichend, um die Persönlichkeitsrechte zu schützen, insbesondere vor dem Hintergrund der Entwicklung des Internets und von Big Data.40 Aus diesem Grund erscheint es erforderlich, speziell ein selbständiges Buch im ZGB zu schaffen, um die Persönlichkeitsrechte zu regulieren. Das Recht auf Leben als das wichtigste Persönlichkeitsrecht 39

Eine vollständige deutsche Übersetzung des Zivilgesetzbuches der Volksrepublik China von Ding, Yijie/Peter Leibküchler/Nils Klages/Knut Benjamin Pißler, vgl. ZChinR, 2020, 207 ff. 40 ), Peking University Law Journal 2018/04, 845 ff. Wang, Liming (

96

4. Kap.: Der Ersatz immaterieller Schäden beim Unfalltod in China

wird auch in diesem Buch ausdrücklich festgelegt. § 990 Abs. 1 ZGB legt fest, dass die Persönlichkeitsrechte das Recht auf Leben, Körper, Gesundheit u. a. umfassen. § 1002 ZGB lautet: „Natürliche Personen haben das Recht auf Leben. Die Sicherheit und Würde des Lebens natürlicher Personen sind gesetzlich geschützt. Keine Organisation oder Einzelperson dürfen das Recht auf Leben anderer verletzen.“ § 1005 ZGB normiert: „Wenn das Recht auf Leben, auf körperliche Unversehrtheit oder auf Gesundheit einer natürlichen Person verletzt wird oder in anderen Notsituationen, muss die Organisation oder Person, die kraft Gesetzes zur Rettung verpflichtet ist, unverzüglich retten.“ Somit gibt es im chinesischen ZGB mehrere Vorschriften, die das Recht auf Leben natürlicher Personen und seinen Schutz festlegen. Neben der Aufzählung des Rechts auf Leben spielt die Haftung bei Rechtsverletzung eine wichtigere Rolle. Im Vergleich zum vorherigen Deliktshaftungsgesetz 2009 wird das Deliktshaftungsrecht im Buch 7 des ZGB (§§ 1164 bis 1158 ZGB) sehr wenig geändert. Alle Paragrafen, die bei dem Ersatz immaterieller Schäden einschlägig sind, werden sogar nur redaktionell verändert. Das heißt, obwohl China in die Ära des ZGB eingetreten ist, können die verschiedenen zivilrechtlichen Sondergesetze und justiziellen Auslegungen nicht ignoriert werden. Stattdessen dienen sie weiterhin als wichtige Säulen des Schadensersatzsystems beim Unfalltod. Dementsprechend sind die vorherigen akademischen Forschungen und die frühere Rechtsprechung weiterhin von großer Bedeutung. 2. Entsprechende Revisionen der justiziellen Auslegungen Das neue ZGB bietet dem obersten Volksgericht auch einen Anreiz, die bisherigen zahlreichen zivilrechtlichen justiziellen Auslegungen zu überprüfen und aktualisieren, um sie alle in Einklang mit dem ZGB zu bringen. Allerdings steht nicht jede Aktualisierung in unmittelbarem Zusammenhang mit dem ZGB, vielmehr existieren die verbundenen Probleme bei manchen justiziellen Auslegungen schon seit langer Zeit, beispielsweise die (Un-)Übertragbarkeit bzw. (Un-)Vererbbarkeit des Anspruchs auf Ersatz immaterieller Schäden gemäß § 18 Abs. 2 der Auslegung der Entschädigung für Personenschäden 2003 a. F. (s. o. § 6 I). Das Inkrafttreten des ZGB als eines der größten Ereignisse im Rechtsbereich eines Landes wird jedoch unweigerlich das Oberste Volksgericht drängen, seine überfällige Arbeit abzuschließen. Am 29. 12. 2020 wurden die Änderungen von 27 justiziellen Auslegungen vom Obersten Volksgericht verkündet und sind gleichzeitig mit dem ZGB am 1. Januar 2021 in Kraft getreten. Hierzu gehören die zwei wichtigsten Auslegungen für den Ersatz immaterieller Schäden: die Auslegung für immateriellen Schadensersatz und die Auslegung der Entschädigung für Personenschäden. a) Revision der Auslegung für immateriellen Schadensersatz Die Auslegung für immateriellen Schadensersatz n. F. enthält jetzt nur sechs Paragrafen und ist damit wesentlich kürzer als früher. §§ 7, 8 und 9 a. F. (s. o. § 10 III

§ 11 Einschlägige Regelungen – nach der Reihenfolge der Zeit

97

2) wurden aufgehoben. Der Hauptinhalt von § 7 a. F. wird jedoch beibehalten und in andere Paragrafen aufgenommen, z. B. § 1 n. F., nach dem natürliche Personen oder ihre nahen Angehörigen im Falle der Verletzung von Persönlichkeitsrechten das Recht haben, beim Volksgericht eine Klage auf Ersatz immaterieller Schäden einzureichen. Die Aufhebung des § 9 a. F. wirkt sich insbesondere positiv aus. Wie bereits erwähnt wurde, bestehen der Ersatz immaterieller Schäden und das Todesentschädigungsgeld nebeneinander gemäß § 22 Deliktshaftungsgesetz 2009, weswegen § 9 Nr. 2 der Auslegung für immateriellen Schadensersatz a. F., nach dem das Todesentschädigungsgeld zum Ersatz immaterieller Schäden gehörte, abgeschafft wurde. Nun wird der direkte Widerspruch zwischen unterschiedlichen Vorschriften in zwei justiziellen Auslegungen sowohl in der Form als auch in der Substanz endgültig gelöst. b) Revision der Auslegung der Entschädigung für Personenschäden Neben der vorgenannten Abschaffung der Unübertragbarkeit bzw. Unvererbbarkeit des Anspruchs auf Ersatz immaterieller Schäden in § 18 Abs. 2 der Auslegung der Entschädigung für Personenschäden a. F. hat diese justizielle Auslegung auch andere Änderungen erfahren. § 17 a. F., der mehrere typische Arten von Entschädigungen bei Verletzung oder Tötung vorschrieb, wurde gestrichen, weil ein solcher Inhalt bereits in § 1179 ZGB geregelt ist. Der Verweis auf die Auslegung für immateriellen Schadensersatz in § 18 Abs. 1 a. F. bleibt erhalten und wird in § 33 n. F. eingegliedert. Die Berechnungsmethode für das Todesentschädigungsgeld in § 29 a. F. hat nur eine redaktionelle Änderung erfahren und ist der neue § 15 geworden.

VI. Zusammenfassung der bisherigen Regelungen Durch den Rückblick auf die einschlägigen Regelungen kann man davon ausgehen, dass die auszugleichenden Schäden beim Unfalltod im chinesischen Recht in drei Kategorien unterteilt werden können: erstens die direkten Vermögensschäden einschließlich Beerdigungskosten, ggf. Transportkosten, Behandlungskosten und Pflegekosten u. a. für das Opfer vor dem Tod, zweitens die immateriellen Schäden der Angehörigen, weil zwischen den nahen Angehörigen und dem Verstorbenen eine nächste emotionale Verbindung besteht, die allerdings durch den Tod durchgebrochen wird und normalerweise seelische Schmerzen bzw. immaterielle Schäden verursacht, und drittens die indirekten Vermögensschäden, die sich auf den vorzeitigen Tod des Opfers beziehen.41 Zum Ausgleich der indirekten Vermögensschäden dient hauptsächlich das Todesentschädigungsgeld (s. u. § 12), das als eine Art des Ersatzes hervorragt und ein einzigartiges Institut darstellt.

41

Zhao, Min (

)/Sui, Hongming (

), Nanjing Social Sciences 2011/12, 92, 93.

98

4. Kap.: Der Ersatz immaterieller Schäden beim Unfalltod in China

§ 12 Todesentschädigungsgeld Das Todesentschädigungsgeld ist ein wichtiger Begriff im chinesischen Todesersatzsystem und spielt eine entscheidende Rolle. Diese Behauptung wird durch zwei Punkte gestützt: Erstens bildet es durch die Berechnungsmethode in § 29 der Auslegung der Entschädigung für Personenschäden a. F. bzw. § 15 n. F., die seit ihrem Inkrafttreten in der Praxis allgemein angewendet wird, in den meisten Fällen den Hauptteil des gesamten Ersatzbetrags für den Unfalltod im Vergleich zu Beerdigungskosten, Ersatz immaterieller Schäden usw. Zweitens stellt das Todesentschädigungsgeld den größten Unterschied zwischen dem chinesischen und ausländischen Recht im Bereich des Ersatzsystems beim Unfalltod dar, weil z. B. das deutsche Recht kein Todesentschädigungsgeld kennt. Allerdings bleiben noch zahlreiche grundlegende Fragen zum Todesentschädigungsgeld unklar und umstritten, obgleich es seit Langem gesetzlich vorgeschrieben ist und auch in der Praxis allgemein angewendet wird.

I. Unterschiedliche Theorien über das Todesentschädigungsgeld Die Bezeichnung des Todesentschädigungsgeldes ergibt, dass es sich auf den Tod bezieht. Als der Begriff des Todesentschädigungsgeldes in China festgelegt wurde, wurde nur allgemein anerkannt, dass das Recht auf Leben, auf Gesundheit und auf Körper durch den Ersatz für Personenschäden geschützt werden.42 Dem Gesetzgeber war damals wahrscheinlich nicht bewusst, welche Schäden mit dem Todesentschädigungsgeld zu ersetzen sind oder welche Funktionen es eigentlich haben sollte. Ebenso war ihm unklar, ob durch die Leistung des Todesentschädigungsgeldes das Opfer selbst oder seine Angehörigen zu entschädigen sind und der Anspruch auf Todesentschädigungsgeld im ersteren Fall nur von den Angehörigen geerbt wird. Im Laufe der Zeit hat man festgestellt, dass die oben genannten Fragen geklärt werden müssen, da anderenfalls das Todesentschädigungsgeld nicht effektiv angewendet werden kann. Daher sind in China unterschiedliche Theorien entstanden, die alle anstreben, den Zweck und die Funktionen des Todesentschädigungsgeldes zu erläutern. Alle Theorien konzentrieren sich auf den Punkt, warum ein Ersatz für den Tod erforderlich ist und welche Schäden durch das Todesentschädigungsgeld auszugleichen sind. Oder mit anderen Worten ist fraglich, welche Rolle das Todesentschädigungsgeld spielen sollte.

42 ) (Hrsg.), Verständnis und Anwendung der Auslegung der Huang, Songyou ( Entschädigung für Personenschäden, S. 2 ff.

§ 12 Todesentschädigungsgeld

99

1. „Verlust-des-Unterhalts“-Theorie und „Verlust-der-Erbschaft“-Theorie a) Hauptpunkte dieser beiden Theorien Von fast allen Rechtsstaaten wird anerkannt, dass die Verletzung des Rechts auf Leben zur zivilrechtlichen Haftung führt.43 In der Neuzeit wurde die Auffassung weit verbreitet, dass der Ersatz keine Entschädigung für das Leben als solches, das heißt eine sogenannte „Lebenspreisentschädigung“, ist, da das Recht auf Leben als Persönlichkeitsrecht kein Eigentumsrecht darstellt. Der wesentliche Unterschied zwischen den in Persönlichkeitsrechten enthaltenen persönlichen Interessen und den in Eigentumsrechten enthaltenen Eigentumsinteressen besteht darin, dass die Ersteren nicht an Geld gemessen werden können, während dies bei Letzteren möglich ist.44 Außerdem besteht das zivilrechtliches Verhältnis nur zwischen rechtsfähigen Personen, weshalb eine Entschädigung für den Verstorbenen nicht nur unmöglich, sondern auch unnötig ist.45 Im Falle eines gesetzlich anerkannten Ersatzes für den Tod sind nur die nahen Angehörigen bzw. die Erben des Verstorbenen, die wegen seines Unfalltodes Schäden erleiden, berechtigt, einen Anspruch auf Entschädigung geltend zu machen.46 Darüber hinaus verbietet die Rechtspolitik, das Leben zu kommerzialisieren. Deshalb soll durch das Todesentschädigungsgeld Ersatz für das verlorene Interesse der Dritten, die vom Tod des Opfers betroffen sind, geschaffen werden. Danach stellt sich die weitere Frage, worauf der Anspruch des Dritten auf Entschädigung nun beruht, das heißt, wo die tatsächlichen Schäden des Dritten liegen. Zwei Theorien, die „Verlust-des-Unterhalts“-Theorie und die „Verlust-der-Erbschaft“-Theorie,47 die beide den Schadensersatz beim Unfalltod als Entschädigung für die Angehörigen des Verstorbenen ansehen, wollen diese Frage beantworten. Die beiden Theorien haben die Gesetzgebung in verschiedenen Ländern enorm beeinflusst. Die „Verlust-des-Unterhalts“-Theorie geht davon aus, dass der Tod des Opfers auch Vermögensschäden für die vom Verstorbenen unterstützten Person verursacht, weshalb der Verletzter auch dafür ersatzpflichtig ist.48 Der Ersatz ergibt sich aus der Gesamtsumme der Unterhaltsansprüche, die die unterhaltsberechtigte Person er43

116. 44

S. 13. 45

117. 46

Yao, Hui (

)/Qiu, Peng (

Wang, Liming ( Yao, Hui (

), Journal of Renmin University of China 2006/4, 114,

)/Yang, Lixin (

)/Qiu, Peng (

)/Yao, Hui (

), Persönlichkeitsrecht,

), Journal of Renmin University of China 2006/4, 114,

Chen, Xianjie ( ), National Judges College Law Journal 2004/02, 3, 3. Vgl. Zhang, Xinbao ( ), Chinese Journal of Law 2008/04, 36, 42; Ye, Jinqiang ( ), Global Law Review 2011/05, 81, 85. 48 Vgl. Rechtsausschuss des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongress (Hrsg.), Artikelbeschreibung, Begründung der Gesetzgebung und verbundene Vorschriften des Deliktshaftungsgesetzes der Volksrepublik China, S. 62. 47

100

4. Kap.: Der Ersatz immaterieller Schäden beim Unfalltod in China

halten könnte, falls das Opfer nicht wegen des Unfalls vorzeitig sterben würde. Eine solche Theorie zeigt sich auch im deutschen Recht, da § 844 Abs. 2 BGB den Ersatzanspruch Dritter bei Tötung vorsieht, wenn der Getötete dem Dritten gegenüber kraft Gesetzes unterhaltspflichtig war oder unterhaltspflichtig werden konnte. Dem Dritten wird somit infolge des Todes des Opfers das Recht auf den Unterhalt entzogen. Der deutsche Gesetzgeber folgt daher die „Verlust-des-Unterhalts“-Theorie. Demgegenüber besagt die „Verlust-der-Erbschaft“-Theorie, dass das Opfer, wenn es nicht getötet würde, auch in der Zukunft Einkommen erwirtschaften könnte. Das Einkommen abzüglich der eigenen Lebenshaltungskosten wäre schließlich der Nachlass des Opfers, der am Ende auf den Erben übergehen würde. Durch den Tod des Opfers würde das Geld, das es in der Zukunft verdienen könnte, vollständig verloren, und das Vermögen, das die Erben des Opfers erhalten könnten, würde verringert. Dementsprechend sollte der Ersatzpflichtige daher das künftige Einkommen ersetzen, das aufgrund des Todes des Opfers verloren geht.49 Aber diese Theorie entspricht den Tatsachen nicht unbedingt. In der Zukunft könnte das Vermögen des Verstorbenen auch abnehmen, wenn der Betrieb nicht gut wie erwartet läuft, obgleich er für mehrere Jahre weiterleben und arbeiten könnte. Aber im Allgemeinen gilt: Je länger man lebt und arbeitet, desto mehr Vermögen kann man sammeln. Eine Abnahme des Vermögens bleibt als seltener Ausnahmefall unberücksichtigt. Daher bedeutet der vorzeitige Tod nach der „Verlust-der-Erbschaft“Theorie eine Verringerung der Erbschaft für die Erben des Verstorbenen. b) Verkörperung der Theorien in den Gesetzen und justiziellen Auslegungen Die „Verlust-des-Unterhalts“-Theorie und die „Verlust-der-Erbschaft“-Theorie prägen auch tiefgreifend die chinesische Gesetzgebung und die justiziellen Auslegungen, die jedoch zwischen den beiden Theorien schwankten. In § 119 AGZR werden „die notwendigen Unterhaltskosten der vom Verstorbenen unterstützten Person“ namentlich aufgelistet, der Ersatz für den Einkommensausfall wird demgegenüber nicht erwähnt. Die Rechtslage hat ergeben, dass die „Verlust-des-Unterhalts“-Theorie bei der Schaffung der AGZR vom Gesetzgeber übernommen wurde.50 Dementsprechend zeigt sich dieselbe Theorie auch in § 36 der „Maßnahmen zur Behandlung von Verkehrsunfällen“ 1991, § 32 I Hs. 2 Produktqualitätsgesetz 1993, § 42 Hs. 1 Verbraucherschutzgesetz 1993 und § 44 I Hs. 3 Produktqualitätsgesetz 2000. In § 4 der „Konkreten Bestimmungen für den Schadensersatz bei Verletzung oder Tod auf See“ 1991 wird aber auch der Einkommensverlust als eine Art der Schäden 49 Vgl. Rechtsausschuss des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongress (Hrsg.), Artikelbeschreibung, Begründung der Gesetzgebung und verbundene Vorschriften des Deliktshaftungsgesetzes der Volksrepublik China, S. 62. 50 )/Qiu, Peng ( ), Journal of Renmin University of China 2006/4, 114, Yao, Hui ( 119.

§ 12 Todesentschädigungsgeld

101

beim Unfalltod angesehen, was zu Verwirrung führt, da das Einkommen des Verstorbenen zugrunde liegt und die Sichtweise eher zu der „Verlust-der-Erbschaft“Theorie neigt. Gleiches gilt auch für § 27 Nr. 3 S. 1 Gesetz zur Entschädigung des Staates 1994, wonach der Gesamtbetrag des Todesentschädigungsgeldes das Zwanzigfache des durchschnittlichen Jahresgehalts des Arbeitnehmers im Vorjahr beträgt. Gemäß S. 2 ist gleichzeitig auch Lebensunterhalt zu leisten, wenn eine vom Verstorbenen unterstützte und arbeitsunfähige Person vorhanden ist. Dies geht über die Divergenz dieser beiden Theorien hinaus und dabei werden unterschiedliche Kategorien des Ersatzes pauschal anerkannt. Dann übersteigt aber die Höhe des gesamten Ersatzes das Ergebnis, das logisch kalkuliert wird. Auf diese Weise zeigt der Gesetzgeber auf der einen Seite Großzügigkeit gegenüber den Angehörigen des Opfers und sie werden dadurch tatsächlich begünstigt. Aber dies ist auf der anderen Seite möglicherweise ungerecht für den Ersatzpflichtige. Als die Auslegung für immateriellen Schadensersatz formuliert wurde, herrschte die „Verlust-des-Unterhalts“-Theorie.51 Der Verfasser der justiziellen Auslegung war der Auffassung, dass § 119 Hs. 2 AGZR bereits den notwendigen Lebensunterhalt der vom Verstorbenen unterstützten Person aufgezählt und deshalb nicht mehr den Einkommensverlust des Verstorbenen enthalten kann.52 Demgegenüber sei es bei der Formulierung der Auslegung der Entschädigung für Personenschäden wieder zu der sogenannten „Verlust-der-Erbschaft“-Theorie gewechselt,53 weil sich die Berechnungsmethode des Todesentschädigungsgeldes in § 29 der Auslegung a. F. nach dem mutmaßlichen Einkommensverlust des Verstorbenen richtet. Das Deliktshaftungsgesetz (2009) neigt dementsprechend auch zu der „Verlustder-Erbschaft“-Theorie, weil hier keine Regelung über die Unterhaltskosten der vom Verstorbenen unterstützten Person getroffen wird. 2. „Aufrechterhalten-eines-bestimmten-materiellen-Lebensstandards“Theorie Die „Verlust-des-Unterhalts“-Theorie und die „Verlust-der-Erbschaft“-Theorie sind jedoch nicht inkompatibel. Beispielsweise stützt sich § 27 Nr. 3 Gesetz zur Entschädigung des Staates 1994 auf die Perspektiven beider Theorien. Es gibt Meinungen, dass diese beiden Theorien Mängel haben. Sie sollten miteinander kombiniert werden, um die Mängel zu beseitigen. In der Literatur wird daher die „Aufrechterhalten-eines-bestimmten-materiellen-Lebensstandards“-Theorie vorge51

), People’s Judicature 2001/04, 12, 15. Chen, Xianjie ( Für den Hintergrund der Auslegung für immateriellen Schadensersatz, vgl. Tang, Dehua ( ) (Hrsg.), Verständnis und Anwendung der Auslegung für immateriellen Schadensersatz, S. 7 ff. 53 Wang, Liming, ( ), Forschung zum Persönlichkeitsrecht, S. 331. 52

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4. Kap.: Der Ersatz immaterieller Schäden beim Unfalltod in China

schlagen, die hauptsächlich ZHANG Xinbao vertritt.54 Nach der Theorie soll es wirtschaftliche und emotionale Abhängigkeiten zwischen Angehörigen und Verstorbenen geben. Der Tod eines Angehörigen habe eine Reihe von Schäden mit sich gebracht: die Kosten für die medizinische Behandlung, die Beerdigungskosten, den Arbeitsausfall wegen der Pflege der Angehörigen und andere Vermögensschäden, den Verlust des Unterhalts oder des materiellen Lebensstandards aufgrund des Todes der Angehörigen, seelisches Leid durch den unglücklichen Tod einer geliebten Angehörigen. Die entsprechende Entschädigung für den Todesfall solle auch den Ersatz für den damit verbundenen Vermögensschaden, das Todesentschädigungsgeld und den Ersatz immaterieller Schäden umfassen. Die Theorie schlägt deshalb vor, dass das Todesentschädigungsgeld verwendet wird, um den Lebensstandard der Angehörigen des Verstorbenen in Zukunft aufrechtzuerhalten. WANG Liming vertritt eine ähnliche Ansicht, dass nach dem Tod eine Entschädigung angesetzt werden sollte, um den Lebensstandard von nahen Angehörigen aufrechtzuerhalten.55 Das Todesentschädigungsgeld stelle folglich einen umfassenden Ausgleich für den Verlust verschiedener Interessen von Angehörigen dar, der durch den Tod des Opfers verursacht wird. Nach dieser Theorie ähnelt der Zweck des Todesentschädigungsgeldes in China zum Teil dem Schmerzensgeld nach § 253 Abs. 2 BGB in Deutschland, weil mit dem Schmerzensgeld den Angehörigen auch ermöglicht werden soll, ihr Wohnbefinden zu erhöhen, sich von den Schmerzen abzulenken und auf die Lebensfreude zu konzentrieren.56 Die beiden Vorschriften haben den gemeinsamen Zweck, die Veränderungen der Lebensbedingungen der Angehörigen nach dem Unfall insgesamt zu berücksichtigen und den früheren Lebensstandard der Angehörigen möglichst aufrechtzuerhalten, obwohl sich das Schmerzensgeld in Deutschland auf den immateriellen Schaden bezieht, während das Todesentschädigungsgeld in China hauptsächlich den Vermögensschaden betrifft. Diese „Aufrechterhalten-eines-bestimmten-materiellen-Lebensstandards“-Theorie modifiziert und verbindet die „Verlust-des-Unterhalts“-Theorie und die „Verlustder-Erbschaft“-Theorie und berechnet das Todesentschädigungsgeld weder allein auf der Grundlage des Einkommens des Verstorbenen noch auf derjenigen des Unterhalts der Angehörigen, sondern auf der Basis der tatsächlichen Umstände des Verstorbenen und seiner Angehörigen. Daher soll der Betrag des Todesentschädigungsgeldes nach dieser Theorie höher als derjenige nach der „Verlust-des-Unterhalts“-Theorie oder der „Verlust-der-Erbschaft“-Theorie sein. Nach dieser Theorie bezwecken zwar der Ersatz für die Lebenshaltungskosten der Angehörigen und das Todesentschädigungsgeld, einen bestimmten materiellen Lebensstandard für nahe Angehörigen aufrechtzuerhalten, haben jedoch unterschiedliche Funktionen und 54 ), China Legal Science 2010/3, 22, 25; Zhang, Xinbao ( Vgl. Zhang, Xinbao ( ), China Legal Science 2017/03, 49, 56. 55 Wang, Liming ( ), Contemporary Law Review 2008/05, 3, 12. 56 MükoBGB/Oetker, BGB § 253 Rn. 10.

§ 12 Todesentschädigungsgeld

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Schwerpunkte, weshalb sie koexistieren dürfen sollten.57 Die obige Frage, ob die übertriebene Großzügigkeit für die Angehörigen des Opfers gleichzeitig eine Ungerechtigkeit für den Verletzer darstellt, besteht weiterhin. 3. „Erbrechts“-Theorie Die „Erbrechts“-Theorie wurde aus Japan in China transplantiert und spielt heutzutage noch eine wichtige Rolle in der japanischen Rechtsprechung. Nach der Theorie existiert ein bestimmtes fiktives Zeitintervall, das heißt eine sogenannte juristische oder logische Sekunde58 zwischen der Verletzung und dem Tod, in dem das Lebensrecht des Verstorbenen verletzt werde. Aber in der Sekunde habe er die Rechtsfähigkeit noch nicht total verloren, weshalb ihm ein eigener Anspruch auf Ersatz der zustehen könne.59 Nach dem Todeintritt falle der Anspruch als eine schuldrechtliche Forderung in den Nachlass und gehe auf die Erbengemeinschaft über, wobei er danach unter die Erben aufzuteilen sei.60 Allerdings ist die Theorie auch in Japan sehr umstritten, da sie logisch problematisch sei. In einer Entscheidung am 10. März 1928 wurde die Theorie sogar von dem japanischen Kassationsgericht ironisiert, dass eine solche juristische Fiktion zu einer Verlegenheit führen werde: „sterben bereits vor dem Tod, sterben wieder nach dem Tod“.61 Das bedeutet, wenn das Opfer noch nicht stirbt, dann kann man nicht sagen, dass sein Recht auf Leben verletzt wird. Daher kommt ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung des Lebensrechts auch nicht in Betracht; mit dem Eintritt des Todes verliert das Opfer seine Rechtsfähigkeit und den subjektiven Status im Zivilrecht, daher darf der Verstorbene selbst keinen Anspruch haben, der anschließend an die Erbengemeinschaft übergehen würde. Dieses Argument hat auch in China viel Unterstützung erhalten.62 Obgleich die juristische oder logische Sekunde in manchen Rechtsgebieten im deutschen Recht veranschaulichend herangezogen werden,63 wird sie jedoch beim Todesfall kaum eingesetzt. Nach dem BGH ist es unmöglich, beim alsbaldigen Tod eine Grenze zwischen der Verletzung und dem Tod zu ziehen, daher ist es noch weniger wahrscheinlich, eine juristische oder logische Sekunde heranzuziehen. Folglich entsteht nach dem BGH kein Anspruch, wenn der Tod alsbald nach der schädigenden Handlung eintritt.64 Nur wenn das Opfer für einen relativ langen 57

), Chinese Journal of Law 2008/04, 36, 52. Zhang, Xinbao ( Winkler, Zeit und Recht, S. 319. 59 Sun, Peng ( ), Journal of Gansu Institute of Political Science and Law 2005/04, 58, 59. 60 Wang, Liming ( )/Yang, Lixin ( ), Deliktsrecht, S. 168. 61 Sun, Peng ( ), Journal of Gansu Institute of Political Science and Law 2005/04, 58, 60. 62 Vgl. Yao, Hui ( )/Qiu, Peng ( ), Journal of Renmin University of China 2006/4, 114, 118. Zur Kritik des Arguments vgl. Ye, Jinqiang ( ), Global Law Review 2011/05, 81, 84. 63 Kuhnel, Die juristische Sekunde, S. 13 ff.; BGH NJW 2010, 3232. 64 BGH NJW 1976, 1147, 1148; BGH NJW 1998, 2741. 58

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4. Kap.: Der Ersatz immaterieller Schäden beim Unfalltod in China

Zeitraum überlebt, wird ein auf einer Körper- bzw. Gesundheitsverletzung basierender psychischer Schadensersatz des Verstorbenen begründet. Daher steht die „Erbschaft“-Theorie der deutschen Rechtsprechung entgegen. 4. „Tod-als-Schaden“-Theorie In den letzten Jahren wird nach der „Tod-als-Schaden“-Theorie davon ausgegangen, dass das Ende des Lebens selbst ein Schaden sei und sich das Todesentschädigungsgeld auf diesen Schaden richte.65 Obgleich allgemein anerkannt wird, dass das Leben nicht mit Geld bemessen werden kann und nicht kommerzialisiert werden darf, steht die Theorie dem Grundsatz auch nicht entgegen. Im chinesischen Schrifttum ist der Ausdruck beliebt, dass das Leben „unbe“) ist. Im chinesischen Sprachgebrauch hat „unbezahlbar“ („ “) zahlbar“ („ allerdings gerade zwei völlig entgegengesetzten Bedeutungen, eine ist „kein Wert“, während die andere davon ausgeht, dass der Wert mit Geld zu hoch zu bemessen ist. Ein solcher Sprachausdruck führt bisweilen zu Verwirrung und Missverständnis. Daher haben einige Rechtswissenschaftler mehrmals betont, dass das Leben eines Menschen unbezahlbar (priceless), aber nicht wertlos (valueless) ist.66 Nach einer Ansicht besteht eine solche Verwirrung nicht nur im alltags Sprachgebrauch, sondern auch in der juristischen Forschung und Rechtsprechung. Wenn das Recht auf Leben nicht ausreichend respektiert und bei seiner Verletzung nicht kompensiert wird, dann werde es ein „nacktes“ Recht und damit sein Wert eigentlich auf null reduziert67, wodurch der gesetzliche Schutz für das Leben leerlaufen werde.68 In Deutschland wird auch anerkannt, dass die Verletzung des Lebens, obwohl es das ranghöchste Rechtsgut ist, im Deliktsrecht anders als im Strafrecht nur eine geringe Rolle spielt.69 Diese Rechtslage wird auch in der Literatur zum Deliktsrecht scharf kritisiert.70 Da es im Gegensatz zu den Vermögensschäden kein objektives Kriterium gibt, um zu bestimmen, welcher Verlust im Todesfall entsteht, sei es daher unmöglich, einen Ersatzbetrag beim Todesfall zu entdecken, sondern nur einen zu erschaffen.71 Nach einer Ansicht verwechselt eine solche Behauptung, dass das Leben nicht entschä65 ), Modern Law Science 2008/06, 97 ff.; Ma, Changhua ( Zhang, Xudong ( )/Song, Min ( ), Journal of Jinan University (Philosophy and Social Science) 2009/2, 35 ff.; Ran, Yanhui ( ), Law Science 2009/09, 60 ff.; Ye, Mingyi ( ), Studies in Law and Business 2010/05, 13 ff.; Zheng, Yongkuan ( ), Journal of Gansu Institute of Political Science and Law 2012/01, 32 ff. 66 )/Song, Min ( ), Journal of Jinan University (Philosophy and Ma, Changhua ( Social Science) 2009/2, 35, 39. 67 Ye, Mingyi ( ), Studies in Law and Business 2010/05, 13, 15. 68 Ran, Yanhui ( ), Law Science 2009/09, 60, 67. 69 MüKoBGB/Wagner, BGB § 823 Rn. 165. 70 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 404 ff.; Ott/Schäfer, JZ 1990, 563, 569 ff. 71 Zhang, Xudong ( ), Modern Law Science 2008/06, 97, 101 f.

§ 12 Todesentschädigungsgeld

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digungsfähig sei, den „abstrakten Lebenswert“ mit dem „konkreten Lebenswert“, weil der Wert des Lebens in verschiedenen Zusammenhängen unterschiedliche Bedeutungen habe. Vielmehr beschränke sich die abstrakte Unbezahlbarkeit des Lebens allein auf philosophischer oder moralischer Ebene, während der konkrete Lebenswert bzw. der Wert des menschlichen Körpers auf wirtschaftlicher, juristischer, medizinischer Ebene u. a. monetisiert und bemessen werden könne.72 Der auf dem konkreten Wert des Lebens basierende Ersatz für das Leben könne nicht nur den gesetzgeberischen Zweck des Deliktsrechts besser widerspiegeln, sondern auch die gesamte Gesellschaft und die Menschen dazu anregen, das Leben sowie das Humankapital mehr zu berücksichtigen und respektieren. Wirtschaftlich und juristisch gesehen schadet die wissenschaftliche Berechnung des Wertes des Lebens nicht der Würde des Lebens, sondern hilft dabei, mit den wirtschaftlichen und rechtlichen Mittel jene rechtswidrigen Handlungen besser zu bestrafen und sanktionieren, die das Leben beeinträchtigen.73 Der Wert des Lebens ist kein neues Thema in der Rechtswissenschaft. Bereits 1969 veröffentlichte Charles Fried von der Harvard Law School einen Aufsatz mit dem Thema „The Value of Life“, in dem ein sogenanntes „statistisches Leben“ diskutiert wird.74 In der deutschen ökonomischen Literatur zum Schmerzensgeld wird auch die Bestimmung eines statistischen „Wertes des Lebens“ diskutiert.75 Dabei zeigt das Ergebnis der Untersuchungen, dass man das 44-Fache des Bruttosozialprodukts pro Kopf als Wert der Todesverhütung annimmt.76 Aber nicht nur der chinesische und der deutsche Gesetzgeber, sondern auch die Rechtsprechung in beiden Länder scheinen noch zurückhaltend zu sein, solche aus ökonomischer Sicht berechnete Betrag als Schadensersatz beim Unfalltod zu verwenden. Das starre Festhalten an der sogenannten Unbezahlbarkeit des Lebens führt wahrscheinlich zu neuer Ungerechtigkeit, z. B. gibt es ein zynisches Sprichwort über Verkehrsunfälle in China, dass „es besser ist, jemanden zu töten, als jemanden zu verletzen.“ Das bedeutet, dass der Ersatzpflichtige bei der Tötung normalerweise noch weniger als bei der Verletzung leisten muss. Ähnliche zynische Aussagen finden sich auch in der deutschen Literatur.77 Man muss einräumen, dass eine solche Situation nicht hypothetisch ist! Für den Gesetzgeber und die Rechtsprechung ist es an der Zeit, die „Tod-als-Schaden“-Theorie zu berücksichtigen und aus ökonomischer Sicht zu erwägen, um das Leben als das ranghöchste Rechtsgut besser zu schützen.

72

), Social Sciences in China 2011/06, 79, 87. Li, Bensen ( Li, Bensen ( ), Social Sciences in China 2011/06, 79, 94. 74 Siehe Fried, The Value of Life, Harvard Law Review, Vol. 82, No. 7 (May, 1969), pp. 1415 – 1437. 75 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 404 ff. 76 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 405. 77 Vgl. Wagner, Neue Perspektiven im Schadensersatzrecht, S. A 61; Medicus, JZ 2006, 805, 808; Deutsch, NJW 1993, 781, 784. 73

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4. Kap.: Der Ersatz immaterieller Schäden beim Unfalltod in China

II. Rechtsnatur des Todesentschädigungsgeldes Im chinesischen Recht wird häufig neben dem Todesentschädigungsgeld auch eine Entschädigung für Beerdigungskosten und Ersatz psychischer Schäden vorgesehen. Es besteht kein Zweifel, dass die Beerdigungskosten und psychische Schäden zu materiellen und immateriellen Schäden gehören. Aber die Rechtsnatur des Todesentschädigungsgeldes ist fraglich. Handelt es sich dabei um einen Ersatz materieller oder immaterieller Schäden? Nach der „Verlust-des-Unterhalts“-Theorie und der „Verlust-der-Erbschaft“Theorie zielt das Todesentschädigungsgeld auf den Ersatz für die Angehörigen, da sie durch den Unfalltod des Opfers einen Interessenverlust erleiden. Der Unterschied zwischen den beiden Theorien besteht darin, ob sich die Interessen hauptsächlich auf den Lebensunterhalt der vom Verstorbenen unterstützten Person oder die Erbschaft, die die Erben nach mehreren Jahren bekommen könnten, beziehen. Aber es besteht kein Zweifel, dass die materiellen Schäden nach den beiden Theorien berücksichtigt werden. Ähnliches gilt auch für die „Aufrechterhalten-eines-bestimmten-materiellen-Lebensstandards“-Theorie. Nach dieser soll das Todesentschädigungsgeld verwendet werden, um den Lebensstandard der Angehörigen des Verstorbenen in Zukunft aufrechtzuerhalten.78 Weil die Angehörigen ein Familienmitglied verlieren, was zu Schwierigkeiten im Leben führen würde, ist es unmöglich, den frühen Lebensstandard mit denselben Mitteln aufrechtzuerhalten. Deshalb muss ihnen mehr Geld zugesprochen werden, um ihr Wohnbefinden zu erhöhen. Demgegenüber beruht das Todesentschädigungsgeld nach der „Tod-als-Schaden“-Theorie auf der Verletzung des Rechts auf Leben, weswegen es auf den Ersatz für das Leben selbst ziele. LI Bensen begründet seine Auffassung mit der modernen Humankapitaltheorie, dass das Todesentschädigungsgeld weder Ersatz materieller Schäden noch immaterieller Schäden sei, sondern eine umfassende Entschädigung für das Arbeitskapital in der Vergangenheit, das Wissenskapital in der Gegenwart sowie das erwartete Kapital in der Zukunft, das heißt die Entschädigung für den statistischen Wert des Lebens.79 § 9 der Auslegung für immateriellen Schadensersatz a. F. sah ausdrücklich vor, dass das Todesentschädigungsgeld ein Ersatz immaterieller Schäden ist, wenn eine Person getötet wird. Aber nach der herrschenden Meinung entspricht die Regelung dem ganzen System nicht, vielmehr zerstörte sie es, weshalb sie fehlerhaft sei.80 Daher wurde § 9 später durch die Auslegung der Entschädigung für Personenschäden, das Deliktshaftungsgesetz allmählich korrigiert und seine negative Aus-

78

), China Legal Science 2010/3, 22, 25. Zhang, Xinbao ( Li, Bensen ( ), Social Sciences in China 2011/06, 79, 88. 80 Dagegen vgl. Huang, Yaqin ( )/Yang, Zhiyong ( ), Jiangxi Social Sciences 2010/08, 182, 185. 79

§ 12 Todesentschädigungsgeld

107

wirkung wurde minimiert,81 bis er vor dem Hintergrund des Inkrafttretens des ZGB zum Jahresende 2020 vollständig aufgehoben wurde. Mit dem Inkrafttreten des Deliktshaftungsgesetzes 2009 ist die Verwirrung über die Rechtsnatur des Todesentschädigungsgeldes noch immer nicht beendet. Der Gesetzgeber des Deliktshaftungsgesetzes kritisierte sowohl die „Verlust-des-Unterhalts“-Theorie als auch die „Verlust-der-Erbschaft“-Theorie dahin, dass sie bei der Berechnung des Todesentschädigungsgeldes nur auf Eigentumsverlusten beruhen, ohne den psychischen Verlust zu berücksichtigen.82 Obgleich § 22 des Deliktshaftungsgesetzes einen Ersatz immaterieller Schäden ausdrücklich vorsieht und auch als Anspruchsgrundlage dient, ist der Betrag erfahrungsgemäß sehr niedrig. Dabei besteht Raum für das Todesentschädigungsgeld, den Ersatz immaterieller Schäden zu ergänzen, wenn der Richter den Ersatz gemäß § 22 des Deliktshaftungsgesetzes als ungenügend betrachten würden.83 Das heißt, die Vorschrift zum Todesentschädigungsgeld (§ 16 S. 3) gilt subsidiär zu § 22 Deliktshaftungsgesetz, um eine eventuelle Ungerechtigkeit bei der Höhe des gesamten Ersatzes beim Unfalltod zu vermeiden. Bei der Berechnung des Todesentschädigungsgeldes sollen nicht nur die materiellen Schäden, sondern auch die immateriellen Schäden berücksichtigt werden. Insbesondere ist auch das Verhältnis zum Ersatz immaterieller Schäden zu berücksichtigen. Dabei ist es nicht so wichtig, das Todesentschädigungsgeld dem Ersatz materieller- oder immaterieller Schäden einzuordnen. Stattdessen kommt es darauf an, eine gerechte Gesamthöhe des Schadensersatzes beim Unfalltod zu erreichen. Mit anderen Worten ist der tatsächliche Effekt des Todesentschädigungsgeldes aus Sicht des chinesischen Gesetzgebers weitaus wichtiger als seine Rechtsnatur in der Dogmatik. Das Argument wird freilich auch heftig dahingehend kritisiert, dass es unvernünftig und unlogisch sei, weil es die Unklarheit der Rechtsnatur des Todesentschädigungsgeldes nicht nur nicht löse, sondern akzeptiere und erhalte. Aus rechtsvergleichender Sicht ist das chinesische Todesentschädigungsgeld auch nicht der einzelne Fall in der Welt, in dem die tatsächliche Auswirkung vor der Logik präferiert wird. Im japanischen Recht hat der Ersatz immaterieller Schäden nach § 710 des japanischen Zivilgesetzbuches, das sogenannte Trostgeld, auch die Funktion, den gesamten Betrag der Entschädigung zu erhöhen. Außerdem schließt das Trostgeld in Japan die Sanktionsfunktion nicht aus.84 In Japan ist die Ansicht, dass die zivilrechtliche Haftung auch eine Sanktionsfunktion hat und durch Sanktionen die Eindämmung von Verletzungen angestrebt werden sollte, immer mächtiger geworden. Dementsprechend sei die Trennung von zivil- und strafrechtlicher 81

), Grundsätze des Deliktshaftungsrechts, S. 527. Zhang, Xinbao ( Wang, Shengming ( ) (Hrsg.), Auslegung des Deliktshaftungsgesetzes der Volksrepublik China, S. 99. 83 Wang, Shengming ( ) (Hrsg.), Auslegung des Deliktshaftungsgesetzes der Volksrepublik China, S. 101, 122 f. 84 Yu, Min ( ), Foreign Law Translation and Review 1998/02, 45, 49 ff. 82

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4. Kap.: Der Ersatz immaterieller Schäden beim Unfalltod in China

Haftung nicht absolut und die Trennung solle kein wesentliches Hindernis für die Sanktionstheorie darstellen.85 Im Fall des Ersatzes immaterieller Schäden beim Unfalltod werden die übermäßige Vernunft und Logik manchmal auch als brutal und rücksichtlos bewertet. Ähnliches gilt auch für die Beerdigungskosten, die „vernünftig und logisch“ nicht als materielle Schäden der Angehörigen des Verstorbenen angesehen dürften, denn niemand kann für immer leben. Daher sind der Tod und die damit verbundenen Beerdigungskosten unvermeidlich. Trotzdem muss der Ersatzpflichtige nach § 844 Abs. 1 BGB und § 16 des chinesischen Deliktshaftungsgesetzes im Falle der Tötung die Beerdigungskosten ersetzen. Somit kann man nicht schlussfolgern, dass das Todesentschädigungsgeld zum Ersatz materieller oder immaterieller Schäden gehört. Vielmehr stellt es eine Kombination aus beiden dar: Hauptsächlich dient es dem Ersatz der materiellen Schäden der Angehörigen wie Verlust des Unterhalts oder der Erbschaft; subsidiär bezweckt es, den ungenügenden Ersatz immaterieller Schäden zu ergänzen, um die Angehörigen des Opfers besser zu schützen.

III. Berechnung des Todesentschädigungsgeldes Das Schadensersatzsystem beim Unfalltod in China besteht aus mehreren Vorschriften in den Gesetzen, justiziellen Auslegungen sowie Verwaltungsvorschriften. Dabei wurde die grundlegende Theorie mehrmals umwandelt und bisher noch nicht vollständig vereinheitlicht. Weil das Deliktshaftungsgesetz und das ZGB keine Berechnungsmethode vorschreiben, findet noch diejenige in § 29 der Auslegung der Entschädigung für Personenschäden a. F. bzw. § 15 der n. F. (s. o. Tabelle 1) Anwendung. Aber einige Punkte darin, die mit dem Deliktshaftungsgesetz 2009 nicht übereinstimmen, werden dem Deliktshaftungsgesetz entsprechend verändert. 1. Mit oder ohne Lebensunterhalt der vom Verstorbenen unterstützten Person? Die gleichzeitige Aufzählung des Lebensunterhalts der vom Verstorbenen unterstützten Person und des Todesentschädigungsgeldes in der Auslegung der Entschädigung für Personenschäden und anderen Vorschriften sind nach einer Ansicht in der Literatur offensichtlich unlogisch,86 weil das Todesentschädigungsgeld gemäß der Auslegung der Entschädigung für Personenschäden auf dem fiktiven Einkommen des Verstorbenen in den nächsten Jahren beruht, mit dem grundsätzlich auch die Unterhaltspflicht zu erfüllen sei.87 Falls neben dem Todesentschädigungsgeld auch 85 86 87

), Japanisches Deliktsrecht, S. 80. Yu, Min ( Ye, Mingyi ( ), Studies in Law and Business 2010/05, 13, 13 f. Ding, Haijun ( ), Law Science Magazine 2010/03, 13, 14.

§ 12 Todesentschädigungsgeld

109

der Lebensunterhalt der vom Verstorbenen unterstützten Person berücksichtigt wird, dann stelle dies eine wiederholte Berechnung dar. Indem der Lebensunterhalt der vom Verstorbenen unterstützten Person in § 16 Deliktshaftungsgesetz nicht genannt wird, wird die wiederholte Berechnung vermieden.88 Allerdings besteht auch eine andere Sichtweise, dass § 16 Deliktshaftungsgesetz den Lebensunterhalt der vom Verstorbenen unterstützten Person nicht ausschließt.89 Weil das Todesentschädigungsgeld und der Ersatz für den Lebensunterhalt unterschiedliche Funktionen, Schutzniveau und Schwerpunkt haben, könnten beide koexistieren.90 Allerdings ist diese Sichtweise rechtsdogmatisch abzulehnen, das dies den Widerspruch in der Logik nicht löst und die wiederholte Berechnung nicht begründen kann. Im Vergleich zu den vorherigen Gesetzen und justiziellen Auslegungen, in denen der Lebensunterhalt der vom Verstorbenen unterstützten Person namentlich aufgezählt wird, hat der Gesetzgeber diesen in § 16 Deliktshaftungsgesetz absichtlich nicht aufgelistet. Daraus könnte die Absicht des Gesetzgebers abgeleitet werden, den Lebensunterhalt der vom Verstorbenen unterstützten Person in das Todesentschädigungsgeld zu integrieren und damit eine Doppelzählung zu vermeiden. Am 30. Juni 2010, das heißt an dem Tag vor dem Inkrafttreten des Deliktshaftungsgesetzes, verkündete das Oberste Volksgericht allerdings die „Mitteilung zu mehreren Fragen über der Anwendung des Deliktshaftungsgesetzes“, die auch als eine justizielle Auslegung angewendet wird. Diese Mitteilung enthält insgesamt vier Paragrafen und der letzte lautet: „Wenn ein Volksgericht das Deliktshaftungsgesetz auf Zivilstreitigkeiten anwendet und das Opfer zu einem Dritten unterhaltspflichtig ist, dann ist nach § 28 der ,Auslegung des Obersten Volksgerichts zu einigen Fragen der Rechtsanwendung bei der Behandlung der Entschädigung für Personenschäden‘ dem Behinderungsentschädigungsgeld oder dem Todesentschädigungsgeld der Lebensunterhalt der vom Verstorbenen unterstützten Person zuzufügen.“

Nach dem Obersten Volksgericht sollte der Ersatzpflichtige den Lebensunterhalt der vom Verstorbenen unterstützten Person zusammen mit dem Todesentschädigungsgeld leisten. Die Rechtslage, die in der Literatur als unlogisch kritisiert wird,91 wurde somit relativ überraschend und sogar vor dem Inkrafttreten des Deliktshaftungsgesetzes durch das Obersten Volksgericht offiziell bestätigt.92 Dem wird auch in der späteren Rechtsprechung durch andere Volksgerichte in verschiedenen Provinzen gefolgt.93 Vor dem Hintergrund des Inkrafttretens des ZGB in China wird die Be88 ), Journal of Shandong University (Philosophy and Social Dong, Cuixiang ( Sciences) 2010/06, 88, 90. 89 Zhang, Xinbao ( ), China Legal Science 2010/3, 22, 23. 90 Zhang, Xinbao ( ), Chinese Journal of Law 2008/04, 36, 52. 91 Ye, Mingyi ( ), Studies in Law and Business 2010/05, 13, 13 f. 92 Wang, Yunfei ( ), People’s Judicature Case 2014/12, 27, 30. 93 Vgl. Zivilbeschluss des Obersten Volksgerichts der VR China (2018) Zui Gao Fa Min Shen Nr. 4205 ( [2018] 4205 ); Zivilbeschluss des

110

4. Kap.: Der Ersatz immaterieller Schäden beim Unfalltod in China

rücksichtigung des Lebensunterhalts der vom Verstorbenen unterstützten Person beim Behinderungsentschädigungsgeld oder Todesentschädigungsgeld in § 16 der Auslegung der Entschädigung für Personenschäden n. F. wieder bestätigt. Damit kann man nicht mehr sagen, dass das Todesentschädigungsgeld nur auf der „Verlustder-Erbschaft“-Theorie beruht, weil der Lebensunterhalt der vom Verstorbenen unterstützten Person auch zu berechnen und hinzuzufügen ist. Einzuräumen ist, dass sich das Oberste Volksgericht in dieser Angelegenheit nicht streng an die Logik gehalten hat. Stattdessen hat er beschlossen, den Angehörigen der Verstorbenen mehr Entschädigung zu gewähren und sie besser zu schützen. Ähnlich wie in Japan94 hat hier die tatsächliche Auswirkung einer Vorschrift Vorrang vor der Logik. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass die Großzügigkeit für die Angehörigen des Verstorbenen auf der einen Seite auch gleichzeitig die Strenge für den Ersatzpflichtige auf der anderen Seite darstellt. Die Ersatzpflicht des Schädigers geht tatsächlich über den Umfang des Schadens im engeren Sinn hinaus. Daher hat sie in gewissem Sinne auch eine Straffunktion. 2. Abzug der fiktiven notwendigen Lebenshaltungskosten des Verstorbenen? Die Berechnung des Todesentschädigungsgeldes gemäß § 29 der Auslegung der Entschädigung für Personenschäden a. F. bzw. § 15 der n. F. beruht auf dem durchschnittlichen jährlichen Einkommen. Wenn das Todesentschädigungsgeld nach der „Verlust-der-Erbschaft“-Theorie zu verstehen ist, dann ist es zu berechnen, indem die Lebenshaltungskosten des Verstorbenen selbst vom seinen fiktiven gesamten Einkommen abgezogen werden.95 Hierdurch wird in der Regel ein fester Abzugsanteil festgelegt, der davon abhängt, ob der Verstorbene verheiratet ist, Kinder hat usw.96 Bereits in § 4 der „Konkreten Bestimmungen für den Schadensersatz bei auslandsbezogener Körperverletzung oder Tod auf See“ 1999 wurde vom Obersten Volksgericht festgelegt, dass der jährliche eigene Lebensunterhalt des Verstorbenen, der 25 % bis 30 % des Jahreseinkommens beträgt, von diesem abzuziehen ist, um den Einkommensverlust präziser zu berechnen. Inzwischen hat sich die Ansicht des Obersten Volksgerichts jedoch verändert, weil nach § 29 der Auslegung der Entschädigung für Personenschäden a. F. bzw. § 15 der n. F. keine eigenen Lebenshaltungskosten des Verstorbenen abgezogen werden Obervolksgerichts Jiang Su (2017) Su Min Zai Nr. 349 ( [2017] 349 ); Zivilbeschluss des Obervolksgerichts Shan Xi (2018) Jin Min Shen Nr. 374 ( [2018] 374 ). 94 Yu, Min ( ), Foreign Law Translation and Review 1998/02, 45, 49 ff. 95 Zhang, Xinbao ( ), Chinese Journal of Law 2008/04, 36, 50; Zheng, Yongkuan ( ), Journal of Gansu Institute of Political Science and Law 2012/01, 32, 35. 96 Ye, Jinqiang ( ), Global Law Review 2011/05, 81, 89.

§ 12 Todesentschädigungsgeld

111

müssen. Dadurch wird der endgültige Betrag des Todesentschädigungsgeldes erhöht. Dabei zeigt das Oberste Volksgericht den Angehörigen des Verstorbenen gegenüber erneut Großzügigkeit. 3. „Unterschiedlicher Preis für gleiches Leben“? a) Fragestellung Nach § 29 i. V. m. § 30 der Auslegung der Entschädigung für Personenschäden a. F. oder § 15 der n. F. wird der endgültige Betrag des Todesentschädigungsgeldes durch Simulation berechnet, welches Einkommen das Opfer voraussichtlich noch erhalten hätte, wenn kein Unfalltod aufgetreten wäre. Dies basiert jedoch nicht auf einem individuellen Einkommensstatus, sondern einem einheitlichen durchschnittlichen Einkommen, das nur davon abhängt, ob das Opfer in einem ländlichen oder städtischen Gebiet und in welcher Provinz es lebt. Da der Unterschied des Einkommensniveaus in verschiedenen Provinzen in China enorm ist, wird kein einheitlicher nationaler Berechnungsstandard festgelegt. Stattdessen hat jede Provinz ihren eigenen Berechnungsstandard. Nach § 29 Auslegung der Entschädigung für Personenschäden a. F. ist das Kriterium der Provinz, in der sich das zuständige Gericht befindet, entscheidend. Nach § 28 des chinesischen Zivilprozessgesetzes fällt die durch die unerlaubte Handlung begründete Klage in die Zuständigkeit des Volksgerichts des Ortes, an dem die unerlaubte Handlung begangen wird, oder des Wohnsitzes des Beklagten. Nach § 30 der Auslegung der Entschädigung für Personenschäden a. F. kann auch das Kriterium der Provinz angewendet werden, in der der Verstorbene wohnte, wenn dort das pro Kopf verfügbare Einkommen der Landbewohner oder der Stadtbewohner im Vorjahr höher als das der Provinz des zuständigen Gerichts ist. Somit sollte das für das Opfer bzw. seine Angehörigen vorteilhafteste Kriterium angewendet werden.97 Eine Entscheidung aus dem Jahr 2005 löste in der gesamten Gesellschaft große Unzufriedenheit mit § 29 der Auslegung der Entschädigung für Personenschäden a. F. aus. Am 15. Dezember 2005 um 6 Uhr morgens ereignete sich ein Verkehrsunfall im Bezirk Jiangbei, Chongqing. Das 14-jährige Mädchen HE Yuan und zwei Mitschülerinnen fuhren mit einem elektrischen Dreirad zur Schule. Auf einer Steigung unterwegs verlor ein LKW auf der anderen Straßenseite die Kontrolle und überrollte das Dreirad. Dabei sind alle drei Mädchen ums Leben gekommen. Nach dem Unfall erhielten die Familien der zwei anderen Mädchen jeweils eine Gesamtentschädigung von mehr als 200.000 CNY, während HE Yuans Eltern nur 58.000 CNY bekamen, die später freiwillig auf 90.000 CNY erhöht wurde.98 Der Grund für den unvorstellbaren Unterschied liegt darin, dass die zwei anderen Mädchen registrierte Bewohner mit ständigem Wohnsitz (chinesisch Hukou) in der Stadt waren 97 ) (Hrsg.), Verständnis und Anwendung der Auslegung der Huang, Songyou ( Entschädigung für Personenschäden, S. 369 ff. 98 Tang, Zhongming ( )/Tian, Wensehng ( ), China Youth Daily 24. 01. 2006, S. 2.

112

4. Kap.: Der Ersatz immaterieller Schäden beim Unfalltod in China

und HE Yuan registrierte Bewohner mit ständigem Wohnsitz auf dem Land und nur temporäre Einwohner in der Stadt war, obgleich die drei Opfer am selben Ort wohnten, dieselbe Schule besuchten und bei demselben Unfall getötet wurden. Das durchschnittliche verfügbare Einkommen der Stadtbewohner von Chongqing im Jahr 2004 betrug 9.221 CNY, während dasjenige der Landbewohner bei nur 2.510 CNY lag.99 Durch die Berechnungsformel des Todesentschädigungsgeldes in § 29 der Auslegung der Entschädigung für Personenschäden a. F. (s. o. Tabelle 1) wurde daher der eklatante Unterschied zwischen HE Yuan und den zwei anderen Mädchen verursacht. Seitdem wird das Problem in Medienberichten sowie öffentlichen Kommentaren insbesondere häufig als „unterschiedlicher Preis für gleiches Leben“ bezeichnet.100 b) Probleme mit der Berechnungsmethode bei der Auslegung der Entschädigung für Personenschäden Nach der herrschenden Meinung ist das Todesentschädigungsgeld kein Ersatz für den Wert des Lebens, sondern für die Vermögensschäden, die durch den vorzeitigen Tod entstehen.101 Daher sei die Aussage „unterschiedlicher Preis für gleiches Leben“ weder richtig noch logisch. Im Gegensatz dazu könne das Leben gar nicht mit einem „Preis“ beschrieben oder bewertet werden. Daher tritt das merkwürdige Phänomen auf, dass sich die Ansichten der meisten Rechtsexperten sehr stark von den Ansichten im Volk unterscheiden. Ein Grund für den riesigen Unterschied könnte in der provokativen und irreführenden Aussage „unterschiedlicher Preis für gleiches Leben“ liegen, die zu einem großen Missverständnis führt und deren Auswirkung insbesondere durch Medienberichte noch verstärkt wird. Darüber hinaus stellt es eine unbestreitbare Tatsache dar, dass der regionale Unterschied und der Stadt-Land-Unterschied in China sehr riesig sind. Die folgende Tabelle zeigt das pro Kopf verfügbare Einkommen der Stadt- oder Landbewohner in den Provinzen Festland-Chinas (außer Hongkong, Macao und Taiwan) von 2015 bis 2019.102 Die Einheit der Währung in der Tabelle ist CNY.

99

National Bureau of Statistics, China Statistical Yearbook 2005, § 10 – 15, § 10 – 21. Vgl. etwa „Unterschiedlicher Preis für gleiches Leben“ ist eine Krankheit mit dem registrierten ständigen Wohnsitz, http://news.sina.com.cn/z/tongmingbutongjia/, zuletzt abgerufen am 21. 02. 2021. Es gibt zu viele ähnliche Berichte in den Medien, um sie einzeln aufzulisten. 101 ), Law Science 2006/09, 29 ff.; Liu, Jingwei ( ), China Law Fu, Weigang ( 2010/03, 12 ff.; Zhang, Le ( ), Journal of Law Application 2010/05, 93 ff.; Hu, Jian ( ), Journal for Central South University (Social Science) 2014/05, 150 ff. 102 National Bureau of Statistics, China Statistical Yearbook 2020, § 6 – 23, § 6 – 29. 100

§ 12 Todesentschädigungsgeld

113

Tabelle 2 Provinz Beijing Tianjin Heibei Shanxi Innere Mongolei Liaoning Jilin Heilongjiang Shanghai Jiangsu Zhejiang Anhui Fujiang Jiangxi Shandong Henan Hubei

Land/ Stadt

2015

2016

2017

2018

2019

Land

20568,7

22309,5

24240,5

26490,3

28928,4

Stadt

52859,2

57275,3

62406,3

67989,9

73848,5

Land

18481,6

20075,6

21753,7

23065,2

24804,1

Stadt

34101,3

37109,6

40277,5

42976,3

46118,9

Land

11050,5

11919,4

12880,9

14030,9

15373,1

Stadt

26152,2

28249,4

30547,8

32977,2

35737,7

Land

9453,9

10082,5

10787,5

11750,0

12902,4

Stadt

25827,7

27352,3

29131,8

31034.8

33262,4

Land

10775,9

11609.0

12584,3

13802,6

15282,8

Stadt

30594,1

32974,9

35670,0

38304,7

40782,5

Land

12056,9

12880,7

13764,8

14656,3

16108,3

Stadt

31125,7

32876,1

34993,4

37341,9

39777,2

Land

11326,2

12122,9

12950,4

13748,2

14936,0

Stadt

24900,9

26530,4

28318,7

30171,9

32299,2

Land

11095,2

11831,9

12664,8

13803,7

14982,1

Stadt

24202,6

25736,4

27446,0

29191,3

30944,6

Land

23205,2

25520,4

27825,0

30374,7

33195,2

Stadt

52961,9

57691,7

62595,7

68033,6

73615,3

Land

16256,7

17605,6

19158,0

20845,1

22675,4

Stadt

37173,5

40151,6

43621,8

47200,0

51056,1

Land

21125,0

22866,1

24955,8

27302,4

29875,8

Stadt

43714,5

47237,2

51260,7

55574,3

60182,3

Land

10820,7

11720,5

12758,2

13996,0

15416,0

Stadt

26935,8

29156,0

31640,3

34393,1

37540,0

Land

13792,7

14999,2

16334,8

17821,2

19568,4

Stadt

33275,3

36014,3

39001,4

42121,3

45620,5

Land

11139,1

12137,7

13241,8

14459,9

15796,3

Stadt

26500,1

28673,3

31198,1

33819,4

36545,9

Land

12930,4

13954,1

15117,5

16297,0

17775,5

Stadt

31545,3

34012,1

36789,4

39549,4

42329,2

Land

10852,9

11696,7

12719,2

13830,7

15163,7

Stadt

25575,6

27232,9

29557,9

31874,2

34201,0

Land

11843,9

12725,0

13812,1

14977,8

16390,9

Stadt

27051,5

29385,8

31889,4

34454,6

37601,4

Fortsetzung nächste Seite

114

4. Kap.: Der Ersatz immaterieller Schäden beim Unfalltod in China

Fortsetzung Tabelle 2

Provinz Hunan Guangdong Guangxi Hainan Chongqing Sichuan Guizhou Yunnan Tibet Shaanxi Gansu Qinghai Ningxia Xinjiang

Land/ Stadt

2015

2016

2017

2018

2019

Land

10992,5

11930,4

12935,8

14092,5

15394,8

Stadt

28838,1

31283,9

33947,9

36698,3

39841,9

Land

13360,4

14512,2

15779,7

17167,7

18818,4

Stadt

34757,2

37684,3

40975,1

44341,0

48117,6

Land

9466,6

10359,5

11325,5

12434,8

13675,7

Stadt

26415,9

28324,4

30502,1

32436,1

34744,9

Land

10857,6

11842,9

12901,8

13988,9

15113,1

Stadt

26356,4

28453,5

30817,4

33348,7

36016,7

Land

10504,7

11548,8

12637,9

13781,2

15133,3

Stadt

27238,8

29610,0

32193,2

34889,3

37938,6

Land

10247,4

11203,1

12226,9

13331,4

14670,1

Stadt

26205,3

28335,3

30726,9

33215,9

36153,7

Land

7386,9

8090,3

8869,1

9716,1

10756,3

Stadt

24579,6

26742,6

29079,8

31591,9

34404,2

Land

8242,1

9019,8

9862,2

10767,9

11902,4

Stadt

26373,2

28610,6

30995,9

33487,9

36237,7

Land

8243,7

9093,8

10330,2

11449,8

12951,0

Stadt

25456,6

27802,4

30671,1

33797,4

37410,0

Land

8688,9

9396,4

10264,5

11212,8

12325,7

Stadt

26420,2

28440,1

30810,3

33319,3

36098,2

Land

6936,2

7456,9

8076,1

8804,1

9628,9

Stadt

23767,1

25693,5

27763,4

29957,0

32323,4

Land

7933,4

8664,4

9462,3

10393,3

11499,4

Stadt

24542,3

26757,4

29168,9

31514,5

33830,3

Land

9118,7

9851,6

10737,9

10707,6

12858,4

Stadt

25186,0

27153,0

29472,3

31895,2

34328,5

Land

9425,1

10183,2

11045,3

11974,5

13121,7

Stadt

26274,7

28463,4

30774,8

32763,5

34663,7

Quelle: Chinese National Bureau of Statistics

Wie aus dieser Tabelle hervorgeht, gibt es einen großen Unterschied im Einkommensniveau zwischen den verschiedenen Provinzen. Darüber hinaus ist der Einkommensunterschied zwischen Landbewohnern und Stadtbewohnern in derselben Provinz ebenso sehr deutlich. Beispielsweise lag das höchste Einkommen in China im Jahr 2019 in Beijing und Shanghai: Das pro Kopf verfügbare Einkommen der Stadtbewohner in Beijing betrug 73848,5 CNYund dasjenige der Landbewohner in Shanghai 33195,2 CNY. In der Provinz Heilongjiang hatte das Einkommen der

§ 12 Todesentschädigungsgeld

115

Stadtbewohner den niedrigsten Wert mit 30944,6 CNYund in der Provinz Gansu war das Einkommen der Landbewohner mit 9628,9 CNY am niedrigsten. Somit war das pro Kopf verfügbare Einkommen der Stadtbewohner in Beijing fast 2,4-fach so hoch wie das in der Provinz Heilongjiang und dasjenige der Landbewohner in Shanghai 2019 mehr als dreimal so hoch wie das in der Provinz Gansu. Außerdem erreichte beispielsweise das pro Kopf verfügbare Einkommen der Stadtbewohner in der Provinz Gansu im Jahr 2019 etwa das 3,4-fache desjenigen der Landbewohner. Obgleich eine große Kluft zwischen dem pro Kopf verfügbaren Einkommen der Landbewohner und Stadtbewohner in China besteht, was sich stark von der Situation in Deutschland unterscheidet, rechtfertigt dies die Anwendung unterschiedlicher Kriterien für das Todesentschädigungsgeld nicht, weil eine solche Berechnungsmethode auf groben Modellen beruht, das heißt auf den durchschnittlichen Einkommensunterschieden zwischen Stadt und Land sowie zwischen verschiedenen Provinzen. Insgesamt besteht tatsächlich eine Einkommenslücke zwischen Stadtbewohnern und Landbewohnern sowie zwischen unterschiedlichen Provinzen, aber ähnliche Differenzen finden sich auch zwischen Männern und Frauen sowie zwischen unterschiedlichen Berufen. Kann dies auch als Kriterium verwendet werden? Jeder Mensch auf der Welt ist einzigartig. Wenn sie in mehrere Gruppen unterteilt sind, gibt es Unterschiede zwischen den Einkommensniveaus verschiedener Gruppen. Das Problem ist jedoch, dass das Durchschnittseinkommen einer Gruppe oft nicht genau das Einkommensniveau einer einzelnen Person widerspiegelt. In der ökonomischen Analyse werden individuelle Parameter in zwei Kategorien unterteilt: interne Parameter und externe Parameter. Interne Parameter wie Alter, Bildung, vorheriges Einkommen, Konsum und Risikobereitschaft sollen eine entscheidende Rolle bei der Festlegung des Todesentschädigungsgeldes spielen. Demgegenüber sollten externe Parameter wie z. B. persönliche Herkunft, familiärer Lebensstandard, persönliche Identität, Wohnort, zwischenmenschliche Beziehungen sowie nationale und lokale wirtschaftliche Entwicklung keine Schlüsselrolle spielen.103 Daher wurde der registrierte ständige Wohnort, der zweifelfrei zu den externen Parametern gehört, in der Auslegung der Entschädigung für Personenschäden irrtümlich als ein entscheidender Faktor für die Berechnung festgelegt, worin auch die Ursache für Ungerechtigkeit und Unzufriedenheit besteht. Daher ist es nicht angemessen, das Pro-Kopf-Einkommensniveau einer Gruppe zu verwenden, um das Todesentschädigungsgeld für Einzelne zu berechnen. Auch wenn die Aussage „gleicher Preis für gleiches Leben“ unrichtig ist, sind die Gegenargumente ebenfalls nicht überzeugend, sondern stellen offensichtlich einen Fall des „the pot calling the kettle black“ dar. Außerdem stellt es eine Tatsache dar, dass die angebliche Stadt-Land-Grenze in der Praxis ganz häufig durchbrochen wird. Gemäß der Statistik des Ministeriums für Landwirtschaft und ländliche Angelegenheiten der VR China ist die Gesamtzahl der Wanderarbeitnehmer aus ländlichen Gebieten im Jahr 2019 auf 291 Millionen ge103

Li, Bensen (

), Social Sciences in China 2011/06, 79, 88.

116

4. Kap.: Der Ersatz immaterieller Schäden beim Unfalltod in China

stiegen.104 Das durchschnittliche monatliche Einkommen der Wanderarbeitnehmer in den ersten drei Quartalen 2018 beträgt 3,661 CNY und der Beitrag des Lohneinkommens zum Einkommenswachstum der Bauern liegt bei 48,8 %.105 Dies bedeutet, dass eine sehr große Anzahl von Landbewohnern in China nicht das ganze Jahr über auf dem Land lebt und nur die Landwirtschaft betreibt, sondern die Freizeit nutzt, um in Städten zu arbeiten. Dieser doppelte Status von Bauern und Wanderarbeitnehmern führt zu einer erheblichen Steigerung ihres tatsächlichen Einkommens im Vergleich zum Einkommen allein aus der landwirtschaftlichen Produktion. Daher ist es nicht angemessen, das Todesentschädigungsgeld im Fall der Wanderarbeitnehmer immer nach dem ländlichen Standard zu berechnen. Ein weiteres Beispiel bezieht sich auf die Metropolen in China. So betrug die ständige Gesamtbevölkerung von Beijing im Jahr 2017 ca. 21.7 Mio., davon allerdings ca. 7.94 Mio. Menschen ohne dort registrierten ständigen Wohnsitz.106 Somit haben ungefähr 36.6 % der ständigen Bevölkerung Beijings dort keinen registrierten ständigen Wohnsitz. Einige von ihnen mögen Wanderarbeitnehmer sein, aber mehrheitlich sind es ständige Arbeitnehmer, die nicht in offiziellen Institutionen oder staatlichen Unternehmen, sondern in privaten Unternehmen arbeiten. Wegen der Wohnsitzregistrierungspolitik dürfen sie den Haushalt nicht in den Metropolen wie Beijing, Shanghai u. a., in denen sie tatsächlich arbeiten, registrieren.107 In diesem Fall werden nicht nur die Stadt-Land-Einkommensgrenze, sondern auch die Einkommensgrenze zwischen unterschiedlichen Provinzen durchbrochen. Wenn das Todesentschädigungsgeld nach dem registrierten Wohnsitz, der in den meisten Fällen in der Land- oder Stadtkreis der Heimat liegt, bemessen wird, dann fällt es normalerweise viel niedriger aus, weil das pro Kopf verfügbare Einkommen in den Metropolen an der Spitze steht. Die obigen Probleme spiegeln die Unangemessenheit und Irrationalität dieser Berechnungsmethode in der Auslegung der Entschädigung für Personenschäden wider. Nach der persönlichen Erfahrung arbeiten viele Bauer aus der Provinz Anhui in Shanghai. Sie wohnen dauerhaft für mehrere Jahre in Shanghai und kehren nur während des Frühlingsfestes in die Heimat zurück. 2017 beträgt das pro Kopf verfügbare Einkommen der Landbewohner in der Provinz Anhui 12758,2 CNY, dasjenige der Stadtbewohner in Shanghai dagegen 62595,7 CNY (Tabelle 2) und damit fast fünfmal so viel wie Ersteres. Wie wird das Todesentschädigungsgeld berechnet, wenn eine Person mit einem ländlichen registrierten ständigen Wohnsitz in Anhui, die aber das ganze Jahr über in Shanghai arbeitet und lebt, bei einem Unfall ums 104 National Bureau of Statistics, Bericht über die Überwachung der Wanderarbeitnehmer im Jahr 2019, http://www.stats.gov.cn/tjsj/zxfb/202004/t20200430_1742724.html, zuletzt abgerufen am 21. 02. 2021. 105 http://www.moa.gov.cn/hd/zbft_news/2019yjdnyncjjyxqk/xgxw/201808/t20180824_61 56265.htm, zuletzt abgerufen am 21. 02. 2021. 106 )/Yin, Deting ( )/Ma, Xiaohong ( ) (Hrsg.), ForHong, Xiaoliang ( schungsbericht zur Bevölkerungsentwicklung in Peking (2018), S. 33 ff. 107 Zou, Yinan ( ), Economist 2015/04, 48, 51.

§ 12 Todesentschädigungsgeld

117

Leben kommt? Statt des ländlichen Standards in Anhui ist freilich der städtische Standard in Shanghai anzuwenden. c) Vereinheitlichung der Berechnungsmethode des Todesentschädigungsgeldes für Stadt- und Landbewohner in der Gesetzgebung und Rechtsprechung Der I. Zivilsenat des Obersten Volksgerichts legte am 3. April 2006 im Hinblick auf einem Fall fest, dass bei der Berechnung des Behinderungsentschädigungsgeldes, des Todesentschädigungsgeldes und des Lebensunterhalts nicht nur der registrierte ständigen Wohnsitz entscheidend sei, sondern auch die tatsächlichen Bedingungen umfassend berücksichtigt werden sollten. Obgleich das Opfer eine ländliche Wohnsitzregistrierung besaß, war es jedoch in der Stadt geschäftlich tätig und wohnhaft. Daher befanden sich sein häufiger Wohnsitz und seine Haupteinnahmequelle in der Stadt. Deshalb sollte das Entschädigungsgeld nach dem städtischen Standard berechnet werden.108 Am 27. Mai 2006 gab der I. Zivilsenat des Obersten Volksgerichts eine Kopie der Antwort an alle Obervolksgerichte Chinas, um auf die Entscheidung hinzuweisen. Im Hinblick darauf wurde wenige Jahre später in § 17 Deliktshaftungsgesetz 2009 das Prinzip festgelegt, dass das Todesentschädigungsgeld über einen gleichen Betrag festgestellt werden kann, wenn die gleiche rechtsverletzende Handlung den Tod mehrerer Personen verursacht. Diese Vorschrift wurde in Medienberichten überwiegend als „gleicher Preis für gleiches Leben“ bezeichnet.109 Nach dem Wortlaut des § 17 Deliktshaftungsgesetz beschränkt sich der Anwendungsbereich jedoch auf dieselbe verletzende Handlung. Mit einer solchen Bestimmung soll ein Ergebnis wie im „HE-Yuan“-Fall vermieden werden. Bei unterschiedlichen Handlungen findet die Berechnung allerdings noch auf unterschiedliche Weise statt. Außerdem setzt das Prinzip keine Pflicht für die Richter, sondern eröffnet lediglich einen Spielraum, weil sie so entscheiden „können“, nicht aber „müssen“. Wenn es gerechter und einfacher ist, das Todesentschädigungsgeld getrennt zu berechnen, dann sollte diese Methode nicht verwendet werden.110 Daher hat sich die Regel des Berechnungsmodus in § 29 der Auslegung der Entschädigung für Personenschäden nach dem Inkrafttreten des Deliktshaftungsgesetzes 2009 nicht wesentlich geändert, weil „gleicher Preis für gleiches Leben“ nur eine Ausnahme darstellt. Vom 22. bis 24. Juni 2011 veranstaltete das Oberste Volksgericht eine nationale Zivilprozesskonferenz in Hangzhou, Provinz Zhejiang, bei der ein „Sitzungsproto108 Antwort des I. Zivilsenats des Obersten Volksgerichts zur Berechnung der Entschädigungskosten aufgrund von Verkehrsunfällen für Landbewohner, die häufig in Städten leben (

), verkündet und in Kraft getreten am 3. April 2006. http://news.sina.com.cn/c/2009-12-27/032016838567s.shtml, zuletzt abgerufen am 21. 02. 2021. 110 Wang, Shengming ( ) (Hrsg.), Auslegung des Deliktshaftungsgesetzes der Volksrepublik China, S. 103. 109

118

4. Kap.: Der Ersatz immaterieller Schäden beim Unfalltod in China

koll der nationalen Zivilprozesskonferenz“ formuliert wurde, das, wie oben bereits erwähnt, in der Regel auch als justizielle Auslegung fungiert. Gemäß § 37 des Sitzungsprotokolls gilt für Opfer mit Körperschäden, die eine ländliche Wohnsitzregistrierung haben, deren tatsächlicher gewöhnlicher Aufenthaltsort sich aber in einer Stadt befindet, das Kriterium für die Stadtbewohner. Demzufolge hängt der zu befolgende Standard für die Berechnung des Todesentschädigungsgeldes in der späteren Rechtsprechung nicht nur vom registrierten Wohnsitz ab, sondern es kommen auch der tatsächliche gewöhnliche Wohnsitz und die Haupteinnahmequelle in Betracht.111 Für Schülerinnen und Schüler sowie Studierende, die einen ländlichen eingetragenen Wohnsitz besitzen, reicht es für die Berechnung des Todesentschädigungsgeldes nach dem städtischen Kriterium bereits aus, wenn sie in der Stadt zur Schule gehen oder studieren.112 Am 15. April 2019 wurde die „Stellungnahme des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas und des Staatsrates zur Einrichtung und Vervollkommnung des Mechanismus und des politischen Systems zur Entwicklung der Stadt-Land-Integration“113 veröffentlicht. Zu § 17 wurde deutlich vorgeschlagen, das System der Entschädigung für Personenschäden zu reformieren und die Entschädigungsstandards für Stadt- und Landbewohner zu vereinheitlichen. Obwohl die Stellungnahme weder eine Gesetzgebung noch eine justizielle Auslegung darstellt, veröffentlichen das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei und die Zentralregierung aufgrund der besonderen politischen Situation Chinas jedoch häufig gemeinsam Dokumente, die tatsächlich eine sehr hohe Autorität und Geltung aufweisen. Das bedeutet, dass die Vereinheitlichung der Entschädigungsstandards für Stadt- und Landbewohner, das heißt die Aufhebung der Berechnungsmethode des Todesentschädigungsgeldes gemäß dem registrierten ständigen Wohnsitz in der Stadt oder auf dem Land, zu einem Trend geworden ist, der sich auch in der Gesetzgebung und der Rechtsprechung widerspiegeln muss. Das Streben nach dem „gleichen Preis für gleiches Leben“ hat bis dahin nicht aufgehört. In Reaktion auf die obige Stellungnahme vom 15. April 2019 veröffentlichte das Oberste Volksgericht im September 2019 die „Bekanntmachung über die Ermächtigung für Pilotprogramm der Vereinheitlichung der Entschädigung für Personenschäden zwischen Stadt und Land“, nach der die Obervolksgerichte in unterschiedlichen Provinzen ermächtigt werden, Pilotarbeiten zur Vereinheitlichung 111

Vgl. Zivilurteil des Obersten Volksgerichts der VR China (2016) Zui Gao Fa Min Zai [2016] 236 ); ZivilNr. 236 ( beschluss des Obersten Volksgerichts der VR China (2018) Zui Gao Fa Min Shen Nr. 4959 ( [2018] 4959 ). 112 Zivilurteil des Mittleren Volksgerichts der Stadt Jingmen, Provinz Hubei (2016) E Min Zhong Nr. 788 ( [2016] 08 788 ) = Typische Fälle des Hubei-Gerichts zum Schutz der legitimen Rechte und Interessen von Minderjährigen (2017) Nr. 4, veröffentlicht am 17. 08. 2018. 113 http://www.gov.cn/zhengce/2019-05/05/content_5388880.htm, zuletzt abgerufen am 21. 02. 2021.

§ 12 Todesentschädigungsgeld

119

der Entschädigung von Personenschäden für Stadt- und Landbewohner nach den spezifischen Bedingungen der jeweiligen Provinz durchzuführen. Seitdem haben unterschiedliche Gerichte nacheinander Maßnahmen ergriffen, um diese Pilotarbeit durchzuführen, die im Zeitraum Dezember 2019 bzw. Januar 2020 begonnen hat. Teilweise wird die Pilotarbeit in der gesamten Provinz durchgeführt, beispielsweise in Anhui, Henan, Guangdong usw., während sie in anderen Provinzen nur in bestimmten Städten oder bei einzelnen Gerichten wie denen von Xiamen, Putian und Pingtan in der Provinz Fujian, dem Mittleren Volksgericht der Stadt Yinchuan und dem Volksgericht des Bezirks Xingqing der Stadt Yinchuan in der Provinz Ningxia stattfindet. In solchen Gebieten oder bei Gerichten, in denen die Pilotarbeit durchgeführt wird, berechnen die Gerichte das Behinderungsentschädigungsgeld und das Todesentschädigungsgeld einheitlich nach dem pro Kopf verfügbaren Einkommen der Stadtbewohner in der Provinz im Vorjahr.114 Andere Faktoren wie der registrierte ländliche Wohnort und der gewöhnliche Aufenthaltsort des Opfers kommen nicht mehr in Betracht. d) Stellungnahme In der Literatur wird auch vorgeschlagen, die Höhe des Todesentschädigungsgeldes je nach dem tatsächlichen eigenen Einkommen festzustellen, weil auf diese Weise der sensible Bereich der Fairness nicht berührt wird.115 Danach sollte die Berechnung des Todesentschädigungsgeldes von einem einheitlichen Modell auf ein individuelles Modell umgestellt werden, das auf den persönlichen Umständen des Opfer basiert. Es sollte in erster Linie von den persönlichen Faktoren des Verstorbenen abhängen, z. B. von dem Alter, dem Einkommen vor dem Tod, der familienökonomischen Situation und den geschätzten zukünftigen Entwicklungsaussichten.116 Bei einigen besonderen Personengruppen ist dies nicht einfach anzuwenden, so bei Hausfrauen und Hausmännern, die kein Einkommen mit eindeutiger Höhe verdienen, oder Minderjährigen sowie erwachsenen Studierenden, die vorerst kein Einkommen haben, aber nach dem Abschluss des Studiums und dem Beginn der Arbeit unterschiedliche Einkommensniveaus haben. Daher ist eine umfassende Überprüfung aller persönlichen Faktoren bzw. Parameter erforderlich, die sich auf die Höhe des Todesentschädigungsgeldes auswirken können. Ein individuelles Berechnungsmodell ist eine ideale Situation, die den Tatsachen am nächsten kommt, aber es wird die Arbeitsbelastung der Gerichte erheblich erhöhen und die Ressourcen der Justiz verbrauchen. Darüber hinaus erfordert dies sehr komplizierte Berechnungen und Prognosen, die die Gerichte zurzeit kaum durchführen können. Im Gegensatz dazu ist seit dem 1. Mai 2020 gemäß § 1 A Fatal 114

Zivilurteil des Mittleren Volksgerichts der Stadt Xianyang, Provinz Shaanxi (2019) Shan [2019] 04 2309 ). 04 Min Zhong 2309 ( 115 Yao, Hui ( )/Qiu, Peng ( ), Journal of Renmin University of China 2006/4, 114, 121. 116 Zhang, Xinbao ( ), Chinese Journal of Law 2008/04, 36, 51.

120

4. Kap.: Der Ersatz immaterieller Schäden beim Unfalltod in China

Accidents Act 1976 im Vereinigten Königreich ein fester Betrag für den Schadensersatz in Höhe von £ 15,120117 festgelegt, der viel einfacher durchsetzbar ist und Ressourcen sparen kann. In einem Land wie China mit einer großen Bevölkerung und allen knappen Ressourcen einschließlich derjenigen der Justiz dürfen das Problem des Ressourcenverbrauchs und die Notwendigkeit, Ressourcen zu sparen, nicht ignoriert werden. Daher ist das Schadensersatzsystem für die Vereinheitlichung von Stadt und Land, das zuerst im Rahmen der Pilotarbeiten eingeführt wird, lobenswert. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass die bedingungslose gleiche Höhe im Allgemeinen den sensiblen Bereich in Bezug auf Gerechtigkeit nicht berührt. Unter den gegenwärtigen Umständen kann die durch individuelle Differenzierung bestimmte materielle Gerechtigkeit nur durch die formale Gerechtigkeit in gleicher Höhe des Todesentschädigungsgeldes ersetzt werden. e) Neue Chance mit der künstlichen Intelligenz? aa) Intelligentes Gericht in China Im Juli 2015 schlug das chinesische Oberste Volksgericht zum ersten Mal den Begriff „intelligentes Gericht“ (auf Englisch „smart court“ oder „wisdom court“) vor.118 Dieses basiert auf der vollständigen Nutzung fortschrittlicher Technologien wie Cloud Computing, Big Data, künstliche Intelligenz u. a.,119 um das Gerichtsverfahren, die Streitbeilegung und das Justizmanagement auf hochgradig informierte Weise zu unterstützen. Das intelligente Gericht bietet umfassende intelligente Dienste, der ganze Prozess wird online abgewickelt und daher offen und transparent gestaltet sein.120 Im Bereich der Entschädigung bei Personenschäden kann zurzeit das vom intelligenten Gericht verwendete intelligente Hilfssystem automatisch Fallinformationen generieren und den Entschädigungsbetrag automatisch berechnen.121 Beispielsweise bei Verkehrsunfällen gibt es viele Arten von Entschädigungen und die Berechnung des gesamten Betrags ist relativ umständlich. Durch die Datenidentifikation kann die Entscheidung über den Betrag in technische Aufgaben umgewandelt werden und schließlich wird eine Schlussfolgerung mit geringer Abweichung ausgegeben.122 Eine solche automatische Berechnung durch das intelligente

117 Section 1 A (3) Fatal Accidents Act 1976, https://www.legislation.gov.uk/ukpga/1976/3 0/section/1A, zuletzt abgerufen am 05. 05. 2021. 118 ), People’s Court Daily 25 – 07 – 2017, S. 2. Deng, Heng ( 119 Cai, Lidong ( ), China Review of Administration of Justice 2017/02, 19, 19. 120 Xu, Jianfeng ( ), Guangming Daily 28 – 07 – 2017, S. 5. 121 Yang, Tao ( )/Yang, Junchen ( ), Science Technology and Law 2018/03, 54, 55. 122 Long, Fei ( ), Science of Law – Journal of Northwest University of Political Science and Law 2019/01, 49, 58.

§ 12 Todesentschädigungsgeld

121

Hilfssystem kann dazu beitragen, die Überlastung der Richter und Berechnungsfehler zu vermeiden.123 Da die relevanten Gesetze und justiziellen Auslegungen eine feste Berechnungsmethode in § 29 der Auslegung der Entschädigung für Personenschäden a. F. bzw. § 15 der n. F. bieten, gibt es kaum Spielraum für die Berechnung. Daher befindet sich dieses Hilfssystem, das die Entschädigung auf der Grundlage vorhandener Formeln berechnet, noch im unteren Stadium der künstlichen Intelligenz, wenn es auch als solche bezeichnet werden kann. In dieser Phase ist die Anwendung der künstlichen Intelligenz in den intelligenten Gerichten nur ein technisches Instrument, um den Richtern zu helfen, den relative mühsamen Berechnungsprozess zu vereinfachen. Im Prozess ist auch die Berechnung durch die künstliche Intelligenz vollständig transparent und kontrollierbar, sodass keine rechtlichen und ethischen Risiken sowie Bedenken entstehen. bb) Zweifel an den algorithmenbasierten Systemen Die richtige künstliche Intelligenz unterscheidet sich deutlich von herkömmlicher Software, welche ein „Wenn-dann-Schema“ befolgt.124 In den USA wird in den letzten Jahren mithilfe der Software „Correctional Offender Management Profiling for Alternative Sanctions“ (COMPAS) die Rückfallwahrscheinlichkeit von verurteilten Straftätern ermittelt.125 Im Fall „State v. Loomis“ wurde COMPAS von einem Beamten der Abteilung für Korrekturen in Wisconsin verwendet, um das Risiko eines Rückfalls von Loomis sowohl anhand eines Interviews mit dem Täter als auch durch Informationen aus der Kriminalgeschichte des Täters zu schätzen. Bei der Urteilsverkündung verwies das Gericht in seiner Urteilsfeststellung auf die COMPASBewertung und verurteilte Loomis teilweise auf dieser Grundlage zu sechs Jahren Haft und fünf Jahren erweiterter Aufsicht.126 Danach reichte Loomis einen Antrag auf Erleichterung beim Gericht ein und machte geltend, dass das Vertrauen des Gerichts in COMPAS seine Prozessrechte verletzt habe. Am Ende wurde den Antrag vom Supreme Court abgelehnt.127 Da die Methodik bzw. der Algorithmus hinter COMPAS ein Geschäftsgeheimnis ist,128 wird nicht nur dem Angeklagten, sondern auch dem Gericht lediglich das Ergebnis, das heißt die Schätzung des Rückfallrisikos, mitgeteilt. Neben dem 123 )/Wang, Qiang ( ), Journal of Hangzhou Normal University Tan, Shigui ( (Humanities and Social Sciences) 2019/06, 110, 111. 124 Steege, MMR 2019, 715, 716. 125 BT – WD 8 – 3000 – 031/17, S. 6; Enders, JA 2018, 721, 726. 126 State v. Loomis, 881 N.W.2d 749 (Wis. 2016), 130 Harvard Law Review 1530, MAR 10. 2017, 1531. 127 Loomis v. Wisconsin, https://www.scotusblog.com/case-files/cases/loomis-v-wisconsin/, zuletzt abgerufen am 21. 02. 2021. 128 State v. Loomis, 881 N.W.2d 749 (Wis. 2016), 130 Harvard Law Review 1530, MAR 10. 2017, 1531.

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4. Kap.: Der Ersatz immaterieller Schäden beim Unfalltod in China

rechtlichen Amts- bzw. Betriebsgeheimnisschutz erschwert auch die wesensimmanente technische Spezifik der algorithmenbasierten Systeme, die sogenannte Undurchdringbarkeit des maschinellen Lernens, die Prüfung und Kontrolle nachhaltig: Selbst wenn die Programmcodes einer algorithmenbasierten Anwendung offenliegen, sind sie bei modernen Softwareanwendungen in den seltensten Fällen selbsterklärend.129 Die Konstruktionslogik der Systeme basiert im praktischen Einsatz auf dem Prinzip „vertrauen statt verstehen“.130 Somit entsteht ein Zweifel an der Transparenz eines solchen Prognosesystems, weil verborgen bleibt, wie die Arbeitsergebnisse erlangt werden.131 In diesem Sinne stellt ein solches algorithmenbasiertes System die sogenannte „Blackbox“ dar, weil seine Funktionsweise mysteriös ist: Man kann seine Ein- und Ausgänge beobachten, aber nicht sagen, wie das eine zum anderen wird.132 Ein weiteres Problem, das auch Zweifel verursacht, ist die algorithmenbasierte Diskriminierung.133 Eine Analyse in der Literatur zeigt, dass das COMPAS-System weiße Menschen bevorzugt und schwarze Menschen diskriminiert.134 Weil ein solches System eigentlich zahlreiche personenbezogene Informationen beherrscht, ist eine Diskriminierung sehr leicht zu erreichen; da die Algorithmen intransparent sind, ist es gleichzeitig auch schwieriger, eine Diskriminierung darin ausfindig zu machen. Zurzeit wird die künstliche Intelligenz in keinem Staat eingesetzt, um Entscheidungen anstelle der Richter zu treffen, was offensichtlich unzulässig und gefährlich ist,135 weil gemäß Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf und ein Richter nach dem deutschen Richtergesetz, Code of Conduct for United States Judges bzw. Richtergesetz der VR China ausschließlich eine natürliche Person sein kann. Daher kann die künstliche Intelligenz nur als Hilfsmittel für die Entscheidungsfindung dienen. Trotzdem bereitet dies Bedenken. Auch wenn die künstliche Intelligenz zur Entscheidungsvorbereitung ohne Übernahmeautomatismus von Gericht verwendet wird, ist eine Differenzierung zwischen der Übernahme eines durch die künstliche Intelligenz vorgegebenen und bloß verkündeten Ergebnisses, die nach Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG unzulässig ist, und einer rein informativen, sozusagen datenbankmäßig die eigene Entscheidung vorbereitenden Abfrage in der Praxis kaum möglich, insbesondere dann, wenn man ein hohes Vertrauen in die künstliche Intelligenz bzw. das algorithmenbasierte System setzt.136 Beispielsweise erklärte Richterin Bradley im Fall „State v. Loomis“, dass die Verurteilung, die eine COMPAS-Bewertung berücksichtigt, immer noch ausreichend 129

Martini, Blackbox Algorithmus, S. 41. Martini, Blackbox Algorithmus, S. 28. 131 Martini, JZ 2017, 1017, 1018. 132 Pasquale, The Black Box society, S. 3. 133 Steege, MMR 2019, 715 ff.; Zypries, ZRP 2019, 33; Martini, JZ 2017, 1017, 1018. 134 Angwin/Larson/Mattu/Kirchner, Machine Bias, https://www.propublica.org/article/ma chine-bias-risk-assessments-in-criminal-sentencing, zuletzt abgerufen am 21. 02. 2021. 135 Enders, JA 2018, 721, 723. 136 Enders, JA 2018, 721, 723. 130

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individualisiert sei, da der Bericht durch COMPAS nicht die einzige Grundlage für eine Entscheidung darstelle. Die Gerichte verfügten über den Ermessensspielraum und die erforderlichen Informationen, um der Beurteilung gegebenenfalls nicht zuzustimmen, falls es erforderlich sei.137 Auch eine solche Erklärung beseitigt die Sorgen nicht vollständig, denn es bleibt immer noch zweifelhaft, inwieweit der Richter seine Urteilsentscheidung auf die Ergebnisse der COMPAS-Bewertung stützt und welche anderen Faktoren sowie Daten zusätzlich zu den Bewertungsergebnissen verwendet werden.138 Warum sollte/könnte überhaupt noch eine Bereitschaft vorhanden sein, eine abweichende Entscheidung zu treffen?139 In Bezug auf die Prognose der Rückfallwahrscheinlichkeit im Bereich des Strafrechts, wo die Anwendung algorithmenbasierter Systeme ein scheinbar schönes Bild liefert, bestehen Bedenken hinsichtlich der Intransparenz und Diskriminierung. cc) Anwendung auf individuelles Modell für Todesentschädigungsgeld Während das algorithmenbasierte System trotz seiner Anwendung noch viel Kritik auslöst, wird seine Anwendung für die Berechnung des Todesentschädigungsgeldes selten diskutiert. Dabei handelt es sich nicht um die Rückfallwahrscheinlichkeit von verurteilten Straftätern, sondern den Umfang der Deliktshaftung. Mit dem System sind bestimmte Informationen einer betroffenen Person zusammenzufassen und ein endgültiger Entschädigungsbetrag ist zu kalkulieren. Insoweit berührt dieses System nicht die Grundlage der Gerechtigkeit der Entscheidungen. Durch den Vergleich mit ähnlichen Fällen wäre es auch offensichtlich und leicht erkennbar, falls das Berechnungsergebnis abnormal wäre. Daher bleibt eine wirksame Kontrolle des Richters auch möglich, um „blindes“ Vertrauen zu vermeiden. In den letzten Jahren wird das zugesprochene Schmerzensgeld in unterschiedlichen Entscheidungen in Deutschland jährlich zusammengefasst, um eine aktuelle Schmerzensgeldtabelle zu erstellen. Die Jahrestabellen fassen Daten aus Tausenden von Entscheidungen zusammen und bieten einen Hinweis für Juristen über das Schmerzensgeld für Verletzungen „von Kopf bis Fuß“. Wenn die künstliche Intelligenz bzw. das algorithmenbasierte System dabei eingesetzt werden könnte, würde dies eine pauschale Berücksichtigung aller vergleichbaren Entscheidungen ermöglichen, die vom Richter kaum durchzuführen ist. Unter solchen Umständen kann es eine direktere und effektivere Referenz für Richter bieten, um zukünftige Fälle zu beurteilen. Die Verwendung des algorithmenbasierten Systems beim Todesentschädigungsgeld in China wäre komplizierter, insbesondere, um das Gesamteinkommen des Verstorbenen vorherzusagen, das er erhalten sollten, wenn kein Unfall aufge137 State v. Loomis, 881 N.W.2d 749 (Wis. 2016), 130 Harvard Law Review 1530, MAR 10. 2017, 1532. 138 ), Zhejiang Social Sciences 2018/06, 76, 78. Zhu, Tizheng ( 139 Enders, JA 2018, 721, 723.

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4. Kap.: Der Ersatz immaterieller Schäden beim Unfalltod in China

treten wäre. Da das Einkommen eines Menschen von zahlreichen Faktoren abhängt, sollte ein solches System noch umfangreichere Informationen über den Verstorbenen als beim Schmerzensgeld beherrschen, einschließlich mancher Informationen, die in der COMPAS-Bewertung im Verdacht stehen, Diskriminierung zu verursachen, z. B. die Hautfarbe, die Herkunft, das Geschlecht u. a. Falls ein solches algorithmenbasiertes System in der Zukunft wirklich bei der Entscheidung der chinesischen Gerichte verwendet würde, heißt es, wachsam zu sein und Diskriminierung zu verhindern. Darüber hinaus liegt Big Data dem Betrieb der künstlichen Intelligenz zugrunde. In der Rechtspraxis ist die Bedeutung von Rechtsprechung selbstverständlich. Aber in China wird momentan noch eine große Anzahl von Entscheidungen nicht veröffentlicht. Das Oberste Volksgericht hat in den Jahren 2010, 2013 und 2016 dreimal die „Bestimmungen zur Veröffentlichung von Urteilen durch Volksgerichte im Internet“ verkündet, um Onlineurteile zu fördern. Anfänglich gab es jedoch keine einheitliche Onlineplattform für die Veröffentlichung von Urteilsdokumenten, sodass die Verkündung in 2010 keine substanzielle Reaktion hervorrief.140 Am 1. Juli 2013 wurde das sog. „China Judgements Online“ gestartet, um die Lücke in der Veröffentlichungsplattform zu schließen. Laut der Untersuchung von Wissenschaftlern stieg die Onlineveröffentlichungsquote von Urteilen von etwa 50 % im Jahr 2014 auf über 70 % im Jahr 2018. Der Grund für den Anstieg liegt hauptsächlich in den Verkündungen der Bestimmungen in den Jahren 2013 und 2016.141 Bis Ende August 2020 hat die Gesamtzahl der online veröffentlichten Urteilsdokumente in China 100 Millionen überschritten und bemerkenswerte Ergebnisse gezeigt. Nach Schätzung der Wissenschaftler wurden jedoch noch mehr als 20 % der Urteilsdokumente nicht im Internet veröffentlicht,142 obwohl sie nicht zu denen gehören, die nach dem Gesetz nicht veröffentlicht werden müssen. Ein weiteres Problem wird darin gesehen, dass die veröffentlichten Informationen bis zu einem gewissen Grad nicht unbedingt wahr seien. Das bedeutet, die Informationen in den Entscheidungen, die der Öffentlichkeit im Internet zugänglich sind, werden nach bestimmten Standards erstellt, um zu beweisen, dass die Entscheidungen korrekt seien. Sie spiegeln möglicherweise nicht vollständig und wirklich die „wesentlichen Informationen“ wider, die die Gerichte und Richter tatsächlich verwenden, um Entscheidungen zu treffen.143 Gemäß der Regel „rubbish in, rubbish out“ stellt die gegenwärtige Situation in China eine große Herausforderung für die zukünftige Verwendung der legalen künstlichen Intelligenz dar.

140 )/Yu, Xiaohong ( )/He, Haibo ( ), China Law Review 2016/ Ma, Chao ( 04, 195, 242. 141 Tang, Yingmao ( ), Tsinghua University Law Journal 2018/04, 35, 42; Yang, Jinjing ( ) /Qin, Hui ( ) /He, Haibo ( ), China Law Review 2019/06, 125, 129. 142 Yang, Jinjing ( )/Qin, Hui ( ) /He, Haibo ( ), China Law Review 2019/ 06, 125, 129. 143 Zuo, Weimin ( ), Tsinghua University Law Journal 2018/02, 108, 115.

§ 13 Ersatz immaterieller Schäden im engeren Sinne

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§ 13 Ersatz immaterieller Schäden im engeren Sinne I. Einführung Neben dem Todesentschädigungsgeld, das tatsächlich auch teilweise dem Ersatz immaterieller Schäden dient, gibt es im chinesischen Recht eine Art von Ersatz, der direkt die Bezeichnung „Ersatz immaterieller Schäden“ trägt. Ursprünglich wurde der Anspruch nicht in der chinesischen Gesetzgebung anerkannt, sondern durch justizielle Auslegungen etabliert.144 In § 4 Nr. 3 der „Konkreten Bestimmungen für den Schadensersatz bei Verletzung oder Tod auf See“ 1991 wurde ein „Trostgeld“ vorgesehen, das, obgleich es nicht ausdrücklich als Ersatz immaterieller Schäden bezeichnet wurde, tatsächlich der Entschädigung immaterieller Schäden dient. Am 7. August 1993 veröffentlichte das Oberste Volksgericht „Antworten auf einige Fragen zur Prüfung von Ehrenrecht“ und in der zehnten Antwort entstand der Begriff „Ersatz immaterieller Schäden“. Hier war der Begriff erstmals ausdrücklich in einem offiziellen Dokument enthalten. Am 8. März 2001 wurde die Auslegung für immateriellen Schadensersatz verkündet, mit der ein umfassender Schutz der Persönlichkeitsrechte erreicht und das Ersatzsystem für immaterielle Schäden in China teilweise vervollständigt wurde.145 Die Festlegung des Todesentschädigungsgeldes als Ersatz immaterieller Schäden im Todesfall in § 9 Nr. 3 a. F. erwies sich nachfolgend tatsächlich als fehlerhaft und wurde schließlich Ende 2020 aufgehoben. Im heutigen Schadensersatzsystem beim Unfalltod entstehen der Ersatz immaterieller Schäden und das Todesentschädigungsgeld gleichzeitig und parallel. Trotz ihrer Koexistenz hat der Gesetzgeber zugegeben, dass die Grenze zwischen beiden nicht so klar ist und das Todesentschädigungsgeld auch teilweise die Funktion des Ersatzes immaterieller Schäden hat,146 weil ein reiner Ersatz immaterieller Schäden wahrscheinlich keinen ausreichenden Schutz anbietet.

II. Eigener Anspruch der Angehörigen auf Ersatz immaterieller Schäden Nach § 7 der Auslegung für immateriellen Schadensersatz a. F. haben der Ehegatte, die Eltern und die Kinder sowie andere nahe Angehörigen des Verstorbenen 144 )/Guo, Minglong ( ), Law Science Magazine 2009/01, 21, Zhang, Xinbao ( 26; Zhang, Xinbao ( ), Journal of Jinan University (Philosophy and Social Science) 2009/ 02, 2, 2. 145 Yang, Lixin ( ), Schadensersatz psychischer Schäden, S. 47 f. 146 Wang, Shengming ( ) (Hrsg.), Auslegung des Deliktshaftungsgesetzes der Volksrepublik China, S. 103, 112; Büro für Zivilrecht des Rechtsausschusses des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses (Hrsg.), Deliktshaftungsgesetz der VR China, S. 62.

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4. Kap.: Der Ersatz immaterieller Schäden beim Unfalltod in China

das Recht, im eigenen Namen vor dem Volksgericht zu klagen, um den Ersatz immaterieller Schäden zu verlangen. In dieser Vorschrift wird aber nicht ganz klar erläutert, welche immaterielle Schäden zu ersetzen sind: Handelt es sich um die immateriellen Schäden, die das Opfer selbst oder die nahen Angehörigen erlitten haben? Oder beides? Gibt es einen bestimmten Schweregrad für die immateriellen Schäden oder sind alle immateriellen Nachteile einschließlich leichten seelischen Leides ebenfalls zu entschädigen? Die neue Eingliederung des Anspruchs in § 1 n. F. trägt auch nicht dazu bei, die obigen Unklarheiten zu beseitigen. Bevor § 18 Abs. 2 der Auslegung der Entschädigung für Personenschäden a. F. aufgehoben wurde, galt in China grundsätzlich ein Verbot für die Übertragbarkeit und Vererbbarkeit des Anspruchs auf Ersatz immaterieller Schäden. Aus diesem Grund fielen die eventuellen immateriellen Schäden des Opfers auch nicht auf. In § 7 der Auslegung für immateriellen Schadensersatz a. F. sind hauptsächlich die immateriellen Schäden der nahen Angehörigen gemeint. Weil die Übertragbarkeit und die Vererbbarkeit des Anspruchs jetzt zugelassen worden sind, sollten die immateriellen Schäden des Opfers selbst und der Ersatz dafür mehr Aufmerksamkeit verdienen. § 22 Deliktshaftungsgesetz und § 1183 Abs. 1 ZGB legen fest, dass der Geschädigte den Ersatz immaterieller Schäden verlangen kann, wenn die Körperverletzung auch erhebliche immaterielle Schäden verursacht. Der Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden setzt somit auch einen bestimmten Schweregrad der Schäden voraus.147 § 18 S. 1 Deliktshaftungsgesetz und § 1181 Abs. 1 ZGB schreiben vor, dass, wenn der Geschädigte stirbt, seine nahen Angehörigen berechtigt sind, vom Schädiger die Übernahme der Haftung für die Rechtsverletzung zu verlangen. Nach der Auslegung des Gesetzgebers handelt es sich dabei um einen eigenen Anspruch der Angehörigen.148 Somit liegt ein Ersatzanspruch Dritter bei Tötung vor, der § 844 Abs. 3 BGB ähnelt. Nach § 7 der Auslegung für immateriellen Schadensersatz a. F. und § 1 der n. F. können alle nahen Angehörigen anspruchsberechtigt sein, deren genauer Kreis in § 1045 Abs. 2 ZGB gesetzlich abgegrenzt wird: Ehegatte, Eltern, Kinder, Geschwister, Großeltern und Enkelkinder. Der Kreis ist deutlich weiter als in § 844 Abs. 3 BGB. In China gibt es einen geschlossenen Kreis des Anspruchsberechtigten und eine Erweiterung ist nicht zulässig. Dies komprimiert den Raum, in dem die Vorschrift ausgelegt werden kann, und das Ermessen des Richters ist ebenfalls gering. Damit besteht auch ein Unterschied zu dem in § 844 Abs. 3 BGB festgelegten Kreis der Hinterbliebenen. 147

) (Hrsg.), Auslegung des Deliktshaftungsgesetzes der Wang, Shengming ( Volksrepublik China, S. 123; Huang, Wei ( ) (Hrsg.), Auslegung des Buchs der Deliktshaftung, S. 79. 148 Wang, Shengming ( ) (Hrsg.), Auslegung des Deliktshaftungsgesetzes der Volksrepublik China, S. 105; Huang, Wei ( ) (Hrsg.), Auslegung des Buchs der Deliktshaftung, S. 70.

§ 13 Ersatz immaterieller Schäden im engeren Sinne

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III. Beweislast für die erlittenen immateriellen Schäden Gemäß der ständigen Rechtsprechung in Deutschland wird ein Anspruch auf Schmerzensgeld wegen Schockschäden nur unter strengen Voraussetzungen zugesprochen. Außerdem müssen die Angehörigen des Opfers beweisen, dass die immateriellen Schäden, die sie erlitten haben, bereits die oben genannten strengen Voraussetzungen erfüllen. Das Hinterbliebenengeld gemäß § 844 Abs. 3 BGB setzt zwar keine außergewöhnliche gesundheitliche Beeinträchtigung, aber jedenfalls seelisches Leid voraus. Das Gesetz schränkt allerdings den Begriff des seelischen Leids bewusst nicht ein und sieht insbesondere kein Mindestmaß vor, der Anspruch auf Hinterbliebenengeld setzt somit keine gesundheitliche Beeinträchtigung voraus.149 Für die Hinterbliebenen, die zur Zeit der Verletzung in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis zu dem Getöteten standen, wird das seelische Leid ohne Weiteres anerkannt. Darüber hinaus wird ein besonderes persönliches Näheverhältnis nach § 844 Abs. 3 S. 2 BGB vermutet, wenn der Hinterbliebene der Ehegatte, der Lebenspartner, ein Elternteil oder ein Kind des Getöteten war. Für den Hinterbliebenen, der zur Gruppe der gesetzlichen Vermutung gehört, wird das seelische Leid ebenfalls vermutet. § 22 des chinesischen Deliktshaftungsgesetzes und § 1183 Abs. 1 ZGB verlangen, dass der Geschädigte einen erheblichen immateriellen Schaden erlitten hat, damit ein Anspruch auf Ersatz besteht. Aus der Sicht des Gesetzgebers reichen gelegentliche Schmerzen und Beschwerden nicht aus.150 Dies dient dazu, eine Entschädigung für Bagatellverletzung zu vermeiden. Demgegenüber vertritt eine andere Auffassung, dass der Beweis der schwerwiegenden immateriellen Schäden im Unfalltod nicht erforderlich sei, weil die nahen Angehörigen (insbesondere, wenn sie mit dem Getöteten zusammen lebten und in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis zu ihm standen) das schmerzhafteste Gefühl im Leben erlitten haben.151 In der chinesischen höchstgerichtlichen Rechtsprechung wird ein Ersatz immaterieller Schäden in der Regel neben dem Todesentschädigungsgeld zugesprochen, ohne den Beweis für die schwerwiegenden immateriellen Schäden zu verlangen.152 Das heißt, das Oberste Volksgericht hat in der Praxis die Auffassung übernommen, dass die Angehörigen nicht mehr mit der Beweislast überfordert

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BT-Drs. 18/11397, S. 14. ) (Hrsg.), Auslegung des Deliktshaftungsgesetzes der Wang, Shengming ( Volksrepublik China, S. 123; Büro für Zivilrecht des Rechtsausschusses des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses (Hrsg.), Deliktshaftungsgesetz der VR China S. 81; Huang, Wei ( ) (Hrsg.), Auslegung des Buchs der Deliktshaftung, S. 79. 151 )/Guo, Minglong ( ), Law Science Magazine 2009/01, 21, Zhang, Xinbao ( 21; Zhang, Xinbao ( ), China Legal Science 2010/3, 22, 34. 152 Zivilbeschluss des Obersten Volksgerichts der VR China (2015) Min Shen Zi Nr. 1205 ( [2015] 1205 ); Zivilbeschluss des Obersten Volksgerichts der VR China (2018) Zui Gao Fa Min Shen Nr. 4205 ( [2018] 4205 ). 150

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4. Kap.: Der Ersatz immaterieller Schäden beim Unfalltod in China

werden sollten. Sie sind grundsätzlich von der Beweislast für ihre erlittenen immateriellen Schäden befreit.

IV. Höhe des Ersatzes immaterieller Schäden Nach § 10 der Auslegung für immateriellen Schadensersatz a. F. hängt die Höhe des Ersatzes immaterieller Schäden von den folgenden Elementen ab: (1) Verschuldensgrad des Verletzers, (2) Mittel und Umstände der Verletzung, Verhaltensweisen des Verletzers und andere besondere Umstände, (3) Folgen der Deliktshandlungen, (4) (möglicher) Gewinn des Verletzers, (5) die wirtschaftliche Fähigkeit des Verletzers und (6) durchschnittlicher Lebensstandard des Gerichtsstandorts. Dieser Inhalt bleibt in § 5 der Auslegung n. F. unverändert. Solche zu berücksichtigenden Elemente sind zwar eindeutig und relativ konkret, lassen den Richtern aber immer noch einen großen Ermessensspielraum. Momentan wird in China noch keine Schmerzensgeldtabelle wie in Deutschland zusammengefasst und jährlich aktualisiert, daher fehlt das zugrunde liegende Element für die effektive Einsetzung der künstlichen Intelligenz – Big Data. Deshalb ist die Berechnung des Ersatzes immaterieller Schäden mithilfe künstlicher Intelligenz auch problematisch. Bei der Schaffung des Deliktshaftungsgesetzes 2009 war der Gesetzgeber auch der Meinung, dass eine bestimmte Höhe des Ersatzes immaterieller Schäden nicht angegeben werden müsste und der Richter über ein Ermessen verfügen sollte.153 Daher gelten solche zu berücksichtigenden Elemente nach § 10 der Auslegung für immateriellen Schadensersatz a. F. auch für die Anwendung des § 22 Deliktshaftungsgesetz. Der Gesetzgeber hat darauf hingewiesen, im Jahr 2010 normalerweise die Grenze von 50.000 CNY und in Sondergebieten die Grenze von 100.000 CNY nicht zu überschreiten. Nur in sehr extremen Fällen darf der Betrag 300.000 CNY erreichen.154 Aber die Kriterien verändern sich auch mit der Entwicklung der Gesellschaft und der Wirtschaft.155 Demgegenüber wurde im Jahr 2009 in der Literatur vorgeschlagen, dass durchschnittlich 100.000 CNYals Ersatz immaterieller Schäden beim Unfalltod für die Situation in China angemessen seien.156 Nach einer anderen Ansicht in der Literatur werden die immateriellen Schäden in der chinesischen Rechtsprechung unterschätzt und die Entschädigung dafür solle beim Unfalltod 153 Büro für Zivilrecht des Rechtsausschusses des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses (Hrsg.), Deliktshaftungsgesetz der VR China, S. 84. 154 In einer Entscheidung im Jahr 2007 des ersten Mittleren Volksgerichts Beijing betrug die Entschädigung für psychische Schäden 300.000 RMB, da die 14-jährige einzige Tochter eines über 70-jährigen Ehepaares von einer Busticketverkäuferin erwürgt wurde. Vgl. http://www. flzx.com/anli/xingshi/200712/89732.html, zuletzt abgerufen am 21. 02. 2021. 155 Büro für Zivilrecht des Rechtsausschusses des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses (Hrsg.), Deliktshaftungsgesetz der VR China, S. 81. 156 )/Guo, Minglong ( ), Law Science Magazine 2009/01, 21, Zhang, Xinbao ( 25.

§ 13 Ersatz immaterieller Schäden im engeren Sinne

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zwischen 150.000 und 200.000 CNY liegen.157 Nach der Auffassung kann auf diese Weise auch das Problem „unterschiedlicher Preis für gleiches Leben“ gelöst werden, indem das Todesentschädigungsgeld für alle Opfer gleichwertig zu bestimmen und der Ersatz immaterieller Schäden erheblich zu erhöhen ist, um das Gewicht des Todesentschädigungsgeldes im gesamten Schadensersatz beim Unfalltod zu verringern und die Gleichbehandlung der Persönlichkeit und des Lebens widerzuspiegeln. Die Festlegung des Ersatzes trägt aber nicht nur den Interessen des Verstorbenen bzw. seiner Angehörigen, sondern auch vielen anderen Faktoren, die in § 10 der Auslegung für immateriellen Schadensersatz a. F. bzw. § 5 der n. F. aufgelistet werden, sowie der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umgebung Rechnung. In Anbetracht des Niveaus der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung sind der chinesische Gesetzgeber und die Rechtsprechung bereits großzügiger als in Deutschland, weil das Hinterbliebenengeld in Deutschland durchschnittlich bei 10.000 Euro158 liegt,159 ganz zu schweigen vom Todesentschädigungsgeld. Beim Ersatz immaterieller Schäden für die Angehörigen des Verstorbenen soll auch vermieden werden, dass der Betrag übermäßig hoch wird oder sogar explodiert.

V. Schockschäden in China 1. „LIN-Yunuan“-Fall Als juristischer Begriff haben die Schockschäden keine lange Geschichte in China. Der erste Fall, der akademische und juristische Aufmerksamkeit auf sich zog, war die Entscheidung „LIN Yunuan gegen ZHANG Baojian und andere wegen Streites über die Entschädigung für Personenschäden“160 (abgekürzt als „LIN-Yunuan“-Fall). Am Nachmittag des 17. April 2005 wurde ZENG Yanbin, der Sohn von LIN Yunuan, im Büro von dem Beklagten ZHANG Jianbao und zwei anderen Personen geschlagen. ZENG Yanbin fiel mit einer Kopfverletzung zu Boden und sein Gesicht war voller Blut. Zu diesem Zeitpunkt betrat die Klägerin LIN Yunuan zufällig das Büro und sah diese Szene. Sie sank plötzlich ohnmächtig zusammen und wurde in das Krankenhaus eingeliefert und dort für zwölf Tage behandelt. Im chinesischen Recht setzt eine mittelbare Verletzung grundsätzlich voraus, dass der/die unmittelbare Verletzte(r) getötet oder behindert wird und dadurch die Arbeitsfähigkeit verliert. Dies kann jedoch durch erweiterte Auslegung analog auf den Fall einfacher 157

), Global Law Review 2011/05, 81, 92. Ye, Jinqiang ( Der Betrag entspracht Anfang 2021 circa 80.000 RMB. 159 BT-Drs. 18/11397, S. 11. 160 Zivilurteil des Volksgerichts von Siming Bezirk, Stadt Xiamen, Provinz Fujian (2006) Si Min Chu Zi Nr. 5968 ( [2006] 5968 ). 158

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4. Kap.: Der Ersatz immaterieller Schäden beim Unfalltod in China

Körperverletzung angewendet werden.161 Daher wurde LIN Yunuan durch das zuständige Gericht als mittelbare Verletzte der Körperverletzung festgestellt und erhielt eine Entschädigung für Gesundheitsschäden und immaterielle Schäden.

2. Missverständnisse in der Rechtsprechung Die Entscheidung im „LIN-Yunuan“-Fall löste heftige Diskussionen aus. Der Fall war sogar ein Thema einer juristischen Zeitschrift, das von vier Autoren jeweils aus Perspektive des deutschen, schweizerischen und österreichischen und japanischen Rechts sowie des Common Law bearbeitet und diskutiert wurde.162 Nur selten hat die Entscheidung eines Bezirksgerichts in China so viel Aufmerksamkeit erregt und eine solche Auswirkung gezeigt. Obgleich Schockschäden in der Entscheidung tatsächlich anerkannt werden, ist die Begründung allerdings nicht zu empfehlen, da sie sogar teilweise fehlerhaft ist. Nach § 18 Deliktshaftungsgesetz haben die nahen Angehörigen des Getöteten das Recht, Schadensersatz zu verlangen. Nach § 7 der Auslegung für immateriellen Schadensersatz a. F. bzw. § 1 n. F. steht den nahen Angehörigen ein Recht zu, Entschädigung für immaterielle Schäden zu verlangen. Die Anwendung der obigen beiden Vorschriften beschränkt sich nur auf die Tötung. Die Körper- und Gesundheitsverletzung wird von vornherein ausgeschlossen. Dies stellt keine Rechtslücke, sondern eine absichtliche Regelung dar, weshalb eine analoge Anwendung ausscheidet.163 Ein weiteres Problem liegt darin, dass die Klägerin LIN Yunuan nach dem zuständigen Gericht nur eine Dritte war, weil nicht sie, sondern ihr Sohn direkt geschlagen wurde. Daher stehe ihr nur ein abgeleiteter Anspruch zu, der aus der Rechtsgutsverletzung ihres Sohns stamme. Bei Schockschäden in Deutschland handelt es sich nicht um den Schaden eines Dritten i. S. v. § 844 BGB, sondern um eine eigenständige Rechtsgutsverletzung.164 Demnach hätte die Klägerin auch eine unmittelbare Verletzung erlitten und ihr würde deswegen ein unabhängiger Anspruch zustehen.165 Zu beachten ist, dass die irreführende Begründung in der Entscheidung bereits von anderen Volksgerichten befolgt wurde, z. B. im Fall „CHENG Jingdong 161

Zivilurteil des Volksgerichts von Siming Bezirk, Stadt Xiamen, Provinz Fujian (2006) Si [2006] 5968 ). Min Chu Zi Nr. 5968 ( 162 Vgl. Zhu, Xiaozhe ( ), Journal of East China University of Political Science and Law 2012/03, 81 ff.; Xie, Hongfei ( ), Journal of East China University of Political Science and Law 2012/03, 101 ff.; Zhou, Jianghong ( ), Journal of East China University of Political Science and Law 2012/03, 115 ff.; Sun, Weifei ( ), Journal of East China University of Political Science and Law 2012/03, 130 ff. 163 Zhu, Xiaozhe ( ), Journal of East China University of Political Science and Law 2012/03, 81, 100. 164 MükoBGB/Wagner, BGB § 823 Rn. 187. 165 Xie, Hongfei ( ), Journal of East China University of Political Science and Law 2012/03, 101, 102.

§ 13 Ersatz immaterieller Schäden im engeren Sinne

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gegen LIN Wei wegen Deliktshaftungsstreits“,166 in dem die Tochter des Klägers bei einem Verkehrsunfall verletzt wurde und im Krankhaus im Koma lag. Der Kläger war psychisch gereizt, befand sich in einer ungewöhnlichen Situation und wurde nachfolgend für mehr als 30 Tage im Krankenhaus behandelt. Durch eine fast deckungsgleiche Begründung wie im „LIN-Yunuan“-Fall wurde vom zuständigen Gericht eine Entschädigung für die immateriellen Schäden in Höhe von 2.000 CNY neben dem Ersatz materieller Schäden zugesprochen. Zusammenfassend ist die Anerkennung der Schockschäden durch das Gericht zu begrüßen, aber die Begründung dafür muss korrigiert werden. In China muss dringend festgestellt werden, dass es sich, obgleich Schockschäden nicht einen der an dem Unfallgeschehen unmittelbar Beteiligten treffen, nicht um einen „Drittschaden“ handelt, der aus dem Ersatzanspruch des primären Verletzten abgeleitet wird, sondern der Schaden auf einer eigenen Rechtsgutsverletzung beruht. 3. Die Position der Schockschäden im chinesischen Rechtssystem Bevor das Hinterbliebenengeld in § 844 Abs. 3 BGB eingeführt wurde, spielte der Ersatz immaterieller Schäden wegen Schockschäden eine dominante Rolle. Er war die einzige Möglichkeit für die nahen Angehörigen des Verstorbenen, Schmerzensgeld zu verlangen. Im Gegensatz dazu erregen Schockschäden beim Unfalltod in China relativ wenige Aufmerksamkeit. Einer der Gründe liegt darin, dass gesetzlich der Anspruch auf Todesentschädigungsgeld festgelegt wird, den die Angehörigen vor allem beanspruchen können und ökonomisch auch sollten, weil das Todesentschädigungsgeld in Bezug auf die Höhe tatsächlich viel wichtiger als der Ersatz für Schockschäden ist. Daher sind Schockschäden aus der Perspektive der Angehörigen nicht so wichtig wie das Todesentschädigungsgeld. Ein weiterer Grund besteht darin, dass der Ersatz immaterieller Schäden in China tatsächlich die Funktion der Schockschäden ersetzt. Wenn der Geschädigte verstirbt, haben seine nahen Angehörigen einen Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden, ohne die dadurch erlittene immaterielle Beeinträchtigung beweisen zu müssen. Daher wird der Anwendungsbereich der Schockschäden im chinesischen Rechtssystem verdrängt und kommt nur bei Verletzungen ohne Todesfall zum Tragen, denn § 7 der Auslegung für immateriellen Schadensersatz a. F. bzw. § 1 n. F. setzt einen Todesfall voraus. Trotzdem sollte das obige Missverständnis über Schockschäden aus wissenschaftlichen Gründen beseitigt werden, damit sie ihre Funktionen korrekt übernehmen können.

166 Zivilurteil des Volksgerichts von Xiaonan Bezirk, Stadt Xiaogan, Provinz Hubei (2014) [2014] E Xiao Nan Min Chu Zi Nr. 00726 ( 00726 ).

5. Kapitel

Verteilung des Ersatzes immaterieller Schäden zwischen Angehörigen § 14 Selbständige Ansprüche der Angehörigen in Deutschland Der Anspruch auf Schmerzensgeld, der aufgrund der Verletzung bzw. Todesangst des Verstorbenen selbst zugesprochen, aber von den Angehörigen geltend gemacht wird, ist ursprünglich eine Forderung des Verstorbenen. Dann wird er ein wesentlicher Bestandteil des Nachlasses, weil alle Vermögenswerte und Belange des Verstorbenen nach § 1922 Abs. 1 BGB den Nachlass bilden.1 Somit wird dieser Anspruch zu einem reinen Vermögensanspruch. Der Anspruch geht mit dem Tod des Erblassers zusammen mit anderen Bestandteilen des Nachlasses als Ganzes auf den Erben oder die Erbengemeinschaft über und ist dann nach dem deutschen Erbrecht zu verteilen. Der Anspruch der Angehörigen auf Schadensersatz für Schockschäden setzt voraus, dass ein enges Angehörigenverhältnis zum Getöteten vorliegt,2 der Schock besonderes schwer3 und die psychische Beeinträchtigung pathologisch fassbar ist.4 Nur dann, wenn eine Person nicht nur zum Kreis der nahen Angehörigen gehört, sondern auch wegen des Todes des Verstorbenen selbst eine psychische Verletzung mit Krankheitswert erleidet, wäre es möglich, ihr einen Anspruch auf Schadensersatz für Schockschäden zuzugestehen. Die relativ strengen Voraussetzungen für Schockschäden schließen das Problem der Verteilung von vornherein aus, da der Anspruch nicht der Gemeinschaft, sondern nur dem Einzelnen zusteht. Falls mehrere Personen die Voraussetzungen erfüllen, macht jeder Einzelne seinen eigenen Anspruch separat und selbständig geltend. Das Gericht wird auch über den Ersatzbetrag für jeden Kläger getrennt entscheiden. Gemäß § 844 Abs. 3 BGB hat jeder Hinterbliebene, der zum Zeitpunkt der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, einen Anspruch auf Hinterbliebenengeld, das als Entschädigung für das 1 2 3 4

Schmoeckel, Erbrecht, S. 30. BGH NJW 2012, 1730, 1731; MükoBGB/Oetker, BGB § 249 Rn. 153. BGHZ 56, 163; BGH NZV 2015, 227, 228. BGH NJW 1971, 1883, 1884; BGH NJW 1989, 2317, 2318.

§ 15 Verteilung des Ersatzes immaterieller Schäden in China

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seelische Leid dient. Die Gesetzgebungsbegru¨ ndung geht davon aus, dass die pro Anspruchsteller zu zahlende Summe durchschnittlich 10.000 EUR beträgt.5 Somit wird anerkannt, dass jeder Anspruchsberechtigte einen Betrag (Hinterbliebenengeld) verlangen und behalten kann. Die Frage der Verteilung des Betrags zwischen den Angehörigen besteht somit auch nicht.

§ 15 Verteilung des Ersatzes immaterieller Schäden in China Im Gegensatz zur unproblematischen Rechtslage in Deutschland ist die Verteilung des Ersatzes immaterieller Schäden zwischen Angehörigen in China schwierig, was zum Streit führen kann. Um das Problem so gut wie möglich zu beseitigen und die Verteilung reibungslos zu erledigen, ist der gesamte Ersatz nach verschiedenen Arten zu unterscheiden. Zahlreiche Gesetze und justizielle Auslegungen in China ergeben, dass die Entschädigung beim Unfalltod in drei Arten zu differenzieren ist: den Ersatz für den Lebensunterhalt der vom Verstorbenen unterstützten Person, das Todesentschädigungsgeld und den Ersatz immaterieller Schäden der Angehörigen.6 Dabei ist der Ersatz für den Lebensunterhalt der vom Verstorbenen unterstützten Person zweifellos ein Ersatz der Vermögensschäden, der normalerweise unproblematisch zuzuordnen ist. Ein weiteres Problem entsteht in der Praxis häufig, wenn der Ersatzpflichtige und die Angehörigen durch einen Vergleich nur die Gesamtsumme des Schadensersatzes vereinbaren, aber nicht den jeweiligen Betrag nach den Arten des Schadensersatzes benennen, da dies zum Streit zwischen den Angehörigen führen kann.7 Wenn ein Teil der Angehörigen wegen der Verteilung des Geldes andere verklagt, muss das zuständige Gericht wieder die vorherige Vereinbarung zwischen dem Ersatzpflichtigen und den Angehörigen prüfen und neu kalkulieren. Deshalb ist es empfehlenswert, die konkrete Höhe von unterschiedlichen Arten des Schadensersatzes in der Vereinbarung eindeutig festzulegen, um zukünftigen Streit zwischen den Angehörigen möglichst zu vermeiden. Wenn die Gesamtsumme des Schadensersatzes nicht durch einen Vergleich, sondern durch ein Urteil des zuständigen Gerichts festgelegt wird, dann wird sie 5

BT-Drs. 18/11397, S. 11. ), Science of Law – Journal of Northwest University of Political Tian, Shaohua ( Science and Law 2015/01, 118, 122. 7 Vgl. Zivilurteil des Volksgerichts des Landkreises Suining, Provinz Jiangsu (2014) Sui Wei Min Chu Zi Nr. 0491 ( [2014] 0491 ); Zivilurteil des Volksgerichts des Landkreises Liaoyang, Provinz Liaoning (2013) Liao Xian Min Zhong Zi Nr. 00061 ( [2014] 00061 ). 6

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5. Kap.: Verteilung des Ersatzes immaterieller Schäden zwischen Angehörigen

normalerweise aufgrund der konkreten Höhe von unterschiedlichen Arten des Schadensersatzes berechnet. Allerdings schließt dies den Streit zwischen Angehörigen nicht unbedingt aus, weil das Todesentschädigungsgeld und der Ersatz immaterieller Schäden in der Regel den Angehörigen gemeinschaftlich zugesprochen werden. Deswegen bleibt es noch unklar und umstritten, wie das Todesentschädigungsgeld und der Ersatz immaterieller Schäden verteilt werden sollten. Falls die Angehörigen eine Vereinbarung über die Verteilung abgeschlossen haben, dann ist diese auszuführen.8 Wenn jedoch keine Vereinbarung vorhanden ist, wäre es erforderlich, einige Regeln für die Verteilung zu bestimmen.

I. Verteilung des Todesentschädigungsgeldes In der Auslegung der Entschädigung für Personenschäden (§ 29 a. F. bzw. § 15 n. F.) wird das Todesentschädigungsgeld aufgrund des fiktiven zukünftigen Einkommens des Verstorbenen kalkuliert. Dementsprechend wird es dann dem Nachlass zugeordnet und nach den Regeln des Erbrechts verteilt, ohne andere Elemente zu berücksichtigen. In der früheren Rechtsprechung wurde das gesamte Todesentschädigungsgeld häufig als Nachlass des Verstorbenen angesehen und vollständig erbrechtlich verteilt.9 Später erkannten die Gerichte allmählich, dass das Todesentschädigungsgeld nicht vollständig als Nachlass des Verstorbenen betrachtet werden sollte10 und die Verteilungsmethode modifiziert werden muss.11 Zurzeit wird die Verteilung in der Rechtspraxis grundsätzlich unter erbrechtlichen Regeln, aber gleichzeitig auch unter Berücksichtigung der konkreten Situation durchgeführt, wobei z. B. berücksichtigt wird, wie eng die Verwandtschaft zwischen dem Verstorbenen und einer bestimmten Angehörigen ist, ob sie in einem gemeinsamen Hausunterhalt zusammenleben und wie die tatsächlichen Lebensbedingungen eines Angehörigen sind.12 Dabei spielen insbesondere das Alter, der Beitrag zum 8 ), Science of Law – Journal of Northwest University of Political Tian, Shaohua ( Science and Law 2015/01, 118, 123 – 124. 9 China Institut für angewandtes Recht des Obersten Volksgerichts (Hrsg.), Ausgewählte Entscheidungen des Volksgerichts 2001, Vol. 1, S. 53; Zivilurteil des Volksgerichts der Stadt Dangyang, Hubei Provinz (2013) E Dang Yang Min Chu Zi Nr. 00964 ( [2013] 00964 ); Zivilurteil des Mittleren Volksgerichts der Stadt Nanchong, Sichuan Provinz (2015) Nan Zhong Fa Min Zhong Zi Nr. 2816 ( [2015] 2816 ). 10 Zivilurteil des Mittleren Volksgerichts der Stadt Laibin, Autonomes Gebiet Guangxi der Zhuang-Nationalität (2011) Lai Min Zhong Zi Nr. 8 ( [2011] 8 ). 11 Dagegen vgl. Zivilurteil des Volksgerichts der Stadt Xiangxiang, Hunan Provinz (2014) Xiang Fa Min Yi Chu Zi Nr. 1450 ( [2014] 1450 ). 12 Zivilurteil des Volksgerichts der Stadt Dangyang, Hubei Provinz (2013) E Dang Yang Min Chu Zi Nr. 00964 ( [2013] 00964 ).

§ 15 Verteilung des Ersatzes immaterieller Schäden in China

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Wachstum des Verstorbenen und andere Faktoren der Ausbildung und der Entwicklung von Minderjährigen eine Rolle.13 Dies stellt eine Kombination des Ersatzes materieller und immaterieller Schäden dar. Daher kann es auch nicht ganz als Nachlass des Verstorbenen angesehen werden. Aber es ist nicht zu bestreiten, dass das Todesentschädigungsgeld vor allem dem Ersatz materieller Schäden dient, während die Ergänzung des ungenügenden psychischen Schadensersatzes nur subsidiär wirkt. Eine Vereinbarung zwischen den Angehörigen wäre empfehlenswert. Wenn keine solche Vereinbarung abgeschlossen werden kann, dann steht die Verteilung im Ermessen der Richter. Insbesondere sind das Verhältnis zwischen dem Verstorbenen und den Angehörigen und die aktuelle Wirtschaftslage der Angehörigen zu berücksichtigen. Eine solche Verteilung, bei der die erbrechtlichen Regeln und die tatsächliche Verwandtschaft berücksichtigt werden, könnte in manchen Rechtssystemen problematisch sein, etwa im deutschen Recht. Die gesetzliche Vermutung für ein besonderes persönliches Näheverhältnis in § 844 Abs. 3 BGB deckt den Ehegatten, den Lebenspartner, die Eltern und die Kinder des Verstorbenen ab. Aber sie gehören nach §§ 1924 Abs. 1, 1925 Abs. 1 und 1934 Abs. 1 BGB zu unterschiedlichen Ordnungen gesetzlicher Erben. Das persönliche bzw. emotionale Näheverhältnis spiegelt sich somit nicht vollständig in der Erbfolge wider. Falls das chinesische Todesentschädigungsgeld nach deutschem Recht verteilt würde, dann wäre unklar, wie mit dem Status der Eltern des Verstorbenen umzugehen ist. Allerdings gibt es kein solches Problem im chinesischen Recht. Die Abgrenzung des Kreises der Angehörigen, die an der Verteilung des Todesentschädigungsgeldes teilnehmen können, kann reibungslos durchgeführt werden, denn in China weichen die Verwandtschaft im familienrechtlichen und diejenige im erbrechtlichen Sinne nicht sichtbar voneinander ab. Nach § 1127 ZGB sind der Ehegatte, die Kinder und die Eltern die gesetzlichen Erben der ersten Ordnung. Daher wird das Todesentschädigungsgeld im Fall der gesetzlichen Erbfolge grundsätzlich zwischen Ehegatten, Kindern und Eltern verteilt.

II. Verteilung des Ersatzes immaterieller Schäden Anders als beim Hinterbliebenengeld in Deutschland wird das Gericht in China in der Regel nur über eine Gesamtsumme für den Ersatz immaterieller Schäden entscheiden, die den nahen Angehörigen des Verstorbenen gemeinschaftlich zusteht. Das erscheint unverständlich und unvernünftig, weil dieser Ersatz auf den tatsächlich erlittenen immateriellen Nachteilen basiert. Wahrscheinlich möchte das Gericht dadurch Zeit und Arbeit sparen. Aber dies könnte im Ergebnis zu einem neuen Streit führen, der die Justiz noch mehr überlasten würde. 13 Zivilurteil des Mittleren Volksgerichts der Stadt Zhangye, Gansu Provinz (2016) Gan 07 [2016] 07 651 ). Min Zhong Nr. 651 (

Zusammenfassung 1. Der Ersatz immaterieller Schäden wird seit Langem als zivilrechtlicher Schadensersatzmechanismus und nicht als reine Privatstrafe anerkannt, obwohl es immer noch umstritten bleibt, ob er auch eine Straf- und Präventionsfunktion hat. Im Todesfall muss nicht nur das Verhältnis zwischen dem Verletzer und dem Opfer berücksichtigt werden, sondern auch die Angehörigen des Opfers müssen Beachtung finden. Außerdem könnten immaterielle Schäden in der Praxis nicht so deutlich oder präzis wie Vermögensschäden festgelegt werden. Daher stellt ihr Ersatz beim Umfalltod ein wichtiges Thema für das deutsche und das chinesische Recht dar. 2. Nach deutschem Recht wird grundsätzlich kein Ersatz immaterieller Schäden, das heißt Schmerzensgeld, zugesprochen, wenn das Opfer nach der Verletzung sofort verstirbt, weil weder das Leben noch die Verwandtschaft zu den in § 253 Abs. 2 BGB aufgezählten Rechtsgüter gehört. Wenn er vor dem Tod eine kurze Zeit überlebt, dann kommt es dogmatisch darauf an, ob die Körperverletzung gegenüber dem nachfolgenden Tod eine immaterielle Beeinträchtigung darstellt, die nach Billigkeitsgrundsätzen einen Ausgleich in Geld erforderlich macht. Dabei spielt es eine entscheidende Rolle, ob das Opfer dazwischen mit Bewusstsein überlebt. In der jetzigen Praxis wird ein Anspruch auf Schmerzensgeld in den meisten Fällen von den Gerichten nicht vollständig abgelehnt, obgleich das Opfer kurz nach dem Verletzungsereignis ohne Bewusstsein verstirbt. Vielmehr dürfen bei der Festsetzung des Schmerzensgeldes grundsätzlich alle in Betracht kommenden Umstände des Falles berücksichtigt werden. Deshalb wird in der Regel bei kurzer Überlebenszeit mit Bewusstsein ein normales Schmerzensgeld ohne Zweifel zugesprochen, während ein Schmerzensgeld in symbolischer Höhe für die Fallgruppe der kurzen Überlebenszeit ohne Bewusstsein als empfehlenswert angesehen wird. 3. In China wurde der Anspruch des Unfallopfers auf Ersatz immaterieller Schäden bis Ende 2020 nach § 18 Abs. 2 der Auslegung der Entschädigung für Personenschäden a. F. von vornherein ausgeschlossen. Obwohl das grundsätzliche Verbot der Übertragbarkeit und Vererbbarkeit des Ersatzes immaterieller Schäden auch ein gewisses Maß an Rationalität aufweist, da der auf der Verletzung von Persönlichkeitsrechten beruht und somit einen persönlichen Charakter hat, wirft diese Bestimmung in der Praxis schwerwiegende Probleme auf. Obwohl die Aufhebung des Verbots zu spät kam, ist dieser Schritte noch richtig gewesen. 4. Schockschäden, deren Begriff vom BGH etabliert wird, bieten den Angehörigen des Verstorbenen einen Weg, Ersatz für eigene erlittene immaterielle Schäden zu verlangen. Dabei handelt es sich nicht um den Schaden eines Dritten, sondern um eine eigenständige eigene Rechtsgutsverletzung. Um Schockschäden annehmen zu

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können, sind neben den Voraussetzungen der §§ 823 Abs. 1 und 253 Abs. 2 BGB auch andere Voraussetzungen zu erfüllen: Der Anspruchsberechtigte muss eine seelische Erschütterung bis zu einem Gesundheitsschaden erleiden, was pathologisch fassbar sein und Krankheitswert erreichen muss; zwischen dem Anspruchsberechtigten und dem Opfer muss außerdem ein nahestehendes Verhältnis vorliegen, das nicht dem Angehörigenverhältnis im familienrechtlichen Sinne gleichgestellt ist, sondern beispielsweise Verlobte und Lebensgefährtin auch einschließen sollte. Falls nur das sogenannte allgemeine Lebensrisiko realisiert wird, dann kommen Schockschäden nicht in Betracht. Die relative Zurückhaltung des BGH bei den Schockschäden löste auch viel Kritik aus. Dazu zählt vor allem die Anforderung, dass die Gesundheitsverletzung der Angehörigen die psychischen Beeinträchtigungen, die normale Menschen beim Tod oder einer schweren Verletzung eines Angehörigen erfahrungsgemäß erleiden würden, überschreiten müsse. Außerdem werden der Kreis der Anspruchsberechtigten und die Beweislast kritisiert. In der Literatur wurde eher vorgeschlagen, ein sogenanntes Angehörigenschmerzensgeld in das deutsche Recht einzuführen. 5. Vor dem Hintergrund des Germanwings-Absturzes am 24. Mai 2015 wurde das Hinterbliebenengeld in deutschem Recht etabliert und in § 844 Abs. 3 BGB eingegliedert, um die Schutzlücke beim Ersatz immaterieller Schäden zu schließen. Der Anspruch darauf ist ein Ersatzanspruch Dritter bei Tötung und verlangt keine immateriellen Schäden der Hinterbliebenen selbst mit Krankheitswert. Das einfache seelische Leid reicht bereits aus. Das dient auf einer Seite der Anpassung an die Entwicklung der Praxis und der Harmonisierung mit dem Recht in anderen EUMitgliedstaaten sowie auf der anderen Seite der menschlichen Fürsorge des Zivilrechts. Es hilft dabei, den Konflikt zwischen den harten Voraussetzungen für Schockschäden und dem Wunsch nach Angehörigenschmerzensgeld zu reduzieren. Allerdings umfasst der Anwendungsbereich des Hinterbliebenengeldes nicht die schweren Verletzungen und die vertragliche Haftung, was eine Lücke des Rechtschutzes darstellt. Die Einführung des Anspruchs auf Hinterbliebenengeld führt nicht dazu, dass ein Anspruch auf Entschädigung für Schockschäden ausgeschlossen wird. Es besteht ein konkurrierendes Verhältnis zwischen den Ansprüchen, weil seelische Nachteile für beide erforderlich sind. Die Höhe des Hinterbliebenengeldes sollte grundsätzlich niedriger als diejenige bei Schockschäden sein, weil bei Letzteren strenge Voraussetzungen erfüllt werden müssen. Unter dem Aspekt der Privatautonomie sollte den Hinterbliebenen jedenfalls eine Option zustehen, selbst zu entscheiden, welchen Anspruch sie geltend machen, wenn die Voraussetzungen beider Ansprüche erfüllt sind. 6. Ein Sonderfall des Unfalltodes könnte beim Terroranschlag bestehen, weil der Täter wahrscheinlich bei Verübung des Anschlags auch getötet wird oder es noch unklar bleibt, wer dafür verantwortlich ist. Bei einem Terroranschlag ist die Entschädigung grundsätzlich nach dem OEG festzustellen, aber § 1 Abs. 11 OEG

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schließt die Schäden durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeugs oder eines Anhängers wie bei dem Terroranschlag auf dem Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche am 19. Dezember 2016 aus. Daher konnten nur die Angehörigen des polnischen LKW-Fahrers nur einen Anspruch auf Entschädigung nach dem OEG geltend machen. Weil die Schäden offensichtlich vorsätzlich vom Attentäter verursacht wurden, scheidet ein Anspruch gegen Kfz-Haftpflichtversicherer gemäß § 103 VVG aus. Darüber hinaus ist eine Leistung durch die Verkehrsopferhilfe e. V. möglich, wenn von Dritten kein Ersatz der Schäden erlangt werden kann (Subsidiarität). Außerdem wurde eine Leistung über den Härteausgleich i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG i. V. m. § 89 BVG durchgeführt. Darüber hinaus sollten Hinterbliebenen eines durch den Terroranschlag Getöteten auch Härteleistungen erhalten, die als freiwillige besondere Solidaritätsleistung des Staates gerade für Opfer terroristischer Straftaten erbracht werden. Der Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz in Berlin hat einige Schwächen im BVG, OEG u. a. aufgedeckt. In Reaktion darauf wurde Ende 2019 das Gesetz zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts verkündet. Damit werden die bedeutendsten Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts in einem eigenen Buch des Sozialgesetzbuchs, dem SGB XIV, geregelt. Die neuen Regelungen darin sollten klar strukturiert und transparent sein sowie den Ländern die Durchsetzung des Gesetzes erleichtern. 7. In China bilden zahlreiche Vorschriften, die in verschiedenen Gesetzen, justiziellen Auslegungen und Verwaltungsvorschriften verstreut sind, zusammen das System für den immateriellen Schadensersatz, obgleich das neue ZGB bereits in Kraft getreten ist. Über das Thema des Ersatzes immaterieller Schäden beim Unfalltod sind insbesondere zwei justizielle Auslegungen wichtig: die „Auslegung für immateriellen Schadensersatz“ und die „Auslegung der Entschädigung für Personenschäden“. Das nachfolgende Deliktshaftungsgesetz erfüllt die doppelte Aufgabe, die Regeln des Deliktsrechts zu systematisieren und modernisieren. Im Vergleich zu den bisherigen Regelungen hat sich das ZGB selbst zu diesem Thema nicht wesentlich geändert. Vor dem Hintergrund des Inkrafttretens des ZGB wurden jedoch zahlreiche justizielle Auslegungen überarbeitet, zu denen auch die Auslegung für immateriellen Schadensersatz und Auslegung der Entschädigung für Personenschäden gehören. Insgesamt wird der Schaden, der durch den Unfalltod verursacht wird, im chinesischen Recht in drei Kategorien unterteilt: erstens direkte Vermögensschäden einschließlich Beerdigungskosten, ggf. Behandlungskosten und Pflegekosten für das Opfer, Transportkosten usw., zweitens immaterielle Schäden der Angehörigen, weil zwischen den nahen Angehörigen und dem Verstorbenen eine nächste emotionale Verbindung besteht, die allerdings durch den Tod durchgebrochen wird, und drittens indirekte Vermögensschäden, die sich auf den vorzeitigen Tod des Opfers beziehen, z. B. die eventuelle Verringerung der Erbschaft oder der Verlust des Unterhaltsanspruchs der vom Verstorbenen unterstützten Personen.

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8. In der chinesischen Literatur sind verschiedene Theorien entwickelt worden, um die Rechtsnatur des Todesentschädigungsgeldes abzuklären. Aber die Gesetzgebung und die justiziellen Auslegungen schwankten zwischen der „Verlust-desUnterhalts“-Theorie und der „Verlust-der-Erbschaft“-Theorie. Gemäß der Berechnungsmethode in der Auslegung der Entschädigung für Personenschäden (§ 29 a. F. bzw. § 15 n. F.) wird das Todesentschädigungsgeld so kalkuliert: pro Kopf verfügbares Einkommen der Stadt- oder Landbewohner multipliziert mit der fiktiven bestimmten Anzahl von Jahren. Die fiktiven Lebenshaltungskosten des Opfers müssen nicht abgerechnet werden. Darüber hinaus sollten zusätzlich die Unterhaltskosten der vom Verstorbenen unterstützten Personen ersetzt werden. Diese Berechnungsmethode und die Begründung des Gesetzgebers ergeben, dass das Todesentschädigungsgeld nicht nur Vermögensschäden ersetzt, sondern auch teilweise dem Ersatz immaterieller Schäden dient. Das sogenannte „Unterschiedlicher-Preis-für-gleiches-Leben“-Problem stellt eigentlich einen falschen Ausdruck dar, weil das Todesentschädigungsgeld in der Tat kein Ersatz für den Wert des Lebens ist, sondern für die unterschiedlichen Schäden geleistet wird, die wegen des vorzeitigen Todes entstehen, aber in jedem einzelnen Fall unterschiedlich sind. Trotzdem spiegelt der Ausdruck das Problem wider, dass es unangemessen ist, die Berechnungskriterien für das Todesentschädigungsgeld nach Stadt- oder Landbewohner und verschiedenen Provinzen zu variieren. Nachdem das Oberste Volksgericht das Problem erkannt hatte, ergriff es einige Maßnahmen, z. B. wird der tatsächliche Wohnsitz anstelle des registrierten ständigen Wohnsitzes als Standard verwendet. Die Pilotarbeit zur Vereinheitlichung der Entschädigung von Personenschäden für Stadt- und Landbewohner ist ein weiterer Fortschritt. Wenn es zurzeit noch unmöglich ist, ein individuelles Modell aufgrund des tatsächlichen Einkommens des Einzelnen für die Berechnung des Todesentschädigungsgeldes zu verwenden, wäre eine gleiche Höhe empfehlenswert. Die neue Entwicklung der künstlichen Intelligenz zeigt hier durchaus Potenzial. 9. Nach der Rechtsprechung des Obersten Volksgerichts müssen die nahen Angehörigen des Verstorbenen die erlittenen immateriellen Schäden nicht beweisen, um Ersatz dafür zu verlangen, denn ihre erlittenen Schmerzen gehören zu den schwersten auf der Welt. Der Ersatz für Schockschäden wird in China stark beschränkt und in der Regel nur für Verletzungsfälle verwendet, weil das Todesentschädigungsgeld eine zentrale Rolle im gesamten Todesentschädigungssystem spielt und den Anwendungsbereich von Schockschäden stark verdrängt. Jedoch gibt es in der chinesischen Rechtsprechung den offensichtlichen Fehler, der Anspruch der Angehörigen auf Ersatz immaterieller Schäden sei vom Anspruch des Verletzten abzuleiten. Tatsächlich handelt es sich bei Schockschäden nicht um einen „Drittschaden“, der sich aus dem Ersatzanspruch des primären Verletzten ergibt, sondern um eine eigene Rechtsgutsverletzung. Daher ist der Anspruch auf Ersatz auch vom primären Verletzten unabhängig.

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10. Das Todesentschädigungsgeld und der Ersatz immaterieller Schäden im engeren Sinne werden in China in der Regel den Angehörigen gemeinschaftlich zugesprochen, weshalb die Verteilung eine wichtige Aufgabe in der Praxis darstellt. Weil das Todesentschädigungsgeld im Wesentlichen eine Kombination des Ersatzes materieller und immaterieller Schäden ist, kann es nicht gesamt als Nachlass des Verstorbenen betrachtet werden. Eine Vereinbarung zwischen den Angehörigen wäre empfehlenswert. Falls keine solche Vereinbarung abgeschlossen werden kann, ist die Verteilung durch das Gericht durchzuführen. Dabei sind insbesondere das tatsächliche Verhältnis zwischen dem Verstorbenen und den Angehörigen sowie die aktuelle Wirtschaftslage der Angehörigen zu berücksichtigen. Für den Ersatz immaterieller Schäden entscheidet das Gericht in China in der Regel auch nur über eine Gesamtsumme, die den Angehörigen gemeinschaftlich zusteht. Dann ist sie aufgrund der tatsächlichen immateriellen Schäden jeder einzelnen Person zu verteilen.

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Sachwortverzeichnis Algorithmus 121 – 124 Allgemeines Lebensrisiko 37, 47 – 48, 53, 137 Angehörigenschmerzensgeld 20, 54 – 57, 59, 62, 137 „Aufrechterhalten-eines-bestimmten-materiellen-Lebensstandards“-Theorie 101 – 102, 106 Ausgleichsfunktion 25 – 26, 31 – 32, 36, 39 Auslegung der Entschädigung für Personenschäden 39 – 41, 88 – 92, 96 – 98, 101, 108 – 112, 115 – 118, 121, 126, 129, 134, 139 Auslegung für immateriellen Schadensersatz 39 – 40, 87 – 92, 95 – 97, 101, 106 – 107, 125 – 126, 128 – 131, 138 Beerdigungskosten 56 – 57, 82 – 86, 91, 94, 97, 102, 106, 108, 138 Behandlungsfehler 33, 67 – 69 Behandlungskosten 97, 138 Bemessung 17, 28 – 29, 35, 37, 55 Besonderes persönliches Näheverhältnis (§ 844 Abs. 3 BGB) 60 – 61 Beweislast 53, 72, 127 – 128, 137 Bewusstsein 32 – 39, 49, 54, 136 Caroline von Monaco I (BGHZ 128, 1) 28 – 29 Caroline von Monaco II (BGH NJW 1996, 984) 28 Doppelfunktion 24, 26 Drittschaden 44, 131, 139 Eisenwerk Kaiserslautern gegen Wilhelm und Henle (RGZ 7, 295) 19 – 21 Erbfolge 57, 135 „Erbrechts“-Theorie 103 Fatal Accidents Act 1976

68, 119 – 120

Gebrauch eines Kraftfahrzeugs 74 – 75, 138 Genugtuung 24 – 29, 31 – 36, 39, 55, 61 Germanwings-Absturz 38, 57, 64, 137 Haftpflichtversicherer 26, 75 – 76, 138 Härteausgleich 74 – 75, 138 Härteleistung 77 – 78, 138 „HE-Yuan“-Fall 111 – 112, 117 Hinterbliebenengeld 17, 24, 36, 39, 44, 52, 57 – 72, 76, 127, 129, 131 – 132, 135, 137 Individuelles Modell 119, 123 Intelligentes Gericht 120 Juristische oder logische Sekunde Justizielle Auslegung 85 – 89

103

Kommerzialisierung 62, 99, 104 Krankheitswert 46, 50, 61, 69 – 70, 72, 132, 137 Künstliche Intelligenz 120 – 124, 128 „LIN-Yunuan“-Fall 129 – 131 Lücke 44, 68, 76, 115, 124, 130, 137 Nichtvermögensschaden

15, 23, 27

Pflegekosten 25, 83 – 84, 91, 97, 138 Prävention 26, 28 – 29, 136 Primäre Verletzte 51, 53, 131, 139 Privatstrafe 20 – 21, 27, 136 Prognose 119, 122 – 123 Psychische Beeinträchtigungen 25, 47 – pathologisch fassbar 46, 49, 51, 132, 137 Registrierter ständiger Wohnsitz 118, 139

112, 116,

Schmerzensgeld 16 – 17, 19 – 24, 26 – 30, 32 – 39, 42 – 43, 46 – 47, 49 – 51, 53 – 57,

154

Sachwortverzeichnis

59 – 60, 62 – 66, 69 – 72, 87, 102, 105, 123 – 124, 127 – 128, 131 – 132, 136 Schockschäden 17, 43 – 55, 57, 61 – 62, 69 – 72, 127, 129 – 132, 136 – 137, 139 Seelische Erschütterung 45 – 46, 137 Seelisches Leid 61, 127 Sofortiger Tod 31 Sozialgesetzbuch Vierzehntes Buch 78 – 79, 138 Stadt-Land-Grenze 94, 115 Stadt- und Landbewohner 93 – 94, 111 – 120, 139 Steup gegen Kolb (RGZ 8, 117) 19 – 20 Straffunktion 19, 26 – 28, 110, 136 Symbolhafte Höhe 36, 39 Symbolische Wiedergutmachung 33, 36 Terroranschlägen 17, 72 „Tod-als-Schaden“-Theorie 104 – 105 Todesangst 32, 36 – 38, 64, 132 Todesentschädigungsgeld 18, 85 – 88, 90 – 95, 97 – 99, 102, 104, 107 – 110, 112, 115 – 119, 123, 125, 127, 129, 131, 133 – 135, 139 – 140 Transport 83 – 84, 91, 94, 97, 138 Überlebenszeit 32, 34 – 36, 39, 54, 60, 136 Übertragbarkeit bzw. Vererbbarkeit des Anspruchs auf Ersatz immaterieller

Schäden 21 – 22, 38 – 43, 96 – 97, 126, 136 Unterhalt 56 – Lebensunterhalt 84 – 86, 91, 101, 106, 108 – 110, 117, 133 – unterhaltsberechtigte 54, 99 – unterhaltspflichtig 100, 109 – „Verlust-des-Unterhalts“-Theorie 92, 99 – 102, 106, 139 Unterhaltsanspruch 99 Unterhaltskosten 82 – 83, 86, 100 – 101, 139 Unterschiedlicher Preis für gleiches Leben 111 – 112, 115, 129, 139 Vereinheitlichung der Berechnungsmethode des Todesentschädigungsgeldes 117 – 120 Verkehrsopferhilfe 76 – 77, 138 „Verlust-der-Erbschaft“-Theorie 99 – 102, 106 – 107, 110, 139 Vermögensschaden 15, 20, 25, 28, 102 Verteilung 132 – 135, 140 Vertragliche Haftung 23, 63, 66 – 68, 137 Wirtschaftslage

135, 140

Zivilgesetzbuch VR China 40, 95 – 97, 107 – 108, 110, 126 – 127, 135, 138