Der Einfluss der Reformation auf das spätmittelalterliche Schulwesen in Thüringen (1300-1600) [1 ed.] 9783412512309, 9783412508128

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Der Einfluss der Reformation auf das spätmittelalterliche Schulwesen in Thüringen (1300-1600) [1 ed.]
 9783412512309, 9783412508128

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DER EINFLUSS DER REFORMATION AUF DAS SPÄTMITTELALTERLICHE SCHULWESEN IN THÜRINGEN 13001600

Andreas Dietmann

Quellen und Forschungen zu Thüringen im Zeitalter der Reformation Im Auftrag der »Historischen Kommission für Thüringen« herausgegeben von Werner Greiling und Uwe Schirmer in Verbindung mit Joachim Bauer, Enno Bünz, Ernst Koch, Armin Kohnle, Josef Pilvousek und Ulman Weiß Band 11

Andreas Dietmann

Der Einfluss der Reformation auf das spätmittelalterliche Schulwesen in Thüringen (1300–1600)

BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN WEIMAR

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar. © 2018 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Lindenstraße 14, D-50674 Köln Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Darstellung einer Schule (Holzschnitt), Titelillustration der 1592 in Erfurt bei Georg Baumann erschienenen Schrift „Pvlvis Scholasticvs“; Nachdruck in: Erfurter Neudrucke, hg. von W. Suchier, Nr. 2, Erfurt/Zwickau 1928, unpag. [S. 1]. Wissenschaftliche Redaktion: Dr. Alexander Krünes, Jena Korrektorat: Kornelia Trinkaus, Meerbusch

Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-412-51230-9

Inhalt Vorwort ...........................................................................................................................11 EINLEITUNG ..................................................................................................................13 1. 2. 3. 4.

Fragestellung, Ziel und Aufbau der Arbeit .........................................................13 Forschungsstand......................................................................................................21 Die Quellen ..............................................................................................................30 Die Entstehung des mittelalterlichen Schulwesens – Eine thematische Einführung ...............................................................................34 I. TEIL DAS SCHULWESEN IN SPÄTMITTELALTER UND VORREFORMATION

1. Das Schulwesen in kirchlicher Trägerschaft – das Beispiel Altenburg ..........41 1.1. Die Schule des Bergerstifts...........................................................................42 1.2. Die Schule St. Johannis des Deutschen Ordens .......................................49 1.3. Die Martinsschule des St. Georgenstifts ....................................................53 1.4. Die Pfarrschulen St. Bartholomäi und St. Nikolai ...................................56 1.5. Vereinzelte Hinweise auf weitere Schulen .................................................60 2. Das Schulwesen in städtischer Trägerschaft – das Beispiel Saalfeld ..............62 2.1. Die ersten Spuren eines Schulwesens und dessen anfängliche Entwicklung ....................................................................................................62 2.2. Das Schulwesen im 15. Jahrhundert und am Vorabend der Reformation .............................................................................................65 3. Das Schulwesen in der Reichsstadt Mühlhausen ...............................................75 3.1. Die Auseinandersetzung um die Mühlhäuser Schulen im 14. Jahrhundert .........................................................................................76 3.2. Versuch einer städtischen Schulgründung? ...............................................78 3.3. Der Vergleich mit der zweiten Reichsstadt – der Nordhäuser Schulstreit ..........................................................................81 3.4. Die Mühlhäuser Deutschordensschulen am Ende des Mittelalters................................................................................................83 4. Grundzüge des spätmittelalterlichen Schulwesens in thüringischen Städten.........................................................................................86 4.1. Das Schulwesen zwischen kirchlichem und weltlichem Interesse ........86

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4.1.1. Die Trägerschaft des mittelalterlichen Schulwesens .............................86 4.1.2. Rechtliche Folgen des städtischen Schulpatronats............................. 103 4.1.3. Wirtschaftliche Folgen des städtischen Schulpatronats .................. . 106 4.1.4. Manifestierung der Schulverwaltung in Schulordnungen ............... . 109 4.2. Schulische Einsatzfelder und Entlohnung ............................................. 118 4.3. Wirtschaftliche Versorgung der Schulen und Schuldiener .................. 130 4.4. Personelle Verhältnisse vor der Reformation ........................................ 143 4.5. Lehrinhalte und Unterrichtsorganisation vor der Reformation .......... 154 4.6. Die Versorgung armer Schüler ................................................................. 164 4.6.1. Bildungswanderung, Schülerbettel und Armutsprävention .............. 164 4.6.2. Stiftungen und finanzielle Zuwendungen ............................................ 171 5. Ein Sonderfall – die Stadt Erfurt ....................................................................... 175 5.1. Ein Erfurter Parochialschulwesen? .......................................................... 177 5.2. Privates Schulwesen in Erfurt................................................................... 187 6. Schulverbreitung, Schulbesuch und Immatrikulationen vor der Reformation ................................................................................................... 194 II. TEIL DER EINFLUSS DER REFORMATION UND DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘ 1. Martin Luther und die ersten Folgen ................................................................ 215 1.1. Luthers Schulkonzepte............................................................................... 215 1.2. Der schulische Niedergang vor Ort und dessen Hintergründe .......... 229 2. Der Einfluss der landesherrlichen Obrigkeit ................................................... 242 2.1. Die Etablierung des Schulwesens als Bestandteil der ernestinischen Kirchenpolitik vor dem Schmalkaldischen Krieg ....... 243 2.1.1. Die Rolle des Schulwesens in den ersten Visitationen und im Unterricht der Visitatoren ...................................................................... 243 2.1.2. Anton Musas Schulschreiben und die Folgen .................................... 255 2.1.3. Die Beteiligung der Schulen an der Sequestration ............................. 262 2.1.4. Philipp Melanchthons Entwurf eines Mädchenschulplans............... 267 2.1.5. Die Anfänge eines ländlichen Schulwesens und die Einführung kurfürstlicher Stipendien ............................................ 270 2.2. Die Orientierung der Albertiner am ernestinischen Vorbild............... 277 2.3. Rollentausch nach dem Schmalkaldischen Krieg .................................. 280 2.3.1. Ein Neuanfang der ernestinischen Herzöge ....................................... 280 2.3.2. Die Anfänge einer obrigkeitlichen Schulorganisation unter dem albertinischen Kurfürsten August ..................................... 286

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2.3.3. Von den Lehrstreitigkeiten zur ernestinischen Schulordnung von 1573 .................................................................................................... 290 2.3.4. Der Weg zur Kursächsischen Kirchenordnung von 1580 ............... 301 2.4. Die Eigenständigkeit der Schwarzburger ................................................ 314 2.4.1. Die Anfänge der Reformation und der Anteil des Schulwesens ..... 314 2.4.2. Nikolaus Hercos Etablierung eines schwarzburgischen Visitationswesens als Reaktionen auf das Augsburger Interim........ 317 2.4.3. Heinrich Müllers Vorschläge zu einer Schulreform ........................... 322 2.4.4. Der Ausbau des schwarzburgischen Visitationswesens nach der Landesteilung von 1571 ......................................................... 328 3. Eine neue Alternative – das Beispiel Altenburg ............................................. 335 3.1. Die Einführung der Reformation ............................................................ 335 3.2. Der Niedergang des altkirchlichen Schulwesens ................................... 339 3.3. Die Anfänge eines evangelischen Schulwesens ..................................... 345 3.3.1. Ein Neuanfang im Jahr 1522 – die früheste Schulgründung der Reformation? ..................................................................................... 345 3.3.2. Die Eskalation um den Schulmeister Dietrich Reismann ................. 348 3.3.3. Die Entwicklung der Schule bis zur Verlegung ins Franziskanerkloster ................................................................................. 361 3.4. Die Entwicklung im Laufe des 16. Jahrhunderts .................................. 369 3.4.1. Personelle und finanzielle Grundlegung der neuen Schule .............. 369 3.4.2. Erste Höhepunkte unter Schwierigkeiten............................................ 377 3.4.3. Personelle, wirtschaftliche und akademische Verhältnisse um die Jahrhundertmitte ........................................................................ 381 3.4.4. Komödien, Examina und Schulfeste .................................................... 388 3.4.5. Personeller und organisatorischer Ausbau der Schule ...................... 389 3.4.6. Die Auswirkungen der Lehrstreitigkeiten auf die Altenburger Schule .................................................................................. 392 3.4.7. Das Schulschreiben des Johann Piscatorius und seine Folgen ........ 395 3.4.8. Mangelnde Disziplin mit Todesfolge ................................................... 400 3.4.9. Die Visitationen der 1580er Jahre ......................................................... 402 3.4.9.1. Desinteressierte Schulherren und widersetzliche Schuldiener ...... 402 3.4.9.2. Der Altenburger Lehrplan von 1584 ................................................. 406 3.4.10. Humanistischer Wettstreit um ein Schulamt ...................................... 413 3.4.11. Eine herzogliche Zulage am Ende des Jahrhunderts ........................ 418 3.5. Der Supremus und Konrektor Michael Sonne ...................................... 420 3.6. Die Altenburger Schulbibliothek ............................................................. 430 3.7. Die deutschsprachige und die Mädchenschule ...................................... 434 4. Kontinuität und neue Organisation – das Beispiel Saalfeld .......................... 445 4.1. Die Einführung der Reformation ............................................................ 445 4.2. Die Neuordnung des Schulwesens unter reformatorischem Einfluss ......................................................................................................... 447

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4.2.1. Finanzielle Umstrukturierung und personelle Verhältnisse zu Beginn der Reformation .................................................................... 447 4.2.2. Die Verlegung der Schule ins Franziskanerkloster ............................ 452 4.3. Die weitere Entwicklung des Schulwesens im 16. Jahrhundert .......... 455 4.3.1. Verkauf der Kleinodien und Beteiligung an den kurfürstlichen Zulagen der 1530er Jahre ....................................................................... 455 4.3.2. Exemplarische Beispiele einer Bildungswanderung ........................... 458 4.3.3. Verderbliche Folgen ungenügender Besoldung – Ein Briefwechsel mit Philipp Melanchthon ........................................ 460 4.3.4. Zwei Einblicke in den humanistischen Unterricht ............................ 466 4.3.4.1. Der früheste Lehrplan einer evangelischen Schule in Thüringen .......................................................................................... 466 4.3.4.2. Die Quaestiunculae des Stephan Reich................................................. 470 4.3.5. Die Schulpredigten des Stephan Reich ................................................ 471 4.3.6. Verschuldung und Zerstörung – Hemmnisse der schulischen Entfaltung............................................................................ 479 4.3.7. Die Auswirkungen der Lehrstreitigkeiten ............................................ 486 4.3.8. Die Auseinandersetzung mit dem Superintendenten Philipp Caesar........................................................................................... 488 4.3.9. Die Visitationen der 1580er Jahre ......................................................... 492 4.4. Das Saalfelder Matrikelbuch ..................................................................... 497 4.4.1. Schulherren und Lehrpläne .................................................................... 497 4.4.2. Die Schulmatrikel .................................................................................... 504 4.5. Die Saalfelder Schulbibliothek .................................................................. 507 4.7. Die deutschsprachige und die Mädchenschule ...................................... 524 5. Das Schulwesen in der Reichsstadt Mühlhausen ............................................ 529 5.1. Die Einführung der Reformation ............................................................ 529 5.2. Das Schulwesen unter dem Einfluss des frühreformatorischen Aufruhrs ................................................................ 533 5.3. Der Übergang der Schulen in städtische Verwaltung ........................... 535 5.4. Der erste Versuch einer Reformation – die ‚Schule beider Kirchen‘ ....................................................................... 539 5.5. Rekatholisierung .......................................................................................... 554 5.6. Der weite Weg zur neuen Schule ............................................................. 557 5.7. Erneutes Ringen um Einfluss ................................................................... 567 5.8. Das Schulwesen bis zum endgültigen Übergang in städtische Trägerschaft ................................................................................................. 571 5.9. Das Mühlhäuser Mädchenschulwesen .................................................... 583 5.10. Das deutschsprachige Schulwesen in Mühlhausen ............................... 586 5.11. Das Schulwesen in den Mühlhäuser Vorstädten ................................... 589 5.12. Das Schulwesen im Mühlhäuser Landgebiet ......................................... 593

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6. Die Entstehung eines ‚reformatorischen Schulwesens‘ in thüringischen Städten...................................................................................... 598 6.1. Frühe Bemühungen um den Erhalt und die Wiederaufrichtung der Schulen ................................................................ 598 6.2. Ergebnisse und Maßnahmen der frühen Visitationen am Beispiel des ernestinischen Kurfürstentums .................................... 619 6.3. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des reformatorischen Schulwesens ................................................................................................. 658 6.3.1. Der Gemeine Kasten als Finanzierungskonzept ................................ 658 6.3.2. Die Neubewidmung des ernestinischen Kirchen- und Schulwesens 1555 .................................................................................... 676 6.3.3. Alternative Besoldungsstrategien ohne Gemeinen Kasten .............. 683 6.3.4. Schulgeld ................................................................................................... 692 6.4. Personelle Verhältnisse des reformatorischen Schulwesens................ 696 6.5. Trägerschaft und Patronat des reformatorischen Schulwesens .......... 714 6.5.1. Die Schule zwischen Stadtrat und Pfarrer ........................................... 714 6.5.2. Superintendenten und Konsistorien – Das Schulwesen als Bestandteil des landesherrlichen Kirchenregiments .......................... 719 6.5.3. Von der geistlichen zur städtischen Schulaufsicht – Das Amt der Schulherren ........................................................................................ 731 6.6. Schulordnungen thüringischer Städte in ihrem Entstehungskontext.................................................................................... 740 6.7. Lehrinhalte der reformatorischen Schulen ............................................. 754 6.7.1. Humanistische Studien, Lehrpläne und grammatikalische Schullektüre .............................................................................................. 754 6.7.2. Der Katechismus und die religiöse Lehre im Unterricht .................. 771 6.7.3. Die Musik als Gegenstand des Schulunterrichts ................................ 778 6.8. Der Weg von der Alphabetisierung zur Gelehrsamkeit ....................... 783 6.8.1. Schulbesuch und Bildungswanderung nach der Reformation ......... 783 6.8.2. Die Versorgung armer Schüler .............................................................. 792 6.8.2.1. Institutionalisierte Versorgung ........................................................... 792 6.8.2.2. Der Schülerbettel und das reformatorische Kurrendewesen ........ 797 6.8.3. Die Alphabetisierungsrate im 16. Jahrhundert – Methode und Ergebnis einer Spezialuntersuchung..................................................... 801 6.8.4. Die Entwicklung der Immatrikulationsfrequenzen während der Reformation ....................................................................................... 813 6.9. Das deutschsprachige Knaben- und Mädchenschulwesen .................. 819 6.9.1. Die Gründung von Mädchen- und gemischtgeschlechtlichen Schulen unter dem Einfluss der Reformation .................................... 819 6.9.2. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der gemischtgeschlechtlichen und Mädchenschulen .............................................................................. 827 6.9.3. Die personellen Verhältnisse der Mädchenschulen ........................... 832 6.9.4. Deutschsprachige Knabenschulen ........................................................ 836

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6.9.5. Der Rang der deutschsprachigen Schulen im reformatorischen Verständnis ............................................................................................... 838 6.9.6. Schulordnungen und Lehrinhalte der Mädchenschulen ................... 841 6.9.7. Die Alphabetisierungsrate der Frauen.................................................. 847 6.9.8. Unerwünschtes Winkelschulwesen ....................................................... 849 7. Ein Sonderfall – die Stadt Erfurt ....................................................................... 851 7.1. Die Einführung der Reformation ............................................................ 851 7.2. Die Entstehung eines evangelischen Parochialschulwesens ................ 854 7.2.1. Die Legende der Predigerschulgründung ............................................ 856 7.2.2. Die Anfänge des Pfarrschulwesens ...................................................... 858 7.2.3. Das Schreibheft eines evangelischen Schülers? .................................. 863 7.3. Das Pfarrschulwesen in der zweiten Jahrhunderthälfte ....................... 873 7.3.1. Die Schuldiener und ihre Besoldung .................................................... 873 7.3.2. Ein Zinsstreit der Kaufmännergemeinde ............................................ 882 7.3.3. Untätiger Stadtrat und bemühte Bürger............................................... 884 7.3.4. Organisatorischer Aufbau der Pfarrschulen........................................ 886 7.4. Das Mädchenschulwesen an den Erfurter Pfarreien ............................ 891 7.5. Die Reform der Pfarrschulen durch den Stadtrat zu Beginn des 17. Jahrhunderts ................................................................................... 893 7.6. Das Private Schulwesen zur Zeit der Reformation ............................... 902 7.7. Das Schulwesen im Erfurter Landgebiet ................................................ 909 7.8. Das Schulwesen der Stadt Sömmerda und die hiesigen Auswirkungen der Erfurter Schulreform ................................................ 913 ZUSAMMENFASSUNG UND SCHLUSSBETRACHTUNG ........................................... 923 ANHANG: Diagramme zur Immatrikulationsfrequenz thüringischer Schüler an den Universitäten Erfurt, Leipzig, Wittenberg und Jena ................. 935 VERZEICHNIS UND NACHWEIS DER ABBILDUNGEN UND KARTEN ................ 982 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS..................................................................................... 983 QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS............................................................ 985 1. Archivalische Quellen.......................................................................................... 985 2. Edierte Quellen .................................................................................................. 1004 3. Gedruckte Quellen ............................................................................................. 1009 4. Literatur ............................................................................................................... 1014 ORTSREGISTER ......................................................................................................... 1071 PERSONENREGISTER ............................................................................................... 1079

Vorwort

Die vorliegende Studie wurde im Februar 2018 von der Philosophischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena als Dissertationsschrift angenommen. Sie entstand mit der Förderung eines Promotionsstipendiums im Rahmen des Forschungsprojektes „Thüringen im Jahrhundert der Reformation“ und wurde für die Druckfassung leicht überarbeitet. Vielen Beteiligten, die die Entstehung meiner Dissertation ermöglichten, bin ich zu großem Dank verpflichtet. Er gilt an erster Stelle meinem Doktorvater Professor Dr. Uwe Schirmer, der mir nicht allein die Chance zur Teilnahme am Forschungsprojekt gab und maßgeblich an der Entwicklung des Themas beteiligt war, sondern mich auch über die Jahre stets mit Rat, großem Interesse und zahlreichen konstruktiven Gesprächen begleitete. Gleichermaßen danke ich dem Vorsitzenden der „Historischen Kommission für Thüringen“, Professor Dr. Werner Greiling, der als Mitorganisator des Projekts am Fortschritt und am Gelingen der Arbeit regen Anteil nahm. Professor Dr. Christoph Fasbender (Chemnitz) und Professor Dr. Martin Kintzinger (Münster) danke ich für ihre umgehende Bereitschaft, ein Gutachten zu übernehmen und die Publikation dadurch mit sachdienlichen Hinweisen zu bereichern. Dank gebührt darüber hinaus dem Geschäftsführer der SparkassenKulturstiftung Hessen-Thüringen, Dr. Thomas Wurzel, sowie dem Reformationsbeauftragten der Thüringer Landesregierung, Dr. Thomas A. Seidel, die am Entstehungsprozesses der Arbeit auch mit fachlichem Interesse und in persönlichem Austausch beteiligt waren. Für die Aufnahme der Arbeit in die Schriftenreihe „Quellen und Forschungen zu Thüringen im Zeitalter der Reformation“ sowie für die großzügige finanzielle Unterstützung der Publikation danke ich der „Historischen Kommission für Thüringen“ und dem Forschungsprojekt „Thüringen im Jahrhundert der Reformation“. Ein besonderer Dank gilt meinen Kollegen im Forschungsprojekt Julia Mandry, Doreen von Oertzen Becker, Martin Sladeczek und Philipp Walter für vielfältige nützliche Hinweise und anregende Diskussionen sowie für eine kollegiale und freundschaftliche Atmosphäre. Dem Projektkoordinator Dr. Alexander Krünes danke ich für seine tatkräftige Organisation, engagierte Unterstützung und Anteilnahme. Die Karten, die einige der Ergebnisse veranschaulichen, wurden von Dr. Pierre Fütterer angefertigt. Auch ihm gebührt dafür sowie für die geselligen Momente herzlicher Dank. Ferner möchte ich den zahlreichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus Bibliotheken und Archiven danken. Die vorliegende Arbeit basiert auf umfangreichen Quellenbeständen, deren Erschließung oft mit zeitaufwändigen

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VORWORT

Recherchen verbunden war. Sie wären ohne die Hilfe vor Ort oder die freundliche Bereitstellung von Digitalisaten oft nicht möglich gewesen. Viele wissenschaftliche Weggefährten und Freunde können hier nicht im Einzelnen aufgeführt werden. Ihnen gilt mein Dank für ihre stete Aufgeschlossenheit, ihr Interesse und fruchtbare Gespräche, durch die einige neue Impulse in die Arbeit eingebracht wurden. Schließlich möchte ich besonders herzlich meinen Eltern, meiner Familie und meiner Partnerin danken. Sie haben mir in den letzten Jahren viel Geduld und Verständnis entgegengebracht und mich auf vielfältige Weise unterstützt, motiviert und bestärkt. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet.

Jena, Mai 2018

Andreas Dietmann

EINLEITUNG 1.

Fragestellung, Ziel und Aufbau der Arbeit

FRAGESTELLUNG, ZIEL UND AUFBAU DER ARBEIT

Ir als verstendige, wolweyse vnd Cristliche regenten wißen sonder Zweyffel, das gott der almechtige zu erweyterung vnd erhaltung vnter vns seynes gottlichen worts, an vielen orten Cristliche Schuelen vor langer Zeyt, durch fuegliche Mittel hat laßen auffrichten vnd erhalten. […] Dem nach So Ist auch alhie In vnsern vaterlandt von gott dem almechtigen, durch euch als von gott verordnetes Mittel, eyne lange Zeyt, die schuele also verordnet vnd bestellet, vnd mit gelerten leuten bisher versehen gewesen, das viel feyner vnd gelerter ingenia, welche Itzund an vielen orten, vnserm hern gott zu ehren vnd dem gemeyne[n] Nutze zu guth, andern leuten wieder dienen, darinnen seynt erzogen vnd excolirt worden.1

Mit diesen einleitenden Worten bewarb sich der Magister Michael Sonne am 6. April 1553 kurz nach dem Abschluss seines Studiums beim Stadtrat um ein vakantes Amt an der Schule seiner Heimatstadt Altenburg (Kap. II. 3.5.). Obgleich umständlich formuliert, findet sich in ihnen das Thema der vorliegenden Untersuchung weitestgehend vorgezeichnet. Zunächst bündelt sich darin das gesamte zeitgenössische Verständnis vom Nutzen und vom Zweck des reformatorischen Schulwesens. Es habe in erster Linie die Aufgabe, so hatte Martin Luther es mehrfach betont, sowohl die Kirche und die christliche Religion – durch eine fundierte wissenschaftliche Ausbildung späterer Geistlicher und eine umfassende katechetische Erziehung der Kinder – als auch das weltliche Regiment und die gesellschaftlichen Strukturen – durch die Heranbildung zukünftiger Regenten für Stadt und Land – aufrechtzuerhalten. In den Worten Michael Sonnes spiegelt sich dieses Bewusstsein wider, betonte er doch das spätere Wirken einstiger Schüler ‚zu Gottes Ehren und dem gemeinen Nutzen zugute‘. Dabei handelte es sich allerdings um häufig angeführte und vielfach bemühte Reminiszenzen an den lutherischen Ausspruch. Der Altenburger Bewerber ging darüber hinaus und fasste einen Umstand in knappe Worte, der dem heutigen Betrachter weniger präsent ist, für das Verständnis der schulischen Entwicklung im 16. Jahrhundert und der Entstehung eines evangelischen Schulwesens jedoch elementarer kaum sein könnte. Gott habe vor langer Zeit Schulen anrichten lassen – die Erwähnung jenes Moments bezieht sich nicht auf einen unbestimmten und abstrakten Zeitpunkt, sondern auf eine Entwicklung der jüngeren Vergangenheit. Die Reformation des Schulwesens wurde bereits um die Mitte des 16. Jahrhunderts als Zäsur, als Umbruch und – so verdeutlichen es Sonnes Worte – als völliger Neuanfang unter anderen Bedingungen erkannt und wahrgenommen. 1

StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. VI, unfol.

EINLEITUNG

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Der Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist mit diesen Worten benannt. Sie hat das Ziel, anhand des thüringischen Raumes – dem Kernland der Reformation – die von Michael Sonne berührte Zäsur und die damit verbundenen Entwicklungen fassbar zu machen. Unter welchen Einflüssen stand das Schulwesen im Jahrhundert der Reformation und der anfänglichen Konfessionalisierung, wie wirkten sie sich auf die bestehenden Schulen aus und auf welche Weise wurde das Schulwesen von der Reformation selbst erfasst, umstrukturiert und im Sinne der evangelischen Konfession nutzbar gemacht? Die Bedeutung der Reformation bei der Neugestaltung des Schulwesens unterliegt keinem Zweifel. Zuletzt betonte Manfred Rudersdorf, dass die konfessionelle Prägung des Luthertums „mit großer Dynamik den Umbruch und die Neugründung des Schul- und Bildungswesens in den wettinischen Territorien in Gang gesetzt hat.“2 Ein gegensätzlicher Trend der neueren Forschung ist zwar bemüht, die These des Neuanfangs zu relativieren, widerspricht dabei aber offenbar selbst dem zeitgenössischen Verständnis.3 Selbstverständlich dürfen die Worte des Altenburger Bewerbers nicht unkritisch betrachtet und überbewertet werden. Sie wurden im protestantischen Selbstbewusstsein in einer unzweifelhaften Intention geäußert – der sehr spezielle Charakter Sonnes tat ein Übriges (Kap. II. 3.5.) –, treffen dabei aber zweifellos den Kern der Sache. Eine genauere Betrachtung und die Überprüfung dessen anhand der tatsächlichen schulischen Verhältnisse vor Ort steht jedoch für den thüringischen Raum noch weitestgehend aus. Die vorliegende Arbeit wird diese Lücke kaum schließen können, doch soll sie einen Beitrag leisten, den vielfach anhand normativer Quellen und theoretisch-reformatorischer Schriften konstatierten Einfluss der Reformation durch den Blick in die Städte zu ergänzen und somit anhand der Realität zu hinterfragen und zu spezifizieren. Um dies zu ermöglichen, soll in einem ersten Teil zunächst das spätmittelalterliche Schulwesen bis zum Vorabend der Reformation im Mittelpunkt stehen. Das Augenmerk liegt dabei insbesondere auf seinen personellen, wirtschaftlichen und administrativen Strukturen sowie seiner Bedeutung für das spätmittelalterliche Kirchenwesen. Es kann bereits vorweggenommen werden, dass das vorreformatorische Schulwesen in einem hohen Maße vielgestaltig und insbesondere durch die Ambivalenz zwischen städtischen und kirchlichen Interessen geprägt und mitunter spannungsgeladen war. Dieser Abschnitt wird den direkten Vergleich der spätmittelalterlichen und vorreformatorischen mit den reformatorischen Schulverhältnissen gewährleisten und das tatsächliche Wirken der Reformation vor Augen führen. Ihm folgt im zweiten, umfangreicheren Teil der Arbeit die Betrachtung der Entwicklung unter dem Einfluss der neuen Lehre. Zu wel2 3

RUDERSDORF, Luthertum (2008), S. 304. Vgl. zuletzt mit weiteren Bezügen TÖPFER, „Freyheit“ (2012), S. 25 f.

FRAGESTELLUNG, ZIEL UND AUFBAU DER ARBEIT

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chem Zeitpunkt wurden die Schulen erstmals von ihr erfasst und welche Ergebnisse zog die Konfrontation, um die es sich dabei vielerorts handelte (Kap. II. 1.2.), nach sich? Jene Zäsur bildet den Auftakt einer Entwicklung, die bis zum Ende des 16. Jahrhunderts bzw. bis ins anfängliche 17. Jahrhundert und somit bis in die konfessionelle Zeit hinein nachverfolgt werden soll. Die Umwandlung vor Ort vollzog sich dabei parallel zu einer allmählich in Angriff genommenen obrigkeitlichen Initiative. Als Bestandteil des landesherrlichen Kirchenregiments führte sie zur Entstehung einer anfänglichen territorialen Schulpolitik. Da sie den historischen Hintergrund der lokalen Entwicklung bildet, soll sie eine eigenständige Betrachtung erfahren (Kap. II.2.) und dem weiteren Verlauf der Arbeit als Grundlage dienen. Aufgrund ihrer Bedeutung für die Geschichte der Reformation stehen dabei selbstverständlich die wettinischen Territorien – insbesondere das ernestinische Kurfürsten- und spätere Herzogtum in den Grenzen nach dem Schmalkaldischen Krieg – im Mittelpunkt. Ihnen sollen jedoch für einen territorialen Vergleich die schwarzburgischen Grafschaften gegenübergestellt werden. Das Ende dieser territorialen Betrachtungen bildet im ernestinischen Herzogtum der Beginn der Vormundschaft des albertinischen Kurfürsten August im Jahr 1573 und in den schwarzburgischen Grafschaften die Landesteilung von 1598, während die albertinische Kirchen- und Schulpolitik im Erlass der Kursächsischen Kirchen- und Schulordnung von 1580 einen Höhepunkt und vorläufigen Abschluss fand. Die ersten im weitesten Sinne ‚reformatorischen‘ Maßnahmen um das Schulwesen vollzogen sich vor Ort jedoch bereits vor der anfänglichen landesherrlichen Initiative (Kap. II. 6.1.). Es soll daher im Weiteren untersucht werden, wodurch ein Eingreifen veranlasst wurde, welche Akteure dabei ihren Einfluss geltend machten, welche Ziele sie verfolgten und auf welche Weise eine Umgestaltung in Angriff genommen wurde. Von besonderem Interesse ist darüber hinaus die Frage, ob und wie das landesherrliche Eingreifen an vorherige lokale Maßnahmen anknüpfte und landesherrliche mit städtischen Interessen übereingebracht werden konnten. Der lokale Fokus der vorliegenden Arbeit ist unbestreitbar, aber auch unumgänglich, obwohl der aktuelle Trend der Schulgeschichtsforschung in eine andere Richtung führt. So formulierte zuletzt Robert Gramsch, dass zukünftig „[e]ine isolierte, rein auf die Institutionengeschichte einzelner Schulen zielende Betrachtungsweise“4 zu vermeiden sei. Ihr wurde in jüngerer Zeit die Theorie der ‚Bildungslandschaft‘ – einer in sich abgeschlossenen zentralisierten Region mit einem eigenständigen System abgestufter Bildungseinrichtungen – gegenüberge-

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GRAMSCH, „Schulstreiten“ (2014), S. 80. Vgl. ebenso maßgeblich schon BÜNZ, Bildungslandschaft (2004), S. 43 f.

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EINLEITUNG

stellt.5 Obgleich dieser Forschungstrend bereits fruchtbare Ergebnisse zu Tage gefördert hat, wird die vorliegende Arbeit dem nicht folgen können, verschleiert doch der Blick auf die Landschaft in ihrer Gesamtheit die individuellen Züge einer vielfältigen Entwicklung. Den einen Einfluss der Reformation hat es nicht gegeben, stets spielten lokale Umstände eine nicht unbedeutende Rolle. Die Untersuchung des unmittelbaren Einflusses der Reformation ist daher nur anhand einzelner und – um die angesprochene isolierte Betrachtungsweise letztlich doch zu vermeiden – anhand vergleichender Betrachtungen möglich. Zu diesem Ziel wurden der nachfolgenden Untersuchung zwei Städte zugrunde gelegt. Sie repräsentieren im Vergleich das maßgebliche Kriterium der spätmittelalterlichen schulischen Diversität, nämlich die unterschiedlichen Verhältnisse in der Trägerschaft und dem Patronat der Schulen (Kap. I. 4.1.1.). Die Stadt Altenburg – eine der schulenreichsten Städte im spätmittelalterlichen Thüringen – repräsentiert das von Reinhard Jakob sogenannte Geistliche Schulwesen.6 Fünf Schulen standen hier am Vorabend der Reformation unter geistlicher Trägerschaft durch zwei Chorherrenstifte, den Deutschen Orden und zwei Pfarreien. Ein städtischer Einfluss bestand nicht. Das städtische Schulwesen wird stattdessen durch Saalfeld repräsentiert, wo die alleinige Schule bereits früh unter der Trägerschaft des Stadtrates stand. Durch beide ist der Vergleich der unterschiedlichen Ausgestaltung, der Organisationsweise und der innerstädtischen wie gesellschaftlichen Verflechtungen des kirchlich und städtisch getragenen Schulwesens möglich. Zugleich ermöglichen beide Städte zusammen im zweiten Teil der Arbeit die Darstellung und den Vergleich der verschiedenen Auswirkungen der Reformation auf das bestehende Schulwesen, die unterschiedlichen frühreformatorischen Maßnahmen sowohl auf lokaler als auch auf landesherrlicher Ebene sowie letztlich die langfristige Entwicklung des Schulwesens unter verschiedenen Bedingungen. Neben Altenburg und Saalfeld stehen ergänzend zwei weitere Städte, die innerhalb Thüringens als Sonderfälle betrachtet werden können. Es handelt sich dabei um Erfurt und Mühlhausen. Letztere ist als eine der zwei thüringischen Reichsstädte von besonderen politischen Bedingungen – der Reichsunmittelbarkeit – und gleichermaßen von speziellen kirchlichen Verhältnissen – der Existenz zweier Deutschordenskommenden – geprägt. Beide Faktoren stellen für das Schulwesen sehr individuelle Vorbedingungen dar, welche die Entwicklung bis zum Ende des Betrachtungszeitraumes maßgeblich mitbestimmen sollten. Darüber hinaus war insbesondere die Mühlhäuser Reformationsgeschichte von starken Wechselfällen geprägt, die sich letztlich auch auf das Schulwesen auswirkten. 5 6

Vgl. maßgeblich TÖPFER, Leucorea (2004); DERS., Bildungslandschaften (2006). Vgl. zur Unterscheidung des Geistlichen und Gemeinen Schulwesens JAKOB, Schulen (1994), S. 14–16.

FRAGESTELLUNG, ZIEL UND AUFBAU DER ARBEIT

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Der Reichsstadt Mühlhausen gebührte aufgrund dieser mehrfachen Singularität der Vorzug vor Nordhausen. Die zweite Reichsstadt wird zwar zu einem kurzen Vergleich herangezogen (Kap. I. 3.3.), kann darüber hinaus jedoch nicht berücksichtig werden. 7 Erfurt stellt schließlich innerhalb von Thüringen in jeglicher Hinsicht einen herausragenden Fall dar. Dies gilt auch für die schulischen Verhältnisse, die sich vor wie nach der Reformation einzigartig präsentieren. Die Berücksichtigung Erfurts muss somit als selbstverständlich gelten. Da die Stadt allerdings auch durch einen bereits reichen Forschungsstand geprägt ist, soll der Fokus hier auf einen besonderen und bislang wenig beachteten Aspekt des Erfurter Schulwesens gelegt werden, der an betreffender Stelle näher ausgeführt werden soll (Kap. I. 5.). Der Blick ins Land Thüringen soll hinter dem lokalen Fokus nicht vernachlässigt werden. Den lokalen Einzelfallstudien schließen sich daher sowohl im vorreformatorischen Zusammenhang als auch unter dem Einfluss der Reformation weitere Betrachtungen an, welche die Aufmerksamkeit – vom lokalen Fokus gelöst – auf den durch ein dichtes Städtenetz geprägten thüringischen Raum richten sollen. Auf möglichst breiter empirischer Quellengrundlage sollen dabei die anhand der Einzelbetrachtungen erbrachten Ergebnisse in einen größeren Zusammenhang gestellt, ergänzt und erweitert, allgemeine Tendenzen herausgearbeitet und Singularitäten nachgewiesen werden. Der dafür gewählte Untersuchungsraum entspricht weitestgehend dem heutigen Freistaat Thüringen, doch werden vereinzelte Blicke auch über die Grenzen hinausgeworfen, um die Einheit historischer Territorien nicht ganz unberücksichtigt zu lassen. So werden einzelne heute südsachsen-anhaltinische Gebiete als einstige Teile des thüringischen Bezirks des albertinischen Herzogtums ebenso einbezogen wie die ehemalige ernestinische Pflege Coburg, die heute zum Teil zum Bayerischen Freistaat zählt. Da letztere jedoch bereits durch Julia Sobotta eine eingehendere Betrachtung erfahren hat, sei die Pflege Coburg meistens ausgeklammert und nur am Rande mit einbezogen, sobald sich notwendige Ergänzungen ergeben. 8 Obwohl bei diesen thüringenweiten Betrachtungen eine möglichst große Zahl von Städten einbezogen werden soll, liegt das Interesse der vorliegenden Arbeit speziell auf den zahlreichen Klein- und Kleinststädten. Sie prägen das thüringische Siedlungsbild, sind jedoch noch nicht in das Interesse der Städteforschung, geschweige denn der allgemeinen Schulgeschichtsforschung getreten. Gleichwohl 7

8

Dies gilt auch für die Nordhäuser Schulordnung von 1583, obwohl sie in ihrer Form, ihrem Umfang und der unübertroffenen inhaltlichen Ausführlichkeit herausragend und einzigartig ist. Gerade wegen ihres Umfangs und ihrer inhaltlichen Fülle konnte sie jedoch für einen innerthüringischen Vergleich nicht berücksichtig werden, da es den Rahmen gesprengt hätte, sie in die thüringische Entwicklung einzuordnen. Vgl. zur Nordhäuser Schulordnung MEYER, Schulordnung (1892); DOLCH, Lehrplan (1982), S. 221–223. Für alles Weitere vgl. SOBOTTA, Schulwesen (2005).

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EINLEITUNG

waren sie bereits vor der Reformation, was vielfach mitunter selbst in der lokalen Forschung noch nicht zur Kenntnis genommen wurde, Teil des vorreformatorischen Schulnetzes und als solcher dem Einfluss der Reformation unterworfen. Erst durch die Berücksichtigung dieses Konglomerats zahlreicher unterschiedlicher lokaler Verhältnisse kann ein umfassendes Bild des thüringischen Schulwesens gezeichnet werden. Auch die Fragestellungen dieser Abschnitte sind durch die einleitend zitierten Worte des Altenburger Bewerbers zum Teil bereits vorgezeichnet worden. Indem Michael Sonne den Stadtrat als ‚von Gott verordnetes Mittel‘ zum Erhalt des Schulwesens ansprach, lenkt er die Aufmerksamkeit auf die administrativen Strukturen des Schulwesens sowie auf dessen gesellschaftliche und politische Verflechtung im Stadtgefüge. Es soll untersucht werden, welche Akteure sich vor und nach der Reformation der Organisation des Schulwesens widmeten, welche Wechselwirkungen sich daraus ergaben und insbesondere welche Wandlungen die schulischen Organisationsstrukturen und die Verhältnisse ihrer Trägerschaft im Laufe des 16. Jahrhunderts – nicht nur auf lokaler, sondern gleichermaßen auf territorialer Ebene – erfuhren. Weiterhin fuhr Michael Sonne fort, dass das Schulwesen ‚durch fügliche Mittel‘ aufgerichtet worden sei. Wie jede personell getragene Institution bedarf auch das Schulwesen einer wirtschaftlichen Grundlage, um eine Existenz und eine ausreichende Wirksamkeit zu gewährleisten. Dieses Kriterium war für die Entstehung eines reformatorischen Schulwesens von eminenter Wichtigkeit. Die Frage der wirtschaftlichen Versorgung der einzelnen Schulen verstummte im gesamten Untersuchungszeitraum zu keiner Zeit und fand wie kein zweiter Aspekt die Beachtung der landesherrlichen Obrigkeit insbesondere im ernestinischen Kurfürsten- und späteren Herzogtum. Schließlich sei die Aufmerksamkeit auf die Wirkungsweise und die Effektivität der Schulen selbst gerichtet. In ihr wurden, so formulierte es Michael Sonne, jene Personen ausgebildet, die zukünftig der Gesellschaft dienlich sein würden. Die personellen Verhältnisse der Schulen, der schulische und akademische Werdegang des Personals, sollen daher ebenso hinterfragt werden wie die Umstände im Leben, Lernen und der späteren Zukunft der Schüler. Es soll die Frage aufgeworfen werden, wer die Schulen besuchte, welches Ziel die Schüler verfolgten, was sie lernten und welche Leistungen und Qualifikationen sie im Schulbesuch erwarben. Eine der bedeutendsten Fragen der historischen Bildungsforschung ist dabei die nach der Alphabetisierung der Bevölkerung, die bislang jedoch auf ausreichender empirischer Grundlage kaum bis in den Betrachtungsraum zurückverfolgt worden ist.9 Auch sie soll – auf einer neuen Grundlage abseits der bloßen Signierfä9

Vgl. dazu exemplarisch BÖDEKER/HINRICHS/HOFMEISTER-HUNGER, Alphabetisierung (1999); HINRICHS/WINNIGE, Schulwesen (2003). Während Hinrichs’ und Winniges Aufsatz mit einer allgemeinen Betrachtung zur Schulsituation zwar im Reformationsjahrhun-

FRAGESTELLUNG, ZIEL UND AUFBAU DER ARBEIT

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higkeit – in der vorliegenden Arbeit nicht unberücksichtigt bleiben (Kap. II. 6.8.3.). Doch dienten die Schulen nicht allein der Gesellschaft, sondern, so die Worte des Altenburger Bewerbers, ‚der Erhaltung des göttlichen Wortes‘. Die gegenseitige Beziehung zwischen dem Kirchen- und dem Schulwesen sei daher gleichermaßen in den Mittelpunkt gestellt. Auf welche Weise wirkten die lokalen wie territorialen kirchlichen Strukturen auf das Schulwesen ein und beeinflussten dessen Organisationsweise, aber auch den Unterricht an sich. Die Fragestellung geht jedoch über die von Michael Sonne aufgeworfenen Gesichtspunkte hinaus. Durch die Betrachtung des gesamtthüringischen Schulwesens soll die Verbreitung von Schulen, die Dichte des Schulnetzes und insbesondere die Wirkung der Reformation auf die Entwicklung des Schulnetzes beleuchtet werden. Obwohl im Mittelpunkt der Arbeit – entsprechend des reformatorischen Schulverständnisses – die lateinischen Knabenschulen stehen, ist diese Frage für die Verbreitung eines Mädchenschulwesens von besonderem Interesse. Das Mädchenschulwesen soll ebenso wie das deutschsprachige Knabenschulwesen nicht unberücksichtigt bleiben, wobei jedoch schon jetzt betont werden soll, dass ihre Betrachtung aufgrund der spärlichen Quellenlage viele Fragen wird offenlassen müssen (Kap. II. 6.9.). Mit der Frage nach den Unterrichtsinhalten der Schulen geht der Aspekt der materiellen Wissensorganisation einher. Die Reformation brachte – nach schwer nachweisbaren Anfängen im 15. Jahrhundert – die Entstehung eigenständiger Schulbibliotheken mit sich. Die Forschung zur Bibliotheksgeschichte ist reich und auch am mitteldeutschen Raum nicht vorbeigegangen. 10 Die vorliegende Arbeit soll daran anknüpfen und insbesondere die Anfänge der Altenburger und Saalfelder Kirchen- und Schulbibliotheken nachzeichnen. In letzterem Fall wird dabei nicht nur die vollständige Erschließung der Saalfelder Bibliotheksbestände am Ende des 16. Jahrhunderts, sondern auch die Skizzierung des praktischen Umgangs mit Schulbüchern als alltäglichem Gebrauchsmaterial der Schüler möglich sein (Kap. II. 4.5.). Der oben aufgeworfenen Frage nach dem Schulbesuch und der Alphabetisierung schließt sich als natürliche Konsequenz die nach dem weiteren akademischen Werdegang der Schüler an. Nur in wenigen Fällen können einzelne Schüler über ihren schulischen, akademischen und beruflichen Lebensweg nachverfolgt werden, doch soll in die Arbeit eine Untersuchung des allgemeinen dert beginnt, die eigentliche Fragestellung jedoch erst später ansetzt, reicht die maßgebliche, von Bödeker, Hinrichs und Hofmeister-Hunger herausgegebene Aufsatzsammlung gerade einmal bis in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts zurück. 10 Vgl. maßgeblich BÜNZ, Bibliotheken (2006); BÜNZ/FUCHS/RHEIN, Buch und Reformation (2014). Auf lokaler Ebene hat insbesondere Felicitas Marwinski diesen Zweig der Bildungsgeschichtsforschung vorangetrieben, vgl. exemplarisch MARWINSKI, „Stiftungsurkunden“ (2004).

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EINLEITUNG

Immatrikulationsverhaltens aus einer bislang nur selten gewählten Perspektive aufgenommen werden.11 Auch die Immatrikulationen unterlagen einem erheblichen Einfluss der Reformation.12 Er soll nicht allein in seinen unmittelbaren Folgen, sondern in einer Betrachtung langfristiger Immatrikulationsfrequenzen und -tendenzen anhand einiger ausgewählter Städte unterschiedlicher Größe nachverfolgt und charakterisiert werden. Wirft eine solche Untersuchung in vorreformatorischer Zeit mitunter ein bezeichnendes Licht auf die lokalen Schulverhältnisse (Kap. I.6.), zeichnet sich im weiteren Verlauf des 16. Jahrhunderts ein elementarer Wandel im zeitgenössischen Verständnis vom Nutzen und der Notwendigkeit der Gelehrsamkeit ab (Kap. II. 6.8.4.). Diese Betrachtung einer längerfristigen Entwicklung an der Schnittstelle zwischen dem lokalen Schulwesen und der höheren Gelehrsamkeit territorialer Universitäten soll bis zum Ende des 16. Jahrhunderts geführt werden. Sie lässt schließlich einzelne Überlegungen zur erwähnten Forschungsfrage nach einer mitteldeutschen Bildungslandschaft zu. Diese Skizzierung der Fragestellungen macht bereits deutlich, dass im Fokus der vorliegenden Arbeit das städtische Schulwesen steht. Trotz der nach wie vor ungebrochenen Gültigkeit des ungemein wirkmächtigen Diktums, die Reformation sei ein städtisches Phänomen,13 wächst in der jüngeren Forschung das Interesse an den entsprechenden Entwicklungszügen im ländlichen Raum.14 Eine Berücksichtigung des dörflichen Schulwesens wäre auch in der vorliegenden Arbeit wünschenswert gewesen, zumal der Einfluss der Reformation auf diesem Gebiet hinsichtlich der Entwicklung des Schulnetzes, des personellen Ausbaus der Schulen und des sich wandelnden Kanons der Unterrichtsinhalte erheblich war. Die Betrachtung der ländlichen Verhältnisse hätte jedoch den Umfang der Arbeit gesprengt und muss daher zukünftigen Forschungen überlassen werden. Schon die Konzentration auf das städtische Schulwesen lieferte der Untersuchung eine Fülle empirischen Materials, das in seiner Gesamtheit zu verarbeiten kaum möglich war. Die vorliegende Arbeit erzielt in ihrer Darstellung keine Vollständigkeit. Im Gegenteil werden viel eher zahlreiche Lücken und Desiderate aufgezeigt. Dies betrifft nicht nur die mitteldeutsche ‚Bildungslandschaft‘, sondern gleichermaßen die lokalen Verhältnisse des spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Schul- und Bildungswesens. Es werden weitere Forschungen nötig

11 Vgl. zuletzt BÜNZ/LANG, Schüler und Studenten (2011). 12 Vgl. zuletzt GRAMSCH, „Überfüllungskrise“ (2015) und anhand der Erfurter Universität LINDNER, Reformation versus Bildung (2015). 13 Vgl. DICKENS, The German Nation (1974), S. 182. Mit seiner These trat Dickens eine regelrechte Forschungswelle unter seinen Zeitgenossen los, die bis heute nachwirkt, vgl. dazu insbesondere MOMMSEN, Stadtbürgertum (1979) und aus neuerer Zeit EMIG/LEPPIN/ SCHIRMER, Vor- und Frühreformation (2013). 14 Vgl. neuerdings SLADECZEK, Reformation (2018).

FORSCHUNGSSTAND

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sein, um diese Lücken zu schließen und das Bild des spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Schulwesens auszubauen.

2.

Forschungsstand

FORSCHUNGSSTAND

Die Bildungs- und Schulgeschichtsforschung blickt bereits auf eine lange Tradition zurück. Das mit der Reformation erwachsene Bewusstsein für das Schulwesen erzeugte nahezu umgehend auch ein Interesse an der Geschichte und den Ursprüngen zumindest der eigenen Schule. Einzelne Gelehrte – Schulmeister oder Pfarrer – widmeten sich bereits seit dem späten 17. oder frühen 18. Jahrhundert der lokalen Schulgeschichte. Mitunter wurden ihre Ergebnisse und handschriftlichen Aufzeichnungen, die aus der heutigen Perspektive bereits Quellenwert haben, zur Grundlage der ersten publizierten Geschichtswerke.15 Eine allgemeine Schulgeschichtsforschung setzte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein. Eines der frühen Ursprungswerke von ausschlaggebender Bedeutung, das die Geschichte der Bildung und Erziehung in ihrer Gesamtheit darzustellen suchte, stammt von Friedrich Ernst Ruhkopf.16 Es wurde zwar noch bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein rezipiert, ist heute jedoch weitestgehend unbekannt bzw. ungenutzt. Die frühesten Arbeiten, die sich speziell dem spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Schulwesen widmeten und die noch heute herangezogen werden, sind Forschungen des 19. Jahrhunderts, unter denen insbesondere die Werke von Martin Meister,17 Otto Zimmermann,18 Heinrich Julius Kaemmel19 und Franz Anton Specht20 von besonderer Bedeutung sind.21 Ihnen folgte in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts aus der Feder von Georg Mertz

15 Ein gutes Beispiel für ein solches frühes Interesse stellt die Stadt Altenburg dar. Mehrere handschriftliche, anonym verfasste Schulchroniken sind hier aus den Jahren um 1700 im Stadt- und Staatsarchiv überliefert, deren Inhalt sich mitunter wörtlich in den frühen Arbeiten von Ludovici und Lorenz wiederfinden, vgl. StA Altenburg, XII. a. 6. Nr. 12; LATh-StA Altenburg, Friedrichsgymnasium Altenburg, Nr. 4; ebd. Nr. 13; LUDOVICUS, Schul-Historie IV (1713); LORENZ, Gymnasii (1789). 16 Vgl. RUHKOPF, Geschichte (1794). 17 Vgl. MEISTER, Schulstreit (1868). 18 Vgl. ZIMMERMANN, Bürgerschule (1878). 19 Seine Geschichte des spätmittelalterlichen Schulwesens ist insbesondere für den vorliegenden Untersuchungszeitraum von Bedeutung. Obwohl weitschweifig verfasst, greift sie doch selbst einige thüringische Beispiele auf, vgl. KAEMMEL, Geschichte (1882). 20 Vgl. SPECHT, Unterrichtswesen (1885). Dem Titel nach endet Spechts Untersuchungszeitraum um 1300, doch greift er vielfach auch ins spätere Mittelalter aus. 21 Zu erwähnen wäre weiterhin LORENZ, Volkserziehung (1887) sowie trotz eines geringeren Umfangs MÜLVERSTEDT, Beiträge (1875).

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EINLEITUNG

ein erster umfangreicher Versuch, den Fokus der Forschung auf die Entstehung des reformatorischen Schulwesens zu richten.22 Nach dieser frühen Phase erlebte die Forschung ab der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen neuerlichen Aufschwung, der allen voran mit dem Namen Friedrich Paulsen verbunden ist.23 Sein umfangreiches mehrbändiges Werk über die Geschichte des gelehrten Unterrichts ist zweifellos eine der meistrezipierten Arbeiten zur Schul- und Bildungsgeschichte des 20. Jahrhunderts.24 Ihm folgte nicht nur eine Fülle allgemeiner, zeitübergreifender Studien zur Geschichte der Bildung und der Pädagogik,25 sondern auch etliche neue, zeitlich eingegrenzte Betrachtungen des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit. Je nach der Intention der Autoren könnten die dabei zu Tage gebrachten Ergebnisse jedoch gegensätzlicher kaum sein. Während beispielsweise Franz Xaver Thalhofer die mittelalterlichen Schulzustände idealisierte, 26 zeichnete Paul Seelhoff von derselben Zeit ein zutiefst düsteres Bild. 27 Objektiver blieb zeitgleich Richard MüllerFreienfels. 28 In ihrer Nachfolge sind aus der anfänglichen zweiten Hälfte des Jahrhunderts schließlich Wilhelm Wühr 29 und Rudolf Limmer 30 besonders zu erwähnen.31 In ihren Werken fand, obgleich sie nicht von großem Umfang sind, die mittelalterliche Bildungs- und Schulgeschichte ihren vorläufigen Höhepunkt, bevor sie durch neuere Forschungen der späten 1970er und 1980er Jahre neu akzentuiert und in eine neue Richtung gelenkt wurden.

22 Vgl. MERTZ, Schulwesen (1902). 23 Vgl. PAULSEN, Geschichte (1919). 24 Der ihm bereits zuvorgekommene Adolf Matthias blieb hingegen, obwohl er eine ähnliche Intention verfolgte, hinter Paulsens Wirkung deutlich zurück, vgl. MATTHIAS, Geschichte (1907). 25 Zu erwähnen wären BARTH, Erziehung (1925); BALLAUFF, Pädagogik (1969); BALLAUFF/ SCHALLER, Pädagogik (1970); SCHÖNEBERG, Schulen (1981); HAMANN, Schulwesen (1993). Aufgrund des langen Untersuchungszeitraumes und des Versuchs, das Bildungsund Erziehungswesen in seiner Gesamtheit darzustellen, ist es selbstverständlich, dass die einzelnen Epochen der Geschichte dabei zumeist nur knapp betrachtet werden. Trotzdem zieht sich die Reihe dieser zeitübergreifenden Werke bis in die neuere Forschung, vgl. exemplarisch GEIßLER, Schulgeschichte (2011). 26 Vgl. THALHOFER, Unterricht (1928). 27 Vgl. SEELHOFF, Schule (1932). 28 Vgl. MÜLLER-FREIENFELS, Bildungsgeschichte (1932). 29 Vgl. WÜHR, Bildungswesen (1950). 30 Vgl. LIMMER, Pädagogik (1958). 31 Aus dieser zweiten Phase der Schulgeschichtsforschung sollen trotz ihres geringeren Umfangs die Arbeiten von Eva Hesselbach und Edith Ennen nicht unerwähnt bleiben, vgl. HESSELBACH, „Deutsche“ Schule (1920); ENNEN, Stadt und Schule (1957). Auch sie fanden in der späteren Forschung einige Beachtung.

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Eine herausragende und initiierende Bedeutung kann dabei dem von Bernd Moeller, Hans Patze und Karl Stackmann herausgegebenen Sammelband über das städtische, spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Bildungswesen beigemessen werden.32 Er präsentiert die zugrunde liegenden Forschungen nicht nur thematisch differenzierter, sondern auch inhaltlich weiter gefasst und regional fokussiert. Die Inhalte spätmittelalterlich-frühneuzeitlicher Schulbildung traten nun ebenso in den Mittelpunkt wie lokale und insbesondere vergleichende Studien. Die Forschung der folgenden Jahrzehnte ist von der Publikation vergleichbarer Sammelbände geprägt, während monographische Arbeiten zunächst in den Hintergrund traten. Sie wirkten maßgeblich auf die Forschung ein und ermöglichten vielfach Impulse, die zu einer starken inhaltlichen Ausdifferenzierung führten. Die Folge der Publikationen ist dabei bis heute ungebrochen33 und fand einen Höhepunkt in dem mehrbändigen Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte.34 Neben die historischen Studien traten dabei interdisziplinäre Forschungen, die insbesondere aus der germanistischen Sprachwissenschaft bezüglich der Bildungsinhalte wichtige Impulse erhielten.35 Besondere Aufmerksamkeit erfuhr in diesem Zuge – nach den Anfängen in den 1970er Jahren – das niedere und deutschsprachige Schulwesen, dessen Bedeutung bereits für das spätmittelalterliche Schulwesen insbesondere von Rudolf Endres neu bewertet wurde.36 Daneben brachte die thematische Ausdifferenzierung gleichermaßen ein vermehrtes Interesse an Mädchen- und Frauenbildung mit sich. Entsprechende Publikationen reichen jedoch nur selten bis in den vorliegenden Untersuchungszeitraum zurück.37 32 Vgl. MOELLER/PATZE/STACKMANN, Studien (1983). 33 Von besonderer Bedeutung sind dabei insbesondere FRIED, Schulen und Studium (1986); DICKERHOF, Studien (1994); KINTZINGER/LORENZ/WALTER, Schule und Schüler (1996); ANDERMANN/ANDERMANN, Regionale Aspekte (2000); SCHILLING/EHRENPREIS, Erziehung (2003). 34 Für den vorliegenden Untersuchungszeitraum ist insbesondere der erste Band relevant, vgl. HAMMERSTEIN, Handbuch I (1996). 35 Vgl. insbesondere GRENZMANN/STACKMANN, Literatur und Laienbildung (1983); WOLF, Literatur (1987); BOOCKMANN/MOELLER/STACKMANN, Lebenslehren und Weltentwürfe (1989); GRUBMÜLLER, Schulliteratur (2000); HELLEKAMPS/LE CAM/CONRAD, Schulbücher (2012); HUBER-REBENICH, Lehren und Lernen (2012); FASBENDER/MIERKE, Wissenspaläste (2013). 36 Vgl. ENDRES, Schulwesen (1983); DERS., Stadt und Umland (1985); DERS., Berufsbildung (1996). Vgl. darüber hinaus FRANK, Deutschunterricht (1973); HAMPEL, deutsche Sprache (1980); HENKEL, Übersetzungen (1988); PUFF, Grammatikunterricht (1995); HANSCHMIDT/MUSOLFF, Elementarbildung (2005). 37 Vgl. insbesondere HOHENZOLLERN/LIEDTKE, Schulweg (1990); KLEINAU/OPITZ Frauenbildung (1996); BALL/JACOBI, Bildung in Frauenhand (2015). Vgl. auch JACOBI, Frauenbildung (2013). Aufgrund des sehr weit gefassten Untersuchungszeitraums und des

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EINLEITUNG

Neben der germanistischen Sprachwissenschaft sind es vor allem die Kirchenund insbesondere die Reformationsgeschichte, die dem Schulwesen starke Aufmerksamkeit widmeten. Die Bedeutung des Schulwesens für Luther und die Reformatoren ermöglichte eine Vielzahl unterschiedlicher Betrachtungen der theoretischen und theologisch geprägten Bildungskonzepte der frühen Reformationszeit. Das Interesse war dabei zumeist auf die lutherischen Schriften oder die an sie anknüpfenden theoretischen Ansätze gerichtet, während lokale Bezüge nicht oder kaum hergestellt wurden. Auch die Anfänge der kirchengeschichtlichen Bildungsforschung liegen bereits im 19. Jahrhundert, sind zu dieser Zeit jedoch noch stark vom konfessionellen Prioritätsstreit geprägt.38 Herausragend unter diesen frühen kirchenhistorischen Schriften ist jene von Otto Albrecht.39 Der Herausgeber von Luthers Schrift an die Ratsherren (Kap. II. 1.1.) in der Weimarer Ausgabe kommentierte darin ausführlich die historischen Hintergründe der lutherischen Schrift sowie Aspekte der Intention und Interpretation. Sein umfangreicher Aufsatz stellt eine wichtige Ergänzung zur Edition der Weimarer Ausgabe dar. Ihm folgten beispielsweise Paul Richter40 oder Otto Scheel, der – obgleich er in der heutigen Forschung wegen seiner späteren nationalsozialistischen Prägung kritisch betrachtet wird – insbesondere im ersten Band seiner Lutherbiographie eine gesättigte Darstellung des Schulwesens zu Luthers eigener Schulzeit bietet.41 Von Bedeutung für das Verständnis der lutherischen Schulschriften ist darüber hinaus Friedrich Falk,42 während Ivar Asheim43 nicht allein das Schulwesen, sondern die gesamte lutherische Theologie der kindlichen und christlichen Erziehung ausführlich analysierte.44 Nicht weniger Aufmerksamkeit als den lutherischen Schulkonzepten ist dem Bildungsverständnis der Humanisten und insbesondere der Bedeutung Philipp Melanchthons als engstem Mitstreiter Luthers im Bereich des Bildungswesens zuteilgeworden. Herausragend unter den frühen Werken ist dabei die Biographie Melanchthons als Praeceptor Germaniae aus der Feder Karl Hartfelders. 45 Ihm

38 39 40 41 42 43 44

45

europaweiten Fokus’ bleibt jedoch auch hier die Betrachtung früher Epochen entsprechend knapp. Vgl. in dieser Hinsicht insbesondere MÜLLER, Verdienste (1883). Vgl. ALBRECHT, Luthers Schrift (1897). Vgl. RICHTER, Schriften (1907). Vgl. SCHEEL, Martin Luther I (1917); DERS., Luther und die Schule (1925). Vgl. FALK, Ratsherren (1937). Vgl. ASHEIM, Glaube und Erziehung (1961). Aus neuerer Zeit sind des Weiteren zu erwähnen KREIKER, Armut, Schule, Obrigkeit (1997); BRECHT, Einflüsse (2000); KOERRENZ, Arrangement (2012); HAMMANN, Bildungsprogramm (2014). Unter ihnen bietet insbesondere Martin Brecht eine kurze, aber prägnante Skizzierung der lutherischen Schulvorstellungen. Vgl. HARTFELDER, Praeceptor (1889).

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folgten in neuer Zeit beispielsweise Hermann-Adolf Stempel,46 Günther Böhme47 und schließlich Heinz Scheible,48 der als erster Herausgeber der kritischen Briefedition Melanchthons als einer der besten Kenner der Geschichte des deutschen Humanismus und Melanchthons betrachtet werden kann. 49 Neben diesen kirchengeschichtlich und humanistisch fokussierten Arbeiten sind größere und inhaltlich weiter gefasste geistes- und philosophiegeschichtliche Werke zu erwähnen, die sich insbesondere dem theoretischen Bildungsgut und der Charakterisierung der Gelehrsamkeit im Wandel der Zeit widmeten. Unter ihnen ist an erster Stelle das viel rezipierte Werk von Josef Dolch zu erwähnen, das in seiner Nachfolge große Wirkung entfaltete.50 Ihm folgten in neuerer Zeit mit ähnlicher Intention beispielsweise Manfred Fuhrmann und Uta Lindgren.51 Die neuere Forschung zur Geschichte des Schulwesens ist regional ausgerichtet. Im Fokus der Betrachtungen stehen historische Landschaften oder moderne Räume, die – so der bereits erwähnte aktuelle Trend der Forschung – als in sich geschlossene ‚Bildungslandschaften‘ aufgefasst werden.52 In vielen Regionen hat die Forschung dabei in den vergangenen Jahrzehnten große Fortschritte gemacht, wobei letztlich auch wieder vermehrt monographische Studien entstanden sind. Zu erwähnen sind dabei für den norddeutschen Hanseraum Klaus Wriedt,53 für den an Thüringen südlich angrenzenden fränkischen und pfälzischen Raum – in der Nachfolge Rudolf Endres’ – Reinhard Jakob,54 für die Pflege Coburg Julia Sobotta,55 während das bayerische Schulwesen bereits seit Längerem über eine 46 Vgl. STEMPEL, Melanchthons Wirken (1979). 47 Vgl. BÖHME, Bildungsgeschichte (1986). 48 Vgl. SCHEIBLE, Bildungsprogramm (1989); DERS., Bildungsreformer (2015). Aus seiner Feder stammt auch die aktuelle Biographie Melanchthons, vgl. DERS., Melanchthon (1997). 49 Obwohl zum Teil geringeren Umfangs sind weiterhin zu erwähnen MEUTHEN, Humanismus (1983); LEONHARDT, Lehrbuch (1997); RUDERSDORF, Luthertum (2008); LUDWIG, Lehrmethode (2012). 50 Vgl. DOLCH, Lehrplan (1982). 51 Vgl. FUHRMANN, Latein und Europa (2001); LINDGREN, Artes liberales (2004). 52 Die Forschung zur Bildungslandschaft ist in neuester Zeit maßgeblich durch Thomas Töpfer geprägt und vorangetrieben worden, vgl. insbesondere TÖPFER, Leucorea (2004), darin insbesondere Kap. 7.2.; DERS., Bildungslandschaften (2006). Vgl. auch BÜNZ, Bildungslandschaft (2004); BÖNISCH, Matrikeluntersuchung (2013). 53 Die wichtigsten seiner zahlreichen Aufsätze sind 2005 in einem eigenen Sammelband zusammengestellt worden, vgl. WRIEDT, Schule und Universität (2005). 54 Jakobs Dissertation zählt zu den einflussreicheren Arbeiten der neueren Schulgeschichtsforschung, wurde durch ihn doch eine neue Terminologie in die Forschung eingebracht. Die Vielzahl der historischen Schulformen wurden durch ihn in die drei Kategorien der Geistlichen, der Gemeinen und der Privaten Schule eingeteilt, vgl. JAKOB, Schulen (1994) Kap. I. 2, darin insbesondere S. 14–16. Vgl. auch DERS., Verbreitung (1994). 55 Vgl. SOBOTTA, Schulwesen (2005).

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EINLEITUNG

mehrbändige Gesamtdarstellung des Bildungswesens verfügt.56 Der Entstehung eines reformatorischen Schulwesens widmete sich für Schlesien Christine Absmeier 57 und jüngst Maike Gauger-Lange anhand der evangelischen Klosterschulen im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel.58 Eine methodisch vorbildhafte, lokalgeschichtliche und zeitübergreifende Studie stammt schließlich von Wolfram Hauer zum Schulwesen der Stadt Tübingen.59 Dem hier vorliegenden Untersuchungsraum liegt das sächsische Territorium – nicht nur räumlich, sondern auch historisch gesehen – am nächsten. Die hiesige Forschung zur spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Schulgeschichte ist nach den maßgeblichen älteren Arbeiten – insbesondere jenen von Georg Müller60 und Ernst Schwabe61 – in neuerer Zeit von kürzeren, allgemein gehaltenen Einzelstudien62 und einer kleineren Monographie von Gottfried Uhlig geprägt,63 bevor Thomas Töpfer dem frühneuzeitlichen Schulwesen in den nachreformatorischen Jahrhunderten erst kürzlich in einer Dissertation seine Aufmerksamkeit widmete.64 Obwohl der thüringische, insbesondere der ostthüringische Raum in einige dieser sächsischen Untersuchungen mit hineinspielte,65 blieb die hiesige Schulgeschichtsforschung bislang lückenhaft bzw. rein lokal geprägt. In der älteren Forschung war sie Bestandteil weiter gefasster kirchen-, insbesondere reformationsgeschichtlicher Untersuchungen, die in maßgeblicher Weise auf normativen Quellen und reformatorisch-schulischen Schriften aufbauten. Auch ihre Ursprünge gehen bereits ins 18. Jahrhundert zurück.66 Aufgrund der Verbindung des Schulwesens mit der Reformation enthält nahezu jede ältere Reformationsgeschichte einzelne schulische Abschnitte. Zu erwähnen ist dabei die mehrteilige von Gustav Scholz herausgegebene Jubelschrift zum Reformationsjubiläum des

56 Vgl. LIEDTKE, Handbuch (1991). Vgl. aus neuerer Zeit auch FLACHENECKER/KIESSLING, Schullandschaften (2005). 57 Vgl. ABSMEIER, Schulwesen (2011). 58 Vgl. GAUGER-LANGE, Klosterschulen (2018). 59 Vgl. HAUER, Schulentwicklung (2003). 60 Vgl. MÜLLER, Schulwesen (1888). 61 Vgl. SCHWABE, Gelehrtenschulwesen (1914). 62 Darunter sind insbesondere zu erwähnen WOLLERSHEIM, Einfluß (1999); THOMAS, Neuordnung (2005); MÜLLER, Herzog Moritz (2007). 63 Vgl. UHLIG, Geschichte (1999). 64 Vgl. TÖPFER, „Freyheit“ (2012). 65 Vgl. insbesondere BÜNZ, Bildungslandschaft (2004). 66 Vgl. beispielsweise BRÜCKNER, Kirchen- und Schulenstaats (1753–1763). Brückners umfangreiches Werk ist für die vorliegende Arbeit nur von geringer Bedeutung, konzentriert es sich doch hauptsächlich auf den ländlichen Raum. In seinen städtischen Abschnitten greift es hingegen nur selten in die spätmittelalterliche und Reformationszeit zurück.

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letzten Jahrhunderts,67 die schwarzburgische Reformationsgeschichte von Guido Einicke,68 die coburgischen Arbeiten von Albert Greiner69 und die Geschichte der hennebergischen Reformation von Eckart Henning. 70 Dass die Reformationsgeschichtsforschung durch das neuerliche Jubiläum insbesondere im thüringischen und mitteldeutschen Raum erheblichen Aufschwung erfuhr, versteht sich von selbst, der Fokus liegt dabei jedoch zumeist auf praktischen Aspekten bei der Durchsetzung der Reformation.71 Dem Bildungswesen wurde – wenn überhaupt – bislang lediglich anhand der Universitäten Beachtung geschenkt.72 Eine eigenständige Betrachtung des Bildungswesens unterhalb der universitären Ebene erfuhr der thüringische Raum bislang nicht. Er wurde um die Mitte des 19. Jahrhunderts zwar von Heinrich Heppe in seine mehrbändige Geschichte des Volksschulwesens mit einbezogen,73 erfuhr seither jedoch nur einige kürzere Beiträge. Unter ihnen ist insbesondere die Arbeit von Rudolf Herrmann hervorzuheben. 74 Weitere Beiträge in seiner Nachfolge blieben hingegen lückenhaft 75 oder entsprechend ihres historischen Hintergrunds politisch gefärbt. 76 Letzteres gilt auch für die bislang einzige monographische Betrachtung des thüringischen Schulwesens zur Reformationszeit aus der Feder von Rudolf Menzel.77 67 Die einzelnen Bestandteile richten sich nach den jeweiligen betrachteten Territorien. Diese sind ANZ, Reformation (1917); HERRMANN, Reformation (1917); HUMAN, Reformation (1917); SCHOLZ, Reformation (1917); WITZMANN, Reformation (1917). 68 Vgl. EINICKE, Reformationsgeschichte I und II (1904/1909). 69 Vgl. GREINER, Reformation I - II (1926/1929/1938). 70 In ihr nimmt das Schulwesen jedoch nur geringen Raum ein, vgl. HENNING, Henneberg-Schleusingen (1981). Zu erwähnen wären darüber hinaus HÖHN, Gründungen (1916); MÄGDEFRAU/GRATZ, Reformation (1996). 71 Vgl. in dieser Hinsicht BLAHA/SPEHR, Reformation vor Ort (2016); BLAHA, Visitationen (2016); SPEHR/HASPEL/HOLLER, Weimar (2016); BAUER/MICHEL, Unterricht der Visitatoren (2017). Letzterer Sammelband widmet sich zwar in einem zweiten Teil der inhaltlichen Erschließung des Unterrichts der Visitatoren, doch findet der schulische Abschnitt dabei keine Berücksichtigung. Vgl. darüber hinaus EMIG/LEPPIN/SCHIRMER, Vor- und Frühreformation (2013); GREILING/KOHNLE/SCHIRMER, Implikationen (2015); BÜNZ/ GREILING/SCHIRMER, Klöster und Stifte (2017). 72 Vgl. GRAMSCH, „Überfüllungskrise“ (2015); LINDNER, Reformation versus Bildung (2015); SCHLAG/SCHÄUFELE/OTTERBECK, Bildungsereignis (2017). 73 Vgl. HEPPE, Volksschulwesen 1 (1858); DERS., Volksschulwesen 5 (1860). Vgl. auch DERS., Schulwesen (1860). 74 Vgl. HERRMANN, Lateinschulen (1940). Herrmann widmete sich neben der Kirchen- und Reformationsgeschichte auch der Schulgeschichte, insbesondere seiner Heimatstadt Neustadt a. d. O. Er war zweifellos einer der aktivsten thüringischen Landeskirchenhistoriker des 20. Jahrhunderts. 75 Vgl. FLITNER, Wissenschaft (1972). 76 Vgl. aus sozialistischer Perspektive insbesondere NEUSS, Einfluß (1963). 77 Vgl. MENZEL, Anfänge der Volksschule (1958); DERS., Volksschule (1958).

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Prägnant ist hingegen der nur kurze Aufsatz von Volker Weber,78 während in neueren Sammelbänden zur mitteldeutschen Bildungsgeschichte der Anteil des Schulwesens79 oder aber des thüringischen Raumes80 gering blieb. Charakteristisch für diese Lücke der Forschungsgeschichte präsentiert sich bereits die viel rezipierte und als bislang nicht ersetztes Standardwerk betrachtete Edition vorund frühreformatorischer Schulordnungen von Johannes Müller, 81 bezieht sie doch aus dem thüringischen Raum nur einen Bruchteil der überlieferten Schulordnungen mit ein (Kap. I. 4.1.4.). So mangelhaft die Edition daher auch ist, wird sie dennoch wegen fehlender Alternativen von der Forschung weiterhin herangezogen,82 sodass mitunter bedeutende thüringische Schulordnungen bislang – wenn überhaupt – lediglich auf lokaler Ebene bekannt sind, aber keinen Weg in die allgemeine Schulgeschichtsforschung fanden. Die lokalgeschichtliche Forschung nimmt zweifellos einen besonderen Stellenwert ein, kann dabei jedoch für einen verhältnismäßig großen und städtereichen Raum wie den thüringischen kaum überblickt, geschweige denn pointiert umrissen werden. Die Traditionen der lokalgeschichtlichen Forschungen gehen – wie zu Beginn dieses Überblicks bereits erwähnt wurde – bis in die früheste Zeit zurück. Für Altenburg ist dabei insbesondere Christian Heinrich Lorenz 83 zu nennen, der – obgleich fehlerhaft – bis in die neuere Zeit Grundlage weiterer Darstellungen war.84 In Saalfeld nimmt Reinhard Richter diese Position eines lokalgeschichtlichen Standardwerkes ein,85 während in Erfurt die Namen Johann Christian Herrmann Weißenborn, 86 Carl Beyer 87 und Richard Thiele 88 herausragen. In Mühlhausen sind schließlich die Arbeiten von Reinhard Jordan89 und Bernhard Klett90 hervorzuheben. Während Kletts Werk, das auf den reichen Beständen des reichsstädtischen Archivs aufbaut, in seiner Dichte und Quellennähe zweifellos eine der besten schulgeschichtlichen Arbeiten seiner Zeit darstellt, sind zahlreiche lokalgeschicht78 Vgl. WEBER, Einfluss (1995). 79 Vgl. LESANOVSKY, Spuren (1999); BENTZINGER/VIELBERG, Wissenschaftliche Erziehung (2016). 80 Vgl. FASBENDER/MIERKE, Lateinschulen (2014). 81 Vgl. MÜLLER, Schulordnungen I und II (1885/86) 82 Vgl. zuletzt BALDZUHN, Ordnung (2013), darin über den Wert und die Mängel von Müllers Edition S. 137 f. 83 Vgl. LORENZ, Gymnasii (1789). 84 Vgl. MORITZ, Schulgeschichte (1998). 85 Vgl. RICHTER, Schulkomödie (1864). 86 Vgl. WEISSENBORN, Hierana (1862). 87 Vgl. BEYER, Volksschulen (1887). 88 Vgl. THIELE, Gründung (1896). 89 Vgl. JORDAN, Beiträge I bis III (1895–97). 90 Vgl. KLETT, Gymnasium (1926).

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liche Beiträge aufgrund einer nur geringen Quellenbasis oft äußerst lücken-, mitunter fehlerhaft, da sie selten ergänzende Quellenbestände außerhalb des heimischen Stadtarchivs berücksichtigten. Nur allzu oft wurden dabei in Ermangelung einer guten Quellenlage allgemeine Erkenntnisse der früheren Forschung gemeinplatzartig für die lokalen Verhältnisse unbelegt und ungeprüft übernommen. Da sich das lokale Interesse späterer Jahrzehnte oftmals jedoch – mitunter bis heute – auf die Grundlage solcher Werke stützt, versprechen weitreichendere Quellenstudien für viele Städte neue und ergänzende Erkenntnisse, die letztlich auch der allgemeinen Schulgeschichte neue Impulse liefern dürften. Zuletzt sind zahlreiche, insbesondere die kleineren Städte, die Thüringen prägen, bislang nie Gegenstand entsprechender Forschungen geworden. Im Gegenzug blieb nur in wenigen Städten das Interesse an der lokalen Schulgeschichte bis in die neueste Zeit bestehen. Darunter sind insbesondere Erfurt und Gotha hervorzuheben, wobei allerdings der Fokus in Erfurt auf der Universität und in Gotha auf späteren Jahrhunderten liegt.91 Die aktuelle, insbesondere mitteldeutsche Bildungs- und Schulgeschichtsforschung ist schließlich mit den Namen Enno Bünz,92 Thomas Töpfer,93 Robert Gramsch,94 Andreas Lindner95 und Daniel Gehrt96 verbunden. Neuere monographische Darstellung der mittelalterlichen Schulgeschichte ohne regionalen Bezug stammen von Martin Kintzinger97 und Ulrich Nonn.98 Erst kürzlich wurde von Christoph Fasbender eine größere topographische Darstellung des mitteldeutschen spätmittelalterlichen Schulwesens aus germanistisch-literatur- und sprachwissenschaftlicher Perspektive angekündigt. Einige neuere Aufsätze vermitteln einen ersten Eindruck und versprechen neue Erkenntnisse und Impulse.99

91 Vgl. zum Schulwesen Erfurts LINDNER, Ratsgymnasium (2011); DERS., Schulwesen (2003). Vgl. zu Gotha SALATOWSKY, Gotha macht Schule (2013). 92 Vgl. exemplarisch BÜNZ, Bildungslandschaft (2004); DERS., Schulen (2009). 93 Vgl. neben seiner bereits erwähnten Dissertation TÖPFER, Leucorea (2004); DERS., Bildungslandschaften (2006); DERS., Schulordnungen (2014). 94 Obwohl Gramsch sich hauptsächlich mit der Erfurter Universität beschäftigt, bezieht er auch das Schulwesen in seine Arbeit mit ein, vgl. GRAMSCH, „Schulstreiten“ (2014). 95 Vgl. LINDNER, Schullandschaft (2011); DERS., Impuls (2014). 96 Vgl. GEHRT, Anfänge (2013); DERS., Gelehrtenkultur (2017), darin insbesondere S. 208– 215. 97 Vgl. KINTZINGER, Wissen wird Macht (2007). Vgl. aus seiner Feder neben seiner Dissertation (DERS., Braunschweig [1990]) weiterhin die Beiträge DERS., Einführung (1996); DERS., Stadt und Schule (2005). 98 Vgl. NONN, Bildung und Wissenschaft (2012). 99 Vgl. FASBENDER, Einleitung (2014); DERS., Schulhandschriften (2014); DERS., Lateinschule (2014); DERS., Colligi in Kempnicz (2016).

EINLEITUNG

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3.

Die Quellen

QUELLEN

Obwohl sich die Quellenlage zum Thema auf den gesamten Untersuchungszeitraum vielgestaltig präsentiert, ist die vorreformatorische Zeit fast durchweg durch eine allgemeine Quellenarmut geprägt. Gleichwohl können trotzdem deutliche Abstufungen in der Quellenlage der unterschiedlichen Städte konstatiert werden, die sich insbesondere nach der Trägerschaft der Schulen richtet. Die städtische Verwaltung fand in deutlich höherem Maße ihren Niederschlag in den Quellen als die kirchliche, was sich auf das Schulwesen dergestalt auswirkte, dass sich städtisch getragene Schulen in den Quellen deutlich besser abzeichnen als kirchliche. Letztere treten hauptsächlich in spätmittelalterlichen Urkunden zum Liturgieund Messwesen hervor. Zahlreiche Stiftungsbriefe über privat gestiftete Zeremonien – Seelgeräte und Memorialmessen – beziehen den Schulmeister, weitere Schuldiener oder Schüler in den liturgischen Ablauf der Messen mit ein und widmen ihnen mitunter eigene Präsenzgelder. Die Umsetzung dieser Bestimmungen findet sich in den überlieferten Kirchenrechnungen wieder. In den städtischen Quellen fand das kirchlich getragene Schulwesen hingegen nur im Konfliktfall Niederschlag. Gegenstand von Auseinandersetzungen waren dabei mitunter wirtschaftliche Fragen, oft aber auch der gegenseitige Anspruch auf Schulverwaltung und Patronat. Da hingegen das städtisch getragene Schulwesen der kommunalen Administration unterstand, findet es sich – wenn auch nur vereinzelt – in praktisch allen Quellenbeständen der städtischen Verwaltung wieder, seien es Ratshandelsbücher, Ratsprotokolle oder Ratsrechnungen. Eine spezielle Quellengattung stellen dabei die Schulordnungen dar, die als Produkt der städtischen Verwaltung betrachtet werden müssen (Kap. I. 4.1.4.). Beim Rechnungswesen handelt es sich hinsichtlich der Schulen um eine bislang stark vernachlässigte Quellengattung, die von der Forschung – nicht allein auf lokaler Ebene – zukünftig verstärkt in den Blick genommen werden sollte. Eine breit angelegte Untersuchung der Stadt-, Kirchen-, aber auch obrigkeitlicher Amtsrechnungen bietet neue Möglichkeiten zum Verständnis des spätmittelalterlichen Schulwesens, insbesondere aber auch für dessen Entwicklung in den frühen Jahren der Reformation (Kap. I. 4.1.3. und II. 1.2.).100 Im Gegensatz dazu sind Selbstzeugnisse des vorreformatorischen Schulbetriebs bzw. der Schuldiener oder Schüler wie auch obrigkeitliche Interventionen in die schulische Entwicklung im Untersuchungsgebiet ein ausgesprochen seltener Fall.

100 Unter der älteren Forschung ragt hauptsächlich Guido Einickes schwarzburgische Reformationsgeschichte durch einen vielfältigen Gebrauch der Rechnungsbestände heraus, vgl. EINICKE, Reformationsgeschichte I und II (1904/1909).

QUELLEN

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Mit dem Bericht des Gräfenthaler Vikars Johann Jacoff verfügt das thüringische Kirchen- und Schulwesen am Vorabend der Reformation über eine Quelle von herausragender Bedeutung. Zu einem unbekannten Zeitpunkt am Beginn der 1520er Jahre machte sich der Vikar aus ungeklärtem Anlass daran, eine Schilderung der kirchlichen Verhältnisse der Kleinstadt Gräfenthal zu verfassen. Sie ist überliefert und vom älteren Ernst Koch ediert worden.101 Für die Gräfenthaler Lokalgeschichte und die thüringische vorreformatorische Kirchengeschichte sind seine Aufzeichnungen ebenso bedeutsam wie für das Schulwesen, skizzierte Jacoff darin doch mit bemerkenswerter Ausdauer die Verhältnisse des Schulwesens zum Teil bis ins kleinste Detail. An vielen Stellen stützt er sich dabei auf heute wahrscheinlich nicht mehr überlieferte Quellen und kann aufgrund der eingeflochtenen historischen Exkurse zweifellos als früher Begründer der Gräfenthaler Geschichtsschreibung bezeichnet werden. Mit der Reformation änderte sich die Quellenlage von Grund auf. In quantitativer Hinsicht muss von einer regelrechten Quellenexplosion gesprochen werden. Insbesondere führte der Wandel der kirchlichen und kirchenpolitischen Strukturen zur Entstehung neuer Quellengattungen. Darunter ist an erster Stelle auf die zahlreichen und umfangreichen Visitationsprotokolle hinzuweisen, die in den 1520er Jahren ihren Anfang nahmen und sich – je nach Überlieferungsstand – in einer langen Reihe bis über das Ende des Untersuchungszeitraumes hinziehen. Sie sind sowohl für die lokale Forschung aufgrund ihres wenn auch unregelmäßigen seriellen Charakters als auch für die Erschließung der territorialen Kirchenund Schulpolitik von unschätzbarem Wert.102 Mit ihnen sind nicht selten ausführliche Auskünfte über die wirtschaftliche und personelle Lage des Kirchen- und Schulwesens, Klageschreiben oder ähnliche Handreichungen von Geistlichen, Stadträten oder Schuldienern an die Visitatoren verbunden. Der Ausbau der territorialen Kirchenstrukturen erbrachte zudem umfangreiche Bestände der Konsistorialverwaltung. Darüber hinaus hob zur gleichen Zeit im Zuge der Ausbildung eines landesherrlichen Kirchenregiments eine zuvor in so starkem Maße beispiellose Korrespondenz zwischen den Landesherren und den Geistlichen, den Stadträten und selbstverständlich den Visitatoren, aber auch den Schuldienern selbst an. Waren Selbstzeugnisse von Schuldienern innerhalb der vorreformatorischen Quellenlage noch ein seltener Glücksfund, ist die nachreformatorische Quellenlage praktisch von der Korrespondenz der Schuldiener mit der städtischen oder landesherr101 Vgl. KOCH, Aufzeichnungen (1899). 102 Vgl. dazu auch VOLKMAR, Visitationen (2016), zum Wert der Visitationsprotokolle dabei insbesondere S. 31 f. Vgl. mit speziellem Fokus auf das Schulwesen auch SOBOTTA, Erkenntniswert (2005/06). Dem Erkenntniswert der Visitationsprotokolle widmete sich 2014 eine eigene wissenschaftliche Fachtagung. Ihre Ergebnisse sind publiziert in BLAHA/SPEHR, Reformation vor Ort (2016).

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EINLEITUNG

lichen Obrigkeit geprägt. Im Mittelpunkt der Briefe stehen dabei grundsätzlich alle Fragen der schulischen Verwaltung, insbesondere aber wirtschaftliche Aspekte und Bittgesuche. Einen speziellen Fall stellen dagegen – modern gesprochen – die Bewerbungsschreiben der Schuldiener um ein schulisches Amt dar. Das einleitende Zitat der vorliegenden Arbeit ist einem solchen Schreiben entnommen. In bezeichnender Weise führen sie der Forschung den Charakter der frühneuzeitlichen humanistischen Gelehrsamkeit und das Verständnis vom zeitgenössischen Schulwesen vor Augen (Kap. II. 3.4.10.). Daneben bleibt natürlich die Quellengrundlage des Rechnungswesens weiterhin von gleichbleibendem Wert und wird durch die spezielle Art der Kastenrechnungen ergänzt. Gleichermaßen wird die Quellenlage in der Reformationszeit durch zahllose gedruckte Quellen bereichert. Darunter befinden sich nicht allein die grundlegenden Schulschriften Luthers und anderer Reformatoren, sondern auch Dichtungen, philosophische Schriften oder Schulbücher der Reformatoren – insbesondere Melanchthons – und der Schuldiener. Bedeutsam für biographische Studien sind zudem gedruckte Leichenpredigten. In einigen Fällen wird der Quellenwert des gedruckten Buches zudem durch Gebrauchsspuren erhöht, zumal, wenn ein praktischer Gebrauch der Bücher ausdrücklich vorgesehen war. Ein herausragendes Beispiel stellt dabei der Schreibkalender des Saalfelder Schulmeisters, Diakons und Superintendenten David Aquila – Sohn des Reformators Caspar Aquila – dar. Er ist in der Forschungsbibliothek Gotha überliefert103 und bildet nicht nur für die Saalfelder Geschichte eine bemerkenswerte Quelle. Bereits im 18. Jahrhundert wurde sie von Christian Schlegel unter der Bezeichnung „M[anu]s[crip]tum Dav. Aquilae“ für die Lebensbeschreibung des Saalfelder Reformators herangezogen, 104 geriet zwischenzeitlich jedoch in Vergessenheit.105 David Aquila erwarb den Kalender, so informieren Notizen von seiner Hand auf dem Titelblatt, am 8. Februar 1565 und ließ ihn 1573 durch die Ergänzung weiterer leerer Seite erweitern.106 Bis zu seinem Tod führte er diesen Kalender als Tagebuch auf akribische Weise und verzeichnete nicht nur die wichtigsten Stationen seines eigenen Lebens, sondern seine gesamte Familiengeschichte, wichtige historische Ereignisse in Saalfeld und ganz Thüringen, Lebensstationen bedeutender Köpfe der frühneuzeitlichen Geistesgeschichte sowie zahlreicher Schuldiener und Geistlicher. Für die thüringische Gelehrtengeschichte ist sein Tagebuch damit von immenser Bedeutung und bildete für die vorliegende Arbeit eine wichtige Ergänzung. 103 Vgl. FB Gotha, Druck 8° 00213. 104 Vgl. SCHLEGEL, Leben und Tod (1737). 105 Erst 2014 wurde er erneut der Öffentlichkeit präsentiert, vgl. dazu KNÜPFFER, David Aquila (2014). 106 Der Kalender ist von seiner eigenen Hand paginiert. Im Verlauf der Arbeit wird nach dieser eigenen Seitenzählung zitiert.

QUELLEN

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Während diese Quellenlage insbesondere das Lateinschulwesen beleuchtet, treten nun zwar auch die deutschsprachigen Knaben- und Mädchenschulen in Erscheinung, bleiben in den Quellen jedoch deutlich unterrepräsentiert. Hierbei handelt es sich allerdings nicht zwangsläufig um Quellenverluste. Viel eher stand im Interesse der Reformatoren in erster Linie das lateinische Knabenschulwesen, hinter dem ein Mädchen- und deutschsprachiges Knabenschulwesen zurückstand. Es fand somit schlichtweg nicht denselben intensiven Niederschlag in den Quellen. Auch hier sind es zwar dieselben Quellen, in denen sie hervortreten, doch blieb es oftmals bei einer bloßen Erwähnung. Wie in vorreformatorischer Zeit gilt auch hier, dass am ehesten Konflikte ihren Niederschlag fanden. Darüber hinausgehende Informationen sind selten und in den meisten Fällen dem Interesse lokaler Akteure zu verdanken. Trotz oder gerade wegen ihrer Seltenheit sind sie jedoch mitunter in der Lage, insbesondere das Mädchenschulwesen in ein völlig neues Licht zu stellen (Kap. II. 6.9.). Weitere bedeutende Quellen sollen hier nicht eigens besprochen werden, würde es doch dadurch zu unnötigen Wiederholungen kommen. Herausragende Fälle wie das Schultraktat Anton Musas (Kap. II. 2.1.2.), die Vorschläge Heinrich Müllers zu einer schwarzburgischen Schulreform (Kap. II. 2.4.3.), das Saalfelder Matrikelbuch (Kap. II. 4.4. und 6.8.3.), ein Schreibübungsheft aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts (Kap. II. 7.2.3.) oder die Erfurter Kurrenderechnungen (Kap. II. 7.5.) sollen an ihrer betreffenden Stelle vorgestellt werden. Grundsätzlich ist die vorliegende Arbeit bemüht, die Untersuchung auf einer möglichst breiten empirischen Grundlage aufzubauen. Es wurden zu diesem Zweck meist umfangreichere, zum Teil aber auch nur vereinzelte Bestände aus sieben Staatsarchiven, drei Kreisarchiven, fünfzehn Stadtarchiven und neun kirchlichen Archiven sowie einzelne Signaturen der Forschungsbibliothek Gotha herangezogen. Die thüringische Archivlandschaft ist damit nicht im Mindesten ausgeschöpft worden und lässt Raum für weitere Forschungen. Zuletzt sei eine grundsätzliche methodische Bemerkung hinzugefügt. Im Laufe der Arbeit werden mehrfach einzelne Ergebnisse lokaler Untersuchungen in einen Zusammenhang zur Größe einer Stadt gestellt. Die genannten Einwohnerzahlen gehen dabei – solange sie nicht anders belegt werden – auf die Angaben des von Erich Keyser herausgegebenen mitteldeutschen Bandes des Deutschen Städtebuches zurück, 107 stellt es doch den besten großflächigeren Zugang zu dieser Frage dar. Es muss jedoch betont werden, dass es sich dabei stets um grobe Schätzungen handelt, die mitunter starke Schwankungen unberücksichtigt lassen mussten. Standen für den betreffenden Zeitpunkt keine Angaben zur Verfügung, wurde eine Schätzung unter Annahme eines allgemeinen Bevölkerungswachstums des 16. Jahrhunderts, wie er sich beispielsweise in den 107 Vgl. KEYSER, Städtebuch (1941).

EINLEITUNG

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Pößnecker Einwohnerzahlen niederschlägt, unternommen. In den Visitationen des späteren 16. Jahrhunderts wurden zwar Bevölkerungszahlen – insbesondere der Kommunikanten – erhoben, doch eignen sie sich kaum zur Ermittlung der Einwohnerzahl einer Stadt. Zeitgenössische Angaben sind daher lediglich der Einwohnerzählung des Amtes Altenburg von 1580 entnommen worden.

4.

Die Entstehung des mittelalterlichen Schulwesens – Eine thematische Einführung

THEMATISCHE EINFÜHRUNG

Das Schulwesen des Betrachtungszeitraumes geht bis auf die Ursprünge im frühen Mittelalter zurück. 108 Das Ende der römisch-klassischen Kultur und der Aufstieg von Merowingern und Karolingern brachte einen Niedergang der zuvor weit verbreiteten Schriftlichkeit mit sich. Sie verschwand hinter die Mauern der Klöster, die im gesamten Frühmittelalter die Zentren der Schriftlichkeit und der Wissenschaften repräsentierten.109 Bedeutende Klöster wie St. Gallen, Corvey, Hersfeld oder Fulda entwickelten sich zu den maßgeblichen Trägern der mittelalterlichen Gelehrtenkultur. Der Fuldaer Abt Hrabanus Maurus erhielt als herausragender Kopf der frühmittelalterlichen Wissenschaften den Rang eines ersten Praeceptor Germaniae zugesprochen.110 Bei alledem blieben die Wissenschaften jedoch hinter den Klostermauern eingeschlossen. Die Schulen wirkten nicht nach außen, eine Verbreitung des Wissens sowie der Kenntnis der Schriftlichkeit unter den Laien erfolgte nicht. Mit dem Ausbau des karolingischen Kirchenwesens traten neben die Klöster die Stiftsschulen. Im Reformprogramm der Admonitio generalis Karls des Großen wurde im Jahr 789 die Gründung und die Aktivität eigenständiger Schulen an jedem Bischofssitz reichsrechtlich zur Maxime erhoben. Die Schulen dienten der Ausbildung des karolingischen Klerus und bildeten somit das personelle Fundament des frühmittelalterlichen Kirchenwesens. Die Schule von Metz wurde im Zuge dieses Reformprogramms zu einer reichsweiten Musterschule ausgebaut, die sie bis ins 12. Jahrhundert bleiben sollte. Am Ende der Karolingerzeit war das

108 Die Wichtigkeit der Kenntnis der schulischen Traditionen zum Verständnis des spätmittelalterlichen Schulwesens betont auch KINTZINGER, Braunschweig (1990), S. 8. 109 Vgl. BLÄTTNER, Soziologie (1935), S. 189 f.; RÖRIG, Schriftlichkeit (1953), S. 30 f.; GRUNDMANN, Litteratus-illiteratus (1978) Kap. IV; EHLERS, Dom- und Klosterschulen (1996), S. 30; NONN, Bildung und Wissenschaft (2012), S. 13 f. 110 Vgl. HEPPE, Schulwesen (1860), S. 18; PAULSEN, Geschichte (1919), S. 15; THALHOFER, Unterricht (1928), S. 36–40; SCHÖNEBERG, Schulen (1981), S. 82. Zur Stellung der Schule im Klosterplan von St. Gallen vgl. KINTZINGER, Wissen wird Macht (2007), S. 63–66.

THEMATISCHE EINFÜHRUNG

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Schulsystem von jenem Dualismus von Kloster- und Dom-, Stifts- und Kathedralschulen geprägt.111 Bis weit ins Hochmittelalter blieb die Verbindung der Gelehrsamkeit mit dem Klerus bestehen. Ein Bedürfnis nach Schriftlichkeit und gelehrter Kenntnis bestand unter den Laien vorerst nicht, sofern diese sich nicht für ein Leben im geistlichen Stand entschieden.112 Die Inhalte der früh- und hochmittelalterlichen Schulen waren dementsprechend auf die geistliche Ausbildung ausgerichtet. Das allumfassende System waren dabei die aus der Antike tradierten sieben freien Künste, die Artes liberales, die mit der Grammatik, der Rhetorik und der Dialektik das Trivium und mit der Arithmetik, der Geometrie, der Astronomie und der Musik das Quadrivium umfassten. 113 Einzige Sprache der Gelehrsamkeit war Latein, doch waren die griechische und selbst die hebräische Sprache noch nicht in Vergessenheit geraten. Waren im Frühmittelalter die Klosterschulen die Zentren der Gelehrsamkeit, verloren sie diese Bedeutung im Laufe des 11. und 12. Jahrhunderts an die Stiftsschulen.114 Mit ihrem Aufstieg vollzog sich auch der Übergang der Wissenschaften aus dem Bereich der Klöster in jenen der Städte – eine Entwicklung, die letztlich auch für das spätmittelalterliche Schulwesen kaum überbewertet werden kann.115 Zäsurcharakter hatten dabei die Beschlüsse des dritten und vierten Laterankonzils 1179 und 1215, durch welche die weiträumige Begründung von Stiftsschulen nach dem französischen Vorbild angeordnet wurde.116 Die Wissenschaften lagen in den Händen des Scholasters, eines Kanonikers, der die Organisation der Schule und zunächst auch den Unterricht selbst zu gewährleisten hatte. Allmählich wurde der Unterrichtsbetrieb jedoch von den Pflichten des Scholasters getrennt und einem eigenständigen Schulmeister – nicht zwangsläufig mehr einem Mitglied des Stiftes – übertragen. Dem Scholaster oblag hinfort nur noch, oft in Verbindung mit weiteren Würdenträgern des Stiftes, die

111 Vgl. PAULSEN, Geschichte (1919), S. 14; DOLCH, Lehrplan (1982), S. 99 f.; EHLERS, Dom- und Klosterschulen (1996), S. 30–32; FUHRMANN, Latein und Europa (2001), S. 13. 112 Vgl. SCHREINER, Herausforderung (1984), S. 345. 113 Vgl. SPECHT, Unterrichtswesen (1885) Kap. 4; PAULSEN, Geschichte (1919), S. 14 f.; DOLCH, Lehrplan (1982), S. 99–155; LINDGREN, Artes liberales (2004), S. 6–13; NONN, Bildung und Wissenschaft (2012), S. 27–32; SCHMITT, Bildung (2016), S. 17–27. 114 Vgl. HEPPE, Schulwesen (1860), S. 18 f.; SCHÖNEBERG, Schulen (1981), S. 83; HAMANN, Schulwesen (1993), S. 26/29; EHLERS, Dom- und Klosterschulen (1996), S. 29 f.; KINTZINGER, Wissen wird Macht (2007), S. 104 f. 115 Vgl. VERGER, Schule (1986), Sp. 1584. 116 Vgl. EHLERS, Dom- und Klosterschulen (1996), S. 34–36; KINTZINGER, Wissen wird Macht (2007), S. 108 f.; BÜNZ, Schulen (2009), S. 18.

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EINLEITUNG

Bestellung der Schule durch die Einsetzung der Schulmeister.117 Im selben Zuge öffneten die Schulen nun auch der laikalen Bevölkerung ihre Tore. Neben den sogenannten scolae interiores, die sich weiterhin der Ausbildung des zukünftigen Klerus widmeten, entstanden scolae exteriores, die der städtischen Bevölkerung zur Verfügung standen.118 Zeitgleich und durch dieselben Einflüsse bedingt wurde seit dem vierten Laterankonzil schließlich eine weitere Entwicklung angestoßen, die zur Grundlage des spätmittelalterlichen städtischen Schulwesens werden sollte. Das Anwachsen der Bevölkerung, die Herausbildung eines Städtewesens und die Entstehung eines dichten Pfarrnetzes bildeten gleichermaßen Voraussetzung und Notwendigkeit für die Entstehung eines auf die Unterweisung der christlichen Religion ausgerichteten und von den Stiftskirchen gelösten Schulwesens. 119 Durch ein sich etablierendes Netz aus Parochial- oder Pfarrschulen wurden nun ihrerseits die Stiftsschulen entweder in den Hintergrund gedrängt, mancherorts aber auch zu höheren Bildungsinstitutionen und letztlich zu Universitäten ausgebaut.120 Für das spätmittelalterliche städtische Schulwesen, das im Zentrum der vorliegenden Arbeit steht, sollte diese Entwicklung maßgeblich sein, brachten die Pfarrschulen der städtischen Bevölkerung doch – obgleich auf deutlich geringerem inhaltlichen Niveau als zuvor die Stiftsschulen – einen neuen Aufschwung der Schriftlichkeit. Das entstehende Städtewesen in seinen politischen Gefügen, aber auch die gesellschaftlichen und insbesondere die wirtschaftlichen Verhältnisse der Bevölkerung machte im 13. und 14. Jahrhundert in steigendem Maße elementare Kenntnisse notwendig. Zugleich standen die Schulen den Kirchen und dem gottesdienstlichen Leben in der Unterstützung der geistlichen Liturgie zur Seite. Nach wie vor stellten auch die Pfarrschulen, obgleich sie hauptsächlich von Bürgerskindern besucht wurden, ein Primat der Kirchen dar und unterlagen einer geistlichen Institution innerhalb einer Stadt – einem Kloster, ebenfalls einem Stift oder auch einem geistlichen Orden – oder dem Pfarrer der jeweiligen Parochie. Die Notwendigkeit der Liturgie formte dabei aus der Schülerschaft

117 Vgl. HEPPE, Schulwesen (1860), S. 20; PAULSEN, Geschichte (1919), S. 16; LORENZ, Studium generale (1989), S. 14; KINTZINGER, Scholaster (1996), S. 350–352; BÜNZ, Bildungslandschaft (2004), S. 46; KINTZINGER, Wissen wird Macht (2007), S. 105; BÜNZ, Schola Thomana (2011), S. 75. 118 Vgl. PAULSEN, Geschichte (1919), S. 16; SCHÖNEBERG, Schulen (1981), S. 85; HAMANN, Schulwesen (1993), S. 29; BÜNZ, Bildungslandschaft (2004), S. 47; KINTZINGER, Wissen wird Macht (2007), S. 107 f. 119 Vgl. SMOLINSKY, Kirchenreform (1994), S. 38 f. 120 Vgl. ausführlich NONN, Bildung und Wissenschaft (2012), S. 80–95 (Entstehung der Scholastik als Instrument und Methode der mittelalterlichen Wissenschaft) u. 96–136 (Entstehung der Universitäten aus den Stiftsschulen).

THEMATISCHE EINFÜHRUNG

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einen liturgischen Chor und die kirchlichen Zeremonien wirkten maßgeblich auf die inhaltliche Gestaltung des Unterrichts ein.121 Das Primat der Kirchen blieb jedoch nicht unbestritten.122 Das Städtewesen erlebte im 14. Jahrhundert einen erheblichen rechtlichen Aufschwung, ein bürgerliches Selbstverständnis entstand und wirkte sich auf die politische Ordnung der einzelnen Stadt aus. Der Stadtrat als zentrales Verwaltungsorgan des Stadtgefüges strebte danach, alle im weitesten Sinne politischen Rechte in seinen Händen zu vereinen. Das Spätmittelalter ist in dieser Hinsicht vielfach geprägt durch abweichende Vorstellungen der Städte und der Kirchen hinsichtlich der Frage der geistlichen Rechtsstellung innerhalb der Stadtmauern. Die städtisch-kirchlichen Beziehung waren häufig durch dieses Konkurrenzverhältnis bestimmt und nicht selten mehr oder weniger ernsthaften Auseinandersetzungen unterworfen. Das politische Vorrecht an der Organisation der Schulen – das Schulpatronat – gehörte vielerorts zu den maßgeblichen Gegenständen derartiger Konflikte, indem der Stadtrat versuchte, den geistlichen Patronatsherren – seien es Stifte, Klöster oder Pfarrer – die Schulbestellung zu entziehen.123 Wo dies nicht gelang oder wirkmächtige Schulen bis zu einem bestimmten Punkt der städtischen Entfaltung noch nicht bestanden, schritt der Stadtrat mitunter zur eigenständigen Gründung von Schulen unter eigener Trägerschaft, die – nicht selten gegen den erheblichen Widerstand der Geistlichkeit – neben kirchlich getragene Schulen gestellt wurden 121 Vgl. SPECHT, Unterrichtswesen (1885), S. 246; THALHOFER, Unterricht (1928), S. 104; WÜHR, Bildungswesen (1950), S. 144; RÖRIG, Schriftlichkeit (1953), S. 37 f.; HAMANN, Schulwesen (1993), S. 32; FUHRMANN, Latein und Europa (2001), S. 16; KINTZINGER, Wissen wird Macht (2007), S. 118 f.; NONN, Bildung und Wissenschaft (2012), S. 138. 122 Vgl. WÜHR, Bildungswesen (1950), S. 145; SKRZYPCZAK, Schriftlichkeit (1956), S. 43; BRUCHHÄUSER, Kaufmannsbildung (1989), S. 288; FUHRMANN, Latein und Europa (2001), S. 16. 123 Der sogenannte Schulstreit war vielfach Gegenstand der Forschung, wobei insbesondere in der jüngeren Forschung der politische Charakter der Auseinandersetzung betont wurde. Das Streben nach dem Schulpatronat war nicht Ausdruck antiklerikaler Tendenzen oder der Ablehnung kirchlich geprägter Unterrichtsinhalte, sondern zielte allein auf die Bündelung der politischen Befugnisse innerhalb der Mauern in den Händen des Stadtrates. Darüber hinaus erfuhren das Schulwesen und auch die Unterrichtsinhalte keine signifikante Veränderung. Vgl. insgesamt MEISTER, Schulstreit (1868); ZIMMERMANN, Bürgerschule (1878), S. 7; SPECHT, Unterrichtswesen (1885), S. 252; PAULSEN, Geschichte (1919), S. 20; MÜLLER-FREIENFELS, Bildungsgeschichte (1932), S. 38 f.; WÜHR, Bildungswesen (1950), S. 146; WRIEDT, Bildungswesen (1983); BRUCHHÄUSER, Kaufmannsbildung (1989), S. 290 f.; ENDRES, Berufsbildung (1996), S. 376; KINTZINGER, Scholaster (1996), S. 358; DERS., Varietas (1996), S. 317 f.; HAMMERSTEIN, Bildung (2003), S. 9 f.; DERS., Wissen wird Macht (2007), S. 131 f.; BÜNZ, Schulen (2009), S. 18; DERS., Schola Thomana (2011), S. 79; NONN, Bildung und Wissenschaft (2012), S. 139; GRAMSCH, „Schulstreiten“ (2014).

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EINLEITUNG

oder eine bislang offene Lücke füllen sollten. 124 An der kirchlich-schulischen Verbindung änderten beide Szenarien freilich nichts. Die Schule blieb mit der Kirche verbunden und der Unterricht von den kirchlichen Zeremonien geprägt. Das Schulwesen des Spätmittelalters war somit, zählt man noch die schwer greifbaren Anfänge eines privaten und gewerblichen Schulsystems hinzu, in einem hohen Maße vielgestaltig und kann kaum auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden. Neben wirtschaftlichen und personellen Aspekten bildet dabei insbesondere die durch die Auseinandersetzung um bestehende Schulen bewirkte Ambivalenz zwischen unterschiedlichen städtischen und kirchlichen Schulformen ein Hauptkriterium der schulischen Diversität. Es ist damit ein Entwicklungsstand erreicht, an dem die vorliegende Arbeit anknüpft, war es doch eben dieses vielgestaltige Schulwesen, auf das die Reformation traf. Es soll die Betrachtung im Folgenden zunächst anhand der ausgewählten Städte und anschließend anhand des thüringischen Raumes fortgesetzt werden.

124 Vgl. KAEMMEL, Geschichte (1882), S. 56; SPECHT, Unterrichtswesen (1885), S. 249; WENDEHORST, Lesen und schreiben (1986), S. 29; HAMANN, Schulwesen (1993), S. 32; FUHRMANN, Latein und Europa (2001), S. 16; KINTZINGER, Wissen wird Macht (2007), S. 129.

I. TEIL DAS SCHULWESEN IN SPÄTMITTELALTER UND VORREFORMATION

1. Das Schulwesen in kirchlicher Trägerschaft – das Beispiel Altenburg DAS SCHULWESEN IN KIRCHLICHER TRÄGERSCHAFT – DAS BEISPIEL ALTENBURG

In vorreformatorischer Zeit existierten in Altenburg, bedingt durch die Vielfalt der kirchlichen Einrichtungen, mehrere Schulen. Die kirchliche Struktur der Stadt hatte zur Folge, dass sich die einzelnen Schulen an die geistlichen Institutionen anlehnten und in ihrem Wirken mit diesen verbunden waren. Im Zentrum des geistlichen Lebens der Stadt stand das vor den Toren gelegene Augustinerchorherrenstift Unserer lieben Frauen St. Marien auf dem Berge, das, obgleich es sich dabei nicht um ein Kloster handelte, kurz Bergerkloster genannt wurde und in der Forschung noch genannt wird. Es hatte die Patronatsgewalt über die Kirchen der Stadt inne und verfügte somit über das geistliche Primat der Stadt.1 Diese Vorrangstellung bezog sich auch auf die mit dem Stift verbundene Schule, die, wie sich zeigen wird, einen Großteil der Gestaltung des gottesdienstlichen Lebens in Anspruch nahm. Obgleich neben ihr noch mehrere weitere kirchliche Schulen bestanden, kam es in Altenburg durch die kirchliche wie schulische Präsenz zu keiner Gründung einer städtisch getragenen Schule.2 Ob dies aufgrund der Vielzahl kirchlicher Schulen unnötig erschien oder ob dahingehende Versuche der städtischen Obrigkeit von der Kirche unterbunden worden sind, kann nicht festgestellt werden. Dennoch wurde der Kirche von der älteren Forschung, bedingt durch diesen Umstand, eine Unterdrückung der städtischen Selbstentfaltungsmöglichkeiten vorgeworfen.3 Julius Wagner, um nur ein repräsentatives Beispiel seiner Zeit zu nennen, glaubte, ein „hohle[s] Formenwesen bei dem öffentlichen Gottesdienste“, eine „gänzlich vernachlässigte Jugendbildung“ sowie „Geistesarmuth und Aberglauben bei der Gemeinde“ konstatieren zu können.4 Die Vorwürfe der Unwissenheit, Faulheit und Eigensinnigkeit des vorreformatorischen Klerus sowie dessen Geringschätzung des weltlichen Standes durchziehen seine ganze Arbeit.5 Zwar können aufgrund der geringen Quellenlage in vorreformatorischer Zeit keine Unterrichtsinhalte der Altenburger Schulen ermittelt werden – eine Schulordnung oder Ähnliches, was darüber Aufschluss hätte geben können, existiert nicht –, doch muss Wagners extremer Standpunkt, wie er unter seinen Zeitgenossen nicht unüblich war, trotzdem als

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Vgl. KESSLER, Altenburg 1515–1525 (1983), S. 31. Vgl. BÜNZ, Schulwesen (2014), S. 226. Im Bezug auf die kirchlichen Patronatsverhältnisse insgesamt vgl. LÖBE, Reformation I (1863), S. 3. Für alle Zitate WAGNER, Georg Spalatin (1830), S. 1. Vgl. besonders ebd., S. 30–34.

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I. TEIL – DAS SCHULWESEN IN SPÄTMITTELALTER UND VORREFORMATION

völlig überholt und haltlos gelten, entbehrt er doch ebenfalls jeder Grundlage.6 Klagen über unzureichende Bildung oder sonstige am vorreformatorischen Schulwesen entbrannte Konflikte scheint es keine gegeben zu haben. Die mitunter stark aufgegliederten Schulämter der einzelnen Einrichtungen lassen hingegen mit steigender Tendenz auf eine hohe Schülerzahl schließen, während die Universitätsmatrikeln von Leipzig und Wittenberg für Altenburg auf ein durchaus nennenswertes Bildungsniveau hindeuten.7 Die Quellenlage ist aufgrund des kirchlichen Charakters der Schulen im Ganzen gesehen nur spärlich. In einer Reihe von Urkunden treten einzelne Schuldiener hervor und vereinzelt sind Bemühungen erkennbar, das Primat der Bergerschule in der Stadt zu bewahren. Diese Spärlichkeit kann zwar auf Überlieferungszufälle zurückgeführt werden, wird jedoch auch dadurch bedingt sein, dass die städtische Obrigkeit keinen Einfluss auf das Schulwesen genommen hatte. Einrichtung, Bestellung, Organisation und Finanzierung der Schulen lagen in den Händen der Kirche. Im vorreformatorischen Zeitraum lassen sich daher zu keiner Zeit weder zur Frequentierung der Schulen, zu deren Inhalten, noch zu ihrer inneren Organisation grundlegende Aussagen treffen. Dennoch dient Altenburg aufgrund der Vielzahl seiner Schulen als geeignetes Beispiel, den Facettenreichtum des kirchlich geprägten Schulwesens darzustellen.

1.1. Die Schule des Bergerstifts Das Augustinerchorherrenstift auf dem zu diesem Zweck von den Burggrafen von Altenburg zur Verfügung gestellten Berg vor der Stadt wurde in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts von Friedrich Barbarossa gegründet und 1172 geweiht.8 Es ist sehr wahrscheinlich, dass eine Stiftsschule bei der Gründung inbegriffen war,9 doch zeigt sich deren Wirken erst im 13. Jahrhundert. Ihre erste Spur, die zudem der erste Hinweis auf eine Schule in Altenburg überhaupt ist, findet sich in einer Urkunde von 1207, mit der der Konvent des Bergerstifts Kompromisse mit dem Kloster Altzella über Stiftungsgüter in Zschernitzsch 6

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Auch Gegenbeispiele lassen sich aus der älteren Forschung anführen, so gesteht Gabelentz der Stadt zu, mit Schulen „nicht ganz übel bestellt gewesen“ zu sei. Vgl. GABELENTZ, Schulen (1863–1866), S. 208. Vgl. Diagr. 3. Für eine statistische Auszählung vgl. auch BÜNZ, Schulwesen (2014), S. 231 f. Demnach haben sich in Leipzig zwischen 1410 und 1529 mit steigender Tendenz, seit 1460 in ungebrochener Jahresfolge, 131 Altenburger Bürgerskinder immatrikuliert. In Wittenberg waren es bis 1519 insgesamt 23. Vgl. SCHNEIDER, Altenburg (1923), S. 14. Vgl. LORENZ, Gymnasii (1789), S. 4; WAGNER, Georg Spalatin (1830), S. 30; GABELENTZ, Schulen (1863–1866), S. 200; BÜNZ, Schulwesen (2014), S. 226.

DAS SCHULWESEN IN KIRCHLICHER TRÄGERSCHAFT – DAS BEISPIEL ALTENBURG

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beurkundete. Unter den Zeugen der Urkunde befindet sich der Scholaster Albertus.10 Dieser wird zwar keinem der beiden Klöster zugeordnet, doch ist es anzunehmen, dass er, der an vierter Stelle neben drei nach dem Kloster Altzella benannten Mönchen aufgeführt wird, der ausführenden Partei und somit dem Bergerstift angehörte, was eine genauere Verortung unnötig erscheinen ließ. Für mehr als ein Jahrhundert bleibt diese Nennung die einzige Spur der Schule, bis 1332 der erste namentlich genannte Schulmeister verortet werden kann. Theodericus bezeugte als einer von zwei Altenburger Schulmeistern den Schiedsspruch über einen Patronatsstreit zwischen dem Bergerstift und dem Altenburger Deutschordenshaus. 11 In dessen Nachfolge können drei weitere Schulmeister dem 14. Jahrhundert zugeordnet werden. Magister Nikolaus, der erste seines Amtes, dessen Magistertitel möglicherweise auf universitäre Bildung hinweist, bezeugte 1347 die Abtretungsurkunde der Brüder Conrad und Dietrich Preuß über ein Waldstück zugunsten des Bergerstifts.12 Ihm folgten 1355 ein Schulmeister namens Johannes und 1365 Magister Johannes de Kothebus. 13 Paul Dietze führt darüber hinaus für das Jahr 1439 einen Henricus de Luckaw als ehemaligen Schulmeister (antiquus magister) an14 und 1443 bezeugte ein Thomas in diesem Amt einen Zinsverzicht zugunsten des Altarbaues im hiesigen Rathaus.15 Ein Scholaster erfährt nach der erstmaligen Nennung neben den angeführten Schulmeistern keine weitere Erwähnung. Wieso er als eine nicht unbedeutende Dignität des Stiftes aus den Urkunden verschwand, ist unklar, doch wird die Lückenhaftigkeit der Quellenlage daran beteiligt sein. Lediglich wird deutlich, dass es sich nicht nur um den Wechsel einer Amtsbezeichnung handelte, sondern der Unterrichtsbetrieb im Laufe des 13. oder anfänglichen 14. Jahrhunderts auf einen vom Stift angestellten, doch nicht dem Stift angehörenden Schulmeister übertragen worden ist. Dieser verfügte nicht über eine Pfründe, sondern musste sich durch das Schulgeld, kirchliche Einkünfte und mögliche andere Abgaben der Schüler versorgen. Bestätigt wird dies durch einen Schulgeldstreit, auf den an späterer Stelle zurückzukommen sein wird. Der Stand des Schulmeisters ist nur in wenigen Fällen eindeutig bestimmbar, doch kann konstatiert werden, dass es sich 10 Vgl. UB Altenburg, Nr. 64; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 5. 11 Vgl. UB Altenburg, Nr. 578; LORENZ, Gymnasii (1789), S. 4; GABELENTZ, Schulen (1863– 1866), S. 200; BRAUN, Altenburg (1872), S. 209; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 5; MORITZ, Schulgeschichte (1998), S. 174; BÜNZ, Schulwesen (2014), S. 226. 12 Vgl. UB Altenburg, Nr. 621; LORENZ, Gymnasii (1789), S. 4; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 5; BÜNZ, Schulwesen (2014), S. 226. 13 Vgl. LATh-StA Altenburg, Urkunde 28. Mai 1365, Nr. 1; LORENZ, Gymnasii (1789), S. 4; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 5; BÜNZ, Schulwesen (2014), S. 226. 14 Vgl. DIETZE, Schulwesen (1922), S. 5. 15 Vgl. LATh-StA Altenburg, Urkunde 20. Januar 1443; LORENZ, Gymnasii (1789), S. 5; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 5.

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I. TEIL – DAS SCHULWESEN IN SPÄTMITTELALTER UND VORREFORMATION

bei ihm nicht zwangsläufig um einen Geistlichen gehandelt haben muss. Während Johannes de Kothebus ein Geistlicher war und der Stand des 1443 genannten Thomas ungewiss bleibt, ist der im Jahr 1347 erwähnte Magister Nikolaus anhand der Zeugenreihe der Urkunde als Laie auszuweisen. Die Liste der namentlich überlieferten Schulmeister kann durch die erhaltenen Kirchenrechnungen für das späte 15. und frühe 16. Jahrhundert ergänzt werden. So nahm beispielsweise die Kalandsbruderschaft die Dienste des Bergerschulmeisters, der mit dem Unterrichtsbetrieb auch sämtliche liturgischen Funktionen der Schule vom Scholaster übernommen hatte, für ihre Messen in Anspruch, was für diesen über einen langen Zeitraum ein lukratives Geschäft darstellte. Seine Entlohnung betrug mehrfach im Jahr über 1 n ß, die in den Jahren 1502 bis 0516 zu einer einmaligen Zahlung in Höhe von 3 n ß 20 gr zusammengefasst worden sind. 1494 und 96 wurde der Schulmeister dabei mehrfach als „Er Jocoff“ angeredet. Er war zu dieser Zeit bereits einige Jahre im Amt, denn zu Beginn der 1490er Jahre hatte die Bruderschaft Schulden bei ihm machen müssen. Zum Jahr 1494 heißt es, dass die „hindstellig schulde gantz Bezalt“ seien.17 Ein Jakob Kaiser, auch latinisiert Caesar genannt, wird als Schulmeister in den Jahren 1507 bis 09 namentlich genannt.18 Kurz darauf kam es zu einem Wechsel des Amtsinhabers, doch hielt im Jahr 1511 abermals der „alde schulmeister“19 die Messe der Kalandsbruderschaft ab. Der letzte namentlich bekannte Schulmeister vor der Reformation, der Magister Blasius Helwig, erscheint im Jahre 1520 in der Stadtrechnung.20 Die Reihe der Schulmeister in der Rechnung der Kalandsbruderschaft wird lediglich im Jahr 1504 unterbrochen, in dem die Entlohnung „Itzunt Ern mala paschka ent[richtet]“21 wurde. Da er nicht, wie in den anderen Jahren üblich, als Schulmeister tituliert wird, könnte es sich bei ihm auch um einen anderen Schuldiener handeln. In diesem Fall liegt die Vermutung nahe, dass der in den 1490er Jahren genannte Schulmeister mit Jakob Kaiser identisch ist und dieser somit bei seinem Ausscheiden aus dem Amt um 1510/11 auf eine etwa zwanzigjährige Amtszeit zurückblicken konnte. Auch Mala Paschka, dessen im mitteldeutschen Raum ungewöhnlicher Name auf eine ausländische, möglicherweise eine polnische Herkunft schließen lässt22 und der noch in den Jahren 1518 bis 20 in den 16 17 18 19

Vgl. StA Altenburg, XII. p. Nr. 8, unfol. Für beide Zitate ebd. Vgl. ebd. Ebd. In diesem Jahr erfolgt die Rechnungslegung erstmals in alten Schock zu 20 gr, von denen der Schulmeister zweimal jährlich fünf erhielt. Die Summe bleibt letztlich jedoch die gleiche. 20 Vgl. StA Altenburg, XI. A. 2a. Nr. 42, fol. 66v. 21 StA Altenburg, XII. p. Nr. 8, unfol. 22 Der Name deutet auf eine slawische Herkunft hin: Mala (von poln. mały/mała/małe – dt. klein) verdeutlicht, ebenso wie die Diminutivform Paschka (von Paschek), dass es sich bei

DAS SCHULWESEN IN KIRCHLICHER TRÄGERSCHAFT – DAS BEISPIEL ALTENBURG

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Rechnungen genannt wird,23 war somit mindestens 15 Jahre im Amt. Die Schule des Bergerstifts war demnach um 1500 von einer starken Kontinuität der Schuldiener geprägt. Amtszeitbeschränkungen scheint es nicht gegeben zu haben, was sich positiv auf die schulische Qualität ausgewirkt haben wird. Bekräftigt wird dies durch die starke Aufgliederung der Lehrkräfte zum Ende des Mittelalters. Die Schule wurde von einem Schulmeister geleitet, dem in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts ein Succentor und ein Locat zur Seite standen.24 Im Laufe des Jahrhunderts kam ein vierter Schuldiener, der Baccalaureus, hinzu. 25 Darüber hinaus ist von einem Sangmeister die Rede, bei dem es sich um einen Kantor gehandelt haben wird, dessen Dienst sich vermutlich nicht nur auf die Schule beschränkte. Im Jahr 1505 wurde dieses Amt, um nur einen einzelnen Vertreter herauszugreifen, von einem Franziskus Dorner versehen.26 Die Rolle der Schule im städtischen Leben wird anhand ihrer Bedeutung für die Mitgestaltung des kirchlichen Lebens erhellt. Die Schuldiener wie auch die Schüler übernahmen die grundlegende Aufgabe der kirchenmusikalischen Ausgestaltung der Liturgie. Wie bereits angedeutet, nahm die Bergerschule, entsprechend der kirchlichen Vorrangstellung des Stiftes in der Stadt, die maßgebliche Position für sich in Anspruch und versuchte sie zu bewahren. Im besonderen Maße wird diese Prioritätsbestimmung bei der Weihe der Jakobskapelle im Jahr 1505 deutlich. Durch die Weiheurkunde übertrug der Bergerkonvent dem Stadtrat zwar das Patronat dieser Kapelle, legte jedoch bezüglich der darin abzuhaltenden Messen fest, dass „besunder alleyne awß vnser der berckschulen Schulmeister ader Sangmeister auch schulern […] zu singen vororden“ 27 werden sollten. Derartige Bestimmungen wurden im kirchlichen wie im städtischen Leben anerkannt. Wie das Beispiel der Kalandsbruderschaft bereits verdeutlichte, wurde die liturgische Funktion der Bergerschule auch von Außenstehenden für die eigenen Erfordernisse herangezogen, was zumeist mit einem finanziellen Gewinn des Schulmeisters, in manchen Fällen auch der Schüler verbunden war. Ein weiteres Beispiel dafür findet sich in der langjährigen Tradition der Messen des Dreikönigstages

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dem Genannten um den Sohn oder jüngeren Bruder eines bekannten Paschek handelt. Die in seiner Heimat vermutlich als Spitzname gebrauchte Form (in etwa „Der kleine Paschek“) wurde in Mitteldeutschland mittels der Anrede Herr zu einem Eigennamen umfunktioniert. (Für diesen Interpretationshinweis gebührt Herrn Dr. Stephan Flemmig herzlicher Dank.) Vgl. StA Altenburg, XII. p. Nr. 8, unfol. Die gleichzeitige Nennung von Blasius Helwig in der Stadtrechnung bestärkt die Vermutung, dass es sich bei Paschka um einen anderen Schuldiener handelt. Vgl. FLACH, Testament (1933), S. 563. Vgl. MÜLLER, Schulordnungen I (1885), S. 95; BÜNZ, Schulwesen (2014), S. 226. Vgl. StA Altenburg, Urkunde Nr. 188. Ebd.

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I. TEIL – DAS SCHULWESEN IN SPÄTMITTELALTER UND VORREFORMATION

am Altar der Rathauskapelle. Eben dieser Altar sollte in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts und zu Beginn des folgenden ein regelmäßiges Betätigungsfeld des Bergerschulmeisters bilden. Am 6. Januar 1450 wurde die Kapelle des Rathauses geweiht,28 woraufhin alljährlich am Weihetag durch den Schulmeister, in manchen Fällen vertreten durch seinen Succentor, und einige Schüler eine Messe abgehalten wurde, für die der Betreffende aus der Stadtkasse 2 bis 3 gr als Entlohnung erhielt.29 Gerade der finanzielle Aspekt der kirchlichen Tätigkeit der Schuldiener spielte im Mittelalter eine zentrale Rolle. Als das Stift zu Beginn des 15. Jahrhunderts in wirtschaftlichen und finanziellen Verfall geriet, wovon auch die Mitglieder betroffen waren, sollte eine Stiftung dem entgegenwirken. Der Propst Jhan von Döhlen, der diese Stiftung testamentarisch im Jahr 1439 unternahm und sie 1446 nochmals in erweiterter Form bestätigte, 30 übereignete dem Stift zu diesem Zweck 118 fl 10 gr und ordnete an, dass die anfallenden Zinsen derart aufgeteilt werden sollten, dass von einem Teil die Gläubiger des Klosters ausgezahlt und von einem anderen Teil die Mitglieder des Stifts versorgt werden konnten.31 Mit der Stiftung war eine Reihe von Messen und Vigilien verbunden, deren finanzielle Grundlage durch das umfangreiche Testament gelegt wurde. Alle mitwirkenden Kirchendiener sollten an der Stiftung beteiligt werden. Unter diesen befanden sich die Schuldiener der Bergerschule, Rektor, Succentor und Locat, denen der Gesang der Messen überantwortet wurde. Von ihnen wurde ausdrücklich gefordert, dass sie persönlich zu den Messen anwesend sein sollten (personaliter interesse debeant). Im Falle eines Hinderungsgrundes sollten wenigstens einer oder zwei von ihnen mit Unterstützung eines oder zweier Schüler vertreten sein. Für ihren dafür erforderlichen Aufwand sollte der Schulmeister 35 und Succentor wie Locat je 20 n gr erhalten.32 Der finanzielle Gewinn der kirchlichen und liturgischen Wirksamkeit stand auch, wie ein prominentes Beispiel verdeutlicht, nicht selten im Mittelpunkt der Prioritätsbestrebungen des Bergerstifts.33 1478 wurde mittels einer umfangreichen Urkunde die musikalische Beteiligung der Bergerschule an den kirchlichen Messen, insbesondere dem täglichen Salve Regina in der Bartholomäi-

28 Vgl. LÖBE, Reformation I (1863), S. 19 f. 29 Vgl. bspw. StA Altenburg, XI. A. 2a. Nr. 21, fol. 137r (1467); ebd., fol. 230r (1468); StA Altenburg, XI. A. 2a. Nr. 25b, fol. 62r (1494, mit Vertretung durch den Baccalaureus); StA Altenburg, XI. A. 2a. Nr. 42, fol. 71v (1521). 30 Die Testamente sind abgedruckt bei FLACH, Testament (1933). Vgl. auch LORENZ, Gymnasii (1789), S. 4 f.; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 6. 31 Vgl. FLACH, Testament (1933), S. 558/560. 32 Vgl. ebd., S. 563. 33 Vgl. DIETZE, Schulwesen (1922), S. 7.

DAS SCHULWESEN IN KIRCHLICHER TRÄGERSCHAFT – DAS BEISPIEL ALTENBURG

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kirche neu geordnet und festgelegt.34 Der Konvent des Bergerstifts, so heißt es dort, sei mit dem Stadtrat und den Altarleuten der Bartholomäikirche übereingekommen, „das sy sollen lossen alle tage ewiclichen eyn salue regina singen in der genanten kirchen sinte Bartholomei czu Aldenburgk. des obindis noch der vesper. ader eyne stunde ader zwv dornoch. noch beqvemlikeit des coris“. Danach solle, je nachdem wie es die Zeit erlauben würde, ein Responsorium oder ein Antiphon gesungen werden, die in einer langen Aufzählung für die einzelnen Tage und Heiligenfeste des gesamten Kirchenjahres festgelegt und angeordnet wurden. In diesem Zusammenhang finden sich die einzigen überlieferten Hinweise, die mit einem täglichen Schulunterricht zusammenhängen, doch gehen sie über das Einstudieren der Gesänge nicht hinaus. Das Üben und Vortragen derselben wurde dem Schulmeister auferlegt. Er selbst oder die ihm zur Seite stehenden Gehilfen – der hier erstmals genannte Baccalaureus, der Succentor oder der Locat – sollten den Gesang des Salve Regina zusammen mit den Schülern der Bergerschule übernehmen. Ausdrücklich wurde festgelegt, dass „keyne schule ader keyn ander schulmeister […] do mete czu schicken haben [solle] wenne der schulmeister mit seynen schulern vf dem berge“. Eine Abschrift der angeordneten Gesänge aus der Urkunde solle allzeit bei dem Chor hängen, dass dieser sich danach richten könne. Damit in der Kirche beim Gesang keine Fehler unterlaufen, wurde vom Schulmeister erwartet, dass er diesen mit den Kindern zuvor in der Schule „steticlichin, jnniclichin, nicht czu hoch. auch nicht czu nedir“ einstudiere.35 Angesichts der Fülle der geforderten Gesänge wurde vom Austeller der Urkunde, dem Konvent, versichert, dass alle Mitglieder des Stifts den Schulmeister zu Fleiß und der genauen Einhaltung der Bestimmungen anhalten werden. Für seine Mühen solle der Schulmeister daher jährlich, halb zu Ostern und halb zu Michaelis, 6 ½ a ß erhalten.36 Die Rechnungen der Altarleute belegen, dass die Bestimmung in dieser Form umgesetzt wurde.37 Bezüglich der Frequentierung der Bergerschule wurde die ältere Forschung von der These bestimmt, dass die Schule lediglich der Erziehung zukünftiger 34 Vgl. LATh-StA Altenburg, Urkunde 5. April 1478; StA Altenburg, XII. p. Nr. 2, fol. 36v– 39r (Abschrift). Die folgende Darlegung zitiert nach der Edition der Urkunde von Johannes Müller, vgl. MÜLLER, Schulordnungen I (1885), S. 94–97. Vgl. auch LORENZ, Gymnasii (1789), S. 5; HAHN, Unterweisung (1957), S. 48; KÜHNE, Stadt, Residenz und Frömmigkeit (2013), S. 293 f.; BÜNZ, Schulwesen (2014), S. 228. Eine Abbildung der Urkunde befindet sich bei KOHNLE/MECKELNBORG/SCHIRMER, Steuermann der Reformation (2014), S. 229. 35 Für alle drei Zitate MÜLLER, Schulordnungen I (1885), S. 95 f. 36 Vgl. DIETZE, Schulwesen (1922), S. 6 f. Die Entlohnungsbestimmungen der Urkunde sind durch die gleichzeitige Orientierung an alten und neuen Schock missverständlich. Insgesamt erhält der Schulmeister 6 ½ a ß, die, so die Urkunde, halbjährlich in 1 ß 5 gr ausgezahlt werden sollen. Erst die Kirchenrechnungen der Altarleute von St. Bartholomäi verdeutlichen, dass die halbjährliche Auszahlung in neuen Schock vorgenommen wurde. 37 Vgl. StA Altenburg, XII. p. Nr. 5, Nr. 6 und Nr. 7, unfol.

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Chorherren gedient hätte.38 Sie sei somit „eine Art höhere Schule“39 gewesen. Diese Meinung muss relativiert oder zum Mindesten erweitert werden. Ein Schulgeldstreit des Jahres 1520 belegt, dass das Bergerstift neben der Ausbildung der zukünftigen Geistlichen auch in starkem Maße von Bürgerskindern in Anspruch genommen wurde.40 Sie besuchten die Bergerschule gegen ein jährlich zu entrichtendes Schulgeld in unbekannter Höhe. Obwohl in der erhaltenen Überlieferung die kirchliche Rolle der Schule dominiert, lässt sich konstatieren, dass die Schule auch darüber hinaus ein Bildungsangebot vermittelt haben muss, das den Altenburger Bürgern den Schulbesuch lohnenswert erscheinen ließ. Dem Charakter einer höheren Schule muss dies nicht widersprechen, da auch Bürgerskinder ein Interesse an höherer Schulbildung zur Vorbereitung des Universitätsstudiums haben konnten. Über die Frage, von welchen gesellschaftlichen Schichten die Bergerschule in Anspruch genommen wurde, kann zwar nur spekuliert werden, doch deutet wiederum der Schulgeldstreit an, dass die hiesigen Schüler vorrangig den gesellschaftlich höher gestellten Familien entstammten, die bereits im Jahr 1520 das reformatorische Geschehen verfolgten und aktiv mitgestalteten. Da es sich wie damit angedeutet bei dem Schulgeldstreit um die Auswirkungen der frühen Reformation handelte, soll er an späterer Stelle ausführlicher betrachtet werden (Kap. II. 3.2.). Zuletzt sei auf ein Testament des Bartholomäus Boleye verwiesen, das für die Geschichte der Bergerschule insofern von Interesse ist, da es den einzigen Hinweis auf vorreformatorische Lehrinhalte enthält und die Existenz einer vorreformatorischen Schulbibliothek am Bergerstift oder zumindest die Nutzung der Kirchenbibliothek für schulische Zwecke belegt. Boleye stammte, wie ein Brief des dortigen Stadtrates informiert, aus Esslingen und versah volle 30 Jahre das Amt des Stadtschreibers zu Altenburg, bevor er das geistliche Amt ergriff und Inhaber der 1498 selbst gestifteten Altarvikarie St. Anna in der Altenburger Nikolaikirche wurde.41 Als er 1510 sein Testament verfasste, ordnete er nicht nur eine große Anzahl von Messen und Seelgedächtnissen an, sondern vermachte seinen scheinbar beachtlichen privaten Bücherbesitz den Altenburger kirchlichen Institutionen. Während ein Großteil der Bücher, zumeist kirchenrechtlichen Inhalts, darunter drei venezianische Drucke, dem Barfüßerkloster vermacht wurden, sollte eine Reihe namentlich nicht genannter, aber von dem Testator unter der Bezeichnung der „Artes liberales“ zusammengefasster Bücher der Bergerschule überantwortet werden, „den Iungen brudern zcu gute, do von or Studiu[m] aug38 Vgl. GABELENTZ, Schulen (1863–1866), S. 200 f.; BRAUN, Altenburg (1872), S. 209 f.; SCHNEIDER, Altenburg (1923), S. 39. 39 SCHNEIDER, Altenburg (1923), S. 39. 40 Vgl. DIETZE, Schulwesen (1922), S. 7; BÜNZ, Schulwesen (2014), S. 230. 41 Vgl. StA Altenburg, XII. n. 4. Nr. I, unfol. Über die Stiftung der Vikarie vgl. LATh-StA Altenburg, Wagners Collectaneen VI, Nr. 57, S. 123–126.

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mentirt werden moge“.42 Es wird sich dabei um Lehrbücher der Freien Künste gehandelt haben, die auf diese Weise einen wenn auch geringen Aufschluss über die Art der schulischen Unterweisung des Bergerstifts zulassen. Auch wenn Näheres über die Qualität des Unterrichts nicht erschlossen werden kann, lässt dieser Hinweis auf die Artes liberales das ältere, oben angeführte Urteil einer Gelehrtenschule durchaus berechtigt erscheinen. Erst als nach dem Tod des Vikars im Juni 1510 dessen Hausstand aufgelöst werden musste, wurde ein Inventar seines Besitzes angefertigt, in dem einige Buchtitel und mitunter auch die Namen ihrer Verfasser enthalten sind. 43 Auch wenn nicht eindeutig bestimmt werden kann, welche Bücher Boleye im Besonderen vor Augen hatte, weisen einige der Titel, wie ein Exemplar des weit verbreiteten Vokabulars Ex quo, 44 doch einen Bezug zum schulischem Leben auf. Nur wenige Bücher, die darüber hinaus dem Stift, aber nicht mehr ausdrücklich der Schule vermacht wurden, sind im Folgenden namentlich genannt. Auch hier stehen die kirchenrechtlichen Werke wie der Liber Sextus Decretalium im Vordergrund, doch findet darunter auch eine „historia troyanoru[m]“ 45 Erwähnung. Auch wenn das Inventar der Bibliothek des Vikars einen beachtlichen Einblick in den Buchbestand, das geistige Leben und den Bildungsstand eines Geistlichen am Vorabend der Reformation vermittelt, kann und soll es an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden.

1.2. Die Schule St. Johannis des Deutschen Ordens Der Deutsche Orden war seit 1213 durch die Übertragung des Hospitals mit all seinem Besitz, dem Kirchspiel Altkirchen und dem Dorf Röbden, in Altenburg begütert.46 Wann der Orden zusätzlich eine Schule gründete ist nicht bekannt. Ihr erster Hinweis fällt in das Jahr 1248, als der Scholaster Cunradus die Urkunde einer Güterübertragung an den Deutschen Orden bezeugte.47 Die Schule scheint schon in den folgenden Jahrzehnten einen nicht unerheblichen Aufschwung 42 Beide Zitate StA Altenburg, XII. n. 4. Nr. I, unfol. 43 Darunter befinden sich neben dem Sachsenspiegel, den der Testator dem Stadtrat vermachte, das einzige gedruckte Werk des Heinrich von dem Birnbaum, ein Kommentar zu den Institutiones, sowie der von Johann Urbach verfasste Processus judicii oder die Margarita Decreti des Martin von Troppau, vgl. LANDSBERG, Urbach (1895); BAHLOW, Birnbaum (1955); STUDT, Martin von Troppau (1990). 44 Zur Bedeutung des Ex quo für den spätmittelalterlichen Schulunterricht vgl. GRUBMÜLLER, Ex quo (1967), S. 67–74; MACHILEK, Schulen (1983), S. 93. 45 StA Altenburg, XII. n. 4. Nr. I, unfol. 46 Vgl. GABELENTZ, Aufhebung (1845–1848), S. 145 f.; SCHNEIDER, Altenburg (1923), S. 17. 47 Vgl. UB Altenburg, Nr. 158; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 7; BÜNZ, Schulwesen (2014), S. 226.

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erlebt zu haben, der im Jahr 1272 einen Schulneubau notwendig machte. In dieser frühen Zeit hat sie eine starke Aktivität in der Stadt ausgeübt, die auch den Altenburger Bürgern zugutekam. Dass daher auch der Stadtrat an der weiteren Entfaltung der Schule ein Interesse hatte, bezeugt seine indirekte Beteiligung an der Errichtung des neuen Schulbaus: Er übertrug dem Deutschen Orden einen nahe der Johanniskirche gelegenen Hof, den er gleichzeitig von allen städtischen Rechten lossprach.48 Die Unterstützung lässt vermuten, dass die Johannisschule die für das städtische Bürgertum entscheidende und durch alle Bevölkerungsschichten zumeist in Anspruch genommene Bildungseinrichtung war. Das Amt des Schulmeisters wurde in diesem Jahr durch einen Albertus versehen, der sich unter den Zeugen der Urkunden befindet.49 Das in der Folge dieser Übertragung errichtete Schulgebäude befand sich an der Stelle der heutigen Johannisstraße 1850 und diente dem Schulbetrieb des Ordens bis in die Reformationszeit. Der zweite namentlich bekannte Schulmeister, der zugleich Priester war, ist im Jahr 1300 ein Johannes (sacerdos et rector scolarium in Aldinburg), der den Verkauf einer Mühle an das Kloster Buch bezeugte.51 Sein nächster bekannter Nachfolger kann schließlich bereits durch mehrere Urkunden und über mehrere Jahre hinweg nachverfolgt werden: Timo von Erdmannsdorf,52 Mitglied der im Meißnischen Raum ansässigen Adelsfamilie von Erdmannsdorf,53 tritt erstmals 1307 in Erscheinung, als drei Brüder von Erdmannsdorf, Werner, Gerlach und Peter, gemeinsam mit ihren fünf Neffen, darunter an erster Stelle einem Thymo, drei Hufen Land an das Altenburger Deutschordenshaus, dem sie mit dieser Übertragung vermutlich beigetreten sind, abtraten. Bezeugt wird diese Urkunde zudem von einem zweiten „Thimone filio Werneri militis de Ertmarsdorph“,54 der möglicherweise der Sohn des ersten unter den Brüdern war.55 Ein zweites Mal erscheint

48 Vgl. UB Altenburg, Nr. 227; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 7; SOMMERLAD, Der Deutsche Orden (1931), S. 165 u. 176; SELL, Chronik (1995), S. 35; BÜNZ, Schulwesen (2014), S. 226. 49 Die Übertragung des Hofes zum Zweck eines Schulbaus wurde in der älteren Forschung fälschlicherweise für eine Erstgründung gehalten, vgl. bspw. SOMMERLAD, Der Deutsche Orden (1931), S. 165. Dem widersprach bereits BÜNZ, Schulwesen (2014), S. 226. 50 Vgl. RUHLAND/RIEHM, Häuserbuch I (2005), S. 126. 51 Vgl. UB Altenburg, Nr. 420. 52 Vgl. LORENZ, Gymnasii (1789), S. 11; WAGNER, Georg Spalatin (1830), S. 32; GABELENTZ, Schulen (1863–1866), S. 202; BRAUN, Altenburg (1872), S. 211; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 7; SOMMERLAD, Der Deutsche Orden (1931), S. 166; BÜNZ, Schulwesen (2014), S. 226. 53 Vgl. HUECK, Adelslexikon, Art.: Erdmannsdorff, S. 164. 54 UB Altenburg, Nr. 454. 55 In drei weiteren Urkunden wird ein Bruder (!) Timo von Werner und Peter von Erdmannsdorf bedacht, vgl. ebd., Nr. 565, 568 und 595. Bei diesem handelt es sich hingegen um keinen der beiden hier genannten, da diese eindeutig als Neffe und Sohn benannt

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einer von beiden im Jahr 1321, diesmal im Amt des Schulmeisters der Altenburger Johannisschule, 56 als er eine Güterübertragung an den Deutschen Orden bezeugte. Da die Urkunde ihn als Magister ausweist, kann vermutet werden, dass er zwischen 1307 und 21 eine Universität besucht hat. Nur drei Jahre später, 1324,57 wurde er zum dritten Mal und abermals im Jahr 1331 unter den Zeugen einer Urkunde aufgeführt,58 beide Male erneut ausdrücklich als Schulmeister der Johannisschule bezeichnet. Im darauffolgenden Jahr, 1332, bezeugte er zusammen mit dem Schulmeister der Bergerschule den Schiedsspruch über den Patronatsstreit des Ordens mit dem Bergerstift, von dem bereits im Zusammenhang der Bergerschule die Rede war.59 Eine sechste Nennung als „cappelan unde schulemeystir des huses zcu Aldeborg“60 erfuhr er noch im selben Jahr, als er erneut eine Belehnungsurkunde bezeugte, bevor er 1337 das Amt eines Priesters versah, ohne jedoch ausdrücklich als Schulmeister bezeichnet zu werden.61 Wahrscheinlich hat er das Schulamt zwischen 1332 und 1337 zugunsten seiner geistlichen Laufbahn niedergelegt. Diese Reihe urkundlicher Nennungen verdeutlicht, dass die Johannisschule, ähnlich der Bergerschule am Ende des Mittelalters, bereits in der Frühzeit auf eine Kontinuität der Schulleitung bedacht war. Timo von Erdmannsdorf, der das Amt vor 1321 antrat, versah es mindestens elf Jahre. Er ist jedoch der einzige mehrfach genannte Schulmeister, für den die Dauer der Amtszeit vage umrissen werden kann. Wie sein Vorgänger Johannes war auch Timo von Erdmannsdorf Mitglied des Deutschen Ordens62 und versah neben dem Schulmeisteramt ein geistliches Amt als Kaplan. Er stieg später zum Priester auf. Das Schulamt diente ihm als Einstieg in die geistliche Karriere. Drei weitere namentlich bekannte Schulmeister stammen aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. 1358 versah ein Albertus die Schule,63 1361 bezeugte Johannes von Penig, der als „unser schulmeister“64 bezeichnet wurde, einen Kauf

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werden. Auch steht jener dritte Timo im Gegensatz zu dem hier genannten Schulmeister in keiner erkennbaren Verbindung zum Deutschen Orden. Vgl. ebd., Nr. 504. Vgl. ebd., Nr. 529. Vgl. ebd., Nr. 574. Vgl. ebd., Nr. 578. Ebd., Nr. 581. Vgl. ebd., Nr. 588. Somit gilt die These, dass der Deutsche Orden Schulmeister, die nicht dem Orden angehörten, für sich in Dienst nahm, erst für die spätere Zeit, vgl. FLEMMIG, Deutschordensballei (2013), S. 60; DERS., Der Deutsche Orden (2013), S. 55 f. Für den Altenburger Fall könnte dies den Umstand erklären, dass für das 15. Jahrhundert keine Schuldiener mehr namentlich bekannt sind. Vgl. DIETZE, Schulwesen (1922), S. 7. UB Altenburg II (Manuskript), 21. März 1361. Vgl. auch DIETZE, Schulwesen (1922), S. 7; BÜNZ, Schulwesen (2014), S. 226.

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von eineinhalb Hufen zugunsten des Deutschordenshauses. 1377 trat Johannes Meydeburg in diesem Amt ebenfalls als Zeuge eines Zinsverkaufes auf.65 Während Johannes von Penig noch ausdrücklich als Geistlicher angesprochen wurde, war Johannes Meydeburg ein Laie und dokumentiert damit die allmähliche Lösung des Schulmeisteramtes von den Ordensmitgliedern, die in Altenburg schon in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhundert ihren Anfang nahm. Bis in die Reformationszeit, die das Ende der Johannisschule mit sich brachte, sind keine weiteren Namen bekannt und auch die innere Organisation der Schule erfährt erst durch ihre Säkularisierung und die Inanspruchnahme des Schulgebäudes durch die Stadt eine jedoch dürftige Beleuchtung. Ein Güterverzeichnis des Altenburger Deutschordenshauses von 1543 und ein Grundbucheintrag von 1553 66 informieren darüber, dass die Schule neben dem Schulmeister durch zwei Gesellen versehen war.67 Stets wurde betont, dass die Stadt keine Kosten an der Schule zu tragen hatte. Sie wurde völlig vom Deutschen Orden versorgt und die Schuldiener, die nur diesem untergeben waren, auf Kosten des Ordens angestellt. Bezüglich der Frequentierung der Schule wusste man sich auch mehrere Jahrzehnte nach dem Ende der Schule noch zu erinnern, dass „darinnen viel knaben erzogen worden“68 seien. Die Deutschordensschule, deren Haus, wie man zudem aus einem Brief des Komturs Anthon von Harstall von 1530 erfährt, mit „zweyen stubenn vnnd Camernn“69 ausgestattet war, scheint demnach auch im sozialen Gefüge der Stadt eine große Bedeutung gehabt zu haben.70 Es kann angenommen werden, dass die Deutschordensschule für die städtische Bevölkerung die maßgeblichste Bildungseinrichtung gewesen ist, doch liegt ihre Entwicklung über die genannten Namen hinaus völlig im Dunkeln.

65 Vgl. UB Altenburg II (Manuskript), 14. Juni 1377; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 7; BÜNZ, Schulwesen (2014), S. 226. 66 Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 19476, fol. 46v (1543); GABELENTZ, Aufhebung (1845–1848), S. 193–194 (1553). 67 Auch in einem Brief des Stadtrats an den Kurfürsten von 1540 ist von drei Schuldienern die Rede, vgl. Stadtarchiv Altenburg, XII. p. Nr. 21, unfol. 68 LATh-StA Altenburg, Landesregierung 19476, fol. 46v. 69 LATh-StA Altenburg, Landesregierung 19477, fol. 26v. 70 Vgl. auch LORENZ, Gymnasii (1789), S. 10; WAGNER, Georg Spalatin (1830), S. 32; GABELENTZ, Aufhebung (1845–1848), S. 147 u. 149; DERS., Schulen (1863–1866), S. 202; BRAUN, Altenburg (1872), S. 211; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 7 f.; SCHNEIDER, Altenburg (1923), S. 17; BÜNZ, Schulwesen (2014), S. 226.

DAS SCHULWESEN IN KIRCHLICHER TRÄGERSCHAFT – DAS BEISPIEL ALTENBURG

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1.3. Die Martinsschule des St. Georgenstifts Im Jahre 1411 wurde die ehemalige Kaiserpfalz zu Altenburg zur fürstlichen Residenz ausgebaut. Mit dem Ausbau war die Gründung eines Kollegiatstifts verbunden, dessen Georgenkirche, die einstige Hauptkapelle der Kaiserpfalz, 1413 geweiht wurde. Mit der Gründung des Stifts erfolgte auch die Einrichtung einer Stiftsschule, deren Gründungszeitpunkt damit auf das Jahr 1413 festgelegt werden kann.71 Noch im Jahr der Erhebung wurden für das Georgenstift umfassende Statuten erlassen, in denen der Schulmeister (rector parvulorum) erstmals genannt und seine Bedeutung in der Stiftsgemeinschaft festgelegt wurde.72 Die Schule erscheint hier als ein fester Bestandteil des Stifts mit bereits institutionellem Charakter. Der Schulmeister war, ebenso wie der Kirchner, dem Propst des Stifts unmittelbar unterstellt. Dieser konnte ihn, jedoch nur im Konsens mit dem Konvent, ab- und einen neuen an seine Stelle einsetzen. Es wird deutlich, dass sowohl das Amt des Kirchners als auch des Schulmeisters von externen Personen, die keine Pfründe am Stift innehatten, übernommen wurde. Über die schulischen Tätigkeiten des Schulmeisters wurden in den Statuten keine Festlegungen getroffen, doch sollte er zusätzlich, so er dafür geeignet ist (si ydoneus fuerit), das Amt des Stiftsschreibers (sindicus capituli) versehen. Dafür hatte er dem Propst wie dem Stiftsältesten Treue und Gehorsam zu leisten. Seine Aufgaben als Schreiber bezogen sich auf die Abfassung der Briefe aus dem Stift und den Empfang der Briefe an das Stift, wobei er sich verpflichten musste, die stiftsinternen sowie private Angelegenheiten der Mitglieder nicht preiszugeben und einkommende Briefe nur dem Propst oder dem Ältesten zu übergeben. Eine weitere Haupttätigkeit betraf die Liturgie und die Kirchenmusik sowie damit verbunden die Leitung des Schülerchores. In dieser Hinsicht wurde ihm freie Hand gelassen, er sollte Fehler und Unstimmigkeiten im Chor wie bei den Schülern beheben. Neben ihm hatten nur der Propst und der Stiftsälteste das Recht, die Auswahl der Gesänge zu verändern. Zu den Hauptfesten sollten mit den Schülern eine Morgen- und eine Abendmesse sowie die üblichen Gottesdienste gehalten werden. Sowohl der Schulmeister wie auch die Schüler wurden dabei ermahnt, die Kirche stets zur rechten Zeit und mit der gebührenden Andacht (cum religion) zu betreten.

71 Vgl. BRAUN, Altenburg (1872), S. 210; SCHNEIDER, Altenburg (1923), S. 37 u. 39; BÜNZ, Schulwesen (2014), S. 226. 72 Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4212a, abgedruckt in Statuta Collegii jn Castro Aldenburg, S. 363–382. Vgl. außerdem LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen I (1886), S. 144; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 8; MORITZ, Schulgeschichte (1998), S. 174; BÜNZ, Schulwesen (2014), S. 226.

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Das Schulhaus befand sich am Fuß des Schlossbergers in der Vorstadt Naschhausen nahe der Martinskirche, nach der die Schule benannt war und der sie wahrscheinlich auch in liturgischen Belangen neben der Georgenkirche diente.73 Seine erste Erwähnung fand es im Jahr 1424 als örtlicher Bezugspunkt in einer Urkunde Markgraf Wilhelms II., mit der dieser die Stiftung eines Hauses „hinder der Schulen vnder vnserme Slosse“74 zu einer Vikarie bestätigte. Das Haus fiel 1444 und nochmals 1475 einem Brand zum Opfer.75 Wie im Fall der Deutschordensschule erfährt man erst im Zuge der Säkularisierung aus einem Brief an den Kurfürsten von 1533, dass die Schule neben dem Schulmeister durch einen Supremus und später durch einen Kantor versorgt wurde.76 Die Martinsschule stand wie das Stift mit dem Amt Altenburg in enger Verbindung. Dies zeigt sich unter anderem in der Unterhaltung der Schuldiener auf Kosten des Amtes. Durch den Markgraf Wilhelm II. wurde angeordnet, dass der Schulmeister vom Amt verköstigt werden solle. Allabendlich sollte er eine Kanne Bier und ein paar Lichter erhalten und aus dem Leinewald bei Altenburg sollten der Schule jährlich fünf Fuder Holz bereitgestellt werden.77 Die Verköstigung aus dem Amt lässt sich anhand der erhaltenen Amtsrechnungen, in denen der Schulmeister unter den Kostgängern zeitweise mit seinem Gesellen aufgeführt wird, gut belegen.78 Erst nach 1491 wurde seine Verköstigung durch ein beachtliches Kostgeld in Höhe von 5 n ß ersetzt, nach 1510 auf 10 n ß erhöht und endgültig auch auf seine Gesellen ausgeweitet.79 Dafür stand die Schule dem Amt 73 Vgl. GABELENTZ, Schulen (1863–1866), S. 201; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 8; BÜNZ, Schulwesen (2014), S. 226. 74 LATh-StA Altenburg, Handschriften der Geschichte- und Altertumsforschenden Gesellschaft des Osterlandes, Nr. 201, fol. 2v. Die ältere Forschung legt die Ersterwähnung des Schulhauses erst in das Jahr 1444, vgl. bspw. WAGNER, Georg Spalatin (1830), S. 31. 75 Vgl. LORENZ, Gymnasii (1789), S. 7; BEUST, Jahrbücher II (1800), S. 3; GABELENTZ, Schulen (1863–1866), S. 201; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 8; SCHNEIDER, Altenburg (1923), S. 30; SELL, Chronik (1995), S. 39 f.; BÜNZ, Schulwesen (2014), S. 228. 76 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 720, fol. 2r. Die ältere Forschung spricht von noch einem weiteren Schuldiener (Infimus), doch ist er heute nicht nachweisbar, vgl. GABELENTZ, Schulen (1863–1866), S. 201; LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen I (1886), S. 144; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 9; SCHNEIDER, Altenburg (1923), S. 39; BÜNZ, Schulwesen (2014), S. 228. 77 Vgl. LORENZ, Gymnasii (1789), S. 8; BRAUN, Altenburg (1872), S. 211; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 9; SCHIRMER, Residenz (2014), S. 200. 78 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 281, fol. 35v (1445/46); ebd., Reg Bb 288, fol. 90v (1485/86); ebd., Reg Bb 293, fol. 96v (1488/89); ebd., Reg Bb 295, fol. 90v (1490/91). 79 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 297, fol. 19v (1499/1500); ebd., Reg Bb 332, fol. 18r (1521/22). Die ältere Forschung legt den Wechsel von der Kost zum Kostgeld fälschlicherweise schon auf das Jahr 1469, vgl. GABELENTZ, Schulen (1863–1866), S. 201; LÖBE/ LÖBE, Kirchen und Schulen I (1886), S. 144.

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für liturgische Zeremonien wie beispielsweise vom Amt ausgerichtete Beerdigungen zur Verfügung.80 Diese materielle Beteiligung der Landesherrschaft verdeutlicht das Interesse an der Schule als Teil des Residenzstiftes, doch ist darüber hinaus eine personelle Einflussnahme, wie sie anderorts nachgewiesen werden kann, nicht erkennbar.81 Die Statuten von 1413 legten die Patronatsgewalt über die Schule in die Hände des Propstes, die sie bis zuletzt nicht wieder verließ. Das Amt des Scholasters hatte es, wie schon anhand der Statuten deutlich wurde, in Altenburg im 15. Jahrhundert nicht gegeben. Aus finanziellen Gründen wurde auf ihn, wie auf den Kantor, dessen Aufgaben der Schulmeister übernahm, zunächst verzichtet. Ein Kantor wurde jedoch um 1500 eingeführt, während die Gründung der Scholasterie um 1507 stattfand.82 Der Kanoniker Dr. Johannes Hammelburg stiftete sie in diesem Jahr mit einer Hauptsumme von 400 fl83 und stattete sie im folgenden mit einem zusätzlichen Zins von 7 fl 4 gr aus Korbußen aus. Hammelburg selbst war der erste Inhaber dieses Amtes, über dessen Aufgaben und Pflichten zwar keine Informationen vorliegen, die jedoch die übliche Funktion eines Scholasters dargestellt haben werden. Er behielt es bis zu seinem Tod im Jahr 1517 inne. Sein Nachfolger, der bereits der letzte Scholaster sein sollte, war Johann von Haugwitz.84 Noch im Jahr 1528 verfügte die Scholasterie, obwohl nicht mehr besetzt, über ein Gesamteinkommen in Höhe von 25 fl 4 gr.85 Genau wie die Scholasterie basierte auch die Kantorei auf einer Stiftungshauptsumme von 400 fl, die ein Zinseinkommen von 24 fl abwarf,86 doch ist der Zeitpunkt der Stiftung wie auch der Stifter unbekannt. Ein namentlich bekannter Kantor ist Leonhard Zcehnder. Er erscheint in einer Reihe von Urkunden zwischen 1511 und 1522 und versah sein Amt bis zu seinem Tod 1528.87 Obwohl seine Amtszeit somit mindestens 17 Jahre umfasste, wirft ein Brief des Kaplans Conrad von Ruptzsch vom 26. Juni 1520 an den Kurfürsten ein eher schlechtes Bild auf den Schülerchor.88 Der Kaplan bat den Kurfürsten in seinem Schreiben darum, Gelder zur Verbesserung des Chores zur Verfügung zu stellen. Aus der 80 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 302, fol. 25r. 81 Als exemplarisches Beispiel anhand der Schule des Braunschweiger ebenfalls an einer Residenz angelegten St. Blasiusstiftes vgl. KINTZINGER, Braunschweig (1990), S. 39–41. 82 Vgl. ANHALT, Kollegiatstift (2004), S. 11; DERS., St.-Georgen-Stift (2014), S. 237 f.; BÜNZ, Schulwesen (2014), S. 228. 83 Vgl. StA Altenburg, XII. p. Nr. 13b, fol. 40v/45r/46v. 84 Vgl. DIETZE, Schulwesen (1922), S. 8; ANHALT, Kollegiatstift (2004), S. 18 u. 120 f. 85 Vgl. StA Altenburg, XII. p. Nr. 13b, fol. 40v/45r/46v; LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1, fol. 102r. 86 Vgl. StA Altenburg, XII. p. Nr. 13b, fol. 40v/45r/46v. 87 Vgl. StA Altenburg, XII. p. Nr. 3, fol. 12v, 13v u. 14r; LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4251, fol. 198r–v. 88 Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4251, fol. 88r–89r.

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Argumentation des Kaplans wird deutlich, dass der Schulchor des mit der fürstlichen Residenz verbundenen Stifts auch dem Kurfürst selbst zur Verfügung stand. Nicht allein erlebte dieser den Chor bei seinen Aufenthalten in Altenburg, auch darüber hinaus wird angedeutet, dass der Chor den Kurfürsten auf den kommenden Reichstag begleiten würde. Es ist bekannt, dass Friedrich der Weise seine Hofkapelle mit ausgewählten Sängern im Schulalter besetzte, 89 sodass vermutet werden kann, dass einige dieser Knaben aus der Altenburger Stiftsschule rekrutiert worden sind. Der Kurfürst würde allerdings, so schrieb der Kaplan, an dem Chor, wie er sich zu dieser Zeit befand, keine Freude haben. Im Besonderen sei ein Tenor namens Balthasar zum Singen völlig ungeeignet und darum des Chores verwiesen worden. Die Aufbesserung des Tenors sei jedoch schwierig, da es „dieser Zeit gar vbel geschickt sei mit Tenoristen“. Das gleiche Geschick traf den Bass. Es seien zwar zwei neue Bassisten vorhanden, doch seien diese „zw syngen fast vngeschickt vnnd grob“.90 Der Chor sei bereits durch Mitglieder des Stifts aufgestockt worden, doch könne dies nur eine vorübergehende Lösung bleiben. Conrad ergänzte, dass es in der Wittenberger Kantorei gute Sänger gebe, die dem Altenburger Chor dienstlich sein könnten und bat den Kurfürsten, einen Altisten namens Paul Knoth zu ersuchen, sich zu diesem Zweck nach Altenburg zu begeben. Eine Antwort des Kurfürsten ist nicht bekannt, doch zeigt ein späterer Briefwechsel, dass der Chor bis in die frühe Reformationszeit hinein nicht wieder aufgerichtet werden konnte.

1.4. Die Pfarrschulen St. Bartholomäi und St. Nikolai Nur wenige, mitunter nicht unzweideutige Spuren weisen auf die Existenz der vorreformatorischen Schulen an den beiden Pfarrkirchen der Stadt hin. In der älteren Forschung führte dies dazu, dass ihre Existenz völlig negiert und ihre Gründung erst in das 16. Jahrhundert und die Reformationszeit gelegt wurde.91 Bestärkt wurde diese Meinung durch eine aus der Retrospektive getroffene Aussage des Stadtrats, der die Söhne Johann Friedrichs im Jahre 1556 darüber unterrichtete, dass „Im Bapsthumb drey schulen alhier gewesen, Nemlich eine vnder e. f. g. Stiefft, die andere vnder dem Berger closter, beide vor der stadt, die dritte bei dem deutzschen hause, doch alle drei ausser des Raths bothmessigkeit gelegenn“. 92 Der Irrtum kann jedoch schon 89 Vgl. GEHRT, Lieder (2012), S. 30. 90 Für beide Zitate LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4251, fol. 88r–v. 91 Vgl. WAGNER, Georg Spalatin (1830), S. 83 f./93 f.; GABELENTZ, Schulen (1863–1866), S. 203/205. 92 LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4271, fol. 1r. Vgl. auch StA Altenburg, XII. b. 4. Nr. I, unfol.

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aufgrund von Indizien und Spekulationen hinterfragt werden. Nicht allein scheint die Entstehung einer Pfarrschule für die Versorgung der geistlichen Handlungen der Kirchen wahrscheinlich.93 Eine Beteiligung der Martins- und der Deutschordensschule ist nicht erkennbar, was vermuten lässt, dass sie ihren Wirkungsbereich in der sie bestimmenden kirchlichen Institution fanden. Dennoch war die Bergerschule, wie gezeigt wurde, allzeit darum bemüht, den kirchlichen Vorrang gegenüber anderen Schulen zu bewahren. Die Gesangsordnung des Salve Regina in der Bartholomäikirche von 1478 verlangt ausdrücklich, dass nur der Bergerschulmeister mit seinen Schülern den Gesang zu übernehmen hatte. Gegen wen sollte diese Forderung gerichtet sein, wenn nicht gegen eine Bartholomäipfarrschule? In den Quellen ist jedoch zunächst die Nikolaischule greifbar. Im Jahr 1399 stiftete Nickel Steinbrecher der Nikolaikirche eine Summe Geldes für die Abhaltung einiger Messen und den Ankauf von Lichtern. Für das Halten der Seelenmessen sollten „der pharrer vn syne schuler“94 36 gr als Entlohnung erhalten. Von einem Schulmeister ist zwar keine Rede, doch wird es sich bei den Schülern um solche der Pfarrschule gehandelt haben, die dem Pfarrer beim Singen behilflich waren. Erst 1441 kommt es zu einer zweiten Nennung der Schüler, die durch eine weitere Stiftung eines Seelenbades und zweier Begängnisse durch Hans Zcymar zusammen mit dem Pfarrer 10 gr Entlohnung erhielten.95 Die Bartholomäischule ist durch eine ähnliche Stiftung erst zweieinhalb Jahrzehnte nach der Nikolaischule nachweisbar. 1425 kaufte der Altenburger Bürger Kune Kramer von dem Burggrafen Albrecht von Starkenberg acht Acker Feld zugunsten der Fronleichnamsmesse in der Bartholomäikirche. Der anfallende Zins solle von den Altarleuten dazu aufgewandt werden, „daz dy messe gesungen werde mit schulern“.96 Welche Bedeutung die Pfarrschulen neben der Bergerschule hatten, wird dadurch deutlich, dass sie in das bereits oben im Zusammenhang der Bergerschule genannte Testament des Propstes Jhan von Döhlen von 1439/46 mit aufgenommen wurden.97 Auch in den Pfarrkirchen wurden Messen und Vigilien gestiftet, an denen die Plebane und die Schüler beider Kirchen beteiligt sein sollten. Anders als im Falle des Bergerstifts ist hier von Schuldienern keine Rede. 93 So auch LORENZ, Gymnasii (1789), S. 11 f.; GABELENTZ, Schulen (1863–1866), S. 204; BRAUN, Altenburg (1872), S. 211. 94 StA Altenburg, Urkunde Nr. 43. Vgl. auch ebd., XII. p. Nr. 2, fol. 24r–v. 95 Vgl. StA Altenburg, XII. p. Nr. 2, fol. 25r; LORENZ, Gymnasii (1789), S. 11; GABELENTZ, Schulen (1863–1866), S. 204; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 10; BÜNZ, Schulwesen (2014), S. 228. 96 StA Altenburg, Urkunde Nr. 64. 97 Vgl. FLACH, Testament (1933), S. 555–567, hier S. 564 f.; GABELENTZ, Schulen (1863– 1866), S. 204; BÜNZ, Schulwesen (2014), S. 228.

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Stattdessen werden die Schüler beider Schulen für ihre Mitwirkung mit zwei, in der zweiten Ausführung des Testaments mit 8 gr entlohnt. Im Jahr vor der zweiten Ausführung des Testaments, 1445, wurde durch den Stiftsherrn des St. Georgenstifts Johannes Wurtzen das Salve Regina in der Bartholomäikirche gestiftet. Allwöchentlich sollten am Freitag und Sonnabend sowie an ausgewählten Heiligentagen Lobgesänge unter der Beteiligung der Schüler gehalten werden. Dafür sollte der Schulmeister, „der das vorwest, von der kinder wegin die da singin das Salue“,98 volle 40 gr und somit eine Entlohnung in beachtlicher Höhe erhalten. Weitere die Bartholomäischule einbeziehende Stiftungen stammen aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. 1482 wurde das Totengedenken der Rosenkranzbruderschaft durch eine Prozession um die Bartholomäikirche erweitert. Der Pfarrer, der Küster und ein Chorschüler sollten dabei das Kreuz um die Kirche tragen und das De profundis singen. Aus der dazu gestifteten Hauptsumme von 2 ß sollte der Chorschüler 16 gr erhalten.99 Eine Neuregelung erfuhr im Folgejahr auch der Versehgang des Pfarrers durch eine Stiftung von Konrad Triller. Der Pfarrer, der ihn bislang allein und schweigend verrichtet hatte, sollte nun von einem „Chorsuler vnd eyme schuler der seyne wonunge ym kirchhuße bey dem kirchner haben vnd sein sol“ 100 begleitet werden, die dafür jeweils 20 gr erhalten sollten. Bemerkenswert ist die auffallende doppelte Nennung der Schüler. Sie veranlasste von der Gabelentz zu der Vermutung, dass das Bergerstift auch die Patronatsgewalt über die Pfarrschulen inne gehabt und diese mit eigenen Schülern besetzt habe und die Formulierung ‚Schüler‘ hier den Schulmeister bezeichne, der einst Schüler der Bergerschule gewesen sei.101 Diese These lässt sich nicht bestätigen und erscheint zweifelhaft. Selbst wenn der Schulmeister einst Schüler der Bergerschule gewesen sei, wäre er vom Schreiber der Urkunde mit seinem derzeitigen Amt bezeichnet worden. Wahrscheinlicher ist, dass durch die Formulierung ein näherer Einblick in die personellen Verflechtungen zwischen Kirche und Schule gewährt wird. Tatsächlich gehörte nur einer der Schüler dem Schülerchor an, während der andere den Pfarrer, nicht nur beim Versehgang, als eine Art fest beigeordneter Messdiener unterstützte. Die Unterbringung im Haus des Kirchners und die damit vermutlich verbundene Versorgung des Schülers, bestätigt, dass diese Rolle keinem wechselnden, sondern einem ausgewählten Schüler, der 98 99

StA Altenburg, XII. p. Nr. 4, unfol. Vgl. HASE, Bartholomäikirche (1862), S. 275–278; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 10; BÜNZ, Schulwesen (2014), S. 228; KÜHNE, Stadt, Residenz und Frömmigkeit (2013), S. 294. 100 StA Altenburg, XII. p. Nr. 3, fol. 48r. Abgedruckt bei HASE, Bartholomäikirche (1862), S. 280. Vgl. auch GABELENTZ, Schulen (1863–1866), S. 206; BÜNZ, Schulwesen (2014), S. 228. 101 Vgl. GABELENTZ, Schulen (1863–1866), S. 208.

DAS SCHULWESEN IN KIRCHLICHER TRÄGERSCHAFT – DAS BEISPIEL ALTENBURG

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nicht zwangsläufig Angehöriger der Pfarrschule gewesen sein muss, als regelrechtes Amt zugesprochen wurde.102 Dieselbe Methode kann anhand der oben genannten Stiftung von Nickel Steinbrecher von 1399 auch für die Nikolaikirche vermutet werden. Eine weitere Messstiftung Konrad Trillers fällt in das Jahr 1489. Jeden Freitag solle eine ewige Messe am Altar zum Heiligen Kreuz in der Bartholomäikirche gehalten werden, zu der ein „chorschuler zu Sanct Bartholomes“103 mit dem Kirchner singen solle. Der Schüler erhielt dafür 6 gr. Für die Nikolaischule lässt sich hingegen nur eine weitere Stiftung auffinden. Das Salve Regina wurde durch den späteren Scholaster der Martinsschule, Johannes Hammelburg, 1503 auch für die Nikolaikirche gestiftet. Neben dem Pfarrer und dem Kirchner erscheint unter den Beteiligten auch ein Chorschüler, der für seinen Gesang 10 gr erhalten sollte. Dem Stadtrat wurde freigestellt, die Entlohnungssummen für alle Beteiligten zu verbessern.104 Über Inhalte und Organisation der Pfarrschulen ist nichts in Erfahrung zu bringen. Es ist jedoch anzunehmen, dass es sich bei ihnen nur um kleine Schulen zur Verrichtung der gottesdienstlichen Liturgie gehandelt haben wird, die im Schatten der drei bereits dargestellten Schulen kaum zu höheren Bildungsinhalten gekommen sind.105 Als solche werden sie wahrscheinlich eher von den unteren städtischen Bevölkerungsschichten in Anspruch genommen worden sein, was durch die angedeuteten Maßnahmen zur Versorgung der Schüler bestätigt wird. Anders als für die Bartholomäischule lassen sich für die Nikolaischule hingegen anhand der erhaltenen Kirchenrechnungen einzelne Details aus dem regelmäßigen Alltag der Schüler herauslesen. Während die Messen der Fastenzeiten durchweg vom Bergerschulmeister gesungen worden sind, wurden die Messen „vff den gutten freytag“ 106 (Karfreitag) vom Kirchner mit der Unterstützung von Chorschülern gehalten. Darüber hinaus wurden zwei Anlässe Jahr für Jahr von der Gemeinde und der Schule gemeinsam festlich begangen: Der Jahrestag der Kirchweihe und das Fest des Patrons St. Nikolaus. Zu beiden Anlässen wurden die Schüler mit „brot, hering vnd bir vnd suppn“107 verköstigt, während der Schulmeister ein Trankgeld erhielt, weil er mit den Schülern gesungen habe. Über etliche Jahrgänge zwischen 1494 und 1525 lässt sich dieser Brauch nachverfolgen, 102 Über diese Funktion eines dem Pfarrer fest beigeordneten Gehilfen mit der Bezeichnung eines Scholaren handelte bereits 1875 Mülverstedt, vgl. MÜLVERSTEDT, Beiträge (1875), S. 23 f. 103 StA Altenburg, XII. p. Nr. 3, fol. 47r. Abgedruckt bei HASE, Bartholomäikirche (1862), S. 288–290. 104 Vgl. LATh-StA Altenburg, Urkunde 20. März 1503; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 10 f. 105 So auch BRAUN, Altenburg (1872), S. 211; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 10. 106 StA Altenburg, XII. p. Nr. 9, unfol. (1495/96). 107 Ebd. (1494/95).

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der ebenfalls die Vermutung der Frequentierung aus den unteren Bevölkerungsschichten untermauert.108 In manchen Jahren ist dabei von mehreren Schulmeistern die Rede, was vermuten lässt, dass sich die Schulen zum Anlass dieser Feste vereinten.109 Selbst als die Messen des Bergerschulmeisters in den Fastenzeiten allmählich der Reformation zum Opfer fielen, blieb diese festliche Tradition noch einige Zeit erhalten. Durch das Fehlen späterer Rechnungen kann ihr Ende nicht genau festgelegt werden.

1.5. Vereinzelte Hinweise auf weitere Schulen Die fünf damit genannten kirchlichen Schulen bildeten den größten Teil des vorreformatorischen Schulnetzes, auf das sich die bisherige lokalgeschichtliche Forschung konzentrierte. Eine bedeutende Ausweitung dessen lässt sich aufgrund der Quellenlage nicht vornehmen, doch sollen an dieser Stelle einige vereinzelte Hinweise auf weitere schulische Aktivitäten erwähnt werden. So stellt sich beispielsweise die Frage nach den schulischen Möglichkeiten der Mädchen in der Stadt. Frauenbildung war, wenn sie nicht in privater Hand lag, eine Angelegenheit der weiblichen geistlichen Gemeinschaften. Als solche fand sie ihren Niederschlag lediglich, wenn sie Gegenstand von Auseinandersetzungen war. Dass die Quellen hingegen schweigen, bedeutet somit nicht, dass die Mädchenbildung ausgeschlossen war, sondern nur, dass sie keinen Anstoß erregte. Insbesondere die neuere Forschung betont, dass sie weiter verbreitet gewesen sei, als bislang konstatiert. 110 Eine Möglichkeit war die schulische Erziehung in den Klöstern und der singulär stehende Name einer Schulmeisterin zeigt, dass dies auch in Altenburg bereits im 13. Jahrhundert der Fall war. Im Jahr 1294 stellte der Konvent des Maria-Magdalena-Nonnenklosters eine Urkunde aus, durch die das Kloster mit dem Deutschordenshaus einen Ländereientausch besiegelte. Unter den Namen der das Kloster vertretenden Ordensfrauen erscheint die Scholasterin Elysabeht.111 Keine weitere Spur dieser Schule lässt sich nachweisen und somit kann auch die Frage nicht beantwortet werden, ob diese Schule nur der Ausbildung späterer Nonnen diente oder aus dem Kloster heraus auf die Schullandschaft der Stadt einwirkte. Derselbe Vorbehalt über den nicht festzustellenden Wirkungsbereich betrifft auch den in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts nachweisbaren Stuhlschreiber. Nach Ausweis der Stadtrechnungen nahm der Stadtrat seine Dienste 108 109 110 111

Vgl. ebd.; StA Altenburg, XII. p. Nr. 17, unfol. Vgl. bspw. 1501/2 und 1503/4, vgl. StA Altenburg, XII. p. Nr. 9, unfol. Vgl. exemplarisch MOORE, Magdalena Heymair (2015), S. 79. Vgl. UB Altenburg, Nr. 377.

DAS SCHULWESEN IN KIRCHLICHER TRÄGERSCHAFT – DAS BEISPIEL ALTENBURG

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zeitweilig in Anspruch, wofür er entsprechend bezahlt worden ist.112 Dem Amt gegenüber war er mit zwei zu Michaelis zu zahlenden Groschen zinspflichtig,113 wurde im Gegenzug jedoch vereinzelt vom Amt durch die Bereitstellung von Papier und Büchern unterstützt.114 Zuletzt sei auf einen Schulmeister hingewiesen, der zwar namentlich bekannt ist, aber keiner Schule zugeordnet werden kann. Johannes von Sale, aus Coburg gebürtig, soll um 1455 bereits seit einiger Zeit in Altenburg als Schulmeister gewirkt haben. In diesem Jahr wandte er sich mit der Bitte an den Herzog Wilhelm III., dass dieser ihm ein Empfehlungsschreiben für seine Bewerbung auf die Schulmeisterstelle der unter städtischem Patronat stehenden Schule von Saalfeld ausstellen möge.115 Anhand der Altenburger Quellen lässt er sich jedoch nicht nachweisen. Unter der Voraussetzung, dass die Schulmeister der Johannisschule im 15. Jahrhundert nicht mehr dem Deutschen Orden angehörten, lässt die Freizügigkeit Johannes von Sales auf die Zugehörigkeit zur Johannisschule schließen. Das Schreiben Wilhelms III. lässt jedoch auch Vertrautheit mit dem Bewerber erkennen, wodurch eine Beziehung zur Georgenstiftsschule, die eine persönliche Bekanntschaft ermöglicht hätte, denkbar erscheint. Diese und weitere Möglichkeiten entbehren jedoch jeder Grundlage und enden in der Spekulation.

112 Vgl. StA Altenburg, XI. A. 2a. Nr. 21, fol. 137r (1467). 113 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 295, fol.13v (1490/91); ebd., Reg Bb 297, fol. 13r (1499/1500); ebd., Reg Bb 300, fol. 12r (1502/03); ebd., Reg Bb 302, fol. 13v (1504/5); ebd., Reg Bb 304, fol. 13v (1505/6). 114 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 302, fol. 24v (1504/5). 115 Das Empfehlungsschreiben des Herzogs ist nicht erhalten, aber wörtlich abgedruckt bei RICHTER, Schulkomödie (1864), S. 15, Anm. 14.

2.

Das Schulwesen in städtischer Trägerschaft – das Beispiel Saalfeld

DAS SCHULWESEN IN STÄDTISCHER TRÄGERSCHAFT – DAS BEISPIEL SAALFELD

2.1. Die ersten Spuren eines Schulwesens und dessen anfängliche Entwicklung In Altenburg prägten die kirchlich getragenen Schulen die Stadt. Saalfeld, das bei Weitem nicht durch eine derartig stark ausgebildete geistliche Präsenz bestimmt war, stellt zu dieser Entwicklung ein Gegenbeispiel dar. Zwar bestand auch im hiesigen Benediktinerkloster möglichweise schon seit dessen Gründung 1071 eine Schule, 1 doch war sie für die Bürgerschaft von geringerer Bedeutung als ihr städtisch getragenes Gegenstück. Die folgende Betrachtung soll daher auf die einzige Saalfelder Gemeine Schule an der Pfarrei St. Johannis gerichtet werden. Ihre Geschichte nimmt ihren Anfang in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, während die Stadt unter der Herrschaft der Schwarzburger, die von 1208 bis zu ihrem Verkauf an die Wettiner 1389 währte, einen erheblichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aufschwung erfuhr. Ihm verdankt die Schule vermutlich ihre Entstehung. 2 Die erste Spur ihrer Existenz fällt bereits auf den 27. Januar 12683 – eine verhältnismäßig frühe Erstnennung. In einer Urkunde, mit der Graf Günther VII. der Ältere von Schwarzburg dem neu errichteten Zisterzienserinnenkloster zu Saalfeld den Betrag von acht Mark stiftete, erscheint unter den Zeugen an letzter Stelle erstmals ein „rector scolarum in Saluelt“4 namens Johannes. Nur wenige Jahre später bildete der Wechsel der Patronatsinhaber der Pfarrkirche St. Johannis den geschichtlichen Hintergrund der frühen schulischen Entwicklung. Die Patronatsrechte wurden 1272 an das besagte Zisterzienserinnenkloster abgetreten. Dieses siedelte zwar bereits zwei Jahre später nach Stadtilm über, behielt die Besetzungsrechte jedoch noch bis 1306 inne. Am 5. Juni dieses Jahres wurde das Patronat schließlich dem Deutschen Orden verliehen, der es bis zur Reformation innehaben sollte.5 Ob die Auswahl und die Einsetzung des Schulmeisters im 13. Jahrhundert in den kirchlichen Patronatsrechten enthalten waren, ist ungewiss. Die nur kurze 1 2 3 4 5

Vgl. WAGNER/GROBE, Chronik (1867), S. 274; WERNER, Saalfeld (1995), S. 19–21; GOSS/ KNÜPFER, Geschichte des Schulwesens II (2004), S. 102. Vgl. PATZE, Saalfeld (1989), S. 374; WERNER, Saalfeld (1995), S. 36–38. Vgl. HUMAN, Reformation (1917), S. 63; WERNER, Saalfeld (1995), S. 40. Urkunde abgedruckt bei FÜßLEIN, Gründungsgeschichte (1933), S. 426 f.; Regesta diplomatica necnon Epistolaria Historiae Thuringiae 4, Nr. 149. Vgl. SAGITTARIUS, Historien I, S. 52; PUSCH, Johanniskirche (1933), S. 55; PATZE, Saalfeld (1989), S. 375; WERNER, Saalfeld (1995), S. 40 f.

DAS SCHULWESEN IN STÄDTISCHER TRÄGERSCHAFT – DAS BEISPIEL SAALFELD

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Übertragungsurkunde von 1272, die der Chronist Caspar Sagittarius in seinen Saalfeldische Historien wiedergab und die alle enthaltenen Rechte in einem Wort zusammenfasst, lässt diese Frage offen.6 Sollte es der Fall gewesen sein, wurde dieser Bestandteil schnell aus den kirchlichen Patronatsrechten herausgelöst. Deutlicheren Aufschluss liefern darüber die Saalfelder Statuten, in denen die Wahl und Belehnung der Schulmeister als festgeschriebenes städtisches Recht erscheinen. Das Statutenbuch enthält in 198 Artikeln eine unsystematische Zusammenstellung aller Bereiche des städtischen Rechts und setzt sich aus altem Gewohnheitsrecht, verliehenen Privilegien und selbst gesetztem städtischen Recht zusammen.7 Der 94. Artikel der Sammlung betrifft die alljährlich zu erneuernde Verleihung der Schulmeisterstelle: „Jeder rat sal di schule nicht lenger ljene laze icheime […] schulmeistere danne ein jar“.8 Es sollte demzufolge kein Schulmeister sein Amt, das er ausdrücklich vom Stadtrat verliehen bekam, länger als ein Jahr innehaben dürfen. Dem drohenden und möglicherweise bereits eingetretenen Amtsmissbrauch sollte auf diese Weise zuvorgekommen werden, doch ist ein bestimmter Anlass zu dieser Bestimmung nicht erkennbar. Franziska Facius verortet die nicht genau datierbare Entstehung des Statutenbuches anhand der Entstehung städtischer Verfassungsstrukturen in dem Zeitraum von 1286 bis 1324.9 Anders verfährt Erich Wagner, der zurecht darauf verweist, dass in den Statuten Nonnen erwähnt werden, sodass die Entstehung der Statuten in die Zeit vor der Verlegung des Zisterzienserinnenklosters 1274/75 nach Stadtilm datiert werden müsse.10 Die bei Facius gewährte Möglichkeit wird demnach bei Wagner zur Gewissheit, dass die Schule bereits vor der Übertragung des Kirchenpatronats an den Deutschen Orden in städtischer Hand gelegen haben muss. Ein gegenteiliger Fall, der noch in der neusten Forschung konstatiert wurde,11 wird anhand der Quellen nicht deutlich, da weder Konflikte mit der Kirche, zu der eine eigenständige städtische Rechtssetzung vermutlich geführt hätte, noch ein verliehenes Privileg über die Einsetzung des Schulmeisters aus dieser Zeit überliefert sind. Die Schule kann daher vermutlich bereits als städtische Gründung angesprochen werden, was durch weitere Artikel aus den Statuten unterstützt wird. Der 17. Artikel, in dem es heißt „Wer den andern roufit her si ritter

6 7

Vgl. SAGITTARIUS, Historien I, S. 52. Vgl. MEINEL, Ortsstatut (1893), S. 3–5; WERNER, Saalfeld (1995), S. 45; FACIUS, Civitas Saleveld (2008), S. 69. 8 StA Saalfeld, C III 1, fol. 14v; WALCH, C. F. Beyträge (1771), S. 36. Ein überflüssiges Wortfragment („schulistere“) vor der Nennung des Schulmeisters führt Walch auf ein versehentliches Verschreiben des Schreibers zurück. 9 Vgl. FACIUS, Statuten (2008), S. 10; DIES., Civitas Saleveld (2008), S. 76 f. 10 Vgl. WAGNER, Rudolstadt (1999), S. 64. 11 Vgl. FASBENDER, Einleitung (2014), S. 3.

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adir knecht, schuler adir leige […]“,12 sowie der 26. Artikel mit den Worten „Wer icht zcu klagene odir zcu vorderne hat her si schuler adir nonne“,13 unterwarfen die Schüler dem städtischen Recht (Kap. I. 4.1.2.). Eine juristische ‚Aufteilung‘ der Schülerschaft auf das geistliche und weltliche Gericht, wie sie beispielsweise aus Chemnitz bekannt ist,14 wurde hier nicht vorgenommen, was auf die alleinige städtische Trägerschaft schließen lässt. Über die Art und Einrichtung der Schule kann in dieser frühen Zeit noch kein Urteil gefällt werden. Es unterliegt aber keinem Zweifel, dass es sich um eine Lateinschule gehandelt habe. Bis in die neueste Forschung hinein ist mehrfach die These geäußert worden, dass Saalfeld im 13. Jahrhundert über eine Deutsche Schule verfügt habe, die erst durch die Einführung der Reformation zu einer Lateinschule erhoben wurde,15 doch entbehrt diese Ansicht, wie sich zeigen wird, jeder Grundlage. Die Einsetzung des neuen Schulmeisters fiel, wie spätere Nachrichten zeigen, auf den Michaelistag, doch ist ein Wechsel des Amtsträgers in vorreformatorischer Zeit nur ein einziges Mal sicher nachweisbar. Dass mit der alljährlichen Neubelehnung nur die Möglichkeit, untaugliche Schulmeister abzusetzen, jedoch nicht unbedingt auch ein Wechsel des Amtsträgers verbunden war, die genaue Bestimmung des Stadtrechtsartikels somit Theorie blieb, zeigt das Beispiel des zweiten namentlich bekannten Rektors der Saalfelder Schule, Cunrad von Muchilde. Seine mehrjährige Amtszeit fiel in die Jahre kurz nach dem von Facius angegebenen Entstehungszeitraum der Stadtstatuten. Es ist daher anzunehmen, dass die Regelung der jährlichen Neuwahl wenn noch nicht festgeschrieben so doch schon praktiziert worden ist. Erstmals tritt er, als „shulmeystere“ bezeichnet, im Jahr 1324 in Erscheinung.16 Zusammen mit Graf Günther XV. von Schwarzburg-Blankenburg und einigen weiteren Saalfelder Bürgern war er an der finanziellen Ausstattung einer Altarstiftung im städtischen Spital beteiligt. Ein weiteres Mal erscheint „Meister Cunradis von Muchele der da schulmeister ist in unsir stad zu salvild“ im Jahre 1326.17 Es heißt, dass er demselben schwarzburgischen Grafen, dem Aussteller der Urkunde, einen Jahreszins von zwei Mark aus einem Gut zu Loquitz abgekauft habe.

12 13 14 15

StA Saalfeld, C III 1, fol. 3v; vgl. MEINEL, Ortsstatut (1893), S. 16. StA Saalfeld, C III 1, fol. 5r; vgl. MEINEL, Ortsstatut (1893), S. 18. Vgl. FASBENDER, Lateinschule (2014), S. 100. Vgl. KELLER, Denkschrift (1887), S. 1; BRÄUTIGAM, Festschrift (1937), S. 9; GOß/ KNÜPFER, Geschichte des Schulwesens II (2004), S. 102; RUMPF, Kirchenmusikpflege (2007), S. 30. 16 Zitiert nach StA Saalfeld, A 2. Vgl. auch SAGITTARIUS, Historien I, S. 56; SCHMITT, Schriftsprache (1966), S. 330; WERNER, Saalfeld (1995), S. 44. 17 Zitiert nach StA Saalfeld, A 5. Vgl. auch SAGITTARIUS, Historien I, S. 56; HUMAN, Reformation (1917), S. 63.

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All diese Hinweise auf die Existenz einer aktiven Stadtschule werfen kein Licht auf deren Situation. Die näheren Umstände der frühen Saalfelder Schulgeschichte bleiben somit im Dunkeln. Hinweise auf ein Schulhaus werden erst im 15. Jahrhundert deutlich, sodass die Vermutung naheliegt, dass der Schulunterricht zuvor noch in der Wohnung des amtierenden Schulmeisters stattgefunden hatte. Einer breiten gesellschaftlichen Anerkennung, welche die Schule in der Stadt besaß, stand dies aber offensichtlich nicht im Wege.

2.2. Das Schulwesen im 15. Jahrhundert und am Vorabend der Reformation Erst aus dem 15. Jahrhundert stammen die ersten Mitteilungen aus dem inneren Geschehen der Schule und dem alltäglichen Leben der Schüler und Schuldiener, doch betreffen sie zunächst nicht den Schulunterricht als solchen, sondern die Verpflichtungen, die der Schulmeister mit den Schülern für die Kirche zu leisten hatte. Wie allerorten üblich war die Schule auch in Saalfeld eng in den kirchlichen Alltag und die liturgischen Handlungen eingebunden. Ein herausragendes Beispiel verdeutlicht dies nicht zuletzt durch langjährige Kontinuität. 1435 wurde an der Johanniskirche durch 13 Saalfelder Bürger ein Altar zu Ehren der Heiligen Dreifaltigkeit, des Heiligen Leichnams, der Jungfrau Maria, der Apostel Petrus und Paulus sowie der Heiligen Maria Magdalena, Katharina und Barbara gestiftet und geweiht. Mit ihm war eine Vikarie verbunden, die jährlich 38 fl abwarf. Jeden Donnerstag sollte an diesem Altar eine Fronleichnamsmesse gehalten werden. In den vier Quatemberzeiten kamen, ebenfalls am Donnerstag, nach der Vesper eine Vigilie mit neun Lektionen und am Freitag eine morgendliche Seelenmesse für die Stifter und ihre Angehörigen hinzu. Die Rolle des Schulmeisters und der Schüler bestand gemäß der Stiftungsurkunde darin, den Vikar bei diesen festgelegten liturgischen Leistungen zu unterstützen. Für den Fall, dass die Vikarie nicht besetzt war, wurde die Verrichtung aller Messen und Vigilien dem Schulmeister und den Schülern übertragen. Zur Entlohnung ihrer unterstützenden Leistungen wurde durch einen der Stifter, Ticzel Schulteiße, ein Zins von 4 fl angelegt, von dem der Schulmeister wie weitere Beteiligte jährlich ½ fl erhalten sollte.18 Die Dauerhaftigkeit dieser Stiftung ist anhand der wenigen erhaltenen vorreformatorischen Stadtrechnungen ersichtlich, in denen sich die Zahlung von 1 fl an den Schulmeister und den Kirchner für das Läuten der Glocken und das Singen der Fronleichnamsmessen, wie es in der Stiftungsurkunde festgelegt

18 Vgl. StA Saalfeld, A 63; SAGITTARIUS, Historien I, S. 95 f.; PUSCH, Johanniskirche (1933), S. 60 f. u. 67.

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worden war, von Jahr zu Jahr nachvollziehen lässt.19 Die Bedeutung dieser liturgischen Leistungen entspricht der Wichtigkeit der Vikarie und der Messen selbst. Ihre Abhaltung durch den Schulmeister wurde später von der städtischen Obrigkeit gesondert festgeschrieben. Etwa zeitgleich mit der Stiftung wurde die Saalfelder Fronleichnamsbruderschaft gegründet, deren Mittelpunkt der gestiftete Altar einnahm und die mit der Vikarie in enger Verbindung stand. Sie wuchs in der folgenden Zeit zu einem der größten Zentren des kirchlichen Lebens der Stadt heran. Wie eine Rechnung der Bruderschaft vom Vorabend der Reformation (1522/23), also zur Zeit ihres Höhepunktes zeigt, wurden der Schulmeister und die Schüler regelmäßig von ihnen in ihre zahlreichen Zeremonien mit eingebunden und mit einigen Groschen entlohnt.20 Deutlich stärker tritt die Schule schließlich in der Mitte des Jahrhunderts ans Licht. Die große Bedeutung, welche die Schule sowohl für das gesellschaftliche Leben der Stadt als auch für die kirchlichen Belange einnahm, führte dazu, dass sie in eine Auseinandersetzung der städtischen Obrigkeit mit dem Deutschen Orden um die Patronatsrechte der Stadtkirche hineingezogen wurde. Dass die Besetzung des Schulamtes bereits nicht mehr Teil dieses Patronats war, wurde anhand der Stadtstatuten deutlich. Welchen Anteil das Schulwesen dennoch an dem Streit hatte, bleibt daher wie auch der eigentliche Auslöser desselben offen. Offensichtlich hatte der Stadtrat versucht, die Befugnisse des Deutschen Ordens über das Patronat der Johanniskirche einzuschränken, der Pfarrer aber zugleich insbesondere den Schulmeister über Gebühr für seine Dienste in Anspruch genommen. Im Zuge der Auseinandersetzung, so überliefert Sagittarius, wandte sich der Rat an den Herzog Wilhelm III. mit der Bitte um Vermittlung, da dieser die Ratsherren bereits früher ermahnt habe, es ihm mitzuteilen, sollte „der Pfarrherr ichtwas Ungebührliches vorgenommen“ haben.21 Vom 16. Februar 1456 stammt eine Urkunde, durch die der Herzog die Patronatsrechte der Stadtkirche zwischen Pfarrer und Stadtrat neu aufteilte und dem Streit somit ein Ende setzte. 22 Grundsätzlich, so betont der Schied mehrfach, solle alles nach altem Herkommen gehalten werden. Dem Stadtrat wie dem Pfarrer wurden ihre Rechte und Pflichten verdeutlicht und ausdrücklich angeordnet, dass niemand daran etwas zu ändern habe. Das Schulwesen und die Einsetzung des Schulpersonals betreffend findet sich die Bestimmung, dass der Rat, falls er dessen Herkommen belegen könne, das Recht der alleinigen Besetzung innehalten sollte. Andernfalls solle die Einsetzung, die durch Eid und Gelübde zu erfolgen habe, gemeinsam mit dem 19 20 21 22

Vgl. beispielsweise für den Rechnungsjahrgang 1513/14 StA Saalfeld, C II a 3, fol. 108r. Vgl. ebd.; PUSCH, Johanniskirche (1933), S. 69. Zitiert nach SAGITTARIUS, Historien I, S. 125. Vgl. auch WERNER, Saalfeld (1995), S. 77. Vgl. StA Saalfeld, A 80; PUSCH, Johanniskirche (1933), S. 67; HERRMANN, Lateinschulen (1940), S. 234; SCHMITT, Schriftsprache (1966), S. 329; WERNER, Saalfeld (1995), S. 77.

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Pfarrer vorgenommen werden. Der entsprechende Artikel der Stadtstatuten wird jedoch das Herkommen zur Genüge bewiesen haben. Lediglich in kirchlichen Dingen und in Fragen des Gottesdienstes sollten sich die Schuldiener nach den Vorgaben der Pfarrer richten. Auf diese Weise wurde sowohl den städtischen als auch den kirchlichen Interessen Genüge getan. Diese Streitschlichtung war für den Stadtrat Anlass genug, die bislang nicht verbindlich festgelegte Organisation der Schule schriftlich zu fixieren. Zwei Jahre später, 1458, wurde durch den Rat eine offizielle Schulordnung erlassen, in welche die herzoglichen Bestimmungen mit aufgenommen wurden, die jedoch weit über diese hinausführte. Caspar Sagittarius gibt in seiner Chronik, auf die sich die bisherige Forschung ausschließlich stützt, Auszüge dieser Ordnung wieder. 23 Seine Angaben können jedoch durch weitere Quellen ergänzt und erweitert werden. So befindet sich im Saalfelder Stadtbuch im Anschluss an die oben genannten Statuten eine Sammlung weiteren Verwaltungsschriftgutes. Es stammt aus dem 16. und zum größten Teil aus dem 17. Jahrhundert, doch ist darunter eine ältere, kleinere Lage mit eingebunden, deren Inhalt – eine Reihe von Amtseiden – durch eine deutlich spätere Notiz in die Zeit des ‚Papsttums‘ datiert wurde. Darin befinden sich unter anderem zwei Abschnitte mit den Titeln „Des schulmeysters haldunge unnd wi zu vorbunden“24 sowie „Das lon des schulmeisters“.25 Beide Artikel beinhalten Bestandteile der vorreformatorischen Schulordnung, die in Sagittarius’ Wiedergabe nicht enthalten sind. Dass es sich dabei um Abschriften eines älteren Originals handelt, belegt ein einzelnes deutlich älteres Fragment, das in der Mitte der Lage eingeklebt wurde und mit den Bestimmungen über den Lohn des Schulmeisters annähernd wörtlich übereinstimmt. Eine weitere Abschrift der Schulordnung aus dem 19. Jahrhundert befindet sich im Staatsarchiv Rudolstadt, wobei es sich um eine wortgetreue Kopie des von Sagittarius nur in indirekter Form wiedergegebenen Originals handelt.26 Sie stimmt inhaltlich mit der Wiedergabe im Werk des Sagittarius und zum Teil auch mit der Abschrift im Saalfelder Statutenbuch überein, geht jedoch noch ein wenig über diese hinaus. Alle Auszüge und Abschriften gehen, wie aus den Überschneidungen geschlossen werden kann, auf die gemeinsame Ursprungsordnung von 1458 zurück, der wahrscheinlich das erwähnte Fragment des Stadtbuches entstammt. Durch sie kann die Ursprungsordnung, die von der Rudolstädter Abschrift auf den Michaelistag (29. September) 1458 datiert wird, inhaltlich vermutlich vollständig rekonstruiert

23 Vgl. SAGITTARIUS, Historien I, S. 131 f. Vgl. auch WAGNER/GROBE, Chronik (1867), S. 388; BRÄUTIGAM, Festschrift (1937), S. 40 f.; WERNER, Saalfeld (1995), S. 78. 24 StA Saalfeld, C III 1, fol. 65v. 25 Ebd., fol. 66v. 26 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Hessesche Collectaneen, 3d Nr 2, Bd. 3, fol. 472r–478v.

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werden. Ihre Datierung auf Michaelis lässt vermuten, dass ihr Erlass mit der Neubesetzung des Schulmeisteramtes einherging. Der Schulmeister, der als Gegenstand des vorhergegangenen Konfliktes im Mittelpunkt der Bestimmungen steht, war demnach verpflichtet, die Schule in eigener Person oder durch einen geeigneten Vertreter zu verwalten. Die Anforderungen, die an ihn gestellt wurden, waren, neben den selbstverständlichen und daher übergangenen Sprachkenntnissen, eine gute Führung, Fleiß, die Fähigkeit, sich an den geistigen Möglichkeiten der Schüler zu orientieren und die Bereitschaft, die Schwierigkeiten des Amtes auf sich zu nehmen. Über die Art und Weise seiner Wahl und Amtseinführung schweigt die Schulordnung, doch erwähnte die Urkunde Herzog Wilhelms III. von 1456 eine Vereidigung und ein Gelübde, die beide nicht näher erläutert werden. Der Amtseid eines Schulmeisters ist in den genannten ‚Eiden des Papsttums‘ jedoch nicht enthalten. Die Aufgabe des Schulmeisters bestand neben den liturgischen Pflichten darin, die Lehre und den Lebenswandel der Schüler zu leiten und zu überwachen. Der Unterricht erfolgte durch bloßes Vorlesen des Schulmeisters. Unterrichtsinhalte, dessen Medien und selbst der Unterricht im Schreiben werden nicht angesprochen, doch kann zumindest Letzterer vorausgesetzt werden. Hervorzuheben ist allerdings, dass die Schule scheinbar bereits zu dieser Zeit eine Art religiösen Unterricht erteilte. Einen schulischen Katechismusunterricht, so war sich die ältere, insbesondere die protestantische Forschung einig, habe es vor der Reformation nicht gegeben.27 Erst allmählich wurde diese Meinung revidiert, was die hier vorliegende Bestimmung bekräftigt. Demnach sei „an den heiligen Tagen früh für der Messe und eine Stunde Nachmittag Uebung der Lehre nach Erkentnis in evangeliis oder in anderer Lehr unsaumlich zu tun“. 28 Zwar wird nichts über die Methode dieser Unterrichtseinheiten geäußert, doch handelt es sich bei ihnen eindeutig um religiöse Unterweisung, die sich an den Evangelien oder anderen Glaubensstücken orientierte. Da dies zudem die einzige Andeutung auf Lehrinhalte ist, kann vermutet werden, dass die religiöse Unterweisung eines der vorrangigen Ziele der schulischen Ausbildung war. Die Festlegung dieser Inhalte auf eine bestimmte Tageszeit, durch die der Eindruck eines regelrechten Lehrplanfaches entsteht, sowie deren inhaltliche Verbindung mit dem Gottesdienst nimmt fast ein Jahrhundert zuvor die Bestimmungen der reformatorischen Schulordnungen vorweg. Sprache des Unterrichts war selbstverständlich Latein. Es wurde dem Schulmeister anbefohlen, bei den Schülern selbst in den Pausen und auf dem Kirchhof, 27 Vgl. THALHOFER, Lehrstücke (1905), S. 188; HESSELBACH, „Deutsche“ Schule (1920), S. 32; SCHEEL, Luther und die Schule (1925), S. 152 f. (Scheel spricht von „religiöse[r] Verwahrlosung“ (S. 152) an den mittelalterlichen Schulen.); HAHN, Unterweisung (1957), S. 25 f.; LÄPPLE, Katechese (1981), S. 68 f. 28 SAGITTARIUS, Historien I, S. 132. Vgl. auch LATh-StA Rudolstadt, Hessesche Collectaneen, 3d Nr 2, Bd. 3, fol. 474r.

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der zugleich Schulhof war, auf den Gebrauch dieser Sprache zu achten. Ungehorsame Schüler seien „leidlich und vernünftig, unverschont“ zu bestrafen. Besonders den älteren sei der Besuch im Wirtshaus zu verbieten und Streitigkeiten mit Bürgern und Bürgerssöhnen seien nach dem gültigen Recht durch den Amtmann oder den Rat beizulegen. Wie in den oben angeführten Stadtstatuten erscheinen auch hier die Schüler dem städtischen Recht unterworfen. Gleichermaßen stand der Schulmeister weiterhin unter der Verfügungsgewalt des Rates, der zu jeder Gelegenheit auch ohne ausdrücklich geforderte Rücksprache mit dem Pfarrer die Möglichkeit hatte, den Schulmeister, der sich nicht an die Bestimmungen der Ordnung hielt, abzusetzen. Wollte der Schulmeister sich „in seinen oder andern Geschäften“29 von seiner Arbeit entfernen, musste er beim Rat oder beim Pfarrer Urlaub erbitten. Waren die politischen Rechte des Pfarrers damit zwar in deutliche Grenzen gewiesen, bildete die Organisation der vom Schulmeister zu haltenden liturgischen Verpflichtungen einen weiteren Hauptbestandteil der Verordnung. Hier fand die Fronleichnamsmesse eine erneute Festschreibung, doch wurde als erste Pflicht des Schulmeisters ohne bestimmten Bezug das Singen mit den Schülern im Chor zu morgendlichen und abendlichen Messen angeordnet. Er habe sich dabei, wie Herzog Wilhelm III. es zwei Jahre zuvor festgelegt hatte, nach dem Willen des Pfarrers oder dessen Kaplan zu richten. Näher spezifiziert werden die Pflichten in dem Fragment des Saalfelder Statutenbuches. Es handelte sich demnach nach alter Gewohnheit um täglich eine Hohe Messe und eine Vesper sowie Messen an den Heiligentagen. Die alljährliche Entlohnung durch den Pfarrer betrug dafür 2 a ß. In der lokalgeschichtlichen Forschung ist oft angeführt worden, dass das Hauptziel des Saalfelder Schulunterrichts in der Brauchbarkeit für den Gottesdienst bestand und die ‚eigentliche‘ Ausbildung dahinter zurücktreten musste.30 Diese Ansicht ist deutlich überspitzt. Viel eher deutet der herzogliche Schied von 1456 darauf hin, dass auch der wissenschaftlichen Ausbildung die nötige Zeit eingeräumt werden sollte. Zu diesem Zweck erfolgte die Anordnung, dass der Schulmeister zusammen mit seinen Schülern nur eine Hohe Messe des Tages zu singen habe, „vff das die kinder an yre lare nicht verhindert werden“. 31 Die dargelegten Anordnungen über die Häufigkeit der liturgischen Pflichten des Schulmeisters und der Schüler zeigen, dass diese Bestimmung eingehalten und umgesetzt worden ist. Zu seiner Unterstützung wurde es dem Schulmeister freigestellt, einen Succentor einzustellen. Diese Möglichkeit war nicht, wie die Einsetzung des Schul29 Für beide Zitate SAGITTARIUS, Historien I, S. 132. 30 Vgl. WAGNER/GROBE, Chronik (1867), S. 389; PUSCH, Johanniskirche (1933), S. 67; TSCHESCH, Reformation (1971), S. 95; WERNER, Saalfeld (1995), S. 78. 31 StA Saalfeld, A 80.

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meisters selbst, an einen bestimmten Termin gebunden, sondern erfolgte nach Belieben des Schulmeisters, der ihn bei Untauglichkeit oder Ungehorsam auch jeder Zeit wieder absetzen konnte. Die Aufgabe des Succentors war es, sich mit dem Schulmeister den Unterricht einzuteilen oder den vom Schulmeister gelehrten Stoff mit den Schülern zu wiederholen. Die Anforderungen an seine Person glichen denen des Schulmeister, doch lag die Verfügungsgewalt über ihn allein bei diesem. Mit dem Schulmeister, gegebenenfalls einem Vertreter und dem Succentor war das Schulpersonal vollständig. Sagittarius und die Rudolstädter Abschrift schließen an die Schulordnung zwar die Instruktionen des Kirchners an,32 doch übernahm er keine schulischen Pflichten. Er fungierte in der Rolle eines Küsters, der mit der Schule nur dann in Verbindung stand, wenn sich seine kirchlichen Aufgaben mit denen des Schulmeisters überschnitten, wie beim Läuten der Glocken zur Fronleichnamsmesse. Darüber hinaus fand in der Schulordnung die wirtschaftliche Versorgung der Schuldiener ihre Festlegung. Die in den Stadtrechnungen verzeichnete jährliche Reichung von ½ fl für die gesungenen Fronleichnamsmessen wird dabei durch das Fragment des Stadtbuches um mehrere weitere Einkünfte ergänzt, die durch Zahlungen vom Rat, vom Pfarrer und von den Schülern sowie durch regelmäßige Verköstigungen realisiert wurden. Zum Teil gehen auch sie auf die 1435 gestiftete Vikarie zurück. So erhielt der Schulmeister für jede ganze gesungene Vigilie zwei, für jede halbe Vigilie einen und für jede Seelenmesse 6 gr. Für ein Begräbnis hingegen, an dem der Schulmeister offensichtlich ebenfalls teilzunehmen hatte, erhielt er zunächst 3 d. Dieser Betrag wurde später durchgestrichen und auf 8 d erhöht. Im Falle eines sogenannten tricesimus, einer Trauermesse am 30. Tag nach dem Tode eines Menschen, hatten dessen Angehörigen 1 fl an den Kirchner und ½ fl an den Schulmeister zu entrichten. Das Schulgeld, das die einheimischen Kinder dem Schulmeister zu zahlen hatten, betrug jährlich 20 gr. Es ist, verglichen mit dem Schulgeld anderer Städte, verhältnismäßig hoch, doch ist seine Festschreibung mit dem Zusatz versehen, dass es nicht mehr erhöht werden solle. Dieses Einkommen, das je nach der Frequentierung der Schule Schwankungen unterlegen war, wurde durch weitere Zahlungen der Bürgerskinder ergänzt. So erhielt der Schulmeister zu Allerheiligen sowie „des jars zwey mall zu dem grossen aplas“33 3 und zu Neujahr 2 d. Das Kerngeld betrug einen Schwertgroschen, das Lichtgeld 3 und das Austreibgeld 2 d. Die Betonung, dass es sich bei diesen Zahlungen um Leistungen der Bürgerskinder handelte, lässt vermuten, dass für auswärtige Schüler andere Beträge galten, doch ist darüber nichts vermerkt. 32 Vgl. SAGITTARIUS, Historien I, S. 132 f.; LATh-StA Rudolstadt, Hessesche Collectaneen, 3d Nr 2, Bd. 3, fol. 476r–478r. 33 StA Saalfeld, C III 1, fol. 67v. Vgl. auch ebd. fol. 68v.

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Zu bestimmten Anlässen wurden der Schulmeister und der Succentor von Bürgern oder dem Pfarrer durch die Kost versorgt, doch wurde gemahnt, dass der Unterricht darunter nicht leiden dürfe. Die jeweiligen Anlässe erscheinen detailliert in der Abschrift des Saalfelder Stadtarchivs. Der Pfarrer habe den Schulmeister und den Succentor zu verköstigen, „wen man lewttet mit beyden glocken“, 34 also zu besonders hohen Festtagen. Wurde hingegen nur die große Glocke geläutet, bekam nur der Schulmeister die Kost beim Pfarrer. Zu den sieben Hochfesten erhielten der Schulmeister und sein Geselle nicht allein am Abend die Kost, sondern am darauffolgenden Morgen ein zusätzliches Trankgeld von 5 gr.35 Zuletzt wurde für beide „auff Sonnebat des grossenn aplas“,36 am Morgen und Abend des darauffolgenden Sonntages und am Morgen des Montages die Kost vom Pfarrer angeordnet. Zu all diesen Anlässen wurde ausdrücklich das Handeln nach alter Gewohnheit betont. Zuletzt ermöglicht eine kurze Notiz der Rudolstädter Abschrift einen kleinen Blick in die Schulstube. Es wurde mit dem Erlass der Ordnung bekannt gegeben, dass die Schule mit einem sogenannten Spanbett, einem Tisch und drei Bänken, die um den Tisch gestellt wurden, ausgestattet worden sei. Es wurde angeordnet, an dieser Einrichtung nichts zu ändern und dass sie durch denjenigen, der sie beschädigt, ersetzt werden müsse.37 Die Schulordnung leistete ihren Beitrag dazu, dass sich die Saalfelder Schule bis zum Beginn der Reformation zu einer gefragten und viel besuchten Einrichtung entwickelte, die im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben eine nicht zu verachtende Rolle spielte. In den ersten Jahren der Reformation rühmte sich der Stadtrat dass die hiesige Schule von auswärtigen Schülern in großer Zahl besucht werde.38 Es ist nicht daran zu zweifeln, dass dies bereits in vorreformatorischer Zeit der Fall gewesen sein wird. Die Erwähnung eines Spanbettes und Ausgaben in der Stadtrechnung, durch die 1515/16 einige Handwerker für die Anfertigung von Betten für die Schule entlohnt wurden,39 lassen sogar vermuten, dass einige auswärtige, fahrende und möglicherweise arme Schüler vorübergehend oder für die Dauer ihres Aufenthaltes in den Räumlichkeiten der Schule beherbergt worden sind. Doch nicht nur unter den Schülern, sondern auch unter den Schuldienern verfügte die Schule über einen Ruf, der sie über die Stadtgrenzen hinaus bekannt 34 Ebd., fol. 65v. 35 Vgl. ebd., fol. 66r/66v. Die Abschrift in Rudolstadt schreibt von 6 gr für Wein, vgl. LATh-StA Rudolstadt, Hessesche Collectaneen, 3d Nr 2, Bd. 3, fol. 472v. 36 StA Saalfeld, C III 1, fol. 66v; LATh-StA Rudolstadt, Hessesche Collectaneen, 3d Nr 2, Bd. 3, fol. 472v. 37 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Hessesche Collectaneen, 3d Nr 2, Bd. 3, fol. 476r. 38 Vgl. MITZENHEIM, Kirchenvisitation I (1927), S. 9. 39 Vgl. StA Saalfeld, C II a 3, fol. 213r.

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machte. Verschiedene Nachrichten über Bewerbungen und Empfehlungen von Schulmeistern bestätigen den durch die Schulordnung vermittelten Eindruck einer überdurchschnittlichen Lukrativität des Saalfelder Rektorenamtes. Für seine Bewerbung beim Stadtrat bat ein Anwärter selbst den bereits mehrfach genannten Herzog von Sachsen, Wilhelm III., um seine Vermittlung. Bereits vor dem Erlass der Schulordnung, im Jahr 1455, sandte der Herzog das schon im Altenburger Zusammenhang erwähnte Empfehlungsschreiben für einen Baccalaureus namens Johannes von Sale an den Rat nach Saalfeld. Der Brief selbst ist nicht erhalten, doch gibt Reinhard Richter ihn nach dem Original wörtlich wieder. Demnach stammte jener Johannes aus Coburg und hatte schon einige Zeit das Schulmeisteramt in Altenburg versehen. Da zu Michaelis die Schulmeisterstelle in Saalfeld frei zu werden versprach, wandte er sich an den Herzog, ihm ein Empfehlungsschreiben an den Rat der Stadt auszustellen. Der Herzog hob darin die Gelehrtheit des Mannes vor allen anderen hervor und bat den Rat, sich dieser Bitte anzunehmen. Aus dem Schreiben wird nicht allein der Michaelistag als Ende und Neubeginn einer Amtsperiode der Schulmeister angesprochen. Die Formulierung des Herzogs, dass „ettwie vast personen nach demselben Dinste arbeiten“,40 lässt zudem vermuten, dass sich bereits mehrere Anwärter um das Amt des Schulmeisters an der Saalfelder Schule beworben hatten. Dieser Umstand sowie der Ehrgeiz des Johannes von Sale, sich in seiner auf dieses Amt gerichteten Zielstrebigkeit selbst an den Herzog zu wenden, werfen ein deutliches Licht auf die begehrte Stelle und den Rang der Saalfelder Schule in der Mitte des 15. Jahrhunderts. Darüber hinaus wird deutlich, dass der Herzog sich ein, wenn auch nur selten in Anspruch genommenes Mitbestimmungsrecht auf die Schulbesetzung vorbehielt. Ein ähnlich gearteter Fall fällt ins Jahr 1467. Am 22. August, so berichtet Sagittarius, sandte der wettinische Kanzler Sigfrid den Baccalaureus Johann Wagenknecht mit der Bitte an den Saalfelder Rat, diesem das Schulmeisteramt zu übertragen. Wagenknecht stammte aus Erfurt und habe bereits in ausgezeichneter Weise das Schulmeisteramt von Weimar innegehabt. 41 Ebenfalls von Sagittarius wird die Empfehlung von Johannes Link überliefert. Dieser, den Sagittarius als Kaplan von Neustadt a. d. O. ausweist, empfahl dem Rat am 19. August 1515 einen nicht namentlich genannten Baccalaureus, der „ihre Schule in ein köstlich Wesen bringen“ könnte.42 Dieser solle nach den Vermutungen von 40 RICHTER, Schulkomödie (1864), S. 15, Anm. 14. 41 Vgl. SAGITTARIUS, Historien I, S. 137; PUSCH, Johanniskirche (1933), S. 68; SCHMITT, Schriftsprache (1966), S. 330. 42 Zitiert nach SAGITTARIUS, Historien I, S. 181. Vgl. auch WAGNER/GROBE, Chronik (1867), S. 389; PUSCH, Johanniskirche (1933), S. 68; SCHMITT, Schriftsprache (1966), S. 330. Sowohl Pusch als auch Schmitt halten fälschlicherweise Johannes Link selbst für den empfohlenen Schulmeister.

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Sagittarius bereits zwei Jahre Schulmeister in Neustadt a. d. O. gewesen sein, wo er sich durch seine Leistungen empfohlen habe. Es ist ungewiss, ob die Empfehlungen angenommen worden sind. Der Wechsel eines Schulmeisters lässt sich nur einmal feststellen. Im Rechnungsjahrgang 1514/15, im Jahr der Empfehlung des Johannes Link, findet sich in der Stadtrechnung die Ausgabe von 14 gr für je zwei Stübchen Wein und Bier, die dem „ald[en] schulmeyster zu sein[er] ersten messe“43 geschenkt worden waren. Es ist dies nicht der einzige Fall für ein solches Geschenk, doch finden sich nur hier die Angabe des triftigen Anlasses, der Wechsel des Schulmeisters in ein Pfarramt, und die zweite ergänzende Ausgabe von 3 gr für ein Stübchen Wein für den neuen Schulmeister, dessen Nachfolger.44 Möglicherweise handelte es sich dabei um den von Johannes Link empfohlenen Baccalaureus, der mit diesem Geschenk in der Stadt willkommen geheißen wurde, zumal der Rat später, im Jahr 1527, mit eigenen Worten verdeutlichte, dass er gewillt sei, begründeten Empfehlungen zu folgen.45 Zahlreiche weitere Spuren hat das Schulwesen in den erhaltenen Saalfelder Stadtrechnungen hinterlassen, die somit verdeutlichen, dass die Finanzierung der Saalfelder Schule anders als im Altenburger Fall völlig in der Hand des Stadtrates lag. Die Überlieferung der Rechnungen beginnt erst 1511/12. Somit zeugt nur die kurze Erwähnung in Sagittarius’ Historien von einem Neubau des Schulgebäudes im Jahr 1491. Es wurde am Kirchplatz, Ecke Fleischgasse, in unmittelbarer Näher der Johanniskirche errichtet und ersetzte wahrscheinlich einen Vorgängerbau.46 Trotz des Neubaus waren es häufig Bauarbeiten, die beispielsweise durch die Bezahlung von Nägeln, Ofenkacheln oder Bauholz sowie die Entlohnung von Handwerkern in den Stadtrechnungen ans Licht treten und die Schule als nahezu ununterbrochenes Bauprojekt ausweisen. 47 Ein weiterer, jedoch vereinzelter Hinweis deutet die gesellschaftliche Verflechtung des Schulmeisters in den städtischen Oberschichten an. „Auffs fest dorothee“ 48 (06. Februar) des Jahres 1518 erhielt er für 16 gr ein Geschenk von je zwei Stübchen Wein und Bier. Die Ausgabe wird durch den Vermerk ergänzt, dass der Schulmeister zu jenem nicht näher zu ermittelndem Anlass die Bürgermeister zu Gast geladen hatte.

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StA Saalfeld, C II a 3, fol. 161r. Vgl. ebd., fol. 162r. Vgl. MITZENHEIM, Kirchenvisitation I (1927), S. 9. Vgl. SAGITTARIUS, Historien I, S. 153; WERNER, Saalfeld (1995), S. 93; GOß/KNÜPFER, Geschichte des Schulwesens II (2004), S. 102. 47 Vgl. StA Saalfeld, C II a 3, fol. 71v (Jahrgang 1512/13); ebd. fol. 122v und 123v (Jahrgang 1513/14); ebd. fol. 213r–v (Jahrgang 1515/16); ebd. fol. 344v (Jahrgang 1518/19); ebd. fol. 392v (Jahrgang 1519/20). 48 Ebd., fol. 284r.

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Neben den Fronleichnamsmessen findet sich in den Rechnungen eine weitere, erst im 16. Jahrhundert aufkommende liturgische Beteiligung der Schüler bei der Kommunion. Ihre Unterstützung war einst alleinige Aufgabe der Kirchendiener, die dafür 1 ß 20 gr erhielten, doch wurden seit dem Rechnungsjahrgang 1515/16 jeweils vier Schüler zu diesem Dienst herangezogen und mit demselben Betrag entlohnt.49 Erst im Rechnungsjahrgang 1519/20 endete diese Beteiligung. Die weitere Entwicklung kann durch den Verlust der Rechnungen von 1520 bis 1527 nicht nachvollzogen werden. Da die Reformation in dieser Zeit in Saalfeld ihren Anfang nahm, kann nicht sicher bestimmt werden, wie und wann sich durch den Wechsel der Konfession die liturgischen Zeremonien veränderten. Dennoch zeigt sich das Schulwesen am Vorabend der Reformation auf einem verhältnismäßig hoch entwickelten Niveau. Die Schule befand sich unter dem Patronat des Stadtrates, der sie finanziell absicherte, stand jedoch auch weiterhin mit der Kirche und dem kirchlichen Leben, das die Schuldiener wie die Schüler aktiv mitgestalteten, in enger Verbindung. Neben dem Lohn, den die Schuldiener dafür erhielten, war ihr Einkommen durch ein äußerst lukratives Schulgeld und vielfältige weitere Einkünfte abgesichert. Gemessen an den angeführten Beträgen, die dem Schulmeister gezahlt wurden, und der Beliebtheit des Schulamtes bei akademisch ausgebildeten Bewerbern kann von einer verhältnismäßig hohen Frequentierung der Schule ausgegangen werden. Dass das Amt des Schulmeisters dennoch auch hier von einigen der nachweisbaren Amtsinhabern als zeitliche Überbrückung zum eigentlich angestrebten Pfarramt betrachtet wurde, entspricht den Verhältnissen der Zeit und tut dem Ergebnis keinen Abbruch.

49 Vgl. ebd., fol. 199v.

3. Das Schulwesen in der Reichsstadt Mühlhausen DAS SCHULWESEN IN DER REICHSSTADT MÜHLHAUSEN

Mühlhausen war im Spätmittelalter die größere von zwei Reichsstädten und nach Erfurt die zweitgrößte Stadt innerhalb des heutigen thüringischen Raumes. Neben der Größe und ihrem politischen Status zeichnet die Stadt sich jedoch maßgeblich durch die geistliche und schulische Präsenz des Deutschen Ordens besonders aus. Hatte er in Altenburg in schulischer Hinsicht zwar eine nicht unbedeutende Rolle gespielt, kam ihm in Mühlhausen das uneingeschränkte – wenn auch nicht unumstrittene – Primat zu. Das hiesige mittelalterliche und vorreformatorische Kirchenwesen war vollständig durch den Deutschen Orden geprägt. Entsprechend der städtischen Struktur, die zwei einst eigenständige und um 1200 vereinte Städte umfasste,1 verfügte Mühlhausen über zwei städtische Pfarreien an den Kirchen Divi Blasii in der Altstadt und St. Marien in der Neustadt. Erstere wurde 1227, Letztere 1243 dem Deutschen Orden inkorporiert,2 der daraufhin – ein einzigartiger Fall in der Geschichte des Deutschen Ordens – in der Stadt zwei eigenständige Kommenden einrichtete. Im Laufe des 14. Jahrhunderts folgte dem eine Vielzahl von Vorstadtpfarrkirchen und Kapellen, bis lediglich die vorstädtische Johanniskirche im Patronat des Stadtrates verblieb.3 An den beiden Hauptpfarrkirchen treten bereits früh Schulen in Erscheinung, die beide bald nach der Inkorporation der Pfarrkirchen ebenfalls dem Deutschen Orden übertragen wurden. Im Jahr 1232 verlieh Heinrich (VII.) das regimen scolarum der Schule an Divi Blasii dem dortigen Pfarrer und seinen Nachkommen.4 Dies ist zugleich die Erstnennung einer Mühlhäuser Schule überhaupt. Die Schule der Neustadt wurde dem Orden 1319 von Ludwig dem Bayern geschenkt.5 1 2 3

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Vgl. STEINBRINK, Mühlhausen (1984), S. 70–72. Vgl. UB Mühlhausen, Nr. 70 u. 98. Vgl. HEYDENREICH, Geschichte (1900), S. 12, 28 f. u. 46–48; KNIEB, Kirche (1907), S. 3; KETTNER, Geschichte (1917), S. 19; LÖSCHE, Achtmänner (1960), S. 143; AULEPP, Vorstädte (1992), S. 55; TODE, Bauernkrieg (1994), S. 161; BOOCKMANN, Der Deutsche Orden (1999), S. 11; SÜNDER, Geschichte (2003); MÜLLER, Ein ehrbarer Rat (2013), S. 145. Vgl. UB Mühlhausen, Nr. 83. Die ältere Forschung sah in der lateinischen Bezeichnung des Schulregiments das Amt des Schulmeisters und daher in der genannten Person des Albertus den namentlich erwähnten Schulmeister. Tatsächlich handelt es sich bei dem regimen jedoch um das Recht, die Schule zu besetzen, und Albertus war der Pfarrer der Kirche, dem dieses Recht übertragen wurde. Vgl. HEYDENREICH, Geschichte (1900), S. 12; KLETT, Geschichte (1916), S. 18; KETTNER, Geschichte (1917), S. 22; KLETT, Gymnasium (1926), S. 9; SOMMERLAD, Der Deutsche Orden (1931), S. 165; SAHLENDER, Das humanistische Gymnasium (1972), S. 34; BÜNZ, Bildungslandschaft (2004), S. 48. Vgl. UB Mühlhausen, Nr. 742; KLETT, Geschichte (1916), S. 18; KETTNER, Geschichte (1917), S. 22; KLETT, Gymnasium (1926), S. 9; SOMMERLAD, Der Deutsche Orden (1931), S. 165.

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Obwohl im ersten Fall deutlich wird, dass eine Schule an Divi Blasii bereits vor der Übertragung bestanden haben muss, diese jedoch erstmals mit der Übertragung erwähnt wird, tritt die Schule an St. Marien bzw. ein dortiger Schüler möglicherweise bereits zuvor selbst in Erscheinung. Am 8. März 1306 kaufte die Gemeinde von St. Jakobi einige Hufen Land, um dem Pfarrer von St. Marien und seinen Nachfolgern zu ermöglichen, zur Abhaltung der dortigen Messen einen Priester zu bestellen. Dieser solle mit Unterstützung eines Schülers die Messen in der St. Jakobikirche zelebrieren („sacerdotem cum scolare […] debent tenere“6). Die Formulierung der Urkunde lässt die bereits angesprochenen Deutungsvarianten zu, dass es sich bei dem Schüler um einen Assistenten des Priesters oder aber um einen Schüler einer mit der Kirche St. Marien verbundenen Schule handelte und die bisher angenommene Erstnennung der Marienschule somit um 13 Jahre zurückdatiert werden muss. Da die Schulen bereits vor der Inkorporation in den Deutschen Orden existiert haben, wurde in der Forschung die Frage aufgeworfen, wer zuvor die Patronatsgewalt über die Schulen innehatte. Die Formulierung der Urkunde von 1232 deutet an, dass die Bürger oder der Stadtrat Rechte an der Schule besaßen, welche sie zum Zweck der Inkorporation abtraten, sodass bürgerliche Ursprünge der Schule an Divi Blasii vermutet wurden. 7 Eine andere Deutung vermutet hinter den beiden Pfarreien einstige Stiftskirchen, die den Stiftscharakter durch die Inkorporation verloren, deren Schulen jedoch durch den Deutschen Orden am Leben erhalten wurden.8 Beide Thesen können nicht bestätigt und die Frage somit nicht zufriedenstellend beantwortet werden.

3.1. Die Auseinandersetzung um die Mühlhäuser Schulen im 14. Jahrhundert Nach der Übertragung der Schulen verschwinden diese zunächst wieder aus der Überlieferung. Lediglich wurde 1287 bei der Organisation der Gottesdienste in der Allerheiligenkapelle durch einen Pfarrer der Altstadtkirche festgelegt, dass die Messen mit Hilfe der dortigen Schüler („per sacerdotem cum scolare“9) abgehalten werden sollten.10 Freilich gilt auch hier abermals die erwähnte Unsicherheit, da es 6 7

UB Mühlhausen, Nr. 563. Vgl. GÜNTHER, Mühlhausen (1975), S. 41; BOOCKMANN, Der Deutsche Orden (1999), S. 20. 8 Vgl. BOOCKMANN, Der Deutsche Orden (1999), S. 15; ALTERSBERGER, Pfarrstruktur (2013), S. 38. 9 UB Mühlhausen, Nr. 339. 10 Vgl. auch BOOCKMANN, Der Deutsche Orden (1999), S. 13.

DAS SCHULWESEN IN DER REICHSSTADT MÜHLHAUSEN

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sich bei dem scolaris statt eines Schülers auch um einen Gehilfen des Pfarrers handeln könnte. Sichere Erwähnungen folgen erst ein halbes Jahrhundert später. Im 14. Jahrhundert kam es um die Schulen zu mehrjährigen Auseinandersetzungen, die das Schulpatronat des Deutschen Ordens zeitweise ins Wanken brachten. Da diese in den edierten Dokumenten des Mühlhäuser Urkundenbuchs dargelegt sind, waren sie seit dessen Veröffentlichung vielfach Gegenstand der lokalen Schulgeschichtsforschung, sollen hier aber trotzdem der Vollständigkeit halber Erwähnung finden. Im Jahr 1335 griff Ludwig der Bayer maßgeblich in die Rechte des Deutschen Ordens um die Schulen ein, indem er das Schullehen von Divi Blasii, das er unter seiner Verfügung sah, an Kilian Margarethen vergab.11 Obgleich in der betreffenden Urkunde die Rede davon ist, dass der Kaiser das Lehen bereits Kilians Vorgänger, dem Erfurter Kanoniker Ernst Margarethen, übertragen habe, sah sich der Deutsche Orden durch ihn bedrängt und intervenierte mit Erfolg gegen die Belehnung. Bereits im Oktober desselben Jahres annullierte der Kaiser diese und bestätigte dem Deutschen Orden erneut seine Patronatsrechte.12 Der Kaiser hatte seine Ansprüche damit zwar aufgegeben, doch nutzte der Stadtrat die Unsicherheit des Schulpatronats in dem Versuch, die Schule gegen die Rechte des Ordens an sich zu bringen. Von dem genannten Ernst Margarethen ließ er sich 1338 eine Urkunde ausstellen, mittels der dieser auf das ihm längst entzogene Schullehen verzichtete und es dem Stadtrat zur Neubesetzung überantwortete.13 Der Stadtrat sah sich damit hinter dem Rücken des Deutschen Ordens im Besitz des Schulpatronats, obwohl es auch ihm nie zugestanden hatte. Vom abermals bedrängten Deutschen Orden hinzugezogen, lud der Kaiser den Stadtrat mehrfach zu Vermittlungsgesprächen, denen der Rat jedoch stets fernblieb. Nach zwei verpassten Terminen entzog der Kaiser dem Stadtrat das Patronat kurzerhand und gab es am 26. April 1339 von neuem in die Hände des Deutschen Ordens. 14 Damit dieser vor weiteren Angriffen des Stadtrates geschützt bleibe, wurden der Mainzer Erzbischof und der Markgraf von Meißen als Schutzinstanzen des Deutschen Ordens und seiner schulischen Rechte eingesetzt.15 Der Stadtrat musste die Entscheidung anerkennen und sich verpflichten, jeden weiteren Versuch zu unterlassen. Am 4. September 1340 bestätigte der Kaiser dem Orden das völlig zurückerlangte Recht des Schulpatronats.16

11 12 13 14 15 16

Vgl. UB Mühlhausen, Nr. 874. Vgl. ebd., Nr. 878. Vgl. ebd., Nr. 907. Vgl. ebd., Nr. 920/Nr. 925. Vgl. ebd., Nr. 921/Nr. 922. Vgl. ebd., Nr. 923/Nr.924/Nr. 926/Nr. 927/Nr. 932. Vgl. zur gesamten Auseinandersetzung JORDAN, Beiträge I (1895), S. 8 f.; KLETT, Gymnasium (1926), S. 9–11; KLETT,

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I. TEIL – DAS SCHULWESEN IN SPÄTMITTELALTER UND VORREFORMATION

Sieben Jahre später wiederholte sich der Konflikt unter Kaiser Karl IV. Nachdem er die Königswürde empfangen hatte, versäumte es der Deutsche Orden, sich die Privilegien Ludwigs von ihm bestätigen zu lassen. Karl entzog dem Orden daher das Schulpatronat und nutzte es, um den Dekan und Offizial Rudolf Losse für seine Unterstützung bei der Königswahl zu entlohnen. Diesem wurde 1347 das Recht zugesprochen, über beide Schulen der Reichsstadt zu verfügen und „rectores seu puerorum informatores“17 zu bestellen. Welches Interesse Losse mit diesem Recht verband und ob er selbst darum gebeten hatte, bleibt ungewiss. Auch dieser Eingriff des Königs war allerdings nicht von langer Dauer. Bereits im Januar 1348 bestätigte Karl dem Deutschen Orden sämtliche Privilegien seiner Vorgänger, unter denen sich auch die Schulbestellung befand. 18 Beide Schulen blieben fortan unanfechtbar in der Hand des Ordens und nachdem dieser sich seine Rechte 1352 abermals hatte bestätigen lassen, blieb sein Patronat über Jahrhunderte unangetastet.19

3.2. Versuch einer städtischen Schulgründung? Der Stadtrat hatte sich auf die skizzierte Weise in den Streit um die Schulbesetzung eingemischt, doch war sein Versuch, das Patronat durch List an sich zu ziehen, fehlgeschlagen. Obwohl seine Rolle dabei eher unrühmlich war, wandte sich der Stadtrat nach der endgültigen Entscheidung von 1348 an den König Karl IV. und erwirkte bei ihm das Privileg, selbst eine Schule in städtischer Trägerschaft und unabhängig von den Deutschordensschulen gründen zu dürfen. Karl IV. verfügte am 13. Januar 1349, „daz sie [die Stadtherren] zcu yrin … kyndern lerunge nuwe schule buwen mogin, so yn daz allirnutzes und fuglichen ist, und ze derselbin schule sullin und mogin sie eynen meystir besorgen, wanne und wie dicke iz en fuged, der yn undirin … kyndern nutzelichin und bequemeliechin siie“.20 Die Privilegien des Deutschen Ordens wären dadurch nicht in Mitleidenschaft gezogen worden, obwohl der Stadtrat

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Streite (1925), S. 500 f.; SOMMERLAD, Der Deutsche Orden (1931), S. 167; SCHMITT, Schriftsprache (1966), S. 108. UB Mühlhausen, Nr. 988. Vgl. ebd., Nr. 992, vgl. weiterhin JORDAN, Beiträge I (1895), S. 11 f.; KLETT, Gymnasium (1926), S. 12 f.; SOMMERLAD, Der Deutsche Orden (1931), S. 169; SCHMITT, Schriftsprache (1966), S. 108. Vgl. für die abermalige Bestätigung StA Mühlhausen, 10/I 2, Nr. 1, fol. 39r–v; vgl. auch JORDAN, Beiträge I (1895), S. 12; KLETT, Gymnasium (1926), S. 14; SOMMERLAD, Der Deutsche Orden (1931), S. 169. UB Mühlhausen, Nr. 1009. Vgl. auch ALTENBURG, Chronik (1824), S. 126; STEPHAN, Geschichte (1833), S. 4; JORDAN, Beiträge I (1895), S. 12; KLETT, Geschichte (1916), S. 18; DERS., Gymnasium (1926), S. 13 f.; SOMMERLAD, Der Deutsche Orden (1931), S. 169.

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eine schulische Emanzipation von den bestehenden kirchlichen Schulen erreicht oder zumindest ermöglicht hätte. Sein neuerlicher Anlauf steht im engen Zusammenhang mit weiteren Konflikten, die der Stadtrat mit dem Deutschen Orden über steuerliche Privilegien und unliebsame finanzielle Geschäfte des Ordens auszutragen hatte. Während diese jedoch in einem langwierigen Prozess, welcher der Stadt selbst Kirchenbann und Reichsacht einbrachte, bis 1362 beigelegt werden konnten, erfuhr das Schulgründungsprivileg und eine mögliche Umsetzung keine weitere Erwähnung.21 Die ältere Forschung vermutet zwar, dass die neuerliche und unnötige Bestätigung der Deutschordensprivilegien von 1352 einer zusätzlichen Absicherung des Ordens angesichts der neuen städtischen Optionen gedient haben sollte, ist sich jedoch einig, dass der Stadtrat das erteilte Schulgründungsprivileg nie in die Tat umsetzte und sich hinsichtlich der Schulen bereits vor 1362 gütlich mit dem Orden zu einigen wusste. Es bleiben jedoch Zweifel. In den Quellen finden sich vereinzelt rätselhafte Hinweise, die eines Zusammenhangs entbehren, durch eine wenigstens kurzzeitige Existenz einer Schule unter städtischer Trägerschaft jedoch erklärbar scheinen. Insbesondere weist ein Artikel der Novellierungen der städtischen Statuten von 1311 einen Bezug zum Schulwesen auf. In der Übersetzung von Weber und Lingelbach heißt es wie folgt: Drei Ratskollegien sind übereingekommen auf ihren Eid bezüglich der Schule und des hierzu gehörigen Gutes und des „Riedes“ und anderen Allmendegutes, welche sie der Stadt zunutze und zugute verkauft haben: daß, wer die Räte oder einen von ihnen, oder die vier Männer, die das vorgenannte Gut zu verkaufen bestellt wurden, oder einen von ihnen, vor einem geistlichen Gericht oder vor einem weltlichen – getilgt … - geändert zu: verklagt – oder [dorthin] fordert, oder sie in irgendeiner Weise mit Mißhandlunge[en] überzieht: das sollen die Räte auf der Stadt Kosten und Lasten verteidigen, und sie sollen [es] ohne Nachteil bereinigen. Und welche Räte sich unterfangen, dieser Vorschrift zuwiderzuhandeln oder sie abzuändern, die sollen jeweils fünf Jahre und fünf Mark verwirken. Die Strafe soll der nächste Rat, der nach ihnen gekoren wird, auf seinen Eid fordern.22

Denselben Artikel edierte bereits Lambert. 23 Er besagt, dass der Stadtrat ein Gremium von vier Männern ernannt hatte, um nicht weiter spezifizierte Schulgüter zu verkaufen. Um sich nun vor etwaigen Rechtsfolgen und Beschuldigungen abzusichern, ergriff der Stadtrat die in dem Statut repräsentierte Präventivmaßnahme und ordnete an, dass jede folgende Verhandlung auf städtische Kosten geführt werden sollten, und übernahm somit die volle Verantwortung für

21 Vgl. STEPHAN, Geschichte (1833), S. 4; KLETT, Geschichte (1916), S. 19; DERS., Gymnasium (1926), S. 14; GÜNTHER, Mühlhausen (1975), S. 41. 22 WEBER/LINGELBACH, Statuten (2005), S. 109, Nr. 138, originalsprachlich S. 108, Nr. 349. Das Original der Novelle befindet sich im StA Mühlhausen, 10/T 8c, Nr. 1b, fol. 27v. 23 Vgl. LAMBERT, Ratsgesetzgebung (1870), S. 139.

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sein Handeln. Worin die vom Stadtrat befürchteten Rechtsfolgen bestanden, bleibt unklar. Das von Weber und Lingelbach als „Schule“ wiedergegebene Wort lautet im Original „Schulleyn“. Möglicherweise ist die von den Herausgebern gewählte Übersetzung ungenau und das Statut bezieht sich viel eher auf ein Schullehen, das durch zusätzliche Güter und ein Landstück (Ried) mit Einkünften ausgestattet worden war. Der Verkauf der Einkünfte eines Schullehens käme der Auflösung einer Schule gleich. Da der Stadtrat jedoch zumal so kurz nach der Bestätigung der Deutschordensprivilegien keine Befugnis hatte, eigenmächtig mit den Gütern der Deutschordensschulen zu verfahren, muss es sich um städtische Güter oder im schulischen Zusammenhang um die von der Stadt bereitgestellten Einkünfte eines städtischen Schullehens gehandelt haben, wodurch die Existenz einer Schule unter städtischem Patronat angedeutet zu werden scheint. Sowohl Weber und Lingelbach als auch Lambert datieren diese Novelle auf das Jahr 1351, aus dem die einzige sicher datierte Novelle der von ihnen edierten Statuten stammt.24 Die unsichere Datierung bedarf daher einer Berichtigung, die anhand einer späteren Sammlung der Statuten möglich ist.25 Diese ist in einer Abschrift des 16. Jahrhunderts überliefert und wird vom Mühlhäuser Findbuch inhaltlich auf das Jahr 1401 datiert.26 Sie verfolgte das Ziel, die alten und inzwischen unübersichtlichen Anhäufungen von Statuten und Novellen zu sammeln und neu zu sortieren, sodass sich die von Weber und Lingelbach sowie von Lambert edierten Statuten darin wiederfinden.27 Dies trifft auch für den Schulartikel zu. Die Abschrift gibt das Wort „Schulleyn“ zwar bereits als „Schule“ wieder, stellt den Artikel jedoch unter die Überschrift „De Beneficiis scolarum“ – Über das Schullehen – und datiert ihn folgendermaßen auf das Jahr 1391: „Constitutio f[a]cta p[er] quatuor para consulum Anno dm m ccc lxxxxi“.28 Es ist zwar nicht unmittelbar nachweisbar, aber wahrscheinlich, dass eine städtisch getragene und mit städtischen Einkünften versehene Schule seit dem kaiserlichen Privileg von 1349 existiert hat und vor oder im Jahr 1391 aufgelöst und die Schulgüter verkauft wurden. Dies stimmt zeitlich mit den vielfältigen Auseinandersetzung des Stadtrats mit dem Deutschen Orden, insbesondere aber mit den Geschicken der Vorstadtkirche St. Martini überein. Diese Kirche wird erstmals 1358 durch ein mit ihr verbundenes Ablassprivileg erwähnt, bestand 24 Vgl. WEBER/LINGELBACH, Statuten (2005), S. XIII u. XXVI. 25 Vgl. StA Mühlhausen, 10/T 8c, Nr. 10. 26 Vgl. BEMMANN, Statuten (1908), S. 15. Die Datierung ist jedoch ungenau. Die hier abgeschriebenen Statuten gehen noch einige Jahre über 1401 hinaus. 27 Eine deutlich spätere Hand, möglicherweise die Bemmanns, des Entdeckers und späteren Bearbeiters der Handschrift, ergänzte in Bleistift zahlreiche Verweise auf die Seiten der Lambertschen Edition. 28 StA Mühlhausen, 10/T 8c, Nr. 10, fol. 122v.

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jedoch bereits früher als eigenständige Pfarrkirche, die sich zeitweise nicht unter dem Einfluss des Ordens, sondern in städtischer Hand befand. Mit Altersberger ist zu vermuten, dass die Gründung und Privilegierung dieser städtischen Pfarrei als Konkurrenzgründung und Gegengewicht der Hauptpfarrkirchen anzusehen ist.29 Die Angliederung einer Schule wäre eine logische Konsequenz und durch das kaiserliche Privileg möglich gemacht worden.30 Erst 1364, zwei Jahre nach der endgültigen Beseitigung aller Konfliktfelder, wurde auch ihr Patronat dem Deutschen Orden übertragen. Sie hörte damit auf, eine eigenständige Pfarrei zu sein. 31 Die kirchenstrukturelle Basis wäre einer städtischen Pfarrschule somit entzogen und die Schule ebenfalls dem Niedergang anheimgegeben worden. Er wurde vor oder im Jahr 1391 durch den Verkauf der Schulgüter besiegelt. Die frühesten erhaltenen Stadtrechnungen stammten aus den Jahren nach 1380. In ihnen findet sich bereits kein Hinweis mehr auf eine städtische Schulträgerschaft.32

3.3. Der Vergleich mit der zweiten Reichsstadt – der Nordhäuser Schulstreit Keine 50 Kilometer nordöstlich von Mühlhausen lag Nordhausen, die zweite Reichsstadt des thüringischen Raumes. Kirchlich geprägt wurde sie von dem Chorherrenstift zum Heiligen Kreuz, das um 1220 aus dem im 10. Jahrhundert gegründeten Damenstift hervorgegangen war.33 Wann an diesem Stift eine Schule gegründet wurde, ist unbekannt, doch kann von einer Gründung als Maßnahme der Umwandlung in ein Chorherrenstift ausgegangen werden. Die Pflicht, eine Schule zu unterhalten, ist in der Gründungsurkunde festgehalten worden,34 ein namentlich nicht genannter Schulmeister tritt beispielsweise 1269 in Erscheinung.35 Ein Jahrhundert nach der Stiftsgründung wurde um die Schule der einzige in Thüringen nachweisbare regelrechte Schulstreit ausgetragen, der die Etablierung

29 Vgl. ALTERSBERGER, Pfarrstruktur (2013), S. 44 f. 30 Eine Alternative hätte die bereits erwähnte Johanniskirche geboten, die ebenfalls unter dem Patronat des Stadtrates stand. Wahrscheinlicher ist jedoch aufgrund ihres gezielten Aufbaus gegen den Einfluss des Deutschen Ordens die Martinikirche. 31 Vgl. ALTERSBERGER, Pfarrstruktur (2013), S. 44 f. 32 Vgl. KAUFFUNGEN, Kämmereirechnung (1904); DERS., Jahresrechnungen (1905); GROTH, Kämmerei-Rechnungen I (1930); DERS., Kämmerei-Rechnungen II (1931). 33 Vgl. zur Umwandlung des Stiftes WAND, Reichsstift (2006) Kap. 2.1. 34 Vgl. ebd., S. 115. 35 Vgl. UB Mühlhausen, Nr. 197.

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eines Gegengewichts zur Stiftsschule zum Ziel hatte.36 Ging die schulische Auseinandersetzung in Mühlhausen von Ludwig dem Bayern aus, der über das Schullehen zu verfügen glaubte, kam in Nordhausen der Stadtrat dem bereits um einige Jahre zuvor. Im Jahr 1319 trachtete er danach, neben der Schule des Stiftes eine weitere Schule zu begründen. Man argumentierte in der fast schon üblichen Weise mit der gewachsenen Bevölkerungszahl und der mitunter weiten Entfernung einiger Stadtteile von der Stiftsschule.37 Wie viel dem Stadtrat an der eigenen Gründung gelegen war, offenbart die von ihm ergriffene Maßnahme. Er erwirkte am 27. Juli 1319 beim Papst Johannes XXII. in Avignon ein offizielles Schulgründungsprivileg. Die Umsetzung folgte umgehend, indem der Stadtrat an der Pfarrei St. Peter – am Stadtrand gegenüber dem Stift gelegen – eine zweite, städtisch getragene Schule gründete. Beim Stift stieß der Akt selbstverständlich auf Missfallen, unterstellte man dem Stadtrat doch die Vortäuschung falscher Tatsachen. Zwischen Stift und Rat entbrannte ein Streit, der letztlich durch weitere Aspekte im Verhältnis zwischen beiden Parteien verstärkt wurde. Den endgültigen Ausschlag für die schulische Entfaltung gab letztlich jedoch eine reichspolitische Maßnahme Ludwigs des Bayern, der die Stadt zu Beginn der 1320er Jahre verpfändete. Das Verhalten des Stadtrates gegen die Reichspolitik führte 1324 zu einem Aufstand der Bürger und zur Absetzung des alten Rates. Dem schloss sich, als das Stift sich auf die Seite des alten Rates schlug, die Vertreibung der Chorherren aus der Stadt an. Im Laufe des Jahres 1325 wurde der Aufstand durch eine militärische Belagerung durch den umliegenden Adel unterdrückt, die Chorherren in die Stadt zurückgeführt und der alte Rat wieder eingesetzt. Nach einer Intervention des Mainzer Erzbischofs wurde zwischen dem Stadtrat und dem Stift eine Entscheidung in den Streitpunkten erzwungen und am 24. Juni 1326 urkundlich manifestiert. Eine städtisch getragene Schule musste vom Stift zwar toleriert werden, doch musste der Rat sie aus der ummauerten Stadt an die Vorstadtkirche St. Jakob verlegen. Die Stadt wurde daraufhin zwischen dem Stift und dem Rat in unterschiedliche Schulbezirke aufgeteilt, wobei die Kinder innerhalb der Stadtmauern die Stiftsschule zu besuchen und an Feiertagen bei den Stiftsgottesdiensten mitzuwirken hatten. Den Mitgliedern der Pfarrei St. Peter wurde der Besuch freigestellt. Im Jahr 1394 wurde das gegenseitige Verhältnis beider Schulen in einem 13 Artikel umfassenden Schulvertrag festgeschrieben. Die neue 36 Vgl. zur folgenden Schilderung KAEMMEL, Geschichte (1882), S. 81; WAND, Reichsstift (2006), S. 115–118; GRAMSCH, „Schulstreiten“ (2014), S. 62–64. Zur Einordnung der Nordhäuser Ereignisse in die allgemeine schulgeschichtliche Entwicklung vgl. GRAMSCH, „Schulstreiten“ (2014). 37 Bereits die ältere Forschung betrachtete das vielerorts angeführte Argument der Entfernung als Topos und Vorwand, vgl. insbesondere HESSELBACH, „Deutsche“ Schule (1920), S. 5 und GRAMSCH, „Schulstreiten“ (2014), S. 62 u. 80.

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Schule wurde vom Stadtrat getragen und mit Schulmeistern besetzt, fungierte zukünftig aber der Stiftschule untergeordnet.38 Trotzdem hatte die Nordhäuser Ratsschule – im Gegensatz zum Mühlhäuser Gründungsversuch – Bestand. Sie tritt noch in den frühen Reformationsjahren als eigenständige Einrichtung in Erscheinung.39

3.4. Die Mühlhäuser Deutschordensschulen am Ende des Mittelalters Trotz der frühen Erstnennungen der beiden Mühlhäuser Schulen schweigen die Quellen nach der urkundenreichen Auseinandersetzung des 14. Jahrhunderts fast völlig. Über die weitere Entwicklung und die Organisation liegen keine näheren Informationen vor. Wie im Falle der Altenburger Deutschordensschule ist die ausgewiesene Teilnahme der Schüler an Seelenmessen selten. Die Mühlhäuser Schulen erscheinen nur in einer der zahlreich überlieferten Stiftungen, als ein nicht namentlich genannter Mann 50 fl für seine Seelenmesse stiftete, diese unter der Mitwirkung von Schülern gehalten werden sollte und der Schulmeister dafür an den Zinsen beteiligt wurde.40 Auch sonst wurde die Schule, bis auf die erwähnte Ausnahme bei der Bestellung der Allerheiligenkapelle, nicht ausdrücklich in die liturgischen Aktivitäten der Kirchen mit eingebunden.41 Ebenso erfolgten die Martinsprozessionen, deren Kosten in den Stadtrechnungen dargelegt werden, ohne deutlichen Hinweis auf die Teilnahme von Schülern oder Schuldienern. Einige Schuldiener können lediglich durch spärliche Funde namentlich ermittelt werden. 1342 bezeugte ein Guntherus, genannt Caesar, Schulmeister in der Altstadt, den Verkauf eines Landstücks.42 1359 wurde die Schule von Divi Blasii durch einen Berthold und die Schule an St. Marien durch Magister Hildebrand, genannt Stabeygen, geleitet.43 1390 erscheint als Schulmeister der Marien38 Vgl. MÜLLER, Schulordnungen I (1885), S. 234. 39 Vgl. PAULSEN, Geschichte (1919), S. 169; MÄGDEFRAU/GRATZ, Reformation (1996), S. 78; DOLCH, Lehrplan (1982), S. 200. 40 Vgl. StA Mühlhausen, 10/I 2, Nr. 1, fol. 73r–74r, vgl. darüber hinaus exemplarisch die Seelenmessstiftung der Fronleichnamsbruderschaft in Divi Blasii von 1472 (ebd., fol. 71r– 72v) und eine Seelenmessstiftung durch einen Gottschalk von 1485 (StA Mühlhausen, 0/1174a), in denen keine schulische Beteiligung erwähnt wird. 41 Vgl. exemplarisch die Bestellung der genannten einstigen Pfarrkirche und nunmehrigen Kapelle St. Martini von 1364, StA Mühlhausen, 0/568a; StA Mühlhausen, 10/I 2, Nr. 1, fol. 46r–47v. 42 Vgl. UB Mühlhausen, Nr. 943; JORDAN, Beiträge I (1895), S. 13; KLETT, Gymnasium (1926), S. 14 f. 43 Vgl. STEPHAN, Geschichte (1833), S. 4; JORDAN, Beiträge I (1895), S. 13; KLETT, Gymnasium (1926), S. 14; SOMMERLAD, Der Deutsche Orden (1931), S. 175.

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schule ein Hartung. 44 Schließlich bezeugte der Schulmeister der Marienschule Friedrich Louffer eine Urkunde im Jahr 1454.45 Die ältere, insbesondere protestantisch geprägte Forschung sah in den Deutschordensschulen lediglich niedere Elementarschulen, die vom Kirchner nebenberuflich gehalten wurden, und entspricht damit dem Urteil der Altenburger lokalen Forschung über die dortigen kirchlichen Schulen. 46 In Mühlhausen ist insbesondere Friedrich Stephan hervorzuheben, der die hiesigen Schulen über alle Maßen schlecht beurteilte und sie selbst im reichsweiten Vergleich weit hinter den Schulen anderer Städte einzuordnen können glaubte.47 Diese Urteile entbehren jedoch wie in Altenburg der Grundlage. Dass es den Schulen nicht an wissenschaftlichem Niveau mangelte, legen die akademischen Titel einiger Schulmeister nahe. Während der 1359 erwähnte Magister Hildebrand noch einige Unsicherheiten hinsichtlich seines Titels belässt, wurde Friedrich Louffer 1454 ausdrücklich als „baccalario in artib[us]“48 bezeichnet. Gleiches gilt für Ambrosius Grosch, der im frühen 16. Jahrhundert als Schulmeister diente und auf den an späterer Stelle zurückzukommen sein wird. Auch der Annahme, dass die Schulen lediglich durch den Kirchner gehalten wurden, kann widersprochen werden. 1483 wurde die Marienschule durch drei Schuldiener, den Schulmeister Johannes Lorbir, den Kantor Bartholomäus Dubinger und den Locaten Konrad Mehlbach versehen. Sie setzten sich für einen Schüler namens Nikolaus Bere ein, der aus einem unbekannten Grund im Gefängnis saß und bei seiner Entlassung Urfehde schwören musste.49 Eine städtische Beteiligung am Schulwesen ist selten nachzuweisen, doch wird immerhin deutlich, dass der Stadtrat den Schuldienern gewogen war. Aus einer 1251 gestifteten Spende sollten auch die Schuldiener je zwei Pfund Karpfen erhalten.50 Während diese Spende über Jahrhunderte fortbestand und nach einer Unterbrechung in der frühen Reformationszeit fortgesetzt wurde, etablierte der Stadtrat zu Beginn des 16. Jahrhunderts das sogenannte Propina Consulatus, wobei es sich um regelmäßige, meist zum neuen Jahr ausgeteilte Trankgelder handelte, die sich alljährlich durch die Stadtrechnungen nachverfolgen lassen. Im Jahr 1514 finden sich unter den Empfängern erstmals auch der „schulmeist[er] in der alt[en] stat“ und der „schulmeist[er] […] in nouo civitat[e]“,51 die beide 6 gr erhielten. Zuletzt 44 Vgl. KLETT, Gymnasium (1926), S. 15. 45 Vgl. StA Mühlhausen, 0/877; BRINKMANN, Gelegenheitsfunde (1933), S. 105. 46 Vgl. STEPHAN, Beiträge (1833), S. 5; JORDAN, Beiträge I (1895), S. 12 f.; KLETT, Unruhen (1925), S. 194. 47 Vgl. STEPHAN, Geschichte (1833), S. 5. 48 Vgl. StA Mühlhausen, 0/877; BRINKMANN, Gelegenheitsfunde (1933), S. 105. 49 Vgl. BRINKMANN, Gelegenheitsfunde (1933), S. 105. 50 Vgl. JORDAN, Beiträge I (1895), S. 13; MANDRY, Palmarumspenden (2018). 51 Für beide beide Zitate StA Mühlhausen, 2000/23, fol. 132r.

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sei auf den sogenannten Poppenroder Tisch verwiesen. Aus dieser Stiftung von 1523 wurde an sämtliche städtische Bedienstete Fisch gereicht, wodurch wiederum auch die Schul- und Kirchendiener bedacht wurden.52 Trotz des kirchlichen Charakters der Schulen scheinen sie und ihre Schulmeister demnach mit dem Stadtrat verbunden gewesen zu sein und dieser sie als innerstädtische Beamte angesehen zu haben, was am Ende des Mittelalters anderthalb Jahrhunderte nach der Niederlegung der Konflikte auf ein gemeinsames Einvernehmen des nicht aktiv agierenden Stadtrates mit dem Deutschen Orden hinsichtlich des Schulwesens verweist.

52 Vgl. StA Mühlhausen, 10/H 1-3, Nr. 1a, fol. 27r–v.

4.

Grundzüge des spätmittelalterlichen Schulwesens in thüringischen Städten

GRUNDZÜGE DES SPÄTMITTELALTERLICHEN SCHULWESENS

4.1. Das Schulwesen zwischen kirchlichem und weltlichem Interesse 4.1.1. Die Trägerschaft des mittelalterlichen Schulwesens Die Ambivalenz der schulischen Trägerschaft bzw. der politischen Organisationsstruktur der Schulen ist bereits durch die Gegenüberstellung Altenburgs und Saalfelds deutlich geworden. Der dabei vermittelte Eindruck einer scheinbaren Statik der Verhältnisse wurde jedoch durch das Mühlhäuser Beispiel relativiert. Obwohl die spätmittelalterliche und vorreformatorische Situation von einer grundsätzlich angestrebten Einmütigkeit zwischen kirchlicher und weltlichstädtischer Instanz geprägt war,1 offenbart der Blick in den thüringischen Raum eine große Vielfalt organisatorischer Strukturen, die vor einer Verallgemeinerung warnt. Nicht selten war die Situation vor Ort Spannungen unterworfen, die – wie eben im Mühlhäuser Fall – durch die städtischen Ambitionen zur politischen Vereinnahmung des Schulwesens bestimmt waren. In vielen Städten vermochten oder versuchten die Stadträte hingegen nicht, Ansprüche auf die Schulorganisation zu erheben. Dies betrifft insbesondere jene Orte, in denen eine oder mehrere zentrale kirchliche Institutionen – Stifte oder Klöster – die Verhältnisse bestimmten. In diesen Fällen blieben die Schulen in kirchlicher Hand bestehen und von den kirchlichen Institutionen organisiert. Der in dieser Hinsicht mustergültigen mittelalterlichen Schulenstadt Altenburg können weitere Städte zur Seite gestellt werden, obgleich ein derartiger Schulenreichtum – mit Ausnahme von Erfurt (Kap. I. 5.) – kein zweites Mal erreicht wurde. In Gotha bestand neben einer Stiftsschule am St. Marienstift lediglich eine weitere Pfarrschule an St. Margarethen, die mit der Pfarrei dem Heiligkreuzkloster inkorporiert war.2 Gleichermaßen existierte neben der Stiftsschule von St. Stephani in Langensalza eine zweite Schule an der dem Jungfrauenkloster inkorporierten Pfarrei St. Bonifatii. In Schmalkalden unterschied man zwischen der Schule auf dem Berge, also in Verbindung mit dem Stift, und der Schule an der Pfarrei.3 In Römhild und dem heute sachsen-anhaltinischen Bibra4 war die 1 2 3 4

Vgl. für den fränkischen und oberpfälzischen Raum JAKOB, Schulen (1994), S. 137. Vgl. ANZ, Reformation (1917), S. 107 f.; HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 8; HOLLSTEIN, Gymnasium (1972), S. 99; FLITNER, Wissenschaft (1972), S. 59. Vgl. LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. I, Nr. 4225, fol. 1r. Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 1b, fol. 360r; SCHULZE, Bibra I (1896), S. 7 f.; DERS., Bibra II (1897), S. 55 f.

GRUNDZÜGE DES SPÄTMITTELALTERLICHEN SCHULWESENS

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jeweils einzige spätmittelalterliche Schule ebenfalls mit dem Stift und in Stadtilm mit dem Zisterzienserinnenkloster verbunden. 5 Schließlich ist in dem kleinen Flecken Sulza nördlich von Jena bereits 1228 und somit verhältnismäßig früh am dortigen Stift ein Scholaster namens Ludwig nachweisbar. 6 Hier wurde das Scholasteramt jedoch zeitweise mit dem des Propstes zusammengelegt. Der Scholaster Heinrich, der 1349 in Erscheinung tritt,7 versah bereits im folgenden Jahr beide Ämter, die er über mehrere Jahre in seiner Person vereint hielt.8 Von 1375 bis 1378 kann selbst ein „schulmeister des thumes zcu Sulcze“9 namens Matthis namhaft gemacht werden.10 Einige der genannten Stiftsschulen müssen jedoch als Besonderheit herausgestellt werden. In Gotha, Langensalza und Römhild existierten bereits vor der Gründung der dortigen Stifte Schulen, die erst im Nachhinein zu eigentlichen Stiftsschulen erhoben wurden. In Gotha wurde die Marienkirche erst 1344 durch die Umsiedlung der Ohrdrufer Chorherren zu einer Stiftskirche erhoben, während die dortige Schule bereits 1292 erstmals erwähnt wurde.11 In Langensalza war die Pfarrkirche St. Bonifatii dem Magdalenerinnenkloster inkorporiert.12 Die Verfügungsgewalt des Klosters schloss dabei auch die Pfarrschule mit ein. Ein Brief der verbliebenen Nonnen und Vikare von 1540 illustriert dieses Verhältnis aus der Rückschau der frühen Reformationszeit, indem die Verfasser den Schulmeister von St. Bonifatii als personell mit dem Kloster verbunden erscheinen ließen.13 Keine Aussage kann dahingehend über die Schule an St. Stephani getroffen werden, bevor in den 1470er Jahren der Sitz des Archidiakonates von Oberdorla nach Langensalza verlegt und die Schule durch die Erhebung der Stephanikirche zur Stiftskirche zu einer Stiftsschule umgewandelt wurde.14 Beide Schulen fanden bereits in der ersten Langensalzaer Stadtrechnung von 1379 – der ältesten erhaltenen Stadtrechnung Thüringens überhaupt15 – Erwähnung, indem ihre Schüler für ihren Gesang zu bestimmten Anlässen kleinere Geldgeschenke

5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

Vgl. HESSE, Stadtilm (1844), S. 302 u. 309; BÜNZ, Bildungslandschaft (2004), S. 48. Vgl. JUDERSLEBEN, Bergsulza I (1993), S. 67. Vgl. UB Altenburg, Nr. 629 und Nr. 644. Vgl. ebd., Nr. 645; LATh-StA Altenburg, Regest der Urkunde vom 20. Juli 1356. UB Altenburg II (Manuskript), 21. Dezember 1375. Vgl. LATh-StA Altenburg, Regest der Urkunde vom 13. Juli 1378 (1); UB Altenburg II (Manuskript), 13. Juni 1378. Vgl. SCHMITT, Schriftsprache (1966), S. 188; HOLLSTEIN, Gymnasium (1972), S. 99. Vgl. GUTBIER, Reformation (1925), S. 455. Vgl. HStA Dresden, 10024, Loc. 10593/6, fol. 84r–v. Vgl. TODE, Bauernkrieg (1994), S. 237. Vgl. BIRGELEN, Stadtrechnungen (2012), S. 88.

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erhielten. Weitere Ausgaben dieser Art ziehen sich gleichermaßen durch die folgenden Stadtrechnungen.16 Die erste Erwähnung der Römhilder Schule fällt hingegen erst in das direkte zeitliche Vorfeld der Stiftsgründung durch den hennebergischen Grafen Georg. Dieser erwarb das Patronatsrecht über die hiesige Pfarrkirche im Februar 1447 vom Pfarrer von Mellrichstadt und fasste sogleich eine Stiftsgründung ins Auge.17 Obwohl sie erst 1450 offiziell umgesetzt werden konnte,18 tritt eine Schule bereits am 19. November 1447 in Erscheinung, 19 indem einem „choristarum puerorum praepositus“20 ein Anteil von 1 fl an einer Messstiftung zugewiesen wurde. Es ist nicht wahrscheinlich, dass die damit repräsentierte Schule erst in den vergangenen Monaten seit der Patronatsübertragung gegründet worden sei. In der urkundlichen Überlieferung zur Gründung der Pfarrei 1405 finden sich freilich keine Hinweise zu ihrer Existenz,21 doch kann eine Entstehung angesichts der verhältnismäßig reichen finanziellen Ausstattung der Kirche und ihrer damit verbundenen vielfältigen liturgischen Tätigkeit 22 in einer zeitlich dichten Folge angenommen werden. Die Römhilder Schule blieb auch über die Stiftsgründung hinaus unter den thüringischen Stiftsschulen hinsichtlich ihrer personellen Verflechtung mit dem Stift ein Sonderfall, indem offenbar – wie zunächst auch im Altenburger Georgenstift – auf die Installierung eines Scholasters verzichtet wurde. Die Gründungsurkunde des Stiftes vom 18. Februar 1450 erwähnte zwar die Stiftsdignitäten und ordnete deren Funktionen – so kam es beispielsweise dem Custos zu, „das ganze Volk in Römhilt inwendig und auswendig der Stat“23 seelsorgerisch zu versorgen – doch blieb ein Scholaster unerwähnt. Dass die Schule dennoch dem Stift unterstand, wird erst durch den Schulmeister verdeutlicht, der später selbst zu den Stiftsherren gezählt worden ist.24 In den damit angeführten Städten lag das Schulwesen wie in Altenburg wahrscheinlich völlig in kirchlicher Hand. Das Patronat befand sich in den Händen der Stiftsherren, der Pröpsten, Äbte oder Äbtissinnen der Klöster sowie der Pfarrer der inkorporierten Pfarreien. Lediglich in wenigen Städten kann ein gleichzeitiges 16 Vgl. StA Langensalza, R II, 1, fol. 186v sowie exemplarisch ebd., R II, 4, fol. 19r (1400). 17 Vgl. SIEGFRIED, Römhild (1906), S. 26 f. u. 29; KÖHLER, Kollegiatstift (1936–39), S. 348– 350 u. 359 f. 18 Vgl. MÖTSCH, Regesten I (2006) Nr. 1037, S 496–499. 19 Vgl. LATh-StA Meiningen, Amt Römhild/Urkunden, Nr. 23; MÖTSCH, Regesten I (2006) Nr. 1008, S. 485. Vgl. auch KÖHLER, Kollegiatstift (1936–39), S. 360. 20 Zitiert nach KÖHLER, Kollegiatstift (1936–39), S. 380. 21 Vgl. MÖTSCH, Regesten I (2006) Nr. 464, Nr. 465, S. 246 f.; KÖHLER, Kollegiatstift (1936– 39), S. 353 f. 22 Vgl. SIEGFRIED, Römhild (1906), S. 27; KÖHLER, Kollegiatstift (1936–39), S. 354 f. 23 Zitiert nach KÖHLER, Kollegiatstift (1936–39), S. 363 f. 24 Vgl. ebd., S. 379 f.

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Nebeneinander kirchlich und städtisch getragener Schulen konstatiert bzw. vermutet werden.25 So lässt ein Brief des Stadtrates von Schmalkalden an den Grafen Wilhelm von 1499 vermuten, dass die Pfarrschule unter städtischer Obhut stand. Der Stadtrat schilderte darin seine Bemühungen, eines Stiftsschülers, der einen Schüler der Pfarrschule verwundet hatte, habhaft zu werden. Die Bemühung des Stadtrates verdeutlicht dabei einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Pfarrschule.26 Die Vermutung wird durch eine deutlich spätere Äußerung des Stadtrates unterstützt, durch die er nach der Einführung der Reformation 1557 den Superintendenten aus der Schulbestellung auszuschließen suchte. Er verwies dabei auf ein gräfliches Privileg, welches das Schulpatronat unangefochten dem Stadtrat zuschreibe.27 Dass der Graf dem Rat dieses Privileg auf die Intervention des Superintendenten hin wieder entzog,28 lässt einen vorreformatorischen Ursprung vermuten.29 Ähnlich verhielt es sich in Eisenach. Hier bestanden vor der Reformation drei Pfarreien, die alle geistlichen Institutionen inkorporiert waren – dem Stift sowie den Klöstern St. Katharinen (Pfarrei St. Georgen) und St. Nikolai.30 Neben der Stiftsschule „an dem frawenperg“31 existierten somit auch zwei Pfarrschulen. Zumindest für die Nikolaischule kann die Gründung verhältnismäßig genau festgelegt werden. Das Kloster verfügte seit dem 12. Jahrhundert über Pfarrrechte. Eine undatierte Urkunde des ludowingischen Landgrafen Hermann I. (1190– 1217) übertrug dem Kloster daraufhin das regimen scolarium, das der Pfarrschule somit eine bemerkenswert frühe Gründung bescheinigt.32 Die zweite Pfarrschule an St. George tritt erst 1334 durch den Schulmeister Ulrich in Erscheinung.33 25 Die weitverbreiteten, sogenannten inneren Klosterschulen zur wissenschaftlichen Ausbildung der eigenen Novizen sind hierbei freilich ausgenommen. Sie bestanden vermutlich in fast jedem Kloster und mitunter auch neben städtisch getragenen Gemeinen Schulen, wirkten jedoch kaum über die Klostermauern hinaus. 26 Vgl. LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. I, Nr. 4225, fol. 1r. 27 Vgl. LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. IV, Nr. 230, fol. 98v. 28 Vgl. ebd., fol. 99v. 29 Auch Jürgeleit konstatiert anhand einer Urkunde von 1498, in der die gegenseitigen Rechte zwischen dem Landgrafen von Hessen und dem hennebergischen Grafen an den kirchlichen Institutionen der Stadt festgeschrieben wurden, das städtische Patronat der Pfarrschule, doch geht dies zumindest aus den von ihm zitierten Worten, die die wirtschaftliche Versorgung des Schulmeisters betreffen, ebenfalls nicht eindeutig hervor, vgl. JÜRGELEIT, Schulverhältnisse (1997), S. 3. 30 „[…] deren eine dem Stifft, die andere dem Niclausen, vnd die dritte dem Catharinischen closter incorporirt gewesen“, vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1889, fol. 150r. Vgl. auch FUNKHÄNEL, Beiträge II (1844), S. 14, 16 f./S 20. 31 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 1224, fol. 8v. 32 Abgedruckt bei FUNKHÄNEL, Beiträge II (1844), S. 16 f. 33 Vgl. FUNKHÄNEL, Beiträge II (1844), S. 20.

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Trotz der geistlichen Inkorporation beider Pfarreien stand eine der Pfarrschulen am Ende des Mittelalters unter städtischer Verwaltung. Dies geht aus den späteren Worten des Eisenacher Reformators Justus Menius hervor, der im Februar 1540 aus der Rückschau die Schulsituation bei seiner Ankunft in Eisenach schilderte. Der Schulmeister M. Heinrich Scholl habe sein Amt vernachlässigt und Menius beim Stadtrat seine Absetzung angeregt.34 Vom ehemaligen Schulmeister beklagt, verteidigte Menius sich und wies die Schuld an seiner Amtsenthebung von sich. Sie sei – um das Jahre 1530 vorgenommen – eine Entscheidung des Stadtrates gewesen, dem die Besetzung der Schule wie auch die Verfügung über den Schulmeister „nach alter vnd loblicher gewonheit dieser Stadt“35 freigestanden habe. Menius’ Schilderung zufolge bezog sich das städtische Patronat auf die Schule an St. Georgen,36 die von der älteren Forschung – obgleich ihre näheren Wirkungsumstände völlig im Dunklen liegen37 – als die bedeutendste Schule der Stadt angesehen und aufgrund seines dreijährigen Besuches selbst als ‚Luthers Schule‘ bezeichnet wurde.38 Ein solches Nebeneinander kirchlich und städtisch getragener Schulen kann für Thüringen als seltener Ausnahmefall angesehen werden. Eine Inanspruchnahme des Schulpatronats durch den Stadtrat konnte in der Regel nur erfolgen, wenn die Stadt nicht mit einem Kloster oder Stift über eine das Kirchenwesen prägende kirchliche Institution verfügte oder diese es nicht vermochte, ihren Einfluss zu bewahren.39 Der von der älteren Forschung so bezeichnete Schulstreit,40 in dem die Stadträte den Kirchen die politische Versorgung des Schulwesens aus den Händen nahmen, ist mancherorts auch in Thüringen nachweisbar. Abgesehen von den Ausnahmen in Nordhausen, Schmalkalden und Eisenach – ein regelrechter Schulstreit ist nur im ersten Fall nachweisbar – betrifft dies jedoch stets die alleinige Schule einer Stadt. Das Ziel war in den meisten Fällen nicht, städtische Schulen neben bestehenden kirchlichen zu begründen,41 sondern den kirchlichen Einfluss auf die bereits existierende Schule einzudämmen. Die abweichende Akzentuierung ergibt sich aus den städtischen Struk34 Vgl. HERRMANN, Bartholomäus Rosinus (1937), S. 28. 35 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1478, fol. 3r. 36 Seine These, dass das Patronatsrecht der Georgenschule „von jeher“ beim Stadtrat gelegen habe, führt Funkhänel trotz seiner sonstigen Sorgfalt nicht weiter aus, vgl. FUNKHÄNEL, Beiträge II (1844), S. 22. 37 Vgl. FASBENDER, Colligi in Kempnicz (2016), S. 63, mit Anm. 2. 38 Vgl. HENNING, „Luthers Schule“ (1972), insbesondere S. 73. Vgl. auch KAEMMEL, Geschichte (1882), S. 82; HENNING, Umzug (2004), S. 30 f. 39 Für den heutigen sächsischen Raum vgl. FASBENDER, Einleitung (2014), S. 2. 40 Vgl. zur Thematik ausschlaggebend MEISTER, Schulstreit (1868) sowie zuletzt GRAMSCH, „Schulstreiten“ (2014). 41 So zuletzt bei GRAMSCH, „Schulstreiten“ (2014), S. 67.

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turen Thüringens, das von stiftslosen Kleinstädten geprägt war. Der Hintergrund – die städtische Ambition, die Kirchen in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht der städtischen Gesellschaft einzugliedern – bildete nichtsdestotrotz auch in diesen Fällen den Auslöser der Entwicklung. Die Bezeichnung des Schulstreits ist in diesem Zusammenhang zwar irreführend, doch nahmen auch die Auseinandersetzungen um die Rechte an einer maßgeblichen Gemeinen Schule, wie sich zeigen wird, mitunter die Ausmaße eines heftigen Streites an. Den Anfang dieser Entwicklung machte in Thüringen, nur knapp zwei Jahrzehnte nach dem regelrechten Schulstreit in Nordhausen, die Stadt Jena. Die hiesige Schule wurde im Jahr 1254 mit dem Schulmeister Rudolf erstmals erwähnt.42 Ein halbes Jahrhundert später, 1309, übertrugen die Herren von Lobdeburg die Verfügungsgewalt über die Schule, die zuvor (ab antiquo) beim Pfarrer der Stadtpfarrei und seinen Vorgängern (suique antecessores) gelegen hatte, auf das erst kürzlich gegründete Zisterzienserinnenkloster St. Michael. 43 Der Stadtrat wurde in der betreffenden Urkunde noch mit keinem Wort erwähnt. Erst abermals ein knappes halbes Jahrhundert später sind allmählich Anzeichen erkennbar, dass er erste Anstalten unternahm, um auf die Bestellung der Schule durch das Kloster einzuwirken.44 Obgleich die folgende Urkunde drei Jahrzehnte jünger ist als bislang oft angenommen,45 kann dieser Zeitpunkt im thüringischen Vergleich als herausragend früh angesehen werden. Er fällt zeitlich mit weiteren Maßnahmen zusammen, die in ihrer Gesamtheit tatsächlich den Eindruck eines bewussten städtischen Strebens entstehen lassen, einen verstärkten Einfluss gegenüber

42 Vgl. UB Jena I, Nr. 6, S. 7 f.; LEIßLING, Stadtschule I (1919), S. 124; HERRMANN, Kirchengeschichte I (1937), S. 269; MEINL, Schulordnung (1993), S. 179; BÜNZ, Bildungslandschaft (2004), S. 48. 43 Vgl. UB Jena I, Nr. 78, S. 63 f.; LORENZ, Volkserziehung (1887), S. 104; LEIßLING, Stadtschule I (1919), S. 124; HERRMANN, Lateinschulen (1940), S. 234 f.; BÜNZ, Bildungslandschaft (2004), S. 55 f.; KUNDE, Bildung und Erziehung (2016), S. 49. 44 Vgl. UB Jena I, Nr. 117, S. 97 f. 45 Das erste Jenaer Urkundenbuch datierte die betreffende Urkunde, deren Original verloren ist, nach einer Abschrift von 1737 auf das Jahr 1322. Schon Ernst Devrient, der Herausgeber des zweiten Urkundenbuches, berichtigte diesen Fehler jedoch im Jahr 1903 und datierte die Urkunde anhand darin genannter Ratsherren und Altarstiftungen auf die Jahre 1353–55, vgl. UB Jena II, S. XXXVIII, Anm. 3. Die Amtszeit des erwähnten Pfarrers Konrad von Kunitz, auf den an späterer Selle zurückzukommen sein wird, bestätigt diese Neudatierung. Devrients Berichtigung ist jedoch von der Forschung erst in der neueren Zeit zögerlich zur Kenntnis genommen worden, vgl. LEIßLING, Stadtschule I (1919), S. 125 f.; HERRMANN, Unsere Schule (1924), S. 6; KINTZINGER, Scholaster (1996), S. 359; BÜNZ, Bildungslandschaft (2004), S. 55; HANSCHMIDT, Elementarbildung (2005), S. 22, vgl. mit der richtigen Datierung MEINL, Schulordnung (1993), S. 179 (jedoch lediglich in Anm. 13); WEIß, Schulordnung (2014), S. 92.

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dem Kloster zu behaupten.46 Zwischen 1353 und 1355 wurde durch die Vermittlung Heinrich von Brandensteins und des Kunitzer Pfarrers Konrad eine Unstimmigkeit über die Schule zwischen dem Stadtrat und dem Kloster behoben. Der Gegenstand jener Auseinandersetzung, die sich um die Schulbestellung rankte, ist ungewiss, doch scheint der Stadtrat Anstoß an den vom Kloster ausgewählten Schulmeistern bzw. deren unbefristeten Anstellungen genommen zu haben. Um den Interessen des Stadtrates an der Schule entgegenzukommen, bewilligten die Vermittler diesem daher ein zunächst anteiliges Mitspracherecht an der Anstellung eines Schulmeisters. Letzterer solle zwar weiterhin von der Äbtissin, jedoch nur „mit rate und mit wissen des ratzs und der burgere“ gewählt und eingesetzt werden. Dem schloss sich insbesondere die Bestimmung an, die Amtszeit der Schulmeister zu befristen und „dye schuele igkeinem meistere [zu] vorewigin nach [zu] vorerbin“. 47 Gleichermaßen sollte bei der Absetzung eines Schulmeisters nur mit dem Wissen des Rates verfahren werden. Obwohl dem Stadtrat durch diese Maßnahme ein Mitbestimmungsrecht über die Schulbesetzung eingeräumt wurde, blieb die maßgebliche Patronatsinstanz beim Klosterkonvent. Bereits ein Jahrzehnt später wurde die Schulbestellung jedoch erneut zum Gegenstand einer Auseinandersetzung, deren Beilegung die Beteiligung des Stadtrates schließlich neu und zu seinen Gunsten akzentuierte. Abermals fungierten der Burgauer Amtmann Heinrich von Brandenstein und der Pfarrer Konrad von Kunitz als Schlichter der Angelegenheit und urteilten am 1. März 1364, dass der Stadtrat hinfort an der Einsetzung des Schulmeisters beteiligt werden solle.48 Das Kloster, hier jedoch nicht mehr durch die Äbtissin, sondern durch den Propst vertreten, und der Stadtrat mitsamt der Handwerkszünfte und der Gemeinde sollten in der Schulbestellung „eynin unde eyntrechtig“ sein und einen Schulmeister erwählen, „der beyde[n] stad unde clostire gefugsam unde eben“ sei.49 Sobald Propst und Rat sich einig seien, solle der Schulmeister durch die Äbtissin belehnt werden. Gleichermaßen sollte die Absetzung des Schulmeisters in Einvernehmlichkeit zwischen Propst und Rat erfolgen, wobei beide Parteien 46 1353 musste das Kloster sich verpflichten, ein Gemach auf der Stadtmauer im Falle eines Nachteils für die Stadt abzubrechen, UB Jena I, Nr. 252/253, S. 238 f. 1354 wurde dem Stadtrat die Entscheidung über die Anwendung kirchlicher Opfergaben, die bestimmten Heiligenbildern dargebracht wurden, übertragen, vgl. ebd., Nr. 256, S. 242–244. Diese Eingliederung bestätigt die von Klaus Wriedt bereits 1983 ausgesprochene Warnung, den sogenannten Schulstreit nicht als singuläres Ereignis und als städtischen Widerstand gegen eine ‚kirchliche Schulbildung‘ zu betrachten, vgl. WRIEDT, Bildungswesen (1983), S. 155. 47 Für beide Zitate UB Jena I, Nr. 117, S. 98. 48 Vgl. ebd., Nr. 312 u. 313, S. 295–297; MEISTER, Schulstreit (1868), S. 16; LEIßLING, Stadtschule I (1919), S. 126; HERRMANN, Lateinschulen (1940), S. 234 f.; BÜNZ, Bildungslandschaft (2004), S. 55 f. 49 Für beide Zitate UB Jena I, Nr. 312, S. 295.

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ausdrücklich angewiesen wurden, das Missfallen des Gegenübers an einem Schulmeister zu berücksichtigen. Die Klausel gegen die unbefristete Anstellung eines Schulmeisters wurde wiederholt. Der Wille des Stadtrates stand damit gleichberechtigt neben dem bisher maßgeblichen Patronat des Klosters. Für mehr als ein Jahrhundert schweigen nach dieser Gleichsetzung die Jenaer Quellen, doch blieb die Entwicklung nicht stehen. Vereinzelte Urkunden illustrieren in der Zwischenzeit die allmählich wachsende Bedeutung und den Aufschwung, den die Schule im Zuge der städtischen Entwicklung erfuhr. 1309 war das Amt des Schulmeisters noch mit dem officium campanicie, der Besorgung des Glockengeläutes verbunden 50 und der Raum für den Schulunterricht in der Kirche unterhalb des Turmes eingerichtet. 51 Noch im 14. oder im frühen 15. Jahrhundert erforderte eine steigende Schülerzahl jedoch die Errichtung eines eigenständigen Schulhauses in der Jenergasse, aus dem der Unterricht ebenfalls bald wieder, diesmal allerdings an einen unbekannten Ort, verlegt wurde. 1430 wurde das besagte Haus als „dy alde schule“ bezeichnet, während die der Schule hinzugefügten Wörter „nostre civitatis“ 52 bereits den allmählichen Vorrang der städtischen Autorität über die Schule verdeutlichen. Aus den letzten Jahren des 15. Jahrhunderts stammt schließlich eine Schulordnung, die als „Quintessenz jahrzehntelanger Querelen zwischen Stadtrat, Kirche und Bürgern“53 das Blatt endgültig gewendet und die Schulbestellung als Vorrecht des Bürgermeisters zeigt. Propst und Äbtissin wurden aus der Wahl eines Schulmeisters ausgeschlossen. Er solle „dy schul auß der handt der Ebersten Burgermeyster entpfahenn“,54 wobei das Lehen auf ein Jahr begrenzt wurde. Propst und Äbtissin wurden nun ihrerseits auf die nachgeordnete Position versetzt. Ihnen verblieb nach der Wahl und einer entsprechenden Präsentation durch den Bürgermeister lediglich die Bestätigung der Belehnung. Obgleich der Schulmeister zwar zu Gehorsam der Geistlichkeit gegenüber verpflichtet wurde, hatte diese keinen Einfluss mehr auf die Wahl, die Ein- oder die Absetzung des Amtsträgers. Zuletzt sei abschließend auf ein vermutlich 1506 vom Jenaer Amtsschosser angelegtes Verzeichnis der kirchlichen Einrichtungen der Stadt verwiesen, das den Abschluss der Entwicklung aus der Sicht eines weltlichen Amtsträgers eindrücklich illustriert. Das Verzeichnis führt nacheinander sämtliche Kirchen und Kapellen, Hospitäler und Siechenhäuser, die Klöster und selbst den Friedhof auf, erwähnt die Schule

50 Vgl. ebd., Nr. 78, S. 63 f. 51 Vgl. ebd., Nr. 205, S. 189 f.; LEIßLING, Stadtschule I (1919), S. 125; HERRMANN, Kirchengeschichte I (1937), S. 268; BÜNZ, Bildungslandschaft (2004), S. 55. 52 Für beide Zitate UB Jena II, Nr. 180, S. 87. 53 WEIß, Schulordnung (2014), S. 87. 54 StA Jena, B XVIIa-3, fol. 2r; UB Jena III, Nr. 434, S. 188 f.

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jedoch nicht mit einem Wort. Trotz ihrer liturgischen Funktion wurde sie nicht mehr als kirchliche, sondern als städtische Einrichtung wahrgenommen.55 Weitere Städte folgten dem Jenaer Beispiel – jedoch erst mit einigem zeitlichen Abstand – und brachten die Angelegenheit mit der fortschreitenden Zeit und dem steigenden politischen Selbstbewusstsein der Stadträte vor die Landesherrschaft. Fungierten in Jena noch der Burgauer Amtmann und der Pfarrer einer benachbarten Kirchengemeinde als Vermittler, wurden fast alle späteren Fälle vom Landesherren selbst oder zumindest von Bevollmächtigten in seinem Namen entschieden. So wurde 1436 eine entsprechende Auseinandersetzung in Eisenberg durch den nur kurz regierenden Herzog und späteren Würzburger Bischof Sigismund beigelegt.56 Das Eisenberger Kirchen- und Schulwesen lag zuvor völlig in der Hand des dortigen Heiligkreuzklosters.57 Wie im Jenaer Fall nahm jedoch der Stadtrat seit Beginn des 15. Jahrhunderts zunehmend kirchliche Rechte für sich in Anspruch. So ließ er sich bereits 1418 vom Landgrafen Wilhelm das Patronatsrecht über das Hospital bestätigen.58 Dem folgte am 21. Dezember 1436 die betreffende Urkunde Herzog Sigismunds, die nach der Regelung verschiedener Messen, Privilegien und gegenseitiger Verpflichtungen an letzter Stelle das Schulpatronat enthält. Es wurde den Bürgern übertragen, ohne dass ihnen ‚Gefahr‘ – also ungewollte Beeinflussung – in ihrer Entscheidung drohe, doch sollten sie mit Wissen und Willen des Propstes handeln: „der selbe Schule Meister sal von den Burgern mit Wissen vnde fuwerworte [Befürwortung] eyns probistis gekorn vnde gesatzt w[er]den ane geu[er]de“. Eine Identifizierung der Bürgerschaft mit dem Stadtrat kann an dieser Stelle angenommen werden. Bisherige Irrigkeiten – „zcwytracht vnde vnwillen“ – sollten durch diese Entscheidung beigelegt sein.59 Nicht immer waren jedoch die Ambitionen der Stadträte, das politische Vorrecht an der Schule an sich zu bringen, von Erfolg gekrönt. Bereits drei Jahre vor dem erfolgreicheren Versuch in Eisenberg scheiterte der Stadtrat von Weimar in seinen Bemühungen, das Schulpatronat dem Deutschen Orden aus den Händen zu nehmen. Dieser unterhielt eine Schule an der seit 1284 inkorporierten Kirche St. Petri. Die Ersterwähnung eines Schulmeisters fällt in das Jahr 1345.60 Als der 55 Vgl. UB Jena II, Nr. 1094, S. 410 f. 56 Warsitzka konstatierte 2003 zwar bereits die städtische Beteiligung an der Schulorganisation, doch war ihm die folgende Urkunde offenbar unbekannt, vgl. WARSITZKA, Schulen (2003), S. 3. 57 Vgl. LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen III (1891), S. 16. 58 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Urkunde vom 29. September 1418, Regest. Das Original der Urkunde ist nicht mehr erhalten. 59 Für beide Zitate LATh-StA Altenburg, Urkunde vom 21. Dezember 1436. 60 Vgl. KAEMMEL, Geschichte (1882), S. 40; SOMMERLAD, Der Deutsche Orden (1931), S. 166; HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 9; FLEMMIG, Der Deutsche Orden (2013), S. 55.

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Stadtrat zu Beginn der 1430er Jahre den Deutschen Orden in seinen Vorrechten zu bedrängen begann, rief dieser den Landgrafen Friedrich zu Hilfe und ließ den Rat in seine Schranken weisen.61 Am 26. März 1433 stellte der Landgraf eine Schlichtungsurkunde über die Schulbestellung aus, die zugunsten des Deutschen Ordens entschied. Der Pfarrer solle bei Bedarf „zcuuoran ane jnsprache“ einen Schulmeister aufnehmen. Obwohl der Stadtrat an der Wahl, der Ein- und der Absetzung nicht aktiv beteiligt wurde, erkannte der Landgraf seine Interessen an den Geschicken des Schulwesens an. Dies äußerte sich jedoch lediglich in einer Willensbekundung. Der gewählte Schulmeister solle durch die Altarleute dem Rat mit dem Gesuch vorgeführt werden, „ym dye schule milde zcugunnen“.62 Ob dem Stadtrat damit die Möglichkeit gegeben war, einen ihm unangenehmen Schulmeister abzulehnen, muss offenbleiben, doch steht fest, dass ihm nicht das Recht bewilligt wurde, dem Orden seinerseits einen eigenen Kandidaten vorzuschlagen. Zugestanden wurde ihm lediglich – sozusagen als Umsetzung seiner Willensbekundung – die Weisungsbefugnis in Belangen, die das städtische Recht betrafen, in Auseinandersetzungen des Schulmeisters mit Bürgern und hinsichtlich der von diesen zu leistenden schulischen Abgaben. Beides wurde bald daraufhin in einer Schulordnung manifestiert (Kap. I. 4.1.4). So gering die Befugnisse des Rates damit auch gehalten wurden, verdeutlichen gleich zwei weitere Vorfälle, dass er umso mehr auf deren Wahrung bedacht war. Eine Zuwiderhandlung des Pfarrers Johann Koler konnte er schließlich sogar dafür nutzen, die ihm gewährten Rechte auszubauen. Diesmal führte ein Intervention des Rates bei Herzog Wilhelm dazu, dass dieser die neuerliche Auseinandersetzung durch den Amtmann Hans von Trebra beilegen ließ. In der Schlichtungsurkunde vom 5. Juni 1459 wurde dabei die Beteiligung des Rates neu akzentuiert, indem ein Schulmeister nur „mit wissen, willen und gunst des rats von dem pferrer uffgenomen“63 werden solle, womit dem Stadtrat nun offenbar die Möglichkeit eingeräumt wurde, sich auch gegen einen potentiellen Schulmeister auszusprechen.64 Als wäre dies nicht genug, sah der Stadtrat sich 1484 abermals in seinen Rechten bedroht, was er damit begründete, dass der Pfarrer Nikolaus Pruchiger „sich der verschreibung nicht wolt verstehen“. Durch einen kurfürstlichen Rat wurde der Pfarrer gemaßregelt und mit steigender Deutlichkeit abermals zugunsten des Stadtrates geurteilt, „das kein pferrer fortmer allein sich understehen sol, einen 61 Vgl. SOMMERLAD, Der Deutsche Orden (1931), S. 170. Die auf Francke zurückgehende These, dass der Rat das Schulpatronat um 1430 übernahm, wurde in der Forschung zwar rezipiert, beruht aber auf einer Fehlinterpretation der Darlegung Heilands und trifft nicht zu, vgl. HEILAND, Geschichts des Gymnasiums (1859), S. 1–3; FRANCKE, Gymnasium (1916), S. 1 f.; FLITNER, Wissenschaft (1972), S. 58. 62 Für beide Zitate MÜLLER, Schulordnungen II (1886), S. 276. 63 STEINFÜHRER, Stadtbücher, S. 224 f. 64 Vgl. auch SOMMERLAD, Der Deutsche Orden (1931), S. 170.

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schulmeister uffzunemen, sundern es sal in einer eintracht des pferres und rates geschen“.65 Der Stadtrat hatte dadurch endgültig eine gleichberechtigte Beteiligung gegenüber dem Orden errungen. Wie in Jena konnte sie auch hier letztlich zum Vorrecht des Stadtrates ausgebaut werden. Am Vorabend der Reformation war der Rat in der Lage, die Neubestellung des Schulamtes als Ratshandlung im Stadtbuch zu verzeichnen. Der Schulmeister namens Ludwig Keuding wurde mitsamt seiner namentlich nicht genannten Gesellen 1520 in seinem Amt bestätigt. Die 1433 festgeschriebene rechtliche Funktion des Rates als Instanz in Auseinandersetzungen mit den Bürgern wurde dabei abermals betont.66 Eine Beteiligung des Deutschen Ordens wird nicht mehr deutlich. Eine ähnliche Konstellation prägte die Entwicklung der Schule von Schleiz, die wie die Pfarrei ebenfalls unter der Trägerschaft des Deutschen Ordens stand. 67 Eine obrigkeitliche oder einmütige Einigung zwischen Orden und Stadtrat ist nicht überliefert, doch regelte auch hier eine vom Stadtrat erlassene Schulordnung von 1492 die finanziellen Belange der Schule, soweit sie von den Bürgern zu tragen war, sowie die rechtliche Einordnung der Schule unter städtisches Recht.68 Obgleich bislang aus der Existenz der bekannten und oft erwähnten Schleizer Schulordnung auf ein städtisches Patronat geschlossen worden ist,69 enthält sie zur Frage der Schulträgerschaft tatsächlich keine ausdrückliche Festlegung. Der Vergleich mit der Weimarer Entwicklung, in der eine inhaltsgleiche Schulordnung vom Stadtrat trotz kirchlichem Patronat erlassen worden ist, lässt auch in Schleiz ein Patronat des Deutschen Ordens vermuten, das lediglich die rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen des Stadtrates und der Bürgerschaft berücksichtigte. Gegen die Vermutung sprechen lediglich die Formulierungen der rechtlichen Eingliederung der Schule, die sie dem Rathaus gleichstellen, und schließlich ein weiterer Artikel der Schleizer Statuten, der die Schuldiener neben dem Stadtschreiber, dem Stadtknecht und dem Marstallknecht unter die Stadtdiener zählt. 70 Abschließend kann die Frage um das Schleizer Patronat somit nicht beantwortet, eine ähnliche Entwicklung wie in Weimar jedoch vermutet werden. 65 Für beide Zitate STEINFÜHRER, Stadtbücher, S. 225. 66 Vgl. StA Weimar, HA, I-1-50a, fol. 5r. Die Anordnung, sein Recht ‚bei niemandem als beim Stadtrat zu suchen‘, blieb auch über die Reformation hinaus eine feststehende Formulierung der Stadtbücher bei der Neubestellung der Weimarer Schule.  67 Vgl. KAEMMEL, Geschichte (1882), S. 40; SOMMERLAD, Der Deutsche Orden (1931), S. 166; FLEMMIG, Der Deutsche Orden (2013), S. 55. 68 Vgl. MÜLLER, Schulordnungen I (1885), S. 113 f. Vgl. auch SCHMIDT, Schleiz II (1909), S. 132; HERRMANN, Unsere Schule (1924), S. 5; SOMMERLAD, Der Deutsche Orden (1931), S. 169; BÜNZ, Bildungslandschaft (2004), S. 60; KLIMPKE, Rutheneum (2010), S. 13. 69 Vgl. SCHMIDT, Schleiz II (1909), S. 132; KLIMPKE, Rutheneum (2010), S. 13. 70 Vgl. MÜLLER, Schulordnungen I (1885), S. 114.

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Als zweiter Ritterorden unterhielt der Johanniterorden Schulen beispielsweise in Schleusingen und Weißensee, doch gelang es auch ihm nicht, seinen Einfluss auf das Schulpatronat aufrechtzuerhalten. Für den Stadtrat von Weißensee erließ der albertinische Herzog Albrecht 1488 eine Urkunde,71 die einen Streit zwischen Komtur und Stadtrat beilegen sollte und auf die der Stadtrat noch in den frühen Reformationsjahren Bezug nahm. Auch der Stadtrat von Schleusingen errang maßgebliche Kompetenzen über die Schule. Als es 1508 zu einem Konflikt zwischen Stadtrat und Komtur um den Schulmeister Georgius Schenk kam, wurde die hennebergische Gräfin zur Schlichtung hinzugezogen. Ihre Räte gaben ihr die Klagen des Komturs wieder, dass nämlich der Schulmeister, „wider meins gn[ädigen] hern spruch auch ane sein wisse[n] Ime zu nachteil vffgeno[mmen]“72 worden sei. Der Hinweis auf einen gräflichen Schiedsspruch lässt bereits vermuten, dass das Besetzungsrecht der Schule auch in Schleusingen einst dem Stadtrat zugewiesen worden war, dieser bei der Besetzung jedoch die Interessen des Komturs zu beachten hatte. Tatsächlich war am 28. Juni 1469 auf Geheiß des Grafen Wilhelm III. durch den Abt von Veßra Jakob von Gottes Geduld, Heinrich von Wechmar und Jorg Voigt von Salzburg eine umfangreiche Urkunde ausgestellt worden, die über diverse Streitpunkte zwischen dem Komtur und dem Stadtrat sowie etlichen umliegenden Dorfschaften entscheiden sollte.73 Über das eigentliche Patronat der Schule wurde darin jedoch keine Festlegung getroffen. Der einzige Artikel, der die Schleusinger Schule betraf, legte die wirtschaftliche Versorgung des Schulmeisters in die Hände des Komturs. Im Übrigen wurde auf das alte Herkommen verwiesen.74 Ob dem bereits eine Urkunde mit spezifischeren Zuweisungen vorausgegangen war oder erst noch folgen sollte, ist bislang unbekannt. Auf jeden Fall fühlte sich der Komtur 1508 durch die Einsetzung Schenks in seinen Rechten übergangen, obwohl der Stadtrat versicherte, in seinem Vorgehen den gräflichen Anweisungen gefolgt zu sein. Georgius Schenk habe sich vor seiner Einstellung beim Komtur um den Dienst beworben und habe damals noch keinen Anstoß erregt. Als die Belehnung anstand, habe man den Komtur „wie wol er nit anheim gewese[n] Zu hauß vnd hoff ersucht“75 und erst aus der Not heraus den Belehnungsakt allein vorgenommen, da der Komtur sein Einverständnis bereits zuvor erklärt habe. Obgleich die Einmütigkeit zwischen geistlicher und städtischer Instanz somit nicht immer erreicht werden konnte, war sie in den genannten Fällen doch stets der erzielte Zustand. Die Stadträte bzw. die Bürgerschaft und die Geistlichkeit 71 Vgl. KIRCHSCHLAGER, Weißensee (1998), S. 193. 72 LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. IV, Nr. 35, fol. 60r. 73 Teilabgedruckt in KOCH, Streitigkeiten (1916), S. 3–17. Vgl. auch JAKOB, Schulen (1994), S. 141 f., mit Anm. 2. 74 Vgl. KOCH, Streitigkeiten (1916), S. 6. 75 LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. IV, Nr. 35, fol. 60r.

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hatten gleichermaßen ein Interesse an den Schulen und zehrten von ihren Leistungen. Die Gestaltung der Schulträgerschaft sollte daher auch die Anliegen beider Parteien berücksichtigen. 76 Nur ein Fall ist bekannt, in dem der vom Stadtrat hinzugezogene Vermittler eine Auseinandersetzung unter völliger Negierung jeglicher Ansprüche des Pfarrers beilegte. Dieses Beispiel, das sich 1487 in Schmölln zutrug, ist dabei umso beachtlicher, da hier nicht die weltliche, sondern die geistliche Instanz in der Person des bischöflichen Offizials Nikolaus Thielemann zur Schlichtung hinzugezogen wurde.77 Die von ihm am 14. Juni ausgestellte und vom Bischof bestätigte Urkunde stellt ein drastisches Gegenbeispiel zu den bisher geschilderten Fällen dar. Pfarrer und Rat hätten miteinander, so heißt es darin, um die Bestellung des Kirchneramtes und der Schule „In langwirige[m] krigische[n] hendel“ gestanden, der in der Stadt zu „widderwertigen vornemen myt swerem vordrieß“ geführt habe. Nach der Anstellung eines Kirchners, bei welcher der Pfarrer nicht gänzlich auszuschließen sei, wurde die Schulbestellung, die immerhin im Mittelpunkt der Auseinandersetzung gestanden hatte, mit den folgenden Worten festgeschrieben: „den Schulmeist[er] sal der Rath setznn vnnd entsetzenn wy offt daß noth ist Ane den pharrer doch daß er [der Schulmeister] sich In der Kirche nach dem phar[rer] wye vor alder herko[m]men ist vnd nach seynem prediger richten“.78 Dem Pfarrer wurde jegliches Recht auf die Wahl und die Absetzung des Schulmeisters entzogen, selbst die sonst übliche Forderung nach ‚Wissen und Einverständnis‘ des Pfarrers fand hier keine Anwendung. Im Gegenzug wurde dem Schulmeister lediglich die Orientierung in liturgischen Dingen am Pfarrer und dem Prediger auferlegt, um trotz aller Rivalität die kirchliche Liturgie und die Seelsorge weiterhin aufrechtzuerhalten. Wie sich an späterer Stelle zeigen wird, fand die Deutlichkeit dieser Urkunde noch fast anderthalb Jahrhunderte später ihren Nachhall beim Stadtrat. Wie das Schmöllner Beispiel ist ein letzter Fall singulär, in dem das Patronatsrecht durch eine mehrköpfige geistliche und weltliche Vermittlungsinstanz nicht dem Stadtrat, sondern der Geistlichkeit zugesprochen wurde. Im Januar 1489 wurden in Schkölen vielgestaltige Streitfragen zwischen der Bürgerschaft, den Herren von Bünau zu Schkölen und dem Abt des Klosters Pegau, das in Schkölen über die Propstei verfügte, beigelegt. Die Einsetzung eines Kirchners und eines Schulmeisters stand mit im Interesse der Parteien. Als Vermittler wirkten der Propst zu St. Sebastian in Magdeburg, ein Domherr aus Naumburg 76 Vgl. HERRMANN, Lateinschulen (1940), S. 234; HANSCHMIDT, Elementarbildung (2005), S. 21. 77 Vgl. LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen II (1887), S. 49. Das Original der Urkunde befindet sich in den Schmöllner Archivbeständen im Kreisarchiv Altenburg (vgl. KrA Altenburg, Bestand Schmölln, U 8), eine Abschrift stammt aus Wagners Collectaneen (vgl. LATh-StA Altenburg, Wagners Collectaneen V, Nr. 174, S. 395 f.). 78 Für alle drei Zitate KrA Altenburg, Bestand Schmölln, U 8.

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und Günther von Bünau zu Droyßig. Sie übertrugen die Einsetzung von Kirchner und Schulmeister jedoch nicht – wie in den übrigen Fällen – dem Stadtrat, sondern dem Propst der Schkölener Propstei.79 Ob der Entscheidung Kompetenzstreitigkeiten vorangegangen waren, ist dabei ebenso wenig bekannt wie die weitere Entwicklung der Patronatsrechte. Obwohl nur in den wenigsten Städten der tatsächliche Übergang des Schulpatronats auf den Stadtrat nachvollzogen werden kann, können etliche weitere Städte angeführt werden, in denen die Schulverwaltung zweifellos beim Stadtrat lag. Der Rat von Saalfeld hatte, wie oben ausgeführt wurde, bereits im späteren 13. Jahrhundert die Autorität besessen, einzelne Aspekte der Schulorganisation statuarisch festzuschreiben. Der Stadtrat von Pößneck folgte dem Beispiel.80 In den hiesigen Stadtrechnungen wurde die Schule sehr dezidiert als „scole ciuitat[is]“ 81 bezeichnet und die Neubesetzung wenn auch unregelmäßig als Verwaltungsakt des Stadtrates verzeichnet. Hier gingen wie in weiteren Städten bereits die Ursprünge der Schulen auf städtische statt auf kirchliche Gründungsinitiativen zurück. Zumeist in Kleinstädten, die das thüringische Siedlungsbild prägten, wurde dies durch eine verhältnismäßig geringe kirchliche Präsenz begünstigt.82 Neben Saalfeld und Pößneck ist dabei insbesondere auf die schwarzburgische Stadt Greußen hinzuweisen, wo nicht nur das Schul-, sondern auch das gesamte Kirchenwesen unter der Verfügungsgewalt des Stadtrates lag. Demzufolge war hier bereits die Ersterwähnung der Schule im Jahre 1453 mit der Beanspruchung des alleinigen städtischen Patronats verbunden.83 Die Wortwahl ähnelt dabei in ihrer Deutlichkeit der zitierten Schmöllner Urkunde: „der Rath le[n]th auch dem Rectori die schole vff dem Rothuese do bie sal der pherner nicht sie[n] vnde hat des nicht zw thun“.84 Nach der Belehnung wurde der Schulmeister hier jedoch dem Pfarrer präsentiert und diesem gegenüber zu einem Treueeid und wie in Schmölln zu Gehorsam in kirchlichen Fragen verpflichtet. Eine Beteiligung des Pfarrers an der Auswahl oder der Absetzung des Schulmeisters war nicht vorgesehen. Für weitere Städte können ähnliche Umstände vermutet werden. Vereinzelte Formulierungen, die ein entsprechendes Dienstverhältnis nahelegen, deuten dies mancherorts an, doch verhindert eine spärliche Quellenlage zumeist den genauen Nachweis. In Vacha, wo eine Schulmeister namens Johannes erstmals 1358 79 80 81 82

Vgl. HAGNER, Schulwesen (2017), S. 10. Vgl. ERNST, Stadtbuch (2012), S. 10. StA Pößneck, Stadtrechnung, Mappe 4, Nr. 17, 1457/58, fol. 50r. Vgl. BÜNZ, Schulen (2009), S. 18. Der tatsächliche Akt einer städtischen Schulgründung ist kaum nachweisbar. Ein solcher kann lediglich im Fall der Stadt Blankenburg vermutet werden, vgl. dazu Kap. I. 6. 83 Vgl. ZIMMERMANN, Greußen (2003), S. 268. 84 LATh-StA Rudolstadt, Stadtgericht Greußen, Nr. 84, fol. 4v, abgedruckt bei LÜRMANN, Stadtbuch (1933), S. 13.

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erwähnt wurde,85 betonte der Stadtrat 1497 sehr deutlich in erster Person, dass „wir Martinum gopel [… zum] schulmeister vffname[n]“.86 Der Stadtrat von Apolda sprach bereits 1440 von jener Person, die „vnsser schul meyster wer, adder sich zcu vnss wendet“.87 Dem Stadtrat von Neustadt a. d. O. wurde die eigenständige städtische Schulverwaltung dadurch begünstigt, dass die Neustädter Pfarrei bis in die Reformationszeit hinein eine Filialgemeinde von Neunhofen war und der Pfarrer somit durch die Entfernung seinen Einfluss erschwert hätte geltend machen können.88 Der Stadtrat von Bürgel schrieb 1528 trotz der Präsenz des Klosters sehr selbstbewusst von dem Schulmeister, „So wir der Radt aufnemen“.89 Obgleich diese Worte bereits im frühreformatorischen Zusammenhang formuliert worden sind, sollten sie ein vormaliges Herkommen ausdrücken. Aus noch größerer Rückschau des Jahres 1564 erinnerte sich hingegen der Stadtrat von Creuzburg trotz der klösterlichen Inkorporation der Pfarrei an das einst gepflegte Einvernehmen mit dem Pfarrer, nämlich dass „vnnsere vorfarnn vor alters sampt den Vormundenn der gemeinn die schule so offt sich die vorendert mit gunst vnndt wissen eines ydernn hiher geseztenn Pfarhers Einmuetigk besteldt“90 haben. Gleichermaßen setzten in Waltershausen Rat und Pfarrer gemeinsam den Schulmeister ein.91 In ähnlichen Worten schilderte Johann Jacoff die Verhältnisse am Vorabend der Reformation in Gräfenthal. Hier sei zwischen Pfarrer und Stadtrat offenbar ohne äußere Vermittlung die Ordnung eingeführt worden, „das der pfarher mitsampt dem radt, und keyn teyl an des anderen wissen, eynen […] schulmeister auf zu nhemen macht hat“.92 Mit einem deutlich stärkeren Anspruch schilderte hingegen der Stadtrat von Suhl im März 1528 das gewohnheitsmäßige Vorgehen bei der Auswahl und der Einführung eines neuen Schulmeisters. Alljährlicher Termin zur Neubelehnung war hier der St. Stephanstag (26. Dezember) und vorgenommen wurde der Akt vom Rat und der Gemeinde. Erst nach erfolgter Wahl und Belehnung wurde daraufhin ein Bote zum Pfarrer gesandt, diesem die Wahl anzuzeigen und ihn in die Wahlversammlung zu bitten, dass er den neuen Schulmeister im Amt bestätige.93 Weniger genau geregelt war die Vorgehensweise in der kleinen, nahe von Neustadt a. d. O. gelegenen Stadt Auma, was im Jahr 1513 dazu geführt hatte, 85 Vgl. DITZEL, Johanneskirche (2004), S. 65 mit Anm 158, S. 100. Lemke spricht von 1356 als Jahr der Erstnennung, vgl. LEMKE, Heimatbuch (2010), S. 52. 86 LATh-HStA Weimar, Stadtarchiv Vacha, Nr. 8, fol. 16v. 87 Vgl. NEUMÄRKER, Stadtbuch (1892), S. 10. 88 Vgl. HERRMANN, Unsere Schule (1924), S. 4; DERS., Kirchenvisitationen II (1933–1935), S. 29–35. 89 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ll 88, fol. 6r–v. 90 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ll 111, fol. 34r. 91 Vgl. LÖFFLER, Waltershausen (2004), S. 198. 92 KOCH, Aufzeichnungen (1899), S. 479; BARTHELMES, Gräfenthal (1912), S. 65. 93 Vgl. LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. IV, Nr. 59, fol. 46v.

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dass Pfarrer und Stadtrat gleichzeitig jeder einen eigenen Schulmeister in das vakante Amt berufen hatten. Beide Parteien beklagten einander nun gegenseitig wegen vermeintlicher Eingriffe in kirchliche respektive städtische Vorrechte. Die kurfürstlichen Räte wurden zur Beilegung der Angelegenheit hinzugezogen und entschieden am 11. Juli, dass beide Kandidaten bis Michaelis (29. September) im Amt bleiben und sich bewähren sollten. Gelinge es dem städtischen Kandidaten, der zur Umgehung der Irrigkeiten kurzerhand als Stadtschreiber eingesetzt worden war, den Pfarrer von seinen Leistungen zu überzeugen, so solle er „mit seinem wyllen sulch dinst des Schulmeisters auch haben vnd behalten“. Gelinge ihm dies hingegen bis zum Ende der Frist nicht, so „sollen beide parteien ein diener, wie dan vor alter herkomen welenn“.94 Das Patronat der Schule lag demnach zuvor in beiderseitigem Einvernehmen, doch wurde nun dem Stadtrat ein Vorzug eingeräumt, indem seinem Kandidaten die Möglichkeit zur Bewährung erteilt wurde. Dem Ausgewählten des Pfarrers wurde eine Verlängerung seines Amtes hingegen nicht ausdrücklich in Aussicht gestellt. In weiteren Städten werden die Patronatsverhältnisse nicht deutlich. So schildet das Visitationsprotokoll von 1539 über die Situation in Kölleda, dass die Pfarreien und die Prädikaturen „vnnd allerley empter der seelsorge“95 dem Zisterzienserinnenkloster inkorporiert gewesen seien, verliert über die Schule jedoch kein Wort. Gleichermaßen wirkte ebenfalls ein Zisterzienserinnenkloster über die Pfarrkirchen und vermutlich auch die beiden Pfarrschulen von Stadtroda.96 Zukünftige Forschungen könnten in diesen wie weiteren Städten zweifellos Aufschluss schaffen. Zuletzt sei auf einen herausragenden Fall verwiesen, der beispiellos illustriert, dass offenbar nicht alle Städte dieselbe Ambition zur Vereinnahmung des Schulpatronats verfolgten. Die kirchliche Trägerschaft beider Schulen von Langensalza ist oben erwähnt worden. Der Stadtrat hätte hier im Jahr 1466 zweifellos die Möglichkeit gehabt, die Verwaltung der Schule an St. Bonifatii an sich zu nehmen, nutzte diese jedoch nicht, sondern wies die Bestellung der Schule dem Kloster und der Geistlichkeit zu. Als es zwischen den Nonnen, der Priorin und dem Propst zu Irrigkeiten gekommen war, die schließlich selbst den Stadtrat mit einbezogen, griff dieser ein und erließ anlässlich der Einsetzung eines neuen Propstes mit dem Wissen des Herzogs für das Kloster eine „Satzunge vnd ordenunge der Iungfrawen vnd probstie zu Sant Bonifacien Kirchen wie man es deshalben hin furder halden Sal“.97 Eine Ordnung über die Bestellung der Kirchen- und Schuldiener war darin enthalten. Kürzlich, so heißt es, hätten Propst und Priorin das Recht der Schul94 95 96 97

Für beide Zitate LATh-HStA Weimar, EGA, Kopialbuch A 14, fol. 210r–v. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 1b, fol. 289v. Vgl. LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen III (1891), S. 15 u. 220. StA Langensalza, G IV, Nr. 5, fol. 276r.

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bestellung für sich beansprucht, in der irrigen Meinung, dass es unumstößlicher Bestandteil ihrer Privilegien sei. Ursprünglich sei dies jedoch das Recht der Pfarrer und Kirchvormünder „mit wenigem zuthun dez p[ro]bsts ader der Iungfrawen“ gewesen. Die Ordnung stellte nun das alte Recht der Pfarrleute wieder her, ermahnte diese und die Kirchvormünder dazu, die Schulmeister „In ganczer eintracht [zu] setzen vnd [zu] bestetig[en]“, und wies die Schulmeister mit den üblichen Worten dem Propst gegenüber zu Gehorsam an. Obgleich der Stadtrat in dieser Situation die Chance gehabt hätte, eine eigene Beteiligung an der Schulbestellung zu etablieren, brachte er sich selbst lediglich als Schiedsinstanz im Konfliktfall mit ein. Sollte eine Einigung zwischen Pfarrer und Kirchvormünden nicht erzielt werden können, solle die Angelegenheit „fur den Amptman vnd Rath“ gebracht werden.98 Die Landesherren zeigten kaum eigenständigen Einfluss auf das Schulwesen. In den dargestellten Fällen reagierten sie lediglich auf die Interessen der Städte oder der Geistlichen, die ihr Anliegen an sie herantrugen. Einige Ausnahmen können jedoch auch hier angeführt werden. Während der Propst des Gothaer Stiftes vom Hersfelder Abt eingesetzt wurde, war das Lehen des Scholasters ausdrücklich ein kurfürstliches.99 Wie sich dies jedoch auf die Entwicklung der Stiftsschule auswirkte, ist unklar. Ein Mitbestimmungsrecht über die Schulbesetzung tritt nur selten in Erscheinung. Die Bitte Wilhelms III. für den Baccalaureus Johannes von Sale ist bereits im Altenburger und Saalfelder Zusammenhang erwähnt worden. Ein ähnliches Privileg bei der Wahl eines Schulmeisters behielt sich der schwarzburgische Graf Heinrich XXXI. vor und ließ sich dieses selbst urkundlich zusichern. Der Stadtrat von Sondershausen hatte nach einem verheerenden Stadtbrand beim Grafen um die Bestätigung der alten Rechte und Privilegien ersucht, unter denen sich auch die Schulbestellung befunden hatte. Tatsächlich erteilte der Graf die Bestätigung am 23. August 1501 und urkundete, dass es dem Stadtrat zustehe, mit Wissen und Willen des Pfarrers die Schule zu bestellen, solange ihm selbst die Möglichkeit eingeräumt werde, zur Neubesetzung einer vakanten Schulstelle einen Kandidaten seiner Wahl vorzuschlagen.100 Als andererseits der Stadtrat von Arnstadt unter dem Eindruck der frühreformatorischen Wirren am 25. April 1525 bei Graf Günther XXXIX. um die Bestätigung der alten Patronatsrechte auf Kirchen- und Schuldienerstellen nachsuchte, reagierte der Graf abgeneigt, was Klette zu der Vermutung veranlasste, dass der Graf um sein eigenes Interventionsrecht fürchtete.101

98 Für alle drei Zitate StA Langensalza, G IV, Nr. 5, fol. 278v. 99 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 4.1, fol. 171r. 100 Vgl. KLETTE, Beiträge (1923), S. 33; GRESKY, Gymnasium (1972), S. 58; LENK, Gymnasium (1999), S. 13. 101 Vgl. KLETTE, Beiträge (1923), S. 32 f.; WAGNER, Rudolstadt (1999), S. 108.

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An den obrigkeitlich erlassenen Landes- und Kirchenordnungen hatte das Schulwesen jedoch vor der Reformation keinerlei Anteil, sodass die Landesherren auf dessen Gestaltung keinen Einfluss nahmen. Exemplarisch sei hier nur auf die Ordnung des wettinischen Herzogs Wilhelm III. von 1452 verwiesen, die er unter dem Eindruck eines Bußpredigers aufstellte und in der er die gesellschaftlichen und kirchlichen Missstände zu beseitigen trachtete. Obgleich sich hier bereits einige Aspekte der späteren reformatorischen Kirchenordnungen im Ansatz vorgezeichnet finden, wurde doch das Schulwesen völlig außen vor gelassen.102

4.1.2. Rechtliche Folgen des städtischen Schulpatronats In Bezug auf Weimar und Schleiz wurde bereits auf die Besonderheit des vom Deutschen Orden unterhaltenen Schulwesens eingegangen. Hier wurde den Stadträten ein rechtlicher Einfluss auf die Schulen zugestanden, obgleich diese in kirchlicher Hand lagen. In beiden Fällen wurde die Kompetenz im Stadtbuch bzw. den städtischen Statuten festgeschrieben. In Weimar kann diese Maßnahme als Folge der vom Landgrafen bewirkten Niederlegung des Patronatsstreites angesehen werden. Bereits die Urkunde vom 26. März 1433 formulierte im Anschluss an die Bestätigung des kirchlichen Patronats folgendermaßen die Funktion des Stadtrates als rechtliche Autorität über den Schulmeister, solange es bürgerliche Belange betreffe: Der Schulmeister sal auch dem rathe gelaben, was er mit den borgern ader yren kindern schulde oder sache gewinnet, das er dye nicht furder dann vor eyme rade daselbis zcu Wymar suche vnd das er jrrer stat gewonheit nach sacczunge yres lones auch also haldin wulle. so sal ome auch eyn rad vmb syne schulde ader sache vor den oren vngeuerlichin helffin nach redlichin dinge.103

Die daraufhin erlassene Schulordnung enthielt jedoch lediglich die Festlegung des genannten Lohnes, den der Schulmeister von den Schülern zu erwarten habe. Eine Fixierung des rechtlichen Verhältnisses zwischen Stadtrat und Schulmeister erfolgte erst durch einen späteren Nachtrag, der möglicherweise durch die weitere Auseinandersetzung mit dem Pfarrer Johann Koler 1459 veranlasst wurde. Die von Hans von Trebra erlassene Urkunde wiederholte die Anweisung an den Schulmeister, dass dieser im Streitfall mit einem Bürger oder Bürgerskindern sein Recht lediglich bei „eym rath und nirigen anderst suchen wolle“.104 Der daraufhin im Stadtbuch verzeichnete Nachtrag entspricht weitestgehend den vorherigen landgräflichen Bestimmungen, ergänzt jedoch dem neuerlichen Zusatz entsprechend, 102 Vgl. UB Jena III, Nr. 224, S. 123–125. 103 MÜLLER, Schulordnungen II (1886), S. 276 f. 104 STEINFÜHRER, Stadtbücher, S. 225.

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dass der Schulmeister gleichermaßen unter dem Schutz des Stadtrates stehe, so er mit einem Bürger in eine Auseinandersetzung gerate.105 Ähnlich verhielten sich die Schleizer Statuten von 1492, die nicht allein den Schulmeister, sondern auch die übrigen Schuldiener unter die Stadtdiener zählten und den Stadtrat im Klagefall als rechtliche Instanz einsetzten. Der Rat solle, so formulieren die Statuten, ‚Macht haben‘, den Schuldienern gegen etwaige Kläger beizustehen. Ausgenommen waren dabei ausdrücklich Klagen um peinliche Taten, also solche, die Strafen an Leib und Leben nach sich ziehen konnten. Das Schulhaus selbst wurde schließlich zu einem dem Rathaus gleichen Rechtsraum erklärt, wodurch das Tragen von Waffen und körperliche Auseinandersetzungen verboten wurden.106 Der Stadtrat der kleinen, südlich von Jena gelegenen Stadt Lobeda war dem Weimarer und Schleizer Beispiel durch einen ähnlichen statuarischen Artikel bereits um mehrere Jahrzehnte zuvorgekommen. Die Lobedaer Statuten stammen ursprünglich von 1406/07, sind aber nur in zwei Abschriften, von denen lediglich die spätere auf 1456 datiert ist, überliefert.107 In beiden Fassungen enthält ein Artikel die Schutzverpflichtung des Stadtrates über den Schulmeister, der zusammen mit dem Kirchner, dem Hirten und dem Stadtknecht zum städtischen Gesinde gezählt wurde. Die ältere Abschrift formuliert: „Ouch habyn wir zcu helfene obir vnß stad gesynde von deme schulmeyster, kirchener, herten, von vnsern stad knechte gulde vnd recht“.108 In Schleusingen glaubte der bereits genannte Schulmeister Georgius Schenk, den rechtlichen Einfluss des Stadtrates selbst dem Johanniterkomtur gegenüber geltend machen zu können. In einem Brief von 1508 schilderte er der Gräfin eine Auseinandersetzung mit ihm. Letzterer habe die Amtskompetenz des Schulmeisters in Frage gestellt und ihn auf seinen Widerspruch hin wüst beschimpft. Der Schulmeister habe ihn daraufhin an den Stadtrat verwiesen. Nehme der Komtur an seinen Leistungen Anstoß, so „habt ir meyn[en] g h vnd eyne[n] rathe, clagt so will ich euch antworten“.109 In seiner Machtlosigkeit gegenüber dem Schulmeister sei der Komtur daraufhin in die Schule gegangen und habe versucht, die Schüler gegen den Schulmeister aufzubringen. Der dadurch veranlasste Streit zwischen Stadtrat und Komtur führte schließlich zu der oben geschilderten Hinzuziehung der Gräfin. Ein weiteres Beispiel zeigt ergänzend, dass der Stadtrat von Schmalkalden seinen Schutzbefehl selbst auf die Schüler der Pfarrschule ausdehnte. Der entsprechende Brief von 1499, mit dem der Stadtrat sich an den Grafen Wilhelm 105 Vgl. ebd., S. 211. 106 Vgl. MÜLLER, Schulordnungen I (1885), S. 114; SCHMIDT, Schleiz II (1909), S. 132; KLIMPKE, Rutheneum (2010), S. 13. 107 Vgl. KOCH, Lobeda I (1939), S. 23, abgedruckt ebd. S. 23–32. 108 Zitiert nach ebd., S. 26. Vgl. auch ebd. S. 34. 109 LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. IV, Nr. 35, fol. 57r.

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wandte, ist oben bereits erwähnt worden. Anlass des Schreibens war eine Schlägerei zweier Schüler beider Schulen, bei der „Ein Schuler vom berge einen schuler von der pfarre so hartt v[er]letziget gehauwen vnd v[er]wunt hat das wir In sorgen stehen er werde der halb[en] sterben“.110 Nun könne jedoch der Stiftsschüler vom Stadtrat nicht zur Rechenschaft gezogen werden, weil er sich in der Wohnung eines Stiftsherrn und somit außerhalb der Reichweite der städtischen Gerichtsbarkeit aufhielt. Diese Konsequenz erinnert an den im Saalfelder Zusammenhang auszugsweise wiedergegebenen Statutenartikel, durch den der dortige Stadtrat im Falle einer körperlichen Schädigung den Schuldigen, selbst, wenn er ein Schüler sei, vor das städtische Gericht zog und den Anspruch auf Rechtfertigung, Rechenschaft und Buße sogar statuarisch im Stadtrecht verankerte: „Wer den andern roufit her sy ritter adir knecht, schuler adir leige der czu gerichte gehort, der sal die buze tragen vbir alle gebot“.111 Dass der rechtliche Aspekt über die Schuldiener ebenfalls Potential für Konfrontationen zwischen geistlicher und weltlicher Instanz in sich barg, ist selbstverständlich und kann anhand eines Meininger Beispiels dargelegt werden. Der dortige Schulmeister Matthis Langkbein war 1492 mit dem Bürger Hans Steigerwaldt alias Goldschmidt in einen Konflikt geraten, der anhand des überlieferten Schriftwechsels nicht erhellt werden kann. Da der Schulmeister „ein clericus ist vnd ein geweyhte p[er]sone“112 sei, habe er Steigerwaldt vor das geistliche Gericht von Würzburg bringen wollen. Als jedoch der Würzburger Fiskal Johann Grau der hennebergischen Gräfin Margarethe die Einschaltung des geistlichen Gerichts angezeigt und um freies Geleit für den Schulmeister gebeten hatte, legte die Gräfin am 1. Februar 1493 ihren Widerspruch ein und verwies auf die Funktion des Stadtrates als rechtliche Autorität über den Schulmeister in Streitfällen mit Meininger Bürgern.113 Der Schulmeister habe „vormals einem Radt zu meyningen gelobt vndt als er zu dinst angenomen ist sich verpflicht“,114 im Streitfall dem Urteil des Stadtrates zu unterliegen. Um dieser einstigen Zusagen nun jedoch zu entgehen, wandte sich der Schulmeister an den Würzburger Dompropst und erwirkte von diesem ein Edikt, dass jeder, der den Schulmeister vor einem anderen als dem geistlichen Gericht belangen wolle, mit dem Kirchenbann oder einer Geldstrafe von 400 fl belegt werde. Am 6. Februar bemühte sich die Gräfin beim Bischof, das Edikt aufzuheben „vnd den schulmeister zu meyningen vor eine[n] Rath wie er dan[n] gelobt hat, rechtfertigen zulassen“. 115 Der Bischof gab diesem Gesuch zwar nicht vollends statt, ließ sich jedoch auf einen Kompromiss ein. Am 6. April 1493 teilte er der Gräfin mit, dass zwischen den streitenden Parteien ein Tag zur Schlichtung 110 111 112 113 114 115

LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. I, Nr. 4225, fol. 1r. StA Saalfeld, C III 1, fol. 3v; vgl. MEINEL, Ortsstatut (1893), S. 16. LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. VI, Nr. 502, fol. 59r. Vgl. ebd., fol. 60r. Ebd., fol. 62r. Ebd., fol. 61r.

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des Konflikts in seinem Beisein anberaumt worden sei. Der Bischof wolle für die Einigung der Parteien Sorge tragen. Erst, wenn ihm dies an dem genannten Tag nicht gelänge, wolle der Bischof „gescheen lassen was recht ist“116 – also den Schulmeister vor dem städtischen Gericht seinem einstigen Eid gerecht werden lassen. Am 1. Juli 1493 schrieb schließlich Bernhardt von Berg, der Obmann der Verhandlung, an die Gräfin und schilderte die abermalige Wandlung der Angelegenheit. Langkbein und Steigerwaldt hätten zwar in den Kompromiss eingewilligt, wodurch die Ansprüche des geistlichen Gerichts gewahrt geblieben wären, doch habe der Schulmeister selbst noch vor der Verhandlung seinen Anspruch zurückgezogen – „er wol den goltsmit also vmb leytten vnd gebetten den handel vnd abscheidt ewer genaden zuschreyben“. 117 Ein Urteil der Gräfin ist nicht bekannt, doch lässt bereits ihre vorherige Initiative für Hans Steigerwaldt einen entsprechenden Ausgang vermuten. Ein letzter Brief Steigerwaldts, in dem er der Gräfin für ihre Wohltaten dankte, bestätigt die Vermutung.118

4.1.3. Wirtschaftliche Folgen des städtischen Schulpatronats Mit dem Patronat der Schule war naturgemäß auch die Sorge um den wirtschaftlichen Erhalt der Schule verbunden, die im Falle städtisch getragener Schulen mit dem Besetzungsrecht selbstverständlich auf den Stadtrat übertragen wurde. Dies betrifft nicht so sehr den Unterhalt der Schuldiener, auf den an späterer Stelle näher eingegangen werden soll, als die Notwendigkeit, das Schulhaus und in manchen Fällen auch die Wohnungen der Schuldiener baulich instand zu halten. Dies äußert sich im Überlieferungsfall vorreformatorischer Stadtrechnungen durch die gelegentlichen, doch regelmäßig wiederkehrenden Verzeichnungen zahlreicher und vielgestaltiger Ausgaben der Städte zur Ausbesserung der Schulhäuser oder Schuleinrichtung. Die Rechnungen liefern auf diese Weise wenn auch nur vage Eindrücke über die bauliche Gestalt und das Interieur einer spätmittelalterlichen Schule und werden darüber hinaus zu einem Indikator der städtischen Trägerschaft einer Schule. Durch den Vergleich der Saalfelder Stadtrechnungen mit den Altenburgern, die keinerlei derartige Ausgaben enthalten, wurde diese These bereits unterstützt. Weitere Untersuchungen anhand anderer Städte bieten sich an. Den Stadtrechnungen von Jena von 1489/90 und 1495/96 liegen jeweils Abrechnungen der städtischen Baumeister bei, die über ihre Arbeiten informierten und dem Stadtrat den Lohn in Rechnung stellten. 1489/90 rechneten sie die Ausbesserung der Schulfenster, den Ankauf von Leim für die Schule sowie 116 Ebd., fol. 69r. 117 Ebd., fol. 71r. 118 Vgl. ebd., fol. 72r–v.

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Kacheln für den dortigen Ofen ab.119 1495/96 finden sich an derselben Stelle die Kosten für Dielenbretter in den Schulkammern. Die dezidierte Erwähnung ‚der beiden Öfen‘ informiert, dass die Schule über zwei Schulstuben verfügte. 120 Ebenfalls zwei Öfen, die auf zwei Schulstuben hinweisen, finden sich unter weiteren ähnlichen Ausgaben in den Stadtrechnungen von Neustadt a. d. O.121 Der Stadtrat von Salzungen bezahlte 1504 nicht nur ebenfalls die Erneuerung eines Ofens, sondern auch gleich fünf neue Fenster in der Schule, und führte den Schulmeister unter den städtischen Bediensteten auf.122 In Königsee wurden am Vorabend der Reformation (1521/22) das Schultor, Fenster und ebenfalls ein Ofen erneuert.123 In Pößneck handelt es sich bei einer solchen Erwähnung in der Stadtrechnung von 1399/1400 sogar um die Ersterwähnung einer Schule. Sie verzeichnet den Ankauf von Schindeln für das Schuldach.124 1429/30 wurde hier das Schultor mit neuen Eisenbändern versehen.125 Zur selben Zeit verfügte die Schule bereits über einen Keller – ein Handwerker wurde für seine „labor[es] scole celarii“126 entlohnt. Im selben Jahr erfolgte die Anfertigung einer neuen „kathedre scole“,127 eines Lehrerpultes. Den allergrößten Anteil derartiger Erwähnungen, soviel ist bereits deutlich geworden, machen in allen betreffenden Städten alltägliche Ausgaben aus. Der Ankauf von Nägeln, Ofenkacheln, Brettern für Schulbänke sowie auch die Ausbesserung der Schulfenster erscheinen im Falle einer städtischen Schulsorge in fast allen Stadtrechnungen. Bei den jeweiligen Arbeiten handelte es sich um Ausbesserungen an typischen Verschleißgegenständen. Erwähnenswert ist darüber hinaus jedoch der Schulneubau von 1504 in Pößneck,128 der sich in den dortigen Stadtrechnungen abzeichnet und über dessen Art einzelne Rechnungsbeilagen informieren. So findet sich darunter ein Zettel, mit dem der Rat in eher formloser Weise den Maurer Cuntz Zchauer am Aschermittwoch 1504 zu den Arbeiten engagierte und ihm genauere Instruktionen über die Gestalt des Hauses erteilte. Es handelte sich um einen zweistöckigen Bau mit jeweils einer Schulstube in jeder Etage und einer unbestimmten Anzahl von Kammern. In der unteren 119 Vgl. StA Jena, C Ia-1, fol. 71r–72r. 120 Vgl. StA Jena, C Ia-1a fol. 49v–50r. 121 Vgl. exemplarisch zum Jahr 1452/53 LATh-HStA Weimar, Weimarische Ämter und Städte, Nr. 735, fol. 46v. Vgl. auch HERRMANN, Unsere Schule (1924), S. 5. 122 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 3053, fol. 132r u. 133v. 123 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Gemeinde- und Stadtrechnungen, Nr. 11730, unfol. 124 Vgl. StA Pößneck, Cm 1b, fol. 5r. Vgl. auch GOß, Schulwesen I (2004), S. 9; ENKELMANN, Schulgebäude (2006), S. 30. 125 Vgl. StA Pößneck, Stadtrechnung, Mappe 2, Nr. 6, 1429/30, fol. 35v. 126 StA Pößneck, Stadtrechnung, Mappe 2, Nr. 4, 1430/31, fol. 28r. 127 Ebd., fol. 42v. 128 Vgl. ENKELMANN, Schulgebäude (2006), S. 30; ERNST, Stadtbuch (2012), S. 31.

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Stube sollte er über „drey gehauene thoren, zcwey gehawene grosse fenster Idis mit zcweyen pfhosten“ verfügen. In jeder Fensterwandung sollten „zcwey geseß [in] die ecken mit gehawen“ werden. Abermals sollten sich „zcwey gehawene fenst[er] In die obir stube vnd Kamer“ befinden.129 Noch im selben Jahr wurde das alte Schulhaus für 15 ß an den Pößnecker Bürger Nikel Thym verkauft, verbunden mit der Erlaubnis, Bauholz zur Ausbesserung aus dem Stadtwald zu beziehen.130 Das neu errichtete Schulhaus, dass sich am heutigen Kirchplatz 14 befand, überdauerte – wenn auch nicht durchgehend als Schule genutzt – fünf Jahrhunderte. 2005 wurde es abgerissen.131 Die Stadtrechnungen anderer Städte lassen hingegen wie in Altenburg durch das Fehlen derartiger Ausgaben eine kirchliche Trägerschaft der Schulen vermuten. So leistete beispielsweise der Stadtrat von Rudolstadt der Schule zwar einen Anteil am Brennholz, übernahm darüber hinaus aber keinerlei finanzielle Ausgaben. 132 Insbesondere können jedoch die Stadtrechnungen von Stadtilm, die ab 1507 und endgültig ab 1513 fast lückenlos bis weit in die Reformationszeit hinein überliefert sind, als Gegenbeispiel zu den genannten Fällen betrachtet werden. Obwohl hier der Stadtrat die Zinsen einiger liturgischer und testamentarischer Stiftungen, von denen die Schuldiener einen Anteil erhielten, verwaltete, treten an keiner Stelle Hinweise dafür zu Tage, dass der Stadtrat an der materiellen Finanzierung des Schulwesens beteiligt gewesen wäre.133 Stattdessen wurde in der Stadtrechnung von 1514/15 eine Ausgabe verzeichnet, die eine Auseinandersetzung des Stadtrates mit dem Propst des Stadtilmer Klosters um die Schule, möglicherweise um das Schulpatronat vermuten lässt. 28 gr wurden in diesem Jahr einem Ratsherrn von Arnstadt gezahlt, der möglicherweise zur Vermittlung herangezogen worden war, als man „wider den Probst des Schulmeisters halben gehandelt“134 habe. Erfolg scheint die Verhandlung für den Stadtrat jedoch nicht gehabt zu haben. 129 Für alle Zitate StA Pößneck, Stadtrechnung, Mappe 14, Nr. 54, 1503/04, unfol. 130 Vgl. ENKELMANN, Schulgebäude (2006), S. 30. 131 Vgl. ebd., S. 33. Der Abriss bildete den Anlass für Enkelmanns schulgeschichtlichen Beitrag in den Pößnecker Heimatblättern. 132 Untersucht wurden die Stadtrechnungen von 1513/14 (LATh-StA Rudolstadt, Gemeinde- und Stadtrechnungen, Nr. 12388), 1515/16 (ebd., Nr. 12390), 1519/20 (ebd., Nr. 12394), 1522/23 (ebd., Nr. 12398), 1523/24 (ebd., Nr. 12399), 1524/25 (ebd., Nr. 12400), 1529/30 (ebd., Nr. 12402). 133 Untersucht wurden die Stadtrechnungen von 1507/08 (LATh-StA Rudolstadt, Gemeinde- und Stadtrechnungen, Nr. 12592), 1513/14 (ebd., Nr. 12593), 1514/15 (ebd., Nr. 12594), 1516/17 (ebd., Nr. 12596), 1517/18 (ebd., Nr. 12597), 1518/19 (ebd., Nr. 12598), 1519/20 (ebd., Nr. 12599), 1520/21 (ebd., Nr. 12600), 1521/22 (ebd., Nr. 12601), 1522/23 (ebd., Nr. 12602), 1523/24 (ebd., Nr. 12603), 1525/26 (ebd., Nr. 12604), 1526/27 (ebd., Nr. 12605), 1527/28 (ebd., Nr. 12606), 1528/29 (ebd., Nr. 12607), 1529/30 (ebd., Nr. 12608), 1530/31 (ebd., Nr. 12609). 134 LATh-StA Rudolstadt, Gemeinde- und Stadtrechnungen, Nr. 12594, fol. 36v.

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In Weimar, wo die Schulverwaltung jene nun mehrfach erwähnte Kompetenzaufteilung zwischen Stadtrat und Deutschem Orden aufwies, wurde die Sorge um den baulichen Erhalt eigens in die landgräfliche Regelung der schulischen Angelegenheiten vom 26. März 1433 aufgenommen. Sie oblag den Altarleuten, die wiederum den Schulmeister verpflichten ließen, den baulichen Zustand der Schule „widder zcu lassen jn massen, als ym die geantwert wirdt“.135 Die Einführung eines neuen Schulmeisters ging daher stets mit der Überprüfung des Zustandes des Schulhauses einher. Das Fehlen vorreformatorischer Stadtrechnungen verhindert hier jedoch eine Untersuchung der finanziellen Entwicklung im Zuge des steigenden städtischen Anteils am Schulpatronat.

4.1.4. Manifestierung der Schulverwaltung in Schulordnungen Schulordnungen waren in vorreformatorischer Zeit in jedem Fall Produkte der städtischen Verwaltung, die darauf gerichtet waren, die rechtlichen und administrativen Kompetenzen des Stadtrates zu manifestieren und gegen fremde Ansprüche zu verteidigen. Sie fanden daher stets dort Anwendung, wo der Stadtrat über die vollständige Schulverwaltung oder zumindest über ein gewisses Maß der Mitbestimmung verfügte. Schulordnungen kirchlicher Provenienz konnten für den thüringischen Raum bislang nicht ermittelt werden.136 Ausnahmen bilden dabei lediglich die bereits erwähnten Ordnungen von Weimar und Schleiz, in denen der jeweilige Stadtrat die ihm gegebenen Möglichkeiten zur Beeinflussung der wirtschaftlichen Fundierung der Schule nutzte, obgleich die Schulen in beiden Fällen nach wie vor vom Deutschen Orden mehr oder weniger maßgeblich kontrolliert wurden. In den bekannten Fällen entsprach der Entstehungskontext der genannten Funktion der Ordnungen. Oft sind sie die Folge von längeren Auseinandersetzungen oder Interessenskonflikten zwischen den Stadträten und Pfarrern bzw. anderen kirchlichen Schulträgern. In solchen Fällen konnte eine dritte, zur Schlichtung des Konflikts herangezogene Person durch eine entsprechende Zuweisung bestimmter Rechte den Anlass zur Ausarbeitung einer Schulordnung geben. Diese diente daraufhin der Verankerung des Schiedsspruches in der städtischen Verwaltung. Die Schulordnung von Weimar von 1433 ist ein eindrückliches Beispiel eines solchen Entstehungskontextes und zugleich die früheste bekannte Schulordnung 135 MÜLLER, Schulordnungen II (1886), S. 277. 136 Eine Ausnahme bildet dabei die Erfurter Ordnung des Generalstudiums von 1282, die jedoch auf gänzlich andere städtische, kirchliche und schulische Verhältnisse zurückging und daher hier nicht berücksichtigt werden kann und muss. Über die Sonderstellung Erfurts vgl. Kap. I. 5.

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des Untersuchungsgebietes. Sie ist Bestandteil des in diesem Jahr angelegten Statutenbuches und wurde ausdrücklich unter der Beteiligung des Pfarrers Dietrich Apel ausgearbeitet. Der in den ersten Worten der Ordnung wiedergegebene Inhalt – „Das gesetce unde das lon ubir dii schule eyme iclichen schulmeistere ubir die borger kint“ 137 – entspricht dabei den Bestimmungen der oben angeführten Streitschlichtungsurkunde des thüringischen Landgrafen vom 26. März desselben Jahres und es wird kaum bezweifelt werden können, dass die Ordnung die Umsetzung der landgräflichen Zuweisung darstellte. Die Lohnsituation des Schulmeisters hatte, nach dem Inhalt der Ordnung zu schließen, eine große Rolle in der vorhergehenden Auseinandersetzung gespielt. Da der Landgraf dem Stadtrat daraufhin die Kompetenz über den Schulmeisterlohn zuwies, bildet dessen Festlegung den Hauptschwerpunkt der Schulordnung. Die einzige Intention des Stadtrates lag darin, die finanziellen und materiellen Verpflichtungen der Bürger dem Schulmeister gegenüber gering zu halten. Wortreich und unmissverständlich wurde die Höhe des Schulgeldes auf jährlich anderthalb Schilling und sonstige Geldforderungen des Schulmeisters auf lediglich 2 d Neujahrsgeld für den Schulmeister und den sogenannten Untermeister eingeschränkt. Die Forderung von Brot oder Brotgeld wurde untersagt und die Entlohnung des Schulmeisters für bestimmte zeremonielle Dienste für die Bürger – die Lesung des Psalters, die Teilnahme an Beerdigungen und Totengedenkmessen – begrenzt. Für etwaige weitere Differenzen zwischen den Bürgern und dem Schulmeister gedachte der Stadtrat, solange es jenen Lohn des Schulmeisters betraf, einzustehen. Die Beschränkung der finanziellen Belastung der Bürger durch den Schulbesuch blieb das einzige inhaltliche Anliegen der Ordnung und wurde, verglichen mit anderen Städten, auf erfolgreiche Weise umgesetzt. Dem Stadtrat wurden zu diesem Zeitpunkt noch keine weiteren Rechte eingeräumt. Die Patronatsverhältnisse fanden in der Schulordnung keinerlei Erwähnung. Erst der weitere Verlauf des Jahrhunderts sollte den städtischen Einfluss schließlich stärken, eine zweite Schulordnung ist jedoch nicht bekannt. Die oben dargelegte Schulordnung von Saalfeld von 1458 kann der Weimarer Schulordnung als Gegenbeispiel gegenübergestellt werden. Auch sie ist das Resultat einer vorausgehenden Auseinandersetzung, die zwei Jahre zuvor durch den Herzog Wilhelm III. beigelegt worden war. Anders als in Weimar lag die Saalfelder Schule vollständig in städtischer Hand. War die vorherige Irrigkeit in Weimar vom Stadtrat ausgegangen, scheint in Saalfeld der Pfarrer den Stadtrat in seinen Vorrechten bedrängt zu haben. Dies spiegelt sich auch in der Ordnung wider. Sollte in Weimar die Belastung der Bürger dem kirchlich eingesetzten Schulmeister gegenüber möglichst gering gehalten werden, strebte die Schulordnung von Saalfeld die Etablierung eines möglichst hohen Einkommens für 137 STEINFÜHRER, Stadtbücher, S. 210.

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den städtisch eingesetzten Schulmeister an. Während der Weimarer Stadtrat die Interessen der Bürger gegen den Schulmeister des Deutschen Orden vertrat, ergriff der Saalfelder Rat die Partei ‚seines‘ Schulmeisters gegenüber demselben Orden. Obwohl dies zwar mit einer Verpflichtung des Pfarrers zur Beköstigung der Schuldiener einherging, erfolgte die Verfügung des Saalfelder Rates in deutlich stärkerem Maße auch zu Lasten der Bürger. Hatten sie in Weimar lediglich Schulgeld und ein geringes Neujahrgeld zu zahlen, führt die Saalfelder Ordnung darüber hinaus Ablassgeld, Kerngeld, Lichtgeld und Austreibegeld auf. Der weitere Inhalt der Ordnung – die Festlegung der liturgischen Pflichten des Schulmeisters und seine Aufsicht über die Schüler – ist oben bereits dargelegt worden. Bemerkenswert ist, dass sie unter den thüringischen Schulordnungen die einzige ist, die sich wenn auch nebensächlich über die Gestaltung des Unterrichts äußert und den sittlichen Zuständen sowie der Disziplin der Schüler Beachtung schenkte. Bereits einige Jahre vor der Saalfelder entstand eine Schulordnung von Apolda. Sie ist ein Bestandteil der im Jahr 1440 niedergeschriebenen Statuten im sogenannten Roten Buch.138 Aufgrund des in Weimar dominierenden kirchlichen Einflusses auf die Schule muss die nur sieben Jahre jüngere Apoldaer Schulordnung als die früheste Ordnung über eine städtisch getragene Schule betrachtet werden. Anders als die Weimarer, die ausdrücklich unter den Augen und der Mitwirkung des Pfarrers entstanden war, präsentiert die Apoldaer Ordnung die Schule in städtischer Hand. Der Pfarrer hatte keinen Anteil an ihrer Entstehung genommen. Dass der Schulmeister in kirchlichen Fragen trotzdem dem Pfarrer unterstellt war, entspricht dem üblichen Vorgehen und trägt wie allerorten der unumstrittenen kirchlichen Bedeutung der Schule Rechnung. Stattdessen zeichnet sie sich unter den thüringischen Schulordnungen durch einen verstärkten Einfluss der Stadtherren aus. Die von den Wettinern belehnte Familie der Vitzthume hatte ihren Familienstammsitz in Apolda und wirkte dementsprechend nicht unerheblich auf die innere Entwicklung Apoldas ein.139 Dies zeichnet sich schließlich auch in den gesamten Statuten ab, wurden sie doch, so bereits die einleitenden Worte, „mit vnssern hern“140 vereinbart und ausgearbeitet. Demzufolge wurde diesen auch, während der Schulmeister andernorts an den Stadtrat oder den Pfarrer gewiesen wurde, ein Mitspracherecht und eine Weisungsbefugnis über den Schulmeister eingeräumt. In kirchlichen Angelegenheiten galt selbstverständlich auch hier der Pfarrer als oberste Instanz, während der Schulmeister 138 Vgl. StA Apolda, Reg.-Nr. 30144, fol. 6v–8r. Moderniesiert abgedruckt bei KRONFELD, Apolda (1871), S. 111; originalgetreu abgedruckt bei NEUMÄRKER, Stadtbuch (1892), S. 10–12. Im Folgenden soll die Edition Neumärkers zitiert werden; vgl. beiläufig auch STEIN, Apolda (1931), S. 99. 139 Vgl. KRONFELD, Apolda (1871), S. 88–104; FLICKE/KNIEFE, Apolda (1941), S. 24–28. 140 NEUMÄRKER, Stadtbuch (1892), S. 4.

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sich in weltlichen Angelegenheiten „noch vnssern hern vnd noch vnssen Ratismeyster vnd nackeborn“141 richten solle. Der größte Teil der Ordnung wird durch die Festlegung des Lohnes des Schulmeisters eingenommen. Es handelt sich dabei in erster Linie um die Entlohnung seiner liturgischen Verpflichtungen, die auf diese Weise, wie auch in der späteren Saalfelder Ordnung, ihre Festschreibung erfuhren. Ein maßgeblicher Teil seiner Einkünfte floss ihm daher aus der Kirche zu, doch wurden auch die Schüler, die Bürger und selbst die Familie Vitzthum zum Unterhalt des Schulmeisters herangezogen. Das Schulgeld hatte eine beachtlichen Höhe von 12 gr im Halbjahr, 24 gr jährlich. Dies übertrifft selbst die Saalfelder Verhältnisse. Die sonstigen Abgaben der Schüler wurden hingegen lediglich unter der Bezeichnung „accedencia“ zusammengefasst und sonst weder spezifiziert noch in ihrer Höhe festgelegt. Die eigentliche schulische Tätigkeit findet zwar Erwähnung, erfährt jedoch keine weitere Organisation. Lediglich solle der Schulmeister „die schule wessen vnde halden, so beste her ymmer kan, Vnd dy iungen gegüeteklichin lern vnd vnder wissen“. Bemerkenswert ist daneben allerdings die Mahnung an den Schulmeister, die Schüler nicht in der Kirche durch Schläge zu bestrafen: „Alzo daz her yn der kirgin nicht cu slon sal, Sunder yn der schule magk her in straffunge an leyn“.142 Dreizehn Jahre nach der Apoldaer, aber bereits fünf Jahre vor der Saalfelder entstand die Greußener Schulordnung. Sie nimmt in Thüringen insofern eine Sonderstellung ein, da sie keine eigenständige schulische Verordnung bildet. Sie basiert viel eher auf dem souveränen Selbstverständnis und der Selbstbehauptung des Stadtrates gegenüber dem Pfarrer. Der Rat hatte über die Pfarrstelle das Patronat inne und betrachtete den Pfarrer als dem Rat unterstellt. Um möglichen Zerwürfnissen zuvorzukommen, erließ der Rat 1453 eine Pfarrordnung, die – selbst ein bemerkenswertes Zeugnis der thüringischen Kirchengschichte – das Verhältnis des Pfarrers zum Stadtrat und dessen Amtspflichten für das Kirchenwesen der Stadt festschrieb. 143 Die Schule wurde als Teil des Kirchenwesens betrachtet und fand somit auch Aufnahme in die Pfarrordnung. Ausdrückliches Ziel des Stadtrates war in dieser Hinsicht die vollständige Bewahrung der städtischen Trägerschaft bei gleichzeitiger Beteiligung des Pfarrers an der wirtschaftlichen Versorgung der Schule. Die Worte, mit denen der Rat den Pfarrer eigenmächtig aus der Schulbesetzung ausschloss, sind oben bereits zitiert worden. Im Gegenzug wurde der Pfarrer jedoch nicht nur zur Verköstigung, sondern auch zur Beherbergung des Schulmeisters, der ausdrücklich nicht in der Schule, sondern in der Pfarre wohnen sollte, verpflichtet. Um hingegen auch den kirchlichen 141 Ebd., S. 10. 142 Für alle drei Zitate ebd., S. 10. 143 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Stadtgericht Greußen, Nr. 84, fol. 4v–5r; abgedruckt bei LÜRMANN, Stadtbuch (1933), S. 12–14. Vgl. auch ZIMMERMANN, Greußen (2003), S. 268.

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Interessen an der Schule zu entsprechen, wurde der Schulmeister in Angelegenheiten des Gottesdienstes dem Pfarrer zu Dienst und Gehorsam verpflichtet. Aufgrund ihres eigentlichen Charakters als Pfarr- statt als Schulordnung wurden darüber hinaus keine schulischen Aspekte aufgegriffen. Die Pflichten des Schulmeisters blieben wie auch die finanziellen Forderungen von den Schülern gänzlich unberührt. Wie die Apoldaer ging auch die Greußener Ordnung nicht aus einer Konfrontation hervor, doch folgte diese ihrem Erlass nach. Angesichts der Deutlichkeit der Ordnung verwundert es nicht, dass der Pfarrer noch im selben Jahr gegen sie aufbegehrte. Der Pfarrer Heinrich Kulbin scheint dem Stadtrat gegenüber seinen Unmut ausgedrückt oder die Verköstigung des Schulmeisters verweigert zu haben. Noch im selben Jahr, am 16. Oktober 1453, musste er mit Nachdruck des Grafen Heinrich von Schwarzburg und des Abtes von Ilfeld Wilhelm von Ulstedt zur Erfüllung der ihm abverlangten Pflichten angewiesen werden. Er solle wie auch seine Nachfolger, so urteilten die Vermittler, alle ihm auferlegten Pflichten erfüllen und sich nach der Ordnung des Stadtrates halten. Den aktuellen Schulmeister Heinrich Ludenrodt oder seine Nachfolger, die, so die nochmalige Betonung, der Rat wählte und einsetzte, möge er aufnehmen, ihnen die Kost reichen und eine Schlafkammer zur Verfügung stellen.144 Auf die Greußener und die Saalfelder Schulordnung folgte die Neustädter. Die Schule von Neustadt a. d. O. erfuhr eine ähnliche Entwicklung wie die Saalfelder. Sie stand unter der Verwaltung und war offenbar eine Gründung des Stadtrates, der die Schulordnung in einem Neustädter Stadtbuch verzeichnen ließ. Anhand der Laufzeit des Buches und des Todes des namentlich genannten Pfarrers ist die Ordnung auf die Jahre zwischen 1475 und 1486 zu datieren,145 doch wird sie angesichts ihrer Position am Anfang des Buches eher früher als später zu verorten sein. Den Anlass der Verordnung bildete hier das Missfallen der Bürger über die Willkür des Schulmeisters, der in seinen finanziellen und materiellen Forderungen bislang offenbar an keine Vorschriften gebunden war. Da er es damit zu weit getrieben hatte, intervenierten die Bürger beim Rat, der die Ansprüche des Schulmeisters den Bürgern gegenüber daraufhin im Einvernehmen mit dem Neunhofener Pfarrer auf ein erträgliches Maß begrenzte.146 Die Aufzählung der Erhebungen des Schulmeisters, die begrenzt oder verboten wurden, macht einen Großteil der Schulordnung aus, doch nutzte der Rat die Gelegenheit, darüber hinaus seine Ansprüche auf die Schulbestellung zu fixieren. 144 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Stadtgericht Greußen, Nr. 84, fol. 5r; abgedruckt bei LÜRMANN, Stadtbuch (1933), S. 14 f.; ZIMMERMANN, Greußen (2003), S. 268. 145 Vgl. HERRMANN, Unsere Schule (1924), S. 5, Anm. 6, S. 15. 146 Vgl. LATh-HStA Weimar, Weimarische Ämter und Städte, Nr. 736, fol. 15r–16r; abgedruckt bei HERRMANN, Unsere Schule (1924), S. 18 f. Vgl. auch ebd. S. 5 u. 8–11.

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Sollte er an einem Schulmeister Missfallen finden, so behalte er sich das Recht vor, diesen seines Amtes zu entheben. Der Absetzung sollte zwar eine Mitteilung an den Pfarrer vorausgehen, doch werde dieser sich „geburlich darinne halden“.147 Obwohl dem Pfarrer bereits durch diese ursprüngliche Fassung ein nur geringes Mitspracherecht eingeräumt wurde, erfolgte später ein weiterer Eingriff in die Ordnung. Die entsprechenden Worte über die Beteiligung des Pfarrers wurden gestrichen und mit der Notiz versehen, dass ein eigenständiger Vertrag über diesen Aspekt aufgesetzt worden sei. In welcher Form er bestand, bleibt offen. Das Verhältnis der Schule von Schleiz zum Deutschen Orden und dessen Vergleichbarkeit mit der Weimarer Entwicklung wurde oben bereits dargelegt. Obwohl es in Schleiz offenbar keinen obrigkeitlich-regulierenden Eingriff in die gegenseitigen Beziehung gab, war der Stadtrat 1492 berechtigt, zumindest die wirtschaftliche Lage der Schule ähnlich der Neustädter Schulordnung durch eine Einschränkung der bürgerlichen Belastung eigenmächtig festzulegen. Das Anliegen wurde als eigenständiger Artikel in die Stadtstatuten aufgenommen, die am 17. Dezember 1492 von Heinrich von Gera und Schleiz bestätigt wurden. 148 Obwohl der Stadtrat mit dieser Maßnahme ein hohes Maß an Selbstständigkeit über die Schulverwaltung verdeutlichte, findet sich in der Ordnung, wie bereits betont, kein Hinweis auf eine tatsächliche städtische Trägerschaft. Der Artikel gleicht insofern der Neustädter Ordnung unter Auslassung einer entsprechenden Patronatsklausel. Etwa um dieselbe Zeit entstand in Jena die mit einigem Abstand umfangreichste und detaillierteste Schulordnung Thüringens, die bereits des Öfteren im Mittelpunkt der Forschung stand.149 Sie bildete den endgültigen Abschluss der oben skizzierten Entwicklung, welche die Verwaltung des Schulwesens aus der Befugnis des Klosters in die Hände des Stadtrates trug. Ihr genauerer Entstehungskontext ist unklar und kann auch durch die Überlieferungssituation nicht erhellt werden, da sie als eigenständige Akte ohne nähere Zusammenhänge überliefert ist.150 Selbst undatiert, ordnete Albert Böhm die Ordnung anhand der

147 Zitiert nach HERRMANN, Unsere Schule (1924), S. 19. 148 Vgl. MÜLLER, Schulordnungen I (1885), S. 113 f.; LORENZ, Volkserziehung (1887), S. 117; SCHMIDT, Schleiz II (1909), S. 102; HERRMANN, Unsere Schule (1924), S. 5 u. 9; SOMMERLAD, Der Deutsche Orden (1931), S. 169, 174 u. 176 f.; BÜNZ, Bildungslandschaft (2004), S. 60; FASBENDER, Colligi in Kempnicz (2016), S. 70 f. 149 Vgl. KOCH, Schulordnung (1912); LEIßLING, Stadtschule I (1919); DERS., Stadtschule II (1919); HERRMANN, Unsere Schule (1924), S. 6–8; MEINL, Schulordnung (1993); BÜNZ, Bildungslandschaft (2004), S. 56–58; WEIß, Schulordnung (2014). 150 Vgl. StA Jena, B XVIIa-3; UB Jena III, Nr. 434, S. 188 f.

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darin genannten Personen und Stiftungen dem letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts zu.151 Inhaltlich lässt die Ordnung keinen Zweifel an ihrer Funktion, der Manifestierung des vollständigen Patronats über die Schule und ihrer organisatorischen Verwaltung durch den Stadtrat. Schon der erste Satz beanspruchte in den oben zitierten Worten für den regierenden Bürgermeister die Besetzung der Schule in Form der uneingeschränkten Befugnis zur Ein- und Absetzung der Schulmeister. Die Amtszeit, deren übermäßige Ausdehnung im 14. Jahrhundert einer der hauptsächlichen Anlässe zur Auseinandersetzung gewesen war, wurde nun auf ein Jahr beschränkt. Daneben stand in der üblichen Weise die wirtschaftliche Absicherung der Schule und des Auskommens des Schulmeisters durch die Festlegung der von den Schülern zu fordernden Entgelte. Während sich die übrigen genannten Schulordnungen jedoch zumeist – entsprechend des jeweiligen Anlasses – auf wenige organisatorische Aspekte, die gegebenenfalls zu Auseinandersetzungen geführt hatten, beschränkten, ging die Jenaer Schulordnung weit darüber hinaus. Die inhaltliche Vielgliedrigkeit der Ordnung macht ersichtlich, dass sie nicht einem bestimmten Ereignis, sondern einem allgemeinen und umfassenden Ordnungsstreben des Stadtrates entsprang. Ein entsprechend weitschweifiger Wortreichtum und die Berücksichtigung selbst kleiner, sonst unbeachteter Details unterstützen den Eindruck. Sie stellt damit das einzige bekannte Exemplar einer thüringischen Schulordnung dar, die sich nicht allein der Beilegung einzelner Konfliktfelder widmete, sondern eine umfassende und alle organisatorischen Facetten des Schulwesens aufgreifende Grundlage anstrebte. Im Mittelpunkt standen dabei die personelle Besetzung der Schule, das Verhältnis der Schüler untereinander und dem Schulmeister gegenüber, die Versorgung auswärtiger Schüler und die Verrichtung liturgischer Zeremonien samt den dafür gebührenden Präsenzien und der Verhaltensweise in der Schule, der Kirche oder am Ort sonstiger Zeremonien. Stellte die Saalfelder Ordnung dem Schulmeister bereits die Anstellung eines weiteren Schuldieners frei, setzte der Jenaer Stadtrat eine Schulbesetzung durch vier Personen voraus. Der Schulmeister sollte einen Baccalaureus supremus,152 einen Kantor und einen Locaten auswählen und dem Rat präsentieren. Das Verhalten der Schüler wurde nicht nur von den Schuldienern, sondern selbst vom Stadtrat überwacht und die Schuldiener sollten den Kindern in ihrem Verhalten und – was in den reformatorischen Ordnungen eine übliche, vor der Reformation 151 Vgl. StA Jena, B XVIIa-3, fol. 1r. Der Akte liegt eine maschinenschriftliche Transkription der Ordnung von A. Böhm bei, in der er sie auf etwa 1490 datiert. Obwohl sie mitunter fehler- und lückenhaft ist, ist die Datierung plausibel. 152 Bei dieser Bezeichnung handelt es sich nicht um zwei Schuldiener – Baccalaureus und Supremus – sondern um nur eine Person. Bereits damit war die Jenaer Schule personell eine der am stärksten besetzten Schulen Thüringens vor der Reformation.

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jedoch eine einzigartige Verordnung ist – in ihrer Kleidung ein Vorbild sein, „daß ma[n] sy vor andern gemeyne[n] leuthe[n] magk kennen“.153 Breiten Raum nahmen die finanziellen Verpflichtungen der Schüler, in bemerkenswertem Maße aber auch die Zahlungen des Schulmeisters aus eigener Tasche für Kerzen, Fenster – die ausdrücklich aus Papier gefertigt wurden – sowie die Besoldung der übrigen Schuldiener ein. Einen weiteren bedeutenden Anteil der Schulordnung bildete schließlich die Rolle der Schule für das geistliche Leben der Stadt, was nicht allein die Beteiligung an den täglichen Messen, Salvegesängen und Prozessionen, sondern auch private Dienste für die Bürger wie Vigilien, Beerdigungen, Totenmessen, Hochzeiten oder Psalterlesungen umfasste. Bemerkenswert ist schließlich die Einstellung eines sogenannten Calefactors, zu deutsch als Einheizer bezeichnet, der auch in den Schulordnungen von Neustadt und Schleiz in Erscheinung tritt, dessen Rolle hier jedoch mit der typischen Detailliertheit der Jenaer Schulordnung skizziert wird. Er wurde vom Schulmeister in den Wintermonaten hinzugezogen und von den Schülern durch ein geringes Entgelt entlohnt, damit er die Schule heize, dem Schulmeister bei der Reparatur der Fenster zur Hand gehe, die Leuchter in der Schule mit Lichtern versehe und dem Schulmeister auf sonstige Weise dienstbar sei. Eine weitere und letzte Schulordnung überliefert das Erbbuch von Waltershausen von 1512. Wie in Greußen und Apolda resultierte sie offenbar nicht aus einem anlassgebenden Ereignis. Sie verfolgte stattdessen das Ziel, herkömmliche Verwaltungsstrukturen in eine feste Form zu bringen und zu manifestieren. Die Grundlage dessen war die Festlegung einer durch Stadtrat und Pfarrer gemeinsam vorzunehmenden Bestellung der Schule. Die Amtszeit wurde wie in Jena auf ein Jahr beschränkt und unterlag dem alljährlichen Ratszyklus. Darüber hinaus stellte die Ordnung den Schulmeister als Stadtdiener in den Mittelpunkt, verpflichtete ihn zu Gehorsam gegen Stadtrat und Pfarrer, zu verantwortungsvoller Unterrichtsführung und zur sicheren Bewahrung der Kirchenkleinodien.154 In anderen Städten können Schulordnungen lediglich vermutet werden, doch ist ihre Existenz mancherorts anhand der Analogie zu anderen Städten wahrscheinlich. Der oben erwähnte obrigkeitliche Eingriff in die Auseinandersetzung in Eisenberg von 1436 hätte eine Schulordnung veranlassen können, zumal der sächsische Herzog hier deutlicher zugunsten des Rates entschied als der thüringische Landgraf drei Jahre zuvor in Weimar. Gleiches gilt für die Stadt Weißensee 1488. Insbesondere legt auch die überaus deutliche Zuweisung des Schulpatronats auf den Stadtrat von Schmölln eine anschließende selbstbewusste Manife153 StA Jena, B XVIIa-3, fol. 2r. 154 Vgl. LÖFFLER, Waltershausen (2004), S. 174 f. u. 198 f. Eine eingehendere Bearbeitung der Ordnung kann nur anhand des Originals erfolgen. Eine entsprechende Anfrage im Stadtarchiv von Waltershausen blieb jedoch ohne Erfolg.

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stierung der Entscheidung durch den Stadtrat nahe. Obgleich ein obrigkeitlicher Eingriff in Pößneck offenbar nicht erfolgt war, birgt auch hier die städtisch getragene Entwicklung der Schule wie in Saalfeld oder Neustadt die Wahrscheinlichkeit einer Schulordnung in sich. Möglicherweise muss hier mit entsprechenden Überlieferungsverlusten gerechnet werden, während andernorts zukünftige Forschungen zweifellos weitere Schulordnungen ausfindig machen könnten.155 Bei den Aufzeichnungen Johann Jacoffs über das Kirchen- und Schulwesen von Gräfenthal aus den frühen 1520er Jahren handelt es sich hingegen nicht direkt um eine Schulordnung. Sie sollen dennoch Erwähnung finden, bezieht Jacoff sich doch ausdrücklich auf den Inhalt „schriftlicher anzeichung, so pey der kirchen hinterlegt“,156 was möglicherweise auf die Existenz einer Schulordnung hinweist.157 Der Inhalt einer vermeintlichen Ordnung stellt nicht nur über diesen Überlieferungskontext, sondern auch durch eine ungewöhnliche inhaltliche Akzentuierung und eine bemerkenswerte Ausführlichkeit ähnlich der Jenaer Ordnung einen weiteren Sonderfall dar. So enthält Jacoffs Bericht zum einen die wohl umfangreichste und vermutlich die einzige vollständige Zusammenstellung der finanziellen und materiellen Einkünfte eines Schulmeisters am Vorabend der Reformation. Auf sie wird an späterer Stelle zurückzukommen sein. Zum andern geht er deutlich dezidierter als die übrigen Ordnungen auf den Amtscharakter des Schulmeisters ein, legt den Inhalt eines Amtseides dar und schildert in breiter Form die Pflichten des Schulmeisters bzw. des mit diesem verbundenen Kirchneramtes. Der Eid umfasst insgesamt zehn Artikel, die eine verantwortungsvolle Amtsführung zum Inhalt haben: Die Unveränderlichkeit der bestehenden Zustände (1), der verantwortungsbewusste Umgang mit dem Kirchengerät bei eigener Haftung im Schadensfall (2), die treue Wartung der Turmuhr, der Kerzen und Lampen in der Kirche sowie der Altartücher (3), eine der Gottesdienst- und Sakramentordnung entsprechende Instruierung der Ministranten (4), 158 das Verbot zur Entfernung von Kirchengerät (5), die sorgfältige Bewahrung des

155 Während die frühen Bestände der Stadtarchive von Schmölln und Eisenberg nur lückenhaft überliefert sind, weist das Pößnecker Stadtarchiv eine verhältnismäßig gute Quellenlage auf. Trotz eingehender Recherche konnte hier jedoch keine Schulordnung ausfindig gemacht werden. In Weißensee könnten weitere Forschungen erfolgreicher sein, die jedoch aus arbeitsökonomischen Gründen für die vorliegende Untersuchung nicht möglich waren. 156 KOCH, Aufzeichnungen (1899), S. 472. 157 Eine kurze Übersicht über Jacoffs schulische Schilderungen gab bereits BARTHELMES, Gräfenthal (1912), S. 65 f. 158 Bemerkenswert sind hier insbesondere die Worte, „das sie [die Schüler] vleissige achtung auf dy prister sollen haben und vorher in dy handt gissen und kosten, welchs weyn ader wasser seyn, do mit dem prister nicht ferlikeit entstehe“, vgl. KOCH, Aufzeichnungen (1899), S. 467.

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Sakraments bei eigener Haftung (6), die rechte Bestellung des Geläuts (7),159 die Achtung auf die richtige Messordnung und die Einhaltung der Messtermine (8), die Reinhaltung der Kirche und des Kirchhofes und die Verhütung von Beschädigungen oder Verunreinigungen durch randalierende Schüler (9) sowie letztlich die Pflicht zum Sturmleuten im Falle von „rumor, aufrur, feintschaft ader feuer (do got vor sey)“ (10).160 Der Anteil des eigentlichen Schuldienstes an diesem Eid, soweit er den Unterricht selbst betrifft, blieb verhältnismäßig gering. Er steht damit exemplarisch für alle erwähnten Schulordnungen und verdeutlicht, was durch diese nicht geregelt wurde. Keine der dargelegten Ordnungen erteilte dem Schulmeister inhaltliche Vorschriften über die Abhaltung des Unterrichts oder die Organisation des Schulalltages. Lediglich die Ermahnung zum fleißigen Umgang mit den Kindern und gegen die Vernachlässigung der Lehre fand Aufnahme in den Ordnungen von Apolda, Saalfeld, Waltershausen und Gräfenthal. Die oben erwähnte Betonung eines an den Messen orientierten religiösen Unterrichts in der Saalfelder Schulordnung und die nebensächliche Erwähnung einiger Unterrichtswerke in Schleiz und Neustadt bildeten darüber hinaus den einzige Bezug auf den eigentlichen Schulinhalt. Dass man sich dessen durchaus bewusst war und keine vollständige Organisation anstrebte, verdeutlichen abermals die Worte Johann Jacoffs. Die weitere Gestaltung der Gräfenthaler Schule wurde dem Ermessen des Schulmeisters anheimgestellt, weshalb Jacoff die Unvollständigkeit der Ordnung trotz ihrer verhältnismäßig großen Ausführlichkeit mit den folgenden Worten erklärte und entschuldigte, „[d]an es nicht muglich, das man eynem dyner alle seyne vorpflichte dinst mochte anzeigen, dy weil nymant weys, was sich in kunftiger zeit begibt; ditz ist aber alleyn zu erinneren vleissiger fursichtikeit vorzeichent, dar neben zu bedencken, was nutz und not ist.“161 Ob diese prophetischen Worte sowie die Verpflichtung des Schulmeisters zur Bewahrung herkömmlicher Zustände bereits dem Eindruck erster reformatorischer Anzeichen entsprangen, muss dahingestellt bleiben.

4.2. Schulische Einsatzfelder und Entlohnung Die liturgische Funktion bildete, wie es bereits aus den Schulordnungen hervorging, im Spätmittelalter das maßgebliche Betätigungsfeld der Schule. Der Schulmeister war als Diener der Kirche und die Schüler als Chor auf das Engste mit den 159 Der Aspekt des Glockengeläuts nimmt unter den neun Punkten den meisten Raum ein. Hier erfolgt eine genaue Aufstellung, wann und zu welchem Anlass mit welchen Glocken wie oft und wie lange zu läuten ist, vgl. ebd., S. 468–470. 160 Ebd., S. 471. 161 Ebd., S. 471.

GRUNDZÜGE DES SPÄTMITTELALTERLICHEN SCHULWESENS

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zahlreichen Messen verbunden.162 Unzählige Urkunden über die Stiftungen von Messen, geistlichen Lehen und Begängnissen griffen völlig selbstverständlich auf die Mitwirkung der Sängerknaben und den Schulmeister oder gegebenenfalls einen Kantor als Leiter eines Knabenchores zurück. Dieser liturgischen Bedeutung des spätmittelalterlichen Schulwesens entsprachen die Anforderungen, die an einen Schulmeister gestellt wurden. Die bereits mehrfach zitierte Urkunde des Landgrafen von 1433 zur Beilegung der schulischen Auseinandersetzung in Weimar formulierte die geforderte Qualifikation des Schulmeisters in eindrücklicher Weise: Der Pfarrer solle einen Schulmeister wählen, „den yn duncket redelichin vnd vorstendig gnugk sy, dye kirchin mit gesange vnd dy kinder in der schule mit der löre zcuuorwesen“.163 Der Wechsel der Schulträgerschaft zwischen kirchlicher und weltlicher Instanz änderte nichts an der Beteiligung der Schulen am gottesdienstlichen Leben. Im Gegenteil griff jede der oben genannten obrigkeitlichen Urkunden zur Festschreibung städtischer Patronatsrechte oder zur Beilegung schulischer Konflikte die Pflicht des Schulmeisters auf, sich in liturgischen Fragen nach dem Pfarrer – oder im Eisenberger Fall nach dem Propst des Heiligkreuzklosters – zu richten. Dies gilt selbst für die erwähnte Schmöllner Urkunde von 1487, die dem Schulmeister trotz des Ausschlusses des Pfarrers von der Schulbestellung befahl, sich in kirchlichen Angelegenheiten nach den Geistlichen zu richten. Einen Sonderfall stellte freilich die Saalfelder Schlichtungsurkunde von 1456 dar, in der die bereits an betreffender Stelle zitierte Anweisung des Herzogs Wilhelm III. enthalten war, die liturgischen Anforderungen an die Schüler zu beschränken, um sie nicht in ihrer wissenschaftlichen Ausbildung zu behindern.164 Die musikalische Teilnahme der Schuldiener an der kirchlichen Liturgie war mit Präsenzgeldern verbunden, die einen nicht unerheblichen Anteil ihrer finanziellen Einkünfte ausmachten. Bereits bei der Ersterwähnung des Schmöllner Schulwesens handelte es sich um die Verzeichnung der Teilnahme des Schulmeisters an der Messe Apostolorum und der damit verbundenen Präsenzzahlung von 16 gr in einem Zinsregister von 1423.165 In fast jeder Stadt wurden zudem regelmäßig das Salve Regina an bestimmten Heiligentagen – mancherorts wie in Altenburg auch täglich – und die nächtlichen Karwochenmetten der Tenebrae166 als feste Bestandteile des zeremoniellen Kirchenjahres durch den Schulmeister oder unter dessen Beteiligung gesungen, was mit einer alljährlichen Entlohnung aus eigens gestifteten Zinsen verbunden war. Die Präsenzgelder variierten von 162 Endres bezeichnete die Pfarrschulen selbst als „Hilfsanstalten der Kirche“, vgl. ENDRES, Stadt und Umland (1985), S. 157. 163 MÜLLER, Schulordnungen II (1886), S. 276. 164 Zur Kritik an der Vernachlässigung der wissenschaftlichen Ausbildung durch ein Übermaß an Gesang vgl. KINTZINGER, Varietas (1996), S. 302. 165 Vgl. KrA Altenburg, Bestand Schmölln, Nr. 662, fol. 25v. 166 Zur Art und Gestaltung der Tenebrae vgl. KOENEN, Klagelieder (2013), S. 74–77.

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Stadt zu Stadt und lagen bei 10 gr für die Tenebrae und 11 gr für das Salve in Thamsbrück,167 13 gr für das Salve in Auma,168 15 gr für die Tenebrae in Sondershausen,169 35 gr für das Salve in Schmölln,170 45 gr für die Tenebrae und 2 ß für das Salve in Pößneck,171 1 fl für das Salve in Kranichfeld,172 ebenso viel für das Salve in Ziegenrück,173 1 ß für die Tenebrae in Nebra,174 1 ß 10 gr für das Salve und 1 ß für die Tenebrae in Gräfenthal,175 1 ß 20 gr für das Salve in Stadtilm,176 2 ß für das Salve in Neustadt a. d. O.,177 2 fl für das Salve in Rodach,178 3 ß für das Salve in Gera,179 3 fl für das Salve in Kahla180 und sogar 6 ß für das Salve in Jena.181 In Greußen erhielten Pfarrer, Kirchner und Schulmeister für das Salve und die Tenebrae zusammen 3 ß.182 In Lobeda wurde das Salve hingegen nicht aus einer Stiftung, sondern aus einem Bierzins finanziert. Die Bürger waren dazu verpflichtet, von jedem gebrauten Bier eine Steuer in Höhe von 4 gr an die Altarleute zu zahlen. Von der dabei angesammelten, offenbar verhältnismäßig hohen Summe wurde das Salve in der Kirche unterhalten. Pfarrer, Kaplan und Schulmeister erhielten aus den Einnahmen jeweils 2 ß.183 Weitere über das Jahr verteilte Messen, wie die für Schmölln erwähnte Apostelmesse oder die ebenfalls weit verbreitete Corporis-Christi-Messe, müssen hier nicht aufgezählt werden. Exemplarisch sei nur auf die detaillierte Erschließung eines Einkommensverzeichnisses von Ranis von 1529 verwiesen, das die kirchlichen Einkünfte des Schulmeisters minutiös wiedergibt. Mit dem Pfarrer zusammen erhielt er 2 ½ ß für das Salve, 4 gr für die Begängnisse der Weichfasten, 8 gr für vier Opferfeste und 1 ½ ß für die Corporis-Christi-Messe.184 Die Beteiligung des Schülerchores an den alltäglichen kirchlichen Zeremonien war schließlich allerorten selbst167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184

Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 1c, Bd. 2, fol. 436r–v. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 3, fol. 293v. Vgl. StA Sondershausen, B Ia, Nr. 1, fol. 8r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1, fol. 316r. Vgl. StA Pößneck, Stadtrechnung, Mappe 10, Nr. 40, 1487/88, fol. 47v; ebd., Stadtrechnung, Mappe 24, Nr. 75, 1527/28, unfol. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 3, fol. 147r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 4.2, fol. 296r. Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 1b, fol. 323v. Vgl. KOCH, Aufzeichnungen (1899), S. 475. Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Gemeinde- und Stadtrechnungen, Nr. 12592, fol. 14v. Vgl. HERRMANN, Unsere Schule (1924), S. 10 f. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1a, fol. 94v. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 9, fol. 22v. Vgl. BERGNER, Geschichte Kahlas (1917), S. 89. Vgl. StA Jena, B XVIIa-3, fol. 3r. Vgl. ThStA Rudolstadt, Gemeinde- und Stadtrechnungen, Nr. 58, fol. 15v. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 3, fol. 134r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 3, fol. 320r.

GRUNDZÜGE DES SPÄTMITTELALTERLICHEN SCHULWESENS

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verständlich und ein fest integrierter Bestandteil des Schulalltages. Eine Besoldungsordnung von Themar formulierte diese alltägliche Liturgiegestaltung mit den folgenden Worten: Der Schulmeister solle „alletage zu Chore stehe[n] die psalm, Responsorien An heben, vnd die verß Singhen, Die Knaben soln Intiniren vnd versicull auch zu zeitten die verß Singen, It[em] vf alle hogefest Sontag, Apostel, vnd alle bonfest mit gantz[er] Schuel alle Ampt Singen“.185 Neben der täglichen Liturgie und den Messen des Kirchenjahres stand eine Fülle geistlicher Stiftungen – Seelenmessen, Begängnisse, Jahrgedächtnisse aber auch Vikarien –, die von Privatpersonen zur eigenen oder verwandtschaftlichen Memoria getätigt wurden. Je nach dem Willen des Stifters gehörte die Teilnahme an den damit verbundenen Zeremonien ebenfalls zu den Pflichten der Schulmeister, was in den meisten Fällen in den Stiftungsurkunden festgeschrieben wurde. Auch in diesem Zusammenhang flossen dem Schulmeister und oft weiteren Schuldienern vereinzelte Einkünfte zu, die allein betrachtet zwar gering waren, sich durch die spätmittelalterliche Frömmigkeit bzw. die damit einhergehende Anhäufung entsprechender Stiftungen jedoch summierten. Stiftungsurkunden aus diesem Zusammenhang machen durch ihre Häufigkeit für das spätmittelalterliche, insbesondere das kirchlich getragene und quellenärmere Schulwesen einen erheblichen Anteil der, mitunter sogar die gesamte Überlieferung aus. So informiert beispielsweise lediglich eine Urkunde von 1495 über die Stiftung einer Vikarie und der mit ihr verbundenen Messen über die Existenz einer Schule im Flecken Gebesee, die von einem Schulmeister und einem Locaten versorgt wurde.186 Den gleichen Rang nimmt für Buttelstedt die Erwähnung von Schülern in der Stiftungsurkunde der Frühmesse von 1462 ein.187 Der Versuch, die Fülle liturgischer Stiftungen und entsprechender Urkunden hier darzustellen, wäre ein aussichtsloses Unterfangen. Es soll stattdessen auf die Situation einiger Städte hingewiesen und die Vielfalt der geistlichen Stiftungen damit exemplarisch illustriert werden. Durch eine ausführliche Rechnungsführung einiger Stadträte oder Altarleute ermöglichen die Stadt- oder Kirchenrechnungen mancherorts detaillierte Einblicke in jene Stiftungen, die ihnen zur Verwaltung übertragen worden waren. So führen die Stadtrechnungen von Pößneck drei Seelenmessen und Begängnisse auf: Die von einem Franz Kern gestiftete Seelenmesse brachte dem Schulmeister 10 gr für das Abhalten der Vigilien und 6 d Präsenz sowie dem Succentor 3 d Präsenz ein. Das reicher ausgestattete Begängnis einer Frau Kaiser begünstigte den Schulmeister mit 6 gr für das Leuten der Glocke, 4 gr für die Vigilien und 3 gr Präsenz, den Succentor mit 2 gr und den Locaten mit 3 gr Präsenz. Das Begängnis 185 LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. IV, Nr. 60, fol. 157r. 186 Vgl. KrA Sömmerda, Bestand Gebesee 3913; KUHLES, Gebesee (2016), S. 221. 187 Vgl. LATh-HStA Weimar, Konsistorialsachen, B 3069a2, fol. 23r–26v.

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eines Herrn Sottners schließlich, das am Tag der heiligen Anna mit abendlichen Vigilien und am darauffolgenden Morgen mit einer Messe begangen wurde, erbrachte dem Schulmeister 10 gr, dem Succentor 6 gr und dem Locaten 3 gr Präsenz. 188 Sehr detailliert ist zudem die bereits erwähnte, dichte Folge der Stadtrechnungen von Stadtilm, die verdeutlicht, dass der Stadtrat trotz der kirchlichen Trägerschaft der Schule einen Teil der testamentarischen Stiftungen verwaltete. Neben dem bereits erwähnten Salve Regina betraf dies drei Stiftungen. Das Testament eines Johann Steffan erbrachte dem Schulmeister 6 gr, dem Kantor 2 gr und dem Locaten 1 gr. Während der Anteil der unteren Schuldiener bei den anderen Stiftungen gleich blieb, erhielt der Schulmeister aus dem Testament eines Nikolaus Weyner 8 und aus dem eines Michel Ranis 4 gr.189 Diese vier Stiftungen können anhand der Rechnungsüberlieferung in steter Gleichförmigkeit bis in die 1530er Jahre hinein verfolgt werden. Trotz ihrer dichten Überlieferung repräsentieren die Stadtrechnungen von Pößneck und Stadtilm nur einen sehr geringen Ausschnitt des spätmittelalterlichen liturgischen Stiftungswesens. In der Quantität der verzeichneten Stiftungen werden sie von einer singulär überlieferten Kirchenrechnung von Jena von 1490/91 weit übertroffen. Darin wurden unter dem Posten „Außgabe der begencknis“190 elf Stiftungen aufgeführt, die zum Teil mit dem Namen ihrer Stifter oder ihrer zeitlichen Stellung im Kirchenjahr bezeichnet wurden. Die Termine der Messen fielen – sofern sie angegeben wurden – auf die Pfingstwoche (Ende Mai/Anfang Juni 1490), Fronleichnam (10. Juni), Exaltationis Crucis (14. September), den Tag der heiligen Lucia (13. Dezember), die Woche Invocavit (Ende Februar 1491) und Gründonnerstag (24. März). Die Fronleichnamsprozession und eine weitere Messe am Montag nach Trinitatis (26. Mai 1491) wurden eigens verzeichnet und waren nicht Teil der testamentarisch gestifteten Begängnisse.191 Die Namen der Stifter lauten Herr Schirrmeister, mit dessen Namen gleich zwei Begängnisse verbunden waren, Nikolaus Becker, Dietrich Lichtenhain, Friedrich Hercks und Hans von Gera. Zehn der genannten elf Begängnisse wurden – gemessen an den Präsenzzahlungen – unter schulischer Beteiligung abgehalten. Die Präsenzien der einzelnen Schuldiener waren dabei jedoch, verglichen mit den Zahlen aus Pößneck und Stadtilm, verhältnismäßig gering. Die Beteiligung des Schulmeisters betrug in einem Fall 2 gr, in vier Fällen 1 gr 3 d und in wiederum vier Fällen lediglich 6 d, während die der unteren Schuldiener in einer jeweiligen Abstufung darunter lag. An fünf Begängnissen war der Schulmeister allein 188 Vgl. exemplarisch StA Pößneck, Stadtrechnung, Mappe 19, Nr. 63, 1514/15, fol. 48r. 189 Vgl. exemplarisch LATh-StA Rudolstadt, Gemeinde- und Stadtrechnungen, Nr. 12592, fol. 14v. 190 Vgl. StA Jena, C Ia-1, fol. 123r. 191 Vgl. ebd., fol. 124r.

GRUNDZÜGE DES SPÄTMITTELALTERLICHEN SCHULWESENS

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beteiligt, an einem stand ihm der Kantor zur Seite und an zweien wirkten drei Schuldiener mit. An dem Begängnis Dietrich Lichtenhains, bei dem es sich wahrscheinlich um den gleichnamigen Jenaer Ratsmeister des 15. Jahrhunderts handelte,192 war hingegen nur der Kantor mit einer Entlohnung von 1 gr beteiligt. Lediglich an dem durch Herrn Schirrmeister begründeten Gründonnerstagsbegängnis, das mit großem Abstand am reichsten ausgestattet war, nahm die gesamte Schuldienerschaft durch den Schulmeister, den Kantor, den Locaten und einen Baccalaureus teil. Es ist zudem die einzige der elf Stiftungen, die auch anhand ihrer Stiftungsurkunde nachgewiesen werden kann. Bei Schirrmeister, der den Vornamen Andreas trug, handelte es sich um einen Geistlichen, der zunächst Vikar in Zeitz und seit spätestens 1446 Vikar und Kaplan der Kapelle St. Nikolaus vor dem Saaletor in Jena war. Bereits die erste Erwähnung als Jenaer Vikar am 19. September 1446 war mit der Grundlegung einer Messstiftung verbunden.193 Zur Aufbesserung der Einkünfte seiner Kapelle stiftete er den Jahreszins von 30 fl und verband ihn mit der Anweisung an seinen Nachfolger, mit einem Drittel dieses Zinses nach seinem Tod ein in der Kapelle abzuhaltendes Begängnis in seinem Namen am Tag des heiligen Alexius (17. Juli) zu begründen. Obwohl der Schulmeister mit 12 d und seine Gesellen mit je 4 d an diesem Begängnis beteiligt werden sollten, findet es sich nicht in der Kirchenrechnung wieder. Die Umsetzung oblag dem jeweiligen Vikar der Nikolaikapelle, was gleichzeitig verdeutlicht, dass die in der Kirchenrechnung verzeichneten Stiftungen trotz ihrer großen Anzahl keine Vollständigkeit repräsentieren. Die Stiftungsurkunde zu dem besagten Gründonnerstagsbegängnis stammt schließlich vom 28. März 1449.194 Sie ist nicht nur für Jena allein, sondern auch für den gesamten thüringischen Raum in ihrer Ausführlichkeit und der minutiösen Beschreibung der Messzeremonien herausragend, schildert sie doch nicht nur die Abhaltung der gestifteten Messe, sondern verbindet diese auch mit einer umfangreichen Armenspende und – „yn der wise dez abindessens Cristi, dorinne zcu bedencken daz lyden unde martir dez herren“195 – einer rituellen symbolischen Fußwaschung. Beim zwölften Glockenschlag am Gründonnerstag sollte der Kirchner in der Stadt umherziehen und die Menschen in die Kirche bitten. Das Gotteshaus sollte zu diesem Anlass mit Bänken für die Priester und zwölf eigens geladene Arme ausgestattet werden. Die Messe begann mit einer kurzen Evangelienpredigt, während ein zweiter Priester oder der Propst des Klosters den zwölf Armen den rechten Fuß waschen sollte. Fand sich keiner, der die Fußwaschung vornehmen wollte, sollte der Kaplan der Nikolaikapelle, der jeweilige Nachfolger 192 193 194 195

Vgl. erstmals zum Jahr 1419 UB Jena II, Nr. 92, S. 52. Vgl. ebd., Nr. 399, S. 172–176 Vgl. ebd., Nr. 438, S. 191–195. Ebd., Nr. 438, S. 191.

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Schirrmeisters, dazu verpflichtet werden und im Andenken an Andreas Schirrmeister, der jene Kapelle durch den oben genannten Zins von 30 fl aufgebessert hatte, keinen Widerstand leisten. Anschließend erhielt jeder der zwölf acht Ellen grauen Gewandstoffes und wurde „yn dem frede gotis“196 entlassen. Während einer zweiten Evangelienlesung erfolgte die Fußwaschung unter der Geistlichkeit, gefolgt von einem Antiphon des Schulmeisters, seiner Gesellen und der Schüler. Dem schloss sich das Abendmahl an, zu dem sechs Schock Oblaten und vier Stübchen Wein bereitgestellt werden sollten, wobei nach den Geistlichen auch den Anwesenden Laien „also ratismeistern, rathkumppan unde erbarn togentlichin frouwen“197 Wein und Oblaten – das Abendmahl in beiderlei Gestalt – gereicht werden sollten. Die Präsenzzahlungen an die Schuldiener sollten einen Schilling für den Schulmeister, 1 n gr für den Succentor, 6 d für den Locaten und einen Schilling für die Schüler umfassen. In der Kirchenrechnung finden sich diese Präsenzien wieder, doch an die erhöhte Anzahl der Schuldiener angepasst. Der Schulmeister erhielt 1 gr 3 d, der Kantor 1 gr, der Baccalaureus wie der Locat je 6 d und die Schüler 1 gr 3 d.198 In derselben Urkunde schloss sich als weitere Stiftung Schirrmeisters die erwähnte und ebenfalls in der Kirchenrechnung enthaltene Corporis-Christi-Prozession an, die mit der Abendmahlsfeier in Verbindung stand und am achten Tag nach Fronleichnam abgehalten werden sollte. Die Teilnahme der Schuldiener und Schüler war wie deren Gesang im Wechsel mit den Nonnen auch diesmal obligatorisch und wurde abermals mit einem Schilling für den Schulmeister, je 1 gr für den Succentor und den Locaten sowie einem Schilling für die Schüler vergütet. Die gesamte Hauptsumme, die Schirrmeister für beide Stiftungen aufwandte, betrug 450 a ß zu je 20 gr.199 Trotz der großen Anzahl der in der Jenaer Kirchenrechnung verzeichneten Begängnisse bietet sie doch kein vollständiges Bild von der Fülle spätmittelalterlicher Stiftungen. Um ein solches exemplarisch zu präsentieren, sei ergänzend der Bericht des Gräfenthaler Vikars Johann Jacoff hinzugezogen. In seinen Ausführungen über die kirchlichen Verhältnisse Gräfenthals bietet er unter anderem eine mehrmalige Aufzählung sämtlicher zu seiner Zeit gefeierter Begängnisse und Jahrgedächtnisse, die vom Pfarrer oder den Vikaren teilweise mit der Unterstützung des Schulmeisters abzuhalten waren. Seine Informationen zog er nach seinen eigenen Worten aus einem erst kürzlich, im Jahr 1520 angelegten Verzeichnis. Nach Monaten sortiert, mit den Namen der Stifter und meist auch der bedachten Verstorbenen benannt, führt Jacoff insgesamt 34 Begängnisse auf, 196 197 198 199

Ebd., Nr. 438, S. 192. Ebd., Nr. 438, S. 192. Vgl. StA Jena, C Ia-1, fol. 123v. Vgl. UB Jena II, Nr. 438, S. 194.

GRUNDZÜGE DES SPÄTMITTELALTERLICHEN SCHULWESENS

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wobei die ersten zwei Monate des Jahres, wie er selbst bemerkte, keine Zeremonien enthielten.200 Die eigentlichen Stiftungen überstiegen selbst diese Zahl noch, doch mussten aufgrund ihrer nicht zu bewältigenden Masse mehrere, auf dieselben Termine fallende Zeremonien zu gemeinsamen Begängnissen zusammengelegt werden. In ihrer Gesamtheit darf die folgende Darstellung, die sich nach Jacoffs Ausführungen richtet, vermutlich Vollständigkeit für sich beanspruchen, obgleich sich die genaue Anzahl der Stiftungen – aufgrund der summierten Zusammenfassung mit den Worten „und aller anderer stifter“201 – auch hier weiterhin der Kenntnis entzieht. Tab. 1: Die Präsenzgelder des Gräfenthaler Schulmeisters aus privaten Stiftungen Termin202

März

April

Mai

Juni

Montag nach Invocavit Mittwoch nach Judica Mittwoch nach Quasimodogeniti Am letzten Tag des Monats Mittwoch nach Urban Am Tag nach Bonifatius Am Tag Vitus Montag nach Vitus Am Tag Gervasius/Protasius

Stifter, bedachter Verstorbener Hermann Tilschneider, seiner Frau Katharina Hans Kirmeser

Präsenz des Schulmeisters203 -

Fritz Schmid

1 gr 4 d

Lutz Quatwals, seiner Frau Katharina Johannes Kremer, seiner Frau Gutta Wilhelm Then

1 gr 4 d

1 gr 4 d

Matthis Huff/Hauffen Claus Kesseler

2 gr 2 gr

Heinz Ruland

1 gr 4 d

1 gr 4 d

1 gr 4 d

200 Vgl. KOCH, Aufzeichnungen (1899), S. 460 f., 475 u. 480–482. 201 Ebd., S. 481. 202 Dass die angebenen Termine nicht immer auch mit den angegebenen Monaten übereinstimmen, ist hier vernachlässigt worden. Die Übersicht folgt genau den Ausführungen Jacoffs. 203 Zur Vereinfachung wurden die von Jacoff in Schilling und neuen Groschen angegebenen Präsenzien durchweg in neue Groschen umgerechnet. Jacoff selbst gibt den Wert eines Schillings mit 16 Pfennigen, also vier alte Groschen an. Ein neuer Groschen entsprach drei alten Groschen, ein Schilling war demnach 1 n gr 4 d, vgl. KOCH, Aufzeichnungen (1899), S. 475, mit Anm. 1.

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Juli

I. TEIL – DAS SCHULWESEN IN SPÄTMITTELALTER UND VORREFORMATION

Am Tag nach der Heimsuchung Mariens Am Tag nach Margareta Am Tag Apollinaris

k. A.

August

Zwei Tage nach Mariae Himmelfahrt Montag und Dienstag nach Mariae Himmelfahrt k. A. Montag nach Bartholomäus k. A. Zwei Tage nach Aegidius Am Tag Exaltationis Crucis k. A.

September

Am Tag nach Mauritius Am Tag nach Cosmas/ Damian Um den Tag Michaelis Um den Tag Michaelis

Conrad Löner/Loner

1 gr 4 d

Johann Pruff

1 gr 4 d

Gemeinsames Begängnis für Georg Metsch (Propst von Probstzella) und Martin Metsch, seiner Frau Elisabeth Heinz Loner, seiner Frau Margareta Fritz Scheidung/Schmidt

2 gr

Moritz Buchner, seiner Frau Anna

-

Heinrich Buchner, seiner Frau Kunigunde Hermann Cohyn/Koye

-

1 gr 4 d

2 gr

Hans Koye, seiner Frau Katharina Hans Steffan

-

Heinrich Buchner, seiner Frau Kunigunde Moritz Buchner, seiner Frau Anne Claus Nebirger, seiner Frau Elke Rudolf Titzen, seiner Frau Adelheid

3 gr

Claus Muller, seiner Frau Margareta Gemeinsames Begängnis für Friedrich Brackolorer, seiner Frau Margareta Wilhelm Ratzenberger, seiner Frau Dorothea Dorothea Ratzenberger, ihrem Mann Hans Claus Breme, seiner Frau Konna

3 gr

1 gr 4 d

3 gr 1 gr 4 d 1 gr 4 d

In ungenannter Höhe

GRUNDZÜGE DES SPÄTMITTELALTERLICHEN SCHULWESENS

Oktober

November

Dezember

k. A. „donerstag nach der gemeynen wochen“204 Um den Tag Dionysius Am Tag Crispinus/ Crispinianus Am Tag nach Martinus Am Tag nach Katharina Am Tag Barbara Am Tag der unschuldigen Kinder k. A.

Anthonius Schneider, seiner Frau Margareta Lucas Schneider, seiner Frau Katharina Wilhelm Lucas (Pfarrer von Großneundorf) Titz Fligers Seyfried Dresler Hans Stromer, seiner Frau Margareta und weitere nicht namentlich genannte Stifter Hans Herren Heinrich Decker (Pfarrer von Marktgölitz)

127

1 gr 4 d

Nikolaus Falken, seiner Frau Margareta Hans Rothe, seiner Frau Elisabeth

1 gr 4 d

Hans Schindezal/-zagel

1 gr 4 d

Andreas Schmide, seiner Frau Kunigunde Thomas Förster, seinen Frauen Anne und Margareta Grosen Nickel, seiner Frau Thela

1 gr 4 d

1 gr 4 d

3 gr 1 gr 4 d

Hans Lupfart, seiner Frau Margareta Gesamtpräsenz des Schulmeisters > 44 gr = 2 fl 2 gr

Im Verhältnis zu Jena war Gräfenthal eine relativ kleine Stadt. Trotz des städtischen Wohlstands durch den dortigen Bergbau ist daher anzunehmen, dass die Anzahl der Begängnisse mit der Größe der Stadt entsprechend zunahm. Der Bericht Jacoffs bietet somit einen bemerkenswerten Eindruck von der vielfältigen spätmittelalterlichen Messpraxis. Mitunter führten die musikalische Kompetenz des Schulmeisters und die Abhängigkeit vom Pfarrer jedoch zum Zerwürfnis zwischen beiden. Der oben erwähnte Johanniterkomtur von Schleusingen, der sich 1508 durch die Einsetzung Georgius Schenks zum Schulmeister in seinen Rechten übergangen fühlte, 204 KOCH, Aufzeichnungen (1899), S. 461.

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I. TEIL – DAS SCHULWESEN IN SPÄTMITTELALTER UND VORREFORMATION

trachtete danach, dem Schulmeister die Leitung des Chores zu entziehen. Schenk warf ihm jedoch vor, den Gesang in der Kirche zu hoch anzustimmen, sodass aus dem Gesang zwangsläufig ein Geschrei werde. Weil der Komtur den Einwänden keine Beachtung schenkte, wies der Schulmeister die Schüler mit dem Rückhalt des Stadtrates an, im Anheben des Gesangs auf ihn und nicht auf den Komtur zu achten, um eine musikalische Verwirrung in der Kirche, die zwangsläufig ihm zur Last gelegt worden wäre, zu verhindern. Der Komtur, der sich dadurch in seinen Kompetenzen missachtet sah, habe Schenk daraufhin „eyn meyneydigen treulossen vorreder dip bosewicht vnd buben geschalden“.205 Andererseits war in Saalburg bereits die erste Erwähnung der städtischen Schule 1396 mit einer Distanzierung des dortigen Klosters von der liturgischen Beteiligung derselben verbunden. Lediglich die Messen in der Pfarrkirche sollten „mit dem schulmeister unnd seinen kindernn“ gehalten werden, während für die musikalische Versorgung der Klosterkirche „des Klosters schuler“206 zuständig waren. Obgleich dem Schulmeister für seine Dienste eine entsprechende Präsenzzahlung zugewiesen wurde, kann hinter der deutlichen Betonung ein Versuch zur Vermeidung von Kompetenzstreitigkeiten vermutet werden. Eine ähnliche Vermutung liegt in der Erwähnung eines vermeintlichen Weidaer Stadtschülers – „Scolaris in civitate“207 – schon 1382 nahe, doch kann es sich hierbei entsprechend der Bedeutungsvielfalt der lateinischen Bezeichnung scolaris auch um einen Schuldiener gehandelt haben, zumal ihm kein Klosterschüler gegenübergestellt wurde. Weiteres Konfliktpotential barg die städtische Verwaltung der Stiftungszinsen durch den Stadtrat selbst in sich. Dem Schulmeister von Themar standen für alle vom Rat verwalteten Begängnisse ein Präsenzgeld von 8 gnk zu. Als der Pfarrer sich jedoch weigerte, die Begängnisse abzuhalten und der Rat ihn zur Erfüllung seiner Amtspflichten ermahnte, erwiderte der Pfarrer in einem undatierten Schreiben um 1500, dass er gewillt sei, seinen Pflichten nachzukommen, sobald der Stadtrat die Zinsen in der vorgeschriebenen Weise zur Reichung der Präsenzgelder verwenden würde.208 Die musikalische Bedeutung der Schule beschränkte sich keinesfalls auf den kirchlichen Raum. Auch bei liturgischen Zeremonien außerhalb der Kirche – nicht nur bei Prozessionen – sowie schließlich im weltlichen und städtischfestlichen Bereich ermöglichte der Schülerchor die musikalische Untermalung diverser Anlässe. So wurde die Messe zu einer Seelbadstiftung 1498 in Römhild in ein Badehaus verlegt. Zweimal jährlich sollte armen Menschen ein Bad ausgerichtet werden, während der Schulmeister mit einigen Schülern das Salve 205 206 207 208

LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. IV, Nr. 35, fol. 57r. Für beide Zitate UB Vögte II, Nr. 375, S. 313. Ebd., Nr. 273, S. 236. Vgl. LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. IV, Nr. 60, fol. 114v.

GRUNDZÜGE DES SPÄTMITTELALTERLICHEN SCHULWESENS

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Regina singen sollte, wofür er zwei Schillinge erhielt. 209 In Königsee wurden kirchliche Feiertage durch öffentlichen Gesang auf dem Marktplatz begangen.210 Die Stadtrechnung von Salzungen von 1504 überrascht mit der Ausgabe eines Weingeschenks für den Schulmeister, „als die schuller gereigt haben“.211 Ein Anlass ist hier nicht ersichtlich, ebenso wenig wie für das Geldgeschenk aus dem Amt Arnstadt von 1503/04 an die Schüler, die „den moren tantz getantzt“,212 wodurch die Tradition der Moriskentänze auch für den mitteldeutschen Raum nachweisbar ist. 213 Letztlich waren die Anwesenheit des Schulmeisters und mitunter auch musikalische Darbietungen stets Bestandteil inszenierter Empfänge bedeutender Besucher. Eine Rechnung des dortigen Amtes berichtet, dass der kurfürstliche Hof im Juli 1488 mit 120 Pferden und 23 Wagen in Eisenberg Station machte. Der Empfang wurde gleich durch mehrere Schulmeister und vermutlich deren Schüler musikalisch ausgeschmückt, wofür sie aus dem Amt 5 gr erhielten.214 Ein nicht weniger bedeutender Anlass war für Salzungen der mehrtägige Aufenthalt des Weihbischofs, der im September 1504 in der dortigen Kirche St. Simplicii die neue Altartafel und einige Kirchengeräte weihte. Tägliche umfangreiche Mahlzeiten wurden zu diesem Anlass bereitet, an denen neben den Ratsherren und der Geistlichkeit auch der Schulmeister und der Locat als Mitglieder der Kirchendienerschaft anwesend waren.215 Trotz oder gerade wegen einer raren Überlieferungslage soll zuletzt nicht verschwiegen werden, dass die Funktion des Schulmeisters als Aufseher über die Kirchenkleinodien und insbesondere die Bibliothek der Kirchen mancherorts üblich war. Diese Funktion erfüllte beispielsweise der Schulmeister von Gräfenthal, zu dessen Aufgaben es gehörte, das Kirchengerät bei Bedarf bereitzustellen und es zusammen mit dem Ornat und den Büchern sauber und in Ordnung zu halten. Im Falle des Verlustes oder der Beschädigung konnte er zur Rechenschaft gezogen werden.216 In Waltershausen, wo die Kirchengeräte ebenfalls in der Obhut des Schulmeisters standen, musste er zur Absicherung der Gemeinde vier Bürgen stellen, die für die Vertrauenswürdigkeit des Schulmeisters

209 210 211 212 213

Vgl. MÖTSCH, Regesten II (2006) Nr. 2030, S. 910. Vgl. EINICKE, Reformationsgeschichte I (1904), S. 42. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 3053, fol. 77r. Zitiert nach KLETTE, Beiträge (1923), S. 30 f. Eine kurze Zusammenfassung zu den Morisken- oder Moreskentänzen mit kunsthistorischem Fokus bietet KUSTER, Moreskentänze(r) (2005). Obwohl er die Herleitung aus maurischen Ursprüngen kritisch sieht, ist die Formulierung der Arnstädter Rechnung bezeichnend. 214 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 1481, fol. 95r u. 97r. 215 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 3053, fol. 106v. 216 Vgl. KOCH, Aufzeichnungen (1899), S. 468 u. 471.

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einstehen und im Schadensfall haftbar gemacht werden sollten.217 In Pößneck informiert schließlich eine Notiz über die Amtseinführung eines Schulmeisters im Jahre 1474 auch über den Umfang der ihm übertragenen Kleinodien und Bücher, „er had entphange[n] iiii kelche vnd iii pacem iiii messebücher psalteria vnd andir bucher“.218

4.3. Wirtschaftliche Versorgung der Schulen und Schuldiener Die Entlohnungen für liturgische Leistungen und andere amtliche Tätigkeiten der Schulmeister machten trotz ihrer Bedeutung in der Funktion des mittelalterlichen Schulwesens nur einen verhältnismäßig geringen Teil ihrer wirtschaftlichen Versorgung aus. Ihr gesamtes Einkommen setzte sich viel eher aus zahlreichen einzelnen, meist kleineren Geldbeträgen und Naturalleistungen zusammen, die erst in ihrer Gesamtheit ihr Auskommen ermöglichten. Der Stadtrat selbst war an dieser Unterhaltung, wenn er auch in den oben genannten Schulordnungen die finanziellen Angelegenheiten der Schulbestellung regelte, in der Form einer alljährlichen Besoldung in den meisten Fällen unbeteiligt. Dies betonte der Stadtrat von Pößneck, als er den Visitatoren von 1529 die Situation der Schule schilderte, mit den folgenden deutlichen Worten: „der schulmeister Ist hieuor vom Rathe nicht vorsolt gewest, Hat […] seins Lohns alleine vonn der Kirchen, als Vigilien, Sehlenmesßen, Lewtegelde, vnnd den Knaben gewart, darauf auch seine gesellen Als Cantor, Locat [etc.] gehalt[en]“.219 Da der Rat hier seinen Anteil herunterzuspielen suchte, können die Worte durch die vorherigen Stadtrechnungen zum Teil widerlegt werden. Obgleich es sich in den meisten Fällen nicht um festgesetzte und regelmäßige Zahlungen handelte, leistete der Stadtrat zeitweise seine Unterstützung zum Lebensunterhalt des Schulmeisters. So erhielt dieser gelegentlich einige Scheffel Getreide vom Stadtrat220 und letztlich waren unregelmäßig verehrte Trankgelder nicht unüblich.221 Eine feste und regelmäßig wiederkehrende Ausgabe für den Schulmeister, einige Male auch für den Succentor, war die halbjährliche Zahlung de horalogio. Sie wurde erstmals in Höhe von 45 gr zu Michaelis 1427 und in Höhe von 21 gr zu Walpurgis 1428 an den Succentor gezahlt und entlohnte den Schuldiener für die Wartung der Kirchturmuhr. 222 Im späteren Verlauf des Jahrhunderts stieg diese Entlohnung auf halbjährlich 1 ß an.223 217 218 219 220

Vgl. LÖFFLER, Waltershausen (2004), S. 198 f. StA Pößneck, Stadtrechnung, Mappe 6, Nr. 26, 1473/74, fol. 1v. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 3, fol. 340r. Vgl. exemplarisch zum Jahr 1426/27, in dem der Schulmeister 7 ½ Scheffel Weizen erhielt, StA Pößneck, Stadtrechnung, Mappe 2, Nr. 3, 1426/27, fol. 29v. 221 Vgl. exemplarisch StA Pößneck, Stadtrechnung, Mappe 2, Nr. 2, 1425/26, fol. 30r. 222 Vgl. StA Pößneck, Stadtrechnung, Mappe 2, Nr. 5, 1427/28, fol. 35v–36r. 223 Vgl. exemplarisch StA Pößneck, Stadtrechnung, Mappe 4, Nr. 19, 1463/64, fol. 61r.

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Eine anteilige Versorgung der Schulmeister oder der Schule auf städtische Kosten war trotz der fehlenden Gesamtbesoldung weit verbreitet. Der Schulmeister von Salzungen erhielt wie alle städtischen Bediensteten mehrfach im Jahr 4 Maß Wein.224 Darüber hinaus stellte der Rat der Schule das Brennholz für den Winter zur Verfügung.225 Desgleichen sorgte der Stadtrat von Jena zumindest anteilig für die Beheizung der Schule. 226 Die Regelmäßigkeit einer Getreideleistung wird durch die Stadtrechnung von Vacha von 1497 verdeutlicht. Weil der Rat dem Schulmeister im vorhergehenden Jahr 3 Viertel Korn schuldig geblieben war, wurde die Schuld nun beglichen.227 Die Bereitstellung von Korn gehörte hier zu den festen Bestandteilen des Schulmeisterunterhalts. In anderen Städten wurde die Reichung von Korn, Holz oder anderen Naturalien hingegen durch eine entsprechende Geldzahlung ersetzt, so beispielsweise in Eisfeld in Höhe von 4 fl „fur dye garb vnd layb“.228 Die Haltung von eigenem Vieh wurde dem Schulmeister oftmals durch die Bereitstellung eines Wiesenstücks oder der entsprechenden Rasenmaht ermöglicht.229 Nicht unüblich war darüber hinaus die Zahlung von sogenanntem Leikauf oder Dinggeld, einer einmaligen Summe, die dem Schulmeister zur Bestätigung seiner Einstellung geschenkt wurde. In Blankenburg betrug es 8 gr,230 5 gr in Königsee,231 in Greußen 4 gr,232 ebenso in Waltershausen233 und in Wasungen 3 gnk,234 während der Schulmeister in Vacha zu seiner Einstellung eine Kanne Wein erhielt.235 Neben dieser aktiven Unterstützung der Schuldiener durch den Stadtrat stand mancherorts deren Beteiligung an bestimmten innerstädtischen Zinsen. Die Stadt Pößneck bietet dafür ein mustergültiges Beispiel. Hier erhielt der Pfarrer einen alljährlichen Zins von den Fleischbänken, von welchem er dem Schulmeister einen Anteil zu überlassen hatte. Über die Beteiligung des Schulmeisters kam es 1498 zu einem Zerwürfnis zwischen ihm und dem Pfarrer, das durch eine Ratsintervention beigelegt werden musste. Der Rat entschied, die umstrittene Zinszahlung der Fleischbänke hinfort selbst einzunehmen und dem Pfarrer und 224 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 3053, fol. 76v. Vgl. auch UB Salzunger Stadtarchiv, S. 40. 225 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 3053, fol. 121v. 226 Vgl. StA Jena, C Ia-1a fol. 62v. 227 Vgl. LATh-HStA Weimar, Stadtarchiv Vacha, Nr. 8, fol. 14r. 228 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1a, fol. 114r; HUMAN, Reformation (1917), S. 63. 229 Als Beispiel können hier ebenfalls Eisfeld (vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1a, fol. 114r–v) sowie Rodach (ebd., fol. 94v) angeführt werden. 230 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Gemeinde- und Stadtrechnungen, Nr. 10997, unfol. 231 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Gemeinde- und Stadtrechnungen, Nr. 11726, unfol. 232 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Gemeinde- und Stadtrechnungen, Nr. 57, fol. 29r. 233 Vgl. LÖFFLER, Waltershausen (2004), S. 174 f. u. 199. 234 Vgl. SCHMITT, Schriftsprache (1966), S. 191. 235 Vgl. LATh-HStA Weimar, Stadtarchiv Vacha, Nr. 8, fol. 16v.

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Schulmeister den jeweiligen Anteil in Höhe von 20 gr und 6 gr auszuzahlen.236 Tatsächlich findet sich die Entscheidung bereits in der Stadtrechnung desselben Jahres bestätigt, indem unter einem eigens verzeichneten Fleischbankzins der Anteil des Schulmeisters „von d[er] selbi[g]e[n] Bangk des pfarrers“ 237 dargereicht wurde. Eine vollständige Besoldung aus der Stadt war in vorreformatorischer Zeit hingegen unüblich und höchstens als Folge spezieller Dienstverhältnisse und Amtsbefugnisse zu verstehen. So wurde in Rodach das Schulmeisteramt durch den Stadtschreiber versehen, der sich in der Schule durch einen Locaten vertreten bzw. unterstützen ließ. Seine Besoldung, die von Seiten der Stadt 7 fl nebst der Nutzung eines Landstückes umfasste, stellte somit eher die Besoldung des Stadtschreibers statt eines Schulmeisters dar. Von Seiten der Schule wurde seine städtische Besoldung ausdrücklich durch das Schulgeld der Kinder ergänzt.238 In gleicher Weise verhielt es sich in Wasungen, wo die städtische Besoldung des Amtsträgers am Ende des 15. Jahrhunderts 13 ß und um 1510 sogar 20 ß betrug,239 und in Gräfenthal, wo der Schulmeister für die Stadtschreiberei mit 10 ß besoldet wurde, obwohl hier, wie aus dem Bericht Jacoffs deutlich wird, ausdrücklich die Schule im Mittelpunkt seiner Amtstätigkeit stand.240 Die wichtigste Einnahme der spätmittelalterlichen und vorreformatorischen Schulmeister stellte das Schulgeld dar.241 Es war in der Höhe an keine verbindliche Richtlinie gebunden und in den betreffenden Fällen lediglich durch die oben genannten Schulordnungen vorgegeben. Dementsprechend differenziert gestalteten sich die Schulgeldforderungen in den verschiedenen Städten. In Apolda war es auf 24 gr pro Jahr festgelegt worden, doch wurde dieses Niveau von kaum einer zweiten Stadt erreicht. In Saalfeld, wo es dem Apoldaer Wert am nächsten kam, betrug es pro Jahr 20 gr, in Neustadt a. d. O. 12 gr, in Jena 8 gr,242 in Gera 6 gr,243 in Greiz 4 gr,244 in Schleiz pro Quartal 1 gr 8 d.245 Grundsätzlich kann die Er236 237 238 239 240 241

242 243 244 245

Vgl. StA Pößneck, B I 2, Nr. 1, fol. 7r. StA Pößneck, Stadtrechnung, Mappe 12, Nr. 48, 1497/98, fol. 67r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1a, fol. 94v. Vgl. SCHMITT, Schriftsprache (1966), S. 191; WÖLFING, Schulgeschichte (1967), S. 54. Vgl. KOCH, Aufzeichnungen (1899), S. 479. Über die Einkünfte und die wirtschaftliche Lage der Schulmeister kursieren in der älteren Forschung mitunter gegensätzliche Ansichten. Betonen Heppe und Seelhoff deren Kärglichkeit, stellen Kriegk und Lorenz sie als ausreichend und einträglich dar, vgl. HEPPE, Schulwesen (1860), S. 34; KRIEGK, Bürgerthum (1871), S. 67; LORENZ, Volkserziehung (1887), S. 88; THALHOFER, Unterricht (1928), S. 106–110; SEELHOFF, Schule (1932), S. 72 f. Vgl. HERRMANN, Unsere Schule (1924), S. 8. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 9, fol. 19v. Vgl. ebd., fol. 147r. Vgl. MÜLLER, Schulordnungen I (1885), S. 113.

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hebung von Schulgeld in vorreformatorischer Zeit für jede Stadt vorausgesetzt werden, auch wenn die Höhe nur in wenigen Orten belegt werden kann. Auf bezeichnende Weise wird dies durch die frühen Visitationsprotokolle der Pflege Coburg verdeutlicht, die das sogenannte pretium der Schüler – in den Protokollen stets precium geschrieben – in jeder visitierten Stadt erwähnen, doch in keinem Fall über dessen Höhe informieren.246 Gleichermaßen üblich war die Forderung weiterer Abgaben,247 die nicht allein dem Schulmeister sein Auskommen verbessern, sondern mitunter auch den Unterricht angenehmer gestalten sollten, indem die Schüler beispielsweise das Brennholz zur Beheizung der Schule bereitzustellen hatten. Üblich war dies in Schleiz, 248 Schalkau 249 oder Triptis 250 und in Neustadt a. d. O. sogar mit der Mahnung an den Schulmeister verbunden, das von den Schülern gelieferte Holz in der Schule zu belassen und nicht zur Beheizung seiner Wohnung zu verwenden.251 Die Schüler von Rodach hatten dem Schulmeister hingegen Getreide, Brot und weitere, abermals nicht spezifizierte Naturalien zu reichen. 252 Die Maßnahmen der Stadträte, die Forderungen der Schulmeister durch entsprechende Schulordnungen in einem angemessenen Rahmen zu halten, sind oben dargelegt worden. Die verschiedenen Schulordnungen präsentieren dadurch einen eindrucksvollen Querschnitt durch die Vielgestaltigkeit zusätzlicher Ansprüche. Gleichzeitig verdeutlichen sie jedoch die Bemühungen mancher Stadträte, gegen ein Übermaß an finanziellen Belastungen der Schüler und ihrer Familien vorzugehen. Die folgende Darstellung soll einen Überblick des Möglichen über die in den thüringischen Städten gewährten oder verbotenen Leistungen bieten. Sie enthält entsprechend der oben genannten Schulordnungen die Abgaben der Schüler, die dem Schulmeister als Gegenleistung für den erteilten Unterricht gereicht wurden.253

246 Vgl. exemplarisch Hildburghausen (LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1a, fol. 62r), Eisfeld (ebd., fol. 114r–v), Heldburg (ebd., fol. 41r–v) oder Schalkau (ebd., fol. 151r). 247 Vgl. dazu THALHOFER, Unterricht (1928), S. 107 f.; SOMMERLAD, Der Deutsche Orden (1931), S. 173; SEELHOFF, Schule (1932), S. 73; ENDRES, Gesamtdarstellung (1991), S. 158. 248 Vgl. MÜLLER, Schulordnungen I (1885), S. 113. 249 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1a, fol. 151r. 250 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 4.2, fol. 240r. 251 Vgl. HERRMANN, Unsere Schule (1924), S. 18. 252 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1a, fol. 94v. 253 Die Schulordnung von Apolda wurde nicht in die Darstellung aufgenommen, da sie lediglich das Schulgeld erwähnt und die übrigen Forderungen unspezifisch als „accedencia“ bezeichnet. Dasselbe gilt für die Schulordnung von Waltershausen, die nicht im Original eingesehen werden konnte.

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Tab. 2: Einnahmen der Schulmeister von den Schülern nach spätmittelalterlichen Schulordnungen

Schulgeld Neujahrsgeld Gesangsgeld Jahrmarktgeld Ablassgeld Austreibegeld Anhebegeld Beichtgeld Brotgeld Fleischgeld Holzgeld

Weimar (1433) 1 ½ Schillinge 2d

Saalfeld (1458) 20 gr

Neustadt (um 1480) 12 gr

Jena (um 1490) 12 gr

2d

verboten

-

-

-

verboten

-

Schleiz (1492) 1 gr 8 d pro Quartal nach gutem Willen 1 gr

-

-

verboten

-

verboten

-

6d 2d

verboten

1d

verboten verboten

verboten -

-

3–9 d verboten verboten wie bisher

3 d–1 gr 1d verboten 1 Fuder im Winter

Geld für den Einheizer Kerngeld254

-

-

wie bisher

1d 1 Fuder im Winter oder 3 gr 3d

-

-

-

verboten

Lichtgeld

-

1 Schwertgroschen 3d

3d

gemeinsam 3 d, nur von auswärtigen Schüler zu zahlen

Fenstergeld

-

-

Ninuales (?) Lassgeld (?)

-

-

trägt der Schulmeister selbst verboten -

eine Kerze zu Lichtmess, zwei Unschlittlichter zu Martini 2d

-

2d

verboten

254 Zuvor war es üblich, dem Schulmeister Kirschkerne zu liefern. Sie hatten, folgt man Hasls Ausführungen, medizinische Zwecke oder waren ein Bestandteil zum Bierbrauen. In den hier ausgewerteten Schulordnungen wurde die Naturallieferung bereits durch eine Geldzahlung abgelöst, vgl. HASL, Kirschenkerne (1913); SEELHOFF, Schule (1932), S. 73; ENDRES, Gesamtdarstellung (1991), S. 158.

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Es verwundert nicht, dass sich mancherorts aufgrund der vielfältigen finanziellen Belastung der Bürger Widerstand gegen die Forderungen der Schulmeister regte, obgleich sie wie in den genannten Fällen vom Stadtrat sanktioniert worden waren. Als die Bürger von Bürgel sich 1516 in verschiedenen Streitpunkten mit dem Kloster auseinandersetzten, betraf dies auch die Versorgung des Schulmeisters. Die Bürger hatten offenbar versucht, das Kloster verstärkt in die Pflicht zu nehmen und sich selbst dadurch zu entlasten. Sie wurden jedoch von obrigkeitlicher Seite zurechtgewiesen. Dem Schulmeister stehe sein Lohn zu und die Bürger seien verpflichtet, diesen „sovill er des verdint“ zu entrichten. Sollte er hingegen seinen Amtspflichten nicht gerecht werden, mögen die Bürger wie auch im umgekehrten Fall „ordenlich recht gebrauchn an ennd, do es sich aigendt, vnnd geburth“.255 Spezifiziert wird dies jedoch nicht. Über die weiteren, darüber hinausgehenden Einkünfte der vorreformatorischen Schullehen liegen kaum Informationen vor. Es ist anzunehmen, dass sie nicht weniger vielgestaltig als die bisher genannten Bezüge waren. Das Beispiel einer singulären Besoldungsordnung vermag dies zu illustrieren. Als 1514 das Ringen der Stadt Themar um die Errichtung einer eigeneständigen Pfarrei erfolgreich war,256 ging ein unbekannter Urheber daran, die kirchlichen und schulischen Einkünfte zu sichten, zu ordnen und gerecht auf die Geistlichen sowie die Kirchen- und Schuldiener zu verteilen. Dem Schulmeister flossen dabei nicht allein aus der Stadt Themar, sondern gleichermaßen aus dem ländlichen Umfeld insgesamt 14 Geld- und Naturalzinse zu, von denen Erstere zwischen ½ fl, 14 gnk, 1 fl, 1 ½ fl sowie 1 ß lagen. Die Gesamtsumme wurde mit 36 fl 14 gnk angegeben.257 Einen ähnlichen Wert erreichte die Besoldungssumme des Schulmeisters von Waltershausen mit 30 ß.258 Die Ordnung von Themar verdeutlicht jedoch wie bereits die zu Beginn dieses Kapitels zitierten Worte des Pößnecker Stadtrates, dass eine Besoldung lediglich dem Schulmeister gereicht wurde. Die Unterhaltung der übrigen Schuldiener war darin bereits enthalten, wurde vom Schulmeister selbst gezahlt und lag meist völlig in dessen Ermessen. Nur in zwei Fällen ist die Höhe seines Anteils bekannt. In Hildburghausen zahlte der Schulmeister seinem Locaten am Vorabend der Reformation jährlich 6 fl,259 in Jena hingegen nur 2 fl, während die Schuldiener hier zudem die Kost vom Schulmeister oder bei den Bürgern erhielten.260 Vielerorts wurde die finanzielle Ausstattung des Schulmeisteramtes durch eine derartige leibliche Versorgung in der Form einer täglichen oder an bestimmte 255 256 257 258 259 260

Für beide Zitate LATh-HStA Weimar, EGA, Kopialbuch A 15, fol. 39r. Vgl. WÖLFING, Themar IV (2001), S. 151 f. Vgl. LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. IV, Nr. 60, fol. 155r. Vgl. LÖFFLER, Waltershausen (2004), S. 199. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1a, fol. 62r. Vgl. StA Jena, B XVIIa-3, fol. 3r.

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Anlässe gebundene Verköstigung ergänzt. Meist war sie, was bereits im Saalfelder Zusammenhang deutlich wurde, dem Pfarrer, oft auch dem örtlichen Kloster anbefohlen. Eine solche kulinarische Versorgung war unabhängig von der politischen Trägerschaft der Schule. Mancherorts könnte sie auf die kirchlichen Ursprünge später städtisch getragener Schulen verweisen, doch kann dies kaum nachgewiesen werden. In einigen Fällen wurde sie im Zuge einer obrigkeitlichen Fixierung der Patronatsverhältnisse eigens geregelt. Als Beispiel kann hier abermals die oben zitierte Schmöllner Urkunde erwähnt werden, die 1487 mit deutlichen Worten den Pfarrer von der Schulbestellung ausschloss, ihm jedoch als Gegenleistung der liturgischen Tätigkeit des Schulmeisters vorschrieb, „Im darvmb presencien vnnd p[rä]bend [zu] geben“. 261 Gleiches hatte bereits 1436 die Urkunde Herzog Sigismunds in Eisenberg verfügt, wo der Propst dem Schulmeister – betontermaßen nach alter Gewohnheit – eine Präbende und ein Trankgeld reichen sollte.262 Noch über ein Jahrhundert später besann sich der Stadtrat 1542 auf dieses Herkommen und führte bei einem Zulagengesuch als Argument an, dass das Kloster in katholischer Zeit nicht allein den Schulmeister, sondern auch den Kantor „mit besoldung auch essen vnnd trinken hatt mussen versorgnn vnnd erhalten“.263 Diese Form der Schulmeisterspeisung durch den Pfarrer oder ein Kloster war weit verbreitet, wurde vielerorts jedoch mit der Zeit auch in eine sie ersetzende Geldzahlung umgewandelt. Eine zeitlich noch vor der dortigen Urkunde entstandene Schmöllner Kirchenrechnung von 1479 informiert über die Höhe der aus dem Kircheinkommen gezahlten Präbende. Sie betrug neben den Präsenzien, die nur einige Groschen umfassten, 12 gr als Holz- und Trankgeld sowie zur Vergütung weiterer Amtspflichten weitere 16 gr. 264 Da eine zweite Kirchenrechnung von 1488 diese Zahlen bestätigt, 265 wird ein späterer Anstieg der kirchlichen Versorgung nicht auf die Neuregelung von 1487 zurückzuführen sein. Trotzdem offenbart eine Darlegung des Schmöllner Pfarrers von 1527 einen erheblichen Anstieg der Präbendezahlung, die inzwischen eine Höhe von 7 fl erreicht hatte.266 Vermutlich resultierte der Anstieg aus der genannten Umlegung der einstigen, in den Kirchenrechnungen nicht verzeichneten Verköstigung des Schulmeisters auf eine entsprechende Geldzahlung. Die Präbende in Heldburg,

261 262 263 264 265 266

KrA Altenburg, Bestand Schmölln, U 8. LATh-StA Altenburg, Urkunde vom 21. Dezember 1436. StA Eisenberg, XI/I/1, fol. 2v. Vgl. KrA Altenburg, Bestand Schmölln, Nr. 662, unfol. Vgl. ebd. Vgl. LATh-StA Altenburg, Ministerium zu Altenburg, Abt. für Kultusangelegenheiten 1819, fol. 11v.

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die dem hiesigen Schulmeister ebenfalls aus dem Kircheneinkommen gezahlt wurde, betrug am Vorabend der Reformation 4 fl.267 Der Schulmeister von Bürgel erhielt hingegen bis zum Ausbruch der Reformation neben dem Schulgeld und den liturgischen Präsenzien zwei Mal täglich die Kost vom dortigen Kloster. 268 In Kölleda wurden vom Kloster wiederum Schulmeister und Kantor, jedoch lediglich an Sonn- und Festtagen verköstigt.269 Auch in Orlamünde war die Verköstigung beider Schuldiener durch den Pfarrer an deren Beteiligung an den Opferfesten gebunden.270 In Weißensee reichte die Johanniterkomturei beiden Schuldienern nicht nur die tägliche Verpflegung, sondern stellte ihnen auch eine freie Unterkunft zur Verfügung.271 Der Schulmeister von Apolda wurde sowohl vom Pfarrer mit der Kost an bestimmten kirchlichen Festen als auch vom Kloster Heusdorf mit zwei Schock Garben Korn versorgt.272 Dementgegen wurde in Sangerhausen273 wie auch in Weida274 lediglich der Kantor zusammen mit dem Kirchner im jeweiligen Kloster gespeist. In beiden Fällen kann dies aber auch als Begünstigung des Schulmeisters angesehen werden, der seinem Gesellen durch diese Versorgung weniger Unterhalt zu zahlen hatte. Der Greußener Fall, wo 1453 die Verköstigung und Beherbergung des Schulmeisters beim Pfarrer festgelegt wurde, ist wie auch die daraus resultierende Auseinandersetzung bereits erwähnt worden. Eine andere, nicht allerorten übliche Beteiligung des Klosters erfuhr der Schulmeister von Creuzburg. Hier wurde 1514 durch einen Vergleich zwischen dem Stadtrat und dem Propst des Jungfrauenklosters vereinbart, dass „der schulmeister mit sinen schullern In des Closters holz gehen“275 und sich selbst mit dem Wissen des Propstes mit dem nötigen Brennholz versorgen dürfe. Die in Schkölen in dem Vergleich von 1489 vereinbarte Verköstigung des Schulmeisters in der dortigen Propstei wurde hingegen in eine Geldzahlung von 12 fl „fur geriechtenn tisch“276 umgewandelt. Die mit Abstand höchste kirchliche Versorgung erhielt der Schulmeister von Hildburghausen, dem der Pfarrer aus dem Kircheinkommen alljährlich eine regelrechte Besoldung von 17 fl zu zahlen hatte.277 267 Vgl. LATh-StA Meinigen, Staatsministerium, Abt. Kirchen- und Schulsachen 638, fol. 229v. 268 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ll 88, fol. 2r. 269 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 1b, fol. 291v. 270 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 834, fol. 6v–7r. 271 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 1b, fol. 190v. 272 Vgl. NEUMÄRKER, Stadtbuch (1892), S. 11. 273 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 1b, fol. 787v. 274 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Kk 1463, fol. 4v. 275 LATh-HStA Weimar, EGA, Kopialbuch A 14, fol. 224r. 276 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 1c, Bd. 2, fol. 108v. 277 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1a, fol. 62r.

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Mancherorts wurde der Schule eine Präbende oder die Kost aus dem landesherrlichen Amt gereicht. Dies betrifft naturgemäß die Schulen am Amtssitz und kann als einzige eigenständige obrigkeitliche Beteiligung am mittelalterlichen Schulwesen angesehen werden. Ihre Ursprünge können nicht nachvollzogen werden. In dem bereits dargelegten Altenburger Beispiel diente die Schule des St. Georgenstiftes als Ausbildungsort der kurfürstlichen Hofkapelle und die Schuldiener leisteten dem Amt liturgische Dienste zu verschiedenen Anlässen, doch kann ein Zusammenhang hier nur vermutet werden. Herrmann spekulierte hingegen, dass die Amtsbesoldung in jene Zeit zurückzuführen sei, als der Schulmeister zugleich Bediensteter, etwa der Schreiber des Amtmannes war.278 In Neustadt a. d. O., auf das Herrmann seine Vermutungen bezog, erhielt der Schulmeister mit seinem Locaten die Verköstigung aus dem Amt Arnshaugk. Auch sie wurde wie in Altenburg am Vorabend der Reformation auf eine Geldzahlung von immerhin 18 fl umgelegt.279 Eine Versorgung des Dornburger Schulmeisters ist erstmals 1465 nachweisbar.280 Er erhielt, so formulierte es eine spätere Rechnung des Amtes, „alle tage die prebenda in brot vnd trunck“.281 In Weida betrug die Präbende am Vorabend der Reformation 10 ß. Sie galt nicht allein dem Schulmeister, sondern drei Schuldienern.282 Der Schulmeister von Weißensee erhielt als alleiniger Empfänger 3 ß,283 während der von Eckartsberga aus dem Amt mit Korn und Holz versorgt wurde.284 In Ranis ist die Verzeichnung einer „prebende vff zwey mensche vff dy schule“285 in der Amtsrechnung von 1446–48 die früheste Erwähnung einer dortigen Schule. Die hiesige Zahlung wurde zwar bereits in Geld gereicht, doch noch in der Liste der auf der Burg zu speisenden Personen verzeichnet. Sie blieb über Jahrzehnte erhalten und war von so großer Bedeutung, dass eine geregelte Fortsetzung im Zuge der Güterteilung zwischen den zerstrittenen Brüdern Haubold, Felix und Ewald von Brandenstein 1509 von den Vermittlern ausdrücklich angeordnet wurde: „Item die prebende dem Schulmeister sal ein wochen vmb die ander gegeben werden“.286 Eine Beteiligung der Ämter war freilich nicht in jedem Fall üblich. Andernorts beschränkten sich die Amtmänner auf die Entlohnung gelegentlicher Dienste oder ehrenhalber gezahlter, kleinerer Geldgeschenke. So gehörte es zu den 278 Vgl. HERRMANN, Lateinschulen (1940), S. 224 f. 279 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 386, fol. 1av; HERRMANN, Lateinschulen (1940), S. 224 f. 280 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 1102, fol. 8r. 281 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 1103, fol. 15r. 282 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2, fol. 268r. 283 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 1b, fol. 192v. 284 Vgl. ebd., fol. 339r. 285 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 1960, fol. 13v. 286 LATh-StA Meiningen, Archivaliensammlung des HAV/ Urkunden, Nr. 21.

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Pflichten des Schulmeisters der Eisenacher Stiftsschule, den Vikar der Kapelle auf der Wartburg bei den Messen zu unterstützen, wofür er aus dem Amt eine Entlohnung von über 3 ß erhielt.287 Der Schulmeister von Heldburg erhielt zu Beginn des 16. Jahrhunderts aus dem Amt ein Schreibgeld.288 Die Amtsrechnung von 1510/11 informiert, dass er beispielsweise die Aussagen Gefangener vor Gericht zu Papier brachte.289 Ihm zur Seite stand dabei zeitweise der Schulmeister von Ummerstadt, dessen Erwähnung in der Amtsrechnung von 1509/10 sogar die einzige bislang bekannte zeitgenössische Erwähnung einer dortigen Schule vor Anbruch der Reformation darstellt.290 Vielerorts war die Verehrung von Neujahrgeldern für die Schulmeister aus dem Amt üblich. Sie wurden in den Amtsrechnungen von Weimar 1498/99,291 von Sondershausen 1512/13292 und dem ihm benachbarten Heringen 1521/22293 bereits als alte Gewohnheit bezeichnet. Ebenfalls mit einem Neujahrsgeld aus dem Amt wurde der Schulmeister von Frankenhausen 1507/08 bedacht,294 doch handelte es sich hier nicht um eine alljährliche Tradition, da sie im darauffolgenden Jahr nicht fortgesetzt wurde.295 Weitere Zahlungen aus den Ämtern waren unregelmäßig und irregulär und sollen daher – obgleich sie nicht selten waren – hier nicht aufgezählt werden. Stattdessen soll abschließend auf einen nicht unerheblichen Aspekt der vorreformatorischen Schulfinanzierung verwiesen werden – die Begünstigung durch private Stiftungen. Sie standen in den meisten Fällen mit Mess- oder Vikariestiftungen in Verbindung, waren jedoch nicht immer auch an eine Mitwirkung der Schuldiener oder der Schüler gebunden. In etlichen Fällen müssen sie losgelöst von der liturgischen Beteiligung der Schule und den entsprechenden Präsenzzahlungen betrachtet werden, zumal der aus anderweitigen Stiftungen erzielte finanzielle Gewinn oftmals ungleich höher war. Der Stadtrat von Eisenberg 287 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 1224, fol. 8v. 288 Vgl. LATh-StA Meiningen, Ältere Rechnungen, Abt II, Amtsrechnung Heldburg, 1509/10, unfol. 289 Vgl. LATh-StA Meiningen, Ältere Rechnungen, Abt II, Amtsrechnung Heldburg, 1510/11, unfol. 290 Vgl. LATh-StA Meiningen, Ältere Rechnungen, Abt II, Amtsrechnung Heldburg, 1509/10, unfol. Weitere Nachweise einer vorreformatorischen Schule von Ummerstadt stammen lediglich aus den frühen Visitationsprotokollen. 291 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 2569, fol. 64r. 292 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Rechnungen des Amts/Rentamts Sondershausen, Nr. 173, unfol. 293 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Rechnungen des Amts Heringen, Nr. 72, unfol. 294 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Rechnungen des Rent- und Steueramts Frankenhausen, Nr. 75, unfol. 295 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Rechnungen des Rent- und Steueramts Frankenhausen, Nr. 76.

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richtete 1495 eigens eine Stiftung mit einem Jahreszins von 2 fl zur Aufbesserung der Einkünfte von Schulmeister und Kaplan ein und verpflichtete sich, bei Säumigkeit der Auszahlung drei Eimer Bier an das Kloster zu liefern.296 Gleichermaßen begründete Katharina von Obernitz zu einem unbekannten Zeitpunkt in Auma eine testamentarische Stiftung mit einer Hauptsumme von 50 fl, die einen Zins von 2 ½ ß abwarf. Der Zins sollte dem städtischen Kirchenwesen zugutekommen und neben den Geistlichen auch den Schulmeister begünstigen. 297 Desgleichen leistete die Frau des Bürgermeisters von Kahla 1507 eine Stiftung mit der Hauptsumme von 350 fl für den St. Annenaltar, aus der neben dem Vikar der Schulmeister mit 2 ß beteiligt wurde.298 Auch die Vikare der St. Bonifatiikirche von Langensalza waren dazu verpflichtet, einen Teil ihrer Einkünfte dem Schulmeister abzutreten, was seinen Ursprung gewiss auch in den Stiftungsbestimmungen der Vikarien hatte.299 Für Ziegenrück schildert das Visitationsprotoll von 1529, dass ein Conrad Keilhauer vor Zeiten testamentarisch das Lehen Corporis Christi und mit diesem verbunden eine nicht genannte Hauptsumme für den Pfarrer, den Kaplan und den Schulmeister gestiftet habe.300 Fehlt in diesem Fall noch jede zeitliche Einordnung, ist die Verhandlung der Visitatoren um eine zweite Stiftung in Auma mit vagen zeitlichen Anhaltspunkten verbunden. Ein Hermann Crimelts habe sie einst mit einer Hauptsumme von 40 fl zu einem Zins von 3 ß unternommen, um neben den Kirchendienern und dem Hospital auch den Schulmeister zu begünstigen. Für etwa 70 Jahre, so fährt die Schilderung des Visitationsprotokolls fort, hätte jeder Gulden dieser Stiftung 2 gr abwerfen sollen. Da ein solcher Zinssatz nicht haltbar war, habe ein Pfarrer namens Alexius Colditz einen Zukauf getätigt und damit „den Wucher abgethann“.301 Durch die Benennung der ersten Laufzeit kann der Zeitpunkt der Stiftung bereits auf vor 1459 festgelegt, durch die Amtszeit des genannten Pfarrers jedoch präzisiert werden. Der aus Colditz stammende Alexius Krosner, bei dem es sich um keinen Geringerer als den Prinzenerzieher Johann Friedrichs und späteren evangelischen Hofprediger des albertinischen Herzogs Georg handelte, wirkte in den frühen Jahren der Reformation von 1518 bis 1524 als Pfarrer in Auma.302 Die Stiftung des Hermann Crimelts fällt somit vage in die Zeit um 1448-1454.

296 Vgl. LATh-StA Altenburg, Regest der Urkunde vom 18. Oktober 1495. 297 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 3, fol. 292v. 298 Vgl. LATh-StA Altenburg, Wagners Collectaneen XVI, Nr. 66, S. 169–173; BERGNER, Geschichte Kahlas (1917), S. 88. 299 Vgl. HStA Dresden, 10024, Loc. 10593/6, fol. 84r. 300 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 3, fol. 53v u. 300v. 301 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 3, fol. 292v. 302 Vgl. VETTER, Alexius Krosner (1917), S. 212 f.; DERS., Neues zu Alexius Krosner (1919), S. 167 sowie neuerdings zu Johann Friedrich und Krosner OERTZEN BECKER, Kurfürst

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Die damit aufgeführten vielgliedrigen Bezüge der Schulmeister verschiedener Städte können kaum die Gesamtheit der wirtschaftlichen Grundlage des vorreformatorischen Schulwesens darstellen. Sie bieten lediglich einen groben Querschnitt durch die Möglichkeiten der Schulfinanzierung, repräsentieren jedoch für keinen Ort ein vollständiges und authentisches Bild, zumal einige Schulordnungen eher auf die Abschaffung ungerechtfertigter Forderungen gerichtet waren. Konnte ein solches bereits ansatzweise anhand der Saalfelder Schulordnung skizziert werden, soll diesem im Folgenden die Situation in Gräfenthal am Vorabend der Reformation hinzugefügt werden. Grundlage ist erneut die Ausführung Johann Jacoffs, der in einer bemerkenswerten Ausdauer sämtliche Einkünfte des Schulmeisters sammelte und trotz der kaum zu überschauenden Vielfalt offenbar vollständig verzeichnete. Seine Ergebnisse sollen in der folgenden Übersicht das gesamte Einkommen eines Schulmeisters am Vorabend der Reformation repräsentieren.303 Tab. 3: Sämtliche Einkünfte des Gräfenthaler Schulmeisters am Vorabend der Reformation Bezüge Aus der Kirche oder vom Pfarrer

Anlass/Termin Von 27 gestifteten Begängnissen durch das Jahr (Tab. 1) Von vier Begängnissen zu den Weichfasten Von Votivmessen Von einem Requiem Von einer Mette Von einer Beerdigung Von einer Beerdigung eines Kindes inkl. Geläut Von einer Beerdigung auf den umliegenden Dörfern Vom Beerdigungsleuten Jeden Mittwoch zu den Weichfasten An Sonn- und Feiertagen, an denen der Schulmeister Messen singt

Höhe Insgesamt > 2 fl 2 gr, in einigen Fällen die Kost vom Pfarrer 16 d für die Vigilien 8 d für die Hochmesse Die Kost vom Pfarrer oder 8 d 4d 16 d Die Kost vom Pfarrer oder 4 d 8d 1 gr 16 d Mit dem Locaten die Kost vom Pfarrer und 5 gr Die Kost vom Pfarrer, an den Hochfesten mit dem Locaten

Johann (2017), S. 54–56. Zum evangelischen Wucherdiskurs dieser Jahre vgl. neuerdings MICHEL, Diskussion um den Wucher (2018). 303 Vgl. für das Folgende KOCH, Aufzeichnungen (1899).

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An den Opferfesten (Weihnachten, Ephiphanias, Ostern, Pfingsten, Mariae Himmelfahrt, Mariae Geburt, Allerheiligen)304 In der gemeinen Woche (= die Woche nach Michaelis), an Allerseelen, am Gründonnerstag, am Karfreitag, am Ostersonntag, am Aschermittwoch und Dienstag nach Christi Himmelfahrt Von den sieben Stundengebeten an Fronleichnam, zu den 30 Marientagen und zu den Roratemessen im Advent Vom Salve Regina Von den Tenebrae Von der Messe de compassione virginis Vom Spiel „unserer lieben frauen clage“305 am Karfreitag Von der St. Annen-Messe Von Bruderschaften

Von der Fronleichnamsbruderschaft Von der Bruderschaft der Schmiede Von der Bruderschaft der Schuster

Von den Bürgern

Von einer Hochzeit

Von einer Taufe Von einem ‚Dreißigsten‘ (Trauermesse 30 Tage nach dem Tod eines Menschen) Für die Reichung der Krankensakramente, wird in einer weihnachtlichen Kurrende eingesammelt Kurrende in der Stadt zu Martini und Neujahr

Mit dem Locaten die Kost vom Pfarrer und 16 d Die tägliche Kost vom Pfarrer

Die Hälfte der Präsenz des Pfarrers 1 ß 10 gr 1ß 10 gr 10 gr Will Jacoff selbst mit einem Zins von 10 gr stiften sobald er kann 1 ß zu Michaelis 10 gr 10 gr oder 6 gr und zwei Paar Schuhe Die Kost vom Brautpaar (eine Suppe, ½ Stübchen Bier, Brot), mehr nach Ermessen 2 d „mitsampt dem saltz“306 1 fl von wohlhabenden Bürgern, ½ fl von armen Bürgern Aus jedem Haus 1 d oder mehr nach Ermessen Nach Ermessen der Bürger

304 Vgl. ebd., S. 468 mit Anm. 3. 305 Ebd., S. 476. Die Erwähnung dieses Spiels belegt die Gräfenthaler Tradition eines geistlichen Passionsstückes durch den Schulmeister, an dem vermutlich auch die Schüler beteiligt waren. 306 Ebd., S. 479.

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Von den Schülern

Schulgeld von jedem Schüler

Brennholz von jedem Schüler (nur im Winter zu reichen) Jahrmarktsgeld von jedem Schüler Austreibegeld (expulsionalia) von jedem Schüler Fastnachtgeld von jedem Schüler Naturalien von jedem Schüler Vom Stadtrat

Vom Wetterleuten Von der Stadtschreiberei Für die Wartung der Turmuhr Schreibgeld

Vom Schloss

Präbende

143 2 gr im Quartal, die jüngsten zahlten die Hälfte, arme Schüler waren befreit Täglich zwei Scheite 2 d zu Exaudi 2 d zu Weihnachten 2d Fünfmal pro Sommer zwei Eier 4 d und ½ Stübchen Bier 10 ß 1 fl Je nach Anlass im Ermessen des Rates In ungenannter Höhe, jüngst (1521) entzogen

4.4. Personelle Verhältnisse vor der Reformation Die Bemühung einiger Städte, die Amtszeit eines Schulmeisters zu begrenzen, wurde bereits angesprochen. In Jena war sie wahrscheinlich einer der ersten Auslöser der Irrungen zwischen dem Kloster und dem Stadtrat. In Saalfeld wurde die Eingrenzung der Amtszeit der Schulmeister sogar statuarisch festgeschrieben. Die Statuten von Pößneck, die aus dem 14. Jahrhundert stammen und mit dem Saalfelder Recht eng verwandt sind,307 folgten diesem Beispiel. Hier setzte der 92. Artikel mit ähnlichen Worten wie in Saalfeld dem Schulmeisteramt die Grenze eines Jahres.308 Dieselbe Anordnung findet sich in den Statuten von Leutenberg, die jedoch erst aus dem Jahr 1496 stammen.309 Es ist bereits im Saalfelder Zusammenhang betont worden, dass mit einer derartigen Beschränkung nicht alljährlich ein Wechsel des Schulmeisters einhergehen musste. Vielerorts wird zwar die regelmäßige Neubelehnung deutlich, doch handelte es sich dabei meist um eine Bestätigung des alten Amtsträgers. Die Stadtrechnung von Vacha von 1497 kann hier als Beispiel angeführt werden. Der Schulmeister Martin Gopel bekam 307 Vgl. ERNST, Stadtbuch (2012), S. 4–6. 308 Vgl. ebd., S. 10. In den Rudolstädter Statuten, die ebenfalls auf das Saalfelder Vorbild zurückgingen, fehlte hingegen ein solcher Artikel. 309 „Der rat sal die schul keynem schulmeister lenger dan auf ein jar zusagen“, vgl. MICHELSEN, Rechtsdenkmale (1863), S. 435. Vgl. auch GOß/KNÜPFER, Schulwesen II (2003), S. 66.

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in diesem Jahr eine vormals schuldig gebliebene Lieferung Korn, war also bereits zuvor in dieser Position tätig, erhielt aber trotzdem zusätzlich ein neuerliches Dinggeld ausgezahlt und wurde so in seinem Amt bestätigt.310 Es ist anzunehmen, dass die Zeitgenossen sich der festigenden Wirkung einer längerfristigen Schulleitung bewusst waren. Die jährliche Zäsur bot den Stadträten in Saalfeld, Pößneck, Leutenberg, Waltershausen, Vacha und andernorts zwar die Möglichkeit, den Schulmeister aus seinem Amt zu entlassen, zumindest Gopel scheint jedoch zur Zufriedenheit des Rates gewirkt zu haben. Als hingegen einem Schulmeister von Neustadt a. d. O. nach vierjähriger Tätigkeit die Entlassung drohte, ergriffen die Schüler selbst die Initiative und ersuchten in einem undatierten Brief beim Stadtrat um dessen weitere Beschäftigung.311 Die Pößnecker Stadtrechnungen ermöglichen durch ihre lange Überlieferungsfolge und die vereinzelte Notierung einer Neubelehnung die namentliche Ermittlung einiger Schulmeister und in manchen Fällen auch ihrer Amtsdauer.312 Die Einsetzung des Schulmeisters erfolgte stets unter der Bürgschaft einiger Pößnecker Bürger, die bereit waren, für den neuen Schulmeister einzustehen. In mehreren Fällen verdeutlicht die Namensgleichheit der Amtsträger mit ihren Bürgen dabei, dass es sich bei den Schulmeistern um Stadtkinder handelte. Im Mai 1474 trat der Baccalaureus Schweinitz das Amt des Schulmeisters an313 und versah es bis in den September 1476. Ihm folgte in diesem Jahr der Baccalaureus Johannes Horn,314 der Sohn eines Pößnecker Ratsherrn, der seit 1471 in Erfurt studiert hatte und 1481 Ratskämmerer werden sollte.315 Zu Walpurgis 1494 wurde Johannes Rudiger zum Schulmeister aufgenommen,316 der bis in den September 1497 diente. Sebastian Zipfel trat seine Nachfolge an317 und blieb etwa drei Jahre im Amt. Ihm folgte, nach einem offenbar nur sehr kurzen Zwischenspiel eines 310 Vgl. LATh-HStA Weimar, Stadtarchiv Vacha, Nr. 8, fol. 16v. 311 Vgl. HERRMANN, Unsere Schule (1924), S. 6. Dieses sicherlich bemerkenswerte Quellenstück entstammte einer Akte mit Teilen der Korrespondenz des Neustädter Stadtrates. Sie befand sich unter den 1945 in Bad Sulza verbrannten Beständen des Weimarer Hauptstaatsarchives und konnte somit keine ausführlichere Beachtung finden. 312 Die Pößnecker Stadtrechnungen wurden aus arbeitsökonomischen Gründen in Auswahl bearbeitet. Es können daher hier nur einzelne Schulmeister angeführt werden. Eine Fortsetzung wäre nach einer Durchsicht weiterer Stadtrechnungen zweifellos möglich. Vgl. für das Folgende auch SCHMITT, Schriftsprache (1966), S. 331 f. 313 Vgl. StA Pößneck, Stadtrechnung, Mappe 6, Nr. 26, 1473/74, fol. 1v. Namentlich identifiziert werden kann er erst, als er – hier bereits als alter Schulmeister bezeichnet – den Lohn für die Wartung der Uhr erhielt, vgl. StA Pößneck, Stadtrechnung, Mappe 6, Nr. 29, 1476/77, fol. 38r. 314 Vgl. StA Pößneck, Stadtrechnung, Mappe 6, Nr. 29, 1476/77, unfol. 315 Vgl. SCHMITT, Schriftsprache (1966), S. 332. 316 Vgl. StA Pößneck, Stadtrechnung, Mappe 11, Nr. 45, 1494/95, unfol. 317 Vgl. StA Pößneck, Stadtrechnung, Mappe 12, Nr. 47, 1496/97, fol. 4v.

GRUNDZÜGE DES SPÄTMITTELALTERLICHEN SCHULWESENS

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Schulmeisters namens Huffner, zu Michaelis 1501 der Baccalaureus Gruner.318 Auch er scheint das Amt jedoch schnell an einen namentlich nicht genannten Nachfolger abgetreten zu haben.319 Während die Pößnecker Schulstelle damit tatsächlich einem offenbar raschen Wechsel unterlag, verdeutlicht ein einzelnes Beispiel aus Gotha einen anderen Trend. Der Schulmeister am dortigen Stift namens Caspar König tritt in zwei zusammenhängenden Urkunden von 1443 und 1450 als Zeuge in Erscheinung.320 Seine Amtszeit währte somit mindestens sieben Jahre. Überbot er damit die Pößnecker Schulmeister bereits deutlich, mutet die Amtsdauer des Jenaer Schulmeisters Konrad von Roda dagegen überdurchschnittlich lang an. Er ist erstmals zum Jahr 1331 in diesem Amt nachweisbar321 und versah es bis 1349.322 Nur wenige Jahre später setzte der Stadtrat dem Kloster gegenüber die Beschränkung der Amtszeit durch. Es liegt die Vermutung nahe, dass Konrad in seiner Amtsführung das Missfallen des Rates erregt hatte, dieser jedoch nicht in der Lage war, gegen den Schulmeister vorzugehen. Konrad könnte somit ein Auslöser für die in den 1350er Jahren beigelegten Auseinandersetzungen gewesen sein. Nachdem der Rat anderthalb Jahrhunderte später die volle Verfügungsgewalt über die Schule gewonnen hatte, beschränkte auch er die Amtszeit in der Schulordnung auf ein Jahr. Dem Jenaer Konrad kann Heinrich Grübler, der Schulmeister von Schleiz zur Seite gestellt werden, der von 1374 bis zu seinem Tode 1396 als Schulmeister nachweisbar ist.323 Trotz dieser beiden fast zwanzigjährigen Amtszeiten wurden der Jenaer und der Schleizer Schulmeister durch einen späteren Amtskollegen aus Gräfenthal bei Weitem überboten. Konrad Leicht soll sein Amt, so berichtet Johann Jacoff, im 15. Jahrhundert über vier Jahrzehnte innegehabt haben.324 Der Bericht ist jedoch mit Vorsicht zu betrachten. Leicht sei, so schrieb Jacoff, „lenger dan funfundviertzig jar, ja auch schir biß ins funftzigiste iar schulmeister und statschreiber […] gewest“,325 es geht aus diesen Worten jedoch nicht hervor, ob er beide Ämter gleichzeitig oder nacheinander versehen habe. Sollte Ersteres der Fall gewesen sein, wie es in Gräfenthal zumindest um 1520 üblich war und was der verwunderte Tonfall in Jacoffs Worten auch anzudeuten scheint, wird er mit dieser Amtsdauer einen herausragenden Einzelfall dargestellt haben. Er widerspricht

318 319 320 321 322 323 324

Vgl. StA Pößneck, Stadtrechnung, Mappe 14, Nr. 52, 1501/02, unfol. Vgl. StA Pößneck, Stadtrechnung, Mappe 14, Nr. 53, 1502/03, unfol. Vgl. StA Gotha, 0.2/164 und Nr. 173. Vgl. UB Jena I, Nr. 147, S. 125 f. Vgl. ebd., Nr. 219, S. 204 f. Vgl. auch LEIßLING, Stadtschule I (1919), S. 124. Vgl. SCHMIDT, Schleiz II (1909), S. 132 f. Vgl. KOCH, Aufzeichnungen (1899), S. 464; BARTHELMES, Gräfenthal (1912), S. 65; HERRMANN, Unsere Schule (1924), S. 6; GOß/KNÜPFER, Schulwesen II (2003), S. 38. 325 KOCH, Aufzeichnungen (1899), S. 464.

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damit dem in der älteren Forschung oft konstatierten häufigen Wechsel der spätmittelalterlichen Schulmeister. Der nicht minder oft betonte Übergangscharakter des Schulmeisteramtes als erster Schritt in der Karriere eines Geistlichen trifft dennoch oftmals zu.326 Die bereits durch die liturgische Beteiligung der Schuldiener bedingte enge Verbindung der Schule zur Kirche äußerte sich gleichermaßen in dem geistlichen Stand eines Großteils der vorreformatorischen Schuldiener. Der erste namentlich bekannte Schulmeister von Apolda wurde bereits im Jahr 1342 ausdrücklich als „dominus Johannes sacerdos rector scolarium in Appoldia“327 angesprochen. Dem oben erwähnten Saalfelder Schulmeister, der vom Stadtrat durch ein Geschenk von Wein und Bier zu seiner ersten Messe beglückwünscht wurde, können ebenfalls weitere zur Seite gestellt werden, die aus dem schulischen in ein geistliches Amt wechselten. Der erste namentlich bekannte Schulmeister von Buttstädt, Timotheus Kuland, wurde um 1500 in das Pfarramt von Teutleben berufen.328 Gleichermaßen nahmen der Pößnecker Schulmeister Sebastian Zipfel und sein zweiter Nachfolger Gruner nach der Niederlegung des Schulamtes ein geistliches Lehen entgegen. Der Stadtrat verzeichnete die Ausgabe von 45 gr, die gemeinsam verzehrt wurden, „so ma[n] Er Bastian Zcippffel das lehen gelihen hat“. 329 Gruner hingegen erhielt bereits ein Jahr nach seiner Einstellung als Schulmeister wie sein Saalfelder Kollege ein Geldgeschenk von 1 fl zu seiner ersten Messe.330 Der Arnstädter Schulmeister war am Vorabend der Reformation sogar schon während seines dortigen Schulamtes als Vikar tätig. Das erste schwarzburgische Visitationsprotokoll spricht von einem geistlichen Lehen in Plaue, das er neben seinem Schuldienst innegehabt habe, das nun jedoch nach dem Tod oder Fortgang des Schulmeisters in der frühen Reformationszeit verledigt und nicht neu besetzt worden sei.331 Bei keinem Schulmeister kann der spätere geistliche Lebensweg jedoch so deutlich nachverfolgt werden, wie bei dem erwähnten Konrad von Roda, der auch über das Ende seines Schulamtes hinaus überdurchschnittlich häufig in den Jenaer Urkunden Erwähnung fand. Er soll als exemplarisches Beispiel heran326 Vgl. insbesondere KRAMM, Oberschichten (1981), S. 317; BÜNZ, Bildungslandschaft (2004), S. 56. 327 LATh-HStA Weimar, EGA, Urkunde vom 5. Januar 1342, Nr. 3904a. Bislang galt die Schulordnung der Apoldaer Statuten als erste Erwähnung einer dortigen Schule, vgl. KRONFELD, Apolda (1871), S. 409; STEIN, Apolda (1931), S. 99. Sie muss somit fast um ein volles Jahrhundert zurückdatiert werden. 328 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Hessesche Collectaneen, 2b Nr. 16, S. 85; MACK, Schulen (2000), S. 4; HÜBNER/KUBLIK, Stadt der Schulen (2012), S. 89. 329 StA Pößneck, Stadtrechnung, Mappe 14, Nr. 54, 1503/04, unfol. 330 Vgl. StA Pößneck, Stadtrechnung, Mappe 14, Nr. 53, 1502/03, unfol. 331 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt 2983, fol. 3v.

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gezogen werden. Erstmals erscheint er als Schulmeister von Jena 1331, indem er die Beurkundung einer Güterübertragung an das Michaeliskloster bezeugte.332 Ein zweites Mal trat er erst 1340 wieder auf, als der Prager Bürger Heinrich von Butenitz ihn als Verwalter seiner nahe Jena gelegenen Besitzungen einsetzte.333 Trotz der längeren Pause eröffnete diese zweite Nennung eine längere Reihe von Urkunden, in denen er als Zeuge aufgeführt wurde oder an denen er selbst als ausführende Person beteiligt war. So bezeugte er 1341 den Verkauf eines Hofes334 und 1343 die Übertragung des Kirchlehens von Rothenstein an die Burggrafen von Kirchberg.335 1344 erschien unter den Zeugen einer Urkunde schließlich ein als sacerdos bezeichneter Konrad von Roda, bei dem es sich zweifellos um den Schulmeister handelt, der somit erstmals als Geistlicher ausgewiesen werden kann.336 Bestätigt wird dies durch eine weitere Urkunde von 1346, die ihn als Vertrauensperson der Herren von Heldrungen zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen einer Güterübertragung an die Michaeliskirche einsetzte und die ihn gleichzeitig als Priester und Schulmeister bezeichnete.337 Neben ihn trat hier erstmals ein zweiter Priester namens Heinrich von Rudolstadt. Noch im selben Jahr bezeugte der Schulmeister abermals eine Güterübertragung an das Kloster,338 bevor er am 18. Januar 1349 erneut von den Herren von Heldrungen in ein Rechtsgeschäft eingebunden wurde.339 Diese Erwähnung sollte ihn letztmalig als Schulmeister ausweisen. In der ersten Hälfte des Jahres 1349 trat er ein geistliches Amt an – eine Urkunde vom 29. Juni dieses Jahres bezeichnet Konrad von Roda als Propst des Jenaer Michaelisklosters.340 Die Identifizierung des Propstes mit dem vormaligen Schulmeister kann als sicher gelten, blieb doch die Verbindung zu dem bereits genannten Heinrich von Rudolstadt und den Herren von Heldrungen weiterhin bestehen.341 Während Konrads Nachfolger im Schulamt nach seinem Amtswechsel in den Zeugenlisten erneut rar werden, findet sich Konrad weiterhin überdurchschnittlich häufig in den Urkunden wieder. Zahlreiche Beispiele verdeutlichen insbesondere seine enge und offenbar freundschaftliche Verbindung zu Heinrich von Rudolstadt, der in späteren Urkunden auch den

332 333 334 335 336 337 338 339 340 341

Vgl. UB Jena I, Nr. 147, S. 125 f.; LEIßLING, Stadtschule I (1919), S. 124. Vgl. UB Jena I, Nr. 185, S. 169 f. Vgl. ebd., Nr. 189, S. 174 f. Vgl. ebd., Nr. 194, S. 178 f. Vgl. ebd., Nr. 198, S. 181 f. Vgl. ebd., Nr. 208, S. 192 f. Vgl. ebd., Nr. 209, S. 193 f. Vgl. ebd., Nr. 219, S. 204 f. Vgl. ebd., Nr. 220, S. 205 f. Vgl. ebd., Nr. 223, S. 208 f.

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Beinamen von Prag erhielt.342 An kaum einem verbrieften Geschäft waren sie nicht zusammen beteiligt, gemeinsam kauften sie Land oder Güter343 und begünstigten sich mehrfach gegenseitig bei verschiedenen Zinsgeschäften. 344 Letztlich folgte Heinrich von Rudolstadt seinem Amtsbruder als zweiter Nachfolger in das Amt des Jenaer Propstes.345 Konrad von Roda versah dieses Amt nur wenige Jahre. Bereits 1352 erschien ein Frenzel als sein direkter Nachfolger.346 Erst zwei Jahre später trat schließlich ein Konrad als Pfarrer von Kunitz in Erscheinung. Obwohl der einstige Schulmeister seinen auf seine Herkunft verweisenden Beinamen ‚von Roda‘ nun abgelegt hatte und in den folgenden Jahren stets als Konrad von Kunitz bezeichnet werden sollte, liegt die Identifizierung des Kunitzer Pfarrers mit dem einstigen Schulmeister abermals durch die weiterhin bestehende Verbindung zu jenem Heinrich von Rudolstadt und seine nach wie vor häufige Erwähnung in den Jenaer Urkunden nahe. 347 Nicht nur wirkte er als Testamentsvollstrecker des verstorbenen Frenzel, seines Nachfolgers im Amt des Propstes,348 auch sollte er noch mindestens vier Jahre nach seinem Ausscheiden aus dem Schuldienst einen erheblichen Einfluss auf das Jenaer Schulwesen haben. Bei ihm handelte es sich nämlich um die zweite Schlichtungsinstanz, die – wie oben geschildert – zusammen mit Heinrich von Brandenstein in zweimaligem Schiedsspruch den Streit zwischen dem Jenaer Stadtrat und dem Kloster, an dessen Ausbruch er möglicherweise selbst beteiligt gewesen war, schlichtete und damit den allmählichen Übergang der Schulverwaltung in die Hände des Stadtrates anstieß. Neben seinem Pfarramt hatte er seit der Mitte der 1350er Jahre zudem die Vikarie St. Martin an der Jenaer Kirche St. Michael inne.349 Konrad versah sein Pfarramt etwas über zehn Jahre lang. Zwischen dem 1. März 1364 und dem 15. März 1366 legte er es nieder350 und starb bald darauf. 1367 stiftete kein Geringerer als sein Freund Heinrich von Rudolstadt in seinem Namen eine Seelenmesse in der Kirche St. Michael, „in qua corpus predicti domini Conradi extitit tumulatum“.351

342 Dass es sich bei Heinrich von Prag jedoch nicht um den 1340 erwähnten Prager Bürger handelte, belegt eine Urkunde von 1357, in der beide Heinriche nebeneinander genannt werden, vgl. ebd., Nr. 279, S. 265 f. 343 Vgl. exemplarisch ebd., Nr. 271, S. 255 f. 344 Vgl. exemplarisch ebd., Nr. 302, S. 284 f. 345 Vgl. ebd., Nr. 273, S. 257 f. 346 Vgl. ebd., Nr. 243, S. 225. 347 Vgl. ebd., Nr. 255, S. 241. 348 Vgl. ebd., Nr. 273, S. 257 f. 349 Vgl. ebd., Nr. 273, S. 257 f. 350 Vgl. ebd., Nr. 327, S. 307 f. 351 Ebd., Nr. 334, S. 311.

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Der geistliche Stand der Schulmeister war jedoch nicht in jedem Fall gegeben und auch das Ziel des geistlichen Amtes kann nicht für jeden Schulmeister angenommen werden. In einigen Fällen kann Ersteres sogar anhand des Ehestandes der Schulmeister belegt werden. Schon 1396 hinterließ der bereits erwähnte Schulmeister von Schleiz, Heinrich Grübler, als er starb, eine Ehefrau und ein Kind.352 Auch ein vormaliger Schulmeister von Jena namens Schwarzbach war 1425 verheiratet. Seine Frau war mit Schulden belastet und erwirkte am 23. März dieses Jahres bei einem Gericht das Recht, das von ihrem Vater ererbte Gut zur Tilgung der Schulden anwenden zu dürfen.353 Im Jahr 1487 oder 1488 heiratete der Schulmeister von Tannroda.354 Da der Pößnecker Stadtrat den Geistlichen und Edelleuten von Tannroda zu diesem Anlass zwei Stübchen Wein schenkte, kann eine persönliche Beziehung des Schulmeisters nach Pößneck vermutet werden. Möglicherweise war er Bürgers- oder selbst Ratsherrensohn. Zuletzt ist die bemerkenswerte Ersterwähnung eines Schulmeisters von Lucka gleich doppelt mit der Erwähnung seiner Ehefrau verbunden. Der namentlich nicht genannte ‚alte Schulmeister‘ musste 1484/85 ein Bußgeld von 13 gr an das Amt Altenburg zahlen, „vmb das sein wiebe hat mehr dan eins zu lugkaw gefreuelt“. Direkt im Anschluss wurde dem Luckaer Bürger Lorenz Schmidt ein Bußgeld von 5 gr abgefordert, „vmb das er des schulmeisters wiebe i kl[eine] wund[e] gehauwn“.355 Ob es sich bei dieser zweiten Nennung um den neuen Schulmeister handelte, bleibt offen. Ein Zerwürfnis zwischen dem Schulmeister von Themar und dem Pfarrer im Jahr 1498 lässt ebenfalls vermuten, dass es sich bei dem Schulmeister um einen Laien handelte. Der Vikar Johannes Knorlin berichtete am 1. Mai dieses Jahres dem Grafen über die Willkür des Pfarrers. Da der Vikar kürzlich verhindert war, habe er sich in seinen liturgischen Pflichten und seinen Messen vom Schulmeister vertreten lassen wollen. Der Pfarrer habe dem Schulmeister das Messehalten jedoch schlichtweg verboten.356 Diese Intervention kann wahrscheinlich als Indiz für den Mangel an geistlichen Amtsbefugnissen des Schulmeisters gedeutet werden, sodass er entweder nur über geringe Weihegrade verfügte oder Laie war. Der Laienstand eines Schulmeisters führte in derselben Stadt in den frühen Reformationsjahren zum Widerstand etlicher Geistlicher. Als ein neu ins Amt gesetzter Schulmeister in den 1520er Jahren zu heiraten gedachte, verweigerten die Vikare 352 Vgl. SCHMIDT, Schleiz II (1909), S. 133. 353 Vgl. UB Jena II, Nr. 115, S. 62. 354 Vgl. StA Pößneck, Stadtrechnung, Mappe 10, Nr. 40, 1487/88, fol. 50v. Eine spätmittelalterliche Schule von Tannroda ist der Forschung bislang nicht bekannt, vgl. SCHWAGER, Schule (1997), S. 3 u. 33. 355 Für beide Zitate LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 288, fol. 85r. 356 Vgl. LATh-StA Meiningen, Ältere Rechnungen, Abt II, Amtsrechnung Themar, 1497/98, unfol. Das Schreiben befindet sich als loses Blatt zwischen den Folioseiten 27 und 28.

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ihm die Teilnahme an der Hochzeitsmesse.357 Der weltliche Stand dieser Schulmeister bedingt natürlich auch, im Falle einer anderweitigen beruflichen Zukunft, eine Karriere in weltlichen Ämtern, die den Amtsinhaber selbst in die höhere städtische Gesellschaft einführen konnte. Der Pößnecker Schulmeister Johannes Horn wurde bereits erwähnt. Er wurde noch während seines Schuldienstes in den Stadtrat aufgenommen und trat 1481 das Amt des Ratskämmerers an. 1488 wurde er Stadtschreiber. 358 In Schleusingen kann hingegen von einer Identifizierung des bereits mehrfach erwähnten Schulmeisters Georgius Schenk mit dem gleichnamigen Bürgermeister, der nach dem Bauernkrieg am 20. Juli 1525 wegen vermeintlicher Sympathien mit den Bauern der Stadt und der Grafschaft verwiesen wurde,359 ausgegangen werden. Nicht selten wurde schon das Schulamt selbst mit anderen städtischen oder kirchlichen Ämtern verbunden. Dies brachte nicht nur dem Amtsinhaber eine feste Jahresbesoldung ein, sondern ermöglichte die Einsparung weiteren Personals, indem bestimmte Dienste wie das Amt des Kirchners dem Schulmeister übertragen wurden. Ersteres ist oben für die Städte Rodach, Wasungen und Gräfenthal, wo das Schulamt dem Stadtschreiber übertragen wurde, bereits angesprochen worden. Die Art der jährlichen Besoldung, die auf ein fest installiertes Stadtschreiberamt in der städtischen Verwaltung hinweist, verdeutlicht dabei den Vorrang des städtischen vor dem schulischen Dienst. Zur Versorgung der Schule wurde hingegen, so in Rodach, ein Locat hinzugezogen, der den Stadtschreiber in den schulischen Pflichten entlastete. 360 Bereits durch ältere Forschungen konnte die Verbindung des Schulmeister- und Stadtschreiberamtes für weitere Städte nachgewiesen werden.361 Dies betraf beispielsweise Neustadt a. d. O.362 und Pößneck363 noch zu Beginn des 15. Jahrhunderts sowie in einem früheren Stadium der städtischen Konsolidierung sogar Gotha, wo der Stadtrat im 14. Jahrhundert auf die Schreibdienste des Schulmeisters am Stift zurückgriff.364 In Schleiz diente der Schulmeister zur selben Zeit sogar dem Vogt als Schreiber.365 Die Schulordnung von Apolda informiert, dass der Schulmeister ein frei357 358 359 360 361

362 363 364 365

Vgl. LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. IV, Nr. 60, fol. 197r. Vgl. SCHMITT, Schriftsprache (1966), S. 332. Vgl. MÖTSCH, Grafen von Henneberg (2013), S. 191. Vgl. für Rodach LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1a, fol. 94v. Vgl. im allgemeinen KRIEGK, Bürgerthum (1871), S. 80; WATTENBACH, Schriftwesen (1896), S. 476 f.; SCHWABE, Gelehrtenschulwesen (1914), S. 12 f.; SKRZYPCZAK, Schriftlichkeit (1956), S. 88 f.; KINTZINGER, Scholaster (1996), S. 354; BÜNZ, Bildungslandschaft (2004), S. 50. Vgl. HERRMANN, Lateinschulen (1940), S. 224 f.; SCHMITT, Schriftsprache (1966), S. 333. Vgl. SCHMITT, Schriftsprache (1966), S. 331. Vgl. ebd., S. 188. Vgl. MÜLLER, Schulordnungen I (1885), S. 114.

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lich nur geringes Entgelt von 1 a ß von den Ratsherren erhielt, „daz her in [= ihnen] daz jar lang scribet“. 366 Die zumindest gelegentlichen Schreibdienste der Schulmeister von Heldburg und Ummerstadt für das Amt wurden oben bereits erwähnt. Dieser Zustand war jedoch, zumal in den Städten ab einer gewissen Größe, nicht von Dauer. Mit der wachsenden Bedeutung der kommunalen Schriftlichkeit und dem gleichzeitig steigenden Bedürfnis nach bürgerlicher Schulbildung wurden die Ämter spätestens in der Mitte des 15. Jahrhunderts voneinander getrennt und mitunter, wie es im Pößnecker Fall erwähnt wurde, als zwei Stufen einer Karriereleiter betrachtet.367 Die dauerhafte Beibehaltung einer Ämterkopplung war hingegen ein seltener Fall und fand sich beispielsweise in Gräfenthal, wo dem Amtsinhaber neben dem Schulverdienst für die Stadtschreiberei ein Jahressold von 10 ß gezahlt wurde.368 Häufiger und länger anhaltend war die Verbindung des Kirchneramtes mit dem des Schulmeisters. Eine solche Verbindung bot sich an, da es oftmals mit einem begrenzten Arbeitspensum verbunden war und sich in einigen Fällen auf das Auf- und Zuschließen der Kirche, das Leuten der Glocke und die Wartung der Uhr beschränkte. Die Stiftungsurkunde der Frühmesse in Buttelstedt von 1462 spricht von dem „Kirchner mit den schuleren“,369 die dem Frühmessner beim Singen behilflich sein sollten. Die Identifizierung des Kirchners mit dem Schulmeister ist anzunehmen. Nur einige Jahre später ist selbst in Schleusingen in der Urkunde zur Beilegung der Streitigkeiten mit dem Johanniterkomtur von 1469 die Rede von dem Schulmeister, „der dem kirchampt vor stehit“.370 Gleiches gilt auch für den bereits erwähnten Martin Gopel aus Vacha, der vom Stadtrat 1497 als „Schulmeister vnd Kirchen[er]“371 bezeichnet wurde. In kleineren Städten hielt sich das gekoppelte Dienstverhältnis zumindest zeitweise selbst bis ins frühe 16. Jahrhundert hinein. So waren beispielsweise in Auma um 1500 selbst alle drei Ämter in einer Person verbunden. Die bereits erwähnte Konfrontation zwischen Pfarrer und Stadtrat um die Neubesetzung des Amtes und die daraus resultierende Schlichtungsurkunde von 1513 werfen ein deutliches Licht auf die Personalverhältnisse dieser Kleinststadt. Als irrigerweise beide Parteien einen eigenen Kirchner gewählt hatten, wurde der Kandidat des Stadtrates als eigenständiger Stadtschreiber eingesetzt, obwohl „bede Ambt hiuor In vbelichem herkomen mit einer person verordent vnd bestelt gewest“. Als ihm daraufhin die Bewährung im ursprünglich angestrebten Amt ermöglicht wurde, sollte der Pfarrer nach der 366 367 368 369 370 371

Vgl. NEUMÄRKER, Stadtbuch (1892), S. 11. Vgl. KAEMMEL, Geschichte (1882), S. 130. Vgl. KOCH, Aufzeichnungen (1899), S. 479. LATh-HStA Weimar, Konsistorialsachen, B 3069a2, fol. 25r. KOCH, Streitigkeiten (1916), S. 6. LATh-HStA Weimar, Stadtarchiv Vacha, Nr. 8, fol. 14r.

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festgelegten Frist entscheiden, ob er „sulch dinst des Schulmeisters auch haben vnd behalten mag“.372 Grundsätzlich kann im Laufe des 15. Jahrhunderts vielerorts ein Trend zur Ausdifferenzierung der Ämter bzw. eine steigende Bedeutung des Schulamtes im Verhältnis zum Kirchneramt beobachtet werden. Die Umstände in Clingen sind bezeichnend für die zwischen beiden Ämtern wechselnde Priorität. Führte die dortige Amtsrechnung von 1478/79 noch einen Kirchner auf, der aus dem Amt mit zwei Scheffeln Korn versorgt wurde,373 trat zu Beginn des 16. Jahrhundert an dessen Stelle der Schulmeister.374 Die wechselnde Bezeichnung verweist entweder auf eine steigende Bedeutung des Schulamtes oder sogar auf die Trennung beider Ämter und die Bestellung eines hauptamtlichen Schulmeisters. Auch kann im Falle des 1484/85 in der Altenburger Amtsrechnung erwähnten Schulmeisters von Lucka vermutet werden, dass die Ämter zu dieser Zeit bereits eigenständig versehen wurden oder zumindest das Schulamt unter ihnen den Vorrang einnahm. Dasselbe gilt für den genannten in der Pößnecker Stadtrechnung erwähnten Tannrodaer Schulmeister sowie für einen Schulmeister von Triptis, der 1452/53 in einer Stadtrechnung von Neustadt a. d. O. Erwähnung fand.375 Ein sicheres Urteil über die Ausdifferenzierung der Ämter kann freilich nur getroffen werden, wenn Schulmeister, Stadtschreiber und Kirchner nebeneinander nachweisbar sind. Die Verrichtung bestimmter auf das Kirchneramt verweisender Tätigkeiten durch den Schulmeister kann dabei nicht als ausreichendes Indiz betrachtet werden. Zählte es in Themar zu den Pflichten des Schulmeisters, die Glocke zu läuten,376 war spätestens am Vorabend der Reformation das Kirchneramt eigenständig besetzt.377 Auch kann die Wartung der Kirchturmuhr anhand der Pößnecker Stadtrechnungen durchweg als Schulmeistertätigkeit nachgewiesen werden, obgleich ein Kirchner neben ihm Erwähnung fand. 378 Der Schulmeister von Schleusingen, der wie erwähnt, 1469 das Kirchneramt mit versah, wurde ebenfalls bis zum Vorabend der Reformation von diesem Dienst befreit. Zu Beginn der 1520er Jahre diente neben ihm ein Kirchner.379 Gleichermaßen verzeichnet die Amtsrechnung von Frankenhausen von 1514/15 Präsenzgelder für den dortigen Schulmeister und den Kirchner.380 In Schmölln erwähnt 372 373 374 375 376 377 378 379 380

Für beide Zitate LATh-HStA Weimar, EGA, Kopialbuch A 14, fol. 210r. Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Rechnungen des Amts/Rentamts Clingen, Nr. 3, unfol. Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Rechnungen des Amts/Rentamts Clingen, Nr. 7, unfol. Vgl. LATh-HStA Weimar, Weimarische Ämter und Städte, Nr. 735, fol. 54r. Vgl. LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. IV, Nr. 60, fol. 116r. Vgl. ebd., fol. 185r. Vgl. exemplarisch in den Ratsprotokollen StA Pößneck, B I 2, Nr. 4, fol. 8r. Vgl. LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. II, Nr. 550, unfol. Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Rechnungen des Rent- und Steueramts Frankenhausen, Nr. 77, unfol.

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bereits die Kirchenrechnung von 1479 einen eigenständigen Kirchner,381 dasselbe gilt für die Schulordnungen von Greußen (1453),382 Saalfeld (1458) und Neustadt a. d. O. (um 1480).383 Die Statuten von Lobeda setzten sogar bereits zu Beginn des 15. Jahrhunderts eine getrennte Besetzung beider Ämter voraus.384 Für viele weitere Städte kann die eigenständige Besetzung des Schul- und Kirchneramtes als selbstverständlich gelten. Die Bedeutung des örtlichen Schulwesens machte dies ebenso erforderlich wie eine entsprechende Frequentierung der Schulen. Freilich finden sich keine genauen Angaben über Schülerzahlen in vorreformatorischer Zeit in den Quellen, doch wird der rege Schulbesuch vielerorts durch die notwendige Hinzuziehung weiterer Schuldiener angedeutet. 385 Selbst in Kleinstädten war der Schulmeister oftmals nicht der alleinige Lehrer der Schule. Dass die Schule von Ranis bereits in den 1440er Jahren mit zwei Schuldienern bestellt war, wurde bereits erwähnt. Ebenso wirkte 1495 in Gebesee – einem Flecken, der das volle Stadtrecht erst im 17. Jahrhundert erhalten sollte386 – neben dem Schulmeister ein Locat.387 Mindestens zwei Schuldiener wirkten weiterhin in Apolda, 388 Orlamünde, 389 Kahla, 390 Eisenberg, 391 Königsee,392 Creuzburg,393 Weißensee,394 Schleusingen,395 Salzungen396 und Themar.397 381 382 383 384 385

386 387 388 389

390 391

392

393

Vgl. KrA Altenburg, Bestand Schmölln, Nr. 662, unfol. Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Stadtgericht Greußen, Nr. 84, fol. 5r. Vgl. HERRMANN, Unsere Schule (1924), S. 19. Vgl. KOCH, Lobeda I (1939), S. 26. Vgl. HEPPE, Schulwesen (1860), S. 33; ZIMMERMANN, Bürgerschule (1878), S. 7; KAEMMEL, Geschichte (1882), S. 130; PAULSEN, Geschichte (1919), S. 21; KINTZINGER, Scholaster (1996), S. 367; SEIFERT, Schulwesen (1996), S. 224. Vgl. PATZE, Gebesee (1989), S. 129. Vgl. KrA Sömmerda, Bestand Gebesee 3913; KUHLES, Gebesee (2016), S. 221. Hier sah die Schulordnung 1440 die Bestellung eines Locaten vor, vgl. NEUMÄRKER, Stadtbuch (1892), S. 11. Hier erwähnt ein Bericht des Stadtrates von 1537, dass vor der Reformation dem Locaten ein Präsenzgeld zugestanden habe, vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 834, fol. 6v–7r. Vgl. auch LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen III (1891), S. 657. Vgl. BERGNER, Geschichte Kahlas (1917), S. 107 f. Hier erwähnt ebenfalls ein späterer Bericht des Stadtrates die Pflicht des Klosters, neben dem Schulmeister einen Kantor mit der Präbende zu versorgen, vgl. StA Eisenberg, XI/I/1, fol. 2r–v. Hier wird bereits 1401 in einer Stiftungsurkunde neben dem Schulmeister nicht nur ein eigenständiger Kirchner, sondern auch ein sogenannter Untermeister erwähnt, vgl. LATh-StA Rudolstadt, Documenta Regislacensia, Königseer Urkunden I, Nr. 19. Spätere Kirchenrechnungen verdeutlichen hingegen, dass dem zweiten Schuldiener, hier als Locat bezeichnet, das Kirchneramt übertragen wurde, vgl. LATh-StA Rudolstadt, Gemeinde- und Stadtrechnungen, Nr. 11729, unfol. In der Amtsrechnung von 1522 findet ein Locat neben dem Schulmeister Erwähnung, vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 1023, fol. 29r.

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Über drei Schuldiener verfügten die Städte Gräfenthal,398 Weida,399 Stadtilm,400 Pößneck401 und Sondershausen.402 In Jena treten in der Kirchenrechnung von 1490/91 neben einem eigenständigen Kirchner sogar vier Schuldiener in Erscheinung – der Schulmeister, ein Kantor, ein Baccalaureus und ein Locat.403 Die Schule entsprach damit der zeitnah erlassenen Schulordnung, welche die Einstellung dreier weiterer Schuldiener praktisch voraussetzte.

4.5. Lehrinhalte und Unterrichtsorganisation vor der Reformation Über die Unterrichtsinhalte der vorreformatorischen Schulen liegen kaum Informationen vor. Zu rar und zu nebensächlich sind die Hinweise, zudem wurde die inhaltliche Ausrichtung des Unterrichts völlig dem Ermessen des Schulmeisters anheimgestellt, der über seine Handlungen offenbar vor niemandem Rechenschaft ablegen musste. In den Schulordnungen finden sich zwar vereinzelt Ermahnungen an den Schulmeister, die Kinder in der rechten Weise zu lehren, doch wird an keiner Stelle spezifiziert, worin. Aufgrund der Quellenarmut etablierten sich insbesondere in der älteren Forschung Gemeinplätze über die Bildungsinhalte der Schulen, die besonders dem kirchlich getragenen Schulwesen der vorreformatorischen Zeit die Vernachlässigung des Unterrichts und einen rein elementaren Charakter mit einer Beschränkung auf Lesen, Schreiben und Rech394 Hier wurde neben dem Schulmeister ein Kantor vom Kloster versorgt und beherbergt, vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 1b, fol. 190v. 395 Hier begünstige eine Messstiftung der Gräfin 1495 neben dem Schulmeister einen Locaten, vgl. LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. IV, Nr. 35, fol. 8r–10v. 396 Hier erwähnt die Stadtrechnung von 1504 nicht nur einen eigenständigen Kirchner, sondern auch einen Locaten, vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 3053, fol. 106v. 397 Vgl. LATh-StA Meiningen, Ältere Rechnungen, Abt II, Amtsrechnung Themar, 1496, fol. 10r. 398 Der Bericht Johann Jacoffs erwähnt neben dem Schulmeister zunächst einen Kantor oder Locaten, später einen Kantor und Locaten, schließlich ausdrücklich zwei Schulgesellen, vgl. KOCH, Aufzeichnungen (1899), S. 463 u. 473. 399 Hier informiert ein späteres Einkommensverzeichnis des Stadtrates, dass das Amt in vorreformatorischer Zeit drei Schuldienern eine Präbende gezahlt habe, vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2, fol. 268r; HERRMANN, Kirchen-Geschichte (1934), S. 26 f. 400 Hier treten in den bereits mehrfach erwähnten Stadtrechnungen Schulmeister, Locat und Kantor sowie ein eigenständiger Kirchner in Erscheinung, vgl. exemplarisch LATh-StA Rudolstadt, Gemeinde- und Stadtrechnungen, Nr. 12592, fol. 14v. 401 Hier erhalten Schulmeister, Succentor und Locat die Präsenzgelder einer Messstiftung, vgl. StA Pößneck, Stadtrechnung, Mappe 10, Nr. 40, 1487/88, fol. 69r. 402 LENK, Gymnasium (1999), S. 14. 403 Vgl. StA Jena, C Ia-1, fol. 123v.

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nen zuschrieben. Exemplarisch kann hier ein Satz angeführt werden, den Dobenecker 1899 über das Ronneburger Schulwesen äußerte und der dem kirchlichen Schulwesen völlig pauschal jedes Niveau abspricht: „Wie überall, so versäumte auch in unserer Gegend die vorreformatorische Kirche die Schule fast völlig, doch muß eine solche in der Stadt schon vor 1529 bestanden haben. Sie wird freilich auch nicht mehr als eine Lese-, Schreib- und Rechenschule wie in anderen Städten gewesen sein, die mehr privaten Charakter trug.“404 Zwar ist über die vorreformatorische Schule in Ronneburg kaum mehr als die Existenz bekannt,405 doch entbehren protestantisch-tendenziöse Äußerungen wie die Dobeneckers – die von der Ronneburger Öffentlichkeit noch 2004 fast wörtlich rezipiert wurde 406 – gerade deshalb jeglicher Grundlage. Insbesondere der Unterricht im Rechnen ist, abgesehen von speziellen, privat getragenen Rechenschulen in größeren Städten (Kap. I. 5.2.), nirgends nachweisbar. Die fehlenden Nachweise vorreformatorischen mathematischen Unterrichts – sieht man von der Musik als im mittelalterlichen Verständnis mathematischer Disziplin ab – stehen dabei im deutlichen Gegensatz zu dem von der älteren Forschung immer wieder konstatierten Trias des Lesens, Schreibens und Rechnens als Gegenstand vorreformatorischen Elementarschulwesens.407 Selbstverständlich kann der fehlende Nachweis jedoch nicht als Ausschlusskriterium betrachtet und ein mathematischer Unterricht daher nicht ausgeschlossen werden. Die ‚Bildung‘ des Mittelalters war maßgeblich an dem antiken Modell der Gelehrsamkeit der Artes liberales ausgerichtet. Es war über Jahrhunderte hinweg der entscheidende Maßstab aller Wissenschaft.408 Ihre Beherrschung war oberstes Ziel einer gelehrten Ausbildung. Dass der Unterricht selbst noch im späten Mittelalter zumindest mit ihnen identifiziert wurde, ist bereits im Altenburger Zusammenhang durch das Testament des Vikars Bartholomäus Boleye deutlich geworden. Er stiftete dem Bergerstift Schul- oder zumindest schultaugliche Bücher unter dem zusammenfassenden Begriff der Artes liberales. Ob die aus dem Früh- und Hochmittelalter überkommene Ambition, den Unterricht anhand des mittelalterlichen Bildungsverständnisses auszurichten, in den hier betrachteten Stadtschulen und auch in Altenburg tatsächlich umgesetzt wurde, ist jedoch zweifelhaft. Die Behandlung aller Artes-Disziplinen und somit des kompletten Spektrums mittelalterlicher Gelehrsamkeit erfuhr bereits in den hochmittelalter404 405 406 407

DOBENECKER, Pflege Ronneburg (1899), S. 32. Vgl. auch LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen II (1887), S. 226. Vgl. Festschrift. 700 Jahre Ronneburg, S. 42. Bereits Köhn plädierte für eine deutlich geringere Erwartungshaltung an den mittelalterlichen Mathematikunterricht, vgl. KÖHN, Schulbildung (1986), S. 226 f. 408 Zu den sieben Freien Künsten im Allgemeinen vgl. DOLCH, Lehrplan (1982), S. 99–155; LINDGREN, Artes liberales (2004), S. 6–13; NONN, Bildung und Wissenschaft (2012), S. 27–48; SCHMITT, Bildung (2016).

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lichen Stiftsschulen eine deutliche Einschränkung und wird im hier vorliegenden Untersuchungszeitraum wohl in keiner städtischen Schule erreicht, aber auch nicht angestrebt worden sein.409 Die in den Quellen wiederkehrende Betonung der lateinischen Sprache als oberstes Unterrichtsziel und die Verbindung zur Kirche durch die Musik legt eine Beschränkung auf ausgewählte Aspekte nahe. Eine Konzentration auf das Trivium, das die sprachlichen Disziplinen umfasste und einen späteren Bildungsweg zu höherer Gelehrsamkeit ermöglichte, wird daher anzunehmen sein.410 Dominiert wurde es jedoch durch die Musik, die als ein Bestandteil des Quadriviums den größten Stellenwert des spätmittelalterlichen Schulwesens ausmachte und die aus rein pragmatischen Gründen – als wichtigste Grundlage des Gottesdienstes und der religiösen Andacht – in den Unterricht aufgenommen wurde. Die enge Verbindung der Schule zur Kirche und die maßgebliche Funktion der Schüler als Kirchenchor erforderten gute musikalische Kenntnisse. Die Notwendigkeit wurde auf diese Weise, so lautet eine bis heute vertretene These der älteren Forschung, zu einer der entscheidendsten Ursachen dafür, überhaupt Schulen, genauer gesagt Pfarrschulen, zu begründen.411 Und tatsächlich entfaltete die Musik in vorreformatorischer Zeit ein beachtliches Niveau, wie eine Reihe zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Hermann Degering entdeckter Briefe illustriert.412 Sie stammen überwiegend aus den letzten Jahren des 15. und dem ersten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts aus einem Eisenacher Schülerkreis, dem unter anderem Martin Luther angehörte, und wurden untereinander oder unter Schülern, Schuldienern und einigen Geistlichen gewechselt. Der Schulmeister Johannes Trebonius wird namentlich erwähnt.413 Neben ihm diente ein zunächst anonymer, doch später von Trebonius selbst Johannes Slothauer genannter, so bezeichneter Hypodidasculus, ein Unterlehrer.414 Ein dritter Lehrer (Didascalus) wird lediglich mit dem Vornamen Wigandus benannt, doch kann auch er mit einiger Wahrscheinlichkeit identifiziert werden. In einem späterer Brief von 1526 an den Kurfürsten erwähnte Luther selbst seinen vormaligen Lehrer – den er 409 Die ursprüngliche Einteilung der Freien Künste sei bereits im 13. Jahrhundert, so Köhn, „anachronistisch“ gewesen, vgl. KÖHN, Schulbildung (1986), S. 224–226, Zitat S. 225. 410 Vgl. THALHOFER, Unterricht (1928), S. 111; WÜHR, Bildungswesen (1950), S. 147; KINTZINGER, Scholaster (1996), S. 359. Zur Bedeutung des Triviums an den Schulen im Allgemeinen vgl. GRUBMÜLLER, Trivium (1983). 411 Vgl. PAULSEN, Geschichte (1919), S. 19; HERRMANN, Kirchengeschichte I (1937), S. 267; KINTZINGER, Varietas (1996), S. 301 f. 412 Vgl. DEGERING, Aus Luthers Frühzeit (1916). Vgl. zum Folgenden auch SCHEEL, Luther und die Schule (1925), S. 151 f. 413 Vgl. DEGERING, Aus Luthers Frühzeit (1916), S. 88 u. 81. sowie FUNKHÄNEL, Beiträge I (1844), S. 18 f.; FASBENDER, Colligi in Kempnicz (2016), S. 63, Anm. 2. 414 Vgl. DEGERING, Aus Luthers Frühzeit (1916), S. 90.

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jedoch als Schulmeister bezeichnete – Wigand Guldennapf, in dessen Andenken er „wol schuldig were, yhm alle ehre zuthun“.415 Zu diesem Zeitpunkt war er bereits Pfarrer in Waltershausen und als solcher der letzte Katholik im Amt.416 Am 1. Juni 1523 wurde er gegen eine Abfindung seines Amtes enthoben.417 Mit diesen drei Namen scheint die Schuldienerschaft vollständig repräsentiert zu sein. Zugleich informieren nebensächliche Bemerkungen darüber, dass es sich um die Pfarrschule von St. Georgen handelte. Die Briefe selbst beinhalten verschiedenen Aspekte und Angelegenheiten aus dem alltäglichen und zwischenmenschlichen Leben und geben unter anderem Einblicke in die musikalische Betätigung der Schüler. Die Musik richtete sich demnach nicht mehr allein nach den liturgischen Vorgaben, sondern diente den Schülern zur amüsanten und scherzhaften Zerstreuung. Die Schüler dichteten und komponierten selbst, sandten sich gegenseitig ihre Lieder zu und beschränkten sich dabei nicht auf den in der lateinischen Liturgie üblichen einstimmigen Choralgesang. Aus der Feder des Neustädters Johannes Opilio floss 1499 eine vierstimmige kontrapunktische Mottete, deren dominante Stimme, der Tenor, Wortspiele mit dem Namen des Verfassers sang. 418 Die hier bereits voll ausgeprägte, doch bislang nur im Freundeskreis praktizierte Loslösung vom Choralgesang nahm bereits kurz vor der Jahrhundertwende den Figuralgesang, der an den Schulen des späteren 16. Jahrhunderts üblich werden sollte, vorweg. Obgleich die Musik weiterhin ein charakteristischer Bestandteil des spätmittelalterlichen Schulwesens war, hatte sich der Unterricht im 15. Jahrhundert auch darüber hinaus von den einstigen Ursprüngen der kirchenmusikalischen Notwendigkeit gelöst. Durch das wachsende Bedürfnis nach Schulbildung war die Schülerschaft in einem Maße angewachsen, dass nur ein verhältnismäßig geringer Teil der Schüler tatsächlich als Kirchenchor diente.419 Dies hatte die oftmals ausdrücklich betonte Unterscheidung der Schüler nach ihrer Teilnahme an der kirchlichen Liturgie zur Folge. Die oben angeführten Altenburger Urkunden enthielten eine dementsprechende Differenzierung nahezu durchgehend.420 In gleicher Weise wurde die Unterscheidung zwischen „schulere vnd korschulere“ 421 1443 auch für die Angehörigen der Gothaer Stiftsschule und um 1500 für die 415 LUTHER, Briefwechsel, WA BR 4, S. 75. Zur Identifizierung des hier genannten Wigand mit diesem vgl. auch schon DEGERING, Aus Luthers Frühzeit (1916), S. 81. 416 Vgl. auch POLACK, Schule (1856), S. 7; LÖFFLER, Waltershausen (2004), S. 262 f. 417 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Kopialbuch A 6, fol. 91r–92r. 418 Vgl. DEGERING, Aus Luthers Frühzeit (1916), S. 83. 419 Vgl. ZIMMERMANN, Bürgerschule (1878), S. 19 f.; KAEMMEL, Geschichte (1882), S. 175; THALHOFER, Unterricht (1928), S. 111; KINTZINGER, Varietas (1996), S. 320. 420 Das die Bezeichnung ‚Schüler‘ hier jedoch nicht zwangsläufig für einen Besucher einer Schule stehen muss, ist oben bereits betont worden. 421 StA Gotha, 0.2/164.

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Arnstädter Schüler vorgenommen. 422 Gleichermaßen beurteilte die Schleizer Schulordnung von 1492 den einzelnen Schüler danach, ob er „im gesange sitzet“.423 Von den betreffenden Schülern wurde hier ausdrücklich nach alter Gewohnheit ein zusätzliches Schulgeld von einem weiteren Groschen gefordert. Es kann vermutet werden, dass dadurch eine Unterscheidung der Schüler nach dem Ziel ihres Bildungserwerbs vorgenommen werden sollte und der Gesang lediglich jenen Schülern übertragen wurde, die eine geistliche und somit höhere gelehrte Laufbahn anstrebten, um sie in die kirchliche Liturgie einzuführen.424 Das zusätzlich erhobene Schulgeld scheint anzudeuten, dass damit eine entsprechende über den üblichen Schulunterricht hinausgehende Unterweisung oder sogar die Beschäftigung eines weiteren Schuldieners auf dieser anteiligen finanziellen Grundlage verbunden war. Durch die Musik und die Liturgie, die im Spätmittelalter völlig in lateinischer Sprache stattfand, wurde neben der musikalischen Ausbildung auch die Kenntnis der lateinischen Sprache und ihrer Grammatik notwendig. Es unterliegt keinem Zweifel, dass es sich bei den kirchlich wie städtisch getragenen Schulen vor der Reformation – auch angesichts der Bedeutung des Lateinischen als mittelalterliche Gelehrtensprache – um Lateinschulen handelte. Auf entsprechende Vorschriften über den dauerhaften Gebrauch der lateinischen Sprache in den Schulordnungen ist im Saalfelder Zusammenhang bereits hingewiesen worden. Die bekannte und in dieser Hinsicht oft zitierte Schulordnung von Schleiz von 1492 ergänzt als eins der wenigen Quellenzeugnisse die Auswahl eines Literaturkanons, anhand dessen die lateinische Grammatik eingeübt wurde.425 Die Erwähnung der Lehrwerke erfolgt mittelbar über die Festlegung des sogenannten ‚Anhebegeldes‘ – des Geldes, das die Schuldiener für den Verkauf der Bücher von den Schülern fordern durften. Neben der elementaren ABC-Tafel, dem Paternoster und weiteren Gebeten stehen dabei die grundlegende und im gesamten Mittelalter weit verbreitete Grammatik des spätantiken Autors Aelius Donatus (4. Jh.) – kurz Donat426 – und zwei Bücher, genannt die Regel und der pennapart, die der Forschung einige Rätsel aufgegeben haben. Während Rudolf Herrmann den pennapart, für 422 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Rechnungen des Amts/Rentamts Arnstadt-Käfernburg, Nr. 933, unfol.; LATh-StA Rudolstadt, Kirchenrechnungen, Nr. 6816, unfol. 423 Vgl. MÜLLER, Schulordnungen I (1885), S. 113. 424 Unterstützt wird diese These durch eine Urkunde zur Chemnitzer Schulgeschichte, die den Schülern, „so zcu kirchen singen und der kirchen dinen“, die so bezeichneten „wertlich leuthe“ unter den Schülern gegenüberstellt, zitiert nach FASBENDER, Lateinschule (2014), S. 100. 425 Vgl. für das Folgende MÜLLER, Schulordnungen I (1885), S. 113 f. Vgl. auch HERRMANN, Unsere Schule (1924), S. 9; SOMMERLAD, Der Deutsche Orden (1931), S. 174–177; BÜNZ, Bildungslandschaft (2004), S. 60; FASBENDER, Colligi in Kempnicz (2016), S. 70 f. 426 Zur Bedeutung des Donat vgl. MACHILEK, Schulen (1983), S. 92; SCHINDEL, auctores (1983), S. 437; KÖHN, Schulbildung (1986), S. 227 f. u. 232.

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den der Preis mit 1 gr immerhin am höchsten lag, mit einem Fragezeichen versah und die Regel für die im Spätmittelalter als Standardwerk geltende Lateingrammatik des Alexander de Villa Dei (Doctrinale, 12./13. Jh.) hielt,427 glaubte Bernhard Sommerlad, der sich über den Transkriptionsfehler amüsierte, hinter dem pennapart den Primapars, den ersten und elementaren Teil letzterer Grammatik zu erkennen.428 Die Regel identifizierte er hingegen als Formel- und Konstruktionslehre des Benediktiners Remigius (regulae pueriles 13./14. Jh.).429 Die Schulordnung von Neustadt a. d. O. (um 1480) scheint Sommerlads Identifizierung durch die Erwähnung derselben Lektüretitel zu bestätigen. Auch sie war um die Einschränkung des Anhebegeldes bemüht, erwähnt dabei jedoch nur drei Titel, die hier mehr oder weniger eindeutig identifiziert werden können. Genannt werden die Grammatik Donats, der prima pars Alexanders und der Remigius.430 So weit ist das Ergebnis beider Schulordnungen wenig überraschend, präsentiert es doch die übliche grammatikalische Grundlage eines jeden lateinischen Unterrichts dieser Zeit.431 Eine dritte Interpretation zumindest für den pennapart lieferte hingegen erst kürzlich Christoph Fasbender, der hinter dem Wort den Namen Raimund von Pennaforte (12./13. Jh.) vermutete.432 Die Identifizierung würde nicht nur den Kreis der Schleizer Schullektüre über die zu erwartenden spätmittelalterlichen Standardwerke der lateinischen Grammatik hinausziehen und dem Schleizer Unterricht einen deutlich individuelleren Anstrich geben. Auch gesteht sie der Schleizer Schule ein beachtliches inhaltliches Niveau zu, das die Lektüre kirchenrechtlicher Texte nicht nur einschloss, sondern ausdrücklich voraussetzte. Dass ein solch anspruchsvoller Lektürekanon im thüringischen Raum nicht auszuschließen ist, verdeutlichte abermals Fasbender durch die Erschließung einiger Schulhandschriften aus Langensalza. Die Mitschriften von Schülern entstanden in den 1420er Jahren und somit noch bevor die Schule an St. Stephani zur Stiftsschule erhoben wurde. Bereits in dieser Zeit erteilte eine der Langensalzaer Schulen einen beachtlich anspruchsvollen Unterricht, der nicht nur das Summa427 Vgl. HERRMANN, Unsere Schule (1924), S. 9; zur allgemeinen Bedeutung des Doctrinale vgl. KAEMMEL, Geschichte (1882), S. 170; MACHILEK, Schulen (1983), S. 92; SCHINDEL, auctores (1983), S. 437. 428 Für die vorliegende Arbeit wurde, um einen vermeintlichen Fehler zu berichtigen, das Original der Schleizer Statuten in Augenschein genommen. Es handelt sich dabei jedoch um eine Abschrift des 17. Jahrhunderts. Sollte ein Transkriptionsfehler vorliegen, stammt er demnach bereits vom Abschreiber. Der Begriff „pennapart“ ist in lateinischen statt in deutschen Buchstaben geschrieben und eindeutig lesbar, vgl. StA Schleiz, B-5-1-2-153, unfol. 429 Vgl. SOMMERLAD, Der Deutsche Orden (1931), S. 177, Anm. 2 und 3. 430 Vgl. HERRMANN, Unsere Schule (1924), S. 19. 431 Vgl. auch BÜNZ/LANG, Schüler und Studenten (2011), S. 47. 432 Vgl. FASBENDER, Colligi in Kempnicz (2016), S. 70.

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rium Biblicum Alexander de Villa Deis, sondern auch verschiedene Autoren des geistlichen Rechts in erstaunlicher Bandbreite lehrte. Genannt werden unter anderem Nikolaus von Lyra, Johannes Andreae und Konrad von Soltau.433 Ein von Enno Bünz anhand der Dresdner Kreuzschule skizzierter Unterricht auf Universitätsniveau war freilich nicht selbstverständlich, 434 doch scheinen auch einige Thüringer Schulen ein erhebliches Niveau erreicht zu haben. Eine jener Schulhandschriften informiert allerdings auch über das Verhältnis, in dem dieser Langensalzaer Unterricht zu dem anderer Städte stand. In einem beigehefteten Brief bat ein namenloser Verfasser einen Freund um die Fürsprache für einen Bewerber um ein Thüringer Schulamt. Zur Auswahl standen die Schulmeisterstelle der hohensteinischen Stadt Ellrich oder jene des Kollegen des Sublektors, also wohl des dritten Schuldieners an der höheren Schule von Langensalza. Beide Ämter wurden somit gleichgesetzt, die Schule von Ellrich – freilich nur ein Stadt halber Größe – erreichte lediglich die untere inhaltliche Stufe der Langensalzaer Schule.435 Dass die Schule von Jena hingegen ebenfalls einen hohen eigenen Anspruch oder zumindest den späteren Universitätsbesuch der Schüler anstrebte, wird durch die dortige Schulordnung nahegelegt, die beiläufig informiert, dass die Schüler sich an den Freitagen in der Universitätsdisziplin des Disputierens übten.436 Dem Anspruch des Unterrichts entsprach mitunter der akademische Grad der Schulmeister. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass die Bezeichnung des „m[a]g[iste]r scole“, 437 mit der beispielsweise der Pößnecker Schulmeister erstmals 1427/28 belegt wurde, auf den Titel eines Magister Artium hinweist,438 doch kann für vereinzelte Schulmeister tatsächlich ein akademischer Grad konstatiert werden. In Pößneck ist dabei jedoch kein höherer als der des Baccalaureus nachweisbar. Die oben genannten Schulmeister Johannes Horn, Schweinitz und Gruner trugen den Baccalaureustitel, was Schmitt zu der These veranlasst hatte, dass der Pößnecker Stadtrat die akademische Ausbildung der Stadtkinder zur fachlichen Aufbesserung der eigenen Schule bewusst anstrebte.439 Ein Magister Artium wird hingegen in den genannten Schulhandschriften aus Langensalza erwähnt. Sie basieren auf dem Unterricht eines Magisters Nikolaus de Spira.440 In Eisenach ist erst kurz vor Einbruch der Reformation ein Magister Heinrich Scholl nachweisbar. Er promovierte 1520 in Wittenberg zum Magister und trat den Schuldienst offenbar 433 434 435 436 437 438 439 440

Vgl. ebd., S. 75–77. Vgl. BÜNZ, Schulen (2009), S. 22. Vgl. FASBENDER, Colligi in Kempnicz (2016), S. 75. Vgl. StA Jena, B XVIIa-3, fol. 2v. StA Pößneck, Stadtrechnung, Mappe 2, Nr. 5, 1427/28, fol. 35v. Vgl. KINTZINGER, Varietas (1996), S. 309 f.; DERS., Scholaster (1996), S. 359. Vgl. SCHMITT, Schriftsprache (1966), S. 332. Vgl. FASBENDER, Colligi in Kempnicz (2016), S. 69 u. 76.

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kurz danach an. 441 Sein Grad scheint sich jedoch nicht vorteilhaft auf seinen Unterricht ausgewirkt zu haben, folgt man dem Bericht des Eisenacher Reformators Justus Menius. 442 Dieser warf dem Schulmeister vor, sich neben dem schulischen Amt dem Fleischerhandwerk zu widmen. Als ihm die Ausübung bürgerlicher Berufe verboten wurde, widersetzte er sich der Anweisung und wurde schließlich abgesetzt. Obwohl für einige Schulen ein hoher inhaltlicher Anspruch zu konstatieren sein wird, lassen sich doch vor der Reformation kaum humanistische Ambitionen nachweisen. Sogenannte auctores maiores, die Dichter der Antike, die im Hochmittelalter noch einen bedeutenden Anteil des schulischen Lektürekanons ausgemacht hatten,443 fanden nirgends Erwähnung. Der anfängliche Humanismus blieb im 15. und frühen 16. Jahrhundert ein Phänomen der Universitäten, das kaum Rückwirkungen auf das Partikularschulwesen ausübte.444 Die überlieferten Schulordnungen klammerten den inhaltlichen Aspekt vielmehr völlig aus oder beschränkten sich eben wie im Schleizer Fall auf den Gebrauch theoretischgrammatikalischer Werke und widmeten sich sonst lediglich den wirtschaftlichen Belangen der Schulen. Es überrascht daher, in der Abhandlung Johann Jacoffs im Zusammenhang mit der Gräfenthaler Schulordnung ein auf den Dichtungen Senecas basierendes Wortspiel zu lesen, das zumindest den Vikar als den humanistischen Studien nicht ganz abgeneigt erscheinen lässt. 445 Da die Ordnung selbst jedoch wie auch die ausführliche Jenaer Ordnung keine inhaltlichen Vorschriften enthält, kann über eine ähnliche Geisteshaltung des Schulmeisters kein Urteil gefällt werden. Eine Ausnahme bildete der gekrönte Dichter Hermann Trebelius Notianus, der zu Beginn des 16. Jahrhunderts für kurze Zeit an einer der Eisenacher Schulen gewirkt haben soll. Er unterhielt Kontakte zu den thüringischen Geistesgrößen und pries sich in seinen Dichtungen selbst als Begründer des Eisenacher Humanismus. Er verließ die Stadt und die Schule jedoch durch Auseinandersetzungen mit seinen Kollegen veranlasst schnell wieder.446 Entgegen seines Selbstlobes verdeutlicht jedoch bereits ein aus dem oben erwähnten Eisenacher Freundeskreise stammender Brief eines Schulmeisters beiläufig dessen humanistische Interessen. Bei dem nicht namentlich genannten Verfasser handelt es sich 441 Vgl. HERRMANN, Bartholomäus Rosinus (1937), S. 28. 442 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1478, fol. 1v, 2v–3r u. 3v–4r. 443 Vgl. dazu SCHINDEL, auctores (1983), S. 430–432/447 f.; KÖHN, Schulbildung (1986), S. 235–238. 444 Vgl. KLEIN, Humanismus (1989), S. 292. 445 Vgl. KOCH, Aufzeichnungen (1899), S. 472: „Eyn etzlicher getreuer knecht und erbter ist seynes lons wirdig; dan dy belonung ist (als Seneca spricht) eyn erleichterung der erbeyt“. 446 Vgl. BAUCH, Biografische Beiträge (1895), S. 4 f.; HENNING, „Luthers Schule“ (1972), S. 75.

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möglicherweise noch um Johannes Trebonius. Er bat den Pfarrer von St. Georgen, ihm das Werk Petrarcas De Remediis utriusque Fortunae „vel quicpiam artis humanitatis“447 zu leihen. Nur wenig später scheinen humanistische Schriften auch unter den Schülern von Meiningen kursiert zu haben, doch liegen auch hier, obgleich das Interesse der Jugend vom Pfarrer durchaus wahrgenommen worden ist, keine inhaltlichen Information über den Unterricht und keine Spuren über eine entsprechende Reform der Schule vor.448 Die Schuldiener von Gotha waren von der Anziehungskraft des Humanismus ebenfalls nicht völlig unberührt. Bereits der aus Burgtonna stammende Johann Frank soll an der Gothaer Stiftsschule um 1519/20 die griechische Sprache in den Unterricht eingeführt haben.449 Als er zu Beginn des Jahres 1521 die Schule für kurze Zeit zu verlassen gedachte, richtete kein Geringerer als Eobanus Hessus die Bitte an die übrigen Schuldiener, den Unterricht im Sinne Franks fortzuführen.450 Zur selben Zeit wirkte an der Gothaer Pfarrschule der Schulmeister Caspar Andriscus. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass er humanistische Studien in den Unterricht einbrachte, doch beendete er eigens sein Schulamt, um in Wittenberg ein Studium unter Philipp Melanchthon aufzunehmen. Am 3. Mai 1520 richtete der Gothaer Kanoniker Mutianus Rufus an diesen ein Empfehlungsschreiben mit der Bitte, sich seiner anzunehmen.451 Tatsächlich wurde nur eine Woche später, am 10. Mai 1520, ein Gasparius Andriscus Godanus an der Wittenberger Universität immatrikuliert.452 Es ist denkbar, dass Andriscus bei seiner Rückkehr den Humanismus aus Wittenberg nach Gotha gebracht haben könnte, doch wurde die Gothaer Entwicklung zuvor durch die anfängliche Reformation unterbrochen.453 Trotz aller Gelehrsamkeit konnte natürlich die deutsche Sprache nicht vollständig aus dem Unterricht ausgeblendet werden. Obgleich die meisten elementaren Grammatiklehrwerke wie die Grammatik Donats die Grundzüge der Sprache bereits in einfachen lateinischen Frage-Antwort-Dialogen beinhalteten, war der Gebrauch der Muttersprache zu deren Erklärung kaum auszuschließen. 447 Zitiert nach DEGERING, Aus Luthers Frühzeit (1916), S. 94. 448 Vgl. HUMAN, Reformation (1917), S. 63; GERSTENHAUER, Bernhardinum (1972), S. 207. 449 Vgl. ANZ, Reformation (1917), S. 109 f.; HOLLSTEIN, Gymnasium (1972), S. 99; KLEIN, Humanismus (1989), S. 292 f. 450 Vgl. KNÜPFFER, Eobanus Hessus (2014), S. 87. 451 Vgl. MBW, T 1, Nr. 91. 452 Vgl. FÖRSTEMANN, Album (1841), S. 92. 453 Wie völlig selbstverständlich konstatiert hingegen Hiller, dass die Schule von Heringen bereits vor der Reformation „nach dem Muster der unter dem Einfluß des Humanismus gegründeten lateinischen Stadtschulen“ eingerichtet worden sei und neben dem Rechnen (!), Lesen und Schreiben Latein und selbst Griechisch unterrichtet habe. Einen Beleg bringt Hiller dafür nicht an. Es ist anzunehmen, dass seine These haltlos ist, vgl. HILLER, Heringen (1927), S. 292.

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Der Grad des lateinischen Sprachgebrauchs variierte dabei je nach den Ansprüchen, die in der Schule herrschten. Die von Rudolf Endres anhand eines fränkischen Quellenbegriffs sogenannten ‚vermengten Schulen‘, an denen die deutsche Sprache gleichrangig neben der lateinischen stand,454 lassen sich in Thüringen jedoch nicht als erklärtes Ziel eines lokalen Schulwesens nachweisen. Eine eher beiläufige Erwähnung gezielten deutschsprachigen Unterrichts soll hier jedoch nicht verschwiegen werden. Im Jahr 1483 regelte der Stadtrat von Pößneck den Nachlass eines dortigen Bürgers namens Stirnickel. Dieser hatte die Vormundschaft über seinen Sohn vor seinem Tod seinem Bruder übertragen. Als nach dem Tod des Vaters nun die Erbschaft geregelt werden musste, wies der Stadtrat den Vormund des minderjährigen Sohnes an, diesen für vier Jahre mit Essen und Kleidung zu versorgen, ihn Ehre, Zucht und Frömmigkeit zu lehren und „dewtz schreib[en] vnde leßen leren [zu] laßen“.455 Die Anordnung, minderjährige Kinder in die Schule zu schicken, findet sich in vergleichbaren Nachlassregelungen häufig (Kap. I. 6.), doch stellt die hier vorliegende Betonung des deutschsprachigen Unterrichts einen bislang einzigartigen Fall dar. Ob sie auf den Charakter einer vermengten Schule in Pößneck hinweist, ist ungewiss und scheint angesichts der hohen Pößnecker Immatrikulationszahlen, auf die an späterer Stelle eingegangen werden soll, der personell hohen Versorgung der Schule durch drei Schuldiener und deren akademischer Ausbildung wenig wahrscheinlich zu sein. Stattdessen könnte die Erwähnung auf die Existenz einer zweiten deutschsprachigen Schule verweisen, die jedoch – trotz ausgiebiger Suche in den Pößnecker Quellen – bislang nicht anderweitig nachgewiesen werden konnte. Ein eindeutigerer Nachweis würde der bisherigen Forschung, die privat geführte Schreibschulen ausschließlich in größeren Städten verortet, widersprechen.456 Wie die Unterrichtsinhalte lassen die vorreformatorischen Quellen die schulische Organisation über die in den Schulordnungen erwähnten Aspekte hinaus weitestgehend im Dunkeln. Die leistungs- oder altersentsprechende Einteilung der Schülerschaft in sogenannte Haufen, die mit der Reformation verbindlich eingeführt wurde, wird auf vorhergehenden Traditionen beruht haben. Die von den Schulordnungen aufgezählten Lehrwerke der lateinischen Grammatik lassen dies durch eine entsprechende Abstufung – die ABC-Tafel zum Erlernen der 454 Vgl. ENDRES, Schulwesen (1983), S. 174; DERS., Stadt und Umland (1985), S. 163 f.; DERS., Gesamtdarstellung (1991), S. 167; DERS., Berufsbildung (1996), S. 376 f.; FLACHENECKER/KIESSLINGER, Städtelandschaften – Schullandschaften (2005), S. 11. 455 StA Pößneck, B I 2, Nr. 1, fol. 140r. 456 Vgl. HEPPE, Schulwesen (1860), S. 37 f.; ZIMMERMANN, Bürgerschule (1878), S. 9 f.; HERRMANN, Unsere Schule (1924), S. 4; ENDRES, Gesamtdarstellung (1991), S. 168; HANSCHMIDT, Elementarbildung (2005), S. 25. Insbesondere Endres konstatiert die bisherige Unterschätzung des deutschsprachigen Schulwesens, vgl. ENDRES, Stadt und Umland (1985), S 161; DERS., Berufsbildung (1996), S. 377.

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Buchstaben, die Grammatiken Donats und Remigius’ für die sprachlichen Anfangsgründe und das Doctrinale Alexanders für das fortgeschrittene Grammatikstudium – vermuten. 457 Deutlich wird dies jedoch nur selten. So wurden die Kinder in der Weimarer Schulordnung von 1433 mit nur wenigen Worten unterteilt: „es [das Kind] sii groisz adir kleyne, unde sitzce hoe adir nedir“.458 Die Schüler wurden somit innerhalb des Schulraumes oder sogar auf zwei Stockwerke des Hauses entsprechend ihrer Leistungsstufen verteilt. Angesichts der Formulierung scheint die Weimarer Schule in den 1430er Jahren also über zwei Klassen verfügt zu haben. Dieselbe Einteilung wird auch durch die Formulierung der Saalfelder Schulordnung, welche die Kinder in „groß und klein“ 459 unterteilt, nahegelegt. Ebenso könnten die bereits zitierten Worte der Schleizer Schulordnung, welche die Schüler nach ihrer Teilnahme am Gesang unterschied, auf eine Haufenstruktur hinweisen. Spätere reformatorische Schulordnungen machten die Teilnahme am musikalischen Unterricht erst für die höheren Haufen verbindlich, während der Unterricht der jüngeren Schüler sich auf das Erlernen der Grammatik, des Lesens und Schreibens beschränkte. Auch bei dieser Praxis ist ein vorreformatorischer Ursprung denkbar, was durch den Bericht Johann Jacoffs über die Gräfenthaler Verhältnisse bestätigt wird: Hier wurde der Schulmeister angewiesen, als es um den Kirchengesang ging, er solle „dy cleynen schuller nicht darzu brauchen“.460

4.6. Die Versorgung armer Schüler 4.6.1. Bildungswanderung, Schülerbettel und Armutsprävention Die Schulbildung sollte, was angesichts der mitunter hohen Forderungen von den Schülern betont werden muss, auch im Spätmittelalter kein Privileg wohlhabenderer Gesellschaftsschichten sein. Wie die Universitäten, in deren Matrikeln oftmals die Immatrikulation sogenannter pauperes verzeichnet wurde, war auch das Schulwesen von dem zeitgenössischen Armutsverständnis geprägt. Sollte den armen Kindern in den meisten Fällen zwar durch die Vermittlung von Arbeit zu einem Auskommen verholfen werden,461 wollte man auf der anderen Seite ausreichend befähigten und vielversprechenden Talenten unter den mittellosen 457 Vgl. PAULSEN, Geschichte (1919), S. 23; MÜLLER-FREIENFELS, Bildungsgeschichte (1932), S 40; DOLCH, Lehrplan (1982), S. 202; BÜNZ, Bildungslandschaft (2004), S. 60. 458 STEINFÜHRER, Stadtbücher, S. 210. 459 SAGITTARIUS, Historien I, S. 132. 460 KOCH, Aufzeichnungen (1899), S. 475. 461 Anhand des Erfurter Beispiels vgl. MANDRY, Armenfürsorge (2018), S. 289–291.

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Kindern den Schulbesuch durch finanzielle Erleichterungen ermöglichen. Man solle, so formulierte es Johann Jacoff in seinen Gräfenthaler Aufzeichnungen, „mit den armen mitleidung“462 haben. Hier äußerte sich dies wie anderorts durch eine Beschränkung der von den Schülern geforderten Leistungen. So ist beispielsweise abermals in der Schleizer Schulordnung mehrfach zu lesen, dass von etlichen finanziellen Forderungen „ein armer schuler halp so vil“463 geben müsse. Die Schulordnung von Weimar verfolgte sogar einzig das Ziel, die finanziellen Lasten der Bürger an der Schule für alle Beteiligten möglichst gering zu halten. Häufiger als eine Befreiung vom Schulgeld und weiteren Abgaben war eine gezielte Begünstigung der armen Schüler, indem ihnen die aus liturgischen Leistungen und Präsenzstiftungen verschriebenen Einkünfte zugestanden wurden.464 Oftmals wurde dabei aus naheliegenden Gründen eine Gleichsetzung der auswärtigen mit armen Schülern vorgenommen. Die sogenannte Bildungswanderung – das fahrende Schülertum – war ein weitverbreitetes Phänomen und der Schülerbettel damit eng verbunden. Um Almosen bittende Schüler – wobei dies nicht allein die auswärtigen betraf – waren in den spätmittelalterlichen Städten kein seltener Anblick. Bot das Betteln den Kindern einheimischer bedürftiger Familien noch die Möglichkeit, trotz ihres Schulbesuchs und der damit verbundenen Abwesenheit vom elterlichen Haushalt einen Teil des familiären Unterhaltes zu tragen, war es für auswärtige Schüler die einzige Option, sich selbst in der Fremde zu ernähren. Nicht selten führte das damit verbundene Betteln zu chaotischen und mitunter kriminellen Zuständen. Die berühmte und immer wieder angeführte Beschreibung des Johannes Butzbach präsentiert dabei zwar das Ausmaß des Möglichen hinsichtlich eines spätmittelalterlichen Schülerbettelunwesens, doch sollte sie nicht als Illustration des Normalzustandes angesehen werden.465 Um diesen Eindruck zu relativieren, sei hier eine ergänzende, bislang unbekannte Schilderung aus dem thüringischen Raum vorgestellt, die, wenn auch ungleich kürzer, eine deutlich positivere Charakterisierung des vorreformatorischen fahrenden Schülertums enthält. Sie ist einem Schreiben des ersten Jenaer Superintendenten Anton Musa von 1529 entnommen. Obgleich dessen Ausführungen bereits in den reformatorischen Kontext gehören und dort eine ausführliche Betrachtung erfahren sollen (Kap. II. 2.1.2.), kann seine Darstellung der vorreformatorischen Bildungswanderungen aus dem Zusammenhang gelöst werden, ohne der späteren Entwicklung vorzugreifen. 462 KOCH, Aufzeichnungen (1899), S. 476. 463 MÜLLER, Schulordnungen I (1885), S. 113. 464 Vgl. dazu ZIMMERMANN, Bürgerschule (1878), S. 19 f.; KAEMMEL, Geschichte (1882), S. 175; THALHOFER, Unterricht (1928), S. 111; KINTZINGER, Varietas (1996), S. 320; FASBENDER, Lateinschule (2014), S. 101. 465 Vgl. KREIKER, Armut, Schule, Obrigkeit (1997), S. 173–177.

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Musa skizzierte in seiner Darstellung nicht nur ein positives Bild des auswärtigen Schulbesuchs, sondern griff gleichermaßen die Bereitschaft der Menschen auf, die fremden Schüler zu unterstützen. Zwischen beiden habe eine symbiotische Beziehung bestanden, so Musa. Zahlreiche Bürger hätten fremde Schüler in ihr Haus aufgenommen, ihnen „die herbirge ym hause, vnd zu zeiten eyne suppe [ge]geben“466 und gleichzeitig von ihren Diensten profitiert. Der Gast hätte die Bürgerskinder sicher in die Schule geführt, ihnen gegebenenfalls als weiter fortgeschrittener Schüler beim Lernen unter die Arme gegriffen und den Bürgern als Gegenleistung für die Beherbergung im Haushalt oder auf dem Feld geholfen. Dem Schüler sei diese Arbeit nur „eyn geringe hynderniß“,467 dem Bürger dafür eine umso größere Erleichterung, da auf diese Weise die Haltung eigenen Gesindes unnötig gemacht werde. Denn anders als Dienstgesinde, das für die Arbeit bezahlt werden müsse, unterhalte sich der Schüler selbst, ziehe mit Gesang „vmbher nach brote von hauß zcu hauß“.468 Die Bildungswanderung werde auf diese Weise zu einer anstrebenswerten Erfahrung für die Jungen. In jeder Stadt könne der Schüler das ein oder andere Jahr verweilen oder nach Belieben weiterziehen „vnd das kont er eyn iar, achte, zehen treiben, bis er groß wurde“.469 Für die wissenschaftliche Ausbildung der Schüler sei dies zudem von großem Nutzen, erlernten sie auf seinem Wege doch nicht allein das in den Schulen vermittelte Wissen, sondern „sehen […] auch mancherley leute, Item gewonheiten vnd sytte der Stete vnd lernten mores, das yn dan nit eyn geringer nutz vnd fodderunge zur geschicklickeit seyn werde“.470 Entsprechend dieser schwärmenden Worte Anton Musas über eine Welterfahrung durch Bildungswanderung überwanden die umherziehenden Schüler tatsächlich alle politischen Grenzen. Zahlreich treten sie in den vorreformatorischen Stadtrechnungen als Empfänger kleinerer Almosen in Erscheinung, wobei sie jedoch in den meisten Fällen lediglich als ‚fremde Schüler‘ und nur selten mit ihrer genauen Herkunft benannt werden. Die Stadtrechnungen von Pößneck bilden hierbei eine Ausnahme und verdeutlichen anhand einiger Fälle den weiten Einzugskreis der Pößnecker Schule und die erstaunliche Wanderlust mancher Schüler am Vorabend der Reformation. Neben einzelnen Schülern aus der näheren Umgebung und dem thüringischen Umfeld, aus „tembach“ – vermutlich Klein- oder Langendembach nördlich der Stadt – oder Ziegenrück,471 besuchten 1520 ein Schüler aus Plauen,472 1510 ein Schüler aus Bamberg473 und abermals 1520 sogar zwei Schüler aus Österreich474 die Schule von Pößneck. 466 467 468 469 470 471 472

LATh-HStA Weimar, EGA, Reg O 544, fol. 12r. Ebd., fol. 12v. Ebd., fol. 12r. Ebd., fol. 17r. Ebd., fol. 17r–v. Vgl. für beide StA Pößneck, Stadtrechnung, Mappe 19, Nr. 63, 1514/15, fol. 82r. Vgl. StA Pößneck, Stadtrechnung, Mappe 19, Nr. 65, 1519/20, fol. 192r.

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Diese Erwähnungen ergänzend wird schließlich auch die Umsetzung der von Musa skizzierten Beherbergung bei einheimischen Bürgern aus einem der oben zitierten Briefe des Eisenacher Schülerkreises zur Schulzeit Luthers deutlich. Stammen einige der Briefe selbst aus ferneren Städten – Meiningen, ein nicht weiter spezifiziertes Neustadt und selbst Baden-Baden – informiert ein Schreiben vom 15. März 1510 über den Schulbesuch des Meinigers Valentin Krämer in Eisenach. In dem Schreiben wandte sich dessen Onkel an einen Eisenacher Karthäusermönch mit der Bitte, um eine Herberge für seinen Neffen bei dem Eisenacher Johann Brun zu ersuchen.475 Der Mönch entsprach der Bitte und vermittelte offenbar den Kontakt zwischen Brun und der Familie Krämer. Ein bemerkenswerter Überlieferungszufall bewahrte das Fragment eines Antwortschreibens an die Meininger Eltern, das vermutlich aus der Feder Bruns stammt und das der rückblickenden und idealisierenden Schilderung Musas trotz nur weniger unzusammenhängender Worte Realität und Lebendigkeit verleiht: […] sind zu fride worden. euch willen zu bezeygen. ewern son anzunehmen / […] Jar. ader j. ader j. virtel Jars. mit mir zu essen. vnd so / […] das ir ine in disen leufften der zceyt. Jn disem landt wolt / […] wir gesindt. euch zu willen. allen moglichen fleyss anzcu / […]476

Zweifellos darf aber auch das von Musa skizzierte Bild nicht völlig kritiklos betrachtet werden. Insbesondere verfolgte der Superintendent ein Ziel, das eine gewisse Idealisierung vorreformatorischer Zustände erforderlich machte. Es soll an späterer Stelle eingehender in den Fokus gestellt werden. Trotz der Idealisierung aus der Rückschau wird aber auch aus zeitgenössischen Quellen deutlich, dass der Schülerbettel im Gegensatz zum unberechtigten Bettel vermeintlich bedürftiger Müßiggänger anerkannt war und mitunter obrigkeitlich sanktioniert wurde. Eine Bettelordnung des Erfurter Stadtrates, die um 1500 grundsätzlich gegen den Bettel auf den Straßen gerichtet war, gestattete es unter der Bedingung, dass der betreffende Schüler fleißig zur Schule gehe und sein Erfolg den Erwerb von Almosen rechtfertigte. Einheimischen Kindern wurde der Schulbesuch zwar nicht ausdrücklich untersagt, ihm jedoch der Beitrag zum familiären Unterhalt durch Arbeit als höhere Priorität entgegengestellt. Der Schulmeister wurde hin-

473 Vgl. StA Pößneck, Stadtrechnung, Mappe 17, Nr. 60, 1510/11, fol. 154r. 474 Vgl. StA Pößneck, Stadtrechnung, Mappe 20, Nr. 66, 1520/21, fol. 156r. 475 „Ceterum decreuerunt bernardus kremer cum dorothea coniuge sorore vestra valentinum filium suum ad externa loca studij gracia missurum. […] At vero eundem valentinum nusquam libentius esse cuperent quam in opido Isenacensi.“, vgl. DEGERING, Aus Luthers Frühzeit (1916), S. 92. 476 Zitiert nach ebd., S. 75.

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sichtlich der Erfolge als Beurteilungsinstanz eingesetzt, während der Stadtrat sich eine mögliche Bestrafung bei Missachtung der Vorschriften vorbehielt.477 Die Legitimierung des Schülerbettels stand darüber hinausgehenden Bemühungen, diesen in Grenzen zu halten, trotzdem nicht im Wege. Eine Beschränkung der Schulgeld- und weiterer Forderungen von auswärtigen Schülern war weitestgehend üblich. In Schleiz betrug das Schulgeld für Fremde nur 2 statt der üblichen 6 ½ gr478 und in Jena mit 3 gr sogar nur ein Viertel des üblichen Wertes.479 Die Ordnung von Neustadt a. d. O. legt durch eine Hervorhebung der auswärtigen Schüler zwar ebenfalls eine Begünstigung nahe, spezifiziert diese jedoch nicht.480 Darüber hinaus kann tatsächlich die oben erwähnte Bevorzugung armer oder eben fremder Schüler als Empfänger potentieller Präsenzien als Maßnahme gegen ein überhandnehmendes Bettelwesen verstanden werden. Eindrücklich wird dies durch das Weimarer Beispiel deutlich. Als die bereits erwähnte Auseinandersetzung zwischen dem Pfarrer Johann Koler und dem Stadtrat 1459 beigelegt werden musste, fand dieser Aspekt Aufnahme in der Schlichtungsurkunde Hans von Trebras: „Besundern umb die messe de beata virgine uff sonnabind sal gehalten und gesungen werden durch die fremden schuler und nicht die statkinder“.481 Entsprechend dieser Anordnung fand die Inanspruchnahme auswärtiger Schüler in dem darauf folgenden Nachtrag der Schulordnung ihren Niederschlag und wurde gleichzeitig auf die weiteren Begängnisse und die Frühmesse ausgeweitet – „dye frumden schuler mag er [der Schulmeister] darzcu nutczen“.482 Diese Weimarer Praxis verfolgte einen doppelten Zweck. Neben der Versorgung fremder Schüler zur Einschränkung des Schülerbettels scheint sie eine Entlastung der einheimischen Schüler zugunsten ihrer wissenschaftlichen Ausbildung angestrebt zu haben. Eindeutiger betont eine Urkunde über die Stiftung eines Seelgerätes des hennebergischen Grafen Otto von 1493 den bewussten Almosencharakter der Schülerpräsenzien. Die von Otto gestiftete Messe im Hospital von Altenrömhild sollte unter der Mitwirkung armer, ausdrücklich sonst um Almosen bettelnder Schüler vorgenommen werden. Ihnen gebührte dafür der Betrag von jeweils 8 d. 483 Eine gleichgeartete Intention verband auch der Jenaer Vikar Andreas Schirrmeister in seiner oben dargelegten Stiftung der Gründonnerstags- und Abendmahlsmesse von 1449. Bei den von ihm genannten Schülern, die mit dem Schulmeister zusammen sangen, sollte es sich ausdrücklich um auswärtige Schüler 477 BEYER, Armenwesen (1898), S. 163–165; OEHMIG, Randgruppen (1995), S. 77–79. Frau Dr. Julia Mandry gebührt herzlicher Dank für diesen Hinweis. 478 Vgl. MÜLLER, Schulordnungen I (1885), S. 114. 479 Vgl. StA Jena, B XVIIa-3, fol. 2v. 480 Vgl. HERRMANN, Unsere Schule (1924), S. 18. 481 STEINFÜHRER, Stadtbücher, S. 224. 482 Beide Zitate ebd., S. 211. 483 Vgl. MÖTSCH, Regesten II (2006) Nr. 1936, S. 870.

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handeln, welche die Urkunde als Bursenknechte, Bursengesellen oder auf Latein als Bursales bezeichnete.484 Die Höhe der Präsenz betrug hier jeweils einen Schilling. Auf die Schulordnung von Schleiz, die eine solche Praxis mit der Erhebung eines zusätzlichen Schulgeldes für die Chorschüler bedingte, ist oben bereits hingewiesen worden. Sie scheint in Thüringen jedoch ein Ausnahmefall geblieben zu sein. Auch ist anzunehmen, dass die durch den Gesang erworbenen Präsenzien den zusätzlich geforderten Groschen um einiges überstiegen. Durch die Erwähnung der Bursales in Schirrmeisters Stiftungsurkunde ist ein weiterer Aspekt des mittelalterlichen Schulwesens und einer damit verbundenen Versorgungsmöglichkeit auswärtiger Schüler bereits angesprochen. Was für das Universitätswesen als selbstverständlich gelten kann,485 war auch für das Schulwesen offenbar nicht unüblich, wenn auch nur selten nachweisbar – die Existenz städtischer Bursen für die auswärtige Schülerschaft. 486 Die Formulierung der Jenaer Urkunde, in der die Schüler der Burse bereits als eigene und von den übrigen Schülern unterschiedene Gemeinschaft in Erscheinung treten, legt tatsächlich eine gemeinsame räumliche Unterbringung auswärtiger Schüler nahe. Der Umstand ist bezeichnend für die Selbstverständlichkeit auswärtigen Schulbesuchs im Spätmittelalter. Die Schulen rechneten mit den fahrenden Schülern und die fast institutionelle Organisation ihrer Versorgung lässt eine hohe auswärtige Frequentierung der Schulen vermuten. Eine zentrale Unterbringung wird freilich nicht alle betroffen haben, zumal Anton Musa explizit aus der Jenaer Perspektive die Unterbringung der Schüler bei Bürgern vor Augen führte, doch stand zumindest einem Teil der auswärtigen Schüler eine Unterkunft in der Schule oder einem räumlich angeschlossenen Gebäude zur Verfügung. Tatsächlich finden sich beide Alternativen in der Jenaer Schulordnung von ca. 1490 repräsentiert. Ein auswärtiger Schüler stand unter der besonderen Aufsicht des Schulmeisters. Er hatte sich zu Gehorsam zu bekennen, wohingegen der Schulmeister für seine Unterbringung zu sorgen hatte, wozu er ihn „mit fleyß auff dy schule furn ader zu den burgern zw herbrich schicken“487 sollte. Eine weitere Erwähnung von Bursales findet sich schließlich in der Spendemeisterrechnung von 1489/90. Die Schüler wurden demnach nicht allein beherbergt, was nicht zwangsläufig eine Maßnahme der Armutsprävention gewesen sein muss, sondern aus einer Spendenstiftung versorgt, was die alleinige Beherbergung schließlich um diesen letzten Aspekt ergänzte.488 484 Vgl. UB Jena II, Nr. 438, S. 192 u. 194. 485 Vgl. im Allgemeinen und für weiterführende Literatur SCHWINGES, Studentenbursen (1986). 486 Vgl. WÜHR, Bildungswesen (1950), S. 147. 487 StA Jena, B XVIIa-3, fol. 2v. 488 Vgl. StA Jena, C Ia-1, fol. 112r.

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Der Jenaer Bursenorganisation, die damit unter den thüringischen Städten in besonderem Maße in den Vordergrund tritt, entsprachen jedoch auch die Ordnungsmaßnahmen, die der Stadtrat zur Eindämmung drohender Missbräuche ergriff. Die Jenaer Schulordnung ist durch ein herausragend hohes Maß an schulorganisatorischen Vorschriften geprägt. Darunter befindet sich das einzige vorreformatorische Quellenzeugnis für die Einflussnahme eines Stadtrates auf die tägliche Unterrichtsaktivität der Schule. Sie betraf nicht die innere Organisation oder die Inhalte des Unterrichts, sondern das Verhalten der Schüler sowie ihr Verhältnis zu den Schuldienern. Nicht nur seien Letztere berechtigt, die Schüler im Falle anhaltenden Ungehorsams gebührend zu strafen, auch sehe der Rat sich selbst in der Pflicht, dy schuler zw vnterrichtenn Daß sy den schul meyster gehorsam sollen seynn vnd sich nit wider setzenn ader aufflenenn, wue sy aber deß nit thetenn Sol der rath dem schulmeyster behylfflich seyn Die vngehorsam[en] mit sampt den Knechten vnd yrem gefenknusses zw zwing[en] macht hab vnd dar nach zu der statt auß weysenn vnd dy herbrige vorbytenn.489

Die Strafe des Gefängnisses und des Stadtverweises scheint drakonisch. Da der Rat jedoch gegen die Bürgerskinder kaum eine solche Handhabe gehabt haben dürfte, ist anzunehmen, dass es sich bei der Strafandrohung um das Regelwerk des auswärtigen Schulbesuches handelte. Ungehorsam und Auflehnung gegen den Schulmeister wurde als Missbrauch des Gastrechtes betrachtet, worauf – zumal bei gleichzeitiger leiblicher Versorgung durch Schülerspenden – der Stadtverweis die natürliche Konsequenz darstellte. Die Vermutung über eine Unterbringung auswärtiger Schüler ist ebenfalls im Zusammenhang der Saalfelder Schule geäußert worden, wo der Stadtrat am Vorabend der Reformation auf eigene Kosten Betten in der Schule bereitstellen ließ. Eindeutig ist schließlich die Benennung einer solchen Burse in einer der erwähnten Schulhandschriften von Langensalza, die nicht allein deren Existenz belegt, sondern auch über ihren Namen – „bursa katzwingarten Salcensi“490 – informiert. Die damit erzielte eindeutige Identifizierung der Burse verdeutlicht gleichzeitig, dass sie bereits im Langensalza der 1420er Jahre kein Einzelfall mehr war. Die Existenz einer Burse in Pößneck im Jahr 1430/31 ist somit zwar nicht ausgeschlossen, doch wird es sich bei der in diesem Jahr in der Stadtrechnung verzeichneten Ausgabe von 5 gr „p[er] vna bursa m[a]g[ist]ro scole“491 wahrscheinlich eher – der ursprünglichen Wortbedeutung nach – um die Finanzierung eines Geldbeutels für den Schulmeister gehandelt haben.

489 StA Jena, B XVIIa-3, fol. 2r. 490 Zitiert nach FASBENDER, Colligi in Kempnicz (2016), S. 77. 491 StA Pößneck, Stadtrechnung, Mappe 2, Nr. 4, 1430/31, fol. 43v.

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4.6.2. Stiftungen und finanzielle Zuwendungen Finanzielle oder materielle Zuwendungen für bedürftige Schüler – gleich ob einheimische oder auswärtige – lagen vielfach im Interesse der Menschen, wovon zahlreiche Stiftungen aus vorreformatorischer Zeit zeugen. Die genannten liturgischen Stiftungen machen darunter einen erheblichen Anteil aus. Die von den Bürgern gestifteten Begängnisse wurden somit, wie bereits erwähnt, vielfach zu einer Möglichkeit, bedürftigen Schülern ein festes und regelmäßiges Almosen zukommen zu lassen. Obwohl eine Präsenzverordnung für die Schüler dabei nicht grundsätzlich verbindlich war, bildete sie oft einen Bestandteil des Stifterwillens. Das Seelgerät des hennebergischen Grafen in Römhild, das die Bedeutung einer solchen Zuwendung als Almosen deutlich betonte, wurde bereits angeführt. Die Stiftung eines Seelgerätes des Schleizer Bürgermeisters Hans Ferber von 1509 ging darüber weit hinaus und etablierte eine regelrechte schulische Armenspende in verhältnismäßig großem Umfang. Zwölf arme Schüler sollten für ihre Teilnahme jeweils ganze 2 gr und damit mehr als die beteiligten Schuldiener erhalten.492 Obwohl der Almosencharakter der Präsenzien nicht immer so dezidiert in den Mittelpunkt gestellt wurde, illustriert die Kirchenrechnung von Jena von 1490/91 die nahezu selbstverständliche Beteiligung der Schüler und die mit ihr verbundenen Präsenzzahlungen.493 In den meisten Fällen betrugen sie insgesamt 1 gr 3 d und wurden einer stets ungenannte Anzahl Knaben gereicht. In der Stiftung Dietrich Lichtenhains diente sie explizit einer Speisung der Schüler mit Brot und wurde in einer zweiten nicht namentlich benannten Stiftung ausdrücklich „den armen schulern“ 494 gewidmet. Die Stiftung des Friedrich Hercks übertraf mit 6 gr 6 d die Höhe der Präsenzien der übrigen bei Weitem. Obgleich eine ähnlich regelmäßige Beteiligung der Schüler an den Begängnissen in Stadtilm vorausgesetzt werden kann, war sie hier nicht in jedem Fall mit einer entsprechenden Vergütung verbunden. Lediglich eine der vier Stiftungen – jene Johann Steffans – umfasste eine leibliche Versorgung der Schüler durch Brot und Bier im Wert von insgesamt 5 gr.495 Auch als der Stadtrat von Orlamünde 1428 die Zinsen zur Abhaltung der Begängnisse ordnete, wurden neben den Geistlichen und dem Schulmeister arme Schüler mit einem Almosen von 1 gr bedacht.496 Die finanziellen Zuwendungen erlebten jedoch im Gegensatz zu den oben genannten Kostpräbenden der Schulmeister mancherorts den umgekehrten Trend, dass sie bis zum Vorabend der Reformation in eine Speisung bedürftiger 492 493 494 495

Vgl. SCHMIDT, Schleiz II (1909), S. 133. Vgl. StA Jena, C Ia-1, fol. 123r–124r. StA Jena, C Ia-1, fol. 123v. Vgl. exemplarisch LATh-StA Rudolstadt, Gemeinde- und Stadtrechnungen, Nr. 12592, fol. 14v. 496 Vgl. LATh-StA Altenburg, Wagners Collectaneen IX, Nr. 57 (24), S. 148–151.

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Schüler umgewandelt wurden. Als der Stadtrat von Orlamünde 1534 abermals auf die 1428 verordneten Zinsen zurückkam, schilderte er, dass der Pfarrer von den Präsenzien die Schüler im Falle ihrer Teilnahme an den Begängnissen mit Suppe, Fleisch, Brot und Bier „zcu guther gnuge“497 zu versorgen habe. In Gräfenthal nahm auch diese Pflicht des Pfarrers den Charakter eines Almosens an. Er habe, ohne dass diese Pflicht ausdrücklich an einen Anlass gebunden war, neben weiteren armen und hausarmen Menschen auch vier arme Schüler zu speisen.498 In Arnstadt kann eine solche Verköstigung der Schüler anhand der Kirchenrechnungen an zwei der drei Pfarreien nachgewiesen werden. An St. Bonifatii erhielten die Schüler zusammen mit den Schuldienern zu nicht genannten Terminen eine Suppe,499 während ihre Verköstigung an St. Jakobi an das Kirchweihfest und den Gedenktag des Kirchenpatrons gebunden war. 500 Dieselben Termine wiesen bereits die Kirchenrechnungen von St. Nikolai in Altenburg zur feierlichen Ausgestaltung lokaler Ereignisse und damit verbundener Schülerspeisungen auf, doch ergänzen die Arnstädter Rechnungen schließlich in deutlicher Weise eine Begünstigung jener Schüler, die den Kirchenchor bildeten. Zum Kirchweihfest erhielten die Schüler in ihrer Gesamtheit zwei Stübchen Wein, während lediglich den Chorschülern Suppe gereicht wurde. Zum Gedenktag des Patrons St. Jakob wurden hingegen nur die Chorschüler mit einer Suppe bedacht.501 Neben dieser Kost stand in Arnstadt weiterhin eine finanzielle Zuwendung für die Schüler, die im Verhältnis sogar eine bemerkenswerte Höhe erreichte. An St. Jakobi erhielten ausgewählte Schüler 8 gr für die Lesung des Psalters am Heiligen Grab,502 während die Kirchenrechnungen von St. Marien am Vorabend der Reformation eine beachtliche Präsenzzahlung von 12 gr an die singenden Schüler verzeichnet.503 Neben den liturgischen Stiftungen standen solche, die nicht mit Leistungen der Schüler verbunden waren, sondern aus Wohlwollen oder Mildtätigkeit heraus zum Wohle der Schüler und für das Seelenheil der Stifter getätigt wurden. Zu einem unbekannten Zeitpunkt stiftete ein Bürger von Buttstädt, so informiert das Visitationsprotokoll von 1533, eine Hauptsumme von 100 fl, die explizit der Schule zugutekommen sollte.504 Erst ein sehr viel späteres Verzeichnis der 1580er Jahre informiert, dass sie 5 ß abwarf und zwölf armen Schülern das Schulgeld finanzieren sollte.505 Ob es sich bei diesem Zweck um den ursprünglichen Stifter497 498 499 500 501 502 503 504 505

LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 834, fol. 7r. Vgl. KOCH, Aufzeichnungen (1899), S. 463. Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Kirchenrechnungen, Nr. 6825, unfol. Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Kirchenrechnungen, Nr. 6816, unfol. Vgl. ebd., unfol. Vgl. ebd., unfol. Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Kirchenrechnungen, Nr. 6804, unfol. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 4.2, fol. 13v. Vgl. LATh-HStA Weimar, Konsistorialsachen, B 2886, fol. 240r.

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willen oder die Folge einer späteren Umwidmung handelte, muss durch den Verlust der Stiftungsurkunde offen bleiben. Eine ähnliche, doch weitaus höher dotierte Schulstiftung findet sich in Gotha. Angesichts der fast vollständig fehlenden Überlieferung zum vorreformatorischen Schulwesen Gothas bilden die zwei mit dieser Stiftung verbundenen Urkunden für die Stadt und aufgrund der bemerkenswerten Stiftungshöhe auch für den gesamten thüringischen Raum ein bedeutendes Zeugnis. Im Jahr 1443 stiftete der Dechant des Gothaer Stiftes Dietrich Lange die Hauptsumme von 200 fl, die einen jährlichen Zins von 20 fl abwerfen und zur Finanzierung einer „tegelichen vnde ewigen spende vnd almosen armen schulern vnd andern darcu komenden armen luten“ aufgewandt werden sollte. Alltäglich sollte im Wert von 1 gr Brot gekauft und unter den armen Schülern verteilt werden. Die Austeilung solle, damit die bedürftigen Schüler „bequemlich darzcu wole komen mogen“, nach der None des Tages erfolgen. 506 Durch die zeitliche Festlegung sollte eine gerechte Verteilung der Spendebrote bei gleichzeitig ungehinderter Teilnahme am Schulunterricht gewährleistet werden, wodurch die Urkunde nebensächlich über die Dauer des Unterrichts an der Gothaer Stiftsschule informiert. Die Nonen des Tages bezeichneten, von sechs Uhr morgens gerechnet, drei Uhr am Nachmittag bzw. die zu dieser Zeit abzuhaltenden Stundengebete. Die Formulierung, die Spende nach den Nonen zu verrichten, lässt vermuten, dass die Teilnahme der Chorschüler, die auch hier ausdrücklich neben die übrigen Schüler gestellt wurden, zu den letzten Pflichten ihres Schultages gehörten. Langes Stiftung hatte testamentarischen Charakter. Sie sollte nach seinem Tod in Angriff genommen werden, während er zu seinen Lebtagen noch selbst in den Genuss der Zinsen kommen wollte. Der Dechant starb offenbar sieben Jahre darauf, doch kam seine Stiftung trotz der deutlich formulierten Unveränderlichkeit nicht nach seinem Willen zur Ausführung. Im Jahr 1450 wurde die Hauptsumme mittels einer zweiten Urkunde durch die Vertrauten Langes – darunter der bereits für ihn als Zeuge fungierende Schulmeister Caspar König – geteilt und auf mehrere Stiftungen umgelegt. Die neue Stiftungssumme zur Speisung armer Schüler betrug nun noch 112 fl zu einem Zins von 12 fl.507 Es ist denkbar, dass damit den bescheidenen Ansprüchen der Schülerschaft oder einem unerwartet geringen Anteil bedürftiger Schüler Rechnung getragen werden sollte. Waren in dem Gothaer Fall die Schüler die maßgeblichen Empfänger der Spende, wurden sie andernorts in städtisch getragene Armenspenden mit eingebunden. Kommunale Almosenstiftungen waren im 15. Jahrhundert weit verbreitet und finden sich zahlreich in den entsprechenden Stadtrechnungen verzeichnet. Eine solche Spende wurde im Mühlhäuser Zusammenhang bereits 506 Für beide Zitate StA Gotha, 0.2/164. 507 Vgl. StA Gotha, 0.2/173.

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erwähnt, doch waren dort lediglich die Schuldiener empfangsberechtigt. Eine Berücksichtigung der Schüler zeichnet sich hingegen in Schmalkalden anlässlich einer jährlichen Austeilung von Brot und Heringen ab.508 Gleichermaßen ist eine Speisung mit Hechten in Langensalza nachzuweisen, die in der Stadtrechnung von 1429 mit den folgenden Worten kommentiert wurde: Der Fisch sei durch den Stadtrat „vme godiswiell[e]n den arme[n] vnd In die schule gegeb[e]n“509 worden. Von anderer Art war die Armenstiftung, die erst im ersten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts in Pößneck eingerichtet wurde. Alljährlich findet sich hier die Austeilung von Tuch oder Gewandt an Arme verzeichnet, wobei die Position der Niederschrift abseits der eigentlichen Stadtrechnungen auf den eigenständigen Charakter der Stiftung verweist. Sie war nicht Teil des städtischen Haushaltes und wurde aus einer eigenständigen Finanzquelle gespeist. Eine Beteiligung der Schüler scheint nicht obligatorisch gewesen zu sein. Trotzdem fanden, wenn auch nicht alljährlich, zumeist auswärtige Schüler Berücksichtigung, wodurch für einige, wie oben geschehen, der Herkunftsort ermittelt werden kann. Bemerkenswerte Ausmaße nahm schließlich eine Brotspende an, die alljährlich in Jena, jedoch nicht vom Stadtrat, sondern vom landesherrlichen Amt unternommen wurde. Wie die Ämter mancherorts bereits an der Versorgung der Schuldiener beteiligt waren, finden sich auch kleinere Geldgeschenke, oft in Form von Weihnachts- oder Neujahrsgeldern, an die Schüler in den entsprechenden Rechnungen wieder.510 Darüber hinaus leisteten diese den Ämtern gegen Präsenzien zeremonielle oder liturgische Dienste. Eine schwarzburgische Rentereirechnung verzeichnete 1518/19 ein Präsenzgeld von jeweils 8 gr für vier Schüler, die auf dem Schloss von Sondershausen den Psalter gelesen hatten.511 Dieselbe Praxis ist auch in Arnstadt nachweisbar, dort aber mit einer deutlich höheren Vergütung von 2 ß verbunden.512 Die Jenaer Spende ist jedoch das einzige bekannte Beispiel einer institutionellen Armenspeisung unter der Beteiligung von Schülern. Sie erfolgte in täglichen Austeilungen und ist anhand der Amtsrechnungen über Jahrzehnte bis in die frühe Reformationszeit hinein nachzuverfolgen. 513 Anders als in Gotha informieren die Rechnungen hier auch über die Anzahl der verteilten Brote, die alljährlich in die Zehntausende ging. Die Zahl der versorgten Schüler lässt sich jedoch nicht ermitteln. 508 Vgl. exemplarisch StA Schmalkalden, B II/1-32, fol. 9v. 509 StA Langensalza, R II, 6, fol. 48r. 510 So in Weimar (LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 2569, fol. 64r) oder Neustadt a. d. O. (ebd., Reg Bb 385, fol. 26r u. 30r). 511 Vgl. EINICKE, Reformationsgeschichte I (1904), S. 131. 512 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Rechnungen des Amts/Rentamts Arnstadt-Käfernburg, Nr. 933, unfol. 513 Vgl. exemplarisch zum Jahr 1522 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 1491, fol. 94r. Zu dieser Spende im Allgemeinen vgl. MANDRY, Armenfürsorge (2018), S. 608 f.

5. Ein Sonderfall – die Stadt Erfurt EIN SONDERFALL – DIE STADT ERFURT

Erfurt nahm im Spätmittelalter eine in jeglicher Hinsicht herausragende Position ein. Nicht nur hinsichtlich der Bevölkerungszahl, auch auf gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Ebene war Erfurt unter den thüringischen Städten beispiellos und selbst auf Reichsebene nicht unbedeutend. Die Vorrangstellung war in besonderem Maße durch die kirchliche Situation der Stadt geprägt, die sich durch eine Vielzahl an Klöstern, Stiften und Pfarreien auszeichnete. Von den Stiftskirchen St. Marien und St. Severi auf dem Domberg nicht nur topographisch, sondern auch hierarchisch überragt, setzte sich die Stadt aus insgesamt 25 Pfarrkirchen mit den dazugehörigen Pfarrbezirken zusammen. Sie standen zwar zumeist unter dem Patronat des Marienstiftes, doch hatte diese Fülle des geistlichen Aufgebotes zur Folge, dass Erfurt wie keine andere Stadt durch seine kirchlichen Institutionen geprägt war.1 Dieser Primat wirkte sich auch auf die schulische Situation der Stadt aus, sodass Erfurt unter den thüringischen Städten und darüber hinaus schon früh einen herausragenden Schulstandort mit weitreichendem Wirkungsbereich darstellte.2 Erstmals fand in Erfurt die Schule des Marienstiftes 1121 ihre Erwähnung. Sie ist somit eine der ersten in Thüringen nachweisbaren Schulen überhaupt.3 Im Laufe der Zeit traten ihr weitere an die Seite, bis die Stadt zum Zeitpunkt der Gründung der Universität in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts über nicht weniger als acht Gelehrtenschulen verfügte. Diese waren sämtlich mit den kirchlichen Institutionen der Stadt verbunden. Neben der genannten Schule des Marienstiftes befanden sich weitere Stiftsschulen am Severistift und am Augustinerchorherrenstift, kurz Reglerstift genannt. Daneben traten die benediktinischen Schulen am Peterskloster und am Schottenkloster, die ebenfalls über das Niveau vergleichbarer Einrichtungen anderer Städte hinauswuchsen, sowie schließlich die Bildungseinrichtungen an den Klöstern der Franziskaner, Dominikaner und Augustinereremiten. 4 Auch andere Klöster werden darüber hinaus Schulen unterhalten haben, doch treten 1

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Die schwer zu überblickende Anzahl der Pfarreien schwankt in der Forschung zwischen 20 und 26. Die Zeitgenossen selbst sprachen zu Beginn der Reformation jedoch von 25 Pfarrkirchen, vgl. StA Erfurt, 1-1/1a-13, fol. 166v. Vgl. auch BEYER, Michaelis (1869), S. 54; TETTAU, Bau- und Kunstdenkmäler (1890), S. 5; OVERMANN, Entstehung (1927), S. 145; TODE, Bauernkrieg (1994), S. 82–84; BENL, Das geistliche Erfurt (1996), S. 54; DERS., Bestandsaufnahme (2008), S. 52. Vgl. LORENZ, Studium generale (1989), S. 7; BÜNZ, Bildungslandschaft (2004), S. 47. Vgl. BIEREYE, Gymnasium (1911), S. 13 f.; LORENZ, Studium generale (1989), S. 9; BÜNZ, Bildungslandschaft (2004), S. 46. Vgl. GRAUERT, Universität (1910), S. 282; SAHLENDER, Gymnasium (1972), S. 133 f.; BÜNZ, Bildungslandschaft (2004), S. 47.

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diese nicht in vergleichbarem Maße in den Vordergrund. Unter den acht genannten Schulen traten im Besonderen die Stiftsschulen und die Schule des Schottenklosters hervor und entfalteten bereits im 13. und 14. Jahrhundert, also noch vor der Begründung der eigentlichen Universität, ein Niveau, das dem einer Universität gleichkam. Ein in der Forschung oft zitierter Brief Karls IV., worin er diese Schulen 1366 als scolae principales bzw. scolae superiores bezeichnete, zeugt von dem Ansehen, das diese Schulen genossen.5 Im Laufe des 13. Jahrhunderts entwickelte sich zwischen ihnen eine Verbindung, welche die einzelnen Schulen zu einem großen einheitlich organisierten Bildungssystem, dem sogenannten Studium generale, zusammenfasste. Im Jahr 1282 wurde diese übergreifende Organisation unter der maßgeblichen Führung des Marienstiftes in einer gemeinsamen Schulordnung, die das ganze Bildungswesen der Stadt regelte und Missbräuchen vorbeugte, verfestigt und manifestiert.6 Auf dieser Grundlage entfaltete das Generalstudium auf einem hohen wissenschaftlichen Niveau eine weitreichende universitätsgleiche Aktivität, die erst mit der Gründung der Prager und schließlich der eigenen Erfurter Universität allmählich zum Erliegen kam.7 Die Entwicklung und Geschicke des Erfurter Studium generale waren bereits vielfach Gegenstand der bildungsgeschichtlichen Forschung. Es erscheint daher als unnötig, an dieser Stelle nochmals darauf einzugehen, zumal die Beisteuerung neuer Ergebnisse zu dem bereits umfassenden Bild unwahrscheinlich wäre. Es sei daher auf die bisherige reiche Forschung des Erfurter Bildungswesens verwiesen.8 Stattdessen soll der Blick der Forschung im Folgenden erstmals vom hohen Gelehrtenschulwesen der Stadt auf das niedere Schulwesen gelenkt werden, das bislang vom Fokus der Forschung hinter das Studium generale und später hinter 5

Vgl. GRAUERT, Universität (1910), S. 250; BIEREYE, Gymnasium (1911), S. 24 f.; GRABThomas von Erfurt (1943), S. 49; LORENZ, Studium generale (1989), S. 17; DERS., Hochschule (1992), S. 125 f.; LINDNER, Schulwesen (2003), S. 32; BÜNZ, Bildungslandschaft (2004), S. 47. Vgl. GRAUERT, Universität (1910); BIEREYE, Gymnasium (1911), S. 20–26; SCHMITT, Schriftsprache (1966), S. 204; LORENZ, Studium generale (1989), S. 20–32; DERS., Hochschule (1992), S. 124 f.; LINDNER, Schulwesen (2003), S. 31; BÜNZ, Bildungslandschaft (2004), S. 47; LINDNER, Ratsgymnasium (2011), S. 19; GRAMSCH, Erfurt (2012), S. 20–24. Vgl. BIEREYE, Gymnasium (1911), S. 29; LORENZ, Studium generale (1989), S. 49–54; DERS., Hochschule (1992), S. 132 f.; DERS., Forschungen (1991), S. 262; BENL, Schulleben (2001), S. 11 f. Insbesondere WEISSENBORN, Hierana (1862); BEYER, Volksschulen (1887); GRAUERT, Universität (1910); BIEREYE, Gymnasium (1911); GRABMANN, Thomas von Erfurt (1943); BOYCE, Erfurt Schools (1949); MEIER, Barfüsserschule (1958); PINBORG, Sprachtheorie (1967); KLEINEIDAM, Wissenschaften (1973); PINBORG, Schulen (1976); KADENBACH, Vorgeschichte (1988); LORENZ, Studium generale (1989); DERS., Forschungen (1991); DERS., Hochschule (1992); BENL, Schulleben (2001); DERS., Wissenschaftszentrum (2001); GRAMSCH, Erfurt (2012). MANN,

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die an dessen Stelle tretende Universität in den Hintergrund gedrängt worden ist. Wie gestaltete sich das Schulwesen in der Vielzahl der Erfurter Pfarreien und welche Alternativen standen der Bevölkerung weiterhin zur Verfügung?

5.1. Ein Erfurter Parochialschulwesen? Während über die Bedeutung des Generalstudiums in der Forschung Einigkeit herrscht, ist das Pfarrschulwesen bislang kaum mehr als angesprochen, und durchweg sehr widersprüchlich behandelt worden. Die Literatur folgte dabei ihrer jeweiligen Tendenz. Während beispielsweise Weissenborn in seinem Anliegen, das Gelehrtenschulwesen herauszustellen, die Meinung vertritt, das Bildungsbedürfnis der Bevölkerung hätte kaum größer sein können, als die Stiftsschulen es zu stillen vermochten,9 konstatiert Beyer, der bemüht war, eine frühe Volksbildung in Erfurter nachzuweisen, ein reiches Netz an Pfarrschulen, das der Vielzahl der Pfarreien völlig gleichkam.10 Ein Großteil der älteren Forschung teilt Beyers Meinung,11 doch wurde hierbei kaum auf Grundlage der Quellen, sondern lediglich anhand der Analogie und des Beispiels anderer Städte argumentiert. Die Existenz von Pfarrschulen galt für das Spätmittelalter als Selbstverständlichkeit, sodass deren Aktivität auch für Erfurt und gerade aufgrund der Größe und Bedeutung der Stadt gar nicht in Zweifel gezogen worden ist. Gemeinplätze und verallgemeinerte Aussagen über Bildungsinhalte und innere Organisation wurden von anderen Städten übernommen und auf Erfurt angewandt.12 Im Folgenden soll daher erstmals eine kritische Quellenbefragung erfolgen, um die Zweifel darüber zu beseitigen, ob es in Erfurt im Spätmittelalter und in vorreformatorischer Zeit ein Pfarrschulwesen gegeben hat. Der maßgebliche Schlüssel zu dieser Frage steckt in einer Urkunde, die der Forschung zwar bekannt ist, sie jedoch vor weitere Widersprüche gestellt hat. Durch den Mainzer Erzbischof Konrad I. ausgestellt, ist die Urkunde selbst zwar undatiert, stammt aber wahrscheinlich aus den 1180er Jahren.13 Sie unterwarf die Schulen der Stadt „gewissen Beschränkungen“,14 so formuliert es Beyers nur vages Urkundenregest. Die ältere Forschung interpretiert die enthaltenen Bestim9 Vgl. WEISSENBORN, Hierana (1862), S. 8. 10 Vgl. BEYER, Volksschulen (1887), S. 5. 11 So bspw. HELLMANN, Anfänge (1895), S. 3 f.; FELDKAMM, Pfarrkirche (1899), S. 105–107; BERTRAM, Kirchenwesen (1910), S. 18; DREIER, Gymnasium (1916), S. 6; SAHLENDER, Gymnasium (1972), S. 135; PANNKE, Ausbildung (1990), S. 22. 12 Besonders deutlich wird dies bei BEYER, Volksschulen (1887), S. 5; FELDKAMM, Pfarrkirche (1899), S. 6; DREIER, Gymnasium (1916), S. 6. 13 Vgl. UB Erfurt I, Nr. 50. 14 Ebd., Nr. 50, S. 22.

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mungen bislang in regelrecht gegensätzlicher Weise. So sieht Dreier darin die Anordnung zur Gründung von Pfarrschulen an allen Kirchen der Stadt und glaubt deren Umsetzung sogleich konstatieren zu können,15 während bereits von Mülverstedt vom Gegenteil, einer Beschränkung der Schulen auf die Stiftskirchen, ausgeht.16 Ganz anders interpretiert Kaemmel, der darin das Verbot von den Unterricht störenden Prozessionen zu erkennen glaubt.17 Der entscheidende und die Zweifel hervorrufende Satz besagt, dass aufgrund von schulischem Missbrauch (abusiones scolarum) angeordnet werde, „ut quemadmodum in aliis ecclesiis ita in prepositura beate Marie in Erford in conventualibus tantum ecclesiis scolarum usus habeatur“.18 Demnach solle im Propsteibezirk des Marienstiftes – wie auch in anderen Kirchbezirken (quemadmodum in aliis ecclesiis) – die schulische Aktivität (usus scolarum) zukünftig nur noch (tantum) auf die Konventualkirchen, gemeint sind Stifte und Klöster, beschränkt werden.19 Eine zweite in der Urkunde enthaltene Bestimmung, dass die Stiftsschulen nur Schüler des eigenen Bekenntnisses (suae professionis) aufzunehmen haben, unterliegt hingegen keinem Zweifel.20 Der historische Hintergrund der Urkunde, das genannte schulische Unwesen, wird nicht näher erläutert und ist der Spekulation überlassen. Im gleichen zeitlichen Rahmen fand jedoch eine weitere Entwicklung statt, die in der Forschung zwar nicht unumstritten ist, mit der hier vorliegenden Bestimmung jedoch in einem engeren Zusammenhang stehen könnte. Durch die spätmittelalterliche Chronistik wird berichtet, dass die Stadt Erfurt bis zum Jahr 1182/83 vollständig in der Pfarrei des Marienstiftes aufgegangen sei und dass es erst in diesem Jahr zur Herauslösung der Erfurter Pfarreien und somit zu einer Einteilung der Stadt in die späteren Pfarrbezirke gekommen sei.21 Setzt man diese Entwicklung – Overmann folgend – als gegeben voraus, könnte der Pfarreieinteilung die Gründung vereinzelter Pfarrschulen gefolgt sein. Ein vergleichbarer Prozess ist zwar in 15 Vgl. DREIER, Gymnasium (1916), S. 5 f. 16 Vgl. MÜLVERSTEDT, Beiträge (1875), S. 9 f. Ihm folgen darin BIEREYE, Gymnasium (1911), S. 22 f. und in neuerer Zeit BENL, Schulleben (2001), S. 12. 17 Vgl. KAEMMEL, Geschichte (1882), S. 45 f. 18 UB Erfurt I, Nr. 50, S. 23. 19 Dieser Interpretation folgt auch das ausführlichere Regest Peter Achts im Mainzer Urkundenbuch, vgl. UB Mainz 2, II, Nr. 673, S. 1097. 20 Vgl. vor allem BENL, Schulleben (2001), S. 12. 21 Vgl. Liber Cronicorum (Erfordensis), S. 249; Chronicon Ecclesiasticum Nikolai de Siegen, S. 339 f.; TETTAU, Bau- und Kunstdenkmäler (1890), S. 6, mit Anm. 1; FELDKAMM, Pfarrkirche (1899), S. 1; OVERMANN, Entstehung (1927), S. 135 f. Aufgrund der fehlenden Nachweise durch Primärquellen und der nachweislich früheren Existenz einzelner Pfarrkirchen widerspricht Bertram dieser Nachricht, vgl. BERTRAM, Kirchenwesen (1910), S. 4 f. Overmann gesteht ihr hingegen anhand der von ihm nachgezeichneten Entwicklung der Erfurter Kirchenlandschaft einen historischen Kern zu, vgl. OVERMANN, Entstehung (1927) insbesondere S. 140 f. u. 145 f.

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anderen Städten, mitunter aufgrund der Quellenlage, erst in späterer Zeit nachweisbar, doch würde er hier der in ihrer Gesamtheit herausragenden Entwicklung der Stadt Erfurt entsprechen. Da im 12. Jahrhundert die gesamte Bildungslandschaft jedoch noch deutlich durch die Stiftsschulen dominiert worden ist, glaubte die Kirche auf bischöflicher Ebene, sich gegen diese Entwicklung zur Wehr setzen zu müssen. Die Herausbildung von Pfarrschulen wurde als abusiones scolarum angesehen, welche die Würde der herkömmlichen Kirche und der kirchlichen Gewohnheit störte (que contra equitatem et probatam consuetudinem inpediebant conventualium ecclesiarum facetam sollempnitatem). Die erzbischöfliche Urkunde wäre somit als Folge der kirchlichen Ausdifferenzierung der Stadt anzusehen. Sie ging nicht nur gegen die Entstehung der Pfarrschulen vor, sondern trug gleichzeitig, indem sie die schulische Aktivität der Stadt auf die Stiftsschulen beschränkte, eine wichtige Voraussetzung zu deren Aufstieg zu dem universitätsgleichen Generalstudium bei: Die Monopolstellung der Stiftsschulen. Es ist offensichtlich, dass im Laufe des 13. Jahrhunderts die zweite Bestimmung der Urkunde, die Schule auf spätere Stiftsgeistliche zu beschränken, nicht mehr eingehalten worden ist. Mit dem wachsenden Bildungsbedürfnis der Bevölkerung wurden die Schulen den Bürgern geöffnet. Bemerkenswert ist, dass dieses Verbot von Pfarrschulen nicht allein für Erfurt, sondern für den gesamten Propsteibezirk des Marienstifts, gemeint ist das Archidiakonat, Geltung haben sollte. Während es jedoch in anderen Städten, in denen keine Stiftsschulen existierten, nach und nach doch zur Herausbildung von Pfarrschulen gekommen ist, bleibt die Frage bestehen, auf welche Weise das erzbischöfliche Verbot in Erfurt, das durch das Generalstudium und später die Universität dominiert worden ist, gehandhabt wurde. Möglicherweise ist es tatsächlich auf die Wirkmächtigkeit des Generalstudiums zurückzuführen oder auch auf die geringe Größe der meisten Pfarreien, welche die Gründung einer eigenen Schule nicht als lohnenswert erscheinen ließ, dass die Frage mit wenigen Worten beantwortet werden kann: In den Quellen existieren keine Hinweise auf ein spätmittelalterliches und vorreformatorisches Schulwesen an den Erfurter Parochialkirchen. Da dies anderorts auf Überlieferungszufälle und Quellenverluste zurückgeführt werden könnte, muss die Aussage mit Rücksicht auf die gute Erfurter Quellenlage spezifiziert werden. Die Quellen, anhand derer in anderen Städten die Aktivität einer Schule deutlich gemacht werden kann, sind in Erfurt in reichem Maße vorhanden. Der überregionale Vergleich überzeugt jedoch durch das völlige und in seiner Absolutheit auffallende Fehlen jeglicher schulischer Spuren in Erfurter Zusammenhängen. Zur Verdeutlichung sei auf die oben bereits skizzierten Altenburger Pfarrschulen an St. Bartholomäi und St. Nikolai verwiesen. Ihre Aktivität ist maßgeblich anhand von zwei Quellengattungen, liturgischen Stiftungen unter schulischer Beteiligung und der kirchlichen Rech-

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nungslegung, nachweisbar, weshalb im Folgenden ausgewählte Erfurter Exemplare dieser Quellengattungen zum Vergleich herangezogen werden sollen. Besonders auffallend ist die große Anzahl der liturgischen Stiftungen an der Kirche St. Andreas, die alle anderen Kirchen weit übersteigt. Allein im Stadtarchiv Erfurt liegen zwölf Stiftungsurkunden über Seelenmessen, Begängnisse und ähnliche geistliche Handlungen. Nicht weniger augenfällig ist die Einheitlichkeit der Urkunden, die alle einer gemeinsamen Formel folgen, den Kirchendienern ihren finanziellen Anteil zuschreiben und ihnen diesen bei Nichteinhaltung der übertragenen Pflichten wieder entziehen. Der Entzug des Präsenzgeldes ist in liturgischen Stiftungen eine nicht überall übliche Vorgehensweise, die hier jedoch in fast jedem Fall aufgenommen wurde. Einzelne Formulierungen, die sich darauf beziehen, legen nahe, dass es sich hierbei um eine spezielle Gewohnheit der Gemeinde handelte, die demzufolge auch in anderen Gemeinden der Stadt keine Entsprechung findet. Die Gleichförmigkeit der Urkunden vermittelt gerade in der Zusammensetzung der Kirchendienerschaft ein vollständiges Bild. Genannt und durch Präsenzgelder bedacht werden der Pfarrer, Vikare und der Kirchner. Als Curd Heimbürge zusammen mit seiner Frau Margaretha 1488 testamentarisch eine Hauptsumme von 48 fl zu einer Seelenmesse stiftete, sollte der Pfarrer aus den Zinsen zwei Schillinge und jeder der Vikare sowie der Kirchner je einen Schilling erhalten.22 Noch im selben Jahr wurde eine weitere Seelenmesse mit einer Hauptsumme von 16 ß durch eine Frau mit dem bezeichnenden Namen Dorothea Schulmeisterin gestiftet, doch findet auch in ihrer Stiftung wie in der des Curd Heimbürge nur der Pfarrer, eine nicht genannte Anzahl von Vikaren und der Kirchner Erwähnung.23 Ob Dorothea Schulmeisterin hingegen ihrerseits aus privater Initiative eine Schule für Mädchen unterhielt, kann höchstens spekuliert werden. In ihrem Umfang herausragend ist schließlich die Stiftung des Hans Heimbürge von 1495. Sie umfasst eine Hauptsumme von 100 fl und macht ihren besonderen Rang selbst im Wortlaut der Urkunde deutlich. Genaue Bestimmungen wurden über die Abhaltung der Messen erlassen, beispielsweise, dass diese ausdrücklich nicht gelesen, sondern gesungen werden sollen. Dem Pfarrer wurde aus den Zinsen ein Präsenzgeld von einem vollen Gulden zugewiesen, doch findet sich auch darin weder die Mitwirkung eines Schulmeisters noch eines Schülers oder schulischen Chores, der anderorts die gesungene Liturgie der Messen innehatte.24 In ähnlich detaillierter Weise wurde über die Hauptsumme einer Seelgerätstiftung der Margarethe Hocherz von 1441 über ebenfalls 100 fl für die Benediktikirche verfügt. Das Geld solle in einer Kiste verwahrt und diese durch vier 22 Vgl. StA Erfurt, 0-0/B 18-18. 23 Vgl. StA Erfurt, 0-0/B 18-19. 24 Vgl. StA Erfurt, 0-0/B 18-25.

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Schlösser gesichert werden. Umfangreiche Richtlinien wurden über die Verwendung der Zinsen erlassen, von denen lediglich der Pfarrer und der Kirchner Präsenzgelder erhalten sollten. Abermals deutet nichts auf eine schulische Teilnahme hin.25 Während in dieser letzten Stiftung kein Vikar genannt und in den oben aufgeführten deren Anzahl nicht ausdrücklich festgelegt wird, kann dem die Seelgerätstiftung der Brüder Siffart und Hans Starcke für die Laurentiikirche gegenübergestellt werden. Sie stifteten 1499 32 a ß, durch deren Zinsen zwar nur kleine Präsenzgelder ausgezahlt werden sollten, dafür aber neben dem Pfarrer und dem Kirchner insgesamt sieben Vikare ihren Anteil erhalten sollten.26 In gleicher Weise wird die Anzahl der Vikare in der testamentarischen Stiftung von Dietrich Berger und seiner Frau für die Allerheiligenkirche von 1464 auf sechs festgelegt. Aus der Hauptsumme dieser Stiftung in Höhe von 55 fl sollten nicht nur der Pfarrer, besagte sechs Vikare und der Kirchner entlohnt, sondern darüber hinaus Lichter entzündet und zwölf arme Menschen vor der Kirchentür mit Almosen versorgt werden.27 Ebenfalls sechs Vikare sollten an der Seelenmessstiftung in Höhe von 32 fl, die Elisabeth Neffen 1509 in derselben Kirche vornahm, beteiligt sein.28 Besonders an der Formulierung dieser letzten Stiftung, dass der Pfarrer sechs Vikare zur Abhaltung der Messe zu sich bitten soll, wird deutlich, in welcher Weise die Geistlichen in der Form eines Chores bei der Liturgie zusammenwirkten. Sie ersetzten damit den in anderen Städten üblichen Schülerchor. Bereits 1451 hatte die Fronleichnamsbruderschaft an der Allerheiligenkirche ein Palium und die Hauptsumme von 30 fl sowie die Zinsen einer ihr selbst dargebrachten Stiftung für vier jährliche Messen gestiftet. Daraus sollten der Pfarrer zwei und der Kirchner einen Schilling erhalten, während der Rest für die Instandhaltung der Kirche aufgewendet werden sollte.29 Die besonders beachtliche Stiftungsurkunde für die Allerheiligenkirche von Heinrich Weynere und seiner Frau in Höhe von 300 ß im Jahre 1465 ist leider so fragmentarisch, dass eine Präsenzgeldzuteilung nicht mehr ermittelt werden kann.30 Im selben Jahr stiftete Heinrich Hug derselben Kirche 18 ß, an deren Zinsen wiederum nur der Pfarrer, der Vikar und der Kirchner, jedoch weder Schuldiener noch Schüler beteiligt werden sollten.31

25 26 27 28 29 30 31

Vgl. StA Erfurt, 0-0/ B 20-18. Vgl. StA Erfurt, 0-1/19-35. Vgl. BA Erfurt, Urkunde Nr. 8. Vgl. BA Erfurt, Urkunde Nr. 18. Vgl. BA Erfurt, Urkunde Nr. 7. Vgl. BA Erfurt, Urkunde Nr. 10. Vgl. BA Erfurt, Urkunde Nr. 11.

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Dasselbe Ergebnis liefert die einzige im Stadtarchiv erhaltene Stiftung für die wohl bedeutendste und personell umfangreichste mittelalterliche Gemeinde der Stadt, die Kaufmännerkirche.32 Hier stiftete Hans Reinsberg 1464 ein Seelgerät und legte die Einzelheiten in einer sorgfältig geschriebenen Urkunde fest. Die Messen wurden vom Pfarrer, den Vikaren und dem Kirchner gehalten, ohne dass die Beteiligung eines Schulmeisters oder Schülers deutlich wird.33 Zwei weitere Stiftungsurkunden können aus dem Kirchenarchiv der Thomasgemeinde ergänzt werden. Hier stifteten der Vikar Johannes Ilmenau 1460 12 ß und zu einem unbekannten Zeitpunkt in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts Gertrud von Neuenburg 24 ß. Beide Stiftungen beschäftigen abermals nur den Pfarrer, einen Vikar und den Kirchendiener und bestätigen damit denselben Befund auch für die Kirche einer Erfurter Vorstadt.34 Obgleich damit bei weitem noch nicht alle Pfarreien abgedeckt und auch die Bestände der Archive noch nicht ausgeschöpft worden sind, sollen diese Beispiele genügen, um auf das auffällige Fehlen jeglicher schulischer Beteiligung aufmerksam zu machen. Weitere Urkunden könnten aus den Beständen des Stadt- und des Bistumsarchivs angeführt werden, doch soll im Folgenden der Blick auf einige der erhaltenen Kirchenrechnungen und Zinsregister gerichtet werden. Zinsregister reichen beispielsweise in der Michaeliskirche bis ins Jahr 1464 zurück. Während die Zinseinnahmen an dieser Stelle keine Auskunft geben, informiert das Register von 1493 erstmals über die Ausgaben der Gemeinde. Darin befinden sich die Präsenzgelder, wie sie durch Stiftungsurkunden der beschriebenen Art festgelegt wurden, in der Praxis wieder. Deutlich ausführlicher wird diese Ausgabenkategorie im folgenden Rechnungsjahrgang 1494, in dem sämtliche gestifteten Messen mit Angaben über die Stifter, die Summen und deren Nutzung aufgeführt werden. Darin ist somit die Gesamtheit der liturgischen Stiftungen repräsentiert, doch findet abermals in keiner der dabei genannten Eintragungen eine schulische Beteiligung Erwähnung.35 Die Reihe dieser Zinsregister zieht sich bis ins 16. Jahrhundert hinein, ohne dass sie einen anderen Befund ergeben.36 Das älteste erhaltene Zinsregister der Kaufmännerkirche stammt von 1486. Es weist bereits in dieser Zeit eine ähnliche Ausführlichkeit und Vollständigkeit in der Aufschlüsselung der Zinsgelder mit ihrem jeweiligen Nutzen auf. Mehrfach wird darin deutlich, welchen Anteil die Kirchendiener aus den gestifteten Messen erhielten, doch blieb die Suche nach schulischer Aktivität auch diesmal ergebnis32 Über die Bedeutung der Kaufmännergemeinde in der Stadt vgl. HAETGE/GOERN, Erfurt (1932), S. 345; WEIß, Bethlehem (1982), S. 78. 33 Vgl. StA Erfurt, 0-0/ B 23-13. 34 Vgl. KA Thomaskirche Erfurt, 313, unfol. 35 Vgl. für beide Jahrgänge AEM Erfurt, II A 18, unfol. 36 Vgl. beispielsweise für die Jahrgänge 1502–08 AEM Erfurt, II B 9, unfol.

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los.37 Gleichermaßen verhält es sich mit einem Zinsregister der Pfarrkirche Martini extra, das jedoch erst aus den frühreformatorischen Jahrgängen 1527/28 stammt und lediglich über die Besoldungen des Propstes des beigeordneten Klosters, des Pfarrers der Pfarrkirche, der Vikare und des Kirchners informiert.38 Aussagekräftige Kirchenrechnungen in langer, wenn auch nicht lückenloser Folge sind schließlich für die Kirchen St. Bartholomäi, St. Wigberti und St. Laurentii überliefert. Sie decken unterschiedliche Zeiträume ab und vermitteln für die jeweiligen Gemeinden einen mitunter recht detaillierten Eindruck in mehr oder weniger großer Ausführlichkeit. Die Kirchenrechnungen der Bartholomäikirche sind die frühesten erhaltenen. Sie setzen bereits in den letzten Jahren des 14. Jahrhunderts ein und reichen mit einigen Lücken bis in die 1470er Jahre.39 Obwohl die Rechnungsführung hier nur auf sehr spärliche Weise beginnt, wird bereits zum Jahr 1403 die personelle Zusammensetzung der Kirchendienerschaft deutlich. Neben dem Pfarrer wirkten ein Kaplan, eine nicht genannte Anzahl Vikare sowie ein Kirchner.40 Dieselbe Aufzählung wird im Jahr 1428 wiederholt,41 bevor ein Kaplan in den späteren Jahrgängen keine Erwähnung mehr findet. Die Ausgaben der Altarleute treten in den Rechnungen erstmals 1402 zunächst nur summarisch neben die Einnahmen, bleiben für etliche Jahre jedoch sehr unregelmäßig. Erst 1417 steigert sich allmählich die Regelmäßigkeit der Rechnungsführung, bis im Jahr 1439 endgültig eine ausführliche Strukturierung eingeführt wurde, die in gleicher Weise bis zum Ende der Überlieferung fast unverändert blieb. Die Rechnungen erscheinen nun deutlich differenzierter, sowohl Einnahmen als auch Ausgaben werden stärker unterteilt und die einzelnen Posten ausführlicher kommentiert. Neben die Präsenzzahlungen, die ausdrücklich dem Pfarrer, den Vikaren und dem Kirchner gezahlt wurden, traten Ausgaben, die als Bau-, Instandhaltungs- und Anschaffungskosten zusammengefasst werden können, zeitweise ergänzt durch Almosen, Ehren- oder Trankgelder. Inhaltlich ändert sich an den Rechnungen, abgesehen von unregelmäßigen größeren Anschaffungen wie einer Altartafel oder neuer Glocken, nur wenig und daher kann wie auch im Fall der Stiftungsurkunden im Vergleich zu Kirchenrechnungen anderer Städte das völlige Fehlen schulischer Hinweise konstatiert werden. Anders als die Rechnungen der Bartholomäigemeinde findet die Überlieferung der Wigbertikirche bereits nach wenigen Jahren zu einer relativen Ausführlichkeit. Durch eine aufgeschlüsselte Rechnungsführung, detaillierte Kommen37 Vgl. KA Kaufmänner Erfurt, H II 1, unfol. 38 Vgl. StA Erfurt, 5/940-13. 39 Vgl. für die Jahrgänge 1390–1429 StA Erfurt, 1-1/10D-29, für die Jahrgänge 1431–39 ebd., 1-1/10D-30, für die Jahrgänge 1440–73 ebd., 5/940-8 und für den Jahrgang 1474–77 ebd., 5/940-54. 40 Vgl. StA Erfurt, 1-1/10D-29, fol. 14v. 41 Vgl. ebd., fol. 111r.

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tierung der einzelnen Beträge und die Bezeichnung der Kirchdienerämter wird für den Zeitraum ab 1488 die Organisation der Gemeinde verdeutlicht.42 Hier finden sich Präsenzzahlungen, Armenspenden und Zinsgelder für gestiftete Messen sowie die Besoldung der Kirchendiener wieder. Unter den letzten werden Pfarrer, Vikare, Kirchner, Frühmessner, Organisten und in späteren Jahrgängen selbst die Orgeltreter aufgeführt. Die übrigen Ausgaben gleichen im weitesten Sinne denen der Bartholomäirechnungen und haben mit diesen auch gemein, dass sich erneut an keiner Stelle ein Hinweis auf einen aktiven Schulbetrieb finden lässt. Die Rechnungen der Laurentiikirche beginnen schließlich nach einer fragmentarischen Überlieferung von 1411 im Jahr 1470 und ziehen sich mit einigen Lücken bis ins 16. Jahrhundert und die Reformationszeit hinein.43 Während die frühen Jahrgänge einige Messen und deren Präsenzzahlungen an die Geistlichen und den Kirchner aufführen und darüber hinaus weitere finanzielle Verpflichtungen der Altarleute, wie die bauliche Instandhaltung des Kirchnerhauses, verdeutlichen, setzt mit dem Jahrgang 1503 eine stärkere Ausdifferenzierung der Rechnungen ein, mit der eine Steigerung der Ausführlichkeit einhergeht. Gleichzeitig beginnt als eigenständige Ausgabenkategorie eine alljährliche Aufzählung sämtlicher der Laurentiikirche dargebrachten Stiftungen und daran anschließend der mit ihnen verbundenen finanziellen Leistungen, die an Genauigkeit und Detailliertheit die Rechnungen der beiden bereits genannten Gemeinen deutlich übersteigt. Im Jahr 1503 betrifft dies 20 liturgische Handlungen, aus deren Einkommen der Pfarrer in 27 einzelnen Auszahlungen über das Jahr verteilt ganze 17 n ß 54 gr erhielt. Der Kirchner und der Organist wurden in gleicher Weise daran beteiligt, erhielten jedoch nur jeweils 1 n ß 36 gr. In gleicher Ausführlichkeit findet sich in den Gemeinen Ausgaben die Jahresbesoldung des Kirchners und des Orgeltreters wieder, ebenfalls werden wie in den oben genannten Fällen Bauund Anschaffungskosten, Zehrungen der Altarleute und Almosen aufgeführt. Die Aktivität einer Schule oder ein Hinweis auf Pfarrschüler finden sich an keiner Stelle. Selbst in Verbindung mit dem Kirchweihfest, das im Altenburger und Arnstädter Fall einen regelmäßigen Anlass zur Verköstigung der Schüler dargestellt hatte, schweigen die Laurentiirechnungen auf bezeichnende Weise. Zuletzt sei jedoch nicht verschwiegen, dass in den damit aufgeführten Quellen an einigen Stellen Schüler vorkommen, die jedoch in keiner erkennbaren Weise mit dem alltäglichen Leben der Gemeinden in Verbindung stehen. Obwohl diese Erwähnungen in einigen Fällen von der älteren Forschung angeführt worden sind, enthalten sie tatsächlich keinen eindeutigen Bezug auf die Existenz von 42 Vgl. für die Jahrgänge 1482–96 und 1502–06 StA Erfurt, 1-1/10D-28.2, für die Jahrgänge 1498, 1499 und 1523 ebd., 1-1/10D-28. 43 Sämtliche erhaltene Rechnungen liegen als Leihgabe der Laurentiigemeinde im Archiv des Bistums, sind jedoch nicht mit Signaturen versehen.

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Pfarrschulen. Am deutlichsten wird dies anhand der Bartholomäirechnungen. Neben einigen Kindern, die wie auch in den Rechnungen der anderen Gemeinden bereits 1402 im Zusammenhang mit Prozessionen erwähnt werden, dabei aber nicht ausdrücklich als Angehörige einer Schule identifiziert werden,44 stehen in mehreren Jahrgängen Schüler, die aus verschiedenen Anlässen kleinere Geldbeträge erhielten. Von besonderem Interesse ist dabei der Schüler, der im Jahr 1418 „zu dem wildin ma[n]ne“45 15 a gr erhielt, was ein gewisses folkloristisches Brauchtum anzudeuten scheint, dabei jedoch in keinerlei Zusammenhang mit dem liturgischen Leben der Gemeinde oder einer Pfarrschule steht. Das gleiche gilt für weitere Erwähnungen, so als beispielsweise im Jahr 1439 ein Schüler von den Altarleuten einen neuen Rock erhielt, 46 wodurch die Almosenpraxis der Gemeinde verdeutlicht, nicht jedoch die Schulzugehörigkeit des Schülers bestimmt werden kann. Möglicherweise kam er von auswärts und besuchte die Stiftsschulen. Während die Teilnahme von nicht eindeutig als Schüler bezeichneten Kindern an Prozessionen durch die Rechnungen der Wigbertikirche ergänzt werden kann,47 finden sich in den Laurentiirechnungen Schüler wieder, die hier schließlich doch einen Anteil an der kirchlichen Liturgie nahmen. Obwohl Feldkamm diese Erwähnungen für die Existenz einer Laurentiischule heranzog,48 müssen auch sie als nicht eindeutig und widerlegbar angesehen werden. In den heute erhaltenen Rechnungen treten erstmals 1514 vier Schüler in Erscheinung, die 12 gr für die Lesung des Psalters am Karfreitag vor dem Heiligen Grab erhielten.49 Ihre Erwähnung zieht sich alljährlich bis 1525 durch die Rechnungen, bis sie 1526 entfällt. Neben der Spärlichkeit dieser Erwähnungen ist es gerade diese zeitliche Begrenzung der Posten, die vermuten lässt, dass die Schüler nicht einer Laurentiischule, sondern der Schule des Reglerstiftes entstammten. Während die Kirchen St. Wigberti und St. Bartholomäi auswärtigen Patronatsherren oder später der Stadt Erfurt unterstellt waren, 50 war die Laurentiikirche dem Reglerstift inkorporiert. 51 Der Anlass der Inkorporation, dem wirtschaftlichen 44 45 46 47 48 49 50

51

Vgl. StA Erfurt, 1-1/10D-29, fol. 13r. Ebd., fol. 70r. Vgl. StA Erfurt, 1-1/10D-30, fol. 40v. Vgl. beispielsweise für 1502 StA Erfurt, 1-1/10D-28.2, fol. 118v und für 1506 ebd., 1-1/10D-28.2, fol. 157v. Vgl. FELDKAMM, Pfarrkirche (1899), S. 108. Feldkamm zitiert aus den Rechnungen der Jahre 1498, 1522 und 1525, von denen die erste heute jedoch nicht mehr erhalten ist. Vgl. BA Erfurt, Bestand Laurentius, Rechnung 1514, unfol. Vgl. für St. Bartholomäi HAETGE/GOERN, Erfurt (1932), S. 245 und für St. Wigberti TETTAU, Bau- und Kunstdenkmäler (1890), S. 240. Während die Wigbertikirche dem Kloster Hersfeld inkorporiert war, wechselte das Patronat der Bartholomäikirche zwischen der Stadt und verschiedenen adligen Familien. Vgl. FELDKAMM, Pfarrkirche (1899), S. 16 u. 123 f.; BERTRAM, Kirchenwesen (1910), S. 4; HAETGE/GOERN, Erfurt (1932), S. 393.

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Verfall des Stiftes entgegenzuwirken, sowie der wiederholte Versuch der Gemeinde, die Selbstständigkeit zu erlangen, wird zu einer zunehmenden Präsenz und einem verstärkten Einfluss der Patronatsherren auf die Entwicklung der Gemeinde geführt haben. Die Erwähnung der Schüler kann in diesem Fall als Anzeichen für die wenn auch nur jährlich einmal nachweisbare Teilnahme des Stiftes am liturgischen Leben der Gemeinde betrachtet werden, was durch deren Abbruch 1526 bestätigt wird. Das Reglerstift fand durch die frühe Reformation bis zu diesem Jahr seinen Niedergang. Bereits seit 1525 wurde die Kirche als evangelische Pfarrkirche genutzt.52 Die Stiftsschule wird das Schicksal des Stiftes geteilt haben, während eine eigenständige Pfarrschule der auch über die Reformation hinaus katholisch gebliebenen Laurentiikirche ihren Dienst nicht oder zumindest nicht dauerhaft eingestellt hätte. Zum Abschluss sei auf zwei herausragende Fälle verwiesen, in denen die Rede von Schülern ist. In beiden Fällen wirft die Erwähnung ein deutliches Licht auf die personellen Verhältnisse der Gemeinden, auch hier jedoch nicht auf die Existenz einer Pfarrschule. Im Jahre 1308 kaufte der Pfarrer der Laurentiikirche Albertus Specht zusammen mit seinem Schüler namens Günther ein Landstück bei Kleinmölsen. Die Güter wurden dem Arnstädter Walpurgiskloster mit der Bedingung übertragen, dass sie nach dem Tod des Stifters in eine Vikarie an der Laurentiikirche umgewandelt werden sollten.53 Im zweiten Fall von 1379 erließ der Erfurter Bürger Johannes von Mainz sein Testament, in dem er zahlreichen kirchlichen Einrichtungen eine Stiftung zukommen ließ. In besonderer Weise kommt dabei die Georgenkirche zur Geltung, da ihr Pfarrer der Beichtvater des Stifters war. Er stiftete der Kirche ein Jahrgedächtnis mit vier Vigilien, für die man dem Pfarrer und „sime schuler“54 ein Präsenzgeld zahlen solle. Insbesondere wurde die namentliche Nennung des Schülers Günther von Feldkamm für die Ersterwähnung einer Laurentiischule gehalten, doch muss dem widersprochen werden. In beiden Fällen wird durch die ausdrückliche personelle Beiordnung des Schülers an einen Pfarrer deutlich, dass es sich nicht um Schüler einer Schule gehandelt hat, sondern um Assistenten des Pfarrers, die von diesem in einer Art Lehrer-Schüler-Verhältnis auf ihr späteres geistliches Amt vorbereitet worden sind.55 Ein gleichartiges Verhältnis ist bereits oben im Altenburger und Mühlhäuser Zusammenhang hervorgehoben und zum Teil durch die gleichzeitige Nennung wirklicher Schüler bestätigt worden.

52 Vgl. OVERMANN, Entstehung (1927), S. 147; HAETGE/GOERN, Erfurt (1932), S. 393; WEIß, Bürger (1988), S. 181. 53 Vgl. FELDKAMM, Pfarrkirche (1899), S. 106, 108 u. 126. 54 UB Erfurt II, Nr. 817. Vgl. auch HAETGE/GOERN, Erfurt (1932), S. 282. 55 Vgl. MÜLVERSTEDT, Beiträge (1875), S. 23 f.

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Die damit dargelegten Quellen konnten längst nicht alle Pfarreien der Stadt beleuchten, doch sollen sie als Anstoß betrachtet werden, Pauschalisierungen und Argumentationen aus der Analogie heraus zu vermeiden. Selbstverständlich gilt dies auch für die hier dargebotene These, dass ein vorreformatorisches Pfarrschulwesen nicht existiert habe. So verschieden die Erfurter Pfarreien sich im Laufe ihres Bestehens gestalteten, sollte davon Abstand genommen werden, die hier gewonnenen Erkenntnisse für die übrigen Pfarreien zu übernehmen. Die Auswahl der hier zum Vergleich herangezogenen Gemeinden ist keine willkürliche, sondern durch die Quellenlage vorgegeben. Sie können lediglich als exemplarische Beispiele dienen, während eine Untersuchung weiterer Kirchen, wie beispielsweise der mit dem Stadtrat in engerer Verbindung stehenden Kirche St. Martini intra, weiteren Forschungen vorbehalten bleiben muss. Wurden gegen die erzbischöfliche Bestimmung Versuche unternommen, Pfarrschulen zu gründen? Welche Entwicklung nahmen derartige Versuche und wodurch wurden sie schließlich vereitelt? Damit in Verbindung steht die noch zu untersuchende Frage, welche Konsequenzen sich hinsichtlich der zahlreichen Pfarreien für die Stiftsschule von St. Marien aus der erzbischöflichen Bestimmung weiterhin ergaben und welche Rolle die zu dem bekannten Niveau aufgestiegene Stiftsschule für die einzelnen Erfurter Pfarreien spielte, die in großer Zahl dem Stift als Hauptpfarrei der Stadt unterstanden.

5.2. Privates Schulwesen in Erfurt Wie in Altenburg ist es in Erfurt in vorreformatorischer Zeit nie zur Gründung einer städtisch getragenen Schule gekommen.56 Dies kann auch hier an der Präsenz der Stiftsschulen gelegen haben, wird jedoch auch durch den städtischen Charakter der Universitätsgründung gefördert worden sein, hinter der das Bedürfnis einer eigenen Schule zurückstand.57 Sowohl das Fehlen einer städtischen wie der Parochialschulen als auch die hohe Aktivität der Stiftsschulen wirkte sich jedoch befördernd auf das Aufkommen Privater Schulen aus, für die Erfurt die besten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen, durch die humanistische Aktivität später auch die kulturellen Voraussetzungen bot.58 Der Chronist Zacharias Hogel berichtet, dass zahlreiche Geistliche privat Schüler unterrichteten und dafür vom 56 Vgl. KAEMMEL, Geschichte (1882), S. 82; BERTRAM, Kirchenwesen (1910), S. 18; GRAUERT, Universität (1910), S. 282; LORENZ, Studium generale (1989), S. 19. 57 Ob Mitglieder einflussreicher Ratsfamilien, die über geistliche Pfründen verfügten, einen indirekten Einfluss auf die Gestaltung des kirchlichen Schulwesens nahmen, ist denkbar, ließe sich aber nur schwerlich nachweisen. 58 Über die Bedeutung des Erfurter Humanismus für die bildungstheoretische Entwicklung vgl. LESANOVSKY, Traditionen (1995), S. 12–15.

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Stadtrat unterstützt und geschützt worden seien.59 Eine solche Betätigung der Geistlichen ist in den Stiften, aber auch an den Pfarrkirchen durchaus denkbar, doch fand sie wie auch die Anteilnahme des Stadtrates in den Quellen keinen Niederschlag. Die Betätigung der Pfarrgeistlichkeit entwickelte sich in den dargelegten Beispielen auch nicht zu einem regelrechten Pfarrschulwesen. Sollten die Pfarrer oder andere Kirchendiener die Kinder ihrer Gemeinde privat unterrichtet haben, verfolgte dies nur den Zweck der elementaren Bildung der Kinder und nicht, wie es der maßgebliche Zweck der Pfarrschulen ist, zur Unterstützung der gottesdienstlichen Liturgie. Welche Rolle ein solcher Unterricht hingegen für die Gemeinden gespielt hat, wird sich nur schwerlich nachweisen lassen. Grundsätzlich muss betont werden, dass die Quellen über das Private Schulwesen, über dessen Ausbreitung und Qualität man sich kaum Vorstellungen machen kann, auch in Erfurt fast vollständig schweigen. Neben den Rechenmeistern, von deren Aktivität lediglich ihre gedruckten Lehrwerke zeugen, findet sich in den Quellen der Name nur eines Schreibmeisters wieder, dessen Wirken und Aufstieg über mehrere Jahre hinweg wenn auch nur schlaglichtartig verfolgt werden kann. Es handelt sich um Johannes Brun aus Würzburg. Der Forschung ist er bislang als Erfurter Schreibmeister bekannt,60 doch kann anhand einiger Erwähnungen sein Aufstieg in einem zeitlichen Rahmen abgesteckt werden. Seine erste Erwähnung fällt nicht, wie die Forschung bislang der Meinung war, in das Jahr 1493, sondern bereits in das Jahr 1484. Aus diesem Jahr stammt nach einer Überlieferungslücke von elf Jahren das erste erhaltene Zinsregister der Michaeliskirche, in dem Johannes Brun als der Kirche zinspflichtig verzeichnet ist. Er wird dabei noch als „Der stul schryb[er] in der arche“61 bezeichnet. Es kann vermutet werden, dass er dieses Amt bereits einige Zeit innehatte, was jedoch durch die Überlieferungslücke nicht spezifiziert werden kann. Von diesem Jahr an zieht sich sein Name durch etliche nachfolgende Zinsregister. 1493 ist er schließlich aus der Arche in das Haus zum bunten Löwen in der Maria-Magdalena-Gasse gezogen und verzinste seit diesem Jahr einen Hof in besagter Gasse und eine Hufe Landes. Mit seinem Umzug ging eine nicht näher nachvollziehbare Auseinandersetzung einher, die zur Folge hatte, dass der weiterhin mit seinem Namen verbundene Zins von einem Anderen gezahlt wurde. Alljährlich wurde in diesem Zusammenhang auf den „lute [Wortlaut] deß briffes derober gegebin“62 verwiesen, doch bleibt das damit angedeutete urkundlich festgeschriebene Geschäft im Dunkeln. Mit seinem Umzug hing wahrscheinlich auch sein beruflicher Aufstieg vom einfachen 59 Vgl. StA Erfurt, 5/100-31, S. 337. 60 Vgl. BEYER, Volksschulen (1887), S. 5; LORENZ, Volkserziehung (1887), S. 70; HELLMANN, Anfänge (1895), S. 7; WATTENBACH, Schriftwesen (1896), S. 488 f.; BLEUMER, „Deutsche Schulmeister“ (2000), S. 94. 61 AEM Erfurt, II A 17, unfol. 62 Ebd.

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Stuhlschreiber zum Schreibmeister zusammen. Mit diesem Amt wird er von den Verrechtbüchern von 1493 und 1510 bezeichnet, die ihn in dem genannten Haus zum bunten Löwen als Erfurter Bürger erfassten.63 Im selben Haus ist bereits vor 1510 eine Druckerei nachweisbar, von der Wattenbach eine Verbindung zu Johannes Brun annimmt. Dennoch sind unter seinem Namen keine gedruckten Bücher, die über seine Arbeit hätten Aufschluss geben können, überliefert. Stattdessen existiert aus seiner Feder eines der seltenen und nur durch Zufall überlieferten Werbeschreiben, mit denen der Schreibmeister seine Dienste als Lehrer in kunstvoll ausgeführter und ornamental ausgestalteter Handschrift anpries.64 Es ist zweisprachig verfasst und hat den folgenden Wortlaut: Informari volentes modis diuersis Scribendi Artificialiter Magistraliter re[gulariter] / formaliter Specialiter Notulam Curiensem prout communiter scribitur in curijs [maiorum et] / minorum Principium Ducum Comitum Baronum Militum etc In super Textum [quadratum] / Rotundum Abscisum etc Pariter eciam in floritura et Illuminatura veniant ad [me Johannem] / Brun de Wirczpurg trahentem moram in domo sita circa sanctum Paulum que sign[ificatur vel] / nuncupatur zu dem bunten lawen Et informabuntur summa cum diligentia secu[ndum diligen]/ciam informandorum precio pro competenti.

Wer yemandes der noch rechter außgemeßener kunst und art lernen wolde [schreyben] / geleichen nach der rechten regulen der Orthographien Text ader Nottel von subti[ler art] / Cancelleysch ader suszt von mancherley namhafftigen Notteln Igliche mit irer und[irscheyd und] / allerley Ercze auß der federn schreyben Vnde uff gutte subtile art Illuminiren unde [.?. kom]/me zu Johanni Brune wonhafftig zcu dem bunten lawen bey sante Maria mag[dalenen und wird] / eyn iglicher gutlich undirweyseth.

Bereits die zweisprachige Ausführung des Textes verweist auf das Niveau der Schreibschule Bruns, die sich nicht allein auf elementare deutschsprachige Leseund Schreibkenntnis beschränkte, sondern den Eindruck von nicht unerheblicher Bildung zu vermitteln suchte. Die größere Ausführlichkeit des lateinischen Satzes, in dem Brun bereits die vielfältigen Facetten seiner Kunst deutlich machte, lässt vermuten, dass sogar das vornehmliche Augenmerk des Unterrichts auf dieser Sprache gelegen haben wird. Was im deutschen Text lediglich als ‚mancherley namhafftige Nottel‘ zusammengefasst wird, erfährt hier eine deutlichere Aufschlüsselung, die nicht allein den eloquenten Anspruch seines Unterrichts, sondern auch dessen Anwendungsmöglichkeiten darlegt. Brun könne seine Schüler 63 Vgl. WATTENBACH, Schriftwesen (1896), S. 489. 64 Das Originalschreiben befindet sich heute in der Universitätsbibliothek Breslau. Es dient einer handschriftlichen Chronik als Deckblatt, wodurch der Text auf der rechten Seite etwas beschnitten wurde. Eine Abbildung befindet sich bei STEINBERG, Writing-Masters (1941) Plate 5. Die folgende Transkription samt den Ergänzungen folgt der Edition von Hartmut Bleumer, vgl. BLEUMER, „Deutsche Schulmeister“ (2000), S. 94.

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lehren, in allen denkbaren Kanzleien, kirchlichen wie weltlichen, von der eines Niederadligen bis zu der eines Fürsten, tätig zu werden. Seine Sorgfalt sowohl hinsichtlich der grammatikalischen Regeln als auch der äußeren Form umschreibt er dabei mit einer ganzen Reihe sich ergänzender Adverbien und betont zudem, dass sein Handwerk sich nicht allein auf das Schreiben, sondern auch auf das kreative Gestalten eines Textes durch ornamentale und florale Verzierung beziehe, was er sogleich anhand seiner eigenen Handschrift vorführte. Johannes Bruns Werbeschreiben bleibt in Erfurt ein Einzelfall der Überlieferung und auch für den ganzen thüringischen Raum könnte höchstens auf Zufallsfunde der weiteren Forschung gehofft werden. Es ist dennoch anzunehmen, dass, wenn die Schule des Johannes Brun eine solche Aktivität entfalten konnte, die gleichen Voraussetzungen auch für weitere Schreibmeister einen ähnlich fruchtbaren Effekt hatten. Darüber hinaus verdeutlicht allein die Existenz eines solch ambitionierten Werbeschreibens den Versuch Bruns, sich gegen eine nicht unerhebliche Konkurrenz durchzusetzen. 65 Das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben der Stadt bildete den geeigneten Hintergrund zur Entwicklung und Entfaltung eines Netzes Privater Schulen, über dessen Ausbreitung und Dichte heute keine Aussagen mehr getroffen werden können. Um zu verdeutlichen, dass sich die Aktivität solcher Schulen nicht allein auf das wenn auch mehrsprachige Schreiben, sondern auch auf das Rechnen ausdehnte, sei an dieser Stelle auf zwei Rechenmeister verwiesen, die ihre Tätigkeit am Vorabend und in den Anfangsjahren der Reformation entfalteten und der Forschung bereits gut bekannt sind. Es handelt sich um Heinrich Schreiber und Adam Ries. Auch sie sind in den Erfurter Quellen nicht greifbar, doch informieren ihre gedruckten Werke darüber, dass sie in Erfurt für einige Zeit Schulen unterhielten. Ihr Wirken und die Herausbildung ihrer spezialisierten Rechenschulen verweisen stärker noch als das Werbeschreiben Johannes Bruns darauf, in welchem Maße das Wirtschaftsleben der Stadt auf die hier vermittelten Kenntnisse angewiesen war.66 Heinrich Schreiber, latinisiert auch Grammateus genannt, wurde zwischen 1492 und 1496 in Erfurt geboren. Zwischen 1507 und 1517 findet er sich in den Matrikeln der Universitäten von Wien und Krakau, wo er 1511 den Grad eines 65 Die bisherige Forschung geht von einer Vielzahl Privater Schulen aus, ohne dass deren Existenz jedoch nachgewiesen werden kann, vgl. BEYER, Volksschulen (1887), S. 5; HELLMANN, Anfänge (1895), S. 7; PANNKE, Ausbildung (1990), S. 22. Zacharias Hogel weiß sogar von Universitätsprofessoren zu berichten, die am Vorabend und zu Beginn der Reformation Private Schulen für die griechische Sprache unterhielten. Diese werden jedoch nur von Studenten besucht worden sein, die sich hier die notwendigen Kenntnisse für das eigene Studium zu erwerben suchten. Vgl. StA Erfurt, 5/100-31, S. 881. 66 Über die Bedeutung Erfurts für die Entwicklung der Mathematik, jedoch mit Fokus auf die Universität vgl. KAUNZNER, Bedeutung (1992).

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Baccalaureus und noch vor 1517 den des Magister Artium erhielt. Die klassischhumanistische Bildung fand schließlich auch einen Niederschlag in seinen gedruckten Büchern, die vielfache Bezüge zu den antiken Vorgängern seiner Zunft aufweisen.67 Innerhalb des deutschen Rechenmeistertums nimmt er eine herausragende Position ein, da er als Erster ein Rechenbuch in deutscher Sprache verfasste und es 1521 in Nürnberg drucken ließ.68 Betont wies er sich im Titel als Magister Artium aus und führte bereits hier alle Anwendungsgebiete seiner Kunst auf. Neben dem kaufmännischen Rechnen betrifft dies die Musik nach dem diatonischen Geschlecht, den Instrumenten- und Orgelpfeifenbau, die Buchhaltung, die Visierrechnung (Volumenberechnung von Hohlkörpern wie Fässern) und die Geometrie. In späteren Veröffentlichungen trat zu diesen Aspekten noch die Astronomie hinzu, doch stellt insbesondere die Aufnahme der Buchhaltung zumal in deutscher Sprache eine Besonderheit und eine Neuheit unter den zeitgenössischen Rechenbüchern dar.69 Obwohl Schreiber sich in diesem Buch bereits als Erfurter bezeichnet, wird damit zunächst nur sein Geburtsort gemeint sein. Einen inhaltlichen Bezug weisen seine Werke erst ab dem dritten Rechenbuch von 1523 auf. Erstmals ließ er dieses in Erfurt bei Matthes Maler drucken und orientierte sich darin an Erfurter Maßen und Gewichten.70 Schreiber, der seine Kunst sowohl der wissenschaftlichen Mathematik als auch, wie er selbst betonte, der Vermittlung an vorrangig junge Neulinge im Rechnen widmete, blieb jedoch nur wenige Jahre in Erfurt, bevor er 1525 zurück nach Wien zog.71 Weitaus bekannter als Heinrich Schreiber, dabei jedoch ohne universitären Hintergrund, ist Adam Ries, dessen Name bis heute im deutschen Sprachgebrauch erhalten geblieben ist. Adam Ries stammte aus Staffelstein, ist dort um 1492 geboren worden und urkundlich erstmals 1509 in Zwickau und 1515 in Annaberg nachweisbar.72 In Erfurt, wo er seine ersten Hauptwerke verfasste und

67 Vgl. ebd., S. 326 f.; DERS., Algebra (1996), S. 27 f.; WEIDAUER, RechenFORTschritte (2008), S. 95. 68 Vgl. SCHREIBER, Ayn new kunstlich Buech. 69 Vgl. RÖTTEL, „Arithmetica applicirt“ (1996); KAUNZNER, Algebra (1996), S. 29; WEIDAUER, Rechenbücher (1996), S. 93 u. 97 f. 70 Vgl. SCHREIBER, Rechenn vnnd Uisyr buechleynn. Der Fokus liegt hier, wie schon der Titel verdeutlicht, besonderes auf der Visierrechnung, die daher auch auf dem Titelblatt neben einer üblichen Darstellung eines Rechentisches als zweite Holzschnittillustration aufgeführt wird. Eine weitere folgt im Verlauf des Buches. Vgl. auch WEIDAUER, Vorwort (1996), S. 9; DERS., Rechenbücher (1996), S. 103. 71 Vgl. KAUNZNER, Bedeutung (1992), S. 327 f.; WEIDAUER, Vorwort (1996), S. 9; DERS., Rechenbücher (1996), S. 97. 72 Vgl. DEUBNER, Adam Ries (1959), S. 21–23; ROCH, Adam Ries (1959), S. 10–14; ROCHHAUS, Adam Ries (2008), S. 21–23.

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drucken ließ, wirkte er von etwa 1518 bis 1522.73 Sein erstes Werk über das Rechnen auf der Linie soll, wie der Titel der zweiten Ausgabe von 1525 angibt, bereits 1518 erstmals gedruckt worden sein, doch ist dieser erste Druck heute nicht mehr nachweisbar.74 Das Werk trägt das Rechenschulwesen bereits im Titel und macht darüber hinaus deutlich, dass Adam Ries, der kein Studium absolviert hat, das Rechnen auf deutlich elementarerem Niveau bestritt als Heinrich Schreiber. Für das Linienrechnen sind Schreib- und Lesekenntnisse nicht zwingend erforderlich. Dass Ries sich selbst des wissenschaftlichen Vorzuges Schreibers bewusst war, brachte er im Vorwort seines Hauptwerkes zum Ausdruck. Demnach habe er sich lange geweigert, ein ausführlicheres Rechenbuch zu schreiben, da Heinrich Schreiber daran bereits gearbeitet habe und durch die Lektüre Euklids die besseren Voraussetzungen dafür habe.75 Dennoch steigerte Ries sein Niveau in seiner zweiten Veröffentlichung, die erstmals 1522 in Erfurt gedruckt wurde und dem Linienrechnen das Rechnen mit der Feder, also das schriftliche Rechnen hinzufügte.76 Trotz oder gerade wegen des elementareren Charakters seiner Kunst, die sich an eine größere Öffentlichkeit wandte, entfaltete Adam Ries im Vergleich zu Heinrich Schreiber und anderen Zeitgenossen eine deutlich stärkere Breitenwirksamkeit. Während Schreiber heute nahezu in Vergessenheit geraten ist, was sich auch in der Forschungslage abzeichnet, wurde Ries noch Jahrhunderte nach seinem Wirken rezipiert und gilt heute als der „Vater des modernen Rechnens“.77 Trotz dieser weitreichenden Wirkung, die in den deutschen Volksmund eingegangen ist, findet sein Wirken als Lehrer und Schulhalter wie auch im Falle Heinrich Schreibers keinerlei Niederschlag in den Erfurter Quellen. Obwohl Adam Ries’ Bücher noch lange Zeit in Erfurt gedruckt wurden, verließ er selbst die Stadt 1522 oder 23 und ging nach Annaberg, wo er seinen beruflichen Aufstieg fortsetzte und den Anspruch seiner Werke steigerte. Durch seine Kontakte zu den Erfurter Humanisten, die er trotz eines fehlenden aka73 Vgl. HELLMANN, Anfänge (1895), S. 7; DEUBNER, Adam Ries (1959), S. 24; ROCH, Adam Ries (1959), S. 16; KAUNZNER, Bedeutung (1992), S. 322 f.; BLAHA, Universität (1996), S. 83; WRIED, Universität (2003), S. 131 f.; ROCHHAUS, Adam Ries (2008), S. 27 u. 33 f. 74 Vgl. RIES, Rechnung auff der linihen. Vgl. auch DEUBNER, Adam Ries (1959), S. 24; ROCH, Adam Ries (1959), S. 16 u. 45; KAUNZNER, Bedeutung (1992), S. 326; ROCHHAUS, Adam Ries (2008), S. 30. 75 Vgl. WEIDAUER, Vorwort (1996), S. 9. 76 Vgl. RIES, Rechnung in zal maß vnd gewicht. Vgl. auch ROCH, Adam Ries (1959), S. 17 u. 46; KAUNZNER, Bedeutung (1992), S. 326; BLAHA, Universität (1996), S. 83; ROCHHAUS, Adam Ries (2008), S. 31; WEIDAUER/GEBHARDT, Adam Ries (2008). 77 ROCHHAUS, Adam Ries (2008). Zu den historischen Hintergründen seines Erfolgs vgl. vor allem DEUBNER, Adam Ries (1959), S. 9 f.; ROCH, Adam Ries (1959), S. 33; DESCHAUER, Das 2. Rechenbuch (2003), S. 9.

EIN SONDERFALL – DIE STADT ERFURT

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demischen Hintergrundes pflegte, kam er schnell mit der Reformation in Verbindung. Offen bekannte er sich jedoch erst in Annaberg zur lutherischen Lehre.78 Zuletzt sei nur am Rande auf einen dritten Erfurter Rechenmeister verwiesen, der an dieser Stelle verdeutlichen soll, dass nicht alle Zeitgenossen ein vergleichbares Niveau entfalteten. Konrad Feme, ein biographisch weitestgehend unbekannter Rechenmeister, ließ bereits 1521 ebenfalls bei Matthes Maler ein Rechenbuch nur sehr geringen Umfangs drucken.79 Es nutzt zur Titelillustration zwar denselben Holzschnitt wie Ries’ erstes Rechenbuch, steht hinter den Werken Schreibers und Ries’ jedoch weit zurück und stellt, trotz zweier weiterer Auflagen, eines der bescheidensten Rechenbücher seiner Zeit dar. Trotz der bereits verbreiteten arabischen Zahlen bediente er sich weiterhin der römischen und beschränkte sich auf die rein elementaren Rechenarten. Dabei versuchte er zwar, sprachlich unbeholfen seine Ausführungen durch eingestreute Verse und Reime aufzulockern, blieb jedoch fachlich anspruchslos und von seinen eigenen Rechenbeispielen überfordert.80

78 Vgl. DEUBNER, Adam Ries (1959), S. 28–31; ROCH, Adam Ries (1959), S. 15 u. 18–20. 79 Vgl. FEME, Eyn gut new rechen buchlein; DESCHAUER, Conrad Feme(n) (2008). 80 Vgl. DESCHAUER, Conrad Feme(n) (2008), S. 119.

6. Schulverbreitung, Schulbesuch und Immatrikulationen vor der Reformation SCHULVERBREITUNG, SCHULBESUCH UND IMMATRIKULATIONEN

Die bisherigen Betrachtungen machten es bereits mehrfach deutlich – der thüringische Raum war um 1500 in einem hohen Maße schulenreich. Etliche Städte verfügten selbst über mehrere Schulen. Hatten Schleiz bei zwei und Arnstadt selbst bei drei Pfarreien zwar jeweils nur eine Schule, richtete sich die Anzahl der Schulen doch meist nach den kirchlichen Institutionen und Pfarreien. So verfügte nicht nur Mühlhausen, sondern auch das deutlich kleinere Stadtroda mit höchstens 1000 Einwohnern über zwei Pfarrschulen. In Gotha, Langensalza und Schmalkalden standen neben den Stiftsschulen je eine und in Eisenach selbst zwei zusätzliche Pfarrschulen. Diese Städte wurden jedoch von dem Schulenreichtum Altenburgs, das bei ca. 3000 Einwohnern1 über mindestens fünf Schulen verfügte, deutlich übertroffen. Lediglich Erfurt hatte mehr Schulen, ist jedoch durch seinen Ausnahmestatus für den innerthüringischen Vergleich wenig maßgebend. Derartige Schulanhäufungen waren freilich nicht die Regel. Die meisten Städte besaßen – zumal das thüringische Siedlungsbild weitestgehend von Kleinstädten geprägt war – eine Schule zur Versorgung der alleinigen Pfarrei. Abermals mit Blick auf die zahlreichen Klein- und Kleinststädte kann aber ebenso konstatiert werden, dass um 1500 kaum eine Stadt noch nicht über eine Schule verfügte.2 Dies gilt selbst bei der hohen thüringischen Siedlungsdichte, die mitunter mehrere Städte geringerer Größe auf engstem Raum nebeneinander aufweist. Apolda, wo bereits 1342 eine Schule nachgewiesen werden kann,3 lag nur jeweils etwa 15 km von Jena und Weimar entfernt. Eine ähnliche Entfernung trennte die Stadt Schmölln, von deren schulischer Entwicklung mehrfach die Rede war, von der genannten schulenreichsten Stadt Altenburg. Ca. 10 km östlich und südöstlich von Neustadt a. d. O. lagen die Städte Auma und Triptis. Während die Schule von Triptis in einer Neustädter Stadtrechnung von 1452/53 Erwähnung findet,4 konnte die Existenz einer Schule von Auma bereits oben etwa für dieselbe Zeit nachgewiesen werden. Ummerstadt, auch heute noch eine der kleinsten Städte des Untersuchungsgebietes, liegt 8 km von Heldburg und 12 km von Coburg entfernt. Eine dortige Schule tritt zu Beginn des 16. Jahrhunderts in den

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1580 wurden in Altenburg 3709 Einwohner gezählt, vgl. MASCHKE, Einwohnerzählung (2007), S. 18. Angesichts des allgemeinen Bevölkerungswachstums des 16. Jahrhunderts kann um 1500 von ca. 3000 Einwohnern ausgegangen werden. Vgl. HERRMANN, Kirchengeschichte I (1937), S. 269; BÜNZ, Schulwesen (2014), S. 225. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Urkunde vom 5. Januar 1342, Nr. 3904a. Vgl. LATh-HStA Weimar, Weimarische Ämter und Städte, Nr. 735, fol. 54r.

SCHULVERBREITUNG, SCHULBESUCH UND IMMATRIKULATIONEN

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Amtsrechnungen von Heldburg in Erscheinung.5 Lobeda, nur 5 km südlich von Jena – heute ein in die Stadt eingewachsener Stadtteil – verankerte die Schule zu Beginn des 15. Jahrhunderts sogar in den Statuten.6 Ebenfalls nur 5 km trennen Ranis von Pößneck und während in Pößneck eine Schule offenbar in hoher Blüte stand, dienten auch in Ranis bereits in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts zwei Schuldiener.7 Als letztes Beispiel sei die Stadt Clingen genannt, wo man sprichwörtlich noch die Kirchenglocken des weniger als 2 km entfernten Greußen läuten hören konnte und wo in den 1470er Jahren ein Kirchner und zu Beginn des 16. Jahrhunderts Schüler und ein Schulmeister in den Rechnungen aufgeführt werden.8 Die Aufzählung könnte fortgesetzt werden, doch soll hier die Bemerkung genügen, dass selbst für einen Großteil jener Städte, deren Schulen durch zeitgenössische Quellen nicht nachgewiesen werden können, eine längere Schultradition anhand der frühen Visitationsprotokolle deutlich wird. Als Ausnahme dieser Regel sei lediglich auf Magdala verwiesen, das jeweils etwa 12 km von Jena und Weimar entfernt liegt. Das erste erhaltenen Visitationsprotokoll stammt hier aus dem Jahr 1533 und enthält keine Hinweise auf die vormalige Existenz einer Schule. Ein zumindest vermeintlicher Nachweis der Ronneburger Schule, der sich an ungewöhnlicher Stelle findet, soll hier nicht vollständig verschwiegen werden. Er stammt aus dem Mirakelbuch der Fronleichnamskapelle von Heiligenleichnam bei Altenburg von 1498. Es wird geschildert, dass ein Schüler aus Ronneburg mit 13 Jahren und nach dreijähriger Krankheit in der Kapelle von seinem körperlichen Gebrechen geheilt worden sei.9 Obgleich es sich hierbei um eine Heiligenund Wundergeschichte handelt, wird die Erwähnung des Ronneburger Schülers als Beleg der vorreformatorischen Schule zu betrachten sein. Es sei jedoch auch auf die in der jüngeren Forschung mehrfach betonte Warnung hingewiesen, aus der ein- oder zweimaligen Erwähnung einer Schule oder eines Schulmeisters nicht umgehend auf die ungebrochene Aktivität eines organisierten Unterrichtswesens zu schließen. 10 In den allermeisten Fällen ist über die Art, die Einrichtung wie die Unterrichtsweise und -ziele der Schule nichts bekannt und insbesondere für die Kleinststädte sollten vereinzelte Hinweise nicht überbewertet werden. Der Versuch, für eine Stadt das Fehlen einer Schule nachzuweisen, birgt hingegen deutlich größere Schwierigkeiten. Entsprechende Selbstaussagen der Stadträte oder Pfarrer sind aus vorreformatorischer Zeit nicht 5

Vgl. LATh-StA Meiningen, Ältere Rechnungen, Abt II, Amtsrechnung Heldburg, 1509/10, unfol. 6 Vgl. KOCH, Lobeda I (1939), S. 26 f. 7 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 1960, fol. 13v. 8 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Rechnungen des Amts/Rentamts Clingen, Nr. 7, unfol. 9 Vgl. KÜHNE, Mirakelbuch (2013), S. 32. 10 Vgl. zuletzt FASBENDER, Einleitung (2014), S. 5.

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überliefert, auch kann in keiner Stadt der genaue Moment einer Schulgründung benannt werden. Zwei Beispiele sollen entsprechende Vermutungen illustrieren, aber auch – selbst bezüglich der ausgeführten These vom Fehlen Erfurter Pfarrschulen – die Unsicherheit des argumentum ex silentio vor Augen führen: In zahlreichen Amtsrechnungen ist die Indienstnahme eines Schulmeisters durch den Amtmann nachzuweisen, wofür üblicherweise auf jenen vor Ort zurückgegriffen wurde. Als aber der Amtmann von Kaltennordheim 1474 einen Schulmeister für einen nebensächlichen Dienst entlohnte, erhielt nicht ein solcher vor Ort, sondern jener von Meiningen einen Obulus von zwei Schillingen. 11 Der Gedanke liegt nahe, dass ein ortsansässiger Schulmeister nicht zur Verfügung stand. Auch die Durchsicht späterer Amtsrechnungen bis 1508 erbrachte keinen Hinweis auf die Dienstbarmachung eines Schulmeisters im Interesse des Amtes und somit für die Existenz einer Schule von Kaltennordheim.12 Freilich erhielt die Ortschaft, obgleich sie schon vorher stadtgleiche Züge besaß, erst im Jahr 1562 das volle Stadtrecht,13 doch liegt dieselbe Überlegung auch im zweiten Fall der vollgültigen Stadt Blankenburg nahe. Im Jahr 1435 bestätigte der Graf Heinrich XXIV. von Schwarzburg-Blankenburg den Geistlichen des Amtes Rudolstadt – genau genommen den Pfarrern von Rudolstadt, Teichweiden, Teichröda, Kirch- oder Unterhasel und Eichfeld – auf deren Bitte die Privilegien seines Vaters und Vorgängers.14 Um ihre Bitte zu untermauern haben die Pfarrer, so die Urkunde, ihre Bereitschaft zur fleißigen Abhaltung von Vigilien und Gedächtnismessen zugunsten der schwarzburgischen Vorfahren erklärt. Heinrich kam ihrer Bitte nach, bestätigte die alten Privilegien und stellte die Geistlichen unter seinen Schutz. Im Gegenzug wurden die Pfarrer verpflichtet, mit sämtlichen Messnern, Vikaren und Kaplänen der genannten Ortschaften nach Rudolstadt zu kommen, um in der dortigen Pfarrkirche „den Montag als man Zehintage gefastet had“15 eine Vigilie und am darauffolgenden Dienstag jeder eine Seelenmesse für Heinrichs verstorbenen Vater und dessen Vorfahren zu singen. Die Bedeutung dieser Messen wird durch die hinzugefügten Strafandrohungen bei Vernachlässigung der Pflichten deutlich, die von der Lieferung von Wachskerzen bis zum Kirchenbann reichten. Eine Einbindung der Schuldiener in die Abhaltung der Messen war selbstverständlich, wurde jedoch, wie es in derartigen Stiftungsurkunden üblich war, gesondert betont. Die Begängnisse sollten unter der An11 Vgl. LATh-HStA Weimar, Rechnungen, Nr. 7067, fol. 14v. 12 Vgl. LATh-HStA Weimar, Rechnungen, Nr. 7069. Visitationsprotokolle, aus denen man Schlüsse auf die vorreformatorische Zeit ziehen könnte, existierten für Kaltennordheim nicht. 13 Vgl. HESSELMANN, Stadtrecht (1995), S. 29. 14 Die Urkunde ist in einer modernen Abschrift überliefert, vgl. LATh-StA Rudolstadt, Hessesche Collectaneen, 5a Nr. 3, fol. 7r–9v. 15 Ebd., fol. 8r.

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wesenheit „der Schulmeyster mit den schulern vnd der Kirchener“16 gehalten werden. Zwei Jahre später, 1437, wandte sich die Geistlichkeit des benachbarten Amtes Blankenburg an den Grafen und schloss sich der Bitte der Rudolstädter Geistlichen an. Zwar bestehe hier keine Notwendigkeit zur Bestätigung der Privilegien, doch hatte das vorausgegangene Beispiel aus Rudolstadt den Wunsch nach einer gleichberechtigten Behandlung aller Geistlichen erzeugt. Tatsächlich entsprach der Graf auch hier den Wünschen der Pfarrer und ließ ihnen eine entsprechende Urkunde ausstellen. 17 Abgesehen von den darin geschilderten Hintergründen entspricht sie inhaltlich genau der zwei Jahre zuvor erlassenen Urkunde, enthält die gleiche Festlegung der Messen und die Strafandrohungen der Wachslieferung und des Bannes. Die einzige Abweichung bildet – abgesehen von einer Anpassung an die lokalen Umstände – die Auslassung jener zitierten Worte über die Beteiligung der Schulmeister an den Begängnissen. Ein Verzicht auf deren Anwesenheit ist insbesondere für eine gräfliche Anordnung von so großer Bedeutung nicht wahrscheinlich. Es könnte also vermutet werden, dass Blankenburg, anders als Rudolstadt, 1437 noch nicht über eine Schule verfügte.18 Das Schweigen der Quelle darf allerdings nicht zu hoch bewertet werden – eine Überlieferung aus anderer Provenienz scheint ihr zu widersprechen. Eine im Stadtarchiv Mühlhausen überlieferte Handschrift, die unter anderem ein Vocabularius brevilogus enthält, entstand um 1406/07 nach der Auskunft des Schreibers Eberhard Springer in Blankenburg und scheint einem schulischen Umfeld entsprungen zu sein.19 Es wird dadurch möglicherweise ein Blankenburger Schulbetrieb repräsentiert, der anderweitig nicht nachweisbar ist. Keinerlei Auskunft erteilen die Quellen über die Frequentierung der Schulen in vorreformatorischer Zeit. Einzelne Indikatoren, wie die mitunter hohe Anzahl der Schuldiener oder notwendige bauliche Erweiterungen der Schulen zur Steigerung ihrer Kapazität lassen einen starken Zulauf vermuten, doch konnten bislang keine definitiven Zahlen ermittelt werden. Lediglich ein einziger Hinweis über die Frequentierung einer Schule liegt für die Stadt Schmalkalden vor, bleibt jedoch vage. Hier wurden wie bereits erwähnt die Schüler der Stifts- wie der Pfarrschule vom Stadtrat im 15. Jahrhundert an einer städtischen Brot- und Heringspende beteiligt. Da jedoch im Jahr 1478 die Heringe nicht ausreichten und nicht alle Schüler versorgt werden konnten, verzeichnet die Stadtrechnung an dieser Stelle die Anzahl der Schüler, die statt mit Brot und Heringen mit einer Geld16 Ebd., fol. 9r–v. 17 Vgl. ebd., fol. 10r–12v. 18 Die bislang anerkannte Ersterwähnung der Schule fällt ins Jahr 1456, vgl. GOß, Schulwesen I (2004), S. 9. 19 Vgl. SCHIPKE/HEYDECK, Handschriftencensus (2000), Nr. 396, S. 205. Für den Hinweis und die Einschätzung als Schulhandschrift gebührt Herrn Professor Dr. Fasbender herzlicher Dank.

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zahlung versorgt wurden. Dem „Schulmeister zcu der pfarre“ wurde 1 ß 6 ½ gr ausgezahlt, „vor 1 c vnd ii heringe, vo[n] hundirt vnd zweye[n] Iunge[n] synd schüler den broth gegeben wart vnd keyn hering als decz am letzte[n] gebrache“. Desgleichen folgt dieselbe Angabe über die Stiftschüler. Hier erhielt der Schulmeister 7 ½ gr „fur xxx heringe als ettliche[n] sine[r] Iunge[n] heringe wart vnd den and[er]n gelt dafur“.20 Wird die letzte Zahl von 30 Heringen für vermutlich ebenso viele Schüler nur einen kleinen Anteil der Stiftsschüler repräsentieren, gibt die Zahl der Pfarrschüler einen umso bemerkenswerteren Eindruck vom Umfang der Schmalkaldener Pfarrschule in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Auch hier umfasst die genannte Zahl von 102 Schülern noch nicht die gesamte Schülerschaft, sondern lediglich jene, für welche die Heringe nicht ausreichten. Wie viele Schüler mit Heringen versorgt wurden, geht aus der Rechnung nicht hervor, doch wird die Gesamtschülerzahl allein der Pfarrschule weit über der Einhundertmarke gelegen haben. Von einer Schulpflicht kann freilich im gesamten Bearbeitungszeitraum und darüber hinaus keine Rede sein. Die Entscheidung über den Schulbesuch oblag den Bürgern selbst und in bestimmten Situationen, so etwa der wirtschaftlichen Notlage einer Familie, in der die Arbeitskraft des Schülers im eigenen Haus benötigt wurde, war es nicht ratsam, ihn zu entbehren.21 Dass der Stadtrat bedürftigen Familien selbst vom Schulbesuch abriet, hatte das Beispiel der oben erwähnten Erfurter Bettelordnung bereits belegt. Dennoch kann auch für das Spätmittelalter ein grundsätzliches Verständnis für die Bedeutung zumindest einer elementaren Schulbildung bei den Stadträten vorausgesetzt werden. Die Bemühungen, auch mittellosen Kindern durch finanzielle Begünstigungen und Bevorzugungen den Schulbesuch zu ermöglichen, sind oben bereits dargelegt worden. Doch selbst über diese passive Maßnahme hinaus kann der Versuch einer aktiven Einflussnahme der städtischen Obrigkeit auf die Entscheidung der ausreichend vermögenden Bürger konstatiert werden. Ein möglichst reger Besuch der Schulen sollte zumindest eine elementare Bildung in weite Kreise der städtischen Bevölkerung bringen. Die entscheidende Gelegenheit, in der ein Stadtrat seinen Einfluss geltend machen konnte, fiel auf den Moment, in dem ihm ein Mitspracherecht zur leiblichen und wirtschaftlichen Versorgung eines unmündigen Kindes gewährt wurde – in Fragen von Erbschaften, Erbteilungen und postumen Vormundschaften. Derartige Anlässe werden nicht allzu häufig gewesen sein, doch sind die städtischen Kopial- und Handelsbücher dennoch reich an Beispielen. Insbesondere die Archivrecherchen in Mühlhausen, Pößneck und 20 Für alle drei Zitate StA Schmalkalden, B II/1-32, fol. 9v. 21 In späteren Visitationsprotokollen wird häufig die Klage erhoben, dass die Kinder lediglich im Winter die Schule besuchten und im Sommer auf dem Felde helfen müssten (Kap. II. 6.8.1.). Es ist anzunehmen, dass ähnliche Verhältnisse auch schon vor der Reformation gängig waren.

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Weimar brachten angesichts der guten Quellenlage einige derartige Fälle hervor. Da sie in ihrer Form einander stets ähneln und sich lediglich anhand der individuellen Verhältnisse unterscheiden, sollen hier einige Beispiele genügen. So wurde einem jungen Mühlhäuser Bürger 1451 anlässlich der Erbteilung seines väterlichen Gutes unter den beiden Söhnen des Verstorbenen vom Stadtrat als Bedingung die Pflicht zugewiesen, seinen noch unmündigen Bruder für drei Jahre zu versorgen, „an der Kost mit cleidern vnd zcu der schule […] zcu hald[en]“.22 Dieselbe Anordnung findet sich 1493 in einer Vormundschaftsregelung durch den Pößnecker Stadtrat, der die Zeit der Versorgung und des Schulbesuchs – vermutlich durch das geringere Alter des Schülers bedingt – auf zunächst fünf, per Nachtrag jedoch auf sechs Jahre ausdehnte. Die Wortwahl entspricht fast wörtlich der Mühlhäuser Entscheidung: Er solle „sein[en] stiffsonn v sechs Iar mit moglich[e]r cleydung vnd leybes narung vorsorgenn vnd zur Schule haldenn“.23 Es wird in ähnlichen Zusammenhängen jedoch auch deutlich, dass nicht alle Kinder in den Genuss der Schulbildung kamen. Mitunter wurde selbst innerhalb der Familien eine Auswahl unter den Kindern getroffen, was vermuten lässt, dass bereits im Kindesalter über eine gelehrte, möglicherweise eine geistliche Laufbahn einzelner Kinder entschieden wurde. Eine Anordnung des Pößnecker Stadtrates von 1469 verpflichtete einen Stiefvater zwar zur Versorgung seiner drei Stiefkinder mit Kleidung und Nahrung, ergänzte dies jedoch durch die Worte, dass er „besundernn dem schuler“ 24 für sechs Jahre das Schulgeld zu finanzieren habe.25 Das Universitätsstudium wurde, auch wenn es in diesem Fall nicht ausdrücklich angesprochen wurde, durchaus als Option zur Fortsetzung der wissenschaftlichen Ausbildung angesehen. In einem weiteren Beispiel wurde diese Möglichkeit ausdrücklich in Aussicht gestellt. 1503 wurde abermals ein Stiefvater vom Pößnecker Stadtrat angewiesen, seine sechs Kinder für vier Jahre leiblich und mit Kleidung zu versorgen. Lediglich den ältesten Sohn betreffend wurde spezifiziert, dass er ihm „Ides Iare drey schock In die schule zw zceru[n]ge geben“ sollte. Der betreffende Schüler besuchte demnach eine auswärtige Schule und war statt auf eine Unterbringung und Speisung im stiefväterlichen Haus auf eine finanzielle Unterstützung angewiesen. Daran anschließend wurde die Möglichkeit des Universitätsbesuches während der veranschlagten Frist berücksichtigt, was bemerkenswerterweise mit einer Benachteiligung des betreffenden Schülers verbunden war: „Wurdde der selbie [!] auff das studiu[m] zihen, was er dan dar auff Id[es] Iaer Meher wa[nn] drey schock vorzceren, sal Im das vbrige an seyner hewpt su[mm]a der teylu[n]ge ab22 StA Mühlhausen, 10/X 1-8, Nr. 7, fol. 2v. 23 StA Pößneck, B I 2, Nr. 1, fol. 177r. Die zunächst geschriebene römische Fünf wurde noch während des Schreibens gestrichen. 24 Ebd., fol. 107v. 25 Ob hingegen die anderen beiden Kinder Mädchen waren, geht aus dem Schiedsspruch nicht hervor.

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gehen“.26 Der Stiefvater sollte demnach den Studenten weiter finanziell unterhalten, den Überschuss über die 3 ß jedoch nicht aus seiner Tasche, sondern aus dem Anteil des Studenten am väterlichen Erbe beziehen. Dieselbe Vereinbarung wurde in einem letzten hier vorzustellenden Beispiel getroffen. In Weimar wurde 1513 Antonius Rudolff zur Unterhaltung seiner drei Stiefkinder angewiesen, wobei der einzige Knabe namens Blasius mit der jährlichen Unterhaltssumme von bemerkenswerten 20 ß zum Besuch einer Schule versehen werden sollte – „was er aber vber das bedorfftigk sal Ime an seinem erbteil abgezcogen vnd gerechnet werden“.27 Als berufliche Perspektive wurde jedoch nicht das Studium, sondern die Ausbildung in einem Handwerk angesprochen, die sein Stiefvater ihm unentgeltlich – vermutlich in seinem eigenen Handwerk – zukommen lassen sollte. Blasius entschied sich jedoch für das Studium. Während sich die beiden Pößnecker Schüler, denen ausdrücklich oder impliziert die Möglichkeit des Studiums zugestanden wurde, zumindest in den Matrikeln der mitteldeutschen Universitäten Erfurt, Leipzig und Wittenberg nicht nachweisen lassen, wurde Blasius am 16. Oktober 1521 in Wittenberg immatrikuliert.28 Es handelt sich bei ihm um keinen Geringeren als um Blasius [Basilius] Monner, der 1524 unter Friedrich Myconius erster Schulmeister der neu gegründeten reformatorischen Schule von Gotha und später als Doktor der Rechte kurfürstlicher Rat und Prinzenerzieher werden sollte (Kap. II. 6.1.). Eine eingehendere Betrachtung der Matrikeln erbringt nicht nur für die Universitäten selbst, sondern auch für das lokale Schulwesen und die Leistungen der städtischen Schulen aufschlussreiche Ergebnisse. 29 Der Fokus der bisherigen Matrikelforschung nahm stets – als Disziplin der Universitätsgeschichte völlig selbstverständlich – eine universitätszentrierte Perspektive ein, indem sie sich auf die Gesamtfrequenzen einzelner Universitäten konzentrierte.30 Stadt- bzw. herkunftszentrierte Betrachtungen über die Immatrikulationsfrequenzen ausgewählter Orte sind bislang selten geblieben.31 Eine solche Untersuchung soll im 26 27 28 29 30

Für beide Zitate StA Pößneck, B I 2, Nr. 1, fol. 209v. StA Weimar, HA, I-1-50a, fol. 6r.  Vgl. FÖRSTEMANN, Album (1841), S. 108. Vgl. dazu BÜNZ, Schulen (2009), S. 16. Vgl. vor allem EULENBURG, Frequenz (1904) sowie SCHWINGES, Deutsche Universitätsbesucher (1986). 31 Beispiele für einzelne Städte beschränken sich auf die Aufzählung der immatrikulierten Studenten an einzelnen Universitäten, vgl. HOFMANN, Studierende (1903); JORDAN, Verzeichnis (1904); SEYFART, Studenten (1938). Den Anfang einer eingehenderen Untersuchung aus herkunftszentrierter Perspektive machte 1986 R. Ch. Schwinges. Ihm folgten Bünz und Lang, die eine solche Untersuchung auf vorbildliche Weise für Zwickauer Schüler unternahmen, und erst kürzlich Linda Wenke Bönisch für den mitteldeutschen Raum, die aber einen späteren Zeitraum, das späte 16. und 17. Jahrhundert bearbeitete. Schwinges und Bönisch machten dabei jedoch nach wie vor die Universitäten und Fürs-

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Folgenden für den Zeitraum von 1400 bis 151932 anhand der im Mittelpunkt dieser Arbeit stehenden und einiger weiterer ausgewählter Städte in Angriff genommen werden. Analysiert werden dabei die Matrikeln der drei für den mitteldeutschen Raum maßgeblichen Universitäten Erfurt, Leipzig und Wittenberg.33 Zunächst müssen jedoch einige Schwierigkeiten und die Grenzen einer herkunftszentrierten Matrikelanalyse betont werden. In erster Linie ist sie auf die Informationsfreudigkeit der Matrikeln angewiesen. Für gewöhnlich wurde die Herkunft der Studenten verzeichnet, doch ergibt eine genauere Durchsicht der Matrikeln, dass diese Praxis nicht konsequent durchgeführt wurde. Insbesondere wurde in der Erfurter Matrikel die Herkunftsangabe erst ab den 1430er Jahren allmählich etabliert, was sich in den Ergebnissen der folgenden Untersuchung deutlich niederschlagen wird. Der vermeintlich zu konstatierende Aufschwung der Immatrikulationen Erfurter Bürgerskinder ist demnach lediglich der Ausführlichkeit der Matrikel und nicht einem tatsächlichen Anstieg zuzuschreiben. Gleichzeitig können weitere Immatrikulationen aus anderen Städten im selben Zeitraum vermutet, aber nicht nachgewiesen werden. Obgleich die Herkunftsverzeichnung ab den 1430er Jahren regelmäßiger und schließlich zumeist üblich wird, bleibt sie auch darüber hinaus mitunter weiterhin lückenhaft. Größere Lücken finden sich insbesondere in den Jahren 1438 und 39, 1451–54 und 1466. Darüber hinaus ist in vielen Fällen eine zweifelsfreie Identifikation der Herkunftsangaben nur schwer oder nicht möglich. Neben den Wandlungen verschiedener Ortsnamen über die Jahrhunderte gilt dies insbesondere für die Existenz mehrerer Städte desselben Namens.34 In der folgenden Analyse mussten daher einige Städte unberücksichtigt bleiben, für die eine derartige Untersuchung wünschenswerte Ergänzungen erbracht hätte. Dazu zählen neben Langensalza, tenschulen zum Zentrum der Untersuchungen, vgl. SCHWINGES, Deutsche Universitätsbesucher (1986), S. 222–260; BÜNZ/LANG, Schüler und Studenten (2011), S. 52–65; BÖNISCH, Matrikeluntersuchung (2013), S. 382–399. Zu einer allgemeinen regionalbezogenen Herkunftsanalyse der Erfurter Matrikel vgl. zudem SCHWINGES, Universitätsbesucher (1995), S. 213–222. 32 Das Jahr 1520 wurde aus praktischen Gründen noch nicht berücksichtigt, handelt es sich bei dem hier angegebenen Zeitraum durch die Erfassung des Jahres 1400 (des Nulljahres) um einen Zeitraum von 120 Jahren. Ein Zeitraum von 121 wäre graphisch in Fünfjahresschritten nicht darstellbar gewesen. Das Jahr 1520 wird in der Fortsetzung der Betrachtung im zweiten Teil der Arbeit als Nulljahr berücksichtigt werden. 33 Die Untersuchung erfolgte anhand der maßgeblichen Matrikeleditionen, vgl. FÖRSTEMANN, Album (1841); WEISSENBORN, Acten I (1881); DERS., Acten II (1884); ERLER, Matrikel (1895); DERS., Promotionen (1897). 34 Anhand der Matrikel von Köln vgl. SCHWINGES, Deutsche Universitätsbesucher (1986), S. 222–230. Anhand der Matrikel von Jena vgl. auch RASCHE, Universitätsmatrikeln (2000), S. 33–35.

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für dessen Schule bereits in den 1420er Jahren ein ‚universitätsähnlicher‘ Unterricht konstatiert wurde, und Blankenburg, für das eine Schulgründung erst nach 1437 vermutet wurde, Städte wie Stadtilm, Lucka, Stadtroda oder Neustadt. Schließlich müssen jedoch auch die Ergebnisse der möglichen Untersuchungen mit Vorsicht betrachtet werden. Nicht zuletzt erfahren die Immatrikulationszahlen durch eine unbestimmte Anzahl von Mehrfachimmatrikulationen eine ungewisse Reduzierung. Die oben für das Schulwesen thematisierte Bildungswanderung war im studentischen Milieu nicht minder stark ausgeprägt und führte dazu, dass ein Student mehrfach in den Matrikeln verschiedener Universitäten auftreten kann. Für die vorliegende Untersuchung konnte dieser Faktor nicht berücksichtigt, muss bei der Beurteilung jedoch bedacht werden.35 Es ist selbstverständlich, dass Erfurt unter den vier im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit stehenden Städten auch hinsichtlich der Immatrikulationsfrequenzen eine herausragende Rolle spielte (Diagr. 9). Nicht nur war es die mit Abstand bevölkerungsreichste Stadt des Untersuchungsraumes, auch war die eigene Universität praktisch vor Ort, was die Schwelle der Entscheidung für eine Immatrikulation deutlich herabsetzte. Eine Art Universitätsreife, eine absolvierte Mindestschulzeit oder für den Universitätsbesuch vorausgesetzte Kenntnisse waren in vorreformatorischer Zeit nicht festgeschrieben. Der Übergang zwischen Lateinschule und Universität war, insbesondere in Erfurt, wo bereits vor der Gründung der Universität hochentwickelte Lateinschulen bestanden, äußerst fließend und etliche ‚Schüler‘ erwarben sich selbst das elementare Wissen nicht an der Schule, sondern an der Artistenfakultät der Universität.36 Es überrascht daher nicht, in Erfurt Zahlen vorzufinden, die im Jahr 1455 bei 25, 1476 bei 27 und 1481 selbst bei 39 Immatrikulationen lagen. Andere Universitäten wurden dahingegen in nur geringem Maß von Erfurtern besucht. In Leipzig wurden in den Jahren 1454 und 1478 und in Wittenberg 1503 jeweils nur fünf Studenten immatrikuliert. Diese Zahl wurde lediglich in einem Fall überschritten, der sich jedoch gut durch eine Zäsur der Erfurter Stadtgeschichte erklären lässt. Die Unruhen des sogenannten Tollen Jahres 1509 brachten für die gesamte Immatrikula35 Ein weiterer jedoch eher nebensächlicher Faktor sei ebenfalls erwähnt. Die Matrikeln verzeichnen die Immatrikulationen der Studenten nicht im Rhythmus der Kalenderjahre, sondern nach Semestern. Da die Wintersemester damals wie heute über den Jahreswechsel hinausgingen, ist die Ermittlung der Kalenderjahre insbesondere für die Frühzeit schwierig oder nicht möglich und musste für einzelne Fälle eher vage abgeschätzt werden. In der folgenden Darstellung wie in den Diagrammen kann es demnach um die Jahreswechsel zu einzelnen Verschiebungen kommen, die jedoch nicht sehr schwer ins Gewicht fallen, da sich die Ungewissheit auf wenige Monate im Jahr beschränkt und den darzustellenden Trend somit kaum beeinflusst. 36 Vgl. GRAMSCH, Führungsgruppen (2007), S. 152–157, insbesondere S. 156; WEJWODA, Artistenfakultät (2014), hier S. 40 f. u. 49.

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tionsfrequenz der Erfurter Universität einen Einbruch mit sich. Die Betrachtung des Universitätsbesuches gebürtiger Erfurter gibt nun Aufschluss über die Konsequenzen der sozialen Spannungen. Die Anzahl von 20 Immatrikulationen im Jahr 1507 und 14 im Jahr 1508 sank 1509 auf acht und 1510 auf nur noch sieben Neueinschreibungen an der Erfurter Universität herab. Die Frequenz gebürtiger Erfurter an der Leipziger Universität erfuhr parallel dazu einen Anstieg, der die Zahlen von zwei Immatrikulationen 1508 auf vier 1509 und 20 im Jahr 1510 anhob. Zwei Ursachen können für diese Verschiebung vermutet werden. Nicht nur wandten sich einige neueinzuschreibende Erfurter von der eigenen Stadt ab, auch ist anzunehmen, dass mancher Student vor den sozialen Unruhen seiner Heimatstadt floh und sein Studium in Leipzig fortzusetzen gedachte. Das Immatrikulationstief des Tollen Jahres währte jedoch nicht lang. Bereits das Jahr 1511 brachte einen neuerlichen Anstieg der Immatrikulationen an der heimischen Universität, der 1512 schließlich wieder einen Wert von 15 erbrachte und somit auf dem ursprünglichen Niveau lag. Die Abfolge der Immatrikulationen Erfurter Studenten in Leipzig brach nach dem Höhepunkt des Jahres 1510 hingegen wieder vollständig ab. 1511 wurde erstmals nach acht Jahren kein Erfurter Student mehr in Leipzig eingeschrieben. Die erst 1502 gegründete Wittenberger Universität spielte für die Erfurter Studenten nur eine nachgeordnete Rolle. In den ersten zwei Jahren ihrer Existenz wurden zwar insgesamt neun gebürtige Erfurter in Wittenberg immatrikuliert, was möglicherweise mit dem Reiz neuer Möglichkeiten durch die neue Universität erklärt werden könnte, doch ging dieser Trend praktisch umgehend zurück. Die Jahre von 1505 bis 1519 erbrachten lediglich zehn weitere Immatrikulationen gebürtiger Erfurter. Der Anteil der Immatrikulationen Erfurter Studenten in Leipzig und Wittenberg betrug im gesamten Untersuchungszeitraum letztlich gerade einmal ca. 11 %. Die Reichsstadt Mühlhausen war nach Erfurt mit ca. 8000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Thüringens. Dies wirkte sich selbstverständlich auf die Gesamtfrequenz der Immatrikulationen aus, doch blieb die Reichstadt auch oder gerade unter der Berücksichtigung dieser unterschiedlichen Größenverhältnisse deutlich hinter Erfurt zurück (Diagr. 19). Die Unverhältnismäßigkeit erklärt sich durch die Zahl jener oben genannten Erfurter Studenten, die den Universitätsbesuch dem Schulbesuch als Alternative vorzogen und nicht zwangsläufig universitäre Gelehrsamkeit anstrebten. Erst die Mühlhäuser Immatrikulationsfrequenz erbringt somit ein realistisches Bild städtischen Universitätsstrebens vor der Reformation. Anders als in Erfurt ist die jährliche Folge der Immatrikulationen Mühlhäuser Studenten daher auch von etlichen Lücken durchsetzt. Zwischen 1400 und 1490 fallen 23 Jahre, die ohne die nachweisliche Immatrikulation Mühlhäuser Studenten an den drei mitteldeutschen Universitäten verliefen. Erst

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1498 begann eine bis 1522 anhaltende Phase alljährlicher, wenn auch mitunter nur einzelner Immatrikulationen. Der Untersuchungszeitraum begann für Mühlhausen mit einem ersten Höhepunkt. In den Jahren 1400 und 1404 wurden jeweils sechs Mühlhäuser Studenten in Erfurt immatrikuliert. Der Trend setzte sich jedoch nicht nachweislich fort. Erst in der Mitte des 15. Jahrhunderts ist für etwa anderthalb Jahrzehnte ein scheinbarer (!) Anstieg der Immatrikulationen zu verzeichnen. Während dieser allerdings noch mit der oben betonten Lückenhaftigkeit der Herkunftsangaben in der Erfurter Matrikel zu erklären sein wird, ist die ab den 1460er Jahren zu konstatierende Reduzierung der dortigen Immatrikulationen auf einen tatsächlichen Rückgang zurückzuführen. Er wurde teilweise durch eine stärkere Inanspruchnahme der Leipziger Universität ausgeglichen. Die dortigen Immatrikulationen erreichten mit vier Mühlhäuser Neueinschreibungen im Jahr 1470 ihren Höhepunkt des gesamten Betrachtungszeitraumes. Erst in den 1490er Jahren kam es zu einem neuerlichen Anstieg der Mühlhäuser Immatrikulationen in Erfurt, der bis 1521 anhielt. Diese Phase muss wahrscheinlich mit dem dort herrschenden Humanismus und seiner Anziehungskraft auf die Mühlhäuser Schüler erklärt werden. Der Höhepunkt der Mühlhäuser Gesamtfrequenz wurde mit insgesamt 14 Immatrikulationen im Jahr 1512 und elf im Jahr 1515 erreicht. Auf den gesamten Zeitraum bezogen war die Erfurter Universität für die Mühlhäuser Studenten maßgeblich. Der erste Mühlhäuser Student in Leipzig wurde erst 1420, elf Jahre nach der Gründung der dortigen Universität, eingeschrieben. Erst acht Jahre später sollten ihm zwei weitere folgen. Insgesamt gesehen erfolgten von 266 Mühlhäuser Immatrikulationen zwischen 1400 und 1519 nur 45 (~ 17 %) an der Universität Leipzig. Die Wittenberger Universität erlebte zwischen 1506 und 1518 hingegen gerade einmal acht Mühlhäuser Immatrikulationen. Der Vorrang Erfurts entspricht selbstverständlich der herausragenden Bedeutung der Erfurter Universität im 15. und frühen 16. Jahrhundert. 37 Darüber hinaus bestand zwischen Mühlhausen und Erfurt hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen und politischen Rolle in Thüringen eine Verbindung, die praktisch das Fehlen einer eigenen Landesuniversität für die Reichsstadt ausglich – sofern denn für Leipzig und Wittenberg in dieser Zeit bereits von einer albertinischen und ernestinischen Landesuniversität gesprochen werden kann. Zuletzt wird freilich die räumliche Nähe Mühlhausens zu Erfurt einen simplen, doch nicht unerheblichen Einfluss auf die Wahl der Universität genommen haben. Die Betrachtung der Altenburger Immatrikulationsfrequenz kehrt das Verhältnis um und scheint die Vermutung über den Vorzug der geringeren Entfernung bzw. der besseren infrastrukturellen Anbindung zu bestätigen (Diagr. 3). Die Erfurter Universität spielte für die Altenburger Studenten im gesamten Be37 Vgl. SCHWINGES, Universitätsbesucher (1995), S. 207–209.

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trachtungszeitraum – nicht nur für den Zeitraum lückenhaft überlieferter Herkunftsangaben – eine nur geringe Rolle. Von insgesamt 170 zwischen 1400 und 1519 immatrikulierten Altenburgern fanden nur 26 (~ 15 %) den Weg nach Erfurt. Mitunter vergingen Jahrzehnte ohne die Immatrikulation eines Altenburgers in Erfurt. Dem gegenüber nahm hier die Leipziger Universität mit 130 Immatrikulationen den Vorrang ein. Die Wittenberger Universität blieb dahinter zurück – nach 14 Einschreibungen zwischen 1502 und 1510 wurde die ernestinische Hochschule für zwei Jahrzehnte von keinem Altenburger Studenten mehr besucht. Die Frequenz der Saalfelder Immatrikulationen liegt schließlich, abermals dem Verhältnis der Einwohnerzahl entsprechend, unter jener der Altenburger (Diagr. 25). Insgesamt 113 Saalfelder wurden in dem Untersuchungszeitraum an den drei Universitäten immatrikuliert. Die Erfurter Universität nimmt dabei zwar mit 62 Immatrikulationen (~ 55 %) den größten Anteil für sich ein, doch blieb die Bedeutung Leipzigs im Vergleich zu Mühlhausen deutlich größer, obwohl sich das Entfernungsverhältnis zwischen Saalfeld und Erfurt bzw. Leipzig nur unwesentlich günstiger verhielt als im Mühlhäuser Fall. Die politische Zugehörigkeit Saalfelds zum wettinischen Kurfürstentum scheint sich hier tatsächlich in der Bevorzugung der landeseigenen Universität niedergeschlagen zu haben. Mit diesen Überlegungen über den Status der Universitäten Leipzig und Wittenberg als albertinische und ernestinische Landesuniversitäten ist die Frage nach einer ‚mitteldeutschen Bildungslandschaft‘ im Spätmittelalter angerissen. Weitere Untersuchungen anhand ergänzender Städte sollen den dabei gewonnenen Eindruck präzisieren (Diagr. 1). Obwohl der Trend zur Bevorzugung der landeseigenen Hochschule tatsächlich auch für andere Städte mitunter in großer Deutlichkeit nachgewiesen werden kann, sollte er – so kann vorweggenommen werden – nicht verallgemeinert werden. Die größere Inanspruchnahme der Leipziger Universität für die ostthüringischen Städte ist wie im Altenburger Fall verständlich. Mehr als drei Viertel der aus Schmölln stammenden Studenten besuchten die Universität in Leipzig (Diagr. 29), ein ähnliches Verhältnis weist – freilich bei geringerer Immatrikulationszahl – die Stadt Ronneburg auf. Hatte hingegen für die Saalfelder Studenten noch die Erfurter Universität ein leichtes Übergewicht ausgemacht, kehrt sich das Verhältnis bei den nicht weit entfernten Städten Pößneck (Diagr. 21) und Kahla (Diagr. 17) zugunsten Leipzigs um. In Pößneck kamen auf 35 Erfurter 49 Leipziger Immatrikulationen, während in Kahla der Leipziger Anteil mehr als doppelt so groß war wie der Erfurter. Noch eindrücklicher verhalten sich jedoch die Frequenzen entlegener Städte wettinischer Herrschaftszugehörigkeit. So ist insbesondere aus der südthüringischen Stadt Heldburg kein einziger Student an der Erfurter Universität vor 1520 nachweisbar. Für das gesamte 15. Jahrhundert bildete die Leipziger Universität trotz ihrer Entfernung den maßgeblichen akademischen Anlaufpunkt – wenn auch nur mit 23 Immatrikulationen. Ein mehr als deutliches Übergewicht bildete die

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Leipziger Hohe Schule mit etwa 84 % aller Immatrikulationen auch für die reußische Stadt Schleiz (Diagr. 27). Die reußischen Herren standen unter der wettinischen Lehenshoheit, was offenbar zur Folge hatte, dass die sächsische Hochschule für ihre Herrschaft die Position einer Landesuniversität einnahm. Das damit skizzierte Verhältnis wird durch die Betrachtung außerwettinischer Städte jedoch nur zum Teil bestätigt. Obwohl auch die schwarzburgischen Grafen unter einer gewissen Lehenabhängigkeit von den Wettinern standen, offenbaren die Immatrikulationsfrequenzen der Städte Sondershausen (Diagr. 31), Greußen (Diagr. 13) und Rudolstadt (Diagr. 23) eine deutliche Bevorzugung der Erfurter statt der Leipziger Universität. Von 54 Studenten aus Greußen schrieben sich 49 in Erfurt ein. Unter den 35 Studenten aus Rudolstadt waren es 29 und von 73 Sondershäusern 68, die sich nach Erfurt wandten. Dem entgegen offenbaren die Immatrikulationszahlen der hennebergischen und somit vom wettinischen Kurfürstentum unabhängigeren Stadt Themar (Diagr. 33) trotz einer regional deutlich günstigeren Lage zu Erfurt nur elf Immatrikulationen daselbst, aber 26 in Leipzig. Es sollen jedoch auch die Gegenbeispiele im Bereich der wettinischer Herrschaft nicht verschwiegen werden. Während sich die Jenaer Immatrikulationen mit 82 in Erfurt und 78 in Leipzig noch fast die Waage hielten (Diagr. 15), neigten die Studenten aus Weimar deutlich der Universität Erfurt zu (Diagr. 35). Die Stadt lag zwar in dichter Nachbarschaft zu Erfurt, hatte jedoch den Status einer wettinischen, später ernestinischen Residenzstadt inne. Trotzdem zog es etwa 70,3 % der aus Weimar stammenden Studenten nach Erfurt, wohinter die Leipziger Universität zurückblieb. Derselbe Trend prägt noch deutlicher die – im Ganzen bemerkenswert hohe – Immatrikulationsfrequenz der Stadt Gotha (Diagr. 11). Von den hiesigen Studenten besuchten mit 174 von 204 etwa 85,3 % die Erfurter Universität. Dasselbe gilt bei deutlich geringerer Immatrikulationszahl auch für Kindelbrück. Nur ein einziger Student ist im Jahr 1442 in Leipzig immatrikuliert worden. Ihm folgte selbst nach der Leipziger Teilung von 1485 und der anschließenden politischen Zugehörigkeit zum albertinischen Herzogtum, das über die Leipziger Universität verfügte, kein weiterer nach. Im Gegenteil wurde, als ein Kindelbrücker Vikar 1502 ein jährliches Stipendium von 13 fl für einen Bürgerssohn stiftete, dessen Empfang ausdrücklich an den Besuch der Erfurter Universität geknüpft. 38 Die politische Verbundenheit mit der Leipziger Universität spielte keine Rolle. Von einer politisch bedingten Universitätsorientierung im 15. Jahrhundert kann somit – wenn überhaupt – erst im Ansatz die Rede sein. Die ernestinische Universität von Wittenberg wurde 1502 und somit erst kurz vor dem Ende des Untersuchungszeitraumes gegründet. Es kann anhand der untersuchten Städte nicht konstatiert werden, dass die Existenz der neuen Uni38 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 1b, fol. 246r.

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versität einen erheblichen Einfluss auf die Wahl der Studenten, insbesondere jener aus ernestinischen Städten, ausübte. Im ersten Jahr ihres Bestehens wurden zwar vier Saalfelder Studenten – eine bis dahin für Saalfeld verhältnismäßig hohe Zahl – in Wittenberg immatrikuliert, doch folgte ihnen erst 1509 ein weiterer nach (Diagr. 25). Ein Übergewicht von Immatrikulationen in Wittenberg ließ sich für Saalfeld in den letzten knapp zwei Jahrzehnten nicht ermitteln. Dasselbe gilt für die meisten der untersuchten Städte. Lediglich in Schmölln kann bei einem gleichzeitigen Anstieg Wittenberger Immatrikulationen ein Rückgang der Leipziger nachgewiesen werden (Diagr. 29), doch bleibt es in dem kurzen Zeitraum und dem anschließenden Beginn der Reformation fraglich, ob diese Trends miteinander zusammenhingen und sich auch weiterhin fortgesetzt hätten. Die Untersuchung der Matrikeln ermöglicht jedoch noch weitere Überlegungen. Die Anzahl der Immatrikulationen aus den verschiedenen Städten – oder eben deren Fehlen – lässt Rückschlüsse auf die Schulsituation vor Ort, das Verhältnis der städtischen Bevölkerung zur schulischen, universitären und gelehrten Bildung und dadurch im Ansatz auch zur Ausprägung der Alphabetisierung in den thüringischen Städten vor der Reformation zu. Aus diesem Grund wurden zur Fortsetzung der Betrachtung insbesondere einige kleinere Städte ausgewählt. Selbstverständlich kann aus vereinzelten Immatrikulationen nicht direkt auf eine lokale Schule geschlossen werden. Das Thema der Bildungswanderung ist bereits mehrfach angesprochen worden. Es stand einem studierwilligen Schüler einer Kleinstadt oder auch eines Dorfes kein Hindernis im Wege, sich die Vorkenntnisse für den Universitätsbesuch an entfernteren Schulen größerer Städte zu erwerben, doch kann davon ausgegangen werden, dass im 15. Jahrhundert kein Kind völlig ohne Vorbildung seine Heimatstadt verlassen hätte. Elementare Kenntnisse, wenigstens im Lesen und Schreiben, können zweifellos für jeden Besucher einer auswärtigen Schule vorausgesetzt werden. Der in Niederzimmern am Ettersberg geborene und aufgewachsene Chronist Konrad Stolle, der hier als seltenes exemplarisches Beispiel herangezogen werden kann, besuchte nach seinen eigenen Worten um 1447 die Schule von Langensalza. Aufgrund seiner Mitteilungsfreudigkeit ist jedoch ebenfalls bekannt, dass er bereits zuvor noch im Alter von 16 Jahren beim Kirchner seines Heimatdorfes in die Schule gegangen war.39 Der Nachweis von Studenten eines bestimmten Ortes kann somit mit einiger Wahrscheinlichkeit als Indiz für die Erwerbsmöglichkeit mindestens elementarer schulischer Bildung an jenem Ort angesehen werden. An erster Stelle sei daher auf das oben genannte Kaltennordheim hingewiesen. Für das Dorf, das im 16. Jahrhundert Stadtrecht erhielt, ist die Vermutung vom Fehlen einer Schule geäußert worden. Die Untersuchung der Immatrikulationen scheint dies zu belegen. Bis 1519 und auch darüber hinaus ist an den drei unter39 Vgl. STOLLE, Memoriale, S. 238 u. 249.

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I. TEIL – DAS SCHULWESEN IN SPÄTMITTELALTER UND VORREFORMATION

suchten mitteldeutschen Universitäten kein Student aus Kaltennordheim nachweisbar.40 Die Ortschaft liegt innerhalb Thüringens freilich entlegen und in einem infrastrukturell geringer erschlossenen Gebiet, doch war sie immerhin ein hennebergischer Amtssitz und mit schätzungsweise 900 bis 1000 Einwohnern bevölkerungsreicher als etliche vollgültige Städte im mittelthüringischen Raum. Daraus wurde oben dem Dorf Kaltennordheim die Stadt Magdala mit ca. 300 Einwohnern zur Seite gestellt. Auch hier fehlen die Hinweise auf die Existenz einer Schule, doch lassen sich trotzdem Immatrikulationen gebürtiger Magdalaer nachweisen. Obwohl sie mit einer Anzahl von vier auf 120 Jahre gering erscheinen, sollten sie nicht vernachlässigt werden, zumal sie im Jahre 1404 und somit bemerkenswert früh begannen. Fortgesetzt wurden sie 1469, 1480 und 1483. Alle Immatrikulationen erfolgten, trotz wettinischer, später ernestinischer Herrschaftszugehörigkeit, an der Erfurter Universität. Die geringe Anzahl muss im Verhältnis zur Einwohnerzahl und zur damit zusammenhängenden sozialen Struktur der Stadt beurteilt werden. Obwohl Magdala schon seit dem 13. Jahrhundert über vollgültiges Stadtrecht verfügte,41 war es auch weiterhin ländlich und landwirtschaftlich geprägt. Das Bedürfnis nach gelehrter Universitätsbildung war unter diesen Umständen verhältnismäßig gering. Die Häufung der drei innerhalb von 14 Jahren aufeinander folgenden Immatrikulationen erscheint daher bemerkenswert, zumal sie bald nach der Zerstörung Magdalas im Sächsischen Bruderkrieg 145042 in eine Phase des städtischen Wiederaufbaues gefallen sein dürften. Ob sie mit diesem in einem Zusammenhang standen, muss jedoch offen bleiben. Magdala können weitere Städte mit vergleichbarer Größe zur Seite gestellt werden. Auch aus Tannroda sind drei Immatrikulationen nachweisbar, von denen jeweils eine in Erfurt (1449), Wittenberg (1505)43 und Leipzig (1488) stattfanden. Aus Buttelstedt erfolgten fünf Einschreibungen – die erste 1466 in Leipzig, alle weiteren in Erfurt. Lediglich drei Studenten sind aus Clingen nachweisbar. Auch in diesem Fall zog jedoch der erste bereits verhältnismäßig früh, im Jahr 1423, an die Erfurter Universität. Bemerkenswert stellt sich dahingegen die Immatrikulationszahl der Dornburger Studenten dar. Die Einwohnerzahl Dornburgs lag im 15. Jahrhundert noch unter der Dreihundertmarke – zum Jahr 1420 werden

40 Eine schulgeschichtliche Forschung gibt es für Kaltennordheim noch nicht, doch konstatiert Henning, eine Schulgründung zu Beginn des 16. Jahrhunderts noch vor der Reformation, vgl. HENNING, Henneberg-Schleusingen (1981), S. 197. 41 Vgl. FREYBERG, Magdala (1906), S. 133. 42 Vgl. ebd., S. 156–158. 43 Bei dem in Wittenberg immatrikulierten Tannrodaer handelt es sich um den Dichter Georg Sibutus. Es ist bei ihm zweifellos nicht die erste Immatrikulation, da er bereits in der Matrikel als poeta laureatus bezeichnet wird, vgl. FÖRSTEMANN, Album (1841), S. 18.

SCHULVERBREITUNG, SCHULBESUCH UND IMMATRIKULATIONEN

209

lediglich 240 Einwohner angegeben. 44 Trotzdem besuchten insgesamt sieben Studenten aus Dornburg – zwei in Erfurt und fünf in Leipzig – die Universität. Als herausragend muss in dieser Hinsicht die Stadt Lobeda gelten. Bei ca. 340 Einwohnern45 lassen sich zwischen 1400 und 1519 an den drei mitteldeutschen Universitäten insgesamt 21 Immatrikulationen nachweisen. Kann die hiesige Schule bereits zu Beginn des 15. Jahrhunderts erfasst werden, erfolgten auch schon zu dieser Zeit die ersten Immatrikulationen – die erste 1403 in Erfurt, gefolgt von einer zweiten 1405 und zwei weiteren 1408. Die Stadt Auma, deren Schule bereits angesprochen wurde, ist mit etwa 500 Einwohnern etwas größer als die genannten Städte und weist demzufolge auch eine gesteigerte Immatrikulationszahl von 13 auf, die jedoch erst im Jahr 1471 an der Universität Leipzig ihren Anfang nahmen (Diagr. 7). Anders als in Magdala begannen die Aumaer Einschreibungen in einer auffälligen Dichte. Der genannten folgten noch in den 1470er Jahren vier weitere – 1472 in Erfurt, 1477 in Leipzig und 1478 abermals zwei in Erfurt. Eine neuerliche Fortsetzung erfuhren sie erst ab 1496 mit acht weiteren Immatrikulationen bis 1510. Es liegt durch diese offensichtliche Häufung der Immatrikulationen zwar der Gedanke nahe, dass er mit einer vorherigen Schulgründung zusammenhängt, doch kann dem durch das oben erwähnte Testament des Hermann Crimelts widersprochen werden. Es bedachte die Schule in einer Stiftung bereits vor 1454. Denkbar ist stattdessen der Niederschlag einer kurzzeitigen gezielten Bildungsförderung durch die Stadt für den eigenen Bedarf.46 Dieser Hintergrund wird durch die Wiederholung bestärkt, die ca. 20 Jahre und somit etwa eine Generation später erfolgte. Es entsteht der Eindruck, dass sich in den plötzlich auftretenden Immatrikulationen der Wechsel einer Generation in der Gesellschaft der Stadt wie auch in der dortigen Administration niederschlägt. Die These kann nicht belegt werden, doch wird sie durch weitere Beispiele kleinerer Städte, deren Immatrikulationsfrequenzen einen ähnlichen Verlauf nahmen, bestärkt. Obwohl sich die 16 nachgewiesenen Immatrikulationen der Studenten aus Apolda breiter gefächert verteilten, lassen sich dennoch Zäsuren festmachen (Diagr. 5). Allein in den Jahren 1408 und 1409 besuchten drei Studenten die Erfurter und ein Student die Leipziger Universität. Nach einer weiteren, vereinzelten Immatrikulation im Jahr 1415 in Erfurt fallen die folgenden vier in die Jahre 1424, 1425, 1428 und 1432. Darauf folgte eine vier Jahrzehnte währende Unterbrechung der Einschreibungen, bevor abermals fünf Immatrikulationen in die Jahre 1477, 1479, 44 Vgl. ZAHN, Einwohner (1998), S. 7. 45 Vgl. ebd., S. 7. 46 Martin Kintzinger sprach von einer gezielten Förderung, um den Einzelnen zu bestimmten Tätigkeiten zu qualifizieren, vgl. KINTZINGER, Braunschweig (1990), S. 534. Der Gedanke an den eigenen Bedarf liegt nahe und wurde für Pößneck bereits durch Ludwig Erich Schmitt nachgewiesen, vgl. SCHMITT, Schriftsprache (1966), S. 332.

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I. TEIL – DAS SCHULWESEN IN SPÄTMITTELALTER UND VORREFORMATION

1481 und 1487 fielen. Nach einer weiteren Unterbrechung folgte eine Einschreibungen 1503 in Wittenberg. Dasselbe Bild bleibt auch bei den untersuchten Städten mit höherer Einwohnerzahl erhalten. Die Immatrikulationen von Greußener Studenten (Diagr. 13) nahmen mit fünf Einschreibungen in den Jahren 1400, 1403, 1405 und 1407 ihren Anfang. Diesen folgten bereits 1411, 1412, 1413 und 1417 vier weitere, bevor eine zwanzigjährige Unterbrechung einsetzte. Obwohl schließlich für fünf Jahrzehnte – mit einer Einschreibung von 1437 in Erfurt beginnend – ein steter Aufschwung der Immatrikulationen erfolgte, lassen sich drei Phasen vermehrter Universitätsbesuche in den Jahren von 1453 bis 1458 (sechs Immatrikulationen), 1471 bis 1477 (sieben Immatrikulationen) und 1481 bis 1487 (13 Immatrikulationen) ausmachen. Den Höhepunkt erreichten sie mit insgesamt sieben Einschreibungen im Jahr 1481 und 1482. Wie in Greußen weisen alle untersuchten Immatrikulationsverläufe im fortschreitenden 15. Jahrhundert einen deutlichen Anstieg auf. Dies gilt selbst für Altenburg, das trotz einer langen Schultradition vor 1400 erst nach der Jahrhundertmitte von einem deutlich vermehrten Universitätsstreben erfasst wurde. Es liegt nahe, dies mit einem zunehmenden schulischen Ausbau, einer wachsenden Inanspruchnahme der Schulen durch die Bürgerschaft und selbst mit expliziten Zäsuren der schulischen Entwicklung in Verbindung zu bringen. Tatsächlich wird die Vermutung durch einige Fälle bestätigt. Der Höhepunkt der Immatrikulationen Schmöllner Studenten fällt in die Zeit der Auseinandersetzung des dortigen Rates mit dem Pfarrer um die Schulbestellung, die 1487 durch den Herzog Sigismund beigelegt werden musste. Gleichermaßen begann der vermehrte Zug Greußener Schüler an die Universitäten mit der eigenmächtigen Pfarr- und Schulorganisation von 1453 in Greußen. Am eindrücklichsten präsentiert sich der damit konstatierte Zusammenhang jedoch anhand der Frequenz der Weimarer Immatrikulationen (Diagr. 35). Nach drei vereinzelten Universitätsbesuchen von 1406, 1411 und 1413 erfuhr sie ab den 1430er und 40er Jahren einen steten Aufschwung. Ein Zusammenhang mit der Konfrontation des Weimarer Stadtrates mit dem Deutschen Orden und der anschließenden Schulordnung liegt praktisch auf der Hand. Obwohl der Stadtrat keine Beteiligung an der Schulbestellung erringen konnte, beschränkte die Schulordnung von 1433 in deutlicher Weise die finanziellen Belastungen durch den Schulbesuch. Es ist anzunehmen, dass die Folge ein Anstieg der Schülerzahl war, der sich in den Jahren darauf in zahlreicheren Immatrikulationen niederschlug. Erst um 1450 brach dieses Universitätsstreben plötzlich ab, bevor die zweite Jahrhunderthälfte durch jenen an- und absteigende Verlauf der Immatrikulationen geprägt war. Es ist bezeichnend, dass der Anfang der neuerlichen Immatrikulationswelle zeitlich mit der abermaligen Auseinandersetzung mit dem Pfarrer Johann Koler, die dem Stadtrat einen Ausbau seiner Kompetenzen ermöglicht hatte, zusammenfiel. Sie

SCHULVERBREITUNG, SCHULBESUCH UND IMMATRIKULATIONEN

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erfolgte ab den 1460er Jahren und fand ihren Höhepunkt in der zweiten Hälfte der 1470er Jahre vor einem neuerlichen abrupten Rückgang. Erst um den Jahrhundertwechsel wiederholte sich der Anstieg, kann diesmal jedoch nicht mit der dritten schulischen Zäsur, der Zurechtweisung des Pfarrers Nikolaus Pruchiger 1484, in Zusammenhang gebracht werden. Obgleich die Entwicklung der Immatrikulationsfrequenzen nicht in jedem Fall mit zeitlich genau zu verortenden Zäsuren in Verbindung gebracht werden kann, erfolgte allerorten eine Vermehrung der Universitätsbesuche im Laufe des 15. Jahrhunderts.47 Sie kann zweifellos – auch im Falle bereits längerer Schultraditionen – auf eine Phase des Ausbaus zurückgeführt werden. Die Ursache dafür ist nicht zuerst in der schulischen Organisation, sondern in der steigenden Frequentierung durch die Bürgerschaft, einer steigenden Alphabetisierung und einer vermehrt angestrebten Gelehrsamkeit zu suchen. Die zunehmende Bedeutung ging jedoch, wie die Bemühungen der Stadträte von Weimar, Neustadt a. d. O. und Schleiz gezeigt hatten, mit einem verstärkten Engagement zum Ausbau der Schulen einher. Die Inanspruchnahme der Schulen durch die Bürgerschaft und die Sorge um das Schulwesen verursachten und bedingten einander gleichermaßen. Zahlreiche Stadträte reagierten mit organisatorischen Maßnahmen auf die wachsende Bedeutung der Schulen. Die schulische Etablierung erfolgte so in einem langen Prozess, der sich letztlich in erster Linie anhand des Bedürfnisses orientierte. Zahlreiche in der bisherigen Untersuchung betrachtete Entwicklungen können damit in Zusammenhang gebracht werden. Neben der bereits genannten Bemühung der Stadträte ist insbesondere die konstatierte Ausdifferenzierung der schulischen Ämter und die Loslösung von zusätzlichen städtischen oder kirchlichen Diensten zu erwähnen. Die Trägerschaft der Schulen scheint dabei keine Rolle gespielt zu haben. In den genannten Fällen geht die Entwicklung zwar mit vermehrten organisatorischen Eingriffen der Stadträte einher, doch waren offenbar auch jene Schulen in fester kirchlicher Trägerschaft – wie eben in Altenburg – von demselben Aufschwung geprägt. Für Thüringen muss das 15. Jahrhundert somit als eine Zeit der ansteigenden Entwicklung und der zunehmenden Blüte des spätmittelalterlichen Schulwesens gelten.48

47 Selbstverständlich zeichnet sich dies auch an der Gesamtfrequenz der Universitäten ab, vgl. BÜNZ, Schulen (2009), S. 16. 48 Vgl. BÜNZ, Bildungslandschaft (2004), S. 48 f.

II. TEIL DER EINFLUSS DER REFORMATION UND DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

1.

Martin Luther und die ersten Folgen

MARTIN LUTHER UND DIE ERSTEN FOLGEN

1.1. Luthers Schulkonzepte Die von Martin Luther entworfenen Konzepte zur Gestaltung eines reformatorischen Schulwesens waren bereits vielfach Gegenstand der Forschung.1 Eine detaillierte Wiederholung ist daher nicht Aufgabe der vorliegenden Arbeit, doch erscheint zumindest eine neuerliche Skizzierung der lutherischen Forderungen notwendig, um im weiteren Verlauf der Untersuchung die Entwicklung dementsprechend beurteilen zu können. Es soll daher im Folgenden in groben Zügen die Idee eines christlichen Schulwesens anhand der wichtigsten reformatorischen Schulschriften Luthers herausgestellt werden. Die Problematik um die Ausbildung der Menschen entzündete sich erstmals in Luthers Schrift An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung von 1520 an der Frage, warum die katholische Geistlichkeit allein befugt sei, die Heilige Schrift auszulegen. Viele Geistliche, selbst Inhaber hoher Würden, so klagte Luther an, haben noch nie in der Schrift gelesen, und dennoch gestehen die Menschen ihnen die Autorität der christlichen Lehre zu, was zu „szovil ketzerisch und unchristlich, ja unnatürliche gesetz […] ym geistlichen recht“2 geführt habe. Luther besann sich daher – eingedenk seiner zuvor geschilderten Ansicht, das geistliche Amt müsse für jeden getauften und gläubigen Christen zugänglich sein – der Worte des Apostels Paulus, dass ein jeder die prophetische Gabe besitze.3 Es habe somit niemand das Recht, sich in geistlichen Dingen über andere zu erheben und die Auslegung der Heiligen Schrift allein für sich selbst zu beanspruchen. Mit diesen Worten gestand Luther jedem Christen, der sich durch die Taufe, den Glauben und das Evangelium befähigt sah, das Recht zu, gegen den Papst in Fragen des Glaubens das Wort zu erheben.4 Sein Ärger über die Anmaßung, dass jemand sich, ohne die Bibel ausreichend zu kennen, Doktor der Theologie nenne, führte Luther an späterer Stelle auf den zugrundeliegenden Gedanken zurück: Einzig der Heilige Geist könne zur Lehre 1

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Vgl. MÜLLER, Verdienste (1883); ALBRECHT, Luthers Schrift (1897); MERTZ, Schulwesen (1902), S. 1–73; RICHTER, Schriften (1907), S. 13–45; PAULSEN, Geschichte (1919), S. 203– 216; SCHEEL, Luther und die Schule (1925); MÜLLER-FREIENFELS, Bildungsgeschichte (1932), S. 59–65; FALK, Ratsherren (1937); ASHEIM, Glaube und Erziehung (1961); REININGHAUS, Elternstand (1969); CHARPENTIER, Bildungswesen (1975), S. 28–57; BRECHT, Einflüsse (2000); LIEDTKE, Schule und Bildung (2005); LINDNER, Schullandschaft (2011), S. 15–35; KOERRENZ, Arrangement (2012). LUTHER: Adel, WA 6, S. 411. Vgl. 1. Kor. 14,30 f. Vgl. LUTHER: Adel, WA 6, S. 411 f.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

der Heiligen Schrift berechtigen. Dieser kenne jedoch weder Stand noch Geschlecht und habe einst selbst einem Esel das Wort Gottes verliehen, „widder den Propheten, der drauff reyt“.5 Es solle daher jedem Menschen, fernab von sprachlicher Gelehrsamkeit, das Lesen in der Bibel möglich sein. In ihr sah Luther die höchste Wahrheit und das höchste Gesetz, das jedoch durch das Studium heidnischer Lehren, allen voran den Werken Aristoteles’, in den Hintergrund verdrängt wurde, sodass das Evangelium dazu verdammt sei „in schulen […] wol mussig unter der banck ym stawb“ zu liegen.6 Dabei sollte die Heilige Schrift die „furnehmst und gemeynist lection“7 in allen hohen wie niederen Schulen sein, sodass es eine Schande für die Gesellschaft sei, wenn nicht jeder Christ mit neun oder zehn Jahren das Evangelium kenne. Einst sei dies in den Klosterschulen der Fall gewesen, „aber nu ist nit mehr, dan betten und singen drausz wordenn“.8 Unterschiede zwischen den Geschlechtern sah Luther bei alledem nicht. Viel eher sprach er deutlich aus, dass er selbst für die Mädchen in Mädchenschulen wenigstens für eine Stunde des Tages das Evangelium gelehrt wissen wollte.9 Dass mit der frühen Reformation dennoch ein Zusammenbruch des mittelalterlichen Bildungswesens einherging, hängt eng mit dieser Kritik an der Lehrautorität der katholischen Kirche zusammen: Luthers Lehre vom allgemeinen Priestertum aller Christen vermittelte den Menschen die Unmittelbarkeit zu Gott und den eigenen „Zugang zur göttlichen Offenbarung“.10 Die Worte, dass der Geist und der Glaube eines Christen stärker seien als jede Gelehrsamkeit, führte somit auch zu einer weitverbreiteten Ablehnung der Gelehrten, des Schul- und Hochschulwesens, das doch tief in der katholischen Kirche verwurzelt war.11

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Ebd., S. 460; 4. Mose 22, 22–31. Vgl. LUTHER: Adel, WA 6, S. 457–460, Zitat S. 460. Ebd., S. 461. Ebd., S. 461. Der viel zitierte Satz Luthers, Klöster und Stifte seien einst Schulen des christlichen Glaubens gewesen und sollten wieder dazu gemacht werden, steht hingegen nicht in diesem Zusammenhang der Forderung nach Bildung zum besseren Bibelverständnis. An jener Stelle geht es um den Missstand der katholischen Orden: Eine Vielzahl von Orden hatte sich gebildet, von denen kaum einer noch nach wahrem christlichem Gebot lebte. Alle hätten ihre „eygen regelen“ und Gesetze, durch die sie doch niemals zu „rechtem vorstand eynis geistlichen guttis lebens kummen“ könnten (ebd., S. 439). Es sei daher an der Zeit, die Klöster zu ihren Ursprüngen zurückzuführen: „Dan was sein stifft und kloster anders geweszen, den Christliche schulenn, darynnen man leret schrifft unnd zucht nach Christlicher weysze, unnd leut auff ertzog, zu regieren unnd predigen?“ (ebd., S. 439). 9 Vgl. ebd., S. 461; WESTPHAL, Bildungskonzepte (1996), S. 138. 10 LIEDTKE, Schule und Bildung (2005), S. 53. 11 Vgl. HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 129; STEITZ, Jugendunterweisung (1964), S. 391; FLITNER, Wissenschaft (1972), S. 59; BRECHT, Einflüsse (2000), S. 63; HANSCHMIDT, Elementarbildung (2005), S. 26 f.; Zum Niedergang der Universitäten vgl.

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Zahlreiche Menschen, die Luthers Lehren folgten, nahmen ihre Kinder aus den Schulen. Das Schulwesen sah sich, wie im folgenden Kapitel darzustellen sein wird, in der frühen Reformationszeit einer ernsten Krise gegenüber. Diese Verhältnisse nahm Luther jedoch nicht ausschließlich als problematische Entwicklung wahr. Der Reformator hatte ein stark ausgeprägtes negatives Bild des mit der katholischen Kirche verbundenen Schulwesens und betrachtete dessen Zusammenbruch viel eher als eine Reinigung des Christentums und als Möglichkeit, die dadurch entstandene Lücke durch eine Erneuerung des Schul- und Bildungswesens im reformatorischen Sinne zu nutzen. Dass jedoch die Notwendigkeit der sprachlichen Gelehrsamkeit zum Verständnis der Heiligen Schrift und zur Erlangung eines Anteils an der schriftlich fixierten göttlichen Offenbarung ein ausgeprägtes Schulwesen voraussetzte, wurde von den Menschen auch weiterhin verkannt. Die Missachtung und Fehlinterpretation seiner Lehren ließen Luther seinen Appell an die Menschen starten, ein im christlichen Sinne organisiertes und gestaltetes Schulwesen in Ehren zu halten und als maßgebliche Stütze des Christentums anzuerkennen.12 Luther richtete diesen Appell in seiner Schrift An die Ratsherren aller Städte deutschen Lands, daß sie christliche Schulen aufrichten und halten sollen an die städtische Obrigkeit.13 Sie wurde im Januar oder Februar des Jahres 1524 verfasst und gedruckt 14 und schildert Luthers Vorstellungen einer breiten Schulbildung im christlichen Sinne, mit ausgewiesener christlicher Bestimmung. Viele Eltern, so schrieb Luther, sehen keine Notwendigkeit, ihre Kinder zur Schule zu schicken, wenn diese nicht Geistliche werden wollten. Die Ablehnung der Schulen allein begrüßte Luther, glaubte er darin doch die Erkenntnis der Menschen vom unchristlichen, viel eher teuflischen Charakter der Schulen in seinem Sinne zu erkennen. Es seien „esel stelle und teuffels schulen“, 15 doch sei es nicht die richtige Konsequenz, die Kinder von der Schule fernzuhalten und sie nur das lernen zu

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PAULSEN, Geschichte (1919) Kap. II, 1; MÜLLER, Glaube und Bildung (1999), S. 14; FALK, Ratsherren (1937), S. 59. Vgl. LUTHER, Ratsherren, WA 15, S. 28; FALK, Ratsherren (1937), S. 60; ALBRECHT, Luthers Schrift (1897), S. 720; LIEDTKE, Schule und Bildung (2005), S. 53. Zur Frage, ob es dadurch zu einer säkularisierenden Trennung des Schulwesens von der Kirche kam, vgl. PAULSEN, Geschichte (1919), S. 208 f.; MÜLLER-FREIENFELS, Bildungsgeschichte (1932), S. 60; ASHEIM, Glaube und Erziehung (1961), S. 67; ERLINGHAGEN, Säkularisierung (1972), S. 26; HAMMERSTEIN, Physiognomie (1996), S. 66 f.; KÜHLMANN, Konzeptionen (1996), S. 165; SEIFERT, Schulwesen (1996), S. 279; WESTPHAL, Bildungskonzepte (1996), S. 138; FUHRMANN, Latein und Europa (2001), S. 46/48; KOERRENZ, Arrangement (2012), S. 11–13. Vgl. ALBRECHT, Luthers Schrift (1897), S. 687 u. 715; SCHEEL, Luther und die Schule (1925), S. 141. LUTHER, Ratsherren, WA 15, S. 31.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

lassen, was sie im Leben ernähren könne. Viel eher müsse die christliche Schule allen Menschen „nicht alleyn den bauch, sondern auch die seel versorgen“.16 Trotz dieser Ermahnungen sah Luther nach wie vor die Bestimmung des Schulwesens in der Ausbildung späterer Pfarrer, die er aber nicht von der Lehre des allgemeinen Priestertums trennte: Die öffentliche Verkündigung solle zwar jedem Menschen möglich sein, müsse aber weiterhin einen Amtscharakter tragen.17 Der bereits in der Adelsschrift genannte Hintergrund der Forderung nach gründlicher Schulbildung – die Lektüre und die richtige Auslegung der Bibel – wurde daher wieder aufgegriffen und weiter ausgeführt. Könnte der Mensch, ob Laie oder Geistlicher, auch wohl „die Biblia durch und durch lesen, wie er will, er treffe oder feyle, wenn niemand da ist, der da urteyle, ob ers recht mache odder nicht“.18 Daran schloss sich Luthers Forderung an die städtische Obrigkeit an, Schulen einzurichten, die diesem Anspruch gerecht werden: „Mus man jerlich“, so richtete er an diese die Frage, „so viel wenden an büchsen, wege, stege, demme und der gleichen unzelichen stucke mehr, da mit eyne stad zeytlich fride und gemach habe, Warumb sollt man nicht viel mehr doch auch so viel wenden an die dürfftige arme jugent, das man eynen geschickten man oder zween hielte zu schulmeystern?“19 Für seine Forderung sah Luther die rechte Zeit gekommen, denn nicht nur würden die Kloster- und Stiftsschulen eingehen, „weyl der geyst Gottis durch seyn wort drein webet und scheinet so heys drauff durch das Evangelion“, 20 auch wäre durch den Humanismus, durch die „feynsten gelertisten jungen gesellen und menner, mit sprachen und aller kunst geziert“,21 eine Zeit der höchsten Gelehrsamkeit angebrochen, die es ermögliche, die Kinder in drei Jahren mehr zu lehren, als zuvor in fünfzehn oder achtzehn. In den Sprachen und den humanistischen Sprachstudien sah Luther das geeignetste Mittel zum Zweck guter christlicher Schulbildung. Diese verteidigte er gegen den Vorwurf, dass der Mensch des Lateinischen, Griechischen und Hebräischen auch zu einem christlichen Leben nicht bedürfe, da die Heilige Schrift ebenso gut in der Muttersprache gelehrt werden könne: Die Kenntnis der Sprachen, so Luther, sei notwendig für die Heilige Schrift wie auch für das weltliche Regiment. Sie sei das einzig wirksame Mittel im Kampf gegen den Teufel. Andernfalls hätten die Deutschen den Ruf des barbarischen und tierischen, der in benachbarten Ländern kursiere, auch verdient und seien nicht würdig der Gnade, mit der Gott Deutschland durch das Evangelium unter allen anderen Ländern besonders ausgezeichnet habe. Die Heilige Schrift sei „durch 16 Vgl. ebd., S. 28 f., Zitat S. 29. 17 Vgl. HERRMANN, Reformation (1917), S. 12 f.; SCHREINER, Herausforderung (1984), S. 319; HANSCHMIDT, Elementarbildung (2005), S. 27. 18 Vgl. LUTHER, Ratsherren, WA 15, S. 36–43, Zitat S. 42. 19 Für beide Zitate ebd., S. 30. 20 Ebd., S. 28. 21 Ebd., S. 31.

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mittel der sprachen komen und hat auch dadurch zugenomen, mus auch da durch behallten werden“.22 Aus diesem Grund betrachtete Luther das Lateinische, das Griechische und das Hebräische als die drei heiligen Sprachen, auf denen er jede Gelehrsamkeit aufgebaut sehen wollte, denn „die sprachen sind […] wie das Evangelion selbst zeygt […] die körbe, darynnen man dise brot und fische und brocken behellt“.23 Neben dieses bisher wichtigste Argument für die Notwendigkeit guter Schulbildung trat in der Ratsherrenschrift ein zweiter Aspekt, den Luther mit besonderem Blick auf die weltliche Obrigkeit der Städte, an die er die Schrift adressiert hatte, hinzufügte: Neben die geistliche Funktion des Schulwesens trat gleichberechtigt die weltliche, das weltliche Regiment, das für das Wohl einer Stadt und eines Landes erhalten werden müsse. Es sei nicht genug, Schätze zu sammeln, Mauern und Häuser zu bauen und die Stadt zu verteidigen. Viel eher verspreche es einer Stadt den größten Nutzen, „das sie viel feyner gerlerter, vernünfftiger, erbar, wol gezogener burger hatt, die künden darnach wol schetze und alles gut samlen, hallten und recht brauchen“.24 Gerade der rechte Gebrauch, auf den Luther mit diesen Worten anspielte, mache Schulbildung auch für jene Kinder notwendig, die kein geistliches Amt anstrebten. Als lobenswertes Beispiel galten ihm in dieser Hinsicht die Römer, deren Kinder durch ihre obgleich heidnische Bildung alle Bischöfe und Mönche übertroffen hätten. Einen solchen weltlichen Stand aufrechtzuerhalten, der doch als Teil der göttlichen Ordnung christlich geführt werden müsse, sei, so Luther, allein Grund genug zur Errichtung christlicher Schulen, selbst wenn es keine Seele und nicht Himmel oder Hölle gäbe.25 Luther fasste dabei den Stand des weltlichen Regiments sehr weit und schloss auch den privaten Hausstand mit ein. Diesen unterstellte er den Frauen, die „wol zihen und hallten künden haus, kinder und gesinde“.26 Als Konsequenz daraus stellte Luther wie schon in der Schrift an den Adel die Mädchenschulen gleichberechtigt neben die Knabenschulen. Wie die Sprachen das Mittel zum Bibelstudium seien, so stellte Luther der weltlichen Erziehung das Beispiel der Geschichte voran.27 Würden die Kinder in den Historien gelehrt werden, da würden sie hören die geschichte und sprüche aller wellt, wie es diser stad, disem reich, disem Fürsten, disem man, disem weybe gangen were, und kündten also ynn kurtzer zeyt gleich der gantzen wellt von anbegynn wesen, leben, rad und anschlege, gelingen und ungelingen für sich fassen wie ynn eym spigel.28

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Ebd., S. 37. Ebd., S. 38. Vgl. auch FALK, Ratsherren (1937), S. 72–75. LUTHER, Ratsherren, WA 15, S. 34. Vgl. ebd., S. 35 u. 44. Vgl. ebd., S. 44. Vgl. DOLCH, Lehrplan (1982), S. 198. LUTHER, Ratsherren, WA 15, S. 45.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

Luthers Vorstellungen eines vollständigen Schullehrplans gingen jedoch auch darüber noch hinaus: „Wenn ich kinder hette und vermöchts, Sie müsten mir nicht alleyne die sprachen und historien hören, sondern auch singen und die musica mit der gantzen mathematica lernen.“ Bei alledem sprach Luther sich für einen spielerischen Umgang in der Schule aus, jenseits von qualvollen Grammatikübungen und Angst vor Strafen. „Denn was ist dis alles denn eyttel kinder spiel?“29 Auch die Arbeitskraft der Kinder im Hause müsse nicht entbehrt werden, sollte doch nach Luthers Meinung der Besuch der Schule ein oder zwei Stunden am Tag für Jungen wie für Mädchen nicht überschreiten. Um die seinen Vorstellungen entsprechende Schulbildung zu ermöglichen, empfahl Luther zudem, Bibliotheken anzulegen – zum einen, um die Künste und Wissenschaften zu lernen, und zum anderen, sie zu erhalten. 30 Auch hierfür führte er alttestamentliche Völker und Könige als Vorbild an, welche die Geschicke ihrer Völker in Büchern festhielten und somit den Grund für das Alte Testament anlegten. An erster Stelle einer solchen Bibliothek sollte natürlich die Heilige Schrift in Latein, Griechisch, Hebräisch und Deutsch und wenn möglich in weiteren Übersetzungen stehen. Dazu gehörten „die besten ausleger und die Elltesten beyde Kriechisch, Ebreysch und Lateinisch, wo ich sie finden künde“.31 An zweiter Stelle führte Luther die antiken Schriftsteller auf, die zum Studium der Sprache nützlich seien, gleich ob heidnisch oder christlich, lateinisch oder griechisch. Unter diesen sollten als vorbildhafte Werke Geschichtsschreiber und Chroniken aller Länder die erste Position einnehmen. Ihnen folgten Bücher über die Freien Künste und andere Wissenschaften, zuletzt juristische und medizinische Bücher mit ausgewählten Kommentaren.32 Bereits an diesen Beständen, die eine städtische Schulbibliothek gemäß seinen Empfehlungen umfassen sollte, ist Luthers Ideal eines reformatorischen Schullehrplans und eine Wertung der Disziplinen erkennbar. An diese Bibliotheken und die Schulen insgesamt sah Luther die gesamte deutsche Kultur geknüpft. Sie werde dadurch maßgeblich tradiert und repräsentiert. Ein Niedergang der Schulen führe zwangsläufig zu einem Niedergang der Kultur.33 Aus ihrem Fehlen resultiere der Ruf von Bestien, „die nichts mehr künden denn kriegen und fressen und sauffen“,34 den die Deutschen in benachbarten Ländern hätten. 29 Für beide Zitate ebd., S. 46. 30 Vgl. SCHEEL, Luther und die Schule (1925), S. 169; BUZAS, Bibliotheksgeschichte II (1976), S. 63; MOELLER, Bibliotheken (1983), S. 145–147; MÜLLER, Glaube und Bildung (1999), S. 21 f.; BRECHT, Einflüsse (2000), S. 65; MARWINSKI, „Stiftungsurkunden“ (2004), S. 194 f.; KOERRENZ, Arrangement (2012), S. 14 f. 31 LUTHER, Ratsherren, WA 15, S. 52. 32 Vgl. ebd., S. 52; MÜLLER, Glaube und Bildung (1999), S. 21 f. 33 Vgl. KOERRENZ, Arrangement (2012), S. 9 f. 34 LUTHER, Ratsherren, WA 15, S. 52.

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Neben das Sprachstudium stellte Luther gleichberechtigt und in enger Verbindung dazu den religiösen Unterricht anhand der Bibel. Ausführlicher wird diese Forderung jedoch erst in der 1526 verfassten Schrift Deutsche Messe und Ordnung Gottesdiensts erhoben. Darin schrieb Luther bereits in der Vorrede: Alles meyst aber geschichts umb der eynfeltigen und des jungen volcks willen, wilchs sol und mus teglich ynn der schrift und Gottis wort geubt und erzogen werden, das sie der schrifft gewonet, geschickt, leufftig und kündig drynnen werden, yhren glauben zuvertretten und andere mit der zeyt zu leren und das reych Christi helffen mehren.35

Es ist darin erneut der Gedanke der Adelsschrift enthalten, dass jedem Menschen die Bibellektüre zugestanden werde – jeder Mensch sogar dazu verpflichtet sei, um ein verständiges Leben im Sinne der christlichen Religion zu führen. Als Konsequenz daraus forderte Luther nun endgültig einen religiösen Katechismusunterricht, „damit man die heyde, so Christen werden wollen, leret und weyset, was sie gleuben, thun, lassen und wissen sollen ym Christentum“.36 Er begann für Luther als eine Lehre von der Kanzel, die dem Volk die christliche Lehre in der täglichen Predigt anhand der drei Hauptstücke Dekalog, Glaubensbekenntnis und Vaterunser vermitteln sollte.37 Ebenso müsse ein solcher Unterricht, für dessen Art und Gestaltung Luther sehr detaillierte Anweisungen gab, im Hause selbst als eine Art Frage- und Antwortspiel den Kindern und dem Gesinde erteilt werden. Die kindgerechte Weise seiner Anweisungen verteidigte Luther mit den folgenden Worten: „Und las sich hie niemand zu klug duncken und verachte solch kinderspiel. Christus, da er menschen zihen wollte, muste er mensch werden. Sollen wyr kinder ziehen, so musen wyr auch kinder mit yhn werden.“38 Den Katechismusunterricht in der Kirche legte Luther in der Ordnung der deutschen Messe auf Montag- und Dienstagmorgen, „das dise zween tage den Catechismen erhalten und stercken ynn seym rechten verstand“.39 Er sollte durch Psalmengesänge der Kinder in lateinischer Sprache beginnen, denn „wyr wollen die jugent bey der lateinischen sprachen ynn der Biblia behalten und uben“.40 Darauf folgten abwechselnde Lesungen einiger Kapitel des Neuen Testaments, zunächst in Latein, danach durch einen anderen Jungen nochmals auf Deutsch. Eine Antiphon leitete über in den eigentlichen Unterricht der christlichen Hauptstücke, der schließlich durch deutschen Gesang geschlossen wurde. In gleicher Weise wurde diese Form des Unterrichts in den Vespern wiederholt, doch wurden die Kapitel des Neuen 35 LUTHER, Deutsche Messe, WA 19, S. 73. 36 Ebd., S. 76. 37 Vgl. ASHEIM, Glaube und Erziehung (1961), S. 268–270; KREIKER, Armut, Schule, Obrigkeit (1997), S. 152. 38 LUTHER, Deutsche Messe, WA 19, S. 78. 39 Ebd., S. 79. 40 Ebd., S. 80.

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diesmal durch Kapitel des Alten Testaments ersetzt. „Das ist der Gottis dienst teglich durch die wochen ynn stedten, da man schulen hat.“41 Dieser religiöse Unterricht war in Luthers Anschauung jedoch vom Schulwesen getrennt. Der Unterricht der Schulen sollte die Lehre des Glaubens, die eine Aufgabe der Familie, der Gemeinde und der Pfarrer bleiben sollte,42 nur ermöglichen und den Menschen die Fähigkeit zu eigenen Einsichten und Erkenntnissen vermitteln. Dennoch zeigt sich anhand der Form des geforderten Katechismusunterrichts die enge Verbindung zu den Zielen des schulischen Unterrichts. Durch den Gesang lateinischer Psalmen mit der ausdrücklichen Begründung, dass man die Kinder bei der lateinischen Sprache halten solle, sowie durch die wechselseitige Lesung lateinischer und deutscher Kapitel der Testamente verfolgte der Katechismusunterricht in der Kirche das gleiche Ziel wie die schulische Erziehung: Die Einführung in ein christliches, dem Wort und dem Wert der Heiligen Schrift entsprechendes Leben.43 Aus dem Jahre 1530 stammt der letzte große Aufruf Luthers, den er schließlich an das Volk selbst richtete. Die Predigt, dass man Kinder zur Schule halten solle, wurde, wie Luther selbst schrieb,44 mehrfach gehalten und schließlich von Coburg aus durch den Druck in erweiterter Form veröffentlicht.45 Sie sollte den Pfarrern ein Beispiel für eine entsprechende Ermahnung von der Kanzel geben. Den Eltern gegenüber fand Luther dabei noch deutlichere Worte als 1524. Handelte es sich bei der Ratsherrenschrift um eine Empfehlung, so stellt die Predigt von 1530 eine Forderung dar.46 Schon in seinem Appell an die Ratsherren begründete er seine Adressierung mit der Trägheit, Unwissenheit und der fehlenden Frömmigkeit der Eltern, welche sich nicht um die Erziehung ihrer Kinder, die doch ihre höchste Aufgabe sei, kümmerten.47 Nun, sechs Jahre später, wurden den Eltern erneut die Worte in den Mund gelegt, dass ihre Kinder, wenn sie deutsch lesen und rechnen könnten, genug gelernt hätten, um als Kaufmann zu arbeiten und sich das nötige zum Leben zu verdienen. Den andern Bürgern sei durch diesen Götzendienst, wie Luther die Ausrichtung auf den Mammon bezeichnete, ein schlechtes Beispiel gegeben, denn

41 Ebd., S. 80. 42 Vgl. ASHEIM, Glaube und Erziehung (1961), S. 44 f.; REININGHAUS, Elternstand (1969), S. 20–23; KREIKER, Armut, Schule, Obrigkeit (1997), S. 150. 43 Vgl. HAMANN, Schulwesen (1993), S. 42 f. 44 Vgl. LUTHER, Kinder zur Schule halten, WA 30.2, S. 525. 45 Vgl. PAULSEN, Geschichte (1919), S. 209 f.; BRECHT, Einflüsse (2000), S. 65 f.; KOERRENZ, Arrangement (2012), S. 15 f. 46 Vgl. HETTWER, Schulordnungen (1965), S. 12. 47 Vgl. LUTHER, Ratsherren, WA 15, S. 33 f.

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Deudsche bucher sind furnemlich dem gemeinen man gemacht, jm hause zu lesen. Aber zu predigen, regirn und richten, beide jm geistlichem und weltlichem stande, sind wol alle künste und sprachen jnn der welt zu wenig, schweige denn die deudsche allein, sonderlich jtzt zu unser zeit, da man mit mehr und andern leuten zu reden hat denn mit nachbar Hans.48

Luther wandte sich daher an die Bürger und Eltern. Es sei zwar bereits viel über Schulen und die wahre christliche Erziehung geschrieben und gesagt worden, doch sei trotzdem „des thuns […] wenig erfolget und bey wenigen zu herzen genomen“.49 Die Aufgabe der Pfarrer, denen er seiner Predigt einen mahnenden Aufruf voranstellte, bestehe daher in „anregen, vermanen, reitzen, hetzen mit aller macht, vleis und sorge, das sich der gemeine man nicht so jemerlich lasse betriegen und verfuren vom teuffel“.50 Der stets wiederkehrende Gedanke Luthers wurde an dieser Stelle erneut ausgeführt: Nicht allein in kirchlichen Belangen haben die Menschen die Bildung nötig, viel eher hänge an der gut geführten Schule die gesamte Kultur: „Denn wo die schrifft und kunst untergehet, was will da bleiben jnn deudschen landen denn ein wüster, wilder hauffen Tattern odder Turcken, ja vielleicht ein sew stall und eine rotte von eitel wilden thieren?“51 Luther schrieb es den Tücken des Teufels zu, dass die Menschen ihre Kinder, da es nun der Klöster und Kirchen nicht mehr bedürfe, von den Schulen nahmen, weil das Studieren nicht mehr nötig sei und man sich stattdessen um Nahrung und Reichtum kümmern solle. Im Folgenden wandte er sich gegen diesen Irrtum: Der geistliche Stand, zu dem Luther auch die Schulmeister selbst zählte, sei nach wie vor von großer Bedeutung, da er nicht allein Gottes Wort verbreite und die Seelen der Menschen umsorge, sondern auch den weltlichen Stand in einer von Gott eingesetzten Ordnung zu unterstützen habe: „Und zwar die welt allzumal stehet und bleibt allein umb dieses standes willen, sonst were sie lange zu boden gangen.“52 Denn der geistliche Stand thut […] auch gegen der wellt eitel grosse werck, Nemlich, das er alle stende berichtet und unterweiset, wie sie eusserlich jnn jhrem ampten und stenden sich halten sollen, da mit sie fur Gott recht thun, kann betrubten trosten, rat geben, böse sachen schlichten, jrrige gewissen entrichten, fride helffen halten, sünen, vertragen und der werck on zahl viel und teglich.53

Einen solchen geistlichen Stand nach Gottes Willen zu erhalten, sei eine der vordringlichsten Aufgaben der Menschheit, indem sie ihre Kinder zu rechter Frömmigkeit und Gottes Dienst erziehen. Wo dies nicht geschehe, werde gegen 48 49 50 51 52 53

LUTHER, Kinder zur Schule halten, WA 30.2, S. 519. Ebd., S. 521. Ebd., S. 524. Ebd., S. 523. Vgl. ebd., S. 526–528, Zitat S. 527. Ebd., S. 537.

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Gottes Gebot verstoßen, diesen Stand bis an den Jüngsten Tag zu erhalten. Somit stünden die Eltern, die ihren Kindern keine Schulbildung zukommen ließen, in der Schuld, den geistlichen Stand und mit ihm die göttliche Ordnung zerfallen lassen zu haben. Denn so dir Gott ein kind gegeben hat, tüchtig und geschickt zu solchem ampt, und du zeuchst nicht da zu, sihest allein auff den bauch und zeitliche narung […] so entzeuchstu Gott einen Engel, einen diener, einen könig und fursten jnn seinem reich, Einen heiland und troster der menschen an leib und seel, an gut und ehre, Einen Heubtmann und Ritter widder den teuffel.54

Bevor Luther diesem geistlichen Stand abermals den weltlichen gegenüberstellte, griff er erneut einen Gedanken seiner Adelsschrift auf: Auch jeder Mensch, der den weltlichen Stand statt eines kirchlichen Amtes anstrebte, solle in der Heiligen Schrift und den Sprachen gelehrt werden, falls man seiner als Prediger bedürfe: Und wenn schon ein solcher knabe, so latein gelernt hat, darnach ein handwerck lernt und burger wird, hat man den selbigen jm vorrat, ob man sein etwa zum Pfarher odder sonst zum wort brauchen muste, schadet jhm auch solche lere nichts zur narung, kan sein haus deste bas regieren und ist uber das zugericht und bereit zum predig ampt odder pfarr ampt, wo man sein bedarff.55

Das alleinige weltliche Amt stellte Luther demzufolge deutlich hinter das geistliche zurück. Es könne keine Wunder vollbringen und richte sich allein nach den zeitlichen und vergänglichen Belangen, sei viel eher ein Schatten des geistlichen Standes, „gleich wie ein schatten gegen dem cörper selbs, Denn welltliche herrschaft ist ein bilde, schatten und figur der herrschaft Christi“.56 Dennoch gestand Luther dem weltlichen Stand seine Rolle in der göttlichen Ordnung zu, die man nicht entbehren könne, denn „gleich wie des predig ampts werck und ehre ist, das es aus sundern eitel heiligen, aus todten lebendigen, aus verdampten seligen, aus teuffels dienern Gottes kinder macht, Also ist des welltlichen regiments werck und ehre, das es aus wilden thieren menschen macht und menschen erhellt, das sie nicht wilde thiere werden“.57 Wie das geistliche Amt, solle auch das weltliche erhalten bleiben und müsse, damit die menschliche Kultur erhalten werde, mit Weisheit und nicht mit Gewalt regiert werden. „Das alles beweiset alle erfarung jnn allen Historien, das nie kein mal gewalt on vernunfft odder weisheit hette etwas ausgericht.“58 Luther kam damit erneut darauf zurück, was er bereits in der Schrift an die Ratsherren formulierte: Die Schule

54 55 56 57 58

Ebd., S. 542. Ebd., S. 546. Ebd., S. 554. Vgl. Ebd., S. 554 f., Zitat S. 555. Ebd., S. 557.

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müsse den Menschen die Geschicke anderer Völker als Vorbild oder als mahnendes Beispiel vorstellen.59 Da die Geschicke des Volkes und der Menschen nun an Recht und Ordnung hängen, bedürfe es einer großen Zahl Rechtsgelehrter, die so das weltliche Reich erhalten, wie die Geistlichen das göttliche. An der Schulbildung der Kinder hänge somit in Luthers Vorstellung die gesamte göttliche Ordnung, die zu erhalten die dringendste Aufgabe und erstrebenswertestes Ziel der Schulen und der Gesellschaft sein sollte: Wir Theologen und Juristen müssen bleiben odder sollen allesampt mit uns untergehen, das wird mir nicht feilen, Wo die Theologen wenden, da wendet Gottes wort und bleiben eitel Heiden, ja eitel teuffel, Wo die Juristen wenden, da wendet das Recht sampt dem friede, und bleibt eitel raub, mord, frevel und gewallt, ja eitel wilde thiere.60

Die Probleme der praktischen Umsetzung des von ihm entworfenen Schulwesens wurden von Luther nicht verkannt. Seine in der Adelsschrift vertretene Meinung, dass es sich bei den Stiften und Klöstern einst um christliche Schulen handelte und man diese wieder zu ihrem Zweck zurückführen müsse,61 machte es in Verbindung mit der Auflösung zahlreicher Klöster und dem Aufhören etlicher gestifteter Messen möglich, die materiellen und finanziellen Notwendigkeiten des Schulwesens aus den funktionslos gewordenen kirchlichen Gütern zu bestreiten.62 Die Vorstellung, die Kirchengüter so vor unberechtigtem Missbrauch und Zweckentfremdung zu schützen und zur Unterhaltung der evangelischen Kirche einzusetzen,63 fand bereits in den frühen 1520er Jahren die ersten Versuche einer Umsetzung. 64 Nach den Anfängen Karlstadts in Wittenberg im Jahre 1522 65 wurde in Leisnig 1523 einer der ersten Gemeinen Kästen gegründet,66 ein zentrales Verwaltungssystem zur Organisation, Überwachung und Verwendung der nachgelassenen lokalen Kirchengüter, deren materieller Anteil im wörtlichen Sinne in einen großen Kasten eingeschlossen werden sollte. Unter der Mitwirkung Luthers, der vom Leisniger Stadtrat zur Ausarbeitung herangezogen worden war und seine Vorstellungen über die Nutzung der kirchlichen Güter in einer Vorrede erneut darlegte,67 wurden die Aufgaben, Funktionen und die Wirkungsweise des Gemeinen Kastens in einer detaillierten Kastenordnung festgeschrie59 60 61 62 63 64

Vgl. LUTHER, Ratsherren, WA 15, S. 45. LUTHER, Kinder zur Schule halten, WA 30.2, S. 578. Vgl. LUTHER: Adel, WA 6, S. 439. Vgl. BRECHT, Einflüsse (2000), S. 64. Vgl. LUTHER, Ordnung 1523, WA 12, S. 11 f. Vgl. BAUER, Reformation und Territorialstaat (1994), S. 62 f.; WEBER, Einfluss (1995), S. 61; MÄGDEFRAU/GRATZ, Reformation (1996), S. 66. 65 Vgl. GORNICH, Schulwesen (2013), S. 162. 66 Vgl. Wittenberger und Leisniger Kastenordnung; KAWERAU, Kastenordnung (1882), S. 78. 67 Vgl. LUTHER, Ordnung 1523, WA 12, S. 11–15; HILPERT, Sequestration (1911), S. 2.

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ben.68 Aus den gesammelten Finanzen sollten die Gehälter der Pfarrer und seiner Gehilfen sowie der Kirchner gezahlt und die Instandsetzung und Erhaltung kirchlicher Gebäude bestritten werden. Neben einem weiteren Hauptzweck, der Armenfürsorge, auf die Luther in seiner Schrift an den Adel ebenfalls eingegangen war69 und zu der auch das Bettelunwesen der fahrenden Schüler zählte, sollte es auf diese Weise zur finanziellen Absicherung des Schulwesens und zur Sorge um die baulichen Zustände der Schulgebäude kommen.70 Grundsätzlich lässt die Ordnung zum Amt des Schulmeisters verlauten, dass „ein frommer untadeliger wollgelerter man zu Christlicher ehrlicher und erbarer zucht und unterweysung der iugent, als einem hochnotigen ambte, furgesetzt werde“.71 Dieser solle, so er einen den Anforderungen entsprechenden Lebenswandel führe, ein jährliches Gehalt aus dem Kasten, vierteljährlich ausgezahlt, erhalten. Die Höhe der Zahlung und die Art der darüber hinausgehenden „etlichen vorrathe“72 wurden nicht näher bestimmt. Die wirtschaftliche Lage der Schulmeister, die in vorreformatorischer Zeit vom Schulgeld und anderen Abgaben bestimmt war, wurde durch die Möglichkeit einer solchen Kastenorganisation zunächst nicht deutlich verbessert, jedoch gesichert, da das unsichere und Schwankungen unterworfene Schulgeld von einem festen, regelmäßig gezahlten Gehalt ersetzt wurde. Zugleich ermöglichte es den Kindern ärmerer Familien durch die gleichzeitige Abschaffung des Schulgeldes den Schulbesuch.73 Doch galt die Regelung im Leisniger Fall nur für die einheimischen und eingepfarrten Kinder. Das fahrende Schülertum wurde hier erneut aufgegriffen, das Betteln der auswärtigen Schüler untersagt und dem Schulmeister stattdessen erlaubt, ihnen im Ermessen des Pfarrers und der Kastenvorsteher ein geringes Schulgeld aufzuerlegen. Die Arbeit des Schulmeisters wurde im Gegenzug von den Kastenvorstehern und dem Pfarrer überwacht. Dass es sich bei der Schule um eine Lateinschule handelte, wird zwar nicht ausdrücklich betont, kann jedoch aufgrund der Bildungsanforderung an den Schulmeister als selbstverständlich gelten. Über diese Bestimmungen hinaus folgte die Kastenordnung den Vorstellungen Luthers, Jungen wie Mädchen eine ihnen gemäße Schulbildung zukommen zu lassen. Sie bestimmte daher, „eine ehrliche, betagte, untadliche weibs person“74 einzusetzen, um die Mädchen neben der christlichen Lebensführung auf deutscher, 68 Vgl. LUTHER, Ordnung 1523, WA 12, S. 1–30; HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 91; BEYER, Neuordnung (1989), S. 97 f.; SPEHR, Kirchenwesen (2016), S. 21 f. 69 Vgl. LUTHER: Adel, WA 6, S. 450 f. 70 Vgl. LUTHER, Ordnung 1523, WA 12, S. 22 f. u. 27; HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 91; BEYER, Neuordnung (1989), S. 97. 71 LUTHER, Ordnung 1523, WA 12, S. 24 f. 72 Ebd., S. 25. 73 Vgl. HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 131. 74 LUTHER, Ordnung 1523, WA 12, S. 25.

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nicht wie die Jungen auf lateinischer Sprache, Lesen und Schreiben zu lehren. Wie der Schulmeister erhielt auch sie ein nicht festgelegtes Jahresgehalt und Naturalleistungen aus dem Kasten und ein im Ermessen der Kastenvorsteher liegendes Schulgeld von auswärtigen Schülerinnen. Dem Leisniger Gemeinen Kasten war kein Erfolg beschieden,75 obwohl seine Ordnung eine der ersten ausführlichen Bestimmungen darstellte, die den Vorschlägen Luthers zur Nutzung der Kirchengüter und zur Einrichtung einer Schule weitestgehend entsprach. Trotz des Misserfolges war die Wirkung der Leisniger Kastenordnung weitreichend. Dass gerade die Sorge um das Schulwesen in den Aufgabenbereich des Gemeinen Kastens aufgenommen wurde, ist zwar vor dem Hintergrund der selbstverständlichen Verknüpfung des Schul- mit dem Kirchenwesen nicht verwunderlich, sollte jedoch die wirtschaftliche und finanzielle Entwicklung der städtischen Schulen des 16. Jahrhunderts in weiten Zügen vorbestimmen. Nach diesem Muster wurden nämlich, nachdem die Kastenordnung gedruckt und als vorbildliches Beispiel verbreitet worden war, in den folgenden Jahrzehnten in zahlreichen Städten zunächst des ernestinischen Territoriums Gemeine Kästen errichtet, die sich in den maßgeblichen Punkten nach dem Leisniger Vorbild richteten.76 Luthers Schrift an die Ratsherren stand bereits unter dem Eindruck solcher Realisierungsversuche. In ihr wird hinter allem Enthusiasmus die Ansicht deutlich, dass der Durchsetzung seiner Pläne mittels dieses Finanzierungskonzeptes keine Hindernisse mehr im Wege standen und eine Anknüpfung an den vorreformatorischen Aufschwung der Schulen realisierbar sein müsse. Die äußeren Bedingungen, unter denen sich das Schulwesen noch am Vorabend der Reformation befand, waren für seine Zwecke zunächst nämlich äußerst günstig.77 Das Bildungs-, insbesondere das Universitätswesen war durch humanistische Impulse im Aufschwung begriffen, was letztlich auch auf die Partikularebene einwirkte.78 Bei all seiner Ablehnung des katholischen Schulwesens, wusste Luther zwischen mittelalterlicher Scholastik und bildungsreformerischen Bestrebungen der Humanisten zu unterscheiden. Für diese, ihre Bedeutung und Leistungen, fand 75 76 77 78

Vgl. KAWERAU, Kastenordnung (1882), S. 79–81; BEYER, Neuordnung (1989), S. 98 f. Vgl. HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 92; BEYER, Neuordnung (1989), S. 99. Vgl. BRECHT, Einflüsse (2000), S. 64. Über die humanistischen Einflüsse auf das Bildungswesen im Allgemeinen vgl. KAEMMEL, Geschichte (1882) Abschnitt 2; KÜHLMANN, Konzeptionen (1996); SEIFERT, Schulwesen (1996) Kap. II; SCHEIBLE, Melanchthon (1997), S. 34–38; ASCHE, Frequenzeinbrüche (2001), S. 64–67; FUHRMANN, Latein und Europa (2001) Kap. II,1. Speziell zur humanistischen Reform von ‚Luthers Universität‘ in Wittenberg vgl. STEINMETZ, Wittenberg (1952), S. 112–131; HÖSS, Spalatin (1989), S. 106–123; ASCHE, Frequenzeinbrüche (2001), S. 69–71; TÖPFER, Leucorea (2004), S. 28–35; SCHMALZ, Spalatin am Hof (2015), S. 55 f.; WRIEDT, Reform (2015).

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Luther in seiner Schrift an die Ratsherren, wie oben bereits ausgeführt, lobende Worte und forderte die Ratsherren geradezu auf, sich ihren Einfluss nutzbar zu machen.79 Den Humanisten fungierte die Schule als eine notwendige Voraussetzung für die spätere Universitätsbildung.80 Umso schmerzlicher muss es ihnen erschienen sein, dass der Aufschwung des Universitätswesens durch die Reformation gestört wurde. Häufig angeführt wird in diesem Zusammenhang das anklagende Urteil des Willibald Pirckheimer, dass überall, wo das Luthertum herrsche, Wissenschaft und Bildung darnieder liegen. Das Urteil stand unter seinen Gesinnungsgenossen nicht allein81 und fand auch im thüringischen Raum einen Niederschlag. Von dem Erfurter Humanisten Eobanus Hessus auf die Sorgen der Universitäten hingewiesen, versicherte Luther diesem am 23. März 1523, dass es aufgrund der reinen Theologie nie zu einem Verfall der Wissenschaften kommen könne.82 Die Realität sah jedoch gerade in Erfurt anders aus83 und auch weitere Universitäten bekamen die Auswirkungen der Reformation zu spüren, die Helmut G. Walther dazu veranlasste, von einer grundsätzlichen „Universitätsfeindlichkeit der meisten seiner [Luthers] Parteigänger“84 zu sprechen.85 Da Luther jedoch trotz seiner Ablehnung des katholischen Schulwesens die Leistungen der Humanisten anerkannte und wie diese gegen den Verfall der Schulen vorzugehen suchte, musste es trotz aller Gegensätze, die zwischen Humanismus und Reformation bestanden, 86 zu einer Verbindung der humanistischen Bildungsvorstellungen mit den schulreformatorischen Bestrebungen Luthers kommen. 87 Erst die Vereinigung beider Einflüsse ermöglichte jene 79 LUTHER, Ratsherren, WA 15, S. 31. 80 Vgl. BRECHT, Einflüsse (2000), S. 64. 81 Vgl. MERTZ, Schulwesen (1902), S. 1–4; NEUSS, Einfluß (1963), S. 114–117; ASCHE, Frequenzeinbrüche (2001), S. 53. 82 Vgl. PAULSEN, Geschichte (1919), S. 197; SCHEIBLE, Bildungsprogramm (1989), S. 241 f.; SEIFERT, Schulwesen (1996), S. 256 f. 83 Über die Auswirkungen der frühen Reformation vgl. zuletzt LINDNER, Reformation versus Bildung (2015). 84 WALTHER, Gründung (1999), S. 110. 85 Vgl. insbesondere ASCHE, Frequenzeinbrüche (2001), S. 96; IMMENHAUSER, Universitätsbesuch (2003), insbesondere S. 76–84. Entgegen Walthers Aussage suchte Asche den Grund für den Frequenzrückgang der Universitäten jedoch nicht ausschließlich in einer frühreformatorischen Bildungsfeindlichkeit, sondern in der evangelischen Ablehnung des Pfründenwesens. Vgl. auch ASCHE, Studienförderung (2012), S. 46. Für das Patrikularschulwesen kann das Argument der Pfründenablehnung freilich nicht angewandt werden. 86 Vgl. MERTZ, Schulwesen (1902), S. 6; PAULSEN, Geschichte (1919), S. 179–190. 87 Vgl. ANZ, Reformation (1917), S. 135–147; PAULSEN, Geschichte (1919), S. 276–280; ASHEIM, Glaube und Erziehung (1961), S. 74–76; DOLCH, Lehrplan (1982) ab S. 193; MENK, Bildungswesen (2003), S. 78 f.

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Entwicklung, die das Schul- und Bildungswesen im 16. Jahrhundert erfahren sollte. Häufig wurde in der Forschung in Bezugnahme auf das oft zitierte Diktum Bernd Moellers88 betont, dass sowohl die humanistischen als auch die reformatorischen Bestrebungen ohne die gemeinsame Wechselwirkung nicht hätten durchgesetzt werden können. 89 Zu dieser Verbindung beider Einflusssphären sollte es jedoch erst in der Person Philipp Melanchthons kommen, auf den an gegebener Stelle zurückzukommen sein wird.

1.2. Der schulische Niedergang vor Ort und dessen Hintergründe In den frühen 1520er Jahren trat in der Verwaltung etlicher thüringischer Städte ein offenbar weit verbreitetes Phänomen auf, das die Finanzierung des Schulwesens betraf und seinen Niederschlag in zahlreichen Stadtrechnungen fand. Wurden die städtischen Schulen in spätmittelalterlicher und vorreformatorischer Zeit finanziell weitestgehend sich selbst überlassen und von den Städten nur mancherorts und in geringem Maße unterstützt, stieg der städtische Anteil an der Schulfinanzierung seit den ersten Jahren nach 1520 allmählich an. Vermehrt treten in den Stadtrechnungen nun Ausgaben in Erscheinung, die in den früheren Rechnungen keine Entsprechung haben und die ein Bemühen der Städte zur Erhaltung der Schulen oder sogar eine anteilige oder vollständige städtische Besoldung der Schulmeister anzudeuten scheinen. Die Einordnung der Kosten in die sogenannten Gemeinen Ausgaben verdeutlicht, in welcher Weise diese als unüblich und irregulär wahrgenommen wurden. Eines der frühesten Beispiele90 tritt in der Stadtrechnung von Arnstadt des Jahres 1523/24 in Erscheinung. Darin wurden erstmalig Zahlungen an den Schulmeister verzeichnet, die diesen zu vermehrtem Fleiß anspornen – 1n ß „dass er fleiss thun“ – oder die Einkünfte des Schulgeldes ergänzen sollten – 2 n ß „dem schulmeister zugelegt zum schulgelde“. 91 Diese Zahlung etablierte sich in den folgenden Rechnungen, stieg auf 4 n ß an und wurde 1531 erstmals als Jahreslohn bezeichnet.92 Der Stadtrat von Pößneck übernahm hingegen bereits seit 1524 die vollständige Besoldung des Schulmeisters. Er erhielt für die verbleibenden Monate 88 „Ohne Humanismus keine Reformation“, vgl. MOELLER, Humanisten (1959), S. 59. 89 Vgl. DOLCH, Lehrplan (1982), S. 193–198; MEUTHEN, Humanismus (1983); SCHINDLING, Schulen (1987), S. 283; MENK, Bildungswesen (2003), S. 78 f. 90 Nur die Altenburger Entwicklung kam dem noch zuvor, doch soll sie an entsprechender Stelle gesondert betrachtet werden (Kap. II. 3.3.1.). 91 In beiden Fällen zitiert nach EINICKE, Reformationsgeschichte I (1904), S. 193. Vgl. auch KLETTE, Beiträge (1923), S. 31. 92 Vgl. StKrA Arnstadt, 1-931-20, 1525, fol. 156v.

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des Jahres 10 a ß und 1525 einen Jahressold von 21 a ß.93 In Neustadt a. d. O. folgte man möglicherweise diesem Beispiel der benachbarten Stadt. Weisen frühere Stadtrechnungen hier ebenfalls keine finanzielle Beteiligung an der Versorgung des Schulmeisters auf, erhielt er 1525 erstmals 8 und 1526 schließlich 10 fl, die wie in Arnstadt ausdrücklich das Schulgeld ergänzen sollten.94 Die Stadt Vacha, die im 16. Jahrhundert politisch und kirchlich der Landgrafschaft Hessen und dem Kloster Fulda angehörte, ergriff, jedoch zu einem ungewissen Zeitpunkt, dieselbe Maßnahme. Enthält die Stadtrechnung von 1497 noch keine derartigen Ausgaben,95 führt sie im Jahr 1527 einen Jahressold von 12 a ß für den Schulmeister namens Gangolf auf.96 Wie in Pößneck und Neustadt lässt sich auch in der Stadt Blankenburg der Beginn der Schulmeisterbesoldung aufgrund einer sehr dichten Rechnungsüberlieferung zeitlich genau fassen. Hier zahlte der Stadtrat dem Schulmeister erstmals im Rechnungsjahrgang 1528/29 – „vonn Knaben zu Informiren“97 – eine Ergänzung zum Schulgeld in Höhe von 2 n ß. Im darauffolgenden Jahr umfasste der Betrag 2 n ß 40 gr „dem schulmeistr vonn Knaben“.98 1531/32 erfolgte die Verzeichnung dieser Besoldung erstmals unter dem Gesindelohn, statt wie bisher unter den Gemeinen Ausgaben.99 Wie auch im Arnstädter Fall war eine Fortsetzung der zunächst provisorischen, doch inzwischen seit drei Jahren geleisteten Zahlungen offenbar abzusehen und wurde somit vom Stadtrat in die regelmäßigen Ausgaben aufgenommen. Die Besoldung betrug hier weiterhin 2 n ß 40 gr, ergänzt durch weitere 2 n ß für die Wartung der Turmuhr. In Neustadt b. C. wurde 1528 schließlich im Zuge der ersten Visitation die Summe von 5 fl erwähnt, „so Ime [dem Schulmeister] neulich vom Rath auch zugelegt“.100 Ebenfalls in den 1520er Jahren wird die finanzielle Beteiligung an der Schule von Sondershausen ihren Anfang genommen haben, doch trug sie hier zunächst nicht die Stadt, sondern das Amt Sondershausen. Nach einer siebzehnjährigen Überlieferungslücke101 verzeichnet die Amtsrechnung von 1530 einen Jahreslohn 93 94 95 96

Vgl. StA Pößneck, Stadtrechnung, Mappe 23, Nr. 71, 1524/25, unfol. Vgl. HERRMANN, Lateinschulen (1940), S. 226. Vgl. LATh-HStA Weimar, Stadtarchiv Vacha, Nr. 8. Vgl. LATh-HStA Weimar, Stadtarchiv Vacha, Nr. 9, fol. 18v; LEMKE, Heimatbuch (2010), S. 52. 97 LATh-StA Rudolstadt, Gemeinde- und Stadtrechnungen, Nr. 11009, unfol.; EINICKE, Reformationsgeschichte I (1904), S. 47. 98 LATh-StA Rudolstadt, Gemeinde- und Stadtrechnungen, Nr. 11010, unfol. 99 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Gemeinde- und Stadtrechnungen, Nr. 11012, unfol. 100 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1a, fol. 126v. 101 Die vorherige Amtsrechnung stammt aus dem Rechnungsjahrgang 1512/13 und weist bis auf ein Neujahrgeld für den Schulmeister keinerlei Anteil an der Schulfinanzierung auf, vgl. ThStA Rudolstadt, Rechnungen des Amts/Rentamts Sondershausen, Nr. 173, unfol.

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des Schulmeisters in Höhe von 5 fl.102 Das Amt scheint diese finanzielle Belastung jedoch bald auf den Stadtrat übertragen zu haben. Dieser verbuchte sie in derselben Höhe in der ersten überlieferten Stadtrechnung von 1539/40,103 während sie in der folgenden erhaltenen Amtsrechnung von 1543/44 nicht mehr aufgeführt wird.104 Kann die Beteiligung dieser Städte durch den Vergleich mit älteren Rechnungen oder anderen expliziten Hinweisen eindeutig als eine Veränderung vormaliger finanzieller Verhältnisse beurteilt werden, unterliegt dies andernorts durch die Ermangelung früherer Rechnungsüberlieferung der Spekulation. Dennoch ist eine entsprechende Entwicklung auch hier von einiger Wahrscheinlichkeit. Die Stadt Greußen kann dabei als herausragendes Beispiel angeführt werden, da die beiden einzigen erhaltenen Stadtrechnungen des 16. Jahrhunderts von 1528/29 und 1529/30 nicht nur eine Besoldung des Schulmeisters aufführen, sondern auch eine deutliche Steigerung nachweisen. 1528/29 zahlte der Stadtrat nicht nur dem Pfarrer mit 6 n ß die in der Schulordnung von 1453 vereinbarte Verköstigung des Schulmeisters, 105 sondern diesem auch eine Besoldung von 1 n ß.106 Blieb das Kostgeld für den Pfarrer im folgenden Jahr in gleicher Höhe erhalten, stieg der Schulmeistersold auf 4 n ß 14 gr an,107 was ebenso wie die bereits genannte Eingliederung unter den Gemeinen statt unter den Besoldungsausgaben eine neue und sozusagen noch ungewohnte Ausgabe vermuten lässt. Schließlich und endlich erhielt der Schulmeister von Langewiesen im ersten erhaltenen Rechnungsjahrgang 1536/37 eine vierteljährliche Besoldung von 3 a ß zu den Weichfasten, insgesamt also 12 a ß im Jahr.108 Das Aufkommen dieser städtischen Schulfinanzierung interpretierte Guido Einicke, dessen schwarzburgische Reformationsgeschichte durch die Auswertung von Rechnungen in der älteren Forschung einen seltenen Sonderfall darstellt, als Folge des fruchtbaren Einflusses der Reformation auf das Bildungsbewusstsein der Stadträte.109 Seine Beurteilung wird jedoch unzutreffend sein, setzt sie doch eine zu rasche Umsetzung vermeintlich selbstverständlicher reformatorischer Maßnahmen voraus. Ein reformatorisches, insbesondere schulreformatorisches 102 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Rechnungen des Amts/Rentamts Sondershausen, Nr. 174, unfol. 103 Vgl. StA Sondershausen, B Ia, Nr. 1, fol. 8r. 104 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Rechnungen des Amts/Rentamts Sondershausen, Nr. 174, unfol. 105 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Gemeinde- und Stadtrechnungen, Nr. 57, fol. 15v. 106 Vgl. ebd., fol. 30r. 107 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Gemeinde- und Stadtrechnungen, Nr. 58, fol. 27v. 108 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Gemeinde- und Stadtrechnungen, Nr. 5743, unfol. 109 Vgl. insbesondere zu Arnstadt EINICKE, Reformationsgeschichte I (1904), S. 193 und in seiner Nachfolge KLETTE, Beiträge (1923), S. 31.

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Bewusstsein wird sich – gerade im von Einicke herangezogenen Arnstädter Fall – kaum bis ins Jahr 1523 und damit noch vor Luthers Ratsherrenschrift herausgebildet haben. Einickes Einschätzung ist daher zu berichtigen. Ein Interesse am Erhalt des Schulwesens ist keine Folge der Reformation. Viel eher wird man in den vermehrt auftretenden städtischen Ausgaben eine Notwendigkeit sehen müssen, welche die Stadträte dazu zwang, aus vorreformatorischem Bewusstsein heraus die Initiative zu ergreifen, als die Schulen sich auf der alleinigen Basis der eigenen Einkünfte nicht mehr erhalten konnten. Da der Greußener Fall gezeigt hatte, dass die spätmittelalterliche Tradition der Verpflegung des Schulmeisters beim Pfarrer, wenn auch durch den Stadtrat finanziert, beibehalten wurde, muss der Grund für ein finanzielles Eingreifen in einem erheblichen Rückgang des Schulgeldes zu suchen sein. Dies wird insbesondere durch die oben zitierten Rechnungsformulierungen von Arnstadt und Blankenburg nahegelegt. Dem Greußener Beispiel kann jedoch ein weiterer Fall zur Seite gestellt werden, der den engen Zusammenhang zwischen einer unzureichenden finanziellen Grundlage der schulische Tätigkeit und der Bereitschaft eines Pfarrers zur leiblichen Versorgung des Schulmeisters erahnen lässt. Die schulische Entwicklung von Schmölln kann nicht an Stadtrechnungen nachgewiesen werden – die früheste erhaltene stammt erst von 1537.110 Ein Brief des hiesigen Pfarrers vom 7. September 1527 informiert jedoch, dass die Unterrichtstätigkeit des Schulmeisters völlig zum Erliegen gekommen war. Es sei dem Pfarrer daher beschwerlich, ihm weiterhin die Kostpräbende zu zahlen, „die weil der schulmaistr schule nicht heldet“111 und in den Augen des Pfarrers somit seiner 1487 vertraglich geregelten Verpflichtungen nicht nachkam. Ähnliche Hintergründe können hinter der Greußener Kostenübernahme für den Pfarrer vermutet werden, doch fand sie in Schmölln aufgrund weiterer Irrungen des Stadtrates mit dem Pfarrer keine Entsprechung. Der Verlust der Schulgeldeinkünfte und die mangelnde Tätigkeit der Schulmeister sind zweifellos auf einen deutlichen Frequenzrückgang in den Schulen zurückzuführen. Der zeitgleiche Einbruch der Immatrikulationen an den Universitäten wurde bereits angesprochen und die dargelegten Beispiele verdeutlichen, dass er auf der Ebene der Partikularschulen seine Entsprechung bis zum völligen Aufhören der schulischen Aktivitäten fand. Ihre Bestätigung findet diese Vermutung in einem Bericht des Pößnecker Stadtrates, der 1529 mit wenigen, doch umso prägnanteren Worten die neuen Besoldungsausgaben des Jahres 1524 kommentierte, erklärte und damit das volle Ausmaß eines frühreformatorischen schulischen Niederganges deutlich macht: 110 Vgl. KrA Altenburg, Bestand Schmölln, Nr. 1539. 111 LATh-StA Altenburg, Ministerium zu Altenburg, Abt. für Kultusangelegenheiten 1819, fol. 17r.

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Als aber die schule gantz vndergedruckt, die Burger Ire kindt[er] Nymer dorein gehen lasßen, darauß vil ergernus entstanden, die kynder vnzuchtig vnnd Mutwillig worden, vnnd damit es wider In standt der Nutzlichkeit bracht, hat der Rat widerumb ein Schulmeister vnnd vorsorger der Kirchen bestalt, die […] ane Zuthun der Burger von Iren kyndern auch besoldet.112

Nach dem völligen Erliegen der Unterrichtstätigkeit griff somit der Rat, der auch in vorreformatorischer Zeit bereits die Patronatsrechte über die Schule innehatte, in die Organisationsstruktur der Schule ein. Der Unwille der Menschen, Schulgeld zu zahlen, wurde als die entscheidende Ursache des schulischen Niedergangs betrachtet. Um die Bürger daher von einer finanziellen Belastung durch den Schulunterricht zu befreien, führte der Rat 1524 eine städtische Besoldung ‚ohne Zutun der Bürger‘ ein. Gleichermaßen werden die übrigen, oben zitierten Fälle zu verstehen sein, auch wenn sie nicht in jedem Fall denselben Erfolg verbuchen konnten. Obgleich beispielsweise die Besoldung des Schulmeisters von Blankenburg 1531 offiziell als solche betrachtet wurde, war sie nicht in der Lage, die Schule vor dem endgültigen Niedergang zu bewahren. 1533 verfügte Blankenburg über keine aktive Schule mehr.113 Die damit skizzierten Fälle betrafen bislang lediglich die von Reinhard Jakob sogenannten Gemeinen Schulen, die unabhängig von einer kirchlichen Institution unter einem anteiligen Einfluss oder dem vollständigen Patronat des Stadtrates standen. Diese politische Verflechtung mit der Stadt machte das Eingreifen des Rates und mancherorts ein Auffangen oder baldiges Rückgängigmachen des schulischen Einbruchs möglich. Anders und mitunter verheerender wirkte der frühreformatorische Einfluss auf die kirchlich getragenen Stiftsschulen, die dem städtischen Einfluss entzogen waren. Das Beispiel der Stadt Gotha, wo wie oben erwähnt um 1520 erste humanistische Ambitionen aufgekommen waren, hat in dieser Hinsicht in der Forschung traurige Berühmtheit erlangt.114 Die hiesigen Schulen standen unter dem Patronat des St. Marien-Stiftes, weshalb auch sie von der Ablehnung der Bürger, die sich 1524 in einem Pfaffensturm Bahn brach, betroffen waren. Der Sturm auf das Stift führte zum Ende der mit ihm verbundenen Schule und wahrscheinlich auch der Pfarrschule an St. Margarethen. Aus der Rückschau des Jahres 1546 schilderte Justus Menius die Situation in seiner Leichenpredigt auf den Gothaer Superintendenten Friedrich Myconius und obgleich seine dramatischen Worte kritisch zu betrachten sind, ist der historische

112 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 3, fol. 340r. 113 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt 2983, fol. 12r–v. 114 Vgl. BECK, Geschichte II (1870), S. 115 f.; SCHERFFIG, Friedrich Mekum (1909), S. 134; ANZ, Reformation (1917), S. 121; HERRMANN, Lateinschulen (1940), S. 240 f.; DERS., Kirchengeschichte II (1947), S. 9 u. 133; FLITNER, Wissenschaft (1972), S. 59; HOLLSTEIN, Gymnasium (1972), S. 99; MÄGDEFRAU/GRATZ, Reformation (1996), S. 81.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

Kern der Schilderung – die Missachtung der Schulen – von einiger Wahrscheinlichkeit: Nemlich / das die Schulen bey euch aller ding gefallen vn[d] abgangen / also / das nicht allein / nicht ein einiger [!] Schuler furhanden war / sondern auch grosse Muhe vnd arbeit hette / das man ir etliche zu schule bringen / vn[d] widerumb von newen anrichten mocht / vnd die sachen fast allenthalb also stunden / das Schulen vnd studia beim Pöfel auffs höchst verachtet waren / vnd ihr ehe zehen zu finden / so Schulen stürmen vnd verstören / denn einen oder zwen / so sie hetten auff vnd anrichten helffen.115

Es kann zwar angenommen werden, dass die Gothaer Stiftsschule bereits vor dem Pfaffensturm durch einen Frequenzrückgang in Mitleidenschaft gezogen wurde, doch kann dies nicht belegt werden. Erst das Beispiel von Stadtilm schließt diese Entwicklungslücke. Der schleichende Niedergang der hiesigen vom Kloster getragenen Schule zeichnet sich, obgleich der Stadtrat nicht durch finanzielle Intervention eingriff, anhand der Stadtrechnungen mehrerer Jahrgänge ab. Die vom Stadtrat verwalteten und in den Rechnungen verzeichneten Stiftungen, die 1507/08 beginnend über Jahrzehnte nachverfolgt werden können, sind oben bereits erwähnt worden. Die stete Gleichförmigkeit verweist dabei auf eine feste liturgische Tradition. Deren Ende offenbart jedoch einen Bedeutungsverlust der Schule, der sich ab 1523/24 in einer zunehmenden Dezimierung der Schuldienerschaft auswirkte. Nach Jahrzehnten steter Gleichförmigkeit fanden die Begängnisse in diesem Jahr erstmals ohne einen Locaten statt. Die Schule verfügte nur noch über zwei Schuldiener, was dadurch bestätigt wird, dass die finanzielle Beteiligung des Locaten auf den Kantor umgelegt wurde. Er erhielt nun für seine Teilnahme jeweils 3 gr.116 Bereits im folgenden überlieferten Jahrgang 1525/26 fanden die Begängnisse jedoch nur noch unter alleiniger Teilnahme des Schulmeisters statt.117 Auch der Kantor hatte die Schule verlassen, was diesmal jedoch nicht zu einer Umlegung seiner Präsenzgelder führte. Zuletzt wurden der Stadt 1527/28 die Zinsen der Salvegesangstiftung verweigert, was die betreffenden Einnahmen mehr als halbierte. 118 Der Rat musste die Präsenzzahlungen schuldig bleiben und im folgenden Jahr aus der eigenen Tasche nachzahlen, denn „wa[nn] die zinse sein gefalle[n] gleichwol das lohn verfallen“119 sei. Der Gothaer und Stadtilmer Entwicklung können weitere Beispiele zur Seite gestellt werden, unter denen an späterer Stelle die Stadt Altenburg ausführlicher betrachtet werden soll. Eine Ausnahme bildete dabei lediglich die Stiftsschule von Schmalkalden, die unter dem Einfluss der Reformation nicht vollständig aufge115 116 117 118 119

MENIUS, Ein tröstliche Predigt,ol. Ciiiiv. Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Gemeinde- und Stadtrechnungen, Nr. 12603, fol. 61r–62r. Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Gemeinde- und Stadtrechnungen, Nr. 12604, fol. 25v–27r. Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Gemeinde- und Stadtrechnungen, Nr. 12606, fol. 79v. LATh-StA Rudolstadt, Gemeinde- und Stadtrechnungen, Nr. 12607, fol. 20v.

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löst wurde. Während die Geistlichen Schulen der genannten Städte in den frühen Visitationsprotokollen nicht mehr in Erscheinung treten, wurde die Schmalkaldener Schule vom hennebergischen Grafen über die Reformation hinaus gefördert.120 Bereits die Zeitgenossen versuchten, die Hintergründe für diesen schulischen Niedergang zu benennen. Anton Musa, der erste Jenaer Superintendent, auf den später ausführlicher zurückzukommen sein wird, benannte 1529 als Hauptgrund die verderbliche Tätigkeit fehlgeleiteter Prediger, die den Menschen durch ihre Lehren eine Missachtung der Schulen einprägten.121 Im Mittelpunkt stand dabei die bereits erwähnte, von Luthers Lehren vom allgemeinen Priestertum veranlasste grundsätzliche Ablehnung der katholischen Pfarr- und Ordensgeistlichkeit. Die Seelsorger verloren ihre Autorität und ihre Bedeutung, wodurch das geistliche Amt seine Legitimation einbüßte. Angesichts der Bedeutung, die das Schulwesen für die katholische Kirche gespielt hatte, wurde auch ihm die Ablehnung der Menschen zuteil. Dass Martin Luther selbst durch seine frühreformatorischen Schriften den Grund für eine solche Ablehnung gelegt hatte, verschwieg oder verkannte Musa. Ein bedeutendes Beispiel für ein derart bildungsfeindliches Wirken der ersten evangelischen Geistlichen bot der älteren Forschung Karlstadts vermeintliche Maßnahme zur bewussten Schließung der Wittenberger Lateinschule. Er habe, entsprechend der biblischen Lehre, dass der Mensch sein Brot im Schweiße seines Angesichts verdienen solle, 1522 die Schultätigkeit einstellen und die Schulgebäude in Brotbänke umwandeln lassen.122 Obgleich eine vollständige Schließung der Schule durch die neuere Forschung widerlegt werden konnte, muss dennoch auch in Wittenberg ein deutlicher Rückgang der Schülerzahlen konstatiert werden.123 Dem Wittenberger kann gleichermaßen Thomas Müntzer zur Seite gestellt werden. Er versah die Pfarrstelle von Allstedt bis August 1524,124 doch offenbarten sich noch ein Jahrzehnt nach seinem Abzug die Folgen seines schwärmerischen Einflusses. Als die Stadt 1533 visitiert wurde, richteten sich sämtliche Maßnahmen der Visitatoren deutlich und ausdrücklich gegen die von Müntzer aufgerichtete Ordnung, der das Schulwesen offenbar, anders als in Wittenberg, vollständig zum Opfer gefallen war. Eine Stadtrechnung von 1521/22 weist zwar

120 Sie ist die einzige Stiftsschule, die 1555 in der hennebergischen Visitation noch aktiv in Erscheinung tritt, vgl. LATh-StA Meinigen, GHA, Sect. IV Nr. 399, fol. 211r–v. 121 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA Reg Ii 400, fol. 1ar. 122 Vgl. MERTZ, Schulwesen (1902), S. 6 f.; HERRMANN, Reformation (1917), S. 48; KÄHLER, Karlstadts Protest (1952); GORNICH, Schulwesen (2013), S. 160. 123 Vgl. GORNICH, Schulwesen (2013), S. 161. 124 Vgl. HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 13.

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„des pfarhers wirtschafft“125 nach, enthält jedoch, obwohl die Stadt über zwei Pfarreien verfügte, keinen Hinweis auf eine Schule. Gleiches gilt für die Rechnung der Altarleute von 1522/23, in der die Präsenzgelder der Kirchendiener und Geistlichen verzeichnet wurden, ein Schulmeister jedoch keine Erwähnung fand.126 In keiner anderen Stadt griffen daher die Visitatoren mit so ausführlichen Einzelverordnungen in die Gestaltung der Schule ein, was hier mit den Worten begründet wurde, dass „wider ein gute schule zu Alstedt moge aufgericht werden“.127 Denselben Einfluss übte, wenn man den 1540 niedergeschriebenen Worten des Eisenacher Reformators Justus Menius glauben kann, der Prediger Jakob Strauß auf die dortigen Schulen aus. Tatsächlich finden sich in dessen gedruckten Schriften vielfältige Anklänge einer grundsätzlichen Ablehnung der Tradition des katholisch-philosophischen Lehrkanons. So griff er beispielsweise 1523 in seiner Schrift über das vermeintliche Sakrament der Beichte die Glaubenssätze der katholischen Kirche über das Wesen der Beichte auf. Sie seien sämtlich anhand der Lehren früherer Philosophen konstruiert und mit dem Evangelium nicht zu vereinen. Die von ihm vielfach geäußerte Ablehnung der Philosophen und deren Bevorzugung in den Hohen Schulen noch vor der Heiligen Schrift tritt dabei deutlich zu Tage. So nennt er Johannes Duns Scotus „den subtilen lugner“ und Aristoteles in verächtlichem Sarkasmus den „groß[en] Theologus“. 128 Die zeitgenössischen Gelehrten fanden dementsprechend sein Missfallen aufgrund der falschen Auslegung des christlichen Glaubens: „Ach Gott wie haben sy so groblich vnd vnuerschempt hye gelogen / vnd das götlich wort gefelschet“, fragte er 1524 in seiner zweiten Wucherschrift und ergänzte: Fürwar es erzeygt sich bey so gar gruntlich / das die grossen Rabi vnd alle hohe schulen mit ihrem Bapst / ein wort jr eygnen confirmirte[n] lere nit verstehen. Darumb sye all mit einander / vnns auch in disem fal / von Christo genent werden /als die do blynd seind vnd blynden leyter. Wem not ist in graben zufallen / der halt sich an solche lerer.129

Ein Niedergang der Eisenacher Schulen kann zwar nicht unmittelbar nachgewiesen werden, doch seien sie wie in Gotha, so die Worte des Justus Menius, „in grosse Zerruttung, vnd bey nahe in grundliche verwustung komen“. Zwar habe sich der Stadtrat dem Erhalt des Kirchenwesens bereits gewidmet, doch „hab ich [=Menius] doch die schulen ganz vnd gar zerruttet funden“. Der Schulmeister M. Heinrich Scholl – oder „der dazumal Schulmeister sein wolt“, wie Menius es ausdrückte – vernachlässigte die

125 126 127 128 129

LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 2936, fol. 27v. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 2937, fol. 5v. EKO I/1, S. 509. Für beide Zitate STRAUß, Beychtbüchlin, fol. ciir–v. Für beide Zitate STRAUß, Das wucher zu nemen vnd geben, fol. Biir

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Schule ganz und gar und widmete sich dem Fleischerhandwerk und dem Bierbrauen. Einen Bäcker hatte er zum Schulgesellen.130 Karlstadt, Müntzer und Strauß, deren schwärmerische Theologie mit der lutherischen oftmals nicht im Einklang stand, bestätigen Musas Theorie jedoch nur ungenügend. Ihnen sei daher das Beispiel eines weiteren, der lutherischen Theologie näherstehenden Predigers zur Seite gestellt, der, ohne bewusst ‚bildungsfeindliche‘ Lehren zu vertreten, dennoch einen entsprechenden Einfluss auf das schulische Verständnis der Menschen ausgeübt haben dürfte. Die rege Publikationstätigkeit des einstigen Eislebener Augustinereremiten Caspar Güttel ermöglicht dies umso mehr, da der Prediger einen regionalen Bezug zur Arnstädter Reformation und somit zu einem der oben angeführten Orte aufweist. 1471 in der Oberpfalz geboren, 1494 in der Leipziger Universität immatrikuliert, erlangte Caspar Güttel 1498 die Priesterweihe, promovierte 1503 zum Magister und wirkte für etliche Jahre offenbar unter hohem Ansehen als Prediger. 1514 trat er in das Augustinereremitenkloster von Neustadt a. d. O. ein, bevor er bereits im folgenden Jahr nach Eisleben wechselte. 1517 wurde er zum Doktor der Theologie promoviert. Mit den bald darauf aufkommenden reformatorischen Gedanken scheint er sich schnell identifiziert zu haben. Bereits vor der Auflösung des Eislebener Klosters 1522/23 setzte er seine Tätigkeit als Prediger, die ihn letztlich auch nach Arnstadt führte, im lutherischen Sinne fort.131 Eine Reihe hier gehaltener Predigten wurde bereits 1522 in Wittenberg in der Form einer Verteidigungsschrift für die evangelischen Prediger gedruckt. Güttel widmete sie dem schwarzburgischen Grafen Günther XXXIX. und schilderte diesem in seiner Vorrede, dass er auf der Durchreise auf dem Arnstädter Marktplatz gepredigt habe. Die Menschen seien „yn grossen hauffen gegenwertig“ und „Euangelischer warheyt hungrig / vnd gantz gyrig“132 gewesen. Im Zentrum der gehaltenen Predigten stand das allein gültige Gesetz Gottes, das Güttel, wie einst Jesus vor den Schriftgelehrten, den menschlichen Lehren gegenüberstellte. Nicht mit „vbersorgfelltiger mühe vnnd arbeytt“,133 wie Martha sie vor Jesus, ihrem Gast, an den Tag gelegt hatte, erlange man das Heil, sondern durch die Achtung des göttlichen Wortes, der Maria ein Beispiel gab, indem sie Jesu Worten lauschte. Aus diesem Sinnbild zog Güttel die Lehre, die er nach Paulus’ Römerbrief wiedergibt: „Ihr seytt niemant nichts pflichtig / denn vnter eynander euch tzu lieben / denn der do liebet seynen nehsten / hat das gesetze erfullet“. 134 Obwohl die Nächsten- und selbst die Feindesliebe durchweg ein fester Bestandteil der Ausführungen Güttels blieben, hätten diese 130 131 132 133 134

Für alle drei Zitate LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1478, fol. 2r. Zur Biographie Güttels vgl. BÜNZ, Kaspar Güttel (2008), S. 169–175. Für beide Zitate GÜTTEL, Schuczrede, fol. Aiv. Ebd., fol. Aiiv. Ebd., fol. Aiiir.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

Worte bereits als Aufruf zum Ungehorsam gegen die weltliche Obrigkeit verstanden werden können. Tatsächlich ergänzte er diesen Gedanken schließlich um das Wesen des zeitgenössischen Verständnisses der Gelehrsamkeit, indem er die Frage der Schriftgelehrten an Jesus, die er zum Ausgangspunkt seiner Betrachtungen gewählt hatte, auf seine Gegenwart übertrug: Derhalben fragt Christus heutt den schrifft gelerten nicht schlecht. Was listu? (als wyr pflegen Scotu[m] / Thoma[m] / Summisten / Partisten / Sophisten zuleßen) sondern fragt alleyn nach dem gotlichen wort / vn[d] sricht. Was lissestu ym gesetz [etc] Das thue / Was dich gott heysset / vnd nit was die menschen leren / ßo wirstu leben.135

Das menschliche Gesetz und die menschlichen Lehren hingegen bezeichnete Güttel als Unkraut, das aus der christlichen Welt zu tilgen sei. Wortreich und unter zahlreichen Wiederholungen führte er diese Botschaft aus, indem er unter der Inanspruchnahme zahlreicher biblischer Zitate gegen die menschlichen Werke wetterte. Um diese zu überwinden, bedürfe es nur des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung. Die Schöpfer jener menschlichen Werke – katholische Zeremonien, beten, fasten, Messen singen, Vespern und Vigilien halten – „mügen anders nit […] denn tzu abgrundt der hellen eyn furen“.136 Von diesem Punkt ist es für Güttel kein großer Schritt zur Ablehnung des geistlichen Standes mit „vielerley orden / regelln / statuten / bruderschafften vnd angenummene eygene werck“,137 die Christus gesamt verwerfe. Ähnlich wie Karlstadt in Wittenberg stellte er diesen schließlich die Arbeit der Hände gegenüber, die im Glauben an Gott verrichtet wird und über den menschlichen, aber gottlosen Werke stehe: Do gyllt / ßo viel vnd mehr / die teglich arbeytt eynes armen / Ia eyn schlag ynn der schewnen eynes dreschers / eynes holtzhawers / denn alles syngen/ klingen /leuchten / rewchern / beten /fasten (an diß haubtstuck) vnter Bischoffen / pfaffen / munchen / nonnen vnd carthewßer.138

Obwohl Güttel ausdrücklich keinen Aufruhr zu predigten gedachte, sondern die Nächstenliebe als zentralen Leitgedanken in den Mittelpunkt seiner Predigten stellte, brachen in Arnstadt zeitgleich die ersten reformatorischen Unruhen aus.139 Vermittelten sie bereits der Ablehnung des geistlichen Standes ihren Ausdruck, konnten Güttels Worte gegen die menschlichen Schriften, deren Verfasser er explizit mit Namen nannte (neben allgemeinen philosophischen Strömungen insbesondere der auch von Jakob Strauß kritisierte Johannes Duns Scotus und Thomas von Aquin), gegen die spätmittelalterliche Gelehrsamkeit ausgelegt 135 136 137 138 139

Ebd., fol. Aiiir. Ebd., fol. Biiir. Ebd., fol. Biiiiv. Ebd., fol. Diir. Vgl. EINICKE, Reformationsgeschichte I (1904), S. 181 u. 184.

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werden. Die Ablehnung der Schulen, welche in ihrer liturgischen Funktion einen maßgeblichen Teil des katholischen Zeremonienwerkes ausmachten, folgte dem wie selbstverständlich. Im Jahr darauf schlug sich in den oben zitierten Worten der Rückgang des Schulgeldes und der Frequenz der Schüler nieder. Auch wenn Güttel Anton Musas Urteil eines fehlgeleiteten Predigers wohl nicht verdient, muss ein Zusammenhang seiner Predigten mit den Reaktionen der Arnstädter Bürger als wahrscheinlich gelten. Neben jenem vermeintlich bildungsfeindlichen Einfluss der Prediger bildeten jedoch auch nicht explizit reformatorische, doch oft im Zusammenhang evangelischer Kirchenordnungen stehende Maßnahmen zur Eindämmung gesellschaftlicher Missstände die Ursache für den schulischen Frequenzrückgang. In den vergangenen Jahren, so äußerte abermals Anton Musa 1529, sei den Schülern das Sammeln von Almosen verboten worden. Welche Rolle das fahrende Schülertum und der damit verbundene Schülerbettel in vorreformatorischer Zeit hatte, ist – wie auch Anton Musas idealisierende Schilderung der damit verbundenen Zustände – oben dargestellt worden. Tatsächlich hatte jedoch vielerorts das Betteln auswärtiger Schüler in den Städten zu Tumulten geführt, denen man nun – dem wachsenden Bedürfnis nach regulierter gesellschaftlicher Ordnung entsprechend – durch ein grundsätzliches Bettelverbot begegnen wollte.140 Abermals machte Karlstadt in Wittenberg den Anfang dieser Entwicklung. In der 1522 aufgerichteten Wittenberger Kirchenordnung wurden auswärtige Schüler grundsätzlich als unerwünscht bezeichnet – „kain frembder schüler sol in vnser stat geliten werden“. Sollte dem entgegen dennoch ein fremder Schüler die Witteberger Schule besuchen wollen, solle dieser „sich selb mit essen vnd trincken versehen / dan[n] wir kainem wollen gestatten zu betlen noch zu mendicieren“.141 Weniger absolut, doch nicht minder deutlich nahm auch die Leisniger Kastenordnung das Bettelverbot auf. Obwohl fremden Schülern der Schulbesuch in Leisnig nicht grundsätzlich verboten war, wurde ihnen die Bildungswanderung nicht alleine durch die fehlenden Almosen, sondern auch durch die Forderung eines erhöhten Schulgeldes erschwert.142 Als drittes Beispiel findet sich eine Beschränkung fremden Schulbesuches schließlich in der Dienstanweisung eines Pößnecker Schulmeisters, der 1528 angewiesen wurde, „kein frombden Knaben ane wissen des Rats auf[zu]nehmen“. 143 Ein generelles Bettelverbot wurde in diesem Fall zwar nicht ausgesprochen, doch wird auch die Beschränkung der auswärtigen Schülerzahlen eine Minderung des 140 Vgl. KREIKER, Armut, Schule, Obrigkeit (1997), S. 173–179 u. 184 f. 141 Für beide Zitate Ain lobliche Ordnung, fol. 2v; Wittenberger und Leisniger Kastenordnung, S. 4; zur historischen Einordnung vgl. SPEHR, Kirchenwesen (2016), S. 18 f. 142 Vgl. LUTHER, Ordnung 1523, WA 12, S. 23/25. 143 StA Pößneck, B I 2, Nr. 6, fol. 17v.

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Mendikantenunwesens verfolgt haben. Entsprechend der Bedeutung, die Bildungswanderungen für das spätmittelalterliche Schulwesen hatten, 144 werden derartige Bestimmungen nachteilig auf die städtischen Schulen gewirkt und deren Frequenzrückgang mitgetragen haben. Insbesondere den Schülern des ländlichen Raumes bildeten die Almosen die einzige Lebensgrundlage, um ihre Ausbildung in den Städten fortzusetzen oder anzutreten. Der Entzug machte den Schülern den Besuch entfernterer Schulen somit nahezu unmöglich. Darüber hinaus führten vielerorts Begleiterscheinungen der Reformation unabhängig von Glaubenskritik und Ordnungsstreben zu wirtschaftlichen Einbußen der Schulen. In zahlreichen Städten wurden das Kirchen- und somit oft auch das Schulwesen von den geistlichen Institutionen, insbesondere den Klöstern mitfinanziert – mitunter auch dann noch, wenn die Schulen bereits in städtischer Trägerschaft lagen. Inwieweit dies in der Zahlung von Präbenden oder der Verköstigung der Schuldiener umgesetzt wurde, ist oben dargelegt worden. Waren die betreffenden Schulen dadurch zwar bis zu einem gewissen Grade unabhängig von den Schulgeldzahlungen, wurde ihnen dahingegen die Existenzgrundlage durch den frühreformatorischen Niedergang der Klöster entzogen. Eindrücklich schilderte der Stadtrat von Eisenberg eine derartige Entwicklung im Dezember 1525 brieflich dem Kurfürsten. Sämtliche Geistliche und der Schulmeister seien bisher mit der täglichen Kost im Kloster versorgt, doch sei diese bereits seit mehreren Jahren nicht mehr gereicht worden. Der Stadtrat habe versucht, durch eigene finanzielle Ausgaben den Nachteil für Kirche und Schule zu kompensieren,145 doch könne dies auf Dauer nicht gewährleistet werden.146 Tatsächlich fanden die Visitatoren 1527 kaum ein aktives Kirchenwesen vor. Die Pfarrstelle – ein Lehen des Klosters – war unbesetzt und eine Schule existierte nicht mehr. Eine Neugründung musste angeordnet werden.147 Gleichermaßen erfolgte der schulische Einbruch in Friedrichroda. Nachdem die Mönche von Reinhardsbrunn vor dem Bauernkrieg geflohen waren, wurde ihnen die Rückkehr ins Kloster durch den Kurfürsten verwehrt. Im September 1525 erfolgte mit dem Rücktritt des letzten Abtes die Auflösung des Klosters.148 Der Schulmeister, der „hieuor aus dem gewesenen Closter ist versehen vnd vnterhalt[en] wurden“, konnte sich daraufhin, so der Stadtrat den Visitatoren gegenüber, auf der ihm verbleibenden Versorgung nicht erhalten „vnd so [ist] die Schul […] zu boden 144 Vgl. insbesondere ANDERMANN, Bildungswanderung (2000). 145 Obwohl keine Eisenberger Stadtrechnungen dieser Zeit überliefert sind, bestätigt die Schilderung des Stadtrates nochmals die oben konstatierte Verbreitung der städtischen finanziellen Eingriffe. Wie in Blankenburg hatte dies jedoch auch in Eisenberg nicht zum Erfolg geführt. 146 LATh-StA Altenburg, Wagners Collectaneen XX, Nr. 15, S. 136–138. 147 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 198, fol. 10v. 148 Vgl. LÖFFLER, Waltershausen (2004), S. 277 f.

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gegang[en]“. 149 Um wenigstens eine notdürftige Versorgung der Schule zu gewährleisten, wurde dem Kirchner das Lehramt übertragen.150 Dieselbe Entwicklung erlebte Stadtroda, das über zwei vorreformatorische Schulen an beiden Pfarrkirchen verfügt hatte. Hier scheint nicht nur die Versorgung in Form einer regelmäßigen Präbende, sondern auch das Patronat der Schulen in der Hand des Klosters oder der Pfarrer gelegen zu haben. Durch den Austritt fast aller Nonnen bis 1526 und die Inbesitznahme der Klostergüter durch den Stadtrat151 blieben jedoch sowohl die Besetzung der Schulen als auch die Präbenden aus. Bei der Visitation von 1527 waren die Pfarrstellen ebenso vakant wie in Eisenberg. In Ermangelung der vorherigen Pfarrschulen hatte der Stadtrat unterdessen dem Stadtschreiber die Unterrichtstätigkeit übertragen.152 Bemerkenswert präsentiert sich eine ähnliche Entwicklung in Bürgel, wo sich das Kloster ebenfalls 1526 praktisch selbst reformierte. Die Ordensbrüder, so ein Brief des gesamten Konvents an den Kurfürsten, hätten erkannt, „das solcher vnser orden vnd stiefftung wider got vnnd sein heiligs Euangelion ist“. Sie wollten „aus solcher closter ordnung vnns begebenn“. Das Kloster würde mit sämtlichen Gütern dem Kurfürsten übertragen, er möge „ferner nach seiner churfurstlich gnaden willens vnd gefallens damit Zetun vnd zulassen“153 wie es ihm beliebe. Eine kontinuierliche Versorgung des Schulmeisters hätte auf diesem Wege gewährleistet werden können, doch fand sie in der Übertragungsurkunde des Klosters keine Erwähnung. Die Klostergüter wurden einem kurfürstlichen Verwalter unterstellt und die Einkünfte flossen dem Kurfürsten zu. Die Versorgung der Bürgeler Geistlichen und des Schulmeisters wurde nicht geregelt und folglich nicht fortgeführt. Sowohl die Pfarrstelle wie auch die Schule der Stadt fanden dasselbe Ende wie in Eisenberg und Stadtroda.154 Ebenso ergriff auch hier der Bürgeler Stadtrat die Initiative und setzte daraufhin den Stadtschreiber als neuen Schulmeister ein. Obgleich der schulische Niedergang damit nur durch wenige Beispiele illustriert wurde, war der Trend offenbar weit verbreitet. Die Visitatoren des ernestinischen Kurfürstentums, die seit 1526 und 1527 das Kirchenwesen begutachteten, sahen sich angesichts der schulischen Zustände veranlasst, dem Kurfürsten die Sorge um das Schulwesen in bezeichnenden Worten anzuempfehlen. Blieben die lokalen Aussagen der Visitatoren vor Ort zwar rar, verdeutlicht doch der Gesamteindruck, dass vielerorts eine vollständige Neubegründung des Schulwesens nötig sein würde. 149 150 151 152 153 154

Für beide Zitate LATh-StA Gotha, Oberkonsistorium Loc. 19, Nr. 2, fol. 186v. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 4.1, fol. 266r. Vgl. LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen III (1891), S. 186. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 198, fol. 7v; MBW, T 3, Nr. 574, S. 133. Für alle drei Zitate LATh-StA Gotha, GA, XX VII, Nr. 7, fol. 1r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 198, fol. 9r–v. Das Visitationsprotokoll von 1528/29 vermerkte, die Schule sei „daruber gar gefallen”, vgl. ebd., Reg Ii 3, fol. 21v.

2. Der Einfluss der landesherrlichen Obrigkeit DER EINFLUSS DER LANDESHERRLICHEN OBRIGKEIT

Eine eigenständige landesherrliche Einflussnahme auf die Entwicklung des Schulwesens hatte es in Spätmittelalter und vorreformatorischer Zeit nicht gegeben. In den oben dargelegten Beispielen (Kap. I. 4.1.1.) reagierten die Landesherren auf Interessen, die durch die Betroffenen von außen an sie herangetragen worden waren, doch liegen für eigenmächtige Eingriffe trotz eines anfänglichen landesherrlichen Kirchenregiments keinerlei Hinweise vor. Erst als die Reformation und die mit ihr einhergehenden Umwälzungen in den herkömmlichen kirchlichen Strukturen ein ordnendes Eingreifen notwendig machten, fand die frühe landesherrliche Kirchenpolitik – angefangen im ernestinischen Kurfürstentum – ihren endgültigen Durchbruch, der letztlich in der Entstehung einer evangelischen Landeskirche gipfeln sollte.1 Das Schulwesen stand im zeitgenössischen Verständnis in enger Verbindung mit der Kirche, was im Zuge dieser Entwicklung auf der einen Seite den konstituierenden Einfluss der Landesherrschaft auf das Schulwesen ausdehnte, dieses auf der anderen Seite jedoch im Schatten der Kirchen beließ. Der obrigkeitlich-reformatorische Einfluss auf das Schulwesen ist häufig betont worden und kann nicht negiert werden,2 doch muss gleichzeitig konstatiert werden, dass sich im 16. Jahrhundert noch keine eigenständige landesherrliche Schulpolitik herausbildete. Die Schuldiener wurden den Geistlichen und Kirchendienern in zahlreichen personellen Verordnungen schlichtweg impliziert, die schulische Organisation in strukturellen Entscheidungen der Kirche hinzugefügt oder in zahlreichen Fällen sogar mit geringerer Priorität nachgestellt. Obgleich die Schule in den Augen der Reformatoren gleichwertig neben der Kirche stand und die Forderung nach einer entsprechenden Fürsorge bzw. die Klage über deren Vernachlässigung demzufolge ein häufig erhobener Anspruch war, blieb die Sorge um die Schulen ein Bestandteil der Kirchenpolitik und explizit schulische Entscheidungen ein seltener Ausnahmefall.

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Zur Durchsetzung des „landesherrlichen Kirchenregiments“ im Zuge der Reformation vgl. ausführlich KRUMWIEDE, Entstehung (1967) sowie relativierend WESTPHAL, Ausgestaltung (2006) und zuletzt SPEHR, Kirchenwesen (2016), S. 23–28. Vgl. insbesondere PAULSEN, Geschichte (1919) Kap. II, 5. Vgl. auch SCHWABE, Gelehrtenschulwesen (1914), S. 40; MÜLLER-FREIENFELS, Bildungsgeschichte (1932), S. 66; SCHINDLING, Schulen (1987), S. 279; HAMANN, Schulwesen (1993), S. 44 f.; BAUER, Reformation und Territorialstaat (1994), S. 50; WEBER, Einfluss (1995), S. 59; HAMMERSTEIN, Physiognomie (1996), S. 66 f.; FUHRMANN, Latein und Europa (2001), S. 51.

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2.1. Die Etablierung des Schulwesens als Bestandteil der ernestinischen Kirchenpolitik vor dem Schmalkaldischen Krieg 2.1.1. Die Rolle des Schulwesens in den ersten Visitationen und im Unterricht der Visitatoren Obwohl er sich nicht ausdrücklich gegen die Lehren Luthers gewandt und Luther vielfach unter seinen Schutz gestellt hatte, starb der ernestinische Kurfürst Friedrich der Weise 1525 konfessionell weitestgehend unentschlossen. Erst der Wechsel der Kurwürde auf seinen Bruder Johann, der sich bereits seit einigen Jahren zu Luther bekannte und die grundsätzliche Bereitschaft mitbrachte, ordnend ins Kirchenwesen einzugreifen, brachte die entscheidende Wende für den Fortgang der Reformation.3 Noch im selben Jahr erreichte Johann ein Brief des Reformators, der in dem Regierungswechsel die Chance zur Erneuerung des zerrütteten Kirchenwesens sah und dem Kurfürsten dies am 31. Oktober 1525 nahelegte.4 Nachdem die Universität zu Wittenberg durch eine neue Ordnung wieder gefestigt worden sei, so Luther, erfordere nun dieselbe Notwendigkeit für das Kirchenwesen die Aufmerksamkeit des Kurfürsten. Die Pfarren seien allerorten im Niedergang begriffen, da „gibt niemand, da bezalet niemand, opffer vnd seelpfennige sind gefallen, Zinse sind nicht da odder zu wenig“, niemand würde die Predigt und den Gottesdienst achten. Ohne eine neue Ordnung „wird ynn kurtzer zeyt widder pfarhoffe noch Schulen noch [Predigt-]Stulen etwas seyn vnd also gotts wort vnd dienst zu boden gehen“. Die materielle Grundlage sei ausreichend, Luther verwies auf Klöster, Stifte, Lehen und Spenden, welche in ausreichendem Maße vorhanden seien, doch müsse man diese, so Luther im Hinblick auf das Modell des Gemeinen Kastens, „besehen, rechen vnd ordenen“.5 Der Kurfürst reagierte zunächst ablehnend auf Luthers Gesuch. Es sei nicht die Aufgabe des Landesherrn die Pfarrer zu unterhalten, zumal eine Ersatzzahlung der entfallenden Zinsen aus den Ämtern und dem Kammergut kaum zu bewältigen sei. Die Pflicht zur Versorgung der Geistlichen wies der Kurfürst stattdessen den Städten, Dörfern und Gemeinden zu. Sie sollten die Geistlichen aus eigenen Mitteln, „es wär von ihrem eign Gut oder den geistlichen Lehn, so sie zu verleihen 3

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Vgl. insbesondere OERTZEN BECKER, Kurfürst Johann (2017). Vgl. auch HÖSS, Spalatin (1989), S. 321 f.; KLEIN, Sachsen (1992), S. 16; JUNGHANS, Reformation (2005), S. 39–41 u. 51 f.; SCHIRMER, Johann der Beständige (2010), S. 34 f.; OERTZEN BECKER, Kirchenpolitik (2016), S. 94–97; SPEHR, Kirchenwesen (2016), S. 26. Vgl. LUTHER, Briefwechsel, WA BR 3, S. 594–596; HERRMANN, Kirchenvisitationen I (1929–1931), S. 179; MÜLLER, Neuordnung (1984), S. 183 f.; HÖSS, Spalatin (1989), S. 322 f. Für alle drei Zitate LUTHER, Briefwechsel, WA BR 3, S. 595.

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haben“,6 erhalten. Obwohl der Kurfürst darüber hinaus durchaus seine Bereitschaft signalisierte, eine neue Ordnung aufzurichten, gab Luther sich mit dieser Antwort nicht zufrieden und nutzte am 30. November 1525 die von Johann ausgesprochene Aufforderung, ihn in der Frage der Kirchenordnung zu beraten.7 Jede Pfarrgemeinde im Kurfürstentum müsse, so sein Rat, besehen werden, ob sie einen evangelischen Pfarrer begehre. In diesem Fall müsse ein solcher durch eine grundlegende Versorgung, „es wäre von dem Rathause oder sonst“,8 abgesichert sein. Das Kurfürstentum müsse zu diesem Zweck in vier oder fünf Bezirke unterteilt werden, welche durch ausgewählte Personen auf die Pfarrstruktur, die finanzielle Grundlage der Pfarren und die Tauglichkeit der Pfarrer begutachtet werden sollten. Luthers Ratschläge wurden schließlich umgesetzt. Die aus ihnen folgende Konsequenz war zunächst eine Stichprobe der kirchlichen Zustände im Kurfürstentum in Form von zwei räumlich noch sehr begrenzten Visitationen in den Ämtern Borna und Tenneberg.9 Letztere fand im Raum um Gotha und Waltershausen und somit auf thüringischem Boden im März 1526 statt.10 Zu Visitatoren wurden der Gothaer Prediger Friedrich Myconius und sein Waltershäuser Amtskollege Johannes Draco auserkoren. Eine Instruktion dieser ersten Visitation ist nicht überliefert, doch wird die Aufgabenstellung aus den Ergebnissen deutlich, die Myconius in einem bemerkenswert ausführlichen Visitationsprotokoll zu Papier brachte. 11 Das Schulwesen hatte demnach, dem anlassgebenden Briefwechsel entsprechend, keinen offiziellen Anteil an der kurfürstlichen Anweisung und fand demzufolge, zumal die Visitation nur Dörfer umfasste, auch keine Erwähnung in Myconius’ Bericht. Dass Myconius ihm dennoch seine Aufmerksamkeit zuwandte, ist seinem Engagement zuzuschreiben sowie seiner engen Verbundenheit mit den Lehren Luthers geschuldet, in dessen Fußspuren er mit seinem Aufruf an den Kurfürsten trat. In einer Reihe eigenmächtig verfasster, dem Visitationsprotokoll hinzugefügter Thesen legte Myconius diesem jene 6 7

Ebd., S. 614. Vgl. ebd., S. 628 f.; HERRMANN, Kirchenvisitationen I (1929–1931), S. 179; MÜLLER, Neuordnung (1984), S. 183 f. 8 LUTHER, Briefwechsel, WA BR 3, S. 628. 9 Vgl. zu diesen Visitationen SCHOLZ, Reformation (1917), S. 5–7; HERRMANN, Kirchenvisitationen I (1929–1931), S. 179–191; DERS., Kirchengeschichte II (1947), S. 24; MÜLLER, Neuordnung (1984), S. 184; MICHEL, Unterricht der Visitatoren (2014), S. 157; BAUER, Visitationen (2016), S. 65–67; BLAHA, Visitationen (2016), S. 135 f.; SCHERER, Verfahrensweise (2016), S. 80 f. u. 84 f. 10 Vgl. KOCH, Auftrag (2010), S. 12 f.; DERS., Reformation (2015), S. 32–40; BLAHA, Visitationen (2016), S. 135–137. 11 Vgl. LATh-StA Gotha, Oberkonsistorium Loc. 19, Nr. 1, ediert bei DREWS, Bericht (1905), S. 5–17.

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Problemfelder ans Herz, in denen dringender Handlungsbedarf bestand. In den dabei aufgezeigten Maßnahmen, welche in den Augen des Visitators zur Erneuerung des Kirchenwesens vorgenommen werden sollten, befahl Myconius dem Kurfürsten das Schulwesen in eindringlichen Worten an, deren auffallend energische Formulierung aus seinem Schreiben heraussticht und somit bereits verdeutlicht, welchen Stellenwert er einem funktionierenden Schulwesen beimaß. Angeregt durch die Erfahrungen seiner eigenen Wirkungsstätte Gotha und vermutlich auch weiterer Orte drängte er, man müsse „den großten vnd hochsten vleiß thun das yhe die schulen yn stedt[en] vnd fleck[en], fluks wyder angericht werd[en], vnd aufs fleyßigst gefordert, das man alda ey[ne] neue Iugent aufzihe, ynen Chr[istus] noch yn der blüt eynpild“.12 Myconius erkannte das Schulwesen am Boden, die Nachteile der oben dargelegten Entwicklung zeichneten sich augenscheinlich ab und als Folge einer unterlassenen Förderung des Schulwesens skizzierte er dieselben Szenarien, die bereits Luther prophezeit hatte. Ein Mangel an gelehrten Leuten würde sich einstellen, die Menschen verrohen und das Land statt derer voll wilder Tiere sein. Neben dem Schulwesen stand auch bei Myconius die Pflege eines umfassenden und einheitlichen Katechismusunterrichts. Insbesondere auf den Dörfern, wo keine Schulen angerichtet werden könnten, sollten Kirchner der Jugend die Hauptglaubensstücke, geistliche Lieder, die Psalmen und wechselnde Kapitel aus der Bibel vortragen, „das also das volk wideru[m]b gott[es] wordt gewohnet, ynen mit sing[en] vnd lesen yns herz getrib[en] wurde“.13 Auf welche Weise Myconius’ Mahnungen und Empfehlungen am kurfürstlichen Hof rezipiert wurden, bleibt offen, doch zeigt sich aus der Rückschau, dass viele der durch ihn skizzierten Maßnahmen in den folgenden Jahren umgesetzt und in der Zukunft mitunter charakteristische Aspekte des evangelischen Kirchenwesens werden sollten. Mit den Anfängen in Borna und Tenneberg wurde ein umfangreiches Visitationswerk gestartet, das in den folgenden Jahren obgleich zögerlich fortgesetzt wurde und durch umfangreiche personelle, strukturelle und in erster Linie finanzielle Maßnahmen ein neues Kirchenwesen aufbaute. Noch am 22. November 1526 sah Luther sich zunächst jedoch zu einem weiteren eindringlichen Gesuch an den Kurfürsten gedrängt, in dem er die bereits mehrfach geäußerten Klagen über den Verfall und die Missachtung des Kirchenwesens sowie seinen Aufruf an den Kurfürsten wiederholte.14 Wie Myconius bezog er seine Worte nun auch gleichermaßen auf das Schulwesen. Um die Menschen, „für allen d[ingen] doch die arme iugent, so teglich geborn wird vnd daher wechst“, 12 LATh-StA Gotha, Oberkonsistorium Loc. 19, Nr. 1, fol. 7r. 13 Ebd., fol. 6v. Vgl. auch SCHOLZ, Reformation (1917), S. 7; WITZMANN, Reformation (1917), S. 81. 14 Vgl. LUTHER, Briefwechsel, WA BR 4, S. 133 f.; HERRMANN, Kirchenvisitationen I (1929– 1931), S. 191; HETTWER, Schulordnungen (1965), S. 24; OERTZEN BECKER, Kirchenpolitik (2016), S. 99.

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im christlichen Glauben zu erziehen, „mus man schulen [vnd] prediger vnd pfarher haben“. Mögen die Alten in ihrem Unwillen „ymer zum teuffel hinfaren“, doch sei es die Schuld der Obrigkeit, wenn die Kinder versäumt und unerzogen bleiben würden.15 Man müsse die Menschen daher, so Luther, notfalls mit Gewalt dazu bringen, Schulen und Kirche zu erhalten. Wo die Gemeinden nicht in der Lage seien, dies selbst zu tragen, solle das Kirchen- und Klostergut dazu verwendet und so vor einer Verfremdung bewahrt werden. Als daraufhin 1527 die erste umfassendere Visitation begann, wurde die Förderung der Schulen gemäß Luthers und Myconius’ Worten in Angriff genommen. Vom 16. Juni 1527 stammt die erste erhaltene Visitationsinstruktion, die ihnen neben den Kirchen ihre Aufmerksamkeit zuwandte.16 Wie die Geistlichen sollten die Schulmeister in ihrer Lehre, ihrer Geschicklichkeit und ihrem Lebenswandel kontrolliert und überprüft werden. An ausdrücklich jedem Ort sollten „zur selsorge ader schulen“ zahlenmäßig ausreichend und genugsam gelehrte Personen zur Verfügung stehen. Andernfalls solle „auf die wege gehandelt werden, das an gebuhrlicher anzalh nit mangel sei“.17 Als vordringlichstes Problem erwies sich die Überprüfung und Regelung der finanziellen und wirtschaftlichen Grundlage des Kirchen- und Schulwesens. Um diese in ausreichendem Maße zu gewährleisten, nahm die Instruktion gemäß Luthers Empfehlung auf das mancherorts bereits im Ansatz umgesetzte Kastenmodell Bezug. Sämtliche Einkünfte aus kirchlichen Gütern, Stiftungen, geistlichen Lehen, Vikarien, aber auch aufgelösten Klöstern und Stiften vor Ort sollten zusammengeschlagen werden und zur Besoldung der vorhandenen und notwendigen Seelsorger, Kirchen- und Schuldiener genutzt werden. 18 In der Theorie, die damit Luthers mehrfach geäußerten Vorstellungen entsprach, markiert diese Verordnung eine maßgebliche Umgestaltung der schulischen Organisationsweise. Durch ein festgesetztes jährlich zu zahlendes Gehalt sollte die unsichere Versorgungslage der Schulen, die auf die Höhe des Schulgeldes wie anderer Zahlungen angewiesen und somit der schwankenden Frequentierung der Schulen ausgeliefert war, gefestigt und ein sicheres Auskommen des Schulpersonals gewährleistet werden. Nach der Verordnung einer festen Besoldung wurden die Visitatoren angewiesen, den Geistlichen und Schuldienern eine Ordnung vorzugeben, wie die 15 Für alle drei Zitate LUTHER, Briefwechsel, WA BR 4, S. 133. 16 Ediert bei EKO I/1, ab S. 142. Vgl. auch HERRMANN, Kirchenvisitationen I (1929–1931), S. 193 f. u. 203 f.; DERS., Kirchengeschichte II (1947), S. 25; HETTWER, Schulordnungen (1965), S. 24; THOMAS, Aufbau (1975/76), S. 106 f.; BAUER, Reformation und Territorialstaat (1994), S. 62 f.; BLAHA, Visitationen (2016), S. 138 f.; OERTZEN BECKER, Kirchenpolitik (2016), S. 99 f. 17 Für beide Zitate EKO I/1, S. 144. Vgl. auch THOMAS, Neuordnung (2005), S. 118. 18 Vgl. BAUER, Reformation und Territorialstaat (1994), S. 62 f.

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kirchlichen Zeremonien abzuhalten, Sakramente zu reichen und Gesänge zu verrichten, allerdings auch der Unterricht der Kinder zu gestalten seien. Die hier bereits deutlich betonte Einheitlichkeit, die „in unserm furstenthumb“19 angestrebt und verbindlich eingeführt werden sollte, bezeichnet nicht nur ein weiteres wichtiges Kriterium der ernestinischen Kirchenpolitik. Sie bildet viel mehr den Beginn eines konstituierenden Strebens, das insbesondere für die Entwicklung des Schulwesens in den folgenden Jahrzehnten und selbst über das Ende des Untersuchungszeitraumes hinaus maßgeblich sein sollte. Die Umsetzung von Luthers und Myconius’ Ansprüchen erforderte eine einheitliche Organisation des Schulwesens, die hier erstmals grundlegend, jedoch noch äußerst lückenhaft formuliert wurde.20 Lediglich sollte „den schulmaistern anleitung zu guter unterrichtung der jugent gegeben und darbei guten vleis zuhaben bevolen werden“, 21 doch wurde jene Anweisung im Einzelnen noch nicht spezifiziert. Mit dieser Einschränkung dürfte einer der Hauptgründe für das Scheitern und den vorzeitigen Abbruch der Visitation am 19. September 1527 berührt worden sein. 22 Die theologische Unsicherheit und die fehlenden organisatorischen Richtlinien machten die Umsetzung der in der Visitationsinstruktion gestellten Aufgaben unmöglich, zumal sich die Problemfelder offenbar gravierender als erwartet präsentierten. Die Schulen betreffend spiegelt sich dies in der einzigen erhaltenen, bereits kurz nach Beginn der Visitation in Weida erlassenen Verordnung der Visitatoren in nur wenigen, aber deutlichen Worten wider: „Schulen soll man widder auffrichten Allenthalben“.23 Diese äußerst knappe Formulierung verdeutlicht das volle Ausmaß des oben geschilderten schulischen Einbruchs, der offenbar an etlichen Orten noch nicht rückgängig gemacht werden konnte. Um angesichts dieser ersten gewonnenen Erfahrungen die genannten Hindernisse aus dem Weg zu räumen, lud der Kurfürst die Visitatoren zu einer Beratung am 26. September nach Torgau.24 Durch jene wurde daraufhin eine Reihe von Fragen, die der Klärung bedurften, zu Papier gebracht und es überrascht, dass das Schulwesen darunter eher nebensächlich erscheint. Berührt wurde

19 EKO I/1, S. 145. 20 Zu der angestrebten Vereinheitlichung der Schulstrukturen vgl. auch LINDNER, Schullandschaft (2011), S. 37 f. 21 EKO I/1, S. 145. 22 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 201. Über den allgemeinen Fortgang und Abbruch der Visitation vgl. insbesondere HERRMANN, Kirchenvisitationen I (1929–1931), S. 193– 200 u. 208; HETTWER, Schulordnungen (1965), S. 24; BAUER, Reformation und Territorialstaat (1994), S. 53; BLAHA, Visitationen (2016), S. 140 f. 23 LASA, Standort Dessau, Z 6, Nr. 711, fol. 2r. Vgl. auch EKO I/1, S. 148. 24 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 201; HÖSS, Spalatin (1989), S. 327–329; OERTZEN BECKER, Spalatin im Dienst der Kurfürsten (2014), S. 59; SCHULZ, Spalatin (2014), S. 74.

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lediglich „Doctor Martinus Luthers meinung“,25 auf welche Weise die Schüler in die kirchliche Liturgie einzubinden seien, um selbst durch die Musik Inhalt und Lehre der Heiligen Schrift nähergebracht zu bekommen. Dass die Liturgie und die Messen überhaupt durch die Mitwirkung der Schüler als Chor zu gestalten seien, wurde nicht in Frage gestellt. Die Musik blieb – bald sogar schriftlich fixiert – das verbindende Element zwischen Kirche und Schule. Am Ende der Torgauer Beratungen sollte ein organisierteres Vorgehen der Visitationen auf einer klaren und verbindlichen Grundlage sowie eine den Geistlichen, Kirchen- und Schuldienern darzubietende Richtlinie zur Gestaltung des Kirchen- und Schulwesens stehen. Beides findet sich im sogenannten Unterricht der Visitatoren an die Pfarrherrn im Kurfürstentum zu Sachsen umgesetzt, der aus den Erfahrungen und Beratungen hervorging und 1528 gedruckt wurde. Seine Bedeutung für die Herausbildung eines evangelischen Kirchenwesens kann nicht überschätzt werden26 und obgleich das Schulwesen in dem Torgauer Punkteplan nur geringe Aufmerksamkeit erfuhr, fand es doch Aufnahme in den Unterricht der Visitatoren. Unter der maßgeblichen Federführung Philipp Melanchthons, der sich als Mitglied der Visitationskommission ein Bild von den Umständen vor Ort gemacht hatte, wurde ein Schulplan ausgearbeitet,27 der eben jene ‚Anleitung zur guten Unterrichtung der Jugend‘, welche die Visitationsinstruktion gefordert hatte, enthält und der als letzter, 18. Artikel in den Unterricht der Visitatoren aufgenommen wurde.28 Nicht erst durch diesen, von der Forschung so bezeichneten Sächsischen Schulplan wurde Melanchthon zum bedeutendsten Mitarbeiter Luthers auf dem Gebiet des Schul- und Bildungswesens und zu einer der stärksten treibenden Kräfte bei der Gestaltung zahlreicher lokaler Schulen, was ihm – wenn 25 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 200, fol. 5r. 26 Die Behandlung dieser ersten landesweiten Kirchenordnung in der Forschung ist zahlreich und wurde erst kürzlich durch ein Jenaer Forschungsprojekt unter der Leitung von Joachim Bauer und Stefan Michel fortgeführt. Zu dessen Ergebnissen vgl. BAUER/MICHEL, Unterricht der Visitatoren (2017). Über die Bedeutung des Unterrichts der Visitatoren für das Schulwesen vgl. insbesondere SCHWABE, Gelehrtenschulwesen (1914), S. 50–54 und KREIKER, Armut, Schule, Obrigkeit (1997), S. 139–141 sowie darüber hinaus HEPPE, Schulwesen (1860), S. 55 f.; HARTFELDER, Praeceptor (1889) ab S. 419; PAULSEN, Geschichte (1919), S. 212/279 f.; MÜLLER-FREIENFELS, Bildungsgeschichte (1932), S. 69; HAHN, Unterweisung (1957), S. 30 f.; CHARPENTIER, Bildungswesen (1975), S. 69–74; MÜLLER, Melanchthon (1984), S. 102; SCHEIBLE, Reform (1999), S. 252; BRECHT, Einflüsse (2000), S. 69; FUHRMANN, Latein und Europa (2001), S. 52 f.; HAMMERSTEIN, Bildung (2003), S. 32; THOMAS, Neuordnung (2005), S. 118. 27 In der jüngeren Forschung distanziert man sich von der Autorenschaft Melanchthons für den gesamten Unterricht der Visitatoren, vgl. dazu MICHEL, Unterricht der Visitatoren (2014). Angesicht seiner Bedeutung für die Reformation des Schul- und Universitätswesens kann sein Vorrang für die Entstehung des Schulplans jedoch angenommen werden. 28 Vgl. LUTHER/MELANCHTHON: Unterricht, WA 26, S. 236–240.

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auch nicht, wie oft postuliert wurde, schon zu Lebzeiten – den Ruf eines zweiten Praeceptor Germaniae einbrachte.29 Melanchthon widmete sich an der Wittenberger Universität seit 1518 als Professor der griechischen Sprache und schilderte bereits in seiner berühmten Antrittsvorlesung vom 29. August 1518 seine Vorstellungen von Art und Nutzen einer gelehrten Bildung, in denen Luther seine späteren schulreformatorischen Forderungen vorgezeichnet fand. Seinem Wirken und nicht zuletzt dem im Folgenden zu skizzierenden Sächsischen Schulplan ist jene oben angesprochene Verbindung zwischen den reformatorischen Bestrebungen zur Aufrichtung einer neuen Schule und den bildungsreformerischen Ambitionen der Humanisten zuzuschreiben.30 Bereits im ersten Satz des Schulplans knüpfte Melanchthon an die von Luther eingehend ausgeführten Gedanken an: „Es sollen auch die Prediger die leute vermanen, yhre kinder zur schule zu thun, damit man leut aufziehe, geschickt zu leren ynn der kirche und sonst zu regiren.“ Der weltliche Aspekt steht hier erneut gleichrangig neben dem kirchlichen, denn „geschickter leute darff man nicht allein zu der kirchen, sondern auch zu dem weltlichen regiment, das Gott auch wil haben“.31 Durch diese vielfach bemühten Worte wurde schließlich eine Wortwendung in den Sprachgebrauch der evangelischen Schulmänner eingeführt, der bis weit über den Tod Luthers und Melanchthons hinaus in beinahe topischer Form in aller Munde bleiben sollte. Trotz dieser deutlichen Entsprechung kam es in Melanchthons Entwürfen zu gewissen Abweichungen von Luthers Ideen. Dessen optimistischen Vorstellungen von nur wenigen Stunden Unterricht am Tag wurden deutlich gestreckt auf mehrere Stunden am Vor- und Nachmittag, deren Inhalte im Folgenden eindeutig festgelegt werden. Dahingegen fand neben dem Ausbleiben der Mathematik und der Historien Luthers häufige und immer wiederkehrende Betonung der Wichtigkeit der drei heiligen Sprachen, obwohl sie das maßgebliche Verbindungsglied zwischen der Reformation und dem Humanismus waren, keine Entsprechung. Wo Luther den Menschen selbst die sonntäglichen Gottesdienste in vier Spra29 Vgl. insbesondere MAHLMANN, Bezeichnung (1999), S. 163. Vgl. auch HARTFELDER, Praeceptor (1889); STEIN, Melanchthon (1963), S. 48–60; STEMPEL, Melanchthons Wirken (1979); WOLLERSHEIM, Organisation (1997); WOLLERSHEIM, Einfluß (1999); ASCHE, Melanchthon (2010), S. 82; SCHEIBLE, Bildungsreformer (2015). 30 Vgl. PAULSEN, Geschichte (1919), S. 117–119 u. 212 f.; MÜLLER-FREIENFELS, Bildungsgeschichte (1932), S. 61–64; DORN, Antrittsrede (1952); MOELLER, Humanisten (1959), S. 51–55; STEIN, Melanchthon (1963), S. 13–20; BALLAUFF/SCHALLER, Pädagogik (1970), S. 43–45; CHARPENTIER, Bildungswesen (1975), S. 61 f.; STEMPEL, Melanchthons Wirken (1979), S. 26 f.; MÜLLER, Melanchthon (1984), S. 96 f.; BÖHME, Bildungsgeschichte (1986), S. 330–330; HAMANN, Schulwesen (1993), S. 42–44; SCHEIBLE, Melanchthon (1997), S. 31 f.; FUHRMANN, Latein und Europa (2001), S. 49 f. u. 52; RUDERSDORF, Luthertum (2008), S. 301–308. 31 Für beide Zitate LUTHER/MELANCHTHON: Unterricht, WA 26, S. 236.

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chen, Deutsch, Latein, Griechisch und Hebräisch, ans Herz gelegt hatte,32 beschränkte Melanchthon seinen Schulplan auf Latein: „Erstlich sollen die schulmeister vleis ankeren, das sie die kinder allein lateynisch leren, nicht deudsch odder grekisch odder ebreisch, wie etliche bisher gethan, die armen kinder mit solcher manchfeltigkeit beschweren, die nicht allein unfruchtbar, sondern auch schedlich ist“.33 Der Aspekt der Überforderung und die Sorge darum wurde als Begründung dazu herangezogen und weiter ausgeführt: „Zum andern sollen sie auch sonst die kinder nicht mit viel büchern beschweren, Sondern ynn alle weg manigfeltigkeit fliehen.“34 Dafür sollte hingegen die lateinische Sprache umso intensiver genutzt und die deutsche vollständig aus dem Unterricht verdrängt werden: „Es sollen auch die knaben dazu gehalten werden, das sie lateynisch reden, Und die schulmeister sollen selbs, so viel müglich, nichts denn lateynisch mit den knaben reden, dadurch sie auch zu solcher ubung gewonet und gereitzet werden“.35 Der Katechismusunterricht, den Luther, wie oben dargestellt, gleichrangig neben das Studium der Sprachen gestellt hatte, ihn aber in der Kirche und im Hause betrieben sehen wollte, fand durch Melanchthons Entwurf schließlich in der Form eines regelrechten Religionsunterrichts Einzug in den Schulen. Ein Tag der Woche, Mittwoch oder Sonnabend, sollte für diesen Unterricht, der die Schüler zu einem christlichen und gottgefälligen Leben erziehe, völlig reserviert bleiben. So sollte es nicht dazu kommen, dass die Kinder entweder nichts aus der Heiligen Schrift oder nichts als die Heiligen Schrift lernen. Der Unterricht erfolgte ganz nach Luthers und Myconius’ Vorstellungen anhand des Vaterunsers, des Glaubensbekenntnisses und der Zehn Gebote. Als Bibellektüre sollten nur Texte ausgewählt werden, die zu Gottesfurcht und festem Glauben ermuntern. Als Beispiele nannte er die Psalmen 111, 34, 128, 125, 127 und 133 – „hader sachen“,36 also Passagen, an denen sich theologische Streitfragen entzünden könnten, sollten ausgespart bleiben, doch werden auch diese nicht weiter spezifiziert. Damit die grammatikalischen Übungen auch an diesem Tag nicht völlig ausblieben, sollten sie anhand des Matthäusevangeliums betrieben werden und im Anschluss daran anhand der Paulusbriefe an Timotheus, des ersten Johannesbriefes oder der Sprüche Salomons. In der schulgeschichtlichen Forschung ist oft darauf hingewiesen worden, dass ein eigener, der religiösen Unterweisung gewidmeter Schulunterricht trotz der engen Verbindung der Schule zur Kirche in vorreformatorischer Zeit nicht bestanden hätte. Seine Entstehung wäre der Reformation zu verdanken und stelle 32 33 34 35 36

Vgl. LUTHER, Deutsche Messe, WA 19, S. 74. LUTHER/MELANCHTHON, Unterricht, WA 26, S. 236. Ebd., S. 237. Vgl. auch ebd. S. 239. Ebd., S. 240. Ebd., S. 239.

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eine völlige Neuerung gegenüber dem vorreformatorischen Schulwesen dar.37 Dass dieser Standpunkt relativiert werden muss, konnte im ersten Teil der vorliegenden Untersuchung bereits bestätigt werden. Dennoch ist natürlich dem Prinzip Luthers und Melanchthons eine Bedeutung für die folgende Entwicklung nicht abzusprechen. Der evangelische Katechismusunterricht sollte nach Melanchthons Entwürfen das konstituierende Merkmal aller Schulen sein, die somit zum Träger der christlichen Lehre erhoben wurden. Es kann an dieser Stelle bereits vorweg genommen werden, dass diese Idee in den folgenden Jahrzehnten vollständig zur Umsetzung gebracht wurde (Kap. II. 6.7.2.). Über Luthers inhaltliche Forderung hinaus beschäftigt sich Melanchthons Schulplan erstmals auch mit einer äußeren Organisation des Schulunterrichts.38 Die Schüler wurden in drei Haufen eingeteilt. Diese Klassenaufteilung ist, auch wenn es mitunter so dargestellt wurde, keine neue Einführung Melanchthons. Viel eher beruhte sie auf den humanistischen Schulkonzepten der vorreformatorischen Zeit, die nun um die Aufteilung der altersunabhängigen Klassen nach ihren Lehrinhalten erweitert wurden. Der erste Haufen des neuen Schulentwurfs widmete sich dem ersten Leseunterricht anhand des „kinder handbüchlein, darynn das Alphabet, Vater unser, Glaub und andere gebet ynnen stehen.“39 Auch wenn Melanchthon sich selbst als Verfasser nicht namentlich nannte, verwies er mit diesen Worten wahrscheinlich auf sein eigenes erstmals 1523 gedrucktes Lehrbuch, das Enchiridion elementorum puerilium.40 Dieses Lehrwerk, das durch seine Einführung in den Schulunterricht noch vor Luthers Katechismus zum „erste[n] religiöse[n] Schulbuch der evangelischen Christen“ 41 wurde, entfaltete in den folgenden Jahrzehnten eine enorme Wirkmächtigkeit.42 Hatten die Kinder auf diese Weise einen ausreichenden Kenntnisstand erreicht, folgten die ersten grammatikalischen Übungen im Latein anhand der Grammatik des Aelius Donatus und der Disticha Catonis. Das Üben erfolgte im Vorlesen des Schulmeisters und Nachsagen der Schüler, „das sie dadurch eynen hauffen lateynischer wort lernen und einen vorrat schaffen zu reden“.43 Auch das Schreiben 37 Vgl. SCHEEL, Luther und die Schule (1925), S. 152; HAHN, Unterweisung (1957), S. 27 f.; ASHEIM, Glaube und Erziehung (1961), S. 73 f.; DOLCH, Lehrplan (1982), S. 204. 38 Zur Organisationsweise des Melanchthonischen Schulplans vgl. HARTFELDER, Praeceptor (1889), S. 420–431; SCHWABE, Gelehrtenschulwesen (1914), S. 51–56; MÜLLER-FREIENFELS, Bildungsgeschichte (1932), S. 69; HAHN, Unterweisung (1957), S. 30–32; DOLCH, Lehrplan (1982), S. 202 f.; KREIKER, Armut, Schule, Obrigkeit (1997), S. 139–141. 39 LUTHER/MELANCHTHON: Unterricht, WA 26, S. 237. 40 Vgl. MELANCHTHON, Enchiridion. 41 STEMPEL, H. Melanchthons Wirken (1979), S. 55. 42 Vgl. HAHN, Unterweisung (1957), S. 63; STEMPEL, Melanchthons Wirken (1979), S. 55–57; DOLCH, Lehrplan (1982), S. 203. 43 LUTHER/MELANCHTHON, Unterricht, WA 26, S. 237.

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trat zu diesem Zeitpunkt neben die Lese- und Grammatikübungen und sollte unter der Aufsicht des Schulmeisters erfolgen, der täglich das Schriftbild und die Lernerfolge der Schüler zu überprüfen hatte. Als Hausaufgabe erhielten die Kinder eine Reihe von Wörtern, die sie am Abend einüben müssten. Der zweite Haufen, nachdem die Kinder das Lesen erlernt hatten, widmete sich endgültig der Grammatik. Die erste Lektüre zu diesem Zweck bildeten die Fabeln des Aesop, die täglich in der zweiten Stunde nach Mittag einstudiert werden sollten. Hatten die Schüler den Aesop verinnerlicht, traten an seine Stelle die Komödien des Terenz, denen wiederum ausgewählte Stücke des Plautus nachfolgten. Der Vormittag war der Wiederholung des am Vortag gelernten gewidmet, die durch Deklinations- und Konjugationsübungen durchsetzt werden sollte. Sie mündete in der Stunde vor Mittag in reine Grammatikübungen, Etymologie, Syntax und Prosodie, die in laufender Wiederholung erfolgten. Dass diese stupiden Wiederholungen auch dem Schulmeister unangenehm werden könnten, zeigt Melanchthons Mahnung an diese: „Wo auch den schulmeister solcher erbeit verdreusset, wie man viel findet, sol man die selbigen lassen lauffen und den kindern einen andern suchen, der sich dieser erbeit anneme, die kinder zu der Grammatica zuhalten.“44 Nach der Vesper, für die Luther, wie oben dargestellt, die Teilnahme der Schüler in seiner Schrift zur Deutschen Messe geschildert hatte, erfolgte die Lektüre der Paedologia des Petrus Mosellanus (1518) und im Anschluss daran der Familiarium colloquiorum formulae des Erasmus von Rotterdam (1518). Wie schon bei den Komödien des Plautus wird angemahnt, nur jene Stücke auszuwählen, die den Schülern „nützlich und züchtig sind“. 45 In der Gestalt dieser in Dialogform angelegten Lehrbücher, denen durch Melanchthons Einführung in den Schulunterricht endlich zum Durchbruch verholfen wurde, findet sich der Niederschlag des Humanismus, der – wie bereits mehrfach betont wurde – für das reformatorische Schulwesen zu einem maßgeblichen Einfluss werden sollte.46 Im zweiten Haufen erhielten die Kinder Hausaufgaben in Form einzelner Sentenzen der klassischen Literatur. Wie die Verdrängung des mittelalterlichen Standardlehrbuchs zur lateinischen Grammatik, des Doctrinale des Alexander de Villa Dei, so ist auch diese Hinführung der Schüler zu antiken Inhalten, die im zweiten Haufen ihren Anfang nahm, ebenfalls Melanchthons humanistischem Hintergrund zuzuschreiben. Dieser tritt schließlich im dritten und letzten Haufen offen zu Tage. Er bestand nunmehr aus einer Auswahl der geschicktesten Schüler und war der reinen Lektüre gewidmet. Herangezogen wurden Vergil, Ovid und Cicero. Der Vormittag diente wie im zweiten Haufen der Wiederholung und der grammatikalischen Übung. Zu Etymologie, Syntax und Prosodie trat die Metrik 44 Ebd., S. 238. 45 Ebd., S. 237. 46 Vgl. DOLCH, Lehrplan (1982), S. 203.

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hinzu, „denn die selbige ubung ist sehr fruchtbar, anderer schrifft zuverstehen, Machet auch die knaben reich an worten und zu vielen sachen geschickt“.47 An die Grammatik schlossen sich letztlich im dritten Haufen Dialektik und Rhetorik an. Für alle drei Haufen nahm die Musik einen festen Platz im Tagesablauf des Schulunterrichts ein. Ihr sollte die erste Stunde des Nachmittags gewidmet werden. Sie stand als verbindlicher Bestandteil des Unterrichts über dem Haufensystem und wurde von allen Schülern zusammen betrieben. Schon in Luthers Adelsschrift erschien die Schule als vorbereitende Instanz des Universitätsbesuchs, um die notwendige Qualifikation für das geistliche Amt zu erlangen. Dieser Bildungsweg sollte jedoch nur ausgewählten Schülern offen stehen. Der Gedanke der Eignung war für Luther von solcher Wichtigkeit, dass er schon hier, vier Jahre vor der endgültigen Hinzuziehung der weltlichen Obrigkeit, den Fürsten und Stadträten die Überwachung über die Entscheidung zum Universitätsbesuch vorschrieb. Nur diejenigen sollten die Universität besuchen dürfen, die von der Heiligen Schrift regiert werden, und „die do mochten Bischoff unnd pfarrer werden“.48 Die Anforderung, die hier indirekt auch an die Lateinschulen gestellt wurde, findet sich in der Haufenorganisation des Sächsischen Schulplans aufgegriffen. Während der erste Haufen die Einführung in die eigentliche Lehre darstellte, nahm der Entwurf des zweiten Haufens den breitesten Raum ein. Hier fand die Haupttätigkeit der Schule statt, die für alle Menschen verbindlich sein sollte. Die dritte Stufe, durch die bereits innerhalb der Schülerschaft eine Auswahl getroffen wurde, diente mit ihrer deutlich humanistischen Ausrichtung als Hinführung zum Universitätsstudium, das bestenfalls nahtlos an den erfolgreichen Abschluss der Schule anschließen konnte.49 Trotz der Ausführlichkeit des Schulplans ist ihm in der älteren schulgeschichtlichen Forschung Dürftigkeit und Unvollständigkeit vorgeworfen worden. 50 Ein solches Urteil verkennt jedoch die historischen Hintergründe: Die ersten Visitationen hatten unerwartet schlechte Zustände vorgefunden, 51 zu deren Verbesserung zunächst eine allgemeine Grundlage geschaffen werden musste. Melanchthons Entwurf stellte diese Basis dar, die selbst für die Lateinschulen der kleinsten Städte anwendbar sein musste. Es wurde durch ihn lediglich ein erforderlicher „Mindeststandard“52 festgelegt, der jene, oben aus der Visitationsinstruktion zitierte, gesamtterritoriale Einheitlichkeit bewirken sollte, welche 47 48 49 50

LUTHER/MELANCHTHON Unterricht, WA 26, S. 240. LUTHER, Adel, WA 6, S. 462. Vgl. HETTWER, Schulordnungen (1965), S. 28. Vgl. HEPPE, Schulwesen (1860), S. 56; SCHWABE, Gelehrtenschulwesen (1914), S. 54; MÜLLER-FREIENFELS, Bildungsgeschichte (1932), S. 69. 51 Vgl. HAHN, Unterweisung (1957), S. 26 f.; STEMPEL, Melanchthons Wirken (1979), S. 90; BAUER, Reformation und Territorialstaat (1994), S. 52. 52 WOLLERSHEIM, Organisation (1997), S. 71.

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in vorreformatorischer Zeit nicht bestanden hatte. Die dadurch eingeführte schulische Organisationsgrundlage konnte je nach lokalen Möglichkeiten ergänzt und erweitert werden. Das Fehlen der Mathematik, der griechischen Sprache, die Melanchthon selbst so am Herzen lag, oder der Organisation jener Schulen, die über mehr als einen Lehrer verfügten, ist weniger eine Folge von Nachlässigkeit als vielmehr der Notwendigkeit, auf der Basis der für die Reformation wesentlichsten Anforderungen einen breiteren Spielraum zu belassen. 53 Demzufolge wurde der Sächsische Schulplan, wenn er von den Schulordnungen der folgenden Jahrzehnte aufgegriffen wurde, in vieler Hinsicht den örtlichen Gegebenheiten angepasst oder erweitert und blieb so bis zum Erlass der Kursächsischen Kirchen- und Schulordnung von 1580 maßgebend.54 Der Unterricht der Visitatoren bildete in seiner Gesamtheit die Grundlage zur Fortsetzung des im Vorjahr unterbrochenen Visitationswerkes. Am 6. September 1528 erging ein Schreiben des Kurfürsten an alle Städte, welches ankündigte, dass eine neue Visitation unternommen werden sollte.55 Sie wurde im selben Jahr begonnen, zog sich bis ins Jahr 1529 hinein und erfolgte erstmals nach den im Unterricht der Visitatoren formulierten Richtlinien. Von den Zeitgenossen wurde sie dementsprechend rückblickend als die erste offizielle Visitation empfunden. Die genauere Orientierung, die angesichts des ausführlichen Lehrplans für das Schulwesen von besonderem Interesse gewesen wäre, kann jedoch nicht nachgezeichnet werden, da die Visitationsinstruktion mit der vorhergehenden von 1527 fast identisch ist.56 Hingegen sind nun jedoch erstmals ausführlichere Visitationsprotokolle überliefert, anhand derer das Vorgehen der Visitatoren skizziert werden kann. Eine besondere Bedeutung kann dabei den Protokollen des Ortslandes Franken, einem der sechs ernestinischen Visitationskreise,57 zugesprochen werden. Hier visitierten Hans von Sternberg zu Kallenberg, Nikolaus Kind, der Pfarrer von Eisfeld, Balthasar During, der Prediger von Coburg und Paulus Bader, der Kastner von Coburg. 58 Sie verfuhren in der Protokollierung ihrer Tätigkeit und ihrer Verordnungen überdurchschnittlich genau, sorgfältig und gradlinig, wodurch die Schwerpunkte der Visitation erschlossen werden können, wenngleich mit Abweichungen der anderen Visitationskommissionen zu rechnen 53 Vgl. HETTWER, Schulordnungen (1965), S. 29 f.; SEIFERT, Schulwesen (1996), S. 301. 54 Vgl. HETTWER, Schulordnungen (1965), S. 81; WOLLERSHEIM, Einfluß (1999), S. 94. 55 Ein Exemplar dieses Schreibens befindet sich im Jenaer Stadtarchiv, vgl. StA Jena, B XVIf-7 fol. 1r, ediert in EKO I/1, S. 174 f. Vgl. auch HÖSS, Spalatin (1989), S. 330; BAUER, Reformation und Territorialstaat (1994), S. 57; JUNGHANS, Reformation (2005), S. 53. 56 EKO I/1, S. 40. 57 Über die Kreiseinteilung des Kurfürstentums vgl. EKO I/1, S. 41–47; HÖSS, Spalatin (1989), S. 330; BAUER, Reformation und Territorialstaat (1994), S. 57. 58 Die Protokolle dieses Visitationskreises befinden sich in LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1a. Vgl. auch BERBIG, Visitation (1905/06).

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ist. Die oberste Priorität und den deutlichsten Schwerpunkt der Erkundigungen stellte erneut die finanzielle Lage der Kirchengemeinden und der Amtsinhaber dar. Die Städte und Dörfer mussten Einkommensverzeichnisse einreichen, über geistliche Lehen, Vikarie- und Messstiftungen informieren sowie ein Verzeichnis sämtlicher Kirchenkleinodien und kirchlicher Urkunden anfertigen.59 Neben der Pfarrstruktur stand schließlich gleichberechtigt das örtliche Schulwesen, das, wie auch schon in der vorhergehenden Visitation, mit ausreichendem Personal bestellt werden sollte, welches neben der nötigen Gelehrsamkeit einen vorbildlichen Lebenswandel und ein fleißiges Engagement aufzuweisen hatte.60 Der Hergang der Visitation im Ortsland Franken weist ein hohes Maß an eingehender Organisation und betonter Regelmäßigkeit auf. Feste Bestandteile waren dabei in jeder Stadt und sogar etlichen Dörfern die Verordnung Gemeiner Kästen61 und schließlich die Regulierung schulischer Belange. In Letzteren finden sich alle bereits genannten Aspekte der reformatorischen Schulorganisation wieder. Die schwankenden Bezüge der Schuldiener, die auf den Zahlungen der Schüler basierten, wurden durch ein aus dem Gemeinen Kasten zu zahlendes Festgehalt ersetzt. In nahezu jeder Stadt wurde im Gegenzug in aller Deutlichkeit verordnet, die Schüler forthin nicht mehr mit Schulgeld oder anderen finanziellen wie materiellen Forderungen zu belasten.62 Welche Entwicklung dies vor Ort nach sich zog und welche Probleme auf die Umsetzung jener Theorien folgten, soll an entsprechender Stelle zur Sprache kommen.

2.1.2. Anton Musas Schulschreiben und die Folgen Obgleich der schulische Niedergang durch das oben skizzierte Eingreifen der Stadträte und Pfarrer mancherorts aufgefangen oder rückgängig gemacht werden konnte, blieb das Schulwesen für mehrere Jahre offenbar äußerst dürftig und weit unterhalb der einstigen Blüte. Luthers Schulschriften, Myonius’ eindringliche Worte und die zitierten Verordnungen der Visitatoren zur Neuaufrichtung der Schulen resultierten aus den vor Ort wahrgenommenen Umständen, die aus den Visitationsprotokollen nur schwer erschlossen werden können (Kap. II. 6.2.). Unter den Äußerungen der Reformatoren und Visitatoren, die ihre Aufmerksamkeit dieser Thematik widmeten, ragen hingegen zwei Schriften aus der Feder Anton Musas besonders hervor, die trotz ihrer zielorientiert tendenziösen 59 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1a, fol. 1r–3r. 60 Vgl. ebd., fol. 4r–v. 61 Zur Existenz Gemeiner Kästen auf Dörfern (auch mit Bezug zum Ortsland Franken) vgl. MANDRY, Armenfürsorge (2018), S. 556–593. 62 Vgl. exemplarisch für die Stadt Eisfeld LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1a, fol. 114v.

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Färbung ein detailliertes und authentisches Bild zeichnen. Der 1485 geborene Anton Musa wurde, nachdem er in Erfurt und Leipzig studiert und 1517 den Magistergrad erworben hatte, nach einer dreijährigen Predigttätigkeit in Erfurt 1524 auf Luthers Empfehlung auf die Pfarrstelle von Jena berufen und schließlich als erster Superintendent der Jenaer Ephorie eingesetzt.63 Als Mitglied der Visitationskommission von 1528/29 erlebte er die Schulen, deren mangelnde Versorgung, aber auch ihre ungenutzte Existenz aus eigener Anschauung. Die Visitationsverordnungen berührten diesen Punkt nur am Rande. Ein in mehreren Ausführungen an verschiedene Empfänger gerichtetes Schreiben verpflichtete die Stadträte lediglich dazu, „Mit vleis darob zu sein, das die schul und der gemein kasten wol und christlich gehalten werden“. 64 Alles Weitere und insbesondere die genaue Umsetzung der Anweisung wurde wahrscheinlich bewusst offen gelassen. Eine inhaltliche Orientierung bot inzwischen der Unterricht der Visitatoren, doch blieb die mangelnde Frequentierung der Schulen, deren oben skizzierte Folgen sich seit den frühen 1520er Jahren bemerkbar gemacht hatten, ein ungelöstes Problem. Diesem Desiderat widmete sich der Jenaer Superintendent. Er entwarf ein Konzept, um die vielerorts nur wenig besuchten Schulen erneut zu füllen, sie zu ihrer alten Bedeutung zurückzuführen und den an sie gestellten Ansprüchen gerecht werden zu lassen. Bald nach der Visitation schrieb Musa dem Kurfürsten einen ausführlichen Brief, in dem er seinen Eindruck darlegte.65 Die Visitation habe ergeben, so seine Worte, „das die schulen gantz gering seynt“, obgleich es doch nicht mehr so sehr an den Schulmeistern liege. Diesen sei, so gut es eben möglich gewesen war, eine feste Besoldung verordnet worden, doch ändere dies nichts „am gemeynen volcke, das meher geneygt ist, die kinder zu hantwerken vnd andr arbeit dan zu schulen zu zihen“.66 Den Grund dafür sah Musa in drei Ursachen. Zum einen, so führt er den bereits oben genannten Hintergrund an, hätten unverständige Prediger über Jahre gegen die Schulen und gegen die gelehrte Bildung gepredigt und den Menschen die Sinnlosigkeit der Freien Künste eingebläut. Zum anderen stünden dem noch selten vorhandenen Wohlwollen der Menschen, ihre Kinder studieren zu lassen, die hohen Kosten im Wege, während ein Handwerk diese selbst ernähre. Zum dritten und letzten führte Musa die Perspektivlosigkeit der Schüler und Studenten an. Das geistliche Amt habe seine Bedeutung verloren und werde im Volke miss63 Vgl. zu seiner Biographie BAUER, Theologen (1992), S. 238. Durch seine Einsetzung zwischen dem 9. und 13. August 1527 war Musa der erste amtierende Superintendent überhaupt, vgl. THOMAS, Aufbau (1975/76), S. 108. 64 EKO I/1, S. 176. 65 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 400. Das Schreiben berührt nicht allein die Schulen, sondern auch einige Ehesachen und die Amtspflichten der Superintendenten, doch nimmt die schulische Frage den breitesten Raum ein. 66 Für beide Zitate ebd., fol. 1ar.

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achtet, wodurch das einstige Ziel des Studiums seinen Sinn verloren habe. All diese Gründe hatten zur Folge, „das niemandes oder gar wenigk mehr geneigt ist, seyn kindr zur schule zu zihen“. Da er dies nun bereits einige Zeit bei sich bedacht habe, kündigte er dem Kurfürsten mit seinem Brief an, ihm in einigen Wochen „meyn eynfeltiges bedenken yn diese sachen“67 zukommen zu lassen. Es ist ein Glücksfall der Überlieferung, dass Musas damit angekündigtes Werk erhalten ist. Es handelt sich um ein umfangreiches, 26 Folioseiten umfassendes Traktat, 68 in dem er die zuvor geäußerten Thesen in ausführlicher und weitschweifiger Weise darlegte, deren verderbliche Folgen abschätzte und die von ihm erdachten Gegenmaßnahmen vorschlug. Es trägt den Titel „Eyn [a]nslagt wie die schulen yn Steten widder anczurichten seyen“, 69 während die Notiz einer anderen Handschrift es als Werk Anton Musas ausweist. Als Mitglied der Visitationskommission, so wiederholte er darin, habe er sehen müssen, „daß die Schulen faste yn allen Steten ganz geringe seyndt, vnd nichts dan eytel kynderwergk noch damit ist, davon noch lange keyne gelarten leute zu gewarten seyndt“. In einer pessimistischen Art prophezeite er, „daß sye eyn cleyne sterben leichtlich mochte alle wuste vnd lehr machen“. In keiner Stadt sei an einer Schule auch nur ein einzelnes Bauernkind zu finden und es sei „(wie eß itzunt vmb die schulen stehet) gar eyn geringe dingk vnd wu man nit will izunt leute zihen, ßo weiß ich nicht, waß eß noch yn korzen Iarn werden wil“.70 Dass Schulen überhaupt notwendig seien und bei vielen Leuten für nützlich angesehen wurden, setzte Musa betont voraus und ersparte sich einen Beweis. Stattdessen kam er sogleich auf den Kern der Angelegenheit zu sprechen, indem er seinen Ausführungen einige grundlegende Überlegungen voranstellte. Die Gesamtheit der lern- und studierwilligen Kinder unterteilte er dabei in zwei Gruppen – jene Kinder des Adels und der reichen Leute, die um der Ehre und des Lobes willen studieren wollten, und jene der armen Bürger und gemeinen Leute. Für die erste Gruppe sei das geistige und geistliche Amt, in dem Musa das einzige Ziel des gelehrten Unterrichts sah, keine Option, da es weder Ehre noch Geld einbringe. Zukünftige Seelsorger seien daher aus der Gruppe der armen Kinder zu nehmen. Bei deren Eltern mangele es nun jedoch an der entscheidenden Neigung. Ihnen genüge es, wenn die Kinder deutsch lesen und schreiben könnten, „welcher boser wan ane zweiffel daher fleust das vor ezlichen iaren die leichtfertigen vnuerstendigen prediger das arme volck mit yren nerrichten predigten, dohin geweist haben das keyne gute kunste mehr nutze ader not weren“.71 67 Für beide Zitate ebd., fol. 2r. 68 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg O 544. Auch dieses Schreiben enthält neben der Schulfrage die Bedenken über die Superintendenturen und die Ehesachen, doch nehmen sie nur geringen Raum ein. Insgesamt umfasst das Traktat somit 30 Folioseiten. 69 Ebd., fol. 1r. 70 Für alle drei Zitate ebd., fol. 26r–v. 71 Ebd., fol. 3r.

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Auf der anderen Seite, so Musa, stehe hingegen der gemeine Mann, der die Notwendigkeit der Künste erkannte und sein Kind gern studieren ließe, sich jedoch vor den Kosten scheue, die er aufbringen müsse, bis ein gelehrter Mann erzogen werden könnte. Diese Sorge sei umso berechtigter, seit den Schülern in den Städten das Mendizieren, also das singende Betteln um Brot verboten worden sei. Für Musa stellte dieser ebenfalls bereits dargelegte Umstand den maßgeblichen Verlust der Lebensgrundlage der auswärtigen Schüler dar. Deren Eltern müssten nun, um ihre Kinder in die Kost eines Bürgers zu geben, jährlich 10 oder 12 fl berechnen, worin die Versorgung mit Kleidung und Büchern noch nicht inbegriffen sei. Die Lebenshaltungskosten eines auswärtigen Schülers, so Musa, betrage insgesamt mindestens 15 fl jährlich. Eine solche Ausgabe bedeutete dem gemeinen Mann eine große Entbehrung, die er nicht in Kauf nehmen könne und seinen Sohn daher zum Handwerk ausbilden ließe – „o was vil feyner knaben mussen von dieser vrsach wegen auß der schule bleyben“.72 Zuletzt warf Musa die Frage auf, wodurch ein Absolvent einer Universität, der unter der Entbehrung seiner Eltern schließlich doch studiert habe, sich selbst nach dem erfolgten Studium unterhalten solle. Pfafferei und Möncherei, wie Musa die vorreformatorische Pfarrstruktur umreißt, gelte nichts mehr, doch könne der Absolvent nicht sogleich ein Pfarramt antreten, da weder seine Tauglichkeit noch seine Neigung dazu beurteilt werden könne. Insbesondere Letztere werde zudem durch die Notwendigkeit des oftmals unterversorgten Pfarramtes, sich nebenher mit anderen Tätigkeiten ernähren zu müssen, geschmälert. Der gemeine Mann ließe seinen Sohn aus diesem Grund eher ein Handwerk lernen, einige Jahre wandern und sich durch sein Handwerk ernähren. Danach könne er ihm jenes Geld, „daß er hette verstudiren wollen“,73 auszahlen, damit sein Sohn es gewinnbringend in sein Handwerk investiere. Möge ein Anderer Schulmeister, Prediger oder Pfarrer werden und sich in seiner Armut bemühen, „warlich gnedigster Churfurst vnd her, dis ist eyn ganz gemeine rede vnder den leuten“.74 Die Folgen der skizzierten Entwicklung seien bereits spürbar. Neben den Geistlichen, an denen es bereits mangele, sei auch die Zahl der Schulmeister gering, obgleich von ihnen im Anfang alles abhinge. Sie seien es, durch die „die kunste, die zum rechten verstandt der heyligen Gotlichen schrifft dienen vnd not seyn, yn schulen geleret vnd erhalten werden“.75 Dementsprechend seien die Schulen „der acker, dareyn zcukünfftige rechtschaffene prediger vnd Schulmeistere mussen gepflanzt werden, darynnen mussen sye vor erst auffgehen vnd erwachsen, yn den hohen schulen aber mussen sye darnach reiff

72 73 74 75

Ebd., fol. 4v. Ebd., fol. 5v. Ebd., fol. 6r. Ebd., fol. 9r.

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vnd abgesnytten werden“.76 Zwar mangele es nicht an Personen, doch seien nur wenige gelehrt und verständig. Zur Untermauerung seiner Worte führte Musa seine eigenen Erfahrungen mit der Jenaer Schule an, an der kürzlich die Suche nach einem Baccalaureus schwer und fast aussichtslos gewesen sei. Um der ungünstigen Lage entgegenzuwirken, müsse somit in erster Linie gegen diese zwei Missstände vorgegangen werden, indem zum einen dem gemeinen Mann eine erschwinglichere Möglichkeit, seine Söhne ausbilden zu lassen, und diesen zum anderen eine Perspektive geboten werde. Es stehe in der Pflicht des Landesherrn die Kinder mit entsprechenden Ambitionen zu fördern, weshalb Musa seinem Appell sogleich die angekündigten Maßnahmen anschloss. Zunächst müsse der genannte böse Wahn durch die Pfarrer aus den Herzen der Menschen getrieben und diesen der Nutzen der gelehrten Bildung verdeutlicht werden. Danach sollte allen Städten befohlen werden, wieder fremde Schüler anzunehmen und zu halten und „ynen vmbher nach brote von hauß zu hauß wie vor alterß zcu singen gestaten musten“.77 Dies sei zudem den Bürgern eine willkommene Erleichterung, so urteilte Musa, der zur Untermauerung seiner Anschauung jene knappe, aber authentische Schilderung des vorreformatorischen Schüleralltags in der Fremde bot, die oben bereits wiedergegeben wurde. Bevor das Verbot erlassen worden sei, hätten die Bürger Schüler in ihr Haus aufgenommen und beherbergt, wogegen diese deren Kinder täglich in die Schule führten, im Haushalt wie auf dem Felde halfen, sich dabei jedoch durch ihr Mendizieren weitestgehend selbst versorgten. Seit dem Verbot seien die Bürger hingegen auf die Hilfe und die kostspieligere Haltung von Gesinde angewiesen. Sobald diese Methode in den Städten wiederbelebt worden sei, müsse, so Musa, die Einwirkung auf die Bauern in Dörfern und Flecken folgen. Durch die entsprechenden Predigten beeinflusst, würden sie ihre Kinder in die Schulen schicken und mit geringen Unkosten von ein paar Groschen in den Städten erhalten können, während diese sich durch das Singen um Brot und Geld selbst ernährten. Von Stadt zu Stadt ziehend, so schilderte Musa in schwärmenden Worten, könnte ein Schüler sich über etliche Jahre und solange er Lust dazu habe erhalten, seine Grundlage in der Grammatik, den Sprachen und der Rhetorik für das spätere Studium erarbeiten und würde seinen Eltern im höchsten Fall ein oder zwei Gulden des Jahres kosten. Die Schülerschaft würde vermehrt, die Lust zum Studieren geweckt und somit ein größerer Vorrat an gelehrten Menschen erzeugt werden. Zugleich steigere die wachsende Zahl der Schüler die Notwendigkeit weiterer Schulen, wodurch den Schülern und späteren Studenten die nötige Perspektive geboten werden könne. Der Absolvent einer Universität könne ein

76 Ebd., fol. 10r. 77 Ebd., fol. 12r.

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Schulamt antreten, seine Neigungen erforschen und nach einigen Jahren das Studium fortsetzen oder ein Pfarramt antreten. Gegen den Vorwurf, papistische Praktiken wiederbeleben zu wollen, verteidigte Musa sich, indem er seine Widersacher zur Erarbeitung besserer Ideen aufrief: Ich wuste auch nicht ob man eyne leichtere weyse, gelerte leute auffzuzihen, erfinden mochte, die nymandts beswerlich were, dan diese, die alten haben auch keyne bessere gewust, eß ist yhn auch darynnen gelungen, dan die particularia haben der welt monche vnd pfaffen alzeit gnugk vnd die menge geben warumb sollten syeß vns nit auch thun, wen wir sye widder an richten. […] eß solt mich noch besser duncken, wir hetten durch eynen wegk, der ym bapstum ganghafftig gewest, menge der schuller, den durch vnsere newe ordenunge gar keyne.78

Seine abgeschlossenen Ausführungen übergab Musa nicht sogleich dem Kurfürsten, sondern suchte im Rückhalt der mit Johann vertrauteren Reformatoren nach einflussreicher Unterstützung. Melanchthon und Luther unterzeichneten Musas Traktat eigenhändig. Während Melanchthon in kurzen Sätzen die Aussagen Musas zusammenfasste, hieß Luther sie mit nur wenigen Worten gut: „Solch bedencken gefellet mit wol, denn die reichen zihen yhr Kinder zum reichtumb vnd nicht zum dinst des wortts“.79 Obgleich Luther dem Traktat damit vielleicht die nötige Autorität verlieh, erteilte er dem Jenaer Superintendent seine eigentliche Anerkennung und Unterstützung erst im folgenden Jahr, als er dessen Entwürfe in seiner Coburger Schulpredigt verarbeitete. Etliche Gedanken Musas finden sich darin mitunter fast wörtlich wieder, weshalb vermutet werden kann, dass Luther in Musas Traktat den Anlass und die inhaltliche Vorgabe seiner Predigt gefunden hatte. Musas Werk fand tatsächlich die gewünschte Aufmerksamkeit am kurfürstlichen Hof. Am 6. Februar 1530 wurde es vor den Landtag gebracht, der Musas Vorschläge bewilligte. Die Argumente entsprachen dabei Musas Ansichten. 80 Noch am selben Tag wurde ein Brief an die kurfürstlichen Beamten verfasst, der gedruckt und im Kurfürstentum verbreitet wurde (Abb. 1). Auch dieser knüpfte an Musas Schilderung an, betonte die Kosten der Schulbildung und den dadurch veranlassten Rückgang des Schulbesuches, der einen Mangel an Predigern nach sich ziehe. Es sei daher beschlossen worden, dass es den notdürftigen Schülern vorstattet solle werden / vor den heusern vnd thüren / wie hieuor beschen / zu bitten vnd zusingen / domit sich der armen leutte kinder / souil bas / ynn den schulen erhalten / vnd die leute / so nicht sonders vormögens / vnd doch von Gott mit kindern begabt / vnd

78 Ebd., fol. 19v–20r. 79 Ebd., fol. 31r. 80 Vgl. Ernestinische Landtagsakten 1, S. 194.

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vorsehen seind / die zu der lere vnd guten künsten geschickt / sich des kosten vnd vnderhaltung halben / nicht zubeschweren haben.81

Die Beamten und Bürgermeister der Städte wurden aufgefordert, den Beschluss zu verbreiten und die Bürger zur großzügigen Spende anzuhalten.

Abb. 1: Die Aufhebung des Bettelverbotes durch Kurfürst Johann den Beständigen von 1530. Dass die Anordnung des Kurfürsten tatsächlich von den Städten rezipiert und umgesetzt wurde, verdeutlicht ein Brief des Pößnecker Stadtrates von 1543. Er erwähnte darin ein „offentlich gedrugkt ausschreiben“, das im Jahr 1530 mit dem Befehl erlassen worden sei, „die Schulen so Im abfhall vnd verderben kommen vnd gerathen, dermassen auffzurichten, domit In steten vnd flegkenn dieselbigen vnd die Iugent furnehmlichen got zw lob, ordentlicher dan hiebeuhorn gehaltten, zw gotliche[n] vnd andern guthen lehren vnd kunsten mochtten erzogen werden“.82 Aus der Rückschau, jedoch auch mit einer eindeutigen Intention, betonte der Rat, dass er sich dem Befehl gemäß verhalten habe. Ein weiterer Erlass dieses Inhaltes aus dem Jahr 1530 konnte bislang nicht ermittelt werden. Unter dem Vorbehalt des Überlieferungsverlustes kann somit davon ausgegangen werden, dass der Stadtrat sich mit seinen Worten, obgleich

81 LATh-StA Altenburg, XII. o. Nr. Ia, unfol.; StA Gotha, 0.2/254. Zweifellos sind weitere Exemplare überliefert, ein solches beispielsweise im Coburger Stadtarchiv, vgl. SOBOTTA, Schulwesen (2005), S. 146 f. 82 Für beide Zitate LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1708, fol. 1r.

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seine Inhaltsangabe nur bedingt zutrifft, auf die Aufhebung des Bettelverbotes bezog.83

2.1.3. Die Beteiligung der Schulen an der Sequestration Die ablehnende Haltung Johanns gegen Luthers Vorschlag, den Geistlichen und Kirchendienern eine wirtschaftliche Absicherung zu verschaffen, wurde oben angesprochen. Als in der Visitationsinstruktion von 1527 verordnet wurde, die Besoldungen auf der Grundlage eines Gemeinen Kastens sowie der Kirchen- und Klostergüter der lokalen Institutionen festzulegen, wurde dies infolgedessen mit der deutlich betonten Einschränkung verbunden, die Güter und Einkünfte jener Klöster, Stifte und Lehen, „so uns [dem Kurfürsten] vorlediget ader zuvorleihen zugestanden“,84 unangetastet zu lassen. Obwohl diese Einschränkung der bis dato noch prekären kirchlichen Situation geschuldet war, verdeutlicht sie doch abermals ein Verhalten des Kurfürsten, das bei den ernestinischen Landständen bereits seit einigen Jahren auf Missfallen stieß. Schon vor der ersten Visitation waren Stimmen laut geworden, die dem Kurfürsten vorgeworfen hatten, sich selbst und die kurfürstlichen Kassen an dem verledigten Kirchengut bereichern zu wollen.85 Als Johann daraufhin am 25. Januar 1531 ankündigte,86 über den Gebrauch der eingezogenen Kirchengüter informieren zu wollen, trugen die Landstände ihm die Bitte zu, die verledigten kirchlichen Einkünfte zur Erhaltung des neu aufgerichteten Kirchenwesens anzuwenden, „damit Land und Leuten keine beschwerliche Auflag, dem göttlichen Worte keine Schmach und Verkleinerung zugemessen werde“.87 Auch die zweite Visitation von 1528/29 hatte gezeigt, dass die Finanzierung der Kirchen und Schulen, wie sie bislang angedacht war, auf Grundlage der lokalen Einkünfte kaum umsetzbar war. Ein unterstützendes Eingreifen des Kurfürsten war erforderlich. Im März 1531 kam die Frage in Torgau erneut zur Sprache. Es wurde der Vorschlag unterbreitet, aus den Landständen Abgeordnete zu ernennen, welche 83 Alternativ könnte die Verordnung der Visitation 1528/29 gemeint sein, die die Sorge um das Schulwesen, wie oben zitiert, den Stadträten zuwies, doch stammt dieses bereits aus dem Jahr 1529 und berührt das Schulwesen nur am Rande. Eine falsche Datierung durch den Stadtrat wäre zwar denkbar, aber unwahrscheinlich, da das kurfürstliche Schreiben bei der Abfassung des Briefes duch den Rat offenbar noch vorlag. Heute ist es im Pößnecker Stadtarchiv nicht mehr auffindbar. 84 EKO I/1, S. 144. 85 Zum Vorgehen der Kurfürsten vgl. grundsätzlich HILPERT, Sequestration (1911), S. 4–7; SCHIRMER, Staatsfinanzen (2008). 86 Vgl. Ernestinische Landtagsakten 1, S. 210 f. 87 Ebd., S. 213. Vgl. auch HILPERT, Sequestration (1911), S. 6 f.

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über die laufende Sequestration Aufsicht führen sollten, um Entfremdung des Klostergutes zu verhindern. Der Finanzhaushalt der Klöster sollte von eigens eingesetzten Verwaltern fortgeführt werden, Überschüsse jedoch in zentral einzurichtende Kassen in Wittenberg, Gotha, Altenburg und Coburg überführt und zur Unterstützung des örtlichen Kirchen- und Schulwesens genutzt werden. Die Klostergüter selbst sollten für die Frist von zwei Jahren unangetastet bleiben, bis ein Konzil über deren Verwendung entscheide. Der Kurfürst stimmte dem Ansinnen zu und behielt sich das Recht vor, nach dem Ablauf der Frist über den Gebrauch der Güter zu bestimmen.88 Am 1. Juni 1531 wurde schließlich eine Sequestrationsordnung erlassen.89 Die zweijährige Frist endete, ohne dass ein Konzil eine Entscheidung herbeigeführt hätte. Bereits während dieser Zeit wurde noch unter Kurfürst Johann 1532 eine neuerliche Visitationsinstruktion ausgearbeitet. In ihrer Vorgehensweise gleicht sie den vorhergehenden, trug jedoch der 1531 getroffenen Vereinbarung Rechnung. An vielen Orten, so liest man, sei die Besoldung der Geistlichen, Kirchen- und Schuldiener sehr gering befunden worden und könne aus eigenen Mitteln nicht den Anforderungen angepasst werden. In diesen Fällen „sollen […] die geordneten visitatores ain messige und notturftige zulegung und besserung vorordnen“, 90 die von den gesicherten landesherrlichen Kirchen- und Klostergütern zu beziehen sei. Obwohl Johann noch vor Beginn der Visitation starb und diese durch den Regierungswechsel auf Johann Friedrich um einige Monate verzögert wurde,91 findet sich die Anordnung der Instruktion in den breit überlieferten Protokollen der folgenden Visitation von 1533/34 wieder. Auf der einen Seite wird deutlich, dass in vielen Städten und Dörfern geistliche Lehen durch den Tod der Inhaber allmählich zur Aufbesserung der kirchlichen Finanzen herangezogen werden konnten.92 Durch entsprechende, regelmäßig wiederkehrende Verordnungen der Visitatoren macht die Visitation von 1533/34, in der nun vollends die finanzielle Fundierung des Kirchenwesens und nicht mehr die personelle Absicherung im Mittelpunkt stand, einen deutlich zukunftsorientierteren Eindruck. Ein Ende der kirchlichen Spaltung oder ein ordnendes Konzil stand kaum noch in Aussicht und die Visitation verfolgte stärker als die vorhergehenden das Ziel, einen festen und dauerhaften Zustand herbeizuführen oder die etablierten Verhältnisse zu bewahren. Neben den ver88 Vgl. Ernestinische Landtagsakten 1, S. 225; HILPERT, Sequestration (1911), S. 7; SCHIRMER, Staatsfinanzen (2008), S. 184. 89 Ernestinische Landtagsakten 1, S. 215 f.; vgl. LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen I (1886), S. 46 f. (für Meißen und das Vogtland); HILPERT, Sequestration (1911), S. 9 f.; SCHIRMER, Staatsfinanzen (2008), S. 184. 90 EKO I/1, S. 185. 91 Vgl. HERRMANN, Generalvisitationen (1915), S. 75; SCHULZ, Spalatin (2014), S. 75. 92 Vgl. exemplarisch für Creuzburg LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 4.1, fol. 13r.

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ledigten Lehen wurde bereits über jene verhandelt, deren Inhaber noch am Leben waren und mit deren baldigem Ableben gerechnet wurde. Auf der anderen Seite wurde allerdings offenbar, so berichtete Georg Spalatin dem Kurfürsten nach der Visitation, „das etlich vil geistliche lehen in eigen nutz im scheyn des erbkauffs getzog[en] wollen werden, damit auch den kyrchen vnd schuldienern auch gemeine[r] armut abgebroch[en] wirdet“.93 Die Arbeit der Visitatoren, so Spalatin, bedürfe der Unterstützung des Kurfürsten, „dan sonst wurd doch nichts den eitel schimf spot vnd vngelimpf daraus erwachsen“.94 Erst einige Wochen später antwortete Johann Friedrich und versicherte Spalatin, dass er gewillt sei „vber die visitation ordnung zu halten“95 und das Kirchenwesen mit seinen Mitteln zu erhalten. Am 9. November 1535 legten daraufhin die Visitatoren detaillierten Bericht über die Ergebnisse der Visitation ab und fügten ein Verzeichnis der Orte bei, in denen es nötig sei „von andern ortten, Klostern oder stifftungen oder auß gemeiner Sequestracion der Kirchen gutter etwas […] zu besserung der pfarren zu wenden“.96 Ein solches Verzeichnis, das den hier zu betrachtenden thüringischen Visitationskreis umfasst, findet sich im Anschluss an die betreffenden Visitationsprotokolle.97 Obwohl die vollständige Betrachtung der Sequestration in Thüringen eine eigenständige Arbeit füllen würde,98 soll es nicht unerwähnt bleiben und hier wenigstens angerissen werden. Es enthält eine Übersicht sämtlicher Klöster und Stifte, deren Einkünfte herangezogen werden sollten, und daneben jene Pfarreien, denen daraus die notwendigen Zulagen zufließen sollten. Aus 18 Klöstern und Stiften sollten insgesamt 136 Orte, darunter neun Städte, finanziell unterstützt werden. Die Summe der von den Visitatoren ermittelten Zulagen betrug in diesem Visitationskreis 1.924 fl, ungefähr 32 Malter Korn und zwei Malter Gerste. Sie überstieg die von Hilpert ermittelten Summen der Kreise Meißen-Vogtland und Sachsen deutlich.99 Die Beteiligung der einzelnen Klöster und Stifte variierte. Mussten einige Klöster lediglich geringere Naturalbeträge leisten, wurde das Gothaer Heiligkreuzkloster mit einem Spitzenwert von 283 fl für die Unterhaltung von 14 Orten vorgesehen. Die damit skizzierte großflächige kurfürstliche Finanzierung des evangelischen Kirchenwesens sollte zu Martini (11. November) 93 94 95 96 97

LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 886, fol. 2r. Ebd., fol. 1v. Ebd., fol. 6r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 871, fol. 9v. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 4.2, fol. 384r–390v. Die Sequestration der Kreise Meißen-Vogtland und Sachsen ist durch Hilpert erschlossen worden, vgl. HILPERT, Sequestration (1911). 98 Zu Quellenlage und Forschungspotential dieses Themas vgl. GRAUPNER, Überlieferung (2017). 99 Vgl. HILPERT, Sequestration (1911), S. 121. Hilpert betonte jedoch selbst (S. 125 f.), dass die Summen in den folgenden Jahren deutlich stiegen.

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1535 ihren Anfang nehmen. Eine so schnelle Umsetzung des von den Visitatoren ausgearbeiteten Vorgehens war jedoch nicht möglich. Erst der zitierte Brief vom 9. November bewirkte die Zusage des Kurfürsten, woraufhin die verordneten Zulagen der 136 Orte nachträglich im Visitationsprotokoll verzeichnet wurden. Sie sollten halbjährlich gezahlt werden und letztlich zu Martini 1536 beginnen. Die Betrachtung dieses großangelegten Finanzierungskonzeptes bezüglich des Schulwesens offenbart jedoch einen starken Kontrast. Der dahingewandte Anteil war gering, während der größere Teil der Aufrichtung der Pfarrstellen gewidmet war. Wurde dem Schulwesen auf den Dörfern noch keinerlei Beachtung geschenkt – lediglich der Kirchner von Ettersberg, der möglicherweise Unterricht erteilte, erhielt drei Scheffel Korn100 –, fand es in vier Städten neben den Pfarreien Erwähnung. Diese Zulagen „fur die Kirch vnd schuel“101 flossen zur finanziellen Aufbesserung in die örtlichen Gemeinen Kästen, ohne dass im Einzelnen bestimmt werden könnte, welcher Anteil dabei den Schulen zukam: In Creuzburg wurden 65 fl aus dem dortigen Kloster, in Salzungen 70 fl aus dem benachbarten Kloster Allendorf, in Eisenach 140 fl und zwei Malter Korn aus dem dortigen Kloster und in Saalfeld 80 fl aus dem Heiligkreuzkloster von Gotha verordnet. Auf den letzteren Fall wird im Saalfelder Zusammenhang eigens zurückzukommen sein (Kap. II. 4.3.1.). Als alleiniger Empfänger der kurfürstlichen Zulage tritt der Schulmeister nur in zwei Städten auf. In Bürgel erhielt er 30 fl und 15 Klafter Holz aus dem dortigen Kloster,102 während seinem Amtskollegen von Eisenberg 10 fl aus dem Kloster vor Ort zugesprochen wurden.103 Der Pfarrer von Bürgel wurde bereits seit der Visitation von 1527 ausreichend vom dortigen Kloster versorgt,104 wohingegen jener von Eisenberg aufgrund einer reichen Erbschaft über umfangreichen Landbesitz verfügte, durch dessen Bewirtschaftung er einer Zulage nicht bedurfte. Erst durch seinen Tod 1542 verlor die Pfarrstelle diese an seine Person gebundenen Einkünfte, wodurch sich der Stadtrat gezwungen sah, anlässlich der Neubesetzung der Pfarrstelle beim Kurfürsten eine nachträgliche Zulagenverordnung zu erbitten.105 Der Kurfürst willigte ein und verschrieb dem Pfarrer von Eisenberg 30 fl aus dem dortigen Kloster.106 Über diese kurfürstliche Zulage hinaus fand das Schulwesen nach der Visitation von 1533/34 erstmals auch detailliertere Aufnahme in den Visitationsverordnungen. Insbesondere betrifft dies die Ordnung des Meißnischen und Vogtländischen Visitationsbezirkes, die in ihrer Ausführlichkeit als repräsentativ 100 101 102 103 104 105 106

Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 4.2, fol. 386r. Zitiert nach der Zulagenverordnung für Eisenach ebd., fol. 384v. Vgl. ebd., fol. 386v. Vgl. ebd., fol. 387r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 198, fol. 9r–v. Vgl. StA Eisenberg, XI/I/1, fol. 2r–3r. Vgl. ebd., fol. 6r.

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für die Beteiligung des Schulwesens betrachtet werden kann.107 Sie griff zunächst den von Spalatin geschilderten Missbrauch der Kirchengüter auf, indem sie jeglichen fremden und unberechtigten Zugriff auf geistliche Lehen untersagte. Letztere wurden so für den gedachten Zweck der Unterhaltung der Kirchen- und Schuldiener sowie der Gemeinen Kästen vorbehalten. Wie bereits in der Visitationsinstruktion 108 wurde nun auch der bauliche Erhalt der kirchlichen und schulischen Gebäude unter die Aufgaben der Kästen aufgenommen. Mit der Erneuerung des Kirchenwesens ging dabei eine bauliche Instandsetzung der Kirchengebäude einher. Die deutliche Betonung der meißnisch-vogtländischen Verordnung lässt entsprechend ungenügende Zustände vermuten. Alte und nicht mehr zu erhaltende Gebäude sollten erneuert und in den darauffolgenden Jahren in Stand gehalten, verfallene, aber noch ausreichend bestellte Häuser ausgebessert werden.109 Aus dieser Anordnung entwickelte sich in der Folge die gängige Praxis, den Schuldienern auf Kosten der Stadt oder des Gemeinen Kastens, wie es die Visitationsverordnungen des thüringischen Kreises im selben Jahres bereits festlegten, „bequeme[n] und notturftige[n] herbrigen [!]“110 zur Verfügung zu stellen. Neben dem Katechismusunterricht, der als fester Bestandteil der Pflichten des Pfarrers erscheint, stand schließlich in den meißnisch-vogtländischen Artikeln erstmals eine direkte Anweisung an die Schulmeister und ihre Gesellen. Als vordringlichstes Ziel des Unterrichts betrachteten die Visitatoren die Erziehung „zu gottes wort ere und furcht“, womit das wesentlichste Anliegen des gesamten frühreformatorischen Schulwesens formuliert wurde. An zweiter Stelle, damit jedoch eng verbunden, stand die Anleitung der Kinder „zu erbarn sitten und geberden“. Der eigentliche Inhalt des Unterrichts war dahinter zweitrangig. Hier stand die Grammatik im Mittelpunkt. Auf weitere Inhalte wurde nicht eingegangen, stattdessen sogar an Melanchthons Warnung, die Kinder nicht zu überfordern angeknüpft, auf dass „sie nicht zu frue von der grammatica in hohere kunst getrieben werden“.111 In allen weiteren Belangen wurden die Schuldiener auf den Schulplan im Unterricht der Visitatoren verwiesen.

107 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 6, fol. 293r–302r; LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 583. 108 Vgl. EKO I/1, S. 185. 109 Vgl. ebd., S. 188. 110 Ebd., S. 196. 111 Für alle drei Zitate LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 6, fol. 300v; ebd., Reg Ii 583, fol. 9r; EKO I/1, S. 190.

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2.1.4. Philipp Melanchthons Entwurf eines Mädchenschulplans In seiner Schrift an den christlichen Adel hatte Luther sehr optimistisch ein Schulwesen skizziert, das Jungen und Mädchen gleichermaßen den christlichen Glauben vermitteln sollte. Hatten die Schulen hier noch vorrangig das Ziel des katechetischen Unterrichts, blieben die Mädchen in der Schrift an die Ratsherren, die ein Gelehrtenschulwesen entwarf, weit hinter den Jungen zurück.112 Luthers Bewusstsein entsprach dem zeitgenössischen Verständnis, das sich demzufolge auch in den folgenden landesherrlichen Verordnungen und Visitationsinstruktionen widerspiegelt. Wurden die Mädchen mit den Jungen hinsichtlich des Katechismusunterrichts stets in der Bezeichnung ‚Jugend‘ zusammengefasst, spielten sie in den schulischen Aspekten der frühen Reformation überhaupt keine Rolle. Die Anrichtung einer Mädchenschule wurde dem Ermessen der Städte überlassen und es zeugt von großer Ambitioniertheit, wenn beispielsweise die Leisniger Kastenordnung 1523 die Anstellung einer Mädchenschulmeisterin vorsah.113 Obgleich es nicht auszuschließen ist, kann in den thüringischen Städten nur in äußerst seltenen Fällen ein vorreformatorisches Mädchenschulwesen nachgewiesen werden. Die frühen Visitationsprotokolle schweigen zu dieser Frage hingegen völlig. Erst 1528/29 tritt eine Mädchenschule in Weida in Erscheinung, doch baute sie auf einer vorreformatorischen Schule im Nonnenkloster auf.114 Sie gab den Anlass zur weiteren Auseinandersetzung der Visitatoren mit dem Aspekt des Mädchenschulwesens. Die Reformation hatte in Weida früh Fuß gefasst, war allerdings mit nicht wenigen Konfrontationen zwischen der städtischen Obrigkeit oder den evangelischen Geistlichen mit dem Kloster verbunden.115 Anders als in den oben skizzierten Fällen konnte ein völliger Zusammenbruch des Kirchenwesens jedoch durch eine frühzeitige Intervention des Stadtrates aufgefangen werden. 116 Als 1526 die Priorin das Kloster verließ, wurde es auf kurfürstlichen Befehl aufgelöst.117 Dessen Schule sollte nun im Zuge der kirchlichen Umgestaltung der Stadt zu einer evangelischen Schule ausgebaut werden. In diesem Zusammenhang äußerte der Amtmann dem Kurfürsten Johann gegenüber bereits vor der Visitation von 1528/29 seine Zweifel an der Ordnung der Mädchenschule, woraufhin 112 Vgl. HAHN, Unterweisung (1957), S. 27; FIETZE, Frauenbildungskonzepte (1996), S. 127; WESTPHAL, Bildungskonzepte (1996), S. 138; LIEDTKE, Schule und Bildung (2005), S. 66 f. 113 Vgl. LUTHER, Ordnung 1523, WA 12, S. 25. 114 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2, fol. 219r–v. 115 Vgl. insbesondere LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Kk 1462. 116 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Kk 1462, fol. 11r–13r; ebd., Reg Ii 175, fol. 1r–2r. 117 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 167, fol. 2v–4r u. 6r–v; KOCH, Gutachten (1998), S. 284 f.

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Johann die Professoren der Wittenberger Universität um ein Gutachten ersuchte.118 Philipp Melanchthon nahm sich der Frage an und entwarf vermutlich 1528, im selben Jahr, in dem auch der Sächsische Schulplan des Unterrichts der Visitatoren entstand, die grundlegende Ordnung einer evangelischen Mädchenschule.119 In ihrer weitreichenden Wirkung kann sie mit dem genannten Lateinschulplan gleichgestellt werden, obgleich sie inhaltlich kaum einen Vergleich zulässt. Grundsätzlich befürwortete Melanchthon die Gründung einer Mädchenschule und verwies wie Luther auf die Ursprünge der Klöster: „on zweifel sind vor zeiten auch die Jungfraw Kloster zu solcher vbung in der Schrifft gestifftet worden, Aber der Sathan hat die arme Leute von der Schrifft auff vnnutze Fabeln, törichte gebetlin, Rosenkrentz, vnd dergleichen gefuret.“ 120 Entsprechend des geschlechterspezifischen Rollenverständnisses des frühen 16. Jahrhunderts, das auch Luthers Schriften beeinflusst hatte, stand jedoch nicht nur das Bedürfnis, sondern auch das Zugeständnis von Mädchenschulbildung weit unter dem zeitgleichen Knabenschulwesen, das von den Reformatoren als Grundlage der evangelisch-christlichen Gesellschaft betrachtet wurde. Dies äußert sich auch in dem Gutachten Melanchthons. Obgleich die darin enthaltene Forderung an die Bürger der Stadt Weida, ihre Töchter gleichfalls zur Schule zu schicken, den Aussagen des Lateinschulplans gleicht, geht der inhaltliche Schwerpunkt über einen grundlegenden Katechismusunterricht, ergänzt durch Lesen und Schreiben, nicht hinaus. Gebete, geistliche Lieder, Psalmen und die Bibellektüre standen im Mittelpunkt des Unterrichts, der durch den täglichen Kirchgang ergänzt wurde. Selbst das Lesen erfüllte lediglich den Zweck, die katechetische Lektüre zu ermöglichen, während das Schreiben nicht dem Selbstzweck, sondern der Vervollkommnung des Lesevermögens dienen sollte. Die Rücksicht und das Vermeiden von Überforderung trat noch stärker als bei den Knaben hervor, indem Melanchthon den Unterrichtstag mit nur je zwei vor- und nachmittäglichen Lektionen deutlicher beschränkte. Dadurch blieb den Mädchen das frühe Aufstehen erspart, während der übrige Nachmittag zum häuslichen Erlernen ‚weiblicher Tätigkeiten‘ – Handarbeiten wie Nähen und Spinnen – zur Verfügung stand. Dieses deutlich geringere Bildungsziel spiegelt sich auch in den Ansprüchen an die Schulmeisterin wider, von der lediglich die Festigkeit im Katechismus und die richtige Glaubenshaltung erwartet wurde. Die Mädchen wurden in zwei Haufen unterteilt, die sich nach der Lesefähigkeit der Schülerinnen richteten, doch kam es nicht zu einer derart scharfen Trennung der Haufen wie im Lateinschulplan. Alle Tage sollten mit gemeinsamen Gebeten beginnen, wobei die Schulmeisterin die Kenntnisse der Gebete, „eins 118 Vgl. KOCH, Gutachten (1998), S. 284 f. 119 Ediert und kommentiert in ebd., zur Datierung vgl. ebd. S. 284 f. Vgl. auch MBW, T 3, Nr. 694a. 120 KOCH, Gutachten (1998), S. 289.

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nach dem andern“, 121 zu überprüfen hatte. Das Auswendiglernen erfolgte nach Gehör, wobei auf das Vaterunser, das Glaubensbekenntnis und den Dekalog die Psalmen 20, 67, 34, 25, 51, 128 und 127 folgten.122 Dem zweiten Haufen sollte für diesen Unterricht bereits ein schriftlicher Katechismus vorgelegt werden. In Ermangelung des noch nicht veröffentlichten lutherischen Katechismus griff Melanchthon auf die von Johann Agricola erst kürzlich eigens für die Eislebener Mädchenschule verfassten Fragestücke zurück. 123 Der tägliche Kirchgang vor oder nach den Lektionen war schließlich zur katechetischen Vervollständigung mit einem anschließenden Abfragen und einer entsprechenden Auslegung des Predigtstoffes verbunden. Die erste Stunde am Nachmittag wurde vom Gesang und dem Erlernen geistlicher Lieder eingenommen, wozu beide Haufen zusammengelegt wurden. Zwischendurch wurden die zuvor gelernten Gebete wiederholt. Dem Lesenlernen wurde kein fester Platz im Schulunterricht zugewiesen. Es lief viel eher parallel zum üblichen Unterricht. Dabei solle man dem ersten Haufen „furgeben zu lernen vnd furlesen, iedem nach seiner geschicklichkeit“. Die Lesekenntnis bildete schließlich das Kriterium für die Zusammensetzung des zweiten Haufens, der sich in den entsprechenden Lektionen der Lektüre des Neuen Testaments, des Katechismus oder des „deudschen kinder buchlin[s]“ widmete.124 Bei Letzterem hatte Melanchthon wahrscheinlich – wie auch im Sächsischen Lateinschulplan – sein eigenes erstmals 1524 gedrucktes Handtbüchlein wie man die kinder zu der geschrifft vnd lere halten sol125 im Sinn. Die jeweils zweite Stunde des Vor- und Nachmittages diente dem Schreibenlernen. Auch hier genügten Melanchthon die Anfangsgründe, ohne dass die Mädchen überfordert werden sollten. Obgleich der Schulplan von Melanchthon im Vorfeld der folgenden Visitation entstand, wurde von den Visitatoren an keiner Stelle Bezug auf ihn genommen. Während die einstige Priorin inzwischen als „meydlen zuchtmeisteryn zu zwickau“ 126 diente, blieb die Weidaer Mädchenschule die einzige erwähnte in dieser Visitation in Thüringen. Sie stand unter der Leitung einer weiteren ehemaligen Nonne namens Anna Kolhert, fand jedoch nur am Rande Beachtung.127

121 Ebd., S. 288. 122 Die Auswahl der Psalmen stimmt nur zum Teil mit dem Lateinschulplan überein. Dieser ergänzt die Psalmen 112, 125 und 133, während in dem Mädchenschulplan die Psalmen 20, 25, 67 und 51 hinzugefügt werden. Gemeinsam haben beide Schulpläne lediglich die Psalmen 34, 127 und 128. 123 Vgl. AGRICOLA, Fragestuecke; KOCH, Gutachten (1998), S. 285. 124 Für beide Zitate KOCH, Gutachten (1998), S. 288. 125 Vgl. MELANCHTHON, Handbüchlein. 126 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2, fol. 217v; KOCH, Gutachten (1998), S. 284 f. 127 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2, fol. 219v; KOCH, Gutachten (1998), S. 286.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

Eine weitreichendere Wirkung entfalteten Melanchthons Ausführungen erst bei der Visitation von 1533/34. 128 Das Mädchenschulwesen wurde hier von einigen Visitatoren auch ohne kurfürstliche Instruktion eigenmächtig aufgegriffen. Am deutlichsten wird dies in einer Notiz der Visitatoren des MeißnischVogtländischen Visitationsbezirkes, der unter anderem auch Weida umfasste. Darin skizzierten sie auf der ersten Seite des Protokolls in sechs Punkten ihr Vorgehen, wobei sich neben der Aufbesserung der Pfarrstellen, der Überprüfung der Angelegenheiten des Gemeinen Kastens und anderen Gesichtspunkten die Anordnung, „wie meidlen schul zuhalden“ 129 sei, befindet. Detaillierter ausgeführt wurde sie hier noch nicht und auch an der vorhergehenden Visitationsinstruktion hatte das Mädchenschulwesen noch keinen Anteil gehabt. Die Visitatoren entbehrten noch einer obrigkeitlichen Anweisung, sodass sie lediglich in dem von Melanchthon fünf Jahre zuvor verfassten Weidaer Gutachten eine Richtlinie fanden. Folgerichtig wurde die Sorge um die Mädchenschulen in die bereits oben erwähnten meißnisch-vogtländischen Visitationsartikel aufgenommen. Der betreffende Abschnitt „Ordnung der meidlein schule“, 130 der den Umfang des oben wiedergegebenen Knabenschulartikels deutlich übersteigt, ist eine annähernd wörtliche Übernahme des Melanchthonischen Gutachtens, das so seinen Weg in die landesherrlich sanktionierten Verordnungen fand und auch über die Grenzen des Visitationsbezirkes hinaus Gültigkeit erlangen sollte. Die zeitgleichen Verordnungen des thüringischen und des fränkischen Visitationsbezirkes schenkten dem Mädchenschulwesen hingegen noch keine Aufmerksamkeit 131 und selbst über den Schmalkaldischen Krieg hinaus sollten die meißnisch-vogtländischen Artikel die letzte obrigkeitliche Verordnung bleiben, die dem Mädchenschulwesen gestalterische Beachtung zukommen ließ.

2.1.5. Die Anfänge eines ländlichen Schulwesens und die Einführung kurfürstlicher Stipendien Hatten die Schulen im ländlichen Raum bislang ebenfalls keine Beachtung gefunden, stellte die Visitation von 1533/34 schließlich auch den ersten zögerlichen Versuch dar, auf der personellen Grundlage der dörflichen Kirchner einen vorerst noch bescheidenen Unterricht aufzubauen. Dieser beschränkte sich noch auf die Lehre christlicher Gesänge, während selbst das Lesen und Schreiben nicht 128 Vgl. KOCH, Gutachten (1998), S. 286. 129 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 7, fol. 1r. Gleiches ist auch auf der Eingangsseite des Visitationsprotokolles von Altenburg und etlichen sächsischen Städten zu lesen, vgl. ebd., Reg Ii 6, fol. 2r. 130 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 6, fol. 310v; EKO I/1, S. 193. 131 Vgl. EKO I/1, S. 195–199.

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verbindlich vorgeschrieben wurde. Eindrücklich wird die Form des Kirchnerunterrichts in der Visitationsverordnung des Amtes Allstedt skizziert. Neben der Unterstützung des Pfarrers in der Kirche solle der Kirchner „wochentlich die Kinder und Iugent einmahl in die kirch[en] oder in ein stuben fo[r]dern, vnd dieselbig[en] im Catechismo vnterweisen vnnd die deutzschen gesenge lehren“.132 Die Eltern wurden angewiesen, ihre Kinder am Besuch dieses Unterrichts nicht zu hindern. In den meißnischvogtländischen Artikeln wurde der Katechismusunterricht hingegen noch ausdrücklich den Pfarrern zugewiesen. Darüber hinaus gleicht die Anweisung der Kirchner dem Allstedter Beispiel.133 Von einem höheren, gar lateinischen Unterricht konnte keine Rede sein: Es wurde überhaupt nicht in Frage gestellt, dass „auf den dorfern […] niemands lateinisch versteet“.134 Ernsthafter wurde das ländliche Schulwesen erst drei Jahre später durch Friedrich Myconius aus einem aktuellen Anlass in Augenschein genommen. Ihm als dem zuständigen Superintendenten war aufgetragen worden, einen Nachfolger für eine vakante Pfarrstelle zu ermitteln. Diesen hoffte er unter den Schuldienern seiner Ephorie zu finden, wie es bereits in vorreformatorischer Zeit üblich war und von Anton Musa als zu bewahrende Praxis herausgestrichen wurde. Myconius’ Suche nach tauglichen Personen hatte jedoch ergeben, dass die ländliche Schuldienerschaft nicht ausreichend ausgeprägt und die Kirchner auf den Dörfern unzureichend ausgebildet waren. Der nicht nur von Anton Musa prophezeite Mangel an gelehrten Personen war endgültig eingetreten, da die Schulmeister der Städte allein dem Bedarf nicht genügen konnten. Die Zustände auf den Dörfern bildeten jedoch einen Teufelskreis aus einer mangelnden Besoldung der Kirchner und den Notwendigkeiten früherer Studenten, sich wirtschaftlich zu versorgen. Mit einem Schreiben an den Kurfürsten vom 23. Oktober 1537 trat Myconius daraufhin in die Fußspuren seines Jenaer Amtskollegen. Die Stellen der Kirchner, die auf den Dörfern zugleich als Schulmeister fungierten, seien zum größten Teil „mit vngelert[en], vngeschickt[en] leut[en], Der noch vil aus der papisterey, von verdorbin schulern vbrig seyn“, 135 besetzt. Ihre mangelnde finanzielle Grundlage ließ es jedoch nicht zu, dass ein Universitätsabsolvent sich seinen Lebensunterhalt als Kirchner verdienen könne. Die Notwendigkeit der Kirchner, 132 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 45, fol. 25r; EKO I/1, S. 512; HERRMANN, Reformation (1917), S. 49 f. 133 Vgl. EKO I/1, S. 190 f.; HERRMANN, Reformation (1917), S. 49 f.; MENZEL, Volksschule (1958), S. 210 f. 134 EKO I/1, S. 192. Zum Stand der ländlichen Schulen in den ersten Visitationen vgl. SCHERFFIG, Friedrich Mekum (1909), S. 79; HERRMANN, Reformation (1917), S. 49 f.; WITZMANN, Reformation (1917), S. 81; HERRMANN, Dorfschulen (1935); WOLLERSHEIM, Organisation (1997), S. 71–73; THOMAS, Neuordnung (2005), S. 118 f.; SCHULZ, Spalatin (2014), S. 75–77. 135 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1052, fol. 3r. Vgl. KOCH, Reformation (2015), S. 69.

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diesen durch landwirtschaftliche oder handwerkliche Tätigkeit zu erwerben, bildete somit einen weiteren Grund für den gemeinen Mann, sich die Kosten des Studiums zu sparen und, wie Musa betont hatte, seine Söhne sogleich ein Handwerk lernen zu lassen. Einem Gelehrten stehe es nicht an, sein Auskommen als Kirchner und Schulmeister durch handwerkliche Tätigkeit zu bestreiten, zumal er erst teuer erzogen worden sei. Die Frage der Finanzierung eines Studiums war damit erneut in den Mittelpunkt der Betrachtungen getreten.136 Bereits Anton Musa hatte dieses Problem in seinem Schulschreiben angerissen, musste dafür jedoch, wie er selbst eingestand, die Lösung schuldig bleiben.137 In seiner Nachfolge hatten die Visitatoren es dem Kurfürsten am 4. Juli 1534 erneut in Erinnerung gerufen:138 Nach der Umsetzung von Musas Vorschlägen konnten die Schulen zwar wieder gefüllt werden, doch war der Perspektivlosigkeit der Schüler bislang nicht begegnet worden. In der vorhergehenden Visitation seien die städtischen geistlichen Lehen zur Aufbesserung der Kirchen und Schulen herangezogen worden, doch sei darüber „gar nichts vbergelassen, dauon der burger kynder ausserhalb Irer elthern heuser Im studio erhalten werd mochtenn“.139 Dem schloss sich schon damals die Bitte nach kurfürstlichen Stipendien an, die aus den zurückgelassenen oder durch den Tod verledigten Pfründen der Stifte in Gotha und Eisenach finanziert werden könnten. Eine Reaktion des Kurfürsten hatte dies nicht hervorgerufen. Myconius griff die Problematik daher erneut auf und verband sie nun mit der Frage der Kirchnerbesoldung. Um aus dem skizzierten Teufelskreis auszubrechen, sei es nötig, den Eltern das teure Studium der Söhne zu erleichtern und diesen zugleich mit dem Amt des dörflichen Schulmeisters durch eine Besoldungserhöhung eine ernsthafte Perspektive zu bieten. Für letztere Maßnahme sah Myconius die Möglichkeit in etlichen größeren Dörfern durch die einstigen Vikarien vorhanden. Durch deren Einkünfte, die von den Visitatoren bislang den Pfarrern zugeschlagen worden waren, könnte die Besoldung der Kirchner aufgebessert werden, während der Kurfürst die Stipendien zur Unterstützung der Studenten bereit stellen müsse. Somit könnten die Kirchnerstellen gezielt mit zuvor geförderten Studenten besetzt werden, welche sich darin ohne handwerklichen Nebenverdienst ihren Unterhalt erwerben, sich zugleich unter den kri-

136 Über den allgemeinen Zusammenhang zwischen der ‚Ausbildung des territorialen Pfarrernachwuchses‘ und der Notwendigkeit zur landesherrlichen Bildungsförderung vgl. auch ASCHE, Studienförderung (2012), S. 74. 137 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg O 544, fol. 21r–v. In der hessischen Landgrafschaft kam es hingegen bereits in diesem Jahr, 1529, zur Verordnung landgräflicher Stipendien an der Universität Marburg, vgl. ASCHE, Studienförderung (2012), S. 74, Anm. 111. 138 Vgl. LATh-StA Gotha, Oberkonsistorium Loc. 19, Nr. 2, fol. 5r–10v, hier fol. 8r–9v. 139 Vgl. ebd., fol. 9v.

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tischen Blicken der Pfarrer an „der vleissig[en] vbung ahn den schulkindern“140 versuchen und somit einem Mangel an gelehrten Kirchen- und Schuldienern entgegenwirken würden.141 Die Visitatoren unterstützten den Vorschlag des Myconius, nachdem der Kurfürst sie um ihre Einschätzung ersucht hatte, in einem wortreichen Brief vom 18. Januar 1538 und erweiterten Myconius Schilderung um das mangelnde inhaltliche Niveau der Dorfschulen. Diese könnten den Schülern, die zum Studium gewillt seien, die nötige Vorbildung zum Besuch einer Stadtschule nicht vermitteln. Es sei daher nötig und solle den Dorfschaften befohlen werden, die Kirchenund Schuldiener nach den Kriterien ihrer Gelehrsamkeit, ihrer Eignung zum Schuldienst und nur unter Mitwirkung des zuständigen Superintendenten auszuwählen.142 Obgleich der Kurfürst den Visitatoren und Myconius am 12. März 1538 sein Einverständnis erklärte und den Dorfschaften am 6. Januar 1540 den angeregten Befehl aussprach, keine Kirchner allein nach ihrer Gunst einzustellen,143 verzögerte sich die Umsetzung um mehrere Jahre. Die Entwicklung kann jedoch auch aufgrund von Überlieferungsverlusten nicht lückenlos nachvollzogen werden. 1537, also im selben Jahr des ersten Appells des Myconius, wurde eine Reform des Dorfschulwesens in Angriff genommen, über die heute lediglich noch ein Eintrag im Findbuch des Thüringischen Hauptstaatsarchivs informiert. 144 Die Umsetzung der kurfürstlichen Stipendien ließ jedoch länger auf sich warten.145 Missmutig beklagte Myconius noch 1542 die Nachlässigkeit des Kurfürsten gegenüber Justus Menius. Der Gothaer Stadtrat, so Myconius, habe von zwei ehemaligen geistlichen Lehen in den vergangenen zehn Jahren 20 Studenten unterhalten, der Kurfürst von allen eingezogenen Lehen hingegen keinen einzigen.146 Der früheste überlieferte Hinweis, dass die kurfürstliche Stipendienpolitik in Angriff genommen werden sollte, ist einem Brief Johann Friedrichs vom 7. März 1543 zu entnehmen. Der Gothaer Stadtrat hatte um seine Unterstützung zur Förderung eines Studenten gebeten, woraufhin der Kurfürst den Stadtrat mit den folgenden Worten vertröstete: „nachdeme wir bedacht seynt, In vnsern Landenn eynn

140 141 142 143 144

LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1052, fol. 3r. Vgl. auch KOCH, Reformation (2015), S. 69. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1052, fol. 4r–v u. 5r–6v. Vgl. ebd., fol. 9r, 10r u. 10r–11r. Die verlorene Akte trägt den Titel, „wie die dorffschulenn zu Aufferziehung der Jugendt solten zubestellen sein“, vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Findbuch Reg Ii, fol. 136r. 145 Über die Verhandlungen nach 1537 vgl. insbesondere KIUS, Stipendiatenwesen (1865), S. 99–116. Sie sollen hier nicht näher ausgeführt werden. 146 Vgl. SCHERFFIG, Briefe (1936–39), S. 235.

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verordnung zumach[en], wie es mit den stipendiis allenthalben gehaltenn werd[en] solle, So wirdet euernn vnnd euern burgers Kindern auch versohung [!] gescheenn“.147 Am 3. November 1544 nahm die Umsetzung der Versicherung des Kurfürsten schließlich Gestalt an, indem er den Stiftsverwaltern – in diesem Fall des Altenburger Stiftes – sein Vorhaben mitteilte, das wir durch etzliche der vnsern der dreier In vnsern Landen gelegenen Stieften, als zu Aldenburg, Eissennach, vnd Gothau, vorledigtes einkomen zuesammen haben ziehen vnnd darauff ein abeteylung machen lassen, Wievil personen vom Adelh, Armen Priester vnd andrer Armer Leuthe Kinder, wir davon zum anfang vntherhalten, vnd in vnserer vniuersitet studiren lassen mugen.148

Die Verwalter wurden zur Mitwirkung verpflichtet und angewiesen, die Gelder in die kurfürstliche Rentenkammer nach Weimar zu übertragen und dabei die Naturaleinkünfte, so gut es möglich sei, in Geld umzulegen. Die Stadträte des Kurfürstentums wurden brieflich über die Entscheidung informiert und aufgefordert, geeignete Empfänger auszuwählen und zur Examination nach Wittenberg zu bringen.149 Im darauffolgenden Jahr wurde ein Rundschreiben gedruckt und veröffentlicht, das die Sammlung der Geldmittel abschloss, das entstandene Kapital aufteilte und in Form von ca. 150 Stipendien flächendeckend über das Kurfürstentum verteilte.150 Dass die genannte Anzahl von „anderthalb hundert“151 dabei jedoch nur als Richtwert diente, offenbaren die im Druck dargelegten Aufschlüsselungen: 38 Stipendien, davon neun in Höhe von 40 und die übrigen von 30 fl, wurden Kindern des Adels gewidmet, 28 Stipendien in Höhe von 25 fl sollten an die Söhne von Geistlichen gereicht werden, während der Großteil in Form von 86 Stipendien in Höhe von 25 fl den Bürgerskindern der Städte zur Verfügung gestellt wurde. Dies ergab 152 Stipendien. Während jene der Adligen und Kinder von Geistlichen in bestimmter Anzahl den Territorien des Kurfürstentums zugewiesen wurden, erfolgte für die Stipendien der Städte eine feste Zuordnung, wie viele Stipendienstellen einer jeden Stadt zugestanden wurden (Karte 1).

147 StA Gotha, 1.1/469, fol. 1r. 148 LATh-StA Altenburg, Wagners Collectaneen XIV, Nr. 250, S. 437. 149 Ein Exemplar eines solchen Briefes ist im Stadtarchiv von Weimar überliefert, vgl. StA Weimar, HA, I-27-53, unfol.  150 Vgl. Vorordnung was für ein anzal Studenten vnderhalten werden, abgedruckt bei KIUS, Stipendiatenwesen (1865), S. 116–121. Vgl. auch BECK, Geschichte II (1870), S. 146 (mit Bezug auf Gotha); LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen I (1886), S. 48 (mit Bezug auf den ostthüringischen Raum); GÖßNER, Seminarium (2002), S. 59; EBNETH, Stipendium (2007), S. 514 f.; GEHRT, Anfänge (2013), S. 15. 151 Vorordnung was für ein anzal Studenten vnderhalten werden, fol. Aiiir.

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Karte 1: Die Zuweisung kurfürstlicher Stipendien auf die Städte des ernestinischen Kurfürstentums 1545.

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Je nach der Größe der Stadt erfolgte dabei eine Abstufung, wobei innerhalb der heutigen thüringischen Grenzen Gotha und Eisenach mit vier Stipendienstellen versehen wurden. Weimar, Jena, Saalfeld und Altenburg erhielten jeweils drei, Eisenberg, Neustadt a. d. O. und Pößneck zwei und 13 weitere Städte jeweils ein Stipendium. Sie sollten halbjährlich zu Weihnachten und dem Johannistag (24. Juni) ausgezahlt werden. Die Empfänger sollten ein Alter von 14 Jahren bereits überschritten haben und in der Grammatik ausreichend vorgebildet sein. Oberste Voraussetzung für den Erhalt eines Stipendiums war jedoch das finanzielle Unvermögen der Eltern, das Studium selbst zu tragen, sowie der entsprechende Fleiß der Stipendiaten bei ihren Studien. Bei mangelndem Fleiß oder ausbleibendem Erfolg drohte dem Empfänger der Entzug des Stipendiums. Die Dörfer, die den Ausschlag zu Myconius’ Initiative gebildet hatten, wurden in der Verteilung der Stipendien nicht berücksichtigt, was auch nicht ausdrücklich in seinem Sinne gewesen wäre. Sein Ziel war die Bereitstellung von Stipendien, um die Kirchenämter mit gelehrten Personen zu besetzen, und die Fundierung jener Stellen durch weitere finanzielle Zulagen. Neben der Festschreibung der Stipendienverteilung informiert der zitierte Druck daher auch über die Umsetzung dieses zweiten Anliegens des Gothaer Superintendenten und trägt einer wahren Flut von Zulagengesuchen, welche die 1530er und 40er Jahren prägten, Rechnung.152 Die vormaligen Visitationen hätten das Ziel verfolgt, so Johann Friedrich, die Geistlichen, Kirchen- und Schuldiener ausreichend zu versorgen, doch sei dies auch nach dreimaliger Visitation (1527, 1528/29 und 1533–35) nicht zur allgemeinen Zufriedenheit geschehen. „So haben wir vorordent / den mangel derselben [Pfarren] halben / mit vleis zuerkunden / wie dann nuhmer vast beschehen“. 153 Tatsächlich enthält ein Brief des Kurfürsten an die Visitatoren vom 6. Januar 1540 die Anordnung zu einer weiteren Visitation.154 Die Protokolle der daraufhin angebahnten Visitation sind lückenhaft und verstreut überliefert und fanden von der Forschung bislang wenig Beachtung.155 Die von den Visitatoren zu Tage gebrachten Ergebnisse sind vielerorts durch den finanziellen Mangel geprägt, dem sich die Bitte der Visitatoren um abermaliges Einsehen des Kurfürsten anschließt. Durch den zitierten Druck von 1545 versicherte Johann Friedrich sein Wohlwollen, entsprechend einzugreifen. Der bald darauf ausbrechende und 1547 für das ernestinische Kurfürstentum verheerend endende Schmalkaldische Krieg

152 Das Findbuch des Ernestinischen Gesamtarchives über Kirchen- und Schulsachen (Reg Ii) dokumentiert jene lange Reihe von Bittgesuchen, die den Kurfürsten aus allen Teilen des Landes erreichten. 153 Vorordnung was für ein anzal Studenten vnderhalten werden, fol. Biir. 154 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1052, fol. 10r–11r. 155 Vgl. LATh-StA Gotha, Oberkonsistorium Loc. 19, Nr. 2, fol. 109r–139r; ebd., fol. 158r– 208v; ebd., Oberkonsistorium Loc. 19, Nr. 3.

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brach jedoch jedes weitere Vorgehen ab und bereitete der Entwicklung ein jähes Ende.156

2.2. Die Orientierung der Albertiner am ernestinischen Vorbild Konnte sich die Reformation im ernestinischen Kurfürstentum durch den Regierungsantritt Johanns bereits in einer frühen Phase auf die landesherrliche Legitimation und Autorität stützen, blieb der sächsisch-albertinische Herzog Georg für weitere anderthalb Jahrzehnte streng katholisch und wandte sich strikt gegen alle reformatorischen Ambitionen in seinem Herzogtum.157 Obgleich auch er sich an der Methode der landesherrlichen Kirchenvisitation seiner ernestinischen Nachbarn orientierte, verfolgte er damit das Ziel, das katholische Kirchenwesen aufrechtzuerhalten und zu festigen. Die katholische Visitation von 1535 umfasste zwar auch die thüringischen Städte Weißensee, Kölleda, Langensalza, Schlotheim und die Reichsstadt Mühlhausen sowie das Kloster Ebeleben, widmete sich jedoch lediglich den durch den Bauernkrieg und die Reformationswirren zerrütteten Klöstern. 158 Dem Schulwesen wurde keine Beachtung geschenkt. Ähnlich wie der spätere Kurfürst Johann unter Friedrich dem Weisen bekannte sich jedoch auch der Bruder Georgs, Herzog Heinrich, bereits vor dessen Tod zur lutherischen Lehre. Da er der Nachfolger seines Bruders im Herzogtum werden sollte, machte der Tod Georgs im Jahr 1539 den Weg zur Reformationseinführung frei.159 Dieser verhältnismäßig späte Durchbruch hatte weitestgehend eine Anlehnung an die fortgeschrittene Entwicklung im Kurfürstentum zur Folge. Während das ernestinische Kirchenwesen bis 1539 in einer Folge von Versuchen, Experimenten und gezogenen Konsequenzen konstruiert werden musste, hatte Herzog Heinrich die Möglichkeit, von den ernestinischen Erfahrungen zu zehren und den erreichten Entwicklungszustand in kurzer Zeit auf sein Herzogtum zu übertragen. Sehr bald nach dem Tod seines Bruders wandte er sich daher hilfesuchend an die Visitatoren des meißnisch-vogtländischen Visitationsbezirkes und erbat ihre Empfehlungen, auf welche Weise eine Visitation vorzunehmen sei. In einem umfangreichen Antwortschreiben skizzierten diese die notwendigen Maßnahmen, wobei sie insbesondere auf die Folgen der langwierig 156 Vgl. WITZMANN, Reformation (1917), S. 81; FLITNER, Wissenschaft (1972), S. 61. 157 Vgl. KÜHN, Einziehung (1966), S. 8–17; SMOLINSKY, Sachsen (1993), S. 12 f. u. 17; MÄGDEFRAU/GRATZ, Reformation (1996), S. 89. 158 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 1a; SMOLINSKY, Sachsen (1993), S. 17. 159 Vgl. HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 42; KÜHN, Einziehung (1966), S. 26; SMOLINSKY, Sachsen (1993), S. 18 f.

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gestärkten altgläubigen Einflüsse Aufsehen zu haben empfahlen. 160 Die Ratschläge wurden in einer ersten Visitationsinstruktion, die bereits am 10. Juli 1539 erlassen wurde, verarbeitet und ausschließlich ernestinische Geistliche zu Visitatoren bestellt.161 Bereits diese erste Visitationsinstruktion162 lässt den damit benannten Trend erkennen: In ihr finden sich sämtliche Aspekte der bisherigen ernestinischen Entwicklung zum Teil wörtlich aufgegriffen und umgesetzt. Dies betrifft das Trachten nach notdürftiger und ausreichender Bestellung der Pfarren und Schulen, die Überprüfung der Geistlichen, Kirchen- und Schuldiener auf ihren Lebenswandel und ihre Tauglichkeit anhand der Augsburgischen Konfession, die Einrichtung Gemeiner Kästen, die Verordnung der daraus zu zahlenden Besoldungen, die Ernennung von Superintendenten163 und schließlich die Einführung einheitlicher organisatorischer wie zeremonieller Strukturen, „domit es dest mer gleichformig gehalten werde“, 164 was bereits im ernestinischen Zusammenhang als konstituierend herausgestellt worden ist. Eine nachträgliche Visitationsverordnung ergänzte die Bereitstellung freier Wohnungen für die Kirchen- und Schuldiener sowie deren bauliche Instandhaltung.165 Sämtliche Verordnungen wurden dabei in Bezug auf „die pfarrer, prediger, caplan und schulmeister jedes orts“166 formuliert und das Schulwesen, wie oben betont, als Bestandteil des Kirchenwesens aufgefasst. Der einzige Artikel, der das Schulwesen als alleinigen Gegenstand der Betrachtung in den Mittelpunkt stellte, ist eine wörtliche Übernahme aus der ersten ernestinischen Visitationsinstruktion von 1527, nämlich dass die Visitatoren „den schulmeistern anleitung zu guter unterrichtung der jugend geben, und dabei guten fleiss zu haben“167 befehlen sollten. Zahlreiche Briefe, die dieser ersten Visitation nachfolgten, lassen erkennen, dass das Vorgehen im albertinischen Herzogtum durch dieselben Probleme gestört wurde, wie sie die frühen ernestinischen Visitationen ausgebremst hatten. Die Schwierigkeiten konnten hier jedoch durch die besagte Orientierung am Kurfürstentum ausgeglichen werden. Die fehlenden strukturellen und inhaltlichen Richtlinien wurden durch die Inanspruchnahme des Unterrichts der Visitatoren umgangen. Bereits am 22. Juli 1539 wiesen die Visitatoren den Herzog auf

160 161 162 163 164 165 166 167

Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1287, fol. 1r–6v. Vgl. HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 42; SMOLINSKY, Sachsen (1993), S. 18. Vgl. EKO I/1, S. 257–263. Zur Einsetzung der Superintendenten im albertinischen Herzogtum vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 1b, fol.XIIr–XIVr; THOMAS, Aufbau (1975/76), S. 118. EKO I/1, S. 261. Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 1b, fol. 4v. EKO I/1, S. 258. Ebd., S. 261.

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die Bedeutung des „Buchlein[s] der Visitation Im Churfurstenthumb“168 hin und empfahlen, es von einem Dresdner Drucker in einer enormen Auflagenhöhe von 1000 oder 1500 Exemplaren drucken zu lassen. Ein weiterer Brief vom 18. August skizzierte den Mangel an Geistlichen, der im albertinischen Herzogtum durch die vorherige energische Unterstützung des katholischen Kirchenwesens deutlich gravierender gewesen sein muss als im Kurfürstentum. Ein Großteil der Geistlichen könne nur katholische Messen lesen „vnnd sunst zu keynerley ghar nichts nicht dienen“.169 Diesem Problem ist bereits vor der Visitation durch den Kurfürsten Johann Friedrich entgegengekommen worden, indem er die Bereitstellung Geistlicher aus dem Kurfürstentum anbot. Schon die Visitationsinstruktion rechnete mit der Umsetzung des Angebots.170 Schließlich und letztlich stand die Frage der Besoldungsverordnung im Raum, die wie im Kurfürstentum ohne landesherrliche Unterstützung nicht gewährleistet werden konnte. In einem undatierten Brief der Visitatoren wiesen sie auf die Widersprüche der Visitationsinstruktion hin, die „nicht wil zulassenn, das wir solchs von denn Clösternn vnnd Stiftenn verordenenn sollenn“.171 Hatte diese Frage im Kurfürstentum langjährige Verhandlungen nach sich gezogen, berechtigte der Herzog die Visitatoren kurzerhand, in jenen Aspekten, die durch die Instruktion offen gelassen wurden, eigenmächtig zu entscheiden.172 In einem weiteren Schreiben der Visitatoren vom 3. September 1539 baten diese den Herzog daher, die Geistlichen, Kirchen- und Schuldiener aus „der nechstgelegenen Clostern Inkomen“ 173 zu versorgen. Zu einer organisierten Umsetzung dessen kam es freilich erst unter Heinrichs Nachfolger, Herzog Moritz.174 Die Durchführung der ersten Visitation währte nicht lange, wurde jedoch auch nicht mit der notwendigen Gründlichkeit ausgeführt.175 Ein Brief von Justus Jonas an den ernestinischen Kurfürsten Johann Friedrich vom 12. September 1539 schildert die Zustände im albertinischen Herzogtum in düsteren Farben und drängt auf die Fortsetzung der Visitationstätigkeit unter verstärkter kurfürstlicher Unterstützung.176 Im darauffolgenden Monat übersandte Johann Friedrich seinem albertinischen Vetter das Mahnscheiben und forderte ihn auf, den Vor-

168 169 170 171 172 173 174 175 176

HStA Dresden, 10024, Loc. 10593/5, fol. 89r. Ebd., fol. 27r. Vgl. EKO I/1, S. 259. HStA Dresden, 10024, Loc. 10593/6, fol. 186r. Vgl. ebd., fol. 68r. Ebd., fol. 115r. Vgl. KÜHN, Einziehung (1966), S. 103–108; SCHIRMER, Staatsfinanzen (2008), S. 189 f. Vgl. HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 42. Vgl. HStA Dresden, 10024, Loc. 10593/5, fol. 183r–186r; KÜHN, Einziehung (1966), S. 57 f.

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schlägen Folge zu leisten.177 Noch im selben Jahr wurde daher eine weitere Visitationsinstruktion erlassen, die hinsichtlich des Schulwesens jedoch nicht über die vorhergehende hinausgeht.178 Etliche Fragen blieben unberührt. Von einem Mädchenschulwesen ist – obgleich es in dieser Visitation für den thüringischen Teil des Herzogtums erstmals in Langensalza in Erscheinung trat179 – an keiner Stelle die Rede. Der Unterricht auf dem Lande beschränkte sich in der Theorie, so die abschließende Verordnung der zweiten Visitation, wie im Kurfürstentum auf einen Katechismusunterricht und das Lehren geistlicher Gesänge durch den Kirchner, von dem zu diesem Zweck eine ausreichende Gelehrsamkeit erwartet wurde.180 1541 folgte dem Herzog Heinrich sein Sohn Moritz in der Regierung, der die von seinem Vater beschrittenen Wege konsequent fortführte und zu ihrer endgültigen Umsetzung brachte. In bildungspolitischer Hinsicht konzentrierte sich seine Aufmerksamkeit jedoch auf die 1543 gegründeten Landesschulen181 sowie auf die Leipziger und später auch die Wittenberger Universität.182 Die Stadt- und Dorfschulen fanden in den folgenden Jahren über lokale Einzelentscheidungen hinaus keine Beachtung mehr. Erst nach dem Schmalkaldischen Krieg und unter Moritz’ Nachfolger August sollte sich das Blatt wenden und die Albertiner schließlich den maßgeblicheren Einfluss auf die Gestaltung des thüringischen Schulwesens nehmen.

2.3. Rollentausch nach dem Schmalkaldischen Krieg 2.3.1. Ein Neuanfang der ernestinischen Herzöge Der Schmalkaldische Krieg bereitete der bisher skizzierten Entwicklung ein Ende. Den Ernestinern wurde neben einem Großteil ihres Herrschaftsgebietes die Kurwürde aberkannt und dem albertinischen Herzog Moritz übertragen, der,

177 Vgl. HStA Dresden, 10024, Loc. 10593/5, fol. 182r–v. 178 Vgl. EKO I/1, S. 281–284; HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 42 f.; KÜHN, Einziehung (1966), S. 59 f. 179 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 1c, Bd. 1, fol. 16r. Bezeichnend ist, dass die Erwähnung nicht eine bereits bestehende, sondern den Wunsch zur Gründung einer Mädchenschule betrifft. 180 Vgl. EKO I/1, S. 286. 181 Zur Gründung und der Geschichte der Landesschulen vgl. insbesondere BOHLEY, Gründung (1987/88); ARNHARDT/REINERT, Landesschulen (2002); FLÖTER/WARTENBERG, Landesschulen (2004). 182 Vgl. SMOLINSKY, Sachsen (1993), S. 22.

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obgleich evangelisch, auf des Kaisers Seite gekämpft hatte.183 Für die Ernestiner, die durch die Gefangenschaft Johann Friedrichs ihr politisches Oberhaupt entbehrten, stellte dies einen erheblichen Machtverlust dar. Den noch jungen Söhnen des einstigen Kurfürsten und jetzigen Herzogs waren politisch die Hände gebunden. Johann Friedrich, der 1552 aus der Gefangenschaft entlassen wurde, widmete seine letzten Lebensjahre hingegen dem Erhalt der verbliebenen ernestinischen Macht. Seine einzige bildungspolitische Ambition war dabei, die durch die Niederlage verlorene Universität Wittenberg zu ersetzen,184 um eine einheitliche und den obrigkeitlichen Vorstellungen entsprechende Pfarrerausbildung und damit den Fortgang der Reformation zu gewährleisten.185 Bereits wenige Monate nach der Niederlage bei Mühlberg, im Juli 1547, hatte Johann Friedrich aus der Gefangenschaft heraus mit dem Gedanken an die Errichtung einer neuen Universität oder zumindest einer höheren Schule mit Universitätscharakter in Thüringen gespielt, um auch nach dem Verlust Wittenbergs bzw. einer drohenden Niederlegung der dortigen Universität „rechtschaffene kirchen und schuldiener zu erhaltunge gotlicher reinen lhere zuundterhalten“.186 Schon am 19. März 1548 fand daher die Eröffnung einer Schule in den Gebäuden des einstigen Dominikanerklosters von Jena statt, die durch den Erlass von Schulstatuten und -gesetzen am 15. Juni in den Status einer Hohen Landesschule erhoben wurde.187 Philipp Melanchthon hatte sich angesichts der drohenden Auflösung der Leucorea zwar zögerlich, aber zugunsten der Gründung ausgesprochen. Er hätte sich wohl auch als Professor zur Verfügung gestellt, entschied sich jedoch, als der neue Kurfürst Moritz 1548 die Aufrechterhaltung der Wittenberger Universität zugesagt hatte, seine dortige Professur beizubehalten.188 In den Augen des Herzogs war dies eine Zurückweisung. Zusätzlich verstärkt durch bald darauf ausbrechende konfessionelle Differenzen um das Augsburger Interim wuchs der einstige mit der Jenaer Gründung umgesetzte Gedanke an eine sogenannte „cleine schule“ 189 zu einem Plan einer regelrechten Universitätsgründung heran. Die Wiedereröffnung der Leucorea durch Moritz wurde von den Ernestinern nicht anerkannt und sämtliche dortigen Buchbestände, die als Eigentum Johann 183 Vgl. ebd., S. 20; HELD, 1547 (1997), S. 35–49. 184 Eine ausführliche Studie über den Übergang der Wittenberger Universität an die Albertiner bietet TÖPFER, Leucorea (2004), insbesondere S. 72–76. 185 Vgl. WALTHER, Gründung (1999), S. 114; DERS., Schulen (2003), S. 24. 186 Zitiert nach WALTHER, Gründung (1999), S. 115. 187 Statuten ediert bei SCHWARZ, Universität (1858), S. 132–141. Vgl. auch WALTHER, Gründung (1999), S. 117; BAUER, Gründung (2003), S. 38 f. u. 70 f.; WALTHER, Schulen (2003), S. 26 f. 188 Vgl. SCHNEIDER, Entscheidung (1952); WALTHER, Gründung (1999), S. 115 f.; DERS., Schulen (2003), S. 24 f.; TÖPFER, Leucorea (2004) Kap. 4.1.2. 189 Zitiert nach WALTHER, Gründung (1999), S. 117.

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Friedrichs galten, nach Jena transferiert.190 Die dortige Schule wurde von den Ernestinern forthin als legitime Fortführung der Wittenberger Studien und als Bewahrungsstätte des reinen Luthertums betrachtet. Als der ehemalige, ‚geborene‘ Kurfürst 1552 aus der Gefangenschaft entlassen wurde, ging er auch daran, dieses Selbstverständnis durch ein offizielles Universitätsprivileg bestätigen zu lassen und den bisherigen Lehrkörper durch die Ergänzung weiterer Fakultäten zu erweitern und zu vervollständigen.191 Der geborene Kurfürst Johann Friedrich starb 1554. Sein Anliegen war am Widerstand des Kaisers gescheitert. Erst mit der Abdankung Karls V. und der Nachfolge seines Bruders Ferdinands I. eröffnete sich für den gleichnamigen Sohn des Herzogs die Möglichkeit, das Werk des Vaters fortzusetzen. Durch die Vermittlung des neuen Medizinprofessors Johannes Schröter, dem einstigen Leibarzt Ferdinands, konnte die abschließende Gründung vollzogen und die Schule Anfang 1558 durch die endgültige organisatorische Einrichtung von Fakultäten zur Universität erhoben werden.192 Doch führte Johann Friedrich der Mittlere, der unter den drei gemeinsam regierenden Brüdern einen Vorrang innehatte, mit der Vollendung der Universitätsgründung nicht nur dieses Werk seines Vaters zu Ende. Ein vordringlicheres Anliegen war zudem die Sorge um das durch den Krieg in Mitleidenschaft gezogene Kirchenwesen. Nur drei Monate nach dem Tod des Herzogs wurde zu diesem Zweck eine neuerliche Visitation in Angriff genommen, deren Instruktion auf den 17. Juni 1554 datiert.193 Die Notwendigkeit, die kirchlichen Strukturen wiederherzustellen sowie eine einheitliche konfessionelle Grundlage zu schaffen, hatte jedoch zur Folge, dass dem Schulwesen sowohl in der Instruktion als auch in den späteren Protokollen wenig Beachtung geschenkt wurde.194 Der Fokus auf den Erhalt der protestantischen Lehre war eine logische Folge der Glaubensauseinandersetzung unter den Protestanten in der Folge des Augsburger Interims. Auf dem Gebiet des Bildungswesens erforderte dieser, so die Instruktion, in erster Linie den Katechismusunterricht, vornehmlich auf den Dörfern. Er sollte ausgebaut und intensiviert werden, womit zugleich eine verstärkte Nachdrücklichkeit gegenüber den Bürgern und Bauern verbunden wurde. Jene, die ihre 190 Vgl. WEFERS, Wissen in Fässern (2006), S. 191 f. u. 200. 191 Ausführlich über die Rivalität zwischen Jena und Wittenberg vgl. BAUER, Gründung (2003), S. 39–81. Vgl. auch WALTHER, Gründung (1999), S. 118–120; DERS., Schulen (2003), S. 25 u. 28; LEPPIN, Beziehungen (2007), S. 73. 192 Vgl. WALTHER, Gründung (1999), S. 120 f. 193 Vgl. EKO I/1, S. 222; HERRMANN, Generalvisitationen (1915), S. 83 u. 86; DERS., Lateinschulen (1940), S. 218; DERS., Kirchengeschichte II (1947), S. 64 f.; FLITNER, Wissenschaft (1972), S. 61. 194 Vgl. HERRMANN, Generalvisitationen (1915), S. 111; DERS., Lateinschulen (1940), S. 218. Zum Verlauf der Visitation vgl. DERS., Generalvisitationen (1915), S. 90–100.

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Kinder dem Katechismusunterricht entzogen, sollten angezeigt und notfalls bestraft werden, während die Ablehnung des Katechismus selbst mit der Exkommunikation zu ahnden sei.195 Dies bedeutete im Gegenzug jedoch keine grundsätzliche Missachtung des städtischen Schulwesens. Es befand sich ausdrücklich weiterhin unter der Aufsichtspflicht wie insbesondere der Gestaltungsbefugnis der Visitatoren. Die in der Instruktion fehlenden gestalterischen Anordnungen verdeutlichen, dass ihnen in dieser Hinsicht weitestgehend freie Hand gelassen wurde, solange sie einer verbindlichen Dokumentationspflicht nachkämen: „Was auch bey einer ieden Schulen vor mengel befunden, vnd was zu abwendung derselben durch die visitatores geschafft werden, das solle sonderlich vorzaichent werden“.196 Die in der Instruktion geforderte Ermahnung der Kirchendiener, zu denen die Schuldiener gerechnet wurden, zum vorbildlichen und christlichen Lebenswandel war hingegen selbstverständlich und ebenso stellte die Finanzierung der Schulen durch den Gemeinen Kasten lediglich eine nochmalige Bestätigung vormaliger Theorien dar. Vielerorts zeigte sich jedoch, so die Visitatoren in einem Schreiben vom 4. März 1555, dass die Gemeinen Kästen trotz der finanziellen Zulagen der vorhergehenden Visitationen nicht über das nötige Einkommen verfügten, um die Besoldungsausgaben abzudecken. Dies nahmen sie zum Anlass, an die angehobene, doch durch den Krieg unterbrochene Neubewidmung der 1540er Jahre anzuknüpfen. Etlichen Städten seien „seithero der Iemerlichen niderlage“ zahlreiche Zinseinkünfte entzogen worden, während es ihnen darüber hinaus an „kirchen, pfargebeuden, schulen vnd derselben diener“197 mangele. Desgleichen wird die 1545 im Druck angekündigte, doch nicht mehr umgesetzte Bereitstellung von Stipendien in Erinnerung gerufen, damit „auch Kirchen und schulen nicht ganz oh[n]e oder mit vntuchtigen personen entlich bestellet werden“198 mögen. Um welche schulischen Schwierigkeiten es sich gehandelt haben mag, geht aus den Protokollen nicht hervor, da sie zu jenen Belangen fast völlig schweigen. Nur in wenigen Städten finden sich Informationen, die jedoch nebensächlich bleiben. Entgegen der negativen Beurteilung der Visitatoren über das Schulwesen lässt das Schweigen der Visitationsprotokolle vermuten, dass es um das Schulwesen nicht so schlecht gestellt gewesen sein kann, was wiederum durch etliche lokale Befunde bestätigt wird. Nichtsdestotrotz bewegten die Visitatoren die Herzöge durch ihren Appell, den 1547 abgerissenen Faden erneut aufzunehmen und eine weitere größere Geldsumme zur Neubewidmung des Kirchenwesens zur Verfügung zu stellen. Das Vorgehen der Verteilung präsentiert sich dabei organi195 Vgl. EKO I/1, S. 224 f.; HERRMANN, Generalvisitationen (1915), S. 86 u. 88; MENZEL, Anfänge der Volksschule (1958), S. 54. 196 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 23-26, fol. 20v–21r; EKO I/1, S. 228. 197 Für beide Zitate LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2487, fol. 3r. 198 Ebd., fol. 4r.

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sierter als vor dem Schmalkaldischen Krieg, baute auf dem aktiven Mitwirken der Städte auf und stellte auch das Schulwesen dezidierter in den Mittelpunkt als bei der Sequestration von 1533/34. Dem Verfahren gingen umfangreiche organisatorische Maßnahmen voraus, die von den Herzögen offenbar mit Macht vorangetrieben wurden. Anders als in der schleppenden Entwicklung der 1530er und 40er Jahre waren die Herzöge deutlich auf Eile bedacht. Im Juni 1555 wandten sie sich brieflich an die Stadträte – Dörfer wurden offenbar nicht beteiligt – und forderten diese auf, sie über die organisatorischen, personellen und insbesondere finanziellen Belange des örtlichen Kirchen- und Schulwesens zu informieren.199 Der Aufforderung folgte bis in den Juli hinein eine Flut ausführlicher Antwortschreiben, von denen sich 26 Exemplare im Thüringischen Hauptstaatsarchiv befinden. 200 Drei weitere konnten für Schmölln, Pößneck und Waltershausen ausfindig gemacht werden,201 während fünf weitere zwar im Weimarer Findbuch verzeichnet, doch nicht mehr erhalten sind. Wie viele Berichte die Herzöge insgesamt erreichten, kann nicht ermittelt werden,202 doch orientierte sich an den darin enthaltenen Informationen über die Bestellung der Kirchen, Schulen und Hospitäler die Feststellung der notwendig bereitzustellenden Summen. Am 10. August 1555 ließen die Herzöge daher ein öffentliches Ausschreiben drucken und im Herzogtum verbreiten.203 Es richtete sich an sämtliche Geistliche, Amtleute, Landstände und Stadträte und beinhaltet 199 Das Schreiben vom Juni, dass bereits Herrmann nicht vorlag (vgl. HERRMANN, Lateinschulen (1940), S. 219), konnte auch durch die Recherchen der vorliegenden Arbeit nicht ermittelt werden. Die Datierung ergibt sich aus den Angaben der daraufhin eingegangenen Antwortschreiben der Städte. Am 27. Juni betonte der Saalfelder Stadtrat, dass ihm kaum zwei Wochen zur Anlegung des Verzeichnisses blieben, während der Altenburger Rat am 29. Juni betonte, dass seine Antwort in nur wenigen Tagen abgefasst worden sei. 200 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2509-2534. Diese 25 Berichte sind bereits Gegenstand einer schulgeschichtlichen Betrachtung durch Rudolf Herrmann gewesen, vgl. HERRMANN, Lateinschulen (1940). 201 Vgl. LATh-StA Altenburg, Ministerium zu Altenburg, Abt. für Kultusangelegenheiten 1819, ab fol. 37r; LATh-StA Altenburg, Schönbergische Sammlung, Nr. 23, fol. 140r– 141r; LATh-StA Gotha, Oberkonsistorium, Amt Tenneberg, Loc 11, Nr. 1754, unfol. 202 Herrmann vermutete, dass kleinere Landstädte wie grundherrliche Städte nicht beteiligt waren, vgl. HERRMANN, Lateinschulen (1940), S. 219. Für Erstere kann dies jedoch ausgeschlossen werden, zumal vorrangig die kleineren Städte die Zulagen benötigten. Von einigen Städten, darunter beispielsweise Stadtsulza, Dornburg oder Rastenberg, kann eine Beteiligung nachgewiesen werden, obgleich ein eingegangener Bericht nicht ermittelt werden kann, vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 55, fol. 59r–v; LAThHStA Weimar, EGA, Reg Ii 2546, fol. 1r–v; HEYLAND, Stadtbuch (2000), S. 76. 203 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 92, fol. 3v–4r; ebd., Reg Ii 2484, fol. 1r. Weitere Exemplare haben sich beispielsweise im Altenburger und Weimarer Stadtarchiv erhalten, vgl. StA Altenburg, XII. c. Nr. I, unfol.; StA Weimar, HA, I-27-53, unfol., abgedruckt bei KIUS, Stipendiatenwesen (1865), S. 130–133.

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die Ankündigung jener umfangreichen Verteilung finanzieller Zulagen an die Städte. 2000 fl sollten in den Erhalt des Kirchenwesens fließen, weitere 500 fl wurden „zu gemeinen partikularSchulen“ und nochmals 340 fl den „Iungfraw schulen“204 gewidmet, wobei abermals die Einkünfte der einstigen Klöster und Stifte als Grundlage dienten. Vormalige Zulagen sollten von dieser neuerlichen Bewidmung unberührt bleiben. Das 1545 in Aussicht gestellte Stipendienwesen musste hingegen deutliche Einbußen erleiden, wodurch allerdings auch der starken Beschneidung des einstigen Kurfürstentums Rechnung getragen wurde. Sah die nicht umgesetzte Stipendienordnung von 1545 noch eine jährliche Gesamtsumme von über 4000 fl vor, wurde diese nun, obgleich die Höhe der einzelnen Stipendien für Bürger angehoben wurde, auf 1460 fl herabgesetzt. Zehn Stipendien in Höhe von 35 fl sollten adlige Kinder und 37 Stipendien in Höhe von 30 fl „Priester / Bürger / oder Bawrs söne“ empfangen. Eine nochmalige Unterscheidung der Kinder Geistlicher und Bürger erfolgte ebenso wie eine regionale Verteilung der Stipendien nicht mehr. Stattdessen wurden sie auf die ländliche Bevölkerung ausgedehnt und – drei Jahre vor der eigentlichen Erhebung der Universität – von der Leucorea auf „vnser[e] Schule zu Jhena“205 übertragen. An den Bezug eines herzoglichen Stipendiums wurde nun erstmals die Bedingung geknüpft, sich nach erfolgreich absolviertem Studium in den Dienst des Herzogtums zu stellen. Das Ausschreiben forderte die Adressaten auf, den Herzögen ausreichend gelehrte Schüler, deren Eltern ein Studium nicht tragen könnten, anzuzeigen. Das Mindestalter zum Erwerb eines Stipendiums wurde auf 16 Jahre heraufgesetzt und der Empfang von dem Ergebnis einer Prüfung durch eigens eingesetzte Examinatoren in Jena abhängig gemacht. Die Verteilung der Stipendien sollte unverzüglich angestoßen werden. Die Umsetzung dessen soll an späterer Stelle anhand der beispielhaften Entwicklung der Stadt Altenburg dargelegt werden (Kap. II. 3.4.3.). Die Empfänger des Schreibens wurden durch einen kleinen, ebenfalls gedruckten Begleitbrief aufgefordert, den Inhalt der Schrift „den Bürgern bey euch verkündigen / vnd dann an gewönlichen stellen öffentlich anschlahen“ 206 zu lassen. Drei Monate später, am 6. November, folgten dem schließlich zahlreiche Urkunden, die den einzelnen Städten ihre Zulagen zuwiesen und festgelegte Beträge dem Kirchen- und Schulwesen zukommen ließen (Kap. II. 6.3.2.). Vom 8. März 1556 stammt die abschließende Bestätigungsurkunde, mit der die Herzöge sämtliche ausgestellten Urkunden für verbindlich erklärten und die Ausschüttung der Zu-

204 Für beide Zitate LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2484, fol. 1r. Vgl. auch HERRMANN, Generalvisitationen (1915), S. 108 f.; DERS., Lateinschulen (1940), S. 218. 205 Für beide Zitate LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2484, fol. 1r. 206 StA Altenburg, XII. c. Nr. I, unfol., auch StA Weimar, HA, I-27-53, unfol.

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lagen ihren Anfang nahm.207 Im ernestinischen Herzogtum war dies – die endgültige Erhebung der Universität Jena ausgenommen – der letzte maßgebliche und allgemein verbindliche Eingriff in die Entwicklung des Schulwesens bevor das Herzogtum 1573 mit dem Tod Johann Wilhelms unter die Vormundschaft des albertinischen Kurfürsten August fiel.

2.3.2. Die Anfänge einer obrigkeitlichen Schulorganisation unter dem albertinischen Kurfürsten August Hatten die albertinischen Herzöge vor dem Schmalkaldischen Krieg eine eher passive Rolle gespielt und sich an dem kurfürstlichen Nachbarn orientiert, traten nun verstärkt eigenständige Verordnungen in den Vordergrund, die auch auf das Schulwesen vermehrt und detaillierter gestalterischen Einfluss nahmen. Der Krieg hatte die politischen Bedingungen geändert, was hinsichtlich des Schulwesens zu einer Umkehrung der Verhältnisse führte. In den folgenden Jahrzehnten sollte das neue Kurfürstentum, maßgeblich durch den gezielt agierenden Kurfürsten August, der 1553 Moritz’ Nachfolge antrat,208 das Heft in die Hand nehmen und die entscheidende Rolle bei der Gestaltung des Schulwesens einnehmen. Ein halbes Jahr später als im ernestinischen Herzogtum erfolgte auch im Kurfürstentum die nächste Visitation. Bereits die Instruktion, die auf den 3. März 1555 datiert,209 lässt ein eingehenderes Interesse an und ein verstärktes organisatorisches Eingreifen in die schulischen Belange erkennen, welches das bisherige Niveau wie auch die zeitgleichen ernestinischen Maßnahmen übertraf. Auch sie legte die Gestaltung des Schulwesens weitestgehend in die Hände der Visitatoren, denen der Kurfürst vollstes Vertrauen zusicherte,210 überging es dabei jedoch nicht so weitgehend wie die vorherige ernestinische Instruktion. Die Existenz einer Schule wurde für alle Städte und Flecken vorausgesetzt. Sie standen unter der Verwaltung des Stadtrates, doch wurde ebenso Einmütigkeit zwischen Schuldienern und Geistlichen erwartet. Großes Augenmerk lag nach wie vor auf der finanziellen und wirtschaftlichen Lage der Schuldiener. Wo dies nötig sei, sollten die Visitatoren mit den Stadträten über die Möglichkeit einer Zulage verhandeln, die je nach den Umständen vor Ort aus dem Gemeinen Kasten oder von städtischen Einkünften bestritten werden sollte. Schulgeld sei „ider schuler zu 207 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 51, fol. 2r–5v. 208 Vgl. SMOLINSKY, Sachsen (1993), S. 23. 209 Vgl. EKO I/1, S. 305. Zu den Hintergründen der Visitation vgl. JADAZ, Landeskirche (2007), S. 182–187. 210 Vgl. EKO I/1, S. 311.

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geben schuldig“211 – eine Einschränkung oder Entlastung armer Schüler, wie sie durch die Ernestiner vor dem Krieg angestrebt worden war und noch wurde, stand nicht in Aussicht oder wurde dem Ermessen der Städte anheimgestellt. Eine fürstliche Beteiligung ähnlich der ernestinischen Zulagenverteilung wurde offenbar nicht in Angriff genommen. Die übrigen Bestimmungen der Instruktion betreffen erneut Kirchen- und Schuldiener in ihrer Gesamtheit. Erstmals sollte nun wie im Vorjahr bei den Ernestinern das Augenmerk neben der Überprüfung des Lebenswandels auch auf die konfessionelle Lehre gerichtet werden. Entspreche der Befragte dabei nicht den Anforderungen, sei er abzusetzen. Dieselbe Strafe wurde bei sittlichen Verfehlungen auferlegt. Auch hier stellte der Katechismusunterricht das Mittel zur Verbreitung und Festigung der Lehre dar, doch griff er nun deutlich über die vormaligen katechetischen Inhalte hinaus und umfasste selbst die Darlegung und Erschließung der Sonntagspredigten. Dennoch stellte die Kenntnis des Katechismus und dessen Lehrfähigkeit in den Dörfern und kleineren Flecken nach wie vor das alleinige Kriterium der Kirchen- und Schuldiener dar.212 Von besonderer Bedeutung in den Städten war schließlich eine Inspektionspflicht über die Schulen, die in dieser Instruktion und im Zusammenhang der anschließenden Visitation erstmals ihren Niederschlag fand. Das vornehmlichste Problem der städtischen Schulen, dem durch unregelmäßige Visitationen nicht begegnet werden könne, sei die Vernachlässigung der Grammatik. Um einem solchen Versäumnis entgegenzuwirken solle die Schule vierteljährlich durch den Pfarrer, gemeinsam mit dem regierenden Bürgermeister oder einer Person, die „von rathswegen darzu verordenet“213 sei, inspiziert werden. Diese Aufsichtspflicht, die in den ernestinischen Verordnungen bislang keine Entsprechung gefunden hatte, wurde in einer Visitationsverordnung an alle Superintendenten, Pfarrer und Stadträte des Kurfürstentums weiter ausgeführt. Der Pfarrer solle „neben einem burgermeister oder zugegebener ratsperson“ die Schule vier Mal im Jahr besuchen, „die kinder examinieren, und erforschen, was fur ordnung mit den lectionen und andern nötigen ubungen gehalten werde, auch sunst da neben uf die schul diener acht geben“.214 Gleichermaßen wurde die Anordnung den Stadträten gegenüber wiederholt und ergänzt. Der Bürgermeister oder „zwen tugliche verstendige menner aus dem rade“215 sollten nicht nur mit dem Pfarrer die Schule inspizieren, sondern auch an den hier erstmals geforderten Schulprüfungen anwesend sein, die Knaben durch kleine kulinarische Geschenke zum emsigen Lernen anspornen und für spürbare 211 212 213 214 215

Ebd., S. 310. Vgl. ebd., S. 306–308. Ebd., S. 311. Für beide Zitate ebd., S. 313. Ebd., S. 315.

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Erfolge belohnen. Eine derartige Hinzuziehung des Stadtrates war die logische Konsequenz des städtischen Patronats, durch das das Schulwesen seit Luthers Ratsherrenschrift und den ernestinischen Visitationsverordnungen von 1528/29 in die Hand des Stadtrates gelegt worden war. Durch die zitierte Ergänzung wurde dem Rat endgültig eine Gestaltungsbefugnis bzw. eine Beteiligung in Einmütigkeit mit dem Pfarrer zugestanden, die sich in den folgenden Jahren auch über die wettinischen Herrschaften hinaus in der Herausbildung eines sogenannten städtischen Schulherrenamtes manifestieren sollte (Kap. II. 6.5.3.). Die Schuldiener selbst sollten einen ihrem Amt entsprechenden Lebenswandel pflegen, die Unterrichtung der Kinder wie die Leitung des Chores fleißig betreiben, ohne sich wie Tyrannen über die Kinder zu gebärden, „leichtfertige, kurze oder zerhakte kleidung“ vermeiden und sich der Wirtshäuser fernhalten. Als Unterrichtsinhalte standen neben dem Katechismusunterricht die Grammatik, „decliniren, coniugirn, constructiones“, und die Musik. Der Schüler sollte lernen, „langsam, clar, und unterschidlich [zu] lesen und [zu] pronunciren“. Vornehmliche Sprache des Unterrichts in Wort und Schrift war Latein, wodurch die deutsche Sprache jedoch nicht vollständig aus dem Unterricht ausgeschlossen wurde. Insbesondere die Geschäfte des alltäglichen Lebens erforderten die Beherrschung „einer guten gemeinen leslichen deutschen schrift“.216 Als Mittel der Strafe diente den Schuldienern die Rute, die jedoch mit Maß und ohne die Gefahr der Verwundung einzusetzen sei. Wurde die Einstellung des Schulmeisters dem Stadtrat zugestanden, so oblag die Einstellung der übrigen Schuldiener dem Schulmeister. Über alle Einsetzungen, sowohl des Schulmeister wie auch der Schuldiener, sollte der Superintendent und über diesen das Konsistorium informiert werden. Ersterem kam die Aufsicht über die Schulen seiner Ephorie und Letzterem die entscheidende Bestätigung der Wahl nach einer erfolgreichen Examination zu.217 Auf den Ergebnissen der Visitation und dieser Verordnung basierend wurden im Mai 1557 die kurfürstlichen Generalartikel erlassen und in gedruckter Form verbreitet.218 Sie bündelten und vervollständigten die zuvor erlassenen Einzelverordnungen und verliehen ihr verbindliche Gültigkeit. Auf das Schulwesen hatten sie insofern konstituierenden Einfluss, indem sie neben dem obligatorischen und hier breit dargelegten Katechismusunterricht sowie der Katechismusprüfungen erneut die Rolle der Superintendenten und Konsistorien, die eben geschilderte Aufsichtspflicht der Pfarrer und Ratsherren, die halbjährlich abzuhaltenden Examina wie auch das Verhalten und den Lebenswandel der Schuldiener mitunter wörtlich aufgriffen. Darüber hinaus wurde die Schule auf der einen Seite durch die Beteiligung der Schuldiener an den Gottesdiensten und 216 Für alle Zitate ebd., S. 315. 217 Vgl. ebd., S. 311 f. 218 Vgl. ebd., S. 316; SMOLINSKY, Sachsen (1993), S. 24; JADAZ, Landeskirche (2007), S. 189.

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Messen an die Kirche gebunden und dem Pfarrer unterstellt und auf der anderen Seite durch die verstärkte Teilnahme der Bürgermeister, Stadtschreiber und der Schulherren an den Prüfungen der gestalterischen Obhut des Rates überlassen. Hinsichtlich der Unterrichtsinhalte wurden die Schuldiener nach wie vor auf den Unterricht der Visitatoren verwiesen.219 Die Pfarrer sollten die Eltern, wie Anton Musa es einst angeregt hatte, zum Schulbesuch ihrer Kinder – Söhne und „da jungfrauen-schulen gehalten werden“220 auch Mädchen – anhalten. Das Betteln fremder wie einheimischer Schüler mittels geistlicher, deutscher oder lateinischer Gesänge wurde gestattet, wohingegen müßiggehenden und schulflüchtigen Kinder das Almosen zu verwehren sei.221 Breiteren Raum nahm in diesen Generalartikeln erstmals auch das Amt der „Dorf-cüster“,222 also der Kirchner und dörflichen Schuldiener ein. Sie wurden von den Gemeindeältesten oder den Kirchvätern im Einvernehmen mit dem Pfarrer gewählt und standen wie die städtischen Schuldiener unter der Aufsicht der Superintendenten und Konsistorien. Obgleich es nicht ausdrücklich gefordert wurde, lässt die abzuleistende Examinierung der Gewählten durch das Konsistorium entsprechende Ansprüche an die Gelehrsamkeit der Kirchner vermuten. Dennoch sollte der durch sie erteilte Unterricht noch immer in erster Linie aus der Lehre im Katechismus, entsprechenden Prüfungen sowie in geistlichen Gesängen bestehen. Grundlage des Unterrichts sei zwar „das gedruckte exemplar“,223 also der lutherische Katechismus, doch basierte der Lerneffekt ausdrücklich auf dem Auswendiglernen vorgelesener Texte, wozu dem Kirchner langsames und deutliches Lesen nach dem genauen und unveränderten Wortlaut befohlen wurde. Obgleich in der Realität vor Ort mit diesem Prozess im Mindesten auch ein Unterricht des Lesens einherging, wurde er durch die theoretische landesherrliche Verordnung noch nicht als verbindlich vorgeschrieben. Viel eher wurde das Kirchner- und selbst das mit ihm verbundene Lehramt nicht als alleiniges ernährendes Amt wahrgenommen, da es vielerorts, so die Generalartikel, nicht über das ausreichende Einkommen verfügte, um einen Kirchner oder gar Schulmeister zu versorgen. In diesen Fällen machte der Kurfürst das Zugeständnis, das Kirchneramt einem Handwerker, der sich auch ohne größere kirchliche Einkünfte ernähren könnte, zu übertragen.224 219 220 221 222 223 224

Vgl. EKO I/1, S. 325 f. Ebd., S. 323. Vgl. ebd., S. 323. Vgl. auch MÜLLER, Schulwesen (1888), S. XII. EKO I/1, S. 326. Vgl. auch MÜLLER, Schulwesen (1888), S. IV. EKO I/1, S. 326. Vgl. MÜLLER, Schulwesen (1888), S. IV u. VI f. Dieses Zugeständnis fand bei Müller ein missbilligendes Urteil, das jedoch die historischen Verhältnisse unberücksichtigt ließ. Es unterstellt allen dörflichen Handwerkern einen unzureichenden Bildungstand. Einer ausreichenden Versorgung des Schuldienstes scheint die Übertragung des Amtes auf

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2.3.3. Von den Lehrstreitigkeiten zur ernestinischen Schulordnung von 1573 Der Fokus der ernestinischen Herzöge lag seit dem gemeinsamen Regierungsantritt auf der konfessionellen Festigung und insbesondere der Einheitlichkeit der kirchlichen Lehre. Das Augsburger Interim und die damit einhergehenden Auseinandersetzung hatten jedoch in den Jahrzehnten nach Luthers Tod langwierige Konfrontationen um die wahre lutherische Theologie zur Folge. Der theologische Aspekt dieser Lehrstreitigkeiten soll an dieser Stelle nicht dargelegt werden.225 Entscheidend für die lokale Entwicklung des Schulwesens war jedoch die obrigkeitliche Lehrnorm, welcher die Geistlichen wie die Kirchen- und Schuldiener unterworfen waren, und deren mehrfacher Wechsel insbesondere im ernestinischen Herzogtum eine unruhige Phase der Kirchengeschichte bildete. Der albertinische Kurfürst Moritz, dessen kaiserfreundliche Politik eine friedliche Vermittlung anstrebte, trachtete danach, dem Augsburger Interim mit einem Leipziger Kompromiss entgegenzukommen.226 Philipp Melanchthon, der maßgeblich an der Entstehung der Leipziger Artikel beteiligt war, zog damit den Widerstand des Wittenberger Professors für die hebräische Sprache, Matthias Flacius, genannt Flacius Illyricus, auf sich. Veranlasst durch den vermeintlichen Verrat der lutherischen Lehre durch Melanchthon verließ Flacius Wittenberg.227 Im ernestinischen Herzogtum hielt die Auseinandersetzung, die bereits in die Visitation von 1554/55 hineingespielt hatte,228 endgültig 1557 Einzug, als Flacius von Johann Friedrich dem Mittleren zum Theologieprofessor nach Jena berufen wurde. Die hiesige Hohe Schule verstand sich selbst als Hort zur Bewahrung des reinen Luthertums und wurde dem kompromissunwilligen Flacius dadurch eine neue Heimstätte.229 Durch sein Wirken in Jena kam es zum scheinbar unüberwindlichen Gegensatz zwischen den drei evangelischen Universitäten Jena, Wit-

225 226 227 228 229

einen Handwerker stattdessen aber keinen Abbruch getan zu haben. Dies scheint somit viel eher für die bereits bemerkenswerte Leistungsfähigkeit des Schulwesens um die Mitte des 16. Jahrhunderts zu sprechen, wenn die elementare Gelehrsamkeit, die für einen aktiven Unterrichtsbetrieb erforderlich war, unter den Handwerkern offenbar bereits weit verbreitet war. Die Realität sah freilich anders aus, war die tatsächliche Übertragung auf einen Handwerker doch nicht der Regelfall und wurde den Visitatoren gegenüber in den meisten Fällen bemängelt, vgl. exemplarisch für Mattstedt, nördlich von Apolda, zum Jahr 1578 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 61, fol. 33r. Eine kurze Darstellung der Streitpunkte aus theologischer Perspektive bietet ISERLOH, Geschichte und Theologie (1980) Kap. XI. Vgl. dazu insbesondere WARTENBERG, Interim (2006). Vgl. HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 141 f.; SMOLINSKY, Sachsen (1993), S. 22. Vgl. dazu HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 142 f. Vgl. ebd., S. 147; WALTHER, Gründung (1999), S. 116; KOCH, Landeskirche (2005), S. 194; KOLB, Konkordienformel (2011), S. 49–57.

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tenberg und Leipzig, der die ohnehin bestehende politische Rivalität zwischen Ernestinern und Albertinern noch vertiefte. Im Auftrag des Herzogs verfasste Flacius das sogenannte Konfutationsbuch, das als erste konfessionelle Bekenntnisschrift zur verbindlichen Lehrnorm des Herzogtums wurde und den Flacianismus im Herzogtum durchsetzte.230 Noch im Jahr seiner Veröffentlichung stieß es jedoch selbst bei den ernestinischen Theologen auf Widerstand, der dazu führte, dass Flacius’ erster Gegenspieler Victorinus Strigel und weitere Theologen und Pfarrer, abgesetzt und verhaftet wurden.231 Flacius trieb die Durchsetzung seines Bekenntnisses in den folgenden Jahren jedoch zu weit. Als er in seinen Schriften selbst die Gewalt der Fürsten, insbesondere deren kirchenpolitische Befugnisse bestritt, wandte Johann Friedrich sich von ihm ab. 1561 wurde Flacius seines Amtes enthoben und der gemäßigtere Victorinus Strigel im Folgejahr an die Universität zurückberufen. 232 Obgleich Strigel Jena nach nur wenigen Monaten verließ und an die Universität nach Leipzig ging, verfasste er noch in Jena auf Auftrag des Herzogs eine neue Bekenntnisschrift, in der er seinen Standpunkt gegen Flacius verteidigte. Der Herzog ließ jene Declaratio Victorini durch auswärtige Theologen, darunter den Tübinger Professor Jakob Andreae, überprüfen und für gültig erklären. Sie wurde zur Grundlage einer neuen theologischen Richtlinie, die 1562 durch eine umfassende Visitation verbindlich eingeführt werden sollte.233 Obgleich durch diese Maßnahme der Frieden im Herzogtum wiederhergestellt werden sollte, führte die Visitation zur Absetzung zahlreicher Pfarrer, die die Unterschrift der Declaratio Victorini verweigerten.234 Johann Friedrichs jüngerer Bruder Johann Wilhelm teilte die konfessionellen Ansichten seines regierenden Bruders nicht. Er behielt auch nach dem Erlass der Declaratio Victorini den streng flacianischen Kurs bei. Als er 1567 nach der kaiserlichen Festsetzung Johann Friedrichs die Regierung des gesamten Herzogtums übernahm, kam es daher zu einer konfessionspolitischen Wende. Unter dem Einfluss des Coburger Superintendenten Christoph Irenäus erklärte er die Declaratio Victorini und alle 1562 auf sie geleisteten Unterschriften für ungültig. Einige ab-

230 Vgl. insbesondere LEPPIN, Bekenntnisbildung (2006). Vgl. auch HERRMANN, Generalvisitationen (1915), S. 112–114; DERS., Kirchengeschichte II (1947), S. 150 f.; LEPPIN, Beziehungen (2007), S. 73 f.; KOLB, Konkordienformel (2011), S. 150; GEHRT, Lieder (2012), S. 29. 231 Vgl. HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 151 f. 232 Vgl. ebd., S. 153 f. 233 Vgl. ebd., S. 155. 234 Vgl. HERRMANN, Generalvisitationen (1915), S. 115 f.; DERS., Kirchengeschichte II (1947), S. 156 f.

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gesetzte flacianische Pfarrer sowie die abgesetzten Jenaer Professoren kehrten in ihre Ämter zurück.235 Waren die bisherigen Auseinandersetzungen eine rein theologisch-kirchliche Angelegenheit, führten die Auswirkungen der Lehrstreitigkeiten nun dazu, dass auch das Schulwesen verstärkt in den Blick genommen wurde. Galten die Schulen seit Anbeginn der Reformation als Grundlage der evangelischen Kirche, kam ihnen nun auch eine Beteiligung an der Verbreitung des Bekenntnisses zu. Wie die Geistlichen sollten die Schuldiener der obrigkeitlichen Lehrnorm entsprechen, weshalb die Schulen, deren Bedeutung zusehends stieg, endgültig gleichwertig neben die Kirchen gestellt wurden. Der damit angesprochene Trend wird bereits in der Konsistorialordnung vom 7./8. März 1569 deutlich. Das Jenaer Konsistorium, das noch unter Johann Friedrich dem Mittleren gegründet worden war, sollte nach dem Regierungsantritt seines Bruders der Durchsetzung des flacianischen Bekenntnisses in Kirchen und Schulen dienen.236 Daher fand das Schulwesen, anders als in der vorhergehenden von 1561, nun Aufnahme in die genannte Konsistorialordnung. Dem Jenaer Konsistorium wurden demnach „Alle sachen, so der kirchen und schuldiener vocation, ampt, dienst, leben, wandel, translation, dimission, mishandlungen, und verbrechungen belangend, dergleichen wo streite de iure patronatus fürfielen“237 zur Klärung übertragen. Dasselbe betraf die Schulgüter und -einkünfte sowie die Besoldung der Schuldiener, sodass alle schulischen Angelegenheiten einer dauerhaften Kontrolle durch das Konsistorium unterworfen waren. Als in den folgenden Jahren eine neuerliche, diesmal rein flacianische Visitation abgehalten wurde, stand die Sorge um das Schulwesen schließlich gleichwertig neben den kirchlichen Belangen. Mit den folgenden Worten wird es in der Visitationsinstruktion vom 31. Oktober 1569 dargelegt: Es sollen auch unsere visitatores nicht weniger auf die schulen, dan uf die kirchen, auch nicht weniger auf die schuldiener, dan auf die kirchendiener, ihr lehr, leben und unterhaltung ein gebuerlich ernstlich aufsehen haben, auch den pfarrern und predigern befehlen die eltern und vormunden vleissig zuermahnen, das sie die jugent zur schule halten, wie wir dan auch allen pfarrern und predigern jedes orths selbst inspectores der schulen zu sein befohlen und was bei jeder schul fur mangel befunden und was zu abwendung derselbigen durch die visitatores geschafft wird, das soll sonderlich auch vorzeichnet werden.238

Die Ausführlichkeit der Visitationsprotokolle bestätigt dies. Die städtischen Schulen wie auch die Kirchendiener auf den Dörfern fanden ungleich stärkere 235 Vgl. HERRMANN, Generalvisitationen (1915), S. 119 f.; DERS., Kirchengeschichte II (1947), S. 161–165; KOCH, Landeskirche (2005), S. 198. 236 Vgl. HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 164. 237 EKO I/1, S. 238. 238 Ebd., S. 245. Vgl. auch HERRMANN, Generalvisitationen (1915), S. 121 f.; DERS., Kirchengeschichte II (1947), S. 165.

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Aufmerksamkeit als in der Visitation von 1554/55.239 Insbesondere kristallisierte sich nun auch in der landesherrlichen Perspektive endlich eine schulische Tätigkeit der Dorfkirchner heraus, die über den bloßen Katechismus hinausging. In einem hier erstmals erhaltenen genaueren Leitfaden zum Vorgehen der Visitatoren, der unter dem Titel „Process oder memoriale der visitation“240 die grundlegenden Fragen zur Examinierung der Geistlichen, Kirchen- und Schuldiener enthält, wurde der Kirchner mit einer Schultätigkeit in Verbindung gebracht. Neben seinem Namen, seiner Herkunft und seiner Berufung stand die Frage „ob er eine schule halte“ und „was er die jugend instituire“.241 Zur Ermittlung seiner Tauglichkeit solle er in seinem Lehrstoff selbst examiniert werden. Am 2. März 1573 starb der flacianische Herzog Johann Wilhelm. Sein Tod und die Regelung seiner Nachfolge brachte für die konfessionelle Spaltung des Herzogtums und den Konflikt mit den Albertinern die entscheidende Wende. Johann Wilhelms Söhne waren noch minderjährig und regierungsunfähig. Auf die Bitte der Landstände und kaiserlichen Geheiß wurde die Vormundschaft und somit die Regierung über das ernestinische Herzogtum dem albertinischen Kurfürsten August überantwortet. Mittels einer weiteren Visitation wurde daraufhin noch im selben Jahr der Flacianismus aus dem Herzogtum beseitigt. Sämtliche Geistlichen und Schuldiener, die das Philippistische Bekenntnis ablehnten, wurden abgesetzt.242 Die Konsistorialordnung von 1569 wurde außer Kraft gesetzt und durch eine neue ersetzt, die eine neuerliche Ausbreitung des Flacianismus verhindern sollte. Hinsichtlich des Schulwesens entspricht sie jedoch der vorhergehenden Ordnung, indem sie die Schulen fast wortgetreu der Aufsicht des Konsistoriums unterwarf.243 Diese neuerliche und letzte Absetzungswelle war rigoros und absolut. Ein Viertel aller Geistlichen und etliche Schuldiener wurden der Ämter enthoben.244 Verzeichnisse, die den Visitationsprotokollen beigelegt wurden, führen nebeneinander die abgesetzten und die im Amt belassenen Geistlichen auf. Allein in der Superintendentur Weimar kamen auf 72 bestätigte 41 abgesetzte Pfarrer.245 Es versteht sich, dass die Betroffenen sich als Opfer einer Intrige betrachteten und Widerstand gegen die Maßnahmen ergriffen. Unter der Führung des Jenaer Superintendenten Johannes Wigand, des Weimarer Superintendenten Bartholo239 Vgl. HERRMANN, Generalvisitationen (1915), S. 121 f. u. 141. 240 EKO I/1, S. 245. 241 Für beide Zitate ebd., S. 247. Vgl. auch HERRMANN, Generalvisitationen (1915), S. 124; DERS., Dorfschulen (1935), S. 97 f. 242 Vgl. HERRMANN, Generalvisitationen (1915), S. 141–143; DERS., Kirchengeschichte II (1947), S. 171–173. 243 Vgl. EKO I/1, S. 248–252; HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 173. 244 Vgl. HERRMANN, Generalvisitationen (1915), S. 145 f. 245 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 57, fol. 10r–v u. 11r–v.

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mäus Rosinus und des Weimarer Hofpredigers Bartholomäus Gernhard schlossen sie sich zusammen und verfassten am 24. September 1573 ein umfangreiches offenes Schreiben an den Kurfürsten und „an die vornemstenn Stedte vnd Hern der Augsp. Confess. Verwandten“,246 in dem sie um ein Einsehen oder zumindest um eine Unterstützung in ihrer Notlage ersuchten.247 Die Professoren, Geistlichen und Schuldiener bezeichneten sich darin als „reine v[nd] bestendige lerer vnnd prediger des gotlichen worts“,248 die für ihr gewissenhaftes Bewahren der lutherischen Lehre verfolgt werden. Um ihre Notlage zu mildern seien vier Mitglieder der Gemeinschaft der Abgesetzten ausgewählt worden, welche die evangelisch geprägten Gebiete des Reiches bereisen und um Almosen für die Notleidenden bitten sollten. Ein Begleitschreiben der Entsandten sollte die Namen, die einstigen Ämter und eine Schilderung ihrer derzeitigen Verhältnisse enthalten.249 Tatsächlich liegt dem Schreiben der sogenannte „Cathalogus Exulum“,250 ein nach den Superintendenturen geordnetes Verzeichnis der abgesetzten Personen bei. Die Liste enthält 144 Namen – der offene Brief sprach von 148251 – aus den Ephorien Jena, Weimar, Altenburg, Orlamünde, Allstedt, Eisenach, Saalfeld, Pößneck, Gotha, Coburg, Hildburghausen, Ronneburg und Römhild. Die Ephorien Weida und Neustadt a. d. O. sind darunter nicht enthalten, weil die entsprechenden Ämter Weida, Arnshaugk, Ziegenrück und Sachsenburg bereits einige Jahre zuvor den Albertinern zugefallen und nicht minder rigoros bereinigt worden waren.252 Der Anteil der Schuldiener war dabei verhältnismäßig gering. Unter den 144 Betroffenen mussten 19 Schulpersonen aus ihren Ämtern weichen. Ephorie Jena: Johann Mellinger (Schulmeister von Jena) Ephorie Weimar: Die gesamte Weimarer Schuldienerschaft: Johannes Wolfius (Schulmeister) David Schilling (Konrektor) Petrus Poppe (Kantor) Christoph Linda (Baccalaureus) Martin Kasselius (Schulmeister von Oberweimar) Valentinus Nech (Schulmeister von Heusdorf) 246 247 248 249 250 251 252

LATh-StA Rudolstadt, Hessesche Collectaneen, 1c Nr. 23, S. 105 Vgl. ebd., S. 103–121. Ebd., S. 110 f. Vgl. ebd., S. 124–127. Vgl. ebd., S. 146–159, Zitat S. 146. Vgl. ebd., S. 105. Allein im Amt Weida wurden 1571 47 Geistliche abgesetzt, vgl. dazu HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 171; SMOLINSKY, Sachsen (1993), S. 23.

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Ephorie Altenburg: Die gesamte Altenburger Schuldienerschaft (Kap. II. 3.4.6.): Michael Chilian (Schulmeister) Michael Sonne (Konrektor) Abraham Reckhals (Oberbaccalaureus) Paul Gerhard (Infimus) Simon Frohberger (Kantor) Ephorie Eisenach: Theodericus Schultes (Schulmeister von Creuzburg) Ephorie Saalfeld: Die gesamte Saalfelder Schuldienerschaft (Kap. II. 4.3.7.): Friedrich Roth (Schulmeister) Wilhelm Eckstein (Konrektor) Johannes Cramer (Kantor) Heinrich Keilhau (Baccalaureus) Ephorie Pößneck: Die gesamte Pößnecker Schuldienerschaft: Petrus Bischoff (Schulmeister) Johann Trautmann (Kantor)

Doch nicht nur unter den Betroffenen regte sich Widerstand. Die Herzoginwitwe Dorothea Susanna, der das Schreiben der Abgesetzten hauptsächlich gewidmet war, ergriff für sie Partei. Sie ließ sich durch den genannten Hofprediger Gernhard ein weiteres Verzeichnis der Exulanten erstellen und setzte sich – zum Teil erfolgreich – für die Rückführung und Wiedereinsetzung der Betroffenen ein.253 Die Visitation von 1573 wirkte jedoch nicht nur auf verheerende Weise. Insbesondere das Schulwesen erfuhr durch das Eingreifen des Kurfürsten in Form einer ersten landesweiten Schulordnung viereinhalb Jahrzehnte nach Melanchthons Sächsischem Schulplan eine neue organisatorische Grundlage.254 Bislang wurden Melanchthons Entwürfe den städtischen Schulen als Leitfaden vorgelegt. Mancherorts wurden sie erweitert und durch eigene städtische Schulordnungen ersetzt (Kap. II. 6.6.). Von besonderer Bedeutung war dabei die Eisenacher Schulordnung. Sie wurde 1551 erlassen, vier Jahre später von den Visitatoren bestätigt und sollte für die Entwicklung des ernestinischen Schulwesens nach dem Schmalkaldischen Krieg maßgeblich werden. Auf ihren Ausführungen zur Schulzucht und den Schulgesetzen baute die 1562 erlassene Schulordnung von

253 Vgl. GEHRT, Bartholomäus Gernhard (2014), S. 79. 254 Vgl. MATTHIAS, Geschichte (1907), S. 26, 28 u. 32; HAHN, Unterweisung (1957), S. 18; HETTWER, Schulordnungen (1965), S. 126.

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Weimar auf,255 bevor sie wiederum vollständig und mitunter wörtlich oder nur wenig abgewandelt in die nun verfasste Herzoglich-Sächsische Schulordnung einbezogen wurde.256 Letztere wurde noch im Jahr der kurfürstlichen Visitation unter dem Titel Ratio administrandi scholas triviales, proposita in visitatione ecclesiarum et scholarum sub Ducatu Iuniorum Principum Saxoniae in Jena gedruckt.257 Das von den Visitatoren in Altenburg verfasste und unterzeichnete Vorwort datiert auf den 5. Oktober 1573. Es bezeichnet die Schulen zum wiederholten Male als „seminaria Ecclesiae et Reipublicae“258 und beklagt den Verfall, den viele Schulen durch die Unwissenheit etlicher Lehrer, die Nachlässigkeit der Geistlichen und den Unwillen der Eltern zu erleiden hätten. Beides erinnert an lutherische Schulschriften sowie an Anton Musas Schultraktat und offenbart sich selbst als Wiederholung der in den letzten Jahrzehnten topisch gewordenen Formulierungen. Der Inhalt der Schulordnung widerspricht dem und verdeutlicht augenscheinlich, in welchem Maße sich das Schulwesen seit den 1520er Jahren organisatorisch wie inhaltlich entwickelt hatte. Bezeichnend ist allein schon der Umstand, dass der tägliche Besuch und die Mitwirkung bei Messen und Gottesdiensten, die einst ein maßgeblicher Bestandteil des Schulwesens und verbindendes Element zur Kirche waren, inzwischen der wissenschaftlichen Ausbildung der Schüler nachgestellt wurden. Die Schüler seien mit Kirchgang und -gesang an den Schultagen möglichst zu verschonen, um sich ganz dem Unterricht widmen zu können. Die dadurch entbehrte religiöse Erziehung könne durch den schulischen Katechismusunterricht ersetzt werden. An den Sonntagen sei gegen eine Teilnahme und Mitwirkung der Schüler indes nichts einzuwenden. Die Schüler wurden durch die Ordnung in drei bis fünf Klassen unterteilt, die jede von einem eigenen Lehrer unterrichtet werden sollte. Der Schulmeister unterrichtete selbstverständlich die höchste Klassenstufe. Von einer klassenübergreifenden Tätigkeit der einzelnen Schuldiener sei hingegen abzuraten. Einzige Ausnahme bildete dabei die Musik, für die – wie bereits in Melanchthons Sächsischem Schulplan – die Klassen zusammengelegt werden sollten. Gleichermaßen wurde auch der Katechismusunterricht zum Teil in mehreren Klassen gleichzeitig betrieben, dabei allerdings dem steigenden Niveau entsprechend anhand des deutschen oder lateinischen Katechismus. Der gewöhnliche Unterrichtstag umfasste sechs Stunden, jeweils drei am Vor- und Nachmittag. Lediglich 255 Vgl. KRUMBHOLZ, Schulwesens (1934), S. 4; HAHN, Unterweisung (1957), S. 73; HETTWER, Schulordnungen (1965), S. 132; KADELBACH, Gymnasium (1972), S. 166; GEHRT, Alte Bilder (2016), S. 188. 256 Vgl. HETTWER, Schulordnungen (1965), S. 132 f.; GEHRT, Anfänge (2013), S. 14. 257 Vgl. Ratio Administrandi Scholas Triviales, ediert in VORMBAUM, Schulordnungen I (1860), S. 580–606, inhaltlich skizziert in MERTZ, Schulwesen (1902), S. 587–594. 258 Zitiert nach VORMBAUM, Schulordnungen I (1860), S. 580, Anm. *. Vgl. auch MERTZ, Schulwesen (1902), S. 587.

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am Mittwoch und Samstag fiel der Nachmittagsunterricht aus. Die Bezeichnung der Klassen erfolgte absteigend, wobei die Quarta oder Quinta die niedrigste und die Prima die höchste Klasse bildete. Die einzelnen Klassen wurden nochmals in Leistungsstufen (Ordines) unterteilt, wobei in den oberen Klassen lediglich zwei Stufen vorgesehen waren, von denen die untere die kürzlich versetzten Schüler („qui nuper […] huc transcenderint“259) aufzunehmen und auf den höheren Unterricht vorzubereiten hatte. Für die unterste Klasse sah die Ordnung vier Leistungsstufen vor, die sich nach der Kenntnis des Alphabets, der Schrift, des Syllabierens sowie des Lesens richten sollten. Bemerkenswert ist, dass das Schreiben einzelner Buchstaben vor dem Lesen vollständiger Wörter gelehrt werden sollte. Die auf dieser organisatorischen Klasseneinteilung aufbauende Darlegung der Unterrichtsinhalte folgt schließlich über weite Passagen wörtlich übereinstimmend der Eisenacher Schulordnung von 1551 – einige Auslassungen und im Laufe der Ordnung zunehmende Ergänzungen ausgenommen. Die Orientierung ging so weit, dass die Ordnung lediglich die im Eisenacher Vorbild vorgegebenen vier Klassen enthält und die eigentlich angedachte fünfte nicht ergänzte. Die Lektüre begann somit in der Quarta neben dem obligatorischen lutherischen Katechismus anhand des Donat, des Cato und einer Bearbeitung der Melanchthonischen Grammatik von Justus Menius unter der Bezeichnung Grammatica Catechesis.260 Die deutsche Sprache war noch fester Bestandteil des Unterrichts, doch erzielte die Klasse bereits erste Kenntnisse der lateinischen Sprache und Schrift. Täglich erhielten die Schüler einige als Hausaufgabe auswendig zu lernende Wörter auf den Weg gegeben. Ziel dieser Übungen war am Ende der Klasse die Kenntnis von 1050 lateinischen Wörtern.261 Die Tertia ergänzte in der Lektüre die Mimi Publiani und die Fabeln Aesops, wobei nun nicht mehr das Lesen, sondern die grammatikalischen Konstruktionen nach Etymologie und Syntax im Mittelpunkt standen. Schriftliche Übungen traten hinzu, wobei jeder Schüler ein Heft anzulegen hatte, in das er die vom Lehrer diktierten Sentenzen eintragen und auswendig lernen musste. Regelmäßig fand eine Überprüfung der Schreibhefte aller Schüler statt. Der Katechismusunterricht erfolgte inzwischen am lateinischen Katechismus und wurde durch die Erklärung der Sonntagsevangelien ergänzt.

259 VORMBAUM, Schulordnungen I (1860), S. 585. 260 Die Grammatikbearbeitung von Justus Menius erscheint auch in der Eisenacher Ordnung, wird hier jedoch auf die Grammatik von Jakob Micyllus zurückgeführt, vgl. SCHMIDT, Unterrichtsordnung (1885), S. 3. 261 Vgl. VORMBAUM, Schulordnungen I (1860), S. 585. Die Eisenacher Schulordnung hatte sogar noch 1500 Vokabeln vorgesehen, vgl. SCHMIDT, Unterrichtsordnung (1885), S. 5. Ob es sich dabei um einen Transkriptionsfehler von Schmidt handelt, kann nicht mehr ermittelt werden.

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In der Secunda wurde dem Sprachunterricht die Grammatik von Jakob Micyllus zugrunde gelegt. Wöchentlich sollten aus ihr zwei Kapitel bewältigt werden, sodass die vollständige Kenntnis der Grammatik in fünf Monaten erlangt werden könne. Die dadurch erworbene Theorie wurde in der Lektüre der Bucolica Vergils und der Briefe des Cicero in der Bearbeitung des Johannes Sturm angewandt. Die schriftlichen Übungen wurden fortgeführt und mit einer Verfeinerung des sprachlichen Stils verbunden (exercitium styli). Neben den grammatikalischen und sprachlichen Unterricht trat schließlich auch die Bildung der Sitten und Gebräuche, die neben der religiösen und wissenschaftlichen Ausbildung der Schüler das dritte große Hauptanliegen des Schulwesens war. Selbst ihr wurde mit dem Libellus de formandis puerorum moribus des Joachim Camerarius ein theoretisches Lehrwerk zugrunde gelegt, doch sollte der eigentliche Unterricht damit ausdrücklich nicht verzögert werden.262 In der Prima, der höchsten Klasse, wurde mit der Lektüre des Terenz’ das humanistische Trias vervollständigt. Der Unterricht erfolgte unter genauester Analyse der Texte nach den grammatikalischen Regeln und schloss bei der Interpretation der Briefe ad familia Ciceros sowie der Georgica Vergils die Rhetorik und selbst eine Erklärung der historischen Hintergründe mit ein. In den grammatikalischen Studien trat neben Micyllus die Grammatik des englischen Autors Thomas Linacer, die – wie auch schon 1551 in der Eisenacher Schulordnung – als „opus perfectissimum“ 263 bezeichnet wurde. Ziel war die möglichst vollständige Kenntnis der lateinischen Grammatik und Sprache, um sich schließlich dem Griechischen zuwenden zu können. Die Etablierung eines Griechischunterrichts ging über das Melanchthonische Schulkonzept hinaus, wurde jedoch weitestgehend den Möglichkeiten vor Ort überlassen. Ziel des Schulunterrichts sollte es sein, so die einführende Formulierung der Ordnung, die griechische Grammatik, wenn möglich („si fiere posset“ 264) mit der lateinischen zu verbinden. Obgleich es sich dabei nicht um eine verbindliche Vorschrift handelte, wurde der Griechischunterricht in der spezifischen Darlegung der Lehrpläne selbstverständlich mit aufgenommen. In seinem Mittelpunkt standen die Grammatik des Nikolaus Clenardus, „in qua omnia fere scitu necessaria eruditissima brevitate tractantur“,265 und die Lektüre des Hesiod sowie weiterer ungenannter griechischer Autoren. Wurde in den unteren Klassen die lateinische Grammatik mittels der deutschen Sprache erklärt, diente nun das Latein zur Erklärung des Griechischen. Neben die bishe262 Vgl. VORMBAUM, Schulordnungen I (1860), S. 593; MERTZ, Schulwesen (1902), S. 590. 263 VORMBAUM, Schulordnungen I (1860), S. 594. Vgl. in der Eisenacher Ordnung: „opus fortasse perfectissimum omnium eorum“, SCHMIDT, Unterrichtsordnung (1885), S. 10. 264 VORMBAUM, Schulordnungen I (1860), S. 581. Auch diese Formulierung geht auf die Eisenacher Ordnung zurück, wird hier jedoch vom Niveau der Schüler einer einzelnen Schule auf die Vielzahl der Schulen in den ernestinischen Städten umgedeutet. 265 Ebd., S. 594.

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rigen Stilübungen traten schließlich eigene Dichtungen und wenn das Niveau der Schüler es zuließ, die Dialektik anhand Melanchthons Erotemata Dialectices. Gleichermaßen erfuhr auch der Katechismusunterricht eine deutliche Steigerung. Neben den lutherischen Katechismus trat die Analyse der besuchten Predigten und der Sonntagsevangelien in lateinischer oder griechischer Sprache. Darüber hinaus erfolgte selbst ein theologischer Unterricht anhand Melanchthons Loci communes, dem Examen theologicum266 und den Evangeliendichtungen des Johannes Stigel. Die kirchliche Ausrichtung der Schule, welche die Schüler direkt ins spätere Theologiestudium führen sollte, ist unverkennbar. Zuletzt wurde hier erstmals auch ein Unterricht der Arithmetik angeregt, der jedoch ebenfalls nicht verbindlich vorgeschrieben, sondern von den Fähigkeiten der Schüler abhängig gemacht und auf zwei Wochenstunden beschränkt wurde. Die Arithmetik zählte nicht zum offiziellen Lehrstoff der evangelischen Lateinschulen und ist eine Ergänzung zu den Vorgaben der Eisenacher Ordnung, die sie noch nicht enthielt. Sie war somit auch hier nur eine mögliche Zugabe, die jedoch nicht mit einer Einschränkung des eigentlichen Unterrichts einhergehen durfte. Die Platzierung der Arithmetik in der Unterrichtswoche erfolgte daher an den sonst freien Mittwoch- und Samstagnachmittagen. Einmal monatlich sollten Prüfungen abgehalten werden, die über die Versetzung der Schüler in eine höhere Stufe einer Klasse entschieden. In der Prima waren diese zudem mit Disputationen der Schüler über den Lernstoff des vergangenen Monats verbunden. Über die Versetzung in die folgende Klasse entschied schließlich die halbjährliche Prüfung, die unter der Anwesenheit des Pfarrers und des Bürgermeisters vorzunehmen sei. Über die Verordnung von Schulherren aus den Kreisen des Rates verlautet hingegen nichts. Jede Schule, so lautete das Ziel der Schulordnung, solle in der Lage sein, die Schüler direkt in die Universität zu entlassen. Anders als Melanchthons Schulplan von 1528, der einen Mindeststandard formuliert hatte, präsentiert die HerzoglichSächsische Schulordnung den höchsten zu erreichenden Zustand, was sich insbesondere anhand der freigestellten Aufnahme der Arithmetik in den Unterricht abzeichnet. Durch die anfänglichen theologischen Studien in der Behandlung der entsprechenden Melanchthonischen Werke oder der Pflege der Universitätspraktik des Disputierens erreichte dieses Schulkonzept annäherndes Universitätsniveau, das sich dem Schulunterricht als nahtlose Fortsetzung anschließen sollte. 266 Gemeint ist vermutlich Melanchthons Der Ordinanden Examen oder die lateinische Entsprechung Examen eorum, qui audiuntur ante ritum publicae ordinationis. Ein Werk, dass unter Melanchthons Verfasserschaft den genauen Titel Examen theologicum trägt, erschien, abgesehen von einer 1566 von Jan Radomsky besorgten polnischen Übersetzung [vgl. VD16 M 3958], erst nach Erlass der Schulordnung.

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Neben der wissenschaftlichen Ausbildung übte die Schule erzieherische Maßnahmen auf die Kinder aus. Hatte bereits die inhaltliche Erschließung der antiken Autoren neben der grammatikalischen Bildung das Ziel, die Kinder in ihren Sitten zu bilden („ad formandos mores“267), konnten darüber hinaus schließlich auch unmittelbarere Maßnahmen durch die Schuldiener ergriffen werden. Grundlage dessen waren die Schulgesetze, die sich als zweiter Teil der Schulordnung den Lehrplänen anschließen und die durch den Schulmeister zweimal jährlich den Schülern vorzulesen waren. Sie regelten das Verhalten der Schüler zuhause und auf den Straßen, in der Schule und der Kirche. Im Mittelpunkt standen dabei Tugenden wie Pünktlichkeit und Respekt, Fleiß, Aufmerksamkeit und Verantwortungsbewusstsein, aber auch körperliche Reinlichkeit und gepflegtes Auftreten. Neben Gotteslästerung, Schlägereien, Kartenspiel, Herumtreiberei und dem Besuch von Wirtshäusern wurden Eislaufen, Schneeballwerfen und das Baden in Seen und Flüssen verboten. Zuwiderhandlung wurde entsprechend bestraft. Mittel der Strafe waren unter anderem das Tragen von Schandzeichen, die für undiszipliniertes Verhalten („Signum rusticitatis seu incuriae“), für undeutliche Artikulation („Signum Emendationis“) oder für den Gebrauch der deutschen Sprache im Unterricht („Signum Germanicae locutionis“) verhängt wurden.268 Entgehen konnte man den Schandzeichen durch die auswendige Rezitation umfangreicher Passagen antiker Autoren, einzelner Szenen des Terenz oder vollständiger Briefe Ciceros. Zur besseren Handhabung der Strafen und zur Überwachung der Schüler sollte das Mittel der Selbstüberwachung angewandt werden. Aus den Reihen der Schüler waren dazu Wächter zu wählen, die das Verhalten der eigenen Mitschüler zu überwachen hatten. Öffentliche Wächter („Custodes publice“) fungierten dabei außerhalb der Schule, in der Stadt und in der Kirche, während private Wächter („Custodes privati“) Abwesenheit oder Verspätungen der Mitschüler vermerkten und dem Schulmeister zur Strafe anzeigten. Als Rechtfertigung dieser Methode dient der Ordnung das alttestamentarische Beispiel des Joseph, der seine Brüder überwachte (1. Mose 37, 2). Obgleich Joseph dabei nicht das Ziel der Bestrafung, sondern des Schutzes verfolgte, wird das biblische Motiv auf die Besserung der Schüler („ut coercerentur et emendarentur“) umgedeutet.269 Es versteht sich von selbst, dass die Schulordnung in der Ausrichtung ihres Katechismusunterrichts den mit der Visitation beseitigten Lehrstreitigkeiten Rechnung tragen sollte. Der Gebrauch der theologischen Werke Philipp Melanchthons ist dabei ebenso bezeichnend, wie das Fehlen zuvor verbreiteter Titel aus der Feder flacianischer Autoren. Obgleich die offenbar unbedenklichen Evangeliendichtungen des Johannes Stigel im Unterricht belassen wurden, sucht 267 VORMBAUM, Schulordnungen I (1860), S. 595. 268 Für alle drei Zitate ebd., S. 604. 269 Für alle drei Zitate ebd., S. 605.

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man die Hauptartikel der christlichen Lehre des gerade abgesetzten Weimarer Superintendenten Johannes Wigand, die in der Weimarer Schulordnung von 1562 noch verbindlicher Teil des Unterrichts waren, in der neuen Ordnung vergeblich. Abschließend stellt sich jedoch die Frage, inwieweit die herzogliche Schulordnung für das ernestinischen Schulwesen verbindlich wurde. In manchen Städten lassen sich verschiedene Elemente der Ordnung zwar nachweisen, so beispielweise die unterrichtsfreien Nachmittage am Mittwoch und Samstag, die Hinzuziehung schulischer Wächter aus den Schülerreihen oder die Einteilung der einzelnen Klassen in Leistungsstufen, doch basieren diese Elemente bereits auf vormaligem Herkommen. Dies gilt auch und insbesondere für die Entlehnungen des Lehrplans und der Schulgesetze aus der Eisenacher Schulordnung. Während die Ordnung somit kaum eigenständige organisatorische Maßnahmen ergriff, sondern lediglich vormalig bewährte lokale Methoden landesweit verbindlich zu machen suchte, lässt sich dem entgegen eine Umsetzung speziellerer inhaltlicher Richtlinien, die über den seit 1528 selbstverständlichen humanistischen Lektürekanon hinausgehen, nicht nachweisen. Insbesondere die hier maßgeblich verwendeten Grammatiken des Micyllus und des Linacer treten vor wie nach 1573 in den ernestinischen Städten nur in der zugrundeliegenden Eisenacher Schulordnung in Erscheinung. Andernorts fanden sie offenbar keine Verwendung und es zeugt von wenig Eigenständigkeit der herzoglichen Ordnung, dass sie nicht stattdessen auf das Standardwerk aus der Feder Melanchthons zurückgriff, obgleich sie beispielsweise den in Eisenach rege genutzten Katechismus von Justus Menius durch den lutherischen ersetzte. Gegen eine dauerhafte Umsetzung der Schulordnung spricht schließlich auch die politische Situation im Herzogtum. Obgleich die Ordnung noch unter dem Namen der jungen Herzöge erlassen wurde, führte doch bereits der Kurfürst August die Regierung, die er selbst über die Volljährigkeit der Herzöge hinaus beibehielt. Dies hatte zur Folge, dass die Schulordnung von 1573 bereits sieben Jahre später durch die albertinische Kirchenordnung ersetzt wurde, die dem Schulwesen endgültig große Beachtung schenkte und einige Lücken schloss, welche die herzogliche Schulordnung offen gelassen hatte.

2.3.4. Der Weg zur Kursächsischen Kirchenordnung von 1580 Kurfürst August setzte die Politik des Kurfürsten Moritz im gemäßigten melanchthonischen Sinne fort. Sein striktes Festhalten an den Leipziger Artikeln führte zu dem bereits genannten heftigen Zerwürfnis mit seinen ernestinischen Vettern, insbesondere mit Johann Wilhelm, als dieser nach 1567 das flacianische Bekenntnis durchzusetzen bemüht war. Dem entgegen wurde das vermittelnde Bekenntnis im Kurfürstentum gestärkt und 1569 durch das Corpus doctrinae

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Misnicum vertieft und schriftlich fixiert.270 Als August nach seiner Regierungsübernahme im ernestinischen Herzogtum den Flacianismus beseitigte, ergriff er schließlich Maßnahmen zur besseren Kontrolle des theologischen Normerhalts. Ein Briefwechsel um den abgesetzten Altenburger Konrektor informiert, dass seit mindestens 1573 Kataloge eingeführt wurden, welche die offiziellen und obrigkeitlich anerkannten Geistlichen, Kirchen- und Schuldiener enthielten. Sie wurden den Superintendenten überantwortet, um ihnen den Überblick zu erleichtern und notfalls auf die Absetzungen unrechtmäßiger Amtsinhaber zu drängen.271 Damit ging auch die Eindämmung unrechtmäßiger Schulaktivitäten einher. In der Visitationsinstruktion von 1574/75 finden sich erstmals überhaupt Maßnahmen gegen ein sogenanntes Winkelschulwesen umgesetzt. Den Superintendenten und Pfarrern wurde aufgetragen, auf diese Art schulischen Missbrauchs zu achten und gegebenenfalls dagegen vorzugehen.272 Das Winkelschulwesen bot jenen Kindern, die zwar eine grundlegende Schulbildung, jedoch nicht das Ziel eines geistlichen Amtes anstrebten, eine Alternative zu dem ausschließlich kirchlich ausgerichteten Lateinschulwesen. Die Eindämmung des Winkelschulwesens erforderte es daher, diesen Kindern eine offizielle Alternative zu bieten. Ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückte damit das deutschsprachige Schulwesen. Bereits in den letzten Jahrzehnten hatte es sich unter den Augen und mitunter mit der Unterstützung der städtischen Obrigkeit herausgebildet, war bei den Geistlichen und Visitatoren aber auf Ablehnung gestoßen. In den Visitationen wurde es zwar – wie auch das wohlwollende Verhalten der Stadträte – zur Kenntnis genommen, zumeist jedoch als Konkurrenz zum offiziellen Lateinschulwesen betrachtet. Obgleich sich daran nichts grundsätzlich änderte, traten die deutschen Schulen wie auch die Mädchenschulen ab den 1570er Jahren dennoch in den Visitationsinstruktionen neben die Lateinschulen und wurden ebenfalls der Kontrolle der Visitatoren und Konsistorien unterworfen.273 Die Lehrstreitigkeiten, die auch nach 1573 aufgrund weiterer inneralbertinischer Differenzen kein Ende gefunden und schließlich zum Sturz der Philippisten geführt hatten,274 konnten erst 1577 beigelegt werden. Mehrere Versuche, die Protestanten wieder unter einer Lehre zu vereinen, waren gescheitert.275 Erst als der Kurfürst 1576 den Tübinger Universitätskanzler Jakob Andreae nach 270 Vgl. HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 163–165 u. 170; SMOLINSKY, Sachsen (1993), S. 23 f.; KOCH, Landeskirche (2005), S. 198. 271 Vgl. StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. V, unfol. 272 Vgl. EKO I/1, S. 354. 273 Vgl. ebd., S. 350. 274 Vgl. HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 174; KOCH, Philippismus (1986); SMOLINSKY, Sachsen (1993), S. 25; KOCH, Landeskirche (2005), S. 198–201. 275 Vgl. KOLB, Konkordienformel (2011), S. 159–165.

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Kursachsen berief und ihm die Befugnis eines landesweiten Kircheninspektors erteilte, wurde eine umfassende Reform des gespaltenen Kirchenwesens angestoßen, die ihren Höhepunkt im Mai 1577 in der Konkordienformel finden sollte. Sie wurde endlich zur letzten evangelischen Bekenntnisschrift. 276 Auf ihrer Grundlage erfolgte noch im selben Jahr eine Kirchenvisitation, deren Instruktion auf den 24. Juni datiert.277 Sie stellte sowohl für das ernestinische Herzogtum wie für das albertinische Kurfürstentum eine erhebliche Zäsur dar, führte Andreae mit ihr doch das Prinzip alljährlich abzuhaltender Lokalvisitationen ein. Sie sollten nicht mehr wie die vorhergehenden Generalvisitationen von eigens eingesetzten Visitatoren, sondern von den Superintendenten in ihrer Ephorie vorgenommen werden. Zur Vereinfachung wurde die Ephorie in kleinere Bezirke unterteilt, in denen ausgewählte Pfarrer als Adjunkte der Superintendenten die Visitationen durchführten. Ziel dieser Einrichtung sei eine „stetige unnachlessige inspection und aufsehen in kirchen und schulen“.278 Ein gedrucktes Rundschreiben des Kurfürsten vom 14. Oktober machte die neue Visitationsmethode verbindlich.279 Die Konkordienformel diente den diesjährigen Visitatoren erstmals als Maßstab der konfessionellen Haltung der Geistlichen. Sämtliche visitierte Personen wurden verpflichtet, die Inhalte der Bekenntnisschrift durch ihre Unterschrift anzuerkennen. 280 Dies galt gleichermaßen für die Schuldiener, da die Schulen nicht nur zur Verbreitung der Lehre förderlich waren, sondern im Gegenzug auch durch die Verbreitung vermeintlich falscher Lehren eine Gefahr darstellen konnten. Um nun „kirchen und schulen in guter einigkeit bei dem reinem warem unvorfelschstem wort und religion augspurgischer confession“281 zu halten, seien sie hinfort einer eingehenderen Kontrolle zu unterziehen. Die Visitationsinstruktion formuliert dies wie folgt: Nachdeme auch an den particular schulen unserer stedte, darinnen doch vornemblich die jugend zum rechten anfang der waren religion informirt und abgericht, auch aus ihrem 276 Vgl. LUDWIG, Entstehung (1907), S. 5–10; HERRMANN, Generalvisitationen (1915), S. 151; DERS., Kirchengeschichte II (1947), S. 174; KLEIN, Sachsen (1992), S. 22–24; SMOLINSKY, Sachsen (1993), S. 25; KOCH, Landeskirche (2005), S. 201–203; JUNGHANS, Schulordnung (2007), S. 213; KOLB, Konkordienformel (2011), S. 168–170. 277 Vgl. EKO I/1, S. 346. Zum Anteil des Schulwesens an dieser Instruktion vgl. LUDWIG, Entstehung (1907), S. 55 f. 278 EKO I/1, S. 347. Vgl. auch HERRMANN, Generalvisitationen (1915), S. 150–152; DERS., Kirchengeschichte II (1947), S. 175; JUNGHANS, Schulordnung (2007), S. 226. 279 Vgl. LATh-StA Gotha, Oberkonsistorium, Loc 19, Nr. 4, unfol. Zur Kritik an diesem Prinzip vgl. KOCH, Landeskirche (2005), S. 207. 280 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 57, fol. 203r–208r; HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 174 f.; MENZEL, Anfänge der Volksschule (1958), S. 70; DERS., Volksschule (1958), S. 213. 281 EKO I/1, S. 347.

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mittel kunftig zum regiment und kirchen tugliche leute erzogen und erwehlet werden mussen, hoch und viel gelegen, das die rechtschaffene praeceptores haben, welche in der lehre rein sein und ihr ampt die jugent zu leren und zu erbaren guten sitten zu erziehen, mit guter geschickligkeit, recht, christlich und wol zu gebrauchen wissen, so sollen auch unsere superintendenten und adiuncti die schulen in sonderlicher guter acht haben, die oftmals visitiren, die praeceptores ihres glaubens befragen, damit sie, ob sie in der lehre rein sein, wissen.282

Als Leitfaden wurden den Superintendenten und Adjunkten durch die Instruktion einige Artikel übergeben, die bei jeder Visitation ein besonderes Augenmerk erforderten. Die Schulen betreffend bezieht sich dies auf die regelmäßige Schulinspektion der Pfarrer, die Gelehrsamkeit und den Glauben des Schulmeisters wie der Schuldiener und die in der Schule gehaltene Ordnung und Disziplin. Neben den Lateinschulen standen dabei nun die deutschen und die Mädchenschulen, die von der Visitation nicht ausgeschlossen bleiben sollten. Hinzu kam hier erstmals auch eine Berücksichtigung der Schüler selbst. Den Visitatoren wurde empfohlen, sie auf ihre Lernerfolge zu überprüfen, womit nicht nur eine Beurteilung der Lehrmethoden der Schuldiener, sondern auch eine Ermittlung förderungswürdiger Talente unter den Schülern verbunden war. Geeignete Schüler, deren Eltern ein Studium nicht hätten finanzieren können, sollten als potentielle Empfänger eines Stipendiums vermerkt und dem Kurfürsten angezeigt werden.283 Eine Ermahnung der Eltern, ihre Kinder in die Schulen zu schicken, wurde wie selbstverständlich in die Instruktion aufgenommen, bezog sich aber, obgleich die deutschen Schulen inzwischen die Aufmerksamkeit der Visitatoren gefunden hatten, in erster Linie auf die Lateinschulen. Ihre Vollendung fand die Entwicklung in der Kursächsischen Kirchenordnung, die 1580 für das Kurfürstentum und das Herzogtum unter der Vormundschaft Augusts erlassen wurde.284 Das umfassende Werk, das abermals unter dem Einfluss des Tübingers Jakob Andreae entstanden war, griff sämtliche kirchlichen, schulischen und gesellschaftlichen Belange der vorhergehenden Jahre auf, bündelte und vereinte sie auf der einheitlichen konfessionellen Grundlage der Konkordienformel zur umfangreichsten Kirchenordnung des 16. Jahrhunderts im thüringischen Untersuchungsraum.285

282 EKO I/1, S. 349 f. Vgl. auch LUDWIG, Entstehung (1907), S. 55. 283 Vgl. EKO I/1, S. 350; LUDWIG, Entstehung (1907), S. 55 f. 284 Über den Hintergrund dieser Ordnung vgl. insbesondere JUNGHANS, Schulordnung (2007). Die Beratungen nach der ersten Lokalvisitation sollen hier nicht ausführlich dargelegt werden, vgl. dazu LUDWIG, Entstehung (1907), zum städtischen Lateinschulwesen vor allem S. 56–61. 285 Vgl. HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 176; SMOLINSKY, Sachsen (1993), S. 25 f.; KOCH, Landeskirche (2005), S. 207.

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Für das thüringische und sächsische Schulwesen wurde die Kirchenordnung durch die Integration einer umfassenden und detaillierten Schulordnung maßgeblich.286 Obgleich auch sie sich wie die sieben Jahre zuvor verfasste HerzoglichSächsische Schulordnung an lokalen herkömmlichen Traditionen und den Erfahrungen vergangener Visitationen orientierte, darunter etliche bewusst und ausdrücklich aufgriff und zur landesherrlichen Maxime erklärte, ist sie in ihrer weitreichenden Wirkung weitaus höher einzuschätzen als die herzogliche Vorgängerordnung. Blieb Letztere in ihrer Beschränkung auf die städtischen Lateinschulen unvollständig, schloss die Kursächsische Ordnung deren organisatorische Lücken, umfasste selbst das deutsche Schulwesen, verordnete Maßnahmen gegen ein unerwünschtes Winkelschulwesen und setzte endlich ein der Realität längst entsprechendes dörfliches Schulwesen voraus, das über den bloßen Katechismusunterricht hinausging. In jedem Dorf, so heißt es, sollte ein Kirchner mindestens in den Wintermonaten „die Kinder in dem Catechismo, und im Schreiben und Lesen etlicher massen“ 287 unterrichten. Es muss jedoch betont werden, dass die Schulordnung dabei kein eigenständiges Werk der albertinischen Kirchen- und Schulpolitik war. Viel eher ist sie zu weiten Teilen eine mitunter wörtliche Entlehnung der württembergischen Kirchen- und Schulordnung von 1559, deren allgemeine Richtlinien der Tübinger Andreae der albertinischen Ordnung schlichtweg zugrunde legte.288 Das oberste Ziel der Kirchenordnung war die Etablierung einheitlicher Organisationsstrukturen. Obgleich dies, wie oben bereits betont, das Ziel allen obrigkeitlichen Strebens seit dem Beginn der Reformation darstellte, war das evangelische Kirchenwesen nach wie vor durch eine große, in der Vorrede vielfach beklagte ‚Ungleichheit‘ geprägt. Entsprechend der Funktion, die das Schulwesen bereits in den lutherischen Schriften eingenommen und seither unverändert beibehalten hatte, wird die Notwendigkeit der landesweiten Schulordnung daher folgendermaßen begründet: Nach dem aber solche tüchtigen personen [Geistliche, Kirchen- und Schuldiener] von kindheit auf in den schulen erzogen werden müssen, wir aber auch in denselben, besonders den particular schulen, grosse ungleichheit und allerlei mängel befunden, dardurch die knaben in ihrem besten alter merklich gehindert und in ihrem studieren ubel verseumbt, haben wir auch ein allgemeine ordnung für die particular schulen begreifen lassen, auf das es in einer wie in der andern, und also zugleich, soviel derselben classes jedes orts erfordern werden, in allen unsern chur, fürstenthumben und landen gehalten, einerlei bücher gelesen, und gleiche weise zu leren, von allen schuldienern durchaus unverendert gebraucht, und 286 Ediert in VORMBAUM, Schulordnungen I (1860), S. 230–297. Vgl. auch MÜLLER, Schulwesen (1888), S. I f.; JUNGHANS, Schulordnung (2007), S. 220–222. 287 VORMBAUM, Schulordnungen I (1860), S. 234. 288 Einen ausführlichen Vergleich beider Ordnungen bietet HETTWER, Schulordnungen (1965), S. 67–78. Vgl. auch JUNGHANS, Schulordnung (2007), S. 221.

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demnach die knaben zum besten in ihrem studieren, unsern landen und leuten zu gutem, befürdert, sonderlich aber, das die kirchen jeder zeit tüchtige und rechtschaffene lerer und hirten haben mögen.289

Jede Zuwiderhandlung oder Abänderung der darin enthaltenen Bestimmungen sei hinfort zu bestrafen, damit „keine widerwertige lehr eingefüret“290 werde. Schulbücher, die irrige Auslegungen des Glaubens beinhalteten, wurden jedoch nicht grundsätzlich verboten. Stattdessen sollten sie mit einem Zeichen und einer Erklärung anhand der Augsburgischen Konfession versehen und durch die Schuldiener nur mit großer Vorsicht angewandt werden. Die Schulordnung weist in ihren inhaltlichen Richtlinien enorme wissenschaftliche Ambitionen auf und führt den Trend der Herzoglichen Schulordnung fort, den Schulunterricht von der kirchlichen Zeremonie zu trennen. Blieb die ernestinische Ordnung dahingehend jedoch eine Lösung schuldig, wurde hier erstmals – in Anlehnung an die genannte württembergische Kirchenordnung – auf die deutschen Schulen Bezug genommen, die erst kürzlich und somit lange nach der württembergischen Entwicklung Einzug in die landesherrlichen Verordnungen gehalten hatten. Die Ausbildung der Lateinschüler sollte im Verlauf eines Schultages ungebrochen erfolgen, um eine für den Universitätsbesuch ausreichende Gelehrsamkeit zu gewährleisten. Dies galt nicht im selben Maße für die Schüler der deutschen Schulen, die nicht dem Erhalt der evangelischen Kirche dienten. Galten die deutschen den Lateinschulen bislang als Konkurrenz, als dem Kirchenwesen schädlich oder unnütz, erfuhren sie nun ihre kirchliche Legitimation, indem sie die Lateinschüler von der einst selbstverständlichen Gottesdienstbeteiligung, die nun als Behinderung der wissenschaftlichen Ausbildung angesehen wurde, entlasteten: Damit, so viel müglich, die knaben nicht von der lateinischen schulen und ihrem studiren abgehalten, ist für rathsam angesehen, da in einer stadt deutsche schulen seind, das dieselben schulmeister mit ihren knaben zu rechter zeit, wenn zu der predigt geleutet wird, in die kirchen kommen, und mit ihnen einen deutschen gesang oder zweene singen, darauf die predigt folgen sol. Und wenn dieselbige volendet, sol abermals ein deutscher gesang von ihnen sampt dem volk gesungen werden.291

Sei hingegen keine deutsche Schule vorhanden, sollten aus den Reihen der Lateinschüler im wöchentlich wechselnden Turnus zwölf Kinder ausgewählt und zum Kirchendienst herangezogen werden. Die Gottesdienstbeteiligung der Lateinschüler sollte auf diese Weise möglichst gering gehalten werden. Wurde diese Aufgabe einst den weiter fortgeschrittenen Schülern übertragen, sollte sie nun von den Schülern der unteren Klassen übernommen werden, „welche in so kurzer 289 EKO I/1, S. 361. 290 Ebd., S. 364. 291 Ebd., S. 370.

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Zeit nicht viel versäumen können“.292 Dem entspricht schließlich auch die Beschränkung der Musik, die zwar nicht aus dem Unterricht ausgeschlossen, aber möglichst kurz gehalten werden sollte. Sie sei entweder auf einen Tag der Woche zu verlegen oder aber täglich in nur kurzen Einheiten zu üben, damit „keine Zeit unnützlich verloren werden möge“. 293 Die Umsetzung dieser Methode bedeutete schließlich den Bruch des Schulwesens mit seinen musikalischen Wurzeln zugunsten der wissenschaftlichen Ausbildung. Die Ordnung sah bis zu fünf Klassen vor, wobei betontermaßen eine einheitliche Benennung verordnet wurde. Erfolgte sie bislang mancherorts nach ihrem Rang „ab eruditione et dignitate derer Knaben“, 294 sollte sie nun nach ihrem Bildungsgrad aufsteigend vorgenommen werden. Wie in der herzoglichen Schulordnung wurden die Klassen in sich nochmals in sogenannte Dekurien unterteilt, ohne dass deren Anzahl jedoch verbindlich festgelegt wurde. Die Prima war somit die grundlegende Klasse und „ist gemein allen Schulen, in großen und kleinen Städten und Dörfern, da gleich nur eine Person zum Schulmeister erhalten werden mag“.295 Sie hatte das Alphabet anhand eines ABC-Büchleins und des lutherischen Katechismus, danach die Zusammenstellung zu Silben anhand des Vaterunsers und später des Donat sowie der Grammatik Philipp Melanchthons zum Inhalt. Deren Kenntnis berechtigte zur Versetzung in die Secunda. Der Erwerb erster lateinischer Vokabeln erfolgte anhand der Wörterbücher Adam Sibers, Sebald Heydens oder Hadrian Junius’. Erste Anwendungen erfolgten anhand der Disticha Catonis. Die Secunda setzte die Übung der lateinischen Wörter sowie die Lektüre anhand des Cato und der Mimi publiani nahtlos fort und lehrte Deklination, Konjugation und Etymologie anhand des Donat und des Katechismus. Hinzu kamen die Sprüche Salomos und bereits die einfachen Briefe Ciceros. Das Latein sollte allmählich die deutsche Sprache im Unterricht ersetzen. In der Tertia standen die Grammatik, Etymologie, Syntax und das Schreiben im Mittelpunkt des Unterrichts. Der Lehrer hatte anhand der Fabeln Aesops die Grammatik zu erklären und den Schülern einzelne Sentenzen zum Schreiben zu diktieren. Grundsätzlich sollten die Schüler dabei nicht auf „zerschnittene[n] Blätter“ schreiben, „sondern zu ihren Nachschriften ein eigen Büchlein haben, darmit man sehen könne, wie sie von Tag zu Tage im Schreiben sich gebessert[en]“.296 Die Quaestiones Grammaticae Melanchthons und die Cicerobriefe blieben im Unterricht erhalten. Bereits jetzt wurde der Lektürekanon durch Terenz ergänzt, doch wurde dem Lehrer die 292 293 294 295 296

VORMBAUM, Schulordnungen I (1860), S. 248. Ebd., S. 245. Ebd., S. 234. Ebd., S. 235. Für beide Zitate bei ebd., S. 238.

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Vermeidung jugendgefährdender Elemente anbefohlen. Vordringlichste Mahnung an den Lehrer war, Besonnenheit mit dem Fortschrift der Schüler zu bewahren, „sonsten, wo man ungeduldig und stürmisch mit ihnen ist, besonders im exercitio styli, werden sie kleinmüthig, verzagt und verdrossen“.297 Die Quarta widmete sich ganz der lateinischen Lektüre und Grammatik. Neben Etymologie und Syntax trat die Prosodie. Die Schreib- und Stilübungen erhielten durch die Lehre des lateinischen Datierungssystems nach Calenden, Nonen und Iden einen bemerkenswerten praktischen Bezug. Die ausreichende Kenntnis des Lateins berechtigte zu den Anfängen der griechischen Grammatik. Zuletzt fand hier auch die Arithmetik erstmals Aufnahme in den Unterricht und stellte diesmal, anders als in der Herzoglichen Schulordnung, einen festen Bestandteil des Lehrplans dar. Die höchste Klasse war letztlich die Quinta, in deren Mittelpunkt Dialektik und Rhetorik anhand der Lehrbücher Lucas Lossius’ und Melanchthons standen. In den Schreibübungen sollten die Kinder anfangen, eigene Dichtungen zu verfassen, die endgültig auf das spätere Studium ausgerichtet und anhand der ciceronischen Briefe gemessen wurden. Die griechische Lektüre erfolgt mit dem griechischen Aesop, Isokrates, Xenophon, Homer und Hesiod. Anhand der detaillierten und im Vergleich zur Herzoglichen Schulordnung deutlich stringenter dargestellten Lehrpläne ist es möglich, den von der kursächsischen Kirchenordnung entworfenen Schulalltag in der Form eines Stundenplans darzustellen. Differenzierte die Herzogliche Schulordnung noch mittels variierender Stundenabläufe zwischen den einzelnen Wochentagen, verliefen die Tage im albertinischen Entwurf – abgesehen von der Arithmetik, der nur eine Wochenstunde gewidmet wurde – stets nach demselben Schema, das sich wie nebenstehend gestaltete (Tab. 4). Die freien Mittwochnachmittage der herzoglichen Ordnung wurden abgeschafft und die Musik in der bereits bezeichneten Weise zeitlich eingeschränkt, obgleich sie jenen Platz im Tagesablauf beibehielt, der ihr von Melanchthon 1528 zugewiesen worden war. Kirchliche Feiertage, Sonntage und Tage des Jahrmarktes waren unterrichtsfrei. Keine Aufnahme in die Lehrplandarlegung fanden die religiösen Übungen. Wie der Katechismus zum obligatorischen Lehrbuch der unteren Klassen gehörte, zählten geistliche Lieder und Gebete zum alltäglichen Unterrichtsablauf. Die Lektionen des Vor- und Nachmittags wurden jeweils mit gemeinsamem Gesang begonnen und durch entsprechende Darbietungen aus dem Katechismus geschlossen. Der Samstag war, wie bereits in Melanchthons Schulplan, vollständig dem Katechismusunterricht gewidmet. Er erfolgte je nach Klassenniveau anhand des deutschen, lateinischen oder griechischen Katechismus und wurde in den

297 Ebd., S. 242.

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Tab. 4: Der Lehrplan der Kursächsischen Kirchenordnung von 1580 1. Klassen 6–7 Uhr

7–8 Uhr

Alphabet, Lesen, Katechismus (ABC-Fibel, Donat, Quaestiones Grammaticae, Cato)

2. Klassen Konjugation, Deklination, Etymologie (Mimi Publiani, Cato)

Konjugation, Deklination, Etymologie (Quaestiones Grammaticae)

8–9 Uhr

12–13 Uhr

Schreiben, Orthographie (Sprüche Salomo)

3. Klasse Etymologie, Syntax, Schreiben (Fabula Camerarii)

14–15 Uhr

5. Klasse

Grammatik (Ciceros Briefe)

Dialektik (Philipp Melanchthon, Lucas Lossius)

Grammatik (Quaestiones Grammaticae)

Grammatik (Quaestiones Grammaticae)

Lateinische Lektüre (Ciceros Briefe)

Grammatik (Ciceros Briefe)

Musik

Musik

Lateinische Lektüre (Terenz)

13–14 Uhr Alphabet, Lesen, Katechismus (wie am Vormittag, Adam Siber, Sebald Heyden, Hadrian Junius)

4. Klasse

Lateinische Lektüre (Terenz, Ciceros Briefe) Freitag: Arithmetik (Piscator) Syntax, Prosodie Mittwoch: Stilübung

Konjugation, Deklination, Etymologie (Ciceros Briefe)

Syntax, Stilübung

Griechische Grammatik (Philipp Melanchthon, Martin Crusius)

Grammatik, Prosodie (Philipp Melanchthons große Grammatik) Dichtung Rhetorik (Philipp Melanchthon, Georg Maior) Musik (Compendium Musicae Fabri) Syntax (Philipp Melanchthon) Freitag: Arithmetik (Piscator) Lateinische Lektüre (Vergil, Ciceros Offizien) Griechische Grammatik (Philipp Melanchthon, Martin Crusius, Griechischer Aesop, Isokrates, Xenophon, Homer, Hesiod, Gnoma, Nazianz)

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höheren Klassen durch die Auslegung der Sonntagsevangelien oder Psalmeninterpretationen in derselben sprachlichen Abstufung ergänzt. Bemerkenswert ist die Benutzung ausgewählter theoretischer oder dichterischer Werke zur christlichen Jugenderziehung. Genannt werden an erster Stelle die Sententiae Sacrae et Apostolicae des Hiob Magdeburg, die offenbar trotz des flacianischen Bekenntnisses ihres Autors als unbedenklich galten,298 die ‚Historia sacrae‘ des Georg Fabricius, womit vermutlich eine von ihm unter dem Titel De historia et meditatione mortis Christi zusammengestellte Sammlung von Passionsdichtungen gemeint ist, und die von Adam Siber angelegte Sammlung Pietas puerilis. Es wird kein Zufall sein, dass alle drei Autoren Schuldiener an den albertinischen Landesschulen gewesen waren. Die Entstehung der genannten Werke wird mit ihrer dortigen pädagogischen Tätigkeit in Zusammenhang gestanden und deren Gebrauch sich dort bewährt haben. Mit der religiösen war die sittliche Erziehung der Kinder eng verbunden, wozu auch die kursächsische Ordnung spezielle Schulgesetze erließ, die inhaltlich denen der herzoglichen Ordnung ähneln. Auch hier wurde das Mittel der Überwachung durch Mitschüler gewählt. Sie erfolgte innerhalb der Dekurien, woraufhin den ausgewählten Schülern die Bezeichnung Dekurio beigelegt wurde. Für die freie Zeit fungierte ein übergeordneter Observator morum zu demselben Zweck auf den Straßen, um Müßiggang und Spiel zu verhindern. Hohe Anforderungen wurden entsprechend des Niveaus der Lateinschulen sowie der konfessionellen Erwartungen an die Schulmeister und Schuldiener gestellt. Es versteht sich daher, dass die Ordnung auch der im Kurfürstentum bislang wenig spezifizierten Forderung zur Examinierung potentieller Schuldiener genauere Richtlinien vorschrieb. Mit dem Examen ging dabei ein eingehender Nachweis der Herkunft des Bewerbers einher, wozu er Zeugnisse seiner bisherigen Obrigkeit, unter der er gelebt oder gedient hatte, über seine Glaubenslehre und seinen Lebenswandel vorzuweisen hatte. Nach deren Überprüfung erfolgte eine Probearbeit unter den Augen des Pfarrers und, im Falle, dass der Bewerber ein unteres Schulamt anstrebte, des Schulmeisters. Dem schlossen sich eine fachliche Prüfung und eine theologische Befragung anhand des Katechismus und des Augsburgischen Bekenntnisses an. Zuletzt wurde die Anerkennung der Konkordienformel durch die Unterzeichnung gefordert. Mit der Einstellung des Schuldieners wurden ihm „General-Artickel“ über die Verrichtung seines Amtes übergeben. Diese verlangten ihm Fleiß, stete und pünktliche Anwesenheit sowie vorbildliches und seinem Amt würdiges Verhalten ab. Jede Art des Nebenverdienstes wurde ihm untersagt. Seine Strafe sollte maßvoll gehalten werden und er sollte „darbey alle ungebührliche Streiche, als zu dem Häupte, auf die Nasen oder Backen schlagen, mit denen Ohren aufziehen oder dieselbigen umbdrehen, bey dem Haar ziehen oder 298 Vgl. zu Hiob Magdeburg FRANCK, Hiob Magdeburg (1884).

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räuffen oder anders dergleichen, gäntzlich vermeiden“. 299 Talentierte Schüler sollte er fördern und dementsprechend den Eltern ungeeigneter Schüler empfehlen, ihre Kinder aus der Schule zu nehmen. Die Überforderung der Schüler oder die Ansammlung einer möglichst großen Schülerzahl diene nicht deren Interesse sondern der Eitelkeit der Schuldiener, was zu vermeiden sei. Daher sollten auch ungeeignete und unverständliche Texte aus dem Unterricht ferngehalten werden. In seinem Wesen sollte der Schuldiener den Kindern ein Vorbild sein, sich einer deutlichen Sprache, einer ruhigen und ausgeglichenen Unterrichtsweise befleißigen und sich – wie bereits in der herzoglichen Schulordnung vorgegeben – einer seinem Amt entsprechenden Kleiderordnung gemäß halten, „nicht ärgerliche, bunte, zerhackte, sondern erbare, lange Kleider und lange Röcke oder Mäntel tragen, und also ihrem Stande gemäß bekleidet seyn“.300 Weitere Artikel betrafen die Einmütigkeit unter den Schuldienern. Falle ein Streit vor, der durch sie selbst nicht gelöst werden könne, sollten die Inspektoren oder das Konsistorium hinzugezogen werden. Durch die damit angesprochenen Inspektoren wurde erneut das Amt der Schulherren aufgegriffen. Um die eingeführte Ordnung vor Ort zu bewahren, sollten neben dem Pfarrer „noch zweene fromme, Gottfürchtige, erbare, und wo mans haben mag, Männer, die da studiret haben, aus dem Rathe zu Inspectoren derer Schulen geordnet werden“.301 Ihre Aufgabe war die Überwachung der Disziplin an der Schule, der Amtstätigkeit der Schuldiener, die Ermittlung förderungswürdiger Schüler, die genannte Streitschlichtung zwischen den Schuldienern, aber auch zwischen Bürgern in schulischen Belangen. Die Schulprüfungen, die ebenfalls unter der Anwesenheit der Inspektoren zu erfolgen hatten, sollten hinfort nicht mehr halb-, sondern vierteljährlich stattfinden, waren dabei jedoch nur für die oberen drei Klassen verbindlich. Gegenstand der Prüfung, die zugleich eine Bewährungsprobe der Lehrmethoden der Schuldiener darstellte, waren die Übersetzung eines lateinischen Textes, eine Verteidigung dieser Übersetzung durch den Schüler, die Rezitation und grammatikalische Auslegung ausgewählter Passagen klassischer, je nach Klassenstufe lateinischer oder griechischer Autoren und zuletzt die Überprüfung der Bibelkenntnisse der Schüler anhand der biblischen Historien. Der fachlichen Prüfung schloss sich eine Begutachtung der Schüler in Zucht und Disziplin an, der bei Bedarf entsprechende Strafen folgten. Diese umfassten Verwarnungen, Schläge mit der Rute bis hin zu Schulverweisen. Die bestandene Prüfung wurde den Schülern durch Zeugnisse (Honoraria) bescheinigt. Ein besonderes Augenmerk legte die Lateinschulordnung zuletzt auf die Armenschüler. Die einst von Anton Musa geäußerte These, dass aus ihren Reihen 299 Für beide Zitate VORMBAUM, Schulordnungen I (1860), S. 252. 300 Ebd., S. 255. 301 Ebd., S. 261.

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die zukünftigen Geistlichen, Kirchen- und Schuldiener zu nehmen seien, hatte sich über Jahrzehnte hinweg erhalten und fand nun in dieser Ordnung ihren Niederschlag. Nicht nur seien die Leistungen der armen Schüler bei den Prüfungen besonders zu beachten, auch solle ihnen im Besonderen die Aufmerksamkeit der städtischen Obrigkeit gelten. Eine einheitliche Versorgung der Schüler müsse gewährleistet werden, wozu jedoch keine praktische Anleitung gegeben wurde. Die Almosen wurden mittels einer Kurrende gesammelt, die von jeder Stadt, wie es bisher gehalten wurde, selbst zu organisieren sei (Kap. II. 3.4.7.). Den Inspektoren kam die Aufgabe zu, die Bedürftigkeit der Schüler und ihre gute Haltung in der Schule, mit der diese sich ihren Anteil verdienen mussten, zu überprüfen, während die Verteilung der Kurrendeeinnahmen dem Schulmeister oblag. Der damit wiedergegebenen, äußerst ausführlichen Lateinschulordnung schloss sich in geringerem Umfang die Ordnung der deutschen Schulen an.302 Sie bezog sich insbesondere auf das dörfliche und städtische Schulwesen, wird jedoch gleichermaßen für die Mädchenschulen, die keine eigene Ordnung erhielten, Anwendung gefunden haben. Ihre Organisation erfolgte in Analogie zu den Lateinschulen, wobei lediglich die lateinischen Begriffe Classes und Decuriae gegen Haufen/Häuflein und Rotten getauscht wurden. Der Niveauunterschied zwischen den Latein- und den deutschen Schulen war beträchtlich. Die Bildungsinhalte der deutschen Schulen gingen kaum über die der Prima der Lateinschulen hinaus. Die drei vorgeschriebenen Haufen der deutschen entsprachen dabei den Dekurien der Lateinschulklassen: „Das eine, darinnen diejenigen gesetzt, so erst anfahen, Buchstaben zu lernen. Das Andere die, so anfahen zu Syllabieren. Das dritte, welche anfahen zu Lesen und Schreiben.“ 303 Demzufolge gleichen auch die Verordnungen für den Schulmeister, die Kinder nicht zu überfordern und mit Bedacht zu unterrichten, den Methoden der Lateinschulprima. Wie dort fehlen hier auch die Schulprüfungen. Ergänzt wird hingegen an späterer Stelle der Kirchenordnung die wirtschaftliche Grundlage der deutschen Schulen. Sie sollten nicht wie die Lateinschulen aus dem Gemeinen Kasten unterhalten werden, sondern alleine auf das Schulgeld der Schüler angewiesen sein. Dieses solle jedoch einen wöchentlichen Betrag von 2 d nicht überschreiten.304 Das oberste Ziel der deutschen Schulen war die Erziehung der Kinder zu Gottesfurcht und die umfassende Lektüre der biblischen und katechetischen Schriften. Erwähnt werden dabei der lutherische Katechismus, ein nicht spezifiziertes Psalmenbüchlein, die Sprüche Salomos, Jesus Sirach und das gesamte 302 Die dazwischen aufgenommene Ordnung der fürstlichen Landesschulen soll an dieser Stelle nicht dargelegt werden. 303 VORMBAUM, Schulordnungen I (1860), S. 293. 304 Vgl. EKO I/1, S. 395.

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Neue Testament – „ärgerliche, schändliche, sectirische Bücher oder sonst unnütze FabelSchrifften“305 seien strikt aus dem Unterricht fernzuhalten. Die besondere Achtung des Schulmeisters sollte auf die Vermeidung von Gotteslästerung, Aufmerksamkeit und Gewissenhaftigkeit, korrekte Beherrschung und Auslegung der Gebete, Ordnung, Pünktlichkeit und Fleiß gerichtet werden. Großes Augenmerk legte die Schulordnung dabei auf das zwischenmenschliche Verhalten der Schüler. Sie geht mit der Anordnung, dass die Kinder kein Eigentum der Mitschüler „nähme[n], zerbräche[n], oder verwüstete[n]“306 über die Lateinschulordnung hinaus und erweckt den Eindruck einer geringeren moralischen Wertung der Schüler der deutschen Schule gegenüber den Lateinschülern. Die Maßregeln des Schulmeisters, insbesondere bei der Anwendung der Rute und dem seinem Amt entsprechenden Verhalten, gleichen hingegen denen der Lateinschulordnung. Ebenso findet die Methode der Überwachung durch ausgewählte Schüler ihre Anwendung. Erneut aufgegriffen wird die Bedeutung der deutschen Schule für die musikalische Gestaltung der Gottesdienste. Der Schulmeister hatte dafür eine Auswahl der Schüler zu treffen, die sich durch ihr Verhalten, insbesondere beim Kirchgang vor ihren Mitschülern auszeichneten. Wie der Lateinschuldiener wurde auch der Schulmeister der deutschen Schule vor seiner Einstellung einer Prüfung unterzogen, die durch den örtlichen Pfarrer und den Superintendenten erfolgte. Die zu überprüfenden Aspekte glichen der Lateinschulordnung, doch beschränkte sich die fachliche Qualifikation neben der Kenntnis des Katechismus auf Lesen, Schreiben und Rechnen. Es wird damit erstmals die Möglichkeit ausgesprochen, dass an den deutschen Schulen und auf den Dörfern ein Unterricht der Arithmetik stattfand. Der Bedarf an unerwünschten Winkelschulaktivitäten sollte sich durch das dergestalt organisierte städtische Schulwesen bereits erübrigt haben. Dennoch mahnte die Kirchenordnung, im Notfall gegen diese vorzugehen. Sie bedrohten nicht allein den Lebensunterhalt der rechtmäßigen Schulmeister, sondern seien eine Gefahr, dass „unter solchem Namen und Schein falsche und unreine Lehre in die Kinder eingeschoben und fortgepflanzt werden kann“. 307 Die Winkelschulen seien daher zu schließen und ihre Lehrer für ihre Anmaßung zu bestrafen. Betont wird jedoch, dass dies nicht die Tätigkeit privat angestellter Lehrer oder die Nachhilfe durch die rechtmäßigen Schuldiener betreffe. Aufgrund der organisatorischen Vollständigkeit der Kursächsischen Kirchenordnung kann sie als Abschluss der schulischen Konsolidierung seit der Einführung der Reformation betrachtet werden. Dass sie dennoch einige schulische Aspekte offen ließ, kann diesem Urteil keinen Abbruch tun. Errangen die deut305 VORMBAUM, Schulordnungen I (1860), S. 294. 306 Ebd., S. 295. 307 Ebd., S. 263.

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schen Schulen erst kürzlich ihren Anteil an den kursächsischen Verordnungen, wurde die Organisation der privat geführten Schreib- und Rechenschulen, die von der württembergischen Vorbildordnung ebenfalls aufgegriffen worden war, 308 hier noch nicht als kirchliches Anliegen betrachtet. Ihre Organisation lag bei den Schreib- und Rechenmeistern bzw. den Stadträten vor Ort. Da sie – anders als die deutschen Schulen – keine kirchliche Funktion erfüllten, wurden sie durch die Kirchenordnung, solange sie den Lateinschulen keine Konkurrenz darstellten, weiterhin sich selbst überlassen. Die Schulordnung sollte, obwohl ihre Durchsetzung aufgrund einer mangelnden Exekutive nur schwerlich umgesetzt werden konnte, mit ungebrochener Gültigkeit für zwei Jahrhunderte verbindlich bleiben.309 Ihre Einhaltung war, so die abschließende Verordnung, durch halbjährliche Visitationen durchzusetzen, 310 doch enthalten die Visitationsartikel der Kirchenordnung keine Neuerung entgegen den vorhergehenden von 1577.

2.4. Die Eigenständigkeit der Schwarzburger 2.4.1. Die Anfänge der Reformation und der Anteil des Schulwesens Die Anfänge der Reformation in der schwarzburgischen Oberherrschaft waren denen im ernestinischen Kurfürstentum und im albertinischen Herzogtum nicht unähnlich, doch sollte ihre landesherrlich getragene Etablierung mit der bewussten Bewahrung einer von den sächsischen Nachbarn unabhängigen Eigenständigkeit verbunden sein. Durch die Niederschlagung des Bauernkrieges bei Frankenhausen wurde die Grafschaft in der frühen Reformationszeit vorrangig von den turbulenten Wirren geprägt. Unter diesem Eindruck verschloss sich der in der gesamten Grafschaft regierende Graf Günther XXXIX. vor den Lehren Luthers, die den Krieg praktisch in sein Land gebracht hatten, und stellte sich dem ersten reformatorischen Aufkommen entschieden entgegen. Wie bei den kurfürstlichen Nachbarn folgte der Sohn und Nachfolger Günthers dem väterlichen Beispiel jedoch nicht. Der spätere Graf Heinrich XXXII., der sich bereits vor der Schlacht bei Frankenhausen zu Luther bekannt hatte, wurde aufgrund des

308 Vgl. HETTWER, Schulordnungen (1965), S. 69. 309 Vgl. PAULSEN, Geschichte (1919), S. 303; HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 175 f.; DOLCH, Lehrplan (1982), S. 227 f.; THOMAS, Neuordnung (2005), S. 129; JUNGHANS, Schulordnung (2007), S. 236–238. 310 Vgl. EKO I/1, S. 389 f.; JUNGHANS, Schulordnung (2007), S. 225 f.

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religiösen Zerwürfnisses von seinem Vater aus Arnstadt nach Rudolstadt abgeschoben und von den Regierungsgeschäften ausgeschlossen.311 Als Günther jedoch am 8. August 1531 starb und Heinrich die Regierung in der schwarzburgischen Oberherrschaft antrat, unternahm er sogleich die notwendigen Schritte zur Einführung der Reformation, die er in seiner Rudolstädter Residenz bereits zuvor gestützt hatte. Dazu gehörte unter anderem die Vorbereitung einer Kirchenvisitation. Obgleich Heinrich diese nach ernestinischem Vorbild vorzunehmen gedachte, nahm er keine Unterstützung des Kurfürsten an, sondern berief eine eigenständige und vom Kurfürstentum unabhängige Visitationskommission. Die erste evangelische Visitation der schwarzburgischen Grafschaft erfolgte schließlich vom 23. Mai bis zum 19. Juni 1533.312 Eine Instruktion ist nicht erhalten und auch darüber hinaus vermittelt die sorgfältig bedachte Eigenständigkeit eher einen provisorischen und unvollkommenen Eindruck. Zahlreiche organisatorische Aspekte, deren Behandlung im Kurfürstentum mit dem Unterricht der Visitatoren bereits über eine feste Grundlage verfügten, wurden von den Visitationsverordnungen unbeachtet gelassen. So wurden insbesondere die Schulen im Verlauf der Visitation zwar einer Kontrolle hinsichtlich ihrer Bestellung und ihrer Einkünfte unterzogen, erfuhren darüber hinaus jedoch keinerlei obrigkeitliche Verordnung und Organisation. Grundlegende Anordnungen der Visitation betrafen die Säkularisation der Kirchengüter und die Einführung Gemeiner Kästen, 313 doch beinhalten beide Visitationsverordnung von 1533 in erzieherischer Hinsicht lediglich die Anweisungen an die Pfarrer, den Kindern – und betonermaßen auch den Erwachsenen, „die nach sere vnleufftig Ihn zcehenn gepothenn, Ihm glauben, vnd vater vnser seint“314 – einen evangelischen Katechismusunterricht zu erteilen. Gleichermaßen blieb auch bei der schwarzburgischen Sequestration das Schulwesen weitestgehend ausgespart. Begannen etwa um dieselbe Zeit im ernestinischen Kurfürstentum die ersten Bewidmungen des Kirchenwesens aus den landesherrlichen Kloster- und Stiftsgütern, flossen die verledigten kirchlichen 311 Vgl. APFELSTEDT, Reformation (1841), S. 34–36; EINICKE, Reformationsgeschichte I (1904), S. 181, 286, 324, 377 u. 385; WAGNER, Rudolstadt (1999), S. 108; MICHEL, Sonderstellung (2010), S. 40. 312 Vgl. APFELSTEDT, Reformation (1841), S. 36; EINICKE, Reformationsgeschichte I (1904), S. 399; DERS., Reformationsgeschichte II (1909), S. 13 u. 26–28; KLETTE, Beiträge (1923), S. 34–36; HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 38–40; WAGNER, Rudolstadt (1999), S. 109; MICHEL, Sonderstellung (2010), S. 40. 313 Vgl. EINICKE, Klostergüter (1903), S. 109; DERS., Reformationsgeschichte II (1909), S. 52 f.; KLETTE, Beiträge (1923), S. 34. 314 LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt 2984, fol. 56r, ediert in EKO I/2, S. 122 u. 128. Vgl. EINICKE, Reformationsgeschichte II (1909), S. 59 f.; KLETTE, Beiträge (1923), S. 42 f.

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Einkünfte in der schwarzburgischen Grafschaft in augenscheinlichem Widerspruch zu Luthers Empfehlungen größtenteils weltlichen und staatlichen Zwecken zu. 315 Dieses Vorgehen hatte zur Folge, dass die Gemeinen Kästen in zahlreichen Städten keine oder nur eine gegenüber den meisten ernestinischen Städten unvollständige Funktionsweise entwickelten (Kap. II. 6.3.3.). Erst in seinem Testament von 1538 verfügte Heinrich XXXII. über die finanzielle Beteiligung des evangelischen Kirchenwesens an den geistlichen Gütern. Sie sollten gemäß des lutherischen Prinzips zur Versorgung der Geistlichen, Kirchen- und Schuldiener sowie der Armut und zur Vergabe von Stipendien angewandt werden.316 Graf Heinrich XXXII. starb 1538 in noch jungen Jahren und ohne einen Erben hinterlassen zu haben. Ein nachgeborenes Kind, das am 7. Dezember zur Welt kam, war ein Mädchen.317 Nach einer kurzen Vormundschaft durch den ernestinischen Kurfürsten trat daher Günther XL., der Graf der schwarzburgischen Unterherrschaft, die Nachfolger in der Oberherrschaft an und vereinte damit alle schwarzburgischen Territorien in seiner Hand. Obwohl er nach wie vor katholisch geblieben war, erkannte er den während der kurzen Vormundschaft errungenen Einfluss der Ernestiner an und erhob keine Einwände, als 1539 eine zweite Visitation – diesmal unter sächsischer Leitung – in der schwarzburger Grafschaft durchgeführt wurde.318 Die Lehensabhängigkeit Günthers von den sächsischen Kurfürsten und Herzögen ermöglichte es diesen nun, zumal sich nach dem Tod des letzten katholischen Herzogs Georg der letzte Grund für Günthers Widerstand erübrigt hatte, gestalterisch in das schwarzburgische Kirchen- und Schulwesen einzugreifen. Entsprechende Verordnungen, deren Existenz belegt ist, sind jedoch nicht mehr erhalten. Unter ihnen befand sich beispielsweise, so Emil Sehling, die Anordnung „den pfarrherrn, kirchen- und schuldiener[n] zulage [zu] thun“,319 also der testamentarischen Verfügung des verstorbenen Grafen Folge zu leisten. Ein Schreiben Günthers an den Kurfürsten verdeutlicht dessen Wohlwollen, berief sich jedoch auf die Entfremdung zahlreicher Kirchen- und Klostergüter durch den ansässigen Adel. Diesem seien zwar entsprechende Befehle, die verledigten Kirchengüter zur Verfügung zu stellen, übermittelt worden, doch werde eine Umsetzung dieser Anordnungen zwangs315 Vgl. insbesondere EINICKE, Klostergüter (1903), besonders S. 139–141 u. 144. Vgl. auch DERS., Reformationsgeschichte II (1909), S. 64 u. 74 f.; KLETTE, Beiträge (1923), S. 43. 316 Vgl. EINICKE, Klostergüter (1903), S. 143 f.; DERS., Reformationsgeschichte II (1909), S. 75; KLETTE, Beiträge (1923), S. 43 f. 317 Vgl. EINICKE, Reformationsgeschichte II (1909), S. 86; KLETTE, Beiträge (1923), S. 45; HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 41. 318 Vgl. EINICKE, Reformationsgeschichte II (1909), S. 86 u. 91 f.; KLETTE, Beiträge (1923), S. 45. 319 EKO I/2, S. 123. Vgl. auch EINICKE, Reformationsgeschichte II (1909), S. 94.

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läufig zu nicht unerheblichen Verzögerungen führen.320 Darüber hinaus wurde auch diesmal dem Schulwesen selbst im Verlauf der Visitation keine weitergehende Beachtung geschenkt. Einer weiteren sächsischen Visitation stellte Günther sich hingegen 1542 entgegen.321 Günther XL. ließ die Reformation zu, obwohl er sich nicht offiziell zu ihr bekannte.322 Möglicherweise führte diese Haltung zu dem Missfallen der Geistlichen in der Grafschaft, die eine entschiedenere Positionierung von ihrem Landesherrn erwarteten. Seinen Ausdruck fand die Verstimmung am 8. Juli 1547 in einem ausführlichen Mahnschreiben der Arnstädter Geistlichen, in dem sie dem Grafen vor Augen führten, mit welchem Segen die Reformation für ein Land verbunden sein könnte, wenn ein Landesherr sie in der rechten Weise zu nutzen wüsste. Dementsprechend empfahlen sie ihm die notwendigen Maßnahmen, um das evangelische Kirchenwesen in dem erforderlichen Maße zu fördern. Das begonnene Visitationswerk sollte fortgesetzt, eine ausreichende Bewidmung der Geistlichen und Schuldiener bereitgestellt und darüber hinaus eine zufriedenstellende Ausbildung der späteren Geistlichen durch eine Förderung des Schulwesens gewährleistet werden. „Sintemal Etliche gute schulen verfallen“ seien, so knüpften die Geistlichen an die sächsischen Vorbilder an, sei es nötig, in Arnstadt oder einem andern Ort „ein stadtliche schule“ anzurichten, in der neben der Grammatik die Theologie gelehrt werden, „Auff das man die pfarren nit mit schneidern, Balbirern vnd andern geringen leuten bestellen musse“.323 Eine Umsetzung erfuhr dies vorerst jedoch nicht. Erst das Augsburger Interim gab für die schwarzburgische Reformationsgeschichte den entscheidenden Ausschlag zur deutlicheren Positionierung der Grafen, doch erfolgte sie erst nach dem Tod Günthers XL. 1552 unter seinen Söhnen und Nachfolgern Günther XLI. und Johann Günther I.324

2.4.2. Nikolaus Hercos Etablierung eines schwarzburgischen Visitationswesens als Reaktionen auf das Augsburger Interim Nach der Veröffentlichung des Augsburger Interims und der oben geschilderten Auseinandersetzung an der Leipziger Universität, ließ Graf Günther XL. sich 1549 durch die schwarzburgischen Theologen ein Gutachten zum Interim und eine Empfehlung zur Bewertung der darin enthaltenen Aspekte erstellen. Diese lehnten etliche der Kompromisse zwar ab, rieten jedoch grundsätzlich dazu, dem 320 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, Nr. 2985. 321 Vgl. EKO I/2, S. 123. 322 Vgl. EINICKE, Reformationsgeschichte II (1909), S. 100 f.; KLETTE, Beiträge (1923), S. 48 f. 323 Alle drei Zitate LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, Nr. 2872, fol. 3v. 324 Vgl. EKO I/2, S. 124.

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Kaiser entgegenzukommen, um den Frieden im Reich zu bewahren.325 Auf dieser Grundlage wurde noch im selben Jahr eine Religionsordnung erlassen, die das kirchliche Zeremonienwerk einer einheitlichen Regelung unterwarf. Das Schulwesen nahm daran kaum Anteil. Lediglich orientierte sich die Gottesdienstordnung hinsichtlich der liturgischen Beteiligung der Schüler an den lutherischen Vorgaben. Ein dörfliches Schulwesen wurde noch nicht verbindlich vorausgesetzt, was zur Folge hatte, dass die Vespern „Auf den dorfern, do keine schulen sein“326 auf deutscher Sprache zu halten seien. Zeitnah wurden die sogenannten „Artikel zu anfenglicher reformation in schulen, kirchen und ehesachen“327 erlassen. Sie verordneten als übergeordnete Instanz über das Kirchenwesen Konsistorien nach sächsischem Vorbild, denen die Ordnung der Kirchen und Schulen sowie die Beilegung möglicher Gebrechen anvertraut wurden.328 Einen darüber hinausgehenden organisatorischen Eingriff erfuhr hingegen lediglich die Schule von Arnstadt. Als sich zwischen den sächsischen Herrschaften in den 1550er Jahren die oben geschilderten Auseinandersetzungen um die lutherische Lehre abzuzeichnen begannen, wurden in der schwarzburgischen Grafschaft noch im Jahr des Regierungswechsels auf die Söhne Günthers XL. Maßnahmen ergriffen, um die konfessionelle Geschlossenheit unter den Geistlichen der Grafschaft zu bewahren. Nur wenige Monate nach seinem Amtsantritt wurde der Arnstädter Superintendent Nikolaus Herco, der nach seiner ungarischen Herkunft den Beinamen Zipser trug, von Günther XLI. und Johann Günther I. zum schwarzburgischen Generalsuperintendent berufen und – anderthalb Jahrzehnte vor der Einsetzung Jakob Andreaes in Kursachsen – mit einer Vollmacht über die gesamte Grafschaft ausgestattet.329 Durch seine Tätigkeit trat die schwarzburgische Reformation in eine deutlich strukturiertere und organisiertere Phase ein, was bereits von den Zeitgenossen aus der Rückschau weniger Jahre als einschneidende Zäsur der Entwicklung wahrgenommen wurde. Heinrich Müller, auf den im folgenden Kapitel zurückzukommen sein wird, äußerte 1566, kurz vor einer ersten Eskalation der Lehrstreitigkeiten im ernestinischen Herzogtum, dass Hercos Installierung der Bewahrung der „reine[n] wahre[n] Christliche[n] lahr“ 330 gedient habe. Herco habe durch seine Aufsicht über das Amt und den Lebenswandel der Geistlichen die 325 Vgl. ebd., S. 123 f.; EINICKE, Reformationsgeschichte II (1909), S. 135–137. 326 EKO I/2, S. 130. 327 Ebd., S. 122. Die Artikel wurden von Sehling, der sie fälschlicherweise auf 1533 datierte, nicht ediert. Vgl. im Original ThStA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, Nr. 2869. Eine Abschrift ist in den Hesseschen Collectaneen überliefert. 328 Vgl. ThStA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, Nr. 2869, fol. 2r; ebd., Hessesche Collectaneen, 2c Nr. 3, fol. 33v. 329 Vgl. KLETTE, Beiträge (1923), S. 48; WAGNER, Rudolstadt (1999), S. 109 f. 330 LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, Nr. 2978, fol. 3v.

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Einigkeit unter ihnen bewahrt.331 Dass der Generalsuperintendent, den Müller nicht zu Unrecht mit der Bezeichnung eines Bischofs belegte, sein Amt jedoch nicht allein auf die Geistlichen beschränkt sah, legte er selbst 1571 in den Worten dar, dass es seine Pflicht sei, „neben den Kirchenn auch auff die schule achtung zu haben, das habe ich mich allenthalben nach meinen besten vor mogen alle zeit geflissen, wie mier das gezeugnis geben werden alle pastores vnd pfarherren in stettenn vnnd dorfern, hoffe auch es stehen die schulen allenthalben wol vorsehen“.332 Eine der ersten Maßnahmen Hercos war im Jahr 1553 die Vorbereitung und Durchführung einer neuerlichen landesweiten Kirchenvisitation, die endlich – nach den bisherigen, eher provisorischen Anfängen – die Etablierung eines einheitlichen schwarzburgischen Visitationswesens zur Folge haben sollte. Eine Instruktion ist auch diesmal nicht überliefert, doch verfasste Herco auf der Grundlage der bei dieser Visitation gesammelten Erfahrungen eine Schrift, die unter dem Titel Ordnung vnd Process einer Christlichen Visitation Für die Christliche Kirchen vn[d] Pfarherrn der Edlen wolgebornen Grauen zu Schwartzburg Herrn zu Arnstad vnd Sundershausen 1555 gedruckt wurde und die erstmals einen verbindlichen Leitfaden zur Durchführung schwarzburgischer Kirchenvisitationen enthielt.333 Der Inhalt des Druckes verdeutlicht, in wie geringem Maße das Visitationswerk bislang in den schwarzburgischen Herrschaften ausgeprägt war. Die bisherigen Versuche von 1533 und 1539 entbehrten jeder festen Form, was bereits durch das Fehlen obrigkeitlicher Instruktionen angedeutet wurde. Hercos Darlegungen verfolgten nun das Ziel, von Grund auf ein grundlegendes Visitationswesen einzuführen. Es ist anzunehmen, dass die zugrundeliegende Visitation sich an den sächsischen Nachbarn orientierte, zumal Herco an der Leipziger Universität als Professor für Theologie tätig war,334 doch sollte der sächsische Einfluss nicht überbewertet werden. Die letzten Visitationen hatten im ernestinischen Kurfürstentum 1533/34 und im albertinischen Herzogtum 1540 stattgefunden, bevor der Schmalkaldische Krieg weitere Maßnahmen verhindert hatte. Dem Neuanfang beider Fürstentümer im Jahr 1555 ging die schwarzburgische Visitation von 1553 hingegen um zwei Jahre voraus. Gleiches betrifft einige von Herco aufgeworfene organisatorische Aspekte, die sich in den sächsischen Verordnungen erst mit einigen Jahren Verzögerung schriftlich manifestiert wiederfanden. Die Begründung des schwarzburgischen Visitationswesens durch Nikolaus Herco

331 Vgl. ebd., fol. 4r. 332 LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, Nr. 2979, unfol. 333 Vgl. HERCO, Ordnung vnd Process; EKO I/2, S. 124; EINICKE, Reformationsgeschichte II (1909), S. 138; HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 181; WAGNER, Rudolstadt (1999), S. 113. Die folgende Darlegung bezieht sich, wenn nicht anders angegeben, auf Hercos Druck. 334 Vgl. HEIN/JUNGHANS, Professoren (2009), S. 291 f.

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kann somit durchaus als eigenständiges Werk begriffen werden, das möglicherweise wiederum auf die sächsischen Fürstentümer zurückwirkte. Als Begründung für die Notwendigkeit einer organisatorischen Grundlage führte Herco selbst in der Vorrede, wenn auch mit schonenden Worten, die nachlässige Behandlung des schwarzburgischen Kirchenwesens der vergangenen Jahre an. Obgleich Günther XL. als Liebhaber der Künste und durch die Einrichtung einer gräflichen Schule im ehemaligen Arnstädter Franziskanerkloster in Erscheinung getreten war, 335 habe sich das junge evangelische Kirchenwesen durch das Fehlen einer obrigkeitlichen Aufsicht und regelmäßiger Visitationen nicht ausreichend und im angestrebten Maße entfalten können. Der Weg zu geordneten Zuständen sei erst durch die nun von Günther XLI. und Johann Günther I. abgehaltene Visitation geebnet worden, sodass endlich „Kirchen vnd Schulen mit ihren Emptern nach notdurfft / so viel müglich gewesen / bestellet vnd versorget“ seien. Da die eingeführte Ordnung jedoch auf unsicheren Füßen stehe, bestünde die Gefahr, dass die Verordnung der Visitation „mitler zeit inn ein vergessen möchte kommen“. 336 Dem sollte entgegengewirkt werden, zu welchem Ziel Herco die Einführung regelmäßiger Visitationen und Synoden empfahl. Den Geistlichen, Kirchen- und Schuldienern solle hingegen „eine form vnd Memorial der Visitation“337 zur Verinnerlichung und Orientierung übergebe werden. Hercos Visitationsordnung sollte diesen Zweck erfüllen und gleichermaßen folgenden Visitationen die Arbeit erleichtern. Alle Pfarrer, Prediger, Schulmeister, aber auch Amtleute, Bürgermeister und Heimbürgen sollten, so Herco, ein Exemplar dieses Druckes besitzen, „lesen / oder lesen lassen“338 und sich danach richten. Der von Herco initiierte Visitationsprozess ähnelte bereits den späteren Lokalvisitationen der Ernestiner und Albertiner. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand zunächst das Einkommen der Amtsinhaber, über das jeder durch die Bereitstellung von Einkommensverzeichnissen zu informieren hatte. Damit verbunden war die Sorge um den baulichen Zustand von Kirche und Schule. Dieser hatte bereits unabhängig von Hercos gedruckten Visitationsprozesses die Aufmerksamkeit und eine entsprechende Verordnung der Visitatoren gefunden. Die sogenannte „Visitations Verordnung vnd Abschiedt wegen Erhaltung der Kirch- Pfarr vnd Schulgebeude“339 ordnete an, für jeden Landkreis zwei weltliche Exekutoren anzustellen, deren Aufgabe in der Überprüfung der Gebäude und gegebenenfalls einer Instandsetzung bestehen sollte. Könne der lokale Gemeine Kasten eine 335 Vgl. EINICKE, Reformationsgeschichte I (1904), S. 52 u. 92 f.; KLETTE, Beiträge (1923), S. 46 f. 336 Für beide Zitate HERCO, Ordnung vnd Process, fol. Aiiv. 337 Ebd., fol. Aiiir. 338 Ebd., fol. Aiiiv. 339 LATh-StA Rudolstadt, Hessesche Collectaneen, 2c Nr. 7, fol. 72r. Vgl. auch EKO I/2, S. 125.

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solche Ausbesserung nicht tragen, falle es ebenso den Exekutoren zu, aus den sequestrierten Kirchengütern die Finanzierung des Baumaterials und der Baukosten zu beziehen. Ausgenommen waren alltägliche Ausbesserungsarbeiten „Als an Offenn, fenstern, thurenn, dachung vnnd anderen dergleichen belangen“,340 die den Pfarrern selbst anbefohlen wurden. Der Begutachtung der Einkommensverzeichnisse schloss sich in Hercos Prozess die Überprüfung der Geistlichen, Kirchen- und Schuldiener an. Den Schuldienern sollten dabei die auch in den sächsischen Fürstentümern üblichen Fragen vorgelegt werden, „was er für Regiment in der Schule halte / was für Lectiones er lese / vnd mit was fleis ers ausrichtet / vnd was er für ein leben füret“.341 Die Erkundigung über den Schulmeister erfolgte beim Pfarrer und der Gemeinde. Traten dabei Mängel in Erscheinung, sollten die Schulmeister zunächst ermahnt und ihnen die drohende Amtsenthebung in Aussicht gestellt werden. Die Befragung der Gemeinde war hingegen nicht auf die Kirchen- und Schuldiener, sondern auf das religiöse Wesen der Gemeindemitglieder selbst gerichtet und mit einer öffentlichen Katechismusprüfung verbunden. Die Verbreitung von unerwünschten Lehren sollte auf diese Weise eingedämmt und die Gottesfurcht unter den Menschen gestärkt werden. Hinsichtlich der kirchlichen Zeremonien bediente Herco sich an der Wittenberger Agenda, wobei die Schüler selbstverständlich in herkömmlicher Weise in die Liturgie eingebunden wurden. Nicht nur fand am Sonntagnachmittag die verbindliche Katechismuspredigt und -prüfung stand, auch sollten die Schüler in den Vespern singen sowie einzelne Kapitel der Bibel und darauf aufbauend die entsprechenden Auslegungen der Summarien Veit Dietrichs lesen. Den Schuldienern wurde als grundsätzliche Mahnung mitgeteilt, dass sie „sich ihrem Ampt nach aller gebür erzeigen […] / ihre Lectiones vn[d] stunde nicht verseumen / alles mit fleis ausrichten / vnd volbringen / in der Schule / vnd in der Kirche / vnd das auch das leben erbarlich / vnd züchtig sey“. Wie in der albertinischen Visitationsinstruktion von 1555 schloss sich dem bereits hier eine dem Stand entsprechende Kleiderordnung an. Die Schuldiener sollten „Fürnemlich aber darauff sehen / das ihre kleidung zierlich sein / nicht kurtz her verhawen / wie die Hoff vnd kauff Iunckerlein / welcher sich aber schemen wil / kleider zu tragen / seinem stand nach / der scheme sich des diensts vnd Condition“.342 Zur Umsetzung der Verhaltensmaßregeln wurden die Pfarrer beauftragt, auf die Schule Acht zu geben, sie regelmäßig zu visitieren, die Knaben zu examinieren und Versäumnisse zu verhindern. Der Aufruf an die Bevölkerung, ihre Kinder fleißig in die Schulen zu schicken, schloss sich dem selbstverständlich an.

340 LATh-StA Rudolstadt, Hessesche Collectaneen, 2c Nr. 7, fol. 76r. 341 HERCO, Ordnung vnd Process, fol. Bvv. 342 Für beide Zitate ebd., fol. Diiv.

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Neben den Lateinschulen kam die Sprache schließlich – in der schwarzburger Grafschaft erstmalig – auf die Mädchenschulen zu sprechen, deren Wert für die Gesellschaft anerkannt, die sonst jedoch weitestgehend sich selbst überlassen wurden: „Es werden auch Stedte vnd Flecken bedacht sein (vnd wer es sonsten will) das sie Deutsche Meidlinschulen mögen haben / den[n] solches ist der Iugendt auch sehr nützlich“.343 Hercos abschließende These besagt, dass das Kirchenwesen, solange sich alle Geistlichen, Kirchen- und Schuldiener wie auch die Gemeinden, städtische und dörfliche Obrigkeiten nach den Vorgaben zur kirchlichen Zeremonie, zu gottesfürchtigem Verhalten und christlichem Verantwortungsbewusstsein richteten, keinen Gefahren mehr ausgesetzt sei und „vnser lieber Gott / mit seinem Himlischen segen / nicht aussen bleiben“344 werde. Inhaltliche oder weitergehende organisatorische Belange der Schulen wurden hingegen nicht berührt. Eine obrigkeitlich festgelegte, verbindliche Schulorganisation gab es nicht. Sie sollte erst, worauf an gegebener Stelle zurückzukommen sein wird, in den 1580er Jahren eingeführt werden. Herco erlebte dies jedoch nicht mehr. Er wurde 1572 entgegen seiner Bitte wegen theologischer Differenzen und Auseinandersetzungen mit Konkurrenten seines Amtes enthoben und starb im darauffolgenden Jahr.345

2.4.3. Heinrich Müllers Vorschläge zu einer Schulreform Bereits durch die Verordnung und Einstellung von Exekutoren zur baulichen Instandhaltung der kirchlichen und schulischen Gebäude verfügte die schwarzburgische Reformation unter Hercos Einfluss über einen deutlich ausdifferenzierteren Beamtenkreis, der in den sächsischen Fürstentümern keine Entsprechung fand. Zehn Jahre nach Hercos Visitationsprozess sollte dieser durch den Magister Heinrich Müller abermals eine Erweiterung erfahren, die explizit das schwarzburgische Schulwesen betraf und in den übrigen thüringischen und sächsischen Territorien beispiellos war und blieb. Heinrich Müller war, wie er selbst Auskunft über sich gab, Prinzenerzieher am schwarzburgischen Hof. Durch seine Position, die pädagogische Kompetenz mit Einfluss beim Grafen verband, habe man ihm eine maßgebliche Autorität in den Fragen der schulischen Organisation beigemessen. Zahlreiche Bitt- und Klageschreiben, die aus den Städten am Hofe eingingen und die schulischen Missstände jeglicher Art beinhalteten, seien daher stets ihm zugestellt worden. 346 Da die 343 344 345 346

Ebd., fol. Diiiir. Ebd., fol. Dvv. Vgl. WAGNER, Rudolstadt (1999), S. 113. Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt 2978, fol. 3r–v. Anders als im ernestinischen Kurfürsten- und Herzogtum sind aus dem Schwarzburgischen nur wenige dieser Klageschreiben überliefert worden.

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gräfliche Kanzlei von jener Flut von Bittschreiben jedoch überfordert sei und etliche unbeantwortet bleiben müssten, entwarf Müller ein Konzept zur Reformierung des Schulwesens, das die zahlreichen Gesuche der Schuldiener, Stadträte und Geistlichen unnötig machen sollte.347 Seine umfangreiche, mehr als elf dicht beschriebene Folioseiten umfassende Schrift unter dem Titel „Kurtz bedencken wie die Schuln nutzlich zureformirn seien“348 ist selbst undatiert, dürfte jedoch aus den letzten Monaten des Jahres 1566 stammen. Der Praeceptor führte seinen einstigen Zöglingen darin die unbefriedigende Lage der Schuldiener vor Augen, deren Hauptklagepunkt das schlechte Verhältnis zu den Geistlichen betraf. Letztere nahmen für sich die Gewalt über die Schulen in Anspruch, würden die Schulmeister nach ihrem Gefallen regieren, „sie vnder Iren Zwanck vnnd gehorsam truckenn, schlagen“, die Unterrichtung der Knaben dabei auf falsche Wege führen, herkömmliche und bewährte Bücher verwerfen und sich in ihrer Aufsichtsfunktion über die Schulen gebärden, „das die Schueldiener soltten dantzen, wie sie Inen fur pfiffen“.349 Ein derartiges Vorgehen vermindere das Amt und die Autorität der Schuldiener bei den Bürgern, Eltern und Knaben, sei insbesondere dem Unterricht hinderlich und hemme das Studium der Knaben, was abermals das Ansehen der Schule bei den Bürgern schmälere. Der Unmut der Schuldiener habe daher bislang zu einem steten Wechsel der Amtspersonen geführt, der wiederum einer anstrebenswerten Entfaltung des Schulwesens im Weg stehe. Bereits unter Günther XL., dem Vater der regierenden Grafen, seien erste Maßnahmen zur Eindämmung der Missstände ergriffen worden. So verweist Müller auf die Einführung des Generalsuperintendentenamtes, dem heute die Bewahrung der christlichen Einmütigkeit zu verdanken sei.350 Obwohl dieser es an Fleiß nicht habe fehlen lassen, fielen die schulischen Problemfelder nur allzu oft aus dessen Blickfeld heraus, da allein „das Bischoffliche Amptt oder Superintendenz der Kirchenn ann Im selber so eine wichtige schwere burdenn ist“. Müller zweifelte an, dass irgendein Superintendent sich beider Aufgabenfelder gleichermaßen widmen könne, ohne Verluste oder eine nachlässige Behandlung der Schulen in Kauf nehmen zu müssen. Das Schulwesen sei jedoch „Inn einer so herligenn großen Graffschafft (Wie Gott lob die Schwartzburgische ist)“ von nicht zu unterschätzender Bedeutung für die Entfaltung des Kirchenwesens, für das Visitationswesen jedoch eine Last. Die Visitationen seien oftmals durch den Dienst an den Schulen – „Reformiren, visitiren vnnd also der Knaben zunemen vnnd der Preceptornn fleiß explorirn 347 348 349 350

Vgl. WAGNER, Rudolstadt (1999), S. 113 f. LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt 2978, fol. 3r. Für beide Zitate ebd., fol. 3r. Vgl. ebd., fol. 3v–4r. Eine moderne Handschrift schrieb hier den Namen Mörlin an den Rand. Tatsächlich bezog sich Müllers Urteil jedoch auf Nikolaus Herco.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

vnnd examiniren“ – aufgehalten und verzögert worden, ohne dass die Begutachtung für sie das gewünschten Ziel erreicht hätte.351 Da es sich bei Kirche und Schule, obgleich diese sich ergänzen und unterstützen sollten, um zwei unterschiedliche Institutionen handelte, sollte das Schulwesen einer eigenständigen obrigkeitlichen Fürsorge unterworfen sein. Zu diesem Ziel empfahl Müller den Grafen zwei Maßnahmen, unter denen die Sorge um eine regelmäßige und mindestens einmal jährlich abzuhaltende Schulvisitation, „es sey Inn Stetten, Fleckenn, vnnd andern gemeinen, do Particular seint“,352 an erster Stelle stand. Um dadurch jedoch nicht die Kirchenvisitatoren zu belasten, müsse über die Schulen „ein Oberrector, Ephorus vnnd vberseher oder Scholiarcha, wie man Inn nennenn woltt“353 verordnet werden, dem auferlegt werden müsse, die gesamte Grafschaft in regelmäßigen Zyklen von Ort zu Ort zu bereisen und die Schulen zu begutachten. Er solle vom Stadtrat, Heimbürgen oder Gemeindeältesten Rechenschaft über die Schule verlangen, Klagen über Gebrechen oder Unstimmigkeiten unter den Schuldienern entgegennehmen und Probleme sogleich mit Wissen der Obrigkeit beilegen. Sein Augenmerk sollte auf dem Fortschritt und der Entwicklung der Schüler, der Tauglichkeit der Lehrer, der Besoldung und dem Verhältnis der städtischen Obrigkeit zur Schule liegen. Er müsste zudem mit der gräflichen Autorität ausgestattet werden, die Schuldiener eigenmächtig abzusetzen und andere einzusetzen. Insbesondere sei darüber hinaus die wirtschaftliche Lage der Schulen zu regulieren, da zwischen den Städten eine große Uneinheitlichkeit festzustellen sei, „do etlichenn das futter gahr zu hoch gebundenn, die andern die vielleicht weniger arbeitt thun, gahr vberflußig vberschutt werdenn“.354 Diesem angestrebten äußeren Einfluss der Landesherrschaft stellte Müller als zweite Maßnahme die Sorge für die Schüler selbst zur Seite, indem er die Einführung eines in den sächsischen Fürstentümern längst gängigen Stipendienwesens empfahl. Die testamentarische Anordnung Heinrichs XXXII. von 1538 war offenbar bislang nicht umgesetzt worden, weshalb Müller nun auf dieselbe Argumentation zurückgriff, mit der einst die ernestinischen Theologen den Kurfürsten zur Bereitstellung finanzieller Förderung für studierwillige Kinder mittelloser Familien bewegt hatten. Zahlreiche geistliche Lehen seien von fremden Händen den kirchlichen und schulischen Zwecken entzogen worden, ohne dem gemeinen Nutzen dienen zu können. Bislang seien jedoch von den Grafen „kein maß Ziell vnnd ordnung furgeschriebenn […], wie, wan, vnd wohin solche verruckte vnnd vertzuckte Geistlichen guther wiederumb dispensirtt vnnd gewentt werdenn soltten“. Es sei

351 352 353 354

Für alle drei Zitate LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt 2978, fol. 4r. Ebd., fol. 4v. Ebd., fol. 6r. Ebd., fol. 7r.

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daher, so urteilt Müller, „nichtt vnCristlich“,355 jene Lehen vor Ort neu zu inventarisieren, zu vereinen und dahin zu bringen, wo sie bislang keinen Nutzen für Kirche, Schule und Armut erbracht haben. Auf diese Weise sollten in jeder Stadt, jedem Flecken und jedem Dorf zumindest zwei Stipendien geschaffen werden, um talentierte Knaben zur emsigen Fortsetzung ihrer Ausbildung zu motivieren und beim anschließenden Studium zu fördern. Das übrige möge nach dem Gutdünken der Obrigkeit zum gemeinen Nutzen an Kirche, Schule, Spital oder Armut angewandt werden. Wie bei den Ernestinern über zwei Jahrzehnte zuvor spielte auch bei Heinrich Müller der Aspekt einer lohnenswerten Zukunftsperspektive eine bedeutende argumentative Rolle. Ebenfalls erinnert die Mahnung zur gerechten Verteilung an die Bedürftigen, „so vielleichtt zum studirn dinlicher vnnd gemeiner Graffschafft mehr nutz sein konthenn“, 356 statt an die wohlhabenden Kinder, an die Ausführungen Anton Musas von 1529. Jene müssten ihre Studien auf ihrem Höhepunkt beenden und sich einem ernährenden Handwerk zuwenden, statt der Grafschaft zu dienen, was Müller mit den Worten Juvenals illustrierte: „Haud facile emergunt quorum Virtutibus obstat Res angusta domi“357 (Saturae, I, 3, 164 f.). Wortreich appellierte Müller an die Grafen, sie mögen sich als christliche Regenten erweisen und der Ungleichheit ein Ende bereiten, die momentan noch zur Schmach junger gelehrter Menschen, „so schentlich verseumett, hindersetzt, abgestossenn vnnd zu hohenn dingen verhindertt werden sollen“,358 gereiche. Zur Gewährleistung einer gerechten Verteilung entwarf Müller ein detailliertes Auswahl- und Examinationsverfahren der Schüler unter maßgeblicher Leitung des Schulvisitators, das unter anderem eine vereidigte Befragung der Eltern, der städtischen Obrigkeit wie der Geistlichkeit beinhaltete und ebenfalls mit der Bedingung verbunden war, nach dem absolvierten Studium dem eigenen Heimatland in Kirche, Schule oder weltlichem Amt zu dienen. Da die schwarzburgische Grafschaft nicht selbst über eine Universität verfügte, wurde es den Studenten freigestellt, sich eine Universität auszusuchen. Natürlich legte Müller den Grafen Leipzig, Wittenberg und Jena nahe, ohne dass es Einschränkungen aufgrund der theologischen Auseinandersetzungen dieser Universitäten, die ihrem Höhepunkt zusteuerten, gegeben zu haben scheint. Die Umsetzung seiner Vorschläge betrachtete Müller als nahezu universelles Mittel gegen die schulischen Missstände. Die Schuldiener würden durch regelmäßige Examination und die Schüler „durch lockung vnnd anreitzung der Premien“359 355 Für beide Zitate ebd., fol. 8r. 356 Ebd., fol. 8v. 357 Ebd., fol. 8v. Im späteren Verlauf der Arbeit wird deutlich werden, dass die Bezugnahme zu klassischen Dichtern und selbst zu dieser Zeile Juvenals keine Seltenheit war (Kap. II. 3.4.10.). 358 Ebd., fol. 9v. 359 Ebd., fol. 10v.

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angespornt werden. Dem Unwesen untauglicher Schuldiener könne auf diese Weise ebenso begegnet werden wie dem Streit und den Zwistigkeiten zwischen den Schuldienern untereinander oder mit Schülern und Bürgern. Darüber hinaus wäre die gräfliche Kanzlei entlastet, indem alle Klagen dem gräflichen Schulvisitator zugewiesen würden. Schließlich und endlich habe diese Reform zur Folge, dass die Kinder durch die Schulen und Universitäten in einem nie zuvor erreichten Maße zur Gelehrsamkeit gezogen werden könnten. Die Gelehrsamkeit der späteren Schulmeister und Geistlichen würde binnen weniger Jahre ein hoch entwickeltes Kirchenwesen aufrichten können. Den übrigen Raum widmete Müller einem überschwänglichen Lob der Grafen und der Grafschaft, die durch ein ausgebautes Schulwesen über ein unschätzbares Kleinod verfügen würde. Müllers Entwurf ist unvollständig überliefert, eine ungewisse Zahl Seiten fehlen, doch scheint der Inhalt des Reformkonzeptes vollständig zu sein. Heinrich Müllers Vorschläge fanden bei den Grafen tatsächlich das gewünschte Gehör und eine umgehende Umsetzung. Müller selbst wurde in das von ihm konstruierte Amt eingesetzt.360 Ein Brief vom 25. Februar 1567 informiert den Stadtrat von Blankenburg, dass der gräfliche Rat und juristische Lizenziat Heinrich Müller ab Ostern und auf zwei Jahre befristet „Zu einem Visitatori vnndt Inspectori Scholarum bestellt vnndt angenhommen“ wurde. Sein Amt wurde mit den folgenden Worten charakterisiert: Er solle In vnserer Obern herrschaft auf sein vncost herumb ziehen, vnndt die schulen dar Innen Visitiren vnndt exploriren vnndt erforschenn […] welcher gestalt die Iugendt In denselben mit lectionibus versehen, Auch ob von den Schueldienern an eynem Ieden ortte schuldiger Vleis mit Ihnen angewandt, Vnndt was die Iugent in studiis Zunhemen vnndt welche Ingenia dartzu tuglichen vnndt mit der Zeit Zum Studio zuuorlegenn sein mochte.361

Ein wörtlich nahezu identischer Brief des Folgetages an den Stadtrat von Sondershausen offenbart, dass Müllers Amtsbefugnis nicht allein auf die Oberherrschaft beschränkt blieb.362 Die endgültige Bestallungsurkunde von Günther XLI. und Johann Günther I. datiert schließlich auf den 2. April 1567.363 Sie wiederholt die oben zitierte Charakterisierung des neuen Amtes und erteilte Heinrich Müller jene umfassenden gräflichen Vollmachten, die er selbst entworfen hatte. Nicht allein stehe es in seiner Macht, Lektionen zu ändern, Schuldiener abzusetzen oder förderungswürdige Schüler ausfindig zu machen, auch solle er die zum Studieren untüchtigen Schüler ermitteln und deren Eltern dazu bewegen, sie aus den Schulen zu nehmen. Sie sollten zu einem Handwerk oder häuslicher Tätigkeit 360 Vgl. LENK, Gymnasium (1999), S. 18; WAGNER, Rudolstadt (1999), S. 114. 361 Für beide Zitate LATh-StA Rudolstadt, Geheimes Archiv (Restbestand), E IX 2f Nr. 1, fol. 1r. 362 Vgl. StA Sondershausen, A 15, Nr. 1, unfol. 363 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, Nr. 2978, fol. 1r–2r.

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erzogen werden. Gerade die Unterbindung aussichtslosen Studierens, die in den sächsischen Verordnungen zwar mitschwang, jedoch erst in der Kirchenordnung von 1580 ausgesprochen wurde, vermag in eindrücklicher Weise das zeitgenössische obrigkeitliche Verständnis über den Sinn der Gelehrtenbildung zu illustrieren. Die Lateinschulen, auf die sich die Aufmerksamkeit Müllers und der Grafen richtete, dienten der Ausbildung späterer Geistlicher und Landesdiener. Zukünftige Handwerker wurden aus ihnen ausgeschlossen. Sollte bei diesen hingegen ein elementares Bildungsbedürfnis bestehen, stand ihnen das niedere Schulwesen zur Verfügung, das jedoch in den schwarzburgischen Verordnungen erst sehr spät und nur äußerst beiläufig Beachtung fand. Die Besoldung des gräflichen Schulinspektors sollte für den gesamten Zeitraum von zwei Jahren 130 fl betragen, jedoch nicht aus der gräflichen Kammer, sondern von den Städten getragen werden. Zu diesem Zweck forderte die Bestallungsurkunde von zehn Städten die folgende finanzielle Beteiligung, die halb zu Michaelis 1567, halb zu Ostern 1568 gezahlt werden solle: Arnstadt und Frankenhausen je 15 fl, Stadtilm, Sondershausen, Greußen und Königsee je 13 fl, Rudolstadt, Blankenburg, Heringen und Kelbra je 12 fl. Obwohl Müllers Schulreform damit einen vielversprechenden Anfang genommen hatte, scheint sie dennoch gescheitert zu sein. Spuren seiner Tätigkeit sind kaum überliefert. Lediglich verzeichnet eine Sondershäuser Stadtrechnung von 1567 die geforderte Besoldung von 6 ½ fl, „dem Schul Visitatori Heinrich Mullern vf greflichen bephel laut seiner handt geben“.364 Bereits in der folgenden überlieferten Rechnung von 1571/72 findet diese Ausgabe jedoch keine Fortsetzung,365 was vermuten lässt, dass Müllers Amt nach Ablauf der zweijährigen Frist – möglicherweise aufgrund der in diesem Jahr erfolgten Landesteilung – nicht verlängert wurde.366 Gleichermaßen scheint das Schulvisitatorenamt seine inhaltlichen Ziele nicht erreicht zu haben. Bald nach oder sogar noch vor der Beendigung der Frist brachen Konflikte um die Schule von Arnstadt aus. Deren Behandlung am gräflichen Hof lässt keine fruchtbringende Tätigkeit Heinrich Müllers erkennen. Die Klagen der Geistlichen erreichten, entgegen Müllers Entwürfen, ausdrücklich seit mehreren Jahren ungebrochen und direkt den Hof, während entsprechende Verwarnungen gegenüber den Schuldienern ergebnislos geblieben seien. Im März 1571 veranlasste dies den Grafen Günther XLI. dazu, drei theologische Parteien – die Geistlichen von Arnstadt, die Geistlichen weiterer Städte seiner Herrschaft und den Generalsuperintendent Nikolaus Herco – zur Klärung der Angelegenheit

364 StA Sondershausen, B Ia, Nr. 3, unfol. Auch in den Rechnungen der übrigen Städte könnten zweifellos weitere Besoldungsausgaben aufgefunden werden. 365 Vgl. StA Sondershausen, B Ia, Nr. 4, unfol. 366 Vgl. WAGNER, Rudolstadt (1999), S. 114.

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zu Rate zu ziehen.367 Sowohl diese Herangehensweise des Grafen als auch die oben bereits zitierte, aus diesem Zusammenhang stammende Selbstcharakterisierung Hercos, welche die Sorge um das Schulwesen gleichberechtigt neben die Kirchenaufsicht stellte, lassen keinen Einfluss eines gräflichen Schulinspektors erkennen.

2.4.4. Der Ausbau des schwarzburgischen Visitationswesens nach der Landesteilung von 1571 Obgleich Herco in seinem Visitationsprozess von 1555 die regelmäßige Kirchenvisitation einzuführen bemüht war, sind aus den folgenden zwei Jahrzehnten keine Protokolle überliefert.368 Erst nach der Landesteilung von 1571 unter den Söhnen des 1552 verstorbenen Grafen Günther XL. begannen neuerlich obrigkeitlich geführte Visitationen, welche die Sicherung des Kirchenregiments in den nun etablierten Teilherrschaften gewährleisten sollten. Ihre Protokolle sind zwar in großer Zahl, jedoch unzusammenhängend, verstreut und oftmals nur in Konzeptform überliefert. Sie fanden in den Jahren 1575,369 1583, 1586, 1587,370 1589 und 1593371 statt und widmeten nun auch dem schwarzburgischen Schulwesen rege Aufmerksamkeit. Bereits die von Graf Albert VII. von Schwarzburg-Rudolstadt erlassene, Hercos Prozess ergänzende oder ablösende Anordnung von 1575 über „Form vnd Maß der Visitation im ampt Rudelstadt“ 372 setzte insbesondere auf den Dörfern ein Schulwesen voraus, das die zeitgleichen obrigkeitlich-sächsischen Verordnungen zum Teil übertraf, indem sie den schulischen Unterricht vom Amt des Kirchners trennte und hauptamtlichen Schulmeistern übertrug.373 Inhaltliche Vorgaben wurden dabei jedoch keine gemacht. In Dörfern wie in Städten sollte die Visitation lediglich nach den Mängeln im 367 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, Nr. 2979, unfol. 368 Herrmann erwähnt eine Visitation zur Bekämpfung der Lehrstreitigkeiten 1568, doch sind auch von dieser keine Protokolle überliefert, vgl. HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 181. 369 Aus diesem Jahr liegen die meisten Visitationsprotokolle, zum Teil in Abschrift, vor, vgl. LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, 2990; ebd., Geheimes Archiv (Restbestand), A IV 3a Nr. 2; ebd., Konsistorium Sondershausen, Nr. 108; ebd., Hessesche Collectaneen, 2c Nr. 7, ab fol. 77r (Abschrift). 370 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Frankenhausen, A IV 3a Nr. 3.1; ebd., Kanzlei Frankenhausen, A IV 3a Nr. 3.2; ebd., Konsistorium Sondershausen, Nr. 112. 371 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Frankenhausen, A IV 3a Nr. 3.2. 372 LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, 2990, fol. 1r; EKO I/2, S. 130. 373 Schon 1561 soll in Frankenhausen eine Synode zur Verbesserung des Dorfschulwesens getagt haben, doch sind deren Verlauf und Ergebnisse nicht mehr nachzuvollziehen, vgl. EINICKE, Reformationsgeschichte II (1909), S. 153, Anm. 1.

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Kirchen- und Schulwesen suchen, doch blieb der hier erstmals vorgeschriebene Fragenkatalog zum schulischen Aspekt verhältnismäßig begrenzt. Neben der Überprüfung des Katechismusunterrichts in Kirche und Schule stand lediglich die Frage, „Ob die liebe jugent in schulen mit den lectionibus und disciplina auch wol versorget sei“.374 Der Befragung der Schulmeister selbst wurde hingegen nur die Erkundigung nach ihrer Besoldung, der Pünktlichkeit der Zahlungen und dem baulichen Zustand der Schulgebäude zugrunde gelegt. Die im selben Jahr von Johann Günther I. von Schwarzburg-Sondershausen für seine Herrschaft erlassenen Generalartikel gingen über diese Aspekte kaum hinaus, stimmen fast wörtlich mit den Anordnungen seines Bruders überein, ergänzen diese jedoch um das Mädchenschulwesen. Die Jugend solle „In beyden Schulen“, also in Knaben- wie in Mädchenschulen „mit den Lectionibus vnd Disciplina auch recht vnd wol versorget sey[n]“.375 Ein undatierter, doch wahrscheinlich zeitnah vom dritten Grafen Wilhelm I. von Schwarzburg-Frankenhausen erlassener Fragenkatalog ging darüber hinaus, indem er den Visitatoren selbst die Begutachtung des schulischen Lektürekanons und der Frequentierung der Schulen sowie schließlich die Erkundigung nach einem Mädchenschulwesen vorschrieb. Die Aufsichtspflicht über die Schulen sollte der städtischen Obrigkeit anbefohlen werden. Die Stadträte wurden dabei jedoch vor zu starken Eingriffen in das Schulregiment, die zwangsläufig Missfallen erregen würden, gewarnt.376 Die Lehrstreitigkeiten, die insbesondere das ernestinische Kirchen- und Schulwesen der 1560er und frühen 1570er geprägt hatten, wirkten sich in den schwarzburgischen Grafschaften kaum aus. 377 Dennoch war der albertinische Kurfürst August, der eine Lehenshoheit über die Schwarzburger beanspruchte, auch hier bemüht, möglichen Konflikten durch die Verordnung der Konkordienformel als Grundlage der kirchlichen Lehre zuvorzukommen. Noch im Jahr ihrer Entstehung, 1577, ließ August den Grafen die Konkordienformel mit der Aufforderung zukommen, sie von den Geistlichen, Kirchen- und Schuldienern unterzeichnen zu lassen. Als die Grafen dem nicht umgehend nachkamen, erhielt Günther XLI. von Schwarzburg-Arnstadt, der unter den regierenden Brüdern den Vorrang einnahm, 1579 abermals eine mahnende Erinnerung des Kurfürsten. Er wurde aufgefordert, diesem eine vollständige Unterschriftenliste sämtlicher Amtspersonen zu übersenden.378 Am 27. Januar 1580 wurde daher den Kirchenund Schuldienern der Grafschaft ein Extrakt der Konkordienformel zugestellt. Als diese um Bedenkzeit baten, schrieb der Graf an den Kurfürsten und ersuchte 374 375 376 377 378

EKO I/2, S. 131. Für beide Zitate LATh-StA Rudolstadt, Konsistorium Sondershausen, Nr. 108, fol. 34r. Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Frankenhausen, A IV 3a Nr. 3.2, fol. 343v. Vgl. HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 181. Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, Nr. 2880, fol. 17r–v.

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um einen weiteren Aufschub.379 Nur wenige Tage später, am 6. Februar 1580, wurde schließlich ein Rundschreiben ausgestellt, das „alle die Pfarnner, Schul Vnndt Kirchendiener“380 am 11. Februar zur Unterzeichnung der Konkordienformel nach Arnstadt vorlud. Etliche Amtsträger bestätigten daraufhin zwar die Vorladung und kündigten ihr Kommen an, doch ist eine Unterschriftenliste nur sehr unvollständig überliefert.381 Der Graf Günther XLI. von Schwarzburg-Arnstadt starb 1583 kinderlos. Seine Arnstädter Herrschaft wurde abermals unter seinen Brüdern geteilt. Der älteste, Johann Günther I. von Schwarzburg-Sondershausen, folgte ihm 1586 in den Tod.382 Seine unmündigen Söhne Günther XLII. und Anton Heinrich kamen aufgrund seiner Ehe mit der Gräfin Anna von Oldenburg-Delmenhorst unter die Vormundschaft der Brüder Annas, der Grafen Johann und Anton von Oldenburg-Delmenhorst. Nahezu umgehend wurde von diesen das Visitationswerk in der Sondershäuser und Teilen der einstigen Arnstädter Herrschaft durch den Erlass einer Visitationsvollmacht vom 15. Juli 1587 fortgesetzt.383 Obwohl darin nicht auf das Schulwesen eingegangen wurde, sollte die daraufhin abgehaltene Kirchenvisitation für das schwarzburgische Schulwesen von maßgeblicher Bedeutung sein, wurde in ihrem Zusammenhang doch, wie 1555 durch Nikolaus Herco, ein neuerlicher Leitfaden zur Abhaltung der schwarzburgischen Visitationen ausgearbeitet, der nun erstmals auch eine detaillierte organisatorische Grundlage des Schulwesens enthalten sollte.384 Die neue Ordnung steht unter dem Titel „Bedencken auff was Form vnnd weise eine Visitation Anzustellen [sei]“ und enthält neben den üblichen, das Schulwesen mit einbeziehenden Visitationsfragen nach dem baulichen Zustand der Kirchen- und Schulgebäude sowie der Art und dem Erfolg des Katechismusunterrichts auch den ausdrücklichen Hinweis, dass gerade die Schulen „insond[er]heit“ visitiert, überprüft und organisiert werden sollten. 385 Demzufolge umfasst die Visitationsordnung zwei gesonderte Abschnitte „Die Kirchenn vnd Schuldiener auff den

379 Vgl. ebd., fol. 19r–21r. 380 Ebd., fol. 30r. 381 Vgl. ebd., fol. 30v; HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 182; MICHEL, Sonderstellung (2010), S. 41. 382 Vgl. HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 181. 383 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Konsistorium Sondershausen, Nr. 112, fol. 15r–16r; HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 182. 384 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Konsistorium Sondershausen, Nr. 112, fol. 3r–16r, erwähnt, aber nicht ediert bei EKO I/2, S. 126. Vgl., fälschlicherweise nur auf die Stadt Sondershausen bezogen, GRESKY, Gymnasium (1972), S. 59; LENK, Gymnasium (1999), S. 16 f. 385 Für beide Zitate LATh-StA Rudolstadt, Konsistorium Sondershausen, Nr. 112, fol. 3r.

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Dörffern Betreffende“386 sowie „Die Schulen Insonderheit Vnd deren Visitation Betreffende“.387 Die Dorfschulordnung umfasst nur wenige Zeilen, stellt jedoch in ihrer Prägnanz einen authentischen Querschnitt durch die Art des dörflichen Schulwesens des späten 16. Jahrhunderts dar. Die Kirchner, denen hier der Unterricht noch unterstellt wurde, seien auf ihren Gehorsam, ihre Gelehrsamkeit, ihre Amtswie Lebensführung und schließlich ihren schulischen Unterricht zu befragen. Als Bestandteile des Unterrichts wurden dabei explizit die Lehre des lutherischen Katechismus, das Singen geistlicher Lieder, das Auslegen von Psalmen und schließlich die Unterrichtung im Lesen und Schreiben benannt. Die Worte, die schließlich den darauffolgenden Abschnitt über die Lateinschulvisitation einleiten, enthalten zwar die übliche, auf Luthers Schulschriften zurückgehende Begründung des reformatorischen Schulwesens, sind jedoch ebenfalls in ihrer Formulierung außerordentlich präzise und können selbst über die schwarzburgischen Grafschaften hinaus ihre Gültigkeit beanspruchen: Wie hoch vndt viell an Schulen gelegen, Ist allen Vorstendigen Vnd Gottesfurchtigen wohll bewust, dan wo dieselben fallen, Vnndt nicht mit sonderer muhe Vndt Vleiß Rechtschaffene, gelertte, geschickte vnd wohl erfarne menner aufferzogen werden, So mag das heilige Predig Ampt weltliche Obrigkeit vndt deroselben Vnterschiedene empter, Wie dan auch die haushaltung In die Lenge nicht in gueter löbich[er] ordnung erhaltten werdenn.388

Die Notwendigkeit erfordere es daher, in den Städten „Vnd and[er]n bequemen orttern“389 Schulen einzurichten, die durch fromme und gelehrte Schuldiener zu besetzen seien. Obwohl ausdrücklich eine Orientierung an Luthers Visitationsordnung – gemeint ist der Unterricht der Visitatoren – und an der Kursächsischen Kirchenordnung von 1580 angeordnet wurde, werden die Zielvorstellungen und die Unterrichtsinhalte der insgesamt fünf vorgesehenen Leistungsstufen nochmals skizziert. In allen Klassen sei das Hauptziel des Unterrichts dabei eine Erziehung zur Frömmigkeit (exercitio pietatis, precepta pietatis). Bildungsinhalte mit weltlichem Hintergrund wie die Arithmetik fanden – anders als in der Kursächsischen Kirchenordnung – keine Aufnahme in den Unterricht. Die Prima bildete die elementarste Klasse des Schulplans. Sie lehrte die Kinder das Alphabet, das Lesen und Schreiben, wobei der Katechismus das grundlegende Unterrichtswerk darstellte. Der Schulmeister wurde insbesondere im katechetischen Zusammenhang ermahnt, er solle „was er Ihnen [den Schülern] auffgibt, […] nicht nur andeuten mit einem finger, Sond[er]n ex presse fursagen, das sie es

386 387 388 389

Ebd., fol. 7r. Ebd., fol. 7v. Ebd., fol. 7v–8r. Ebd., fol. 8r.

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nachsprechen Lernen“. 390 Der genaue Wortlaut der Glaubensstücke, an dem der Sinn der religiösen Lehre hing, stand auch bei den Schwarzburgern dezidiert im Mittelpunkt. Daneben sollte täglich eine Überprüfung der Schreibübungen durch den Schulmeister oder die Schuldiener erfolgen. Sprachliches Ziel des Unterrichts war die Erlernung erster lateinischer Vokabeln, welche die Schuldiener zum Abschluss des Schultages aus der Nomenclatura Adam Sibers mit ihrer deutschen Übersetzung an die Tafel schreiben sollten. Ausdrücklich forderte die Ordnung, dass die Schüler „des Abendts ehe nicht dimittiret [entlassen] werdenn“391 sollten, als bis sie die angeschriebenen Vokabeln mit Übersetzung auswendig könnten.392 Die Secunda begann den grammatikalischen Unterricht anhand der Melanchthonischen Grammatik. Der anfänglichen lateinischen Lektüre wurden die Disticha Catonis und die Sprüche Salomos zugrunde gelegt. Bemerkenswert ist zudem, dass die schwarzburgische Ordnung dem albertinischen Beispiel folgte und die Werke aus der Feder eigener Gelehrter in den Unterricht aufnahm. Dies betrifft hier die „form[ula] loqu[en]di Hedeni“,393 bei der es sich zweifellos um ein Werk des Arnstädter Schulmeisters Konrad Heden oder seines Sohnes Erasmus handelte. Ersterer verfasste nur wenige Monate nach seinem Dienstantritt 1550 die erste Arnstädter Schulordnung und versah sein Amt über zwei Jahrzehnte,394 während sein Sohn, der seit 1583 ebenfalls das Arnstädter Schulmeisteramt versah, auch schriftstellerisch und publizistisch in Erscheinung trat.395 Ein Druck der Formula loquendi ist jedoch nicht nachweisbar. In die Tertia wurden jene Schüler aufgenommen, die das Deklinieren und Konjugieren beherrschten und die sich nun eingehender dem Schreiben und dem Verfassen eigenständiger Texte widmeten. Gelesen wurden darüber hinaus die Fabeln Aesops, die einfachen, von Johannes Sturm edierten Briefe Ciceros „Vnd dergleichen“. 396 Wie im albertinischen Vorbild begann der Musikunterricht, der anhand eines Kompendiums gelehrt werden sollte, erst in dieser Klasse. Obwohl das besagte Kompendium nicht weiter spezifiziert wird, ist auch hier eine Orientierung an der Kursächsischen Ordnung und eine Anwendung des Musicae Compendium von Heinrich Faber wahrscheinlich. 390 Ebd., fol. 8v. 391 Ebd., fol. 8v. 392 Eine zeitliche Orientierung wurde dem Unterricht nicht zugrunde gelegt. Es kann jedoch, obgleich die zitierten Worte einen ganztägigen Unterricht bis zum Abend anzudeuten scheinen, vermutet werden, dass die Dauer des Unterrichts die Vorgaben der Kursächsischen Kirchenordnung nicht überstiegen haben wird. 393 LATh-StA Rudolstadt, Konsistorium Sondershausen, Nr. 112, fol. 9r. 394 Vgl. EINICKE, Reformationsgeschichte II (1909), S. 152; KLETTE, Beiträge (1923), S. 86. 395 Beispielsweise verfasste er eine Beschreibung des Arnstädter Stadtbrandes von 1581, die noch im selben Jahr gedruckt wurde, vgl. HEDEN, Incendivm Arnstatense. 396 LATh-StA Rudolstadt, Konsistorium Sondershausen, Nr. 112, fol. 9r.

DER EINFLUSS DER LANDESHERRLICHEN OBRIGKEIT

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In der Quarta erfolgte der Unterricht schließlich gänzlich auf Latein, während die grammatikalische Unterweisung in der griechischen Sprache aufgenommen wurde. Zweimal in der Woche sollten die Schüler „Scripta latina“397 aus vorgegebenen deutschen Texten erstellen und ihren Schuldienern zur Korrektur übergeben. Neben die Lektüre Ciceros, die den Unterricht dominierte, trat allmählich Terenz. Da dessen Komödien Inhalt der höchsten Klasse waren, wurde hier eine zeitweilige Zusammenlegung der beiden obersten Klassen angeregt. Die fünfte Klasse ist neben der sprachlichen Ausbildung einer Einführung in die Theologie gewidmet. Gelesen wurden der lateinische Katechismus und ein nicht näher benanntes Compendium Theologiae. Die schriftlichen Übungen wurden durch eigenständige Dichtungen erweitert, „damit sie [die Schüler] nicht allein Solutae sondern auch ligatae orationis Scripta In der Wochen zweymahll, Als Mitwochs vndt Sonnabendts aufweisen konnen“.398 Der griechischen Grammatik lagen die Werke von Johannes Metzler und Nikolaus Clenardus zugrunde, während die Lektüre schließlich in beiden Sprachen mit Vergil, Terenz, Cicero ad familias, Isokrates, Hesiod und Theognis von Megara das volle Spektrum des humanistischen Unterrichts umfasste. Die Sonntagsevangelien sollten anhand der griechischen Evangeliendichtungen des Johannes Posselius erschlossen werden. Dem Lehrplan schloss sich eine speziell für das Schulwesen ausgearbeitete Visitationsordnung an. Auch darin sind die Parallelen zu den sächsischen Fürstentümern nicht zu verkennen, doch können der Ordnung ein gewisses Maß an Eigenständigkeit und einige inhaltliche Abweichungen nicht abgesprochen werden. Im Fokus der Visitatoren standen demnach nicht nur die selbstveständlichen Aspekte wie Qualifikation und Geschicklichkeit, Fleiß, Lebenswandel, Kleidungsstil und Vorbildlichkeit der Schuldiener, sondern auch Verordnungen über die Beteiligung der Schuldiener und Schüler an gesellschaftlichen Ereignissen oder das Verhalten in der Kirche. Insbesondere Letztere ging dabei über die Mahnungen zu Aufmerksamkeit, Schweigsamkeit und dem Verbot vom Umherspazieren während der Predigt hinaus, indem der musikalischen Gestaltung der Gottesdienste spezielle Einschränkungen erlassen wurden. Eine Verminderung der musikalischen Beteiligung der Schüler zugunsten ihrer wissenschaftlichen Ausbildung, wie sie in beiden sächsischen Schulordnungen angestrebt wurde, fand hier nicht statt, doch sollte sich die Kantorei in der Kirche des übermäßigen Figuralgesanges enthalten. Er könnte, so die Begründung, mit seinem weltlichen Klang die Andacht der Menschen stören.399 Die Figuralmusik fand ihre Anwendung auf Festen, insbesondere Hochzeiten, und bei der Kurrende. Bei Letzterer sollte wie in der Schule selbst für die rechte Ordnung und Disziplin unter den 397 Ebd., fol. 9v. 398 Ebd., fol. 9v. 399 Vgl. ebd., fol. 10r–v; WAGNER, Rudolstadt (1999), S. 242 f.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

Schülern gesorgt werden. Das Mittel der Strafe war zwar selbstverständlich, doch sollten die Schuldiener die Schüler nicht „zur vngebuer mit den feustenn vndt Stecken vbell Schlagen“.400 Die Examina dienten den Schwarzburgern wie den sächsischen Fürsten neben der Überprüfung der schulischen Leistungen der Kinder gleichermaßen der Begutachtung der Schuldiener und ihrer Lehrmethoden. Die Tätigkeit von städtischen Schulinspektoren wurde dabei nicht eigens verordnet, sondern, wie bereits in den vorhergehenden Visitationsartikeln, vorausgesetzt. Mit der Mädchenschule wurde zuletzt erstmals in den schwarzburgischen Territorien das Deutsche Schulwesen in den Blick genommen. Beide sollten ausreichend versorgt und bestellt sein, doch widmete die Ordnung ihnen zusammen nur wenig mehr als zwei Zeilen. Ausführlicher wurde das schwarzburgische Stipendienwesen organisiert. Schuldiener und Inspektoren hätten die Pflicht, förderungswürdige Schüler zu ermitteln. Die Vergabe der Stipendien war auf drei Jahre befristet und diente dem Studium „in einer Reinen Academia“. Obgleich diese Formulierung eine Priorität auf der theologischen Lehrausrichtung der Universität vermuten lässt, wird die Aussage nicht spezifiziert. Endgültig wird nun auch die Vergabe der schwarzburgischen Stipendien an die Bedingung geknüpft, dass die Absolventen „sich in dieser Herrschafft, da Ihnen solch beneficium wiederfahren, zu dinsten gebrauchen Lassen“.401 Ungebührliches Verhalten oder zweckentfremdeter Gebrauch der Stipendien konnte zum Entzug und selbst zur Rückforderung des bereits gezahlten Geldes führen. Die Visitationsordnung sollte ihre Gültigkeit bis über das 16. Jahrhundert hinaus beibehalten. Ergänzungen oder ablösende Ordnungen sind über die lokale Ebene hinaus nicht bekannt. 1593 ließ Graf Wilhelm I. abermals eine Visitation zur Verbreitung der Konkordienformel abhalten. Der durch sächischen Druck durchgesetzten Maßnahme von 1580 waren offenbar keine weiteren gefolgt, sodass Wilhelm, wie er in einem Brief vom 14. Februar 1593 selbst begründete, die Notwendigkeit sah, die einheitliche Lehrnorm erneut zu festigen.402 Darüber hinaus wurde die Unterzeichnung der Konkordienformel nun zur verbindlichen Voraussetzung bei der Berufung und Einstellung aller Pfarrer und Schuldiener, „vnnd ohne solche subscription keiner angenommen noch geduldet werden soll“.403 Die überlieferte Unterschriftenliste des Jahres 1593 enthält jedoch fast ausschließlich die Namen Geistlicher.404 Als Wilhelm 1598 starb, kam es im darauffolgenden Jahr zu einer weiteren umfangreichen Teilung der schwarzburgischen Territorien, die der Grafschaft ihre für Jahrhunderte gleichbleibende Gestalt verlieh. 400 401 402 403 404

LATh-StA Rudolstadt, Konsistorium Sondershausen, Nr. 112, fol. 10v. Für beide Zitate ebd., fol. 12r. Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Hessesche Collectaneen, 2c Nr. 1, fol. 2r–v. Ebd., fol. 2r. Vgl. ebd., fol. 2v–4v.

3.

Eine neue Alternative – das Beispiel Altenburg

EINE NEUE ALTERNATIVE – DAS BEISPIEL ALTENBURG

3.1. Die Einführung der Reformation Der Blick soll im Folgenden wieder auf die Entwicklung vor Ort anhand der ausgewählten Städte geworfen werden. Um das weitere Geschehen der Schulgeschichte in den historischen Kontext einordnen zu können, sei jedoch – wie auch in den folgenden Betrachtungen – die Einführung der Reformation in groben Zügen skizziert.1 Bereits früh hat die Reformation in Altenburg ihre Spuren hinterlassen. Während ein erster Aufenthalt Luthers 1519 noch folgenlos blieb, lassen sich die ersten durch die reformatorische Lehre bedingten Ausschreitungen gegen die Geistlichkeit im Jahr 1521 feststellen. Bereits zu diesem Zeitpunkt griff auch der Stadtrat in das Geschehen ein und nahm nur wenige Monate später, zu Beginn des Jahres 1522, das Heft der Reformation selbst in die Hand. Fortan lag die reformatorische Initiative auf Seiten des Rates. Wie auch die im Bergerstift vertretene Gegenpartei brachte er sein Anliegen in der folgenden Zeit regelmäßig vor den Kurfürsten, wodurch auch dieser von Beginn an in die Geschehnisse der Residenzstadt involviert war. Am 28. März 1522 offenbarte der Stadtrat dem Propst des Bergerstifts, dem die Patronatsgewalt über die Pfarrkirchen der Stadt oblag, dass er, der Rat, um weiteren Ausschreitungen zuvor zu kommen, selbst einen „christlichen Evangelischen prediger“ 2 in der Bartholomäikirche einzusetzen gedenke. Dort war 1465 durch den Georgenstiftsherrn Andreas Gruner eine Predigtstelle gestiftet worden, die einen jährlichen Zins von 8 ß abwarf und deren 1

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Über die Reformation in Altenburg, deren geschichtlicher Hergang in den Quellen sehr genau nachverfolgt werden kann, ist bereits in der Vergangenheit viel geschrieben worden. Die Darstellung basiert, sofern nicht anders belegt, auf der folgenden Forschungsgrundlage: WAGNER, Georg Spalatin (1830); HASE, Bartholomäikirche (1862); CASELMANN, Link’s Leben (1863); LÖBE, Reformation I (1863); DERS., Reformation II (1863); LÖBE, Reformation (1917); SCHNEIDER, Altenburg (1923); LORZ, Wirken (1978); KESSLER, Altenburg 1515–1525 (1983); HÖSS, Spalatin (1989); JÄPEL, Reformation (1989); DIES., Aspekte (2000); ANHALT, Kollegiatstift (2004); SCHMALZ, Spalatin in Altenburg (2009); KÜHNE, Stadt, Residenz und Frömmigkeit (2013). Daneben sei besonders auf die beiden umfassenden, mit der Ausstellung „Georg Spalatin – Steuermann der Reformation“ verbundenen Publikationen jüngeren Datums verwiesen: KESSLER/PENNDORF, Spalatin in Altenburg (2012); KOHNLE/MECKELNBORG/SCHIRMER, Steuermann der Reformation (2014). Die von Rosemarie Jäpel 1989 eingereichte Dissertation liegt seit 2016 inhaltlich unverändert in publizierter Form vor, vgl. JÄPEL, Reformation (2016). Im Folgenden soll jedoch, um die Chronologie der Altenburger Forschung zu wahren, weiterhin ihre Dissertation zitiert werden. Zitiert nach LÖBE, Reformation I (1863), S. 36.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

Besetzung 1490 schon einmal zu Verirrungen geführt hatte,3 und die der Stadtrat nun zu dem genannten Zweck finanziell aufzubessern gedachte. Da der Propst diesem Ansinnen lediglich Spott entgegenbrachte, trug der Rat es dem Kurfürsten vor und bat ihn, für die Stadt Partei zu ergreifen. Obwohl der Kurfürst Friedrich der Weise daraufhin durch den Amtmann Jhan von Wernstorff zwischen den Streitparteien zu vermitteln suchte, wandte sich der Rat gleichzeitig an Martin Luther und ersuchte ihn um die Empfehlung eines geeigneten Predigers. Noch im April 1522 kam Luther persönlich nach Altenburg und empfahl dem Stadtrat Gabriel Zwilling als evangelischen Prediger. Nachdem das Verhandlungsgespräch zwischen dem Rat und dem Propst des Bergerstifts unter der Führung des Amtmannes am 29. April ergebnislos verlaufen war, verfasste der Stadtrat ein ausführliches Schreiben über die kirchliche Situation der Stadt, die Forderungen der Bürger und des Stadtrates und sandte es von 77 Altenburger Bürgern unterzeichnet dem Kurfürsten zu. Wenn die Einstellung eines evangelischen Predigers unterbliebe, so heißt es dort im Namen aller Unterzeichnenden, „ist auffrhur vnd entporung zcu besorgen“.4 Ohne auf eine Antwort des Kurfürsten zu warten, wurde der von Luther empfohlene Gabriel Zwilling im Mai 1522 in das Amt des Predigers eingeführt. Da der ehemalige Augustinerchorherr jedoch in den Anfängen seines reformatorischen Eifers durch schwärmerische Neigungen aufgefallen war, erhob Friedrich der Weise Einspruch gegen seine Einstellung. Brieflich bewegte er Jhan von Wernsdorff dazu, den Stadtrat von Zwillings Untauglichkeit zu überzeugen. Einem nachträglichen Gesuch des Stadtrates und der Gemeinde, die Gefallen an dem Prediger gefunden hatten, wurde nicht stattgegeben. Bei Verhandlungen mit dem Kurfürsten am 19. Mai 1522 in Eilenburg wurde zwar die Klärung der rechtlichen Grundlage geklärt, indem die Patronatsgewalt über die Predigerstelle dem Rat übertragen wurde, doch behielt sich der Kurfürst ein Mitbestimmungsrecht vor. Insbesondere die Erstbesetzung nahm er für sich in Anspruch und sprach sich somit gegen Zwilling aus. Da die Verhandlungen von einem erbitterten Widerstand des Propstes und des Pfarrers zu St. Bartholomäi begleitet wurden, hatte Zwilling in der kurzen Zeit seines Amts kaum die Möglichkeit, dieses in geregelter Weise auszuüben. Weil der Pfarrer dem Prediger den Zutritt in die Kirche verwehrte, so schildert es der Propst brieflich dem Kur3

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Weil das Bergerstift den Prediger Johannes Doring eingesetzt hatte, der es dem Stadtrat an Gelehrsamkeit fehlen ließ, hatte der Rat versucht, die Stelle auf eigene Faust neu zu besetzen. Der Streit wurde damals durch den Geleitsmann Konrad Triller mit der Festlegung beigelegt, dass einem Prediger, der nur über den Titel eines Baccalaureus verfügte, nur 6 der 8 ß zuzugestehen seien, vgl. StA Altenburg, XII. p. Nr. 3, fol. 68v–69r, abgedruckt bei HASE, Bartholomäikirche (1862), S. 294 f. Zitiert nach LÖBE, Reformation I (1863), S. 40. Eine Abbildung der Liste der 77 Namen befindet sich bei KOHNLE/MECKELNBORG/SCHIRMER, Steuermann der Reformation (2014), S. 350.

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fürsten, sollen sich einige Ratsherren mit ausgewählten Bürgern bewaffnet, gewaltsam Zutritt in die Kirche verschafft und den alten Prediger Magister Köler auf der Kanzel bedroht haben. Martin Luther hatte sich zwar, anders als der Kurfürst, für den Prediger Gabriel Zwilling ausgesprochen, verurteilte aber das gewaltsame Vorgehen. Friedrich der Weise ermahnte den Stadtrat daher zur Ruhe und kündigte die baldige Ankunft eines von ihm ausgewählten Predigers an. Die Wahl des Kurfürsten, der somit in entscheidender Weise in die Reformation der Stadt eingriff, fiel auf Wenzelslaus Link, einen langjährigen Freund Luthers, der ebenfalls dem Augustinerorden angehörte und den Friedrich am 24. Juni 1522 auf die Altenburger Predigerstelle berief. Er hatte, 1483 geboren, 1506 in Erfurt den Magistergrad und 1511 in Wittenberg den Doktorgrad der Theologie erlangt. Bereits 1506 war er ins Kloster eingetreten und 1512 zum Dekan der theologischen Fakultät in Wittenberg aufgestiegen. Nachdem er einige Jahre in Nürnberg gewirkt hatte, wurde er Generalvikar des Augustinerordens in Eisleben, von wo er schließlich nach Altenburg kam. Ihm gelang es durch seine dortige Tätigkeit, die Reformation in geordnete Bahnen zu lenken und die gespannte Situation in der Stadt ohne weitere gewalttätige Ausschreitungen zu beruhigen. Ein endgültiges Bekenntnis des Rates zur Reformation stellt die Absetzung der Messen am Dreikönigstag in der Rathauskapelle im Jahr 1523 dar. Die Umstellung der Abendmahlzeremonie unter Reichung beiderlei Gestalt erfolgte erst im Februar 1524. Für mehrere Monate, während derer sich Link als erster Altenburger Geistlicher verheiratete, waren die Wogen geglättet, bis der Rat sich im März 1523 erneut an den Propst des Bergerstifts wandte und nun verlangte, ihm auch die Patronatsgewalt über die Pfarrstelle der Bartholomäikirche abzutreten, damit eine einheitliche Seelsorge der Gemeinde gewährleistet werden könne. Beide Parteien wandten sich daraufhin erneut an den Kurfürsten, der weitere Verhandlungen zwischen Rat und Propst in die Wege leitete. Da sie erneut ergebnislos verliefen, entzog der Stadtrat dem Bergerstift kurzerhand mehrere Zinse. In der Stadt folgten etliche diesem Beispiel, darunter beispielsweise die Fleischerinnung. Mehrmals wandte sich der Propst hilfesuchend an den Kurfürsten, gedachte jedoch nicht, den städtischen Forderungen nachzugeben. In dieser Situation erschien am 1. März 1524 eine Gruppe von Abgeordneten der Gemeinde zu St. Nikolai, die in dem reformatorischen Geschehen bisher nicht involviert gewesen ist, vor dem Rat. Durch sie wurde dem Rat die Bitte der Gemeinde zugetragen, beide Kirchgemeinden zu einer zusammenzulegen, die Nikolaikirche abzuschließen und die Gottesdienste und Messen in die Kirche der Franziskaner zu verlegen. Bereits am Tag darauf schrieb der Rat dem Kurfürsten und teilte ihm im Anbetracht der scheinbar einhelligen Meinung der Stadt mit, dass man den Propst des Bergerstifts fortan nicht mehr als den geistlichen Herren der Stadt anerkenne. Von der Gemeinde weiterhin bedrängt, wandte sich der Pfarrer von St. Bartholomäi zur Flucht ins Bergerstift. Der Forderung nach den

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Schlüsseln zur Pfarre kam er nicht nach, weshalb der Rat diese am 21. März 1524 gewaltsam öffnen ließ. Am 3. Mai wurde im Rat schließlich über die von der Gemeinde beantragte Schließung der Nikolaikirche beraten und mehrheitlich beschlossen. Der dortige Pfarrer wurde kurzerhand abgesetzt und Wenzelslaus Link zum neuen Pfarrer erhoben. Den Franziskanern, in deren Kirche die gottesdienstlichen Handlungen der Nikolaikirche verlegt wurden, verbot man jede liturgische Tätigkeit und forderte, stattdessen das Evangelium zu predigen. Bereits zu dieser Zeit wurden die Kleinodien der Franziskaner begutachtet und vom Rat unter Verschluss genommen, doch erzwang ein kurfürstlicher Beschluss deren Rückgabe. Wenzelslaus Link verließ Altenburg im Jahr 1525 und kehrte zurück nach Nürnberg. Georg Spalatin wurde zu seinem Nachfolger erhoben. Geboren in Spalt am 17. Januar 1484 als Georg Burckhardt d. J., kam er, nachdem er in Nürnberg die Schule besucht hatte, 1498 an die Universität nach Erfurt. Bereits in ihrem Gründungsjahr trat er in die Wittenberger Universität ein und erhielt 1503 als einer der ersten Wittenberger Studenten den Magistergrad. Seit seiner Nürnberger Schulzeit und vollends seit dem Studium in Erfurt war er fest im Humanismus verwurzelt und eng mit dem Erfurter Humanistenkreis verbunden. 1505 trat er auf deren Vermittlung in das Kloster Georgenthal ein und erhielt zwei Jahre später die Pfarrstelle in Hohenkirchen. Vor allem durch Mutianus Rufus protegiert, trat er in dieser Zeit in den Kontakt und die Dienste Friedrichs des Weisen und wurde bis zu dessen Lebensende einer seiner engsten Vertrauten. 1511 erhielt er eine Pfründe am Altenburger Georgenstift, wodurch er die ersten Beziehungen zu seiner späteren Wirkungsstätte knüpfte, durch seine Hofämter aber von der Residenzpflicht befreit werden konnte. Aufgrund seiner Freundschaft zu Martin Luther, die um 1514 ihren Anfang nahm, und seiner Hinneigung zur Reformation, übernahm er die Vermittlerrolle zwischen dem Kurfürsten und dem Reformator. In dieser Position ist seine Rolle in der Geschichte der lutherischen Reformation, wie sich schon seine Zeitgenossen bewusst waren, kaum zu überschätzen. Neben verschiedenen anderen Hofämtern übernahm der in humanistischer Tradition nach seinem Heimatort so genannte Spalatin seit 1522 auch die Stelle eines Hofkaplans und Hofpredigers. Dieses Amt legte er kurz nach dem Tod des Kurfürsten nieder und trat im August des Jahres 1525 die Pfarrstelle in Altenburg an.5 Durch Spalatins langjähriges Wirken in Altenburg kam es endgültig zur einheitlichen Strukturierung eines evangelischen Kirchenwesens, das nun auch die anderen geistlichen Einrichtungen, allen voran das Georgenstift, dem er selbst angehörte, erfasste. In diesem waren erstmals 1522 Klagen laut 5

Zu Spalatins Leben und Wirken vgl. vor allem HÖSS, Spalatin (1989); KESSLER/PENNSpalatin in Altenburg (2012); KOHNLE/MECKELNBORG/SCHIRMER, Steuermann der Reformation (2014).

DORF,

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geworden, dass die Erlangung der Zinse und Einkünfte von Adel, Bürgern und Bauern „mehr beschwerlich dan vorschyner zceit“6 sei. Dies aufgreifend hatte Spalatin bereits vor seinem Amtsantritt als Altenburger Pfarrer, im November 1524 und abermals im Februar 1525, versucht, gegen die katholischen Zeremonien vorzugehen, um dem Willen der reformatorisch gesinnten Bürger entgegenzukommen und Spannungen und Unruhen vorzubeugen. Da er mit diesem Anliegen jedoch stets auf Widerstand gestoßen war und das Stift sich weiterhin dem Druck der Bevölkerung entgegenstellte, kam es Ende April 1525 zum Sturm auf das Georgenstift. Verwüstungen und Zerstörung im Stift und den Häusern der Mitglieder waren die Folge. Durch die gegen das Stift gerichtete Ausschreitung der Bevölkerung bewogen, stellte der Stadtrat dem Stift ein Ultimatum, die Zeremonien dem evangelischen Kirchenwesen anzupassen und sich in verschiedenen wirtschaftlichen Belangen den städtischen Interessen unterzuordnen. Beschwerden der Kanoniker beim Kurfürsten hatten wenig Aussicht auf Erfolg. Johann, der im September 1525 persönlich zu einem Landtag vor Ort war, wies alle Beschwerdepunkte ab und forderte die Reformation des Stiftes. Eine am 11. September einberufene Versammlung der Kanoniker zeigte jedoch, dass nur eine kleine Minderheit der Reformation zugeneigt war. Unter ihnen befand sich Spalatin, der durch seine führende Rolle und vollends durch seine Heirat am 19. November 1525 die Missbilligung des Stiftes auf sich zog. Noch im Jahr 1525 trat der ehemalige Prior des Wittenberger Augustinerklosters Eberhard Brisger als Prediger neben Spalatin, zu ihnen gesellte sich als Prediger für St. Nikolai Erhard Schaubis. Durch sie waren nun alle geistlichen Stellen an den Pfarrkirchen mit evangelischen Amtsträgern besetzt. Die Reformation der Stadt Altenburg war nicht mehr aufzuhalten und die Klöster und Stifter gingen, verstärkt durch die ab 1527 einsetzenden Visitationen, ihrer Auflösung entgegen.

3.2. Der Niedergang des altkirchlichen Schulwesens In noch stärkerem Maße als die Klöster und Stifte wurden die Schulen von der Reformation in Mitleidenschaft gezogen. Mit nur einer Ausnahme, der Nikolaischule, ist innerhalb kurzer Zeit ein völliger Niedergang zu konstatieren. Der Stadtrat wusste sich noch 1556 zu erinnern, dass die alten Schulen durch die Einführung der lutherischen Lehre „wuest wurdenn“. 7 Ob der oben skizzierte Qualitätsverlust des Schülerchores der Martinsschule im Jahr 1520 bereits den 6 7

LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4251, fol. 113r. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4271, fol. 1r; StA Altenburg, XII. b. 4. Nr. I, unfol. (Entwurf). Vgl. auch BÜNZ, Schulwesen (2014), S. 225 u. 233.

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ersten Einflüssen der Reformation zu verschulden ist, kann nicht genau festgelegt werden, doch zeigen sich in der Bergerschule bereits im selben Jahr die ersten Auswirkungen, die mit Sicherheit auf diese Zäsur zurückgehen. Blasius Helwig, der letzte namentlich bekannte Schulmeister der Bergerschule, kündigte in diesem Jahr seinen Dienst auf, weil etliche Bürger die Zahlung des Schulgeldes verweigert hatten. Er drohte diesen mit Konsequenzen, woraufhin einige die Schulden beglichen. Gegen insgesamt 23 Bürger führte er dennoch beim bischöflichen Offizial in Zeitz Klage. Ihnen drohte nun aufgrund einer nur sehr geringen Geldschuld der Kirchenbann. Um dies zu verhindern, sandte der Stadtrat nach Zeitz, um die Sache am städtischen Gericht verhandeln zu dürfen. Der Kurfürst wurde zur Vermittlung herangezogen. Der Ausgang dieses Schulgeldstreites ist nicht ersichtlich.8 Blasius Helwig findet sich nach seinem Rücktritt und einer Konversion zum lutherischen Glauben im Pfarramt von Monstab wieder. 1539 erlangte er bei Georg Spalatin ein wohlwollendes Urteil. Er sei gelehrt, verfüge über eine große private Bibliothek „vil guter bucher“ und studiere gerne. Es wäre wünschenswert, so Spalatin, weitere Männer seiner Art zu haben, die als einstige katholische Priester auch zum evangelischen Pfarramt taugten.9 Der Rückgang der schulischen bzw. der liturgischen Aktivitäten der Bergerschule lässt sich anhand der Kirchenrechnungen nachvollziehen. 1521/22 erhielt der Schulmeister noch in aller Regelmäßigkeit, wie in der Gesangsordnung von 1478 festgeschrieben, aus der Kasse der Kirchenvorsteher von St. Bartholomäi seine Entlohnung für das Abhalten des Salve Regina. Im darauffolgenden Jahr blieb die durch das Eintragen der Ausgabenkategorien bereits vorbereitete Rechnung jedoch in allen Kategorien leer.10 Im selben Jahr fand auch die Zahlung der Kirchenvorsteher von St. Nikolai für die Messen der Fastenzeiten ihr Ende.11 Von der Kalandsbruderschaft erhielt er sein zweimal jährlich ausgezahltes Gehalt noch bis in den Rechnungsjahrgang 1523/24, jedoch nur noch in Höhe von 4, statt wie zuvor 5 a ß.12 Einen weiteren Einschnitt in die finanzielle Versorgung des Bergerschulmeisters stellte die Einstellung der Rathausmesse am Dreikönigstag dar. Wann der Schulbetrieb letztlich eingestellt wurde, kann nicht fest8

Vgl. DIETZE, Schulwesen (1922), S. 7; BÜNZ, Schulwesen (2014), S. 230. Diese nach Paul Dietze wiedergegebene Schilderung basiert auf einer Akte im Altenburger Stadtarchiv (XIV. 10. Nr. 17), die heute leider verloren ist. Sie informierte vermutlich auch über weitere Aspekte der inneren Organisation der Schule, doch schöpfte Dietze sie nicht weiter aus. Von dem Streit zeugt heute lediglich noch der Ausgabenposten von 3 gr aus der Stadtkasse an den Boten, der „In sachen etzlich burger dy do vom alden schulmeyster Blasio helwig gewert wurd[en]“ nach Zeitz gesandt wurde, vgl. StA Altenburg, XI. A. 2a. Nr. 42, fol. 66v. 9 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1268, fol. 1r u. 2br, Zitat fol. 2br. 10 Vgl. StA Altenburg, XII. p. 7, unfol. 11 Vgl. StA Altenburg, XII. p. 17, unfol. 12 Vgl. StA Altenburg, XII. p. 8, unfol.

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gestellt werden. Paul Dietze vermutet, dass die Unruhen zur Zeit des Bauernkrieges ihren Niedergang besiegelten.13 Ein ähnliches Geschick traf die Martinsschule. Der oben skizzierte Niedergang des Schülerchores, der 1520 seinen Anfang nahm und sich mittelbar auch auf die kurfürstliche Hofkapelle auswirkte, konnte scheinbar nicht, und wenn, dann nur für kurze Zeit, wieder ausgeglichen werden. Ein Brief des musikaffinen Kurfürsten vom 1. Juni 1522 an das Georgenstift zeichnet ein deutliches Bild: Wir worden bericht, das Ir In vnser Capelln mangel an Knaben haben sollet vnd die Ienig so Ir habt nit gestymbt sein solln. Weil Ir dan wist, mit was vnkosten wir solche capelln vnderhalten, hetten wir vns versehen Ir wurdet vleis gethan vnd daran nit mangel haben sein lassen. Aber wie denn Begern wir, Ir wollet nach guthen Knaben trachten vnd euch bevleyssigen soviel Ir derselben bedurfftig außzurichten vnd zwbekomen, domit Ir, wan wir euch ainsten erfordern werden, mit der Cantorei zum singen geschickt seyt, daran thut Ir vns zugefallen.14

Welche Maßnahmen diesen ernsten Worten folgten, muss offengelassen werden, doch ist bekannt, dass Kurfürst Johann bald nach seinem Amtsantritt 1525 die in seinen Augen übermäßig unterhaltsintensive Hofkantorei auflöste. 15 Im Jahr 1528 wurde der Kurfürst brieflich vom Tod des langjährigen Kantors Leonhard Zcehnder unterrichtet.16 Er hatte sein Amt mindestens 17 Jahre inne gehabt. Wie das gesamte Stift verwehrte sich auch die damit verbundene Schule den reformatorischen Einflüssen. Als auf Drängen Georg Spalatins am 11. September 1525 die Stiftsversammlung einberufen wurde, um die reformatorischen Forderungen zu beraten, sah sich das Stift in eine altgläubige Mehrheit und eine der Reformation gegenüber aufgeschlossene Minderheit gespalten. Die Gegner der Reformation verfassten daraufhin ein Schreiben zu ihrer Stellungnahme, das von 25 Stiftsmitgliedern unterzeichnet dem Kanzler Gregor Brück zugesandt wurde. Unter den 25 Namen befindet sich auch der Scholaster Johann von Haugwitz.17 Die Scholasterie hatte in dieser Zeit jedoch den Verlust ihres grundlegenden Einkommens zu beklagen. Die Verkäufer des Zinses aus Korbußen, durch welche die Scholasterie einst dotiert worden war, waren vor den Bauernunruhen nach Ronneburg geflüchtet.18 Ein Brief vom 29. November 1526 informiert den Kurfürsten schließlich über die schwere Krankheit und den Tod des letzten Scholasters. Unter anderem wurde in diesem Schreiben daran erinnert, dass es einst üblich war, nach dem Tod eines Stiftsherren dem Stift dessen Präbende zur 13 14 15 16 17

Vgl. DIETZE, Schulwesen (1922), S. 7. Vgl. auch GABELENTZ, Schulen (1863–1866), S. 200. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4251, fol. 112r. Vgl. GEHRT, Lieder (2012), S. 30. Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4251, fol. 198r–v. Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4236, fol. 11r, abgedruckt bei LÖBE, Reformation II (1863), S. 501. 18 Vgl. StA Altenburg, XII. d. Nr. III, unfol.

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Abzahlung seiner möglichen Schulden für ein Jahr weiterhin folgen zu lassen. Da das Stift nun in finanzieller Not sei, erbat man sich durch die Beifügung einer Kopie der entsprechenden Urkunde, dass der Kurfürst die Präbende des Scholasters nicht weitervergeben, sondern dem Stift zur finanziellen Zulage gewähren möge.19 Das Amt des Scholasters wurde nicht wieder besetzt. Entgegen der Bitte des Stiftes wurde dessen Präbende jedoch in ein Stipendium umgewandelt, das Heinrich von der Planitz empfing.20 Das Einkommen der Scholasterie wurde ebenfalls zur Zahlung von Stipendien aufgewandt. Für zwei Jahre erhielt es ein Nikolaus Preuschel aus Altenburg in einer Höhe von 7 n ß 42 gr. Das Einkommen der Kantorei, das demselben Zweck zufloss, diente einem Georg Lange aus Torgau in Höhe von 7 ß zur Finanzierung seines Studiums.21 Auch das Kostgeld für den Schulmeister und seine Gesellen aus dem Amt ging der Martinsschule verloren. Im Jahr 1523/24 wurde es noch vorschriftsmäßig gezahlt,22 doch belegt ein Beschwerdeschreiben des Kantors Leonhard Zcehnder des Jahres 1527, dass es das letzte Mal gewesen sei.23 Um 1530 empfing ein sogenannter alter Blasius an der Stelle des früheren Schulmeisters ein Kostgeld von 1 ß 3 gr aus dem Amt. Man zahlte es ihm „die weyll er lebt“.24 Natürlich kann in keiner Weise bestimmt werden, um wen es sich dabei handelte, doch ist die Versorgung eines alten ausgedienten Schuldieners nicht ausgeschlossen. Obwohl all diese Vorgänge auf einen steten Schulverfall hinweisen und vor allem das Ende der Kantorei mit dem Tod des Kantors besiegelt war, belegen die Stiftsrechnungen, dass noch bis in die 1530er Jahre hinein Chorschüler für den Dienst herangezogen wurden.25 Dass die Schule durch die Reformation in eine kleine evangelische Schule umgewandelt worden sei, wie in der älteren Forschung vermutet wurde,26 kann nicht belegt werden, erscheint hinsichtlich der genannten Rechnungen aber unwahrscheinlich. Ihre Aktivität trug mit Heiligenmessen, Seelenbädern und ähnlichem noch immer katholische Züge. Über das Ende des Johannisschulbetriebs und die weitere Nutzung des Schulhauses informiert recht genau ein Briefwechsel des Jahres 1530. Das „heusseleins

19 Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4251, fol. 180r–v. 20 Vgl. LÖBE, Reformation II (1863), S. 526; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 8 f. (fälschlicherweise datiert Dietze den Tod Haugwitz’ auf 1517); ANHALT, Kollegiatstift (2004), S. 18. 21 Vgl. StA Altenburg, XII. p. Nr. 13b, fol. 198r. 22 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 336, fol. 20v. 23 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Kk 27, fol. 1r–v. 24 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 350, fol. 36v. 25 Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4257, fol. 13v (1533). 26 Vgl. LORENZ, Gymnasii (1789), S. 9; GABELENTZ, Schulen (1863–1866), S. 202; BRAUN, Altenburg (1872), S. 211.

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[…] So hie bevor zw einer schull gebraucht worden“ werde seit dem „peurischen auffrur“27 nicht mehr als Schule genutzt. Schon damals seien keine Schüler mehr gehalten worden. Mit der Erlaubnis des Kurfürsten sei es als Wohnhaus einem Matts Pfaffen vermietet worden, der es für drei Jahre bewohnte. Nach dessen Weggang hatte der Amtmann Hans Veit von Schmölln um die Wohnung ersucht, doch zog der Deutsche Orden es wieder an sich, um es als Krankenlager des von einer Seuche heimgesuchten Ordenshauses zu nutzen, um die von der Krankheit befallenen von den Gesunden abzusondern. Da der daraufhin befragte Kurfürst in diesem Fall zugunsten des Ordens entschied und Heinrich Forster beauftragte, Hans Veit eine andere Bleibe zuzuweisen, erfüllte das Schulhaus die Funktion eines Krankenlagers noch über das Jahr 1530 hinaus. 28 Offiziell wurde der Deutsche Orden erst 1529 von der Pflicht, eine Schule zu unterhalten, enthoben. In diesem Jahr wurde zwischen dem Kurfürsten und dem Hochmeister des Deutschen Ordens ein Vergleich geschlossen, der neben Altenburg auch Plauen und Weimar betraf. Er bestimmte, dass der Orden angesichts der religiösen Spaltung des Reiches für die Frist von sechs Jahren von den seelsorgerlichen Pflichten – darunter die Unterhaltung einer Schule – entbunden sein solle. Stattdessen müsse er jährlich die Summe von 30 a ß in den Gemeinen Kasten zahlen.29 Bereits bei der Visitation des Vorjahres wurde deutlich vermittelt, dass der Deutschmeister die Erhaltung der Schule als Bürde empfunden habe. Von ihr entledigt zu werden, hatte er zur Bedingung für alle Verhandlungen gemacht.30 Aus der Rückschau der 1550er Jahre stellte es der Stadtrat so dar, dass der Komtur, als er sah, dass „die Papisterey abgeleinet“ sei, die Lust an den geistlichen Bürden verloren und diese „vfs Ambt vnnd Stadt [zu] weltzenn“31 versucht habe. Während über das Schicksal der Bartholomäischule nichts bekannt ist, konnte die Nikolaischule über die Anfänge der Reformation hinaus erhalten werden. Auch sie musste für einige Zeit einen Niedergang erleben und vielleicht ihren Schulbetrieb um 1523 für kurze Zeit einstellen. Während der Bergerschulmeister seit 1520/21 keine liturgischen Funktionen in der Nikolaikirche mehr übernahm, bestand die festliche Ausrichtung des Nikolaus- und des Kirchweihtages noch zwei Jahre fort. Erst 1523 versiegt auch dieser Hinweis auf die Existenz der

27 Für beide Zitate LATh-StA Altenburg, Landesregierung 19477, fol. 22r. 28 Vgl. ebd., fol. 22r–27r. 29 Vgl. StA Altenburg, XII. p. Nr. 21, fol. 4r–5v; LATh-StA Altenburg, Landesregierung 19476, fol. 26r–28r (Abschrift), Urkunde abgedruckt bei GABELENTZ, Aufhebung (1845– 1848), S. 170–172. Vgl. auch LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 466, fol. 3r; GABELENTZ, Aufhebung (1845–1848), S. 149 f.; JÄPEL, Reformation (1989), S. 63; SCHMALZ, Spalatin in Altenburg (2009), S. 49; SCHMALZ, Klöster (2014), S. 97. 30 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 236, fol. 6r–v. 31 Für beide Zitate LATh-StA Altenburg, Landesregierung 19476, fol. 114r.

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herkömmlichen Nikolaischule.32 Nur kurze Zeit später, vermutlich 1524, ist diese Schule jedoch einem Franziskanermönch namens Veit Pempel, gebürtig zu Schmölln, übertragen worden, der sie bis 1529 als kleine Elementarschule fortführte. Eine sehr bescheidene handschriftliche Schulchronik des 17. Jahrhunderts informiert über die Geschicke der Schule unter seiner Leitung.33 Demnach habe Pempel für zwei bis drei Stunden am Tag Jungen und Mädchen zusammen unterrichtet. Die Schule soll zwischen 30 und 40 Schüler gezählt haben. Für seine Dienste erhielt er bei dem Fleischhauer Wolfgang Kretziger34 die Kost, dem dafür vom Rat ein wöchentliches Kostgeld von 10 gr entrichtet wurde. Bereits zu dieser Zeit habe Pempel über einen Gehilfen verfügt, der mit an seiner Verköstigung beteiligt war. Weitere Ausgaben des Rates zeichnen schließlich Pempels Lebensende nach.35 2 gr wurden für zwei Brillen gezahlt, 2 gr 3 d für ein Paar Schuhe, 1 ß 35 gr 3 d für 381 Kannen Bier binnen 17 Wochen, 6 d für eine Kanne Wein, als Pempel krank war, 4 gr für Medizin aus der Apotheke und schließlich 2 gr für sein Begräbnis. Er starb im Jahr 1529 und wurde im Kreuzgang der Franziskanerkirche beerdigt.36 Bereits unter seiner Schulleitung wurde die Nikolaischule in das

32 Vgl. StA Altenburg, XII. p. Nr. 17, unfol. 33 Vgl. StA Altenburg, XII. a. 6. Nr. 12. Weitere Kurzstudien gleichen oder ähnlichen Inhalts, vermutlich aus der Feder späterer Schullehrer, liegen im Staatsarchiv Altenburg vor (bspw. LATh-StA Altenburg, Friedrichsgymnasium Altenburg, Nr. 4; ebd. Nr. 13) und verdeutlichen für das 17./18. Jahrhundert ein reges Interesse an den Ursprüngen der eigenen Schulgeschichte. Die lokalgeschichtliche Forschung, in erster Linie G. Ludovicus und Ch. H. Lorenz, auf deren Arbeiten die spätere Forschung hauptsächlich aufbaute, rezipierten jedoch nur das hier angesprochene Exemplar und brachten daraus wörtlich entlehnte Passagen in die Forschung ein, die sich bis in die heutige Zeit als Altenburger historisches Gemeingut erhalten haben (so bspw. die Bezeichnung Pempels als „verlebter“ Mönch). Wie die Quellenstudien zu der vorliegenden Dissertation jedoch ergaben, ist diese Chronik (und somit die Arbeiten Ludovicus’ und Lorenz’) in weiten Teilen der Chronologie fehlerhaft. Wo dies anhand der Primärquellen nachvollziehbar ist, sollen die Fehler im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit richtig gestellt werden, doch liegen für die Geschicke der Nikolaischule unter Veit Pempel keine Primärquellen mehr vor. Die Informationen, welche die Chronik liefert, sollen dennoch nicht verschwiegen, müssen jedoch mit der gebotenen Vorsicht betrachtet werden. Vgl. dazu LUDOVICUS, Schul-Historie IV (1713), S. 159; LORENZ, Gymnasii (1789), S. 11–13. 34 Ludovicus und Lorenz nennen ihn fälschlicherweise Valentin Kretziger, vgl. Ludovicus, Schul-Historie IV (1713), S. 159; LORENZ, Gymnasii (1789), S. 13. 35 Die genannten Ausgaben wurden vermutlich aus dem damals bereits bestehenden Gemeinen Kasten entrichtet. Eine Rechnung, der die Zahlen wohl entnommen wurden und anhand derer man die Ausgaben hätte überprüfen können, ist nicht mehr erhalten. 36 Vgl. StA Altenburg, XII. a. 6. Nr. 12, S. 1 f.; LORENZ, Gymnasii (1789), S. 12 f.; WAGNER, Georg Spalatin (1830), S. 97 f. u. 132; CASELMANN, Link’s Leben (1863), S. 390; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 11 u. 22; BÜNZ, Schulwesen (2014), S. 228.

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ehemalige Franziskanerkloster verlegt, doch soll darauf an späterer Stelle genauer eingegangen werden.

3.3. Die Anfänge eines evangelischen Schulwesens 3.3.1. Ein Neuanfang im Jahr 1522 – die früheste Schulgründung der Reformation? Nach deme aber anfangs des Euangelii solche schulen wueste wurdenn, So hatt die hochste notturfft erfordert, auff gelegenheit zu trachten, damit die Jugent In Christlicher lare vnd Zcucht vnderwiessenn, So es dan vnserenn vorfahrn zw der zeit nicht alleine an der Schulen, sondern an orthern, do beide pfarher, prediger, diacon, schulen vnd kirchen dienere Ire whonunge vnd vnderhaltunge haben mocht gemangeltd.37

Mit diesen Worten schilderte der Stadtrat im Jahr 1556 den Söhnen Johann Friedrichs die Lage der Schulen von 1522 und die Notwendigkeit zur Gründung einer neuen Schule. Der Stadtrat hatte daraufhin die Initiative ergriffen. Altenburg stellt unter den oben angeführten Städten, deren Stadtrechnungen eine schulische Intervention verdeutlichen (Kap. II. 1.2.), den frühesten Fall dar: Die Rechnung des Jahres 1522/23 liefert erstmals Hinweise auf städtische Ausgaben zu einer materiellen Schulversorgung. Es sind die ersten spärlichen Informationen über eine im September 1522 vorgenommene Schulgründung – nicht nur die Unterstützung einer bereits bestehenden zur Ergänzung des Schulgeldes wie im nächstfolgenden Arnstädter Beispiel. Es wurden 8 gr für einen Ofen aufgewandt und 1 ß 20 gr betrug die Höhe der Besoldung des ersten Schulmeisters, eines namenlosen Baccalaureus, der von Michaelis (29. September) 1522 bis Ostern 1523 wirkte. Ihm folgte als erster namentlich bekannter Schuldiener der neuen Schule Magister Georg, der 20 gr für seine erste Dienstzeit erhielt. Ein weiterer Vermerk an derselben Stelle verdeutlicht, dass die Bürgerschaft der Stadt offensichtlich ein großes Interesse an der neuen Schule hatte, denn „das andr haben gemeyne burg[er] dar zw gebn“.38 Die lokalgeschichtliche Forschung ist sich einig, dass zu Michaelis 1522 auf Betreiben des Stadtrates eine neue Schule an der Hauptpfarrkirche St. Bartholomäi ins Leben gerufen wurde.39 Nur wenige stellen diese Gründung jedoch in den 37 LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4271, fol. 1r; StA Altenburg, XII. b. 4. Nr. I, unfol. (Entwurf). 38 Vgl. StA Altenburg, XI. A. 2a. Nr. 44, fol. 91v/92v, Zitat fol. 92v; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 12; KÜTTLER, Gymnasium (1972), S. 307; BÜNZ, Schulwesen (2014), S. 233. 39 Vgl. LORENZ, Gymnasii (1789), S. 16; BEUST, Jahrbücher II (1800), S. 27; WAGNER, Georg Spalatin (1830), S. 93–95; GABELENTZ, Schulen (1863–1866), S. 205; BRAUN, Altenburg (1872), S. 212; VORETZSCH, Realgymnasium (1898), S. 19; DIETZE, Schulwesen (1922),

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Kontext der Reformation. Einige Vertreter der älteren Forschung sprechen vom Geist einer neuen Zeit, der die Menschen mit dem herkömmlichen schulischen Angebot unzufrieden sein ließ40 und nur zögerlich wird auf den Besuch Luthers im Frühjahr verwiesen. 41 Ein überregionaler Kontext wurde nicht hergestellt, sodass die Gründung in der allgemeinen Schulgeschichtsforschung bislang keine Rolle gespielt hat. Der älteren Forschung galt die 1524 durch Myconius ins Leben gerufene Schule von Gotha als die erste der neuen Konfession (Kap. II. 6.1.). Erst im Jahr 2005 wurde dem durch Wolfgang Mayrhofer das ebenfalls 1524 gegründete Magdeburger Altstadtgymnasium entgegengestellt. 42 Zukünftig muss der Rang der ersten Schulgründung vor dem Hintergrund der Reformation jedoch Altenburg zukommen. Tatsache ist, dass im Jahr 1522 der Niedergang des vorreformatorischen Schulwesens noch zu keiner endgültigen Schließung der Altenburger Schulen geführt hatte. Die in diesem Jahr gegründete städtische Schule trat somit neben ein mehr oder weniger intaktes, wenn auch bereits in Mitleidenschaft gezogenes kirchliches Schulwesen, anstatt wie in den vergleichbaren Fällen aus ihm hervorzugehen. Sie wurde in das Haus der Rosenkranzstiftung nahe der Bartholomäikirche einquartiert und 1528, nach dem Niedergang der alten Pfarrschule, in das nun leerstehende alte Schulhaus verlegt. Das Haus des Rosenkranzlehens konnte somit, wie ein Bericht an die Visitatoren informiert, für 21 n ß zugunsten des Gemeinen Kastens verkauft werden.43 Die Gründung der Schule im Jahr 1522 stand in einem engen Zusammenhang mit den oben geschilderten frühreformatorischen Auseinandersetzungen der Stadt mit den kirchlichen Institutionen, allen voran dem Bergerstift. Da die kirchlichen Schulen zu dieser Zeit durchaus noch bestanden, geht die zitierte Bemerkung des Stadtrates von 1556 über die wüst liegenden Schulen fehl. Viel eher bezog sich die im Frühjahr 1522 bahnbrechende Missbilligung der herkömmlichen kirchlichen Autorität über die Stadt in gleicher Weise auch auf den kirchlichen Hoheitsanspruch über die Schulen, wie es sich bereits zwei Jahre zuvor in dem skizzierten Schulgeldstreit abgezeichnet hatte. Dem kirchlichen Schulwesen stand jedoch durch das Fehlen einer städtischen Schule keine Alter-

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S. 12; SCHNEIDER, Altenburg (1923), S. 46; MORITZ, Schulgeschichte (1998), S. 175; BÜNZ, Schulwesen (2014), S. 233. Vgl. DIETZE, Schulwesen (1922), S. 12; SCHNEIDER, Altenburg (1923), S. 46. Vgl. SCHNEIDER, Altenburg (1923), S. 46; BÜNZ, Schulwesen (2014), S. 233. Im Gegensatz dazu versucht Schmalz sogar, den Einfluss der Reformation auf das städtische Bildungswesen zu negieren, vgl. SCHMALZ, Spalatin in Altenburg (2009), S. 59 f. Vgl. MAYRHOFER, Stadtschule (2005). Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1, fol. 32v–33r; StA Altenburg, XII. o. Nr. Ia, unfol. (Entwurf); DIETZE, Schulwesen (1922), S. 11; RICHTER, Vorgängerbildungsstätten (2010), S. 166.

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native zur Verfügung. Während in anderen Städten die in späteren Jahren eingesetzten Prediger aus diesem Grund über die Vernachlässigung des Schulwesens im Zuge des reformatorischen Eifers klagten, war das Bildungswesen in Altenburg hingegen von Anfang an so eng mit den reformatorischen Bestrebungen verbunden, dass die Gründung einer neuen Schule zu den ersten reformatorischen Maßnahmen der Stadt gehörte. Altenburg steht damit, was nicht genug betont werden kann, singulär unter den thüringischen Städten und nimmt auch reichsweit zwei Jahre vor der Magdeburger und vier Jahre vor der berühmten Nürnberger Schulgründung eine führende Rolle ein. Letztendlich wird eine Schule jedoch durch ihre inhaltliche Ausrichtung als eine reformatorische Schule charakterisiert. Dass darüber in dieser frühen Zeit noch keine Zeugnisse vorliegen, fällt insofern aber nicht ins Gewicht, als dass ein definitives reformatorisches Bildungskonzept als Orientierungsrahmen zu dieser Zeit noch in keiner Weise abgesteckt worden war. Die lutherische Reformation stand noch am Anfang ihrer Entwicklung und alle das Schulwesen berücksichtigenden Aspekte waren Luthers bis dahin geäußerten Vorstellungen, die er 1520 in der Adelsschrift niederschrieb. Noch zwei Jahre sollten bis zur Veröffentlichung der Ratsherrenschrift 1524 und sechs Jahre bis zur ersten Organisation des reformatorischen Schulwesens durch Melanchthons Sächsischen Schulplan vergehen. Nichtsdestotrotz scheint die Altenburger Schulgründung besonders durch die Initiative des Stadtrates die Forderungen Luthers vorweg zu nehmen, wodurch der Gedanke nahegelegt wird, dass Luther selbst sich dem Altenburger Rat gegenüber für eine Schulgründung ausgesprochen haben könnte. Als der Reformator nur wenige Monate zuvor, im April 1522, in Altenburg weilte, hielt er eine Predigt, die in Auszügen überliefert ist.44 Sie hatte dem Anlass gemäß die Frömmigkeit und das Wesen der guten Werke zum Inhalt und rief die Zuhörer dazu auf, sich den guten Werken zum Nutzen der Nächsten zu widmen. Seine Gedanken über die guten Werke hatte Luther 1520 in einem Sermon durch den Druck veröffentlicht. Darin werden diese näher ausgeführt und unter anderem der Obrigkeit zur Pflicht erklärt, die „schulen ordenlich [zu] bestellenn, und darinnen gottis dienst mit ernst [zu] erhaltenn, junge leut, knaben und meydlin, in schulen und klostern mit gelereten, frumen Menner [zu] vorsorgenn, das sie alle wol auffgetzogen wurden“.45 Es wird spekulativ bleiben, doch ist es sehr wahrscheinlich, dass Luther seinen eigenen Ausführungen auch in der Altenburger Predigt folgte oder sie dem Stadtrat der nach wie vor stark kirchlich geprägten Stadt auf andere Weise nahebrachte. Für deren Verwirklichung wird schließlich Wenzelslaus Link als enger Vertrauter Luthers gesorgt haben, wenn nicht der Rat aus eigenem Antrieb in seinem deut44 Vgl. LUTHER, Predigt in Altenburg, WA 10.3, S. 101; LÖBE, Reformation (1917), S. 12; SCHMALZ, Schlaglichter (2012), S. 54. 45 LUTHER, Von den guten Werken, WA 6, S. 255 f.

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lich zu Tage tretenden reformatorischen Eifer damit zu Werke ging. Obwohl die neue Altenburger Schule zwar noch keine reformatorische Schule nach der Definition des Sächsischen Schulplans war, kann sie dennoch aufgrund dieser Verflechtungen den Rang der ersten Schulgründung der Reformation für sich in Anspruch nehmen.

3.3.2. Die Eskalation um den Schulmeister Dietrich Reismann Die Anfänge der neu gegründeten Schule liegen, bis auf die bereits erwähnten Hinweise der Stadtrechnung, im Dunkeln. Etwa ein halbes Jahr wurde die Schule lediglich durch einen namentlich nicht genannten Baccalaureus verwaltet, der zu Ostern 1523 von Magister Georg ersetzt wurde. Die ansteigende akademische Bildung beider Amtsträger verdeutlicht, dass der Stadtrat von Anfang an die Etablierung einer Schule vor Augen hatte, welche die Stadt mit gelehrter Bildung versorgen sollte. 46 Sowohl der Baccalaureus als auch sein Nachfolger wurden später für ihre Bildung, ihre Geschicklichkeit und ihren bemerkenswerten Lebenswandel gelobt.47 Insofern überrascht die Entscheidung des Stadtrates, sich nach nur einem Jahr von dem Schulmeister Magister Georg zu trennen. Am 3. Mai 1524 – in derselben Ratssitzung, die auch die Schließung der Nikolaikirche festlegte – wurde beschlossen, den Schulmeister abzusetzen.48 Denkbar ist, dass er den sich nun allmählich herauskristallisierenden Anforderungen an eine reformatorische Schule doch nicht vollends gerecht wurde. Demzufolge wurde sein Nachfolger, Dietrich Reismann, auf die Empfehlungen Luthers und Melanchthons hin eingestellt.49 In der Geschichte der Schule ist Dietrich Reismann der erste Schulmeister, dessen Leben und Wirken greifbar ist und dessen Amtszeit trotz ihres hoffnungsvollen Beginnens nach nur zwei Jahren nicht ohne sein eigenes Verschulden ein unrühmliches Ende nahm. Gebürtig aus Heidelberg kam er bereits in der Schulzeit mit dem Humanismus in Kontakt und pflegte seine dahingehenden Neigungen Zeit seines Lebens. Sein Studium absolvierte er ab 1520 in seiner Heimatstadt sowie ab 1521 in Wittenberg, wohin ihn die Nähe Luthers und Melanchthons zog. Noch im selben Jahr erhielt er das Baccalaureat und 1523, nach Heidelberg zurückgekehrt, den Magistergrad. Mit dem Titel des

46 Vgl. BOSSERT, Reysmann I (1907), S. 572; MORITZ, Schulgeschichte (1998), S. 176. 47 Vgl. KOLBE, Antwort auf das lesterlich schmachbuchlin, fol. aiiiir–v. 48 Vgl. StA Altenburg, XIV. 10. Nr. 16, fol. 44v: „Der Schulen halb[en] ist beschlossen den Schulmeist[er] zuend[…]“ Das betreffende Wort ist nicht eindeutig lesbar, doch kann es aufgrund des zeitlichen Kontextes mit großer Wahrscheinlichkeit als „zu entsetzen“ ergänzt werden. 49 Vgl. LORENZ, Gymnasii (1789), S. 17; WAGNER, Georg Spalatin (1830), S. 96; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 13; BÜNZ, Schulwesen (2014), S. 233.

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Magisters kam er mit dem Ziel des Lehrberufes nach Wittenberg zurück.50 Nach Altenburg ging er wahrscheinlich durch die Vermittlung Luthers und Melanchthons, das Amt des dortigen Schulmeisters trat er kurz vor dem 15. Juni 1524 an. An diesem Tag schrieb Melanchthon an Wenzelslaus Link und gratulierte ihm zur Einstellung Reismanns. Seine Worte offenbaren jedoch bereits zu diesem Zeitpunkt ein gewisses Bedenken. Zwar sei Reismann gelehrt und zeichne sich durch eine große Begeisterung zu den Wissenschaften aus, die er an die Kinder weitergeben könne, doch sei er noch jung und unerfahren und neige zu unmäßigem und aufbrausendem Verhalten. Für den Kirchendienst sei er ungeeignet, weshalb Melanchthon ihm geschrieben und ihm das Predigen verboten habe.51 Die Amtszeit Dietrich Reismanns, die unter diesen Vorzeichen begann, endete nur zwei Jahre später im völligen Zerwürfnis sowohl mit dem Stadtrat als auch mit Spalatin und Melanchthon. Die Ursache suchte Reismann später selbst, wie noch auszuführen sein wird, in der Missachtung des Stadtrates und dessen generellem Desinteresse an der Schule. Zwar wurde ihm im Laufe der Zeit ein Baccalaureus als Gehilfe für die jüngeren Schüler zur Seite gestellt, sodass er sich der höheren schulischen Ausbildung widmen konnte, doch führten die Fragen nach der Bereitstellung von Brennholz, der Schulgeldforderung sowie der Besoldung Reismanns zu weiteren Konflikten.52 Hilfesuchend wandte er sich zunächst an Magister Sebald Nebe, einen beim Stadtrat sehr einflussreichen Apotheker, und schließlich an den Rat selbst. Dieser nahm jedoch an Reismanns stolzem und selbstbewusstem Gebaren Anstoß. Zwar sei sein Brief an den Rat, wie Reismann am 19. November 1525 an Spalatin schrieb, in einem etwas rauen Tonfall gehalten (paulo acerbius), doch habe der Rat ihm in einer zutiefst hochmütigen Weise geantwortet (responderunt superbissime).53 Auf die Intervention Spalatins versprach der Rat zwar, Reismanns Gehalt zu erhöhen, scheint dem Versprechen jedoch nicht nachgekommen zu sein. Der Schulmeister reichte daraufhin seine Kündigung ein. Da diese vom Stadtrat ignoriert wurde, suchte er, wie er abermals an Spalatin berichtete, am 4. April 1526 das Rathaus auf, das er verschlossen und den Rat auf dem Marktplatz versammelt vorfand. Als er sich an den Bürgermeister wenden wollte, habe dieser ihm mit zugekehrtem Rücken geantwortet (secendenti et revocato dixit), Reismanns Anliegen belächelt und ihn um

50 Vgl. BOSSERT, Reysmann I (1907), S. 562–570. 51 Vgl. MBW, T 2, Nr. 327; BOSSERT, Reysmann I (1907), S. 572 f.; DERS., Reysmann II (1908), S. 683; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 13. Die Sorge Melanchthons aufgrund von Jugend und Unerfahrenheit der Kirchen- und Schuldiener scheint eine grundsätzliche gewesen zu sein. Derartige Vorbehalte finden sich in seinen Briefen mehrfach. 52 Für das Folgende vgl. BOSSERT, Reysmann I (1907), S. 573–577; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 14–16; MORITZ, Schulgeschichte (1998), S. 176 f. 53 Brief vom 19. November abgedruckt bei BOSSERT, Reysmann II (1908), S. 699.

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einige Tage vertröstet.54 Als dem Schulmeister nach der festgesetzten Frist jedoch kein Bescheid gegeben worden war, verließ er Altenburg, um am 10. April Melanchthon in Torgau aufzusuchen. Entgegen seinen Erwartungen versuchte dieser ihn allerdings zur Rückkehr zu überreden. Brieflich appellierte Melanchthon an Spalatin, Reismann beizustehen.55 Da der Schulmeister in Altenburg jedoch nicht den erwarteten Empfang erhielt und der Rat ihm sein unerlaubtes Fortgehen sowie die ungültige Kündigung vorwarf, wandte er sich endgültig von der Stadt und der in seinen Augen beim Rat kaum beachteten Schule ab. Im Monat darauf verfasste Reismann ein umfangreiches, 25 Druckseiten umfassendes Schreiben an den Rat zu Altenburg, das er im Mai 1526 in Wittenberg von Hans Luft drucken ließ.56 Darin schilderte er aus seiner selbstbewussten Sicht die Ereignisse der letzten Zeit, indem er, von seiner Unschuld überzeugt, voller Hohn, Sarkasmus und Polemik die Schuld zwei Ratsherren zuschob, die sich gegen ihn verschworen und ihn beim Rat verleumdet haben sollen. In seinen Ausführungen belegte er sie mit den Spottnamen „hochtrabender Dichter“ und „überweiser Meister Hippocras“. Gustav Bossert glaubte, die damit Angesprochenen identifizieren zu können. Es handele sich bei dem Dichter um den Stadtschreiber Valentin Kolbe, und bei Meister Hippocras, angelehnt an den antiken Arzt Hippokrates von Kos und die nach ihm benannte, im 16. Jahrhundert weit verbreitete Medizin, um den Apotheker Sebald Nebe, bei dem Reismann bereits zuvor um Hilfe ersucht hatte.57 So augenscheinlich diese Identifizierung auch scheint, stimmt sie nur zur Hälfte. Valentin Kolbe, der sich selbst in dem hochtrabenden Dichter erkannte, identifizierte nur wenige Monate später den sogenannten Meister Hippocras als den Stadtvogt Sebald Waldsteiner.58 Die Schrift des ehemaligen Schulmeisters, die stark mit biblischen Anspielungen und Zitaten durchsetzt ist, erscheint im Ganzen betrachtet sehr unzusammenhängend und durcheinander. Sie schwankt stets zwischen der Anklage gegen die genannten Widersacher, Unterwürfigkeit vor dem Rat und der Beteuerung seiner eigenen Unschuld. Die Intention bestand hauptsächlich darin, den Rat von den Verleumdungen durch den Dichter und Hippocras zu überzeugen. Dabei gibt Reismann Zusammentreffen und Gespräche mit dem Rat sowie einige eigene Äußerungen wieder, die in seinen Augen wohlmeinend ge54 Brief vom 4. April abgedruckt ebd., S. 700. 55 Vgl. MBW, T 2, Nr. 460. 56 Vgl. REISMANN, Schrifft an die Erbarn. Vgl. dazu WAGNER, Georg Spalatin (1830), S. 96 f.; BOSSERT, Reysmann II (1908); DIETZE, Schulwesen (1922), S. 17. 57 Vgl. BOSSERT, Reysmann II (1908), S. 686 f.; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 17. 58 Vgl. KOLBE, Antwort auf das lesterlich schmachbuchlin, fol. ciir. Obwohl Reismann in seinem zitierten Brief vom 19. November 1525 den Magister Sebald, bei dem er um Hilfe ersuchte, nicht mit dem Nachnamen ansprach, geht aus der Schrift Kolbes hervor, dass es sich bei diesem tatsächlich um den ebenfalls involvierten Apotheker handelte.

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sprochen, doch von seinen Widersachern durch unwiderlegbare Rhetorik ins Gegenteil verkehrt worden seien. Auf diese Weise hätten sie es geschafft, den Rat von dem Wohlwollen, das er möglicherweise Reismann gegenüber gepflegt habe, abzubringen. Die gesamte Schrift steht unter dem vielsagenden und Reismanns Selbstsicht verdeutlichenden 72. Psalm: „Er wird den armen erreten vom geschrey / vnd den elenden der keinen helffer hat“.59 Reismann habe sich zwar vorgenommen, so beginnt er, für die Wahrheit und das Wort Gottes zu leiden, doch müsse er leiden, „wie ein bueff / diep odder mörder“,60 was ihn dazu bewogen habe, sich und die Wahrheit zu verteidigen. Der erste Punkt, gegen den er seine Worte richtete, ist der Vorwurf der widerrechtlichen Kündigung. Er habe, so schreibt er, rechtzeitig seine finanzielle Notlage geklagt und eine Kündigung in Aussicht gestellt, wenn seine Situation sich nicht bessere. Er habe, um nicht hungern zu müssen, selbst das aufgesparte Erbe seines Vaters gänzlich aufbrauchen müssen und stehe nun mit leeren Händen da. Man sei in der Stadt zwar gewillt, die Kirchendiener zu fördern, „aber allenthalben stiess am Schulmeister an“.61 Im Besonderen sei ihm die Lieferung von Brennholz versprochen, doch nie eingehalten worden. Als er, um die Befeuerung der Schule selbst zu übernehmen, um eine Erhöhung des Gehaltes gebeten habe, sei ihm dies als Geiz vorgeworfen worden. Wörtlich zitiert er die Antwort, die ihm auf sein Ersuchen gegeben worden sei: „yhr gesellen meinet / man hab sonst nichts zu schicken / denn das man euch auffwusch / wo yhr her lauffet“. Von denselben, die ihm diese Antwort gaben, wolle er „zwiebeln vnd knobluch nichts reden […] Ich zoge mein pfeiffen ein / dacht auch Sie haben freilich dein gnug vnd der Schulen dar zu. Es ist zeit das du dich austrebest vn klopffest den staub von schuhen“. 62 Einer falschen Lehre sei er beschuldigt worden, obwohl er mehrfach den Rat ersucht habe, Verständige aus ihrer Mitte zu wählen, die Schule unter seiner Leitung zu inspizieren. Stattdessen hätten ihn seine Widersacher jedoch gerne „auch mit einer genötigten vrsach auff die fleischbanck geopffert“.63 Gegen die Gerüchte, die man gegen ihn verbreitete, könne er nichts ausrichten, doch habe er stets rechtschaffen gehandelt. „Wolt yhr aber ewrem tiechter vnd meister Hippocras hoffieren / vnd yhnen mehr gleyben / denn der lautern vnd einfeltigen warheit / mus ichs auch geschehen lassen“.64 Er habe sich auf Gott verlassen und den Rat stets, wie die Bibel lehrt und er selbst „auch widderumb ewere kinder so viel Gott hat geben / geleret“,65 hochachtungsvoll behandelt. 59 REISMANN, Schrifft an die Erbarn, Titel. Das Titelblatt ist abgebildet in KOHNLE/ MECKELNBORG/SCHIRMER, Steuermann der Reformation (2014), S. 355. 60 REISMANN, Schrifft an die Erbarn, fol. Aiv. 61 Ebd., fol. Aiir. 62 Für beide Zitate ebd., fol. Aiir–v. 63 Ebd., fol. Aiiv. 64 Ebd., fol. Aiiir. 65 Ebd., fol. Aiiiir.

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Im Folgenden schildert Reismann das bereits anhand des Briefwechsels wiedergegebene Zusammentreffen mit dem Rat auf dem Marktplatz und die dabei entstandenen Missverständnisse: Um eine Antwort auf sein Kündigungsgesucht zu bekommen, habe er sich zunächst an Spalatin und die Prediger, später an den Rat selbst gewandt, „Erstmals auff dem Rathaus / Darnach zum vberflus fur etlichen der eltiste auff dem marckt / verhoffend es were ongeferde / die weil das Rathaus zu ware / vn ich sie bey einander alda bequemlich hette gefunden / das ich mein notturfft antzeiget“.66 Die Ankündigung eines Schreibens, das ihm durch die Prediger zugestellt werden solle, habe ihn nach der gesetzten Frist von zwei Tagen dem Rathaus fernbleiben lassen. Als der Rat ihn jedoch erwartete und er nicht kam, deutete man ihm dies als Ungehorsam. Reismann verteidigte sich dadurch, dass der Abschied auf dem Markt ihn nicht aufs Rathaus beschieden habe: „Fein were es / wenn ein mensch seine wort wil so eben gehalten haben / das er sie ynn sylberen odder gulden buchstaben fassen lies / sonst wenn sie ynn den wind geredt werden / möchts ferlichkeit bringen“.67 Während Reismann auf Antwort wartete, habe man ihn schließlich durch einen Büttel vor den Rat schaffen lassen, wo er als halsstarrig, ungehorsam und den Predigern gegenüber undankbar beschimpft worden sei. Den Stadtschreiber Valentin Kolbe bezeichnete er in seiner Schilderung als ein gifftige schlang […] / die ein orh auff der erden / vnd mit dem giefftigen schwantz das ander verstopffet / da mit was er ym hertzen hat beschlossen volendet widder mich / den er on vrsach verfolget. Ein solchen gesellen zerbrech man viel ehe / denn das man yhm etwas rechts redet / das seiner hochtrabenden Rhetoriken gemessen were / odder seinen mudt möcht erweichen / der nun durch lange zeit vnd viel vbermuts stein hert worden ist.68

Seine beiden Widersacher hätten sich während der Verhandlung vor dem Rat gegenseitig immer weiter aufgebracht und den Rat gegen Reismann für sich eingenommen, denn vielen / vn darzu den alten glewbt man mehr denn einem allein / vnd einem iungen gesellen / Ich las das alles geschehen / wenn ich auch gleich mein gemüt mit worten nicht kann gnugsam auslegen / so weis ich das / das man hertz vnd gewissen durch Christum zu Gott / der öberkeit vnd den predigern […] recht vnd auffrichtig gestanden ist.69

Dass sich die Prediger, wie er betont, ohne sein Wissen beim Rat für ihn eingesetzt hatten, glaubte Reismann nicht. „Denn solt es der gestalt / als nicht ist / sein / wolt ichs yhnen keinen danck sagen“.70 Dieses von ihm über die Prediger geäußerte Wort, zeugte in den Augen des Rates von Hochfahrt, Egoismus und Undank. Wieder 66 67 68 69 70

Ebd., fol. Aiiiir–v. Ebd., fol. Br. Ebd., fol. Bv–Biir. Ebd., fol. Biir. Ebd., fol. Biiv.

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zog Reismann die Verbindung zu seinen beiden Widersachern. Diese sollen in ihrem Treiben ihre Amtsbefugnis weit überschritten, wie beispielsweise das Ratssiegel unbefugt gebraucht, und selbst gegen die Prediger das Wort ergriffen haben. Ihnen legte Reismann die folgenden Worte in den Mund: Ist vns doch das schwerd vnd die gewalt der öberkeit befolhen / wir sein herrn / sie aber vnsere diener / was durfften sie sich vnterstehen vns zuregieren? Darumb was sie vns ermanet odder geschrieben haben ym namen Gottes wollen wir nicht hören / Wir wollen thun vnd regieren wie es vns gelustet.71

Zwar habe Reismann den Rat mit seiner Verteidigung milde stimmen können, doch sei jeder freie Wille des Rates am Widerstand des Dichters und des Hippocras gescheitert. Er richtete daher den Appell an die Ratsherren, der von Gott geforderten Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen. Der Papst und die Schwärmer, so schreibt er, hätten leichtes Spiel gehabt, wenn jeder Zeit so gehandelt worden wäre, wie in dieser Zeit an ihm. Ein weiterer Aspekt, auf den Reismann sein Augenmerk legte, ist die Frage des Schulgeldes. Die Kinder und ihre armen Eltern hätten ihm leidgetan und der vormals regierende Bürgermeister Herr Schützenmeister habe daraufhin eine Gehaltserhöhung in Aussicht gestellt und angeordnet, die bedürftigen Kinder mit dem Schulgeld zu schonen. Unter dem neuen Rat legte der Meister Hippocras dies nun gegen Reismann aus. Der Rat würde es ihm nicht danken, denn „ich machte den nachkommenden ein böse gewonheit“. Wieso man ihm hingegen einen höheren Sold zahlen solle, sei unbegründet, denn seine Vorgänger hätten bei weitem mehr geleistet, als er, dem dazu noch auf die eigene Bitte hin ein Baccalaureus als Gehilfe angestellt worden sei. Dem entgegnet Reismann zu seiner Verteidigung, „Darzu das yhr den Baccalaureum gehalten / geschach nicht mir / sondern ewren kindern zu gut“.72 Selbst wenn er allein gewesen wäre, hätte er nicht mehr arbeiten können, als er vermocht hätte. In den Vorwürfen der Ratsherren erkannte Reismann hingegen die Unfähigkeit, eine Schule auf rechte Weise zu errichten und zu halten, bzw. mit der ihr gebührenden Sorgfalt zu bestellen: Das wolt ich aber sagen / Viel ein ander ding ists vmb schulen anrichten / denn vmb schulen recht anrichten / Viel stedt richten schulen an / wenig richtens recht an […] Rechter ernst gehört darzu / mehr sorge / auch mehr rechtschaffner lewte / denn etliche klüglein wenen […] Es ist Gott helff vns / wenn ewer tiechter / weisen herrn wusten was ein rechte schul were / so wurden sie die yhenigen / dens befohlen zu regieren / nicht so freuelich haben verforteilt.73

71 Ebd., fol. Biiiir. 72 Für beide Zitate ebd., fol. Ciiiv. 73 Ebd., fol. Ciiiv–Ciiiir.

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An den Rat appelliert er daher, sich der Schule vermehrt anzunehmen und sie um Gottes Willen mit dem nötigen Ernst zu versorgen. Mit ähnlichen Worten, wie Luther selbst einst argumentiert hatte, schildert er, welch einen Schatz man sich damit im Himmel ansammeln würde: „Denn wird ewer gemeiner nutz auffgehen / wie die lilien / odder rosen vnter den dornen“.74 Ein letztes Mal versicherte er dem Rat seine Unschuld, indem er selbst für seine Widersacher bete, Gott möge ihnen verzeihen. Zwar wird sein Büchlein ihnen nicht gefallen, so prophezeit Reismann, doch beendete er seine Ausführungen mit den Worten: Ich las geschehen / will yhnen darzu ein rad geben / das sie etlicher filiorum Belial meuler entlehnen mugen / vnd mich vber schuten mit argwon / lugen vnd lesterung / Gott vnsern Herrn / vnd yn dieser sach mein vnschuld will ich zu hilff nehmen / vnd yhnen kein wort ehr widder sprechen. Wenn sie sich mud gnug gemacht haben / werden sie viel leicht selbs auffhören / ich habe / Gott lobe / an dieser gelegenheit nutzers vnd nöttigers zu thun.75

Dass der Stadtrat Reismanns Schrift zur Kenntnis nahm, belegt die Stadtrechnung dieses Jahres, die eine Ausgabe von 6 d für „des schulmeister schmahebuchlein“76 verzeichnet, worin sich zugleich dessen Meinung über Reismanns Ausführungen widerspiegelt. Der Stadtschreiber Valentin Kolbe, der sich in dem von Reismann verhöhnten Dichter erkannte, sah sich veranlasst und möglicherweise vom Stadtrat beauftragt, die Schmähschrift des Schulmeisters in gleicher Weise zu erwidern. Er verfasste eine Gegendarstellung, die nur zwei Monate später, im Juni 1526, von dem Altenburger Drucker Gabriel Kantz unter dem Titel Antwort auf das lesterlich schmachbuchlin So Ditterich Reyßman vorschiner zeyt ynn kurtzen tagen an drey Rethe vnd Eldisten von der gemeyne zu Aldenburgk durch ein Druck hatt außgehen lassen gedruckt wurde. Während die Schrift Reismanns der Forschung spätestens durch die inhaltliche Erschließung Gustav Bosserts bekannt ist, gilt die Antwort Kolbes bis heute als verloren.77 Ein Exemplar befindet sich jedoch zusammen mit dem Schmähbuch selbst in der Ungarischen Nationalbibliothek in Budapest, sodass es

74 Ebd., fol. Ciiiiv. 75 Ebd., fol. Dr. 76 StA Altenburg, XI. A. 2a. Nr. 47, fol. 73v. Die Seite der Stadtrechnung ist abgebildet in KOHNLE/MECKELNBORG/SCHIRMER, Steuermann der Reformation (2014), S. 356. 77 Obgleich bekannt ist, dass Kolbe die Antwort verfasste, wurde sie nachweislich zuletzt im Jahr 1755 von Salomon Ranisch in seiner Jubelrede zum Jubiläum des Augsburgischen Religionsfriedens zitiert. Ranisch gibt nur wenige Sätze daraus wieder, die heute allerdings zum festen Repertoire der lokalen Forschung gehören, vgl. RANISCH, Rede (1755), S. 190 f., Anm. c. Bereits Ch. H. Lorenz kannte die Schrift 1789 nicht mehr aus eigener Anschauung und zitiert lediglich nach Ranisch, ebenso nach ihm Julius Wagner 1830. G. Bossert und P. Dietze meldeten die Schrift schließlich als verloren,vgl. BOSSERT, Reysmann I (1907), S. 576; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 18.

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möglich ist, die Antwort Valentin Kolbes im Folgenden wiederzugeben.78 Sie umfasst 21 Druckseiten und besteht zum Teil aus Briefen des Schulmeisters, die Kolbe wörtlich oder in Übersetzung aus dem Lateinischen wiedergibt, um die selbstbewussten Unschuldsbeteuerungen Reismanns zu widerlegen. Wie dessen Schmähschrift stellte auch Kolbe seine Antwort unter das biblische Motto des siebten Psalms, das die Botschaft und den Sinngehalt der Schrift in wenigen Worten zusammenfasst: „Sihe / der hat böses yhm synn / mit vnglück ist er schwanger / Er wird aber eynen feyl geberen. Er hat eyne grube graben vnd ausgefuret / vn ist ynn das loch gefallen / das er gemacht hat. Seyn vnglück wird wider auff seynen kopff komen / vnd seiner freuel auff seyne scheyttel fallen“.79 In ähnlich polemischer Weise beginnt Kolbe seine Gegenschrift mit dem Verweis, dass durch Reismanns Buch etliche Personen an ihrer Ehre und ihrem Eid gekränkt worden seien, „als sollten sie seins achtens nicht alleyne durch yne gnugk können geschendet vnd gelestert / sondern auch von aller welt / also gehalten vnd verachtet werden / das sie auch selbst vordrus hetten / vn lenger zu leben sich schemen müsten“.80 Statt den Inhalt der anlassgebenden Schrift kritisierte Kolbe jedoch zunächst deren Umfang, der – obgleich als kurz angekündigt – übermäßig lang ausgefallen sei. Zudem habe der Schulmeister in maßloser Weise Worte der Bibel zur Unterstützung seiner Lügen herangezogen, dass es jedem Christen leidtun müsse. Es folgt eine Verteidigung der Heiligen Schrift gegen den Missbrauch, die mit der Bitte endet: „Ach Gott in ewigkeit erbarme dich vber vns […] syhe herabe / mache der vntugent ein ende. Amen.“81 Reismanns Anklagen, so schreibt Kolbe, seien dermaßen erlogen, „das es auch freylich die blinde so sonst nicht sehen könne / an der wandt greiffen mögen“.82 Er habe daher die vorliegende Gegenschrift verfasst, auf dass Reismanns Lügen durch den Dichter, in dem er sich erkenne, und den sogenannten Hippocras mit der Wahrheit widerlegt werden mögen. Er wolle zu diesem Zweck die von Reismann geschilderten Ereignisse der letzten Monate nochmals aus seiner Sicht wiedergeben: Gegen Michaelis 1525 sei der Schulmeister vor den Rat getreten und habe die unzeitige Auszahlung seiner Besoldung beklagt. Dabei habe er den Rat, der vollzählig versammelt war, beschimpft „mit andern mehr vnnutzen vorgeblichen worten / die do mehr zu widderwille / dan zur sache / darumb er hinauff quam / dinstlich waren.“83 Trotz seines derartigen Verhaltens haben sich die Bürgermeister Bernstein und Schutzmeister bei ihm aufgrund der ausbleibenden Soldzahlung entschuldigt. Reismann habe sich an deren wohlwollend gesprochenen Worten jedoch zu 78 Vgl. KOLBE, Antwort auf das lesterlich schmachbuchlin, nach dem Exemplar der Nationalbibliothek Budapest, Signatur Ant. 3949 (coll. 6). 79 Ebd., Titel. 80 Ebd., fol. aiv. 81 Ebd., fol. aiir. 82 Ebd., fol. aiiv. 83 Ebd., fol. aiiir.

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Unrecht gestoßen und beschlossen, sich nunmehr des Dienstes zu enthalten. Nachdem Reismann die Ratssitzung verlassen hatte, habe der Rat die vierteljährliche Auszahlung der Besoldung beschlossen,84 doch nahmen trotzdem etliche Ratsherren an dem hochmütigen und verachtenden Auftritt Reismanns Anstoß. Dass seine Art nicht der Situation geschuldet, sondern auf eine generelle Verachtung des Stadtrates zurückzuführen sei, würden einige Briefe beweisen, die Reismann in gleichem Tonfall an den Rat geschrieben hatte. Kolbe schloss sich der Meinung an, „als were sein mütlein der massen geschicket das man ein vbermut vn verachtunge der obrigkeit daraus schepffen möchte“. Besonders einen Brief hob Kolbe aus eigener Anschauung hervor, in dem Reismann um die Anstellung eines zweiten Schuldieners bat und in dem er „souil glympffs brauchet / als der zu eyne spreche / wiltu nicht so mustu / dan ich will dir ihe souil worte gebe / das du sie in die lenge nicht erleyden vnd erdulden wirdest“.85 Schon als die Schule drei oder vier Jahren zuvor gegründet worden war, so schreibt Kolbe, habe man sie durch einen Magister und einen Baccalaureus bestellt, „die furwar nicht vngeschickt sondern gelert / vn sonderlich der Magister fast geschickt vnd guts lebens vnd lare / sich gar mit eyner geringe besoldunge settigen vnd begnügen liessen“.86 Reismann hingegen habe man den Sold bereits zwei Mal angehoben und somit im Vergleich mit seinen Vorgängern verdoppelt, ohne ihn damit zufriedenstellen zu können, obwohl er zudem über die Befeuerung der Schule sowie über eine freie Wohnung verfüge.87 Als nun die vierteljährliche Auszahlung seines Gehalts beschlossen war, hätte Reismann damit zufrieden sein können, doch schrieb er stattdessen einen groben Brief an den Rat, den Valentin Kolbe wörtlich in seine Schrift einfließen ließ. 84 Auf welche Weise das Gehalt Reismanns zuvor gezahlt worden war, geht aus der Schrift nicht hervor. 85 Für beide Zitate KOLBE, Antwort auf das lesterlich schmachbuchlin, fol. aiiiv. 86 Ebd., fol. aiiiiv. Diesen Satz gibt Salomon Ranisch in seiner Jubelrede wieder, vgl. RANISCH, Rede (1755), S. 190 f., Anm. c. Der Satz wurde später mehrfach nach seinen Ausführungen zitiert (vgl. bspw. WAGNER, Georg Spalatin (1830), S. 95; BRAUN, Altenburg (1872), S. 212; MORITZ, Schulgeschichte (1998), S. 177) und neben der Datierung der Schulgründung dahingehend interpretiert, dass die Schule schon zu dieser Zeit durch zwei Schuldiener versorgt worden war. Dies lässt sich heute nicht mehr bestätigen, scheint aber angesichts der dargelegten Entwicklung zweifelhaft. Kolbe wird stattdessen die beiden Vorgänger Reismanns im Blick gehabt haben, die jedoch nicht zeitgleich an der Schule wirkten. 87 Da es sich bei der nachlässigen Befeuerung der Schule um einen Hauptkonfliktpunkt in Reismanns Ausführungen handelte, tritt hier ein deutlicher Widerspruch zu Tage. Kolbe schreibt, dass ihm das Feuerholz zur Genüge gereicht worden sei. Der Hinweis auf die freie Wohnung lässt sich anhand anderer Quellen nicht nachweisen. Über die eigentliche Höhe des Schulmeistersoldes kann zu dieser Zeit noch keine Auskunft gegeben werden. Darüber informieren erst die späteren Kastenrechnungen. Die Angaben der älteren Forschung schwanken bis ins Jahr 1527 zwischen 20 und 40 fl, vgl. LORENZ, Gymnasii (1789), S. 20 f.; WAGNER, Georg Spalatin (1830), S. 95; BOSSERT, Reysmann I (1907), S. 572.

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Darin verglich Reismann sich mit dem Tantalos der griechischen Mythologie, dem ein Apfel vorgesetzt wurde, nachdem er vergeblich greifen müsse.88 Er habe daher den Apotheker Sebald Nebe gebeten, ein gutes Wort beim Rat einzulegen, doch erwarte er nicht, dass man diesem auch folge. Den Rat beschuldigte er des Undanks und der Missachtung gegenüber den Kirchen- und Schuldienern, nannte die Ratsherren Tyrannen und kündigte an, die Stadt zu verlassen, wenn ihm seine Notdurft nicht gereicht werde.89 Der Bürgermeister, durch diesen Brief beleidigt, habe Kolbe beauftragt, dem Schulmeister in seinem Namen eine Antwort zu geben, durch die Reismann seine Mutwilligkeit vergolten werde.90 Auch dieses barsche Antwortschreiben im Namen des Bürgermeisters Ludwig Bernstein gab Kolbe in voller Länge wieder. Es sei kein Wunder, heißt es darin, dass die Kinder weder Zucht, gute Sitten noch Vernunft lernen könnten, wenn ihr Lehrer ihnen darin kein Vorbild geben könne. „Es ist ye war das disteln nicht feyge trage“.91 Reismann solle sich daran erinnern, dass er ein gemeiner Diener sei und sich derartigen Hochmut nicht leisten dürfe, zumal Gott solches Verhalten zu strafen wisse. Auf dieses Schreiben kam zunächst keine Antwort. Erst am 25. Januar 1526 legten die Prediger für Reismann brieflich die Bitte ein, ihm den Sold um 10 fl zu erhöhen.92 Da der Schulmeister jedoch bereits zwei Gehaltserhöhungen erhalten habe, wurden Valentin Kolbe und der Stadtvogt Sebald Waldsteiner beauftragt, den Predigern eine mündliche Antwort zu geben, „Mit bitte sie wollten bedencken / das […] die auffrichtunge der schulen ein gantz new werck / vn wider gülte noch zynße darzu gewiddembt were / sondern das mans an andern ortern müste abbrechen vn dohin wenden“.93 Da 88 KOLBE, Antwort auf das lesterlich schmachbuchlin, fol. aiiiiv: „Es gema[n]et mich als were mir auch ein apffel Tantali / wie man sagt furgehengt / darnach ich schnap / vnd kann ine dennoch nicht ergreyffen“. 89 Hierbei handelt es sich um den von Reismann Spalatin gegenüber als etwas rau bezeichneten Brief. Die von Reismann ebenfalls erwähnte hochmütige Antwort folgt in Kolbes Ausführungen. 90 Abschweifend betont Kolbe an dieser Stelle, was für eine Kunst es sei, derartige Briefe zu schreiben, dass er sich aber, wie er selbst meinte mit Erfolg, um den rechten Tonfall bemühte habe. Gerne hätte er Reismann noch mehr zugesetzt, doch habe er es bei Gleichem für Gleiches belassen. 91 KOLBE, Antwort auf das lesterlich schmachbuchlin, fol. bv. 92 Obwohl Reismann in seiner Schmähschrift schreibt, die Intervention der Prediger sei ohne sein Wissen geschehen, kann sie doch als Reaktion auf seinen Brief an Spalatin vom 19. November 1525 angesehen werden. 93 KOLBE, Antwort auf das lesterlich schmachbuchlin, fol. biiv. Dies ist der zweite Satz, den Salomon Ranisch in seiner Jubelrede zitiert und der in der späteren Forschung von ihm aufgegriffen wurde, vgl. bspw. LORENZ, Gymnasii (1789), S. 16; BRAUN, Altenburg (1872), S. 212; MORITZ, Schulgeschichte (1998), S. 177. Auf ihm beruht der Irrtum, dass eine vorreformatorische Bartholomäischule nicht existiert habe. Da die städtisch getragene Schule jedoch neben der bestehenden Bartholomäischule gegründet worden war, schließt Kolbes

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es nun jedoch mit den Finanzen der Stadt nicht zum Besten stehe, könne man momentan nichts ausrichten, wolle der Bitte aber, sobald die Lage sich gebessert habe, nachkommen. Reismann selbst habe sich, nachdem er gemerkt habe, dass es nicht nach seinem Willen geschehe, erst am 22. Februar wieder an den Rat gewandt. Brieflich habe er dargelegt, welche Mühe er bei den Kindern aufwende und dass er aus der Not heraus sein väterliches Erbe habe aufbrauchen müssen. Zuletzt bat er darum, dass man ihm Holz zur Beheizung der Schule schicken möge. Kolbe gab jedoch zu bedenken, dass zu dieser Zeit so viel Schnee lag, dass „die oberlendischen walt pawern / mit holtze nicht zu marcke quame“. 94 Auch andere Menschen müssten in diesen Tagen unter dem Mangel an Holz leiden. Kolbe verwies in diesem Zusammenhang auf Reismanns Schmähschrift, in der er äußerte, der Mangel an Holz sei einer der Hauptgründe seiner Kündigung gewesen, und ergänzte, dass es dem Schulmeister nur daran gelegen sei, nach den bereits erlangten Solderhöhungen noch stattlicher leben zu können. Da ihm dies verwehrt wurde, habe er in Form eines kleinen lateinisch verfassten Zettels seine Kündigung eingereicht. Da der Zettel noch vorlag, ließ Kolbe ihn in Übersetzung in seine Schrift einfließen. Reismann beschuldigte den Rat darin des Eigennutzes statt des Gemeinnutzes und prophezeite die völlige Verwahrlosung der Schule und der Kinder. Bereits in der lateinischen Sprache des Zettels, so urteilte Valentin Kolbe, sei ein deutlicher Vorwurf verborgen. Reismann wolle auf diese Weise verdeutlichen, wem er die Vernachlässigung zur Last legte: Valentin Kolbe selbst und dem Stadtvogt Sebald Waldsteiner, weil sie den Predigern die abschlägige Antwort auf die Bitte nach einer Gehaltserhöhung haben zukommen lassen. Sie seien des Lateinischen mächtig, so legt Kolbe dem Schulmeister die Worte in den Mund, und hätten dem Rat das Schreiben um die Kündigung übersetzen müssen: Wirdet nur der selbige gestattet / so will ich die gantze last vn burde auff sie beyde legen / als seyn sie sonderlich fur andern die yhenige welche meins vrlaubs meyste vrsacher seint. So will ich ynen darnach mit inuectiuen vnnd schmahebrieuen widderumb lohnen / das sie sichs an mir nicht erholen sollen.95

Obwohl der Rat den Zettel unbeantwortet ließ, habe er die Kündigung doch anerkannt und sich um einen Nachfolger für die Schulstelle bemüht. Kolbe selbst habe, so fährt er fort, einen Kandidaten vorgeschlagen, der dem Rat noch in guter Erinnerung sein müsste. Als Reismann davon erfuhr, habe er sich bei dem Prediger, der ihm sein Gehalt auszahlen wollte, über die von Kolbe betriebene Vetternwirtschaft beklagt. Um diesen Vorwurf zu entkräften rief Kolbe in seinem Hinweis auf die fehlenden Vorläufer die Existenz der vorreformatorischen Schule nicht aus. 94 KOLBE, Antwort auf das lesterlich schmachbuchlin, fol. biiir. 95 Ebd., fol. biiiir.

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Antwortschreiben alle Welt auf,96 ihm einen Menschen zu nennen, „der mir geblüts halben verwand were / vn sich schulen zu regiren vnderstehen wolde“. Lediglich „eyne Mume / ist mit mir geschwister kindt / vn eine schwester zu Leyptzigk“ habe er. Sein Urteil über Reismann fasste er daher in die Worte: „Darumb sihe nur wie der teuffel ein solchen elenden me[n]schen blendet vnd schendet / das er nichts dann mit lüge kann vmbgehen“.97 Als Reismann erkennen musste, dass niemand sich um seinen Verbleib bemühte, realisierte er seine eigene Ausweglosigkeit. Daraufhin sei jedoch nicht er selbst, sondern seine Frau zum Stadtvogt gegangen, um bei ihm für ihren Mann zu bitten, woraufhin Sebald Waldsteiner Reismann zu sich bestellen ließ: „Was geschach aber? Reyßman blieb aussen“.98 Es wurde daher beschlossen, den Schulmeister in seiner Hoffart nicht durch ein Entgegenkommen zu bestätigen. Erst einer neuerliche Intervention der Prediger sei es zu verdanken, dass man ihn letztmalig zum Bleiben aufforderte. Er wäre somit in seiner Stellung verblieben, hätte er nicht selbst Widerspruch eingelegt.99 Er habe zu Ostern einige des Rates auf dem Markt angesprochen und um eine Antwort ersucht. Als man ihm mitteilte, dass die Prediger sich für ihn eingesetzt hätten, antwortete er ausfallend, schmähte die Prediger und äußerte, er wisse ihnen keinen Dank für ihre Unterstützung.100 In Kolbes Augen zeugte diese Antwort von Arroganz und Undank. Sie führte dazu, dass Reismann sich, weil er den Dienst der Geistlichen nicht anerkennen wollte, aus dem Amt zurückzog. Dass der Rat gegen ihn aufgebracht war, habe er, so Kolbe, nicht dem hochtrabenden Dichter und dem Meister Hippocras sondern seinem eigenen Verhalten zu verschulden. In seinem und Sebald Waldsteiners Namen verteidigte Kolbe sich gegen alle unrechtmäßig erhobenen Vorwürfe, wie die widerrechtliche Benutzung des Ratssigels oder die Handlung hinter dem Rücken des Rates. Zuletzt nahm Kolbe selbst den von Reismann beschimpften Büttel in Schutz. Dieser sei ein würdiger Untertan der Obrigkeit, der vor dem Angesicht Gottes seine Pflicht tue und sich dabei nichts zu Schulden kommen ließe. Im Gegensatz zu Reismann habe man ihm nichts vorzuwerfen. Damit beendete Kolbe seine Schrift mit den pointierten Worten: „Es ist der hochfardt ardt / lessit sich nicht bergen / hinaus zu den schaffen lerne mores“.101 96

Ebd., fol. cr: „ist yrgent ein mensch das reden kann / oder die so do nicht reden konnen / doch anzaigen möchten“. 97 Für alle drei Zitate ebd., fol. cr. 98 Ebd., fol. cr. 99 Es folgt die Schilderung des Zusammentreffens mit dem Rat auf dem Marktplatz, nur dass Kolbe dieses auf den Ostermontag legt, während Reismann es auf Mittwoch nach Ostern verlegte. 100 Die letzte Äußerung bestätigte Reismann selbst in seiner Schmähschrift, doch entsprang sie hier seinem Unglauben über die Unterstützung der Prediger und war nach seinen Angaben nicht gegen diese gerichtet. 101 KOLBE, Antwort auf das lesterlich schmachbuchlin, fol. ciiiv.

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Auf welchem Wege Reismann von der Gegenschrift Kolbes Kenntnis erhielt, ist unklar, doch war sie nicht in der Lage sein Gemüt zu besänftigen. Stattdessen verfasste er noch im selben Monat einen langen und überaus bitteren Brief an die Altenburger Prediger, in dem er nochmals betonte, dass er sich im Recht sehe. Spalatin selbst, so schreibt er, habe durch seine Hochzeit das Recht auf einen freien Willen vorgelebt, das man ihm nun nicht zugestehen wolle.102 Da Spalatin die Entwicklung an Melanchthon berichtete, verweigerte dieser Reismann die Bitte, ihm ein Empfehlungsschreiben nach Nürnberg auszustellen.103 Reismann, der Wittenberg daraufhin erzürnt verließ, schrieb wenig später einen beleidigenden Brief (contumeliosa litera) an Melanchthon, der diesen bewog, dem ehemaligen Schulmeister nun jegliche Unterstützung zu entziehen.104 Reismann, der Altenburg mitsamt seinem Baccalaureus verlassen hatte, zog über Nürnberg, wo Wenzelslaus Link ihm jedoch auch nur einen verhaltenen Empfang bereitete, nach Nördlingen, wo er als Schulmeister auf Probe angestellt wurde.105 Trotz der unrühmlichen Beteiligung Reismanns an der Auseinandersetzung fand er in der älteren ihm zugetanen Forschung ein positives Urteil. Bereits Salomon Ranisch fand für Reismann nur lobende Worte und suchte, wie dieser selbst, die Schuld für die Eskalation beim Stadtrat. Allein das dreifache Zeugnis von Luther, Melanchthon und Link, die sich für seine Einstellung ausgesprochen hatten, deutet seiner Meinung nach auf Tauglichkeit und eine überdurchschnittliche Gelehrsamkeit hin, sodass seine Tätigkeit unter anderen Umständen für die Schule sehr fruchtbar hätte werden können.106 Gustav Bossert folgt ihm in diesem Urteil und führt darüber hinaus aus, dass sein Wirken bereits Früchte getragen hätte. Durch den Fleiß, den Reismann an den Tag legte, sei die Schule aufgeblüht und die Schülerzahl stark angestiegen. Für beide Aussagen fehlen die Belege. Dennoch glaubt Bossert konstatieren zu können, dass der Stadtrat den eigentlichen Wert des Schulmeisters nicht zu schätzen gewusst habe und ihm daher die ihm zustehende Rücksichtnahme und Anerkennung verweigerte. Da der Rat noch ungewohnt sei, eine Schule zu führen, sei er mit einem Gelehrten aus Melanchthons Einflussbereich als Schulmeister überfordert gewesen.107 Diese Wertungen erscheinen durch ihre Subjektivität deutlich einseitig und verfehlen die komplexe Lage der Situation. Dem Rat kann kaum vorgeworfen werden, dass er sich aufgrund des erst kürzlich erworbenen Schulpatronats nicht auf das Versorgen einer Schule verstehe oder gar ein generelles Desinteresse an 102 Abgedruckt bei BOSSERT, Reysmann II (1908), S. 702–705. Vgl. auch DERS., Reysmann I (1907), S. 579 f. 103 Vgl. MBW, T 2, Nr. 469. 104 Vgl. ebd., Nr. 499. 105 Vgl. BOSSERT, Reysmann I (1907), S. 582–584. 106 Vgl. RANISCH, Rede (1755), S. 190–193. 107 Vgl. BOSSERT, Reysmann I (1907), S. 582.

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ihr habe. Auch wenn die städtische Schule noch in einer Phase des Aufbaus und der Orientierung gestanden haben mag, kann durch die mit den Vorgängern Reismanns ansteigende universitäre Bildung verdeutlicht werden, dass Reismann bei seiner Ankunft bereits eine Schule über dem elementaren Niveau antraf. Da eine von Reismann in seiner Schrift erwähnte Darlegung seiner Unterrichtspraxis nicht überliefert ist,108 kann über die von ihm vermittelten Bildungsinhalte und somit über die Würdigung des Stadtrates keine Aussage getroffen werden. Aus seinen erhaltenen und den von Valentin Kolbe wörtlich wiedergegebenen Briefen kann jedoch, obgleich die Authentizität Letzterer nicht überprüft werden kann, deutlich gemacht werden, dass der Konflikt mit dem Stadtrat nicht auf unbegründet erhobenen Forderungen Reismanns, sondern auf einem nicht zu verleugnenden herablassenden Verhalten basierte. Dass der Stadtrat mit den wissenschaftlichen Leistungen Reismanns zufrieden war und somit den Schulmeister aus Melanchthons Einfluss durchaus zu schätzen wusste, wird dadurch deutlich, dass ihm bereits mehrfach das Gehalt auch ohne seine Forderung angehoben worden war. Dass der Schulmeister sich dennoch in der geschilderten Weise gegen den Stadtrat auflehnte, führte mit dessen Sorge um das junge Schulpatronat zum Anstoß. Es trifft zwar zu, dass die dreifache Empfehlung Luthers, Melanchthons und Links für eine grundsätzliche Tauglichkeit Reismanns für die Altenburger Schule spricht, doch zeigt darüber hinaus der Bruch mit Melanchthon und Link auch, dass die Schuld am Scheitern seiner Amtszeit nicht allein beim Stadtrat und dessen Desinteresse zu suchen ist.

3.3.3. Die Entwicklung der Schule bis zur Verlegung ins Franziskanerkloster Als Nachfolger Dietrich Reismanns trat 1526 Petrus Sparsbrodt ins Amt ein. Er entstammt einer in Altenburg ansässigen und hier scheinbar nicht unbedeutenden Familie und hatte seit 1509 in Leipzig und seit 1510 in Wittenberg studiert.109 Eine bedeutende Neuerung während seiner Amtszeit war die Einbeziehung der Schulfinanzierung in den Gemeinen Kasten. Dieser war schon unter Wenzelslaus Link ebenfalls auf Betreiben des Stadtrates gegründet worden und verfolgte bald

108 Vgl. REISMANN, Schrifft an die Erbarn, fol. Aiiv: „[…] bin ich auch von yhnen [den Predigern] ersucht worden / den kindern vnd mir zu gut / meiner leer vrsach zugeben. Dem nach habe ich mit der Gottes hilff ein kurtzes begrieff / so viel mein schwacheit vermöcht / ynn ein lateinisch schriefft verfasset […]“. 109 Vgl. LORENZ, Gymnasii (1789), S. 20 f.; WAGNER, Georg Spalatin (1830), S. 97; BRAUN, Altenburg (1872), S. 213; LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen I (1886), S. 145; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 21; MORITZ, Schulgeschichte (1998), S. 177; BÜNZ, Schulwesen (2014), S. 234.

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auch das Ziel, das Schulwesen mit abzudecken.110 Zwei Beispiele verdeutlichen, dass das reformatorische Schul- und Kirchenwesen als eine Einheit verstanden wurde und daher auch der Gemeine Kasten bereits der späteren Konzeption entsprechen sollte. Als sich das vorreformatorische Zeremonienwesen aufzulösen begann, wurden etliche Mess- und Altarstiftungen funktionslos. Zum Teil wurden sie von der Stadt gegen den Widerstand des Bergerstifts eingezogen und in den Gemeinen Kasten geschlagen, in manchen Fällen aber auch von den einstigen Stiftern oder ihren Nachfahren zu diesem Zweck bereitwillig zur Verfügung gestellt. Mittels einer Übertragungsurkunde vermachte auf diese Weise Johannes Triller 1524 das Stiftungsgut, mit dem sein Vater Konrad 1496 den Altar zu Ehren des heiligen Wolfgang gestiftet hatte, der Stadt, auf dass es „zcum predigstull, Schulen ader armut zcu guthe in gemeinen kasten sollen vnd mogen gewandt vnd vorordent“111 werde. In gleicher Weise verfuhr Wolff Titzka, als er die von seinem Onkel Anthonius Naumann gestiftete Messe in der Bartholomäikirche, da sie seiner Meinung nach „den seelen wenig tröstlich noch den Menschen besserlich ader Nutzlich“112 sei, dem gleichen Zweck überantwortete. Das angestrebte Konzept blieb allerdings noch für einige Jahre Theorie. Noch bis zum Beginn der Amtszeit Sparsbrodts wurde der Schulmeister aus der Stadt gehalten. 1525/26 erhielt Dietrich Reismann 1 n ß 45 gr (umgerechnet 5 fl), womit ihm die Schulden des alten Rates beglichen wurden, und die gleiche Summe auf seinen Sold des neuen Jahres. Als er im Laufe dieses Jahres jedoch die Schule und die Stadt mitsamt seinem Gehilfen verließ, zahlte die Stadt dem Baccalaureus zum Abschied ein Trankgeld von 10 gr. 113 Die erste überlieferte Kastenrechnung, die aus dem gleichen Jahr stammt, weist hingegen keinen Anteil an der Schulfinanzierung auf.114 Der Kasten verfügte nicht über die finanziellen Mittel, die Konzeption zu erfüllen, und war alleine in den drei Monaten von Dezember 1526 bis März 1527 mit mehr als 24 fl beim Stadtrat verschuldet.115 Unter der Federführung Georg Spalatins wurde daher die Neuordnung des Gemeinen Kastens begonnen und

110 Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 25043; HÖSS, Spalatin (1989), S. 313; JÄPEL, Reformation (1989), S. 33/56 f.; DIES., Aspekte (2000), S. 334; KESSLER, Altenburg (2014), S. 223; SCHULZ, Spalatin (2014), S. 77, mit Anm. 65, S. 87. 111 Abgedruckt bei HASE, Bartholomäikirche (1862), S. 328–330, Zitat S. 329; Original im StA Altenburg, Urkunde Nr. 221. 112 StA Altenburg, XII. p. Nr. 2, fol. 31r. 113 Vgl. StA Altenburg, XI. A. 2a. Nr. 47, fol. 71v. 114 Vgl. StA Altenburg, XII. p. 17, unfol., die hier noch recht spärlich gehaltene Rechnung befindet sich als einzelne Lage lose in die Akte gelegt. 115 Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 25043, fol. 3v, abgedruckt bei HASE, Gründung (1862), S. 348 f.

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1527 in einer Kastenordnung festgeschrieben.116 Drei Kästen sollten, durch je drei Schlösser gesichert, in den Pfarrkirchen und in der Kirche des Franziskanerklosters aufgestellt werden. Ein sechsköpfiger Vorstand sollte deren Geschäfte verwalten und ein eigens angestellter Schreiber für jährliche 10 fl mit der Rechnungsführung betraut werden. Die Kirchengüter und Lehen sollten, sobald ihre Inhaber gestorben seien, als Einkommen des Kastens eingezogen werden. An elfter Stelle der Kastenordnung wird mit nur wenigen, aber vielsagenden Worten die Finanzierung des Kirchen- und Schulwesens angeordnet. Es wurde festgelegt, dass die Kirchendiener und der Schulmeister unterhalten und die Kirch- und Schulhäuser baulich in Stand gehalten werden sollten.117 Ein Baccalaureus oder Schulgehilfe findet in der Kastenordnung noch keine Erwähnung. Er musste noch für mehrere Jahre aus dem Gehalt des Schulmeisters mit unterhalten werden. Obgleich der Gemeine Kasten durch diese Ordnung auf eine feste Grundlage gestellt wurde, befanden sich etliche der in der Kastenordnung aufgeführten Einnahmen noch in der Hand der Kirchen. Es wurde aus diesem Grund eine dreiköpfige Abordnung damit beauftragt, die Einkünfte der Kirchen und Bruderschaften in der Stadt und in den umliegenden Dörfern für den Gemeinen Kasten einzuziehen. Aus diesen Mitteln konnte nicht allein den Kirchen- und Schuldienern das volle Gehalt gezahlt, sondern auch die noch verbliebenen Schulden und noch ausstehende Soldanteile in einer Gesamthöhe von über 122 fl getilgt werden. Noch über ein Jahr nach seinem Ausscheiden aus dem Amt wurde dem ehemaligen Schulmeister Dietrich Reismann auf diese Weise das schuldig gebliebene Gehalt in Höhe von 7 fl nachgereicht. Der neue Schulmeister Petrus Sparsbrodt erhielt gemeinsam mit seinem Baccalaureus 21 fl zur Vervollständigung seines Jahressoldes.118 Während dieser anfänglichen Säkularisation erinnerte man sich der vorreformatorischen Schulen und insbesondere der langjährig gezahlten und nun zurückbehaltenen Kostgeldvergütung des Martinsschulmeisters. Diesen Jahreszins gedachte man dem Kasten als nennenswerte finanzielle Zulage zu sichern. In einem Brief Spalatins an den Kurfürsten von 1527, der über die Güter, Lehen und Zinse des Bergerstifts informierte, erinnerte er diesen daher an die einst gezahlte Summe und ersuchte, das einmal dafür aufgewandte Geld, nun, da es der Martinsschule nicht mehr ausgezahlt werde, dem nämlichen Zweck weiterhin zukommen 116 Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 25043, fol. 19r–23r, abgedruckt bei HASE, Gründung (1862), S. 343–346; EKO I/1, S. 514 f.; JÄPEL, Reformation (1989), S. 205– 207. 117 Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 25043, fol. 22v. 118 Vgl. ebd., fol. 4v–5r, abgedruckt bei HASE, Gründung (1862), S. 351; bezüglich Dietrich Reismann vgl. auch BOSSERT, Reysmann I (1907), S. 578 f.

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zu lassen.119 Die gleiche Bitte erhoben nur wenig später die Kastenvorsteher und baten den Kurfürsten, „Inen zu besserunge der selbig schulen, solche zinse vnd holz Iherlich aus gnaden reychen vnd gnediglich zustellen [zu] lassen“.120 Eine Reaktion des Kurfürsten auf dieses Anliegen ist nicht ersichtlich und noch mehrere Jahre lang wurde die Bitte stets mit geringem Erfolg wiederholt. Eine weitere potentielle Einnahmequelle für den Gemeinen Kasten fand man in den Kleinodien der Kirchen, welche von den Klöstern mitunter in Verschluss gehalten wurden. Zwar habe man, so berichteten es die Prediger dem Kurfürsten im August 1527, die Klöster ermahnt, sich zur Reformation zu bekennen und sie aufgefordert, ihre katholischen Messen einzustellen und die Kirchenschätze dem reformatorischen Zweck zur Verfügung zu stellen, doch haben lediglich die Franziskaner, deren Kleinodien bereits einige Jahre zuvor verzeichnet worden waren, eine Reaktion vernehmen lassen. Sie baten, man möge sie in ihrem Herkommen nicht behindern. Bereits mit dem Hinweis auf die kurz bevorstehende erste Visitation drängte man den Kurfürsten, er möge „ein gnedigs bedencken vnnd christlich einsehen haben vnnd thun damit dem gotlosen wesen endtlich gesteurt vnd den armen leuten vnd dem gemeynen nutz von den cleynotern mit E. C. G. Rat wissen vnnd willen geholffen werde“.121 Im Monate darauf, dem September 1527, erfolgte die erste Kirchen- und Schulvisitation in Altenburg.122 Sie ist zwar, da sie bald nach ihrem Anheben abgebrochen werden musste, wenig erfolgreich gewesen, diente der Stadt jedoch abermals dazu, auf die finanziell schlechte Situation des neuen Kirchenwesens hinzuweisen. Die Kastenvorsteher baten den Kurfürsten bereits im Vorfeld der Visitation um seine Bestätigung für die jüngst erarbeitete Kastenordnung. 123 Georg Spalatin nutzte die Gelegenheit, dem Kurfürsten einige Vorschläge zur Aufbesserung des Kastenhaushaltes vorzulegen. Darunter befand sich neben Hinweisen auf die umfangreichen Besitzungen des Bergerstifts, des Deutschen Ordens und des Georgenstiftes abermals die Erinnerung an die einst der Martinsschule gezahlten Zinse, die als Zulage für den Gemeinen Kasten zur Unterhaltung der Schuldiener der reformatorischen Schule weitaus besser genutzt werden könnten, „weil die schul vnder dem schlos nur Zur erhaldung des Baals aufm Schlosß dient“.124 Eine Einigung konnte bei der Visitation nicht erreicht werden, da die Visitatoren 119 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 206, fol. 1r–v. Vgl. auch HÖSS, Spalatin (1989), S. 325. 120 LATh-StA Altenburg, Landesregierung 25043, fol. 28v. 121 Ebd., fol. 15v, Brief abgedruckt bei HASE, Gründung (1862), S. 340–343. Vgl. auch HÖSS, Spalatin (1989), S. 325 f.; JÄPEL, Aspekte (2000), S. 332 f. 122 Vgl. HÖSS, Spalatin (1989), S. 327; JÄPEL, Reformation (1989), S. 56; DIES., Aspekte (2000), S. 334; SCHMALZ, Klöster (2014), S. 93. 123 Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 25043, fol. 18r. 124 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 203, fol. 2r, abgedruckt bei HERRMANN, Kirchenvisitationen I (1929–1931), S. 227–229.

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bereits nach wenigen Tagen zu der Visitationsberatung nach Torgau geladen wurden.125 Deutlich ausführlicher und erfolgreicher war die auf dem Unterricht der Visitatoren begründete zweite Visitation, die im Dezember 1528 in Altenburg abgehalten wurde und durch die Georg Spalatin zum Superintendent ernannt wurde.126 Nur einen Tag vor ihrer Ankunft hatten die Visitatoren vom Stadtrat einen ausführlichen Bericht über die kirchliche Situation eingefordert. Der Rat kam der Aufforderung zwar nach, entschuldigte sich jedoch zugleich, dass die Ausführungen aufgrund der Kurzfristigkeit in vielen Details zu wünschen übrig ließen.127 Der nach wie vor stete Widerstand der Klöster wird in diesem eingereichten Bericht ebenso betont, wie die Probleme des Gemeinen Kastens und die Bitte, die inzwischen inventarisierten Kleinodien veräußern zu dürfen. Das Schulwesen findet jedoch keine Erwähnung. Erst als die Visitatoren dem Stadtrat eine erneute Frist gaben, den dürftigen Bericht zu erweitern, wurde ein umfangreicheres Verzeichnis der Lehen, Kirchgüter und der Pfarrbestellung der Stadt verfasst. Darin legte der Rat nicht nur die Situation dar, sondern stellte den Visitatoren zudem ein Konzept zur völligen Neugestaltung der städtischen Kirchenstruktur vor. Es sei besser, so schrieb der Stadtrat, beide Kirchgemeinden zu einer Gemeinde zu vereinen und deren Gottesdienste in einer gemeinsamen Kirche abzuhalten, um so die Gemeindemitglieder und ins Besondere ihren Kirchgang überblicken und kontrollieren zu können. Bereits hier äußerte der Stadtrat die Möglichkeit, die Kirche des im Niedergang stehenden Franziskanerklosters, in die bereits 1524 die Messen der Nikolaikirche verlegt worden waren, zu einer neuen Stadtkirche auszubauen. Die Klostergebäude hingegen könnten in Zukunft den Kirchen- und Schuldienern zur Wohnung dienen, was einen Verkauf oder eine Vermietung ihrer derzeitigen Häuser zugunsten des Gemeinen Kasten sowie eine Minderung der Instandhaltungskosten ermöglichen würde.128 Obwohl dieses Konzept der Nutzung des Klosters als Wohnungen auch die Schuldiener mit einschloss, wurde eine Verlegung der Schule selbst noch nicht in Betracht gezogen. Nur indirekt kann erschlossen werden, dass sie erst kurz zuvor in das Haus der inzwischen eingestellten Bartholomäischule verlegt worden war. Das Haus des Rosenkranzlehens, in das die Schule bei ihrer Gründung 1522 einquartiert worden war, konnte somit „ditz Jhars erst durch die vorsteher gemeins Kastens fur xxi guthe 125 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 201, fol. 1r; HÖSS, Spalatin (1989), S. 327; JÄPEL, Reformation (1989), S. 56; DIES., Aspekte (2000), S. 334. 126 Über die Erhebung zum Superintendent vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1, fol. 81v; HÖSS, Spalatin (1989), S. 337; JÄPEL, Reformation (1989), S. 61; DIES., Aspekte (2000), S. 337; SCHULZ, Spalatin (2014), S. 75. 127 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1, fol. 26v–27r. 128 Vgl. ebd., fol. 31r–38v, im Besonderen fol. 33r–34v; StA Altenburg, XII. o. Nr. Ia, unfol. (Entwurf).

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schogk vorkaufft“129 werden. Ein nochmaliger Umzug der Schule war somit im Jahr 1528 noch nicht vorgesehen. Der Vorschlag des Stadtrates wurde von den Visitatoren erwogen und das Franziskanerkloster unter diesen Gesichtspunkten visitiert. Das Kloster beherbergte nur noch vier Mönche, darunter den Guardian, der sich jedoch noch immer gegen jede Ermahnung widersetzte.130 Da einige von ihnen sich zur Besserung bereit erklärten und abgefunden werden konnten, wurde die vom Stadtrat beantragte Umstrukturierung der Kirchen von den Visitatoren dem Kurfürsten brieflich geschildert. Man habe, so schrieben die Visitatoren, die Klosterkirche für die genannten Zwecke als geeignet befunden und erbat den kurfürstlichen Befehl zur Umsetzung des Konzeptes.131 Da ein weitergehender Eingriff in das Schulwesen der Stadt zu dieser Zeit noch nicht vorgesehen war, erfuhr die Schule bei der Visitation nur am Rande Beachtung. Über die Tauglichkeit der Schuldiener findet sich kein Urteil, doch wurden auch keine Klagen gegen sie erhoben. Ihnen wurde lediglich befohlen, ihren Dienst fleißig zu versorgen, wobei die Erziehung der Kinder in christlicher, gemeint ist in der reformatorischen Lehre und Zucht betont wurde.132 In den Visitationsunterlagen ist eine erste erhaltene, ausführlichere Rechnung des Gemeinen Kastens enthalten, die erstmals zweifelsfreien Aufschluss über die Besoldungssituation der Schuldiener ermöglicht.133 Die Einnahmen des Kastens betrugen neben einigen Naturaleinnahmen 106 n ß 42 gr 6 d an Geld. In Zukunft sollten sie durch die im Zuge der Visitationsverhandlungen mit den Klöstern vereinbarten Zinse vermehrt werden. Das Ergebnis der Verhandlungen mit dem Bergerstift besagte, dass es einen jährlichen Zins von 12 fl in den Gemeinen Kasten zu zahlen habe.134 Der Betrag wurde erst im Nachhinein auf 10 fl gesenkt, doch durch die Zinsen der Fleischbänke ergänzt.135 Aus dem Deutschen Orden

129 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1, fol. 32v–33r. Vgl. auch DIETZE, Schulwesen (1922), S. 11. 130 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1, fol. 45r–v. Über die Visitation des Franziskanerklosters im Allgemeinen vgl. auch WAGNER, Franziskanerkloster (1848), S. 401; VORETZSCH, Realgymnasium (1898), S. 16; JÄPEL, Reformation (1989), S. 62; DIES., Aspekte (2000), S. 337 f.; SCHMALZ, Spalatin in Altenburg (2009), S. 34; DERS., Klöster (2014), S. 94. 131 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1, fol. 83r–v (Beratung der Visitatoren); LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 307, fol. 2r (Bericht an den Kurfürsten). 132 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1, fol. 80v. 133 Vgl. ebd., fol. 84r–86v. 134 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 250, fol. 5r. 135 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1, fol. 80v u. 418r–419r, über die Visitation des Bergerstifts im Allgemeinen vgl. HÖSS, Spalatin (1989), S. 334; JÄPEL, Aspekte (2000), S. 335.

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sollten hingegen 40 fl jährlich in den Kasten fließen. 136 Den genannten Einnahmen standen die Ausgaben von 105 n ß 55 gr gegenüber. Das Gehalt des Schulmeisters betrug 21 n ß (umgerechnet 60 fl). Da jedoch der Baccalaureus zu dieser Zeit noch kein eigenes Gehalt erhielt, musste der Schulmeister ihn aus seiner Tasche und nach eigenem Ermessen mit versorgen. Den Visitatoren scheint dies genügt zu haben. Eine neue Besoldung wurde nicht verordnet. Die Kosten für die Befeuerung der Kirche und der Schule betrugen zusammen 4 n ß, wohingegen die veranschlagten 13 ß zur baulichen Instandhaltung der Gebäude im letzten Jahr nicht ausgereicht hatten.137 Nach der Visitation überreichten die Visitatoren dem Stadtrat ein 16 Punkte umfassendes Schreiben, das alle gefassten Bestimmungen zusammentrug und das der Neuordnung der Kirchen eine feste Grundlage schaffen sollte. Das Schulwesen betreffend findet sich darin, neben der Sorge um den Gemeinen Kasten und die regelmäßige Auszahlung der Kirchen- und Schuldiener, die Forderung, die Schule mit „gelerten fromen leuthen“ zu bestellen, „in ansehung das sovil daran gelegen“. 138 Die Betonung der Begründung, dass viel von der Schule abhänge, veranschaulicht nicht allein für Altenburg die Bedeutung der Schulen für die Reformation, der sich die Zeitgenossen bewusst waren. Die Anforderungen an die Schuldiener griff dabei nicht nur die Frömmigkeit im Sinne der Reformation, sondern auch die Gelehrsamkeit auf. Der Eindruck, dass die Schule im Zuge der Visitation übergangen worden sei, wird durch diesen kurzen Satz weiderlegt, der verdeutlicht, welche hohen Ansprüche an das Schulwesen gestellt worden sind. Um einen geregelten Schulbetrieb zu gewährleisten, baten die Visitatoren zugleich den Kurfürsten, dem Gemeinen Kasten, da ein großer Mangel an Feuerholz bestehe, eine Zulage zur Befeuerung der Schule und Kirche sowie der Wohnhäuser der Kirchendiener zu gewähren.139 Die Schulstube, so vermerkte Spalatin nur wenig später, bedürfe 20 Fuder Holz und die Wohnungen des Schulmeisters wie seines Gehilfen zusammen weitere 10 Fuder.140 Im Jahr 1529 wurde schließlich die Umsetzung des Konzeptes zur Nutzung des Franziskanerklosters in Angriff genommen. Sie endete 1530 damit, dass das Kloster nicht nur die Wohnungen der Kirchen- und Schuldiener, sondern auch

136 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1, fol. 76v u. 417v–418r, über die Visitation des Deutschordenshauses im Allgemeinen vgl. JÄPEL, Reformation (1989), S. 58; JÄPEL, Aspekte (2000), S. 335; SCHMALZ, Klöster (2014), S. 97. 137 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1, fol. 85r. 138 Für beide Zitate StA Altenburg, XII. o. Nr. Ia, unfol., abgedruckt bei JÄPEL, Reformation (1989), S. 211 f. Vgl. auch DIES., Aspekte (2000), S. 337. 139 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 347, fol. 2r. 140 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 471, fol. 2r.

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die Schule selbst beherbergen sollte.141 Da der Kurfürst auf das Ersuchen der Visitatoren nicht reagiert hatte, schrieb der Stadtrat ihm am 14. Januar 1529 erneut und schilderte ihm nochmals das gesamte Vorhaben. Die Pfarrkirchen seien zu weit auseinander, an den Rändern der Stadt gelegen und für viele Gemeindemitglieder nur schwer erreichbar. Um daher „mancherley sorten Zwispalts vnd anderer vnrichtigkeyten“142 zu verhindern, sei es ratsam alle Menschen in einer Kirche einzupfarren. Um darüber hinaus im Bedarfsfall alle Kirchendiener beisammen zu finden, solle man diesen wie auch den Schuldienern in den alten Klostergebäuden Wohnungen herrichten. Nur wenige Tage später, am 21. Januar antwortete der Kurfürst nunmehr auf beide Anfragen, bestätigte das Anliegen und erlaubte, „das Ir es nach eurm befinden vnd ermessen domit Zum besten darzue vorordenet vnd schaffet“.143 Am 9. Februar wurde daraufhin die Inbesitznahme des Klosters vom Stadtrat angeordnet. Die Klostergebäude wurden besichtigt und ein detailliertes Inventarverzeichnis, geordnet nach Räumen, angelegt. Lediglich die Kammer des Veit Pempel konnte nicht visitiert werden, da hier „der Stanck vnnd vnluft so gros“144 waren. Veit Pempel wurde in dem ganzen Verzeichnis unter den Franziskanern, neben dem abgefundenen Laienruder Nickel Rost, als einziger namentlich genannt. Er hatte das Kloster, als er sich von seinem Orden losgesagt und die Nikolaischule übertragen bekommen hatte, nicht verlassen, sondern weiterhin in seiner Kammer gehaust. Auch nach der Inbesitznahme des Klosters änderte der Stadtrat nichts daran. Stattdessen wurde ihm eine lebenslange Versorgung in Höhe von jährlich 8 n ß 43 gr 8 d (umgerechnet 25 fl) zugesichert. Im Anschluss an die Besichtigung wurde das ehemalige Kloster für 73 n ß 4 gr 1 d (umgerechnet fast 210 fl) für die städtischen Zwecke in Stand gesetzt. Noch im Januar wurde das Konzept der Klosternutzung um den schulischen Betrieb erweitert. Wann genau diese Entscheidung getroffen wurde, kann nicht bestimmt werden, doch spricht das Verzeichnis vom 9. Februar erstmals auch von der Versorgung der Schulkinder.145 Bereits wenig später wurde zunächst die von Veit Pempel geleitete 141 Die oben angeführte kurze Schulchronik legt die Aufrichtung der Schule im Franziskanerkloster fälschlicherweise bereits ins Jahr 1527, vgl. StA Altenburg, XII. a. 6. Nr. 12, S. 2; vgl. auch BEUST, Jahrbücher II (1800), S. 36; WAGNER, Georg Spalatin (1830), S. 122; ENGELHARDT, Spalatin’s Leben (1863), S. 62; VORETZSCH, Realgymnasium (1898), S. 15; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 22; SCHNEIDER, Altenburg (1923), S. 36; JÄPEL, Reformation (1989), S. 62; DIES., Aspekte (2000), S. 337; SCHMALZ, Klöster (2014), S. 95. 142 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 308, fol. 2r. 143 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 307, fol. 8r. 144 StA Altenburg, XII. p. Nr. 19, fol. 47r, ediert bei DOELLE, Vertreibung (1933), S. 288– 290. Das Zitat über die schlechte Luft in der Kammer Veit Pempels ist der Forschung bekannt, wurde bislang aber stets in einen falschen Zusammenhang eingeordnet, vgl. bspw. WAGNER, Franziskanerkloster (1848), S. 401. 145 Vgl. StA Altenburg, XII. p. Nr. 19, fol. 49r.

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elementare Nikolaischule in das Kloster verlegt.146 Das Schulhaus an der Nikolaikirche wurde noch im selben Jahr für 18 n ß verkauft.147 Veit Pempel starb jedoch noch im selben Jahr und wurde, wie oben bereits erwähnt, im Kreuzgang der Franziskanerkirche auf Kosten des Gemeinen Kastens beerdigt. Über das weitere Schicksal der Nikolaischule nach seinem Tod oder den Verbleib eines möglichen Gehilfen ist nichts bekannt. Erst als die städtische Schule unter dem Schulmeister Petrus Sparsbrodt im Jahr 1530 oder 1531 ebenfalls in das Klostergebäude verlegt wurde, vereinte man beide Schulen zu einer gemeinsamen – der alleinigen Schule der Stadt.148 Wann genau die Verlegung der Schule erfolgte, kann heute nicht mehr genau datiert werden. 1531 soll auch das Haus der ehemaligen Bartholomäipfarrschule, in dem die Schule zuletzt ihre Wirkungsstätte gefunden hatte, verkauft worden sein.149

3.4. Die Entwicklung im Laufe des 16. Jahrhunderts 3.4.1. Personelle und finanzielle Grundlegung der neuen Schule Der Schulmeister Petrus Sparsbrodt scheint bald nach dem Umzug der Schule ins ehemalige Franziskanerkloster sein Amt niedergelegt zu haben. Seine Nachfolge trat Andreas Misenus an, der zuvor als Lehrer in Jena gewirkt hatte und in Altenburg als erster Schulmeister sein Amt für eine lange Zeit innehaben sollte. Er versah die Altenburger Schule bis ins Jahr 1553.150 Über seine Herkunft herrschte 146 Die ältere Forschung datierte den Einzug der Nikolaischule auf den 1. Februar (vgl. LORENZ, Gymnasii (1789), S. 30; BEUST, Jahrbücher II (1800), S. 36; WAGNER, Georg Spalatin (1830), S. 130; SELL, Chronik (1995), S. 42), doch kann er nicht vor der offiziellen Inbesitznahme des Klosters erfolgt sein (so auch VORETZSCH, Realgymnasium (1898), S. 18). Heute ist aufgrund der Quellen weder die Bestätigung des 1. Februars noch eine Berichtigung dessen möglich. 147 Vgl. StA Altenburg, XII. a. 6. Nr. 12, S. 2; LORENZ, Gymnasii (1789), S. 14; BEUST, Jahrbücher II (1800), S. 36; WAGNER, Georg Spalatin (1830), S. 132; GABELENTZ, Schulen (1863–1866), S. 205. Die Kastenrechnung, anhand der ein Verkauf bestätigt werden könnte, ist nicht erhalten. 148 Vgl. WAGNER, Georg Spalatin (1830), S. 130; VORETZSCH, Realgymnasium (1898), S. 18 f.; SCHNEIDER, Altenburg (1923), S. 47. 149 Vgl. BEUST, Jahrbücher II (1800), S. 41; WAGNER, Georg Spalatin (1830), S. 132 f.; GABELENTZ, Schulen (1863–1866), S. 206; BÜNZ, Schulwesen (2014), S. 228. Auch dieser Verkauf kann heute nicht mehr bestätigt werden. 150 Vgl. LORENZ, Gymnasii (1789), S. 56; WAGNER, Georg Spalatin (1830), S. 133 f.; ENGELHARDT, Spalatin’s Leben (1863), S. 63; LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen I (1886), S. 146; KOCH, Stephan Reich (1886), S. 5, mit Anm. 3; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 23; HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 132.

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in der älteren Forschung Ungewissheit. Sein Name wurde, wie es bei Spalatin der Fall ist, für die latinisierte Form seines Heimatortes Mies in Böhmen gehalten, doch konnte Paul Dietze diesen Irrtum berichtigen. Der Name Misenus ist lediglich die latinisierte Form von Meißner, wie er im Rahmen der Visitation 1533 auch genannt wird,151 und sein Heimatort ist nach der Auskunft der Matrikel der Universität Wittenberg, wo er seit 1516 studierte, Prettin.152 Neben ihm wirkte für kurze Zeit der spätere Lutherbiograph Johann Mathesius als Baccalaureus, bevor er schon 1532 Schulmeister in Joachimsthal wurde.153 Dass die neu organisierte Schule nach dem Sächsischen Schulplan Melanchthons eingerichtet wurde, muss als selbstverständlich gelten. Die darin angeordnete Haufeneinteilung der Schüler kann anhand der Quellen für die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts jedoch nur aus sehr beiläufigen Bemerkungen geschlossen werden. Im Jahr 1534 finden beispielsweise die „grosten knaben“154 eine beiläufige Erwähnung, was auf die Einteilung in Klassen schließen lässt. Bereits im Vorjahr, 1533, findet sich der Ankauf eines „visitir buchleyn“155 für die Schuldiener belegt, wobei es sich nur um den Unterricht der Visitatoren handeln kann. Dass die Schule ein Exemplar des Buches zur Verfügung gestellt bekam, macht eine engere Anlehnung daran wahrscheinlich. Bestätigt wird dies durch eine eigene kurze Verordnung, die den Schuldienern bei der neuerlichen Visitation 1533 überantwortet wurde und die sich in ihren Vorgaben eng an die Melanchthonischen Richtlinien anlehnt. So findet sich darin beispielsweise die Mahnung wieder, die Kinder nicht zu überfordern, indem man sie zu früh an die hohe Kunst der Grammatik heranführe. Für alles Weitere wurde der Schulmeister auf „der visitatorn gedrucktenn vnterricht“156 verwiesen. Die dritte Kirchen- und Schulvisitation nahm am 1. Dezember 1533 ihren Anfang. 157 Der Stadt wurde dabei grundsätzlich eine christliche Einigkeit bescheinigt, die durch keinerlei schwärmerische Einflüsse gestört werde.158 Neben dem Pfarrer, einem Prediger, zwei Diakonen und einem Kirchner wirkten an der Schule der Schulmeister und neben ihm, so die Visitationsunterlagen, angeblich

151 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 583, fol. 59r. 152 Vgl. DIETZE, Schulwesen (1922), S. 23. 153 Vgl. LORENZ, Gymnasii (1789), S. 299; WAGNER, Georg Spalatin (1830), S. 138; ENGELHARDT, Spalatin’s Leben (1863), S. 63; MERTZ, Schulwesen (1902), S. 119; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 25 f.; MORITZ, Schulgeschichte (1998), S. 178. 154 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 1c, fol. 49v. 155 Ebd., fol. 86r. 156 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 583, fol. 9r. 157 Auf das Georgen- und das Bergerstift, die sich bereits beide in ihrer Auflösung befanden, soll hier nicht näher eingegangen werden, vgl. dazu LÖBE, Reformation II (1863), S. 484; EKO I/1, S. 515 f.; ANHALT, Kollegiatstift (2004), S. 46–48. 158 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 6, fol. 79r; ebd., Reg Ii 583, fol. 105r.

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zwei Schulgesellen. 159 Die Schule sei demnach bereits zur Visitation mit drei Schuldienern versehen gewesen. Diese Zählung der Schuldiener ist jedoch angesichts der tatsächlichen Verhältnisse zu ungenau, wodurch es mit mehreren weiteren Zeugnissen, darunter eine Kirchenordnung, auf die noch zurückzukommen sein wird, zu Widersprüchen kommt. Im Jahr 1533 wurde die Schule nach wie vor nur durch den Schulmeister und einen Baccalaureus versehen. Ein zweiter Geselle wurde von den Visitatoren zwar regulär mitgezählt, doch handelte es sich bei ihm, wie aus dem weiteren Verlauf der Protokolle erschlossen werden kann, nicht um einen offiziellen Schuldiener. Viel eher wurde er zur Unterstützung des Schulmeisters und seines Gesellen herangezogen, ohne jedoch für seine Arbeit eine Entlohnung aus dem Gemeinen Kasten zu erhalten. Es zeigte sich, dass die Einnahmen des Gemeinen Kastens bereits für die Gehälter der übrigen Kirchen- und Schuldiener kaum ausreichten. Einmal mehr wurde daraufhin für den Kurfürsten ein Verzeichnis der Einkommensnachweise der noch bestehenden kirchlichen Einrichtungen erarbeitet, durch die der Gemeine Kasten aufgebessert werden könnte. Die erneute Anführung der 30 a ß, die den drei Schuldienern der einstigen Martinsschule vor der Reformation als Kostgeld vom Amt gezahlt worden waren, belegt, dass der schon 1527 geäußerten Bitte zur Auszahlung für die neue Schule bislang nicht entsprochen worden war. Durch diese und alle anderen aufgeführten Einkünfte des Verzeichnisses könnte das Kirchenwesen und darunter die Schule, so die Visitatoren, deutlich besser bestellt werden. Den Schulmeister könne man mit jährlich 70 fl, die Gesellen mit jeweils 40 fl besolden. Die Visitatoren wollten ohne die Bestätigung des Kurfürsten zwar keine eigenständigen Beschlüsse fassen, doch würden derzeit, so schilderten sie die Lage, der Schulmeister mit seinem ersten Gesellen zu wenig und der zweite Geselle gar kein Gehalt bekommen. In diesem Zusammenhang wird erstmals auch die Möglichkeit in Betracht gezogen, Stipendien für taugliche Schüler bereit zu stellen, doch konnte auch hier aufgrund der finanziellen Situation bislang nichts ausgerichtet werden.160 Bereits am 21. Dezember 1533 riefen die Visitatoren dem Kurfürsten die geschilderte Situation erneut in Erinnerung. Die Ausgaben des Gemeinen Kastens würden die Einnahmen um 26 ß übertreffen. Dennoch sei die Anstellung einer dritten Person in der Schule „hoch vonn Nötten“.161 Um diese und andere notwendige Ausgaben gewährleisten zu können, haben die Visitatoren dem Gemeinen Kasten die in dem genannten Verzeichnis angeführten Zulagen, da159 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 6, fol. 82v; ebd., Reg Ii 583, fol. 110r. 160 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 6, fol. 83r–84v; ebd., Reg Ii 583, fol. 112r–113v. 161 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 720, fol. 1r. Die Zählung der Schuldiener erfolgt hier den Tatsachen entsprechend. Gefordert wird somit die reguläre und besoldete Anstellung des bereits unentgeltlich wirkenden dritten Schuldieners, dessen Existenz jedoch, möglicherweise mit Bedacht, keine Erwähnung findet.

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runter auch das ehemalige Kostgeld des Martinsschulmeisters, verordnet, baten mit diesem Schreiben aber um die vorherige Bestätigung des Kurfürsten.162 Da dieser offenbar nicht auf die Bitte reagierte, folgte am 21. Januar 1534 ein weiterer Brief, der das Anliegen in gleicher Form wiederholte, erneut auf die Anstellung eines dritten Schuldieners drängte und mahnte, dass „wider der Schulmeister nach sein Bacularius besoldung genug hat“.163 Die von den Visitatoren erwähnten Maßnahmen waren in der 1533 ausgearbeiteten Kirchenordnung enthalten. Sie wurde im Zuge der Visitation erlassen und trägt den Titel „Verordnung uber die gemeinen artikel der stadt Altenburg“.164 Durch sie erfuhr das reformatorische Kirchen- und Schulwesen eine festgeschriebene Grundlage und wurde in allen bisherigen Entwicklungen bestätigt, gefestigt sowie zum Teil erweitert und fortgesetzt. Die oben wiedergegebenen Ergebnisse der Visitation wurden darin verarbeitet, offiziell angeordnet und durch die Zulagen, deren Bestätigung man erbeten hatte, finanziell ermöglicht. Die Anstellung eines dritten Schuldieners, der das Amt eines Kantors versehen würde, wurde beschlossen. Dazu sollte der bisherige gemeinsame Sold getrennt, dem Schulmeister in Zukunft 70 fl und dem als Supremus bezeichneten Baccalaureus wie dem neu anzustellenden Kantor jeweils 40 fl gezahlt werden. Da auch dieses Gehalt des Schulmeisters den Visitatoren zu gering erschien, solle es, sobald der Gemeine Kasten dies zulasse, erhöht werden. Der Schulmeister solle zudem, wie Luther es einst vorgesehen hatte, die Aufgabe haben, die Schüler, die ein Universitätsstudium anstrebten, zu überprüfen. In dieser Bestimmung findet sich auch der an die Schule gestellte Anspruch wieder. Ohne den Umweg über weitere aufbauende Schulbesuche solle in der Altenburger Schule die Hochschulreife vermittelt werden. Wie es bei den frühen Kirchenordnungen üblich ist, finden sich bezüglich des Schulwesens lediglich jene Aspekte wieder, die auf Anordnung der Visitatoren geändert werden sollten. Der Umstand, dass es im Fall der Altenburger Schule nur wenige Punkte sind, die einer Neuordnung unterzogen wurden, lässt die innere Organisation der Schule zwar weiterhin im Dunkeln, verdeutlicht aber auch, dass die Schule im Ganzen zur Zufriedenheit der Visitatoren bestellt gewesen sein muss. Die im Zuge der Visitation skizzierte und in der Kirchenordnung angeordnete Veränderung der Besoldungsverhältnisse wird durch die erhaltenen Kastenrechnungen der folgenden Jahre bestätigt.165 Lediglich das einstige Kostgeld des 162 Vgl. ebd., fol. 1r–2v. 163 Ebd., fol. 3v. 164 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 6, fol. 85r–90r, Zitat fol. 85r, ediert in EKO I/1, S. 516–518. Vgl. auch JÄPEL, Reformation (1989), S. 66; DIES., Aspekte (2000), S. 338; SCHULZ, Spalatin (2014), S. 80. 165 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 1c (bis Walpurgis 1533); ebd., XII. i. 1. Nr. 1b (Walpurgis 1533 bis Walpurgis 1535); ebd., XII. i. 1. Nr. 2 (1537/38). Obwohl diese Kas-

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Martinsschulmeisters sollte, obgleich der Bitte scheinbar nicht entsprochen worden war, keine weitere Erwähnung mehr finden. Nach der Visitation von 1528, als der Sold des Schulmeisters noch aus nur 60 fl bestanden hatte, wurde ihm und seinem damals noch alleinigen Baccalaureus eine Gehaltserhöhung um 10 fl zugewiesen. Eine zweite Erhöhung um abermals 10 fl scheint erst kürzlich erfolgt zu sein, sodass die Angabe der vorgefertigten Rechnung des Jahres 1533 durch die nachträgliche Hinzufügung einer römischen zehn von 70 zu 80 fl verbessert werden musste. 166 Bis zu Walpurgis (30. April) 1533 konnte den Schuldienern dieser Sold in voller Höhe gezahlt werden, während die Einnahmen im folgenden Jahr für die in ihrer Höhe stark schwankenden Ausgaben nicht ausreichten und der Gemeine Kasten dem Schulmeister zu Walpurgis 1534 4 n ß 35 gr (umgerechnet etwa 13 fl) schuldig bleiben musste. 167 Diese Schulden konnten jedoch bereits im darauf folgenden Jahr, bis Walpurgis 1535 durch die Zahlung von insgesamt 32 n ß 35 gr (umgerechnet etwa 93 fl) getilgt werden. Zur Absicherung ließ der Schreiber der Rechnung den Erhalt des Geldes von Misenus persönlich unter dem aufgeführten Gesamtbetrag quittieren und somit die Tilgung der Schuld durch dessen eigene Handschrift bestätigen.168 Die von den Visitatoren in der Kirchenordnung geforderte Anstellung eines dritten Schuldieners fand erstmals zu Peter und Paul (29. Juni) 1534 ihre Verwirklichung. Der erste Inhaber des Amtes war der 1516 in Rochlitz geborene Urban Zschoch, der erst kürzlich an der Universität Wittenberg das Baccalaureat erlangt hatte. Er wurde als der erste Kantor der Schule bis zum Ende des Rechnungsjahrganges mit 8 n ß 3 gr (umgerechnet 23 fl) besoldet.169 Die geforderte Trennung der Gehälter des Schulmeisters und der Gesellen wurde erst im Rechnungsjahrgang 1537/38 realisiert. Dem Schulmeister wurde für den Rest dieses angebrochenen Jahres zwar zunächst ein alleiniges Gehalt von 50 fl versprochen, von denen er den Anteil für 45 Wochen in einer Höhe von 15 n ß 8 gr 8 d (umgerechnet etwa 43 fl) erhielt. An gleicher Stelle findet sich jedoch bereits die Bestimmung, ihm in Zukunft, wie in der Kirchenordnung angeordnet, die vollen 70 fl zu zahlen.170 In gleicher Weise wurde mit den Schulgesellen verfah-

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tenrechnungen noch sehr ungeordnet geführt wurden, sich teilweise überschneiden und mehrere Jahre abdecken, kann aus ihnen die im Folgenden wiedergegebene Entwicklung rekonstruiert werden. Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 1c, fol. 49r. Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 1b, unfol. Vgl. ebd. Vgl. ebd.; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 26. Einige kleinere Ausgaben der dargelegten Jahrgänge werden dazu aufgewandt, um den Schuldienern ein Trankgeld zu verehren oder einige Bücher zu schenken, vgl. beispielsweise StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 1c, fol. 84r; ebd., XII. i. 1. Nr. 1b, unfol. Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 2, unfol.

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ren. Der Kantor Urban Zschoch erhielt 10 n ß 4 gr 2 d (umgerechnet etwa 29 fl). Das Amt des Supremus hingegen war in diesem Rechnungsjahrgang von einem raschen Wechsel der Amtsinhaber geprägt. Zunächst versah es ein Michael, der zu einem unbekannten Zeitpunkt durch einen Wolfgang ersetzt wurde. Sie erhielten insgesamt 5 n ß 32 gr (etwa 16 fl). Auf Wolfgang folgte ein hier noch nicht namentlich genannter dritter, der nur eine Woche vor Beendung des Rechnungsjahrganges eingestellt wurde und für diese kurze Zeit mit 16 gr versorgt wurde.171 Die damit skizzierte Entwicklung der Besoldung der Schuldiener wurde erst im darauf folgenden Jahr 1538/39, sechs Jahre nach der Veröffentlichung der Kirchenordnung, auf die darin angeordneten Gehälter eingepegelt. Der Sold des Schulmeisters betrug von nun an 24 n ß 30 gr (umgerechnet 70 fl), während der Kantor Urban Zschoch und der hier als Heinrich benannte neue Baccalaureus jeweils 14 n ß (umgerechnet 40 fl) erhielten.172 Bereits während dieser sechs Jahre erlebte die Schule jedoch einen so starken Aufschwung, dass auch der neu eingestellte dritte Schuldiener nicht mehr ausreichte, um die Schule zur Genüge zu versehen. Die Anstellung eines Infimus musste in Angriff genommen werden, sodass Georg Spalatin erneut beim Kurfürsten ersuchte, die Einrichtung einer vierten Schulstelle finanziell zu ermöglichen.173 Der Kurfürst Johann Friedrich übertrug daraufhin die Organisation an den Altenburger Amtmann Christoph von Taubenhaim. Anfang April 1540 informierte dieser ihn über den Hergang. Er habe mit dem Verwalter des Deutschen Hauses verhandelt und von ihm die Zusicherung für die Bereitstellung einer Zulage von 338 fl 6 gr an Geld, 101 Scheffel Getreide sowie 172 Klafter Holz bekommen, die zur Aufbesserung aller Gehälter aufgewandt werden könnten. Die Kirchen- und Schuldiener seien bereits informiert worden und ließen dem Kurfürsten ihre Dankbarkeit versichern.174

171 Vgl. ebd., unfol. 172 Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 25044, fol. 26v. Im Jahr 1538 soll ein Streit zwischen Spalatin und dem Stadtrat über die Besoldung der Schuldiener, die unsittlichen Zustände in der Schule und weitere Irrungen des Kirchenwesens ausgebrochen sein, der sich bis 1542 hinzog. Leider sind die beiden Akten des Stadtarchivs, die diesen Streit dokumentieren (XIV. 10. Nr. 26 und Nr. 40), für die Benutzung gesperrt, sodass darauf an dieser Stelle nicht eingegangen werden kann. Ein förmliches Beschwerdeschreiben von 1542 wird von Jäpel nur in gekürzter Form abgedruckt, die auf das Schulwesen nicht eingeht, vgl. JÄPEL, Reformation (1989), S. 213 f. Vgl. dazu HÖSS, Spalatin (1989), S. 404–406; JÄPEL, Reformation (1989), S. 73; SCHULZ, Spalatin (2014), S. 81. 173 J. Wagner schreibt lediglich sehr verkürzt, dass eine vierte Schulstelle vom Kurfürsten gestiftet worden sei, vgl. WAGNER, Georg Spalatin (1830), S. 139. 174 Vgl. Weimar, Reg Ii 1323, fol. 8r–11r.

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Die Schuldiener müssen sich augenblicklich um die Einrichtung einer vierten Schulstelle bemüht und sich mit der Bitte um einen geeigneten Gelehrten an Philipp Melanchthon gewandt haben. Schon am 22. April 1540 teilte dieser Spalatin mit, dass er sich für einen namentlich nicht genannten Kandidaten entschieden habe, den er zu Pfingsten nach Altenburg schicken wolle.175 Am 29. April informierte Johann Friedrich den Stadtrat über die Erfolge des Amtmannes und bat um eine Bestätigung.176 Die erweiterte Bestellung der Schule schien somit gesichert, doch blieb die vom Amtmann für das Trinitatisquartal versprochene Zulage aus den Mitteln des Deutschen Hauses aus. Am 15. Juni 1540, etwa vier Wochen nachdem der dritte Schulgeselle eingestellt worden war, schrieben die Schuldiener unter Federführung des Schulmeisters Andreas Misenus daher an Spalatin mit der Bitte, beim Kurfürsten um eine Beschleunigung zu ersuchen.177 Die Zulage sei in der Osterwoche versprochen, doch nicht gezahlt worden. Wenn das Versprechen nicht bald eingelöst werde, könne man den eigens von Melanchthon erbetenen Infimus nicht halten. Auch dem neuen Supremus Johannes, der zu Trinitatis den Vorgänger Heinrich im Amt abgelöst hatte,178 sei bei seiner Anstellung eine Gehaltserhöhung um 10 fl in Aussicht gestellt, doch bislang nicht realisiert worden. Eine Zerrüttung der Schule, „darinnen wyr warlich eyn zimliche anzal kleyner iungen Knaben itzo haben“,179 sei unter diesen Umstände und Angesichts der bisherigen Ungleichheit der Gehälter unvermeidlich. Spalatin kam der Bitte nach und teilte dem Kurfürsten am 24. Juni 1540 mit, dass der Schulmeister dem Infimus seinen Sold bislang vorstrecken müsse.180 Ob und in welcher Weise der Kurfürst auf das Einwirken reagierte und wann die Zulage realisiert wurde, kann nicht genau bestimmt werden. Noch im November 1540 schloss sich ein Diakon den Klagen der Schuldiener über die ausbleibende Zulage an.181 Das Verzeichnis, mit dem die Verteilung der zu Ostern 1540 versprochenen Zulage schließlich doch noch realisiert wurde, stammt erst aus dem Jahr 1541, ist aber im Weiteren undatiert.182 Unter den übrigen Kirchendienern wurde dem Schulmeister eine 175 176 177 178 179 180

Vgl. MBW, T 9, Nr. 2420. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1323, fol. 18r–19v. Vgl. ebd., fol. 21r–22r. Vgl. zu dem Amtswechsel StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 4, unfol. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1323, fol. 21r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg O 63, fol. 1r–3v. Vgl. zu diesem Brief auch, jedoch ohne direkten Bezug auf das Schulwesen HÖSS, Spalatin (1989), S. 399. Die Kastenrechnung 1540/41 informiert, dass ein Robert Hansen Spalatins Brief dem Kurfürsten zustellte. Er erhielt einen Botenlohn von 44 gr. Der Rechnungseintrag besagt zudem, dass man den Kurfürsten zugleich bat, die versprochene Zulage um nochmals 10 ß für den Gemeinen Kasten zu erhöhen, vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 4, unfol. 181 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1323, fol. 33r. 182 Abgedruckt bei GABELENTZ, Aufhebung (1845–1848), S. 190–192.

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Zulage von 3 ½ n ß (umgerechnet 10 fl), dem Supremus von 7 n ß (umgerechnet 20 fl) und dem Kantor von ebenfalls 3 ½ n ß zugeteilt. Den dritten Baccalaureus betreffend wurde hingegen bestimmt, dass er seine Besoldung vollständig aus dem Amt erhalten solle. Sie hatte eine Höhe von 14 n ß (umgerechnet 40 fl). Für alle Kirchen- und Schuldiener zusammen wurde die finanzielle Zulage durch fünf Scheffel Weizen, 73 Scheffel Korn, 20 Scheffel Gerste und drei Scheffel Hafer ergänzt. Weitere 10 n ß an Geld sollten als Zulage in den Gemeinen Kasten fließen. Die Gehälter wurden somit neu festgeschrieben und geordnet. Für den Schulmeister kam eine an seinem Familienstand gemessene Gehaltsabstufung hinzu. Die volle Besoldung solle er nur erhalten, wenn er verheiratet war, andernfalls wurde es auf der ursprünglichen Höhe von 70 fl belassen.183 Die vom Amt aus den Mitteln des Deutschen Hauses gezahlte Zulage sollte vierteljährlich zu den einzelnen Quartalen ausgezahlt werden. Die endgültige Zusammensetzung der Gehälter gestaltete sich fortan wie in Tabelle 5 aufgeschlüsselt.184 Über den Sold des Infimus hatte Spalatin die Bedenken getragen, dass es zwischen den Schulgesellen zu Streit aufgrund der starken Abstufung der Gehälter kommen könne und bat daher darum, den Sold von 40 auf 45 fl zu erhöhen, doch wurden seine Einsprüche bei der Neuregelung offensichtlich nicht beachtet. 185 Von der Zulage sollte außerdem ein Organist eingestellt werden, doch da für diesen keine Wohnung hätte gestellt werden können, hatte der Amtmann vorgeschlagen, die für ihn bestimmte Zulage zusätzlich auf die Kirchendiener aufzuteilen.186 Davon riet Johann Friedrich jedoch ab, um weiterhin die Möglichkeit zu behalten, einen Organisten bei geänderten Wohnungsbedingungen einzustellen.187 Die Gehälter der Schuldiener wurden durch die Zulage auf ein Niveau gehoben, auf dem sie bis zum Ende des 16. Jahrhunderts bleiben sollten. Auch der Gemeine Kasten, der bisher über finanzielle Not geklagt hatte und durch den Zuschuss aus dem Amt entlastet wurde, überwand dadurch seine Startschwierigkeiten. Hatten die Einnahmen um 1530 nur knapp den Ausgaben genügt, hinterließ bereits der Rechnungsjahrgang 1540/41 einen Überschuss von 30 n ß 30 gr. Im darauffolgenden Rechnungsjahr stieg dieser auf 53 n ß 15 gr und betrug im Jahr 1542/43 bereits über 74 n ß (umgerechnet mehr als 210 fl).188 Auf dieser 183 Vgl. StA Altenburg, XII. d. Nr. III, unfol. Diese Regelung erklärt für den Fall, dass sie zu diesem Zeitpunkt schon bekannt gegeben worden war, weshalb Misenus in seinem Brief an den Kurfürsten vom 15. Juni 1540 seinen Ehestand betonte, vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1323, fol. 21v. 184 Vgl. StA Altenburg, XII. d. Nr. III, unfol. 185 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1323, fol. 12r–14r. 186 Vgl. ebd., fol. 9r. 187 Vgl. ebd., fol. 18r–19v. 188 Vgl. für alle drei Jahrgänge StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 4, unfol.

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Grundlage entfaltete der Gemeine Kasten im weiteren Verlauf des Jahrhunderts eine beachtliche Aktivität, deckte die Personal- und Baukosten vollständig ab und widmete sich der Armenfürsorge.189 In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhundert zeigte sich der Altenburger Kasten als ein Musterbeispiel des Gemeinen Kastens nach dem von Martin Luther angepriesenen Leisniger Model. Tab. 5: Die Aufteilung der Besoldung der Altenburger Schuldiener

Schulmeister Supremus190 Kantor191 Infimus

Anteil aus dem Gemeinen Kasten 24,5 n ß = 70 fl 14 n ß = 40 fl 14 n ß = 40 fl Kein Anteil

Anteil aus dem Amt 3,5 n ß = 10 fl 7nß = 20 fl 3,5 n ß = 10 fl 14 n ß = 40 fl

Höhe der vierteljährlichen Auszahlung 52,5 gr

80 fl

1 n ß, 45 gr

60 fl

52,5 gr

50 fl

3,5 n ß

40 fl

Gesamthöhe der Besoldung

3.4.2. Erste Höhepunkte unter Schwierigkeiten Die Altenburger Schule war seit der Verlegung ins ehemalige Franziskanerkloster bis zum Ende des Untersuchungszeitraumes durch eine starke Kontinuität des Schulmeisteramtes geprägt. Die unteren Schulämter waren hingegen zunächst einem mehr oder weniger starken Wechsel ausgesetzt. Aufgrund der fast lückenlos überlieferten und ausführlich geführten Kastenrechnungen kann dieser Wechsel, bis auf den Infimus, der keinen Besoldungsanteil aus dem Kasten erhielt, seit den 1530er Jahren ebenso lückenlos nachvollzogen werden. Da die Kastenrechnungen die Amtsträger jedoch bis in die 1550er Jahre mit wenigen Ausnahmen nur mit dem Vornamen benennen und es an ergänzenden Quellen mangelt, bleiben viele Schuldiener für die Forschung weitestgehend anonym. Das Amt des Supremus erlebte alleine im Jahr 1537/38 drei Amtsinhaber, deren letzter, der 189 Über die Bedeutung des Gemeinen Kastens für die Armenfürsorge, auch anhand von Altenburg, sowie dessen begrenzte Leistungsfähigkeit vgl. MANDRY, Armenfürsorge (2018), S. 410–425 u. 569–593. 190 Aus dem Jahr 1543 stammt eine einzelne eigenhändige Quittung über 5 fl, die der Supremus Wolfgang Otto dem Amtsschosser beim Empfang seiner Besoldung des Quartals Luciae ausstellte, vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Rr pag. 1–316, Nr. 1309. 191 Aus den Jahren 1544 und 1545 stammen insgesamt vier eigenhändige Quittungen über jeweils 2 ½ fl, die der Kantor Jakob Thumbser dem Amtsschosser beim Empfang seiner Besoldung ausstellte, vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Rr pag. 1–316, Nr. 1971a.

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bereits genannte Heinrich, schon zu Trinitatis 1540 wieder durch einen Johannes ersetzt wurde. Dessen Nachfolge trat im folgenden Jahr ein Wolfgang an, der als Wolfgang Otto identifiziert werden kann.192 Der 1534 eingestellte Kantor Urban Zschoch versah sein Amt ebenfalls bis 1541. Sein Nachfolger wurde ein Sebastian, der das Amt jedoch nur ein Jahr innehatte.193 Ob tatsächlich, wie in der älteren Forschung angeführt wird, der Tod seine Amtszeit beendet hat, kann nicht nachgewiesen werden. Ihm folgte ein Johann nach, bei dem es sich wahrscheinlich um den späteren Stadtschreiber Johann Reußing handelt.194 Dieser wurde schon 1543 wieder durch den aus Hof stammenden Jakob Thumbser ersetzt, der an späterer Stelle noch Erwähnung finden wird.195 Eine Empfehlung Melanchthons, die er am 1. August 1541 Spalatin gegenüber für den Coburger Leonhard Basenius aussprach, wurde offensichtlich nicht befolgt.196 Die Schule befand sich zur Mitte der 1540er Jahre auf einem vorläufigen Höhepunkt ihrer Entwicklung, was durch verschiedene schlaglichtartige Hinweise bestätigt wird. Die Schule übte offenbar eine starke Anziehungskraft aus, die selbst in der einstigen Hochburg des Humanismus Nürnberg noch Auswirkungen zeigte. Der Amtsvorgänger Spalatins, Wenzelslaus Link, der nach seiner Altenburger Amtszeit nach Nürnberg gegangen war, trug sich mit dem Gedanken, seinen Sohn zum Schulbesuch nach Altenburg zu schicken. Um seine Meinung ersucht, erhob Spalatin ihm gegenüber am 26. Dezember 1542 ein großes Lob über die Altenburger Schule.197 Sie sei optimal bestellt und würde von mehr als 200 Schülern besucht werden. Der Schulmeister Andreas Misenus beherrsche nicht allein Latein und Griechisch, sondern sei auch in der hebräischen Sprache bewandert. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, jedoch fraglich, ob von den Sprachkenntnissen des Schulmeisters auf einen dementsprechenden Unterricht geschlossen werden kann. Von einer Unterrichtung der Schüler in Latein und Griechisch an einer hochentwickelten Schule kann um die Mitte des Jahrhunderts zwar schon ausgegangen werden, doch fand die hebräische Sprache erst in der 192 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 4, unfol. 193 Vgl. ebd. Diesen Sebastian sah die ältere Forschung, basierend auf der oben genannten Schulchronik, als den ersten Amtsinhaber des Kantorats an, datierte seine Amtszeit jedoch falsch. Nach Angaben der Chronik sei er bereits 1540 gestorben, vgl. StA Altenburg, XII. a. 6. Nr. 12, S. 3; LORENZ, Gymnasii (1789), S. 286. 194 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 4, unfol. Lorenz datiert seinen Amtsantritt erneut ein Jahr zu früh, vgl. LORENZ, Gymnasii (1789), S. 286. 195 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 4, unfol.; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 26. 196 Vgl. MBW, T 11, Nr. 3019. 197 Brief abgedruckt bei VERPOORTEN, Epistolae (1709), S. 113. Vgl. auch LORENZ, Gymnasii (1789), S. 57; WAGNER, Georg Spalatin (1830), S. 137; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 23 f.; KÜTTLER, Gymnasium (1972), S. 308.

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zweiten Hälfte des Jahrhunderts ihren Weg in den Schulunterricht. Dass die Schule in den 1540er Jahren dennoch auf einem wissenschaftlichen Niveau stand, das den unmittelbaren Besuch einer Universität erlaubte, zeigt exemplarisch der Lebenslauf des späteren Infimus Jakob Brisger, der um 1544 siebzehnjährig von der Altenburger Schule direkt auf die Universität in Wittenberg wechselte. 198 Seine Sprachkenntnisse, die auch das Hebräische einschlossen, wurden später zwar gelobt, lassen aber mit einem Abstand von mehreren Jahrzehnten keinen Rückschluss auf die in der Jugend genossene Schulbildung mehr zu. Anders als im Falle des sprachlichen Unterrichts kann hingegen das erste Auftreten eines weiteren Bestandteils der schulischen Aktivität recht genau in diese Zeit datiert werden. Der sogenannte figurale Gesang, bei dem es sich im Gegensatz zum reinen liturgischen Gesang um mehrstimmige, harmonische Musik handelt, wurde im Jahr 1541 oder 1542 begonnen. Die ältere Forschung sieht in dem oben genannten Kantor Sebastian den Initiator, doch kann dies letztlich aufgrund des in dieser Zeit raschen Wechsels der Kantoren nicht mehr genau festgelegt werden.199 Ihre erste Erwähnung erfuhr die neue Kunst in einem Brief Spalatins vom 25. Juni 1542 an Hans von Dolzig, in dem er an den Liebhaber der Künste, „vnd beuor der Musica von anbegynn der welt von den hochgelartesten zum hochsten gelobet“,200 appellierte, sich beim Kurfürsten für eine finanzielle Unterstützung für die „new figural Sengerey“201 einzusetzen. Diese würde Gott zu Ehren und den Kindern zum Besten gereichen. Bei dieser neuen Einrichtung wird es sich angesichts dessen, dass er einer Finanzgrundlage bedurfte, um eine Art Schulchor gehandelt haben. Anders als beim liturgischen Gesang, dessen einzige Funktion in der Gestaltung der gottesdienstlichen Handlungen lag, wurde der figurale Gesang zum Selbstzweck und aus Freude an der Musik betrieben und wird zudem eine öffentliche Rolle in der Stadt gespielt haben. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts entfaltete er eine rege Tätigkeit, die beispielsweise, worauf noch zurückzukommen sein wird, zur Almosensammlung für bedürftige Schüler diente. Darüber hinaus sollte die Altenburger Schule schließlich durch ihren Chor auch die einstige Bedeutung wiedererlangen, welche die Schule des Georgenstiftes bereits in vorreformatorischer Zeit hatte, und Sänger zu der 1565 neu gegründeten fürstlichen Hofkapelle zu Gotha beitragen.202 Trotz der lobenden Worte, die Spalatin an Wenzelslaus Link richtete, und des anhand des Figuralgesanges ersichtlichen humanistisch-künstlerischen Bewusstseins der Schule scheint deren Blüte dennoch durch eine mangelnde Disziplin der 198 Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4279a, fol. 73v–74r. 199 Vgl. StA Altenburg, XII. a. 6. Nr. 12, S. 3; LORENZ, Gymnasii (1789), S. 348. Da seine Amtszeit hier jedoch falsch datiert wird, ist auch diese Zuschreiben zu hinterfragen. 200 Brief abgedruckt bei DREWS, Spalatiniana III (1900), S. 478 f., Zitat S. 479. 201 Ebd., S. 478. 202 Vgl. GEHRT, Lieder (2012), S. 30.

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Schüler überschattet worden zu sein. Zwei Mal, am 2. und am 28. September 1542 fühlte Melanchthon sich dazu veranlasst, den mit ihm befreundeten Spalatin über dessen Klagen gegen die Zügellosigkeit der Jugend hinwegzutrösten. In seinem ersten Schreiben versicherte Melanchthon dem Superintendenten die Wertschätzung seiner Freunde und lobt ihn für seine Verdienste um die Sache der Reformation und ihrer gemeinsamen Freundschaft. Die Sitten dieses eisernen Zeitalters seien jedoch zu beklagen (tecum seculi ferrei ferocissimos mores deploro), da weder die Obrigkeit noch die übermütige Jugend (iuventus, quae hac aetate est insolentior) die Leistungen anerkennen.203 Blieb dieser erste Brief dabei noch recht allgemein, wurde Melanchthons folgendes Schreiben deutlicher. Das Klagen über die Frechheit der Jugend (iuventutis petulantia), so schrieb er, solle man nicht unterlassen, doch muss der Seelenschmerz (dolor animi) über sie bewältigt werden. Er appelliert an die Prediger und die Schuldiener, dass durch die gemeinsame Mühe die Jugend eigentlich besser müsste besänftigt werden können, auch wenn es der Obrigkeit oft ein Vergnügen wäre, sie wie in einer Arena vergebens gegen die Missstände kämpfen zu sehen.204 Zu der in diesen Briefen bezeugten Respektlosigkeit der Kinder gegenüber den Geistlichen trat der harte Umgang untereinander. Misenus selbst beschrieb am 16. April 1545 eine handgreifliche Auseinandersetzung zwischen zwei Schülern.205 Der Pfarrer von Kohren, Simon Hauskeller, habe seinen Sohn auf die Altenburger Schule geschickt. Zwar sei dieser nach Misenus Urteil ein frommer und geschickter Schüler, doch habe er den Sohn des Altenburger Handwerkers Simon Geitner mit einem Stein geschlagen und verwundet. Das Anliegen des Schulmeisters richtete sich in dieser Angelegenheit zwar auf das daraufhin angestrengte Verfahren, doch wird durch seine Worte auch der Umgang der Schüler untereinander beleuchtet, indem Misenus schreibt, dass es bereits mehrfach, einmal durch einen Schüler namens Michel Grein, zu derartigen Zwischenfällen gekommen sei. Die Schule wird durch dieses Schreiben, das Misenus an die Richter und Schöppen der Stadt Altenburg richtete, als ein eigener Rechtsbereich innerhalb der Stadt verdeutlicht, in dem der Schulmeister über seine Schüler eine Art richterliche Gewalt ausübte, die selbst deren Arrest mit einschloss. Dies gab daher auch den Anlass des Briefes. Der Handwerker Simon Geitner habe sich nach der Tat an die Gerichte gewandt und dabei das Rechtsprivileg des Schulmeisters, den Schüler für sein Vergehen „gefencklich einziehen zu laßen, vnd fur gerichte widder In zu procediren“, 206 übergangen. Er forderte daher unter Anführung des Präzedenzfalles des Michel Grein, die Verfahren einzustellen und ihn auch gegen 203 204 205 206

Vgl. MBW, T 11, Nr. 3031. Vgl. ebd., Nr. 3050. Vgl. StA Altenburg, XII. b. 4. Nr. I, unfol. Ebd.

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einen möglichen Widerstand des Simon Geitner in seinem Recht walten zu lassen. Welche Entscheidung in diesem Fall getroffen wurde und wie die Verfahren ausgingen, ist nicht bekannt.

3.4.3. Personelle, wirtschaftliche und akademische Verhältnisse um die Jahrhundertmitte Die Besetzung der Schule fand im Jahr 1549 abrupt eine erneute tiefgreifende Veränderung, die Lorenz sogar von einem „fatalen Jahre“207 sprechen ließ. Bis auf Misenus seien alle Schuldiener aus ihren Ämtern entsetzt worden, aus Gründen, die heute jedoch kaum noch nachvollziehbar sind. Der Supremus Wolfgang Otto wurde der älteren Forschung zufolge abgesetzt, weil er zum einen im Streit um das Augsburger Interim eine zweifelhafte Rolle gespielt habe und zum anderen, weil er angeblich zwei Kinder so misshandelt haben soll, dass sie an den Folgen gestorben seien. Für beide Vorwürfe fehlen heute jede Belege, doch kann seine Absetzung anhand der Kastenrechnung bestätigt werden.208 In Bezug auf die Absetzung des Kantors Jakob Thumbser ist ein Brief aus seiner eigenen Feder an den Stadtrat erhalten, in dem der Konflikt, der zu seiner Absetzung führte, nicht mehr als eine Andeutung findet. Thumbser hatte nur kurz zuvor die Tochter des Altenburger Bürgermeisters Peter Tömel geheiratet, doch sei er, noch bevor die Ehe vollzogen werden konnte, in einen Konflikt zwischen dem Bürgermeister und einem Anthonius Kirzing verwickelt worden. Dieser findet durch den Brief keine weitere Erklärung, doch hatte er für Thumbser den Verweis aus der Stadt zur Folge. Es sei ihm nun, da der Bürgermeister eine Abneigung gegen ihn gefasst habe „icziger Zeyt verweyßlich […], auch nachteylig, so ich meiner notturfft vnd ehre nach, mich wider one E. E. W. vorwissen vnd erleubnis in euer weychbild vnnd stadt sollte begeben vnnd wagen“.209 Da der Streit mit Kirzing nun aber beigelegt sei, bat er den Rat, die Stadt mit sicherem Geleit betreten zu dürfen, damit zum Wenigsten die bereits geschlossene Ehe mit der Tochter des Bürgermeisters vollzogen werden könne. Wieder bildet dieser Brief nur einen singulären Einblick in die Umstände, die sonst im Dunkeln bleiben. Anhand des Briefes wird allerdings deutlich, dass Thumbser aus der Stadt an einen sicheren Zufluchtsort geflohen war und sich in Altenburg so bedroht fühlte, dass er die Stadt nicht ohne sicheres

207 LORENZ, Gymnasii (1789), S. 300; LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen I (1886), S. 150. 208 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 4, unfol. 209 StA Altenburg, XIV. 10. Nr. 16b, unfol.

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Geleit zu betreten gedachte. Auch hier kann der weitere Verlauf nicht nachverfolgt werden.210 Die Situation der aufgelösten Besetzung der Schule nutzte Laurentius Schnabel aus Gößnitz, um sich beim Stadtrat als Schulmeister zu bewerben. Dieser gab ihm zwar zur Antwort, dass der Schulmeister noch in seinem Amt sei, bot ihm jedoch die Stelle des Supremus an.211 Die Kastenrechnung des Jahrganges 1549/50 bestätigt seine Einsetzung und beginnt mit ihm nicht nur, die Schuldiener mit dem Nachnamen zu benennen, sondern verdeutlicht auch, dass in der Person des Laurentius Schnabel erstmals ein Magister das Amt des Supremus versah.212 Er sollte damit auch für seine Nachfolger das akademische Niveau des Amtes dauerhaft anheben, worin sich möglicherweise auch das steigende Niveau der Schule widerspiegelt. Der Supremus entwickelte sich allmählich zu einem stellvertretenden Schulmeister, dem später die Bezeichnung Konrektor zugelegt werden sollte.213 Schnabels Amtszeit war jedoch – trotz seiner Bedeutung für die Schule – nur von kurzer Dauer. Bereits im Februar des Jahres 1553 kündigte er seine Stellung wieder auf. Brieflich versicherte er dem Stadtrat seine Dankbarkeit, bat aber darum, sein Dienstverhältnis zu Michaelis zu lösen. Aus vielerlei Gründen sei er nicht mehr gewillt, im Schuldienst zu verblieben. Die Antwort des Stadtrates verdeutlicht, dass Schnabel aufgrund der Mühen und der Art der Arbeit, obgleich er es an Fleiß scheinbar nicht hatte mangeln lassen, schlichtweg keine Lust mehr darauf hatte.214 Der Magister Esaias Böhme trat seine Nachfolge an.215 Im Amt des Kantors folgte auf den aus der Stadt verwiesenen Thumbser nach dem nur kurzen Zwischenspiel eines Georgs im Jahr 1551 der Baccalaureus Johann Becker.216 Der Superintendent Georg Spalatin war bereits im Januar 1545 gestorben. Sein Nachfolger wurde der ehemalige Augustinermönch Augustin Himmel, dem wiederum nach seinem Tod im September 1553 der bisherige Altenburger Prediger Alexius Bresnitzer im Amt folgte.217 Dessen Einsetzung als Superintendent 210 Die ältere Forschung spricht davon, dass er abgesetzt wurde, weil er einem Bürger nach dem Leben trachtete. Dietze spricht selbst von erfolgtem Totschlag, vgl. LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen I (1886), S. 139; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 26. 211 Vgl. LORENZ, Gymnasii (1789), S. 198 f. Auch sein Bewerbungsschreiben ist ebenda abgedruckt. 212 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 4, unfol. 213 Die Bezeichnung Konrektor erscheint erstmals in der Kastenrechnung von 1580/81, in der er mit beiden Bezeichnungen belegt wird, vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 10, unfol. 214 Vgl. StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. VI, unfol. 215 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 5, unfol.; ebd., XII. b. 3a. Nr. VI, unfol. 216 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 5, unfol. Lorenz legt den Beginn seiner Amtszeit erst auf das Jahr 1556, vgl. LORENZ, Gymnasii (1789), S. 287 f. 217 Vgl. LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen I (1886), S. 105; SCHNEIDER, Altenburg (1923), S. 50; HÖSS, Spalatin (1989), S. 416–421.

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zog schließlich einen Wechsel der langjährig unverändert gebliebenen Schulleitung nach sich. Der Schulmeister Andreas Misenus, unter dem die Schule seit 1530 ihre erste Blüte erfahren hatte, wurde ordiniert und trat an die Stelle des Predigers Bresnitzer. Zugleich erhielt er das Altenburger Bürgerrecht. 218 Die Wahl eines neuen Schulmeisters musste in Angriff genommen werden, doch stand mit dem Magister Michael Chilian scheinbar nur ein Kandidat zur Verfügung. Er stammte gebürtig aus Nürnberg, war Sohn eines Handwerkers und hatte seit 1543 die Universität Wittenberg besucht, wo er 1546 zum Magister promovierte. 219 Bewerbungen um das Amt sind keine überliefert, auch Laurentius Schnabel trat kein zweites Mal in Erscheinung. Die Entscheidung für den Schulmeister wurde Anfang November gefällt und verdeutlicht die Patronatsverhältnisse der reformatorischen Schule Altenburgs. Beteiligt waren ausgewählte Vertreter der drei Räte, die Viertelmeister als Repräsentanten der Gemeinde und der Bürgermeister. Die Wahl erfolgte per Abstimmung für den Kandidaten, wobei der Bürgermeister an letzter Stelle seine Stimme abgab. Vermutlich verfügte er über ein letztes Vetorecht. In diesem Fall sprachen sich alle Befragten und der Bürgermeister für Michael Chilian aus. Eine Beteiligung der Geistlichen ist nicht ersichtlich, die Entscheidung über die Schulleitung erscheint als alleiniges Recht der Stadträte. Man wird jedoch von einer Einmütigkeit ausgehen können, denn noch am selben Tag wurde im Namen des neuen Superintendenten und des amtierenden Rates ein Berufungsschreiben an Michael Chilian gesandt, in dem diesem das Amt des Schulmeisters angetragen wurde.220

218 Vgl. StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. VI, unfol.; LORENZ, Gymnasii (1789), S. 58 f.; WAGNER, Georg Spalatin (1830), S. 137 f.; HEINZIG/KÖHLER/MATTIS, Bürgerbücher (2008), S. 43. 219 Zur Biographie Chilians vgl. LORENZ, Gymnasii (1789), S. 62; ENGELHARDT, Spalatin’s Leben (1863), S. 104; LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen I (1886), S. 146; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 24. Während Lorenz ihn für den Sohn eines Tischlers hält, welcher bei Wenzelslaus Link um ein Stipendium für seinen Sohn ersucht hatte, meint Dietze, er sei der Sohn von Spalatins Onkel, dem Tischler Thomas Chilian. Lorenz sowie J. und E. Löbe wollen ihn zudem mit dem von Melanchthon erwähnten Schulmeister aus Leisnig und Borna identifizieren (vgl. MBW, T 11, Nr. 3050), doch muss dem widersprochen werden, da Michael Chilian sich erst im Jahr nach der Erwähnung Melanchthons immatrikulierte. 220 Vgl. StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. VI, unfol. Da kein Bewerbungsschreiben überliefert ist, stellt sich die Frage, wie man auf Chilian als Kandidaten für den neuen Schulmeister aufmerksam geworden war. Der Brief des Superintendenten und des Rates schildert ihm ausführlich die kirchliche und schulische Situation (die Einsetzung Bresnitzers als Superintendent, der Amtswechsel des Schulmeisters und die Notwendigkeit einer Neuwahl), als wäre diese ihm unbekannt.

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Obwohl die Amtszeit Chilians, wie es durch die Kastenrechnung bestätigt wird, zu Reminiscere (18. Februar) 1554 ihren Anfang nahm,221 datiert die ältere Forschung seinen Amtsantritt durchweg erst auf das Jahr 1556.222 Während Lorenz schreibt, Misenus hätte die Schule als Prediger drei weitere Jahre versehen, versucht Jäpel die Lücke durch einen weiteren Schulmeister namens Matthias Poler zu füllen. Dieser stammte aus Altenburg und erscheint tatsächlich mehrfach in den Briefwechseln des Rates. Erstmals wird Poler 1539 in einem Brief Melanchthons erwähnt, in dem dieser dem Rat ein Zeugnis seiner guten Studienerfolge zusandte und um die Bewilligung eines Stipendiums bat.223 1542 setzten sich im gleichen Anliegen, verbunden mit hohem Lob über seine Erfolge und seinen Lebenswandel, sogar die Professoren der Wittenberg Universität für ihn ein, bevor er selbst ein Dankesschreiben für die letztlich bewilligte Verlängerung des Stipendium an den Rat verfasste. 224 Im betreffenden Jahr 1553 erscheint Poler tatsächlich als Schulmeister in einem erneuten Briefwechsel mit dem Rat, in dem er sich in einer Erbschaftsangelegenheit für seine Geschwister einsetzte. Er versah jedoch nicht, wie Jäpel glaubt, die Altenburger, sondern die Schule in Marienberg.225 Dass die Schule, wie die Wahl Chilians andeutet, fest in der Hand des Stadtrates lag, hatte keinen mindernden Einfluss auf deren Verhältnis zur Kirche. Nach wie vor wurde die Schule als Bestandteil des reformatorischen Kirchenwesens wahrgenommen und die Schüler als Chor zur Gestaltung der Liturgie herangezogen, wobei jedoch allmählich die ersten Reibungen aufgrund der Überschneidung mit dem eigentlichen Schulunterricht deutlich wurden. Als 1554/55 eine erneute Visitation abgehalten wurde, stellte die liturgische Funktion der Schule den einzigen Aspekt des Schulwesens dar, den die Visitation, welche die Schulen sonst nur am Rande betraf, einer Regelung zu unterziehen suchte. Die kirchliche Funktion des Schülerchors sollte die wissenschaftliche Ausbildung der Schüler nicht behindern. Da aber die Messen an den Wochentagen unter einer mangelnden Beteiligung der Chorschüler leide, sollten sie auf drei Uhr am Nachmittag verlegt werden. Der Zeitpunkt markiert das Ende der täglichen Schulzeit, sodass mehr Schüler an der Messe teilnehmen könnten, die jedoch, so die Bestimmung der Visitatoren, nicht länger als 15 Minuten dauern sollte.226 Die 221 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 5, unfol. Auch das Bürgerbuch kennt ihn bereits 1554 als Schulmeister, vgl. HEINZIG/KÖHLER/MATTIS, Bürgerbücher (2008), S. 43. 222 Vgl. LORENZ, Gymnasii (1789), S. 63 f.; BEUST, Jahrbücher I (1800) ohne S. (Einleitung); LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen I (1886), S. 146; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 24; JÄPEL, Reformation (1989), S. 91. 223 Vgl. StA Altenburg, XIV. 10. Nr. 40d, unfol.; MBW, T 8, Nr. 2258. 224 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 3. Nr. I, unfol. 225 Vgl. StA Altenburg, XIV. 10. Nr. 16b, unfol. 226 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 23-26, fol. 184v; EKO I/1, S. 518.

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Schuldiener selbst treten in den Visitationsunterlagen nicht namentlich in Erscheinung, doch sei die Schule, so das knappe Urteil, „auch nottorfftiglich vnd wol vorsehen“.227 Lediglich die Versorgung der Kirchendiener mit Brennholz schloss auch die Schuldiener mit ein, was jedoch nicht zur Besserung der ohnehin herrschenden Holzknappheit beitrug. Schon am 4. Mai 1552 hatte der Supremus Laurentius Schnabel mit einem Brief an den Stadtrat eine ganze Reihe von Bittschreiben um eine Aufbesserung der Holzlieferungen eröffnet. Er wurde bei seinem Amtsantritt in Altenburg, so schrieb er, in einer Unterkunft im ehemaligen Franziskanerkloster einquartiert, sei mit seiner Schulstelle auch sehr zufrieden, erhalte seinen Sold stets zur rechten Zeit, doch wäre die Unterkunft zu groß, um mit den ihm zugewiesenen drei Klaftern Brennholz auszukommen. In den drei Jahren seiner bisherigen Amtszeit habe er bereits 16 a ß für zusätzliches Holz ausgeben müssen, worunter seine Finanzen sehr zu leiden hätten. 228 Dieses Ersuchen wurde von den Visitatoren nun nicht etwa aufgegriffen, um die Befeuerung der Schule aufzubessern. Stattdessen wurde bestimmt, dass dem Schulmeister vier Klafter, den übrigen drei Schuldienern jedoch zusammen nur noch acht Klafter Holz zur Verfügung gestellt werden sollten. Ein nachträglicher Erlass des Stadtrates besserte dem Schulmeister seinen Holzanteil zwar auf sechs Klafter auf, beließ den Anteil der Schuldiener jedoch unverändert.229 Diese Änderung der Schulversorgung führte, wie noch zu zeigen sein wird, in der folgenden Zeit zu weiteren Beschwerden der Schuldiener. Als die Herzöge nach der Visitation die Städte in dem oben dargelegten Vorgehen aufriefen, über die kirchliche und schulische Lage Bericht zu erstatten, reagierte der Rat von Altenburg innerhalb kürzester Zeit. In nur wenigen Tagen, wie er selbst betont, wurde das Verzeichnis zusammengestellt – es ist auf den 29. Juni 1555 datiert.230 Der Stadtrat war bemüht, darin ein positives Bild der Verhältnisse zu zeichnen. Der akademische Magistertitel von gleich zwei Schuldienern wurde betont und somit das hohe wissenschaftliche Niveau der Schule herausgestrichen.231 Seit Anfang 1555 wurde die Stelle des Supremus von dem Magister Laurentius Moller versehen. Melanchthon hatte im Dezember des Vorjahres dem Stadtrat gegenüber dessen gute sprachliche und musikalische Ausbildung und seinen guten christlichen Lebenswandel betont und ihn für ein

227 228 229 230 231

LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 23-26, fol. 184r. Vgl. StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. VI, unfol. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 23-26, fol. 185r u. 188r; EKO I/1, S. 518. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2510. „Zw Aldenburgk wirdet eine Knaben Schulen In der Stadt Im Barfuser closter gehalden, vnd In verwaltunge solcher schulen sindt vier personen, darunter Zwene Magistri, ein Cantor vnd i Baccalaurius verordenet“, LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2510, fol. 4v.

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kirchliches Amt empfohlen. Die Kastenrechnung von 1554/55 bestätigt, dass der Rat die Empfehlung umsetzte, doch starb Moller bereits Ende 1556.232 Es ist nicht überliefert, ob Altenburg an der Verteilung der bereitgestellten Zulagen beteiligt wurde. Wahrscheinlich wurde der Gemeine Kasten wie auch das Kirchen- und Schulwesen als ausreichend versorgt angesehen, was im gesamtthüringischen Vergleich auch durchaus zutraf. Stattdessen legte der Stadtrat nach dem Aufruf der Herzöge ein besonderes Augenmerk und eifrige Sorgfalt, wenn auch verspätet, bei der Erlangung zusätzlicher Stipendien an den Tag. Im Oktober 1555 sandte er einen Brief an den Herzog, worin er diesem vier Schüler nahelegte, welche die Altenburger Schule besuchten oder besucht hatten. Der achtzehnjährige Conrad Leuzdorff sei der Sohn einer Witwe eines Landrichters. Ihm folgte der ebenfalls achtzehnjährige Johann Grundmann, „der zu Leipzcigk famuliret“.233 Er wurde nicht weiter identifiziert. Der sechszehnjährige Wolf Falckner war der Sohn des hiesigen Stadtschreibers. Zuletzt wurde Peter Burghard genannt, über den nichts weiter geschrieben wurde, als dass seine Eltern bereits tot seien. Der Rat wurde auf diese Anzeige hin aufgefordert, die vier Anwärter nach Jena kommen zu lassen, um sie auf ihre Tauglichkeit zu überprüfen. Peter Burkhard und Wolf Falckner wurden daraufhin zur Abreise vorbereitet und das Kommen des abwesenden Johann Grundmann ebenfalls zugesagt. Conrad Leuzdorff studierte bereits – er war im selben Jahr in Jena immatrikuliert worden234 –, was allein seinen Anspruch auf ein Stipendium verdeutlichen würde, so der Rat.235 Nicht allen vom Stadtrat ausgewählten Anwärtern war letztlich das Studium beschieden. Neben Leuzdorff ist nur für Falckner eine Immatrikulation nachweisbar, die allerdings zunächst am 7. Mai 1557 in Wittenberg erfolgte,236 bevor er erst 1559 nach Jena kam. Eine Notiz in der dortigen Matrikel informiert, dass er später Syndicus in Goslar wurde.237 Leuzdorff selbst wechselte seinerseits am 16. Januar 1557 an die Universität Wittenberg.238 Das Jahr 1557 brachte erneut einen Wechsel der Schuldiener mit sich. Der von Melanchthon empfohlene Laurentius Moller, der Ende 1556 gestorben war,

232 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 5, unfol.; MBW, R 7, Nr. 7355. Lorenz datiert den Beginn seiner Amtszeit erst auf 1556, vgl. LORENZ, Gymnasii (1789), S. 202. 233 StA Altenburg, XII. c. Nr. I, unfol. 234 Vgl. MENTZ, Matrikel (1944), S. 185. 235 Vgl. StA Altenburg, XII. c. Nr. I, unfol. Zumindest Conrad Leuzdorff sollte später für die Stadt noch einmal wichtig werden. Er bewarb sich am 6. Oktober 1566 um ein kirchliches Amt, vgl. StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. VI, unfol. 236 Vgl. FÖRSTEMANN, Album (1841), S. 329. 237 Vgl. MENTZ, Matrikel (1944), S. 98. 238 Vgl. FÖRSTEMANN, Album (1841), S. 324.

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trat das Amt des Supremus an den Magister Michael Sonne ab.239 Da dieser in der Altenburger Schulgeschichte des 16. Jahrhunderts eine Ausnahmeerscheinung darstellt, soll er an späterer Stelle eine ausführlichere Betrachtung erfahren. Das Amt des Kantors hingegen wurde von Johann Becker auf David Köler übertragen.240 Ein Schreiben, das dieser am 23. Februar 1557 an den Stadtrat verfasste, verdeutlicht, dass er sich nicht um das Amt beworben, sondern der Rat es ihm angetragen hatte. Der Rat habe ihn, der zu dieser Zeit Kantor in Joachimsthal gewesen ist, freundlich ersucht, „ob ich lust vnd lieb hett, mich mit dienstenn zw euch [zu] begebenn“,241 da in Altenburg ein Kantor von Nöten sei. Es sei nach den Angaben Kölers eine angemessene Berufung gewesen und er sei gewogen, diese anzunehmen, stellte dazu jedoch die Bedingung, dass die Besoldung seinen Ansprüchen angepasst werden solle. Statt den bisherigen 50 forderte er ein Gehalt von 70 fl. Er sei bereits mit dem Superintendent über die Besoldungsfrage in Verhandlung getreten und mit den Ergebnissen zufrieden. Dem Stadtrat und dem Superintendenten muss viel an der Einstellung Kölers gelegen haben, denn sie gingen einmütig auf die Forderung ein und zahlten ihm für die Dauer seiner Amtszeit ein Gehalt, das noch 10 fl über dem des Supremus lag. Die Kastenrechnungen, die seine Amtszeit dokumentieren, verzeichnen alljährlich eine an Köler gebundene Zulage von insgesamt 7 n ß (umgerechnet 20 fl), die im Rechnungsjahrgang 1557/58 ihren Anfang nahm.242 Seit 1561/62 erfolgte die Auszahlung dieser Zulage vierteljährlich zu jeweils 1 n ß 45 gr.243 Nach Beendigung seiner Amtszeit im Jahr 1563 wurde die Zulage jedoch nicht auf seinen Nachfolger Daniel Mylich übertragen. Er erhielt wieder den alten Sold von 50 fl.244 Der dritte Schuldiener, der im Jahr 1557 erstmals in Erscheinung tritt, ist der bereits kurz erwähnte Infimus Jakob Brisger.245 Da der Infimus, wie oben dargelegt, nicht durch den Gemeinen Kasten, sondern durch die Amtszulage besoldet wurde, können die genaue Abfolge und die genauen Amtszeiten der Amtsinhaber nicht ermittelt werden. Eine Ausnahme stellt der Infimus Jakob Brisger dar, über dessen Wirken eine kurze Darlegung seiner Biographie informiert, die im Zuge einer späteren Visitation am 10. Juni 1583 eingereicht wur-

239 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 5, unfol. 240 Vgl. ebd. 241 StA Altenburg, XII. e. Nr. I, fol. 1r. Das Berufungsschreiben an Köler ist selbst nicht erhalten, doch findet sich ein ähnliches aus dem Jahr 1591 an Balthasar Thamm, worauf noch zurückzukommen sein wird. 242 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 5, unfol.; ebd., XII. i. 1. Nr. 6, fol. 52r (1560/61). 243 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 6, fol. 107v–108v. 244 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 7, fol. 81v. Lorenz nennt den Nachfolger Kölers fälschlich David Mylich, vgl. LORENZ, Gymnasii (1789), S. 289 f. 245 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 5, unfol.

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de. 246 Sie führt in exemplarischer Weise den Lebensweg einer der zahllosen evangelischen Geistlichen und Gelehrten des 16. Jahrhunderts vor Augen, die trotz einer nennenswerten Gelehrsamkeit weit unter den Rängen der höheren geistlichen Ämter wirkten, die durch einen kontinuierlichen und oft langjährigen Dienst jedoch maßgeblich zum Erhalt und der Festigung der evangelischen Konfession beitrugen. Brisger war der Sohn des ersten evangelischen Predigers Eberhard Brisger, der 1525 neben dem Pfarrer Georg Spalatin in Altenburg eingesetzt worden war. Geboren wurde er 1528, war 1557 also 29 und zum Zeitpunkt der Visitation 56 Jahre alt. Nachdem er die Altenburger Schule besucht hatte, kam er siebzehnjährig direkt ins Studium nach Wittenberg, wo er am 2. März 1545 immatrikuliert wurde.247 Durch den Schmalkaldischen Krieg fand sein Studium eine zeitweilige Unterbrechung, konnte aber später fortgeführt und 1550 mit dem Baccalaureat abgeschlossen werden. Zwei Jahre diente er daraufhin einem Adligen in der Lausitz als Schreiber, bevor er auf die Vermittlung eines Förderers sein Altenburger Schulamt antrat. Rechnerisch hätte seine Amtszeit also bereits 1552 ihren Anfang genommen. Das Amt des hiesigen Infimus versah er 13 Jahre, bevor er 1565 die Stelle eines Predigers in Hartenroda antrat. In diesem Amt traf ihn die Visitation von 1583 an, lobte seine Gelehrsamkeit und seine Kenntnisse der lateinischen, griechischen und auch der hebräischen Sprache und vermerkt zudem, er habe eine weiche und angenehm zu hörende Stimme, die ihn besonders für das Amt eines Predigers empfahl.

3.4.4. Komödien, Examina und Schulfeste Die Schule erlebte in den 1560er Jahren einen neuen Höhepunkt ihrer Geschichte. Dieser war nicht nur mit einer erneuten Ausdifferenzierung der Schulämter verbunden, sondern wird auch in den schulischen Aktivitäten der Schüler, die über den Unterricht hinausgehen, deutlich. So finden im Jahr 1560 erstmals das Schultheater und Schulprüfungen ihre Erwähnung. 248 Der Brief, den die vier Schuldiener in ihrer Gesamtheit unter der Federführung des Schulmeisters Chilian am 26. April 1560 an den Stadtrat sandten, hatte die Bitte um eine Verbesserung der Holzlieferungen für die Schule zum Inhalt. Man habe die Schule nun bereits zwei Jahre nur notdürftig geheizt, was die Schüler bestätigen könnten, doch sei dies für den sonst blühenden Schulbetrieb nicht förderlich. Die Bitte, der Schule und den Schuldienern daher einige Klafter mehr Brennholz 246 Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4279a, fol. 73v–74r. 247 Vgl. FÖRSTEMANN, Album (1841), S. 222. 248 Von der Ersterwähnung der Prüfungen in diesem Jahr weiß auch Lorenz zu berichten, vgl. LORENZ, Gymnasii (1789), S. 319.

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zukommen zu lassen, wurde mit dem Fleiß der Schuldiener unterlegt. Sie würden sich sämtlich „keiner muhe laßen verdrießen“,249 die Schule mit dem Einstudieren und dem Aufführen von Komödien sowie mit Examina, die halbjährlich abgehalten wurden, zu versorgen. Es ist anzunehmen, dass beide genannten Argumente bereits auf eine längere Tradition zurückblickten, doch finden sie hier erstmals eine Beachtung. In den Blickpunkt des Stadtrates traten sie erst nochmals 20 Jahre später.250 Erst im Rechnungsjahrgang 1580/81 wurde erstmals auf Kosten des Gemeinen Kastens zum Anlass der Prüfung Kuchen unter den Schülern verteilt. 251 In diesem Jahr begonnen, verzeichnen die Kastenrechnungen jedoch einen stetigen Anstieg der Ausgaben, bis ein genaues Verzeichnis im Jahr 1594/95 unter dem Titel „Vorzeichnis der Ausgaben zur Collacion, an den Examen den 13 Iunii in der Knaben schuelen gehalten“ ein regelrechtes Festessen zu diesem Anlass andeutet: Neben den üblichen Geschenken von Zuckerwerk, Pfefferkuchen und Papier an die Schüler steht die Gesamtausgabe von 1 n ß 56 gr für ein viertel Kalb, ein halbes Lamm, eine Zunge, ein Schweinebraten und ein paar Würste, eine Gans, Fisch und Krebs, sechs junge Hühner, Brot, Semmeln und „bleettze“ (möglicherweise Plätzchen), Pflaumen, Safran und Ingwer, acht Kannen Wein, Bier in ungenannten Mengen und 3 gr Lohn für die Köchin.252 Ebenfalls in die 1560er Jahre fallen schließlich die ersten Hinweise auf die festliche Begehung des Gregoriustages. Während im Jahr 1564/65 den Schülern vom Bürgermeister die Zahlung von 6 gr für Bücher zu diesem Anlass verordnet wurde, findet sich in der Kastenrechnung des folgenden Jahres am Gregoriustag die Ausgabe von 5 gr für ein Zepter, das deutlich auf die mit Schauspielen verbundene festliche Tradition verweist.253 Auch hier lassen sich ähnliche Ausgaben in unregelmäßigen Abständen durch die Kastenrechnungen der folgenden Jahrzehnte nachverfolgen.

3.4.5. Personeller und organisatorischer Ausbau der Schule Im Jahre 1563 schied der Kantor David Köler, um dessen Dienste sich der Stadtrat mittels einer Gehaltserhöhung bemüht hatte, aus dem Amt. Das Ende seiner Amtszeit war jedoch nicht nur mit einem regulären Wechsel des Amtsträgers, sondern auch mit einer personellen Erweiterung der Schule verbunden. Am 24. Mai 1563 schrieb der aus Altenburg stammende Baccalaureus Michael 249 250 251 252 253

StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. II, fol. 1v. Zum Altenburger Schultheater vgl. MEIßNER, Schulkomödien (1907). Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 10, unfol. Für beide Zitate StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 13, unfol. Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 8, unfol.

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Kuhn einen Brief an den Stadtrat, in dem er sich um die Stelle des vakanten Kantorats bewarb.254 Mit einem beachtlichen Selbstbewusstsein berief er sich auf seinen Vater, welcher der Stadt eine Zeit lang als Ratsherr vorgestanden habe und dessen gutes Andenken ihn als Kantor empfehlen würde. Diese Offensive weiß er jedoch durch den Vorschlag zu entschärfen, dass der Stadtrat, sollte dieser Zweifel an seiner Tauglichkeit haben, ihn zunächst für ein viertel Jahr auf Probe anstellen solle, um sich von seiner Eignung zu überzeugen. Entscheide der Stadtrat nach dieser Probezeit gegen seine Schultätigkeit, wolle er ohne Widerstand das Amt einem anderen abtreten. Der Stadtrat nahm dieses Gesuch nicht in vollem Umfang an, schloss mit Michael Kuhn jedoch einen Kompromiss. Die Nachfolge im Kantorat trat als regulärer Schuldiener Daniel Mylich an,255 während dem Bewerber die gewünschte Probezeit außerhalb der offiziellen Schulämter gewährt wurde. Im Jahr 1565 erhielt er aus dem Gemeinen Kasten 32 gr für seinen Dienst, den er innerhalb von sechs Wochen an der Schule versah. Noch im selben Jahr wurde für ihn eine fünfte offizielle Schulstelle geschaffen, die er Ende 1565 antrat. Durch dieses hinzugefügte Schulamt kam es zu einer Verwirrung der bisherigen Terminologie der Schulämter. Wurde bislang der aus dem Amt besoldete vierte Schuldiener als Infimus bezeichnet, wechselten die Bezeichnungen Infimus und Baccalaureus in den folgenden Jahren zwischen dem vierten und fünften Schuldiener. Erst zum Ende des 16. Jahrhunderts bürgerte sich für den fünften Schuldiener die Bezeichnung Infimus und für den vierten aus dem Amt besoldeten die Bezeichnung Oberbaccalaureus ein. 256 Die Besoldung der neu eingerichteten Schulstelle setzte sich aus zwei Anteilen zusammen. Die Hälfte des Gehalts in Höhe von 4 n ß 12 gr hatte der Gemeine Kasten zu tragen, während die andere Hälfte in gleicher Höhe vom Hospital übernommen wurde.257 Es ist somit zu vermuten, dass Michael Kuhn neben seinem Schuldienst auch dem Hospital zu Diensten wie beispielsweise der Begleitung von Beerdigungen oder der Abhaltung von Messen in der Hospitalskirche zur Verfügung stand.258 Sein 254 Vgl. StA Altenburg, XII. e. Nr. I, fol. 5r–v. 255 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 7, fol. 81v. 256 Lorenz spricht von einer Teilung des Baccalaureats in ein Ober- und ein Unterbaccalaureat, was ebenfalls durch die Benennung der Quellen seine Bestätigung findet. Die Teilung datiert er jedoch erst in das Jahr 1576, vgl. LORENZ, Gymnasii (1789), S. 302; LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen I (1886), S. 148. Der Einfachheit halber soll im weiteren Verlauf dieser Arbeit die spätere Terminologie (Oberbaccalaureus und Infimus) bereits genutzt werden, um die Schuldiener zweifelsfrei ihren Ämtern zuordnen zu können. 257 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 8, unfol. Die erste erhaltene Rechnung des Hospitals aus der Zeit nach 1565 stammt aus dem Jahr 1578/79. Durch sie wird der Gehaltsanteil des Infimus bestätigt, vgl. StA Altenburg, XII. k. 1. Nr. 3, unfol. 258 Hingegen konstatiert Julia Mandry einschränkend, dass die Einkünfte des Hospitals nicht selten auch unabhängig einer personellen Dienstverbindung als Grundlage von Almosen,

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Gehalt betrug somit nur eine Gesamthöhe von umgerechnet 24 fl. Der durch diese Erweiterung in den Rang eines Oberbaccalaureus aufgestiegene Jakob Brisger verließ, wie bereits erwähnt, die Schule im selben Jahr. Brisgers Nachfolger wurde der Baccalaureus Abraham Reckhals. Über seine Einstellung informiert eine Urkunde, durch die er in seinen Dienst gesetzt wurde und die ihm die Pflicht auferlegt, dass er forthin gemeiner Iugint alhier In der schulen mit allem fleis sal vorsein, die stunden, so Ihme eingereumbt werden, gleich andern schuldienern haltenn, seines dinsts trewlichen abwarten, vnnd alles das thun sol, das einem ehrlichen getreuen schuldiener zustehet, wie ehr dan auch solchs alles mit handt vnd mundt zuthun angelobt vnd zu gesagt.259

Diese Formulierung deutet einen Amtseid an und lässt eine förmliche Einsetzungszeremonie der Schuldiener vermuten, über die weiter jedoch keine Aussagen getroffen werden können. Auf der Basis des erweiterten Schulpersonals erfolgte ein weiterer Ausbau des ehemaligen Franziskanerklosters, dessen Oberbau nun ebenfalls für den Schulunterricht herangezogen werden sollte.260 Am 17. Oktober 1569, so datiert es die oben erwähnte Schulchronik, wurden die obersten beiden Klassen in den Oberbau des Klosters verlegt, während die unteren im Unterbau verblieben.261 Die Schule verfügte zu dieser Zeit über mindestens vier Klassen, wurde jedoch, wenn es bis zu diesem Jahr nicht schon der Fall war, bald um eine fünfte ergänzt. Die oberen beiden – vermutlich Quarta und Quinta – wurden vom Schulmeister und dem Supremus, die unteren zwei, wahrscheinlich bereits drei Klassen von den übrigen Schuldienern unterrichtet. Schon im Vorjahr hatten die Ämter des Kantors und des Infimus einen erneuten Wechsel erlebt. An die Stelle von Daniel Mylich, der für vier Jahre als Pfarrer nach Langendorf bei Weißenfels und danach nach Göllnitz im Altenburger Land ging,262 trat Melchior Bischof, der zuvor den Dienst eines Schulmeisters im schwarzburgischen Rudolstadt versehen hatte. Wie David Köler im Jahr 1557 wurde auch er vom Stadtrat in sein Amt berufen. Brieflich bedankte er sich beim Rat bereits am 6. August 1568 und versicherte, dass er die Berufung in das ernestinische Herzogtum, das er als seine Heimat ansah, als eine Befreiung aus

259 260

261 262

Stipendien oder ähnlichen Ausgaben herangezogen worden seien, vgl. MANDRY, Armenfürsorge (2018), S. 444 f. StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. III, fol. 1r. Vgl. LORENZ, Gymnasii (1789), S. 30; LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen I (1886), S. 148; VORETZSCH, Realgymnasium (1898), S. 19; SCHNEIDER, Altenburg (1923), S. 47; MORITZ, Schulgeschichte (1998), S. 178; RICHTER, Vorgängerbildungsstätten (2010), S. 166. Vgl. StA Altenburg, XII. a. 6. Nr. 12, S. 3. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 61, fol. 394r.

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dem Exil empfand.263 Zur Realisierung seines Umzugs bat er, dass man ihm zwei Wagen nach Rudolstadt schicken möge. Obwohl der Rat ihm diese Bitte zunächst ausgeschlagen hatte,264 verdeutlicht die Kastenrechnung von 1568/69, dass Bischofs Umzug schließlich doch aus dem Gemeinen Kasten finanziert worden ist.265 Zugleich trat Michael Sartor das Amt des Infimus an.266 Sowohl Bischof als auch Sartor versahen ihr Amt, trotz der Versicherung Bischofs, dass er sich mit Fleiß seinem Amt widmen wolle, nur kurze Zeit. Der Kantor wurde schon 1570 durch Joachim Kröner ersetzt, während der Infimus die Schule im darauffolgenden Jahr verließ.267 Hatte die Stadt das Kantorat nachweislich bereits zwei Mal an die erwünschten Amtsinhaber herantragen müssen, versuchten im Jahr 1571 gleich zwei Pfarrer, das Amt des Infimus trotz der nur geringen Besoldung für ihre Söhne zu sichern. Am 10. Februar schrieb der Pfarrer von Lucka, Cyriakus Schmalz, an den Altenburger Rat und erbat das Amt für seinen Sohn Isaac, „damit seine geringe gabnn (von Goth vorlihen) in Ime nicht möchten verrostenn“. 268 Der Pfarrer zu Ronneburg, Christoph Singelius, schrieb am 11. Februar im gleichen Anliegen für seinen Sohn Andreas. Diesen habe er drei Jahre auf eigene Kosten an der Universität Jena gehalten und verbürge sich nun für seine Gelehrsamkeit und seinen guten Lebenswandel. 269 Die Kastenrechnung des Jahres 1571/72 bestätigt, dass Andreas Singelius das Amt gewährt wurde, doch blieb er nur wenig mehr als ein Jahr im Dienst.270

3.4.6. Die Auswirkungen der Lehrstreitigkeiten auf die Altenburger Schule Trotz dieses raschen Wechsels der Amtsinhaber scheint die Schule durch eine ruhige Entwicklung und eine verhältnismäßig hohe Stabilität wie Attraktivität gekennzeichnet zu sein. Der Schulmeister Michael Chilian, von dem die maßgebliche Schulleitung abhing, versah sein Amt seit etwa 20 Jahren und eine Nachricht aus dem Jahr 1573 belegt, dass selbst adlige Familien ihre Kinder zur schulischen Ausbildung nach Altenburg schickten.271 Im selben Jahr wurde die 263 264 265 266 267 268 269

Vgl. StA Altenburg, XII. e. Nr. I, fol. 3r–v; LORENZ, Gymnasii (1789), S. 290. Vgl. StA Altenburg, XII. e. Nr. I, fol. 4r. Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 8, unfol. Vgl. ebd. Vgl. ebd. Bezüglich Joachim Kröner vgl. auch LORENZ, Gymnasii (1789), S. 291. StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. III, fol. 3r. Vgl. ebd., fol. 2r–v. Andreas Singelius aus Ronneburg wurde 1568 in Jena immatrikuliert, muss sein Studium also erst kürzlich abgeschlossen haben, vgl. MENTZ, Matrikel (1944), S. 309. 270 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 8, unfol. 271 Vgl. LATh-StA Altenburg, Friedrichsgymnasium Altenburg, Nr. 4, unfol.

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Schule jedoch von den Lehrstreitigkeiten stark betroffen. Die Auseinandersetzung zwischen den theologischen Lagern reicht bis in die 1560er Jahre zurück und hatte auch damals schon die Schule für sich eingenommen. Schon 1562 wurde der flacianisch gesinnte Superintendent Alexius Bresnitzer abgesetzt und durch den ehemaligen Schulmeister Andreas Misenus ersetzt, der ihm bereits 1553 in das Amt des Predigers gefolgt war.272 Als nun jedoch der dem Flacianismus wohlgesonnene Herzog Johann Wilhelm die Nachfolge seines Bruders antrat, wurde in Altenburg auf die Veranlassung des Stadtrates am 13. Februar 1568 ein Schreiben, das dem Herzog die Lage verdeutlichen sollte, verfasst und von etlichen der Bürgerschaft unterzeichnet. 273 Misenus sei, so heißt es, ein Anhänger der Declaratio Victorini und Schuld an manchem Ärgernis. Er sei durch keine Wahl in seinem Amt bestätigt worden, während der einstige Pfarrer Bresnitzer von der Gemeinde gewählt, bestätigt und von allen akzeptiert gewesen sei. Man bat daher um die Rückführung des einstigen und rechtmäßigen Pfarrers und Superintendenten Alexius Bresnitzer. Am 7. April 1568 wurde das Ersuchen der Stadt vom Herzog bestätigt und angeordnet, dass Misenus des Amtes enthoben werden und Bresnitzer sein altes Amt wieder antreten sollte. 274 Die Verbundenheit der Schuldiener mit dem flacianischen Superintendenten Bresnitzer wird dadurch dokumentiert, dass die Namen des Rektors Chilian und des Supremus Sonne unter den Bittstellern vom 13. Februar an erster Stelle stehen. Der weitere Verlauf des Streites, der durch die Absetzung Misenus’ noch nicht beendet war, sondern von dem Pfarrer Bresnitzer und dem Archidiakon Matthäus Träger fortgeführt wurde, soll an dieser Stelle nicht ausgeführt werden. Mehrfach wurden die Streitparteien vor das Konsistorium nach Jena geladen und der Strigelianer Matthäus Träger schließlich der Stadt verwiesen.275 Die Beteiligung der Schuldiener an dem Streit wird nicht deutlich, doch ermahnte der Herzog den Stadtrat noch am 23. Januar 1573 brieflich, dass die Schuldiener sich der Parteinahme und jeder Äußerung vor den Schülern enthalten sollten.276 Nur wenige Monate später kam das ernestinische Herzogtum nach dem Tod Johann Wilhelms unter die Vormundschaft des albertinischen Kurfürsten August, woraufhin dem Flacianismus auch in Altenburg ein schnelles Ende bereitet wurde. Die gesamte Besetzung der Schule wurde im Zuge dessen am 16. Sep272 Vgl. LORENZ, Gymnasii (1789), S. 58 f.; HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 156. 273 Vgl. StA Altenburg, XII. d. Nr. VII, unfol.; LORENZ, Gymnasii (1789), S. 59 f.; LÖBE/ LÖBE, Kirchen und Schulen I (1886), S. 106; SCHNEIDER, Altenburg (1923), S. 52 f. 274 Vgl. StA Altenburg, XII. d. Nr. VII, unfol. 275 Vgl. BEUST, Jahrbücher II (1800), S. 96 f.; SCHNEIDER, Altenburg (1923), S. 53. 276 Vgl. StA Altenburg, XII. b. 4. Nr. I, unfol. Es ist kein solches Schreiben erhalten, doch belegt eine Notiz in einer Registrande des Hauptstaatsarchivs Weimar, dass etliche Bürger beim Herzog Klage über die Schuldiener einlegten. Dies könnte mit der Mahnung des Herzogs in Verbindung stehen, vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 56, fol. 26v.

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tember 1573 abgesetzt.277 Der Schulmeister Michael Chilian musste Johann Piscatorius weichen. Der Supremus Michael Sonne wurde durch Nikolaus Neander ersetzt. Dem Kantor Simon Frohberger, der nur wenige Monate zuvor von Joachim Kröner das Amt übernommen hatte, folgte Jakob Nandelstedt. Neuer Infimus nach Paul Gerhard, der erst vor wenigen Wochen die Nachfolge des Singelius angetreten hatte, wurde Petrus Sartorius. 278 Das Oberbaccalaureat wurde zu dieser Zeit von Abraham Reckhals versehen, der möglicherweise durch den im März 1574 erwähnten Johannes Grimm ersetzt wurde.279 Eine Reaktion ist lediglich von dem Kantor Simon Froberger überliefert. Er schrieb dem Rat nach seiner Absetzung einen Brief, in dem er um eine finanzielle Unterstützung bat. Für einige Wochen habe er während seines kurzen Dienstes auf seinen Sold verzichten müssen, sodass er nun auf eine nachträgliche Zahlung hoffte, die es ihm erlauben würde, sich ohne Amt für einige Zeit zu erhalten.280 Der Stadtrat scheint gegen die obrigkeitlich eingesetzten neuen Schuldiener keine Einwände erhoben zu haben. Spätere Hinweise zeugen davon, dass sie als rechtmäßige Amtsträger wahrgenommen worden sind. Lediglich der Kantor Jakob Nandelstedt wurde noch im selben Jahr wieder aus dem Amt verdrängt, das stattdessen dem städtischen Favoriten Paul Köler angetragen wurde.281 Köler, ein gebürtiger Altenburger und vermutlich der Sohn des früheren Kantors David Köler, 282 hatte zuvor bereits als Kapellmeister in Weimar und als Kantor in Wolfenbüttel gewirkt. Er hatte sich schon 1572 nach dem Abtreten Joachim Kröners aus Wolfenbüttel mehrfach um das Amt beworben, da er lieber seinem eigenen Heimatland seine Dienste stellen wolle, doch entschied man zu dem Zeitpunkt noch gegen ihn.283 Da er nun Nandelstedt aus dem Amt verdrängte, teilte dieser den kurfürstlichen Räten die gegen ihn gerichteten Widerstände brieflich mit und bat sie, sich beim Rat für ihn einzusetzen oder um eine Aushilfe 277 Vgl. LORENZ, Gymnasii (1789), S. 53, 64, 67, 207 u. 291 f.; BEUST, Jahrbücher II (1800), S. 99–101; LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen I (1886), S. 146; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 24; SCHNEIDER, Altenburg (1923), S. 53. 278 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 8b, unfol. Lorenz datiert den Beginn seiner Amtszeit erst auf 1576, vgl. LORENZ, Gymnasii (1789), S. 307. In allen drei Kastenrechnungen, die die Amtszeit des Sartorius abdecken (1573–76), wurde der Infimus zunächst als Paul oder Paulus Sartorius verzeichnet. Drei Mal musste der falsche Name nachträglich gestrichen und in Petrus verändert werden. 279 Vgl. BEUST, Jahrbücher II (1800), S. 100. Zu Johannes Grimm vgl. StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. II, fol. 5r–6r. 280 Vgl. StA Altenburg, XII. e. Nr. I, unfol. 281 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 8b, unfol.; LORENZ, Gymnasii (1789), S. 292 f. 282 Paul Köler begründet seine Bewerbung 1572 damit, dass auch sein Vater schon der Stadt gedient habe, vgl. StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. VI, unfol. Es wird nicht ausdrücklich bestätigt, doch ist die Identifizierung des Vaters mit David Köler wahrscheinlich. 283 Vgl. StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. VI, unfol.

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zu ersuchen, da der Umzug nach Altenburg seine Familie in eine finanzielle Notlage gebracht hatte.284 Am 9. April 1574 wurde dem Rat daher ein Mahnschreiben zugestellt. 285 Nandelstedt sei von der kurfürstlichen Visitation als tauglich befunden und rechtmäßig eingesetzt worden, sodass es gegen den kurfürstlichen Willen geschehe, wenn er nun „schimpflichen entsetzet vnd davon geschüpst [werden] solte“.286 Nur einen Tag darauf erfolgte eine zweite Mahnung durch den kurfürstlichen Rat Lucas Thangel, der auf den Vorwurf von Nandelstedts Ungelehrtheit erwiderte, dass „der Paulus noch vngelerter ist“.287 Auf welche Weise der Stadtrat die Räte von Paul Köler zu überzeugen wusste, bleibt offen, doch scheint eine friedliche Lösung zugunsten Kölers gefunden worden zu sein. Die Kastenrechnung von 1574/75 verzeichnet die Ausgabe von 1 n ß 3 gr, die Nandelstedt zur finanziellen Aushilfe gezahlt worden ist, als er das Amt für Köler räumen musste. 288 Er wandte sich 1579 zu einer Fortsetzung seines Studiums an die Universität von Erfurt.289 Seine hiesige Immatrikulation ist die erste eines gebürtigen Altenburgers in Erfurt nach der Reformation überhaupt. 1587 trat er schließlich das Kantorat in Arnstadt an.290 Paul Köler versah das Altenburger Kantorenamt bis 1591 und weist damit die längste Amtszeit eines Kantors im ganzen 16. Jahrhundert auf. Sein umfangreicher Nachlass,291 auf den an späterer Stelle zurückzukommen sein wird, zeugt davon, dass er sich um die Schul- und Kirchenmusik der Stadt sehr verdient gemacht hat. Als das Altenburger Amt durch Kölers Tod schließlich vakant wurde, bewarb Jakob Nandelstedt sich erneut darum. Aus der Rückschau betrachtete er Köler als einen „alten lieben freundt vnd gefattern“, sodass er 1573 „meiner vorgestandenen gelegenheitt willen meinem lieben gefattern P. K. [Paul Köler] guttwilligk gewichen“292 sei. Abermals wurde jedoch seiner Bewerbung keine Beachtung geschenkt.

3.4.7. Das Schulschreiben des Johann Piscatorius und seine Folgen Die Amtszeit des obrigkeitlich eingesetzten Schulmeisters Johann Piscatorius war nur von kurzer Dauer. Nur ein Jahre später erhielt er am 19. Dezember 1574 durch den Ordinarius und Doktor der Rechte zu Jena Matthias Köler den Ruf an 284 285 286 287 288 289 290 291 292

Vgl. StA Altenburg, XII. e. Nr. I, fol. 8r–9r u. 14r–v. Vgl. ebd., fol. 12r–13r u. 15r–v Ebd., fol. 12v u. 15v. Ebd., fol. 16r. Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 8b, unfol. Vgl. WEISSENBORN, Acten II (1884), S. 444. Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Konsistorium Sondershausen, Nr. 112, fol. 141r. Vgl. StA Altenburg, XII. i. 4. Nr. IV, unfol. Für beide Zitate StA Altenburg, XII. e. Nr. I, fol. 17r.

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die Jenaer Universität.293 Da ihm diese Berufung förderlich sein werde, so schrieb der Ordinarius, werde er sie kaum ablehnen, sodass es der Stadt freistehe, einen neuen Schulmeister zu wählen. Bereits in seinem Brief schlug Köler dem Stadtrat den noch jungen Magister Johannes Hammerich vor, der mit dem Jenaer Superintendent befreundet sei und jüngst die Tochter des Schossers von Bürgel geheiratet habe. Es zeigte sich jedoch nur wenige Tage später, zu Weihnachten 1574, dass die Stadt nun nicht mehr so frei bei der Wahl ihres Schulmeisters war, wie noch bei der Einsetzung Michael Chilians 1553. Stattdessen nahm das Konsistorium das Recht der Bestimmung eines neuen Schulmeisters für sich in Anspruch, wie es ihm, so die Argumentation, aufgrund der Konsistorialordnung zustehe. Da das Konsistorium mit der Universität jedoch in gutem Einvernehmen stand, sprach es sich ebenfalls für Johannes Hammerich aus. 294 Dieser stammte aus Jena, ist 1549 geboren worden, hatte etliche Jahre durch ein herzogliches Stipendium gefördert studiert und im Januar 1572 in Jena den Magistertitel erhalten, zeige, so das Konsistorium, einen ordentlichen Lebenswandel und sei durch sein vorbildliches Verhalten gegenüber seinen Mitstudenten aufgefallen.295 Die Erfolge seines Studiums empfahlen ihn nicht nur für den Schul-, sondern auch für den späteren Kirchendienst. Es zeigt sich auch, dass er selbst beim Konsistorium um die Altenburger Schulstelle gebeten hatte. Am 8. Januar erhielt das Konsistorium vom Altenburger Stadtrat die Zusage, dass man mit Hammerich zufrieden sei und er nur schnell sein Amt antreten solle, damit „die bluende Iugend nicht vorseumet werde“.296 Die Wohnung des Schulmeisters wurde für seinen Amtsantritt umfassend saniert und ihm selbst aus dem Gemeinen Kasten der Umzug nach Altenburg finanziert.297 Der alte Schulmeister Piscatorius wurde hingegen beinahe festlich aus Altenburg verabschiedet. Am 4. Januar bezahlte der Gemeine Kasten die Rechnung eines Wirtes, bei dem der Schulmeister mit acht Gästen gespeist hatte und überreichte diesem selbst 31 gr als Zehrung, die ihm auf seinen Weg nach Jena mitgegeben wurden. Mitte Januar, als ihm 48 gr für zwei noch ausstehende Klafter Holz gezahlt wurden, wird er bereits als ‚der gewesene Schulmeister‘ bezeichnet.298 Die Ankunft seines Nachfolgers sollte sich jedoch aufgrund seiner kürzlich gehaltenen Hochzeit noch bis in den Februar hinein

293 Vgl. StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. IV, unfol. 294 Vgl. ebd., unfol. 295 Die den Brief des Konsistoriums ergänzenden biographischen Angaben stammen aus den Visitationsunterlagen von 1582, vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4278, fol. 389v–390r. Vgl. auch LORENZ, Gymnasii (1789), S. 69 f.; LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen I (1886), S. 146. 296 StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. IV, unfol. 297 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 9, unfol. 298 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 8b, unfol.

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verzögern. Er werde die Verzögerung allerdings, so schrieb das Konsistorium am 26. Februar, durch desto größeren Fleiß wettmachen.299 So kurz die Amtszeit des Johann Piscatorius damit auch war, hat er doch ein Zeugnis über die Altenburger Schule hinterlassen, das einige Beachtung verdient und daher im Folgenden dargelegt werden soll. Es handelt sich dabei um einen vierseitigen undatierten Brief an den Stadtrat, in dem er der Bitte des Rates, diesen über die Gebrechen der Schule zu informieren, in vollendeter Rhetorik und durchsetzt mit lateinischen Phrasen nachkam.300 Nach seinen eigenen Worten habe der Stadtrat ihn aufgefordert, über drei Punkte Auskunft zu geben: Zum einen „mein wochengelt belangendt, wie fern mir ein abbruch zudulden sei“, zum andern, „was ich bishero vor hindernißen an der schulen wolfart befunden“ und zuletzt, „wie denselben vor zukommen“ sei. Gerne wolle er sich der Beantwortung dieser Fragen widmen, denn „etliche gebrechen sich durch mein stillschweigen vnd gedult nit heilen laßnn“. Obwohl Piscatorius trotz seines guten Willens nicht alle dieser Fragen zur Zufriedenheit des Stadtrates beantwortet haben wird, finden in diesem Schreiben einige Aspekte des Schulwesens Beachtung, die sonst im Dunkeln liegen. Es seien der Gebrechen an der Schule, so begann er sein Schreiben mit einer rhetorischen, fast obligatorisch erscheinenden Klage, „so manigfalt vnd viel […] das inen allen durch menschlich witz vnd fleis nit kan genugsam begegnet werden“. Aller Orten seien die Klagen der Gelehrten zu vernehmen, dass die Schulen im Niedergang begriffen seien, weil die Kinder „durch gelindigkeit der Eltern verzogen“ werden und die Schuldiener nur Unverstand und Großtuerei an den Tag legten. Vergeblich sehne man sich nach der goldenen Zeit der Vorfahren und sei in guter Hoffnung auf ein Einsehen der Obrigkeit. Inwieweit diese Klage den Tatsachen entsprach, sei dahin gestellt. Sie wurde von den Humanisten bereits zu Beginn des Jahrhunderts erhoben und war seither wohl zu keiner Zeit verstummt.301 In diesem Zusammenhang wird deutlich, welche Anforderungen Piscatorius, dem aufgrund der Wertschätzung des Stadtrates und der Berufung an die Universität eine gewisse Autorität in dieser Frage beigelegt werden kann, an einen Schuldiener stellte. Er solle Gunst und Verstand mitbringen, die Jugend treulich lehren und verhören und sich dabei auf das Niveau der Kinder herablassen,302 diese nicht überfordern, aber auch nicht 299 Vgl. StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. IV, unfol. 300 Vgl. auch für die folgenden Zitate StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. VI, unfol. 301 Exemplarisch sei dazu nur die von Melanchthon 1541 verfasste Klage des Lazarus genannt (MELANCHTHON, Lazari Klage) sowie aus dem Bereich des thüringischen Schulwesens die darauf aufbauenden Schulpredigten des Stephan Reich, auf die in ihrem Saalfelder Zusammenhang zurückzukommen sein wird. 302 Den Gedanken, dass die Lehrer sich auf ein kindliches Niveau herablassen müssten, hatte bereits Luther ausgesprochen: „Und las sich hie niemand zu klug duncken und verachte solch kinderspiel. Christus, da er menschen zihen wollte, muste er mensch werden. Sollen wyr kinder ziehen, so musen wyr auch kinder mit yhn werden.“, vgl. LUTHER, Deutsche Messe, WA 19, S. 78.

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vernachlässigen. Im „Castigieren“ (Züchtigen) sollten sie, obgleich es an den Schulen des 16. Jahrhunderts als selbstverständlich angesehen wurde, dennoch Maß halten und eher durch ihr eigenes Leben ein Vorbild an Gottesfurcht, Emsigkeit, Gehorsam und Nächstenlieben geben. Der Obrigkeit machte Piscatorius hingegen zur Pflicht, ein gutes Aufsehen über die Schule zu haben und sie durch aus den Reihen des Rates gewählte Schulinspektoren überprüfen zu lassen. Deren Aufgabe sollte es sein, den Lehrplan und die Unterrichtsweise, im Besonderen aber die Prüfungen zu überwachen und vom Rektor sowie den übrigen Schuldienern Rechenschaft über die schulischen Aktivitäten zur fordern. Die Stadt solle, so schrieb Piscatorius, auf die Schüler achten, denn sie seien die Zierde einer jeden Stadt. Besonders die auswärtigen Schüler sollten gut versorgt sein, was den Schulmeister auf das erste Problem des Altenburger Schulwesens brachte. Er forderte vom Rat, dass dieser aus seiner Mitte einen Abgeordneten wählen sollte, der mit dem Schulmeister zusammen „ettwas mehr, dann bishero“ für eine gute Unterbringung der fremden Schüler Sorge tragen solle. Damit die einheimischen Schüler jedoch nicht „mit verlaufnen vnnuzen vnd faulen gesellen verderbt, sonder mit frommen vnd fleißigen woll versehen mögen werdten“, solle unter den auswärtigen sorgfältig gewählt werden. Als vorbildhaftes Beispiel galt dem Schulmeister dabei die Gemeinschaft der Schützen, die nur wenige in ihre Reihen aufnahmen, da sie nur allzu oft die Untreue der Mitglieder zu spüren bekommen habe. Das Mittel zum Zweck sah Piscatorius in einer gerechten Strafe, denn Untreue, so schrieb er, nehme da Überhand, wo gerechte Strafe nicht zu befürchten sei (ex impunitate). Man solle „in den praemiis [= Lohn] vnd poenis [= Strafe] ein vnderscheidt“ machen, denn „wie der Poet sagt, wo fromme vnd böse gleich gelten, da wirdt leichtlich yederman bös“. Über den Gedanke der Untreue und der Ungleichheit kam Piscatorius auf einen Aspekt des Schulwesens zu sprechen, der in Altenburg in nur drei Fällen Erwähnung findet – auf die Kurrende und den Schülerbettel. Diese Praktiken scheinen in Altenburg bislang keiner einheitlichen Organisation unterworfen gewesen zu sein, wodurch es zu Rivalitäten und Auseinandersetzungen unter den Schülern kommen könnte oder bereits gekommen sei. Piscatorius riet daher, sich an die fast institutionell eingerichtete Vorgehensweise der Schulen in Jena und Weimar anzulehnen, die doch mit Altenburg einer gemeinsamen Schulordnung unterworfen seien.303 Dort werde alles in der Stadt ersungene Geld bei einem oder zwei Ratsherren hinterlegt, gesammelt und wöchentlich in einer Höhe von 9 d gegen Rechnung unter den in einem Verzeichnis aufgeführten bedürftigen Schülern verteilt. Das übrig gebliebene Geld werde weiter gesammelt und in vierteljährlichem Abstand in der Weise unter allen Schülern verteilt, dass die „im singen vnd studieren“ Fleißigen etwas mehr, die Nachlässigen 303 Gemeint ist die herzoglich-sächsische Schulordnung von 1573, durch die der Schülerbettel jedoch keine nähere Ordnung erfuhr.

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jedoch „zur straff“ etwas weniger erhalten. Dies würde die Unfleißigen anspornen, sie vom „leichtfertigen Landtlauffen“ abbringen und sie länger bei der Schule und der Kirche halten. Damit endet das Schulschreiben bereits, obwohl Piscatorius die Frage der Besoldung nicht angesprochen hatte. Er wolle darüber schweigen, so schrieb er vielsagend, deutete jedoch an, dass die Schularbeit in „diße[r] theure[n] zeit“ zwar gestiegen, das Gehalt hingegen „sehr abgenummen“ habe. Er habe jedoch Hoffnung, dass die Obrigkeit ein Einsehen mit den Schuldienern haben werde. Eine direkte Reaktion auf die Forderungen und Ratschläge des Schulmeisters ist nicht ersichtlich, doch zeichnet sich in späteren Jahren die Umsetzung einiger Aspekte ab. Nachdem bei der folgenden Visitation nochmals darauf gedrängt werden musste, das bereits bestehende aber vernachlässigte Schulherrenamt sorgfältiger zu bestellen, wurde zwischen 1582 und 1584 ein Gremium eingesetzt, das den Anforderungen des Piscatorius entsprach. Es setzte sich aus drei Ratsherren zusammen und hielt wöchentliche Schulinspektionen ab. Am 10. März 1585 reichte der Superintendent Caspar Melissander Klage über einen Herrn Leise, einen der drei amtierenden Schulherren, ein und drängte auf dessen Absetzung. Um seine Stelle neu zu besetzten, schlug er sogleich einige neue Anwärter vor. 304 Das Schulherrengremium erscheint in seinen Worten – und nochmals in einem Brief vom 5. Juli 1588305 – als eine gut funktionierende Einrichtung, die als institutionell organisierte Instanz neben den Stadtrat und den Superintendenten getreten war. Die Umsetzung der von Piscatorius angeregten Organisation der Schulkurrende wird hingegen im Jahr 1584, worauf noch einzugehen sein wird, und nochmals am Ende des Jahrhunderts durch eine erneute Änderung der Verhältnisse angedeutet. Demnach sei eine zentrale Sammlung der Einnahmen der Schülergesänge tatsächlich realisiert worden, aus der nicht nur die Schüler ihren Anteil, sondern auch der Kantor selbst monatlich ½ fl erhalten habe. Am 1. März 1597 schrieb der Kantor Balthasar Thamm an den Stadtrat und beklagte, dass dieser beschlossen habe, die bereits unter seinen Vorgängern gereichte Zulage aus den Kurrendeeinkünften abzusetzen. Da der Verlust dieser regelmäßigen Zahlung für ihn einen echten Abbruch bedeutet hätte, der seiner Arbeit mit den Schülern nicht förderlich sein würde, bat er den Stadtrat, den Beschluss noch einmal zu überdenken.306 Ob dem Kantor sein Anteil letztlich erhalten blieb, kann nicht erhellt werden, doch verdeutlicht ein weiteres Zeugnis des folgenden Jahres 1598 die Hintergründe seiner Klage, nämlich, dass die Einkünfte der Kurrende zur Versorgung der bedürftigen Schüler nicht ausreichend waren. Bei 304 Vgl. StA Altenburg, XII. b. 4. Nr. I, unfol. 305 Vgl. StA Altenburg, XII. o. Nr. Ia, unfol. 306 Vgl. StA Altenburg, XII. e. Nr. I, fol. 25r–28r.

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der Ausarbeitung einer Bettelordnung wurde angeordnet, dass jenen Schülern, die sich aus dem festgesetzten Anteil der Kurrendeeinkünfte allein nicht erhalten konnten, das zusätzliche Betteln in den Straßen erlaubt werden solle. Dieser Bestimmung folgt ein Verzeichnis der Schüler, auf die dies zutraf. Unter dem Titel „Vorzeichnis der armen leut, so spendt empfangenn“307 werden an erster Stelle ganze 96 Namen aufgezählt. Ein Randvermerk verdeutlicht, dass noch 13 weitere sich um das Bettelprivileg beworben, dieses jedoch nicht erhalten hatten. Es ist anzunehmen, dass die Klage des Kantors auf die Entscheidung des Stadtrates zurückzuführen ist, das gesammelte Geld ausschließlich den Schülern zugutekommen zu lassen.

3.4.8. Mangelnde Disziplin mit Todesfolge Der Schulmeister Johannes Hammerich, Piscatorius’ Nachfolger, stand der Schule volle 39 Jahre und somit länger als jeder Schulmeister vor ihm vor.308 Die Schule zeigte sich unter ihm auf einem für eine städtische Schule ausgesprochen hohen wissenschaftlichen Niveau, doch übernahm er von seinem Vorgänger nicht nur die von Piscatorius skizzierten Probleme der Schule, die unter seiner Amtszeit weiterhin präsent blieben. Noch unter Piscatorius wurden etliche Stimmen laut, welche zu einem Vorgehen gegen latente Missstände aufriefen. Ein Vermerk am Ende der Kastenrechnung von 1574/75 beispielsweise wirft abermals ein bezeichnendes Licht auf die mangelhafte Disziplin der Schüler, die sich in den letzten Jahren anhand der hohen und wiederholten Ausgaben für Reparaturarbeiten deutlich bemerkbar gemacht hatte und nun selbst die Kastenherren zu einem Aufbegehren veranlasste. Die Ausbesserung der Fenster an beiden Kirchen, den Wohnungen der Diakone und der Knabenschule habe dem Gemeinen Kasten „viel vorgebliche vnrasten“ beschert. Alle Monate habe man sie, „welches alles durch Muttwillige buben ausgeworff vnd zerbrochen wirdt“, flicken müssen. „Als bitten die Verordenten Vorsteher des Ghemeinen Kastens deroweg ein Ernster vnd billicher einseh anzuschaffen vnd vorzuwenden, darmit solcher vnrath hinforder vorhuttett werden möchte“. 309 Daneben steht die Klage der Schuldiener über ein unzumutbares Wohnumfeld und unzureichende Besoldung. Am 17. März 1574 reichten die oberen Schuldiener – Rektor, Supremus und Kantor – gemeinsam ein Gesuch an den Stadtrat und den Superintendenten ein, mit dem sie die vom Konsistorium geforderte Bereitstellung und bauliche Instandhaltung von Wohnungen in der Stadt ein-

307 Vgl. StA Altenburg, XI. G. i. Nr. 1, unfol. 308 Vgl. LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen I (1886), S. 146. 309 Für alle drei Zitate StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 8b, unfol.

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forderten.310 Am selben Tag und wahrscheinlich in Absprache mit ihnen verfassten auch der Oberbaccalaureus und der Infimus ein Schreiben, in dem sie die Unverhältnismäßigkeit von Arbeit und Besoldung zum Ausdruck brachten.311 Die Behausungen seien – über vier Jahrzehnte nach dem Ausbau des Franziskanerklosters – unbequem und in schlechtem baulichem Zustand und die Besoldung entspreche nicht der Mühe des Schuldienstes und werde zudem oftmals nicht zur rechten Zeit gereicht. Beide Parteien verwiesen deutlich auf die Nachteile, die es für die Ausübung der schulischen Pflichten und die rechte Erziehung der Kinder habe, wenn die Schuldiener durch derartige Missstände in der Erfüllung ihrer Ämter gehindert würden. Inwieweit die Willkür der Schüler und deren Eltern die Schuldiener beeinträchtigte, wird anhand eines späteren Beispiels aus dem Jahr 1588 besonders deutlich. Am 29. Januar dieses Jahres übersandte der Superintendent dem Stadtrat die Abschrift eines Briefes des Infimus, worin dieser sich über einen Vater namens Veit Birlingk beschwerte, der in seinem Vorgehen gegen die Bestrafung seines Sohnes alle Schuldiener in eine missliche Lage gebracht habe. Die Abschrift selbst ist nicht erhalten, sodass die Art des Fehlverhaltens sowohl des Schülers als auch des Vaters offenbleiben muss, doch forderte der Superintendent den Rat auf, als zuständige Obrigkeit derlei „vnbescheidenheit“ mit den gehörigen Mitteln zu bestrafen. Würde dieses Mittel versäumt werden, könne es in der Schule leicht dahin kommen, dass „ma[n] die bösen kind[er] schir nicht sawer anseh[en] darf vo[n] wegen d[er] trowung vnd schmehung Irer eltern, die nicht leid[en] wollen, Ire unartige[n] Kind[er] zustraff[en]“. Es sei bereits der Fall, dass die Schüler ein abscheuliches Verhalten an den Tag legten, die Gottesdienste störten, während der Predigt unzüchtig redeten und die Wände der Schule mit unanständigen Bildern („gemalde priapos“) verunstalteten.312 Im Falle des Infimus Petrus Sartorius, um in die 1570er Jahre zurückzukommen, wird sogar deutlich, dass die Nachstellung eines Bürgers zur Beendung seiner Dienstzeit geführt hatte. Am 29. März 1576 schrieb der Infimus einen Brief an den Superintendenten, in dem er berichtete, dass Veit Leube, Stadtkämmerer und Kastenvorsteher, ihn vor dem Rat, der Gemeinde und dem Ministerium beschuldigt habe, den Tod eines Kindes verursacht zu haben. Sartorius wies zwar alle Schuld von sich, fühlte sich aber in der Stadt vor Nachstellungen nicht mehr sicher und bat den Superintendenten, ihn an einen sicheren Ort zu versetzten.313 Trotz der Unschuldsbeteuerungen des Sartorius hat es in der Schule tatsächlich ein Todesopfer unter den Kindern gegeben. 310 Vgl. StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. II, fol. 2r–3r. 311 Vgl. ebd., fol. 5r–6r. 312 Für alle drei Zitate StA Altenburg, XII. b. 4. Nr. I, unfol. Der Ärger des Superintendenten Melissander fand bereits, wie es für ihn typisch war, in einer energischen, von etlichen Abkürzungen geprägten Handschrift seinen Ausdruck. 313 Vgl. StA Altenburg, XII. b. 4. Nr. I, unfol.

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Die Kastenrechnung des Jahres 1575/76 verzeichnet eine Spende an einen Thomas Donat für die Beerdigung seines Stiefsohnes, der „von den Baccaulaurio Petro Sartorio also sal gestrichen worden sein, das er gestorben“.314 Dennoch erhörte der Superintendent die Bitte und der Schuldiener wurde als Pfarrer in Lumpzig eingesetzt.315

3.4.9.

Die Visitationen der 1580er Jahre

3.4.9.1. Desinteressierte Schulherren und widersetzliche Schuldiener Die Nachfolge des Sartorius im Schulamt trat der Baccalaureus Pankratius Weniger an, der in seiner bis 1591 währenden Amtszeit, obgleich er den genannten Beschwerdebrief über Veit Birlingk verfasste, selbst einige Probleme bereiten sollte. Er scheint sich bald nach seinem Amtsantritt an den Klagen über die geringe Besoldung beteiligt zu haben, denn trotz der noch darzulegenden Konflikte, die der Pfarrer mit ihm auszutragen hatte, erhielt er „vff sein vhleisigk bitten vnd Supplicieren“316 seit dem zweiten Jahr seiner Amtszeit durchgängig eine jährliche Zulage von zwei Klaftern Holz, die nach seinem Abtreten auch auf seinen Nachfolger übertragen wurde. Um seinen Lebensunterhalt auch darüber hinaus noch weiter aufzubessern, erteilte er, wie man später aus seinen eigenen Worten beiläufig erfährt, einigen Bürgerskindern Privatunterricht.317 Auch diese Methode scheint eine gängige Praxis gewesen zu sein, gegen die scheinbar weder der Rat noch die Kirchendiener Einwände erhoben haben. Die Ämter des Supremus und des Oberbaccalaureus wurden im Jahr 1576 ebenfalls neu besetzt. Der 1573 von der Visitation abgesetzte Michael Sonne trat wieder in sein Amt als Supremus ein, während der posthume Sohn des vormaligen Superintendenten Augustin Himmel318 namens Heinrich in das Oberbaccalaureat eingesetzt wurde.319 In dem Einsetzungsverfahren Heinrich Himmels findet sich der einzige Beleg dafür, dass das Amt Altenburg, aus dessen Kasse die Besoldung des Oberbaccalaureus floss, ein Mitspracherecht bei der Besetzung der Schulstelle in Anspruch nahm. Ein lateinisch verfasstes Bewerbungsschreiben Himmels stammt vom 17. September 1576. Darin lobt er die 314 315 316 317 318

StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 9, unfol. Vgl. ebd. Ebd. Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4279, fol. 311r. Augustin Himmel war der direkte Nachfolger Spalatins, vgl. LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen I (1886), S. 105. 319 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 9, unfol. Vgl. zu Heinrich Himmel LORENZ, Gymnasii (1789), S. 302; LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen I (1886), S. 105.

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Altenburger Schule, die er selbst besucht hatte und präsentiert sich durch Anspielungen auf Aussagen Ciceros dem Superintendenten als humanistisch gebildeter und heimatverbundener Gelehrter.320 Zwei Tage später schrieb der Amtsschosser dem Rat und setzte sich für den Bewerber ein. Dieser habe bei ihm darum ersucht und sich als tauglich erwiesen, sodass er zur Einstellung Himmels riet, wodurch zudem seinem Vater ein seliges Andenken erwiesen werden könne. Seine Berechtigung betonte der Schosser, indem er darauf hinweist, dass es sich um das Oberbaccalaureat handele, „welchem Auß dem Ampte seine Iherliche besolldunge gereicht wurdenn“.321 Im Jahr 1582 wurde Altenburg von einer neuen Kirchen- und Schulvisitation erfasst, die nun auch ein stärkeres Augenmerk auf die schulische Aktivität legte. Brieflich wurde dem Stadtrat am 16. und nochmals am 26. Juni angekündigt, dass die Visitatoren am 5. oder 6. Juli in der Stadt eintreffen würden. Man solle sich nach ihrem Willen richten und etwaige Beschwerden vor sie bringen. 322 Die Schule war, als die Visitatoren wie angekündigt am 6. Juli in Altenburg eintrafen, in ihrer personellen Gesamtheit vertreten: Der Schulmeister Johannes Hammerich (latinisiert als Hamericus bezeichnet), der Konrektor Michael Sonne, der Kantor Paulus Köler, der Oberbaccalaureus Heinrich Himmel und der Infimus Pankratius Weniger.323 Um ihr Urteil befragt, äußerten sie etwas verhalten die Hoffnung, „Man werde mit Ihnen allenthalbenn Zufriedenn sein“.324 Sie betonten anders als die Amtsinhaber noch einige Jahre zuvor, dass ihre Besoldung ausreichend sei, nur ein Mangel an Getreide und Holz bestehe. Die einzige Klage führten der Oberbaccalaureus und der Infimus darüber, dass ihnen keine freie Wohnung von der Stadt gestellt werden könne, sodass sie durch Mietausgaben beschwert werden würden. Ein weiterer erhobener Vorwurf betraf den Rat und die Bürgerschaft selbst. Es seien zwar Schulinspektoren aus dem Rat verordnet worden, doch würden diese ihr Amt nicht mit dem erforderlichen Ernst betreiben, sondern lediglich zu den Prüfungen in der Schule erscheinen. 325 Der Superintendent Caspar Melissander schloss sich diesem Vorwurf an und forderte seinerseits vom Rat, das Amt der Schulinspektoren mit mehr Sorgfalt zu bestellen.326 Die Schuldiener schlossen aus der geringen Aktivität der Inspektoren auf ein Desinteresse des Rates an der Schule. Das gleiche Urteil traf etliche Eltern, die ihre Schüler aus

320 321 322 323

Vgl. StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. VI, unfol. Ebd. Vgl. für beide Schreiben StA Altenburg, XII. o. Nr. Ia, unfol. Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4278, fol. 370r. Kurze biographische Angaben finden sich zudem ebd. fol. 389v–390v. 324 Vgl. ebd., fol. 386r. 325 Vgl. ebd., fol. 386v. 326 Vgl. ebd., fol. 377v.

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der Schule nahmen, obwohl diese zum weiteren Studium geeignet erschienen.327 Gerade dieses letzte Urteil verdeutlicht zwar die geringe Priorität, die manche Bürger der gelehrten Bildung zugestanden, zeigt aber darüber hinaus, dass die Lateinschule auch zum Erwerb elementarer Kenntnisse wahrgenommen wurde. Über die von den Schuldienern angesprochenen Angelegenheiten versprachen die Visitatoren, mit dem Stadtrat zu verhandeln. Der Superintendent äußerte zum Schulwesen nur wenig. Lediglich der Konrektor Sonne und der sonst so verdienstvolle Kantor Paul Köler würden durch einen lasterhaften Lebenswandel Anstoß erregen, durch den zudem die Schule vernachlässigt werde.328 Ihm und den übrigen Kirchendienern wurde hingegen von der Gemeinde ein Beschwerdeschreiben übergeben, das neben Details der kirchlichen Zeremonien auch den Katechismusunterricht zum Inhalt hatte. Durch den Superintendenten Melissander seien kürzlich neue Fragestücke zum Katechismus eingeführt worden. Mit diesen sei man zwar zufrieden, doch klagten die Eltern der Schulkinder, dass sie verpflichtet seien, das Fragebuch zu kaufen, wodurch sie mit zusätzlichen Ausgaben belastet werden.329 Dieselbe Klage legten die Bürger auch den Visitatoren vor. Ein neuer Katechismus sei akzeptabel, doch errege es Missfallen, dass die Eltern „den Catechismum fur Ihre kinder theurer dann sonstenn kaufenn mustenn“. Der Superintendent, dem dieses Problem vorgebracht worden war, fand es wunderlich, könne doch „ein Ieder Knabe In einer stunde die Neuen fragestuck aufschreiben“.330 Bereits zwei Jahre später, am 22. Juni 1584, fand eine weitere Visitation statt. Einige der zuvor angesprochenen Unstimmigkeiten konnten zwar gelöst werden – so findet sich beispielsweise unter den Befragten der Ratsherr Paul Apitz, der das Amt des Schulinspektors innehatte und scheinbar auch gewissenhaft ausführte331 –, doch zeigten sich andere der aufgeworfenen Probleme noch vertieft. So konnte der Knappheit der Holzlieferung nach der letzten Visitation nur für kurze Zeit abgeholfen werden.332 Das größte Konfliktpotential stellte jedoch das Verhalten einiger Schuldiener dar. Der Konrektor, der im folgenden Kapitel eine eingehendere Betrachtung erfahren soll, und der Kantor führten, obgleich sie gelehrt waren und der Schule guten Dienst taten, nach mehrfacher Ermahnung ein unanständiges Leben. Ihnen wurde mit der Absetzung gedroht, wenn eine Besserung nicht stattfinde.333 Zu einem schärferen Vorgehen musste jedoch bei dem Infimus Pankratius Weniger übergegangen werden. Obwohl bei der vor327 328 329 330 331 332 333

Vgl. ebd., fol. 386v. Vgl. ebd., fol. 377v. Vgl. StA Altenburg, XII. o. Nr. Ia, unfol. Für beide Zitate LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4278, fol. 385v–386r. Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4279, fol. 287v. Vgl. ebd., fol. 284r. Vgl. ebd., fol. 282r.

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hergegangenen Visitation keiner über ihn Klage erhoben hatte, offenbarte sich nun der volle Konflikt und die Auseinandersetzungen, die Weniger in den vergangenen Jahren provoziert hatte. Er habe, so der Bericht des Superintendenten, „alle Ihar grossen vnfug vnd meuterie angericht, sei oft drumb gestraft, hab aber nichts geholff[en]“. Erst kürzlich habe er während der Predigt im Chorraum der Kirche durch einen Streit mit einem Bürger Unruhe gestiftet, die ihm sogar eine kurze Haftstrafe eingebracht hatte. Aus der Haft entlassen, habe er sein zügelloses Treiben jedoch ungebrochen fortgesetzt. Dadurch aufgebracht, habe der Superintendent ihn kurzerhand seines Amtes enthoben. „Izo schelte vnd schmehe er sie alle“, so die Worte des Pfarrers.334 Die Visitatoren gaben dem Infimus daraufhin die Möglichkeit, zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen Stellung zu beziehen. Pankratius Weniger verfasste daher am 23. Juni ein Rechtfertigungsschreiben, in dem er den Hergang der genannten Auseinandersetzung aus seiner Sicht schilderte und alle Schuld an dem Konflikt von sich wies. Am Ostermontag (2. April) habe es sich in der Bartholomäikirche zugetragen, dass der Amtsschreiber Elias Nandelstedt mit ihm in „wiederwillen geratten“ sei und ihn „mit gotteslesterischen fluchen […] Auß der kirch gefordert“ 335 habe. Noch am selben Tag habe der Schreiber Weniger beim Superintendenten angezeigt, der daraufhin in Begleitung der Stadtund dreier Landsknechte in das Haus eines Bürgers, bei dem Weniger mit seiner Frau zu Besuch war, eingedrungen sei und ihn gewaltsam herausbringen ließ. Ohne die Möglichkeit, sich zu rechtfertigen sei er auf das Schloss gebracht und für einen Tag und eine Nacht „in einem thurm, dorinnen Mahnn schelme vnnd diebe zu werffen Pfleget“336 einsperrte worden. Zwei Monate später führte dieses Ereignis zu einer folgenden Auseinandersetzung mit dem Superintendent. Am 17. Juni habe Melissander ihm nach der Kinderlehre aufgetragen, einige ungezogene Kinder zu bestrafen. Der Diakon Magister Stein wandte daraufhin ein, Weniger „möchte die knab[en] wol zuchtigen, jedoch nicht diebhencker ernst“.337 Als Weniger zurückgab, dass er weder Dieb noch Henker sei und sich nie derartig benommen habe, spielte der Superintendent auf seine kürzliche Haft an. Sarkastisch gab der Infimus diesem darauf die Antwort, dass der Superintendent in dieser Angelegenheit seinen Kindern und seiner Frau gegenüber „Zimliche ehr Vnd Gevatterschaft“338 erwiesen habe, indem er ihn wie einen Dieb hat wegsperren lassen. Über die Anmaßung dieser Worte sei Melissander so wütend geworden, dass er dem Schuldiener durch einen Kirchner den Schuldienst verboten habe. Acht Tage habe er der Schule fernbleiben müssen. Zwar habe er sich mit dem vorlauten Diakon Stein versöhnt, 334 335 336 337 338

Für beide Zitate ebd., fol. 282r. Für beide Zitate ebd., fol. 311r. Ebd., fol. 311r. Ebd., fol. 311v. Ebd., fol. 312r.

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doch lasse der Superintendent mit einer Aussprache auf sich warten, obwohl Weniger mehrfach durch dessen Vertraute ein gutes Wort für sich einlegen ließ. Ungeachtet dessen, dass er durch den Stadtrat förmlich eingesetzt worden sei, habe er nun jeden Moment die völlige Absetzung durch den Superintendenten zu befürchten. Seine Frau sei über den Schrecken seiner Gefangennahme schwach und krank geworden, zudem habe er fünf Kinder, die er ohne seinen Verdienst nicht ernähren könne. Die Visitatoren bat er daher eindringlich, sie mögen den Superintendenten zur Nachsicht bewegen und ihn „bey meinem armen dienstlein bleiben lassen“.339 Der Superintendent hatte, wie Weniger in seinem Schreiben selbst betonte, mit der Absetzung seine Amtsbefugnis überschritten und gegen die Patronatsgewalt des Stadtrates gehandelt. Bei Letzterem und der Bürgerschaft scheint Weniger hingegen in gutem Ansehen gestanden zu haben, wie die bereitwillig gewährte Zulage von zwei Klaftern Holz und die Freundschaft und Indienstnahme einiger Bürger nahelegen. Den Visitatoren gegenüber erhob der Rat daher auch nur die Klage gegen den Konrektor und den Kantor, während er sich im Gegenzug über den Superintendenten beschwerten, dass er ohne ihr Wissen, den Infimus abgesetzt habe.340 Durch die Visitatoren wurde deshalb ein Kompromiss geschlossen, der dem Schuldiener eine vierteljährige Gnaden- und Bewährungsfrist verschaffte.341

3.4.9.2. Der Altenburger Lehrplan von 1584 Neben den damit geschilderten Konflikten zeigte die Visitation von 1584 ein eingehenderes Interesse an den schulischen Aktivitäten und der Unterrichtung der Schüler als die vorhergehenden Visitationen. Auf das Ersuchen der Visitatoren reichten die Schuldiener bei ihrer Befragung daher eine ausführlich aufgestellte Lehrplandarstellung ein, die zum ersten Mal eine umfassende Erschließung der Unterrichtsinhalte der Altenburger Schule zulässt.342 Die bereits in Tabellenform angelegten Stundenpläne (Abb. 2–4) verdeutlichen trotz der personellen Missstände enorm hohe wissenschaftliche Ambitionen eines auch im thüringischen Gesamtvergleich sehr vielfältigen Unterrichtsprogramms, sodass nicht allein die lateinische und griechische Sprache, sondern auch das Hebräische und die Mathematik in den Unterricht aufgenommen wurde. Kann die Arithmetik an den reformatorischen Lateinschulen bereits als seltener Fall gelten, bleibt der 339 340 341 342

Ebd., fol. 313r. Vgl. ebd., fol. 286v. Vgl. ebd., fol. 314r. Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4279, fol. 292r–293r.

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Altenburger Unterricht der hebräischen Sprache innerhalb Thüringens singulär (Kap. II. 6.7.1.). Abgesehen von diesem erhöhten Anspruch zeigt sich eine weitestgehend genaue Übereinstimmung mit dem Schulplan der kurfürstlichen Schulordnung von 1580. Die Schule verfügte über fünf Klassen, von der untersten, der Prima, bis zu Quinta. Der Unterricht erfolgte am Vormittag von 6 bis 9 Uhr und am Nachmittag, wie es schon in der Visitation von 1554/55 deutlich geworden ist, von 12 bis 15 Uhr. Für alle Klassen, mit Ausnahme der Quinta, war der Mittwochnachmittag dem Katechismusunterricht in der Kirche gewidmet, der in den ersten beiden Klassen als „die Kinderlehr“ 343 auf deutscher Sprache erfolgte. Obwohl die kirchliche Katechismuslehre wie allerorten auch in Altenburg von Anfang an mit der Reformation verbunden war, ist es anzunehmen, dass diese erst in den vergangenen zwei Jahren als fester Bestandteil in den Lehrplan aufgenommen wurde. Noch bei der Visitation von 1582 hatte nämlich der zweite Diakon Beschwerde eingelegt, dass die Kinder aus der Schule nicht an dieser Lehre teilnehmen würden. Obwohl der Stadtrat daraufhin eingewandt hatte, die Kinder könnten den Katechismus auch in der Schule lernen, wurde von den Visitatoren die Teilnahme an den kirchlichen Angeboten angeordnet. 344 Im schulischen Unterricht erfolgte die Lehre des Katechismus, welcher der Prima zudem als elementares Lehrbuch diente, hingegen, wie es seit Melanchthons Sächsischem Schulplan gehandhabt wurde, mit aufsteigendem sprachlichem Niveau am Sonnabend. In der Secunda und der Tertia wurden darüber hinaus selbst dem Corpus Doctrinae als Unterrichtswerk die jeweils zweite Stunde des Donnerstag- und Sonnabendvormittag gänzlich gewidmet. Die Musik fand gemäß der kurfürstlichen Kirchenordnung von 1580 erst ab der Tertia Aufnahme in den Schulunterricht und erfolgte täglich in der ersten Stunde des Nachmittages. Bemerkenswerterweise erscheint auch die Anwendung der Musik mittels der Kurrende als fester Bestandteil des Lehrplans und deutet eine Umsetzung der von Piscatorius in seinem Schulschreiben geforderten Organisation der Kurrende an. Im Unterricht der Quinta wurde in der zweiten und dritten Stunde des Mittwoch Nachmittages der kirchliche Katechismusunterricht ersetzt durch die Almosensammlung mittels des figuralen Gesangs – „scholastici Musica figurali colligunt stipem“.345 Demnach setzte sich die Kurrende nur aus den Reihen der fünften Klasse zusammen, was, um auch die bedürftigen Schüler der unteren Klassen zu versorgen, eine zentrale Sammlung der Einnahmen voraussetzt. Eine weitere Anwendung der Musik war die Gestaltung der Messen, die der Quarta und Quinta in der zweiten Vormittagsstunde des Donnerstag auferlegt wurde. Ebenfalls auf die oberen beiden Klassen war auch die Aktivität des sogenannten Coricaeus be343 Ebd., fol. 292r u. 292v. 344 Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4278, fol. 383r–v. 345 LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4279, fol. 293r.

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schränkt, dessen Befragung als „Exame[n] Corycaei“346 in der dritten Stunde des Freitagvormittags parallel zum eigentlichen Unterricht zeitlich festgelegt wurde. Das Fehlen dieses Aufpassers in den unteren drei Klassen verdeutlicht zudem die Abstufung der sprachlichen Anforderungen. Während die Muttersprache (in der Prima als „lingua Vernacula“ 347 bezeichnet) in den unteren drei Klassen nicht gänzlich aus dem Unterricht ausgeschieden und selbst als Unterrichtssprache im Lehrplan verzeichnet wurde, erfolgte der Unterricht in der Quarta und Quinta, überwacht durch den Coricaeus, unter strengem Ausschluss des Deutschen. Der eigentliche Unterricht erfolgte in der Prima in drei Leistungsstufen, wobei alle Tage derselben Abfolge unterlagen. Die erste Stufe erlernte die Buchstaben und die ersten Silben, die zweite das Syllabieren anhand des Donat und die dritte, ebenfalls anhand des Donat, die ersten lateinischen Vokabeln mittels deutscher Erklärung. Die ersten Schreibübungen traten in der dritten Stufe jeweils in der ersten Nachmittagsstunde hinzu. Da der Katechismus als elementares Lehrbuch mit herangezogen und die erste Stunde des Tages in allen Leistungsstufen zur Erlernung der christlichen Hauptstücke genutzt wurde, diente der Sonnabend der Wiederholung des Katechismus und der Lektüre der Evangelien. In der Secunda dominierte die Erlernung der Grammatik den Unterricht. Sie erfolgte anhand der Evangelien und des Donat. Die erste Nachmittagsstunde diente weiterhin den Schreibübungen, in der zweiten und dritten Nachmittagsstunde gefolgt von der ersten lateinischen Lektüre, die anhand der von Johannes Sturm für die Schule edierten Cicerobriefe und der Mimi Publiani erfolgte. In der Tertia wurden Letztere durch die Fabeln Aesops nach Joachim Camerarius ersetzt. Das Latein gewann nun auch als Unterrichtssprache an Bedeutung, so beispielsweise in der Erklärung des Katechismus oder der Evangelien, die bis zur Secunda auf Deutsch erfolgte. Die Musik trat an die Stelle der einstigen Schreibübungen, doch erfolgten auf ihnen aufbauend in der zweiten und dritten Stunde des Mittwochvormittags schriftliche Stilübungen (Exercitium styli). Das Unterrichtsspektrum wurde in der letzten Stunde jedes Tages durch die Syntax erweitert. Schon in der Tertia wurde eine Stunde, die dritte des Freitagvormittags, den Grundzügen der griechischen Grammatik gewidmet. Sie dominierte schließlich den Unterricht der Quarta anhand der Grammatik von Martin Crusius, ergänzt durch die Lektüre des Isokrates. Ebenfalls wurden der Katechismus und die Evangelien in griechischer Sprache gelesen, während das Latein zur reinen Lektüre klassischer Literatur – der Briefe Ciceros, der Bucolica Vergils und der Komödien des Terenz – ausgebaut wurde. Die Grammatik wurde durch die Prosodie anhand ausgewählter Evangelienstücke und der Sonntagsepisteln sowie die Onomastik anhand des Lehrbuches von Theophilus 346 Ebd., fol. 293r. 347 Ebd., fol. 292r.

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Golius ersetzt. Erstmals fand in der Quarta auch die hebräische Sprache in Form der grammatikalischen Erklärung Aufnahme. In einer Stunde der Woche, der ersten Nachmittagsstunde des Mittwoch, fand zudem erstmals ein mathematischer Unterricht der Arithmetik statt. Auch wenn dieser Bestandteil des Unterrichts von der kurfürstlichen Kirchenordnung vorgesehen wurde, ist die Realisierung dessen nicht selbstverständlich und zeichnet die Altenburger Schule, wie auch der Unterricht im Hebräischen, besonders aus. In der Quinta wurden die griechische Lektüre durch Hesiod und der sprachliche Unterricht durch Dialektik und Rhetorik erweitert. Die Lektüre Vergils wurde durch eigene Dichtung ausgebaut. Gemessen an dem damit wiedergegebenen Lehrplan kann die Schule im thüringischen Vergleich als herausragend bewertet werden und obgleich keine Zeugnisse von der Qualität der hier wiedergegebenen Unterrichtsgegenstände vorliegen, wird dennoch deutlich, dass die Schule nicht nur in ausreichender Weise auf das Universitätsstudium vorbereitete, sondern selbst Universitätsniveau erreichte. Auf diese Weise war es möglich, dass selbst Studenten von der Wittenberger Universität die Altenburger Schule anstelle oder zur Ergänzung der dortigen Artistenfakultät besuchten.348 Die gesamte Frequentierung der Schule und der Anteil auswärtiger Schüler wird entsprechend hoch gewesen sein. Aus dem Jahr 1595/96 ist der Besuch zweier Knaben aus Leipzig und Erfurt, die beide selbst über gute Schulen verfügten, nachweisbar, 349 doch liegen auch darüber bis zum Ende des Betrachtungszeitraumes keine definitiven Nachweise vor. Lediglich angedeutet wird die Schülerzahl durch das bereits im Zusammenhang mit dem Schulschreiben des Piscatorius erwähnte Verzeichnis der bettelenden Schüler. Die Armenschüler, die an der Kurrende beteiligt wurden, haben wahrscheinlich nur einen geringen Teil der Gesamtschülerzahl ausgemacht, doch nutzten ganze 97 Schüler, die wiederum nur einen Teil aller Armenschüler repräsentieren, darüber hinaus das Bettelprivileg.350 Durch diese Zahlen kann nur vage vermutet werden, in welchem Rahmen sich die Gesamtschülerzahl bewegt haben wird. Deutlicher wird der Rang der Schule hingegen anhand der Beliebtheit der Schulstellen bei manchen Universitätsabsolventen, die nach der erfolgreichen Beendigung ihres Studiums um die Indienstnahme ersuchten. Mehrfach verzeichnen die Kastenrechnungen für die letzten Jahre des Jahrhunderts, dass ehemalige Studenten abgelehnt werden mussten, dafür allerdings ehrenhalber einen kleinen Geldbetrag für ihre Bewerbung erhielten.351 348 349 350 351

Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 25047, fol. 43v. Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 13, unfol. Vgl. MANDRY, Armenfürsorge (2018), S. 408–410. Herausragend ist der Fall von zwei Studenten, die am 26. Oktober 1599 zusammen sogar 1 n ß 36 gr erhielten, vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 17, unfol.

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Abb. 2: Der Lehrplan der Altenburger Lateinschule von 1584 (Prima).

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Abb. 3: Der Lehrplan der Altenburger Lateinschule von 1584 (Secunda und Tertia).

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Abb. 4: Der Lehrplan der Altenburger Lateinschule von 1584 (Quarta und Quinta).

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3.4.10. Humanistischer Wettstreit um ein Schulamt Der Infimus Pankratius Weniger scheint die 1584 vereinbarte Bewährungsfrist unbeschadet überstanden zu haben, doch verhinderte dies nicht, dass es langfristig zu einem weiterem Anstoß mit dem Superintendenten kam. Obwohl Melissander sich, wie oben dargelegt, im Januar 1588 noch beim Stadtrat für ihn gegen die Nachstellungen Veit Birlingks eingesetzt hatte, folgte nur wenige Monate später, am 5. Juli 1588 ein bitterer Brief, in dem der Superintendent dem Rat zu befehlen versuchte, einen Schuldiener wegen seines Verhaltens abzusetzen. Obwohl der Schuldiener nicht namentlich genannt wird, kann es sich bei diesem „vnnutz Mennich“ nur um den Infimus Pankratius Weniger handeln. Er sei unfähig, verweigere den Gehorsam und vernachlässige seine Amtspflichten. Dem Stadtrat gegenüber soll er bei einem nicht weiter spezifizierten Anlass am Vortage „vbermuth trotz vnd Iniurien“ an den Tag gelegt haben. Da dieses Verhalten für die anderen Schuldiener ein schlechtes Vorbild abgebe, die Autorität des Rates dadurch „labefactiert vnd vernichtet wird“ und der Verlust von Gehorsam und Furcht unter den Schuldienern dazu führen würde, dass alles „zu boden gehen muß“, forderte Melissander vom Rat, an dem Schuldiener ein regelrechtes Exempel zu statuieren.352 Wieder scheint Melissanders Klage keine direkten Folgen nach sich gezogen zu haben, sodass es erst 1590 zur endgültigen Eskalation kam. Der Hintergrund dessen bleibt im Dunkeln und wird auch durch ein letztes Verteidigungsschreiben Wenigers an den Hauptmann Christoph Vitztum vom 19. Dezember 1590 nicht endgültig erhellt.353 Anhand eines Bittschreibens, das Weniger im Namen einer Frau, die er die alte Kirchnerin nennt, aufgesetzt hatte und das in die Hände seiner Widersacher geraten sei, entzündete sich demnach ein Konflikt, der schließlich auch die übrigen Schuldienern wie den Rat gegen ihn aufbrachte. Obwohl er erneut seine Unschuld beteuerte und an das Leben seiner Frau und seiner sieben Kinder gemahnte, erfolgte noch im Dezember 1590 seine Absetzung. Sein Nachfolger informierte am 17. Januar 1591 den Stadtrat, dass Weniger in das Amt des Schulmeisters nach Preitzsch bei Pegau berufen worden sei.354 Die Berufung scheint jedoch nicht umgesetzt worden zu sein. Bereits am 31. Januar 1591 schrieb der einstige Infimus einen letzten tief emotionalen und unterwürfigen Brief an den Rat und erbat seine Wiedereinstellung oder eine finanzielle Unterstützung, um nur lebend über den Winter zu kommen.355 Der Rat war ihm immerhin noch so wohl gesonnen, dass er ihm mit vollen 4 n ß 12 gr aus dem Gemeinen Kasten (umgerechnet 12 fl), einem halben Jahressold, über die Notlage 352 353 354 355

Für alle Zitate StA Altenburg, XII. o. Nr. Ia, unfol. Vgl. StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. III, fol. 5r–7r. Vgl. ebd., fol. 18r. Vgl. ebd., fol. 9r–10r.

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hinweg half.356 Weniger wurde daraufhin auf die Vermittlung des Herzogs als Schulmeister in Altkirchen eingesetzt, erbat jedoch selbst 1595 beim Herzog seine Entlassung, da er auch hier auf den Widerstand des Pfarrers und der Bauern stieß.357 Die Stelle des Infimus wurde durch den gleichnamigen Sohn des früheren Kantors Daniel Mylich neu besetzt.358 Er hatte binnen kürzester Zeit mit einem Bewerbungsschreiben, das er am 30. Dezember 1590 an den Superintendent sandte, auf die Absetzung Wenigers reagiert.359 Ein weiteres an den Stadtrat folgte erst am 17. Januar.360 Er wusste den Superintendenten von sich zu überzeugen. Seinen Brief verfasste er in anspruchsvoll konstruierter lateinischer Grammatik, in formvollendeter Handschrift und mit literarischen Anspielungen durchsetzt. Er begann mit den Worten „Ut succincte et breviter, ita recte et sapienter Poeta loquitur: Non facile emergunt quorum virtutibus opstat res angusta domi.“361 Es handelt sich dabei um ein Zitat aus den Satiren Juvenals (Saturae, I, 3, 164 f.). In seiner Gesamtheit vermittelt das Schreiben den Eindruck, dass Mylich es gerade durch eine eindrucksvolle Darstellung darauf angelegt habe, dem ungeliebten Vorgänger ein entsprechendes Gegenstück gegenüberzustellen. Ein Empfehlungsschreiben des Superintendenten an den Rat verdeutlicht seinen Erfolg. Dessen Ansprüchen, dass die Stelle durch einen Bewerber zu besetzen sei, der den Schülern im „schreiben baß vorstehen konnte, Auch in der Musica geubet sey, der dem Cantori stets am Bult in der Kirch beistand thue“,362 wurde Mylich offenbar gerecht. In Martin Kluge aus Kahnsdorf fand sich jedoch noch ein zweiter Bewerber um das Amt. Er richtete seine Bewerbung am 12. Januar 1591 an den Rat und am gleichen Tag an den Superintendenten.363 Er war der Sohn eines Altenburger Bürgers, hatte durch ein Stipendium der Stadt unterstützt einige Jahre studiert und danach als Schreiber den Herren Eoban und Joachim von Ponickau in Kahnsdorf gedient, sehe sich nun aber in der Pflicht, seine Mühen in den Dienst der Heimatstadt zu stellen. Als Melissander auch über ihn seine Einschätzung ausdrückte, klang sein Urteil verhaltener. Es sei ihm zu Ohren gekommen, dass Kluge kein guter Musiker sei und sein Studium ohne die rechte Konzentration geführt habe. Angesichts des Vorgängers resignierend legte er die Entscheidung

356 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 11, unfol. 357 Vgl. LORENZ, Gymnasii (1789), S. 308; LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen I (1886), S. 151. 358 Vgl. LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen I (1886), S. 140. 359 Vgl. StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. III, fol. 13r–v. 360 Vgl. ebd., fol. 18r–v. 361 Ebd., fol. 13r. 362 Ebd., fol. 14r. 363 Vgl. ebd., fol. 8r–v u. 16r–v.

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jedoch in die Hand des Stadtrates: „Gott gebe nur einen bessern vnd der lieb Iugend nutzlichern als man zuvor gehabt“.364 Da der Rat sich mit der Entscheidung jedoch Zeit ließ, mahnte der Superintendent am 20. Januar zur Eile. In der unteren Schule, so schreibt er, würde es durch den mangelnden Lehrer allmählich an Disziplin zu wünschen übrig lassen. Der Oberbaccalaureus könne alleine weder die Schüler unterrichten noch unter Kontrolle halten, weshalb die Einstellung eines neuen Infimus dringend notwendig sei.365 Die Kastenrechnung von 1591/92 belegt, dass der Rat schließlich Daniel Mylich als neuen Infimus einsetzte.366 Warf die Bewerbung Mylichs bereits ein bezeichnendes Licht auf das humanistische Selbstverständnis der evangelischen Schuldiener, wird es vollends durch den Amtswechsel des Konrektors, der bereits im Vorjahr stattgefunden hatte, verdeutlicht. Michael Sonne war durch den Tod im Juli 1589 aus dem Amt geschieden367 und sogleich fanden sich die Bewerber um seine Nachfolge ein. Am 2. September bewarb sich Abraham Rösener, der Sohn eines Stadtbürgers.368 Er habe etliche Jahre ein Altenburger Stipendium empfangen369 und seine Vorfahren zudem bereits im Dienst der Stadt gestanden. Aus Pflicht- wie aus Familienbewusstsein bat er daher um die Stelle des Konrektors. Während dieser erste Brief in sachlichen Worten sein aus der Dankbarkeit resultierendes Pflichtgefühl der Stadt gegenüber betont, ist auch er in einem zweiten Brief an den Superintendenten darum bemüht, sich als poetischen Humanisten darzustellen. Schon lange habe er davon geträumt, dem Vaterland seine Treue zu erweisen, doch biete sich nun erst die Gelegenheit durch den Tod Sonnes, der „dieser irrdischen Schuel abge-

364 Vgl. ebd., fol. 17r. 365 Vgl. ebd., fol. 19r. 366 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 11, unfol. Trotz der guten Meinung des Superintendenten schreiben J. und E. Löbe, dass Mylich sich in seiner Amtszeit einen leichtfertigen Lebenswandel zu Schulden kommen ließ. Nichtsdestotrotz wurde er 1597 zum Kantor befördert, vgl. LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen I (1886), S. 140. 367 Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 25048, fol. 306v. 368 Vgl. StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. IV, unfol. 369 Eine aus seiner Feder stammende Empfangsbestätigung für das Stipendium vom 3. Mai 1580 liegt eingefaltet der Kastenrechnung von 1579/80 bei, vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 10, unfol. Sein Stipendium liefert ein eindrucksvolles Beispiel für die Finanzgrundlage eines städtischen Stipendiums für die Bürgerskinder, die nicht an der ernestinischen Universität Jena studierten. Rösener hatte im albertinischen Leipzig studiert und erhielt sein Stipendium von 10 fl jährlich aus den Zinsen des Strafgeldes in Höhe von 200 fl, das Michel Köhler aus Jena wegen des Totschlags an Simon Frohberg dem Amt Altenburg zahlen musste. Ob es sich bei dem Getötete um den 1573 in Altenburg abgesetzten Kantor Simon Frohberger handelte, ist ungewiss. Rösener hatte 1584 den Magistertitel erhalten, vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4279, fol. 305r–v u. 316r–318v.

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fordert, vnnd inn die himlische Academia versetzt worden“ 370 sei. Eine humanistische Reminiszenz bezieht sich dabei auf Ciceros Lehre von den Pflichten, worin er an Platon angelehnt schrieb, das ein Teil der eigenen Existenz dem Vaterland gebühre.371 Am Tag darauf wurde dem Rat auf Röseners Bitte ein Empfehlungsschreiben des Hauptmannes Christoph Vitztum zugestellt. Er versicherte, dass der Bewerber sein Studium derart angegangen habe, dass er nun zur Lehre zweifellos qualifiziert sei.372 Die Entlehnung des Cicerozitates, das bereits 1576 von Heinrich Himmel aufgegriffen worden war, stellte keinen Sonderfall dar. Das Schreiben eines zweiten Bewerbers, Bartholomäus Winter, datiert auf den 11. September 1589 und beginnt mit denselben Worten Ciceros, die auf Latein in den sonst deutschen Brief eingeflochten wurden.373 Sein Pflichtbewusstsein resultierte, anders als bei Rösener, aus einer persönlichen Hilfeleistung, die ihm der Stadtrat erwiesen habe. Seine Eltern seien vor 13 Jahren gestorben, worauf der Rat sich seiner angenommen und ihn zu Pflegeeltern vermittelt hätte. Er habe selbst die Altenburger Schule besucht und unter dem verstorbenen Konrektor gelernt. Da er nun seit 13 Jahren unter Fremden leben müsse, wolle er durch die Einstellung eine geistige Heimat finden. Ein dritter Bewerber, Christian Hofmann, schrieb schließlich am 16. September in lateinischer Sprache. Auch er bediente sich der Worte Ciceros, ergänzte sie jedoch durch die Anlehnung an das oben bereits genannte Zitat Juvenals, der die Schwierigkeit beklagte, sich durch Armut eingeschränkt seinen Fähigkeiten zu widmen.374 Der Vergleich der unterschiedlichen, doch stets gleich aufgebauten Bewerbungsschreiben verdeutlicht schließlich die Formelhaftigkeit der vermeintlich individuellen Bemühungen. So gelehrt der einzelne Bewerber durch seine kunstvollen Anspielungen auch erscheinen mag, verdeutlicht doch die Häufung dieser Zitate viel eher, dass es sich dabei um ein humanistisches Standardrepertoire handelte, das in derartigen Bewerbungen um ein humanistisches Amt obligatorisch war. Dasselbe Zitat Ciceros findet sich in mehr oder weniger gleicher Form innerhalb zweier Jahre in drei, das Zitat Juvenals hingegen in zwei von vier Bewerbungen. Etliche weitere Briefe gleichen Inhalts bestätigen diesen 370 StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. IV, unfol. 371 De officiis, I, 22: „Sed quoniam, ut praeclare scriptum est a Platone, non nobis solum nati sumus ortusque nostri partem patria vindicat, partem amici, atque, ut placet Stoicis, quae in terris gignantur, ad usum hominum omnia creari, homines autem hominum causa esse generatos, ut ipsi inter se aliis alii prodesse possent, in hoc naturam debemus ducem sequi, communes utilitates in medium adferre, mutatione officiorum, dando accipiendo, tum artibus, tum opera, tum facultatibus devincire hominum inter homines societatem.“ 372 Vgl. StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. IV, unfol. 373 Vgl. ebd., unfol. 374 Vgl. ebd., unfol.

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Eindruck auch über Altenburg hinaus und charakterisieren damit die humanistische Prägung des reformatorischen Schulwesens.375 Das Bewerbungsschreiben von Christian Hofmann scheint den Superintendent zu spät erreicht zu haben, denn die Wahl fand am 17. September 1589 statt und erfolgte nur zwischen Bartholomäus Winter und Abraham Rösener.376 Wie im Falle der Einsetzung Michael Chilians als Schulmeister im Jahr 1553 erfolgte die Wahl per Abstimmung, doch erscheint hier der Superintendent Melissander als erster, der seine Stimme abgab. An der Wahl waren 14 Männer beteiligt, die sich aus Abgeordneten des Rates und den Kirchendienern zusammensetzten. Die Schuldiener hatten offensichtlich kein Mitspracherecht. Unter den 14 Beteiligten stimmten trotz der zusätzlichen Empfehlung des Hauptmannes 13 für Bartholomäus Winter. Einzig der Diakon Jakob Stein stimmte für Rösener, doch beruhte seine Stimme, wie man aus dem folgenden Schreiben des Superintendenten erfahren sollte, auf seiner Verwandtschaft zu ihm.377 Da die Wahl eindeutig schien, schrieb Melissander am 28. September einen Brief an das Konsistorium, in dem er von der Lage berichtete.378 Der alte Konrektor sei gestorben und zwei Nachfolger hätten sich beworben. Auch hier findet die dritte Bewerbung Hofmanns keine Beachtung. Die Aufgaben des Konrektors bestünden darin, die Schüler in der griechischen Sprache und der Dichtung zu unterweisen. Da Rösener nach seiner eigenen Aussage der Dichtung, woran es auch dem verstorbenen Michael Sonne gemangelt habe, wenig mächtig sei, Winter seine Fähigkeiten jedoch durch eine jüngst im Druck veröffentlichte Dichtung überzeugend belegen konnte, habe man bis auf eine Ausnahme einstimmig für Bartholomäus Winter entschieden, um den poetischen Lektionen einen breiteren Raum im Schulunterricht einzuräumen. Der Superintendent bat um die Bestätigung des Konsistoriums, dem er, so seine Worte, nicht eigens darzulegen brauche, welchen Nutzen die Jugend aus der Poesi (in carmine conscribendo) ziehen könne. Der weitere Verlauf der Ereignisse liegt im Dunkeln, sodass nicht bestimmt werden kann, ob das Konsistorium von einem Vetorecht Gebrauch machte. Der Nachfolger Sonnes im Konrektorat wurde nämlich nicht Bartholomäus Winter, sondern, wie die Kastenrechnung von 1589/90 belegt, Abraham Rösener.379 Er sollte das Amt bis über die Jahrhundertwende hinaus versehen.

375 Die Worte Juvenals waren ebenso schon in dem Entwurf einer schwarzburgischen Schulreform des Heinrich Müller enthalten, vgl. Kap. II. 2.4.3. 376 Vgl. StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. IV, unfol. 377 Vgl. ebd., unfol. 378 Vgl. ebd., unfol. 379 Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 25048, fol. 306v.

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3.4.11. Eine herzogliche Zulage am Ende des Jahrhunderts Das letzte Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts war geprägt von einem erneuten und langwierigen Ersuchen um eine finanzielle Zulage zur Aufbesserung der Schulgehälter. Die Kastenordnung von 1591/92 verdeutlicht, dass die Schule in dem Maße angewachsen war, dass eine weitere Person zur Verrichtung des Schuldienstes herangezogen werden musste. Es wurde jedoch kein weiterer Schuldiener eingestellt, sondern der Kirchner Johann Pyler zur Unterstützung in Anspruch genommen. Er erhielt für seine Hilfe eine Entlohnung von jährlich 2 n ß 48 gr.380 Am 9. November 1591 richteten die Schuldiener Abraham Rösener, Balthasar Thamm, der im selben Jahr den verstorbenen Kantor Paul Köler ersetzt hatte,381 Heinrich Himmel und Daniel Mylich ein Schreiben an den Stadtrat. 382 Nach langem Ringen habe man sich zu diesem Schritt entschlossen, um dem Rat in Erinnerung zu rufen, dass ihre Arbeit sehr mühsam sei und in einem Missverhältnis zur Besoldung stehe. Da das Amt des Kantors jüngst neu besetzt werden musste, habe sich der Stadtrat im Zuge dessen selbst ein Bild von der finanziellen Situation der Schuldiener machen können. Er habe daraufhin versprochen, das Ersuchen an den Herzog Friedrich Wilhelm weiterzugeben, doch sei dies bisher nicht erfolgt. Die Schuldiener gedachten daher, den Stadtrat an das Versprechen zu erinnern, wozu sie erneut ihre auf einem Zettel dargelegten Gehälter dem Brief beifügten. Nicht allein müssten Konrektor, Kantor und Oberbaccalaureus, wie es bereits die Visitation von 1554/55 angeordnet hatte, sich gemeinsam acht Klafter Holz teilen, auch sei die Versorgung mit Getreide, „dessen der Supremus, vnndt Baccalaureus kein körnlein hatt“, 383 sehr mangelhaft. Da ihre Bitte wieder keine Reaktion bewirkte, schrieben dieselben Schuldiener unter Berufung auf ihr erstes Gesuch am 13. März 1592 erneut. Da der Herzog in kurzer Zeit selbst nach Altenburg kommen wolle, gemahnten die Schuldiener an den Rat, er möge „vorstehende gelegenheit […] nicht laßen furuber rauschen“.384 1597 wechselte der Infimus Daniel Mylich in das Kantorat.385 Am 9. Mai dieses Jahres teilte er dem Rat mit, dass Balthasar Thamm beim Konsistorium um Einsetzung in eine Pfarrstelle gebeten habe. Diesem wurde zugesagt, dass seine Bewerbung in Betracht gezogen werde, sobald der alte Pfarrer von Fuchshain 380 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 11, unfol. Die handschriftliche Schulchronik datiert seine Hinzuziehung fälschlicherweise erst auf das Jahr 1599, vgl. Stadtarchiv Altenburg, XII. a. 6. Nr. 12, S. 3. 381 Vgl. LORENZ, Gymnasii (1789), S. 293. 382 Vgl. StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. II, fol. 8r–10r. 383 Ebd., fol. 8v. 384 Ebd., fol. 7r. 385 Vgl. LORENZ, Gymnasii (1789), S. 294 u. 308.

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gestorben sei. Der Fall sei zwar noch nicht eingetreten, doch wolle der Infimus schon jetzt dem Rat seine Dienste für das höhere Amt anbieten. Die Schularbeit sei er gewöhnt und der Rat habe sich oft von der Qualität seiner Arbeit überzeugen können, doch reiche sein derzeitiges Gehalt nicht aus, um seine Familie zu ernähren.386 Der genannte Fall traf nicht ein, doch trat Thamm um den Jahreswechsel die Pfarrstelle von Nägelstedt an. Die Kastenrechnung belegt den darauf erfolgten Amtswechsel Mylichs. An seine Stelle als Infimus trat Christopher Alberus. 387 Dessen Vater, der Unterstadtschreiber Donat Alberus schrieb am 30. Dezember 1598 einen Dankesbrief an den Rat, in dem er diesem versicherte, dass sein Sohn sich der Arbeit mit allem Fleiß widmen werde und er selbst die Einstellung seines Sohnes als Referenz vor seinen eigenen der Stadt geleisteten Dienste betrachtete.388 Sein Sohn sollte das Amt jedoch nur kurze Zeit innehaben. Die Kastenrechnung von 1599/1600 verzeichnet bereits seinen Nachfolger Christoph Cellarius.389 Zum Ende des Jahrhunderts fanden die Bitten um Zulagen für die Schuldiener Gehör beim Herzog. Am 14. September 1599 schrieb der Herzog Johann von Sachsen dem Rat und teilte ihm mit, dass er zum Erhalt und zur Förderung der Schulen eine Hauptsumme von 1100 fl angelegt habe, durch deren Zinsen die Gehälter der Schuldiener aufgebessert werden könnten. So solle der Rektor wie der Konrektor jeweils 15 fl, der Oberbaccalaureus 12 fl, der Kantor 10 fl und der Infimus 8 fl jährlich zu ihrem Gehalt dazu erhalten. Ab dem Jahr 1600 solle diese Zulage halb zu Walpurgis und halb zu Michaelis, in diesem Jahr jedoch bereits vollständig zu Michaelis gezahlt werden.390 Der Kirchner Johann Pyler, der seit einigen Jahren zur Unterstützung der Schuldiener herangezogen wurde, war an der Stiftung des Herzogs hingegen nicht beteiligt. Die erste Kastenrechnung des neuen Jahrhunderts führt die Zulage in einer extra hinzugefügten Ausgabenkategorie unter dem Titel „Außgabe Vnsers gnedigen Fursten vndt Herren Herzog Johanneßen Zu Sachßen gnedige Zulage denn Schueldienern Alhier“ 391 auf. Zu welchen Konflikten die Anordnung des Herzogs jedoch mit einem der Zinsgeber, Alexander Pflüger zu Posterstein, führen sollte, soll in dieser Arbeit nicht mehr thematisiert werden.392

386 Vgl. LATh-StA Altenburg, Friedrichsgamnasium Altenburg, Nr. 4, unfol. 387 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 15, unfol.; ebd., XII. i. 1. Nr. 15a, unfol. Lorenz sieht hingegen schon den folgenden Infimus als den Nachfolger Mylichs an, vgl. LORENZ, Gymnasii (1789), S. 308. 388 Vgl. StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. VI, unfol. 389 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 17, unfol. 390 Vgl. StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. VIII, unfol. 391 StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 18, unfol. 392 Vgl. dazu StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. VII, unfol.

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3.5. Der Supremus und Konrektor Michael Sonne Der Magister Michael Sonne, der das Amt des Supremus mit einer vierjährigen Unterbrechung 32 Jahre, von Anfang 1557 bis Mitte 1589 versah, nimmt in der Altenburger Schulgeschichte eine Sonderstellung ein. In höchstem Maße kann sein Leben und Wirken für die Altenburger Schulgeschichte der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts auf der einen Seite als repräsentativ, gleichzeitig aber auch als beispiellos gelten. Dies wird nicht nur durch sein schicksalhaftes Leben, sondern auch durch die Tatsache bedingt, dass kein zweiter Schuldiener auch nur annähernd so umfangreich und detailliert in den Quellen dokumentiert wird.393 Sein Wirken an der Altenburger Schule, das der Forschung zum größten Teil bislang unbekannt ist,394 soll daher im Folgenden ausführlicher dargelegt und geschildert werden. Es war geprägt von starken Gegensätzen. Auf der einen Seite stand seine hohe Gelehrsamkeit, ein enormes Maß an Eigeninitiative, Aktivität und Beharrlichkeit, die auch der Schule und deren wissenschaftlichem Niveau zugutekommen sollte. In maßgeblicher Weise war er an dem akademischen Ausbau des zweiten Schulamtes beteiligt, das sich in seiner Amtszeit zum Konrektorat entwickelte. 395 Auf der anderen Seite stand jedoch auch, neben seinem hohen Selbstbewusstsein und einer entsprechend eitlen Selbstdarstellung, ein ausschweifendes und verschwenderisches Leben, das ihn bis an die Grenzen des persönlichen Ruins brachte, sowie ein Verhalten aus Konfrontation und Provokation, durch das die Stadt, deren Verhalten von wechselnden Sympathien geprägt war, viele Konflikte mit ihm auszutragen hatte. Geboren wurde Michael Sonne als Sohn eines Altenburger Bürgers im Jahr 1526.396 Bereits das früheste von ihm erhaltene Zeugnis gibt Aufschluss über das 393 Neben dem umfangreichen im Stadtarchiv erhaltenen Briefwechsel, von dem bereits ein großer Teil den Magister Sonne betrifft, befindet sich im Staatsarchiv Altenburg in einer Akte des Friedrichsgymnasiums ein Abschnitt mittleren Umfanges, der den Titel „Ein Konvolut M. Michael Sonnen betr[effend]“ trägt, vgl. LATh-StA Altenburg, Friedrichsgymnasium Altenburg, Nr. 4. 394 Die von Lorenz gelieferten Information gehen nur wenig über die Daten seiner Amtszeit hinaus, vgl. LORENZ, Gymnasii (1789), S. 203 f. u. 206 f. In einigen Akten des Stadtarchives und des Altenburger Staatsarchives finden sich jedoch Spuren eines unbekannten Nutzers, der sich zu einem unbekannten Zeitpunkt für Sonne interessiert zu haben scheint. Von dieser Beschäftigung drang jedoch nichts an die Öffentlichkeit. 395 Während die Bezeichnung Konrektor in den Kastenrechnungen erstmals im Jahr 1580/81 noch neben die Bezeichnung Supremus tritt (vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 10, unfol.), wird Sonne in der folgenden Visitation von 1582 offiziell Konrektor genannt, vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4278, fol. 370r. Die Bezeichnung Supremus verschwand in den Kastenrechnungen im Laufe der 1580er Jahre. 396 Lorenz legt sein Geburtsjahr fälschlicherweise auf 1529 (vgl. LORENZ, Gymnasii (1789), S. 203), doch gibt Sonne selbst sein Alter bei der Visitation von 1582 mit 56 an. Ein

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Selbstbewusstsein und die überdurchschnittlich hohe Eigeninitiative des gerade Neunzehnjährigen. In einem undatierten, aber aus dem Jahr 1546 stammenden Brief ersuchte er beim Rat persönlich um ein Stipendium. Zwölf Jahre lang habe er durch die Mittel seines Vaters finanziert die Schule in Altenburg besucht und sei nun, da er „vahst das zwantzichste Iar“ seines Lebens erreicht hat, bereit und gewillt, höhere Ziele anzustreben und die Universität zu besuchen. Sein Vater könne es sich jedoch nicht leisten, ihn „mit Kost, Kleydung, bucher vnnd lehr zu vnterhaltenn“.397 Da er aber erfahren habe, dass ein durch ein städtisches Stipendium unterhaltener Student jüngst den Magistergrad erhalten habe, wolle er sich selbst sozusagen als Nachfolger des Stipendiaten vorschlagen. Als Kompromiss regte er an, der Rat möge das Stipendium teilen, wie es bereits vor ihm der Fall gewesen war, und ihm die eine Hälfte in Höhe von 12 fl verehren. Damit der Stadtrat sich von seiner Tauglichkeit überzeugen könne, forderte er diesen auf, sich beim Schulmeister zu erkundigen oder ihn selbst zu examinieren. Eine unmittelbare Reaktion des Rates auf diesen Brief ist nicht ersichtlich, doch wurde Sonne auch ohne das Stipendium am 17. Januar 1548 an der Universität Wittenberg immatrikuliert.398 Erst ein Brief des Rates vom 6. Februar 1549 an einen unbekannten Empfänger, der sich für Michael Sonne eingesetzt hatte, möglicherweise ein Professor der Universität, belegt, dass der Rat doch noch auf den Vorschlag Sonnes eingegangen war und ihm die Hälfte des Stipendiums zuerkannt hatte.399 Michael Sonne besuchte die Universität, wie er 1582 über sich selbst Auskunft gab, vier Jahre lang und promovierte 1551 zum Magister.400 Zwei Jahre darauf, 1553, bewarb er sich um das Amt des Supremus, nachdem Laurentius Schnabel aus dem Amt geschieden war. Wieder ist sein Engagement bemerkenswert, seine Art jedoch charakteristisch. Sonne verfasste insgesamt drei Briefe, von denen zwei, ein deutscher vom 6. April und ein inhaltlich gleicher lateinischer vom 8. April an den Stadtrat gingen, während ein lateinischer vom 7. April an den Superintendenten gerichtet war.401 Gott habe, so begann er an den Rat, vor langer Zeit Schulen aufgerichtet, um die christliche Lehre zu erhalten.402 Diese Schulen haben nun Gefahren, wie Kriege überstanden, wodurch er indirekt auf den Schmalkaldischen Krieg anspielte. Im Besonderen sei die Altenburger Schule mit

397 398 399 400 401 402

undatierter Brief, den er mit 19 Jahren an den Rat schrieb, ist in das Jahr 1546 zu datieren, vgl. StA Altenburg, XII. i. 3. Nr. I, unfol.; LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4278, fol. 390r. Für beide Zitate StA Altenburg, XII. i. 3. Nr. I, unfol. Vgl. FÖRSTEMANN, Album (1841), S. 237. Vgl. StA Altenburg, XII. i. 3. Nr. I, unfol. Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4278, fol. 390r. Vgl. für alle drei StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. VI, unfol. Seine genauen Worte stehen dieser Arbeit als einleitendes Zitat voran.

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gelehrten Männern versehen, von denen einer, Laurentius Schnabel, kürzlich um seine Entlassung gebeten und sie auch erhalten habe. Um dessen Amt wolle er nun ersuchen. Die Briefe an den Rat sind zwar vergleichsweise umfangreich und weitschweifig, dabei aber trotzdem sachlich, wohingegen das Schreiben an den Superintendenten, wie es üblich war, die poetische und literarisch gebildete Seite des Bewerbers betont. Wie oben anhand späterer Beispiele verdeutlicht wurde, waren Anspielungen an die antiken Klassiker in Bewerbungen um ein humanistisches Amt keine Seltenheit. Sonne bediente sich dabei jedoch nicht des beliebten, Demut suggerierenden Cicerozitates über die Pflichten gegenüber dem Vaterland. Stattdessen ließ er sein Schreiben mit der Aussage eines Briefes desselben Autors beginnen, das seine Ehre und Leistung in den Mittelpunkt und mit denen des Adressaten selbstbewusst auf eine Stufe stellt: „Laetor, inquit Hector apud Nevium, clarissime pater, laudari me abs te laudato viro. Ea enim profecto vera & solida laus est, qua ab iis proficiscitur, qui ipsi laudem merentur.“ 403 Trotz seiner Mühen erhielt jedoch Esaias Böhme das Amt und Sonne wurde, obgleich diesmal keine Bewerbungen erhalten sind, erst im Jahr 1557 der Nachfolger des Laurentius Moller.404 In diesem Amt versah er die Schule, ohne größeren Niederschlag in den Quellen hinterlassen zu haben. Wie sich aus späteren noch darzulegenden Quellen ergibt, heiratete er im Jahr 1560, zog aus der ihm bereitgestellten Wohnung in ein eigenes Haus in der Stadt und erhielt im selben Jahr das Bürgerrecht.405 Darüber hinaus war er an den Zulagengesuchen der Schuldiener beteiligt und setzte sich mit dem Schulmeister zusammen für die Wiedereinsetzung des abgesetzten Superintendenten Alexius Bresnitzer ein, bevor er 1573 mit allen anderen Schuldienern seines Amtes enthoben wurde. Erst daraufhin entspann sich ein umfangreicher Briefwechsel, der die Verflechtung Sonnes mit der Schule und der Stadtgemeinde verdeutlicht.406 Dieser nahm seinen Anfang, als Michael Sonne sich am 3. Dezember 1573, zweieinhalb Monate nach seiner Absetzung, mit der Bitte um Vermittlung zwischen ihm und den neuen Schuldienern an die

403 StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. VI, unfol. (dt.: Ich freue mich, sagte Hector bei Nevius, von dir, höchster Vater, einem gelobten Mann, gelobt zu werden. Es ist gewiss ein wahres und unumstößliches Lob, welches von denen ausgeht, denen selbst Lob gebührt. Cicero, Epistulae ad familiares, XV, 6). 404 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 5, unfol. 405 Vgl. HEINZIG/KÖHLER/MATTIS, Bürgerbücher (2008), S. 47. 406 Lorenz gibt zwar an, dass seine Absetzung zu Problemen führte, weiß diese aber nicht richtig einzuordnen. Nach seinen Worten habe Sonne die Stadt verlassen und einige der von ihm beherbergten auswärtigen Schüler mit fortgenommen, vgl. LORENZ, Gymnasii (1789), S. 203 f. Dies entspricht, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, nicht den Tatsachen, da Sonne allein schon Altenburg nicht verließ.

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kurfürstlichen Räte wandte.407 Gegen seine Absetzung, so schrieb er, wolle er keine Einsprüche erheben, auch verhalte er sich gegen die neuen Amtsträger „fridtlich vnd stillsam“. Er habe jedoch vor vielen Jahren einige auswärtige Schüler „beyder die vom Adell vnd anders standts“408 in seine Kost und Herberge aufgenommen. Deren Eltern wollten ihre Kinder auch nach der Absetzung in der Obhut des einstigen Supremus’ belassen, da sie diese bei ihm gut aufgehoben wussten und die Stadt außerdem keine andere Möglichkeit biete. Wie noch zu seiner Amtszeit habe er diese nun, wenn sie aus der Schule kamen, „privatim […] Instituiret, vnd dardurch ihre praeceptores eine gahr groese muehe vnd Arbeyt, darfur sie billich danckbahr sein soltten, vberhobenn“. Jetzt sei er jedoch von den neuen Schuldienern beschuldigt worden, „Alß hiltte ich eine heimbliche winckelschuel, welche Zuuorbietten Sie beuhelich“. Er bat daher um die Intervention der Räte, da er schließlich auch seinen eigenen Sohn auf diese Weise unterstütze. Er könne es nicht vor Gott verantworten, wenn er dies unterlassen sollte. Auch könne man es den adligen Familien nicht verbieten, ihre Kinder in privaten Häusern zur Unterrichtung unterzubringen. Obwohl der kurfürstliche Kanzler Heinrich Schneidewein nur zwei Tage später bei dem Superintendenten um einen Bericht ersuchte, 409 liegt das weitere Vorgehen für über ein Jahr im Dunkeln. Erst am 13. Januar 1575, als das Konsistorium dem Stadtrat zur Einsetzung Johannes Hammerichs gratulierte, und abermals am 26. Februar desselben Jahres, als dessen Verzögerung entschuldigt wurde, fand auch die Winkelschule Sonnes erneut Erwähnung.410 Sie scheint sich gegen den Widerstand der Schuldiener gehalten zu haben, fand nun jedoch auch den Widerwillen des Konsistoriums. Dessen Briefe, in denen – ohne dass Namen genannt werden – von mehreren gewesenen Schuldienern die Rede ist, deuten an, dass Michael Sonnes ursprünglich private Unterrichtung sich schließlich tatsächlich zu einer Winkelschule entwickelt hat, an der nicht nur er, sondern auch noch mindestens ein anderer der mit ihm abgesetzten Schuldiener beteiligt war. Diese Einrichtung zu unterbinden, forderte das Konsistorium und verwies auf die 1573 eingeführte Ordnung. Wie aus einem Brief, mit dem der Superintendent bereits am 21. Februar dem Rat gegenüber auf das erste Schreiben des Konsistoriums reagiert hatte, deutlich wird, war der Stadtrat jedoch nicht gewillt, dem Befehl des Konsistoriums nachzukommen, sondern konspirierte viel mehr mit dem Magister Sonne, indem er ihm eine Unterbringung für seine Schule zur Verfügung stellte.411 Das Missfallen des Superintendenten an dieser Maßnahme wird in seiner 407 Vgl. auch für die folgenden Zitate LATh-StA Altenburg, Friedrichsgymnasium Altenburg, Nr. 4, unfol. 408 Nur beiläufig wird einer der adligen Schüler der Familie von der Oelsnitz zugeordnet. 409 Vgl. LATh-StA Altenburg, Friedrichsgymnasium Altenburg, Nr. 4, unfol. 410 Vgl. für beide StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. IV, unfol. 411 Vgl. StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. V, unfol.

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Wortwahl deutlich, da er die vom Rat zur Verfügung gestellte Unterbringung abfällig als Synagoge bezeichnete. Er forderte nun seinerseits, die Aktivität Sonnes zu unterbinden. Niemand, und sei er noch so gelehrt, so argumentierte der Pfarrer, dürfe ohne obrigkeitlichen Bescheid lehren oder eine Schule unterhalten. Michael Sonne sei hingegen nicht nur nicht dazu berufen worden, sondern seines schulischen Dienstes „aus erheblichen vrsachen“412 entsetzt worden. Er drang daher in den Rat, Sonne jegliche Aktivität zu untersagen und seine Schüler auf die rechtmäßige Lateinschule zu schicken. Die Auseinandersetzung um Michael Sonne erreichte nur wenig später selbst den kurfürstlichen Hof. Am 8. März 1575 informierte der Kurfürst August seinen unter seiner Vormundschaft lebenden Vetter Herzog Johann, dass Sonne, um seine Interessen zu wahren, eine Appellation an das Jenaer Konsistorium hat ausgehen lassen. Obwohl August sich aufgrund dieser Appellation mit Bedenken trug, beauftragte er seinen Vetter, vom Stadtrat zu fordern, er möge der Appellation Folge leisten. Durch Heinrich Schneidewein wurde das Schreiben des Kurfürsten mit der entsprechenden Aufforderung an den Rat weitergereicht.413 Wie das Konsistorium in Sonnes Fall entschied, muss letztlich offenbleiben, doch scheint die Entscheidung den Befürchtungen des Kurfürsten gemäß nicht zu seinen Gunsten ausgefallen zu sein. Anstatt seine Winkelschulaktivitäten daraufhin jedoch einzustellen, nahm der Magister stattdessen seine Zuflucht zur persönlichen Konfrontation mit den rechtmäßigen Schuldienern. Im Besonderen waren der Kantor Paul Köler und der Oberbaccalaureus Johannes Grimm seinen Anfeindungen und Beschimpfungen so sehr ausgesetzt, dass sie sich nun ihrerseits an das Konsistorium wandten. Ein weiterer Verhandlungstermin, zu dem Sonne, der Superintendent und zwei Ratsabgeordnete erscheinen sollten, wurde auf den 14. Juli festgelegt.414 Obwohl der Superintendent den Rat am 11. Juli 1575 nochmals nachdrücklich um die Bestellung zweier Abgeordneter ersuchte, 415 wird nicht deutlich, ob die in Jena geführten Verhandlungen ein Ergebnis erzielten. Sonne setzte auch danach seine Nachstellungen ungebrochen fort. Erst am 4. Januar 1576 reagierte Heinrich Schneidewein erneut auf die Angriffe, die nun auch die übrigen Schuldiener in „ganz vnngebürlicher beschwerlicher vnnd Ehrennvorletzlicher weiße“ 416 zu ertragen hatten. Sonne habe sie der Unfähigkeit und mangelhaften Gelehrsamkeit beschuldigt und gedroht, er wolle sich bei nächster Gelegenheit als Examinator in der Schule einfinden und die Schuldiener ihrer Dummheit wegen bloßstellen. Zum dritten Mal wurden Sonne, der Superinten412 413 414 415 416

Ebd., unfol. Vgl. ebd., unfol. Vgl. StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. IV, unfol. Vgl. ebd., unfol. StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. V, unfol.

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dent und die Stadtratsabgeordneten vor das Konsistorium geladen,417 doch blieb Michael Sonne der Verhandlung diesmal fern. Der Stadtrat, der in dieser Auseinandersetzung zu seinem ehemaligen Supremus hielt, hatte sich beim Konsistorium für diesen eingesetzt und ersucht, von Verhandlungen, die mit einer hohen Geldstrafe für Sonne geendet hätten, „des armen betrübten weibes, welche schwangers leibes sein solt, Auch Ihrer armen Kleinen Kinder halbenn“418 abzusehen. Auch habe Sonne sich bei den rechtmäßigen Schuldienern entschuldigt, sodass das Konsistorium durchaus geneigt war, dem Beklagten etwas Zeit zu lassen, um sich seiner Familie zu widmen. Da dieser jedoch trotz seiner Entschuldigung sein ungebührliches Verhalten fortsetzte und damit außerdem gegen die obrigkeitlich aufgerichtete Ordnung verstieß, wurden alle Beteiligten zum vierten Mal für den 5. April nach Jena geladen.419 Abermals schenkte Michael Sonne der Vorladung keine Beachtung, ohne dass dies für ihn sichtliche Konsequenzen nach sich gezogen hätte. Erst am 27. Dezember 1576 erhielt der Rat einen erneuten Brief des Konsistoriums, in dem es schließlich andere, direktere Töne anschlug. Zwei Mal sei vor das Konsistorium geladen worden und zwei Mal seien sowohl die Ratsabgeordneten wie auch der Beklagte unter „fürwendunge ezlicher vormeinter Juristischer Exceptionenn“ den Terminen ferngeblieben. Auch die Winkelschule des Magisters sei trotz mehrmaliger Verwarnung nicht eingestellt worden, doch habe der Superintendent aufgrund seiner Krankheit keine Möglichkeit, selbst dagegen vorzugehen. Das Konsistorium lud daher, um „allerley weittleuffigkeitt“420 zu verhindern, abermals zu einem Verhandlungstermin am 9. Februar 1577. Werde dieser Anordnung wieder nicht Folge geleistet, so kündigte das Konsistorium an, müsse man den Fall wegen Ungehorsams gegenüber der Obrigkeit vor die kurfürstliche Regierung in Weimar bringen. Es ist nicht bekannt, wie der Stadtrat es vermochte, das gegen ihn aufgebrachte Konsistorium von dem einstigen Supremus zu überzeugen, doch setzte dieser sich schließlich gegen seine Widersacher durch. Die Kastenrechnung von

417 Die Kastenrechnung von 1575/76 verzeichnet für den 6. Januar einen Botenlohn von 18 gr für den Überbringer des Briefes von Schneidewein, „die Citation in sachen die schuldiener als Clager vnd Mgr. Michael Sonnen belangten“. Weitere 5 n ß 9 gr kostete die Wegzehrung der betroffenen Schuldiener und des Superintendenten, als diese wegen des „vnfertigen handells“/der „bewusten sachen“ (beide Bezeichnungen finden sich in einer Zeile übereinandergeschrieben) nach Jena reisten, vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 9, unfol. 418 StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. V, unfol. 419 Vgl. ebd., unfol. Wieder verzeichnet die Kastenrechnung eine Wegzehrung nach Jena für den Kantor und den Oberbaccalaureus in einer Höhe von 1 n ß 17 gr, vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 9, unfol. 420 Für beide Zitate StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. V, unfol.

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1576/77 belegt, dass Michael Sonne rechtmäßig wieder in sein altes Schulamt eingesetzt wurde.421 Während seiner zweiten Amtszeit wandelten sich jedoch die Verhältnisse wie schließlich auch die Sympathien des Rates ihm gegenüber. Die Visitationsunterlagen von 1582 zeigen ihn, maßgeblich durch seinen eigenen Beitrag verursacht, als selbstbewusst bis zur Überhöhung und mit einem eitlen Drang zur Selbstdarstellung. Die Schuldiener wurden aufgefordert, die Visitatoren über ihren Werdegang zu informieren. Während die übrigen dieser Aufforderung in aller Kürze, stichpunktartig und in deutscher Sprache nachkamen, verfasste Michael Sonne einen mehr als viermal so langen lateinischen Text, der in beinahe dichterischer Sprache nicht nur über ihn selbst informiert, sondern auch seine Familienverhältnisse darlegt und gleichzeitig die Bitte um eine finanzielle Unterstützung zum Studium seines Sohnes einbezieht. Darin bezeichnete er sich selbst als „proximus a Ludirectore“,422 schilderte, dass er vier Jahre in Wittenberg studiert und 1551 promoviert habe und die Schule nun, im Alter von 56, seit 23 Jahren versehe. Die Pause seiner Amtszeit rechnete er zwar nicht mit ein, überging sie jedoch mit Schweigen. Im Jahre 1560 habe er geheiratet und mit seiner Frau 13 Kinder bekommen, von denen acht überlebt hatten.423 Sein ältester Sohn, der zurzeit 20 Jahre alt war, sei zwar ausreichend gelehrt, doch könne er aus eigenen Mitteln finanziert das Studium nicht antreten.424 Ihn an der Universität unterzubringen sei nur durch die wohltätige Unterstützung des Herzogs möglich. Dieser verblüffenden Direktheit steht die Wahrnehmung des Superintendenten entgegen. Nach dessen Auskunft gab Sonne sich einem nachlässigen Leben hin, das den Pfarrer dazu veranlasste, gegen ihn und den Kantor Beschwerde einzulegen. Sie würden, so seine Auskunft, „Ein vnordentlich lebenn mit Zechen fuhrenn“, 425 wodurch die Schule durch sie vernachlässigt und versäumt werden würde. Die Visitatoren beauftragten den Rat daher, auf die Beschuldigten ein besonderes Augenmerk zu legen. Zwei Jahre später zeigte sich jedoch, dass die Lage sich nicht zum Besseren entwickelt hatte. Trotz mehrfacher Ermahnungen führten Sonne und Köler ein unanständiges Leben, seien dem Alkohol verfallen und „enthalten sich des Raths Kellers nicht“.426 Ihr Verhalten hatte schließlich auch zum Missfallen des Rates geführt. Paul Apitz, Ratsherr und Schulinspektor, be-

421 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 9, unfol. 422 LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4278, fol. 390r 423 „[…] factus ex carissima conjuge, quam duxit anno sexagesimo, pater tredecim liberorum, ex quibus octo adhuc Deo favente sunt in vivis […]“,ebd., fol. 390r. 424 „[…] habet filium natu maximum […], quem cum propriis sumtibus, propter angustiam rei familiaris in academia alere non posit“, ebd., fol. 390r. 425 Vgl. ebd., fol. 377v. 426 LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4279, fol. 282r.

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richtete den Visitatoren, dass ein „interdict des Sauffens halben“ 427 über den betroffenen Schuldienern ausgesprochen worden sei, diese sich jedoch nicht daran hielten. Eine neuerliche Absetzung durch den Rat sei bereits im Gespräch gewesen, doch entschied man, ihnen eine weitere Chance zu geben, ihr Verhalten zu bessern, „Dan ob man wohl ursach hette, Ihnen ein andern bescheid zu sagen, So wolle man doch dismals mit Ihnen dispensirn hac conditione“.428 Im Falle Michael Sonnes zeigte sich jedoch, dass sein ausschweifendes Leben mit seinem Konrektorengehalt, obwohl dies in einer ausreichenden Höhe lag, nicht zu vereinbaren war. Der Magister geriet in ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten, die ihn möglicherweise schon zu dem Unterstützungsgesuch für seinen Sohn von 1582 veranlasst hatten. Der Magister ergriff schließlich in aufsehenerregender Weise selbst die Initiative, indem er für seine eigene finanzielle Aufbesserung von einem Außenstehenden eine Stiftung einrichten ließ. Da sein Vorhaben jedoch am Widerstand des Stadtrates, der ihm nun nicht mehr so gewogen war, zu scheitern drohte, richtete er am 21. März 1584 ein Schreiben mit der Bitte um Vermittlung an die kurfürstlichen Räte in Weimar, worin er seine Notlage wie folgt schilderte.429 Durch einen vermeintlichen Unfall, dessen Hintergründe aus den Quellen nicht erhellt werden können, und durch die vermehrte Teuerung sei er „Inn zimlich abnemen meiner nahrunge kommen vnnd also inn schuldenn geratenn“. Erfolglos habe er sich um Unterstützung an seine Freunde und Verwandten gewandt, dabei jedoch erst in Leipzig einen Mann gefunden, der sich bereit erklärt habe, ihm zu helfen. Dieser, der Kürschner Johann Hertel, wie man später erfährt, wolle eine Hauptsumme von 200 fl anlegen, aus denen jährlich zu Sonnes Gunsten Zinsen in Höhe von 12 fl fließen würden. Als Sicherheit erwartete er jedoch, dass ein Altenburger Ratsherr sich als Zinsgeber an dieser Stiftung beteiligen wolle. Drei Mal habe Sonne sich daher an verschiedene Ratsherren gewandt, doch sei keiner bereit die Rolle des Vermittlers zu übernehmen. Ein Brief des Stadtrates an Johann Hertel vom 10. Januar gibt zwar dessen Einwilligung zu dem Finanzgeschäft, benennt aber keinen aus seinen Reihen, der als Bürge aufzutreten bereit wäre.430 Der Magister habe, so seine eigenen Worte, bereits angeboten, Haus und Hof, dessen Besitz er sich offenbar als einziger Schuldiener erfreute, als Hypothek zu verpfänden, auch wisse er mehrere Ratsherren, die einträglichen Geschäften nachgehen würden, doch hätten sich alle gegen ihn gewandt. Anderorts, so klagte er den Weimarer Räten gegenüber, würden die Ratsherren den notleidenden Bürgern beistehen, doch 427 Ebd., fol. 287v. 428 Ebd., fol. 282r. 429 Vgl. auch für die folgenden Zitate LATh-StA Altenburg, Friedrichsgymnasium Altenburg, Nr. 4, unfol. 430 Vgl. ebd., unfol.

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würde sich in Altenburg „das Widerspiel […] ereignen, vnnd an mir der anfangk gemacht werden will“. Eine Reaktion aus Weimar erfolgte schnell. Bereits am 24. März 1584 wurde der Rat aufgefordert, angesichts der langjährigen Dienste, die Sonne der Stadt geleistet hatte, diesem entgegenzukommen.431 Trotzdem sollte es noch bis zum Ende des Jahres dauern, bis sich ein Ratsherr als Zinsgeber bereit erklärte. Am 11. Januar 1585 wurde die Stiftung beurkundet, doch musste der Stadtrat die Hauptsumme zunächst vorstrecken, während Johann Hertel ihn bis zum nächsten Jahrmarkt, bei dem er das Geld aufzubringen hoffte, vertröstete.432 Da Sonne jedoch sein verschwenderisches und ausschweifendes Leben offenbar fortsetzte, war die Stiftung nicht in der Lage, ihm aus seiner finanziellen Notlage zu helfe. Nah am Ruin sah er sich gezwungen, sein Haus an den Landrichter Johann Hoffmann zu verkaufen und mit seiner Familie in das Elternhaus seiner Frau zu ziehen, weil der Stadtrat nicht bereit gewesen war, ihm nun eine freie Wohnung zur Verfügung zu stellen. Abermals klagt er 1586 den kurfürstlichen Räten das Leid seiner unzureichenden Besoldung. Der Rat würde, wenn er diesen darauf ansprach, stets hochmütig und abfällig reagieren. Insbesondere der Stadtschreiber Michael Reisiger, den Sonne doch einst privat unterrichtet und auf die Universität vorbereitet habe, vergelte ihm seine Dienste mit so mancher Ungerechtigkeit, sodass Sonne nun aufgrund seines hohen Alters „nicht weiß wo auß oder ein“.433 „Aber noch ein kleines […] hette ich baldt vbergangen“, so fügte der Magister hinzu und begann zum Abschluss seines Schreibens auf überschwängliche Weise das Schulamt zu loben, dass er seit seiner Kindheit angestrebt habe. Noch heute habe er wärmste Erinnerungen an seine eigene Schulzeit wie seinen Schulmeister, der ihm die ersten Begriffe der Gelehrsamkeit vermittelt habe und in dessen Fußstapfen er stets zu treten gedachte. Das Schulamt würde er jedem Predigeramt vorziehen, da man darin Kinder erfolgreich leiten und lenken könne, während der Prediger sich oftmals vergeblich mühen müsse, „dan es ist schweer alte hunt lebendigk vnd alte schelcke from zumachen, doran […] doch das Predigambt arbeitet“. 434 Als die kurfürstlichen Räte durch diesen emotionalen Appell veranlasst den Stadtrat zur Rechenschaft zogen, antwortete dieser mit gleich zwei umfangreichen Schreiben vom 28. März und 8. April 1587, in denen den Räten und dem Herzog gegenüber der ganze Unmut und Zorn des Stadtrates gegen Michael Sonne zum Ausdruck gebracht wurde.435 Wie alle Schuldiener habe der Konrektor sein Gehalt, das all seinen Vorgängern vollauf genügt habe, jeder Zeit ordnungsgemäß und zur 431 432 433 434 435

Vgl. ebd., unfol. Vgl. ebd., unfol. Ebd., unfol. Für beide Zitate ebd., unfol. Vgl. für beide Briefe wie auch für die folgenden Zitate ebd., unfol.

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rechten Zeit empfangen, doch reiche es für seinen maßlosen, verschwenderischen Lebenswandel nicht aus. Anstatt sich jedoch zu mäßigen müsse man ihn regelmäßig seines „vnrechtmeßigen vnd mutwilligen“ Verhaltens wegen vermahnen. Auch habe er sein Gehalt, sehr entgegen seiner eigenen Aussagen, mit denen er stets seinen Fleiß betonte, im Gegensatz zu den übrigen Schuldienern kaum verdient, denn er habe nie wirkliche Mühe auf seine Lektionen gewandt. Im Gegenteil sei er „ganz toll vnd voll in die schuelen vielmals kommen, der Iugent ergerlichen, mit fluchen vnd andern vnzimlichen geberden […]ander affen werk treibe[n]t“ seinem Dienst nachgegangen. Im Strafen, „stuzen, schlagen vnd hadern“, sei er übermäßig und ohne Unterschied. Selbst die Bürger der Stadt falle er an, „wen er sich bezechet“, sodass „niemandt gerne bei vnd neben Iem sein wil“. Stattdessen setze er sich im Weinkeller neben die Diebe, Häscher und Henker. Im Streit habe er erst kürzlich einem seiner Schulkollegen „das rechte auge fast ausgestoßen vnd sonsten balt vf den todt geschlagen“. Dass ihm keine freie Wohnung gestellt werden könne, habe er sich hingegen selbst zuzuschreiben. Zu Beginn seiner Amtszeit habe man ihm eine Wohnung zur Verfügung gestellt, doch sei er aus freiem Willen nach vier Jahren mit seiner Frau in ein Haus in der Stadt gezogen. Man habe ihm dies nicht verboten, doch habe er auch nicht um Erlaubnis gefragt. Diese Entscheidung, die nicht zugunsten der Schule getroffen wurde, nun auch noch durch eine Entschädigung zu belohnen, sah der Stadtrat nicht ein. Seinerseits warf er dem Konrektor nun Undank vor, „deßen er sich billich schemen solte“, da er dem Rat gegenüber, der ihm vor Zeiten zu seinem Studium ein Stipendium gezahlt hatte, auf diese beleidigende Art entgegentrete. Man habe lange genug zugesehen, wie Sonne „vnsere schule von tage zu tage geringert“ und habe auch keine Hoffnung auf Besserung mehr. Dennoch wolle der Rat die Entscheidung über Sonnes Schicksal dem Konsistorium überlassen. Michael Sonne wurde trotz der bitteren Vorwürfe des Rates nicht abgesetzt. Stattdessen starb er im Juli 1589 und gab die Stelle für Abraham Rösener frei. Die Händel um den Konrektor sollten jedoch mit seinem Tod noch nicht beendet sein. Bis in die zweite Hälfte der 1590er Jahre hinein zogen sich die Verhandlungen mit den Erben Sonnes wegen der nachgelassenen Schulden und der Versorgung seiner Familie. Seine Frau war bereits im April 1591 gestorben.436 1596 wurde die Auseinandersetzung sogar bis vor den Herzog gebracht, doch soll darauf an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden.437

436 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 11, unfol. 437 Vgl. dazu LATh-StA Altenburg, Friedrichsgymnasium Altenburg, Nr. 4, unfol.

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3.6. Die Altenburger Schulbibliothek Über die Entstehung und Entwicklung der Schulbibliothek in Altenburg liegen heute nur noch wenige Quellen vor. Eine Betrachtung muss somit in weiten Teilen auf die mitunter spärlichen Ergebnisse der älteren Forschung zurückgreifen. Der Ursprung der Bibliothek liegt in dem Buchbestand des Franziskanerklosters, das 1529 für die schulischen und kirchlichen Zwecke herangezogen wurde. Als das Kloster bei der Inbesitznahme durch die Stadt am 9. Februar 1529 besichtigt wurde, sind die Bücher in der Bibliothek belassen worden, fanden jedoch ein eher abschätziges Urteil. Sie seien „doch gar nichts werdt, vnd der stelle nich woll wirdig“.438 Die ältere Forschung glaubte dadurch auf eine Vernachlässigung der Studien bei den Altenburger Franziskanern schließen zu können, doch wird sich das Urteil stattdessen lediglich auf die katholische Ausrichtung der Bücher bezogen haben. Etliche der Bücher, wie musikalische Werke, Antiphonarien und Graduale, gingen zwar in der späteren reformatorischen Bibliothek auf, doch fiel der größte Teil der franziskanischen Bestände dem Urteil der Makulatur zum Opfer und wurde dem Buchbinder als Rohmaterial zur Verfügung gestellt.439 Etliche der mitunter prächtig ausgeführten, meist musikalischen Handschriften sind bis heute als Einband der im Stadtarchiv liegenden Akten, besonders der Kastenrechnungen erhalten. Als besonderer Glücksfall ist lediglich eine 1481 gedruckte Predigtsammlung von Johannes Gritsch überliefert, die auf dem hinteren Spiegel den Besitzvermerk des Franziskanermönches Veit Pempel, des letzten Nikolaischulmeisters, trägt. Er übernahm das Buch aus dem Besitz eines Mitbruders, tilgte dessen Namen und ersetzte ihn durch den eigenen. Mit der Übernahme des Klosters und endgültig durch den Tod Pempels fiel das Buch an die Stadt und wurde der Bibliothek einverleibt. Ein entsprechender Stempel aus späterer Zeit ziert den Einband und weist das Buch als Besitz des späteren Friedrichsgymnasiums aus.440 Die Bibliothek der reformatorischen Schule wurde schließlich auf Spalatins Betreiben in der ehemaligen Synodalstube eingerichtet,441 fand aber in den folgenden Jahren keinen Niederschlag in den Quellen. Zu einer Erweiterung und einem damit verbundenen Ausbau kam es erst im Jahr 1543, als durch die Auflösung des Bergerstifts auch dessen Buchbestand der Schulbibliothek einverleibt 438 StA Altenburg, XII. p. Nr. 19, fol. 48r. Vgl. auch WAGNER, Franziskanerkloster (1848), S. 395 f.; GEYER, Verzeichnis (1891), S. 1 mit Anm. 3; SCHNEIDER, Altenburg (1923), S. 36; HONEMANN, Bücher (2015), S. 565. 439 Vgl. GEYER, Verzeichnis (1891), S. 1. 440 Vgl. ThULB Jena, 2 I 102 [GW 11547 / ISTC-Nr. ig00498000]. Für den Hinweis und anregende Gespräche gebührt Herrn Dr. Joachim Ott herzlicher Dank. 441 Vgl. SCHNEIDER, Altenburg (1923), S. 47; KRÜGER, Bibliothekswesen (1930), S. 13.

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wurde.442 Durch den Gemeinen Kasten wurde die Anschaffung neuer Pulte und Schlösser zur Sicherung der Bestände finanziert.443 Im gleichen Jahr und vermutlich durch diese Erweiterung veranlasst ist unter dem Titel „Vorzeichnuß der Bucher In der Liberey zu Aldemburg Im Closter derer Parfußer“444 ein Gesamtkatalog der Bibliothek angefertigt worden, der ganze 369 Titel und somit eine Bibliothek von beachtlichem Umfang aufführt. Die Bücher wurden, wie auch die Kastenrechnung belegt, auf Pulten gelagert, derer die Bibliothek über 18 Stück verfügte.445 Eine inhaltliche Ordnung ist kaum erkennbar. An den Pulten waren die Bücher mittels Eisenstangen und daran befestigten Ketten festgeschlossen. Durch die Anbringung von Schlössern, deren Anschaffung ebenfalls der Gemeine Kasten finanzierte, konnten die Bücher jedoch auch, wie das Verzeichnis es selbst schildert, von den Pulten heruntergenommen werden, was auf einen aktiven Gebrauch der Bücher durch die Schuldienern, aber wohl auch durch die Schüler schließen lässt.446 Nach den Pulten geordnet listet das Verzeichnis die Titel der Bücher auf. Die alten Klosterbestände, die mit aufgenommen wurden, beinhalten 161 Titel, bei denen es sich nach Ausweis des Katalogs um Predigtsammlungen handelte. Sie wurden als „ganz vntuchtige Bucher auff pergament vnnd papir geschribenn“447 bezeichnet und auch aus den übrigen Klosterbeständen – hauptsächlich theologische Texte, Predigten oder Bibelkommentare unter anderem von Bernhard von Clairvaux und Bonaventura, Heiligenlegenden in großer Zahl und juristische Werke, darunter ein Sachsenspiegel – sollen nur wenige noch zu gebrauchen gewesen sein. Wie hoch hingegen der Anteil der Neuanschaffungen seit der Gründung der 442 Vgl. DIETZE, Schulwesen (1922), S. 26 f. 443 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 4, unfol. 444 LATh-StA Altenburg, Archivaliensammlung Z, Nr. 339, fol. 311r. Moritz Geyer, der 1891 einen Katalog der Altbestände der Schulbibliothek seiner Zeit anfertigte, gibt aus dem Verzeichnis von 1543 lediglich einige einleitende und abschließende Auszüge, jedoch nicht den Titelkatalog selbst wieder, vgl. GEYER, Verzeichnis (1891), S. 1. 445 Vgl. LATh-StA Altenburg, Archivaliensammlung Z, Nr. 339, fol. 316r: „Summarum aller Bucher drey hundert vnd Sechs vnnd Neundzigk“. Vgl. auch GEYER, Verzeichnis (1891), S. 1; HONEMANN, Bücher (2015), S. 548 u. 565. Honemann hält den Bücherkatalog jedoch irrtümlicherweise für ein Verzeichnis ausschließlich der franziskanischen Bestände und betont daher deren beachtlichen Umfang im Verhältnis zum relativ geringen Umfang des Konvents. Tatsächlich erschließt der Katalog jedoch die Bestände zweier Bibliotheken, der Franziskaner und der Augustinerchorherren. Beide Bibliotheken wurden 1543 im Franziskanerkloster, dem kirchlichen Zentrum der Stadt, vereint und erst danach verzeichnet. Welche Bücher aus dem Franziskanerkloster und welche aus dem Bergerstift stammen, kann hier nicht rekonstruiert werden. 446 Vgl. LATh-StA Altenburg, Archivaliensammlung Z, Nr. 339, fol. 316r. 447 Ebd., fol. 316r; GEYER, Verzeichnis (1891), S. 1. Vgl. auch KRÜGER, Bibliothekswesen (1930), S. 6.

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Bibliothek um 1530 war, bleibt offen. Anhand der Kastenrechnungen können Buchkäufe zumindest kaum nachvollzogen werden und auch das Titelverzeichnis selbst gibt keinen Aufschluss, da aufgrund der stark verkürzten Wiedergabe nur wenige Titel eindeutig identifizierbar sind. Es werden jedoch Bücher aufgeführt, bei denen ein schulischer Zusammenhang zumindest denkbar wäre. So sind beispielsweise Werke antiker Dichter vertreten, die Satiren Juvenals, Schriften Ciceros, ein Band Valerius Maximus, Senecas De vita beata und auch die Etymologiae des Isidor von Sevilla fehlen nicht. Darüber hinaus wird je ein Exemplar des Wörterbuchs von Ambrosius Calepinus, des Vocabularius brevilogus und der Historia Scholastica erwähnt. Zwei Bücher, die lediglich mit den Kurztiteln Discipulus und „Ein groß pergament Buch geschribene lectiones“448 aufgeführt werden – Ersteres war in zweifacher Ausführung vorhanden – werden wohl kaum zu identifizieren und wahrscheinlich nicht dem schulischen Unterricht zuzuordnen sein.449 Ein aktiver schulischer Gebrauch der Bibliothek lässt sich erst in späteren Jahrzehnten nachweisen. Im Jahre 1569 erfolgte eine Verlegung der Bibliothek in einen größeren Raum, der besser geeignet war, den steigenden Anforderungen gerecht zu werden.450 In der Folge dieses Umzugs ist anhand der Rechnungen des Gemeinen Kastens ein Anstieg der Zahlungsposten für die Anschaffung neuer Bücher zu konstatieren. In vielen Fällen handelt es sich dabei um musikalische Bücher. So wurden beispielsweise im Jahr 1573/74, um nur ein Beispiel zu nennen, dem Buchbinder Martin Kolbe 35 gr gezahlt, weil er „ettliche Partes des Orlandi“ gebunden habe, bei dem es sich vermutlich um den aus den Niederlanden stammenden Komponisten von europäischem Rang Orlando di Lasso handelte. An vielen Stellen in den Kastenrechnungen wird die direkte Verbindung zum schulischen Gebrauch direkt hergestellt, so auch in dem genannten Fall. Demnach wurden die Bücher „zu Stedten brauch in den Kirchen vnd schulenn gekaufft vnd ins Cantors Inventarium vorzeichnet“.451 Dass die Ausgaben des Gemeinen Kastens jedoch nicht nur musikalische Werke betrafen, verdeutlicht eine lose in die Rechnung von 1589/90 gelegte Zahlungsquittung des Buchbinders Thomas Kneuffler.452 Sie weist nicht nur die Ausbesserung eines Psalters in der Kirche und die Schenkung eines ABC-Büchleins an einen armen Schüler aus, sondern auch die Zusammenbindung drei einzelner Werke (Corpus Doctrinae, Kinderpostillen, Katechismus des Melissander) zu einem Band, der „hynfordt Ins Inuentarium gebracht vnd geschrieb[en] werden“453 sollte. Darüber hinaus wurde jedem Bacca448 449 450 451 452 453

LATh-StA Altenburg, Archivaliensammlung Z, Nr. 339, fol. 315r. Vgl. ebd., fol. 312r, 313r–v u. 315r. Vgl. KRÜGER, Bibliothekswesen (1930), S. 13. Für beide Zitate StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 8b, unfol. Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 25048, fol. 342. Ebd., fol. 344v. Bei diesem Vermerk handelt es sich um eine Ergänzung des Schreibers, die er vornahm, als er den Inhalt des Zettels in die Rechnung übertrug.

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laureus zum alltäglichen Gebrauch in der Schule jeweils ein Exemplar der Kinderpostillen, des Katechismus Melissanders und eines Handbüchleins zum Katechismus eines Christian Friedrich zur Verfügung gestellt. Nur wenige Jahre später schied der langjährige Kantor Paul Köler durch den Tod aus dem Dienst. Etliche der in den Kastenrechnungen dokumentierten Anschaffungen musikalischer Werke werden auf seine Initiative zurückzuführen sein. Zudem befand sich in seinem Nachlass eine große Anzahl privater musikalischer Bücher, die der Stadtrat nach seinem Tod von seinen Erben aufkaufte und der Schulbibliothek einverleibte. Angesichts des großen Umfangs, sah sich der Nachfolger Kölers, Balthasar Thamm, bald nach seiner Einstellung veranlasst, ein Verzeichnis der musikalischen Bücher anzulegen, das noch heute existiert, von der Forschung jedoch noch nicht rezipiert worden ist. Dieses gibt nicht nur Aufschluss über den umfangreichen Bestand, sondern auch über die hohe Qualität des Schülerchores, die dadurch dokumentiert wird. Das Verzeichnis trägt den Titel „Vorzeichnuß Oder Inuentarium derer Bucher vnd gesenge, so Ich Balthazar Tham Cantor Zu Aldenburgk in der Schuln vnd Kirchen alhier gefund[en]. Vnd: Pauli Kölers, meines antecessoris seeligen, hinterlassenen vnd von einem Erbarn Rath alhier erkaufften partium, Welches geschehen den 14 Martii Anno Christi 1592“454 und führt insgesamt 57 Bücher auf, bei denen es sich zumeist um mehr oder weniger umfangreiche Sammelbände zusammengebundener Einzelwerke handelte. Von diesen stammen allein 29 aus dem Nachlass Kölers, worunter sogar Eigenkompositionen aufgeführt werden. Die übrigen Bücher werden nach ihrer Lage (in der Schulbibliothek, auf dem Schülerchor der Klosterkirche sowie dem der Bartholomäikirche) und in einem Fall auch nach ihrem Anschaffungsjahr (im Jahr 1586 durch den Kastenherren Adam Ceutsdorf gekauft) kategorisiert. Es handelt sich um lateinische, überwiegend aber um deutsche Werke, die bis zu acht Stimmen umfassen. Das Repertoire reicht von einfachen Gesängen, Messen und Motetten bis zu Passionen, umfasst aber auch weltliche Lieder. Während die Lieder Martin Luthers nur auf den Schülerchören der Kirchen zu finden sind, demzufolge also fester Bestandteil des Gottesdienstes waren, wird in dem Bibliotheksverzeichnis eine ganze Reihe von Komponisten namentlich aufgeführt, von denen heute jedoch nur noch einige bekannt sind. Neben dem bereits genannten, heute noch sehr bedeutenden Orlando di Lasso (1532–94) und seinen Landsmännern Alexander Utendal (1530/40–81) und Christian Hollander stehen, um nur einige Namen zu nennen Ivo de Vento (1543/45–75), Johann Knöfel (1525/30–1617), Wolfgang Figulus (1525–89), Friedrich Lindner, Jakob Meiland (1542–77), Jakob Regnart (1540/45–99), Leonhard Lechner (1553–1606) und Leonhard Schröter.455 Etliche der aufgeführten Bücher werden anhand ihres Einbandmaterials, eventueller 454 StA Altenburg, XII. i. 4. Nr. IV, unfol. 455 Zu den einzelnen Komponisten vgl. SCHELLERT/SCHELLERT, Komponisten (1999).

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Buchbeschläge oder farbig gefasster Schnitte näher beschrieben, andere aber auch von Thamm kommentiert, wie ein Buch aus dem Nachlass seines Vorgängers, das laut dessen Register 54 Gesänge enthalten sollte, von denen jedoch, wie Thamm bemerkt, die Gesänge 12, 23, 34, 43 und 45 noch nicht geschrieben wurden. Dies verdeutlicht zum einen die engagierte eigene Buchproduktion Kölers, sowie dessen scheinbar im Voraus sehr genau vorgenommene Konzeption seiner Handschriften, zum anderen aber auch die Bestrebung Thamms, in die Fußstapfen seines Vorgängers zu treten, denn er fuhr in seiner Kommentierung fort: „Aber weil so viel spatium vorhanden, vnd dieselben albereit suis numeris signiret, wird ein fleissiger Cantor solche zu compliren sich vnbeschwerlich erzeigen“.456 Der Nachlass Kölers ist zum größten Teil nach kirchlichen Festen oder Anlässen wie Hochzeiten geordnet, doch fiel bereits seinem Nachfolger auf, dass für Himmelfahrt, Pfingsten und Trinitatis keine Bücher vorhanden waren. Sie müssen, so seine darunter verzeichnete Vermutung, bald nach Kölers Tod aus dessen Bibliothek entfernt worden sein. Seine dahingehenden Nachforschungen bei den übrigen Schuldienern, die zwar bestätigten, dass derartige Gesänge vorhanden waren, nicht aber um ihren Verbleib wussten, verliefen jedoch im Leeren.

3.7. Die deutschsprachige und die Mädchenschule Schon früh stand in Altenburg neben der Lateinschule für Jungen auch eine Mädchenschule. Die ältere Forschung, welche die oben mehrfach genannte Schulchronik des Stadtarchivs rezipierte, spricht davon, dass die elementare Schule von Veit Pempel, der Mädchen und Jungen zusammen unterrichtet haben soll, bei ihrer Verlegung in das ehemalige Franziskanerkloster nach den Geschlechtern getrennt worden sei. Nur der Unterricht der Jungen wurde demnach in das Kloster verlegt, während im Jahr 1530 eine Mädchenschule gegründet wurde.457 Es zeigt sich jedoch, dass die Gründung bereits einige Jahre vorverlegt werden muss. Schon 1527 setzte Spalatin sich für die eigenständige Gründung einer Mädchenschule ein. In einem Brief an den Stadtrat, in dem er in schwerer Krankheit seinen letzten Willen formulierte, drängte er diesen, „sobald es möglich noch ein mägdleinschul aufzurichtenn“.458 Denkbar ist, dass der Stadtrat, der schon mit

456 StA Altenburg, XII. i. 4. Nr. IV, unfol. 457 Vgl. StA Altenburg, XII. a. 6. Nr. 12, S. 2; WAGNER, Georg Spalatin (1830), S. 133; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 27. 458 Vgl. StA Altenburg, XIV. 10. Nr. 136b, unfol. Das Originalschreiben ist durch Wasserschaden unleserlich geworden. Zitiert wurde hier nach einer beiliegenden Abschrift des 19. Jahrhunderts.

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der Schulgründung von 1522 ein gewisses Interesse am städtischen Schulwesen offenbarte, nach der Mahnung Spalatins schnell reagierte.459 Die erste namentlich bekannte Schulmeisterin erscheint bereits 1530 in der Person der Elisabeth von Reinsberg, bei der es sich möglicherweise auch um die erste Schulmeisterin der neu gegründeten Schule überhaupt handelt. Der Brief, mit dem sie selbst am 6. Mai 1530 bei Spalatin um seine Hilfe ersuchte, verdeutlicht nicht nur, dass sie bereits einige Zeit im Amt war, sondern zeigt sogleich die ersten Probleme auf und informiert über ihre bevorstehende Absetzung. 460 Schon mehrfach, so schreibt sie, habe sie sich in der vergangenen Zeit mit der Klage ihrer Not an Spalatin und den Stadtrat gewandt. Nun habe sie erfahren, dass es bereits in der ganzen Stadt bekannt geworden sei, dass man eine neue Schulmeisterin anzustellen gedenke, ohne ihr über diesen Entschluss Mitteilung gemacht zu habe. Schon hätten einige Familien ihre Töchter aus ihrer Schule genommen, sodass sie sich veranlasst sah, beim Stadtrat zu erfragen, was dieser mit ihr geplant hatte. Durch den Stadtvogt habe man ihr daraufhin ohne Begründung mitteilen lassen, dass sie ihr Amt zu Pfingsten niederlegen solle. Da sie jedoch stets den Eindruck gehabt habe, beim Rat gut gelitten zu sein, meinte sie, die Ursache für ihre Absetzung bei den Kastenherren und Predigern suchen zu können, die schon länger einen Groll gegen sie gehegt hätten, da sie sich in ihren Anliegen eher an den Stadtrat als an diese wandte. Deren Ärger sei nun, als das Franziskanerkloster im Februar für die Kirchen- und Schuldiener hergerichtet worden war, durch die Entscheidung der Schulmeisterin, nicht mit ihnen ins Kloster zu ziehen, verstärkt worden. So kamen zu ihrem nur geringen Sold, der sie oft Hunger und Durst habe leiden lassen, auch noch der Spott und Hohn der Kirchendiener hinzu. Sie bat Spalatin mit diesem Schreiben, sich angesichts ihres Elends sowohl beim Rat als auch bei den Kirchendienern für sie einzusetzen. Es ist anzunehmen, dass Spalatin der Bitte nachkam, doch zog sich die Auseinandersetzung noch über drei Jahre hin und wurde erst 1533 in einem Briefwechsel zwischen Spalatin, Luther und den für Altenburg zuständigen Sequestratoren erneut aufgegriffen. Am 22. März richtete Spalatin einen Brief an die Sequestratoren, aus dem hervor geht, dass Elisabeth sich innerhalb der vergangenen drei Jahre selbst an den Kurfürsten gewandt hatte, der ihr daraufhin seine Unterstützung zugesagt habe. Dessen Aufforderung zur Unterstützung der Bittstellerin gedachte Spalatin nun nochmals ausdrücklich zu unterstreichen.461 Einige Tage später, am 29. März, schrieb Luther in der gleichen Angelegenheit an Spalatin und informierte ihn, dass die ehemalige Schulmeisterin auch ihm ihre 459 Vgl. DIETZE, Schulwesen (1922), S. 27; SCHULZ, Spalatin (2014), S. 78 f. mit Anm. 77 auf S. 87. 460 Vgl. FB Gotha, Chart. A. 1289 I, fol. 643r–v. 461 Brief abgedruckt bei BERBIG, Urkundliches (1904), S. 4 f.

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Not geklagt habe.462 Die beharrliche Bitte der Schulmeisterin wurde schließlich erhört. Für mehrere Jahre, bis Anfang 1539, erscheint sie als Empfängerin eines regelmäßigen Almosens in den Rechnungen des Gemeinen Kastens.463 Aufgrund dieser langwierigen Auseinandersetzungen um die Geschicke der Mädchenschule überrascht es, dass diese zu keiner Zeit das Interesse der Visitatoren und auch in der Kirchenordnung von 1533 keinerlei Erwähnung fand. Als Nachfolgerin der Elisabeth erscheint noch im selben Jahr Gertrud Herzog, die als die alte Herzogin bezeichnet wurde.464 Ihr zur Seite stand ihre Tochter Sabina, die ihre Mutter beim Schulunterricht unterstützte und für ihre Hilfe aus dem Gemeinen Kasten von Zeit zu Zeit ein kleines Geldgeschenk oder, wie in einem Fall, ein paar neue Schule anlässlich ihrer Hochzeit erhielt.465 Das Jahresgehalt der Schulmeisterin hatte zu dieser Zeit nach den Angaben der Kastenrechnungen eine Höhe von 5 n ß und wurde durch zwei Scheffel Korn aufgebessert.466 Bis zum Ende des Jahrhunderts blieb dieser Anteil des Gehaltes der Schulmeisterin aus dem Gemeinen Kasten unverändert, doch zeigt sich auch hier wie bei den Gehaltszahlungen des Lateinschulmeisters, dass der Gemeine Kasten in den 1530er Jahren am Ende eines Jahres mitunter Teile des Gehaltes schuldig bleiben musste. So führt die Kastenrechnung von 1537/38 unter dem Gehalt der Schulmeisterin lediglich die Schuldentilgung aus den Vorjahren in Höhe von 7 fl auf.467 Da das Gehalt für den Lebensunterhalt der Schulmeisterin kaum ausreichend war, setzte sich Georg Spalatin 1538 eindringlich beim Stadtrat für eine Gehaltserhöhung ein.468 Diese erfolgte jedoch erst durch die Zulage des Amtes aus den Gütern des Deutschen Ordens, deren Hergang bereits oben ausführlich dargelegt wurde. An dieser Zulage, die 1541 ihren Anfang nahm, wurde die Schulmeisterin in gleicher Höhe wie der Knabenschulmeister, mit 3 ½ n ß (umgerechnet 10 fl) beteiligt.469 Das Gesamtgehalt der Schulmeisterin betrug somit eine Gesamthöhe von 8 ½ n ß (umgerechnet etwas mehr als 24 fl) und blieb bis zum Ende des Untersuchungszeitraums und darüber hinaus unverändert. Bei der 462 Vgl. LUTHER, Briefwechsel, WA BR 6, S. 443; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 27. 463 Vgl. MANDRY, Armenfürsorge (2018), S. 425. 464 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 1b, unfol.; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 28; MORITZ, Schulgeschichte (1998), S. 180. 465 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 1c, fol. 89r. Für andere Fälle vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 1b, unfol. 466 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 1b, unfol. 467 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 2, unfol. 468 Die Akte des Stadtarchivs (XIV. 10. Nr. 26), aus der seine Bemühung hervorgeht, ist, wie oben bereits erwähnt, für die Benutzung gesperrt. Eine nähere Darlegung kann daher nicht erfolgen, vgl. SCHMALZ, Spalatin in Altenburg (2009), S. 60; SCHULZ, Spalatin (2014), S. 80 mit Anm. 78 auf S. 87 f. 469 Vgl. StA Altenburg, XII. d. Nr. III, unfol.; GABELENTZ, Aufhebung (1845–1848), S. 191.

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oben dargelegten Zulage des Herzogs von 1599 wurde die Schulmeisterin nicht berücksichtigt. Über den Unterricht der Mädchenschule können nur wenige Angaben gemacht werden. Aus einer erhaltenen Empfangsquittung, welche die alte Herzogin im Jahr 1533 durch ihren Sohn über die Gehaltszahlung von 1 n ß ausstellen ließ, zog Paul Dietze den Schluss, dass Gertrud Herzog selbst des Schreibens nicht mächtig gewesen wäre, was ein entsprechendes Licht auf das Niveau des Unterrichts geworfen hätte. 470 Diese Schlussfolgerung entspricht jedoch nicht den Tatsachen. Ob eine Einschätzung der Schreibfähigkeiten der Schulmeisterin aufgrund dieser Gehaltsquittung überhaupt erfolgen kann, scheint fraglich. Aus demselben Jahr existiert hingegen eine zweite Quittung der gleichen Art, in der die alte Herzogin dem Kastenherren Franz Geringswalde diesmal in ihrer eigenen Handschrift den Empfang von 2 n ß 6 gr bestätigt.471 Es ist daher anzunehmen, dass das Schreiben ein Bestandteil des Unterricht gewesen ist. Ein Lehrplan gleich dem der Lateinschule von 1584 existiert für das gesamte 16. Jahrhundert jedoch nicht. Lediglich eine sehr kurze Charakterisierung des Schulunterrichts stammt aus der Feder der Tochter einer Schulmeister, Sibilla Zschipartin, die anlässlich des Todes ihrer Mutter am 25. Januar 1552 an den Stadtrat schrieb, dass diese „mit getrewem vleiß zu gottis furcht zucht vnd erbarkeit neben dem Catechismo leßen vnd schreiben gehalden und vnterweißet“472 habe. Auf welcher literarischen Grundlage die Mädchenschulbildung erfolgte, wird erst in späterer Zeit anhand sehr vereinzelter Hinweise deutlich. So erhielt im Jahr 1590/91 ein Mädchen aus einem Almosen des Gemeinen Kastens ein Exemplar der alttestamentlichen Apokryphe Jesus Sirach,473 die sich durch ihre lehrhaften Sentenzen in besonderer Weise für den Schulunterricht empfiehlt und der bereits in vorreformatorischer Zeit ein gewisser katechetischer Wert zugesprochen worden ist. Wie in der Knabenschule wurden auch in der Mädchenschule halbjährliche Prüfungen abgehalten, doch zeigt sich anhand der Kastenrechnungen, dass die Aufmerksamkeit des Rates zu diesen Anlässen eher die Knabenschule betraf. Es wurden zwar auch in der Mädchenschule Zuckerkonfekt, Pfefferkuchen und ähnliches verteilt, doch wurden die Prüfungen nie so festlich ausgerichtet, wie es in dem oben dargelegten Fall des Jahres 1594/95 an der Lateinschule der Fall war. Im Jahr 1539 erfolgte die Verlegung der Mädchenschule in das Haus der ehemaligen Johannisschule des Deutschen Ordens. Das Haus, das, wie oben beschrieben, seit dem Niedergang der vorreformatorischen Schule als Wohnhaus 470 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 1c, zwischen fol. 51 und fol. 52; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 27. 471 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 1c, zwischen fol. 51 und fol. 52. 472 StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. I, fol. 1r. 473 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 11, unfol.

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und Krankenlager des Ordens genutzt worden war, wurde dem Stadtrat, der mit der Kontinuität des Hauses für schulische Zwecke argumentiert hatte, vom Deutschen Orden zur Verfügung gestellt. 474 Eine überdurchschnittlich starke Bauaktivität in den 1540er Jahren, die durch die Kastenrechnungen dokumentiert wird, lässt jedoch einen mangelhaften Zustand des Hauses vermuten. 1546/47 wurde sogar eine eigene Kategorie für Baukosten an der Mädchenschule in die Kastenrechnung aufgenommen.475 Als nach der Niederlage im Schmalkaldischen Krieg 1547 angeordnet wurde, dem Deutschen Orden seine einstigen Güter zurückzuerstatten, sollte dies auch das neue Mädchenschulhaus in Altenburg betreffen. Der Stadtrat wandte sich daher 1548 mit der Bitte, der Stadt seinen Besitz zu belassen, an den erst drei Jahre zuvor eingesetzten Landkomtur der Ballei Thüringen, Hans von Germar. Er stand zu dieser Zeit der lutherischen Konfession zwar bereits aufgeschlossen gegenüber, war selbst jedoch noch katholisch.476 Bezüglich der übrigen Gebäude forderte er zwar rigoros, sie binnen dreier Wochen räumen zu lassen, vertröstete den Rat hinsichtlich der Mädchenschule jedoch auf einen noch nicht feststehenden Termin, zu dem er persönlich in Altenburg erscheinen wolle.477 Ein sich daraufhin entwickelnder Briefwechsel, der die Auseinandersetzung auch vor den Herzog trug, beinhaltet das Schulwesen nur am Rande. Dem Herzog gegenüber argumentierte der Rat erneut mit der einstigen Schule des Deutschen Ordens, die dieser in den 1520er Jahren bewusst vernachlässigt und eingehen lassen habe. Erst 1550 konnte die Auseinandersetzung beigelegt werden. Das Schulwesen betreffend wurde dabei beschlossen, dass die Stadt das Mädchenschulhaus für weitere fünf Jahre innehaben dürfe, der Deutsche Orden im Gegenzug aber von der 1529 vereinbarten Spende in den Gemeinen Kasten enthoben werden solle.478 Wie nach dem Verlauf der fünf Jahre weiter verfahren werden sollte, bleibt offen, doch sollte das Haus auch weiterhin der Stadt als Mädchenschule dienen. Zwei Jahre nach dieser Vereinbarung, 1552, starb die Mädchenschulmeisterin Frau Zschipartin.479 Am 25. Januar schrieb deren Tochter daher den oben bereits genannten Brief, in dem sie, da die Familie den Verdienst aus der Schule nötig hatte, den Stadtrat bat, den Schuldienst weiterhin in ihrer Familie zu belassen und 474 Vgl. GABELENTZ, Aufhebung (1845–1848), S. 192. Vgl. auch ebd., S. 153; LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen I (1886), S. 159; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 8 u. 28; SCHNEIDER, Altenburg (1923), S. 46; MORITZ, Schulgeschichte (1998), S. 180; LEOPOLD, Streiflichter (2004), S. 33; SCHULZ, Spalatin (2014), S. 80. 475 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 4, unfol. 476 Über die Biographie Hans von Germars vgl. DEUBNER, Hans von Germar (2015), S. 14– 29, hier S. 19 f. 477 Vgl. StA Altenburg, XII. p. Nr. 21, unfol. 478 Vgl. ebd., unfol. 479 Vgl. LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen I (1886), S. 159.

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ihr selbst und ihrer Schwester Elisabeth, die ihrer Mutter bereits bei der Verrichtung ihres Dienstes geholfen habe, zu übertragen.480 Der Bitte wurde jedoch nicht entsprochen. Paul Dietze weiß für das folgende Jahr von der Frau eines Bartel Schneider als neuer Schulmeisterin.481 Sollte sie mit der späteren Schulmeisterin Juliane Schneiderin (1572) identisch sein, hätte sie ihr Amt über 20 Jahre versehen. Während ihrer Amtszeit erfolgte in den Jahren 1570–72 ein umfangreicher Ausbau des Schulhauses.482 Es handelte sich dabei scheinbar um einen vollständigen Neubau der Schule, der hauptsächlich aus den Steinen abgebrochener alter Gebäude ausgeführt wurde. In den drei Kastenrechnungen, die diesen Zeitraum abdecken, informieren ausführliche Ausgabenkategorien „zu erbauung der Nauen Jungfrawen Schulen“483 über die Errichtung. Das Jahr 1570/71 diente hauptsächlich der groben Aufrichtung des Hauses. Mauersteine, Dachziege, Kalk, Sand und Holz sowie Nägel waren die hauptsächlichen Materialien. Alleine 48 Karren Steine wurden vom Nikolaikirchhof herbeigeschafft. Zahlreiche Arbeiter wurden dabei beschäftigt, allen voran Schmiede, Steinmetze, Zimmerleute, Dachdecker, Tischler, Schlosser, aber auch so mancher Tagelöhner. Zu einer Art Richtfest, „als das haus gehoben“484 wurde, war für Brot, Semmeln, Fleisch und Bier gesorgt. Die Gesamtbaukosten betrugen 79 n ß 20 gr 8 d. Im Jahr 1571/72 erfolgte die Anfertigung und Einsetzung der Fenster sowie die Einrichtung des Bades und einer Speisekammer für die Wohnung der Schulmeisterin. Ein Dielenboden wurde verlegt, ein Kachelofen aufgestellt und das Haus durch einen sogenannten Weißmacher verputzt. Die Gesamtsumme betrug 49 n ß 16 gr 3 d. Vollendet wurden die Arbeiten im Jahr 1572/73, indem die Zimmer eingerichtet und die Baustelle hauptsächlich von Tagelöhnern aufgeräumt wurde. Parallel wurden die Wirtschaftsgebäude der Schulmeisterin aufgerichtet, die aus einem Holzschuppen, einem sogenannten Vorhaus und einem Schweinestall bestanden. Besonders der Schweinestall wirft ein bezeichnendes Licht auf die wirtschaftliche Situation der Schulmeisterfamilie, die neben dem Schulverdienst, wie es in den mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Städten nicht unüblich war, von der eigenen Viehzucht lebte. Auch ein paar nebenbei anfallende Arbeiten wurden mit aufgenommen, wie beispielsweise die neue Einbindung eines Alten Testaments durch den oben schon genannten Buchbinder Martin Kolbe. 485 Die Kasten480 Vgl. StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. I, fol. 1r–v. 481 Vgl. DIETZE, Schulwesen (1922), S. 28. 482 Vgl. BEUST, Jahrbücher II (1800), S. 98; WAGNER, Georg Spalatin (1830), S. 133, Anm. 1; LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen I (1886), S. 159; SCHNEIDER, Altenburg (1923), S. 46; SELL, Chronik (1995), S. 45. 483 StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 8, unfol. 484 Ebd., unfol. 485 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 8a, unfol.

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rechnung belegt außerdem, dass der Unterricht der Mädchen für die Dauer der Bauarbeiten in das Haus des Fleischhauers Hans Claussen verlegt worden ist. Ihm zahlte der Kasten dafür 1573/74 31 gr.486 Die Arbeiten waren im Sommer 1572 abgeschlossen und der Schulunterricht fand im neuen Schulhaus statt. Die neue Schulstube war nun um etliches größer als die vorhergehende, doch erfuhr die Schule keine Anpassung der Brennholzlieferung. Am 20. Juni 1572 schrieb die Schulmeisterin Juliane Schneiderin daher ihre Bedenken an den Stadtrat. Bereits in der kleineren Schulstube habe sie Mühe gehabt, mit dem zur Verfügung gestellten Holz auszukommen und habe oft selbst zulegen müssen. Nun sei die Schulstube jedoch größer und habe viele Fenster, die zudem über keine Läden verfügten, sodass sie befürchtete, sie werde im Winter kalt bleiben müssen, wenn ihr nicht ausreichend Holz bereit gestellt werden könnte.487 Ein der Kastenrechnung beigelegtes „Vorzeichnus der heuser, dorinnen es Ao 76 nach des gnedig vnd Barmherzig Gottes willen gestorben an der greulichen vnd abscheulichen seuche, der Pestelenz“ 488 offenbart die Schulmeisterin, vermutlich noch Juliane Schneiderin, als Opfer der Pest. Sie starb in den letzten Monaten des Jahres und die Bemerkung in der Kastenrechnung, dass das ihr noch ausstehende Gehalt des restlichen Jahres nicht an eine Nachfolgerin gezahlt, sondern im Gemeinen Kasten einbehalten worden sei, lässt vermuten, dass die Mädchenschule aufgrund der Pest für einige Zeit eingestellt worden ist. Die Amtszeit der Nachfolgerin im Mädchenschuldienst Margarethe Heidenreich begann, möglicherweise durch die Unterbrechung des Schulalltages mit bedingt, sogleich mit einer Auseinandersetzung um eine Mädchenwinkelschule, die sich bis zum Ende des Jahrhunderts hinziehen und ein bemerkenswertes Ende finden sollte.489 Die erste Spur einer zweiten Mädchenschule findet sich bereits in dem Brief eines Heinrich Glintzsch, der am 22. Februar 1577 an den Rat schrieb und ihn um die Bestätigung der Schule seiner Frau Ursula bat und dabei hochrangige Fürsprecher aus adligen Kreisen heranführte. Der Schosser habe durch die Fürsprache des Herrn von Polheim seine Zustimmung gegeben und ein Bürgermeister habe durch den Einfluss des Herrn von Zechau zumindest schon seine Bereitschaft signalisiert.490 Obwohl der Rat seine Zustimmung offensicht486 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 8b, unfol. 487 Vgl. StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. I, fol. 3r–4r; LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen I (1886), S. 159; DIETZE, Schulwesen (1922), S. 28. 488 StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 9, unfol. Zu den Auswirkungen der Pest in Altenburg vgl. MANDRY, Pest in Altenburg (2016). 489 Vgl. LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen I (1886), S. 159; MORITZ, Schulgeschichte (1998), S. 181. 490 Vgl. StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. I, fol. 8r. Erst aus einem späteren Schreiben der Ursula Glintzsch erfährt man, dass ihr Mann während seines Dienstes als Schreiber die Kinder

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lich nicht erteilte und Margarethe Heidenreich in ihrem Amt beließ, verdeutlicht ein späteres Schreiben der Ursula Glintzsch, die sich bereits nach dem Tod der vorhergehenden Schulmeisterin zusammen mit Margarethe Heidenreich um die Nachfolge beworben hatte, dass ihr als Kompromiss durch einen Beschluss des Stadtrates die offizielle Berechtigung erteilt wurde, eine Anzahl Kinder privat zu unterrichten. 491 Im September desselben Jahres 1577 schrieb die rechtmäßige Schulmeisterin zwei Briefe an den Rat und führte Beschwerde über ihre Konkurrentin.492 „Eines reuters weib in der sporn gassen“493 habe vor etlichen Wochen eine Schule neben ihr aufgerichtet und obgleich ihr noch keine Klagen über ihren eigenen Schuldienst zu Ohren gekommen seien, schreite niemand gegen diese Winkelschule, die doch gegen die Ordnung der Kirchen verstößt und in anderen Städten nicht geduldet werden würde, ein, sodass „mir vnd meinen armen kinden das brodt vor dem mundt weggenomen wird“.494 Auch der Diakon, der zum Katechismusunterricht in die Schule gekommen war, habe sich, so schrieb sie weiter, über die geringe Anzahl der Schülerinnen, derer nur 15 oder 18 anwesend waren, gewundert. Obwohl nach den Angaben der Kastenrechnungen weiterhin Margarethe Heidenreich, die in späteren Jahren als Witwe nochmals heiratete,495 die Besoldung der Mädchenschule erhielt, genoss die Schule von Ursula Glintzsch, möglicherweise durch die adlige Fürsprache bewegt, weiterhin die Billigung des Stadtrates was die Langwierigkeit der Rivalität nur noch mehr begünstigte. Die folgende vernehmliche Stimme in dieser Auseinandersetzung kam von dem Superintendenten Caspar Melissander, der am 13. August 1583 dem Stadtrat schrieb, dass durch die Winkelschule in der Neustadt „vnsere Ordenliche Junckfraw Schul in groß abnemen gerate“.496 Erst vor wenigen Tagen seien erneut zehn oder zwölf Mädchen aus der rechtmäßigen in die Winkelschule übergewechselt. Besonders diese letzte Angabe, dass jüngst wieder einige Schülerinnen die offizielle Schule verlassen hätten, legt nahe, dass der Streit letztlich, obgleich keine weiteren Nachrichten vorliegen, durch die öffentliche Meinung entschieden wurde. Allmählich scheint sich der Schwerpunkt des Schulbesuchs auf die Einrichtung der Ursula Glintzsch verlagert zu haben, ohne dass der Stadtrat dagegen vorzugehen gedachte. Weitere Appelle von Seiten der Kirchendiener oder Ver-

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einiger Adliger privat unterrichtet habe. Wahrscheinlich ist die Fürsprache der genannten Adligen auf dieses Dienstverhältnis zurückzuführen, vgl. dazu LATh-StA Altenburg, Ministerium zu Altenburg, Abt. für Kultusangelegenheiten 116, fol. 3r. Vgl. LATh-StA Altenburg, Ministerium zu Altenburg, Abt. für Kultusangelegenheiten 116, fol. 2v. Vgl. StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. I, fol. 7r–v u. 9r. Ebd., fol. 7r. Ebd., fol. 9r. Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 11, unfol. StA Altenburg, XII. b. 4. Nr. I, unfol.

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suche gegen die Winkelschule vorzugehen, sind, obwohl sich diese über Jahre hinweg hielt, nicht überliefert. Die Schultätigkeit der Margarethe Heidenreich fand schließlich durch einen Konflikt mit den Bürgern ihr Ende. Ein langes Verteidigungsschreiben der Schulmeisterin vom 14. Januar 1591 informiert, dass ihr Misshandlungen nicht nur der Schulmädchen, sondern auch der eigenen Kinder und des eigenen Ehemannes, sowie ein unsittliches Leben vorgeworfen worden seien. 497 Bereits im Dezember 1590 war daher ihre Absetzung beschlossen worden,498 was Ursula Glintzsch zu einer neuerlichen Bewerbung um ihre Nachfolge veranlasste, die sie am 29. Dezember 1590 eigenhändig, wie sie selbst betonte, an den Stadtrat richtete.499 Nur drei Tage später schloss Heinrich Glintzsch dem Bewerbungsschreiben seiner Frau einen eigenen Brief an, in dem er dem Stadtrat seinen Entschluss mitteilte, die Mädchenschule im Falle der Einstellung seiner Frau mit ihr gemeinschaftlich zu versorgen. Sein Schreiben informiert dabei erstmals über die Frequentierung der Mädchenschule. Keiner Frau, so schrieb er, sei es allein möglich, „so viel Kinder derrn vber die 200 auch offt wohl in die 300 beisammen gefunden sein“,500 zu unterrichten. Zur vollständigen Versorgung der Mädchen müsse daher ein Mann mit herangezogen werden. Ob dieser Aspekt letztlich den Ausschlag gab, ist ungewiss, doch war dieser zweite Versuch von Erfolg gekrönt. Die Schule der Ursula Glintzsch wurde zu Beginn des Jahres 1591 endgültig durch den Stadtrat legitimiert und in das Haus der rechtmäßigen Mädchenschule verlegt. Die Kastenrechnung von 1591/92 führt sie als Schulmeisterin auf501 und vom 3. März 1591 stammt ein „Vorzeichnus all des Ihenigen so in Einweisunge des Heinrich Glinzsch vnd seins weibs den 3. Martii Anno 91 In der Iungfrawen Schulen ist befunden worden“.502 Dieses Verzeichnis, das beim Einzug der Familie Glintzsch in das Schulhaus angelegt wurde, offenbart den miserablen Zustand der Mädchenschule, an der etliche Spuren des langsamen Niedergangs der vergangenen Jahre sichtbar waren. Die Bücher, die vorgefunden wurden, eine alte Bibel in zwei Bänden, ein Evangelienbuch und zwei Epistelbücher waren stark zerlesen und mitunter zerrissen. Tische und Bänke waren alt, ein Regal an der Wand war zerbrochen. Insgesamt verfügte die Schulstube über fünf lange und 13 kurze Bänke, einen Tisch, eine lange Tafel und ein Pult, das ebenfalls als vom Alter gezeichnet beschrieben wird. Der Kachelofen wies etliche zerbrochene Kacheln auf und in Ermangelung eines Schürhakens benutze man die Schiene eines aus497 Vgl. LATh-StA Altenburg, Ministerium zu Altenburg, Abt. für Kultusangelegenheiten 116, fol. 8r–11v. 498 Nach den Worten der Ursula Glintzsch habe der Stadtrat die abermalige Neubesetzung „aus gemeynen geschrey“ heraus vorgenommen, vgl. ebd., fol. 2v. 499 Vgl. ebd., fol. 2v–3r. 500 Ebd., fol. 4r. 501 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 11, unfol. 502 StA Altenburg, XII. i. 4. Nr. IV, unfol.

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rangierten Wagenrades. Einige Türen hatten weder Klinken noch Schlösser, für andere fehlten die Schlüssel. Viele Fenster waren kaputt und nur notdürftig mit Papier geflickt worden. Die Familie Glintzsch musste sich dem Wiederaufbau der Schule widmen, doch scheint sie dabei Erfolg gehabt zu haben. Drei Karren voll Unrat seien bei den Aufräumarbeiten vom Dachboden, aus den Kammern und „allen wingkeln“ 503 der Schule heraus geschafft worden. Und selbst bei diesen Aufräumarbeiten blieb es nicht. Auch darüber hinaus war die Schulmeisterin bemüht, ein erträgliches schulisches Umfeld zu schaffen. So wurde beispielsweise durch den Gemeinen Kasten im Jahre 1595/96 ein Maler dafür bezahlt, etliche biblische Sprüche für die Mädchenschule auf Tafeln zu schreiben, worunter eine künstlerische Gestaltung des Textes zu verstehen sein wird, die möglicherweise durch Illustrationen ergänzt als Verzierung der Schulstube den Mädchen die Heilsbotschaft in Wort und Bild vor Augen führten.504 Ursula Glintzsch versah ihren Dienst bis ins Jahr 1607, in dem ihr Mann, inzwischen neunundsiebzigjährig darum bat, auch nach der Einstellung ihres Dienstes weiterhin in der Wohnstube wohnen bleiben zu dürfen.505 Sind die Mädchenschule und ihre Geschicke durch die damit dargelegten Zeugnisse verhältnismäßig gut belegt, bleibt eine deutsche Schule oder ein möglicherweise vorhandenes privates Schulwesen dahinter weit zurück. In keinem Zusammenhang erscheint sie als eigenständige Einrichtung in den Quellen, sodass die wenigen Hinweise auf einen Deutschen Schreiber, bei dem es sich aber nicht zwangsläufig um den Leiter einer Schule gehandelt haben muss, in wenigen Sätzen dargelegt werden können. Erstmals erfuhr ein solcher seine Erwähnung in der Kastenrechnung von 1542/43, indem er mit 6 gr für die Ausfertigung einer Rechnung bezahlt wurde.506 Zwei weitere diesmal namentlich bekannte Schreiber, Michael Schneider und Nicolaus Schultze, erhielten in den Jahren 1574 und 1591 das Bürgerrecht.507 Es kann jedoch nur im zweiten Fall auch ein Bezug zu einer Lehrtätigkeit des Neubürgers hergestellt werden, denn Nicolaus Schultze wurde ausdrücklich als „Deutzsche[r] Schulhelerer“ 508 bezeichnet. Der ihm nachfolgende Fall des Peter Matthes, der als der „Deutzsche Schuelhaltter“509 spezifiziert wurde, fällt erst in das Jahr 1605. In dem umfangreich erhaltenen Briefwechsel der Lateinschuldiener wird die Deutsche Schule lediglich zwei Mal erwähnt, was jedoch aufgrund der ausbleibenden Erläuterung nicht mehr als ihre Existenz bestätigt. Als die Schuldiener im 503 504 505 506 507 508 509

StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 11, unfol. Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 13, unfol. Vgl. StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. I, fol. 11r. Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 4, unfol. Vgl. HEINZIG/KÖHLER/MATTIS, Bürgerbücher (2008), S. 54 u. 65. Ebd., S. 65. Ebd., S. 74.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

Jahr 1560 um eine Zulage zu ihrem Brennholz baten, argumentierten sie dabei nicht nur, wie oben dargestellt, mit den halbjährlichen Prüfungen und dem Schultheater, sondern auch damit, dass eine Erhöhung des Holzdeputats keinen „nachteil gemeiner Schulen“ 510 bedeuten würde. Die ‚gemeine Schule‘ bezeichnet in diesem Fall wahrscheinlich die neben der lateinischen Gelehrtenschule bestehende elementare Schreibschule. Da diese ihren Unterhalt, wie die Stellung von Brennholz, nicht aus dem Gemeinen Kasten erhielt, sondern auf ihre eigene Versorgung angewiesen war, konnten die Schuldiener damit argumentieren, dass eine erhöhte Holzlieferung niemandem einen Abbruch tun würde. Ein zweites Mal wird die Existenz der deutschen Schule in dem Schreiben des Superintendenten Melissander über das Betragen des Veit Birlingk von 1588 erwähnt. Mit einem Nachlassen der strengen Erziehungsmethoden, so der Superintendent, käme es zu einem Sittenverfall in der lateinischen wie in der deutschen Schule.511 Obwohl also, wie diese spärlichen Fälle zeigen, bereits im 16. Jahrhundert eine eigens eingerichtete Deutsche Schule existiert hat, bleibt sie in jeglicher Hinsicht völlig im Dunkeln, was angesichts der nicht unbedeutenden Quellenlage überrascht.

510 StA Altenburg, XII. b. 3a. Nr. II, fol. 1r. 511 Vgl. StA Altenburg, XII. b. 4. Nr. I, unfol.

4.

Kontinuität und neue Organisation – das Beispiel Saalfeld

KONTINUITÄT UND NEUE ORGANISATION – DAS BEISPIEL SAALFELD

4.1. Die Einführung der Reformation Die Einführung der Reformation in Saalfeld und ihr genauer Zeitpunkt sind nur schwer zu erfassen.1 Die Überlieferung des gebürtigen Saalfelders Sylvester Lieb, der in der ersten Hälfte des 17. Jahrhundert die sogenannte Salfeldographia, eine umfangreiche und weitschweifige Chronik der Stadt verfasste,2 schildert, dass sich die Reformation bereits vor Luthers Thesenveröffentlichung in Saalfeld abgezeichnet habe. Am 13. Mai 1516, so Lieb, habe ein Dominikanermönch an der Johanniskirche über den Ablass gepredigt. Zur Verwunderung, aber unter großem Wohlwollen seiner Hörer habe er seine Predigt durch die Vorwegnahme von Luthers Rechtfertigungslehre beendet. Ebenfalls aus Liebs Salfeldographia stammt der Bericht, dass zurzeit von Luthers Wirken zwei Saalfelder Bürgerssöhne die Universität in Wittenberg besuchten. Als die Saalfelder Franziskanermönche deren Eltern aus Angst vor der neuen Lehre dazu bewegten, ihre Kinder in die Heimat zurückzurufen, sollen jene, die später zu Ratsherren aufgestiegen seien, das Luthertum im Jahr 1518 mitgebracht haben.3 Die Forschung hat beide Überlieferungen bislang ohne große Kritik anerkannt. Einzig Sven Schlotter plädierte – jedoch in einer unpublizierten Arbeit – für einen kritischeren Umgang mit den Legenden. Er verweist auf deren topischen, konstruierten Charakter und auf die fehlenden oder – wie die Wittenberger Universitätsmatrikel, in denen sich keine späteren Saalfelder Ratsherren finden lassen – widersprechenden zeitgenössischen Quellen.4 Wie die Reformation in ihren frühen Zügen in Saalfeld letztlich Fuß fasste, kann nicht festgestellt werden, doch erfuhr sie schnell die Förderung des Stadtrates. Im Jahr 1524 wurde auf Betreiben der Bürger beschlossen, die katholischen Messen in der Stadtkirche abzuschaffen. Bereits zu dieser Zeit scheint es in der Stadt einen evangelischen Prediger gegeben zu haben, doch ist er nicht namentlich bekannt. Der letzte katholische Priester, Johannes Plack, konvertierte zur 1

2 3 4

Die Darstellung der Saalfelder Reformation basiert, wenn nicht anders belegt, neben der Chronik des Sagittarius (vgl. SAGITTARIUS, Historien II) auf der folgenden Forschungsgrundlage: AVENARIUS, Lebens-Beschreibung (1718); HILLINGER, Memoria Aqvilina (1731); WAGNER, Beiträge (1817); RICHTER, Reformation (1855); WAGNER/GROBE, Chronik (1867); FÜßLEIN, Caspar Aquila (1876); MITZENHEIM, Kirchenvisitation I (1927); DERS., Kirchenvisitation II (1927); BIUNDO, Aquila (1963); TSCHESCH, Reformation (1971); WERNER, Saalfeld (1995); DERS., Sturm (2000); DERS., Georg von Thüna (2007). Vgl. WERNER, Sylvester Lieb (2010), S. 5 f. Vgl. Salfeldographia, Buch I, Kap. 22, Übersetzungsmanuskript, S. 287 f. u. 296 f. Vgl. SCHLOTTER, Reformation (1996), S. 20–22.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

neuen Lehre und wurde vom Rat in seinem Amt bestätigt, während die Vikare abgefunden wurden und zum Teil die Stadt verließen. Caspar Aquila, Reformator und erster Superintendent der Stadt, berichtete 1547 in einem Schreiben an den Kurfürsten vom Schicksal des Deutschordenshauses, das nach seinen Worten abgebrochen und von Johannes Plack durch ein evangelisches Pfarrhaus ersetzt worden sei, das diesem Zeit seines Lebens als Wohnhaus diente.5 Die Einführung der Reformation nahm in Saalfeld trotz des Widerstandes der Klöster einen deutlich friedlicheren Verlauf als in Altenburg. Auch von den sozialen Unruhen der frühen Reformationszeit wurde die Stadt nur in geringem Maße heimgesucht. Das Benediktinerkloster entging am 28. April 1525 nur knapp der Erstürmung durch einige Bürger und in Saalfeld ansässige Handwerker, indem der Abt Georg von Thüna und die Mönche das Kloster fluchtartig verließen und sich sowie die Klosterkleinodien in Sicherheit brachten. Die Zerstörung des Klosters konnte durch den Rat verhindert werden, doch verkaufte der Abt die Reste der Klostergüter im Jahr darauf, kurz vor seinem Tod, an Albrecht III. von Mansfeld. Am 28. April 1527 wurde Caspar Aquila als Diakon in Saalfeld eingesetzt. Der Rat hatte bei Luther um einen fähigen Geistlichen ersucht, der die neue Lehre in der Stadt einführen könne. Luther sprach sich für seinen engen Vertrauten Aquila aus. Caspar Aquila ist am 7. August 1488 in Augsburg geboren worden. Umfangreiche Bildungsreisen hatten ihn bis nach Italien und in den Kontakt zu den humanistischen Geistesgrößen seiner Zeit gebracht. Ab 1510 ist er an der Universität in Leipzig nachweisbar, 1513 in Wittenberg, wo er im selben Jahr das Baccalaureat erhielt. 1516 trat er die Pfarrstelle in einem Dorf bei Augsburg an, wo er früh durch die lutherische Lehre für Aufsehen sorgte, aber auch durch seine Hochzeit im selben Jahr auf Widerstand stieß. Von seiner Pfarrstelle verdrängt kehrte er nach Wittenberg zurück, wo er 1521 den Magistertitel erhielt. Durch seine Kenntnisse der hebräischen Sprache fand Luther in ihm einen aktiven Mitarbeiter bei der Übersetzung des Alten Testaments. In Saalfeld stand er bald nach seiner Ankunft in gutem Ruf. Der Rat bescheinigte ihm bei der Visitation desselben Jahres eine hohe Gelehrsamkeit, eine reine Lehre sowie einen vorbildlichen Lebenswandel: „Er hat sich so in der Verkündigung des Wortes des allmächtigen Gottes mit reichlicher Erklärung der Buße, des Glaubens und der Liebe bewiesen, daß der Rat und die arme Gemeinde allhier ihm ihres armen Verstandes nichts zu zeihen wissen, sondern ihn gern haben.“6 Drei Jahre darauf, 1529, erhielt Aquila auf die Bitte der Bürger und des Rates hin die Pfarrstelle und verdrängte nunmehr den vom Katholizismus konvertier-

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Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 66, fol. 1v–2r. MITZENHEIM, Kirchenvisitation I (1927), S. 9.

KONTINUITÄT UND NEUE ORGANISATION – DAS BEISPIEL SAALFELD

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ten, aber von Sagittarius als „gar ungeschickt“7 bezeichneten Johannes Plack auf das Diakonat. Gleichzeitig wurde Aquila zum ersten Superintendenten von Saalfeld ernannt. Die Einführung der Reformation, die mit dem Namen Caspar Aquilas untrennbar verbunden ist, erfolgte in Saalfeld in ruhigen und geordneten Bahnen. Im Zuge der Visitation von 1529 betonte der Rat zudem das Ausbleiben schwärmerischer Aktivitäten und das Fehlen irriger Lehren.

4.2. Die Neuordnung des Schulwesens unter reformatorischem Einfluss 4.2.1. Finanzielle Umstrukturierung und personelle Verhältnisse zu Beginn der Reformation Wie in vorreformatorischer Zeit bildet Saalfeld auch hinsichtlich der frühreformatorischen Entwicklung ein passendes Gegenbeispiel zum oben skizzierten Altenburger Neubeginn. Während das vielgestaltige kirchliche Schulwesen Altenburgs durch die Reformation zusammenbrach und mit dem Einsatz des Stadtrates gänzlich neu begründet werden musste, war in Saalfeld zumindest eine bedingte Kontinuität des alten Schulwesens möglich. Dabei muss jedoch betont werden, dass sichere Informationen über die schulische Entwicklung der frühen 1520er Jahre nicht vorliegen. Die Ratsprotokolle, die aus der betreffenden Zeit überliefert sind, geben keine Auskunft über diese Frage,8 während Stadtrechnungen, anhand derer sich ein Niedergang bemerkbar gemacht hätte, nicht erhalten sind. Trotz dieser Überlieferungslücken belegt eine spätere Aussage des Stadtrates, dass Saalfeld zu jenen oben genannten Städten gezählt werden muss, die durch eine finanzielle Intervention gegen den drohenden Niedergang der Schulen vorgingen. 1527 verfasste der Rat – einer entsprechenden Aufforderung der Visitatoren folgend – einen Bericht über das Kirchen- und Schulwesen der Stadt, aus dem hervorgeht, dass den einheimischen Kindern schon zuvor das Schulgeld erlassen worden war. Stattdessen zahlte der Rat den Schuldienern seither einen Unterhalt von 30 fl jährlich, der durch das weiterhin bestehende Schulgeld der auswärtigen Kinder in ungenannter Höhe ergänzt wurde.9 In wie starkem Maße die Schule von einem möglichen Frequenz- und dem damit verbundenen Schulgeldrückgang betroffen war, kann nicht ermittelt werden, doch fand der Bildungsstand der Bevölkerung, insbesondere der Jugend, bei Caspar Aquila kein 7 8 9

SAGITTARIUS, Historien II, S. 209. Vgl. StA Saalfeld, C III 2a. Vgl. MITZENHEIM, Kirchenvisitation I (1927), S. 9.

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gutes Urteil – so zumindest nach der Schilderung seines Enkels Georg Friedrich Aquila. Demnach habe der Pfarrer bei seiner Ankunft in Saalfeld im April 1527 nur „eine lautere Barbarei, ungezogen und unverständig Volk in Gottes Wort“10 und eine große Unkenntnis des Katechismus vorgefunden. Diese Worte sind jedoch nicht allein aufgrund der anachronistischen Erwartungen an die katechetischen Kenntnisse der Menschen in den 1520er Jahren kritisch zu betrachten. Der Verfasser ist darin bemüht, durch eine topische und stark überspitze Äußerung den Reformator aus seiner Familie in ein rechtes Licht zu rücken. Es ist aus der Schulordnung von 1458 ersichtlich geworden, dass bereits die vorreformatorische Schule eine religiöse Unterweisung erteilt hatte. Eine tatsächliche Ereiferung Aquilas hätte sich demnach nicht gegen das Fehlen derselben, sondern lediglich gegen deren katholische Ausprägung richten können. Aquila ersetzte diese biblische Unterweisung, indem er sogleich nach seiner Ankunft dazu überging, einen Katechismus in seinem und im reformatorischen Sinne auszuarbeiten, den er, wie er sich später rühmte, über Jahrzehnte in gleichbleibender Form mit den Kindern einstudierte.11 Der Stadtrat selbst zeichnete nur wenige Wochen nach Aquilas Ankunft in dem genannten Visitationsbericht von 1527 ein deutlich positiveres Bild der Schule. Er habe „zwei Gesellen, die denn dem Rat als gelehrte Gesellen gerühmt worden sind, verordnet, der Knaben in der Schule zu warten und die Kirche mit den jetzt gewöhnlichen Zeremonien, die zur Zucht der Kinder darin gehalten werden, zu versorgen“.12 Aus diesen Worten ist bislang geschlossen worden, dass der Schulmeister neben den zwei Gesellen als selbstverständlich übergangen worden sei, die Schule also über drei Schuldiener verfügt habe.13 Wahrscheinlicher ist jedoch, dass der Rat die Schuldiener umgangssprachlich als ‚Gesellen‘ bezeichnete, von denen nur einer das eigentliche Amt des ‚Schulgesellen‘, der andere das des Schulmeisters versehen haben wird. Nahegelegt wird dies durch den Ratsbericht zur zweiten Visitation, in dem der Schulmeister, aber nur noch ein Geselle genannt und beide eindeutig mit der Bezeichnung Gesellen zusammengefasst werden.14 Insbesondere hob der Stadtrat 1527 die betont gute Frequentierung der Schule hervor. Neben den auswärtigen Kindern, so rühmte sich der Rat, werde sie sogar „von etlichen Kindern der Ritterschaft“,15 also aus Kreisen des Adels besucht. 10 Zitiert nach BIUNDO, Aquila (1963), S. 39 u. 144. Vgl. auch SCHLEGEL, Leben und Tod (1737), S. 197, Anm. f. 11 Vgl. AVENARIUS, Lebens-Beschreibung (1718), S. 9; BIUNDO, Aquila (1963), S. 31 mit Anm. 119; über Aquilas Katechismus im Allgemeinen vgl. ebd., S. 144–157. 12 MITZENHEIM, Kirchenvisitation I (1927), S. 9. 13 Vgl. ebd., S. 17. 14 „Der Schulmeister und sein Gesell sind auch sehr gelehrte, fromme und ehrliche Gesellen“, zitiert nach MITZENHEIM, Kirchenvisitation II (1927), S. 9. 15 Ebd., S. 9.

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Diese Betonung stellt einen der frühesten Beleg adligen Schulbesuchs dar, dem lediglich die Aussage des Gothaer Stadtrates desselben Jahres zur Seite gestellt werden kann. 16 Zum Vergleich sei daran erinnert, dass die erste Erwähnung adliger Schüler an der Altenburger Schule erst ins Jahr 1573 fiel. Es war zwar in späterer Zeit nicht unüblich, dass Kinder des Adels städtische Schulen besuchten, doch wurde diese Inanspruchnahme, wie es auch hier deutlich wird, stets als Auszeichnung betrachtet. Mit der Kirche stand die Schule weiterhin in enger Verbindung und wurde bereits vor der ersten Visitation von der lutherischen Lehre erfasst. Der Schulmeister versorge die Kirche, so die oben zitierten Worte, mit den „jetzt gewöhnlichen“,17 also den lutherischen Zeremonien, wodurch auf eine zuvor eingeführte evangelische Gottesdienstordnung und insbesondere den Katechismusunterricht Aquilas angespielt wurde. Neben der nach wie vor bestehenden liturgischen Beteiligung der Schüler, folge der Rat den Empfehlungen des Pfarrers, wenn es um die Behebung von Missständen gehe. Durch die Visitation im Juni 1527 wurde die Einrichtung eines Gemeinen Kastens angeordnet. Dem Stadtrat wurde so zwar die Finanzierung der Schule aus den Händen genommen, doch ging damit zugleich eine Unterhaltskürzung für die Schuldiener einher. Es wurde dem Schulmeister ein jährliches Gehalt von 20 statt wie zuvor von 30 fl verordnet. Begründet wurde dies durch die finanzielle Notlage, in der sich die Stadt auch noch zehn Jahre nach einem großen Brand befand.18 1517 hatte das größte Feuer der Saalfelder Geschichte die Stadt verheert und ließ die Bürger und den Stadtrat noch ein Jahrzehnt danach dessen wirtschaftliche Auswirkungen spüren. 19 Die Schule blieb durch das Feuer in der unmittelbaren Folge zwar unbehelligt, doch zeigten sich die Nachteile nun auch für sie in Form des verringerten Gehalts des Schulmeisters. Die damit bereits angedeuteten finanziellen Probleme des Gemeinen Kastens sollten ihre Spuren schließlich im gesamten 16. Jahrhundert hinterlassen. Der Gemeine Kasten war nicht in der Lage, die an ihn gestellten Anforderungen zu bewältigen. Auch in dieser Hinsicht bietet Saalfeld ein eher trauriges Gegenbeispiel zu Altenburg. Hatte die hiesige Schule die ersten Jahre der Reformation zwar überstanden, wurde ihre weitere Entwicklung durch die finanziellen Schwierigkeiten, die das Jahrhundert prägen sollten, stark gehemmt. Die Notlage führte naturgemäß zu einer steten Unzufriedenheit der Amtsinhaber und anders als in Altenburg zu einem raschen Wechsel der Schulmeister. Der daraus resul16 Vgl. LATh-StA Gotha, GA, XX VII, Nr. 8b, fol. 2r. Zum Besuch adliger Schüler an Stadtschulen vgl. SKRZYPCZAK, Schriftlichkeit (1956), S. 24–26. 17 MITZENHEIM, Kirchenvisitation I (1927), S. 9. 18 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 522, fol. 29r; MBW, T 3, Nr. 567, S. 119; MITZENHEIM, erste Kirchenvisitation (1930), Sp 3 f. 19 Vgl. WERNER, Saalfeld (1995), S. 110; DERS., Stadtbrände (2007), S. 6 f.

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tierende Ruf wird zu einem großen Teil mit dafür verantwortlich gewesen sein, dass die Schule im Laufe des Jahrhunderts keine große Anziehungskraft auf die humanistischen Geistesgrößen ihrer Zeit ausübte. Obwohl die Saalfelder Schule in der folgenden Zeit ein gewisses inhaltliches Niveau erreichen sollte, blieb sie bis zum Ende des Untersuchungszeitraumes hinter den Altenburger Verhältnissen zurück. Es zog daher mancher Schüler an die Schulen fremder Städte, in denen die Zentren humanistischen Geisteslebens aufblühten. Als prominentes Beispiel sei an dieser Stelle nur David Aquila, der Sohn des örtlichen Superintendenten und später selbst Schulmeister, Diakon und Superintendent seiner Heimatstadt, genannt, der nach einiger Zeit an der Saalfelder Schule nach Gotha überwechselte, um von dort, wie er selbst in seinem Calendarium feierlich gedachte, 1557 im Alter von 17 Jahren an die Jenaer Universität zu ziehen.20 Der erste namentlich bekannte Schulmeister der Reformationszeit ist Jacob Siegel, der auch in späterer Zeit noch eine Rolle in der Stadt spielen sollte. Im Jahr 1569 äußerte sich der Superintendent Basilius Unger lobend über ihn und betonte, dass er „nunmehr biß Inn 43 Jar der Schulen vnd Kirchen alhir gedienet […] hat“.21 Sein Amtsantritt kann in einem Briefwechsel zwischen Melanchthon und Aquila nachvollzogen werden. Im Oktober 1527 gedachte der namentlich nicht bekannte alte Schulmeister, möglicherweise aufgrund der neuen unzureichenden Besoldungsverhältnisse, die Schulstelle zu verlassen und in das Diakonat eines nicht genannten Dorfes einzutreten. Melanchthon riet jedoch aufgrund seiner fehlenden Ordination davon ab und empfahl ihn stattdessen für die Schulleitung eines beliebigen anderen Ortes. 22 Sein Nachfolger wurde ohne Melanchthons Vermittlung bereits Ende Oktober oder Anfang November 1527 in sein Amt eingeführt.23 Dass es sich bei ihm um Jacob Siegel handelte, und dieser nicht, wie vermutet wurde,24 zunächst nur die zweite Schulstelle inne hatte, belegt schließlich ein Empfehlungsschreiben vom Januar 1528. Melanchthon verbürgte sich darin für Nikolaus Dunkel, der sich in Saalfeld um das Amt des Succentors beworben hatte.25 Angesichts des Wohlwollens, das der Rat im Vorjahr über derartige Empfehlungen ausgedrückt hatte, ist eine Einstellung Dunkels, des ersten namentlich bekannten Succentors überhaupt, anzunehmen. Obgleich Melanchthon damit erstmals seinen Einfluss auf das Saalfelder Schulwesen wahrge-

20 Vgl. FB Gotha, Druck 8° 00213, S. 323; LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ll 712; KNÜPFFER, David Aquila (2014), S. 11. 21 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2839, fol. 3r. 22 Vgl. MELANCHTHON, Supplementa Melanchthoniana 6, Nr. 590; MBW, T 3, Nr. 616. 23 Vgl. MELANCHTHON, Supplementa Melanchthoniana 6, Nr. 601; MBW, T 3, Nr. 618. 24 Vgl. WERNER, Saalfeld (1995), S. 125 f. 25 Vgl. MELANCHTHON, Supplementa Melanchthoniana 6, Nr. 637; HERRMANN, Kirchenvisitationen II (1933–1935), S. 52.

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nommen hatte, änderte sich in den folgenden Jahren an den Umständen der Schule nichts. Eine zweite Visitation, durch die Aquila als Pfarrer und erster Superintendent der Stadt eingesetzt wurde, erlebte Saalfeld im Juni 1529. 26 In deren Vorfeld äußerte sich der Rat den Visitatoren gegenüber erneut in knappen Worten über die Lage der Schule und über den nach wie vor regen Besuch durch auswärtige und „etliche adlige“27 Schüler. Diese zahlten wie zuvor Schulgeld. Insgesamt unterrichte die Schule eine „merkliche Anzahl Schüler“,28 sodass der Schulmeister und sein Geselle, die beide hohes Lob erfuhren,29 die Arbeit kaum allein verrichten könnten. Um ihre Arbeit zu honorieren hatte der Rat eigenmächtig das Gehalt wieder auf 30 fl erhöht. Auf welchen Anlass dies geschah, lässt sich nicht nachvollziehen, doch kann vermutet werden, dass das Streben des Schulmeisters von 1527 in ein Diakonat der schlechten Versorgungssituation zu verschulden und dem Rat möglicherweise eine Warnung gewesen sei. Demnach setzte sich das Gehalt des Schulmeisters um 1529 aus den 30 fl, der nach wie vor bestehenden Verköstigung bei den Ratsherren und einem Schulgeld der auswärtigen Schüler in ungenannter Höhe zusammen.30 Über das Gehalt des Schulgesellen, über das schon 1527 kein Hinweis erfolgt war, schwieg der Rat erneut. Der Pfarrer, der 1527 ein Gehalt von 56 fl an Geld sowie 20 Scheffel Korn und Gerste zugewiesen bekommen hatte, sollte davon ausdrücklich, so das Visitationsprotokoll, „einen Kaplan miterhalten“.31 Ob dies für den Schulmeister und seinen Gesellen in gleicher Weise galt, geht aus dem Protokoll nicht hervor, liegt jedoch nahe und wird durch die Angabe der Gesamtsumme zur Versorgung aller Kirchen- und Schuldiener bestätigt.32 Zuvor, so berichtete der Rat weiter, habe die Stadt zudem über einen in Gornsdorf ansässigen Kaplan verfügt, der vom Gemeinen Kasten eine Herberge und ein Gehalt von 4 fl erhalten habe, damit er die Schuldiener durch eine Unterrichtung der jüngsten Kinder für ein oder zwei Stunden am Tag entlastete. Dieser sei jedoch kürzlich von Herzog Johann Friedrich abgezogen worden,

26 Für die Originalprotokolle der Visitation vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 3. Im Folgenden wird die Edition der Saalfeld betreffenden Auszüge von Moritz Mitzenheim zitiert, vgl. MITZENHEIM, Kirchenvisitation II (1927). Vgl. auch BIUNDO, Aquila (1963), S. 37; TSCHESCH, Reformation (1971), S. 94 f.; WERNER, Saalfeld (1995), S. 119. 27 MITZENHEIM, Kirchenvisitation II (1927), S. 8. 28 Ebd., S. 10. 29 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 3, fol. 499v; MITZENHEIM, Kirchenvisitation II (1927), S. 9. 30 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 3, fol. 499r; MITZENHEIM, Kirchenvisitation II (1927), S. 8; BIUNDO, Aquila (1963), S. 37. 31 MITZENHEIM, erste Kirchenvisitation (1930), Sp 3 f. 32 Vgl. LATh-StA Altenburg, Schönbergische Sammlung, Bd. 23, fol. 198r.

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sodass sich seine fehlende Mitarbeit deutlich bemerkbar mache.33 Hinter diesen Worten verbarg sich die unausgesprochene Bitte des Rates um einen weiteren Schuldiener, um die Schule ihren Anforderungen wieder gerecht werden lassen zu können. Der Bitte wurde scheinbar, auch wenn kein direkter Beschluss überliefert ist, entsprochen. Bei der Visitation trat erstmals ein zweiter Geselle, der Kantor, neben den Schulmeister. Die Schuldiener, „der Schulmeister selbdritt“,34 bekamen eine Besoldungserhöhung auf 50 fl, die weiterhin aus dem Gemeinen Kasten zu zahlen seien. Die Kost für die Gesellen bei den Bürgern blieb erhalten, dem neuen Kantor zudem für seine Beteiligung an Hochzeiten und Begräbnissen 1 gr verordnet.35 Über die fernere Organisation der Schule bringt der Bericht nichts ausdrücklich in Erfahrung. Eine Einteilung der Schüler in drei Haufen, wie Melanchthon sie im Sächsischen Schulplan festgelegt hatte, wird durch die Unterrichtung der Jüngsten durch den Gornsdorfer Kaplan und die ihn ersetzende Einstellung eines dritten Schuldieners angedeutet. Nach Christian Tschesch soll im Zuge dieser Visitation eine Schulordnung erlassen worden sein, die selbst noch eine vierte Klasse und einen vierten Schuldiener vorsah,36 doch gibt es keine Hinweise auf diese Ordnung. Auch fand die darin angeordnete Anstellung eines vierten Schuldieners vorerst keine Entsprechung.

4.2.2. Die Verlegung der Schule ins Franziskanerkloster Im Bericht des Stadtrates von 1529 wurde erstmals die schlechte Wohnsituation der Schuldiener angesprochen. Die Wohnungen seien „gar enge und ungelegene Behausungen, die mit Kellern, Küchen und anderen notdürftigen Gemächern nicht versehen“.37 Auch die Schule selbst sei eng, finster und zur Versorgung der großen Schülerzahl gänzlich ungeeignet. Die Schul- und Kirchdiener waren daher gemeinsam an den Rat herangetreten und hatten sich dafür eingesetzt, bei den Visitatoren um die Nutzbarmachung der Gebäude des Franziskanerklosters zu ersuchen.38 Damit einher ging der Vorschlag, ihre bisherigen Wohnhäuser, die daraufhin leerstehen würden, nicht zum Eigennutz zu gebrauchen, sondern durch den Stadtrat zur

33 Vgl. MITZENHEIM, Kirchenvisitation II (1927), S. 10. 34 Ebd., S. 20. 35 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 3, fol. 499r; MITZENHEIM, Kirchenvisitation II (1927), S. 8 f. u. 20; BIUNDO, Aquila (1963), S. 37. 36 Vgl. TSCHESCH, Reformation (1971), S. 95. 37 MITZENHEIM, Kirchenvisitation II (1927), S. 9. 38 Vgl. ebd., S. 9; WERNER, Auflösung (2009), S. 8 f.

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Aufbesserung des Gemeinen Kastens, „der sonst, wie vor Augen, ganz arm ist“,39 zu vermieten. Die eigentliche Sequestration des Klosters hatte bereits vier Jahre zuvor begonnen.40 Die Kleinodien des Klosters waren 1525 durch den Rat eingezogen und inventarisiert worden. Bereits damals wandte man sich brieflich an Herzog Johann mit der Bitte, über das weitere Vorgehen zu bestimmen. 41 Eine Entscheidung war darüber noch nicht gefallen, als der Stadtrat im Januar 1529 mit den Visitatoren Friedrich von Thun und Ewald von Brandenstein über die weitere Nutzung der Klostergebäude beriet. Aus einem Schreiben vom 17. Januar, das diese an Johann, inzwischen Kurfürst, sandten, wird deutlich, dass der Stadtrat bei ihnen angesucht hatte, die Klostergebäude zu einem Spital nutzen zu dürfen. Die Verfasser des Briefes rieten jedoch davon ab, mit der Begründung, dass das Klostergebäude kurfürstlichen Belangen, wie der Beherbergung des Hofgesindes bei der Durchreise, zur Verfügung stehen sollte. Für die notwendige Einrichtung eines Spitals baten sie den Kurfürsten, der Stadt ein anderes Gebäude zur Verfügung zu stellen.42 Die noch im Kloster lebenden und an ihrem Glauben festhaltenden Mönche wurden bei den Beratungen übergangen und mit keinem Wort erwähnt, doch wurde auch die Möglichkeit, das Kloster für kirchliche und schulische Zwecke zu nutzen, noch nicht aufgeworfen. Dazu gaben erst die Schul- und Kirchendiener selbst mit dem Verweis auf das Beispiel anderer Städte den Anstoß. Dementsprechend traten die Visitatoren von 1529 mit den noch verbliebenen Mönchen in Verhandlung.43 Die Visitationsprotokolle geben Aufschluss über die Gespräche mit den widerspenstigen Mönchen, die am 19. Juni damit endeten, dass die Mönche darum baten, sie als alte Männer in ihrem Stande zu belassen. Man habe sie „also Gott befohlen. Der vermag sie wohl anders zuzurichten und zu bekehren“.44 Dennoch betrachtete man das Kloster als aufgelöst und zog dessen Güter zur Aufbesserung des Gemeinen Kastens ein.45 Zu einer Umquartierung der Schule führte dies noch nicht. Von einer weiteren Verfolgung entsprechender Pläne verlautete, trotz einer dahingehenden Anordnung der Visitatoren,46 aus den folgenden Jahren nichts. Erst 1534, wieder im

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MITZENHEIM, Kirchenvisitation II (1927), S. 10. Vgl. WERNER, Saalfeld (1995), S. 114. Vgl. LATh-StA Altenburg, Schönbergische Sammlung, Bd. 24, fol. 3r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 335, fol. 2r–v. Vgl. SAGITTARIUS, Historien II, S. 209; BIUNDO, Aquila (1963), S. 38 f.; WERNER, Saalfeld (1995), S. 120. 44 MITZENHEIM, Kirchenvisitation II (1927), S. 22. 45 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 436, fol. 5r. 46 Vgl. ebd., fol. 6r.

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Zuge einer Visitation, wurde die endgültige Realisierung in Angriff genommen.47 Die Visitatoren berichteten dem Kurfürsten erneut über den Widerwillen der Mönche und trugen ihm die Bitte des Stadtrates zu, die Schule in das Kloster verlegen zu dürfen. 48 Die umgehende Antwort des Kurfürsten stammt vom 16. Januar 1534 und gab bis auf Widerruf die Erlaubnis zur Umquartierung der Schule, wenn die Klostergebäude durch sie keinen Schaden nehmen würden.49 Der Stadtrat reagierte prompt. Im Februar desselben Jahres wurde die Schule in den Ostflügel des ehemaligen Klosters verlegt.50 Caspar Sagittarius schilderte die feierliche Prozession mit „sonderbaren Ceremonien“, die zu diesem Anlass veranstaltet wurde. An erster Stelle zogen die „Schulknaben in ihrer Ordnung“, also in der Organisation der Haufen, die ihnen erteilt worden war. Ihnen folgten die „praeceptores und das ministerium“, danach der Rat und zuletzt die Bürgerschaft. Die Bürgermeister schwangen die Stadtfahne und es wurde „gleichsam über des Pabsttumbs bisherige Tyranney triumphiret“. Im Kloster angekommen, wurde es durch den ersten Unterricht „mit Beten und Singen“ als neue Schule eingeweiht. 51 Ob der Vorschlag, die vorhergehenden Häuser der Schuldiener zu vermieten, umgesetzt wurde, ist unmittelbar nicht nachweisbar, doch zeigt sich anhand zweier späterer Kastenrechnungen, dass der Gemeine Kasten zeitweise über Einnahmen aus Mietshäusern verfügte. 52 Ob es sich dabei um die früheren Wohnhäuser der Kirchen- und Schuldiener gehandelt hat, ist ungewiss, kann aber trotz der Seltenheit und Unregelmäßigkeit dieses Einnahmepostens vermutet werden. Das Schulpersonal bestand noch wie 1529 aus dem Schulmeister und den zwei Gesellen, einem Baccalaureus und einem Kantor.53 Durch die Vergrößerung der Schulkapazitäten wurde die Einrichtung einer vierten Klasse ermöglicht.54 Die Reformation der Saalfelder Schule fand somit unter dem Schulmeister Jacob Siegel einen ersten Höhepunkt. Siegel versah sein Amt noch drei Jahre. 1537 47 Vgl. WAGNER/GROBE, Chronik (1867), S. 324; TSCHESCH, Reformation (1971), S. 86; WERNER, Saalfeld (1995), S. 125; GOß/KNÜPFER, Geschichte des Schulwesens II (2004), S. 102. 48 Vgl. LATh-StA Altenburg, Schönbergische Sammlung, Bd. 23, fol. 199v–200r. Die Protokolle der Visitation von 1533/34 geben über diesen Aspekt selbst keine Auskunft. 49 Vgl. LATh-StA Altenburg, Schönbergische Sammlung, Bd. 23, fol. 204r. 50 Vgl. WERNER, Saalfeld (1995), S. 125; DERS., Auflösung (2009), S. 9; DERS., Melanchthon (2010), S. 7. 51 Für alle Zitate SAGITTARIUS, Historien II, S. 215 f. Vgl. auch RICHTER, Reformation (1855), S. 9 f.; WAGNER/GROBE, Chronik (1867), S. 393. 52 Vgl. StA Saalfeld, C II c 4 (zum Jahr 1551/52); ebd., C II c 5 (zum Jahr 1552/53). 53 Vgl. LATh-StA Altenburg, Schönbergische Sammlung, Bd. 23, fol. 198v; StA Saalfeld, B XX 1d. 54 Vgl. WAGNER/GROBE, Chronik (1867), S. 394; HUMAN, Reformation (1917), S. 65; BIUNDO, Aquila (1963), S. 47 f.; WERNER, Saalfeld (1995), S. 125 f.; GOß/KNÜPFER, Geschichte des Schulwesens II (2004), S. 102.

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wurde, um ihm den Wechsel in ein kirchliches Amt zu ermöglichen, ein zweites Diakonat eingerichtet.55

4.3. Die weitere Entwicklung des Schulwesens im 16. Jahrhundert 4.3.1. Verkauf der Kleinodien und Beteiligung an den kurfürstlichen Zulagen der 1530er Jahre Mit der Verlegung der Schule in die Gebäude des ehemaligen Franziskanerklosters war der erste Höhepunkt der reformatorischen Schulgeschichte Saalfelds erreicht. Bereits in den frühen 1530er Jahren begann sich jedoch das Problem der Unterhaltung durch den finanziell nicht tragfähigen Gemeinen Kasten abzuzeichnen. Noch im Jahr 1534, in dem die Schule ins Franziskanerkloster verlegt wurde, erfolgte daher erstmals ein Eingreifen der Visitatoren, denen die kritische Lage verdeutlicht worden war. Durch sie wurde damit endgültig eine Entwicklung angestoßen, die im Laufe des Jahrhunderts das Problem des Saalfelder Gemeinen Kastens an die Öffentlichkeit und bis vor die landesherrliche Obrigkeit tragen sollte. Die Visitatoren berichteten dem Kurfürsten brieflich, dass „es ahnn die Kirchen vnd schuel bestellung zu Salweld noch umb ein seher groses mangeln wil“.56 Denn obwohl es nach deren Aussage eigentlich zu wenige Kirch- und Schuldiener waren, um das vorhandene Pfarrvolk zu versorgen, der notwendige Betrag zur Versorgung sich auch nur auf 160 a ß belief, reichte selbst dafür das Guthaben des Kastens kaum aus. Der Rat müsse jährlich um die 40 fl über das vorhandene Einkommen des Kastens zuschießen, weil die bisherige Kirchensequestration für Saalfeld nur wenig Gewinn eingebracht hatte. Die zusätzliche Belastung sei für den Rat jedoch aufgrund des Stadtbrandes von 1517 und der notwendigen Finanzierung des Rathausneubaus untragbar. Die Visitatoren baten daher den Kurfürst um Anweisung, woher die nötige Zulage zu beziehen sei. In diesem Zusammenhang wurde erstmals die Möglichkeit in Betracht gezogen, die 1525 eingezogenen Franziskanerkleinodien zur Aufbesserung der Schulfinanzierung in Anspruch zu nehmen. Nach der Aussage der Visitatoren verfüge man damit über einen Wert von etwa 700 fl.57 Das oben bereits erwähnte Antwortschreiben des Kurfürsten vom 16. Januar 1534, in dem die Nutzung der Franziskanerklostergebäude freigestellt wurde, gab ebenso die Erlaubnis, die Kleinodien des einstigen Klosters zur Aufbesserung der 55 Vgl. RICHTER, Reformation (1855), S. 10; BIUNDO, Aquila (1963), S. 49 f. 56 LATh-StA Altenburg, Schönbergische Sammlung, Bd. 23, fol. 198r. 57 Vgl. ebd., fol. 198r–199r.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

Kirchen- und Schuldienergehälter zu verkauft. Es solle dabei aber, so die Ermahnung des Kurfürsten, mit aller Umsichtigkeit vorgegangen werden, um den größtmöglichen Gewinn zu erwirtschaften.58 Die Unterlagen über den Verkauf der Kleinodien, der umgehend umgesetzt wurde, befinden sich im Stadtarchiv Saalfeld. Der Erlös betrug 678 fl und 11 gr.59 Am 4. Februar 1536 wurde auf dieser Grundlage unter dem Titel „Verordnung der Chur-Fürstlichen visitation, welcher maßen die Kirchen und Schull Personen zu Saalfeldt jahrlichen unterhalten und besoldet werden sollen“ 60 eine Besoldungsordnung für die Kirchen- und Schuldiener der Stadt Saalfeld erlassen.61 Aufgrund einer Gegenüberstellung der bisherigen Ausgaben und Einnahmen kamen die Visitatoren wie erwartet zu dem Schluss, dass das Guthaben des Gemeinen Kastens für seine Anforderungen nach wie vor „noch fast zu gering und zu wenig wehre“.62 Der Erlös aus den Franziskanerkleinodien sollte daher endgültig in den Gemeinen Kasten geschlagen werden. Darüber hinaus wurde der Stadt im Zuge der oben skizzierten, im Vorjahr erwirkten Sequestration der landesherrlichen Klostergüter zur Bewidmung des ernestinischen Kirchen- und Schulwesens ein jährlicher Betrag von 80 fl – halbjährlich zu zahlen – aus dem Heiligkreuzkloster vom Gotha zugewiesen.63 Um letztlich eine dritte Einkommensquelle zu erschließen, wurde die Wiedereinführung eines allgemeinen Schulgeldes angeordnet. Jeder Schüler, einheimisch wie auswärtig, hatte nach dieser Verordnung einen jährlichen Betrag von 8 gr zu zahlen. Die daraus erwachsenden Einkünfte wurden jedoch nicht mehr direkt den Schuldienern, sondern dem Gemeinen Kasten zugeschlagen und somit auf alle kirchlichen Ausgaben umgelegt. Nachdem auf diese Weise das Kasteneinkommen aufgestockt worden war und in den Augen der Visitatoren den Anforderungen genügen müsste, wurde die Besoldung der Schuldiener neu festgelegt. Der Schulmeister sollte demnach ein Gehalt von 50 a ß und weitere 5 ß Holzgeld (umgerechnet etwa 52,4 fl) sowie fünf Scheffel Korn erhalten. Der Baccalaureus und der Kantor wurden an dieser Stelle erstmals ausdrücklich und unabhängig vom Schulmeister besoldet. Ihnen wurde ein Sold von 40 a ß an Geld 58 Vgl. ebd., fol. 202r–v. Vgl. auch STREITBERGER, Einfluß (1997), S. 22. 59 Vgl. StA Saalfeld, B XX 1; LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 4.2, fol. 346r; WERNER, Auflösung (2009), S. 9 f. mit Anm. 2. 60 StA Saalfeld, B XXI 10, fol. 1r. 61 Vgl. SAGITTARIUS, Historien II, S. 217; SCHULTES, Landesgeschichte (1820), S. 91; RICHTER, Schulkomödie (1864) Anm. 17 auf S. 16; WAGNER/GROBE, Chronik (1867), S. 397; HUMAN, Reformation (1917), S. 66; WERNER, Saalfeld (1995), S. 126. 62 StA Saalfeld, B XXI 10, fol. 1r. 63 Vgl. ebd., fol. 1v; LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 4.2, fol. 346v; RICHTER, Reformation (1855), S. 10; Im Stadtarchiv Saalfeld findet sich der Entwurf einer Empfangsbestätigung vom 15. August 1536, die der Stadtrat dem Klostervorsteher in Gotha ausstellte, vgl. StA Saalfeld, A 132.

KONTINUITÄT UND NEUE ORGANISATION – DAS BEISPIEL SAALFELD

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und weiteren 3 ß für Holz zugewiesen (umgerechnet etwa 41 fl). Die Auszahlungen sollten vierteljährlich zu den Weichfasten stattfinden.64 Die erste erhaltene Darlegung, die der Rat über die Aktivität des Gemeinen Kastens gibt, wurde bislang in das Jahr 1535 datiert, doch wird aus dem Inhalt deutlich, dass sie erst nach dieser Besoldungsverordnung entstanden sein kann.65 Die 80 fl aus Gotha wurden unter den Einnahmen bereits aufgeführt und die Ausgaben für die Schuldiener erfüllten die Neuregelung der Ordnung in jeder Hinsicht. Auch das Schulgeld befand sich bereits unter den Einnahmen. Es „steigett vnnd fellet, treget Jerlechenn bey xv ader uffs hochste zwanzig schock“.66 Zugleich wurde jedoch die Missbilligung der Bürger am neuen Schulgeld betont. Die Mitteilung über die Höhe des Schulgeldes lädt zu einer Ermittlung der Schülerzahl ein, doch kann sie kein repräsentatives Bild ergeben. Die Schulgeldgesamteinnahme von 15 bis 20 a ß ergibt bei 8 gr Schulgeld die Zahl von 37 bis 50 zahlenden Schülern. Sie erscheint jedoch zu gering. Eine erste Steigerung erhält sie bereits durch die Klage des Rates aus derselben Darlegung, dass „die frembdenn Knaben […] nichts in gemaynen kastenn“67 geben, obgleich es ihnen wie den einheimischen Schülern durch die Besoldungsordnung des Jahres 1536 vorgeschrieben worden war. Auch der Unwille der Bürger und das allmähliche Nachlassen der Schulgeldeinnahmen legen die Vermutung nahe, dass manche einheimische Familien nach wie vor die Zahlung des Schulgeldes verweigerten. Der Unwille erscheint verständlich, wurde doch das Schulgeld – zumindest für die Einheimischen – bereits vor der Einrichtung des Gemeinen Kastens abgeschafft. Die Neueinführung, die den Bürgern wie ein Rückschritt vorgekommen sein muss, widersprach dem lutherischen Prinzip des Gemeinen Kastens, dass Kirche und Schule aus dem kirchlichen Guthaben finanziert werden sollten. Möglicherweise führte dieser Unwillen dazu, dass das verordnete Schulgeld nicht lange in Gebrauch war. In den späteren Kastenrechnungen fiel die betreffende Einnahme aus oder erbrachte nur einen geringen Betrag. Schon der Rechnungsjahrgang 1543/44 verzeichnet unter dem Einnahmeposten des Schulgeldes „Summa nichts“.68 Stattdessen wurde eine neue Einnahmequelle aufgeführt, die als weitere Zulage des Kurfürsten ausgewiesen ist. Neben die angeordnete Überweisung aus Gotha trat eine Zahlung durch den Schosser aus Ichtershausen in Höhe von 65 fl.69 Ein Anlass dieser Zulage und eine kurfürstliche Anordnung sind nicht 64 Vgl. StA Saalfeld, B XXI 10, fol. 2r; LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 4.2, fol. 347r–v. Die These, dass ein dritter Schuldiener erst 1551 eingestellt worden sei, ist somit hinfällig, vgl. RUMPF, Kirchenmusikpflege (2007), S. 64. 65 Vgl. StA Saalfeld, B XX 1d, unfol. 66 Ebd., unfol. 67 Ebd., unfol. 68 LATh-StA Altenburg, Schönbergische Sammlung, Bd. 23, fol. 93r. 69 Vgl. ebd., fol. 94r.

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auszumachen, doch findet sie sich, wenn auch in schwankender Höhe, in den späteren Kastenrechnungen wieder.

4.3.2. Exemplarische Beispiele einer Bildungswanderung Über die Frequentierung der Schule durch auswärtige Schüler liegen in dieser Zeit noch keine Informationen vor. Die zweimalige stolze Angabe des Stadtrates von 1527 und 1529 scheint jedoch – obgleich sie nicht überbewertet oder pauschalisiert werden sollte – der 1529 von Anton Musa erhobenen und oben ausführlich dargelegten Klage über den signifikanten Rückgang der Bildungswanderungen zu widersprechen. Die Erhebung eines speziellen Schulgeldes wird den auswärtigen Schülern den Schulbesuch zwar nicht erleichtert haben, doch scheint dies für viele Familien kein Hindernis dargestellt zu haben. Ob andererseits mit der deutlichen Hervorhebung der zahlreichen auswärtigen Schüler die Überwindung einer Existenzkrise der Schule oder eine selbstbewusste Abgrenzung von anderen Städten erzielt worden war, muss offenbleiben. Erst die Rechnung des Gemeinen Kastens von 1551/52 verdeutlicht, dass die von Anton Musa skizzierte Methode zur Unterbringung fremder Schüler in Saalfeld durchaus oder eben wieder etabliert war. Das Schulgeld der einheimischen Kinder scheint seit 1536 erneut aufgehoben und stattdessen durch eine Anhebung des Schulgeldes der auswärtigen Schüler ausgeglichen worden zu sein. Dieses betrug nun offenbar 12, statt wie 1536 angeordnet 8 gr pro Jahr und wurde in drei Fällen sogar vom Wirt des Schülers selbst beglichen. Die Kastenrechnung belegt durch die Verzeichnung der dabei erlangten Einkünfte die Beherbergung und Versorgung von 18 fremden Schülern bei Bürgern oder beim Schulmeister Christoph Hoffmann selbst (Tab. 6).70 Letzterer nahm über den Winter allein sechs Schüler bei sich auf, während zwölf Bürger einzelne Schüler – in zwei Fällen offenbar Verwandte – beherbergten. Die Dauer des Aufenthaltes schwankte dabei zwischen wenigen Monaten und dem gesamten Rechnungsjahr, wobei jene Schüler die längsten Aufenthalte aufwiesen, die in verwandten Haushalten untergebracht waren. Ein noch längerer Aufenthalt auch über das Rechnungsjahr hinaus ist hier wahrscheinlich, aber aufgrund des Fehlens entsprechender Anschlussrechnungen nicht nachweisbar.

70 StA Saalfeld, C II c 4, unfol.

KONTINUITÄT UND NEUE ORGANISATION – DAS BEISPIEL SAALFELD

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Tab. 6: Auswärtige Schüler an der Saalfelder Schule 1551/52 Schüler

Herberge Schulmeister

Schulmeister Caspar Schuchmann Heinrich Mittvesbein Lorenz Schepf Martin Lingmer Barthel Müller Johannes Rodiger „des mullers son von weysse[n]“72 Hans Werner Lorenz Ritter Andreas Eck Christophorus Fideler Sebald Troller

Matthis Bock

Philipp Meinholt Hans Weber

Simon Hüttenschreiber Cuntz Eck Hans Kam Bastian Troller

Dauer des Aufenthalts71 - 5 Knaben ½ Jahr - 1 Knaben 3 Monate (5 Knaben) ½ Jahr (½ Jahr)

Schulgeld

Herkunft

insgesamt 1 ß 17 gr 6 d insgesamt 1 ß 11 gr 6 d 6 gr

½ Jahr

6 gr

½ Jahr ½ Jahr ½ Jahr ½ Jahr

6 gr 6 gr 6 gr 6 gr

(9 Monate)

9 gr

¼ Jahr (2 Monate)

3 gr 2 gr

1 Jahr (3 Monate)

12 gr 3 gr

(1 Jahr)

12 gr

Kolkwitz Schwarza

Weißen

Aus früheren Jahren findet sich lediglich ein Beispiel, das jedoch aufschlussreich die längere Tradition der skizzierten Methode zu illustrieren vermag. Mit einem Brief vom 10. Februar 1536 übersandte Melanchthon dem Superintendenten Aquila zwei Jungen (adolescentuli), die von der Kirche ihrer Heimatstadt Lobeda mit einem Almosen versehen und ausdrücklich auf die Saalfelder Schule geschickt worden waren. Melanchthon befahl sie in Aquilas und des Stadtschreibers Fürsorge und bat, den Jungen eine angemessene Herberge und die Möglichkeit zur Verpflegung zu finden, da das Lobedaer Stipendium dafür nicht ausreiche. 73 Durch den damit geschilderten Vorgang wird nicht nur der regionale Einzugsbereich der Schule in einem relativ frühen Stadium der Konsolidierung, sondern auch der Ruf verdeutlicht, den diese in anderen Städten bereits genoss. Bei den 71 Die Angaben in Klammern sind rechnerisch ermittelt, alle übrigen der Kastenrechnung entnommen. 72 StA Saalfeld, C II c 4, unfol. 73 Vgl. MBW, T 7, Nr. 1697.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

Jungen wird es sich um Kinder von Familien gehalten haben, die wenigstens nicht in der Lage waren, den Söhnen den auswärtigen Schulbesuch zu finanzieren, denn sie wurden zu diesem Zweck aus dem öffentlichen Almosen versorgt („qui publica ecclesiae Lobdanae eleemosyna aluntur“74). Ob von der Stadt Lobeda an das Stipendium Bedingungen geknüpft waren, ist ebenso wie die Vorbildung der Kinder, die vorausgesetzt werden kann, nicht ersichtlich. Denkbar und annehmbar ist aber, dass sie bereits mit vielversprechendem Erfolg die eigene Schule besucht hatten, auf ihr jedoch keine für den Universitätsbesuch ausreichende Vorbildung erlangen konnten.75 Die Bemühungen der Stadt Lobeda, ihnen daraufhin zu der ihren Leistungen entsprechenden Schulbildung zu verhelfen, ist bezeichnend für die trotz der Finanzschwierigkeiten zufriedenstellenden Qualität der Saalfelder Schule gegenüber der eigenen oder selbst der benachbarten Jenaer Schule. Sie erscheint dabei als Garant für den Erfolg des Unterfangens. Es ist gut möglich, dass dieser Schritt den Versuch der Stadt Lobeda verdeutlicht, die nachfolgende Generation Kirchen- und Schuldiener für die eigenen Bedürfnisse zu sichern, denn oftmals war an Stipendien dieser Art die Bedingung geknüpft, nach erfolgreicher Ausbildung in die Heimat zurückzukehren.76 Die Saalfelder Schule hätte in diesem Fall sogar eine Vorbildfunktion für die Lobedaer eingenommen, an der sich die früheren Schüler nunmehr als Lobedaer Schulmeister oder Pfarrer aus eigener Anschauung orientiert hätten.77

4.3.3. Verderbliche Folgen ungenügender Besoldung – Ein Briefwechsel mit Philipp Melanchthon Anders als die Altenburger ist die Saalfelder Schule im 16. Jahrhundert in hohem Maße von einem schnellen Wechsel der Schulmeister betroffen.78 Im Gegensatz zur vorreformatorischer Zeit, in der man bemüht war, das Amt keinem Schul74 Ebd. 75 Über die notwendigen Bedingungen einer Schule zur Vermittlung von ‚Hochschulreife‘ vgl. HERRMANN, Lateinschulen (1940), S. 238. 76 In landesherrlichen Zusammenhängen ist oben bereits mehrfach auf diese Vorbedingung hingewiesen worden. 77 Die Lobedaer Kirchengeschichte belegt, dass dem letztlich nicht so war. Die dortigen Ämter sind in der ersten Hälfte des Jahrhunderts und über die Jahrhundertmitte hinaus von großer Kontinuität geprägt. Der Pfarrer Lorenz Schaller versah sein Amt trotz einiger durch ihn bereiteter Probleme von 1529 bis 1555, der Diakon Johann Scheffer sogar bis 1567, vgl. KOCH, Lobeda II (1941), S. 105 u. 131. Über die Schulmeister liegen hingegen aus dieser Zeit noch keine Informationen vor. 78 Vgl. WAGNER/GROBE, Chronik (1867), S. 459; BRÄUTIGAM, Festschrift (1937), S. 10; WERNER, Saalfeld (1995), S. 126; STREITBERGER, Einfluß (1997), S. 17.

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meister auf unabsehbare Dauer zu übertragen, versuchte man die Organisation der reformatorischen Schule durch ein möglichst dauerhaftes Rektorat zu festigen und auszubauen, wobei eine alljährliche neuerliche Bestätigung der Amtsträger, wie sie in anderen Städten erfolgte, in Saalfeld nicht deutlich wird. Dass die Festigung des Rektorates in Saalfeld misslang, war wahrscheinlich in der schlechten finanziellen Versorgungssituation des Schulwesens durch den Gemeinen Kasten mit begründet. Jacob Siegel, der erste Schulmeister der reformatorischen Schule, behielt sein Amt noch volle zehn Jahre inne. Er wechselte 1537, wie oben geschildert, in das eigens eingerichtete zweite und 1542 in das erste Diakonat.79 Seine unmittelbaren Nachfolger im Schulamt sind in den Quellen nur schwer greifbar und eine lückenlose Abfolge der Schulmeister daher in dieser Zeit kaum zu erstellen. Nach Sagittarius’ Angaben war Martinus Werner der Nachfolger Siegels, doch währte seine Amtszeit kein ganzes Jahr. Während der darauf einsetzenden Vakanzzeit wurde das Schulmeisteramt 1538 zunächst durch den Baccalaureus Johann Gerhardt vertreten, der jedoch nach nur wenigen Monaten verstarb.80 Sein Nachfolger wurde der Magister Christoph Encelius, ein gebürtiger Saalfelder, dessen Amtszeit nach Sagittarius jedoch noch immer als „interim“81 angesehen worden ist. Bereits im folgenden Jahr (1539) bat er um seine Entlassung. Mit einem Empfehlungsschreiben des Rates an Melanchthon ausgestattet, ging er nach Wittenberg, wo er sich weiteren Studien widmete, bevor er als Schuldiener nach Tangermünde und schließlich als Pfarrer nach Rathenow und Osterburg zog. Der Nachwelt ist er vor allem als Historiker und Verfasser einer Chronik der Altmark und eines genealogisches Werkes über die dort ansässige Familie von Alvensleben in Erinnerung geblieben.82 Im Saalfelder Schulmeisteramt folgte ihm der Magister Sebastian Werner nach. Auch sein Rektorat, bei dem es sich um eine erste von zwei Amtszeiten handelte, wird von der Forschung nur als eine Vertretung des Amtes angesprochen. Die Gründe dafür sind unklar, doch wird die Zeit der Vakanz offiziell erst durch den Amtsantritt des Schulmeisters Stephan Reich 1541 beendet.83 Mit dem Magister Stephan Reich und seinen Nachfolgern ist schließlich erstmals die volle Problematik der unzureichenden Schulmeisterbesoldung deutlich in den Quellen, allen voran in dem Briefwechsel mit Philipp Melanchthon zu erfassen. Im Jahr 1512 in Kahla geboren, besuchte Reich die Schule in Jena und schon siebzehnjährig die Wittenberger Universität, wo er mit namhaften Größen seiner Zeit in Verbindung stand. Bereits zu Studienzeiten wirkte er, um sich das Studium 79 80 81 82

Vgl. STREITBERGER, Einfluß (1997), S. 17. Vgl. SAGITTARIUS, Historien II, S. 216 u. 220; WERNER, Melanchthon (2010), S. 8. SAGITTARIUS, Historien II, S. 220. Vgl. ebd., S. 220; ROTH, Primanerkrieg (1917), S. 30; WERNER, Melanchthon (2010), S. 8; BRÜCKNER, Christoph Entzelt (1877). 83 Vgl. WAGNER, Correspondenz (1854), S. 390 f.; WAGNER/GROBE, Chronik (1867), S. 394.

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finanziell zu ermöglichen, als Privatlehrer der griechischen Sprache, der er selbst, wie noch zu zeigen sein wird, großen Wert beimaß.84 In den Jahren 1537 bis 1540 wirkte Reich als Schulmeister in Jena, ehe er sein Amt in Saalfeld antrat.85 Die Saalfelder Lateinschule hätte aus seinem humanistisch ambitionierten Rektorat – hätte es länger gedauert – großen Gewinn gezogen, doch wurde ihm bereits ein Jahr nach seinem Amtsantritt das Diakonat seiner Heimatstadt Kahla angetragen. Aufgrund der damit verbundenen Aussicht auf finanziell bessere Versorgung gedachte er, die Berufung anzunehmen. Der Saalfelder Rat wusste jedoch die Schulmeisterstelle durch seine Person, die sich durch hohe Gelehrsamkeit und ein außerordentliches Rednertalent auszeichnete, gut versehen. Im Januar 1542 sandte der Rat daher einen Brief nach Kahla, mit der Bitte, von Reichs Berufung abzusehen, und einen weiteren an Melanchthon, mit dem Gesuch, für Kahla einen anderen Diakon auszuwählen. Da die Entscheidung Reichs, die Saalfelder Schule zu verlassen, jedoch weniger an der Berufung nach Kahla als an der schlechten Bezahlung in Saalfeld lag, beschloss der Rat, ihn durch die Einsetzung in das eigene zweite Diakonat in Saalfeld zu halten.86 Stephan Reich nahm das Angebot des Rates zwar an und wurde am 5. Juli 1542 von Bugenhagen ordiniert, doch kehrte er der Stadt 1545 erneut aus finanziellen Gründen den Rücken und trat, nachdem er eine kurze Zeit in Langenschade gewirkt hat, in das Pfarramt seiner Heimatstadt ein.87 Viele Jahre später erinnerte er sich angesichts einer beruflich und familiär schweren Zeit der in Saalfeld verbrachten Jahre. 1559 widmete er sein Übersetzungswerk der Psalmenauslegung des Caspar Creutziger dem Saalfelder Stadtrat in gutem Andenken, „da ich beide in ewer Schulen vnd Kirchen gedienet / [… und] viel wolthate[n] empfangen habe“.88 1588 starb Reich als Pfarrer in Lissen bei Osterfeld.89 84 Vgl. KOCH, Stephan Reich (1886), S. 5 f. Es befinden sich beispielsweise in seinem Nachlass von ihm noch vor 1540 angefertigte Übersetzungen etlicher Reden von Demosthenes, vgl. FB Gotha, Chart. A. 588. Vgl. auch KOCH, Stephan Reich (1886), S. 9. 85 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 3023, fol. 43v; KOCH, Stephan Reich (1886), S. 8; HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 132; DERS., Stephan Reich (1952), S. 207 f.; MICHEL, Stephan Reich (2014), S. 163. 86 Vgl. MBW, T 11, Nr. 2881; WAGNER, Correspondenz (1854), S. 389 f.; WAGNER/GROBE, Chronik (1867), S. 394; KOCH, Stephan Reich (1886), S 11 f.; HERRMANN, Stephan Reich (1952), S. 208; STREITBERGER, Einfluß (1997), S. 18; WERNER, Melanchthon (2010), S. 8 f.; RUMPF, Kirchenmusikpflege (2007), S. 34. Die Briefe besagen, dass Reich erst ein Jahr sein Amt versehen habe. Sein Amtsantritt fällt also in die letzten Tage des Jahres 1540 oder in die ersten des Jahres 1541. 87 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2064; KOCH, Stephan Reich (1886), S. 15; KOCH, Stephan Reich (1935), S. 335; HERRMANN, Stephan Reich (1952), S. 208 f. 88 Vorrede von Stephan Reich in CREUTZIGER, Psalm Davids, fol. Cr. Vgl. auch KOCH, Stephan Reich (1886), S. 22. 89 Vgl. MICHEL, Stephan Reich (2014), S. 163.

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Nach der Einsetzung Stephan Reichs als Diakon 1542 trat der bereits erwähnte Magister Sebastian Werner zum zweiten Mal, diesmal in das reguläre Schulmeisteramt ein. Er war nach seiner Vakanzvertretung zu einer Fortsetzung seines Studiums nach Wittenberg zurückgekehrt und erhielt nun am 28. April 1542 den Ruf nach Saalfeld. Der Stadtrat unterbreitete ihm im Zuge dessen das Angebot, ihm zur Beendigung seiner Studien 12 fl aus dem Gemeinen Kasten vorzustrecken. Gleichzeitig bat der Stadtrat Melanchthon, seine Wahl zum Schulmeister zu bestätigen und ihn selbst aus Wittenberg nach Saalfeld zu schicken.90 Vom 9. Mai stammt Melanchthons Antwort, in der er die Wahl Werners guthieß und diesen als gelehrten und treuen Mann auswies.91 Zur selben Zeit verließ ein zweiter Schuldiener seine Stelle, sodass auch das Kantorat neu besetzt werden musste. Jacob Siegel sprach sich für den Saalfelder Jacob Birnstiel aus, woraufhin der Stadtrat sich erneut an Sebastian Werner wandte und diesen bat, bei Melanchthon Erkundigungen über Birnstiel einzuholen.92 Am 4. September sprach Melanchthon sich auch für diesen aus. Seine einzige Schwäche läge in der durch seine Jugend bedingten Unachtsamkeit, die möglicherweise dazu führen könnte, dass ihm die nötige Lust und Motivation für den Schulunterricht fehle. Sebastian Werner solle daher auf ihn sein besonderes Augenmerk richten.93 Sebastian Werner versah sein Amt drei Jahre bis wiederum er gleich seinem Vorgänger den Ruf zum Diakon nach Kahla erhielt und wieder die Besoldungsverhältnisse in Saalfeld den Ausschlag für seine Zusage gaben.94 Hatte der Stadtrat noch versucht, Stephan Reich gütlich in Saalfeld zu halten, verbot er Werner nun schlichtweg, sein Amt vor der Wahl eines Nachfolgers zu verlassen. Dieser Schritt führte dazu, dass der Schulmeister die Schule unerlaubt verließ und ohne das Wissen des Rates nach Kahla zog.95 Die vakante Schulmeisterstelle musste von Stephan Reich vertreten werden. Der Rat verfasste am 27. Juni 1545 erneut ein Gesuch an Melanchthon, mit der Bitte, einen Nachfolger für Werner zu finden.96 90 Vgl. MBW, T 11, Nr. 2947; WAGNER, Correspondenz (1854), S. 390 f.; WAGNER/GROBE, Chronik (1867), S. 395; STREITBERGER, Einfluß (1997), S. 19. 91 Vgl. MBW, T 11, Nr. 2958; WAGNER, Correspondenz (1854), S. 393. 92 Vgl. WAGNER, Correspondenz (1854), S. 391; STREITBERGER, Einfluß (1997), S. 20. 93 Vgl. MBW, T 11, Nr. 3034; WAGNER, Correspondenz (1854), S. 393. 94 Aus Sebastian Werners Amtszeit stammt eine vom Kurfürsten angeforderte Darlegung der Besoldungsverhältnisse der Kirchen- und Schuldiener, vgl. KA Saalfeld, XII. 1a. Über den Inhalt vgl. STREITBERGER, Einfluß (1997), S. 23. An der Besoldung der Schuldiener hatte sich seit der Besoldungsordnung von 1536 unterdessen nichts geändert. 95 Vgl. WAGNER, Correspondenz (1854), S. 391 f.; WAGNER/GROBE, Chronik (1867), S. 395 f. 96 Vgl. MBW, T 14, Nr. 3926.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

Dem Rat war die Ursache für Konflikte dieser Art bewusst. Sie lag in der unzureichenden Besoldung der Schulmeister, die im Gegensatz zu den an ihn gestellten Anforderungen stand. Man versprach Melanchthon daher im selben Brief, das Gehalt zumindest auf 60 fl zu erhöhen, doch mahnte Melanchthon, dass dies nicht genügen würde. Am 15. Juli 1545 forderte er nicht nur den Saalfelder Amtmann Hans von Dolzig auf, den Stadtrat zu einer Gehaltserhöhung für den Schulmeister zu drängen,97 sondern beklagte diesem gegenüber selbst die Schwierigkeiten, welche ihm die Suche nach einem geeigneten Kandidaten bereiteten. Er habe einen wolgelarten ernsten mann angeredt, die regierung Ewer schul anzunemen, welcher aber solchs abgeschlagen, darumb das der sold zu gering sey, und ist war, nach gelegenheit der Stat und Schul Saluelt, were von not, das E. W. einem Schulmeister ein stattlicher besoldung verordneten wo in andern geringern Steten die schulmeister besser versorget sind.98

Erst zwei Monate später, am 14. September, schrieb Melanchthon erneut an den Stadtrat. Ein weiterer Schuldiener aus Halle, Emericus genannt, hatte das Gesuch ebenfalls abgelehnt, doch konnte in der Person des Magisters Basilius Unger ein Mann gefunden werden, der willig war, die Saalfelder Schule zu verwalten.99 Aus den Worten Melanchthons wird erstmals deutlich, welche Anforderungen der Stadtrat an den Schulmeister stellte. Nicht allein die gute Lehre und der vorbildliche Lebenswandel, der den Schülern ein Vorbild sein sollte und den Schuldienern in vielen Visitationen bescheinigt wurde, waren von Bedeutung. Durch den Vorzug eines Saalfelder Stadtkindes sollte zudem die Gefahr gebannt werden, dass der Schulmeister, wie 1542 geschehen, einem Ruf der eigenen Heimatstadt zu folgen gedachte. Darüber hinaus erwartete man – möglicherweise durch Melanchthons Vorbehalte beeinflusst – ein gewisses erreichtes Alter, das für denjenigen mit einem hohen gesellschaftlichen Ansehen und einer Autorität bei den Kindern verbunden sei. Es ist anzunehmen, dass gerade dieses Kriterium die meisten Probleme bereitet haben wird, da ein erfahrener Mann kaum bereit gewesen sein wird, seine Arbeit einem so geringen Gehalt zu widmen. Es ist dies daher auch der einzige Punkt, in dem der 1523 geborenen Basilius Unger den Ansprüchen des Rates nicht genügte. 100 Melanchthon sprach sich dennoch, obwohl dieser das betreffende Alter nicht erreicht hatte, für ihn aus, was allein schon, gemessen an Melanchthons sonstiger Vorsicht, ein beredtes Zeugnis für 97 98 99 100

Vgl. ebd., Nr. 3951. Ebd., Nr. 3953. Vgl. auch WAGNER, Correspondenz (1854), S. 394. Vgl. MBW, T 14, Nr. 4015. Vgl. zum Geburtsdatum SAGITTARIUS, Historien II, S. 278. Auch David Aquila erwähnt das Geburtsjahr in seinem Calendarium und legt den Geburtstag Ungers auf den 31. Januar, vgl. FB Gotha, Druck 8° 00213, S. 66.

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Unger ablegt. Er habe „kheinen mangel an yhm [feststellen können], denn das ehr villeicht bei euch an iarn seins alters noch solch ansehen nicht hatt, wie e. w. gern wolten“.101 Dieser Mangel werde allerdings durch ein großes Maß an Fleiß, guten Sitten und einer erwähnenswert guten musikalischen Bildung wettgemacht. Noch habe Melanchthon zwar keinen Entschluss gefasst, doch empfahl er dem Rat dringend, Unger zu berufen. Der Stadtrat entsprach Melanchthons Empfehlung umgehend. Vom 21. September stammt der Brief, in dem der Rat Melanchthon mitteilte, dass er Unger eingestellt und diesem ein Gehalt von 80 a ß (umgerechnet etwa 76 fl) versprochen habe.102 Mit der Person des Magisters Basilius Unger, der die geschilderte Unruhe um die Schulmeisterstelle vorerst beendete, hatte der Stadtrat schließlich einen Mann in der Stadt installiert, der auch in den folgenden Jahrzehnten, obgleich nicht annähernd so rege schriftstellerisch tätig wie Stephan Reich, fest in die städtische Gesellschaft und die Kirche integriert war. Er stammte gebürtig aus Torgau, hatte in Zwickau und Wittenberg die Schule besucht und erst kurz vor seiner Einstellung als Schulmeister den Magistergrad erworben. 103 Unger heiratete, wie die Stadtrechnung ausweist, nur etwa zwei Jahre später die Tochter des Stadtschreibers. Der Stadtrat wurde zum „ehelich beylager vnd wirtschaft“104 eingeladen, schenkte dem Paar 3 fl 36 gr und übernahm mit einem Betrag von 1 fl 23 gr 1 d die Hälfte der Zeche aller geladenen Gäste. Hochzeitsgeschenke und Beteiligungen an der Zeche erscheinen regelmäßig in den Stadtrechnungen, doch verdeutlicht in diesem Fall die außerordentliche Höhe des Betrags die Bedeutung, die der Hochzeit von Seiten des Rats beigemessen worden war. Unger blieb Schulmeister bis er 1549 in das Diakonat wechselte. 1560 kehrte er nach einem fünfjährigen Zwischenspiel als Pfarrer in Schleusingen nach Saalfeld zurück, wo er Pfarrer und Superintendent in der direkten Nachfolge Caspar Aquilas wurde. Obgleich er Ende 1569 von Graf Günther von Schwarzburg dem Mühlhäuser Stadtrat als Superintendent vorgeschlagen wurde, blieb Unger in Saalfeld.105 Er starb am 26. Februar 1575 an der Wassersucht.106

101 102 103 104 105 106

MBW, T 14, Nr. 4015. Vgl. STREITBERGER, Einfluß (1997), S. 21 f. Vgl. SAGITTARIUS, Historien II, S. 278 f. StA Saalfeld, C II a 12, fol. 59r. Vgl. FROHNIUS, Programma Pars Tertia, S. 4. Vgl. FB Gotha, Druck 8° 00213, S. 129; WAGNER/GROBE, Chronik (1867), S. 396; HOPF, Superintendenten (1926), Sp. 1; WERNER, Saalfeld (1995), S. 155. Die auf Ungers eigenen Wunsch von dem mit ihm befreundeten Rudolstädter Pfarrer Lucas Maius gehaltene Beerdigungspredigt ist noch im selben Jahr in Jena gedruckt worden, vgl. MAIUS, Leichpredigt.

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4.3.4.

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Zwei Einblicke in den humanistischen Unterricht

4.3.4.1. Der früheste Lehrplan einer evangelischen Schule in Thüringen Aus der Feder Sebastian Werners stammt aus dem Jahr 1543 ein umfangreiches Zeugnis des Saalfelder Schulwesens – die schriftliche Darlegung eines Lehrplans einer reformatorischen Schule. Dieser gewährt erstmals Einblicke in die Inhalte des Saalfelder Unterrichts und stellt auch für den gesamten vorliegenden Untersuchungsraum das früheste Beispiel seiner Art dar. Zugleich enthält er den für Thüringen frühesten Hinweis auf die Etablierung eines vom Pfarramt losgelösten Aufsichtsamtes über die Schule. Jenes Amt, das ab der Mitte der 1550er Jahre Einzug in die landesherrlichen Verordnungen halten sollte (Kap II. 2.3.2.), ist in Saalfeld somit bereits vor 1543 eingeführt worden.107 Es wurde hier jedoch noch nicht, wie es in den späteren Jahrzehnten der Fall sein sollte, von Mitgliedern des Stadtrates getragen, sondern stand in Verbindung mit dem zweiten Diakonat. Es ist möglich, jedoch spekulativ, dass es bereits 1537 als Bestandteil dieses Diakonats eingerichtet worden ist, oder, was wahrscheinlicher ist, mit der Einsetzung Stephan Reichs konstruiert wurde, um seinen fruchtbaren Einfluss auf das Schulwesen zu bewahren. Von Sebastian Werner wurde Letzterer als ein ‚über die Schule verordneter Superattendent‘ – also der Wortbedeutung nach ‚ein Aufsichtsführender‘ – angesprochen, wohinter sich zweifellos ein Vorläufer des späteren Schulherrenamtes verbirgt.108 Zu seinen Aufgaben, soviel ist ersichtlich, gehörte die Vakanzvertretung des Schulmeisteramtes, die Reich 1545 übernehmen musste, sowie die Überwachung der Einhaltung des vorgeschriebenen Lehrplans. Am 28. Oktober 1543 reichte der Schulmeister Sebastian Werner seinem Vorgänger daher jenes lateinisch verfasste Schreiben ein, in dem er den ersten detaillierten Einblick in die Unterrichtsinhalte der Saalfelder Schule gewährt und seinen Vorgänger anwies, nötige Änderungen vorzunehmen. Diese ausführliche Lehrplandarlegung ist in einer Abschrift des 19. Jahrhunderts im Staatsarchiv Rudolstadt überliefert und der Forschung bislang unbekannt.109 Werner schilderte darin in der ersten Person den genauen Tagesablauf der Schüler und gab darüber hinaus Hinweise auf die innere Organisation der Schule. Das Lehrpersonal bestand unverändert aus dem Schulmeister, dem Baccalaureus und dem Kantor. Die Kinder waren in fünf Klassen eingeteilt, was auf eine nicht unerhebliche Steigerung der Schülerzahl seit der Verlegung der Schule ins Kloster hinweist. Dass es sich bei den zwei untersten Klassen hingegen 107 In Altenburg trat es erst in den 1580er Jahren in Erscheinung. 108 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Hessesche Collectaneen, 3d Nr. 2, Bd. 2, fol. 181v. 109 Vgl. ebd., fol. 180v–181v. Im Jahr 1841 soll sich das Original im Saalfelder Stadtarchiv befunden haben, ist heute jedoch nicht mehr auffindbar.

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um die Teilung einer Klasse in Leistungsstufen handelte, ist trotz der missverständlichen Formulierung Werners unwahrscheinlich, da er eine solche Einteilung bei der Prima deutlicher auswies. Viel eher belegt die hohe Anzahl der Klassen, dass die Saalfelder Schule keinen konsequenten Anstieg der Schülerzahl erlebte, sondern einer mitunter nicht unerheblichen Schwankung unterlegen war, die es notwendig erscheinen ließ, zeitweilig eine weitere Klasse einzuführen. Zum Ende des Jahrhunderts wird es wieder nur vier Klassen geben. Da es sich bei dieser Darlegung Werners um den einzigen Hinweis auf die Fünfklassigkeit der Schule handelt, kann vermutet werden, dass die Schule zu dieser Zeit einen nicht wieder erreichten Höhepunkt der Frequentierung erlangt hatte. Deren Rückgang, der in den letzten Jahrzehnten des Jahrhunderts deutlich werden wird, ist zum einen auf einen zwischenzeitlichen Verfall der schulischen Disziplin während der 1570er Jahre zurückzuführen, wird jedoch auch durch die späteren Gründung einer Deutschen Schule mit verursacht worden sein. Die lateinische Benennung der Klassen wurde von Werner inkonsequent eingehalten. Die höchste Klasse der Schullaufbahn bezeichnete er zwar als Prima, doch wurden die übrigen mit den Ordnungsziffern 1. bis 4. mit dem steigenden Anspruch ansteigend durchnummeriert. Die folgende Erschließung des Lehrplans vereinheitlicht der Einfachheit halber die Benennung der Klassen nach dem in Saalfeld üblichen lateinischen Muster, sodass, umgekehrt als in Altenburg, die Quinta die niedrigste und die Prima die höchste Klasse darstellt. Nach der Darlegung Werners wurde die Prima vom Schulmeister selbst unterrichtet, während sich der Baccalaureus und der Kantor in die Lehre der übrigen Klassen hinein teilten, indem der eine den Vormittags- und der andere den Nachmittagsunterricht übernahm. Die hohen Anforderungen an die Schüler zeigen sich unter anderem daran, dass sie ab der Tertia keinen freien Tag mehr in der Woche hatten. Selbst der Sonntag war einer Reihe von Unterrichtseinheiten, die sich an den Gottesdiensten orientierten, gewidmet. Die religiöse Unterweisung im Sinne der evangelischen Konfession war das vordringlichste Ziel der Schule. Wie in Melanchthons Sächsischem Schulplan vorgeschrieben, diente daher der gesamte Sonnabend in jeder Klasse je nach Niveau dem deutschen oder lateinischen Katechismusunterricht. Daneben bildete die Erziehung zu einem der Lehre entsprechenden Leben anhand ausgewählter Autoren („praecepta Morum et rectae vitae Instituta, ex gravibus authoribus deprompta“110) in der Prima eine eigene Unterrichtseinheit, die neben der Übung der lateinischen Sprache gleichzeitig deren inhaltliche Erschließung und Verinnerlichung mit einschloss. Die Disticha Catonis, so Werner, seien für diesen Zweck bestens geeignet, da sie beide Möglichkeiten in sich vereinen. Mit dem Katechismus und dem kirchlichen Leben der Kinder stand die Musik nach wie vor in enger Verbindung. Sie nahm – ebenfalls in der 110 Ebd., fol. 180v.

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Nachfolge von Melanchthons Bestimmungen – die erste Stunde eines jeden Nachmittages ein, wurde jedoch ausgewiesener Maßen erst in der Secunda praktiziert. Ein direkter Bezug zum gottesdienstlichen Leben wurde von Werner nicht hergestellt, auch keine liturgische Beteiligung der Schüler angesprochen, doch kann beides zweifellos vorausgesetzt werden. Die Unterrichtsinhalte der unteren Klassen gab Werner nur summarisch wieder. In der Quinta und Quarta standen demnach die Lehre des Alphabets und eine erste Einführung in die lateinische Sprache im Mittelpunkt. Die genutzten Lehrwerke waren die Grammatik Donats, der Katechismus, der auch hier als regelrechtes Lehrbuch mit herangezogen wurde, und die Sententiae Pueriles von Leonhard Culmann. Ziel der Klassen war es, das Lesen und erste grammatikalische Grundbegriffe zu beherrschen. In der Tertia wurde die aktive grammatikalische Arbeit, also Deklination und Konjugation, aufgenommen. Die Lehre des Schreibens trat an den Nachmittagen neben das Lesen. Die Lehrbücher der vorhergehenden Klassen wurden durch die Formulae Puerilium Colloquiorum von Sebald Heyden ergänzt. Die Secunda wurde in Orthographie und Etymologie eingeführt, doch liefen die Übungen der vorhergehenden Klassen weiter nebenher. Die Unterrichtsmaterialien wurden auf die Schülerdialoge des Petrus Mosellanus und die Disticha Catonis ausgeweitet. Die ausführlichste Darstellung erfuhr schließlich die Prima. Sie war, wie bereits angedeutet, nochmals in zwei Leistungsstufen unterteilt (Majores und Minores), die parallel zueinander unterrichtet, zu manchen Lektionen jedoch zum Klassenverband zusammengefasst wurden und in deren Mittelpunkt vollends die lateinische Lektüre stand. Fester Bestandteil dieser Unterrichtseinheiten waren neben den Disticha Catonis die Fabeln des Aesop und schließlich die Aeneis und die Bucolica von Vergil, die Komödien des Terenz, die Briefe des Cicero ad familiares und einige nicht näher bestimmte Fabeln und Historien. Der grammatikalische Unterricht, der durch die Syntax ergänzt wurde, erfolgte anhand der Lehrbücher von Melanchthon und einem D. Jacobus („Erotemata grammatices olim a D. Jacobo conscripta“111), bei dem es sich wahrscheinlich um Jacob Heinrichmann handelt.112 Noch in der höchsten Klasse wurde jedoch die deutsche Sprache nicht vollständig ausgeklammert, sondern zur Verdeutlichung einiger Beispiele vom Schulmeister herangezogen. Eine Unterrichtsstunde am Montag wurde durch die Dialektik eingenommen. Zu den jeweils folgenden Tagen wurden den Schülern Hausaufgaben aufgetragen, die der Lehrer korrigierte, während die Schüler von einem Fortgeschrittenen aus den eigenen Reihen unterrichtet wurden. Sebastian Werner scheint an 111 Ebd., fol. 180v. 112 Heinrichmanns Grammaticae Institvtiones wurde vermutlich 1508 erstmals und in der Nachfolge häufig neu gedruckt, vgl. HEINRICHMANN, Grammaticae Institutiones.

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dieser Stelle sein Engagement betont haben zu wollen, indem er schrieb, dass er jene Arbeiten, für welche die Zeit nicht ausreichte, nach dem Schulunterricht mit nach Hause nehme. Sie wurden am folgenden Morgen korrigiert zurückgegeben. Für jeden gemachten Fehler erhielt der Schüler schließlich Schläge auf das Gesäß oder musste auswendig zehn nicht weiter festgelegte Verse zitieren. Grundsätzlich wurden die Schüler häufig in der Form von Rezitationen aktiv in den Unterricht mit eingebunden. Bemerkenswert ist zudem die frühe Nennung des Coricaeus, der in Altenburg erst 1584 Erwähnung fand. Er hatte die Aufgabe, den Gebrauch der lateinischen Sprache bei seinen Mitschülern zu überwachen und dem Schulmeister gegebenenfalls Ausfälle ins Deutsche anzuzeigen. Die Strafe bestand erneut, wenn der Schüler nicht vom Schulmeister geschlagen werden wollte („nisi a me pro suo merito tractari relint“113), im auswendigen Aufsagen von zehn lateinischen Versen für jedes Vergehen. Die Darlegung von Sebastian Werner stellt die Schule auf einem Höhepunkt ihrer bisherigen Entwicklung dar und bietet einen seltenen Einblick in den Aufstieg einer reformatorischen Lateinschule in der Mitte des Jahrhunderts. Sie vermittelte unter Zuhilfenahme aktueller und weit verbreiteter Lehrwerke die humanistische Bildung, entsprach in allen Punkten ihrer Organisation dem Sächsischen Schulplan Melanchthons und nahm bereits einige Bestimmungen der Herzoglich-Sächsischen und der Kursächsischen Schulordnung vorweg, wie die Hinzuziehung des Coricaeus, die Leistungseinteilung der einzelnen Klassen – wenigstens jedoch der Prima – aber auch das sich offenbar allmählich entwickelnde Schulherrenamt selbst. Neben dem humanistischen Element bildete der von Luther geforderte und durch Melanchthons Schulplan eingeführte Katechismusunterricht ein weiteres Hauptkriterium der reformatorischen Schule. Wie die Lektüre der Klassiker erweist sich anhand des dargelegten Lektionsplanes auch die Umsetzung dessen als Unterrichtsschwerpunkt der Saalfelder Lateinschule. Der Sonnabend wurde völlig von der religiösen Unterweisung eingenommen, doch wurden an den übrigen Tagen neben dem lutherischen Katechismus selbst nur Werke zur Lehre herangezogen, die den Kindern ein gutes Vorbild vermitteln würden. Die eigentlich bedeutendere Katechismuslehre hingegen war Gegenstand der Kirche und es ist der Aktivität Aquilas zuzuschreiben, dass auch diese kirchliche Unterweisung, die neben den Kindern auch die Erwachsenen erreichen sollte, mit der Schule auf das engste verbunden war. Bereits oben ist angesprochen worden, dass Aquila sofort nach seiner Ankunft die Abfassung eines Katechismus in Angriff nahm. Sein handschriftliches Manuskript, nach dem er lange Jahre vorging, wurde 1538 auf das Betreiben seiner Freunde und eigentlich gegen seinen eigenen Willen unter dem Titel Ein Christliche erklaerung des kleynen Catechismi mit schoenen Exempeln vnd 113 LATh-StA Rudolstadt, Hessesche Collectaneen, 3d Nr. 2, Bd. 2, fol. 181r.

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gewaltigen sprüchen der heyligen Schrifft bestaetigt114 in Augsburg gedruckt und erfuhr in den folgenden Jahrzehnten mehrere Auflagen.115 In der Vorrede dieser Schrift schilderte Aquila sein Vorgehen. Da er durch seine Arbeit sehr in Anspruch genommen werde, habe er es bald nach der Abfassung seines Katechismus so gehalten, dass er aus den Reihen der geschicktesten Schüler einige auswählte, diese seine Katechismuspredigten auswendig lernen und in der Kirche halten ließ.116

4.3.4.2. Die Quaestiunculae des Stephan Reich Der Eindruck des humanistischen Unterrichts, den der hier dargelegte Lehrplan vermittelt, wird vertieft durch ein weiteres Zeugnis, das den Betrachter nochmals näher an den alltäglichen Unterrichtsablauf heranführt. Der mit dem Lehrplan angesprochene Schulherr und vormalige Schulmeister Stephan Reich ließ 1546 in Frankfurt ein Schulbuch drucken, als dessen Ursprung bereits durch den Titel Qvaestivncvlae in Eclogas Vergilii Salvendensi [!] Iuuentuti praescriptae die Saalfelder Unterrichtspraxis ausgewiesen wurde. 117 Während der von Sebastian Werner verfasste Lektionsplan die an die Kinder gestellten Erwartungen und Ziele der einzelnen Klassen summarisch darlegte, geben Reichs Fragestücke Aufschlüsse über Aufbau, Ablauf und Inhalt des lateinischen Sprach- und Lektüreunterrichts der Prima anhand der Bucolica Vergils. Der Aufbau des Buches erinnert an die Frage-Antwort-Methode eines Katechismus, der Unterricht erfolgte unter starker Mitwirkung der Schüler. Nacheinander wird zu allen zehn Eklogen eine Reihe von Fragen mit den dazugehörigen Antworten aufgeführt, die in ihrer Gesamtheit eine vollständige sprachliche wie inhaltliche Interpretation der Gedichte beinhalten. Aufgrund der starken grammatikalischen Konstruktionsfreudigkeit wurde dabei nicht nur eine fundierte Kenntnis der lateinischen Sprache voraussetzen, sondern durch die historische Einordnung der besungenen Ereignisse auch ein anfänglicher Geschichtsunterricht mit eingeschlossen. Inhaltlich erinnern sie bereits an die modernere Literaturwissenschaft, indem neben Vergil auch eine umfassende Kenntnis anderer antiker Autoren vorausgesetzt wurde. Dabei verdeutlicht beispielsweise die vierte Frage zur ersten Ekloge, wem der Autor mit seiner Dichtung nacheiferte („Quem imitatus est poeta in Bucolocis?“), das sich diese 114 Vgl. AQUILA, Christliche erklärung. 115 Vgl. FÜßLEIN, Caspar Aquila (1876), S. 11; BIUNDO, Aquila (1963), S. 144; TSCHESCH, Reformation (1971), S. 92. 116 Vgl. AQUILA, Christliche erklärung, fol. Aiiv; SCHLEGEL, Leben und Tod (1737), S. 196; FÜßLEIN, Caspar Aquila (1876), S. 11; BIUNDO, Aquila (1963), S. 39/144. 117 Zur Bearbeitung wird hier ein Druck des Jahres 1548 herangezogen, vgl. REICH, Qvaestivncvlae. Vgl. auch KOCH, Stephan Reich (1886), S. 13–14.

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Kenntnis nicht allein auf die lateinische Literatur bezog. Die vorgegebene Antwort führt Theokrit an, dessen Form Vergil jedoch nicht erreichen könne („[…] sed non assecutus est mirabilem illam elegantiam, subtilitatem & suavitatem, quae est in Graeco carmine Theocriti“).118 Ein eigenständiger Unterricht der griechischen Sprache fand laut dem oben dargelegten Lektionsplan zwar nicht statt, doch zeigt sich hier, dass Reichs Unterrichtsmodel der lateinischen Lektüre aus beiden Sprachen eine Einheit bildete und selbst vor der Übersetzung ins Hebräische, wenn auch nur einmalig,119 nicht Halt machte. Darüber hinaus deutet die starke Durchmischung der Antworten mit griechischen Satzteilen eine Kenntnis der griechischen Sprache bei den Schülern an. Die dabei genannten griechischen Autoren müssen demnach auch ihre Rezeption im Unterricht erfahren haben. Da es sich hierbei jedoch um einen Widerspruch zu dem Lektionsplan von 1543 handelt, könnte es sich bei Reichs Unterrichtsentwurf auch nur um eine enorm ambitionierte Idealvorstellung handeln, die so in der Saalfelder Schule, auch wenn Reich dies suggeriert, nicht praktiziert worden ist. Eine eindeutige Bestätigung der Lektüre und Bearbeitung griechischer Klassiker erfolgt erst zum Jahr 1556/57, in dem die Stadtrechnung die Aufführung einer Tragödie des Euripides verzeichnete. 120 Ungeachtet dessen, dass die Praktizierung des hier dargelegten Unterrichtsmodels nicht nachgewiesen werden kann, wird ersichtlich, dass die griechische Sprache, die zunächst nur als Anleihe in den lateinischen Unterricht aufgenommen worden war, auf diese Weise in der Mitte des Jahrhunderts dem lateinischen Lektüreunterricht als eigenständiges Schulfach entwuchs.

4.3.5. Die Schulpredigten des Stephan Reich Die bedeutendere schriftstellerische Tätigkeit Stephan Reichs,121 in welcher der humanistische Geist von seiner theologischen Tätigkeit kaum zu trennen sind, entfaltete sich zwar erst späterer zur vollen Blüte, doch stammen auch aus seiner Saalfelder Zeit bereits erste Zeugnisse seiner Arbeit.122 Die Fragestücke zu Vergils Eklogen gelten als das erste von ihm durch den Druck veröffentlichte Werk, während seine weiterhin angefertigten Übersetzungen aus dem Griechischen ungedruckt blieben.123 Darüber hinaus sind aus Reichs Feder zwei handschriftliche Predigten über das Schulwesen und den Gelehrtenstand erhalten geblieben, 118 119 120 121

Für beide Zitate REICH, Qvaestivncvlae, fol. 4r. Ebd., fol. 21r. Vgl. StA Saalfeld, C II a 19b. Für den Hinweis auf einen umfangreichen Handschriftennachlass Stephan Reichs in der Forschungsbibliothek Gotha gebührt Herrn Dr. Daniel Gehrt herzlicher Dank. 122 Über Reichs schriftstellerische Tätigkeit vgl. KOCH, Stephan Reich (1886) ab S. 15. 123 Vgl. ebd., S. 10 f./13.

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der „Sermon, was der Schulstand für ein feiner ehrlicher Standt sey“124 und der „Sermon, was die gelarten leut auff erden für glück haben“,125 die er an zwei aufeinanderfolgenden Sonntagen des Jahres 1543 in Saalfeld gehalten hatte. Die erste der Predigten wurde am 4. März 1543 gehalten und hatte ausgewiesener Maßen das Ziel, die Menschen davon zu überzeugen, ihre Kinder trotz aller Widrigkeiten in die Schule zu schicken. Denn wenn ein Kind höre, was es mit dem Gelehrtenstand auf sich habe, „so lest sich ein Knabe nicht so balde vom studium abschrecken“. Gleich zu Beginn gestand Reich jedoch die Schattenseiten des gelehrten Lebens ein. Nicht nur müssten Gelehrte „grosse muhe vnd arbeit, tag vnd nacht Im studium […] haben, so mussen sie auch armut leiden, das sie nicht viel ubrig haben“. Auch sei jener Stand begleitet durch Anfeindung und Verspottung „von dem groben poffel, von den kauffleuten, von Juncker Adel, […] auch von den grossen Ganssen zw hoff. Zulezt so werden sie nicht allein vorachtet, sondern auch auffs ergste gehasset vnd vorfolget“.126 Trotz all dieser Widrigkeiten wolle Reich den Schulstand loben vor allen anderen Ständen, nicht jedoch, um nun seinerseits jene zu verspotten. Ungewöhnlich erscheint an dieser Stelle – in einer christlichen, zumal lutherischen Predigt – Reichs Bezug auf Aristoteles. Die Anspielung verdeutlicht seine Hinwendung zum Humanismus, den er mit seiner geistlichen Berufung zu verbinden suchte. Sie ist zur Untermalung des Themas gewählt worden und sollte seine Worte zugleich mit Beispielen hoher Gelehrsamkeit untermalen. Bildung, so sollte es den Menschen suggeriert werden, sei statt weltfremd und realitätsfern von alltäglichem Nutzen und auch im christlichen Leben anwendbar. Unter den weiteren Vorurteilen, die Reich beseitigen wollte, stand an erster Stelle der Müßiggang: Es „soll die Jugent, Ja, alle frome Christen wissen, das der gelerten standt, leben, vnd wesen, nicht sey ein mussiggang, sondern ein solcher standt, dorinnen man studieret, lernet, vnd erforschung hat, nach den wichtigsten vnd notigstenn dingen“.127 Die zwei besten und edelsten Güter der Menschheit, um die jenes Streben bedacht sei, so Reich, seien die Wahrheit und die Gerechtigkeit, die zu erkennen für die Menschheit sehr nützlich und die zu erforschen und weiterzugeben das höchste Wesen der Schulen sei. Wie Luther in seinen Schulschriften bezog Reich die Bildung auf den rechten Gottesdienst wie auf die rechte Regierung der Welt, doch ergänzte er die Notwendigkeit der Medizin und besonders der Astronomie, ohne welche die Jahreszeiten in Unordnung gebracht würden. Der Erwiderung, dass Wahrheit und Gerechtigkeit eher in den Kirchen, bei Hofe und in den Gerichten, statt in der Schule zu finden sei, die Gelehrten und Schüler in den Schulen diese demnach nur für sich allein üben würden, setzte Reich entgegen, dass die be124 125 126 127

FB Gotha, Chart. B 310, fol. 74r–83v. Ebd., fol. 84r–96r. Vgl. auch KOCH, Stephan Reich (1886), S. 12–14 mit Anm. 4. Für alle drei Zitate FB Gotha, Chart. B 310, fol. 74r–v. Ebd., fol. 75r–v.

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sagten Tugenden zwar in Kirche, Hof und Gericht walten sollten, dorthin jedoch erst gebracht werden müssten. Ihr Ursprung sei auch hier die vorherige Schulbildung zur wahrhaftigen Predigt und zum gerechten Urteil. Reich schrieb, „das die rechte Christliche Kirche nie one schulen gewesen ist, vnd die lere der Evangelii auch nicht lange kann erhalten werden, es sey den sache, das man Schulen habe, vnd die selbigen erhalte“.128 Zur Illustration ließ er dem etliche alt- wie neutestamentliche Beispiele folgen. Alle großen Männer der biblischen Geschichte, von Adam bis zu Jesus und den Aposteln, hätten den Zweck der Schulen erkannt und diese erhalten. In jeder Gefahr, in der die göttliche Wahrheit geschwebt hatte, selbst im babylonischen Exil, habe sich die Lehre dadurch erhalten, dass die Auserwählten Gottes sie den Gläubigen lehrten. Seine Aufzählung ließ Reich in die großen Hochschulen der Antike, allen voran Alexandria, münden, bevor er die katholische Kirche des Papstes nun ebenfalls in die Reihe der Gefahren für das Evangelium einreihte. Mit ähnlichen Worten schlug er in die bereits von Luther geöffnete Kerbe, dass die Stiftsschulen des Spätmittelalters nichts anderes waren, „den stelle, do man feyste Munche vnd pffaffen, wie die Schweine auff den mastkoben erneret vnd erzeuget haben“.129 Dementsprechend sah er die reformatorischen Schulen in der Nachfolge der biblischen und antiken Schulen stehen. Sie hätten erneut die Aufgabe, die christliche Lehre zu erretten. Jeder Schüler, Student und Gelehrte könne sich des Bewusstseins erfreuen, in die Fußstapfen der Propheten und Aposteln zu treten. Zwar seien es nicht die Gelehrten selbst, die Recht sprechen und regieren würden, doch seien sie zu allen Zeiten von den Richtern und Königen um Rat gefragt und von diesen, wie Aristoteles durch Alexander den Großen, zur rechten Ausbildung herangezogen worden. Diese Bestätigung sei allein das größte Lob, das der gelehrten Bildung zuteil werden könnte und „diss gross lob soll billich die Jugent bewegen, das sie desto lieber In die Schul gehet, vnd dorinnen studiert, vnd In der furcht gottes vnd aller Tugent zuneme“.130 Zudem „ist der Schulstandt ein fein lustiger standt, den alle menschen entpffahen grosse lust darauss wen sie die warheit erkennen. Den darzw seint furnemlich die menschen geschaffen“.131 Mit der Gelehrsamkeit, so Reich, gehe eine Geselligkeit einher. In den Schulen frage man sich gegenseitig um Rat und treibe sich gegenseitig im Studium an. „Zulezt gehet gerne gleich mit gleich vmb, wie man sagt Im sprichwort. […] Man sagt auch, das keine lieblichere vnd bestendigere freundschafften sein, den der gelerten, die sie miteinander gemacht haben etwan, do sie In schulen mit einander studirt haben“.132

128 129 130 131 132

Ebd., fol. 76v. Vgl. ebd., fol. 80r. Vgl. auch LUTHER, Ratsherren, WA 15, S. 31. Ebd., fol. 81v–82r. Ebd., fol. 82r. Ebd., fol. 82v.

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Auch von Armut und Rastlosigkeit der Gelehrten solle sich kein Knabe abschrecken lassen, sei doch das Entbehren jeder Heimat der gesamten christlichen Kirche zu Eigen. Wieder wurde auch dieser Umstand mit Beispielen der biblischen Geschichte unterlegt, welche die Predigt schließlich ausklingen ließen. Neben der humanistisch geprägten Unterlegung seiner Predigt mit Beispielen aus der antiken Geschichte und Philosophie bildete die Hinwendung zu den Kindern selbst den größten Unterschied zu Luthers Schulschriften. Waren in Luthers Coburger Predigt die Eltern die Adressaten seiner Worte, die er dazu bewegen wollte, die Kinder notfalls auch gegen deren Willen in die Schule zu schicken, so pries Reich den Kindern selbst den gelehrten Stand als erstrebenswert an. Seine Ausführungen kleidete er in Form von Antworten, die er fragenden Kindern gegenüber erwidert hätte. Die gewählten Beispiele, welche die Kinder zum Teil bereits in ihrem Wissen erreichten, darüber jedoch weit hinausgingen, sollten die kindliche Neugier auf noch zu erlangende Erkenntnis wecken. Einen deutlichen Vorzug vor Luthers theoretischen Ausführungen bildete bei Stephan Reich dabei die scheinbar größere Realitätsnähe. Anders als sein Vorbild, verlieh er seinen Worten stärkere Autorität, indem er suggerierte, die eigenen Erfahrungen sprechen zu lassen. Zeugte die erste Schulpredigt Reichs somit noch von einiger Eigenständigkeit, lehnte er sich in seiner zweiten Predigt hingegen deutlich stärker an Luther wie auch an Melanchthon an. Wann die zweite hier zu betrachtende Predigt gehalten wurde, wurde nicht eigens verzeichnet, doch sprach Reich in ihrem Verlauf vom Gregoriusfest des kommenden Tages. Da dieses am Todestag des heiligen Gregor begangen wurde, ergibt sich daraus als Datum der Predigt der 11. März 1543. Die zweite Predigt ist demnach eine Woche nach der ersten gehalten worden, was durch deren nahtlosen Anschluss an die erste bestätigt wird. Ziel dieser zweiten Predigt war weniger, die Neugier der Kinder auf die Bildung und den Schulbesuch zu steigern, als die Notwendigkeit aufzuzeigen, Schulen zu erhalten. Um das Geschick der Gelehrten darzustellen – denn ‚das Glück‘ ist nicht im heutigen Sinne, sondern als die deutsche Entsprechung des lateinischen Wortes Fortuna, Geschick oder Schicksal, zu verstehen 133 – griff Reich auf das Gleichnis des armen Lazarus zurück. Obgleich er durch die Formulierung, ihm sei kein besserer Vergleich eingefallen, den Eindruck von Spontanität und Eigenständigkeit vermitteln wollte, folgte er damit doch der von Melanchthon nur zwei Jahre zuvor geprägten Metapher.134 Wie in der ersten Predigt begann Reich seine Darstellung mit der Beschwernis und Betrübnis, die mit dem Gelehrtenstand einhergehen und die den Gelehrten, die Pfarrer, Kirchen- und Schuldiener, dem armen Lazarus gleichsetzten, der 133 So auch schon Ernst Koch, vgl. KOCH, Stephan Reich (1886) Anm. 4 auf S. 14. 134 Vgl. MELANCHTHON, Lazari Klage.

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doch durch sein Los auf Erden Gott nahekam. Ebenso sei auch die Suche nach der Wahrheit mit Entbehrung und Last verbunden. Zahlreichen armen Schülern ginge es wie Lazarus. Sie stünden vor des reichen Mannes Tür, konnten von diesem jedoch keine Unterstützung erlangen. Jener hingegen habe keine Kinder oder würde diese selbst aus Eigennutz nicht zur Schule gehen lassen. Obwohl die zweite wie auch die erste Predigt keinen speziellen Bezug zu Saalfeld bot, konnte doch dieser Hinweis auf die fehlende Bereitschaft der Reichen, die Gelehrten zu unterstützen, der Saalfelder Obrigkeit durch die Einbeziehung der Kirchen- und Schuldiener nur wie ein Apell vorkommen, die Besoldungssituation der eigenen Schuldiener zu überdenken: Jha, kein ehrliebender oder christenman, kann one weynen, vnd viel trenen daran nicht gedencken, wie gar vorechtlich auch trewe Kirchendiener vnd prediger von der ganzen welt gehalten werden, So doch kein heyliger noch höher Ampt auff erden ist, den das predigampt, vnd predigen vnd leren der nötigste, heyligste, vnd höchste gottesdienst In der ganzen christlichen Kirchen ist.135

Dennoch, so griff Reich den Gedanken der ersten Predigt wieder auf, solle niemand ablassen von den Studien, denn die Geschichte des Lazarus, der durch sein Los mit Gott verbunden wurde, lasse auch die Menschen der eigenen Zeit darauf hoffen. „Den wer wollte doch ein Schulmeister oder prediger sein In der verdampten welt, wen einer das In seinem herzen nicht gewiss were, das er bessers bey gott zwgewarten hette“.136 Das überspitze Bild des Lazarus relativierte Reich im Folgenden, bliebe doch kein armer Schüler gänzlich ohne Unterstützung. Wie zu Lazarus die Hunde kamen, seine Wunden zu lecken, gebe es in den Städten „fromme christen, welche bey den Tyrannen für hunde geachtet seint“,137 die bereit seien, Schülern Almosen zu spenden. Trotz der Widrigkeiten, so Reich, resultiere aus dem Gelehrtenstande wie auch aus jedem anderen Stand eine gewisse Ehre. Die schmückende Feder, das Symbol der Eitelkeit, wurde dabei zur Metapher der ebenfalls durch die Feder symbolisierten schmückenden Gelehrsamkeit umgedeutet. Wen man pfflegt zw prangen vnd herlichkeit zw treyben, so schmückt man sich mit federn, vnd bindet sie fein vmb mit golde. Also wyl ein Kauffman seinen handel schleunig treyben, so muss er warlich mit der feder geschmückt sein, das ist, schreyben vnd lesen konnen, oder schreyber halten, wyl ein Edelman sonderlich herfur komen zw hern hoff, so muss er

135 FB Gotha, Chart. B 310, fol. 86r, annähernd wörtlich von Melanchthon übernommen, vgl. MELANCHTHON, Lazari Klage, fol. Biiv. 136 FB Gotha, Chart. B 310, fol. 87r. Dieser Gedanke an die Erlösung findet sich bei Melanchthon noch nicht. 137 Ebd., fol. 87v; annähernd wörtlich von Melanchthon übernommen, vgl. MELANCHTHON, Lazari Klage, fol. Ciiv.

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traun eine schöne feder mit golde vmblegt, auff dem hute furen, das ist, er muss fur andern etwas sonderlichs studiert haben.138

Wieder erscheint die Fortsetzung dessen als ein Appell an die eigene Stadt, denn „wyl ein stadt glucklich vnd wol regiren, vnd die Jugent erzogen haben, so muss sie warlich Ihre Kirchen vn Schule mit federn schmucken, das ist, mit gelerten leuten beide Schul vnd Kirchen bestellen“.139 Nach dieser Ermahnung an die Obrigkeit folgte gleichermaßen eine an die Menschen und die Bürger der Stadt, die durch die Schulen gebotene Möglichkeit in Anspruch zu nehmen. Anlässlich des am folgenden Tag stattfindenden Gregoriusfestes drängte er die Eltern, ihre Kinder, Mädchen wie Jungen, in die Schule zu schicken. Die Schulen sollten durch das Kirchengut finanziert werden, das nicht durch die weltliche Herrschaft zweckentfremdet werden dürfe. Stephan Reich griff damit Luthers Konzept wieder auf, untermauerte dieses jedoch gemäß Melanchthons Vorbild über Luthers Schriften hinaus in gewohnter humanistischer Manier durch biblische Vorschriften und antike wie mittelalterliche Gesetze und Konzilsbeschlüsse. „Es stehet ein gesez Theodosii in Codice, In welchem klar vnd ernstlich verboten wirt, das die Ihenigen, so allein den Titel vnd namen füren, als weren sie Kirchendiener, vnd doch Ir arbeit, vnd ampt nicht thun, nicht sollten der Kirchen rentte oder einkomen brauchen“. Reich fährt fort: „Auch hat Theodosius ein gesetz gemacht, das die Kirchen guter, so die Donatisten vnter sich hatten, sollten Inen genomen vnd den christlichen Kirchen zwgewendet werden“.140 Noch Otto der Große, so äußerte er, habe eine große Finanzgrundlage geschaffen, um die christliche Kirche mit gelehrten Pfarrern und Lehrern zu versorgen sowie „die studia der Griechischen, Hebraischen sprachen, vnd andere nuzliche lere vnd Kunst“141 zu erhalten. Freilich kann im Spätmittelalter von der Lehre der griechischen Sprache kaum und der hebräischen Sprache keine Rede sein, doch bot sich für Reich durch dieses Stilmittel die Möglichkeit, in der Predigt, die dabei einer Abhandlung über die Geschichte des Kirchenrechts ähnelt, die Parallele zur eigenen Gegenwart zu ziehen. Denn was ist unter dem Papsttum mit all diesen Gütern geschehen, so fragte er und zog im Folgenden mit erneut von Melanchthon entlehnter Polemik über die katholische Kirche her. Ihr ginge es nicht um das Wort Gottes, als vielmehr um „eytel hoffart, mussiggang, vnd wollust, pracht, vnd schedlicher schwelgerey“.

138 FB Gotha, Chart. B 310, fol. 88r. 139 Ebd., fol. 88r–v. 140 Für beide Zitate ebd., fol. 90r. Beide Zitate sind annähernd wörtlich von Melanchthon übernommen, vgl. MELANCHTHON, Lazari Klage, fol. Ciiiir. 141 FB Gotha, Chart. B 310, fol. 90v; annähernd wörtlich von Melanchthon übernommen, vgl. MELANCHTHON, Lazari Klage, fol. Biiir.

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[Sie] nehmen also, stelen, vnnd rauben, vorzeren In sünden vnd schanden wider gott, natur, vnd alle recht, was der rechten Kirchen geben ist. [… Sie] Sind wie die Ottern […] voller bitterkeit, gifft, vnd gallen, wider gott, wider die ware religion, wider die rechte Kirchenn, wider alle naturliche erbarkeit vnd Thugent, vnd suchen nichts, den allein die Christen zw ermorden vnd auszwtilgen.142

Seit diese Zeit jedoch überwunden sei, verhalte es sich nun ähnlich mit den Stipendien, durch die geeignete Schüler zum Studium gezogen werden sollten. Stattdessen aber finanziere man jene, die um den Kirchendienst wenig geben oder dafür kaum geeignet seien. Auf die Frage, wie diesem Missstand abzuhelfen sei, reagierte Reich erneut mit humanistischem Anklang: Demosthenes hat recht gesagt, das Iederman vber vnratt wohl klagen kann, aber der, so raten vnd helffen können, seien wenige. Vnd wie wol die prediger mussen gewarten, wen sie von solchen sachen wollen aussprechen, eben den lohn, den die hasen von den Lowen, nach dem sie Inen gepredigt hatten, vberkomen haben, So muss doch ein Ieder sein bedencken vnd meynung sagen.143

Dem eigenen Aufruf folgte Reich sogleich, indem er die weltliche Obrigkeit unter Hinzuziehung der Worte des Propheten Jesaia zur rechten Unterhaltung der Kirchen und Schulen aufforderte: Er, der Prophet, „nennet sie der Kirchen veter, vnd spricht, Konige sollen deine pffleger, vnd die fursten deine Seugammen sein“.144 Dazu sollten Fürsten und Städte gleichermaßen darauf bedacht sein, die durch ein Stipendium geförderten Schüler und Studenten zum Studium der Theologie anzuhalten. Andernfalls, wenn sich nicht genügend dazu bereitfinden würden, sehen sich die Kirchen und Schulen in kürzester Zeit einem Mangel an Predigern und Lehrern gegenüber. Der Adel, der dieser ihm eigenen Aufgabe nicht nachkomme, würde sich größter Sünde schuldig machen. Im Folgenden ging Reich den bereits zu Beginn angekündigten Gründen für die Errichtung und Erhaltung der Schulen nach. An erster Stelle stand der Widerstand gegen den Teufel, der, wie auch Luther schon geschrieben hatte, durch Schulbildung geleistet werden könne.145 Darauf folgte der Erhalt der Reformation. Die Gnade Gottes habe „furwahr deudschland Izt genediglich heimgesucht“146 und müsse bewahrt werden. Annähernd wörtlich zitierte Reich die Worte Luthers, dass ein Kind in dieser durch Bildung auserkorenen Zeit in drei Jahren mehr 142 Für beide Zitate FB Gotha, Chart. B 310, fol. 91r. Vgl. auch MELANCHTHON, Lazari Klage, fol. Biiir. 143 FB Gotha, Chart. B 310, fol. 91v–92r. Während der Bezug auf Demosthenes erneut von Melanchthon entliehen ist (vgl. MELANCHTHON, Lazari Klage, fol. Ciiir) stellt das fabelartige Bild von dem Hasen und dem Löwen eine Ergänzung Reichs dar. 144 FB Gotha, Chart. B 310, fol. 92r; annähernd wörtlich von Melanchthon übernommen, vgl. MELANCHTHON, Lazari Klage, fol. Diiv. 145 Vgl. FB Gotha, Chart. B 310, fol. 92v–93r. Vgl. auch LUTHER, Ratsherren, WA 15, S. 36. 146 FB Gotha, Chart. B 310, fol. 94r.

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lernen und leisten könne, als zuvor in 20.147 Auch die Metapher, die Bildung sei ein Platzregen, der nie mehr wiederkomme, wo er einmal gewesen sei, erinnert deutlich an Luthers Worte: Die Juden hatten ihn, auch die Griechen und die Römer, „aber hin ist hin“.148 Sehr bildhaft ergänzte Reich jedoch, dass Jesus Christus selbst von Tür zu Tür gehen und überall, wo Kindern sind, klopfen würde, „man wolle Im auffthun, die Kinder zur schulen schicken, das sie mugen seiner lieben braut auch dienen“. An dritter Stelle stand das Gebot Christi selbst. „Last die Kindlin zw myr kommen“, denn ihnen gehört das Himmelreich.149 Ergänzt durch mehrere weitere Bibelworte leitete Reich die Forderung nach Schulen aus der Heiligen Schrift her. Das vierte Argument verwies auf die Pflichterfüllung der weltlichen Obrigkeit, allen voran der Stadträte, denen der Unterhalt der Schulen anbefohlen sei. Bei Nichtachtung dessen missachteten sie nicht allein ihre Pflicht und das in sie gesetzte Vertrauen, sondern wirkten auch dem Besten der Stadt zuwider. Reichs letztes Argument, das die Predigt abschloss, ist erneut mit denselben Worten durch Luther vorgezeichnet worden: Das Evangelium ist durch die Sprachen in die Welt gekommen und kann nur durch diese erhalten werden. Somit wird die auf Sprachen aufgebaute Schule zum Fundament der Glaubenserhaltung.150 Anders als die eigenständigere erste offenbart die zweite Predigt die starke Abhängigkeit des Predigers von Luther und stärker noch von Melanchthons Lazarusklage. Dominiert in Melanchthons Schrift jedoch die pessimistische Verbitterung, verstand Reich es, trotz aller Polemik seinen Ausführungen optimistische Anklänge zu verleihen. Dabei orientierte er sich stark an Luthers zuversichtlichen Blicken auf eine mögliche Zukunftsgestaltung, brachte aber auch eigene Ergänzungen ein, welche mitunter auf volkstümlich-humorvolle Weise die Aufmerksamkeit seiner Hörer erringen sollten. So wurde anders als in Melanchthons Vorbild der Gedanke an die Erlösung dem Gleichnis des Lazarus impliziert. Diese suchte Reich zwar letztendlich bei Gott, doch sah er noch die Möglichkeit, durch ein Eingreifen der Obrigkeit, die Bildung und den Gelehrtenstand auch in der irdischen Welt aus der Armut emporzuheben. Der von Reich eingebrachte Gedanke, die Bildung als Schmuck und als Ehre für das Gemeinwesen zu sehen, wurde von ihm als Appell an die eigene Stadt gestaltet. Hierin zeigt sich, dass Stephan Reich, der es verstand, die Lehren der Reformatoren seinen Hörern angemessen nahezubringen, seinem Amt als lutherischer Prediger gerecht wurde.

147 Vgl. FB Gotha, Chart. B 310, fol. 94r–v. Vgl. auch LUTHER, Ratsherren, WA 15, S. 31. 148 FB Gotha, Chart. B 310, fol. 94v. Vgl. auch LUTHER, Ratsherren, WA 15, S. 32. Luther bezieht diese Metapher anders als Reich auf das Wort Gottes. In den Schulen sah er das Mittel, es zu bewahren. 149 Für beide Zitate FB Gotha, Chart. B 310, fol. 94r–v. 150 Vgl. ebd., fol. 95r–96r. Vgl. auch LUTHER, Ratsherren, WA 15, S. 37 f.

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4.3.6. Verschuldung und Zerstörung – Hemmnisse der schulischen Entfaltung Die Folgen der bis zu Ungers Amtsantritt unzureichenden Besoldung, die den Schuldienern – so ihre Selbsteinschätzung – kaum den Lebensunterhalt zu sichern vermochte, hatte sich unterdessen selbst unter den Bürgern der Stadt bemerkbar gemacht. Offenbar hatten die Schul- und selbst die Kirchendiener auf Taufen, Hochzeiten oder Beerdigungen erwartet, sich als Gegenleistung für ihre kirchlichen Pflichten von den Bürgern verköstigen zu lassen, und die für die Armenversorgung vorgesehenen Spenden der Kirchgänger für den eigenen Nutzen herangezogen. Dieses Vorgehen stieß auf den Unwillen der Bevölkerung und es wurden Beschwerden laut. Um dem entgegenzuwirken erließ der Stadtrat am 15. März 1545 den Beschluss, dass die Schul- und Kirchendiener keine Verköstigung zu den genannten Anlässen mehr fordern dürften.151 Speziell den Schuldienern stünden lediglich eine Suppe und Getränke zu – alles Weitere seien freiwillige Gaben. Die Erhöhung des Gehaltes bei der Einstellung Ungers einige Monate später wird die dadurch entfallene Versorgung ausgeglichen haben. Zudem finden sich in den folgenden Kastenrechnungen unter den Gehältern der Schuldiener einige als funeralia benannte Gulden, die zur Entlohnung für die Teilnahme an Beerdigungen gezahlt wurden.152 Da der Gemeine Kasten jedoch nicht über zureichende Mittel verfügte, den notwendigen finanziellen Ausgleich zu gewährleisten, wurde im Gegenzug der Bürgerschaft und allen Einwohner der Stadt eine allgemeine Abgabe auferlegt.153 Die Höhe und auch die Umsetzung dieser Art Kirchensteuer ist zwar ungewiss, doch offenbart die folgende erhaltene Kastenrechnung von 1549/50 erneut, dass der Gemeine Kasten seinen durch die Gehaltserhöhung gesteigerten Anforderungen kaum gerecht werden konnte. Das Schulmeisteramt wurde inzwischen von Ungers Nachfolger Christoph Hoffmann versehen. Sein Gehalt betrug in diesem Jahr 79 a ß 1 gr und erreichte somit nur knapp die 1545 festgesetzte Höhe. Die Besoldung der übrigen Schuldiener hatte sich unterdessen seit der Besoldungsordnung von 1536 nicht verändert, konnte jedoch ebenfalls nicht in voller Höhe gezahlt werden. Der Baccalaureus Bastian Maysen erhielt 38 a ß 2 gr, der Kantor Andreas Henning – der sein Amt im Laufe des Jahres an Johann Thumler abtrat – 28 a ß 17 gr, sein Nachfolger für den Rest des Jahres 19 a ß 1 gr. Ein Vermerk am Ende der Rechnung verdeutlicht, dass diese Zahlungen lediglich die notwendigste Versorgung ermöglichen könnten

151 Vgl. StA Saalfeld, A 142. 152 Vgl. StA Saalfeld, C II c 4; ebd., C II c 5. 153 Vgl. StA Saalfeld, A 142; STREITBERGER, Einfluß (1997), S. 22 f.

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und dass man „Eher mehr dan weniger habenn“ müsse, um eine zufriedenstellende finanzielle Absicherung der Schule zu gewährleisten.154 Das Anliegen des Gemeinen Kastens wurde daher erneut an die landesherrliche Obrigkeit getragen. Im Jahr 1551 verfasste der Rat die „Artickel der Stadt Saluelt Gemayner Stat, Item des Kirchen Kastens vnnd Almosenn Rechnungen betrefenndt“,155 in denen er die Verhältnisse des Gemeinen Kastens darlegte und verdeutlichte, dass die Ausgaben die Mittel des Kastens bei weitem überschritten. Dazu kam, dass manche Einnahmequellen – genannt werden nicht näher bezeichnete Stiftungen – möglicherweise infolge des Schmalkaldischen Krieges allmählich versiegten. Die Rechnung von 1549/50 wies zwar die termingerechte Zahlung aus Gotha und Ichtershausen in Höhe von insgesamt 138 a ß 9 d aus, doch hatte an Schulgeld „dis Jar nicht mehr inngenbracht werden“156 können, als 1 fl 6 gr. Der Gemeine Kasten sei genötigt, Schulden beim Stadtrat aufzunehmen, die bereitzustellen jedoch nicht in der Macht des Rates stand. Um daher nicht, wie bisher geschehen, dem Gemeinen Kasten weiterhin Jahr für Jahr finanziell aushelfen zu müssen, ersuchte der Rat beim Herzog, dem Kasten eine weitere Zulage „Irgent aus aynem Closter“157 zu verordnen. Eine Antwort und eine möglicherweise ergriffene Maßnahme zur Aufbesserung der Finanzen lassen sich nicht feststellen. Zwei aus den folgenden Jahren stammende Kastenrechnungen zeichnen wiederum ein ähnliches Bild. Obwohl die Einnahmen des inzwischen nur noch für auswärtige Schüler verbindlichen Schulgeldes gestiegen waren, konnte die Besoldung der Schuldiener in den Jahren 1551 bis 1553 nicht in den einst angeordneten vierteljährlichen Zahlungen gereicht werden. Sie musste stattdessen in etliche geringere Einzelbeträge über das gesamte Jahr verteilt werden. Die angeordnete Höhe der Besoldungen wurde auf diese Weise zwar erreicht, doch führte die vom Rat geschilderte Diskrepanz zur weiteren Anhäufung von Schulden, die durch die im Winter von 1551 zu 1552 in hohem Maße angefallenen Kosten für Brennholz zusätzlich gesteigert wurden.158 Darüber hinaus wurde die schulische Entwicklung von eher profanen äußeren Einflüssen gehemmt und gestört. Im Juni 1547 wurden die Soldaten Kaiser Karls V., als dieser sich auf einem Durchzug befand, in den leerstehenden Räumen des ehemaligen Klosters und somit in unmittelbarer Nähe der Schule einquartiert. Sie verließen diese unter heftigen Verwüstungen, sodass kaum ein Raum noch über heile Fenster, Türen oder Treppen verfügte.159 Vier Jahre darauf, 1551, 154 155 156 157 158 159

LATh-StA Altenburg, Schönbergische Sammlung, Bd. 23, fol. 106v–107r, Zitat fol. 107r. Ebd., fol. 116r. Ebd., fol. 103r. Ebd., fol. 117r. Vgl. StA Saalfeld, C II c 4 (1551/52); ebd, C II c 5 (1552/53). Vgl. SAGITTARIUS, Historien II, S. 234 f.; RICHTER, Reformation (1855), S. 12 f.; WERNER, Saalfeld (1995), S. 139.

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wurde schließlich die Saalfelder Münzstätte in die Kirche des ehemaligen Klosters verlegt.160 Sie war nach dem Schmalkaldischen Krieg die bedeutendste Münzstätte im ernestinischen Thüringen und erfuhr aus diesem Grund eine besondere Förderung. Neben dem erstarkenden Bergbau verdankte Saalfeld ihr zu einem großen Teil die wirtschaftliche Blüte.161 Durch sie kam es zunächst zu keinen Störungen, doch blieben Kollisionen mit der Schule nach der allmählichen Vergrößerung der Münze nicht aus. Als positive Zäsur der Saalfelder Schulgeschichte hat die Forschung hingegen zum Jahr 1551 die Erhebung der Schule zu einem Lyzeum konstatiert. Philipp Melanchthon soll eine neue Schulordnung verfasst haben, die in den folgenden Jahrhunderten ihre Gültigkeit behalten habe.162 Beides ist anhand der Quellen jedoch nicht oder nicht mehr nachweisbar. Sechs Jahre zuvor war die Idee einer neuen Ordnung zwar im Gespräch gewesen, auch wurde eine entsprechende Bitte an Melanchthon herangetragen, doch hatte dieser das Anliegen am 29. September 1545 brieflich zurückgewiesen. Als Begründung hatte er angeführt, dass er die alte Schulordnung nicht kenne und somit über keine Grundlage verfüge.163 Zudem, so schrieb er, müsse die alte Schulordnung, so sie sich bewährt habe, nicht verändert werden, denn häufige Eingriffe seien eher schädlich als förderlich.164 Eine nochmalige Bitte an Melanchthon ist offenbar nicht erfolgt oder nicht überliefert und eine Erhebung zum Lyzeum findet in den Quellen keinerlei Niederschlag. Im Protokoll der Visitation von 1554/55 findet sich lediglich der eher beiläufige Hinweis, dass die Schule mit gelehrten und als tauglich befundenen Personen versorgt sei.165 Die personelle Besetzung der Schule ist für die Jahre nach Christoph Hofmanns Amtszeit erneut nur schlecht nachzuvollziehen. Die Nachfolger Hoffmanns, Paul Amandus, Wolfgang Hopfner und Paul Siber, blieben nur wenige Jahre im Amt und sind heute in den Quellen kaum noch greifbar.166 An die Stelle des Baccalaureus Bastian Maysen trat 1551/52 dessen Bruder Herrmann, 160 Vgl. BRÜCKNER, Landeskunde II (1853), S. 623; WAGNER/GROBE, Chronik (1867), S. 417; WERNER, Saalfeld (1995), S. 141. 161 Vgl. KAHL, Geldgeschichte (1979), S. 166 f. 162 Vgl. BRÜCKNER, Landeskunde II (1853), S. 630; RICHTER, Reformation (1855), S. 14; WAGNER/GROBE, Chronik (1867), S. 396; WERNER, Saalfeld (1995), S. 141; GOß/ KNÜPFER, Geschichte des Schulwesens II (2004), S. 102; RUMPF, Kirchenmusikpflege (2007), S. 3 u. 34; WERNER, Melanchthon (2010), S. 9. 163 Ob Melanchthons Worte auf eine heute nicht mehr nachweisbare Schulordnung von 1529 verweisen, ist unklar. Die ‚Ordnung einer Schule‘ musste nicht zwangsläufig in schriftlich ausformulierter Form vorliegen. Viel eher bezeichnet die Formulierung schlicht die grundlegenden organisatorischen Strukturen der Schule und des Unterrichts. 164 Vgl. MBW, T 14, Nr. 4024. 165 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 23-26, fol. 304r. 166 Vgl. WAGNER/GROBE, Chronik (1867), S. 396 u. 460; ROTH, Primanerkrieg (1917), S. 30.

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der sein Amt jedoch bereits im selben Jahr wieder an Bastian zurück abtrat.167 Ihm folgte 1552/53 Jakob Scherer, der wiederum drei Jahre später Paul Siber im Schulmeisteramt ablöste.168 Vermutlich in die Amtszeit von Paul Siber fiel die bereits oben dargelegte Neubewidmung des ernestinischen Kirchenwesens von 1555. Der Saalfelder Stadtrat nutzte den vorhergehenden Aufruf der herzoglichen Brüdern, über das örtliche Kirchen- und Schulwesen zu informieren, zu einem erneuten und energischen Appell an die Herzöge. Die Darlegung der aktuellen Besoldungsverhältnisse verdeutlicht, dass die in der Besoldungsordnung von 1536 festgesetzten Gehälter des Baccalaureus und des Kantors herabgesetzt wurden. Der Schulmeister erhalte zwar seinen Sold von 76 fl – was den 1545 versprochenen 80 a ß entsprach – sowie 2 fl 18 gr Holzgeld. Der Baccalaureus musste sich jedoch mit nur 33 fl 7 gr Jahreslohn, Holzgeld in gleicher Höhe wie der Schulmeister sowie 1 fl 19 gr funeralia begnügen, während der Kantorensold bei 38 fl 2 gr lag, ergänzt durch Holz- und Beerdigungsgeld in gleicher Höhe. Sie hätten jedoch, so schrieb der Rat, „druber alle dreie nichts zu gewarttenn“.169 Viel eher stehe der Gemeine Kasten aufgrund der jährlichen Neuverschuldung kurz davor, in „vorderben vn[d] vntergangk“170 zu enden, wenn er nicht durch eine weitere Zulage der Herzöge vor diesem Schicksal bewahrt werden könnte. Die Herzöge nahmen sich schließlich der Sorgen des Saalfelder Gemeinen Kastens an. Der Stadtrat erhielt, als die Verteilung der ermittelten Zulagensumme in Angriff genommen wurde, erneut einen jährlichen Zuschuss von 100 fl und damit die mit Abstand höchste zu ermittelnde Zulage der gesamten Neubewidmung zugewiesen.171 Im darauffolgenden Jahr erhielt die Schule einen weiteren nicht unerheblichen Finanzzuschuss durch die testamentarische Stiftung des Bürgermeisters Jakob Kelz.172 Der langjährige Bürgermeister hatte über Jahrzehnte eine bedeutende gesellschaftliche Rolle in Saalfeld gespielt und zählte zu den reichsten Menschen seiner Zeit. Um 1490 geboren und 1512 erstmals in Saalfeld greifbar, übte er Zeit seines Lebens und auch neben seiner Tätigkeit als Bürgermeister das Rotgerberhandwerk aus und erlangte zudem als Kaufmann erheblichen Reichtum. Be167 Vgl. StA Saalfeld, C II c 4. Rumpf sieht in Herrmann Maysen fälschlicherweise den ersten Vertreter des Baccalaureats, also des dritten Schuldieneramtes, vgl. RUMPF, Kirchenmusikpflege (2007), S. 64. Die Schule verfügte hingegen bereits bei der Visitation von 1529 über drei Schuldiener. 168 Vgl. StA Saalfeld, C II a 19b; ebd., C II a 20; ROTH, Primanerkrieg (1917), S. 30. 169 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2529, fol. 2v. 170 Ebd., fol. 14r. 171 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 92 fol. 79v. 172 Vgl. StA Saalfeld, A 159; SAGITTARIUS, Historien II, S. 257; WAGNER/GROBE, Chronik (1867), S. 459; BRÄUTIGAM, Festschrift (1937), S. 97 f.; TSCHESCH, Reformation (1971), S. 96; WERNER, Saalfeld (1995), S. 146.

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reits 1522 wurde er erstmals zum Bürgermeister ernannt und übte diese Funktion in fast lückenloser Folge bis zu seinem Tod aus. An fast allen Belangen der Stadt und der Saalfelder Reformation hatte er seinen Anteil. 173 In der lokalen Forschung wird Jakob Kelz durchweg als schillernder Saalfelder Kopf dargestellt, doch zeigt ein Brief Philipp Melanchthons vom 15. Juli 1545, dass er nicht bei allen Zeitgenossen gleichermaßen angesehen war. Mit dem bereits oben zitierten Schreiben forderte Melanchthon Hans von Dolzig auf, den Rat zur Erhöhung der Schuldienerbesoldungen zu drängen. Er wisse zwar, so bemühte Melanchthon das inzwischen etablierte Topos, „das der burgermeister Költz die schulen und unß alle verachtet“,174 doch sei er es, wenn schon nicht den Menschen selbst, so doch Gott schuldig, seinen ihm gegebenen obrigkeitlichen Pflichten durch den Erhalt von Kirchen und Schulen nachzukommen. In seinem Testament, das auf den 17. Januar 1555 datiert ist, erließ Kelz schließlich eine umfangreiche Stiftung, die neben der Armenversorgung und dem Gesundheitswesen auch die Schule und, wie an späterer Stelle näher betrachtet werden soll, die Bibliothek betraf und Melanchthons Urteil zumindest relativierte. Er selbst, so ließ er durch einen Notar schreiben, habe nie lesen oder schreiben gelernt, worauf sich vermutlich Melanchthons Urteil begründete. Der Inhalt des Testaments verdeutlicht dennoch die Bedeutung, die er – möglicherweise durch seine eigene Ungelehrtheit bestärkt – dem Schulwesen zuschrieb. Er stiftete dem Gemeinen Kasten die Hauptsumme von 500 fl mit 25 fl jährlichem Zins zur Aufbesserung der Kirchen- und Schuldienergehälter und weitere 200 fl mit 10 fl jährlichem Zins für Stipendien zur Versorgung armer Schüler.175 Kelz starb am 8. Juni 1556 und das Testament trat, wie es anhand späterer Kastenrechnungen ersichtlich ist, in Kraft.176 Es ist anzunehmen, dass die herzogliche Zulage sowie das Testament des Bürgermeisters auf lange Sicht die finanzielle Lage des Gemeinen Kastens unterstützte, doch wirkten beide der Neuverschuldung in unmittelbarer Folge nicht entgegen. Der Rat erließ dem Gemeinen Kasten 1558/59 eine Schuldensumme von 380 fl 14 gr „bis vff desselben wider besserung“.177 Als trotzdem statt der erwarteten Entspannung eine neuerliche Verschärfung der Lage eintrat, sah sich der Stadtrat ein Jahrzehnt später mehrfach genötigt, das Anliegen erneut dem erst kürzlich an die alleinige Regierung gelangten Herzog Johann Wilhelm zu schildern. Am 6. Oktober 1567, nur wenige Tage nach der Schließung der vorhergehenden Kastenrechnung, übersandte der Schosser Asmus Barthel dem Herzog eine Abschrift derselben und überließ es dem „furstlichen vorstand“,178 über die Lösung der 173 174 175 176 177 178

Vgl. WAGNER, Jakob Költz (1858); WERNER, Jacob Kelz (2006). MBW, T 14, Nr. 3951. Vgl. StA Saalfeld, A 159; TRINKS, Stiftungen (1888), S. 71. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2794 (1563). StA Saalfeld, C II a 20. LATh-StA Altenburg, Schönbergische Sammlung, Bd. 23, fol. 144v/145r.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

Notlage des Gemeinen Kastens zu entscheiden. Die Einnahmen aus dem Schulgeld betrugen demnach nur 18 gr, denen durch die finanzielle Absicherung des Kirchen- und Schulwesens die Ausgaben von insgesamt 589 fl 5 gr, ergänzt durch die Lasten für Brenn- oder Bauholz für die Schule in Höhe von 11 fl 17 gr 6 d gegenüberstanden. Die Schulden des Gemeinen Kastens, das heißt die über die Einnahmen hinausgehenden Ausgaben dieses Jahrganges, beliefen sich auf 604 fl 7 gr 11 d.179 Der Entwurf eines Antwortschreibens des Herzogs vom 27. Oktober ist dem Bittgesuch beigefügt. Der Herzog war gewillt, gegen das geschilderte Missverhältnis vorzugehen, beauftragte aber wiederum den Empfänger des Briefes, den Schosser, damit, eine Möglichkeit zu suchen, die Ausgaben den Einnahmen gleich zu setzen, und sie dem Herzog brieflich mitzuteilen.180 Das herzogliche Schreiben ist jedoch, so scheint es, ein Entwurf geblieben, denn genau ein Jahr später, am 9. Oktober 1568, wiederholte der Schosser sein Bittgesuch annähernd wörtlich.181 Wieder übersandte er dem Herzog eine Kastenrechnungsabschrift. Das Schulgeld war zwar auf 4 fl 12 gr gestiegen, doch hatte die Neuverschuldung inzwischen den Spitzenwert von 636 fl 13 gr 8 d erreicht.182 Nur wenige Monate später, am 1. März 1569, wandte sich auch der Superintendent Basilius Unger, der einstige Schulmeister, an Herzog Johann Wilhelm. Sein Brief markiert schließlich den Höhepunkt jener finanziellen Entwicklung, die 1527 mit der Kürzung der Schulmeisterbesoldung ihren Anfang genommen hatte. Unger schilderte die Funktionsweise von Kirche und Schule, legte, jedoch ohne Namen zu nennen, die personelle Lage dar und verdeutlicht gleichzeitig, dass das Modell des Gemeinen Kastens in Saalfeld gescheitert war.183 Dem oben genannten Jakob Scherer war 1560 Ludwig Valerius ins Schulmeisteramt nachgefolgt. Er hatte es für acht Jahre versehen, bevor er 1568 in das Diakonat wechselte und David Aquila, der Sohn des Reformators und einstigen Superintendenten, seinen Schuldienst antrat.184 Bei ihm handelte es sich um den von Unger nicht namentlich genannten Schulmeister. Neben ihm dienten nach wie vor der Baccalaureus und der Kantor, doch sei es „Inn der Schulen dermasen gewendt, das man zu Vorrichtung der Schulen arbaidt gar wohl den Vierdten Schulendiener auch bedürfte“.185 Die Anstellung eines zweiten Baccalaureus werde jedoch von den fehlenden finanziellen Möglichkeiten verhindert, wobei Unger auf die Schulden des Jahre 1567 verwies. Zwar sei der Gemeine 179 180 181 182 183 184

Vgl. ebd., fol. 163r–164v. Vgl. ebd., fol. 146r–v. Vgl. ebd., fol. 148r–149r. Vgl. ebd., fol. 150v–152v. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2839, fol. 1r–5v. Vgl. FB Gotha, Druck 8° 00213, S. 509; WAGNER/GROBE, Chronik (1867), S. 460; ROTH, Primanerkrieg (1917), S. 30. 185 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2839, fol. 2v.

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Kasten dadurch entlastet, dass der Diakon Jacob Siegel in seinem eigenen Haus, dem ehemaligen Deutschordenshaus, wohne, doch könne seinem Nachfolger im Falle seines Todes keine neue Behausung gestellt werden. Den Höhepunkt fand Ungers Brief in der eindringlichen Bitte an den Herzog, in der „hochloblichen vorfaren fußstapffen“186 zu treten und dem Kirchenkasten eine Zulage zukommen zu lassen, die in ausreichender Höhe neue Schulden vermeiden und eine angemessene Besoldung für Kirchen- und Schuldiener ermöglichen werde. Anders als in den vorhergehenden Fällen wird nun die Reaktion des Herzogs auf den Appell des Superintendenten deutlich. Der Entwurf einer Urkunde und eines Schreibens, mit dem der Herzog nochmals eine weitere Zulage ankündigte, sind dem Brief Ungers beigefügt. Die Originalurkunde mit der dem Gemeinen Kasten eine weitere Zulage von jährlich nochmals 100 fl aus der Stiftscollectur zu Gotha zugewiesen wurde, datiert auf den 20. April 1569.187 Ein weiteres aus diesem Zusammenhang stammendes „Vorzeichnus der Kirchen vnd Schulen diener zu Salfeldt Jerlichen besoldung“ 188 befindet sich im Staatsarchiv Altenburg. Es ist undatiert, führt aber einen Magister Ludwig als zweiten Diakon auf. Bei diesem handelte es sich um den genannten Ludwig Valerius, der in allen Rechnungen stets nur unter seinem Vornamen vermerkt wurde. Das Verzeichnis stammt demnach aus den Jahren zwischen 1568, seinem Diakonatsantritt, und 1571, seinem Todesjahr. 189 Es steht zwar in keinem ausdrücklichen Zusammenhang, kann jedoch als Reaktion auf die neuerliche herzogliche Zulage vom April 1569 verstanden werden. Das Gehalt des Schulmeisters ist konstant geblieben, während der Sold des Baccalaureus auf 43 fl 2 gr und der des Kantors auf 47 fl 18 gr angehoben worden ist.190 Zur selben Zeit scheint die Schule zudem durch zwei akademische Magister versorgt worden zu sein. Neben dem Schulmeister M. David Aquila diente der ebenfalls mit dem Magistertitel versehene Leonhard Schröter, den Aquila als „excellens Musicus“191 bezeichnete, als Kantor.192 Im gleichen zeitlichen Umfeld erfolgten schließlich auch die Einstellung eines vierten Schuldieners und die damit einhergehende Entwicklung des einstigen Baccalaureats zum Konrektorat. Die Visitation von 1571 fand die Schule bereits durch vier Schuldiener versehen.

186 187 188 189 190 191 192

Ebd., fol. 5v. Vgl. ebd., fol. 9r–10v, 10v–11r u. 13r–v; StA Saalfeld, A 186. LATh-StA Altenburg, Schönbergische Sammlung, Bd. 23, fol. 86r. Vgl. zu beiden Daten WAGNER/GROBE, Chronik (1867), S. 460. Vgl. LATh-StA Altenburg, Schönbergische Sammlung, Bd. 23, fol. 86r–87r. FB Gotha, Druck 8° 00213, S. 426. Vgl. SAGITTARIUS, Historien II, S. 275.

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4.3.7. Die Auswirkungen der Lehrstreitigkeiten Die Lehrstreitigkeiten führten in Saalfeld erst in den 1570er Jahren zu Auseinandersetzungen um die personelle Struktur des Kirchen- und Schulwesens. Hatten der Altenburger Stadtrat und die dortigen Schuldiener fest hinter dem 1562 abgesetzten flacianischen Superintendenten gestanden, leisteten die Saalfelder Geistlichen die in diesem Jahr geforderte Unterzeichnung der Declaratio Victorini. 193 Erst zu Beginn der 1570er Jahre wurde der Konflikt auch in die Saalfelder Kirche und Schule getragen. Die Visitation von 1569, die nur ein halbes Jahr nach der neuerlichen Bewilligung einer Zulage für das Saalfelder Kirchenund Schulwesen stattfand und die im strengen Sinne flacianisch handelte, hatte Verhandlungen zur Folge, welche die Absetzung der Saalfelder Geistlichen und Schuldiener nach sich zog. Der Superintendent Basilius Unger, der Schulmeister David Aquila, der Kantor Leonhard Schröter sowie die übrigen Schuldiener Georg Valerius und Michael Scherer wurden 1570 ihrer Ämter enthoben.194 Da der Stadtrat deutlich sein Missfallen an diesem Eingriff äußerte, richtete der neue Superintendent Georg Autumnus am 15. Oktober 1571 an diesen ein Beschwerdeschreiben, in dem er in etlichen Punkten seine Meinung zum Verhalten des Rates kundtat.195 Der Stadtrat fügte im Zuge der Auseinandersetzung mit den Anschuldigungen am Rand des Originalschreibens zu den einzelnen Artikeln mitunter recht spöttische Vermerke als Antwort hinzu. Demnach habe der Rat dem Schulmeister David Aquila auch nach der Absetzung weiterhin sein Gehalt bezahlt. Dies sei, so die Antwort des Rates, ehrenhalber wegen guter Führung und in Angedenken an seinen Vater, Caspar Aquila, geschehen. Auf den Vorwurf, dass die weiterhin guten Beziehungen zu Aquila als ein dem Flacianismus widersprechendes Bekenntnis anzusehen seien, kommentierte der Rat, „Man wollte gern da man es könnte Ihnen Luft und Wasser verbieten“.196 Die Zeit des Flacianismus und des erzwungenen Bekenntniswechsels, über den der Rat mit den zitierten Worten sein Unverständnis zum Ausdruck gebracht hatte, waren jedoch für Saalfeld nur ein Zwischenspiel. Nachdem Herzog Johann Wilhelm 1573 gestorben war, wurden durch eine weitere Visitation alle Maßnahmen von 1569/70 rückgängig gemacht. Abermals wurden sämtliche Schuldiener ihrer Ämter enthoben. Dies betraf den Schulmeister Friedrich Roth, Wilhelm Eckstein, der in diesem Zusammenhang erstmals mit der Bezeichnung Konrektor bedacht wurde, den Kantor Johannes Cramer und den Baccalaureus 193 Vgl. HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 156. 194 Vgl. SAGITTARIUS, Historien II, S. 275; WAGNER/GROBE, Chronik (1867), S. 460. 195 Dieses wichtige Schreiben ist heute nicht mehr auffindbar, doch hat Reinhard Richter es auszugsweise abgedruckt. Die folgende Darlegung folgt diesem Abdruck, vgl. RICHTER, Schulkomödie (1864), Anm. 27 auf S. 21 f. 196 Ebd., Anm. 27 auf S. 22.

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Heinrich Keilhau.197 Der 1570 entlassene Kantor M. Leonhard Schröter wurde wie der Superintendent Basilius Unger in sein altes Amt zurückgeführt, während David Aquila nun das Diakonat antrat.198 Der Magister Paul Schmidt verdrängte den 1570 eingesetzten Friedrich Roth aus dem Schulmeisteramt.199 Die übrigen Schuldiener bleiben unbekannt. Den Baccalaureus Heinrich Keilhau erwähnte Sagittarius irrigerweise bereits zum Jahr 1570 als einen fünften abgesetzten Schuldiener. Er sei, obwohl nicht persönlich anwesend, von der Visitation nicht allein abgesetzt, sondern der Stadt verwiesen worden, bat jedoch erfolglos darum, in Saalfeld „bei der Lieberey, die ihm sein seliger Vater gelassen, und seinen Erbgütern“200 bleiben zu dürfen. Da es ihm von den Visitatoren nicht gestattet worden sei, habe er sich am 27. April 1572 an das Jenaer Konsistorium gewandt. Möglicherweise waren seine dortigen Bemühungen von Erfolg belohnt, doch wurde er 1573, vielleicht aufgrund theologischer Zugeständnisse vor dem Konsistorium erneut abgesetzt. Die Darlegung des Sagittarius kann nicht belegt werden. Da die Saalfelder Schule 1570 jedoch noch nicht über einen fünften Schuldiener verfügte, ist es wahrscheinlicher, dass Keilhau erst in diesem Jahr in sein hiesiges Schulamt eingeführt wurde. Seine Absetzung wäre demnach bald nach der Visitation aus anderen als theologischen Gründen erfolgt oder die von Sagittarius geschilderten Bemühungen erst nach der folgenden Visitation, im Jahr 1574 unternommen worden. Dem genannten Schulmeister Paul Schmidt, der bereits im September 1575 ein neu eingerichtetes Diakonat antrat,201 folgte Adam Byssander. Er stammte gebürtig aus Pößneck, hatte 1563 in Jena den Magistertitel erworben und fungierte hier als Professor der Philosophie bis er 1568 aufgrund der Lehrstreitigkeiten abdanken musste. Er hatte in Eisenach bereits das Schulmeisteramt versehen, bevor er nach Saalfeld wechselte und scheint nach seiner hiesigen Episode in sein Eisenacher Amt zurückgekehrt zu sein.202 Als Byssander im folgenden Jahr 1577 zur Unterschrift der neu verfassten Konkordienformel aufgefordert wurde, weigerte er sich, diese zu unterzeichnen. Zwar wurde er vor den Konse197 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Hessesche Collectaneen, 1c Nr. 23, S. 156. 198 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 57, fol. 101r/103r–v; SAGITTARIUS, Historien II, S. 276 f. 199 Vgl. WAGNER/GROBE, Chronik (1867), S. 460. SAGITTARIUS nennt einen Paulus Faber (lat. für Schmied) als Schulmeister zwischen Ludwig Valerius und David Aquila, bei dem es sich vermutlich um den falsch verorteten Paul Schmidt handelt, der erst jetzt sein Amt antritt, vgl. SAGITTARIUS, Historien II, S. 216. 200 SAGITTARIUS, Historien II, S. 275. Vgl. auch WAGNER/GROBE, Chronik (1867), S. 460. 201 Vgl. FB Gotha, Druck 8° 00213, S. 606. Aquila schreibt, Faber „adiectus nobis in ministerio collega“. Darunter ist wohl die Schaffung einer weiteren Diakonatsstelle zu verstehen. 202 Vgl. SAGITTARIUS, Historien II, S. 279 f. 1583 wirkt er wieder an der Eisenacher Schule, vgl. LATh-StA Gotha, Oberkonsistorium, Loc 19, Nr. 6, unfol.

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quenzen einer folgenden Visitation gewarnt, doch hatte diese offensichtlich keine Folgen für ihn.203 Dem Beispiel, das er damit gesetzt hatte, folgte später sein Nachfolger Johannes Groba, der 1582 und 1584 ebenfalls seine Unterschrift verweigerte und seine Weigerung damit begründete, dass er zur Zeit der Abfassung der Konkordienformel noch nicht Schulmeister gewesen sei.204

4.3.8. Die Auseinandersetzung mit dem Superintendenten Philipp Caesar Eine weitere inhaltliche Entwicklung des Schulunterrichts kann für die Jahrzehnte nach 1543 nicht nachvollzogen werden. Der anhand der Lehrplandarlegung dieses Jahres skizzierte Höhepunkt der Saalfelder Schule fand jedoch in den späten 1570er Jahren seinen Rückgang. Unter der Schulleitung Byssanders kam es zur Vernachlässigung der Schule, zu einem Abfall der Disziplin und damit verbunden auch zu einem Absinken der Schülerzahlen.205 In seine Amtszeit fiel zudem die Verlegung der Universität aus Jena nach Saalfeld, die in der Stadt zu Unruhen führte. Weil in Jena die Pest herrschte, suchte und fand man eine Ausweichmöglichkeit in dem ehemaligen Franziskanerklostergebäude in Saalfeld. Der Aufenthalt der Universität währte vom 1. August 1578 bis zum 19. März des folgenden Jahres. Zwischen den Bergleuten und den Studenten kam es in dieser Zeit, so berichtet Sagittarius, in den Straßen der Stadt zu bewaffneten und blutigen Auseinandersetzungen. Die Lateinschule, die aus dem ehemaligen Kloster weichen musste, wurde in ein nahegelgenes kirchliches Haus einquartiert.206 Es ist anzunehmen, dass diese Ausnahmesituation auf die ohnehin unbefriedigende Situation der Schuldisziplin eine nochmals verstärkende Auswirkung hatte. Erst unter Byssanders Nachfolger Johannes Groba wurde die Stagnierung abgewendet und die Disziplin wieder auf ein angemessenes Niveau gebracht. Ein erneuter Anstieg der Frequentierung konnte in diesem Zuge bei der Visitation von 1580 konstatiert werden.207 Im selben Jahr bahnte sich jedoch ein weiterer Konflikt an, der auch die Schule involvierte. Der Superintendent Caspar Aquila war bereits 1560 gestorben.208 Unter seinen Nachfolgern trat im Jahr 1579 der um 1536 in der Nähe von 203 Vgl. SAGITTARIUS, Historien II, S. 281; WAGNER/GROBE, Chronik (1867), S. 460 f. 204 Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung, 4278, fol. 47r–v; ebd., Landesregierung, 4279, fol. 4v. 205 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 62, fol. 141r. 206 Vgl. SAGITTARIUS, Historien II, S. 281–285; WAGNER, Universität (1857), S. 311–320; WAGNER/GROBE, Chronik (1867), S. 425–428; BRÄUTIGAM, Festschrift (1937), S. 12; WERNER, Saalfeld (1995), S. 157. 207 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 62, fol.141r. 208 Vgl. AVENARIUS, Lebens-Beschreibung (1718), S. 14; BIUNDO, Aquila (1963), S. 70 f.

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Nördlingen geborene Philipp Caesar sein Amt an, der sich nach seiner eigenen Aussage fleißig dem Schulwesen zu widmen gedachte.209 Bei ihm handelte es sich zweifellos um einen hochgelehrten und schriftstellerisch tätigen Abkömmling einer regelrechten Theologenfamilie, der von den Großen seiner Zeit geschätzt wurde.210 Es ist bezeichnend, um nur ein Beispiel zu nennen, dass er unter den Saalfelder Pfarrern der erste und vorerst letzte war, der sich der Führung von Taufregistern annahm.211 Dennoch erfuhr er während seiner Saalfelder Amtszeit durch die Bevölkerung und die Schuldiener starke Ablehnung.212 In den Visitationen, die während der 1580er Jahre in rascher Folge durchgeführt und deren Unterlagen in umfangreichem Maße überliefert wurden, zeichnete sich dies an zahlreichen Stellen deutlich ab und zeigt, dass gerade die übermäßige Überwachung des Schulwesens auf wenig Gegenliebe stieß. 1580 sprach Caesar sich noch lobend über die Situation der Schule aus. Nicht allein war die Disziplin wieder im Ansteigen begriffen, auch seien die Schulämter durch gelehrte und im evangelischen Glauben gefestigte Personen besetzt. Der Superintendent visitierte nach seiner eigenen Aussage die Schule regelmäßig und nahm, wie es auch in der Kursächsischen Kirchenordnung desselben Jahres festgeschrieben wurde, an den Prüfungen teil, zu deren Anlass er katechetische Predigten hielt.213 Sein Urteil des Jahres 1582 klingt bereits weniger erfreulich. Die Schule verfüge noch immer über geeignete Schuldiener, doch sei sie „geringe“. Der Schülerchor wäre nicht mehr groß genug zur ausreichenden Mitwirkung im Gottesdienst, weil „die Eltern […] Ihre Kinder nicht darzu [… hielten, sondern] sie zu bald Jungkern werden“214 ließen. Anders als zwei Jahre zuvor kommt jedoch durch die Überlieferung dieser Visitation nun auch eine andere Meinung, die der Bürger und der Schuldiener selbst, zu Wort. Dabei wird auf den Superintendenten und seine Amtsführung ein gänzliches anderes Licht geworfen. Nicht allein wurde dem Superintendenten im Hinblick auf den Schulbesuch widersprochen. Die Schule, 209 Vgl. SAGITTARIUS, Historien II, S. 286 f. u. 292–294; KAYSER, Philipp Kayser (1912), S. 7; HOPF, Superintendenten (1926), Sp. 1 f. 210 Vgl. KAYSER, Philipp Kayser (1912), S. 4 f. 211 Vgl. KA Saalfeld, Kirchenbuch Nr. 1. 212 Die kleine Biographie aus der Feder Adolf Kaysers, nach eigenen Worten selbst ein Nachfahre der Familie, skizziert, scheinbar ohne Kenntnis der im Folgenden darzulegenden Quellen, ein positives Bild Caesars. Eine Auseinandersetzung mit der Bevölkerung in Göttingen erwähnt Kayser zwar, schreibt sie jedoch in Anlehnung an ältere Forschungen einer rein theologischen Meinungsverschiedenheit über die Willensfreiheit zu, an der die Person Caesars keinen Anteil gehabt habe, vgl. KAYSER, Philipp Kayser (1912), S. 10, über die eigene Abkommenschaft S. 16. 213 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 62 fol. 141r. 214 Für beide Zitate LATh-StA Altenburg, Landesregierung, 4278, fol. 44v. Die genauen Worte des zweiten Zitats lauten: „die Eltern halten Ihre Kinder nicht darzu, lassen sie zu bald Jungkern werden“.

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so der Stadtrat, leide an Schülern keinen Mangel und werde von verständigen Personen versehen.215 Doch über diese Stellungnahme hinaus wurde nacheinander von den Diakonen, den Schuldienern, dem Rat und dem Bergvoigt den Visitatoren ihre Sicht der Dinge geschildert, die sich inhaltlich in den maßgeblichen Punkten glichen. Am ausführlichsten und auch am deutlichsten ist dabei die schriftliche Einreichung des Bergvoigts, weshalb sie hier als repräsentativ angesehen werden kann. Sie trägt bereits den aussagekräftigen Titel „Menngell unnsers Pfarrherrns M. P. C. [Magister Philipp Caesar] zu wieder der Algemeinen Kirchen reformation“.216 Grundsätzlich wurden dem Superintendenten darin in 14 Artikeln Unverstand, die Nichteinhaltung reformatorischer Richtlinien sowie eine fehlende Eignung, Egoismus, Selbstverliebtheit und Konfrontationslust vorgeworfen. Die von ihm gehaltenen Predigten, so der erste Beschwerdepunkt, dauerten nicht, wie vorgeschrieben, nur eine, sondern zwei Stunden, wodurch insbesondere die Schüler von ihren Studien abgehalten werden. Er halte sich dabei wie auch bei allen anderen kirchlichen Dingen zudem nicht an die vorgeschriebene evangelische Liturgie. Ergänzt wurden diese Vorwürfe von den Diakonen, die der überlangen Dauer der Predigten die viel zu leise und undeutliche Stimme des Pfarrers hinzufügten. Den „knaben vff der Porkirchen“217 seien die Predigten gänzlich unverständlich.218 All die angeführten Punkt des Bergvoigts und der Diakone fanden, wenn auch verhaltener, ihre Bestätigung durch den Rat.219 Die Klage über die Behinderung der Schüler in ihrer Lehre durch die überlangen Predigten wurde wiederholt, gefolgt von der Beschwerde, dass der Kirchner durch den Superintendenten von seinen Amtspflichten abgehalten werde, weil dieser ihn „in aufrichtung seiner Privat geschefte“220 heranziehe. Ein Hauptanliegen, das von allen Befragten angeführt wurde, betraf die Neueinführung einer katechetischen Lehrmethode. Wie oben geschildert, hatte Aquila bereits im Jahr 1527 mit der Abfassung eines Katechismus begonnen, den er Zeit seines Lebens unter der aktiven Mitwirkung der Schüler praktiziert hatte.221 Wie nun aus den Worten der Befragten deutlich wird, wurde dieser Katechismus offensichtlich auch nach dem Tod Aquilas beibehalten, sodass die Kinder darin eine besondere Festigkeit erlangt haben dürften. Unter dem Superintendent David Bramer, dem Vorgänger Caesars, kam es in der zweiten Hälfte der 1570er Jahre jedoch zu dessen Vernachlässigung. Wie erwähnt legte dieser die 215 216 217 218

Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung, 4278, fol. 44v. Ebd., fol. 63r. Ebd., fol. 47r. Das Urteil Valentin Hopfs, Caesar sei ein „gewandter Redner“ gewesen, ist demnach deutlich zu revidieren, vgl. HOPF, Superintendenten (1926), Sp. 2. 219 Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung, 4278, fol. 67r–69v. 220 Ebd., fol. 68v. 221 Vgl. BIUNDO, Aquila (1963), S. 39/144.

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Verantwortung für den Katechismusunterricht in die Hände des Schulmeisters. Philipp Caesar habe diesen Missstand bei seinem Amtsantritt zwar behoben, gleichzeitig aber einen neuen Katechismus eingeführt. Auf diesen halte er selbst große Stücke, doch sei er den Kindern wie den Erwachsenen völlig unverständlich und Erstere würden dadurch, nach den Worten des Bergvoigts, in ihrer Glaubenslehre „wirr gemacht“. 222 Nichtsdestotrotz bestehe der Superintendent darauf, wie er sich zwei Jahre zuvor selbst gerühmt hatte, die Schüler bei seinen Schulbesuchen damit zu traktieren. Den zahlreichen Klagen über den Superintendenten ist nicht entgegengekommen worden – in der Visitation von 1584 erschienen die Situation und der Konflikt nochmals verschärft. Die Disziplin der Schule zeigte sich nun endgültig wieder auf einem die Visitatoren zufriedenstellenden Niveau, auch konnte über die Schuldiener nicht geklagt werden, der Superintendent halte weiterhin seine gewohnten Schulvisitationen mit Schulpredigten, „es kehme aber niemand drein“.223 Das Missfallen der Menschen über die neue Katechismusmethode des Pfarrers äußerte sich darin, dass sie ihre Kinder schlichtweg von den Katechismuspredigten fernhielten. Sämtliche Klagen über Caesars Amtsführung wurden mit gesteigerter Bitterkeit wiederholt. Nach wie vor wurden die Schüler durch lange Predigten, die zudem unverständlich leise waren, von ihrer Lehre abgehalten.224 Die Verbindung der Unverständlichkeit der Worte wie des Gesagten wird vollends in dem neuerlichen Schreiben des Bergvoigts deutlich. Er schrieb, „das man den pfarhernn in seinen predigtten gar vbel hören vnnd viel weniger verstehen kann, bringt auch vntter weylen so Seltzame Materia herfür, dorauß ein armer ley Wen ers schön horrt Wenig lernen oder sich beßern kan“.225 Aus diesem Grund würden die Menschen während der Predigten und Gottesdienste lieber spazieren gehen oder den Gottesdienst im nächstgelegenen Dorf Graba besuchen.226 Den Höhepunkt fand die Auseinandersetzung in zwei weiteren, an das Konsistorium gerichteten Beschwerdeschriften der Diakone vom 4. Juli und vom 20. August desselben Jahres.227 In drastischen Worten wurde der Superintendent beschrieben, Hochmut, die Missachtung der übrigen Kirchendiener und ihrer Leistungen, die Nichteinhaltung und Neueinführung der Gottesdienstordnungen wurden angeprangert. Oftmals habe man sich bei den Visitatoren und dem Konsistorium beschwert und um Abhilfe gebeten, doch nichts erreicht, sodass die ganze Stadt nun seit fünf Jahren unter dem Superintendent leiden und die Kirchen- und Schuldiener unter dessen Behinderungen, Anfeindungen, den 222 223 224 225 226 227

LATh-StA Altenburg, Landesregierung, 4278, fol. 63v. LATh-StA Altenburg, Landesregierung, 4279, fol. 2v. Vgl. ebd., fol. 4r. Ebd., fol. 49r. Vgl. ebd., fol. 4r/13r. Vgl. ebd., fol. 30r–44r/45r–48r.

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Lästereien, unter Faustschlägen und Fußtritten ihr Amt verrichten müssten. „Den 11. Augusti hat er mit vngestumme[n] vnd zornig[en] worrten vnd geberd[en] sich vernemen lassen, das sodomitische salveld hette es an Ime verdienet, das Es Gott des vorigen tages so grewlich[en] vnd schedlichen hagel vber diesen Ortt hatte fallen lassen“.228 Beide Briefe enden mit der eindringlichen Bitte, dem Übel endlich Einhalt zu gebieten, ansonsten wolle man sich an die kurfürstliche Instanz wenden. Eine einzelne Notiz aus Caesars Feder im Kirchenbuch bestätigt die Gespaltenheit der Geistlichen untereinander aus seiner Perspektive. Als der Diakon David Aquila am 22. April 1585 seinen Sohn taufen ließ, „hat [er] mich wie auch Zuvor nicht vmb die Tauff begruest“.229 Ein Lösungsvorschlag war durch eine Gruppe von zehn Abgeordneten der Gemeinde in schriftlicher Form bereits am 27. Juni 1584 eingereicht worden. Man solle den Superintendent nach Kahla oder Eisenberg versetzten, wo gerade beide Pfarrstellen, die zudem über bessere Besoldung verfügten, frei geworden waren.230 Auch dieser Bitte wurde nicht entsprochen. Letztlich entzog selbst der Stadtrat dem Superintendenten seine Unterstützung und Billigung. Den Visitatoren von 1585 gegenüber klagte der Superintendent über die Missachtung seiner Arbeit. In anderen Städten sei es üblich, den Pfarrer für die Visitation der Schulen durch ein Trankgeld zu entlohnen, doch bleibe diese Geste ihm gegenüber aus.231 Philipp Caesar starb im selben Jahr. Johann Fladung trat als Pfarrer und Superintendent seine Nachfolge an und „wirkte überall in Segen“.232 Die Teilnahme an den Katechismuspredigten und der Kinderlehre zeigte sich 1586 wieder ansteigend. Etwa 30 bis 50 Personen nahmen daran teil, was in den Augen der Visitatoren jedoch noch steigerungsfähig war.233

4.3.9. Die Visitationen der 1580er Jahre Neben den dargelegten Auseinandersetzungen wurde durch die Visitationen der 1580er Jahre jedoch auch vermehrtes Augenmerk auf die Situation der Saalfelder Schule gelegt. Sie befand sich in einem erneuten Aufschwung und war mit Schuldienern versehen, die allzeit gelobt, deren gelehrte Bildung betont und denen ein positiver und vorbildlicher Lebenswandel nachgewiesen wurde. Um 228 Ebd., fol. 45v–46r. 229 KA Saalfeld, Kirchenbuch Nr. 1, S. 215. 230 Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung, 4279, fol. 51r–52v. Bereits 1583 hatte Caesar sich selbst um die Pfarrstelle in Lucka beworben, wurde dort jedoch abgelehnt, vgl. KAYSER, Philipp Kayser (1912), S. 13. 231 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 66, fol. 167v. 232 HOPF, Superintendenten (1926), Sp. 2. 233 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 67, fol. 122v.

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1570 war die Schule um einen zweiten Baccalaureus bereichert worden, sodass sie nun über vier Schuldiener verfügte. Diese hatten bei der Visitation von 1582 ein gemeinsames Schriftstück eingereicht, in dem sie über ihre Zusammensetzung und ihre jeweilige Herkunft berichteten und das, durch weitere Zeugnisse ergänzt, einen ausführlichen Blick in die Besetzungssituation der Schule ermöglicht. Das Schulmeisteramt wurde, wie bereits erwähnt, von Johannes Groba versehen. Er war zu dieser Zeit 31 Jahre alt und hatte an etlichen Schulen gelernt, darunter Tannroda, Orlamünde, Eisleben und Landsberg. Durch ein Stipendium des Herzogs Johann Wilhelm gefördert, hatte er vier Jahre in Jena studierte und danach als Privatlehrer zwei adlige Jungen bei Erhard von Lichtenstein in Franken unterrichtet. Von dort war er schließlich nach Saalfeld gekommen. 234 Er versah das Schulamt bis 1588 und starb am 21. Juli 1591 als Pfarrer des nahegelegenen Fischersdorf an der Wassersucht.235 Sein sogenannter „Scholae Collega“,236 der Konrektor Caspar Müller, stammte gebürtig aus eben jenem Fischersdorf. Seit 1563 hatte er insgesamt sieben Jahre die Saalfelder und ein Jahr die Hallenser Schule besucht und darauf drei Jahre in Jena studiert. Von dort wurde er, wahrscheinlich als Nachfolger des 1573 abgesetzten Wilhelm Eckstein, nach Saalfeld berufen. 1582 war er gerade 28 Jahre alt.237 Müller versah sein Schulamt 27 Jahre und somit für Saalfelder Verhältnisse überdurchschnittlich lange. 1595 heiratete er in zweiter Ehe die Tochter des Superintendenten David Aquila,238 der ihn zu diesem Anlass in seinem Calendarium als Schuldiener auswies und als vir doctus et honestus bezeichnete. 239 Im November 1600 trat Müller das Pfarramt in seinem Heimatdorf und dem benachbarten Breternitz an.240 Weitere Male erwähnte Aquila ihn unter anderem, noch als Schuldiener, bei der Geburt eines ersten Sohnes im Jahre 1597 und schließlich 1606, hier bereits als Pfarrer, anlässlich der Geburt seiner Zwillinge.241 Weitere Kinder sollten diesen folgen und von Aquila in seinem Calendarium durch freudige Einträge gefeiert werden. Der Baccalaureus von 1582 war Johannes Wolfram, zu diesem Zeitpunkt 34 Jahre alt. Er war ebenfalls ein Saalfelder Stadtkind, war hier auch in die Schule 234 235 236 237 238

Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung, 4278, fol. 81r–v. Vgl. FB Gotha, Druck 8° 00213, S. 410 u. 450. LATh-StA Altenburg, Landesregierung, 4278, fol. 81v. Vgl. ebd., fol. 81v–82r. Eine erste Ehe ist anhand der Stadtrechnungen für 1584 nachweisbar, vgl. StA Saalfeld, C II a 40. 239 Vgl. FB Gotha, Druck 8° 00213, S. 78. Bereits die Verlobung seiner Tochter mit dem Schuldiener wurde von Aquila zum 24. November 1594 in seinem Kalender vermerkt, vgl. ebd., S. 734. 240 Vgl. ebd., S. 714. 241 Vgl. ebd., S. 107 u. 230.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

gegangen, bevor er 1573 in Jena das Studium begonnen hatte. Schon nach zwei Jahren war er Privatlehrer geworden und kam schließlich als Schuldiener zurück nach Saalfeld.242 Bereits zum Jahr 1585 verzeichnete David Aquila jedoch den Tod Wolframs in seinem Calendarium.243 Letztlich wurde das Kantorat durch Caspar Bergmann besetzt. Nach seinem Schulbesuch in Saalfeld und Magdeburg, von wo er aufgrund der Pestgefahr fliehen musste, hatte er ein Stipendium seiner Vaterstadt für ein Studium in Jena erhalten. Er studierte sechs Jahre bevor er in Saalfeld Kantor wurde und war 1582 ebenfalls 34 Jahre alt. 244 Bergmann starb in seinem Amt am 21. September 1600.245 Die Schule stand um 1580 beim Stadtrat in hohem Ansehen. Ein Ratsherr stiftete in diesem Jahr einen Zins von 10 fl für den Ankauf von Schulbüchern.246 Unter den Angaben der Visitatoren dieses Jahres sind zudem erstmals 20 Armenschüler zu fassen, die an der Schule unterrichtet wurden. Darunter wurde besonders ein Johannes Miletus hervorgehoben, auf den man große Hoffnungen setzte – es „kont ein fein man aus Ihm erzog werden“. 247 1584 nahmen, erstmals nachweisbar, 18 Schüler an dem Kurrendesingen teil, erhielten jedoch nur wenig. Ob die Kurrendeschüler sich – wie zeitgleich in Altenburg – nur aus den Reihen der obersten Klasse zusammensetzten, kann nur vermutet werden. Die Mildtätigkeit der Menschen, so beklagte der Superintendent, sei soweit zurückgegangen, dass auch die Schulspeisung für arme Schüler, die dadurch zum ersten und zum einzigen Mal nachgewiesen werden kann, kaum mehr ermöglicht werden könne.248 In der Verteidigung des Rats zu diesem Vorwurf heißt es, der Rat habe die Spendenbereitschaft der Bürger nicht in der Hand und könne somit auch nichts daran ändern. Man wolle aber gemeinsam mit dem Pfarrer an die Menschen appellieren. Im Hinblick auf die Schulspeisungen könne dem Rat jedoch kein Vorwurf gemacht werden, da die Gelder zur Speisung der armen Schüler regelmäßig zum festgesetzten Termin ausgeteilt wurden.249 Dem Vorwurf des Superintendenten setzte der Rat die Gegenklage entgegen, dass Caesar ohne die vorherige Absprache und ohne das Wissen des Rates arme auswärtige Schüler in die

242 243 244 245 246 247

Vgl. LATh-HStA Altenburg, Landesregierung, 4278, fol. 82v. Vgl. FB Gotha, Druck 8° 00213, S. 800. Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung, 4278, fol. 82r. Vgl. FB Gotha, Druck 8° 00213, S. 589. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 62, fol. 141r–v. Ebd., fol. 141r. Trotz des Optimismus findet sich Miletus nicht in den Matrikeln der vier mitteldeutschen Universitäten. 248 Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung, 4279, fol. 4v. 249 Vgl. ebd., fol. 28v–29r.

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Saalfelder Schule schicke. Dadurch könnten diese zwar gefördert, die einheimischen müssten jedoch vernachlässigt werden.250 Als nach wie vor konstant erwiesen sich jedoch – auch nach der finanziellen Zulage des Herzogs von 1569 – die finanziellen Schwierigkeiten des Gemeinen Kastens. Obwohl nach den 1560er Jahren keine Klagen mehr laut geworden waren, blieb der Kasten ein Fass ohne Boden. Um 1570, vermutlich bald nach dem finanziellen Zuschuss, war, wie bereits erwähnt, ein zweiter Baccalaureus eingestellt worden. Die Visitation von 1571 fand bereits vier Schuldiener vor. Da durch dessen Einstellung jedoch die höhere Finanzgrundlage sogleich durch die gesteigerten Anforderungen ausgeglichen wurde, kam es schließlich zur Wiederholung der Klagen über unzureichende Besoldung und die schlechte Tragfähigkeit des Gemeinen Kastens. Schon 1580 wurde den Visitatoren gegenüber erstmals der Wunsch geäußert und in den folgenden Jahren mehrfach wiederholt, einen dritten Baccalaureus einzustellen, doch reiche die Finanzgrundlage wie zuvor für den zweiten auch diesmal nicht aus. Ein Zuschuss aus den Kirchengütern sei noch immer „hoch von Noten“.251 Erneute Beschwerden über die ungenügende Besoldung der Kirchen- und Schuldiener wurden 1582 laut.252 Die enormen Schulden der 1560er Jahre wurden zwar nicht wieder erreicht, doch überschritten die Ausgaben die Einnahmen noch immer um über 500 fl. Die Angabe wurde erneut mit einer Bitte um eine Zulage verbunden, da der Rat der Situation anders nicht abzuhelfen wusste.253 Einen neuerlichen Bezug zu den Schulden der 1560er Jahre und zu der Zulage des Herzogs nahmen die Diakone im Jahr 1585. Der Herzog habe zwar 1567 (richtig ist 1569) dem Gemeinen Kasten eine „ansehnliche haubtsum geldes“254 als Zulage gewährt, doch sei der Kasten auch fast 20 Jahre später aufgrund „allerhand schwerer ausgabe vnd hinderniss“255 noch nicht in der Lage gewesen, diese Zulage auf die Gehälter der Kirchen- und Schuldiener umzulegen. Ein hinzugefügter Vermerk am Rand des Schriftstücks besagt, dass man dem Gemeinen Kasten gerne aus seiner Notlage helfen wolle, wenn man nur wüsste, mit welchen Mitteln dies geschehen könne.256 Die notwendigen Mittel sind bis zum Ende des 16. Jahrhunderts nicht gefunden worden. Viel eher wurden die Möglichkeiten des Ge250 Vgl. ebd., fol. 55r. 251 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 62, fol. 141r. 252 Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung, 4278, fol. 43v–44r. Auch zwei Briefe Philipp Caesars aus den Jahren 1582 und 83 sind erhalten, in denen er den Rat an die Auszahlung seines Trankgeldes, die der Gemeine Kasten nicht leisten kann, erinnert, abgedruckt bei KAYSER, Philipp Kayser (1912), S. 18 f. 253 Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung, 4278, fol. 69v. 254 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 66, fol. 161v. 255 Ebd., fol. 162r. 256 Vgl. ebd., fol. 161v.

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meinen Kastens noch weiter beschnitten, indem die jährlichen Zulagen aus Gotha und Ichtershausen im Jahr 1582 eingestellt wurden.257 Das Problem der Besoldung wurde 1584 durch den Superintendenten Philipp Caesar um den schlechten baulichen Zustand der Wohnungen und Schulgebäude, für die der Gemeine Kasten ursprünglich ebenfalls zu sorgen hatte, ergänzt. Die Wohnsituation der Schuldiener hatte sich gewandelt. Sie lebten, bis auf den Schulmeister, nicht mehr in den ehemaligen Klostergebäuden, wie es 1534 ursprünglich eingerichtet worden war, sondern hatten eigene Häuser in der Stadt bezogen. Daher waren sie verpflichtet, diese selbst in Schuss zu halten, während die Schule durch den Gemeinen Kasten versorgt wurde. 1584 wurde die Klage laut, dass deren Dach und besonders jenes der Wohnung des Rektors stark beschädigt sei.258 Dieselbe Klage wurde 1585 wiederholt.259 Da der Kasten aber völlig mittellos sei, könne die Baufälligkeit der Häuser nicht behoben werden.260 Das Schulhaus befand sich beim Jahrhundertwechsel in einem ruinösen Zustand. Die Münzstätte, die 1551 mit in die ehemaligen Klostergebäude eingezogen war, wurde 1592 vergrößert. Die Verwüstung der Gebäude und damit auch der Schule, die 1551 bereits ihren Anfang genommen hatte, wurde nun zusehends ausgeweitet.261 Sagittarius, der neben seinen Saalfeldischen Historien auch eine Beschreibung der Schulgebäude seiner Zeit verfasst hat, um beim Konsistorium um Abhilfe zu bitten,262 schilderte die Zerstörungen. Der Kreuzgang sei verbaut, von einem großen Schmelzofen besetzt und die Sakristei gleichfalls durch einen Ofen verschandelt worden. Inmitten der Kirche wurde eine Dreschtenne errichtet und die Bibliothek habe unter einer Feueresse zu leiden, die durch sie hindurchführte. Die Bodenbretter, mit denen die Kirche ausgelegt war, wurden nach und nach herausgerissen und verbrannt, ebenso Teile des Gestühls. In der Kirche wurde zu deren Schaden gesotten und gebraten.263 Doch nicht allein der bauliche Zustand hatte zu leiden, auch kam es schließlich zu Reibungen mit der Schule. Der Lärm der Münzhämmer störte den Unterricht, die Münzlehrlinge erschreckten die Schüler „mit ihren Habit und Kappen“264 und diese wurden, wenn in der Münze Schaden entstanden war, beschuldigt, darin eingebrochen zu sein, randaliert oder gestohlen zu haben. Auf diese Weise wurde die Saalfelder Lateinschule, die sich inhaltlich und organisatorisch auf einem nennenswerten Niveau

257 258 259 260 261 262 263 264

Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung, 4278, fol. 70v. Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung, 4279, fol. 4v. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 66, fol. 164r. Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung, 4279, fol. 60r–62v/65v. Vgl. SAGITTARIUS, Historien II, S. 299 f.; DERS., Schulgebäude, S. 18 f. Vgl. SAGITTARIUS, Schulgebäude, (Vorwort von O. Fischer), S. 3. Vgl. SAGITTARIUS, Schulgebäude, S. 19 f. SAGITTARIUS, Historien II, S. 300.

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befand, unter Zerstörungen und Verwüstungen in das 17. Jahrhundert hinübergeführt. Die Saalfelder Schulmeister des 16. Jahrhunderts 1527–37 Mag. Jacob Siegel 1537 Mag. Martinus Werner Vakanzzeit: 1537–38 Bacc. Johann Gerhardt 1538–39 Mag. Christoph Enclius 1539–41 Mag. Sebastian Werner 1541–42 Mag. Stephan Reich 1542–45 Mag. Sebastian Werner 1545–49 Mag. Basilius Unger 1549–54 Mag. Christoph Hoffmann 1554–55 Mag. Paul Amandus 1555–56 Mag. Wolfgang Hopfner 1556–57 Mag. Paul Siber 1557–59 Mag. Jacob Scherer 1560–68 Mag. Ludwig Valerius 1568–71 Mag. David Aquila 1571–73 Mag. Friedrich Roth 1573–75 Mag. Paul Schmidt 1576–80 Mag. Adam Byssander 1580–88 Mag. Johannes Groba 1589–92 Mag. Erhard Wendler 1592–1613 Mag. Johannes Rüdiger

4.4. Das Saalfelder Matrikelbuch 4.4.1. Schulherren und Lehrpläne Ein für den thüringischen Untersuchungsraum einzigartiges Quellenzeugnis, das über mehrere Jahrhunderte fortlaufend über die schulische Entwicklung in Saalfeld informiert, nahm 1585 seinen Anfang. In jenem Jahr wurde durch Johannes Groba, der das Schulmeisteramt bis 1588 versah,265 ein Schulmatrikelbuch angelegt, das im Saalfelder Stadtarchiv überliefert ist.266 Dieses umfang265 Das Jahr seines Abtritts ist anhand der Stadtrechnungen ersichtlich. Die bisherige Angabe des Jahres 1584 ist demnach falsch, vgl. WAGNER/GROBE, Chronik (1867), S. 461. 266 Vgl. StA Saalfeld, C III 128; GLAESER, Handschrift (1939).

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reiche Matrikelbuch gewährt weit über das Ende des Untersuchungszeitraumes hinaus ausführliche und detaillierte Einblicke in die Schulgeschichte der Stadt. Der genaue Titel des Buches lautet „Schul Buch / auff die Lateinische, und Deutsche schul gerichtet / Anno Domini 1585. / In der stat Salueld“, 267 doch auch wenn die deutsche Schule im Titel angesprochen wird, fand sie im Buch selbst keine Aufnahme. Aus zwei Notizen auf der Innenseite des vorderen Buchdeckels werden die Anlegung des Buches im Jahr 1585 und die Neuordnung durch den Rektor Kloß im Jahr 1687 ersichtlich. Als Folge der Neuordnung ist der erste Bestandteil des Buches ein Schulrezess des 17. Jahrhunderts, bevor der eigentliche Inhalt, der ins 16. Jahrhundert zurückreicht, beginnt. Überraschender Weise sind die ersten 30 Seiten dieses Abschnitts – was in der Forschung bislang nicht thematisiert wurde, im Folgenden aber erklärt werden soll – nahezu leer. Lediglich auf zwei Seiten finden sich sehr spärliche Hinweise auf das Amt der Schulherren, dessen Ursprünge 1543 in der Person des schulischen ‚Superattendenten‘ in Erscheinung getreten waren. Unter der Überschrift „Von Schulhern, vnd ihrm ampt“268 erscheinen einzig die Namen der drei zum Jahr 1585 verordneten Amtsinhaber: Samuel Troller, Johann Hoffmann und Michael Maltzkasten. Bei Letzterem handelt es sich, wie gleichzeitig vermerkt wurde, um den Saalfelder Stadtschreiber. Sechs leere Seiten weiter befindet sich die Überschrift „Von der Schulherren Ampt“,269 doch fehlt hier jeder weitere Eintrag. Erst 14 Seiten später, die nur durch die Überschrift „Prima Classis“270 unterbrochen werden, beginnt das eigentliche Matrikelbuch mit der Darstellung der Prima.271 Da Karl Glaeser, der erste Bearbeiter des Matrikelbuches, den Begriff des Schulherrn aufgrund der Spärlichkeit der Hinweise nicht einzuordnen wusste, hielt er die darunter verzeichneten Männer für Lehrer und ließ sich darin auch durch den Hinweis auf das Amt des Stadtschreibers nicht beirren.272 Die eigentliche Erklärung steht jedoch erneut mit der Amtszeit des Superintendenten Philipp Caesar in Verbindung. Als dieser sich am 4. Juli 1584 in einer Gegenklage gegen die Beschwerden der Bürgerschaft wandte, führte er neben der Kritik über die fehlende Anerkennung seiner Katechismuspredigten und den schlechten baulichen Zustand seiner Wohnung auch die Vernachlässigung des Schulherrenamtes an. Es sei einst auch in Saalfeld praktiziert und ist in der Kursächsischen Kirchenordnung festgeschrieben worden. Es müsse demnach erneut eingerichtet werden. Am Rand der Handschrift findet sich der nachträgliche Vermerk des 267 268 269 270 271 272

StA Saalfeld, C III 128, S. 17. Vgl. auch GLAESER, Handschrift (1939), S. 3 f. StA Saalfeld, C III 128, S. 27. Vgl. auch GLAESER, Handschrift (1939), S. 4. StA Saalfeld, C III 128, S. 33. Vgl. ebd., S. 45. Vgl. ebd., S. 47. Vgl. GLAESER, Handschrift (1939), S. 4.

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Stadtrates oder der Visitatoren „fiat“.273 Der Forderung des Superintendenten sollte entsprochen werden. Man richtete unter der kritischen Aufmerksamkeit Caesars das Amt neu ein und verordnete für das folgende Jahr die genannten Männer zur Aufsicht über die Schule. Als 1585 das Matrikelbuch angelegt wurde, richtete man folgsam ausreichend Seiten ein, um die Namen und die Amtsgeschäfte der Schulherren zu verzeichnen. Philipp Caesar starb jedoch im selben Jahr und die leer gebliebenen Seiten legen deutlich Zeugnis davon ab, dass durch den nun fehlenden Druck des Superintendenten das Schulherrenamt beim Stadtrat schnell wieder in Vergessenheit geriet. Nach dem im Matrikelbuch verzeichneten ersten Gremium wurde offenbar kein weiteres gewählt. In den folgenden Abschnitten des umfangreichen Buches wurden von den jeweiligen Schuldienern hingegen mehr oder weniger sorgfältig die Geschäfte der einzelnen Klassen verzeichnet. Schülerkataloge wurden angelegt, Protokolle über die Schulprüfungen verzeichnet und Lehrpläne in verschiedener Form dargelegt. Der Wechsel des Schulmeisters ist an manchen Stellen gut nachzuvollziehen, so beispielweise im Jahr 1592 mit dem Amtsantritt von Johannes Rüdiger, der den Nachfolger Grobas, Erhard Wendler, ablöste. 274 Sein Rektorat bildete mit 21 Amtsjahren das mit Abstand längste des 16. und führte die Schule ins 17. Jahrhundert. Selbst, als er 1601 eine Berufung aus Weimar erhielt, wusste der Saalfelder Stadtrat ihn trotz „der geringen besoldung alhier“275 durch die Erinnerung an sein einst empfangenes städtisches Stipendium in seinem Amt zu halten. David Aquila verzeichnete seinen Tod am 9. April 1613 in seinem Calendarium. 276 Anhand der von Rüdiger hinterlassenen Zeugnisse seiner Amtsgeschäfte – nicht nur denen im Matrikelbuch – ist eine gesteigerte Sorgfalt erkennbar, die auf eine große Motivation schließen lässt. Die Eintragungen des Matrikelbuches wurden regelmäßiger und die Angaben durch die Erwähnung aufgeführter Dramen sowie die Benennung der Schüler, die an den Gregoriustagen den Schulbischof spielen durften, ergänzt. Es ist dies der einzige erhaltene Hinweis auf die Begehung des Gregoriusfestes in Saalfeld im vorliegenden Untersuchungszeitraum.277 Eine große Bedeutung kann den Lehrplänen beigemessen werden, die für die einzelnen Klassen durch die jeweiligen Lehrer in dem Matrikelbuch verzeichnet wurden. Es handelt sich zum einen um methodische Darlegungen der Unterrichtsinhalte278 und zum anderen um die nach Tagen und Stunden geordnete 273 LATh-StA Altenburg, Landesregierung, 4279, fol. 64r. 274 Vgl. StA Saalfeld, C III 128, S. 77; SAGITTARIUS, Historien II, S. 299; WAGNER/GROBE, Chronik (1867), S. 463; ROTH, Primanerkrieg (1917), S. 31. 275 StA Weimar, HA, I-27-53, unfol. Am 17. Juli 1601 schlug er die Berufung brieflich ab.  276 Vgl. FB Gotha, Druck 8° 00213, S. 227. 277 Vgl. RICHTER, Schulkomödie (1864), S. 7–9; BRÄUTIGAM, Festschrift (1937), S. 75. 278 Vgl. StA Saalfeld, C III 128, S. 47–49 (Prima), S. 137 (Secunda), S. 219 (Tertia), S. 259 (Quarta); abgedruckt bei RICHTER, Schulkomödie (1864) Anm. 19, S. 17–19.

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Aufzählung der einzelnen Unterrichtseinheiten. Beide zusammen zeigen die Schule im Vergleich zum Lehrplan von 1543 auf einem weiter und höher entwickelten Stand, der inhaltlich jedoch hinter dem oben dargelegten zeitgleichen Altenburger Lehrplan deutlich zurückblieb. Die Darlegungen folgen zu weiten Teilen der Kursächsischen Kirchenordnung von 1580, nahmen jedoch noch Anleihen an der Herzoglich-Sächsischen Schulordnung von 1573 mit auf. So wurden beispielsweise die Mittwoch- und Samstagnachmittage frei gehalten und die Benennung der Klassen folgte, entgegen der Kursächsischen Kirchenordnung, nach wie vor dem absteigenden Prinzip mit der Prima als höchster Klasse. Die Lehre der griechischen Sprache war nun endgültig fester und eigenständiger Bestandteil des Unterrichts. Die Bestrafung erfolgte in den höheren Klassen wie 1543 durch Schläge oder die Rezitation von zehn Versen Vergil. Die Quarta – die elementarste Klasse – war in drei Leistungsstufen geteilt, die sich dem Erlernen des Alphabets, der Silben und des Lesens widmeten. Das Schreiben war hier bereits Bestandteil des Unterrichts, wobei, wie es üblich war, der deutsche Katechismus Luthers als Lehrbuch herangezogen wurde. Die Tertia baute darauf auf und lehrte die Grammatik anhand von Melanchthons Lehrbüchern sowie dem Donat. Das bereits 1543 genannte Werk von Leonhard Culmann wurde nach wie vor genutzt. Bemerkenswert ist die Art des religiösen Unterrichts, der sich neben dem lutherischen Katechismus ausdrücklich an den unbeliebten Vorgaben des Superintendenten Philipp Caesar orientierte. In der Secunda wurde das Unterrichtsspektrum durch Etymologie und Syntax erweitert. Bereits in dieser Klasse wurden die Schüler in die Anfänge der griechischen Grammatik eingeführt. Die lateinische Lektüre erfolgte anhand der Disticha Catonis, der Fabeln Aesops in der Auswahl von Joachim Camerarius und der Briefe Ciceros in der Edition Johannes Sturms. Die Prima war schließlich, wie bereits 1543, eine reine Lektüreklasse, deren lateinischer Kanon sich jedoch nicht erweitert hat. Die zur griechischen Sprache herangezogene Grammatik war die Institutiones in liguam graecam von Nikolaus Clenardus. Gelesen wurden die Gedichte von Pythagoras, Phokylides und Theognis von Megara. Mit ihnen, so schrieb Groba, sei nicht nur die Lehre der Sprache, sondern auch die Erziehung zu einem reinen Leben verbunden. Dialektik und Rhetorik wurden in den Unterricht mit aufgenommen und anhand der Erotemata Dialecticae et Rhetoricae von Lucas Lossius nach Melanchthon gelehrt. Der Katechismusunterricht erfolgte wie zuvor am Sonnabend, zum Teil auf griechischer Sprache und anhand der Katechismen von Luther und David Chytraeus. Keine Spur findet sich hingegen vom Unterricht der hebräischen Sprache oder der Mathematik. Hierin gleichen sich die Lektionspläne von 1543 und 1584, obwohl bekannt ist, dass manche der

KONTINUITÄT UND NEUE ORGANISATION – DAS BEISPIEL SAALFELD

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hier wirkenden Schulmeister sich in ihrem Studium der Mathematik gewidmet hatten.279 Reinhard Richter versuchte 1864, den genauen Tagesablauf der Klassen Prima und Tertia anhand der im Matrikelbuch wiedergegebenen Stundenpläne tabellarisch darzustellen.280 Dieser Versuch, der in seiner Nachfolge viel rezipiert wurde,281 basiert jedoch auf keiner einheitlichen Grundlage. Es wurden dabei im Original nicht eindeutig nachvollziehbare Stundeneinteilungen getroffen und darüber hinaus Lehrpläne verschiedener Jahre sowie verschiedener Lehrer miteinander vermischt. Eine vollständige Darstellung einzelner dieser Ausführungen ist aufgrund unzureichender Angaben nicht möglich, sodass anhand des Matrikelbuches kein aussagekräftiger tabellarischer Lehrplan aufgestellt werden kann. Möglich ist die Umsetzung dieses Versuchs jedoch anhand einer dritten Lehrplandarlegung, die nicht aus dem Matrikelbuch stammt. Johannes Groba verfasste sie bereits ein Jahr vor dessen Anlegung, 1584, und überreichte sie den Visitatoren. Sie ist im Staatsarchiv Altenburg überliefert und stellt im Gegensatz zum Matrikelbuch den authentischen, von einer Hand verfassten und ein gemeinsames Jahr betreffenden Unterrichtsplan dar.282 Inhaltlich stimmt er mit den Angaben im Matrikelbuch bis auf wenige Ausnahmen überein. Lediglich finden die griechischen Autoren Pythagoras und Phokylides keine Erwähnung, ebenso die Anfänge der griechischen Sprache in der Secunda. Stattdessen bietet er einige Ergänzungen, wie die Zuordnung der Schuldiener zu den einzelnen Klassenstufen. Der Schulmeister (ludimoderator) unterrichtet die Prima, der Kantor die Secunda, die beiden Baccalaurei (hypodidasculi) Tertia und Quarta. Die Secunda wurde in der jeweils zweiten Stunde des Montag-, Dienstag- und Donnerstagnachmittags zum lateinischen Lektüreunterricht anhand Terenz mit der Prima zusammengelegt. Die Tage der unteren Klassen verliefen mit wenigen Ausnahmen stets auf dieselbe Weise. Eine tabellarische Darstellung erscheint hier wenig sinnvoll. Für die übrigen drei Klassen soll im Folgenden der Lehrplan von 1584 nach Richters Vorbild erschlossen werden. Die Tabellen folgen den gleichen Richtlinien wie die oben vorgenommene Erschließung des Kursächsischen Lehrplans und verbinden Unterrichtsinhalte mit den dazu herangezogenen Lehrbüchern, so diese angegeben wurden.

279 So beispielsweise von Basilius Unger (vgl. MAIUS, Leichpredigt) und von Stephan Reich (vgl. KOCH, Stephan Reich (1886), S. 6). 280 Vgl. RICHTER, Schulkomödie (1864) Anm. 19 auf S. 17 f. 281 Vgl. WAGNER/GROBE, Chronik (1867), S. 461 f.; KELLER, Denkschrift (1887), S. 2; BRÄUTIGAM, Festschrift (1937), S. 42; RUMPF, Kirchenmusikpflege (2007), S. 47. 282 Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung, 4279, fol. 6r–11r.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

Tab. 7: Lehrplan der Tertia in Saalfeld

6–7 Uhr 7–8 Uhr 8–9 Uhr 12–13 Uhr 13–14 Uhr 14–15 Uhr

Montag und Dienstag Konjugation und Deklination (Donat) Leonhard Culmanns ‚Sententiae Puerilis‘ Lateinische Grammatik (Philipp Melanchthon)

Mittwoch Katechismus (Martin Luther) Deutsche Psalmen Sonntagsevangelium und Episteln

Donnerstag und Freitag Konjugation und Deklination (Donat) Leonhard Culmann ‚Sententiae Puerilis‘ Lateinische Grammatik (Philipp Melanchthon)

Schreiben

Schreiben

Konjugation und Deklination (Donat) Leonhard Culmann ‚Sententiae Puerilis‘

Konjugation und Deklination (Donat)

unterrichtsfrei

Samstag Katechismus (Martin Luther) Deutsche Psalmen Sonntagsevangelium und Episteln

unterrichtsfrei

Vokabelübung (Sebald Heyden)

Tab. 8: Lehrplan der Secunda in Saalfeld

6–7 Uhr 7–8 Uhr 8–9 Uhr

Montag und Dienstag Lateinische Grammatik (Philipp Melanchthon) Lateinische Lektüre (Ciceros Briefe)

Mittwoch

Donnerstag und Freitag

Wiederholung vom Vortag

Syntax

? 283

Lateinische Grammatik

Stilübungen

Aesop (Joachim Camerarius)

Samstag Lateinische Grammatik (Philipp Melanchthon) Katechismus (Martin Luther) und deutsche Psalmen Lateinisches Sonntagsevangelium

283 Aufgrund der nur schwer lesbaren Handschrift Johannes Grobas kann der Unterrichtsinhalt der zweiten Stunde am Mittwoch nicht entziffert werden.

KONTINUITÄT UND NEUE ORGANISATION – DAS BEISPIEL SAALFELD

12–13 Uhr

Musik

Musik

13–14 Uhr

Lateinische Lektüre (Terenz mit der Prima)

Lateinische Lektüre (Terenz mit der Prima)

14–15 Uhr

Disticha Catonis

unterrichtsfrei

503

unterrichtsfrei

Disticha Catonis

Tab. 9: Lehrplan der Prima in Saalfeld

6–7 Uhr

7–8 Uhr 8–9 Uhr 12–13 Uhr 13–14 Uhr 14–15 Uhr

Montag und Dienstag

Mittwoch

Lateinische Grammatik (Philipp Melanchthon)

Griechische Grammatik (Nicolaus Clenardus)

Lateinische Lektüre (Ciceros Briefe) Dialektik (Philipp Melanchthon)

Stilübungen

Donnerstag

Freitag

Samstag

Messe in der Kirche

Syntax (Philipp Melanchthon)

Katechismus (Martin Luther, David Chytraeus)

Syntax (Philipp Melanchthon)

Lateinische Lektüre (Vergil)

Lateinische Lektüre (Vergil)

Rhetorik (Philipp Melanchthon)

Musik

Musik

Lateinische Lektüre (Terenz mit der Secunda) Griechische Lektüre (Theognis von Megara)

Lateinische Lektüre (Terenz mit der Secunda) Griechische Lektüre (Theognis von Megara)

unterrichtsfrei

Joachim Camerarius ‚Praecepta morum‘ Dichtung

Griechisches Sonntagsevangelium

unterrichtsfrei

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

4.4.2. Die Schulmatrikel Den breitesten Raum des Schulbuchs nehmen die umfangreichen Schülerverzeichnisse ein. Sie wurden von den jeweiligen Lehrern der einzelnen Klassen verzeichnet. Unter den Schulmeistern Johannes Groba und Erhard Wendler blieben sie in der Prima zunächst lückenhaft, bevor sie unter der Feder Johannes Rüdigers einen konsequenten halbjährlichen Rhythmus annahmen. Gleiches gilt für die Klassen Secunda und Tertia, während für die Quarta aus dem Untersuchungszeitraum lediglich ein Verzeichnis vom Herbst 1584 zur Verfügung steht. Eine weitere Verzeichnung der Quarta wurde erst in den 1640er Jahren fortgesetzt. Zahlreiche Schüler können in ihren Schullaufbahnen über Jahre nachverfolgt werden, wobei etliche ihre Schulbildung in Saalfeld abschlossen und durch feierliche Einträge wie „discessit grat[us]“284 oder „profect[us] Jena[m]“285 an die Universität entlassen wurden. Einigen wurden Stipendien des Stadtrates zuteil.286 Durch eine entsprechende Auszählung konnten vom Herbsthalbjahr 1584 bis zum Herbsthalbjahr 1600 insgesamt 414 Schüler namhaft gemacht und nach ihrer regionalen wie sozialen Herkunft verortet werden.287 Das Spektrum dieser Kriterien ist weit gefasst. Ein Großteil der Schüler stammte selbstverständlich aus Saalfeld oder der näheren dörflichen Umgebung. Daneben kamen etliche aus weiteren thüringischen Städten und schließlich je einer aus Zeitz288 und Allstedt,289 je zwei aus Merseburg290 und dem altmärkischen Osterburg291 sowie je einer aus Frankfurt292 und Heidelberg.293 Die Söhne von Geistlichen und Kirchendienern 284 285 286 287 288 289

290

291 292 293

StA Saalfeld, C III 128, S. 77 (exemplarisch). Ebd., S. 101 (exemplarisch). Vgl. exemplarisch für die Schüler Philipp Linck und Erasmus Reinholt ebd., S. 79. Vgl. zur regionalen Herkunft auch GLAESER, Handschrift (1939). Samuel Gela ist vom Herbst 1596 bis zum Herbst 1600 in der Sekunda und Prima nachweisbar. Caspar Müller ist vom Frühling 1596 bis zum Frühling 1598 in der Prima nachweisbar. Er beendet hier seine schulische Ausbildung und wechselte, so die Notiz im Matrikelbuch, an die Universität nach Jena. Ludwig Franck ist vom Herbst 1594 bis zum Frühling 1597 in der Secunda und Prima nachweisbar. Er beendete zwar seine Schulzeit, starb jedoch wenig später an der Ruhr. Andreas Franck, wahrscheinlich dessen Bruder, ist vom Herbst 1594 bis zum Herbst 1595 in der Prima nachweisbar. Georgius Merhovius ist nur im Herbst 1590, Henning Ruvius vom Herbst 1590 bis zum Herbst 1591 nachweisbar. Sie besuchten beide die Prima. Philippus Reinecker ist vom Herbst 1590 bis zum Frühling 1591 in der Sekunda nachweisbar. Philippus Kirchner ist vom Frühling 1590 bis zum Herbst 1593 in der Secunda und der Prima nachweisbar.

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dominierten die Schülerschar, doch stehen ihnen Kinder aus dem Handwerkermilieu nicht nach. Vereinzelte Kinder stammten aus Bergarbeiterfamilien. Besonders hervorzuheben ist Johannes Kalhart, der Sohn eines Tagelöhners, der nicht allein elementare Bildung erwarb. Erstmals nachweisbar ist er anhand der Liste jener Schüler, die zum Herbsthalbjahr 1584 – dem ersten überlieferten Halbjahr – in die Secunda versetzt wurden. Zwischen dem Frühling 1587 und dem Frühling 1590 wurde er in die Prima versetzt, die er bis zum Herbst 1591 besuchte. Mehrfach wurde er unter den Armenschülern geführt, doch ist über seine Zukunft nichts bekannt. Überraschend selten sind hingegen Kinder von Ratsherren. Möglicherweise wird dadurch die im 16. Jahrhundert vielfach erhobene Klage, die Reichen seien der Gelehrtenbildung abgeneigt und schickten ihre Kinder lieber auf deutsche Schreib- und Rechenschulen, bestätigt (Kap. II. 6.9.5.). Die Dauer des schulischen Aufenthaltes und mitunter selbst die Dauer zur Absolvierung einzelner Klassen variierte nicht unerheblich. Es handelte sich nicht um Alters-, sondern um Leistungsklassen. Eine Versetzung erfolgte erst nach ausreichender Kenntnis der gelehrten Inhalte. Halbjährliche Prüfungen ermittelten den Fortschritt der Kinder und bildeten den Anlass der Versetzung. Die Protokolle dieser Prüfungen – besser gesagt eine Übersicht über ihre Schwerpunkte – sind zwischen den Schülerkatalogen verzeichnet und im Gegensatz zu diesen nahezu vollständig enthalten. Eine Erschließung erübrigt sich an dieser Stelle jedoch, da sie inhaltlich weitestgehend mit den in den Lehrplänen repräsentierten Unterrichtsinhalten übereinstimmen. So war das Ziel der Tertia, der zweiten Klasse, neben einer gewissen Vokabelfestigkeit die Kenntnis des lateinischen Katechismus Luthers, der Grammatik in Theorie und Praxis sowie der Sentenzen Leonhard Culmanns.294 In der Prima nahm der Katechismus des David Chytraeus den Platz des lutherischen ein, die griechische Grammatik ersetzte die lateinische, die Disziplinen der Rhetorik und Dialektik wurden überprüft und eine umfassende Kenntnis der lateinischen und griechischen Literatur erwartet.295 Durch Erhard Wendler wurde die Buchführung der Prima in diesem Zusammenhang um Versetzungslisten ergänzt, also die Namen jener Schüler, die aus der Secunda in die Prima wechselten. Im Herbst 1590, aus dem die erste Versetzungsliste stammt, betraf dies sieben Schüler, darunter beispielsweise Philipp Kirchner aus Heidelberg, der noch bis ins Herbsthalbjahr 1593 die Prima besuchte.296 Er verdeutlicht damit bereits, dass viele Schüler mitunter Jahre in den einzelnen Klassen verbrachten. 297 Bemerkenswert ist dabei der aus Saalfeld stammende Georg Bergmann. Er wurde zum Herbsthalbjahr 1590 aus der Secunda in die 294 295 296 297

Vgl. StA Saalfeld, C III 128, S. 223 f. Vgl. ebd., S. 49 f. Vgl. ebd., S. 68 u. 81. Vgl. auch RICHTER, Schulkomödie (1864) Anm. 19 auf S. 19 f.

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Prima versetzt und besuchte diese bis ins Herbsthalbjahr 1599, verbrachte also allein in dieser höchsten Klasse volle neuneinhalb Jahre. Seine enorme Ausdauer zeugt dabei jedoch nicht von mangelnder Leistung, wurde er doch am 9. Oktober als „stipendiari[us] Senat[us]“ 298 an die Universität nach Jena entsandt. 299 Die gesamte Dauer des schulischen Aufenthaltes ist mitunter enorm. So besuchte Johannes Weber, der bereits im einzigen Schülerkatalog der Quarta zum Jahr 1584 enthalten ist, die Schule möglicherweise noch über die Jahrhundertwende hinaus, also über 16 Jahre. Eine andere, wahrscheinlichere Möglichkeit wäre, da in seiner Schullaufbahn eine Überlieferungslücke von zwölf Jahren klafft, er die Secunda jedoch verhältnismäßig schnell absolvierte, dass es sich bei dem späteren Johannes Weber um einen zweiten gleichnamigen Schüler handelte. Die längste sicher nachweisbare Schullaufbahn des 16. Jahrhunderts absolvierte Caspar Müller, der Sohn eines Saalfelder Schneiders. Er ist erstmals im Herbst 1584 durch das Verzeichnis der in die Tertia versetzten Schüler nachweisbar, besuchte demnach bis ins Frühlingshalbjahr 1584 die Quarta. Zum Herbst 1590 wurde er in die Prima versetzt und seit 1595 in den Listen der Armenschüler geführt. Er besuchte die Prima ganze siebeneinhalb Jahre. Seine gesamte Schulzeit währte somit über 13 Jahre und endete am 18. März 1598 mit der Notiz „Jena[m] p[ro]fect[us]“.300 Weniger erfolgreich verlief die Schulzeit des Veit Trotzschel, der im Herbst 1584 die Quarta besuchte. Für hohe Gelehrsamkeit fehlte ihm offenbar trotz bemerkenswerter Ambitionen die Veranlagung. Nachdem er bereits zum Herbst 1594 in die Secunda versetzt worden war, wurde er im Jahr darauf in die Tertia zurückgestuft. Zwei weitere Male, jeweils im Herbst 1596 und 1597 versuchte er die nochmalige Versetzung, erhielt jedoch beide Male ein abschlägiges Prädikat und ist danach nicht mehr nachweisbar. Die Gesamtzahlen der Schüler liegen entsprechend der geringeren Größe der Stadt unter jenen von Altenburg. Obwohl für die dortigen Verhältnisse lediglich über die Mädchenschule und auch hier nur ungenaue Angaben gemacht worden sind, übersteigen sie doch die genau verzeichneten Zahlen des hiesigen Matrikelbuches deutlich. Im Jahr 1584, in dem die Schülerlisten ihren Anfang nahmen, unterrichtete die Schule 196 Schüler, davon 104 in der Quarta, 30 in der Tertia, 38 in der Secunda und 24 in der Prima.301 Die Gesamtfrequentierung der Schule unterlag dabei, soweit sie sich feststellen lässt, mitunter innerhalb eines Jahres 298 StA Saalfeld, C III 128, S. 99. 299 Nur am Rande sei erwähnt, dass es zwischen den Angaben des Saalfelder Matrikelbuches und der von Georg Mentz edierten Matrikel der Universität Jena zu Unstimmigkeiten kommt. Mehrere in Saalfeld eindeutig datierte Immatrikulationen – mitunter mit Ratsstipendien – weichen in der Jenaer Matrikel zeitlich ab. Ein Grund konnte bislang nicht ermittelt werden. 300 StA Saalfeld, C III 128, S. 96. 301 Vgl. ebd., S. 260–263, 219–221, 138 f. u. 50; BRÄUTIGAM, Festschrift (1937), S. 92.

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starken Schwankungen. Zählte die Prima 1584 noch 24 und im ersten Halbjahr 1597 sogar 28 Schüler, sank die Zahl im ersten Halbjahr 1586, im zweiten Halbjahr 1590 und im zweiten Halbjahr 1598 auf 17 Schüler herab. Zu stärkeren Ausreißern ist es jedoch bis zur Jahrhundertwende nicht mehr gekommen. Von den 196 Schülern im Herbsthalbjahr 1584 stammten 26 nicht aus Saalfeld. Die Saalfelder Schule kursierte somit hinsichtlich der Anziehungskraft auf auswärtige Schüler nicht unter den ersten des Landes. Als Gegenbeispiel sei lediglich auf die Schule von Neustadt a. d. O. verwiesen, die unter dem Rektorat des Konrad Limmer (1544–1555) einen erheblichen Aufschwung erlebte und um die Mitte des Jahrhunderts einen überregional bemerkenswerten Ruf genoss. Bereits 1555 sei sie von insgesamt etwa 270 Schülern besucht worden, von denen etwa 80 auswärtige waren. 302 Während also der Anteil der einheimischen Schüler den Saalfelder Verhältnissen der 1580er Jahre etwa entsprach, überstieg die Anziehungskraft auf auswärtige Schüler sie bei weitem. Die Bedeutung der Schülerkataloge für die Forschung – insbesondere zur Frage der Alphabetisierung der Bevölkerung im 16. Jahrhundert – kann kaum überschätzt werden. Sie sollen daher an betreffender Stelle wieder aufgegriffen und näher untersucht werden (Kap. II. 6.8.3.).

4.5. Die Saalfelder Schulbibliothek Folgendermaßen formulierte Caspar Sagittarius in seinen Saalfeldischen Historien ohne inhaltlichen Zusammenhang den einzigen bei ihm enthaltenen Hinweis auf eine Kirchenbibliothek vor der Gründung der späteren Schulbibliothek: In einem geschriebenen Buch auf der Schul-Bibliothek zu Salfeld stehen diese Worte: ‚Anno domini tausend vierhundert und in dem einundneunzigsten Jahre nach Christi unsers lieben Herrn Geburt, Sonnabend nach Bartholomaei ist dis Buch vollendet, Gott dem Allmächtigen und seinen lieben Heiligen zu Lob und Ehre, und dem lieben Patron sanct Johannis in der Kirchen überantwortet von einem Bürger zu Salveld genant Heinz Hirspach, hat das Buch lassen schreiben.‘303

Diese Bemerkung, die Sagittarius in das Jahr der Stiftung, 1491, einordnete, blieb im Weiteren unkommentiert und völlig zusammenhangslos. Ihre scheinbare Belanglosigkeit steht im Gegensatz zu der Bedeutung, die der Chronist den übrigen berichteten Ereignissen für die Geschichte der Stadt nachzuweisen vermag. Es kann daher nur spekuliert werden, welchen Wert er dieser Buchsignierung beigemessen hatte, um sie in sein Geschichtswerk aufzunehmen. Der Gedanke 302 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2524, fol. 2r; HERRMANN, Lateinschulen (1940), S. 221 u. 229. 303 SAGITTARIUS, Historien I, S. 153.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

liegt nahe, dass es sich bei diesem Buch – aufgrund der deutlich betonten Lokalisierung – zu seiner Zeit um den frühesten Beleg einer Erwerbung der Schulbibliothek handelte und Sagittarius darin gewissermaßen den Ursprung, die Geburtsstunde oder zumindest den ersten Hinweis auf die Existenz einer Schulbibliothek erkannte. Dass das Buch dahingegen nicht einer Bibliothek, sondern der Kirche gestiftet wurde, konnte er bewusst außer Acht lassen, da Schule und Kirche in dieser Zeit kaum voneinander zu trennen waren. Nichts davon sprach Sagittarius jedoch selbst aus und somit bleibt die Existenz einer vorreformatorischen Schulbibliothek, wie sie in Altenburg nur am Rande nachweisbar ist, Spekulation. Näheren Aufschluss hätten der Inhalt des beschriebenen Buches oder gegebenenfalls Gebrauchsspuren gewährt, doch ist es heute nicht mehr auffindbar. Die nachweisbaren Anfänge der Saalfelder Schulbibliothek liegen somit erst im 16. Jahrhundert. Sie hängen wie auch in Altenburg mit der Säkularisierung des Franziskanerklosters in den 1520er und 30er Jahren zusammen. Nachdem die Auflösung des Klosters und die Einziehung der Klostergüter bereits ihren Anfang genommen hatten, übergaben die Mönche dem Stadtrat am 30. Dezember 1528 einen Teil der eigenen Klosterbibliothek zur Verwahrung in der Johanniskirche.304 Der Stadtrat stellte im Gegenzug den Mönchen auf Befehl des Kurfürsten ein Empfangsschreiben aus, in dem die Bücher verzeichnet wurden. Darin sicherte er den Mönchen zu, dem Kloster die Bücher bei Bedarf widerstandslos auszuhändigen.305 Die weitere Geschichte des Klosters zeigt, dass es zu dieser Rückgabe nie gekommen ist. Auch wenn diese Übergabe die Grundlage der späteren Schulbibliothek ausmachte, handelte es sich bei den betreffenden Büchern nicht um für den Schulunterricht ausschlaggebende Werke. Es waren in den meisten Fällen katholische theologische Bücher – unter anderem einige Werke von Augustinus, Ambrosius und Bernhard von Clairvaux – ferner juristische Bücher und Gesetzestexte. Als zumindest schultaugliche Bücher finden lediglich ein Buch von Cicero, eine kleine Versbibel, ein Aesop und eine Ars dicendi Erwähnung. Mit der endgültigen Auflösung des Klosters kamen schließlich auch die restlichen Bestände der Franziskaner in den Besitz der Schule. Beide Hälften wurden wieder vereint und in der ehemaligen Sakristei des Klosters untergebracht, die seit dem Umzug der Schule als Schulbibliothek diente.306 Durch die große Überzahl der katholischen Literatur kann deren Nutzen für den schulischen Unterricht 304 Vgl. SAGITTARIUS, Historien II, S. 209; WERNER, Saalfeld (1995), S. 119 305 Das Schreiben ist heute nicht mehr auffindbar, doch wurde es sowohl von L. F. Hesse als auch von R. Richter abgedruckt, vgl. HESSE, Beiträge (1857), S. 154 f.; RICHTER, Schulbibliothek (1862), S. 3 f. Vgl. auch KRAUSE/MARWINSKI, Buchbestände (1999), S. 18; MARWINSKI, „Stiftungsurkunden“ (2004), S. 196; HONEMANN, Bücher (2015), S. 546. 306 Vgl. WERNER, Saalfeld (1995), S. 125; KRAUSE/MARWINSKI, Buchbestände (1999), S. 18.

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jedoch wie auch in Altenburg nicht allzu hoch eingeschätzt werden und da der Gemeine Kasten, der nach Luthers Konzept auch für die Finanzierung der Bibliothek zuständig war, völlig mittellos blieb, ist es anzunehmen, dass die Ausstattung mit geeigneter Literatur nur langsame Fortschritte machte. Einen nützlichen Anschub, durch den das lutherische Bibliothekskonzept schließlich umgesetzt werden konnte, erhielt die Schule durch das bereits erwähnte Testament des Bürgermeisters Jakob Kelz von 1555. Neben den 500 fl zur Aufbesserung der Kirchen- und Schuldienergehälter bestimmte er eine Hauptsumme von 200 fl oder 10 fl jährlichen Zinses zum Ankauf von Büchern für mittellose Schüler und ergänzte diese Bestimmung durch die Worte, dass „die Uebermas von Jarenn zu Jarenn, an anderen Buchern zu auffrichtung einer bibliotheck der Schulenn Unnd denen So darinnen studirenn zu guth Unnd besserung“307 herangezogen werden sollte. Durch das Testament, das die früheste Bibliotheksstiftung im thüringischen Raum darstellt, erhielt die Schulbibliothek eine feste finanzielle Grundlage, die bis ins 19. Jahrhundert ungebrochen fortbestand.308 Oftmals wurde es in der Forschung als Gründung der eigentlichen Schulbibliothek angesprochen.309 Die weitere Entwicklung der Bibliothek und ihrer Bestände ist nur schwer greifbar. Durch einige Kastenrechnungen lassen sich entsprechende Ausgaben nachvollziehen. Schon vor der Stiftung des Bürgermeisters, im Jahr 1551/52, erhielt der Schulmeister aus dem Gemeinen Kasten ein Büchergeld von 2 fl,310 das im darauffolgenden Jahr in Höhe von 3 fl 17 gr wiederholt wurde.311 Infolge der Kelzschen Stiftung stiegen diese Beträge schließlich deutlichen an. Die Rechnung des Jahrganges 1589/90 verzeichnet einen eigenen Ausgabeposten für die Erweiterung der Bibliothek, der zumindest anteilig aus den Zinsen der Stiftung gespeist wurde.312 Insgesamt 19 fl 14 gr 4 d wurden in diesem Jahr unter anderem dafür ausgegeben, den Buchbinder zu bezahlen oder entsprechend des Stifterwillens Bücher für arme Schüler zu erwerben. Der Zuwachs, den die Bibliothek über die Jahre erhielt, ist jedoch nur in wenigen Fällen auszumachen. Auf welchen Anlass die gesteigerte Erwerbsfreudigkeit des genannten Jahrgangs zurückzuführen ist, muss offenbleiben. Ein erwähnenswerter Neuerwerb ist die achtbändige Ausgabe der Werke des württembergischen Theologen Johannes Brenz, die der Herzog Friedrich Wilhelm der Schulbibliothek am 2. März 1596

307 StA Saalfeld, A 159; TRINKS, Stiftungen (1888), S. 71. 308 Vgl. TRINKS, Stiftungen (1888), S. 78. 309 Vgl. WAGNER/GROBE, Chronik (1867), S. 459; TSCHESCH, Reformation (1971), S. 96; WERNER, Saalfeld (1995), S. 146; MARWINSKI, Bücherschätze (1999), S. 16; DIES., „Stiftungsurkunden“ (2004), S. 195 f. 310 Vgl. StA Saalfeld, C II c 4, unfol. 311 Vgl. StA Saalfeld, C II c 5, unfol. 312 Vgl. StA Saalfeld, B XX 1g, fol. 12v.

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schenkte. David Aquila nahm sie entgegen und verzeichnete die Schenkung in den Büchern, die noch heute im Saalfelder Stadtmuseum erhalten sind.313 Eine eindrucksvolle Überlieferung gewährt am Ende des Jahrhunderts schließlich einen Blick in die Geschicke und insbesondere in die Bestände der Schulbibliothek. Aus dem Jahr 1592 stammt der erste Bestandskatalog der Bibliothek, in zweifacher, gering voneinander abweichender Ausführung angefertigt von dem Schulmeister Johannes Rüdiger.314 Dieser lässt das Bild einer, wenn auch nicht sehr umfangreichen, so doch gut sortierten, institutionell eingerichteten Bibliothek entstehen. Die Sorge um die Bestände oblag dem Schulmeister und die damit verbundenen Geschäfte wurden dem neuen Rektor bei seiner Amtseinführung unter der Zeugenschaft des Kantors und eines Baccalaureus durch seinen Vorgänger förmlich übergeben. Am 2. Mai 1592 überantwortete Erhard Wendler, der zum Schulmeister nach Schleiz berufen worden war,315 die Bibliothek auf diese Weise seinem Nachfolger Johannes Rüdiger, 316 der sich sogleich daran machte, deren Bestände zu katalogisieren. Es zeigt sich hier erneut die Sorgfalt, die Rüdiger auch bei der Führung des Matrikelbuches an den Tag legte. In vier Kategorien unterteilt listete er 88 Buchtitel auf, wobei er, anders als im Altenburger Katalog von 1543, dem Verzeichnis ein striktes inhaltliches Ordnungssystem zugrunde legte. Zusammen mit den während seiner Amtszeit neu erworbenen Büchern umfasst der Katalog insgesamt 106 Titel. Darunter finden sich etliche Bücher wieder, die aus den Beständen des Franziskanerklosters stammen und zum Teil in dem vom Rat 1528 ausgestellten Empfangsschreiben enthalten waren. Einige der Bücher sind erhalten geblieben und befinden sich heute, durch einen Karteikartenkatalog erschlossen, im Saalfelder Stadtmuseum. Da die Forschung dem Katalog von Johannes Rüdiger, obgleich bekannt, in seiner Gesamtheit noch keine Aufmerksamkeit geschenkt hat und er, anders als im Falle des nur zwei Monate zuvor entstandenen Altenburger Musikalienkataloges, das volle Spektrum und die fast ein Jahrhundert lange Entwicklung der Bibliothek präsentiert, soll er im Folgenden vollständig wiedergegeben werden. Wo dies möglich ist, erfolgt zudem eine Identifizierung der auch hier nur durch Kurztitel benannten Werke.317 313 Vgl. SAGITTARIUS, Historien II, S. 301. In den Beständen des Museums tragen sie heute die Signatur Ug 35. 314 Vgl. StA Saalfeld, B XXI 1; MARWINSKI, Bücherschätze (1999), S. 16. 315 Wendler versah das Schulmeisteramt von Schleiz bis er 1597 das dortige Diakonat und 1602 das Pfarramt antrat. Er starb in diesem Amt 1610, vgl. SCHMIDT, Schleiz III (1916), S. 366 u. 368. 316 Die Übergabe ist im Matrikelbuch dokumentiert, vgl. StA Saalfeld, C III 128, fol. 76. 317 Reinhard Richter gibt ohne jeden Bezug zum Bibliothekskatalog Rüdigers eine Aufstellung der Bücher, die zu seiner Zeit noch erhalten waren und identifiziert etliche davon mit den im Ratsschreiben von 1528 wiedergegebenen Titeln, vgl. RICHTER, Schulbibli-

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Tab. 10: Der Katalog der Saalfelder Kirchen und Schulbibliothek IDWortlaut im Identifizierung der Titel, Nr. ggf. zusätzliche Informationen Katalog318 Diese vorzeichente bücher, so in der Biblioteck vff der Schul Salfeltt zu finden, seindt mir M. Johann Rüdigern den 2 Maii ao 1592 in gegenwartt des h. Cantoris Caspari Berckmans vndt Nicolai Deutzschen Baccalaurei, von dem wolgelarten h. M. Erhardo Wendlero uberandtworttett worden Erster Abschnitt des Katalogs Libri Theologici Diese erste Kategorie enthält Bibeln, Bibelübersetzungen und verschiedene (In der zweiten Ausführung überschrietheologische, dogmatische aber auch ben mit: „Verzeichnuß der Bucher so auß chronikalische Schriften der Reformation. entlicher vnd sonderlich auß der hern B. Keltzen Wie aus der zweiten Ausführung ersichtseeligen stifftug auff die Schule in die Bibliotheck lich, wurden die meisten Erwerbungen gezeuget worden“) erst durch die Kelzsche Stiftung ermöglicht. 1 Biblia vatabli Dreisprachige Bibelausgabe (hebräisch, griechisch, la3 tom, fol. teinisch) des Franciscus Vatablus, erstmals gedruckt 1586. (vgl. VD16 B 2574, von 1599). 2 Biblia Hebraea Hebräische Bibelausgabe, nicht zu identifizieren. 2 tom, 4 to 3 Biblia Germanica Deutschsprachige Bibelausgabe, gedruckt in Wittenberg, Witeb. 2 tom. nicht zu identifizieren. 4 Biblia German. Deutschsprachige Bibelausgabe, Lutherübersetzung, Jenens. 1 Tom. gedruckt 1564 von Donat Richtzenhan und Thomas Rebart in Jena. (vgl. VD16 B 2761). 5 Opum Lutheri Deutschsprachige Ausgabe der Werke Luthers in acht Germanic Jen. Bänden, gedruckt ab 1558 von Christian Rödinger d. Ä. 8 tomi in Jena. (vgl. VD16 ZV 15917 / VD16 L 3337). 6 Opum Luth. Lat. Lateinische Ausgabe der Werke Luthers in 4 Bänden, Jen. 4 tomi. gedruckt ab 1557 von Christian Rödinger d. Ä. in Jena. (vgl. VD16 ZV 10105 / VD16 L 3437). 7 Comment. in GeDeutschsprachiger Kommentar zum ersten Buch Mose, nesin 10 tom. nicht zu identifizieren. Germ. Witteb. 8 Comment. in Gen. Deutschsprachiger Kommentar zum ersten Buch Mose, 7 II tom. Germ. W. nicht zu identifizieren. 9 Comment. Luth. in Luthers Vorlesungen zum ersten Buch Mose, erstmals Gen. Lat titulo gedruckt 1544 von Peter Seitz d. Ä. in Wittenberg. (vgl. 6 tom. VD16 B 2990).

othek (1862), S. 5. Um die Übersichtlichkeit der folgenden Darlegung zu wahren, können seine Ergebnisse in der Tabelle nicht mit aufgenommen werden. 318 Sämtliche Titelbezeichnungen sowie die Überschreibungen der Kategorien (in kursiv) beziehen sich, wenn nicht anders angegeben, auf die Akte StA Saalfeld, B XXI 1.

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Opum Osiandri in Sacra biblia (Die zweite Ausführung ergänzt: „primu, 2du, 3tiu, sextu & nonu Tom, in 6 theil gebund“) Haußpostill Lutheri. f. 1. 2. 4. 5. 6. 8. 9. tomi in 6 theil gebund Kirchenpostill Luth. f. in 4 to 1.2.3. Centuriae 1 Tom.

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Quarta Centuria 1 tom

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Quinta & Sexta Cent. 1 tom

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Septima & 8va Cent. 1 Tom.

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Basilii & Epiphanii opa à cornatio veisa 1 Tom. Zonaras & Functii Chronolog. 1 Tom. f. Colloqum Altenburg. Germ. 1 Tom. fol. Clavis scripturae Flacii 1 tom. f.

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Loci coes S. Germ. in 4 to 1 Tom

Lateinische Übersetzung des hebräischen Urtextes der alttestamentarischen Historienbücher von Lucas Osiander, erstmals gedruckt 1574 von Georg Gruppenbach in Tübingen (vgl. VD16 B 2641).

Luthers Hauspostille, erstmals gedruckt 1544 von Johann vom Berg und Ulrich Neuber in Nürnberg (vgl. VD16 L 4835). Luthers Kirchenpostille, erstmals gedruckt 1544 von Peter Seitz d. Ä. in Wittenberg (vgl. VD16 L 5611). Die ersten drei von insgesamt 13 Teilen der sogenannten Magdeburger Zenturien (Historia Ecclesiastica), einer umfassenden Kirchengeschichte. Gedruckt 1559 in Basel. Vierter Teil der MagdeZusätzliche Informationen: burger Historien, gedruckt 1560 in Magdeburg. Mit dem zwölften Teil im Stadtmuseum erhalten Fünfter und sechster Teil (Signatur Ug 39). der Magdeburger Historien, gedruckt 1562 in Magdeburg. Siebter und achter Teil der Magdeburger Historien, gedruckt 1562 und 1564 in Magdeburg. Nicht zu identifizieren. Ein Werk des byzantinischen Geschichtsschreibers Johannes Zonaras und die Chronologia des Johann Funck in einem Band (vgl. zu Letzterem VD16 F 3381). Akten über das Kolloquium in Altenburg vom 20. Oktober 1568 bis 9. März 1569, gedruckt 1569 von Donat Richtzenhan in Jena (vgl. VD16 K 1945). Clavis Scripturae Sacrae von Matthias Flacius, erstmals gedruckt 1567 in Basel (vgl. VD16 F 1307 / VD16 F 1308). Loci Communes von Philipp Im Stadtmuseum erhalten Melanchthon, übersetzt (Signatur Ug 38), gedruckt von Justus Jonas, erstmals 1544 von Veit Creuzer in gedruckt 1536 von Georg Wittenberg. Rhau in Wittenberg (vgl. VD16 M 3626).

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Corpu drae Thuring. Germ. fol. 1 To.

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Corpu drae ex vet. T. Wigandi. in 4 to.

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Confutatio Germa. declarors Victorini. in 4 to Postilla Heshusii vber die Sontage vndt fest in fol. 2 to Kirchenpredigtt Viti Dieterichs vber die Eglia dabeii die Summarien vber die Bibell, in d Kirch Formula Concordiae Germ. sampt d Churfürstlichen ahnordnung in folio 1 tomu Formula Concordiae Lat. in 4 to Apologia eiudem in 4 to. Latin. Nouum Testum syriacum in 4 to 1 T. Pars Bibliorum Graeca. q in Hebraeo non habetur in 4 to Apologia form. Concordiae Germ. in fol. 1 tom. Augustini Marlorati expositions in N. T. in fol. 1 tomu

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Deutsche Ausgabe des Im Stadtmuseum erhalten thüringischen Corpus (Signatur Ug 37), gedruckt Doctrinae Christianae (vgl. 1562 in Leipzig. VD16 M 2900). Corpus Doctrinae des alten Testaments von Johannes Wigand, erstmals gedruckt 1564 von Johann Oporinus und Johannes Herwagen d. J. in Basel (vgl. VD16 W 2874). Widerlegung der Declaratio Victorini durch Christoph Irenäus, gedruckt 1567 von Thomas Rebart in Jena (vgl. VD16 S 1125). Predigtsammlung des Tilemann Heshusius, erstmals gedruckt 1581 von Jakob Lucius d. Ä. in Helmstedt (vgl. VD16 H 3095). Sammlung von Predigten über die Evangelien sowie Summarium der Bibel von Veit Dietrich, Letzteres erstmals gedruckt 1545 von Johann vom Berg und Ulrich Neuber in Nürnberg (vgl. VD16 D 1643). Deutsche Ausgabe der Konkordienformel.

Lateinische Ausgabe der Konkordienformel. Lateinische Apologie zur Konkordienformel. Syrische Ausgabe des neuen Testaments, nicht zu identifizieren. Griechische Bibelausschnitte, nicht zu identifizieren.

Deutsche Apologie der Konkordienformel. Kommantar zum neuen Testament von Augustin Marlorat, erstmals gedruckt 1561 (vgl. VD16 BV004248001).

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Lexicon Hebraicum Forsteri

Hebräisches Wörterbuch von Johann Forster, erstmals gedruckt 1557 von Froben und Episcopius in Basel (vgl. VD16 F 1901). 35 Compendium Griechisch-lateinische Im Stadtmuseum erhalten Herbrandi Graeca Ausgabe des theologi(Signatur Ua 1), gedruckt 4 Lat in 4 to. schen Compendiums von 1582 in Wittenberg. Jakob Heerbrand. 36 Methodi Simonis Lehrbuch der Dialektik und Rhetorik anhand theologiPauli in 8vo scher Glaubensstücke von Simon Paul, erstmals ge2 tomi druckt 1565 von Jakob Lucius d. Ä. in Rostock (vgl. VD16 P 1005). Zweiter Abschnitt des Katalogs Alte Theologische bucher Diese Kategorie enthält katholische theologische Werke. Sie stammen zumeist aus den Beständen des Franziskanerklosters und sind zum Teil in dem vom Rat 1528 ausgestellten Schreiben enthalten.319 37 Commentaria Vierbändige Ausgabe der Bibel mit den Kommentaren Nicolai de Lyra in von Nikolaus von Lyra aus dem 15. Jh. (vgl. VD16 Bibl. 4 tomu BV035391717). 38 Prima pars opum Erster, zweiter, dritter und Im Ratsschreiben von Augustini 1 tomu vierter Teil einer Werk1528 als „Aylff Partes Auausgabe des Augsutinus. gustini“ enthalten. 39 2da - 1 tomu 40 3tia - 1 tomu 41 4ta - 1 tomu 42 8va pars de lib. Der achte Teil des Werkes arbitrio - 1 tomu über den freien Willen von Augustinus. 43 Nona pars in JoDer neunte Teil eines hanne - 1 tomu Traktats zum Johannisevangelium. 44 De Civitate Dei Der Gottesstaat von Aueiusdem 1 tomu gustinus. 45 Emporium sermo- Predigtsammlung von num August. Augustinus. 1 tomu 46 Liber eplarum Die Briefe des Augustinus. eiude - 1 tom. 47 August. in psalmos Augustinus Auslegung der - 1 tom. Psalme. 48 Repertorium sntiVerzeichnis der Sprüche arum eiudem 1 Salomos. tom.

319 Vgl. für die angegebenen Stellen HESSE, Beiträge (1857), S. 155.

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Ambrosii officiorum & Hex. 1 tomu

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Ambrosii opum 2da pars - 1 tomu

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Ambrosius Eplarum 3tia pars 1 tomu Sermones Bernhardi & Gilberti super cantica canticorum 1 tomu

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Postilla Guillerini sup eplae & Eglia de Tpo Sermones parati de tpe & sanctis 4 to. 1T. Elimatum Missale 1 tom. f. Quadragesimale Joh. Gritzsch 1 Tom. f. Ordo Missarum de tpe. 1 Tom. in fol. De morte, ite de imitoe chri

Ambrosius Werk über die Pflichten der Kirchendiener und das Hexameron in einem Band. Der zweite Teil einer Werkausgabe des Ambrosius. Der dritte Teil einer Ausgabe der Briefe des Ambrosius. Predigten über das Hohelied von Bernhard von Clairvaux und Gilbertus de Hollandia.

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Im Ratsschreiben von 1528 als „drey Partes Ambrosii“ enthalten.

Im Ratsschreiben als „Sermo Bernhardj super cantica“ enthalten. Die Predigt des Gilbertus findet sich im Ratsschreiben nicht und wurde möglicherweise nachträglich mit eingebunden. Das Ratsschreiben nennt außerdem „Opus sententiarum Bernhardi“ und „Opuscula Bernhardj“, doch finden diese sich nicht im Katalog. Predigtsammlung über die Evangelien und die neutestamentlichen Briefe von Johannes Herold Guillerinus (vgl. VD16 BSB-Ink H-154). Predigten des Paratus (vgl. Im Ratsschreiben als VD16 BSB-Ink S-313). „Paratus“ enthalten. Messbuch, nicht genau zu identifizieren. Schriftensammlung von Johannes Gritsch (vgl. GW 11547).

Im Stadtmuseum erhalten (Signatur Ug 22), gedruckt 1479 von Anton Koberger in Nürnberg.320 Gottesdienstordnung, nicht genau zu identifizieren. Nicht zu identifizieren, möglicherweise das Werk Über den Tod des Hieronymus von Pseudo-Eusebius (vgl. VD16 BSB-Ink E-122).

Ein Alte zerrissene lateinische Bibell

320 Hierbei handelt es sich um ein weiteres früheres Exemplar der bereits im Altenburger Zusammenhang erwähnten Predigtsammlung, die aus dem Besitz des Altenburger Franziskaners Veit Pempel überliefert ist. Obgleich das Werk heute selten geworden ist, scheint es im 16. Jahrhundert demnach noch recht weit verbreitet gewesen zu sein.

II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

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Ein Alte deutzsche Bibell in 2 Theill. Die propheten alle deutzsch in 4 to 1tom.

Vorlutherische Bibelübersetzung. Auszüge einer Lutherübersetzung.

Im Stadtmuseum erhalten (Signatur Ug 18), gedruckt 1532 von Hans Luft in Wittenberg. Die Einordnung des Titels in diese Kategorie überrascht, handelt es sich doch um eine Lutherübersetzung. Dritter Abschnitt des Katalogs Libri Juridici Diese Kategorie enthält Gesetzestexte, juristische Werke und Kommentare zu Gesetzessammlungen. Zumeist stammen sie aus den Beständen des Franziskanerklosters und sind im Ratsschreiben von 1528 enthalten. 62 Lectura Angeli de Kommentar der InstituIm Ratsschreiben von Aretio sup tiones des Corpus Iuris 1528 als „Lectura angelz“ institutiones Civilis von Angelus de enthalten. impiales Gambilionibus. (vgl. 1 tomu BSB-Ink G-22). Im Stadtmuseum erhalten (Signatur Ug 19), gedruckt 1480 von Peter Drach in Speyer. 63 Decretum Decretum Gratiani Wahrscheinlich das im 1 tomu Ratsschreiben enthaltene „Decretum“.

64

Decretales 1 tomu

Nicht zu identifizieren.

65

Sextu Decretales 1 tom

Liber Sextus Bonifatii des Corpus Iuris Canonici.

Im Stadtmuseum erhalten (Signatur Ug 32), gedruckt 1506 von Nicolaus de Benedictis in London. Wahrscheinlich das im Ratsschreiben enthaltene „Decretales“. Wahrscheinlich das im Ratsschreiben enthaltene „Sextus Decretalium“. Im Stadtmuseum erhalten (Signatur Ug 1), in einem Band gebunden mit den Constitutiones Papst Clemens’ V., gedruckt 1507 in London.

KONTINUITÄT UND NEUE ORGANISATION – DAS BEISPIEL SAALFELD

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69 70 71 72 73

Prima & 2da pars summae Panormitanae codex I. Panormitanu sup 3,4,5 Decret. 1 tom Panormitani prima, 2da & 3tia pars sup 2dum Decretaliu Gregorii Digestum vetu cum glossa 1 tomu Digestum Nouum cum glossa 1 tomu Liber constitutionum Novellam 1 tom Compendium Juris Canonici 1 Tom. Vcblarium Juris & Gaiatanu sup Libros de Aia 1 tom

74

Modus legendi abbreviaturas in utroq iure

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Arbor consanguinitatis, ite modu legendi abbreviaturas 1 tomu

Verschiedene Kommentare zum Corpus Iuris Canonici von Nicolaus de Tudeschis.

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Im Ratsschreiben von 1528 als „Drey Partes Panormitani“ enthalten.

Ausgaben der Digesten Im Ratsschreiben von Justinians, kommentiert 1528 als „Digestum vetus“ von Franciscus Accursius und „Digestum novum“ (vgl. VD16 BSB-Ink enthalten. C-580). Buch über die Novellen des Corpus Iuris Civilis, nicht genau zu identifizieren. Kompendium über das Kirchenrecht, nicht genau zu identifizieren. Juristisches Wörterbuch und Traktat über Aristoteles’ De Anima von Thomas Cajetan (vgl. VD16 BV001690520).

Kirchenrechtliches Traktat über Abbreviaturen von Johannes Andreae (vgl. VD16 I 167). Traktat über Stammbäume von Johannes Andreae (vgl. VD16 J 320) und nochmals das Abbreviaturentraktat.

Im Ratsschreiben von 1528 als „Compendium Juris“ enthalten. Ersters im Ratsschreiben von 1528 als „Vocabularium Juris“ enthalten. Im Stadtmuseum erhalten (Signatur Ug 7), gedruckt 1481 von Anton Koburger in Nürnberg und 1481 von Antonius de Strata in Venedig. Im Ratsschreiben von 1528 als „Johannes Andree Modus legendz Abbreviaturis“ enthalten. Im Stadtmuseum erhalten (Signatur Ug 6), gedruckt 1490 in Straßburg, zusammengebunden mit einem Malleus Maleficarum.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

Vierter Abschnitt des Katalogs Libri Philosophici & Historici Diese Kategorie enthält Lehr- und Wörterbücher sowie Enzyklopädien. 76 Lexicon Graecum Griechisches Wörterbuch, nicht zu identifizieren. 1 Tom. in fol. 77 Calepinu Lateinwörterbuch des Ambrogio Calepino, erstmals 1 Tom. in fol. gedruckt 1502 von Dionisius Bertocchus (vgl. VD16 BV001382442). 78 Dictionarium Frisii Lateinisch-deutsches Wörterbuch von Johannes Fries, 1 Tom. in fol. erstmals gedruckt 1541 (vgl. VD16 C 2282). 79 Tres tomi theatri Lateinische Enzyklopädie von Theodor Zwinger, erstvitae huae in fol. mals gedruckt 1565 in Basel (vgl. VD16 Z 754). 80 Thesauru grae Griechisches Wörterbuch von Henri Estienne, erstmals linguae Henrici gedruckt 1572 (vgl. VD16 BV011642680). Steph. 3 tomi 81 Goropiu in fol. Johannes Goropius Becanus, genaues Werk nicht zu 1 tomu identifizieren (vgl. bspw. VD16 BV001364422). 82 Schleidanu GerDeutschsprachiges Werk von Johannes Sleidanus, mögman. in folio. licherweise die Darstellung der Geschichte des Papst1 Tom tums, erstmals gedruckt 1541 von Melchior Kriegstein in Augsburg (vgl. VD16 S 6644). 83 Ars dicendi - in 4 Rhetoriklehrbuch eines Im Ratsschreiben von to unbekannten Verfassers. 1528 als „ars dicendi“ enthalten, aber nicht genauer spezifiziert.

84 85

86

Scoti Quodlibetum in fol. Etymologiae Isodori, ite Rhtca August. 1 tom.

Lauretii vallae elegatiae 1 tom.

Im Stadtmuseum erhalten (Signatur Ug 29), gedruckt 1484 von Johann Koelhoff d. Ä. in Köln. Disputationssammlung des Johannes Duns Scotus (vgl. bspw. VD16 BSB-Ink D-319). Enzyklopädie des Isidor Das Ratsschreiben nennt von Sevilla und das Werk zwar ein gemeinsames über die Redekunst des Buch von Augustinus und Augustinus (vgl. für Isidor, doch handelt es Letzteres VD16 BSB-Ink sich dort um Augustinus’ F-226). De Trinitate. Grammatik- und RhetoIm Ratsschreiben von riklehrbuch des Laurenti1528 als „Laurenzius valla“ us Valla (vgl. VD16 enthalten. BSB-Ink V-30). Im Stadtmuseum erhalten (Signatur Ug 8), mit weiteren Werken Vallas zusammengebunden, gedruckt 1476.

KONTINUITÄT UND NEUE ORGANISATION – DAS BEISPIEL SAALFELD

87

Aesopu moralisatu 1 Tom. in fol.

Aesops Fabeln.

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Möglicherweise der im Ratsschreiben von 1528 enthaltene „Esopus“.

Im Stadtmuseum erhalten (Signatur Ua 47), gedruckt 1489 vermutlich von Konrad Kachelofen in Leipzig. Mit anderen Werken zusammengebunden. 88 Regentenbuch Lehrhafter Traktat über die Regierung der Fürsten von Lauterbergs, Georg Lauterbeck, erstmals gedruckt 1556 in Leipzig 1 Tom. in fol (vgl. VD16 L 777). Fünfter Abschnitt des Katalogs Neve erzeuget bucher in die Bibliotheck Diese Kategorie enthält in chronologiRector M. Johanne Rudigero. scher Folge die Bücher, die nach der Ao 1592 von aller heiilig marcket ahn. Fertigstellung des Katalogs unter anderem aus der Stiftung von Jakob Kelz neu (In der zweiten Ausführung überschrieerworben wurden. ben mit: „Diese folgenden bucher seindt von dem vbrigen rest der 10 fl, von welchen nach vermöge Bürgerm. Keltzens seeligen stifftung armen Schulern jerlichen bucher gekauffet worden, vnter mir M. Johan Rudigero in die Biblioth. erzeuget word“) 89 Opus Ciceronis in Werke Ciceros in vier Bänden, gedruckt in Köln von 4 to. Gettfredi ao Gottfried Hittorp (vgl. bspw. VD16 ZV 3446). 1592 Ao 1593. 90 Sylua vocabulorum Viersprachiges Wörterbuch (Latein, Griechisch, Hebräduarum partium isch, Deutsch) von Heinrich Decimator (vgl. VD16 E heaiste von die 1070). Knaben auff d schul. 91 Opu absolutum de Lateingrammatik von Petrus Friederus Mindanus, Lat. ling. Petri erstmals gedruckt 1592 von Leonhard Ostein in Basel Mindani in 8vo. (vgl. VD16 F 2744). 92 Tomu 1 hriarum Geschichtswerk über die Kaiser Karl V., Ferdinand und Carolo V. / Maximilian II., nicht zu identifizieren. Ferdinado / Maximil 2 impatoribu 93 Tomu 2 hriarum iisde impatoribu 94 Tomu 3 hriarum iisde impatoribu

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

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Grammat. Graecolatina Nicod. Frischlini Ao 1594 96 4tu / 5tu / 7timu tomi opum osiandri in 4 to

Griechisch-lateinische Grammatik von Nicodemus Frischlin.

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Biblisches Historien- und Exempelbuch von Zacharias Rivander, erstmals gedruckt 1591 von Urban Gaubisch in Eisleben (vgl. VD16 ZV 971).

Promtuarium exorum in fol.

Werkausgabe von Andreas Osiander, nicht genau zu identifizieren.

(Die zweite Ausführung ergänzt: „deutzsch“) in folio. (In der zweiten Ausführung überschrieben mit: „Bucher so zum Teil von furstlicher sundlich begnadung, Vnd von B. Kelz stifftung sein in die bibliothecn gezeuget von M. David Aquila Pfarhern vnd Superinthndenten“) 98 8 Tomi opum Achtbändige WerkausgaHierbei handelt es sich um Brentii be von Johannes Brenz, die oben genannten vom erstmals gedruckt 1576– Herzog Friedrich Wilhelm 90 von Georg Gruppen1596 geschenkten Bände. bach in Tübingen (vgl. VD16 B 7470). Komplett im Stadtmuseum erhalten (Signatur Ug 35). 99 9 tomi librorum Werke von Augustinus, nicht zu identifizieren. August. 100 1 hria Ecclesiastica Kirchengeschichte des Eusebius von Caesarea, nicht Eusebii genau zu identifizieren. 101 1 hria olai Magni Geografisches und geschichtliches Werk Nordeuropas von Olaus Magnus (vgl. VD16 M 227). in Quarto 102 1 Hria Augustana Geschichte der Augsburgischen Konfession von David confess. Chytraei Chytraeus, erstmals gedruckt 1576 von Jakob Lucius d. Ä. in Rostock (vgl. VD16 C 2604). 103 1 Platina Werk von Bartolomeo Platina, nicht genau zu identifizieren. 104 1 Colloqum RaBericht über die Regensburger Religionsgespräch von tisbon. Martin Bucer, erstmals gedruckt 1543 von Wendelin Rihel in Straßburg (vgl. VD16 B 8949). in octav 105 6 tomi opum Werke von Plutarch, nicht genau zu identifizieren. Plutarchi 106 1 Gelliu Die Attischen Nächte von Aulus Gellius.

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Der damit vollständig wiedergegebene Katalog offenbart die durchaus beachtliche Vielfalt, welche die kleine Bibliothek aufwies. Sie reichte von Werken aus vorreformatorischer Zeit, den Kirchenvätern, mittelalterlichen Autoren, dogmatischen Schriften und auch vorlutherischen Bibelübersetzungen, über juristische Fachliteratur bis zu Werken der Reformation. Letztere weisen unter anderem eine genaue Übereinstimmung mit dem von Luther geforderten Bücherkanon auf. Auslegungen und Kommentare der Heiligen Schrift sind ebenso vorhanden wie Historien. Einzig die medizinischen Werke fehlen und auch Katechismen sowie musikalische Werke lassen sich wider Erwarten nicht finden. Ergänzt wird die Aufstellung stattdessen durch die mit der Geschichte der Reformation verbundenen Schriften, theologische Streitschriften, die Augsburgische Konfession und die Konkordienformel, mitunter in mehrfacher Ausführung. Die starke humanistische Ausprägung der Schule wird anhand der Titel gut deutlich. Ein starker Fokus auf die sprachliche Vielfalt ist auszumachen, durch den der Bestand ebenfalls Luthers Entwürfen folgt. Verschiedene Lexika und die Bibel lagen nicht nur in deutscher, lateinischer und griechischer, sondern auch in hebräischer (ID-Nr. 3) und sogar in syrischer Sprache (ID-Nr. 30) vor. Zumindest von Letzterer kann davon ausgegangen werden, dass sie in der Schule wohl keinen Gebrauch fand und auch die Hebräische Sprache wurde erst um 1640 in den Schulunterricht eingeführt.321 Die Existenz hebräischer Bücher im Katalog ist vermutlich auf Caspar Aquila zurückzuführen, der sich dem Studium dieser Sprache gewidmet hatte.322 Auffallend ist dabei jedoch das annähernd vollständige Fehlen antik-klassischer Literatur, auf deren Lektüre der Humanismus seine Schulkonzepte aufbaute. Abgesehen von den Kirchenvätern (ID-Nr. 38–51), die auf den Bestand der Franziskaner zurückzuführen sind, lassen sich nur die Fabeln von Aesop (ID-Nr. 87) ausfindig machen, doch wie das Ratsschreiben von 1528 vermuten lässt, könnten auch diese aus dem Franziskanerkloster stammen. Die Werke von Cicero (ID-Nr. 89), die Kirchengeschichte des Eusebius von Caesarea (ID-Nr. 100) sowie Plutarch (ID-Nr. 105) und die Attischen Nächte von Aulus Gellius (ID-Nr. 106) sind erst nach 1592 angeschafft worden. Vergil und Terenz, deren Gebrauch die oben dargelegten Lektionspläne nachgewiesen haben, erscheinen nicht. Stattdessen überrascht die Nennung von Georg Lauterbecks Regentenbuch (ID-Nr. 88). Das Fehlen der antiken Autoren stand deren Lektüre und Rezeption jedoch nicht im Weg, wie im Folgenden deutlich wird. Im Anschluss an den Katalog befinden sich ausführliche Rechnungsdarlegungen, unter anderem über die in der letzten Kategorie des Kataloges aufgeführten Neuerwerbungen. 323 Sie geben 321 Vgl. WAGNER/GROBE, Chronik (1867), S. 463; BRÄUTIGAM, Festschrift (1937), S. 56. 322 Vgl. BIUNDO, Aquila (1963), S. 20. 323 Vgl. StA Saalfeld, B XXI 1, ab fol. 8r.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

nicht nur Auskunft über die Art des Buchhandels des späten 16. Jahrhunderts, sondern machen auch die regelmäßigen Anschaffungen der Saalfelder Schule Jahr für Jahr nachvollziehbar und bieten daneben eine umfangreiche Darlegung der für den Schulunterricht genutzten Werke, die in dem Katalog vermisst werden. In dieser Hinsicht stimmen sie mit den Lektionsplänen überein und es zeigt sich, dass jedes Jahr aufs Neue große Mengen bestimmter Werke gekauft worden sind, um abgenutzte Exemplare zu ersetzen oder neue Schüler damit auszustatten. Bücher waren, wie es bereits aus dem Katalog ersichtlich wurde, am Ende des Jahrhunderts weitestgehend Marktware, 324 wurden ungebunden gekauft und nachträglich dem Buchbinder zum Binden überantwortet. So wird deutlich, dass Johannes Rüdiger im Jahr 1592 auf dem Allerheiligenmarkt unter anderen nicht genannten Büchern die im Katalog aufgeführten, von Gottfried Hittorp in Köln gedruckten Bücher von Cicero (ID-Nr. 89) bei dem Jenaer Buchführer Salomon Gruner für 8 fl 11 gr gekauft hat. Dem Buchbinder wurden aus dem Gemeinen Kasten 26 gr bezahlt, bevor die Bücher in die Bibliothek überführt werden konnten. Dieser Kauf war im Verhältnis gesehen enorm teuer und blieb daher auch der einzige dieses Jahres. Die Preise des darauffolgenden Jahres waren deutlich moderater, die gekauften Bücher daher zahlreicher. Auf dem Ostermarkt 1593 kaufte der Schulmeister den vierten und siebenten Band einer nicht näher spezifizierbaren Werkausgabe von Andreas Osiander. Mit 2 fl 7 gr 6 d war es die teuerste Anschaffung des Jahres. Der fünfte Band folgte auf dem Bartholomäusmarkt im Jahr darauf für nur 18 gr, woraufhin alle drei Bände ihre Aufnahme in der Bibliothek und im Katalog fanden (ID-Nr. 96). Mit einem Preis von 1 fl 7 gr stand die Silva vocabulorum von Heinrich Decimator (ID-Nr. 90) an zweiter Stelle, gefolgt von der Grammatik des Petrus Friederus Mindanus (ID-Nr. 91) für nur 8 gr. Für 14 gr wurde auf dem Allerheiligenmarkt die Grammatik des Nicodemus Frischlin (ID-Nr. 95) gekauft. Zusammen mit den drei im Katalog genannten Kaiserhistorien (ID-Nr. 92–94), deren Preis von 3 fl in der Rechnung erst nachträglich unter dem Gesamtpreis verzeichnet wurde, sind damit alle in diesem Jahr für die Bibliothek getätigten Neuanschaffungen genannt, doch geht die Rechnung noch darüber hinaus. Für jeweils nur wenige Groschen wurden zwei Sturmsche Editionen der Briefe des Cicero, eine weitere, nicht genauer gekennzeichnete Ausgabe der Briefe Ciceros ab familiares, zwei Katechismen von Luther und Chytraeus, die Dialektik des Lossius, die Griechischgrammatik von Nikolaus Clenardus und eine Vergilausgabe von Gregor Bersman angeschafft. Da diese Bücher, bei denen es sich eindeutig um Schulbücher für den täglichen 324 Erst allmählich etablierte sich ab der Mitte des 16. Jahrhunderts ein stationärer Buchhandel, der sich dem fahrenden Buchhandel gegenüber jedoch nur langsam durchsetzte, vgl. exemplarisch anhand des Wittenberger Buchhändlers Samuel Selfisch SCHIRMER, Buchdruck (2015), S. 185 f.

KONTINUITÄT UND NEUE ORGANISATION – DAS BEISPIEL SAALFELD

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Gebrauch handelte, nicht in den Bibliothekskatalog aufgenommen wurden, kann vermutet werden, dass sie in den Privatbesitz der Schuldiener oder der Schüler übergegangen sind. Die Gesamtausgaben des Jahres, die wiederum Salomon Gruner in gesammelter Form auf dem Allerheiligenmarkt gezahlt wurden, beliefen sich auf 6 fl 17 gr 6 d. Im darauffolgenden Jahr, 1594, wurde neben dem dritten Band der Osianderausgabe lediglich das Promptuarium Exemplorum von Zacharias Rivander (ID-Nr. 97), wie vom Katalog bestätigt, für 4 fl 5 gr 3 d erworben. Daneben stand wieder die Anschaffung von Büchern für den täglichen Schulgebrauch. Die Aufzählung umfasst 28 Exemplare von neun Titeln für insgesamt 3 fl. Darunter befanden sich beispielsweise jeweils vier Mal die Komödien von Terenz, die Fabeln Aesops von Joachim Camerarius und die Disticha Catonis. Wie schon aus dem Katalog ersichtlich wurde, endeten die Anschaffungen für die Bibliothek in diesem Jahr vorerst, der umfangreiche Schulbuchkauf wurde jedoch ungebrochen fortgesetzt. Für gerade einmal 50 gr 6 d konnten im Jahr 1595 von neun Titeln, darunter beispielsweise die Sententiae Puerilis von Leonhard Culmann, insgesamt 36 Exemplare erworben werden. Ein Vergleich der Preise, die in den damit dargelegten Jahren für Bücher bezahlt wurden, offenbart die enormen Schwankungen, denen sie unterlagen. Sie lassen, wie auch in der heutigen Zeit, auf große Qualitätsabstufungen und ausgewiesene Zweckbestimmungen schließen. Während es möglich war, Gebrauchsstücke für wenige oder gar einzelne Groschen zu kaufen, kostete die Ciceroausgabe des Kölner Druckers Gottfried Hittorp um die 8 fl. Dass sie nicht die einzige Anschaffung des Jahres 1592 war, ist aus der Rechnung ersichtlich, doch wird es sich bei den übrigen, nicht genannten Büchern um kleine Beträge gehandelt haben. Die Rechnungsdarlegung zieht sich in der gleichen Weise bis ins 17. Jahrhundert hinein und entwickelte sich in den folgenden Jahren zu einer regelrechten Bücherspende für arme Schüler. Es soll an dieser Stelle jedoch davon abgesehen werden, dies weiter zu verfolgen. Ein letzter nennenswerter Aspekt des Katalogs verdeutlicht hingegen, dass es sich bei der Bibliothek schon im 16. Jahrhundert um eine Leihbibliothek gehandelt hat. Unter dem Titel „Diese bucher seindt auß der Bibliotheck verlihen worden“ 325 wurden die Namen des Nutzers mit den jeweils geliehenen Büchern verzeichnet. Bei der Rückgabe der Bücher wurden die jeweiligen Personen aus der Liste gestrichen. Es ist zwar anzunehmen, dass der Gebrauch der Bibliothek allen Bürgern der Stadt offenstand, doch weisen die aufgeführten Namen nur einen begrenzten Kreis auf, der sich auf die Kirch- und Schuldiener beschränkt. An erster Stelle steht David Aquila, der sich unter anderem die Etymologia des Isidor von Sevilla (ID-Nr. 85) oder die Kaiserhistorien 325 StA Saalfeld, B XXI 1, fol. 4v.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

(ID-Nr. 92–94) auslieh. Ihm folgen der Kantor Caspar Bergmann und der Superintendent Johann Fladung. Letzterer lieh bemerkenswerterweise die syrische Bibel (ID-Nr. 30) aus, was darauf schließen lässt, dass er der syrischen Sprache mächtig war.

4.7. Die deutschsprachige und die Mädchenschule Sowohl die Ursprünge der Mädchen- als auch der deutschsprachigen Schule liegen im Dunkeln. Ob die Mädchenschule bereits in vorreformatorischer Zeit bestanden hat, kann nur vermutet werden.326 Während der ersten Visitationen fand sie keine Erwähnung. Erst 1534 stand sie im Zusammenhang mit der Verlegung der Knabenschule ins ehemalige Franziskanerkloster. Während diese ins Kloster umquartiert wurde, verblieb die Mädchenschule in dem 1491 neu errichteten Haus an der Johanniskirche. Möglicherweise kam es auch erst jetzt zu ihrer Einrichtung in den nun leerstehenden Räumlichkeiten. Die Leitung der Mädchenschule und die Unterrichtung der Schülerinnen hatte der Kirchner neben seinen sonstigen Tätigkeiten inne.327 Die Etablierung der Mädchenschule im ehemaligen Knabenschulhaus, das 1529 als zu „eng, finster und dumpf“328 für die Knaben bezeichnet wurde, verdeutlicht nicht nur eine geringere Frequentierung, sondern auch entsprechend dem Verständnis der Zeit eine geringere Priorität der Mädchenbildung. Obwohl Luther in seinen frühen Schulschriften die Mädchenund Knabenschulen gleichwertig nebeneinander stehen sehen wollte und lediglich eine inhaltliche Anpassung vorsah, musste die erste reformatorische Mädchenschule in Saalfeld geringeren Ansprüchen genügen. Ihre Entwicklung durch das 16. Jahrhundert lässt sich anhand der Quellen nur schwer nachvollziehen. Die oben genannte Besoldungsordnung von 1536 besagte für den Kirchner, dass ihm zusätzlich zu den Einkünften aus der Mädchenschule 4 a ß aus dem Gemeinen Kasten gezahlt werden sollten.329 In den Kastenrechnungen erscheint die Mädchenschule nur sporadisch und meist völlig kommentarlos. Erstmals ist dies im Rechnungsjahrgang 1551/52 der Fall. Das Amt des Kirchners versah Jakob Pfuesten. Er erhielt neben seinem Kirchnergehalt von 5 fl 15 gr und einigen Naturalien die Einkünfte der Mädchenschule in ungenannter Höhe. Sie wurde hier in Abgrenzung von der lateinischen Knabenschule deutlich 326 Vgl. WERNER, Saalfeld (1995), S. 93. 327 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 4.2, fol. 347v; RICHTER, Reformation (1855), S. 9; BRÄUTIGAM, Festschrift (1937), S. 10; WERNER, Saalfeld (1995), S. 125; STREITBERGER, Einfluß (1997), S. 17; GOß/KNÜPFER, Geschichte des Schulwesens II (2004), S. 102. 328 MITZENHEIM, Kirchenvisitation II (1927), S. 9. 329 Vgl. StA Saalfeld, B XXI 10, fol. 2r; LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 4.2, fol. 347v.

KONTINUITÄT UND NEUE ORGANISATION – DAS BEISPIEL SAALFELD

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als „Die Deutsche meidlin schull“330 bezeichnet. Die Angaben wurden im folgenden Rechnungsjahr 1552/53 gleichermaßen wiederholt.331 Die Mittellosigkeit des Saalfelder Gemeinen Kastens macht sich auch an dieser Stelle bemerkbar. Sowohl anhand der Kastenrechnungen als auch der Stadtrechnungen wird deutlich, dass der Kirchner sein Gehalt statt vom Kasten durch den Rat ausgezahlt bekam. Jahr für Jahr erscheint sein Gehalt in den Stadtrechnungen unter dem Posten des Gesindelohns, während die Kastenrechnung es zwar verzeichnet, jedoch als vom Rat zu zahlen bezeichnet.332 Auf welche Weise der Kirchner seinen in der Besoldungsordnung und den Kastenrechnungen erwähnten Verdienst aus der Mädchenschule zog, bleibt an diesen Stellen offen. Aufschluss darüber gewährt erst der 1555 von den Herzögen eingeforderte Bericht des Rates über die Lage des Kirchen- und Schulwesens. Neben der Lateinschule für Jungen wurde darin die Mädchenschule aufgeführt, die durch einen als tüchtig und fromm ausgezeichneten Mann versehen wurde. Neben seinem Kirchnergehalt, das hier mit 5 fl 10 gr angegeben wurde, erhalte er von den Mädchen, ein jährliches Schulgeld von 8 gr.333 Es ist anzunehmen, dass dieses Schulgeld mit der Einrichtung der Mädchenschule verordnet worden war, doch floss es nach der Besoldungsordnung von 1536 nicht, wie das neueingeführte Schulgeld für die Knaben, in den Gemeinen Kasten, sondern bildete das direkte Einkommen des Kirchners. Da eine Gesamteinnahme an keiner Stelle verzeichnet wird, ist eine Ermittlung der Frequentierung der Mädchenschule nicht möglich. Eine Deutsche Schule wird in dem Ratsbericht von 1555 hingegen noch nicht genannt. Ihre Ursprünge sind deutlich schlechter greifbar als die der Mädchenschule. Ein erster Hinweis auf Ambitionen zur Errichtung einer Schreibschule kommt indessen nicht aus der Stadt selbst. Sie wurde ihr von außen zugetragen. Im Jahr 1562/63 erhielt ein Mann namens Johann Kolben von Stembach ein Geschenk von immerhin 1 fl, weil er der Stadt seine Schuldienste angetragen hatte.334 Da er in der Stadtrechnung ohne akademischen Titel aufgeführt wird, kann davon ausgegangen werden, dass seine Ambitionen nicht auf die Lateinschule gerichtet waren. Eine weitere Bewerbung, die sich eindeutig auf den deutschen Schuldienst bezog, erfolgte bereits im darauffolgenden Jahr. Zwei diesmal nicht namentlich genannte Deutsche Schreiber aus Nürnberg boten ihrerseits der Stadt ihre Dienste an, wofür sie ein Geschenk von 14 gr erhielten.335 Ob in Saalfeld zur Zeit dieser Bewerbungen bereits eine Schreibschule bestanden 330 331 332 333 334 335

StA Saalfeld, C II c 4, unfol. Vgl. StA Saalfeld, C II c 5, unfol. Vgl. StA Saalfeld, C II c 4; ebd, C II c 5. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2529, fol. 2v–3r. Vgl. StA Saalfeld, C II a 25, unfol. Vgl. StA Saalfeld, C II a 26a, unfol.

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hat, ist ebenso unbekannt wie eine Einstellung Johann Kolbens oder der namenlosen Bewerber. Eindeutiger ist im Jahr 1571 die Existenz einer Winkelschule in Saalfeld zu belegen. Wie oben ausgeführt, reichte der 1573 an Ungers Stelle eingesetzte Superintendent Georg Autumnus am 15. Oktober ein Beschwerdeschreiben gegen die Widersetzlichkeit des Stadtrates ein. In den darin behandelten und von ihm angeprangerten Missständen findet sich die Klage über eine Privatschule eines Georg Rentsch. Dessen Unterrichtsweise widerspreche dem Wittenberger Katechismus, so der Vorwurf des Superintendenten. Da Rentschs Tätigkeit jedoch außerhalb der Amtsbefugnis der Visitatoren lag, drängte der Superintendent den Rat, sein Verhalten und seine Tätigkeit nicht zu dulden. Der Rat kommentierte den Vorwurf in der ihm eigenen Knappheit damit, dass man davon nichts wisse, äußerte sich jedoch nicht über die Aufforderung zum Verbot.336 Es ist dies im gesamten 16. Jahrhundert der einzige Hinweis auf eine Winkelschule in Saalfeld. Ihr weiteres Schicksal ist unbekannt. Der Vorwurf, dass die Winkelschule nicht dem Katechismus entspreche, entsprang dem theologischen Prioritätsverständnis des Superintendenten. Tatsächlich bedeutete er wahrscheinlich nur, dass Rentsch nicht etwa den falschen, sondern keinen Katechismusunterricht erteilte. Es ist viel eher anzunehmen, dass der Schulmeister seinen Unterricht ganz ohne kirchliche Ausrichtung versah. Sein offensichtlicher Erfolg, den er damit erzielte, erweitert somit das von der humanistischen Lateinschule nicht gänzlich gestillte Bildungsbedürfnis um den Aspekt der rein weltlichen, auf das Wirtschaftsleben der Stadt ausgerichteten Bildung. Genauere Aussagen über die Unterrichtsinhalte der Winkelschule können jedoch nicht getroffen werden. Auch wenn die Existenz einer offiziellen Deutschen Schule zu dieser Zeit bereits vermutet werden kann und wahrscheinlich ist, fällt der erste eindeutige Beleg erst in das Jahr 1578/79, als der Stadtrat dem Deutschen Schreiben mit 1 fl 3 gr einen Teil des Brennholzes bezahlte.337 Wenige Jahre später, 1581/82, erfolgte zum dritten Mal eine Bewerbung um den Deutschen Schuldienst. Einem alten Mann, der diesmal auch als Rechenmeister ausgewiesen wird, gab der Rat 4 gr.338 Eine Anstellung bleibt wieder offen, doch deutet seine Bezeichnung als Schreib- und Rechenmeister darauf hin, dass das Rechnen in der Saalfelder Schule mit zu den vermittelten Unterrichtsinhalten zählte. In dasselbe Jahr fällt schließlich die erste und einzige namentliche Erwähnung eines in Saalfeld tätigen Schreibmeisters. Der Superintendent Philipp Caesar verzeichnete den so be-

336 Vgl. RICHTER, Schulkomödie (1864) Anm. 27 auf S. 22. 337 Vgl. StA Saalfeld, C II a 34, unfol. 338 Vgl. StA Saalfeld, C II a 37, unfol.

KONTINUITÄT UND NEUE ORGANISATION – DAS BEISPIEL SAALFELD

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zeichneten „Deutschschreiber“339 Johannes Steltzner im Taufregister, als dieser am 15. November 1581 seine Tochter taufen ließ.340 Von der Mädchenschule findet sich bis in die 1580er Jahre keine weitere Spur. Sagittarius berichtet zwar davon, dass der Superintendent Basilius Unger kurz vor seinem Tod 1574 um eine Erweiterung der Mädchenschule nachgesucht haben soll,341 doch ist eine Ausführung dessen anhand der Quellen nicht ersichtlich. Erst durch die Visitationen der 1580er Jahre, in denen der oben geschilderte Streit um den Superintendenten Philipp Caesar ausgetragen wurde, rückten sowohl die Mädchen- als hier zum ersten Mal auch die Deutsche Schreibschule deutlicher in den Blick. 1580 erscheint die Schreibschule unter einem Deutschen Schulmeister als festinstallierte Institution neben der Lateinschule und verfügte über einen mit ihr vergleichbaren Zulauf.342 1584 wurde dieses Urteil auch für die Mädchenschule ausgesprochen, doch schließt Caesars oben wiedergegebene Kritik auch diese Schulen mit ein. Dem Deutschen Schreiber, der die Schreibschule innehatte, warf er vor, unfleißig und den Kindern ärgerlich zu sein. Der Rat solle ihn dahingehend ermahnen. Zugleich verdeutlicht der Superintendent, dass er auch die Aufsicht über die Deutsche Schule unter seine Amtsbefugnisse und -pflichten implizierte. Er wolle, so seine Worte, „das meine durch Gottes Gnad auch gern dabey thun“.343 Trotz seiner Kritik widmete er sich der Deutschen Schule mit gleicher Aufmerksamkeit wie der Lateinschule, hielt nach eigener Aussage von 1585 auch hier Inspektion, sei bei den Prüfungen zugegen und halte Schulpredigten und ärgere sich – wie oben bereits wiedergegeben – über die Missachtung, die ihm dafür vom Rat entgegen gebracht werde.344 Die Mädchenschule sollte, so heißt es, eigentlich von der Frau des Kirchners geleitet werden. Es fand die Missbilligung Caesars, dass der Kirchner dieses Amt jedoch selbst ausführte, und er warf diesem vor, sich vor seinen eigentlichen Amtsgeschäften drücken zu wollen. 345 Wie gezeigt wurde, hatte es mit der Amtszuweisung des Kirchners durchaus seine Richtigkeit, auch ist ein Beschluss zur Übertragung auf seine Frau nicht überliefert. Es liegt daher der Gedanke nahe, dass der Superintendent es schlichtweg unziemlich fand, die Mädchen vom 339 Vgl. KA Saalfeld, Kirchenbuch Nr. 1, S. 193. 340 Ein aus Naumburg stammender Joh. Steltzner ist im Sommersemester 1565 in der Universität Leipzig immatrikuliert worden, erwarb dort 1568 das Baccalaureat und 1570 den Magistergrad, vgl. ERLER, Jüngere Matrikel (1909), S. 447. Eine Identifizierung ist möglich, aber nicht eindeutig, zumal Caesar einen Magistertitel im Kirchenbuch wahrscheinlich vermerkt hätte. 341 Vgl. SAGITTARIUS, Historien II, S. 279; WERNER, Saalfeld (1995), S. 155. 342 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 62, fol. 141r. 343 LATh-StA Altenburg, Landesregierung, 4279, fol. 64v. 344 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 66, fol. 167v. 345 Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung, 4279, fol. 64v.

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Kirchner unterrichtet zu sehen und daher auf Änderung drang. Bestärkt wurde sein Missfallen durch die unzureichende Disziplin und Zucht unter den Mädchen. Auch verhöre der Kirchner die Schülerinnen nur einmal am Tag, was Caesar als ungenügend ansah. Die Gegenklage des Rates, dass der Superintendent seinerseits den Kirchner von seiner Arbeit und seinen Pflichten in der Mädchenschule abhielte, ist oben bereits angeführt worden.346 Aus den Worten des Superintendenten ist ersichtlich, dass neben den Lateinschülern auch für die Schülerinnen der Mädchenschule die Teilnahme an den Gottesdiensten und Predigten verbindlich war. Caesar klagte jedoch, dass die Mädchen die Schule auf dem Weg zur Messfeier stets „ungezogen mit Geschrey vnd Tumult“347 verließen. Über den Fort- und Ausgang der Auseinandersetzungen mit dem Superintendenten wurde oben bereits berichtet. Angesichts der in den Quellen deutlich hervorgehenden Konfrontationslust Philipp Caesars müssen viele seiner Aussagen und Beschwerden sowohl über die Lateinschule als auch über die Deutschen Schulen wohl relativiert werden. Das Bildungsbedürfnis der Bevölkerung wird die Deutschen Schulen ebenso erfasst haben, wie die Latein- und die genannte Winkelschule. Die weitere Entwicklung der Deutschen Schulen kann jedoch anhand der vorhandenen Quellen nicht weiterverfolgt werden. Die Visitationen der 1580er Jahre bieten die letzten Einblicke des 16. Jahrhunderts. Das im Jahr 1585 eingerichtete Matrikelbuch sollte nach der Auskunft seines Titels zwar auch die Deutsche Schreibschule betreffen, doch wurde sie letztlich nicht darin aufgenommen. Die Mädchenschule wird ein letztes Mal in der Kastenrechnung von 1589/90 erwähnt, jedoch nur aufgrund der Ausbesserung zweier Bänke im Schulraum.348

346 Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung, 4278, fol. 68v. 347 LATh-StA Altenburg, Landesregierung, 4279, fol. 64v. 348 Vgl. StA Saalfeld, B XX 1g, fol. 15v.

5.

Das Schulwesen in der Reichsstadt Mühlhausen

DAS SCHULWESEN IN DER REICHSSTADT MÜHLHAUSEN

5.1. Die Einführung der Reformation An kaum einem Ort brach sich die Reformation mit solch einschneidenden Umwälzungen für die politische Lage der Stadt Bahn wie in Mühlhausen.1 Der Einzug der neuen Lehre ging hier mit ernsthaften sozialen Spannungen einher und brachte die Stadt in ihrem Verhältnis zu den umliegenden Herrschaften und dem Reich stark in Bedrängnis. Dies trug nicht unerheblich dazu bei, dass die städtische Obrigkeit der lutherischen Konfession für lange Zeit Ablehnung entgegen brachte. Erst Jahrzehnte nach ihrem ersten Auftreten und nach mehrfachen mitunter auf äußeren Druck zurückgehenden Anläufen konnte sich die lutherische Konfession endgültig gegen den Katholizismus durchsetzen. Fast fünf Jahrzehnte der Mühlhäuser Geschichte sind durch den mehrfachen und konfliktreichen Wechsel der Konfessionen geprägt, was sich nicht zuletzt auf die schulische Entwicklung auswirkte. Nachdem bereits 1522 der einstige Benediktinermönch M. Matthäus Hisolidus in Mühlhausen gepredigt hatte, folgte diesem im Frühjahr 1523 der ehemalige Zisterziensermönch Heinrich Pfeiffer, mit dessen Wirken eine große Spannung aufkam und der Grundstein der kommenden Unruhen in der Stadt gelegt wurde. Seine Predigten sollen gegen die römische Geistlichkeit und insbesondere gegen die ortsansässigen Mönche und Nonnen gerichtet gewesen und bei der Bevölkerung auf fruchtbaren Boden gefallen sein. Ein regulierendes Eingreifen des Stadtrates war aufgrund der rasant steigenden Anhängerschaft Pfeiffers schnell nicht mehr möglich, sodass er gezwungen war, die Aktivitäten des Predigers zumindest in den Kirchen der Vorstädte zu dulden. Nur wenige Monate nach seinem Eintreffen begann sich Pfeiffers Anhängerschaft unter seiner Führung zu einer stadtpolitischen Oppositionsbewegung zu organisieren. Im Mai wurden aus der städtischen Bevölkerung das Gremium der sogenannten Achtmänner und ein vierzigköpfiger Ausschuss gewählt, denen die Durchsetzung der Forderungen vor dem Stadtrat übertragen wurde. Da dieser 1

Die Darstellung der Mühlhäuser Reformation basiert, wenn nicht anders belegt, auf der folgenden Forschungsgrundlage: JORDAN, Geschichte (1901); KNIEB, Kirche (1907); JORDAN, Rezess (1909); KLETT, Geschichte (1916); JORDAN, Vertreibung (1917); KLETT, Unruhen (1925); WALTER, Mühlhausen (1956); LÖSCHE, Achtmänner (1960); GÜNTHER, G: Rezeß (1961); DERS., Der Ewige Rat I (1962); DERS., Der Ewige Rat II (1964); DERS., Der Ewige Rat III-V (1964); DERS., Mühlhausen (1975); STEINBRINK, Mühlhausen (1984); KLEIN, Sachsen (1992); TODE, Bauernkrieg (1994); WEBER, Einfluss (1995); BRÄUER, Sendbrief (2000); JOKISCH, Dominikus Bonat (2002); SÜNDER, Reichsstädte (2010); MÜLLER, Ein ehrbarer Rat (2013); DEUBNER, Hans von Germar (2015).

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sich jedoch weigerte, die Belange der Bürger anzuhören, kam es Anfang Juli zu Ausschreitungen gegen den Rat. Das Rathaus wurde von bewaffneten Bürgern besetzt und der Stadtrat zur Annahme eines umfangreichen Rezesses gezwungen. In 54 Artikeln wurden politische und wirtschaftliche Zugeständnisse gefordert, während religiöse Belange, darunter die Wahl evangelischer Prediger und die Einrichtung eines Gemeinen Kastens, noch zweitrangig blieben. Dennoch wurde die aggressive Stimmung der Menschen auf die Klöster, insbesondere das Franziskanerkloster gelenkt, das in der ersten Juliwoche mehrfach gestürmt, geplündert und verwüstet wurde. Die Franziskanerbrüder brachten sich in Sicherheit und verließen die Stadt. Durch die Annahme des Rezesses besänftigt beruhigte sich die Bürgerschaft jedoch schnell. Die Forderungen wurden vom Rat zwar umgangen, doch gewann er soweit die Initiative zurück, dass er Pfeiffer und Hisolidus am 26. August 1523 unbeschadet der Stadt verweisen konnte. Die Ruhe währte jedoch nur wenige Monate. Noch im selben Jahr kehrte Pfeiffer in die Stadt zurück und das Aufbegehren der Bürger gegen den Stadtrat wie verstärkt auch gegen den Deutschen Orden und dessen kirchliche Autorität wiederholten sich. Die katholischen Priester wurden beschimpft, Gottesdienste gestört oder unterbrochen und die Häuser der Deutschordensherren gestürmt und verwüstet. Im August 1524 erschien Thomas Müntzer erstmals in Mühlhausen. Trotz großer Mühen gelang es dem Stadtrat nicht, ihn abzuweisen und obgleich er ohne Predigerstelle blieb, erwuchs er zur zentralen Figur der reformatorischoppositionellen Bewegung der Stadt und Mühlhausen in den folgenden Monaten zu einem Mittelpunkt des Bauernkrieges. Unter Müntzers Führung kam es im September nach einem Eklat des Stadtrates zum neuerlichen Aufruhr, der den regierenden Bürgermeister Sebastian Rodemann zur Flucht zwang. In seiner Abwesenheit gruppierte sich Müntzers und Pfeiffers Anhängerschaft zum sogenannten Ewigen Bund Gottes, der in einem neuerlichen Schreiben die elf Mühlhäuser Artikel formulierte und unter anderem die Wahl eines Ewigen Rates auf der Grundlage des Evangeliums forderte. Trotz neuerlicher vorübergehender Ausweisung der Prediger Pfeiffer und Müntzer radikalisierte sich die Bewegung. Es gelang dem Stadtrat nicht, die Oberhand zu bewahren. Ihm entglitt allmählich die Macht bis er schließlich nach der Rückkehr Müntzers im Februar 1525 und seiner Einsetzung als Prediger an der Kirche St. Marien am 16. März 1525 abgesetzt und durch den geforderten Ewigen Rat ersetzt wurde. Das Wirken des Ewigen Rates währte nur wenig mehr als einen Monat. Die Niederlage im Bauernkrieg und Müntzers Hinrichtung brachte nicht nur für die Mühlhäuser reformatorische Bewegung, sondern auch für die Stadt selbst die Katastrophe. Nach der Niederlage bei Frankenhausen wurde Mühlhausen von dem Fürstenheer eingenommen, zahlreiche Teilnehmer der Unruhen hingerichtet und die alte Ratsverfassung erneuert. Die Stadt entging nur knapp der Zerstö-

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rung, doch wurden harte Strafmaßnahmen umgesetzt. Mühlhausen verlor die Reichsunmittelbarkeit und wurde unter die Verwaltung dreier Schutzfürsten, des ernestinischen Kurfürsten, des albertinischen Herzogs und des hessischen Landgrafen, gestellt. Der neu eingesetzte Stadtrat betrieb eine energische Rekatholisierung und verbot jegliche kirchliche Neuerung. In den folgenden Jahrzehnten blieb der Stadtrat streng katholisch. Dennoch gab es Ambitionen, die Reformation auf friedlichem Wege in die Stadt zu tragen, doch gingen diese nicht vom Stadtrat oder den Gemeinden, sondern von den Schutzfürsten aus. Zwei von ihnen, der Kurfürst Johann von Sachsen – sowie in seiner Nachfolge Johann Friedrich – und der Landgraf Philipp von Hessen, waren bereits evangelisch und bedrängten den Stadtrat seit 1529, die neue Konfession anzunehmen. Die Versuche scheiterten an der Altgläubigkeit des dritten Schutzfürsten Herzog Georg von Sachsen. Als er jedoch 1539 starb und sein evangelischer Bruder Heinrich in der Regierung nachfolgte, schloss dieser sich dem Ansinnen des Ernestiners und des Hessen an. 1542 wurde der Stadt die Reformation durch die Schutzfürsten gegen den Willen des katholischen Rates aufgezwungen. Mittels einer Visitation durch Abgeordnete der drei Landesherren wurde die neue Lehre in den Dörfern des Mühlhäuser Landgebietes und der Stadt selbst eingeführt. Der vormalige Pfarrer von Eisenach Justus Menius wurde neben mehreren evangelischen Predigern zum Superintendenten eingesetzt, während Dominikus Bonat als Schultheiß das evangelische Gegengewicht zu dem katholischen Bürgermeister Rodemann bilden sollte. Am 14. September 1542 hielt Menius den ersten evangelischen Gottesdienst in der Marienkirche. Auch diese zweite evangelische Phase fand jedoch nur wenige Jahre später ihr abruptes Ende. In der Niederlage der evangelischen Partei im Schmalkaldischen Krieg sah der nach wie vor katholische Stadtrat die Chance, die ihm aufgezwungene Konfession abzuschütteln. Mit Rückendeckung des Kaisers wurde der Nachfolger Menius’ und die evangelischen Prediger abgesetzt, die katholischen Messen wieder eingeführt, die Klöster restituiert und Bonat der Stadt verwiesen. 1548 erlangte die Stadt, die dem Kaiser sofort nach der Schlacht bei Mühlberg die Treue geschworen hatte, die Reichsfreiheit zurück. Der Einfluss der evangelischen Prediger und Superintendenten war jedoch nicht ohne Wirkung auf die städtische Bevölkerung geblieben. Letztlich breitete sich die neue Lehre auch unter der katholischen Ratsherrschaft in der Stadt aus und erreichte allmählich selbst den Stadtrat. Unter der Führung der Brüder Bonat – Dominikus war bereits nach wenigen Monaten aus seinem Exil zurückgekehrt – vereinte sich die evangelische Partei in der Stadt und entsandte im April 1554 eine siebzehnköpfige Gesandtschaft mit der Bitte um Intervention an den albertinischen Kurfürsten August. Er möge beim Stadtrat durchsetzen, dass der evangelischen Partei eine Kirche zur Verfügung gestellt werde.

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Eine nicht zu unterschätzende Rolle kam in der folgenden Entwicklung dem Deutschen Orden zu, der nicht, wie in Saalfeld und Altenburg weitestgehend aus dem kirchlichen Leben der Stadt verdrängt wurde, sondern die Fäden ab der Mitte des Jahrhunderts selbst in die Hand nahm. 1534 war der Orden in einer wirtschaftlichen Notlage gezwungen gewesen, der Stadt die Deutschordenshäuser und sämtliche damit verbundenen Güter wie auch die Patronatsrechte über die Kirchen zunächst auf 12, später auf 24 Jahre der Stadt zu verpachten (Kap. II. 5.3.). Im Laufe dieser Zeit konvertierten jedoch zahlreiche Ordensbrüder und als mit dem Augsburger Reichstag von 1555 dem Deutschen Orden die Konversion zugestanden wurde, bekannte sich auch der thüringische Landkomtur und kurfürstliche Rat Hans von Germar zum Evangelium.2 Um die damit gegebene Möglichkeit, die Mühlhäuser Kirchen erneut zu reformieren, zu nutzen, setzte er den Stadtrat über den 1558 ablaufenden Pachtvertrag unter Druck. Am 22. Juli 1555 teilte der Landkomtur dem Stadtrat mit, dass dieser vertraglich dazu verpflichtet sei, die Mühlhäuser Kirchen mit geeigneten Geistlichen zu besetzen, und forderte die Einstellung evangelischer Prediger. In der Hoffnung auf eine abermalige Verlängerung des Pachtvertrages erklärte sich der Stadtrat schließlich bereit, die Kirche Divi Blasii der evangelischen Lehre zu öffnen. Als Prediger wurden Heinrich Salmuth und Johann Henning aus Leipzig berufen und am 13. Juni 1557 die erste evangelische Predigt in Divi Blasii gehalten. Nur wenig später, im September 1557, trat der Pfarrer von Delitzsch Hieronymus Tilesius als Nachfolger Salmuths den Dienst in Mühlhausen an. Die Zugeständnisse des Rates brachten ihm jedoch nicht die erhoffte Verlängerung des Pachtvertrages ein. Stattdessen wurde die Forderung nach einer Reformation nur wenige Monate nach der Neubesetzung von Divi Blasii auch auf die Marienkirche ausgeweitet. Nach dem Ende der Pachtzeit und der Rückführung der Patronatsrechte an den Deutschen Orden, stellte dieser alle katholischen Messen der Marienkirche ein und erhob Tilesius zum neuen Superintendenten über beide Kirchen. Am 12. Juni 1558 hielt er die erste evangelische Predigt in der Marienkirche. Obgleich die Katholiken inzwischen in der Minderheit waren, bemühte sich der Stadtrat weiterhin, die katholische Seite zu stützen. Zu diesem Zweck ließ er eigenmächtig das ehemalige Barfüßerkloster herrichten und zu einer dritten – katholischen – Pfarrei ausbauen. Trotz einer vorübergehenden katholischen Aktivität dieser Barfüßergemeinde, gelang es dem Stadtrat jedoch nicht, diese aufrechtzuerhalten. Das katholische Element in der Stadt schwand und der 2

Offiziell konvertierte und heiratete Hans von Germar erst 1560 (vgl. DEUBNER, Hans von Germar (2015), S. 25), doch zeigt sein Verhalten in der Mühlhäuser Reformationsgeschichte, dass er in seiner Rolle als kurfürstlicher Rat bereits sehr mit den Protestanten sympathisierte und sich für ihre Interessen einsetzte.

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Druck des Kurfürsten errang endgültig die Oberhand, als der katholische Bürgermeister Sebastian Rodemann 1563 nach achtunddreißigjähriger ununterbrochener Amtszeit starb. Sein Nachfolger wurde sein vormaliger Gegenspieler Christoph Bonat, der Bruder des einstigen Schultheißen. Katholische Elemente wurden nun mit zunehmender Heftigkeit unterdrückt und zuletzt 1566 die Barfüßerkirche geschlossen.

5.2. Das Schulwesen unter dem Einfluss des frühreformatorischen Aufruhrs Die Frage nach dem Schicksal der Deutschordensschulen in den 1520er Jahren kann nur andeutungsweise beantwortet werden. Wie bereits in den vorhergehenden Jahrzehnten findet sich in den Quellen kein Niederschlag über die schulischen Aktivitäten. Die letzte unmittelbare, jedoch nur theoretische Erwähnung der Schulmeister steht in Verbindung mit dem oben bereits erwähnten, 1523 gestifteten Poppenroder Tisch. Eine Notiz im Notulbuch zum 1. Februar 1525 belegt zumindest die Existenz einer Schule.3 Erst aus der Rückschau von sieben Jahren wird erneut ein Schulmeister, der zur Zeit des Aufruhrs in Mühlhausen gewirkt haben soll, namentlich genannt. Dem Baccalaureus Ambrosius Grosch wurde 1532 die Strafzahlung, die nach der Niederschlagung des Bauernkrieges allen Bürgern auferlegt wurde, erlassen, weil er in jener unruhigen Zeit beide Schulen versorgt habe. Im selben Zuge wurde er verpflichtet, der Schule an St. Marien weitere zwei Jahre vorzustehen. 4 Grosch ist damit der einzige bekannte Schulmeister, der beide Schulen gleichzeitig leitete. Hinter dieser Tatsache verbirgt sich ein Hinweis darauf, dass die Deutschordensschulen durch den Aufruhr in Mitleidenschaft gezogen worden sind. Obgleich nicht zu klären ist, auf welche Weise die Schulen sich leerten, steht fest, dass es dem bedrängten Deutschen Orden nicht mehr möglich oder angesichts einer zurückgehenden Frequentierung nicht mehr nötig war, den Schulen jeweils einen eigenständigen Schulmeister zuzuweisen. Grosch habe beiden Schulen gedient und vermutlich war es sein Verdienst, die Schulen über den Bauernkrieg hinweg am Leben erhalten zu haben. Erst nach der neuerlichen Beruhigung der Zustände und einer 3

4

In der Regelung der Erbschaft der Mutter des späteren evangelischen Schultheißen Dominikus Bonat wird ihr noch durch den katholischen Stadtrat auferlegt, dass sie ihren jüngsten Sohn Georg in die Schule zu schicken habe, vgl. GÜNTHER, Der Ewige Rat III-V (1964), S. 21. Hierbei handelt es sich jedoch um eine standardisierte Formulierung, die sich wie bereits gezeigt in den Notulbüchern häufiger findet und daher nicht überbewertet werden sollte. Vgl. BRINKMANN, Gelegenheitsfunde (1933), S. 105.

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Rekatholisierung der Stadt wurden die Schulen ab 1532 erneut einzeln besetzt und das Schulmeisteramt des Ambrosius Grosch auf die Marienschule beschränkt. Angriffe auf die Schulen erscheinen jedoch während der umfangreichen Untersuchungen nach der Niederschlagung des Aufstandes an keiner Stelle als zu bestrafender Tatbestand. Die Quellenlage des Mühlhäuser Stadtarchivs ist dahingehend sehr gut. Zahlreiche detaillierte Befragungs- und Verhörprotokolle geben Auskunft über die gesellschaftliche und politische Situation während der Unruhen. Oftmals schildern die Befragten ihr Vorgehen und werfen so ein Licht auf Klosterstürme, Angriffe gegen die Deutschordenshäuser, Diebstähle von Kirchengut wie Kleinodien und dergleichen mehr. Eine ablehnende Haltung gegen die Schulen oder sogar ihre Beschädigung werden jedoch nicht aufgeführt.5 Im Gegenzug wird deutlich, dass der Ewige Rat in der kurzen Zeit seiner Existenz selbst den Anlauf unternahm, eine evangelische Schule zu begründen. Zu Beginn des Aufruhrs unter Heinrich Pfeiffer zeigen sich zunächst keine derartigen Ambitionen. Der Rezess von 1523 enthält lediglich politische und wirtschaftliche Aspekte, ergänzt durch die Einstellung evangelischer Geistlicher und die Einrichtung eines Gemeinen Kastens. Letztere Forderung ist jedoch viel eher als Auflehnung gegen die wirtschaftliche Übervorteilung des Deutschen Ordens anzusehen und zielte darauf ab, die Armut der Stadt durch die kirchlichen Mittel zu versorgen. Eine schulische Funktion wird dabei nicht ausdrücklich genannt oder war höchstens in der verlangten Umsetzung des göttlichen Wortes enthalten.6 Erst als Thomas Müntzer nach seiner Verbannung im Februar 1525 nach Mühlhausen zurückkehrte, befand sich der Schulmeister der Nürnberger Sebaldusschule Hans Denck, der vom dortigen Stadtrat wegen schwärmerischer Beeinflussung der Schüler abgesetzt worden war, in seinem Gefolge. 7 Als im folgenden Monat in Mühlhausen der alte Rat abgesetzt wurde und der Ewige Rat an seine Stelle trat, berief er Hans Denck zu einem Schulmeister, wie dieser selbst noch im März brieflich an Oekolampad berichtete.8 Ein erster rätselhafter Hinweis auf seine schulische Tätigkeit stammt aus der Stadtrechnung vom 15. April 1525,9 als „dem schulmeister […] zum Barfussen“10 vielleicht (!) 4 fl gezahlt werden 5 6 7 8 9

Vgl. insbesondere StA Mühlhausen, 10/K 3, Nr. 4; ebd., 10/K 3, Nr. 3/9. Vgl. JORDAN, Rezess (1909), S. 5. Vgl. BARING, Denck und Müntzer (1959). Vgl. ebd., S. 178; GÜNTHER, Der Ewige Rat III-V (1964), S. 26, Anm. 11; DERS., Mühlhausen (1975), S. 54. Der Ewige Rat brach mit seiner Einsetzung die alte Rechnungsführung ab und begann „nach voranderunge des Regiments“ eine neue Jahresrechnung, vgl. StA Mühlhausen, 2000/26, Zitat fol. 66r. Aufgrund der kurzen Aktivität dieses Rates zeichnet sich die Rechnung dadurch aus, dass die meisten der vorgefertigten Posten leer blieben.

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sollten. Diese ausdrückliche Einschränkung lässt vermuten, dass Denck seinen Dienst zu diesem Zeitpunkt noch nicht angetreten hatte und die 4 fl somit lediglich unter der Voraussetzung, dass er die Berufung annahm, gezahlt werden sollten. Nur wenig später, am 16. Mai 1525, erhielt jedoch ein Schulmeister zusammen mit den übrigen Geistlichen und Kirchendienern einen ersten Besoldungsanteil von 3 fl.11 Namentlich genannt wurde er dabei allerdings nicht. Weiteren Niederschlag fand die Tätigkeit des Schulmeisters in den Quellen nicht. Auch über die Art und Weise seiner Schule, die er im ehemaligen Barfüßerkloster einrichtete, kann keine Aussage getroffen werden. Hans Denck war durchaus von hoher Gelehrsamkeit, er beherrschte Latein, Griechisch und Hebräisch und auch seine Einstellung an der nicht unbedeutenden Sebaldusschule von Nürnberg spricht für ihn. Wäre ihm eine längere Wirkungszeit in Mühlhausen beschieden gewesen, hätte er vermutlich – trotz schwärmerischer Neigungen – eine fruchtbare Aktivität entfalten können, doch endete seine Laufbahn mit der Niederschlagung des Aufruhrs nach der verlorenen Schlacht bei Frankenhausen. Als Heinrich Pfeiffer am 19. Mai 1525 bei einem Fluchtversuch von den Fürsten aufgegriffen worden war, äußerte er, dass er zusammen mit dem Schulmeister, bei dem es sich nur um Denck handeln kann, nach Basel habe fliehen wollen. 12 Anders als Pfeiffer gelang Denck die Flucht. Er tauchte in St. Gallen unter und starb bereits 1527 noch keine 30 Jahre alt in Basel.13

5.3. Der Übergang der Schulen in städtische Verwaltung Mit der Rekatholisierung der Stadt wurden wie bereits angedeutet die Deutschordensschulen wieder aufgerichtet. 1532, im selben Jahr, in dem Ambrosius Grosch in seinem Schulmeisteramt bestätigt wurde, erhielten er und seine Schüler erneut das noch aus vorreformatorischer Zeit stammende, diesmal jedoch entsprechend seiner Tätigkeit an beiden Schulen deutlich höhere Neujahrsgeld von 20 gr.14 Dem Deutschen Orden gelang es jedoch durch den Aufruhr geschädigt nicht, die vorreformatorische geistliche Präsenz in Mühlhausen wiederherzustellen. Aus der Rückschau von 1542 wurde dem Orden vorgeworfen, er habe es „des vnuormugens“15 halben nicht vermocht, das Kirchenwesen aufrechtzuerhalten. Bereits wenige Jahre nach der Niederschlagung des Bauernkrieges bewog dies die 10 StA Mühlhausen, 2000/26, fol. 81v; GÜNTHER, Der Ewige Rat I (1962), S. 27. 11 Vgl. StA Mühlhausen, 2000/26, fol. 95r; GÜNTHER, Der Ewige Rat I (1962), S. 35; DERS., Der Ewige Rat III-V (1964), S. 26, Anm. 11. 12 Vgl. FUCHS/FRANZ, Akten (1942), S. 383; BARING, Denck und Müntzer (1959), S. 178 f. 13 BARING, Denck und Müntzer (1959), S. 179. 14 Vgl. StA Mühlhausen, 2000/30, fol. 71v. 15 StA Mühlhausen, 10/K 3, Nr. 31, fol. 41v.

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Altarleute und Vorsteher der Kirchspiele dazu, beim Stadtrat um Intervention zu ersuchen. Der Deutsche Orden, so eine nachträgliche Schilderung von 1534, würde die Geistlichen nicht ausreichend besolden, sodass „die gestlichenn Ampter wie von alters herkomen vnd vbellichen alda zcu Mulhausen nicht gehaltenn“ werden könnten. Brieflich auf die Missstände hingewiesen, antwortete der Stadthalter der thüringischen Deutschordensballei, dass „Zcugherung[e] an Opffer, anniuersarien, Erzcinssen vnd alle andern mehr geburlichen gerechtickaittenn […] entzogen vnd nicht gegeben wurden“16 und eine ausreichende Versorgung der Geistlichen und Kirchendiener nicht gewährleistet werden könne. Dies hatte zur Folge, dass der Stadtrat sich der Notlage der Betroffenen annahm und die Besoldung der Geistlichen selbst zahlte. Es ist ungewiss, wann genau der Stadtrat sich zu diesem Schritt entschloss, doch wurden bereits am 22. Mai 1528 Verhandlungen aufgenommen, um den damit eingetretenen Zustand vertraglich festzuschreiben. Der Landkomtur habe die Möglichkeit erwogen, den Erhalt des Kirchenwesens zur eigenen Entlastung vorübergehend gänzlich in städtische Hand zu legen, doch scheute sich der Stadtrat, so kurz nach dem Strafgericht der Fürsten eigenmächtig – ohne kaiserliche Zustimmung – die bereits bestehenden Zustände offiziell zu manifestieren und durch eine Übertragung des kirchlichen Patronats zu ergänzen. Stattdessen erklärte er sich bereit, ein weiteres Jahr die Besoldung zu übernehmen, während es dem Landkomtur verblieb, die Predigtstühle zu besetzen und „schulmeistern zu den schulen“ zu ziehen.17 Nachdem die Angelegenheit innerhalb des Deutschen Ordens beraten worden waren, traf am 12. Juni 1528 eine Gesandtschaft des Ordens in Mühlhausen ein, um zu ermitteln, „mit was form vnd wie hoch die [Kirchen- und Schuldiener] ein iahr lang zu halten sein möge[n]“. Die Ergebnisse fielen der provisorischen Zustände entsprechend spärlich aus. Der Stadtrat schlug für jeden Prediger, obgleich er wisse, dass dies recht wenig sei, eine Jahresbesoldung von 20 fl vor. Die Schulmeister blieben selbst dahinter weit zurück. Ihnen wurde keine Geldbesoldung zugestanden, lediglich sollten sie „der massen mit Costunge vnterhalten werden damit sie sich erhalten mögen“.18 Das eigentliche Einkommen der Schulmeister wird hauptsächlich aus dem Schulgeld bestanden haben, während es Schulgesellen zu dieser Zeit offenbar nicht gab. Überhaupt ist es fraglich, ob die hier vereinbarten Normen in die Praxis umgesetzt wurden oder lediglich Theorie blieben. Die deutliche Hervorhebung des Schulmeisters „vf der Newen stadt“19 lässt hingegen vermuten, dass hier auf die Verdienste des Ambrosius Grosch angespielt wird, der beiden Schulen zusammen vorstand und erst 1532 einen Kollegen erhielt. 16 17 18 19

Für beide Zitate StA Mühlhausen, 10/I 2, Nr. 1, fol. 134r. Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 6, Nr. 3a, fol. 97r–v, Zitat fol. 97v. Für beide Zitate ebd., fol. 98r–v. Ebd., fol. 98v.

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Kurz vor Ablauf des vereinbarten Jahres, am 7. April 1529, begannen die Verhandlungen unter der Vermittlung des Amtmannes von Langensalza, Sittich von Berlepsch, erneut.20 Von ihm ging schließlich der Vorschlag aus, dass der Deutsche Orden beide Ordenshäuser und Pfarrhöfe – „sampt allen iren ackern wiesen weiden geholzen zcinsen guht Renthen gefallen zugeng[e] vnd Inkomenden Nuzung nichts dauon ausgescheid“21 – in einem Zyklus von zwölf Jahren der Stadt übertragen solle. Der Stadtrat würde sämtliche Einkünfte und Rechte genießen, im Gegenzug jedoch auch für die Unterhaltung der Kirchen und die Zahlung der Schulden aufkommen müssen. Die Schulen wurden diesmal nicht explizit genannt, werden aber in dem Konzept enthalten gewesen sein. Die Pläne des Amtmannes kamen vorerst nicht zur Ausführung und für mehrere Jahre bleiben die kirchlichen Umstände im Dunkeln. Erst durch ein Schreiben des Stadtrates vom 11. September 1532 wird deutlich, dass das Kirchenwesen samt Patronat in der Hand des Deutschen Orden verblieben war. Daraufhin hatten sich jedoch auch die Missstände wiederholt. Der Pfarrer der Neustadt habe sich eines liederlichen Lebens schuldig gemacht und weigere sich, die Prediger zu besolden bzw. den Schulmeister mit der Kost zu versorgen. Erneut musste der Stadtrat finanziell und organisatorisch aushelfen.22 Es ist wahrscheinlich, dass die Honorierung der Leistungen Groschs und die eigenständige Neubesetzung der Schule an Divi Blasii dieser neuerlichen Intervention des Rates angehörten. Am 25. Januar 1533 traf der Stadthalter der Ballei Thüringen, Christoph von Reckerodt, in Mühlhausen ein, um sich den Klagen zu widmen.23 Die genauen Verhandlungen, die er mit dem Stadtrat führte, sind nicht überliefert, doch endeten sie am 10. Juni 1534 mit jenem Vertrag, der dem Stadtrat die Deutschordensgüter gemäß dem Vorschlag des Amtmannes von 1529 für zwölf Jahre verpachtete.24 Die Stadt sah sich nun im Besitz beider Pfarrkirchen, sämtlicher Kapellen in und um Mühlhausen sowie aller damit verbundenen Einkünfte und Rechte und musste „darkegen die bemelten zcwelff Ihar alle pfarkirchen vnd Capellen mit geschickten priestern bestellen, vnd die gotlichen Ampt sampt allen auffgerichten stifftungen nach christlicher kirchen ordenunge, wie von alters vbelich, auff Ir darlegenn gnugsam bestellenn vnd vorsorgen“. 25 Wider Erwarten fanden die Schulen in diesem Vertrag keine Erwähnung. Angesichts der Verbindung, in der die Schulen mit den Kirchen standen und die in den vorhergehenden Jahren stets betont wurde, steht die 20 21 22 23 24

Vgl. ebd., fol. 109r–111r. Ebd., fol. 109r. Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 6, Nr. 4a, fol.77r–v; KNIEB, Kirche (1907), S. 17 f. Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 6, Nr. 4a, fol. 108r. Vgl. StA Mühlhausen, 10/I 2, Nr. 1, fol. 134r–137v; JORDAN, Beiträge I (1895), S. 16; KNIEB, Kirche (1907), S. 17–19; KLETT, Gymnasium (1926), S. 18. 25 StA Mühlhausen, 10/I 2, Nr. 1, fol. 135r.

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Beteiligung der Schulen an diesem Vertrag aber außer Frage. Der Stadtrat befand sich somit ab 1534 in der vollen Verfügungsgewalt über die Schulen und im Besitz der Patronatsrechte über die Ein- und Absetzung der Schuldiener. Als nach Ablauf der zwölf Jahre das Ende der Pachtzeit nahte, zögerte der Landkomtur Hans von Germar nicht, die Pachtzeit um weitere 12 Jahre zu verlängern. Die inzwischen eingeführte Reformation stand dem nicht im Wege.26 Erstmals 1535 erhielten wieder zwei Schulmeister das Neujahrgeld des Rates, das diesmal mit jeweils 11 gr wieder das vor dem Aufruhr und der Schulzusammenlegung übliche Niveau erreichte.27 Im darauffolgenden Jahr wurde es erneut gereicht, sodass sich bereits hier eine neuerliche Regelmäßigkeit und eine allmähliche Stabilisierung abzeichnen.28 Ab 1536 fand schließlich auch die veränderte Schulverwaltung ihren Niederschlag in den Stadtrechnungen. Bald nach der Pachtung der Deutschordensgüter wurden sogenannte Zinsherren „zuuorwaltung der lenderie vnndt guther der beyder deuzscher hoffe“ 29 eingestellt. Als erste Vertreter dieses Amtes wurden sechs Mitglieder des Stadtrates gewählt, darunter der Bürgermeister Johann Rinckenrott und Christoph Bonat. Ihre Aufgabe bestand in der kontrollierten Einnahme und Ausgabe der Einkünfte der Deutschordensgüter, über die sie alljährlich Rechnungen abzulegen hatten. Die erste erhaltene Rechnung dieser Art, die zwar von anderer Hand geführt, aber als Bestandteil der Stadtrechnung überliefert ist, beginnt Montag nach Laurentius, am 14. August 1536.30 Unter den Ausgaben dieser und auch der folgenden Rechnung stellen die Besoldungskosten, die den Pfarrern, Kaplänen, Predigern und beiden Schulmeistern gereicht wurde, den größten Anteil dar. Im ersten Jahr umfassten sie 331 ß 56 Löwengroschen (umgerechnet etwa 237 fl), im darauffolgenden Jahr 335 ß 24 Löwengroschen (umgerechnet etwa 239 fl).31 Die Besoldungszahlungen an die einzelnen Empfänger wurden nicht aufgeführt, doch kann angesichts der relativ niedrigen Summen vermutet werden, dass den Schulmeistern nur eine geringe Besoldung gezahlt wurde. Die Überlieferung der Zinsmeisterrechnungen ist stark lückenhaft. Die hier genannten Jahrgänge 1536 und 1537 sind die einzigen erhaltenen vor der Einführung der Reformation durch die Schutzfürsten, sodass deren Einfluss auf die Entwicklung der Besoldung nicht nachgezeichnet werden kann.

26 27 28 29 30 31

Vgl. ebd., fol. 231r–235r. Vgl. StA Mühlhausen, 2000/31, fol. 259v. Vgl. StA Mühlhausen, 2000/32, fol. 127v. StA Mühlhausen, 10/I 2, Nr. 1, fol. 138r. Vgl. StA Mühlhausen, 2000/32, ab fol. 194r. Vgl. ebd., fol. 197r (1536); StA Mühlhausen, 2000/33, fol. 179r (1537).

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5.4. Der erste Versuch einer Reformation – die ‚Schule beider Kirchen‘ Während dieser neuerlichen Konsolidierung des katholischen Kirchen- und Schulwesens unter der Verwaltung des Stadtrates starb der albertinische Herzog Georg. Durch die Nachfolge seines Bruders Heinrich stand Mühlhausen somit unter der Schutzherrschaft dreier evangelischer Fürsten, die bald nach dem albertinischen Regierungswechsel daran gingen, die Stadt zu reformieren. Diese Ambition fiel zumindest auf den Dörfern des Mühlhäuser Landgebietes nicht auf völlig unvorbereiteten Boden. Bereits im Frühjahr 1542 wurden im Stadtrat die „anderunge[n] vff den dorffern vnd In Iren Kerchen“ diskutiert. Die Prozessionen und Wallfahrten („dye bethfart“) der städtischen Pfarrer und Schulmeister – streng katholische Zeremonien – seien in einigen Dörfern dadurch gestört worden, dass ihnen die Kirchen verschlossen geblieben seien. In der Beratung, wie in jenen Orten vorzugehen sei, beschloss der Stadtrat, alles nach altem Herkommen und gemäß der Beschlüsse des letzten Reichstages fortzuführen und in den betreffenden Orten lediglich um die Kirchen herum zu gehen „vnd so das vnser [zu] thun“.32 Der Ratsbeschluss verdeutlicht, in welchem Maße die Stadt bemüht war, zum einen die katholischen Traditionen zu bewahren und zum anderen beim Kaiser keinen Anstoß zu erregen, wahrscheinlich in der Hoffnung, den Reichsstadtstatus zurückzuerlangen. Im selben Jahr fand jedoch durch Abgeordnete des hessischen und des ernestinischen Schutzfürsten eine evangelische Kirchen- und Schulvisitation in Mühlhausen und dem Umland statt. Der albertinische Herzog wird seine Zustimmung zu dem Unternehmen gegeben haben, nahm jedoch, vermutlich weil er selbst noch in der Reformation seines Herzogtums begriffen war, nicht aktiv daran teil. Die Visitationskommission bestand aus Friedrich von Wangenheim, dem Amtmann von Salzungen, Justus Menius, dem Superintendent von Eisenach, Valentin Tholde, dem Amtmann von Walkenried, Johann Lensing, dem Pfarrer von Melsungen und Justus Winter aus Rotenburg. Sie trafen am 12. September 1542 in Mühlhausen ein und begannen die Visitation am darauffolgenden Tag.33 Naturgemäß stand dabei in erster Linie das Kirchenwesen im Fokus, doch wurden die Schulen gemäß dem üblichen Vorgehen der bei den Schutzfürsten bereits mehrfach erprobten Visitationspraxis nicht völlig außer Acht gelassen. Beim Stadtrat sollten die Erkundigungen eingeholt werden, wie viele Schulen in der Stadt existierten, wie sie versorgt wurden, wie viele Gesellen eine jede Schule 32 Für alle drei Zitate StA Mühlhausen, 10/T 1-4, Nr. 3, S. 112. 33 Vgl. KNIEB, Kirche (1907), S. 40; KLETT, Geschichte (1916), S. 34; DERS., Gymnasium (1926), S. 16; GÜNTHER, Mühlhausen (1975), S. 60 f.; WEBER, Einfluss (1995), S. 68; SÜNDER, Reichsstädte (2010), S. 39.

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habe und über welche Einkünfte diese und die Schulmeister verfügten.34 Durch die Visitationsprotokolle sind die Befragungen des Stadtrates zwar überliefert, doch fehlen auf die genannten Fragen die betreffenden Antworten. Nach der Befragung des Stadtrates wurden die Kirchen- und Schuldiener selbst vor die Visitatoren geladen, die daraufhin den Schulmeistern befahlen, sich nach dem Willen der neuen evangelischen Prediger zu richten. Gleichzeitig wurde ihnen freigestellt, ihren Dienst unter der neuen Konfession fortzusetzen oder die Schule wie die Stadt zu verlassen. Um ihre Meinung befragt, legte tatsächlich einer der Schulmeister seinen Dienst nieder.35 Als im April 1543 ein so bezeichneter alter Schulmeister in den Ratsprotokollen erwähnt wurde, bezog sich dies wahrscheinlich auf ihn.36 Obgleich auch bei der Befragung der Schulmeister keine näheren Informationen über die schulischen Umstände zu Tage traten, scheint das Ergebnis den Ansprüchen der Visitatoren nicht genügt zu haben. Um daher das Mühlhäuser Schulwesen dem reformatorischen Anliegen entsprechend aufzuwerten, ordneten sie die Gründung einer neuen evangelischen Schule an. Sie sollte im ehemaligen Franziskanerkloster eingerichtet, von drei Schuldienern versehen werden und beide Kirchen mit dem Gesang der Schüler versorgen.37 Am 22. September 1542 wurde das evangelische Kirchenwesen der Stadt durch eine Kirchenordnung manifestiert.38 Sie wiederholt den bei der Visitation gefassten Beschluss zur Gründung einer evangelischen Schule, deren in der Kirchenordnung formulierte Zielstellung, die Jugend in den Künsten zu unterweisen sowie in christlicher Zucht zu Tugend und Ehrbarkeit aufzuziehen, dem üblichen reformatorischen Schulverständnis entspricht. Sie sei durch einen Schulmeister und zwei, wenn es das Einkommen eines neu zu gründenden Gemeinen Kastens zulasse, auch drei Gesellen zu besetzen. Die Schuldiener sollten eine freie Wohnung mit mindestens zwei Zimmern und den notwendigen Einrichtungen erhalten und selbst für deren alltägliche Instandhaltung aufkommen. Als finanzielle Grundlage des neuen Kirchenwesens wurde ein Gemeiner Kasten eingerichtet, der gemäß den Vorbildern der Schutzfürstentümer alle kirchlichen Einkünfte, Stiftungen, Klostergüter, Vikarien und andere Lehen aufnehmen sollte. Auf seiner Grundlage erhielten die Geistlichen und Schuldiener eine den neuen Ansprüchen entsprechende deutliche Besoldungssteigerung. Wurde dem Schulmeister bei den Verhandlungen über die Verpachtung der 34 35 36 37 38

Vgl. StA Mühlhausen, 10/K 3, Nr. 31, fol. 40v. Vgl. ebd., fol. 46v; KLETT, Gymnasium (1926), S. 17. Vgl. StA Mühlhausen, 10/T 1-4, Nr. 3, S. 160. Vgl. StA Mühlhausen, 10/K 3, Nr. 31, fol. 51v. Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 6, Nr. 5a; LATh-HStA Weimar, EGA, Reg B 402, ediert in EKO I/2, S. 389–394; vgl. im Folgenden auch KNIEB, Kirche (1907), S. 42–44; KLETT, Gymnasium (1926), S. 17; WEBER, Einfluss (1995), S. 68 f.

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Deutschordensgüter noch lediglich eine Beköstigung, aber keine Geldbesoldung zugestanden, sollte der Rektor der neuen Schule nun 80 ß an Geld, zehn Malter Korn, jeweils fünf Malter Gerste und Hafer, fünf Fuder Holz und einen Karren Kohle erhalten. Die Besoldung der Gesellen wurde auf jeweils 45 ß an Geld festgelegt. Obgleich der Unterhalt der Schuldiener damit auf eine für das thüringische Schulwesen verhältnismäßig übliche Höhe gehoben wurde – in Altenburg hatte die Besoldung erst im Vorjahr ein ähnliches Niveau erreicht –, wurde den Schülern weiterhin ein jährliches Schulgeld von 4 Schneeberger Groschen abverlangt.39 Zuletzt sollte das überschüssige Geld in Stipendien zu je 20 ß umgewandelt werden, die nach einer sorgfältigen Überprüfung der Schüler durch den Pfarrer an Studenten der Theologie, der Rechte oder der Medizin vergeben werden sollten.40 Erster Superintendent von Mühlhausen wurde der vormalige Eisenacher Pfarrer und beteiligte Visitator Justus Menius.41 Der Stadtrat setzte die Anordnungen der Visitatoren und der Kirchenordnung offenbar widerstandslos in die Tat um. Am 30. November 1542 sandten er und Menius einen Brief an Philipp Melanchthon mit der Bitte, für die neue Schule einen Rektor auszuwählen. Melanchthons erste Antwort, mit der er die Suche auf sich nahm, stammt vom 21. Dezember 1542.42 Keine drei Wochen später, am 6. Januar 1543 schlug er dem Stadtrat M. Hieronymus Wolf vor, der gelehrt, verständig und guter Sitten sei, Erfahrung im Beruf eines Schulmeisters sowie die notwendige Motivation dazu mitbringe.43 Vom selben Tag stammt ein zweiter Brief Melanchthons an Justus Menius, in dem er nochmals im vertraulicheren Tonfall den ausgewählten Schulmeister charakterisierte. Keinem würde er das Amt der neuen Schule lieber anvertrauen, lediglich mangele es Wolf an Selbstbewusstsein und einer eindrucksvolleren Selbstdarstellung.44 Dieser heute noch bedeutende Humanist stammte aus dem bayerischen Oettingen und wurde dort 39 Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 6, Nr. 5a, fol. 3r–4r; LATh-HStA Weimar, EGA, Reg B 402, fol. 128r–129v; JORDAN, Beiträge I (1895), S. 25 f. 40 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg B 402, fol. 132r. 41 Vgl. StA Mühlhausen, 10/K 3, Nr. 31, fol. 61r. 42 Vgl. StA Mühlhausen, 10/M 4, Nr. 2, fol. 5r; MBW, T 11, Nr. 3113. 43 Vgl. StA Mühlhausen, 10/M 4, Nr. 2, fol. 2r–4r; MBW, T 12, Nr. 3138. Die beiden Briefe sorgten bei der Anlegung des Reichsstädtischen Archivs für Verwirrung. Irrtümlicherweise datierte Melanchthon den zweiten Brief auf den 6. Januar 1542. Trotz seiner reichen Korrespondenz hatte er die neue Jahreszahl offenbar noch nicht verinnerlicht. Demzufolge finden sich beide Briefe in der betreffenden Akte in falscher Reihung und eine Notiz des 17. Jahrhunderts datiert die Briefe an anderer Stelle entsprechend Melanchthons Irrtum, vgl. StA Mühlhausen, 10/ E 6, Nr. 5, fol. 87r. Der Fehler wurde erst durch die spätere Forschung entdeckt, aber stillschweigend berichtigt und eine unbekannte Hand schrieb neben die Notiz des 17. Jahrhunderts ein Fragezeichen. 44 Wolf gibt den Brief in seiner Autobiographie wieder, vgl. WOLF, Das Leben des Hieronymus Wolf (1984), S. 50; DERS., Commentariolus (1998), S. 68 f.; MBW, T 12, Nr. 3137.

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am 13. August 1516 geboren. Nach einem Besuch der Nürnberger Sebaldusschule ab 1527 und einem kurzzeitigen Dienst als Schreiber in der gräflichen Kanzlei begann er in Tübingen sein Studium. Ab 1538 studierte er in Wittenberg, wo er mit Luther und Melanchthon in Kontakt kam. Die von Melanchthon erwähnte Erfahrung im Schulmeisteramt sammelte er an der selbst durchlaufenen Nürnberger Sebaldusschule, der er ab 1539 vorstand. Ein zwischenzeitlicher Versuch, 1541 eine Schule in seiner Heimatstadt zu begründen, schlug fehl. Nach Wittenberg zurückgekehrt, wählte Melanchthon ihn für das Mühlhäuser Amt aus.45 Die dortige Schule wurde im ehemaligen Barfüßerkloster eingerichtet und nahm somit zu Beginn des Jahres 1543 ihren Anfang.46 Die ältere Forschung spricht zumeist irrtümlicherweise davon, dass zur Gründung der neuen Schule die beiden Deutschordensschulen vereint worden seien.47 Die Annahme basiert auf einer vermeintlichen Äußerung des Rektors Hieronymus Wolf, der in seiner späteren Autobiographie seine Schulgesellen erwähnt und mit den einstigen Schulmeistern der Deutschordensschulen identifiziert habe. Wolfs lateinische Formulierung („Habebam collegas duos, qui singuli antea singulas scholas rexerant“48) suggeriert dabei durch die Kombination von Imperfekt und Plusquamperfekt zwar, dass seine Gesellen zuvor (!) selbst als Schulmeister gedient hätten, lokalisiert dabei die Schulen jedoch nicht eindeutig als die Mühlhäuser Deutschordensschulen.49 Darüber hinaus kann die Zusammenlegung der Schulen anhand der zeitgenössischen Quellen widerlegt werden, wofür allein der Hinweis auf die Stadtrechnungen genügt, aus der die Schulmeister und Schüler beider Deutschordensschulen weiterhin das traditionelle Neujahrsgeld erhielten.50 Eine so eigenmächtige Maßnahme wäre trotz der Pachtverhältnisse ein zu 45 Vgl. zu Wolfs Biographie JORDAN, Beiträge I (1895), S. 19; MEZGER, Art. Wolf (1898). 46 Vgl. ALTENBURG, Chronik (1824), S. 126 f. u. 176; THILO, Ludwig Helmbold (1851), S. 32 f.; JORDAN, Beiträge I (1895), S. 17 f.; KNIEB, Kirche (1907), S. 42; KLETT, Geschichte (1916), S. 34; DERS., Gymnasium (1926), S 18–20; SAHLENDER, Das humanistische Gymnasium (1972), S. 35; GÜNTHER, Mühlhausen (1975), S. 61. 47 Vgl. JORDAN, Beiträge I (1895), S. 16 f. u. 24 f.; KLETT, Geschichte (1916), S. 34; BRINKMANN, Gelegenheitsfunde (1933), S. 105 f. Erst später revidierte Klett seine Meinung, vgl. KLETT, Gymnasium (1926), S. 20 u. 23. 48 WOLF, Commentariolus (1998), S. 67. Vgl. auch JORDAN, Beiträge I (1895), S. 24. 49 Lediglich Becks etwas freiere Übersetzung verdeutlicht dies. Demnach habe Wolf Gesellen, die „vorher schon hier oder dort eine Schule geleitet hatten“, vgl. WOLF, Das Leben des Hieronymus Wolf (1984), S. 48. Dass es sich dabei um die Mühlhäuser Deutschordensschulen handelte, ist eine Interpretation der späteren Forschung. Ob wenigstens einer der vormaligen Schulmeister seinen Dienst auch über die Gründung der neuen Schule hinaus beibehielt und somit zumindest einer der genannten Gesellen bereits an einer Mühlhäuser Schule gelehrt hatte, kann anhand des oben zitierten Visitationsprotokolls lediglich vermutet werden. 50 Vgl. bspw. zum Jahr 1547 StA Mühlhausen, 2000/38, fol. 107r.

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starker Eingriff in die Rechte des Ordens gewesen und hätte gegen die vertraglichen Pflichten des Stadtrates, die Ordensgüter beisammenzuhalten, verstoßen. Stattdessen wurde in Mühlhausen ein zweigeteiltes Schulsystem entworfen, das die einstigen Deutschordensschulen zu einer Vorstufe der darauf aufbauenden Neugründung konzipierte. Ob der Rang und das inhaltliche Niveau der Pfarrschulen dafür eingeschränkt werden mussten oder die Schulen sich auch nach der Erstarkung der 1530er Jahre und von jeweils nur einem Schulmeister versehen lediglich auf elementarem Niveau befanden, muss offenbleiben. Gemäß der Bedeutung, die die höhere Schule für die zwei Pfarrkirchen und die mit ihnen verbundenen Schulen einnehmen sollte, erhielt sie offiziell die Bezeichnung „Schule beider Kirchen“.51 Das gesamte Schulsystem wurde durch drei Schuldiener versehen, einen Rektor und zwei Gesellen, welche – dies wird später deutlich werden – zugleich (!) den niederen Schulen an den Pfarrkirchen als Schulmeister vorstanden. Weitere Schuldiener an den Pfarrschulen scheint es nicht gegeben zu haben. Die Gesellen des Hieronymus Wolf sind entgegen der älteren Forschungsmeinung52 namentlich noch nicht bekannt und können nicht zweifelsfrei ermittelt werden. Durch die einzige überlieferte Zinsmeisterrechnung dieser zweiten evangelischen Phase von 1544/45 wird lediglich ein Gervasius als Schulgeselle erwähnt, bei dem es sich wahrscheinlich um einen Gesellen Wolfs handelte, der, nachdem er sein Amt niedergelegt hatte, eine finanzielle Unterstützung zum Fuhrlohn, wahrscheinlich anlässlich seines Umzuges erhielt.53 51 Diese Bezeichnung, die der älteren Forschung die These der Schulzusammenlegung nochmals bestärkte, findet sich beispielsweise im noch zu erwähnenden Album senatorum zum Jahr 1544 (vgl. StA Mühlhausen, 10/H 1-3, Nr. 1a, fol. 66v), doch wurde die Bezeichnung der „Diener der Schule beider Kirchen“ auch von den Schuldienern als Selbstbezeichnung herangezogen. Eine von der älteren Forschung rezipierte Urkunde der so bezeichneten Schuldiener von 1544 ist jedoch nicht mehr erhalten. 52 Die ältere Forschung führte hier bereits die späteren Schuldiener Nikolaus Florus, Wolfgang Fulda und Justinus Menius, den Sohn des Superintendenten, als Gesellen des Hieronymus Wolf an und zählte somit bereits vier Schuldiener, vgl. THILO, Ludwig Helmbold (1851), S. 34 f.; JORDAN, Beiträge I (1895), S. 25; THIELE, Gründung (1896), S. 21; KLETT, Gymnasium (1926), S. 20. Erst später revidierte Jordan seinen Irrtum und vermutete richtig, dass Florus und Menius erst nach Wolfs Rücktritt als Schulgesellen unter dem neuen Rektor Fulda eingesetzt worden seien, vgl. JORDAN, Bericht (1909), S. 5 f. Die falsche Annahme basierte auf der bereits zu Jordans Zeiten nicht mehr erhaltenen, in Anm. 51 erwähnten Urkunde, die jedoch erst nach Wolfs Rücktritt und dem gleichzeitigen Wechsel der Gesellen von 1544 entstanden sein kann und Fulda als Rektor unter der Bezeichnung der Schuldiener subsummiert, was Jordan 1895 noch ausdrücklich ausschloss. 53 Vgl. StA Mühlhausen, 2000/36, fol. 256r. Ob es sich bei dem zweiten Schulgesellen um den gleich zu erwähnenden Bartholomäus Feigenspon handelt, kann nur vermutet werden, vgl. Anm. 56.

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Die aufbauende Funktion der Schule beider Kirchen erklärt schließlich auch eine in der älteren Forschung unkritisch rezipierte Bemerkung des späteren Schuldieners Liborius Gallus, der 1599 in einer Gedächtnisrede auf den im Vorjahr verstorbenen Ludwig Helmbold dessen Schullaufbahn nachzeichnete.54 Bereits zuvor an einer der Pfarrschulen unter dem „praeceptor & cantor ludi literarii“ 55 Bartholomäus Feigenspon unterrichtet,56 sei Helmbold einer der ersten Schüler der neu gegründeten Schule gewesen, die sich der humanistischen Gelehrsamkeit ohne vorherige grammatikalische Theorie gewidmet habe. 57 Obwohl Gallus’ Bericht hinsichtlich der Schulgesellen erstmals die später in der Forschung weitergetragenen chronologischen Fehler enthält (vgl. Anm. 52), bieten seine Ausführungen doch den einzigen Hinweis auf die Bildungsinhalte und unbewusst auch auf die Art der Abstufung zwischen den Pfarrschulen und der höheren Schule. Erstere hätten demnach den Schülern die grammatikalischen Grundzüge soweit gelehrt, dass eine Lektüre klassisch-lateinischer Literatur möglich gewesen sei. Diese erfolgte schließlich auf der höheren Schule vermutlich anhand des verbreiteten Kanons des humanistischen Schulwesens. Durch den Baccalaureus wurde die Prosodie unterrichtet und die Bucolica Vergils als Einstieg in die lateinische Lektüre gelesen, der Kantor erteilte Unterricht in der Musik und im Gesang. Der Rektor selbst gab den höheren Unterricht der lateinischen Sprache und darüber hinaus, wie Gallus betont sehr zum Erstaunen der Älteren („cum seniorum admiratione maxima, & ardentissima“58), die Anfänge des Griechischen. Gallus’ Angaben werden durch die Autobiographie des Schulmeisters sowohl ergänzt als auch widerlegt. Nach seiner Erinnerung, die er über 20 Jahre später zu Papier brachte, habe die Schule beider Kirchen unter seiner Leitung nur einen provisorischen Charakter besessen und sei kaum über das elementare Niveau hinaus gekommen. Es habe im ehemaligen Kloster am Nötigsten und selbst an

54 Vgl. FROHNIUS, Programma Pars Qvinta, S. 48 f. 55 Ebd., S. 4. Vgl. auch JORDAN, Beiträge I (1895), S. 13; GÜNTHER, Ludewig Helmbold (1925), S. 364. 56 Der hier genannte Schulmeister ist lediglich durch die mehr als 50 Jahre später entstandene Gedenkrede des Liborius Gallus nachweisbar. Obwohl Gallus Fulda und Florus für die Schulgesellen Wolfs hielt und dem bereits erwähnten späteren Forschungsirrtum (vgl. Anm. 52) damit eine weitere Grundlage bot, verbirgt sich hinter dem genannten Feigenspon, der zugleich Schulmeister und Kantor gewesen sein soll, möglicherweise der zweite Schulgeselle des Hieronymus Wolf neben dem in der Zinsmeisterreichung erwähnten Gervasius. Demnach wäre er Schulmeister einer der Deutschordensschulen und Kantor der Schule beider Kirchen gewesen. Die Vermutung kann jedoch nicht nachgewiesen werden. 57 Vgl. auch JORDAN, Beiträge I (1895), S. 24–26; KLETT, Gymnasium (1926), S. 20. 58 FROHNIUS, Programma Pars Qvinta, S. 48.

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den Schulbänken gemangelt.59 Stattdessen seien die Bürger der Stadt Ackerbauern und an den Sprachen desinteressiert gewesen. Selten habe er mehr als zwölf Schüler unter sich gehabt, denen er anhand der kleineren Schriften Ciceros, Vergils und Terenz’ lediglich die Anfangsgründe im Latein beibringen konnte, während ein Griechischunterricht anhand einfacher Verse nebenher erfolgte.60 Während Wolf in seiner Autobiographie, zumal in der Schilderung seiner Jugend und seiner beruflichen Anfänge, durchweg bemüht war, seine Leistungen und Verdienste herabzuspielen, trachtete Gallus danach, seinen noch jungen Protagonisten Helmbold durch die Integration in eine hochrangige Gelehrtenwelt glänzen zu lassen. Beide Berichte müssen relativiert werden, da die historischen Tatsachen vermutlich in deren Angeleichung zu suchen sind. Über diese spärlichen Hinweise hinaus erwähnt Jordan, dass Melanchthon persönlich bald nach ihrer Gründung einen Lehrplan für die neue Schule aufgestellt haben soll, doch konnte dieser bereits durch ihn nicht aufgefunden werden.61 Aus der Amtszeit des Hieronymus Wolf ist somit nur ein zeitgenössisches Zeugnis überliefert, das die Schilderungen um einige deutlich düstere Aspekte erweitert.62 Am 25. Februar 1543 schrieb Wolf selbst an Philipp Melanchthon und skizzierte diesem die Schülerschaft in dunklen Farben.63 Die Schule werde von bis zu 200 Kindern besucht, doch seien sie ungeschickt, verwildert und undiszipliniert („quorum mihi non tam molesta est inscitia quam agrestes, feri et pravi mores“). Unter ihnen seien zwar einige lernbereite Schüler, doch überwiegen Wildheit und Albernheit. „Cum huiusmodi igitur hydra non septem, sed ducentorum capitum mihi conflicandum est!“ Nichtsdestotrotz führe er sein Amt in Sorgfalt, werde gut versorgt, verfüge über gute Schuldiener und stehe mit Justus Menius auf freundschaftlichem Fuße. Obwohl der Stadtrat mit der Einstellung des Hieronymus Wolf den Erwartungen der Visitatoren entsprach, war er bemüht, trotz der neuen Konfession nicht gegen die Bestimmungen des offenbar schwerer wiegenden Pachtvertrages von 1534 zu verstoßen. Dies zog Kompromisse in der Einhaltung der Kirchenordnung nach sich. Da der Pachtvertrag ausdrücklich die Besoldung der Kirchenund Schuldiener aus dem Einkommen der verpachteten Deutschordensgüter festgelegt hatte, gestaltete sich der neue Gemeinen Kasten fortan lediglich als

59 Beck übersetzt, dass „nur mit Mühe und langsam […] das Unumgänglichste herausgequetscht werden“ konnte, vgl. WOLF, Das Leben des Hieronymus Wolf (1984), S. 48. 60 Vgl. WOLF, Das Leben des Hieronymus Wolf (1984), S. 48; DERS., Commentariolus (1998), S. 67. 61 Vgl. JORDAN, Beiträge I (1895), S. 28. 62 Vgl. JORDAN, Bericht (1909), S. 3–5. 63 Vgl. MBW, T 12, Nr. 3177, für die folgenden Zitate ebd, S. 106.

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reine Almosenkasse. 64 Die Besoldung der Geistlichen und Schuldiener wurde weiterhin in der Befugnis der Zinsmeister belassen, allerdings trotzdem auf die von den Visitatoren angeordnete Höhe angehoben. Die einzige erhaltene Zinsmeisterrechnung dieser evangelischen Phase stammt von 1544/45 und belegt dies augenfällig durch eine deutlich detailliertere Besoldungsabrechnung als vor der Reformation. Der Rektor erhielt die vereinbarte Besoldung von 80 ß, Holz und Kohle, beide Schulgesellen zusammen 90 ß.65 Durch die mit der Visitation verbundene Sequestration der Klöster, kirchlichen Lehen und Stiftungen stiegen jedoch gleichzeitig die Einnahmen. Da sie offenbar durch die Visitatoren dazu herangezogen wurden, die Unterhaltung des kirchlichen und schulischen Personals zu unterstützen, flossen deren Einkünfte nicht dem Gemeinen Kasten, sondern der Zinsmeisterei zu. Die genannte Rechnung führt unter den Einnahmen 78 ß aus dem Franziskanerkloster, 43 ß aus dem Dominikanerkloster, 12 ß aus der Kalandsbruderschaft und 11 ß von den bereits verledigten Vikarien auf. Die wüst gefallenen Kirchen und zwei Corporis Christi-Bruderschaften steuerten zusammen 83 ß bei. Mehrere noch vorhandene Vikare scheinen ihre Tätigkeit eingestellt zu haben und wurden stattdessen zur Zahlung sogenannter Messgelder verpflichtet. Sie zahlten insgesamt 36 ß ein.66 Da die Einnahmen und Ausgaben der Zinsmeisterei sich vor der Reformation noch in etwa ausgeglichen hatten, wurden die gesteigerten finanziellen Ansprüche an sie durch diese kirchliche und klösterliche Beteiligung überhaupt erst ermöglicht. An anderer Stelle ließ die Kirchenordnung hingegen so weiten Spielraum, dass der Stadtrat und die Geistlichen diese durch eigenmächtige Bestimmungen ergänzen konnten. So wurden beispielsweise Termine und Abfolge der Gottesdienste und Messen weitestgehend offen gelassen. Ein bislang von der Forschung unbeachtetes Aktenstück schließt diese Lücke. Es handelt sich dabei um eine nachträglich erlassene und durch eine Notiz so bezeichnete „Kirchen vnd Schulen Ordnung“, 67 die gemäß dem vorangestellten Titel erlassen wurde, „Auff das die ampter vnd dinste beyde Inder Kirchen vnd Schulen Allersyths ordenthlich vnd vnuorhynderth Ausgerichtet werden mogen“. 68 Die beiden Blätter sind selbst undatiert, scheinen jedoch bald nach der Visitation und dem Erlass der Kirchenordnung entstanden zu sein. Das Wasserzeichen bestätigt diese Vermutung.69 Die Ordnung hat die 64 Die drei erhaltenen Kastenrechnungen aus dieser evangelischen Phase stammen aus den Jahren 1543, 1544 und 1545, vgl. StA Mühlhausen, 10/* 3/4, Nr. 35; vgl. MANDRY, Armenfürsorge (2018), S. 208–226. 65 Vgl. StA Mühlhausen, 2000/36, fol. 256r. 66 Vgl. ebd., fol. 254r–v. 67 StA Mühlhausen, 10/E 6, ad Nr. 5, fol. 5v. 68 Ebd., fol. 4r. 69 Dieses typische und im Mühlhäuser Archiv häufig zu findende Mühlhäuser Wasserzeichen ist dasselbe, das auch die Visitationsprotokolle ziert. Es zeigt ein in zwei Felder geteiltes

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Regelung der Gottesdienste zum Inhalt und schildert daneben auch die Beteiligung der Schüler am kirchlichen Geschehen. Die Teilnahme an den Messen und Gottesdiensten wurde allerdings – entgegen der Visitationsbestimmungen – den Schülern der Pfarrschulen übertragen, die somit ihre organisatorische Zugehörigkeit zur jeweiligen Kirche beibehielten. Die Bezugnahme der Ordnung auf die Schüler der beiden niederen Schulen verdeutlicht nicht nur eine weitere Beugung der Visitationsanordnungen, sondern abermals deren weitere Existenz neben der neu gegründeten höheren Schule. Der liturgische Tagesablauf gestaltete sich nach dem folgenden Schema: SOMMER

WINTER

05:00 erstes Zeichen zur Mette 05:30 zweites Zeichen zur Mette 05:30-06:00 Mette 06:00-09:00 Schulunterricht 06:00 erstes Zeichen zu Kommunion und Predigt 06:30 zweites Zeichen zu Kommunion und Predigt 07:00 drittes Zeichen zu Kommunion und Predigt 07:00-09:00 Kommunion und Predigt

09:00 Beerdigungen

06:00 erstes Zeichen zur Mette 06:30 zweites Zeichen zur Mette 06:30-07:00 Mette 07:00-10:00 Schulunterricht 07:00 erstes Zeichen zu Kommunion und Predigt 07:30 zweites Zeichen zu Kommunion und Predigt 08:00 drittes Zeichen zu Kommunion und Predigt 08:00-10:00 Kommunion und Predigt 10:00 Beerdigungen

12:00-15:00 Schulunterricht

14:30 erstes Zeichen zur Vesper 14:30-15:00 Beerdigungen und Taufen 15:00 zweites Zeichen zur Vesper

12:00-13:30 Schulunterricht 13:00 erstes Zeichen zur Vesper 13:00-13:30 Beerdigungen und Taufen 13:30 zweites Zeichen zur Vesper 13:30-14:30 Vesper und Predigt

15:00-16:00 Vesper und Predigt Wappen, das im oberen Feld einen Adler und darunter das Mühleisen darstellt. Hößle datierte es in die 1540er Jahre, vgl. HÖßLE, Papiermühlen (1931), S. 519 f.

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Die Ordnung bestätigt darüber hinaus die Funktion der Pfarrschulen als vorbereitende Unterstufe der Schule beider Kirchen. Ihre Schüler waren in mindestens zwei Leistungsstufen geteilt, in denen die fortgeschrittenen, so bezeichneten großen Knaben das „declinirn lernen“,70 sich also nach dem Erlernen des Alphabets und vermutlich der Schrift die grammatikalischen Kenntnisse aneignen sollten, die zum Besuch der höheren Schule notwendig waren. Vesper und Predigt wurden für die Sommermonate zwar, wie im Schema dargestellt, zeitlich festgelegt, doch wurde zugleich vorgeschlagen, sie vorzuverlegen, sodass sie „der Buchsenschuttzen vnd Armbrust schuttzen halben“71 bereits um zwei Uhr beendet seien. Eine Umsetzung des Vorschlags, welche die Vesper mitten in die übliche Unterrichtszeit gelegt hätte, ist jedoch nicht bekannt. An den Wochentagen schlossen sich am späteren Nachmittag weitere Messen an, doch variierten sie zeitlich zwischen den Tagen. Die Predigt sollte Montag und Donnerstag in St. Marien, an den anderen Tagen in Divi Blasii gehalten werden, während in der jeweils anderen Kirche ein Kapitel der Bibel gelesen und erklärt werden sollte. Lediglich am Sonnabend sollte man „vmb des marckts willen ghar stille halten“.72 An diesem Gottesdienstplan orientierte sich der Tagesablauf der Pfarrschüler, der durch die gesangliche Teilnahme an den Gottesdiensten bestimmt war. Der Unterricht begann nach der Mette, des Winters um sieben, des Sommers bereits um sechs Uhr und umfasste am Vormittag drei Stunden. Der Nachmittagsunterricht begann im Sommer wie im Winter um zwölf Uhr, endete mit Beginn der Vesper und umfasste somit in den Wintermonaten gerade einmal anderthalb Stunden. Die Teilnahme der Schüler an den Metten und Vespern war obligatorisch. Die fortgeschrittenen Knaben sollten selbst an den Sonntagsmetten teilnehmen. Die Schüler sammelte sich des Morgens jeweils bereits bei den vorhergehenden Glockenzeichen in den Schulen und gingen gemeinsam mit den Schulmeistern in die jeweils zugehörige Kirche. Der Unterricht begann im Anschluss an die Metten. Dass die Schüler hingegen bei der gesamten Vormittagspredigt anwesend sein sollten und dadurch einen Großteil ihres Schulvormittages in der Kirche verbracht hätten, ist angesichts der Erwartungen an den schulischen Unterricht nicht wahrscheinlich. Andernorts wurden in späteren Jahrzehnten Vereinbarungen getroffen, mit den Schülern lediglich einmal in der Woche die Predigt zu besuchen (Kap. II. 6.7.2.). Eine ähnliche Vorgehensweise oder eine Beschränkung auf die Nachmittagspredigt, die sich dem Unterricht erst anschloss, kann hier vermutet werden. Eine Beteiligung der Schüler an Taufen und Beerdigungen, die ihren festen Platz im Tagesablauf hatten, wird nicht ausdrücklich angesprochen. 70 StA Mühlhausen, 10/E 6, ad Nr. 5, fol. 5r. 71 Ebd., fol. 4v. 72 Ebd., fol. 5r.

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Die Amtszeit des Hieronymus Wolf währte nicht lange.73 Trotz des geringen Widerstandes, den der Stadtrat der Reformation entgegen gebracht hatte, war die Beziehung zwischen dem katholischen Stadtrat und den evangelischen Kirchenund Schuldienern spannungsgeladen.74 Dies hatte im Februar 1544 eine erste Eskalation zur Folge, die letztlich Wolfs Rücktritt veranlasste. Nach einem Brief des Justus Menius an den hessischen Schutzfürsten kam das Geschehen vor den Stadtrat und wird in den Ratsprotokollen geschildert. Der Bürgermeister Johann Wittich habe demnach bei einem Gastmahl auf die Geistlichen und die Schuldiener geschimpft. Er habe Hieronymus Wolf „einen buben vnd hurer geheissen“75 und ihm Faulheit vorgeworfen. Derart angegriffen gab der Rektor zur Antwort, dass es ihm an Fleiß nicht mangele, es ihm jedoch nicht möglich gewesen sei, die aus den katholischen Schulen verzogenen und ungezwungenen, nun unter seine Obhut gegebenen Kinder in dieser kurzen Zeit auf den rechten Weg zu bringen.76 Trotz der verhaltenen Beurteilung in seiner Autobiographie und den mitunter bitteren Schilderungen über die Schüler in seinem Brief an Melanchthon verließ Wolf die Stadt mit gemischten Gefühlen. Sein Rückblick auf die Mühlhäuser Zeit zeugt trotz der Provisorien von glücklichen Erinnerungen. Seine privaten Studien seien hier von bisher nicht erreichtem Erfolg gekrönt, seine kränkliche Konstitution erfreute sich besserer Gesundheit, 77 er genoss den freundschaftlichen Umgang mit Justus Menius und die meisten Menschen wie auch seine Kollegen behandelten ihn mit Hochachtung.78 Seine Besoldung ermöglichte ihm ein angenehmes Leben und schon gedachte er, dieses gänzlich in Mühlhausen zu verbringen.79 Obwohl die Schülerschaft nur von geringer Anzahl war, betrachtete Wolf die Wenigen als seine „Jünger, ja Söhne“80 und schilderte in seinen späteren Betrachtungen den vertrauten und geselligen Umgang mit ihnen in wehmütigem Tonfall – wobei er sich offenbar nur an die 1543 erwähnten wenigen Lerneifrigen erinnerte. Einen Schüler nannte er dabei namentlich, Joachim Gruen/Grienius, 73 Vgl. KNIEB, Kirche (1907), S. 47 f.; KLETT, Gymnasium (1926), S. 21. 74 Vgl. JORDAN, Beiträge I (1895), S. 23, Anm. **; KNIEB, Kirche (1907), S. 47; KLETT, Gymnasium (1926), S. 21; SAHLENDER, Das humanistische Gymnasium (1972), S. 35. 75 StA Mühlhausen, 10/E 6, Nr. 5, fol. 95r (zitiert nach dem Brief von Justus Menius). Darüber hinaus legt das Ratsprotokoll dem Bürgermeister die folgenden gegen die Prediger gerichteten Worte in den Mund: „Ir lehrnet als boßewichtiger eyn blinde vom anderen das Ir vns in die grubenn leyttet vnd Iemmerlichen vorfuhret“, vgl. ebd., 10/T 1-4, Nr. 3, S. 162. Er wolle den Predigern nicht glauben, ihnen nicht beichten und die Sakramente verweigern. 76 Vgl. StA Mühlhausen, 10/T 1-4, Nr. 3, S. 177 f. 77 Und das, obwohl er 1543 Melanchthon gegenüber die „diaeta Turingorum agrestior et crudior“ beklagt hatte, vgl. MBW, T 12, Nr. 3177, hier S. 107. 78 Vgl. WOLF, Das Leben des Hieronymus Wolf (1984), S. 48 f. u. 52. 79 Vgl. ebd., S. 54. 80 Ebd., S. 52. Zäh übersetzt „Diener oder eher Söhne“, vgl. WOLF, Commentariolus (1998), S. 71.

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der ihn trotz widriger Umstände mit bekömmlichem Wein versorgt habe.81 Der Streit mit Wittich, dessen Namen Wolf in seiner Autobiographie nicht erwähnte, eine anfängliche mit Wahnvorstellungen einhergehende psychische Labilität und die schulischen Provisorien warfen jedoch zusammen mit seinem Streben nach Höherem einen Schatten auf dieses glückliche Leben, wodurch er sich schließlich zum Rücktritt veranlasst sah.82 Die in der Zinsmeisterrechnung von 1544/45 gezahlte Besoldung gebührte noch ihm, doch erhielt auch er wie der oben erwähnte Schulgeselle Gervasius zugleich den Fuhrlohn seines Abzuges.83 Wie der Fall des Gervasius zeigt, folgten ihm seine Gesellen. Wolf wandte sich nach Süddeutschland, führte jedoch einige Zeit von Verfolgungswahn und der Angst, verhext zu werden, geplagt ein zielloses Wanderleben, das ihn aber auch in hohem Maße schöpferisch erlebte. Erst nach Jahren wurde er in Augsburg als Vertrauter Jakob Fuggers sesshaft und entfaltete später als Rektor der dortigen St. AnnenSchule und Stadtbibliothekar eine reiche pädagogische und philologische Tätigkeit. Psychisch labil und zunehmend verbittert starb er 1580, doch gelang es ihm trotzdem ein ungemein reiches Werk an Übersetzungs- und Kommentierungsarbeiten zu hinterlassen, denen er heute den Rang des Begründers der Byzantinistik verdankt.84 Am 24. Juli 1544 richtete der Stadtrat erneut einen Brief an Philipp Melanchthon und teilte ihm mit, dass die Schule einen neuen Rektor benötige. M. Wolfgang Fulda aus Salzungen habe sich um das Amt beworben und der Stadtrat bat um Melanchthons Einschätzung über den in Wittenberg verweilenden Bewerber. 85 In einem gleichzeitigen Berufungsschreiben an Sebastian Boetius, den vormaligen Schulmeister von Eisenach,86 der die Nachfolge des ebenfalls zurückgetretenen Superintendenten Justus Menius antreten sollte, teilte der Stadtrat mit, dass neben dem Rektor auch die Positionen der beiden Gesellen neu besetzt werden müssten. Man habe bei Melanchthon zwei Baccalaurei erbeten, „So beide

81 Vgl. WOLF, Das Leben des Hieronymus Wolf (1984), S. 53; DERS., Commentariolus (1998), S. 71 f. 82 Vgl. WOLF, Das Leben des Hieronymus Wolf (1984), S. 51 f. u. 54–56. 83 Vgl. StA Mühlhausen, 2000/36, fol. 256r. 84 Vgl. JORDAN, Beiträge I (1895), S. 19 f.; MEZGER, Art. Wolf (1898), S. 756 f. 85 Vgl. KLETT, Gymnasium (1926), S. 21 f.; SAHLENDER, Das humanistische Gymnasium (1972), S. 35. Hier verstrickt sich Klett in Widersprüche, indem er Fulda zwar bereits für einen Gesellen des vorigen Rektors ansieht, ihn jedoch zur Zeit der Bewerbung in Wittenberg weiß. 86 Boetius hatte das Eisenacher Schulamt vermutlich als Nachfolger von Johannes Preuss 1536 angetreten, vgl. MONECKE, Sebastian Boetius (2016), S. 94. Vgl. mit widersprüchlichen Datierungen auch MERTZ, Schulwesen (1902), S. 80; HENNING, „Luthers Schule“ (1972), S. 76.

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musici sein, vndt in zweyen Kirchen Chor regiren können“. 87 Eine Woche später, am 2. August 1544, antwortete Melanchthon und beurteilte Fulda als züchtig, sittsam und wohlgelehrt.88 Fulda trat sein Amt noch im selben Jahr an. Unter seinem Rektorat wurden die Schuldiener zum ersten und einzigen Mal unter den Stadtbediensteten im Album senatorum verzeichnet. Gemeinsam tragen sie die Bezeichnung „Dienere der Schule beider Kirchen“.89 Neben dem Rektor werden dabei der Kantor Nikolaus Blumentrost (Florus) aus Gotha und der Baccalaureus Justinus Menius aus Eisenach, der Sohn des vormaligen Superintendenten, aufgeführt. Beide treten allerdings auch an anderen Stellen in den Quellen in Erscheinung und werden dabei den Pfarrschulen als Schulmeister zugeordnet. Justinus Menius versah die Schule an Divi Blasii, Blumentrost die an St. Marien.90 Nur am Rande sei erwähnt, dass vom 22. Januar 1545 auch ein Bewerbungsschreiben um das Rektorat aus der Feder des vormaligen Arnstädter Schulmeisters und poeta laureatus Caspar Bruschius stammt.91 Von einem Ratsherrn, der kürzlich in Arnstadt gewesen sei, habe er von dem Mühlhäuser Mangel erfahren und wolle seinen Dienst der Stadt antragen. Seine kleine Depesche unterscheidet sich dabei stark von dem üblichen Muster der im Altenburger Zusammenhang beschriebenen humanistischen Bewerbungsschreiben. Bruschius scheint sich seines Ranges in der Gelehrtenwelt bewusst gewesen zu sein und es dementsprechend nicht für nötig erachtet zu haben, seine Mühen einem innerlich wie äußerlich kunstvollen Brief zu widmen. Seine Wortwahl entbehrt dabei nicht einer gewissen Ironie: „Wer ich sey? Werden on Zweyfel E. E. W. eins teils, vnd der selben prediger villeicht auch wol wißen“. Zur Erinnerung übersandte er dem Stadtrat ein Exemplar eines kürzlich von ihm verfassten Buches, „daraus E. E. W. mein thun auch spuren khan“.92 Seine Bewerbung kam jedoch einige Monate zu spät, woraufhin Bruschius noch im selben Jahr das Schulmeisteramt in Schmalkalden antrat.93 Wolfgang Fulda versah das Schulmeisteramt bis zum baldigen Ende der Schule beider Kirchen. Dem Wirken seiner Schulgesellen waren hingegen engere Grenzen gesetzt. Am 22. September 1546 beschloss der Stadtrat die Absetzung des hier noch nicht namentlich genannten Schulmeisters der Neustadt. Als der Beschluss einige Tage später wiederholt werden musste, wurde er auf den er87 StA Mühlhausen, 10/E 6, Nr. 5, fol. 129v. Vgl. zur Biographie und zum Mühlhäuser Wirken des Boetius MONECKE, Sebastian Boetius (2016), hier besonders S. 94–96. 88 Vgl. StA Mühlhausen, 10/M 4, Nr. 2, fol. 6r–v; MBW, T 13, Nr. 3635. 89 StA Mühlhausen, 10/H 1-3, Nr. 1a, fol. 66v. 90 Vgl. BRINKMANN, Gelegenheitsfunde (1933), S. 105. 91 Über die Biographie und das Arnstädter Wirken Bruschius’ – jedoch ohne Kenntnis der Bewerbung nach Mühlhausen – vgl. KLETTE, Beiträge (1923), S. 84–100. 92 Für beide Zitate StA Mühlhausen, 10/M 4, Nr. 5, fol. 20r. 93 Vgl. JÜRGELEIT, Schulverhältnisse (1997), S. 6.

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wähnten Nikolaus Blumentrost bezogen. Er habe sich auf Hochzeiten mehrfach ungebührlich betragen und eine Besserung sei trotz entsprechender Ermahnungen nicht zu erwarten.94 Obgleich der Stadtrat sich für die Deutschordensschulen verantwortlich sah, stand ihm die Neubesetzung entsprechend des reformatorischen Verständnisses nun nicht mehr allein zu. Er musste sich mit dem Superintendenten in Verbindung setzen, betonte jedoch, dass er die Einstellung eines Bürgerskindes vor einem fremden Bewerber bevorzugen würde. Ein ähnliches Schicksal traf offenbar auch Justinus Menius, denn zu Beginn des Jahres 1547 erscheint als Schulmeister der Altstadt ein gewisser Bertholdus.95 Bei diesem handelt es sich um den aus Creuzburg stammenden Berthold Braunschweig, der somit nicht, wie vom Stadtrat gewünscht, ein Mühlhäuser Bürgerssohn war. Für das Schicksal der Stadt sollte er trotzdem insofern von Bedeutung sein, da er durch die Aufdeckung entsprechender Pläne einen kaiserlichen Angriff auf die Reichsstadt in der Nachfolge der Schlacht von Mühlberg verhindern konnte. Am 4. Mai 1547 offenbarte der spätere Stadtschreiber Nikolaus Fritzler dem Stadtrat, dass der Schulmeister „etzliche Zeitunge aussbracht“ hätte, „daran gemeiner Stadt merglich gelegen“ 96 sei. Noch am selben Tag wurden Fritzler, Braunschweig und weitere Beteiligte vom Stadtrat verhört und dabei ermittelt, dass der Hauptmann Georg Creuz Mühlhausen in wenigen Tagen von Gotha aus angreifen, „blundern, vnd sie recht herumb rucken“97 wolle.98 Der Angriff konnte letztlich durch eine Intervention beim Kaiser, die Beteuerung jeglicher Unbeteiligtheit an dem konfessionellen Krieg und einen entsprechenden Treueeid verhindert werden.99 Es wird an dieser Stelle jedoch deutlich, mit welcher Anfechtung Braunschweig wie Hieronymus Wolf zu kämpfen hatte, um als evangelischer Schuldiener unter einem katholischen Stadtrat zu dienen. Er begrüße den Angriff, so der Vorwurf Fritzlers, denn lieber wolle er „erlich vnd Christlich gestorben [sein], dan also schendtlich Bey der papisterey sein leb[en] zu bringen“.100 Gegen die Anklage des Verrats, die ihm diese vermeintliche Äußerung einbrachte, scheint er sich jedoch erfolgreich verteidigt zu haben. Derartige Spannungen führten schließlich dazu, dass auch der Stadtrat Anstoß an der Schule nahm. Dies wird nicht allein aus der Perspektive der Schuldiener deutlich, sondern auch durch den Stadtrat selbst dargelegt. Erstmals äußerte dieser bereits im Juni 1545 seine Zweifel an der Notwendigkeit der evangelischen

94 95 96 97 98 99 100

Vgl. StA Mühlhausen, 10/T 1-4, Nr. 3, S. 317 f.; KLETT, Gymnasium (1926), S. 22. Vgl. BRINKMANN, Gelegenheitsfunde (1933), S. 105. Für beide Zitate StA Mühlhausen, 10/T 1-4, Nr. 3, S. 328. StA Mühlhausen, 10/K 3, Nr. 5, fol. 27r. Vgl. auch KLETT, Gymnasium (1926), S. 22 f. Vgl. JORDAN, Chronik II (1903), S. 29. StA Mühlhausen, 10/K 3, Nr. 5, fol. 27r.

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Schule101 und brachte am 19. Juni des folgenden Jahres den Vorschlag ein, die Besetzung der Schule auf zwei Personen zu begrenzen.102 Es ist anzunehmen, dass dieser Vorstoß am Widerstand der evangelischen Geistlichen scheiterte. Erst als die Autorität der Schutzfürsten durch die Niederlage der evangelischen Partei im Schmalkaldischen Krieg gebrochen war, ergriff der Stadtrat die Initiative und startete eine umfassende Rekatholisierung der Stadt. Die Schließung der Schule beider Kirchen war dabei die erste Maßnahme zur Beseitigung des aufgezwungenen evangelischen Kirchenwesens.103 Veranlasst wurde sie durch einen Missgriff des Schulmeisters. Am 21. Juni 1547 wurde im Stadtrat Klage über Wolfgang Fulda erhoben, der die altgläubige Bürgerschaft geschmäht habe. Die Menschen, so Fulda, seien grob und unverständig und nicht wert, dass man ihre Kinder unterrichte. Zudem seien die Texte, die er die Schüler übersetzen ließ, mit Beleidigungen des Kaisers durchsetzt. Dies war Anlass genug, ihm seinen Dienst aufzukündigen. Anstatt jedoch einen Nachfolger einzusetzen, beschloss der Rat, dass „die vorigen zwo schulen hart an den Kirchen wie zuuor auff gethan, Auch dasselbige barfusser closter, dorin izo die Schule, sampt dem p[re]diger closter zum besten zugethan vnd vorwart“104 werden solle. Die Gesellen Fuldas dienten nach der Schließung der evangelischen Schule nur noch kurze Zeit an den Pfarrschulen. 1548 erhielt ein in der Stadtrechnung nicht namentlich genannter „Baccalarien add[er] Cantor“105 ein Abschiedsgeld von 1 fl. Bei ihm handelt es sich um Johann Faber, den Schulmeister der Schule an St. Marien und vermutlich Nikolaus Blumentrosts Nachfolger im Amt des Kantors, dem der Stadtrat am 3. Oktober 1548 ein Dienstzeugnis ausstellte.106 Formelhaft wird darin sein Fleiß gelobt und sein Ausscheiden bedauert,107 doch findet sich unter den sonst standardisierten Worten eine herausragende Formulierung, die durch ihre Eigenart als objektives und individuelles Lob des Stadtrates betrachtet werden kann: Seinem Unterricht sei es zu verdanken, dass sich die Schüler „desselbigen merglichen, gott lob, gebessert, vnd an Ime ein guth Exempel gehapt haben“.108 Im selben Jahr trat ein Johann(es) Faber den Dienst eines Schulmeisters in Schleiz an, den er bis 1561 versah, doch ist eine Identifizierung beider mit101 Vgl. StA Mühlhausen, 10/K 3, Nr. 6, fol. 15r. 102 Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 6, Nr. 5, fol. 187r. 103 Vgl. zur Rekatholisierung und der damit verbundenen Schulschließung JORDAN, Beiträge I (1895), S. 29; KNIEB, Kirche (1907), S. 51 f.; KLETT, Geschichte (1916), S. 34 f.; DERS., Gymnasium (1926), S. 23 f.; GÜNTHER, Mühlhausen (1975), S. 61. 104 StA Mühlhausen, 10/T 1-4, Nr. 3, S. 336. 105 StA Mühlhausen, 2000/39, fol. 112v. 106 Vgl. BRINKMANN, Gelegenheitsfunde (1933), S. 106. 107 Die Formelhaftigkeit kann anhand weiterer überlieferter Dienstzeugnisse, auf die noch zurückzukommen sein wird, beurteilt werden. 108 StA Mühlhausen, 10/X 1-8, Nr. 9, fol. 173r.

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einander unsicher. 109 Deutlicher kann der Werdegang von Berthold Braunschweig nachverfolgt werden. Er folgte Justus Menius, der 1546 Nachfolger des Myconius geworden war, nach Gotha und trat noch 1547 oder 1548 das Amt des Infimus an der dortigen Schule an. Hier ist er erstmals anhand der Besoldungslisten von 1549 nachweisbar,110 versah den Dienst jedoch nicht lange. Bereits am 11. Februar 1550 schrieb Justus Menius als zuständiger Superintendent an den Herzog und empfahl Braunschweig als Schulmeister seiner Heimatstadt Creuzburg.111 Dort trat er die Nachfolge des langjährigen Schulmeisters Liborius Calvus an, unter dem er selbst seine heimische Schule besucht hatte.112

5.5. Rekatholisierung Die Schließung der Schule beider Kirchen war eine erste Maßnahme zur Rekatholisierung der Stadt. Sie erfolgte noch vor dem Rücktritt der Prediger und des Superintendenten und selbst vor der offiziellen Annahme des Interims durch den Stadtrat am 18. August 1547. 113 Die vollständige Restituierung der Kirchen währte jedoch mehrere Jahre. Erst im März 1549 wurden den Pfarrkirchen die eingezogenen Kleinodien und Urkunden zurückerstattet.114 Aufgrund der weiterhin bestehenden Pachtverhältnisse blieb die Zinsmeisterei jedoch als Quelle der Besoldung erhalten, nur kann eine eventuelle Unterbrechung der Sequestration wie der Besoldung wegen fehlender Rechnungen nicht nachvollzogen werden. Lediglich erregte eine eigenmächtige Besoldungserhöhung für die Schuldiener das Missfallen des Landkomturs Hans von Germar. Obwohl anzunehmen ist, dass die Besoldung nicht in der 1542 festgelegten Höhe fortgesetzt wurde,115 erfolgte auch keine vollständige Rückführung zu den Zuständen der 1530er Jahre. Hans von Germar warf dem Stadtrat daher in einem Brief vom 25. Juli 1551 vor, die Einkünfte der Deutschordensgüter mit dem Ziel zu verschwenden, Letztere nach Ablauf der Pachtzeit wegen ihrer übermäßigen finanziellen Belastung erneut übertragen zu bekommen. Desgleichen kritisierte er den 109 Vgl. SCHMIDT, Schleiz II (1909), S. 161. Darüber hinaus unterschrieb ein Johannes Faber als Pfarrer im hennebergischen Exdorf 1577 die Konkordienformel, vgl. LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. IV, Nr. 95, fol. 26r. Eine Übereinstimmung ist in diesem Fall jedoch unwahrscheinlich. 110 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 2935, fol. 101v. 111 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2236, fol. 9r–v. 112 Vgl. ebd., fol. 11r–12v. 113 Vgl. StA Mühlhausen, 10/Y 1-2, Nr. 1, fol. 106r–107r. 114 Vgl. StA Mühlhausen, 10/T 1-4, Nr. 3, S. 408. 115 Dagegen spricht die Restituierung der Klöster, in deren Zuge ihnen wahrscheinlich die Zahlungen an die Zinsmeisterei erlassen wurden.

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unsachgemäßen Gebrauch des Patronats, das nach wie vor dem Stadtrat oblag und dessen Missbrauch sich insbesondere bei der Besetzung der Schulämter bemerkbar mache. Indem der Stadtrat bestrebt sei, die Söhne von Ratsherren in den Ämtern unterzubringen, diese jedoch übermäßig mit Geld und die Schulen für vier Feuerstellen mit Holz versorge, wolle der Stadtrat sich an den Deutschordensgütern bereichern.116 Welche Konsequenzen dies für den Stadtrat nach sich zog und ob die Besoldungsverhältnisse den Wünschen des Landkomturs angeglichen wurden, kann nicht ermittelt werden. Die Besoldung scheint allerdings gering gewesen zu sein – eine Kontinuität in den Schulämtern wurde nicht erreicht. Aus den Jahren nach 1547 sind zwar nur vereinzelt Schulmeister, insbesondere der Schule an St. Marien, namentlich bekannt, doch weisen alle nur kurze Amtszeiten und somit einen raschen Wechsel auf. Der Baccalaureus Konrad Zaupenberger, vermutlich der direkte Nachfolger Fabers, quittierte bereits 1550 seinen Dienst und erhielt ebenfalls ein Dienstzeugnis. 117 Ihm folgte der heute noch bekannte Poet und Kirchenlieddichter Ludwig Helmbold nach, der später als Superintendent für Mühlhausen noch eine bedeutende Rolle spielen sollte.118 Sein hiesiges Schulmeisteramt an St. Marien blieb jedoch ebenfalls nur ein kurzes Zwischenspiel. 1532 in Mühlhausen geboren, besuchte er ab 1549 die Universität von Erfurt, wo er am 24. September 1550 den Titel eines Baccalaureus erhielt.119 Das Schulamt, das er als Protestant in seiner katholischen Heimatstadt antrat,120 folgte augenblicklich darauf, währte jedoch nur zwei Jahre.121 In dieser Zeit soll er sich, so die Schilderung der älteren Forschung, um die Verbesserung des Mühlhäuser Schulwesens bemüht haben, indem er einen Schulneubau oder die Verlegung der Schule in ein Kloster sowie

116 Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 6, Nr. 6, fol. 33r–34v. 117 Vgl. StA Mühlhausen, 10/X 1-8, Nr. 9, fol. 218r; BRINKMANN, Gelegenheitsfunde (1933), S. 106. 118 Vgl. FROHNIUS, Programma Pars Qvinta, S. 49 f.; THILO, Ludwig Helmbold (1851), S. 49 f.; THIELE, Gründung (1896), S. 30; GÜNTHER, Ludewig Helmbold (1925), S. 364; FISCHER, Ludwig Helmbold (1932), S. 152; SAHLENDER, Das humanistische Gymnasium (1972), S. 36. 119 Vgl. FROHNIUS, Programma Pars Qvinta, S. 60; FISCHER, Ludwig Helmbold (1932), S. 149 f. 120 Helmbold ist der einzige unter den Schulmeistern nach der Schließung der Schule beider Kirchen, dessen Konfession sicher bestimmt werden kann. Umso bemerkenswerter ist es, dass er als Protestant das Schulamt an einer katholischen Schule annahm, vgl. auch SAHLENDER, Das humanistische Gymnasium (1972), S. 36. 121 Vgl. FROHNIUS, Programma Pars Qvinta, S. 60. Dass Nikolaus Blumentrost unter ihm als Kantor gedient habe, wie Thiele angibt, kann aufgrund seiner Entlassung 1546 ausgeschlossen werden, vgl. THIELE, Gründung (1896), S. 21.

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deren Besetzung mit pädagogisch geschulten Lehren anregte. 122 Von seinen Bemühungen ist heute jedoch nichts mehr nachweisbar. Die Abneigung des Stadtrates habe seinen Rücktritt veranlasst. Aus Mühlhausen kehrte er nach Erfurt zurück und promovierte 1554 zum Magister.123 Als 1561 das Erfurter Ratsgymnasium gegründet wurde, trat er dort ein Schulamt an und lehrte nebenbei an der Universität.124 Unter seinen Nachfolgern in Mühlhausen ist erst Bernhard Scharfe bekannt, der jedoch 1556 im Haus der Martha Hunger von ihrem Sohn erschossen wurde.125 Ihm folgte Conrad Scheffer, der zu Beginn des Jahres 1557 das Neujahrgeld vom Stadtrat zusammen mit seinem Kollegen an der Blasiischule – Christoffel Mehler, der später ins Pfarramt von Ballstedt berufen wurde – in Empfang nahm.126 Obwohl Helmbolds Bemühungen zum Aufbau eines neuerlichen Gelehrtenschulwesens in Mühlhausen, vermutlich aufgrund der jüngsten Erfahrungen, vom Stadtrat abgelehnt wurden, erlebten die Pfarrschulen im Vergleich zu den 1530er Jahren eine Steigerung der Frequenz. Unter Ludwig Helmbold diente mindestens ein Schulgeselle als Baccalaureus an der Marienschule. Namentlich bekannt ist lediglich Gervasius Weiß, der wie Helmbold über den akademischen Grad des Baccalaureus verfügte und am 8. März 1552 mit einem Dienstzeugnis aus dem Amt ausschied.127 Der Stadtrat scheint hingegen hinsichtlich der Sorge um das Schulwesen gespaltener Meinung gewesen zu sein. Nicht nur von Helmbold, auch aus den Kreisen des Rates selbst gab es Vorstöße zu einer besseren Organisation und einer Steigerung des gesamtstädtischen Schulwesens. Als am 21. März 1552 im Stadtrat über Reformen der Polizeiordnung verhandelt wurde, kam die Sprache auch auf die Schule. Ein Vorschlag lautete, „das man einen Magisterum hett bestellet vber beide schulen, fur einen superattendentenn“.128 Dieser Vorschlag, der – wie in Saalfeld bereits in den 1540er Jahren geschehen – zur Einführung eines Schul122 Vgl. THILO, Ludwig Helmbold (1851), S. 50 f.; JORDAN, Beiträge I (1895), S. 29 f.; KLETT, Gymnasium (1926), S. 25; FISCHER, Ludwig Helmbold (1932), S. 152. 123 Vgl. THILO, Ludwig Helmbold (1851), S. 52; JORDAN, Beiträge I (1895), S. 30; THIELE, Gründung (1896), S. 30; KLETT, Gymnasium (1926), S. 25; FISCHER, Ludwig Helmbold (1932), S. 152. 124 Vgl. THILO, Ludwig Helmbold (1851), S. 57 f.; THIELE, Gründung (1896), S. 22; BIEREYE, Gymnasium (1911), S. 36; SAHLENDER, Gymnasium (1972), S. 137; LINDNER, Schulwesen (2003), S. 38; STURM, Bildungseinrichtungen (2004), S. 8; LINDNER, Ratsgymnasium (2011), S. 25. 125 Vgl. JORDAN, Beiträge I (1895), S. 29; BRINKMANN, Gelegenheitsfunde (1933), S. 106. 126 Vgl. StA Mühlhausen, 2000/44, fol. 79v. Vgl. zu Christoph Mehler FROHNIUS, Programma Pars Prima, S. 41; BRINKMANN, Gelegenheitsfunde (1933), S. 106. Brinkmann nennt ihn Schulmeister auf dem Schilde. 127 Vgl. StA Mühlhausen, 10/X 1-8, Nr. 9, fol. 247r–248r; BRINKMANN, Gelegenheitsfunde (1933), S. 106. 128 StA Mühlhausen, 10/T 1-4, Nr. 3, S. 499. Vgl. auch KLETT, Gymnasium (1926), S. 25.

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herrenamtes geführt hätte, scheint jedoch nicht umgesetzt worden zu sein.129 Stattdessen wird erst über zwei Jahre später deutlich, dass der Vorschlag im Stadtrat zu ernsthaften Konfrontationen geführt hatte. Während einer Ratssitzung am 28. Oktober 1554 urteilte der streng katholische Bürgermeister Rodemann, damals sei die städtische Ordnung „bei vorhabender bestellung eines superattendenten vber die Schuelen […] dorch einen erbarnn vorrath vbergang[en]“ 130 worden. Worauf sein Vorwurf sich bezog, muss offenbleiben.

5.6. Der weite Weg zur neuen Schule Es ist bereits geschildert worden, wie der Landkomtur Hans von Germar sich nach dem Augsburger Reichstag 1555 allmählich zur evangelischen Lehre bekannte und seine Konversion in Verbindung mit dem 1558 auslaufenden Pachtvertrag nutzte, um in der Reichsstadt zum dritten Mal gegen den Willen des Stadtrates die Reformation einzuführen. Die „voranderunge der religion“131 nimmt in den Ratsprotokollen ab 1555 zunehmend breiten Raum ein. In fast jeder Ratssitzung wurden Briefe des Landkomturs diskutiert. Das Schulwesen hatte daran zunächst keinen Anteil und selbst als im Dezember 1556 die Öffnung einer Kirche für die Protestanten beraten und bewilligt wurde, stand nur die Genehmigung evangelischer Gottesdienste im Fokus.132 Das Schulwesen spielte vorerst keine Rolle, sollte im Folgenden jedoch zum Stein des Anstoßes werden, der über Jahre hinweg für scheinbar unüberwindliche Gegensätze zwischen dem Stadtrat und dem Deutschen Orden sorgte. Am 23. April 1557 kam das Schulwesen erstmals zur Sprache, indem der Stadtrat sich bereit erklärte, neben der Kirche auch die Schule an Divi Blasii der Augsburgischen Konfession gemäß zu bestellen.133 Im Fokus stand dabei lediglich eine Schule, während deutlich betont wurde, dass die Marienkirche mitsamt der dortigen Schule in der katholischen Konfession verbleibe. Als daraufhin im Juni zwei evangelische Prediger eingestellt wurden, übergab Heinrich Salmuth dem Stadtrat am Tag vor seiner ersten Predigt ein Schreiben, das seine geplante Vorgehensweise zur Reformierung der Kirche Divi Blasii schildert. Darin wurden unter anderem die Schuldiener den Anweisungen der Prediger untergeordnet, während diese sich der Pflege des Schulwesens annehmen, Aufsicht über die 129 Nichts deutet darauf hin, dass Helmbold, wie Klett vermutet, in dieses Amt eingeführt worden sei. 130 StA Mühlhausen, 10/T 1-4, ad Nr. 4, S. 39. 131 StA Mühlhausen, 10/T 1-4, ad Nr. 4, S. 125. 132 Vgl. ebd., S. 143–147. 133 Vgl. ebd., S. 158; KLETT, Gymnasium (1926), S. 26.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

Schulen führen und die Schuldiener in ihrem Leben und Amt kontrollieren wollten. Die Schulmeister sollten – wie allerorten üblich – für den kirchlichen Gesang verantwortlich sein und mit den Schülern zusammen den Kirchenchor bilden.134 Bis auf die Einführung eines lutherischen Katechismusunterrichts zeichnet sich eine evangelische Schulreform in Salmuths Worten noch nicht ab. Als hingegen im September 1557 Hieronymus Tilesius das Mühlhäuser Pfarramt antrat, ging er einen Schritt weiter und skizzierte in einem Schreiben ähnlichen Inhalts dem Stadtrat seine Vorstellungen von der Blasiischule. Sie solle durch einen gelehrten Schulmeister und zwei Gesellen versehen werden. Durch die Unterrichtung der Sprachen Latein und Griechisch sowie der göttlichen Lehre, dem Katechismus, sollten die Kinder frühzeitig zu guten Sitten und Künsten erzogen werden, auf dass aus ihnen gelehrte, rechtschaffene, weise Leute werden, die zur Predigt und zur Regierung geschickt seien. Über diese typische und häufig formulierte Anforderung der Reformatoren ging Tilesius jedoch hinaus, indem er erstmals nach der Schließung der Schule beider Kirchen abermals ein zentrales evangelisches Schulwesen für ganz Mühlhausen forderte. Die Blasiischule sei zu eng und die Zahl der Schüler steige. Es sei nötig, einen anderen Ort für den Unterricht heranzuziehen. Mit dem Barfüßerkloster, das mit geringen Unkosten hergerichtet werden könnte, schlug er die naheliegendste Alternative vor.135 Ob ihm der erste, vor zehn Jahren gescheiterte Versuch bekannt war, ist ungewiss. An diese Vorschläge schloss sich die Forderung eines städtischen Stipendienwesens an, das durch die geistlichen Lehen, von denen zahlreiche noch unverledigt seien, gespeist werden könne.136 Der Stadtrat widmete sich dem eingereichten Schreiben des Tilesius erst am 6. Oktober 1557.137 Während die übrigen Eingaben des Pfarrers weitestgehend akzeptiert wurden, ist der Rat hinsichtlich der „veranderunge d[er] schuelen zu sant Blasio […] spaltigk geweßen“. Während eine Minderheit des Rates die Vorschläge des Tilesius billigte, wurden von den übrigen Ratsherren Gegenargumente beigebracht. Die Nutzung des Barfüßerklosters würde, ungeachtet der Erfahrungen der 1540er Jahre, eine Zusammenlegung beider Pfarrschulen nach sich ziehen, die dem Stadtrat die Marienschule entzogen hätte. Die Ratsherren argumentierten

134 Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 6, Nr. 6, fol. 229r–230r, abgedruckt in FROHNIUS, Programma Pars Prima, S. 10–12. Vgl. auch KNIEB, Kirche (1907), S. 72 f.; KLETT, Gymnasium (1926), S. 26. 135 Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 6, Nr. 6, fol. 256r–257r; KLETT, Gymnasium (1926), S. 27; WEBER, Einfluss (1995), S. 65. 136 Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 6, Nr. 6, fol. 257r. 137 Vgl. StA Mühlhausen, 10/T 1-4, ad Nr. 4, S. 168–172; KLETT, Gymnasium (1926), S. 28; WEBER, Einfluss (1995), S. 65.

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daher, es müsste in einem solchen Fall ein weiterer Schulgeselle angestellt werden, was „vmb einer so geringenn Iugent willen ohne noth“ sei.138 Obwohl die Argumente fadenscheinig anmuten, startete der Stadtrat damit eine Hinhaltetaktik. Der baulichen Mängel der alten Schule sei man sich bewusst, so formulierte der Stadtrat in einem Brief an Tilesius. Sie sei zu dicht an einer Mauer errichtet, sodass Regen- und Tauwasser durch die Wände dringe und die Gesundheit der Kinder gefährde. Ein Neubau bzw. der Ausbau des Klosters müsse jedoch aufgeschoben werden, „die weil man Im Winter nit bauen kan“. Man müsse sich vorerst mit einer Neuverputzung der betreffenden Wand begnügen und die Schule im Übrigen „fein sauber vnd rein“ halten.139 Über den Winter wolle der Stadtrat sich unterdessen um Bauholz für den Neubau bemühen. Gleichzeitig besann er sich, wahrscheinlich in der Befürchtung, die Prediger könnten seinen Einfluss auf die Schulen schmählern, auf die Möglichkeit, diese durch einen städtischen Schulherren überwachen zu lassen. Es sei nötig, so der Stadtrat, „daß man vff ein gelarten man bedacht wer, der achtung vff die zwo schulen het, wie die Knabenn vntherweiseth“140 werden. Obwohl diese Maßnahme vor drei Jahren von Bürgermeister Rodemann noch hart kritisiert worden war, scheint der Rat sich der neuen politischen Lage bewusst gewesen zu sein. Das baldige Ende der Pachtzeit wurde im Zuge der Einstellung des Tilesius mit Hans von Germar bereits angesprochen.141 Es ist anzunehmen, dass der Stadtrat mit der vorherigen Einführung des Schulherrenamtes danach trachtete, seinen Einfluss auf die Schulen zum einen gegen die Prediger abzusichern und zum anderen auch über das Ende der Pachtzeit hinaus beizubehalten. Durch den Winter und die 1558 erfolgende Rückführung der Kirchen an den Deutschen Orden geriet die Reformation der Schule zunächst in Vergessenheit. 142 Die Übertragung der Deutschordensgüter war mit langwierigen Verhandlungen verbunden und zog sich bis ins Jahr 1559. Im Januar dieses Jahres erfolgte eine gründliche Inspektion der Güter mit deren Verlust dem Stadtrat schließlich auch die 24 Jahre lang ausgeübte Kontrolle über die Schulen entzogen wurde. 143 Zu welchen Auseinandersetzung dies mit dem Deutschen Orden führte, ist nur am Rande ersichtlich. So forderte der Landkomtur im Januar 1559, dass der Stadtrat die seit Juni 1558 noch ausstehende Besoldung der Schuldiener zahlen möge, da ihm noch die Michaeliszinse der Deutschordensgüter zuge138 139 140 141 142

Für beide Zitate StA Mühlhausen, 10/T 1-4, ad Nr. 4, S. 180 f. Für beide Zitate StA Mühlhausen, 10/E 6, Nr. 6, fol. 265r–v. Ebd., fol. 265v. Vgl. ebd., fol. 247r–248v. Dass die neue Schule bereits 1557 eingerichtet worden sei, wie die ältere Forschung konstatierte, muss widerlegt werden, vgl. ALTENBURG, Chronik (1824), S. 173; KLETT, Gymnasium (1926), S. 27; GÜNTHER, Mühlhausen (1975), S. 66. 143 Vgl. StA Mühlhausen, 10/T 1-4, ad Nr. 4, S. 242r–257v.

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flossen seien. Der Stadtrat wies dies von sich.144 Die Besoldungspflicht wurde so von der Zinsmeisterei auf den Deutschen Orden zurückübertragen, wo sie bis zum Ende des Jahrhunderts verblieb. Um dieser Pflicht für Prediger und Schuldiener nachzukommen, gedachte der Orden, die Einkünfte der wüst liegenden Vorstadtkirchen einzuziehen. Widerwillig stimmte der Stadtrat zu, „and[er]e Kirchen zuberaubenn vnd hieher an disse Kirchenn zuuorwenden“ entband sich jedoch im Gegenzug von jeder Beteiligungspflicht, „dieweil eß die Euangelisch[en] anlangeth“.145 Durch die fehlende Kontrolle des Stadtrates stand nun auch der Reformation der Marienkirche nichts mehr im Wege. Um den Verlust beider Kirchen zu kompensieren, eröffnete der noch immer katholisch dominierte Stadttrat der altgläubigen Gemeinde das Barfüßerkloster. Die Gründung dieser kurzlebigen Pfarrei war zudem mit der Einrichtung einer katholischen Schule verbunden, über die jedoch nur wenig ermittelt werden kann.146 Pfarrei und Schule standen unter der alleinigen Gewalt des Stadtrates, der die Schule mit zwei Schuldienern und dem Kirchner besetzte. Ein Einkommensverzeichnis dieser Kirche von 1565 informiert über deren Besoldung, die vollständig aus den Einnahmen der Kirche getragen wurde. Der Schulmeister Johannes Kirchhoff erhielt 26 ß, der namentlich nicht genannte Kirchner 20 fl und der Baccalaureus Nikolaus Schinbar 13 ß 8 gr 6 d.147 Die Aktivität dieser Schule führte jedoch erwartungsgemäß zu Spannungen mit den inzwischen evangelischen Pfarrschulen an St. Marien und Divi Blasii. Der konfessionelle Gegensatz führte zu Reibereien und gegenseitigen Anfeindungen, polemische Formulierungen wurden den Kindern als Merkverse vorgetragen.148 Der Deutsche Orden besann sich erst während der abschließenden Verhandlungen im Januar 1559 wieder auf das Zugeständnis, das der Stadtrat den Predigern und Tilesius 1557 erteilt hatte.149 Obwohl der Stadtrat seinem damaligen Versprechen offenbar nicht nachgekommen war, präsentierte er sich nun verhandlungswillig. Er sei bereit, einen Neubau durch Holz, Steine und anderes Baumaterial zu unterstützen, während der Deutsche Orden durch die Abtragung der ungenutzten Vorstadtkirchen und die Anwendung der dort verledigten Einkünfte den größten Teil zu tragen gedachte.150 Da der Stadtrat guten Willen

144 Vgl. ebd., S. 245 u. 251. 145 Für beide Zitate ebd., S. 256 f. 146 Vgl. KNIEB, Kirche (1907), S. 78–82; KLETT, Geschichte (1916), S. 35; DERS., Gymnasium (1926), S. 29 f. 147 Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 6, Nr. 14, fol. 26r–v. 148 Vgl. KNIEB, Kirche (1907), S. 87; WEBER, Einfluss (1995), S. 61. 149 Vgl. KLETT, Gymnasium (1926), S. 30. 150 Vgl. StA Mühlhausen, 10/T 1-4, ad Nr. 4, S. 257 u. 262.

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gezeigt habe, erklärte Hans von Germar sich zudem bereit, aus seinen eigenen Einkünften ganze 200 fl zur Aufrichtung der neuen Schule beizusteuern.151 Die Fronten waren damit jedoch noch nicht geklärt, viel eher änderte sich durch die neuerlich gestärkte Position des Deutschen Ordens die politische Grundlage der Verhandlungen. Waren diese bislang zwischen dem Stadtrat und den Predigern geführt worden, trat nun der Deutsche Orden an deren Stelle, wodurch der Stadtrat sich deutlich in den Hintergrund gedrängt fühlen musste. Beide Parteien waren während aller Verhandlungen bemüht, ihre jeweiligen Rechte und Privilegien zu bewahren. Um dem Deutschen Orden und insbesondere dem Landkomtur durch seine angebotene Unterstützungssumme von 200 fl nicht den Vortritt zu lassen, erhöhte der Stadtrat seine Beteiligung an der Schule um dieselbe Summe.152 Der Kontrolle des Deutschen Ordens über das Mühlhäuser Kirchenwesen lief jedoch, so Hans von Germar, an erster Stelle die vom Rat eingerichtete Schule im Barfüßerkloster entgegen.153 Um diese Schule vor den Angriffen des Deutschen Ordens zu legitimieren, verwies der Stadtrat auf das Privileg, das Kaiser Karl IV. ihm vor inzwischen über zwei Jahrhunderten zur Gründung einer städtisch getragenen Schule erteilt hatte (Kap. I. 3.2.). Obwohl der Landkomtur dieses Privileg seines Alters wegen für ungültig erklärte, beharrte der Stadtrat auf seiner Weigerung, die Schule im Barfüßerkloster zu schließen. Über die Gültigkeit des Privilegs könne höchstens der Kaiser entscheiden, weshalb die Frage bis zum kommenden Reichstag verschoben werden müsse.154 Am 19. Januar erklärte sich der Stadtrat mit allen weiteren Forderungen des Deutschen Ordens einverstanden. Lediglich die katholische Schule stand nun noch unumstößlich in der Gewalt des Stadtrates, der sich konsequent gegen deren Schließung stellte.155 Als am 20. Januar 1559 der Vertrag über die Rückgabe der Deutschordensgüter zwischen Stadtrat und Orden geschlossen wurde, mussten die darin enthaltenen Beschlüsse über die Reformation der Schulen auf diesem Standpunkt der Konfrontation verbleiben. Ein Aufschub bis zum nächsten Reichstag sei, so der Landkomtur, in niemandes Sinne, weshalb der Abschluss der Verhandlungen über die Rückgabe der Deutschordensgüter den betreffenden Streitpunkt vorerst außer Acht lassen musste.156 Der Vertrag enthielt somit lediglich die Anordnung, der Stadtrat solle zusammen mit dem Superintendenten, zu dem Tilesius ernannt worden war, geschickte Handwerker anstellen, um für den geplanten Schulbau einen Kostenvoranschlag zu erarbeiten. Gemeinsam wolle man einen geeigneten 151 152 153 154 155 156

Vgl. ebd., S. 267; KLETT, Geschichte (1916), S. 20 u. 35; WEBER, Einfluss (1995), S. 65 f. Vgl. StA Mühlhausen, 10/T 1-4, ad Nr. 4, S. 275. Vgl. KLETT, Gymnasium (1926), S. 30. Vgl. StA Mühlhausen, 10/T 1-4, ad Nr. 4, S. 270–277. Vgl. ebd., S. 280. Vgl. ebd., S. 272.

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Ort für den Neubau ermitteln, der wie zuvor beschlossen aus den Einkünften der ungenutzten Vorstadtkirchen sowie der beiden Fronleichnamsbruderschaften finanziert werden solle.157 Auch dieses vermeintliche Ende der Verhandlungen brachte noch immer nicht die erhoffte Einigung beider Parteien mit sich. Nachdem sich die Umsetzung der übrigen Vertragspunkte wegen nochmaliger Verzögerungen bis in den Herbst erstreckte, sorgte die Suche nach dem Standort einer neuen Schule abermals für unumgängliche Gegensätze. 158 Am 20. Oktober 1559 teilten die Prediger dem Stadtrat zum wiederholten Male mit, dass sie sich im Beisein der hinzugezogenen Handwerker entschieden hätten, die einstige Judenschule zu einer evangelischen Schule auszubauen und der Landkomtur die Antwort des Stadtrates erwarte. 159 Erst nach dieser wiederholten Aufforderung erteilte der Stadtrat seine Antwort, dass ein Schulneubau durch den Deutschen Orden „vf dem orth vnd grunde beschehe darauf des ordens guther gelegen sonst möchte es nochrede geberen vnd eynem Erbarn Radt vnd gemeyner stadt zum vorsangk Irer priuilegien gereichen“. 160 Der Stadtrat habe bei der Neuerrichtung einer Schule lediglich an den Ausbau der Blasiischule, nicht aber an die Gründung einer dritten Schule unter der Trägerschaft des Deutschen Ordens, gedacht. Ersteres stelle man dem Landkomtur gerne frei, ebenso den Ausbau der Marienschule, die sich inzwischen auch wieder in der Hand des Ordens befand, solange dieser die Grenzen seines Einflusses nicht überschreite.161 Nach dieser Absage schweigen die Ratsprotokolle abermals für ein volles Jahr über die Angelegenheit. Erst Anfang Oktober 1560 rief der Superintendent Tilesius dem Stadtrat den Streit von neuem in Erinnerung und gemahnte an dessen Vernunft. Nicht solle die Schule dem Deutschen Orden, sondern nur der Ehre Gottes und dem Wohle der Stadt dienen, ohne dass dabei deren Privilegien verletzt würden.162 Die Beratung des Stadtrates am 4. Oktober zeigt diesen jedoch nach wie vor in den alten Vorbehalten verhaftet: Unter den gegebenen Umständen müsse die Schule, wolle man dem Anliegen des Ordens nachgeben, „nicht eineß raths sondern des ordenß schuelen heiß[en] vnd bleiben, dormit blieben die priuilegie nicht vnuorlezt“.163 Im Gegenzug erwuchsen dem Stadtrat jedoch auch Zweifel an der Unterhaltung einer eigenen städtischen Schule ohne den Einfluss des Deutschen 157 Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 6, Nr. 6, fol. 339r–341v, hier fol. 340v–341r (Originalvertrag); ebd., 10/T 1-4, ad Nr. 4, S. 283–288, hier S. 286 f. (Abschrift in den Ratsprotokollen). 158 Vgl. KLETT, Gymnasium (1926), S. 32. 159 Vgl. StA Mühlhausen, 10/T 1-4, ad Nr. 4, S. 309. 160 Ebd., S. 310. 161 Vgl. ebd., S. 313. 162 Vgl. ebd., ohne S. (S. 330v–331r); JORDAN, Beiträge III (1897), S. 5–11; KLETT, Gymnasium (1926), S. 32 f. 163 StA Mühlhausen, 10/T 1-4, ad Nr. 4, ohne S. (S. 331r).

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Ordens. Durch dessen Ausscheiden verliere der Rat die Einkünfte, aus denen seit dem Ende der Pachtzeit die Schuldiener besoldet wurden. Darüber hinaus verschloss der Rat nicht mehr die Augen vor der eigenen Bikonfessionalität. Der Stadtrat war innerlich gespalten, einige Ratsherren schlugen sich stets auf die Seite des Landkomturs und forderten die Reformation der Schulen. Die Einstellung eigener Schuldiener durch den Stadtrat würde unter diesen Umständen unweigerlich zu inneren Auseinandersetzungen führen. Um die eigenen Interessen nun mit den Forderungen überein zu bringen, sah der Stadtrat lediglich die Möglichkeit, dass der Deutsche Orden keine dritte Schule anrichte, sondern die einst ins Auge gefasste Blasiischule durch einen Neubau auf dem Grund und Boden des Ordens ersetze. Dem Vertrag vom 20. Januar 1559 könne dadurch entsprochen werden, ohne dass der Deutsche Orden weiteren Einfluss auf die Stadt gewinne. Abermals versicherte der Stadtrat, dass er in einem solchen Fall gerne bereit sei, sich an dem Bau zu beteiligen.164 Für den Stadtrat war die Angelegenheit damit erledigt und als die Prediger ihn Anfang November nochmals zu bedrängen versuchten, verwies er nur unwillig auf die Entscheidungen vom 4. Oktober.165 Am 5. Dezember 1560 schrieb Hieronymus Tilesius dem Stadtrat schließlich einen umfangreichen klagenden Brief über dessen fehlende Ambition. 166 Der Vertrag vom 20. Januar 1559 sei bislang „In allen Articuln vnd puncten nicht volzog[en]“ worden und insbesondere die lange Vernachlässigung des Schulausbaues für die dadurch versäumte Jugend verderblich. Mehrere Verhandlungsversuche, über welche die Ratsprotokolle keine Auskunft geben, seien an der Widersetzlichkeit und Sturheit des Stadtrates gescheitert. Tilesius fühle sich von diesem „zu wenig vnd geringschetzig geachtett“. Um jedoch eine Intervention des Kurfürsten zu verhindern, appellierte Tilesius nochmals an den Stadtrat, er möge sich auf die Ehre Gottes und die Zukunft der Bürger, denen die Schule diene, besinnen, um nicht als „hostis patriae“ den Zorn Gottes und des Kurfürsten auf sich zu ziehen. Das Schreiben wurde am selben Tag vor dem Stadtrat verlesen. Der daraufhin gefasste Beschluss illustriert in seiner Formulierung allen Unwillen und die allmählich versiegende Geduld des Stadtrates. Er habe Izt Zum 3. mhall einmuttig daruber geschloßenn, das sie Irenn habenden Keyserlichen priuilegien zuwid[er] In einigen schulbauw In Irer stadt ausserhalb der örter so dem deutzschenn Ordenn zustendigk nicht wissen zubewilligenn, dorumb lassen sies bey vorigem Irem einbringenn bleyben.167

164 Vgl. ebd., ohne S. (S. 331r). 165 Vgl. ebd., S. 334. 166 Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 5a-d, Nr. 1, unfol. Die folgenden Zitate sind diesem Schreiben entnommen. 167 StA Mühlhausen, 10/T 1-4, ad Nr. 4, S. 339.

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Obwohl der Stadtrat gleichzeitig durch die Bewilligung weiterer 100 fl aus der Kämmerei bemüht war, abermals seinen grundsätzlich guten Willen zu bekunden, zog er mit der unabänderlichen Weigerung den Zorn Hans von Germars auf sich. Obgleich das Ratsprotokoll vom 12. Mai 1561 andeutet, dass eine Einigung mit dem Superintendenten über den Ort des Schulneubaues zustande gekommen sei,168 schrieb der Landkomtur am 25. Mai einen wütenden Brief an den Stadtrat, warf diesem Misstrauen und Widerwärtigkeit vor und beklagte dessen Inkaufnahme der Nachteile seiner Weigerung, kam ihm jedoch schließlich auch entgegen. Für die Schulgeschichte der Stadt kann die Wichtigkeit dieses Schreibens kaum überschätzt werden, markiert es doch das Ende der beiden Pfarrschulen an St. Marien und Divi Blasii und somit der Kontinuität des herkömmlichen Schulwesens Mühlhausens, welche bislang nur durch die wenige Jahre bestehende Schule beider Kirchen unterbrochen worden war. Um dem Dilemma zu entgehen, schlug der Landkomtur dem Stadtrat vor, das die freiheit vnnd gerechtigkeit, so man [der Deutsche Orden] auff beiden schulpletz[en] zu S. Blasio vnnd vnser Lieben frauen Itzunder hat, auff diese Itzt neue schule des Iuden platzes vorordenet vnnd darkegen die alten schulpletze dem Rathe zu Burglicher notturfft vnnd freiheit zugebrauchen vbergeben wurde.169

Demnach war der Landkomtur bereit, beide Deutschordensschulen niederzulegen und durch eine gemeinsame Stadtschule, wie Tilesius sie im September 1557 gefordert hatte, zu ersetzen. Der Kompromiss scheint den Stadtrat besänftigt zu haben. Eine nochmalige Beratung ist aus den Ratsprotokollen nicht ersichtlich, doch konnte am 9. August 1561 mit dem Deutschen Orden der endgültige Vertrag geschlossen werden, der als erste Mühlhäuser Schulordnung bezeichnet werden kann und der dem Schulwesen der folgenden Jahrzehnte sein Gepräge gab.170 Er betont die Schließung der beiden Deutschordensschulen, an deren Stelle eine neuer Partikularschule treten solle. Das dafür zu erbauende Schulhaus solle durch die finanzielle Beteiligung des Stadtrates und Hans von Germars in gleicher Höhe von je 200 fl sowie Baumaterial vom Stadtrat und aus abgebrochenen Kirchen erfolgen. Zur Besoldung der Schuldiener wolle der Deutsche Orden aus den Einkünften der Mühlhäuser Besitzungen insgesamt 150 schneeberger Schock widmen, die der Stadtrat mit 50 ß aus der Kämmerei und weiteren 30 ß für Brennholz ergänzen solle. Noch unverledigte geistliche Lehen sollten mit dem Tod der Inhaber ebenfalls zu diesem Zweck genutzt werden, auf dass der Stadtrat bald von seiner finanziellen 168 Vgl. ebd., S. 345. Worin der Kompromiss bestand, wird nicht deutlich und scheint später auch nicht weiter thematisiert worden zu sein. 169 StA Mühlhausen, 10/I 2, Nr. 2, unfol. 170 Vgl. StA Mühlhausen, 0/1451 (Original); ebd., 10/I 2, Nr. 2, fol. 87r–90v (Abschrift). Vgl. auch KLETT, Gymnasium (1926), S. 34–37.

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Beteiligungspflicht enthoben werden könne. Bereits durch diese Betonung wird deutlich, dass dem Stadtrat, der zuvor um seine Privilegien bangte, ein möglichst geringer Einfluss auf die Schule zugestanden werden sollte. Demzufolge weist der Vertrag auch sämtliche organisatorischen Belange wie Auswahl, Einstellung und Beurlaubung der Schuldiener sowie die Inspektion und Visitation der Schule, dem Deutschen Orden zu. Obgleich die Verhandlungen sich bis zuletzt um die Bereitstellung der einstigen Judenschule gedreht hatten, sollte der Neubau der Schule nun auf einem anderen Grundstück nahe der Blasiikirche, das jedoch ausdrücklich vom Stadtrat zur Verfügung gestellt werde, erfolgen. Im Gegenzug wurden alle Rechte und Privilegien, die der Deutsche Orden an den alten Pfarrschulen hatte, ersatzlos auf diesen Neubau übertragen. Drei Abgeordnete des Stadtrates sollten den Bau und die Einhaltung der vorgesehenen Kosten überwachen. Sollten Letztere nicht genügen, seien die Kirchenkleinodien zur weiteren Finanzierung heranzuziehen. Um dem Kirchner von Divi Blasii sein Wohnhaus, dass dem Schulbau weichen müsse, zu ersetzen, könne die alte, nun leerstehende Blasiischule ausgebaut werden. Die Schuldiener sollten gelehrt, tüchtig, sittsam und in den Sprachen erfahren sein und die Kinder, wie es im reformatorischen Schulwesen häufig betont wird, zu Gottesfurcht, Zucht, Ehrbarkeit, guten Künsten und den Sprachen erziehen. Die Forderung, die Hans von Germar bereits in seinem Brief vom 25. Mai geäußert hatte, dass die Kinder nicht mehr wie in katholischer Zeit mit Schulgeld beschwert werden sollten, fand nun ihre Umsetzung. Die Besoldung der Schuldiener sollte auf ein festes jährliches Gehalt auf der bereits genannten Grundlage umgestellt werden. Darüber hinaus – und diese Betonung respektiert die Bikonfessionalität des Stadtrates – solle keinem Knaben, „weß Religion er auch sey“171 der Zugang zur Schule verweigert werden, solange er sich nach der Schulordnung richte. Zweimal jährlich, zu Ostern und Michaelis, sollten Examen gehalten werden. Dem Stadtrat wurde freigestellt, zu diesen Anlässen einige Vertreter in die Schule zu schicken, um die Schuldiener sowie den Fortschritt der Schüler zu begutachten. Dem Superintendenten kam, wie allerorten üblich, eine allgemeine Aufsichtspflicht über die Schule zu. Auf dieser Grundlage wurde der Neubau der Schule im Frühjahr 1562 in Angriff genommen.172 Die finanzielle Beteiligung des Stadtrates schlug sich naturgemäß in den Stadtrechnungen nieder. In erster Linie finden sich darin Kaufbeträge für Bauholz und andere Materialien, doch wird beispielsweise auch die Versorgung von 22 am Bau beteiligen Personen durch den Stadtschenken 171 StA Mühlhausen, 0/1451; ebd., 10/I 2, Nr. 2, fol. 89r. 172 Vgl. JORDAN, Beiträge I (1895), S. 32; KLETT, Gymnasium (1926), S. 37. Das von Jordan und Klett genannte Datum, der 15. März, kann jedoch nicht stimmen, da der begonnene Bau bereits am 5. März erneut den Stadtrat beschäftigte.

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abgerechnet.173 Die Auswahl der Arbeiter fand jedoch offenbar bereits kurz nach Baubeginn den Unmut des Stadtrates. Am 5. März 1562 wurde in einer Ratssitzung über die „grosse vnrichtikeit“ bei den Fronarbeitern geklagt und vorgeschlagen, bessere Handwerker unter einer finanziellen Beteiligung aller Bürger einzustellen. Die Umsetzung wurde jedoch abgelehnt, da sie als „ein neuerung […] dem receß zu wider“ sei. 174 Allein dieser Entscheid verdeutlicht, wie sehr dem Stadtrat an der Einhaltung des Vertrages mit dem Deutschen Orden gelegen war.175 Im Herbst 1563 wurde Donatus Groß als erster Rektor der neuen Schule eingestellt. Er stammte gebürtig aus Mügeln, hatte seit 1544 die Schule in Pforta und ab 1549 die Universitäten in Leipzig und Wittenberg besucht. 1561 war er zum Magister promoviert worden und hatte sich bis zu seiner Mühlhäuser Einstellung als Privatlehrer verdient.176 Auf die Bitte des Superintendenten wurde Groß am 2. November 1563 unter den Schutz des Stadtrates gestellt, der diesem im Gegenzug abverlangte, seine Schuldiener und Schüler im Lebenswandel zu ermahnen und vorbildlich zu sein.177 Nur zwei Tage später, am 4. November, folgte die feierliche „initiatio novae scholae“, von der eine ausführliche Schilderung vorliegt.178 Um 8 Uhr morgens zogen die Ratsherren, der Rektor, die Geistlichen und einige Mitglieder des Deutschen Ordens zusammen mit den Schülern beider Schulen unter vierstimmigem Gesang und Orgelspiel in die Blasiikirche ein. Nach der Predigt folgte die Prozession in die neue Schule, wo der Superintendent, der Rektor und der Stadtschreiber lateinische Reden und Tilesius eine vierte Rede in deutscher Sprache hielten. Die Feierlichkeit schloss abermals mit dem Gesang der Schüler und die ganze Gesellschaft wurde für den Abend zum feierlichen Mahl eingeladen, „welche doch deß Mehren theil aussen blieben“.179 Am 20. und 21. Juni des folgenden Jahres fanden unter der Teilnahme einiger Ratsherren die ersten Examina der neuen Schule statt.180 Sie sollte fortan die einzige Mühlhäuser Lateinschule bleiben. Die katholische Schule im Barfüßerkloster wurde 1566 gemeinsam mit 173 174 175 176 177 178 179 180

Vgl. StA Mühlhausen, 2000/48, fol. 133r. Für beide Zitate StA Mühlhausen, 10/T 1-4, ad Nr. 4, S. 359. Vgl. KLETT, Gymnasium (1926), S. 37. Vgl. JORDAN, Beiträge II (1896), S. 5 f.; MERTZ, Schulwesen (1902), S. 101; SAHLENDER, Das humanistische Gymnasium (1972), S. 36. Vgl. StA Mühlhausen, 10/T 1-4, ad Nr. 4, S. 416. Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 6, Nr. 7a, fol. 226r–v; FROHNIUS, Programma Pars Prima, S. 15 f.; JORDAN, Beiträge I (1895), S. 32; KLETT, Gymnasium (1926), S. 37. StA Mühlhausen, 10/E 6, Nr. 7a, fol. 226v. Vgl. ebd., fol. 242r. Durch die bisherige Forschung wurde das erste Examen auf den 4. oder den 20. Mai datiert, vgl. JORDAN, Beiträge II (1896), S. 7; KLETT, Gymnasium (1926), S. 40 f.

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der dortigen Pfarrei geschlossen. Die Barfüßerkirche wurde in der Folgezeit, was innerhalb Thüringens als Sonderfall gelten muss, als Katechismuskirche genutzt.181 Auch nach dieser Umgestaltung des Mühlhäuser Schulwesens blieb der Neubau im Sprachgebrauch des Stadtrates die so genannte Neue Schule und wurde auch noch Jahre später, bereits kurz vor einem zweiten Neubau, in den Stadtrechnungen so bezeichnet. 182 Dementsprechend erscheinen die einstigen Deutschordensschulen nur noch zu Lokalisierungszwecken unter der Bezeichnung der Alten Schulen.183 Der letzte Schulmeister der Marienschule, M. Nicolaus Nachbar, hatte bereits im Frühjahr 1563 sein Amt niedergelegt und war mit einem Empfehlungsschreiben Tilesius’ nach Siegen gegangen. 184 Mit der Schließung der Deutschordensschulen endete selbstverständlich auch das alljährlich an die Schulmeister gezahlte Neujahrgeld, das nicht auf die Schuldiener der neuen Schule übertragen wurde.

5.7. Erneutes Ringen um Einfluss Obwohl der Deutsche Orden sich in dem Schulvertrag als die maßgebliche Instanz der Schulträgerschaft dargestellt hatte, blieb der Stadtrat nicht ganz ohne Einfluss. Bis zur Nutzbarmachung der geistlichen Lehen, die den Stadtrat von der finanziellen Beteiligung entheben sollten, vergingen einige Jahre. Als 1566 erneut die Überlieferung der Zinsmeisterrechnungen einsetzt, finden sich darin die vom Stadtrat zu zahlenden 50 ß wieder. Der Verwalter der Zinsmeisterei, Georg Bonat, erhielt sie vom Stadtrat „zu der nawen particular schule“185 ausgezahlt. Wann die Beteiligung endete, kann aufgrund der lückenhaften Rechnungsüberlieferung nicht festgestellt werden. Doch auch darüber hinaus vermochte es der Stadtrat bereits wenige Jahre nach der Schulgründung, einen personellen Einfluss zu gewinnen. Am 9. März 1564 traf eine kurfürstliche Kommission in Mühlhausen ein, um mit dem Rat über die weitere Organisation der Schule, insbesondere deren finanzielle Absicherung zu beraten.186 Über die Besoldung der Schuldiener liegen aus dieser Zeit keine Informationen vor, doch scheint ihre Höhe den kurfürstlichen Räten Sorgen bereitet zu haben. Sie sei nicht ausreichend, um „solche stadtliche vfwachsende 181 182 183 184 185 186

Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 6, Nr. 14, fol. 18r–v. Vgl. exemplarisch die Stadtrechnung von 1577, StA Mühlhausen, 2000/61, fol. 98r. Vgl. exemplarisch StA Mühlhausen, 2000/66, fol. 221v. Vgl. JORDAN, Beiträge I (1895), S. 37–39. StA Mühlhausen, 2010/1, fol. 8r (1566), ebenso ebd., 2010/2, fol. 8v (1567/68). Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 6, Nr. 7a, fol. 235r–240r; JORDAN, Beiträge II (1896), S. 6; KLETT, Gymnasium (1926), S. 39.

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Iugent“187 angemessen zu versorgen, da die Schule nicht nur die Stadt, sondern ausdrücklich auch das benachbarte Kurfürstentum später mit gelehrten Leuten zu versehen habe. Um dem entgegenzuwirken, habe Kurfürst August vorgeschlagen, die Schule mit den Zinsen, welche aus den albertinischen Landen nach wie vor in das Mühlhäuser Brückenkloster flossen, aufzubessern. Da der Stadtrat sich damit jedoch in die Abhängigkeit des Kurfürsten gestellt hätte, wies er den Vorschlag zurück. Einige Monate später wurde stattdessen beschlossen, einen zusätzlichen Schuldiener anzustellen, der nicht vom Deutschen Orden, sondern vom Stadtrat besoldet und unterhalten werden sollte.188 Er solle zunächst für ein Jahr angestellt werden, „eines Raths diener sein vndt heissen“189 und von diesem ohne Beteiligung des Deutschen Ordens nach Bedarf der Schülerschaft ein- und abgesetzt werden. Am 9. Oktober 1564 wurde dem Rektor daher durch städtische Beamte Georg Glimann als fünfter Schulkollege präsentiert. Seine Besoldung sollte zunächst für ein halbes Jahr 18 ß betragen. Die Zinsmeisterrechnungen belegen, dass die halbjährige Probezeit verlängert wurde. 1566 erscheint er als einziger städtisch besoldeter Schuldiener unter der Bezeichnung „Eins Erbarn vnd wolweisen Radts Schuldiener vnd Collaborator der nawen erbaweten particular schule“. 190 Er erhielt eine Jahresbesoldung von 40 ß. Durch die Verbindung der übrigen Schuldiener mit dem Deutschen Orden können bei weitem nicht alle Amtsinhaber der folgenden Jahrzehnte namentlich ermittelt werden. Obgleich dies auch für den Ratsschuldiener nicht vollständig möglich ist, lassen doch die wenigen überlieferten Zinsmeisterrechnungen eine wenn auch lückenhafte Rekonstruktion der Amtsinhaberfolge zu. Glimann versah sein Amt bis 1572 oder 73 und ersuchte, wie er 1580 selbst schrieb, beim Rat „Im drey, vier vnd funf vnd siebenzigst[en] Iare“ 191 um ein anderes Amt an. Sein Nachfolger im Schulamt wurde Johann Menius, der jedoch bereits 1574/75 durch Wolfgang Haffermann ersetzt wurde. 192 Unter dessen Nachfolgern erscheint wahrscheinlich an zweiter Stelle in den 1580er Jahren Johannes Breitlob, dem 1584 Vitus Morasfeld folgte. 193 Dieser versah sein Amt, bis er 1593 in das Pfarramt von Dielsdorf berufen wurde. Am 20. April 1593 schrieb er dem Stadtrat, informierte über seine Ordination und bedankte sich für das Wohlwol187 188 189 190

StA Mühlhausen, 10/E 6, Nr. 7a, fol. 236r. Vgl. JORDAN, Beiträge II (1896), S. 6; KLETT, Gymnasium (1926), S. 40. StA Mühlhausen, 10/E 6, Nr. 7a, fol. 242v. StA Mühlhausen, 2010/1, fol. 8r. Erstmals namentlich genannt wird er in der Rechnung von 1567/68, vgl. ebd., 2010/2, fol. 9r. 191 StA Mühlhausen, 10/E 5a-d, Nr. 2.1, unfol. 192 Vgl. StA Mühlhausen, 2010/4, fol. 7r. 193 Vgl. StA Mühlhausen, 2010/5, fol. 7v. Der direkte Nachfolger Haffermanns kann nicht zweifelsfrei ermittelt werden. Da aus dem Jahr 1577 die Namen aller Schuldiener bekannt sind, steht jedoch fest, dass Breitlob nicht unmittelbar seine Nachfolge antrat.

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len des Stadtrates, das dieser ihm in neun Jahren Schuldienst gewährt habe.194 Morasfeld sollte jedoch der letzte Inhaber des städtisch getragenen Schuldieneramtes bleiben. Die Zinsmeisterrechnungen von 1593/94 und der folgenden Jahre führen keinen Nachfolger auf.195 Ludwig Helmbold, inzwischen Superintendent, hatte 1592 den Vorschlag eingebracht, die Schuldienerschaft um eine Stelle zu kürzen und die dadurch verbleibende Besoldung auf die übrigen Schuldiener umzulegen.196 Der Stadtrat kam diesem Vorschlag nach und offenbar traf die Wahl ausgerechnet den städtischen Schuldiener, den einzigen, über den der Stadtrat verfügen konnte. Er war, um Einfluss auf das Schulwesen zu gewinnen, entbehrlich geworden, da der Stadtrat inzwischen über andere Mittel der Aufsicht verfügte. 1564 war auf die Bitte des Superintendenten Tilesius ein städtisches Konsistorium eingerichtet worden. Dieses Ratsgremium wurde zwei Jahrzehnte später durch die Installation städtischer Schulherren ergänzt. Bereits 1573 wurde die Inspektionspflicht aus Gründen seines hohen Alters aus den Amtsbefugnissen des Superintendenten Johann Petreius herausgelöst und damals noch auf Betreiben des Deutschen Ordens in der Person des Stadthalters Burkhard von Barby auf den Diakon und einstigen Schuldiener Ludwig Helmbold übertragen. Die Disziplin in der Schule und namentlich bei den Schuldienern selbst, lasse, so der Stadthalter, merklich nach und Helmbolds Aufgabe sei es, sie zu vermehrtem Fleiß anzuspornen sowie nötige Änderungen anzuzeigen und vorzunehmen.197 Obwohl die Schulinspektion unter den Nachfolgern Petreius’ weiterhin mit der Superintendentur verbunden blieb, traten 1584 erstmals die städtischen Schulherren an die Seite des Pfarrers und wurden seither alljährlich im Album senatorum verzeichnet. 198 Das Gremium bestand aus drei Ratsherren, die jedoch nicht zwangsläufig, wie die Konsistorialherren, aus den Kreisen des regierenden Rates stammten. Die ersten Vertreter waren Johann Gutwasser, Paul Sehling, der in den 1570er Jahren bereits Konsistorialherr war, und Valentin Steinmetz, der zugleich das Amt des Kastenherrn an Divi Blasii versah.199 Beide Gremien waren in den folgenden Jahren personell und wahrscheinlich auch in ihrer Aktivität eng miteinander verbunden. Letztere hat jedoch kaum Spuren hinterlassen. Die jeweiligen Ratsherren wechselten mitunter jährlich zwischen den Gremium, wodurch der ursprünglich vorgesehene jährliche Wechsel der Amtsinhaber zum Teil umgangen wurde. Schnell kristallisierte sich dadurch ein relativ enger Kreis der Amtsinhaber heraus, sodass sowohl die Schul- als auch Konsistorialaufsicht der 194 195 196 197 198 199

Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 5a-d, Nr. 2.1, unfol. Vgl. StA Mühlhausen, 2010/3, S. 43. Vgl. KLETT, Gymnasium (1926), S. 54. Vgl. StA Mühlhausen, 10/I 2, Nr. 3, fol. 273v–274v. Vgl. StA Mühlhausen, 10/H 1-3, Nr. 1a, fol. 191v. Vgl. ebd., fol. 191v.

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folgenden Jahrzehnte in wenigen Händen lag. Häufig auftretende Namen sind dabei neben den drei genannten, die das Schulherrenamt zusammen bis 1590 innehatten, Wilhelm von Ottera, Georg Engelhardt oder der einstige, inzwischen in den Rat aufgenommene Schulmeister Donatus Groß. Ab 1594 waren beide Gremien schließlich personell identisch und 1599 wurden sie letztlich unter der Bezeichnung „Herren zur Schule vnnd ins Consistorium“200 miteinander vereint. Trotz des steigenden städtischen Einflusses bewahrte sich der Deutsche Orden seine maßgebliche Rolle im Mühlhäuser Schulwesen. Dies änderte sich, anders als 1534, selbst mit der neuerlichen Verpachtung der Deutschordensgüter 1570/71 nicht. 201 Am 11. Dezember 1570 schrieb Burkhard von Barby dem Stadtrat, die Ballei Thüringen habe sich bereit erklärt, ihm die Mühlhäuser Ordensgüter unter bestimmten Bedingungen abermals „in vorwaltung zukommen zulassen“.202 Die Verpachtung wurde diesmal ohne langjährige Verhandlungen beschlossen und nach der Zusicherungen des Stadtrates vom 4. November203 am 15. November 1571 urkundlich manifestiert.204 Mit der Verpachtung war ausdrücklich die Besoldung der Geistlichen, Kirchen- und Schuldiener verbunden. Damit der Stadtrat sich an den Gütern jedoch nicht selbst bereichere, sollte er die überzähligen Einkünfte an die Deutschordensballei auszahlen. Um zudem eine übermäßige Strapazierung der Güter zu verhindern, betonte der Vertrag wie auch schon der Brief des Stadthalters, dass die Geistlichen und Schuldiener bereits „zur notturftigenn erhaltung […] vorsehen“205 seien und eine Erhöhung der Besoldung aus den Deutschordensgütern zu unterbleiben habe. Freigestellt wurde dem Stadtrat hingegen eine Zulage aus den städtischen Einkünften. Die Besoldung wurde auf eine durch den Deutschen Orden vorgeschriebene Höhe festgelegt, die in diesen Verhandlungen erstmals deutlich wird: Demnach lag die Besoldung des Schulmeisters bei 115 ß an Geld und der Versorgung durch Holz, die des Konrektors bei 50 ß und die dreier weiterer Schuldienern bei 40 ß.206 Der städtische aus der Zinsmeisterei mit ebenfalls 40 ß unterhaltene Schuldiener ist in dieser Aufzählung 200 Ebd., fol. 235r. 201 Vgl. für das Folgende (mitunter fehlerhaft) JORDAN, Beiträge II (1896), S. 7 f.; KLETT, Gymnasium (1926), S. 42; SAHLENDER, Das humanistische Gymnasium (1972), S. 36. 202 StA Mühlhausen, 10/E 6, Nr. 9.1, fol. 18r–21v, Zitat fol. 19r. 203 Vgl. StA Mühlhausen, 10/I 2, ad Nr. 3, fol. 21r–25v; ebd., 10/X 1-8, Nr. 10a, fol. 172r– 179r. 204 Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 6, Nr. 9.1, fol. 27r–32v; ebd., 10/I 2, Nr. 3, fol. 12r–18v. Die Übertragungsurkunde datiert fälschlicherweise auf den 15. November 1570 und somit bereits vor den Brief des Stadthalters. Dabei kann es sich nur um eine falsche Datierung handeln, die anhand der urkundlichen Versicherungen des Stadtrates vom 4. November 1571 mit großer Wahrscheinlichkeit wie hier geschehen berichtigt werden kann. Die ältere Forschung folgt hingegen der fehlerhaften Datierung. 205 StA Mühlhausen, 10/E 6, Nr. 9.1, fol. 20v. 206 Vgl. ebd., fol. 52v; JORDAN, Beiträge II (1896), S. 28 f.

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nicht enthalten, sodass die Schule demnach von sechs Personen versorgt wurde. Ein siebter sollte, wie noch zu zeigen sein wird, im selben Jahr sein Amt antreten. Obwohl die finanziellen Aspekte des Schulwesens damit dem Stadtrat zufielen, bewahrte der Deutsche Orden sich durch den Vertrag ausdrücklich das Patronatsrecht über Geistliche und Schuldiener. Dieses liege, mit Ausnahme der ersten Pachtzeit, seit Alters beim Orden und daher „behaltenn wier vnß vnnd vnserm nachkommenden solch Ius vnnd hergebracht Kirchenbestellung vnnd enturleubung beuhor“.207 Der Pachtvertrag wurde auf sechs Jahre angelegt, nach deren Ablauf jedoch um weitere neun Jahre verlängert.208

5.8. Das Schulwesen bis zum endgültigen Übergang in städtische Trägerschaft Die Entwicklung der folgenden Jahrzehnte kann nur schlaglichtartig betrachtet werden. Die Überlieferung ist lückenhaft und besteht oft nur aus einzelnen Aktenstücken, die eines weiteren Zusammenhangs entbehren. Nur selten kann mehr als die Namen der Schuldiener ausfindig gemacht werden und selbst diese kaum in eine eindeutige Folge gebracht oder zueinander ins Verhältnis gesetzt werden. 209 So bewarb sich beispielsweise am 26. November 1567 Christopherus Knor mit einem lateinisch-griechisch verfassten Schreiben um eine der unteren Schulstellen.210 Zwei Jahre später, am 30. November 1569, folgte die ebenfalls mit klassischen Zitaten durchsetzte Bewerbung Johannes Osterhelds, der um die Nachfolge des gewesenen Schuldieners Eobanus Heidenreich ansuchte.211 Heidenreich war wenige Monate zuvor, so berichtete der Stadtrat am 15. Oktober dem Leipziger Konsistorium,212 nach dreijährigem Schuldienst ins Pfarramt von Kaisershagen berufen worden – 1577 wird er schließlich die Konkordienformel als Pfarrer von Felchta unterschreiben.213 Beide Bewerbungen waren von Erfolg 207 StA Mühlhausen, 10/E 6, Nr. 9.1, fol. 25r. 208 Vgl. StA Mühlhausen, 10/I 2, Nr. 3, fol. 372r–v. 209 Insbesondere Altenburgs Chronik nennt ab 1580 zahlreiche Schuldiener namentlich, oftmals jedoch ohne ihre Amtszeit näher oder richtig zu datieren. Nicht alle genannten können heute noch nachgewiesen oder dem 16. Jahrhundert zugeordnet werden, vgl. ALTENBURG, Chronik (1824), S. 207–209. Es sollen im Folgenden nur die Schuldiener aufgeführt werden, die anhand der Quellen nachweisbar oder von der älteren Forschung eindeutig belegt sind. 210 Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 7, Nr. 1.1, fol. 10r–11r. 211 Vgl. ebd., fol. 23r. 212 Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 6, Nr. 8, fol. 19r; FROHNIUS, Programma Pars Tertia, S. 4; BRINKMANN, Gelegenheitsfunde (1933), S. 106. 213 Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 6, Nr. 9.3, fol. 439v.

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gekrönt, sowohl Knor als auch Osterheld erscheinen 1570 unter den unterzeichnenden Schuldienern eines Briefes an den Stadtrat. Jenes Schreiben stammt vom 6. Juli 1570 und informiert nicht nur über die Anzahl der Schüler, sondern führt erstmals sämtliche Schuldiener der neu gegründeten Schule auf.214 Neben dem Schulmeister M. Donatus Groß wirkte ein zweiter akademischer Magister namens Johann Stephanus als Konrektor.215 Die übrigen drei Schuldiener waren die bereits genannten Osterheld und Knor sowie der städtische Schuldiener Glimann. Der Brief hatte die Bitte um die Anstellung eines weiteren Schuldieners zum Inhalt. Die Schule sei wohl bestellt, die Schülerzahl steige und betrage bereits „ahn die funfhundert“.216 Es sei daher zunehmend schwierig, die Schüler, insbesondere die Alphabetarii und die Anfänger im Latein, angemessen zu versorgen, sodass die Anstellung eines Hypodidascalus notwendig sei. Die Schuldiener verbürgten sich für einen Chilian, der bereits seit einiger Zeit unentgeltlich an der Schule gedient und eine entsprechende Förderung verdient habe. Die Bitte der Schuldiener wurde wenige Monate später im Zuge der neuerlichen Verpachtung der Deutschordensgüter mit dem Grafen von Barby verhandelt und bewilligt. Chilian Vogler wurde für zunächst 12 ß als Infimus angenommen, erhielt jedoch bald eine Besoldungszulage auf 30 ß.217 Im selten Jahr informiert die Stadtrechnung erstmals auch über die Aufführung einer Komödie durch die Schüler am 28. Februar 1571.218 Das Schultheater blieb jedoch, so scheint es anhand der Stadtrechnungen, anders als in anderen thüringischen Städten, ein unregelmäßiges und seltenes Ereignis. Ins Jahr 1571 fällt schließlich der endgültige Eintritt Ludwig Helmbolds in das Mühlhäuser Kirchenwesen. Bereits in den 1550er Jahren als Schulmeister an St. Marien aktiv, kehrte er nun nach zwei Jahrzehnten in Erfurt zurück in seine Heimatstadt.219 Am 24. September 1571, so die bereits zitierte Gedenkrede des Liborius Gallus, trat er ein Mühlhäuser Schulamt an, in dem er täglich drei Stunden zu unterrichten habe.220 Seine schulische Betätigung währte jedoch nur wenige Monate. Schon in dieser Zeit hielt er vereinzelte Predigten in den Mühl214 Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 5a-d, Nr. 2.1, unfol.; KLETT, Gymnasium (1926), S. 41. 215 Dass er mit dem späteren gleichnamigen Pfarrer von Dörna und Hollenbach identisch ist, kann angenommen werden. Er unterzeichnete 1577 die Konkordienformel, vgl. StA Mühlhausen, 10/E 6, Nr. 9.3, fol. 439v. 216 StA Mühlhausen, 10/E 5a-d, Nr. 2.1, unfol. 217 Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 6, Nr. 9.1, fol. 73r; ebd., 10/I 2, Nr. 3, fol. 286r. 218 Vgl. StA Mühlhausen, 2000/56, fol. 64r. 219 Über seine Mühlhäuser Zeit vgl. FROHNIUS, Programma Pars Qvinta, S. 56 u. 61; THILO, Ludwig Helmbold (1851), S. 86; WEISSENBORN, Hierana (1862), S. 34; JORDAN, Beiträge II (1896), S. 7 f.; KLETT, Gymnasium (1926), S. 43 f. u. 48; FISCHER, Ludwig Helmbold (1932), S. 154 f.; SAHLENDER, Das humanistische Gymnasium (1972), S. 36. 220 Vgl. FROHNIUS, Programma Pars Qvinta, S. 56 u. 61.

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häuser Kirchen und wurde vom Stadtrat am 4. November 1571 angewiesen, sich vorsorglich ordinieren zu lassen.221 Offenbar strebte der Stadtrat bereits bei seiner Rückkehr die Einstellung in ein geistliches Amt an. Das Schulamt diente lediglich zur kurzfristigen Überbrückung, bis ein Diakon von seinem Amt zurücktreten würde. Dieser Fall traf 1572 ein. Brieflich informierte der Stadtrat am 18. Juni den Stadthalter Burkhart von Barby von der Berufung eines Diakons ins Pfarramt und bat, Helmbold als Nachfolger einsetzen zu dürfen.222 Am 20. Juni 1572 gab der Graf seine Zustimmung.223 Helmbold trat das Diakonat an, das er 15 Jahre versah. 1586 wurde er Superintendent und starb 1598.224 Obwohl Helmbold nur kurz im Schuldienst gestanden hatte, war sein Einfluss auf die Schule als Diakon und schließlich als Superintendent durch seine schriftstellerische Tätigkeit nicht unerheblich. Nicht nur verfasste er verschiedene Schulhymnen und Lobgedichte, auch stammen aus seiner Feder die Texte des von Joachim Müller a Burck komponierten Liederwerkes Hebdomas Divinitvs Institvta, das 1580 von Georg Hantzsch in Mühlhausen in vier Bänden – jeweils ein Band für die einzelnen Gesangsstimmen – gedruckt wurde.225 Es handelt sich um eine dichterische Vertonung des Schöpfungswerkes in sieben Tagen, von denen jeder mit einer Reihe von acht Oden versehen wurde. Bereits im Titel und einer Zueignungsschrift an den Stadtrat wurde das Werk für den schulischen Gebrauch vorgesehen. Es verbindet den katechetischen Lehrstoff mit musikalischer Untermalung und versucht, so Klett „die ermüdende Lernarbeit durch Lehrstoffe aus der Natur zu beleben“.226 Tatsächlich enthält es nicht nur Oden über die biblischen Schöpfungsdetails der einzelnen Tage, sondern ergänzt diese durch Thematiken eines späteren Realienunterrichts wie die Beschaffenheit des Lichts und des Wassers, die Gestalt der Erde und ihrer Vegetation, es zählt die bewohnten Kontinente, deren Völker und Flüsse auf, schildert das Verhältnis der Gestirne, insbesondere Sonne und Mond zueinander und äußert sich letztlich über das Wesen von Tieren und Menschen. Sämtliche Lieder führen den Sänger schließlich zum Lob jenes Gottes, der die geschilderte Welt in ihrer Gesamtheit geschaffen hat, und warnen am siebten Tag vor den Machenschaften des Teufels. Ob das Werk in der Mühlhäuser Schule Aufnahme fand und seine naturkundlichen Inhalte im Unterricht aufgegriffen oder sogar vertieft wurden, ist ungewiss, kann aber angenommen werden. 221 222 223 224

Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 6, Nr. 9.1, fol. 139v. Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 6, Nr. 9.2, fol. 175r. Vgl. StA Mühlhausen, 10/I 2, Nr. 3, fol. 156r–v. Vgl. THILO, Ludwig Helmbold (1851), S. 94 f. u. 113 f.; WEISSENBORN, Hierana (1862), S. 35; FISCHER, Ludwig Helmbold (1932), S. 155. 225 Vgl. HELMBOLD, Hebdomas divinitus instituta. Vgl. auch JORDAN, Beiträge II (1896), S. 14–20; KLETT, Gymnasium (1926), S. 48 f. 226 KLETT, Gymnasium (1926), S. 48.

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Über seinen schöpferischen und somit mittelbaren Einfluss hinaus nahm Helmbold sich auch der Schulaufsichtspflicht sehr energisch an, was jedoch nicht nur auf Wohlwollen beim Stadtrat wie bei den Schuldienern stieß. 1592 beschwerten sich Letztere, dass Helmbold versucht habe, ihnen die Art der Schulführung und Unterrichtung vorzuschreiben. Helmbold verteidigte sich, vom Rat darauf angesprochen, mit seiner Inspektionspflicht, die auszuüben er genötigt sei, wenn man die Schuldiener nicht zu „Freyherren“227 werden lassen wolle. Nie habe er jedoch einen Schuldiener mit dem Ziel, seine Amtsführung zu beherrschen, angeredet. Obwohl der Pachtvertrag von 1571 ausdrücklich betonte, an der Besoldung der Schuldiener nichts zu ändern, wurde dieser Vorsatz nach nur wenig mehr als einem Jahr umgangen. Aus einer Notiz, die Burkhart von Barby einem Brief an den Superintendent Petreius vom 11. Juli 1572 beilegte, ist ersichtlich, dass der Stadtrat darum gebeten habe, die Schule abermals durch die Anstellung eines weiteren Schuldieners personell auszubauen und die Besoldung der übrigen anzuheben.228 Beide Vorschläge wurden durch den Stadthalter abgelehnt, wenige Monate später aber zumindest die Besoldungszulage dennoch umgesetzt. Am 17. Dezember 1572 bewilligte der Stadthalter eine Zulage von 15 fl für den Schulmeister, die jedoch nicht an das Amt, sondern an die Person des Donatus Groß gebunden sein und nicht auf dessen Nachfolger übertragen werden sollte.229 Drei Monate später begannen Verhandlungen, um die Besoldung der übrigen Schuldiener dem anzupassen,230 doch willigte der Graf von Barby diesmal erst im darauffolgenden Jahr ein. Am 26. März 1574 gestattete er den beiden untersten Schuldienern eine Zulage von jeweils 10 ß.231 1575 trat Sebastian Starcke, der vormalige Pfarrer von Greußen, die Nachfolge des verstorbenen Johann Petreius als Superintendent an.232 Zum selben Jahr informiert ein schwarzburgisches Visitationsprotokoll, dass zugleich der Sohn des Pfarrers, Benjamin Starcke, der in Greußen das Schulmeisteramt versah, seinen Dienst quittierte.233 Es ist wahrscheinlich, dass der Pfarrer durch sein neues Amt bessere finanzielle Möglichkeiten hatte und seinem Sohn, der 1575 noch nicht 227 FROHNIUS, Programma Pars Qvinta, S. 37. Vgl. auch THILO, Ludwig Helmbold (1851), S. 122; JORDAN, Beiträge II (1896), S. 34; KLETT, Gymnasium (1926), S. 54 f. 228 Vgl. StA Mühlhausen, 10/I 2, Nr. 3, fol. 184v–185v. 229 Vgl. ebd., fol. 239r–v; KLETT, Gymnasium (1926), S. 44. 230 Vgl. ebd., fol. 253v–254r. 231 Vgl. ebd., fol. 296r–301r; KLETT, Gymnasium (1926), S. 45. 232 Über die Berufung Starckes liegt im Stadtarchiv ein umfangreicher Briefwechsel vor, vgl. exemplarisch die Bestätigung der Berufung durch den Deutschen Orden StA Mühlhausen, 10/E 7, Nr. 3, fol. 128r–129r. Frohnius widmete dem Superintendenten Starcke einen Teil seiner Mühlhäuser Kirchenchronik, vgl. FROHNIUS, Programma Pars Qvarta. 233 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Geheimes Archiv (Restbestand), A IV 3a Nr. 2, fol. 29v.

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über den Magistergrad verfügte, eine Fortsetzung seines Studiums ermöglichte. Tatsächlich bat die Witwe Starckes nach dessen Tod beim Stadtrat mit der Begründung um eine finanzielle Unterstützung, dass ein Großteil des Einkommens ihres Mannes „auf die Studia vnser Söhne […] vfgewendet worden“ 234 sei. Benjamin Starcke bezog die Universität in Jena und promovierte dort innerhalb zweier Jahre zum Magister. 235 Am 6. September 1577 wurde er nach erfolgter Promotion durch den Stadttrat zum Konrektor der Mühlhäuser Schule berufen.236 Ein entsprechendes Schreiben ist bezeichnend für das Selbstbewusstsein des Stadtrates, der entgegen des Pachtvertrages allmählich ein Berufungsrecht der Schuldiener beanspruchte. Gewährte er dem Stadthalter der Ballei im Zuge der Beförderung Helmbolds ins Diakonat noch jeden Vorrang und bat auch noch bei der Berufung Starckes zum Superintendent um die Bestätigung des Deutschen Ordens, formulierte er nun in aller Deutlichkeit sein vermeintliches Vorrecht auf die Schulbesetzung: Wan vns dan, als die wir itziger Zeit von dem wolgelarten vnd edlen hern hern Bu[…]hart graf vnd hern zu Barby vnd […] der Balei duringen deutzsches ordens vnd churf[ürstlicher] Sechsisch[er] Stathalt[er] zu dresd[en] vnd Coburgk vnserm gnedigen hern, die vorwaltunge der deutzsch[en] hause inne haben, solche stedte wid[er]um mit einer tuchtigen gelert[en] person zuersetzen obliegen thut,237

habe man beschlossen, Benjamin Starcke das Amt anzutragen. Eine Bitte um Bestätigung durch den Deutschen Orden oder diese selbst ist nicht überliefert. Dennoch scheint das Vorgehen des Stadtrates beim Orden nicht für Anstoß gesorgt zu haben, denn im Dezember desselben Jahres wurde der Pachtvertrag mit der ausdrücklichen Anerkennung der Verwaltungstätigkeit des Rates verlängert. Die Güter könnten „Allen vmbstenden vnnd yetziger Zeit gelegenheit nach besser vnd fuglicher den es yetztmals were“238 nicht versorgt werden. Die zeitgleich im protestantischen Deutschland wütenden Lehrstreitigkeiten hatten auf Mühlhausen keine spürbaren Auswirkungen. Bereits am 1. Mai 1570 hatte der Kurfürst August dem Stadtrat einen eindringlichen Brief geschrieben, in dem er vor dem vermeintlichen Irrglauben der Flacianer gewarnt hatte.239 Der Stadtrat vermochte ihn jedoch zu beruhigen, da jeder verderbliche Einfluss aus dem Mühlhäuser Kirchenwesen bislang ferngehalten werden konnte. 240 Am 234 StA Mühlhausen, 10/E 7, Nr. 3, fol. 143v. 235 Die Matrikel verzeichnet nur seine erste Immatrikulation im Jahr 1571, vgl. MENTZ, Matrikel (1944), S. 314. Ein zweiter Sohn des neuen Superintendenten namens Sebastian wurde 1579 in Leipzig immatrikuliert, vgl. ERLER, Jüngere Matrikel (1909), S. 443. 236 Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 5a-d, Nr. 1, fol. 1r–v. 237 Ebd., fol. 1r. 238 StA Mühlhausen, 10/I 2, Nr. 3, fol. 372r. 239 Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 6, Nr. 9.1, fol. 59ar–65r. 240 Vgl. ebd., fol. 66r.

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1. August 1577 übersandte der Kurfürst dem Stadtrat schließlich ein Exemplar der Konkordienformel, die der Stadtrat den Kirchen- und Schuldienern vorlegen solle.241 Der Stadtrat kam dem am 17. Oktober nach und alle Schuldiener leisteten bereitwillig ihre Unterschrift. Abermals ist dadurch die gesamte Schuldienerschaft namentlich überliefert.242 Neben dem Schulmeister M. Donatus Groß dienen als Konrektor der kürzlich berufene M. Benjamin Starcke, als Kantor Christopherus Stuler sowie die Schulgesellen Martinus Sann, Michael Rothart, Sebastian a Reis und Georgius Molitor. Unter diesen tritt insbesondere Martin Sann bereits vor seinem Amtsantritt mehrfach in Erscheinung. Er war bei seinem Studium durch ein städtisches Stipendium unterstützt worden, hatte dem Rat mehrfach den Erhalt der Stipendiensumme quittiert243 und ersuchte am 21. August 1571 um die Fortsetzung des Stipendiums.244 Er ist ein Beispiel für die vielerorts gängige und häufig als anstrebenswertes Ziel formulierte Methode, heimische Bürgerssöhne nach dem Schulbesuch zu fördern und sich dadurch ihren späteren Dienst zu sichern. Ein zweites Beispiel stellt Sebastian Meier dar, dessen Schulamt jedoch nur wenige Monate gewährt haben kann. Zwischen den Jahren 1567 und 1570 hatte er dem Stadtrat zahlreiche Empfangsquittungen ausgestellt und noch im Mai 1572 eine Fortsetzung des Stipendiums erbeten.245 Wann er sein Schulamt antrat, ist ungewiss, doch ersuchte er bereits am 30. April 1573 um seine Entlassung. Er sei ins Pfarramt nach Kirchheilingen berufen worden.246 Etwa zur selben Zeit machten sich die ersten Mängel des erst vor zwölf Jahren hart erkämpften Schulneubaues bemerkbar. Am 26. März 1574 schrieb Burkhart von Barby dem Stadtrat, die Schule sei der ansteigenden Schülerzahl nicht mehr gewachsen. Die Primaner verfügten über keine eigene Schulstube und man müsse in einem Raum „Lectionibus zweierlei leßen“.247 Aus der hier formulierten Forderung, den Bau um wenigstens eine Schulstube zu erweitern, wurde innerhalb weniger Jahre ein vollständiger Neubau der Schule.248 Am 21. Februar 1578 wurde im Stadtrat diskutiert, „das die schuele fur die Iugendt sehr vngeleg[en] Sonderlich des abschew241 Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 6, Nr. 9.3, fol. 422r–423v. 242 Vgl. ebd., fol. 439v–440r; JORDAN, Beiträge II (1896), S. 8 f.; KLETT, Gymnasium (1926), S. 45. 243 Vgl. exemplarisch StA Mühlhausen, 10/O 4, Nr. 1.1, fol. 16r. 244 Vgl. ebd., fol. 17r–v. 245 Vgl. StA Mühlhausen, 10/O 4, Nr. 8, fol. 3r–8r; ebd., 10/O 4, Nr. 1.1, fol. 27r–28r. 246 Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 5a-d, Nr. 2.1, unfol.; KLETT, Gymnasium (1926), S. 52. 247 StA Mühlhausen, 10/I 2, Nr. 3, fol. 297v. 248 Vgl. zum Schulneubau THILO, Ludwig Helmbold (1851), S. 104; JORDAN, Beiträge II (1896), S. 9–12; HEYDENREICH, Geschichte (1900), S. 49; KLETT, Geschichte (1916), S. 35; DERS., Gymnasium (1926), S. 46–48; SAHLENDER, Das humanistische Gymnasium (1972), S. 38.

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lichen wusts vnd gestancks halben“.249 Auch diesmal wurden zwar die Vorbehalte, dem Deutschen Orden keine Rechte auf städtischem Boden zukommen zu lassen, betont, doch scheint diese Schwierigkeit den Verhandlungen keine Hindernisse mehr gestellt zu haben. In den Ratsprotokollen fand der Neubau keinen weiteren Niederschlag. Um seine Zustimmung gebeten, erteilte der Graf von Barby am 23. Mai 1579 seine Erlaubnis zu dem Schulneubau, solange die Rechte des Ordens an der Schule auch darüber hinaus bestehen blieben.250 Die Arbeiten an der neuen Schule, die in der Nähe des Rathauses ihren Platz fand, währten etwa ein Jahr. In den Stadtrechnungen zeichnet sich der Bau nicht ab. Lediglich die Einweihung wurde erneut auf Kosten des Stadtrates begangen. Am 27. Mai 1580 zahlte der Rat den Geistlichen das Mahl und den Schülern Konfekt, als diese „auß der Schule hinder Sanct Blasio in die Neu Schulen bei dem Rathauß introducirt“251 wurden. Ludwig Helmbold verfasste anlässlich des Neubaus mehrere deutsche und lateinische Gesänge,252 die durch den Komponisten Joachim Müller vertont wurden. Beide wurden dafür vom Stadtrat mit insgesamt 30 fl fürstlich entlohnt.253 Einen vagen räumlichen Eindruck der neuen Schule vermitteln ebenfalls die Stadtrechnungen. 1581 wurde darin erstmals ein eigenständiger Posten zur Versorgung der neuen Schule angelegt, der verschiedene Baukosten enthält.254 Die Schule war demnach ein zweigeschossiger Bau, der über einen Keller, einen Dachboden und eine Scheune hinter dem Haus verfügte. Die Anzahl der Schulstuben kann nicht eindeutig ermittelt werden, doch fällt mehrfach die Erwähnung von Öfen in beiden Stockwerken, Treppen oder Stubentüren. Ein Schultor scheint zudem eine Art Schulhof anzudeuten. Tafeln in den Schulstuben waren mit eisernen Haken an der Wand befestigt oder standen auf eigens angefertigten Holzgestellen. Bücherregale komplettierten das Interieur der Klassenräume. In derselben Stadtrechnung ist als lose Beilage die Abrechnung eines Handwerkers vom Januar 1581 überliefert, der nicht allein die Kachelöfen der Schule, sondern auch die der Schuldiener anfertigte, wodurch deutlich wird, dass die Schule zugleich das Wohnhaus zumindest des Rektors, des Konrektors und des Kantors bildete. 255 Das Schulmeisteramt wurde auch nach der Verlegung der Schule weiterhin durch Donatus Groß versehen. Außerdem erwähnte der Handwerker den Konrektor M. Benjamin (Starcke) und einen Kantor Ambrosius, der auf Grundlage der Forschungen Kletts als Ambrosius Kuschmann identifiziert

249 250 251 252 253 254 255

StA Mühlhausen, 10/T 1-4, Nr. 5, S. 196. Vgl. StA Mühlhausen, 10/I 2, Nr. 3, fol. 406r–v. StA Mühlhausen, 2000/62, fol. 107r. Abgedruckt bei JORDAN, Beiträge II (1896), S. 12–15. Vgl. StA Mühlhausen, 2000/62, fol. 108r. Vgl. ebd., fol. 216r–v. Vgl. ebd., fol. 140r.

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werden kann.256 Bei ihm handelt es sich möglicherweise um einen Sohn des Diakons M. Bartholomäus Kuschmann, der 1577 als Unterzeichner der Konkordienformel erscheint.257 Bereits 1579 war schließlich M. Franziskus Grabe in eines der unteren Schulämter eingetreten.258 Die Schule wurde nun durch drei akademische Magister versehen. Der Konrektor Starcke verließ sein Amt bald darauf. Er trat ein Mühlhäuser Diakonat an, wurde 1606 Superintendent und starb in diesem Amt 1634.259 Sein Nachfolger im Schulamt, M. Bartholomäus Kuschmann, wahrscheinlich ein Bruder des Kantors und gleichnamiger Sohn des Diakons, starb jedoch noch im Jahr seines Antritts 1581. Auf das durch seinen Tod vakante Amt bewarb sich am 28. November 1581 Johannes Becherer.260 Obwohl er offenbar nicht bei allen Bürgern gleichermaßen auf Beliebtheit stieß,261 versah er sein Amt lange Jahre und trat 1592 die Nachfolge des Rektors Groß an.262 Am 19. Dezember 1583 folgte Johannes Gebhard dem Kantor Kuschmann nach. Seine Amtszeit war jedoch nur von kurzer Dauer, da der Stadtrat ihn aufgrund eines nicht bekannten Vergehens nach nur einem Jahr wieder entließ. Da er sich in der Unschuld sah und der Schule weiter zu dienen gedachte, bat er am 11. September 1584 um ein anderes, kürzlich vakant gewordenes Schulamt.263 Der Stadtrat verweigerte ihm dies, weshalb er am 22. September um seinen rückständigen Sold und ein Abschiedszeugnis ersuchte.264 Bereits zum 20. September ist in der Stadtrechnung die Rede von einem neuen, namentlich jedoch nicht genannten Kantor.265 Das von Gebhard erwähnte vakante Schulamt hatte bis 1584 Hannibal Mulleus inne gehabt.266 Sein Nachfolger wurde Sebastian Borleus, bei dem es sich

256 Vgl. KLETT, Gymnasium (1926), S. 53. Lediglich irrt Klett sich in der Datierung seiner Amtszeit. 257 Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 6, Nr. 9.3, fol. 439r. 258 1591 erwähnte er in einem Schreiben an den Rat, dass er seit 12 Jahren im Amt sei, vgl. StA Mühlhausen, 10/E 5a-d, Nr. 2.1, unfol. 259 Vgl. THILO, Ludwig Helmbold (1851), S. 141. 260 Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 7, Nr. 1.1, fol. 52r–v; JORDAN, Beiträge II (1896), S. 33 f.; KLETT, Gymnasium (1926), S. 54. 261 Am 24. April 1583 musste der Stadtrat den Bürger Hans Giehr mit Androhung einer Geldbuße von 10 fl verwarnen, sich „mit wortt[en] vnd werck[en]“ gegen Becherer zu richten, vgl. StA Mühlhausen, 10/D 2-4, Nr. 1, S. 456. 262 Vgl. KLETT, Gymnasium (1926), S. 54. 263 Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 5a-d, Nr. 2.1, unfol.; KLETT, Gymnasium (1926), S. 53. 264 Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 5a-d, Nr. 2.1, unfol. 265 Vgl. StA Mühlhausen, 2000/66, fol.125v. 266 Vgl. StA Mühlhausen, 2010/5, fol. 7v.

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ebenfalls um den Sohn eines Mühlhäuser Diakons, M. Paul Borleus,267 zu handeln scheint und der am 17. Dezember 1584 vom Stadtrat anlässlich seiner Einstellung ein Geldgeschenk erhielt.268 Bereits Mulleus oder einem Vorgänger ist nach der vom Deutschen Orden bewilligten Besoldungserhöhung von 1574 eine weitere Zulage in Höhe von 15 ß 15 gr aus der Zinsmeisterei zugestanden worden.269 Diese wurde mit der Nachfolge Borleus’ auf ihn übertragen.270 Zeitgleich mit Mulleus trat wie bereits erwähnt der Ratsschuldiener Johannes Breitlob sein Amt an Vitus Morasfeld ab.271 Donatus Groß versah das Amt des Schulmeisters drei Jahrzehnte. 1589 wurde er zusammen mit einem zweiten Schuldiener, M. Franziskus Grabe, in den Ratsherrenstand berufen. Der Schulmeister nahm diese Wahl zum Anlass, sein Amt niederzulegen. Lediglich erklärte er sich bereit, die Schule in der folgenden Vakanzzeit zu versehen, wodurch er noch weitere drei Jahre im Amt gehalten wurde.272 Grabe ersuchte hingegen am 12. Dezember 1591, drei Jahre nach seiner Erhebung, trotz seines Ratsherrenstandes im Schulamt verblieben zu dürfen.273 Sein Schreiben verdeutlicht, dass der hiesige Schuldienst, zumindest in den höheren Schulämtern, den Amtsinhabern einen verhältnismäßigen Wohlstand ermöglichen konnte. Das Mühlhäuser Schulwesen fällt damit aus dem thüringischen Vergleich, der durch zahlreiche Klagen der Schuldiener über unzureichende Versorgung geprägt war, heraus. Klagen dieser Art sind für Mühlhausen nicht überliefert, lediglich bat der Ratsschuldiener Vitus Moresfeld am 1. April 1591 um die Bereitstellung einer freien Wohnung, da seine Vermieterin und Wohltäterin, die Witwe Margaretha von Bilzingsleben, ihm aus Altersgründen die Wohnung habe aufkündigen müssen.274 Grabes Schreiben verdeutlicht hingegen, dass das Schulmeisteramt Groß ein Leben als Ratsherr auch ohne weiteren Dienst ermöglicht habe. Den Wert seines eigenen Guthabens schätzte er auf 600 fl ein, wovon die Hälfte zur Versorgung seiner Kinder aus erster Ehe in Anspruch genommen werden musste. Ob sein Gesuch erfüllt wurde, ist ungewiss. Erst 1592 wurde der Konrektor Johannes Becherer zum Nachfolger des Schulmeisters bestimmt. 275 Ihm folgte im Konrektorat wahrscheinlich bereits 267 Auch er unterzeichnete die 1577 die Konkordienformel, vgl. StA Mühlhausen, 10/E 6, Nr. 9.3, fol. 439r. 268 Vgl. StA Mühlhausen, 2000/66, fol. 127r. 269 Vgl. StA Mühlhausen, 2010/5, fol. 7v. 270 Vgl. StA Mühlhausen, 2010/6, fol. 10v. 271 Vgl. StA Mühlhausen, 2010/5, fol. 7v. 272 Vgl. JORDAN, Beiträge II (1896), S. 25; KLETT, Gymnasium (1926), S. 51 f. 273 Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 5a-d, Nr. 2.1, unfol.; KLETT, Gymnasium (1926), S. 51 f. 274 Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 5a-d, Nr. 2.1, unfol. 275 Vgl. JORDAN, Beiträge II (1896), S. 34; SAHLENDER, Das humanistische Gymnasium (1972), S. 38.

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jetzt der Sohn des vormaligen Superintendenten, M. Melchior Tilesius, der das Amt bis zu seiner Berufung zum Schulmeister von Langensalza versah. Am 18. Februar 1597 teilte der dortige Stadtrat dem Mühlhäuser Rat seine Wahl mit.276 Tilesius ging nach Langensalza, versah das dortige Schulmeisteramt jedoch noch kein Jahr, als er im Januar 1598 zum Diakon berufen wurde.277 Bereits 1605 tritt er schließlich erstmals als Superintendent von Langensalza in Erscheinung.278 Tilesius’ Nachfolger im Mühlhäuser Konrektorat wurde Valentin Götze, der bereits 1588 in den Ratsdekreten als Schuldiener Erwähnung gefunden hatte279 und 1599 erstmals eindeutig in der Position des Konrektors erscheint.280 Ebenfalls 1592 oder bereits 1591 war schließlich auch der Kantorendienst vakant, den nun Sebastian Werner antrat.281 Aus mehreren späteren Briefen an den Stadtrat wird deutlich, dass er sein Amt nur als kurzfristige Überbrückungszeit ansah, um möglichst bald mit Förderung des Rates in ein Pfarramt versetzt zu werden. 282 Seine Hoffnung wurde jedoch trotz mehrfacher Möglichkeit nicht erfüllt. Am 16. März 1596 bat er beim Stadtrat um das verledigte Pfarramt von Dörna und verwies dabei auf die Worte von „Lutherus […] das man die Ienigen zum predigampt nutzlich von den schulen sol nehmen“.283 Seiner Bitte wurde nicht entsprochen. Stattdessen wurde ihm anlässlich eines weiteren Briefes vom 30. September desselben Jahres mit einer entsprechenden Bitte284 eine Zulage von 4 fl aus der Zinsmeisterei bewilligt, um seinen Verbleib im Schuldienst zu bewirken.285 Einen weiteren Versuch unternahm Werner am 12. Juni 1598, der jedoch nicht erfolgreicher verlief.286 Seine Zulage wurde bis ins Jahr 1601 fortgesetzt.287 Er wurde in diesem Jahr jedoch nicht befördert, sondern, nachdem bereits im September 1598 seine „vngeburlichen Reden In der schuele vndt sonsten“288 vom Stadtrat bei Strafe ver-

276 277 278 279 280 281

282 283 284 285 286 287 288

Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 5a-d, Nr. 1, fol. 1.1r. Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, I Nr. 2433, fol. 17r–v. Vgl. ebd., fol. 19r. Vgl. auch FROHNIUS, Programma Pars Prima, S. 39. Vgl. StA Mühlhausen, 10/D 2-4, Nr. 1, S. 719. Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 5a-d, Nr. 2.1, unfol. Werner schrieb 1596, dass seine Amtszeit ‚ins fünfte Jahr‘ gehe, und 1598 wiederholte er, dass er der Schule seit sieben Jahren diene, sodass der Amtsantritt 1591/92 wahrscheinlich ist. Vgl. für beide Briefe StA Mühlhausen, 10/E 5a-d, Nr. 2.1, unfol. Vgl. ebd., unfol. Ebd., unfol. Irrtümlicherweise geht Klett davon aus, dass Werner das Pfarramt im selben Jahr auch angetreten habe, vgl. KLETT, Gymnasium (1926), S. 52 f. Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 5a-d, Nr. 2.1, unfol. Vgl. StA Mühlhausen, 2010/3, S. 116. Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 7, Nr. 1.1, fol. 76r. Vgl. StA Mühlhausen, 2010/3, S. 129, 140 u. 151. StA Mühlhausen, 10/D 2-4, Nr. 2b, fol. 185r.

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boten worden waren, abgesetzt. Er selbst gab der üblen Nachrede durch den neuen Rektor die Schuld daran.289 Nur zwei Jahre nach dem Amtsantritt Sebastian Werners erfolgte in Mühlhausen eine Einführung eines zweiten schulischen Kantorats, die in keiner anderen thüringischen Stadt eine Entsprechung fand. Während in zahlreichen Städten durch die nicht unübliche Erwähnung mehrerer gleichzeitiger Kantoren in den Stadtrechnungen die Existenz einer städtischen Kantorei neben dem gleichnamigen schulischen Amt angedeutet wird, treten in Mühlhausen in den 1590er Jahren tatsächlich zwei schulische Kantoren nebeneinander. 1593 trat Sebastian Diener „das officium Cantoris“ neben Sebastian Werner an. Einige Jahre später schrieb er selbst, er hoffe, „es sey biß anhero von mir vnd Sebastiano Wernero also verrichtet word[en], das die hern, waß den Chor anlanget nicht werden zu klagen haben“. Entgegen seiner Versicherung war der Stadtrat jedoch nicht zufrieden mit Dieners Leistung. Da man erkannt habe, dass Diener für den Chorgesang nicht geeignet war, wurde der Dienst dermaßen geteilt, „das Werner den Choral, ich aber den figural gesang behalten vnd verrichten sollte“. Auch diese Lösung trug jedoch nicht zum Gefallen des Rates bei, der schließlich im August 1598 Dieners Absetzung beschloss. Um des Schuldienstes nicht völlig verlustig zu werden, schlug Diener dem Stadtrat den Kompromiss vor, ihn im Amt zu belassen „biß sich etwa eine Mutation an der schule, welchs balt geschehen könnte, möchte zu trag[en]“ und ihm daraufhin das verledigte Amt zuzuweisen.290 Der Stadtrat ging auf den Kompromiss ein und beschloss am 30. August seine Wiedereinsetzung in den Kantorendienst.291 Die erteilte Frist währte jedoch nicht lang. Am 11. Dezember 1598 ist in der Stadtrechnung erstmals von einem namentlich nicht genannten neuen Kantor die Rede.292 Diener schrieb daraufhin einen weiteren Brief, in dem er den Dienst zwar seinem Nachfolger abtrat, seinen vormaligen Vorschlag jedoch wiederholte. Jüngst habe der Schuldiener Georg Habenicht, der anderweitig nicht nachgewiesen werden kann, sein Amt niedergelegt, um dessen Übertragung Diener nun bat.293 Ob sein Anliegen Erfolg hatte, bleibt ungewiss. Die Amtszeit eines weiteren Schuldieners, Ernestus Starck, blieb indes nur ein kurzes Zwischenspiel. Am 26. März 1593 hatte er sich beim Stadtrat erfolgreich um das Amt des vierten Schulgesellen beworben. 294 Wie im Falle Sebastian Werners betrachtete auch er seinen Schuldienst als vorübergehend und erlangte seine Beförderung noch vor Werners erstem Gesuch. 1594 erhielt er den Ruf auf 289 Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 5a-d, Nr. 2.1, unfol.; ebd., 10/E 7, Nr. 1.1, fol. 80r–81r. 290 Für alle Zitate StA Mühlhausen, 10/E 5a-d, Nr. 2.1, unfol. Vgl. auch KLETT, Gymnasium (1926), S. 53. 291 Vgl. StA Mühlhausen, 10/D 2-4, Nr. 2b, fol. 184v. 292 Vgl. StA Mühlhausen, 2000/79, fol. 167v. 293 Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 5a-d, Nr. 2.1, unfol. 294 Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 7, Nr. 1.1, fol. 64r–v.

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die Pfarrstelle von Horsmar, die er als Vakanzvertretung in seinem Schulamt verbleibend antrat. Für zwei Jahre versah er nebeneinander den Schul- und den Pfarrdienst, bis er am 20. April 1596 den Stadtrat auf den Tod des Pfarrers von Dachrieden aufmerksam machte.295 Da die Pfarrei von Dachrieden unter dem Patronat des Gothaer Stadtrates stand, schrieb der Mühlhäuser Rat an diesen, rühmte Starck als gelehrten und gottesfürchtigen Mann und trug ihm dessen Berufung offenbar erfolgreich an. 296 Um Starcks Nachfolge im Mühlhäuser Schulamt bewarb sich am 4. Mai 1596 M. Liborius Gallus,297 dessen Gedenkrede auf Ludwig Helmbold bereits mehrfach zitiert wurde und der mit seiner Einstellung den akademischen Magistertitel schließlich auch in die unteren Reihen der Schuldienerschaft einbrachte. Bereits die Schilderung dieser personellen Entwicklung der Schuldienerschaft verdeutlicht, in welchem Maße der Stadtrat allmählich die Fäden der Schulorganisation in die Hand nahm und der Deutsche Orden in den Hintergrund gedrängt wurde. Am Ende des Jahrhunderts verfügte der Rat völlig eigenständig über die Schulbesetzung, ohne auf Bestätigungen oder den Konsens des Ordens bedacht zu sein. Diese Entwicklung wird für die Verhandlungen, welche im Juni 1599 eingeleitet wurden, ausschlaggebend gewesen sein. Der Deutsche Orden befand sich in finanzieller Bedrängnis. Eine vom Mühlhäuser Stadtrat geliehene Summe von 8000 fl konnte nach der vereinbarten Frist nicht zurückgezahlt werden, sodass die Zinsen auf unabsehbare Weise stiegen. Auf das Drängen des Stadtrates erklärte sich der Verwalter der Deutschordensballei bereit, dem Stadtrat die Ordensgüter zu überlassen. 298 Am 27. Juni 1599 wurde ein Schreiben mit dem Vorschlag aufgesetzt, „wie es mit dem Compterhoff zu Muhlhausen hinfurder zuhalten“ sei. Im Mittelpunkt des Vorschlags stand die gänzliche und endgültige Übertragung aller Deutschordensgüter „Auch sonderlichen dem Iure patronatus“299 an den Stadtrat fest. Statt einer Kaufsumme sei dem Deutschen Orden die geliehene Summe mitsamt den Zinsen vollständig erlassen. Unter der nachfolgenden Skizzierung der Übertragungsumstände wurde das Kirchen- und Schulpatronat deutlich hervorgehoben und auch den städtischen Abgeordneten wurden entsprechende Instruktionen übermittelt. Über die Bestellung von Kirche und Schule solle „weder vonn dem Orden noch iemand Anders Kein einhalt geschehenn, sonder[n] der Rhat damit Als ihrem erkaufften eigenthum gebehren lassen“.300 Obgleich der Stadtrat den Orden bereits in den letzten Jahren in den Hintergrund gedrängt hatte, verdeutlicht diese Formulierung, dass der Stadtrat den Einfluss des Ordens nach wie vor, auch nach 295 296 297 298 299 300

Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 5a-d, Nr. 2.1, unfol. Vgl. StA Gotha, 0.2/371. Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 5a-d, Nr. 2.1, unfol. Vgl. JORDAN, Beiträge II (1896), S. 43; KLETT, Gymnasium (1926), S. 56. Für beide Zitate StA Mühlhausen, 10/I 2, Nr. 4, fol. 163r. StA Mühlhausen, 10/I 2, Nr. 4, fol. 172r.

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dem vollständigen Bekenntnis zur Reformation, als Hindernis der eigenen kirchenpolitischen Selbstentfaltung empfunden hatte. Mit dem Verkauf der Deutschordensgüter an den Stadtrat wurde nun jede Einflussnahme des Ordens auf das Kirchen- und Schulwesen der Reichsstadt unterbunden. Hinsichtlich des Schulwesens interpretierte Klett diese Zäsur als endgültigen Sieg in einem seit dem 14. Jahrhundert geführten Kampf des Stadtrates gegen den Deutschen Orden.301 Am 21. September 1599 folgte auf den Kauf der Deutschordensgüter der Verkauf des alten, 1561–63 nach langem Ringen errichteten Blasiischulhauses. Das Haus, „so ehemals ein Schulhauß gewesen“,302 wurde für 1200 ß zu 20 gr den Brüdern Friedrich und Wilhelm von Witzingerode verkauft.

5.9. Das Mühlhäuser Mädchenschulwesen Über welche Bildungsmöglichkeiten die Mädchen vor der Reformation verfügten, ist auch in Mühlhausen wie in den meisten Städten nicht in Erfahrung zu bringen. Es versteht sich, dass die ältere Forschung jegliche Existenz einer Mädchenschule negierte.303 Doch auch die Entstehung eines reformatorischen Mädchenschulwesens ist bei Weitem nicht so detailliert wie im Falle der Lateinschule, sondern nur mit großen Lücken nachvollziehbar. Im Ratsschriftverkehr fiel kaum ein Wort über sie. Ihre Anfänge waren nicht weniger schwer als die der Knabenschule, und die ersten Anläufe zu einer Mädchenschulgründung blieben offenbar Theorie. Sie finden sich in der von den Visitatoren erlassenen Kirchenordnung von 1542 und entsprechen weitestgehend den üblichen reformatorischen Ansprüchen. Ihre Aufnahme in die Forderungen der Visitatoren ist selbstverständlich und wurde lediglich an die Mühlhäuser Verhältnisse angepasst. Die Mädchenbildung wurde demnach den Nonnen des Brückenklosters überantwortet. Da diese nun, so die Kirchenordnung, ihrer liturgischen Funktion entbunden seien, sollten sie sich auf Veranlassung und unter der Kontrolle des Rates der Unterrichtung der Mädchen in Schreiben, Lesen und dem Katechismus widmen. Der Unterricht sollte je zwei Stunden am Vor- und am Nachmittag umfassen.304 Eine Umsetzung kann nicht nachgewiesen werden. 301 Vgl. KLETT, Gymnasium (1926), S. 56. 302 StA Mühlhausen, 10/E 5a-d, Nr. 4, fol. 2r. Vgl. auch ebd., 10/X 1-8, Nr. 11, fol. 327v– 328v. 303 Vgl. EBERLEIN, Mädchenschule (1927), S. 49. 304 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg B 402, fol. 135r; KLETT, Gymnasium (1926), S. 18; EBERLEIN, Mädchenschule (1927), S. 49; KLETT, Mägdlein-Schule (1932), S. 3; WEBER, Einfluss (1995), S. 69; FECHNER, Gebäude (2010), S. 30.

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Ebenso selbstverständlich griff nach der abermaligen Rekatholisierung und einem erneuten Versuch der Reformation der Pfarrer Tilesius das Mädchenschulwesen in seinem oben erwähnten Schreiben vom September 1557 auf. Es sei „nutzlich vnd nötigk, auch In den Stetten da das Euangelium vnsers hern Iesu Christi rein geprediget wert gepreuchlich“, dass den Mädchen eine tüchtige Person angestellt werde, die ihnen neben dem Lesen und Schreiben die Hauptstücke der christlichen Lehre anhand des Katechismus beibringen würde. Tilesius macht es den Ratsherren „von Amptsweg[en]“ zur Pflicht, sich der Anstellung und auch der Besoldung einer solchen Person anzunehmen.305 Die daraufhin am 6. Oktober 1557 erfolgte Beratung nahm erstmals Bezug zum Mädchenschulwesen. Die Potokolle beinhalten dessen Ablehnung mit der Begründung, dass „alhir kein sund[er]licher Kaufmanschaft getrieben, darzu die Elternn Ires lesenns vnd schreibens behufigk sein muchten“.306 In dem oben bereits zitierten Antwortschreiben an Tilesius wies der Stadtrat das Ansinnen ab, da der mehrfach in der Woche betriebene Katechismusunterricht in den Kirchen die Errichtung einer eigenständigen Mädchenschule „noch zur Zeit vnnotigk“307 mache. Eine über den Katechismus hinausgehende, selbst nur elementare Bildung wurde einer solchen Schule, trotz der zuvor betonten vermeintlichen wirtschaftlichen Bedeutung, im Brief an Tilesius gar nicht zugestanden. Die tatsächliche Existenz einer Mädchenschule kann somit erst durch einen Brief des Tilesius an den Stadtrat vom 13. Juli 1565 nachgewiesen werden.308 Sie wurde von Katharina, der Frau des Mühlhäuser Bürgers Hans Vintzenhain, geführt, war jedoch nicht auf Betreiben des Stadtrates, sondern aus dem Bedürfnis der Bürger selbst hervorgegangen. In einem deutlich späteren Brief erinnerte sich die Schulmeisterin selbst, dass sie ihre Unterrichtstätigkeit „auff bitliches ansuchen etlicher burger“309 aufgenommen habe. Katharina Vintzenhain, geborene Adeler, stammte aus Erfurt und hatte dort selbst die Schule besucht. Nachdem sie daraufhin in Mühlhausen ihren Unterricht offenbar mit wachsendem Erfolg aufgenommen hatte, wandte sich ihr Mann an den Pfarrer ihrer Erfurter Heimatgemeinde, Andreas Poach, und bat diesen um ein Gutachten über Katharinas Wesen und Tätigkeit. Mit diesem wolle Hans Vintzenhain sich an Tilesius und den Rat wenden und um Unterstützung seiner Frau nachsuchen. Poach entsprach der Bitte und stellte am 8. Juni 1565 ein Schreiben aus, in dem er der Schul305 Für beide Zitate StA Mühlhausen, 10/T 1-4, ad Nr. 4, S. 173; ebd., 10/E 6, Nr. 6, fol. 257r–v. Vgl. auch KLETT, Gymnasium (1926), S. 27 f.; EBERLEIN, Mädchenschule (1927), S. 49 f.; KLETT, Mägdlein-Schule (1932), S. 3; WEBER, Einfluss (1995), S. 65. 306 StA Mühlhausen, 10/T 1-4, ad Nr. 4, S. 181; FECHNER, Gebäude (2010), S. 30. 307 StA Mühlhausen, 10/E 6, Nr. 6, fol. 265v. 308 Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 5a-d, Nr. 7, fol. 3r; EBERLEIN, Mädchenschule (1927), S. 50; KLETT, Mägdlein-Schule (1932), S. 4. 309 StA Mühlhausen, 10/E 5a-d, Nr. 7, fol. 5r.

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meisterin eine christliche Herkunft und einen regen Besuch des heimischen Katechismusunterrichts wie der Schule bescheinigte (Kap. II. 7.4.).310 Mit der Unterstützung Poachs, wandte Tilesius sich daher mit dem genannten Brief an den Stadtrat und folgte dem Wunsch Vintzenhains. Die Schulmeisterin unterrichte in ihrem eigenen Haus bereits „fast In die funffzig“ 311 Schülerinnen im Katechismus, Lesen und Schreiben wie in der Gottesfurcht, stoße dabei jedoch an die Grenzen ihres viel zu kleinen Hauses. Es sei eine Förderung der Schule oder zum wenigsten die Bereitstellung eines geeigneten Schulraumes nötig. Auf den Vorschlag des Superintendenten stellte der Stadtrat der Schulmeisterin am 6. August 1565 einen Raum im ehemaligen Brückenkloster zur Verfügung.312 Das Kloster wurde somit zur offiziellen Mädchenschule umfunktioniert und behielt diese Funktion bis über das Ende des Bearbeitungszeitraumes hinaus bei. Seit dieser Gründung der offiziellen Mädchenschule schweigen die Quellen bis zum Ende des Jahrhunderts völlig. Ob oder auf welche Weise die Schule durch den Stadtrat beeinflusst wurde oder auf welcher finanziellen Grundlage sie sich trug, kann nicht ermittelt werden. Selbst Erkenntnisse der älteren Forschung, wie die Existenz einer zweiten Mädchenschule in den 1570er Jahren, die aktive Beteiligung ausgewählter Schülerinnen an den Katechismuspredigten313 oder die Tätigkeit der Frau eines sonst unbekannten Knabenschuldieners Vitus Sternfeld – möglicherweise ist Vitus Morasfeld gemeint – als Schulmeisterin314 können nicht belegt werden. Erst im Jahr 1597 tritt die Mädchenschule erneut in der Person der Katharina Vintzenhain wieder in Erscheinung. Wie lange sie diese als Schulmeisterin versorgte, ist ungewiss. Die Ratsdekrete vom 29. April 1597 bezeichnen sie als alte Schulmeisterin.315 Am Tag zuvor hatte sie sich brieflich an den Stadtrat gewandt und um abermalige Unterstützung gebeten. Obwohl sie nicht mehr Leiterin der offiziellen Mädchenschule war, hatte sie ihren Unterricht auf privater Basis in den Häusern einiger Bürger fortgesetzt. Da es ihr jedoch schwer falle, „mit denn lieben Kindern bey leutden inne zu sein“, derzeit aber nirgends eine Schulstube zu miete sei, ersuchte sie beim Stadtrat, er möge ihr erneut eine

310 Vgl. ebd., fol. 4r, abgedruckt bei KLETT, Mägdlein-Schule (1932), S. 4 f. Vgl. auch EBERLEIN, Mädchenschule (1927), S. 50. Eberlein beurteilte den Bildungsstand der Schulmeisterin trotz der Bescheinigung Poachs schlecht. Sie habe lediglich dessen Katechismusunterricht besucht, was so aus dem Gutachten jedoch nicht hervorgeht. 311 StA Mühlhausen, 10/E 5a-d, Nr. 7, fol. 3r. 312 Vgl. KLETT, Geschichte (1916), S. 35; EBERLEIN, Mädchenschule (1927), S. 50; KLETT, Mägdlein-Schule (1932), S. 4; GÜNTHER, Mühlhausen (1975), S. 66; WEBER, Einfluss (1995), S. 66. 313 Vgl. EBERLEIN, Mädchenschule (1927), S. 50; FECHNER, Gebäude (2010), S. 30. 314 Vgl. EBERLEIN, Mädchenschule (1927), S. 72. 315 Vgl. StA Mühlhausen, 10/D 2-4, Nr. 3, S. 29.

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Unterkunft „in der alten Schullen, hinder S blasii kirchen“,316 also in der ehemaligen, 1579–80 durch einen Neubau ersetzten Lateinschule, zur Verfügung stellen. Ein Entschluss des Stadtrates ist nicht überliefert, doch wurde das alte Schulhaus zwei Jahre später verkauft. Ob das Gesuch der Schulmeisterin abgeschlagen oder in der einstigen Lateinschule für kurze Zeit eine Mädchenschule eingerichtet wurde, die möglicherweise durch einen baldigen Tod der Schulmeisterin ein Ende fand, bleibt ungewiss.

5.10. Das deutschsprachige Schulwesen in Mühlhausen Sieht man von den scheinbar nicht umgesetzten Forderungen der Kirchenordnung von 1542 ab, etablierten Schreibmeister ihr deutschsprachiges Schulwesen noch vor der Gründung einer offiziellen Mädchenschule. Auch in diesem Fall stellt ihr erstes Auftreten nicht den Beginn ihrer Aktivität dar. Viel eher tritt der erste Deutsche Schreiber anlässlich seiner Amtsniederlegung in Erscheinung. 1561 erhielt er, der nicht namentlich genannt wird, vom Stadtrat 15 gr „vmb synns armuts willen zum Abzoge“.317 Seine schulische Tätigkeit, die man in den vorhergehenden Jahren voraussetzen kann, scheint sich aufgrund zu geringen Bedarfs oder aber zu starker Konkurrenz nicht getragen zu haben. Obgleich in seiner Nachfolge erst 1570 gleich drei Schreib- und Rechenmeister bekannt werden,318 erlebte das private deutsche Schulwesen eine ungebrochene Kontinuität. Bereits vor 1570 unterhielt Conrad Rieß einige Zeit eine deutsche Schule, die er jedoch in diesem Jahr anlässlich seiner Einsetzung zum Wagemeister „vber zu geben vnd zu schmelern“ gedachte, um sich seinem neuen Amt widmen zu können. Aus diesem Grund habe er den aus dem oberfränkischen Creußen stammenden Georg Koser, da er „mit Schreyben vnd Rechen etwas gefast“ sei, gebeten, sich einige Zeit in Mühlhausen niederzulassen und die Schule zu übernehmen. Im Mai 1570 wandte dieser sich daher an den Stadtrat und ersuchte, die Schreib- und Rechenschule Rieß’ fortführen zu dürfen.319 Bereits im Januar desselben Jahres hatte den Rat ein ähnlicher Brief erreicht, in dem Valentin Wolf sein Vorhaben schilderte, eine deutsche Schule zu gründen und die Jugend in „Schreiben Lesen vnd rechenn“320 zu unterrichten. Auch er ersuchte dafür um die Erlaubnis des Rates. Während Wolf jedoch nicht wieder in Erscheinung tritt, war Kosers Anliegen von Erfolg gekrönt. Vom 31. Oktober 1572 316 317 318 319 320

Für beide Zitate StA Mühlhausen, 10/E 5a-d, Nr. 7, fol. 5r. StA Mühlhausen, 2000/48, fol. 95v. Vgl. KLETT, Schreibschule (1927), S. 303 f.; GÜNTHER, Mühlhausen (1975), S. 66. Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 5a-d, Nr. 5, fol. 3r–v, Zitat fol. 3r. StA Mühlhausen, 10/E 5a-d, Nr. 5, fol. 2r.

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stammt ein weiterer Brief, mit dem er um einen Holzzuschuss für den kommenden Winter bat.321 Der Stadtrat hatte ihm zur Einrichtung seiner Schule kein geringeres Haus zur Verfügung gestellt, als die ehemalige Deutschordensschule an St. Marien, die er gegen einen Mietzins in den Gemeinen Kasten bewohnte und als deutsche Schule betrieb. Darüber hinaus erhielt er vom Stadtrat den erwünschten Holzvorrat und ein paar Malter Korn.322 Die schulische Aktivität Kosers endete im Zerwürfnis mit dem Stadtrat. Am 9. Juni 1574 bat Koser bei diesem um Urlaub, nachdem ihn einige Bürger von der gänzlichen Niederlegung seiner Schule abgebracht hatten. Da im Sommer die Schülerzahl durch die Pflichten in Haus und Feld jedoch dezimiert werde, wolle er seinen Dienst wenigstens kurzzeitig unterbrechen, um seine Familie und Freunde in der Heimat zu besuchen.323 Erst mehrere Jahre später informiert ein von unbekannter Hand verfasster „Bericht vber Georg Koser“, auf welche Weise dieser das Entgegenkommen des Stadtrates und einiger Bürger missbraucht hatte.324 Um seine Schule nicht gänzlich verfallen zu lassen, habe er den Kirchner von St. Marien, Matthias Neukirch, gebeten, ihn in seiner Abwesenheit zu vertreten. Statt jedoch in seine Heimat zu gehen, sei er, wie man später erfuhr, durch Frankreich gezogen und trotz des im Voraus gezahlten Lehrgeldes der Schüler länger als ein Jahr seiner Schule ferngeblieben. Es wurde bereits an seiner Rückkehr gezweifelt, als er schließlich wieder in Mühlhausen eintraf und seine Schultätigkeit ohne Rücksprache beim Stadtrat wieder aufnahm. Zur Zahlung seines rückständigen Hauszinses aufgefordert, habe er erwidert, dass dieser ihm vom Bürgermeister erlassen worden sei, wogegen der bezeichnete Bürgermeister sogleich Widerspruch einlegte. Ergänzt wird der Bericht durch die Ratsdekrete, durch die am 2. Oktober 1577 entschieden wurde, dass der hier nicht namentlich genannte Schreiber zur Zahlung seines Hauszinses an die Kastenherren „vngeacht seines furwendens“325 verpflichtet werden sollte. Der Bericht von 1579 fährt fort, dass Koser, der zudem von dem Bürger Hans Schaubeling des Diebstahls beschuldigt wurde, angesichts dieser Verpflichtung die Stadt abermals verlassen habe und bisher nicht zurückgekehrt sei. Über Kosers weiteren Verbleib schweigen die Quellen. Einige Jahre nach Kosers Verschwinden trat ein Johannes Blanckenberger an dessen Stelle. Er erhielt im März 1581 vom Stadtrat als Stuhlschreiber bezeichnet 321 Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 5a-d, Nr. 5, fol. 4r; KLETT, Schreibschule (1927), S. 303 f. 322 Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 5a-d, Nr. 5, fol. 6r; StA Mühlhausen, 10/E 5a-d, Nr. 5, fol. 5v; KLETT, Schreibschule (1927), S. 304. 323 Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 5a-d, Nr. 5, fol. 5r–v. 324 Vgl. ebd., fol. 6r–v, Zitat fol. 6r; KLETT, Schreibschule (1927), S. 304. Der undatierte Bericht wurde nach eigenen Angaben acht Jahre nach der Schulgründung Kosers, also 1579, verfasst. 325 StA Mühlhausen, 10/D 2-4, Nr. 1, S. 215.

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ein Geldgeschenk von 3 ß 12 gr,326 nachdem er sich am 17. März als Mühlhäuser Bürgerssohn327 beim Stadtrat beworben hatte.328 Zurzeit versah er das Schreibmeisteramt in Northeim, wolle seine Dienste jedoch lieber der Heimatstadt widmen, weshalb er dem Stadtrat mit seiner Bewerbung eine nicht erhaltene Probe seines Könnens zukommen ließ. Das verhältnismäßig hohe Geldgeschenk, das vom Stadtrat sogar auf dem Bewerbungsschreiben notiert wurde, lässt eine Einstellung Blanckenbergers vermuten. Er versah seinen Dienst jedoch, vorausgesetzt, dass er in Mühlhausen der einzige Schreibmeister seines Namens war, nur wenige Monate. Bereits vom 17. November desselben Jahres stammt ein Zeugnis, mit dem der Stadtrat ihn aus seinem Dienst entließ.329 Nur ein weiterer Rechenmeister kann im 16. Jahrhundert namenhaft gemacht werden. Ludowicus Helmbold, wahrscheinlich ein Verwandter des gleichnamigen Superintendenten, versah mit Abstand den längsten Schuldienst der Genannten. Aus seiner Feder stammt, nachdem er bereits einige Zeit eine Schreib- und Rechenschule unterhalten hatte, ein Schreiben vom 17. November 1584.330 Wie Georg Koser ist auch er vom Stadtrat angestellt und mit Holz versehen worden, rief nun jedoch dem Stadtrat eine kürzlich geäußerte Bitte um eine weitere Holzzulage in Erinnerung. Ein zweiter Brief von 1605 informiert, dass Helmbold Mühlhausen um 1599 verlassen hatte. Mehrere Jahre habe er als Privatlehrer bei adligen Familien gedient, wolle nun jedoch seinen einstigen Beruf in seiner Heimatstadt Mühlhausen wieder aufnehmen.331

326 Vgl. StA Mühlhausen, 2000/63, fol. 116v. 327 Der Name Blanckenberger mit dem Leitnamen Hans/Johannes ist im gesamten 16. Jahrhundert in Mühlhausen weit verbreitet. Bereits 1525 findet sich nach dem Bauernkrieg ein Hans Blanckenberger unter den Befragten (StA Mühlhausen, 10/K 3, Nr. 10, fol. 2r– v), 1527 versah ein gleichnamiger Bürger das Schuhmacherhandwerk (ebd., 10/K 3, Nr. 4, fol. 114r), 1557 trug der Wageknecht, der beim Stadtrat besoldet wurde, diesen Namen (ebd., 2000/45, fol. 113v), 1572 warf der Superintendent einem Hans Blanckenberger Sakramentsverächtung vor (ebd., 10/E 6, Nr. 9.2, fol. 163r), 1592 bürgte ein Bürger gleichen Namens für einen Gefangenen (ebd., 10/X 1-8, Nr. 11, fol. 37v) und 1599 ließ ein Hans Blanckenberger sein Testament im Notulbuch verzeichnen (ebd., 10/X 1-8, Nr. 11, fol. 318r–320r). Es ist anzunehmen, dass keiner der genannten mit dem Stuhlschreiber identisch ist, doch entstammte dieser ausdrücklich der Mühlhäuser Familie. 328 Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 5a-d, Nr. 5, fol. 11r. Da seine Bewerbung erst auf den 17. März datiert, scheint es sich bei der Datierung der Stadtrechnung auf den 16. März um einen Fehler zu handeln. 329 Vgl. StA Mühlhausen, 10/X 1-8, Nr. 10a, fol. 323v. 330 Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 5a-d, Nr. 5, fol. 12r; KLETT, Schreibschule (1927), S. 304. 331 Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 5a-d, Nr. 5, fol. 19r–20v.

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5.11. Das Schulwesen in den Mühlhäuser Vorstädten Im 15. und 16. Jahrhundert verfügte Mühlhausen über fünf Vorstädte, die in vier Pfarrbereiche unterteilt waren – St. Nikolai, St. Petri, St. Georgi und St. Martini. Die Kirchen in ihren Zentren, neben denen zahlreiche weitere Kapellen existierten, wurden vor der Reformation durch den Deutschen Orden mit Geistlichen versorgt.332 Mit der Reformation und dem Wirken der evangelischen Prediger kam es zum Verfall der Kirchen und zur Integration der Pfarrbezirke in die beiden städtischen Hauptpfarreien St. Marien und Divi Blasii. Vielfach ist seit den 1540er Jahren in den Quellen die Rede von den wüst liegenden und leer stehenden Kirchen, die als Steinbrüche beispielsweise für den Schulneubau der 1560er Jahre herangezogen werden sollten. Dieser Plan kam offenbar nicht zur Ausführung, denn im weiteren Verlauf des Jahrhunderts gewannen die Kirchen allmählich wieder an Bedeutung. Mehrere Jahrzehnte hatte es keinen eigenständigen vorstädtischen Pfarrbezirk gegeben. Erstmals 1570 tritt wieder ein einzelner Prediger in Erscheinung, der neben dem Superintendenten und den Diakonen der Hauptpfarrkirchen den Vorstädten als alleiniger Seelsorger zugeordnet worden war. Im Zuge der neuerlichen Verpachtung der Deutschordensgüter 1570/71 wurden auf der Grundlage seiner Tätigkeit schließlich erneut vorstädtische Pfarrbezirke etabliert. Ein erster Schritt war die Einstellung eines zweiten für die Vorstädte zuständigen Predigers, die im Zuge der Pachtverhandlungen vom Stadtrat vorgeschlagen wurde. Am 1. Februar 1571 erteilte der Stadthalter Burkhart von Barby dem Stadtrat die Erlaubnis, diesen zweiten Prediger namens Petrus Rainer einzustellen.333 Er trat das Amt im selben Jahr für eine Besoldung von 60 ß, 10 Malter Korn, 8 Malter Gerste und 5 Malter Hafer an.334 Die vier einstigen Pfarrbezirke wurden mit jeweils zwei Kirchen unter den beiden Predigern aufgeteilt. Als sie 1577 die Konkordienformel unterzeichneten, diente Petrus Rainer in St. Georgi und St. Martini und sein Kollege namens Johannes Heige an St. Nikolai und St. Petri.335 Es ist selbstverständlich, dass die Gottesdienste in diesen neu etablierten Pfarreien ebenfalls unter der Mitwirkung eines Schülerchores vollzogen wurden. Nicht selten ist auch in den Vorstadtkirchen die Rede von „der Schüeler bohrkirchen“336 oder einem „polt […] darauf die schuller die bucher legenn“.337 Zunächst muss hier von einer Teilnahme der Schüler der Stadtschule ausgegangen werden, auch 332 Vgl. HEYDENREICH, Geschichte (1900), S. 46–48; KNIEB, Kirche (1907), S. 3; KETTNER, Geschichte (1917), S. 26; AULEPP, Vorstädte (1992), S. 55. 333 Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 6, Nr. 9.1, fol. 74r–75r. 334 Vgl. ebd., fol. 29v–30r u. 92v. 335 Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 6, Nr. 9.3, fol. 439r. 336 StA Mühlhausen, 2381/1, S. 34 (St. Martini). Vgl. für St. Petri auch ebd., 2351/1, S. 54. 337 StA Mühlhausen, 2351/1, S. 36 (St. Petri).

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wenn dies nirgends deutlich wird, doch ist es naheliegend, dass mit der wachsenden Bedeutung der Vorstadtpfarreien ein eigenes vorstädtisches Schulwesen entstand. Die Ursprünge dieses Schulwesens liegen im 16. Jahrhundert. Die bisherige Forschung negierte dies nicht ausdrücklich, zog es jedoch auch nicht in Betracht. Wokeck, der die Geschichte der Küsterschule der Nikolaivorstadt untersuchte, legte das erste Anzeichen ihrer Existenz in das Jahr 1748.338 Wechmar verfolgte die Reihe der Kirchner an St. Georgi anhand späterer Quellen zwar bis ins Jahr 1572 zurück, brachte diese jedoch erst sehr viel später mit einem Schulunterricht in Verbindung.339 Lediglich Klett gesteht die Möglichkeit einer früheren Entstehung des Vorstadtschulwesens ein, nennt jedoch 1673 als Jahr der Ersterwähnung.340 Anhand weniger Quellen kann nun die anfängliche Existenz eines Vorstadtschulwesens für die letzten Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts nachgewiesen werden. Als Grundlage dienen die zahlreichen erhaltenen Rechnungen der Vorstadtpfarreien, die als Kirchen-, Gemeinde- und Kastenrechnungen überliefert sind. Aufgrund der enthaltenen Besoldungs- und Instandhaltungskosten sind lediglich die Kirchenrechnungen von Belang, deren Überlieferung für St. Georgen, St. Martini und St. Petri bis in die letzten Jahre des 16. Jahrhunderts zurückreichen. Der Gemeine Kasten der Vorstadtkirchen diente wie auch bei den Hauptpfarreien lediglich der Armen- und Sozialfürsorge. Der genaue Zeitpunkt oder der zeitliche Rahmen der Entstehung der Vorstadtschulen bleibt weiterhin im Dunkeln. Noch in den 1560er Jahren sollte der Besitz der Vorstadtkirchen zur Errichtung der Stadtschule herangezogen werden, woraus man auf ein Interesse der Vorstadtbevölkerung an dem Schulneubau schließen kann. Zu diesem Zweck wurden die Kirchenkleinodien eingezogen und vom Stadtrat je nach Bedarf verkauft.341 Als 1571 hingegen nach der Neubelebung der Pfarreien der zweite Prediger hinzugezogen wurde, forderte der Graf von Barby von diesem, „daß Pfhar vnnd schulenn Ambtt treuwlich zuuorsorgenn“.342 Es ist ungewiss, ob die Formulierung der Unkenntnis der Lage vor Ort oder dem gängigen Topos geschuldet ist, doch scheint sich die Entstehung eines eigenständigen Schulbetriebs darin bereits abzuzeichnen. Die früheste eindeutige Erwähnung eines vorstädtischen Schulmeisters betrifft den Gemeindeverband St Georgen/St. Martini und fällt ins Jahr 1581. Die Vormünder beider Kirchen waren in einen Streit um die Holzversorgung eines Schulmeisters geraten, der 338 Vgl. WOKECK, Schulwesen (1926) o. S. 339 Vgl. WECHMAR, Kirchner (o. J.), S. 149–151. Das vor 1976 (†) entstandene, aber nicht publizierte Manuskript kann im Stadtarchiv Mühlhausen eingesehen werden. Frau Roswitha Henning gebührt herzlicher Dank für den Hinweis und die Bereitstellung. 340 Vgl. KLETT, Küsterschulen (1927) o. S. 341 Vgl. StA Mühlhausen, 10/T 1-4, ad Nr. 4, S. 417. 342 Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 6, Nr. 9.1, fol. 75r.

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vom Stadtrat am 7. Juli per Dekret beigelegt wurde. Der Entscheid besagte, „daß die zu S. Georgn dem schulmeister sein holtz hinfort allewege zwey Iar, die zu S Martini aber das dritte Iar furen, vnd vffs volgende Iar darmit anfah[en] soll[en]“.343 Eine solche Abstufung der materiellen Beteiligung, die der Größe der Gemeinden Rechnung trug, findet sich auch in den späteren Kirchenrechnungen wieder, indem St. Martini stets ein Drittel der Baulast, nicht jedoch für Geldbesoldungskosten zu übernehmen hatte. Der Schulmeister diente demnach beiden Gemeinden, deren Mitglieder trotz der getrennten Vormundschaft der Kirchen zu einem Personenverband zusammengeschlossen worden waren. Die Überlieferung der Kirchenrechnungen beginnt an St. Georgen 1591 und an St. Martini 1595 mit der einzigen erhaltenen Rechnung des 16. Jahrhunderts. Bereits in der ersten Rechnung von St. Georgen tritt ein so bezeichneter Schuldiener in Erscheinung, der mit 1 ß zu den vier Weichfasten besoldet wurde.344 Obgleich die bisherige Forschung stets von einem Kirchnerschulwesen ausging, was in den späteren Jahrhunderten tatsächlich zutrifft,345 stand dieser Schuldiener am Ende des 16. Jahrhunderts als eigenständiger Amtsinhaber neben dem Kirchner. Desgleichen versah er nicht die Funktion eines Gemeindeschreibers, da weiterhin ein eigenständiger Schreiber für die Rechnungsführung entlohnt wurde. Die Besoldung des Schuldieners „aus der Kirchen Ein Iar langk“346 findet sich alljährlich in den erhaltenen Rechnungen, während seine wechselnde Amtsbezeichnung den noch wenig ausgebildeten institutionellen Charakter seiner Tätigkeit verdeutlicht. Zumeist dominiert die Bezeichnung Kantor, 347 wodurch die Bedeutung der Kirchenmusik als Primat seines Amtes betont wurde. 1596 wurde er erstmals als Schulmeister angeredet, was auch in den folgenden Jahren wenn auch nicht dauerhaft fortgeführt wurde.348 Die Kirche St. Martini beteiligte sich an der Besoldung des Schulmeisters, jedoch nicht in der 1581 festgelegten Abstufung, sondern in gleicher Höhe von 1 ß zu den Weichfasten. Auch in den hiesigen Rechnungen finden sich wechselnde Amtsbezeichnungen, wobei der Inhaber bereits in der ersten und einzigen Rechnung des 16. Jahrhunderts von 1595 als Schulmeister tituliert wird.349 1604 tritt er als Kantor bezeichnet neben einen nicht weiter bestimmten Magister. Zusammen erhielten sie zu Pfingsten und Neujahr 10 gr.350 Um wen es sich bei 343 344 345 346 347 348

StA Mühlhausen, 10/D 2-4, Nr. 1, S. 348. Vgl. StA Mühlhausen, 2371/1, S. 22. Vgl. WOKECK, Schulwesen (1926) o. S.; KLETT, Küsterschulen (1927) o. S. StA Mühlhausen, 2371/1, S. 73 (1594). Vgl. ebd., S. 73 (1594), 99 (1595) u. 343 (1603). Vgl. ebd., S. 122 (1596) u. 148 (1597). Zu Beginn des 17. Jahrhunderts erscheint er wieder als Kantor. 349 Vgl. StA Mühlhausen, 2381/1, S. 13. 350 Vgl. ebd., S. 26.

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dem Magister handelt, ist ungewiss, doch kann dahinter der Prediger des Gemeindeverbundes vermutet werden. Da beide namentlich genannten Prediger 1577 noch keinen Magistertitel trugen, verbildlicht der Titel nun die steigende Bedeutung der Vorstadtgemeinden im Mühlhäuser Kirchenwesen. Das Schulwesen wird sich dementsprechend entwickelt haben, was sich auch an der Entwicklung der Besoldung abzeichnet. 1603 erhielt ein hier erstmals namentlich genannten Kantor „wegen der Kirchen“351 eine Besoldungszulage von einem weiteren Schock. Sein Name ist Paul Chur. Auch in dem zweiten Gemeindeverbund St. Petri/St. Nikolai treten ähnliche Umstände zu Tage, doch beginnen die Rechnungen von St. Petri erst 1599, während von St. Nikolai keine überliefert sind. Die Besoldung des hier durchweg so bezeichneten Kantors lag in einer ähnlichen Höhe von 1 ß 10 gr. 352 Die Tendenz der Entwicklung von Gemeinde und Schule zeichnet sich dabei insbesondere darin ab, dass anders als in St. Georgen/St. Martini ab 1605 ein zweiter oder mehrere weitere Schuldiener – „des Cantori adiuuanten“,353 möglicherweise aus den Reihen der Schüler – den Dienst versahen. Als Entlohnung erhielt er zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten je 6 gr, was auch in den folgenden Jahren fortgesetzt wurde.354 Ein Schulmeister jener Jahre kann diesmal nicht nur namentlich ermittelt, sondern auch in weiteren Mühlhäuser Quellen erfasst und im Ansatz biographisch umrissen werden. Die Rechnung von St. Petri von 1604 nennt ihn erstmals bei seinem Namen Paul Sann.355 Ein aus Mühlhausen stammender Paulus Sann wurde im Sommer 1587 in der Universität Leipzig immatrikuliert.356 Denkbar ist eine Verwandtschaft zu dem oben genannten Schuldiener Martin Sann, der vom Stadtrat in den Jahren um 1570 durch ein Stipendium unterstützt worden war, wobei jedoch eher an einen jüngeren Bruder statt an einen Sohn zu denken sein wird. Paulus Sann, latinisiert Sannius, verfasste schließlich am 26. Februar 1594 von Volkenroda aus einen Brief an den Stadtrat, in dem er sich selbst als Adoleszent bezeichnet und um ein nicht spezifiziertes Amt in Kirche oder Schule („functionem quandam Ecclesiasticam sub ditione vestra“357) nachsuchte. Ob Sann das vorstädtische Schulamt vor Augen hatte, muss offenbleiben, doch führen ihn die Rechnungen als Kantor bis ins 17. Jahrhundert hinein.358

351 352 353 354 355 356 357 358

StA Mühlhausen, 2371/1, S. 343. Vgl. StA Mühlhausen, 2351/1, S. 9. Ebd., S. 46. Vgl. ebd., S. 55 f. Vgl. ebd., S. 39. Vgl. ERLER, Jüngere Matrikel (1909), S. 386. StA Mühlhausen, 10/E 7, Nr. 1.1, fol. 70r. Vgl. StA Mühlhausen, 2351/1, S. 46 f. (1605).

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Das Niveau der Besoldung der Kantoren respektive Schulmeister war auf der genannten Basis sehr gering. Ihnen wurde daher zugestanden, ihre reguläre Besoldung, die sich in den Kirchenrechnungen widerspiegelt, durch regelmäßige Kurrendeumgänge aufzubessern. Diese Methode wird jedoch nur aufgrund der Probleme deutlich, die sie mit sich brachte. In der Kritik der Gemeindevormünder stand die Unwilligkeit der Gemeindemitglieder von St. Nikolai, an die Kurrende zu spenden. Da der Schulmeister auf diese Weise seine Besoldung entbehrte, erließ der Stadtrat am 1. Februar 1605 ein Edikt, mit dem er jeden Bewohner der Vorstadt dazu verpflichtete, sich zu einem bestimmten Termin, dem 24. August, an der Unterhalten des Kantors zu beteiligen. Bei Nichtachtung des Befehls drohte eine Geldstrafe. 359 Solche und andere Missstände werden angesichts der wachsenden Bedeutung der Vorstadtgemeinden dazu geführt haben, dass ab 1595 eine alljährliche Visitation der Vorstädte durch die städtischen Geistlichen abgehalten wurde. Die erste offizielle Visitation wurde am 16. März 1595 vom Stadtrat angekündigt. Nacheinander sollten die vier Vorstädte an vier Tagen visitiert und deren Bewohner im Katechismus geprüft werden.360 Auch dies rief jedoch den Unwillen der Bevölkerung hervor, was sich an den in steigender Strenge und Bestimmtheit formulierten Ankündigungen abzeichnet. 1606 wurde schließlich angesichts der Missachtung der städtischen Befehle eine Strafe im Falle der ausbleibenden Teilnahme an den Visitationen angedroht.361 Worin der Unwillen der Bevölkerung bestand ist ungewiss, da die Visitationen bis auf vereinzelte Hinweise in den Kirchenrechnungen keine Spuren in den Quellen hinterlassen haben.

5.12. Das Schulwesen im Mühlhäuser Landgebiet Bereits vor dem zweiten Reformationsversuch in der Stadt unternahmen die Schutzfürsten auf dem Landgebiet eine evangelische Kirchenvisitation. Am 20. Oktober 1540 schrieb Philipp von Hessen an den Kurfürsten und den Herzog und brachte einen entsprechenden Vorschlag ein. Die Dörfer sollten, so seine Vorstellung, „mit euangelischenn gotseligen predicantenn Auch mit christlichen Apostolischen lehrenn vnnd Ceremonien bestelt vnnd vorsehen werden“.362 Der Plan wurde in die Tat umgesetzt und am 12. September 1541, auf den Tag genau ein Jahr vor der Visitation der Stadt selbst, in Angriff genommen.363 Die Visitation erfolgte in dem 359 360 361 362 363

Vgl. StA Mühlhausen, 10/Y 1-2, Nr. 1b, S. 107–109. Vgl. StA Mühlhausen, 10/Y 1-2, Nr. 1, fol. 419v. Vgl. StA Mühlhausen, 10/Y 1-2, Nr. 1b, S. 116 f. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg B 402, fol. 44r. Vgl. ebd., fol. 70r–71r.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

bereits erprobten Verfahren. Wie jedoch bereits die im Vorhinein unternommenen Verhandlungen enthalten die Visitationsprotokolle keinerlei Hinweise auf ein aktives ländliches Schulwesen auf den Mühlhäuser Dörfern. Das Kirchneramt war weit verbreitet und vielerorts unterstützte der Inhaber den Pfarrer bei den Messen, doch findet sich kein eindeutiger Hinweis auf deren Unterrichtstätigkeit. In den abschließenden allgemeinen Anordnungen der Visitatoren wurde in dieser Hinsicht lediglich der Katechismusunterricht des Pfarrers für Jung und Alt vorausgesetzt.364 Dieselbe Forderung wurde nach der städtischen Visitation in der 1542 erlassenen Kirchenordnung wiederholt und manifestiert.365 Trotz der fehlenden Belege anhand der Visitationsprotokolle kann von einer schulischen Tätigkeit der Kirchner ausgegangen werden. Die Überlieferung setzt dahingehend jedoch erst spät ein. Zahlreiche Kirchner können zwar bereits in vorhergehenden Jahren namhaft gemacht werden,366 doch gilt für sie dieselbe Einschränkung, dass ein mit ihnen verbundener Schulunterricht nur vermutet werden kann. So erscheint 1560 der Kirchner Augustin Rödiger in Dachrieden, der beim Stadtrat Klage über einige seiner Nachbarn führte, die ihm sein Einkommen vorenthielten.367 Unter seinen Nachfolgern findet sich 1569 Salomon Martersteck. Seine neuerliche Bewerbung beim Pfarrer verdeutlicht, dass die Amtsinhaber stets auf ein Jahr befristet angenommen wurden. Einer Verlängerung des Dienstes stand dies nicht im Weg, doch wurde so die alljährliche Neubewerbung zur Pflicht der Kirchner. Der Pfarrer hatte seinen Dienst bereits verlängert, ihm auch den alljährlichen Leikauf gezahlt, geriet dann jedoch mit seiner Gemeinde in Konflikt über Martersteck. Er habe sich, so die Gemeinde, Nachlässigkeit im Amt und Schmähungen der Bauern zu Schulden kommen lassen. Der Pfarrer wies die Klage ab, zumal er dahinter eher die Ablehnung seiner eigenen Person, die auf den Kirchner übertragen worden sei, vermutete. Beim Stadtrat bat er, da Martersteck beim Singen in der Kirche durchaus hilfreich sei, diesen im Amt belassen zu dürfen.368 Der erste eindeutige schulische Hinweis fällt schließlich ins selbe Jahr 1569. Die Gemeinde des Dorfes Saalfeld klagte in diesem Jahr, dass der neue Kirchner Thomas Schum zu sehr mit anderen Geschäften belastet sei, um sich seinem Schuldienst widmen zu können.369 Obgleich dies der erste überlieferte Fall ist, zeigt er das dörfliche Schulwesen bereits in einem verhältnismäßig weit fortgeschrittenen Stadium seiner Entwicklung, da sich hier eine allmähliche Loslösung des Schuldienstes vom Kirchneramt abzeichnet. Um dem Problem zu entgehen, 364 365 366 367 368 369

Vgl. ebd., fol. 124r. Vgl. DIEM, Nachrichten (1926), S. 310; TRIEBEL, Landschulen (1927), S. 118. Vgl. DIEM, Nachrichten (1926); TRIEBEL, Landschulen (1927). Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 7, Nr. 3, fol. 2r. Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 7, Nr. 1.1, fol. 13r–v. Vgl. ebd., fol. 15r–16r; TRIEBEL, Landschulen (1927), S. 119.

DAS SCHULWESEN IN DER REICHSSTADT MÜHLHAUSEN

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hatte sich ein Einwohner Saalfelds erboten, der Schule als eigenständiger Schuldiener vorzustehen. Die Gemeinde begrüßte dies, stieß jedoch auf die Ablehnung des Pfarrers. Der Stadtrat scheint die Auseinandersetzung zugunsten der Gemeinde beigelegt zu haben, denn am 21. April 1569 konnte Johannes Stigelitz als Schuldiener für Saalfeld eingestellt werden. In einem eigenhändigen Schreiben legte er den Amtseid ab, dem die folgenden Zeilen entnommen sind: So viel denn Cöhr vnnd denn gesangk in der Kirchn zu yder zeit, deutsch vnnd lateinisch, belangett, will ich willig vnnd bereit sey[n], so offt meiner der magister Begertt […] Ich habe mich auch verwilligett, das ich die Knaben in der schule alle tage mit allem fleiß leren vnnd wartenn will, vnnd die selben In gottes namen in aller Zucht vnnd erbarkeit vff erziehen will.370

Vom 25. April des folgenden Jahres stammt ein Brief der Gemeinde von Windeberg, der ebenfalls bereits eine längere Schultradition anzudeuten scheint. Der hiesige Schulmeister Liborius Rein sei zu einem höheren Amt berufen worden und habe um seinen Abschied gebeten. Als Nachfolger habe sich Martin Rupprecht „offentlich nach altem gebrauch dieses Orts“ um das Amt beworben. Augenfällig ist, dass in diesem Zusammenhang lediglich vom Schul-, nicht jedoch von einem Kirchneramt die Rede ist, was auch hier auf je einen eigenständigen Amtsinhaber schließen lässt. Darüber hinaus liefert die Gemeinde einen zeitlichen Anhaltspunkt für die sonst sehr weitgefasste Bedeutung der zitierten Formulierung. Der neue Schuldiener solle sich nämlich nach dem Abschied „dreier furst[en] visitation“371 richten, wodurch die Vermutung über ein aktives Schulwesen in den 1540er Jahren bestätigt wird. Es sei nicht unerwähnt, dass Liborius Rein, der ein höheres Amt angestrebt hatte, 1577 lediglich als Kirchner von Horsmar in Erscheinung tritt, wo er sich selbst nicht mehr als Schulmeister, sondern nur als Aedituus bezeichnete.372 Die damit berührte Liste jener Schuldiener, welche 1577 die Konkordienformel unterzeichneten, informiert nicht nur über die Namen zahlreicher dörflicher Kirchner und Schulmeister, sondern indirekt auch über ihr Selbstverständnis und ihr Verhältnis zu ihrem Amt, wobei jedoch nicht alle Dörfer des Mühlhäuser Landgebietes erfasst wurden.373 Es ist ungewiss, ob die erhaltene Abschrift der Liste unvollständig ist oder die Fehlenden ihre Unterschrift verweigerten. Die Mehrzahl der insgesamt zwölf Unterzeichnenden bezeichnete sich selbst lediglich als Kirchner oder Aedituus. Dies betrifft neben dem eben erwähnten Liborius Rein Johannes Bock aus Felchta, Valentin Erbhard aus Reiser, Ludwig Helmbold aus Höngeda, Heinrich Rappe aus Eigenrode sowie Daniel Schuchart, der für 370 371 372 373

Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 7, Nr. 1.1, fol. 17r–v Für beide Zitate ebd., fol. 27r. Vgl. StA Mühlhausen, 10/E 6, Nr. 9.3, fol. 440r. Vgl. für das Folgende ebd., fol. 440r.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

Dörna und Hollenbach zusammen diente. Obgleich ein Schuldienst bei diesen vorausgesetzt werden kann, wird er bei weiteren fünf Amtsinhabern eigens betont. Thomas Orttlep aus Bollstedt, Lorenz Kolbe aus Germar, Philipp Schumann aus Lengefeld, Matthäus Ferckel aus Windeberg und Johannes Grunde aus Saalfeld bezeichneten sich stets in dieser Reihenfolge als Schul- und Kirchendiener. Bereits die Erwähnung der schulischen Tätigkeit an erster Stelle wird die Priorität verdeutlichen. Recht exzentrisch erscheint schließlich Nikolaus Sturmius. Er unterzeichnete als einziger in lateinischer Sprache und titulierte sich selbstbewusst als „praeceptor (sive aedituus) in luco caesareo“,374 also in Kaisershagen. Nikolaus Sturmius tritt 1581 ein weiteres Mal in Erscheinung. Er klagte beim Konsistorium, dass die Bauern ihm Teile seines Einkommens verweigerten und gibt dabei Einblicke in die wirtschaftliche Versorgung der Kirchner. Sie erfolgte fast ausschließlich auf Grundlage von Naturalien. An Stelle von Schulgeld reichte jeder Schüler dem Schulmeister eine Metze Korn, für die Mitwirkung an Taufen gebührte ihm die Teilnahme am Mahl oder 1 gr, von jedem Kommunikanten erhielt er ein Ei. Darüber hinaus wurde ihm Schreibgeld von 8 ½ Schneeberger und einem halben Malter Korn gereicht und er dürfe sein Vieh, wie „von alters breuchlich“, auf kirchlichem Grund weiden. Da ihm jedoch etliche dieser Leistungen entzogen worden waren, wandte er sich hilfesuchend an das Konsistorium, das mit den Gemeindevormündern eine Überwachung des alten Gebrauchs vereinbarte.375 Das Schulamt war, wie bereits der oben zitierte Amtseid des Johannes Stigelitz suggeriert, in der zweiten Jahrhunderthälfte untrennbar und selbstverständlich mit dem Kirchnerdienst verbunden, Nachlässigkeit konnte zur Absetzung führen, so im Falle des Kirchners Barttell Reichenbach aus Reiser. Diesem wurde 1581 schulische Nachlässigkeit vorgeworfen. Stattdessen treibe er sich herum und verkehre an „lotterbubische[n] Spiel Pletze[n]“.376 Auf die Bitte seines Pfarrers wurde er durch den Superintendenten abgesetzt. Dasselbe Schicksal traf 1597 den Kirchner Georg Thomas aus Germar. Er habe, so der Pfarrer, trotz einer Aufbesserung seiner Besoldung seit einem Jahr keine Schule mehr gehalten und versaufe sein Einkommen.377 An keiner Stelle finden sich hingegen Klagen über eine unzureichende Qualifikation der Kirchen- und Schuldiener. Gleichermaßen ist es unbekannt, welche Ansprüche an sie gestellt wurden. Das Schreiben eines Sebastian Schmickingk verdeutlicht in dieser Hinsicht exemplarisch selbst eine universitäre Gelehrsam374 Ebd., fol. 440r. 375 KKrA Mühlhausen, SUP MHL vor 1900, Ältere Konsistorialprotokolle 1569–1612, unfol., 27. Feb. 1581. 376 Ebd., 27. Feb. 1581. 377 Vgl. ebd., 2. März 1597.

DAS SCHULWESEN IN DER REICHSSTADT MÜHLHAUSEN

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keit einiger Bewerber, jedoch auch manche physische Einschränkung potentieller Amtsinhaber. Schmickingk bewarb sich am 29. Juni 1570 um den „schul vnnd Kirchdienst“ von Höngeda. Er habe bereits einige Zeit an der Universität studiert, wollte seine Studien auch fortsetzen, sei jedoch durch Krankheit „meynes ganges entnohmen“378 und durch weitere Gebrechlichkeit geplagt. Die körperlichen Beschwerden des Bewerbers verleiteten Triebel zu einem abwertenden Urteil über den Stand des dörflichen Schuldienstes, wobei er jedoch den wenn auch unvollständigen akademischen Hintergrund des Bewerbers außer Acht ließ.379 Allein die Bewerbung Schmickingks verdeutlicht die reelle Chance, die ein körperlich eingeschränkter Bewerber erwarten konnte. Obgleich Triebels Urteil zu weit führen dürfte, werden die Universitätsabsolventen unter den Kirchnern nicht den größten Teil ausgemacht haben. Einige Beispiele zeigen auch, dass das Amt ansässigen Handwerkern übertragen worden war. Gerade Höngeda verdeutlicht, dass keine akademische Kontinuität im Schulamt bestand, obgleich dies bei den Bauern zu Missfallen führte. 1585 versah der hiesige Schulmeister das Böttcherhandwerk. Beim Mühlhäuser Stadtrat stellte die Ausübung des Handwerks jedoch kein Hindernis für die Übertragung des Schuldienstes dar. Er entschied nach der Intervention der Gemeinde, dass der namentlich nicht genannte Schulmeister in seinem Handwerk wie auch im Schuldienst bleiben, dahingegen jedoch keine Handwerkslehrlinge mehr annehmen dürfe. Solange die Handwerkerordnung den Schulmeisterdienst nicht ausschließe, so der Stadtrat, stünde der Verbindung des Handwerks mit dem geistigen Amt nichts im Wege.380 Gleichzeitig spricht jedoch die Ambition der Gemeinde, den Anspruch des Schulwesens zu steigern, für sich. Während die Bauern von Höngeda am Entscheid des Stadtrates scheiterten, urteilte dieser vier Jahre später zugunsten einer anderen Gemeinde. Dem Schulmeister von Windeberg wurde am 7. März 1589 verboten, sich weiterhin dem Schreinerhandwerk zu widmen.381

378 379 380 381

Für beide Zitate StA Mühlhausen, 10/E 7, Nr. 1.1, fol. 28r. Vgl. TRIEBEL, Landschulen (1927), S. 121. Vgl. StA Mühlhausen, 10/D 2-4, Nr. 1, S. 582; TRIEBEL, Landschulen (1927), S. 121. Vgl. StA Mühlhausen, 10/D 2-4, Nr. 1, S. 772.

6.

Die Entstehung eines ‚reformatorischen Schulwesens‘ in thüringischen Städten

‚REFORMATORISCHES SCHULWESEN‘ IN THÜRINGISCHEN STÄDTEN

6.1. Frühe Bemühungen um den Erhalt und die Wiederaufrichtung der Schulen Das Schulwesen befand sich am Ende des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts auf einem Höhepunkt seiner bisherigen Entwicklung. Obgleich das Universitätsstreben, an dem vage die Leistungen der Schulen gemessen werden können, sein volles Ausmaß vielerorts nicht im direkten Vorfeld der Reformation entfaltete (vgl. exemplarisch Diagr. 13 und 21), kann von einer weitverbreiteten Blüte am Vorabend der Reformation ausgegangen werden. Ein über Jahrzehnte, mitunter Jahrhunderte währender Aufstieg hatte bis zum Ende des Mittelalters ein engmaschiges Netz wirtschaftlich abgesicherter und personell gut besetzter Schulen entstehen lassen. Welche Einflüsse die Entwicklung jedoch in den ersten Jahren der Reformation beeinträchtigten, wurde oben skizziert (Kap. II. 1.2.). Fehlinterpretationen neuer theologischer Lehren, nachteilig wirkende soziale Ordnungsmaßnahmen und das Ende bislang dauerhafter kircheninstitutioneller Strukturen schränkten die Entfaltung des spätmittelalterlichen Schulwesens bis hin zur völligen Einstellung der schulischen Aktivitäten ein. Die deutlichen Worte des Pößnecker Stadtrates, die zweifellos in einer bestimmten Intention verfasst worden sind, denen ein wahrer Kern jedoch keinesfalls abgesprochen werden kann, wurden oben bereits zitiert: Die Schule wurde – nicht nur in Pößneck – „gantz vndergedruckt“.1 Die Entwicklung muss insbesondere im Falle einer städtischen Schulträgerschaft die Aufmerksamkeit der Stadträte erregt haben. Auslösende oder anlassgebende Ereignisse wie Appelle der Schuldiener an die Stadträte sind nicht überliefert. Der Fund eines derartigen zeitgleichen Zeugnisses wäre zweifellos ein Glückfall. Doch auch ohne sie können mancherorts die Reaktionen auf den drohenden oder bereits eingetretenen Niedergang festgestellt und greifbar gemacht werden. Ganz gleich, ob aus eigenem Antrieb oder unter den Anweisungen der Geistlichen, widmeten sich die Stadträte dem Erhalt, der Wiederaufrichtung oder einer völligen Neugründung des lokalen Schulwesens. Die Bemühung muss, angesichts des vorherigen Entwicklungsstandes, als selbstverständlich gelten. Entgegen älterer, insbesondere protestantischer Forschungen wurde bereits oben betont, dass die Eingriffe der Stadträte in den 1520er Jahren nicht zwangsläufig einem Bewusstsein der evangelischen Lehre zuzuschreiben sind. Martin Luthers Ratsherrenschrift knüpfte an das herkömmliche schulische 1

LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 3, fol. 340r.

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Verständnis und das bereits in früheren Jahrhunderten maßgebende Bedürfnis an. Doch obwohl manche Stadträte bereits zuvor selbst die Initiative ergriffen hatten, wird Luthers Aufruf möglicherweise in einigen Städten tatsächlich eine ausschlaggebende Rolle gespielt haben. Auch dazu liegen jedoch keine ausdrücklich bezugnehmenden Zeugnisse vor. Obwohl ein explizit reformatorisches Verständnis sich erst allmählich herauszubilden begann, müssen die frühen Maßnahmen dennoch vor dem Hintergrund der kirchlichen Entwicklung betrachtet und beurteilt werden. Der oben geschilderte Altenburger Fall verdeutlicht dies in eindrücklicher Weise. Hier nutzte der Stadtrat – möglicherweise durch Luthers Empfehlung inspiriert – das heftige Zerwürfnis mit dem Bergerstift, um durch die völlige Neubegründung einer städtischen Schule dem Primat des Stiftes zu begegnen. Diese eigenständige Handlung des Stadtrates im September 1522 muss als erste schulische Maßnahme einer Stadt vor dem Hintergrund eines anfänglichen evangelischen Bekenntnisses betrachtet werden. Es ist bemerkenswert, dass es sich dabei – bedingt durch die vorherige kirchlich-schulische Struktur der Stadt – um eine vollständige Neugründung handelte. Andernorts war dies nicht notwendig, da eine anteilige oder vollständige städtische Trägerschaft der Schulen einen finanziellen Eingriff zur Aufrechterhaltung des Unterrichts ermöglichte. Auf welche Weise sich dies, angefangen in Arnstadt, zunächst durch Unterstützungs- und schließlich in Besoldungsausgaben in den Stadtrechnung abzeichnete, ist oben skizziert worden und soll nun erneut aufgegriffen werden. Eine derartige Unterstützungsleistung, wie der Arnstädter Stadtrat sie ab 1523/24 in den Stadtrechnungen verzeichnete, erfolgte in Pößneck nicht. Der Vergleich beider Städte erbringt somit eindrücklich die nur kurze Zeitspanne, die eine blühende Schule zum Erliegen brachte. Sollte eine finanzielle Unterstützung auch in Pößneck bereits vor 1523 notwendig gewesen sein, währte sie bis zum vollständigen Niedergang deutlich weniger als ein Jahr. Die zitierten Worte des Pößnecker Stadtrates, in denen er aus der Rückschau von 1529 über die Mutwilligkeit und Unzüchtigkeit der Kinder als Folge des schulischen Niedergangs klagte, sollten den Eindruck einer lange währenden Unterbrechung der Schultätigkeit erwecken. Sie legen die Entscheidung zur Intervention ins Jahr 1524. Die Stadt war zu diesem Zeitpunkt bereits evangelisch geprägt – der Pfarrer Andreas Götze neigte selbst bereits der neuen Lehre zu.2 Aus seiner Feder stammt ein nicht näher datierter Brief von 1524 an den Stadtrat, der den Fortschritt der 2

Die lokale Forschung datiert Götzes Amtsantritt bislang erst in die späten 1520er Jahre und sieht in dem Prediger Bonifatius von Roda den maßgeblichen Reformator der Stadt, vgl. ENKELMANN, Reformation (2011), S. 18 u. 21. Lediglich Joestel legt den Amtsantritt Rodas in Pößneck erst in das Jahr 1531, betont jedoch die fehlenden Informationen über seinen Werdegang zwischen 1524 und 33, vgl. JOESTEL, Bonifatius von Roda (1997), S. 204.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

Reformation beispielhaft vor Augen führt und die Hintergründe des schulischen Niedergangs vermuten lässt. Der Pfarrer selbst habe die Abschaffung der einstigen Präsenzzahlungen in die Wege geleitet, „wan chr[ist]us yha gepothen hat das sulches vmb sonst entphangen sey, sal auch vmb sunst geraychet werdenn“.3 Aus diesem Grund fordere er weder Opferpfennige, Messpfennige, Beichtgeld, Kerzen, Salz, Glas, Geld für das Krankensakrament noch die Präsenz für Begängnisse, das Salve oder die Tenebrae. Seine Selbstlosigkeit brachte ihm jedoch die Armut ein, die ihn nun zum wiederholten Male zum Bittsteller gegenüber dem Rat machte. Es kann nicht bezweifelt werden, dass der Geist jener Worte auch in seine Predigten einfloss, die er, wie er selbst schrieb, zwei bis dreimal wöchentlich hielt.4 Möglicherweise brachten sie die Menschen – gleich, ob gezielt oder nicht – gegen derartige vormalige Geldforderungen, darunter die des Schulmeisters, auf. Tatsächlich wird anhand der überlieferten Ratsprotokolle des Jahres 1524 schon früh eine Auseinandersetzung um die Geschicke der Schule deutlich. Zwischen dem 21. und dem 28. Februar wurde als Gegenstand einer Stadtratssitzung verzeichnet, „Den gemein mennern Ein schulmeisters halben, Eins Kirchners vnnd des Kastenhalben furzuhalden“.5 Nähere Beschlüsse oder Entscheidungen schließen sich dem nicht an, doch belegen die Worte, dass auch in Pößneck der Stadtrat zur Beratung über mögliche Maßnahmen zur Eindämmung der nachteiligen frühreformatorischen Einflüsse auf die schulische Entwicklung gezwungen war. Götzes brieflicher Appell an den Rat, „nicht als alleyne anhorer des wortes, sonder tether geachtet“6 zu werden, mag einen zusätzlichen Ausschlag für das weitere Vorgehen gegeben haben. Der Beratung im Februar schlossen sich weitere an, die zwischen dem 15. Juni und dem 2. Juli den Beschluss erbrachten, „Die Begencknus abzethun“,7 und am 24. August die Frage diskutierten, „Was man Idem Vicarien zu seiner notdorfft geben soll“.8 Die Niederlegung des katholischen Kirchenwesens wird in diesen Worten mehr als deutlich und ein entsprechendes Eingreifen in den Niedergang des Schulwesens fällt in denselben zeitlichen Rahmen. Der Bericht, den der Stadtrat 1529 den Visitatoren einreichte, erwähnt die Einstellung eines neuen Schulmeisters und dessen vollständige Besoldung durch den Rat ohne finanzielle Beteiligung der Bürger.9 Wie lange die Schule tatsächlich wüst gelegen hat, ist ebenso ungewiss wie der genaue Zeitpunkt ihrer Neubestellung. Die Stadtrechnung von

3 4 5 6 7 8 9

StA Pößneck, B I 2, Nr. 4, fol. 23A. Es sei nochmals an die Predigten Caspar Güttels in Arnstadt und die entsprechenden Folgen erinnert, vgl. Kap. II. 1.2. StA Pößneck, B I 2, Nr. 4, fol. 8r. Ebd., fol. 23A. Ebd., fol. 20v. Ebd., fol. 23v. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 3, fol. 340r.

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1524 verzeichnet eine undatierte Ausgabe, um „dy schuele zuzurichten“10 und am 24. August desselben Jahres – mit dem Beginn eines neuen Ratszyklus’ – empfing der neue Schulmeister seine erste Besoldung.11 Sein Name war Martin Backofen, er entstammte einer Pößnecker Familie, hatte seit dem Sommersemester 1508 in Leipzig studiert und daselbst bereits im Wintersemester 1509 das Baccalaureat erworben.12 Der Bericht des Stadtrates von 1529 informiert über die Höhe seiner Besoldung, die für den Rest des Jahres 1524 10 ß betrug und ab 1525 in den Stadtrechnungen verzeichnet wurde. Noch im selben Jahr wurde Konrad Schütze als Schulgeselle hinzugezogen. Beide zusammen erhielten für das Jahr 1525 eine Besoldung von 21 ß. 13 Schützes Dienst währte jedoch nur ein knappes Jahr. Bereits um Michaelis 1525 wurde die personelle Besetzung der Schule – möglicherweise aufgrund nur geringer Ansprüche – wieder auf die Person des Schulmeisters beschränkt.14 Ergriff in Pößneck der Stadtrat die maßgebliche Initiative, erfolgte die Neubegründung des Schulwesens in Gotha nur wenige Monate später unter der Federführung des Predigers.15 Die frühen 1520er Jahre waren hier durch starke antiklerikale Unruhen geprägt, die zur mehrfachen Erstürmung des Stiftes geführt und die mit ihm verbundenen Schulen – eine Stifts- und eine Pfarrschule – in Mitleidenschaft gezogen hatten. Um der Lage Herr zu werden, berief der Herzog Johann im August 1524 den einstigen Weimarer Franziskanermönch Friedrich Myconius als Prediger nach Gotha.16 Die kaum zu überschätzende Bedeutung des 10 11 12 13 14

StA Pößneck, Stadtrechnung, Mappe 24, Nr. 72, 1524/25, unfol. Vgl. StA Pößneck, Stadtrechnung, Mappe 23, Nr. 71, 1524/25, unfol. Vgl. ERLER, Matrikel (1895), S. 488; DERS., Promotionen (1897), S. 454. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 3, fol. 340r. Die Besoldung der Schuldiener wurde alljährlich in der Stadtrechnung verzeichnet. Schütze erhielt seine letzte Besoldungszahlung am 24. August 1525, vgl. StA Pößneck, Stadtrechnung, Mappe 23, Nr. 71, 1524/25, unfol. 15 Anders als die Pößnecker Entwicklung ist die Gothaer Neugründung durch die Bedeutung des Predigers und späteren Pfarrers Friedrich Myconius für die thüringische Reformationsgeschichte weitestgehend bekannt. Vgl. für das Folgende LEDDERHOSE, Mykonius (1854), S. 110 u. 114; BECK, Geschichte II (1870), S. 115–117; MERTZ, Schulwesen (1902), S. 127 f.; SCHERFFIG, Friedrich Mekum (1909), S. 134; ANZ, Reformation (1917), S. 121 f. u. 127; SCHOLZ, Reformation (1917), S. 10 u. 13 f.; PAULSEN, Geschichte (1919), S. 306; HERRMANN, Lateinschulen (1940), S. 240 f.; DERS., Kirchengeschichte II (1947), S. 9 u. 132 f.; FLITNER, Wissenschaft (1972), S. 59–61; HOLLSTEIN, Gymnasium (1972), S. 98 f.; MÄGDEFRAU/GRATZ, Reformation (1996), S. 80 f.; GEHRT, Anfänge (2013), S. 13. 16 Vgl. LEDDERHOSE, Mykonius (1854), S. 111; BECK, Geschichte II (1870), S. 114; SCHOLZ, Reformation (1917), S. 8. Die Publikation der Ergebnisse einer wissenschaftlichen Tagung über den Gothaer Reformator ist in Vorbereitung und wird voraussichtlich noch 2018 als Teil der Schriftenreihe „Friedenstein-Forschungen“ im Franz Steiner Verlag in den Druck gehen.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

Myconius für die thüringische Reformationsgeschichte ist oben bereits deutlich geworden. Sein Wirken in Gotha war von Beginn an mit einer eingehenden Fürsorge für das dortige Schulwesen verbunden. Sein Nachfolger Justus Menius schilderte 1546 in der Leichenpredigt auf Myconius in emotionalen Worten den von ihm vorgefundenen desolaten Zustand der Schulen und den Widerwillen der Bürger gegen sie. 17 Obwohl Menius’ Worte natürlich die Idealisierung seines Vorgängers erzielten, gehörte die neuerliche Einrichtung einer Schule tatsächlich zu den ersten Maßnahmen des Gothaer Reformators. Eher beiläufig schilderte Myconius selbst sein Werk in der von ihm in seinen letzten Lebensjahren verfassten Reformationsgeschichte. Unter der alleinigen Tätigkeit des aus Weimar stammenden, in Wittenberg studierten Schulmeisters Basilius Monner, dem späteren kurfürstlichen Rat und Prinzenerzieher, sei eine neue Schule im Augustinereremitenkloster eingerichtet worden, „als noch die Mönche in ihren Kutten darinnen waren, Anno 1524“.18 Die Rolle des Stadtrates war gering. Ihm oblag ‚nur‘ die Besoldung des Schulmeisters. Nach der Niederschlagung des Bauernkrieges um den Verbleib der Kirchenkleinodien befragt, schilderte er den kurfürstlichen Räten gegenüber die Belastungen durch kirchliche Ausgaben. Mit klagendem Unterton fand er dabei die folgenden Worte, welche die Gothaer Schulgründung mit der Pößnecker Entwicklung vergleichbar machen: „daruber thun wir Prediger vnd Schulmeister, des hiuor nicht not gewest, vngeuerlich mit hundert vnd dreissig guld von weg[en] gemeiner Stadt auch ierlich vorsold[en]“.19 Primäre Quellen über die Gothaer Gründung existieren aufgrund einer sehr lückenhaften Überlieferung nicht. Erst im Jahr 2011 wurde allerdings ein bemerkenswertes Schriftstück zu Tage gebracht, das ein neues und detaillierteres Licht auf die frühen Jahre der Reformation in Gotha wirft. 20 Es entstammt abermals der Feder des Reformators Myconius, wurde aber bereits im Jahr 1527 unter dem Eindruck einer drohenden Krise der Schule verfasst. Mit ihrer Einquartierung im Augustinereremitenkloster war Myconius entsprechend seinem in starkem Maße an Martin Luther orientierten Vorgehen dessen Vorschlägen, Klöster zu Schulen umzunutzen, gefolgt. Trotzdem war die Lösung eher provisorisch und genaugenommen widerrechtlich, da der Stadtrat kein Verfügungsrecht über das Kloster hatte. 1527 sah der Kurfürst sich somit in der Lage, der Stadt die Gebäude zu entziehen, um sie als Unterkunft der verbliebenen Mönche aus den niedergelegten Klöstern Reinhardsbrunn und Georgenthal zu nutzen. Um die drohende Schließung der Schule zu verhindern, verfasste Myconius das vorliegende Memorandum, in dem er dem Kurfürsten die Gründungsumstände 17 18 19 20

Vgl. MENIUS, Ein tröstliche Predigt, fol. Ciiiiv. MYCONIUS, Geschichte der Reformation, S. 49. LATh-StA Gotha, GA, XX VII, Nr. 1f, unfol. Vgl. für das Folgende KOCH, Wohin? (2011).

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und die frühe Entwicklung der Schule darlegte und um die Bewahrung derselben ersuchte. Bereits drei Jahre nach ihrer Gründung sei die Schule mit vier Schuldienern bestellt gewesen, was eine enorme Steigerung der Besoldungskosten nach sich ziehe. Der Rektor erhalte einen beachtlichen Sold von jährlich 55 fl, die übrigen Schuldiener in jeweiligen Abstufungen darunter 30 fl und 4 Malter Korn, 26 fl und 25 fl.21 Der bisherige Erhalt der neuen Schule sei somit sehr zu finanziellen Lasten des Stadtrates, der nach wie vor die Besoldung trage, erfolgt. Ein bereits 1523 erteiltes Versprechen zur Übertragung der Klostereinkünfte sei bislang nicht umgesetzt worden. Die mit der Einziehung der Klostergebäude beauftragten kurfürstlichen Beamten hätten dem Stadtrat nun die Verlegung der Schule in ein Haus nahebringen wollen, das Myconius als alt, wüst und verfallen beschrieb. Der Vorschlag der Beamten könne somit lediglich einer Idee des Satans entsprungen sein, der erkannt habe, so Myconius, „das zu Gotha die peste kynderschul iczt ist, als yn doringen seyn mag“.22 Der Reformator drängte den Kurfürsten, von seinem Ansinnen abzusehen und seine Aufmerksamkeit stattdessen der Schule und dem in ihr verrichteten heiligen Werk zu widmen. Die Mönche könne man hingegen, so äußerte er, im Wald unterbringen, wo sie keinen Schaden anrichten könnten, oder durch eine bauliche Veränderung des Klosters durch die Schaffung eines zweiten Eingangs räumlich von der Schule trennen.23 Dem Memorandum wurde von kurfürstlicher Seite nur wenig Beachtung geschenkt. Der Stadtrat musste noch mehrere Jahre auf die endgültige Übertragung der Klostergebäude warten.24 Die Schule blieb aber trotz der Einquartierung der Mönche im Kloster bestehen und sollte innerhalb kurzer Zeit eine bemerkenswerte Entwicklung erfahren. Angesichts dieses späteren Aufstiegs, aber auch der Bedeutung des Myconius für die thüringische Geschichte und seiner energischen Verbundenheit mit den lutherischen Lehren entsprechend, wurde die 1524 vorgenommene Neugründung von der Forschung stets als bedeutendstes schulisches Werk der Reformation in Thüringen und darüber hinaus betrachtet. Doch auch, wenn die hiesige Lateinschule innerhalb weniger Jahre – so zumindest die Selbstdarstellung des Myconius 25 – zu einer der besten Schulen des Landes erwuchs und in ihrer bemerkenswert raschen Entwicklung viele charakteristische Merkmale des reformatorischen Schulwesens vorwegnahm, sollten die 21 Vgl. ebd., S. 96. 22 Ebd., S. 97. 23 Der Passus wurde nachträglich von Myconius gestrichen und durch das Eingeständnis ersetzt, dass es auch wohlwollende Mönche gebe, die der Schule keinen Schaden zufügen wollten, vgl. KOCH, Wohin? (2011), S. 99. 24 Vgl. ebd., S. 93. 25 Spätere Urteile fällen freilich dasselbe Urteil und stellten Gotha mit ausgewählten weiteren Schulen, darunter die bedeutende Lateinschule von Magdeburg, auf eine Stufe der überregional herausragenden Patrikularschulen, vgl. GEHRT, Anfänge (2013), S. 14 f.

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Umstände ihrer Gründung nicht als singulär betrachtet werden, wie es bisher durch die Ermangelung an Vergleichsbeispielen geschehen ist. Allein die Altenburger Maßnahme von 1522, die den Grundstein für einen zwar deutlich langsameren, doch ebenfalls beispielhaften Aufstieg legte, sowie die skizzierte Entwicklung in Pößneck gliedern das Werk des Myconius in eine längere Reihe frühreformatorischer schulischer Maßnahmen ein, die in ihrer Gesamtheit betrachtet werden muss. Um das Bild fortzusetzen und zu ergänzen, sollen den drei bislang vorgestellten Fällen von Altenburg, Pößneck und Gotha weitere Beispiele zur Seite gestellt werden. Tatsächlich erfolgten die Wandlungen in den frühreformatorischen Schulen nicht immer in so gutem Einvernehmen zwischen Stadtrat und Pfarrer wie in Pößneck und Gotha. Andernorts resultierte die Entwicklung stattdessen wie in Altenburg aus den Konfrontationen eines anfänglich evangelisch gesonnenen Stadtrates mit einem katholischen Pfarrer. Das früheste Beispiel findet sich 1524 in Weimar. Das Weimarer Kirchenwesen war vor der Reformation durch die Patronatsgewalt des Deutschen Ordens geprägt, was die Schulbestellung mit einschloss. Der Stadtrat hatte, wie oben geschildert wurde, seit 1433 Ambitionen gezeigt, Einfluss auf die Schule zu gewinnen. Obwohl der Versuch zunächst erfolglos blieb und dem Stadtrat lediglich eine Autorität in wirtschaftlichen Fragen einbrachte, ermöglichten spätere Auseinandersetzungen in den 1450er und 1480er Jahren einen schrittweisen Ausbau der Kompetenzen bis hin zur gleichberechtigten Teilnahme des Stadtrates an der Schulbestellung. Das Jahr 1524 brachte aus seiner Sicht den endgültigen Abschluss der Entwicklung in der vollständigen Übertragung des Kirchen- und Schulpatronates. Die frühen Reformationsjahre in Weimar waren noch vor dem Tod Kurfürst Friedrichs des Weisen durch den hier residierenden Herzog Johann geprägt. Früh für die lutherischen Lehren eingenommen, führte er die Reformation gegen den Willen des Deutschen Ordens bereits vor 1525 in seiner Teilherrschaft und in Weimar ein. Im April 1524 trat Johann Grau die Predigerstelle an.26 Die Sympathie Johanns mit dem Luthertum erbrachte dem Stadtrat schließlich den nötigen Vorteil in den religiösen und kirchlichen Irrungen mit dem Deutschen Orden. Durch die Vermittlung seines Sohnes Johann Friedrich wurde am 24. August 1524 ein Vertrag zwischen dem Orden und dem Rat geschlossen, der den Orden zukünftig vollständig aus dem Kirchenwesen der Stadt ausschloss und unter anderem die Herausbildung eines reformatorischen Schulwesens anstieß.27 26 Vgl. HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 9. 27 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Kopialbuch A 6, fol. 219v–220v; MERTZ, Schulwesen (1902), S. 193; FRANCKE, Gymnasium (1916), S. 3 f.; ARNDT, Schule in Weimar (1925), S. 5; KRUMBHOLZ, Schulwesens (1934), S. 6 f.; KADELBACH, Gymnasium (1972), S. 165; MÄGDEFRAU/GRATZ, Reformation (1996), S. 81.

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Die Pfarre wurde mit sämtlichen Pfarrgütern samt allen Zinsen, Einkünften und dem Patronat über Pfarrei und Schule in die Verwaltung des Stadtrates übertragen. Im Gegenzug wurde er verpflichtet, Geistliche und einen Schulmeister anzustellen und zu besolden. Zu diesem Zweck wurde die Gründung eines Gemeinen Kastens angeordnet, aus dem der Schulmeister mit zwei Gesellen neben der Kost beim Pfarrer 30 fl erhalten sollte. Die personelle Entwicklung der frühen 1520er Jahre ist ebenso wie ein möglicher vorhergehender schulischer Niedergang nicht nachzuvollziehen, doch wurde bald nach der Übertragung des Schulpatronats im Jahr 1525 Georg Walter als erster namentlich bekannter Schulmeister – möglicherweise aber auch zunächst erst als Geselle – der reformatorischen Schule in sein Amt eingeführt.28 Es ist wahrscheinlich, dass es sich bei ihm um den am 13. Mai 1520 in Wittenberg immatrikulierten Georg Walter aus Fladungen in Franken handelte.29 Mit ihm begann das neue Schulamt sogleich in einer beachtlichen personellen Kontinuität. Er versah sein Amt trotz einer Berufung in das Pfarramt von Neunhofen 154430 bis in die 1550er Jahre. Die vollständige Schuldienerschaft ist erst zum Jahr 1532 zu ermitteln. In diesem Jahr dienten neben Georg Walter der Baccalaureus Matthias von Engenstein und der Kantor Jakob Renckwitz.31 Nur wenige Monate nach der Weimarer Patronatsübertragung zeichnete sich eine gleichgeartete Überlegung über das Kirchen- und Schulwesen von Schleusingen ab. Die hiesige Entwicklung muss als verhältnismäßig früh angesehen werden, da die hennebergische Grafschaft sich unter den thüringischen Herrschaften zuletzt, erst 1543/44, zur Reformation bekannte.32 Ein unbekannter, in den Kreisen des Stadtrates zu vermutender Verfasser reichte dem Grafen am 6. Mai 1525 einen Entwurf zur Umnutzung der Schleusinger Pfarrgüter und zur

28 1549 informierte er selbst, dass seine Amtszeit 24 Jahre währte, vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2210, fol. 4r. Rechnerisch kann seine Einstellung somit auf 1525 festgelegt worden, obgleich Herrmann seinen Amtsantritt erst in das Jahr 1528 legt, vgl. HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 133. Im Stadtbuch fand seine Einstellung weder 1525, noch 1528 einen Niederschlag. Sein letzter bekannter Vorgänger Johann Sneller, der das Schulamt 1523 angetreten hatte, tritt jedoch 1527 als Inhaber eines geistlichen Amtes in Erscheinung: Er wurde nach der Niederlegung der katholischen Messen vom Rat mit jährlich 24 fl versorgt. 1527 entschied der Stadtrat, ihm die Hälfte diese Versorgung zu entziehen und sie in den Gemeinen Kasten zu schlagen, vgl. StA Weimar, HA, I-1-50a, fol. 54r u. 114r. 29 Vgl. FÖRSTEMANN, Album (1841), S. 93. 30 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2210, fol. 1v. 31 Vgl. StA Weimar, HA, I-1-46, fol. 84v.  32 Zur hennebergischen Reformation vgl. HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 43; KÖHLER, Reformation (1971), S. 125 f.; NEBEL, Gräfin Elisabeth (1971), S. 133; HENNING, Henneberg-Schleusingen (1981), S. 179–182; MÖTSCH, Grafen von Henneberg (2013).

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Umstrukturierung des Kirchenwesens ein.33 Sämtliche Zinse und Einkünfte, die sich auf über 200 fl belaufen würden, sollten dem Johanniterorden entzogen und dem Stadtrat „als burger gut“ übertragen werden. Der Stadtrat habe sich bereits einverstanden erklärt, die Ländereien einem Verwalter gegen einen jährlichen Geldzins zu verpachten und aus den Einkünften das Kirchenwesen zu erhalten. Nicht nur die Ein- und Absetzung der Geistlichen, Kirchen- und Schuldiener, sondern auch deren Versorgung auf der genannten Grundlage würde dem Stadtrat anvertraut werden. Die Umsetzung in Form eines Gemeinen Kastens wurde zwar nicht explizit angesprochen, doch entsprach der Vorschlag somit dessen Prinzip. Neben vier Geistlichen für die Stadt und das Umland sollten ein Kirchner und ein Schulmeister eingestellt, mit einer freien Wohnung im Pfarrhof und einer festen Besoldung versorgt werden. Für den Schulmeister sollte sie 25 fl betragen. Der Vorschlag fand in der Stadt und den umliegenden Dörfern offenbar starken Wiederhall. Mehrere ähnliche Gesuche erreichten den Grafen, doch scheint dessen Festhalten am alten Glauben anders als in Weimar eine Umsetzung verhindert zu haben. Erst nach der Entscheidung des Grafen Georg Ernst von Henneberg-Schleusingen zur Reformation wurden der Johanniterkomturei in Schleusingen einige, aber selbst jetzt noch nicht alle Einkünfte zur Unterhaltung der ersten gräflich eingesetzten evangelischen Geistlichen entzogen.34 Die ablehnende Haltung des Grafen unter dem Eindruck des Bauernkrieges verhinderte jedoch nicht die eigenmächtige Bestellung der Schule mit evangelischen Schulmeistern durch den Schleusinger Stadtrat. Nach einem nur unter seinem Vornamen bekannten Magister Simon35 trat Franz Itges vermutlich 1532 oder bald darauf das Amt des Schulmeisters an.36 Der gebürtig aus dem Moselraum Stammende hatte seit dem 24. Juli 1527 in Wittenberg studiert und 1532 seine Magisterpromotion absolviert.37 In einem undatierten, aber bald nach Itges Promotion entstandenen Brief, der zudem auf ein gutes Einvernehmen zwischen beiden schließen lässt, gratulierte Philipp Melanchthon ihm zu seiner Berufung in das Schleusinger Schulamt und informierte gleichzeitig, dass unter seiner Vermittlung ein zweiter Schuldiener zur Verrichtung des grammatikalischen Ele33 34 35 36

Vgl. auch für die folgenden Zitate LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. II, Nr. 550, unfol. Vgl. MÖTSCH, Grafen von Henneberg (2013), S. 191 f. Vgl. LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. IV, Nr. 226, fol. 1v. Für Itges Namen kursieren verschiedene Schreibweisen. Die Wittenberger Matrikel führt ihn latinisiert als Itigius. Mit demselben Namen wurde er von Melanchthon angesprochen. Die moderne Edition des Briefwechsels Melanchthons leitete daraus die deutsche Version Ittig her. Er selbst unterzeichnete einen Brief hingegen mit der deutschen Form Itges, vgl. LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. IV, Nr. 226, fol. 4r. Letzterer Namensversion soll, da es sich dabei um eine Selbstbezeichnung handelt, der Vorzug gegeben werden. 37 Vgl. FÖRSTEMANN, Album (1841), S. 130.

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mentarunterrichtes hinzugezogen wurde.38 Die Schule wurde offenbar zuvor nur durch den Schulmeister allein versehen, was auch für Schleusingen einen personellen Rückgang unter dem frühreformatorischen Einfluss vermuten lässt. Die Bemühung um einen zweiten Schuldiener illustriert nun das Interesse des Stadtrates an einer neuerlichen Steigerung des städtischen Schulwesens. Durch die Entlastung Itges’ vom elementaren Unterricht sollte er seine Kapazitäten vollständig den höheren Inhalten widmen. Tatsächlich fand die Schule unter Itges Leitung auch einen schnellen Aufstieg, der den inzwischen selbst evangelischen Grafen noch zwei Jahrzehnte später, 1553, zu einem positiven Urteil veranlasste. Itges habe die Schule, so Georg Ernst, „durch emsigen trewen vleis in einen ansehenlich[en] beruff gedeien vnd aufnemen gebracht“.39 Ein zweites frühes, doch nur schlaglichtartig überliefertes Beispiel aus der hennebergischen Grafschaft betrifft die Stadt Suhl, doch spielte die Schule hier eine eher untergeordnete Rolle. Auch mag es zweifelhaft sein, ob das lutherische Bekenntnis für das Vorgehen des Suhler Stadtrates bereits eine größere Rolle gespielt hat. Anders als in Weimar oder Schleusingen erzielte er nicht die Umstrukturierung der kirchlichen Verhältnisse mitsamt der Übertragung der kirchlichen Verwaltung. Stattdessen strebte er lediglich die Bewahrung der alten Ordnung an, die weniger durch eine Glaubensauseinandersetzung als durch ein generelles Desinteresse und die Widersetzlichkeit des Pfarrers gefährdet war. Trotzdem fügt sich das Aufbegehren des Rates gegen den Pfarrer in die allgemeinen Ereignisse der Zeit ein, auch wenn die Hintergründe lediglich in einer persönlichen Abneigung gegen den einzelnen Pfarrer zu suchen sind. Seinen Anfang nahm der Konflikt bereits im Jahr 1523. Am 15. Juni wies der Graf Wilhelm IV. den Pfarrer Johann Schuttensamen und den Stadtrat zur rechtmäßigen Erfüllung ihrer gegenseitigen Pflichten an, unter denen sich neben der Verrichtung der Messen und Begängnisse durch den Pfarrer und die Zahlung der Präsenzien durch den Rat auch die gemeinsam einmütig vorzunehmende Bestellung der Schule befand.40 Der dadurch vermittelte Frieden bestand jedoch nicht lange. Am 24. März 1528 wandte sich der Stadtrat abermals, auf die vorhergehende Schlichtung Bezug nehmend an den Grafen und beklagten die verächtliche Haltung des Pfarrers. Neben verschiedenen wirtschaftlichen Aspekten und der 38 Vgl. Corpus Reformatorum 2, Nr. 1023, Sp. 556 f. In der modernen Edition des Briefwechsels Melanchthons wird der Brief die Nummer 9336 tragen. Die betreffenden Bände sowohl der Regesten als auch der Texte sind jedoch noch nicht erschienen. Lediglich das Regest steht online zur Verfügung, vgl. (auch zur Datierung der Promotion Itges und des Briefes) http://www.haw.uni-heidelberg.de/forschung/forschungsstellen/melanchthon/ mbw-online.de.html, letzter Aufruf 20.02.2017. 39 LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. IV, Nr. 226, fol. 2r. 40 Vgl. LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. IV, Nr. 59, fol. 23r–36r; abgedruckt bei KOCH, Kirchliches (1899).

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Vernachlässigung der Begängnisse durch den Pfarrer fand auch seine Beteiligung an der Schulbestellung abermals Erwähnung. Nach altem Herkommen werde ein Schulmeister durch den Rat ohne die Anwesenheit des Pfarrers gewählt und hernach durch diesen bestätigt. Er schenke dieser Pflicht jedoch wenig Aufmerksamkeit – „gelust es In So kumpt Er, wue nit So pleibt Er auß“. Im Gegenzug habe er sich die eigenständige Absetzung eines Schulmeisters angemaßt. Als er daraufhin vom Stadtrat auf die im Stadtbuch verzeichneten Bestimmungen – möglicherweise die gräfliche Schlichtungsurkunde von 1523 – verwiesen wurde, sei der Pfarrer auf unangemessene Weise ausfallend geworden: „Er kere sich nichts an vnnser stadtbuch, Er woll wol, mit vrlaub vor e. f. g. zureden vnd anzuzceigen, In vnser stadtbuch scheyssen“. Da der Stadtrat jedoch, so fuhr er fort, in keiner Weise geneigt sei, sein Recht derart verunglimpft zu sehen, erhebe er die vorliegende Klage beim Grafen.41 Eine Reaktion des Grafen und eine Fortsetzung des Streites ist ebenso wie die letztliche Reformation der Schule aufgrund der Quellenlage nicht ersichtlich. Deutlich detaillierter fand die frühreformatorische Vorgehensweise des Stadtrates von Schmölln gegen den dortigen Pfarrer ihren Niederschlag in den Quellen. Ein nicht sehr umfangreicher, doch über Monate ausgedehnter Briefwechsel mit dem Kurfürsten Johann dem Beständigen, dem Pfarrer Urban Meister und Georg Spalatin beleuchtet nicht allein den Niedergang und die Maßnahmen zur Wiederaufrichtung der Schule, sondern auch das Missfallen des Stadtrates an den kirchlichen Verhältnissen, insbesondere an den unverhältnismäßig hohen finanziellen Einkünften des Pfarrers und der Kirche angesichts der Größe der Stadt. Letztere gaben den Ausschlag für die Entscheidung des Stadtrates, dem Pfarrer eigenmächtig einen Teil seiner Einkünfte zu entziehen. Von diesem dafür beim Kurfürsten angezeigt, reagierte der Stadtrat am 7. April 1527 mit einem überraschend ironischen Brief an den Kurfürsten. Von einer finanziellen Einbuße des Pfarrers durch den Entzug einzelner Lehen könne, so der Rat, keine Rede sein, da der Pfarrer auch mit seinen übrigen Einkünften übermäßig reich werden könne, verfüge er doch nach seiner eigenen Auskunft über ein kolossales Einkommen von jährlich 550 fl. Gleichen Sinnes waren auch die Handwerkszünfte der Fleischer und Schuster, die mit dem Rat übereingekommen waren, das Geld „In besßere mildere wergk den Ins pffarhers vnnotturfftig abfertigung als In gemey[n] kast[en] vnd zu der schwel zu wenden“. Doch auch über diese beherzte Selbstbehauptung ging der Stadtrat noch hinaus. Der Pfarrer habe nicht allein durch seinen Reichtum das Missfallen der Bürger erregt. Der Stadtrat trachte daher nach einer Möglichkeit, sich seiner Person zu entledigen. Seinen Brief nutzte er zu der beinahe dreisten Bitte, der Kurfürst möge das Patronat der Pfarrstelle, das bislang vom Kloster Cronschwitz ausgeübt worden sei, auf den

41 Vgl. LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. IV, Nr. 59, fol. 45r–47r, beide Zitate fol. 46v.

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Rat übertragen. Im Gegenzug wolle er die Pfarr- und Predigerbehausungen auf eigene Kosten baulich instand halten.42 Der Kurfürst reagierte umgehend in einem Schreiben vom 10. April. Zwar stimmte er dem Rat hinsichtlich der unverhältnismäßigen Lebensführung des Pfarrers zu, schlug die Übertragung des Patronats jedoch aus. Der Pfarrer solle hingegen mit einem geringeren Einkommen Vorlieb nehmen und sich den Nutzen seines Verzichts vor Augen führen.43 Für mehrere Monate fand die Angelegenheit offenbar keine weitere Erwähnung. Erst am 7. September 1527 sah sich der Pfarrer Urban Meister nun seinerseits durch das Verhalten des Stadtrates zu einem Appell beim Kurfürsten veranlasst.44 Im Mittelpunkt seiner Klage stand die Bestellung der Schule durch den Rat. Dieser habe dem Pfarrer zwar, wie auch aus seinem Schreiben vom 7. April zitiert wurde, die Einkünfte vorgeblich zugunsten der Schule entzogen, kümmere sich jedoch nicht um eine ausreichende Versorgung derselben. Der Schulmeister, dem der Pfarrer zudem die Kostpräbende zu zahlen verpflichtet sei, war in den Augen des Pfarrers ungelehrt und halte keine Schule. Die Nachwirkungen eines frühreformatorischen Einbruches der Schmöllner Schule und einer provisorischen Bestellung durch den Rat können hinter diesen Worten vermutet werden. Daher ersuchte der Pfarrer beim Kurfürsten, er möge dafür sorgen, dass der Stadtrat sich seiner Pflichten besinne und die Schule mit gelehrten Schuldienern versehe, damit die Kinder zu einem späteren Dienst in Kirche, Staat und Stadt erzogen werden könnten. Die Argumentation Meisters über den Nutzen der Schulbildung entsprach dabei genau, fast wörtlich den oft wiederholten Worten Luthers und vermittelt den Eindruck, dass der Pfarrer sich – obgleich altgläubig – zumindest mit dessen schulischen Lehren identifizieren konnte oder wenigstens einen derartigen Anschein erwecken wollte. Tatsächlich scheint aber den Stadtrat zeitnah eine ähnliche Sorge bewegt zu haben. Ein vom Kurfürsten erwähntes Bittgesuch des Rates ist nicht überliefert. Es bleibt daher unklar, weshalb die entzogenen Pfarreinkünfte nicht wie angedacht der Schule gewidmet wurden. Mit einem Schreiben vom 25. September 1527 an Georg Spalatin reagierte der Kurfürst jedoch auf jenes Gesuch, mit dem der Rat ihn um Ratschläge zur ausreichenden Besoldung eines gelehrten Schulmeisters gebeten hatte. Der Altenburger Pfarrer und spätere Superintendent wurde angewiesen, Vertreter des Rates und der Gemeinde nach Altenburg zu bestellen und zu erkunden, „welchermasin den ir gemut eigentlich steet“.45 Spalatin solle 42 Vgl. LATh-StA Altenburg, Ministerium zu Altenburg, Abt. für Kultusangelegenheiten 1819, fol. 21r–22r, Zitat fol. 21v. 43 Vgl. ebd., fol. 23r–v. 44 Vgl. ebd., fol. 16r–v. 45 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg O 543, fol. 1r.

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sich einen Überblick über die kirchlichen Finanzen, insbesondere der Kalandsbruderschaft verschaffen und ein Konzept zur Finanzierung einer Schulmeisterstelle entwerfen. Die Umsetzung der Aufforderung zog sich abermals über Monate hin. Vom 15. März 1528 stammt Spalatins Antwort an den Kurfürsten. In erster Linie haben seine Untersuchungen ergeben, dass der Pfarrer Urban Meister „der schicklickeit vnd des verstants nicht sey dem gemeynen Folck mit vorkundigung Gottes worts vnd reichung des sacrament christlich vnd seliglich vorzusteen“. 46 Obwohl Meister Sympathien mit der lutherischen Lehre suggeriert hatte, betrachtete Spalatin ihn nach wie vor als Katholiken. Meister habe sich jedoch nach langwierigen Verhandlungen bereit erklärt, sein Amt niederzulegen. Er wolle sich – mit einer jährlichen Abfindung versehen – zukünftig um die Verwaltung des Hospitals kümmern. Spalatins Vorschlag lautete daraufhin, da die Stadt auch mit drei, statt wie bisher mit vier Geistlichen ausreichend versorgt sei, den Prediger die Nachfolge im Pfarramt antreten zu lassen und die Einkünfte der damit aufgelösten Prädikatur der Besoldung eines Schulmeisters zu widmen. In einem undatierten Schreiben willigte der Kurfürst in den Vorschlag ein und gestand dem nicht namentlich genannten Prediger eine Probezeit von einem halben Jahr im Pfarramt zu.47 Obgleich diese Entscheidung die Weichen für das Schmöllner Kirchen- und Schulwesen hätten stellen können, kam sie nicht zur Umsetzung. Es ist denkbar, dass der Prediger in dem ihm gewährten halben Jahr nicht von sich zu überzeugen wusste. Die erste Visitation, die im Dezember 1528 stattfand, beließ den Prediger M. Caspar Liecht sowie beide Kapläne Gregor Messerschmidt und Wolfgang Koler in ihren Ämtern48 und berief Johann Petermann zum Nachfolger Urban Meisters. 49 Letzterer wurde durch einen Vertrag am 17. Dezember mit einer beachtlichen Abfindung von 70 fl und einer freien Wohnung im Haus des Lehens Apostolorum des Amtes enthoben. 50 Die Besoldung des Schulmeisters blieb hingegen mit lediglich 20 fl hinter den vormaligen Aufbesserungsentwürfen weit zurück.51 Dieser Vorgriff auf die frühe Visitation benennt wie auch die bisher geschilderten Entwicklungen jenes Problem, das für die Situation des Schulwesens in den ersten reformatorischen Jahren symptomatisch war. Die finanziellen Möglichkeiten genügten nicht, ein den Ansprüchen entsprechendes Schulwesen aufzurichten, während dessen Einkünfte allein es offenbar nicht mehr trugen. 46 LATh-StA Altenburg, Ministerium zu Altenburg, Abt. für Kultusangelegenheiten 1819, fol. 25r. 47 Vgl. ebd., fol. 29r–v. 48 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1, fol. 16v. 49 Vgl. ebd., fol. 72v–73r. 50 Vgl. LATh-StA Altenburg, Wagners Collectaneen XV, Nr. 61, S. 153 f. 51 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1, fol. 329r; LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen II (1887), S. 49.

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Während die Stadträte in den genannten Fällen selbst versuchten, die Finanzierung des Schulwesens in die Hand zu nehmen, oder eigenmächtig eine Umverteilung der kirchlichen Finanzmittel vornahmen, wandten sich andere Städte hilfesuchend an die Landesherren. Am 20. Februar 1526 schrieb der Stadtrat von Rodach an den Kurfürsten und erbat, die Einkünfte des durch den Tod verledigten Frühmessnerlehens einbehalten zu dürfen. Sie sollten, so die explizite Vorstellung des Rates, den Knaben zur Erleichterung des Schulgeldes dienen.52 Die Schule liege, so der Rat in einem späteren Schreiben vom 20. März, bereits „lang Zceit In eldern“.53 Die Messen aus katholischer Zeit seien zwar bereits eingestellt worden, doch könne auch die neue evangelische Gottesdienstordnung ohne Schüler als Chor nicht ausgeführt werden. Die Wiederaufrichtung der Schule sei nötig, müsse jedoch durch die genannten Mittel ermöglicht werden. Ähnlich hatte der Stadtrat von Creuzburg bereits ein Jahr zuvor verfahren. Anders als im Rodacher Fall liegt hier allerdings die Reaktion des Kurfürsten vor, die das grundsätzliche Wohlwollen Johanns – vermutlich bereits vor den zur Visitation ausschlaggebenden Briefen Luthers von Oktober und November desselben Jahres – illustriert. Der Pfarrer von Creuzburg, der sich bereits zur Reformation bekannte, so informierte Johann den Schultheißen von Eisenach 1525, sei an ihn heran getreten und habe ihn überzeugt, „das zuvnterweysunge der Iugent einen schulmeister daselbst zuhaltenn dye Notturfft erfordern tut“.54 Da die dortige Kalandsbruderschaft sich im Niedergang befinde, beauftragte der Kurfürst den Schultheißen daher, sich deren Einkommens anzunehmen. Es betrage jährlich um die 25 fl und könne zumindest anteilig zur Unterhaltung eines Schulmeisters aufgewandt werden. Da das anlassgebende Schreiben des Pfarrers nicht überliefert ist, muss offenbleiben, inwieweit die Anweisung tatsächlich eine Maßnahme des Kurfürsten war. Eher lässt dessen genaue Kenntnis von den Einkünften der Bruderschaft eine entsprechende Mitteilung des Pfarrers vermuten. Wahrscheinlich stammt somit auch in Creuzburg die grundsätzliche Idee zur Umsetzung der finanziellen Aufbesserung der Schule vom Stadtrat oder dem Pfarrer selbst. Aufgrund der Quellenlage ist das Vorgehen der Stadträte respektive der Pfarrer nicht immer so deutlich nachweisbar, wie in den skizzierten Fällen. Wie in Altenburg betrifft dies insbesondere jene Städte, deren Schulwesen vor der Reformation in vollem Maße von den Kirchen oder den kirchlichen Institutionen getragen wurde. Trotzdem kann in einigen Fällen der Zeitpunkt der Gründung einer städtischen Schule – besser gesagt der Einstellung des ersten städtisch unterhaltenen Schulmeisters – verhältnismäßig genau festgelegt werden, da sie auf 52 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 171, fol. 1r. 53 Ebd., fol. 4r. Auch Sobotta konstatiert für die frühen Reformationsjahre eine Unterbrechung der Schultätigkeit, belegt dies jedoch nicht, vgl. SOBOTTA, Schulwesen (2005), S. 112. 54 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ll 111, fol. 1r.

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städtische Kosten erfolgte und somit in den Stadtrechnungen ihren Niederschlag fand. Drei Beispiele sollen dies verdeutlichen, die zudem den Blick ein weiteres Mal über die Grenzen des ernestinischen Kurfürstentums hinaus werfen. Im vorreformatorischen Zusammenhang ist anhand des Fehlens jeglicher schulischer Ausgaben in den Stadtrechnungen von Rudolstadt eine kirchliche Trägerschaft der dortigen Schule vermutet worden. Die kirchlichen Verhältnisse gestalteten sich hier in den späteren 1520er Jahren, vor der Einführung der Reformation in der schwarzburgischen Oberherrschaft, ähnlich wie in Weimar vor 1525. Der an der Regierung geringfügig beteiligte Sohn Graf Günthers XXXIX., Heinrich XXXII., residierte in Rudolstadt und sorgte gegen den Willen seines Vaters für erste reformatorische Maßnahmen in seiner Pflege.55 Dies erleichterte dem Stadtrat nicht nur die Übernahme des Schulpatronats, obgleich dies nicht wie in Weimar urkundlich erfasst werden kann. Darüber hinaus nahm der Graf für sich das Recht zur Auswahl eines Schulmeisters in Anspruch, das die Schwarzburger Grafen sich bereits in vorreformatorischer Zeit vorbehalten hatten. In der Stadtrechnung von 1529/30 findet sich erstmals die Ausgabe von 12 gr „dem naw[en] Schulmeister vff sein geding zu leickauff“, 56 welche die erstmalige Ausübung einer städtischen Schulbesetzung repräsentiert. Der gräflich ausgewählte und städtisch eingesetzte Schulmeister war Albert Drache, latinisiert Draco genannt.57 Unter seiner Leitung zeigte die Schule bei der ersten schwarzburgischen Visitation bereits ein humanistisches Gepräge. Draco, der zwar unerwähnt bleibt, aber noch im Amt war, unterrichtete nach der Grammatik Melanchthons und las mit den Schülern die Komödien des Terenz.58 Eine ähnliche Entwicklung erfuhr, nur ohne das Zutun des Grafen, die Schule von Stadtilm. Eine Auswertung der dortigen vorreformatorischen Stadtrechnungen hatte eine über Jahre konstante Schulbestellung durch drei Schuldiener unter dem Patronat des Klosters ergeben. Ab 1523/24 hatte sich eine Dezimierung der Schuldienerschaft abgezeichnet, die 1525/26 ihren Höhepunkt im alleinigen Wirken des Schulmeisters fand. Die durch diesen Niedergang der kirchlichen Schule entstandene Lücke nutzte der Stadtrat 1530 zur Ergreifung 55 Vgl. EINICKE, Reformationsgeschichte I (1904), S. 385, 389 u. 392; WAGNER, Rudolstadt (1999), S. 108; MICHEL, Sonderstellung (2010), S. 40. 56 LATh-StA Rudolstadt, Gemeinde- und Stadtrechnungen, Nr. 12402, unfol. 57 Vgl. MOELLER, Schule (1972), S. 253; WAGNER, Rudolstadt (1999), S. 95 u. 108 f. Moeller gibt für Draco eine Erfurter Herkunft an. Ein aus Erfurt stammender Albert Drache oder Draco ist jedoch in den Matrikeln zumindest der drei mitteldeutschen Universitäten nicht nachweisbar. Hingegen wurde 1527 ein Albertus Drach aus dem heute tschechischen Schlackenwerth (Ostrov) in Leipzig immatrikuliert, wo er im folgenden Jahr das Baccalaureat erwarb, vgl. ERLER, Matrikel (1895), S. 596; DERS., Promotionen (1897), S. 609. 58 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt 2983, fol. 11v; EINICKE, Reformationsgeschichte II (1909), S. 58; MOELLER, Schule (1972), S. 253.

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des schulischen Patronats. Die betreffende Stadtrechnung verzeichnet 8 gr für ein Stübchen Wein, „So man den Newen Schulmeister angenomen“.59 Wie in Rudolstadt verbirgt sich dahinter die erstmalige städtische Anstellung eines Schulmeisters ohne Beteiligung des Klosters. Die folgenden Stadtrechnungen gehen darüber noch hinaus. Die über Jahrzehnte konstant gebliebenen, testamentarisch gestifteten Begängnisse wurden zu Beginn der 1530er Jahre, noch vor der ersten schwarzburgischen Visitation, durch den Stadtrat niedergelegt und deren Einkünfte zur Besoldung der Schuldiener genutzt. Der Schulmeister und der Kirchner erhielten von jedem Testament je 3 ß 10 gr und ein Baccalaureus, der zur Unterstützung des Schulmeisters in den Wintermonaten hinzugezogen wurde, 2 ß 48 gr.60 Die albertinische Stadt Langensalza folgte diesen Beispielen zu einem unbekannten Zeitpunkt. Das frühreformatorische Schicksal der dortigen Stiftsschule bleibt unbekannt, doch bemächtigte sich der Stadtrat bis 1534, also ebenfalls noch vor der ersten Visitation im Herzogtum, der bislang vom Kloster versorgten Pfarrschule. Dies ging auch hier insbesondere mit einer vollständigen Besoldung des Schulmeisters durch den Stadtrat einher. Die Formulierung, mit der die Ausgabe in der Stadtrechnung kommentiert wurde, lässt dabei zwar offen, ob ein neuer Schulmeister eingestellt oder lediglich der vorherige durch den Stadtrat unterhalten wurde, doch lässt sie in ihren genauen Worten tatsächlich einen reformatorischen Hintergrund vermuten. Die Stadtrechnung von 1534 verzeichnete nach einer sechsjährigen Überlieferungslücke eine Besoldung für den Schulmeister von 10 fl „zu forderung der Ere gottes vnnd Kinder notdurftig vnterichtung“.61 Es versteht sich von selbst, dass diese eigenmächtige Schulbestellung von Seiten des Klosters als widerrechtlicher Eingriff betrachtet wurde. 1537 kam es zwischen dem Propst und dem städtischen Schulmeister zu einem Zerwürfnis. Der Stadtrat widmete sich der Klärung des Konflikts, doch endete er offenbar erst mit der Amtsniederlegung des Propstes. Zur Entschädigung zahlte der Rat dem Schulmeister 1 ß „des Irthumps halben als er mit dem forigen probst gehapt“.62 Neben den finanziellen Angelegenheiten, die von den Stadträten übernommen wurden, stand die personelle Frage der frühen Reformationsjahre. Dass die Neuordnung des Schulwesens vielerorts mit der Einstellung neuer und der evangelischen Lehre zugeneigter Schulmeister einherging, wurde bereits vielfach erwähnt, doch wird dies auch andernorts deutlich. Der Stadtrat von Eisenach habe sich, so schilderte Justus Menius die Situation bei seiner Ankunft, dem 59 LATh-StA Rudolstadt, Gemeinde- und Stadtrechnungen, Nr. 12609, fol. 100r. Vgl. auch EINICKE, Reformationsgeschichte I (1904), S. 398. 60 Vgl. EINICKE, Reformationsgeschichte II (1909), S. 150, Anm. 4; KLETTE, Beiträge (1923), S. 50. 61 StA Langensalza, R II, 23, fol. 142r. 62 StA Langensalza, R II, 26, fol. 159v.

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Kirchenwesen bereits angenommen, doch seien die Schulen in einem wüsten Zustand gewesen.63 Die undeutlichen personellen Verhältnisse können hier nur schwierig durchschaut werden, insbesondere weil die namentlich bekannten Schulmeister zumeist keiner Schule zugeordnet werden können.64 Der Magister Heinrich Scholl, der sein Schulamt offenbar bald nach seiner Promotion von 1520 noch ohne reformatorischen Hintergrund angetreten hatte, wurde nach Menius’ späteren Worten um 1530 seines Amtes enthoben.65 Er wirkte – angesichts der Befugnisse des Stadtrates über ihn – an der Pfarrschule von St. Georgen. 1524, also noch während Scholls Amtszeit, soll Jakob Strauß durch die Vermittlung Caspar Aquilas den späteren und noch heute bedeutenden Kirchenlied- und Fabeldichter Erasmus Alber zum Schulmeister nach Eisenach berufen haben.66 Er war am 19. Juni 1520 in Wittenberg immatrikuliert worden und dort mit den evangelischen Lehren in Berührung gekommen.67 Sein Schuldienst währte jedoch nur wenige Monate, bevor Alber die Stadt wieder verließ. Aus der Rückschau äußerte er selbst, dass Strauß seine Hoffnungen auf die Erfüllung des Evangeliums enttäuscht habe: „Da ich aber dar kam, fand ich eitel Schwermerey und ging mir gleich dem, der den Regen gedenkt zu entlaufen und fällt in ein tieffes Wasser.“ 68 Mit seinem Rücktritt fällt in etwa die rechnerisch ermittelte Amtseinführung des Johannes Preuss zusammen, sodass angenommen werden kann, dass er Albers Nachfolge antrat. Preuss stammte gebürtig aus Eisenach und war am 4. Mai 1518 in Wittenberg immatrikuliert worden.69 Durch ihn wurde eine personelle Kontinuität und Stabilität im reformatorischen Sinne ins Eisenacher Schulwesen eingeführt. 1535 beurteilten die Visitatoren seine Leistungen für das Eisenacher Kirchen- und Schulwesen in zehnjähriger Dienstzeit äußerst positiv. Er sei stets fleißig und arbeitsam gewesen und in seinem Lebenswandel wie seiner religiösen Lehre so gefestigt, dass er selbst einer Gemeinde als Pfarrer vorstehen 63 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1478, fol. 2r. 64 Die bisherige Forschung machte widersprüchliche Angaben, die zum Teil durch vereinzelte Quellenbelege widerlegt werden können. Insgesamt ist die Quellenlage zur frühen Reformationszeit in Eisenach jedoch rar. Vgl. FUNKHÄNEL, Beiträge I (1844), S. 18–28; MERTZ, Schulwesen (1902), S. 197; HERRMANN, Bartholomäus Rosinus (1937), S. 28; DERS., Kirchengeschichte II (1947), S. 132; HENNING, „Luthers Schule“ (1972), S. 73. 65 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1478, fol. 3r; KRAMM, Oberschichten (1981), S. 319. 66 Vgl. BIUNDO, Aquila (1963), S. 29; STEINHAUER, Erasmus Alberus (1995), S. 28. 67 Vgl. FÖRSTEMANN, Album (1841), S. 95. 68 Zitiert nach STEINHAUER, Erasmus Alberus (1995), S. 28. 69 Vgl. FÖRSTEMANN, Album (1841), S. 72. Martin Bauer identifiziert Preuss mit dem gleichnamigen Pfarrverweser der Sömmerdaer Pfarrei St. Bonifatii von 1527, vgl. BAUER, Theologen (1992), S. 253. Vgl. auch BOBLENZ, Reformation (2000), S. 186. Eine solche Identifizierung ist jedoch aufgrund der Überschneidung mit seinem Schuldienst unwahrscheinlich.

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könnte.70 Bereits zwei Jahre zuvor, 1533, waren die drei Pfarreien von den Visitatoren in der Kirche St. Georgen zu einer alleinige Stadtpfarrei vereint worden.71 Dieser kirchlichen Maßnahme war die Zusammenlegung der Schulen bereits vorausgegangen. Die Schule an St. Georgen war – möglicherweise durch die Visitation von 1528/29 – zur alleinigen Eisenacher Schule erhoben worden. Preuss blieb im Amt. Ein Zusammenhang der Schulzusammenlegung mit der Absetzung Heinrich Scholls und der Einsetzung Preuss’ als Schulmeister der neuen und nunmehr einzigen reformatorischen Schule kann vermutet, aufgrund der lückenhaften Quellenlage jedoch nicht belegt werden. Gleichermaßen rätselhaft gestaltete sich die frühe Entwicklung in Ronneburg. Dass hier bereits vor der Reformation eine Schule existierte, kann kaum bezweifelt werden, doch ist sie heute wie auch ihre Entwicklung in den 1520er Jahren kaum noch greifbar. Als Reformator der Stadt gilt Johann Voit, ein ehemaliger Franziskaner aus demselben Weimarer Kloster, dem auch Friedrich Myconius entstammte. Als Voit das Kloster verließ, wandte er sich schutzsuchend an Anargk von Wildenfels, dem die Pflege Ronneburg unterstand und der ihn vor 1528 als Pfarrer einsetzte.72 Etwa aus der gleichen Zeit stammt ein Schriftstück, das der Chronist Christian Löber 1722 in seiner Ronneburger Historie überlieferte, das allerdings nicht mehr im Original erhalten ist.73 Es betrifft die Niederlegung der katholischen Zeremonien, die Umstellung der Gottesdienstordnung, die Einführung eines Gemeinen Kastens und einzelne kleinere Aspekte des kirchlichen Lebens der Stadt wie widerrechtliche Eheschließungen, Ehebruch und weiteres mehr. Es kann als erste evangelische Kirchenordnung Ronneburgs betrachtet werden und markiert den Durchbruch der Reformation in der Stadt. Durch seine fehlende Datierung und die ungewisse Verfasserschaft gab es der Forschung jedoch Rätsel auf. Während Löber es der Feder Voits zuschrieb, hielt Sehling es für einen Erlass der ersten Ronneburger Visitatoren von 1528.74 Beide stellen es ausdrücklich erst in die Nachfolge der Visitation. Es sei ein Resultat der von den Visitatoren verordneten Reformationsmaßnahmen für die Stadt. Tatsächlich ist jedoch anhand des Inhalts kein Zusammenhang zu einer 70 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Rr S. 1–316, Nr. 1424, fol. 3v. 71 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 4.1, fol. 147r. 72 Obwohl Voits Biographie bereits durch Löbers Ronneburger Historien von 1722 korrekt wiedergegeben wurde, sind in der älteren Forschung die Biographien verschiedener gleichnamiger Personen vermischt worden, vgl. LÖBER, Ronneburg (1722), S. 243 f.; LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen II (1887), S. 219; DOBENECKER, Pflege Ronneburg (1899), S. 30. Erst Otto Clemen berichtigte die Verwirrung, zeichnete den Lebenslauf Voits nach und brachte erst damit fast zwei Jahrhunderte nach Löber die bis heute anerkannte Biographie Voits in die Forschung ein, vgl. CLEMEN, Johann Voit (1909), S. 440 f. 73 Vgl. LÖBER, Ronneburg (1722), S. 247–253. 74 Vgl. EKO I/2, S. 115–117.

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vorhergehenden Visitation auszumachen und auch die vermutete Verfasserschaft muss hinterfragt werden. Insbesondere spricht die in der Schrift genutzte erste Person – der Verfasser spricht von „unser pfarrmesse“ sowie von „unser eingepfarten gemein“75 – gegen eine Verfasserschaft der Visitatoren. Darüber hinaus lässt auch die Bezeichnung des Pfarrers in der dritten Person – so etwa als „ein erwelter selsorger“76 – und die über ihn getroffenen Anordnungen die eigenständige Urheberschaft Voits als unwahrscheinlich erscheinen. In ihrer Gesamtheit, die nicht allein kirchliche, sondern auch soziale, wirtschaftliche und Ordnungsmaßnahmen umfasst, scheint es sich bei der Schrift stattdessen eher um ein Produkt städtischen Ursprungs zu handeln. Es repräsentiert somit die vom Stadtrat eigenmächtig durchgesetzte und bemerkenswert detailliert ausgearbeitete Reformation der Ronneburger Kirche und Gesellschaft. Dies lässt schließlich auch den von Löber und Sehling vermuteten Entstehungszeitpunkt des Traktates als zweifelhaft erscheinen. Ob es bereits vor der Einsetzung Voits verfasst oder der Pfarrer bereits als geistliche Autorität zur Ausarbeitung herangezogen wurde, muss dahingestellt bleiben. Als sicher muss jedoch eine Entstehung vor der ersten Visitation von 1528 gelten. Dies kann insbesondere anhand der darin enthaltenen schulischen Forderungen belegt werden. Während – trotz der genutzten unbestimmten dritten Person – bereits von der Anwesenheit eines evangelischen Geistlichen ausgegangen wurde, genügte die schulische Situation nicht den Erwartungen des Verfassers. Im letzten Artikel forderte er, dass „ein fromer, zuchtiger, gelehrter schulmeister verordnet und gesetzt werden [solle], als einem hochnotigem ambt die jugend in zucht, lere aufzuziehen“.77 Der Schulmeister solle der Aufsicht des Pfarrers unterstehen und von ihm wie aus dem in derselben Schrift geforderten Gemeinen Kasten versorgt werden. Die Höhe einer Besoldung wurde nicht spezifiziert, doch findet sich schließlich auch hier die vollständige Entlastung der Bürger vom bisher üblichen Schulgeld. Der Schulmeister solle von den Schülern nichts zu fordern haben. Wollten die Eltern ihm etwas geben, solle es aus freiem Willen und nicht aus Zwang erfolgen. Auch hier scheint der Unwille der Bürger über das Schulgeld als die maßgebliche Hürde der frühen Reformationszeit betrachtet worden zu sein. Die verhältnismäßig geringe Beachtung der Ronneburger Schule im Zuge der ersten Visitation von 1528/29 belegt schließlich die vorherige Umsetzung der damit ausgesprochenen Forderung. Während die Formulierung des Traktats selbst auf die Vakanz des Schulamtes schließen ließ, fanden die Visitatoren Ambrosius Wayner, einen der wenigen überhaupt namentlich ge-

75 Beide Zitate nach EKO I/2, S. 115 u. 116. 76 Ebd., S. 117. 77 Ebd., S. 117.

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nannten Schulmeister, vor, der von ihnen verhört und als „ziemlich befunden“78 wurde. Am Rande sei zuletzt auf eine Anekdote der Schulgeschichte von Meiningen verwiesen. Die dortige Schule scheint sich bereits vor der offiziellen Einführung der hennebergischen Reformation unter dem Schulmeister Georg Zeiß, der aus Meiningen stammte und seit 1537 die Erfurter Universität besucht hatte,79 selbst der lutherischen Lehre angeschlossen zu haben. Dies äußerte sich, als 1543 der Pfarrer von Obermaßfeld, Valentin May, nach Meiningen kam und das Sonntagsevangelium im evangelischen Geiste predigen wollte. Seine Messe erfolgte in aller Stille, ohne den Gesang der Schüler. Um ein solch stilles und in den Augen der Bürger spottwürdiges Auftreten in Zukunft zu verhindern, erbot sich der Schulmeister, mit seinen Schülern die Messen mit deutschem Gesang zu untermalen. Einer solchen Praxis stehe nichts im Wege, da die Schüler, so die Aussage des Schulmeisters, bereits alle über das deutsche Gesangbuch Martin Luthers verfügen würden.80 Der Schulmeister scheint die lutherische Musik und somit ein evangelisches Element in die Schule eingeführt zu haben. Der Anteil des Stadtrates an dieser Entscheidung kann jedoch nicht beurteilt werden. Die damit skizzierten Entwicklungen bilden mitunter deutliche Zäsuren der Schulgeschichte. Die entscheidenden Umbrüche auf dem Wege zu einem evangelischen Kirchenwesen, sei es in personeller, wirtschaftlicher oder organisatorischer Hinsicht, fanden nicht allein in den Kirchen, sondern gleichermaßen in den Schulen statt. Zweifellos können ähnliche Wandlungen auch für weitere Orte angenommen werden, doch treten sie dort nicht in diesem Maße in den Vordergrund. Das Schulwesen von Stadtroda und Bürgel konnte, wie es oben bereits erwähnt wurde, durch die Übertragung der Unterrichtstätigkeit auf den Stadtschreiber aufrechterhalten werden, während es andernorts trotz mitunter heftiger frühreformatorischer Auseinandersetzungen gar nicht in Erscheinung tritt. Die Nähe der kleinen Stadt Lucka zu Altenburg ermöglichte ein sozusagen hautnahes Erleben der dortigen heftigen Reformationskonflikte. Wie selbstverständlich wurde auch sie in die Irrungen mit hineingezogen.81 Die Pfarrei Lucka war zusammen mit weiteren Orten – darunter die Stadt Ziegenrück – im Jahr 1413 dem Altenburger Georgenstift inkorporiert und zinspflichtig gemacht worden.82 Dies 78 79 80 81

LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2, fol. 319v. Vgl. WEISSENBORN, Acten II (1884), S. 347. Vgl. HUMAN, Reformation (1917), S. 50; GERSTENHAUER, Bernhardinum (1972), S. 209. Die spärliche mit Lucka verbundene Forschung konzentriert sich zumeist auf die dortige Schlacht von 1307. Darüber hinaus geht fast ausschließlich eine bescheidene Festschrift zur 650-Jahrfeier der Stadt. Darin wird zwar der frühe Beginn der Reformation in der Stadt konstatiert, doch widmet Kötteritzsch ihr insgesamt lediglich vier Zeilen, vgl. KÖTTERITZSCH, Lucka (1957), S. 27. 82 Vgl. UB Altenburg II (Manuskript), 18. Juni 1413.

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hatte bereits zwei Jahrzehnte danach zum Widerstand eines Luckaer Pfarrers geführt, der Anfang 1434 durch eine Senkung der Zinsforderung beigelegt wurde.83 Die reformatorischen Wirren, die nun seit 1521 in Altenburg herrschten, nutzte der Luckaer Pfarrer Johannes Engelhardt abermals, um die Zinszahlungen, die eine Höhe von jährlich 5 ß umfassten, einzustellen. Der Propst wandte sich daher am 9. November 1522 brieflich an den Kurfürsten und erhob die Klage über Engelhardt. 84 Sein Schreiben markiert den Beginn eines umfangreichen, über Monate andauernden Briefwechsels zwischen dem Stift, dem Kurfürsten und dem Pfarrer, der letztlich am 3. März 1523 mit einem anteiligen Schuldenerlass und einer neuerlichen Halbierung der Zinsen beendet wurde.85 So ausführlich dieser Briefwechsel auch die frühe Reformationsgeschichte der Kleinstadt beleuchtet, bleibt doch die Schule darin unerwähnt. Mit nicht minderer Ausführlichkeit lässt sich die kirchliche Umgestaltung nachverfolgen, die der Stadtrat von Weida trotz eines nur zögerlichen Bekenntnisses zusammen mit dem evangelischen Prediger Johann Gülden in bemerkenswerter Eigenmächtigkeit gegen den Willen des Klosters vornahm. 86 Die Überlieferung beginnt hier mit einem Klageschreiben der Priorin an den Kurfürsten vom 2. März 1525. Gülden und seine Anhänger, so ihre Worte, „vnttersthenen sich Eyn Newe ordenu[ng] zw machen“. 87 Trotz ihres Protestes wurde nach langwierigen Reibereien das Patronat der Pfarrkirche St. Peter am 19. März 1526 vom Kloster auf den Stadtrat übertragen, der daraufhin Gülden als Pfarrer einsetzte.88 Im September desselben Jahres erklärte sich schließlich auch der altgläubige Pfarrer von St. Marien gegen eine einmalige Abfindung von 130 fl zum Rücktritt bereit. Die Folge der Abdankung war noch im selben Jahr die vom Stadtrat bewirkte Zusammenlegungen beider Pfarreien zu einer alleinigen in der Kirche des Franziskanerklosters. 89 Eine Involvierung des städtischen Schulwesens in diese Entwicklung scheint zwar selbstverständlich, doch findet die Schule nur einmalig und sehr nebensächlich Erwähnung. In dem Vertrag vom 19. März 1526 wurde die Fortsetzung der Versorgung des Kantors im Kloster festgeschrieben. Darüber hinaus blieb die Schule unberücksichtigt. Erst von der ersten Visitation von 1527 wurde von Weida ausgehend für das gesamte Kurfürstentum mit den bereits oben zitierten Worten die Wiederaufrichtung der 83 84 85 86

Vgl. LATh-StA Altenburg, Regest der Urkunde vom 3. Januar 1434. Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4251, fol. 114r. Vgl. ebd., fol. 145r–v. Ausführlich zur Weidaer Kirchengeschichte vgl. HERRMANN, Kirchenkunde (1933–35); DERS., Kirchen-Geschichte (1934) hier S. 68–71; DERS., Nachtrag (1936–37). 87 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Kk 1462, fol. 1r–v, Zitat fol. 1r. 88 Vgl. ebd., fol. 11r–13r, fol. 9r. 89 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 175, fol. 1r–2r; HERRMANN, Kirchenkunde (1933– 35), S. 363.

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Schulen beschlossen. Da Weida in diesem Jahr die erste visitierte Stadt war, können diese Worte zweifellos schon in Bezug auf die schlechte Verfassung des Weidaer Schulwesens verstanden werden. Auf ähnliche Weise wie in dem oben skizzierten Weimarer Fall fiel das Kirchenpatronat an den Stadtrat von Jena. Von Seiten des Rates wurde dem Herzog Johann am 28. Oktober 1524 der Vorschlag überbracht, die Bestellung der Pfarrei vom Kloster auf den Stadtrat zu übertragen.90 Die Umsetzung des Vorschlags folgte jedoch erst am 7. Dezember 1525, abermals durch die Vermittlung Johann Friedrichs. 91 Die Vorgehensweise und auch die Vermittlung des Kurprinzen ähneln dem Weimarer Beispiel des Vorjahres, mit der Ausnahme, dass in Jena das Schulwesen keine Erwähnung erfuhr. Der Grund für die vermeintliche Vernachlässigung ist darin zu suchen, dass das Schulwesen bereits zuvor in der festen Hand des Stadtrates lag und eine Bewahrung der schulischen Aktivität somit selbstverständlich gewesen sein dürfte. Durch das Fehlen ergänzender Quellen können jedoch weder die Notwendigkeit noch die entsprechenden Maßnahmen des Jenaer Rates benannt werden.

6.2. Ergebnisse und Maßnahmen der frühen Visitationen am Beispiel des ernestinischen Kurfürstentums Durch die skizzierten Eingriffe konnten die nachteiligen Auswirkungen der frühen Reformation mancherorts wenigstens gemindert werden. Die Initiative einiger Stadträte und Pfarrer darf allerdings nicht darüber hinweg täuschen, dass sich das Schulwesen in den Jahren um 1530 in einer Krise befand.92 Der Blick über die wenigen genannten Beispiele hinaus auf die dichte thüringische Städtelandschaft vermag ab den 1520er Jahren die Umstände für eine größere Region zu illustrieren. Ermöglicht wird er durch die in dieser Zeit neu entstehende Quellengattung der Visitationsprotokolle. Ihre Bedeutung für die Beurteilung der schulischen Situation in der frühen Reformationszeit und auch im weiteren Verlauf des Jahrhunderts kann kaum überschätzt werden. Ab 1527 und endgültig ab 1528/29 mit geringer werdenden Lücken überliefert, ermöglichen sie – angefangen im ernestinischen Kurfürstentum – erstmals einen Überblick über das 90 Vgl. UB Jena II, Nr. 1286, S. 484 f. 91 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Kopialbuch A 6, fol. 24r–241v. 92 Zur Beurteilung der Lage der Schulen anhand der Visitationen vgl. auch SCHERFFIG, Friedrich Mekum (1909), S. 79; WITZMANN, Reformation (1917), S. 81; HELMREICH, Religionsunterricht (1966), S. 29; STEMPEL, Melanchthons Wirken (1979), S. 90; MÜLLER, Melanchthon (1984), S. 102, Anm. 34; WOLLERSHEIM, Organisation (1997), S. 71–73; SCHULZ, Spalatin (2014), S. 75 u. 77.

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Schulnetz der jeweiligen Territorien. Das Urteil der Visitatoren war dabei in den 1520er und 1530er Jahren durchweg verhalten und vielerorts alarmierend. Die Worte des Myconius, der schon 1526 dringend empfahl, die Schulen wieder aufzurichten, sowie die gleichgearteten Äußerungen der ihm nachfolgenden Visitatoren wurden oben bereits zitiert. Am eindrücklichsten bleiben jedoch die Worte Anton Musas, der 1529 über die Schulen urteilte, sie seien „nichts dan eytel kynderwergk“.93 Angesichts derartiger Urteile wurden die Visitatoren mit weitgehenden Vollmachten ausgestattet. Eine zentrale Bedeutung der Visitationen und der dabei entstandenen Protokolle muss in diesem Zusammenhang hervorgehoben werden. Die Visitatoren fungierten als verlängerter Arm des Landesherrn, ihr Vorgehen war obrigkeitlich sanktioniert und ihre mit vorheriger Rücksprache getroffenen Entscheidungen bildeten die Umsetzung der landesherrlichen Politik. Die von ihnen angefertigten Protokolle enthalten die ersten obrigkeitlichen Eingriffe in die schulische Organisation auf der Ebene des Territoriums. Entsprechend der fortschreitenden räumlichen Ausdehnung des Visitationswerkes präsentieren sie somit mehr oder weniger flächendeckend mit lokalem Fokus die Herausbildung und die fortschreitende Entwicklung eines ‚reformatorischen‘ Schulwesens. Angestrebt wurde die Einführung einer gemeinsamen organisatorischen Grundlage und einheitlicher Strukturen. Der Anstieg der Ausführlichkeit der Protokolle im Laufe der Jahre verdeutlicht dabei die allmähliche Etablierung und die wachsende Routine. Es soll im Folgenden anhand der thüringischen Gebiete des ernestinischen Kurfürstentums, das maßgeblich an der Entstehung des Visitationswesens beteiligt war und für die übrigen Herrschaften die vorbildgebende Rolle spielte, skizziert werden, auf welche Weise die oben dargelegte, anfängliche obrigkeitliche Initiative durch das Wirken der Visitatoren vor Ort umgesetzt und die Entwicklung des Schulwesens in eine neue Richtung gelenkt wurde. Die erste größere Visitation in Thüringen im Jahr 1527 blieb räumlich noch sehr begrenzt. Sie fand im östlichen Thüringen im Raum zwischen Gräfenthal, Ziegenrück, Jena, Eisenberg, Weida und Altenburg statt und verfolgte – wie bereits die vorhergehenden Versuche in den Ämtern Borna und Tenneberg – insbesondere die Begutachtung und gegebenenfalls die Umstrukturierung der personellen Verhältnisse der Pfarreien.94 Die Berücksichtigung der schulischen Umstände war dahinter zunächst zweitrangig. Protokolle liegen für diese erste Visitation noch keine vor, lediglich zwei Briefe der Visitatoren Philipp Melanchthon, Hans von der Planitz und Asmus von Haubitz an den Kurfürsten vom 93 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg O 544, fol. 26r. 94 Vgl. HERRMANN, Kirchenvisitationen I (1929–1931), S. 194–202 u. 205; BAUER, Reformation und Territorialstaat (1994), S. 53 f.

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29. Juli95 und vom 13. August 152796 informieren über ihr Vorgehen, die Ergebnisse und die Maßnahmen. So begrenzt die Instruktion hinsichtlich des Schulwesens auch war, konnte sie doch von den spärlichen Maßnahmen nicht gänzlich umgesetzt werden. Schlichtweg verhinderte ein Mangel an Möglichkeiten eingehendere organisatorische Eingriffe.97 Die Situation, in der sich das Schulwesen befand, machte in erster Linie die bloße Ermöglichung eines Unterrichtswesens durch die Schaffung einer finanziellen Basis der Schule und insbesondere des Schulamtes erforderlich. 98 Die schulischen Anordnungen der Visitatoren beschränkten sich ausschließlich auf diesen Aspekt, wodurch der anhand einzelner Orte skizzierte Rückgang der einstigen schuleigenen Einkünfte endgültig als weitverbreitetes Phänomen offenbar wird. Entgegen der in der Visitationsinstruktion erteilten Richtlinien wurden – anders als bei den Pfarreien – keine personellen Entscheidungen hinsichtlich des Schulwesens getroffen. Die Instruktion hatte zwar eine ausreichende Versorgung von Kirche und Schule mit gelehrtem Personal vorausgesetzt, doch konnte dieses Ziel bereits bei den Pfarreien kaum erreicht werden. Eine ausreichende personelle Bestellung der Schulen musste daher zunächst durch die Verordnung einer Besoldung ermöglicht werden. Infolgedessen drängten die Visitatoren in allen Städten auf die Einrichtung oder die eingehendere Ordnung und zielgerichtete Nutzbarmachung Gemeiner Kästen. Mancherorts waren die Stadträte dem bereits vor der Visitation zuvorgekommen. Wurde dies für Altenburg und Pößneck bereits dargelegt, bescheinigten die Visitatoren insbesondere dem Jenaer Stadtrat ein außergewöhnliches Engagement bei der Grundlegung des evangelischen Kirchenwesens, darunter der Aufrichtung eines Gemeinen Kastens.99 Ergänzende Quellen bestätigen das Urteil. Die Einrichtung des Gemeinen Kastens lässt sich im Jenaer Stadtbuch ab 1525 vielfach nachvollziehen. Über mehrere Jahre wurden darin die Maßnahmen zur Sicherung verschiedener geistlicher Zinse aus Bruderschaften oder Vikarien verzeichnet, die nicht selten mit dem Zwang des Stadtrates einhergingen. Kastenmeister wurden erstmals 1528 in den Ratslisten aufgeführt. Sie setzten sich aus drei Ratsmitgliedern sowie jeweils einem Ausgewählten aus der Gemeinde und dem Handwerk zusammen.100 Zu keiner Zeit fand jedoch die Verwendung des 95 96 97 98 99

Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Ii 522, fol. 18v–30r; MBW, T 3, Nr. 567, S. 105–120. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 198, fol. 5r–13v; MBW, T 3, Nr. 574, S. 130–137. Vgl. HERRMANN, Kirchenvisitationen I (1929–1931), S. 208. So auch SOBOTTA, Schulwesen (2005), S. 115. „Wir haben auch noch an keinem ort den vleys mit aufrichtu[n]g eyns gemeinen Kastens vnd der Ceremonien befunden als zu Jhen daran wir ein sonderlichs guts gefallen hetten“, vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 198, fol. 8v–9r; MBW, T 3, Nr. 574, S. 134. 100 Vgl. StA Jena, C III-4, Bd. 1, fol. 120r–v; fol. 123r; fol. 129r; fol. 140r; fol. 156v; fol. 179r; fol. 187v; fol. 188v–189v; fol. 193r–194r; fol. 199v; fol. 202r–v.

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eingezogenen Geldes eine Regelung oder auch nur eine Erwähnung. Durch die Visitatoren wurde dem Schulmeister nun eine Besoldung von jährlich 25 fl aus dem Gemeinen Kasten angewiesen. 101 Weitere Schuldiener wurden nicht berücksichtigt. Erst im folgenden Jahr tritt mit einem Schulmeister und einem Baccalaureus die gesamte personelle Besetzung zu Tage,102 wodurch auch für diese einst herausragende Schule die personellen Einbußen seit dem Beginn der Reformation verdeutlicht werden. Es ist sogar anzunehmen, dass der Baccalaureus erst kurz vor der folgenden Visitation eingesetzt worden ist, da Anton Musa 1529 seine und des Stadtrates fast vergebliche Mühen bei der Suche nach einem zweiten Schuldiener schilderte.103 Die 1527 verordnete Jenaer Schulmeisterbesoldung kann, wie die Kürzung der Saalfelder Besoldung durch deren Übertragung auf den Gemeinen Kasten, als charakteristisch für die unzureichende finanzielle Lage der jungen Gemeinen Kästen angesehen werden. So gering der Wert der 1527 verordneten Besoldung in Saalfeld (20 fl) und besonders in Jena im Vergleich zu den vorreformatorischen Bezügen auch gewesen sein mag, stellen sie doch – unter den 1527 visitierten Städten – die höchsten Beträge dar. Die genannten Rechenschaftsberichte der Visitatoren zeugen allerorten von der akuten finanziellen Not, in der sich das Kirchen- und Schulwesen in jener Zeit des Umbruches befand. Mehreren Gemeinen Kästen wurde ausdrücklich ein geringes Einkommen bescheinigt. Jenes von Eisenberg „erstregk sich nicht mehr dan vff xxvii fl“.104 Gleichermaßen habe die Pfarrei von Gräfenthal ein Einkommen von gerade einmal 16 a ß und darüber weder nutzbare Land- noch Ackerflächen. Das übrige habe das Kloster von Saalfeld eingezogen.105 Den geringen Möglichkeiten entsprach letztlich das Vorgehen der Visitatoren bei der Verordnung der Besoldungen. Während den Schulmeistern von Kahla, 106 Ziegenrück, 107 Pößneck, 108 Stadtroda 109 und Neustadt a. d. O.110 jeweils 20 a ß zugewiesen wurden, mussten in Eisenberg 12 a ß111 101 102 103 104 105 106 107 108 109

110 111

Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 198, fol. 8v; MBW, T 3, Nr. 574, S. 134. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 3, fol. 182r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg O 544, fol. 9v. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 198, fol. 11r; LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen I (1886), S. 39. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 522, fol. 30r; MBW, T 3, Nr. 567, S. 120. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 198, fol. 7r; MBW, T 3, Nr. 574, S. 132 f. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 522, fol. 28v; MBW, T 3, Nr. 567, S. 118. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 522, fol. 28r; MBW, T 3, Nr. 567, S. 117. Dem hiesigen Stadtschreiber, der die Schule hielt, wurden zu seinem Schreiblohn von 4 a ß vom Rat weitere 16 a ß aus dem Gemeinen Kasten hinzuverordnet, vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 198, fol. 7v; MBW, T 3, Nr. 574, S. 133. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 522, fol. 23v; MBW, T 3, Nr. 567, S. 113. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 198, fol. 11r; MBW, T 3, Nr. 574, S. 135.

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und in Gräfenthal 112 wie auch in Triptis 113 je 10 a ß genügen. In Auma und Orlamünde wurden offenbar keine Besoldungsverordnungen vorgenommen. Um die mangelhaften Möglichkeiten der Gemeinen Kästen nicht überzustrapazieren, richteten die Visitatoren ihre Aufmerksamkeit neben der Verordnung fester Besoldungen auf den Erhalt vormaliger Einkünfte und Versorgungsmöglichkeiten. So sollten in Bürgel114 und Eisenberg115 die Klöster, die den Schuldienern bereits in vorreformatorischer Zeit eine Präbende gereicht hatten, auch weiterhin zu einer Fortsetzung dieser Beteiligung verpflichtet werden. In Bürgel, wo das Kloster bereits vor der Visitation in kurfürstliche Hände übertragen worden war, wurde nun auch eine kurfürstliche Ausgleichszahlung von 10 fl in Aussicht gestellt. Die feste Besoldung, die dem Schulmeister aus dem Gemeinen Kasten gezahlt werden sollte, betrug darüber hinaus lediglich 8 a ß. Die Herangehensweise änderte sich 1528/29, als man mit dem Unterricht der Visitatoren endlich über eine theoretische Grundlage verfügte. Das daran orientierte Vorgehen fand bereits in der Anfertigung tatsächlicher Visitationsprotokolle seinen Ausdruck. Sie ermöglichten eine detailliertere Berichterstattung sowie eine zukünftige Anlehnung an vormalige Anordnungen. Die ausgereiftere Organisation ließ zudem einen stärkeren Fokus auf die in der ersten Instruktion geforderte Einrichtung und Bestellung der Schulen zu, der von den Visitatoren der Pflege Coburg mit wenigen Worten umrissen und auf den Punkt gebracht wurde. Demnach sollte begutachtet werden, „[o]b Die Stat auch dorffer dye schuln haltenn mit schulmeyster vnd derselben gehorigenn personn der Schullnhalbenn nottrufftig [!] bestelt vnnd versorget sey, vnnd Nemlich der leer lebens vnnd gepürlichs empssig vleis halben“.116 Neben einer eingehenderen Ermittlung und einer Aufbesserung seiner wirtschaftlichen Grundlage stellte das Schulmeisteramt somit selbst einen größeren Schwerpunkt dar. Konnte für einzelne Städte bereits für die vorreformatorische Zeit die Verknüpfung des Schulamtes mit weiteren städtischen oder kirchlichen Diensten herausgestellt werden, informieren die Protokolle nun erstmals für eine größere Region über diese personellen Verhältnisse, gleichzeitig aber auch über die Lücken, welche die Reformation in das einstmals eng geknüpfte städtische Schulnetz geschlagen hatte (Karte 2).

112 113 114 115 116

Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 522, fol. 30r; MBW, T 3, Nr. 567, S. 120. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 522, fol. 26v; MBW, T 3, Nr. 567, S. 116. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 198, fol. 9v; MBW, T 3, Nr. 574, S. 134 f. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 198, fol. 10v; MBW, T 3, Nr. 574, S. 135. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1a, fol. 4r–v.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

Karte 2: Die personelle Organisation der Schulen zur Zeit der ernestinischen Visitation 1528/29.

‚REFORMATORISCHES SCHULWESEN‘ IN THÜRINGISCHEN STÄDTEN

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Innerhalb der heutigen thüringischen Grenzen – und in der Pflege Coburg etwas darüber hinaus – sind aus drei Visitationskreisen 117 die Protokolle von insgesamt 32 Städten überliefert. Unter diesen wirkten in nur 12 Städten hauptamtliche Schulmeister, während in fünf Städten die Schule vom Kirchner gehalten wurde. In weiteren drei Städten war der Stadtschreiber zugleich Schulmeister und in abermals drei Städten lagen selbst alle drei Ämter in einer Hand vereint.118 Der Vergleich mit den oben skizzierten vorreformatorischen Verhältnissen belegt freilich, dass Ämterverbindungen nicht zwangsläufig auf einen frühreformatorischen Einbruch zurückzuführen sind, doch wird mancherorts tatsächlich deutlich, dass es sich bei einer derartigen Schulbestellung um provisorisch ergriffene Maßnahmen zur notdürftigen Aufrechterhaltung des Schulwesens handelte. So hatte der Stadtrat von Bürgel den Stadtschreiber zur Aufrechterhaltung der Schule eingesetzt, nachdem dem Schulmeister die einstige Versorgung aus dem Kloster entzogen worden war. In Stadtroda war bereits 1527 von beiden vorreformatorischen Pfarrschulen keine Spur mehr vorhanden gewesen. Der Niedergang des Klosters hatte zu ihrer vollständigen Auflösung geführt, die der Stadtrat ebenfalls durch die Einsetzung des Stadtschreibers als Schulmeister notdürftig auszugleichen versucht hatte.119 Die Visitatoren von 1528/29 nutzten die Gelegenheit, um nun, nachdem bereits im September 1528 die Pfarreien vereint worden waren,120 auch die einstigen Schulen zusammenzulegen. Sie ordneten an, dass man statt der zwei Pfarrschulen „hinfurder nicht mer den[n] eyn schul bey vnser Lieben Frawen Kyrchen halten soll, In ansehung das der ende ein schul eben genugsam, vnd vil nur zu vnrichtickeit dienstlich“121 sei. Wie es bereits anhand des Altenburger Beispiels 117 Meißen-Vogtland, Thüringer Saalekreis und Ortsland Franken. 118 Es muss betont werden, dass die damit wiedergegebenen und in der Karte dargestellten Verhältnisse den Informationen der Visitationsprotokolle entnommen sind. Sie müssen somit nicht zwangsläufig der tatsächlichen Realität entsprechen. Die Angaben in den Visitationsprotokollen sind nach wie vor lückenhaft, sodass mit einigen Abweichungen durchaus zu rechnen ist. Als Beispiel sei hier lediglich auf die Verhältnisse in Bürgel hingewiesen. Hier versah der Stadtschreiber den Schuldienst, hatte jedoch auch die Aufgabe, die Kirchturmuhr zu warten. Ob sich dahinter der Dienst des Kirchners verbirgt, bleibt offen, obwohl ein eigenständiger Kirchner nicht erwähnt wird. Erst die Visitation von 1533/34 offenbart, dass in Bürgel tatsächlich alle drei Ämter in einer Hand lagen. Gleiches vermutete Sobotta für den Schulmeister von Ummerstadt, der 1545 ausdrücklich mit der Stadtschreiberei, hier jedoch lediglich mit dem Kirchnerdienst in Verbindung gebracht wird, vgl. SOBOTTA, Schulwesen (2005), S. 154. Die hier gezeigte wie auch die folgende Karte stellen somit nicht die Realität, sondern lediglich die Auskunft der Visitatoren dar. 119 Für beide Beispiele vgl. bereits Kap. II. 1.2. 120 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ll 668, fol. 4r–v. 121 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 3, fol. 70r; LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen I (1886), S. 46; DIES., Kirchen und Schulen III (1891), S. 220.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

deutlich geworden ist, brachten die Visitatoren damit ein grundsätzliches Anliegen auf den Punkt, das allerorten die Etablierung einer alleinigen Stadtschule anstrebte. Freilich blieben die Vorstellungen der Visitatoren von einer eigenständigen Besetzung dieser Schulen zu diesem Zeitpunkt angesichts der mangelnden finanziellen Möglichkeiten noch ein fernes Ideal. Dass sie sich dessen bewusst waren, kommt mancherorts durch die betonte Bestätigung der provisorischen Verhältnisse und selbst entsprechender Anordnungen zum Ausdruck. Die Verbindung mehrerer Ämter bot insbesondere in den kleineren Städten die Möglichkeit, den finanziell noch nicht tragfähigen Gemeinen Kasten zu entlasten. Hatte die vorherige Visitation in Bürgel neben der neuerlich etablierten Versorgung aus dem Klostereinkommen noch eine geringe Besoldung aus dem Gemeinen Kasten vorgesehen, wurde nun der Stadtrat sozusagen zur städtischen Besoldung des Stadtschreibers in die Pflicht genommen. Er sollte ihm 12 a ß für den Schreibdienst zahlen, während die vormalige Versorgung aus dem Kloster zwar um sechs Scheffel Korn ergänzt, dabei jedoch der einzige schulische Anteil an der Besoldung des Amtsinhabers blieb. 122 In Stadtroda wurde dasselbe Dienstverhältnis nicht allein belassen, sondern ausdrücklich bestätigt. Es „ist vorschafft das einer sol Zur Zceit schulmeister vnd statschreiber sein“.123 Die auf einen begrenzten Zeitraum hinweisende Formulierung verdeutlicht den provisorischen Charakter und drückt zugleich die Hoffnung auf eine baldige Verbesserung aus. Eine Besoldungserhöhung auf 22 fl und zehn Scheffel Korn aus den Klostereinkünften sollte dabei förderlich sein. Die finanziellen Verhältnisse in Triptis zwangen die Visitatoren hingegen zu Maßnahmen, die über eine bloße Bestätigung der Amtsverhältnisse hinausgingen. War die Schule hier 1527 bereits vom Kirchner gehalten worden,124 forderten die Visitatoren nun, „das der schulmeister hinfurder auch statschreiber sein soll“,125 sorgten also bewusst zu Ungunsten der Schule für die nötige Entlastung des Gemeinen Kastens. Die Neuverordnung der Besoldung aus demselben erfuhr somit auch nur eine marginale Verbesserung auf 12 a ß, ergänzt durch Naturalien. Eine städtische Beteiligung an der Besoldung wurde dem Ermessen des Rates anheimgestellt und bleibt somit in ihrer Höhe unbekannt. In Ziegenrück hatte bereits 1527 eine Person alleine die Ämter des Schulmeisters, Stadtschreibers und Kirchners zusammen versehen. Die entsprechende Besoldung konnte hier allerdings schon vor der neuerlichen Visitationen durch 122 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 3, fol. 21v. 123 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 3, fol. 70r–v; LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen I (1886), S. 46. 124 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 522, fol. 26v; MBW, T 3, Nr. 567, S. 116. 125 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 3, fol. 46v.

‚REFORMATORISCHES SCHULWESEN‘ IN THÜRINGISCHEN STÄDTEN

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eine gesonderte Vereinbarung zwischen dem Stadtrat und dem Vikar Nikolaus Wiche aufgebessert werden. Der Vikar, so informierte der Rat die Visitatoren, habe sich bereit erklärt, aus seinem eigenen Einkommen dem Schulmeister 4 fl abzutreten.126 Ein zweiter Vikar folgte dem Beispiel, durch den Nachdruck der Visitatoren veranlasst, mit insgesamt 3 fl für den Pfarrer und den Schulmeister,127 während das offenbar verledigte Einkommen eines dritten Lehens in Höhe von 6 a ß dem Schulmeister bereits vollständig zugewiesen werden konnte.128 Eine Trennung der Ämter wurde auf dieser Grundlage trotzdem nicht vorgenommen, da die Stadt trotz der entsprechenden Verordnung der vorherigen Visitation noch nicht über einen Gemeinen Kasten verfügte. Seine Einrichtung musste erneut angeordnet werden.129 Die schulische Situation der Stadt Auma bildete unter den 1528/29 visitierten Städten eine Ausnahme. Ein Gemeiner Kasten war hier bereits um 1526 gegründet worden, trug jedoch kaum zur Finanzierung des Kirchen- und Schulwesens bei.130 Die Schule wurde von Erhard Hobe geleitet, bei dem es sich um den vom Kurfürsten belehnten Inhaber der Vikarie Apostolorum handelte. Er versorgte gleichzeitig die Vikarie, die Schule und das Amt des Stadtschreibers. Dabei war er nicht nur einer der wenigen in dieser Visitation namentlich genannten Schulmeister, sondern auch der einzige, dem von den Visitatoren ein ausdrückliches Lob für seine Schultätigkeit ausgesprochen wurde: Er „heldeth die schul wol“.131 Keine Informationen gehen aus dem Protokoll über die Entstehung jener Ämterverbindung hervor. Spekulationen über eine provisorische Bestellung von Schule und Stadtschreiberei nach einer notgedrungenen Amtsniederlegung eines Vorgängers oder einer vorherigen Konversion Hobes zum Luthertum können nicht bestätigt werden. Die Visitatoren änderten angesichts der offenbar guten und mit den evangelischen Erwartungen vereinbaren Leistungen Hobes nichts an den personellen Verhältnissen und verordneten ihm auch keine neue Besoldung. Die Fundierung der Vikarie musste genügte. Sie bestand aus einem Haus auf dem Kirchhof, einer Wiese und 12 a ß aus einer Hauptsumme von 240 a ß.132 Lediglich sollten die Einkünfte des Frühmessnerlehens nach dem Tod des Inhabers einem Schulmeister zufließen. Diese längerfristig umzusetzende Anweisung sah jedoch eine anderweitige Bestellung des Schulamtes vor, denn Hobes eigenes Lehen sollte nach seinem Tod dem Pfarrer zugeschlagen werden.133 126 127 128 129 130 131 132 133

Vgl. ebd., fol. 301r. Vgl. ebd., fol. 65v. Vgl. ebd., fol. 52v. Vgl. ebd., fol. 52v. Vgl. ebd., fol. 294r. Vgl. ebd., fol. 47v–48r, Zitat fol. 48r. Vgl. ebd., fol. 292r. Vgl. ebd., fol. 48r–v.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

In Schmölln, wo die 1520er Jahre von der oben geschilderten Auflehnung gegen den überreichlich mit Einkünften versehenen Pfarrer geprägt waren, war ein entsprechend energischer Eingriff der Visitatoren in die finanziellen Verhältnisse der Kirche und des Gemeinen Kastens erforderlich. Dem Stadtrat und den Bürgern ist „antzaige gescheen welcher massen gemeiner Kasten vnnd schull mit guter Ordenung auff zurichten“134 sei. In keiner anderen der 1528/29 visitierten Städte übten die Visitatoren einen so eingehenden Einfluss auf die Neuordnung der kirchlichen Finanzen aus. Unter anderem erklärten sich nun die Zünfte der Schuster und Fleischer, die dem Pfarrer zuvor ihre Zinsen entzogen hatten, zur Unterstützung des Gemeinen Kastens bereit. Dessen Organisation wurde daraufhin durch die Visitatoren in einer überdurchschnittlich ausführlichen Verordnung festgeschrieben.135 Obwohl sie nach den zitierten Worten des Visitationsprotokolls die Schulbestellung mit enthalten sollte, ging die Kastenordnung nicht über die Festlegung einer Besoldung hinaus. Nach der Gliederung und Ordnung aller Einkünfte gestanden die Visitatoren dem Schulmeister eine Besoldung von 20 fl und einem so bezeichneten Locaten 4 a ß zu. Das Schulgeld in Höhe von jährlich 8 gr sollte die Besoldung des Locaten ergänzen, doch wurde es dem Rat freigestellt, die Forderung von den Schülern zu mindern und durch eine eigene Zulage zu ersetzen. Darüber hinaus, so die Ordnung, habe sich die Organisation des Gemeinen Kastens an der zuvor erlassenen Kastenordnung des benachbarten Altenburg zu orientieren.136 In den größeren Städten war die Entwicklung seit 1527 unterdessen selbst fortgeschritten. Hier begnügten sich die Visitatoren mit der Verordnung einer angemessenen Besoldung für die zumeist hauptamtlichen Schulmeister. Den bereits geschilderten Handlungen in Altenburg und Saalfeld können dafür weitere Beispiele hinzugefügt werden. So führt eine in den Visitationsprotokollen überlieferte Kastenrechnung von Jena von 1528 die Besoldungszahlungen für zwei Schuldiener auf. Die Anordnung der ersten Visitation von 1527 scheint demnach nur kurz oder gar nicht umgesetzt worden zu sein. Sah sie noch eine geringere Besoldung für einen alleinigen Schulmeister vor, betrug sie nun für diesen 33 fl und für den Baccalaureus 30 fl.137 Die Visitatoren knüpften daran an, wiesen dem Gemeinen Kasten, der bereits über ein namhaftes Einkommen verfügte, weitere, ab sofort oder nach Gelegenheit einzuziehende Zinsen aus noch unverledigten Lehen und den Klostereinkünften zu und erhöhten die Besoldung des Schulmeisters abermals auf 40 fl.138 134 135 136 137 138

LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1, fol. 77v. Vgl. ebd., fol. 321r–331v. Vgl. ebd., fol. 329r–v; LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen II (1887), S. 49. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 3, fol. 182r. Vgl. ebd., fol. 31v.

‚REFORMATORISCHES SCHULWESEN‘ IN THÜRINGISCHEN STÄDTEN

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Wie der Jenaer hatte auch der Pößnecker Stadtrat die 1527 verordnete Schulmeisterbesoldung eigenmächtig auf 24 a ß erhöht.139 Der Gemeine Kasten entfaltete hier jedoch nicht die angestrebte Wirkung, da die Kastenherren für die Einkünfte, so das Visitationsprotokoll, „keyne eigne vorwarung haben“.140 Trotzdem wurde dem Schulmeister aus den Zinsen einstiger Lehen eine wenn auch nur geringe Besoldungserhöhung um weitere 3 a ß bewilligt. 141 Einen zweiten Schuldiener gab es nicht mehr. Der bei der Neubestellung der Schule eingesetzte Kantor Konrad Schütze war nur ein Jahr im Amt geblieben. Stattdessen erfuhr der Schulmeister im Unterricht nun die Unterstützung des letzten verbliebenen Vikars Johann Fischer. 142 Die Einkünfte seines Lehens, die immerhin 22 a ß betrugen, sollten nach seinem Tod ebenfalls dem Schulmeister zugeschlagen werden.143 Die Besoldung des Schulmeisters von Kahla erfuhr hingegen keine weitere Steigerung. Eine durch die Visitationsprotokolle überlieferte Kastenrechnung von 1528/29 belegt, dass sie auch hier bereits vor der Visitation auf 30 fl angehoben worden war.144 Die anhand der bisherigen Beispiele geschilderte Umverteilung der Zinsen illustriert das in den meisten Fällen übliche Vorgehen der Visitatoren. Ein anderer Weg wurde lediglich in Orlamünde eingeschlagen. Auch noch mehrere Jahre nach der Amtsenthebung Karlstadts hatten die Visitatoren mit den Folgen seines Wirkens zu schaffen, die ihnen insbesondere den Widerwillen und eine mangelnde Kooperation des Stadtrates, aber auch eine massive Zerrüttung der kirchlichen Finanzen einbrachte.145 Beides hatte dazu geführt, dass dem Schulwesen 1527 keine Aufmerksamkeit geschenkt werden konnte. Lediglich eine in den Visitationsprotokollen überlieferte Kastenrechnung von 1527/28 informiert, dass ein Schulmeister den Jahressold von nur 4 a ß 8 gr erhielt.146 Der Prediger wirkte zugleich als Schulgeselle und wurde mit 8 a ß entlohnt, „darumb ehr die Knaben Informirt“.147 Erst in der zweiten Visitation wurden die Widerstände des Stadtrates mit der Begründung, „das die wal nicht vberal anzutreffen“148 sei, schlichtweg abgetan. Eine eigenmächtige Umverteilung der Zinsen und Klostergüter 139 140 141 142 143 144 145

Vgl. ebd., fol. 338r; StA Pößneck, Stadtrechnung, Mappe 25, Nr. 76, 1528/29, unfol. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 3, fol. 363r. Vgl. ebd., fol. 71v. Vgl. ebd., fol. 68v. Vgl. ebd., fol. 71r. Vgl. ebd., fol. 367r; LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen III (1891), S. 450. So der Brief der Visitatoren von 1527, vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 198, fol. 5v–6r; MBW, T 3, Nr. 574, S. 131 f. 146 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 3, fol. 440r; LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen III (1891), S. 658. 147 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 3, fol. 442r. 148 Ebd., fol. 76v.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

konnte hier dennoch nicht ohne die Zustimmung des Kurfürsten vorgenommen werden.149 Stattdessen erklärte sich der Pfarrer, der einstige Rektor der Wittenberger Universität Caspar Glatz, der Karlstadts Nachfolge angetreten hatte,150 dazu bereit, dem gegen ihn aufgebrachten Stadtrat durch eine jährliche Zahlung von 40 fl aus der eigenen Tasche in den Gemeinen Kasten von seinem guten Willen zu überzeugen.151 Durch diese privat gezahlte Zulage konnte dem Prediger und dem Schulmeister eine genügende Besoldung verordnet werden, die sich für Letzteren auf 30 fl belief.152 Die südlich gelegene Pflege Coburg, das sogenannte Ortsland Franken, bildete einen eigenständigen Visitationsbezirk, der nicht nur räumlich von den übrigen getrennt war. Die Eigenständigkeit im Vorgehen der dortigen Visitatoren und die daraus resultierende Besonderheit der Protokolle ist oben bereits dargelegt worden. In deutlich größerer Ausführlichkeit und nach einem einheitlicheren Schema strukturiert ergänzen die Protokolle auch hinsichtlich des Schulwesens einige Aspekte, die in den übrigen Visitationskreisen nicht oder nur nebensächlich erwähnt wurden. Die dabei stets eingehaltene Gleichförmigkeit der Verordnungen illustriert zwar in besonderem Maße die von den Visitatoren angestrebte Einheitlichkeit, verschleiert jedoch nicht selten die ortsspezifischen und individuellen Gegebenheiten. So wird das sogenannte pretium, das Schulgeld und anderweitige Abgaben der Schüler, zwar in jeder Stadt erwähnt, doch nirgends näher definiert. Stattdessen war die Intention der Visitatoren, anders als in den übrigen Visitationsbezirken, überall ausdrücklich auf seine Abschaffung gerichtet.153 Es sollte dadurch dem Missfallen der Bevölkerung über derartige finanzielle Belastungen, das von den Visitatoren zweifellos als hinderlich wahrgenommen wurde, Rechnung getragen werden. Das damit verlorene Einkommen wurde wie auch in den bereits skizzierten Fällen durch eine feste Besoldung ersetzt, die jedoch in stärkerem Maße durch eine finanzielle Beteiligung des Stadtrates mitgetragen werden sollte. Letztere schwankte zwischen 2 fl in Ummerstadt und 6 fl in Hildburghausen.154 Es ist denkbar, dass die Visitatoren damit an bereits in den vorangegangenen Jahren eingepegelte Verhältnisse anknüpften.

149 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 436, fol. 5r–v. 150 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg N 624, fol. 9r; LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen I (1886), S. 38. 151 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 834, fol. 2r. 152 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 3, fol. 77r; LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen III (1891), S. 658. 153 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1a, fol. 41r (Heldburg), fol. 45v (Ummerstadt), fol. 62r (Hildburghausen), fol. 94v (Rodach), fol. 114v (Eisfeld), fol. 126v (Neustadt b. C.), fol. 140v (Sonneberg), fol. 151r (Schalkau), fol. 164v (Coburg). 154 Vgl. ebd., fol. 45v u. 62r–v; SOBOTTA, Schulwesen (2005), S. 99 f.

‚REFORMATORISCHES SCHULWESEN‘ IN THÜRINGISCHEN STÄDTEN

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In Heldburg wurde schließlich der einzige Versuch der Visitatoren von 1528/29 zur eigenständigen personellen Besetzung einer Schule unternommen. Sie gedachten, die Personalunion von Stadtschreiber, Kirchner und Schulmeister zu trennen, scheiterten dabei jedoch an der Intervention des Stadtrates. Ein finanzieller Engpass, so argumentierte er, verhindere die Unterhaltung eines hauptamtlichen Stadtschreibers. Durch seine Tätigkeit als Schulmeister könne er hingegen aus dem Gemeinen Kasten mitgetragen werden.155 Wurde andernorts der Stadtrat zur Entlastung des Gemeinen Kastens in die Pflicht genommen, verdeutlichen die Worte des Heldburger Rates somit den gegenseitigen Nutzen. Die auf einer akuten Notwendigkeit oder aber auf vorreformatorischem Herkommen basierende personelle Verbindung mehrerer Ämter in einer Person wurde somit auch im fränkischen Visitationskreis nicht angetastet. Stattdessen wurde in einigen Fällen die Möglichkeit angesprochen, den Stadtscheiber oder Kirchner durch die Hinzuziehung eines zweiten Schuldieners zu unterstützen, um die personellen Erfordernisse des Unterrichts trotzdem zu gewährleisten. Die Auswahl und Einstellung jenes „locaten ader Cantor“156 blieb wie in vorreformatorischer Zeit dem Schulmeister vorbehalten, sollte jedoch – so sah es zumindest das Protokoll von Hildburghausen vor – mit der Einwilligung des Rates wie des Pfarrers und erst nach vorheriger Überprüfung „seynn[er] geschicklichkeit“, 157 seines Lebenswandels und seiner Glaubenslehre erfolgen. 158 Damit einher ging in den betreffenden Städten der Pflege Coburg stets die Verordnung einer eigenständigen Besoldung aus dem Gemeinen Kasten, die in den übrigen Visitationskreisen bislang die Ausnahme geblieben war. In Jena knüpften die Visitatoren damit an eine vorherige Entscheidung des Stadtrates an und trafen in Schmölln eine seltene Entscheidung, die nur in Weida eine Entsprechung fand. Hier sollte der Kantor neben dem Schulmeister ebenfalls selbst 5 a ß aus dem Gemeinen Kasten erhalten,159 während die Unterhaltung der Schulgesellen beispielsweise in Altenburg und Saalfeld nach wie vor vom Einkommen des Schulmeisters abhängig war. In dem fränkischen Visitationskreis wurde hingegen erstmals die eigenständige Besoldung der Schulgesellen angestrebt. Die dabei verordneten Summen überstiegen mitunter selbst die der Schulmeister, da Letztere zudem über die Einkünfte eines Kirchners oder Stadtschreibers verfügten, während der Schullohn der Gesellen deren einziges Einkommen bildete. Es betrug in Rodach und Eisfeld jeweils 16 fl und in Hildburghausen 17 fl. 160 In 155 156 157 158 159 160

Vgl. ebd., fol. 41r–v; SOBOTTA, Schulwesen (2005), S. 98 u. 113. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1a, fol. 62r. Ebd., fol. 63r. Ähnlich lautete die Anweisung in Eisfeld, vgl. ebd., fol. 114v. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2, fol. 221v. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1a, fol. 62r–v (Hildburghausen), fol. 95r (Rodach), fol. 114v (Eisfeld).

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

Coburg wirkten bereits zwei Schuldiener, die beide eine Besoldung von 12 fl erhielten.161 Einzig in Heldburg sollte der Schulmeister noch immer zumindest anteilig an der Unterhaltung des zweiten Schuldieners beteiligt sein, wobei die Höhe offenbar in seinem Ermessen belassen wurde. In vorreformatorischer Zeit hatte sie 5 fl betragen. Es ist anzunehmen, dass es dabei blieb. Die Beteiligung des Gemeinen Kastens lag hingegen bei lediglich 4 fl.162 Möglicherweise ist in dieser nur schwer zu erbringenden Beteiligung des Schulmeisters der Grund dafür zu suchen, dass der Locat bald nach der Visitation seines Amtes enthoben wurde.163 Innerhalb der drei Visitationsbezirke fehlen in den Protokollen für acht Städte des Bearbeitungsraumes jegliche Hinweise auf eine aktiv bestehende Schule. Darunter befanden sich nicht allein jene Orte, für die ein einstiges Schulwesen nur anhand vereinzelter Hinweise nachgewiesen werden konnte, wie Tannroda, Blankenhain164 oder Lucka, sondern auch Städte, deren Schulen im 15. Jahrhundert mitunter in Blüte gestanden hatten und deren Fehlen nun zweifellos dem vorherigen Zusammenbruch zuzuschreiben ist. In Ranis war die Versorgung des Schulmeisters aus dem Amt noch 1509 von ausdrücklicher Bedeutung gewesen und Lobeda hatte, nachdem das Schulwesen zu Beginn des 15. Jahrhunderts in die Statuten aufgenommen worden war, bis 1520 unter den Städten vergleichbarer Größe eine bemerkenswerte Zahl an Immatrikulationen an den drei mitteldeutschen Universitäten aufzuweisen. In beiden Städten schweigen nun die Visitationsprotokolle gleichermaßen zu allen schulischen Belangen, obwohl zumindest das Protokoll von Lobeda verhältnismäßig ausführlich ist.165 Lediglich die eingereichten Einkommensverzeichnisse enthalten noch die vormals dem Schulmeister aus dem Kircheinkommen gezahlten Präsenzien oder Präbenden, doch wird in beiden Fällen deutlich, dass es sich um vergangene Praktiken handelte.166 In Eisenberg war 1436 das Schulwesen durch landesherrliche Anordnung dem Stadtrat übertragen worden. Obwohl die Visitatoren von 1527 dem hiesige Schulmeisteramt eine Besoldung von 12 a ß aus dem Gemeinen Kasten und die Kost aus dem Kloster verschafft hatten, konnte dies offenbar nicht zu einer neuerlichen Schulaufrichtung verhelfen. Eine eindeutige Aussage ist anhand der 161 Vgl. ebd., fol. 165r. 162 Vgl. ebd., fol. 41v. 163 Vgl. SOBOTTA, Schulwesen (2005), S. 151. Erst bei der folgenden Visitation wurde ein neuer Locat eingestellt und ohne Beteiligung des Schulmeisters aus dem Gemeinen Kasten besoldet. 164 Hinweise auf eine Schule von Blankenhain finden sich erstmals um 1500 in einem Zinsregister, das einen Schulzins verzeichnet, vgl. EGERT, Blankenhain (1922), S. 191; PFEIFFER, Schulwesen (2002), S. 196. 165 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 3, fol. 16r–17r. 166 Vgl. für Lobeda ebd., fol. 134r, für Ranis ebd, fol. 320r.

‚REFORMATORISCHES SCHULWESEN‘ IN THÜRINGISCHEN STÄDTEN

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Visitationsprotokolle zwar nicht möglich, doch scheint der finanzielle oder ein personeller Mangel die Neugründung einer Schule verhindert zu haben. Die Konzentration hatte hier zunächst auf der Neubelebung der Pfarrei gelegen, da diese durch den Niedergang des Klosters in der vorhergehenden Visitation vakant vorgefunden worden war.167 Da inzwischen Gallus Rockerswald das Pfarramt angetreten hatte und von den Visitatoren von 1528/29 als geschickt eingeschätzt wurde,168 widmeten diese nun erneut dem Schulwesen ihre Aufmerksamkeit. Die Besoldung eines Schulmeisters wurde auf 20 fl erhöht und durch Naturalien und Holz ergänzt. Ausdrücklich sollte sie diesmal allerdings nicht aus dem Gemeinen Kasten, sondern in Anlehnung an die vorreformatorischen Verhältnisse – wie bereits in Bürgel und Stadtroda – aus dem Einkommen des Klosters zu beziehen sein. Die einstige Kost vom Kloster blieb darüber hinaus in Form einer Ausgleichszahlung von weiteren 10 fl erhalten. Zusätzlich wurde dem Schulmeister wie dem Pfarrer ein Krautgarten zur Verfügung gestellt.169 Eine Neubesetzung des Schulmeisteramtes konnte auf dieser Grundlage im Jahr 1529 ermöglicht werden, der Schulmeister bleibt namentlich allerdings unbekannt.170 Zu ungewöhnlichen Mitteln griffen die Visitatoren hingegen in Lucka, wo sie die Schule ebenfalls verwaist vorfanden. Ein finanzieller oder personeller Mangel verhinderte die eigenständige Bestellung der Schule und der Stadtschreiber war bislang offenbar nicht in die Pflicht genommen worden. Gleichzeitig beklagte der Prediger seine unzureichende Besoldung. Um beiden Missständen abzuhelfen, wurden dem Prediger nicht nur einzelne kleinere finanzielle Zulagen, zum Teil aus dem einstigen Einkommen der Schule, sondern auch die Unterrichtung der Schüler übertragen. Er solle im Schulhaus wohnen, drei Viertel Korn und 2 a ß aus dem Schuleinkommen beziehen und im Gegenzug „die Knaben, mit der lahr, wie sich das gehorett versehen“.171 Bei dem Prediger handelte es sich um Michel Kramer, den einstigen Pfarrer von Kunitz, der aufgrund seiner Konversion im Jahr 1523 von Herzog Georg abgesetzt und des albertinischen Herzogtums verwiesen worden war. In einem Rechenschaftsbericht schilderte er selbst sein Schicksal, nachdem ihm von der Gemeinde vorgeworfen worden war, mit drei Frauen gleichzeitig verheiratet zu sein.172 Die Protokolle der zweiten Visitation sind unvollständig überliefert. Insbesondere fehlen sämtliche Niederschriften des Thüringischen Hauptkreises, der 167 168 169 170

Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 198, fol. 10v; MBW, T 3, Nr. 574, S. 135. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 3, fol. 25v. Vgl. ebd., fol. 26v; LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen III (1891), S. 15. Vgl. LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen III (1891), S. 33; WARSITZKA, Schulen (2003), S. 4. 171 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1, fol. 43v. Vgl. auch LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen I (1886), S. 309 f. 172 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1, fol. 46r–48v.

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die Städte Eisenach und Gotha umfasste. Einige Lücken können hier lediglich durch spätere Briefwechsel, die am Rande auf vormalige Anordnung der Visitatoren Bezug nahmen, geschlossen werden. Folgt man den Worten, die der dortige Pfarrer Friedrich Myconius am 7. März 1529 Johannes Lang nach Erfurt sandte, scheint das Wirken der Visitatoren vor allem in Gotha besondere Früchte getragen zu haben. Sie hätten der Schule, so Myonius, die rechte Form und Stärke verliehen – „nuper a Visitatoribus formitatem accepit et robur“. 173 Freilich ist auch diesmal wie bereits bei den überschwänglichen Worten des oben vorgestellten Memorandums von 1527 Kritik an Myconius’ selbstherrlichen Worten angebracht, insbesondere weil der Pfarrer und Superintendent selbst einer der genannten Visitatoren war.174 Einige Jahre später erinnerten sich die Visitatoren von 1533/34 in einem Brief an den Kurfürsten, dass 1528 festgelegt worden sei, „wievil vnd welche vicarien vom stieft zu vntherhaltung der kirchen vnd schuldiener zu Gotha“175 herangezogen werden sollten. Auch hier war somit die Umverteilung einstiger, bereits oder noch nicht verledigter Lehen oder Stiftungshauptsummen die Grundlage zur Aufrichtung des neuen Kirchen- und Schulwesens, wodurch dem Stadtrat die Finanzierung aus der Hand genommen wurde. Ein darüber angelegtes Verzeichnis, das zweifellos wie in anderen Städten im Visitationsprotokoll enthalten gewesen sein dürfte, wird erwähnt, ist jedoch nicht erhalten. Lediglich eine der einzuziehenden Stiftungen kann namhaft gemacht werden, doch illustriert sie sogleich die Schwierigkeiten, welche die Einbringung vormals angesammelter Gelder oftmals bereitete. Die bereits im spätmittelalterlichen Zusammenhang beschriebene Stiftungsurkunde von 1443 zu der Schülerspende des Dechanten Dietrich Lange trägt auf der Rückseite eine zweizeilige Notiz in einer Handschrift des frühen 16. Jahrhunderts. Es ist wahrscheinlich, dass sie aus dem Zusammenhang der Visitation stammt, betrifft sie doch die versuchte Konfiszierung der beurkundeten Hauptsumme. Der Versuch scheiterte schlichtweg daran, „das Man nicht weis, wo sie angelegt“.176 Der Lauf der Jahrzehnte, vermutlich aber erst die turbulenten vorrangegangenen Jahre hatten den Verlust des Geldes zur Folge. Konnte die Visitation in Gotha bereits an die von Myconius geleistete Vorarbeit anknüpfen, scheint sie in Eisenach konstituierender gewirkt zu haben. Die anhand der Überlieferung nur ungenau nachvollziehbaren personellen Verhältnisse im Vorfeld der Visitation sind oben bereits rekonstruiert worden. Während die einstige Stiftsschule nicht mehr in Erscheinung tritt, wirkten an den Pfarr173 Zitiert nach CLEMEN, Briefe (1911), S. 359. Vgl. auch SCHERFFIG, Friedrich Mekum (1909), S. 135 f. 174 Vgl. BAUER, Reformation und Territorialstaat (1994), S. 57. 175 LATh-StA Gotha, Oberkonsistorium Loc. 19, Nr. 2, fol. 6v. 176 StA Gotha, 0.2/164.

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schulen die Schulmeister Heinrich Scholl und Johannes Preuss. Aus der Rückschau von 1545 informiert ein Einkommensverzeichnis jedoch, dass die Visitatoren gemäß der angestrebten Etablierung einer alleinigen Stadtschule nur einem Schulmeister eine feste Besoldung aus dem Gemeinen Kasten verordnet hatten.177 Bei dem geförderten Schulmeister handelte es sich, wie der oben bereits erwähnte Brief der Visitatoren von 1535 informiert, um Johannes Preuss. Die Absetzung Scholls muss zeitnah erfolgt sein. Angesichts der Konzentration der Visitatoren auf nur eine Schule ist es sehr wahrscheinlich, dass sie selbst Scholls Amtsenthebung besiegelten und beide Pfarrschulen zu einer alleinigen Schule vereinten, wie es im selben Jahr auch im deutlich kleineren Stadtroda der Fall war. Scholl musste sein Amt niederlegen, worauf offenbar der Stadtrat selbst gedrängt hatte. Die Absetzung wurde, wie ein Brief des Pfarrers Justus Menius von 1540 aufklärt, durch Scholls Vernachlässigung der Schule, seines nebenbei betriebenen Fleischerhandwerkes und seiner Weigerung, den handwerklichen Beruf niederzulegen, begründet.178 Zugleich wurden ihm die Einkünfte einer Vikarie entzogen und in den Gemeinen Kasten geschlagen. Die Maßnahmen des Stadtrates und der Visitatoren verhinderten indes nicht, dass Scholl selbst um 1540 in den Stadtrat aufgenommen wurde, was Menius zur Sorge um sein Amt und sein Wohl veranlasste. Aus Angst vor Scholls „vnerhortem neyd vnd haß“179 wandte er sich hilfesuchend an den Kurfürsten, der den Superintendenten daraufhin unter den Schutz des Eisenacher Schulheißen stellte.180 Die Visitation von 1528/29 setzte Johannes Preuss aufgrund seines vorbildlichen Lebenswandels und seiner Glaubensfestigkeit zum ersten Schulmeister der neuen reformatorischen Schule von Eisenach ein und verordnete ihm eine Besoldung von 50 fl. Das Gehalt der Schulgesellen sollte daneben je 30 fl betragen, wobei die genaue Formulierung des genannten Einkommensverzeichnisses – „der gesellen einer mit 30 fl“181 – zwei weitere Schuldiener vermuten lässt. Nur kurze Zeit nach der Visitation, am 17. Januar 1529, schrieb der Kurfürst an den Amtmann der Wartburg und den Schultheißen von Eisenach. Sein Schreiben gibt weiteren Aufschluss über die finanziellen Maßnahmen der Visitation, die bereits auf die Sequestration der 1530er Jahre verweisen. 182 Da die eigenen kirchlichen Einkünfte wie in den meisten Städten auch hier nicht ausreichten, um die Seelsorge und die Bestellung der Schule zu gewährleisten, sollte dem Gemeinen Kasten eine Zulage aus den Einkünften eines Klosters zugewiesen werden. Da das dafür 177 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1889, fol. 150v. 178 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1478, fol. 1r–7v; HERRMANN, Bartholomäus Rosinus (1937), S. 28; KRAMM, Oberschichten (1981), S. 319. 179 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1478, fol. 1v. 180 Vgl. ebd., fol. 8r–v. 181 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1889, fol. 150v. 182 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 401, fol. 2r–v.

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vorgesehene Johannistalskloster dies jedoch nicht ermöglichte, rief der Kurfürst die Adressaten zur Ermittlung anderweitiger Möglichkeiten auf. Ein zweites Schreiben vom 25. Mai desselben Jahres bestätigte eine Zulage von 150 fl „zu vnderhaltung der personen, so man des orts zur Seelsorge, vnnd schulen notturfftig“,183 aus den Gütern des örtlichen Katharinenklosters. Die Inbesitznahme der Einkünfte der örtlichen Klöster zugunsten der Gemeinen Kästen ist im Altenburger und Saalfelder Zusammenhang bereits angesprochen worden. Sie war für die Visitatoren eine Selbstverständlichkeit, solange die Rechte des Kurfürsten an den Klöstern und Stiften gewahrt blieben. Wie dieser erst allmählich zur Bereitstellung der landesherrlich eingezogenen Güter bewegt werden konnte, ist oben dargelegt worden. Den vorhergehenden Visitationen standen, wie das Eisenacher Beispiel verdeutlicht, lediglich die lokalen Klöster, insbesondere die Niederlassungen der Bettelorden zur Verfügung.184 So wurde in Jena ein Großteil des Besitzes des Dominikaner- und des Heiligkreuzklosters in den Gemeinen Kasten überführt. 185 Der Stadtrat fertigte ein Verzeichnis der eingezogenen Güter sowie der Kleinodien und des Interieurs an, verteilte die Textilien – Bett- und Tischtücher – unter den Kirchen- und Schuldienern und verhandelte mit den Visitatoren über den Verkauf des Kirchengerätes.186 Ähnliche Inventarverzeichnisse sind nicht selten und machen mitunter kein Geheimnis aus dem festen Entschluss, das wertvolle Material schnell zu Geld zu machen. Ein im Januar 1529 angefertigtes Verzeichnis der Kirchengeräte der Pfarrkirche von Schmölln schildert dahingehend im typischen Selbstbewusstsein des dortigen Stadtrates, dass die Geräte bereits gewogen und nach ihrem Materialwert bemessen worden seien.187 Einem Verkauf stand nichts mehr im Wege. Eine Notiz Georg Spalatins besagt schließlich, dass „alles in gemeyn Kasten verordeneth“188 sei. Auch der Stadtrat von Neustadt a. d. O. ersuchte bald nach der Visitation um die Erlaubnis zum Verkauf der Kleinodien.189 Im benachbarten Triptis war er sogar schon vor der Visitation vorgenommen worden. Der Erlös 183 Ebd., fol. 1r. 184 Mit dieser Begründung wurde eine Beteiligung der betreffenden Städte an den kurfürstlichen Klostereinnahmen schlichtweg ausgeschlossen, während erste kleinere Zulagen aus den Einkünften verschiedener Klöster, insbesondere an dörflichen Pfarreien, bereits 1528/29 verschrieben wurden, vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 436, fol. 5r. 185 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 3, fol. 29r–v. 186 Vgl. ebd., fol. 168v. 187 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1, fol. 332r–333v. Das Verzeichnis betrifft die Pfarrkirche St. Nikolai. Ein weiteres enthält die Geräte der Kirche St. Marien auf dem Berge vor der Stadt, vgl. LATh-StA Altenburg, Ministerium zu Altenburg, Abt. für Kultusangelegenheiten 1819, fol. 31r–34r. 188 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1, fol. 333v. 189 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 445, fol. 3r–v.

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umfasste 70 fl und wurde auf die Anweisung der Visitatoren dem Gemeinen Kasten einverleibt. 190 In Auma wurde der Verkauf der Kleinodien durch die Visitatoren gestattet. Er erbrachte einen Erlös von 90 a ß, von denen nach der Begleichung einiger Schulden allerdings nur noch 33 a ß übrig blieben. Sie wurden zur baulichen Instandsetzung der Kirche angewandt.191 Der Visitation von 1528/29 schloss sich das oben ausführlich dargelegte Schultraktat Anton Musas an. Seine Ausführungen enden – wenn auch auf eine gehörig tendenziöse und zielorientierte Weise – in einem schier vernichtenden Urteil über die Leistungsfähigkeit der damaligen Schulen. Während in den Visitationsprotokollen allerdings stets der finanzielle Aspekt als Hintergrund der mangelnden Schultätigkeit in den Vordergrund tritt, offenbart Musa einen weiteren Grund. Der Rückgang des Schulbesuches und die damit ausbleibenden Immatrikulationen hatten einen akuten Mangel an Personen zur Folge, die ausreichend gelehrt waren, um sich dem Schulamt widmen zu können. Aus seiner eigenen Anschauung schilderte Musa die Mühen, die es bereitet hatte, für die Jenaer Schule einen gelehrten Baccalaureus zu finden.192 Vier Jahre sei die Suche vergeblichen gewesen und die oben erwähnte Kastenrechnung von 1528 lässt vermuten, dass erst kurz vor der zweiten Visitation tatsächlich ein zweiter Schuldiener eingestellt werden konnte. Seine Erfahrungen nutzte Musa zur Untermalung seiner Mahnung, die Schulen zu ihrem Recht kommen zu lassen. Insbesondere sei ihre Bestellung, so Musa, wichtiger als die Bestellung der Prediger, seien es doch die Schulen, durch die jene erst ausgebildet werden müssten – „vngelerter seyndt gnugk furhanden, wen man nun gelerte nit haben kann vnd sal vngelerte darzu brauchen ßo ists schone geschehen, wie eß dan vorhin mit schulen vnd kyrchen gangen ist“.193 Obwohl sich ein ähnliches Verständnis bereits in den früheren Visitationen abgezeichnet hatte, verhinderten die geschilderten Schwierigkeiten und die begrenzten Mittel eine Realisierung der angestrebten personellen Priorität der Schulverwaltung. Erst die dritte ernestinische Visitation, die in den thüringischen Visitationskreisen 1533/34 und im Ortsland Franken 1535 stattfand, brachte diesen entscheidenden Schritt mit sich. Die vorangegangenen Jahre hatten eine weiter fortschreitende Auflösung der Klöster und Stifte sowie durch den Tod der Inhaber die Verwaisung von Pfründen und Vikarien mit sich gebracht. Sie sollten nun vielerorts jene finanzielle Stärkung des Kirchenwesens ermöglichen, die bislang nur in Aussicht gestellt werden konnte. Hinsichtlich des Schulwesens betraf dies nicht nur eine weitere Anhebung der Besoldung, die von der Not190 191 192 193

Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 3, fol. 46v–47r. Vgl. ebd., fol. 291r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg O 544, fol. 9r–v. Vgl. ebd., fol. 9v–10r.

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wendigkeit anderweitiger Subsistenzversorgung entheben und die von den Instruktionen geforderte Gelehrsamkeit der Schuldiener gewährleisten sollte, sondern auch die alleinige Konzentration des Amtsinhabers auf die Versorgung der Schule. Musste die Übertragung des Schuldienstes auf den Kirchner oder den Stadtschreiber bislang zur Entlastung der Gemeinen Kästen billigend in Kauf genommen werden, fand sie 1533/34 vielerorts das Missfallen der Visitatoren. Eine Analyse der diesmal weiträumiger überlieferten Visitationsprotokolle ermöglicht eine weitere Darstellung der personellen Situation sowie der in den vergangenen fünf Jahren erfolgten Entwicklung (Karte 3).194 Die verstärkte Aufmerksamkeit der Visitatoren auf die personellen Strukturen präzisiert dabei die 1528/29 nur lückenhaft zu erschließenden Verhältnisse. So wurde beispielsweise die damals erwähnte Pflicht des Stadtschreibers und Schulmeisters von Bürgel, „des seygers [zu] warten“,195 fünf Jahre später mit deutlicheren Worten auf die Verrichtung des Kirchendienstes ausgeweitet: „Schulmeister, Kirchner vnd Statschreyber Ist ein personn“.196 Obwohl dem Amtsinhaber eine Besoldungserhöhung um 18 a ß bewilligt wurde, erfolgte hier noch keine Trennung der Ämter. Die Erhöhung der Besoldung sollte vom Stadtrat, nicht aus den Klostergütern gezahlt werden. Sie betraf demnach die Vergütung der Stadtschreiberei, während der vom Kloster gezahlte schulische Anteil um lediglich zwei Scheffel Korn angehoben wurde.197 Anders verhielt es sich in Stadtroda, wo offenbar schon die vergangenen fünf Jahre eine Behebung oder zumindest eine allmähliche Verbesserung des Provisoriums mit sich gebracht hatten. Von dem Dienst eines Stadtschreibers ist keine Rede mehr. Stattdessen erhielt der Schulmeister einzelne Besoldungsanteile „vom kirchampt“, 198 was die Verrichtung des Kirchnerdienstes vermuten lässt. Die Trennung der Ämter war offenbar mit der eigenmächtigen Verordnung einer neuen Besoldung für den Schuldienst einhergegangen. Der Rat zahlte dem Schulmeister nun 12 fl, die im vorhergehenden Jahr einmalig durch eine Zulage von 4 fl ergänzt worden waren. 199 Die zuvor verordnete Besoldung aus den Klostergütern hatte darüber hinaus zwar bestehen bleiben sollen, wurde aber offenbar bereits seit einiger Zeit nicht mehr gereicht. Die Visitatoren mussten mit

194 Aus arbeitsökonomischen Gründen liegt der Fokus der Untersuchung ab der dritten Visitation auf den thüringischen Visitationskreisen. Die fränkische Pflege Coburg ist daher auf der zweiten Karte ausgeklammert worden. Eine ausführliche Erschließung der späteren fränkischen Visitationsprotokolle bietet SOBOTTA, Schulwesen (2005). Ihre Ergebnisse sollen im Folgenden lediglich ergänzend herangezogen werden. 195 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 3, fol. 21v. 196 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 4.2, fol. 150v. 197 Vgl. ebd., fol. 151r. 198 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 4.2, fol. 328v. 199 Vgl. ebd., fol. 328r–v.

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Karte 3: Die personelle Organisation der Schulen zur Zeit der ernestinischen Visitation 1533/34.

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Nachdruck verordnen, dass den Geistlichen und dem Schulmeister „Ire besoldung außm Closter zu geburlicher Zeit vnuerzuglich gereicht werden soll“. 200 Eine ähnliche Entwicklung kann für Triptis nur vermutet werden. Wurde die dortige Schultätigkeit dem Stadtschreiber von den Visitatoren 1528/29 noch ausdrücklich übertragen, schweigen die Protokolle nun über eine Schreibtätigkeit des Schulmeisters. Eine eigenständige Besetzung des Schulamtes wird durch weitere Bemühungen zur Steigerung der Schultätigkeit nahegelegt. So wurden die Ratsherren von den Visitatoren angewiesen, dass sie „dem Schulmeister fur sein weyb vnd gesynde ein eigenn heuslein bawen sollen“.201 Wie in Stadtroda und offenbar in Triptis war auch in Heldburg die Ausdifferenzierung der Ämter, gegen die der Stadtrat sich 1528/29 noch gesträubt hatte, inzwischen ohne das Zutun der Visitatoren erfolgt. Dem einstigen Schulmeister, der sich nun auf das Stadtschreiberamt beschränkte, wurde ein Vikariehaus übertragen, um das Schulhaus, in dem er zuvor rechtmäßig gewohnt und gewirkt hatte, in seiner Funktion zu belassen. Der aktuelle Schulmeister, Johann Schrimpff, versah den Schul- und den Kirchnerdienst.202 Dieselbe Entwicklung wurde nun in mehreren weiteren Städten von den Visitatoren aktiv und ausdrücklich befördert. Entsprechend der Regelmäßigkeit, die bereits die erste Visitation der Pflege Coburg geprägt hatte, ähnelt die Verordnung in Rodach den Heldburger Beschlüssen. Zwar musste die Trennung der Stadtschreiberei vom Schulmeisteramt hier durch die Visitatoren betreiben werden, doch wurde auch dem hiesigen Stadtschreiber ein ehemaliges Vikariehaus eingeräumt, während der Schulmeister wie auch sein Locat in der Schule wohnen blieben.203 Die Verschaffung in Neustadt b. C. unterschied sich hingegen aufgrund der lokalen Gegebenheiten von diesem Vorgehen. Da der Stadtschreiber Johann Schutze die ihm anvertraute Schule „in gescheften seines ampt halben“ 204 vernachlässigt habe, forderten die Visitatoren die Anstellung eines eigenständigen Schulmeisters. Ihm wurde zur Verrichtung seines Amtes eine Zulage zugewiesen, die aus den Einkünften der Zehnte der umliegenden Dörfer bezogen werden sollte, während ihm die Verrichtung städtischer Schreibarbeiten regelrecht untersagt wurde. Für das neu eingerichtete Schulamt bewarb sich noch im Jahr 1535, nachdem der einstige Schüler Burckhard Brucker einen entsprechenden Ruf des Rates abgelehnt hatte, Johann Koler. Seine Einstellung kann jedoch nicht bestätigt werden.205 200 Ebd., fol. 329r. 201 Ebd., fol. 240r. 202 Vgl. LATh-StA Meiningen, Staatsministerium, Abt. Kirchen- und Schulsachen, Nr. 644, unfol.; SOBOTTA, Schulwesen (2005), S. 152 f. 203 Vgl. SOBOTTA, Schulwesen (2005), S. 157. 204 Zitiert nach SOBOTTA, Schulwesen (2005), S. 159. 205 Vgl. ebd., S. 159 f.

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In Blankenhain war 1528/29, so kann das Schweigen der Protokolle beurteilt werden, keine aktive Schule vorgefunden worden. Fünf Jahre später beurteilten die Visitatoren das Blankenhainer Schulwesen mit fast identischen Worten wie in Bürgel: „Schulmeister, Kirchner vnd Statschreiber Ist alles ein personn“. 206 Hier wurde jedoch bereits die Möglichkeit vorausgesehen, dass irgendwann die drei Ämter „durch eine person villeicht nicht verwalthet werd[en] konthen“.207 In diesem Fall solle man die Stadtschreiberei einem eigenständigen Schreiber übertragen und dem Schulmeister die dadurch verlustigen Besoldungsanteil durch eine Zulage aus dem Einkommen der Vikarie St. Crucis ausgleichen. Handelte es sich in Blankenhain somit noch um eine längerfristig angesetzte Verordnung, erzielten die Visitatoren in Lobeda mit rigideren Worten eine sofortige Umsetzung. Der Stadtrat solle, so heißt es, „einen sonderlich Statschreiber schaffen vnd den schulmeister damit zufriden lasenn“. 208 Der schroffe Ton lässt eine unrechtmäßige Inanspruchnahme des Schulmeisters durch den Stadtrat vermuten und tatsächlich wird der Schulmeister in der Amtsbeschreibung des Visitationsprotokolls lediglich mit dem Dienst des Kirchners belegt.209 Eine anteilige Besoldung für den Schreibdienst war nicht vorgesehen. Der Schulmeister wurde von ihm befreit, seine verhältnismäßig geringe Besoldung im Gesamtwert von nur 23 a ß 16 gr erfuhr jedoch keine Aufwertung. Eine gleichartige Verordnung in Ziegenrück war mit der zukünftigen Steigerung der Besoldung verbunden. Sie wurde zwar von den Visitatoren ausdrücklich als zu gering erachtet, doch erlaubten die finanziellen Mittel des Gemeinen Kastens zunächst nur eine Zulage von 4 fl.210 Erst sobald der Tod der letzten verbliebenen Vikare dies ermöglichte, sollte dem Schulmeister eine Besoldung von 35 a ß gereicht werden, wodurch „ein schulmeister nicht mehr statschreyber sein, Sondernn seines schulambts alleine warthenn“211 solle. In Buttstädt gingen die Visitatoren selbst darüber noch hinaus. Auch hier versah der Schulmeister zugleich die Stadtschreiberei, was sie hinfort unterbunden wissen wollten. Zudem war die Schule offenbar in einem Aufschwung begriffen, der eine baldige Erweiterung der Schuldienerschaft absehbar machte. Die Visitatoren beauftragten daher schon jetzt den Stadtrat und den Pfarrer, sobald „der Knaben nach anzal sovil where“,212 206 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 4.2, fol. 186v. Vgl. auch EGERT, Blankenhain (1922), S. 192. 207 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 4.2, fol. 187v. 208 Ebd., fol. 143v. 209 Die übliche Formulierung lautet hier „Kirchner vnd Schulmeister Ist eine personn“, vgl. ebd., fol. 142v. 210 Vgl. ebd., fol. 296r u. 298r. 211 Ebd., fol. 298v. Zu den Verordnungen der Visitatoren vgl. auch LASA, Standort Wernigerode, E 61 (Ziegenrück), XIV, Nr. 3, fol. 1r–v. 212 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 4.2, fol. 13v.

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einen zweiten Schuldiener einzustellen und aus dem Gemeinen Kasten ausreichend zu besolden. In Auma hatte 1528/29 der Vikar und Stadtschreiber Erhard Hobe den Schuldienst zum Gefallen der Visitatoren versehen. Es wird nicht vollends deutlich, doch lässt die Zusammensetzung der Besoldung des Schulmeisters vermuten, dass Hobe auch 1533/34 noch im Amt war. Der namentlich nicht mehr erwähnte Schulmeister war mit dem Einkommen einer Vikarie von 12 a ß und einer Wiese zu einem Fuder Heu versehen.213 Dabei handelte es sich um die oben bereits erwähnte Grundlage der Vikarie Apostolorum, die nach Hobes Tod dem Pfarrer zugeschlagen werden sollte. Dass dies noch nicht umgesetzt worden war, lässt auf eine Kontinuität von Hobes Schulmeisteramt schließen. Mit der eigentlichen Vikarie wurde er, abgesehen von den Einkünften, nicht mehr in Verbindung gebracht. Desgleichen weist nichts mehr darauf hin, dass der Schulmeister die Stadtschreiberei versah, was angesichts der sonstigen Berücksichtigung der personellen Verhältnisse zweifellos Erwähnung gefunden hätte. In dem Flecken Sulza verdeutlicht die Formulierung des Protokolls hingegen eine höhere Priorität des Kirchneramtes, obwohl dieser auch hier zugleich als Schulmeister und Stadtschreiber diente.214 Das Vorgehen der Visitatoren folgte dennoch durch die Neuverteilung einstiger Vikariegüter dem üblichen Muster. Das Lehen St. Johannis sollte „zur Kynderschule gebraucht werd[en]“. 215 Mit einer eigenständigen Einsetzung eines Schulmeisters war dies hier jedoch nicht verbunden, da mit dem Widerstand des Patronatsherren gerechnet wurde. Eine anderweitige Verwendung der Vikarieeinkünfte – namentlich zur Unterstützung von dessen Sohn im Studium – wurde somit ausdrücklich vorbehalten. Die Entwicklung der Stadt Gräfenthal vermag schließlich in besonderem Maße das Anliegen der Visitatoren zu illustrieren, lässt hier doch der oben vielfach zugrunde gelegte Bericht des Johann Jacoff über das dortige Kirchenwesen den direkten Vergleich mit den vorreformatorischen Zuständen zu. Er verdeutlicht in eindrücklicher Weise, dass die Visitatoren – und durch sie die landesherrliche Obrigkeit – nicht nur die Beseitigung notdürftiger Provisorien, sondern auch eine Steigerung gegenüber den vormaligen Verhältnissen anstrebten. Nach dem Bericht Jacoffs zu urteilen, war die Personalunion aus Stadtschreiber, Kirchner und Schulmeister noch um 1520 eine herkömmliche und bewährte Tradition in der etwas über 1000 Einwohner umfassenden Stadt. Noch so kurz vor der Reformation betonte Jacoff deren Interesse an der Unveränderlichkeit der Verhältnisse. Dem reformatorischen Schulverständnis der Visitatoren genügte dies allerdings nicht. Über den Einfluss der frühen Reformationsjahre auf 213 Vgl. ebd., fol. 244r. 214 „Kirchner Im fleck Sultza Ist Schulmeister vnd Statschreiber“, vgl. ebd., fol. 78v. 215 Vgl. ebd., fol. 80r.

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das Schulwesen konnte nichts in Erfahrung gebracht werden, doch verdeutlicht die verordnete Besoldung des Schulmeisters von 1527 eindrücklich die Notwendigkeit, die Mittel des Gemeinen Kastens sparsam zu verwenden.216 Während die Personalverhältnisse damals nicht weiter ausgeführt wurden, fand die Visitation von 1533/34 den Dienst des Stadtschreibers bereits vom Schulmeisteramt getrennt vor. Lediglich der Kirchendienst lag noch in dessen Hand, doch ebneten die Visitatoren nun auch der hauptamtlichen Versorgung der Schule den Weg. Die Besoldung wurde umgehend auf 30 fl angehoben. Da jedoch der Gemeine Kasten nach wie vor nur über geringe Mittel verfügte, wurde in Gräfenthal eine singuläre Aufteilung der Besoldung vorgenommen. Das Schulgeld wurde nicht, wie fünf Jahre zuvor in den Städten der Pflege Coburg, gänzlich abgeschafft, sondern auf jährlich 4 gr begrenzt und somit im Vergleich zu den vorreformatorischen Verhältnissen halbiert. Während es andernorts jedoch den Schuldienern zugeschlagen wurde, bildete es hier den Grundstock der Besoldung. Um die dabei schwankenden Einkünfte auf ein festes Niveau zu bringen und die von den Visitatoren festgesetzten 30 fl zu erreichen, zahlte der Gemeine Kasten alljährlich die entstehende Differenz. 217 Zur längerfristigen Verbesserung der Besoldung sollte nach dem Tod eines Vikars, der zwei Lehen in sich vereinte, dessen Einkommen zwischen dem Pfarrer und dem Schulmeister aufgeteilt und der „Schulmeister des kirchambts entnhomen“218 werden. In Neustadt a. d. O. war die Schule bereits durch einen hauptamtlichen Schulmeister versehen, doch wurde hier dieselbe Maßnahme beim Kantor angewandt. In der vorhergehenden Visitation war der Kirchner angewiesen worden, den Schulmeister in der Schule zu unterstützen.219 In Folge des bemerkenswert raschen Aufschwungs der Neustädter Schule, die bereits 1529 um die zweihundert Schüler unterrichtet haben soll, 220 stieg die Bedeutung der schulischen Funktion des Kirchners, der mehr und mehr das Amt eines Kantors einnahm. Die Visitatoren zogen 1533/34 daraus die Konsequenz und ordneten, sobald dies durch die kirchlichen Lehen ermöglicht werden könne, die eigenständige Besetzung des Kirchneramtes an.221 Obgleich diese Beispiele einen allmählichen Wiederaufstieg des Schulwesens präsentieren, lassen doch die Visitationsprotokolle keinen Zweifel daran, dass 216 Dem Schulmeister wurden 10 a ß zugewiesen, „biß sich der gemeyn caste pesser, alsdan sol man ine baß vorsorgen“, zitiert nach MBW, T 3, Nr. 567, S. 120. 217 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 4.2, fol. 377r. 218 Ebd., fol. 378v. 219 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 3, fol. 56v. 220 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 445, fol. 2r; HERRMANN, Lateinschulen (1940), S. 229. 221 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 4.2, fol. 210v; HERRMANN, Lateinschulen (1940), S. 227.

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etliche Lücken, welche die frühe Reformation in dem einstigen Schulnetz hinterlassen hatte, auch bis 1533/34 noch nicht geschlossen werden konnten. Doch während die Protokolle der vorhergehenden Visitation in diesen Fällen zumeist schwiegen, nahmen sich die Visitatoren nun auch der Neubegründung einiger Schulen an. Insbesondere hatten die Patronatsverhältnisse der Pfarrei von Treffurt in den Jahren der frühen Reformation zu einigen Verwirrungen geführt. Die Einsetzung des Pfarrers unterlag abwechselnd dem Erzbischof von Mainz, dem Kurfürsten von Sachsen und dem Landgrafen von Hessen. Aufgrund der Beteiligung des Kurfürsten wurde Treffurt in diesem Jahr mit visitiert, obgleich ein vom Mainzer Erzbischof eingesetzter Pfarrer, Ernst Schmalseig, im Amt war. Er ließ das Amt durch den Pfarrverweser Johann Eckhardi versehen. Da dieser jedoch unversorgt war, hatte sich die Gemeinde bereits mehrfach an den Landgrafen und den Kurfürsten gewandt. Durch die Visitation wurde Schmalseig daher im Einvernehmen mit dem hessischen Landgrafen seiner Pfründe enthoben und der Pfarrverweser als rechtmäßiger Pfarrer eingesetzt.222 Die übrigen Anordnungen der Visitatoren betrafen die Neuordnung des Kirchenwesens, der kirchlichen Finanzen und letztlich der niedergelegten Schule. Nach den notwendigen Ausgaben des neuen Gemeinen Kastens sollte der Rest unter anderem aufgewandt werden, „das eine kynderschule angericht“223 werde. War dies in Treffurt nicht mit einer personellen Entscheidung verbunden, wurde die Unterrichtstätigkeit in Rastenberg kurzerhand dem Kirchner übertragen. Seine Besoldung wurde aus einer vorreformatorischen Spendenstiftung und dem Fronleichnamslehen um 10 a ß angehoben und angeordnet, dass er „dagegen […] auch Kinderschuel halten sol“.224 Mit ähnlichen Worten wurde auch die Neubegründung der Schule von Magdala befohlen. Sie sollte nach dem Tod des Inhabers der einzigen Vikarie aus deren Einkünften fundiert werden, doch glaubten die Visitatoren, mit dem Widerstand des Patronatsherrn der Vikarie, Werner von Harras, rechnen zu müssen. Im Fall seines Widerstandes sollte einem Schulmeister zumindest der Anteil des Stadtrates an den Einkünften der Vikarie zugesprochen werden.225 Ungewiss bleibt anhand des Visitationsprotokolls hingegen die Situation in Ranis. Wie in Magdala versah auch hier der Kirchner die Stadtschreiberei und erhielt vereinzelte Zahlungen, die vielerorts einem Schulmeister zukamen, darunter die Präsenzgelder für das einstige Salve und Begräbnisse.226 Dennoch wird nicht vollends deutlich, ob er sich zugleich dem Unterricht widmete. Stattdessen wurde nach der Umverteilung einiger Vikariezinse auch hier angeordnet, dass „das 222 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 4.1, fol. 64v–65r. 223 Ebd., fol. 65r. Die Forschung datiert den ältesten Beleg für eine Schule in Treffurt hingegen ins Jahr 1577, vgl. RUNZHEIMER, Schulwesen (1997), S. 3. 224 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 4.2, fol. 33v. 225 Vgl. ebd., fol. 17r; FRIESE, Kirche(n) (1999), S. 11 f. 226 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 4.2, fol. 316v.

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vbrige zu einer zulage eines schulmeisters gebraucht werden“227 solle. Ob der Kirchner mit dem Schulmeister gleichzusetzen ist oder die unbestimmte Bezeichnung ‚eines‘ Schulmeisters auf dessen Fehlen schließen lässt, muss offenbleiben. Ein völlig anderes Niveau erreichten schließlich die Bemühungen der Visitatoren in Allstedt, wo die Schule ebenfalls verwaist vorgefunden wurde. Die hiesigen Ermittlungen erfolgten mit einer außerordentlichen Genauigkeit und waren sehr deutlich gegen die einstigen Reformen Thomas Müntzers gerichtet. Nicht selten wurden die von ihm eingeführten und von den so bezeichneten „rottengeister[n]“228 gehaltenen Zeremonien als mahnendes Negativbeispiel abzulehnender Praktiken angeführt und durch lutherische Entsprechungen ersetzt. Insgesamt wurde eine vollständige Neubegründung des Allstedter Kirchenwesens angestrebt, wodurch letztlich auch der Schule ein grundlegender und konstituierender Anteil zukam. Für den Schul- und den Kirchnerdienst sollte eine gelehrte Person angestellt und mit insgesamt 35 fl und Naturalien besoldet werden. Der Unterricht sollte in einem Haus an der Johanniskirche stattfinden, das dem Schulmeister zugleich als freie Behausung zur Verfügung gestellt wurde. 229 Soweit entsprachen die Visitatoren dem gängigen Vorgehen, doch arbeiteten sie abschließend eine umfangreiche Kirchenordnung aus, welche die Ergebnisse der Visitation bündelte, erweiterte und verbindlich machte. Sie sollte neben der Altenburger Kirchenordnung die einzige dieser Visitation bleiben, doch übertraf sie jene in ihrer Ausführlichkeit insbesondere der schulischen Aspekte deutlich.230 Die Ordnung war in ihrer Gesamtheit darauf angelegt, die Entwicklung des Kirchenwesens auf eine enge lutherische Bahn zu lenken. Jede mögliche Abweichung wurde bereits hier durch die Präzisierungen aller Details ausgeschlossen. Dies betraf letztlich auch den Schulunterricht, durch den die Kinder im lutherischen und dezidiert gegen den müntzerischen Geist erzogen werden sollten. Die Kirchenordnung stellt daher den einzigen Fall aller bisherigen Visitationen dar, bei dem einem Schulmeister ausdrückliche inhaltliche Vorschriften vorgehalten wurden.231 Als streng zu beachtender Leitfaden galt der Unterricht der Visitatoren, weshalb dem Pfarrer aufgetragen wurde, darauf zu achten, „das solch buchlein bei der hand sei, darnach sich ein schulmeister richten moge“. Obgleich diese Orientierung als selbstverständlich galt, wurde auch sie von den Visitatoren präzisiert, wobei die religiöse und sittliche Erziehung klar in den Mittelpunkt des 227 228 229 230

Ebd., fol. 317r. EKO I/1, S. 508. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 45, fol. 9r–v u. 18r. Vgl. ebd., fol. 3r-18r; EKO I/1, S. 508–513. Da es sich bei dem Weimarer Exemplar um eine spätere Abschrift handelt, soll im Folgenden nach Sehling zitiert werden, der das in Magdeburg befindliche Original edierte. Der von Sehling abgedruckte Lehrplan der Allstedter Schule stammt hingegen nicht aus dieser Visitation, sondern erst von 1569. 231 Für alle folgenden Zitate der Ordnung EKO I/1, S. 509.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

Unterrichts gestellt wurde. Die erste Lektüre war der Katechismus mit dem Dekalog, dem Glaubensbekenntnis und dem Vaterunser. Die Voraussetzung für einen grammatikalischen Unterricht war die Beherrschung dieser Glaubensstücke, doch sollte auch darüber hinaus die Lehre von Gebeten weiterhin einen großen Anteil am Unterricht ausmachen. Die Schüler sollten „die gewonliche segen oder benedicte zu itzlicher malzeit vor dem tisch“ kennen und gebrauchen und zum Abend „einen seuberlichen sentenz ader spruch aus der heiligen schrift ader sunst eines guten lehrers lateinisch und deutsch in der schule und ihren eldern aufsagen“. Den Kindern sollte auf diese Weise die neue Lehre eingepflanzt und gleichzeitig an ihre Eltern weitergetragen werden. Der Besuch der Messen und Predigten war für die Schüler verpflichtend, wobei sie natürlich als Chor zu singen hatten. Ausdrücklich sollte der Schulmeister dabei die lutherischen Gesänge verwenden, sodass die Musik, „welche zur zeit Thomas Muntzer gemacht, hiemit aufgehoben sein und nachbleiben“ soll. Der religiösen Unterweisung schlossen sich die Grammatik des Donat und die Disticha Catonis an, die zu lesen und vom Schulmeister auszulegen seien. Unterrichtssprache war selbstverständlich Latein, doch wurde die Mahnung Melanchthons wiederholt, der Schulmeister möge „des alders und geschicklichkeit der knaben warnehmen“. Erst nach dem Erwerb ausreichender grammatikalischer Kenntnisse wurde dem Schulmeister freigestellt, die Lektüre der im Unterricht der Visitatoren aufgeführten Werke einfließen zu lassen. Der Diakon diente zugleich als Schulgeselle. Er sollte dem Schulmeister täglich zwei Stunden im Unterricht helfen, ausgenommen am Mittwoch und Samstag, an denen er Messen zu halten hatte. Der Nachmittag des Mittwoch sollte daher vom Unterricht frei sein, doch wurden den Schülern an diesem Tage einige Schreibarbeiten als Hausaufgaben mitgegeben. Bei dieser Verordnung, die hier jedoch nicht zur Entlastung der Schüler, sondern des Schulmeisters dienen sollte, handelt es sich um die erste Erwähnung des freien Mittwochnachmittages, der im Laufe des Jahrhunderts vielerorts üblich werden und 1573 selbst in die Herzoglich-sächsische Schulordnung einfließen sollte. Da er hier jedoch ausdrücklich von der personellen Versorgung der Schule, die am Mittwoch auf den Diakon verzichten musste, abhängig gemacht wurde, scheint es sich dabei noch nicht um eine allgemein übliche Praxis gehandelt zu haben. Letztlich blieb der Anspruch der hiesigen Schule gering, denn erklärtes Ziel des Unterrichts war nicht selbst die Vermittlung von Gelehrsamkeit, sondern die Schaffung einer Grundlage zum Besuch auswärtiger Schulen. Der Schulmeister solle „dieselben [die Schüler] furder brengen, bis das sie anderer orter in die schule gehen und gelarter schulmaister auch horen mogen“. Von insgesamt sechs Städten, in denen keine Schule erwähnt wurde, blieben somit nur zwei ohne jegliche Verordnung. In Apolda wurde die Aufmerksamkeit völlig durch den Pfarrer eingenommen. Das Visitationsprotokoll nennt ihn nicht namentlich, doch handelte es sich bei ihm um den aus Eckartsberga stammenden

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Jakob Bertram, der bereits seit einigen Jahren im Amt war.232 Er wurde von den Visitatoren als papistisch und ungeschickt beurteilt und lebte in einer unehelichen Verbindung. Im Einvernehmen mit dem Patronatsherrn Christoph Vitzthum von Apolda wurde er abgesetzt und durch die Einkünfte einer verledigten Vikarie abgefunden.233 Der Kirchner verfügte über ein Einkommen von lediglich 5 a ß und acht Schock Korngarben, doch findet sich kein Hinweis auf eine mögliche Unterrichtstätigkeit. Eine zweite Vikarie, aus der ein Schulmeister hätte bewidmet werden können, war noch in der Hand ihres Inhabers.234 In Tannroda wurden hingegen überhaupt keine Anweisungen getroffen. Möglicherweise verhinderte der Lehensherr Heinrich von Bünau ein stärkeres Eingreifen.235 Freilich kann das Schweigen der Visitationsprotokolle nicht eindeutig als Indiz für das Fehlen einer Schule verstanden werden, doch hätte zumindest in Apolda ein Schulmeister neben dem Kirchner oder dessen Schultätigkeit Beachtung oder zumindest Erwähnung gefunden. In den 41 anhand der überlieferten Protokolle untersuchten Städten wurden letztlich 18 Schulen durch hauptamtliche Schulmeister versorgt. Der Fokus der Visitatoren lag hier auf der Bewahrung und der Verfestigung des Zustandes wie der Steigerung der schulischen Leistungen durch eine neuerliche Anpassung der Besoldungen. Nach fünf Jahren seit der letzten Visitation war dies auch möglich, da nach und nach die letzten Vikarien und Stiftungen in den Gemeinen Kasten flossen. Insbesondere in den größeren Städten war eine der ersten Maßnahmen der Visitatoren stets die Erstellung eines Verzeichnisses der bereits oder in absehbarer Zeit verledigten Lehen. Mit welchen Schwierigkeiten die Einziehung der dabei abfallenden Zinse in den Gemeinen Kasten jedoch verbunden war, belegt unter anderem das Eisenacher Beispiel. Etliche der bereits in der vorhergehenden Visitation ermittelten Einkünfte seinen bislang „nicht ganghafftig vnd dauon bisanher den Kirchen vnd schudienern nichtes gereicht wurd[en]“. 236 Das Beispiel der Gothaer

232 Vgl. KRONFELD, Apolda (1871), S. 401 f. 233 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 4.2, fol. 110v. In der ersten albertinischen Visitation von 1539 wirkte in Eckartsberga ein katholischer Pfarrer, der nach seinen eigenen Angaben aus Apolda vertrieben worden sei. Eine Identifizierung mit ihm ist wahrscheinlich, gerade angesichts der Herkunft Bertrams aus Eckartsberga. Da jedoch auch das albertinische Protokoll den Pfarrer nicht namentlich nennt, kann die Vermutung nicht bestätigt werden, vgl. HStA Dresden, 10024, Loc. 10593/5, fol. 47r. Kronfeld erwähnt, dass er 1536 Apolda verlassen habe und Pfarrer im albertinischen Auerstedt geworden sei. Von einer Rückkehr ins benachbarte Eckartsberga weiß er nichts, vgl. KRONFELD, Apolda (1871), S. 402. 234 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 4.2, fol. 110r. 235 Vgl. ebd., fol. 111r–v. 236 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 4.1, fol. 139r.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

Schülerspende, deren Hauptsumme nicht ermittelt werden konnte, ist oben bereits erwähnt worden. In einigen Fällen war die Steigerung der finanziellen Möglichkeiten nicht nur mit einem Ausbau der geistlichen Versorgung, sondern auch – wie bereits im Buttstädter Fall dargelegt – mit der Aufstockung des Schulpersonals verbunden. Nicht immer betraf dies jedoch die Anstellung regelrechter Schuldiener. Wo die personellen Gegebenheiten dies ermöglichte und die Anforderungen der Schule es erforderlich machten, wurden andere Kirchendiener und im erwähnten Fall von Allstedt selbst ein Geistlicher zum Schuldienst herangezogen. Der Kirchner von Creuzburg, so urteilten die Visitatoren, könne „dem schulmeister In der schulh die kleinen Knaben […] verseh[en] helffenn“. 237 Zu diesem Zweck wurde sogar ein Schulgeld neu eingeführt, um seine Schultätigkeit zu entlohnen. Jeder Knabe solle dem Kirchner zu den Weichfasten 9 d reichen. In Waltershausen wurde die Verpflichtung des Kirchners ausdrücklich mit dem Mangel an sonstigem Personal begründet. Er müsse „helffen Lectiones horenn vnd mit im Chor helffen, weyl sonst der schulmeister keinen gehulfenn hat“.238 Wie in Creuzburg erhielt er dafür das Schulgeld der Schüler, das mit einem Wert von 3 ½ ß angegeben wurde. Die Höhe der Forderung von den Schülern, die auf deren Anzahl hätte schließen lassen können, ist jedoch nicht vermerkt. Sie wurde erst von den Visitatoren auf einen Schneeberger im Quartal festgelegt und damit vermutlich gesenkt. 239 Grundsätzlich verfolgten die Visitatoren nicht mehr die verbindliche Abschaffung des Schulgeldes. Vielerorts blieb es bindend, wurde mancherorts allerdings verringert oder, wie es in Saalfeld bereits skizziert wurde, auf die auswärtigen Schüler beschränkt. Lediglich in Bürgel belief sich die Forderung von den Schülern auf 20 gr, was bereits in vorreformatorischen Verhältnissen als hoch hätte gelten müssen, die Werte der frühen Reformationszeit jedoch weit übertraf. Sie lagen bei 1 gr in Waltershausen, 3 gr in Creuzburg (9 d pro Quartal), 4 gr in Eisenberg,240 5 gr 4 d in Auma241 sowie 6 gr in Berka,242 Buttelstedt243 und Ohrdruf.244 Gesenkt wurde die Bürgeler Forderung von den Visitatoren nicht. 245 Dennoch wurde ein Schulgeld in den meisten Fällen nicht mehr erwähnt, sodass zwar nicht von einer 237 238 239 240 241 242 243 244

Ebd., fol. 17r. Ebd., fol. 217v. Vgl. ebd., fol. 222v. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 4.2, fol. 163r. Vgl. ebd., fol. 244r. Vgl. ebd., fol. 184v. Vgl. ebd., fol. 62r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 4.1, fol. 292v. In Ohrdruf klagte der Schulmeister jedoch, dass die Kinder das Schulgeld verweigerten oder mit großem Verzug zahlten, vgl. ebd., fol. 293v. 245 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 4.2, fol. 150v.

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verbindlichen, doch zumindest von einer weitverbreiteten Abschaffung ausgegangen werden kann. Ausdrücklich angeordnet wurde sie nur in Weimar, wo die verordnete Besoldung der beiden Gesellen von 40 fl das vorherige Kostgeld und das Schulgeld der Kinder mit abdecken sollte.246 Eine stets wiederkehrende Anordnung der Visitatoren betraf schließlich die Verwendung der hinterlassenen Überschüsse der Gemeinen Kästen. Obwohl vielerorts noch immer über den finanziellen Mangel geklagt wurde, verdeutlichen diese regelmäßigen Worte, dass zumindest in den größeren Städten das Kirchenwesen inzwischen mindestens über die grundlegende wirtschaftliche Basis verfügte. Das überschüssige Geld sollte stets dem baulichen Erhalt der Kirchen- und Schulhäuser sowie der Unterstützung bedürftiger Bürgerskinder im Studium angewandt werden. In einigen Städten wurde der bloße Erhalt der Schulgebäude zudem um eine bauliche Erweiterung ergänzt, die einem steigenden Bedürfnis der Schulen Rechnung tragen oder dem Schulmeister die Wohn- und Lebensumstände verbessern sollte. Das Beispiel der Stadt Triptis, wo der Familie des Schulmeisters ein Haus gebaut werden sollte, ist oben bereits angesprochen worden, doch steht es nicht allein. Gleichermaßen wurde dem Schulmeister von Hildburghausen die Bereitstellung eines eigenen Wohnhaues in Aussicht gestellt.247 Der Stadtrat von Salzungen sollte nach der Anweisung der Visitatoren „[f]ur einen Schulmeister […] ein bequeme vnd geleg[en] vicarienhaus behalt[en] vnd aus dem kirchkasten pawen“, 248 also instand setzen lassen. Obwohl der Schulgeselle im Salzunger und anderen Fällen seine Wohnung im Schulhaus erhalten sollte, verfolgte der allgemeine Trend die alleinige Funktion des Schulhauses zu schulischen Zwecken und somit eine zunehmende Institutionalisierung des Schulwesens. Dies war nicht allein in den größeren Städten der Fall. Die Stadt Neumark nördlich von Weimar ist noch heute eine der kleinsten Städte des Untersuchungsraumes. Hier diente 1533/34 der Kirchner als Schulmeister. Aus den Einkünften zweier Lehen sollte ihm zum einen eine Zulage von 2 a ß gewährt und zum andern „eine bequeme schulbehausung erbawet werdenn“.249 Der Unterricht hatte hier bislang in der Wohnung des Schulmeisters stattgefunden und sollte nun separiert werden, nicht nur um ihn und seine Familie in ihrem privaten Umfeld zu entlasten, sondern auch den Unterricht durch eine funktionale Räumlichkeit zu stärken und auf lange Sicht auszubauen. In einigen Städten, wo dies bereits der Fall war, genügten die Kapazitäten des Baus den Anforderungen der Schülerzahl nicht mehr. So wurde in Kahla dem Rat aufgetragen, er möge dem Schulmeister

246 247 248 249

Vgl. ebd., fol. 5v. Vgl. SOBOTTA, Schulwesen (2005), S. 155. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 4.1, fol. 57r. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 4.2, fol. 69v.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

nicht nur einen Keller anlegen, sondern „die schulstuben weytter machen lasen“.250 In Ohrdruf erhob der Kirchner, der gleichzeitig Schulmeister war, zumindest eine entsprechende Klage. Es mangele ihm sowohl an einem Schulhaus als auch an einem Schulgesellen, doch folgte seinem Aufbegehren keine Verordnung der Visitatoren.251 Die zweite Hälfte des überschüssigen Geldes sollte in Form von Stipendien gezielt zur Beilegung des damit bezeichneten Mangels an gelehrtem Personal aufgewandt werden. Die Notwendigkeit ausreichend ausgebildeten Kirchen- und Schulpersonals entsprach den Vorstellungen Luthers und wurde von den Visitatoren von jeher mit der entsprechenden Energie verfolgt. Das evangelische Kirchenwesen hing in signifikantem Maße von der Gelehrsamkeit der Kirchenund Schuldiener ab und letztlich verfolgte das reformatorische Schulwesen allein den Zweck, diese zu gewährleisten. Schon als 1527 die erste weiträumigere Visitation abgebrochen und die Visitatoren zu einer Konferenz nach Torgau geladen wurden, hatte der erste Eindruck vom zerrütteten Kirchenwesen die Notwendigkeit vor Augen geführt. Die Bereitstellung von Stipendien war damals in den Augen der Visitatoren der ideale Ansatz zur Lösung des personellen Mangels und so schilderten sie in ihrem vor der Konferenz ausgearbeiteten Konzept die Möglichkeit, verledigte Stiftspfründen zu diesem Zweck umzuwidmen.252 Obgleich die Anfänge zögerlich waren, brachte die Visitation von 1533/34 weiträumig die Umsetzung dieses Entwurfes mit sich. Vielerorts wurde die Zahlung von Stipendien zur Unterhaltung der Bürgerskinder an den Universitäten durch die Visitatoren angeordnet. Ihre Anzahl richtete sich dabei natürlich nach dem finanziellen Vermögen des Gemeinen Kastens. Wurde in Creuzburg ein einzelnes Stipendium von 25 fl in Aussicht gestellt,253 rechneten die Visitatoren in Salzungen mit zwei oder drei Stipendien.254 Am aussichtsreichsten gestaltete sich die Bereitstellung von Stipendien in jenen Städten, die in vorreformatorischer Zeit über Chorherrenstifte verfügt hatten oder noch verfügten. Hier wurde von den Visitatoren – entsprechend des einstigen Entwurfes von 1527 – das Ziel verfolgt, die früheren Chorherrenpfründen, wie dies bereits im Altenburger Zusammenhang deutlich wurde, in Stipendien umzuwandeln. Für das Stift Gotha zählt das Protokoll bereits vier verledigte Kanonikate auf, die bereits dem nämlichen Zweck zugeführt worden waren.255 Weitere sollten dem folgen bis Myconius Justus Menius gegenüber 1542 rühmen konnte, dass durch die Gothaer 250 251 252 253 254 255

Ebd., fol. 259r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 4.1, fol. 293v. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 200, fol. 5r–v. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 4.1, fol. 16v. Vgl. ebd., fol. 57r. Vgl. ebd., fol. 175r.

‚REFORMATORISCHES SCHULWESEN‘ IN THÜRINGISCHEN STÄDTEN

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Pfründen in einem Jahrzehnt 20 Studenten mit Stipendien versorgt worden seien.256 In Eisenach war bereits vor der Reformation durch keinen Geringeren als den aus Eisenach stammenden Theologen und Logiker, Professor und Rektor der Erfurter und der Wittenberger Universitäten sowie Lehrer Luthers, Jodocus Trutfetter, mit einer Hauptsumme von 400 fl ein Stipendium für Studenten seiner Heimatstadt gestiftet worden. Zwei Bürgerskinder sollten jährlich 10 fl zu ihrer Unterstützung erhalten.257 Diese Stiftung wurde nun ausdrücklich nicht in den Gemeinen Kasten geschlagen, viel eher ordneten die Visitatoren ihren Fortbestand an. Die Stipendien sollten, obgleich sie in ihrer Höhe den reformatorischen Verhältnissen weit nachstanden, entsprechend des Stiftungsbriefes kontinuierlich fortgesetzt werden.258 Weitere Stipendien sollten nun aus den verledigten Einkünften hinzugefügt werden, diesmal jedoch „nach ermessen des Raths vnd superadtendenten“.259 Ähnliche Verordnungen finden sich beispielsweise für Jena oder Pößneck und in Schmölln selbst für „etlich studenten“. 260 Wird die Anzahl der Stipendien nur selten spezifiziert, kann sie anhand des Jenaer Beispiels zeitnah präzisiert werden. Die hiesige Kastenrechnung von 1535/36 verzeichnet insgesamt vier Stipendien in bemerkenswerter Höhe. Zwei umfassten 10 n ß (umgerechnet fast 29 fl), eines betrug 7 n ß und ein weiteres 4 n ß.261 Letzteres wurde Johann Gebhard gereicht, der erst zu Walpurgis und somit kurz vor dem Abschluss der Rechnung an die Universität gezogen war, wodurch die geringe Höhe seiner Zuwendung erklärt wird.262 Er verdeutlicht zugleich, welchen Nutzen die Städte und letztlich das gesamte Schulwesen langfristig aus den Stipendien zogen. Nach absolviertem Studium kehrte er in seine Heimatstadt zurück und versah für einige Jahre eines der unteren Schulämter,263 bevor er 1545 Schulmeister in Kahla wurde. 264 Es sei zudem an die zahlreichen Bewerbungen um Altenburger Schulämter erinnert, die sich nicht selten auf die einstmals geleistete finanzielle Unterstützung der Heimatstadt beriefen.

256 257 258 259 260 261 262

Vgl. SCHERFFIG, Briefe (1936–39), S. 235. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 4.1, fol. 146r. Vgl. ebd., fol. 150v. Ebd., fol. 150v. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 583, fol. 96v. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 3021, fol. 70r. Mit der Matrikel der Universität Wittenberg kommt es hier zu einem Widerspruch. Tatsächlich wurde der aus Jena stammende Johann Gebhard an einem 1. April immatrikuliert, doch fand seine Immatrikulation nicht 1536, sondern 1538 statt, vgl. FÖRSTEMANN, Album (1841), S. 174. 263 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 2935, fol. 27r. 264 Vgl. StA Kahla, B, Nr. 1340, unfol.

II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

652

Die bedeutendste und für das gesamte Kirchen- und Schulwesen konstituierende Folge dieser dritten und vorerst letzten geschlossenen Visitation war jedoch die Bewilligung und sorgfältig umgesetzte Verteilung kurfürstlicher Zulagen aus den Einkünften landesherrlich getragener geistlicher Institutionen. Auf welche Weise der Kurfürst zur Bereitstellung dieser Unterstützung bewegt werden konnte und welchen Anteil das Schulwesen an ihnen nahm, ist bereits im obrigkeitlichen Zusammenhang dargelegt worden. Seinen Höhepunkt fand das Werk ein Jahrzehnt später in der Bereitstellung der kurfürstlichen Stipendien (Karte 1). Auch wenn das Schulwesen insbesondere in finanzieller Hinsicht, wie später noch zu zeigen sein wird, die Krise der frühen Reformation noch nicht vollständig überwunden hatte, konnten die drei ersten ernestinischen Visitationen einen wirtschaftlichen, personellen und organisatorischen Grund für die Entwicklung der folgenden Jahrzehnte legen. Tab. 11: Die von den Visitatoren verordneten Besoldungen der Schuldiener im ernestinischen Kurfürstentum265 Ort

Visitation 1527

Visitation 1528/29

Allstedt

-

-

Altenburg

Apolda

Visitation vorzeitig abgebrochen, keine Verordnung -

Schulmeister: 60 fl für ausreichend befunden Baccalaureus: wird vom Schulmeister unterhalten -

Auma

Keine Verordnung

Einkommen der Vikarie für ausreichend befunden, keine Verordnung

Berka

-

-

Visitation 1533–35 25 fl vom Kasten, 10 fl vom Rat Naturalien Schulmeister: 70 fl Baccalaureus und Kantor: je 40 fl Keine Verordnung 3 a ß von der Kirche, 12 a ß vom Rat, 1 a ß von zwei Testamenten, Naturalien, Schulgeld 5 gr 4 d pro Schüler, keine Verordnung Schulgeld 6 gr pro Schüler, keine Verordnung

265 Die Darstellung folgt den Angaben der Visitationsprotokolle. Lediglich in den Anordnungen der dritten Visitationen in der Pflege Coburg, die hier erst 1535 stattfand, richtet sie sich nach SOBOTTA, Schulwesen (2005), S. 147–166.

‚REFORMATORISCHES SCHULWESEN‘ IN THÜRINGISCHEN STÄDTEN

Blankenhain

-

Keine Verordnung

Bürgel

8 a ß vom Kasten, Kost aus dem Kloster (oder stattdessen 10 fl)

10 fl und 6 Scheffel Korn aus dem Kloster, 12 a ß vom Rat für Stadtschreiberei

Buttelstedt

-

-

Buttstädt

-

-

Schulmeister: 50 fl vom Kasten, Kost vom Stift Coburg

Zwei Gesellen: je 12 fl vom Kasten

Creuzburg

-

-

653 17 a ß 2 gr 8 d, 1 Malter Korn, 3 Scheffel Hafer, 6 fl von der Schulwiese, Erhöhung nach Gelegenheit 10 fl und 8 Scheffel Korn aus dem Kloster, 30 a ß vom Rat für Stadtschreiberei, 15 Klafter Holz vom Rat Kirchnerbesoldung, Schulgeld 6 gr pro Schüler, Erhöhung nach Gelegenheit Schulmeister: 30 ß vom Kasten, Schulgeld Zukünftiger Geselle: ausreichend vom Kasten Schulmeister: 25 fl vom Stift statt der Kost, sonst für ausreichend befunden Zwei Gesellen: Keine Verordnung Anordnung, einen dritten Gesellen anzustellen 40 fl vom Kasten, 10 Malter Korn, 4 Malter Gerste, 8 Malter Hafer

654

II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

Schulmeister: 50 fl vom Kasten266 Eisenach

Zwei Gesellen: je 30 fl vom Kasten

Eisenberg

12 a ß vom Kasten, Kost aus dem Kloster (oder stattdessen 10 fl)

Versorgung aus dem Kloster: 20 fl, 5 Scheffel Korn, 10 Klafter Holz Schulmeister: 6 fl vom Kasten, 4 fl vom Rat Locat: 16 fl vom Kasten

Eisfeld

-

Friedrichroda

-

-

Gefell

-

Keine Verordnung

Gotha

-

-

Gräfenthal

10 a ß vom Kasten

-

-

Schulmeister: 4 fl vom Kasten, Sold der Stadtschreiberei Locat: 4 fl vom Kasten, 5 fl und die Kost vom Schulmeister

Heldburg

Schulmeister: 65 fl vom Kasten, 5 Malter Korn, 10 Klafter Holz Zwei Gesellen: je 40 fl vom Kasten, 5 Malter Korn, 10 Klafter Holz Versorgung aus dem Kloster: 30 fl, 5 Scheffel Korn, 10 Klafter Holz, Schulgeld 4 gr pro Schüler Keine Verordnung 12 ß von der Gemeinde, 5 ½ ß aus einer Vikarie Kost beim Pfarrer, sonst keine Verordnung Schulmeister: 60 fl vom Kasten Zwei Gesellen: je 45 fl vom Kasten Erhöhung nach Gelegenheit Schulmeister: Keine Verordnung Locat: 15 fl vom Kasten

266 Die Eisenacher Angaben stammen nicht aus einem Visitationsprotokoll, sondern aus nachträglichen Überlieferungen.

‚REFORMATORISCHES SCHULWESEN‘ IN THÜRINGISCHEN STÄDTEN

Hildburghausen

Jena

-

25 fl vom Kasten

Schulmeister: 12 fl vom Kasten, 6 fl vom Rat, Kost vom Pfarrer Kantor: 11 fl vom Kasten, 6 fl vom Rat Schulmeister: 40 fl vom Kasten, je 5 Scheffel Korn und Gerste Baccalaureus: 30 fl vom Kasten, je 5 Scheffel Korn und Gerste

Kahla

20 a ß vom Kasten

30 fl für ausreichend befunden

Kranichfeld

-

Keine Verordnung

Lobeda

-

Keine Verordnung

Lucka

-

Magdala

-

Dem Prediger für den Schuldienst 2 a ß und Naturalien -

Neumark

-

-

Neustadt a. d. O.

20 fl vom Kasten

35 a ß vom Kasten

655

Schulmeister: 43 fl vom Kasten Kantor: Keine Verordnung Schulmeister: 50 fl vom Kasten, je 6 Scheffel Korn und Gerste, 1 Fuder Holz Zwei Gesellen: je 40 fl vom Kasten, je 5 Scheffel Korn und Gerste Schulmeister: 30 fl vom Kasten, 4 Scheffel Korn, 3 Fuder Holz Baccalaureus: 15 fl vom Kasten, Kost bei den Bürgern 8 a ß 6 gr für den Schuldienst, 3 ß Korn- und Gerstengarben 20 a ß vom Kasten, 8 Scheffel Korn, 4 Klafter Holz Gründung nötig Kirchnerbesoldung, 2 a ß vom Fronleichnamslehen und einer Seelenmesse Schulmeister: 52 ½ a ß vom Kasten, 8 Scheffel Korn, 15 Klafter Holz Kantor: 30 a ß vom Kasten, 6 Scheffel Korn, 6 Klafter Holz

656

Neustadt b. C.

II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

-

Schulmeister: Sold für die Stadtschreiberei, Naturalien Locat: 2 fl vom Kasten, 3 fl vom Rat

Ohrdruf

-

-

Orlamünde

Keine Verordnung267

30 fl vom Kasten

Pößneck

20 a ß vom Kasten

26 a ß vom Kasten268

Ranis

-

Keine Verordnung

Rastenberg

-

-

-

Schulmeister: 12 fl vom Rat, 2 fl vom Kasten Zukünftiger Locat: potentiell 16 fl vom Kasten

Rodach

Ronneburg

-

28 fl vom Kasten

Schulmeister: 22– 23 fl vom Zehnten aus Meilschnitz Keine Verordnung Kirchnerbesoldung, Schulgeld 6 gr pro Schüler 24 a ß vom Kasten, 2 ½ Scheffel Korn, 6 Klafter Holz (oder 2 fl), 3 fl Wiesenwachs Schulmeister: 40 a ß vom Kasten Baccalaureus: 30 a ß vom Kasten Erhöhung nach Gelegenheit 10 a ß von der Spende und der Fronleichnamsmesse Schulmeister: 12 fl vom Rat, Zulage vom Kasten Locat: Keine Verordnung Zulage um 3 fl vom Rat, langfristige Erhöhung im Einvernehmen mit den Herren von Wildenfels

267 J. und E. Löbe erwähnen hingegen eine von den Visitatoren verordnete Besoldung von 5 a ß. Sie geht aus den Briefen nicht hervor, vgl. LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen III (1891), S. 658. 268 Die Besoldung des Pößnecker Schulmeisters aus dem Gemeinen Kasten blieb Theorie. Nach wie vor zahlte der Stadtrat die Besoldung, vgl. StA Pößneck, Stadtrechnung, Mappe 25, Nr. 76, 1528/29, unfol.

‚REFORMATORISCHES SCHULWESEN‘ IN THÜRINGISCHEN STÄDTEN

Saalfeld

Salzungen

Schalkau

Schmölln

Sonneberg

20 fl vom Kasten

-

-

-

-

657

Schulmeister: 50 fl vom Kasten

Schulmeister: 50 a ß vom Kasten, 5 a ß Holzgeld

Baccalaureus und Kantor: werden vom Schulmeister unterhalten, Kost von den Bürgern

Zwei Gesellen: je 40 a ß vom Kasten, 3 a ß Holzgeld

-

Schulmeister: 40 fl vom Kasten, Schulgeld Baccalaureus: 30 fl vom Kasten

je 2 fl vom Kasten und vom Rat, 1 fl vom Kasten für vorherige Naturalabgaben der Dörfer, Naturalien Schulmeister: 20 fl vom Kasten, Kost vom Pfarrer Locat: 4 a ß vom Kasten, Schulgeld von den Knaben (oder stattdessen Zulage vom Rat) 12 fl vom Rat bis der Kasten die Besoldung „In mitler Zeitt“269 übernehmen könne

Stadtroda

4 a ß vom Rat, 16 a ß vom Kasten

Versorgung aus dem Kloster: 22 fl und 10 Scheffel Korn

Sulza

-

-

Tannroda Treffurt

-

Keine Verordnung -

269 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1a, fol. 140v.

Zulage in unbekannter Höhe, Erhöhung nach Gelegenheit Schulmeister: Zulage von 10 fl nach Gelegenheit Geselle: Keine Verordnung

Keine Verordnung

16 fl und Holz vom Rat, 10 Scheffel Korn, Verordnung, die Versorgung vom Kloster fortzusetzen Erhöhung nach Gelegenheit Keine Verordnung Keine Verordnung

658

II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

12 a ß vom Kasten, 10 Scheffel Korn, 3 Scheffel Hafer, Sold für die Stadtschreiberei 2 fl vom Kasten, 2 fl vom Rat

Triptis

10 a ß vom Kasten

Ummerstadt

-

Waltershausen

-

-

Keine Verordnung

Schulmeister: 30 a ß vom Kasten und das halbe Schulgeld Kantor: 5 a ß vom Kasten und das halbe Schulgeld, 5 a ß aus dem Kloster

Weida

Weimar

Ziegenrück

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20 a ß vom Kasten

Beteiligung am Einkommen dreier Vikarien von 4 fl, 3 fl zusammen mit Pfarrer und 6 a ß

Keine Verordnung Zulage von 5 fl vom Kasten Schulmeister: 24 fl vom Rat Kirchner als Geselle: 3 ½ ß Schulgeld Schulmeister: Zulage von 5 fl vom Kasten Kantor: Zulage von 3 fl vom Kasten Schulmeister: 50 fl vom Kasten Zwei Gesellen: je 40 fl vom Kasten Kurzfristig: Zulage von 10 fl vom Kasten, Langfristig: Nach Gelegenheit 35 a ß vom Kasten

6.3. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des reformatorischen Schulwesens 6.3.1. Der Gemeine Kasten als Finanzierungskonzept In der bisher skizzierten und für Altenburg und Saalfeld ausführlicher dargelegten Etablierung der Gemeinen Kästen sowie der damit verbundenen Übertragung der kirchlichen und schulischen Finanzierung fand die Reformation der Schulen ihren signifikantesten Ausdruck. Die Theorie, die in den Bestimmungen der frühen Visitationen zu Tage tritt, sah eine ganzheitliche und konzentrierte, vor allem aber eine stabile und damit risikofreie Versorgung der Geistlichen, Kirchenund Schuldiener aus einer gemeinsamen Quelle vor. Keine Stadt ermöglicht dabei

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einen so deutlichen Vergleich der vorreformatorischen Verhältnisse mit dem reformatorischen Anliegen wie die Reichsstadt Mühlhausen, die 1542 unter dem Druck der evangelischen Fürsten reformiert wurde. Die Gründung des Gemeinen Kastens steigerte die zuvor zugestandene, nur geringe Besoldung in beachtliche Höhen. Fünf Jahre später wurde sie wiederum im Zuge der Rekatholisierung zwar nicht eingestellt, aber deutlich gekürzt. Da über die genaue Höhe der vorreformatorischen Einkünfte der Schuldiener nur wenige Informationen vorliegen und diese durch die schwankende Schülerzahl einer nicht unerheblichen Varianz unterworfen war, ist die Frage, ob die neue Methode eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Schulämter bewirkt habe, nur schwer zu beantworten. Zwei zeitgenössische Urteile können einander gegenübergestellt werden. Der Schulmeister von Sonneberg, Oswald Rudolff, diente der Schule über die Einführung der Reformation hinaus. 1528/29 sei er bereits seit über zehn Jahren im Amt gewesen, als die Visitation der Pflege Coburg wie oben skizziert allerorten rigoros die Forderung von Schulgeld untersagte. Die stattdessen verordnete Besoldung durch den Stadtrat und den Gemeinen Kasten blieb jedoch so gering, dass sie den Verlust nicht aufwog. Er wurde zusätzlich durch die Absetzung der katholischen Zeremonien, den Entzug der damit verbundenen Präsenzzahlungen und die Einverleibung einstiger Stiftungen in den Gemeinen Kasten gesteigert. 1535, kurz vor der dritten Visitation, wandte sich der Schulmeister daher an die Visitatoren und beklagte die Einbußen seiner einstigen Einkünfte, zu der es durch die Umstellung gekommen war.270 Rudolffs Brief steht freilich an den Anfängen einer allmählichen Konsolidierung, die einer ansteigenden Tendenz unterlag. Ein zweites Urteil ermöglicht zu einem späteren Zeitpunkt eine geänderte Perspektive. Es muss jedoch kritisch betrachtet werden, handelt es sich doch um den polemischen Vorwurf eines Pfarrers über die vermeintliche Ignoranz seiner Gemeinde gegenüber der Schule. Der Arnstädter Superintendent Joachim Mörlin hielt 1543 eine Predigt, die er später drucken ließ und in der er mit deutlichen Worten die Missachtung des Schulwesens geißelte. Obwohl die Schüler heute, so folgt er Luthers Worten, gelehrter seien als je zuvor, wären die Bürger nicht bereit, dem Schulmeister eine ausreichende Besoldung zuzugestehen. Ihnen legte der Superintendent die Worte in den Mund, welche die Steigerung der Besoldung durch die Reformation im zeitgenössischen Verständnis ausdrücken sollten: „Grobe Klötze und Stöcke sind die / so da heut zu Tage sagen / Hie vor dieser Zeit war ein Schulmeister wol zu frieden mit sechs / oder auffs meiste mit zehen Gulden. Nu wil er vmb siebentzig nicht gern vns dienen. Ja / wo ist itzt solche Zeit / da nobis haec tempora.“271 Der Blick in die thüringischen Städte kann

270 Vgl. SOBOTTA, Schulwesen (2005), S. 161 f. 271 MÖRLIN, Postilla, S. 167.

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diese Urteile spezifizieren, die Umsetzung der lutherischen Theorien hinterfragen und ihnen die tatsächlichen Verhältnisse und Entwicklungen gegenüberstellen. Ein maßgeblicher Aspekt des von den Visitatoren vertretenen lutherischen Modells des Gemeinen Kastens war dessen Alternativlosigkeit. In jeder Stadt wurde daher zunächst seine Gründung angeordnet, die vielerorts auch tatsächlich umgesetzt wurde. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten, die mit der Zeit überwunden werden konnten, lassen sich etliche Orte als Beispiel anführen, wo der Gemeine Kasten eine mustergültige Umsetzung erfuhr. Bereits die Untersuchung der Altenburger Entwicklung konnte auf eine überdurchschnittlich dichte, fast lückenlose Überlieferung ausführlicher Kastenrechnungen zurückgreifen, die den Erfolg dieser Einrichtung beispiellos präsentieren. Auch die Stadt Jena wurde in dieser Hinsicht bereits 1527 lobend von den Visitatoren hervorgehoben. Einige, allerdings nur vereinzelt überlieferte Kastenrechnungen bestätigen den Eindruck, dass auch hier das Kirchenwesen vollständig vom Gemeinen Kasten getragen wurde. Die erste überlieferte Rechnung stammt nach den frühen Visitationen aus dem Jahr 1535/36. Sie führt für den Schulmeister eine Besoldung von 17 n ß 30 gr, die Finanzierung von Brennholz sowie sechs Scheffel Korn und Gerste auf. Neben dem Baccalaureus Matthias, der mit 14 n ß, zwei Scheffel Korn und 5 Scheffel Gerste besoldet wurde, erhielt Caspar Frylitsch als zweiter Baccalaureus das anteilige Gehalt für 18 Wochen. Er ist erst am 7. Mai 1537 ins Amt eingeführt worden.272 Die Höhe der Besoldung entsprach den 1533/34 von den Visitatoren erteilten Anordnungen. Darüber hinaus deckte der Gemeine Kasten die Baukosten ab, die an der Schule durch die bereits in vorreformatorischer Zeit üblichen Ausbesserungsmaßnahmen am Dach, den Öfen oder den Fenstern anfielen. 273 Die Unterhaltung von vier Stipendiaten ist oben bereits erwähnt worden. Das lutherische Konzept wurde in Jena somit den Vorstellungen der Visitatoren entsprechend umgesetzt.274 Der 1555 anlässlich der Neubewidmung von den Herzögen eingeforderte Bericht des Stadtrates über den Zustand von Kirche und Schule betont zudem deutlich die mit der Reformation erfolgte Umstellung der Versorgung, die einst vom Kloster, nun aber vom Gemeinen Kasten getragen werde. Die Höhe der Besoldung war unterdessen gestiegen und die Schuldienerschaft auf fünf Personen angehoben worden. Der Schulmeister erhielt neben weiteren Naturalien 60 fl, der Kantor 50 fl, der Supremus 40 fl, der 272 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 3021, fol. 45r–v. 273 Vgl. ebd., fol. 47r–48v. 274 Weitere Kastenrechnungen, welche die Kontinuität der Einrichtung illustrieren, stammen von 1536/37 (LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 3023), 1542/43, 1543/44, 1544/45 (gemeinsam überliefert unter ebd., Reg Bb 2935), 1558/59 (KA Jena, Nr. 3, Kastenrechnung 1558/59), 1561/62 (ebd., Nr. 4, Kastenrechnung 1561/62), 1563/64 (StA Jena, C Ia-2a), 1566/67 (KA Jena, Nr. 5, Kastenrechnung 1566/67), 1570/71 (ebd., Nr. 6, Kastenrechnung 1570/71).

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sogenannte Medius 30 fl und der Infimus 25 fl.275 Die Sorge um die bauliche Instandhaltung der Schulhäuser verhinderte indes nicht die in späteren Jahren erhobenen Klagen über deren schlechten Zustand.276 Der Bericht des Rates von Neustadt a. d. O. zeichnete in demselben Zusammenhang von den dortigen Verhältnissen ein ähnliches Bild. Die Besoldung des Schulmeisters betrug 50 fl, die des Kantors 30 a ß und zweier weiterer Schuldiener 20 und 5 fl. In derselben Abstufung wurde auch sie ergänzt durch Holz und Getreide.277 Aus Creuzburg stammt nicht allein ein gleicher Bericht des Stadtrates von 1555, sondern bereits von 1545 ein Einkommensverzeichnis der Kirche und Schule. Im Vergleich miteinander skizzieren sie gleichermaßen eindeutig die Funktionsweise des Gemeinen Kastens. Erhielt 1545 noch der Schulmeister alleine eine Besoldung von 38 fl und etlichen Maltern Getreide,278 trat zehn Jahre später ein Kantor für 21 ß, Getreide und Holz an seine Seite.279 Das 1533/34 von den Visitatoren vorgesehene Stipendium in Höhe von 25 fl erfüllte ebenfalls seinen Zweck. Die erste überlieferte Kastenrechnung der benachbarten Stadt Eisenach stammt aus dem Jahr 1544/45 und präsentiert im Fall des Schulmeisters eine seit der letzten Visitation bereits deutlich gestiegene Besoldung. Er erhielt 80 fl, während die Besoldung des Supremus wie des Kantors 40 fl und die eines neu hinzugezogenen Infimus 34 fl betrug.280 Die Besoldung des Infimus wurde bis 1555, so informiert auch hier der Bericht des Rates an die Herzöge, der Höhe seiner Kollegen von 40 fl angeglichen.281 Eine zweite Kastenrechnung stammt erst von 1562/63, zeigt allerdings eine weitestgehend unveränderte Besoldungssituation.282 Die Verhältnisse in Salzungen lagen entsprechend der Größe der Stadt und der Bedeutung der Schule darunter. Hier erhielten nach den Angaben des Stadtrates von 1555 an die Herzöge der Schulmeister 60 fl, der Kantor 40 fl und der Baccalaureus 31 fl. Beschränkten sich die zusätzlichen Einkünfte schon beim Schulmeister auf eine geringe Beteiligung aus dem Brauhaus und beim Kantor auf das Geld für die Mitwirkung an Beerdigungen, wurde die Besoldung des Baccalaureus mit den Worten „vnnd sonst nichts meher“ 283 kommentiert. In Schmölln wurden nach der einzigen überlieferten Kastenrechnung von 1550/51 275 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2520, fol. 2r. 276 So exemplarisch bei der Visitation von 1585: „die Caplan vnd Schulheuser weren vbel gebeuet, bith das man darauff bedacht sey“ vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 66, fol. 208r. 277 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2524, fol. 2r–v. 278 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1889, fol. 31r–32r. 279 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2514, fol. 1v. 280 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 2935, fol. 61v. 281 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2516, fol. 7r–8r. 282 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2792, fol. 28r. 283 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2531, fol. 2v.

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hingegen nur ein Schulmeister mit 41 fl und ein Geselle mit nur 15 fl besoldet. Eine Zahlung von weiteren 6 fl sollte das Schulgeld ersetzen.284 Der Bericht des Rates an die Herzöge bestätigt die Besoldung des Schulmeisters, informiert jedoch auch, dass das Amt des Gesellen vermutlich aufgrund der geringen Einkünfte vakant war.285 Die albertinischen Herzöge orientierten sich in der Einführung der Reformation und somit auch in der Gründung Gemeiner Kästen eng an dem ernestinischen Vorbild. Demzufolge gestaltete sich die Besoldungssituation der Schulund Kirchendiener hier auf die gleiche Weise. Der Stadtrat von Sangerhausen betonte 1555 den Visitatoren gegenüber ausdrücklich, dass bezüglich der Besoldung „alles aus dem Kastenn“286 gezahlt werde. Neben den üblichen Lieferungen von Getreide und Holz erhielten der Schulmeister Gallus Olimpius 50 a ß, der Kantor Joachim Tauber 41 a ß, der Baccalaureus Valentinus Peinlingk 40 a ß und der Infimus Johannes Rock 15 a ß.287 Das damit erreichte Niveau blieb über Jahrzehnte unverändert. Eine Kastenrechnung von 1574/75 stimmt mit diesen Angaben noch gänzlich überein.288 In Weißensee wurde bei derselben Visitation von 1555 die Besoldung des Schulmeisters Andreas Wolrodt mit 40 a ß und die des Baccalaureus Stephanus Hersberger wie des Kantors Albrechtus von N mit 30 a ß angegeben. Sie wurden aber, wie bereits bei den früheren Visitationen angeordnet, durch die Kost im Komturhof oder eine Ausgleichszahlung von jeweils 20 a ß ergänzt.289 Die Höhe der Besoldung hing, wie diese wenigen Beispiele bereits verdeutlichen, von der Größe der Stadt und damit von der einstigen Ausstattung des spätmittelalterlichen Kirchenwesens ab. Beides war jedoch nicht zwingend Voraussetzung für die Einrichtung und Nutzbarmachung Gemeiner Kästen, die in zahlreichen kleineren Städten ebenso erfolgreich wirken konnten wie in den genannten größeren Städten. Aus Orlamünde stammt ein weiterer Bericht von 1555 an die Herzöge. Er betont zwar gemäß dem von den Herzögen verfolgten Anliegen die Armut des Gemeinen Kastens, schildert aber dessen Ausgaben für das Kirchenwesen, unter denen die Besoldungen für den Schulmeister und den Kantor in Höhe von 30 fl sowie 25 fl und zwei Scheffel Korn enthalten waren.290 284 Vgl. KrA Altenburg, Bestand Schmölln, Nr. 1540, unfol. 285 Vgl. LATh-StA Altenburg, Ministerium zu Altenburg, Abt. für Kultusangelegenheiten 1819, fol. 40v. 286 LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 21a, fol. 9v. 287 Vgl. zur Identifizierung der Schuldiener ebd., fol. 1r, zur Höhe der Besoldung ebd. fol. 9v. 288 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 21, fol. 136r–v. 289 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 40a, fol. 98v–99r. 290 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2527, fol. 1r. Ein summarisch wiedergegebener Auszug aus der Kastenrechnung bestätigt die Besoldung des Schulmeisters bereits für 1545, doch war er damals noch der alleinige Schuldiener, vgl. ebd., Reg Ii 1911, fol. 8r.

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In einer ähnlichen Höhe befand sich die Besoldung des Lobedaer Schulmeisters, über die nicht nur der gleiche Bericht an die Herzöge,291 sondern auch eine zeitnahe Kastenrechnung von 1554/55 informiert.292 Als alleiniger Schuldiener verfügte er über ein Einkommen von 29 a ß 8 gr oder umgerechnet, so der Bericht an die Herzöge, 28 fl. Ergänzt wurde es durch acht Scheffel Korn, sechs Scheffel Gerste und Brennholz nach Bedarf. Letzteres wird von der Kastenrechnung des Vorjahres auf elf Klafter Scheitholz spezifiziert, doch wird die Menge variiert haben. Zugleich finanzierte der Gemeine Kasten mit 1 a ß die baulichen Ausbesserungen an der Schule. Zahlreiche aus der zweiten Hälfte des Jahrhunderts überlieferte Rechnungen informieren über die Entwicklung des Gemeinen Kastens von Ummerstadt. Die früheste stammt aus dem Jahr 1546/47 und führt für den alleine wirkenden Schulmeister eine nur geringe Besoldung von 14 fl auf. Darüber hinaus gehen lediglich eine Ausgleichszahlung für Korn und 15 d für Papier und Tinte. Baukosten an den Fenstern und dem Ofen der Schule gehören auch hier zu den weiteren Ausgaben eines typischen Kastenhaushaltes.293 Während die Besoldung des Schulmeister über lange Zeit in dieser Höhe unverändert bestehen blieb294 und die Baukosten je nach Bedarf schwankten, treten vereinzelt weitere Ausgaben zu schulischen Zwecken hinzu. Neben der Finanzierung von Brennholz und dem gelegentlichen Ankauf von Schulbüchern wurde 1558/59, um nur ein weiteres Beispiel zu nennen, eine Tafel für die Schulstube bezahlt.295 Zahlreiche weitere Städte könnten dieser Aufzählung hinzugefügt werden, doch soll stattdessen ein letztes exemplarisches Beispiel ausführlicher geschildert werden. Es macht nicht nur in eindrücklicher Weise die Entstehung und die Wirkungsweise eines Gemeinen Kastens und somit den Übergang der wirtschaftlichen Verhältnisse in eine neue bürokratische Form nachvollziehbar, sondern bringt diese insbesondere mit den Ansprüchen an das reformatorische Schulwesen in Verbindung. In der kleinen Stadt Magdala, in der 1533/34 keine Schule mehr aktiv war, reservierten die Visitatoren die materielle Ausstattung einer Vikarie für die zukünftige Gründung einer Schule.296 Die Umsetzung wurde in eine nicht absehbare Zeit verzögert, da der letzte Inhaber der Vikarie, Lorenz Reusse, noch am Leben war und die Einkünfte Zeit seines Lebens selbst weiter 291 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2522, fol. 2v; KOCH, Lobeda II (1941), S. 129. 292 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 1501, darin zur Besoldung und den Baukosten fol. 9r–v. Vgl. auch KOCH, Lobeda II (1941), S. 126, teilweise abgedruckt ebd. S. 127 f. 293 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 3071, unfol. 294 Vgl. exemplarisch zum Jahr 1562/63 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 3100, unfol. 295 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 3088, unfol. 296 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 4.2, fol. 17r; FRIESE, Kirche(n) (1999), S. 12. Friese erwähnt zwar das Anliegen der Visitatoren, legt die Ersterwähnung der Schule jedoch erst ins Jahr 1570, vgl. DERS., „Schulmeister“ (1999), S. 6.

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empfangen sollte. Die Gründung der Schule war abhängig vom Tod Reusses – ein Umstand, wie er in den frühen Visitationsprotokollen nicht nur in Magdala häufig zu Tage tritt. Der Vikar sollte noch acht Jahre leben, er starb am 25. April 1541. Vier Monate nach seinem Tod, am 26. August, wandte sich der Stadtrat nach ersten Verhandlungen mit dem Superintendenten brieflich an den Kurfürsten und rief ihm die einst in Aussicht gestellte Maßnahme in Erinnerung. Die Übertragung des Vikariegutes sei notwendig, so der Stadtrat, „dyweyl vnser Schule alhir zcu aufferziehung gemeyner armen Iugent In christlichen freyen künsten gar nichts eygentumbs nach eynzukom[m]en hat“. Der Gemeine Kasten sei bislang äußerst spärlich ausgestattet, sodass die „erhaltung eynes larhafftigen Ehrlichen Schulmeysters, gemeyner armen iugent zcu guth[e]“297 kaum erbracht werden könne. Der Kurfürst reagierte und wies den Weimarer Superintendenten Johann Grau und den Hauptmann Ewald von Brandenstein zur Begutachtung der tatsächlichen finanziellen Situation des Magdalaer Kirchenwesens an. Im Juli 1542 übersandten diese ihm ein Einkommensverzeichnis von Kirche und Schule.298 Um nicht gänzlich auf eine Schule verzichten zu müssen, hatte der Stadtrat den Unterricht in den vergangenen Jahren einer nicht genannten Person übertragen. Eine Entlohnung wurde ihr aus dem Einkommen der Kirche in Höhe von 14 a ß 10 gr gezahlt, während das eigentliche Schuleinkommen lediglich aus Naturalien und geringen Abgaben der Bürger bestand. Der Superintendent und der Hauptmann befürworteten angesichts dieser provisorischen Zustände das Anliegen des Stadtrates und sprachen sich, „Zu erhaltung mehrung vnd grosser auffnehmung der schulen, dy danach zimlich angericht[et]“ 299 sei, für eine entsprechende Übertragung der Vikarie aus. Johann Friedrich folgte den Empfehlungen. Mit dem Argument, dass es im ernestinischen Kurfürstentum mittlerweile zur Gewohnheit geworden sei, bewilligte er am 30. Juli 1542 die Inbesitznahme der Vikarie und die Aufbesserung der Schuleinkünfte. Neben den Geldzinsen in nicht genannter Höhe sollten dem Schulmeister vier Klafter Holz aus dem mit der Vikarie verbundenen Waldstück zugelegt werden.300 Der Stadtrat von Magdala betrachtete diese Ermächtigung aus der Rückschau als eigentlichen Gründungsmoment der Schule. In jenem Bericht, den der Rat 1555 an die Herzöge sandte, formulierte er, dass die Schule „vff Gnedignn beuelch“301 angerichtet worden sei. Der Schulmeister beziehe nun eine Besoldung von 40 a ß 14 gr 6 d an Geld aus dem Gemeinen Kasten, dazu das Holz aus dem Vikariegut und einiges Getreide von den Bürgern.302 Eine einzelne Kastenrechnung ist aus 297 298 299 300 301 302

Für beide Zitate LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1559, fol. 1r–v. Vgl. ebd., fol. 6r–9r. Ebd., fol. 6v. Vgl. ebd., fol. 11r–v. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2523, fol. 11v. Vgl. ebd., fol. 11v

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dem Jahr 1558/59 überliefert und präsentiert den Gemeinen Kasten von Magdala als mustergültige Umsetzung des lutherischen Konzeptes, das die Finanzierung von Kirche und Schule sowie die bauliche Instandhaltung der Gebäude mit einer allgemeinen Armenfürsorge verband. Die drei Jahre zuvor genannte Besoldung des Schulmeisters findet sich darin ebenso verzeichnet wie der Betrag von 18 a ß 8 gr 8 d, der für Baumaßnahmen an Kirche und Schule gezahlt werden musste.303 Der erste namentlich bekannte Schulmeister ist in demselben zeitlichen Umfeld zu fassen. Johann Unrein stammte aus Magdala, war Sohn eines armen Bürgers und hatte hier wie in Jena die Schule besucht. 1549, noch vor ihrer endgültigen Erhebung zur Universität, wurde er – durch ein Stipendium des Gemeinen Kastens gefördert – in der Hohen Schule in Jena immatrikuliert und trat wahrscheinlich 1554 das Schulamt seiner Heimatstadt an. 304 Als er 1558 mit dem Pfarrer in Konflikt geriet, ergriff der Stadtrat seine Partei und urteilte über ihn, dass er die Zahlung seines Stipendiums zur großen Zufriedenheit abgedient habe. Er sei bereits in seiner Jugend still und züchtig gewesen und habe in seinem Amt weder Kirche noch Schule je versäumt.305 So vorbildlich sich die Gründung der Magdalaer Schule auf der Grundlage des Gemeinen Kastens damit auch präsentiert, bietet die Stadt doch gleichzeitig ein Beispiel für die Probleme und die Schwierigkeiten, mit denen die neue administrative Form verbunden war. In diesem Fall waren es die Ansprüche, die ein Dritter auf die besagte Vikarie erhob. Sie war einst von der Familie von Harrars gestiftet worden. Bereits bei der Visitation von 1533/34 waren Konfrontationen mit den Nachkommen der Stifter befürchtet worden, die nach dem Tod des Vikars tatsächlich in der erwarteten Weise eintrafen. Valentin von Harras weigerte sich, die Vikarie wie das damit verbundene Waldstück zugunsten des Gemeinen Kastens freizustellen, sodass der Kurfürst 1543 abermals auf Johann Grau und Ewald von Brandenstein als Vermittler zurück kommen musste.306 Konnte diese Auseinandersetzung offenbar schnell im Guten beigelegt werden, widersetzte sich die Familie Vitzthum dem Anliegen deutlich energischer. Fast vier Jahrzehnte nach der erfolgreichen Umsetzung der Magdalaer Schulgründung, am 29. April 1580, wandte sich der Stadtrat von Apolda an den Adjunkt Peter Weber von Niederroßla. Die Schuldiener – der Schulmeister Lambertus Pfeiffer und der Kantor Johannes Böttner307 – hätten ihre geringe Besoldung beklagt, doch sei der Rat allein nicht in der Lage, Abhilfe zu schaffen. 303 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2731, fol. 5r–v. 304 Zu den biographischen Angaben vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ll 552, fol. 2v u. 6r–v; MENTZ, Matrikel (1944), S. 341. Das Jahr seines Amtsantrittes kann anhand der dortigen Angaben rechnerisch ermittelt werden. 305 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ll 552, fol. 6r–v. 306 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1559, fol. 16r–17r, 18v u. 22r–v. 307 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 62, fol. 39r.

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Er rief dem Pfarrer daher in Erinnerung, dass der Kirche einst zwei Vikare und ein Kaplan gedient hätten, die alle „vor etzlich[en] dreißig Jahrn vorstorben“ seien. Ihr Einkommen sei nicht in den Gemeinen Kasten geschlagen, sondern von der Familie Vitzthum einbehalten worden. Bereits im Dezember 1569 sei in dieser Angelegenheit ein Befehl des Herzogs Johann Wilhelm an die Stadtherren ausgegangen, habe jedoch kein Ergebnis erbracht. Eine neuerliche Intervention sei von Nöten, damit „eine große Anzahl der Jugendt Alhiro“ 308 ausreichend versorgt werden könne. Ähnliche, wenn auch nicht so schwerwiegende Umstände stellten sich in Auma und Buttstädt ein. Ein Buttstädter Bürger Hans Hottermann entschloss sich erst 1564 dazu, die Güter einer von seinen Vorfahren gestifteten Vikarie nicht, wie er sich ausdrückte, zu privatem Nutzen oder unchristlichen Werken zu gebrauchen, sondern zu einer Besoldungsaufbesserung der Schuldiener zu stiften. 309 Die folgende Visitation von 1569 bestätigt die Umsetzung, die jedoch zögerlich verlief. Kamen dem Schulmeister aus der Stiftung bereits erste Naturalienzinse von 15 Scheffel Korn und zehn Scheffel Hafer zu, konnte der Geldzins von nur 1 ½ fl bislang nicht eingebracht werden. 310 In Auma wurden hingegen die in vorreformatorischer Zeit erlassenen Testamente nicht in den Gemeinen Kasten überführt. Der Stadtrat behielt sie unter seiner Obhut, bat jedoch die Visitatoren um Anweisung, „wie wirs hinforder nuhn mitt beid[en] testament[en] hald[en] sollen“.311 Obwohl diese die Zinsen daraufhin zu einer Zulage eines Kaplans umwidmeten,312 belegen die späteren Stadtrechnungen eine Ausschüttung an den Pfarrer und den Schulmeister. 1550/51 erhielten beide zusammen 5 fl 4 d,313 während 1552/53 der Schulmeister alleine das „Testament geldt“314 von 4 fl 1 gr empfing. Eine zeitgleiche Kastenrechnung von 1553 verzeichnet eine Jahresbesoldung von 15 fl 10 gr,315 sodass das Einkommen des Schulmeisters von Auma etwa 20 fl betrug. Der ebenfalls nur schleppend erfolgten Ausstattung des Gemeinen Kastens durch einstige Vikarien, Stiftungen und Lehen folgten in Gotha schließlich Probleme in der mangelhaften Umsetzung der neuen bürokratischen Form. Am 5. August 1540 wandte sich Friedrich Myconius hilfesuchend an den Kurfürsten und beklagte die unsorgfältige und fehlerhafte Rechnungsführung der verordneten Kastenherren. Obwohl Johann Friedrich nur zwei Tage später die kur308 309 310 311 312 313 314 315

Für beide Zitate ebd., fol. 35r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2789. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 55, fol. 40v u. 42r. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 3, fol. 293r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 436, fol. 2v. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 2942, unfol. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 2943, unfol. Vgl. ebd., unfol.

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fürstlichen Räte Melchior von Wechmar und Georg von Wangenheim mit der Überprüfung und Ordnung der Gothaer Rechnungsführung beauftragte,316 sollte es erst dreieinhalb Jahre später zu einer eingehenderen Untersuchung kommen. Sie bildete allerdings für die Gothaer Kirchen- und Schulgeschichte eine deutliche Zäsur. Ein Brief der Räte vom 20. Januar 1544 informiert über ihre Ergebnisse.317 Sie ermittelten in der Organisation und der Rechnungsführung des Gemeinen Kastens die angezeigten Mängel und widmeten sich einer entsprechenden Neustrukturierung. Hinsichtlich der Schulbestellung habe der Stadtrat insbesondere eigenmächtig die Besoldung der Schuldiener erhöht und „mehr diner dann inn der visitation verordent gewesen“318 aufgenommen und besoldet. Um der Willkür zu begegnen und eine konzentrierte Rechnungsführung unter den Augen der Obrigkeit zu gewährleisten, wurde die Eigenmächtigkeit des Stadtrates in ihre Schranken gewiesen und die Rechnungsführung einem Einzelnen, statt einem mehrköpfigen Gremium übertragen. Zur Versorgung der Schule müssten, so die kurfürstlichen Räte weiter, vier Schuldiener, die durch den Gemeinen Kasten besoldet werden, genügen. Sie könnten in ihrer Arbeit höchstens dadurch entlastet werden, dass „die grössernn Knaben denn cleynernn hauffenn auch verhörenn helffenn“. 319 Den Schuldienern sollte schließlich ein Jahrzehnt nach der letzten Visitation eine Anhebung der damals verordneten Besoldung zugestanden werden.320 Wenig später traf der Kurfürst selbst in Gotha ein und manifestierte die von seinen Räten geäußerten Vorschläge 1544 in der ersten großen Kirchenordnung Gothas.321 Sie ist im Original nicht mehr erhalten,322 doch wird sie von einem 1721 erstellten Aktenrepertorium des Gothaer Stadtarchives inhaltlich erschlossen.323 Bezüglich der schulischen Aspekte finden sich die Empfehlungen der Räte darin umgesetzt. Der Schulmeister sollte neben Getreide und Holz mit 80 fl, der Oberbaccalaureus und der Kantor mit jeweils 50 fl und der Unterbaccalaureus mit

316 317 318 319 320 321

Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1493. Vgl. LATh-StA Gotha, Oberkonsistorium Loc. 19, Nr. 2, fol. 17r–21r. Ebd., fol. 17v. Ebd., fol. 18r–19r, Zitat fol. 19r. Vgl. ebd., fol. 19v/21r. Vgl. zu der Gothaer Kirchenordnung HOCHGESANG, Der kirchliche Zustand (1841), S. 63–68; BECK, Geschichte II (1870), S. 142–144. Die Datierung der Ordnung auf den 29. Juni ist ungewiss. Bereits ein Brief des Stadtrates vom 21. April erwähnt eine auf kurfürstliches Geheiß hin erlassene Kirchenordnung, sodass sie möglicherweise neu zu datieren ist. Durch den Verlust des Originals wird dies jedoch nur schwer möglich sein. 322 Im Findbuch des Weimarer Hauptstaatsarchives zeugt nur noch die Erwähnung von ihr, vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Findbuch Reg Ii, fol. 171r–v. 323 Vgl. StA Gotha, 1.1/8691, S. 25–27. 1841 muss die Ordnung noch im Orignal vorgelegen haben, da Hochgesangs inhaltliche Wiedergabe über das Repertorium hinausgeht. Beck scheint sich hingegen in seiner Erschließung auf Hochgesang zu beziehen.

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40 fl besoldet werden. Darüber hinaus ging die Bereitstellung von Feuerholz für die Schulräume.324 In Gotha hatte sich jedoch durch das Wirken des Myconius inzwischen eine organisatorische Sonderform des kirchlichen Finanzwesens etabliert, in welcher der Superintendent von dem sonst so streng befolgten lutherischen Modell abwich. Sah der Gemeine Kasten üblicherweise eine Finanzierung der Besoldung und der materiellen Versorgung des Kirchenwesens vor, wurden hier die personellen Kosten für alle Geistlichen wie die Kirchen- und Schuldiener auf eine eigenständige institutionelle Kasse, die sogenannte Ministratur, übertragen. 325 Die ersten Rechnungen des Gemeinen Kastens und der Ministratur stammen aus dem zeitlichen Umfeld der Kirchenordnung und führen die Unterteilung eindrücklich vor Augen. Während der Gemeine Kasten326 sich der Armenfürsorge, der Finanzierung des Hospitals und den Baukosten für Kirche und Schule annahm, verzeichnet die Ministraturrechnung von 1543/44 die Besoldungskosten der Schuldiener. Durch ihre zeitliche Übereinstimmung mit der Kirchenordnung zeichnet sich in ihr die Umsetzung der Besoldungsverordnungen ab. Der Schulmeister M. Pankratius, bei dem es sich um Pankratius Sussenbach, den dritten Nachfolger Basilius Monners, handelte,327 erhielt 72 ½ fl, „dem gibt man hinfurder lxxx fl“. Der Supremus Nikolaus Sachsteter erhielt 48 fl, „dem gibt man hinfort l guld[en]“. Der Kantor Johann Eisenberg erhielt 50 fl, sein Gehalt blieb somit unverändert, und der Infimus Johann Langenhain erhielt 42 ½ fl, „dem gibt mann hinfort xl fl“.328 In einem weiteren Schreiben vom 6. April wurde selbst die Möglichkeit erwogen, das Gehalt des Schulmeisters auf 100 fl anzuheben,329 doch genügte das Einkommen der Ministratur zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Die Kirchenordnung griff die Möglichkeit zwar auf, indem sie eine entsprechende Anhebung nach dem Tod der letzten Lehenempfänger in Aussicht stellte, doch ist nicht bekannt, ob und wann diese Möglichkeit umgesetzt wurde. Die Visitationen im späteren 16. Jahrhundert geben keine Auskunft mehr über die Besoldung der Gothaer Schuldiener. Ein weiteres Risiko der Wirtschaftsform des Gemeinen Kastens – die Veruntreuung und unsachgemäße Nutzung der kirchlichen Gelder – wird durch ein 324 Vgl. StA Gotha, 1.1/8691, S. 25 f. 325 Vgl. dazu BECK, Geschichte II (1870), S. 119 u. 139 f.; ANZ, Reformation (1917), S. 126. 326 Zwei Rechnungen der Jahrgänge 1543/44 und 1544/45 befinden sich in der Akte LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 2935. 327 Sussenbach habe die Schule, so schrieb Myconius 1542, „in eine rechte Form und Ordnung bracht“, vgl. MYCONIUS, Geschichte der Reformation, S. 49. Vgl. auch LEDDERHOSE, Mykonius (1854), S. 115; ANZ, Reformation (1917), S. 129–131; SCHERFFIG, Briefe (1936–39), S. 223 f.; HOLLSTEIN, Gymnasium (1972), S. 100. 328 Für alle drei Zitate LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 2935, fol. 42v. 329 Vgl. GEHRT, Anfänge (2013), S. 15.

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zeitnahes Beispiel der reußischen Stadt Saalburg illustriert. Um das Jahr 1544 erfolgte hier die Trennung des Schulamtes von der Person des Stadtschreibers. Der vorheriger Inhaber Erhard Schutz, „ein seicht gelarter vnvleissiger vnd trunckener mensch“,330 so das Urteil des Superintendenten von Plauen, wurde des Schulamtes – möglicherweise auch beider Ämter – enthoben und Jacoff Pusch, der zuvor vier Jahre in Wittenberg studiert hatte, an seine Stelle gesetzt.331 Zwei Jahre nach der erfolgten Trennung sah der Superintendent sich jedoch am 12. Mai 1546 zu einem Appell an den ernestinischen Kurfürsten veranlasst, da der Stadtrat von Saalburg dem neuen Schulmeister entgegen vorheriger Zusicherungen nur eine jährliche Besoldung von gerade einmal 15 a ß zahlte und die Differenz aus dem Gemeinen Kasten dem Stadtschreiber zukommen ließ. Der Superintendent beurteilte dies als Missbrauch des kurfürstlichen Entgegenkommens, waren die Einkünfte des Saalburger Klosters doch dem Schulmeister und nicht dem Stadtschreiber zugestanden worden. Dem Rat sei jedoch „mehr an ihrem Stadtschreiber, dan an einem schulmeister Ia auch an einem pfarher gelegen“. Auch Letzterem werde trotz eines gut ausgestatteten Gemeinen Kastens eine Besoldung von nur 50 fl gereicht und das Einkommen des Kastens stattdessen „zu langen spießen vnd krigs rustung, ihree guter domit zuuorschonen“,332 gebraucht. Der Kurfürst reagierte am 17. Mai, indem er dem Pfarrer und dem Schulmeister eine weitere Zulage aus den Klostergütern bewilligte. Den Missbrauch der Kastenfinanzen sprach er hingegen in dem Antwortschreiben an den Superintendenten nicht an.333 Sprach der Superintendent von Plauen im Fall von Saalburg zwar von einem „Stadlichen gemeinen Kasten“,334 stellte in den meisten Fällen dessen geringes Einkommen das schwerwiegendste und beständigste Problem dar. Die personellen Ansprüche des Kirchen- und Schulwesens und die Höhe der notwendigen Besoldung stand nicht selten in einem deutlichen Gegensatz zu dem jährlichen Zinseinkommen der Kästen. Die oben geschilderte Sequestration und die mit ihr verbundene Zahlung von jährlichen Zulagen, die im Kurfürstentum 1536 ihren Anfang nahm, bewirkte langfristig jedoch keine ausreichende Verbesserung des finanziellen Mangels. Das Saalfelder Beispiel zeigte eindrücklich, wie die Stadt über Jahrzehnte mit einer wachsenden Überbelastung und Verschuldung des Gemeinen Kastens zu kämpfen hatte. Stellte Altenburg durch das einst vielfältige und reich ausgestattete vorreformatorische Kirchenwesen in dieser Hinsicht zwar 330 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2121, fol. 2r. 331 Jakob Pusch, aus Plauen gebürtig, wurde Anfang 1540 in Wittenberg immatrikuliert, vgl. FÖRSTEMANN, Album (1841), S. 178. Mittels der von dem Superintendenten angegebenen Studiendauer von vier Jahren lässt sich seine Einstellung als Schulmeister etwa auf das Jahr 1544 festlegen. 332 Für beide Zitate LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2121, fol. 2v. 333 Vgl. ebd., fol. 1r–v. 334 Ebd., fol. 2v.

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ein Gegenbeispiel dar, war doch die Situation in den meisten Städten eher vom tatsächlichen oder zumindest vom empfundenen Mangel geprägt. Als einziger Ausweg wurde der Appell an den Landesherrn betrachtet, sodass zahllose Bittgesuche in den Staatsarchiven überliefert sind. Die Jahre ab 1538 brachten eine nicht endende Flut von Bittgesuchen mit sich, die im Kurfürstentum bereits 1543 in einem Verzeichnis zusammengeführt werden konnten, das den bezeichnenden Titel trägt „Vorzeichnis Eczlicher pfarrer, vnd vonn gemeyner kestenn wegenn, welche bey dem Churfursten zw Sachssen […] yn neulickeytt, vmb weytter zulage Ihres Eynkomens, vnderthenygst angelangett“. 335 Die Visitatoren, an erster Stelle Friedrich Myconius, bewegten den Kurfürsten damit zur Abhaltung der oben erwähnten vierten Kirchenvisitation von 1545, die jedoch vom Schmalkaldischen Krieg jäh unterbrochen wurde. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit kann kein vollständiger Überblick über alle Zulagengesuche geboten werden, zumal nicht alle die schulischen Verhältnisse betrafen. Es sollen daher nur einige Fälle, die exemplarisch für die übrigen stehen können, herausgegriffen und angerissen werden. Den Anfang machte bereits 1538 der Stadtrat von Salzungen. 1535 war dem hiesigen Gemeinen Kasten eine Zulage von 70 fl aus dem nahegelegenen Kloster Allendorf bewilligt worden, doch sollte damit zunächst kein dauerhafter Zustand eingeführt werden. Das Geld sollte als Startkapital dienen, bis der Gemeine Kasten sich aus eigenen Mitteln gebessert habe. Das Gesuch eines Salzunger Bürgers um ein Stipendium für seinen Sohn bildete für den Stadtrat daher den Anlass, die Fortsetzung der Zahlung zu erbitten.336 Die Bitte wurde tatsächlich gewährt und das Geld einige Jahre später zur Anstellung eines Kaplans genutzt.337 Dem Salzunger schlossen sich bereits 1539 die Räte von Triptis und Weida an. Während für Triptis lediglich ein Brief des Kurfürsten überliefert ist, mit dem er den Visitatoren die Bitte des Rates für Pfarrer und Schulmeister übermittelte und zur Umsetzung auftrug,338 informiert ein ausführlicherer Schriftwechsel über die Gewährung einer Zulage für den Kasten von Weida.339 Sie wurde aus den Überschüssen der Einkünfte des Weidaer Jungfrauenklosters gespeist und betrug neben umfangreichen Naturalzinsen an Hafer, Erbsen, Mohn, Wachs, Unschlitt, Flachs, Hühnern, Käse und Eiern eine jährliche Geldsumme von 41 a ß 4 gr 1 d 1 h. Die Zinsen sollten, so der

335 336 337 338 339

LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1679, Zitat fol. 1r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1160, fol. 1r–v. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1889, fol. 67r–v. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1245, fol. 1r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1199, fol. 1r–4r (Gesuch des Rates von Weida um eine Zulage); ebd., Reg Ii 1319 (Mitteilung des Kurfürsten an die Visitatoren und Sequestratoren); ebd., Reg Ii 1199, fol. 14r–15r (Bewilligung und Aufteilung der Zulage).

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Befehl des Kurfürsten, „dem pfarrer, zweien diacon vnnd schulmeister zu weida zu gleich ausgetailt vnd gegebenn werden“.340 Der Stadtrat von Creuzburg nutzte am 5. März 1543 den kürzlich erfolgten Tod eines Vikars als Anlass, beim Kurfürst um die Übertragung der Vikarie in den Gemeinen Kasten zu ersuchen. Ihr Schulmeister Liborius Calvus sei bereits sehr alt und seine Besoldung erstrecke sich auf lediglich 40 a ß und einige Malter Korn, Gerste und Hafer. Obwohl dieses Einkommen im Verhältnis nicht so schlecht war, wie der Rat es darzustellen versuchte, befürchtete er, dass sich im Falle seines Todes, „wie bald gescheen kan“, 341 kein Nachfolger für diese geringe Besoldung finden würde. Gleichermaßen klage der Kirchner, der als Schulgeselle diente, über eine geringe Besoldung. Durch die verledigte wie zwei weitere Vikarien könne hier abgeholfen werden. Die Visitatoren bestätigten dem Kurfürsten die nur geringen Einkünfte des Creuzburger Kastens,342 woraufhin dieser das Anliegen des Stadtrates am 25. Juni 1543 bewilligte. 343 Trotz der Befürchtungen des Stadtrates blieb Calvus noch weitere sieben Jahre im Amt. Weitere Gesuche um Zulagen erfolgten 1540 aus Ronneburg,344 1540, 1542 und 1543 aus Neustadt a. d. O., 345 1544 aus Ranis 346 und 1553 aus Waltershausen.347 Zuletzt soll allerdings eine Stadt in den Mittelpunkt gestellt werden, die all die genannten Bemühungen durch ihre beachtliche, wenn auch erfolglose Beharrlichkeit übertraf und dadurch einen bemerkenswerten Einzelfall darstellt. Der Stadtrat von Kahla richtete zum ersten Mal am 6. Dezember 1540 ein Schreiben an den Kurfürsten. Er sei den Anordnungen der Visitatoren zur 340 341 342 343 344

LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1199, fol. 14v. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1686, fol. 1v. Vgl. ebd., fol. 3r–v. Vgl. ebd., fol. 4r–v. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1477. Der Pfarrer und der Rat ersuchten bei Georg Spalatin um eine Zulage für einen ‚fleißigen und gelehrten Schulmeister‘ und den baulichen Erhalt des Pfarrhauses. 345 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1592, fol. 1r–2r. Die Visitatoren erinnerten den Kurfürsten 1542 an einen vor zwei Jahren übermittelten Zulagengesuch, der damals ausgeschlagen worden war. Das Schreiben informiert, dass der Schulmeister mit 50 fl und der Kantor mit 25 fl besoldet wurde und schlägt anlässlich einer Veränderung der Pfarrstruktur eine Erhöhung um jeweils 15 fl vor. Der Vorschlag wurde nicht umgesetzt und die Bitte bereits 1543 vom Rat wiederholt, vgl. ebd., Reg Ii 1693, fol. 1r–2v. 346 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg O 545. Der Rat wandte sich an den Herzog und bat um eine Zulage von 30 fl für den Schulmeister, da dieser nur ein Einkommen von 18 a ß erhalte. 347 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2412, fol. 1r–2v. Der Pfarrer schildete dem Herzog die guten Leistungen der Schule, die nur durch das geringe Einkommen der Schuldiener ausgebremst werden. Die Bitte um eine Zulage wurde vom Herzog jedoch abgeschlagen, vgl. ebd., fol. 3r.

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Gründung eines Gemeinen Kastens gefolgt, doch sei das übertragene Geld inzwischen aufgebraucht und könne durch die geringen Einkünfte nicht ausgeglichen werden. In den vergangenen drei Jahren habe der Stadtrat dem Kasten knapp 100 fl zuschießen müssen. Da der Gemeine Kasten die Schulden nicht begleichen könne, befürchtete der Rat, die Stadt werden unter diesen fortgesetzten Umständen „balde In grundtt zu Bodenn gehenn“. Da zudem auch keine Stipendien für talentierte Schüler zur Verfügung stünden und ein Ausbau der Schule absehbar wäre, bat der Rat um eine Zulage.348 Eine dem Brief beiliegende Kastenrechnung von 1539/40 verzeichnet eine Besoldung von 40 fl für den Schulmeister, 30 fl für den Kantor und 17 fl 3 gr für den Kirchner.349 Die Einnahmen übertrafen die Ausgaben zwar um etwa 6 fl, doch war darin die Leihgabe des Stadtrates bereits inbegriffen.350 Da eine Antwort des Kurfürsten offenbar ausblieb oder nicht zufriedenstellend ausgefallen war, wandte der Rat sich an den Schosser des Amtes Leuchtenburg, der dem Kurfürsten gegenüber am 4. September 1541 dem Kahlaer Anliegen Nachdruck verlieh. 351 Fünf Tage später antwortete der Kurfürst und erteilte dem Schosser Befehl, sich nach den noch nicht verledigten Lehen zu erkundigen, urteilte jedoch, dass die hohen Ausgaben der vergangenen Jahre durch einmalige Baulasten verursacht worden seien und ein Ausgleich in den folgenden Jahren zu erwarten sei.352 Da die Besserung offenbar nicht eintrat, richtete am 24. Februar 1543 der Pfarrer Thomas Naogeorgus das Wort im selben Anliegen an den Kurfürsten.353 Eine direkte Antwort ist diesmal nicht erhalten, doch ist in dem erwähnten Verzeichnis der Zulagengesuche von 1543 für Kahla zu lesen, dass die Bitte abermals abgewiesen worden sei, „dieweil mahnn […] zw vnderhaldung der prediger vnnd schuldiner nichtt spurtt das Mangel aldo vorhand[en] seintt“.354 Ein dritter Versuch wurde 1544 unternommen, doch erbrachte auch er nicht mehr Erfolg als die vorhergehenden.355 Von einem vierten Versuch zeugt ein Schreiben der kurfürstlichen Räte von Anfang Juni 1545, das dem Stadtrat die Abwesenheit des Kurfürsten mitteilte.356 Nach seiner Rückkehr verfasste dieser allerdings am 27. Juli nur eine kurze Mitteilung an den Stadtrat, dass es ihm bislang aufgrund dringlicherer Geschäfte noch nicht möglich gewesen sei, die ein-

348 349 350 351 352 353 354 355 356

LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1500, fol. 1r–3r, Zitat fol. 2r. Vgl. ebd., fol. 8r. Vgl. ebd., fol. 10r. Vgl. ebd., fol. 19r–v. Vgl. ebd., fol. 25r–v. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1672. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1679, fol. 4v. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1840. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1928, fol. 2r.

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gereichte Rechnung des Gemeinen Kastens zu prüfen, und der Rat sich noch einige Zeit gedulden müsse.357 Da daraufhin keine weitere Reaktion folgte, startete der Stadtrat einen weiteren energischen Appell am 16. Februar 1546 und hielt dem Kurfürsten selbst seine Beharrlichkeit zur Verbildlichung der Notwendigkeit vor Augen. 358 Der Kurfürst hingegen lehnte ab. Schon am 21. Februar argumentierte er mit kürzlich anderweitig geleisteten Zulagen, die wahrscheinlich im Zusammenhang der jüngsten Visitation gestanden hatten, sodass „vnser gelegenheit nicht sein will, der gemeinen kasten halben weitere nachsetzung zuthun, damit nicht annderen zu dergleich[en] suchung auch vrsach gegeben wurde“.359 Die Katastrophe des Krieges unterbrach auch für Kahla die bereits lange Reihe der Zulagengesuche, doch sollte sie noch kein endgültiges Ende gefunden haben. Am 24. Juni 1550 verfasste der Stadtrat erneut ein Bittgesuch an den Herzog, der mit denselben Begründungen auf die Armut des Gemeinen Kastens, die Notwendigkeit zur Erweiterung des Friedhofes und der Ausbesserung des Daches des Pfarrhauses hinwies.360 Die Antwort des Herzogs Johann Friedrich des Mittleren bewilligte dem Stadtrat diesmal zwar eine Zulage von 20 fl für den Gemeinen Kasten und 15 fl für den Pfarrer, doch zeugen die unerwartet heftigen Worte von dem Missfallen des Herzogs über die Kahlaer Ausdauer: „weil ir auch im Babstum habet geben mussen, So will euch vihl mehr geburen, das ir izo zu furderung gotlichs worts bey den Kirchen schulen vnd derselbe[n] diner auch etwas thut“. 361 Ein daran anschließendes kurzes Schreiben des Herzogs vom 20. Juli 1550 wiederholte die Zusage, mahnte jedoch, dass der Rat einer weiteren Notwendigkeit nun selbst begegnen müsse.362 Die Bemühungen des Stadtrates von Kahla fanden damit vorerst ein Ende. Da die zahlreichen Gesuche um finanzielle Zulagen wie im Kahlaer Fall nicht immer erfolgreich verliefen, wurden in vielen Städten Möglichkeiten erwogen, aus anderen Mitteln den Gemeinen Kasten vor der Verschuldung zu bewahren. Insbesondere hinsichtlich der Schulen waren die Stadträte dabei oftmals auf das Wohlwollen Dritter angewiesen. Der Stadtrat von Sulza verzeichnete 1537 die Übertragung eines dortigen Stiftslehens, der „Custodia vffin Berga Sulza“, zur Fundierung einer Schule im Stadtbuch. Ein Stiftherr Leonhard Kottdorf sei jüngst verstorben, woraufhin der Lehensherr Nikolaus Urlaub, der Dechant von Bibra, das Einkommen der Pfründe am Aschermittwoch „zw vnderhalt der schuel 357 358 359 360 361 362

Vgl. StA Kahla, B, Nr. 2201, Sig. 1708, unfol. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1928, fol. 1r. Ebd., fol. 3r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2248, fol. 1r–v. Ebd., fol. 2r. Vgl. StA Kahla, B, Nr. 2201, Sig. 1708, unfol.

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diener im stettelein sulza zw furderung Cristlicher vnnd guther laher“363 bestimmte. Durch den Herzog Johann Friedrich wurde die Stiftung bestätigt und in einer Urkunde vom 13. März 1538 manifestiert. Wie in dem oben skizzierten Fall von Magdala kann diese Maßnahme auch in Sulza als eigentliche Gründung einer evangelischen Schule betrachtet werden, zumal spätere Angaben die Dauerhaftigkeit der Stiftung bestätigen. Ein 1564 angelegtes Verzeichnis der einstigen Stiftspräbenden bemerkt, „[d]ie fünfte hat der Schulmeister in der Stadt mit der Custodie“.364 Nochmals 16 Jahre später, 1580, wurde das Einkommen des Schulmeisters abermals mit jenen Ländereien in Verbindung gebracht, „so in die Custodien gehoren“.365 Ebenfalls im Jahr 1537 sorgte in Heldburg der Pfarrer und Superintendent Friedrich Schwalb für eine Zulage der Schuldiener. Der letzte katholische Pfarrer Hieronymus Nutzel war von den Visitatoren 1528/29 seines Amtes enthoben und mit einer stattlichen Entschädigungssumme von 120 fl ausgestattet worden.366 Nach seinem Tod sollte dieses Geld dem neuen Pfarrer zugeschlagen werden. Am 29. Juni 1537 wandte sich dieser nun an den Kurfürsten und informierte ihn vom Tod Nutzels.367 Da die Beanspruchung der Ausgleichssumme durch den Superintendenten jedoch zu Missfallen in der Gemeinde führen würde, schlug Schwalb eine Aufteilung des Geldes vor. Dem Schulmeister sollten 20 fl und dem Kantor 10 fl gereicht werden, während zwei Stipendien Heldburger Studenten unterstützen könnten, so sein Konzept.368 Zwei Monate später erklärte der Kurfürst sein Einverständnis und gab den Befehl zur Umsetzung des Vorschlages.369 Zeitnahe Rechnungen machen daraufhin die Besoldungsentwicklung der Schuldiener deutlich. Die erste erhaltene Kastenrechnung von 1540/41 verzeichnet 35 fl für den Schulmeister und 15 fl für den Kantor und folgt zumindest bei Letzterem den Beschlüssen der Visitation von 1535.370 Zwischen 1540 und 1546 erhielten beide dazu vom Stadtrat eine Zulage in Höhe von 5 fl und 4 fl.371 Spätere Stadtrechnungen belegen, dass sie von Dauer war.372 Der Bericht des Rates von 1555 an die Herzöge führt schließlich für den Schulmeister alle drei 363 Beide Zitate nach HEYLAND, Stadtbuch (2000), S. 53. 364 Zitiert nach JUDERSLEBEN, Bergsulza I (1993), S. 39. 365 LATh-HStA Weimar, Konsistorialsachen, B 2886, fol. 177r. Vgl. auch JUDERSLEBEN, Bergsulza I (1993), S. 47. 366 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1a, fol. 39r–v; ebd., Reg Ii 1035, fol. 3r–6r. 367 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1035, fol. 2r–v u. 7r–v. 368 Vgl. ebd., fol. 8r. 369 Vgl. ebd., fol. 1r–v. 370 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 2975, fol. 20r. 371 Vgl. zum Jahr 1546/47 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 2983, fol. 47r. In der vorhergehenden Stadtrechnung von 1540/41 wurde diese Zulage noch nicht gereicht, vgl. ebd., Reg Bb 2974. 372 Vgl. zum Jahr 1549/50 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 2990, fol. 34r.

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Besoldungsquellen zusammen. Sein Einkommen von insgesamt 60 fl setzte sich aus den 35 fl des Gemeinen Kastens, den 20 fl vom Pfarrer und den 5 fl vom Rat zusammen und wurde durch sechs Fuder Brennholz ergänzt.373 Stipendien zahlte tatsächlich, wie Schwalb sich erboten hatte, der Pfarrer und nicht der Gemeine Kasten.374 Im Fall von Rastenberg ging der Zuschuss schließlich von einem Vikar aus. Er stellte dem Stadtrat 1544 aus eigenem Entschluss eine Hufe Land „zu besserung vnser pfarre vnd schulen“375 zur Verfügung. Ein ähnlicher Fall verlief in Ziegenrück nicht aus Wohlwollen, sondern gegen den Willen des Frühmessners Sebastian Buchsbaum. Er hatte 1524 sein Lehen resigniert und an einen Johann Rost weiterverliehen.376 Diesem wurde auf Befehl des Kurfürsten im Dezember 1543 ein aus dem Lehen stammendes, siebeneinhalb Hufen großes Landstück entzogen und in den Gemeinen Kasten von Ziegenrück überführt. Die Erträge sollten zur Versorgung der Kirchen- und Schuldiener „vnnd sonst zu nichts anders“377 dienen. Als Johann Rost im folgenden Jahr starb, erwartete Sebastian Buchsbaum eine Rückübertragung des Lehens auf ihn, dessen sich der Stadtrat natürlich verweigerte. Da ein Unterstützungsgesuch des einstigen Frühmessners gegen den Stadtrat beim Kurfürsten nicht den gewünschten Erfolg hatte, 378 erbat er im August 1545 eine Versorgung aus den Einkünften des Klosters Buch – er selbst lebte inzwischen in Leisnig. 379 Der Kurfürst schlug die Bitte jedoch aus und mahnte nach einem zweiten Anlauf Buchsbaums, „Ir werdet vns dies[er] sach[e] halb[en] mit fernerm ansuch[en] vorschonen“.380 Eine letzte Möglichkeit zur eigenständigen Verbesserung der kirchlichen Finanzen wurde im Saalfelder Zusammenhang bereits angesprochen. Hier wurde den Bürgern 1545 zum Ausgleich der für die Schuldiener entfallende Verköstigung auf Hochzeiten eine Art Kirchensteuer in unbekannter Höhe auferlegt. Die Stadt stand mit dieser Maßnahme nicht allein und machte auch nicht den Anfang damit. Bereits fünf Jahre zuvor war dies im albertinischen Herzogtum eine nicht unübliche Maßnahme. Die Visitation von 1540 verordnete gleicher-

373 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2518, fol. 1r–v. Für den Kantor ist inzwischen im Zuge der Anstellung eines dritten Schuldieners eine Sonderregelung getroffen worden. Die 10 fl vom Pfarrer sind jedoch auch ihm erhalten geblieben und die Zulage des Rates sogar auf 6 fl erhöht worden. 374 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2518, fol. 5r. 375 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1792, fol. 1v. 376 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1678, fol. 3r–v. 377 Ebd., fol. 1v. 378 Vgl. ebd., fol. 3r–v. 379 Vgl. ebd., fol. 10r–11r. 380 Ebd., fol. 14r.

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maßen in Kindelbrück, 381 Langensalza 382 und Tennstedt, 383 dass jeder Bürger über zwölf Jahren eine vierteljährliche Abgabe von 1 n d – als Opfergeld bezeichnet – in den Gemeinen Kasten zu zahlen habe. Ob Saalfeld sich später am albertinischen Beispiel orientierte, ist ungewiss, doch blieb das Opfergeld auch darüber hinaus kein albertinisches Phänomen. Dieselbe Maßnahme wurde 1555 in Schmalkalden ergriffen und hier auch deutlicher spezifiziert.384 Jeder Bürger in der Stadt und den Vorstädten solle alljährlich 5 gnk an den Rat zahlen. Die Visitatoren rechneten auf diese Weise mit einer Gesamteinnahme von 70 fl im Jahr. Daraus sollte der Stadtrat zukünftig 12 fl dem Schulmeister und 10 fl dem Kantor reichen. Auch weitere Städte werden sich dieser Praxis angeschlossen haben, sodass das Opfergeld häufig in den Quellen zu Tage tritt. Eine entsprechende Anordnung ist jedoch in den wenigsten Fällen so deutlich zu benennen.

6.3.2. Die Neubewidmung des ernestinischen Kirchen- und Schulwesens 1555 Die zahlreichen Gesuche der ernestinischen Städte und letztlich die Notlage nach der Niederlage und dem Verlust der Kurwürde 1547 machten eine neue Begutachtung und Ordnung der kirchlichen Verhältnisse notwendig. Es ist oben bereits geschildert worden, wie die Söhne des ‚geborenen Kurfürsten‘ 1555 eine neuerliche Visitation in Angriff nahmen, der sich die großflächige Verteilung von Zulagen unter die Städte des einstigen, stark beschnittenen Kurfürstentums anschloss (Kap. II. 2.3.1.). Im Juni 1555 forderten die Herzöge von den Stadträten ausführliche Informationen über die personellen und finanziellen Verhältnisse des Kirchen- und Schulwesens ein, anhand derer die Verteilung der bereitgestellten Gelder ausgearbeitet werden sollte. Das Ergebnis des Aufrufes liegt in einer Reihe mehr oder weniger detaillierter Berichte etlicher Stadträte vor, von denen einige nun bereits mehrfach zitiert wurden. Für die ernestinische Kirchenund Schulgeschichte sind es bedeutende Quellen.385 Überliefert sind die Schilderungen der Städte Allstedt, 386 Altenburg, 387 Bürgel, 388 Buttelstedt, 389 Co-

381 382 383 384 385 386 387 388 389

Vgl. HStA Dresden, 10024, Loc. 10593/6, fol. 277r. Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 1c, Bd. 1, fol. 10r. Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 1c, Bd. 2, fol. 458r. Vgl. LATh-StA Meinigen, GHA, Sect. IV Nr. 399, fol. 192r. Vgl. HERRMANN, Lateinschulen (1940). Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2509. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2510. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2511. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2512.

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burg, 390 Creuzburg, 391 Eisenach, 392 Eisenberg, 393 Eisfeld, 394 Heldburg, 395 Hildburghausen,396 Jena,397 Kahla,398 Lobeda,399 Magdala,400 Neumark,401 Neustadt a. d. O.,402 Neustadt b. C.,403 Orlamünde,404 Pößneck,405 Saalfeld,406 Salzungen,407 Schalkau, 408 Schmölln, 409 Sonneberg, 410 Triptis, 411 Waltershausen, 412 Weida 413 und Ziegenrück.414 Im August teilten die herzoglichen Brüder den Städten die Höhe der gesamten Bewidmung mit und am 6. November 1555 ergingen die Urkunden, die den Städten individuelle Zulagen zuwiesen. Einzelne jener Urkunden sind für Kahla, Schmölln und Salzungen und selbst für Weimar, Rastenberg und Sulza, von wo keine Ratsberichte erhalten sind, im Original oder abschriftlich überliefert.415 An anderen Orten lässt sich die Umsetzung aus späteren Quellen erschließen. 390 391 392 393 394 395 396 397 398 399 400 401 402 403 404 405 406 407 408 409 410 411 412

413 414 415

Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2513. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2514. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2516. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2515. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2517. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2518. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2519. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2520. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2521. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2522. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2523. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2526. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2524. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2525. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2527. Vgl. LATh-StA Altenburg, Schönbergische Sammlung, Nr. 23, fol. 140r–141r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGAReg Ii 2529. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2531. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2530. Vgl. LATh-StA Altenburg, Ministerium zu Altenburg, Abt. für Kultusangelegenheiten 1819, fol. 37r–44r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2528. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2532. Vgl. LATh-StA Gotha, Oberkonsistorium, Amt Tenneberg, Loc 11, Nr. 1754, unfol. Eine Identifizierung des Waltershäuser Verzeichnisses mit dem betreffenden Bericht ist aufgrund der fehlenden Datierung nicht eindeutig möglich. Inhaltlich und vage auch zeitlich würde es jedoch übereinstimmen. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2533. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2534. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 55, fol. 59r–v (Rastenberg, Originalurkunde); LATh-StA Altenburg, Wagners Collectaneen IX, Nr. 31, S. 89–91. (Schmölln); StA Kahla, B, Nr. 2201, Sig. 1708, unfol. (Kahla, Oiginalurkunde); StA Weimar, HA, I-27-53, unfol. (Originalurkunde); UB Salzunger Stadtarchiv, S. 69 (Das Original ist im Stadt-

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

Im Wortlaut gleichen die Urkunden einander, lediglich variieren die Geldbeträge oder werden vereinzelt individuelle Anordnungen erlassen. Bereits anhand dieser wenigen Urkunden zeigt sich die Bedeutung des Schulwesens. Standen bei der ersten Bewidmung 1536 die Geistlichen im Mittelpunkt, wird nun in keinem der überlieferten Exemplare einem Pfarrer oder anderen Geistlichen eine Zulage verordnet. Das oben geschilderte Saalfelder Beispiel lässt vermuten, dass die für das Kirchenwesen bereitgestellten 2000 fl meist in größeren Beträgen an einzelne Städte verteilt wurden. Stattdessen zeugen die Zulagenurkunden offenbar von einer angestrebten Aufbesserung der schulischen Zustände. Wurden mancherorts noch die Hospitäler oder Siechenhäuser, die mit von den 2000 fl des Kirchenwesens zehrten, mit kleineren Geldbeträgen bis zu 6 fl versehen,416 wurde das bereitgestellte Geld im Übrigen auf die Schuldiener aufgeteilt. Die Beträge schwankten dabei zwischen 10 fl in Sulza417 40 fl in Stadtroda418 und 60 fl in Weimar.419 Die Sulzaer Zulage sollte nach der herzoglichen Bestimmung zu gleichen Teilen der Schule und dem Hospital gewidmet werden. Hier zeigt sich allerdings, wie mit der Zeit die als unveränderlich betonte Anordnung gebeugt wurde. Ein Verzeichnis der Schuleinkünfte von 1575 belegt eine Neuverteilung der 10 fl, sodass nur noch 2 ½ a ß dem Hospital und 8 a ß je zur Hälfte den Schulmeistern von Sulza und dem benachbarten Dorf Bergsulza gereicht wurden.420 Da der Pfarrer 1569 den Visitatoren gegenüber noch beklagt hatte, dass in Bergsulza und der dritten zugehörigen Gemeinde Dorfsulza keine Schule gehalten werde,421 kann eine Umsetzung um oder nach 1570, möglicherweise sogar auf Anordnung der Visitatoren, angenommen werden. Der Zulage von Stadtroda war ein Bittgesuch des Schulmeisters Johann Fidler vorangegangen. Am 21. September, also zwischen der Ankündigung und der Bewilligung der Zulagen, informierte er die Herzöge über seine Schulden beim Stadtrat. Er habe nach seiner zu Beginn des Jahres erfolgten Einstellung einen Garten gekauft, der beim Rat mit 5 a ß verzinst werden müsse. In seinem vorherigen Amt als Amtsschreiber habe er allerdings keine Rücklagen ansparen können und im Schulamt sei er der erste verheiratete Amtsinhaber, während die Besoldung noch seinen ledigen Vorgängern angepasst sei. Er bat daher um eine

416 417 418 419 420 421

archiv Salzungen überliefert); HEYLAND, Stadtbuch (2000), S. 76. Weitere Exemplare ließen sich zweifellos in weiteren Stadtarchiven auffinden, doch wird eine vollständige Erschließung der Zulagenverteilung wohl kaum möglich sein. Über die Beteiligung der Hospitäler und Siechenhäuser vgl. MANDRY, Armenfürsorge (2018), S. 630, 636–639, 642, 644 f., 649, 652 u. 653. Die Urkunde wurde in das Stadtbuch übertragen, vgl. HEYLAND, Stadtbuch (2000), S. 76. Vgl. LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen III (1891), S. 220. Vgl. StA Weimar, HA, I-27-53, unfol.  Vgl. JUDERSLEBEN, Bergsulza I (1993), S. 45. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 44, fol. 102v.

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entsprechende Zulage.422 Vom Amtsschosser, der ihn den Herzögen gegenüber als fleißig, aber arm und mit Frau und drei Kindern versehen beschrieb, wurde er in seinem Anliegen unterstützt.423 Das Gesuch wird zweifellos die Zulagenhöhe beeinflusst haben. Die 40 fl, so die Verordnung vom 6. November, sollten geviertelt werden, wobei jeweils 10 fl dem Lateinschulmeister, dem Kantor und der Mädchenschulmeisterin zukamen.424 Zusätzlich setzten sich die Herzöge unabhängig davon beim Stadtrat für einen Schuldenerlass des Schulmeisters ein.425 Der Stadtrat von Schmölln entwickelte bereits vor der Bewilligung einer Zulage triftige Vorstellungen über die Höhe und die Anwendung des Geldes. Mit dem bereits mehrfach festgestellten Selbstbewusstsein schrieb der Rat am 3. Oktober 1555 den Herzögen, bezeugte überschwänglich seine Dankbarkeit und schilderte ein weiteres Mal die Zustände des dortigen Schulwesens. Aufgrund der geringen Besoldung könne es „bisher ßo genzlichen wol nicht versehen“ werden, zumal auch der Schulmeister im Unterricht lediglich durch den Organisten unterstützt werde, der dafür zusätzlich 10 fl erhalte. Er sei jedoch „geringes furstandes, das er dem Schulmeister wenigk beistant in der schule vnnd kirchen leisten kan“.426 Es sei erforderlich, einen Kantor einzustellen und ihm neben den 10 fl des bisherigen Schullohns des Organisten weitere 20 fl zuzulegen. Nochmals 6 oder 7 fl benötige die Schule für Brennholz und 10 fl könnten für die Mädchenschule aufgewandt werden. Alles in Allem, so schloss der Rat, überlasse man die Entscheidung jedoch den Herzögen. Tatsächlich bewilligten diese der Stadt Schmölln 26 fl, setzten die Vorschläge des Rates jedoch nicht gänzlich um. Stattdessen sollten 10 fl der Mädchenschule und 6 fl dem Hospital gereicht werden. Letzteres hatte der Rat in seinem Schreiben unerwähnt gelassen. Weitere 10 fl wurden einem Kantor unter der Bedingung zugestanden, dass der Gemeine Kasten seinerseits 6 fl zulege.427 In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts hatte der Gemeine Kasten von Schmölln schließlich einen guten Stand – 1583 urteilte der Visitator, er sei „vermögend“.428 Die Weimarer Zulage, die mit 60 fl nach der Saalfelder zu den

422 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2545, fol. 1r–2r. 423 Vgl. ebd., fol. 3r–v. 424 Vgl. LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen III (1891), S. 220. Die Verwendung des letzten Viertels geben die Löbes nicht an, doch werden sie dem Gemeinen Kasten oder dem Hospital zugekommen sein. 425 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2545, fol. 4r. 426 Für beide Zitate LATh-StA Altenburg, Ministerium zu Altenburg, Abt. für Kultusangelegenheiten 1819, fol. 48r–v. 427 Vgl. LATh-StA Altenburg, Wagners Collectaneen IX, Nr. 31, S. 89–91; LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen II (1887), S. 49. 428 LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4279, fol. 350r.

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höchsten zählte, wurde zu jeweils 10 fl auf den Supremus, den Kantor, den Infimus, die Mädchenschulmeisterin und zwei Siechenhäuser aufgeteilt.429 Die Beträge weiterer Städte liegen zwischen diesen Polen. Der Stadtrat von Salzungen erhielt neben 10 fl für die Mädchenschule jeweils 5 fl für den Baccalaureus und das Hospital.430 Dieselben Beträge wurden Kahla bewilligt, aber an die individuelle Bedingung geknüpft, „das Ihr der Rath Ime [dem Kantor] ein heuslein oder mitler weill freie herberg vorschaffett“.431 Ebenfalls 20 fl wurden den Schulen von Rastenberg zugesprochen, jeweils die Hälfte für die Mädchen- und die Knabenschule.432 In Orlamünde wurde zumindest dem Lateinschulmeister eine Zulage von 10 fl gewährt.433 Ein Bericht des Rates von Buttstädt konnte bislang ebenso wenig wie eine Bewilligungsurkunde ermittelt werden, doch kann aus späteren Besoldungsverzeichnissen erschlossen werden, dass der Stadt 15 fl bewilligt wurden. Abermals kamen 10 fl der Mädchenschule und jeweils 2 ½ fl dem Schulmeister und dem Kantor zu. 434 Die Kastenrechnung von Magdala von 1558/59 verzeichnet eine herzogliche Zulage von ebenfalls 15 fl (15 a ß 15 gr) aus dem Klostergut von Reinhardsbrunn „Zur Iungfrawen schuelen vnd vor haußarme leuth“,435 während ein Anteil für die Lateinschule hier wie auch in späteren Jahrzehnten nicht deutlich wird. Der in diesem Fall vermittelte Eindruck, dass die Zulage alljährlich selbst und auf Kosten der Stadt eingebracht werden musste, wird durch ein Besoldungsverzeichnis der Schule von Buttelstedt von 1569 bestätigt. Die Zulage von 5 fl für den Schulmeister „[m]uß der Rath Zu Gothe holen lassen, vndt dem schulmeister zustellen, vff ihr selbst der hern des Raths botten lohn“.436 Weitere Anteile können vermutet, bisher aber nicht ermittelt werden. Während diese Beispiele den Erfolg und die Dauerhaftigkeit der Neubewidmung vor Augen führen, kann die tatsächliche Umsetzung der verhältnismäßig hohen Zulage von Stadtroda in späteren Quellen nicht nachgewiesen werden. Den Visitatoren von 1578 wurde ein Besoldungsverzeichnis eingereicht, welches das Einkommen des Schulmeisters seit der Visitation von 1533/34 nur unwesentlich verändert zeigt. Stephan Hoppelius erhielt 20 fl und zehn Scheffel 429 430 431 432 433

Vgl. StA Weimar, HA, I-27-53, unfol.  Vgl. UB Salzunger Stadtarchiv, S. 69. Vgl. StA Kahla, B, Nr. 2201, Sig. 1708, unfol. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 55, fol. 59r–v. Vgl. LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen III (1891), S. 658. Da die Löbes es nicht erwähnen, ist es fraglich, ob auch der Mädchenschule etwas gewidmet wurde. Zu den Mädchenschulen im Rahmen der Neubewidmung vgl. Kap. II. 6.9.1. 434 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 55, fol. 40r u. 42v (über die Lateinschuldiener zum Jahr 1569); ebd., Konsistorialsachen, B 2886, fol. 244r (über die Mädchenschule zum Jahr 1580). 435 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2731, fol. 4r. 436 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 55, fol. 109.

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Roggen aus dem Kloster Roda sowie 12 fl und acht Klafter Holz vom Stadtrat.437 Der Anteil des Stadtrates kann anhand der Stadtrechnungen bestätigt werden.438 Neben ihm diente Markus Heiler als Kantor und Mädchenschulmeister für 20 fl vom Kloster und 4 fl vom Rat. Darüber hinaus erhielt er geringe Beträge für Taufen und Beerdigungen. 439 Die Visitatoren bescheinigten zwar, dass „[d]er Knaben vnd meidlin schulen halben […] auch nichts vnrichtiges angezeich worden“440 sei, doch findet die herzogliche Zulage an keiner Stelle Erwähnung. Spätere Visitationen schweigen zu schulischen Belangen hingegen vollständig. Mehr als Stadtroda stellt schließlich die Stadt Dornburg, die erst 1547 ernestinisch geworden war, ein Beispiel für das Scheitern einer solchen Zulage dar. Am 28. November, keine vier Wochen nach der Ausstellung der Bewidmungsurkunde, wandte sich der Schulmeister Volkmar Koch zusammen mit dem Rat an die Herzöge.441 Diese hätten dem Hospital eine Zulage von 5 fl zugeordnet, doch stehe es gar nicht unter der Verfügungsgewalt des Stadtrates. Stattdessen sei der Bitte um eine Zulage für die Schule, die der Rat offenbar in seinem Bericht ausgesprochen hatte, keine Aufmerksamkeit geschenkt worden. Man bat um eine Korrigierung dieser misslichen Verordnung, doch schlugen die Herzöge das Anliegen aus. Die geistlichen Güter seien durch die verteilten Zulagen aufgebraucht.442 Der Verlust dieser Zulage stand jedoch dem Aufstieg der Schule in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts nicht im Wege. Die Visitatoren urteilten 1580, sie sei „mit vleisigen zwo personen Schulmeister vnd Cantor besser den zu vor ymals versehen“. Eine weitere Notiz fügte die knappen Worte „auch mehr Knaben“443 hinzu. Wie die vorhergehende Bewidmung der 1530er Jahre wirkte diese neuerliche Intervention der Herzöge dem wirtschaftlichen Mangel nur kurzfristig entgegen. Sie verhinderte nicht, dass auch in der zweiten Jahrhunderthälfte die Zulagengesuche, wenn auch nach einer merklichen Pause, fortgesetzt wurden. Die Inflationsrate und die in diesen Zusammenhängen immer wieder betonten Teuerungen werden dazu ebenso beigetragen haben, wie der steigende Anspruch des Schulwesens und eine entsprechende Vermehrung der Schuldienerschaft. So bat der Stadtrat von Eisenberg 1565 um eine Unterstützung durch die Bereitstellung

437 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 61, fol. 343r. 438 Vgl. zum Jahr 1551/52 LATh-StA Altenburg, Landesregierung 26051, fol. 32v (Geld) sowie fol. 48v/52r (Holz, 10 Klafter und damit zwei Klafter „vbers Schulmeisters gebuere“). Zum Jahr 1573/74 vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 3052, unfol. 439 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 61, fol. 342v. Vgl. zum Anteil des Stadtrates ebd., Reg Bb 3052, unfol. 440 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 61, fol. 337r. 441 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2546, fol. 1r–v. 442 Vgl. ebd., fol. 2r. 443 Beide Zitate LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 62, fol. 196r.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

von Feuerholz 444 und wiederholte die erfolglose Bitte 1569. 445 Der Gemeine Kasten sei erschöpft, sodass der Rat bereits die Besoldung des Kantors habe übernehmen müssen.446 Den Schuldienern von Orlamünde wurde es 1577 hingegen zum Vorwurf gemacht, dass sie unfleißig im Amt seien und „des Ackerbaues mehr dan der schulen wartten theten“.447 Obgleich diese Worte gegen die Schuldiener gerichtet waren, offenbaren sie doch, wie das Konzept der Reformatoren, die Gelehrten durch eine ausreichende Besoldung von der Notwendigkeit der Subsistenzwirtschaft zu entheben, trotz der Zulagen nicht umgesetzt werden konnte. Schließlich trat auch der Stadtrat von Kahla in den späteren Jahrzehnten erneut als Bittsteller in den Vordergrund. Die 1555 gewährte Zulage hatte dem Gemeinen Kasten keine Erleichterung verschafft. Zwischen 1551 – dem Jahr nach dem letzten Bittgesuch – und 1581, so die Klage den Visitatoren von 1582 gegenüber, habe der Stadtrat dem Gemeinen Kasten über 800 fl zuschießen müssen.448 Aus der misslichen Lage resultierte die Art der Besoldungsauszahlung, die, wie es bereits in Saalfeld festgestellt werden konnte, unzeitgemäß „vnd tröpffel weis“449 erfolgte. Daneben standen selbstverständlich auch Beispiele, die für eine tragfähige Umsetzung des Kastenmodells angeführt werden können. Einige Gemeine Kästen waren wohlhabend genug oder verfügten gegenüber den Einnahmen über so geringe Ausgaben, dass sich alljährlich ein größerer Vorrat ansammelte. Der Gemeine Kasten von Altenburg ist in dieser Hinsicht bereits herausgestellt worden. Sogar jener im kleinen Ummerstadt hinterließ im ersten überlieferten Rechnungsjahrgang 1546/47 einen Rest von immerhin 71 fl.450 Eine Maßnahme des Stadtrates von Treffurt ist bezeichnend für ein solches Verhältnis von Einnahmen und Ausgaben. Aus den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts sind etliche Treffurter Kastenrechnungen überliefert. 451 Die früheste stammt von

444 Vgl. StA Eisenberg, XI/I/1, fol. 14r. 445 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2833, fol. 11r–v. 446 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 54, fol. 58r–v. Auch den Visitatoren von 1577 gegenüber wurde die Bitte um Brennholz wiederholt. Der Stadtrat erhielt hier die Antwort, dass er supplizieren solle, doch ist kein weites schriftliches Bittgesuch ausfindig gemacht worden, vgl. ebd., Reg Ii 58, fol. 295r. 447 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 58, fol. 209v. 448 Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4278, fol. 183v. 449 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 66, fol. 181r. 450 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 3071, unfol. Die erste Kastenrechnung von Magdala wurde 1559 hingegen mit Schulden von 7 ß 18 gr 11 d geschlossen, vgl. ebd., Reg Ii 2731, fol. 6v. 451 Sie sind im Landesarchiv von Sachsen-Anhalt, am Standort Wernigerode überliefert und alle unter einer Signatur zusammengefasst, vgl. LASA, Standort Wernigerode, E 52 (Treffurt), B, XI, Nr. 1.

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1570/71 und führt die Besoldung des Schulmeisters in Höhe von 25 a ß auf.452 Drei Jahre später, 1574, betrug sie für den Schulmeister Nikolaus Baum 30 a ß und behielt diesen Wert bis zum Ende des Jahrhunderts bei.453 Zwei weitere Schuldiener wurden hingegen nicht aus dem Gemeinen Kasten besoldet. Ob es sich bei der Besoldung des Schulmeisters um eine anteilige handelte, kann nicht sicher ermittelt werden. Stadtrechnungen sind aus dem betreffenden Zeitraum keine überliefert, doch gab der Stadtrat den Visitatoren von 1575 gegenüber eine Gesamtbesoldung des Schulmeisters von 40 a ß an.454 Ein Anteil des Rates wird demzufolge bei 10 a ß gelegen haben. Wie der Altenburger und Ummerstädter Gemeine Kasten behielt auch der Treffurter alljährlich einen Anteil der Einkünfte zurück. Während die Rücklagen dort jedoch nicht angetastet wurde, nutzte der Treffurter Rat sie 1585/86 zu einer einmaligen und beispiellosen Maßnahme. Sämtliche Geistliche, Kirchen- und Schuldiener erhielten in diesem Rechnungsjahrgang keine Besoldung aus den diesjährigen Einkünften, „weil beim alten Kastenmeister Caspar Reyman so viel inrest blieben, das die diener Ihre vollige besoldung dauon haben konnen“.455

6.3.3. Alternative Besoldungsstrategien ohne Gemeinen Kasten Während die erste ernestinische Visitation von 1527 das Modell des Gemeinen Kastens noch als alternativlose Einrichtung zur wirtschaftlichen Unterhaltung der Schulen und der Schuldiener betrachtete, mussten bereits die Visitatoren der folgenden Jahre zum Teil auf alternative Methoden ausweichen. Die Stadträte mussten Ausgleichszahlungen leisten oder Klostergüter zur Besoldung herangezogen werden. Zunächst sollte es sich dabei zwar um vorübergehende Varianten handeln, um bis zur vollständigen Einrichtung und Etablierung der Gemeinen Kästen die notwendige Versorgung aufrechtzuerhalten. Trotz entsprechender Anweisungen für ein zukünftiges Vorgehen blieb jedoch auch die geplante Umlegung der Finanzierung auf einen Gemeinen Kasten mancherorts Theorie. Insbesondere können aus den ernestinischen Städten zur Verbildlichung einer solchen Entwicklung die drei Städte Eisenberg, Stadtroda und Bürgel herangezogen werden. Sie verfügten in vorreformatorischer Zeit über vergleichbare städtische und kirchliche, vor allem aber klösterliche Strukturen, aus denen heraus sich das reformatorische Kirchenwesen auf die entscheidende Weise entwickelte. Die hiesigen Schulen wurden im Spätmittelalter – auch unabhängig ihrer Träger452 453 454 455

Vgl. ebd. (1570/71), fol. 16v. Vgl. ebd. (1574), unfol. Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 51, fol. 231v. LASA, Standort Wernigerode, E 52 (Treffurt), B, XI, Nr. 1 (1585/86), unfol.

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schaft – in maßgeblicher Weise durch die lokalen Klöster unterhalten. Mit diesem Argument, das in den 1520er Jahren sowohl von den Visitatoren als auch von den Stadträten angeführt wurde, wurde auch weiterhin auf deren finanzielle Beteiligung zurückgegriffen. Wurde 1527 zwar die Fortsetzung der Kost in den Klöstern angeordnet, sonst aber noch eine Besoldung aus dem Gemeinen Kasten vorgesehen, wurde dieser bereits bei der zweiten Visitation wieder entlastet und die Besoldung der Schuldiener und zum Teil auch der Geistlichen aus dem Kloster oder den verledigten Klostergütern bezogen (Tab. 11). Die allmähliche vollständige Auflösung der Klöster hatte jedoch zur Folge, dass deren Einkünfte nicht in die örtlichen Gemeinen Kästen geschlagen wurden, was eine Umlegung der Besoldung ermöglicht hätte, sondern der landesherrlichen Staatskasse zuflossen. Um trotzdem die Besoldung aus dem Klostergut fortzusetzen, wurde sie in den späteren Jahrzehnten aus dem landesherrlichen Amt gezahlt. Der Bericht des Eisenberger Stadtrates von 1555 an die Herzöge informiert, dass der Schulmeister eine Besoldung von 40 fl und fünf Scheffel Korn aus dem Amt erhalte.456 Ein Gemeiner Kasten existierte zwar, war jedoch nicht an der Besoldung des Schulmeisters beteiligt. Das Amt des Kantors konnte hingegen seit „ein ihar adder vier“457 ausschließlich von Bürgerssöhnen versehen werden, die im Haus ihrer Eltern wohnen und versorgt werden konnten. Erst kürzlich sei eine Besoldung aus dem Gemeinen Kasten für den Kantor beschlossen worden, doch sei er zu sehr mit Bauausgaben belastet, sodass der Stadtrat die Kosten übernommen habe. Tatsächlich informieren noch über drei Jahrzehnte später die Stadtrechnungen, dass der Kantor seine vollständige Jahresbesoldung von gerade einmal 5 fl, zweieinhalb Scheffel Korn und der Miete seines Wohnhauses aus der Stadt und nicht vom Kasten erhielt.458 Da Eisenberg selbst Amtssitz war, brachte diese Art der Besoldung hier keine Komplikationen mit sich. Anders verhielt es sich in Bürgel. Hier betrug die Besoldung des Schulmeisters nach der Auskunft des Rates im gleichen Bericht nur 30 fl aus dem Amt Eisenberg und acht Scheffel Korn aus dem Amt Jena sowie 2 fl und 15 Klafter Holz vom Stadtrat.459 Ein zeitnaher vorheriger Brief des Pfarrers Johann Voit vom 30. Januar 1555 ist bezeichnend für die daraus resultierenden Verhältnisse. Das Pfarrhaus sei verfallen, doch zeige der Stadtrat keine Ambitionen, es ausbessern zu lassen. Der Pfarrer legte den Ratsherren die Worte in den Mund, dass sie „nichts mit des pfarers gebrechen zu schicken haben“.460 Sie würden nach wie vor jede finanzielle Fürsorge um das Kirchen- und Schulwesen auf die Klos456 457 458 459 460

Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2515, fol. 9r. Ebd., fol. 7v. Vgl. exemplarisch StA Eisenberg, VIII/III/27, unfol.; ebd., VIII/III/28, unfol. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2511, fol. 2v. Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Hessesche Collectaneen, 3b Nr. 6, fol. 69v.

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tergüter abwälzen wollen, doch habe das lokale Kirchen- und Schulwesen daran keinen Anteil. Ausdrücklich betonte der Pfarrer das Fehlen eines Gemeinen Kastens in Bürgel – „das sie keinen gemeynen Kasten auch sunsten kein eynkomhen wider zur Kirchen noch zur Schule noch zur pfarr haben“.461 Der Schulmeister selbst präzisierte die Aussagen aus schulischer Perspektive in einem kurzen Schreiben, das er dem Bericht des Stadtrates desselben Jahres an die Herzöge beilegte.462 Neben dem Mangel an weiteren Schuldienern betraf es die misslichen Besoldungsverhältnisse und die damit einhergehenden schulischen Schwierigkeiten. Der Schulmeister müsse seine Besoldung in eigener Person aus dem Amt Eisenberg und sein Getreide aus dem Amt Jena holen. Der Unterricht müsse in dieser Zeit ausfallen, „Sonderlich weil niemans an dem ort verhanden der an des schulmeisters stad einige stunde oder tag schulhaltenn kundte“. 463 Trotz der erhobenen Klagen stellte sich keine Verbesserung der Lage ein. Bei der Visitation von 1569 wiederholte nicht nur der Pfarrer die Klage des Schulmeisters, dass er sein Getreide aus Jena holen müsse, auch präsentierte sich die Besoldung des Schulmeisters unverändert. Lediglich diente inzwischen ein Kantor für jährlich 20 fl neben ihm.464 Obwohl keine genaue Herkunft seines Geldes angegeben wurde, kann dahinter eine Umsetzung der Neubewidmung von 1555 vermutet werden. Da der Stadtrat noch immer keinen Anteil an der Besoldung hatte, diese von den Visitatoren aber als zu gering eingeschätzt wurde, verpflichteten sie den Rat zu einer jährlichen Zulage von 2 fl für den Schulmeister und 4 fl für den Kantor.465 Der Schosser von Eisenberg sollte zwar zur zuverlässigeren Auszahlung der Besoldungen angehalten werden, doch erfolgte sonst kein Eingriff in die Verhältnisse. Die späteren Visitationsprotokolle loben zwar die Schule, schweigen aber zu den Besoldungsumständen. Im Jahr 1577 stehe „Inn Knaben vnnd Megdelein Schuele alles richtig“466 und 1580 „wird es auch vleissig gehalt[en]“.467 Die Besoldungssituation von Stadtroda, die seit der Visitation von 1533/34 auf die Klostergüter und den Stadtrat aufgeteilt war, ist oben bereits geschildert 461 Ebd., fol. 70r. 462 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2606, fol. 1r. Der Bericht erwähnt die eigenhändige Beilage des Schulmeisters, sie ist jedoch nicht in derselben Akte überliefert. Das hier zitierte Schreiben ist selbst undatiert, wird vom Weimarer Findbuch jedoch ins Jahr 1555 gelegt. Es kann aufgrund der inhaltlichen Übereinstimmung mit einiger Wahrscheinlichkeit als das im Bericht angekündigte Schreiben identifiziert werden, obgleich darin vom namentlich nicht genannten Schulmeister in dritter Person die Rede ist. Alternativ entstand es im Zusammenhang der Visitation im selben Jahr. 463 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2606, fol. 1r. 464 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 54, fol. 5v–6r. 465 Vgl. ebd., fol. 3v. 466 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 58, fol. 319r. 467 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 62, fol. 240r.

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worden. Mögliche Probleme fanden hier keinen Niederschlag in den Quellen, auch wurde keine Veränderung der Verhältnisse vorgenommen. Von einem Gemeinen Kasten ist hingegen keine Rede. Trotz der gemeinsamen Hintergründe bilden Bürgel, Stadtroda und Eisenberg nicht die einzigen Beispiele für eine anderweitige Umsetzung der Besoldung. Ihnen können weitere Städte hinzugefügt werden, obgleich die Abweichung vom reformatorischen Prinzip nicht in jedem Fall begründet werden kann. Der Stadtrat von Pößneck hatte 1524 eine eigenständige Besoldung des Schulmeisters in die Hand genommen. Trotz der unmissverständlichen Anordnungen der frühen Visitationen, diese auf den Gemeinen Kasten umzulegen, blieb die damit eingeführte Methode bis über das Ende des 16. Jahrhunderts hinaus bestehen. Die dicht überlieferte Folge der Stadtrechnungen verzeichnet alljährlich in detaillierten Übersichten die unregelmäßige und offenbar anhand des Bedarfs orientierte Auszahlung kleinerer Besoldungssummen.468 Dass die anfangs verordnete Summe von 21 a ß und die Erhöhungen nach den ersten Visitationen dabei nicht ausreichte, verdeutlichen mehrere kleinere Briefe der frühen Schulmeister, die den Rechnungen als lose Zettel beigelegt wurden.469 Im September 1532 entschied der Stadtrat daraufhin, die Besoldung für den Schulmeister um 5 a ß und für den Kantor um 4 a ß zu erhöhen.470 Trotz der Besoldung aus der Stadtkämmerei richtete sich der Rat in der Höhe der Besoldung nach den Visitatoren. Obwohl er die Besoldung erst kürzlich erhöht hatte, beschloss er nach der dritten Visitation am 22. Oktober 1534, so das Ratsprotokoll, „[m]ann soll pfarnner, schulmeist[er] vnnd Cantor gebnn wie es die visitatores geordennt habenn“.471 Die Stadtrechnung des folgenden Jahres belegt die Anhebung der Besoldung auf die angeordneten 40 a ß für den Schulmeister und 30 a ß für den Kantor.472 Neben der Besoldung informieren die Stadtrechnungen zudem bereits im Jahr 1531/32 über die Zahlung von Stipendien, die ebenfalls nicht aus dem Gemeinen Kasten, sondern aus der Stadtkämmerei gezahlt wurden. In diesem Jahr erhielt 468 Angefangen im Jahr 1524/25, vgl. StA Pößneck, Stadtrechnung, Mappe 23, Nr. 71, 1524/25, unfol. 469 Der erste stammt aus der Feder des Schulmeisters Sebastian Börtel, der die Nachfolge von Martin Backofen 1528 angetreten hatte und der seinen Namen selbst als Bortellius latinisierte, vgl. StA Pößneck, Stadtrechnung, Mappe 25, Nr. 76, 1528/29, unfol. Sein Nachfolger, der sich selbst nur als Ludimoderator bezeichnete, folgte dem Beispiel im Dezember 1532 und im März 1533 einmal in deutscher und einmal in latenischer Sprache. Vgl. für beide ebd., Stadtrechnung, Mappe 26, Nr. 82, 1532/33, unfol. 470 Vgl. StA Pößneck, B I 2, Nr. 8, fol. 27v. Sie betrug somit 35 a ß für den Schulmeister und 24 a ß für den Kantor, vgl. ebd., Stadtrechnung, Mappe 27, Nr. 84, 1533/34, unfol. 471 StA Pößneck, B I 2, Nr. 8, fol. 33v. 472 Vgl. StA Pößneck, Stadtrechnung, Mappe 27, Nr. 86, 1534/35, unfol.

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der Bürger Jorg Gugling 6 fl zum Unterhalt seines Sohnes. Das Geld wurde somit nicht dem Studenten selbst ausgezahlt, sondern dessen Vater, der den Unterhalt des Sohnes zu tragen hatte. Bei dem Studenten handelte es sich um Erhard Gugling, der unter den Namen Gugelick im Sommersemester 1531 in Leipzig immatrikuliert worden war.473 Fünf Jahre später, 1536, wurde über zwei weitere Stipendien entschieden und im Stadtbuch verzeichnet, dass Johann Linden und Bartholomäus Rosfeld zunächst probeweise für ein halbes Jahr wöchentlich 5 gr erhalten sollten.474 Ersterer war unter dem Namen Johannes Lindau erst in diesem Jahr in Wittenberg immatrikuliert worden,475 während bei der Immatrikulation Rosfelds im selben Semester an derselben Universität in der Matrikel die Herkunftsangabe fehlt. Es handelt sich bei ihm um keinen Geringeren als um Bartholomäus Rosinus, der später Schulmeister von Gotha und Eisenach, Diakon von Eisenach sowie Pfarrer und Superintendent von Weimar und letztlich Superintendent von Regensburg werden sollte.476 Die spezielle Besoldungssituation nutzte der Stadtrat 1543 zu einem Zulagengesuch beim Kurfürsten. Er schilderte ihm die Verhältnisse, betonte, dass die Schule „mit gelertten gesellenn vorsorget“477 sei, deren Besoldung jedoch „von vnserm geschos vnd einkommen“478 gegeben werden müsse und eine finanzielle Unterstützung dazu von Nöten wäre. Anders als zeitgleich in Kahla zeigte der Kurfürst sich hier wohlgesonnener. Nach einem eingeforderten Urteil der Visitatoren schrieb Johann Friedrich dem Rentmeister und befahl ihm, bis auf Widerruf dem Schulmeister 20 fl und dem Kantor 10 fl als jährliche Zulage zu reichen.479 Die Stadtrechnungen verzeichneten fortan den Empfang und die Auszahlung der 30 fl.480 Der Bericht des Stadtrates an die Herzöge von 1555 informiert jedoch, dass der Rat entgegen der Anordnung eine gleichmäßige Aufteilung der Zulage vorgenommen habe und Schulmeister wie Kantor jeweils 15 fl reichte.481 Die Stipendien seien indes eingezogen und dem Pfarrer und Prediger als Zulage gereicht worden. Die Urkunde zur Bewilligung einer weiteren Zulage ist zwar nicht über473 474 475 476 477 478 479 480

481

Vgl. ERLER, Matrikel (1895), S. 605. Vgl. StA Pößneck, B I 2, Nr. 8, fol. 62v–63r. Vgl. FÖRSTEMANN, Album (1841), S. 161. Vgl. zu Rosinus insbesondere HERRMANN, Bartholomäus Rosinus (1937); DERS., Bartholomäus Rosfeld (1952); GEHRT, Bartholomäus Rosinus (2014). LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1708, fol. 1v. Ebd., fol. 2r. Vgl. ebd., fol. 7r–v. Die Visitatoren hatten sich zuvor sogar für eine Zulage von insgesamt 50 fl ausgesprochen, vgl. ebd. fol. 4r–v. Vgl. exemplarisch zum Jahr 1549/50 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 3044, unfol. Dabei handelt es sich um eine summarische Rechnung, in der der Empfang der Zulage wahrscheinlich bewusst deutlich herausgestellt wurde. Vgl. LATh-StA Altenburg, Schönbergische Sammlung, Nr. 23, fol. 140r.

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liefert, doch erwähnte der Pfarrer 1574 in einem Brief beiläufig eine weitere herzogliche Zulage von 20 fl.482 Wie in Pößneck wurde auch dem Schulmeister von Buttstädt die Besoldung vom Stadtrat gereicht. Stadtrechnungen sind hier keine überliefert, doch informiert ein Einkommensverzeichnis von 1569 über das Gehalt des Schulmeisters Benedikt Lodensacius.483 Demnach zahlte ihm der Stadtrat 30 a ß, die wie in Pößneck nicht termingerecht, sondern „so offt ers b[e]gert“ 484 gereicht werden. Ergänzt wurden sie durch kleinere Beträge für Beerdigungen, Hochzeiten und Taufen sowie die Erträge einer noch aus vorreformatorischer Zeit stammenden Schulgeldstiftung in Höhe von 5 a ß. Den Kantor musste der Schulmeister hingegen aus dem Einkommen des Schulgeldes selbst mit 12 a ß besolden. Nochmals 12 a ß steuerte auch ihm der Stadtrat bei.485 Ein zweites Einkommensverzeichnis von 1580 zeigt, dass die Besoldungsverhältnisse zwischenzeitlich nicht geändert wurden. Neben dem Schulmeister Jonas Traubolth und dem Kantor Wolfgang Beß diente nun allerdings ein Baccalaureus Nikolaus Klemschuch, der 15 fl und ein halbes Malter Korn vom Stadtrat bezog.486 Verschiedene andere Besoldungsstrategien versorgten die Schulen letztlich auch ohne die Beteiligung des Stadtrates. In Neustadt b. C. wurde von der Visitation 1535 beschlossen, den Schulmeister aus den Zehnten des Dorfes Meilschnitz zu besolden. 487 Die Umsetzung ist noch anhand des Berichtes des Stadtrates von 1555 ersichtlich. Die Erträge beliefen sich auf 40 fl, während der Gemeine Kasten lediglich 8 fl ergänzte. Naturalien und Brote sowie ein Wiesenertrag im Wert von 6 fl kamen hinzu, doch musste der Kantor hier noch immer vollständig vom Schulmeister selbst besoldet werden. Er reichte ihm 20 fl aus seinem eigenen Einkommen.488 Auch der Schulmeister von Apolda erhielt seine Einkünfte nach der Auskunft eines Verzeichnisses von 1580 weder aus einem Gemeinen Kasten noch vom Stadtrat, sondern aus einer Vielzahl von Zinsen an Geld und Getreide, die ihm aus insgesamt acht Orten von 31 Personen gereicht wurden. Der Schulmeister Lambertus Pfeiffer und der Kantor Johannes Böttner mussten sich „dasselbe mit einander zugleich teilen“.489 Obgleich ein Gemeiner Kasten hier wie auch in Pößneck existierte, wurde er nicht zur Besoldung herangezogen. Anders als in den genannten Fällen erhielten die Schuldiener von Apolda jedoch auch nach der Refor482 483 484 485 486 487 488 489

Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2865, fol. 80r. Vgl. zur Identifizierung des Schulmeisters LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 55, fol. 42r. Ebd., fol. 40v. Vgl. ebd., fol. 41v. Vgl. LATh-HStA Weimar, Konsistorialsachen, B 2886, fol. 240r–245r. Vgl. SOBOTTA, Schulwesen (2005), S. 159. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2525, fol. 1v. Vgl. LATh-HStA Weimar, Konsistorialsachen, B 2886, fol. 226r–236v, Zitat fol. 226r.

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mation keine einheitliche und feste Besoldung. Ihr Einkommen erinnert auch am Ende des 16. Jahrhunderts noch an vorreformatorische Verhältnisse, wie sie beispielsweise durch die Besoldungsordnung von Themar von 1514 repräsentiert worden waren. Während dies in den ernestinischen und auch in den albertinischen Städten aber offenbar die Ausnahme blieb, sollte das Modell des Gemeinen Kastens in den schwarzburgischen Städten nur selten eine tatsächliche Umsetzung erfahren. Dies hat seinen Grund vermutlich in der späteren Einführung der Reformation und dem weniger gezielten Vorgehen der ersten Visitatoren, die bei weitem nicht in so starkem Maße in die wirtschaftlichen Verhältnisse der Schulen eingriffen. Es ist oben geschildert worden, auf welche Weise zahlreiche Städte durch finanzielle Maßnahmen das entfallende Schulgeld zu kompensieren versuchten. Während dieser Trend in den ernestinischen Städten zumeist durch die frühen Visitationen aufgefangen und – unter Berücksichtigung der genannten Ausnahmen – auf die Gemeinen Kästen umgelenkt werden konnte, etablierten sich in den schwarzburgischen Gebieten die zunächst provisorischen Zahlungen an die Schulmeister vielerorts zu einer festen Besoldung, die auch nach der offiziellen Einführung der Reformation nicht auf eventuell vorhandene Gemeine Kästen umgelegt wurde. So war zwar der Gemeine Kasten von Greußen, so die Visitatoren von 1575, gegen alle Klagen bestellt, doch wurden die Schuldiener nach wie vor vom Stadtrat unterhalten. Ein Einkommensverzeichnis gibt näheren Aufschluss. Der Schulmeister Benjamin Starcke – der spätere Schuldiener, Diakon und Superintendent von Mühlhausen – erhalte 28 fl vom Stadtrat, 12 fl vom Schulgeld und Holz, der Kantor Johannes Dentzel seinerseits 24 fl vom Rat und ein Drittel des Schulgeldes.490 Durch welchen Anlass die Besoldung schließlich erhöht wurde, ist nicht bekannt, doch erfuhr sie bis 1587 eine deutliche Steigerung. Urteilten die Visitatoren noch 1575, die Besoldung sei so gering, dass die Schuldiener sich „kuemmerlich vnd ueherlich behelff[en]“491 könnten, bezog der Schulmeister Johannes Vellandt 13 Jahre später 40 fl vom Stadtrat, der Kantor Nikolaus Topff 35 fl und der Organist Johannes Trötzschell, der zwei Stunden am Tag in der Schule aushalf, 30 fl. 492 Eine Stadtrechnung von 1601 bestätigt die Zahlung durch den Stadtrat, die seither keine weitere Steigerung erfahren hatte.493 Gleichermaßen sorgte auch der Stadtrat der kleinen Stadt Langewiesen für den Unterhalt des Schulmeisters. Die Besoldung erfuhr hier über die Jahrzehnte eine schrittweise 490 491 492 493

Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Konsistorium Sondershausen, Nr. 1351, unfol. LATh-StA Rudolstadt, Geheimes Archiv (Restbestand), A IV 3a Nr. 2, fol. 33r. Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Konsistorium Sondershausen, Nr. 112, fol. 103r u. 105r. Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Gemeinde- und Stadtrechnungen, Nr. 59, fol. 19r. Als Schulmeister diente inzwischen der Sohn von Benjamin Starcke, M. Sebastian Starcke, und als Kantor Michael Cartheiser.

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Erhöhung. Sie betrug zunächst 12 a ß im Jahr 1536/37, 20 a ß im Jahr 1555/56 und schließlich 36 a ß im Jahr 1589/90.494 Andernorts blieben hingegen die vorreformatorischen Besoldungsverhältnisse bestehen, sodass etliche Einkommensverzeichnisse keine fixen Besoldungssummen, sondern weiterhin stark aufgegliederte, aus Zinsen gespeiste Einkünfte verzeichnen. Exemplarisch sei auf die Ergebnisse der Visitationen von Clingen im Jahr 1575495 sowie von Plaue496 und Großenehrich im Jahr 1587497 verwiesen. Unter den schwarzburgischen Städten verfügten lediglich Rudolstadt und Arnstadt über einen Gemeinen Kasten, der die Besoldungskosten der Kirchenund Schuldiener trug. Die Visitation von 1533 konnte in Arnstadt bereits auf vorherige Einrichtungen des Stadtrates zurückgreifen und dem Schulmeister eine Besoldung von 60 fl, einem Malter Korn und zwei Fuder Holz verordnen.498 Etliche Kastenrechnungen informieren hier über die Entwicklung der Besoldungen und den allmählichen Ausbau der Schuldienerschaft, bis am Ende des Jahrhunderts sechs Schuldiener beachtliche Besoldungen erhielten. So bezogen 1595/96 der Schulmeister 80 fl, der Konrektor 50 fl, der Kantor 60 fl und drei weitere Schuldiener 40 fl, 32 fl, und 30 fl.499 In Rudolstadt betrug 1574/75 die Besoldung des Schulmeisters 30 a ß und sechs Maß Roggen und die des Kantors 20 a ß und 4 Maß Roggen, doch steuerte der Stadtrat noch insgesamt 16 a ß bei.500 Desgleichen scheint auch ein Gemeiner Kasten für die Besoldungskosten in Königsee gesorgt zu haben. Kastenrechnungen sind keine überliefert, doch informiert die Stadtrechnung von 1548/49, 494 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Gemeinde- und Stadtrechnungen, Nr. 5743, unfol.; ebd., Nr. 5746, unfol.; ebd., Nr. 5760, unfol. 495 Ein Einkommensverzeichnis benennt neben eigenem Landbesitz der Schule und einzelnen Getreidezinsen den Anteil des Rates von 6 ß und 4 ß aus dem Kircheinkommen, vgl. LATh-StA Rudolstadt, Konsistorium Sondershausen, Nr. 1351, unfol. 496 Hier trug der Stadtrat keinen festen Anteil. Stattdessen bestand das Einkommen des Schulmeisters aus verschiedenen Geld- und Naturalzinsen der Bürger, umliegender Dörfer und einem geringen Anteil des Gemeinen Kastens in Höhe von 2 fl 3 gr. Das gesamte Einkommen des Gemeinen Kastens belief sich auf nicht einmal 20 fl, vgl. LATh-StA Rudolstadt, Konsistorium Sondershausen, Nr. 112, fol. 143v–144r. 497 Hier betrieb der Schulmeister weitestgehend Subsistenzwirtschaft und erhielt darüber hinaus nur 2 fl 2 gr an Geld und 28 Malter Roggen von der Kirche sowie verschiedener Getreidezinse aus umliegenden Dörfern. Das Einkommen des Gemeinen Kastens betrug nur 2 fl 7 gr 10 d. Ein Vorrat von 9 fl 10 gr lässt vermuten, dass er kaum Ausgaben hatte, vgl. LATh-StA Rudolstadt, Konsistorium Sondershausen, Nr. 112, fol. 111r–v. 498 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt 2983, fol. 1v; EINICKE, Klostergüter (1903), S. 141; KLETTE, Beiträge (1923), S. 40 f. 499 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Sonstige Rechnungen, Kirchenrechnung, Nr. 6946, unfol. 500 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Kirchenrechnungen, Nr. 1785, unfol.

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dass der Gemeine Kasten hier wie in Saalfeld oder Kahla beim Stadtrat verschuldet war. Sie verzeichnet den Betrag von 106 a ß 7 d 1 h, den der Rat „den Kasten meistern zcur obstahtung der Kirchen diener das Ihar vber furgestrackt“.501 Einen Sonderfall stellte die finanzielle Versorgung des Kirchenwesens in Stadtilm dar. Der Schulmeister Theodericus Onnensis hatte hier 1533 selbstbewusst von den Visitatoren die Verordnung einer Besoldung von 30 fl gefordert (postulat), die ihm offenbar auch bewilligt wurde.502 Die frühen Kastenrechnungen präsentieren ein mustergültiges Kastensystem und bestätigen unter anderem die 30 fl für den Schulmeister und 20 fl für den Kantor.503 Ähnlich wie in Gotha wurden die Besoldungskosten für die Schuldiener jedoch im Rechnungsjahrgang 1552/53 vom Gemeinen Kasten getrennt und einer eigenständigen Kasse übertragen.504 Ihre Grundlage wurde durch die Trennung zwischen städtischen und Landzinsen geschaffen. Zur Einnahme der Letzteren wurde eigens das Amt eines sogenannten Einsammlers eingeführt und mit einer eigenen Besoldung von 10 fl und vier Maß Gerste versehen. 505 Der erste Einsammler war 1553 Johannes Koell, dem im folgenden Jahr Kilian Rorich nachfolgte. Von 1553/54 stammt erstmals aus der Feder Koells eine „Rechnung vber die Zynße des Gemeinen gottes Kasten zu Ilmen Erblichen vnd widerkeufflichen Auff dem Lande“. 506 Sie enthält sämtliche schulischen Ausgaben, die Besoldung in der genannten Höhe, darunter die des Eisammlers selbst, Bau- und Reparaturkosten sowie Geld für Holz und Korn für die Schuldiener.507 1554 werden die Schuldiener in dieser Rechnung schließlich namentlich genannt. Caspar Kalb war Schulmeister, Simon Apel versah das Kantorat.508 Noch 1554 oder zu Beginn des folgenden Jahres trat Eustachius Metzel die Nachfolge des Schulmeisters an.509

501 LATh-StA Rudolstadt, Gemeinde- und Stadtrechnungen, Nr. 11735, fol. 86r. 502 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt 2983, fol. 9r. 503 Vgl. exemplarisch zum Jahr 1549/50 LATh-StA Rudolstadt, Kirchenrechnungen, Nr. 7248, fol. 11r und zum Jahr 1551/52 ebd., Nr. 7249, fol. 10r. 504 In diesem Jahr erhielten die Schuldiener erstmals keine Besoldung mehr aus dem Gemeinen Kasten. Anders als in Gotha blieb die Besoldung der Geistlichen jedoch dessen Aufgabe, vgl. LATh-StA Rudolstadt, Kirchenrechnungen, Nr. 7250, fol. 27v. 505 Vgl. zur Besoldung des Einsammlers anhand des Visitationsprotokolls desselben Jahres LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt 2987, fol. 66v; ebd., 2988, fol. 65v. 506 LATh-StA Rudolstadt, Kirchenrechnungen, Nr. 7252, fol. 54r. 507 Vgl. ebd., fol. 59r–v, 60v u. 62r. 508 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Kirchenrechnungen, Nr. 7254, fol. 88r. 509 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Kirchenrechnungen, Nr. 7256, fol. 113r.

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6.3.4. Schulgeld Die von den Visitatoren des Ortslandes Franken angestrebte vollständige Aufhebung des Schulgeldes blieb vielerorts ein optimistisches Ideal, das nicht umgesetzt werden konnte. Trotz der verordneten festen Besoldung der Schuldiener blieb eine von den Schülern geforderte Abgabe oft weiterhin obligatorisch. Dieses betrug beispielsweise im Jahr 1540 in Kindelbrück pro Quartal 10 d. Es wurde dabei von einer Gesamteinnahme von 5 a ß ausgegangen.510 In Lucka erhielt der Schulmeister um die Mitte des Jahrhunderts von jedem Knaben 6 gr im Jahr, doch wurde aufgrund der schwankenden Schülerzahlen auch die wenig berechenbare Höhe des dadurch erzielten Einkommens betont. 511 Bis 1583 wurde die Forderung hier sogar auf 8 gr jährlich erhöht.512 In Ranis scheint das Schulgeld in der frühen Reformationszeit aufgehoben, doch im Zuge der Visitation von 1555 in Höhe von 4 gr neu verordnet worden zu sein. Die Anweisung an den Stadtrat, die Einhaltung der Bestimmung zu überwachen, lässt vermuten, dass man mit dem Missfallen der Bürger rechnete. 513 In Allstedt betrug das Schulgeld 1555 offenbar noch für alle Knaben 4 gr.514 Bis 1569 wurde jedoch eine Abstufung vorgenommen, sodass jener Haufen, „der lesen vnd buchstabin lernet“, 4 gr und der zweite Haufen, „der declinirn oder schreib[en] lernet“ 515 6 gr zu leisten hatte. Ein aus diesem Jahr stammender Lehrplan informiert zwar, dass in einem dritten Haufen lateinische Lektüre betrieben wurde,516 doch liegen keine Informationen über das Schulgeld jener Schüler vor. Das Schulgeld in Eckartsberga wurde 1575 mit lediglich 1 gr angegeben.517 Zur selben Zeit betrug es in Greußen 18 d pro Quartal, also 6 gr jährlich, doch wurde den Visitatoren gegenüber geäußert, dass es oft nicht gezahlt werde. Die Gesamtsumme wurde mit 12 fl veranschlagt.518 1569 zahlte jeder Schüler in Lobeda 4 gr jährlich.519 Das Schulgeld bildete einen Teil der Einkünfte der Schuldiener, wurde allerdings nicht selten den unteren Schuldienern zugeschlagen, um diesen die oft 510 Vgl. HStA Dresden, 10024, Loc. 10593/6, fol. 279r; GÜNTHER, Kindelbrück (1991), S. 52. 511 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1339, fol. 3v. 512 Vgl. LATh-StA Altenburg, Ministerium zu Altenburg, Abt. für Kultusangelegenheiten 1014, fol. 1r–v. 513 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 23-26, fol. 274r. 514 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2509, fol. 5r. 515 Beide Zitate LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 45, fol. 53v. 516 Vgl. zu diesem Lehrplan Kap. II. 6.7.1. 517 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 3a, fol. 47r. 518 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Konsistorium Sondershausen, Nr. 108, fol. 40v; ebd., Nr. 1351, unfol. 519 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 42.1, fol. 292v.

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deutlich geringere Besoldungssumme aufzustocken. Detailliert wurde eine solche Aufteilung in Sangerhausen bei der Visitation von 1555 festgeschrieben. Jeder Knabe sollte pro Quartal 1 gr reichen. Die Einkünfte sollten sich der Infimus und der Organist, falls er in der Schule aushelfe, teilen, „alßo das sie dauon Ieder x alde ß zwlage Irer besoldunge bekohmen“.520 Es wurde demnach mit einer Schulgeldsumme von mindestens 20 a ß gerechnet. Der Infimus – in diesem Jahr Johannes Rock – hätte somit eine Besoldung von 25 a ß und der Organist – Johannes Hortlingk – von 35 a ß. Sollten die Einnahmen die 20 a ß übertreffen, solle der Stadtrat über die Verteilung des Überschusses unter den Schuldienern entscheiden, andernfalls die Differenz aus eigener Tasche ausgleichen. Die Zahlung von Schulgeld wurde weiterhin von anderen Abgaben der Schüler ergänzt, doch findet sich nach der Reformation in keiner Stadt mehr eine so vielgliedrige Belastung, wie sie für die vorreformatorische Zeit konstatiert werden konnte. Vielmehr handelt es sich fast ausschließlich um die Bereitstellung von Holz zur Befeuerung der Schule in den Wintermonaten, während die Schuldiener das Brennholz für die eigene Wohnung zumeist vom Gemeinen Kasten oder auf städtische Kosten bereitgestellt bekamen. So wiesen die Visitatoren von 1533/34 den Stadtrat von Triptis an, dass er „dem Schulmeister ierlich drey Klaffter holz in die schule sollen heymfuren lasen, vber das holz so die Kynder mit sich zubring pflegen“.521 Ob damit eine Einschränkung der Belastung der Schüler verbunden war, ist unklar. Es verwundert nicht, dass der Stadtrat von Creuzburg 1555 den Herzögen gegenüber äußerte, viele Kinder würden, um der Bereitstellungspflicht von Holz zu entgehen in den Wintermonaten „offt der schule mussig gehenn“.522 Die Klage war mit einer Bitte um eine Holzzulage verbunden, um auch diese Belastung der Schüler noch zu vermeiden. Schulgeld wurde in Creuzburg bereits nicht mehr gefordert. Gleichermaßen wurde die Pflicht der Schüler zur Lieferung von Holz in Eisenberg in gleich drei Visitationen – 1569, 1577 und nochmals 1582 – als einer der größten Missstände des städtischen Schulwesens geschildert.523 Da viele Familien dies nicht vermochten und die Kinder im Winter nicht selten Kälte leiden mussten, schloss sich der Stadtrat der Bitte um die herzogliche Bereitstellung von je 10 Klaftern Holz für die Knaben- und die Mädchenschule an. 1577 und 1582 erhielt er von den Visitatoren lediglich zur Antwort, dass er in diesem Anliegen an den Herzog bzw. das Konsistorium zu supplizieren habe. Eine solche Supplikation war jedoch bereits nach der Visitation von 1569 an den Herzog ausgegangen, hatte damals allerdings zu keinem Ergebnis geführt.524 Weitere Versuche sind 520 521 522 523

LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 21a, fol. 5r. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 4.2, fol. 240r. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2514, fol. 2r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 54, fol. 52v u. 75v (1569); ebd., Reg Ii 58, fol. 295r (1577); LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4278, fol. 239v–240r (1582). 524 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2833, fol. 11r–v.

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nicht überliefert. Stattdessen scheint der Stadtrat seit den 1580er Jahren die Finanzierung von Holz übernommen zu haben. Die entsprechenden Ausgaben ziehen sich fortan durch sämtliche Stadtrechnungen.525 Obgleich somit nicht allerorten die gänzliche Entlastung der Schüler bewirkt werden konnte, zeigen doch deutlich mehr Beispiele, dass dies ein erklärtes Ziel bzw. eine Notwendigkeit der Schulreformation darstellte. In Dornburg sollten die Vikarieeinkünfte ausdrücklich, so die Visitatoren von 1539, das Schulgeld ersetzen. Dessen Beibehaltung war solange lediglich ein Notbehelf.526 In weiteren Städten war die Erhebung von Schulgeld aufgrund der Armut vieler Bürger schlichtweg nicht möglich. Die Worte des Stadtrates von Magdala, die er 1555 an die Herzöge richtete, sind bezeichnend. Der Schulmeister fordere kein Schulgeld, „dan sonsten bei vns arme Burger, do die schulgelt geben sollten, wurde die schulen dardurch vorwust, vnd die Knaben nicht gelehret“.527 Dieselbe Befürchtung hatte bereits in der vorhergehenden Visitation der Stadtrat von Weida geäußert, obwohl er zumindest über die Wiedereinführung des durch die früheren Visitationen abgeschafften Schulgeldes nachgedacht hatte. 528 Aus demselben Grund beschloss der Stadtrat von Rastenberg 1586, das Schulgeld durch eine Zulage aus der Kämmerei zu ersetzen, da es bislang ohnehin eher sporadisch gereicht worden sei.529 Die Kastenrechnung von Schmölln von 1550/51 informiert, dass diese Maßnahme hier bereits in der ersten Hälfte des Jahrhunderts durchgesetzt und das Schulgeld durch eine Zulage von 6 fl ersetzt worden war.530 Das Streben nach einer grundsätzlichen Senkung des Schulgeldes im Herzogtum illustrieren schließlich die Bewidmungsurkunden vom 6. November 1555, die alle im selben Wortlaut – ungeachtet, ob überhaupt noch Schulgeld gefordert wurde – eine Beschränkung auf maximal 8 gr pro Jahr enthielten. Die Beispiele zeigen jedoch, dass der Durchschnitt bereits deutlich darunter lag. Dasselbe Anliegen übertrugen die Ernestiner im darauffolgenden Jahr auf die Reste der hennebergischen Herrschaft Römhild. Der letzte Römhilder Graf, Berthold XVI., war 1549 kinderlos gestorben. Sein Territorium kam zunächst an die Grafen von Mansfeld und 1555 an die Ernestiner, die sogleich eine Kirchenvisitation vornehmen ließen.531 Dabei wurde den Römhilder Schuldienern nach 525 Vgl. exemplarisch zum Jahr 1588 StA Eisenberg, VIII/III/27, unfol. sowie zum Jahr 1589 ebd., VIII/III/29, unfol. 526 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 1b, fol. 410v. 527 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2523, fol. 11v. 528 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2439, fol. 3v. 529 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 67, fol. 84r u. 85r. Noch drei Jahre zuvor hatte der Schulmeister Martin Medlerus über eine Neuverordnung des Schulgeldes gebeten, da die Zahlungen unregelmäßig und spärlich seien, vgl. ebd., Reg Ii 64, fol. 175r–v. 530 Vgl. KrA Altenburg, Bestand Schmölln, Nr. 1540, unfol. 531 Vgl. KÖHLER, Römhild (1940), S. 37; DERS., Reformation (1971), S. 123.

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dem ernestinischen Vorbild eine feste Besoldung verordnet und das Schulgeld zunächst auf 4 gr im Jahr beschränkt.532 Als durch die Visitatoren jedoch wenig später eine Visitationsordnung erlassen wurde, schafften sie darin das Schulgeld gänzlich ab.533 Am ernestinischen und albertinischen Vorbild orientierten sich die Geistlichen von Arnstadt, als sie 1547 in einem Mahnschreiben an den Grafen die übermäßige Belastung der Schüler durch das Schulgeld betonten und dessen Abschaffung für die gesamte Grafschaft forderten. Der Graf solle den Schuldienern „einen vorteil verschaffen, der der armen leutlin Kinder zu gut kome“.534 Dass dies nicht überall umgesetzt, das Schulgeld aber weiterhin als nicht zu vernachlässigendes Hindernis für die Entscheidung zum Schulbesuch betrachtet wurde, belegt das Beispiel von Sondershausen. In einem Beschwerdeschreiben des hiesigen Stadtrates von 1575 urteilte er ausdrücklich, das „dadurch viel Knaben von der schuel abgehaltten“535 werden. Über ein Jahrzehnt später knüpfte der Schulmeister Sigismund Strophius daran an. Das Schulgeld betrage 4 gr im Jahr, werde allerdings kaum gezahlt. Strophius bat die Visitatoren von 1587, sie mögen mit dem Rat verhandeln, dass er das Schulgeld in Form einer Zulage übernehme. 536 Dem entgegen wurde in Plaue bereits 1553 wie in Dornburg das Einkommen einer Vikarie als Ersatz des Schulgeldes herangezogen. Der Schulmeister dürfe daraufhin „vonn Niemandts etwas mehr fordern zu schul gelde“.537 Zuletzt erbringt der Vergleich der vorreformatorischen Verhältnisse mit dieser Entwicklung eine bemerkenswerte Verschiebung der Priorität hinsichtlich der Schulgeldzahlung auswärtiger Schüler. Strebte die vorreformatorische Gesellschaft eine Entlastung der auswärtigen Schüler zur besseren Ermöglichung der Bildungswanderungen an, erfuhren nun lediglich die einheimischen Schüler die genannten Befreiungen vom Schulgeld. Jenes auswärtiger Schüler wurde hingegen beibehalten, neu eingeführt oder sogar gesteigert. Die vor den frühen Visitationen in Saalfeld verfassten Berichte des Stadtrates hatten dies bereits für die 1520er Jahre deutlich gemacht. Zahlreiche Beispiele, von denen hier nur einige genannt werden können, verdeutlichen dies als allgemeinen Trend. So zahlten auswärtige Schüler in Eckartsberga das doppelte Schulgeld der einheimischen.538 In Kölleda539 wie in Weida540 wurden die einheimischen Kinder vom 532 533 534 535 536 537

Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 33, fol. 6v. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 29, fol. 67r. Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, Nr. 2872, fol. 4r. LATh-StA Rudolstadt, Hessesche Collectaneen, 2c Nr. 7, fol. 78v. Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Konsistorium Sondershausen, Nr. 112, fol. 91v. LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt 2987, fol. 47r. Vgl. auch ebd. 2986, fol. 43r; ebd., 2988, fol. 33v. 538 Statt 4 gr jährlich 8 gr, vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 3a, fol. 47r. 539 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 41c, fol. 1343v.

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Schulgeld befreit, das auswärtige Schulgeld jedoch auf 8 gr erhöht. Gleichermaßen verhielt es sich in Weißensee, wo das auswärtige Schulgeld 6 gr betrug.541 In Pößneck wurde es 1535 zwar beschränkt, doch lag die Höchstgrenze bei 12 gr und somit weit über den Verhältnissen einheimischer Schüler.542

6.4. Personelle Verhältnisse des reformatorischen Schulwesens Von Beginn an war die Reformation mit dem bewussten Streben verbunden, die Schulen mit gelehrtem Personal zu versorgen und so die Unterrichtsinhalte auf ein hohes Niveau zu heben. Dieses Streben bildete insbesondere bei der Organisation der Gemeinen Kästen und der Verordnung fester und zur Lebensführung ausreichender Besoldungen den entscheidenden Hintergrund. Es sind demzufolge zahlreiche der oben skizzierten Zulagengesuche mit dem Hinweis verbunden, dass kein gelehrter Schulmeister sein Amt auf der Grundlage einer spärlichen Besoldung ausüben könne. Dies betrifft die geschilderte Bitte des Magdalaer Stadtrates von 1541 um die Einkünfte der verledigten Vikarie „zcu erhaltung eynes larhafftigen Ehrlichen Schulmeysters“ 543 wie die ebenfalls erwähnte Übertragung der Vikarieländereien von 1544 in Rastenberg, ohne deren Einkünfte die Bürger „kein gelarten schulmeister bekomen mugen“.544 Die personelle Entwicklung des Schulwesens war unter dem Einfluss der Reformation mit einer deutlichen Steigerung der Gelehrsamkeit unter den Schuldienern verbunden. Freilich kann diese den Schuldienern der vorreformatorischen Zeit kaum abgesprochen werden, doch fand sie hier noch keinen Ausdruck in einem akademischen Grad. Während vorreformatorische Schuldiener nur selten über den Grad eines Baccalaureus hinausgingen, sollte der Magistergrad unter den Schulmeistern im Laufe des 16. Jahrhunderts fast zum Normalfall werden. Gilt bereits dieser Trend nicht mehr nur für größere Städte, stellte ein Universitätsstudium letztlich in allen Städten jeder Größe die unentbehrliche Voraussetzung für das Amt eines Schuldieners dar. Die Gothaer Kirchenordnung von 1544 manifestierte diesen Anspruch an die Schulmeister selbst in schriftlicher Form. Während über die unteren Ämter keine Aussage getroffen

540 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 51, fol.11r; HERRMANN, Lateinschule einer Kleinstadt (1934), S. 789. 541 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 40a, fol. 99r (1555); ebd., A 29a, II Nr. 41a, fol. 12v (1575). 542 Vgl. StA Pößneck, B I 2, Nr. 8, fol. 53r. 543 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1559, fol. 1v. 544 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1792, fol.1v.

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wurde, musste der Schulmeister hinfort ein Magister der Universität Wittenberg sein.545 Diese bewusst angestrebte Steigerung des akademischen Schulniveaus findet ihren deutlichsten Niederschlag in der personellen Entwicklung der Schule von Jena im Jahr 1537. Franz Mohr versah die Schule als Schulmeister, ohne über den Magistergrad zu verfügen, bis zum 4. Mai 1537. Der Gemeine Kasten zahlte ihm bis zu diesem Termin seine Besoldung, bezeichnete ihn jedoch bereits als „alten schulmaister“.546 Im Mai desselben Jahres erhielt der neue Schulmeister Magister Stephan 42 gr Fuhrlohn, um seinen Hausstand nach Jena zu führen. 547 Die Stadtrechnung informiert, dass er zum Dreikönigstag als Schulmeister angenommen worden war.548 Handelt es sich soweit um den üblichen Wechsel eines Schulmeisters, informiert dieselbe Kastenrechnung, dass der Baccalaureus Caspar Frylitsch zum selben Termin, am 4. Mai, durch den alten Schulmeister Franz Mohr ersetzt wurde.549 Mohr hatte die Schule demnach nicht verlassen, sondern war zugunsten eines akademischen Magisters aus dem Amt des Schulmeisters auf ein geringeres Schulamt verdrängt worden. Die angestrebte Hebung des Schulniveaus hatte praktisch die Degradierung des einstigen Schulmeisters zur Folge. Bei seinem Nachfolger handelte es sich um keinen Geringeren als den aus dem Saalfelder Zusammenhang bereits bekannten Magister Stephan Reich.550 Derselbe Hintergrund kann ein knappes Jahrzehnt später in Eisenach vermutet werden. Der vormalige Schulmeister Heinrich Martin, der nach einem fünfjährigen Studium unter städtischem Stipendium 1543 ohne den Magistergrad das Schulmeisteramt angetreten hatte, 551 wurde im Zuge der Verlegung der Schule ins einstige Predigerkloster und der damit verbundenen Steigerung des Schulwesens durch den Magister Bartholomäus Rosinus ersetzt.552 Wie Franz Mohr verließ er die Schule jedoch nicht, sondern wurde in ein unteres Schulamt, das des Supremus, versetzt. Gleichzeitig wurde, um die Einsetzung des Magisters

545 546 547 548 549 550 551 552

Vgl. StA Gotha, 1.1/8691, S. 25; BECK, Geschichte II (1870), S. 145. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 3023, fol. 43r. Vgl. ebd., fol. 43v. Vgl. ebd., fol. 82r. Vgl. ebd., fol. 45r. Vgl. KOCH, Stephan Reich (1886), S. 8; HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 132. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1780, fol. 3v. Zu seiner Berufung in Verbindung mit der Verlegung der Schule ins Kloster vgl. ebd., fol. 6r–7v u. 19r–20v; GEHRT, Anfänge (2013), S. 15. Sein Vorgänger waren der bereits erwähnte Johannes Preuss, Sebastian Boetius (vgl. MONECKE, Sebastian Boetius (2016), S. 94) und Heinrich Martin (vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1780, fol. 1r–2v). Sie verfügten offenbar noch nicht über den Magistergrad.

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Rosinus zu ermöglichen, die Besoldung des Schulmeisters von 65 fl auf 80 fl erhöht.553 Nicht selten wurden die Universitäten selbst angesucht, potentielle Schuldiener in ihren Leistungen zu beurteilen oder einstige Studenten für ein Amt zu empfehlen. Die Rolle Philipp Melanchthons bei der personellen Gestaltung des frühen reformatorischen Schulwesens ist hinlänglich bekannt und konnte auch für die thüringischen Städte anhand des Saalfelder Beispiels bereits herausgestellt werden. Saalfeld stand damit nicht allein. In Weimar wurde bereits am Freitag nach Johannes dem Täufer 1533 der neue Baccalaureus Gabriel Witmar „durch furschrifft der hochgelarten vnd Achtparn M[a]g[ist]ri Philippi Melanchtonis vnd Magistri Francisci Burckhardi“554 in sein Amt eingeführt. Der Stadtrat von Pößneck folgte dem 1535 und verzeichnete im Stadtbuch die Einstellung des neuen Schulmeisters Johannes Schlaytzer, der auf die Empfehlung der Universität Wittenberg angenommen worden sei.555 Ein Urteil Melanchthons kann auch hier vermutet werden. Die durch den Schmalkaldischen Krieg verlorene Universität Wittenberg wurde im ernestinischen Herzogtum in dieser Hinsicht durch die neue Universität von Jena ersetzt. Der Eisenacher Kantor Johannes Seidel berichtete 1562 angesichts seiner drohenden Absetzung selbst von seiner Einstellung im Jahr 1552. Demnach habe der Stadtrat das Amt mehrfach vergeblich anderen Personen angetragen, um sich nach den Misserfolgen an den Rektor der Hohen Schule von Jena zu wenden. Dieser habe Seidel empfohlen, der sein Studium vom Rektor gedrängt nur ungerne unterbrach und bessere Aussichten dadurch von vornherein ausschloss. 556 Erzielte diese Schilderung noch auf voreingenommene Weise den eigenen Vorteil, ist aus einem ähnlichen Fall vier Jahre später ein von den Professoren der Jenaer Universität ausgestelltes Zeugnis für den nach Eisenach berufenen Hieronymus Scholl überliefert.557 Die Professoren hatten es auf das Ersuchen des Stadtrates hin ausgestellt. In einem ähnlichen Schreiben beurteilten die Professoren 1564 Theodorus Evander, den Sohn des Eisenacher Diakons und Bewerber auf das Schulmeisteramt von Creuzburg. Der Stadtrat hatte nach dessen Bewerbung bei der Universität um ein Gutachten gebeten.558

553 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 2935, fol. 61v. Zu Rosinus vgl. auch HERRMANN, Bartholomäus Rosinus (1937); DERS., Bartholomäus Rosfeld (1952), S. 212 f.; GEHRT, Bartholomäus Rosinus (2014), S. 167. 554 StA Weimar, HA, I-1-46, fol. 98r.  555 Vgl. StA Pößneck, B I 2, Nr. 8, fol. 53r. 556 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ll 189, fol. 11r. 557 Vgl. ebd., fol. 19r–v. Vgl. dazu auch die Antwort der Professoren an den Stadtrat, LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2635, fol. 1r. 558 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ll 111, fol. 33r–v.

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Das akademische Niveau der Schuldiener richtete sich selbstverständlich nach den finanziellen Möglichkeiten, einen gelehrten Schulmeister im Amt zu halten, aber auch nach den Ansprüchen der jeweiligen Stadt. Aufschlussreich ist in dieser Hinsicht ein Briefwechsel des Herzogs Johann Friedrich mit den Superintendenten von Eisenach, Weimar und Neustadt a. d. O. im Jahr 1549. Der Herzog beauftragte die Superintendenten, eine vakante Schulstelle ausfindig zu machen, um einen herzoglichen Stipendiaten im Dienst unterzubringen. Angestrebt wurde dabei das Amt eines Baccalaureus in einer Stadt oder „eines schulmeisters dinst in einem kleine[n] stetlein, markt ader flecken“.559 Für mehr reichte die Gelehrsamkeit des Stipendiaten nicht aus und es kann vermutet werden, dass sein Studium aus diesem Grund auf obrigkeitlichen Beschluss abgebrochen worden war, um das Stipendium nutzbringender anzuwenden. Entsprechend dieser Verhältnisse ging der Wechsel eines Schuldieners an die Schule einer größeren Ortschaft oft mit der vorherigen Fortsetzung seiner akademischen Ausbildung einher. Der Schulmeister von Greußen, Benjamin Starcke, wurde bereits erwähnt. Er nahm, nachdem sein Vater das Pfarramt in Mühlhausen angetreten hatte, ein neuerliches Studium auf, promovierte zum Magister und erhielt selbst ein Mühlhäuser Schulamt. In kleineren Städten wird hingegen nicht selten eine gewisse akademische Genügsamkeit deutlich. Die universitäre Ausbildung wurde zwar vorausgesetzt, der Magistertitel unter einer gewissen Stadtgröße jedoch nicht mehr. Über den Schulmeister von Königsee urteilten die Visitatoren 1533, er sei gelehrt genug für sein Amt (satis doctus).560 Die hiesige Schule stand freilich noch am Anfang der reformatorischen Entwicklung. Eine weitere Steigerung kann hier zwar vermutet werden,561 wird in anderen Städten jedoch nicht bestätigt. Der Schulmeister von Großenehrich, Augustin Bischoff, wurde von den Visitatoren 1575 examiniert. Er sei, so ihr Urteil, zwar nicht sehr gelehrt (non adeo sit doctus), für die Verhältnisse der Stadt aber gelehrt genug und zudem fleißig und sorgfältig in seinem Amt (satis doctus & diligens).562 Mit ähnlichen Worten wurde fünf Jahre später der Schulmeister von Sulza, der aus Arnstadt stammende Nikolaus Blosius, bewertet. Er sei „zu dieser Schule gelertt genug“.563 Für einige Schuldiener scheinen diese Verhältnisse trotzdem eher hinderlich gewesen zu sein. Mitunter konnte das Streben eines Gelehrten durch den Dienst in einer Kleinstadt eingeschränkt oder gehindert werden. Der hochgelehrte Ma-

559 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2206, fol. 1r. 560 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt 2983, fol. 17r. 561 1553 wirkten mit dem Schulmeister Nikolaus Schmizell und dem Kantor Simon Rubers noch keine Magister in Königsee, vgl. LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt 2986, fol. 45r. 562 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Geheimes Archiv (Restbestand), A IV 3a Nr. 2, fol. 7r. 563 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 62, fol. 28v.

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gister Johannes Avianius wirkte seit 1579 als Schulmeister in Ronneburg.564 Zwar erlebte die Schule unter seiner Leitung einen bemerkenswerten Aufstieg, der in mehreren Visitationen der 1580er Jahre immer wieder hervortritt, doch bat er selbst mehrfach um die Beförderung in ein höheres Amt.565 Sein Streben gipfelte in einem einzigartigen Urteil des Superintendenten Johann Euringius, der über Avianius’ Amt 1585 drastische Worte verlor: „den Schulmeißer [!] belangende, Ist es Immer Schande, das ein solcher vleissiger viel belesener, vnd In Kunsten vnd sprach[en] wolgelertter Mensch soll In so loco obscuro v[er]modern der gar wol auff andere auch hohe schulen köntte gebraucht werden“.566 Ähnliche Verhältnisse mag die Visitatoren 1582 in Orlamünde zu den ermutigenden Worten an den Schulmeister Johannes Hartmann und den Kantor Nikolaus Eichler bewogen haben. Die hiesige Schule wurde von nur 50 Schülern besucht, die jedoch in ihrer Lehre überdurchschnittliche Fortschritte zeigten. Die Schuldiener waren, obwohl sie offenbar nicht über den akademischen Grad eines Magisters verfügten, in den Augen der Visitatoren zu gelehrt für eine solch kleine Schule. Da Letztere zudem deren Widerwillen gegen ihr geringes Amt befürchteten, schärften sie den Schuldienern ein, dass sie „auch nicht weniger Ein groses nutzliches vnnd Christliches Ampt als ein professor in einer Vniuersitet hatten“.567 Hatte eine Stadt geringerer Größe jedoch einmal über einen Magister als Schulmeister verfügt, kann der Versuch konstatiert werden, das damit erreichte Niveau aufrechtzuerhalten. Der Brief des Pößnecker Diakons Petrus Bischoff vom 7. März 1597 an den Stadtrat kann als exemplarisches Beispiel herangezogen werden.568 Er selbst hatte, bis er 1573 im Zuge der Lehrstreitigkeiten zusammen mit dem Kantor Johann Trautmann abgesetzt worden war, die hiesige Schule, wie er selbst äußerte, über 20 Jahre versehen, ohne über den Magistergrad verfügt zu haben. Unter seinen Nachfolgern trat erst mit Johannes Benner ein Magister das Pößnecker Schulamt an. Dieser hatte sich um die Pößnecker Schule sehr verdient gemacht, urteilte der Diakon, sei nun jedoch zu früh gestorben. Den Tod Benners nahm Bischof zum Anlass, für seinen Sohn Alexander um das vakante Schulamt zu werben. Neben den Qualitäten seines Sohnes, die er dabei dezidiert hervorhob, erwähnte er auch dessen Mangel an dem akademischen Magistergrad des Verstorbenen. Der Mangel sei jedoch nicht seinen Fähigkeiten, sondern der eigenen Armut zuzuschreiben, konnte Bischof seinen Sohn doch nicht ausreichend lange an der Universität erhalten. Sollte der Verlust des akademischen Grades in der Pößnecker Schule beim Rat auf Widerstand stoßen, versicherte er, dass sein 564 Vgl. LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen II (1887), S. 228. 565 So reichte er beispielsweise 1585 dem Visitator ein umfangreiches lateinisches Schreiben in dichterischer Sprache ein, indem er seinen Werdegang und seine missliche Lage beklagte, vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 66, fol. 330r–332v. 566 Ebd., fol. 307v. 567 LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4278, fol. 160r. 568 Vgl. StA Pößneck, B I 28b E, Nr. 94, unfol.

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Sohn neben dem Schulamt baldmöglichst zum Magister promovieren werde. Alexander reichte als Ergänzung zu den Ausführung seines Vaters eine lateinischgriechische Dichtung ein, um den Stadtrat von seinen Fähigkeiten zu überzeugen.569 Trotz der Bemühungen hatte die Bewerbung keinen Erfolg. Nachfolger Benners wurde Nikolaus Schilling.570 Wolfgang von Roda, der sich zeitgleich um das Schulmeisteramt beworben hatte,571 wurde hingegen als Kantor angenommen.572 In größeren Städten war der Magistertitel im Amt des Schulmeisters schließlich selbstverständlich. Oft blieb es dabei nicht, sodass auch untere Schulämter mit Magistern besetzt wurden. Für Altenburg ist dies bereits dargestellt und auch auf die stolzen Worte bei der Betonung dieses Umstandes hingewiesen worden. Daneben wirkten in Weimar 1573 mit dem Schulmeister Johannes Wolf, latinisiert auch Wolfius, und dem Konrektor David Schilling zwei Magister. Beide wurden zusammen mit dem Kantor Petrus Poppe und dem Baccalaureus Christoph Linda in diesem Jahr abgesetzt. 573 Während Schilling jedoch bald wieder in sein Amt zurückgeführt wurde, trat der Magister Bartholomäus Hubnerus die Nachfolge im Schulmeisteramt an.574 Als 1574 in Sangerhausen der Magister Georg Botschilt die Nachfolge des Caspar Vockius im Amt des Konrektors antrat, führte er auch hier den Magistergrad in das zweite Schulamt ein.575 In Langensalza starb 1588 der Baccalaureus secundus Johann Nebelung.576 Der Stadtrat berief daraufhin erstmals mit Michael Drewisch einen Magister auf seine Stelle, was umso bemerkenswerter ist, da es sich hierbei um das unterste Schulamt handelte. Der Dienst sei, so der Superintendent, zu gering für den Magister, „doch weg[en] der notturfft bequem“.577 Dennoch wird hier insbesondere deutlich, dass der Rat auch nach dem Ausscheiden Drewischs um die Bewahrung dieses Zustandes bemüht war. Mit Johann Radeck folgte ihm 1595 abermals ein Magister. 578 In Suhl wirkte 1594 mit Johannes Müller ein Magister als Kantor.579 Selbst in 569 570 571 572

573 574 575 576

577 578 579

Vgl. ebd., unfol. Vgl. ERNST, Stadtbuch (2012), S. 31. Vgl. StA Pößneck, B I 28b E, Nr. 94, unfol. Vgl. StA Jena, B VIc-1, fol. 22r. Durch die inzwischen in Jena wohnhafte Witwe des verstorbenen Pößnecker Stadtschreibers wurde ein Zinseinkommen auf den Kantor übertragen. Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Hessesche Collectaneen, 1c Nr. 23, S. 151. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 58, fol. 10v. Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 21, fol. 54r. Der Brief des Superintendenten bezeichnet ihn lediglich als Schuldiener. Zur Identifizierung seines Schulamtes anhand der Visitation von 1575 vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 49, fol. 29r. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, I Nr. 2435, unfol. Vgl. ebd., unfol. Vgl. LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. IV, Nr. 234, fol. 232r–v.

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Neustadt a. d. O., das im 16. Jahrhundert über eine bedeutende Schule im Verhältnis zur Größe der Stadt verfügte, diente bereits 1571 mit dem Supremus namens Saalfeld ein zweiter Magister neben dem Schulmeister.580 Ob auch in Tennstedt die Schule 1575 durch zwei Magister versehen wurde, ist unklar. In diesem Jahr wurde der Kantor Daniel Heher zwar ausdrücklich mit dem Magistergrad bezeichnet, der Schulmeister Johann Epenschmide jedoch nicht. Ein entsprechender akademischer Hintergrund kann aber vermutet werden.581 Die höchste akademische Entfaltung erlangte, wie oben geschildert wurde, die Schule der Reichsstadt Mühlhausen, wo ab 1579 der dritte und 1596 selbst ein vierter Magister eingestellt wurde. Die akademische Steigerung der Schulen ging vielerorts mit der endgültigen Ausdifferenzierung der Schulämter und deren hauptamtlicher Besetzung einher. 582 In Gräfenthal wurde 1533/34 die Trennung des Kirchneramtes vom Schulmeister angeordnet. Sie fand innerhalb des folgenden Jahrzehnts ihre Umsetzung. Ein Visitationsprotokoll der Saalfelder Superintendentur von 1545 belegt den eigenständigen Dienst eines Schulmeisters, eines Kirchners und eines Stadtschreibers.583 Dieselbe Anordnung war 1533/34 auch in Blankenhain erlassen worden, doch erfolgte die Umsetzung hier erst 1556. 584 Zu welchen Schwierigkeiten in Saalburg 1546 die eigenständige Besetzung der Ämter des Schulmeisters und des Stadtschreibers geführt hatte, ist oben bereits erwähnt worden. In Thamsbrück wurde noch 1555 die Schule vom Stadtschreiber versorgt. Da dies von den Visitatoren als „vnbequem“ empfunden wurde, verordneten sie, der Rat möge „ein eigene person zum Schuldinst vnnd eine zum Stadtschreiber verordenenn“. 585 Dieselbe Entwicklung erfuhr selbst die kleine Stadt Clingen, wenn auch zwei Jahrzehnte später. Der Unterricht wurde hier, so ergab die Visitation von 1575, durch die Ratsgeschäfte des Schulmeisters sehr behindert. Da der Schulmeister Valentinus Steiner zudem unfleißig sei und dem Pfarrer gegenüber ungebührliches Verhalten an den Tag gelegt hatte, wurde er seines Amtes enthoben und gleichzeitig verordnet, dass „fortan die schuel mitth einem eygenen diener, vnd die Sthattschreiberey vnd orgel auch mitth eine[m] diener bestaldt werden“ 586 solle. Die Verbindung mit dem Kirchneramt blieb darüber hinaus jedoch angesichts der

580 581 582 583 584

Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2859, fol. 2r–3r. Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 49, fol. 461v. Vgl. für das Folgende auch Kap. II. 6.2. und Karte 3. Vgl. KA Saalfeld, Pfarrachiv 1a, V, 2, unfol. Vgl. EGERT, Blankenhain (1922), S. 192; PFEIFFER, Schulwesen (2002), S. 196; BEYER, Schulwesen (2010), S. 47. 585 Für beide Zitate LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 48, fol. 184r. 586 LATh-StA Rudolstadt, Geheimes Archiv (Restbestand), A IV 3a Nr. 2, fol. 35v. Vgl. auch ebd., Konsistorium Sondershausen, Nr. 108, fol. 44r.

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geringeren Ansprüche der Kleinstadt bestehen, wie der aus Eisenach stammende Schulmeister Justus Krebs zum Jahr 1587 verdeutlicht.587 Freilich konnte das Ideal der hauptamtlichen Schulmeister aufgrund fortgesetzter finanzieller Engpässe nicht überall umgesetzt werden. Bei den Stadträten und Geistlichen führte dies entsprechend zu Missfallen. Der Stadtrat von Sonneberg klagte 1555 in seinem Bericht an die Herzöge, die Schule habe unter den städtischen Schreibdiensten des Schulmeisters zu leiden, da sich „schir Teglichen vnnd alle stunndt zu schreibenn vnnd zu Rechnenn henndell zutragenn vnnd begebenn“. 588 Auch nach der Neubewidmung änderte sich daran nichts. Fünf Jahre später beschrieb der Coburger Superintendent Maximilian Mörlin die Verhältnisse selbst mit noch deutlicheren Worten. Die Schule liege aus diesem Grund „gantz vnd gar danider“.589 Ob der misslichen Lage in Sonneberg abgeholfen werden konnte, ist bislang nicht bekannt. Das Beispiel im benachbarten Neustadt b. C. illustriert allerdings die Langwierigkeit einer solchen Entwicklung. Der hiesige Stadtrat hatte 1535 die Bitte an die Visitatoren gerichtet, ein geistliches Lehen „zu anrichtung der Schul daselbst mit eynem eygnen Schulmeister vnd locaten“590 verwenden zu dürfen, doch informiert erst das Visitationsprotokoll von 1575 von der Trennung der Ämter des Schulmeisters und des Stadtschreibers.591 Die Verbindung mit dem Kirchneramt blieb bestehen. Ähnliche Klagen über das Versäumnis der Schule durch die Forderung des Schulmeisters als Stadtschreiber wurden in Tannroda noch 1585 erhoben. Der Stadtrat versicherte hier allerdings sein Wohlwollen und sagte zu, den Schulmeister wenn auch nicht vom Stadtschreiberamt zu entheben, ihn doch damit soweit möglich zu verschonen.592 Einer Klage des Stiftsverwalters von Bibra, über die Vernachlässigung der Schule aufgrund der Schreibtätigkeit des dortigen Schulmeisters Heinrich Landvogt wurde 1575 hingegen offenbar keine Beachtung geschenkt.593 Die Kirchnerschule scheint in den kleinen Städten Thüringens auch im 16. Jahrhundert noch grundsätzlich weit verbreitet gewesen zu sein. Als der Schulmeister von Ranis Johannes Michael 1593 zum Diakon von Krölpa berufen worden war, mahnte der Superintendent von Neustadt a. d. O. das Konsistorium bei der Examinierung seines Nachfolgers Christopherus Barker aus Bürgel zur Eile, da durch die Vakanz gleich zwei Ämter vernachlässigt werden müssten.594 Ein Einkommensverzeichnis der Schule von Magdala informiert hingegen zum 587 588 589 590 591 592 593 594

Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Konsistorium Sondershausen, Nr. 112, fol. 108v. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2528, fol. 1r. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2779.1, fol.1r. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 940, fol. 5v. Vgl. LATh-StA Gotha, Oberkonsistorium, Loc 19, Nr. 4, unfol. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 66, fol. 71r. Vgl. SCHULZE, Bibra II (1897), S. 63 u. 84. Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, I Nr. 2664, fol. 3r.

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Jahr 1578 über die Entlohnung des Schulmeisters für typische Kirchnerdienste.595 Es kann daraus zwar nicht zwangsläufig auf die Verrichtung des Kirchneramtes geschlossen werden, doch tritt ein eigenständiger Kirchner in dieser und späteren Visitationen nicht in Erscheinung. Auch die einzige bekannte Kastenrechnung von Auma von 1553 führt einen Schulmeister, aber keinen Kirchner auf. 596 Kirchnerschulen können zweifellos für weitere kleinere Städte vermutet werden, doch treten sie nicht immer als solche in Erscheinung. Die fehlende Erwähnung eines Kirchners ist kein eindeutiges Indiz, während die ausdrückliche Identifizierung beider Ämter selten bleibt. Einen Höhepunkt erreichte die Kumulation von Amtspflichten wie auch das Missfallen des Geistlichen darüber in Schlotheim. Der hiesige Schulmeister Blasius Köhler müsse 1583 bei geringem Einkommen gleichzeitig Kantor, Läuter, Zeigersteller, Stadtschreiber, Spitalschreiber, Heimbürgenschreiber „vnd dergleich[en]“ sein. Vergangene Versuche, ihn von seinen Schreibämtern zu entbinden, seien bislang – anders als zeitgleich in Tannroda – am Widerstand des Stadtrates und des Heimbürgen gescheitert. Sie wollten „bey der alten bösen weise bleiben: Seind nicht allein mit keinem wort danckbar, das wir mit grosser muhe vnd eigener vnkost ihrer kinder wolfart suchen, sondern hassen vnd verfolgen vns noch darumb“,597 so die Worte des Pfarrers, die an Melanchthons viel rezipierte Klage des Lazarus erinnern. Seltener, dabei jedoch nicht nur auf kleine Städte beschränkt und mitunter nicht von Dauer war die Übertragung des Schuldienstes auf einen Geistlichen, einen Diakon oder Kaplan. Noch 1555 war dies der Fall in Meiningen, wo der Kaplan Valentin Martin der Schule vorstand. Durch die diesjährige Visitation wurde ein finanzielles Konzept zu ihrer eigenständigen Besetzung ausgearbeitet.598 Demnach habe sich der Stadtrat bereit erklärt, zur vollständigen Besoldung eines Schulmeisters in Höhe von 50 fl aus der Kämmerei 20 fl beizusteuern, während der Rest aus dem Verkauf von kirchlichen Häusern und Landstücken sowie aus einstigen geistlichen Lehen bezogen werden sollte. Weitere 10 fl sollten dem Deutschen Schulmeister entzogen werden. Bis zur Umsetzung des Konzepts hat man jedoch „auß der not mußen ein tugent mach[en]“.599 Statt allerdings Valentin Martin auf sein geistliches Amt zu beschränken, wurde der bisherige Infimus Georg Linck zum Diakon berufen, sodass sich seine Besoldung in Zukunft aus 30 fl seines bisherigen Schulsoldes und nochmals 30 fl des Kaplanendienstes zu-

595 596 597 598 599

Vgl. LATh-HStA Weimar, Konsistorialsachen, B 2886, fol. 88r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 2943, unfol. Für beide Zitate LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Frankenhausen, A IV 3a Nr. 3.1, fol. 91r. Vgl. LATh-StA Meinigen, GHA, Sect. IV Nr. 399, fol. 218r u. 222r. Ebd., fol. 219v.

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sammensetzte. Weitere 5 fl – der Verdienst des Infimus hatte bislang 35 fl betragen – sollten dem Kantor zugelegt werden. Eine Verbindung des Diakonats mit dem Schuldienst in Wasungen war nur vorübergehend. Erst 1555 waren hier die Ämter des Stadtschreibers und des Schulmeisters voneinander getrennt worden. 600 Die Zeit der hauptamtlichen Schulmeister währte jedoch keine zwei Jahrzehnte. Am 3. Januar 1571 wurde ein Plan ausgearbeitet, der offenbar die Übertragung des Diakonats auf den Schulmeister erzielte.601 Nachdem der vorherige Diakon aus dem Amt geschieden war, sollten die Besoldungen beider Ämter und der Landbesitz des Diakons anteilig zusammengeschlagen und dem Schulmeister übertragen werden. Dem Konzept liegt eine Notiz über den Stadtschreiber Johann Steuerlein bei, der sich zur Entlastung des nun als Diakon wirkenden Schulmeisters erboten habe, als Kantor zu dienen und gegen eine Zulage von 16 fl „zwo stundt des tags die schule, vnd Chor mit Figural gesang, ohne einig mangel mit Gotts hilff“602 zu versorgen. Bereits im folgenden Jahr wurden jedoch die Schwierigkeiten in der Versorgung beider Ämter deutlich. Da eine Vernachlässigung der Schule drohte, wurde durch den Schulmeister ein Geselle angestellt, der ihn im Unterricht zu vertreten hatte.603 Das Visitationsprotokoll von 1574 informiert bereits, dass zugunsten der Schule die Verbindung erneut gelöst und ein neuer Diakon – nicht etwa ein neuer Schulmeister – eingestellt worden sei.604 Ein zweiter Versuch des Stadtrates, das Diakonat 1591 einzusparen, scheiterte am Widerstand des Pfarrers.605 Eine gleichgeartete Verbindung hatte in Lobeda zunächst als Vakanzvertretung für den Schulmeister begonnen. Johannes Nebling, der vormalige Baccalaureus im benachbarten Jena, 606 hatte 1559 den Dienst eines Schulmeisters angetreten und war 1567 ins Diakonat berufen worden.607 Da durch sein Ausscheiden das Schulamt vakant wurde und kein Nachfolger zur Verfügung stand, musste Nebling beide Ämter versehen. Vom Pfarrer und vom Superintendenten bekam er dafür die Zusage, dass in absehbarer Zeit eine Zulage für den Schuldienst organisiert werden solle, um diesen schneller neu zu besetzen.608 Das Vi600 Vgl. ebd., fol. 46v; SCHMITT, Schriftsprache (1966), S. 191; WÖLFING, Schulgeschichte (1967), S. 55; DERS., Stadtrecht (2001), S. 25; KUNZE, Johann Steurlein (2014), S. 355. 601 Vgl. LATh-StA Meinigen, GHA, Sect. IV Nr. 399, fol. 44r. 602 Ebd., fol. 43r; WÖLFING, Schulgeschichte (1967), S. 55; KUNZE, Johann Steurlein (2014), S. 355. 603 Vgl. KUNZE, Johann Steurlein (2014), S. 356. 604 Vgl. LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. IV, Nr. 96, fol. 115v; WÖLFING, Schulgeschichte (1967), S. 56; KUNZE, Johann Steurlein (2014), S. 356. 605 Vgl. KUNZE, Johann Steurlein (2014), S. 356. 606 Vgl. KA Jena, Nr. 3, Kastenrechnung 1558/59, fol. 19r. 607 Vgl. KOCH, Lobeda II (1941), S. 131. 608 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 42.1, fol. 367r–v.

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sitationsprotokoll von 1569 zeigt jedoch, dass diese Verbindung auch zwei Jahre später noch fortbestand, obwohl Nebling nur zwei Stunden am Tag in der Schule diente. Statt der Bereitstellung einer Zulage war die Hälfte der einstigen Schulmeisterbesoldung auf den Kantor Christopher Ehrlein übertragen und die andere Hälfte eingespart worden.609 In einem eigenhändigen Schreiben an die Visitatoren ergänzte Nebling, dass er zudem die Pfarrstelle von Wöllnitz versah: „Erstlich ist das mein Ampt, das ich nicht allein Diaconus vnd schulmeister zu Lobda sein soll, Sondern auch zu Welnitz Pfarrherr“.610 Wann die Verbindung gelöst wurde, ist unbekannt, doch verließ Nebling Lobeda 1574 und trat das Pfarramt von Jenaprießnitz an.611 Sein Nachfolger wurde der vormalige Kantor Christopher Ehrlein. Er hatte als erster Kantor der Lobedaer Schule das Amt seit 1564 innegehabt und wurde von den Visitatoren 1578 als „ziemlich wol gelert“ 612 beurteilt. Da nun jedoch kein Kantor mehr neben ihm diente, kann vermutet werden, dass mit seiner Beförderung zum Schulmeister das Kantorenamt aus finanziellen Gründen aufgelöst worden war. Als Schulmeister erhielt er lediglich 20 fl und 4 Scheffel Korn.613 Die damit geschilderten Fälle der sich überschneidenden geistlichen und schulischen Ämter wurden durch die enge Verbindung zwischen Kirche und Schule ermöglicht. Sie war durch die Reformation nicht gelöst, sondern eher noch vertieft worden. Da das Amt des Geistlichen durch das lutherische Prinzip des Priestertums aller Gläubigen gegenüber der vorreformatorischen Verhältnisse bei weitem nicht so scharf vom Laienstand abgegrenzt war, wurde so der Übergang der Schuldiener ins geistliche Amt erleichtert. Obwohl nicht wenige Schuldiener zeitlebens in ihren Ämter verblieben oder über Jahre hinweg vergeblich um eine Beförderung ersuchten, wurde die schulisch-geistliche Karriere, die den Schuldiener mitunter in hohe kirchliche Ämter führte, fast zum Normalfall und insbesondere zum ausgewiesenen lutherischen Idealfall. Luther selbst hatte den Dienst in der Schule für jeden Geistlichen praktisch vorausgesetzt. Anton Musa knüpfte in seinem oben dargelegten Schultraktat daran an und letztlich betrachtete Friedrich Myconius die Wahl eines zukünftigen Geistlichen aus den Reihen der Schuldienerschaft in den 1530er Jahren als völlig selbstverständlich. In eindrücklicher Weise fand diese Theorie in Eisenach im Umkehrschluss eine drastische Umsetzung, indem von allen Schuldienern das Ziel des späteren Pfarramtes erwartet wurde.614 Als der Stadtrat dieses langjährig verfolgte Prinzip im Jahr 1561 allgemein verbindlich durchzusetzen gedachte, befragte er die Schuldiener nach ihrer Gesinnung. Als nicht alle den Erwartungen gemäß antworteten, 609 610 611 612 613 614

Vgl. ebd., fol. 290v. Ebd., fol. 367r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 62, fol. 200r. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 61, fol. 241v. Vgl. ebd., fol. 241v. Vgl. HERRMANN, Bartholomäus Rosinus (1937), S. 29.

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wurden Paul Wachsmut, Johannes Seidel und Hieronymus Scholl, ihrer Ämter enthoben.615 Alle drei wandten sich daraufhin hilfesuchend an den Herzog, der 1562 seine Räte Christian Brück, Lucas Thangel und Heinrich Husanus mit der Ermittlung in Eisenach beauftragte. Obwohl sowohl der Pfarrer als auch der Superintendent das Vorgehen verteidigten, 616 wurden zumindest Seidel und Scholl in ihre Ämter zurückgeführt.617 Es wäre ein aussichtsloses Unterfangen, einen Überblick über die geistlichen Lebenswege der Schuldiener zu bieten, obgleich die Quellenlage auf der Grundlage der späteren Visitationsprotokolle günstig ist. Vielfach enthalten sie biographische Skizzen der Pfarrer, die ihren vorherigen Lebensweg mitunter detailliert vom Studium über den Schul- zum Pfarrdienst nachvollziehbar machen. Einige Beispiele sollen genügen: Der Schulmeister von Bürgel Johannes Bau versah sein Amt seit 1540, wurde 1548 ordiniert und trat das Diakonat von Hohendorf an. Dieses hatte er 15 Jahre inne, bis er Pfarrer von Thalbürgel und drei Jahre später von Bürgel wurde. Hier wirkte er während der Visitation von 1578, die über seinen Werdegang informiert.618 Dreieinhalb Jahrzehnte nach ihm trat der aus Langensalza stammende Georg Milo 1574 nach seiner Promotion zum Magister das Amt des Schulmeisters in Ohrdruf an. Vom Stadtrat seiner Heimatstadt erhielt er 1575 zu seiner Hochzeit ein Ehrengeschenk.619 1578 wurde er für neun Jahre Schulmeister in Weimar.620 Bereits 1586 wurde er ordiniert, trat jedoch erst 1587 das Diakonat seiner Heimatstadt Langensalza an.621 Von dort kam er als Pfarrer nach Tennstedt, wo ihn die Visitation von 1598/99 antraf und seinen Lebensweg schilderte.622 Nicht selten wirkten die Visitatoren selbst befördernd auf diese Entwicklung, fungierten sie doch für die lokalen Kirchen- und Schuldiener als Ansprechpartner in allen Amtsangelegenheiten. Oftmals wurden deren Gesuche um Beförderung von ihnen weitergegeben und zur Umsetzung gebracht. Die Worte des visitierenden Superintendenten von Ronneburg, die über die ausbleibende Beförderung des Johannes Avianius klagten, sind oben bereits zitiert worden. 1591 sollten Avianius’ Bitten endlich erhört werden. Aus Ronneburg kam er zunächst als 615 Vgl. zu ihrer Absetzung und Verteidigung LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ll 189, fol. 3r, 11r–12v u. 14r–16r. 616 Vgl. ebd., fol. 4r–6r u. 20r–22v. 617 Vgl. ebd., fol. 25r u. 29r. 618 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 61, fol. 299r. 619 Vgl. StA Langensalza, R II, 46, fol. 160r. 620 Das Berufungsschreiben des Stadtrates sowie die Mitteilung über die Berufung an den Ohrdrufer Rat stammen vom 25. Mai 1578, vgl. StA Weimar, HA, I-27-53, unfol. 621 Vom 14. September 1586 stammt sein Entlassungsgesuch an den Stadtrat von Weimar, vgl. StA Weimar, HA, I-27-54, fol. 3r–v.  622 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 4, fol. 455v.

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Schulmeister nach Gera, von dort bald als Pfarrer nach Münchenbernsdorf und 1598 nach Eisenberg. Im Jahre 1606 wurde er dort der erste Inhaber der neugeschaffenen Superintendentur.623 Ihm kann der Schulmeister von Friedrichroda Philipp Lambertus zur Seite gestellt werden. Er stammte aus Schönau, hatte die Schulen von Gotha und Braunschweig besucht und in Jena und Erfurt studiert. Er versah das Schulamt von Friedrichroda seit 1576 und bat bereits zwei Jahre später, eine Probepredigt halten zu dürfen. Der Visitator urteilte, er sei dem durchaus würdig, doch wurde seine Bitte nicht erhört.624 Abermals zwei Jahre später, 1580, wiederholte er sie – „offeriret sich zum examine vnd bittet das exercitium concionandi“.625 Drei Jahre darauf, 1583, urteilte der Visitator positiv über seine theologische Lehre – er sei geschickt im Amt und verfasse ausgezeichnete Dichtungen. Die Disziplin in der Schule sei unter seiner Leitung sehr lobenswert. Er sei es wert, weiter gefördert zu werden.626 Den Visitatoren von 1585, die ihn abermals für seine vorbildliche Amtsführung und die Schüler für ihren bemerkenswerten Fortschritt lobten, überreichte er in dichterischer Form abermals ein Bittgesuch um die Beförderung in ein Pfarramt.627 Hier vermerkt nun endlich eine Randnotiz, dass er ins Pfarramt seines Heimatdorfes Schönau berufen worden sei.628 Die Visitation von 1586 fand ihn im dortigen Pfarramt vor und informiert über seine Herkunft, sein Studium und seinen Schuldienst, nicht jedoch über seine langjährigen Bemühungen um Förderung.629 Andere Beispiele vermitteln dem entgegen den Eindruck, dass erwünschte Kandidaten einer Pfarrstelle lediglich der Form halber das Schulamt für kurze Zeit versahen, um sogleich ins geistliche Amt versetzt zu werden. Der Sohn des Mühlhäuser Superintendenten und dortiger Konrektor, der Magister Melchior Tilesius, trat in Februar 1597 das Schulmeisteramt von Langensalza an,630 das er jedoch kein ganzes Jahr innehaben sollte. Im Januar 1598 wurde er in das dortige Diakonat berufen631 und trat bereits wenige Jahre danach die Superintendentur an.632 Ein herausragendes Beispiel präsentiert zuletzt der Fall des Konrad

623 Vgl. LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen II (1887), S. 228; DIES., Kirchen und Schulen III (1891), S. 22. 624 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 61, fol. 133r. 625 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 62, fol. 86r. 626 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 64, fol. 28r. 627 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 66, fol. 3v zu seiner Beurteilung und fol. 4r–v zu seiner Dichtung. 628 Vgl. ebd., fol. 3v. 629 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 67, fol. 115r. 630 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, I Nr. 2433, fol. 14r–v u. 15r–16r. 631 Vgl. ebd., fol. 17r–v. 632 Vgl. ebd., fol. 19r.

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Limmer.633 In Neustadt a. d. O. geboren, wurde er 1541 zunächst in Leipzig, noch im selben Jahr aber in Wittenberg immatrikuliert, wo er 1543 zum Magister promovierte. Nach einem kurzen Zwischenspiel an der Schule von Zwickau wurde er 1544 nur 22-jährig zum Schulmeister seiner Heimatstadt berufen. Unter seiner Leitung erlangte die Neustädter Schule erstmals längere personelle Kontinuität und erlebte einen bemerkenswerten Aufstieg. Die Anzahl der Schüler wie der Schuldiener stieg, die Schule und die Wohnungen der Schuldiener wurden ausgebaut und die Qualität der Schule nahm so zu, dass sie auch überregional große Anerkennung fand.634 Beim Stadtrat war Limmer in seiner Gelehrsamkeit und seinem Lebenswandel so angesehen, dass er den Schulmeister 1555 in die Nachfolge des verstorbenen Superintendenten Johannes Weber berief. Der direkte Karrieresprung vom Schulmeister- in das Superintendentenamt war bislang beispiellos und Limmer zudem überdurchschnittlich jung für die Superintendentur. Mehrere ernestinische Geistliche legten beim Herzog Widerspruch gegen die Berufung ein, doch bewilligte dieser die Entscheidung des Stadtrates. Mit nur 33 Jahren trat Limmer vom Amt des Schulmeisters sogleich in das Amt des Superintendenten ein. Wie in vorreformatorischer Zeit war die geistliche Karriere der Schuldiener jedoch nicht alternativlos. Obwohl der Eisenacher Stadtrat dies von den Amtsinhabern rigoros erwartete, lassen sich Gegenbeispiele anführen, in denen einstige Schuldiener städtische Ämter antraten. Konrad Heden, der langjährige Schulmeister von Arnstadt,635 unter dem die hiesige Schule ihre endgültige reformatorische Ordnung erhalten hatte, tritt 1583 als Bürgermeister in Erscheinung. In diesem Jahr wurde sein eigener Sohn Erasmus, vermutlich auf seinen Einfluss hin, zum neuen Schulmeister bestellt.636 Den gleichen Weg schlug der Schulmeister von Auma, Martin Hase, ein. Nach seinem Schuldienst von 1568 bis 1589 trat er offenbar nahtlos in das Amt des Bürgermeisters ein.637 Der bereits erwähnte Schulmeister von Buttstädt, Benedikt Lodensacius, wurde 1569 zwar von den Visitatoren seiner Geschicklichkeit halben gelobt und ins Pfarramt der Stadt berufen. Eine Examination wurde ihm in Aussicht gestellt, doch bezeichnete er sich selbst als des Amtes unwürdig. 638 Obgleich sein Urteil durchaus als 633 Vgl. für das Folgende insbesondere HERRMANN, Konrad Limmer (1952); KOHNLE, Konrad Limmer (2014). Vgl. auch HERRMANN, Lateinschulen (1940), S. 231 f.; DERS., Kirchengeschichte II (1947), S. 133. 634 Der Weimarer Diakon Caspar Müller stellte sie um 1550 sogar über die eigene Weimarer Schule. Obwohl diesem Urteil interne Zerwürfnisse zugrunde liegen, ist der Vergleich bezeichnend, vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg O 548, fol. 8v. 635 Vgl. KLETTE, Beiträge (1923), S. 86. 636 Vgl. StKrA Arnstadt, 1-032-01, fol. 333r. 637 Vgl. WERNER, Entwicklung (1995), S. 17. 638 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 55, fol. 25r u. 42r.

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Devotionsformel verstanden werden kann, trat er das Pfarramt offenbar nicht an. Entweder schlug er die Berufung tatsächlich erfolgreich aus oder die Examination endete zu seinen Ungunsten, jedenfalls weiß Johann Gottfried Müller, der Verfasser einer Buttstädter Chronik, zu berichten, dass Lodensacius „hernach Stadtvoigt“639 geworden sei. Sein direkter Nachfolger Johann Oberreich wurde bereits während seines Schulamtes in den Stadtrat berufen.640 Ob dies für ihn, wie im geschilderten Mühlhäuser Beispiel, mit einer Amtsniederlegung verbunden war, ist nicht bekannt. Das Schulmeisteramt war somit auch nach der Reformation noch immer ein Übergang und ein Einstieg in ein zumeist geistliches Amt. Während jedoch die Amtszeit in vorreformatorischer Zeit bewusst beschränkt worden war, strebten die Städte und die Geistlichen nun eine Kontinuität in der Schulverwaltung an. Dass bereits in vorreformatorischer Zeit die jährliche Neubelehnung des Schulwesens nicht immer mit dem Wechsel des Schuldieners einherging, ist an betreffender Stelle betont worden. Trotzdem kann im weiteren Verlauf des 16. Jahrhunderts eine deutliche Steigerung der personellen Kontinuität konstatiert werden. Selbstverständlich hing auch dieser Aspekt maßgeblich mit der finanziellen Fundierung des Amtes zusammen. Zu welchen Folgen eine unzureichende Ausstattung des Kirchenwesens und damit verbunden eine geringe oder unregelmäßige Besoldung der Schuldiener führen konnten, ist im Vergleich der Städte Altenburg und Saalfeld bereits deutlich geworden. Obgleich der Kontrast zwischen den Besoldungen mit 80 fl in Altenburg und 76 fl (80 a ß) in Saalfeld nicht so entscheidend war, scheinen die finanziellen Schwierigkeiten in Saalfeld und die damit verbundene sporadische Auszahlung der Besoldung, die auch in Kahla von den Schuldienern kritisiert wurde, eine gewisse Unsicherheit im Amt erzeugt zu haben. Sie wirkte sich letztlich auf die Fluktuation des Schulamtes aus. Während zwischen 1530 und 1600 in Altenburg nur vier Schulmeister wirkten, von denen bereits der erste 23 Jahre und sein Nachfolger 20 Jahre im Amt blieben, währte die längste Amtszeit eines Saalfelder Schulmeisters lediglich acht Jahre. Zwanzig Schulmeister wirkten hier im selben Zeitraum. Erst Johannes Rüdiger diente von 1592 bis 1613 und somit überdurchschnittlich lange für Saalfelder Verhältnisse. Obwohl auch der Altenburger Fall nicht als Normalität angesehen werden kann, lassen sich unter den Schuldienern aus nachreformatorischer Zeit deutlich mehr langjährige Amtsinhaber benennen, als noch vor der Reformation, was zweifellos nicht allein auf die Quellenlage zurückgeführt werden kann. Der Kantor von Arnstadt, Magnus Laurwald, trat 1554 sein Amt an und versah es

639 LATh-StA Rudolstadt, Hessesche Collectaneen, 2b Nr. 16, S. 85. 640 Vgl. ebd., S. 85.

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mindestens 17 Jahre.641 Obwohl er 1565 nach Gotha berufen wurde und den Ruf als ernestinisches Landeskind anzunehmen gedachte, wusste der Stadtrat ihn durch eine Zulage in Arnstadt zu halten.642 Ebenfalls 17 Jahre diente der Kantor von Eisenberg, Markus Orthell, der 1570 aus Joachimsthal berufen worden war.643 Die Auseinandersetzungen um sein Amt verdeutlichen jedoch auch, wie ein Schuldiener seiner Arbeit überdrüssig werden konnte. Während der Stadtrat den Schuldienern 1577 und 1578 noch gute Zeugnisse über Leben und Amt gab,644 klagte er 1582 über das mangelnde Engagement Orthells und bat, ihn in ein geistliches Amt zu befördern.645 Der Bitte wurde nicht entsprochen. Orthell bat erst am 2. Mai 1587 in einem Brief, der seine Verbitterung mehr als deutlich macht, um seine Entlassung. Er sei, so seine Worte, „durch diese langwirige schularbeit gleichsam erschöpft vnd vertrucknet“, habe er doch in seiner Amtszeit „nicht den wenigsten vnd geringsten theil schulstaubes, stancks vnd Uhnlusts in mich gefreß[en], mich auch hier durch also abgemartet vnd abgemürgelt“.646 Er wolle nun endlich ein Predigeramt antreten. Die Amtszeit von 21 Jahren des Aumaer Schulmeisters Martin Hase ist bereits erwähnt worden, ebenso die Worte des Pößnecker Diakons Petrus Bischof, der selbst angab, vor seiner Absetzung 1573 über zwanzig Jahre gedient zu haben. Auf dieselbe Zeit kam Christoph Wurtschal, latinisiert Wurzelius, im Schulmeisteramt von Weida, als er 1564 ins Diakonat berufen wurde.647 Der Schuldiener von Langensalza Balthasar Hartmann trat 1570 ins Amt und versah es 24 Jahre.648 Der bereits erwähnte Konrad Heden wirkte an der Arnstädter Schule von 1550 bis 1583 – 33 Jahre.649 Der aus Österreich stammende Wolfgang Winckler, der 1583 das Schulmeisteramt in Lucka antrat,650 stand der Schule 37 Jahre vor.651 641 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, Nr. 2977, fol. 9v. 642 Vgl. ebd., fol. 9r. Die Kastenrechnung von 1565/66 informiert, dass die Zulage 14 a ß betrug, vgl. ebd., Kirchenrechnungen Nr. 6939, unfol. 643 Vgl. StA Eisenberg, XI/I/1, fol. 30r. 644 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 58, fol. 294v (1577); ebd., Reg Ii 61, fol. 272v (1578). 645 Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4278, fol. 239v. 646 Für beide Zitate StA Eisenberg, XI/I/1, fol. 32r–v. 647 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ll 832, fol. 13r–14r; HERRMANN, Kirchenkunde (1933–35), S. 372; DERS., Lateinschule einer Kleinstadt (1934), S. 789. 648 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, I Nr. 2436, fol. 1r; ebd., A 29a, II Nr. 49, fol. 28v. 649 Vgl. StKrA Arnstadt, 1-032-01, fol. 333r; KLETTE, Beiträge (1923), S. 86. 650 Vgl. zu seiner Einstellung LATh-StA Altenburg, Ministerium zu Altenburg, Abt. für Kultusangelegenheiten 1014, fol. 7r. Vgl. zu seiner Herkunft und seinem Bildungsweg ebd., Landesregierung 4279, fol. 357r–v. 651 Vgl. LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen I (1886), S. 310. Die Löbes sprachen von 34 Jahren, kennen jedoch nur sein Todes- und nicht sein Amtsantrittsdatum. Da er 1620 gestorben sei, kann seine Amtszeit auf 37 Jahre verlängert werden.

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Auch diese Zeit wurde jedoch noch überboten von Adam Scharschuch, der 1535 das Schulamt von Sondershausen übernahm und bis 1575, vier Jahrzehnte, beibehielt.652 Obwohl Scharschuch der Sondershäuser Schule zu einer bemerkenswerten Kontinuität verhalf, stellt sein Amt nicht das längste bekannte Schulamt dar. Die Schule von Jena verfügte im 16. Jahrhundert gleich über zwei Schuldiener, die überdurchschnittlich lange ihr Amt versahen. Der eine war der bereits erwähnte Franz Mohr, der 1537 zugunsten des Magisters Stephan Reich aus dem Schulmeisteramt genommen wurde. Dieser personelle Wechsel erklärt eine Eigenheit der Jenaer Kastenrechnungen. Bei der Verzeichnung der Besoldungen der Schuldiener wurde der eigentliche Schulmeister, angefangen mit Stephan Reich, über Jahrzehnte hinweg nicht als Schulmeister, sondern nur als Magister bezeichnet, während der zweite Schuldiener, der Supremus in der Person Franz Mohrs, die Bezeichnung ‚alter Schulmeister‘, zeitweise auch nur ‚Schulmeister‘ erhielt, obwohl er das Amt des Schulmeisters nicht mehr innehatte. 653 Es ist weder bekannt, wann er sein Schulmeisteramt vor 1537 antrat, noch wann er aus dem Amt des Supremus ausschied. Seine letzte Erwähnung findet er in der Kastenrechnung von 1570/71, noch immer unter der Bezeichnung des alten Schulmeisters.654 Er versah sein Amt somit über 34 Jahre. Zwei Jahre nach seiner letzten Erwähnung, 1573, wurde ein aus Jena stammender Franz Mohr in der dortigen Universität immatrikuliert.655 Ob es sich dabei – unwahrscheinlicherweise – um den ‚alten Schulmeister‘ oder vielleicht einen gleichnamigen Sohn handelte, ist nicht bekannt. Die Nachfolge von Franz Mohr trat der vorherige Kantor Georg Meltzer an, wodurch das Amt des Supremus zum Konrektorat erhoben wurde. Er weist während des gesamten Untersuchungszeitraumes die bislang längste zu ermittelnde Amtsdauer im gesamten thüringischen Raum auf. Mittels einer kurfürstlichen Zulage konnte an der Jenaer Schule 1544 ein fünftes Schulamt geschaffen werden.656 Der erste Inhaber dieses Amtes war zu einer Besoldung von 10 fl 18 gr

652 Vgl. LENK, Gymnasium (1999), S. 16, 18 u. 342. 653 Vgl. exemplarisch zum Jahr 1544/45 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 2935, fol. 79r, zum Jahr 1558/59 KA Jena, Nr. 3, Kastenrechnung 1558/59, fol. 19r. 654 Vgl. KA Jena, Nr. 3, Kastenrechnung 1558/59, fol. 26v. 655 Vgl. MENTZ, Matrikel (1944), S. 209. 656 Der Rat und die Kastenmeister hatten 1543 und nochmals 1544 um eine Zulage gebeten, die schließlich mit 100 fl und 24 Scheffel Korn bewilligt wurde, vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Kk 712, fol. 3r–6r; ebd., Reg Ii 1888, fol. 1r–2v. Die Kastenrechnungen von 1543/44 und 1544/45 weisen daraufhin nicht nur eine erhebliche Steigerung der Besoldungen, sondern auch die Amtseinführung des fünften Schuldieners nach, vgl. ebd., Reg Bb 2935, fol. 27r (1543/44); ebd., Reg Bb 2935, fol. 79r (1544/45).

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jener Georg Meltzer, hier noch unter der Amtsbezeichnung eines Baccalaureus.657 Die Bezeichnung des Kantors war zu dieser Zeit an der reformatorischen Schule Jenas offenbar noch nicht üblich, alle Schuldiener neben dem Schulmeister wurden – mit Ausnahme von Franz Mohr – als Baccalaureus bezeichnet. Wann die Umstellung erfolgte, ist nicht bekannt. Sie könnte wie auch die Anhebung der Besoldung mit einer organisatorischen Umstrukturierung der Schule im Zuge der Verlegung ins ehemalige Zisterzienserinnenkloster 1544/45, also bald nach der Einstellung Meltzers, in Verbindung gebracht werden. Der Bericht des Stadtrates an die Herzöge von 1555 führt Meltzer als Kantor mit einer Besoldung von 40 fl auf und informiert zugleich, dass ihm für seinen besonderen Fleiß eine Zulage von 10 fl vom Stadtrat gereicht werde. 658 Wann er die Nachfolge Mohrs als Supremus antrat, ist unsicher. Sollte der 1573 immatrikulierte Franz Mohr der einstige Schuldiener gewesen sein, könnte seine Immatrikulation mit einer Amtsniederlegung einhergegangen sein. Meltzer tritt erst in den späteren 1580er Jahren wieder in Erscheinung, doch wurde sein namentlich nicht genannter Nachfolger im Amt des Kantors bereits 1582 ins Pfarramt von Altengönna berufen.659 Unter Georg Meltzer erfuhr das Amt des Supremus eine Aufwertung zum Konrektorat. In dieser Funktion liegen aus seiner Feder insgesamt 16 halbjährlich verfasste Briefe vor, mit denen er dem Stadtrat die bereits 1555 erwähnte Zulage von 10 fl quittierte.660 Der erste datiert auf 1589, der letzte auf 1597. Vom 21. Februar 1598 stammt schließlich ein Brief des Konsistoriums, der eine „vorenderung in der Schuelen“661 betrifft. Er informiert unter anderem, dass der Kantor – richtig ist der Konrektor – aus Altersgründen in den Ruhestand versetzt wurde. Als Nachfolger wurde der Schulmeister von Ilmenau, Christoph Kellner, berufen.662 Ein weiteres Schreiben vom 13. November 1598 erbat die Bestätigung Kellners im Amt und wiederholte abermals, dass der Superintendent und der Stadtrat Georg Meltzer „[a]lß einen sehr alten vnndt wohlverdint schuldiener mit einer gewissen prouision versorgt vnndt ihnen der schularbeit vberhoben haben“.663 Meltzers Amtszeit als Baccalaureus, Kantor, Supremus und Konrektor währte von 1544 bis 1598. Er war 54 Jahre im Amt. Da das reformatorische Schulwesen von langjährigen Schuldienern mitgeprägt wurde, ist es bemerkenswert, dass die alte Tradition ihrer jährlichen Neu657 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 2935, fol. 79r. 658 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2520, fol. 2r. 659 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, I Nr. 122, unfol. Neuer Kantor wurde der vormalige Schulmeister von Apolda und Eckartsberga Lambertus Pfeiffer. 660 Vgl. StA Jena, B XVIIa-2, fol. 1r–15r. 661 LATh-HStA Weimar, Konsistorialsachen, B 4533, fol. 1r. 662 Vgl. StA Jena, B XVIIa-2, fol. 16r–v. 663 Ebd., fol. 17r.

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belehnung mancherorts auch über den Umbruch der Reformation hinaus beibehalten wurde. In Pößneck wird dies erstmals im Stadtbuch zum Jahr 1530 deutlich, als die neuerliche Bewerbung des Schulmeisters Sebastian Börtel, verbunden mit einer Bitte um Zulage, verzeichnet wurde: „der schulmeyster begert wider dinst vnd besserung seines lonhs“. 664 Der Stadtrat von Waltershausen betonte die Neubesetzung der Schule „von Iar zu Iar“665 sogar ausdrücklich in dem Bericht an die Herzöge von 1555. Die Neubelehnung ging dabei stets mit einer neuerlichen Examination durch den Superintendenten einher. In Magdala zeigten sich 1559 die ersten Schwierigkeiten einer solchen Praxis, die dem Schulmeister auch die Amtsniederlegung innerhalb dieses Jahres verwehrte. Da der Schulmeister Johann Unrein einen höheren Dienst anstrebte, bewarb er sich nur noch auf ein halbes Jahr, wodurch der Stadtrat befürchtete, die Bestellung der Schule werde aus dem Rhythmus geraten.666 Doch auch bei den Schuldienern stieß die Praxis auf Unverständnis. 1580 reichten die Schulmeister von Buttelstedt und Neumark bei dem visitierenden Pfarrer von Buttstädt, Caspar Deuter, Klage über die Amtsbefristung ein: Sie „wegern sich bei ihrem pastoribus vnd Rath iärlichen auffß new vmb ihre Schuldinste zw werben, cum sint homines liberales“.667 Stattdessen schlugen sie die Einhaltung einer sechswöchigen Kündigungsfrist vor. Zwei Jahre später, 1582, schlossen sich die Schuldiener von Buttstädt der Klage an. Noch im selben Jahr befasste sich daher eine Synode in Weimar mit der Beschwerde. Der dabei gefasste Beschluss findet sich in einer Randnotiz wieder, die mit nur einem Wort die Berücksichtigung der Klagen deutlich macht: „abzuschaffen“.668 Ob diese Entscheidung für das gesamte Herzogtum gültig sein sollte, geht daraus nicht hervor. Sicher ist jedoch, dass sie in den betreffenden Schulen durch die damit erleichterte Kontinuität der Schulverwaltung eine Steigerung der organisatorischen Stabilität bewirkt haben dürfte.

6.5. Trägerschaft und Patronat des reformatorischen Schulwesens 6.5.1. Die Schule zwischen Stadtrat und Pfarrer Die im vorreformatorischen Zusammenhang geschilderte Inanspruchnahme des Schulpatronats durch Stadträte, Geistliche und kirchliche Institutionen, die damit verbundenen Spannungen sowie die Ausformung unterschiedlicher Schulformen 664 665 666 667 668

StA Pößneck, B I 2, Nr. 7, fol. 15r. Vgl. LATh-StA Gotha, Oberkonsistorium, Amt Tenneberg, Loc 11, Nr. 1754, unfol. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ll 552, fol. 5r. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 62, fol. 46r. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 64, fol. 11v.

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stellen die maßgeblichen Kriterien für die Vielgestaltigkeit und die Diversität des Schulwesens am Vorabend der Reformation dar. Bereits Martin Luther wandte sich von diesem Prinzip der individuellen und lokalen Ausformung der Schulträgerschaft ab, indem er die Sorge um das Schulwesen zur Aufgabe der christlichen Obrigkeit erklärte und dessen Organisation in seiner bedeutendsten Schulschrift 1524 den Stadträten anbefahl. Es sei ihre Pflicht, sich der Schulen ebenso anzunehmen, wie dem Ausbau und der Aufrüstung der Stadt, um die christliche Ordnung aufrechtzuerhalten und neben dem irdischen und zeitlichen den ewigen Frieden zu erlangen und zu bewahren.669 Luthers politische Theorie konnte indes nicht in dieser Weise umgesetzt werden, zumal auch er nie eine vollständige Trennung der Schule vom Kirchenwesen ins Auge gefasst hatte. Auch über den Umbruch der Reformation hinaus behielten die Schulen ihre enge Verbindung zur Kirche und zum gottesdienstlichen Leben der Städte bei. Die Schuldiener wirkten gleichermaßen im Interesse der Geistlichen wie der Stadträte. Die Reformatoren und Visitatoren berücksichtigen dies, indem sie das bereits in vorreformatorischer Zeit mancherorts etablierte Zusammenwirken der Stadträte und Geistlichen in schulischen Fragen zur Norm erklärten. Stellte die individuelle Trägerschaft im Spätmittelalter ein Kriterium für die Diversität des Schulwesens dar, wurde nun das von den Reformatoren angestrebte Prinzip des Einvernehmens zwischen städtischer und kirchlicher Instanz zu einem entscheidenden Merkmal der organisatorischen Vereinheitlichung. Allgegenwärtig sind in den Visitationsprotokollen – nicht nur der frühen Visitationen – die Mahnungen an die Stadträte und Pfarrer, das Patronat gemeinsam und nicht gegen den Willen des Anderen auszuüben. Die Umsetzung der Theorie wird mancherorts auch deutlich. Die Schule von Waltershausen werde, so der Bericht des Rates an die Herzöge von 1555, „mit vorwissen des hern pfarhern“670 bestellt. In Sulza betonte der Schulmeister Johannes Nebener selbst den Visitatoren von 1569 gegenüber sehr dezidiert, er sei vom Stadtrat und dem Pfarrer gleichermaßen aufgenommen worden.671 Ihm folgte mit ähnlichen Worten der Schuldiener von Meiningen, Kilian Ostertag, der sich bei seiner Bitte um ein höheres kirchliches Amt 1574 ebenfalls auf die Einsetzung durch Pfarrer und Rat bezog. 672 Handelt es sich dabei und bei weiteren Fällen um Selbstaussagen der Schuldiener und Stadträte, die insbesondere bei Letzteren theoriegerechte Verhältnisse suggerieren sollten, liegen darüber hinaus in Form von Korrespondenzen zwischen Stadträten und Pfarrern authentische Zeugnisse für ein entsprechendes Zusammenwirken vor. Exemplarisch sei lediglich auf einen Brief des 669 670 671 672

Vgl. LUTHER, Ratsherren, WA 15, S. 30. LATh-StA Gotha, Oberkonsistorium, Amt Tenneberg, Loc 11, Nr. 1754, unfol. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 44, fol. 130r–v. Vgl. LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. IV, Nr. 120, fol. 226v–227v.

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Pfarrers von Eisenberg von 1594 verwiesen.673 Mehr als anderthalb Jahrhunderte zuvor, 1436, war dem hiesigen Stadtrat die Schulbestellung urkundlich übertragen worden (Kap. I. 4.1.1.). Der Brief des Pfarrers illustriert nun die neuen Verhältnisse und die inzwischen offenbar bewährte Praxis der Schuldienerwahl und -einsetzung. Der Kantor Caspar Sturmius alias Steten, der 1587 nach einem vom Stadtrat geförderten Studium sein Amt angetreten hatte,674 war ins Pfarramt nach Hermsdorf berufen worden. Beim Pfarrer habe sich daraufhin Jakob Schumann, der Sohn des Schultheißen, um die Nachfolge beworben. Da er den Pfarrer von sich überzeugen konnte, sandte dieser ihn mit einem Empfehlungsschreiben an den Stadtrat und schlug ihn als Nachfolger im Amt des Kantors vor. Der Stadtrat entsprach der Bitte bereits am folgenden Tag durch die Einstellung Schumanns.675 Aus dem Schreiben wird – wie bereits aus den zahlreichen dargelegten Bewerbungen um Altenburger Schulämter – die Rollenverteilung zwischen Pfarrer und Stadtrat deutlich. Während Ersterer die Gelehrsamkeit und die persönliche Eignung zum Schuldienst zu beurteilen und sein Votum im Interesse der Schule zu fällen hatte, verfügte Letzterer über die politische Autorität und die Verfügungsgewalt über die Schuldiener als städtische Bedienstete. Die Theorie des reformatorischen Schulpatronats sah die Berücksichtigung der Exekutive des Stadtrates durch den Pfarrer bei gleichzeitiger Orientierung an dessen durch Sachverstand legitimierten Empfehlungen durch den Rat vor. Bereits die Notwendigkeit der wiederholten Mahnungen zur Einmütigkeit verdeutlicht jedoch, dass das Konzept nicht selten Theorie blieb. Zumeist waren es die Stadträte, die ihre Verfügungsrechte über die Meinung des Pfarrers stellten. In besonderer Prägnanz tritt diese Haltung durch die Auskünfte des Stadtrates von Sangerhausen hervor, als er den Visitatoren 1575 die Schuldiener vorstellte und stets betonte, sie seien durch den Stadtrat berufen worden. Dies betraf die gesamte aktuelle Schuldienerschaft – 1568 den Kantor Johannes Patzsche aus Riethnordhausen, 1569 den Schulmeister Johannes Lossius aus Sangerhausen, 1572 den Quartus Valentin Doghorn aus Sangerhausen, 1573 den Infimus Johannes Holl aus Siegen und 1574 den Konrektor Georg Botschilt aus Sangerhausen.676 Möglicherweise fühlte sich der Pfarrer, der hier das Amt des Superintendenten versah, in seinen Rechten übergangen, sodass die Visitatoren dem Rat wie auch schon 1555 abermals einschärften, die Schuldiener nur „mit willen vnd Zuthun des Superattendenten“677 aufzunehmen. 673 674 675 676 677

Vgl. StA Eisenberg, XI/I/1, fol. 38r. Vgl. ebd., fol. 34r–37r. Vgl. ebd., fol. 38a. Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 21, fol. 53r–55v. Ebd., fol. 4r. Vgl. zu 1555 LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 21a, fol. 5v.

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In keiner zweiten Stadt ist die Umsetzung der reformatorischen Patronatsverhältnisse so sehr als Bruch mit den vorreformatorischen Verhältnissen wahrzunehmen wie im albertinischen Weißensee. Hier wurde im Jahr 1488 durch den Herzog Albrecht das Schulpatronat dem Stadtrat übertragen, wobei die Ansprüche des Pfarrers bzw. des Johanniterordens offenbar – ähnlich wie im drastischen Schmöllner Fall – gänzlich zurückgewiesen wurden. Die dabei ausgestellte Urkunde konnte bislang zwar nicht im Original ermittelt werden, doch wusste der Stadtrat sie in den frühen Jahren der Reformation selbstbewusst einzusetzen. Die von den Visitatoren geforderte Hinzuziehung des Pfarrers widersprach in seinen Augen den herzoglichen Privilegien und stellte für ihn eine Einbuße politischer Rechte dar. Bei der ersten Visitation von 1539 betonte der Rat, der Johanniterkomtur – und in ihm sah er die kirchliche Instanz an sich repräsentiert – habe an der Schule über die Beherbergung und die Verköstigung der Schuldiener hinaus keinen Anteil. Er habe, so heißt es im Visitationsprotokoll, die besiegelte Urkunde „vber den alt hergebrachten vnlauckbarn gebrauch […] sampt furstlicher Confirmacion“678 vorweisen und so das städtische Patronat der vorreformatorischen Zeit nachweisen können. Im Jahr darauf folgte die Umkehrung der Verhältnisse. Sie ging selbst über die übliche Forderung nach ‚Wissen und Willen‘ des Pfarrers hinaus, indem diesem die Exekutive übertragen und nun seinerseits der Rat in den Hintergrund gedrängt wurde: „dießer [der Pfarrer] sol die andernn diener der Kirchenn vnnd Schulenn, doch mit wissenn des Radts annemenn vnnd entsetzenn“.679 Es verwundert nicht, dass die Anordnung noch im selben Jahr zum Konflikt führte. In einem Schreiben des Pfarrers von 1540 über verschiedene unbefriedigende Aspekte des Kirchenwesens seiner Superintendentur befindet sich auch die Klage, dass der Stadtrat die Kirchen- und Schuldiener ohne sein Wissen nach seinem Gefallen einzusetzen gedenke.680 Wie die Auseinandersetzung kurzfristig beigelegt werden konnte, ist nicht bekannt, doch blieb das Primatsverständnis des Stadtrates über die Jahrzehnte bestehen, sodass auch hier die Visitatoren 1555 vom Stadtrat die Berücksichtigung der Ansprüche des Pfarrers abermals einfordern mussten.681 Zu einem weiteren Konfliktherd entwickelte sich die Stadt Schlotheim. Die Klage des Pfarrers über die Missachtung des Stadtrates an der Schule von 1583 ist oben bereits wiedergegeben worden. Sie stellte nicht den ersten Fall einer solchen Auseinandersetzung zwischen Pfarrer und Rat um die Bestellung des Schulwesens dar. Ein namentlich nicht genannter Schulmeister zeigte den Visitatoren 1574 an, dass der Pfarrer ihm ohne Beteiligung des Rates den Dienst gekündigt habe, weil er sich geweigert hatte, gegen den Stadtrates gerichtete Briefe zu be678 679 680 681

LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 1b, fol. 190v. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 1c, Bd. 1, fol. 121v. Vgl. HStA Dresden, 10024, Loc. 10593/6, fol. 327v. Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 40a, fol. 103r.

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fördern.682 In einer Stellungnahme des Pfarrers warf dieser ihm wiederum verschiedene Widersetzlichkeiten vor und betonte, dass der Schulmeister bei ihm nie um den Dienst gebeten habe und sich weigere, es nachzuholen.683 Im selben Jahr klagte auch der Pfarrer von Ilmenau, dass ihm der Kantor Hieronymus Beutler,684 der „noch gar Ein Knabe“ sei, vom Stadtrat regelrecht aufgezwungen worden sei. Da er in der Grammatik wie auch in der Musik unsicher sei, habe er beim Rat mehrfach das vormalige Prinzip der gemeinsamen Vocation angemahnt, jedoch nie eine Antwort erhalten.685 Ein bemerkenswertes Gegenbeispiel zeichnete sich in der Kleinstadt Lucka ab, nachdem die Stadt durch die Pest des Jahres 1582 ihren Pfarrer, den Diakon und den Kantor verloren hatte.686 Da der Schulmeister Andreas Schindler die Nachfolge des verstorbenen Diakons angetreten hatte, war die Schulstelle vakant.687 Es kam zu einem Briefwechsel mit dem Altenburger Superintendenten Caspar Melissander, in dem der Stadtrat das Patronat über das Schulamt regelrecht von sich wies. Dem möglichen Nachfolger Paul Schade sei das Amt zwar angetragen worden, doch habe dieser abgelehnt und sein Missfallen geäußert, da er nur für ein Quartal angenommen werden solle. Der Stadtrat begründete diese provisorische Einstellung damit, dass „die sach[e] den Schulmeister vnd sein ampt belangett vornehmlich vor den pfarherr gehorig“ 688 sei. Als zweiter Kandidat stand Wolfgang Winckler zur Verfügung, doch überließ der Rat die Entscheidung in Ermangelung des Pfarrers dem Superintendenten. Seine Beteiligung beschränkte sich auf die knappe Äußerung, er werde mit Winckler zufrieden sein. 689 Der Superintendent entschied für Winckler, der sein Amt zu Beginn des Jahres 1583 antreten konnte. Dass er der Schule ganze 37 Jahre vorstand, ist oben bereits erwähnt worden. In einigen Fällen nahmen noch weitere Instanzen eine Beteiligung bei der Schulbesetzung für sich in Anspruch, wurden dabei jedoch meist durch die Visitatoren in ihre Schranken gewiesen. In Magdala wurde, um nur ein Beispiel zu nennen, 1580 der Voigt beklagt, er „vnterstehet sich Schulmeister anzunemen vnd abzu-

682 683 684 685 686

Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Hessesche Collectaneen, 2c Nr. 1, fol. 14r. Vgl. ebd., fol. 15v. Vgl. zu seiner Identifizierung LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. IV, Nr. 96, fol. 51v. Vgl. LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. IV, Nr. 96, fol. 39v u. 56r, Zitat fol. 39v. Vgl. LATh-StA Altenburg, Ministerium zu Altenburg, Abt. für Kultusangelegenheiten 1014, fol. 4r; LIEBIG, Vom schwarzen Tod (1930), S. 7. 687 Vgl. auch LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen I (1886), S. 310. 688 LATh-StA Altenburg, Ministerium zu Altenburg, Abt. für Kultusangelegenheiten 1014, fol. 1r. 689 Vgl. LATh-StA Altenburg, Ministerium zu Altenburg, Abt. für Kultusangelegenheiten 1014, fol. 1r–v.

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setzen nach seinem gefallen“.690 In Tannroda forderten im selben Jahr sogar die Bürger ein Mitspracherecht – ein einzigartiger Fall: „die leut beschweren sich, das die Schulmeister ohn ihr vorwissen vnd willen auffgenomen werd[en], bitten freundlich, das es hinfort nicht mehr geschehe“.691 Ob und in welcher Weise ihr Gesuch berücksichtigt wurde, ist unklar.

6.5.2. Superintendenten und Konsistorien – Das Schulwesen als Bestandteil des landesherrlichen Kirchenregiments Meist wurde den Pfarrern und Stadträten bei der Auswahl und der Einstellung der Schuldiener im weitesten Sinne freie Hand gelassen. Anders als in vorreformatorischer Zeit nahmen nun jedoch die Landesherren ein reges Interesse an der Entwicklung des Schulwesens, sodass allerorten deren Anspruch deutlich wird, über die personellen Vorgänge vor Ort zumindest informiert zu sein. In einer Zeit der konfessionellen Identifikation innerhalb einer politischen Herrschaft und insbesondere während der Lehrstreitigkeiten in der zweiten Jahrhunderthälfte waren nicht allein die Geistlichen, sondern gleichermaßen die Schuldiener einer strengen religiösen Kontrolle unterworfen. Auf regionaler Ebene stand daher als Verbindungsglied zwischen den Städten und den Landesherren der Superintendent. Mit der Einführung der Superintendenturen wurde durch die Visitation von 1528/29 ein weiteres charakteristisches Element der evangelischen Kirche etabliert. Dabei handelte es sich um die leicht abgewandelte Umsetzung einer jener richtungsweisenden Empfehlungen, die Myconius nach der Visitation im Amt Tenneberg geäußert hatte. Sein Vorschlag besagte, dass man „an dem besten ad[er] fornembsten ortdt, flecke, oder stadt“ einen „geschickten gelertn man verordnen“ solle, der „das Eua[n]gelion zu leren tüchtig, Iderma[n] vnterricht geb[en] kondt, Auf dem alle vmbligende[n] pfahr gemeynd vnd minister acht hetten, das sie bey ym vnterricht halten“,692 damit sie in Lehre und Zeremonien einheitlich blieben. Der Vorschlag wurde, nach anfänglichen, aber nur lückenhaft realisierten Überlegungen,693 in die Tat umgesetzt. Auf dem heutigen thüringischen Boden und der südlich angeschlossenen Pflege Coburg wurden innerhalb des ernestinischen Kurfürstentums zwölf Orte als Zentrum größerer Ephorien ausgewählt und die dortigen Pfarrer zu Superintendenten über die darin enthaltenen Pfarreien eingesetzt. Natürlich be690 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 62, fol. 25v. 691 Ebd., fol. 21r. 692 Für alle drei Zitate LATh-StA Gotha, Oberkonsistorium Loc. 19, Nr. 1, fol. 6r. Vgl. auch THOMAS, Aufbau (1975/76), S. 105; BLAHA, Visitationen (2016), S. 136. 693 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 198, fol. 7v u. 8v; HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 30; THOMAS, Aufbau (1975/76), S. 103 f. u. 107 f.; BAUER, Reformation und Territorialstaat (1994), S. 54.

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fand sich unter diesen auch Friedrich Myconius für Gotha. Die übrigen Herrschaften folgten dem ernestinischen Beispiel nach.694 Die Rolle der Superintendenten für das Schulwesen zeigt sich bereits in den Protokollen jener Visitation, aus denen exemplarisch die in dieser oder ähnlicher Form oft wiederholte Bestimmung für Ziegenrück angeführt werden kann. Sie ergänzt in der üblichen Anweisung bezüglich der Hinzuziehung des Pfarrers den über ihm stehenden Superintendenten: „der schulmeister soll auch mit wissen des Sup[er]attendenten aufgeno[m]men werden“.695 Er wurde somit der ausführende Teil des landesherrlichen Kirchenregiments, ihm kam die Überwachung der in der Visitation geordneten Zustände zu, was auch die Aufsicht über die Schulen und Schuldiener mit einschloss.696 Dieser Aspekt seiner Amtspflichten blieb im Unterricht der Visitatoren, der einen Abschnitt über das Superintendentenamt beinhaltet, unberührt, 697 doch deutet die wiedergegebene Anweisung die Rolle der Amtsinhaber bei der Wahl und Einstellung der Schuldiener bereits an. Er musste, wie zahlreiche Briefwechsel zwischen den Stadträten oder Pfarrern und den Superintendenten zeigen, die von Pfarrer und Rat berufenen Kandidaten begutachten, gegebenenfalls in einem Examen das Urteil des Pfarrers über deren Gelehrsamkeit bestätigen, ihre konfessionelle Haltung beurteilen und die Einsetzung in den Schuldienst bestätigen. Ohne seine Bestätigung war die Einsetzung zumindest in der Theorie grundsätzlich ungültig. Natürlich blieb auch diese Einrichtung nicht gänzlich konfliktfrei. Insbesondere illustrieren einige Beispiele aus der hennebergischen Grafschaft, dass die neue Aufsichtsfunktion der Superintendenten auf die Ablehnung der Stadträte stieß und erst allmählich und mit Nachdruck etabliert werden konnte. Der Stadtrat von Themar hatte im Oktober 1550 den alten Schulmeister Johann Keyser eigenmächtig seines Amtes enthoben und M. Jakob Banz an dessen Stelle berufen. Da der Superintendent Bartholomäus Wohlfahrt sich in seinen Rechten übergangen fühlte, verweigerte er dem neuen Schulmeister die Bestätigung im Amt. Am 14. November schrieb Banz daher dem Stadtrat und drängte diesen regelrecht, sich über die – in seinen Augen widerrechtlichen – Ansprüche des Superintendenten hinwegzusetzen. Wohlfahrt gebärde sich, so seine Worte, „als ob den[n] ihm […] die ganze herschafftt zuuersorgenn geburenn wollt“,698 und müsse in die Schranken gewiesen werden. Der Superintendent bezog dem Grafen Georg Ernst gegenüber am 6. Dezember selbst Stellung gegen den Vorwurf. Er sei durch 694 Vgl. auch für die übrigen Ephorien HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 30–33; THOMAS, Aufbau (1975/76), S. 108–115. 695 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 3, fol. 53r. 696 Vgl. HERRMANN, Generalvisitationen (1915), S. 75; HUMAN, Reformation (1917), S. 40; JUNGHANS, Reformation (2005), S. 53; SCHULZ, Spalatin (2014), S. 75. 697 Vgl. THOMAS, Aufbau (1975/76), S. 109 f. 698 LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. IV, Nr. 236, fol. 86r.

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Banz’ Berufung vom Stadtrat überrumpelt worden und verteidige nur die gräflich aufgerichtete Visitationsordnung, gegen welche die Ratsherren „eyne sonderliche iurisdiction (wie sie es nennen) vnd gerechtigkeyt […] auffrichten vnd durch diese handlung bekreftigen wollen“.699 Die Angelegenheit wurde durch den Grafen in einem Kompromiss beigelegt. Der berufene Magister Banz solle das Schulmeisteramt, so ihn der Superintendent nach einem Examen für geeignet halte, für ein Jahr übernehmen, sich während dieser Zeit allerdings nach einem anderen Dienst umsehen. Für zukünftige Berufungen wurde dem Stadtrat untersagt, ohne das Wissen des Superintendenten zu handeln, da es keiner Stadt zustehe, sich eigenmächtig über die aufgerichtete Kirchenordnung zu erheben.700 Da der Rat durch den Kompromiss das Versprechen an den berufenen Schulmeister nicht einhalten konnte, wurde er 1551 von diesem in der gräflichen Kanzlei angeklagt und zu einer Entschädigungszahlung an Banz in Höhe von 20 fl verpflichtet.701 Dass Bartholomäus Wohlfahrt sich – nach den Angaben des Stadtrates – weigerte, den Kompromiss anzuerkennen,702 illustriert dessen streitbare Haltung, die selbst den Grafen gegen ihn aufbrachte und 1555 seine Absetzung zur Folge hatte.703 Unter seinem Nachfolger Christoph Fischer, latinisiert auch Piscator, wiederholte sich die schulische Auseinandersetzung mit dem Stadtrat von Schmalkalden. Sein Brief vom 6. August 1557 schildert nicht nur den Widerstand des Stadtrates, sondern auch die Unsicherheit des jungen Superintendenten über die eigenen Kompetenzen.704 Der „schuldiener in der stad“705 Kilian Werner – die Stiftsschule existierte zu dieser Zeit noch – war kürzlich ins Pfarramt von Herrenbreitungen berufen worden. Fischer habe daraufhin seines Amtes walten und an der Neubesetzung der Schule teilnehmen wollen, wurde von den Ratsherren jedoch zurückgewiesen. Er solle, so die Begründung, „Inen in ir gerechtikeit nicht greiffen“, da der Rat auf der Grundlage eines gräflichen Privilegs befugt sei, einen Schulmeister „one eines Superintendenten vorwißen“ einzusetzen. Der Superintendent setzte dem überraschend wenig Widerstand entgegen, sah er diese Amtspflicht doch eher als Belastung an. Er sei „liber der sorge entladen denn darmit beschweret“,706 699 700 701 702 703

Ebd., fol. 97r. Vgl. ebd., fol. 90r–91r. Vgl. ebd., fol. 101r. Vgl. ebd., fol. 99r–v. Vgl. HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 45; NEBEL, Gräfin Elisabeth (1971), S. 133; HENNING, Henneberg-Schleusingen (1981), S. 187 f. 704 Fischer war zu diesem Zeitpunkt 37 Jahre alt. Vgl. zu seiner Amtseinführung und seinen ersten Handlungen HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 66; HENNING, Henneberg-Schleusingen (1981), S. 192 f. 705 LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. IV, Nr. 230, fol. 98r. 706 Für alle drei Zitate ebd., fol. 98v.

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doch sah er sich veranlasst, beim Grafen die Rechtmäßigkeit dieser Verhältnisse zu ergründen. Die Reaktion des Grafen Georg Ernst ähnelt in ihrer Konsequenz der skizzierten Entwicklung in Weißensee und verdeutlicht zugleich sein Verständnis von dem ihm zustehenden Regiment über die Schulen. Er entzog dem Stadtrat kurzerhand das vermutlich aus vorreformatorischer Zeit stammende Privileg und ordnete eine geregelte Mitwirkung des Superintendenten bei der Schulbestellung an, „denn wie wir nicht gesinnet, dem Rath ichts zuentziehenn, So wenig khonnenn wir auch vnser gerechtigkeit fallen laßen“.707 Über drei Jahrzehnte später präsentiert abermals der Stadtrat von Themar, dass sich das Prinzip der Superintendentur durch derartigen Nachdruck auch in der hennebergischen Grafschaft allmählich durchzusetzen vermochte. Als der Kirchner Johannes Friedericus, der zugleich als Schuldiener mitwirkte,708 1586 gestorben war, erging ein Schreiben an den Superintendenten, um diesen von mehreren Bewerbungen um das vakante Amt zu informierte. Pfarrer und Rat luden den Superintendenten nach Themar ein, um ein „delectus competitorum“709 vorzunehmen, baten jedoch zugleich, den Sohn eines hiesigen Ratsherrn, Matthäus Landgrave, einem fremden Bewerber vorzuziehen. In der Stadt behielt man sich zwar das Recht vor, einen Kandidaten im eigenen Interesse vorzuschlagen, schritt jedoch erst unter der Anwesenheit des Superintendenten zur Tat. Der Stadtrat von Suhl ging im folgenden Jahr in seiner Zurückhaltung noch darüber hinaus. Nach dem Tod des dortigen Schulmeisters trafen bereits am 1. Mai 1587 das Bewerbungsschreiben von M. Wolfgang Brey710 und am 20. Mai 1587 das des bisherigen Kantors Valentin Bischoff711 um die Nachfolge ein. Der Stadtrat reagierte offenbar auf keines von beiden. Am 12. Juni 1587 schrieb der Pfarrer Andreas Fulda daher an die hennebergischen Kirchenräte und beklagte die Passivität des Stadtrates, der eine überlange Vakanz des Amtes und einen drohenden Verfall der Schule in Kauf nehme, weil er sich das Ius Vocationis nicht habe anmaßen wollen. 712 Vom Pfarrer gedrängt, berief der Rat den aus Suhl stammenden, in Leipzig studierenden M. Heinrich Tribelius zum Schulmeister. Aus Sorge, damit Anstoß erregt zu haben, versicherten die Ratsherren am 21. Juni den Kirchenräten, man habe die Berufung vorgenommen, „nicht derenthalben das

707 Ebd., fol. 99v. 708 Ein Bewerbungsschreiben um dieses Amt aus dem Jahr 1584 informiert, dass es Aufgabe des Kichners sei, „die Alphabetaries [zu] verhoren vnd [zu] leren“, vgl. LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. IV, Nr. 236, fol. 102r. 709 Vgl. LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. IV, Nr. 236, fol. 103r. 710 Vgl. LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. IV, Nr. 234, fol. 201r–v. 711 Vgl. ebd., fol. 203r–v. 712 Vgl. ebd., fol. 205r–206v.

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man E. E. Inn das Ius vocationis vnbillicher weise greiffen wollten, Sondern d[as] wir vnser Kind, wo fern sie qualificirtt, befordertt hetten sehen mugen“.713 Eine weitere scharfe Auseinandersetzung, diesmal im albertinischen Kurfürstentum, in der sich der Stadtrat von Triptis gegen den Superintendenten von Neustadt a. d. O. Stephan Roth auflehnte, konnte durch die Vermittlung des Konsistoriums beigelegt werden. Ende 1573 oder in den ersten Tagen des folgenden Jahres wurde der beim Stadtrat offenbar in gutem Ansehen stehende Schulmeister Martin Bradfisch wegen flacianischer Neigungen und vermeintlichem Unfleiß seines Amtes enthoben. Zur Wahrung der konfessionellen Voraussetzungen schritt der Superintendent zur Neubesetzung des Amtes, wozu er mit der Rückendeckung des Schossers den Neustädter Bürgerssohn und dortigen Schuldiener Johannes Pfannenschmidt auswählte. 714 Als er ihn dem Stadtrat präsentierte, antwortete dieser am 12. Januar 1574 mit einem überaus deutlichen Brief, der in keiner Weise sein Missfallen verbirgt. Der Rat wies jeden Anspruch des Superintendenten auf die Schulbestellung zurück, verweigerte nicht nur die Einstellung Pfannenschmidts, sondern verbat sich auch für die Zukunft jede weitere Intervention. In Triptis habe der Stadtrat „vber Menschen gedencken, gutt fugk vnnd macht“ gehabt, „vnsere Schulle one Iemandts Eynrate zubestellen“. Der Rat und die Gemeinde seien daher „eynfeltig enttschlossen, ob dem selben auch hinfuro festiglich zuhaltten“715 und auch in diesem Fall die Schule selbst zu bestellen. Man ziehe einen einheimischen Schulmeister vor, um der Schule nicht durch fremde Einflüsse zu schaden. Der abschließende Satz beugte jedem Widerspruch vor: „Sollte vns aber hier wieder von Jemante[m] Beschweherunge beschehen, deßen wir nicht hoffen, So werden wir gegen denselben gebuhrlichs Schutzes zugebrauchen nicht konnen verdacht werdenn“.716 Der Superintendent wandte sich dennoch am 18. Januar an das Leipziger Konsistorium und informierte, dass der Stadtrat statt Pfannenschmidt den Triptiser Bürgerssohn Christian Besserer zum neuen Schulmeister ernannt habe. Ihm sei lediglich, da er jung und der Schularbeit unerfahren sei, Michael Ottmansdorff, ein Pfarrerssohn aus einer auswärtigen Herrschaft, zur Seite gestellt worden. Eine Examination Besserers habe ergeben, dass er zum einen der Grammatik selbst ungelehrter sei, als die Schüler der unteren Klassen der Neustädter Schule, und zudem wie sein Vorgänger dem Flacianismus zuneigte. Eine Einigung mit dem Rat konnte bislang nicht herbeigeführt werden, da er auf der Einstellung Besserers oder der Wiedereinstellung Bradfischs bestand. Die Entscheidung übertrug der Superintendent dem Konsistorium.717 Am 26. Februar fand eine Examination 713 714 715 716 717

Ebd., fol. 208r. Vgl. LATh-HStA Weimar, Konsistorialsachen, B 4703, fol. 2r–3v. Für alle Zitate ebd., fol. 1r. Ebd., fol. 1v. Vgl. ebd., fol. 2r–3v.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

Besserers vor dem Leipziger Konsistorium statt. Zuvor hatten sowohl der Stadtrat als auch der Superintendent am 16. und am 18. Februar brieflich auf das Konsistorium einzuwirken versucht. Während der Rat urteilte, Besserer sei gelehrt genug, „vnserer Schuel vnnd kleyner Iugendt der doch wenig alhier ist“,718 vorzustehen, drängte der Superintendent das Konsistorium in die entgegengesetzte Richtung und verwies auf das ungebührliche Verhalten und die konfessionelle Haltung Besserers. 719 Die Examination verlief zu Ungunsten Besserers. Er sei, so das Konsistorium, „in Gramatica vndt in principiis Theologicae vbel Instituirt“720 und könne selbst das Glaubensbekenntnis nicht fehlerfrei aufsagen. Angesichts seiner Leistungen sei Besserer selbst von der Berufung zum Schulmeister zurückgetreten und habe das Konsistorium um eine wohlwollende Intervention bei seinem Stiefvater um die Fortsetzung der Unterhaltung im Studium ersucht. Um die Schule nun neu zu besetzen, sollten Stadtrat und Superintendent sich im Einvernehmen auf einen Kandidaten einigen.721 Erst am 13. Mai 1574 informierte der Superintendent das Konsistorium, dass eine Einigung gelungen sei. Zum neuen Schulmeister wurde Michael Achrennit gewählt, der von seinem Schulmeister in Zwickau gute Zeugnisse vorweisen könne und bereits Erfahrung im Schuldienst gesammelt habe.722 Mit dem Konsistorium, das in diesem Fall den Ausschlag gab, wurde die letzte für das Schulwesen maßgebliche Institution des evangelischen Kirchenwesens erwähnt. Sie wurde im ernestinischen Kurfürstentum ein Jahrzehnt nach der Einrichtung der Superintendenturen ins Leben gerufen.723 Bezüglich der schulischen Organisation, die in ihrer Funktion nur einen geringen Anteil ausmachte, übernahmen sie im Laufe des Jahrhunderts allmählich, endgültig aber erst nach der Niederlegung der konfessionellen Spaltung die Rolle der Superintendenten in der fachlichen, insbesondere aber der religiösen Examination der berufenen Schuldiener. Die Superintendenten wurden dadurch ihrer Pflichten zwar nicht enthoben, doch nahmen sie die Position einer vermittelnden Instanz zwischen den Städten und den Konsistorien ein, während das letzte Wort bei der Besetzung der Schulen – wie auch im Triptiser Fall – Letzteren zufiel. Weitaus stärker als zuvor die Superintendenten wirkten sie nun im Namen der Landesherren, was eine verbindliche Mitteilungspflicht der Städte in sämtlichen kirchlichen und 718 719 720 721 722 723

Ebd., fol. 4v. Vgl. ebd., fol. 5r–7r. Ebd., fol. 8r. Vgl. ebd., fol. 8r–9r. Vgl. ebd., fol. 10r–11r. Zur Begründung und Wirkungsweise der Konsistorien vgl. grundlegend RICHTER, Kirchenverfassung (1851), S. 82–98 und zuletzt (mit Fokus auf die Ehegerichtsbarkeit) FRASSEK, Eherecht (2005) Kap. 2.2 und 2.3. Vgl. für die hennebergische Grafschaft HENNING, Henneberg-Schleusingen (1981), S. 190 f.

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schulischen Belangen einschloss. Diese institutionellere Wirkungsweise fand auch in der Quellenlage ihren Niederschlag, sodass in den staatlichen Archiven ein reicher Briefverkehr mit den Städten überliefert ist. 724 An dieser Stelle sollen wieder lediglich einige Beispiele genügen, um die Einbindung des Schulwesens in die evangelischen Kirchenstrukturen zu verbildlichen, wobei aufgrund der besonders reichen Überlieferung auf die Städte des albertinischen Kurfürstentums zurückgegriffen werden soll. Die kursächsische Kirchenordnung von 1580 hatte die Bedeutung der Konsistorien für das Kirchen- und Schulwesen in maßgeblicher Weise manifestiert und zumindest für das Kurfürstentum zur Norm erklärt. 725 Der überlieferte Schriftverkehr zeigt, dass der Erlass der Ordnung eine Zäsur bildete, nahm er doch in den letzten zwei Jahrzehnten des Jahrhunderts rapide zu. Die in den Briefen hervortretende Regelmäßigkeit und das stets gleiche Vorgehen bei der Besetzung der Schulämter verdeutlichen dabei die Umsetzung der in der Kirchenordnung aufgestellten Richtlinien in der Verfahrensweise. So präsentiert ein Brief des Superintendenten von Langensalza vom 16. November 1588 über die Neubesetzung des dritten Schulamtes in Tennstedt trotz seiner Knappheit eindeutig die eingeführte Ordnung und die kirchliche Hierarchie über das Schulwesen. Der Superintendent schilderte, wie Pfarrer und Stadtrat nach der Amtsniederlegung des Baccalaureus Matthäus Starcken einmütig den Pfarrerssohn von Laucha und einstigen kurfürstlichen Stipendiaten, Konstantin Beyer, zum Nachfolger gewählt hatten. Nach der Wahl um seine Bestätigung ersucht, habe der Superintendent keine Einwände erhoben und präsentiere den Kandidaten nun dem Konsistorium, um dessen endgültige und ausschlaggebende Bewilligung zu erlangen, damit Beyer in das Schulamt eingeführt werden könne.726 Dasselbe Vorgehen skizzierte der Superintendent von Neustadt a. d. O. am 10. Mai 1595, nachdem der Schulmeister von Ziegenrück, Balthasar Musaldus, sein Amt niedergelegt und Pfarrer und Rat – diesmal unter der Mitwirkung des Schossers – Bartholomäus Mylius zum Nachfolger berufen hatten.727 In einem weiterer Brief vom 7. November 1598 informierte der Langensalzaer Superintendent das Konsistorium über den Tod des nur acht Tage im Amt gewesenen Schulmeisters von Thamsbrück Joachim Walther. Wie ausdrücklich auch bei der Berufung des Verstorbenen haben Pfarrer und Rat gemeinsam Melchior Stangius aus Langensalza berufen und dem Superintendent die Wahl mitgeteilt. Die Bestätigung des Konsistoriums 724 Vgl. exemplarisch EBERHARDT, Bestände (1959), S. 18, 68 f. u. 97; MÜLLER, Bestände (1960), S. 10 f. u. 79–82. 725 Vgl. zum Auswahlprozedere der Kirchen- und Schuldiener unter der Beteiligung des Konsistoriums EKO I/1, S. 375–385. 726 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, I Nr. 2474, unfol. 727 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, I Nr. 2679, fol. 1r.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

sollte die Einsetzung beschließen.728 Auch der Stadtrat von Triptis, der sich 1574 in der geschilderten Weise gegen die neue Kirchenverfassung aufgelehnt hatte, gliederte sich in den folgenden Jahrzehnten den kirchenpolitischen Strukturen unter, bis ein Brief des Stadtrates vom 16. Oktober 1595 das übliche Vorgehen bei der Wahl des Nikolaus Ludwig Brysomannus zum neuen Schulmeister schilderte und um die Bestätigung des Konsistoriums ersuchte.729 Gleichermaßen stand es dem Konsistorium frei, vakante Schulämter mit eigenen Kandidaten zu besetzen. Entsprechende Mitteilungen an die Stadträte wurden zwar stets als Vorschlag formuliert, kamen jedoch einem landesherrlichen Befehl gleich. Der Stadtrat von Eckartsberga versuchte nicht, seinen Unmut zu verheimlichen, als er der Anweisung des Konsistoriums zur Einstellung des auswärtigen Johannes Hummelius als neuen Schulmeister folgte. Am 16. März 1590 willigte er in den Vorschlag ein, „ob wol sonst ettliche burgers kinder dieses Ortts, welche auch forderung benötiget, in Vorschlag gewesen“.730 Es ist wahrscheinlich auf diese Erfahrung zurückzuführen, dass der Stadtrat sechs Jahre später, als er M. Johann Butner zum Nachfolger für Hummelius ausgewählt hatte, in der Mitteilung an das Konsistorium vom 13. Juni 1596 deutlich das Ius vocationis des Stadtrates betonte, um möglicherweise einer neuerlichen Vorschrift zu entgehen.731 In Ranis nahm eine solche Verfügung des Konsistoriums selbst den Vorrang vor den Lehensherren von Brandenstein ein. Am 31. August 1584 teilte der Superintendent von Neustadt a. d. O. dem Konsistorium die Einstellung des Paulus Röhder nach dessen Anweisung mit.732 Auch hier folgten am 7. Dezember 1589 das Bestätigungsgesuch des Superintendenten zu der Wahl des Nachfolgers Johannes Michael durch die Herren von Brandenstein, den Stadtrat und den Pfarrer733 sowie am 12. März 1593 zu der Wahl von Christopherus Barker für dessen Nachfolge.734 Die Vorschläge des Konsistoriums blieben Einzelfälle und wurden nicht zur Gewohnheit. Die umfangreichste und kontinuierlichste Überlieferung liegt aus der Stadt Langensalza vor, wo der Stadtrat und der Pfarrer, der zugleich das Amt des Superintendenten versah, sich in den 1580er und 1590er Jahren in regelmäßiger Folge und immer wieder nach dem gleichmäßigen, von der Kirchenordnung vorgesehenen Prinzip an das Konsistorium wandten.

728 729 730 731 732 733 734

Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, I Nr. 2479, unfol. Vgl. LATh-HStA Weimar, Konsistorialsachen, B 4703, fol. 16r–v u. 17r. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, I Nr. 122, unfol. Vgl. ebd., unfol. Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, I Nr. 2664, fol. 1r. Vgl. ebd., fol. 2r. Vgl. ebd., fol. 3r.

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Tab. 12: Gesuche aus Langensalza beim Konsistorium um die Bestätigung berufener Schuldiener Datum

Absender

16. Mai 1581

Stadtrat und Superintendent in eigenen Briefen735 Stadtrat und Superintendent in eigenen Briefen736

2. April 1583

24. Januar 1588

Superintendent738

24. April 1593

Superintendent739

1. Januar 1595

Superintendent740

7. Februar 1597

Stadtrat und Superintendent in eigenen Briefen743

Vorgänger im Schulamt Schulmeister M. Caspar Sachse (verstorben) Schulmeister M. Johannes Helderus (nach Gotha berufen737) Baccalaureus secundus Johann Nebelung (verstorben) Schuldiener Balthasar Hartmann (nach 24 Jahren Amtsniederlegung aus Altersgründen) Baccalaureus secundus M. Michael Drewisch (Ruf in ein nicht genanntes höheres Amt741) Schulmeister M. Matthias Methius (Ruf in die Grafschaft Gleichen)

Berufener Nachfolger M. Johannes Helderus M. Matthias Methius

M. Michael Drewisch

Christopherus Schmidt

M. Johann Radeck Raktion des Konsistoriums: Übersendung einer schriftlichen Bestätigung, Verzicht auf persönliche Examination742 M. Melchior Tilesius744

735 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, I Nr. 2433, fol. 3r–v u. 4r–5r. 736 Vgl. ebd., fol. 11r–v u. 12r–v. 737 Die Briefe informieren nicht darüber, doch trat Helderus in Gotha abermals das Amt des Schulmeisters an. 1593 tritt er als solcher in Erscheinung, vgl. Parvvs Catechismvs pro juventute scholae Gothanae, fol. A5v. 738 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, I Nr. 2435, unfol. 739 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, I Nr. 2436, fol. 1r–v. 740 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, I Nr. 2435, unfol. 741 Eine Notiz aus dem Jahr 1597 informiert, dass er Kastenvormund und somit Mitglied des Stadtrates wurde, vgl. StA Langensalza, KS & A V, Nr. 17, unfol. 742 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, I Nr. 2433, fol. 1r. 743 Vgl. ebd., fol. 14r–v u. 15r–16r. 744 Tilesius war zuvor Schuldiener in Mühlhausen. Am 18. Februar 1597 teilte der Stadtrat von Langensalza dem Mühlhäuser die Berufung mit, vgl. StA Mühlhausen, 10/E 5a-d, Nr. 1, fol. 1.1r.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

3. Oktober 1597

Superintendent745

Kantor

19. Januar 1598

Superintendent und Stadtrat in einem gemeinsamen Brief746

Schulmeister M. Melchior Tilesius (Ruf ins Diakonat)

Markus Brettschneider, Sohn des Superintendenten M. Victorinus Winsheim

Obwohl durch die Folge dieses Briefwechsels die treue Umsetzung des Berufungsverfahrens sowie die Einmütigkeit zwischen Stadtrat und Pfarrer betont wurde, verdeutlichen die Briefe durch eine spezifische Besonderheit, dass sich allmählich eine gewisse Routine einstellte und keine Abweichung, aber auch keine Ablehnung des Konsistoriums zu erwarten war. Um den langwierigen Behördenweg abzukürzen, waren der Stadtrat und der Superintendent verstärkt darum bemüht, von der Pflicht einer Examination des berufenen Kandidaten durch das Konsistorium entbunden zu werden. Im ersten Fall, bei der Berufung Michael Drewischs, argumentierte der Superintendent mit der unnötigen Belastung des Gemeinen Kastens durch die Fahrtkosten von Langensalza nach Leipzig – bei der Berufung seines Nachfolgers Johann Radeck diente die damalige Bitte bereits als Präzedenzfall. Hier ist erstmals die Berücksichtigung der Bitte und eine schriftliche Konfirmation der Berufung überliefert. Im dritten Fall, bei der Berufung des Markus Brettschneider, führte der Superintendent – dessen Vater – die Pest, die eine Reise unnötig riskant mache, als Argument an. Der damit vorhandene Schriftverkehr ist wahrscheinlich auch der Überlieferung geschuldet. Nicht immer ist diese so gut wie im Fall von Langensalza. Trotzdem kann, angesichts der in den Briefen ersichtlichen Regelmäßigkeit, angenommen werden, dass ein ähnlicher Briefwechsel auch mit anderen Städten erfolgte, wie es die obrigkeitlichen Vorschriften vorsahen. Dies betrifft nicht allein die Städte des albertinischen Kurfürstentums. Auch der Superintendent von Jena informierte am 13. November 1598 das Weimarer Konsistorium über die oben skizzierte Absetzung des jahrzehntelangen Schuldieners Georg Meltzer sowie über die Berufung von dessen Nachfolger Christoph Kellner. Das Konsistorium scheint hier nicht viel Zeit in die Begutachtung des Kandidaten investiert zu haben. Die Bestätigung datiert bereits auf den 14. November.747 Eine tatsächliche Examination der Kandidaten wird selten so deutlich, wie in den Langensalzaer Fällen, in denen darauf verzichtet wurde. Nur wenige Hinweise deuten darauf hin. So wurde Caspar Sturmius, genannt Steten, der Bewerber um das Kantorat seiner Heimatstadt Eisenberg, dem Konsistorium am 10. Mai 1587 745 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, I Nr. 2435, unfol. 746 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, I Nr. 2433, fol. 17r–v. 747 Vgl. StA Jena, B XVIIa-2, fol. 17r u. 18r.

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präsentiert.748 Drei Tage später erhielt der Stadtrat die Erlaubnis, Sturmius einzustellen, obgleich er „Im Examine nicht dermassen wie wir verhoffet, bestanden“.749 Zu Konflikten führte die Konsistorialverfassung selten. Eine Auseinandersetzung in Treffurt war nicht mit der Verfassung an sich, sondern mit der gleichzeitigen politischen Zugehörigkeit zu Hessen und Kursachsen verbunden. Nachdem 1597 der Schulmeister Johannes Wiedener ins Pfarramt von Kleinvargula berufen worden war, hatten Stadtrat und Pfarrer den erst 20-jährigen Sohn des Pfarrers, Theodericus Sommer, zum Nachfolger gewählt.750 Entsprechend des üblichen Vorgehens wurde er zur Examination an das Leipziger Konsistorium geschickt. Noch vor seiner Rückkehr erstattete jedoch der hessische Amtmann dem Konsistorium von Eschwege Bericht über die vermeintliche Missachtung hessischer Rechte. Das Konsistorium untersagte daraufhin kurzerhand die Einsetzung Sommers. Von Pfarrer und Rat hinzugezogen, ersuchte der Superintendent von Langensalza am 26. Januar 1598 beim Kurfürsten um die Beilegung der Auseinandersetzung. 751 Als Antwort übersandte das Leipziger Konsistorium der Stadt einen Auszug aus der Konsistorialordnung, in der die Stadt tatsächlich dem sächsischen Konsistorium unterstellt wurde, schlug für die Zukunft jedoch den Kompromiss einer gleichzeitigen Präsentation der Schuldiener an beide Konsistorien vor.752 Der Konflikt ging in diesem Fall nicht von der Stadt aus. Stadtrat und Pfarrer hielten sich in ihrem Vorgehen an die Vorschrift und verstießen nicht gegen die Kirchenordnung. Es ist somit nur ein Fall bekannt, in der die obrigkeitlich vorgeschriebene Schulverfassung selbst – namentlich die Installierung des Superintendenten und des Konsistoriums über die städtischen Belange – sowie die damit einhergehende Beschneidung städtischer, bis in die vorreformatorische Zeit zurückreichender Rechte auf ernsthafte Ablehnung stieß. Bereits mehrfach ist auf die überaus selbstbewusste und autoritäre Haltung des Stadtrates von Schmölln hingewiesen worden. Sie prägte bereits den Briefwechsel der 1520er Jahre, als der Rat versuchte, dem Pfarrer Teile seiner überreichlichen Einkünfte zu entziehen, und scheint die städtische Politik über das Jahrhundert hinweg geprägt zu haben. Möglicherweise ist auch schon die im vorreformatorischen Zusammenhang betonte Deutlichkeit der Urkunde des bischöflichen Offizials von 1487 über die schulischen Patronatsrechte auf eine entsprechende Schilderung der Umstände durch den Stadtrat zurückzuführen. Ihren Höhepunkt er748 Vgl. StA Eisenberg, XI/I/1, fol. 34r–v. 749 Ebd., fol. 37r. 750 Vgl. zu seiner Einstellung und Altersangabe anhand des Visitationsprotokolls von 1598/99 LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 4, fol. 464v–465r. Vgl. auch RUNZHEIMER, Schulwesen (1997), S. 3. 751 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, E 52 (Treffurt), B, XI, Nr. 2, fol. 1r–2r. 752 Vgl. ebd., fol. 3r.

730

II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

reichte die Haltung des Rates zu Beginn des 17. Jahrhunderts, als er sich dem Konsistorium gegenüber ausdrücklich jeglichem obrigkeitlichen Einfluss entzog. Aus unbekanntem Anlass war der Stadtrat bald nach 1613 vom Konsistorium aufgefordert worden, über die kirchlichen und schulischen Patronatsverhältnisse zu informieren. Der Rat antwortete mit der Erstellung eines umfangreichen, kommentierten Konvoluts aus Urkundenabschriften, das bis ins Jahr 1504 zurückreicht und das Konsistorium von den umfassenden Patronatsrechten des Stadtrates überzeugen sollte. Die Urkunde von 1487 über das schulische Patronat ist – obgleich sie bis heute im Original überliefert ist – unter den Abschriften nicht enthalten, doch bezog der Rat die Schule in seine Ausführungen mit ein. Dabei konstatierte er grundsätzlich und unmissverständlich, „das vber menschenn gedencken der Rath zu Schmöllen vber die Kirche vndt Schulen das Ius patronat[us] incluso iure praesentandi & nominandi gehabt vndt noch habe“. Obgleich er sich dabei auf die vorreformatorischen Urkunden bezog, legte der Rat seine Behauptung anhand der personellen Entwicklung der letzten vier Jahrzehnte dar, für die er wiederholte, dass ihm „die freyheit zugestandenn, das der selbige vngehindert der hohen Landes Obrigkeit Kirchen vndt Schuldiener nominiren praesentiren vndt vociren mögen“. 753 Zur Verdeutlichung verwies er auf den Pfarrer M. Georg Hauenschild, der ohne den Einfluss eines Herzogs oder Konsistoriums vom Stadtrat eingesetzt worden sei. Er hatte das Pfarramt im April 1578 angetreten.754 Ihm folgte 1597 unter denselben Bedingungen M. Erhard Kobold nach. Unter den Schulmeistern wird an erster Stelle Matthias Hausmann angeführt, der durch einen Schmöllner Bürger eigens „vff beuhel des Raths zu Schmöllen von Prage auß sey zue dem vorledigten Schuldienste nach Schmölln geholet worden“.755 Er trat erst 1601 die Nachfolge des nur kurzzeitigen und jung verstorbenen Schulmeisters Johann Förster an, auf den der genannte Pfarrer Erhard Kobold die Leichenpredigt hielt.756 Bereits 1604 wurde er ohne Zutun der landesherrlichen Obrigkeit ins Diakonat berufen und galt dem Stadtrat als Verkörperung der städtischen Patronatsrechte über Schule und Kirche, da er in beiden Institutionen gedient hatte. Sein Nachfolger im Schulamt wurde M. Jakob Greller, der abermals „durch den Rath Zu Schmölln vndt niemandt anders der gemeine vndt

753 Für beide Zitate LATh-StA Altenburg, Ministerium zu Altenburg, Abt. für Kultusangelegenheiten, Nr. 1985, unfol. 754 Vgl. anhand des Visitationsprotokolls von 1578 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 61, fol. 416r u. 419r. Bereits im Vorjahr wurde den Visitatoren gegenüber jedoch ein gleichnamiger Schmöllner Schüler – wahrscheinlich dessen Sohn – als talentiert und förderungswürdig hervorgehoben, vgl. ebd., Reg Ii 58, fol. 385v. 755 LATh-StA Altenburg, Ministerium zu Altenburg, Abt. für Kultusangelegenheiten, Nr. 1985, unfol. 756 Vgl. KOBOLD, Der trostreiche Spruch. Vgl. auch LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen II (1887), S. 50.

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dem Consistorio praesentirt vndt darauff vocirt confirmirt vnndt an genommen worden“757 sei. Auch er wurde 1613 Diakon in der Nachfolge Hausmanns – neuer und offenbar noch aktueller Schulmeister wurde Elias Schade.758 Bezüglich der Berufungen der Schulmeister ins Diakonat gestand der Stadtrat lediglich dem Pfarrer, der allerdings ebenfalls unter seiner Verfügungsgewalt stand, ein Mitspracherecht zu. Jede höhere Einflussnahme wurde durch den Stadtrat abgelehnt. Eine Reaktion des Konsistoriums auf die Selbstbehauptung des Schmöllner Stadtrates ist bislang nicht bekannt. Es konnte nicht ermittelt werden, ob der Stadtrat in seinen Rechten belassen oder ob er wie andere Städte unter die Kirchen- und Konsistorialordnung der Herrschaft gestellt wurde.

6.5.3. Von der geistlichen zur städtischen Schulaufsicht – Das Amt der Schulherren Die Reformation führte nicht allein auf territorialer Ebene zu einer Neustrukturierung bzw. erst zur Begründung einer schulischen Verfassung. Auch innerhalb der Städte kam es zur Verstärkung und Intensivierung der Schulverwaltung durch die städtische Obrigkeit und unter dem Einfluss der Geistlichen. Über die geänderten Patronatsverhältnisse hinaus wurde die Schule deutlich stärker in das gesellschaftliche und politische Gefüge der Stadt eingeflochten. Dies findet nicht nur in dem deutlich vermehrten Schriftverkehr der städtischen Verwaltung über schulische Belange seinen Niederschlag, sondern auch in der zunehmenden Teilnahme der Ratspersonen an schulischen Ereignissen wie Prüfungen oder Aufführungen, die in den meisten Städten zu einem regelmäßigen gesellschaftlichen Ereignis wurden. Die Integration des Schulwesens in die städtische Administration, aber auch die seit Luthers frühen Äußerungen immer wieder betonte Aufgabe der Schulen für Kirche und Welt, hatten die Notwendigkeit einer verstärkten Aufsicht der städtischen Obrigkeit über die Schulen der Stadt zur Folge. Innerhalb der städtischen Beamtenschaft kristallisierte sich zu diesem Ziel ab den 1540er Jahren ein neues Amt heraus, das zunächst in der Hand eines Geistlichen lag, allmählich jedoch auf Mitglieder des Stadtrates übertragen wurde. Die Etablierung des bereits im zeitgenössischen Sprachgebrauch sogenannten Schulherrenamtes, aber auch die Probleme, auf die seine geforderte Einführung stieß, ist in den Zusammenhängen der oben betrachteten Städte bereits erwähnt

757 LATh-StA Altenburg, Ministerium zu Altenburg, Abt. für Kultusangelegenheiten, Nr. 1985, unfol. 758 Da er bis 1618 diente, kann das Schreiben des Rates auf die Jahre 1613–18 datiert werden. Vgl. zu den Amtsdaten Schades LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen II (1887), S. 50.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

worden. Seine Herausbildung soll im Folgenden im gesamtthüringischen Vergleich genauer betrachtet werden. Das Amt eines städtisch verordneten Aufsehers über die Schulen scheint es in vorreformatorischer Zeit nicht gegeben zu haben. Es soll jedoch eine singuläre Erwähnung aus einer einzelnen spätmittelalterliche Urkunde nicht unerwähnt bleiben, obgleich ihre Aussage bislang nicht geklärt werden kann. Bereits 1425 wird in Jena ein Altarmeister der Pfarrkirche namens Engelhardt erwähnt und mit dem Wort ‚Schulmann‘ belegt, bei dem es sich offenbar um eine Amtsbezeichnung oder zumindest eine offizielle Funktion handelte.759 Eine zweite Urkunde von 1426 nennt ihn zwar noch als Altarmeister bei seinem vollen Namen Engelhardt Phulmann, wiederholt jedoch nicht die rätselhafte Bezeichnung eines Schulmannes.760 Herausragend für die vorreformatorischen Verhältnisse ist hingegen die Anordnung der Jenaer Schulordnung, dass der Stadtrat auf das Verhalten der Schüler Einfluss zu nehmen und Fehlverhalten gegebenenfalls mit Haftstrafen zu ahnden habe (Kap. I. 4.1.4.). Ob und wie dieser Artikel umgesetzt wurde, bleibt unbekannt, doch kam es zu keiner überlieferten Etablierung entsprechender personeller Strukturen. Sie sind erst eine Folge der Reformation und als solche zweifellos ein signifikantes Charakteristikum des reformatorischen Schulwesens. Den Pfarrern kam von Amts wegen eine verbindliche Aufsichtspflicht über die Schulen zu, waren doch auch die Schuldiener im weitesten Sinne Diener der Kirche und den Weisungen des Pfarrers unterstellt. Diese Pflicht wurde zu keiner Zeit in Frage gestellt, höchstens die Art ihrer Ausführung oder die Schärfe der erteilten Maßgaben kritisiert. Häufig tritt diese Funktion in Visitationsprotokollen in Erscheinung, wenn ein Pfarrer sich dessen rühmte, seinen Fleiß in den Vordergrund stellte, seine Teilnahme an den schulischen Prüfungen betonte oder aber, wenn sie einem Pfarrer erneut ins Bewusstsein gerufen werden musste, wie beispielsweise 1545 in Gera,761 1569 in Rastenberg762 oder 1575 in Clingen.763 Als der Stadtrat von Wasungen 1591 den oben erwähnten zweiten Versuch zur Einsparung des Diakonats unternahm, argumentierte der Pfarrer dagegen, dass alle Geistlichen auch Aufseher der Schule und somit notwendig für die Stadt seien.764 759 Vgl. UB Jena II, Nr. 118, S. 63. 760 Vgl. ebd., Nr. 128, S. 66. 761 Der Pfarrer sollte zweimal wöchentlich die Schule visitieren, um zu „sehenn vnnd horn, welcher massen, der schulmeister vnnd seine gehulffen, die jugent lernen“, vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1846, fol. 3v. 762 Auf die Bitte des Rates wurde der Pfarrer zu monatlichen Schulvisitationen angehalten, vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 55, fol. 47v. 763 Dem Pfarrer wurde aufgetragen, er möge „hinfurd auf die Schuel mit achtung geb[en]“, vgl. LATh-StA Rudolstadt, Konsistorium Sondershausen, Nr. 108, fol. 44r. 764 Vgl. KUNZE, Johann Steurlein (2014), S. 356.

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Tatsächlich waren es neben den Pfarrern zunächst die Diakone, denen eine eingehendere und nicht allein auf das geistliche Amt zurückzuführende Pflicht zur Überwachung der schulischen Entwicklung überantwortet wurde. In den frühesten überlieferten Fällen betraf dies einstige Schulmeister, deren Dienst sich als fruchtbar erwiesen hatte, sodass man ihren Einfluss auch über den Eintritt ins geistliche Amt hinaus bewahren wollte. Bereits der erste bekannte Fall illustriert dabei den offiziellen Charakter der Einrichtung, indem der Saalfelder Schulmeister Sebastian Werner seinen eigenen Vorgänger Stephan Reich 1543 als einen ‚über die Schule verordneten Superattendenten‘ bezeichnete. Welche Aufgaben mit diesem Amt verbunden waren, ist oben geschildert worden. Ein deutlich besser dokumentiertes Beispiel bietet die Aktivität des Bartholomäus Rosinus in Eisenach, nachdem er 1551 aus dem Schulamt ins Diakonat berufen wurde.765 Rosinus war der erste Schulmeister der 1544 ins Predigerkloster verlegten Schule. Sie nahm unter seiner Leitung den erhofften Aufschwung. Eine regelrechte Übertragung des Inspektionsamtes nach seiner Berufung ins Diakonat ist nicht überliefert, doch wurde ihm 1553 dafür selbst die Anerkennung des Herzogs zuteil. Rosinus habe sich, so seine Worte, „zu eynem vffseher Inn der Schul bey euch gutweillig […] gebrauchen“766 lassen und dafür eine Honorierung in Form einer Zulage von 20 fl verdient. Zwei Jahre später bestätigte der Stadtrat die Zahlung der Zulage – „vonn der Inspection der schuel“767 – in dem Bericht an die Herzöge. Anders als Stephan Reich tritt er aktiv in seinem Amt in Erscheinung, als er sich 1557 zusammen mit dem Superintendenten Johann Weiß beim Stadtrat für den Erhalt des Schulgartens zugunsten des Schulmeisters Andreas Boetius einsetzte. Der Superintendent und sein Nachfolger im Schulamt bezeichneten ihn dabei als „inspector scholae“.768 Der Eisenacher Entwicklung kam die Ernennung des Weimarer Diakons Caspar Müller zum Schulinspektor noch zuvor. 769 Der Weimarer Fall unterscheidet sich jedoch von den beiden genannten, da Müller zuvor nicht als Schulmeister gewirkt hatte770 und seine Tätigkeit, deren Beginn genau festgelegt werden kann, bei den Schuldienern auf scharfe Ablehnung stieß. Am 21. April 765 Zu Rosinus und seiner Schulaufsichtsfunktion vgl. FUNKHÄNEL, Beiträge III (1854), S. 3 f.; HERRMANN, Bartholomäus Rosinus (1937), S. 34; DERS., Bartholomäus Rosfeld (1952), S. 212 f.; GEHRT, Anfänge (2013), S. 15; DERS., Bartholomäus Rosinus (2014), S. 167; DERS., Alte Bilder (2016), S. 186 f. 766 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2404, fol. 1r. 767 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2516, fol. 7r. 768 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2659, fol. 1v/5r, Zitat fol. 5r. Vgl. zu dem versuchten Entzug des Gartens auch FUNKHÄNEL, Actenstücke (1857), S. 213. 769 Vgl. auch HERRMANN, Bartholomäus Rosinus (1937), S. 34. 770 Der Schulmeister äußerte später über ihn, dass er „kein profession in der schul furgenohmen“ habe, vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2210, fol. 3r.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

1548 wurde durch die Herzöge Johann Friedrich den Mittleren und Johann Wilhelm ein öffentliches Schreiben ausgestellt, in dem alle Geistlichen und insbesondere die Superintendenten nachdrücklich an ihre Inspektions- und eine damit verbundene Mitteilungspflicht erinnert wurden. Ob dem ein bestimmter Anlass vorausging, ist unbekannt, doch schließt sich der allgemeinen Anordnung eine Ergänzung zu den Weimarer Verhältnissen an. Aus Altersgründen solle der hiesige Superintendent Johann Grau seiner Aufsichtspflicht enthoben und stattdessen der Diakon Caspar Müller als Schulinspektor herangezogen werden. Die damit verbundenen Aufgaben wurden mit den folgenden Worten umrissen: […] das er hinfüro Inn der schulen aus vnd eingehe, vnd allenthalben domit nichts verseumet, sondern das Ienige, so der Iugent, zu vffnemung Ihres studiumbs gereichen mag, furgenomen werde, einsehung thun solle, wie wir euch dann auch selbs fur euer person solchs hiemit wollen beuolen haben. Doneben auch wollet mit dem Rath reden, wo Inn der schule bei den schuldienern odder sonst etwas zu verschaffen, von nöten furfallen wollte, das sie es Ihres theils doran auch nicht sollten mangeln lassen, vff das allenthalben der Iugent nuz vnd wolfart gefurdert werden muge.771

Die erste Reaktion auf die Installierung des Inspektors findet sich in einem Brief des Schulmeisters Georg Walter vom 13. August 1549 an die Herzöge.772 Er illustriert bereits das Zerwürfnis, zudem es offenbar schnell nach Müllers Einsetzung gekommen war. Nach 24-jähriger erfolgreicher Amtszeit schrieb Walter es Müllers Tätigkeit zu, dass der Spott der Bürger über ihn komme und unberechtigte Vorwürfe über seine Amtsführung vor den Rat gebracht werden. Der Inspektor habe dem Stadtrat gegenüber die mangelnde Gelehrsamkeit des Schulmeisters kritisiert und zu dessen Amtsenthebung gedrängt, obwohl er nicht die Autorität, über seine Amtsführung zu urteilen, habe. Er sei nie Schuldiener gewesen und bei seinen Schulinspektionen von Schülern in seinen eigenen Grammatikfehlern berichtigt worden. Eine tatsächliche Amtsenthebung Walters im September 1549 konnte durch eine Intervention des Herzogs rückgängig gemacht werden. Sein bereits berufener Nachfolger M. Jodocus Löscher wurde in ein neugeschaffenes zusätzliches Schulamt eingesetzt.773 Da Müller seine Schulaufsicht fortführte, kam es zu weiteren Auseinandersetzungen, die letztlich in ein umfangreiches und mit mehreren Beilagen versehenes Beschwerdeschreiben Caspar Müllers vom 19. August 1551 an den Herzog 771 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg O 548, fol. 3r–v 772 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2210, fol. 1r–3v. 773 Vgl. StA Weimar, HA, I-1-47, fol. 149v (Verzeichnung der Neubesetzung des Schulamtes im Stadtbuch, mit einer Randnotiz, dass sie nicht umgesetzt wurde.); LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2210, fol. 6r (Einsetzung Löschers); ebd. fol. 9r–10r (Information an den Herzog vom 19. März 1550, dass Walter im Amt bleibe, verbunden mit einer Bitte um eine Zulage für das neugeschaffene Amt).

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mündeten.774 Trotz seines beteuerten Fleißes stoße er bei den Schuldienern auf Widerwillen, sie würden jedes Gespräch verweigern und jeden Kontaktversuch mit polemischen und schmähenden Worten zurückweisen. Der Schulgeselle Anthonius Krumpfus habe es fast mutwillig nicht nur auf seine Schädigung, sondern auch auf die Entzweiung der Schuldienerschaft abgesehen. Schon habe Jodocus Löscher – der einst vorgesehene Nachfolger des Schulmeisters Georg Walter – sein eigens geschaffenes Schulamt wieder niedergelegt, obwohl er der Jugend sehr nützlich hätte sein können.775 In einem beigelegten Verteidigungsschreiben bezog Müller nun gegen die über ihn erhobenen Klagen Stellung und zog seinerseits über die Schuldiener her, wobei er sich mitunter auf kindischtrotzige Weise in naive und unfreiwillig komische Vorwürfe verstrickte. 776 Ernstzunehmende Urteile über die Unterrichtstätigkeit der Schuldiener betrafen die langsame Unterrichtsweise, welche die Kinder zu lange an einem Gegenstand festhielte, und den mangelnden Anspruch der Examina.777 Mit dem Argument, dass die Angriffe gegen ihn gleichermaßen gegen die Herzöge gerichtete seien, drängte er diese, gegen die Schuldiener einzuschreiten. Es sei bereits so weit, dass er selbst den Eltern rate, „das sie Ire Kinder bei Zeit von dannen Inn eine bessere schul thun sollen“.778 Seinen eigenen Bruder habe er nach Neustadt a. d. O. geschickt. 774 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg O 548, fol. 1r–2r. Bei den Beilagen handelt es sich um Abschriften seiner Einsetzungsurkunde (fol. 3r–v) und eines nach seinen Worten wohlmeinenden Schreibens an die Schuldiener sowie deren schmähliche Antwort (fol. 4r– v) und ein Verteidgungs- und Rechtfertigungsschreiben Müllers (fol. 6r–8v). 775 Obwohl der Herzog sich noch im selben Jahr für die Neubesetzung dieser vierten Schuldienerstelle einsetzte (vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2304, fol. 1r), wurde sie erst im Juni 1552 mit Wolfgang Wonne neu besetzt (vgl. ebd., fol. 2r–3r) und 1554 durch ein Kostgeld aus dem Amt endgültig fundiert (vgl. ebd., Reg Ii 2454, fol. 1r). Wonne blieb im Amt bis er 1559 gefangen gesetzt wurde. Er hatte, so der Bericht des Rates, der Tochter eines Bürgers mehrfach ins Gesicht geschlagen, da sie bei einem Tanz dem Apotheker den Vorzug vor ihm gegeben habe. Am 30. Januar 1559 setzte sich der herzogliche Kanzler zwar für seine Befreiung, aber auch für seine Amtsenthebung ein, vgl. StA Weimar, HA, I-27-53, unfol. Vier Jahre später trat sein gleichnamiger Sohn ein Weimarer Schulamt an, vgl. ebd. 776 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg O 548, fol. 6r–8v. So schildert er beispielsweise ausführlich, dass Krumpfus ihn als Fuchs beschimpft, das Wesen des Fuchses dabei jedoch völlig verkannt habe. Ein Fuchs sei listig und schmeichlerisch, die Beschimpfung somit eher ein Kompliment. Die bessere Beleidigung hätte er mit der Bezeichnung des Löwen, Wolfs oder eines Tyrannen erzielt. 777 Dem Schulmeister legte Müller die folgenden Worte an einen Schüler in den Mund: „du verstehst diesen ort in Epistolis Ciceronis, darinn ich dich heut examinirt hab, ziemlich wol, Gehe heim, vnd schick dich drauff, nach mittag wirdt doctor .N. hirein komen, so will ich dich das widerumb frag[en], was ich dich izundt gefragt habe, So werden die leut gedenken, Bhei got, wie ein vleis ist inn den leuten“, vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg O 548, fol. 8r. 778 Ebd., fol. 8v.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

Das Amt des Weimarer Schulinspektors war gescheitert. Es ist nicht bekannt, wie es sich nach 1551 weiter entwickelte. Der Superintendent Johann Grau trat 1559 in den Ruhestand. Sein Nachfolger wurde der vormalige Eisenacher Diakon und dortiger Schulinspektor Bartholomäus Rosinus.779 Es kann vermutet werden, dass die Funktion der Schulaufsicht nun wieder dem Superintendent selbst übertragen wurde. In derselben Zeit traten bereits die ersten Schulinspektoren aus den Kreisen der Stadträte hervor, deren Funktion in der zweiten Jahrhunderthälfte offiziell mit der Bezeichnung eines ‚Schulherrn‘ belegt wurde. Der früheste bekannte Fall eines städtischen Schulverordneten findet sich um 1548 in Themar. Er geht aus dem Brief des hennebergischen Superintendenten Bartholomäus Wohlfahrt vom 6. Dezember 1550 über das Zerwürfnis mit dem Stadtrat anlässlich der Berufung des M. Jakob Banz zum Schulmeister hervor. Nach seiner Schilderung sei der langjährige Schulmeister Sebastian Hase 1548 zum Stadtschreiber berufen worden. Seine Nachfolge trat Johann Keyser an. Der Graf Georg Ernst habe zugunsten des Bürgerssohnes Keyser gegen die gleichzeitige Bewerbung des Kantors entschieden, obwohl Wohlfahrt sich gegen ihn ausgesprochen hatte. Aufgrund seiner Bedenken wurde dem Stadtschreiber – auch hier also dem vormaligen Schulmeister – die Aufsicht über die Amtsführung seines Nachfolgers übertragen. Gemeinsam mit dem Pfarrer solle er „fleyßig auffsehens haben, vnd do mangel erscheynen wurde, die schuldiener ernstig darumb straffen“. Der Superintendent betrachtete diese Einrichtung aus der Rückschau als gescheitert, da er von der baldigen Absetzung Keysers und der Berufung Banz’ überrascht worden sei, obwohl „weder Pfarher noch Stadtschreyber, noch Rath ie eyn eyniges wortleyn weder groß noch kleyne geklagt oder angezeyget“ haben.780 Obwohl das städtische Aufsichtsamt nicht die Zustimmung des Superintendenten fand, machte die hennebergische Visitation von 1555 unter seinem Nachfolger Christoph Fischer den Anfang der obrigkeitlich verordneten und weiträumigen Etablierung städtischer Schulherren. In Themar, 781 Schmalkalden782 und Schleusingen783 wurde die Auswahl von jeweils zwei Ratsmitgliedern und deren Einsetzung „zu auffsehernn d[er] schuel“784 angeordnet. In Schleusingen 779 780 781 782

Vgl. HERRMANN, Bartholomäus Rosfeld (1952), S. 215. Vgl. LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. IV, Nr. 236, fol. 96r–97v, beide Zitate fol. 96r–v. Vgl. LATh-StA Meinigen, GHA, Sect. IV Nr. 399, fol. 30v. „Domit man aber vleißig auff der Schuldiener vleyß achtung gebe. Soll ein Erbar Rath zweyhen Ratspersonen beuehlen, das sie alle Monat ein mall mit den pfarrherrn, in die Knaben vnnd Jungkfrawe schule gehenn, der diener vleiß vnd der kinder auffnemen zw besichtigen, vnnd Ime fahll, do die diener nachleßig, sie ernstlich darob zw reden sezen.“, vgl. LATh-StA Meinigen, GHA, Sect. IV Nr. 399, fol. 180v–181r. 783 Vgl. ebd., fol. 341r. 784 Ebd., fol. 30v.

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wurde im selben Zuge der Diakon Valentin Benficht auf seine Bitte hin „der schularbeit“785 enthoben. Das auch hier bereits praktizierte Aufseheramt wurde bewusst von dem Geistlichen auf das Ratsherrengremium übertragen. Im selben Jahr fand die gleiche Verordnung Eingang in die Instruktion und Erlässe der albertinischen Visitation und 1557 in die daran anschließenden Generalartikel. Obwohl die ernestinischen Verordnungen dem nicht folgten, machte sich auch in dem Herzogtum zeitgleich das Bedürfnis nach der Einsetzung städtischer Schulherren bemerkbar. Den Anfang machte die Stadt Magdala. Hier klagte der Schulmeister Johann Unrein, als er sich 1558 gegen unberechtigte Vorwürfe des Pfarrers verteidigte, dass dieser die Examina in keiner rechten Ordnung vornehme. Durch eine hinzugezogene Ratsperson, so Unreins Urteil, könne sein Vorgehen besser kontrolliert und in geordnete Bahnen gelenkt werden.786 Ähnliche Anlässe führten andernorts zu derselben Forderung und etablierten das städtische Schulherrenamt schließlich weiträumig selbst in den kleineren Städten. So forderte der Pfarrer von Buttelstedt 1569 in einem Schreiben an die Visitatoren, sie mögen „dem Rath […] befhelen, das Ihars eins oder zwie, dem pfarrer etwa zwo personen zu zuordnen, ein examen zu halten“.787 Die Umsetzung der Forderung findet sich im Visitationsprotokoll verzeichnet.788 Dem folgte in Buttstädt im Juli 1585 der Schulmeister M. Jonas Traubolth.789 Vom Pfarrer wegen vermeintlichen Unfleißes beschuldigt, ersuchte er beim Stadtrat, „schulhern neben dem pastor zuordnen, die zu weilen in die schule kommen, vndt mit zu sehen“.790 Auch hier findet sich sogleich die Umsetzung in der Bekundung des guten Willens durch den Stadtrat bestätigt. Das folgende Jahr war in Buttstädt jedoch geprägt von heftigen Auseinandersetzungen über die mangenden Leistungen und das Fehlverhalten des Schulmeisters, bis dieser im Oktober 1586 nach Zimmern ins Pfarramt berufen wurde und der Stadtrat M. Stefan Drefurt zum neuen Schulmeister berief.791 Letztlich wurde das Amt auch in Weimar wieder eingerichtet. Hier bildeten die Klagen der Bürger über die Schuldiener einen Anlass, den Stadtrat 1570 als

785 786 787 788 789

Ebd., fol. 335r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ll 552, fol. 2r–3r. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 55, fol. 106v. Ebd., fol. 95r. Die erste Erwähnung eines „ludi nostri inspectore“ in Buttstädt im Jahr 1565 betraf mit M. Antonius Otto noch einen Geistlichen, vermutlich den Pfarrer selbst, vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 55, fol. 46r. 790 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 66, fol. 11r. 791 Vgl. zu seiner Berufung und den damit einhergehenden Problemen LATh-HStA Weimar, Konsitorialsachen, B 4451a, fol. 2r–3v.

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Vermittler zwischen den Parteien hinzuzuziehen. 792 Um eine entsprechende Verordnung gebeten, legten die Visitatoren fest, die Bürger mögen hinfort ihre Klagen nicht mehr vor den Rat, den Bürgermeister oder den Stadtvogt, „Sondern vor die Inspectores scholae“ bringen – „[d]ie sollen vndt werden den beclagten schuldienern vor sich zu vorhor erfordern vndt darynnen richter sein“.793 In weiteren Städten tritt die Funktion der Ratsherren um dieselbe Zeit bereits als gängige Praxis in Erscheinung. In Treffurt erhielt ein Jörg Kolberg 1574 aus dem Gemeinen Kasten ein Trankgeld von 5 Schneeberger Groschen, „das ehr Inn der schull hatt zugesehenn“.794 Im darauffolgenden Jahr 1575 wurden in Sondershausen Schulherren aus aktuellem Anlass aktiv. Sie traten, nachdem Wilhelm I. von Schwarzburg-Frankenhausen den Schuldienern nach der Landesteilung von 1571 Zinsen aus dem in seine Herrschaft fallenden Dorf Rottleben entziehen wollte, für die Schuldiener und die Fortsetzung der Zinszahlungen ein.795 Als Wilhelm zehn Jahre später dieselben Ambitionen auch über die Mädchenschule von Sondershausen hegte, treten die abermals hinzugezogenen Schulherren selbst namentlich hervor. Es handelte sich um die Ratsherren und Kircheneinnehmer Johann Emell und Christoph Wolff.796 In Triptis wurde 1581 den Visitatoren gegenüber die Schulherrenfunktion des Kämmerers betont797 und 1593 setzte ein sogenannte ‚Ludiinspektor‘ seine Unterschrift unter die in diesem Jahr ausgearbeitete Schulordnung von Jena.798 Letztlich ist im Jahr 1600 auch in Langensalza bezüglich der Examina die Rede von den „dazu verodneten Ratspersonen“.799 Wie bereits für Saalfeld konstatiert, war das Amt nicht immer in der erwarteten Form von Erfolg gekrönt. Auch in Wasungen wurde 1574 die Amtsführung bemängelt – „Schulherrn sindt gesezt word[en], aber fast nachlessigk vnd schir ab-

792 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 55, fol. 3r. Der entsprechende Antrag der Schuldiener ist abgedruckt bei HEILAND, Geschichts des Gymnasiums (1859), S. 19 und nochmals bei FRANCKE, Gymnasium (1916), S. 7. 793 Für beide Zitate LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 55, fol. 657. 794 LASA, Standort Wernigerode, E 52 (Treffurt), B, XI, Nr. 1 (1574), unfol. Kolberg kann den Kreisen des Rates zugeordnet werden, da er im darauffolgenden Jahr als Kastenmeister diente. 795 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Frankenhausen, Nr. 5, unfol. 796 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Frankenhausen, Nr. 62, unfol. Lenk spricht hingegen davon, dass erst 1649 ein sogenannten Scholarchengremium eingerichtet worden sei, vgl. LENK, Gymnasium (1999), S. 18. Die von ihm konstatierte Inspektion des obersten Geistlichen der Stadt widerspricht freilich der Installiertung städtischer Schulherren nicht, blieb doch die geistliche Amtspflicht des Pfarrers weiterhin bestehen. 797 „dem pfarher ist kämerer N. horwegen zu einem Inspector Scholae zugeordnet“, vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 1d, fol. 271v. 798 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 68, fol. 48r. 799 StA Langensalza, R II, 68, fol. 104r.

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gang[en]“.800 In Rudolstadt stieß ihre Aktivität 1575 wie zwei Jahrzehnte zuvor in Weimar auf die Ablehnung der Schuldiener. Die Inspektoren selbst legten ihnen, als sie von den Visitatoren zu ihrem Amt befragt wurden, die schmähenden Worte in den Mund „Ir verdient nichts den[n] Neid vnd haß“.801 Auch war das städtische Schulherrenamt nicht alternativlos, selbst wenn anderweitige Umsetzungen selten sind. In Meiningen war es offenbar noch 1574 mit dem Amt des Diakons verbunden. Als der Stadtrat in diesem Jahr den 1566 ins Amt genommenen Kantor Konrad Rieneck dazu berufen wollte, ersuchte er beim Grafen um eine Zulage für den „Caplan vnd schulverwantt[en]“.802 In Arnstadt wurde schon bald nach den Weimarer Anfängen um 1549 im Zuge einer angestrebten Umstrukturierung der Schule „vor Allenn dingenn“803 die Einstellung eines Schulinspektors gefordert. Als bald darauf, am 16. Juni 1550 M. Konrad Heden das Schulmeisteramt antrat, wurde der Forderung Folge geleistet. Die im Roten Buch verzeichnete Einstellung Hedens erwähnt die „hern p[re]dicanten, denen ein Inspection vnd vffseh[en] der schul bepfolen sein soll“.804 In den folgenden Jahrzehnten entwickelte sich daraus das Amt des sogenannten Hebdomadarius, dessen Funktion in der Arnstädter Kirchenordnung von 1577 umrissen und festgeschrieben wurde.805 Es wurde – wie schon die Herleitung der Bezeichnung aus dem lateinischen hebdomas oder hebdomada nahelegt – einem Diakon für jeweils eine Woche übertragen. Es hatte jener Diakon zu versehen, der am Sonntagnachmittag zuvor die Predigt gehalten hatte. Zu seinen Pflichten gehörten die anfallenden Taufen, Eheschließungen, die Krankenkommunion, Bestattungen, die Sammlung der Kollekte, die Predigt im Hospital und eben die Schulinspektion. Die Schilderung seiner schulischen Funktion entspricht dabei dem üblichen Anliegen, er habe auf den Fleiß der Schüler wie der Schuldiener, die Einhaltung der richtigen Lektionen und den Fortschritt der Kinder zu achten. Die Forderung nach den inzwischen weitverbreiteten städtischen Schulherren wurde daneben erst 1589 vom Superintendenten erhoben. Sie sollten ihn alle zwei Wochen bei seinen Schulinspektionen begleiten „vnd Leges den p[re]ceptoribus v[n]d schulern vorschreiben“.806 Ob der Forderung nachgekommen wurde, bleibt unbekannt, doch wurde sie am 4. November vom Stadtrat diskutiert. Eine Umsetzung kann vermutet werden, fand doch am 15. September 1590 eine allgemeine Begutachtung der schulischen Verhältnisse ohne triftigen Anlass ihren Niederschlag in den Ratsprotokollen. Als 800 801 802 803

LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. IV, Nr. 96, fol. 117r. LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, 2990, fol. 11r. LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. IV, Nr. 120, fol. 252v. LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, Nr. 2869, fol. 2v. Vgl. auch abschriftlich ebd., Hessesche Collectaneen, 2c Nr. 3, fol. 34r. 804 StKrA Arnstadt, 1-032-01, fol. 102r. 805 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, Nr. 2879, fol. 6r u. 4r–v. 806 StKrA Arnstadt, 1-034-05, Bd. 1566–94, unfol.

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Schulmeister diente M. Erasmus Heden, als Konrektor Matthäus Zimmermann, als Kantor der aus Altenburg bekannte Jakob Nandelstedt und als Infimus Markus Jäger. Ein fünftes Schulamt war vakant. Klagen wurden über sie keine vorgebracht, nur mangele es den Kindern an Pietät in der Kirche.807 Die Darlegung zeugt von einer gewissen Routine, die gut eingespielte schulische Verhältnisse unter der sorgfältigen Aufsicht des Stadtrates illustriert.

6.6. Schulordnungen thüringischer Städte in ihrem Entstehungskontext Bereits mehrfach wurden schon die Schulordnungen und Schulgesetze angesprochen, die nach der Reformation vielerorts erlassen worden sind. Sie manifestierten den Abschluss der reformatorischen Entwicklung oder einen seither eingepegelten, praktikablen und zu bewahrenden Zustand und dienten zum Teil den oben dargelegten obrigkeitlichen Schulordnungen für eine gesamte Herrschaft als Grundlage.808 Die Ausarbeitung weitergehender Schulordnungen war nach der Veröffentlichung des Unterrichts der Visitatoren zunächst nicht notwendig. Der Sächsische Schulplan ermöglichte eine Orientierung und die anfängliche Einrichtung der städtischen Schulen nach den vorgegebenen Richtlinien. Obwohl er den Geistlichen und Schuldienern von den Reformatoren und Visitatoren oftmals vorgehalten und nahegelegt wurde, kann seine Umsetzung vor Ort im frühen Stadium der schulischen Konsolidierung nur schwer nachgewiesen werden. Ein einzelner Fall ermöglicht dies für die Stadt Pößneck. Durch einen Überlieferungszufall ist im dortigen Stadtarchiv ein einzelnes Blatt ohne näheren Zusammenhang erhalten geblieben, das ein Exzerpt des Schulabschnittes des Unterrichts der Visitatoren enthält.809 Der Text wurde um die Weitschweifigkeit des Originals, um die theologische Argumentation für ein geregeltes Schulwesen und einige weitergehende Erläuterungen gekürzt und somit auf die wesentlichen Aspekte der Haufen- und der inhaltlichen Unterrichtsorganisation reduziert. Diese Beschränkung auf das Wesentliche lässt einen Gebrauch im alltäglichen Unterricht vermuten. Die Beschaffenheit des Blattes bestärkt den Gedanken. Es zeigt deutliche Gebrauchsspuren, ist mehrfach gefaltet und stark zerschlissen. Eine sichere Identifizierung der Handschrift ist nicht vollends möglich, doch

807 Vgl. ebd., unfol. 808 Nach wie vor maßgeblich ist die umfassende Studie von Hubert Hettwer, vgl. HETTWER, Schulordnungen (1965). 809 Vgl. StA Pößneck, B I 28a, Nr. 2.

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weist sie Ähnlichkeit zu der des Predigers und Pfarrers Andreas Götze auf.810 Der Gedanke liegt nahe, dass er, der von den Visitatoren 1529 für gelehrt befunden wurde,811 das Exzerpt anfertigte und dem Schulmeister – damals Sebastian Börtel – zur Berücksichtigung übergab. Mit der steigenden Schülerzahl und dem steigenden Anspruch der Schulen erwies sich der Sächsische Schulplan jedoch als unzureichend, enthielt er doch nur die Anfänge der schulischen Organisation. Man sah sich in den Städten gezwungen, die Ordnung durch eigene Ergänzungen und individuelle Erweiterungen den Gegebenheiten anzupassen. Der bisherigen Forschung galt in dieser Hinsicht die Eisenacher Schulordnung als der erste bedeutende Entwurf. Tatsächlich sollte sie einige Bedeutung erlangen, doch war sie nicht die erste ihrer Art. Wann genau die Städte mit der Ausarbeitung eigener reformatorischer Schulordnungen begannen, kann nicht festgelegt werden. Mehrfach ist von ‚alten Schulordnungen‘ die Rede, etwa 1545 in Saalfeld, 812 1549 in Arnstadt 813 oder 1551 in Weimar, 814 doch konnte bislang keine dieser frühen Ordnungen in schriftlich fixierter Form ermittelt werden.815 Die früheste sicher nachweisbare Schulordnung stammt somit aus Gotha und datiert auf das Jahr 1549. Sie wurde nur fünf Jahre nach der Gothaer Kirchenordnung erlassen, die das dortige evangelische Kirchenwesen abrundete, und ging offenbar mit einer umfangreicheren Neustrukturierung der Schule einher. Beides ist heute jedoch nicht mehr nachvollziehbar, da die Ordnung nicht erhalten ist. Lediglich findet sich noch ihre Erwähnung im Findbuch des Ernestinischen Gesamtarchives,816 sowie das Lob des Myconius über den damaligen Schulmeister Pankratius Sussenbach und die durch ihn eingeführten Schulverhältnisse. Er habe die Schule als erster „in eine rechte Form und Ordnung [ge]bracht“,817 so schrieb der Superintendent bereits 1542, zwei Jahre nach dessen Einstellung.818 Es kann angenommen werden, dass die im Weimarer Findbuch verzeichnete Ordnung die schriftliche Fixierung der von ihm 810 Der Vergleich wurde anhand seines bereits zitierten Schreibens von 1524 vorgenommen, vgl. StA Pößneck, B I 2, Nr. 4, fol. 23A. 811 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 3, fol. 68v. 812 Vgl. MBW, T 14, Nr. 4024. 813 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, Nr. 2869, fol. 2v; ebd., Hessesche Collectaneen, 2c Nr. 3, fol. 34r. 814 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg O 548, fol. 9v. 815 Die Existenz der von Christian Tschesch vermuteten Saalfelder Schulordnung von 1529 ist zu dieser Zeit hingegen unwahrscheinlich, vgl. TSCHESCH, Reformation (1971), S. 95. 816 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Findbuch Reg Ii fol. 194v. Im Aktenrepertorium des Gothaer Stadtarchivs ist sie nicht enthalten. 817 MYCONIUS, Geschichte der Reformation, S. 49. 818 Zu Sussenbachs Schulamt in Gotha vgl. LEDDERHOSE, Mykonius (1854), S. 115; SCHERFFIG, Friedrich Mekum (1909), S. 135; ANZ, Reformation (1917), S. 129–131; HOLLSTEIN, Gymnasium (1972), S. 100.

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eingeführten Organisation war. Ob und wie der Kurfürst und spätere Herzog Einfluss auf ihre Entstehung nahm, sodass eine Überlieferung im ernestinischen Archiv möglich wurde, oder ob sie dem Hof lediglich zur Kenntnisnahme eingereicht worden war, konnte nicht ermittelt werden. Tatsächlich nahm Johann Friedrich in den 1540er Jahren an den Geschicken der Schulen von Eisenach und Gotha regen Anteil,819 was auch mit deren Förderung einherging. Ebenso weist die Gothaer Kirchenordnung von 1544 einen nicht unerheblichen kurfürstlichen Einfluss auf, doch kann über den Entstehungskontext der Schulordnung nur spekuliert werden. Dasselbe betrifft einen möglichen Zusammenhang mit späteren Ordnungen anderer Städte. In den selben zeitlichen Rahmen fällt die erste Weimarer Schulordnung, die der Diakon und Schulinspektor Caspar Müller nach seinen eigenen Worten zwischen 1548 und 1551 aufstellte, die jedoch ebenfalls nicht ausfindig gemacht werden konnte.820 Sie sei, so rühmte Müller sein Werk, „von etlichen gelarten approbirt“821 und einige Zeit eingehalten, wenig später jedoch wie sein gesamtes Wirken von den Schuldienern abgelehnt worden. Diese würden sie „zureissen vnd verachten“.822 Bereits dieser nicht nur bildlich erhobene Vorwurf, wie auch das Angebot, sie abermals von den Jenaer Professoren auf ihre Tauglichkeit prüfen zu lassen, legt eine schriftliche Ausarbeitung der Ordnung nahe. Die früheste noch im Original überlieferte Schulordnung stammt aus Arnstadt. Hier wurden um 1549 – vermutlich durch die Geistlichen in der Auseinandersetzung mit dem Interim – Rufe „Zu anfenglicher Reformation Inn Schulenn, Kirchenn vnnd Ehe Sachenn“823 laut. Die Arnstädter Schule betreffend findet sich in dem dazu ausgearbeiteten Entwurf nicht nur die oben zitierte Forderung nach Schulinspektoren, sondern auch eine Überprüfung und Modifizierung der Schulordnung. Die aufgeworfenen Aspekte betrafen die Teilnahme der Schüler an den Predigten mit einer anschließenden Befragung im Predigtinhalt, den rechten Katechismusunterricht, die Disziplin in der Schule und auf den Straßen, die Einführung halbjährlicher Examina, das Strafmaß in der Schule, eine bauliche Erweiterung des Schulhauses sowie die Bereitstellung freier Wohnungen für die Schuldiener. Inwieweit die Eingaben der Geistlichen Gehör fanden, ist nicht bekannt. Eine ebenfalls vorgeschlagene Zusammenlegung der Arnstädter Pfarreien im Franziskanerkloster, da es den Schülern im Winter zu kalt werde, beide

819 Vgl. HENNING, Umzug (2004), S. 31 f.; GEHRT, Anfänge (2013), S. 15. 820 Um 1916 muss sie noch existiert haben. Franke konstatiert, dass durch sie der Unterricht der griechischen Sprache eingeführt worden sei, vgl. FRANCKE, Gymnasium (1916), S. 5. 821 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg O 548, fol. 1r. 822 Ebd., fol. 9v. 823 LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, Nr. 2869, fol. 2r. Vgl. abschriftlich ebd., Hessesche Collectaneen, 2c Nr. 3, fol. 34r.

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Kirchen zu versorgen,824 wurde jedenfalls nicht umgesetzt. Erst als im Juni 1550 der neue Schulmeister M. Konrad Heden in sein Amt eingeführt wurde, machte der Stadtrat ihm zur Bedingung, dass er dem Rath eine ordnung seines bedunckens […] furstelle, danach sich der gemelte Rath mit den hern p[re]dicanten […] befrag[en] vnd neben dem Magister die ordnu[n]g helff[en] stellen vnd confirmirn wollen, damit gemeiner Stadt burger Kinder nicht mit blossen scheinbarlich[en] worten, Sondern mit dem werck vnd that vnderweiset werd[en].825

Heden folgte der Anweisung und arbeitete innerhalb von drei Monaten eine Schulordnung aus, die auf den 29. September 1550 datiert und die von den Geistlichen geforderten Aspekte zum Teil aufgreift.826 Sie ist in einer Abschrift überliefert, die noch Heden selbst dem Grafen einreichte, als es 1571 zu einem Konflikt um die Arnstädter Schulbesetzung kam. Sie enthält nach einigen einleitenden Worten zunächst die Anweisungen an die Schuldiener – über ihr Amt, ihre Qualifikation, die Kollegialität untereinander, ihre Lebensführung und religiöse Lehre und nicht zuletzt das zu erteilende Strafmaß. Letzterem geht in großen Buchstaben die eindringliche Mahnung voraus, die Strafe dem Ausmaß des Vergehens anzupassen – „Poena non sit maior delicto“.827 Dem folgen Vorschriften über das Verhalten der Schüler wie der Schuldiener in der Kirche, über den Besuch und die Mitwirkung bei Messen und Beerdigungen. Im Anschluss findet sich die Darlegung eines Lektionsplans für insgesamt sechs Klassen, wobei die Prima die höchste und die Sexta die niedrigste Klasse bildete. Abgeschlossen wird die Ordnung von den Schulgesetzen, die den Kindern ein frommes, gesittetes und züchtiges Leben vorschrieben und sie zu Sorgfalt im Unterricht und dem rechten Verhalten untereinander wie gegenüber den Schuldienern ermahnten. Obwohl Hedens Ausführungen im Ganzen hinter dem Umfang und der Ausführlichkeit späterer Ordnungen zurückbleiben, ist das Urteil Einickes, die Schule entspreche damit genau dem Sächsischen Schulplan, 828 nicht gerechtfertigt. Sein Entwurf ging darüber deutlich hinaus. Dies betrifft nicht nur die Einrichtung von sechs statt drei Klassen, um der Schülerschaft gerecht zu werden, sondern auch den Erlass von Verhaltensmaßregeln und die Aufnahme der griechischen Grammatik in den Unterricht. Zielte Melanchthons Schulplan auf die inhaltliche Ausrichtung des Unterrichts zum Ziel des religiösen Verständnisses, nahm die Arnstädter Schulordnung diese Impulse zwar auf, sollte darüber 824 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, Nr. 2869, fol. 3r; ebd., Hessesche Collectaneen, 2c Nr. 3, fol. 35r. 825 StKrA Arnstadt, 1-032-01, fol. 102r. 826 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, Nr. 2979, unfol.; EINICKE, Reformationsgeschichte II (1909), S. 152. 827 LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, Nr. 2979, unfol. 828 Vgl. EINICKE, Reformationsgeschichte II (1909), S. 152.

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hinaus jedoch das alltägliche Leben in der Schule ermöglichen, den Umgang der Schüler und Schuldiener untereinander regulieren und die Erziehung der Kinder in eine vorgegebene Richtung lenken, die maßgeblich durch eine evangelische Frömmigkeit und Gottesfurcht charakterisiert war. Durch den letzten Aspekt ist ein Anliegen benannt, das von allen späteren Schulordnungen gleichermaßen verfolgt wurde. Schon im darauffolgenden Jahr 1551 arbeitete der Eisenacher Schulmeister Andreas Boetius gleich nach seinem Amtsantritt ebenfalls eine Schulordnung aus. Er hatte schon unter Rosinus als Lehrer an der Schule gewirkt und trat 1551, obgleich er nicht über den akademischen Grad eines Magisters verfügte, dessen Nachfolge an.829 Sechs Jahre später äußerte er sich selbst über die ausgezeichnete Qualität, zu der sein Vorgänger die Schule geführt hatte. Gleichzeitig betonte er sein Streben, sie seinem Nachfolger so zu übergeben, „wie ich sie, got lob, in gutem stande vnd voller blüet, entpfangen“.830 Mittel zum Zweck wurde die schriftliche Manifestierung der unter Rosinus eingeführten Verhältnisse, welche die Arnstädter Schulordnung des Vorjahres, obgleich sie inhaltlich ähnlich gegliedert ist und dieselbe Zielstellung verfolgte, im Umfang deutlich übersteigt. Während Heden sich in prägnanten Sätzen fast stichpunktartig auf wesentliche Punkte konzentrierte, finden sich die deutlich ausführlicheren und detaillierteren Artikel der Eisenacher Ordnung in einen von theoretischen Ergänzungen durchsetzten, weitschweifigen Text eingeflochten.831 In der Forschung wurde der Eisenacher Ordnung viel Aufmerksamkeit zu teil, wobei ihr große Bedeutung beigemessen wurde.832 Sie habe, so wurde zu Recht 829 1557 sagte Boetius selbst über sich, dass er seit 11 Jahren, also seit 1546, an der Eisenacher Schule diene, vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2659, fol. 4r. Vgl. auch HERRMANN, Bartholomäus Rosinus (1937), S. 33. Wahrscheinlich übernahm er das Amt des Supremus von Christoph Theuerfeld, der es in diesem Jahr niederlegte, vgl. SCHERFFIG, Briefe (1936–39), S. 226. 830 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2659, fol. 4v, Brief abgedruckt bei FUNKHÄNEL, Actenstücke (1857), S. 217–220. Vgl. HERRMANN, Bartholomäus Rosinus (1937), S. 31 f. 831 Die Ordnung wurde durch eine Abschrift im Roten Buch der Stadt Eisenach überliefert. Dieses ist heute nicht mehr erhalten, doch wurde die Ordnung im 19. Jahrhundert in mehreren Bestandteilen ediert. Der erste Teil über die Einteilung der Klassen und die Unterrichtsinhalte findet sich bei SCHMIDT, Unterrichtsordnung (1885), S. 2–13, der zweite Teil über die Schulzucht und die Schulgesetze bei FUNKHÄNEL, Beiträge III (1854), S. 10–15. Funkhänel entschied sich aus Platzgründen, den ersten Teil an späterer Stelle abzudrucken, doch holte dies erst Schmidt nach. 832 Vgl. zur Eisenacher Schulordnung im Allgemeinen SCHMIDT, Unterrichtsordnung (1885); KRUMBHOLZ, Schulwesens (1934), S. 4 f.; HAHN, Unterweisung (1957), S. 71; HETTWER, Schulordnungen (1965), S. 132; HENNING, „Luthers Schule“ (1972), S. 76 f.; KLEIN, Sachsen (1992), S. 17; HENNING, Umzug (2004), S. 33; GEHRT, Bartholomäus Rosinus (2014), S. 167; DERS., Alte Bilder (2016), S. 187.

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geurteilt, Melanchthons Schulplan in seiner Vorbildfunktion für das reformatorische Schulwesen des gesamten ernestinischen Herzogtums abgelöst. Tatsächlich findet sie sich passagenweise wörtlich in der Weimarer und der HerzoglichSächsischen Schulordnung wieder. Da Letztere oben inhaltlich erschlossen wurde (Kap. II. 2.3.3.) und die Eisenacher Ordnung bereits in Übersetzung vorliegt,833 erübrigt sich eine neuerliche Darlegung an dieser Stelle. Erwähnt sei nur, dass sie als erste Ordnung nicht allein den Unterricht und den Schulalltag an sich zu regulieren suchte, sondern auch auf die sittliche Erziehung der Kinder sowie in den Alltag im Elternhaus und in der Öffentlichkeit einwirkte. Dies ging so weit, dass den Schülern das morgendliche Waschen der Hände und des Gesichts sowie das Kämmen der Haare in Erinnerung gerufen wurde. Stattdessen fehlt die Ordnung des Schuldieneramtes, die in der Arnstädter Schulordnung an erster Stelle stand. Vier Jahre nach ihrem Erlass wurde die Schulordnung – in leicht veränderter und aktualisierter Form – von den Visitatoren gutgeheißen und bestätigt.834 Das Visitationsprotokoll schweigt zu schulischen Belangen – wie in diesem Jahr nahezu überall – fast vollständig. Lediglich wird vermerkt, dass die Schule mit tüchtigen, gelehrten, erfahrenen und geübten Personen bestellt sei.835 Stattdessen setzten die Visitatoren einige Zeilen unter die ihnen vorgelegte Ordnung, in denen sie ihr Wohlwollen über die Bestellung der Schule ausdrückten und zur maßvollen, ‚väterlichen‘ Bestrafung, die nicht in eine Quälerei der Schüler ausarten dürfe, mahnten.836 Nach abermals zwei Jahren fand die Aktivität der Schule die uneingeschränkte Anerkennung Nikolaus von Amsdorfs. Als der Superintendent Johann Weiß ein Gesuch zur weiteren Förderung der Schule an den Herzog richtete, lag seinem Schreiben ein Zettel aus der Feder Amsdorfs bei, auf dem er urteilte, die Eisenacher Schule sei „der besten schule[n] eine im lande“.837 Elf Jahre nach der Eisenacher Schulordnung folgte ihr die Weimarer nach. War bereits die Eisenacher eng mit dem Wirken des vormaligen Schulmeisters 833 Vgl. in zwei Teilen HELMBOLD, Schulordnung I (1927) und DERS., Schulordnung II (1928). Teil 1 nochmals bei HENNING, Umzug (2004), S. 36–38. 834 Tatsächlich schwanken die Datierungen der Ordnung in der Forschung zwischen 1551 und 1555. Die letztlich überlieferte Schulordnung kann erst von 1555 stammen, da sie den Gebrauch des Katechismus von David Chytraeus und Melanchthons theologischen Examens vorschreibt. Beide sind erst 1554 erstmals gedruckt worden, vgl. zu Chytraeus’ Katechismus MICHAEL, Katechismus (2016), S. XI u. XXIII f. In Bezug auf die Eisenacher Ordnung vgl. auch HAHN, Unterweisung (1957), S. 71. Dies muss jedoch nicht zwangsläufig auf eine spätere Entstehung, sondern kann auch auf eine nachträgliche Aktualisierung der Ordnung hinweisen. 835 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 23-26, fol. 385r. 836 Zitiert bei SCHMIDT, Unterrichtsordnung (1885), S. 1, übersetzt bei HELMBOLD, Schulordnung II (1928), S. 52. 837 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2659, fol. 3r, Brief abgedruckt bei FUNKHÄNEL, Actenstücke (1857), S. 220 f.

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Bartholomäus Rosinus verbunden, kann dies auch für die Weimarer Ordnung konstatiert werden. Nachdem er acht Jahre lang in Eisenach das Amt des Diakons und Schulinspektors versehen hatte, wurde er gegen den Willen der Eisenacher von Herzog Johann Friedrich dem Mittleren 1559 zum Nachfolger des verstorbenen Weimarer Superintendenten Johann Grau berufen. 838 Hatte sich sein Wirken um die Schulfürsorge bereits in Eisenach deutlich abgezeichnet, setzte er seine Bemühungen in Weimar gleichermaßen fort. Obwohl dies zu den grundsätzlichen Amtspflichten eines Superintendenten zählte, wurde Rosinus’ Engagement als überdurchschnittlich wahrgenommen, sodass er auch in Weimar – anders als die meisten Superintendenten – ausdrücklich als Inspektor scholae angesprochen wurde.839 Schon bald nach seiner Ankunft in Weimar setzte er sich für den Bau eines neuen und der Größe der Schülerschaft angemessenen Schulhauses ein. Im Dezember 1560 und Anfang Januar 1561 richteten er und die Kastenvorsteher Briefe an den Herzog, in denen sie um eine finanzielle Unterstützung zu dem Bauprojekt ersuchten.840 Der Herzog entsprach der Bitte und unterstützte den Neubau, der sogleich in Angriff genommen wurde.841 Der Erlass der Schulordnung fällt in denselben zeitlichen Rahmen. Sie ist durch das Visitationsprotokoll von 1569 überliefert und datiert auf den 14. Januar 1562.842 Im ersten Abschnitt enthält sie einen ausführlichen Lehrplan für insgesamt sechs Klassen, von der niedrigsten Sexta bis zur höchsten Prima. Er ist der Verfasserschaft des aktuellen Schulmeisters M. Johannes Wolf,843 welcher der Schule seit 1555 vorstand,844 zuzuschreiben oder geht bereits auf sein Wirken zurück. Die darauf folgenden Schulgesetze mit den Verhaltensmaßregeln im Elternhaus, der Kirche und der Schule sowie der Festsetzung des Strafmaßes sind nahezu wörtlich der Eisenacher Schulordnung entlehnt. Hier ist der Einfluss des Superintendenten anzunehmen. Offenbar strebte Rosinus eine Übertragung der von ihm selbst in Eisenach eingeführten Schuldisziplin nach Weimar an. 838 Vgl. HERRMANN, Bartholomäus Rosinus (1937), S. 34; DERS., Bartholomäus Rosfeld (1952), S. 215; GEHRT, Alte Bilder (2016), S. 186 f. 839 Vgl. zum Jahr 1570 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 55, fol. 2r. 840 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ll 839, fol. 1r–v u. 2r–v; GEHRT, Alte Bilder (2016), S. 188. 841 Vgl. LANGE, Schulbau (1967), S. 396. 842 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 55, fol. 7r–21v; abgedruckt bei WENIGER, Schulordnung (1897), S. 177–187. Vgl. auch FRANCKE, Gymnasium (1916), S. 5–7; KRUMBHOLZ, Schulwesens (1934), S. 7; HAHN, Unterweisung (1957), S. 73; HETTWER, Schulordnungen (1965), S. 132; KADELBACH, Gymnasium (1972), S. 166; GEHRT, Alte Bilder (2016), S. 188. 843 Vgl. KADELBACH, Gymnasium (1972), S. 166; GEHRT, Alte Bilder (2016), S. 188. 844 Auch Wolfius oder Wolflein, vgl. zu seiner Berufung durch die Herzöge LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2576, fol. 1r–2r. Vgl. auch FRANCKE, Gymnasium (1916), S. 5.

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Der Weimarer Schulordnung wurde von den Visitatoren 1569 dieselbe Aufmerksamkeit zuteil wie zuvor der Eisenacher. Eine direkte Unterzeichnung erfolgte auf dem überlieferten Exemplar nicht, doch finden sich im Visitationsprotokoll bezüglich der überreichten Ordnung die folgenden kurzen Worte: „haben wir die Visitatores verlesen vndt vns gefallen lassen, dieselbe auch durch vnsere subscription confirmirt vndt bestettigett“.845 Die volle Anerkennung fand sie 1573. Obwohl der Superintendent Bartholomäus Rosinus wie auch der Schulmeister Johannes Wolf aufgrund der Lehrstreitigkeiten ihrer Ämter enthoben wurden,846 floss die Ordnung zu großen Teilen leicht modifiziert in die Herzoglich-sächsische Schulordnung ein. In den 1560er Jahren entstanden auch die Schulordnungen in Coburg, Hildburghausen und Eisfeld, unter denen Letztere als bedeutendste gelten kann.847 Wie die Weimarer Ordnung stand sie in Verbindung mit einem Schulneubau, der nicht nur der Einstellung eines vierten Schuldieners, sondern auch der Einführung einer neuen organisatorischen Grundlage nachfolgte. Der Schulmeister Johann Kindt, der Sohn des ersten hiesigen Superintendenten, schloss am 7. Mai 1568 die Schulordnung ab, die im Visitationsprotokoll von 1569 überliefert ist.848 Inhaltlich unterscheidet sie sich wenig von den bereits genannten Ordnungen, auch ähnelt sie in ihrer Weitschweifigkeit dem Eisenacher Vorgänger, den sie in der Breite ihrer theologisch-humanistischen Argumentation noch übertrifft. Nach einem Lehrplan für vier Klassen, der zugleich die Pflichten der Schuldiener enthält, stehen die Schulgesetze für das Verhalten der Schüler und die Festlegung der Strafen bei Zuwiderhandlung. Der Schulneubau sollte die neue organisatorische Grundlage der Schule manifestieren. Im Jahr 1569 erbat der Stadtrat vom Kurfürsten finanzielle Unterstützung für den Neubau, der im Jahr 1575 vollendet wurde. Er existiert noch heute und ist mit dem sogenannten ‚Schulmännle‘ – einer Sandsteinskulptur zur Verbildlichung der Gründungslegende der Schule – eines der Wahrzeichen der Stadt Eisfeld.849 In die 1560er Jahre fällt auch die zweite Schulordnung von Gotha, die anders als die erste von 1549 überliefert ist. Sie entstand unter dem Nachfolger des damaligen Schulmeisters Sussenbach, Cyriakus Lindemann. Er hatte unter Sussenbach als Schuldiener gewirkt, trat 1562 dessen Nachfolge als Schulmeister an und diente als solcher bis zu seinem Tod 1568.850 Seine Schulordnung ist in gedruckter Form überliefert. Im Jahr 1593, während der Amtszeit des zehn Jahre zuvor aus 845 846 847 848 849 850

LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 55, fol. 658v. Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Hessesche Collectaneen, 1c Nr. 23, S. 151. Vgl. SOBOTTA, Schulwesen (2005), S. 180. Vgl. mitsamt einer deutschen Übersetzung DAHINTEN, Reformation (1932), S. 119–125. Vgl. KESSLER, Schulbaugeschichte (2002), S. 37; GAUß, Schule (2007), S. 3 u. 6. Vgl. zu Lindemann LEDDERHOSE, Mykonius (1854), S. 124; ANZ, Reformation (1917), S. 132; HOLLSTEIN, Gymnasium (1972), S. 100 f.

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Langensalza nach Gotha berufenen Schulmeisters M. Johannes Helderus, 851 wurde eigens für die unteren Klassen der Gothaer und ‚benachbarter‘ Schulen (scholae Gothanae ac vicinarum) ein zweisprachiger Katechismus gedruckt. Er enthält die Schulordnung neben weiteren Ergänzungen im Anhang.852 Johannes Lindemann, der Neffe des Verfassers und Kantor zum Zeitpunkt des Druckes, verfasste zu dem Katechismus ein Vorwort, in dem er die Schulordnung in das Jahr 1563 datierte. Sein Onkel habe sie den Schülern ‚in die Federn diktiert‘ und mit der Erlaubnis der Geistlichen wie des Stadtrates veröffentlicht. 853 Inhaltlich entspricht auch sie den genannten früheren Ordnungen in den Geboten für Schule, Kirche und Öffentlichkeit, den expliziten Anweisungen an die Schuldiener im Umgang mit den Schülern sowie den Verhaltensmaßregeln für diese im Elternhaus. Darüber hinaus enthält sie Belehrungen für körperliche Ertüchtigung und Spiel, das anders als in vielen vorhergehenden Ordnungen nicht grundsätzlich verboten wurde. Ergänzt werden sie durch theoretische Ausführungen über die Rolle der Eltern, die Frömmigkeit oder den Nutzen der Gelehrsamkeit. Die Schulordnung regelte somit nicht allein das alltägliche Leben in der Schule, sondern wurde selbst zu einem theoretisch-philosophischen Traktat über das Wesen und das Ziel der Schulen für die Sitten, den Glauben und das Leben ihrer Zöglinge. Bis dato einzigartig ist eine eigenständige Ordnung für auswärtige Schüler, die in den Klostergebäuden untergebracht waren, gemeinsam wohnten und speisten. Der Abschnitt präsentiert die Gothaer Schule als eine Art Internat, das gezielt auf regen Besuch fremder Schüler hin organisiert war. Die Ordnung wurde der herausragenden Stellung der Schule, der man sich in der Stadt durchaus bewusst war, gerecht. Was in der Ordnung fehlt, ist lediglich ein Lehrplan. Diese Lücke wurde durch eine dritte, ergänzende Gothaer Schulordnung, die keine zehn Jahre später erlassen wurde, geschlossen. Wie die erste ist auch sie nicht im Original überliefert. Das Aktenrepertorium des Gothaer Stadtarchives von 1721 enthält lediglich ein Exzerpt der einzelnen Artikel, wobei der Verfasser hinsichtlich des Lehrplans nur wenige zusammenfassende Worte verliert: „Was vor ordnungen in den Schullectionen der Tage und Stunden nach zuhalten sey“.854 Diese dritte Gothaer Schulordnung stammt von 1572 und wurde durch einen Sittenverfall nach dem Tod Lindemanns veranlasst.855 Näheres geht aus einem 851 Vgl. zu seiner Berufung Tab. 12. 852 Vgl. Parvvs Catechismvs pro juventute scholae Gothanae, S. 156–190. Zum Katechismus und der Schulordnung vgl. auch GEHRT, Anfänge (2013), S. 16 f. 853 „leges Magistri Cyriaci Lindemanni Rectoris quondam Gymnasii Gothani, doctißimi ac humanißimi, patrue mei charißimi, beatae recordationis, discipulis suis Anno 1563. ad pennam dictatas, atq[ue] venerandi ministerii, amplißimiq[ue] senatus Gothani auctoritate promulgatas“, vgl. Parvvs Catechismvs pro juventute scholae Gothanae, fol. A4r. 854 StA Gotha, 1.1/8691, S. 61. 855 Vgl. HOLLSTEIN, Gymnasium (1972), S. 101.

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Brief eines neu berufenen Schulmeisters M. Johannes Maier hervor. Demnach seien „ettliche gebrechen […] In Ihrer schulen des ortts eingerissen“, woraufhin der Stadtrat den Herzog zur Hilfe rief. Dieser habe den Jenaer und den Weimarer Superintendenten – Johannes Wigand und Bartholomäus Rosinus – nach Jena gesandt, um die Schule zu visitieren und die Mängel zu beheben. Eine Folge der Visitation war die Absetzung des Schulmeisters M. Paul Schmidt aufgrund „allerlei mangels vndt vnordnung auch anderen hochwichtig[e]n vrsachen“856 und die Berufung des Briefeschreibers Maier auf seine Stelle. Die Berufung kam jedoch nicht zur Umsetzung, da sich kein Geringerer als der Saalfelder Superintendent Basilius Unger für den mit ihm verschwägerten Schulmeister verbürgte und seine Wiedereinsetzung bewirkte. Johannes Maier sah sich um sein neues Amt gebracht und beklagte dem Herzog gegenüber, dass er in Jena, wo er elf Jahre studiert und privat unterrichtet hatte, bereits alle Zelte abgebrochen habe. Als Ausgleich bat er um einen anderweitigen Schuldienst. Die Schulordnung, die in dem Gothaer Aktenrepertorium inhaltlich knapp umrissen wird, ist nach ihrer eigenen Auskunft ein Ergebnis der Visitation Wigands und Rosinus’. Sie baute auf der umfangreichen Ordnung Lindemanns auf, widmete sich den angezeigten Gebrechen und fiel dementsprechend knapp aus. Neben der nicht überlieferten Darlegung des Lehrplans schärfte sie neuerlich die Einhaltung der bestehenden Schulgesetze ein, drängte zur Abhaltung halbjährlicher Examina, verordnete, „[w]as vor eine Art und weise im dociren zugebrauchen“857 sei, forderte die Förderung besonders talentierter Schüler, mahnte zur Pünktlichkeit, zum ständigen Gebrauch der lateinischen Sprache, zu regelmäßigen schriftlichen wie mündlichen Stilübungen und zum fleißigen Besuch der Predigten. Größere Aufmerksamkeit wurde der Oeconomia Scholastica geschenkt, doch soll sie an späterer Stelle gesondert zur Sprache kommen. Auch nach dem Erlass dieser dritten Ordnung blieb die Ruhe in der Schule jedoch nicht lange bestehen. Nur fünf Jahre nach der Ergänzung musste durch eine erneute Ordnung eingegriffen werden. Die Findkartei des Gothaer Stadtarchives verzeichnet für das Jahr 1577 eine vierte Schulordnung, doch ist die betreffende Akte heute nicht mehr auffindbar. 858 Letztlich blieb die Ordnung Lindemanns die entscheidende. Während sie in den Katechismusdruck aufgenommen wurde, fehlt darin von den Ordnungen von 1572 und 1577 jede Spur. 856 Für beide Zitate LATh-StA Gotha, Coburger Festungsarchiv, Nr. 78, unfol. 857 StA Gotha, 1.1/8691, S. 61. 858 Sie trägt die Signatur StA Gotha, 1.1/477a. Denkbar wäre allerdings auch eine falsche Datierung der Findkartei, sodass es sich dabei um die Ordnung von 1572 gehandelt haben könnte. Die Bezeichnung der Akte als „Schul- und Oeconomia-Ordnung“ stimmt zumindest mit dem Inhalt der Ordnung von 1572 überein, während eine weitere von 1577 im Aktenrepertorium nicht enthalten ist. Die folgenden Visitationsprotokolle schweigen zu schulischen Belangen vollständig.

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Aus dem Jahr 1572 stammt auch eine erste schriftlich ausformulierte Schulordnung von Langensalza aus der Feder des Schulmeisters M. Caspar Sachse. Angesichts ihrer raschen Entstehung kann auch für sie ein direkter Auftrag des Stadtrates angenommen werden. Sachse war ein gebürtiges Stadtkind und hatte in Wittenberg studiert. Er wurde, nachdem sein Vorgänger M. Johannes Hellingius nur zwei Jahre im Amt geblieben war,859 am 3. November 1572 zum Schulmeister berufen. Nur knapp zwei Monate später, am 31. Dezember 1572 unterzeichnete er die abgeschlossene Schulordnung.860 Ähnlich wie in Arnstadt schlug sich die Eile in der Knappheit der Ordnung nieder. Sie ist frei von theoretischen Ausschmückungen und jeglichem weitschweifigen Beiwerk, sondern konzentriert sich in kurzen Sätzen auf die wesentlichen Inhalte der Leges Disciplinae scholasticae. Dabei greift sie in erster Linie die Frömmigkeit der Schüler, ihr Verhalten gegenüber den Schuldienern sowie die Sitten in der Schule, in der Kirche und der Öffentlichkeit auf. Wie die Gothaer Ordnung von Cyriakus Lindemann ergänzt sie Verhaltensmaßregeln für das Elternhaus und selbst eine knappe Kleiderordnung für die Schüler. Den Schulgesetzen schließt sich zuletzt ein Lehrplan an. Beides ist durch das Visitationsprotokoll von 1575 überliefert, doch findet sich weder auf der Ordnung selbst noch im Protokoll ein Bezug der Visitatoren. Die Datierung einer Schulordnung von Römhild ist ungewiss. Nachdem die Herrschaft Römhild 1555 an die Ernestiner gefallen war, hatte bereits die im Folgejahr durchgeführte Kirchenvisitation der Stadt eine bemerkenswert ausführliche schulische Verordnung eingebracht.861 Sie sollte die Römhilder Schule dem inzwischen eingepegelten ernestinischen Organisationsstand anpassen, war doch die Reformation in der hennebergischen Teilherrschaft bislang nur langsam vonstattengegangen. 862 Durch die Visitationsverordnung wurde ein neuer, betontermaßen gelehrter Schulmeister angestellt, ihm, dem Kantor und einem Infimus eine feste Besoldung aus den Stiftsgütern und freie Wohnungen verordnet, halbjährliche Prüfungen befohlen, der Pfarrer als Schulinspektor eingesetzt und drei Stipendien installiert. Dieser ersten organisatorischen Grundlage schloss sich zu einem unbekannten Zeitpunkt die Schulordnung an, die im Visitationsprotokoll von 1573 überliefert ist.863 Inhaltlich knüpft sie an die Visitationsordnung 859 Vgl. zu seiner Einsetzung am 10. September 1570 StA Langensalza, R II, 41, fol. 146v. 860 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 49, fol. 33r–37v; GUTBIER, Reformation (1925), S. 494. 861 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 29, fol. 66v–71v. 862 Vgl. SIEGFRIED, Römhild (1906), S. 38 f.; KÖHLER, Kollegiatstift (1936–39), S. 392; HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 45; KÖHLER, Reformation (1971), S. 128. 863 Vgl. SOBOTTA, Schulwesen (2005), S. 180. Die Schulordnung ist mit einem ersten im Visitationsprotokoll verzeichneten Entwurf einer landesweiten Ordnung wörtlich identisch (vgl. ebd. S. 185, mit Anm. 44 auf S. 188), vgl. daher für das Folgende LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 57, fol. 129r–131v.

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von 1556 an und präsentiert noch den damaligen Organisationsstand. Hinter den skizzierten früheren Schulordnung anderer Städte bleibt sie zurück. Die drei Schuldiener werden ebenso bestätigt, wie bereits im zweiten Artikel die halbjährlichen Examina. Später folgt die Aufsichtsfunktion des Pfarrers. Über die Visitationsverordnung geht nur der Lehrplan für drei Klassen hinaus. Schulgesetze oder ähnliche Bestandteile der Ordnungen anderer Städte sind nicht enthalten. Dennoch oder gerade wegen dieser Reduzierung auf die grundlegenden organisatorischen Grundstrukturen bildete sie 1573 einen ersten Orientierungsansatz zur Ausarbeitung der Herzoglich-Sächsischen Schulordnung. Unter dem Titel „Ratio informandi Iuuentutem in schola“864 ist sie dem Visitationsprotokoll dieses Jahres beigelegt und mit dem folgenden deutschen Hinweis versehen: „Diese schulordnung ist darnach weitleufftiger in druck ausgangen“. 865 Die Herzogliche Schulordnung baute letztlich jedoch stärker auf die Schulordnung von Eisenach auf, die über den Lehrplan mit ausführlichen Schulgesetzen hinausgeht. Eine Ordnung für die Schule von Jena stammt von 1593 und ist ohne inhaltlichen Zusammenhang in den zeitnahen Visitationsprotokollen überliefert.866 Sie unterscheidet sich maßgeblich von den bisher genannten Ordnungen, entstammt sie doch nicht der Feder des Schulmeisters, sondern wurde der Schule durch den Superintendenten Samuel Fischer und den Rats- und Schulherrn Martin Müller zugrunde gelegt. Ein spezieller Anlass zur Ausarbeitung der Ordnung kann nicht ermittelt werden, doch erschien die Schule bereits seit langer Zeit bei den Visitationen in keinem guten Licht mehr. 1577 wurde dem Schulmeister vorgeworfen, er lasse es an der Disziplin der Schüler mangeln und halte unter ihnen keine rechte Zucht. 867 Ähnliche Klagen wiederholten sich in den folgenden Jahren. So schimpfte der Pfarrer 1582 über das unpassende Benehmen der Kinder in der Kirche sowie über ihre Unkenntnis im Katechismus und den mangelnden Besuch der Predigten.868 Zwei Jahre später wurde der schlechte Einfluss der Studenten auf die Schüler als Begründung für deren Verhalten herangeführt.869 Als 1585 – diesmal vom Stadtrat – Klagen über die mangelhafte Disziplin in der Schule, die Respektlosigkeit der Schüler vor den Schuldienern und das schlechte Benehmen in der Kirche erhoben wurden, hielt der Superintendent David Voit am Tag nach der Visitation eine außerplanmäßige Schulinspektion ab und drängte Schüler wie Schuldiener zur Bewahrung einer guten Ordnung. 870 Welche Maßnahmen er 864 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 57, fol. 129r. 865 Ebd., fol. 131v. 866 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 68, fol. 48r–56r; KRUMBHOLZ, Schulwesens (1934), S. 6. 867 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 58, fol. 258r. 868 Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4278, fol. 223r. 869 Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4279, fol.197v. 870 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 66, fol. 209v–210r.

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ergriff, bleibt offen. Die Schulordnung wurde erst unter dem neuen Superintendenten und Professor der Theologie Samuel Fischer aufgestellt. Die zuvor erhobenen Vorwürfe gegen den Schulmeister erklären dessen fehlende Beteiligung. Die Ordnung wurde vom Weimarer Konsistorium angenommen und bestätigt und anlässlich des Frühjahrsexamens 1593 öffentlich über die Schule verordnet. Im ersten Abschnitt enthält sie einen Lehrplan für fünf Klassen, dem die Schulgesetze folgen. In den einleitenden Worten werden sie durch die vielerlei verursachte Verderbtheit der Zeit begründet („in ista corruptione temporum, et laxatione disciplinae, qua a multis causis oritur“871). Besonderes Augenmerk wurde auf die Anwendung der rechten Strafen und die Installierung von Aufpassern unter den Schülern („observatores seu custodes et Corycaei“ 872 ) gelegt. Den Schulgesetzen schließen sich die Maßregeln für die Schuldiener an, um die Disziplin in der Schule aufrechtzuerhalten. Zuletzt folgen wie in der Gothaer Ordnung von 1563 Anordnungen und Bedingungen für die Aufnahme auswärtiger Schüler. Richtlinien für den Besuch der Kirche oder das Verhalten in der Stadt wurden keine vorgegeben, flossen aber in die Festlegung des Strafmaßes mit ein. Einen Widerhall bei den Visitatoren fand die Schulordnung nicht. Lediglich finden sich einige Notizen von fremder Hand unter dem Abschnitt der Schulgesetze, die auf entsprechende Lücken der Ordnung verweisen. Neben der Einteilung der Lektionen und der Abhaltung von Examina betrifft dies die schulfreien Tage: „Feriae sind zu Viel vnd stehen nur in eines ieden gefallen“. 873 Die Schulordnung konnte auch nicht verhindern, dass die Missstände in der Schuldisziplin anhielten. Ein Brief des Konsistoriums an den Superintendenten und den Stadtrat vom 21. Februar 1598 informiert, dass man in Jena auf die Absetzung des Schulmeisters trachtete. Er solle baldmöglichst in ein Pfarramt versetzt werden, doch musste das Konsistorium die Adressaten noch um Geduld ermahnen. Man solle es mit dem Schulmeister noch aushalten und ihn zu mehr Fleiß und Disziplin anhalten.874 Die damit umrissenen reformatorischen Schulordnungen875 entsprangen alle, bis auf zwei Ausnahmen, den pädagogischen und schulischen Vorstellungen der Schulmeister. Die Ausnahmen sind durch lokale Umstände bedingte, wobei der abweichende Entstehungskontext insbesondere die erste Weimarer Schulordnung des Diakons Caspar Müller auszeichnet. Er erklärt gleichermaßen deren Ablehnung durch die Schuldiener. Nicht nur wurde ihr durch die fehlende schu871 872 873 874 875

LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 68, fol. 51v. Ebd., fol. 54r. Ebd., fol. 54v. Vgl. LATh-HStA Weimar, Konsistorialsachen, B 4533, fol. 1r–v. Die Darlegung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Weitere Schulordnungen könnten zweifellos durch zukünftige Forschungen ermittelt werden.

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lische Erfahrung des Verfassers die Anerkennung verweigert, auch ist ihr wahrscheinlich schlichtweg Misstrauen entgegengebracht worden, weil sie nicht aus dem Unterricht heraus entstanden war, sondern den Schuldienern aufoktroyiert wurde. Da sie nach den Worten Müllers einige Zeit eingehalten worden sei, kann vermutet werden, dass das Misstrauen der Schuldiener seine Bestätigung fand, als sich die Schulordnung in der praktischen Umsetzung als ungeeignet erwies. Der Vergleich der reformatorischen Schulordnungen mit ihren vorreformatorischen Vorläufern hinsichtlich der Umstände ihrer Entstehung verdeutlicht und charakterisiert zugleich die neue Institutionalität, welche die Schulen nach der Reformation erlangten. Obwohl sie, wie es im letzten Kapitel beschrieben wurde, unter der Obhut der Stadträte und der Geistlichen standen, waren sie in der Lage, sich selbst durch das Wirken evangelischer Schulmänner aus der praktischen Erfahrung heraus zu organisieren, zu entwickeln und zu erhalten. Trotz der städtischen Aufsicht konnten sich die Schulen praktisch verselbstständigen. Handelte es sich bei den vorreformatorischen Schulordnungen stets um Produkte der städtischen, politischen und wirtschaftlichen Verwaltung, stellen die reformatorischen Ordnungen Selbstzeugnisse der schulischen Entwicklung dar. Dies widerspricht nicht der von der reformatorischen Obrigkeit angestrebten Vereinheitlichung der schulischen Strukturen, war doch das evangelische Verständnis vom Wesen und Nutzen einer Schule inzwischen so sehr in der Gesellschaft aufgegangen, dass es zwischen den schulischen Vorstellungen der Schulmeister, die doch in den meisten Fällen studierte Theologen waren, kaum zu größeren Abweichungen kam. Dies fand auch in den Schulordnungen selbst Niederschlag, unterscheiden sie sich doch inhaltlich nur wenig. Trotz gelegentlicher unterschiedlicher Gewichtung einzelner Aspekte, liegt ihnen allen ein gemeinsames Ziel zugrunde: Neben der grundsätzlichen Bewahrung der inneren Ordnung ist dies die religiöse und sittliche Erziehung der Kinder zu einem Leben in Gottesfurcht, Frömmigkeit und Pietät, Respekt, Ordnung und Tugend im strengen Sinne der evangelischen Gesellschaft. Die Gestaltung des Unterrichts und die Bewahrung der Disziplin in den Schulen folgt in allen Schulordnungen diesem gemeinsamen Nenner, wobei die Ordnungen nicht allein in den Unterricht, sondern selbst in das alltägliche und private Leben der Kinder einwirkte – sei es in Form von Verhaltensmaßregeln auf den Straßen oder der Ermahnung zu einer dem Schülerstand gemäßen Kleidung. Die Schulen sollten – so das bereits zitierte, aber von den Zeitgenossen viel bemühte Schlagwort der Reformation – zu einem „seminaria Ecclesiae et Reipublicae“,876 einem ‚Pflanzgarten‘ der christlichen Gesellschaft werden. Am eindrücklichsten illustrieren dies die einleitenden Worte des 876 Zitiert anhand der Herzoglich-sächsischen Schulordnung nach VORMBAUM, Schulordnungen I (1860), S. 580, Anm. *. Vgl. auch MERTZ, Schulwesen (1902), S. 587; HAHN, Unterweisung (1957), S. 10; HAMMERSTEIN, Physiognomie (1996), S. 68.

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Johann Kindt in der Schulordnung von Eisleben – hier in der Übersetzung von Ernst Dahinten wiedergegeben: Weil aller Weisheit Quelle und Summe die Furcht des Herrn ist und Christo uns bei allen Bestrebungen und Handlungen vor allem nach dem Reiche Gottes trachten heißt, so ermahne ich alle aus frommem Herzen dringend, daß sie vor allem nach Frömmigkeit trachten und das Hauptziel für all ihr Streben die Ehre Gottes sich vornehmen, ihn allein in ihren Studien und Schularbeiten verehren und glauben, daß ohne ihn nichts in allen menschlichen Dinge glücklich oder fest, keine Arbeit den Menschen heilsam sei und von Erfolg gekrönt wird.877

Inhaltlich sind die reformatorischen mit den vorreformatorischen Schulordnungen somit kaum zu vergleichen. Während in vorreformatorischer Zeit politische Aspekte über die Trägerschaft, wirtschaftliche Gesichtspunkte über die Unterhaltung des Schulmeisters sowie dessen Pflichten für die Liturgie – nur selten für den Schulunterricht – im Mittelpunkt standen, machte die in den vorhergehenden Kapiteln dargelegte, obrigkeitlich vorgegebene Organisation der Schulen derartige Anordnungen obsolet. Die neuen Schulordnungen verlagerten ihren Schwerpunkt völlig auf den erzieherischen Aspekt und auf die inhaltliche Gestaltung des Unterrichts, die im folgenden Kapitel näher betrachtet werden soll.

6.7. Lehrinhalte der reformatorischen Schulen 6.7.1. Humanistische Studien, Lehrpläne und grammatikalische Schullektüre Anders als in vorreformatorischer Zeit liegt über die Lehrinhalte der reformatorischen Schulen eine Fülle von Informationen vor, die mitunter stundenweise den alltäglichen Schulunterricht für zahlreiche Schulen präsentieren. Ebenfalls erbringt der Vergleich mit den vorreformatorischen Verhältnissen, dass sich spätestens durch die Reformation ein fester Bildungskanon herauskristallisierte, der zwischen den einzelnen Schulen nur wenig variierte. Dessen Grundzüge waren durch Melanchthons Sächsischen Schulplan vorgezeichnet und mit einem dezidiert humanistischen Gepräge versehen worden. Anton Musa schloss sich dem an, als er 1529 seinen Schultraktat schrieb. Er fasste seine Erwartungen von einem idealen Schulunterricht in nur wenigen Worten zusammen: Die Schüler sollten, um auf das Studium vorbereitet zu werden, „yre gra[m]matica, decliniren, coniugiren, Item yre principia Logice, Rhetorice, darczu yre principia in den sprachen, latine grece [etc]“878 877 DAHINTEN, Reformation (1932), S. 119, Kursivsetzung vom Übersetzer. Auch die Metapher vom Garten der Gesellschaft findet sich bei Johann Kindt wieder, vgl. ebd. S. 123. 878 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg O 544, fol. 17r.

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lernen. Der Nenner des reformatorischen Unterrichts ist damit bereits umrissen. Er umfasste die Lehre der Grammatik der lateinischen und gegebenenfalls der griechischen Sprache sowie die Behandlung ausgewählter philosophischer Disziplinen der Artes liberales, namentlich das Trivium. In seinem grundsätzlichen Ziel – dem Erwerb der Grammatik und der Lehre der Künste – unterscheidet er sich, abgesehen von der griechischen Sprache, nur unwesentlich von den vorreformatorischen Verhältnissen. Neu war die Unterrichtsmethode, die entsprechend des humanistischen Konzepts die Lehre auf der Lektüre klassischer Autoren, anstatt auf praxisfernen Grammatiklehrbüchern aufbaute. Einstige Standardwerke des Schulunterrichts, namentlich das Doctrinale des Alexander de Villa Dei, verschwanden völlig aus dem Unterricht879 und wurden durch die Werke zeitgenössischer humanistischer Autoren ersetzt. Melanchthons eigene Grammatiken nahmen unter ihnen den ersten Rang ein.880 Grundsätzlich kann die Umsetzung des Melanchthonischen Lehrplans angenommen werden, wie das bereits erwähnte Pößnecker Exzerpt belegt. Daneben existieren in den frühen Jahren der Reformation nur wenige Aussagen über die Unterrichtsgestaltung, die den Fokus auf die humanistischen Sprach- und Literaturstudien bestätigen. Dass diese Umstände zur Hervorhebung der schulischen Leistungen eigens betont wurden, zeichnet sie als tatsächliche Neuerung gegenüber vormaligen Verhältnissen aus. So schrieb Friedrich Myconius 1529 in einem Brief an Johannes Lang, dass es großen Zuspruch finde, wenn der Schulmeister Basilius Monner die Komödien des Terenz mit den Schülern bearbeite. Exemplarisch erwähnte er die Komödie Adelphoe.881 Dieselbe fachliche Ausrichtung offenbarte die erste schwarzburgische Visitation von 1533 über den Unterricht des Rudolstädter Schulmeisters Albert Draco. Er unterrichte die Grammatik anhand der Lehrbücher Melanchthons und lese mit seinen Schülern die Komödien des Terenz.882 Unter den schwarzburgischen Städten blieben diese Worte in der ersten Visitation der einzige Hinweis auf einen humanistisch geprägten Unterricht, der die Rudolstädter Schule vor den anderen hervorhob. In anderen Städten, dies wurde für Blankenburg und Stadtilm bereits erwähnt, kämpften die Stadträte noch gegen den schulischen Niedergang.

879 Im Doctrinale sahen die Humanisten, so Grubmüllers treffende Formulierung, den „Inbegriff beziehungslos-mechanischen Paukens“, vgl. GRUBMÜLLER, Trivium (1983), S. 387. 880 Vgl. zu Melanchthons Wirken als Grammatiker LEONHARDT, Lehrbuch (1997); KÖßLING, Grammatiker (1999), hier insbesondere S. 73–75; ASCHE, Melanchthon (2010). 881 Vgl. SCHERFFIG, Friedrich Mekum (1909), S. 135 f.; CLEMEN, Briefe (1911), S. 359. 882 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt 2983, fol. 11v; EINICKE, Reformationsgeschichte II (1909), S. 58; MOELLER, Schule (1972), S. 253.

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Der bislang früheste bekannte, vollständige Überblick über den Unterricht einer Schule stammt aus Saalfeld und datiert ins Jahr 1543.883 Er wurde vom dortigen Schulmeister zur Begutachtung durch den Diakon und Schulherrn angefertigt und ist an betreffender Stelle besprochen worden (Kap. II. 4.3.4.1.). Er verdeutlicht, abgesehen von der Unterrichtung in fünf statt in drei Klassen, die exakte Umsetzung des Sächsischen Schulplans in inhaltlicher und organisatorischer Hinsicht, ergänzt durch aktuelle Werke der humanistischen Autoren Sebald Heyden, Petrus Mosellanus, Jacob Heinrichmann und natürlich Melanchthon. In der Überlieferung sollte der Saalfelder Lehrplan nicht singulär bleiben. Im Gegenteil werden die Informationen im Laufe späterer Jahrzehnte ausführlicher. So enthalten alle der im vorhergehenden Kapitel genannten Schulordnungen – mit Ausnahme der einzigen überlieferten von Gotha – ausführliche Leitfäden für den Unterricht. Gleichzeitig wuchs der Fokus der Visitationen auf die schulischen Belange. Mit der oben skizzierten Entstehung einer landesherrlichen Schulpolitik wurden vermehrt Vorschriften über die Unterrichtsgestaltung erlassen, die eine Überprüfung der lokalen Verhältnisse ermöglichten bzw. überhaupt erst notwendig machten. Die dabei erbrachten Resultate beeinflussten wiederum die weitere Entwicklung der landesherrlichen Verordnungen, sei es, dass sie als Bestandteil in diese einflossen oder die Schwerpunkte der zu unterbindenden Trends aufzeigten. Die Schulpolitik fand ihren Höhepunkt und vorläufigen Abschluss in der Ausfertigung exakt umrissener Schulpläne, durch welche die Erwartungen über die inhaltliche Ausrichtung des Unterrichts umrissen und vorgegeben wurden. Sie wurden oben für das ernestinische Herzogtum (1573), für das albertinische Kurfürstentum (1580) und für die Grafschaft Schwarzburg (1587) genauer dargelegt. Auf dem Weg dahin entstanden bereits in den Vorjahren – seit den 1560er Jahren – aber auch darüber hinaus etliche lokale Schulpläne, die zumeist durch die Unterlagen der Visitationen überliefert wurden. Sie sind nicht Teil größerer organisatorischer Schulordnungen, sondern dienten den Schuldienern, den Geistlichen oder auch den Stadträten dazu, den Visitatoren die Aktivität ihrer Schulen zu präsentieren, sie überprüfen oder gegebenenfalls neu akzentuieren zu lassen. Zwei solche Schulpläne wurden im Zusammenhang der Altenburger und Saalfelder Entwicklung bereits besprochen. Darüber hinaus 883 Lediglich der unter Mitwirkung Melanchthons verfasste Lehrplan der Schule von Eisleben kam dem noch zuvor. Er soll hier jedoch nicht berücksichtigt werden, liegt er doch außerhalb des Untersuchungsgebietes und ist zudem kein Selbstzeugnis der Schule, sondern eine vorgegebene Richtlinie, deren Umsetzung nicht nachgewiesen werden kann. Der Lehrplan ist ediert in HOFFMANN, Lehrplan (1865). Zur Gründung der Schule von Eisleben und der Bedeutung des Lehrplans vgl. HARTFELDER, Praeceptor (1889), S. 496 f.; PAULSEN, Geschichte (1919), S. 276 f.; STEMPEL, Melanchthons Wirken (1979), S. 74 f.; MÜLLER, Melanchthon (1984), S. 100; ARNHARDT, Curriculum (1997); BRÄUER, Gründung (1997); SCHEIBLE, Reform (1999), S. 243–246.

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konnten 16 weitere Exemplare aus den folgenden Städten ermittelt werden: Buttstädt (zwei überlieferte von 1565884 und 1586885), Allstedt (1569),886 Buttelstedt (1569), 887 Magdala (1569), 888 Rastenberg (1569), 889 Weißensee (1574), 890 Blankenburg (um 1575), 891 Rudolstadt (um 1575, scheinbar unvollständig), 892 Greußen (1575), 893 Tennstedt (1575), 894 Treffurt (1575), 895 Sangerhausen (1575),896 Thamsbrück (1575),897 Ronneburg (1582)898 und Suhl (1583).899 Weitere Schulpläne werden in den Visitationsprotokollen erwähnt, sind jedoch selbst nicht überliefert. Johannes Gottwaldus, der Schulmeister von Eisenberg, habe 1569 „seine schulordnung richtig gefaßet, vnd dieselbe den herrn Visitatorn vff verbeßerung vberantworttet“.900 In den 1570er Jahren sei eine Schulordnung von Friedrichroda dem Schulmeister von Tambach zur Behebung der dortigen Missstände überreicht worden. Auch sie ist nicht überliefert.901 Die Schule von Großenehrich, so äußerte der Schulmeister Augustin Bischoff 1575, verfügte über „ein Schulordenung mit den Lectionib[us] vnd sonst“, 902 doch konnte auch sie bislang nicht ermittelt werden. Auch in Ronneburg wurde den Visitatoren schon 1577 ein erster, nicht überlieferter Lehrplan überreicht.903 884 Er wurde zwar erst 1569 den Visitatoren überreicht, datiert aber auf den 1. Mai 1565. Er ist somit nach dem Saalfelder von 1543 der früheste überlieferte Schulplan, vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 55, fol. 43r–46r. 885 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 67, fol. 62v–63r. 886 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 45, fol. 54r–55r, ediert in EKO I/1, S. 512 f., fälschlicherweise auf 1533 datiert. 887 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 55, fol. 112r. 888 Vgl. ebd., fol. 87r–88v. 889 Vgl. ebd., fol. 64r–65r. 890 Sie wurde den Visitatoren 1575 überreicht, datiert aber auf 1574, vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 41a, fol. 17r–24v. 891 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, 2988, fol. 39r–40v; lediglich erwähnt bei EKO I/2, S. 126. Vgl. auch WAGNER, Rudolstadt (1999), S. 115. 892 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, 2988, fol. 57r–58v; EKO I/2, S. 125 (erwähnt) u. 131 f. (ediert); abschriftlich bei ebd., Hessesche Collectaneen, 2c Nr. 7, fol. 86v–87v. Vgl. auch WAGNER, Rudolstadt (1999), S. 115. 893 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Geheimes Archiv (Restbestand), A IV 3a Nr. 2, fol. 39r. 894 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 49, fol. 474r–476v. 895 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 51, fol. 231v–232v. 896 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 21, fol. 57r–59v. 897 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 49, fol. 289r–290v. 898 Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4278, fol. 340v–341r. 899 Vgl. LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. IV, Nr. 198, fol. 22r. 900 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 54, fol. 51r–v. 901 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 61, fol. 147r. 902 LATh-StA Rudolstadt, Konsistorium Sondershausen, Nr. 108, fol. 56r. 903 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 58, fol. 330r.

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Die erhaltenen Exemplare unterscheiden sich in der äußeren Form mitunter erheblich. Während der Lektionsplan von Suhl wie der Altenburger in tabellarischer Form aufgestellt ist, handelt es sich bei den übrigen um mehr oder weniger stark untergliederte und strukturierte Fließtexte, zum Teil nach den Klassen, mitunter aber auch nach den Unterrichtsstunden oder den inhaltlichen Disziplinen geordnet. Der Sangerhäuser Plan wurde in doppelter Ausführung in tabellarischer und ausformulierter Fassung eingereicht. Einige Exemplare wie jene aus Treffurt, Rastenberg oder Rudolstadt beschränken sich mit wenigen Worten auf eine Aufzählung des Wesentlichsten, andere bedienen sich einer weitschweifig ausgeschmückten Sprache. Sie sind zumeist in lateinischer Sprache verfasst, lediglich der Lehrplan von Weißensee ist auf Deutsch gehalten. Inhaltlich unterscheiden sie sich nur wenig voneinander. Die Unterschiede resultieren aus der verschiedenen Verteilung der Lehrinhalte auf die Wochenstunden oder aber, je nach dem Anspruch der einzelnen Schulen, durch die Ergänzung weiterer Disziplinen – der griechischen oder sogar der hebräischen Grammatik oder der Arithmetik – zur Steigerung des Schulniveaus. Der skizzierte Grundtenor bleibt stets der gleiche. Der besondere Fokus auf die lateinische Sprache muss nicht extra betont werden. Er war – endgültig seit dem Unterricht der Visitatoren – selbstverständlich und wurde zu allen Zeiten wiederholt in aller Deutlichkeit hervorgehoben. Die maßgebliche Vorbildfunktion des Sächsischen Schulplans zeichnet sich beispielsweise darin ab, dass noch der deutsche Lehrplan von Weißensee 1574 die Worte über den dauerhaften Gebrauch der lateinischen Sprache wörtlich daraus übernahm.904 Dass die deutsche Sprache nicht vollständig aus dem Unterricht ausgeklammert werden konnte, ist selbstverständlich. Sie war zur Erklärung der lateinischen Grammatik in den Anfängen des Sprachunterrichtes unerlässlich. Aus den meisten Lehrplänen geht sie in der untersten Klasse als eigentliche Unterrichtssprache hervor, bevor sich der dauerhafte Gebrauch der lateinischen Sprache erst in den höheren Klassen etablierte. Anders verhielt es sich mit dem mathematischen Unterricht. In der älteren Forschung findet sich nahezu allerorten das Trias aus Lesen, Schreiben und Rechnen als Gegenstand eines jeden elementaren Unterrichts konstatiert. Die vermeintliche Selbstverständlichkeit erübrigte dabei offenbar stets einen Beleg, entbehrt ihn jedoch auch in den meisten Fällen. Die überlieferten Lehrpläne zeichnen ein anderes Bild. Statt einer weitverbreiteten Selbstverständlichkeit erscheint das Rechnen – die Arithmetik – als äußerst seltene Ergänzung des Lateinschulunterrichts. Dabei war sie allerdings kein elementares Bildungsgut, sondern wurde erst nach der vollständigen Beherrschung der lateinischen und anfänglichen griechischen Grammatik und somit nur in den Schulen mit hohen Ansprüchen hinzugezogen. Nur in zwei der 18 Lehrpläne – in Altenburg und 904 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 41a, fol. 20r.

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Sangerhausen – erhielt der arithmetische Unterricht seinen festen Platz. Eine entsprechende Erwähnung in Ronneburg von 1580905 wird durch den zwei Jahre später aufgezeichneten Lehrplan nicht bestätigt. Dieses Ronneburger Beispiel lässt eine Unvollständigkeit der überlieferten Schulpläne vermuten, doch wird aus dem erwähnten Urteil von 1580 deutlich, dass es sich bei der Ronneburger Unterrichtsgestaltung eben nicht um den üblichen Normalfall handelte. Es wird gleich darauf zurückzukommen sein. Gleichermaßen ungewiss ist die Äußerung des Pößnecker Diakons Petrus Bischof, der 1597 seinen eigenen Sohn für den Schuldienst anpries. Obwohl er über keinen Magistergrad verfüge, habe er in seiner Jugend alles Nötige für das Amt des Schulmeisters lernen können, „[a]ls nemlich lateinische Vnd Gregische sprachen, die Artes logicas, Arithmeticam, neben den Capitib[us] Pietatis“. 906 Ob sich hinter diesen Worten wirklich das Unterrichtsprogramm der Pößnecker Schule unter Berücksichtigung der Arithmetik verbirgt, bleibt zweifelhaft. Da gewisse mathematische Grundkenntnisse im 16. Jahrhundert durchaus keine Seltenheit und für das alltägliche Leben einer privaten Hauswirtschaft erforderlich waren, stellt sich die Frage, wie das nötige Wissen erworben wurde. Die deutschsprachigen Schulen werden hier eine nicht unbedeutende Rolle gespielt haben, gehörte das Rechnen in ihnen doch tatsächlich zum festen Bestandteil des Unterrichts (Kap. II. 6.9.4.). Daneben wurden von Rechenmeistern Lehrbücher erarbeitet und publiziert, durch die durchaus ein autodidaktischer Erwerb, wenn auch auf geringerem Niveau als in den deutschen Schulen, ermöglicht wurde. Erforderlich waren dafür eine entsprechende Veranlagung und Lesekenntnisse, die man wiederum in den unteren Klassen der Lateinschulen auch auf Deutsch erwerben konnte. Entsprechende Untersuchungen, die an gegebener Stelle präsentiert werden sollen (Kap. II. 6.8.3.), ergaben eine große Nachfrage nach den elementaren Kenntnissen des Lesens und Schreibens, auch ohne eine höhere Gelehrsamkeit anzustreben. Sie sollten nur das private Leben in der Wirtschaft einer städtischen Gesellschaft ermöglichen. Die folgende Übersicht soll einen Eindruck vom Spektrum des humanistischen Unterrichts in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts anhand der überlieferten Lehrpläne und Schulordnungen bieten. Ergänzt werden sie durch einen bereits 1557 angefertigten Katalog jener Bücher und Autoren, die der Schulmeister von Salzungen, Valentinus Barchfeld, seinem Unterricht zugrunde legte („Autores a me publice ac priuatim explicati“907). Er hatte ihn angefertigt, um sich gegen Vorwürfe über seine vermeintliche Ungeschicklichkeit im Unterricht zu verteidigen. 905 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 62, fol. 258v. 906 StA Pößneck, B I 28b E, Nr. 94, unfol. 907 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2670, fol. 11r.

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Tab. 13: Die Verbreitung humanistischer Unterrichtsinhalte der reformatorischen Lateinschulen im 16. Jahrhundert Gegenstand

Genutzte Werke Aufgeführt in den Schulplänen der und Autoren folgenden Städte Grundlegende Ausbildung im Lesen und Schreiben Vokabular Altenburg: Onomasticon Latino-Germanicum (Theophilus Golius) Saalfeld: Nomenclatura Rerum Domesticarum (Sebald Heyden) Weißensee: „aus dem Nomen Clatura Hadriani Junii, So Siberus hatt lassen außgehenn“908 ohne Angaben Altenburg, Blankenburg, Eisenach, Eisfeld, Greußen, Jena, Magdala, Römhild, Ronneburg, Suhl, Tennstedt, Weimar, Weißensee Schriftl. ÜberButtelstedt, Buttstädt (1565 und 1586), Eisenach, Eisfeld, Suhl, setzung Thamsbrück, Treffurt, Weimar, Weißensee Schriftl. Stilistik Allstedt, Altenburg, Arnstadt, Blankenburg, Buttstädt (1565), Eisenach, Eisfeld, Jena, Langensalza, Römhild, Rudolstadt, Salzungen,909 Sangerhausen, Tennstedt, Thamsbrück, Treffurt Dichtung Altenburg, Eisenach, Saalfeld, Sangerhausen, Greußen, Weimar, Weißensee (hier nur in Ansätzen) Grammatikalische Ausbildung Latein Donat Altenburg, Arnstadt, Blankenburg, Eisenach, Eisfeld, Jena, Langensalza, Römhild, Rudolstadt, Saalfeld, Sangerhausen, Tennstedt, Thamsbrück, Weimar, Weißensee910

908 LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 41a, fol. 20v–21r. Die von Adam Siber herausgegebene Nomenclatur von Hadrian Junius, ein lateinisch-griechisch-deutsches Wörterbuch, wurde erstmals 1570 in Leipzig gedruckt (VD16 J 1100). 909 Barchfeld führt ein „Tractatus de conscribendis epistolis“ in seiner Liste auf. Worum es sich dabei handelt, konnte nicht ermittelt werden, vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2670, fol. 11r. 910 Bemerkenswert ist im Lehrplan von Weißensee die mehrmalige Erwähnung eines „dorgischen Donat“. Unter anderem heißt es, die Kinder sollen „die Paradigmata declinandi aller Vier parcium declinabilium wie die Im Dorgischen donatt mit dem Teutzschen verfassett“, lernen, vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 41a, fol. 22r. Es kann vermutet werden, dass es sich dabei um den ‚torgischen‘ Donat (abgeleitet von Torgau) handelt, der erstmals 1533 von den Torgauer Schuldienern herausgegeben und mit einer Vorrede von Melanchthon in Wittenberg gedruckt wurde. Tatsächlich ist darin die Rede von den vier Partes orationis declinabiles (Nomen, Pronomen, Verb, Partizip), die wiederum in Paradigmata declinationis unterteilt sind. Vgl. Aelii Donati Methodvs; MBW, T 5, Nr. 1356.

‚REFORMATORISCHES SCHULWESEN‘ IN THÜRINGISCHEN STÄDTEN

Catechesis Grammaticae Latinae (Anonym)911 Melanchthon

Sententiae puerilis (Leonhard Culmann) Compendium Grammaticae (Nikolaus Medler nach Melanchthon) Grammatica Catechesis (Justus Menius nach Jakob Micyllus) Exercitium Declinandorum Nominum, Verborum Caeterarumque partium orationis (Jakob Micyllus)912

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Jena, Langensalza, Römhild Allstedt, Arnstadt, Blankenburg, Buttelstedt, Buttstädt (1565 und 1586), Eisfeld, Langensalza, Ronneburg, Rudolstadt, Saalfeld, Salzungen, Sangerhausen, Suhl, Tennstedt, Thamsbrück, Treffurt, Weißensee Blankenburg, Jena, Magdala, Saalfeld Langensalza, Greußen, Magdala, Rastenberg Eisenach Eisenach, Buttstädt (1586), Römhild

911 Es sind tatsächlich Werke mit dem Titel Catechesis Grammaticae überliefert. Dass es sich bei den hier genannten aber um ein solches handelt, geht nur im Römhilder Fall eindeutig hervor. Hier ist die Rede von den Konstruktionsregeln der Deklination, „qualia in Catechesi grammatices extant“, vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 57, fol. 129v. Möglicherweise handelt es sich bei den anderen Fällen aber auch nur – der Wortbedeutung entsprechend – um eine anfängliche Lehre der Grammatik. 912 Die Grammatik von Micyllus war offenbar nicht sehr weit verbreitet. Sie wurde nur einmal, im Jahr 1538, gedruckt (VD16 ZV 18467). Trotzdem wurde sie – durch den Einfluss von Justus Menius, der ihr selbst die zuvor genannte, aber offenbar ungedruckte Bearbeitung widmete – in Eisenach rege genutzt. Boetius bezeichnet sie in seiner Schulordnung als ‚zuverlässiger‘ (locupletior), ohne diesem Komparativ ein Gegenstück zuzuordnen. Da die Grammatik von Melanchthon hingegen nicht genutzt wurde, kann der Vergleich eventuell auf sie bezogen werden, womit die Eisenacher Schule jedoch allein stehen würde, vgl. SCHMIDT, Unterrichtsordnung (1885), S. 7. Neben Eisenach findet die Grammatik nur noch in Buttstädt (1586) und Römhild Erwähnung, wobei in Buttstädt eine bemerkenswerte Anlehnung des Unterrichts an die Eisenacher Ordnung deutlich wird. Die erste Nachmittagsstunde am Dienstag und Mittwoch wurde hier in den Klassen Prima und Secunda der Grammatik des Micyllus gewidmet. Dieselbe Stunde des Donnerstags ist mit den Worten „redit ad hesternas eiusdem horae operas“ (dt. etwa: an den Unterricht derselben Stunde des Vortages anknüpfen) kommentiert, wurde also ebenfalls von dieser Grammatik bestimmt. Anders als an den Vortagen wird sie diesmal allerdings nicht genannt, sondern mit den Worten „ex Epitome Isenacensi“ bezeichnet. Die Gram-

762

Griechisch

Hebräisch Latein

II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

De emendata structura Latini sermonis (Thomas Linacer) Erotemata octo partium orationis ad tironum literarium usum (Sigmund Wölflin) Melanchthon Lucas Lossius Nikolaus Clenardus Martin Crusius ohne Angaben

Eisenach913 Blankenburg

Langensalza, Sangerhausen Tennstedt Eisenach, Jena, Ronneburg, Saalfeld Altenburg Arnstadt, Greußen, Römhild, Rudolstadt, Salzungen, Suhl, Weimar, Weißensee Eisfeld: „Unterricht […] in der griechischen Sprache nach der Straßburger Methode“914 ohne Angaben Altenburg Klassische Lektüre Disticha Catonis Allstedt, Arnstadt, Eisenach, Eisfeld, Greußen, Jena, Langensalza, Magdala, Rastenberg, Römhild, Ronneburg, Saalfeld, Salzungen, Sangerhausen, Suhl, Tennstedt, Treffurt, Weimar, Weißensee Mimi Publiani Altenburg, Eisenach, Römhild Fabeln Aesops Altenburg, Arnstadt, Buttelstedt, Buttstädt (1586), Eisenach, Eisfeld, Greußen, Langensalza, Römhild, Ronneburg, Rudolstadt, Saalfeld, Salzungen, Sangerhausen, Suhl, Thamsbrück, Treffurt, Weimar, Weißensee Cicero Briefe Allstedt, Altenburg, Arnstadt, Blankenburg, Buttstädt (1565), Eisenach, Eisfeld, Greußen, Jena, Langensalza, Rastenberg, Römhild, Ronneburg, Rudolstadt, Saalfeld, Salzungen, Sangerhausen, Suhl, Tennstedt, Thamsbrück, Treffurt, Weimar, Weißensee Cicero De officiis Arnstadt, Sangerhausen

matik des Micyllus wurde demnach so sehr mit dem Eisenacher Schulsystem verbunden, dass sie noch 35 Jahre später durch die Verbindung nach Eisenach identifiziert wurde. Vgl. für beide Zitate LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 67, fol. 63r. 913 Der aus England stammende Thomas Linacer hat mehrere grammatikalische Schriften ähnlichen Inhalts verfasst. Gemeint ist hier wahrscheinlich sein bekanntestes Werk De emendata structura Latini sermonis, zu dem Melanchthon selbst eine Vorrede verfasste (VD16 L 1764). 914 Zitiert nach DAHINTEN, Reformation (1932), S. 120.

‚REFORMATORISCHES SCHULWESEN‘ IN THÜRINGISCHEN STÄDTEN

Cicero sonstige Schriften Vergil ohne Spezifizierung Vergil Bucolica

Vergil Aeneis Vergil Georgica Ovid Tristia Horaz Terenz Komödien

Griechisch

Loci Communes Sententiosorum Versuum (Johann Murmellius nach Tibull, Properz und Ovid) „flores poetarum“915 Fabeln Aesops (griechische Version) Theognis von Megara Hesiod Homer Ilias Isokrates Sokrates Pythagoras von Samos Phokylides von Milet

763

Jena, Weimar (in beiden Fällen De senectute und De amicitia) Saalfeld Allstedt, Altenburg, Arnstadt, Buttstädt (1586), Eisenach, Eisfeld, Greußen, Jena, Römhild, Ronneburg, Salzungen, Suhl, Tennstedt, Treffurt, Weimar, Weißensee Arnstadt, Salzungen, Sangerhausen Eisenach, Weimar Ronneburg, Salzungen, Suhl Arnstadt, Blankenburg, Salzungen Altenburg, Arnstadt, Buttstädt (1565 und 1586), Eisenach, Eisfeld, Greußen, Jena, Langensalza, Römhild, Ronneburg, Rudolstadt, Saalfeld, Salzungen, Sangerhausen, Suhl, Tennstedt, Treffurt, Weimar, Weißensee Allstedt, Langensalza

Römhild Eisfeld Saalfeld, Suhl, Treffurt, Weißensee Altenburg, Eisenach, Salzungen, Weimar Eisenach Altenburg, Jena, Sangerhausen Sangerhausen Jena, Saalfeld, Salzungen Jena, Saalfeld, Salzungen, Weimar

915 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 57, fol. 130v. Dabei handelt es sich entweder um die Illustrium Poetarum Flores des Octavianus Mirandula oder um die von Johann Murmellius herausgegebenen Flores Tibulli Propertii Ac Ovidii, ein Vorgängerwerk der zuvor genannten Loci Communes Sententiosorum Versuum.

764

II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

Humanistische Schullektüre Paedologia (Petrus Mosellanus) Arnstadt, Buttstädt (1565), Salzungen Tabulae de Schematibus et Tropis Salzungen (Petrus Mosellanus) De civilitate morum puerilium Arnstadt, Buttstädt (1565), Greußen, (Erasmus von Rotterdam) Langensalza, Rastenberg, Salzungen Familiarium colloquiorum formulae Arnstadt (Erasmus von Rotterdam) Confabulationes tironum literariorum Buttelstedt (Hermann Schottenius) Disciplina puerorum (Otto Brunfels?) Magdala, Sangerhausen, Weißensee Capita pietatis (Joachim Camerarius) Eisenach, Salzungen, Sangerhausen Praecepta morum ac vitae Buttstädt (1586), Langensalza, Saalfeld (Joachim Camerarius) Psalterium Davidis Carmine Redditum Salzungen (Eobanus Hessus) Regulae elegantiarum (Franciscus Niger) Salzungen Grammatikalische und philosophische Teildisziplinen Syntax Melanchthon Blankenburg, Buttelstedt, Buttstädt (1565), Eisfeld, Jena, Langensalza, Rudolstadt, Sangerhausen, Tennstedt, Treffurt, Weißensee ohne Angaben oder Allstedt, Altenburg, Buttstädt (1586), anhand der Lektüre Eisenach, Greußen, Magdala, Römhild, Ronneburg, Saalfeld, Salzungen, Suhl, Weimar, Weißensee Etymologie Melanchthon Magdala ohne Angaben oder Blankenburg, Buttstädt (1586), Eiseanhand der Lektüre nach, Jena, Römhild, Ronneburg, Saalfeld, Sangerhausen, Thamsbrück, Weimar, Weißensee Prosodie Melanchthon Rudolstadt Johann Murmellius Eisfeld ohne Angaben oder Altenburg, Buttstädt (1586), Eisenach, anhand der Lektüre Greußen, Jena, Römhild, Salzungen, Sangerhausen, Suhl, Treffurt, Weißensee Dialektik ohne Angaben Altenburg, Arnstadt, Eisenach, Saalfeld, Salzungen, Sangerhausen, Weimar Rhetorik Figurae loquendi Sangerhausen (Joachim Camerarius) Elementorum artis Jena rhetoricae Libri Duo (Nikolaus Reusner) Quaestiones rhetoricae Altenburg (Georg Maior)

‚REFORMATORISCHES SCHULWESEN‘ IN THÜRINGISCHEN STÄDTEN

Ethik, ethische Erziehung Komputistik Arithmetik

765

Erotemata Dialecticae et Saalfeld Rhetoricae (Lucas Lossius nach Melanchthon) ohne Angaben Arnstadt, Eisenach, Jena „versus Ethici ex Weimar optimis poetis selecti“916 Sonstiges Cisiojanus Blankenburg Altenburg, Sangerhausen

Trotz der gleichen inhaltlichen Ausrichtung war der Unterschied im Niveau der Schulen mitunter erheblich, was nicht zwangsläufig das Missfallen der Visitatoren gefunden haben muss. Die Schulen fanden deren Wohlwollen, solange sie das eigentliche Ziel des Unterrichts, wie es im Zusammenhang der Schulordnungen deutlich wurde, umsetzten. Darüber hinausgehende Ambitionen blieben den Städten selbst überlassen, hingen aber in starkem Maße von den Ansprüchen der örtlichen Jugend und den finanziellen Möglichkeiten, einen gelehrten Schulmeister zu besolden, ab. Beides stand in den meisten Fällen im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnissen und somit mit der Größe einer Stadt. So erklärt es sich, dass die lateinische Lektüre nach der Auskunft der jeweiligen Lektionspläne in Thamsbrück kaum über die Briefe des Cicero hinausging und sich in Magdala nur auf die Disticha Catonis sowie in Buttelstedt auf die Fabeln Aesops beschränkte.917 Die griechische Sprache wurde gar nicht in Angriff genommen. Den Ansprüchen der Schulen bedeutete dies keinen Abbruch. Der Schulmeister von Thamsbrück, Jodocus Meusche, der den Lehrplan von 1575 verfasste hatte, blieb bis zu seinem Tod 1595 im Amt und bereitete keine Probleme. Die äußere Gestaltung seines Lehrplans zeugt von eingehender Sorgfalt und großer Liebe zum Detail. Bereits im Berufungsschreiben an seinen Nachfolger Johannes Brothesius (Bertesius) wurde das Primat der Musik als höchstes Ziel der Schule deutlich918 und 1598 abermals in einem Schreiben an das Konsistorium deutlich betont: Der Schulmeister müsse „sonderlich das singen in der schul vnd Kirchen mitt den Knaben vben vnd verrichten“.919 Ähnliche Verhältnisse prägten auch die Schule von Magdala, die in erster Linie den Katechismus lehrte. Die Visitatoren von 1569 äußerten sich über den ihnen vorgelegten Lehrplan durchaus positiv: „Mitt der Schulordnunge, So hierbei vbergeb[en], Seindt wir die Visitatores zufrieden, Weil vnder anderem 916 917 918 919

LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 55, fol. 13r. Eine Unvollständigkeit der Lehrpläne ist hier jedoch nicht ausgeschlossen. Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, I Nr. 2479, unfol. Ebd., unfol.

766

II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

darynnen befundlich, daß der catechismus Lutheri vndt Bibliae historicae darynnen gelertt vnnd getrieben werdenn“.920 Zugleich verdeutlichen die Worte, dass mit der Lückenhaftigkeit der Lehrpläne zu rechnen ist, da biblische Historien aus dem Lehrplan nicht hervorgehen. Während sich in den kleineren Städten ein höherer Unterricht kaum entwickeln konnte, erreichten die Schulen größerer Städte mitunter beachtliche Qualität. So lasen die Schüler in Altenburg oder Sangerhausen nicht nur einen umfangreichen Literaturkanon, sondern fertigten eigenständig Dichtungen in mehreren Sprachen an. Während das Griechische bereits in der zweiten Jahrhunderthälfte weit verbreitet war, stellt der Altenburger Lehrplan von 1584 den einzigen bekannten Beleg für einen Unterricht der hebräischen Sprache an einer städtischen Lateinschule dar.921 Das einst von Martin Luther erhoffte dreisprachige Schulkonzept fand hier – zumal unter der Berücksichtigung der Arithmetik – seine volle Umsetzung. Die Altenburger Schule war dadurch eine der anspruchsvollsten Schulen, wahrscheinlich nicht nur innerhalb des Untersuchungsraumes, was an betreffender Stelle bereits anhand weiterer Belege ausgeführt werden konnte. Das damit benannte Verhältnis kann jedoch nicht als allgemein gültig postuliert werden. Letztlich hing die Qualität einer Schule in erster Linie vom Fassungsvermögen der Jugend und von den Leistungen der Schuldiener ab. Konnte beides nicht miteinander übereingebracht werden, mussten die Visitatoren auch gegen zu hohe Ambitionen der Schuldiener vorgehen. In Sondershausen offenbarte die Visitation von 1587, dass der Unterricht den Schülern zu anspruchsvoll sei – namentlich die Behandlung ausgewählter Stücke von Cicero, die Georgica Vergils und die sogenannten Lectiones Psalmorum. Der Schulmeister Sigismund Strophius wurde angewiesen, statt der Georgica hinfort die Bucolica, statt der betreffenden Werke Ciceros die Sprüche Salomons und nur noch „die kurzesten vndt kleinesten Psalmlein“922 zu lesen. Der erwähnte Versuch des Salzunger 920 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 55, fol. 66v–67r. 921 In Eisenach soll der Hebräischunterricht, so die Ergebnisse der älteren Forschung, 1594 aufgenommen worden sein, vgl. HENNING, Umzug (2004), S. 33. Auch das anspruchsvolle humanistische Schulkonzept des Michael Neander enthielt die hebräische Sprache, doch betrifft es keine städtische Lateinschule, sondern die Eliteschule von Ilfeld, vgl. DOLCH, Lehrplan (1982), S. 224 f.; inhaltliche Übersicht über Neanders Lehrplan bei WEBER, Einfluss (1995), S. 63. Im hennebergischen Gymnasium in Schleusingen war der Hebräischunterricht hingegen ein fakultatives Angebot für besonders ambitionierte Schüler an den Samstagnachmittagen, floss aber nicht in den offiziellen Unterricht ein, vgl. LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. IV, Nr. 228, fol. 69r–70r. In Saalfeld begann er erst um 1640, vgl. WAGNER/GROBE, Chronik (1867), S. 463; BRÄUTIGAM, Festschrift (1937), S. 56. 922 LATh-StA Rudolstadt, Konsistorium Sondershausen, Nr. 112, fol. 96v; abschriftlich bei LATh-StA Rudolstadt, Hessesche Collectaneen, 2c Nr. 7, fol. 119r.

‚REFORMATORISCHES SCHULWESEN‘ IN THÜRINGISCHEN STÄDTEN

767

Schulmeisters, sich durch den Bücherkatalog gegen unberechtigte Vorwürfe des Schossers zu verteidigen, hatte hingegen Erfolg. Obwohl sich in seiner Liste entsprechend seiner Ambition mehrere Titel finden, die in keinem anderen Lehrplan in Erscheinung treten (darunter die Psalmendichtungen des Eobanus Hessus oder die Regulae elegantiarum des Franciscus Niger), fiel das Ergebnis der Untersuchung positiv aus. Der Eisenacher Superintendent und der Salzunger Pfarrer konnten am 23. Februar 1557 den Herzögen berichten, dass die Schüler „Ihrem vorstand vnd Iaren gemeß […] Inn der Grammatick vnd primis elementis Zimlicher geschickligkeit befunden“923 worden seien. Der einzige Fehler des Schulmeisters sei ein Sprachfehler, der das Verständnis erschwere, doch könne dies durch Fleiß ausgeglichen werden. Letztlich können auch kleinstädtische Schulen angeführt werden, die im Niveau ihres Unterrichts die sonstigen Verhältnisse weit überstiegen. Die in dieser Hinsicht bereits erwähnte Schule von Ronneburg soll als exemplarisches Beispiel dienen. Der hiesige, aus dem Erfurter Landgebiet stammende Schulmeister Johannes Avianius trat sein Amt 1579 an924 und brachte der Schule, die 1584 kaum 50 Schüler zählte,925 einen bemerkenswerten Aufschwung. Die Protokolle von sechs Visitationen loben gleichermaßen beeindruckt seine Gelehrsamkeit, verweisen auf seine verfassten und gedruckten Dichtungen und beklagen, dass sein Talent nicht nutzbringender eingesetzt werden könne.926 Am eindrücklichsten ist dabei die erste Visitation während seiner Amtszeit von 1580. Die Begeisterung hinter den Worten des visitierenden Konsistorialsuperintendenten Johann Euringius ist nicht zu verkennen. Täglich werde die Grammatik in lateinischer und griechischer Sprache unterrichtet, die Komödien des Terenz und Ciceros Briefe sowie die „praecepta moralia“927 gelesen und neben der Musik selbst die Arithmetik gelehrt. Der herausragende Erfolg der Schüler war bezeichnend für die Leistungen des Schulmeisters und seines beigeordneten Kantors Matthäus Schmalz. Um seinen fast schwärmerischen Worten den gehörigen Nachdruck zu verleihen, ergriff Euringius eine Maßnahme, die im gesamten thüringischen Visitationswerk des 16. Jahrhunderts beispiellos war und bleiben sollte. Er gab die Schreibfeder einem Schüler der Prima namens Christopher Rivander in die Hand und ließ

923 924 925 926

LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2670, fol. 3r. Vgl. zu seiner Herkunft LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4278, fol. 330r. Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4279, fol. 145v. Vgl. zum Jahr 1580 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 62, fol. 258v, zu 1582 LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4278, fol. 340r, zu 1583 ebd., Landesregierung 4279, fol. 167r, zu 1584 ebd., fol. 145r, zu 1585 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 66, fol. 307r–v, zu 1586 ebd., Reg Ii 67, fol. 250v. 927 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 62, fol. 258v. Gemeint ist wahrscheinlich Camerarius’ Praecepta morum ac vitae.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

Abb. 5: Das Visitationsprotokoll der Lateinschule von Ronneburg von 1580 mit der Handschrift des Christopher Rivander.

‚REFORMATORISCHES SCHULWESEN‘ IN THÜRINGISCHEN STÄDTEN

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diesen im offiziellen Visitationsprotokoll einige Zeilen in anspruchsvollem Latein hinzufügen (Abb. 5). Das Ronneburger Beispiel stellt im Verhältnis zur Größe der Stadt einen Höhepunkt des humanistisch-reformatorischen Schulwesens dar. Selbstverständlich können ihm auch Gegenbeispiele entgegengestellt werden, unter denen die zeitgleichen Schulverhältnisse in Buttstädt unter dem Schulmeister Jonas Traubolth herausragen. Der aus Dachwig stammende Traubolth hatte seit 1567 in Jena studiert 928 und versah anschließend das Amt des Infimus an der Schule von Weimar. Möglicherweise hatte er dort die Nachfolge des 1573 abgesetzten Christoph Linda angetreten. Durch die Visitation von 1577 wurde er als Schulmeister nach Buttstädt versetzt.929 Im Jahr darauf fand die dortige Schule noch das Wohlwollen des Visitators, sie sei mit gelehrten und fleißigen Schuldienern wohl bestellt und werde von etwa 150 Schülern besucht.930 Neben dem Schulmeister dienten der Kantor Wolfgang Beß, latinisiert auch Betzelius, und der Baccalaureus Nikolaus Klemschuch.931 Einige Jahre später, 1583, wurden die ersten Klagen erhoben. Der Schulmeister nehme zu viele fremde Schüler auf, um sich an deren Schulgeld zu bereichern, er gehe zu oft auf Hochzeiten und er hinterziehe die Einnahmen der Schülerkurrenden.932 Obwohl der Schulmeister sich in diesem Jahr offenbar noch erfolgreich gegen die Vorwürfe verteidigte, wandelten sich die Verhältnisse innerhalb kurzer Zeit zu katastrophalen Zuständen. 1585 wurde Traubolth vom Pfarrer des Stolzes, der Zanksucht und des Unfleißes im Amt beschuldigt.933 Der Stadtrat ergänzte die Klagen auf vielfältige Weise: Die Leistungen der Schüler lassen wie auch die Disziplin erheblich nach, Schulmeister und Baccalaureus seien zerstritten und verweigerten jeden Vermittlungsversuch, Ersterer verlasse die Schule und die Stadt unvermittelt und unabgemeldet, er versorge das Abendmahl mit übermäßig viel Wein und betrinke sich am Rest, er vernachlässige die Musik in der Kirche und halte auf der Schule Gelage bis tief in die Nacht.934 Durch die Klagen veranlasst, widmete der Visitator der Schule und Traubolths Unterricht seine Aufmerksamkeit und deckte kümmerliche Zustände auf, „welchs mich nicht wenig betrubet“. Er habe die Schüler der Prima, der höchsten von drei Klassen, eine dreizeilige Sentenz aus dem Deutschen ins Lateinische übersetzen lassen und gefunden, dass nur ein Schüler namens Stephan Ritter dies einigermaßen zufriedenstellend bewältigt habe. Es sei ein schlechtes Zeichen für 928 929 930 931

Vgl. MENTZ, Matrikel (1944), S. 336. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 58, fol. 11r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 61, fol. 50v–51r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 57, fol. 207v; ebd., Konsistorialsachen, B 2886, fol. 243r u. 245r. 932 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 64, fol. 33v. 933 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 66, fol. 10r. 934 Vgl. ebd., fol. 11v–13r.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

Traubolths Amtsführung, wenn nach sieben Jahren „kaum ein Knabe recht verhanden, der sich seiner information also gebeßert, das er ein argumentum von dreyen zeilen machen kön[n]te“.935 Der Adjunkt kündigte an, einige Monate später die Überprüfung zu wiederholen und bei ausbleibender Besserung auf die Absetzung Traubolths zu dringen. Sie erfolgte nicht, sodass die Beschwerden 1586 vom Rat und der Gemeinde ungebrochen fortgesetzt wurden. Obwohl der Adjunkt im Vorjahr – wahrscheinlich bei der angekündigten zweiten Visitation – neue Lektionen verordnet habe, unterrichte der Schulmeister, so der Rat, andere Inhalte, „dadurch die Knaben mehr verseumet als gefördert“ werden. Es sei keinerlei Disziplin unter den Schülern, die zudem viel zu oft und zu unberechtigten Anlässen wie Jahrmärkten vom Unterricht befreit wurden. Mit dem eigenen Pfarrer habe sich der Schulmeister inzwischen so sehr überworfen, „das ein Erbar Raht darob ein grosses Mißfallen getragen vnd sich auch der her pfarher von der selbigen Zeit bis dahero der schulen mehr nicht annehmen wollenn“.936 Natürlich versuchte Traubolth sich gegen die Vorwürfe zu verteidigen, indem er sich selbst als Opfer der schulischen Entwicklung darstellte.937 Die mangelhaften Leistungen der Schüler schob er den Schuldienern der unteren Klassen zu, schloss sich den Klagen über die zahlreichen schulfreien Anlässe an und ergänzte sie durch die hinderlichen häuslichen Pflichten der Kinder. Als Beleg für die Rechtmäßigkeit seiner Lektionen reichte er den oben erwähnten und in der Übersicht erschlossenen Schulplan ein, bei dem es sich möglicherweise um die erwähnten 1585 erteilten Vorgaben des Adjunkten handelt. Noch im selben Jahr wurde Traubolth nach Niederzimmern in ein Pfarramt berufen, wodurch „der gantze streit auffgehoben“938 worden sei. Zu seinem Nachfolger wurde der aus Creuzburg stammende Magister Stefan Drefurt berufen, der seit 1580 durch ein herzogliches Stipendium gefördert in Jena studiert hatte.939 Es kann vermutet werden, dass der Stadtrat mit der Berufung eines Magisters das akademische Niveau der Schule zu steigern versuchte. Ob der Plan gelang, ist

935 Für beide Zitate ebd., fol. 13r. Der visitierende Pfarrer betonte, dass er die Übersetzungen der Schüler aufbewahre. Sie in einem Archiv ausfindig zu machen, wäre ein Glücksfall, ist aber unwahrscheinlich. 936 Für beide Zitate LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 67, fol. 58r–v. 937 Vgl. ebd., fol. 56r–v, sein Schreiben trägt bereits den bezeichnenden Titel „Ursachen, worumb ich mit meinen Knaben nicht wie ich wol gerne wölte kan fortkommen“. 938 Ebd., fol. 7r. 939 Vgl. LATh-HStA Weimar, Konsitorialsachen B 4451a, fol. 1r–3v; MENTZ, Matrikel (1944), S. 337. Der Chronist Johann Gottfried Müller erwähnt zwischen Traubolth und Drefurt einen Johannes Beatus, der heute nicht nachgewiesen werden kann, vgl. ThStA Rudolstadt, Hessesche Collectaneen, 2b Nr. 16, S. 86. Der Briefwechsel um Drefurts Berufung stellt ihn hingegen eindeutlig als Traubolths Nachfolger dar.

‚REFORMATORISCHES SCHULWESEN‘ IN THÜRINGISCHEN STÄDTEN

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unbekannt, doch überliefert der Buttstädter Chronist Johann Gottfried Müller, dass Drefurt sich selbst das Leben genommen habe.940

6.7.2. Der Katechismus und die religiöse Lehre im Unterricht Neben der Lehre der Sprachen und Künste bildete der Katechismus das wichtigste und charakteristischste Kriterium des reformatorischen Unterrichts. Seine Bedeutung für das evangelische Schulwesen kann kaum überschätzt werden, bestand doch das endgültige Ziel aller Schulen – dies wurde nicht erst anhand der Schulordnungen deutlich – in der sittlichen und religiösen Erziehung der Kinder. Die Schulen wurden als konfessionell geprägte Einrichtungen zu Vermittlern des Glaubens und der religiösen Lehre und der Katechismus wie die Lektüre der Bibel zu einem der hauptsächlichen Gegenstände ihres alltäglichen Unterrichts. Die Schulen entsprachen in dieser Hinsicht genau den Vorstellungen, die Luther bereits 1520 über ihre Funktion geäußert hatte. In seinen Augen war die Lektüre der Bibel und insbesondere deren richtiges Verständnis das einzige und entscheidende Ziel eines jeden Schulunterrichts (Kap. II 1.1.). Die eigentliche Vermittlung der Glaubenslehre, die in Form von Katechismuspredigten und -prüfungen erfolgte, sollte nach Luthers oben umrissenen Vorstellungen eine Aufgabe der Kirche und der Geistlichen und für Kinder wie Erwachsene beiderlei Geschlechts gleichermaßen verbindlich sein. Daran wurde in der praktischen Umsetzung nichts geändert, viel eher wurden die Geistlichen nicht selten für die Vernachlässigung dieser Pflicht kritisiert. Dem Saalfelder Superintendenten David Bramer, dem Nachfolger Basilius Ungers, wurde 1577 vorgeworfen, er halte die Katechismuspredigten nicht mehr selbst, sondern wälze sie auf den Schulmeister ab. Dies habe zur Folge, dass sie kaum besucht werden.941 Erst sein Nachfolger Philipp Caesar nahm sich wieder des Katechismus an, was allerdings zu den oben skizzierten Konflikten führte. Dass der Katechismus daneben seinen Platz im Schulunterricht fand, ist eine Folge des Schulkonzeptes Melanchthons, in dem ein Tag der Woche vollständig der Glaubenslehre reserviert war. Als der Schulplan durch die Visitationen verbindlich wurde, fand auch dieser Aspekt seine Umsetzung und wurde nicht selten überschritten. Die Visitationsprotokolle des gesamten Untersuchungszeitraumes enthalten vielfältige und häufige Mahnungen gegen die Vernachlässigung oder die falsche Ausrichtung des religiösen Unterrichts. Insbesondere erscheint dessen Etablierung in den Protokollen der ersten albertinischen Visitationen als eine Zäsur in der Neustrukturierung des Schulwesens. Es seien die Schulen, so die 940 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Hessesche Collectaneen, 2b Nr. 16, S. 86. 941 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 58, fol. 172r–v u. 180r.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

vielerorts wiederholten Worte der Visitationsverordnungen, „dorin mann furnemlich (wie dann auch in der Kirchenn) die Kinder im Catechismo sol vnterweyssenn damit die Gottes Ehr zuuor gesucht werde“. 942 Grundsätzlich wird die Umsetzung dieser Theorie häufig – nicht nur im albertinischen Herzogtum – deutlich. Der tägliche Unterricht war in stärkstem Maße geprägt von religiösen Übungen, von Gebeten wie von Psalmen-, Evangelien- oder anderweitigen Bibellesungen. Sie standen so sehr im Mittelpunkt der geistigen Ausbildung, dass selbst der grammatikalische Unterricht nicht davon getrennt werden kann. Die Anfänge der Grammatik wurden nicht allein an der Lektüre der Fabeln Aesops oder der Disticha Catonis, sondern mit Vorliebe an biblischen Texten, den erzählerischen Passagen der Evangelien, den Sprüchen Salomos oder vergleichbaren Texten eingeübt. Nicht selten wurde der Unterricht durch den Besuch von Gottesdiensten und Predigten unterbrochen, denen sich eine Befragung der Schüler in den Predigtinhalten oder eine tiefergehende Erschließung des zugrundeliegenden Evangeliums anschloss. Letztlich wurde der von Luther verfasste Katechismus auch unabhängig der inhaltlichen Betrachtung zu einem der ersten Lesebücher des elementaren Lesenlernens. Er wurde zunächst auf Deutsch und mit der fortschreitenden Grammatikkenntnis auf Latein oder entsprechend des sprachlichen Niveaus der Schule auch auf Griechisch gelesen. Die dargelegten Lehrpläne und Schulordnungen präsentieren die vielfältige Umsetzung der religiösen Erziehung im gleichen Maße wie die humanistischen Sprachstudien. Es soll daher im Folgenden die oben begonnene Übersicht über die Unterrichtsinhalte entsprechend fortgesetzt werden. Natürlich muss auch diesmal mit einer Unvollständigkeit der Lehrpläne gerechnet werden. Insbesondere kann die Lektüre von Psalmen im reformatorischen Unterricht als selbstverständlich gelten, wird aber nur in verhältnismäßig wenigen Lehrplänen ausdrücklich erwähnt. Auch kann wohl eine stärkere Verbreitung des Jesus Sirach angenommen werden.

942 Zitiert nach den Verordnungen für Langensalza, LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 1c, Bd. 1, fol. 3r. Vgl. ergänzend für Kindelbrück: Man solle „sonderlich In der Schulen, wie den auch In der Kirchen, den Catechismum treiben, vnd den Kindern einbilden“, HStA Dresden, 10024, Loc. 10593/6, fol. 276v.

‚REFORMATORISCHES SCHULWESEN‘ IN THÜRINGISCHEN STÄDTEN

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Tab. 14: Gegenstände des katechetischen und religiösen Unterrichts an den reformatorischen Lateinschulen Katechismen, religiöse und theologische Lehrbücher, religiöse Dichtungen Martin Luthers Katechismus Altenburg, Blankenburg, Buttelstedt, Buttstädt (1565 in deutscher Sprache und 1586), Eisenach, Eisfeld, Jena, Langensalza, Magdala, Römhild, Ronneburg, Rudolstadt, Saalfeld, Sangerhausen, Suhl, Tennstedt, Thamsbrück, Treffurt, Weimar, Weißensee Martin Luthers Katechismus Altenburg, Arnstadt, Blankenburg, Buttelstedt, Buttin lateinischer Sprache städt (1565 und 1586), Eisenach, Eisfeld, Jena, Langensalza, Magdala, Rastenberg, Römhild, Ronneburg, Rudolstadt, Saalfeld, Salzungen, Sangerhausen, Suhl, Tennstedt, Thamsbrück, Treffurt, Weimar, Weißensee Martin Luthers Katechismus Altenburg, Arnstadt, Weimar in griechischer Sprache Justus Menius’ Katechismus Eisenach Philipp Caesars Saalfeld Katechismus David Chytraeus’ Altenburg, Eisenach, Jena, Ronneburg, Saalfeld, Katechismus Sangerhausen, Tennstedt, Weimar Quaestiones Examinis Eisenach,944 Langensalza,945 Römhild946 Theologici943 Johannes Stigels Evangelien- Eisenach,947 Weimar948 und Psalmendichtungen Methodus oder Hauptartikel Buttstädt (1586), Weimar christlicher Lehre oder Methodus doctrinae Christi (Johannes Wigand) Corpus doctrinae Altenburg 943 Das mehrmalige Auftreten solcher Quaestiones lässt ein grundlegendes theologisches Werk vermuten, dass offenbar aus der Feder Melanchthons stammt. Möglicherweise handelt es sich um das bereits erwähnte Werk Der Ordinanden Examen. 944 „quaestiones examinis theologici Philippi Melanthonis, ubi doctrina christianae pietatis uberius aliquanto explicatur“, SCHMIDT, Unterrichtsordnung (1885), S. 10. 945 „Examinis Theologici quaestiones & definitiones“, LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 49, fol. 37r. 946 „definitiones in sacris ex examine Theologico philippi, ut exempla gratia, Dei, Legis, peccati, fidei [etc]“, LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 57, fol. 130v. 947 „oratio matutina a Joanne Stigelio carmine elegiaco reddita“, SCHMIDT, Unterrichtsordnung (1885), S. 5. Stigel verfasste mehrere Nachdichtungen von Psalmen und Evangelientexten, die mitunter tatsächlich als Elegia redditus bezeichnet wurden (vgl. exemplarisch VD16 B 3434). Eine spezielle Auswahl traf die Eisenacher Schulordnung dabei jedoch nicht. 948 „versus Stigelii summam Euangelii sequentis Dominicae complectentes“, LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 55, fol. 10v. Auch hier wird keine genaue Auswahl getroffen.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

Psalmen Sprüche Salomos Jesus Sirach Auslegung der jeweiligen Sonntagsevangelien und -episteln in deutscher Sprache Auslegung der jeweiligen Sonntagsevangelien und -episteln in lateinischer Sprache

Bibellektüre Eisfeld, Rastenberg, Saalfeld, Tennstedt, Thamsbrück, Treffurt, Weimar, Weißensee949 Arnstadt, Eisfeld, Magdala, Rastenberg, Treffurt, Weimar Eisfeld Altenburg, Blankenburg, Buttelstedt, Buttstädt (1565), Eisenach, Eisfeld, Jena, Langensalza, Magdala, Römhild, Sangerhausen, Suhl, Tennstedt, Weimar, Weißensee Altenburg, Arnstadt, Blankenburg, Buttelstedt, Buttstädt (1565 und 1586), Eisenach, Jena, Langensalza, Rastenberg, Ronneburg, Rudolstadt, Sangerhausen, Suhl, Thamsbrück, Treffurt, Weimar, Weißensee Altenburg, Arnstadt, Buttstädt (1586), Jena, Langensalza, Ronneburg, Saalfeld, Sangerhausen, Suhl, Tennstedt, Weimar, Weißensee

Auslegung der jeweiligen Sonntagsevangelien und -episteln in griechischer Sprache Altenburg Disticha Evangeliorum950 Gebete und Gemeinsamer Besuch von Predigten Allmorgendlicher UnterArnstadt,951 Blankenburg, Eisfeld, Magdala, richtsbeginn mit Gebeten Tennstedt, Thamsbrück, Weißensee Besuch der (Katechismus-) Altenburg, Arnstadt, Blankenburg, Buttstädt (1565), Predigten Eisenach, Jena, Langensalza, Rastenberg, Ronneburg, Saalfeld, Tennstedt, Thamsbrück, Weimar, Weißensee

Obwohl der lutherische Katechismus in der schulischen Praxis nicht alternativlos war, wurde er als die allumfassende Autorität in religiösen Fragen betrachtet. Die Orientierung an den lutherischen Glaubensvorstellungen nahm im 16. Jahrhundert nicht nur fast die Gestalt evangelischer Heiligenverehrung an. Der Schulmeister Johannes Wolf sprach in der Schulordnung von Weimar vom Katechismus des ‚heiligen Lutherus‘ („a uiro Sancto Luthero traditam“952) und stand damit

949 Der Weißenseer Lehrplan ist der einzige, der die zu lesenden Psalmen aufzählt. Es sind, bis auf die Ausnahme des Psalm 125, dieselben wie im Sächsischen Schulplan von 1528. Der Lehrplan entspricht diesem somit auch hier auffallend, vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 41a, fol. 21v. 950 Unter dem Titel Disticha in Evangelia Dominicalia wurden von mehreren Autoren einzelne Werke gedruckt. Worum es sich bei dem Altenburger Exemplar handelt, bleibt offen. 951 Der Arnstädter Schulordnung sind im Anhang sogar eigene Gebete für die Schuldiener und die Schüler der einzelnen Klassen angefügt, vgl. LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, Nr. 2979, unfol. 952 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 55, fol. 8r.

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nicht allein.953 Alternativen stießen, wenn sie mit den lutherischen Lehren nicht im Einklang standen, auf wenig Gegenliebe bei der Obrigkeit und den Visitatoren. Es geschah nicht selten, dass lokale Pfarrer für die Glaubenslehre eigene Katechismen entwarfen, an Luthers Version orientierten oder sie ergänzten. Die Methode der Katechismuspredigten Caspar Aquilas ist bereits skizziert worden, auch wurden die Fragestücke Philipp Caesars erwähnt. Obgleich Letztere bei der Bevölkerung nicht geschätzt wurden, fanden sie doch die Anerkennung der Visitatoren. Anders erging es dem Katechismus des schwarzburgischen Superintendenten Nikolaus Herco, der, obwohl sein Verfasser Großes für das schwarzburgische Kirchenwesen leisten sollte, „vmb vieler verhinderung Willen Abgeschafft werdenn“954 müsse. Er sollte durch die Katechismen Luthers für die jüngeren und Chytraeus’ für die weiter fortgeschrittenen Schüler ersetzt werden. Dasselbe Schicksal teilte der zuvor in Eisenach noch rege genutzte Katechismus des Justus Menius. In den Visitationsprotokollen von 1578 ist sowohl in Eisenach als auch in Waltershausen zu lesen, dass hinfort nicht mehr der von Menius, sondern der lutherische Katechismus zu gebrauchen sei.955 In Weimar wurde der Katechismus des Chytraeus zwar in der Schulordnung verankert, nachträglich allerdings in einem ersten Schritt durch den Methodus Johannes Wigands ergänzt und zu einem unbekannten Zeitpunkt gänzlich gestrichen. 956 1570 wurde der Gebrauch des lutherischen Katechismus und des kleinen Corpus doctrinae von Matthäus Judex vorgeschrieben. 957 Sieben Jahre später wurde der Schulmeister Bartholomäus Hubnerus vom Stadtrat beschuldigt, mit der Billigung des Superintendenten ungeeignete und der Jugend schädliche Schriften zu verbreiten. Worum es sich dabei handelte und ob es überhaupt theologische Literatur war, bleibt offen. Einer vom Stadtrat betriebenen Amtsenthebung kam er selbst noch 1577 durch seine Kündigung zuvor. 958 Angesichts dieser strengen Lehrauffassung in der gespaltenen protestantischen Kirche überrascht es, dass der Katechismus des Bartholomäus Rosinus auch nach seiner Absetzung 1573 noch genutzt und beispielsweise in Ronneburg äußerst wohlwollend beurteilt wurde. Die Fragestücke des einstigen Superintendenten hätten, so ist 1582 zu lesen, „beym gesinde vnndt kindern viel nutz geschaffen“.959

953 954 955 956 957 958

Vgl. RÖßLER, Luther, der Heilige (2017). LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, Nr. 2869, fol. 3r. Vgl. LATh-StA Gotha, Oberkonsistorium, Loc 19, Nr. 4, unfol. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 55, fol. 12v. Vgl. ebd., fol. 659r. Vgl. zu Judex’ Werk GEHRT, Matthäus Judex (2012). Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 58, fol. 10v. Im selben Atemzug wurde dem Schulmeister vorgeworfen, „das er sich in Medicina practicirens vnterstehe“, vgl. ebd. Möglicherweise ist ein Zusammenhang auch hier zu suchen. 959 LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4278, fol. 342r.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

Bereits der Vergleich der konfessionellen Anfänge des Unterrichts im Sächsischen Schulplan mit den späteren Schulordnungen und der Vielfalt der in den Schulen gelesenen religiösen Literatur verdeutlicht die zunehmende Ausprägung und die Steigerung des religiösen Elements an den Schulen. Obwohl der Katechismusunterricht nach Melanchthons Vorstellungen maßgeblich war, gestalteten sich seine Anfänge angesichts der noch kritischen und unsicheren religiösen Situation doch zaghaft. Die Auseinandersetzung mit „hader sachen“960 sei zu vermeiden und mitunter mussten übereifrige Schulmeister in ihrem Streben gebremst werden. Der Schulmeister von Kahla, Paul Rebhuhn, hatte, als er 1535 sein Amt niederlegte, zur großen Zufriedenheit des Stadtrates gedient – er erhielt ein erhebliches Ehrengeschenk von 4 fl „vmb seins grossen vleisses willen bey den Knaben“961 –, doch fand sein Engagement in der religiösen Lehre 1533 die Kritik der Visitatoren. Er habe mit den Schülern „genesinn vnd ander schwere bucher der Bibel“ gelesen und wurde nun ermahnt, „desselben sich hinfurd ahn [zu] enthalten“.962 Desgleichen solle er den Katechismusunterricht in der Kirche nicht selbst halten, sondern dem Pfarrer überlassen. Kirchenbesuche waren verbindlicher Bestandteil des schulischen Alltages, selbst wenn sie nicht an die aktive Mitwirkung des liturgischen Schülerchores gebunden waren. Die alte Forschungsthese, dass der kirchliche Katechismusunterricht auf den Dörfern dem eigentlichen Schulwesen vorausging, 963 kann mitunter selbst für kleinere Städte bestätigt werden. Die Visitationsprotokolle von 1528/29 von Sulza sind nicht überliefert, doch verzeichnete der Stadtrat die dabei erlassenen Verordnungen im Stadtbuch. Von einer Schule findet sich darin kein Hinweis – die des Stiftes fand keine Erwähnung mehr und eine städtische war noch nicht errichtet worden. Stattdessen wurden die Menschen ermahnt, „das sie ire kindern zur kirchen zyhen, vnnd insunderheit die kinder, predigk, als das vater vnser, den glauben, vnnd zehen gebot, lernen lassen“.964 Die Teilnahmepflicht an diesem kirchlichen Angebot war nach der Gründung von Schulen weiterhin für jene Kinder, welche die Schulen nicht besuchten, verpflichtend. Der Stadtrat von Waltershausen betonte dies in seinem Schreiben an die Herzöge von 1555 explizit und

960 LUTHER/MELANCHTHON: Unterricht, WA 26, S. 239. 961 StA Kahla, A, Nr. 400, unfol. 962 Für beide Zitate LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 4.2, fol. 259r. Vgl. auch BERGNER, Geschichte Kahlas (1917), S. 108. 963 Insbesondere gründete Heinrich Heppe sein mehrbändiges Werk über die Entstehung des Volksschulwesens auf dieser Theorie, die er im ersten Band breit darlegte, vgl. HEPPE, Volksschulwesen 1 (1858) insbesondere S. 14–17, vgl. in seiner Nachfolge auch MENZEL, Volksschule (1958), S. 209–211; FRANK, Deutschunterricht (1973), S. 35. 964 HEYLAND, Stadtbuch (2000), S. 51.

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bezifferte insbesondere die Zahl der daran beteiligten Mädchen – eine Mädchenschule bestand zu dieser Zeit noch nicht – mit etwa 150.965 Es ist fast selbstverständlich, dass auch dieser Zweig Raum für Missfallen bot, hielt sich doch die Bereitschaft der Bürger, ihre Kinder mehrmals wöchentlich in die Kirche zu schicken oder diese selbst zu besuchen, in Grenzen. Klagen über den mangelhaften Besuch der Katechismuspredigten und damit verbundener Prüfungen oder das dabei an den Tag gelegte Fehlverhalten wurden häufig erhoben, so beispielsweise 1575 in Sondershausen966 oder wiederholt in Schmölln967 und Ronneburg968 in den 1580er Jahren, obgleich in letzterem Fall der Katechismus in der Schule unter dem erwähnten, allzeit gelobten Schulmeister Johannes Avianius „mit allem fleiß Inn die Jugendt gepflanzt“969 werde. Die Erfolge des kirchlichen Unterrichts blieben demzufolge unterschiedlich und nicht immer zufriedenstellend. Die Kinder aus Orlamünde, so wurde 1582 geurteilt, sträubten sich zwar vor dem Katechismus, doch sei es „eine lust [sie] zue horen“.970 Dem entgegen wurde im selben Jahr in Jena die schlechte Beherrschung des Katechismus sowie das schlechte Benehmen in der Kirche bemängelt.971 Der kirchliche Katechismusunterricht wurde ergänzt durch regelmäßige Predigten, deren Besuch oft aufs Neue in Erinnerung gerufen werden musste. Der Schulmeister von Buttelstedt wurde 1569 nicht nur ermahnt, den täglichen Unterricht mit einem Kapitel des Katechismus oder der Bibel zu beginnen, sondern mit den Schülern wöchentlich mindestens eine Predigt zu besuchen.972 In Weimar wurde im selben Jahr mit dem Superintendenten verhandelt, die für die Schüler verbindliche Predigt auf den Vormittag des Donnerstag zu legen, um sie mit dem Lehrplan besser zu vereinbaren.973 Angesichts dieser religiösen Ausprägung der Schulen und der Vermittlerrolle, die sie in der Erziehung der Kinder von Anfang an einnahmen, wurde ein hoher Anspruch an die konfessionelle Haltung der Schuldiener und ihre Festigkeit in der Glaubenslehre gestellt. Dies betrifft nicht allein die Zeit der Lehrstreitigkeiten, die mit den oben geschilderten Absetzungswellen verbunden war. Bereits in den frühen Visitationen wurde besondere Aufmerksamkeit im Verhör der Ratsleute 965 Vgl. LATh-StA Gotha, Oberkonsistorium, Amt Tenneberg, Loc 11, Nr. 1754, unfol. 966 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Hessesche Collectaneen, 2c Nr. 7, fol. 78r–v. 967 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 62, fol. 285v (1580); LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4279, fol. 326v (1583). 968 Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4278, fol. 318v (1582); ebd., Landesregierung 4279, fol. 152r (1584). 969 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 62, fol. 258v. 970 LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4278, fol. 151v. 971 Vgl. ebd., fol. 223r. 972 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 55, fol. 95r. 973 Vgl. ebd., fol. 2r. So verhielt es sich 1584 auch in Saalfeld, vgl. Tab. 9, S. 503.

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und Geistlichen auf die Vorbildfunktion der Schuldiener gelegt, weshalb die üblichen Anforderungen an jeden Schuldiener die religiöse Rechtmäßigkeit und die Führung eines angemessenen Lebenswandels waren. Im Zweifelsfall konnte von diesem Kriterium, nachdem der personelle Fortbestand des Schulwesens gesichert war, das Amt der Schuldiener abhängen. Der früheste bekannte Fall, dass einem Schuldiener aus konfessionellen Gründen ausdrücklich mit der Absetzung gedroht wurde, stammt aus dem Jahr 1555. Der Schulmeister und der Kantor von Kölleda wurden vom Pfarrer ob ihres Lebenswandels und ihres Fleißes im Amt gelobt, doch glich dies die vermeintlichen Widersprüche zur lutherischen Lehre nicht aus. Sie erhielten die folgende Ermahnung: „mit der lehr aber ßollen sie sich zwisch[en] hier vnd dem Negsten Sinodium bessern, wo nicht ßollen sie entsezt werdenn“.974 Mit der Konkordienformel wurde auf die oben skizzierte Weise ein Instrument und Maß zur konfessionellen Begutachtung geschaffen. Alle Schuldiener waren vor ihrer Einstellung und während ihrer Amtsführung verpflichtet, die darin gebündelten Inhalte anzuerkennen und sich durch die Unterzeichnung darauf zu verpflichten. Obwohl manche Schuldiener sich dieser Pflicht zu entziehen suchten (Kap. II. 4.3.7.), waren die Visitatoren bemüht, noch ausstehende Unterschriften zeitnah einzufordern. Dem neuen Kantor von Jena, Christopherus Riemer, wurde, um nur ein Beispiel zu nennen, 1585 eine Frist von drei Monaten zu diesem Zweck gewährt.975 Dem Kantor von Ronneburg, Matthäus Schmalz, gewährte man im folgenden Jahr, da er bereits längere Zeit im Amt war, vier Wochen.976 Diese Festlegung auf die richtige Theologie spielte den Schuldienern mitunter jedoch neue Argumente in die Hand, um ihre geringe Besoldung zu beklagen. Eine religiöse Rechtschaffenheit basiere auf dem Studium theologischer Schriften. Deren Erwerb werde auf der Grundlage der geringen Besoldung allerdings nicht in ausreichendem Maße ermöglicht. Eine von den Visitatoren festgestellte Abweichung von der evangelischen Lehrnorm konnte somit – wie in dem exemplarischen Beispiel des Infimus von Waltershausen, Michael Guleich, 1589977 – auf die Knappheit der Besoldung geschoben werden.

6.7.3. Die Musik als Gegenstand des Schulunterrichts Mit der katechetischen Lehre war die Unterrichtung der Musik eng verbunden. Das Gebet und der Katechismusunterricht wurden von geistlichen Liedern begleitet und kein Schultag der Woche verlief ohne eigenständige Lektion in der 974 975 976 977

LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 40a, fol. 55r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 66, fol. 209r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 67, fol. 250v. Vgl. LATh-StA Gotha, Oberkonsistorium, Loc 19, Nr. 7, fol. 28r–v.

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Musik. Martin Luther hatte seine Vorstellungen von der Mitwirkung der Schüler an der kirchlichen Liturgie 1526 dargelegt. An der Funktion der Schüler als Kirchenchor sollte nach seinem Dafürhalten nichts geändert werden, doch diente die Musik nicht mehr allein der kirchlichen Liturgie. Sie wurde zum Selbstzweck und zu einem weiteren Maßstab der schulischen Leistungsfähigkeit. Aus der Choralmusik kristallisierte sich bis spätestens zur Mitte des Jahrhunderts die Figuralmusik heraus und trat als eigenständige Disziplin neben sie. Nur in einem Fall lässt sich diese Entwicklung zeitlich einigermaßen verorten, indem Georg Spalatin 1542 von dem ‚neuen figuralen Gesang‘ an der Schule von Altenburg sprach (Kap. II. 3.4.2.). In zahlreichen weiteren Fällen tritt der Figuralgesang als fest etabliertes Element der musikalischen Ausbildung sowie der öffentlichen oder privaten Anwendung in Erscheinung. So wurde es den Bürgern von Langensalza ausdrücklich freigestellt, ob sie für Hochzeitsfeiern den Schülerchor im Figural- oder nur im Choralgesang in Anspruch nehmen wollten. Die Entlohnung des Kantors und der Chorknaben, so die Information des Visitationsprotokolls von 1575, richtete sich in der Höhe nach dieser Entscheidung.978 Gleiches galt für die Teilnahme an Beerdigungen sowie für den Festakt beim Regierungsantritt eines neuen Rates. 979 In Altenburg fand der Figuralgesang eine wichtige Anwendung bei der Kurrende und auch, wenn dies nicht überall so deutlich ausgesprochen wurde, wird es sich dabei um den Normalfall gehandelt haben. Wie die religiöse Rechtschaffenheit wurden die musikalischen Kenntnisse und Fähigkeiten zu einem wichtigen Kriterium bei der Auswahl der Schuldiener – in kleineren Städten mitunter sogar zum entscheidenden. Die entsprechenden Worte über die Ansprüche an den Thamsbrücker Schulmeister wurden bereits zitiert. Dieselben Verhältnisse prägten 1582 den Briefwechsel über die Neuwahl eines Schulmeisters von Lucka.980 Über die fachlichen Kompetenzen der Kandidaten fiel darin kaum ein Wort. Der Stadtrat setzte lediglich voraus, dass der Schulmeister die gute Qualität der Kantorei aufrechterhalte. Ein Bewerber um das Amt – Andreas Creuz, der Schwager des Superintendenten von Zeitz – zog seine Bewerbung daraufhin selbst wieder zurück, in dem Wissen, dem Anspruch nicht gerecht zu werden.981 Die Wahl Wolfgang Wincklers war mit einer Probe seines Könnens verbunden, denn er wurde letztlich in das Amt berufen, da man in der Stadt mit seiner „regirung des Chores“982 zufrieden gewesen sei. Zahlreich sind angesichts dieses Verständnisses sowohl die Kritik an mangelnder Qualität, als auch die Hervorhebung außergewöhnlicher musikalischer 978 979 980 981

Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 49, fol. 27v–28r. Vgl. StA Langensalza, R II, 55, fol. 156r. Vgl. für das Folgende auch LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen I (1886), S. 310. Vgl. LATh-StA Altenburg, Ministerium zu Altenburg, Abt. für Kultusangelegenheiten 1014, fol. 4v. 982 Ebd., fol. 7r.

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Leistungen. Das bereits mehrfach erwähnte ausgezeichnete Urteil über die Leistungen der Ronneburger Schule enthält diesen Aspekt als letzten zu nennenden Bestandteil. Der Schulmeister Avianius und der Kantor Schmalz, so heißt es zum Jahr 1582, „können allein mit der Schule, nemine adtributo, wöchentlich 6 Vocum singen“.983 Der Verlust einer derartigen musikalischen Qualität wurde in den Städten als ernstzunehmende Gefahr empfunden und mitunter zur Katastrophe stilisiert. Rat und Pfarrer des kleinen Fleckens Berka an der Werra beklagten eine solche Entwicklung 1602 vor dem Konsistorium. Der letzte Schulmeister Johann Göpel habe mit seinen Schülern den lateinischen und deutschen Gesang dermaßen beherrscht, „das die Kirche durchs Jhar damit wohl gezieret gewesenn, quinq[ue], sex, octo vocum singen konnen“.984 Nach seinem Eintritt ins geistliche Amt habe sein Nachfolger Ulrich Körner die Qualität jedoch nicht halten können und die Schule in jeglicher Hinsicht in den Niedergang geführt. Kein Knabe könne nun noch das Evangelium lesen, den Katechismus rezitieren oder auch nur einen deutschen Gesang singen. Das Beispiel der Stadt Meiningen verdeutlicht ergänzend, dass dies nicht auf Kleinstädte zu beschränken ist. Nachdem der hiesige Schulmeister Wolfgang Müller 1577 das Rektorat des neugegründeten hennebergischen Gymnasiums in Schleusingen angetreten hatte,985 blieb sein musikalisches Talent und vor allem die Bereitschaft, es anzuwenden, in guter Erinnerung. Als 1582 vielfache Klagen über seinen Nachfolger Bernhard Metzler erhoben wurden, erfuhr dessen ablehnende Haltung gegenüber der Musik an erster Stelle Kritik. Er wälze die kirchenmusikalischen Verpflichtungen auf die unteren Schuldiener ab – ganz anders als Müller, der sich der Musik „gar nicht geschemet“986 habe. Die praktische Anwendung der Musik in der kirchlichen Liturgie blieb in der Reformationszeit selbstverständlich. Die zitierten Anforderungen an die Schuldiener umfassten stets die musikalische Versorgung von Schule und Kirche. Die Kontinuität dieser Verhältnisse tritt insbesondere in dem Anstellungsvertrag des Pößnecker Schulmeisters Sebastian Börtel 1528 zu Tage. Er solle ausdrücklich „vorigem gebrauch nach“987 mit den Schülern zur wöchentlichen Predigt das Benedictus und etliche Psalmen sowie an den Sonntagen das Introitus Kyrie eleison und mit der Gemeinde deutsche Lieder singen. Ein ähnliches Vorgehen musste den Schuldienern von Gera 1545 anbefohlen werden. Die Predigten, an denen sie mit einer Auswahl von acht oder zehn Knaben teilnehmen sollten, fielen dabei auf Mittwoch und Freitag, selbstverständlich ergänzt durch die sonntäglichen 983 LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4278, fol. 340r. 984 LATh-HStA Weimar, Eisenacher Konsistorium, Nr. 991, unfol. 985 Vgl. MERTZ, Schulwesen (1902), S. 127; GERSTENHAUER, Bernhardinum (1972), S. 210; NEBEL, Gymnasium (1972), S. 233 f. 986 LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. IV, Nr. 217, fol. 76r. 987 StA Pößneck, B I 2, Nr. 6, fol. 17v.

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Gottesdienste.988 Unterbrechungen des Unterrichts wurden dafür in Kauf genommen und 1555 in Weimar sogar ausdrücklich angeordnet. Der Nachmittagsunterricht sollte zur Halbzeit für die Vesper unterbrochen werden, erst „nach gehaltener vesper [sollten] die schuler widder ihres studirnns in der schule abwartten“.989 Etliche weitere Hinweise und Anordnungen in den Visitationsprotokollen betreffen letztlich einzelne praktische Belange des kirchlichen Gesangs der Schüler, wie ihre Position im Chorraum,990 die Frage der Chorkleidung991 oder aber den Bau eines Singechores.992 Es kann angesichts dieser alltäglichen Umstände keine Rede von einer Trennung der liturgischen Pflichten vom Lateinschulwesen sein. Die zugunsten der wissenschaftlichen Ausbildung seit den 1570er Jahren in den wettinischen Herrschaften ins Auge gefassten Konzepte (Kap. II. 2.3.3. und 2.3.4.), die Lateinschüler von der Kirchenmusik zu entheben, fand in der Praxis keine nachweisbare Umsetzung. In etlichen, wenn auch nicht allen Lehrplänen, blieb der Kirchenbesuch fester Bestandteil des Unterrichtstages. Es stellt somit einen Widerspruch dar, wenn der Schulmeister von Thamsbrück, Melchior Stange, der 1598 unter dem oben zitierten Anspruch auf die kirchenmusikalischen Verpflichtungen eingestellt wurde, nur wenige Monate später den Visitatoren gegenüber äußerte, dass er sich in seinem Unterricht nach den Vorgaben der Kursächsischen Kirchenordnung richte. 993 Die Notwendigkeit der Liturgie wog schwerer als eine mögliche Entlastung der Schüler. Die Art des musikalischen Unterrichts kann nicht so detailliert erschlossen werden, wie im Fall des grammatikalischen Sprachunterrichts. In den überlieferten Lehrplänen wird er mitunter trotz oder gerade wegen seiner Bedeutung als selbstverständlich übergangen oder lediglich nebensächlich als Unterbrechung des sprachlichen Unterrichts erwähnt.994 In den ausführlicheren Fällen präsen988 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1846, fol. 3v–4r. 989 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 23-26, fol. 30v. 990 Die Schüler von Lobenstein wurden 1543 am Rand des Chorraumes positioniert, um den Kommunikanten nicht im Wege zu stehen, vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 12, fol. 18r. 991 In Heringen wurde das Tragen von Chorröcken offenbar 1575 in Frage gestellt und von den Visitatoren neu verordnet, vgl. LATh-StA Rudolstadt, Konsistorium Sondershausen, Nr. 108, fol. 11v. 1584 wurden in Treffurt durch den Gemeinen Kasten neue Chorröcke für die Schüler finanziert, vgl. LASA, Standort Wernigerode, E 52 (Treffurt), B, XI, Nr. 1 (1584), unfol. 992 In Weißensee wurde 1555 mit der Beründung, dass nur wenige Knaben am Chorgesang in der Kirche teilnehmen, für den Bau eines neuen, nicht so entlegenen Singechores argumentiert, vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 40a, fol. 100r. 993 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 4, fol. 442v. 994 So beispielsweise in der Weimarer Schulordnung: „Finito Musices exercitio […] Comoediae Terentianae […] enarantur“, vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 55, fol. 13r.

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tiert er sich nicht allein als praktisches Üben im Gesang, sondern als anspruchsvoller Unterricht auf musiktheoretischer Grundlage. Wie im Sächsischen Schulplan findet er meist an den ersten Stunden der Nachmittage seinen Platz im Unterrichtstag. Der Lehrplan von Suhl lässt dabei – um ein Beispiel herauszugreifen – den theoretischen Charakter des Unterrichts durch entsprechende Formulierungen erahnen. Die musikalische Ausbildung erfolgte hier an vier Tagen in der Woche. Am Montag ‚las‘ der Kantor mit den Schülern die Musik („Cantor legit Musicam“), am Dienstag fuhr er damit fort („Cantor in Musica pergit“), ebenso am Donnerstag („Ut prioribus diebus“), während allein der Freitag den praktischen Gesangsübungen vorbehalten war („Exercentur cantus choralis a Cantore“).995 Mit ähnlichen Worten wird der musikalische Unterricht im Lehrplan von Buttstädt (1565) umschrieben, nur erfolgte hier die praktische Übung parallel zur theoretischen („Tradun[tur] a Cantore p[rae]cepta Musices choralis, et simul cum omnib[us] sit exercitium Musicum“996). Während der Figuralgesang in Buttstädt auf den Freitag verlegt wurde und zeitlich beschränkt blieb („interdum etiam figuralem“997), findet er in Suhl keine Erwähnung. Ähnliche Formulierungen finden sich in den Lehrplänen vielfach wieder, werfen allerdings nur wenig Licht auf die Umstände des Unterrichts. Nur der deutsche Lehrplan von Weißensee wird deutlicher. Von den vier Wochenstunden in der Musik diente hier die Stunde am Donnerstag der Übung im Figural- und die am Freitag im Choralgesang, während am Montag und Dienstag der theoretische Musikunterricht „[a]us der Musica Losii“998 erfolgte. Gemeint ist die erstmals 1563 gedruckte Schrift Erotemata Musicae Practicae des Lucas Lossius, die in der für die zeitgenössischen Lehrbücher typischen Dialogform die Theorie der choralen und figuralen Musik anhand zahlreicher Notenbeispiele erschloss.999 Der praktische Unterricht war dabei, wie ebenfalls bereits im Sächsischen Lehrplan vorgegeben, klassenübergreifend. Die Musiktheorie erfolgte hingegen nur in den höheren Klassen, während die jüngeren Schüler sich zur selben Zeit im Schreiben übten.1000 Eine ähnliche Abstufung erfolgte auch in Sangerhausen. Hier griffen die oberen Klassen zu einem nicht weiter spezifizierten „Musicae Compendium“,1001 um sich neben dem Gesang der Musiktheorie zu widmen. Ein solches Compendium wird im Lehrplan von Rastenberg der Feder des Nikolaus Medler zugeordnet.1002 995 996 997 998 999 1000 1001 1002

Für alle Zitate LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. IV, Nr. 198, fol. 22r. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 55, fol. 43r. Ebd., fol. 45r. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 41a, fol. 19r. Vgl. LOSSIUS, Erotemata Mvsicae Practicae, fol. A5. Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 41a, fol. 22v. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 21, fol. 57v. „Compendium Musices Nicolai Medleri p[er]legit[ur] et in cantilenis exercentur“, vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 55, fol. 65r.

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Es trägt den Titel Initia Artis Musicae, wurde 1553 als Anhang in die von Hans Daubmann gedruckte Grammatik Medlers mit aufgenommen und ist in derselben, inhaltlich ähnlichen Dialogform gehalten, wie die Erotemata des Lucas Lossius.1003 Aufgrund ihrer öffentlichen und gesellschaftlichen Wirksamkeit entwickelte sich die Schulmusik unabhängig von den übrigen schulischen Aspekten und erreichte noch im 16. Jahrhundert einen besonderen Grad der Institutionalisierung. Aus der Gemeinschaft der Chorschüler und der Kantoren – oder eben der Schulmeister selbst – entstand die Kantorei, deren Eigenständigkeit sich beispielsweise in der Anlegung separater Bibliotheken niederschlug. Das Verzeichnis einer solchen musikalischen Schulbibliothek ist im Altenburger Zusammenhang bereits dargelegt worden. Es ist in der Überlieferung kein Einzelfall, doch soll an dieser Stelle auf die Erschließung weiterer Exemplare verzichtet werden. Betont sei zuletzt lediglich, dass die Qualität der Musik wie kaum ein anderes Feld des Schulwesens die öffentliche Aufmerksamkeit und Pflege fand und darüber hinaus das Selbstbewusstsein der Schuldiener bestärkte. Die Leitung des Chores trat als eigenständiges Element neben die wissenschaftliche Ausbildung, bis die Schulmeister sie in ihre Amtstitulatur mit aufnehmen konnten. Der Schulmeister von Waltershausen Johannes Glaser bezeichnete sich selbst 1605 selbstbewusst als „patriae scholae moderator choriusq[ue] symphoniaci gubernator“.1004

6.8. Der Weg von der Alphabetisierung zur Gelehrsamkeit 6.8.1. Schulbesuch und Bildungswanderung nach der Reformation Von einer Schulpflicht kann auch nach der Reformation keine Rede sein. Dennoch wurde allerorten das Ziel verfolgt, wenigstens eine elementare Schulbildung unter weite Kreise der Bevölkerung zu bringen, baute Luthers Theorie des allgemeinen Priestertums doch auf einer flächendeckenden Lese- und Grammatikkenntnis auf. Ein stets wiederkehrender Satz in den Visitationsprotokollen des gesamten Bearbeitungszeitraumes enthält die Ermahnung an die Pfarrer, die Bevölkerung – nicht allein die Bürger der Städte – von der Wichtigkeit und der Notwendigkeit einer solchen Ausbildung von den Kanzeln herab zu überzeugen. Die oben dargelegten Schulpredigten des Saalfelder Diakons Stephan Reich präsentieren exemplarisch diese Bemühungen, denen Luther selbst in seiner Coburger Predigt ein Beispiel gegeben hatte. Letztlich fand der nachdrücklich geäußerte Wunsch zum regen Schulbesuch selbst in den politischen Verord1003 Vgl. MEDLER, Rudimenta grammaticae Latinae. 1004 LATh-StA Gotha, GA, XX IV, Nr. 1g, fol. 4r.

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nungen der städtischen Obrigkeit Aufnahme. Vom Stadtrat von Rudolstadt wurde er 1594 mit den folgenden Worten sogar in den Statuten manifestiert: „Soofft die Einwohner vnndt gemeine Burgerschafft beysammen, soll der Rahtt sie zu vleißiger anhörung Göttliches wortts, Auch ihre Kinder vnndt gesinde Zur Schule vnndt in die Kirche zur Kinderlehr zuschick[en] mit ernst vermahnen vnnd anhaltten.“1005 Wo einer solchen Anordnung nicht nachgekommen wurde, erwuchs daraus das Missfallen der Ratsleute, Schuldiener oder Visitatoren. Der Schulmeister von Blankenburg Albertus Mendelius klagte 1575 – obwohl er selbst Anlass zu vielfältigem Anstoß gab1006 – über den Pfarrer, weil er nicht nur seine eigenen Kinder nicht zur Schule schicke, sondern keine entsprechende Ermahnung der Bürger betreibe und keine Schulinspektionen halte.1007 Der Schulmeister von Großenehrich Augustin Bischoff schloss sich diesem Anliegen im selben Jahr an und bewirkte bei den Visitatoren den Befehl an den Stadtrat, die Eltern zum Schulbesuch ihrer Kinder anzuhalten.1008 Die Umsetzung derartiger Mahnung wurde tatsächlich in Angriff genommen oder – besser gesagt – nach der Einführung der Reformation fortgesetzt, wurde doch bereits in vorreformatorischer Zeit der Versuch einer aktiven Beeinflussung auf die Entscheidung der Bürger zum Schulbesuchs konstatiert (Kap. I. 6.). Die oben angeführten Anordnungen in Erbschaftsregelungen und Güterteilungen, Kinder zur Schule zu schicken, wurden auch nach der Reformation häufig erteilt. Ein Mühlhäuser Vater wurde 1544 im Zuge seiner Güterteilung angewiesen, seine Kinder mit Nahrung und Kleidung zu versorgen und „auch die Knaben tzur schule, biß sie schriben vnd lesen konnen, des gleichen zcu gottes forchten vnd ehren vffzcuzihen“.1009 Gleichermaßen wurde einem Stiefvater 1564 befohlen, dass er seine Kinder „zur Schule in Gottes furcht zucht tugent vnnd erbarkeit aufferzihen vnnd anhaltenn“1010 solle. Obgleich dem weitere Beispiele hinzugefügt werden könnten, ließ der Erfolg solcher Ermahnungen in den Augen der Geistlichen und Schuldiener zu wünschen übrig. Zwar wurden während der schulischen Konsolidierung der früheren Reformationszeit Bittgesuche um finanzielle Zulagen oder um die Einstellung weiterer Schuldiener oft mit der zunehmenden Schülerzahl begründet, doch 1005 LATh-StA Rudolstadt, Hessesche Collectaneen, 7c Nr. 10a, S. 4, zur Datierung der Statuten vgl. ebd. S. 68. 1006 Der Stadtrat warf ihm unter anderem Nachlässigkeit, Unzüchtigkeit und Ehebruch, Zwietracht, Sakramentsverächtung und die Verschwendung von Lebensmitteln vor – er habe die ihm gereichten Getreidegarben zum Feuermachen genutzt, vgl. LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, 2990, fol. 22r. 1007 Ebd., fol. 22v. 1008 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Geheimes Archiv (Restbestand), A IV 3a Nr. 2, fol. 8v; ebd., Konsistorium Sondershausen, Nr. 108, fol. 28v. 1009 StA Mühlhausen, 10/X 1-8, Nr. 9, fol. 95r. 1010 StA Mühlhausen, 10/X 1-8, Nr. 10, fol. 236v.

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waren in späteren Jahrzehnten gleichermaßen die Klagen über den mangelhaften Schulbesuch alltäglich. Die deutlichsten Worte fand der Altenburger Superintendent Caspar Melissander, der in seiner typischen energisch-jähzornigen Handschrift 1586 die Schulsituation in Lucka beschrieb: „die Knaben vnd meidlin schul werd[en] sehr v[er]seumbt vnd fast wüst, gehen beide schulen schir gar zugrunde, darob d[ass] die leutte Ire Kinder so gar nicht mehr zur schule halt[en], Zih[en] sie auf Handwerk vnd Kuhehirt. Helfe kein v[er]mane[n] auf d[er] Cantzel“.1011 Die Gründe für den mangelnden Schulbesuch bzw. die starken Schwankungen innerhalb eines Jahres sind mitunter widersprüchlich. Der Stadtrat von Creuzburg erwähnte 1555 in seinem Schreiben an die Herzöge, dass zahlreiche Schüler insbesondere armer Familien der Schule im Winter fernblieben, da sie sich sonst an der Beheizung der Schule durch die Lieferung von Feuerholz hätten beteiligen müssen. 1012 In Dornburg waren die Kinder dazu nicht mehr verpflichtet, so informiert ein detailliertes Besoldungsverzeichnis von 1569.1013 Da die Bezahlung von Brennholz vom Stadtrat in Höhe von 1 a ß aber nicht genügte, mieden auch hier die Schüler die Schule aufgrund der Kälte, zumal der Wind durch die undichte Schulstube pfiff.1014 Dieselben Umstände wurden mit derselben Folge 1586 auch in Buttstädt beklagt.1015 Im Gegensatz dazu führte ein zweiter, häufigerer Trend zu einer starken Verminderung des Schulbesuches in den Sommermonaten: „[W]o im Winter 60 Knaben sindt bleiben im Sommer nicht 20 die freque[n]tes sein vnd dem studirn cum ardore anlangen“, 1016 so formulierte es der Schulmeister von Magdala Johann Unrein 1558. Als Begründung wurden die Pflichten der Kinder in der heimischen Wirtschaft angeführt. Sie müssten die Kühe und das übrige Vieh der Familie hüten, „sollen Schuler und Bauren zugleich sein“,1017 so beispielsweise in Sulza 15781018 oder in Tennstedt 1598.1019 Das Ausbleiben der Schüler war den Schuldienern selbstverständlich ein Ärgernis, war doch schulischer Erfolg an Kontinuität gebunden, während die Schüler in mitunter wochenlanger Abwesenheit vieles wieder vergaßen. „Wann sie wieder kommen sindt sie gar Bauren, da muss man auf ein newes mit ihnen anfahen“,1020 so die Worte des Buttstädter Schulmeisters Jonas Traubolth 1586. Eigenmächtige Gegenmaßnahmen stießen auf wenig Gegenliebe. Dem Schul1011 1012 1013 1014 1015 1016 1017 1018 1019 1020

LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 67, fol. 292r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2514, fol. 2r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 42.2, fol. 59r–60v. Vgl. ebd., fol. 27r u. 67r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 67, fol. 56v. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ll 552, fol. 2v. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 67, fol. 56r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 61, fol. 37r. Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 4, fol. 456v. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 67, fol. 56r.

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meister von Treffurt wurde 1598 vorgeworfen, dass er, um einen kontinuierlichen Schulbesuch zu bewirken, den Schülern, die im Sommer fernblieben, im Winter den Zutritt in die Schule verweigere. Er selbst wies die Anschuldigung jedoch von sich.1021 Großes Missfallen erregte in einigen Fällen der Kontrast zwischen den Schulkindern und der übrigen Jugend. Die oben dargelegten Schulordnungen strebten die Erziehung der Kinder zu einem vernünftigen und dem Gelehrtenstand angemessenen Verhalten in Kirche und Öffentlichkeit an. Die Klagen scheinen den Erfolg der Bemühungen zu illustrieren, obgleich auch gegenteilige Beispiele nicht selten sind. So bezichtigte der Ronneburger Schulmeister Johannes Avianius 1585 jene Kinder, die keine Schule besuchten, dass sie „viel buberei anrichten“,1022 und forderte vom Rat, dafür Sorgen zu tragen, dass auch sie in die Schule geschickt werden. Dabei stellte gerade die disziplinarische Erziehung durch die Schuldiener einen weiteren Grund für den mangelnden Besuch der Schule dar. Im Altenburger Zusammenhang wurde er bereits angesprochen: Den Eltern war es zuwider, ihre Kinder von den Schuldienern mittels Schlägen strafen zu lassen. Die Schulordnungen versuchten zwar, dem entgegenzuwirken, indem sie das Strafmaß reduzierten, zur Besonnenheit aufriefen oder die Schläge durch Rezitationen ersetzten. Verboten wurde die Rute jedoch im gesamten 16. Jahrhundert nicht und fand auch bei maßvollem Einsatz das Missfallen der Eltern. So mussten sich die Schuldiener von Weimar 1570 von ihnen als „heckermessige Zuchtmeister“ beschimpfen lassen. Sie hielten daraufhin den Stadtrat zur vermehrten Schulinspektion an, um zu prüfen, „wohin vnsere Züchtigung gerichtet, wie dieselbige furgenomen vnnd gemeinet“1023 sei. In dem Brief, mit dem der Kantor von Eisenberg Markus Orthell seinen Dienst 1587 aufkündigte, wurde das anfängliche Missfallen zur Verbitterung. Die Eltern würden „ihrer Kinderzucht zum wenigsten wahrnemen“,1024 es dabei aber nicht dulden, dass man ihre Kinder auch nur „sawer ahnsehen soll“.1025 Im Gegenzug häuften sich die Klagen über die unzureichende Disziplin in den Schulen, die mit dem Missfallen der Eltern in Widerspruch gerieten. In Tennstedt bemängelten die Eltern 1598 die Undiszipliniertheit ihrer Kinder, während der Schulmeister Caspar Bertuch ihnen ihren eigenen Zorn über die Disziplinarmaßnahmen mit der Rute entgegenhielt.1026 Beides war nicht miteinander zu vereinbaren.

1021 1022 1023 1024 1025

Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 4, fol. 469v u. 470v. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 66, fol. 303v. Für beide Zitate LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 55, fol. 3r. StA Eisenberg, XI/I/1, fol. 30v. Ebd., fol. 31r. Caspar Melissander wählte im folgenden Jahr über die Altenburger Verhältnisse annähernd dieselben Worte, vgl. Kap. II. 3.4.8. 1026 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 4, fol. 456v.

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Dies sind Aspekte, die – obgleich sie nicht singulär sind – nicht pauschalisiert oder überbewertet werden sollten. Sie präsentieren alltägliche Schwierigkeiten im Umgang der Schüler, die sich nicht allein auf das 16. Jahrhundert beschränken, und die ihr Gegengewicht in vielen Äußerungen über einen gut funktionierenden Schulbetrieb finden. Trotz der häufig angeführten Schwankungen der Schülerzahlen ist das Schulstreben der Jugend bemerkenswert und häufig Gegenstand stolzer Selbstaussagen. Dies betrifft insbesondere den Schulbesuch adliger Kinder an einer städtischen Schule, der stets als große Auszeichnung der schulischen Qualität betrachtet wurde. Der Stadtrat von Saalfeld hob ihn bereits 1527 und 1528 eigens hervor. In das Jahr 1527 fällt auch eine Äußerung des Rates von Gotha über adligen Schulbesuch. Um den Kurfürsten zur vollständigen Übertragung der Klostergebäude zu überreden, führte er die neugegründete Schule an, die bereits von 150 Schülern besucht werde, „darundter vil vom Adel seint“.1027 Es sind für ganz Thüringen die frühesten Belege, die erst Jahrzehnte später eine Entsprechung in anderen Städten fanden. So schickten die Herren Melchior von Plausigk und Rudolf von Bünau zu Großhelmsdorf 1560 ihre Söhne auf die Schule von Eisenberg und gaben sie beim Pfarrer in die Kost.1028 Ob es die einzigen adligen Schüler in Eisenberg waren, ist unbekannt. Eine genaue Zahl übermittelte der Superintendent von Weida im Jahr 1554. Unter dem Schulmeister Christoph Wurtschal befanden sich unter insgesamt 183 Schülern 15 von Adel, davon sieben in der zweiten und jeweils vier in der dritten und vierten von insgesamt fünf Klassen.1029 In Weimar belief sich die Anzahl der adligen Knaben 1566 auf neun. In diesem Jahr klagte der Schuldiener Wolfgang Wonne dem Herzog gegenüber, dass diese nur unwillig das Schulgeld zahlten. Lediglich einer, Bastian von Osterhausen, habe es am letzten Neujahrstag gereicht.1030 In Neustadt a. d. O. blieben entsprechende Informationen beiläufig. Der Rat berichtete 1555 den Herzögen, dass adlige Schüler ein deutlich höheres Schulgeld zu zahlen hatten, gab aber keine Auskunft über deren Anzahl oder Herkunft.1031 Auch unter nichtadligen Schülern blieb die Bildungswanderung, nachdem sie durch die Aufhebung des Bettelverbotes 1530 wieder ermöglicht wurde, über die Reformation hinaus charakteristisch für das Schulwesen. Das einstige Verbot, das den Niedergang des vorreformatorischen Schulwesens mitgetragen hatte, wurde nicht überall praktiziert, andernfalls aber abgeschwächt oder bald wieder aufgehoben. Letztlich waren auswärtige Schüler an den thüringischen oder thüringische Schüler an auswärtigen Stadtschulen der Normalfall. Die von Melanchthon 1027 1028 1029 1030 1031

LATh-StA Gotha, GA, XX VII, Nr. 8b, fol. 2r. Vgl. SONNEKALB, Kulturelles Leben (1938), S. 23. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2455, fol. 7r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg O 548, fol. 15r–v. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2524, fol. 2v.

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nach Saalfeld gesandten Schüler aus Lobeda wurden bereits erwähnt. Ein weiterer Lobedaer Schüler, der spätere Kantor Christopher Ehrlein, zog um 1560 an die Schule von Halle, die er vier Jahre besuchte. Vom dortigen Schulmeister wurde er mit guten Zeugnissen versehen, woraufhin sein Vater und der Lobedaer Stadtrat 1564 beim Herzog um ein Stipendium für ihn ersuchten.1032 Vom Herzog wurde er zur Examination nach Jena berufen, scheint das Stipendium aber nicht erhalten zu haben, da er noch im selben Jahr die Stelle des Kantors in seiner Heimatstadt antrat.1033 Im Jahr darauf, 1565, erhielt eine durchziehende Frau aus Lucka vom Gemeinen Kasten in Altenburg ein Almosen mit der Erklärung, dass zwei ihrer Söhne die Schule in Borna besuchten.1034 Gleich sieben Schüler aus Ronneburg wurden in den ersten Monaten des Jahres 1583 „an andere örte, etliche gen Bernburgk Inns Fürstenthum anhalt, ettliche gen Hall Inn Sachsen, Inn die Schulen vorschickt“. Prozentual gesehen machten diese sieben bei insgesamt nur knapp 50 Schülern einen nicht unerheblichen Anteil aus. Die Auswirkungen auf den Lehrbetrieb waren entsprechend weitreichend. Bei einer außerplanmäßigen Prüfung unter der Beteiligung des Superintendenten wurde sogleich eine Neueinteilung der Klassen anordnete: „So seindt mehrer teils der Secundaner Inn primam classem verordenet, vnndt das die Grammaticalia von fornen her sollen gelesen werden, angeordnet worden“.1035 Ähnliche Auswirkungen hatte die Bildungswanderung selbst in größeren Städten, da mitunter ein Großteil der älteren Schüler die heimische Schule als Sprungbrett nutzte. Unter den Schülern von Salzungen, so schrieben der Superintendent und der Pfarrer 1557 an die Herzöge, sei „keiner vber 15 Iar alt“.1036 Einer regen Frequentierung stand dies nicht im Wege, wurde doch die Schule zwei Jahre zuvor von rund 200 Schülern besucht.1037 Das Ziel der älteren Schüler wird nicht deutlich. Es wird am Beispiel der Stadt Waltershausen zum Jahr 1605 ergänzt, deren Schüler – fast selbstverständlich – an die benachbarte, bedeutende Schule von Gotha zogen. Der Schulmeister Johannes Glaser stellte die Waltershäuser damit zwar in den Schatten der Gothaer Schule, sah darin jedoch keine Benachteiligung sondern eine Anerkennung seiner Leistungen. Es galt ihm als Auszeichnung, wenn sein Unterricht die Schüler zum Besuch der Gothaer Schule befähigte.1038 Sie stand zu diesem Zeitpunkt unter dem langjährigen Rektorat des

1032 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Mm 477, fol. 1r–2v. 1033 Vgl. ebd., fol. 3r. Zur Datierung seines Amtsantritts vgl. ebd., Reg Ii 61, fol. 241v. Koch konstatierte, dass er das Stipendium erhalten habe (vgl. KOCH, Lobeda II (1941), S. 131), liegt damit aber falsch, zumal auch keine Immatrikulation in Jena nachweisbar ist. 1034 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 8, unfol. 1035 Für beide Zitate LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4279, fol. 167r. 1036 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2670, fol. 3r. 1037 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2531, fol. 2r. 1038 Vgl. LATh-StA Gotha, GA, XX IV, Nr. 1g, fol. 3v.

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Andreas Wilke, unter dem sie einen neuerlichen Höhepunkt erreichte.1039 Wilke selbst soll geäußert haben, dass an keiner deutschen Universität keine Studenten studierten, die nicht die Schule von Gotha besucht haben.1040 Die Veranlassung zur Bildungswanderung war jedoch nicht immer die anziehende Leistung größerer Schulen, sondern im Gegenzug auch die misslichen Verhältnisse an der heimischen. Der zum Schulinspektor eingesetzte Diakon von Weimar Caspar Müller habe nach eigenen Angaben um 1550 an der Schule so unhaltbare Zustände vorgefunden, dass er den Bürgern empfahl, ihre Kinder in andere Orte zu schicken. Als Beispiel nannte er Neustadt a. d. O.1041 1583 wurde hingegen die Weimarer Schule zur Ausweichmöglichkeit für Schüler aus Buttelstedt, als der dortige Schulmeister Valentin Rudolf im hohen Alter allmählich erblindete.1042 Zahlreiche biographische Skizzen von Pfarrern und Schuldienern verdeutlichen, dass ein Großteil der späteren Gelehrten nicht allein die heimische Schule besucht hatte. Abraham Mahn besuchte nach der Schule seiner Heimatstadt Schmölln die von Halle und Freiberg, bevor er in Leipzig studierte und 1577 als Kantor in seine Heimatstadt zurückkehrte.1043 Melchior Stange aus Langensalza lernte nicht nur dort, sondern auch an den betontermaßen vornehmen Schulen von Hannover und Lüneburg, bevor er in Leipzig studierte und 1598 Schulmeister in Thamsbrück wurde.1044 Beide wurden übertroffen von Bonifatius Remp, der im Alter von nur 11 Jahren 1569 seine Heimat – möglicherweise Arnstadt1045 – verließ, um zwei Jahre an der Schule von Jena, drei Jahre an der von Pößneck, ein Jahr in Eisleben und drei Jahre in Braunschweig zu lernte. In Armut habe er daraufhin in Jena „famuliert, vnnd daneben auch lectiones gehöret“.1046 Im Jahr 1579 trat er das Schulmeisteramt in Ranis und 1583 das in Dienstädt an. Welchen Nutzen eine solch umfangreiche Bildungswanderung haben konnte, hatte Anton Musa 1529 in seinem Schultraktat dargelegt. Ihm schloss sich der Pößnecker Diakon Petrus Bischof 1597 an, als er seinen Sohn Alexander für die 1039 Vgl. ANZ, Reformation (1917), S. 134; HOLLSTEIN, Gymnasium (1972), S. 101; KÖHLER, Wilke und Vockerodt (2013), S. 21–24. 1040 Vgl. HOLLSTEIN, Gymnasium (1972), S. 101 f. 1041 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg O 548, fol. 8v. 1042 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 64, fol. 115v. 1043 Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4279, fol. 352v–353r. 1044 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 4, fol. 442r. Seine weite Bildungswanderung und die betonte Hervorhebung der von ihm besuchten Schulen stehen in einem Widerspruch mit den an ihn gestellten Erwartungen in Thamsbrück. Die im Zuge seiner Berufung geäußerten Worte des Stadtrates über das Primat der Musik, hinter dem andere Qualifikationen zurücktraten, sind oben bereits zitiert worden. 1045 Klette versucht, ihn mit der Arnstädter Familie Remp in Verbindung zu bringen. Nahegelgt wird die Verbindung, da er 1581 ein Klagegedicht über den verheerenden Stadtbrand in Arnstadt verfasste und drucken ließ, vgl. KLETTE, Beiträge (1923), S. 36 f. 1046 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 66, fol. 34r–v.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

Nachfolge des verstorbenen Schulmeisters M. Johannes Benner empfahl. Der Diakon hatte der Pößnecker Schule selbst gedient und könne deren Notwendigkeiten abschätzen. Mit diesem Hintergrund argumentierte er gegen die spöttischen Bemerkungen, dass sein Sohn sich statt zu studieren herumgetrieben habe, um „mehr Zu Vergeßen als Zu lernen“. Er habe auf seiner Bildungswanderung, die ihn bis nach Breslau führte, bedeutende Lehrer gehört und selbst als älterer Schüler „Edelleuthe, Hern, Freyhern Vnd Graffen vnter seiner disciplin gehabt“, wodurch zugleich die praktische Seite der Bildungswanderung im gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis der Schüler untereinander beleuchtet wird. Dass er seine Studien nicht habe fortsetzen und den Magistergrad habe erwerben können, liege am finanziellen Unvermögen des Diakons, ihn weiter zu unterhalten. Dennoch habe er an etlichen bedeutenden Schulen zweifellos alles gelernt, „[w]elches ihn dieser Vnser schulen am Notigsten“ sei.1047 Die Schulen waren auf die Anwesenheit fremder Schüler vorbereitet, wobei die Organisation ihres Aufenthaltes mancherorts bemerkenswert institutionalisierte Strukturen annahm. Der weite Einzugsbereich der Gothaer Schule erforderte schlichtweg eine infrastrukturelle Bewältigung der Schüler. Bereits durch die Kirchenordnung von 15441048 wurden die alten Schlafkammern des einstigen Klosters („In cubiculis“) zu einem Internat auswärtiger Schüler umfunktioniert und das dortige Leben in der Schulordnung des Cyriakus Lindemann 1563 einer strengen Ordnung unterworfen („De officiis eorum, qui in coenobio degunt“). Geregelt wurden unter anderem die Zeit des morgendlichen Aufstehend – im Sommer um fünf Uhr und im Winter um sechs Uhr morgens – sowie der abendlichen Nachtruhe – ab acht Uhr –, die Sauberkeit und Ordnung der Schlafkammern, der Gebrauch der Latrine – „urinas in nullum alium locum quam latrinam effundant“ –, die Ruhe in den Räumlichkeiten, der sorgfältige Umgang mit eigenem und fremdem Eigentum sowie dem Mobiliar.1049 Drei Jahrzehnte später, 1593, entwarf auch die Schulordnung von Jena eigene Statuten für die auswärtigen Schüler. Sie präsentiert damit eine bemerkenswerte Kontinuität über die Reformation hinaus, fanden in Jena doch bereits in vorreformatorischer Zeit die organisatorischen Strukturen der Bildungswanderung den stärksten Niederschlag in den Quellen. Nicht nur informierte die damalige Schulordnung über die Eingliederung in Bursen, auch widmete sie den auswärtigen Schülern besondere Aufmerksamkeit. Diese Ambition blieb über die Reformation hinweg bestehen und nun – fast genau ein Jahrhundert später – erneut in der reformatorischen Schulordnung aufgegriffen. In dem Abschnitt „De Ad-

1047 Für alle drei Zitate StA Pößneck, B I 28b E, Nr. 94, unfol. 1048 Vgl. HOCHGESANG, Der kirchliche Zustand (1841), S. 65; StA Gotha, 1.1/8691, S. 25. 1049 Für alle drei Zitate Parvvs Catechismvs pro juventute scholae Gothanae, S. 178.

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venarum Officiis“ 1050 wurde im Vergleich zur Gothaer Ordnung allerdings ein deutlicherer Fokus auf die Beziehung der auswärtigen Schüler zu den Schuldienern wie auf die gerechte Versorgung mit Almosen und nicht auf die Bewahrung einer häuslichen Ordnung gelegt. Eine gesammelte Unterbringung an einer zentralen Stelle innerhalb der Stadt wird nicht mehr deutlich. Dafür informiert der erste Artikel, dass zur Bewahrung der Übersicht über die auswärtige und möglicherweise auch die einheimische Schülerschaft ein sogenanntes Album discipulorum angelegt worden war, in das der Schüler sich bei seiner Ankunft in Jena einzutragen hatte.1051 Andernfalls erfolgte keine Aufnahme in die Schule. Es wurde vom Schulmeister geführt, der damit nicht allein über die Aufnahme der Schüler, sondern letztlich auch über ihren Abschied zu entscheiden hatte. Ein Schulgeld wurde von den Schülern nicht erhoben, stattdessen hatten sie an der Kurrende teilzunehmen, an deren Einnahmen sie beteiligt wurden. Gerade dieser letzte Aspekt konnte zur Folge haben, dass ein übermäßiger Zuzug die wirtschaftlichen Kapazitäten kleinerer Städte überforderte. In den meisten Fällen wurde – was in Jena ausdrücklich ausgeschlossen wurde – von den auswärtigen Schülern ein höheres oder auch das einzige Schulgeld erhoben (Kap. II. 6.3.4.), was offenbar Begehrlichkeiten wecken konnte. Dem Buttstädter Schulmeister Jonas Traubolth wurde in den 1580er Jahren mehrfach vorgeworfen, dass er sich am Schulgeld auswärtiger Schüler bereichere und mehr Schüler in seiner Schule aufnehme, „als das stedlein ernehren kann“.1052 1583 widersprach er diesem Vorwurf. Es besuchten nach seinen Worten nicht mehr als zehn fremde Schüler seinen Unterricht – fünf Jahre zuvor zählte die Schülerschaft insgesamt 150 1053 –, die alle mit dem Wissen und der Zustimmung des Pfarrers aufgenommen seien. 1054 Bereits 1586 führte er jedoch selbst den starken Zuzug fremder Schüler als Grund für die nachlassenden Leistungen der Schüler an, verlangten doch die auswärtigen stärkere Aufmerksamkeit, um sie an den hiesigen Unterricht und an das Niveau der einheimischen Schüler anzupassen.1055

1050 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 68, fol. 55v. 1051 Ein solches Album ist aus dem Bearbeitungszeitraum im Jenaer Stadt-, Kirchen- und den Staatsarchiven nicht überliefert. Ein Exemplar aufzufinden, wäre ein besonderer Glücksfall. 1052 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 66, fol. 12r. 1053 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 61, fol. 50v–51r. 1054 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 64, fol. 33v. 1055 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 67, fol. 56r.

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6.8.2.

II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

Die Versorgung armer Schüler

6.8.2.1. Institutionalisierte Versorgung Die ärmeren Bevölkerungsschichten erfuhren bei der Herausbildung eines reformatorischen Schulwesens vermehrte Aufmerksamkeit. Dies zielte in erster Linie darauf ab, die Idee einer verbindlichen grundlegenden Schulkenntnis für alle Menschen umzusetzen, trug jedoch auch vermeintlichen geistigen Neigungen der ärmeren Bevölkerungsschichten Rechnung. Dem Reichen wurde bereits von Martin Luther selbst eine Abneigung gegen die gelehrte Bildung vorgeworfen.1056 Anton Musa schloss sich dem 1529 an und urteilte, dass die Reichen, wenn überhaupt, lediglich studierten, um „ere vnd lob dadurch [zu] erlangen“. 1057 Diese Meinung setzte sich im gesamten 16. Jahrhundert fort, wobei sie in der von Melanchthon 1541 verfassten, polemischen Klage des armen Lazarus über die Feindschaft und den Hass der Reichen gegen die Gelehrsamkeit einen ersten, in der Nachfolge viel rezipierten Ausdruck fand.1058 Mit dem Ziel des reformatorischen Schulwesens – der Ausbildung späterer Geistlicher – war das vermeintliche Ehrstreben der Reichen nicht vereinbar, sodass den ärmeren Bevölkerungsschichten der Schulbesuch durch eine umfängliche Förderung ermöglicht werden musste. Die Aufhebung des Bettelverbots und die Abschaffung des Schulgeldes waren erste Schritte der Reformatoren, die Schulbildung allen Menschen erreichbar zu machen. Auch wenn Letzteres nicht überall für alle Schüler umgesetzt werden konnte, war die Berücksichtigung der armen Schüler obligatorisch.1059 Dies allein ist jedoch keine Neuerung der Reformation, galt es doch auch schon in vorreformatorischer Zeit, bedürftige, damals insbesondere auswärtige Schüler durch die Verringerung oder den Verzicht auf Schulgeld zu fördern (Kap. I. 4.6.1.). Dieses Anliegen blieb über die Reformation hinaus kontinuierlich bestehen und wurde lediglich durch den konfessionellen Hintergrund neu begründet. Einen charakteristischen Ausdruck fand die Kontinuität der Schülerversorgung in der Bewahrung der bereits im vorreformatorischen Zusammenhang erwähnten Buttstädter Schulstiftung. Zu einem unbekannten Zeitpunkt stiftete ein hiesiger Bürger eine Hauptsumme von 100 fl zu unbekannten schulischen Zwecken. Nach der Reformation sollte die Stiftung, so entschieden die Visitatoren von 1533, in ihrem ursprünglichen Zweck 1056 Luthers Worte knüpfen damit an das Gleichnis Jesu an, dass eher ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als ein reicher Mensch ins Reich Gottes komme (Mk 10,25). 1057 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg O 544, fol. 2v. 1058 Vgl. MELANCHTHON, Lazari Klage. 1059 Vgl. exemplarisch für Kindelbrück HStA Dresden, 10024, Loc. 10593/6, fol. 279r; für Lucka LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1339, fol. 3v.

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erhalten bleiben. 1060 Im späteren Verlauf des Jahrhunderts informieren zwei Einkommensverzeichnisse von 1569 und 1580, dass der Stadtvogt dem Schulmeister aus der besagten Hauptsumme jährlich 5 a ß zur Befreiung armer Schüler vom Schulgeld auszahlte.1061 Weitere vorreformatorische Stiftungen erlebten auf ähnliche Weise ihre Fortsetzung, doch wurden auch in der Reformationszeit gleichermaßen neue Stiftungen erlassen. So wurde die Buttstädter Schulgeldstiftung um die Jahrhundertmitte durch den dortigen Bürger Heinrich Vatter um eine neuerliche bemerkenswerte Hauptsumme von 350 fl ergänzt, um arme Schüler mit Kleidung zu versorgen.1062 In Lucka wurde die Schule im Testament der 1582 verstorbenen Katharina von Hagenest geborene vom Ende mit einer Stiftung versorgt, worunter die armen Schüler mit einem Taler zum Ankauf von Büchern versorgt werden sollten.1063 Bislang beispiellos ist die Stiftung bzw. die Bewahrung eines vormals gestifteten Schülerbades in Triptis. „Vor alters“ – möglicherweise noch in vorreformatorischer Zeit – sei ein Garten außerhalb der Stadtmauern „Zum Schuller badt Legiret“ worden. Er solle, so der Verkaufsbrief über das Badehaus vom 1. April 1589, als Bedingung des Verkaufs auch weiterhin dem Badehaus gehören, auf dass „allen Schullern so Wohl einen Schuldiener so mitt denselben eingehen mußen, frey badt vergunneth, Vnnd die haar ohne geldt Verschnitten“1064 werden. Neben diesen und zahlreichen weiteren Stiftungen, die ihren Niederschlag auch in den Stadt- oder Kastenrechnungen fanden, stand die alltägliche Versorgung armer Schüler durch städtische und kirchliche Almosen. Flossen diese bereits in vorreformatorischer Zeit aus der städtischen Kämmerei, wurden sie nun mancherorts auf die Gemeinen Kästen übertragen und bildeten nach deren Etablierung einen festen Bestandteil ihrer regelmäßigen, institutionalisierten Aktivität. So erscheint in den Jenaer Kastenrechnungen in der zweiten Jahrhunderthälfte eine Tuchspende für arme Schüler. Im Jahr 1563/64 wurden insgesamt 25, 1566/67 abermals 26 und 1570/71 selbst 28 namentlich genannte Schüler mit Tuchen zwischen zwei und sieben Ellen versorgt.1065 Drei Schüler – Wolfgang Kaufmann, Martin Gärtner und Caspar Schütze – erscheinen dabei sowohl unter den Empfängern von 1566/67 als auch 1570/71. Neben der Tuchspende er1060 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 4.2, fol. 13v. 1061 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 55, fol. 40r (1569); ebd., Konsistorialsachen, B 2886, fol. 240r (1580). 1062 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 55, fol. 24v. 1063 Vgl. LATh-StA Altenburg, Ministerium zu Altenburg, Abt. für Kultusangelegenheiten 1040, unfol. 1064 Für alle drei Zitate LATh-HStA Weimar, Weimarische Ämter und Städte, Nr. 992, fol. 18r–v. 1065 Vgl. StA Jena, C Ia-2a, fol. 18r (1563/64); KA Jena, Nr. 5, Kastenrechnung 1566/67, fol. 21r–v; ebd., Nr. 6, Kastenrechnung 1570/71, fol. 25v.

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folgten selbstverständlich vereinzelte unregelmäßige, mitunter zweckgebundene Almosen, um den Schülern den Schulalltag zu erleichtern oder die Teilnahme am Unterricht zu ermöglichen. 1563/64 wurden für sechs „armenn Knaben, so zur schul lust“ 1066 haben, ABC-Bücher gekauft, ein siebter erhielt eine Grammatik von Melanchthon und einige weitere Geld für Kleidung oder Schuhe. Obgleich er in Jena damit eine bemerkenswerte Quantität bei der Versorgung der Schüler erreichte, war der Gemeine Kasten unabhängig von der Größe der Stadt für arme Schüler zuständig. Der Stadtrat von Magdala betonte diesen Umstand in dem Bericht an die Herzöge von 1555 dezidiert: Arme Schüler, „so in die schulen gehen, deren eltern ihnen bucher, papier schue vnd anders zw keuffen vnurmogens“,1067 werden durch den Gemeinen Kasten darin unterstützt. Die Kastenrechnung von 1558/59 bestätigt die Aussage. Neben den hausarmen Bürgern und Hospitaliten wurden die Schüler als eigenständige zu versorgende Zielgruppe des Gemeinen Kastens wahrgenommen.1068 Die nur summarische Wiedergabe der überlieferten Rechnung lässt eine nähere Spezifizierung der Versorgung jedoch nicht zu. Gleichermaßen erhielten zum Teil namentlich genannte arme Schüler aus dem Gemeinen Kasten von Ummerstadt alljährlich Geld für Bücher, unter denen insbesondere zum Jahr 1546/47 ein Lehrbuch der Grammatik und Syntax für den Sohn von Hans Harting zu erwähnen ist.1069 Die Häufigkeit derartiger Ausgaben zur Unterstützung bedürftiger Kinder kann nicht ausreichend betont werden. Kaum eine Rechnung eines thüringischen Gemeinen Kastens führt nicht mehr oder weniger regelmäßige Almosen – Geld für Bücher, Kleidung und Nahrung – oder große institutionelle Schülerspenden auf. Obgleich die Bedeutung des Gemeinen Kastens in dieser Hinsicht nicht zu überschätzen ist, blieb eine städtische Versorgung mancherorts darüber hinaus bestehen, zumal der Gemeine Kasten wie oben erwähnt nicht allerorten die volle Entfaltung erreichte. So flossen, um nur ein Beispiel zu nennen, seit einem unbekannten Zeitpunkt aus der Kämmerei von Rastenberg wöchentliche Ausgaben „den armen Schulern zu brod“1070 zu. Eine Ergänzung durch den Gemeinen Kasten kann durch die fehlenden Rechnungen nicht nachgewiesen werden. Neben der lokal organisierten oder auf private Initiativen zurückgehenden Versorgungsmöglichkeiten fand das landesherrliche Kirchen- und Schulregiment seinen Ausdruck in einer staatlich getragenen Schülerfürsorge. Die frühen Reformatoren hatten die Landesherren schnell von der Wichtigkeit der Schulpflege überzeugt. Während sie im albertinischen Herzogtum in der Gründung der 1066 1067 1068 1069 1070

StA Jena, C Ia-2a, fol. 55v. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2523, fol. 12r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2731, fol. 5r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 3071, unfol. KrA Sömmerda, Bestand Rastenberg 1102, fol. 60r.

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Landesschulen mündete und auch die schwarzburgischen und hennebergischen Grafen mit der Zeit solche Schulen eröffneten, beschränkten sich die ernestinischen Kurfürsten und späteren Herzöge auf eine materielle Ausstattung der Schulen in Gotha und zum Teil in Eisenach. Neben der Bereitstellung der Klostergebäude und überdurchschnittlich hoher finanzieller Mittel manifestierte sie sich im sogenannten Freitisch, einer umfangreichen Verköstigung bedürftiger Schüler. In Eisenach gehörte 1544 die Bitte um Getreide zur Schülerkost zu den vom Stadtrat und Justus Menius beim Kurfürsten erbetenen Maßnahmen zur Verbesserung der Lateinschule, wobei die Bittsteller in ihrem Brief vom 7. Juni bereits auf das vorangegangene Beispiel der Stadt Gotha verweisen konnten.1071 Die dortigen Bemühungen um die kurfürstliche Gunst, die 1544 in der Kirchenund Schulordnung mündeten, hatten im Mai 1543 die Bereitstellung von jeweils zwölf Maltern Korn und Gerste zur Verköstigung von 24 armen Schülern bewirkt.1072 Während die praktische Umsetzung in Eisenach aufgrund der lückenhaften Quellenlage kaum Niederschlag findet, ist in Gotha entsprechend der Bedeutung der dortigen Schule eine beispiellose Entwicklung des kurfürstlich gestifteten Schülertisches nachvollziehbar. Er entwickelte sich in Verbindung mit der Beherbergung auswärtiger Schüler in den Räumen des Klosters zur sogenannten Oeconomia Scholastica. Noch im Jahr der Kirchenordnung 1544 wurde zu ihrer Organisation ein Oeconomus eingesetzt, der das Getreideeinkommen – für den Rest des Jahres 16 Malter Korn – zu verwalten und „Zu vnnderhaltunge der Knab[en]“ 1073 aufzuwenden hatte. Die Beherbergung der auswärtigen Knaben wurde in der Schulordnung des Cyriakus Lindemann den oben skizzierten Statuten unterworfen und als 1572 eine ergänzende Schulordnung erlassen wurde, fand die Schulökonomie darin eingehende Berücksichtigung. Sie zeigt sich als eigenständiger, wirtschaftlich stark angewachsener Haushalt. Ihrer Organisation wurde eine Buchführung zugrunde gelegt, „worein die fundation und constitution solcher oeconomie, et[wa] Chur- und Fürstl[iche] Verordnungen, so diese angehen einzutragen“1074 sein sollten. Eine eigene Rechnungslegung sollte durch den Oeconomus erfolgen und alljährlich durch den Superintendenten und den Schulmeister geprüft werden. Sämtliche Einkünfte der Ökonomie – um welche es sich handelte, bleibt offen – sollten einzig in ihrem Interesse angewandt werden. Der Nutzen der Überschüsse wurde unter den Geistlichen und Schuldienern beraten – entweder sollten mehr Knaben angenommen werden oder „derselben Beytrag geringert werden“. 1075 Die Schüler hatten demnach für ihre Unterbringung einen finanziellen Beitrag zu 1071 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1780, fol. 10r–11r; abgedruckt bei FUNKHÄNEL, Beiträge I (1844), S. 11 f. 1072 Vgl. GEHRT, Anfänge (2013), S. 15. 1073 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 2935, fol. 44r. 1074 StA Gotha, 1.1/8691, S. 62 f. 1075 Ebd., S. 63.

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leisten. Selbstverständlich lag der Fokus auf auswärtigen Kindern, doch sollten, sofern Plätze unbesetzt waren, auch „armer bürgers Kinder zu dem Tische pauperum gegen die gewöhn[liche] Gebühr wohl gelaßen werden“. 1076 Desgleichen stand es den Bürgersfamilien frei, ihre Kinder in den freien Klosterzellen unterzubringen, damit sie unter der Aufsicht der Lehrer ihr Studium umso erfolgreicher fortführen könnten. Die Aufnahme von Kindern begüterter Familien wurde hinsichtlich der Beherbergung wie auch der Verköstigung ausdrücklich und streng untersagt. Diese Ordnung wurde letztlich durch eine lateinische Tischordnung ergänzt, die zusammen mit der Schulordnung und der Hausordnung des Klosterinternats Aufnahme in dem 1593 gedruckten Gothaer Katechismus fand („Leges Speciales, in Mensa pueris in coenobio cibum capientibus“1077). Wie die Hausordnung des Klosters verfolgte sie das Ziel, durch entsprechende Maßregeln die Ordnung am Tisch aufrecht und das Benehmen der Kinder beim Essen – dabei natürlich unter ausschließlichem Gebrauch der lateinischen Sprache – in dem disziplinierten und gelehrten Selbstverständnis entsprechenden, angemessenen Formen zu halten. Ihr schlossen sich in dem Katechismus Tischgebete, die vor und nach dem Essen gesprochen wurden, sowie jeweils ein Morgen- und Abendgebet an.1078 Eine ähnliche obrigkeitliche Unterstützung, wie sie Gotha und Eisenach mit der Stiftung von Freitischen zuteilwurde, strebten auch weitere Städte an. Die Schule von Weimar stand nach dem Schmalkaldischen Krieg unter einem ähnlich starken Einfluss der Herzöge. Zu einer Bereitstellung von Getreide zur Versorgung der Schüler hatte dies bis 1558 jedoch noch nicht geführt. Anfang Dezember dieses Jahres schrieben der Stadtrat und der Superintendent an den Herzog und schilderten ihm den regen auswärtigen Schulbesuch, unter denen etliche wie auch zahlreiche der einheimischen Kinder aus armen Verhältnissen stammten. Sie sammelten in der Stadt und zum Teil im Umland nach Almosen, würden darüber jedoch nicht selten einen Großteil des Unterrichts verpassen. Die Absender baten den Herzog daher, er möge auch in Weimar „derselben gemeinenn schul Iugent mit dem lieben brote etwas zu einer ergezung zuhulffe komen“.1079 Als Grundlage könnten die Brotzinse der Weimarer Bäckereien an das Amt herangezogen werden. Eine Antwort des Herzogs ist jedoch ebenso unbekannt wie eine Umsetzung der Bitte. 1076 Ebd., S. 63 f. 1077 Vgl. Parvvs Catechismvs pro juventute scholae Gothanae, S. 183. In dem Druck von 1593 ist diese Tischordnung nicht datiert. Sie erscheint zwar im Anschluss an deren Conclusio als Bestandteil der Schulordnung von Cyriakus Lindemann, wurde von der bisherigen Forschung allerdings erst ins Jahr 1572 datiert, vgl. GEHRT, Anfänge (2013), S. 17. Sie würde somit mit der ergänzenden Schulordnung in Verbindung stehen, ist im Aktenrepertorium allerdings nicht enthalten. 1078 Vgl. Parvvs Catechismvs pro juventute scholae Gothanae, S. 186–189. 1079 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2704, fol. 1v.

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Im Jahr 1575 hielt der Stadtrat von Sondershausen den Spendeunwillen der Bevölkerung zur Bekräftigung einer ähnlichen Bitte den Visitatoren der schwarzburgischen Grafschaft vor Augen. Um die Not der bedürftigen Schüler zu lindern, verwies der Rat auf eine alte, möglicherweise noch vorreformatorische Spende, die arme Schüler mit Brot, Heringen und Bier versorgt hatte und deren Wiederbelebung der Not abhelfen könnte: „darvon könde armen Schuelern oder andern in ettwaß geholffen werden“.1080 Gleichermaßen flüchtig tritt eine gräfliche Brotspende für arme Schüler im hennebergischen Schleusingen in Erscheinung. Bereits vor der Gründung des Hennebergischen Gymnasiums war sie vom Hof für eine nicht spezifizierte Anzahl Knaben gestiftet worden. Sie fand 1574 die Aufmerksamkeit der Visitatoren, da die Austeilung des Brotes offenbar nicht unter dem notwendigen Maßstab der Bedürftigkeit erfolgt war. Um eine unparteiische Verteilung zu gewährleisten sei sie in Zukunft, so die Entscheidung der Visitatoren, nur in Anwesenheit des Pfarrers und gegen die Vorlage von Berechtigungsscheinen vorzunehmen.1081 An welche Kriterien der Erhalt eines solchen Berechtigungsscheines geknüpft war und wer sie vergab, ist unbekannt. Die Spende blieb über die Begründung des Gymnasiums 1577 erhalten. Als jedoch das Grafengeschlecht von Henneberg-Schleusingen 1583 mit dem Tod Georg Ernsts erlosch, erfolgte unter dem Einfluss der ernestinischen Herzöge eine drastische Einschränkung in der Förderung des Gymnasiums. Schon 1584 wurde dem verdienten Schulmeister Wolfgang Müller eine jährliche Zulage von beachtlichen 50 fl gestrichen,1082 bevor 1587 die gräfliche Schülerspeisung – das „beneficium ex aula“1083 – eingestellt wurde. Müller setzte sich auch in diesem Fall vehement für den Erhalt der Stiftung ein, doch kann auch hier ihre Fortsetzung bislang nicht nachgewiesen werden.

6.8.2.2. Der Schülerbettel und das reformatorische Kurrendewesen Trotz der Gemeinen Kästen als Versorgungsinstitution und mancherorts umfangreicher Armenstiftungen blieb der Schülerbettel als Bestandteil des Schulwesens über die Reformation hinaus bestehen. Das einstige Bettelverbot, das um 1520 in einigen Städten erlassen worden war und sich nach der Auskunft Anton Musas verheerende auf die Schulfrequenz ausgewirkt hatte wurde im Februar 1530 durch kurfürstlichen Beschluss aufgehoben. Eine Ordnung erfuhr der 1080 1081 1082 1083

LATh-StA Rudolstadt, Hessesche Collectaneen, 2c Nr. 7, fol. 82r–v. Vgl. LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. IV, Nr. 96, fol. 16r–v. Vgl. LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. IV, Nr. 162, fol. 12r–13r u. 14r–v. Ebd., fol. 35r.

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Schülerbettel durch die landesherrliche Obrigkeit jedoch nie, selbst die Kursächsische Kirchenordnung übertrug dies nach wie vor den Städten. Trotz der frühreformatorischen Erfahrungen führte die städtische Selbstorganisation im Fall der Stadt Eisenach 1557 zu einem neuerlichen Bettelverbot. Der Stadtrat erließ in diesem Jahr eine Bettelordnung, die das eigenständige Betteln aller Bedürftiger – nicht allein der Schüler – untersagte und einem zweiköpfigen Gremium das Sammeln an drei Tagen in der Woche sowie die anschließende Austeilung unter den Armen übertrug. Die Organisation wurde in der Stadt gut aufgenommen und zeigte erste Erfolge, welche die bedürftigen Schüler jedoch unberücksichtigt ließ. Der Superintendent Johann Weiß wandte sich daher im Dezember des Jahres an den Herzog und schilderte die Diskrepanz zwischen der Notdürftigkeit der Schüler und dem Bettelverbot. Der Schülerbettel habe nicht allein die Versorgung mit Brot bewirkt, sondern sei zugleich den Schülern eine willkommene Möglichkeit gewesen, „die Responsoria, vnd Ander geseng zulernen“.1084 Trotz des zweifachen Nutzens habe sich der Stadtrat nicht zur Aufhebung des Verbotes bewegen lassen. Für die Schule habe dies, so schilderte der Superintendent dieselben Auswirkungen wie einst Anton Musa, die verderbliche Folge, dass keine fremden Schüler mehr nach Eisenach kämen. Eine Reaktion des Herzogs erfolgte praktisch umgehend. Am 9. Dezember 1557 wurde der Stadtrat angewiesen, den Schülerbettel in seiner alten Ordnung zu belassen. Die Betonung der vormaligen Ordnung sowie des Übungscharakters in der Musik lässt für Eisenach bereits in den 1550er Jahren eine Kurrendeorganisation vermuten. Etwa zur selben Zeit lässt eine nur beiläufige Erwähnung im Visitationsprotokoll von Römhild für das Jahr 1556 – nämlich „das die mendicantes ordenlich außgeteiltt“ 1085 werden sollten – ähnliches vermuten. Die erst kürzlich erlassene Eisenacher Schulordnung enthält hierzu keine Bestimmungen und auch die Schulordnung von Weimar schweigt zu diesen Belangen. Trotzdem ist es die Stadt Weimar, in der – gemeinsam mit Jena – erstmals sicher eine Kurrendeorganisation in Erscheinung tritt. Der Schulmeister von Altenburg Johann Piscatorius zog sie 1573 oder 1574 als anstrebenswertes Ideal heran und schilderte sie als städtisch getragene Institution (Kap. II. 3.4.7.). Einige ausgewählte Ratsherren nahmen die Almosen in Empfang und teilten sie unter einem gerechten und an den Leistungen der Schüler orientierten Maßstab unter den Bedürftigen aus. Der zehn Jahre später aufgezeichnete Lehrplan von Altenburg belegt die Umsetzung eines ähnlichen Konzepts. Einmal in der Woche, am Mittwochnachmittag, zogen die Schüler der obersten Klasse – nicht mehr die bedürftigen 1084 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2659, fol. 1v. Vgl. zu der Bettelordnung MANDRY, Armenfürsorge (2018), S. 592. 1085 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 29, fol. 66v. Mendicantes ist in diesem Fall wahrscheinlich als ‚Almosen‘ zu übersetzen.

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Schüler selbst – in Begleitung eines Schuldieners durch die Stadt und sangen auf den Straßen um Spenden: „scholastici Musica figurali colligunt stipem“. 1086 Die Beschränkung der Kurrende auf den Schülerchor – also nur eine geringe Anzahl von Schülern – macht eine zentrale Sammlung der Einnahmen mit anschließender obrigkeitlich überwachter Austeilung wahrscheinlich. Den höchsten heute noch nachweisbaren Grad an Institutionalisierung erreichte die Schülerkurrende in Gotha. In dem bereits mehrfach genannten Katechismusdruck von 1593 wurde nach der Schulordnung des Cyriakus Lindemann und im Anschluss an die oben skizzierte Haus- und Tischordnung als letzter Bestandteil des umfassenden Gothaer Schulregelwerkes eine Kurrendeordnung aufgenommen („Leges praescriptae Scholasticis Gothanis, cantu figurali stipem emendicantibus“). Sie datiert auf den 28. Februar 1574 und regelt die Zusammensetzung der Kurrende, das Verhalten der Schüler und die Verteilung der Spenden. Wie im späteren Altenburger Beispiel sammelten nicht mehr die bedürftigen Kinder selbst ihr Almosen. Stattdessen erscheint die Funktion des Kurrendesängers als ein offenbar ehrenhaftes und anstrebenswertes Amt, um das ein Schüler sich bewerben konnte. Die Rede ist von jenen Schülern, „qui se cupiunt in eorum numerum & ordinem referri“ und von denen eine gewisse Geisteshaltung erwartet wurde.1087 Inhaltlich verfolgte die Ordnung dementsprechend dasselbe Ziel wie die vorhergehenden – ein frommes und gottesfürchtiges Verhalten unter den Kindern. Sie sollten sich in der Kurrende würdevoll, gesittet und besonnen benehmen, nicht rennen, aber auch nicht trödeln, nicht zu lange an einem Ort verweilen, beim Gesang die Aufmerksamkeit auf das Haus richten, vor dem sie sangen, und die Almosen ehrerbietig und dankbar entgegennehmen. Besonderer Wert wurde auf die Qualität des Gesangs gelegt, weshalb sich der Kurrendechor einmal wöchentlich in der Schule für zwei Stunden zur Übung traf. Zum Gesang in der Öffentlichkeit wurden nur die besten Sänger zugelassen. Die Verteilung der Almosen unter den Schülern erfolgte vierzehntägig am Samstag nach dem Abendgebet in der Anwesenheit aller Schuldiener nach geometrischem Prinzip („Geometrica proportione“1088), das heißt reihum und – wie auch in Piscatorius Idealfall – je nach Verdienst der Schüler. Das Geld war für Nahrung, Bücher und Kleidung aufzuwenden. Zuwiderhandlung gegen das Regelwerk führte zum Ausschluss des Schülers aus dem Kurrendechor. Das Vorgehen der Kurrende blieb – obwohl die Gothaer Verordnung dem hohen organisatorischen Stand der dortigen Schule entsprach – nicht auf die größeren Städte wie Gotha, Weimar, Altenburg oder Jena beschränkt. Eine ähn1086 LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4279, fol. 293r. 1087 Für beide Zitate Parvvs Catechismvs pro juventute scholae Gothanae, S. 191. Vgl. auch GEHRT, Anfänge (2013), S. 17. 1088 Parvvs Catechismvs pro juventute scholae Gothanae, S. 193.

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liche Organisation tritt vielerorts in Erscheinung. Abweichungen sind wahrscheinlich, können jedoch für die einzelnen Fälle nicht namhaft gemacht werden, sind es doch stets nur beiläufige Erwähnungen. In Rudolstadt gehörte es 1575 zu den Pflichten des Infimus, mit den Schülern vor den Türen zu singen. Obgleich das grundsätzliches Vorgehen das Wohlwollen der Visitatoren fand, wurde dem Infimus eine inkonsequente Durchführung vorgeworfen. Er singe nicht, so seine spöttische Erwiderung, „fur den letzt[en] zehen heusern“,1089 weil der Schulmeister sich weigere, an der Kurrende teilzunehmen. In Greußen begann eine Kurrendeorganisation erst im selben Jahr. Die armen Knaben würden Mangel leiden, sodass eine Kurrende, welche „die woch[e] drey tage umbgehen“1090 solle, eingeführt, aber noch von den Bedürftigen selbst abgehalten werden sollte. Eine zentrale Sammlung scheint noch nicht bestanden zu haben, doch wies das Visitationsprotokoll weitere Beratungen in der Stadt über eine bessere Organisationsweise an. Im selben Jahr führte der Stadtrat von Sondershausen den Visitatoren den Spendeunwillen der Bevölkerung vor Augen: „die Knaben in der schuel so nach broth singen werden verseumbt, mußen hunger vnd notth leiden“.1091 Anstatt hier die Organisation einer zentralen Kurrende in Angriff zu nehmen, ersuchte der Stadtrat bei den Visitatoren um die Wiederbelebung der oben erwähnten Schülerspende. Nur ein Fall ist für das 16. Jahrhundert bekannt, in dem über das von der Kurrende eingenommene Geld ausdrücklich eine Rechnung geführt wurde. Einer der zahlreichen Vorwürfe, mit denen sich der Schulmeister von Buttstädt Jonas Traubolth konfrontiert sah, war der Verdacht auf Veruntreuung des Kurrendealmosens. Er habe das Geld, so beschuldigte ihn 1583 der Stadtrat, an sich genommen und niemandem über den Gebrauch Rechenschaft abgelegt. In seiner Verteidigung informierte er die Visitatoren, dass der Kantor, zu dessen Amtspflichten die Kurrende gehörte, über die Einnahmen und Ausgaben Rechnung führe und seine Unschuld dadurch belegt werden könne.1092 Aus dem 16. Jahrhundert konnten solche Rechnungen bislang nicht ausfindig gemacht worden. Die frühesten bekannten Exemplare datieren erst in das frühe 17. Jahrhundert und stammen aus Erfurt. Sie sollen an betreffender Stelle Erwähnung finden (Kap. II. 7.5.).

1089 LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, 2990, fol. 11v. 1090 LATh-StA Rudolstadt, Geheimes Archiv (Restbestand), A IV 3a Nr. 2, fol. 32r. Vgl. auch ebd., Konsistorium Sondershausen, Nr. 108, fol. 37v u. 39v. 1091 LATh-StA Rudolstadt, Hessesche Collectaneen, 2c Nr. 7, fol. 78v. 1092 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 64, fol. 33v.

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6.8.3. Die Alphabetisierungsrate im 16. Jahrhundert – Methode und Ergebnis einer Spezialuntersuchung Die Frage, wie viele Menschen in vergangenen Jahrhunderten des Lesens und Schreibens mächtig waren, ist eine der bedeutendsten und öffentlichkeitswirksamsten Fragen der Schul- und Bildungsgeschichte. Ihr wurde häufig, aus verschiedenen Perspektiven und auch mit verschiedenen Ergebnissen, die Aufmerksamkeit der Forschung zuteil1093 und soll auch hier nicht unbeachtet bleiben. Es sei jedoch im Voraus betont, dass eine endgültige Antwort nur schwer möglich sein wird. Zeitgenössische statistische Erhebungen existieren nicht, während heutige Untersuchungen häufig mit einer unzureichenden Quellenlage konfrontiert sind. Ein bereits erwähntes Quellenzeugnis der thüringischen Schulgeschichte ermöglicht allerdings, sich der Frage auf verhältnismäßig sicherer Grundlage zu nähern: Das Saalfelder Matrikelbuch.1094 Die darin enthaltenen umfangreichen Schülerverzeichnisse beginnen im Herbst 1584, nehmen nach zunächst lückenhaften Anfängen – mit Ausnahme der Quarta – einen halbjährlichen Rhythmus ein und werden durch Versetzungslisten oder Listen von Armenschülern ergänzt. Um der Frage nach der Alphabetisierungsrate anhand dieser Schülerkataloge näherzukommen, müssen sie in einen Zusammenhang mit der zu dieser Zeit in Saalfeld vorherrschenden Geburtenrate gebracht werden: Wie viele der in Saalfeld geborenen Kinder besuchten später die Schule? Die einzige Klasse, für die eine solche Erhebung sinnvoll erscheint, ist die Quarta, nahm doch die Zahl der Schüler mit dem steigenden inhaltlichen Niveau der Klassen erheblich ab (Kap. II. 4.4.2.). Da es sich bei den Schulklassen im 16. Jahrhundert jedoch nicht um Alters-, sondern um Leistungsklassen handelte, besuchten die Schüler die Klassen mitunter mehrere Jahre, wobei sich die Zeitspanne je nach den Leistungen der einzelnen Schüler unterschied. Jene Zeitspanne – oder mit anderen Worten, das von der Quarta abgedeckte Altersspektrum – kann mit den Schülerkatalogen nicht eindeutig ermittelt werden, wurde doch die Quarta bei weitem nicht so genau dokumentiert wie die höheren Klassen. Aus dem Untersuchungszeitraum liegt nur ein einziges Verzeichnis dieser Klasse, des Herbsthalbjahres 1584 vor,1095 bevor eine regelmäßige Verzeichnung erst in den 1640er Jahren anhebt. Die Ermittlung des Altersspektrums der Quarta ist somit auf die ergänzenden Listen der Armenschüler angewiesen. Von den 104 Quartanern vom Herbst 1584 1093 Vgl. insbesondere ENGELSING, Analphabetentum und Lektüre (1973); SCRIBNER, How Many (1979) sowie daran anschließend WENDEHORST, Lesen und schreiben (1986). Die letzte größere systematische Untersuchung erfolgte in den 1990er Jahren, reichte jedoch nicht bis ins 16. Jahrhundert zurück, vgl. BÖDEKER/HINRICHS/HOFMEISTER-HUNGER, Alphabetisierung (1999); HINRICHS/WINNIGE, Schulwesen (2003). 1094 Vgl. StA Saalfeld, C III 128. 1095 Vgl. ebd., S. 260–263.

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können auf diese Weise allerdings nur zwei – Johannes Stengel und Valten Apel – zu einem späteren Zeitpunkt noch in der Quarta nachgewiesen werden. Für beide fällt diese zweite Erwähnung in den Frühling 1587, sodass sie die Quarta für ‚mindestens‘ drei Jahre besuchten. Einer von ihnen, Valten Apel, findet sich im Frühling 1590 in der Tertia, sodass er die Quarta ‚höchstens‘ fünf Jahre besucht hatte. Die Ungenauigkeit dieser Angaben muss betont werden, da die fehlenden Einschulungs- und Versetzungsnachweise vernachlässigt werden, doch sind genauere Angaben nicht möglich. Fünf Jahre werden allerdings zum Erwerb elementarer Lese-, Schreib- und grammatikalischer Kenntnisse ausreichend gewesen sein. Ein dritter Schüler, Erasmus Kobersee, bestätigt die Vermutung. Er war im einzigen überlieferten Katalog der Quarta nicht enthalten, wurde aber Ende 1590 in die Tertia versetzt. Er besuchte die Quarta somit keine sechs Jahre. Eine weitere Schwierigkeit der Untersuchung stellt die Überlieferung der Saalfelder Kirchenbücher – insbesondere der Taufregister – dar. Da das Einschulungsalter im 16. Jahrhundert bei sechs oder sieben Jahren lag, müssten die Kirchenbücher der 1570er Jahre herangezogen werden. Sie existieren nicht. Als erster Pfarrer widmete sich der in der Stadt umstrittene Philipp Caesar der Führung von Taufregistern. Sie umfassen – vor einer neuerlichen längeren Phase, in der keine Kirchenbücher geführt wurden – die Jahre 1580 bis 1585.1096 Eine genaue Namensabgleichung mit der Schulmatrikel ist somit nicht möglich, doch sind die Taufregister zeitnah genug, um die darin enthaltene Geburtenrate auch für die 1570er Jahre vorauszusetzen. Es sind jedoch auch die Taufregister lückenhaft, sodass eine statistische Erhebung auf ihrer Grundlage ungenau bleibt. Eine Auszählung des Taufregisters ergab in den angegebenen Jahren insgesamt 456 Taufen (Tab. 15). Tab. 15: Die im Saalfelder Taufregister verzeichneten Taufen nach Monaten 1580 Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember

20 10 5 8

1581 12 3

2 8 13 16 18 8

1582 11 15 14 4 10 9 5 7

1096 Vgl. KA Saalfeld, Kirchenbuch Nr. 1, S. 185–216.

1583 5 8 11 6 6 10 7 9 8 9 10 8

1584 9 14 10 4 7 6 6 9 5 8 9 11

1585 9 4 7 12 4 10 10 3

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Um daraus die durchschnittliche Jahresgeburtenrate zu ermitteln, wurden aufgrund der Lückenhaftigkeit der Register erneut ein Maximum und ein Minimum ermittelt. Ersteres ergibt sich aus den stets meisten Taufen eines Monats, die in der Tabelle eingefärbt dargestellt sind. Die maximale Geburtenzahl eines Jahres beträgt somit 157 – auf das ermittelte Altersspektrum der Quarta von fünf Jahren gerechnet 785. Das Minimum ergibt sich hingegen aus dem Durchschnitt aller überlieferten Monate. Er liegt bei monatlich 8,77 Taufen – auf fünf Jahre gerechnet 526,2 Taufen. Letzterer Wert ist insofern ungenau, da offenbar auch innerhalb einiger Monate Lücken in den Registern klaffen. Der tatsächliche Wert wird höher gelegen haben. Da die angestrebte Untersuchung lediglich die Knabenschule betrifft, müssen die ermittelten Zahlen um die Mädchen reduziert werden. Das Geschlecht des Täuflings kann, da lediglich die Namen des Vaters oder einer verwitweten Mutter aufgeführt wurden, über die Namen der Paten erschlossen werden. Im 16. Jahrhundert standen den Knaben stets Männer und den Mädchen stets Frauen Pate. Eine entsprechende Analyse des Taufregisters ergab, dass die Mädchen unter sämtlichen erfassten Taufen 45,8 und die Jungen 54,2 % ausmachten. Auf die ermittelten Zahlen angewandt, lag die jährliche Knabengeburtenrate demnach zwischen 57 und 85. Auf fünf Jahre muss mit einer Anzahl von etwa 286 bis 426 getauften Knaben gerechnet werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt, der in der vorliegenden Untersuchung berücksichtigt werden muss, ist die Sterblichkeitsrate der Kinder. Bereits das Taufregister verzeichnet etliche schnell verstorbene Kinder oder Totgeburten, doch liegen aus der betreffenden Zeit keine Sterberegister vor. Zwar war es auch Philipp Caesar, der begann, solche zu führen, doch blieb es bei einem zeitlich eng begrenzen Versuch. Sein Sterberegister umfasst lediglich den Zeitraum vom 4. Oktober bis zum 31. Dezember 1579. Es führt 19 Verstorbene und darunter zehn Kinder auf.1097 Für das 16. Jahrhundert kann mit einer Sterblichkeitsrate bis zum 7. Lebensjahr von etwa 30 % ausgegangen werden. Wendet man diesen Umstand auf die ermittelten Geburtszahlen an, blieben aus einem Zeitraum von fünf Jahren zwischen 200 und 298 Knaben bis ins schulfähige Alter am Leben. Diese ermittelten Zahlen erbringen durch den Vergleich mit der Schulmatrikel ein Ergebnis, das durch die genannten Faktoren einer gewissen Ungenauigkeit unterliegt, doch dürfte diese allein durch den zugrunde gelegten Maximalwert von fünf Jahren im Altersspektrum der Quarta ausgeglichen werden.1098 Das vorlie1097 Vgl. KA Saalfeld, Kirchenbuch Nr. 1, S. 741. 1098 Bei einem Altersspektrum von nur vier Jahren, würden zwischen 159 und 238 Knaben das schulfähige Alter erreichen. Die Alphabetisierungsrate würde somit steigen. Die mit einem maximalen Altersspektrum von fünf Jahren ermittelte Alphabetisierungsrate stellt demnach, um den Unsicherheitsfaktoren entgegenzukommen, den Mindestwert dar.

804

II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

gende Ergebnis kann eine verhältnismäßig große Sicherheit für sich in Anspruch nehmen: Im Herbst 1584 besuchten 104 Schüler die Quarta, von denen nur drei – Mauritius Witter aus Eisfeld, Sigismund Körner aus Coburg und Matthes Jahn aus Eisleben – nicht aus Saalfeld stammten. Bei 101 in Saalfeld geborenen Schülern besuchten demnach im Herbst 1584 zwischen 33,9 und 50,5 % (~ 42 %) aller aus dem relevanten Zeitraum überlebenden Knaben die Lateinschule. Diese Zahlen bezeichnen noch nicht die endgültige Alphabetisierungsrate, betreffen sie doch allein die Lateinschule. Neben ihr bestand eine zweite, deutschsprachige Knabenschule, die – nach den zeitnahen Visitationsprotokollen zu urteilen – ebenfalls nicht schlecht besucht war. Genaue Schülerzahlen liegen hier nicht vor, sodass ihr Anteil an der Alphabetisierung der Bevölkerung nicht berücksichtigt werden kann. Ihre Tätigkeit führte jedoch – ebenso wie weitere, schwer zu fassende schulische Aktivitäten – nicht zu einer Verminderung, sondern zu einer Steigerung des Ergebnisses. Es kann somit davon ausgegangen werden, dass in Saalfeld in den 1580er Jahren gut 50 % der Knaben elementare Kenntnisse im Lesen und Schreiben erwarben. Durch die Betonung des Elementaren liegt die folgende Frage bereits nahe: Wie viele Schüler blieben über die elementaren Kenntnisse hinaus in der Schule – wie viele Knaben strebten eine schulische Gelehrsamkeit an? Die Gesamtschülerzahl des analysierten Halbjahres betrug 196. Diese Summe zeigt bereits, in welch drastischem Maße die Schülerzahl mit den ansteigenden Klassen abfiel. Der Einbruch fand tatsächlich direkt nach der Quarta statt. Im selben Halbjahr besuchten nur noch 30 Knaben die Tertia, 38 die Secunda und 24 die Prima. Von den 104 namhaft gemachten Quartanern können nur entsprechend wenige in späteren Schülerlisten höherer Klassen nachgewiesen werden, wobei die Tertia aufgrund der ebenfalls großen Lückenhaftigkeit nicht berücksichtigt werden kann. Nur 20 bzw. 19 Schüler besuchten die Secunda1099 und von diesen nur noch sechs bzw. fünf, also nur 4,8 oder 5,77 % der ursprünglichen 104 Schüler die Prima. Diese Zahlen können durch die fast lückenlose Überlieferung der Prima als sicher gelten, müssen zum Teil jedoch durch die unbekannte Zahl jener Schüler, die Saalfeld nach der Absolvierung der Quarta verließen und auswärtige Schulen besuchten, relativiert werden. Diese Saalfelder Zahlen sollen im Folgenden in einen größeren Zusammenhang gestellt und mit den Verhältnissen anderer Städte verglichen werden. Weitere detailliertere Auszählungen sind nicht möglich, doch können die Saalfelder 1099 Die Unsicherheit dieser Zahl ergibt sich aus der unwahrscheinlich langen Schulzeit des oben bereits erwähnten Johannes Weber. Sollte er erst zwölf Jahre nach seiner Erwähnung in der Quarta aus der Tertia in die Secunda versetzt worden sein, diese aber in nur zweieinhalb Jahren durchlaufen haben, würde es sich um 20 Schüler handeln. Sollte es sich hingegen um einen zweiten Johannes Weber handeln, wären es nur 19 Schüler.

‚REFORMATORISCHES SCHULWESEN‘ IN THÜRINGISCHEN STÄDTEN

805

Ergebnisse in Beziehung zur Bevölkerungsgröße der Stadt gestellt und mit anderen Städten ins Verhältnis gesetzt werden. Im Jahr 1555 lebten in Saalfeld 447 Bürger.1100 Multipliziert mit dem üblichen Faktor fünf1101 ergibt sich eine Bevölkerungszahl von 2235 Einwohnern. Sie soll trotz steter Schwankungen auch für die 1580er Jahre als Richtwert herangezogen werden. Um daraus den Anteil der Kinder zu ermitteln, wurde aus Ermangelung geeigneterer Grundlagen auf die Bevölkerungszählung von 1580 im Amt Altenburg zurückgegriffen. 1102 Eine entsprechende Auszählung anhand der drei dortigen Städte ergab überraschend einstimmig, dass der Kinderanteil einer Stadt – unabhängig von ihrer Größe – bei etwa 42 % lag. Altenburg Schmölln Lucka

3709 Einwohner 1196 Einwohner 645 Einwohner

darunter 1628 Kinder darunter 494 Kinder darunter 268 Kinder

43,9 % 41,3 % 41,5 % ~ 42 %

In Saalfeld kommen somit – unter der Anwendung dieser Relation – auf 2235 Einwohner 939 Kinder, von denen unter Berücksichtigung der oben ermittelten Verhältnisse (54,2 %) 509 Knaben waren. Die 196 für das Jahr 1584 gezählten Schüler ergeben demnach 38,5 % aller Knaben. Die oben ermittelte Alphabetisierungsrate wird durch diese Zahl bestätigt, sind doch unter den 509 Knaben auch jene enthalten, die noch nicht im schulfähigen Alter waren und somit aus der Statistik abgezogen werden müssten. Ihre Anzahl ist nicht zu ermitteln, wird jedoch zum Teil durch die Anzahl jener Schüler ausgeglichen, die im Verständnis des 16. Jahrhunderts keine Kinder mehr waren. Die Archivrecherchen der vorliegenden Arbeit erbrachten insgesamt 40 Schülerzahlen für die Lateinschulen von 33 Städten.1103 Unter der Verwendung der oben ermittelten Zahlen ergibt sich hinsichtlich der Alphabetisierungsrate das folgenden Ergebnis.1104 1100 Vgl. LAUTER, Saalfeld (1941), S. 357. 1101 Zur Berechnung der Einwohnerzahl durch den Faktor fünf vgl. BLASCHKE, Bevölkerungsgeschichte (1967), S. 44–47; EBERHARDT, Türkensteuerregister (1975), S. 34–37. Eine genaue Auszählung der Bevölkerungsverhältnisse in Schmölln erbrachte zum Jahr 1580 ziemlich übereinstimmend den Faktor 5,1, vgl. dazu WOLF, Entwicklungslinien (2016), S. 32. 1102 Vgl. MASCHKE, Einwohnerzählung (2007). 1103 Weitere Schülerzahlen sind durch ältere Forschungen überliefert, wurden in die folgende Übersicht jedoch nur aufgenommen, wenn sie eindeutig belegt sind. 1104 Die folgende Übersicht präsentiert keine absoluten Zahlen. Sie soll nur Trends aufzeigen, die von Aspekten beeinflusst werden, die hier nicht berücksichtigt werden können. Darunter zählen das Bevölkerungswachstum in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Die Angaben der Einwohnerzahlen (EWZ) folgen, wenn nicht anders angegeben, dem

II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

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Tab. 16: Schülerzahlen und Alphabetisierungsrate der Knaben in thüringischen Städten im 16. Jahrhundert Stadt

Stadtgröße (EWZ)

Allstedt1105 Altenburg Apolda1106

3500 690*

1470/797 290/157

Arnstadt1107

4000

1680/911

750 Bürgel1108 Buttelstedt1109 675*

Buttstädt1110 1005* Creuzburg1111 -

1105 1106 1107

1108 1109 1110 1111

Davon Kinder/ Jungen (KZ)

315/171 283/154

422/229

Datierung

Anzahl der Lateinschüler

1555 1542 1578 1580 vor 1581 nach 1581 1555 1555

60 > 200 80 100 > 300 < 100

1583

90–100

1578 1555

150 100

80 40–50

Verhältnis zur KZ (Jungen) in % > 25,1 50,9 63,7 > 33 46,8 26–32,5 (29,3 ) 58,4–65 (61,2 ) 65,5

Anzahl der Schuldiener 2 4 2 2 5 3 1 1 2 3 2

Deutschen Städtebuch von Erich Keyser, vgl. KEYSER, Städtebuch (1941). Sie orientieren sich dabei an den zeitlich dichtesten Angaben, wobei Bevölkerungsschwankungen nur in jenen Fällen berücksichtigt werden konnten, in denen sich zeitnah deutliche Trends abzeichneten. Dasselbe gilt auch diesmal für den unklar definierten Kindheitsbegriff des 16. Jahrhunderts, dessen Untersuchung – unter der Berücksichtigung gesellschaftlicher Normen und der Bedeutung kirchlicher Initiationsriten, die noch im Schulalter erfolgten – eine eigene Studie füllen würde. Zuletzt sei auf den ungewissen Faktor zur Berechnung der Einwohnerzahlen verwiesen. Die mit einem Stern (*) markierten Zahlen wurden mit dem Faktor fünf errechnet, obgleich der tatsächliche Faktor je nach Stadt und Landschaft variieren konnte. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2509, fol. 5r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 61, fol. 48r; ebd., Reg Ii 62, fol. 39v. Vgl. auch STEIN, Apolda (1931), S. 99. StKrA Arnstadt, 1-034-05, Bd. 1579–83, unfol. Der enorme Einbruch der Schülerzahl wie auch der Versorgung der Schule durch Schuldiener liegt in der Zerstörung der Stadt und der Schule durch den Stadtbrand im August 1581 begründet. Die zweite Schülerzahlangabe nach dem Stadtbrand stellt somit einen Extremfall dar, der in der Ermittlung des Gesamtdurchschnittes nicht berücksichtigt wird. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2606, fol. 1r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2512, fol. 3r; ebd., Reg Ii 64, fol. 115v. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 61, fol. 50v–51r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2514, fol. 2r.

‚REFORMATORISCHES SCHULWESEN‘ IN THÜRINGISCHEN STÄDTEN

Eisenach1112

4500

807

„etliche

1890/1024

1544

Eisenberg1113 885* 4000 Gotha1114

372/202 1680/911

-

70 150 400 > 30

34,7 16,5 44

Großenehrich1115 Kahla1116

1555 1527 1544 1575

1 2 34 1

1500

630/341

Kaltennordheim1117 Lobeda1118 Lucka1119

1000

420/228

1555 1578 1555

130 120 15

38,1 35,2 6,5

2 3 1

500 6501120

210/114 273/148

1555 30 um 1555 40–60

1 1

Magdala1121

450

189/102

Mühlhausen

8000

3360/1821

1555 1558 1570

50 60 „ahn die

26,3 27–40,5 (33,7 ) 49 58,8 27,5

1 1 67

Neustadt a. d. O.1122 Orlamünde1123 Ronneburg1124 Saalfeld

2600

1092/592

500

210/114

1529 1555 1582

200 270 50

33,8 45,6 43,8

12 4 2

900

378/205

1584

50

24,4

2

2235

939/509

1584

196

38,5

4

4

hundert Knabenn“

funfhundert“

1112 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1780, 1r–2v; abgedruckt bei FUNKHÄNEL, Beiträge I (1844), S. 10. 1113 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2515, fol. 9r. 1114 Vgl. LATh-StA Gotha, GA, XX VII, Nr. 8b, fol. 2r; SCHERFFIG, Friedrich Mekum (1909), S. 136; HOLLSTEIN, Gymnasium (1972), S. 100. Auch in Gotha soll die erste bekannte Schülerzahl zur Ermittlung des Gesamtdurchschnittes aus Gründen, die an späterer Stelle angesprochen werden sollen, unberücksichtigt bleiben. 1115 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Konsistorium Sondershausen, Nr. 108, fol. 53r. 1116 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2521, fol. 3r; ebd., Reg Ii 61, fol. 221r. 1117 Vgl. LATh-StA Meinigen, GHA, Sect. IV Nr. 399, fol. 111v. 1118 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2522, fol. 2v. 1119 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1339, fol. 4r. 1120 Die Bevölkerungszählung von 1580 ermittelte für Lucka 645, vgl. MASCHKE, Einwohnerzählung (2007), S. 18. Darunter ergab die Auszählung 268 Kinder. 1121 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2523, fol. 11v; ebd., Reg Ll 552, fol. 2v. 1122 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 445, fol. 2r; ebd., Reg Ii 2524, fol. 2r. 1123 Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4278, fol. 151r. 1124 Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4279, fol. 145v.

II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

808 Salzungen1125 Schalkau1126 Schlotheim1127 Sonneberg1128

2120 845 1000

890/482 355/192 420/228

1555 1555 1574

200 30 30

41,5 15,6 13,2

500

210/114

1555

70–80

Tannroda1129 Tennstedt1130 Themar1131 Waltershausen1132 Wasungen1133 Weida1134 Weimar1135

450 1020* 1500*

189/102 428/232 630/341

1583 1598 1555 1553

> 18 94 120 150

61,4–70,2 2 (65,8 ) > 17,6 1 3 51,8 2 44 2

685 1250* 2768

288/156 525/285 1163/630

1591 1554 1551

100 183 200–300

3 1 2

64,1 2 64,2 23 31,7–47,6 3  4 (39,7 ) Gesamtdurchschnitt der Alphabetisierungsrate: > 40,4 %

Obgleich der aufgezeigte Trend sich fortsetzt und die Werte mancher Städte mit den Saalfelder Ergebnissen überraschend übereinstimmen, müssen einige der vorliegenden Zahlen kritisch hinterfragt werden. Zu berücksichtigen ist insbesondere die jeweilige Intention, unter der die Schülerzahlen geäußert wurden. Unter Umständen sollte ein besonders gutes oder aber besonders schlechtes Bild der schulischen Verhältnisse gezeichnet werden, zu welchem Zweck die Angaben großzügig auf- oder abgerundet werden konnten. So ist beispielsweise die Sonneberger Schülerzahl dem Schreiben des Stadtrates an die Herzöge von 1555 entnommen. Der Rat wusste, dass anhand seiner Informationen die Beteiligung Sonnebergs an der Neubewidmung des ernestinischen Kirchen- und Schulwesens ermessen wurde, und gestaltete seine Angaben gewinnversprechend. Die Betonung einer übermäßigen Belastung des Schulmeisters, der zugleich von den Geschäften der Stadtschreiberei eingenommen werde, korreliert mit der hohen von ihm zu bewältigenden Schülerzahl. Ziel des Stadtrates war die hauptamtliche 1125 1126 1127 1128 1129 1130 1131 1132 1133 1134 1135

Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2531, fol. 2r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2530, fol. 5r. Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Hessesche Collectaneen, 2c Nr. 1, fol. 6v. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2528, fol. 1r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 64, fol. 105v. Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 4, fol. 456r. Vgl. LATh-StA Meinigen, GHA, Sect. IV Nr. 399, fol. 30v; SALIER, Themar (2003), S. 84. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2412, fol. 1r. Vgl. KUNZE, Johann Steurlein (2014), S. 356. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2455, fol. 7r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg O 548, fol. 9v.

‚REFORMATORISCHES SCHULWESEN‘ IN THÜRINGISCHEN STÄDTEN

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Bestellung des Schulmeisters und die Übertragung der Besoldung des provisorisch vom Rat unterhaltenen Kantors auf den Gemeinen Kasten. Ob die Alphabetisierungsrate unter der Sonneberger Jugend tatsächlich zwischen 61 und 70 % lag, muss somit durchaus mit Vorsicht betrachtet werden. Dem entgegen erscheint die Angabe von nur 15 Schülern in Kaltennordheim, die einem Visitationsprotokoll entnommen ist, sehr gering. Sie bietet jedoch keinen Ansatz zur Erklärung und könnte höchstens aufwändig mit der Sozialstruktur der Rhönstadt in Verbindung gebracht werden. Ein möglicher Hintergrund liegt vielleicht in der großen räumlichen Nähe zu einer besseren, höher entwickelten Schule – möglicherweise im 20 Kilometer entfernten Meiningen –, auf welche die Schüler aus Kaltennordheim bald nach den elementaren Anfangsgründen wechseln konnten. Gleiches gilt für Tannroda, etwa 15 Kilometer südlich von Weimar. Eine weitere Zahl, die den Gesamtdurchschnitt verfälscht, jedoch äußerst vielsagend ist, stammt aus Gotha und besagt, dass mit 150 Schülern etwa 16,5 % der Knaben die Schule besuchten. Diese Zahlen sind, obgleich sie gering erscheinen, glaubwürdig, stammt doch die Angabe des Stadtrates als früheste Schülerzahl einer reformatorischen Schule aus dem Jahr 1527 und somit aus einer Zeit des Neubeginns. Nach dem Pfaffensturm und dem Niedergang der Schulen gründete Myconius die neue Schule im Augustinereremitenkloster. Nur zweieinhalb Jahre später, im März 1527, schrieb der Stadtrat dem Kurfürsten und schilderte ihm die frühen Umstände der Schule, die 150 Schüler unterrichte. Die reformatorische Schule Gothas befand sich im Aufbau. Die Schülerzahl repräsentiert sie in einem frühen Stadium der Konsolidierung und wurde daher zur Berechnung der gesamten Alphabetisierungsrate unberücksichtigt gelassen. Eine zweite Gothaer Schülerzahl stammt von 1544 und zeigt die Schule auf einem deutlich weiter fortgeschrittenen Stand der Entwicklung. Eine besonders herausragende Bedeutung der Schule wird hier noch nicht deutlich. Sie errang sie erst in der zweiten Jahrhunderthälfte, aus der keine Zahlen mehr vorliegen. Die letzte Zahl, auf die explizit zu verweisen ist, stammt aus Weida. Mit einer errechneten Alphabetisierungsrate von 64,2 % könnte auch hier eine großzügig aufgerundete Schätzung der Schülerschaft vermutet werden. Stattdessen stellt die Weidaer Angabe jedoch ein Gegenbeispiel und den Beleg für die Sicherheit der konstatierten durchschnittlichen Alphabetisierungsrate dar. Bei der Weidaer Schülerzahl von 183 handelt es sich neben der Auszählung des Saalfelder Matrikelbuches um die einzige, die nicht auf einer groben Schätzung, sondern auf einer genauen Auszählung basiert. Am 30. August 1553 bat der Stadtrat von Weida den Herzog um eine finanzielle Zulage zur Anstellung eines dritten Schuldieners. Er argumentierte mit einer großen Schülerzahl von „zcwei adder drei hundertt knabe[n]“.1136 Der Herzog reagierte mit der Aufforderung an den Super1136 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2455, fol. 2r.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

intendenten, ihn ausführlicher über die Schulsituation zu informieren und insbesondere ein Verzeichnis der Schüler einzureichen.1137 Der Superintendent kam der Aufforderung Ende Januar 1554 nach und übermittelte dem Herzog unter anderem die folgende Auszählung der Weidaer Schülerschaft.1138 Sie ist zugleich ein augenfälliges Beispiel für die erwähnten großzügigen Schätzungen eines Stadtrates unter einer bestimmten Intention. 25 Schüler 44 Schüler 37 Schüler 39 Schüler 38 Schüler = 183 Schüler

„Inn der ersten vnd obersten classe“ „Inn der andern“ darunter sieben von Adel „Inn der dritten“ darunter vier von Adel „Inn der vierden“ darunter vier von Adel „Inn der funfften“

Bemerkenswert an diesem Schülerverzeichnis ist die im Vergleich zur Saalfelder Schulmatrikel auffallend gleichmäßige Verteilung der Schülerschaft auf die Klassen. Sie liegt unter anderem in der stärkeren Ausdifferenzierung der Leistungsstufen in fünf statt in vier Klassen begründet. Ein weiterer Grund könnte in der überdurchschnittlichen Aktivität alternativer Bildungsmöglichkeiten liegen, die es den Kindern, die keine gelehrte Ausbildung anstrebten, ermöglichte, die elementaren Kenntnisse auf anderem Wege zu erwerben. In diesem Fall müsste der Alphabetisierungsdurchschnitt von 64,2 % deutlich erhöht werden. In der Ermittlung der Alphabetisierungsrate der einzelnen Städte blieb die Anwesenheit auswärtiger Schüler unberücksichtigt. Eine Auszählung der Saalfelder Schulmatrikel ergab, dass sie unter der gesamten Schülerschaft zwischen 1584 und 1600 einen Anteil von 21,5 % ausmachten. Darüber hinaus gab der Stadtrat von Neustadt a. d. O. 1555 an, dass sich unter den 270 Schülern etwa 80 Fremde befunden hätten. Eine Berücksichtigung jener Schüler ist kaum möglich, da ihre Anzahl in keinem weiteren Fall bekannt ist. Sie fällt jedoch wenig ins Gewicht, da sie durch jene Schüler ausgeglichen wird, die wiederum aus den betreffenden Städten an auswärtige Schulen zogen. Jene 80 fremden Schüler in Neustadt besuchten nicht die Schulen ihrer Heimatstädte, während zweifellos zahlreiche Neustädter Schüler auswärtige Schulen besuchten. Bildungswanderung war ein Geben und Nehmen der Schulen untereinander, das die letztliche Alphabetisierungsrate der Bevölkerung kaum nachhaltig beeinfluss haben wird. Einen Sonderfall bildet der Einbruch der Schülerzahl in Arnstadt 1581. Die Stadt fiel am 7. August einem verheerenden Stadtbrand zum Opfer, bei dem auch „beide Schuelen alhier der Knaben vnd der Megdlein zu grunde verbrandt“. Der Schaden in 1137 Vgl. ebd., fol. 5r–v. 1138 Vgl. für die Übersicht LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2455, fol. 7r; HERRMANN, Lateinschule einer Kleinstadt (1934), S. 788 f.

‚REFORMATORISCHES SCHULWESEN‘ IN THÜRINGISCHEN STÄDTEN

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der Stadt sei, so ein zeitgenössischer Bericht aus Kreisen des Stadtrates, nahezu unüberwindlich. Noch Monate später lag die Schule darnieder, weil man keine Ausweichmöglichkeit für den Unterrichtsbetrieb gefunden hatte. Eine Folge war die drastische Verminderung der Schülerschaft: „Vor dem brande vber 300 Knaben Itzund kaum 100 vorhand[en]“.1139 Der Stadtrat begründete diesen Einbruch zum einen mit dem Fortgehen auswärtiger Schüler und zum anderen damit, dass auch jene einheimischen Familien, die unter dem Brand einen immensen wirtschaftlichen Schaden davon getragen hatten, ihre Kinder in die Ferne schickten. Der Stadtrat reagierte mit der Einschränkung der Schuldienerschaft, Valentin Lange – möglicherweise der Schulmeister – und der Kantor Quirinius Hesslingk wurden mit jeweils 10 fl und einem Dienstzeugnis abgefunden und verließen die Stadt. Die Arnstädter Schule erlebte nach dem Brand einen neuerlichen Aufstieg und fand schließlich im ehemaligen Barfüßerkloster ein neues Schulhaus. Es hatte zwischenzeitlich die schwarzburgische Fürstenschule beherbergt, die nur kurze Zeit existiert hatte,1140 und befand sich anschließend im Besitz des Obristen Leo Packmor. An ihn richtete der Stadtrat am 12. September 1581 die Bitte, er möge das Kloster „aus Christlichem Mitleiden v[n]d guttem willen […] Zur Schulen gunstigk volgen lassen“.1141 Packmor hatte ein Einsehen und übertrug der Stadt in seinem Testament von 1583 nicht nur das Kloster, sondern auch ganze 6000 fl zur Unterstützung des Kirchen- und Schulwesens.1142 Das fünfte Schulamt war zwar noch 1590 vakant, 1143 doch hatte die Schule die Katastrophe überwunden. Weitere Schülerzahlen konnten bislang jedoch nicht ermittelt werden. Die dargelegte Untersuchung zur Alphabetisierungsrate der städtischen Bevölkerung ist zweifellos vage, da sie von zahlreichen Faktoren beeinflusst wird, die nicht berücksichtigt werden konnten. Ihr Ergebnis kann dennoch als verhältnismäßig sicherer Richtwert betrachtet werden, da die reduzierenden durch weitere, steigernde Einflüsse ausgeglichen werden. Hinzu kommt die nicht quantifizierbare Aktivität deutschsprachiger Schulen oder die Inanspruchnahme privater Lehrer. Durch beide wurde die Alphabetisierung auch außerhalb der reformatorischen Lateinschulen verbreitet. Der errechnete Durchschnitt von etwa 40 % ist nur ein Minimum. Es kann kaum bezweifelt werden, dass am Ende

1139 Für beide Zitate StKrA Arnstadt, 1-034-05, Bd. 1579–83, unfol. Zum Stadtbrand vgl. UNGER/FUHRMANN, Stadtbrand (2006). 1140 Vgl. EINICKE, Reformationsgeschichte II (1909), S. 151 f.; KLETTE, Beiträge (1923), S. 47. 1141 Vgl. StKrA Arnstadt, 1-034-05, Bd. 1579–83, unfol. 1142 Vgl. THALMANN, Chronik (1929), S. 11; MARWINSKI, „Stiftungsurkunden“ (2004), S. 197. 1143 Vgl. StKrA Arnstadt, 1-034-05, Bd. 1566–94, unfol.

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des 16. Jahrhunderts mehr als die Hälfte der männlichen, städtischen Bevölkerung zumindest des Lesens und Schreibens mächtig war.1144 Inwieweit und mit welchem Ergebnis unterlag die Alphabetisierungsrate der Bevölkerung dem Einfluss der Reformation? Diese Frage kann anhand der thüringischen Quellen nicht beantwortet werden, konnten doch bislang keine definitiven Schülerzahlen aus der vorreformatorischen Zeit ermittelt werden. Auch die Forschung ist dahingehend eher auf vage Schätzungen angewiesen, doch ist es wahrscheinlich, dass die Alphabetisierung bereits am Vorabend der Reformation verhältnismäßig weit verbreitet war. Der Erfolg der lutherischen Lehre und das Funktionieren der Reformation auf der Grundlage einer reichen Produktion von Flugblättern und Flugschriften ist allein ein bezeichnendes Indiz für den Bildungsstand der Bevölkerung. Eine so schnelle Verbreitung der neuen Lehre in allen Bevölkerungsschichten wäre nicht möglich gewesen, hätten nur 5 oder 10 % die reformatorischen Schriften lesen können.1145 Auf der Grundlage der darauf aufbauenden Überlegungen und Forschungen von Rolf Engelsing, Robert W. Scribner und Alfred Wendehorst ist eine Alphabetisierungsrate der städtischen Bevölkerung am Ende des Mittelalters von 10 bis 30 % inzwischen weitestgehend anerkannt.1146 Setzt man diesen Wert trotz der zahlreichen Klein- und Kleinststädte auch für den thüringischen Raum voraus, zeigt sich der Einfluss von Reformation und Humanismus auf die Alphabetisierungsrate, die sozusagen im Laufe des 16. Jahrhunderts in etwa verdoppelt wurde. 1147 Das Ergebnis der Unter1144 Vergleichbare Untersuchungen greifen selten bis ins 16. Jahrhundert zurück, setzen in späteren Untersuchungszeiträumen die Alphabetisierung jedoch deutlich geringer an. Schenda spricht noch für die Zeit um 1800 davon, dass „bei der großen Masse der Bevölkerung […] nur minimales Lesevermögen vorauszusetzen“ sei, vgl. SCHENDA, Volk ohne Buch (1988), S. 49. Seine Mahnung, die meist als Maßstab herangezogene Signierfähigkeit nicht überzubewerten, ist zwar berechtigt, sollte aber auch nicht ins Gegenteil verkehrt werden. Die von ihm für seinen Untersuchungszeitraum konstatierte staatliche Bemühung, den Leseeifer der Bevölkerung eher zu bremsen (S. 54 f.), kann für das 16. Jahrhundert nicht bestätigt werden. 1145 Vgl. MOELLER, Stadt und Buch (1979), S. 30–32; WEYRAUCH, Bedeutung (1981); BÜNZ, Schulen (2009), S. 16; BÜNZ/LANG, Schüler und Studenten (2011), S. 34. Zur Wechselwirkung des frühen Buchdrucks mit dem Lesebedürfnis vgl. CORSTEN, Buchdruck (1983). Zur Frage der Verbreitung der lutherischen Lehre bei der leseunkundigen Bevölkerung vgl. SCRIBNER, Flugblatt (1981); RÖSSING-HAGER, Rezipient (1981). 1146 Vgl. ENGELSING, Analphabetentum und Lektüre (1973), S. 11 f., 22 f. u. 32–34; SCRIBNER, How Many (1979), S. 44 f.; WENDEHORST, Lesen und schreiben (1986), S. 32. Von dort fand diese Angabe auch ihren Weg in die Handbücher zur mittelalterlichen Stadtgeschichte, vgl. exemplarisch ENGEL, Die deutsche Stadt (1993), S. 104. 1147 Zweifellos kann kritisch hinterfragt werden, inwiefern die Steigerung tatsächlich eine Folge der Reformation und nicht etwa die grundsätzliche Fortsetzung bereits vor der Reformation angehobener Entwicklungstrends war. Diese Frage könnte durch einen

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suchung verdeutlicht jedoch auch, dass die Reformation ihr ursprüngliches Ziel, eine Alphabetisierung der gesamten Bevölkerung als Grundlage der Bibellektüre, im 16. Jahrhundert bei Weitem nicht erreichte. Die weiterhin bestehenden Defizite ebneten den Schulreformen späterer Jahrhunderte den Weg.1148

6.8.4. Die Entwicklung der Immatrikulationsfrequenzen während der Reformation Die Frage nach dem Schulbesuch und der Alphabetisierung impliziert abermals die Entwicklung des innerstädtischen Universitätsstrebens. Es soll daher die bereits im vorreformatorischen Zusammenhang aufgenommene Untersuchung der herkunftszentrierten Immatrikulationsfrequenzen fortgesetzt und der Einfluss von Reformation und Humanismus auf die Entscheidung zum Universitätsbesuch anhand der oben ausgewählten Städte für den Zeitraum von 1520 bis 1599 verdeutlicht werden.1149 Die Reformationszeit begann mit dem bereits mehrfach betonten, drastischen Rückgang der Immatrikulationen in den 1520er Jahren. In allen analysierten Städten, in denen die vorreformatorische Frequenz hoch genug war, dass sich ein Einbruch bemerkbar machen konnte, gingen die Immatrikulationen ab 1520 deutlich zurück und hörten mitunter für mehrere Jahre gänzlich auf. Erst ab den 1530er Jahren zeichnet sich ein neuerlichen Anstieg ab. In kleineren Städten, in denen sich die frühreformatorische Entwicklung des Schulwesens zum Teil langsamer vollzog, hielt der Rückgang der Immatrikulationen bis in die 1540er Jahre, mitunter selbst bis in die zweite Hälfte des Jahrhunderts an. Die letzten vier Studenten aus Themar immatrikulierten sich im Jahr 1522 (Diagr. 34). Ihnen folgten weitere erst 1531 in Leipzig und 1536 in Erfurt. Gleichermaßen zogen nach dem Rückgang die ersten Studenten aus Schmölln in den Jahren 1531 und 1534 an die Universitäten in Leipzig und Wittenberg (Diagr. 30), aus Ronneburg 1537 (Diagr. 45) und aus Eisenberg 1538 (Diagr. 40) nach Wittenberg. Während es sich in diesen Fällen um zögerliche Anfänge handelte, erlebten Magdala erst 1542 (Diagr. 43), Buttelstedt 1549 (Diagr. 38), Lobeda und TannVergleich der evangelischen mit katholischen Territorien erhellt – wenn auch nicht endgültig beantwort – werden, doch kann eine solche Untersuchung im Rahmen dieser Arbeit nicht vorgenommen werden. 1148 Allerdings ist die Behauptung, es sei erst das Verdienst der Pädagogen des 18. Jahrhunderts, die Bevölkerung vom Nutzen des Schulbesuchs überzeugt zu haben, deutlich überspitzt, vgl. SCHENDA, Volk ohne Buch (1988), S. 43. 1149 Grundlage sind abermals die üblichen Matrikeleditionen, diesmal unter der Berücksichtigung der neugegründeten Universiät Jena, vgl. FÖRSTEMANN, Album (1841); WEISSENBORN, Acten II (1884); HARTWIG, Album II (1894); ERLER, Matrikel (1895); GERHARD, Album III (1905); ERLER, Jüngere Matrikel (1909); MENTZ, Matrikel (1944).

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roda 1552 (Diagr. 46) und Dornburg erst 1559 (Diagr. 39) eine Fortsetzung der Immatrikulationen. In fast allen untersuchten Fällen bildeten diese Neuanfänge den Auftakt zu einem neuerlichen Immatrikulationsaufschwung, der die vorreformatorischen Höhepunkte schnell und mitunter weit übersteigen sollte (Diagr. 2). Die einzige Ausnahme von diesem Trend bildet die Stadt Ranis (Diagr. 44). Nach einer siebzehnjährigen Unterbrechung wurden die ersten Raniser Studenten zwar 1537 in Leipzig und 1539 in Wittenberg immatrikuliert, doch sollten ihnen nur noch elf weitere Immatrikulationen folgen, bis das Universitätsstreben mit der letzten Immatrikulation im Jahr 1585 abermals abbrach und bis zum Ende des Untersuchungszeitraumes nicht fortgesetzt wurde. Der einstige Höhepunkt der 1480er und 1490er Jahre konnte nicht wieder erreicht werden. Diesem Ausnahmefall können jedoch charakteristische Entwicklungen, wie jene der Städte Altenburg und Weimar (Diagr. 4 und 36), insbesondere aber kleinerer Städte wie Ronneburg (Diagr. 45), Kahla (Diagr. 18), Heldburg (Diagr. 41) und Eisenberg (Diagr. 40) oder auch – im deutlichen Verhältnis zur geringeren Größe der Stadt – jene von Magdala (Diagr. 43), Bürgel (Diagr. 37) und Auma (Diagr. 8) gegenübergestellt werden. Hier brachte die Reformation einen deutlichen und für die Bedeutung des reformatorischen Schulwesens signifikanten Anstieg der Immatrikulationszahlen mit sich, der in vielen Fällen – verglichen mit den vorreformatorischen Verhältnissen – beachtliche Ausmaße erlangte. In Magdala, Bürgel, Lobeda oder Dornburg, wo die Immatrikulationszahlen maßgeblich von der Universität in Jena geprägt sind, kann das im Verhältnis zur Einwohnerzahl überdurchschnittlich starke Universitätsstreben zweifellos durch die Nähe der 1548 neugegründeten Hohen Schule und späteren Universität erklärt werden, doch ist der eigentliche Hintergrund der konstatierten Entwicklung in der Bedeutung der Schulen und Universitäten für das evangelische Kirchenwesen zu suchen. Der enorme Anstieg der Immatrikulationen deutet – trotz einer durchschnittlich höheren Schulfrequenz, einem humanistisch geprägten Lehrplan und einer institutionalisierteren Schulorganisation nach der Reformation – nicht zwangsläufig auf ein leistungsfähigeres Schulwesen hin. Die Schulen der vorreformatorischen Zeit entfalteten, wie es sich heute zum Teil anhand der überlieferten Schulhandschriften ermessen lässt,1150 eine bemerkenswerte und kaum zu leugnende Aktivität auf einem hohen Stand spätmittelalterlicher Gelehrsamkeit. Dass dennoch aus einer Stadt wie Altenburg, die von fünf Schulen geprägt war, verhältnismäßig wenige Schüler ihre Ausbildung an der Universität fortsetzten, liegt im zeitgenössischen Verständnis vom Universitätsstudium bzw. vom Nutzen der Gelehrsamkeit begründet. Die an den Schulen erlangte ‚Gelehrsamkeit‘ ermöglichte eine ‚gelehrte‘ Laufbahn bereits – sei es im kirchlichen oder welt1150 Vgl. FASBENDER, Schulhandschriften (2014); DERS., Colligi in Kempnicz (2016).

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lichen Bereich. Ein daran angeschlossenes Universitätsstudium war – obgleich auch schon im 15. Jahrhundert ein vermehrtes Universitätsstreben entsprechend des schulischen Ausbaus konstatiert werden konnte – nicht notwendig, um den Anforderungen gerecht zu werden. Bestätigt wird dies durch den am Vorabend der Reformation plötzlich auftretenden Ansturm studierwilliger Schüler aus Mühlhausen auf die Erfurter Universität, der zweifellos durch den dort herrschenden Humanismus ausgelöst wurde. Die Mühlhäuser Schulen waren bereits vor der Reformation im Stande, ein entsprechendes Niveau zu vermitteln, doch wurde das anschließende Studium vor den neuen geistigen Impulsen nicht für notwendig erachtet. Der zu Beginn der Reformation und in den frühen Visitationsprotokollen vielfach beklagte mangelhafte Bildungsstand vieler Geistlicher liegt in diesem Verständnis begründet.1151 Erst unter dem Einfluss von Reformation und Humanismus erfuhr es eine grundlegende Wandlung, die im deutlichen Anstieg der Immatrikulationsfrequenzen nach 1530 illustriert wird. Das evangelische Kirchenwesen stellte deutlich höhere Anforderungen an die Gelehrsamkeit der Geistlichen und Schuldiener. Eine akademische Ausbildung wurde allerorten zur Voraussetzung einer kirchlichen Laufbahn. Nachdem Martin Luther die Anfänge bereits vorgezeichnet hatte, bauten Anton Musa, Friedrich Myconius und andere darauf auf, und etablierten dieses Verständnis selbst in der landesherrlichen Kirchen- und Schulpolitik. Seinen Ausdruck fand es in der obrigkeitlichen Bildungsförderung – namentlich dem Stipendienwesen zur Grundlegung des evangelischen Kirchenwesens – und dem Anstieg des akademischen Elements unter den schulischen und kirchlichen Amtsträgern. Universitätsstudium und geistliches Amt wurden in so hohem Maße miteinander gleichgesetzt, dass im Umkehrschluss selbst jenen Schülern, die eine solche Laufbahn nicht anstrebten, vom Schulbesuch – oder zumindest dessen Fortsetzung – abgeraten werden sollte.1152 Die Schulen stellten alternativlos die Vorstufe des Universitätsbesuches dar und die hohen Immatrikulationszahlen im späteren 16. Jahrhundert bestätigen, dass viele 1151 Vgl. anhand der ersten evangelischen Pfarrgeneration KARANT-NUNN, Ausbildung (1976). Hinsichtlich der vorreformatorischen Zeit spricht sie von der „Unwichtigkeit der akademischen Studien für die Ausbildung der katholischen Geistlichkeit“ (ebd. S. 156). Vgl. auch SCHEIBLE, Bildungsreformer (2015), S. 107 u. 113. 1152 Wurde eine solche Maßnahme anhand der wettinischen und schwarzburgischen Verordnungen bereits hervorgehoben, findet sie sich letztlich auch in der Praxis umgesetzt. So wurde dem Buttstädter Schulmeister Jonas Traubolth 1586 vorgeworfen, dass er die zum Studium ungeeigneten Schüler zu lange in der Schule halte, statt sie in einen handwerklichen Beruf zu entlassen, sodass sie nach der absolvierten Schulzeit „zu nichts gebraucht werden können“, vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 67, fol. 58v. Der Unterricht der Lateinschule fungierte als Voraussetzung des geistlichen und gelehrten Berufs, nicht aber einer handwerklichen Ausbildung.

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Schulen dieser Rolle gerecht wurden. Zeugnisse über die Qualität des schulischen Unterrichts wie der Altenburger Lehrplan von 1584 oder die lobenden Worte über den Ronneburger Unterricht unter Johannes Avianius sind bezeichnend für die Rolle der Schulen bei der Ausbildung späterer Geistlicher.1153 Es erübrigt sich, an dieser Stelle die im vorreformatorischen Zusammenhang begonnene genauere Betrachtung der Immatrikulationsverläufe fortzusetzen, gleichen sich doch die Trends mit der erwähnten Ausnahme weitestgehend. Der Vergleich mit einigen der oben angeführten Immatrikulationszahlen soll dies belegen, wobei insbesondere zahlreiche Kleinstädte den Trend zu illustrieren vermögen. Konnten für Tannroda im vorreformatorischen Untersuchungszeitraum von 120 Jahren (1400–1519) drei Immatrikulationen nachgewiesen werden, stieg ihre Zahl in den folgenden 80 Jahren (1520–1599) auf 19 an (633,3 % – Diagr. 46). Den fünf vorreformatorischen Immatrikulationen aus Buttelstedt folgten im selben Zeitraum 31 weitere (620 % – Diagr. 38). Die Immatrikulationen Dornburger Studenten setzten zwar nach der Reformation erst spät wieder ein, doch schrieben sich nach den sieben in vorreformatorischer Zeit nachweisbaren Studenten nun 18 allein in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ein (257 % – Diagr. 39). Die Zahl von 13 vorreformatorischen Immatrikulationen einstiger Schüler aus Auma wurde nach der Reformation um weitere 42 ergänzt (323 % – Diagr. 8), während in Apolda auf 16 Studenten vor 1520 in den folgenden acht Jahrzehnten 28 hinzukamen (175 % – Diagr. 6). Den bemerkenswerten 21 vorreformatorischen Immatrikulationen aus Lobeda folgten – abermals erst in der zweiten Jahrhunderthälfte beginnend – 25 weitere. Lediglich die Studenten aus Clingen hielten sich mit jeweils drei Immatrikulationen vor und nach 1520 die Waage, doch handelt es sich dabei aufgrund des verkürzten Untersuchungszeitraumes des 16. Jahrhunderts dennoch um eine Steigerung. Den beachtlichsten Anstieg der Immatrikulationsfrequenz erlebte die Stadt Ronneburg (Diagr. 45). Den lediglich 18 vorreformatorischen folgten nach der Reformation – mit der ersten Immatrikulation 1537 in Wittenberg beginnend – 127 Studenten nach. Die Immatrikulationsfrequenz wurde somit mehr als versiebenfacht (705,5 %). Letztlich erfolgte 1549 in Erfurt auch die erste nachweisbare Immatrikulation eines Studenten aus Kaltennordheim, dem 1577 und 1599 möglicherweise zwei weitere in Wittenberg folgten.1154 Überraschend präsentiert sich dahingegen die Entwicklung der Immatrikulationsfrequenz von Gotha (Diagr. 12). Während vergleichbare Städte dem konstatierten Trend folgten und sich beispielsweise die Frequenzen von Altenburg 1153 Dass die Zeit des Johannes Avianius in Ronneburg jedoch mit einem vorübergehenden Immatrikulationstief zusammenfällt, steht damit in rätselhaften Widerspruch. 1154 In beiden Wittenberger Fällen ist eine eindeutige Identifizierung mit Kaltennordheim ungewiss. Es könnte sich auch um Nordheim am Main handeln.

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(248,3 % – Diagr. 4) und Weimar (331,5 % – Diagr. 36) trotz etwas geringerer Bevölkerungsgröße durchschnittlich verdreifachten, wurde die Anzahl der aus Gotha stammenden Studenten nicht einmal verdoppelt (360 Studenten – 176 %). Weimar kam ihr mit 358 Immatrikulationen fast gleich, während Altenburg sie mit 430 Einschreibungen deutlich übertraf. Dies steht mit dem reformatorischen Aufschwung der Gothaer Schule zu einer der bestorganisierten und überregional bedeutendsten Schulen des Landes in rätselhaftem Widerspruch, entspricht jedoch dem konstatierten herausragenden Niveau der Altenburger Schule. Gotha verlor – sieht man von Erfurt (Diagr. 10), Mühlhausen (Diagr. 20) und der neuen Universitätsstadt Jena (Diagr. 16) ab – den Status der immatrikulationsreichsten Stadt, den sie vor 1520 innehatte, an Altenburg.1155 Von Interesse ist nach wie vor die Frage nach den Kriterien der Universitätswahl der Studenten. Eine mitteldeutsche Bildungslandschaft konnte anhand des Universitätsstrebens in vorreformatorischer Zeit nicht eindeutig konstatiert werden. Dies änderte sich auch nach der Reformation nicht vollständig (Diagr. 2). Eine bedeutende Folge des reformatorischen Einbruchs der Immatrikulationen war der Bedeutungsverlust der Universität Erfurt, vormals eine der bedeutendsten Universitäten des Reiches. Obwohl die dortigen Studenten nach der Reformation hauptsächlich aus dem mitteldeutschen Raum stammten,1156 verdeutlichen doch die untersuchten Immatrikulationsverläufe, dass der einstmals erste Rang der Erfurter Universität auch für die thüringischen Städte Einbußen zu erleiden hatte. Nicht nur gingen die dortigen Immatrikulationen für einige Städte, die zuvor von dieser Universität geprägt waren, erheblich zurück, so beispielsweise in Gotha (11,7 statt zuvor 85,3 %) oder Weimar (7,8 statt zuvor 70,3 %) und den schwarzburgischen Städten Greußen (27,5 statt zuvor 90,7 %), Rudolstadt (12,2 statt zuvor 82,9 %) und Sondershausen (6,3 statt zuvor 93,2 %). Darüber hinaus wurden von 1520 bis 1599 aus Saalfeld nur zehn Studenten, aus Jena sieben, aus Altenburg drei, aus Apolda, Lobeda, Pößneck und Ronneburg nur jeweils ein Student und aus Auma, Dornburg, Eisenberg, Magdala, Schleiz und Schmölln kein einziger Student mehr in Erfurt eingeschrieben. Für die Studenten aus Greußen (34,3 %) und Sondershausen (49,4 %) nahm nun die Universität von Leipzig den ersten Rang ein und behielt ihn für Altenburg (57,7 %), Schmölln (49 %) und Themar (47 %) auch über die Reformation hinaus bei. Für die meisten untersuchten Städte trat nach ihrer Gründung aber die Hohe Schule von Jena die führende Rolle unter den damit vier mitteldeutschen Universitäten an. Während sich unter den Immatrikulationen der Ronneburger Studenten die Universitäten von Wittenberg (43), Jena (42) und Leipzig (41) und 1155 Ein Vergleich mit weiteren Städten – wie etwa Eisenach – könnte das Verhältnis präzisieren oder bestätigen. 1156 BÖNISCH, Matrikeluntersuchung (2013), S. 110 f.

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bei den Eisenberger Studenten Leipzig (36) und Jena (38) noch fast die Waage hielten, zeichnet sich das Primat der Jenaer Universität unter den kleineren und mittleren Städten wie Auma (50 %), Buttelstedt (58 %), Heldburg (55 %), Kahla (65,3 %), Pößneck (48 %), Saalfeld (60 %) und dem reußischen Schleiz (47,5 %), aber auch den immatrikulationsstarken Städten Gotha (45,8 %) und Weimar (64,2 %) mehr oder weniger deutlich ab. In Saalfeld, Heldburg, Schmölln oder Weimar ist dabei ein deutlicher Rückgang der Immatrikulationen an anderen Universitätsstandorten zugunsten Jenas zu konstatieren, doch ist der Trend in seiner Gesamtheit aus der lokalen Perspektive nicht stark genug ausgeprägt, dass vollends von einer politisch motivierten Wahl der Universität gesprochen werden könnte.1157 Keine Universität erreichte nach der Reformation ein solches Primat, wie es die Erfurter vor 1520 für Städte wie Greußen und Sondershausen, aber auch Gotha und Weimar eingenommen hatte. Stattdessen waren die Immatrikulationen von einer stärkeren und gleichmäßigeren Verteilung der Studenten geprägt. Wo der Vorrang der Jenaer Universität am stärksten hervortritt, wird nach wie vor die Nähe des Universitätsstandortes die maßgebliche Rolle gespielt haben. Dies betrifft neben Kahla, Weimar und Saalfeld, wo sich objektiv mit ca. 65, 64 und 60 % aller Immatrikulationen der deutlichste Vorrang Jenas bemerkbar machte, die kleinen Städte Magdala, Bürgel, Lobeda, Apolda oder Dornburg, die im unmittelbaren Umfeld der neuen Universität lagen und deren Immatrikulationsanstieg im Grunde erst mit der Gründung der neuen Universität einsetzte. Die Wittenberger Universität konnte nur in Ronneburg – aber selbst dort nur mit einem Vorrang von einer Immatrikulation – die führende Rolle übernehmen. Erfurt behielt nur für die eigenen Studenten und jene aus der Reichsstadt Mühlhausen das Primat bei. Zäsuren in der Schulgeschichte einzelner Städte lassen sich nach der Neuaufrichtung des niedergegangenen Schulwesens anhand der Immatrikulationsverläufe kaum ausmachen oder nur schwer erklären. Deutliche Ausreißern der Frequenzen lassen sich nur in einem Fall, allerdings nicht mit einer schul-, sondern einer universitätsgeschichtlichen Zäsur erklären. Die Universität von Jena wurde im Wintersemester von 1578/79, um der Gefahr der Pest zu entgehen, für einige Monate nach Saalfeld verlegt (Kap. II. 4.3.8.). Hatte die Gründung der Universität bereits zu einem deutlichen Anstieg des Universitätsstrebens in Saalfeld geführt, ermöglichte die Universität vor Ort nun zahlreichen Schülern die 1157 Vgl. zu dieser These TÖPFER, Leucorea (2004), S. 190. Zweifellos kann Töpfers Diktum, die Leucorea sei „ein Produkt der Entfremdung der beiden wettinischen Linien“ und die Salana „die Reaktion der geschlagenen Ernestiner auf den Verlust Wittenbergs“, nicht in Frage gestellt werden. Die politische Motivation der Universitätsgründer fand jedoch keine endgültige Entsprechung im Immatrikulationsverhalten der Universitätsbesucher. Welche Faktoren im Einzelnen dabei eine Rolle gespielt haben, werden zukünftige Forschungen ergeben müssen.

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Immatrikulation, sei es, um ein Studium aufzunehmen oder, wie es in vorreformatorischer Zeit in Erfurt und Leipzig konstatiert worden ist, die eigentliche Schulbildung an der Universität fortzusetzen. Die Immatrikulationsfrequenz stieg von fünf im Jahr 1577 auf 29 im Jahr 1578 an, um nach der Rückkehr der Universität nach Jena zunächst für mehrere Jahre deutlich zurückzugehen. Alle studierfähigen oder studierwilligen Schüler, deren Immatrikulationen sich sonst auf die folgenden Jahre verteilt hätten, strömten innerhalb weniger Monate gleichzeitig in die Hohe Schule. Ob sie nach der Rückkehr mit nach Jena gingen oder aus wirtschaftlichem oder fachlichem Mangel an die Saalfelder Schule zurückkehrten, ist unbekannt.

6.9. Das deutschsprachige Knaben- und Mädchenschulwesen 6.9.1. Die Gründung von Mädchen- und gemischtgeschlechtlichen Schulen unter dem Einfluss der Reformation Wie auch bei den Lateinschulen kann der Einfluss der Reformation auf die Entwicklung des Mädchenschulwesens kaum überschätzt werden. Möglicherweise ist er sogar höher einzuschätzen, führte doch erst die Reformation zur Entstehung eines engmaschigen Mädchenschulnetzes. Tatsächlich waren die Möglichkeiten der Mädchenbildung in vorreformatorischer Zeit begrenzt und oftmals auf die Schulen in Nonnenklöstern beschränkt. Eine solche konnte in Altenburg durch die Erwähnung einer Scholasterin nachgewiesen werden und auch in den Klöstern von Salzungen (Allendorf), Berka, Eisenberg, Kölleda und Weida ist die Existenz solcher Schulen bekannt.1158 Eine weitere konnte im Kloster Stadtilm belegt werden.1159 Von Klöstern unabhängige Mädchenschulen hat es zwar bereits vor der Reformation gegeben,1160 doch sind sie in Thüringen kaum nachweisbar. Lediglich ein Fall, der jedoch einigen Zweifeln unterliegt, findet sich in der Stadtrechnung von Neustadt a. d. O. zum Jahr 1504. Hier wird ein Begängnis „d[er] Schulmeisterin“1161 erwähnt, doch könnte es sich dabei auch um die Ehefrau eines Lateinschulmeisters gehandelt haben. Ein gleichsam undeutlicher Hinweis verbirgt sich in den Worten des Gothaer Stadtrates, mit denen er die Leistungen des ersten reformatorischen Mädchenschulmeisters in der christlichen Lehre 1158 Vgl. KUNDE, Bildung und Erziehung (2016), S. 47 f., mit Anm. 35. 1159 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Rechnungen des Amts/Rentamts Arnstadt-Käfernburg, Nr. 933, unfol. 1160 Vgl. HESSELBACH, „Deutsche“ Schule (1920) 17 f.; FICKEL, Mädchenbildung (1990), S. 119–121; KAMMEIER-NEBEL, Frauenbildung (1996), S. 80–82. 1161 LATh-HStA Weimar, Weimarische Ämter und Städte, Nr. 747, fol. 91r.

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jenen eines vermeintlichen Vorgängers gegenüberstellte. 1544 erinnerte er sich, dass „fur Zceitenn Eyner [war], der eynn Braun adder Roth Birretleynn getragenn, vnnd d[o]m[in]e Magister ader doctor genant hat wolle[n] seynn“,1162 und der seinen Pflichten kaum gerecht geworden sei. Ob sich hinter diesen abfälligen Worten eine bestimmte Person verbirgt oder der Rat sie allgemein auf die durch ihren Habit gekennzeichnete katholische Ordensgeistlichkeit bezog, bleibt offen. Als Martin Luther, angefangen 1520 in seiner Adelsschrift, für die Notwendigkeit einer schulischen Bildung zum Zweck der religiösen Erziehung argumentierte, bezog er die Mädchen in sein Konzept mit ein. Die erste in der frühen Reformationszeit greifbare Mädchenschule tritt daraufhin bei der Visitation von 1528/29 in Weida in Erscheinung.1163 Sie basierte zwar noch auf der vorreformatorischen Klosterschule, sollte aber durch die Auseinandersetzung mit ihrem Schicksal und dem von Melanchthon verfassten Mädchenschulplan zur Keimzelle eines reformatorischen Mädchenschulkonzeptes werden (Kap. II. 2.1.4.). Melanchthons Gutachten über die Mädchenschule von Weida, das wenige Jahre später in die meißnisch-vogtländischen Visitationsartikel einfloss, sollte für die Entstehung der Mädchenschulen nicht weniger weitreichend sein, als der Sächsische Schulplan für die Lateinschulen. Bereits der Vergleich beider ergibt jedoch, dass die Mädchenschulbildung deutlich unter jener der Knaben angesetzt wurde. War die Ausbildung der Knaben auf die Lehre der Sprachen gerichtet, beschränkte sie sich für die Mädchen auf den Katechismus und die religiöse Erziehung in der Lektüre der Bibel, Gebeten und geistlichen Liedern, ergänzt durch Lesen und Schreiben. Die geringere inhaltliche Gewichtung änderte jedoch nichts an der Priorität der Mädchenschulen. Nachdem sie sich – wenn auch langsamer als die Lateinschulen – im reformatorischen Schulverständnis etabliert hatten, waren sie ebenso obligatorisch wie die lateinischen Knabenschulen, dabei aber häufiger mit dem Problem der finanziellen Unterhaltung konfrontiert. Neben die Weidaer Schule traten erst bei der folgenden Visitation von 1533/34 die Mädchenschulen von Gotha und Saalfeld, allerdings erscheinen beide als bereits existierende Einrichtungen. Die ebenfalls bereits bestehende Mädchenschule von Altenburg fand, obwohl sie in der Stadt für einiges Aufsehen gesorgt hatte, keine Erwähnung. Von Bedeutung ist die Gothaer „Meydlein schuell“, 1164 da für sie der genaue, bemerkenswert frühe Gründungszeitpunkt überliefert ist. Schrieb Myconius noch 1530 an Justus Menius, dass der Stadtrat jüngst eine Mädchenschule eingerichtet habe, 1165 wandte sich der Mädchenschulmeister Johannes Lang 1553 selbst an den kürzlich aus der Haft entlassenen 1162 1163 1164 1165

LATh-StA Gotha, Oberkonsistorium Loc. 19, Nr. 2, fol. 26v. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2, fol. 219r–v. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 4.1, fol. 164r. Vgl. SCHERFFIG, Briefe (1936–39), S. 223.

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Herzog Johann Friedrich und informierte ihn unter anderem, dass er mit seiner Frau zusammen seit 31 Jahren, also seit 1522 eine Deutsche Schule nicht allein für Mädchen, sondern gleichermaßen für Jungen halte.1166 Es kann vermutet werden, dass er während des allmählichen Niedergangs der kirchlich getragenen Knabenschulen die Chance zur Gründung einer privaten Einrichtung nutzte. Ob dies bereits einem reformatorischen Bewusstsein entsprang, sei dahingestellt, jedenfalls wurde er vom Stadtrat – möglicherweise erst durch Myconius’ Einfluss – in seinem privaten Anliegen wohlwollend unterstützt. Während die vorreformatorischen Lateinschulen eingingen und von Myconius 1524 ein Neuanfang unternommen werden musste, blieb die Schule des Ehepaars Lang über die frühreformatorischen Wirren hinaus bestehen. Der Gothaer und der Saalfelder folgte die Mädchenschulgründung von Jena, die ebenfalls zeitlich genau erfasst werden kann. Nachdem die Schule bei der Visitation von 1533/34 noch keine Erwähnung fand, wurde in der Kastenrechnung von 1535/36 die Besoldung des Mädchenschulmeisters Johann Reichard verzeichnet. Sie wurde für 23 Wochen gereicht und nahm ihren Anfang zu Judica (2. April) 1536.1167 Da sie nicht – wie es in anderen Jahrgängen durchaus üblich war – von einem Amtsvorgänger auf ihn übertragen wurde, sondern mitten im Rechnungsjahr ihren Anfang nahm, wird Reichard als erster Schulmeister der reformatorischen Mädchenschule von Jena anzusehen und deren Gründung in den März oder April 1536 zu datieren sein. Sie erfolgte wie in Gotha unter der wohlwollenden Mitwirkung des Stadtrates. Nur zwei Tage nach der ersten Besoldung des Schulmeisters datiert eine Ausgabe des Rates in der Stadtrechnung, mit der er „cleine alphabet buchlein In die Meidlein schul“1168 bringen ließ. Es handelte sich bei diesen Bücher wahrscheinlich um eine Erstausstattung der Schule mit dem notwendigen Buchmaterial. Sie kosteten den Stadtrat zwar nur 5 gr, doch belegen spätere Rechnungen, dass man bereits für wenige Groschen etliche Bücher erwerben konnte.1169 Die Kastenrechnung geht in ihrer bemerkenswerten Ausführlichkeit darüber noch hinaus. Da der Schulmeister nicht durch das Schulgeld der Mädchen, sondern durch den Gemeinen Kasten besoldet wurde, die Mädchen aber nicht vom Schulgeld befreit wurden, flossen die Schulgeldeinnahmen dem Gemeinen Kasten zu. Sie wurden in der Rechnung mitsamt der Liste der zahlenden Mädchen verzeichnet. Die Liste präsentiert mit nur zwölf Namen – darunter die Tochter eines Lateinschuldieners Margarethe Frylitsch – 1166 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2407, fol. 1r–2v; HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 128; GEHRT, Anfänge (2013), S. 11 f. 1167 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 3021, fol. 44v. 1168 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 3020, fol. 94r. 1169 1563 zahlte der Gemeine Kasten von Jena für sechs ABC-Bücher nur 3 gr, vgl. StA Jena, C Ia-2a, fol. 55v. Lässt man preisliche Entwicklungen unberücksichtigt, hätte der Rat demnach für 5 gr durchaus zehn Bücher kaufen können.

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die bescheidenen Anfänge der Schule.1170 Ob weitere Schülerinnen vom Schulgeld befreit waren, ist unbekannt. Einer frühreformatorischen Mädchenschulgründung von Weißensee war offenbar weniger Glück beschieden. Obgleich sie von der ersten albertinischen Visitation von 1539 nicht erfasst wurde, existierte sie bereits im selben Jahr.1171 Sie scheint jedoch nicht lange bestanden zu haben, kritisierten doch die Visitatoren von 1555 ihr Fehlen. Die Anweisungen gingen nun dahin, eine neue Mädchenschule zu begründen.1172 Dieselbe Verordnung hatten die Visitatoren dem Stadtrat von Langensalza bereits 1540 mit den gezielten Worten erteilt, dass man „ein[er] deutsche[n] schuel fur die Medlin bedarf“.1173 Etwa vier Jahre später hatte man in Weimar aus eigenem Antrieb die Gründung einer Mädchenschule in Angriff genommen. Zu Jacobi 1544 (3. Mai oder 25. Juli) wurde durch den Stadtrat eine Schulmeisterin angestellt und bis zum Ende des Ratszyklus notdürftig unterhalten.1174 Nach dem Wechsel des regierenden Rates stieß die Unterhaltspflicht der Mädchenschulmeisterin beim neuen Rat jedoch auf Missfallen. Er wandte sich mit der Bitte um eine finanzielle Zulage an den Kurfürsten, um die Besoldung der Schulmeisterin auf den Gemeinen Kasten zu übertragen.1175 Eine Zulage durch den schwarzburgischen Grafen sollte – so zumindest der Wunsch der dortigen Geistlichen – auch die Gründung einer Mädchenschule von Arnstadt ermöglichen. Am 8. Juli 1547 schilderten diese ihm, dass Arnstadt eine so große Gemeinde habe, „solt billich eine offentliche Stadtliche Iungfraw schul gehalten werden“.1176 Die gleichzeitig ausgesprochene Bitte, den Schülern und Schülerinnen das Schulgeld zu erlassen, betraf beide Schulen und sollte durch gräfliche Unterstützung ermöglicht werden. Mit deutlich größeren Schwierigkeiten, sowohl in finanzieller als auch in gesellschaftlicher Hinsicht, waren die Bemühungen des vormaligen Jenaer und Saalfelder Schulmeisters und jetzigen Pfarrers Stephan Reich in Kahla konfrontiert. Resultierten die Gründungen andernorts aus der empfundenen Notwendigkeit einer elementaren Mädchenbildung, stieß Reich in Kahla in seinen Bemühungen, eine Mädchenschule aufzurichten, auf den Widerstand der Bürger. Sie 1170 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 3021, fol. 9r. 1171 Vgl. anhand der Quellenbestände des Stadtarchivs Weißensee KIRCHSCHLAGER, Weißensee (1998), S. 193. 1172 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 40a, fol. 102v. 1173 LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 1c, Bd. 1, fol. 16r. 1174 Die erste bekannte Schulmeisterin, deren Einstellung im Oktober 1544 im Stadtbuch verzeichnet wurde, ist Christina Pennewitz. Bei ihr handelt es sich vermutlich um die erste Mädchenschulmeisterin, vgl. StA Weimar, HA, I-1-47, fol. 82r.  1175 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1770, fol. 1r–3v, hier fol. 3r. 1176 LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, Nr. 2872, fol. 4r. Vgl. auch EINICKE, Reformationsgeschichte II (1909), S. 153, Anm. 1.

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assoziierten Mädchenschulen mit Nonnenklöstern, die sie im gutgemeinten reformatorischen Eifer ablehnten.1177 Reichs Beharrlichkeit ist es zuzuschreiben, dass die Gründung zu Beginn der 1550er Jahre – wenn auch nur für kurze Zeit – trotzdem zustande kam. Im Jahr 1555 schrieb der Rat in seinem Bericht an die Herzöge, eine Mädchenschule „Ist ein Iar oder ezliches anher auch gehalten wurden“, sei jedoch aus einem Mangel an finanziellen Möglichkeiten zur Unterhaltung der Schulmeisterin „widder abgangen“.1178 Die Visitatoren desselben Jahres hatten bereits verfügt, dass die Unterhaltungssumme eines einstigen Geistlichen nach dessen Tod „in gemain kasten zu erhaltung der Medlin schule“1179 geschlagen werden solle, doch konnte die Mädchenschule erst durch die Intervention der Herzöge endgültig ins Leben gerufen werden. Ein ähnliches Schicksal traf um dieselbe Zeit die Mädchenschule von Eisfeld. Sie sei zuvor, so berichtete der Stadtrat den Herzögen, von einem Vikar und anschließend durch einen Bürgerssohn gehalten worden, doch „stehet Izo inn mangel“.1180 Etwa im selben zeitlichen Rahmen tritt die Mädchenschule von Orlamünde erstmals in Erscheinung. Die Rede ist bereits 1551 von einem einstigen kirchlichen Haus, „dahin Izo die Iunckfrawn schule geleget wirdet“.1181 Die Formulierung lässt auch hier eine kürzliche Gründung vermuten. Ihr folgte 1554 die Gründung in Heldburg nach. In dem Bericht an die Herzöge schrieb der hiesige Stadtrat 1555, eine Mädchenschule sei „in Neuligkeit vnd in negstuorschinen Iar durch sondern vleis vnsers pfarrherrn angericht“ und sogar mit einer gesonderten Ordnung („Zil vnd mas“) versehen worden.1182 Dieselbe Formulierung nutzte der Stadtrat von Neustadt a. d. O. im gleichen Bericht an die Herzöge. Auch hier sei die Schule ‚in Neulichkeit‘ angerichtet worden. 1183 In Hildburghausen bestand sie zu dieser Zeit bereits etwas länger. Sie scheint in ihrer Einrichtung und wahrscheinlich auch in ihren Gründungsumständen der Gothaer Mädchenschule zu ähneln. Auch sie wurde von einem Bürger aus privater Initiative gehalten und lehrte gegen Schulgeld die Kinder beiderlei Geschlechts.1184 Dem entsprach auch die Mädchenschule von Eisenach, die der Stadtrat den Herzögen gegenüber 1555 erwähnte. Wie in Gotha lehrte ein Ehepaar sowohl Knaben als auch Mädchen in einer privat getragenen

1177 Vgl. KOCH, Stephan Reich (1886), S. 15; LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen III (1891), S. 451. 1178 Für beide Zitate LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2521, fol. 3r. 1179 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2483a, fol. 2r. 1180 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2517, fol. 2v. 1181 LATh-StA Rudolstadt, Hessesche Collectaneen, 3b Nr. 6, fol. 23r. 1182 Für beide Zitate LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2518, fol. 2r. 1183 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2524, fol. 4r. 1184 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2519, fol. 10r.

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Deutschen Schule.1185 Ein Gründungszeitpunkt ist in Hildburghausen und Eisenach nicht zu erfassen. Das Jahr 1555 bildete aus landesherrlicher Perspektive eine Zäsur und kann als Jahr der systematischen Mädchenschulgründungen angesehen werden. Obwohl die bisher angeführten Beispiele zeigen, dass bereits zuvor in etlichen Städten Mädchenschulen aus den Bemühungen der Stadträte und Pfarrer oder aus privaten Initiativen hervorgegangen waren, hatte sich das Verständnis von der Notwendigkeit der Mädchenschulbildung bis zu den diesjährigen Visitationen auch auf der landesherrlichen Ebene etabliert. Sie fanden nun, wie es oben bereits dargestellt wurde, nach den zunächst singulären Anfängen der meißnischsächsischen Visitationsartikel, ihren festen Platz in den Visitationsverordnungen und wurden auch vor Ort in Auftrag gegeben. Dies betraf nicht nur die bereits erwähnte Anweisung in Weißensee. Ihr folgte in derselben Visitation eine solche auch in Tennstedt1186 und im Zuge der im selben Jahr abgehaltenen hennebergischen Visitation in Schmalkalden1187 und Themar.1188 In Schleusingen bestand zu dieser Zeit bereits eine Mädchenschule,1189 möglicherweise auch in Suhl.1190 Eine besondere Bedeutung spielte die Neubewidmung im ernestinischen Herzogtum, die für das dortige Mädchenschulwesen ausschlaggebend werden sollte. Sie fungierte, da das Fehlen einer Mädchenschule bislang zumeist finanzielle Gründe hatte, als auslösendes Moment zahlreicher Gründungen. Das Mädchenschulwesen wurde, so informierte das gedruckte Rundschreiben der Herzöge vom 10. August 1555,1191 an dem bereitgestellten Geld mit einer Summe von 340 fl beteiligt. Bereits wenig später, noch vor der Zuteilung der Gelder im November, wurde die Beteiligung präzisiert und pauschalisiert. Demnach sollte einer jeden Stadt, die Ambitionen zu einer Mädchenschule hegte, ohne Unterschied eine Zulage von 10 fl zu deren Unterhaltung zugewiesen werden.1192 In fast allen überlieferten Bewidmungsurkunden findet sich dieser Beschluss umgesetzt, der in zahlreichen Städten zur unmittelbaren Gründung einer Mäd1185 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2516, fol. 10v. 1186 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 48, fol. 177v. 1187 Der Stadtrat solle „ein Christliche vnd Gottfurchtige Matron, oder einen Erbarn alten man verordnen, der eine Jungkfrawhe Schule anfahe“, vgl. LATh-StA Meinigen, GHA, Sect. IV Nr. 399, fol. 180v. 1188 Vgl. „Dem Rat ist auch aufferlegt ein teutschen schulmeister fur die Meidlein des orts anzurichtenn“, vgl. LATh-StA Meinigen, GHA, Sect. IV Nr. 399, fol. 30v. Vgl. auch HUMAN, Reformation (1917), S. 65; SALIER, Themar (2003), S. 84. 1189 Vgl. LATh-StA Meinigen, GHA, Sect. IV Nr. 399, fol. 335v. 1190 In Suhl findet sich im Visitationsprotokoll der einleitende Satz „Die meidlein schulh belangende hat man zw sul dieß gehandelt“, doch ist der Rest der Seite leer, vgl. LATh-StA Meinigen, GHA, Sect. IV Nr. 399, fol. 333r. 1191 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2484, fol. 1r. 1192 Ebd., fol. 13v.

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chenschule führte. So ist in der Kastenrechnung von Magdala von 1558/59 nicht nur die herzogliche Zulage von 15 a ß 15 gr (umgerechnet 15 fl) „Zur Iungfrawen schuelen vnd vor haußarme leuth“1193 unter den Einnahmen, sondern auch die Besoldung einer Mädchenschulmeisterin mit den angegebenen 10 fl (10 a ß 10 gr) unter den Ausgaben verzeichnet. 1194 Gleichermaßen bezeichneten der Pfarrer von Buttelstedt1195 im Jahr 1560 und der Diakon von Triptis1196 im Jahr 1571 jene 10 fl als einziges Einkommen der Mädchenschulmeisterin. Ebenso erscheinen 1569 die 10 fl als alleinige Besoldung der Mädchenschulmeisterinnen von Eisenberg 1197 und Bürgel. 1198 In Buttstädt informiert noch ein Einkommensverzeichnis von 1580, das eine herzogliche Zulage von 10 fl nicht die einzige, aber den Grundstock ihrer Besoldung ausmachte.1199 Die Stadträte von Pößneck und Salzungen hatten beide in ihren Berichten an die Herzöge noch das Fehlen einer Mädchenschule beklagt,1200 worauf auch hier die 10 fl zu ihrer Gründung aufgewandt wurden.1201 Der Stadtrat von Schmölln hatte, als er den Herzögen bereits am 3. Oktober den oben erwähnten Brief mit triftigen Vorschlägen zur Umsetzung der Bewidmung sandte, seine deutliche Bereitschaft zur Gründung einer Mädchenschule kundgetan. Mit den Ehefrauen der Geistlichen verfüge man über mehrere potentielle Schulmeisterinnen, die „gelert von denselb[igen] die Iungenn meidlein zumbesten vnderweis[en] würden“.1202 Selbstverständlich erhielt auch die hiesige Mädchenschule, obwohl die hochtrabenden Vorschläge des Stadtrates nicht gänzlich umgesetzt wurden, die veranschlagten 10 fl.1203 Bemerkenswert ist eine individuelle Anordnung der überlieferten Bewidmungsurkunde für Rastenberg. Sie widmet der Stadt eine Zulage von 20 fl, davon 10 fl für die Mädchenschule. Anders als in den übrigen Städten wurde hier der Stadtrat jedoch ausdrücklich zur Gründung einer Mädchenschule und zur Mit-

1193 1194 1195 1196 1197 1198 1199 1200 1201 1202 1203

LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2731, fol. 4r. Vgl. ebd., fol. 5r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ll 841, fol. 46v. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ll 791, fol. 1r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 54, fol. 69r; LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen III (1891), S. 40. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 54, fol. 15r. Vgl. LATh-HStA Weimar, Konsistorialsachen, B 2886, fol. 244r. Vgl. für Pößneck LATh-StA Altenburg, Schönbergische Sammlung, Nr. 23, fol. 140r; vgl. für Salzungen LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2531, fol. 5v. Vgl. für Pößneck ENKELMANN, Schulgebäude (2006), S. 31 f.; ERNST, Stadtbuch (2012), S. 31; vgl. für Salzungen UB Salzunger Stadtarchiv, S. 69. LATh-StA Altenburg, Ministerium zu Altenburg, Abt. für Kultusangelegenheiten 1819, fol. 48v. Vgl. LATh-StA Altenburg, Wagners Collectaneen IX, Nr. 31, S. 89–91.

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wirkung in Form einer finanziellen Beteiligung von nochmals 10 fl aufgefordert.1204 Die Visitation von 1569 bestätigt die Umsetzung dieses Konzepts.1205 In weiteren Städten kann eine entsprechende Gründung nach der Neubewidmung nicht mit Sicherheit konstatiert, aber vermutet werden. Der Stadtrat von Waltershausen betonte 1555 in seinem Bericht an die Herzöge, dass eine stattliche Menge Mädchen in der Stadt vorhanden sei, eine Mädchenschule bislang jedoch nicht bestehe. 1206 Nur wenige Jahre später, 1559, trat Wigandus Kirchner den Dienst als Kirchner und vermutlich zeitgleich auch als „paedagogus puella“1207 an, den er für Jahrzehnte beibehielt.1208 Zeitgleich tritt eine Mädchenschule von Ummerstadt erstmals in der Kastenrechnung von 1558/59 in Erscheinung, wird dabei aber nicht mit der Neubewidmung in Verbindung gebracht.1209 Letztlich ist die Entwicklung in Ziegenrück gänzlich ungewiss. Auch hier wurde in dem Bericht des Stadtrates an die Herzöge das Fehlen einer Mädchenschule bemängelt,1210 doch liegen keine Informationen über die Höhe der Zulage vor. Eine Mädchenschule tritt hier bis zum Ende des Jahrhunderts nicht in Erscheinung. Unterliegen diese Fälle noch Zweifeln, bildet der Flecken Sulza die einzige sicher zu konstatierende Ausnahme von der pauschalisierten Bewidmung der Mädchenschulen. Ein Bericht an die Herzöge ist nicht überliefert, doch verzeichnete der Rat die Bewidmungsurkunde im Stadtbuch. Eine Mädchenschule fand darin keine Berücksichtigung.1211 Obwohl auch für Sulza bis zum Ende des Untersuchungszeitraumes keine Mädchenschule erwähnt wird, lassen sich letztlich auch Gründungen in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts benennen. In Ilmenau schilderte der Pfarrer erst 1574 den Visitatoren gegenüber, dass er kürzlich und nur „mit grosser muhe“1212 eine Mädchenschule habe aufrichten können. Noch immer stehe sie wirtschaftlich auf unsicheren Füßen, was er durch finanzielle Unterstützung aus seiner 1204 1205 1206 1207 1208

1209

1210 1211 1212

Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 55, fol. 59r–v. Vgl. ebd., fol. 48v–49r. Vgl. LATh-StA Gotha, Oberkonsistorium, Amt Tenneberg, Loc 11, Nr. 1754, unfol. LATh-StA Gotha, Oberkonsistorium, Loc 19, Nr. 7, fol. 28v. Löffler spricht erst zum Jahr 1561 von einer Mädchenschule, vgl. LÖFFLER, Waltershausen (2004), S. 286. Tatsächlich geht aus der zitierten Amtsbeschreibung des Kirchners nicht eindeutig hervor, dass das Mädchenschulamt von Beginn an mit seinem Kirchnerdienst verbunden war, doch kann es vermutet werden. Die Erwähnung betrifft keine Besoldung der Mädchenschulmeisterin. Stattdessen erhalten die Kastenmeister und der Pfarrer ein geringes Zehrungsgeld, weil sie „die Meidles schul auf ein virtel Iar hingelaßen“ haben, vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 3088, unfol. Was sich dahinter verbirgt und ob sie eventuell nur für ein viertel Jahr bestand, ist unklar. Es bleibt vorerst die letzte Erwähnung einer Mädchenschule. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2534, fol. 1r. Vgl. HEYLAND, Stadtbuch (2000), S. 76. LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. IV, Nr. 96, fol. 39v.

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eigenen Tasche auszugleichen versuchte. Im folgenden Jahr wurde in Eckartsberga von den Visitatoren das Fehlen einer Mädchenschule kritisiert, sei sie doch „der Iugendt halbenn sehr nötig“.1213 Dem Rat wurde aufgetragen, dem Organisten durch eine Zulage den zu erteilenden Mädchenunterricht zu ermöglichen. In Schlotheim zeichneten sich erst 1583 die ersten Bemühungen zur Unterrichtung der Mädchen ab. Da der Stadtrat hier, wie der Pfarrer es ihm mit den oben bereits zitierten Worten vorgeworfen hatte, der Unterstützung des Schulwesens abgeneigt war, haben er und der Knabenschulmeister kürzlich selbst begonnen, „etliche meidlin zu leren, das sie deudtsch lesen vnnd etliche Psalmen vnd gebettlin auswendig gelernet haben“. 1214 Von einer Mädchenschulgründung kann noch nicht die Rede sein, doch klagte der Pfarrer weiter, dass selbst diese Anfänge ihm das Missfallen des Rates einbrächten. Die schulische Entwicklung des 16. Jahrhunderts und der Einfluss der Reformation hatten bis zum Ende des Untersuchungszeitraumes ein weit verbreitetes Mädchenschulwesen entstehen lassen. Doch während hinsichtlich der Lateinschulen von einer lückenlosen Verbreitung ausgegangen werden kann, müssen bezüglich der Mädchenschulen Einschränkungen unternommen werden. Die tatsächliche Ausbreitung der Mädchenschulen kann schlichtweg nicht ermittelt werden. Es kann zum Ende des Jahrhunderts nicht mit völliger Sicherheit konstatiert werden, dass jede Stadt auch über eine Mädchenschule verfügte, treten sie doch mancherorts bis zuletzt nicht in Erscheinung. Einer möglichen Existenz steht dies freilich nicht im Wege, fanden doch in den kleineren Städten des Untersuchungsgebietes in den späteren Visitationen mitunter selbst die Knabenschulen keine Aufmerksamkeit mehr, solange sie nicht zu ernsthaften Klagen Anlass gaben.1215

6.9.2. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der gemischtgeschlechtlichen und Mädchenschulen Wie geschildert waren die Gründungsakte der Mädchenschulen oftmals mit der Bereitstellung einer speziellen Besoldung verbunden, die der Stadtrat aus dem Gemeinen Kasten, aus der Stadtkämmerei oder ein Geistlicher aus eigener Tasche leistete. In vielen ernestinischen Städten blieben nach der Neubewidmung die zugelegten 10 fl das einzige Einkommen der Schulmeisterinnen oder Schul1213 LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 3a, fol. 104v. 1214 LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Frankenhausen, A IV 3a Nr. 3.1, fol. 91r. 1215 So bleiben nicht nur die Schulen von Ummerstadt oder Neumark, sondern selbst jene in Eisenberg und Stadtroda in mehreren aufeinanderfolgenden Visitationen der 1570er und 80er Jahre unerwähnt.

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meister. In Rastenberg wurden sie durch dieselbe Summe und in Buttstädt durch weitere 5 fl aus der Kämmerei ergänzt.1216 In den meisten Fällen, die das reformatorische Ideal repräsentieren, wurde die Mädchenschule neben der Knabenschule aus dem Gemeinen Kasten unterhalten. In Jena betrug die anfängliche Besoldung 1536 für 23 Wochen 3 n ß 54 gr, wobei man dem Schulmeister Johann Reichard für die ersten drei Wochen probehalber 8 gr und später 10 ½ gr pro Woche zahlte.1217 Bis 1555 stieg die Besoldung auf 15 fl und sechs Scheffel Korn an,1218 lag damit aber bereits über dem Durchschnitt der üblichen Mädchenschulmeisterbesoldung. Diese lag entsprechend der geringeren Ansprüche an die Mädchenschulen deutlich unter den Besoldungsverhältnissen der Knabenschulen. In Orlamünde erhielt die Mädchenschulmeisterin in den 1550er Jahren nur 2 a ß aus dem Gemeinen Kasten.1219 In Rudolstadt lag die Besoldung in den 1570er Jahren mit 5 fl 15 gr und drei Maß Korn nur wenig darüber.1220 Schließlich betrug sie in Sangerhausen 1555 10 a ß und zwölf Scheffel Roggen aus dem Gemeinen Kasten und zwölf Schock Holz vom Stadtrat1221 und in Schmalkalden zur selben Zeit immerhin 21 fl 22 gkn, worüber der Schulmeister noch eine Zulage von 10 fl vom Stadtrat bezog.1222 Wo die Besoldung nicht aus dem Gemeinen Kasten floss, wurde sie in einigen Fällen gänzlich vom Stadtrat gezahlt, wobei die Höhe gleichermaßen gering blieb. Sie betrug beispielsweise in Greußen 1575 5 fl, ergänzt durch Korn und Holz,1223 in Sondershausen in den 1560er und 70er Jahren 6 fl, 1224 in Arnstadt 1580 10 fl.1225 In Weida sollte die Schule hingegen entsprechend ihrer klösterlichen Ursprünge zunächst ausschließlich vom Kloster unterhalten werden. Die Priorin hatte sich nach längeren Verhandlungen mit den Visitatoren 1528/29 bereit erklärt, die Mädchenschulmeisterin mit 11 a ß und acht Klaftern Holz zu versorgen. 1226 Diese Vereinbarung wurde jedoch nicht auf Dauer umgesetzt. Schon 1555 wurde auch die Schulmeisterin mit 12 fl aus dem Gemeinen Kasten unterhalten.1227 Da der Stadtrat dies für zu gering erachtete, schrieb er am 28. Sep1216 Vgl. zu Buttstädt LATh-HStA Weimar, Konsistorialsachen, B 2886, fol. 244r und zu Rastenberg ebd., Reg Ii 55, fol. 48v–49r. 1217 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 3021, fol. 44v. 1218 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2520, fol. 2v; KA Jena, Nr. 3, Kastenrechnung 1558/59, fol. 20r. 1219 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2527, fol. 1v. 1220 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Kirchenrechnungen, Nr. 1786, unfol. 1221 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 21a, fol. 10r. 1222 Vgl. LATh-StA Meinigen, GHA, Sect. IV Nr. 399, fol. 335v. 1223 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Konsistorium Sondershausen, Nr. 1351, unfol. 1224 Vgl. StA Sondershausen, B Ia, Nr. 3, unfol. (1567/68); ebd., B Ia, Nr. 4, unfol. (1571/72). 1225 Vgl. StKrA Arnstadt, 1-931-20, 1578–1580, unfol. 1226 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2, fol. 219v. 1227 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2533, fol. 4r.

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tember 1555, noch vor der Ausstellung der Bewidmungsurkunden, an den Herzog und bat, die Pension einer ehemaligen, im Sterben liegenden Nonne – dem ‚Fräulein von Gera‘ – in Höhe von 15 fl „zu der Iungen Iungfrawen schulen“ 1228 heranziehen zu dürfen. Von den Herzögen wurde die Bitte abgeschlagen und der Rat auf die Bewidmung vertröstet.1229 Die Visitation von 1569 informiert, dass auch hier die pauschale Zulage von 10 fl gereicht wurde.1230 So gering die Besoldungsverhältnisse der Mädchenschulen auch waren, wurden sie doch mitunter vom Stadtrat als unnötige Belastung angesehen. Dem Stadtrat von Eisenach war offenbar bereits 1549 oder 1550, noch vor der Neubewidmung der Herzöge, eine Zulage von 10 fl gewährt worden. So sprachen die herzoglichen Räte dem Rat gegenüber im Dezember 1560 von einer Zulage von vor elf Jahren. Ob es sich dabei um einen Irrtum handelte und die Bewidmung von vor nur fünf Jahren gemeint war, sei dahingestellt, auf jeden Fall trachtete der Stadtrat nun danach, der Mädchenschulmeisterin dieses Einkommen zu entziehen. Ihr Ehemann Balthasar Mandeler – seines Zeichens selbst Deutscher Schreiber – habe sich hilfesuchend an die Räte gewandt, die den Stadtrat zur Fortsetzung der Zahlung ermahnten. 1231 Ein ähnliches Anliegen verfolgte der Stadtrat von Rastenberg. Obwohl er sich 1555 auf die eingeforderte finanzielle Beteiligung eingelassen hatte, erachtete er in den 1560er Jahren die nur geringe Frequentierung der Schule als ungenügend und entzog der Mädchenschulmeisterin seinen finanziellen Anteil. Auch dieser Versuch konnte durch die Intervention der Visitatoren 1569 schnell abgewandt werden. 1232 Erst ein Einkommensverzeichnis von 1580 informiert abermals, dass die Beteiligung des Rates zunächst auf 5 fl gekürzt und schließlich gegen die Erträge eines Landstücks eingetauscht worden war.1233 Die Mädchenschule von Gotha stellte bezüglich ihrer Besoldungsverhältnisse eine Ausnahme dar, war ihre finanzielle Situation doch schon in der ersten Hälfte des Jahrhunderts vom großzügigen Wohlwollen des Stadtrates geprägt. Nachdem das Schulmeisterehepaar Lang zunächst von ihm unterstützt worden war, ordneten die Visitatoren 1533/34 an, den „Teutzschen Schreiber“1234 mit 20 fl an den Einnahmen des Gemeinen Kastens zu beteiligen. Bereits im Jahr darauf wurde – sobald weitere Lehen verledigt seien – die Anhebung der Summe auf 30 fl in Aussicht gestellt.1235 Das Ehepaar Lang versah die Schule über viele Jahre und 1228 1229 1230 1231 1232 1233 1234 1235

LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Hh 1789, fol. 1r. Vgl. ebd., fol. 3r–v. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 51, fol. 13v–14r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ll 189, fol. 1r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 55, fol. 48v–49r. Vgl. LATh-HStA Weimar, Konsistorialsachen, B 2886, fol. 295v. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 4.1, fol. 164r. Vgl. BECK, Geschichte II (1870), S. 136.

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diente zur großen Zufriedenheit des Stadtrates. Noch vor 1544 versprach der Rat dem Ehepaar daher eine weitere Anhebung der Besoldung auf 40 fl. 1236 Das Versprechen kam jedoch nicht zur Umsetzung, bevor Friedrich Myconius durch seine Klage über die nachlässige Führung der Kastenrechnungen die oben erwähnte Untersuchung durch die kurfürstlichen Räte zu Beginn des Jahres 1544 veranlasste (Kap. II. 6.3.1.). Die gemischtgeschlechtliche Schule des Ehepaars Lang fand bei der Untersuchung nicht jenes wohlwollende Urteil des Stadtrates. Die kurfürstlichen Räte lehnten die Unterhaltung der Schule durch den Gemeinen Kasten ab und plädierten dafür, sie dem Stadtrat zu übertragen.1237 Obwohl dieser Ansatz nicht umgesetzt wurde, erfolgte eine Kürzung der Besoldung auf die 1533/34 angeordneten 20 fl. Die Vorhaltungen des Stadtrates, der den Kurfürsten von Langs Leistungen bei der religiösen Erziehung der Jungen und Mädchen zu überzeugen versuchte,1238 blieben erfolglos. Die Kürzung der Besoldung floss noch im selben Jahr in die Gothaer Kirchenordnung ein1239 und findet sich in der zeitgleichen Ministraturrechnung umgesetzt. Der Deutsche Schreiber, „welcher die Meidleinschule heldet“, erhielt zum letzten Mal 30 fl – „hat hinfurder xx fl“.1240 Fast ein Jahrzehnt später richtete Johannes Lang selbst das Wort in zwei Briefen an den Herzog.1241 Wie der Stadtrat es 1544 versucht hatte, stellte nun er seine und die Verdienste seiner Frau in den Mittelpunkt und erinnerte den Herzog an das einst erteilte, aber nicht eingehaltene Versprechen einer höheren Besoldung von 40 fl. Der Schosser ergriff am 22. Juni für ihn Partei und schilderte dem Herzog, dass die Schule „Anfangs, wie die Kyrchen durch weylandt hernn Frydrichenn Mecum, seligen, ist angerichtet“,1242 bereits bestanden habe und seither den Predigern in der Verbreitung der evangelischen Lehre sehr hilfreich gewesen sei. Der Herzog bewilligte die Bitte und gestattet nach fast zehn Jahren die Umsetzung der versprochenen Besoldung von 40 fl.1243 Die Zeit des Johannes Lang währte jedoch nicht mehr lange. Obwohl die folgende Visitation von 1555 deutlich positiver über das deutschsprachige Schulwesen urteilte, als die kurfürstlichen Räte elf Jahre zuvor, fand Lang nicht mehr das wohlwollende Urteil von einst:

1236 1237 1238 1239 1240 1241 1242 1243

Vgl. LATh-StA Gotha, Oberkonsistorium Loc. 19, Nr. 2, fol. 27r. Vgl. ebd., fol. 19r–v. Vgl. ebd., fol. 26r–27r. Vgl. HOCHGESANG, Der kirchliche Zustand (1841), S. 66 f.; BECK, Geschichte II (1870), S. 144. Beide Zitate LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 2935, fol. 42v. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2407, fol. 1r–2v u. 4r–5r. Ebd., fol. 7r. Vgl. ebd., fol. 10r.

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Weil auch befunden, das die deutzsche schuele nicht wol vorsehen, vnd der deutzsche Schuelmaister, mit andern geschefften, sich belad[en] thut, das er derselben vnfruchtbarlich vorstehe, Als Ist mit dem Rath handelunge gepflogen, vom Ihme auch bewilliget worden, dieselbe schuele zcum furderlichst[en] pesserer, vnd gemeiner Stadt gedeihlicher zcubestellen.1244

Einen weiteren Sonderfall stellt neben der Gothaer die Mädchenschule von Langensalza dar, stand sie doch als weibliche Entsprechung zu den Fürstenschulen unter kurfürstlich albertinischem Einfluss. Im Jahr 1555 folgte Kurfürst August dem Drängen der Landstände und beschloss die Gründung von drei kurfürstlich unterhaltenen Mädchenschulen. Der Beschluss wurde in der Landespolizeiordnung vom 3. Oktober 1555 manifestiert. 1245 Die Mädchenschule wurde bislang vom Stadtrat mit 10 fl unterhalten, bevor die Visitatoren desselben Jahres eine Erhöhung auf 20 fl und zehn Schock Holz anordneten.1246 Nur wenige Monate später fiel die Entscheidung über die Standorte der kurfürstlichen Schulen, die neben Freiberg und Mühlberg auch Langensalza auswählte. Sie sollte 30 Mädchen über sieben oder acht Jahren für höchstens drei Jahre aufnehmen und sie, so die Landesordnung, zu Zucht und Gottesfurcht erziehen. Als finanzielle Grundlage wurden der Schule die Klostergüter der Stadt übertragen.1247 Diese Fundierung hielt jedoch nur fünf Jahre. Bereits 1560 wurden die Klostergüter verkauft. Sie seien der Schule, so besagt es die Verkaufsurkunde, „nicht nützlichen gewesen“. 1248 Der Verkauf führte zur Niederlegung der Schule. Stattdessen wurde die städtische Mädchenschule als Ausgleich für die entfallenen Freistellen weiterhin durch den Kurfürsten unterhalten, was dem Mädchenschulmeister eine bemerkenswert hohe Besoldung einbrachte. Der Stadtrat erhielt alljährlich, so informieren die Stadtrechnungen, aus dem kurfürstlichen Amt 50 fl, die zum Unterhalt der Mädchenschule bestimmt waren und vorschriftsmäßig dafür genutzt wurden.1249 Auf den Schulbetrieb scheint diese hohe Besoldung allerdings keine Auswirkungen gehabt zu haben. Ihre Begutachtung in den Visitationen unterscheidet sich nicht von denen sonstiger Mädchenschulen, auch war sie personell nicht besser gestellt. 1575 wurde sie von Cyriakus Hildemann, dem Organisten von St. Bonifatii gehalten.1250 Die kurfürstliche Finanzierung blieb, obwohl sie zwischenzeitlich auf 30 fl gekürzt wurde,1251 bis über das Ende des 1244 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2614, fol. 3v; EKO I/1, S. 570. 1245 Vgl. EKO I/1, S. 342; MENZEL, Anfänge der Volksschule (1958), S. 99; JACOBI, Frauenbildung (2013), S. 74 f. 1246 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 48, fol. 150v/162v. 1247 Vgl. GÖSCHEL, Chronik II (1818), S. 167; JACOBI, Frauenbildung (2013), S. 74 f. 1248 Zitiert nach GÖSCHEL, Chronik II (1818), S. 168. 1249 Vgl. StA Langensalza, R II, 41, fol. 104r u. 139r; JACOBI, Frauenbildung (2013), S. 75. 1250 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 49, fol. 29v. 1251 Vgl. StA Langensalza, R II, 50, fol. 145r (1580).

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Untersuchungszeitraumes hinaus bestehen. 1252 An ihre Seite trat zu einem unbekannten Zeitpunkt eine weitere kurfürstliche Schulstiftung in Tennstedt. Obgleich Tennstedt bei der Planung der kurfürstlichen Mädchenschulen nicht berücksichtigt worden war, sondern die Gründung einer dortigen Mädchenschule erst 1555 angeordnet werden musste, informiert das Visitationsprotokoll von 1575, dass die Mädchenschulmeisterin Agnes Britzen über ein Einkommen von 25 fl aus einer kurfürstlichen Stiftung verfüge.1253 Neben den geschilderten Einkünften blieb den Mädchenschulen das Schulgeld erhalten. Obgleich mancherorts wie bei den Knabenschulen Anstalten unternommen wurden, die Schülerinnen vom Schulgeld zu befreien, blieb es vielerorts obligatorisch. Die geringe Besoldung genügte nicht, den Unterhalt der Schulen gänzlich zu tragen. Die Liste der Schulgeld zahlenden Mädchen aus der Jenaer Kastenrechnung ist bereits angesprochen worden. Hier betrug das Schulgeld 3 gr pro Quartal.1254 Der Bericht des Stadtrates von 1555 bestätigt diese Zahl, besagt aber auch, dass etliche Mädchen wegen ihrer Armut vom Schulgeld befreit waren. Neben den jährlich 12 gr zahlenden Mädchen, steuerte der Stadtrat zum Ausgleich des armutsbedingt entfallenden Schulgeldes wöchentlich 6 gr bei.1255 Rein rechnerisch zahlte der Stadtrat damit 26 Mädchen das Schulgeld, es ist allerdings anzunehmen, dass es sich nicht um einen abgezählten, sondern einen Pauschalsatz handelte. Als durch die Bewidmungsurkunden von 1555 eine Beschränkung des Schulgeldes auf 2 gr pro Quartal beschlossen wurde, scheint dies seine Gültigkeit gleichermaßen für die Mädchenschulen gehabt zu haben. Zumindest wurde diese Grenze innerhalb des ernestinischen Herzogtums nicht überschritten. Letztlich waren auch gänzliche Befreiungen vom Schulgeld, wie beispielsweise vor 1580 in Rastenberg, nicht ausgeschlossen.1256

6.9.3. Die personellen Verhältnisse der Mädchenschulen Die personellen Verhältnisse der deutschsprachigen Schulen unterlagen angesichts der geringeren inhaltlichen Ansprüche und der niedrigen Besoldung keiner obrigkeitlichen Reglementierung. Da ihr Ziel in erster Linie in der christlichen Erziehung der Kinder, der Lehre des Katechismus, der wichtigsten Gebete und geistlichen Gesänge sowie in der Lektüre der Bibel gesehen wurde, stellte eine christliche Grundhaltung im Sinne der lutherischen Konfession die höchste 1252 1253 1254 1255 1256

Vgl. StA Langensalza, R II, 60, fol. 160v (1590), in diesem Jahr betrug sie wieder 50 fl. Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 49, fol. 464r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 3021, fol. 9r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2520, fol. 2v. Vgl. LATh-HStA Weimar, Konsistorialsachen, B 2886, fol. 295v.

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Anforderung an die Schulmeisterinnen und Schulmeister dar. Als die Gothaer Schulordnung von 1572 die Erwartungen an den Schulmeister der deutschsprachigen Schule und dessen Frau, „als welche die Mägdlein zu informiren hat“,1257 formulierte, erfuhren fachliche Kenntnisse im Schreiben und Rechnen erst an zweiter Stelle Erwähnung. Die Erfüllung dieser Ansprüche brachte der Schulmeisterin Agnes Britzen aus Tennstedt 1575 das höchste Lob der Visitatoren ein. Die Ehefrau eines hiesigen Bürgers sei kinderlos geblieben und widme sich mit umso stärkerem Eifer ihrer Schultätigkeit. Sie sei fromm, gottesfürchtig, tugendsam und erziehe die Mädchen zu Zucht wie in reiner christlicher Lehr und sei darin „nicht zuuorbeßern“. 1258 Eine fachliche Qualifizierung fand in ihrem Lob ebenso wenig Erwähnung wie gegenständliche Bestandteile ihres Unterrichts. Dem folgten auch die landesherrlichen Vorschriften über das deutsche Schulwesen. Die Unterrichtung im Lesen und Schreiben fand erst in der kursächsischen Kirchenordnung von 1580 Aufnahme, doch ging sie darüber nicht hinaus. Die personelle Versorgung der Mädchenschulen kann demzufolge nicht auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden, unterlag sie doch keinerlei verbindlichen Vorschriften. Ihre Besetzung folgte den individuellen Verhältnissen vor Ort und unterlag nicht selten starken Veränderungen. Wurden sie mancherorts, so beispielsweise in Gotha oder Eisenach, von sogenannten Deutschen Schreibern und deren Ehefrauen – meist als gemischtgeschlechtliche Schulen – in privater Hand geführt, fungierten andernorts oft die Inhaber niederer kirchlicher oder schulischer Ämter als Mädchenschulmeister. Häufig wurde der Mädchenunterricht auch auf die Ehefrauen von Geistlichen oder Schuldienern übertragen. Zahlreiche Beispiele neben den bereits genannten Fällen illustrieren diese Vielfalt der Schulbestellung und die dabei vielfach fehlende Kontinuität. Dem ersten Jenaer Mädchenschulmeister Johann Reichard folgte bereits 1537 Johann Seipott, der den Dienst jedoch nur für zwei Wochen beibehielt. Sein Nachfolger wurde Veit Francke.1259 Ob sie weitere kirchliche Ämter innehatten, ist nicht bekannt. Erst 1555 informierte der Stadtrat die Herzöge, dass die Mädchenschule vormals vom alten Organisten unterhalten und kürzlich auf die Witwe des letzten Pfarrers übertragen worden sei.1260 Zur selben Zeit diente in Orlamünde die Frau des aktuellen Diakons als Schulmeisterin.1261 In Buttstädt tritt in mehreren Visitationen der 1580er Jahre die Frau des Kantors als Mädchenschulmeisterin in Erscheinung. Vom Pfarrer erhielt sie 1583 das Zeugnis, dass sie „frum, still vnndt vleisig sey“.1262 Die Mädchenschule von Rastenberg wurde 1569 von der Frau des aktu1257 1258 1259 1260 1261 1262

StA Gotha, 1.1/8691, S. 62. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 49, fol. 464r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 3023, fol. 45r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2520, fol. 2v. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2527, fol. 1v. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 64, fol. 32r.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

ellen Pfarrers Hieronymus Ruhre gehalten,1263 bald darauf aber an den Stadtschreiber übertragen. Da er sich mit beiden Ämtern allerdings überfordert sah, bewirkte er bei den Visitatoren 1578 eine Rückübertragung auf die Pfarrfrau.1264 Zu Beginn des 17. Jahrhunderts war es schließlich der Pfarrer selbst, der die Mädchen unterrichtete oder zumindest den städtischen Besoldungsanteil für die Mädchenschule empfing.1265 In Schmölln wirkte 1580 Caspar Essig zugleich als Stadtschreiber, Organist und Mädchenschulmeister. 1266 In Buttelstedt fand es 1560 das Missfallen des Pfarrers, dass die herzogliche Zulage von 1555 dem Stadtschreiber gereicht wurde. Dessen Mutter halte die Mädchenschule, sei jedoch in ihrem hohen Alter für den Dienst ungeeignet. Eine Folge sei ein deutlicher Rückgang der Schulfrequenz, sodass der Herzog dem Stadtrat die bessere Versorgung der Schule bei der Strafe des Entzugs der Zulage befahl.1267 In den 1570er Jahren wirkte in Stadtroda der Kantor als Mädchenschulmeister.1268 In Eisenberg hatte vor 1569 die Frau des Lateinschulmeisters die Mädchenschule gehalten. Wann sie aus diesem Dienst ausschied, kann nicht sicher ermittelt werden, doch erfolgte der Wechsel wahrscheinlich 1565 mit der Einstellung des neuen Lateinschulmeisters M. Johann Gottwald.1269 Bei seiner Einstellung nur 23-jährig, war er möglicherweise noch unverheiratet, sodass in der Gemeinde vier Jahre später die Klage erhoben werden konnte, seither stehe keine geeignete Person für den Schuldienst zur Verfügung. Vorübergehend sei die Schule dem Kirchner und seiner Frau übertragen worden, doch da sie sich zu zweit nicht auf der geringen Besoldung halten konnten, musste „Aus allen ecken ein Almoß[en] zwsam[men] gesamlett, vnd Ihenen gereicht“1270 werden. Die Mädchenschule von Suhl wurde 1574 gleichsam, da sie momentan vakant war, der Frau des Lateinschulmeisters übertragen. 1271 Bereits erwähnt wurde Wigandus Kirchner, der als Kirchner in Waltershausen die Mädchenschule mit versah. Trotz seiner doppelten Funktion war sein Dienst von bemerkenswerter Kontinuität geprägt. Er blieb für drei Jahrzehnte im Amt, bevor die Visitatoren von 1589 ihn 72-jährig in den Ruhestand versetzten und eine Pensionszahlung aus dem Gemeinen Kasten

1263 1264 1265 1266 1267 1268 1269 1270 1271

Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 55, fol. 48v–49r. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 61, fol. 76v. Vgl. KrA Sömmerda, Bestand Rastenberg 1102, fol. 40r. Vgl. MASCHKE, Einwohnerzählung (2007), S. 48; LÖBE/LÖBE, Kirchen und Schulen II (1887), S. 53. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ll 841, fol. 46v. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 3052, unfol. (1573); ebd., Reg Ii 61, fol. 342v (1578). Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 61, fol. 272v. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 54, fol. 76r. Vgl. LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. IV, Nr. 96, fol. 63v.

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anordneten.1272 Da bald nach der Visitation auch der Infimus der Lateinschule, Michael Guleich, starb, ersuchte der Stadtrat beim Herzog, Kirchner auf dessen eigene Bitte eine Getreidezulage des Infimus zu überschreiben.1273 In Lucka hielt in den frühen 1580er Jahren der Diakon Christoph Singelius die Mädchenschule. Obgleich er bereits zuvor im Amt war, findet sein Schuldienst erst 1582 Erwähnung. 1274 Da die vorhergehenden Visitationsprotokolle von 1577, 1578 und 1580 zur Mädchenschule schweigen, kann ihre erst kürzlich erfolgte Begründung unter Singelius vermutet werden. Sein Lebenswandel stand mit den Anforderungen jedoch nicht im Einklang, sodass er bei der Visitation von 1582 vernichtende Kritik veranlasste. Kein Bürger wolle seine Tochter „umb seines bösen erglichen lebens willen“ in seinen Unterricht schicken. Mit maßlosem „geseuffe vnd gefreße“ störe er die öffentliche und insbesondere die nächtliche Ruhe und habe im Vollrausch erst kürzlich „in felde dar vmb geleg[en] wie eine todte Saw“. Er sei oft ermahnt worden, habe auch Besserung gelobt, mache allerdings, so der visitierende Superintendent Melissander, wenig Hoffnung. Ihn länger in seinem Amt zu belassen wäre „vnmuglich vnd vnverantwortlich“.1275 Konsequenzen hatte diese Kritik für Singelius jedoch keine mehr. Er starb nur wenige Monate später an der Pest.1276 Die Mädchenschulen verfügten in keinem bekannten Fall über weitere Schulgesellen oder -gesellinnen. Ausnahmen bilden die genannten Beispiele, in denen Ehepaare die Schule leiteten, doch handelte es sich dabei zumeist um gemischtgeschlechtliche Schulen, in denen der Mann die Knaben und die Frau die Mädchen unterwies. Die Altenburger Schulmeisterin Gertrud Herzog wurde in den 1530er Jahren in ihrem Dienst von ihrer Tochter unterstützt, ebenso half die Tochter der Jenaer Schulmeisterin in den 1550er Jahren im Unterricht mit.1277 Im Normalfall blieben die Mädchenschulen jedoch, auch unabhängig ihrer Frequentierung, unter der Versorgung einer alleinigen Person bestehen. Das Mädchenschulamt blieb jedoch nicht alternativlos eine bloße Funktion, die wie in den skizzierten kleinstädtischen Beispielen einem geringer beschäftigten Kirchendiener oder einer Ehefrau übertragen werden konnte. Trotz der meist geringen Besoldung entstand allmählich das Berufsbild der hauptamtlichen Mädchenschulmeisterin, deren Wirken nicht allein durch ihre Ehe zu einem Deutschen Schreiber definiert wurde. Die oben dargelegte Entwicklung der Altenburger Mädchenschule hatte diesen Prozess beispielhaft vor Augen geführt, lag sie doch von Beginn an in der Hand eigenständiger und hauptamtlicher Schulmeisterinnen, die familiär nicht mit den übrigen Kirchendienern verbunden 1272 1273 1274 1275 1276 1277

Vgl. LATh-StA Gotha, Oberkonsistorium, Loc 19, Nr. 7, fol. 28v. Vgl. LATh-StA Gotha, GA, XX IV, Nr. 1e, fol. 1r–3v u. 4r–v. Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4278, fol. 402r–v. Für alle Zitate ebd. fol. 402r–v. Vgl. DIETMANN, Gravamina (2016), S. 206 u. 208. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2520, fol. 2v.

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waren. Diese Entwicklung blieb nicht auf größere Städte beschränkt, wurde doch auch die hoch gelobte Schulmeisterin von Tennstedt Agnes Britzen neben ihrem Beruf als Ehefrau eines Bürgers charakterisiert. Ihr kann die Schulmeisterin von Greußen zur Seite gestellt werden. Sarah Rebling war zwar die Tochter eines Kirchners, doch behielt sie ihr Amt auch über den Tod ihres Vaters hinaus bei. Die Greußener Mädchenschule war unter ihrer Leitung von einer bemerkenswerten Kontinuität geprägt. Sie selbst äußerte 1594 anlässlich ihrer Hochzeit, dass sie ihr Amt seit 25 Jahren, also seit 1569, versehe. Beim Stadtrat ersuchte sie um den Erlass der Tranksteuer auf ihre Hochzeit, den der Rat ihr auch gern gewähren wollte.1278 Sie versah die Mädchenschule noch etliche Jahre. Noch zu Beginn des 17. Jahrhunderts empfing sie die Besoldung des Schuldienstes vom Stadtrat.1279 Ein singuläres Beispiel verdeutlicht zuletzt, dass eine hauptamtliche Schulmeisterin, um ihren Beruf zu behalten, bereit war, ihre Heimatstadt zu verlassen und – zumindest zeitweise – ein Wanderleben zu führen, wie es für Lateinschuldiener typisch war. Über ihre Person ist nichts bekannt, informiert doch über sie lediglich eine Notiz in der Stadtrechnung von Eisenberg. Der dortige Stadtrat schenkte „dem Weibe vonn Zeitzs“ 1593 12 gr, da sie sich „der Meidleinschule halben Anhero vorschrieben“1280 hatte. Das Geschenk lässt vermuten, dass ihre Bewerbung abgelehnt wurde und sie ihr Wanderleben fortsetzte. Sie war wohl nicht gezielt nach Eisenberg gekommen, sondern ziellos auf der Suche nach einem neuen Dienstort. Enthalten die Stadt- und Kastenrechnungen unzählige vergleichbare Beispiele für Lateinschuldiener, ist dies der einzige bekannte Fall einer Schulmeisterin. Der Berufsstand des gelehrten Lateinschuldieners fand somit – wenn auch deutlich langsamer – auf der Ebene der Mädchenschulen eine Entsprechung.

6.9.4. Deutschsprachige Knabenschulen Wie die Mädchenschulen verfügten auch die deutschsprachigen Knabenschulen als privat getragene Einrichtungen bereits über vorreformatorische Vorläufer.1281 Ähnlich den Mädchenschulen sind jedoch auch diese Anfänge muttersprachlicher 1278 1279 1280 1281

Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Kanzlei Sondershausen, 1982, unfol. Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Gemeinde- und Stadtrechnungen, Nr. 59, fol. 19r. Beide Zitate StA Eisenberg, VIII/III/32, unfol. Vgl. HEPPE, Schulwesen (1860), S. 37 f.; KAEMMEL, Geschichte (1882), S. 94; PAULSEN, Geschichte (1919), S. 20 f.; MÜLLER-FREIENFELS, Bildungsgeschichte (1932), S. 41; MENZEL, Volksschule (1958), S. 209; HAMPEL, deutsche Sprache (1980), S. 43; KIEPE, Fibel (1983); BRUCHHÄUSER, Kaufmannsbildung (1989), S. 298 f.; HAMANN, Schulwesen (1993), S. 33; ENDRES, Berufsbildung (1996), S. 377 f.; BLEUMER, „Deutsche Schulmeister“ (2000), S. 80; HANSCHMIDT, Elementarbildung (2005), S. 25; KINTZINGER, Wissen wird Macht (2007), S. 133 u. 135.

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Schulbildung in Thüringen nicht eindeutig nachweisbar. Eine Anweisung des Pößnecker Stadtrates an einen Mann von 1483, seinen Neffen dezidiert in deutscher Sprache Lesen und Schreiben lernen zu lassen, ist oben erwähnt worden, kann jedoch nicht als eindeutiger Beleg für die Existenz einer Schreibschule herangezogen werden. Das Schweigen der Quellen fand nach der Reformation erst spät ein Ende, stand doch im Fokus der Reformatoren das Lateinschulwesen, wohingegen das deutschsprachige oft unerwähnt blieb. Eine Ausnahme bildeten jene Schulen, die als Mädchenschulen betrachtet wurden, dabei jedoch einen gemischtgeschlechtlichen Unterricht erteilten. Reine Knabenschulen traten erst spät in Erscheinung. So verzeichnet die Arnstädter Stadtrechnung von 1545/46 eine Zulage von 2 n ß 48 gr für den Deutschen Schreiben Nikolaus Pamler, der in Arnstadt offenbar mit der finanziellen Unterstützung des Rates eine Schule hielt.1282 Dass es sich dabei nicht um eine gemischtgeschlechtliche Schule handelte, belegt die oben erwähnte Forderung der Geistlichen im Jahr darauf, eine Mädchenschule einzurichten. Gleichermaßen wird 1555 in Meiningen die inzwischen mehrjährige Tradition erwähnt, einen Deutschen Schulmeister mit 10 fl im Jahr zu unterstützen.1283 Gleich mehrere zeitgleich wirkende Deutsche Schulmeister sind in Schleusingen nachweisbar. Einer unter ihnen, Michel Torgas, äußerte selbst im Jahr 1592, als er für seinen Sohn um ein Stipendium bat, dass er seit 23 Jahren, also seit 1569, in Schleusingen wirke.1284 Während dieser Zeit wurde von den Visitatoren 1574 die Deutsche Schule eines Schulmeisters namens Gottfridus in Augenschein genommen. An ihm sei „Ietzmals nicht Klag“.1285 Fast zeitgleich, im Jahr 1575, wurde die Existenz von zwei Deutschen Schulen auch in Langensalza bestätigt. Den Visitatoren wurde das städtische Schulwesen mit den folgenden Worten umrissen: „Es hat alhier wol 3 schuelen, Nemlichen Eine Latenische [!] Knaben schuel, Eine deutsche bis weilen zwo deutsche Knaben schul, vnd eine deutsche megdelein schuel“.1286 Die Deutsche Knabenschule war in der Unterhaltung auf ihre eigenen Einkünfte angewiesen. Vom Stadtrat erhielt sie keine Unterstützung. Über die Unterrichtsinhalte dieser Schulen liegen – abgesehen von der Publikationstätigkeit der bedeutenden Erfurter Schreib- und Rechenmeister – nur wenige Informationen vor, doch ergänzten sie dem humanistisch und theologisch ausgerichteten Lateinschulunterricht die praktischen Realienkenntnisse. Konnte die Arithmetik an den Lateinschulen nur in wenigen seltenen Fällen nachgewiesen werden, erscheint das Rechnen als Gegenstand des Deutschen Schulwesens fast 1282 1283 1284 1285 1286

Vgl. StKrA Arnstadt, 1-931-20, 1545–47, fol. 61r. Vgl. LATh-StA Meinigen, GHA, Sect. IV Nr. 399, fol. 222r. Vgl. LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. IV, Nr. 227, fol. 108r–109r. LATh-StA Meiningen, GHA, Sekt. IV, Nr. 96, fol. 3r u. 18r, Zitat fol. 18r. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 49, fol. 26v.

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gemeinplatzartig. Beschrieben bereits die kurfürstlichen Räte 1544 den Unterricht der Gothaer Deutschen Schule wenn auch in abfälligem Ton als ‚Schreiben und Rechnen‘,1287 bestätigte der Stadtrat von Langensalza dies 1575 deutlich wertfreier und objektiver, indem auch er den Unterricht als ‚Schreiben, Lesen und Rechnen‘ umriss.1288 Ein religiöser Unterricht zur christlich-evangelischen Erziehung der Kinder wurde hingegen erst in der zweiten Jahrhunderthälfte allgemein verbindlich.

6.9.5. Der Rang der deutschsprachigen Schulen im reformatorischen Verständnis Die spärliche Besoldung der Schulmeisterinnen und Schulmeister sowie auch die geringere Besetzung der Mädchenschulen verdeutlichen bereits deren untergeordneten Rang unter die im Fokus der Reformatoren stehenden Lateinschulen. Hatte dieses Verständnis bereits 1544 die deutliche Kürzung der Besoldung des Gothaer Schulmeisterehepaares zur Folge, fand es einen noch deutlicheren Ausdruck wenige Jahre später in Weimar. Die dortige Mädchenschule war wahrscheinlich 1544 ins Leben getreten und konnte erst nach einer kurfürstlichen Zulage aus dem Gemeinen Kasten unterhalten werden.1289 Während allerdings die Besoldung notdürftig blieb, beschwerte sie dennoch den Gemeinen Kasten. Am 22. Oktober 1549 schilderte der Rat dem Herzog daher seine Pläne, die Besoldung der Mädchenschule einzusparen. Der Gemeine Kasten sei mit 150 fl verschuldet und man habe feststellen müssen, dass aus der Mädchenschule „messige frucht eruolge“. Der Katechismus, der im Mittelpunkt ihres Unterrichts stand, werde auch wöchentlich mehrfach in der Kirche gelehrt, und für jene Familien, die ihren Töchtern Lesen und Schreiben lehren lassen wollten, „sindt hiuorn leute gewest, die solche Cristlich vnd wol one einige beschwerung des gemeinen Castens vnderweist haben“. 1290 Die Aktivität von Winkelschulen wurde dem offiziellen Mädchenschulwesen als Alternative gegenüberstellt. Der Stadtrat plädierte für dessen Abschaffung, was auf die Erziehung und Ausbildung der Mädchen keinen negativen Einfluss haben würde. Der Herzog widersprach dem zwar und riet von der Auflösung der Schule ab,1291 doch tritt eine Weimarer Mädchenschule im weiteren Verlauf des Jahrhunderts in den Visitationsprotokollen nicht mehr in

1287 1288 1289 1290 1291

Vgl. LATh-StA Gotha, Oberkonsistorium Loc. 19, Nr. 2, fol. 19r. Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 49, fol. 29v. Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 1770, fol. 1r–3v; ebd., Reg Ii 1813, fol. 1v. Für beide Zitate LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2210, fol. 6v. Vgl. ebd., fol. 8r.

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Erscheinung. Über ihre weitere Existenz informieren lediglich die Ausgaben der Kastenrechnungen.1292 Eine ähnliche Einstellung des noch katholisch geprägten Stadtrates von Mühlhausen hatte die dortige Gründung einer evangelischen Mädchenschule 1557 sehr erschwert. Mit wirtschaftlichen Argumenten hatte der Rat versucht, die Gründung zu verhindern: Die Schreib- und Lesefähigkeit der Mädchen sei angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse der Mühlhäuser Gesellschaft nicht notwendig. In Buttelstedt bestand zwar zu dieser Zeit bereits eine Mädchenschule, doch verursachte auch hier eine solche Haltung des Rates den Ärger der Bürger. Nachdem dem hiesigen Stadtrat 1560 der Entzug der herzoglichen Zulage gedroht hatte, gedachte er 1569, die Schulstelle dem verdienten, doch aus Altersgründen entlassenen Lateinschulmeister zeitlebens zu übertragen, „damit ehr einen vnderhaltt daruon haben muge“.1293 Um der Mädchenschule dieses Schicksal zu ersparen, wandte sich die Gemeinde an den Diakon Conrad Holzsinger und erbat die Dienste seiner Frau als Mädchenschulmeisterin.1294 Derartige Haltungen unter den Stadträten waren jedoch nicht der Normalfall. Unter dem Einfluss der Geistlichen, die sich neben den Lateinschulen auch die Pflege der Mädchenschulen zur Pflicht genommen hatten, widmeten sie sich in den meisten Fällen ihrem Erhalt und ihrer Förderung. Obwohl die Mädchenschulen im damaligen Verständnis keinen Beitrag zum personellen Erhalt des Kirchenwesens – dem obersten Ziel des reformatorischen Schulwesens – leisteten, waren sie nach zögerlichen Anfängen spätestens ab der Mitte des Jahrhunderts obrigkeitlich anerkannt und wurden letztlich zur christlichen Erziehung der Mädchen vorausgesetzt. Anders stand es um die deutschsprachigen Knabenschulen. In den Augen der Reformatoren und der evangelischen Obrigkeit stellten sie eine Konkurrenzinstitution gegen die Lateinschulen dar und entzogen der Kirche bedeutendes personelles Potential. Sie wurden – trotz der bereits früheren religiösen Legitimierung in anderen evangelischen Territorien1295 – als Bedrohung des evangelischen Kirchenwesens betrachtet, bargen sie doch die Gefahr der falschen oder 1292 Vgl. exemplarisch StA Weimar, 26, 3/1, Bd. 46, unfol. (1572/73); ebd., 26, 3/1, Bd. 47, unfol. (1573/74).  1293 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 55, fol. 95r. 1294 Vgl. ebd., fol. 118r. 1295 In der Forschung gilt gemeinhin die Braunschweigische Kirchenordnung von 1528 von Johannes Bugenhagen als Durchbruch eines religiös legitimierten deutschsprachigen Schulwesens, vgl. dazu HAHN, Unterweisung (1957), S. 29; FRANK, Deutschunterricht (1973), S. 34 f.; DOLCH, Lehrplan (1982), S. 248; HOHENDORF, Johannes Bugenhagen (1985), S. 20 f.; SCHEIBLE, Reform (1999), S. 252. Im thüringischen Raum erfolgte eine vergleichbare Entwicklung, wie oben dargelegt wurde, erst Jahrzehnte später in der Auseinandersetzung mit dem unerwünschten Winkelschulwesen.

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keiner religiösen Erziehung, sondern einer Konzentration auf wirtschaftliche Interessen. Die Fokussierung der wohlhabenderen Gesellschaft auf den Mammon, oder, wie die frühen Reformatoren es formuliert hatten, ‚auf den Bauch‘, galt der evangelischen Obrigkeit als zutiefst verwerflich. Dementsprechend wurden die deutschen Knabenschulen bis weit ins 16. Jahrhundert von den Stadträten zwar gebilligt und mitunter gefördert, von den Reformatoren und Visitatoren jedoch bekämpft und selbst rigoros verboten. Ihren deutlichsten Niederschlag fand diese Einschätzung in den Worten der kurfürstlichen Räte, mit denen sie 1544 – obgleich sie die individuellen Verhältnisse kaum berücksichtigten – die gemischtgeschlechtliche Schule des Gothaer Ehepaares Lang beurteilten: Die deutzsche Schule darinnen gemeiniglich der Reichen Bürger kinder nur zu weltlichenn gewerben vnnd hantirungenn vmb Ire belonung schreybenn vnd Rech[nen] lernen, vnnd der Kirchenn gar nichts gedienet wirdt, [sollen] billicher vom Rath vnd gemeiner stath dann aus dem Kirch Kastenn besoldett [werden].1296

Diesem Urteil folgte und entsprach 1555 die Anweisung der hennebergischen Visitatoren in Schmalkalden, während sie die Gründung einer Mädchenschule gleichermaßen anordneten: „Deutsche Knaben schule[n], welche den Lateinischen zum abbruch gereichen, sollen gahr nicht gelieden werden“. 1297 Im selben Jahr wurde der Deutschen Schule von Meiningen unter dem Einfluss der Visitatoren die finanzielle Unterstützung des Stadtrates entzogen. Seit einigen Jahren reichte er den Deutschen Schulmeistern – zurzeit Hans Lozen – 10 fl, die nun eingezogen und zur Finanzierung der hauptamtlichen Bestellung der Lateinschule aufgewandt werden sollten.1298 Die Deutsche Schule wurde sich selbst überlassen. Das deutschsprachige Knabenschulwesen erfuhr erst im Laufe der zweiten Jahrhunderthälfte seine Anerkennung durch die Obrigkeit. Die ersten Anfänge dieser Entwicklung zeichnen sich 1556 während der ernestinischen Visitation der ehemaligen hennebergischen Grafschaft Römhild ab. Da die Visitatoren in Römhild eine Deutsche Schule vorfanden, wurde auch ihr ein Katechismusunterricht und der regelmäßige gemeinsame Besuch der Kirche und der kirchlichen Katechismusprüfungen vorgeschrieben. Die Deutsche Schule bot den Visitatoren erstmals die Möglichkeit auch jenen Kindern, für die der Lateinschulunterricht nicht in Frage kam, eine christliche Erziehung zu ermöglichen. Die Pflicht des Pfarrers, die Menschen zum fleißigen Schulbesuch ihrer Kinder anzuhalten und sich der Schulen anzunehmen, wurde daher nun auch auf die

1296 LATh-StA Gotha, Oberkonsistorium Loc. 19, Nr. 2, fol. 19r–v. 1297 LATh-StA Meinigen, GHA, Sect. IV Nr. 399, fol. 181r. Vgl. auch HERRMANN, Kirchengeschichte II (1947), S. 129; JÜRGELEIT, Schulverhältnisse (1997), S. 8. 1298 Vgl. LATh-StA Meinigen, GHA, Sect. IV Nr. 399, fol. 222r.

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Deutsche Schule bezogen.1299 Die Umsetzung dessen wurde im Saalfelder Zusammenhang unter dem Superintendenten Philipp Caesar deutlich, der seine Inspektionen der Deutschen Schule hervorhob. Dem folgte erst zwei Jahrzehnte später die Entwicklung im albertinischen Kurfürstentum, die das Deutsche Schulwesen ab den 1570er Jahren als Gegengewicht eines unerwünschten Winkelschulwesens instrumentalisierte. Es wurde wie die Latein- und Mädchenschulen der Kontrolle der Geistlichen unterstellt und inhaltlich auf die entsprechende christliche Erziehung ausgerichtet. In Weißensee erschien die Deutsche Schule bereits 1575 in überdurchschnittlichem Maße als kirchliche Einrichtung. Sie war in einem kirchlichen Haus einquartiert und empfing eine Besoldung aus den Gütern des Komturhofes. 1300 Die kursächsische Kirchenordnung sah in den Deutschen Schulen letztlich sogar die Möglichkeit, die Lateinschüler von den liturgischen Verpflichtungen zu entlasten. Obwohl eine Umsetzung dieses Konzeptes nicht nachgewiesen werden kann, wäre seine Wirkung sowohl für das Deutsche als auch für das Lateinschulwesen weitreichend gewesen.

6.9.6. Schulordnungen und Lehrinhalte der Mädchenschulen Die grundlegenden Unterrichtsinhalte der Mädchenschulen wurden durch das Gutachten von Philipp Melanchthon über die Weidaer Mädchenschule von 1528 maßgeblich vorgeschrieben. Ihm ging es um die Fähigkeiten des Lesens, gegebenenfalls des Schreibens, die Kenntnis der Gebete und der wichtigsten Bestandteile der Heiligen Schrift. Die christliche Erziehung und die Lehre des Katechismus bildeten nicht nur wie in den Lateinschulen einen großen, sondern praktisch den einzigen Schwerpunkt des Unterrichts. Wie jedoch der Sächsische Schulplan desselben Jahres den Lateinschulen nur eine Orientierungshilfe darstellte, die ergänzt und erweitert werden konnte, wurde auch den Mädchenschulen ein gewisser Spielraum belassen, die Ausbildung der Mädchen freier zu gestalten. Das früheste Zeugnis über die Ausnutzung dieses Spielraumes findet sich in dem bereits erwähnten Brief des Gothaer Schulmeisters Johannes Lang, der mit seiner Frau die nun schon mehrfach hervorgehobene gemischtgeschlechtliche Schule unterhielt. Gemeinsam lehrten sie, so seine Worte von 1553, „der zertlichen lieben Iugend, beide Knaben vnd Iungkfrawen […] Lesen, Schreiben vnd Rechen, Auch den Cateichismum, Christliche gebete, vnd geistliche Psalmen vnd gesenge“. 1301 Lang bezeugte damit die Umsetzung der biblischen Lektüre und der katechetischen 1299 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 29, fol. 68r. 1300 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 41a, fol. 15r. 1301 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2407, fol. 1v.

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Lehre, stellte den Mädchenschulunterricht aber zugleich durch die Erwähnung mathematischer Lektionen auf eine Stufe mit dem der Knaben. Als die Schulordnung von 1572 daraufhin die Qualifikationen des Schulmeisters für die Deutsche Knaben- und seiner Frau für die Mädchenschule manifestierte, fand dies seine Entsprechung. Setzte der Rat beim Schulmeister voraus, dass er „auch schreiben und rechen kan“,1302 wurde von seiner Frau kurzerhand ‚dieselbe‘ Qualifikation erwartet. Trotzdem war der mathematische Unterricht der Mädchen kein Normalfall, findet er doch in anderen Städten keine Entsprechung. In den übrigen Aspekten schilderte Lang das übliche Unterrichtsbild, das von anderen, zumal kleineren Städten weitestgehend bestätigt wird. Als die Gemeinde von Buttelstedt 1569 die Übertragung der Mädchenschule auf die Frau des Diakons anstrebte, urteilte man den Visitatoren gegenüber, dass sie „im lesen fertig“ sei. Der Diakon selbst fügte dem seine eigenen Erwartungen über die Leistungen seiner Frau hinzu. Die Mädchen würden unter ihr „im lesen vnnd schreib[en] […] treulich vnnterwis[en], in Catechismo vnnterrichtet, In Zucht vnnd Erbarkeyt Aufferzogen werden, beydes zu Gottes Ehr vnnd zum dienst der mensch[en]“.1303 In den 1580er Jahren entsprach dem der Eindruck der Visitatoren von der Ronneburger Mädchenschule. Wurde 1580 noch lediglich mit wenigen Worten festgehalten, „Schulmegdlin lernen den Catechismum vnd deutzsch lesen“,1304 fand sie zwei Jahre später die volle Zufriedenheit des Superintendenten. Die Schulmeisterin lege bemerkenswerten Fleiß an den Tag und die Mädchen überraschten nicht nur durch ihre Kenntnis des gesamten Katechismus mit den dazugehörigen Fragestücken, sondern auch etlicher Psalmen.1305 Über diese groben Umrisse des Mädchenunterrichts gehen nur wenige Quellenzeugnisse hinaus, doch verdienen sie umso mehr die Beachtung der Forschung. Neben der Fülle jener oben dargelegten lateinischen Lektions- und Schulpläne, sind durch die thüringischen Visitationsprotokolle auch die Unterrichtspläne der Mädchenschulen von Langensalza, Weißensee und Magdala überliefert, die den Unterricht in ähnlich dezidierter Weise präsentieren. Die „Schul Ordnung der Jungfrewlein“1306 von Langensalza – eine Darlegung des Superintendenten – ist zwar im Visitationsprotokoll von 1575 überliefert, stammt allerdings aus dem Jahr 1567 und wurde den Visitatoren „Auff ferner Notturfftigk bedencken Gestellet“.1307 Obgleich der Superintendent sie in großer Ausführlichkeit darlegte, präsentiert er das Langensalzaer Mädchenschulwesen auf einem geringen Niveau. Ein kleinerer Abschnitt über die aktuelle Einteilung der Klassen 1302 1303 1304 1305 1306 1307

StA Gotha, 1.1/8691, S. 62. Für beide Zitate LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 55, fol. 118r. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 62, fol. 259r. Vgl. LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4278, fol. 343v. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 49, fol. 38r. Ebd., fol. 39r.

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wurde für die Visitation hinzugefügt. Sie erfolgte in absteigender Reihenfolge, umfasste fünf Klassen mit ausgesprochen geringem Leistungsspektrum und gestaltete sich wie folgt:1308 5. Klasse: 4. Klasse: 3. Klasse 2. Klasse: 1. Klasse:

Lehre im Katechismus „schlecht nach dem text“ Alphabet nach dem ABC-Büchlein Lehre im Katechismus mit dessen Auslegung Alphabet nach dem ABC-Büchlein Katechismuslehre ist mitsamt der Auslegung abgeschlossen Buchstabieren anhand des Katechismus Lesenlernen Lesenlernen ist abgeschlossen

Was letztlich der eigentliche Gegenstand der ersten Klasse war, bleibt offen und wird erst anhand der anschließenden Schulordnung offenbart: Es war die Lektüre der Bibel, insbesondere der Evangelien und Briefe. Die Ordnung enthält in fast minutiöser Schilderung den Ablauf des Unterrichtstages, der vor- wie nachmittags jeweils drei Stunden umfasste. Jeder Vormittag begann mit Gebeten und Gesang und war lediglich von einer halbstündigen Pause unterbrochen, in der es den Mädchen erlaubt war, „das morgen brodt so sie bey Ihnen hab[en] zu essen“.1309 Der vormittägliche Unterricht bestand aus Wiederholungen vom Vortag und dem Verhören der Mädchen im Unterrichtsstoff und dem lutherischen Katechismus. Ein anderer Katechismus sollte ausdrücklich nicht genutzt werden. Der Nachmittag diente der eigentlichen Lehre, dem Lesenlernen anhand eines nicht spezifizierten Lesebuchs, dem Lesen und Singen von Psalmen, der Auslegung des Katechismus, dem Singen geistlicher Lieder, dem Lernen von Gebeten und im Falle der obersten Klasse dem Lesen der Sonntagsevangelien und -episteln. Mehrere Tage der Woche wurden von Predigten und Vespern sowie dem obligatorischen gemeinsamen Besuch der Katechismuspredigten unterbrochen. Grundsätzlich findet sich die oben skizzierte Grundtendenz in diesem Konzept widergespiegelt, doch blieb das Niveau der Schule durchweg unter dem Durchschnitt. Der Unterricht erfuhr zwischen den einzelnen Lektionen und Tagen seine einzige Variation im Wechsel der Katechismusabschnitte, der Lieder und der Gebete. Selbst das Schreiben war nicht verbindlich vorgesehen. Die Schulmeisterin oder der Schulmeister sollte es nur jenen beibringen, „so es Zu Lehrnen begehren“.1310

1308 Vgl. ebd., fol. 38r–v. 1309 Ebd., fol. 39v. 1310 Ebd., fol. 39.1v.

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Abb. 6: Der Lehrplan der Mädchenschule von Magdala von 1569. Die Schulen von Weißensee und Magdala gingen über dieses Niveau deutlich hinaus. Der Lehrplan von Magdala stammt von 1569 (Abb. 6), 1311 jener von Weißensee von 1575. 1312 Beide sind durch Visitationsprotokolle überliefert. Freilich bestehen viele Überschneidung mit dem Unterricht von Langensalza. Die 1311 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 55, fol. 89v–90r. 1312 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 41a, fol. 25r–27r.

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Einteilung der Unterrichtsstunden entsprach dem üblichen Muster von zweimal drei Stunden am Tag. Auch die täglichen Gebete und Lieder, das Lesen und die Auslegung des Katechismus finden sich in Weißensee und Magdala ebenso vertreten wie die regelmäßigen gemeinsamen Kirchbesuche, die Ermahnungen zum züchtigen, gottesfürchtigen Leben und in Magdala die für das Morgenbrot reservierte Pause. Die Lektüre ging darüber jedoch in beiden Fällen hinaus. Bereits die Klasseneinteilung der Weißenseer Schule erfolgte nach dem ABC-Büchlein, dem Katechismus und dem Jesus Sirach. Die Lektüre der Bibel, insbesondere natürlich der Evangelien, aber auch der Sprüche, nahm in beiden Fällen deutlich breiteren Raum ein. In Magdala war schließlich die dritte Nachmittagsstunde neben Jesus Sirach dem Propheten Joel gewidmet, dem in seiner überdurchschnittlich lehrhaft ermahnenden Prophetie des Jüngsten Gerichts offenbar ein besonderer zur Gottesfrucht erziehender Wert beigemessen wurde. Der Mädchenschulplan von Magdala ist der einzige Hinweis für seine Lektüre im reformatorischen Schulunterricht – nicht nur der Mädchen. Das Schreiben stand allerdings auch in Weißensee und Magdala nicht im Vordergrund des Unterrichts. Das Rechnen wurde wie die im damaligen Verständnis ‚weiblichen Tätigkeiten‘ wie Nähen und Sticken nicht erwähnt.1313 In einem Aspekt widersprechen die Lehrpläne von Weißensee und Magdala jedoch der gesamten bisherigen und selbst der neuesten Forschung und werfen damit ein völlig neues Licht auf das Mädchenschulwesen des 16. Jahrhunderts: In beiden Städten – selbst im kleinen Magdala – wurden einzelne Stunden des Unterrichts der lateinischen Sprache gewidmet. Freilich stand sie nicht im Mittelpunkt des Unterrichts und wurde nicht wie in den Lateinschulen anhand intensiver Grammatikstudien betrieben, doch sollten auch die Mädchen nicht gänzlich ohne die Kenntnis der lateinischen Sprache auskommen. Die Herangehensweise entsprach der lutherischen Forderung, dass es Mädchen wie Jungen ermöglicht werde, die Heilige Schrift zu lesen. Zwar enthob Luther die Menschen mit seiner Bibelübersetzung der Notwendigkeit der originalsprachigen Lektüre, doch hielt er auch darüber hinaus an seiner Aussage fest, dass die Sprachen – wenigstens die lateinische – zum Verständnis der Bibel unerlässlich seien. Es stellt eine natürliche Konsequenz dar, selbst in den elementarsten Unterricht der biblischen Lektüre die lateinische Sprache zumindest einfließen zu lassen. In eben dieser Weise findet es sich in Weißensee und Magdala umgesetzt. In beiden Städten endete der tägliche Unterricht in der Erklärung eines lateinischen Spruchs. „[S]eindt gemeingklich sprüch[e] Auss dem Syrach“,1314 so gibt es die Ordnung aus Magdala vor, während in Weißensee auch ein Psalm gewählt werden konnte. Der Spruch wurde 1313 Zu handarbeitlicher Tätigkeit im Mädchenschulunterricht vgl. JACOBI, Frauenbildung (2013), S. 87–91, insberondere 89 f. 1314 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 55, fol. 90r.

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den Mädchen auswendig zu lernen aufgetragen und am Vormittag des folgenden Tages abgefragt. Die stärker ausformulierte Ordnung von Weißensee schildert diese Lektion mit den folgenden Worten: Soll die Schulmeisterin einen schonen spruch aus Gottes Wortt zum Latein aufgebenn, oder einen Psalmum und den so lange treyb[en] biß In die Kinder gelernet, wie er Ihnen aber diese Stunde Vorgesagt wirdt, also sollen sie In den Volgenden Morgen die Letzte stunde außwendigk ahnsag[en].1315

Die geforderte Erklärung, so lässt es die Formulierung vermuten, schloss in diesem Fall nicht nur die inhaltliche Auslegung, sondern auch eine sprachlichgrammatikalische Erschließung mit ein. Sowohl in Weißensee als auch in Magdala wurde dabei – anders als in Langensalza, wo stets von ‚einem Schulmeister oder einer Schulmeisterin‘ gesprochen wurde – eine weibliche Schulmeisterin vorausgesetzt. Zumindest eine elementare Kenntnis der lateinischen Sprache wird somit unter den Schulmeisterinnen des 16. Jahrhunderts nicht gänzlich unüblich gewesen sein. Dasselbe gilt für den lateinischen Unterricht an sich, stand er doch nicht wie der Gothaer mathematische Unterricht singulär, sondern erfolgte in zwei voneinander unabhängigen Städten unterschiedlicher politischer Herrschaftszugehörigkeit. Die bisherige Forschung hielt dies bislang für ausgeschlossen. Noch in jüngster Zeit wurde die erwähnte Forderung Luthers, dass auch die Mädchen das Evangelium täglich in deutscher und lateinischer Sprache hören sollten, mit der Frage kommentiert: „Wo sollten sie die Lateinkenntnisse erworben haben?“1316 Das der Lateinunterricht der Mädchenschulen tatsächlich zur Lektüre der lateinischen Bibel befähigte, ist fraglich, doch legte er immerhin einen Grund. Die Tatsache, dass dies selbst im kleinen Magdala der Fall war, wo der zeitgleich überlieferte Lateinschulplan die Lektüre kaum über die Disticha Catonis hinausführte, wirft die Frage auf, wie sich der Mädchenunterricht in größeren Städten und an bedeutenderen Schulstandorten wie Gotha, Weimar, Jena, Eisenach oder Altenburg gestaltete. Weitere Mädchenschulpläne konnten bislang jedoch nicht ermittelt werden.

1315 LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 41a, fol. 26r. 1316 WUNDER, Schule halten (2015), S. 54 f. Jacobi schreibt hingegen erst zum 17. und 18. Jahrhundert von einem lateinischen Unterricht, allerdings nicht in städtischen Schulen, sondern in den katholischen geistlichen Orden der Augustinerchorfrauen und der Ursulinen, vgl. JACOBI, Frauenbildung (2013), S. 90.

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6.9.7. Die Alphabetisierungsrate der Frauen Obwohl die Frage nach der Alphabetisierungsrate anhand der oben dargelegten Methode auch für die Mädchen und Frauen gestellt werden kann, bleibt das Ergebnis deutlich lückenhafter als bei den Männern.1317 Nur wenige Zahlen informieren über die Frequentierung der Mädchenschulen im 16. Jahrhundert und weisen zudem eine deutlich größere Spanne als bei den Lateinschulen auf. Vielerorts blieben sie gering. Als der Stadtrat von Rastenberg 1569 der Mädchenschule die herzogliche Zulage von 10 fl zu entziehen versuchte, begründete er dies damit, dass nur „drey ader vier Megdlein“1318 die Schule besuchten. Dem entsprach die Frequentierung der Mädchenschule von Buttelstedt, als sie zum Ärger des Pfarrers unter der Leitung der alten Mutter des Stadtschreibers allmählich verfiel. Nach den Angaben des Pfarrers wurde sie an ihrem Tiefpunkt von nur noch vier Mädchen besucht.1319 Diese Zahlen können freilich zur Ermittlung einer Alphabetisierungsrate nicht herangezogen werden. Dennoch verdeutlichen sie, dass einzelne mögliche Ergebnisse unter anderen Bedingungen nicht pauschalisiert und verallgemeinert werden dürfen. Eine weitere Zahl schlägt ins Gegenteil aus, stellt allerdings keine reale Schülerinnenzahl, sondern ein quantitatives Argument für die Gründung einer Mädchenschule dar. Als der Stadtrat von Waltershausen die Herzögen 1555 über den Stand des Kirchen- und Schulwesens informierte, beklagte er das Fehlen einer Mädchenschule und führte rund 150 Mädchen an, die dreimal wöchentlich lerneifrig den Katechismusunterricht besuchten und die Gründung einer Mädchenschule zweifellos dankbar annehmen würden.1320 Es liegen nur aus drei Städten definitive Zahlen vor, anhand derer die oben begonnene Berechnung der Alphabetisierungsrate fortgesetzt werden kann. In Neustadt a. d. O., einem bedeutenden Lateinschulstandort, besuchten 1555 nach der Auskunft des Stadtrates an die Herzöge neben 270 Knaben nur etwa 30 Mädchen die erst kürzlich gegründete Mädchenschule.1321 Dem folgte 1575 der Superintendent von Langensalza, der in der genannten Mädchenschulordnung die Schülerinnen der einzelnen Klassen zählte. Er gab mit 138 Schülerinnen die einzige genau gezählte Zahl zur Frequentierung einer Mädchenschule bekannt. 1322 Zuletzt lobte der Altenburger Bürger Heinrich Glintzsch am Neujahrstag 1591 den Mädchenunterricht seiner Frau, den „vber die 200 auch offt wohl in 1317 Vgl. zur Alphabetisierungsrate der Frauen auch JACOBI, Frauenbildung (2013), S. 92–96. Für das 16. Jahrhundert kommt Jacobi aufgrund fehlender Schülerzahlen jedoch zu keinem Ergebnis. 1318 LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 55, fol. 48v. 1319 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ll 841, fol. 46v. 1320 Vgl. LATh-StA Gotha, Oberkonsistorium, Amt Tenneberg, Loc 11, Nr. 1754, unfol. 1321 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2524, fol. 2r. 1322 Vgl. LASA, Standort Wernigerode, A 29a, II Nr. 49, fol. 38r–v.

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die 300“1323 Mädchen besuchen würden. Auch hier gilt die oben bereits betonte Einschränkung, dass es sich dabei um eine bewusst hochgeschätzte Angabe handeln könnte. Wendet man auf diese Zahlen die oben dargelegte Methode zur Ermittlung der Alphabetisierungsrate an, ergibt sich das folgende Bild. Tab. 17: Schülerzahlen und Alphabetisierungsrate der Mädchen in thüringischen Städten im 16. Jahrhundert Stadt

Stadtgröße (EWZ)

Davon Kinder/ DatieMädchen rung (KZ)

Anzahl der Schülerinnen

Altenburg

37091324

1558/714

1590

200–300

Langensalza Neustadt a. d. O.

3145 2600

1321/605 1092/500

1575 1555

138 30

Verhältnis zur KZ (Mädchen) in % 28–42 (35) 22,8 6

Die Berechnungen zeigen, dass die Alphabetisierungsrate der Mädchen jene der Knaben nicht erreichte, obwohl zumindest im Neustädter Fall von einer weiteren Steigerung ausgegangen werden kann – die Schule befand sich zu diesem Zeitpunkt noch in ihren Anfängen. Das gleiche gilt für die Schule von Buttelstedt, die sich unter Leitung der Mutter des Stadtschreibers auf einem Tiefpunkt befand. Zweifellos wird die Schülerinnenzahl nach der Neubesetzung gestiegen sein. Zudem muss auch hier mit den oben genannten Unsicherheitsfaktoren gerechnet werden. Auch die Mädchenschulen erhielten, wie die oben zitierten Worte des Weimarer Stadtrates gezeigt hatten, Konkurrenz durch eine unbekannte Anzahl von Winkelschulen, deren Frequentierung nicht ermittelt werden kann. Doch selbst unter der Berücksichtigung dieser und weiterer Faktoren unterliegen die Schülerinnenzahlen zwischen den Städten zu großen Schwankungen, als dass eine allgemeine Alphabetisierungsrate konstatiert werden könnte.

1323 LATh-StA Altenburg, Ministerium zu Altenburg, Abt. für Kultusangelegenheiten 116, fol. 4r. 1324 Die Altenburger Einwohnerzahl basiert auf der 1580 vorgenommenen Bevölkerungszählung, vgl. MASCHKE, Einwohnerzählung (2007), S. 18. Die übrigen Zahlen gehen erneut auf die Angaben des Deutschen Städtebuches zurück, vgl. KEYSER, Städtebuch (1941).

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6.9.8. Unerwünschtes Winkelschulwesen Obgleich die evangelische Obrigkeit durch das reglementierte lateinische, deutschsprachige und Mädchenschulwesen die christliche Erziehung der gesamten Bevölkerung anstrebte, fand die konfessionelle Ausrichtung der Schulen und insbesondere in den Lateinschulen die gezielte Erziehung zum geistlichen Amt nicht die ungeteilte Zustimmung der Menschen. Für viele, die dies nicht anstrebten, kam der Besuch der Lateinschulen nicht in Frage und sollte selbst, wie gezeigt wurde, durch die Pfarrer, Stadträte und Visitatoren unterbunden werden. Die vorgesehenen Alternativen konzentrierten sich jedoch in gleichem, wenn nicht gar in stärkerem Maße auf die christliche Lehre, trat sie doch in den deutschsprachigen Schulen selbst noch an die Stelle der grammatikalischen Ausbildung. Das Bedürfnis nach praktischen Kenntnissen, unabhängig einer religiösen Erziehung, bildete daher den Nährboden eines privat getragenen Schulsystems, das sich außerhalb einer obrigkeitlichen Reglementierung an den wirtschaftlichen Interesse des privaten Alltags orientierte. Die Quellen schweigen im 16. Jahrhundert zu diesem schulischen Phänomen noch fast vollständig. Es liegen weder Informationen über die Träger noch über die Besucher dieser Schulen noch über die darin gelehrten Inhalte vor. Eine verhältnismäßig weite Verbreitung dieser Privatschulen muss jedoch spätestens ab der zweiten Jahrhunderthälfte angenommen werden, fanden sie doch vielfach die Aufmerksamkeit der Obrigkeit (Kap. II. 2.3.4.).1325 Als sogenannte Winkelschulen entsprachen sie nicht den genannten Vorstellung eines reformatorischen Schulwesens und wurden von den Geistlichen, Visitatoren und Landesherren bekämpft, während die Stadträte ihnen oft wenig oder sogar wohlwollendes Interesse entgegenbrachten. Sie bildeten aus landesherrlicher Perspektive den Anlass zur Organisation eines reglementierten deutschsprachigen Schulwesens, um unerwünschte Schulaktivitäten einzudämmen. Der Erfolg war begrenzt, blieb das Winkelschulwesen doch weiterhin bestehen. Einzelne Beispiele wurden im Altenburger und Saalfelder Zusammenhang bereits erwähnt. Auch die Worte des Stadtrates von Weimar, mit denen er die Winkelschulen als nützliche Alternative der wenig erfolgreichen offiziellen Mädchenschule hinstellte, wurden oben angeführt. Weitere Beispiele werden in der nachfolgenden Erfurter Betrachtung zur Sprache kommen. Daneben findet eine Schule in Eisfeld während der Visitation von 1580 kurze Erwähnung. Das 1325 Zweifellos liegen ihre Ursprünge selbst noch in vorreformatorischer Zeit, vgl. WÜHR, Bildungswesen (1950), S. 150 f.; HAMPEL, deutsche Sprache (1980), S. 43; JAKOB, Schulen (1994), S. 15 f.; HANSCHMIDT, Elementarbildung (2005), S. 32 f. Einen deutlicheren Niederschlag in den Quellen erlebten sie allerdings erst nach dem 16. Jahrhundert, vgl. TÖPFER, „Freyheit“ (2012) Kap. IV.

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dortige deutschsprachige Schulwesen sei, so die Visitatoren, in Unordnung geraten. Es werde üblicherweise vom Kirchner gehalten, doch sei kürzlich eine Schule „von eim weib nebe[n] dem kirchner angefangen“1326 worden. Die Trägerschaft durch eine Frau lässt eine gemischtgeschlechtliche Schule vermuten. Ebenfalls gemischtgeschlechtlich war die Winkelschule, die Christoph Winkler zu Beginn des 17. Jahrhunderts in Langensalza unterhielt. Sie soll nach den Angaben Göschels gut besucht gewesen sein, lehrte im Erdgeschoss die Mädchen und darüber die Knaben. Im Jahr 1610 stürzte das Haus während des Unterrichts zusammen, doch kamen alle Kinder mit dem Leben davon.1327 Auf welche Weise eine Winkelschule durch ihre Erfolge legitimiert werden konnte, hatte bereits das Altenburger Beispiel der Mädchenschule von Ursula Glintzsch gezeigt. Dem folgte zu Beginn des 17. Jahrhunderts ein weiterer Fall im benachbarten Schmölln. Als die hiesige offizielle Mädchenschule im Jahre 1608 vakant war, bewarb sich Barbara Geibrig, die Tochter der verstorbenen Schulmeisterin, um die Nachfolge ihrer Mutter. Zur Bestärkung ihrer Bitte erbat sie als einstige Bedienstete der Hofmeisterin die Fürsprache der Herzoginwitwe Anna Maria von Sachsen-Altenburg, die sich beim Stadtrat am 11. Mai für die Bewerberin einsetzte.1328 Der Stadtrat wies die Bewerberin jedoch zurück. Er zog ihr trotz der herzoglichen Fürsprache Katharina Kühne vor – eine mittellose Witwe, die bereits seit einiger Zeit in ihrem Haus sehr erfolgreich „eine privat Schule gehaltten“ und dabei mehr Mädchen unterrichtet habe, „dann die Abgelebte Schulmeisterin“. 1329 Gut bewandert im Katechismus und den Psalmen, gesittet und tugendhaft, solle ihr die offizielle Mädchenschule zugesprochen werden. Barbara Geibrig wurde nun wiederum freigestellt, eine private Schule einzurichten. Für die vermeintliche Respektlosigkeit der Herzoginwitwe gegenüber erhielt der Stadtrat zwar eine Rüge des herzoglichen Rates Helias Förster,1330 doch wurde die Entscheidung des Stadtrates wie auch die bereitwillige Billigung eines privaten Winkelschulwesens nicht angefochten. Ob Barbara Geibrig dem Vorschlag des Stadtrates folgte, ist nicht bekannt.

1326 LATh-StA Gotha, Oberkonsistorium, Loc 19, Nr. 4, unfol. 1327 Vgl. GÖSCHEL, Chronik II (1818), S. 200. 1328 Vgl. LATh-StA Altenburg, Ministerium zu Altenburg, Abt. für Kultusangelegenheiten, Nr. 1985, unfol. 1329 Für beide Zitate ebd., unfol. 1330 Vgl. ebd., unfol.

7.

Ein Sonderfall – die Stadt Erfurt

EIN SONDERFALL – DIE STADT ERFURT

7.1. Die Einführung der Reformation In Erfurt fiel die frühe Reformation auf fruchtbaren Boden, nahm jedoch wegen der Vielzahl der kirchlichen Einrichtungen nur eine langsame Entwicklung und konnte sich letztlich auch nie vollständig durchsetzen.1 Durch die Kontakte, die Luther in seiner Erfurter Zeit aufgebaut und auch in den späteren Jahren weiterhin gepflegt hatte, sowie auch durch die Humanisten, die bereits seit einiger Zeit stete Kritik an der katholischen Kirche geübt hatten, wurden die lutherischen Ideen hier sehr früh rezipiert. Nachdem bereits die 95 Thesen an der Universität diskutiert worden waren, kam es 1520 zu ersten Ausschreitungen, als die päpstliche Bannandrohungsbulle gegen Luther durch einen Erfurter Drucker veröffentlicht werden sollte. Die Werkstatt des Buchdruckers wurde von Studenten und Angehörigen der Universität gestürmt und die Bulle vernichtet. Der Stadtrat, den die neue Lehre bereits erreicht hatte, zeigte auf diese Auseinandersetzung trotz des Hilfegesuchs des Druckers keine Reaktion. Stattdessen versuchte er, besonders nach der Einsetzung eines maßgeblich reformatorisch gesinnten Rates, die antikatholische Stimmung der Stadt gegen den politischen Einfluss des Stadtherrn, den Erzbischof von Mainz, zu nutzen. Lutherisch gepredigt wurde in Erfurt nachweislich seit 1521, wobei herausragende Persönlichkeiten an der Entwicklung beteiligt waren, die auch in späterer Zeit eine bedeutende Rolle in der thüringischen Reformationsgeschichte spielen sollten. Zu nennen sind vor allem die Namen der Prediger Anton Musa, Johannes Lang, Johannes Kiliani, Aegidius Mechler, Johannes Brassicanus und Johann Eberlin, aber auch die der Pfarrer Wolfgang Kieswetter, Peter Geltner, Georg Forchheim und Johannes Cuelsamer. Eine Zäsur erlebte die Entwicklung, als Luther auf seiner Reise zum Wormser Reichstag 1521 durch Erfurt kam und mehrmals in verschiedenen Kirchen predigte. Sein Besuch zog weitere Auseinandersetzungen nach sich, als einige Kanoniker aus den Stiften ausgeschlossen 1

Die Darstellung der Erfurter Reformation basiert, wenn nicht anders belegt, auf der folgenden Forschungsgrundlage: MÜLVERSTEDT, Hierographia Erfurdensis (1867); SCHUM, Cardinal Albrecht (1878); BÄRWINKEL, Bedeutung Erfurts (1883); TETTAU, Bau- und Kunstdenkmäler (1890); EITNER, Bauernaufstände (1903); ALBERTI, Landgebiet (1909); OVERMANN, Entstehung (1927); BEYER/BIEREYE, Erfurt (1935); ABE, Universität (1969); WEIß, Bethlehem (1982); DERS., Revolution (1986); DERS., Bürger (1988); BAUER, Theologen (1992); JÜRGENSMEIER, Kurmainz (1992); PETERS, Einwirkungen (1992); SCRIBNER, Eigentümlichkeit (1992); TODE, Bauernkrieg (1994); BENL, Reformation (1996); BLAHA, Universität (1996); PILVOUSEK, Verhältnisse (2010); STIEVERMANN, Luther in Erfurt (2010); STIEVERMANN, Heilsverlangen (2013).

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werden sollten, weil sie an Zusammenkünften mit dem Reformator teilgenommen hatten. Obwohl es durch die Intervention der Universität zu keinem Ausschluss kam, schürte das Verhalten der Stiftsgeistlichkeit die antikatholischen Neigungen in der Stadt, bis es vom 10. bis 13. Juni 1521 zum berühmten Erfurter Pfaffensturm kam. Bei ihm handelte es sich um eine der ersten lutherisch motivierten Auseinandersetzungen überhaupt, die für etliche vergleichbare Konfrontationen als Vorbild herangezogen worden ist. Der Stadtrat ließ die Menschen gewähren und griff erst ein, als die Geistlichen sich den wirtschaftlichen Bedingungen der Stadt zu beugen bereit erklärten. Die Erfurter Reformationsgeschichte ist insgesamt durch eine auffallende Passivität des Stadtrates in religiösen Dingen charakterisiert. In ihm waren aufgrund des steten Wechsels zu jeder Zeit beide Konfessionen vertreten, wodurch er zwar eine religiös neutrale Position einnahm, andererseits die reformatorische Entwicklung gehemmt wurde und von einem fortdauernd wechselnden Kräfteverhältnis zwischen den Parteien geprägt war. In den Fällen, in denen sich der Stadtrat mit dem lutherischen Teil der Bevölkerung solidarisierte, wie bei dem genannten Pfaffensturm, geschah dies eher aus politischen und wirtschaftlichen Interessen, die im Rat von beiden Konfessionen geteilt wurden. Dennoch nahm das lutherische Element in der Stadt zu. Seit 1521 leerten sich allmählich die Klöster, während etliche der ausgetretenen Mönche, wie der für die Erfurter Reformationsgeschichte herausragende Johannes Lang, ein ehemaliger Augustineremit, sogleich in das evangelische Predigeramt wechselten. Lang predigte zunächst in der Michaeliskirche und der ehemalige Franziskaner Aegidius Mechler in der Bartholomäikirche. Beide waren bereits 1522 aus ihren Klöstern ausgetreten und sahen sich durch den ihnen entgegengebrachten Widerstand dazu veranlasst, ihre Entscheidung in Rechtfertigungsschreiben und in einer Disputation mit dem strengkatholischen Franziskaner und Luthergegner Augustin von Alveldt in Weimar zu verteidigen. 2 Im Juli des folgenden Jahres war Aegidius Mechler der erste unter den evangelischen Predigern, der sich zur Ehe entschloss und noch im selben Monat wurde in Erfurt erstmals das Abendmahl in beiderlei Gestalt gefeiert. Zeitgleich wurden die Klöster, allen voran die Kirchen der Bettelorden den evangelischen Predigern geöffnet. Durch den Stadtrat wurde beschlossen, diese aussterben zu lassen. Es wurde angeordnet, den Austretenden keine Hindernisse in den Weg zu stellen und keine Neueintritte mehr zuzulassen. Nach dem Vorbild der Leisniger Kastenordnung wurde begonnen, die Einkünfte einiger Bruderschaften und die Kleinodien der Kirchen einzuziehen. Zur Grün-

2

Das Rechtfertigungsschreiben des Johannes Lang ist abgedruckt bei KAPP, Nachlese (1727), S. 528–530. Die Weimarer Disputationsthesen beider sind ebenfalls abgedruckt ebd., S. 514–519 u. 527 f.

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dung eines stadtzentrierten Gemeinen Kastens nach dem lutherischen Vorbild kam es jedoch nicht.3 Im Jahr 1525 kam es unter dem Eindruck des Bauernkrieges zur kirchlichen Umgestaltung der Stadt. Nachdem der Stadtrat am 25. April die Kleinodien der Klöster und Kirchen vorsorglich und gegen die katholischen Widerstände an sich gebracht hatte, wurden den Bauern und einigen diesen angeschlossenen Bürgern am 29. April die Tore geöffnet. Nahtlos an die Einziehung aller kirchlichen Güter schloss sich die Plünderung der Kirchen und die Verwüstung der mainzischen Besitzungen innerhalb der Stadt an. Der Stadtrat, der maßgeblich durch das Einwirken der Unruhen für einige Monate evangelisch dominiert war, nahm nach dem Abzug der Bauern die kirchliche Umformung in Angriff. Etliche der zahlreichen Pfarrkirchen waren durch den reformatorischen Einfluss bereits verlassen worden, andere bekannten sich geschlossen zur Reformation. Aus den Resten der alten Gemeinden bzw. den lutherischen Mitgliedern der noch bestehenden wurden neue evangelische Gemeinden begründet, die auf die acht stattlichsten Pfarrkirchen der Stadt aufgeteilt wurden. Dies betraf die Kirche des Reglerstifts, das der Reformation bereits weitestgehend erlegen war, die Kirchen der Bettelorden der Barfüßer, Prediger und Augustinereremiten, die Kaufmännerkirche, deren Gemeinde seit mehreren Jahren evangelisch war, die Michaeliskirche, die Andreaskirche und die Thomaskirche. Die Gemeinden der umliegenden Kirchen wurden den neu formierten evangelischen Pfarreien einverleibt. Katholische Messen durften zukünftig nur noch hinter verschlossenen Türen gehalten werden. Das Patronat über die evangelischen Gemeinden behielt sich der Rat vor und regelte gleichzeitig die finanziellen Belange der Pfarrer. Jeder sollte ein Jahresgehalt von 40 bis 60 fl erhalten. Anders als in den meisten thüringischen Städten erlangte die bevölkerungsreiche Stadt Erfurt zu keiner Zeit ein rein evangelisches Kirchenwesen und obwohl der 1525 eingesetzte reformatorische Stadtrat ursprünglich als ewiger Rat konzipiert worden war, wurde er bereits nach weniger als einem Jahr wieder abgesetzt, das katholische Element gewann an neuem Raum. Die acht evangelischen Gemeinden blieben als dauerhafteste Einrichtung des ewigen Rates bestehen, doch wurde 1528 den Altgläubigen eine Reihe von Kirchen, darunter vor allem St. Laurentii, St. Nikolai, St. Wigberti und Allerheiligen, zur Wiedereinführung der katholischen Lehre zur Verfügung gestellt. Die Erstarkung der katholischen Partei führte erwartungsgemäß zu neuerlichen Auseinandersetzungen, die vorrangig auf den Kanzeln gegeneinander ausgetragen wurden. Der Stadtrat, der erneut zwischen den Konfessionen gespalten war, kehrte zu seiner religiösen Haltung von vor 1525 zurück und bewahrte Neutralität. In diesem Sinne wandte 3

Über die eigentümliche Gestaltung des Gemeinen Kastens in Erfurt vgl. MANDRY, Armenfürsorge (2018), S. 315–323.

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er sich schließlich an den Mainzer Erzbischof, um mit diesem in Verhandlungen zu treten. Unter Vermittlung des Schwäbischen Bundes wurde auf diese Weise am 4. März 1530 der Hammelburger Vertrag geschlossen, der nicht nur für die Reformationsgeschichte der Stadt die bedeutendste Zäsur bildete, sondern auch für das Reich eine absolute Neuheit darstellte. In ihm wurden das Nebeneinander und die Koexistenz der Konfessionen in Erfurt festgeschrieben. Der Stadt wurde die religiöse Freiheit zugestanden, jedoch die politische Oberherrschaft des Mainzer Erzbischofs bewahrt. Die Stadt wurde für ihre unrühmliche Rolle während der Bauernunruhen nicht zur Rechenschaft gezogen, musste jedoch Restitutionsforderungen erfüllen und sämtliches eingezogenes Kirchengut zurückerstatten. Die großen Stifter St. Marien und St. Severi wurden neu aufgerichtet, sie blieben über die Reformation hinaus bestehen, während den anderen Kirchen ihre Konfessionszugehörigkeit freigestellt wurde. Durch den Vertrag wurde zwischen Katholiken und Lutheranern ein Status Quo und ein gegenseitiger Kompromiss eingeführt, der für Jahrzehnte das gesellschaftliche Leben der Stadt bestimmen sollte. Infolge dieses Vertrages erstarkte das Erfurter evangelische Kirchenwesen. Das bereits 1523 von den maßgeblichen lutherischen Geistlichen gegründete Collegium Ministrorum weitete sich unter der maßgeblichen Führung Johannes Langs zum Evangelischen Ministerium aus, das die Leitung des Kirchenwesens in Erfurt und dem Erfurter Landgebiet in Händen hielt, während der Stadtrat, der seine Interessen dem städtischen wirtschaftlichen Wohl widmete, seinen Einfluss kaum zur Geltung brachte.

7.2. Die Entstehung eines evangelischen Parochialschulwesens Aufgrund der Bikonfessionalität, die Erfurt nach dem Hammelburger Vertrag prägte, fanden die katholischen Schulen an den großen Stiften St. Marien und St. Severi nicht wie im geschilderten Altenburger Fall ihr Ende. Zwar wurden sie wie die Stifte im Ganzen von der Reformation in Mitleidenschaft gezogen und stellten kurzzeitig ihren Dienst ein, konnten sich daraufhin jedoch, während die Schule des Reglerstiftes mit diesem gänzlich einging, wieder konsolidieren und ihre Tätigkeit von Neuem aufrichten. 4 Der Einfluss der Reformation auf das Schulwesen, zumal auf das hier im Fokus stehende niedere Schulwesen, wirkte sich deutlicher in den 1525 ausgebildeten evangelischen Pfarreien aus. Durch verschiedene Umstände befördert, wie der gesteigerte personelle Umfang der evangelischen Gemeinden, die Bedeutungslosigkeit der erzbischöflichen Bestimmungen für die evangelische Kirche oder auch die fehlende Alternative zu den 4

Vgl. THIELE, Gründung (1896), S. 3; BIEREYE, Gymnasium (1911), S. 30; WEIß, Bürger (1988), S. 196; LINDNER, Schulwesen (2003), S. 37; DERS., Ratsgymnasium (2011), S. 24.

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katholischen Stiftsschulen, setzte in Erfurt die Entstehung von Pfarrschulen erst nach der Reformation ein. Die ältere Forschung hat, der Chronik des Zacharias Hogel folgend, das Jahr 1548 zu einer Zäsur dieser Entwicklung erhoben. In diesem Jahr sei durch den Stadtrat die politische Entscheidung gefällt worden, in den evangelischen Gemeinden Schulen per Verordnung einzurichten. 5 Eine solche Einflussnahme geht jedoch aus der betreffenden Passage Hogels nicht hervor. Der Chronist schrieb lediglich ohne tieferen Zusammenhang zum Jahr 1548, dass in den evangelischen Gemeinden Knabenschulen bestanden, und gibt damit an einer beliebigen Stelle einen Ist-Zustand wieder, ohne diesen mit einem Ereignis in Verbindung zu bringen.6 Ob dieses Jahr, wie vorsichtiger konstatiert worden ist,7 den Abschluss einer Entwicklung mit sich brachte, kann aufgrund der Quellenlage schwer festgestellt werden. Möglicherweise muss die Zäsur, wie sich zeigen wird, bis in die 1550er Jahre verlegt werden. Tatsache ist jedoch, dass der Stadtrat entsprechend seiner religiösen Neutralität auf die Entwicklung keinerlei Einfluss nahm und das Schulwesen daher in Händen der Kirche lag. Das reformatorische Pfarrschulwesen der Stadt Erfurt stellt im thüringischen Vergleich einen Sonderfall dar und entspricht in dieser Hinsicht der vorreformatorischen Entwicklung anderer Städte. Leider wirkt sich dieser Umstand auch auf die Quellenlage aus, die, während die Masse der Quellen in Altenburg, Saalfeld und anderen Städten mit der Reformation exponentiell anstieg, in Erfurt lediglich ein für die Vergleichsstädte vorreformatorisches Niveau erreichte. Nur wenige Hinweise, die nur selten in einen Zusammenhang gestellt werden können, informieren im gesamten Verlauf des 16. Jahrhunderts über die Entwicklung. Die Zurückhaltung der Stadt fand erst zu Beginn des 17. Jahrhunderts ein Ende, als der Stadtrat allmählich und endgültig 1617 durch eine städtische Schulreform, die auch die Pfarrschulen mit einbezog, das Schulwesen in seine Hand nahm.8 5

6 7 8

Vgl. BEYER, Volksschulen (1887), S. 7; BIEREYE, Gymnasium (1911), S. 36 f.; PANNKE, Ausbildung (1990), S. 24; DIES., Lehrerbildung (1999), S. 64; LINDNER, Schulwesen (2003), S. 37; BRÜCK, Mägdleinschulmeisterinnen (2006), S. 110; LINDNER, Ratsgymnasium (2011), S. 24. Vgl. StA Erfurt, 5/100-31, fol. 1042. Vgl. besonders LINDNER, Schulwesen (2003), S. 37; BRÜCK, Mägdleinschulmeisterinnen (2006), S. 110; LINDNER, Ratsgymnasium (2011), S. 24. Die Zurückhaltung des Stadtrates betrifft nur das hier im Mittelpunkt stehende Pfarrschulwesen. Die Gründung einer Stadtschule, eines Ratsgymnasiums im ehemaligen Augustinereremitenkloster, fand zwar ebenfalls im thüringischen Vergleich erste spät, im Jahre 1561, statt, ist aber nach einigen anfänglichen Auseinandersetzungen als Initiative des Stadtrates anzusehen. Da es sich dabei jedoch eher um ein evangelisches Pädagogium für die Erfurter Universität als um eine städtische Schule handelte und dieses wie das mittelalterliche Generalstudium bereits ausgiebig im Mittelpunkt der Forschung gestanden hat, kann auf eine neuerliche Darstellung verzichtet werden. Vgl. dazu THILO, Ludwig Helmbold (1851); WEISSENBORN, Hierana (1862); THIELE, Gründung (1896); BIEREYE,

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7.2.1. Die Legende der Predigerschulgründung In der älteren Forschung kursierte die Theorie, dass in der evangelischen Predigergemeinde eine Schulgründung bereits in den frühen 1520er Jahren stattgefunden habe. Dabei handelt es sich zweifellos um eine Legende, die keinen historischen Kern aufweist. Sie gibt die Ereignisse wie folgt wieder: Während der Amtszeit des Eobanus Hessus als Schulmeister der Severistiftsschule sei die Predigerschule aus dieser hervorgegangen, indem der Stadtrat sie bereits 1522 vom Stift in die unterdessen leerstehenden Gebäude des Predigerklosters verlegt habe, um auch den Kindern der dortigen Gemeinde einen Anteil an der Bildung zukommen zu lassen. Da der Stadtrat wenig später aus finanzieller Not heraus gezwungen gewesen sei, das Schulmeistergehalt zu senken, habe Hessus vergeblich versucht, mittels einer an den Stadtrat gerichteten Dichtung gegen den Verfall der Wissenschaften zu plädieren. Durch den Misserfolg ernüchtert habe er sein Amt niedergelegt und Erfurt 1526 verlassen. Da die Schule unter seinem Nachfolger jedoch in großen Verfall geraten sei, sei er 1531 nach Erfurt zurückgekehrt und habe, indem er ein abermals in dichterischer Form verfasstes Schreiben an die Tür der Schule hängte, die Rettung und den neuerlichen Aufstieg seiner Schule angekündigt. Diesem Ziel habe er sich unter großen Erfolgen gewidmet, bis er 1538 als Professor an die Universität Marburg gerufen wurde. Ihren Ursprung hat die damit wiedergegebene Legende in einer von Andreas Elias Büchner verfassten Biographie über Eobanus Hessus, die er unter dem Pseudonym Biantes 1722 in sein Werk über berühmte Erfurter aufnahm.9 Ausführlicher geschildert wird sie in der Jubelschrift zum Gründungsjubiläum des Ratsgymnasiums von 1761,10 woraus sie 1795 ihren Weg in der hier dargelegten Form in Christian Heinrich Möllers Ausführungen über die Zustände der Predigerschule fand.11 Obwohl die Legende durch Möllers Werk, wie Thiele bereits 1896 formuliert hat, „kanonisch gemacht“12 wurde, ist ihr bereits in der frühen Forschung widersprochen worden.13 Die historischen Hintergründe, besonders das Schulmeisteramt des Eobanus Hessus, stimmen, doch können die skizzierten Folgen für die Severischule widerlegt werden. Hessus wurde bereits 1507 durch

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Gymnasium (1911); WEIß, Ratsgymnasium (1999); LINDNER, Schulwesen (2003); STURM, Bildungseinrichtungen (2004); LINDNER, Ratsgymnasium (2011); LUDSCHEIDT, Anfänge (2016). Vgl. BÜCHNER, Vitæ (1722), S. 86. Vgl. Ad Gymnasii Senatorii Erfvrtensis Solemnia Bissaecvlaria (1761), S. 6–11. Vgl. MÖLLER, Nachricht (1795), S. 16–21. THIELE, Gründung (1896), S. 8. Vgl. WEISSENBORN, Hierana (1862), S. 18; THIELE, Gründung (1896), S. 7 f.; BIEREYE, Gymnasium (1911), S. 37. Lediglich Helga Brück behandelte die Legende noch 2006 überraschend unkritisch, vgl. BRÜCK, Mägdleinschulmeisterinnen (2006), S. 108 f.

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den Weihbischof Johann Bonemilch von Lasphe in dieses Amt berufen, zeigte darin jedoch nicht den ihm in der Legende angedichteten Enthusiasmus. Stattdessen war er von seiner Arbeit und dem geringen Gehalt enttäuscht und lustlos, soll die Schule selbst vernachlässigt haben und verlor bereits nach einem Jahr die Gunst seines Förderers. Möglicherweise kann hinter dieser Auseinandersetzung vermutet werden, dass eine von Hessus angestrengte humanistische Reform der Schule misslungen war. Der Weihbischof entzog ihm die Verköstigung, was Hessus dazu bewog, sein Amt niederzulegen. Erst 1519 findet er sich erneut im Amt eines Schulmeisters, wahrscheinlich wieder in dem der Severischule. Zu dieser Zeit lag sein Interesse jedoch bereits deutlich bei der Universität, an der er seit einigen Jahren als Professor lehrte.14 Von einer Verlegung der Severischule kann aus verschiedenen Gründen keine Rede sein. Unwahrscheinlich erscheint zum einen die Initiative des Stadtrates, der sich der Stiftschule angenommen und sie zu einer städtisch getragenen Schule umgestaltet haben soll. Zudem hätte das Predigerklöster noch nicht als neuer Schulstandort herhalten können, da es bei weitem noch nicht, wie die Legende vorgibt, leer stand. Im Jahr 1522 nahmen die Klosteraustritte in Erfurt erst allmählich ihren Anfang.15 Die evangelische Gemeinde wurde erst drei Jahre später gegründet, wobei die Kirche des noch bestehenden Predigerklosters als Pfarrkirche mit genutzt wurde. Die Predigerschule trat in den folgenden Jahrzehnten neben die Severischule, statt aus ihr hervorzugehen. Letztere stand auch noch im weiteren Verlauf des Jahrhunderts mit dem Stift in Verbindung, hat ihren Standort und vor allem ihren Status als Stiftsschule also nicht gewechselt. Mit dem genannten dichterischen Appell an den Rat wird Hessus’ Schrift De non contemnendis studiis humanioribus von 1523 gemeint sein, doch richtete diese sich nicht an den Stadtrat, sondern an Martin Luther, dem der Dichter den Verfall des Bildungswesens zur Last legte.16 Bis wann die zweite Amtszeit des Eobanus Hessus währte, ist unbekannt, doch erscheint bereits 1525 Johann Alberti als Severischulmeister.17 Von Erfurt wandte sich Hessus 1525/26 auf Melanchthons Vermittlung nach Nürnberg an die dort neu gegründete Lateinschule.18 Als er 1533, statt wie die Legende besagt bereits 1531, nach Erfurt zurück kehrte,19 widmete er sich jedoch nicht erneut der Severischule, sondern der Universität. Tatsächlich verfasste er das folgende Ge-

14 Vgl. WEISSENBORN, Hierana (1862), S. 12–14; KRAUSE, Eobanus Hessus I (1879), S. 55 f., 61 f., 74–77 u. 221 f.; BIEREYE, Gymnasium (1911), S. 33; PAULSEN, Geschichte (1919), S. 169; KLEIN, Humanismus (1989), S. 286. 15 Vgl. BÄRWINKEL, Bedeutung Erfurts (1883), S. 56; WEIß, Bürger (1988), S. 136–138. 16 Vgl. PAULSEN, Geschichte (1919), S. 197. 17 Vgl. Stadtarchiv Erfurt, 1-1/1a-13, fol. 170v. 18 Vgl. MBW, T 2, Nr. 437. 19 Vgl. MBW, T 5, Nr. 1342.

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dicht, das er auch in der Stadt öffentlich aushängen ließ und mit dem er das Wiederaufblühen der humanistischen Studien zu prophezeien meinte: Wer auch immer der Gera ob kurz oder lange schon anwohnt, Möge doch dieses Gedicht lesen mit rechtem Bedacht. Dir nur verließ ich, bezweifle es nicht, die Stadt an der Pegnitz, Suchte des Thüringerlands fruchtbare Fluren ich auf; Nicht weil’s dort an Verdienst mir oder an Ehre gemangelt, Sondern weil ich für’s Wohl unserer Schule besorgt, Welche mich stets ihrer Gunst, soviel sie vermocht, gewürdigt. Sollt’ ich mit Undank wohl lohnen, was sie an mir tat? Diese nun, wie sie verdient, bin ich aufzurichten gesonnen, Wenn es mir der nicht versagt der uns zu jeglichem hilft.20

Diese Zeilen stehen jedoch in keinem Zusammenhang mehr zu seiner einstigen Schultätigkeit, sondern beziehen sich gänzlich auf die Universität, die er für das Verständnis späterer Jahrhunderte missverständlich, für sich selbst aber ganz natürlich als Schola bezeichnete.21

7.2.2. Die Anfänge des Pfarrschulwesens Wann die evangelischen Pfarrschulen ihren Anfang nahmen, kann nicht mehr ermittelt werden. Durch die bereits erwähnte Zurückhaltung des Stadtrates fand die Entwicklung erst spät ihren Niederschlag in den Quellen.22 An den frühreformatorischen Auseinandersetzungen fand das Schulwesen jedoch keinen Anteil. Sowohl aus der Perspektive des Stadtrates wie auch der Geistlichkeit, im Zusammenhang der Sequestrationen oder der sich leerenden Klöster, fand es zu keiner Zeit Erwähnung. Auch dieser Umstand bildet einen auffälligen Kontrast zu der Entwicklung in den thüringischen Städten, in denen das eingezogene Kirchengut stets gleichermaßen für den Neuanfang eines als Einheit empfundenen reformatorischen Kirchen- und Schulwesens herangezogen wurde. Es ist jedoch nicht der Fall, dass das Schul- und Bildungswesen von den Erfurter Reformatoren missachtet worden sei. Johannes Lang, der maßgebliche Kopf der Erfurter Reformation, folgte in seinen Äußerungen bereits 1522 den schulischen Ausführungen aus Luthers Adelsschrift. Die von ihm und Aegidius Mechler in diesem Jahr aufgestellten Thesen, um die bei der Disputation mit 20 Die Wiedergabe folgt der Übersetzung von Carl Krause, vgl. KRAUSE, Eobanus Hessus II (1879), S. 143. 21 Vgl. WEISSENBORN, Hierana (1862), S. 20, mit Anm. 63; THIELE, Gründung (1896), S. 7 f. mit Anm. 27. Obwohl Weissenborn die Legende kritisiert, gesteht er fälschlicherweise trotzdem eine spätere Verlegung der Severischule in das Predigerkloster zu. 22 Vgl. BEYER, Volksschulen (1887), S. 7.

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Augustin von Alveldt gehandelt worden ist, beinhalten die Forderung, die Klöster zu ihren Ursprüngen zurückzuführen. Bei ihnen habe es sich um Bildungseinrichtungen für die Jugend gehandelt, in denen die Menschen nicht an ein Gelübde gebunden, sondern frei gewesen seien.23 Die gleiche Ansicht legte er im darauffolgenden Jahr in einer Predigt, die er zu Beginn des Sommersemesters an der Universität hielt, ausführlicher dar. Dabei folgte er nicht nur erneut Luthers Adelsschrift, sondern nahm einige Aspekte der späteren Ratsherrenschrift vorweg. 24 Wie Luther klagte er das vorreformatorische Kloster- und Stiftsschulwesen an, in denen die Heilige Schrift durch den scholastischen Aristotelismus verwässert worden sei und jeder halbwegs gebildete Mensch, der gerade nur einigermaßen gut zu reden brauchte, sich anmaßte, überflüssige Kommentare und Bücher zu schreiben. Durch die Schwärmer seien diese Schule zerschlagen worden, doch „Diße meynung hat ye doctor Martin[us] nit gehat / so er wider die mißbreuche / vnd nit widder redlich lection / vnd studia geredt vnd geschrieben hat“.25 Es sei an der Zeit, sich des einstigen Bildungsbewusstseins zu erinnern und zur Ehre Gottes und kommenden Generationen zum Nutzen Schulen aufzurichten.26 Wie Luther sah Lang den Humanismus als Mittel zum Zweck an, forderte jedoch nicht gleichermaßen die Kenntnis der drei heiligen Sprachen. Diese seien nur für jene verbindlich, „die meystere / doctores / vnnd lerer sollen seyn / geschickte schuler tzumachen / vnd zu den die andern eyn tzufluct tzu fragen sollen haben“.27 Wie in der im Folgejahr erscheinenden Ratsherrenschrift forderte Lang die Obrigkeit auf, sich dem Bildungswesen zu widmen und die Gelehrsamkeit der späteren Geistlichen, Juristen und Mediziner zu beurteilen und die Ausbildung einer gelehrten Gesellschaft somit in die rechten Bahnen zu lenken.28 Hinsichtlich des Pfarrschulwesens fanden Langs Worte beim Stadtrat nur wenig Anklang. Der Impuls zur Gründung ging von den Pfarrern der evangelischen Gemeinden aus. Zwar kann der Zeitpunkt nicht festgelegt werden, doch wird deutlich, dass die Ursprünge des Pfarrschulwesens, wie im vorreformato23 „Monasteria, qualia nunc habentur, edificare, non probamus, nisi ad antiquum ritum redigantur, et pedagogia fiant inferiorum ac iuniorum, et id quidem ita, vt nemo per vota obstringatur, sed libere feruiat.“, zitiert nach KAPP, Nachlese (1727), S. 528. Vgl. auch WEIß, Bürger (1988), S. 138. 24 Vgl. auch WEIß, Bürger (1988), S. 190; LINDNER, Schulwesen (2003), S. 35; DERS., Ratsgymnasium (2011), S. 22 f. Zur Übereinstimmung der Ausführungen mit Luthers Ratsherrenschrift vgl. insbesondere DERS., Impuls (2014), S. 115–122. 25 LANG, Sermon, fol. Br. 26 Als Vorbild zieht Lang den antiken Pädagogen Quintilianus heran und schreibt über diesen: „Seht wy fein vnd schön dißer heyde von schulen vn leren geschriebn hat / wolt wir Got christen nemens tzu hertz / vnd richten widder schulenn tzu / vnd vniuersiteten / odder wy man sy nehmen wolt / darynnen tzugleich gutt sieten / vnd gute lar gelernet wurden“, LANG, Sermon, fol. Bv. 27 Ebd., fol. Aiiiv–Br. 28 Vgl. ebd., fol. Bv–Biir.

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rischen Zusammenhang als Möglichkeit angesprochen, in einem durch die Pfarrer erteilten privaten Unterricht liegen. Noch in den 1520er Jahren soll der erste Pfarrer der evangelischen Kaufmännergemeinde Peter Geltner zu diesem Zweck das Schulgebäude des im Niedergang befindlichen Schottenklosters gekauft haben.29 Die Kaufmännerschule befand sich zwar im späteren Verlauf des Jahrhunderts tatsächlich in der ehemaligen durch die Reformation niedergegangenen Schottenschule, doch sind die Quellen, durch die der Kauf zeitlich genauer eingeordnet werden könnte, heute verloren. Ähnliche Ambitionen zeigte Aegidius Mechler, der seit 1525 als erster Pfarrer der Barfüßergemeinde diente.30 Nach den Erkenntnissen der älteren Forschung habe er sogleich nach seinem Amtsantritt begonnen, die Jungen seiner Gemeinde selbst zu unterrichten, während seine Ehefrau gleiches für die Mädchen tat.31 Während das Wirken seiner Frau als Lehrerin ebenfalls nicht mehr nachweisbar ist, findet Mechlers Aktivität 1531 und 1533 ihre Bestätigung. Aus diesen Jahren stammt in erster und zweiter Auflage eine von ihm für die Schüler seiner Gemeinde verfasste und von Matthes Maler gedruckte Grammatik der lateinischen Sprache. Sie trug 1531 den Titel Epitome Seu Compendiaria Grammatica Latine ratio. Jn puerorum vsum ab Egidio Mechlerio Congesta,32 wodurch bereits angedeutet ist, dass der Pfarrer selbst die darin enthaltene Darlegungsweise im Unterricht entwickelte. Dem Titel der zweiten Ausgabe von 1533 wurde der Zusatz „Nunc denuo edita. recognita Et Aucta“ hinzugefügt, wodurch der Eindruck einer weiteren Entwicklung seiner schulischen Ambitionen zusätzlich bestärkt wird.33 Dieser zweiten Ausgabe steht eine auf den 27. April 1533 datierte kurze Vorrede des Autors voran, in der er die Neuauflage begründet. Mechler widmete sein Werk darin seinen Kindern („pueris suis“), womit nicht seine eigenen Kinder, sondern die Schüler seiner Gemeinde angesprochen werden sollten. Seine vor zwei Jahren verfasste Grammatik, so schrieb er, sei mangelhaft, weshalb verschiedene Stimmen – offensichtlich von ihm unterrichtete Schüler – sowie sein Drucker ihn um eine Neubearbeitung ersucht haben. Aus diesem nun deutlich ausführlicher und breiter angelegten Buch, so hoffe er, könne die Jugend die Grundzüge der Grammatik erlernen. Er forderte die Kinder auf, zukünftig diese Grammatik zur 29 Vgl. BEYER, Volksschulen (1887), S. 4 u. 7; THIELE, Gründung (1896), S. 4; BIEREYE, Gymnasium (1911), S. 37; LINDNER, Schulwesen (2003), S. 37; BRÜCK, Mägdleinschulmeisterinnen (2006), S. 110; LINDNER, Ratsgymnasium (2011), S. 24. 30 Vgl. BAUER, Theologen (1992), S. 39. 31 Vgl. WEISSENBORN, Hierana (1862), S. 45; BEYER, Volksschulen (1887), S. 7; BAUER, Theologen (1992), S. 226; BRÜCK, Mägdleinschulmeisterinnen (2006), S. 110 f. 32 Vgl. VD16 ZV 29780. 33 MECHLER, Epitome Grammatices. Da der Autor sich selbst in der Vorrede der zweiten Auflage von der ersten Version distanziert, soll im Folgenden lediglich die zweite Ausgabe eine kurze Betrachtung erfahren.

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Hand zu nehmen und die erste, von der er wünscht, sie habe nie existiert („quam esse extinctam velim“), zu vergessen.34 In einer kleinen Nachbemerkung ergänzte er, dass seine Darlegung nur die Anfänge der Grammatik beinhalten würden und der Lernende, um darauf aufzubauen, im Folgenden auf die Bücher von Philipp Melanchthon zurückgreifen solle.35 Seine Worte werden durch den Aufbau und den Inhalt des Buches bestätigt, wird doch ein nur geringes und äußerst elementares Niveau seines Unterrichts deutlich.36 Das Buch verfährt in jener typischen Frage-Antwort-Form, die auch bei vorreformatorischen Lateingrammatiken nicht untypisch war. Es beginnt mit den Grundlagen der Schrift und der Erlernung des Alphabetes. „Quid est Grammatica?“ lautet die erste Frage, auf die mit den Worten geantwortet wird „Est recte loque[n]di et scribendi ratio“. Es folgt die Frage nach den Bestandteilen der Grammatik „Quot sunt Grammatice partes?“ mit der dazu gehörigen Antwort „Quatuor. Orthographia. Prosodia. Ethimologia. et Syntaxis.“. Darauf aufbauend beginnt die Erschließung des ersten Bestandteils: „Quid docet Orthographia? Docet recte scriber. et circa literas versatur.“ Auf diese Weise fährt die Darlegung fort, indem jede Frage einen Aspekt der vorhergehenden aufgreift und vertieft. So folgt an dieser Stelle die Frage „Quid est litera? Est minima pars vocis composite ex literis“ gefolgt von „Quot sunt litere? Tres et viginti. A/b/c/d/e […]“37 gefolgt von der Unterteilung in Vokale und Konsonanten. In gleichbleibender Form durchwandert Mechler so die genannten vier Bestandteile der Grammatik, wobei jedes Mal aufs Neue die Frage nach dessen Wesen am Anfang der Erschließung steht. Im Rahmen der Etymologie werden die Wortarten Nomen, Pronomen, Verb, Partizip, Adverb, Konjunktion, Präposition und Interjektion in ihren Deklinationen und Konjugationen aufgenommen. Obwohl das Buch sich von Beginn an der lateinischen Sprache bedient, werden die Konstruktionsbeispiele häufig zur Veranschaulichung ins Deutsche übersetzt. Auffällig ist, dass Mechler scheinbar bewusst Wörter zur Verdeutlichung der Grammatik auswählte, die einen positiven Einfluss auf die Schüler ausüben und diese bereits durch das Erlernen der Sprache zu einem christlichen und ethischen Leben erziehen sollten. Wörter, die wiederholt herangezogen werden sind beispielsweise die Verben beten und bitten, herzen („amplector Catharina[m] / Ich hertze Catharine. amplector a Catharina. Ich werde vo[n] 34 Für beide Zitate MECHLER, Epitome Grammatices, fol. Aiv. 35 Vgl. ebd., fol. Miiiv. 36 Obwohl die Pfarrschule sich im Anfangsstadium ihrer Existenz befand, erfolgte der Unterricht trotz des elementaren Niveaus wie selbstverständlich in lateinischer Sprache. Von einer Steigerung des Niveaus in der fortschreitenden Konsoliedierung der Schulen kann ausgegangen werden. Von der These, die noch durch die aktuellste Forschung tradiert wird, dass die Pfarrschulen selbst noch in der zweiten Jahrhunderthälfte kein Latein unterrichtet hätten, ist Abstand zu nehmen, vgl. LUDSCHEIDT, Anfänge (2016), S. 86. 37 Für alle Zitate MECHLER, Epitome Grammatices, fol. Aiir.

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Catharine geherzet.“38) und lieben, ehren oder auch verzeihen („Meu[m] est ignoscere. Germanice / Es geczymet mir zu verzeien.“39) Von einem humanistischen Einfluss ist hingegen nur wenig zu spüren. Cicero und Vergil werden zwar erwähnt, jedoch nur als Meister der lateinischen Sprache angeführt, ohne näher besprochen zu werden. Ob die dargestellten grammatikalischen Regeln anhand ihrer Werke angewandt worden sind, geht aus dem Buch nicht hervor. Mechler soll den Unterricht bis zu seinem Tod im Jahr 1547 in eigener Person fortgesetzt haben. Erst danach wurde ein Schulmeister eingestellt und die Privatschule des Pfarrers somit zur Pfarrschule der Barfüßergemeinde erhoben.40 Welchen Verlauf diese Entwicklung nahm, kann jedoch nicht nachvollzogen werden, da die Barfüßerschule erst in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts erneuten Niederschlag in den Quellen findet. Gleiches gilt für die Schule der Reglergemeinde, die erstmals 1551 nur beiläufig in Erscheinung tritt und zu dieser Zeit scheinbar auch noch durch den Pfarrer selbst versorgt wurde.41 Anlass der Erwähnung waren finanzielle Verhandlungen über die Besoldung des zweiten evangelischen Pfarrers der Gemeinde, Georg Ingwiler. Anlässlich seiner Einsetzung wurde zwischen Johannes Lang und dem kurfürstlichen Rentmeister Heinrich Mönch im Januar 1540 ausgehandelt, dass dem Pfarrer zu seinem dürftigen Gehalt von den Altarleuten eine kurfürstliche Zulage von 40 fl gereicht werde, damit der Pfarrer seinem Amt und seinen Studien in rechter Weise nachkommen könne.42 Diese Zulage, die zwischenzeitlich sogar auf 60 fl erhöht worden war, musste nach der Niederlage im Schmalkaldischen Krieg fallengelassen werden, weil den Ernestinern die Zinsquelle, aus der sie gespeist wurde, verloren ging. Ingwiler wandte sich daraufhin mehrfach an den Rentmeister und den Herzog selbst, mit der Bitte, ihm seine Zulage weiterhin zukommen zu lassen, weil er sonst gezwungen sei, sein Amt niederzulegen. In diesem Fall sei seine Gemeinde sowie „die Iugent in der schul vnd Catechismus Meidlein, der Zale teglich in die zueihundert“, 43 dem Verlust ihres Seelsorgers anheimgegeben, da sich auf der übrigen finanziellen Basis kein Pfarrer erhalten könne. Aus diesen betonten Worten, die nebenbei einen Eindruck der beachtlichen Anzahl der Gemeindekinder vermittelt, kann geschlossen werden, dass er selbst der Schule als Schulmeister vorstand. Eine Mädchenschule bestand

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Ebd., fol. Giiir. Ebd., fol. Miiiv. Vgl. WEISSENBORN, Hierana (1862), S. 45. Ein Gründungszeitpunkt der Schule, den Tettau in das Jahr 1540 legt, ist heute nicht mehr nachweisbar, vgl. TETTAU, Bau- und Kunstdenkmäler (1890), S. 178; BAUER, Theologen (1992), S. 42. 42 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg G 325, Nr. 6, fol. 32r–v. 43 Ebd., fol. 39v. Vgl. WEIß, Bürger (1988), S. 265.

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noch nicht, die Mädchen der Gemeinde wurden lediglich im Katechismus unterwiesen. Die früheste heute noch erhaltene Erwähnung eines scheinbar hauptamtlichen, aber nicht allein in der Schule wirkenden Schulmeisters einer Erfurter Pfarrschule betrifft die Andreasgemeinde. Hier erhielt ein namentlich nicht genannter Schulmeister 1546/47 und nochmals 1547/48 einen Gehaltsanteil, der sich jedoch nicht auf seine schulische Aktivität, sondern auf seine Tätigkeit als Gemeindeschreiber und Zinseintreiber bezog.44

7.2.3. Das Schreibheft eines evangelischen Schülers? Ein bemerkenswertes und äußerst seltenes Quellenzeugnis stammt möglicherweise aus dieser Zeit der entstehenden Pfarrschulen. Eine Kirchenrechnung der bereits in vorreformatorischer Zeit vereinten Gemeinden St. Benedict und St. Martini intra von 1526 wurde zu einem unbekannten Zeitpunkt in zwei dicht beschriebene Makulaturblätter eingeschlagen, bei denen es sich – dem Inhalt nach zu urteilen – um ein Schreibübungsheft, vermutlich eines Schülers handelte.45 Eine Datierung über die Kirchenrechnung ist unzulässig, da diese auch nachträglich eingebunden worden sein könnte. Ein Wasserzeichen ist nicht erkennbar und eine Datierung über die Handschrift nur ungenau möglich. Vage kann die Entstehung im zweiten Viertel des Jahrhunderts – möglicherweise in den 1520er oder 1530er Jahren – angenommen werden. Gleichermaßen kann das Heft nicht sicher einer Schule zugeordnet werden. St. Benedict und St. Martini intra wurden 1525 der neu entstandenen Predigergemeinde eingegliedert. 46 Möglicherweise stellt das Schreibheft ein frühes Zeugnis des darin etablierten Unterrichts dar. Das ursprüngliche Heft umfasste zwei Blätter, die gefaltet ineinander gelegt waren und vier Folioseiten – acht heutige Buchseiten – ergaben.47 Bindungslöcher sind nicht vorhanden, sodass die Blätter entweder lose lagen oder es sich nicht um ein Übungsheft, sondern um zwei Übungsblätter handelte. Mehrere 44 Vgl. StA Erfurt, 1-1/7o-27, fol. 9r–v; ebd. fol. 13v. 45 Vgl. StA Erfurt, 1-1/7d- 1, unfol. Die folgende Beschreibung bezieht sich wie die daraus entnommenen Zitate auf diese Akte. Sie enthält mehrere Rechnungen verschiedener Jahrgänge, unter denen die von 1526 die chronologisch früheste ist. 46 TETTAU, Bau- und Kunstdenkmäler (1890), S. 188; OVERMANN, Entstehung (1927), S. 147. 47 In der heutigen Befundsituation befindet sich das Heft aufgrund des Schmalfolioformates der Rechnung um 90 Grad gedreht. Es wurde im aufgeschlagenen Zustand hochkant um die Akte geschlagen und quer zur ursprünglichen Faltung geknickt. Für die folgenden Abbildungen wurde es durch eine Zusammensetzung der betreffenden Teile digital rekonstruiert.

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II. TEIL – DIE ENTSTEHUNG EINES ‚REFORMATORISCHEN SCHULWESENS‘

Schülerhände sind jedoch nicht eindeutig zu unterscheiden. Die Blätter enthalten jeweils mehrfach Übungen im Schreiben der Buchstaben und im Schreiben kurzer lateinischer Texte, bei denen es sich um Bibelverse handelt. Obwohl es unterschiedliche Niveaustufen eines Schülers zu sein scheinen, bestärkt der Inhalt nicht die Vermutung zweier unterschiedlicher Übungsblätter, da beide Blätter sowohl die Übungen im Alphabet als auch im lateinischen Text enthalten. Als zweite Schreiberhand ist mit Sicherheit nur die eines Lehrers auszumachen, der in zwei Fällen (fol. 1r und 1v des ursprünglichen Heftes [Abb. 7]) in roter Tinte die Buchstaben in unterschiedlichen Formen untereinander vorschrieb, die von einer deutlich ungeübteren Handschrift dahinter wiederholt wurden. Die noch begrenzten Fähigkeiten des Schülers zeichnen sich insbesondere beim Buchstaben O ab, den er nicht wie der Lehrer in einem Zuge schrieb, sondern stattdessen zwei Halbkreise nebeneinander malte. Auf einer dritten Seite (fol. 3v des ursprünglichen Heftes [Abb. 10]) fehlt die Handschrift des Lehrers, was abermals als Indiz für die bereits weiter fortgeschrittenen Fähigkeiten eines zweiten Schülers sprechen könnte. Die lateinischen Texte lassen in zwei von drei Fällen einen christologischen, auf das christliche Heilsgeschehen gerichteten Fokus erkennen. Die erste Sentenz umfasst die Verse Jesaia 60, 19 und 20: Nach der Vulgata: Non erit tibi amplius sol ad lucendum per diem, nec splendor lunæ illuminabit te; sed erit tibi Dominus in lucem sempiternam, et Deus tuus in gloriam tuam. Non occidet ultra sol tuus, et luna tua non minuetur, quia erit tibi Dominus in lucem sempiternam, et complebuntur dies luctus tui. Zu Deutsch: Die Sonne soll nicht mehr dein Licht sein am Tage, und der Glanz des Mondes soll dir nicht mehr leuchten, sondern der HERR wird dein ewiges Licht und dein Gott wird dein Glanz sein. Deine Sonne wird nicht mehr untergehen und dein Mond nicht den Schein verlieren; denn der HERR wird dein ewiges Licht sein, und die Tage deines Leidens sollen ein Ende haben.

Auf fol. 2r des ursprünglichen Heftes sind diese Verse zweimal untereinander geschrieben (Abb. 8), beim zweiten Mal jedoch nicht vollendet worden, gefolgt von einigen weiteren Alphabetübungen. Die folgenden Folioseiten 2v (Abb. 9) und 3r – im ursprünglichen Heft zwei einander gegenüberliegende Seiten – enthalten ebenfalls in zwei Ausführungen den einzigen durch eine Überschrift identifizierten Abschnitt der Bibel. Es handelt sich um den Anfang des achten Kapitels des Markusevangeliums („marci capite octauo“), Verse 1 bis 10, die das Speisewunder der Viertausend enthalten. Anders als die Jesaiaverse folgen sie nicht dem Text der Vulgata,48 verzichten dabei jedoch wie schon in den Jesaiaversen auf jegliche Interpunktion. Möglicherweise handelt es sich um die lateinische Übersetzung eines vom Lehrer in Deutsch vorgegebenen Textes oder, was 48 Obwohl es noch keinen Standardtext der Vulgata gab, gleichen die Jesaiaverse dem heutigen Text.

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angesichts des anspruchsvollen Vokabulars wahrscheinlicher ist, um ein Diktat des Lehrers bzw. die Wiederholung eines auswendig gelernten Textes. In der zweiten Ausführung blieben die Verse unvollendet. Zeigten die Übungen im Alphabet noch Unsicherheiten in der Führung der Feder, lassen die lateinischen Auszüge des Markusevangeliums durch den Gebrauch vereinzelter, im Mittelalter kaum genutzter Vokabeln (wie erga oder arcessere) klassische Anleihen und somit erste Einflüsse humanistischer Sprachstudien erkennen.49 Abermals ist die Vermutung einer zweiten, fortgeschritteneren Schülerhand naheliegend. Text der Vulgata In diebus illis iterum cum turba multa esset, nec haberent quod manducarent, convocatis discipulis, ait illis: Misereor super turbam: quia ecce jam triduo sustinent me, nec habent quod manducent: et si dimisero eos jejunos in domum suam, deficient in via: quidam enim ex eis de longe venerunt.

Text des Schülers In diebus illis cu[m] turba admodu[m] multa esset nec haberent quod manducare[n]t accersitis ad se iesus discipulis ait illis miserecordia ta[n]gor erga turbam quia yam triduo mane[n]t apud me nec habent quod edant et si dimisero eos yeyunos in domu[m] suam deficient in via quidam enim ex eis e longinquo venerunt.

Eine evangelische Prägung des zugrunde liegenden Unterrichts lässt sich anhand dieser Texte nicht eindeutig ausmachen, aber zumindest vermuten. Während bei der Historie des Evangeliums der Fokus auf das Wirken Jesu augenscheinlich ist, prophezeien die ausgewählten Verse Jesaias das Ende der irdischen Leiden durch Gottes Gnade und vermitteln die Hoffnung auf eine zukünftige Verbundenheit des Menschen mit Gott – ein in der evangelischen Rhetorik tatsächlich häufig berührtes Thema. Jesaia hatte nicht erst nach der Reformation eine bedeutende und herausragende Position unter den Propheten inne. Durch die Reformation wurde sie nicht in Frage gestellt. Luther selbst hielt über Jesaia mehrfach Vorlesungen und hob dessen Bedeutung in einer Vorrede seiner Übersetzung von 1528 eigens hervor. Darin urteilte er über den Propheten und den Rang seiner Prophetie mit den folgenden Worten: Das gar ein trefflicher, hocherleuchter Prophet mus gewesen sein, Denn also thun alle Propheten, das sie das gegenwertige volck leren vnd straffen, daneben Christus zukunfft vnd reich verkuendigen, vnd das volck drauff richten vnd weisen, als auff den gemeinen Heiland, beide der vorigen vnd zukünfftigen, Doch einer mehr denn der ander, einer reichlicher denn der ander, Jesaias aber vber sie alle am meisten vnd reichlichsten.50

49 Für eine grammatikalische Einschätzung dieser Passage gebührt Frau Anne Greule herzlicher Dank. 50 LUTHER, Jesaia, WA DB 11.1, S. 18.

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Durch Georg Spalatin wurden einzelne Teile aus Luthers Jesaiaauslegungen ins Deutsche übersetzt.51 Neben Luther hielt auch Philipp Melanchthon Vorlesungen über den Propheten, nahm ihn jedoch im Sächsischen Schulplan ausdrücklich unter jene Bücher der Bibel auf, die im Schulunterricht wegen ihres hohen theologischen Anspruchs gemieden werden sollten. 52 Inwieweit der Unterricht der Visitatoren in Erfurt rezipiert wurde, ist fraglich. Während die Bedeutung des Propheten und das in den ausgewählten Versen vertretene lutherische Verständnis vom Heilsgeschehen einen evangelischen Hintergrund des Erfurter Unterrichts möglich erscheinen lassen, fällt die dritte lateinische Passage des Schreibheftes aus dem konstatierten Fokus heraus. Es handelt sich – auf fol. 4r des ursprünglichen Heftes (Abb. 11) – um die Verse Hesekiel 33, 7 und 8, die abermals mehrfach geschrieben wurden und dabei gleichermaßen vom Text der Vulgata abweichen. Nach der Vulgata: Et tu, fili hominis, speculatorem dedi te domui Israël: audiens ergo ex ore meo sermonem, annuntiabis eis ex me. Si me dicente ad impium: Impie, morte morieris: non fueris locutus ut se custodiat impius a via sua, ipse impius in iniquitate sua morietur, sanguinem autem ejus de manu tua requiram. Zu Deutsch: Und nun, du Menschenkind, ich habe dich zum Wächter gesetzt über das Haus Israel. Wenn du etwas aus meinem Munde hörst, sollst du sie in meinem Namen warnen. Wenn ich nun zu dem Gottlosen sage: Du Gottloser musst des Todes sterben!, und du sagst ihm das nicht, um den Gottlosen vor seinem Wege zu warnen, so wird er, der Gottlose, um seiner Sünde willen sterben, aber sein Blut will ich von deiner Hand fordern.

Auch zu Hesekiel verfasste Luther zwar 1532 eine Vorrede, skizzierte darin aber lediglich die Geschichte des Buches und die historischen Hintergründe des Propheten. Eine besondere Bedeutung für die lutherische Lehre wurde ihm nicht zugesprochen. Schließlich entspricht auch der Inhalt der ausgewählten Verse nicht dem sonstigen Fokus des Schreibheftes auf das christliche Heilsgeschehen. Ein evangelischer Kontext ist dennoch erkennbar, enthalten die Worte in ihrem biblischen Zusammenhang doch die Ermahnung zur Einhaltung des göttlichen Gesetzes und die Warnung, jenes nicht – in der Terminologie der Reformatoren gesprochen – mit ‚menschlichem Zusatz‘ zu verfälschen. Wie der hier angesprochene filius hominis – der in der ersten Person schreibende Prophet Hesekiel – über das Haus Israel als Bewahrer des Gesetzes Gottes eingesetzt worden war, wurde einst der geistliche Stand über die reine Lehre der Christenheit eingesetzt. Entgegen der Warnung, das göttliche Wort zu bewahren, habe er jedoch in der Verfälschung des christlichen Glaubens die Sünden der Menschen billigend in Kauf genommen. Wie Gott einst Hesekiel die Konsequenz aufgezeigt hatte, er werde ihm die Sünden der Menschen zur Last legen, wenn er das Wort Gottes 51 Vgl. SPALATIN, Auslegung. 52 Vgl. LUTHER/MELANCHTHON: Unterricht, WA 26, S. 239.

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nicht bewahre, betrachteten die evangelischen Christen die Verfälschung des Christentums im Katholizismus als Verfehlung der Geistlichkeit und des Papstes, die für die Sünden der Menschen verantwortlich zu machen seien. Eine solche Interpretation würde der aktuellen kirchlichen Lage in Erfurt jener Zeit, die für die Entstehung des Schreibheftes angenommen wurde, entsprechen. Die Stadt war in katholische und evangelische Lager gespalten. Seit den 1520er Jahren wurden von den Kanzeln herab öffentlichkeitswirksam theologisch-polemische Dispute geführt.53 Möglicherweise zeugt das Schreibheft davon, auf welche Weise das theologische Zerwürfnis in einen anfänglichen evangelisch-humanistischen Schulunterricht hineinspielte. Ein Beispiel einer solchen theologischen Polemik im Unterrichtsstoff hatte auch die Mühlhäuser Schulgeschichte in der Zeit der Bikonfessionalität geboten. Neben den Übungen im Schreiben wie im Latein und den theologischen Auseinandersetzungen werden die Seiten des Schreibheftes zudem von vereinzelten Details geziert. Es handelt sich um Kritzeleien des Schülers, der einzelne Buchstabenreihen und Bibelverse zugunsten verschnörkelter oder fahrig hingeworfener Linien unterbrach. Sie zeugen heute von der langen Weile während seiner Übungen. Daneben stehen vereinzelte Worte zwischen oder über den Zeilen. So findet sich auf fol. 3v des ursprünglichen Heftes (Abb. 10) am oberen Papierrand die Eingangsformel eines Briefes: „vnd vnd meyin Freundtlich dinst zuuor liebe […]“. Dass es sich hierbei um einen tatsächlich begonnenen Brief vor der Nutzung des Blattes als Übungspapier handelt, ist durch die Position des Satzes und das Fehlen der ersten Worte wie durch die Wiederholung des ‚und‘ unwahrscheinlich. Ob hingegen im Unterricht die Gepflogenheiten in der Ausdrucksweise förmlicher Korrespondenz gelehrt wurden oder der Schüler schlichtweg seiner Fantasie freien Lauf ließ, kann in diesem Fall nicht endgültig beurteilt werden. Im Gegensatz dazu kann für ein weiteres Satzfragment jeder Zusammenhang mit einem schulischen Unterricht ausgeschlossen werden. Auf fol. 1v des ursprünglichen Heftes findet sich zwischen den Buchstabenreihen mit unsicherer Hand der Beginn eines Satzes, bei dem es sich nur um eine spöttische Bemerkung über einen Mitschüler oder den Lehrer handeln kann: „ein trunck drinckenn ist fridtrich schulz g[…]“ (Abb. 7). Der Rest des Satzes wurde über die Faltung des Blattes hinausgeschrieben. Dass er auf der folgenden Seite nicht fortgesetzt wird, belegt, dass weitere, nicht überlieferte Blätter dazwischenlagen. Eine zweite Ausführung des Satzes endete bereits nach dem zweiten Wort. Auch ohne die Fortsetzung lässt der Satz jedoch keinen Zweifel an seiner Aussage. Er verleiht dem Übungsheft letztlich einen persönlicheren und lebendigeren Eindruck, als alle biblischen Schreibübungen es vermocht hätte.

53 Vgl. allgemein WEIß, Bürger (1988), S. 140–153.

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Abb. 7: Ausgewählte Seite aus dem Schreibübungsheft eines Erfurter Schülers, fol. 1v.

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Abb. 8: Ausgewählte Seite aus dem Schreibübungsheft eines Erfurter Schülers, fol. 2r.

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Abb. 9: Ausgewählte Seite aus dem Schreibübungsheft eines Erfurter Schülers, fol. 2v.

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Abb. 10: Ausgewählte Seite aus dem Schreibübungsheft eines Erfurter Schülers, fol. 3v.

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Abb. 11: Ausgewählte Seite aus dem Schreibübungsheft eines Erfurter Schülers, fol. 4r.

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7.3. Das Pfarrschulwesen in der zweiten Jahrhunderthälfte 7.3.1. Die Schuldiener und ihre Besoldung Es ist oben bereits angedeutet worden, dass die Zäsur der Entwicklung des Pfarrschulwesens aus den 1540er Jahren wahrscheinlich korrigiert werden muss. Während bereits der Hammelburger Vertrag von 1530 der Stadt eine erste Phase der konfessionellen Gleichberechtigung brachte, entspannte sich die Lage endgültig nach dem Augsburger Religionsfrieden von 1555. Auf den auch weiterhin zunehmenden evangelischen Bestandteil der Stadt wirkte sich dies bestärkend aus. Die lutherische Geistlichkeit entwickelte sich vermehrt zu einer Einheit, die im Evangelischen Ministerium eine offizielle Körperschaft bildete. Auf die Entwicklung nahm der Stadtrat keinen Einfluss. Wie Ulman Weiß es prägnant auf den Punkt brachte, „gestattete der Rat, aber er gestaltete nicht“.54 Dies bezog sich auch auf das Schulwesen. Eine erste Maßnahme der evangelischen Kirchen bildete daher eine im Jahr 1557 von der Geistlichkeit ausgearbeitete und für die acht entstandenen oder noch im Entstehen begriffenen Pfarrschulen erlassene Schulordnung. Der Umstand, dass eine solche Verordnung verfasst worden ist, ist zwar bekannt, doch kann sie inhaltlich nicht erschlossen werden, da heute keine Zeugnisse mehr über sie vorliegen.55 Aus der Rückschau kann sie als vorläufiger Abschluss der schulischen Entwicklung betrachtet und vermutet werden, dass sie eine Loslösung des Schulmeisteramtes von den Pfarrern der Gemeinde zum Inhalt hatte. Bestätigt wird dies durch eine im selben Jahr erlassene Ordinationsordnung, die das Schulmeisteramt als notwendige Voraussetzung für das Pfarramt herausstreicht. Der Anwärter auf das Pfarramt, so heißt es dort, müsse nachweisen, ob er „auch in schulen der Jugendt mit Vnterricht sich geubt [habe] vnd seines wolhaltens gute kundschaft“56 tun könne. Sei dies nicht der Fall, stehe einer Pfarrei die Einstellung des Anwärters zwar frei, doch übernehme das Ministerium in diesem Fall keine Verantwortung. Von diesem Zeitpunkt an fand das Schulwesen einen wenn auch spärlichen Niederschlag in den Quellen. Diese beinhalten selten mehr als einige Namen der Schuldiener, ihre Funktionen neben den schulischen Diensten oder die Aufwendungen der Pfarreien zugunsten der Schulen, während beispielsweise die finanzielle Situation der Schuldiener weitestgehend rätselhaft bleibt. Über die Besoldung wie auch über die Zusammensetzung der Kirchen- und Schuldiener 54 WEIß, Bürger (1988), S. 276. 55 Vgl. WEISSENBORN, Hierana (1862), S. 45; BEYER, Volksschulen (1887), S. 7; HELLMANN, Anfänge (1895), S. 8; THIELE, Gründung (1896), S. 4; BIEREYE, Gymnasium (1911), S. 37; WEIß, Bürger (1988), S. 276. 56 StA Erfurt, 2/210-4, fol. 200r–202r, Zitat fol. 202r.

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der acht Gemeinden informiert am Ende des Jahrhunderts in gebündelter Form ein Besoldungsverzeichnis aus dem Jahr 1595.57 Dieses lässt viele Fragen offen, besagt es doch, dass die Besoldung der Schuldiener, während die Pfarrgehälter auf einem vergleichsweise üblichen Niveau lagen, verschwindend gering war. Während die Schulmeister von St. Michaelis und der Kaufmännergemeinde immerhin 56 fl und 36 fl erhielten, betrugen die Gehälter für den Augustinerschulmeister 16 fl, für den Andreasschulmeister 12 fl und für die Schulmeister der Regler- und Thomasgemeinde jeweils nur knapp über 2 fl. Durch etliche erhaltene Kirchenund Collegaturrechnungen werden diese Zahlen bestätigt und für den Andreasschulmeister im Rechnungsjahrgang 1594/95 sogar auf 10 fl herunter korrigiert.58 Über die Prediger- und die Barfüßergemeinde enthält das Verzeichnis wie auch die bestätigenden Rechnungen hingegen keine Informationen. Für Letztere ist dies erklärlich, da die Schuldiener von den Altarleuten und nicht wie die anderen Kirchendiener aus der Collegatur besoldet wurden. Hier informieren die Rechnungen der Barfüßergemeinde, dass die Besoldung des hiesigen Schulmeisters ebenfalls nur bei 12 fl lag.59 Einige Gemeinden verfügten neben dem Schulmeister über weitere Schuldiener. So wurde von der Andreas- und der Kaufmännergemeinde ein Kantor für jeweils 8 fl und von der Thomasgemeinde einer für knapp über 2 fl angestellt.60 Ergänzend kann wieder anhand der Barfüßer-, der Kaufmänner- und der Andreasrechnungen hinzugefügt werden, dass die hiesigen Schulen selbst durch zwei weitere Schuldiener, einen Kantor und einen Baccalaureus, versorgt worden sind. In der Barfüßergemeinde erhielten beide eine Besoldung von 6 fl.61 Herausragend stellt sich schließlich die Michaelisschule dar. Sie verfügte, wie das Verzeichnis von 1595 informiert, neben dem Schulmeister und einem Kantor über zwei weitere Schuldiener. Hier wurden alle drei Gesellen jedoch nicht aus der Gemeinde, sondern vom Schulmeister aus seinem eigenen Gehalt und nach eigenem

57 Vgl. StA Erfurt, 1-1/10A 1-42, unfol. 58 Vgl. für die folgenden Gemeinden StA Erfurt, 1-1/10A 1-28d (1594/95), für die Augustinergemeinde fol. 55r, für die Andreasgemeinde fol. 65r, für die Michaelisgemeinde fol. 68r. In der Predigergemeinde wird in diesem Jahrgang kein Schulmeister aufgeführt, vgl. fol. 70r. Für die übrigen Gemeinden vgl. StA Erfurt, 1-1/10A 1-28a (1582/83), für die Kaufmännergemeinde fol. 60r, für die Reglergemeinde fol. 61r, für die Thomasgemeinde fol. 61r. Auch in der Barfüßergemeinde wird kein Schulmeister angeführt, vgl. fol. 60v. 59 Vgl. für den Rechnungsjahrgang 1566 KA Predigerkirche Erfurt, AB, I B 6, unfol. 60 Vgl. StA Erfurt, 1-1/10A 1-42, unfol. 61 Für die Barfüßerschule vgl. KA Predigerkirche Erfurt, AB, I B 9, unfol.; für die Kaufmännerschule vgl. KA Kaufmänner Erfurt, I B 1, unfol.; für die Andreasschule KA Andreaskirche Erfurt, I B 1, unfol.

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Ermessen besoldet, was wiederum die überdurchschnittliche Höhe des hiesigen Schulmeistergehaltes begründet und relativiert.62 Dieses geringe Besoldungsniveau steht in einem auffälligen Kontrast zu dem akademischen Grad, über den die Schuldiener einiger Schulen verfügten. So wurde die Schule der Barfüßergemeinde zeitweise von zwei akademischen Magistern versehen. Dies kann bereits für 1584/85 belegt werden.63 Gleiches traf für die Andreasschule zu Beginn des 17. Jahrhunderts zu.64 Einzigartig unter den Erfurter Pfarrschulen – und auch innerhalb von Thüringen lediglich mit einem zweiten Beispiel in Mühlhausen vertreten – ist auch in dieser Hinsicht die Michaelisschule, unter deren Lehrern sich, wie das genannte Verzeichnis von 1595 informiert, gleich drei akademische Magister befanden, der Schulmeister, der Kantor und der erste Schulgeselle.65 Das geringe Gehalt wird durch einen Umtand relativiert, der auch die hohe Qualifizierung mancher Schuldiener erklärt. Viele von ihnen versahen ihren Dienst auch nach der Schulordnung von 1557 nicht als hauptamtliche Schulmeister, was auf dieser finanziellen Basis undenkbar gewesen wäre. Stattdessen handelte es sich in einigen nachweisbaren Fällen um Angehörige der Universität, die das Amt des Schulmeisters oder der übrigen Schuldiener nur nebenbei verrichteten. Insbesondere betrifft dies die Schule der Universitätsgemeinde St. Michaelis, bei der die Anzahl von drei Magistern unter vier Schuldienern kaum anders erklärt werden kann. Am eindrücklichsten wird dies bei M. Bartholomäus Laeneis Cuprimontanus, 1597 Schulmeister an hiesiger Schule, bei dem es sich um keinen Geringeren als den Dekan der Artistenfakultät handelte.66 Er hatte das Schulmeisteramt auch noch im Jahr 1616 inne.67 Eine solche Verbindung kann jedoch nicht pauschalisiert werden und zahlreiche Klagen über die Armut der Schuldiener sprechen eine beredte Sprache dagegen. Ebenfalls scheint es sich in den Fällen verstärkter akademischer Präsenz durch die Aktivität mehrerer Magister nicht um einen dauerhaften Zustand, sondern um eine eher zufällige vorübergehende Besetzung gehandelt zu haben. Stattdessen offenbaren die Quellen, wo sie über die Ausbildung der Schuldiener informieren, keinen konstant bleibenden Zustand, sondern einen steten Wechsel sowohl innerhalb einer als auch zwischen den Schulen. Bereits zwei Jahre später, 1597, war die Gesamtanzahl der Michaelisschuldiener wieder auf drei reduziert worden, unter denen nur noch der Schulmeister den Magistertitel trug. Darüber hinaus scheint es nicht der Fall gewesen zu sein, dass sich diese fachliche Präsenz 62 63 64 65 66 67

Vgl. StA Erfurt, 1-1/10A 1-42, unfol. Vgl. KA Predigerkirche Erfurt, AB, I B 8, unfol. Vgl. KA Andreaskirche Erfurt, I B 2, unfol. Vgl. StA Erfurt, 1-1/10A 1-42, unfol. Vgl. BEM Erfurt, Michaelis Nr. 1, S. 404. Vgl. AEM Erfurt, II D a 45, Nr. 1, unfol.

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wie beispielsweise in Altenburg auf das Niveau des Schulunterrichts ausgewirkt hat. Der höhere Unterricht war, wie noch zu zeigen sein wird, ab 1561 dem neugegründeten Ratsgymnasium vorbehalten. Eine ganze Reihe weiterer Schulmeister treten in den Quellen namentlich in Erscheinung. Insbesondere gilt dies wiederum für die Michaelisschule. Der erste hier nachweisbare Schulmeister ist Johannes Leon. Er tritt in den Erfurter Quellen nicht in Erscheinung, bezeichnet sich allerdings selbst im Jahr 1553 in einer Dichtung über die Anbetung der Weisen aus dem Morgenland und den Kindermord von Bethlehem als Schulmeister zu St. Michaelis in Erfurt. 68 Er stammte aus Ohrdruf und wurde nach seinem Schuldienst Pfarrer von Azmannsdorf, später von Großmölsen, Feldprediger des schwarzburgischen Grafen, Diakon in Königsee und schließlich – nach einem neuerlichen Zwischenspiel in Großmölsen – Pfarrer von Wölfis.69 Seine Nachfolger im Michaelisschuldienst können aufgrund der ausführlichen Rechnungsführung für anderthalb Jahrzehnte in geschlossener Folge nachvollzogen werden. Dies beginnt bereits im Jahr 1556/57, als Jorgen Eckell als Schulmeister Erwähnung findet.70 Seine Amtszeit währte nur ein Jahr und es zeigt sich im weiteren Verlauf der Rechnungen, dass gleiches auch für seine Nachfolger gilt. Offensichtlich bestand in der Michaelisschule eine diesbezügliche Beschränkung der Amtszeit, was der in anderen Städten angestrebten stabilisierenden Kontinuität entgegensteht. Auch in dieser Hinsicht entsprach die Michaelisschule der 1550er und 60er Jahre eher einer vorreformatorischen Schule. Die vierteljährlich ausgezahlte Besoldung des Schulmeisters betrug zu dieser Zeit noch 15 fl und zwei Viertel Korn. Sie wurde erst mit Beginn der Rechnung von 1564 geringfügig auf 17 fl und 18 Schneeberger Groschen erhöht.71 Wann sie das Niveau von 1595 in Höhe von 56 fl erreichte, kann nicht festgestellt werden, doch ist zu vermuten, dass mit der Anhebung auch die Amtszeitbeschränkung fallen gelassen wurde. Die bisherige Forschung ist sich einig, dass der spätere Rektor des Ratsgymnasiums, Antonius Moker, seit 1564 bis zu seinem Amtsantritt am Gymnasium 1583 der Michaelisschule als Schulmeister vorstand und diese unter seiner Führung einen nicht unbedeutenden Aufstieg erlebte.72 Eine entsprechende schulische Entwicklung ist anhand der Besoldungsentwicklung zwar zu vermuten, doch kann Mokers Amt anhand der Michaelisrechnungen nicht nur nicht bestätigt, sondern zumindest bis 1573 widerlegt werden. Dasselbe gilt für Hogels Aussage, dass der spätere Pfarrer Georg Silberschlag d. Ä. bis 1559 als Schulmeister hier 68 69 70 71 72

Vgl. LEON, Historie. Vgl. SCHUMANN, Johann Leon (1883); BAUER, Theologen (1992), S. 211. Vgl. AEM Erfurt, II A 8, unfol. Vgl. AEM Erfurt, II A 9, unfol. Vgl. WEISSENBORN, Hierana (1862), S. 41; THIELE, Gründung (1896), S. 7; BIEREYE, Gymnasium (1911), S. 37; LINDNER, Ratsgymnasium (2011), S. 28.

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gewirkt habe.73 Die Rechnungen enthalten, angefangen mit dem erwähnten Jorgen Eckell, die geschlossene Folge der namentlich genannten Schulmeister bis 1573, unter denen weder der späteren Gymnasialrektor noch der spätere Pfarrer aufgeführt werden.74 Auf Jorgen Eckell folgte Johannes Zabel im Jahr 1558, auf ihn 1559 Andreas Conradus.75 Im gleichbleibenden oder in einigen Fällen nur geringfügig verlängerten Jahresrhythmus, der ebenfalls gegen einen über 19 Jahre wirkenden Schulmeister spricht, folgten diesem Gabriel Stappell (1560/61) und M. Arnold Stürmer (1562). Stürmer wurde als erster und vorerst letzter ausdrücklich mit dem Magistertitel bezeichnet,76 scheint jedoch nur kurze Zeit im Amt gewesen zu sein. Auf ihn folgte Zacharias Mosagk (1562/63), bei dem es sich um den späteren Pfarrer von Bindersleben handeln dürfte.77 Im selben Jahr erwähnt die Rechnung einen Handwerker gleichen Nachnamens, den Schuster Simon Mosagk. Aufgrund dieses nicht alltäglichen Namens kann vermutet werden, dass auch der Schulmeister dem Handwerkermilieu entstammte. Er ist der erste, der scheinbar mehrere Jahre im Amt belassen wurde, zumindest ist es wahrscheinlich, dass es sich bei dem 1564/65 genannten Zacharias noch immer um ihn handelt. Seine verlängerte Amtszeit hatte jedoch keine Auswirkungen auf den alten Jahresrhythmus, in den das Amt nach seiner Niederlegung sogleich zurückfiel. Dass es sich tatsächlich um eine offiziell befristete Anstellung handelte, wird vollends unter Mosagks direktem Nachfolger Peter Hartungk deutlich, 73 Vgl. StA Erfurt, 5/100-31, fol. 1101. Dass es sich um den älteren Silberschlag handelt, geht aus dem von Hogel angegeben biographischen Kontext hervor, vgl. BAUER, Personalschriften (1998), S. 428. Bauers Biographie bestätigt zwar nicht Hogels Behauptung, dass Silberschlag an der Michaelisschule gewirkt habe, führte stattdessen aber, ebenfalls Hogel folgend, ein Schulmeisteramt an St. Andreas an. Darauf soll an späterer Stelle nochmals eingegangen werden. 74 Für die folgende Darlegung vgl. AEM Erfurt, II A 8, unfol. (1556–63) und AEM Erfurt, II A 9, unfol. (1564–73). 75 Während Conradus unbekannt bleibt, weiß Martin Bauer von einem Johann Zabel zu berichten. Da dieser jedoch erst 1543 geboren, 1557 in Wittenberg und 1562 in Erfurt immatrikuliert worden ist, dürfte eine Übereinstimmung hier unwahrscheinlich sein, vgl. BAUER, Theologen (1992), S. 337. 76 Die Erwähnung nur eines Magisters in dieser langen Schulmeisterfolge überrascht, insbesondere angesichts der in den 1590er Jahre für kurze Zeit bestehenden Massierung akademischer Größen an der hiesigen Schule. Ob es sich dabei um eine Ungenauigkeit des Schreibers handelt oder die Schule in den letzten Jahrzehnten des Jahrhunderts einen entsprechenden Aufschwung erlebte, ist unklar. 77 Vgl. BAUER, Theologen (1992), S. 239 unter dem Namen Zacharias Musagk (Musing, Mosinus). Aus Erfurt gebürtig, wurde er 1550 daselbst immatrikuliert. Eine Magisterpromotion scheint nicht erfolgt zu sein. 1566 wurde er zum Pfarrer von Bindersleben berufen und starb dort 1584. Das Schulmeisteramt der Michaelisschule schließt eine weitere Lücke seiner Biographie.

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der ausdrücklich „das schulle[n] vnd kirch ampt […] von Marttini ao 65 pis Marttini ao 66“78 versorgen sollte. Termingerecht trat Valentin Linck 1566 die Nachfolge an, blieb jedoch, obwohl er die volle Quartalsbesoldung erhalten hatte, aus unbekannten Gründen nur wenige Tage im Amt.79 Bereits am Donnerstag nach Martini (14. November) 1566 erscheint Nikolaus Pfulli als neuer Schulmeister. Auch er trat sein Amt bereits zu Walpurgis 1567 (30. April) an Johannes Bause ab. Dessen Nachfolger wurde zu einem ungewissen Zeitpunkt der spätere Pfarrer der Reglergemeinde Casper Leuffer,80 auf den am 9. Februar 1570 Heinrich Hesse folgte. Bereits am 13. Dezember folgte diesem Christian Eckardt,81 der sein Amt bis zum Ende der Rechnungsüberlieferung 1573 beibehielt. Da die Altarleute mit ihm offenbar zufrieden waren oder die Besoldung zu erhöhen gedachten, zahlten sie ihm von Zeit zu Zeit einzelne Gehaltszuschüsse. Zudem wurde der Schulmeister ab den frühen 1570er Jahren an den Spenden des Opferstocks beteiligt, aus denen außerdem armen Kindern das Schulgeld erlegt wurde. Die Existenz von Kantoren an der Michaelisschule wird ebenfalls bereits für diese Zeit durch die Rechnungen belegt, doch werden sie nicht namentlich aufgeführt. Sie erhielten von den Altarleuten nur ein alljährliches Weihnachtsgeld in Höhe von 2 Talern und wurden sonst wahrscheinlich, wie es 1595 der Fall sein wird, vom Schulmeister mit unterhalten. Die einzigen bekannten Kantoren sind erst 1595 M. Kawoth, der spätere Pfarrer der Thomasgemeinde,82 und 1597 Johannes Essinger.83 Der für 1595 konstatierte dritte und vierte Schuldiener wurde erst nach Abbruch der Rechnungsüberlieferung eingeführt, doch war diese hohe Versorgung wie bereits erwähnt nur von kurzer Dauer. Während 1595 die Namen M. Bartholomäus und Laurentius Siede genannt werden, versah 1597 lediglich der 78 AEM Erfurt, II A 9, unfol. 79 Bei ihm handelt es sich möglicherweise um den späteren Pfarrer von Utzberg, über den keine weiteren biographischen Angaben vorliegen, vgl. BAUER, Theologen (1992), S. 213. 80 Vgl. BAUER, Theologen (1992), S. 204 unter dem Namen Casparus Läuffer. Er stammt aus Erfurt und wurde hier 1558 immatrikuliert. Da er an einer anderen Universität zum Magister promovierte, verdeutlicht er die Ungenauigkeit der Rechnungsführung der Michaelisgemeinde, die ihn ohne den Titel aufführt. Er versah nach seinem Schulmeisteramt ab 1572 das Diakonat der Barfüßergemeinde und ab 1586 das Pfarramt der Reglergemeinde. 81 Vgl. BAUER, Theologen (1992), S. 134. Er stammt aus Bodenrode und wurde 1561 in Erfurt immatrikuliert. Bauer kennt ihn zwar als Schulkollegen der Michaelisschule, weiß jedoch noch nichts über sein Schulmeisteramt. Denkbar ist, dass er unter seinem Vorgänger bereits als Lehrer an der Schule tätig war. 1586 wurde er Hospitalspfarrer in Erfurt und starb 1605. 82 Vgl. BAUER, Theologen (1992), S. 103 unter dem Namen Martin Cabuth. Er wurde 1558 als Sohn eines Fleischers geboren und erlangte an der hiesigen Universität 1584 den Magistertitel. Nach seinem Schulamt wurde er an der Michaeliskirche und später an der Reglerkirche Diakon und schließlich 1597 Pfarrer in der Thomaskirche. Er starb 1624. 83 Vgl. StA Erfurt, 1-1/10A 1-42, unfol. (1595); BEM Erfurt, Michaelis Nr. 1, S. 413 (1597).

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Kirchner Laurentius Stier das dritte Schulamt.84 Das Amt eines vierten Lehrers wurde erst zu Beginn des Jahres 1603 erneut eingeführt.85 Nur drei Schulmeister können für die Barfüßerschule namhaft gemacht werden. 86 1562 wurde Johannes Schilling nicht ausdrücklich als Schulmeister bezeichnet, doch kann er aufgrund seiner Stellung in der Besoldungsreihe der überlieferten Rechnung zwischen dem Diakon und dem Kantor als Schulmeister angesehen werden. Er wechselte 1566 in ein geistliches Amt und hielt am 12. Februar seine erste Predigt, wofür die Altarleute ihm 3 fl verehrten. Seine Nachfolger im Schulamt wie auch die übrigen Schuldiener werden nicht mehr namentlich oder lediglich mit dem Vornamen erwähnt. Der Amtsträger des Jahres 1568/69 hieß Laurentius und 1583 bis 87 versah ein Christoph das Amt. Letzterer kann erst durch ein Dankesschreiben an den Stadtrat von Mühlhausen als M. Christophorus Grisbach identifiziert werden. 87 Er diente zeitgleich am Ratsgymnasium und trat 1588 das Diakonat und 1591 die Pfarrstelle in der Andreasgemeinde an.88 Im Jahr 1582/83 erhielt der Schulmeister erstmals zu seiner Besoldung in Höhe von 12 fl einen Zuschuss, der sich in den folgenden Jahren fortsetzte und ab 1586/87 als Hauszins bezeichnet wird. Die Altarleute übernahmen durch diese Zahlung sozusagen die Miete des Schulmeisters und verschafften diesem, der seine Wohnung demnach nicht im Schulhaus hatte, eine freie Unterkunft. Dem Schulmeister der Barfüßerschule stand zunächst nur ein Kantor und später zwei Baccalaurei zur Seite. Das Amt des Kantors wird in den späteren Rechnungen nicht mehr erwähnt, doch wird es sich bei dem so bezeichneten ersten Baccalaureus um einen solchen gehandelt haben. Der erste namentlich genannte Kantor Henricus findet 1568/69 Erwähnung, unter seinen Nachfolgern erscheinen 1581/82 Valentinus und 1584 bis 88 ein Magister Paul, sodass die Schule in dieser Zeit durch zwei Magister versehen worden ist. Als zweiter Baccalaureus wird lediglich in den Jahren 1583 bis 88 ein Georg erwähnt. Darüber hinaus scheint der Kirchner ebenfalls eine schulische Tätigkeit wie die Unterrichtung der jüngsten Schüler versehen zu haben. Auch aus diesem Amt kann nur ein Vertreter, ein Dietrich, für die Jahre 1585 bis 88 namentlich ermittelt werden. 84 Vgl. StA Erfurt, 1-1/10A 1-42, unfol. (1595); BEM Erfurt, Michaelis Nr. 1, S. 419 (1597). Ob M. Bartholomäus, der dritte Schuldiener von 1595, mit Bartholomäus Laeneis, dem Schulmeister von 1597 identisch ist, könnte höchstens vermutet werden. 85 Vgl. AEM Erfurt, II D a 46, Nr. 2, unfol. 86 Für die folgende Darlegung vgl. KA Predigerkirche Erfurt, AB, I B 6, unfol. (1562–69); ebd., AB, I B 9, unfol. (1580–82); ebd., AB, I B 8, unfol. (1583–86); ebd., AB, I B 7, unfol. (1587–88). 87 Vgl. StA Mühlhausen, 10/O 4, Nr. 1.2, fol. 111r–v. 88 Vgl. BAUER, Theologen (1992), S. 170. Das Schulmeisteramt der Barfüßerschule schließt eine Lücke seiner Biographie.

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Fünf Schulmeister, die alle den Magistertitel trugen, lassen sich an der Schule der Kaufmännergemeinde nachweisen. Der erste tritt zusammen mit einem namentlich ungenannten Kantor 1564 auf und heißt M. Kieseling.89 Er wurde im selben Jahr am 18. Oktober ordiniert und trat das Diakonat derselben Gemeinde an. Sein Nachfolger im Schulamt wurde M. Johann Zobel, latinisiert auch Zabelius.90 1582 versah M. Heinrich Leoni das Amt,91 dem aber noch vor Oktober 1583 M. Melchior Weidmann d. J., der Sohn des gleichnamigen Pfarrers der hiesigen Gemeinde, nachfolgte.92 Anhand seiner Erwähnungen in den Kirchenrechnungen wird die Lokalisierung der Kaufmännerschule im ehemaligen Gebäude der Schottenschule deutlich, denn er wird als Schulmeister bei den Schotten bezeichnet. Zuletzt tritt M. Johann Sidemann in den Jahren 1597/98 und 1603 als Kaufmännerschulmeister in Erscheinung. 93 Von den übrigen Schuldienern werden lediglich im Jahr 1573 der Kantor Balthasar Faber und der Baccalaureus Nikolaus namentlich genannt.94 Für die anderen Schulen fallen nur vereinzelt die Namen der Schulmeister und selbst diese werden zum Teil lediglich über Sekundärquellen genannt. Die personelle Besetzung der Schulen bleibt somit weitestgehend im Dunkeln. So soll Heinrich Güntzelig das Schulmeisteramt der Augustinergemeinde von 1558 oder 1560 bis 1568 versehen haben und daraufhin laut Hogels Bericht durch das Drängen der Gemeinde ins Diakonat derselben Kirche versetzt worden sein.95 Unter seinen Nachfolgern ist lediglich noch Nikolaus Cuntzel als Schulmeister von 1594/95 bekannt.96 Als ein vermeintlicher Schulmeister der Andreasgemeinde erscheint nach Hogels Bericht 1548 abermals Georg Silberschlag d. Ä., der als Diakon die Schule

89 Vgl. BAUER, Theologen (1992), S. 109 unter dem Namen Andreas Kießling. Er versah zuvor das Schulmeisteramt in Allstedt. Bauer kennt ihn zwar als Diakon der Kaufmännerkirche, jedoch erst ab 1572. Er starb bereits 1573. Sein hiesiges Schulamt und der frühere Antritt des Diakonats schließt eine weitere Lücke seiner Biographie. 90 Vgl. KA Kaufmänner Erfurt, I B 1, unfol. 91 Vgl. StA Erfurt, 1-1/10A 1-28a, fol. 60r. 92 Vgl. StA Erfurt, 0-1/ 4-1663; ebd., 1-1/10A 1-28b, fol. 56r; BAUER, Theologen (1992), S. 327. 93 Vgl. StA Erfurt, 1-1/10A 1-28e, unfol.; ebd., 1-1/10A 1-28, fol. 10r. 94 Vgl. KA Kaufmänner Erfurt, I B 1, unfol. 95 Vgl. StA Erfurt, 1-1/10B 2-18, unfol.; ebd., 5/100-31, fol. 1126. Das ungewisse Jahr seines Dienstantrittes ergibt sich aus den unterschiedlichen Datierungen der hier zitierten Sekundärquellen. Neben Hogels Chronik handelt es sich dabei um ein Kirchendienerverzeichnis aus dem 19. Jahrhundert, das besagt, Güntzelig sei nach achtjähriger Schultätigkeit 1568 ins Diakonat eingetreten. Vgl. auch BAUER, Theologen (1992), S. 171. 96 Vgl. StA Erfurt, 1-1/10A 1-28d, fol. 55v.

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geleitet haben soll. 97 Seinem Schulmeisteramt an der Michaelisgemeinde ist bereits oben anhand der Kirchenrechnungen widersprochen worden und auch diesmal ist Hogels Aussage eher unwahrscheinlich. Georg Silberschlag d. Ä. starb 1572 im Alter von 40 Jahren.98 Demnach wäre er 1548 gerade 16 gewesen. Das Schulmeisteramt – erst recht jedoch das Diakonat eines Sechszehnjährigen ist wohl ausgeschlossen. Bestätigt wird dies durch die Leichenpredigt, die Andreas Poach auf den Verstorbenen hielt und in der er überhaupt kein Schulamt des Pfarrers erwähnte, sondern den beruflichen Werdegang Silberschlags „Erstlich“99 als Prediger der Predigergemeinde beginnen ließ. Die einzigen eindeutig nachweisbaren Schulmeister an St. Andreas sind im 16. Jahrhundert somit der 1596 genannte M. Kips und der ihm noch in diesem Jahr nachfolgende Johannes Trefert.100 Nach ihnen treten erst 1606 der Schulmeister M. Johann Möller, der Kantor M. Michel Altenburg und der Baccalaureus Heinrich Storcken in Erscheinung, sodass auch die Andreasschule zu Beginn des 17. Jahrhunderts von zwei Magistern versorgt worden ist.101 Michel Altenburg wurde bereits im folgenden Jahr an derselben Schule Schulmeister und zwei Jahre darauf Pfarrer in Ilversgehoven und Marbach.102 In der Thomasgemeinde ist für das 16. Jahrhundert nur ein Schulmeister, Sebald Göbell, 1597 bis 1600 namentlich genannt, der neben seinem Schulamt der Gemeinde als Schreiber dient und die Pflicht hatte, Wein und Hostien für das Abendmahl zu kaufen.103 Einer seiner Vorgänger, von dem 1582 lediglich die Hochzeit überliefert ist, bleibt namenlos.104 Der einzige im 16. Jahrhundert namentlich erwähnte Schulmeister der Reglergemeinde ist schließlich 1597/98 der vermutlich aus Elxleben stammende Johannes Chrysander.105 Nur am Rande soll erwähnt werden, dass ein ehemaliger Erfurter Schuldiener namens Johannes Schmidt, der keiner Schule zuzuordnen ist, im Jahr 1592/93 auf dem Umweg 97

98 99 100 101 102 103 104 105

Vgl. StA Erfurt, 5/100-31, fol. 1042; WEISSENBORN, Hierana (1862), S. 23. Während Hogel den oben genannten Schulmeister nur über die biographischen Angaben als den älteren Silberschlag deutlich macht, bezeichnet er ihn hier als Silberschlag Sen. Bauer übernahm zwar das oben genannte Schulmeisteramt nicht, folgt Hogel jedoch bei diesem zum Jahr 1548, vgl. BAUER, Personalschriften (1998), S. 428. Sein Tod am 16. Febraur 1572 wurde selbst von David Aquila in seinem Calendarium verzeichnet, vgl. FB Gotha, Druck 8° 00213, S. 104. POACH, Eine Predigt, fol. Br. Vgl. KA Andreaskirche Erfurt, I B 1, unfol. Vgl. ebd., unfol. Vgl. BAUER, Theologen (1992), S. 76. Vgl. StA Erfurt, 1-1/10A 1-28e, unfol.; ebd., 1-1/10A 1-28 f, unfol. Vgl. StA Erfurt, 1-1/10A 1-28a, fol. 65r. Vgl. StA Erfurt, 1-1/10A 1-28e, unfol.; BAUER, Theologen (1992), S. 109. Er ist der Sohn des Diakons der Predigergemeinde, wurde 1587 in Erfurt immatrikuliert. Über seine Biographie ist jedoch nichts bekannt.

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einer Altenburger Kastenrechnung in Erscheinung tritt. Er hatte Erfurt verlassen und befand sich wahrscheinlich auf dem Weg zu einem neuen Dienstort, wobei er auf der Durchreise aus dem Altenburger Gemeinen Kasten eine Spende empfing.106 Gänzlich rätselhaft bleibt die Predigerschule. Lediglich ein Zinsverzeichnis von 1582/83 deutet auf ihre Existenz hin und informiert, dass der Schulmeister für einen Taler den Katechismusunterricht in der Paulskirche abhielt, doch bereits in den Jahrgängen 1585 bis 88 versah der Kirchner diesen Dienst.107 Das vermeintliche Schulmeisteramt von Georg Silberschlag d. J. von 1590 ist nicht mehr nachweisbar.108 Auch jenes von M. Ambrosius Sidelius bis 1564, von dem abermals Hogel berichtet, sollte angesichts der Zweifelhaftigkeit anderer schulischer Angaben seiner Feder kritisch betrachtet werden.109 Ganz im Gegensatz dazu wird von dem oben angeführte Besoldungs- und Kirchendienerverzeichnis von 1595 überhaupt kein Schulmeister der Predigerschule aufgeführt und auch eine zeitgleiche Kirchenrechnung, die über die Besoldung der Kirchendiener informiert, enthält keine Informationen zu einem Schulmeister. 110 Dieses Schweigen der Quellen über die Schule der Predigergemeinde steht im Widerspruch zu den Erkenntnissen der älteren Forschung, dass die Predigerschule unter den evangelischen Schulen die bedeutendste und fachlich anspruchsvollste gewesen sei.111

7.3.2. Ein Zinsstreit der Kaufmännergemeinde Dass die geringe Höhe der Besoldung zu Problemen führte und manche Schuldiener sehr darunter zu leiden hatten, verdeutlichen zwei über Monate hinweg geführte Briefwechsel der Altarleute der Kaufmännerkirche aus den Jahren 1564 und 1565, die schlaglichtartig eine bis ins bizarre gesteigerte Verhandlung um rückständige Zinsen beleuchten. Die Besoldung des hiesigen Schulmeisters – bis Oktober 1564 der genannte M. Kieseling – betrug in diesen Jahren 7 fl 6 gr, die des Kantors 3 fl 9 gr.112 Ihren Anfang nahmen die für lange Zeit erfolglosen 106 Vgl. StA Altenburg, XII. i. 1. Nr. 11, unfol. 107 Vgl. StA Erfurt, 1-1/10A 1-28g, fol. 162r; ebd., 1-1/10A 1-28h, fol. 167r; ebd., 1-1/10A 1-28i, fol. 168r. 108 Vgl. BAUER, Personalschriften (1998), S. 429. 109 Vgl. StA Erfurt, 5/100-31, fol. 1107. 110 Vgl. StA Erfurt, 1-1/10A 1-42, unfol.; ebd., 1-1/10A 1-28d, fol. 70r. 111 Vgl. WEISSENBORN, Hierana (1862), S. 45; THIELE, Gründung (1896), S. 4 u. 7; BIEREYE, Gymnasium (1911), S. 37; LINDNER, Schulwesen (2003), S. 40. 112 Vgl. für das Folgende KA Kaufmänner Erfurt, I B 1, unfol. Die Briefe befinden sich abschriftlich und zum Teil original der Kirchenrechnung dieser Jahre angefügt.

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Auseinandersetzungen mit einem Brief vom 25. Mai 1564 an Conrad Lieben, den Amtsschosser von Wandersleben im Dienst der Grafen von Gleichen. Eine ganze Reihe dortiger Amtsuntertanen, so klagten die Altarleute, sei der Kirche bereits seit 1543, also seit vollen 21 Jahren, etliche Zinse schuldig geblieben. Da sich dies deutlich auf die kirchlichen Finanzen auswirkte, baten die Altarleute den Amtsschosser, die nachträgliche Zahlung anzumahnen, da sie zur Versorgung der Kirchen- und Schuldiener aufgewandt werden musste. Diese seien bei der aktuellen finanziellen Situation gezwungen, ihr Gehalt durch Betteln aufzubessern. Eine Randbemerkung der Abschrift beklagt, dass man auf dieses Gesuch keine Antwort erhalten habe. Die Bitte wurde daher am 8. Juni wiederholt, worauf der Schosser von den Altarleuten die Einreichung eines Zinsverzeichnisses erbat. Der Aufforderung wurde am 15. Juni nachgekommen, doch sei dies ausdrücklich bereits das dritte Mal. Allmählich, so die Altarleute, sei man der Anmahnung müde, die durch den jährlichen Wechsel der Amtsträger nur noch erschwert werde. Dennoch wurde die Geduld der Altarleute erneut auf eine Probe gestellt, bis diese sich schließlich an den Erfurter Stadtrat wandten. Durch den Rat wurden die Grafen von Gleichen selbst kontaktiert, auf deren Nachdruck der Amtsschosser sich für die zu ergreifenden Maßnahmen eine Frist von drei Wochen erbat. Nach Ablauf der Frist schrieben die Altarleute am 22. August erneut, doch wieder vergeblich. Der letzte Brief der Altarleute datiert auf den 7. Mai 1565. Aus ihm geht die inzwischen kurios anmutende Situation hervor. Abermals habe sich der Schosser zu Beginn des Jahres eine Frist erbeten und abermals ein Zinsverzeichnis angefordert, was durch die Altarleute, die sichtliche Mühe hatten, den rechten Tonfall beizubehalten, nur noch als Hinhaltetaktik gewertet worden ist. Zum zweiten Mal wandten diese sich am 26. Mai 1565 an den Erfurter Stadtrat, schilderten erneut die Lage und die Armut der Kirchendiener und baten um nachdrückliche Intervention. Die Fortsetzung dieser Auseinandersetzung bleibt im Dunkeln, doch werden durch einen zweiten Briefwechsel ähnlichen Inhalts deutlichere Eindrücke aus dem Leben der Kirchen- und Schuldiener vermittelt. Der erste erhaltene Brief datiert auf den 17. Juli 1564 und ist an den Amtsschosser von Tonna gerichtet. Inhaltlich gleicht er den Briefen an Conrad Lieben, es werden die Zahlungen von rückständigen Getreidezinsen einiger Amtsuntertanen erbeten. Diese hatten auf eine persönliche Kontaktaufnahme lediglich Trotz und Unverschämtheiten zur Antwort erteilt. Eine ähnliche und gleichermaßen langwierige, hier aber nicht weiter darzulegende Auseinandersetzung, in der abermals der Stadtrat und durch diesen die Grafen von Gleichen zu Rate gezogen worden sind, folgte. Sie endeten damit, dass die Altarleute sich gegen Vorwürfe der beklagten Zinsgeber verteidigen mussten. Ihnen wurde unterstellt, dass sie das schuldig gebliebene Getreide nicht nötig hatten und es im Falle der Lieferung sogleich gegen Geld verkauft hätten. Die Beklagten selbst hätten eine Missernte erlitten und bedürften aller

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Erträge. In einem weiteren Brief an den Schosser verwehrten sich die Altarleute gegen diese Vorwürfe. Viel eher müsse das Getreide zur Unterhaltung der Kirchen- und Schuldiener aufgewandt werden. Bereits vor einiger Zeit sei in der Gemeinde eine eigenständige Kollekte zu ihren Gunsten eingeführt worden, die nach einiger Zeit durch Bitten um Spenden vor der Kirchentür ergänzt werden musste. Durch den Entzug der Zinsen sei es nun so weit gekommen, dass die Schul- und Kirchendiener bettelnd von Tür zu Tür gehen mussten, um sich auch nur am Leben zu erhalten. Eine zweite Tätigkeit der Schuldiener als Angehörige der Universität scheint hier nicht gegeben zu sein. Doch auch dieser Apell hatte wenig Erfolg. Die Altarleute wurden wieder vertröstet und der Briefwechsel zog sich bis zu einer weiteren Supplikation an den Erfurter Stadtrat am 19. Januar 1565 hin. Auch in diesem Fall bleibt der weitere Verlauf offen.

7.3.3. Untätiger Stadtrat und bemühte Bürger Die eher unrühmliche Rolle des Stadtrates in schulischen Angelegenheiten, nämliche dessen Untätigkeit, fand in den kirchlichen Kreisen scharfe Kritik. Als der bereits mehrfach genannte Georg Silberschlag d. Ä., der Pfarrer der Kaufmännerkirche, unter dessen Amt die geschildeten Auseinandersetzungen um die rückständigen Zinse geführt worden sind, starb, hielt Andreas Poach, der Senior des Evangelischen Ministeriums seine Leichenpredigt. Angeheizt durch einen konfessionellen Streit, der zu dieser Zeit in der Stadt herrschte und der bereits unter der Bevölkerung zu Unmut geführt hatte,113 baute Poach die Predigt, die gedruckt und veröffentlicht wurde, zu einer regelrechten Streitschrift aus. Ihr stand der Vers aus Hoseas Strafrede voran, dass „keine Treue, keine Liebe und keine Erkenntnis Gottes im Lande“ sei, sondern „Verfluchen, Lügen, Morden, Stehlen und Ehebrechen“ überhand genommen haben (Hosea 4, 1 f). Zwar richten sich seine Worte zunächst gegen die Katholiken und die in seinen Augen verirrten Protestanten, doch bezog er zugleich die anteilnahmslose Position des Stadtrates in seine Klagen mit ein. Diesem mangele es an Treue und Glauben. Wie könne es sonst anders sein, dass „bey so viel geistlichem einkomen / Lehen / vnd Kirchengütern / so vnsere vorfaren / on zweiuel guter meinung mildiglich gestifftet habe[n]“,114 die nötige Bestallung für die Diener der Kirchen und Schulen nicht aufgebracht werden können. Der arme Lazarus, so bemüht auch er das viel zitierte Bild Melanchthons, müsse vor des reichen Mannes Tür sterben. Das gleiche gelte in 113 1572 reagierte der Stadtrat auf die mehrfachen Klagen Erfurter Bürger über die ungebührlichen Predigten einiger Geistlicher, indem er einige unter den Predigern vorzunehmende Änderungen ankündigte, vgl. StA Erfurt, 1-1/10A 1-1a, fol. 13r. 114 POACH, Eine Predigt, fol. B4v.

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seinen Augen nicht allein für die Schuldiener, sondern auch für die armen Schüler, die Kinder hausarmer Leute, die sich zu betteln schämten, denen das Almosen von unverschämten, doch starken und gesunden Menschen vor den Türen weggenommen werde. Eine ähnliche Klage über den Missbrauch und die Veruntreuung der einstigen Kirchengüter erhob auch der spätere Mühlhäuser Superintendent Ludwig Helmbold, zu dieser Zeit Lehrer am Ratsgymnasium. Hogel zitiert aus seiner Schrift, dass jeder, wo er könne, die Güter an sich reiße, anstatt sie, wie Luther es gefordert hatte, für die Schulen nutzbringend anzulegen.115 Appelle wie jene von Poach und Helmbold blieben bei den Erfurter Bürgern nicht ungehört. Die Armut der Schuldiener wurde von den Menschen wahrgenommen, woraufhin sich einige durch Stiftungen ihrer Sorgen anzunehmen suchten. Als bedeutendes Beispiel einer solchen Stiftung kann das Testament der Anna Naffzer von 1589 herausgegriffen werden, das selbst Hogel in seine Chronik einfließen ließ.116 Bereits drei Jahre zuvor hatte ihr Mann Jakob in ihrer beider Namen ein umfangreiches Testament erlassen, das nun durch sie eine Bestätigung und Erweiterung erfuhr, die sich speziell den Kirchen- und Schuldienern der Prediger- und der Barfüßergemeinde zuwandte. Da diese mit nur geringem Gehalt versehen seien, verordnete sie, dass jedem Schuldiener der Prediger- und Barfüßerschule eine jährliche Zulage von 5 fl aus der Stiftungssumme ihres Mannes gereicht werde. Desgleichen richtete sich ihr Wohlwollen gegen die Schüler. Zu jedem halbjährlichen Examen sollten unter den Schülern – insbesondere unter den armen – nochmals 5 fl ausgeteilt werden. Eine Randbemerkung auf dem Testament besagt, dass diese Stiftung durch eine nochmalige Erweiterung im Jahr 1597 auf die übrigen sechs evangelischen Schulen ausgeweitet worden sei.117 Weitere Testamente ähnlicher Art werden aus verschiedenen Hinweisen angedeutet. So informiert die Rechnung der Barfüßergemeinde über das Testament eines Casper Kassel, aus dem jeder Schuldiener etwas über 2 fl erhalten sollte.118 Als die Altarleute der Barfüßerkirche schließlich 1592 einen Jahreszins kaufen wollten, wurde der Kaufpreis aus der Summe einer Stiftung von Thomas Ziegler in Höhe von 500 fl entnommen. Auch in diesem Fall wurde die Stiftung zu einem unbekannten Zeitpunkt zugunsten der Kirchen- und Schuldiener angelegt.119 Die Stiftung einer Anna Ziegler richtete sich hingegen vornehmlich an die Schüler. Ein Zins, den sie selbst zu Lebzeiten empfangen habe, solle, so ihre Verordnung von 1582, armen Schülern zum Ankauf von Büchern oder anderem Notwendigen 115 116 117 118 119

Vgl. StA Erfurt, 5/100-31, fol. 1118. Vgl. ebd., fol. 1275 f. Vgl. KA Predigerkirche Erfurt, AP, Nr. 473a, unfol. Vgl. KA Predigerkirche Erfurt, AB, I B 7, unfol. Vgl. StA Erfurt, 0-1/ 7-261.

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zugutekommen.120 Einen weiteren Zins von 5 fl stiftete 1608 der Ratsmeister Christoph von Frankenberg der Michaelisschule.121 Der Kaufmännerkirche und -schule kam, so berichtet abermals Hogel, 1580 eine Stiftung von 200 fl durch den Kämmerer Hans Fohmann zu. 122 Von einer weiteren Stiftung für die Kaufmännergemeinde über 100 fl durch Christoph Wagner zeugen heute nur noch Empfangsquittungen aus den Jahren um 1600.123 Weitere Stiftungen ähnlicher Art ließen sich sicher in großer Zahl ermitteln. Einen Eindruck über ihre Fülle allein in der Barfüßergemeinde vermittelt seit dem Jahr 1593 ein Verzeichnis jener Zinse, die „guethertzige Christen der Kirchen vnndt Schuelen zum besten In Ihren Testamenten verordnett“ 124 haben. Es führt detailliert die gestifteten Hauptsummen und die Termine der Auszahlung, nicht jedoch die genaue Aufteilung auf die Kirchenund Schuldiener auf.

7.3.4. Organisatorischer Aufbau der Pfarrschulen Nur wenige Zeugnisse des 16. und frühen 17. Jahrhunderts liegen über die organisatorischen und inhaltlichen Aspekte der evangelischen Pfarrschulen vor. Die oben dargelegte Grammatik des Aegidius Mechler offenbarte ein nur elementares Niveau der Barfüßerschule am Anfang ihrer Aktivität, doch scheinen die Schulen auch zum Ende des 16. Jahrhunderts keinen hohen Ansprüchen genügt zu haben. Der in der Forschung viel zitierte, bisher jedoch nur auf die mittelalterlichen Stiftsschulen angewandte Brief,125 in dem die katholischen Professoren Augustin Fridericus und Jobst Helmsdorf um 1600 den Erzbischof über die kirchlichen Verhältnisse der Stadt informierten, betrachtet das evangelische Kirchen- und Schulwesen zwar aus der altgläubigen und somit naturgemäß kritischen Perspektive, doch wird sich in ihren Worten mehr verborgen haben, als bloße Polemik. Der Reformation sei, so klagten sie, der Niedergang der Schulen des Reglerstifts und des Schottenklosters zu verschulden und an den lutherischen Schulen, die im Gegenzug gegründet worden seien, würden „die Knaben weiter nicht als ad etymologiam kommen“. Den Grund für diese Stagnation sahen sie in der Gründung des Ratsgymnasiums, die einen möglichen Aufstieg der Schulen unterbrach und eine inhaltliche Entfaltung hemmte. Seit 1561 betrachtete man die Pfarrschulen lediglich als Vorbereitungsanstalten des Gymnasiums, in denen die 120 121 122 123 124 125

Vgl. StA Erfurt, 0-1/17-1b, unfol. Vgl. StA Erfurt, 0-1/ 8-254. Vgl. StA Erfurt, 5/100-31, fol. 1163. Vgl. KA Kaufmänner Erfurt, H II 12 (2), unfol. Vgl. KA Predigerkirche Erfurt, AB, I A 6. Vgl. insbesondere THIELE, Gründung (1896), S. 4; BIEREYE, Gymnasium (1911), S. 19; DREIER, Gymnasium (1916), S. 7; LORENZ, Studium generale (1989), S. 50.

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Schüler „so weidt aptirt werden, daß sie in paedagogio Augustano hernach fordtkommen, vndt aufgenommen werden können“.126 Bei diesen Worten handelte es sich nicht um katholischen Spott, sondern um die offizielle Perspektive der evangelischen Gymnasialleitung. Das Gymnasium verfolgte von Beginn an das Ziel, den Schülern eine höhere humanistische Bildung zukommen zu lassen. Ein erster Ausdruck dieses Bemühens offenbart sich bereits bei der Gründung selbst, denn die erste Schülerschaft der neuen Schule setzte sich zum Teil aus den Schülern der Pfarrschulen zusammen. Eine besondere Rolle spielte dabei, wie Hogel berichtet, die Kaufmännerschule, aus deren oberster Klasse die besten Schüler vom Pfarrer examiniert und nach bestandener Prüfung in das Ratsgymnasium versetzt worden seien.127 Das Gymnasium sollte keine Stadtschule im herkömmlichen Sinne sein, welche die Schüler von den Anfängen des Lesens und Schreibens unterrichtete. Man trachtete nach einer Bildungsanstalt, die den Kindern – auf einem elementaren Schulsystem aufbauend – von der Kenntnis der Grammatik und der Schrift den Weg in die Universität bahnte. Das Gymnasium ähnelte in dieser Hinsicht der nur kurze Zeit in Mühlhausen bestehenden ‚Schule beider Kirchen‘, nur dass es hier bereits enger mit der Universität vor Ort verbunden war. Die Pfarrschulen hatten diesen elementaren Zweck zu erfüllen und die höhere Bildung dem Gymnasium zu überlassen.128 Als der Gymnasialschulmeister Antonius Moker 1588 die bestehende Schulordnung des Gymnasiums modifizierte, erweiterte er sie durch ein elementares Bildungskonzept, das seine Vorstellungen über die Funktion der Pfarrschulen enthält.129 Sie wurden darin ausdrücklich als scholes inferiores sive grammatices bezeichnet. Sie sollten in jeweils vier Klassen unterteilt werden, die sich nacheinander den partes grammaticae widmeten. Die Quarta als unterste galt neben dem Katechismus der Orthographie – dem Lernen des Lesens und Schreibens sowie den Anfängen des Lateins anhand des Donat. In der Tertia folgte anhand der Grammatik Melanchthons die Etymologie. Die Secunda setzte die Grammatik mit der Syntax fort. Die theoretische Erschließung sollte erstmals durch die Lektüre praktisch umgesetzt werden, wobei Moker auf die übliche Schulliteratur zurückgriff – die Fabeln Aesops, die Disticha Catonis, die Sprüche Salomons und die ersten Briefe Ciceros sowie Erasmus’ De Civilitate morum. Übersetzungsübungen aus dem Deutschen ins Lateinische und Erklärungen der Sonntagsevangelien sollten den Unterricht ergänzen. Die Prima, die 126 Abgedruckt bei THIELE, Gründung (1896) Beilage 2, S. 56 f., Zitate S. 56. 127 Vgl. StA Erfurt, 5/100-31, fol. 1100; WEISSENBORN, Hierana (1862), S. 29; BIEREYE, Gymnasium (1911), S. 37; BRÜCK, Mägdleinschulmeisterinnen (2006), S. 109, Anm. 17. 128 Vgl. THILO, Ludwig Helmbold (1851), S. 57; PAULSEN, Geschichte (1919), S. 306; FLITNER, Wissenschaft (1972), S. 61; SAHLENDER, Gymnasium (1972), S. 132; WEIß, Bürger (1988), S. 276; DERS., Ratsgymnasium (1999), S. 7 f. 129 Abgedruckt bei THIELE, Gründung (1896) Beilage 3, S. 57–61. Vgl. auch WEISSENBORN, Hierana (1862), S. 45 f.; THIELE, Gründung (1896), S. 7.

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höchste Klasse, enthielt mit der Prosodie die letzte grammatikalische Disziplin. Sie wurde anhand anspruchsvollerer lateinischer Literatur, der Komödien des Terenz, der Flores Tibulli Propertii Ac Ovidii von Johann Murmellius und der Schemata seu Figurae von Petrus Mosellanus einstudiert. Daneben wurden die Praecepta morum ac vitae des Joachim Camerarius gelesen. Das eigentliche Ziel der Pfarrschulen war damit bereits erreicht, doch sah Moker darüber hinaus vor, jene Schüler, deren Ambitionen auf höheres gerichtet waren, aus der Prima auszuwählen und in die Dichtung und die Anfänge der griechischen Grammatik anhand der griechischen Fabeln Aesops oder der Dialoge Lukians einzuführen. Die Musik erfolgte für alle Klassen bis auf die Quarta in einem gemeinsamen Unterricht. Das von Moker skizzierte Unterrichtspensum sollte, so seine Erwartungen, in nur vier oder fünf Jahren zu bewältigen sein.130 Dem schloss sich der nahtlose Übergang in das Ratsgymnasium an, das sich der anspruchsvolleren Grammatik, den Capites doctrinae coelestis, der Dialektik und Rhetorik, der Dichtung sowie der griechischen Grammatik und Lektüre widmete. Inwieweit dieses Gutachten den Pfarrschulen als verbindlich verordnet wurde, wird nicht deutlich. Ihnen wurde allerdings auch im Nachhinein bei der eigenen Organisation im weitesten Sinne freie Hand gelassen, sodass zumindest die Michaelisgemeinde ihrer Schule im Jahr 1597 eine eigenständige Schulordnung erlassen konnte.131 Bei dieser handelt es sich durchweg um ein kirchliches Produkt, ausgearbeitet durch den Pfarrer. Sie offenbart erneut die inhaltliche Knappheit, die keinen Vergleich mit den reformatorischen Schulordnungen des 16. Jahrhunderts zulässt. Es wurden lediglich die Verhältnisse der personellen Besetzung, die zeitlichen Verpflichtungen der Schuldiener sowie deren Besoldung geordnet, während man Bestimmungen über die Unterrichtsmethode, den schulischen Alltag, die Zuordnung der Lehrkräfte auf Unterrichtsstufen oder auch nur eine Einteilung der Schülerschaft in Leistungsstufen ebenso vergeblich sucht, wie die in den übrigen Ordnungen selbstverständlichen Schulgesetze und Disziplinarvorschriften. Möglicherweise ist in dieser Lückenhaftigkeit gerade ein Hinweis auf das dargelegte Gutachten Mokers gegeben, da die Schule darin eine inhaltliche Richtlinie gefunden hatte und die eigene Schulordnung von 1597 nur als Ergänzung dazu angesehen worden ist. Die Ordnung wird mit den folgenden Worten eingeleitet:

130 Zum Vergleich sei nochmals dran erinnert, dass etwa zeitgleich in Saalfeld allein für die Quarta ein Altersspektrum von drei bis fünf Jahren ermittelt werden konnte. Auch wenn Mokers Vorstellungen überaus optimistisch gewesen seien, verdeutlichen sie dadurch dennoch den elementaren Charakter der Erfurter Pfarrschulen. 131 Für die folgende Darlegung vgl. BEM Erfurt, Michaelis Nr. 1, S. 403–405, 413–415 u. 419. Vgl. auch BRÜCK, Mägdleinschulmeisterinnen (2006), S. 111.

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Damit hinfuro die Jugendt desto beßer vnterrichtett, Auch die Schuldiener gut licher maßen Ire Vnterhalttung haben, Vndt gute einigkeit vnter Inen erhaltten werden möge, Ist Von dem pfarhernn diese ordnung gemacht, Vndt den 4. Septembris anno 97 Von den hernn Eltisten bewilligett Vndt angenomen worden, Als nemlich das hinfurder nur drey Personen an der schulen sollen gehaltten werden, der Schulmeister, der Kirchner Vndt der Cantor, welcher labore Vndt besoldung sein soll wie Volget.132

Angesichts der hohen akademischen Besetzung der Schule, wie sie sich noch zwei Jahre zuvor dargestellt hatte, wird durch diese Worte der Eindruck vermittelt, dass die fortschreitende Entwicklung der Schule eingeschränkt werden sollte. Ausdrücklich wurde die Anzahl der Schuldiener auf ‚nur drei Personen‘ beschränkt. Aus welchem Anlass eine solche Beschränkung beschlossen wurde, bleibt offen. Es scheint sich jedoch nicht um eine Anpassung an die eigenen finanziellen Mittel gehandelt zu haben, da das Gehalt gleichzeitig erhöht wurde. Das des Schulmeisters wurde von 56 fl im Jahr 1595 auf 72 fl angehoben. Das Geld wurde ihm in den Quartalen Johannis Evangelista, Judica, Johannis Baptista und Michaelis zu jeweils 14 fl und zu Walpurgis und Martini zu jeweils 8 fl ausgezahlt. Dazu kamen Zinserträge in Höhe von 5 fl zu Michaelis und 3 fl zu Walpurgis aus zwei Stiftungen von Heinrich Gebhart und Anna Milwitz,133 sodass dem Schulmeister ein Gesamtgehalt von 80 fl zugewiesen wurde. Amüsant erscheint die Begründung, mit der die Stiftungszinsen dem Schulmeister übertragen wurden: „nicht das die andern collegae daruon außgeschloßen, Sondern das Er Inen Ire quartal völlig reiche, weil sie das gantze Iahr vber den Termin da diese zinse fellig nicht erwartten können“.134 Gleichzeitig verbirgt sich hinter diesen Worten der Hinweis, dass die Besoldung der Schuldiener als unzureichend empfunden wurde. Mit der genannten Summe sollte der Schulmeistersold nämlich nicht auf ein im thüringischen Vergleich übliches Niveau angehoben werden. Stattdessen wurde die Bestimmung von 1595, dass der Schulmeister die Schuldiener aus diesem Gehalt mit versorgen sollte, wiederholt. Nur 42 fl sollte der Schulmeister für sich behalten, während die Gesellen mit jeweils 17 fl zu versorgen waren. Ein Rest von 4 fl sollte quartalsweise an den Glöckner und den Orgeltreter ausgezahlt werden. Die angedeutete Ungeduld der Schuldiener scheint somit durchaus begründet. Der Rest der Verordnung beinhaltet die zeitliche Amtsverpflichtung und weitere finanzielle Bezüge der Schuldiener, unter denen auch die Leistungen der Schüler enthalten sind. Der Schulmeister, der oben bereits erwähnte Dekan M. Bartholomäus Laeneis, müsse täglich vier Stunden in der Schule sein und dem Pfarrer für Begräbnisse zur Verfügung stehen. Der Kantor Johannes Essinger 132 BEM Erfurt, Michaelis Nr. 1, S. 404. 133 Eine Empfangsquittung vom 14. Januar 1597 belegt, dass die Stiftung der Anna Milwitz eine Hauptsumme von 100 fl umfasste und neben der Michaeliskirche auch die Kaufmännerkirche an den Zinsen beteiligte, vgl. KA Kaufmänner Erfurt, H II 12 (2), unfol. 134 BEM Erfurt, Michaelis Nr. 1, S. 404 f.

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habe täglich drei Stunden zu unterrichten und die Kinder insbesondere im choralen und figuralen Gesang zu üben. Damit es im Kirchengesang zu keinen Unstimmigkeiten komme, wurde dem Kantor in Berufung auf 1. Kor 14, 33 und 40 eine detaillierte und ausführliche Gesangsordnung erlassen.135 Lediglich alle vier Wochen, die regulären Festtage nicht mitgerechnet, habe er mit den Schülern figural zu singen. Zu den übrigen Sonntagen wurden ihm die zu singenden Choräle und deren Position in der Gottesdienstordnung ausgiebig vorgeschrieben. Darüber hinaus solle auch er, wenn es gefordert wird, zu Beerdigungen zur Verfügung stehen. Schließlich sollte der Kirchner Laurentius Stier neben seinen kirchlichen Verrichtungen drei Stunden des Tages in der Schule zugegen sein. Alle drei erhielten zu ihren Gehältern regelmäßige kleinere Geldbeträge aus separaten Sammlungen, dem Opferstock oder zum Anlass von Hochzeitsfeierlichkeiten. Die Schüler hatten Schulgeld in Höhe von 2 gr pro Quartal sowie einen weiteren Groschen Holzgeld zu zahlen. Ausdrücklich wurde eine Erhöhung des Holzgeldes durch den Schulmeister untersagt. Für den Fall, dass es nicht ausreichte, sollte dieser die Differenz aus seinem Martinigehalt selbst zulegen. Dem Kirchner kam zur finanziellen Aufbesserung die Aufgabe zu, Leichentücher für 4 gr und Kerzen für 5 gr zu Beerdigungen zur Verfügung zu stellen, wobei deutlich wird, dass er diese nicht selbst zu beschaffen hatte, sondern über einen eigens angelegten Vorrat zu diesem Zwecke verfügte. Nur wenige Entwicklungslinien der Erfurter Pfarrschullandschaft lassen sich darüber hinaus aus den vorhandenen Quellen erschließen. Wie in anderen Städten war das Prüfungswesen ein wichtiger Bestandteil des evangelischen Schulwesens, doch scheint eine Beteiligung des Stadtrates nicht bestanden zu haben. Prüfungen werden erstmals im Jahr 1581/82 deutlich, als die Schuldiener der Barfüßergemeinde zum Examen am 15. Juni ein Stübchen Wein auf Kosten der Altarleute erhielten.136 In der Predigerschule erfolgte die Prüfung, wie die Kirchenrechnung von 1610 informiert, unter der Anwesenheit der Altarleute, die unter den Kindern in diesem Jahr 240 Kränze verteilten.137 Bereits am 9. November 1602 und am 10. Mai 1603 wurden von den Altarleuten der Michaelisgemeinde insgesamt 1 fl 10 gr 6 d unter den Schülern verschenkt. Ob aus diesen Zahlen auf die Anzahl der Schüler geschossen werden kann, ist ungewiss. Insbesondere stellt sich bei der Michaelisschule die Frage, wie viel Geld, das „an newen pfennigen“138 unter den Schülern verteilt werden sollte, jeder bekam. Erhielt jeder Schüler, wie die Formulierung es nahezulegen scheint, 1 d, ließe sich aus der Gesamtsumme die Anzahl von 378 Schülern berechnen. Diese Zahl erscheint zu hoch, zumal sie nur – im 135 136 137 138

Vgl. ebd., S. 414 f. Vgl. KA Predigerkirche Erfurt, AB, I B 9, unfol. Vgl. KA Predigerkirche Erfurt, AP, Nr. 184, fol. 116r. AEM Erfurt, II D a 46, Nr. 2, unfol.

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Durchschnitt gesehen – ein Achtel der gesamten evangelischen Schülerzahl der Stadt repräsentieren würde, die weiterhin bestehenden katholischen Schulen nicht mitgerechnet. Lediglich vage angedeutet wird 1561 eine Kirchen- und Schulbibliothek der Michaelisschule. Sie lagerte in der Kirche und stand offenbar unter der Obhut des Schulmeisters. Ihm wurde in diesem Jahr ein neu eingebundenes Buch zur Einverleibung übergeben.139 Omnipräsent sind in den Rechnungen hingegen zu allen Zeiten Baukosten an den Fenstern, Schlössern, Öfen, den Laternen oder auch an den Bänken der Schule. Durch die Gesamtheit dieser sich ständig wiederholenden Posten wird ein lebendiges Bild gezeichnet, das aus heutiger Sicht mitunter amüsant erscheint. So musste 1562 ein Kirchenschlüssel der Michaelisschule gelötet werden, „dan ihn der schulmeister vortorbet hatte“. 140 Besonders umfassend scheinen die Bauarbeiten an der Andreasschule im Jahr 1557 gewesen zu sein. Einige Zimmermänner wurden hier mit Trankgeldern versorgt, „alß man die schul gebawet hatt“.141 Ob sich hier tatsächlich, wie die Formulierung nahelegt, ein vollständiger Neubau oder, was zu dieser Zeit wahrscheinlicher ist, die erste Errichtung eines Schulhauses, abzeichnet, kann vermutet werden, ist aber ungewiss, da sich in der Rechnung keine weiteren Anzeichen dafür finden. Deutlicher zeichnet sich 1568/69 die Neueindeckung des Michaelisschuldaches durch den Ankauf von 400 Schindeln und 500 Schindelnägel ab. Im selben Jahr wurde die Schule neu geweißt und getüncht und gleich mit mehreren neuen Öfen ausgestattet.142

7.4. Das Mädchenschulwesen an den Erfurter Pfarreien Sind bereits die Knabenschulen der Erfurter Pfarreien nur durch eine sehr dürftige Quellenlage repräsentiert, gilt das gleiche in weitaus stärkerem Maße für die Mädchenschulen, die nach und nach an den Pfarreien entstanden. Entsprechend der Quellenlage gestaltet sich auch die Forschungslage, die mit dem Beitrag Helga Brücks bereits erschöpft ist.143 Mädchenschulen entwickelten sich wahrscheinlich wie die Knabenschulen aus dem privaten Unterricht der Pfarrer heraus, der sich, wie der oben dargelegte Brief von Georg Ingwiler für die Reglergemeinde informiert, noch in den 1550er Jahren auf einen Katechismusunterricht be139 140 141 142 143

Vgl. AEM Erfurt, II A 8, unfol. Ebd., unfol. StA Erfurt, 1-1/ 7o-27, fol. 30r. Vgl. AEM Erfurt, II A 9, unfol. Vgl. BRÜCK, Mägdleinschulmeisterinnen (2006), S. 107, für den hier vorliegenden Bearbeitungszeitraum enthält dieser Beitrag jedoch nur wenige neue Informationen.

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schränkte. Dass dieser jedoch etwa zur gleichen Zeit an der Augustinerkirche bereits mit einem Unterricht im Lesen verbunden war, geht aus einem Brief des dortigen Pfarrers Andreas Poach hervor, den dieser am 8. Juni 1565 an den Mühlhäuser Stadtrat sandte (Kap. II. 5.9.). Nicht nur enthält sein Schreiben den frühesten Hinweis auf eine Erfurter Mädchenschule, es überliefert auch den Namen einer Schülerin der Augustinerschule: Katharina Vintzenhain geborene Adeler, die in den 1560er Jahren in Mühlhausen eine Mädchenschule unterhielt, sei in ihrer Jugend von ihren Eltern Hans und Christina Adeler „zur Schule gezogen, das sie in der iugend den Catechismus gefasset, auch lesen gelernet“144 habe. Für die Augustinergemeinde bleibt dies bis zum Ende des Bearbeitungszeitraumes die einzige Erwähnung einer Mädchenschule. Auch weitere sind nur an drei Gemeinden nachweisbar, ohne dass hier auch nur im Ansatz eine Entwicklungslinie nach zu verfolgen wäre. Stattdessen bieten nur sehr vereinzelte Erwähnungen schlaglichtartige Hinweise, die sämtlich auf Basis der Kirchenrechnungen erfolgen. Eine herausragende Bedeutung nimmt wieder die Michaelisgemeinde ein. Hier tritt die Mädchenschule erstmals 1566 in Erscheinung, als ein Zimmermann für die Anfertigung dreier Bänken bezahlt wurde. 145 Es wird nicht vollends deutlich, ob sich hier die offizielle Gründung einer Mädchenschule widerspiegelt, doch scheint dies aus der allgemeinen Art der Rechnungsführung und der mit dieser Erwähnung verbundenen Veränderung hervorzugehen. Es ist auffallend, dass mit diesem Jahr beginnend die Schulen im Zusammenhang mit Ausbesserungsarbeiten vermehrt im Plural als ‚die beiden Schulen‘ angesprochen werden und im anderen Fall die Abgrenzung durch die ausdrücklichere Bezeichnung der ‚Knabenschule‘ deutlich gemacht wird. Bemerkenswert ist die Gegenüberstellung der Bänke innerhalb und außerhalb der Schule, die damit begründet wird, dass „die Meidilin draussen sitzen Ihm Somer“.146 Der Unterricht der Mädchenschule fand zeitweise im Freien statt. Diese unerwartete Information überrascht, lässt jedoch auch vermuten, dass die Praxis auf einen schulischen Mangel zurückzuführen ist. Die Schule wurde wahrscheinlich als zu klein und zu beengt empfunden, sodass der Unterricht, sobald dies möglich war, ins Freie verlegt wurde. Auch die Gründung einer Barfüßermädchenschule fällt wahrscheinlich in einen ähnlichen Zeitraum, nämlich in die Überlieferungslücke der hiesigen Kirchenrechnungen zwischen 1569 und 1580. Erstmals wird die Mädchenschule 1580, zu Beginn der neu einsetzenden Überlieferung erwähnt. Sie erhielt sogleich eine eigenständige Ausgabenkategorie unter der Bezeichnung „Was auf der Meidlein

144 StA Mühlhausen, 10/E 5a-d, Nr. 7, fol. 4r. Vgl. KLETT, Mägdlein-Schule (1932), S. 4. 145 Vgl. AEM Erfurt, II A 9, unfol. 146 Ebd., unfol.

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Schul verbauwett worden den 30. August“.147 Ein vollständiger Neubau zeichnet sich jedoch nicht ab, lediglich werden einige Ziegel, etwas Holz und neue Fenster verbaut. Wie im Falle der Michaelisgemeinde wird die Mädchenschule im weiteren Verlauf der Rechnungen mehrfach erwähnt. Zuletzt wird die Mädchenschule der Andreasgemeinde durch nur einen einzigen Hinweis nachweisbar. Im Jahr 1596 erhielten Handwerker die Bezahlung für zwei Bänke.148 In keinem der vier Fälle und auch nicht darüber hinaus sind Besoldungskosten für einen Mädchenschulmeister oder eine -schulmeisterin zu finden. Die Frage nach der Finanzierung wie auch alle weiteren Aspekte des Mädchenschulwesens müssen offenbleiben.

7.5. Die Reform der Pfarrschulen durch den Stadtrat zu Beginn des 17. Jahrhunderts Die Lage des Pfarrschulwesens änderte sich zu Beginn des 17. Jahrhunderts innerhalb weniger Jahre von Grund auf. Im Zuge einer Reformierung des Ratsgymnasiums setzte der Stadtrat seiner bezüglich des niederen Schulwesens gepflegten Passivität ein Ende und nahm den Kirchen die Sorge und die Organisation der Pfarrschulen aus der Hand.149 Als Anlass wird die Ansiedlung der Jesuiten und die von ihnen 1611 angestrengte Schulgründung zu betrachten sein, die den Stadtrat bewog, sich der evangelischen Konfession vermehrt zu widmen, um sie gegen die katholische Konkurrenz abzusichern.150 Zwischen den Jahren 1613 und 1617 erfolgte die Umgestaltung des gesamten städtischen Schulwesens. Die Reform fasste der Stadtrat selbst am 2. Juli 1617 in den folgenden Worten zusammen: Solches [die Bedeutung des Schulwesens für die Gesellschaft] nun haben auch Vorwolgedachte vnsere Herrn E. E. Hochw. Rath allhier betrachtet / derowegen in Errinnerung ihres tragenden Oberkeitlichen Ampts / vnter andern Ihnen stets obligenden hochwichtigen Geschefften / zuvorderst das Gymnasium Augustinianum, dann die andern Schulen in den Pfarren allhier / solcher gestalt zuverbessern angefangen / daß sie etliche ihres Mittels zu Inspectorn vnd Oberauffsehern derselben geordnet / durch dieselben examina der Praeceptorn Arbeit / vnd der Discipel progress hierdurch zu erkündigen / anstellen / die befundene Mängel abschaffen / gute Disciplin vnd Ordnung im Lehren vnd Lernen anrichten / gelehrte vnd fleissige Praeceptores ordnen / vnd so wol denselben / als den Schülern / gewisse Gesetze vnd Statuta, darnach sie sich allenthalben zu richten / 147 KA Predigerkirche Erfurt, AB, I B 9, unfol. 148 Vgl. KA Andreaskirche Erfurt, I B 1, unfol. 149 Über die Reform des Ratsgymnasiums vgl. SAHLENDER, Gymnasium (1972), S. 138 f.; WEIß, Ratsgymnasium (1999), S. 48; LINDNER, Schulwesen (2003), S. 40. 150 Vgl. BIEREYE, Gymnasium (1911), S. 48; SAHLENDER, Gymnasium (1972), S. 138.

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vorschreiben / Vber das / den armen Knaben zum besten das Schulgeld abschaffen / eine Current anstellen / vnd / damit sie sich so / als rechte Nutritii vnd Seugammen der Kirchen vnd Schulen erzeigten / nicht wenig der ärmsten Knaben / vnd Vaterlosen Waißlein / zum theil selbst kleiden / zum theil mit Tuch zu nothwendiger Kleidung versehen lassen / Also zwar / daß nunmehr die Schulen allenthalben dermaßen bestellet / daß durch zuvorderst Gottes des Allmächtigen Gnad vnd Segen / dann der Praeceptorn Fleiß vnd Trew / ein Knabe / so die Haut dran stecken will / hinfuro nicht allein Beten, Lesen / Schreiben / Singen vnd Rechnen / sondern auch die Lateinische vnd Griechische Sprache / zusampt den Freyen Künsten / allhier in der Stadt vnd bey der Eltern Kost / vnd der gewöhnlichen Cantorey / ohne kostbares Außreisen / auff frembde Schulen / zur genüge fassen vnd lernen / Auch von dannen in die Collegia ad publicas lectiones promovirt werden kann.151

Die bedeutendsten Aspekte der Schulreform sind in diesen Zeilen enthalten: An erster Stelle wurde die Anstellung von Schulinspektoren aus Kreisen des Stadtrates betont, deren Aufgabe es war, die Lehrer wie auch die Schüler zu überwachen, Mängel zu beheben oder weiteren vorzubeugen. Mit dieser Maßnahme zieht die Stadt mit mehreren Jahrzehnten Verzögerung der thüringischen Entwicklung nach. Wie es oben bereits ausführlich dargestellt wurde, fand die Herausbildung dieses Schulherrenamtes in den übrigen thüringischen Städten bereits um die Mitte, spätestens aber in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts statt und wurde durch entsprechende landesherrliche Verordnungen der sächsischen Fürsten vorgeschrieben. Daneben fand nun eine Entwicklung statt, die für das reformatorische Schulwesen der thüringischen Städte ein maßgebliches und konstituierendes Charakteristikum darstellt: Der Stadtrat übernahm das Patronat der Schule. Diese Entwicklung kann in Erfurt anhand zweier Beispiele zeitlich in die Jahre zwischen 1596 und 1617 verortet werden, wobei vermutet werden kann, dass sie eher später als früher ihren Anfang nahm. 1596 verdeutlichen einige für Erfurt einzigartige Ausgabeposten der Andreaskirchenrechnung, dass der hiesige Schulmeister von der Gesamtheit der Gemeinde oder, was nicht deutlich wird, von einem aus ihr zusammengesetzten repräsentativen Gremium gewählt und in sein Amt eingesetzt worden ist. In diesem Jahr erhielt der Kirchner Johannes 1 gr dafür, „das er die gemein zusammen gefordert, weg[en] des Schulmeisters“. Die Erwähnung eines noch im selben Jahr namentlich genannten „Newn schulmeister[s]“152 belegt, dass es sich bei der Zusammenkunft der Gemeinde um die Wahl eines neuen Amtsträgers gehandelt hat. Bestätigt wird dies durch umfangreiche, offensichtlich mit der Anstellung verbundene Ausbesserungsarbeiten. Der Schulmeister erhielt neue 151 StA Erfurt, 3/031-1, Band 2, fol. 54r. Die Worte sind einem städtischen Erlass gegen das Winkelschulunwesen entnommen. An späterer Stelle soll dessen Betrachtung fortgesetzt werden. 152 Für beide Zitate KA Andreaskirche Erfurt, I B 1, unfol.

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Schlösser und Schlüssel für die Schule, durch neue Schindeln wurde deren Dach ausgebessert, der Ofen wurde geflickt und dem Schulmeister ein neues Bücherbrett gebaut. Bei dem neuen Amtsträger handelt es sich um den oben erwähnten Johannes Trefert, der dem noch kurz zuvor genannten M. Kips im Amt nachfolgte. Gerade die vorbildlichen Mühen, die durch die Altarleute zu seinen Ehren unternommen worden sind, lässt auf eine große Beliebtheit Treferts schließen, offenbart jedoch auch das völlige Fehlen jeglicher städtischer Teilnahme. Dem entgegen steht ein zweites Beispiel aus dem Jahr 1617, bei dem es sich für Erfurt um das erste erhaltene Quellenzeugnis einer Art handelt, die die Quellenlage in Altenburg das gesamte 16. Jahrhundert über dominiert: Ein Brief eines Schulmeisters an den Stadtrat, der nicht nur das erste bedeutendere Zeugnis für die Predigerschule ist, sondern auch als Abschluss der hier betrachteten Entwicklung herangezogen werden kann. Absender ist der erste namentlich bekannte und sicher belegte Schulmeister der Predigerschule, Jeremias Alberti aus Arnstadt, der mit seinen Worten verdeutlicht, dass er nicht von der Gemeinde, sondern „von einem E E Hochw. Rathe beruffen“ 153 worden sei. Bei seinem Brief handelt es sich um ein Dankesschreiben, das zugleich eine Art Treue- und Amtseid beinhaltet und für Erfurt erstmals eine Charakteristik und das Selbstverständnis eines Erfurter Pfarrschulmeisters nachvollziehbar macht. Insbesondere verdeutlicht es den angesprochenen Wandel in dem Verhältnis des Stadtrates zum Schulwesen. An erster Stelle verpflichtete der Schulmeister sich dem Stadtrat gegenüber zu Treue, Gewissenhaftigkeit und Pflichterfüllung, auf diesen folgte das Evangelische Ministerium und erst an dritter Stelle die Gemeinde und deren Pfarrer. An vierter Stelle schwörte er Einmütigkeit mit den übrigen Kirchen- und Schuldienern. In fachlicher Hinsicht versprach er, sich den ihm angetrauten Lektionen nach zu richten und nichts daran zu ändern, womit bereits ein von obrigkeitlicher Seite vorgeschriebener Lehrplan angedeutet wird. Genannt werden die weltlichen Autoren (auctores profani) und der Katechismus. Seine Aufgabe bei den Schülern wurde in erster Linie von der religiösen Erziehung bestimmt. Sie bestand darin, die Kinder „mit allem möglichem fleis vnd wahrer väterlicher trew zur predigt, lernung des Catechismi D. Lutheri, dem gehor göttlichen Wortts vnd gebrauch der hochwürdigen Sacrament“ anzuhalten und erst in zweiter Linie die vorgeschriebenen fachlichen Lektionen mit „proponiren, repetiren, interpretiren, exerciren vnd was sonst hierzu von nöthen sein will“ abzuhalten. In seinem Lebenswandel wolle er seinen Schülern ein ehrliches und gutes Vorbild sein, die zuwiderhandelnden Kinder vermahnen und, falls das nicht helfe, sie „mit gebuhrendem ernst vnd scharffer, doch väterlicher Zucht vnd straffe ohne ansehen der personen“ strafen.154 Das Amt wurde zugleich als eine Art städtische Stipendienstelle betrachtet. Alberti, der bislang noch keinen akademi153 StA Erfurt, 1-1/10B 6-9, fol. 1r. 154 Für alle drei Zitate ebd., fol. 2r–v.

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schen Titel besaß, musste sich verpflichte, innerhalb einer nicht genannten Frist an der hiesigen Universität den Magistergrad zu erlangen. Seine Amtszeit wurde mit Widerrufsrecht des Stadtrates auf sechs Jahre befristet, ihm selbst jedoch kein Kündigungsrecht zugestanden. Ein weiterer Aspekt der Schulreform, eine städtische Schulordnung und Schulgesetze, wurde damit bereits angesprochen. Die darauf gerichtete neue Ambition des Stadtrates fand 1613 ihren ersten Niederschlag in einem von der städtischen Obrigkeit für die Pfarrschulen vorgeschriebenen Lehrplan.155 Dieser entwarf ein fünfklassiges Schulmodel, das über die von Antonius Moker 1588 vorgesehenen elementaren grammatikalischen Kenntnisse hinausging und sich den oben dargelegten Inhalten des reformatorischen Schulwesens annäherte. Trotzdem beließ er die Pfarrschulen in ihrer Rolle als Vorbereitungsanstalten für das Ratsgymnasium. Durch die Fünfklassigkeit, die von der Quinta zur Prima führte und diese zudem in Leistungsstufen unterteilte, wurden die Inhalte deutlich stärker untergliedert, als es in den Schulen anderer Städte der Fall war. Obwohl der Katechismus in der untersten Klasse und dessen Erläuterungen in der Quarta in deutscher Sprache gelesen wurden, bildete das Latein von Anfang an die Unterrichtssprache. Die Quinta war ausschließlich dem Katechismus, dem Erlernen der Buchstaben und erster lateinischer Vokabeln gewidmet. Die Erlernung des Lesens erfolgte ab der Quarta auf der Grundlage des Donat, während die weiter fortgeschrittenen, sogenannten Adultiores sich der vorerst theoretisch gehaltenen Konjugation und Deklination widmeten. Das dafür genutzte Lehrbuch war das erst im selben Jahr in Erfurt gedruckte Manuductio ad Grammaticam des Valentin Weinrich, das unter Hinzuziehung deutscher Erklärungen die grammatikalischen Konstruktionen anhand klassischer Texte auf ausdrücklich anfängerechtem Niveau lehrt. 156 Die Lektüre des Katechismus wurde durch die lutherischen Erklärungen, ausgewählte Bibeltexte und die Sonntagsevangelien ergänzt. Die Adultiores begannen, das Schreiben zu erlernen. Beides wurde in der Tertia fortgesetzt und durch die praktische Ausführung grammatikalischer Konstruktionsübungen ergänzt. Gleichzeitig begann eine im Vergleich zu Mokers Entwurf verhältnismäßig stark aufgeschlüsselte und weitgefasste Lektürevorschrift. Weinrichs Werk blieb im Mittelpunkt des Unterrichts, während die Disticha Catonis und die Fabeln Aesops hinzutraten. Auch die lateinisch-deutsche Nomenklatur des Johannes Volandus wurde in den Unterricht aufgenommen.157 Der musikalische Unterricht 155 Abgedruckt bei HELLMANN, Anfänge (1895), S. 10 f. 156 Vgl. WEINRICH, Manuductio Ad Grammaticam. 157 Das Universallexikon Zedlers verzeichnet jene 1589 gedruckte Nomenclatur, die Volandus aus den Werken von Hadrian Junius und Theophilus Golius zusammentrug, vgl. ZEDLER, Universal-Lexicon (1746), Sp. 424. Heute ist sie nicht mehr zu ermitteln. Bei

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begann anhand der Werke des Weimarer Kantors Melchior Vulpius. Aus seiner Herausgeberschaft stammen zwei maßgebliche Sammlungen geistlicher Lieder aus der Feder Luthers und anderer Kirchenlieddichter, die 1604 und 1609 in Jena und Erfurt gedruckt worden sind.158 In der Secunda wurde das Niveau deutlicher gesteigert. Zu den genannten Lektürewerken traten die Dialoge des Petrus Mosellanus, die Mimi publiani und der erste Teil der Cicerobriefe hinzu, während das Schreiben in das eigenständige Verfassen von Prosatexten mit Stilübungen überging. Ebenfalls wurden bereits in der Secunda die Anfänge der griechischen Sprache anhand der Grammatik des einstigen Gymnasiallehrers Matthäus Dresser unternommen.159 Dabei zeigt sich erstmals die Bestrebung, zwischen den Schülern eine Auswahl zu schaffen und jene, die für die höheren Studien ungeeignet seien, vom weiterführenden Schulbesuch auszuschließen. Es sollten nur jene in die Prima versetzt werden, welche die griechische Sprache in ausreichendem Maße beherrschten. Hier wurde der höhere Unterricht des Gymnasiums vorbereitet. Die Lektüre der Evangelien erfolgte auf Griechisch, die Cicerobriefe wurden um den zweiten und dritten Teil fortgesetzt und die Komödien des Terenz traten hinzu. Aus der neueren Literatur wurden ungenannte Dichtungen des Johann Murmellius gelesen. 160 Der katechetische Unterricht, der sich durch alle Klassen auf der Basis des lutherischen Katechismus zog, wurde durch den ersten Teil des theologischen Kompendiums des Leonhard Hutter gesteigert. Ebenfalls fanden in der Prima die Anfänge der Arithmetik für eine Stunde in der Woche anhand der Werke des Gemma Frisius Aufnahme in den Unterricht. Die Verordnung von 1613 beinhaltet lediglich den Lehrplan, auf dem die Ausbildung der Schüler erfolgen sollte. Obwohl dieser als städtische Verordnung Vorschriftscharakter hatte, handelte es sich nur um den ersten Entwurf einer Schulordnung. So enthielt sie beispielsweise keine Schulgesetze, die in anderen reformatorischen Schulordnungen einen weiteren obligatorischen Bestandteil ausmachten. Bereits vier Jahre später, 1617, folgte daher eine zweite, deutlich ausführlichere Ordnung, die den Lehrplan aufgriff, durch Schulgesetze und Amtsverpflichtungen erweiterte und somit die erste umfassende und für längere Zeit verbindliche Pfarrschulordnung der Stadt darstellte. Sie trägt den Titel Leges et statuta quae Amplissimus Senatus Reipublicae Erffurtensis in singulis scholis observari jubet et

dem hier latinisierten Volandus handelt es sich um den oben erwähnten Schulmeister von Greußen Johannes Vellandt. 158 Vgl. VULPIUS, KirchenGeseng; DERS., Gesangbuch. Bei Letzterem handelt es sich um eine zweite Auflage des Ersten, die jedoch bedeutend erweitert und verändert wurde. 159 Vgl. DRESSER, Grammaticae graecae Epitome. 160 Möglicherweise waren damit auch seine bereits 1588 in Mokers Schulgutachten genannten Flores Tibulli Propertii Ac Ovidii gemeint.

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mandat et primum quidem quoad Generalia docendi praecepta161 und wurde am 31. Mai 1617 in der nur geringen Auflage von 24 Exemplaren gedruckt.162 Anders als der skizzierte Lehrplan enthält sie keine Zuordnung der Bildungsinhalte auf einzelne Klassenstufen, was andeutet, dass die Verordnung von 1613 in gleicher Form erhalten blieb. Unter den Kategorien „Specialia in pietate“, „In linguis et artibus“ und „Quoad exercitationes styli“ wurden die Inhalte und deren Darbietungsweise lediglich summarisch zusammengefasst. Daran schließen sich in sechs weiteren Abschnitten die Bestimmungen über die Schuldisziplin, die Pflichten und das Verhalten der Lehrer, die Disziplin und die Sitten der Schüler sowie die Einhaltung von Feiertagen an. Die Lehrer wurden zu Pflichtbewusstsein, Einmütigkeit und Gehorsam gegenüber der kirchlichen wie städtischen Obrigkeit angehalten, den Schülern wurde Folgsamkeit, Frömmigkeit, Friedfertigkeit untereinander, entsprechendes Verhalten beim Kirchgang und Konzentration wie Zielstrebigkeit im Unterricht abverlangt. Besonders in den höheren Klassen sei das Latein die einzige Umgangssprache, lediglich der mathematische Unterricht, der vom Kantor erteilt wurde, solle ausdrücklich auf deutscher Sprache erfolgen. Pünktlichkeit und regelmäßige Anwesenheit war für beide Parteien, Lehrer wie Schüler, verbindlich. Die Schuldiener hatten im Ausnahmefall beim Schulmeister und dieser beim Pfarrer Urlaub zu erbitten. Die Nachmittage des Mittwoch und des Samstag waren, wie es nicht unüblich war, „ad remissionem animi“163 unterrichtsfrei. Trotz fachlich gestiegenem Niveau bildeten die Pfarrschulen auch nach dieser Schulordnung weiterhin eine zum Ratsgymnasium hinführende Vorbereitungsstufe. Dieses Verhältnis und die damit einhergehende Verflechtung des städtischen Bildungswesens erhielten durch die städtischen Verordnungen stärkeres Gewicht und konstituierenden Charakter. Das durch den skizzierten Lehrplan und die entsprechenden Schulgesetze repräsentierte Pfarrschulwesen sollte nahtlos in das Ratsgymnasium überführen, auf dem das Niveau in gleicher Weise weiter gesteigert wurde und das schließlich den Übergang zur Universität ermöglichte. Auf diese Weise verschmolz das nun völlig in städtischer Hand liegende Bildungswesen der Stadt von den elementaren Anfängen bis hin zum universitären Studium zu einer Einheit. Deren Ziel wurde in den oben zitierten Worten des Stadtrates deutlich gemacht. Ein Schüler sollte die Möglichkeit haben, den Bildungsweg in Erfurt beginnen und abschließen zu können, ohne dafür die Stadt verlassen zu müssen. Ein letzter Aspekt der Schulreform hängt damit eng zusammen. Jeder Schüler solle seinen Bildungsweg, so wurde im obigen Zitat betont, innerhalb der Erfurter Mauern beschreiten können, doch sollte sich jedes Kind eine solche Ausbildung 161 Abgedruckt bei HELLMANN, Anfänge (1895), S. 12–15. 162 Vgl. ebd., S. 12, Anm. *. 163 Ebd., S. 15.

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auch leisten können. Zu diesem Zweck wurde das Kurrendewesen, das am Ratsgymnasium schon länger eine nicht unbedeutende Rolle gespielt hatte,164 auch an den Pfarrschulen eingeführt und durch den Stadtrat organisiert. Diese Maßnahme nahm am 19. Januar 1617 ihren Anfang, indem der Stadtrat eine erste Kurrendeordnung für die Pfarrschulen erließ.165 Leider kann sie aufgrund des fragmentarischen Charakters des überlieferten Einblattdruckes nicht erschlossen werden. Dieser erste Versuch führte zu Unruhen, die den Stadtrat abermals zum Eingreifen veranlassten. Da es zwischen den einzelnen umherziehenden Gruppen zu Konkurrenzkämpfen und schändlichem Verhalten gekommen war, bestimmte der Stadtrat mittels eines weiteren diesmal jedoch undatierten Drucks, dass alle Gruppen, die keiner Kantorei angehörten, von der Kurrende ausgeschlossen werden sollten und dass auch die offiziellen Gruppen ihren Umgang bis fünf Uhr am Nachmittag beendet haben sollten.166 Zwei weitere gedruckte Anordnungen aus dem Jahr 1624 belegen, dass die Verbote nur wenig Wirkung zeigten und dass verschiedene Gruppen vom Land und aus der Stadt das Kurrendewesen für sich zu missbrauchen suchten.167 Das Kurrendewesen stellt einen spezifischen Bestandteil des Erfurter Schulwesens dar, der in seiner dichten Organisation und seinem institutionellen Charakter auch im thüringischen Vergleich beispiellos ist. Demzufolge fand es in Erfurt auch seinen Niederschlag in einer signifikanten und einzigartigen Quellengattung, die 1617, in der Michaelisschule sogar schon 1616 ihren Anfang nahm: Armenschüler- und Kurrenderechnungen. Für den hier zugrunde liegenden Bearbeitungszeitraum sind derartige Rechnungen für die Schulen der Michaelis- und der Predigergemeinde überliefert. 168 Beide legen bereits in ihren Titeln die Art der Sammlungen und die Einnahmequellen dar. Es handelt sich um Geld, das, so die erste Michaelisrechnung, „auf alle Sontage, Item von hochzeiten vndt begrebnissen, in den Büchsen gesamlet vndt eingenommen worden“169 ist. In ihrem Fall begannen die Sammlungen am 19. Sonntag nach Trinitatis des Jahres 1616, doch bezog man sich bereits zu dieser Zeit auf eine entsprechende städtische Verordnung. Die Rechnung beginnt mit der Aufzählung der Schüler, welche zu dieser Zeit als bedürftig eingestuft worden sind. Zu Beginn der Aktivität waren es zehn Schüler, doch unterlag die Liste bereits im Verlauf der ersten Wochen und Monate einer raschen Fluktuation. Bei den ersten genannten Schülern handelte es 164 Vgl. WEISSENBORN, Hierana (1862), S. 28 f. u. 48 f.; PANNKE, Lehrerbildung (1999), S. 69. 165 Vgl. StA Erfurt, 3/031-1, Band 2, fol. 53r. 166 Vgl. ebd., fol. 38r. 167 Vgl. ebd., fol. 40r u. 41r. 168 Für die Michaelisgemeinde vgl. AEM Erfurt, II D a 45, Nr. 1, unfol., für die Predigergemeinde vgl. KA Predigerkirche Erfurt, AP, Nr. 441. 169 AEM Erfurt, II D a 45, Nr 1, unfol.

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sich um Conradus Gebhardt, Johannes Koppe, Johannes Scheffer, Melchior Arnoldt, die Gebrüder Georg und Johannes Muff, die Gebrüder Nikolaus und Bartholomäus Döpffer, Michael Schröter und Moises Pflechener. Einige der Namen sind mit ergänzenden Kommentaren versehen, so erfährt man beispielsweise, dass Georg Muff ungeduldig und undiszipliniert sei und ‚von der Muse Abschied genommen habe‘ (Musis valedixit). Diese Bemerkung findet in den Austeilungen des gesammelten Geldes unter den Schülern seine Bestätigung. So wurde der Anteil des Georg Muff am 3. April 1617 unter den übrigen Beteiligten verteilt, weil er „darvon gelauffen“ war. Seine Abwesenheit war jedoch nur von kurzer Dauer und scheint wie auch seine fehlende Disziplin keine Konsequenzen nach sich gezogen zu haben, denn bereits am 17. April wurde es „fur gut angesehen […] das dem kleinen Muff ein bahr schue vndt weisse leinene Strumpfe gekaufft wurden“.170 Die Einnahmen brachten nur wenig Geld ein. Selten wurde von den regelmäßigen Sonntagssammlungen die Guldenmarke überschritten, so beispielsweise mit 1 fl 6 gr sowie 1 fl 3 gr bei den ersten beiden Sammlungen überhaupt – am Neujahrssonntag 1617 hingegen mit 1 fl 8 gr 2 d. Auch die Einnahmen von Hochzeiten lagen auf einem ähnlichen Niveau und erreichten im ersten Sammlungsjahr im höchsten Fall 2 fl 15 gr 9 d. Die Einnahmen aus Beerdigungen waren hingegen verschwindend gering und betrugen nur einzelne Pfennige oder Groschen. Die Gesamtsumme aller Einnahmen umfasste im ersten Sammlungsjahr 45 fl 20 gr 10 d. Dem standen die Gesamtausgaben von 23 fl 15 gr 4 d gegenüber. Die Austeilungen unter den Schülern begannen am 19. Dezember 1616, an dem jedoch erst acht der oben genannten Schüler versorgt worden sind. Das Geld wurde in Anwesenheit des Pfarrers, der Schuldiener und eines Kämmerers wöchentlich unter die Schüler verteilt. Die Ausgabenhöhe betrug durchweg 14 gr, sodass jeder Schüler 1 gr 9 d erhielt. Erst ab dem 24. Juli 1617 stieg die Ausgabenhöhe auf 16 gr 6 d, was auf die Erweiterung der Schüler zu der oben genannten Anzahl verweist, jedoch auch eine geringe Minderung der einzelnen Anteile zur Folge hatte. Die folgenden Jahre verdeutlichen, auf welche Weise dieses neue System sich allmählich verfestigte und ausbaute. Steigende Einnahmen lassen eine wachsende Akzeptanz der Stadtbürger vermuten. Bereits im zweiten Sammlungsjahr 1617/18 wuchsen die Einnahmen auf 146 fl 17 gr 12 d an, was eine Erweiterung der Ausgaben durch die Einführung einer Kleider- und Bücherspende ermöglichte. Die Ausgaben steigerten sich auf 62 fl 9 gr. Der Anteil abwesender Schüler wurde nicht mehr auf die übrigen verteilt, sondern zurückbehalten. Am 3. Oktober 1618 erhielt die neue Institution eine erste Stiftung in Höhe von 100 fl durch Wolfgang Junger, deren Zinsen in Höhe von 6 fl erstmals zu Ostern 1619 mit in die Einnahmen flossen. Im darauffolgenden Sammlungsjahr 1619/20 170 Für alle drei Zitate ebd., unfol.

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überschritten die Einnahmen erstmals die Zweihundertguldenmarke um 10 fl 1 gr 1 d. In ähnlicher Weise beginnt auch die Kurrenderechnung der Predigerschule, die am 22. März 1617 sogleich mit einer Finanzspritze von den Altarleuten in Höhe von 42 fl 14 gr 3 ½ d startete. Bereits im ersten Jahr ist ersichtlich, dass die auch hier wöchentlich abgehaltene Kurrende entsprechend der größeren Gemeinde und demzufolge der stärker frequentierten Schule deutlich höhere Einnahmen erzielte. Allein bis zum Ende des Kalenderjahres 1617, mit dem die erste Rechnung, um das Rechnungsjahr dem Kalenderjahr anzupassen, bereits endet, wurde eine Gesamteinnahme in Höhe von 344 fl 19 gr 1 d erreicht. Das Verhältnis zwischen den Einnahmen aus der Kurrende, Hochzeiten und Begräbnissen, aus denen sich auch hier die Einnahmen speisten, gestaltete sich ähnlich wie im vorherigen Beispiel. Von besonderem Interesse ist allerdings, welche Auswirkung das in diesem Jahr begangene Reformationsjubiläum auf die Entwicklung der Einnahmen hatte. Die Woche vom 2. bis zum 8. November, die als „Jubelfest D. Lutheri“171 bezeichnet wird, erbrachte durch gleich zwei wöchentliche, sehr erfolgreiche Sammlungen mit 14 fl 15 gr 2 d einen deutlich höheren Ertrag, der selbst einzelne, durch lukrative Hochzeiten oder Begräbnisse offensichtlich hochstehender Persönlichkeiten veranlasste Ausnahmefälle übertraf.172 Aus diesem Einkommen musste der hohen Frequentierung zufolge eine deutlich größere Anzahl armer Schüler versorgt werden. Die erste Austeilung erfolgte am 25. März 1617 und teilte 6 fl 19 gr 3 d an insgesamt 36 Schüler aus. Demnach übertraf nicht nur die Einnahme, sondern auch die Versorgungshöhe mit knapp über 4 gr pro Schüler die der Michaelisgemeinde deutlich. Die Anzahl der unterhaltenen Schüler unterlag nur wenigen Schwankungen und lag bis zum Ende des Jahres stets zwischen 34 und 38. Den genannten Einnahmen stand am Ende des Kalenderjahres die Gesamtausgabe von 314 fl 5 gr 7 ½ d gegenüber. 30 fl 13 gr 5 ½ d blieben als Vorrat zurück. Auf dieser Grundlage konnte bereits im ersten Sammlungsjahr eine Kleiderspende eingeführt werden, aus der 31 und im folgenden Jahr 49 Schüler versorgt werden konnten. Beide Fälle, die Sammlungen der Michaelis- wie der Predigergemeinde, verdeutlichen, dass das neue Kurrende- und Armenschülerwesen der Stadt Erfolg hatte.

171 KA Predigerkirche Erfurt, AP, Nr. 441, S. 5. 172 Eine solche Hochzeit brachte am 25. November den Spitzenwert von 8 fl 10 gr 9 d ein, wodurch die Wocheneinnahme auf 14 fl 5 gr 8 d anstieg. Das mit Abstand lukrativste Begräbnis erbrachte am 24. Juli 4 fl 9 gr 4 ½ d, die Wocheneinnahmen lagen bei 11 fl 13 gr 6 ½ d. Beide Höchstwerte werden von den Einnahmen anlässlich des Jubelfestes übertroffen.

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7.6. Das Private Schulwesen zur Zeit der Reformation War die oben skizzierte Entwicklung der Erfurter Schreib- und Rechenschulen, wenn sie auch bereits in die Zeit der frühen Reformation fielen, von dieser nicht beeinflusst, änderte sich dies auch im Laufe des 16. Jahrhunderts nur selten. In manchen Fällen wird zwar die Konfessionszugehörigkeit der bekannten Lehrer deutlich, doch nahm kein zweiter so sehr Anteil an den religiösen Ereignissen seiner Zeit wie der bekannteste Vertreter dieser Zunft Valentin Ickelsamer. Er wurde 1518/19 in der hiesigen Universität immatrikuliert und erhielt zwei Jahre später das Baccalaureat. Von hier zog er, von den Reformatoren angezogen, nach Wittenberg, wo er Luther persönlich kennenlernte. Von dessen Schriften zunächst begeistert, nahm er schnell Anstoß an dem Verhalten, das er seinen Widersachern, insbesondere Karlstadt entgegenbrachte. Seine Sympathie neigte diesem zu. Einen ersten Niederschlag fand seine Haltung, als Ickelsamer, der 1525 bereits eine Schreibschule in Rotenburg an der Tauber führte, als erstes literarisches Erzeugnis aus seiner Feder eine Verteidigungsschrift für den hier weilenden Karlstadt verfasste und drucken ließ.173 Darin bezog er deutlich seine Position, die sich nun gegen Luther richtete. Er beschuldigte diesen eines unchristlichen Verhaltens, das mit den Lehren des Evangeliums unvereinbar sei. Zwar äußerte er sich lobend über Melanchthon, doch verdeutlicht ein zeitnaher Brief aus dessen Feder, dass er sich wenig später bei einem weiteren Besuch in Wittenberg auch mit diesem überwarf. Abermals habe Ickelsamer nun auch Melanchthon gegenüber sein Missfallen an den Wittenberger Zuständen ausgedrückt.174 Ickelsamers Sympathie zu Karlstadt brachte ihn nach dem Bauernkrieg in Konflikt mit der Stadt Rotenburg, die er daraufhin verließ. Er wandte sich nach Erfurt, wo er für fünf Jahre eine Schreibschule unterhielt.175 Trotz der durch ihn hervorgerufenen Kontroversen sollte sein Erfurter Aufenthalt eine fruchtbare Zeit für Ickelsamer werden. Hier verfasste er sein erstes Werk als Schreibmeister.176 Es wurde erstmals 1527 durch den Erfurter Drucker Johannes Loersfeld herausgegeben und begründete seinen herausragenden Ruf. Er selbst klagte später in der Vorrede zu seinem 1534 veröffentlichten grammatikalischen Hauptwerk, dass es keine Grammatik der deutschen Sprache gebe, bei der es sich nicht um eine übersetzte Lateingrammatik handelte. Sein Ruf als Begründer der deutschen Grammatik, den er bereits bei seinen Zeitgenossen innehatte, zeugt von 173 Vgl. ICKELSAMER, Clag etlicher brüder. Vgl. zur Biographie Ickelsamers CLEMEN, Valentin Ickelsamer (1927) insbesondere S. 242 f.; EICHLER, Ickelsamer und Fabritius (1995), S. 34 f.; NOLL, Typus (1935), S. 47 f. 174 Vgl. MBW, T 2, Nr. 387. 175 Vgl. CLEMEN, Valentin Ickelsamer (1927), S. 244 f.; EICHLER, Ickelsamer und Fabritius (1995), S. 34. 176 Vgl. ICKELSAMER, Die rechte weis.

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seiner Bedeutung für die deutsche Sprache. Ickelsamer wollte der Muttersprache zu ihrem Wert und ihrer eigentlichen Authentizität verhelfen und stellte diese auf eine Stufe mit den drei heiligen Sprachen Latein, Griechisch und Hebräisch. Er vertrat die Vorstellung, dass jeder Mensch Lesen und Schreiben und vor allem die richtige Form der Grammatik beherrschen sollte. Zu diesem Zweck führte er mit der Lautiermethode eine neue Methode des Lesenlernens in den Schulunterricht ein, nach der die Wörter in ihre Lautsilben zerlegt werden und jedem Buchstabe ein Laut zugeordnet wird.177 In welcher Weise er auf dem Weg seines schulischen Unterrichts seine Vorstellungen vom evangelischen Glauben zu verbreiten versucht hatte, verdeutlicht eine weitere Schrift aus seiner Feder, die er der ersten Auflage seines Erfurter Werkes als Anhang hinzugefügt hatte. Es handelt sich um einen Dialog zweier Kinder, Margarethe und Anna, die sich über das Wort Gottes und das Wesen des Menschen unterhalten.178 Mit ihm versuchte Ickelsamer noch vor Luthers eigenem Katechismus seinen Schülern ein theologisches Verständnis in seinem Sinne zu vermitteln. Durch die Wortführung Annas, zumal eines Mädchens, das ihrer Gesprächspartnerin die Grundzüge der christlichen Lehre anhand der Bibel darlegt, wird Ickelsamers Sympathie mit Karlstadts laienzentrierter Theologie deutlich. Dass der Schreibmeister seinen Unterricht mit einer bewussten religiösen Erziehung zu verbinden suchte, betonte er selbst im Vorwort seines Lesebuches. Ob der Dialog in seinem Unterricht zu diesem Zweck herangezogen wurde, kann jedoch nur vermutet werden.179 Ickelsamer stieß mit seinem Anliegen auf Widerstand in Erfurt. 1530 musste er der Stadt abermals den Rücken kehren. Er begab sich nach Arnstadt. Wie sehr Ickelsamer selbst den Widerwillen Kurfürst Johanns auf sich gezogen hatte, teilte dieser Graf Günther XXXIX. von Schwarzburg-Arnstadt in einem Brief mit, in dem er den Schwarzburger vor Ickelsamer warnte. Dessen schwärmerisches Gedankengut und die dementsprechende Beeinflussung seiner Schüler hatte diesen Schritt veranlasst.180 Zu einem Einschreiten Graf Günthers kam es jedoch nicht, da Ickelsamer abermals fluchtartig die Stadt verließ. Kurzzeitig fand er sich in Straßburg und Augsburg wieder, bevor sich seine Spur verliert.181 Ickelsamer wurde durch die religiösen Verflechtungen sowie letztlich durch seinen frühen Tod an der weitergehenden Entfaltung seiner Tätigkeit gehindert. Dennoch hat er 177 Vgl. CLEMEN, Valentin Ickelsamer (1927), S. 237 f.; WOZILKA, Lesenlernen (2002), S. 201–205. Zu einer detaillierten Analyse der Lautiermethode vgl. ebd., S. 205–213. 178 Abgedruckt in COHRS, Katechismusversuche (1900), S. 138–142. Vgl. auch CLEMEN, Valentin Ickelsamer (1927), S. 240 f. u. 244. 179 Vgl. EICHLER, Ickelsamer und Fabritius (1995), S. 34 f. 180 Vgl. LATh-StA Rudolstadt, Hessesche Collectaneen, 5a Nr. 3, fol. 33r–v. 181 Vgl. EINICKE, Reformationsgeschichte I (1904), S. 416 f.; CLEMEN, Valentin Ickelsamer (1927), S. 245 f.

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aus der heutigen Rückschau für die Entwicklung der deutschen Sprache die gleiche Bedeutung inne, wie Adam Ries für die Mathematik.182 Ein Zeitgenosse Ickelsamers, der aus der schwäbischen Grafschaft von Lupfen stammende Johannes Fabritius, welcher sich auch in Erfurt als Schreibmeister betätigte, ließ 1532 durch Matthes Maler ebenfalls ein Buch zur Erlernung des Lesens und der deutschen Sprache drucken.183 Inhaltlich und wissenschaftlich weit unter dem Niveau Ickelsamers verdeutlicht es, in welcher Abhängigkeit die zeitgenössische Aktivität des Erfurter Schreibschulwesens zu Ickelsamers Werk bereits fünf Jahre nach dessen Veröffentlichung stand. Ergänzt um einige praktische handwerkliche Tipps, wie das korrekte Zuschneiden der Schreibfeder, bedient es sich bei der Methode des Lesenlernens Ickelsamers Vorbildern.184 Über die Person des Fabritius ist nichts bekannt und auch über seine Aktivität zeugt nur sein genanntes Werk. Obwohl es in der Entwicklungsgeschichte der deutschen Sprache heute kaum noch eine Rolle spielen mag und auch sprachlich wie didaktisch nicht überzeugt, wirft es durch einige Passagen ein bezeichnendes und für die Erfurter Verhältnisse nicht unbedeutendes Licht auf die schlechte Situation seines Berufsstandes und das schulische Unwesen halbgebildeter Lehrer. Nicht nur herrsche insbesondere in gegenreformatorischen Kreisen eine bildungsfeindliche Stimmung vor, auch sei das Niveau der Ausbildung vieler Lehrer schlecht.185 In einem Nachwort, das Fabritius an Liebhaber der Kunst richtet, schildert er in wenigen Sätzen, welche Vertreter seines Amtes er als von ihm so bezeichnete Winkel- und Musterschreiber betrachtet: yha, vmb Bachanterey hütet euch, laszet euch nicht Ruwen ein gulden Bey eynem Rechten Meister, der euch das recht Fundament lert, dar yr sonst einem winkel schreiber duppel gelt mustent geben. […] Diese heisz ich winckel- vnnd Muster schreibers, welche vns also hinder rucken versprechen vnd dürffen vns das nit vnder augen sagen, Auch die die leuth bitten, das man die kinder zu yn lasz gan. vor den selben sey ein yeder gewarnt. das werck lobet den Meister! Auch welche brieff an schlahend vnd nit selber geschryeben haben, Solche heysz ich Muster- vnd winckel schreiber.186

Wie Ickelsamer finden sich sowohl Fabritius als auch die von ihm angeklagten Winkelschulmeister nicht in den Erfurter Quellen wieder. Möglicherweise ist es dieser Konkurrenzsituation unter den Schreibmeistern zuzuschreiben, dass Fabritius sich, nach der Selbstdarstellung in seinem Werk zu urteilen, in erster 182 Vgl. CLEMEN, Valentin Ickelsamer (1927), S. 246 f.; EICHLER, Ickelsamer und Fabritius (1995), S. 33 f. 183 Vgl. FABRITIUS, Eyn Nutzlich buchlein. Nachgedruckt in DERS., Büchlein (1895). Zu seiner Person und seinem Werk vgl. ebd. S. IX u. XI. 184 Vgl. FABRITIUS, Büchlein (1895), S. XI u. XX; EICHLER, Ickelsamer und Fabritius (1995), S. 40 f. 185 Vgl. EICHLER, Ickelsamer und Fabritius (1995), S. 41 f. 186 FABRITIUS, Büchlein (1895), S. 43.

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Linie als Rechenmeister sah. Er bildet somit das Verbindungsglied beider Disziplinen und nutzte möglicherweise die dadurch gesteigerte Nachfrage seiner Schule als lukrativere Chance.187 Es hatte jedoch auch das Rechenschulwesen mit einer für viele nicht tragbaren Konkurrenz- und Winkelschulsituation zu kämpfen. Eine bedeutende Rolle für das Erfurter Privatschulwesen nahm in dieser Hinsicht der Rechenmeister Nikolaus Felner ein. Obwohl dieser, wie vermutlich auch Johannes Fabritius, in seiner fachlichen Bedeutung weit hinter Adam Ries zurücksteht, ist er der erste Privatschulmeister, der einen heute noch erhaltenen Niederschlag in den Erfurter Quellen hinterlassen hat. Gleichzeitig stellte sein Wirken eine deutlich stärkere Zäsur für das Erfurter Rechenmeistertum dar. Seiner Intervention an den Stadtrat ist es zu verdanken, dass die Rechenmeister, die über das Erfurter Bürgerrecht verfügten, eine privilegiertere Stellung vor den auswärtigen Schulmeister einnahmen. Felner, der um 1530 aus dem fränkischen Nordheim bei Bad Windisheim nach Erfurt gekommen war, 188 ließ 1535 durch Wolfgang Stürmer sein erstes und einziges bekanntes Rechenbuch drucken.189 Um einen für ihn unwirtschaftlichen Missbrauch mit seinem Werk zu verhindern, wandte er sich bereits zwei Jahre vor der eigentlichen Veröffentlichung mit der Bitte an den Stadtrat, sein Buch durch eine Strafandrohung vor unerlaubtem Nachdruck in Schutz zu nehmen. Seine Bitte verband er mit einer Mahnung an den Stadtrat, sich des Privatschulwesens anzunehmen und gegen einen überhand nehmenden Missbrauch einzuschreiten. In rascher Folge würden Schreib- wie Rechenschulen fragwürdiger Qualität von Auswärtigen gegründet, wodurch den Bürgern der Stadt „Ire nahrung […] offt entzogen wirt“.190 Beide Anliegen fanden Gehör. Der Stadtrat stellte am 5. März 1533 eine Urkunde aus, mit der er Felners Buch vor unerlaubten Nachdrucken schützte. Binnen dreier Jahre durfte das Buch in Erfurt nicht nachgedruckt und außerhalb gedruckte Exemplare nicht in die Stadt eingeführt werden. Verstöße gegen beide Bestimmungen wurden mit Geldstrafen sowie mit dem Entzug sämtlicher eingeführter Fremdexemplare belegt. Hinsichtlich des schulischen Unwesens folgte der Rat Felners Vorschlag und verfügte, hinfort „keynen frembdenn mehr Inn vnser Stadt schule haltenn zulassen“.191 Das Recht, eine Rechen- und auch eine Schreibschule zu halten, wurde somit für 187 Vgl. EICHLER, Ickelsamer und Fabritius (1995), S. 40. 188 Vgl. SCHALLDACH, Nicolaus Felner (2010), S. 36. 189 Vgl. FELNER, Rechenbüchlin. Obwohl Hellmann an der Veröffentlichung des von Felner einige Jahre zuvor angekündigten Buches zweifelte, lässt sich heute ein erhaltenes Exemplar an der Universitätsbibliothek von Michigan nachweisen, vgl. HELLMANN, Anfänge (1895), S. 7. 190 StA Erfurt, 1-1/21 11-1, fol. 7r. Vgl. auch BEYER, Volksschulen (1887), S. 5; HELLMANN, Anfänge (1895), S. 7; DEUBNER, Adam Ries (1959), S. 34. 191 StA Erfurt, 1-1/21 11-1, fol. 7r.

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Besitzer des Erfurter Bürgerrechts reserviert. Welche Auswirkungen diese Bestimmung auf die Entwicklung des Schulwesens hatte, kann aufgrund des oft betonten Quellenmangels kaum nachgewiesen werden, doch wird anhand verschiedener Vertreter der zweiten Hälfte des Jahrhunderts deutlich, dass die städtische Unterstützung ihnen einen gesellschaftlichen Aufstieg und eine gewisse berufliche Stabilität ermöglichte. Selbst Nikolaus Felner versah sein Amt nach dem ausgestellten Privileg wahrscheinlich noch über 30 Jahre. Ein handschriftlicher Besitzvermerk in einem heute noch erhaltenen Buch, das er aus seinem Besitz testamentarisch an den noch zu erwähnenden Rechenmeister Johannes Weber vermachte, nennt den 31. Oktober 1564 als Felners Todestag und vermittelt nebenbei als einzigartiges Zeugnis den Eindruck einer privaten Freundschaft zwischen den Kollegen.192 Verschiedene Rechenmeister lassen sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts nachweisen. Darunter ist insbesondere Georg Eberhardt als herausragendes Beispiel hervorzuheben. Er ist über 25 Jahre in seinem Amt nachweisbar und aus seinem Rechenmeistertum zu einem öffentlichen Notar aufgestiegen. Erstmals tritt er 1568 in Erscheinung, als er zusammen mit seiner Frau dem Kollegium Himmelspforte eine Rente von 2 fl verkaufte.193 Wohnhaft war er in dem Haus Zum Christoffel in der Grafengasse, einer Seitenstraße des südlichen Angerarms, und bezeichnete sich selbstbewusst als Erfurter Bürger, was gleichzeitig seine Berechtigung zur Ausübung seines Amtes beinhaltete. Das Amt des Notars scheint er zu dieser Zeit noch nicht versehen zu haben, erstmals erscheint er 1571 in dieser Position. Insgesamt fünf weitere Urkunden, die ihn als Notar ausweisen, sind im Stadtarchiv Erfurt überliefert, von denen einige mit seinem Siegel versehen sind. Zum letzten Mal wird er 1593 erwähnt. 194 Sieben Jahre später tritt Valentin Eberhardt, bei dem es sich möglicherweise um seinen Sohn handelt, seine Nachfolge als Rechenmeister und Notar an.195 Dass diese Ämterverbindung in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts durchaus verbreitet war, verdeutlicht der aus Steinach stammende Rechenmeister Johannes Weber, der bereits im Jahr 1564 durch den erwähnten Buchbesitzvermerk als Rechenmeister in Erscheinung tritt und 1585 neben seinem Hauptberuf ebenfalls als Notar ausgewiesen wird.196 Anders als bei Georg und Valentin Eberhardt sind aus Webers Feder zwei Rechenbücher überliefert. Das erste ließ er 1583 bei Esaias Mechler in Erfurt drucken. Bereits der Titel offenbart, in wel192 Vgl. SCHALLDACH, Nicolaus Felner (2010), S. 39, mit einer Abbildung des besagten Besitzeintrages aus der Feder von Johannes Weber. 193 Vgl. StA Erfurt, 0-1/7A-110. 194 Vgl. StA Erfurt, 0-1/7A-112 (1571), ebd., 0-1/19-74 (1577), ebd., 0-1/8-218 (1586), ebd., 0-1/8-225 (1592), ebd., 0-1/14-102 (1593). 195 Vgl. StA Erfurt, 0-1/13-252. 196 Vgl. StA Erfurt, 0-1/19-76.

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chem Zusammenhang der Verfasser, der sich ebenfalls ausdrücklich als Erfurter Bürger bezeichnete, seine Aktivität mit seiner Wahlheimat und deren Verhältnissen in Verbindung setzte, indem er sein Buch nach den Erfurter wirtschaftlichen Gegebenheiten ausrichtete.197 Das Buch ging, so wird es anhand des Inhaltes deutlich, aus dem aktiven Schulunterricht hervor. Anders als die Werke seiner genannten Vorgänger beinhaltet es jedoch keine Anleitung zum Rechnen, sondern eine Reihe Tabellen in Form eines Tafelwerkes für verschiedene Waren und Preisstufen sowie deren Umrechnungen untereinander und in auswärtige Einheiten. Dass ein solches Nachschlagewerk den Besuch einer Rechenschule nicht überflüssig macht, betonte Weber ausdrücklich und ermahnte die Menschen gleichzeitig dazu, ihre Kinder auf Rechenschulen zu schicken. 198 Sein zweites Buch kann als praktische Ergänzung jenes Nachschlagewerkes angesehen werden, enthält es doch die Darlegung der Rechenarten in klassischer Tradition. Es wurde noch im selben Jahr durch den Leipziger Drucker Jakob Apel d. Ä. herausgegeben. Bereits der ausgesprochen umfangreiche Untertitel spezifiziert weiterhin, dass in diesem Werk Rechenarten präsentiert werden, die „hiebeuorn nicht gesehen worden“ und „Dermassen vormals weder in Lateinischer noch Deutscher sprach nicht außgegangen“ sind.199 Insbesondere handelt es sich dabei um das Wurzelziehen sowie dessen Umkehrrechenarten, die Ermittlung der Quadrat- und Kubikzahl, und die Falsirrechnung. Obwohl der Stadtrat, wie die Beispiele Nikolaus Felners und seiner Nachfolger deutlich gemacht haben, gewillt war, die rechtmäßigen Schulmeister in ihren Interessen zu schützen, war den Bemühungen gegen die Winkelschulen nur wenig Erfolg beschieden. Die dargelegte Schulreform des Stadtrates im Jahr 1617 war daher mit einem deutlichen Vorgehen gegen unberechtigte schulische Aktivitäten unzureichend gebildeter Personen verbunden. Die oben zitierten Zeilen, mit denen der Stadtrat in diesem Jahr seine Bemühungen zur Organisation des Schulwesens schilderte, sind einer dahin gerichteten Verordnung entnommen, die in der folgenden Weise fortgesetzt wird.200 Obwohl das öffentliche Pfarrschulwesen wie auch das Gymnasium in der dargelegten Weise zum allgemeinen Nutzen organisiert worden seien, gebe es zahlreiche Bürger, vorrangig aus den wohlhabenderen Gesellschaftskreisen, die ihre Kinder lieber zuhause unterrichten ließen oder in private Schulen schickten. Ein Privatlehrer könne, so werden die Beweggründe der damit Angesprochenen wiedergegeben, wenigen Schülern stärkere Aufmerksamkeit widmen, während der Einzelne in der Schülermasse der 197 198 199 200

Vgl. WEBER, Gerechnet Rechenbuechlein. Vgl. HELLMANN, Anfänge (1895), S. 7 f. Für beide Zitate WEBER, Wolgegrundt Rechenbuch, Titel. Vgl. StA Erfurt, 3/031-1, Band 2, fol. 54r. Die folgenden Zitate sind dieser Verordnung entnommen.

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öffentlichen Schule unterzugehen drohe. Darüber hinaus hätten die Reichen die Befürchtung, ihr Kind „werde vnrein / wenn es mit Armen vmbgehe / oder bey denselben sitze“. Dem müsse widersprochen werden – die Lehren zahlreicher Gelehrter seien dagegen anzuführen. Auch ein schlechtes Vorbild mangelnder Disziplin sei „in wol angeordneten Schulen mit nichten zu besorgen“. Verschiedene weitere Argumente gegen einen privaten Unterricht werden angeführt, wie die drohende Langeweile beim Schüler und Lehrer, wenn diese sich täglich nur mit einzelnen Kindern bzw. Mitschülern zu umgeben hätten. Selbst den Strafen an öffentlichen Schulen könne man entgehen, indem man seine Kinder zuhause zum Lernen des Unterrichtsstoffes anhalte. Aus diesen Gründen wurden die angesprochenen Bürger gedrängt, die Winkelschulen zu verlassen und ihre Kinder stattdessen „in die offentliche Pfarrschulen / darein jeder gehörig ist“, zu schicken und sie dort so lange lernen zu lassen, „biß sie in den ordentlichen examinibus also tüchtig befunden werden / daß sie ins Gymnasium Augustinianum / vnd von dannen ferner in die Collegia Universitatis“ kommen könnten. Auf diese Weise könne auch der Schaden von der Kirche abgewendet werden, der durch die vielen Bewerber drohte, die sich für ein Kirchen- oder Schulamt bewerben, obwohl sie die Sprachen und Künste nicht beherrschten, obwohl diese doch in der Stadt selbst zu lernen seien. Um der Forderung Nachdruck zu verleihen, werde hinfort keine Bewerbung um ein öffentliches Amt in der Stadt wie auf dem Land mehr angenommen, wenn sie nicht mit einem Zeugnis einer öffentlichen Schule verbunden sei. Ausdrücklich von diesem Verbot ausgenommen, waren jene Privatlehrer, welche die Kinder zur Vertiefung ihre Lektionen des Gymnasiums unterrichteten. Besonders der letzte Aspekt, die Wiederholung des gymnasialen Lernstoffes durch die Unterstützung privater Lehrer, fand sich im 16. Jahrhundert vermehrt unter den Verordnungen der Schuldiener des Ratsgymnasiums. Der Besuch des Ratsgymnasiums untersage allein schon die Hinzuziehung weiterer schulischer Angebote, die einen anderen Zweck als die Vertiefung verfolgte.201 Während sich die Abneigung der Schuldiener jedoch auch auf die von städtischer Seite privilegierten Privatschulen bezogen haben wird, bleibt die Frage der Position des außerkirchlichen Privatschulwesens in der Entwicklung um 1617 offen. Der Stadtrat machte zwar deutlich, dass es ihm um unzureichend gebildete Privatlehrer gehe, die sich einzelnen Kindern wohlhabender Familien widmeten. Es bleibt jedoch die Frage bestehen, welche Akzeptanz ein geordnetes Privates Schulwesen nach 1617 beim Stadtrat hatte und welche Konsequenzen die städtische Schulreform für die bislang anerkannten Schreib- und Rechenmeister nach sich zog.

201 Vgl. WEISSENBORN, Hierana (1862), S. 47; THIELE, Gründung (1896), S. 29.

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7.7. Das Schulwesen im Erfurter Landgebiet Erfurt verfügte im 15. und 16. Jahrhundert über ein ausgedehntes Landgebiet, zu dem neben etlichen Dörfern auch die kleine nördlich von Erfurt gelegene Stadt Sömmerda gehörte. Das vorreformatorische Schulwesen dieser Gebiete ist, aufgrund der Quellenlage kaum nachweisbar. Lediglich eine sichere Erwähnung findet sich in den bekannten und viel zitierten Worten des Chronisten Konrad Stolle, der aus seiner Jugend berichtet, er sei in dem Dorf Niederzimmern „by einem kerchenere in dy schule“202 gegangen. Diese Nachricht ist durch den von Stolle selbst hergestellten Zusammenhang mit dem sächsischen Bruderkrieg in die Jahre zwischen 1446 und 1451 einzuordnen. 203 Sie sollte jedoch, zumal es sich bei Niederzimmern um ein Dorf mit starker kirchlicher Präsenz durch zwei Pfarrkirchen handelte, nicht verallgemeinert werden. Vermehrt tritt das Schulwesen erst ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Erscheinung, doch findet sich auch hier nur selten mehr als einzelne Namen der Schuldiener. Während der Erfurter Stadtrat die kirchliche und besonders die schulische Entwicklung in der Stadt gewähren ließ, wird ein Eingreifen auf dem Land deutlicher. Der Stadtrat wurde oftmals zur Vermittlung in Streitfällen herangezogen und diente in seiner Funktion der politischen Obrigkeit als Appellationsinstanz. In einigen Fällen wird deutlich, dass sich der Erfurter Stadtrat, anders als bei den städtischen Pfarrschulen, in der Patronatsgewalt der Dorfschulen sah oder sich zumindest ein Bestätigungsrecht der Gemeindewahl offenhielt. Im Jahr 1557, in dem in der Stadt die erste nicht mehr erhaltene Pfarrschulordnung erlassen wurde, fand eine Visitation der Erfurter Dörfer statt. Laut dem Bericht des Chronisten Hogel seien auf dem Landgebiet theologische Streitigkeiten in Folge des Augsburger Interims aufgetreten, die zu einer unhaltbaren kirchlichen Zerrüttung geführt hätten.204 Um diese zu beheben, veranlasste der Stadtrat durch die städtischen Geistlichen eine Visitation nach ernestinischem Vorbild. Sie erfolgte zwar ohne Beteiligung, dafür aber mit Unterstützung der Stadt.205 Durch eine Abschrift des 17. Jahrhunderts sind die Visitationsinstruktion vom 22. Januar 1557 und der dabei genutzte Fragenkatalog überliefert. Beides ist unter dem Titel „Form vnd maß Erffurdischer Visitation vnd Beschluß vom

202 STOLLE, Memoriale, S. 238. Da Stolle an späterer Stelle bereits für das Jahr 1447 von seinem Schulbesuch in Langensalza berichtet, wird die Episode aus Niederzimmern eher früher als später zu datieren sein, vgl. ebd. S. 249. 203 Vgl. HERRMANN, Kirchengeschichte I (1937), S. 294 f.; BÜNZ, Bildungslandschaft (2004), S. 65. 204 Vgl. StA Erfurt, 5/100-31, fol. 1082 f. 205 Vgl. MARTENS, Formula Visitationis (1897), S. 6; ALBERTI, Landgebiet (1909), S. 50 f.; BRÜCK, Mägdleinschulmeisterinnen (2006), S. 112.

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Beruff der Prediger“ 206 zusammengefasst. Demnach seien sämtliche Kirchen- und Schuldiener wie auch die Heimbürgen des Landgebietes zur Befragung vor das Evangelische Ministerium berufen worden. Der Fragenkatalog offenbart jedoch, dass das Augenmerk auf den theologischen Aspekten des Kirchenwesens lag und das Schulwesen keine inhaltliche oder organisatorische Erschließung erfuhr. Vier Fragen wurden den Schuldienern vorgelegt, die deren Lehrauffassung und die Art ihrer Amtsführung betrafen – ob sie an das Evangelium glaubten und dessen Lehren gemäß lebten, ob sie dem Pfarrer gegenüber gehorsam seien und ihr Amt in der Schule wie der Kirche fleißig und treulich versahen, ob sie in Abwesenheit des Pfarrers die Katechismuslehre übernahmen und ob sie sich fleißig der Unterrichtung der Jugend widmeten. Unter den Fragen für die Heimbürgen ist lediglich jene von Interesse, ob sie ihre eigenen Kinder zur Schule schicken würden.207 Weitere Informationen über diese Instruktion hinaus, wie über einzelne Ergebnisse der Befragungen sind nicht überliefert. Nur aus den Fragen selbst und der darin enthaltenen Verbindung des Schul- und des Kirchendienstes geht hervor, dass im Schulwesen des Landgebietes nach wie vor die Kirchnerschule die Verhältnisse dominierte.208 Dies änderte sich nach 1557 mancherorts scheinbar sehr rasch und auch eine Ausdifferenzierung der schulischen Ämter fand bereits in den 1560er Jahren statt. Bei dem ersten bekannten, wenn auch nicht namentlich erwähnten, so doch hauptamtlich angestellten Schuldiener handelt es sich nicht um einen Schulmeister, sondern einen Kantor, der in Walschleben wirkte und sich im Jahr 1566 für ein Schulamt in Sömmerda bewarb.209 Erst zwei Jahre später tritt der erste namentlich bekannte Schulmeister auf. Es ist der 1568 verstorbene Johann Heinrich, der jedoch keinem Ort zugewiesen werden kann. Anlässlich seines Todes wandte sich sein Bruder und Erbe Peter an den Erfurter Stadtrat. Ihm sei das gesamte Gut, „So ehr [Johann] ann cleidern, buchern, oder anderem fharnus nach sich verlassen“,210 vermacht worden, doch war es dem Verbliebenen nicht möglich, das Erbe persönlich in Empfang zu nehmen. Aus diesem Grund bat er den Erfurter Stadtrat seinen Vertrauten Georg Merkel von Bockelsberg zu dem Empfang der Erbgüter zu bevollmächtigen. Weitere Information, wie der Bestand an Büchern, werden nicht vermittelt. Wie in diesem Fall verdeutlicht auch die Auseinandersetzung um Jochen Bergmann den Einfluss des Stadtrates. Bergmann hatte 1577 offenbar ohne dessen Einwilligung eine Schule in Kerspleben eingerichtet und 206 Vgl. StA Erfurt, 2/210-4, fol. 200r–202r, Zitat fol. 200r. Eine lateinische inhaltsgleiche Fassung befindet sich bei AEM Erfurt, A VII a, Nr. 3, abgedruckt bei MARTENS, Formula Visitationis (1897), S. 4 f. 207 Vgl. StA Erfurt, 2/210-4, fol. 201r. 208 Vgl. ALBERTI, Landgebiet (1909), S. 17. 209 Vgl. StA Erfurt, 1-1/22 4-94, fol. 19v. 210 StA Etfurt, 1-1/21 11- 2, fol. 125r.

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wurde dafür vom Rat zur Verantwortung gezogen.211 In die Zeit um 1580 fiel auch die nicht näher datierbare Amtszeit des Kantors von Stotternheim Daniel Kune, der von dort als Schulmeister im ernestinischen Ulla eingesetzt wurde. Hier wurde er 1585 sechsundzwanzigjährig von der Visitation erfasst.212 Sehr bezeichnend und aussagekräftig ist schließlich eine Auseinandersetzung, die von August bis Oktober 1585 in Ilversgehoven zwischen der Gemeinde, dem Pfarrer Lorenz Schmidt, latinisiert auch Faber genannt, und dem Schulmeister Günther Fleischmann stattgefunden hatte und in welcher der Erfurter Rat als gerichtliche Instanz herangezogen worden ist. Er strengte durch die Klagen veranlasst ein regelrechtes Untersuchungsverfahren an, das über die Briefe der Betroffenen und einzelne Verhörprotokolle überliefert ist.213 Demnach habe der Schulmeister Günther Fleischmann bereits ein halbes Jahr nach seinem Dienstantritt sein Amt aufgrund eines nicht tragbaren Verhältnisses zum Pfarrer wieder aufgekündigt. Letzterer, der auch mit Fleischmanns Vorgänger Konflikte auszutragen hatte, habe versucht, so beschrieb es Fleischmann am 11. Oktober, ihn sich für die eigenen Zwecke zu „vndter werfenn“. Wohin er auch gehe, wolle er den Schulmeister zur Gefolgschaft verpflichten. Erst kürzlich sei es fast dahin gekommen, dass sie zu zweit auf eine Hochzeit gegangen wären, während eine zweite zur gleichen Zeit unversorgt geblieben wäre. Da der Schulmeister sich für eine Aufteilung einsetzte, habe der Pfarrer am selben Abend die hochschwangere Frau des Schulmeisters aufgesucht und diesen des schlechten Umgangs angeklagt. Statt mit dem Pfarrer die Hochzeit zu besuchen, sei er zu „Losen leutten“ gegangen. Als des Schulmeisters Frau dem Pfarrer den Einlass verwehrte, habe dieser gedroht, sich gewaltsam Zugang zum Haus zu verschaffen. Durch den Schreck seiner Frau fürchte der Schulmeister nun um die Gesundheit des Ungeborenen. Ähnliche Beschwerden hatte die Gemeinde von Ilversgehofen über Lorenz Schmidt bereits im August eingelegt, auf die der Pfarrer seinerseits am 16. August ein Verteidigungsschreiben eingereicht hatte. Darin versuchte er, sich selbst als Opfer darzustellen. Er erhalte keinen Sold, die Kirche, das Pfarrhaus und die Schule verfielen und er selbst werde von der Gemeinde angefeindet. Auf die Kündigung Fleischmanns habe er der Gemeinde das Ultimatum stellen wollen, erst einen neuen Schulmeister zuzulassen, wenn die Gemeinde sich dem schlechten Zustand der kirchlichen und schulischen Gebäude widme. Als Erwiderung sei er von einigen Mitgliedern der Gemeinde mit Stöcken angegriffen worden, wofür der Pfarrer einen Zeugen aufbringen könne. Bei dem Zeugen handelte es sich um Jakob Pfau, den Schulmeister der von Schmidt versehenen Filialgemeinde Marbach, der Fleischmann in seiner Abwesenheit in der Ilvers211 Vgl. MARTENS, Formula Visitationis (1897), S. 18. 212 Vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 66, fol. 51r. 213 Vgl. auch für die folgenden daraus entnommenen Zitate StA Erfurt, 1-1/10C-66, unfol.

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gehovener Kirche vertreten habe. Als dieser durch den Erfurter Stadtrat zum Verhör geladen wurde, bestätigte er die geschilderten Fakten. Das Schulhaus von Ilversgehoven sei „fast bawfellig vnnd wüst“, der Pfarrer habe der Gemeinde das besagte Ultimatum gestellt und sei daraufhin in seinem Beisein tätlich angegriffen worden. Weitere Verhörprotokolle liegen vor, doch berühren sie keine schulischen Belange mehr. Wie der Fall beigelegt wurde und welche Konsequenzen die Angelegenheit nach sich zog, wird nicht deutlich, doch wirft die Auseinandersetzung ein deutliches Licht auf die Schulsituation in den Dörfern Ilversgehoven und Marbach. Das Schulnetz war in den 1580er Jahren so eng gespannt, dass nicht nur Hauptpfarren, sondern auch Filialgemeinden über offenbar hauptamtliche Schulmeister verfügten, die sich gegebenenfalls auch gegenseitig vertraten. Zumindest auf die Besetzung der Schule der Hauptpfarre hatte der Pfarrer einen maßgeblichen Einfluss, doch war es die Pflicht der Gemeinde, Kirche, Pfarrhaus und Schule baulich instand zu halten. Der Schulmeister war, auch wenn dies eine maßgebliche Beschwerde Fleischmanns war, dem Pfarrer unterstellt, unterstützte diesen bei liturgischen Zeremonien wie Hochzeiten und war im Gegenzug, wie es nicht unüblich war, berechtigt, eine Entlohnung dafür vermutlich im Form von Verpflegung bei den Hochzeitsfeierlichkeiten zu empfangen. Zu diesen Informationen kann ergänzend der Brief eines potentiellen Schulmeisters von Frienstedt, Erasmus Rothmaler aus Ilfeld, hinzugezogen werden, der als einzigartiges Zeugnis verdeutlicht, welchen gelehrten Anspruch der Bewerber auf ein Dorfschulmeisteramt an sich selbst stellte.214 Rothmaler, zu dieser Zeit noch Student an der hiesigen Universität, wandte sich am 20. März 1589 hilfesuchend an M. Levinus Heinnemann und bat diesen, sich für sein Anliegen – die Bewerbung um die besagte Schulstelle – einzusetzen. Johannes Berichius, Prediger in der Erfurter Predigergemeinde, habe sich bereits beim Stadtrat für ihn verbürgt und ihm empfohlen, sich an Heinnemann zu wenden. In seinem ambitionierten Schreiben stellte er sich selbst, wie es bereits bei den Bewerbern um die Altenburger Schulämter dargestellt worden ist, als gelehrter Humanist dar. Sein Brief ist in anspruchsvollem Latein verfasst und darüber hinaus mit griechischen Passagen durchsetzt. Er folgte zudem wie auch die vorgestellten Altenburger Beispiele der humanistischen Praxis, die Worte klassisch-antiker Autoren in seine eigenen Ausführungen einfließen zu lassen. Rothmaler bediente sich der Worte des spätantiken Dichters Claudian, um seinen Gönner Johannes Berichius zu würdigen.215 214 Vgl. AEM Erfurt, A IX b, Nr. 38, unfol. 215 „quem nobis trepidae ceu sidus dulce carinae ostendere Dii (ut poetis uerbis utar)“ (dt.: Diesen gaben uns die Götter, gleich dem ruhelosen Schiff die lieblichen Gestirne [um mich der Worte des Dichters zu bedienen]), vgl. Claudian, In Rufinum I, 275 f.

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Es ist fraglich, ob das dörfliche Schulwesen bereits in einer so humanistischen Blüte stand, dass die in diesem Brief präsentierte Gelehrsamkeit tatsächlich ihre Anwendung im Unterricht fand. Darüber liegen im Bearbeitungszeitraum keine Informationen vor. Nur wenige Namen sind darüber hinaus überliefert, von denen hier drei weitere exemplarisch angeführt werden sollen. 1570 versah Theophilus Hoerberg die Schule von Tonndorf.216 Während er als Zeuge bei einem Zinsgeschäft fungierte, erscheinen zwei weitere – Franziscus Westhausen, 1583 Schulmeister von Großballhausen217 und Kilian Reinhardt, 1590 von Gispersleben Viti 218 – in der Rolle der Zinspflichtigen gegenüber der Predigergemeinde und dem Stadtrat.

7.8. Das Schulwesen der Stadt Sömmerda und die hiesigen Auswirkungen der Erfurter Schulreform Die Kleinstadt Sömmerda, 219 seit 1356 unter schwarzburgischer Herrschaft, wurde, ermöglicht durch finanzielle Probleme der Schwarzburger, 1418 durch den Erfurter Stadtrat zusammen mit Schallenburg für 2750 Mark Silber aufgekauft. Für Erfurt war die bereits unter den Schwarzburgern zur Stadt bzw. zum Flecken angewachsene Ortschaft von Bedeutung, weil sich mit ihr ein befestigter Unstrutübergang im direkten Einflussgebiet Erfurts befand. Der deutliche Einfluss, den Erfurt auf die Entwicklung der Stadt nahm, schlug sich sogleich in einer Manifestierung der Rechtsstellung der Stadt nieder, durch welche die vorherige Entwicklung abgeschlossen und festgeschrieben wurde. Im Jahr 1420 wird Sömmerda erstmals als Stadt (opidum) bezeichnet, 1433 ist erstmals ein Stadtrat nachweisbar und auch ein starker wirtschaftlicher Aufschwung macht sich anhand der Bevölkerungsentwicklung bemerkbar. Umfasste Sömmerda um 1420 noch etwa 800 bis 1000 Einwohner, verdoppelte sich die Einwohnerzahl bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts.220 Die Reformation der Stadt wurde durch den Erfurter Stadtrat teilweise mitgetragen. Im April 1524 durchzog eine Ratskommission das Erfurter Landgebiet und inventarisierte die Kirchengüter unter anderem der Stadt Sömmerda. Bereits in diesem Zusammenhang schlug der Stadtrat, obwohl die Patronatsrechte der 216 217 218 219

Vgl. StA Erfurt, 2/110-8, fol. 9v. Vgl. BA Erfurt, Geistliches Gericht, VI f, Nr. 5, unfol. Vgl. StA Erfurt, 1-1/24d-5, fol. 62r/64v. Für einen regen Austausch und fruchtbare Gespräche über die Geschichte der Stadt Sömmerda gebührt Herrn Dr. Frank Boblenz herzlicher Dank. 220 Vgl. zur Stadtwerdung Sömmerdas insbesondere BOBLENZ, Entwicklung (1993). Vgl. auch DERS., Sömmerda (1993), S. 73–77; FISCHER, Landgebiet (1996), S. 37; SÖMMERDA (2001), S. 15–25.

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betreffenden Kirche dem Abt von Fulda unterstanden,221 die Einsetzung eines verheirateten evangelischen Pfarrers für die vakante Pfarrstelle der Sömmerdaer Hauptpfarrei St. Bonifatii vor. Der Vorschlag wurde nicht umgesetzt.222 Neuer Pfarrer wurde stattdessen der Mainzer Domherr Karl von Miltiz, der im April 1527 Johann Preuß als Pfarrverweser einsetzte. Dessen Amtszeit währte nicht lange, da er bald darauf selbst zum Luthertum konvertierte.223 Sein Nachfolger wurde trotz schwärmerischer Einflüsse durch die Täuferbewegung im Januar 1529 Johann Metze. Als Karl von Miltitz noch im selben Jahr starb, setzte der Abt von Fulda, der hennebergische Graf Johann IV., seinen Bruder Poppo XII. als neuen Inhaber des Pfarrlehens und den Erfurter Predigermönch Wolfgang Erhard als Pfarrverweser ein.224 Erhard blieb über etliche Jahre in seinem Amt, doch verfestigte sich bis zum Ende der 1530er Jahre die lutherische Lehre bei Teilen der Bürgerschaft von Sömmerda, die auch gegen den Widerstand des Stadtrates die evangelischen Gottesdienste im benachbarten Schallenburg besuchten. Erst mit dem neuen Stadtrat, der 1540 an die Regierung der Kleinstadt kam, errang die lutherische Konfession unter den Ratsherren die Oberhand. Einen persönlichen Besuch des hennebergischen Grafen Christoph nutzte der Rat, um die Bestellung eines evangelischen Pfarrers zu erbitten. Der Erfurter Stadtrat wurde zur Vermittlung hinzugezogen und setzte sich im November 1540 bei dem Grafen für Sömmerda ein. Am 27. Dezember 1540 bewilligte Christoph, Nikolaus Engelhardt, den Pfarrer des schwarzburgischen Seebergen, von den Sömmerdaern berufen zu lassen. Das Jahr 1541, in dem Engelhardt sein Sömmerdaer Pfarramt antat, markiert für die Stadt den Durchbruch der Reformation. 225 Eine sogenannte Große Vikarie scheint nach dem Tod des letzten Inhabers zwischen 1536 und 1541 nicht neu besetzt worden zu sein. Ihre Einkünfte flossen 1541 den städtischen Finanzen zu.226 Der letzte katholische Geistliche Nikolaus Strauß, der die St. Annenvikarie versah,227 konvertierte in den 1540er Jahren ebenfalls zur lutherischen Konfession.228 221 Vgl. BOBLENZ, Reformation (2000), S. 184 f.; DERS., Fulda (2010), S. 57. 222 Vgl. WEIß, Bürger (1988), S. 165; BAUER, Theologen (1992), S. 59; BOBLENZ, Sömmerda (1993), S. 76; FISCHER, Landgebiet (1996), S. 39. 223 Martin Bauer identifiziert ihn mit dem oben bereits erwähnten Schulmeister von Eisenach Johannes Preuss. Da dessen Amtszeit jedoch bereits um 1525 angesetzt werden muss, scheint die Identifizierung unwahrscheinlich, vgl. BAUER, Theologen (1992), S. 253. Vgl. auch BOBLENZ, Reformation (2000), S. 186; DERS., Fulda (2010), S. 58 f. 224 Vgl. BOBLENZ, Reformation (2000), S. 187 f.; DERS., Fulda (2010), S. 59. 225 Vgl. BOBLENZ, Reformation (2000), S. 190–194; DERS., Fulda (2010), S. 60 f. 226 Vgl. StA Sömmerda, Bestand A, Nr. 87, fol. 5r–v. 227 Vgl. StA Sömmerda, Bestand A, Nr. 85, fol. 11v. 228 Vgl. VANDERHEYDEN, Kirche (1993), S. 5; BOBLENZ, Reformation (2000), S. 194 f.; DERS., Fulda (2010), S. 61.

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Die Existenz eines Gemeinen Kastens kann nur vermutet werden, da diesbezügliche Quellen nicht vorliegen. Das Einkommen der Vikarien floss zwar der Stadtkasse zu, doch nahm diese keinen Anteil an der Besoldung des Schulmeisters oder anfallenden Baukosten an kirchlichen und schulischen Gebäuden. Letzteres spricht für eine kirchlich getragene Finanzierung des Schulwesens, die möglicherweise in Form eines Gemeinen Kastens organisiert war. Welche Rolle das Schulwesen in der reformatorischen Entwicklung spielte, wird nicht deutlich. Das im Zuge der Inventarisierung des Erfurter Landgebietes angelegte Pfarrlehenbuch enthält darüber keine Hinweise.229 Überhaupt ist die Quellenlage zur Sömmerdaer Schulentwicklung nur dünn und maßgeblich durch die hiesigen Stadtrechnungen geprägt, die in den Stadtarchiven von Erfurt und Sömmerda in zwar dichter Folge, jedoch mit teils nicht unbeträchtlichen Lücken überliefert sind.230 Diese Spärlichkeit der Quellenlage wird jedoch durch deren Ausführlichkeit, die in einem erfreulichen Kontrast zum eigentlichen Umfang der kleinen Rechnungen steht, kompensiert. Dass die Stadt über eine vorreformatorische Schule verfügt hat, kann anhand der frühesten überlieferten Stadtrechnung von 1533/34 belegt werden. Sie informiert darüber, dass die Schule zu einem unbekannten Zeitpunkt aus ihrem alten Schulhaus verlegt worden ist. Die alte Schule wurde vermietet und warf einen Jahreszins von 4 fl ab. 231 Ein undatiertes aber vermutlich zeitnahes, in einem Erfurter Ratsregister enthaltenes Einkommensverzeichnis der Stadt Sömmerda ergänzt, dass die Schule an den Schmied Meister Curd vermietet worden ist.232 Das Mietsverhältnis währte jedoch nicht lange und fand nach einer mehrjährigen Überlieferungslücke keinen Niederschlag mehr in den späteren Rechnungen. Die neue Schule wurde in den 1530er Jahren durch einen hauptamtlichen Schulmeister versorgt. 1535 ist von einem alten Schulmeister die Rede, was auf einen jüngst vollzogenen Wechsel des Amtsinhabers verweist.233 Gleichzeitig war sie bereits in einem Maße frequentiert, dass jahresweise ein zweiter Schuldiener für 5 fl hinzugezogen werden musste. Er wurde in dem genannten Einkom229 Vgl. StA Erfurt, 1-0/A 8-3a. 230 Die im Erfurter Stadtarchiv überlieferten Rechnungen sind alle unter einer Signatur vereint, vgl. StA Erfurt, 1-1/22 4-94. Allein die Existenz der hiesigen Exemplare, die der Sömmerdaer Stadtrat seiner durch Erfurt verkörperten landesherrlichen Obrigkeit zur Kontrolle übergab, wirft ein bezeichnendes Licht auf das im 16. Jahrhundert bestehende Abhängigkeitsverhältnis beider Städte. 231 Vgl. StA Sömmerda, Bestand A, Nr. 85, fol. 2r. Das noch in der neueren lokalen Literatur genannte Jahr 1554 als Erstnennung der Schule kann somit revidiert werden, vgl. SÖMMERDA (2001), S. 401. 232 Vgl. StA Erfurt, 2/122-5, fol. 109v. 233 Vgl. StA Sömmerda, Bestand A, Nr. 86, fol. 13v.

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mensverzeichnis noch mit der im Zuge der Reformation allerorten abgelösten Bezeichnung Locat benannt.234 Auf welche Weise der Schulmeister besoldet und unterhalten wurde, muss für das gesamte 16. Jahrhundert und darüber hinaus offenbleiben. Da sich keine diesbezüglichen Ausgaben in den Stadtrechnungen finden lassen, muss die Schulfinanzierung durch die Altarleute oder aus dem bereits vermuteten, aber nicht nachweisbaren Gemeinen Kasten geflossen sein. Eine Ausnahme bildete das sogenannte Schulland, durch das der Schulmeister versorgt und das vom Stadtrat bestellt wurde. Eine Rechnung zum sogenannten ‚Gemeinen Werk‘ des Jahres 1541/42 belegt, dass der Stadtrat zu diesem Zweck zwei Scheffel Gerste und zehn Scheffel Hafer lieferte. 235 Erst als der Vikar Nikolaus Strauß von seinem Amt zurücktrat, wurden die Zinsen seiner Vikarie unter Beibehaltung der daraus abfallenden Almosen dem Diakon und dem Schulmeister zugelegt. Zu welchem Zeitpunkt dies geschah, kann aufgrund der Überlieferungslücke der Stadtrechnungen von 1536 bis 1563 nicht festgelegt werden. Erst die Stadtrechnung von 1563 informiert, dass dem Schulmeister aus den Zinsen in Höhe von 20 fl ein Betrag von 2 a ß 6 gr zukam. Diese Zahlung wird über die folgenden Jahrgänge fortgesetzt, endete jedoch ohne erkennbaren Grund während der Überlieferungslücke zwischen 1568 und 1578. Lediglich die Armenspenden und die Zahlungen an den Diakon wurden beibehalten.236 Darüber hinaus erhielt der Schulmeister alljährlich den städtischen Leikauf. Er bezog dabei nach dem Stadtschreiber den zweithöchsten Betrag – 1533 betrug er 6 gr, bis 1563 wurde er auf 9 gr angehoben, betrug seit 1578 12 gr und zu Beginn des 17. Jahrhunderts 15 gr. Nur nebenbei wird damit neben dem städtischen Schulpatronat auch verdeutlicht, dass das Dienstverhältnis des Schulmeisters wie aller städtischer Angestellter auf ein Jahr befristet war und nach Ablauf der Frist mit vorbehaltenem Kündigungsrecht des Stadtrates verlängert wurde. Erst in der zweiten Jahrhunderthälfte, genauer ab 1563, wird die Überlieferung der Stadtrechnungen mit Ausnahme der eben erwähnten Lücke allmählich dichter und die Informationen reicher. Bereits vor 1563 ist die Schule durch die Anstellung eines dauerhaften zweiten Schuldieners, eines Kantors, erweitert worden. Während der Schulmeister seine Besoldung weiter aus unbekannter Quelle erhielt, wurde der Kantor bis zum Ende des Untersuchungszeitraumes durch den Stadtrat versorgt. Er zahlte dem Schulmeister zur Unterhaltung des Kantors 21 a ß, die bereits in der alljährlichen Formulierung der Stadtrechnungen in 20 fl umgerechnet wurden.237 Trotz dieser städtischen Besoldung verdeutlicht der Ausschluss des Kantors vom städtischen Leikauf, dass er nicht als städtischer 234 235 236 237

Vgl. StA Erfurt, 2/122-5, fol. 110r. Vgl. StA Sömmerda, Bestand A, Nr. 87, fol. 13r/14r. Vgl. StA Erfurt, 1-1/22 4-94, fol. 14r; StA Sömmerda, Bestand A, Nr. 84, fol. 13v. Vgl. StA Erfurt, 1-1/22 4-94, fol. 10r.

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Angestellter betrachtet, sondern vermutlich vom Schulmeister selbst ausgewählt und eingestellt wurde. Der erste namentlich bekannte Schulmeister der Stadt ist 1566 Paul Hiepe.238 Er scheint in diesem Jahr in einen nicht näher erschließbaren Konflikt mit dem Pfarrer gekommen zu sein, zu dessen Beilegung der Stadtrat als Vermittlungsinstanz hinzugezogen werden musste. Durch dessen Intervention wurden Schulmeister und Pfarrer am Sonntag Palmarum, dem 7. April, „ganzlich vertragenn vnd versonet“.239 Im Zusammenhang dieser Auseinandersetzung musste ein städtischer Bote zweimal den Weg nach Erfurt zurücklegen, einmal, um den dortigen Rat über den Konflikt zu informieren und möglicherweise eine Intervention zu organisieren und ein zweites Mal, um von der Niederlegung des Streites zu berichten. Sein Botenlohn betrug insgesamt 15 gr.240 Der Sömmerdaer Rat hielt es für angebracht, die Erfurter Obrigkeit über den Unfrieden zu informieren, doch ist ein Erfurter Eingreifen nicht ersichtlich. Nur fünf Monate später wurde der Erfurter Rat erneut zusammen mit dem Evangelischen Ministerium auf maßgebliche Weise an der innerstädtischen Entwicklung beteiligt, diesmal in Bezug auf die Ordination Paul Hiepes. Der Schulmeister gedachte, in ein Pfarramt einzutreten und ersuchte im September 1566 um die Erlaubnis und die Bestätigung seiner kirchlichen und weltlichen Obrigkeit. Es sei an dieser Stelle an die im Erfurter Zusammenhang angesprochene, 1557 erlassene Ordinationsordnung erinnert, in der die Rolle des Ministeriums als bestätigende oder unterbindende Instanz sowie die Bedeutung des Schuldienstes als Vorbereitung auf das Pfarramt verdeutlicht worden ist. Bereits am 10. September zog Hiepe mit einer Gruppe Abgeordneter aus dem Rat und der Gemeinde St. Peter und Paul nach Erfurt, wo die Verhandlungen um seine Voraussetzungen am 18. September 1566 stattfanden. Sie waren von Erfolg gekrönt.241 Noch im selben Jahr begab sich Paul Hiepe zu seiner Ordination nach Wittenberg und trat das Pfarramt der Sömmerdaer Gemeinde St. Peter und Paul an. Nach den Angaben eines alten Kirchenbucheintrages soll er der dritte evangelische Pfarrer dieser Gemeinde gewesen sein.242 Seiner Ordination scheinen jedoch abermals Auseinandersetzungen nachgefolgt zu sein, die hier nur am Rande erwähnt werden sollen, zumal sie auf der Basis der Stadtrechnungen kaum erhellt werden können. Unbekannte Stimmen waren laut geworden, die sich über die Berufung Hiepes äußerten, „als were die nicht legitime geschehenn“. Am 24. Oktober erstatteten einige Mitglieder des Sömmerdaer Rates darüber in Erfurt Bericht und 238 239 240 241 242

Vgl. ebd., fol. 28v. Ebd., fol. 19v. Vgl. ebd., fol. 24v. Vgl. ebd., fol. 28v/30r. Vgl. VANDERHEYDEN, Kirche (1993), S. 5.

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versicherten, dass der Beschuldigte bereit sei, für sein Recht „mit feder vnnd Munde [zu] fechtenn“.243 Die Anschuldigung scheint für Hiepe keine Konsequenzen gehabt zu habe, denn er versah sein Pfarramt mehrere Jahrzehnte. Noch 1590 wird er in einem Erfurter Kornzinsregister aufgeführt.244 Der Nachfolger Paul Hiepes im Schulmeisteramt ist namentlich nicht bekannt, auch versah er sein Amt nur kurze Zeit. Noch im Jahr 1567 tritt M. Georg Stieder als neuer Schulmeister in Erscheinung.245 Durch seine Person wurde die Schule erstmals von einem Magister versorgt, doch scheint dadurch noch keine dauerhafte akademische Erhöhung der Schule erfolgt zu sein. Stieders erster namentlich bekannter Nachfolger Johann Weideling verfügte nicht mehr über den Magistertitel. Dennoch scheint er in hohen gesellschaftlichen Kreisen verkehrt zu haben. Nicht nur beteiligte sich der Stadtrat 1578 mit ganzen 16 Stübchen Wein an seiner Hochzeit, auch war der Bürgermeister der Stadt Weißensee zu den Hochzeitsfeierlichkeiten am 24. Februar anwesend.246 Obwohl Johann Weideling kein Magister war, verdeutlicht einer seiner Nachfolger, der nur mit seinem Vornamen Conrad genannte ist, dass die Stadt ein akademisches Schulpersonal anstrebte. Ihm, einem Sohn des hiesigen Pfarrers, wurde die Fortsetzung seines Studiums während seines Schuldienstes ermöglicht und gefördert. Im Jahr 1592 promovierte er in Jena zum Magister, was vom Stadtrat durch ein „promotion eßen“ 247 sowie durch ein Ehrengeschenk an den Jenaer Dekan gefeiert worden ist. Am 30. Oktober des darauffolgenden Jahres heiratete Conrad. 248 Obgleich die Rechnungen ihn nicht beim vollen Namen nennen, kann er identifiziert werden, wurde doch im betreffenden Zeitrahmen – genau gesagt im Jahr 1589 – nur ein Conrad aus Sömmerda in Jena immatrikuliert.249 Es handelte sich um Conrad Egenolphus, den Sohn des Pfarrers der Gemeinde St. Bonifatii Adolarius Egenolphus. Als Schulmeister führte er die Schule bis über das Ende des Jahrhunderts hinaus. Im Jahr 1606 wurde er Schulmeister in Jena und 1615 Pfarrer in Jenaprießnitz. Die Frau, die er im Jahr seiner Magisterpromotion geheitratet hatte, war keine Geringere als Dorothea Gerstenberger, die Tochter des Sömmerdaer Notars und Bürgermeisters.250 Der erste und vorerst letzte namentlich bekannte Kantor, Johann Mund, wird erst nach der zehnjährigen Überlieferungslücke aufgeführt. Es ist anzunehmen, 243 244 245 246 247 248 249 250

Für beide Zitate StA Erfurt, 1-1/22 4-94, fol.31v–32r. Vgl. StA Erfurt, 1-1/24d-5, fol. 173r/174r. Vgl. StA Erfurt, 1-1/22 4-94, fol. 28r–v. Vgl. ebd., fol. 24r; StA Sömmerda, Bestand A, Nr. 84, fol. 22r. StA Erfurt, 1-1/22 4-94, fol. 30r. Vgl. ebd., fol. 30v. Vgl. MENTZ, Matrikel (1944), S. 87. Vgl. BAUER, Theologen (1992), S. 134. Das Sömmerdaer Schulamt schließt eine Lücke in seiner bisher bekannten Biographie.

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dass er mit dem langjährigen Diakon Nikolaus Mund verwandt war. Er versah sein Amt, bis er 1580 daraus ausschied.251 Für das gesamte 16. Jahrhundert bleibt er der einzige namentlich erwähnte Inhaber dieses Amtes. Sehr viel mehr Informationen als die aufgeführten Namen und Daten lassen sich aus den Stadtrechnungen nicht erschließen. Hinsichtlich des Einflusses des Erfurter Stadtrates wird jedoch deutlich, dass dieser zwar zu Intervention bei Streitfällen oder zur Bestätigung von Ordinationen hinzugezogen worden ist, sich sonst aber vorerst aus den Geschicken des Sömmerdaer Schulwesens heraushielt. Es ist ungewiss, ob Sömmerda bei der oben erwähnten Visitation von 1557 beteiligt war, doch wurde offenbar kein Einfluss auf die Besetzung der Schulstellen ausgeübt. Die Schule präsentiert sich wie es bei reformatorischen Schulen üblich ist, als städtische Einrichtung in städtischer Hand.252 Wenige weitere Aspekte des reformatorischen Schulwesens lassen sich anhand der Stadtrechnungen nachweisen. So zeichnet sich durch einzelne Geldzahlungen an die Schuldiener eine Gesangstradition ab, die nicht allein für das Kirchenwesen, sondern auch für die städtische Öffentlichkeit von Belang war.253 Dieses öffentliche Singen wurde im Laufe der Zeit ausgebaut, bis 1595 von einer durch die Schüler aufgeführten Komödie die Rede ist.254 Dargeboten wurde das erstmals 1539 veröffentlichte Stück Hecastus des niederländischen Dichters Georgius Macropedius oder eine spätere Bearbeitung davon.255 Bereits in den vorhergehenden Jahren war von aufgeführten Komödien die Rede, doch wurde damals noch kein Zusammenhang zu einer schulischen Praxis hergestellt. Mitunter wurde sogar deutlich, dass es sich um auswärtige Schausteller gehandelt hat. Der direkte zeitliche Anschluss der eigenen Darbietung lässt vermuten, dass sie durch diese Vorbilder inspiriert wurde. Mögliche weitere Aufführungen fanden jedoch keinen Niederschlag in den Rechnungen. Es wird kaum einem Zweifel unterliegen, dass es sich bei der bisher betrachteten Schule um eine Lateinschule handelte. Ein eindeutiger Beleg fehlt zwar, doch war der lateinische Unterricht an den Schulen des 16. Jahrhunderts selbstverständlich. Zumindest die Aufführung des lateinischen Stücks Hecastus 251 Vgl. StA Erfurt, 1-1/22 4-94, fol. 27r. 252 Erst viel später änderten sich diese Verhältnisse. Frank Boblenz erwähnt nur am Rande, dass es 1754 zu einer Auseinandersetzung beider Stadträte um die Neubesetzung der Mädchenschule gekommen sei, vgl. BOBLENZ, Entwicklung (1993), S. 19. Von derartigen Interessen des Erfurter Rates liegen im 16. Jahrhundert noch keine Zeugnisse vor, was auch durch die Intervention des Sömmerdaer Rates, der sich auf sein jahrhundertealtes und bislang unangetastetes Stadtrecht bezog, in dem betreffenden Jahr bestätigt wird. 253 Vgl. beispielsweise den Neujahrsgesang von 1596, StA Erfurt, 1-1/22 4-94, fol. 24r; StA Sömmerda, Bestand A, Nr. 90, fol. 24r. 254 Vgl. StA Erfurt, 1-1/22 4-94, fol. 26r. 255 Vgl. JACOBY, Macropedius (1884), S. 19.

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legt dies nahe. Um daher das Sömmerdaer Bildungswesen zu vervollständigen sei zuletzt erwähnt, dass es neben der Lateinschule auch eine Mädchenschule und möglicherweise selbst eine zweite deutschsprachige Knabenschule gegeben hat. Letztere unterliegt jedoch Zweifeln aufgrund der nur vagen und im Vergleich zur Mädchenschule sehr frühen Erwähnung. Bereits 1568 wird einem „teuzschen schreiber“,256 der wegen seiner schlechten wirtschaftlichen Lage um eine Unterstützung gebeten hatte, ein Almosen von 6 gr gewährt. Kein ergänzender Hinweis belegt seine schulische Aktivität in Sömmerda und keine weitere Erwähnung bestätigt die Existenz einer solchen Schule, sodass es sich bei dem Schreiber auch um einen durchwandernden Fremden gehandelt haben könnte, der vom Stadtrat wie viele andere ein Almosen bekam. Eindeutiger ist die Aktivität einer Mädchenschule nachweisbar. Erstmals erwähnt wird „der Schulfrawen“257 Haus, als diesem 1585 das Geschoss anteilig erlassen wurde. Drei Jahre später findet sich an gleicher Stelle und mit gleichem Anlass der Name Katharina Seurin, sodass vermutet werden kann, dass es sich bei ihr um die Schulmeisterin handelt.258 Endgültig erscheint die „megdlein Schulmeisterin“259 neben dem Knabenschulmeister in einer Rechnung des Gemeinen Werks zum Jahr 1591/92, wird jedoch nicht namentlich genannt. Die Abhängigkeit Sömmerdas von Erfurt wirft die Frage auf, ob und in welcher Weise sich die oben skizzierte Schulreform der 1610er Jahre auf das Sömmerdaer Schulwesen auswirkte. Ist der Erfurter Stadtrat bislang lediglich auf äußere Ambitionen aktiv geworden, kann durch die Stadtrechnungen des 17. Jahrhunderts nachgewiesen werden, dass die vom ihm ausgehende Schulreform tatsächlich auch die Sömmerdaer Schule umfassen sollte. Die Ausweitung der Initiative erfolgte nach Abschluss der Reform in Erfurt. Ende Oktober oder Anfang November 1618 sandte der Erfurter Stadtrat den Befehl an den Sömmerdaer, die Syndici über den Stand des Schulwesens und des Unterrichts zu informieren. Aus Sömmerda wurde daraufhin der Stadtschreiber entsandt, diesen „des Schulmeist[ers] Lectiones“260 zu überantworten. Der Posten der Stadtrechnungen, welcher mit 15 gr die Zehrung des Stadtschreibers in Erfurt beinhaltet, markiert den Beginn einer von Erfurt ausgehenden Kontrolle über das Sömmerdaer Schulwesen. Es kann trotz fehlender weiterer Belege angenommen werden, dass der Einsicht der Lektionen ein Erlass gestaltender Verordnungen nachfolgte. Es sind weder die Lektionen noch eine Reaktion des Rates überliefert, doch deutet sich in den darauffolgenden Jahren ein organisatorischer Ausbau der Sömmer256 257 258 259 260

StA Erfurt, 1-1/22 4-94, fol. 32v. Ebd., fol. 29v. Vgl. auch StA Sömmerda, Bestand A, Nr. 94, fol. 30v. Vgl. StA Sömmerda, Bestand A, Nr. 89, fol. 34v. StA Sömmerda, Bestand A, Nr. 88, fol. 19r. StA Erfurt, 1-1/22 4-94, fol. 33r.

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daer Schule an, der zweifellos auf die Intervention des Erfurter Rates zurückzuführen ist. So fanden im Jahre 1620 die ersten nachweisbaren halbjährlichen Schulprüfungen unter Teilnahme der Geistlichen statt. Am 28. April und am 15. Oktober wurde Wein und Bier gekauft und „den herrn Geistlichenn vnd den Schuldienern Aufs examen […] vorehrt“.261 Zum selben Anlass erhielten die Schüler zeitnah zu beiden Terminen – am 25. April und am 22. Oktober – Geldgeschenke in einer Höhe von jeweils 1 ß 3 gr.262 Die Prüfungen gehörten in den folgenden Jahren zu einem festen Bestandteil des schulischen Jahresablaufes und sind in den überlieferten Rechnungen durch die genannten städtischen Ausgaben nachweisbar. Die Geldgeschenke an die Schüler unterliegen nur geringen Schwankungen und liegen stets bei oder knapp über 1 ß. Eine Schüleranzahl kann jedoch zu keinem Zeitpunkt ermittelt werden. Der Einführung der Examina folgte bald die personelle Erweiterung der Schuldienerschaft. Neben den Kantor Johann Henne, der anlässlich seiner Hochzeit bereits 1618 nachweisbar ist,263 trat zwischen 1620 und 1622 der sogenannte Tertius Collega Scholae. Erster Inhaber des Amtes war Georgius Zendler. Seine Besoldung zahlte wie im Fall des Kantors der Stadtrat, was zunächst mit einer Besoldungskürzung des Kantors verbunden war. 1622 wurde er mit nur noch 16 ß 8 gr und der Tertius mit 15 ß 15 gr besoldet.264 Innerhalb weniger Jahre wurde die Besoldung jedoch erneut auf das gewohnte Niveau gehoben. 1625 versah Zendler inzwischen das Amt des Kantors, während Heinrich Laurentius seine Nachfolge als Tertius angetreten hatte. Beide erhielten eine Besoldung von 21 ß.265 Im selben Jahr ist erstmals nach dem ersten zögerlichen Versuch von 1595 die neuerliche Aufführung einer Komödie durch die Schüler nachweisbar. Der namentlich nicht genannte Schulmeister, der nun die Bezeichnung eines Rektors trug, erhielt 1 ß 4 gr als Ehrengeschenk.266

261 262 263 264 265 266

Ebd., fol. 26r u. 27r. Vgl. ebd., fol. 29v u. 34v. Vgl. ebd., fol. 33v. Vgl. ebd., fol. 10r. Vgl. ebd., fol. 13r. Vgl. ebd., fol. 23v.

ZUSAMMENFASSUNG UND SCHLUSSBETRACHTUNG ZUSAMMENFASSUNG UND SCHLUSSBETRACHTUNG

Die vorliegende Arbeit hatte sich zum Ziel gesetzt, das im 16. Jahrhundert entstehende, aus vielfältigen Entwicklungslinien hervorgehende ‚reformatorische Schulwesen‘ in seinen Anfängen nachzuzeichnen, zu analysieren und mit seinen vorreformatorischen Ursprüngen zu vergleichen und in Beziehung zu setzen. Es konnten dabei – sowohl auf lokaler als auch auf landesherrlicher Ebene – in mancher Hinsicht elementare und grundlegende Wandlungsprozesse und Umwälzungen herausgearbeitet und charakterisiert werden. Sie wurden vor Ort maßgeblich durch die gestalterischen Maßnahmen der Stadträte und der Geistlichen getragen, zwischen denen sich im Laufe der Reformationszeit eine enge – wenn auch nicht ganz konfliktfreie – Kooperation herausbildete. Über dieser lokalen Handlungsebene liefen die Fäden bei den Konsistorien und letztlich bei den Landesherren selbst zusammen. Letztere widmeten sich seit Anbeginn der Reformation dem Schulwesen in ihren Befugnissen des sich entwickelnden landesherrlichen Kirchenregiments. Das maßgebliche und alle Bemühungen bestimmende Ziel der Landesregierung, nach dem die lokalen Handlungsebenen beeinflusst und gelenkt wurde, war die Schaffung einheitlicher organisatorischer, inhaltlicher und damit zielführender Strukturen im Gegensatz zur vorreformatorischen schulischen Vielgestaltigkeit. Das vorreformatorische Schulwesen kann in seiner Diversität nicht auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden. Es wurde durchweg nach den lokalen Bedingungen und den Bedürfnissen sowohl des städtischen Kirchenwesens als auch der städtischen Bevölkerung organisiert. Eine darüber hinausgehende, regionale Orientierung bestand nicht,1 wurde aber offenbar auch nicht für nötig erachtet. Ein maßgebliches Kriterium für die Mannigfaltigkeit des Schulwesens stellt dabei der politische Aspekt der schulischen Trägerschaft dar. Das Schulpatronat – das Recht, den Schulmeister zu wählen, in sein Amt einzusetzen, aber auch wieder zu entheben – gehörte in vielen Städten zu den vom Stadtrat angestrebten Kompetenzen. Während es den Ursprüngen der mittelalterlichen Schulentwicklung entsprechend zuvor in den Händen der Kirche lag, gelang es vielerorts, diese Befugnis zu einem Vorrecht des Stadtrates zu erheben. Obwohl auch noch in der neueren Forschung konstatiert wurde, dass der thüringische Raum – anders als der sächsische – im Spätmittelalter hauptsächlich von Geistlichen Schulen geprägt worden sei,2 kann dies nicht rückhaltlos bestätigt werden. Zwar bestanden wirkmächtige Geistliche Schulen, unter denen insbesondere die 1 2

Vgl. THOMAS, Neuordnung (2005), S. 115. Vgl. FASBENDER, Einleitung (2014), S. 2.

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ZUSAMMENFASSUNG UND SCHLUSSBETRACHTUNG

Erfurter Stiftsschulen als mittelalterliches Kristallisationszentrum des thüringischen Bildungswesens im 14. Jahrhundert die Universitätsgründung vorzeichneten, doch war Thüringen in gleichem Maße wie Sachsen von einer Vielzahl kleiner Städte geprägt. Diese Umstände ermöglichten vielerorts die Übernahme des Schulpatronats aus den Händen der Geistlichen – die Stadt Jena konnte hier als frühestes und herausragendes Beispiel angeführt werden – oder aber, wie es für Saalfeld nachgewiesen werden konnte, die Gründung von Schulen in städtischer Initiative. Obwohl die Zahl der Geistlichen Schulen am Ende des Mittelalters in Thüringen größer war als in Sachsen, überwogen doch die Schulen in städtischer Hand. Mit dem Patronat ging die Pflicht zur wirtschaftlichen Versorgung der Schulen einher. Zahlreich sind in vorreformatorischen Stadtrechnungen beispielsweise Ausgaben zur Instandhaltung der Schulgebäude nachweisbar, doch wirkte sich dies in keiner Stadt auf die wirtschaftliche Situation der Schuldiener aus. Eine vollständige Besoldung auf städtische Kosten lässt sich in keiner Stadt nachweisen. Höchstens trugen die Stadträte, häufiger aber – unabhängig von den Patronatsverhältnissen – die Kirchen einen Anteil an der Versorgung, oft in Form der Kost oder durch Präbendezahlungen. Darüber hinaus bildeten die Einkünfte des Unterrichtsbetriebes die maßgebliche wirtschaftliche Grundlage des Schulwesens. In ihrer Zusammensetzung gestalteten diese sich gleichermaßen vielfältig (Tab. 2 und 3) und wurden mancherorts durch die Stadträte in Schulordnungen festgeschrieben, aber auch begrenzt und in angemessenem Umfang gehalten. Den Kindern sollte der Schulbesuch durch die Vermeidung übermäßiger Kosten ermöglicht werden. Die Möglichkeit des Schulgelderlasses und zahlreiche Stiftungen unterstützte den Schulbesuch bedürftiger Schüler. Der Vorabend der Reformation war durch ein dichtes Netz städtischer Schulen geprägt. Einige konnten dabei auf der Grundlage neuer Quellen – insbesondere Rechnungen – deutlich früher bzw. in einigen Fällen überhaupt zum ersten Mal vor der Reformation nachgewiesen werden – erinnert sei an Lucka,3 Ranis, 4 Tannroda, 5 Triptis 6 oder Ummerstadt. 7 Zwar konnten bislang nicht in allen Städten Schulen unmittelbar fassbar gemacht werden, doch lassen früh3 4 5 6 7

Anhand einer Altenburger Amtsrechnung von 1484/85, vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 288, fol. 85r. Anhand einer dortigen Amtsrechnung von 1446/48, vgl. LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Bb 1960, fol. 13v. Anhand einer Stadtrechnung von Pößneck zum Jahr 1487/88, vgl. StA Pößneck, Stadtrechnung, Mappe 10, Nr. 40, 1487/88, fol. 50v. Anhand einer Stadtrechnung von Neustadt a. d. O. von 1452/53, vgl. LATh-HStA Weimar, Weimarische Ämter und Städte, Nr. 735, fol. 54r. Anhand einer Amtsrechnung von Heldburg von 1509/10, vgl. ThStA Meiningen, Ältere Rechnungen, Abt II, Amtsrechnung Heldburg, 1509/10, unfol.

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reformatorische Visitationsprotokolle in vielen Fällen trotzdem vormalige schulische Traditionen erkennen. Letztlich diente der vorliegenden Arbeit eine Untersuchung der Immatrikulationsfrequenzen als Indikator vorreformatorischer Bildungsverhältnisse auch in kleineren Städten. Unter 28 analysierten Städten konnte nur für eine Stadt – Kaltennordheim, obwohl es sich dabei nicht um die kleinste Stadt handelte – keine Immatrikulation an den drei mitteldeutschen Universitäten nachgewiesen werden. Die anfängliche Reformation riss in das Schulnetz beträchtliche Lücken. Vier Jahre bevor Martin Luther die in der Reformationsforschung oft erwähnte und gepriesene Schrift an die Ratsherren verfasste, erhob er seine Stimme in polemischen Worten gegen die spätmittelalterlichen, insbesondere geistlich geprägten Schulstrukturen. Von etlichen lutherisch gesinnten Geistlichen wurde diese Ablehnung aufgegriffen und – sei es bewusst oder wie im geschilderten Fall Caspar Güttels in wohlmeinenden, doch missverständlichen Worten – unter die Menschen getragen, wo sie im vorreformatorischen Antiklerikalismus einen fruchtbaren Nährboden fanden. Die frühesten greifbaren Anzeichen einer Ablehnung der Schulen fanden sich in Altenburg. Noch im selben Jahr der lutherischen Adelsschrift, 1520, wurde dem Schulmeister der dortigen Bergerschule von zahlreichen Bürgersfamilien die Zahlung des Schulgeldes verweigert. In auffallend übereinstimmender Weise lässt sich vielerorts ein ähnlicher Verfall nachweisen, der mitunter – so wie es die zitierten Worte des Pößnecker Stadtrates drastisch auf den Punkt brachten – den völligen Niedergang des vorreformatorischen Schulwesens bewirkte. Die Stadträte stellten sich dieser Entwicklung – entweder aus eigenem Antrieb oder von den Geistlichen bewogen – entgegen. Die Stadtrechnungen zahlreicher Städte verdeutlichen die Notwendigkeit, ab dem Beginn der 1520er Jahre das entfallende Schulgeld durch eine finanzielle Intervention auszugleichen. Während diese Maßnahmen in den Fällen eines städtischen Schulpatronats die Aufrechterhaltung der Schulen oder deren Wiederaufrichtung nach einer tatsächlichen Unterbrechung des Unterrichtsbetriebs ermöglichten, fanden die Geistlichen Schulen unter dem Einfluss der Reformation ihre Auflösung. Da sie den Eingriffen der Stadträte entzogen waren, wurde in diesen Fällen mancherorts die Möglichkeit genutzt, durch die Neugründung nun städtisch getragener Schulen das entstandene Vakuum zu füllen oder den im Niedergang begriffenen Geistlichen Schulen eine städtische Alternative gegenüberzustellen. Altenburg ist die erste Stadt, die bereits im September 1522 eine solche Schulgründung in Angriff nahm und somit den Anfang einer neuen, evangelisch geprägten Schultradition machte. Die neuere Schulgeschichtsforschung, so ist im einleitenden Kapitel erwähnt worden, ist mitunter bemüht, eine vollständige Neubegründung des Schulwesens zu relativieren. Freilich muss betont werden, dass es sich bei den skizzierten

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Eingriffen um äußere Maßnahmen an der ‚Institution Schule‘, und nicht um strukturelle Veränderungen der inneren Organisation des Schulbetriebs handelte. Mitunter ist selbst eine personelle Kontinuität des Schulwesens über die frühe Reformationszeit hinaus nachweisbar. Dennoch kann der Zäsurcharakter der Reformation angesichts der geschilderten Entwicklung nicht negiert werden. Es ist gerechtfertigt, die 1520er Jahre als Zeit eines Umbruchs und in den Fällen tatsächlicher Schulgründungen – neben Altenburg wäre beispielsweise auf Gotha, Stadtilm und eingeschränkt auch auf Eisenach zu verweisen – als Zeit eines schulischen Neubeginns zu bezeichnen. Strukturelle und organisatorische Veränderungen waren dagegen Ergebnisse einer längerfristigen Entwicklung. Sie unterlagen zum Teil dem Einfluss der landesherrlichen Politik, die sich – angefangen im ernestinischen Kurfürstentum mit dem Regierungswechsel auf Johann den Beständigen 1525 – der Neuordnung des Kirchen- und Schulwesens widmete. Zahlreiche Aussagen der frühen Visitatoren werfen ein bezeichnendes Licht auf die schulische Situation in den Jahren vor 1530, während die ersten Visitationsprotokolle die tatsächlichen Risse im einstigen Schulnetz und die Lückenhaftigkeit der frühen lokalen Maßnahmen verdeutlichen. In acht von 32 visitierten Städten bestanden im Jahr 1528/29 keine Schulen mehr, in weiteren Städten wurde sie nur notdürftig aufrechterhalten. Die Neubegründung musste obrigkeitlich angeordnet, in den meisten Fällen aber wirtschaftlich erst ermöglicht werden. Die Zeit der frühen Visitationen, die in dem für Thüringen maßgeblichen ernestinischen Kurfürstentum in die Jahre 1526 bis 1535 zu legen ist, beförderte die Entwicklung eines reformatorischen Schulwesens maßgeblich. Ein bis anderthalb Jahrzehnte brachten in dieser Hinsicht für das ernestinische Schulwesen in starkem Maße wirtschaftliche, personelle und auch organisatorische Veränderungen mit sich, die in den darauffolgenden Jahren und auch Jahrzehnten ausgebaut, vertieft und erweitert wurden. Eine der ersten Maßnahmen stellt dabei die wirtschaftliche, wenn auch zunächst oft notdürftige Versorgung der Schulen und Schuldiener dar. In der Umwandlung der materiellen Verhältnisse fand die reformatorische Entwicklung des Schulwesen einen ersten signifikanten Ausdruck. Die vielgestaltigen und oftmals sehr kleinteiligen Einkünfte des Schulmeisters wurden durch eine feste jährliche Besoldung in konstanter Höhe ersetzt. Im selben Zuge erfuhr die Versorgung weiterer Schuldiener ihre Loslösung von den Einkünften des Schulmeisters. Musste er seine Gesellen in vorreformatorischer Zeit zumeist aus der eigenen Tasche unterhalten, erhielten nun auch die unteren Schuldiener eine eigenständige Besoldung, die in nicht unerheblichem Maße an der Entstehung des manifestierten Schuldieneramtes beteiligt war. Auf der festgeschriebenen Besoldung baute der personelle Wandel in der Schuldienerschaft auf. Die frühe Reformation war allerorten mit einem Ruf nach gelehrten Schulmeistern und -dienern verbunden, deren Einstellung auf der

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neuen finanziellen Grundlage ermöglicht wurde. Die weiterhin bestehende personelle Verbindung des schulischen mit dem kirchlichen Amt – ein Übergang vom Schul- ins Pfarramt war im 16. Jahrhundert der deutlich überwiegende Fall – führte dabei in Verbindung mit den hohen Ansprüchen an die Gelehrsamkeit der evangelischen Geistlichkeit zu einer vernehmlichen Steigerung des akademischen Elements in den Schulen. Dass es sich dabei nicht um eine beiläufige Entwicklung handelte, sondern auf lokaler Ebene bewusst angestrebt wurde, hatte das Beispiel der Stadt Jena gezeigt. Der dortige Stadtrat hatte den vormaligen Schulmeister ohne akademischen Grad zugunsten eines Magister Artium auf ein niederes Schulamt herabgesetzt. Mit dieser Steigerung des akademischen Elements erfolgte gleichzeitig die Ausdifferenzierung der kirchlichen, schulischen oder städtischen Ämter. Lagen in vor- und frühreformatorischer Zeit mitunter die Ämter eines Kirchners oder auch eines Stadtschreibers in der Hand des Schulmeisters – oder umgekehrt –, wurde seit den 1530er Jahren von den Visitatoren ausdrücklich angeordnet die eigenständige Bestellung der Schulen gefördert. Auch wenn diese Forderung mancherorts bis zum Ende des Jahrhunderts nicht gänzlich umgesetzt werden konnte, trug auch diese Entwicklung zur Stärkung des Amtscharakters der Schuldienerpositionen bei. Damit einher ging die grundsätzliche Steigerung der Schuldienerschaft durch die Hinzuziehung weiterer Lehrer. Die universitäre Ausbildung der Schuldiener, ihre gesteigerte Anzahl und die durch eine ausreichende Besoldung – bestenfalls, doch nicht in jedem Fall – ermöglichte Enthebung von der Notwendigkeit einer eigenen Subsistenzwirtschaft ließen die Aufnahme eines inhaltlich anspruchsvollen Unterrichtsprogramms zu. Das Fundament des Unterrichts wurde 1528 in Melanchthons Schulplan im Unterricht der Visitatoren gelegt, von den Städten aufgegriffen, erweitert und im Laufe des Jahrhunderts mitunter zu einem Unterricht auf Universitätsniveau gesteigert. Obwohl zahlreiche Lehrpläne und weitere Zeugnisse die Ausprägung des reformatorischen Unterrichtswesens vor Augen führen, fällt der Vergleich mit den vorreformatorischen Verhältnissen in dieser Hinsicht schwer, da mit den Quellen aus vorreformatorischer Zeit jede Möglichkeit eines Vergleichs fehlt. Nur wenige Hinweise in den Schulordnungen des 15. Jahrhunderts deuten das spätmittelalterliche Unterrichtsprogramm an, doch genügen diese bereits, den Wandel im Unterrichtswesen zu illustrieren. Bis auf die Grammatik des Aelius Donatus sind die herkömmlichen Materialien des vorreformatorischen Unterrichts in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts aus dem Unterricht verschwunden und selbst der Donat erfuhr eine Neubearbeitung durch reformatorische Schulmänner. Die 1533 von den Torgauer Schuldienern bearbeitete und von Philipp Melanchthon eingeleitete Ausgabe des Donat fand in Thüringen, wie es der Lehrplan der Schule von Weißensee belegt hatte, seine Verbreitung und seinen Gebrauch. Darüber hinaus erfuhr der Schulunterricht durch Melanchthons Einfluss, letztlich aber auch durch eine entsprechende in-

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haltliche Umorientierung der Universitäten eine deutliche humanistische Ausprägung. Neben einer umfangreichen Lektüre klassisch-antiker Literatur fanden zahlreiche Schriften theoretischer, philosophischer, erzieherischer oder dichterischer Art aus der Feder zeitgenössischer humanistischer Autoren Aufnahme in den Unterricht. Wie sehr das Niveau des Unterrichts dabei freilich von den wirtschaftlichen Möglichkeiten einer Stadt abhing, ergab der Vergleich der überlieferten Lehrpläne, der eine mitunter deutliche Abstufung der Unterrichtsinhalte erkennen ließ. Es ist selbstverständlich, dass die Lehre der griechischen oder selbst die hebräischen Sprache einen hohen Entwicklungsstand des Schulwesen voraussetzt, der nicht in jedem Fall erbracht werden konnte, doch fand zumindest die griechische Sprache ihren Eingang in den Unterricht so mancher Kleinstadt. Wie die wirtschaftlichen und personellen Verhältnisse unterlag letztlich die ‚Institution Schule‘ in ihrer baulichen Ausprägung denselben stärkenden und steigernden Einflüssen. Eine thüringenweite Betrachtung dieser Entwicklung hätte den Rahmen der Arbeit gesprengt, doch wurden in Altenburg, Saalfeld und Mühlhausen die entsprechenden Maßnahmen geschildert. Der Niedergang der altkirchlichen Strukturen stand dabei in Verbindung mit einer gewandelten Wahrnehmung des Schulwesens und einer stärkeren Verflechtung mit den gesellschaftlichen, kirchlichen und politischen Strukturen innerhalb der Stadt. Um diesem kirchlichen und schulischen Bewusstsein gerecht zu werden und der Bedeutung des Schulwesens Ausdruck zu verleihen, wurden in vielen Fällen wie eben in Altenburg und Saalfeld einstige Klostergebäude zu einem kirchlichen und schulischen Zentrum der Stadt ausgebaut. Während die Gottesdienste – mitunter durch die Vereinigung mehrerer Pfarreien – in zentrale Klosterkirchen verlegt wurden, dienten die Klostergebäude hinfort als Pfarr- und Schuldienerwohnungen und Schulhaus. Der Fokus war dabei stets auf eine alleinige Schule gerichtet. Das zentralisierte Kirchenwesen einer Stadt sollte – nicht erst mit der Verlegung der Schulen in Klöster oder andere kirchliche Gebäude – durch eine zentrale Schule repräsentiert werden. Vielerorts wurden mehrere Schulen in einer Stadt zu einer alleinigen vereint oder wie in Altenburg durch eine Neugründung ersetzt. In den meisten Fällen boten die neuen Raumbedingungen der Schule neue Möglichkeiten der Entfaltung. Der Unterricht der einzelnen Klassen konnte – was zuvor nicht selbstverständlich war – räumlich voneinander getrennt und weitere Gebäudeteile zu anderen schulischen Zwecken genutzt werden, sei es als Herberge auswärtiger Schüler oder zur Gründung eigenständiger Schulbibliotheken. In den betreffenden Städten erfuhr die geschlossene Bedeutung des Kirchen- und Schulwesens dadurch ihren baulichen Ausdruck, die schulische Entfaltung durch

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die Verlegung ins Kloster oftmals einen Höhepunkt und die Herausbildung eines reformatorischen Schulwesens nicht selten einen vorläufigen Abschluss.8 Kirche, Schule und Stadt fanden so unter dem Einfluss der Reformation zu einer neuen Verbindung. Obwohl es sich schon in vorreformatorischer Zeit bei Kirche und Stadt nicht um streng abgegrenzte Bereiche gehandelt hat, hatte sich anhand des Schulwesens dennoch nicht selten eine gewisse Rivalität zwischen beiden Parteien geäußert. Das Schulpatronat wurde, obwohl es nicht zwangsläufig ungeklärt war, zum Auslöser mehr oder minder heftiger Auseinandersetzungen. Die oben zitierte Formulierung der Schmöllner Urkunde von 1487 illustriert einen Höhepunkt einer solchen Auseinandersetzung, wird sie darin doch wortwörtlich als ‚kriegerische Handlung‘ zum großen Leidwesen der Stadt skizziert. Die reformatorische Theorie sollte dieses Konkurrenzverhältnis durchbrechen. Im Patronat des neuen Schulwesens sollte eine neue administrative Form geschaffen werden, in der die personelle Schulversorgung zum Schnittpunkt der kirchlichen und städtischen Einflusssphären wurde. Seit den frühesten Visitationen wurden sowohl die Stadträte als auch die Pfarrer dazu angehalten, die gegenseitigen Interessen zu berücksichtigen und sich nicht gegen-, sondern miteinander der Pflege des Schulwesens zu widmen. Die fachliche und theologische Autorität des Pfarrers traf auf die politische Exekutive des Stadtrates und bildete im gegenseitigen Einvernehmen die gemeinsame Gestaltung der Schule. Seine praktische Umsetzung erfuhr das Konzept durch die geistliche Schulinspektionspflicht, die aus der weiterhin bestehenden Verbindung von Kirche und Schule resultierte, und das sich parallel dazu herausbildende Schulherrenamt, das ab der Mitte des Jahrhunderts in der Hand städtischer Beamter lag und dem geistlichen Einfluss als Gegengewicht diente. Obwohl das Schulwesen mancherorts schon in vorreformatorischer Zeit vom gemeinsamen Einvernehmen zwischen Rat und Geistlichkeit getragen wurde, war dieses doppelte, korrelierende System zuvor beispiellos und stellt als neue Entwicklung ein signifikantes Charakteristikum des reformatorischen Schulwesens dar. Die lokale städtische und geistliche Administration erfasste dabei nicht nur die lateinischen Knaben-, sondern auch die Mädchenschulen. In dieser Hinsicht ist der Einfluss der Reformation auf das Schulnetz sogar deutlich stärker einzuschätzen als im Falle der Knabenschulen, führte doch die Reformation nach kaum nachweisbaren vorherigen Anfängen zu einer regelrechten Gründungswelle von Mädchenschulen. Die Anfänge waren hier – obgleich der maßgebliche Entwurf eines reformatorischen Mädchenschulwesens im selben Jahr entstand wie der Sächsische Schulplan – deutlich zögerlicher, brachen sich jedoch bis um 8

Einen Sonderfall stellt freilich die Stadt Gotha dar, wo die schulische Entfaltung bereits im ehemaligen Augustinereremitenkloster begann. Auch hier bildete jedoch die endgültige Übertragung der Klostergebäude an den Stadtrat die endgültige Zäsur.

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die Mitte des Jahrhunderts Bahn und wurden im ernestinischen Herzogtum spätestens durch die Neubewidmung von 1555 möglich gemacht. Die Aktivität einer Mädchenschule wurde in der zweiten Jahrhunderthälfte schließlich ebenso vorausgesetzt wie die einer Lateinschule, hing jedoch im selben Maß und mitunter sogar ausschlaggebender von den lokalen wirtschaftlichen Möglichkeiten ab. Lediglich hinsichtlich der Unterrichtsinhalte sollten die Mädchenschulen deutlich unter den Lateinschulen gehalten werden. Dies fand seinen Ausdruck bereits in dem Mädchenschulplan von 1528 und wurde auch im weiteren Verlauf des Jahrhunderts nicht angeglichen. Auf der einen Seite ist diese Abstufung mit dem zeitgenössischen Geschlechterverständnis zu begründen, doch sollte dieses nicht überbewertet werden. Viel eher handelt es sich bei dem Unterrichtsgut der Mädchen um das Mindestmaß schulischer Kenntnisse, das nicht allein für Mädchen, sondern auch für jene Knaben galt, die sich gegen den Lateinschulbesuch entschieden. Das deutschsprachige Schulwesen wurde 1580 in der Kursächsischen Kirchen- und Schulordnung ohne geschlechterspezifische Abstufung einem gemeinsamen Lehrplan unterworfen. Der deutlich geringere Anspruch an jene Kinder resultiert somit in erster Linie nicht aus dem Geschlechterverständnis, sondern aus dem Verständnis vom Nutzen gelehrter Bildung, die jenen vorbehalten wurde, die ein gelehrtes – kirchliches oder weltliches – Amt anstrebten. Dass es sich dabei nicht nur um eine Empfehlung handelte, sondern vor Ort auch durchgesetzt wurde, zeigen sowohl obrigkeitliche Mahnungen als auch lokale Maßnahmen, um die Knaben, die ein solches Amt nicht anstrebten, aus dem Lateinschulunterricht auszuschließen. So drastisch dieser Ausdruck des Bildungsverständnisses aus heutiger Perspektive auch erscheinen mag, wurde im 16. Jahrhundert niemand von einer zumindest elementaren Bildung ausgeschlossen. Im Gegenteil baute die reformatorische Schulorganisation maßgeblich auf den lutherischen Forderungen auf, allen Kindern – bestenfalls ausnahmslos – ausreichende Kenntnisse im Lesen und den klassischen Sprachen zu vermitteln, um die Heilige Schrift lesen und verstehen zu können. Dass das obrigkeitlich vorgesehenen Mindestmaß an schulischen Kenntnissen für die Besucherinnen und Besucher der deutschsprachigen Schulen dabei mitunter auch erweitert wurde, verdeutlichen insbesondere für die Mädchen die oben dargelegten Mädchenschulpläne, anhand derer zum ersten Mal überhaupt ein lateinischsprachiger Unterricht an Mädchenschulen des 16. Jahrhunderts nachgewiesen werden konnte. Eine grundsätzliche Schulpflicht bestand nicht, doch gab es den nachdrücklich geäußerten Wunsch, die Kinder in die Schulen zu schicken. Den Pfarrern und Stadträten wurde die Ermahnung der Bevölkerung in dieser Hinsicht wiederholt zur Pflicht erklärt, während obrigkeitliche Maßnahmen den Eltern die Entscheidung erleichtern sollten. War das Einkommen der vorreformatorischen Schulmeister maßgeblich vom Schulgeld und weiteren Zahlungen der Schüler

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abhängig, ermöglichte die Verordnung einer festen Besoldung die Entlastung der Schüler von zusätzlichen Abgaben. Das Schulgeld wurde vermindert und nicht selten gänzlich abgeschafft. Darüber hinaus wurde ein zu Beginn des 16. Jahrhunderts vielerorts erlassenes Bettelverbot, das den Rückgang des Schulbesuchs zu Beginn der 1520er Jahre verstärkt hatte, nach der eindringlichen Intervention des Jenaer Superintendenten Anton Musa durch eine landesherrliche Verordnung aufgehoben. Um das Bettelunwesen stattdessen in Grenzen zu halten, wurde es auf lokaler Ebene in einem mitunter streng reglementierten Kurrendewesen organisiert, das eine Versorgung bedürftiger Schüler auch unabhängig vom selbstständigen Betteln gewährleisten sollte. Darüber hinaus wurde den Kindern in Form von städtischen und landesherrlichen Stipendien eine Zukunftsperspektive und somit ein Anreiz zum Schul- und anschließenden Universitätsbesuch geboten. Die Maßnahmen zeigten Wirkung. Zahlreiche Stimmen vermeldeten eine allmählich ansteigende Schulfrequenz, die letztlich die vorreformatorischen Verhältnisse überflügelte. Ein genauer Vergleich ist aufgrund fehlender Schülerzahlen aus vorreformatorischer Zeit nicht möglich, doch führte das neue Schulkonzept im Laufe des 16. Jahrhunderts zu einer Steigerung der Alphabetisierung der Bevölkerung. Eine oben detailliert dargelegte Untersuchung anhand mehrerer Städte ergab zwar eine zwischen den Städten stark schwankende Alphabetisierungsrate, doch überschritt sie mancherorts die 50 und 60 % und erreichte in einem Fall selbst 70 %. Freilich sind die Zahlen mit der nötigen Kritik zu betrachten, doch stellt der ermittelte Durchschnitt von etwa 40 % einen realistischen Wert dar, dem die quantitativ nicht zu erfassende Aktivität deutschsprachiger Schulen hinzuzurechnen ist. Selbst wenn der Schulbesuch der Deutschen Schulen deutlich unter dem der Lateinschulen gelegen haben sollte, wird die Alphabetisierungsrate der männlichen Bevölkerung in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts bei mindestens 50 % – die der weiblichen Bevölkerung, gemessen an den wenigen überlieferten Schülerzahlen, etwas darunter – gelegen haben. Die Entwicklung der untersuchten Immatrikulationsfrequenzen entsprach diesem Ergebnis in den meisten Fällen völlig. Bis auf eine Ausnahme erlebte das Universitätsstreben unter dem Einfluss der Reformation eine erhebliche Steigerung mitunter auf ein Vielfaches der vorreformatorischen Verhältnisse. Ein weiterer bedeutender Aspekt klang in diesen Ausführungen bereits mehrfach an – das Verhältnis des lokalen Schulwesens zur landesherrlichen Regierung. Zwar war es bereits in vorreformatorischer Zeit durch vereinzelte Interventionen in Konfliktfällen zu obrigkeitlichen Maßnahmen gekommen, doch wurden diese stets durch den Appell der streitenden Parteien veranlasst. Ein eigenständiges Agieren der Landesherren ist auf dem Gebiet des Schulwesens vor der Reformation nicht nachweisbar. Erst in der Reformationszeit wurde das Schulwesen oberhalb der lokalen Ebene in die neu entstehenden kirchlichen

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Strukturen der jeweiligen Territorien eingebunden. Superintendenten überwachten in den Ephorien die Umsetzung der skizzierten Organisation und Konsistorien stellten als Instrument des Kirchenregiments die Verbindung zum Landesherren her. Einzelne oben dargelegte Briefwechsel zwischen Stadträten und Konsistorien haben die enge Anbindung des lokalen Handlungsspielraumes an die landesherrlichen Strukturen deutlich gemacht. Bildeten die Konsistorien eine zentrale Verwaltungsbehörde der Landesherren, verkörperten die Visitatoren deren Befugnis vor Ort. Sie ermöglichten die praktische Umsetzung des landesherrlichen Kirchen- und anfänglichen Schulregiments, das letztlich maßgeblich an der Etablierung der skizzierten Schulorganisation beteiligt war. Ein Großteil der aufgeführten Gesichtspunkte erfuhr – von vereinzelten lokalen Anfängen oder Versuchen abgesehen – den ausschlaggebenden Anstoß und eine entsprechende Förderung erst unter der landesherrlichen Initiative. So sollte die wirtschaftliche Neufundierung des Schulwesens der reformatorischen Institution des Gemeinen Kastens übertragen werden. In ihm bündelten sich in der Theorie sämtliche finanziellen Mittel der Kirche. Er sollte die Besoldung der Geistlichen wie der Schuldiener tragen und zusätzlich für die Bereitstellung der städtischen Stipendien herhalten. Daneben oblag auch die personelle Entwicklung der Kontrolle der Visitatoren, stießen sie doch nicht allein die Ausdifferenzierung der Schulämter an, sondern unterwarfen die Schuldiener in gleichem Maße wie die Geistlichen einer strengen Kontrolle hinsichtlich ihrer fachlichen, theologischen und persönlichen Tauglichkeit zum Schul- und gegebenenfalls zum späteren Pfarrdienst. Das maßgebliche Handeln der Visitatoren, der Superintendenten, Konsistorien und der Landesherren zielte auf die Herstellung einer landesweiten, über die Stadtgrenzen hinausführenden Einheitlichkeit der schulischen Strukturen.9 Das Streben nach Vereinheitlichung stand von Anbeginn der Reformation im Mittelpunkt der landesherrlichen Maßnahmen und bestimmte über das Ende des Untersuchungszeitraumes hinaus deren Handeln. Nach den frühen Visitationsinstruktionen diente der Unterricht der Visitatoren maßgeblich diesem Zweck.10 Er wurde im Laufe des Jahrhunderts mehrfach ergänzt durch verschiedene Visitationsartikel und landesherrliche Verordnungen, die im albertinischen Kurfürstentum in die große Kirchenordnung von 1580 mündeten. 9 Vgl. auch LINDNER, Schullandschaft (2011), S. 37 f. 10 Siegrid Westphal lenkte erst kürzlich die Betrachtung des Unterrichts der Visitatoren in eine neue Richtung und kommt zu dem Schluss, es handele sich dabei in erster Linie um „eine Ordnung zur Wiederherstellung und Bewahrung des Friedens“. Sie selbst hebt dabei allerdings die Komplexität der Ordnung hervor und gesteht ihr immerhin das „Potential“ zu, „ein landesherrliches Kirchenregiment zu begründen“, vgl. WESTPHAL, Instrument (2017), Zitate S. 150. Seine Funktion für und seine Auswirkung auf das Schulwesen ist hingegen in der Forschung vielfach betont worden und kann nicht negiert werden.

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Die Untersuchung der vielfältigen lokalen Entwicklungen vor Ort hatte jedoch deutlich gemacht, dass die Theorie in der Praxis nicht gänzlich umgesetzt werden konnte. In erster Linie waren es die finanziellen und materiellen Verhältnisse, die der Entfaltung des Schulwesens mitunter enge Grenzen setzten. Nicht nur in Saalfeld klagten die Schuldiener über geringe Besoldung und die Stadträte über den Mangel des Gemeinen Kastens. Nach dem Durchbruch der Reformation mussten Jahrzehnte der Aufrichtung einer stabilen Grundlage des lokalen Schulwesens gewidmet werden, die ohne erhebliche Beiträge der Landesherren nicht zu gewährleisten gewesen wäre. Bis über die Mitte des Jahrhunderts hinaus ist die Korrespondenz der Städte mit den Landesherren von Bittgesuchen um finanzielle Unterstützung geprägt. Obgleich diese Unterstützung in vielen Fällen geleistet wurde, blieb das Konstrukt des Gemeinen Kastens vielerorts Theorie, die Besoldung der Schuldiener in den Händen des Stadtrates bestehen oder in seltenen Fällen sogar in der vorreformatorischen Kleinteiligkeit verhaftet. Große Kontraste weisen dabei insbesondere die unterschiedlichen Landesterritorien und Herrschaften auf. Während der Gemeine Kasten als reformatorisches Prinzip in den wettinischen Territorien noch überwog, erfuhr er in den schwarzburgischen Grafschaften nicht dieselbe Bedeutung. Gleichermaßen stieß die Etablierung neuer administrativer Strukturen auf Widerstand. Zu viele eigene, unterschiedliche und mitunter gegensätzliche Interessen sowie die Vielfalt der lokalen Umstände beeinflussten die Entwicklung. Die Visitationsprotokolle überliefern nicht wenige Klagen der städtischen wie der kirchlichen Parteien über allzu große Eigenmächtigkeiten und die Verweigerung der vorausgesetzten Kooperation. Eine Intervention führte nicht immer zum Erfolg. Dennoch kann der Einfluss der Reformation auf das Schulwesen nicht hoch genug eingeschätzt werden. Es präsentierte sich am Ende des 16. Jahrhunderts in gänzlich anderer Gestalt als ein Jahrhundert zuvor, war doch allein die strukturelle Vielgestaltigkeit grundsätzlich auf einen Nenner gebracht worden, der zumindest in den neuen Verhältnissen deutlich überwog. Obgleich die angestrebte Einheitlichkeit nicht gänzlich erreicht werden konnte, kann dennoch – und das bildet einen der signifikantesten Unterschiede zum vorreformatorischen Schulwesen – ein überregionales Schulkonzept und die Theorie eines einheitlichen Schulwesens konstatiert werden. Nicht alles an diesem Konzept kann auf reformatorische Erneuerungs- und Umwandlungsprozesse zurückgeführt werden, doch unterlagen selbst die Kontinuitätslinien dem reformatorischen Einfluss. Sie wurden – wie das als Beispiel anzuführende Kurrendewesen – dem frühneuzeitlichreformatorischen Ordnungsbedürfnis entsprechend einer grundlegenden Organisation unterworfen. Der Einfluss der Reformation führte somit in allen Aspekte des Schulwesens – der wirtschaftlichen Versorgung, der baulichen Ausgestaltung, der personellen Versorgung, der administrativen Einbindung in städtische, kirchliche und landesherrliche Strukturen, der fachlichen und organisatorischen

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Gestaltung wie der Wirksamkeit und Effektivität des Unterricht – zu einer Professionalisierung, einer Institutionalisierung und im Falle ungebrochener Kontinuitätslinien zu einer Intensivierung der Verhältnisse sowohl auf lokaler als auch auf landesherrlicher Ebene.

ANHANG Diagramme zur Immatrikulationsfrequenz thüringischer Schüler an den Universitäten Erfurt, Leipzig, Wittenberg und Jena Die folgenden Diagramme wurden den Betrachtungen der Kapitel I. 6. und II. 6.8.4. zugrunde gelegt. Sie präsentieren die Immatrikulationsfrequenzen einstiger Schüler ausgewählter Städte in Fünfjahresschritten (Diagr. 3–46) sowie einen Vergleich der Immatrikulationszahlen aller Städte im gesamten Untersuchungszeitraum (Diagr. 1–2). Neben den zentralen Orten der Arbeit (Altenburg, Saalfeld, Mühlhausen und Erfurt) wurde eine Auswahl an ergänzenden Städten getroffen, die durch ihre unterschiedliche politische Zugehörigkeit, Größe und Universitätsnähe ein möglichst repräsentatives Bild vom Immatrikulationsverhalten der Studenten erzeugen. In den meisten Fällen (Diagr. 3–36) wurden einander zwei Diagramme derselben Stadt gegenübergestellt, die jeweils in einem Zeitraum von 120 Jahren die Entwicklung vor und während wie nach der Reformation (1400–1519 bzw. 1480–1599) abbilden. Die dabei entstehende Überschneidung der Zeiträume ermöglicht eine eindrücklichere Visualisierung der unmittelbaren, aber auch der längerfristigen Folgen der Reformation für das Immatrikulationsverhalten. Lediglich in einigen kleineren Städten erschien die Darstellung nur weniger Immatrikulationen vor der Reformation als unnötig. Auch bei ihnen greifen allerdings die alleinigen Diagramme mit dem Zeitraum von 1480–1599 in die unmittelbar vorreformatorische Zeit zurück (Diagr. 37–46). Dargestellt werden die Immatrikulationen in den vier mitteldeutschen Universitäten Erfurt, Leipzig, Wittenberg und Jena. Sie sind für den Untersuchungsraum als die maßgeblichen Universitäten anzusehen, sodass die Darstellungen damit als repräsentativ gelten können. Eine Vervollständigung der Ergebnisse anhand weiterer Universitäten wäre möglich, würde den hier gegebenen Darstellungsrahmen jedoch sprengen. Sie soll späteren Forschungen überlassen werden.

ANHANG

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Diagr. 1: Die Immatrikulationszahlen ausgewählter Städte 1400–1519

ANHANG

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Diagr. 2: Die Immatrikulationszahlen ausgewählter Städte 1520–1599

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ANHANG

Diagr. 3: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Altenburg in Fünfjahresschritten 1400–1519

ANHANG

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Diagr. 4: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Altenburg in Fünfjahresschritten 1480–1599

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ANHANG

Diagr. 5: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Apolda in Fünfjahresschritten 1400–1519

ANHANG

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Diagr. 6: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Apolda in Fünfjahresschritten 1480–1599

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ANHANG

Diagr. 7: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Auma in Fünfjahresschritten 1400–1519

ANHANG

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Diagr. 8: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Auma in Fünfjahresschritten 1480–1599

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ANHANG

Diagr. 9: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Erfurt in Fünfjahresschritten 1400–1519

ANHANG

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Diagr. 10: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Erfurt in Fünfjahresschritten 1480–1599

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ANHANG

Diagr. 11: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Gotha in Fünfjahresschritten 1400–1519

ANHANG

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Diagr. 12: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Gotha in Fünfjahresschritten 1480–1599

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ANHANG

Diagr. 13: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Greußen in Fünfjahresschritten 1400–1519

ANHANG

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Diagr. 14: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Greußen in Fünfjahresschritten 1480–1599

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ANHANG

Diagr. 15: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Jena in Fünfjahresschritten 1400–1519

ANHANG

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Diagr. 16: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Jena in Fünfjahresschritten 1480–1599

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ANHANG

Diagr. 17: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Kahla in Fünfjahresschritten 1400–1519

ANHANG

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Diagr. 18: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Kahla in Fünfjahresschritten 1480–1599

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ANHANG

Diagr. 19: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Mühlhausen in Fünfjahresschritten 1400–1519

ANHANG

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Diagr. 20: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Mühlhausen in Fünfjahresschritten 1480–1599

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ANHANG

Diagr. 21: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Pößneck in Fünfjahresschritten 1400–1519

ANHANG

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Diagr. 22: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Pößneck in Fünfjahresschritten 1480–1599

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ANHANG

Diagr. 23: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Rudolstadt in Fünfjahresschritten 1400–1519

ANHANG

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Diagr. 24: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Rudolstadt in Fünfjahresschritten 1480–1599

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ANHANG

Diagr. 25: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Saalfeld in Fünfjahresschritten 1400–1519

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Diagr. 26: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Saalfeld in Fünfjahresschritten 1480–1599

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ANHANG

Diagr. 27: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Schleiz in Fünfjahresschritten 1400–1519

ANHANG

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Diagr. 28: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Schleiz in Fünfjahresschritten 1480–1599

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ANHANG

Diagr. 29: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Schmölln in Fünfjahresschritten 1400–1519

ANHANG

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Diagr. 30: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Schmölln in Fünfjahresschritten 1480–1599

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ANHANG

Diagr. 31: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Sondershausen in Fünfjahresschritten 1400–1519

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Diagr. 32: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Sondershausen in Fünfjahresschritten 1480–1599

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ANHANG

Diagr. 33: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Themar in Fünfjahresschritten 1400–1519

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Diagr. 34: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Themar in Fünfjahresschritten 1480–1599

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ANHANG

Diagr. 35: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Weimar in Fünfjahresschritten 1400–1519

ANHANG

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Diagr. 36: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Weimar in Fünfjahresschritten 1480–1599

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ANHANG

Diagr. 37: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Bürgel in Fünfjahresschritten 1480–1599

ANHANG

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Diagr. 38: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Buttelstedt in Fünfjahresschritten 1480–1599

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ANHANG

Diagr. 39: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Dornburg in Fünfjahresschritten 1480–1599

ANHANG

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Diagr. 40: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Eisenberg in Fünfjahresschritten 1480–1599

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ANHANG

Diagr. 41: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Heldburg in Fünfjahresschritten 1480–1599

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Diagr. 42: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Kindelbrück in Fünfjahresschritten 1480–1599

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ANHANG

Diagr. 43: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Magdala in Fünfjahresschritten 1480–1599

ANHANG

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Diagr. 44: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Ranis in Fünfjahresschritten 1480–1599

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ANHANG

Diagr. 45: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Ronneburg in Fünfjahresschritten 1480–1599

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Diagr. 46: Die Immatrikulationsfrequenz der Stadt Tannroda in Fünfjahresschritten 1480–1599

VERZEICHNIS UND NACHWEIS DER ABBILDUNGEN UND KARTEN Abb. 1:

Die Aufhebung des Bettelverbotes durch Kurfürst Johann des Beständigen von 1530 (StA Gotha, 0.2/254).......................... S. 261 Abb. 2: Der Lehrplan der Altenburger Lateinschule von 1584 (Prima) (LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4279, fol. 292r) ............ S. 410 Abb. 3: Der Lehrplan der Altenburger Lateinschule von 1584 (Secunda und Tertia) (LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4279, fol. 292v) .................................................................................... S. 411 Abb. 4: Der Lehrplan der Altenburger Lateinschule von 1584 (Quarta und Quinta) (LATh-StA Altenburg, Landesregierung 4279, fol. 293r) ..................................................................................... S. 412 Abb. 5: Das Visitationsprotokoll der Lateinschule von Ronneburg von 1580 mit der Handschrift des Christopher Rivander (LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 62, fol. 258v) ........................ S. 768 Abb. 6: Der Lehrplan der Mädchenschule von Magdala von 1569 (LATh-HStA Weimar, EGA, Reg Ii 55, fol. 89v–90r) .................. S. 844 Abb. 7: Ausgewählte Seite aus dem Schreibübungsheft eines Erfurter Schülers, fol. 1v (StA Erfurt, 1-1/7d- 1, unfol.) ............. S. 868 Abb. 8: Ausgewählte Seite aus dem Schreibübungsheft eines Erfurter Schülers, fol. 2r (StA Erfurt, 1-1/7d- 1, unfol.) ............. S. 869 Abb. 9: Ausgewählte Seite aus dem Schreibübungsheft eines Erfurter Schülers, fol. 2v (StA Erfurt, 1-1/7d- 1, unfol.) ............. S. 870 Abb. 10: Ausgewählte Seite aus dem Schreibübungsheft eines Erfurter Schülers, fol. 3v (StA Erfurt, 1-1/7d- 1, unfol.) ............. S. 871 Abb. 11: Ausgewählte Seite aus dem Schreibübungsheft eines Erfurter Schülers, fol. 4r (StA Erfurt, 1-1/7d- 1, unfol.) ............. S. 872 Karte 1: Karte 2: Karte 3:

Die Zuweisung kurfürstlicher Stipendien auf die Städte des ernestinischen Kurfürstentums 1545 (Entwurf: Andreas Dietmann; Kartografie: Pierre Fütterer) ......................................... S. 275 Die personelle Organisation der Schulen zur Zeit der ernestinischen Visitation 1528/29 (Entwurf: Andreas Dietmann; Kartografie: Pierre Fütterer) ......................................... S. 624 Die personelle Organisation der Schulen zur Zeit der ernestinischen Visitation 1533/34 (Entwurf: Andreas Dietmann; Kartografie: Pierre Fütterer) ......................................... S. 639

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS Abb. Abt. a. d. A. a. d. L. a. d. O. a. d. S. a. M. Anm. Art. b. C. d. Ä. ders. / dies. Diagr. d. J. dt. ebd. EWZ f. fol. ggf. Hg. i. B. ID-Nr. Kap. KZ N. F. Obb. o. J. o. O. o. S. r St. Tab. unfol. v VD16 / VD17 vgl.

Abbildung Abteilung an der Aisch an der Lahn an der Orla an der Saale am Main Anmerkung Artikel bei Coburg der Jüngere derselbe / dieselbe Diagramm der Jüngere deutsch ebenda Einwohnerzahl folgende folio (Blatt) gegebenenfalls Herausgeber im Breisgau Identifikationsnummer Kapitel Kinderzahl Neue Folge Oberbayern ohne Jahr ohne Ort ohne Seite recto Sankt Tabelle unfoliert verso Verzeichnis der im deutschen Sprachraum erschienenen Drucke des 16. und 17. Jahrhunderts vergleiche

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

984 Archivabkürzungen AEM BA BEM GHA FB HStA EGA KA KKrA KrA LASA LATh-HStA LATh-StA ThULB StA StKrA

Archiv des Evangelischen Ministeriums Bistumsarchiv Bibliothek des Evangelischen Ministeriums Gemeinschaftliches Hennebergisches Archiv Forschungsbibliothek Hauptstaatsarchiv Ernestinisches Gesamtarchiv Kirchenarchiv Kirchenkreisarchiv Kreisarchiv Landesarchiv Sachsen-Anhalt Landesarchiv Thüringen – Hauptstaatsarchiv Landesarchiv Thüringen – Staatsarchiv Thüringische Universitäts- und Landesbibliothek Stadtarchiv Stadt- und Kreisarchiv

Literaturabkürzungen MBW EKO UB WA WA BR WA DB

Melanchthons Briefwechsel (vgl. Verzeichnis der edierten Quellen) Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (vgl. Verzeichnis der edierten Quellen) Urkundenbuch Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe (vgl. Verzeichnis der edierten Quellen) Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe, Abt. Briefwechsel (vgl. Verzeichnis der edierten Quellen) Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe, Abt. Die Deutsche Bibel (vgl. Verzeichnis der edierten Quellen)

Währungsabkürzungen aß d fl gnk gr h nß

alte Schock Pfennig Gulden Gnacken Groschen Heller neue Schock

QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS 1.

Archivalische Quellen

ARCHIVALISCHE QUELLEN

Landesarchiv Thüringen – Hauptstaatsarchiv Weimar (LATh – HStA Weimar) EGA, Urkunden Nr. 3904a Kopialbücher A 6; A 14; A 15 Weimarische Ämter und Städte (Restbestände) Nr. 735; Nr. 736; Nr. 747 – Stadtrechnungen von Neustadt a. d. O. (1452–1504) Nr. 992 – Stadtbuch von Triptis (1589–1692) Konsistorialsachen B 2886 – Einkommensverzeichnisse verschiedener Kirchen und Schulen B 3069a – Irrungen über die Besetzung eines Kaplans in Buttelstedt (1462) B 4451a – Berufung eines Schullehrers nach Buttstädt (1586) B 4533 – Veränderung und Bestellung der Schule in Jena (1598) B 4703 – Bestellung der Schulmeister zu Triptis (1574–1760) Eisenacher Konsistorium Nr. 991 – Irrungen über Schulbestellung und Aufrichtung einer Mädchenschule in Berka an der Werra (1597–1701) Rechnungen Nr. 7067; Nr. 7069 – Amtsrechnungen des Amtes Kaltennordheim und Fischberg (1472– 1476, 1500–1508) EGA, Reg B 402 – Verschiedene Mühlhäuser Angelegenheiten EGA, Reg G 325 – Zulage und deren Entzug für den Reglerpfarrer in Erfurt EGA, Reg N 624 – Entsetzung Andreas Bodensteins von Karlstadt von der Pfarrstelle in Orlamünde (1524) EGA, Reg O 63 – Gesuch Spalatins um Zulage für Kirchen- und Schuldiener von Altenburg (1540) 543 – Briefwechsel um die Schule von Schmölln (1527) 544 – Anton Musas Entwurf zur Wiederaufrichtung der Schulen (1529) 545 – Zulagengesuch für die Schule von Ranis (1544)

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QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

548 – Organisation eines Schulinspektorenamtes in Weimar (1548–51) EGA, Reg Bb 281; 288; 293; 295; 297; 300; 302; 304; 332; 336; 350 – Amtsrechnungen des Amtes Altenburg (1445/46–1530) 385 – Amtsrechnung des Amtes Arnshaugk (1486/87) 1102; 1103 – Amtsrechnungen des Amtes Dornburg (1465–68, 1483) 1224 – Amtsrechnung des Amtes Eisenach (1485) 1481 – Amtsrechnung der Ämter Jena, Burgau und Eisenberg (1488) 1491 – Amtsrechnung des Amtes Jena (1522/23) 1501 – Stadt-, Dorf- und Kirchenrechnung der Ämter Jena und Burgau (1555) 1960 – Amtsrechnung des Amtes Ranis (1446–48) 2569 – Amtsrechnung des Amtes Weimar (1498/99) 2935 – Kasten- und Stadtrechnungen verschiedener Städte (1542–51) 2936 – Stadtrechnung von Allstedt (1521) 2937 – Altarleuterechnung der Altstadt von Allstedt (1522/23) 2942; 2943 – Auszüge der Stadtrechnungen von Auma (1550/51, 1552/53) 2974; 2983; 2990 – Stadtrechnungen von Heldburg (1540/41, 1546/47, 1549/50) 2975 – Kastenrechnung von Heldburg (1540/41) 3020; 3022 – Stadtrechnungen von Jena (1535/36, 1536/37) 3021; 3023 – Kastenrechnungen von Jena (1535/36, 1536/37) 3044 – Stadtrechnung von Pößneck (1549/50) 3052 – Stadtrechnung von Stadtroda (1573/74) 3053 – Stadtrechnung von Salzungen (1504/05) 3071; 3088; 3100 – Kastenrechnungen von Ummerstadt (1541/42, 1558/59, 1562/63) EGA, Reg Hh 1789 – Gesuch des Rates von Weida um weitere Unterhaltung aus dem Kloster Cronschwitz (1555) EGA, Reg Ii 1 – Visitationen in Meißen und Voigtland (1528/29) 1a – Visitation im Ortsland Franken (1528) 2 – Visitation in Voigtsberg, Weida, Plauen und Ronneburg (1529 [1533]) 3 – Visitation im Saalekreis (1529) 4.1 – Visitation im thüringischen Kreis (1533–1536) 4.2 – Visitation im thüringischen Kreis (1533–1536) 6 – Schriften der Visitation im Amt Altenburg (1533) 7 – Visitation im Vogtland und Obermeißen (1533–1536) 9 – Visitation in Gera, Schleiz und Greiz; Visitation in Ronneburg (1533–1534) 12 – Visitation in Lobenstein (1543) 23-26 – Visitation im ernestinischen Herzogtum (1554/55) 29 – Visitation in Römhild und Lichtenberg (1556) 33 – Notizen und Ergänzungen zur Visitation in Römhild (1556) 42.1 – Visitation der Ämter Jena und Burgau (1569) 42.2 – Kirchen- und Schulvisitation der Ämter Dornburg, Camburg, Eisenberg und Bürgel (1569) 44 – Visitation des Amtes Rossla (1569/70)

ARCHIVALISCHE QUELLEN

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45 – Visitation in Allstedt (1533, 1569/70) 51 – Visitation des Amtes Weida (1556–1617) 54 – Visitation der Ämter Eisenberg und Bürgel (1569) 55 – Visitation verschiedener Orte (1569–1572) 56 – Registrande über die Visitationshändel etlicher Superintendenturen (1573–1574) 57 – Visitation in etlichen Superintendenturen (1573) 58; 61 – Extrakt der Visitation in einigen Superintendenturen (1577, 1578) 62 – Visitation in einigen Superintendenturen (1580) 64; 66; 67 – Visitation in der Superintendentur Weimar und Lokalinspektionssachen (1582–86) 68 – Visitation in etlichen Ämtern (1587–1632) 92 – Einkommensverzeichnisse aus Thüringen (1555) 167 – Bericht des Schossers von Weida über die Verhandlungen mit den Klöstern in Weida, Cronschwitz und Mildenfurt (1526) 171 – Stadtrat von Rodach bittet um Überlassung einer verledigten Vikarie zugunsten der Pfarre und Schule (1526) 175 – Bericht des Schossers zu Weida über die kirchliche Umgestaltung der Stadt (1526) 198 – Visitation in Kahla, Orlamünde, Stadtroda, Jena, Bürgel und Eisenberg (1527) 200 – Artikel der Visitatoren bei Einstellung der Visitation (1527) 201 – Befehl zum Abbruch der Visitation und Vorladung der Visitatoren nach Torgau (1527) 203 – Artikel der Visitation für das Amt Altenburg (1527) 206 – Schriften über die Besserung des Gemeinen Kastens von Altenburg (1527) 236 – Visitationsverhandlungen mit dem Deutschen Orden zu Altenburg (1528) 250 – Schriftwechsel der Visitatoren über das Stift in Altenburg (1528) 307 – Briefwechsel der Visitatoren (1529) 308 – Gesuch des Altenburger Stadtrates, das Franziskanerkloster zu Schulzwecke zu nutzen (1529) 335 – Bericht über die Planung mit dem Barfüßerkloster in Saalfeld (1529) 347 – Bitte um Holzzulage für den Gemeinen Kasten in Altenburg (1529) 386 – Artikel für die Visitation aus Neustadt a. d. O. (1529) 400 – Anton Musas Bedenken wegen der Schulbestellung (1529) 401 – Anweisung zur Zulage für Kirchen- und Schuldiener in Eisenach (1529) 436 – Verschiedene Schriften aus der Visitation (1529) 445 – Gesuch des Rates von Neustadt a. d. O. um Zinsen für den Gemeinen Kasten zur Anstellung eines Schuldieners (1529) 466 – Schreiben über die Bestellung des Gemeinen Kastens von Altenburg (1530) 471 – Schreiben Spalatins über die Not des Gemeinen Kastens von Altenburg (1529/30) 522 – Visitation in Weida, Neustadt a. d. Orla, Saalfeld, Pößneck (1527) 583 – Schriften der Visitation im Amt Altenburg (1533) 720 – Bericht der Visitatoren über den Gemeinen Kasten und die Bestellung eines dritten Schuldieners in Altenburg (1533/34) 834 – Beschwerde des Rates von Orlamünde über die Kürzung der Unterstützung des Gemeinen Kastens durch den Pfarrer (1534/35) 871 – Bericht der Visitatoren über die vorgefundenen Mängel (1535) 886 – Schreiben Spalatins über verschiedene Aspekte der Reformation (1535) 940 – Verzeichnis der Zulagen (1535) 1035 – Schriften über eine Zulage für die Kirchen- und Schuldiener von Heldburg (1537)

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QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

1052 – Schriften über die Besetzung von Pfarr- und Schulstellen in der Superintendentur Gotha (1537–1540) 1160 – Schriften über ein Stipendium und die Verwendung eines Klosterzinses für die Kirchen- und Schuldiener in Salzungen (1538) 1199 – Schriften über Zulagen für Kirchen- und Schuldiener (1539) 1245 – Bitte um Zulage der Gemeinde von Triptis (1539) 1268 – Über den Verkauf eines Altenburger Lehens (1539) 1287 – Übereinkunft der Visitatoren in der albertinischen Visitation (1539) 1319 – Schriften über eine Zulage der Kirchen- und Schuldiener zu Weida (1539) 1323 – Schriften über Zulage der Kirchen- und Schuldiener im Amt Altenburg (1539) 1339 – Einkommensverzeichnis der Pfarre Lucka (1540) 1477 – Zulagengesuch des Pfarrers und Rates zu Ronneburg für den Schulmeister und den Kirchenbau (1540) 1478 – Auseinandersetzung um den Eisenacher Schulmeister (1540) 1493 – Schriften über die Unterhaltung der Kirchen- und Schuldiener von Gotha (1540) 1500 – Bitte um Zulage für den Gemeinen Kasten von Kahla (1541) 1559 – Abschriften zweier Urkunden zu einer Kapellenstiftung in Magdala 1592 – Zulagengesuch der Kirchen- und Schuldiener von Neustadt a. d. O. (1542) 1672 – Zulagengesuch des Pfarrers von Kahla (1543) 1678 – Schriften über die Verwendung der Frühmesse von Ziegenrück für den Gemeinen Kasten (1543–1546) 1679 – Verzeichnis etlicher Pfarren, die um Zulage gebeten haben (1543) 1686 – Gesuch des Rates von Creuzburg, eine verledigte Vikarie in den Gemeinen Kasten zu schlagen (1543) 1693 – Zulagengesuch des Rates von Neustadt a. d. O. (1543) 1708 – Zulagengesuch für die Schule von Pößneck (1543) 1770 – Fragenkatalog über die Zulagenzuteilung in der Weimarer Superintendentur (1544) 1780 – Über die Bestellung der Schule von Eisenach und deren Zulage (1544) 1792 – Bitte des Rates von Rastenberg, die Vikarie in den Kasten schlagen zu dürfen (1544) 1813 – Zulage für den Mädchenschulmeister in Weimar (1544) 1840 – Zulagengesuch der Kastenvorsteher von Kahla oder Bitte um eine Steuer (1544) 1846 – Visitation in Gera (1545) 1888 – Beschwerde des Rates von Jena über Besoldung der Kirchen- und Schuldiener (1544) 1889 – Einkommensverzeichnisse und Zulagen der Pfarren in der Superintendentur Eisenach (1545) 1911 – Zulagengesuch des Stadtrates von Orlamünde (1545) 1928 – Zulagengesuch für den Gemeinen Kasten von Kahla (1545/46) 2064 – Dankschreiben Stephan Reichs für die erfolgte Präsentation zur Pfarrei Kahla (1546) 2121 – Schriften über die Lage der Schule von Saalburg (1546) 2206 – Befehl des Herzogs über einen erledigten Schuldienst zur Unterbringung eines Studenten (1549) 2210 – Auseinandersetzung mit dem Schulmeister in Weimar und Abschaffung der Mädchenschule (1549–50) 2236 – Bestellung und Besoldung der Schulstelle von Creuzburg (1550/51) 2248 – Zulagengesuch des Rates von Kahla (1550)

ARCHIVALISCHE QUELLEN

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2304 – Bestellung eines dritten Schuldieners in Weimar (1551/52) 2404 – Schriften über den Schulherren Bartholomäus Rosinus von Eisenach (1553) 2407 – Über die Kirchen- und Schuldiener von Gotha (1553) 2412 – Über die Kirchen- und Schuldiener von Waltershausen (1553) 2439 – Antworten auf die Visitationsartikel aus Weida (1554) 2454; 2455 – Pfarr- und Schulangelegenheiten in einigen Städten 2483a – Visitationsartikel für den Rat zu Kahla (1554) 2484 – Bedenken der Visitatoren über die Visitation (1555) 2487 – Bericht der Visitatoren über die vorgefundenen Zustände (1555) 2509; 2510; 2511; 2512; 2513; 2514; 2515; 2516; 2517; 2518; 2519; 2520; 2521; 2522; 2523; 2524; 2525; 2526; 2527; 2528; 2529; 2530; 2531; 2532; 2533; 2534 – Berichte etlicher Stadträte über die Situation der Kirchen und Schulen (1555) 2545 – Bitte um Schuldenerlass des Stadtrodaer Schulmeisters (1555) 2546 – Ablehnung eines Zulagengesuches des Schuldieners von Dornburg (1555) 2576 – Besetzung der Schulmeisterstelle in Weimar (1555) 2606 – Schriften über die Gebrechen der Schule von Bürgel (1555) 2614 – Artikel der Visitatoren für den Stadtrat von Gotha (1555) 2635 – Besetzung der Schulstelle in Eisenach (1556) 2659 – Eisenacher Almosen- und Kurrendeordnung für arme Schüler (1557) 2670 – Besetzung der Schulstelle in Salzungen und weitere schulische Angelegenheiten (1557) 2704 – Bitte für die Armen Schüler von Weimar (1558) 2731 – Kastenrechnung von Magdala (1559) 2779.1 – Über die Verbesserung der Schule von Sonneberg (1560) 2789 – Umwittmung einer Stiftung zur Schule in Buttstädt (1564) 2792 – Kastenrechnung von Eisenach (1563) 2794 – Auszug einer Kastenrechnung von Saalfeld (1563) 2833 – Gravamina aus der Jenaer Superintendentur (1569/70) 2839 – Schriften über den Gemeinen Kasten von Saalfeld (1569) 2859 – Absetzung eines Schuldieners in Neustadt a. d. O. (1571/73) 2865 – Beschwerden etlicher Schuldiener verschiedener Orte (1573–74) EGA, Reg Kk 27 – Gesuch des Kantors Leonhard Zcehnders über ihm entzogenes Kostgeld (1527) 712 – Verhandlungen über die Überlassung des Predigerklosters für den Gemeinen Kasten in Jena (1534–43) 1462; 1463 – Schriften über reformatorische Neuerungen in Weida und die Klagen des Klosters darüber (1525–29) EGA, Reg Ll 88 – Schriften über die Pfarr- und Schulbesetzung in Bürgel (1528–63) 111 – Schriften über die Pfarr- und Schulbestellung zu Creuzburg (1521–64) 189 – Schriften zur Bestellung der Knaben- und Mädchenschule in Eisenach (1560–62) 552 – Irrungen zwischen Pfarrer, Schulmeister und Rat von Magdala (1558–59) 668 – Verhandlungen mit dem Kloster Stadtroda über Zinszahlung für Kirchendiener (1528) 712 – Bitte Caspar Aquilas um eine Zulage für seinen in Gotha studierenden Sohn (1558)

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QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

791 – Schriften über die Besoldung des Diakons zu Triptis hinsichtlich der Mädchenschule (1571) 832 – Schriften über die Diakonats- und Schulbestellung von Weida (1502–1564) 839 – Schriften über den Schulbau zu Weimar (1560) 841 – Schriften über die von Bartholomäus Rosinus angezeigten Gebrechen in der Superintendentur Weimar und deren Abschaffung (1560) EGA, Reg Mm 477 – Akte über Christopher Ehrlein aus Lobeda (1564) EGA, Reg Rr pag. 1–316, Nr. 1309 – Bestallung von Wolfgang Otto zum Baccalaureus in Altenburg (1543) pag. 1–316, Nr. 1424 – Bestallung von Johann Preuss zum Schulmeister in Eisenach (1535) pag. 1–316, Nr. 1971a – Bestallung von Jakob Thumbser zum Kantor in Altenburg (1544) Stadtarchiv Vacha/Rhön Nr. 8; Nr. 9 – Stadtrechnungen (1497, 1527) Landesarchiv Thüringen – Staatsarchiv Altenburg (LATh – StA Altenburg) Urkunden 28. Mai 1365, Nr. 1 – Zustiftung zu einer Messe durch Propst und Prior des Altenburger Bergerstiftes 21. Dezember 1436 – Streitschlichtungsurkunde zwischen Kloster und Stadt Eisenberg 20. Januar 1443 – Übertragung eines Zinses zur Errichtung eines Altars im Rathaus von Altenburg 5. April 1478 – Neuordnung und Organisation des Salve Regina in der Bartholomäikirche zu Altenburg 20. März 1503 – Stiftung des Salve Regina für die Nikolaikiche zu Altenburg Landesregierung 4212a – Statuten des St. Georgenstiftes in Altenburg (1413) 4234 – Irrungen zwischen dem Propst des Bergerstiftes und dem Stadtrat zu Altenburg (1521–1524) 4236 – Akten über die Domherren von St. Georg, die die althergebrachten Kirchenzeremonien nicht abschaffen wollen (1525/26) 4251 – Schriften über das Domkapitel zu Altenburg (1420–1539) 4257 – Rechnung des Georgenstiftes zu Altenburg (1531–32/38) 4271 – Bitte des Stadtrates von Altenburg um die Jurisdiction über das Kloster (1556) 4278; 4279; 4279a – Visitation in einigen Superintendenturen (1582, 1584) 19476; 19477 – Angelegenheiten des Deutschen Ordens zu Altenburg (1541–1573) 25043 – Schriften über die geistlichen Güter der Stadt Altenburg (1527–1567) 25044; 25047; 25048 – Kastenrechnungen von Altenburg (1538, 1582/83, 1586–90) 26051 – Stadtrechnung von Stadtroda (1551/52)

ARCHIVALISCHE QUELLEN

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Ministerium zu Altenburg, Abteilung für Kultusangelegenheiten 116 – Streitigkeiten der Mädchenlehrer Ursula und Heinrich Glintzsch mit der Mädchenlehrerin Margarethe Heidenreich 1014 – Bestellung und Besoldung der Schullehrer in Lucka 1040 – Einkünfte und Verwaltung des Kirchenvermögens in Lucka 1819 – Einkünfte der Kirche und des Pfarrers in Schmölln 1985 – Beanspruchung der Patronatsrechte über die Stellen der Geistlichen und Schullehrer in Schmölln durch den Rat Friedrichsgymnasium Altenburg Nr. 4, Nr. 13 – Schriften über das Altenburger Gymnasium (1559/1776, 1521–18. Jh.) Archivaliensammlung Z Nr. 339 – Bücherverzeichnis des Franziskanerklosters zur Altenburg (1543) Schönbergische Sammlung Bände 23; 24 Wagners Collectaneen Bände V; VI; IX; XIV; XV; XVI; XX Landesarchiv Thüringen – Staatsarchiv Gotha (LATh – StA Gotha) Oberkonsistorium Gotha Loc. 19, Nr. 1 – Visitation im Amt Tenneberg (1526) Loc. 19, Nr. 2 – Visitationen in Gotha (1534–1646) Loc. 19, Nr. 3 – Visitationen in den Ämtern Gotha, Tenneberg, Wachsenburg, Georgenthal (1542–1567) Loc 19, Nr. 4 – Visitationen in Gotha (1570) Loc 19, Nr. 6; Nr. 7 – Generalvisitation im Fürstentum Gotha (1580–1584, 1589) Amt Tenneberg, Loc 11, Nr. 1754 – Verschiedene Visitationshandlungen in Waltershausen (1555) Geheimes Archiv (GA) XX IV, Nr. 1e – Über den Tod eines Schuldieners zu Waltershausen (1589) XX IV, Nr. 1g – Die Schule zu Waltershausen betreffend (1602–1605) XX VII, Nr. 1f – Über die Kleinodien der Kirchen von Gotha, deren Einziehung und Nutzung (1526–1540) XX VII, Nr. 7 – Der Abt zu Bürgel überlässt das Kloster dem Kurfürsten (1526) XX VII, Nr. 8b – Gesuch des Stadtrates zu Gotha zur Nutzung des Klosters (1527) Coburger Festungsarchiv Nr. 78 – Verwaltung von Kirchen- und Schulangelegenheiten (1552–1616) Landesarchiv Thüringen – Staatsarchiv Meiningen (LATh – StA Meiningen) Urkunden Amt Römhild/Urkunden, Nr. 23 – Zinskauf durch den Pfarrer von Römhild (1447)

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QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

Staatsministerium, Abteilung Kirchen- und Schulsachen 644 – Generalvisitation im Bezirg Heldburg (1535) GHA, Sek. I Nr. 4225 – Brief der Stadt Schmalkalden an Graf Wilhelm wegen einer Schlägerei unter Schülern (1499) GHA, Sek. II Nr. 550 – Vorschlag zur Verwendung der Zinse aus Pfarrhof und Kloster zu Schleusingen (1525) GHA, Sek. IV Nr. 35 – Johanniterkommende zu Schleusingen Nr. 59 – Kirchen zu Solz, Sülzfeld, Suhl, Sulzfeld und Sulzheim Nr. 60 – Pfarrkirche zu Themar Nr. 95 – Vorbereitung und Beratung der Kirchenordnung Nr. 96 – Visitation der Kirchen und Schulen (1574) Nr. 120 – Konsistorialsachen (1574–1575) Nr. 162 – Schule zu Schleusingen Nr. 198 – verschiedene Schulangelegenheiten Nr. 217 – Schule zu Meiningen Nr. 226-Nr. 228 – Pfarrei, Schulen und Gymnasium zu Schleusingen Nr. 230 – Pfarrei und Schule in der Stadt Schmalkalden Nr. 234; Nr. 236 – verschiedene Pfarreien und Schulen GHA, Sek VI Nr. 502 – Prozesse und Prozessfragmente in Zivilsachen Archivaliensammlung des HAV/Urkunden Nr. 21 – Schlichtungsurkunde zwischen den Brüdern Haubold, Felix und Ewald von Brandenstein zu Ranis wegen der Teilung ihrer Güter und Häuser (12. März 1509) Ältere Rechnungen, Abt. II, Amtsrechnungen Amtsrechnungen des Amtes Themar von 1491–1500 Amtsrechnungen des Amtes Heldburg von 1506–12 Landesarchiv Thüringen – Staatsarchiv Rudolstadt (LATh – StA Rudolstadt) Geheimes Archiv (Restbestand) A IV 3a Nr. 2 – Visitation in Clingen, Greußen und Haßleben (1575) E IX 2f Nr. 1 – Bestellung eines Schulinspektors für die Oberherrschaft (1567) Kanzlei Frankenhausen 5 – Verhandlungen mit Graf Wilhelm von Schwarzburg-Frankenhausen über das Zinsgetreide für die Sondershäuser Schule aus Rottleben 62 – Anspruch der Mädchenschullehrerin in Sondershausen auf Getreidezinsen zu Heringen (1585–1587) A IV 3a Nr. 3.1 – Visitation in der Unterherrschaft Schwarzburg (1574, 1578, 1583, 1586, 1587)

ARCHIVALISCHE QUELLEN

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A IV 3a Nr. 3.2 – Visitation in der Unterherrschaft Schwarzburg (1573–1604) Kanzlei Sondershausen 1982 – Erlass der Tranksteuer für die Mädchenschulmeisterin von Greußen (1594) Kanzlei Arnstadt 2869 – Artikel zur anfänglichen Reformation 2872 – Kirchliche Angelegenheiten in Arnstadt (1531–1588) 2879 – Ordnung und Aufteilung der Kirchenämter in Arnstadt (1577) 2977 – Bittgesuche einiger Lehrer zu Arnstadt (1548–1601) 2978 – Entwurf einer Schulreform in der Grafschaft (1565–67) 2979 – Bedenken einiger Theologen über die Arnstädter Schule u.a. (1571) 2983 – Visitation in der Oberherrschaft Schwarzburg (1533, 1539) 2984 – Verzeichnis des Einkommens der Pfarreien und Gotteshäuser in der Oberherrschaft (1533–1551) 2985 – Beilagen zur Visitation (1539) 2986; 2987 – Visitation in der Oberherrschaft (1553) 2988 – Beilagen zu den Visitationen (1553–1575) 2990 – Visitation in der Oberherrschaft (1575) Konsistorium Sondershausen Nr. 108 – Kirchen- und Schulvisitation in der Unterherrschaft (1575) Nr. 112 – Kirchen- und Schulvisitation in Sondershausen, Clingen und Arnstadt (1587) Nr. 1351 – Einkommensverzeichnisse der Pfarren Clingen und Greußen u.a. (1575) Rechnungen des Amts Heringen Nr. 72 – Amtsrechnung des Amtes Heringen (1521/22) Rechnungen des Amts/Rentamts Arnstadt-Käfernburg Nr. 933 – Amtsrechnung des Amtes Arnstadt (1495) Rechnungen des Amts/Rentamts Clingen Nr. 3; Nr. 7 – Amtsrechnungen des Amtes Clingen (1478/79, 1515/16) Rechnungen des Amts/Rentamts Sondershausen Nr. 173; Nr. 174 – Amtsrechnungen des Amtes Sondershausen (1512/13, 1530) Kirchenrechnungen Nr. 1785; Nr. 1786 – Kastenrechnungen von Rudolstadt (1574/75, 1576/77) Nr. 6804 – Altaristenrechnungen der Kirche Unsere Liebe Frau in Arnstadt (1496, 1512/13, 1518, 1524) Nr. 6816 – Altaristenrechnung der Kirche St. Jakob in Arnstadt (1508) Nr. 6825 – Altaristenrechnung der Kirche St. Bonifatii in Arnstadt (1473) Nr. 6939 – Kastenrechnungen von Arnstadt (1565–70) Nr. 7248; Nr. 7249; Nr. 7250 – Kastenrechnungen von Stadtilm (1549/50, 1551/52, 1552/53) Nr. 7252; Nr. 7254; Nr. 7256 – Landzinsrechnungen von Stadtilm (1553/54, 1554/55, 1555/56)

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QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

Gemeinde- und Stadtrechnungen Nr. 57; Nr. 58; Nr. 59 – Stadtrechnungen von Greußen (1528/29, 1529/30, 1601/02) Nr. 5743; Nr. 5746; Nr. 5760 – Stadtrechnungen von Langewiesen (1535/36–1589/90) Nr. 10997; Nr. 11009; Nr. 11010; Nr. 11012 – Stadtrechnungen von Blankenburg (1496– 1531/32) Nr. 11726; Nr. 11729; Nr. 11730; Nr. 11735 – Stadtrechnungen von Königsee (1495– 1548/49) Nr. 12388; Nr. 12390; Nr. 12394; Nr. 12398; Nr. 12399; Nr. 12400; Nr. 12402 – Stadtrechnungen von Rudolstadt von 1513/14–1530 Nr. 12592–Nr. 12594; Nr. 12596–Nr. 12609 – Stadtrechnungen von Stadtilm (1507/08– 1530/31) Stadtgericht Greußen Nr. 84 – Stadtbuch der Stadt Greußen Hessesche Collectaneen 1c Nr. 23 – Chr. W. Schneider: Sammlung zur Reformationsgeschichte von Weimar 2b Nr. 16 – Johann Gottfried Müller: Historische Nachrichten von der Thüringischen Stadt Buttstädt 2c Nr. 1 – Visitation anlässlich der Unterschrift des Konkordienbuchs in der Unterherrschaft 2c Nr. 3 – Dokumente zur Schwarzburgischen Reformationsgeschichte 2c Nr. 7 – Schwarzburgische Kirchenvisitationsordnung und andere Dokumente zur Reformationsgeschichte 3b Nr. 6 – Urkunden und Nachrichten von Thüringischen Klöstern und Städten 3d Nr. 2 – Documenta Saalfeldensia 5a Nr. 3 – Abschrift verschiedener Urkunden und Schreiben zur Kirchen- und Reformationsgeschichte 7c Nr. 10a – Statuten der Stadt Rudolstadt von 1594 Documenta Regislacensia (Stadtarchiv Königsee) Urkunden I, Nr. 19 – Stiftung eines Seelgerätes (1401) Hauptstaatsarchiv Dresden (HStA Dresden) Geheimer Rat (Geheimes Archiv) 10024, Loc. 10593/5 – Visitation der Klöster und Kirchen im Lande zu Meißen und Thüringen (1539–40) 10024, Loc. 10593/6 – Visitation der Klöster und Kirchen im Lande zu Meißen und Thüringen (1539–41) Landesarchiv Sachsen-Anhalt (LASA – Standort Wernigerode) Konsistorium Leipzig A 29a, I Nr. 122 – Präsentation und Vokation nebst Prüfung und Konfirmation der Rektoren in Eckartsberga (1581–1784) A 29a, I Nr. 2433 – Präsentation und Vokation der Rektoren an der Stadtschule in Langensalza (1596–1789)

ARCHIVALISCHE QUELLEN

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A 29a, I Nr. 2435 – Präsentation und Vokation der dritten Schulkollegen, wie auch des damit anno 1772 kombinierten Kantorats in Langensalza (1588–1807) A 29a, I Nr. 2436 – Präsentation und Vokation der vierten Schulkollegen in Langensalza (1593–1815) A 29a, I Nr. 2474 – Präsentation und Vokation der Baccalaurei scholae und vierten Schulkollegen in Tennstedt (1588–1812) A 29a, I Nr. 2479 – Präsentation und Vokation der Rektoren in Thamsbrück (1595–1808) A 29a, I Nr. 2664 – Präsentation und Vokation der Kantoren in Ranis (1584–1728) A 29a, I Nr. 2679 – Präsentation und Vokation der Schulmeister oder Rektoren in Ziegenrück (1595–1802) A 29a, II Nr. 1a – Visitation der Klöster und Komtureien in Thüringen (1535) A 29a, II Nr. 1b; Nr. 1c Bd. 1; Nr. 1c Bd. 2; Nr. 1d – Kirchenvisitation im Thüringischen Kreis (1539, 1540, 1581) A 29a, II Nr. 3a – Kirchenvisitation durch Dr. Heinrich Salmuth (1575) A 29a, II Nr. 4 – Lokalvisitation der Superintendenturen im Thüringischen Kreis (1598– 1599) A 29a, II Nr. 21 – Kirchenvisitation durch Dr. Heinrich Salmuth (1575) A 29a, II Nr. 21a – Kirchenvisitation im Amt Sangerhausen (1555) A 29a, II Nr. 40a – Visitation der Kirchen des Amts und der Stadt Weißensee und Kindelbrück (1555) A 29a, II Nr. 41a; Nr. 41 c – Visitation in der Superintendentur Weißensee (1575) A 29a, II Nr. 48 – Registratur der Pfarren im Amt Langensalza (1555) A 29a, II Nr. 49; Nr. 51 – Visitationen im Thüringischen Kreis (1575) Stadtarchiv Treffurt E 52, B, XI, Nr. 1 – Kastenrechnungen (1570/71, 1574, 1580/81, 1583–98) E 52, B, XI, Nr. 2 – Bestellung der Schuldiener (1598–1797) Stadtarchiv Ziegenrück E 61, XIV, Nr. 3 – Die Schulmeisterstelle zu Ziegenrück (1598–1665) Landesarchiv Sachsen-Anhalt (LASA – Standort Dessau) Z 6, Nr. 711 – Visitationsartikel von Weida, Köthen-Bernburg, Sandersleben, Freckleben, Radegast u.a. (1527–1577) Forschungsbibliothek Gotha (FB Gotha) Chart. A. 588 – Abschrift der von Stephan Reich ins Deutsche übersetzten Reden von Demosthenes Chart. A. 1289 I – Briefwechsel Georg Spalatins Chart. B. 310 – Handschriften verschiedenen Inhalts von Stephan Reich Druck 8° 00213 – Schreibkalender und Tagebuch von David Aquila Thüringische Landes- und Universitätsbibliothek Jena (ThULB Jena) 2 I 102 – Predigtsammlung von Johannes Gritsch [GW 11547 / ISTC-Nr. ig00498000], aus dem Besitz des Altenburger Franziskanermönchs Veit Pempel

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QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

Kreisarchiv Altenburg (KrA Altenburg) Stadtarchiv Schmölln U 8 – Streitschlichtung zwischen Stadtrat und Pfarrer (1487) Nr. 662 – Zinsregister der Kirche (1406–95) Nr. 1539 – Stadtrechnung (1537) Nr. 1540 – Kastenrechnung (1550/51) Stadt- und Kreisarchiv Arnstadt (StKrA Arnstadt) Stadt Arnstadt 1-032-01 – Rotes Buch der Stadt Arnstadt 1-034-05, Bd. 1566–94 – Ratsprotokolle 1-034-05, Bd. 1579–83 – Ratsprotokolle 1-931-20, 1525; 1545–47; 1578–1580 – Stadtrechnungen Kreisarchiv Sömmerda (KrA Sömmerda) Stadtarchiv Gebesee 3913 – Stiftung einer Vikarie (1495) Stadtarchiv Rastenberg 1102 – Stadtrechnung (1606/07) Stadtarchiv Altenburg (StA Altenburg) Urkunden Nr. 43 – Zinskauf und Stiftung einer Seelenmesse (1399) Nr. 64 – Zustiftung für eine Messe (1425) Nr. 188 – Weihe einer Kapelle (1505) Nr. 221 – Übertragung eines Altarzinses auf den Gemeinen Kasten (1524) Der Rat als Verwaltungsbehörde XI. A. 2a. Nr. 21; Nr. 25b; Nr. 42; Nr. 44; Nr. 47 – Stadtrechnungen (1467–1525) XI. G. i. Nr. 1 – Entwürfe und Verhandlungen zu einer Almosenordnung Aufsicht des Rates über Kirchen und Schulen XII. a. 6. Nr. 12 – Schulchronik, Notizen über die Lehrer (16.–18. Jh.) XII. b. 3a. Nr. I – Einstellung der Lehrer und Lehrerinnen der Mädchenschule (1552) XII. b. 3a. Nr. II – Besoldung der Schuldiener (1560–1775) XII. b. 3a. Nr. III – Anstellung der unteren Schuldiener (1565–1686) XII. b. 3a. Nr. IV – Besetzung der drei oberen Schulämter (1553–1694) XII. b. 3a. Nr. V – Akte über die Absetzung des Konrektors (1575/76) XII. b. 3a. Nr. VI – Anstellung der Schuldiener (1552–98) XII. b. 3a. Nr. VII; Nr. VIII – Schriften über eine herzogliche Zulage (1599) XII. b. 4. Nr. I – Verschiedene Angelegenheiten zum Schulwesen (1545–1690) XII. c. Nr. I – Verschiedene Angelegenheiten zum Schulwesen (1550–1556) XII. d. Nr. III – Anstellung und Einkommen der Geistlichen (1539–1682) XII. d. Nr. VII – Wiedereinstellung des abgesetzten Superintendenten (1568) XII. e. Nr. I – Bestellung der Kantoren (1557–1671)

ARCHIVALISCHE QUELLEN

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XII. i. 1. Nr. 1b; Nr 1c; Nr 2; Nr 4–Nr. 11; Nr 13; Nr 15; Nr 17; Nr. 18 – Kastenrechnungen (1533/34–1600/01) XII. i. 3. Nr. I – Stipendiengesuche, Empfehlungsschreiben u.a. (1542–1688) XII. i. 4. Nr. IV – Inventarien der Geistlichen, Kirchen- und Schuldiener (1590–1708) XII. k. 1. Nr. 3 – Hospitalsrechnung (1578–1581) XII. n. 4. Nr. I – Testament des Bartholomäus Boleye XII. o. Nr. Ia – Schriften im Zusammenhang der Kirchenvisitationen (1528–1674) XII. p. Nr. 2 – Nachrichten über geistliche Stiftungen (1375–1525) XII. p. Nr. 3 – Zinsen und Güter der Klöster u.a. (1415–1538) XII. p. Nr. 4 – Beschwerden des Stifts auf dem Schloss über verweigerte Messen (1445– 1523) XII. p. Nr. 5–Nr. 7 – Rechnungen der Altarleute von St. Bartholomäi (1480–1523) XII. p. Nr. 8 – Rechnung der Kalandsbruderschaft (1493–1524) XII. p. Nr. 9 – Rechnung der Altarleute von St. Nikolai (1496–1509) XII. p. Nr. 13b – Nachrichten über das Einkommen des Stiftes auf dem Schloss (1529) XII. p. Nr. 17 – Rechnung der Altarleute von St. Nikolai (1512–1525) XII. p. Nr. 19 – Verzeichnis der dem Stadtrat übergebenen Kleinodien (1524–1529) XII. p. Nr. 21 – Schriften über den Deutschen Orden und die Ordensgüter (1521–1550) Varia XIV. 10. Nr. 16 – Konzepte, Korrespondenz, verschiedene Schreiben (1515–1583) XIV. 10. Nr. 16b (17) – Schreiben und Eingaben verschiedener Geistlicher (1517–1570) XIV. 10. Nr. 40d – Stipendiengesuch und Empfehlungsschreiben Melanchthons (1539) XIV. 10. Nr. 136b – Schriften Spalatins zu verschiedenen Angelegenheiten (1527) Stadtarchiv Apolda (StA Apolda) Reg.-Nr. 30144 – Rotes Buch der Stadt Apolda Stadtarchiv Eisenberg (StA Eisenberg) VIII/III/27–29 – Stadtrechnungen (1588–1589/90) VIII/III/32 – Stadtrechnung von 1592/93 XI/I/1 – Bestellung der Geistlichen und Schulämter (1542–99) Stadtarchiv Erfurt (StA Erfurt) Urkunden 0-0/B 18-18 – Stiftung einer Seelenmesse (1488) 0-0/B 18-19 – Stiftung einer Seelenmesse (1488) 0-0/B 18-25 – Stiftung einer Seelenmesse (1495) 0-0/B 20-18 – Stiftung einer Seelenmesse (1441) 0-0/B 23-13 – Stiftung einer Seelenmesse (1464) 0-1/4-1663 – Empfangsquittung von Melchior Weidman, Schulmeister der Schottenschule (1583) 0-1/7-261 – Kauf einer Rente von 10 fl (1592) 0-1/7A-110 – Kauf einer Rente von 2 fl (1568) 0-1/8-254 – Testament des Ratsmeisters Christoph von Frankenberg (1608) 0-1/17-1b – Testament von Anna Ziegler (1582) 0-1/19-35 – Stiftung einer Seelenmesse (1499)

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QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

Städtische Verwaltung 1-0/A 8-3a – Pfarrlehenbuch auf dem Lande Städtische Akten 1-1/1a-13 – Folgen der Reformation, politische Umwälzungen in Erfurt 1-1/7d- 1 – Rechnungen der Gemeinden Benedikt und Martini (intra) (1526–19. Jh.) 1-1/7o-27 – Rechnungen der Gemeinde St. Thomas (1546–1609) 1-1/10A 1-1a – Verschiedenes zum Kirchenwesen in Erfurt (1490–1664) 1-1/10A 1-28a-i – Collectur- und Besoldungswesen der evangelischen Geistlichkeit (1591–1775) 1-1/10A 1-42 – Besoldung der Prädikanten der Erfurter Kirchen (1595) 1-1/10B 2-18 – Verzeichnis sämtlicher Pfarrer und Diakone der evangelischen Augustinerkirche (1521–1829) 1-1/10B 6-9 – Schule und Lehrer der Predigergemeinde (1617–1738) 1-1/10C-66 – Miscellen über Kirche und Schule zu Ilversgehofen (1555–1806) 1-1/10D-28 – Gesammelte Nachrichten über die katholischen Pfarrkirchen und deren Vikarien 1-1/10D-28.2 – Rechnung der Altarleute zu St. Wigberti 1-1/10D-29 – Rechnungen der Bartholomäikirche (1400–1429) 1-1/10D-30 – Rechnungen der Bartholomäikirche (1431) 1-1/21 11-1 – Liber recognitionum der Stadt Erfurt (1531–43) 1-1/22 4-94 – Stadtrechnungen von Sömmerda (1548, 1563–1662) 1-1/24d-5 – Zinsbuch des Kornhofs (1590) Amtsbücher 2/110-8 – Kopialbuch von Urkunden und Briefen (1340–1588) 2/122-5 – Ordnung und Register wie man es durch das Jahre im Rat zu halten pflegte (1104–1628) 2/210-4 – Sammelband verschiedener Angelegenheiten, darunter Berufung und Visitation der Prediger Amtliche Druckschriften 3/031-1 – Verordnungen des Rates Stadtgeschichte und Chroniken 5/100-31 – Chronik von Zacharias Hogel Nichtstädtische Schriften 5/940-8 – Kirchenrechnungen von St. Bartholomäi (1439–1473) 5/940-13 – Erbzinsregister der Kirche Martini im Brühl (1527) 5/940-54 – Kirchenrechnungen von St. Bartholomäus (1578 [1478]) Stadtarchiv Gotha (StA Gotha) Urkunden 0.2/164 – Der Dechant an St. Marien stiftet 200 fl zu einer Brotspende für arme Schüler (1443) 0.2/173 – Kürzung dieser Stiftung auf nur noch 120 fl (1450) 0.2/254 – Bettelerlaubnis für Schüler durch Kurfürst Johann (1530)

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0.2/371 – Bitte um Übertragung der Pfarrstelle von Dachrieden an den Schuldiener von Mühlhausen (1596) Akten 1.1/469 – Stipendien der Stadt Gotha (1543) 1.1/477a – Schulordnung 1577 (nicht mehr auffindbar) 1.1/8691 – Repertorium der Kopialbücher (1462–1712) Stadtarchiv Jena (StA Jena) Akten B VIc-1 – Starcksches Legat (1582–1622) B XVIf-7 – Kirchen- und Schulvisitation ([1528] 1662) B XVIIa-2 – Bewerbung und Berufung der Konrektoren (1598–1646) B XVIIa-3 – Schulordnung und Anstellung der Schulmeister (1490–1600) C Ia-1 – Aller Amtleute Rechnung (1489/90) C Ia-1a – Stadtrechnung (1494/95, 1495/96) C Ia-2a – Kastenrechnung (1564) C III-4 – Pflicht- und Statutenbuch (1530–1796) Stadtarchiv Kahla (StA Kahla) A, Nr. 400 – Stadtrechnung (1534/35) B, Nr. 1340 – Erbzinsbuch B, Nr. 2201, Sig. 1708 – Schriftwechsel des Rates (1442–1694) Stadtarchiv Langensalza (StA Langensalza) Kirchen-, Schul- und Stiftungssachen, Armenwesen KS & A V, Nr. 17 – Armenkastenverzeichnisse und Verträge (1565–1749) Magistrat I G IV, Nr. 5 – Ratsvorgänge, 14. und 15. Jahrhundert Stadtrechnungen R II, 1; 4; 6; 23, 26; 41; 46; 50; 55; 60; 68 – Stadtrechnungen (1379–1600/01) Stadtarchiv Mühlhausen (StA Mühlhausen) Urkunden 0/568a – Vertrag des Deutschen Ordens mit dem Vorsteher der Martinikapelle über Abhaltung der dortigen Gottesdienste (1364) 0/877 – Vidimus einer kaiserlichen Urkunde zur Reform des Gerichts- und Schuldenwesens (1454) 0/1174a – Seelenmessstiftung (1485) 0/1451 – Vertrag zwischen Stadt und Deutschem Orden zum Bau der neuen Schule (1560) Akten 10/D 2-4, Nr. 1; Nr. 2b; Nr. 3 – Ratsdekrete (1570–1591, 1592–1608, 1597–1601) 10/E 5a-d, Nr. 1 – Schulen und Schulkollegen (1540–1640)

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QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

10/E 5a-d, Nr. 2 – Verschiedene Supplikationen und „promotionum petitiones“ der Schuldiener (1570–1681) 10/E 5a-d, Nr. 4 – Kaufbrief zwischen dem Rat und den Gebrüdern von Wintzingeroda über den Kauf der alten Schule hinter St. Blasii (1599) 10/E 5a-d, Nr. 5 – Deutsche und Schreibschule (1570–1622) 10/E 5a-d, Nr. 7 – Mädchenschule (1563) 10/E 6, Nr. 3a; Nr. 4a; Nr. 5; ad Nr. 5; Nr. 5a; Nr. 6; Nr. 7a; Nr. 8; Nr. 9 – Acta Religionis 10/E 6, Nr. 14 – Barfüßerkirche belangend (1558–67) 10/E 7, Nr. 1 – Akte über Kirchen- und Schuldiener der Stadt, Vorstädte und Dörfer (1560–1648) 10/E 7, Nr. 3 – Verschiedenes über Superintendenten (1560–1641) 10/H 1-3, Nr. 1a – Album senatorum 10/I 2, Nr. 1; Nr. 2; Nr. 3; ad Nr. 3; Nr. 4 – Schriften den Deutschen Orden belangend (1352–1599) 10/K 3, Nr. 3/9, Nr. 4; Nr. 5; Nr. 6; Nr. 10 – Verhörprotokolle, Aufständischenverzeichnisse, Urgichten, Abschiede der Schutzfürsten nach dem Bauernkrieg 10/K 3, Nr. 31 – Abschiede der kur- und fürstlichen Räte hinsichtlich der Religionsänderung (1540er) 10/M 4, Nr. 2 – Schreiben von Theologen 10/M 4, Nr. 5 – Schreiben von Philosophen, Poeten und Historikern 10/O 4, Nr. 1 – Bittgesuche um Stipendien (1560–1682) 10/O 4, Nr. 8 – Quittungen der Stipendien (1563–1582) 10/T 1-4, Nr. 3; ad Nr. 4; Nr. 5 – Protokolle des Senatus Triplex 10/T 8c, Nr. 1b – Statutenbuch von 1311 10/T 8c, Nr. 10 – Statuten von 1401 10/X 1-8, Nr. 7; Nr. 9; Nr. 10, Nr. 10a, Nr. 11 – Notulbücher 10/Y 1-2, Nr. 1; Nr. 1b – Ediktbücher Rechnungen 2000/23; 26; 30–33; 36; 38; 39; 44; 45; 56; 61–63; 66; 79 – Stadtrechnungen (1514– 1598/99) 2010/1–6 – Hauptrechnungen der Zinsmeisterei (1566/67–1587/88) 2351/1 – Kirchenrechnungen St. Petri (1599–1650) 2371/1 – Kirchenrechnungen St. Georgi (1591–1632) 2381/1 – Kirchenrechnungen St. Martini (1595–1700) Stadtarchiv Pößneck (StA Pößneck) Akten B I 2, Nr. 1; Nr. 4; Nr. 6–Nr. 8 – Stadthandelsbücher B I 28a, Nr. 2 – Auszug aus dem Unterricht der Visitatoren über die Schulen (1528) B I 28b E, Nr. 94 – Bewerbung um die verledigte Rektorenstelle (1594) Stadtrechnungen Cm 1b – Stadtrechnung (1399/1400) Mappe 2, Nr. 2–Nr. 6 – Stadtrechnungen (1425/26–1430/31) Mappe 4, Nr. 17; Nr. 19 – Stadtrechnungen (1457/58, 1463/64) Mappe 6, Nr. 26; Nr. 29 – Stadtrechnungen (1473/74, 1476/77) Mappe 10, Nr. 40 – Stadtrechnung (1487/88)

ARCHIVALISCHE QUELLEN

1001

Mappe 11, Nr. 45 – Stadtrechnung (1494/95) Mappe 12, Nr. 47; Nr. 48 – Stadtrechnungen (1496/97) Mappe 14, Nr. 52–Nr. 54 – Stadtrechnungen (1501/02–1503/04) Mappe 17, Nr. 60 – Stadtrechnung (1510/11) Mappe 19, Nr. 63; Nr. 65 – Stadtrechnungen (1514/15, 1519/20) Mappe 20, Nr. 66 – Stadtrechnung (1520/21) Mappe 23, Nr. 71 – Stadtrechnung (1524/25) Mappe 24, Nr. 72; Nr. 75 – Stadtrechnungen (1524–1529 (Summarium), 1527/28) Mappe 25, Nr. 76 – Stadtrechnung (1528/29) Mappe 26, Nr. 82 – Stadtrechnung (1532/33) Mappe 27, Nr. 84; Nr. 86 – Stadtrechnungen (1533/34, 1534/35) Stadtarchiv Saalfeld (StA Saalfeld) Urkunden A 2 – Bestätigung einer Altarstiftung (1324) A 5 – Zinskauf des Konrad von Muchilde (1326) A 63 – Bestätigung einer Altarstiftung (1435) A 80 – Streitschlichtung zwischen Stadtrat und Pfarrer (1456) A 132 – Zahlung von 40 fl vom Hlg. Kreuz Kloster zu Gotha wird vom Rat bestätigt (1536) A 142 – Abschaffung der Sonderzahlungen für Kirchen- und Schuldiener und Sondersteuer (1545) A 159 – Das Kelzsche Testament (1555) A 186 – Bewilligung des Herzogs für 100 weitere Gulden aus Gotha für den Saalfelder Kasten (1569) Akten B XX 1 – Verkauf der Kleinodien aus dem Barfüßerkloster (1534/36) B XX 1 d – Rechnung des Gemeinen Kastens (1535) B XX 1 g – Rechnung des Gemeinen Kastens (1589/90) B XXI 1 – Nachrichten über die Saalfelder Schule (1593–1691) B XXI 10 – Rektoratsakten, Schulkasse und Besoldung (1536–17. Jh.) Bücher C II a 3; 5; 9; 12; 19; 19b; 20; 25; 26a; 34; 37; 40; 42; 49 – Stadtrechnungen (1512–1597/98) C II c 3 – Rechnung der Fronleichnamsmesse (1522/23) C II c 4 – Manuale einer Rechnung des Gemeinen Kastens (1551/52) C II c 5 – Manuale einer Rechnung des Gemeinen Kastens (1552/53) C III 1 – Stadtbuch (1326–17. Jh.) C III 2 a – Ratsprotokolle (1492–1525) C III 128 – Matrikelbuch der Saalfelder Lateinschule (1584/85–1744) Stadtarchiv Schleiz (StA Schleiz) B-5-1-2-153 – Statuten von 1492 (Abschrift) Stadtarchiv Schmalkalden (StA Schmalkalden) B II/1-32 – Stadtrechnung (1478)

1002

QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

Stadtarchiv Sömmerda (StA Sömmerda) Bestand A Nr. 84–Nr.90 – Stadtrechnungen (1533/34–1596/97) Nr. 94 – Stadtrechnung (1585/86) Stadtarchiv Sondershausen (StA Sondershausen) A 15, Nr. 1 – Bestellung Heinrich Müllers zum Schulinspektor (1567) B Ia, Nr. 1; Nr. 3; Nr. 4 – Stadtrechnungen (1539/40–1571/72) Stadtarchiv Weimar (StA Weimar) Historisches Archiv HA, I-1-46; 47; 50a – Handelsbücher der Stadt (1528–1538, 1538–1554, 1520–1528) HA, I-27-53; 54 – Verschiedene Unterlagen zum Schulwesen (1533–1587, 1569–1745) Amtsbücher 26, 3/1, Bd. 46; Bd. 47 – Kastenrechnungen (1572-74) Bistumsarchiv Erfurt (BA Erfurt) Urkunden Nr. 7 – Seelgerätstiftung durch die Corporis Christi-Bruderschaft (1451) Nr. 8 – Seelgerätstiftung durch Dietrich Berger (1464) Nr. 10 – Seelgerätstiftung durch Heinrich Weynere (1465) Nr. 11 – Seelgerätstiftung durch Heinrich Hug (1465) Nr. 18 – Seelgerätstiftung durch Elisabeth Neffen (1509) Geistliches Gericht VI f, Nr. 5 – Akte des geistlichen Gerichts über das Predigerkloster (1543–1588) Unverzeichnete Rechnungen Rechnungen der Laurentiigemeinde zu Erfurt Archiv des Evangelischen Ministeriums Erfurt (AEM Erfurt) A VII a, Nr. 3 – Visitation in Nottleben, Dachwig, Kleinrettbach und Möbisburg (1557– 1655) A IX b, Nr. 38 – Akte zur Gemeinde Friedenstedt (1589–1824) II A 8; 9 – Zinsregister mit Einnahmen und Ausgaben der Altarmänner der Michaeliskirche (1556–73) II A 17; 18 – Zinsregister der Michaeliskirche (1484–1522) II B 9 – Zinsregister, Rechnungen der Kirche und der Altarleute von St. Michaelis (1502– 08) II D a 45, Nr. 1 – Kurrenderechnungen der Michaelisschule (ab 1617) II D a 46, Nr. 2 – Kirchenrechnung der Michaeliskirche (1602) Bibliothek des Evangelischen Ministeriums Erfurt (BEM Erfurt) Michaelis Nr. 1 – Tauf-, Trau- und Sterberegister der Michaelisgemeinde 1594–1682

ARCHIVALISCHE QUELLEN

1003

Kirchenkreisarchiv Mühlhausen (KKrA Mühlhausen) SUP MHL vor 1900, Ältere Konsistorialprotokolle 1569–1612 Kirchenarchiv der Predigerkirche Erfurt (KA Predigerkirche Erfurt) Archiv der Predigerkirche (AP) Nr. 184 – Kirchenrechnungen der Predigerkirche (1595–1615) Nr. 441 – Kurrenderechnungen der Predigerschule (1617–1629) Nr. 473a – Legatebuch, Urkunden über Stiftungen (1589–19. Jh.) Archiv der Barfüßerkirche (AB) I A 6 – Register der wiederkäuflichen Zinse der Barfüßerkirche (1593–1611) I B 6; 7; 8; 9 – Kastenrechnungen der Barfüßerkirche (1566–1588) Kirchenarchiv der Kaufmännerkirche Erfurt (KA Kaufmänner Erfurt) I B 1 – Rechnungen und Briefkopialbuch (1555, 1564, 1565, 1573) H II 1 – Zinsregister der Kaufmänner- und der Aegidienkirche (1486) H II 12 – Verschiedene Urkunden und Schriftstücke (1495–1835) Kirchenarchiv der Andreaskirche Erfurt (KA Andreaskirche Erfurt) I B 1 – Kirchenrechnung (1596) I B 2 – Altarleuterechnung (1606–1663) Kirchenarchiv der Thomaskirche Erfurt (KA Thomaskirche Erfurt) 313 – Alte Schulddokumente (15.–18. Jh.) Kirchenarchiv Jena (KA Jena) Nr. 3–Nr. 6 – Kastenrechnungen (1558–1570) Kirchenarchiv Saalfeld (KA Saalfeld) Kirchenbuch Nr. 1 – Tauf- und Trauregister 1580–1651 Pfarrarchiv Saalfeld 1 XII. 1a – Wie es mit der Besoldung der Kirchen- und Schuldiener gehalten wird (1545) Pfarrarchiv Saalfeld 1a V. 2 – Visitationsbeschreibung in Saalfeld (1545)

QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

1004

2.

Edierte Quellen

EDIERTE QUELLEN

Chronicon Ecclesiasticum Nikolai de Siegen = Chronicon Ecclesiasticum Nikolai de Siegen, zum ersten Mal herausgegeben von Franz X. Wegele (Thüringische Geschichtsquellen, 2), Jena 1855. COHRS, Katechismusversuche (1900) = Ferdinand COHRS, Die evangelischen Katechismusversuche vor Luthers Enchiridion, Bd. 1: Die evangelischen Katechismusversuche aus den Jahren 1522–1526 (Monumenta Germaniae paedagogica, 20), Berlin 1900. Corpus Reformatorum 2 = Corpus Reformatorum, edidit Carolus Gottlieb Bretschneider, 2. Abt.: Philippi Melanthonis Opera Quae supersunt omnia, Bd. 2, Halle 1835. DREWS, Spalatiniana III (1900) = D. DREWS, Spalatiniana III, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 20 (1900), S. 467–499. EKO I/1 = Emil SEHLING (Hg.), Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts. Erste Abt.: Sachsen und Thüringen, nebst Angrenzenden Gebieten. Erste Hälfte: Die Ordnungen Luthers. Die ernestinischen und albertinischen Gebiete, Leipzig 1902. EKO I/2 = Emil SEHLING (Hg.), Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts. Erste Abt.: Sachsen und Thüringen, nebst Angrenzenden Gebieten. Zweite Hälfte: Die vier geistlichen Gebiete (Merseburg, Meißen, Naumburg-Zeitz, Wurzen), Amt Stolpen mit Stadt Bischofswerda, Herrschaft und Stadt Plauen, die Herrschaft Ronneburg, die Schwarzburgischen Herrschaften, die Reußischen Herrschaften, die Schönburgischen Herrschaften, die vier Harzgrafschaften: Mansfeld, Stolberg, Hohenstein, Regenstein, und Stift und Stadt Quedlingburg, die Grafschaft Henneberg, die Mainzischen Besitzungen (Eichsfeld, Erfurt), die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen, das Erzbistum Magdeburg und das Bistum Halberstadt, das Fürstentum Anhalt, Leipzig 1904. ERLER, Matrikel (1895) = Georg ERLER, Die Matrikel der Universität Leipzig, Bd. 1: Die Immatrikulationen von 1409–1559 (Codex Diplomaticus Saxoniae Regiae, 16), Leipzig 1895. DERS., Promotionen (1897) = DERS., Die Matrikel der Universität Leipzig, Bd. 2: Die Promotionen von 1409–1559 (Codex Diplomaticus Saxoniae Regiae, 17), Leipzig 1897. DERS., Register (1902) = DERS., Die Matrikel der Universität Leipzig, Bd. 3: Register (Codex Diplomaticus Saxoniae Regiae, 18), Leipzig 1902. DERS., Jüngere Matrikel (1909) = DERS., Die iüngere Matrikel der Universität Leipzig 1559–1809, als Personen- und Ortsregister bearbeitet und durch Nachträge aus den Promotionslisten ergänzt, Bd. 1: Die Immatrikulationen vom Wintersemester 1559 bis zum Sommersemester 1634, Leipzig 1909. Ernestinische Landtagsakten 1 = Ernestinische Landtagsakten, Bd. 1: Die Landtage von 1487–1532, bearbeitet von C. A. H. Burkhardt (Thüringische Geschichtsquellen, 8, N. F. 5), Jena 1902. FABRITIUS, Büchlein (1895) = Hans FABRITIUS, Das Büchlein gleichstimmender Wörter aber ungleichen Verstandes, herausgegeben von John Meier (Ältere deutsche Grammatiken in Neudrucken, 1), Straßburg 1895.

EDIERTE QUELLEN

1005

FLACH, Testament (1933) = Willy FLACH, Das Testament des Propstes Jhan von Döhlen für das Bergerkloster in Altenburg, in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Altertumskunde, N. F. 30 (1933), S. 547–567. FÖRSTEMANN, Album (1841) = Carl Eduard FÖRSTEMANN, Album Academiae Vitebergensis ab A. CH. MDII usque ad A. MDLX, Leipzig 1841. FUCHS/FRANZ, Akten (1942) = Walther Peter FUCHS/Günther FRANZ (Hg.), Akten zur Geschichte des Bauernkrieges in Mitteldeutschland, Bd. 2, Jena 1942. GERHARD, Album III (1905) = Karl GERHARD, Album Academiae Vitebergensis ab A. CH. MDII usque ad A. MDCII, Volumen Tertium, Halle 1905. HARTWIG, Album II (1894) = Otto HARTWIG, Album Academiae Vitebergensis ab A. CH. MDII usque ad A. MDCII, Volumen Secundum, Halle 1894. KAPP, Nachlese (1727) = Johann Erhard KAPP, Kleine Nachlese einiger, größten Theils noch ungedruckter, Und sonderlich zur Erläuterung Der Reformations-Geschichte nützlicher Urkunden, Anderer Theil, Leipzig 1727. KOCH, Aufzeichnungen (1899) = Ernst KOCH, Johann Jacoffs Aufzeichnungen über die kirchlichen Verhältnisse und die Fronleichnamsbrüderschaft zu Gräfenthal, in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Altertumskunde 19, N. F. 11 (1899), S. 451–508. LAMBERT, Ratsgesetzgebung (1870) = Ernst LAMBERT, Die Rathsgesetzgebung der freien Reichsstadt Mühlhausen in Thüringen im vierzehnten Jahrhundert, Halle 1870. Liber Cronicorum (Erfordensis) = Liber Cronicorum (Erfordensis) [Chronicon Thuringicum Viennese], herausgegeben von Carl Wenk, in: Zeitschrift des Vereins für thüringische Geschichte und Altertumskunde 12, N. F. 4 (1884), S. 185–251. LUTHER, Von den guten Werken, WA 6 = Martin LUTHER, Von den guten Werken, in: D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe, Bd. 6, Weimar 1888, S. 202–276. DERS., An den Adel, WA 6 = DERS., An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung. 1520, in: D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe, Bd. 6, Weimar 1888, S. 381–469. DERS., Predigt in Altenburg, WA 10.3 = DERS., Predigt in Altenburg, Montag nach Quasimodogeniti, in: D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe, Bd. 10. Dritte Abt., Weimar 1905, S. 99–101. DERS., Ordnung 1523, WA 12 = DERS., Ordnung eines gemeinen Kastens. 1523, in: D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe, Bd. 12, Weimar 1891, S. 1–30. DERS., Gottesdienst in der Gemeinde, WA 12 = DERS., Von Ordnung Gottesdiensts in der Gemeine. 1523, in: D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe, Bd. 12, Weimar 1891, S. 31–37. DERS., Ratsherren, WA 15 = DERS., An die Ratsherren aller Städte deutschen Lands, daß sie christliche Schulen aufrichten und halten sollen. 1524, in: D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe, Bd. 15, Weimar 1899, S. 9–53. DERS., Deutsche Messe, WA 19 = DERS., Deutsche Messe und Ordnung Gottesdiensts. 1526, in: D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe, Bd. 19, Weimar 1897, S. 44–113.

1006

QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

LUTHER/MELANCHTHON, Unterricht, WA 26 = Martin LUTHER/Philipp MELANCHTHON, Unterricht der Visitatoren an die Pfarrherrn im Kurfürstentum zu Sachsen (1528), in: D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe, Bd. 26, Weimar 1909, S. 175–240. LUTHER, Kinder zur Schule halten, WA 30.2 = Martin LUTHER, Eine Predigt, daß man Kinder zur Schule halten solle, in: D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe, Bd. 30, Zweite Abt., Weimar 1909, S. 509–588. DERS., Briefwechsel, WA BR 3 = DERS., Briefwechsel 1523–1525, in: D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe, Abt. Briefwechsel, Bd. 3, Weimar 1933. DERS., Briefwechsel, WA BR 4 = DERS., Briefwechsel 1526–1528, in: D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe, Abt. Briefwechsel, Bd. 4, Weimar 1933. DERS., Briefwechsel, WA BR 6 = DERS., Briefwechsel 1531–1533, in: D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe, Abt. Briefwechsel, Bd. 6, Weimar 1935. DERS., Jesaia, WA DB 11.1 = DERS., Vorrede [auf den Propheten Jesaia], in: D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe, Abt. Die Deutsche Bibel, Bd. 11, Erste Hälfte, Weimar 1960, S. 16–25. MASCHKE, Einwohnerzählung (2007) = Alfred MASCHKE, Die Einwohnerzählung im Amt Altenburg im Jahre 1580, bearbeitet von Karlheinz Weidenbruch (Schriftenreihe der Stiftung Stoye, 43), Marburg 2007. MBW = Philipp MELANCHTHON, Melanchthons Briefwechsel. Kritische und kommentierte Gesamtausgabe, herausgegeben von Heinz Scheible (T 1–10) und Christine Mundhenk (T 11–17), Stuttgart/Bad Cannstatt 1991–2013. MELANCHTHON, Supplementa Melanchthoniana 6 = Philipp MELANCHTHON, Melanchthons Briefwechsel, herausgegeben von Otto Clemen, in: Supplementa Melanchthoniana. Werke Philipp Melanchthons, die im Corpus Reformatorum vermisst werden, herausgegeben vom Verein für Reformationsgeschichte, sechste Abt., Leipzig 1926. MENTZ, Matrikel (1944) = Georg MENTZ, Die Matrikel der Universität Jena, Bd. 1: 1548 – 1652 (Veröffentlichungen der Thüringischen Historischen Kommission, 1), Jena 1944. MICHAEL, Katechismus (2016) = Susi-Hilde MICHAEL, Der Katechismus des David Chytraeus. Edition und Übersetzung, Leipzig 2016. MICHELSEN, Rechtsdenkmale (1863) = Andreas Ludwig Jakob MICHELSEN, Rechtsdenkmale aus Thüringen, Jena 1863. MÖTSCH, Regesten I (2006) = Johannes MÖTSCH (Hg.), Regesten des Archivs der Grafen von Henneberg-Römhild, Teilband 1 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen, Große Reihe, 13,1), Köln/Weimar/Wien 2006. DERS., Regesten II (2006) = DERS. (Hg.), Regesten des Archivs der Grafen von Henneberg-Römhild, Teilband 2 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen, Große Reihe, 13,2), Köln/Weimar/Wien 2006. MÜLLER, Schulordnungen I (1885) = Johannes MÜLLER, Vor- und frühreformatorische Schulordnungen und Schulverträge in deutscher und niederländischer Sprache. 1. Abt.: Schulordnungen etc. aus den Jahren 1296–1505, Zschopau 1885.

EDIERTE QUELLEN

1007

DERS., Schulordnungen II (1886) = DERS., Vor- und frühreformatorische Schulordnungen und Schulverträge in deutscher und niederländischer Sprache. 2. Abt.: Schulordnungen etc. aus den Jahren 1505–1523 nebst Nachträgen vom Jahre 1319 an, Zschopau 1886. MYCONIUS, Geschichte der Reformation = Friedrich MYCONIUS, Geschichte der Reformation, herausgegeben von Otto Clemen (Voigtländers Quellenbücher, 68), Leipzig 1914 [Neudruck 1990]. NEUMÄRKER, Stadtbuch (1892) = Carl Hermann NEUMÄRKER, Das Stadtbuch Apoldas vom Jahre 1440, Apolda 1892. Regesta diplomatica necnon Epistolaria Historiae Thuringiae 4 = Regesta diplomatica necnon Epistolaria Historiae Thuringiae, Bd. 4: 1267–1288, bearbeitet und herausgegeben von Otto Dobenecker, Jena 1939. SAGITTARIUS, Historien I = Caspar SAGITTARIUS, Saalfeldische Historien, herausgegeben von Dr. Ernst Devrient, 1. Teil: Bis zur Reformation, Saalfeld 1903. DERS., Historien II = DERS., Saalfeldische Historien, herausgegeben von Dr. Ernst Devrient, 2. Teil, Saalfeld 1904. DERS., Schulgebäude = DERS., Casparis Sagittarii Luneburgensis ausführlicher Bericht von denen Saalfeldischen Schulgebäuden in 3 Teilen verfasst, anno 1670, herausgegeben von Dr. phil. Otto Fischer (Schriften des Vereins für Sachsen-Meiningische Geschichte und Landeskunde, 78), Hildburghausen 1919. Statuta Collegii jn Castro Aldenburg = Statuta Collegii jn Castro Aldenburg anno dni millesimo quadringentesimo tredencimo facta, in: Mittheilungen der Geschichts- und Alterthumsforschenden Gesellschaft des Osterlandes 2 (1845–1848), S. 363–382. STEINFÜHRER, Stadtbücher = Henning STEINFÜHRER, Die Weimarer Stadtbücher des späten Mittelalters. Edition und Kommentar (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen, Große Reihe, 11), Köln/Weimar/Wien 2005. STOLLE, Memoriale = Konrad STOLLE, Memoriale – thüringisch-erfurtische Chronik, bearbeitet von Richard Thiele (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete, 39), Halle a. d. S. 1900. UB Altenburg = Altenburger Urkundenbuch. 976–1350, bearbeitet von Hans Patze (Veröffentlichungen der thüringischen Historischen Kommission, 5), Jena 1955. UB Altenburg II (Manuskript) = Altenburger Urkundenbuch, Bd. 2: 1351–1507, bearbeitet von Hans Patze (Handschriftliches Manuskript, LATh-StA Altenburg). UB Erfurt I = Urkundenbuch der Stadt Erfurt. Erster Theil, bearbeitet von Carl Beyer (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete, 23), Halle 1889. UB Erfurt II = Urkundenbuch der Stadt Erfurt. Zweiter Theil, bearbeitet von Carl Beyer (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete, 24), Halle 1897. UB Jena I = Urkundenbuch der Stadt Jena und ihrer geistlichen Anstalten, Bd. 1: 1182– 1405, herausgegeben von J. E. A. Martin (Thüringische Geschichtsquellen, 6, N. F. 3), Jena 1888. UB Jena II = Urkundenbuch der Stadt Jena und ihrer geistlichen Anstalten, Bd. 2: 1406– 1525, unter Benutzung des Nachlasses von J. E. A. Martin herausgegeben von Ernst Devrient (Thüringische Geschichtsquellen, 6, N. F. 3, 2. Teil), Jena 1903.

1008

QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

UB Jena III = Urkundenbuch der Stadt Jena und ihrer geistlichen Anstalten, Bd. 3, Nachtrag (c. 890–1525), Totenbücher, Akten und Urkunden 1526–1580, herausgegeben von Ernst Devrient (Thüringische Geschichtsquellen, 6, N. F. 3, 3. Teil), Jena 1936. UB Mainz 2, II = Mainzer Urkundenbuch, Bd. 2: Die Urkunden seit dem Tode Erzbischof Adalberts I. (1137) bis zum Tode Erzbischofs Konrads (1200), Teil II: 1176– 1200, bearbeitet von Peter Acht, Darmstadt 1971. UB Mühlhausen = Urkundenbuch der ehemals freien Reichsstadt Mühlhausen in Thüringen, bearbeitet von Karl Herquet (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete, 3), Halle 1874. UB Salzunger Stadtarchiv = Urkundenbuch des Salzunger Stadtarchivs (1321–1658), bearbeitet und herausgegeben von Dr. phil. Alfred Rach, Bad Salzungen 1930. UB Vögte II = Urkundenbuch der Vögte von Weida, Gera und Plauen, sowie ihrer Hausklöster Mildenfurth, Cronschwitz, Weida und z. h. Kreuz bei Saalburg, Bd. 2: 1357– 1427, herausgegeben von Berthold Schmidt (Thüringische Geschichtsquellen, 5, N. F. 2), Jena 1892 [Neudruck 2014]. VERPOORTEN, Epistolae (1709) = Albrecht Meno VERPOORTEN (Hg.), Sacra superioris Aevi Analecta, In quibus Variorum Ad Venceslavm Lincvm Epistolae, plures, quam septuaginta, Mart. Lvtheri Sermo In I. Io. V. comm. IV. Eiusdem ad Bernardvm, e Iudaismo conversum, Epistola, Coburg 1708. VORMBAUM, Schulordnungen I (1860) = Reinhold VORMBAUM, Evangelische Schulordnungen, Bd. 1: Die evangelischen Schulordnungen des sechszehnten Jahrhunderts, Gütersloh 1860. WEBER/LINGELBACH, Statuten (2005) = Wolfgang WEBER/Gerhard LINGELBACH (Hg.), Die Statuten der Reichsstadt Mühlhausen in Thüringen, Köln/Weimar/Wien 2005. WEISSENBORN, Acten I (1881) = Hermann WEISSENBORN, Acten der Erfurter Universitaet, 1. Teil: Päpstliche Stiftungsbullen, Statuten von 1447, Allgemeine Studentenmatrikel, 1. Hälfte: 1392–1492 (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete, 8, Teil 1), Halle 1881. DERS., Acten II (1884) = DERS., Acten der Erfurter Universitaet, 2. Teil: Allgemeine und Facultätsstatuten 1390–1636, Allgemeine Studentenmatrikel. 2. Hälfte: 1492–1636 (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete, 8, Teil 2), Halle 1884. Wittenberger und Leisniger Kastenordnung = Die Wittenberger und Leisniger Kastenordnung. 1522–1523, herausgegeben von Hans Lietzmann (Kleine Texte für theologische Vorlesungen und Übungen, 21), Bonn 1907. WOLF, Das Leben des Hieronymus Wolf (1984) = [Hieronymus WOLF,] Der Vater der deutschen Byzantinistik. Das Leben des Hieronyymus Wolf von ihm selbst erzählt, deutsch von Hans-Georg Beck (Miscellanea Byzantina Monacensia, 29), München 1984. DERS., Commentariolus (1998) = [DERS.] Commentariolus de vita sua, übersetzt und kommentiert von Helmut Zäh (maschinenschriftlich), München/Donauwörth 1998.

GEDRUCKTE QUELLEN

3.

1009

Gedruckte Quellen

GEDRUCKTE QUELLEN

Aelii Donati Methodvs = Aelii Donati Methodvs seu Declinandi coniugandique prima elementa, pro pueris Alphabetarijs, rerum grammaticarum prorsus ignaris, diligentiori cura nunc primum concinnata. Cum Epistola Philip. Mel., Wittenberg 1537. [VD16 ZV 25417] AGRICOLA, Fragestuecke = Johannes AGRICOLA, Hundert vnd dreissig gemeiner Fragestuecke fuer die iungen kinder yn der Deudschen Meydlinschule zu Eyslebe[n] vom wort Gottes glauben gebete heiligen geiste creutze vn[d] liebe auch ein vnterricht von der Tauffe Vnd leibe vnd blute Christi, Zwickau 1528. [VD16 A 997] Ain lobliche Ordnung = Ain lobliche Ordnu[n]g der Fürstlichen stat Wittemberg Im tausent fünfhundert vnd zwainzigsten iar auffgericht, Augsburg 1522. [VD16 W 3697] AQUILA, Christliche erklärung = Caspar AQUILA, Ein Christliche erklärung des kleynen Catechismi / mit schönen Exempeln vnd gewaltigen spruchen der heyligen Schrifft bestätigt: Geprediget Durch M. Casparum Aquilam / Pfarherr zu Salfäld, Augsburg 1538. [VD16 A 250] CREUTZIGER, Psalm Davids = Caspar CREUTZIGER, Der CXI. CXIIII. CXV. Psalm Dauids, darinnen er leret, GOTT zu loben auffs Osterfest, vmb die Wunderwerck, so er seinem Volck Israel erzeigt hat, Ausgeleget durch den Ehrwürdigen, Hochgelarten, vnd in Gott seligen D. Caspar Creutziger, Newlich aber verdeutschet durch M Stephanum Reichen, gedruckt zu Ursel durch Nicolaum Henricum, Oberursel 1560. [VD16 C 5849] DRESSER, Grammaticae graecae Epitome = Matthaeus DRESSER, Philippi Melanchthon. Grammaticae graecae Epitome ad Pverilem institvtionem et captvm accommodata a Matthaeo Dressero, Leipzig 1575. [VD16 M 3512] KOBOLD, Der trostreiche Spruch = Erhard KOBOLD, Der herrliche und trostreiche Spruch S. Pauli in der 2. Tim. 4. Capitel: Ich habe einen guten Kampff gekempffet [etc.] Bey der Leiche / des […] Gesellens / Ern Joann Försters von Luckaw / gewesenen Schulmeisters zu Schmöllen welcher in warhaffter Erkenntnus und hertzlicher Anruffung des Sohns Gottes / den 17. Februarii, Anno 1601. seliglichen verschieden / und den 18. […] zur Erden bestattet worden, Jena 1601. [VD17 39:103641P] FABRITIUS, Eyn Nutzlich buchlein = Johannes FABRITIUS, Eyn Nutzlich buchlein etlicher gleich stymender worther Aber vngleichs verstandes denn angenden deutschen schreyb schuelern zu gut mitgeteylt, Erfurt 1532. [VD16 F 494] (Neudruck von John Meier, Stuttgart 1895) FELNER, Rechenbüchlin = Nikolaus FELNER, Ein New Behenndes vnnd gantz gründtlichs Rechenbüchlin Auff der Linien vnnd federn mit viel Schonen Lustparlichen Regeln Exempel vnnd Behendikeitten Auff gewin Verlust vnnd allenn Kauffmansschlagk gantz dinstlich Mit Vleisz zusamen geordennt Vnnd gemacht Durch Nicolaum Felner von Winsheym RechenMeister zw Erffurdt, Erfurt 1535. [VD16 F 708] FEME, Eyn gut new rechen buchlein = Konrad FEME, Eyn gut new rechen buchlein ist erdacht vnd ist nach der schlechte[n] zal gemacht, Erfurt 1521. [VD16 F 711]

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QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

FROHNIUS, Programma Pars Prima = Joh. Adolph. FROHNIUS, Programma, in quo proponitur Pars Prima Historicae Narrationis de Ortu & aliqvali Progressu Ministerii Evangelici Ecclesiae Christi, quae ipsi colligitur in Libera atque Imperiali Civitate Molhusa Thuringorum, Molhusae 1709. DERS., Programma Pars Tertia = DERS., Programma, in quo exhibetur Pars Tertia Narrationis Historicae de Ministerii Evangelici in Ecclesia Mulhusina progressu, Molhusae 1711. DERS., Programma Pars Qvarta = DERS., Programma, in quo continetur Pars Qvarta Narrationis Historicae de Progressu Ministerii Evangelici in Ecclesia Mulhusina, Molhusae 1712. DERS., Programma Pars Qvinta = DERS., Programma, in quo exhibetur Pars Qvinta Narrationis Historicae de Progressu Ministerii Evangelici in Ecclesia Mulhusina, Molhusae 1713. GÜTTEL, Schuczrede = Caspar GÜTTEL, Schuczrede widder eczliche vngetzembdte freche Clamanten / wilche die Euangelischen lerer schuldigen / wie das sie eynen newen Glawben predigen / vnehren die Heyligen / Handeln widder die schrifft S.Jacobi / Verpieten fasten / betten / Gutte werck zuthun / auff sieben Sermon / gestellet vn[d] gepredigt / zu Arnstadt durch Caspar Guethell / Augustiner von Eyßleben, Wittenberg 1522. [VD 16 G 3989] HEDEN, Incendivm Arnstatense = Erasmus HEDEN, Incendivm Arnstatense. Quo VII. D.M. Augusti major & potior vrbis pars conflagrauit, Erfurt 1581. [VD16 H 916] HEINRICHMANN, Grammaticae Institutiones = Jakob HEINRICHMANN, Grammaticae Institutiones Jacobi Henrichman Sindelfingensis castigatae denvo atqve diligenter elaboratae, Pforzheim 1508. [VD16 ZV 14510] HELMBOLD, Hebdomas divinitus instituta = Ludwig HELMBOLD, Hebdomas divinitus instituta: sacris odis celebrata, lectionumque scholasticarum intervallis, cum Mulhusii, tum alibi, per singulos dies et horas, ad piam ingeniorum alacritatem, tam Poetice quam Musice excitandam, accommodata, Mühlhausen 1580. [VD16 H 1769] HERCO, Ordnung vnd Process = Nicolaus HERCO, Ordnung vnd Process / einer Christlichen Visitation / Für die Christliche Kirchen vn[d] Pfarherrn / der Edlen / wolgebornen Grauen zu Schwartzburg / Herrn zu Arnstad vnd Sundershausen / [etc.] In iren gnaden Ober vnd Vnder Herrschafft / in Sechs kurtze Underscheid begriffen, Erfurt 1555. [VD 16 H 2244] ICKELSAMER, Clag etlicher brüder = Valentin ICKELSAMER, Klage etlicher Brüder an alle Christen von der großen Ungerechtigkeit und Tyrannei, so Andreasen Bodenstein von Karlstadt jetzo vom Luther zu Wittenberg geschieht, Mainz 1525. [VD16 I 30] DERS., Die rechte weis = DERS., Die rechte weis aufs kuertzist lesen zu lernen wie das zum ersten erfunden vnd aus der rede vermerckt worden ist sampt einem gesprech zweyer kinder aus dem wort Gottes, Erfurt 1527. [VD16 I 33] KOLBE, Antwort auf das lesterlich schmachbuchlin = Valentin KOLBE, Antwort auf das lesterlich schmachbuchlin So Ditterich Reyßman vorschiner zeyt / ynn kurtzen tagen / an drey Rethe vnd Eldisten von der gemeyne zu Aldenburgk / durch ein druck hatt außgehen lassen, Altenburg 1526. [VD16 K 1933]

GEDRUCKTE QUELLEN

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LANG, Sermon = Johannes LANG, Eyn Sermon vonn menschlicher schwacheit / wy er aus sich nichts vormag / vnd Gott ynn allen dingen anruffen soll / auch vonn schulen odder vniuersitete tzu erhalte / zu Sant Michel gepredigt durch Doctor Johan Langen, Erfurt 1523. [VD16 L 317] LEON, Historie = Johannes LEON, Die Historie von der Offenbarung des waren Messie vnsers Heilandts, den Weysen aus Morgenland geschehen, Vnnd wie Herodes die Vnschueldige Kindlein hab toedten lassen, Tragoedien weyse, in Deutsche Reimen bracht […] Durch Johannem Leon Ohrdruuiensem zu Erffurt Schulmeister zu S. Michael, o. O. 1553. [VD16 L 1214] LOSSIUS, Erotemata Mvsicae Practicae = Lucas LOSSIUS, Erotemata Mvsicae Practicae, ex probatissimis qvibvsqve huius dulcissimae artis scriptoribus accurate & breuiter selecta, & exemplis puerili institutioni acco[m]modis illustrata, iam primvm ad usum scholae Luneburgensis, & aliarum puerilium in lucem edita, Nürnberg 1563. [VD16 L 2767] MAIUS, Leichpredigt = Lucas MAIUS, Leichpredigt Bey dem Begrebnis des Ehrwirdigen vnnd Wolgelarten Herrn M. Basilii Vngari Pfarrherrn vnd Superattendenten zu Salfeld, aus dem 116. Psalm, Sey nun wider zufrieden meine Seele, Denn der Herr thut dir guts etc., Geschehen am Sontag Reminiscere, Anno Domini 1575. Durch M. Lucam Maium Pfarrherrn zu Rudolphstadt, gedruckt zu Jhena durch Donatum Richtzenhan, Anno 1575. [VD16 M 234] MECHLER, Epitome Grammatices = Aegidius MECHLER, Epitome Grammatices latinae. Ab Aegidio Mechelerio In Puerorum vsum. Nunc denuo edita. recognita Et Aucta, Erfurt 1533. [VD16 M 1771] MEDLER, Rudimenta grammaticae Latinae = Nikolaus MEDLER, Rudimenta grammaticae Latinae quae nuda nominum flectendorum paradigmata continent, Nürnberg 1553. [VD16 M 1891] MELANCHTHON, Enchiridion = Philipp MELANCHTHON, Enchiridion Elementorvm Pverilivm, Wittenberg 1523. [VD16 ZV 10641] DERS., Handbüchlein = DERS., Handbüchlein, wie man die Kinder zu der Schrift und Lehre halten soll, Nürnberg 1524. [VD16 M 3173] DERS., Lazari Klage = DERS., Lazari Klage fur des Reichen thür / das ist / wie die armen Pfarher / die Kirchen vnd Schuelen ir not vnd elend klagen vnd beweinen / Wider die mussigen heuchler Thumbern, Aus latin P. S. verdeudscht durch Justum Jonam, Wittemberg 1541. [VD16 M 4111] MENIUS, Ein tröstliche Predigt = Justus MENIUS, Ein tröstliche Predigt / vber der Leich vnd Begrebnis / des Erwirdigen Herrn Friderichen Mecums / Pfarrherrn vnd Superattendenten zu Gotha, Wittenberg 1546. [VD16 M 4581] MÖRLIN, Postilla = Joachim MÖRLIN, Postilla Oder Summarische Erinnerung bey den Sonteglichen Jahrs Euangelien vnd Catechismi. D. Ioachimi Morlini, etwa Bischoffs auff Samland, Erfurt 1587. [VD16 M 5882] Parvvs Catechismvs pro juventute scholae Gothanae = Parvvs Catechismvs Doctoris Martini Lvtheri latino germanicvs, cvm Qvaestionibvs de Coena Domini, Symbolo Athanasii, Niceno & Cantico Sanctorum Patrum Ambrosii & Augustini, pro juventute tertiae & quintae Classis scholae Gothanae ac vicinarum, Erfurt 1593. [VD16 L 5198]

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POACH, Eine Predigt = Andreas POACH, Eine Predigt aus dem Propheten Hosea / Cap: 4. Vber der Leiche M. Georgii Silberschlags / Neunpredigers vnd Pfarrers zu Kaufmannskirche / vnd Hebraica linguae publici Professoris, in der Vniuersitet zu Erffurdt, Mühlhausen 1572. [VD 16 P 3812] Ratio Administrandi Scholas Triviales = Ratio Administrandi Scholas Triviales proposita in Visitatione Ecclesiarvm et Scholarvm svb Ducatu Iuniorum Principum Saxoniae, Jena 1573. [VD16 R 346] REICH, Qvaestivncvlae = Stephan REICH, Qvaestivncvlae in Eclogas Virgilii Salvendensi Iuuentuti praescriptae. Autore Stephano Riccio Calensi. Item Argvmenta sev Dispositiones D. Philippi Melanthonis in Eclogas easdem. Item Eclogae Separatim adiectae. Francoforti ex Officina Petri Brubachii, Frankfurt a. M. 1548. [VD16 V 1490] REISMANN, Schrifft an die Erbarn = Dietrich REISMANN, Ein Schrifft an die Erbarn vnd weisen / die Eltisten der gemein vnd drey Rethe zu Aldemburg, Wittenberg 1526. [VD16 R 1651] RIES, Rechnung in zal maß vnd gewicht = Adam RIES, Rechenung auff der linihen vnd federn in zal maß vnd gewicht auff allerley handierung gemacht vnnd zusamen gelesen durch Adam Riesen võ Staffelstein Rechenmeyster zu Erffurdt im 1522. Jar, Erfurt 1522. [VD16 R 2359] DERS., Rechnung auff der linihen = DERS., Rechnung auff der linihen gemacht durch Adam Riesen vonn Staffelsteyn in massen man es pflegt tzu lern in allen rechenschulen gruntlich begriffen anno 1518. vleysigklich vberlesen vnd zum andern mall in trugk vorfertiget, Erfurt 1525. [VD16 R 2358] SCHREIBER, Ayn new kunstlich Buech = Heinrich SCHREIBER, Ayn new kunstlich Buech welches gar gewiß vnd behend lernet nach der gemainen regel Detre welschen practic/regeln falsi vn[d] etliche[n] regeln Cosse mancherlay schoene vn[d] zuwissen notuerfftig rechnu[n]g auff kauffmanschafft […] Gemacht auff der loeblichen hoen schul zu Wien in Osterreich durch Henricu[m] Grammateum oder schreyber von Erffurdt der siebe[n] freyen kuensten Maister, Nürnberg 1521. [VD16 S 4144] DERS., Rechenn vnnd Uisyr buechleynn = DERS., Eynn kurtz newe Rechenn vnnd Uisyr buechleynn gemacht durch Heinricum Schreyber vo[n] Erffurdt der Sieben freyenn kunsten meyster, Erfurt 1523. [VD16 S 4142] SPALATIN, Auslegung = Georg SPALATIN, Auslegung D.Martinj Luthers / vber das Sechs vnd Sieben vnd dreissigst Capitel / des Propheten Esaias / vber die massen nützlich / dienstlich vnd tröstlich jnn allen Leiblichen vnd Geistlichen anfechtungen / Durch Georgium Spalatinum verdeudscht, Wittenberg 1535. [VD16 L 4988] STRAUß, Beychtbüchlin = Jakob STRAUß, Ein neüw wu[n]derbarlich Beychtbüchlin / in dem die warhafft gerecht beycht vnd bußfertigkeit Christenlichen gelert vnd angetzeygt wirt / v[n]d kürtzlichen alle tyranney erdychter menschlicher beycht vffgehaben / zu seliger reüwe / frid vnd freüd der armen gefangen gewissenn. D. Jacobus Strauß Ecclesiastes zu Eysennach in Düringen, Straßburg 1523. [VD16 S 9496] DERS., Das wucher zu nemen vnd geben = DERS., Das wucher zu nemen vnd geben / vnserm Christlichem glauben […] entgegen ist / vnüberwintlich leer / vnd geschrifft. Jn dem auch die gemolten Euangelisten erkennet werden, Straßburg 1524. [VD16 S 9479]

GEDRUCKTE QUELLEN

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Vorordnung was für ein anzal Studenten vnderhalten werden = Des Durchleuchtigsten ... Johans Fridrichen / Hertzogen zu Sachssen ... Vorordnung / was für ein anzal Studenten von der Pfarrer vnd Predicanten / Auch deren von der Ritterschafft / vnd Bürger der Stedte kindern / seiner Churfürstlichen gnaden Lande / zu Wittemberg jnn der hohen Schuel / von dem einkomen der dreyer Stifftkirchen / Nemlich / Aldenburg / Gotha / vnd Eysennach / sollen vnderhalten / ... werden, gedruckt zu Wittemberg bey Georgen Rhaw, 1545. [VD16 S 1049] VULPIUS, KirchenGeseng = Melchior VULPIUS, KirchenGeseng und Geistliche Lieder / D. Martini Lutheri und anderer frommen Christen; so in der Christlichen Gemeine zu Weymar und deroselben zugethanen / auch sonsten zu singen gebreuchlich, Erfurt 1604. [VD17 23:287057D] DERS., Gesangbuch = DERS., Ein schön geistlich Gesangbuch; Darinnen KirchenGesänge Und geistliche Lieder / D. Mart. Lutheri und anderer frommen Christen / […] Mit vier / etliche mit fünff Stim[m]en, Erfurt 1609. [VD17 39:149021G] WEBER, Gerechnet Rechenbuechlein = Johannes WEBER, Gerechnet Rechenbuechlein: Auff Erffurdischen Weit Tranck Centner Stein vnd Pfund kauff Beneben einer sehr nuetzlichen Rechnung was nach dem Stueck als Elen Maß etc. kaufft oder verkaufft wird Auch eine sehr schoene Wechsel Rechnung auff die viererley Muentz der Taler Guelden Gute Schock vnd Lawen Schock gericht […] zusamen bracht vnd jtzt in Druck vorfertiget: Durch Johan Weber Rechenmeister vnd Buerger zu Erffurd, Erfurt 1583. [VD16 W 1330] DERS., Wolgegrundt Rechenbuch = DERS., Ein New Künstinstlich vnd Wolgegrundt Rechenbuch Auff den Linien vnd Ziffern von vielen nuetzlichen Regeln zu allerley Handthirunge […] dienstlichen neben vielen andern dingen so hiebeuorn nicht gesehen worden. Darinnen auch gruendtlichen dargethan vnd angezeigt wird wie man Radicem Quadratam vnd Cubicam extrahirn sol mit angehenckten Exempeln. Deßgleichen ein vollkommener Bericht der Regula Falsi, darinnen gelert wird wie vnd auff was wege alle Fragen der gantzen Coß Christoff Rudolffs […] durch Regulam Falsi moegen resoluirt vnnd auffgeloest werden […] Dermassen vormals weder in Lateinischer noch Deutscher sprach nicht außgegangen mit sonderm fleis zusammen bracht […] Durch Johann Weber von Stadt Steinach Rechenmeister vnd Buerger zu Erffordt, Leipzig 1583. [VD16 W 1331] WEINRICH, Manuductio Ad Grammaticam = Valentin WEINRICH, Manuductio Ad Grammaticam. Generaliora eius artis praecepta, cum Germanica maxime flexibilium interpretatione, complectens, facilemq[ue] tironibus, ad literaturam, aditum patefaciens: cui, Pro Adultioribus, Deponentium constructio: Et succincta Orthographiae utriusq[ue] Linguae Et Prosodiae Delineatio ad calcem annexae sunt, Erfurt 1613. [VD17 547:654708C]

QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

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4.

Literatur

LITERATUR

ABE, Universität (1969) = Horst Rudolf ABE, Die Stellung der Universität Erfurt zur beginnenden Reformation (1517–1521), in: Max Steinmetz/Gerhard Brendler (Hg.), Weltwirkung der Reformation, Bd. 1, Berlin 1969, S. 460–471. ABSMEIER, Schulwesen (2011) = Christine ABSMEIER, Das schlesische Schulwesen im Jahrhundert der Reformation. Ständische Bildungsreformen im Geiste Philipp Melanchthons (Contubernium. Tübinger Beiträge zur Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte, 74), Stuttgart 2011. Ad Gymnasii Senatorii Erfvrtensis Solemnia Bissaecvlaria (1761) = Ad Gymnasii Senatorii Erfvrtensis Solemnia Bissaecvlaria d. X. Dec. CIƆ IƆ CCLXI. celebranda Maximo Svbmissionis Ac Observantiae Cvltv Proseqvendos Mvsarvm Patronos, Inspectores Ac Qvosvis Alios Favtores Invitant Ac Praefationis Loco Origines Gymnasii Describvnt Director Et Professores, Erfurt 1761. ALBERTI, Landgebiet (1909) = Ernst ALBERTI, Beitrag zur Geschichte der Reformation im Erfurter Landgebiet, in: Jahrbuch des Vereins für Heimatkunde im Amtsbezirk Vieselbach 1 (1909), S. 31–59. ALBRECHT, Luthers Schrift (1897) = Otto ALBRECHT, Studien zu Luthers Schrift „An die Ratsherren aller Städte deutschen Landes, daß sie christliche Schulen aufrichten und halten sollen. 1524“, in: Theologische Studien und Kritiken 4 (1897), S. 687–777. ALTENBURG, Chronik (1824) = Christian Gottlieb ALTENBURG, Topographisch-historischen Beschreibung der Stadt Mühlhausen in Thüringen, Mühlhausen 1824 [Neudruck als Chronik der Stadt Mühlhausen in Thüringen, Bad Langensalza 1999]. ALTERSBERGER, Pfarrstruktur (2013) = Jakob ALTERSBERGER, Zur Pfarrstruktur und Kirchengeschichte Mühlhausens im Mittelalter, in: Mühlhäuser Beiträge 36 (2013), S. 35–60. ANDERMANN/ANDERMANN, Regionale Aspekte (2000) = Ulrich ANDERMANN/Kurt ANDERMANN (Hg.), Regionale Aspekte des frühen Schulwesens (Kraichtaler Kolloquien, 2) Tübingen 2000. ANDERMANN, Bildungswanderung (2000) = Ulrich ANDERMANN, Lateinschulen und Bildungswanderung im Zeitalter des Humanismus, in: Ulrich Andermann/Kurt Andermann (Hg.), Regionale Aspekte des frühen Schulwesens (Kraichtaler Kolloquien, 2), Tübingen 2000, S. 29–61. ANHALT, Kollegiatstift (2004) = Markus ANHALT, Das Kollegiatstift St. Georgen in Altenburg auf dem Schloss 1413–1537. Ein Beitrag zur Stiftsforschung (Erfurter theologische Schriften, 32), Leipzig 2004. DERS., St.-Georgen-Stift (2014) = DERS., Das St.-Georgen-Stift und Spalatin, in: Armin Kohnle/Christina Meckelnborg/Uwe Schirmer (Hg.), Georg Spalatin. Steuermann der Reformation, Halle a. d. S. 2014, S. 237–247. ANZ, Reformation (1917) = Heinrich ANZ, Die Reformation und ihre Wirkungen im Gymnasium des Herzogtums Gotha, in: Die Reformation und ihre Wirkungen in der Landeskirche des Herzogtums Gotha, in der Volksschule des Herzogtums Gotha, im Gymnasium des Herzogtums Gotha, in der Theologischen Fakultät der Universität

LITERATUR

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Jena (Die Reformation und ihre Wirkungen in Ernestinischen Landen. Gedenkblätter zur Jubelfeier der Reformation, 1), Leipzig 1917, S. 105–148. APFELSTEDT, Reformation (1841) = Friedrich APFELSTEDT, Die Einführung der Reformation Luthers in den Schwarzburgischen Landen, mit Andeutungen christlicher Anfänge daselbst, Sondershausen 1841 [Neudruck 2014]. ARNDT, Schule in Weimar (1925) = Hugo ARNDT, Aus der Geschichte der KarlAugust-Schule in Weimar, Weimar 1925. ARNHARD, Curriculum (1997) = Gerhard ARNHARDT, Das Curriculum für Eisleben (1525) – Auftakt für die Konstituierung des protestantischen Gelehrtenschulwesens, in: Gerlinde Schlenker/Rose-Marie Knape/Stefan Rhein (Hg.), Philipp Melanchthon und das städtische Schulwesen (Veröffentlichungen der Lutherstadt Eisleben, 2), Halle a. d. S. 1997, S. 97–106. ARNHARDT/REINERT, Landesschulen (2002) = Gerhard ARNHARDT/Gerd-Bodo REINERT (Hg.), Die Fürsten- und Landesschulen Meißen, Schulpforte und Grimma. Lebensweise und Unterricht über Jahrhunderte (Schriftenreihe des Weltbundes für Erneuerung der Erziehung. Internationale Pädagogik – Reformpädagogik, 5), Weinheim/Basel 2002. ASCHE, Frequenzeinbrüche (2001) = Matthias ASCHE, Frequenzeinbrüche und Reformen – Die deutschen Universitäten in den 1520er bis 1560er Jahren zwischen Reformation und humanistischem Neuanfang, in: Walther Ludwig (Hg.), Die Musen im Reformationszeitalter (Schriften der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, 1), Leipzig 2001, S. 53–96. DERS., Melanchthon (2010) = DERS., Philipp Melanchthon als christlicher Schulhumanist und Bildungsreformer – Wittenberg und der Export des humanistischen Bildungsprogramms, in: Friedrich Schweitzer/Sönke Lorenz/Ernst Seidl (Hg.), Philipp Melanchthon. Seine Bedeutung für Kirche und Theologie, Bildung und Wissenschaft (Theologie Interdisziplinär, 8), Neukirchen-Vluyn 2010, S. 75–94. DERS., Studienförderung (2012) = DERS., Studienförderung und Stipendienwesen an deutschen Universitäten in der Frühen Neuzeit, in: Matthias Asche/Stefan Gerber (Hg.), Studienförderung und Stipendienwesen an deutschen Universitäten von den Anfängen bis zur Gegenwart (Jahrbuch für Universitätsgeschichte, 15), Stuttgart 2012, S. 37–105. ASHEIM, Glaube und Erziehung (1961) = Ivar ASHEIM, Glaube und Erziehung bei Luther. Ein Beitrag zur Geschichte des Verhältnisses von Theologie und Pädagogik (Pädagogische Forschungen. Veröffentlichungen des Comenius-Instituts, 17), Heidelberg 1961. AULEPP, Vorstädte (1992) = Rolf AULEPP, Die mittelalterlichen Vorstädte St. Petri und St. Margareten von Mühlhausen, in: Mühlhäuser Beiträge zu Geschichte, Kulturgeschichte, Natur und Umwelt 15 (1992), S. 51–70. AVENARIUS, Lebens-Beschreibung (1718) = J. AVENARIUS, Kurze Lebens-Beschreibung Des alten berühmten Sächßischen und Hennebergischen Theologi, Herrn M. Casp. Aquilä / Welche aus seiner vorhabender Memoria Theologorum Hennebergensium excerpiret / Und in einem wohlgemeynten Sendschreiben An Se. Hoch-Ehrw. Herrn Johann Martin Schamelium / vornehmen Theologum, Wie auch hochverdienten

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QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

Pastorem Primarium und hochansehnlichen Scholarchen in Naumburg Schuldigst eröffnet hat M. J. Avenarius, Meiningen 1718. BAHLOW, Birnbaum (1955) = Helmut BAHLOW, Art. Birnbaum, Heinrich von dem, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 2, Berlin 1955, S. 259. BALDZUHN, Ordnung (2013) = Michael BALDZUHN, Die Ordnung der Lateinschule. Zur Formation von Wissen in vorreformatorischen Schulordnungen, in: Gesine Mierke/Christoph Fasbender (Hg.), Wissenspaläste. Räume des Wissens in der Vormoderne (Euros. Chemnitzer Arbeiten zur Literaturwissenschaft, 2), Würzburg 2013, S. 134–152. BALL/JACOBI, Bildung in Frauenhand (2015) = Gabriele BALL/Juliane JACOBI (Hg.), Schule und Bildung in Frauenhand. Anna Vorwerk und ihre Vorläuferinnen (Wolfenbütteler Forschungen, 141), Wiesbaden 2015. BALLAUFF, Pädagogik (1969) = Theodor BALLAUFF, Pädagogik. Eine Geschichte der Bildung und Erziehung, Bd. 1: Von der Antike bis zum Humanismus, unter Mitarbeit von Gert Plamböck, Freiburg/München 1969. BALLAUFF/SCHALLER, Pädagogik (1970) = Theodor BALLAUFF/Klaus SCHALLER, Pädagogik. Eine Geschichte der Bildung und Erziehung, Bd. 2: Vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, Freiburg/München 1970. BARING, Denck und Müntzer (1959) = Georg BARING, Hans Denck und Thomas Müntzer in Nürnberg 1524, in: Archiv für Reformationsgeschichte 50 (1959), S. 145–181. BARTH, Erziehung (1925) = Paul BARTH, Die Geschichte der Erziehung in soziologischer und geistesgeschichtlicher Beleuchtung, Darmstadt 1925 [Neudruck 1967]. BARTHELMES, Gräfenthal (1912) = Plato BARTHELMES, Fest-Schrift zum 500jährigen Stadtjubiläum Gräfenthals 1412–1912, Gräfenthal 1912 [Neudruck 2011]. BÄRWINKEL, Bedeutung Erfurts (1883) = Richard BÄRWINKEL, Die Bedeutung Erfurts für Luther und die Reformation in Erfurt, in: Ottomar Lorenz (Hg.), Erfurter Lutherfest-Almanach. Zum Besten des Luther-Denkmals zu Erfurt, Erfurt 1883, S. 43– 78. BAUCH, Biografische Beiträge (1895) = Gustav BAUCH, Biografische Beiträge zur Schulgeschichte des XVI. Jh., in: Mitteilungen der Gesellschaft für deutsche Erziehungsund Schulgeschichte 5 (1895), S. 1–26. BAUER, Reformation und Territorialstaat (1994) = Joachim BAUER, Reformation und ernestinischer Territorialstaat in Thüringen, in: Jürgen John (Hg.), Kleinstaaten und Kultur in Thüringen vom 16 bis 20. Jahrhundert, Weimar/Köln/Wien 1994, S. 37–73. DERS., Gründung (2003) = DERS., Von der Gründung einer Hohen Schule in „elenden und betrübten Zeiten“, in: Joachim Bauer/Dagmar Blaha/Helmut G. Walther (Hg.), Dokumente zur Frühgeschichte der Universität Jena 1548 bis 1558 (Quellen und Beiträge zur Geschichte der Universität Jena, 3/I), Weimar 2003, S. 31–88. DERS., Visitationen (2016) = DERS., Die Bedeutung der kursächsischen Visitationen zwischen 1525 und 1531 für die Neuordnung des evangelischen Kirchenwesens, in: Dagmar Blaha/Christopher Spehr (Hg.), Reformation vor Ort. Zum Quellenwert von Visitationsprotokollen, Leipzig 2016, S. 57–72. BAUER/MICHEL, Unterricht der Visitatoren (2017) = Joachim BAUER/Stefan MICHEL (Hg.), Der „Unterricht der Visitatoren“ und die Durchsetzung der Reformation in

LITERATUR

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Kursachsen (Leucorea-Studien zur Geschichte der Reformation und der Lutherischen Orthodoxie, 29), Leipzig 2017. BAUER, Theologen (1992) = Martin BAUER, Evangelische Theologen in und um Erfurt im 16. bis 18. Jahrhundert. Beiträge zur Personen- und Familiengeschichte Thüringens (Schriftenreihe der Stiftung Stoye, 22), Neustadt a. d. A. 1992. DERS., Personalschriften (1998) = DERS., Erfurter Personalschriften 1540–1800. Beiträge zur Familien- und Landesgeschichte Mitteldeutschlands (Schriftenreihe der Stiftung Stoye, 30) Neustadt a. d. A. 1998. BECK, Geschichte II (1870) = August BECK, Geschichte des gothaischen Landes, Bd. 2: Geschichte der Stadt Gotha, Gotha 1870. BEMMANN, Statuten (1908) = Rudolf BEMMANN, Die Statuten der Reichsstadt Mühlhausen in Thür. vom Jahre 1401, in: Mühlhäuser Geschichtsblätter. Zeitschrift des Altertumsvereins für Mühlhausen in Thüringen und Umgebung 9 (1908), S. 14–34. BENL, Das geistliche Erfurt (1996) = Rudolf BENL, Das geistliche Erfurt, in: Erfurt zur Zeit Luthers. Eine Ausstellung des Stadtarchivs Erfurt in der Zeit vom 21. Mai bis zum 29. September 1996, Erfurt 1996, S. 54–70. DERS., Reformation (1996) = DERS., Die Anfänge der Reformation in Erfurt, in: Erfurt zur Zeit Luthers. Eine Ausstellung des Stadtarchivs Erfurt in der Zeit vom 21. Mai bis zum 29. September 1996, Erfurt 1996, S. 104–120. DERS., Wissenschaftszentrum (2001) = DERS., Das Wissenschaftszentrum Erfurt im späten Mittelalter, in: Erfurt – Ein spätmittelalterliches Wissenschaftszentrum. Eine Ausstellung des Stadtarchivs Erfurt in der Zeit vom 8. Juli bis zum 19. August 2002, zusammengestellt und bearbeitet von Rudolf Benl, Erfurt 2001, S. 8–10. DERS., Schulleben (2001) = DERS., Das Schulleben in Erfurt vor der Gründung der Universität, in: Erfurt – Ein spätmittelalterliches Wissenschaftszentrum. Eine Ausstellung des Stadtarchivs Erfurt in der Zeit vom 8. Juli bis zum 19. August 2002, zusammengestellt und bearbeitet von Rudolf Benl, Erfurt 2001, S. 11–18. DERS., Bestandsaufnahme (2008) = DERS., Bestandsaufnahme der politischen, gesellschaftlichen und kirchlichen Rahmenbedingungen in Erfurt um 1500, in: Jörg Rogge (Hg.), Tradieren. Vermitteln. Anwenden. Zum Umgang mit Wissensbeständen in spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Städten (Beiträge zu den Historischen Kulturwissenschaften, 6), Berlin 2008, S. 45–60. BENTZINGER/VIELBERG, Wissenschaftliche Erziehung (2016) = Rudolf BENTZINGER/ Meinolf VIELBERG (Hg.), Wissenschaftliche Erziehung seit der Reformation: Vorbild Mitteldeutschland (Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt, Sonderschriften 48), Erfurt 2016. BERBIG, Urkundliches (1904) = Georg BERBIG, Urkundliches zur Reformationsgeschichte, in: Theologische Studien und Kritiken 77 (1904), S. 1–31. DERS., Visitation (1905/06) = DERS.: Die erste kursächsische Visitation im Ortsland Franken, in: Archiv für Reformationsgeschichte. Texte und Untersuchungen, 3, 12 (1905/06), S. 336–402. BERGNER, Geschichte Kahlas (1917) = Heinrich BERGNER, Geschichte Kahlas, Kahla 1917.

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QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

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QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

WAGNER, Rudolstadt (1999) = Erich WAGNER, Rudolstadt. Geschichtsbilder aus 10 Jahrhunderten, herausgegeben von Fritz Wagner und Gisela Bähring im Auftrag der Stadt Rudolstadt, Rudolstadt/Jena 1999. WAGNER, Georg Spalatin (1830) = Julius WAGNER, Georg Spalatin und die Reformation der Kirchen und Schulen zu Altenburg, als Beitrag zur Feier des doppelten Jubelfestes der Uebergabe der Augsburgischen Confession und der Begründung der hiesigen Gelehrtenschule, Altenburg 1830. WALCH, C. F. Beyträge (1771) = Carl Friedrich WALCH, Vermischte Beyträge zu dem deutschen Recht, Teil 1, Jena 1771. WALTER, Mühlhausen (1956) = Hermann WALTER, Die Stadt Mühlhausen im großen deutschen Bauernkrieg 1525, in: 700 Jahre städtische Selbstverwaltung in Mühlhausen. Festschrift zur 700. Wiederkehr des Jahres der Erstürmung der kaiserlichen Burg und Erkämpfung der städtischen Selbstverwaltung, Mühlhausen 1956, S. 13–19. WALTHER, Gründung (1999) = Helmut G. WALTHER, Die Gründung der Universität Jena im Rahmen der deutschen Universitätslandschaft des 15. und 16. Jahrhunderts, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte, N. F. 135 (1999), S. 101–121. DERS., Schulen (2003) = DERS., Von Schulen, Studia Generalia, Privilegien und Siegeln. Wie die Wettiner dreimal erfolgreich Universitäten gründeten, in: Joachim Bauer/ Dagmar Blaha/Helmut G. Walther (Hg.), Dokumente zur Frühgeschichte der Universität Jena 1548 bis 1558 (Quellen und Beiträge zur Geschichte der Universität Jena, 3/I), Weimar 2003, S. 11–30. WAND, Reichsstift (2006) = Arno WAND, Das Reichsstift „Zum heiligen Kreuz“ in Nordhausen und seine Bedeutung für die Reichsstadt 961–1810 (Schriftenreihe der Friedrich-Christian-Lesser-Stiftung, 17), Heilbad Heiligenstadt 2006. WARSITZKA, Schulen (2003) = Wilfried WARSITZKA, Zur Geschichte der Eisenberger Schulen bis 1945 (Rückblicke. Historisches aus Eisenberg), Eisenberg o. J. (2003). WARTENBERG, Interim (2006) = Günther WARTENBERG, Das Augsburger Interim und die Leipziger Landtagsvorlage zum Interim, in: Irene Dingel/Günther Wartenberg (Hg.), Politik und Bekenntnis. Die Reaktionen auf das Interim von 1548 (Leucorea-Studien zur Geschichte der Reformation und der Lutherischen Orthodoxie, 8), Leipzig 2006, S. 15–32. WATTENBACH, Schriftwesen (1896) = Wilhelm WATTENBACH, Schriftwesen im Mittelalter, Leipzig ³1896. WEBER, Einfluss (1995) = Volker WEBER, Der Einfluß von Reformatoren auf Kirchenund Schulordnungen im 16. und 17. Jahrhundert in Thüringen. Anfänge der Institutionalisierung des Schulwesens, in: Mühlhäuser Beiträge 18 (1995), S. 59–70. WECHMAR, Kirchner (o. J.) = Ernst WECHMAR, Die Kirchner resp. Küster & Schullehrer von St. Georgii & Martini in Mühlhausen i/Th, (maschinenschriftlich), o. J. (vor 1976). WEFERS, Wissen in Fässern (2006) = Sabine WEFERS, Wissen in Fässern und Kisten. Von Wittenberg nach Jena, in: Volker Leppin/Georg Schmidt/Sabine Wefers (Hg.), Johann Friedrich I. – der lutherische Kurfürst (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte, 204), Gütersloh 2006, S. 191–207.

LITERATUR

1067

WEIDAUER, Rechenbücher (1996) = Manfred WEIDAUER, Zu den Rechenbüchern von Heinrich Schreyber, in: Manfred Weidauer (Hg.), Heinrich Schreyber aus Erfurt, genannt Grammateus. Festschrift zum 500. Geburtstag (Algorismus. Studien zur Geschichte der Mathematik und der Naturwissenschaften, 20), München 1996, S. 93– 107. DERS., Vorwort (1996) = DERS., Vorwort, in: Manfred Weidauer (Hg.), Heinrich Schreyber aus Erfurt, genannt Grammateus. Festschrift zum 500. Geburtstag (Algorismus. Studien zur Geschichte der Mathematik und der Naturwissenschaften, 20), München 1996, S. 9 f. WEIDAUER/GEBHARDT, Adam Ries (2008) = Manfred WEIDAUER/Rainer GEBHARDT, Adam Ries zum Zweiten – Vom Rechnen mit der Feder…, in: Katja Margarethe Mieth/Rainer Gebhardt (Hg.), Schatzkammer der Rechenkunst. Historische Rechenbücher im Adam-Ries-Museum Annaberg-Buchholz (Schriften des Adam-RiesBundes Annaberg-Buchholz, 20), Dößel 2008, S. 53–61. WEIDAUER, RechenFORTschritte (2008) = Manfred WEIDAUER, Heinrich Schreyber (Grammateus) – RechenFORTschritte, in: Katja Margarethe Mieth/Rainer Gebhardt (Hg.), Schatzkammer der Rechenkunst. Historische Rechenbücher im Adam-RiesMuseum Annaberg-Buchholz (Schriften des Adam-Ries-Bundes Annaberg-Buchholz, 20), Dößel 2008, S. 95–99. WEIß, Schulordnung (2014) = Stefanie WEIß, „Wie ein Schulmeister Regiren sol“ – Zur Gestaltung und Funktion der ältesten Jenaer Schulordnung, in: Christoph Fasbender/Gesine Mierke (Hg.), Lateinschulen im mitteldeutschen Raum (Euros. Chemnitzer Arbeiten zur Literaturwissenschaft, 4), Würzburg 2014, S. 86–97. WEIß, Bethlehem (1982) = Ulman WEIß, Ein fruchtbar Bethlehem. Luther und Erfurt, Berlin 1982. DERS., Revolution (1986) = DERS., Von der Frühbürgerlichen Revolution bis zur völligen Unterwerfung durch Kurmainz vom Ende des 15. Jahrhunderts bis 1664, in: Willibald Gutsche (Hg.), Geschichte der Stadt Erfurt, Weimar 1986, S. 103–144. DERS., Bürger (1988) = DERS., Die frommen Bürger von Erfurt. Die Stadt und ihre Kirche im Spätmittelalter und in der Reformationszeit, Weimar 1988. DERS., Ratsgymnasium (1999) = DERS., Das Erfurter evangelische Ratsgymnasium 1561– 1820. Eine Geschichte in Bildern, Erfurt 1999. WEISSENBORN, Hierana (1862) = Joh. Chr. Hermann WEISSENBORN, Hierana I. II.. Beiträge zur Geschichte des Erfurtischen Gelehrtenschulwesens, Erfurt 1862, Teil I, S. 1–38/Teil II, S. 39–104. WEJWODA, Artistenfakultät (2014) = Marek WEJWODA, Die Artistenfakultät als Lateinschule? Institutionen, Träger, Akteure und Inhalte elementarer Bildung in Leipzig im 15. und frühen 16. Jahrhundert, in: Christoph Fasbender/Gesine Mierke (Hg.), Lateinschulen im mitteldeutschen Raum (Euros. Chemnitzer Arbeiten zur Literaturwissenschaft, 4), Würzburg 2014, S. 37–58. WENDEHORST, Lesen und schreiben (1986) = Alfred WENDEHORST, Wer konnte im Mittelalter lesen und schreiben?, in: Johannes Fried (Hg.), Schulen und Studium im sozialen Wandel des hohen und späten Mittelalters (Vorträge und Forschungen, 30), Sigmaringen 1986, S. 9–33.

1068

QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

WENIGER, Schulordnung (1897) = Ludwig WENIGER, Weimarische Schulordnung von 1562, in: Mitteilungen der Gesellschaft für deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte 7, 1 (1897), S. 172–187. WERNER, Entwicklung (1995) = Ella WERNER, Die Entwicklung der ersten Aumaer Schule zum „Paulinen-Stift“ der Stadt Auma, in: Der Heimatbote. Beiträge aus dem Landkreis Greiz und Umgebung 41, 12 (1995), S. 17–21. WERNER, Saalfeld (1995) = Gerhard WERNER, Geschichte der Stadt Saalfeld, Bd. 1: 9. Jahrhundert bis 1603, Saalfeld 1995. DERS., Sturm (2000) = DERS., Der Sturm auf das Benediktinerkloster vor 475 Jahren. Historische Betrachtung zu den Ereignissen des Bauernkrieges in Saalfeld im Jahre 1525, in: Saalfelder Weihnachtsbüchlein. Beiträge zur Saalfelder Geschichte 97 (2000), S. 5–12. DERS., Jacob Kelz (2006) = DERS., Jacob Kelz – Rotgerber, Lederhändler und Bürgermeister. Zum 450. Todestag, in: Saalfeld informativ 5/6 (2006), S. 8–11. DERS., Georg von Thüna (2007) = DERS., Georg von Thüna. Abt und Reichsfürst, in: Saalfeld informativ 1/2 (2007), S. 7–11. DERS., Stadtbrände (2007) = DERS., Schicksale in der Geschichte Saalfelds. Die beiden größten Stadtbrände in den Jahren 1517 und 1727, in: Saalfeld informativ 5/6 (2007), S. 5–8. DERS., Auflösung (2009) = DERS., Die Auflösung des Franziskanerklosters vor 475 Jahren, in: Saalfeld informativ 3/4 (2009), S. 6–10. DERS., Melanchthon (2010) = DERS., Der Reformator Philipp Melanchthon und seine Beziehungen zu Saalfeld, in: Saalfeld informativ 7/8 (2010), S. 5–9. DERS., Sylvester Lieb (2010) = DERS., Sylvester Lieb – Geschichtsschreiber und Verfasser der „Salfeldographia“, in: Saalfeld informativ 9/10 (2010), S. 4–7. WESTPHAL, Bildungskonzepte (1996) = Siegrid WESTPHAL, Reformatorische Bildungskonzepte für Mädchen und Frauen – Theorie und Praxis, in: Elke Kleinau/Claudia Opitz (Hg.), Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung, Bd. 1: Vom Mittelalter bis zur Aufklärung, Frankfurt a. M./New York 1996, S. 135–151. DIES., Ausgestaltung (2006) = DIES., Die Ausgestaltung des Kirchenwesens unter Johann Friedrich – ein landesherrliches Kirchenregiment?, in: Volker Leppin/Georg Schmidt/Sabine Wefers (Hg.), Johann Friedrich I. – der lutherische Kurfürst (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte, 204), Gütersloh 2006, S. 261–180. DIES., Instrument (2017) = DIES., Ist der „Unterricht der Visitatoren“ ein Instrument des landesherrlichen Kirchenregiments?, in: Joachim Bauer/Stefan Michel (Hg.), Der „Unterricht der Visitatoren“ und die Durchsetzung der Reformation in Kursachsen (Leucorea-Studien zur Geschichte der Reformation und der Lutherischen Orthodoxie, 29), Leipzig 2017, S. 151–164. WEYRAUCH, Bedeutung (1981) = Erdmann WEYRAUCH, Überlegungen zur Bedeutung des Buches im Jahrhundert der Reformation, in: Hans-Joachim Köhler (Hg.), Flugblatt als Massenmedium der Reformationszeit (Spätmittelalter und Frühe Neuzeit. Tübinger Beiträge zur Geschichtsforschung, 13), Stuttgart 1981, S. 243–259. WITZMANN, Reformation (1917) = Georg WITZMANN, Die Reformation und ihre Wirkungen in der Volksschule des Herzogtums Gotha, in: Die Reformation und ihre

LITERATUR

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Wirkungen in der Landeskirche des Herzogtums Gotha, in der Volksschule des Herzogtums Gotha, im Gymnasium des Herzogtums Gotha, in der Theologischen Fakultät der Universität Jena (Die Reformation und ihre Wirkungen in Ernestinischen Landen. Gedenkblätter zur Jubelfeier der Reformation, 1), Leipzig 1917, S. 73–104. WOKECK, Schulwesen (1926) = A. WOKECK, Vom vereinigten Kirchen- und Schulwesen ums Jahr 1800, dargestellt an der Küster- und Armenschule der Vorstadtgemeinde St. Nikolai der ehedem Freien und Reichsstadt Mühlhausen i. Th., in: Mühlhäuser Heimatblätter. Beilage zum Mühlhäuser Anzeiger 13 (1926). WOLF, Entwicklungslinien (2016) = Gustav WOLF, Entwicklungslinien der Einwohnerschaft vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, in: Schmölln. 950 Jahre, Altenburg 2016, S. 29–49. WOLF, Literatur (1987) = Norbert Richard WOLF (Hg.), Wissensorganisierende und wissensvermittelnde Literatur im Mittelalter (Wissensliteratur im Mittelalter, 1), Wiesbaden 1987. WÖLFING, Schulgeschichte (1967) = Günther WÖLFING, Aus 600 Jahren Wasunger Schulgeschichte, in: Wasunger Geschichtsblätter. Mitteilungsblatt der AG Stadtgeschichte beim Deutschen Kulturverband/Ortsgruppe Wasungen 13 (1967), S. 54–60. DERS., Stadtrecht (2001) = DERS., 700 Jahre Wasunger Stadtrecht und Stadtverwaltung, in: 700 Jahre Wasunger Stadtrecht 1301–2001, Wasungen 2001, S. 9–42. DERS., Themar IV (2001) = DERS., Themar und die Osterburg. Stadt, Burg, Zent und Amt im Mittelalter, Bd. 4: Das Spätmittelalter, 2. Teil (Veröffentlichungen des Hennebergischen Museums Kloster Veßra, 13, Sonderveröffentlichung des HennebergischFränkischen Geschichtsvereins, 16), Kloster Veßra 2001. WOLLERSHEIM, Organisation (1997) = Heinz-Werner WOLLERSHEIM, Philipp Melanchthon und die Organisation des protestantischen Schulwesens in Sachsen, in: Gerlinde Schlenker/Rose-Marie Knape/Stefan Rhein (Hg.), Philipp Melanchthon und das städtische Schulwesen (Veröffentlichungen der Lutherstadt Eisleben, 2), Halle a. d. S. 1997, S. 49–80. DERS., Einfluß (1999) = DERS., Philipp Melanchthons Einfluß auf das sächsische Schulwesen, in: Günther Wartenberg/Markus Hein (Hg.), Werk und Rezeption Philipp Melanchthons in Universität und Schule bis ins 18. Jahrhundert (Herbergen der Christenheit, Jahrbuch für deutsche Kirchengeschichte, Sonderband 2), Leipzig 1999, S. 83–97. WOZILKA, Lesenlernen (2002) = Jenny WOZILKA, Lesenlernen im 16. Jahrhundert: Valentin Ickelsamer, in: Arnold Grömminger (Hg.), Geschichte der Fibel (Beiträge zur Geschichte des Deutschunterrichts, 50), Frankfurt a. M. 2002, S. 201–215. WRIEDT, Bildungswesen (1983) = Klaus WRIEDT, Schulen und bürgerliches Bildungswesen in Norddeutschland im Spätmittelalter, in: Bernd Moeller/Hans Patze/Karl Stackmann (Hg.), Studien zum städtischen Bildungswesen des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Folge 3, Nr. 137), Göttingen 1983, S. 152–172. DERS., Universität (2003) = DERS., Die Universität Erfurt. Von der spätmittelalterlichen Gründung bis zum frühen 16. Jahrhundert, in: Jürgen Kiefer/Karin Reich (Hg.), Gemeinnützige Mathematik. Adam Ries und seine Folgen (Acta Academiae Scientiarum, 8), Erfurt 2003, S. 131–147.

1070

QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

DERS., Schule und Universität (2005) = DERS., Schule und Universität. Bildungsverhältnisse in norddeutschen Städten des Spätmittelalters, Gesammelte Aufsätze (Education and Society in the Middle Ages and Renaissance, Volume 23), Leiden/Bosten 2005. WRIEDT, Reform (2015) = Markus WRIEDT, Humanistische Reform – evangelische Reformation. Melanchthons Beiträge zu den Reformen der Wittenberger Universität zwischen 1518 und 1536 und deren theologische Begründung, in: Matthias Asche/Heiner Lück/Manfred Rudersdorf/Markus Wriedt (Hg.), Die Leucorea zur Zeit des späten Melanchthon. Institutionen und Formen gelehrter Bildung um 1550 (Leucorea-Studien zur Geschichte der Reformation und der lutherischen Orthodoxie, 26), Leipzig 2015, S. 117–148. WÜHR, Bildungswesen (1950) = Wilhelm WÜHR, Das abendländische Bildungswesen im Mittelalter, München 1950. WUNDER, Schule halten (2015) = Heide WUNDER, Schule halten in der Frühen Neuzeit, in: Gabriele Ball/Juliane Jacobi (Hg.), Schule und Bildung in Frauenhand. Anna Vorwerk und ihre Vorläuferinnen (Wolfenbütteler Forschungen, 141), Wiesbaden 2015, S. 45–76. ZAHN, Einwohner (1998) = Andrei ZAHN, Die Einwohner der Ämter Burgau, Camburg und Dornburg im späten Mittelalter. Ein Beteregister aus der Zeit um 1421–1425 (Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft für mitteldeutsche Familienforschung e. V., 55), Mannheim 1998. ZEDLER, Universal-Lexicon (1746) = Johann Heinrich ZEDLER, Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschaften und Künste, Welche bishero durch menschlichen Verstand und Witz erfunden und verbessert worden […], Bd. 50: Vo–Vrh, Leipzig/Halle 1746. ZIMMERMANN, Bürgerschule (1878) = Otto ZIMMERMANN, Zur Geschichte der deutschen Bürgerschule im Mittelalter (Programm der Realschule II. Ordnung zu Leipzig), Leipzig 1878, S. 1–30. ZIMMERMANN, Greußen (2003) = Otto ZIMMERMANN, Greußen/Thür. Eine Betrachtung aus alter und neuer Zeit, Erfurt 2003.

ORTSREGISTER Das Register enthält alle im Text- und Fußnotenteil sowie im Anhang aufgeführten Orte. Die Städte Altenburg, Saalfeld, Mühlhausen und Erfurt werden als besondere Auswahlstädte in beiden Hauptteilen der Arbeit in je einem gesonderten Kapitel behandelt; die dazugehörigen Seitenzahlen sind im Register kursiv gekennzeichnet. Geographische Landschaftsbezeichnungen, territoriale Bestandteile in Herrschaftstiteln und Orte aus bibliographischen Angaben wurden nicht aufgenommen. Alexandria 473 Allendorf (Kloster) 265, 670, 819 Allstedt 235, 271, 294, 504, 645, 648, 652, 676, 692, 757, 760–764, 806, 880 Altenburg 13 f., 16, 18 f., 21, 28, 34, 41–62, 72 f., 75, 83 f., 86, 88, 98, 102, 106, 108, 119, 138, 149, 152, 155, 157, 172, 179, 184, 186 f., 194 f., 204 f., 210 f., 229, 234, 263, 270, 274, 276, 284 f., 294–296, 302, 335–444, 446 f., 449 f., 460, 466 f., 469, 485 f., 494, 500 f., 506, 508–510, 512, 515, 532, 541, 551, 571, 599, 604, 609, 611, 617 f., 620 f., 625, 628, 631, 636, 645, 650–652, 658, 660, 669, 676, 682 f., 701, 710, 716, 718, 740, 756, 758, 760, 762–766, 773 f., 779, 783, 785 f., 788, 798 f., 805 f., 814, 816 f., 819 f., 835, 846–850, 854 f., 876, 881 f., 895, 912, 924– 926, 928, 935, 938 f. Altengönna 713 Altenrömhild 168 Altkirchen 49, 414 Altzella (Kloster) 42 f. Annaberg 191–193 Apolda 100, 111–113, 116, 118, 132 f., 137, 146, 150, 153, 194, 209, 290, 646 f., 652, 665, 688, 713, 806, 816–818, 940 f. Arnshaugk 138, 294

Arnstadt 102, 108, 129, 146, 158, 172, 174, 184, 186, 194, 229–232, 237–239, 315, 317 f., 320, 327, 330, 332, 345, 395, 551, 599 f., 659, 690, 695, 699, 709–711, 739, 741–745, 750, 760–765, 773 f., 789, 806, 810 f., 822, 828, 837, 895, 903 Auerstedt 647 Augsburg 278, 281 f., 290, 306, 310, 317, 354, 381, 446, 470, 518, 520 f., 532, 550, 557, 873, 903, 909 Auma 100, 120, 140, 151, 194, 209, 623, 627, 637, 642, 648, 652, 666, 704, 709, 711, 814, 816–818, 942 f. Azmannsdorf 876 Baden-Baden 167 Bamberg 166 Ballstedt 556 Basel 512–514, 518 f., 535 Bergsulza 678 Berka 648, 652, 819 Berka an der Werra 780 Bernburg 788 Bibra 86, 673. 703 Bindersleben 877 Blankenhain 632, 641, 653, 702 Blankenburg 99, 131, 196 f., 202, 230, 232 f., 240, 326 f., 755, 757, 760–765, 773 f., 784

1072 Bockelsberg 910 Bodenrode 878 Bollstedt 596 Borna 244 f., 383, 620, 788 Braunschweig 55, 708, 789, 839 Breslau 189, 790 Breternitz 493 Buch (Kloster) 50, 675 Bürgel 100, 135, 137, 241, 265, 396, 617, 623, 625 f., 633, 638, 641, 648, 653, 676, 683–686, 703, 707, 806, 814, 818, 825, 972 f. Burgtonna 162 Buttelstedt 121, 151, 208, 648, 653, 676, 680, 714, 737, 757, 760–762, 764 f., 773 f., 777, 789, 806, 813, 816, 818, 825, 834, 839, 842, 847 f., 973 Buttstädt 146, 172, 641, 648, 653, 666, 680, 688, 709 f., 714, 737, 757, 760–764, 769, 771, 773 f., 782, 785, 791–793, 800, 806, 815, 825, 828, 833 Chemnitz 64, 158 Clingen 152, 195, 208, 690, 702, 732, 816 Coburg 17, 25, 61, 72, 133, 194, 222, 254, 260 f., 263, 291, 294, 378, 474, 575, 623, 625, 630–632, 638, 640, 643, 652 f., 659, 703, 719, 747, 783, 804 Colditz 140 Corvey 34 Creußen 586 Creuzburg 100, 137, 153, 263, 265, 295, 552, 554, 611, 648, 650, 653, 661, 671, 677, 693, 698, 770, 785, 806 Cronschwitz (Kloster) 608 Dachrieden 582, 594 Dachwig 769 Delitzsch 532 Dielsdorf 568

ORTSREGISTER

Dienstädt 789 Dörna 572, 580, 596 Dorfsulza 678 Dornburg 138, 208 f., 284, 681, 694 f., 785, 814, 816–818, 974 Dresden 160, 279, 575 Droyßig 99 Ebeleben (Kloster) 277 Eckartsberga 138, 646 f., 692, 695, 713, 726, 827 Eichfeld 196 Eigenrode 595 Eilenburg 336 Eisenach 89 f., 139, 156, 160 f., 167, 194, 236, 265, 272, 274, 276, 294 f., 297–299, 301, 487, 531, 539, 541, 550 f., 611, 613–615, 634–636, 647, 651, 654, 661, 677, 687, 697–699, 703, 706 f., 709, 733, 736, 741 f., 744–747, 751, 760–767, 773–775, 795 f., 798, 807, 817, 823 f., 829, 833, 846, 914, 926 Eisenberg 94, 116 f., 119, 129, 136, 139, 153, 240 f., 265, 276, 492, 620, 622 f., 632, 648, 654, 677, 681, 683–686, 693, 708, 711, 716, 728, 757, 786 f., 807, 813 f., 817– 819, 825, 827, 834, 836, 975 Eisfeld 131, 133, 254 f., 630 f., 654, 677, 747, 760–764, 773 f., 804, 823, 849 Eisleben 237, 269, 337, 493, 520, 754, 756, 789, 804 Ellrich 160 Elxleben 881 Erfurt 16 f., 20, 28 f., 33, 72, 75, 77, 86, 109, 144, 167, 175–194, 196, 198, 200–206, 208–210, 228, 256, 337 f., 395, 409, 555 f., 572, 584, 612, 617, 634, 651, 708, 767, 800, 813, 815–819, 837, 849, 851–921, 924 Eschwege 729

ORTSREGISTER

1073

Esslingen 48 Exdorf 554

Greußen 99, 112 f., 116, 120, 131, 137, 153, 195, 206, 210, 231 f., 327, 574, 689, 692, 699, 757, 760– 764, 800, 817 f., 828, 836, 897, 948 f. Großballhausen 913 Großenehrich 690, 699, 757, 784, 804 Großhelmsdorf 787 Großmölsen 876 Großneundorf 127

Felchta 571, 595 Fischersdorf 493 Fladungen 605 Frankenhausen 139, 152, 314, 327– 329, 530, 535 Frankfurt 470, 504 Freiberg 789, 831 Friedrichroda 240, 654, 708, 757 Frienstedt 912 Fuchshain 418 Fulda 34, 230, 914 Gebesee 121, 153 Gefell 654 Georgenthal 338, 602 Gera 114, 120, 132, 708, 732, 780, 829 Germar 596 Gispersleben 913 Göllnitz 391 Gößnitz 382 Göttingen 489 Gornsdorf 451 f. Goslar 386 Gotha 29, 32 f., 86 f., 102, 145, 150, 157, 162, 173 f., 194, 200, 206, 233 f., 236, 244 f., 263–265, 272– 274, 276, 294, 346, 379, 449 f., 456 f., 471, 480, 485, 496, 551 f., 554, 582, 601–604, 634, 647, 650, 654, 666–668, 687, 691, 696, 708, 711, 720, 727, 741 f., 747–750, 752, 756, 787–791, 795 f., 799, 807, 809, 816–821, 823, 829–831, 833, 838, 840 f., 846, 926, 929, 946 f. Graba 491 Gräfenthal 31, 100, 117 f., 120, 124 f., 127, 129, 132, 141 f., 145, 150 f., 154, 161, 164 f., 172, 620, 622 f., 642 f., 654, 702 Greiz 132

Halle 464, 493, 788 f. Hannover 789 Hartenroda 388 Heidelberg 348, 504 f. Heiligenleichnam 195 Heldburg 133, 136, 139, 151, 194 f., 205, 630–632, 640, 654, 674, 677, 814, 818, 823, 924, 976 Heldrungen 147 Helmstedt 513 Heringen 139, 162, 327, 781 Hermsdorf 716 Herrenbreitungen 721 Hersfeld 34, 102, 185 Heusdorf 137, 294 Hildburghausen 133, 135, 137, 294, 630 f., 649, 655, 677, 747, 823 f. Höngeda 595, 597 Hollenbach 572, 596 Hohendorf 707 Hohenkirchen 338 Hof 378 Horsmar 582, 595 Ichtershausen 457, 480, 496 Ilmenau 713, 718, 826 Ilfeld 113, 766, 912 Ilversgehofen 911 Jena 87, 91, 93 f., 96, 104, 106, 114– 117, 120, 122–124, 127, 131 f., 134 f., 143, 145–149, 154, 160 f., 165, 168–171, 174, 194 f., 201,

1074 206, 235, 248, 254, 256, 259 f., 271, 276, 281 f., 285 f., 290–294, 296, 325, 369, 386, 392 f., 395 f., 398, 415, 424 f., 450, 460–462, 465, 487 f., 493 f., 504, 506, 511– 513, 522, 575, 619–622, 628 f., 631, 636 f., 651, 655, 660, 665, 677, 684 f., 697 f., 701, 705, 708, 712 f., 728, 732, 738, 742, 749, 751 f., 760–765, 769 f., 773 f., 777 f., 788–791, 793 f., 798 f., 813 f., 817–819, 821 f., 828, 832 f., 835, 846, 897, 918, 924, 927, 931, 935, 950 f. Jenaprießnitz 706, 918 Joachimsthal 370, 387, 711 Kaisershagen 571, 596 Kahla 120, 140, 153, 205, 461–463, 492, 622, 629, 649, 651, 655, 671– 673, 677, 680, 682, 687, 691, 710, 776, 807, 814, 818, 822, 952 f. Kahnsdorf 414 Kaltennordheim 196, 207 f., 807, 809, 816, 925 Kelbra 327 Kerspleben 910 Kindelbrück 206, 676, 692, 772, 792, 977 Kirchhasel 196 Kirchheilingen 576 Kleindembach 166 Kleinmölsen 186 Kleinvargula 729 Kölleda 101, 137, 277, 695, 778, 819 Köln 201, 518 f., 522 f. Königsee 107, 129, 131, 153, 327, 690, 699, 876 Kolkwitz 459 Kohren 380 Korbußen 55, 341 Krakau 190 Kranichfeld 120, 655 Krölpa 703 Kunitz 92, 148, 633

ORTSREGISTER

Landsberg 493 Langendembach 166 Langendorf 391 Langensalza 86 f., 101, 140, 159 f., 170, 174, 194, 201, 207, 277, 280, 57, 580, 613, 676, 701, 707 f., 711, 725–729, 738, 748, 750, 760–764, 772–774, 779, 789, 822, 831, 837 f., 842, 844, 846–848, 850, 909 Langenschade 462 Langewiesen 231, 689 Laucha 725 Lengefeld 596 Leipzig 42, 200–209, 237, 256, 280, 290 f., 301, 317, 319, 325, 361, 409, 415, 427, 446, 513, 519, 527, 532, 566, 571, 575, 592, 601, 612, 687, 709, 722–724, 728 f., 760, 789, 813 f., 817–818, 907, 935 Leisnig 225–227, 239, 267, 377, 383, 675, 852 Leutenberg 143 f. Lissen 462 Lobeda 104, 120, 153, 195, 209, 459 f., 632, 641, 655, 663, 677, 692, 705 f., 788, 807, 813 f., 816– 818 Lobenstein 781 London 516 Loquitz 64 Lucka 149, 152, 202, 392, 492, 617 f., 632 f., 655, 692, 711, 718, 779, 785, 788, 792 f., 805, 807, 835, 924 Lüneburg 789 Lumpzig 402 Magdala 195, 208 f., 644, 655, 663– 665, 674, 677, 680, 682, 694, 696, 703, 714, 718, 737, 757, 760–762, 764 f., 773 f., 785, 794, 807, 813 f., 817 f., 825, 842, 844–846, 978 Magdeburg 98, 346 f., 494, 512, 603, 645

ORTSREGISTER

Marbach 881, 911 f. Marburg 272, 856 Marienberg 384 Marktgölitz 127 Meilschnitz 656, 688 Meiningen 105, 162, 167, 196, 617, 704, 715, 739, 780, 809, 837, 840 Mellrichstadt 88 Melsungen 539 Merseburg 504 Metz 34 Mies 370 Monstab 340 Mügeln 566 Mühlberg 281, 531, 552, 831 Mühlhausen 16 f., 28, 75–86, 173, 186, 194, 197–199, 203–205, 277, 465, 529–597, 659, 689, 699, 702, 708, 710, 727, 784, 807, 815, 817 f., 839, 867, 875, 879, 885, 887, 892, 928, 935, 954 f. Münchenbernsdorf 708 Nägelstedt 419 Naschhausen 54 Naumburg 98, 527 Nebra 120 Neumark 649, 655, 677, 714, 827 Neunhofen 100, 113, 605 Neustadt a. d. O. 27, 72 f., 100, 107, 113 f., 116–118, 120, 132–134, 138, 144, 150, 152 f., 157, 159, 168, 174, 194, 202, 211, 230, 237, 276, 294, 507, 622, 636, 643, 655, 661, 671, 677, 699, 701, 703, 709, 723, 725 f., 735, 787, 789, 807, 810, 819, 823, 847 f., 924 Neustadt b. C. 230, 630, 640, 656, 677, 688, 703 Niederroßla 665 Niederzimmern 207, 770, 909 Nördlingen 360, 489 Nordheim 816, 905 Northeim 588 Nordhausen 17, 81–83, 90 f.

1075 Nürnberg 191, 337 f., 347, 360, 378, 383, 512 f., 515, 517, 525, 534 f., 542, 857 Obermaßfeld 617 Oberweimar 294 Ohrdruf 87, 648, 650, 656, 707, 876 Oettingen 541 Orlamünde 137, 153, 171 f., 294, 493, 623, 629, 656, 662, 677, 680, 682, 700, 777, 807, 823, 828, 833 Osterburg 461, 504 Osterfeld 462 Pegau 98, 413 Pforta 566 Plaue 146, 690, 695 Plauen 166, 343, 669 Pößneck 34, 99, 107 f., 117, 120– 122, 130 f., 135, 143–146, 149– 152, 154, 160, 163, 166, 170, 174, 195, 198–200, 205, 209, 229 f., 232, 239, 261 f., 276, 284, 294 f., 487, 598–602, 604, 621 f., 629, 651, 656, 677, 686, 688, 696, 698, 700 f., 711, 714, 740, 755, 759, 780, 789 f., 817 f., 825, 837, 924 f., 956 f. Prag 147 f., 176, 730 Preitzsch 413 Prettin 370 Probstzella 126 Ranis 120, 138, 153, 195, 632, 644, 656, 671, 692, 703, 726, 789, 814, 924, 979 Rastenberg 284, 644, 656, 675, 677, 680, 694, 696, 732, 757 f., 761 f., 764, 773 f., 782, 794, 825, 828 f., 832 f., 847 Rathenow 461 Reinhardsbrunn (Kloster) 240, 602, 680 Reiser 595 f. Riethnordhausen 716

1076 Rodach 120, 131–133, 150, 611, 630 f., 640, 656 Röbden 49 Römhild 86–88, 128, 171, 294, 694, 750, 760–764, 773 f., 798, 840 Ronneburg 155, 195, 205, 294, 341, 392, 615 f., 656, 671, 700, 707, 757, 759–764, 767–769, 773–775, 777 f., 780, 786, 788, 807, 813 f., 816–818, 842, 980 Rostock 514, 520 Rotenburg 539 Rotenburg an der Tauber 902 Rothenstein 147 Rottleben 738 Rudolstadt 67, 70 f., 108, 143, 196 f., 206, 315, 327, 391 f., 465 f., 612 f., 690, 739, 755, 757 f., 760–764, 773 f., 784, 800, 817, 828, 958 f. Saalburg 128, 669, 702 Saalfeld 16, 19, 28, 32 f., 61–74, 86, 99, 102, 105 f., 110–113, 115, 117–119, 132, 134, 136, 141, 143 f., 146, 153, 158, 164, 170, 205, 207, 265, 276, 284, 294 f., 397, 445–528, 532, 556, 594–596, 622, 628, 631, 636, 648, 657 f., 669, 675–679, 682, 691, 695, 697 f., 702, 710, 733, 738, 741, 749, 756 f., 760–766, 771, 773 f., 777, 783, 787 f., 801 f., 804 f., 807–810, 817–822, 841, 849, 855, 888, 924, 928, 933, 935, 960 f. Sachsenburg 294 Salzungen 107, 129, 131, 153, 265, 539, 550, 649 f., 657, 661, 670, 677 f., 680, 759–764, 766 f., 773, 788, 808, 819, 825 Sangerhausen 137, 662, 693, 701, 716, 757–766, 773 f., 782, 828 Schalkau 133, 630, 657, 677, 808 Schallenburg 913 f. Schkölen 98 f., 137

ORTSREGISTER

Schlackenwerth (Ostrov) 612 Schleiz 96, 103 f., 109, 114, 116, 118, 132–134, 145, 149 f., 158 f., 161, 164 f., 168 f., 171, 194, 206, 211, 510, 553, 817 f., 962 f. Schleusingen 97, 104, 127, 150–153, 465, 605–607, 736, 766, 780, 797, 824, 837 Schlotheim 277, 704, 717, 808, 827 Schmalkalden 86, 89 f., 104, 174, 194, 197 f., 234 f., 551, 676, 721, 736, 824, 828, 840 Schmölln 98 f., 116 f., 119 f., 136, 152, 194, 205, 207, 210, 232, 284, 343 f., 608–610, 628, 631, 636, 651, 657, 661, 677, 679, 694, 717, 729–731, 777, 789, 805, 813, 817 f., 825, 834, 850, 929, 964 f. Schönau 708 Schwarza 459 Seebergen 914 Siegen 567, 716 Sömmerda 614, 909 f., 913–915, 917–920 Sondershausen 102, 120, 139, 154, 174, 206, 230, 326 f., 330, 695, 712, 738, 766, 777, 797, 800, 817 f., 828, 966 f. Sonneberg 630, 657, 659, 677, 703, 808 f. Spalt 338 Speyer 516 St. Gallen 34, 535 Stadtilm 62 f., 87, 108, 120, 122, 154, 171, 202, 234, 327, 612, 691, 755, 819, 926 Stadtroda 101, 194, 202, 241, 617, 622, 625 f., 633, 635, 638, 640, 657, 678, 680 f., 683, 685 f., 827, 834 Stadtsulza 284 Staffelstein 191 Steinach 906 Stembach 525 Stotternheim 911

ORTSREGISTER

Straßburg 517, 520, 762, 903 Suhl 100, 607, 701, 722, 757 f., 760– 764, 773 f., 782, 824, 834 Sulza 87, 144, 642, 657, 673 f., 677 f., 699, 715, 776, 785, 826 Tambach 757 Tangermünde 461 Tannroda 149, 152, 208, 493, 632, 647, 657, 703 f., 719, 808 f., 816, 924, 981 Teichröda 196 Teichweiden 196 Tenneberg 244 f., 620, 719 Tennstedt 676, 702, 707, 725, 757, 760–764, 773 f., 785 f., 808, 824, 832 f., 836 Teutleben 146 Thalbürgel 707 Thamsbrück 120, 702, 725, 757, 760– 762, 764 f., 773 f., 779, 781, 789 Themar 121, 128, 135, 149, 152 f., 206, 689, 720, 722, 736, 808, 813, 817, 824, 968 f. Tonna 883 Tonndorf 913 Torgau 247 f., 262, 342, 350, 365, 465, 650, 760, 927 Treffurt 644, 657, 682 f., 729, 738, 757 f., 760–764, 773 f., 781, 786 Triptis 133, 152, 194, 623, 626, 636, 640, 649, 658, 670, 677, 963, 723 f., 726, 738, 793k, 825, 924 Tübingen 26, 512, 520, 542 Ulla 911 Ummerstadt 139, 151, 194, 625, 630, 658, 663, 682 f., 794, 826 f., 924 Unterhasel 196 Utzberg 878 Vacha 99, 131, 143 f., 151, 230 Venedig 517 Volkenroda 592

1077 Walkenried 539 Walschleben 910 Waltershausen 100, 116, 118, 129, 131, 133, 135, 144, 157, 244, 284, 648, 658, 671, 677, 714 f., 775 f., 778, 783, 788, 808, 826, 834, 847 Wandersleben 883 Wasungen 131 f., 150, 705, 732, 738, 808 Weida 128, 137 f., 154, 247, 267– 270, 294, 618–620, 631, 658, 670 f., 677, 694 f., 711, 787, 808– 810, 819 f., 828, 841 Weimar 72, 94, 96, 103 f., 109–111, 114, 116, 119, 134, 139, 144, 164 f., 168, 174, 194 f., 199 f., 206, 210 f., 274, 276, 284, 293 f., 296, 301, 343, 393 f., 398, 425, 427 f., 499, 601 f., 604–607, 612, 615, 619, 645, 649, 658, 664, 667, 677–679, 685, 687, 698 f., 701, 707, 709, 714, 728, 733–737, 739, 741 f., 745–747, 749, 752, 760, 762–765, 769, 773–775, 777, 781, 786 f., 789, 796, 798 f., 808 f., 814, 817 f., 822, 838, 846, 848 f., 852, 897, 970 f. Weißen 459 Weißenfels 391 Weißensee 97, 116 f., 137 f., 153, 277, 662, 696, 717, 722, 757 f., 760–764, 773 f., 781 f., 822, 824, 841 f., 844–846, 918, 927 Wien 190 f. Windeberg 595–597 Windisheim 905 Wittenberg 42, 56, 160, 162, 200– 208, 210, 225, 227, 235, 237–239, 243, 249, 263, 268, 274, 280–282, 290, 321, 325, 337–339, 348–350, 360 f., 370, 373, 379, 383 f., 386, 388, 409, 421, 426, 445 f., 461, 463, 465, 511 f., 514, 516, 522, 526, 542, 550, 566, 602, 605 f.,

1078 614, 630, 651, 669, 687, 697 f., 709, 750, 760, 813 f., 816–818, 877, 902, 917, 935 Wölfis 876 Wöllnitz 706 Wolfenbüttel 394 Worms 851 Würzburg 94, 105, 188

ORTSREGISTER

Zeitz 123, 340, 504, 779, 836 Ziegenrück 120, 140, 166, 294, 617, 620, 622, 626, 641, 658, 675, 677, 720, 725, 826 Zimmern 737 Zschernitzsch 42 Zwickau 191, 200, 269, 465, 709, 724

PERSONENREGISTER Das Register enthält alle im Text- und Fußnotenteil genannten Personen. Verzichtet wurde auf Autoren klassischer Literatur (Vergil, Ovid, Cicero etc.) sowie biblische Protagonisten. Personen, deren vollständige Namen (Vor- und Nachname) in der historischen Überlieferung nicht erhalten sind sowie jene Personen, die identische Namen aufweisen, werden durch die Angabe ihres Amtes und ihres Wirkungsortes unterschieden. Es ist darauf verzichtet worden, die Namen der Personen aufzunehmen, auf die nur im Kontext der Forschungsdiskussion rekurriert wird und die lediglich in bibliographischen Angaben erscheinen. Accursius, Franciscus 517 Achrennit, Michael 724 Adeler, Christina 892 Adeler, Hans 892 Adeler, Katharina → Vintzenhain, Katharina Agricola, Johann 269 Alber, Erasmus 614 Albert VII., Graf von SchwarzburgRudolstadt 328 Alberti, Jeremias 895 Alberti, Johann 857 Albertus, Pfarrer in Mühlhausen 75 Albertus, Scholaster des Bergerstiftes in Altenburg 43 Albertus, Schulmeister der Deutschordensschule in Altenburg, 1272 50 Albertus, Schulmeister der Deutschordensschule in Altenburg, 1358 51 Alberus, Christopher 419 Alberus, Donat 419 Albrecht (genannt der Beherzte), Herzog von Sachsen 97, 717 Albrecht III., Graf von Mansfeld 446 Albrechtus von N 662 Alexander der Große 473 Alexander de Villa Dei 159 f., 252, 755 Altenburg, Michel 881 Alveldt, Augustin von 652, 859 Amandus, Paul 481, 497 Amsdorf, Nikolaus von 745

Andreae, Jakob 291, 302–305, 318 Andreae, Johannes 160, 517 Andriscus, Caspar 162 Angelus de Gambilionibus 516 Anna, Gräfin von Oldenburg-Delmenhorst 330 Anna Maria, Herzogin von SachsenAltenburg 850 Anton, Graf von Oldenburg-Delmenhorst 330 Anton Heinrich, Graf von SchwarzburgSondershausen 330 Apel, Dietrich 110 Apel, Jakob d. Ä. 907 Apel, Simon 691 Apel, Valten 802 Apitz, Paul 404, 426 Aquila, Caspar 32, 446–451, 459, 465, 469 f., 486, 488, 490, 521, 614, 775 Aquila, David 32, 450, 464, 484–487, 492–494, 497, 499, 510, 520, 523, 881 Aquila, Georg Friedrich 448 Arnold, Melchior 900 August, Kurfürst von Sachsen 15, 280, 286, 293, 301 f., 304, 329, 393, 424, 531, 568, 575, 831 Autumnus, Georg 486, 526 Avianius, Johannes 700, 707, 767, 777, 780, 786, 816

1080 Backofen, Martin 601, 686 Bader, Paulus 254 Balthasar, Chorsänger in Altenburg 56 Banz, Jakob 720 f., 736 Barchfeld, Valentinus 759 f. Barker, Christopherus 703, 726 Barthel, Asmus 483 Basenius, Leonhard 378 Bau, Johannes 707, 878 Baum, Nikolaus 683 Bause, Johannes 878 Beatus, Johannes 770 Becanus, Johannes Goropius 518 Becherer, Johannes 578 f. Becker, Johann 382, 387 Becker, Nikolaus 122 Benedictis, Nicolaus de 516 Benficht, Valentin 737 Benner, Johannes 700 Bere, Nikolaus 84 Berg, Bernhardt von 106 Berg, Johann vom 512 f. Berger, Dietrich 181 Bergmann, Caspar 494, 524 Bergmann, Georg 505 Bergmann, Jochen 910 Berichius, Johannes 912 Berlepsch, Sittich von 537 Bernhard von Clairvaux 431, 508, 515 Bernstein, Ludwig 355, 357 Bersman, Gregor 522 Bertesius, Johannes 765 Berthold, Schulmeister in Mühlhausen 83 Berthold XVI., Graf von HennebergRömhild 694 Bertocchus, Dionisius 518 Bertram, Jakob 647 Bertuch, Caspar 786 Beß, Wolfgang 688, 769 Besserer, Christian 723 f. Beutler, Hieronymus 718 Beyer, Konstantin 725 Bilzingsleben, Margaretha von 579

PERSONENREGISTER

Birlingk, Veit 401 f., 413, 444 Birnbaum, Heinrich von dem 49 Birnstiel, Jacob 463 Bischof, Melchior 391 f. Bischoff, Alexander 700 f., 789 Bischoff, Augustin 699, 757, 784 Bischoff, Petrus 295, 700, 711, 759, 798 Bischoff, Valentin 722 Blanckenberger, Johannes 587 f. Blosius, Nikolaus 699 Blumentrost, Nikolaus 543 f., 551– 554 Bock, Johannes 595 Bock, Matthis 459 Bodenstein, Andreas → Karlstadt Boetius, Andreas 733, 744, 761 Boetius, Sebastian 550 f., 697 Böhme, Esaias 382, 422 Boleye, Bartholomäus 48 f., 155 Bonat, Christoph 533, 538 Bonat, Dominikus 531, 533 Bonat, Georg 567 Bonaventura 431 Bonemilch, Johann (genannt von Lasphe) 857 Börtel, Sebastian 686, 714, 741, 780 Borleus, Paul 579 Borleus, Sebastian 578 Böttner, Johannes 665, 688 Botschilt, Georg 701, 716 Brackolorer, Friedrich 126 Brackolorer, Margareta 126 Bradfisch, Martin 723 Bramer, David 490, 771 Brandenstein, Ewald von 138, 453, 664 f. Brandenstein, Felix von 138 Brandenstein, Haubold von 138 Brandenstein, Heinrich von 32, 148 Brassicanus, Johannes 851 Braunschweig, Berthold 552, 554 Breitlob, Johannes 568, 579 Breme, Claus 126 Breme, Konna 126

PERSONENREGISTER

Brenz, Johannes 509, 520 Bresnizer, Alexius 382, 383, 393, 422 Brettschneider, Markus 728 Brey, Wolfgang 722 Brisger, Eberhard 339, 388 Brisger, Jakob 379, 387 f., 391 Britzen, Agnes 832, 833, 836 Brothesius, Johannes → Bertesius, Johannes Brück, Christian 707 Brück, Gregor 341 Brucker, Burckhard 640 Brun, Johann 167 Brun, Johannes 188–190 Brunfels, Otto 764 Bruschius, Caspar 551 Brysomannus, Nikolaus Ludwig 726 Bucer, Martin 520 Buchner, Anna 126 Buchner, Heinrich 126 Buchner, Kunigunde 126 Buchner, Moritz 126 Buchsbaum, Sebastian 675 Bünau, Günther von 99 Bünau, Heinrich von 647 Bünau, Rudolf von 787 Bugenhagen, Johannes 462, 839 Burghard, Peter 386 Burkhard, Graf von Barby 569 f., 572– 577, 589 f. Burkhardt, Georg → Spalatin, Georg Butenitz, Heinrich von 147 Butner, Johann 726 Butzbach, Johannes Byssander, Adam 487 f., 497 Cabuth, Martin 878 Caesar, Guntherus 83 Caesar, Philipp 488–492, 494–496, 498–500, 526–528, 771, 773, 775, 802 f., 841 Cajetan, Thomas 517 Calepinus, Ambrosius 432, 518 Calvus, Liborius 554, 671

1081 Camerarius, Joachim 298, 408, 500, 502 f., 523, 764, 767, 888 Cartheiser, Michael 689 Cellarius, Christoph 419 Ceutsdorf, Adam 433 Chilian, Michael 295, 383 f., 388, 392–394, 396, 417, 572 Chilian, Thomas 383 Christoph, Graf von HennebergSchleusingen 914 Chrysander, Johannes 881 Chur, Paul 592 Chytraeus, David 500, 503, 505, 520, 522, 745, 773, 775 Claussen, Hans 440 Clemens V., Papst 516 Clenardus, Nikolaus 298, 333, 500, 5063, 522, 762 Cohyn/Koye, Hermann 126 Conradus, Andreas 877 Cramer, Johannes 295, 486 Creutziger, Caspar 462 Creuz, Andreas 779 Creuz, Georg 552 Creuzer, Veit 512 Crimelts, Hermann 140, 209 Crusius, Martin 309, 408, 762 Cuelsamer, Johannes 851 Culmann, Leonhard 468, 500, 502, 505, 523, 761 Cunradus, Scholaster in Altenburg 49 Cuntzel, Nikolaus 880 Curd, Schmied in Sömmerda 915 Daubmann, Hans 783 Decimator, Heinrich 519, 522 Decker, Heinrich 127 Denck, Hans 534 f. Dentzel, Johannes 689 Deuter, Caspar 714 Deutzschen, Nikolaus 511 Diener, Sebastian 581 Dietrich, Kirchner in Erfurt 879 Dietrich, Veit 321, 513

1082 Döhlen, Jhan von 46, 57 Döpffer, Bartholomäus 900 Döpffer, Nikolaus 900 Doghorn, Valentin 716 Dolzig, Hans von 379, 464, 483 Donat, Thomas 402 Donatus, Aelius 158 f., 162, 164, 251, 297, 307, 309, 408, 468, 500, 502, 646, 760, 887, 896, 927 Doring, Johannes 336 Dorner, Franziskus 45 Dorothea Susanna, Herzogin von Sachsen-Weimar 295 Drach, Peter 516 Draco, Albert 612, 755 Draco, Johannes 244 Drefurt, Stefan 737, 770 f. Dresler, Seyfried 127 Dresser, Matthäus 897 Drewisch, Michael 701, 727 f. Dubinger, Bartholomäus 84 Dunkel, Nikolaus 450 Duns Scotus, Johannes 236, 238, 518 During, Balthasar 254 Eberhardt, Georg 906 Eberhardt, Valentin 906 Eberlin, Johann 851 Eck, Andreas 459 Eck, Cuntz 459 Eckardt, Christian 878 Eckell, Jorgen 876 f. Eckhardi, Johann 644 Eckstein, Wilhelm 295, 486, 493 Egenolphus, Adolarius 918 Egenolphus, Conrad 918 Ehrlein, Christopher 406, 788 Eichler, Nikolaus 700 Eisenberg, Johann 668 Elysabeht, Scholasterin in Altenburg 60 Emell, Johann 738 Emericus, Schuldiener in Halle 464 Encelius, Christoph 461 Engelhardt, Georg 570

PERSONENREGISTER

Engelhardt, Johannes 618 Engelhardt, Nikolaus 914 Engenstein, Matthias von 605 Epenschmide, Johann 702 Episcopius, Nikolaus d. Ä., Drucker in Basel 514 Erasmus von Rotterdam 252, 764 Erbhard, Valentin 595 Erdmannsdorf, Gerlach von 50 Erdmannsdorf, Peter von 50 Erdmannsdorf, Thymo von 50 Erdmannsdorf, Timo von 50 f. Erdmannsdorf, Werner von 50 Erhard, Wolfgang 914 Essig, Caspar 834 Essinger, Johannes 878, 889 Estienne, Henri 518 Euringius, Johann 700, 767 Eusebius von Caesarea 520 f. Evander, Theodorus 698 Faber, Balthasar 880 Faber, Johann 553–555 Faber, Heinrich 332 Fabricius, Georg 310 Fabritius, Johannes 904 f. Falckner, Wolf 386 Falken, Margareta 127 Falken, Nikolaus 127 Feigenspon, Bartholomäus 543 f. Felner, Nikolaus 905–907 Feme, Konrad 193 Ferber, Hans 171 Ferckel, Matthäus 596 Ferdinand I., röm.-dt. Kaiser 282, 519 Fideler, Christophorus 459 Fidler, Johann 678 Figulus, Wolfgang 433 Fischer, Christoph 721, 736 Fischer, Johann 629 Fischer, Samuel 751 f. Flacius, Matthias (genannt Illyrius) 290 f., 512 Fladung, Johann 492, 524

PERSONENREGISTER

Fleischmann, Günther 911 f. Fligers, Titz 127 Florus, Nikolaus → Blumentrost, Nikolaus Förster, Anne 127 Förster, Helias 850 Förster, Johann 730 Förster, Margareta 127 Förster, Thomas 127 Fohmann, Hans 886 Forchheim, Georg 851 Forster, Heinrich 343 Forster, Johann 514 Franck, Andreas 504 Franck, Ludwig 504 Francke, Veit 833 Frank, Johann 162 Frankenberg, Christoph von 886 Frenzel, Propst in Jena 148 Fridericus, Augustin 886 Friedericus, Johannes 722 Friedrich I. (genannt Barbarossa), Kaiser des Hl. Röm. Reiches 42 Friedrich III. (genannt der Weise), Kurfürst von Sachsen 56, 243, 277, 336–338, 604 Friedrich IV. (genannt der Fried fertige), Landgraf von Thüringen 95 Friedrich Wilhelm I., Herzog von Sachsen-Weimar 418, 509, 520 Friedrich, Christian 433 Fries, Johannes 518 Frischlin, Nicodemus 520, 522 Frisius, Gemma 897 Fritzler, Nikolaus 552 Froben, Hieronymus d. Ä., Drucker in Basel 514 Froberger, Simon 295, 394, 415 Frylitsch, Caspar 660, 697 Frylitsch, Margarethe 821 Fugger, Jakob 550 Fulda, Andreas 722 Fulda, Wolfgang 543, 550 f., 553 Funck, Johann 512

1083 Gärtner, Martin 793 Gallus, Liborius 544 f., 572, 582 Gangolf, Schulmeister in Vacha 230 Gaubisch, Urban 520 Gebhard, Johann, Schuldiener und -meister in Jena und Kahla 651 Gebhard, Johannes, Schuldiener in Mühlhausen 578 Gebhardt, Conradus 900 Gebhart, Heinrich 889 Geibrig, Barbara 850 Geitner, Simon 380 f. Gela, Samuel 504 Geltner, Peter 851, 860 Georg, Schulmeister in Altenburg 345, 348 Georg, Schuldiener in Altenburg 382 Georg, Schuldiener in Erfurt 879 Georg (genannt der Bärtige), Herzog von Sachsen 140, 277, 316, 531, 539, 633 Georg I., Graf von Henneberg-Römhild 88 Georg Ernst, Graf von HennebergSchleusingen 606 f., 720, 722, 736, 797 Gera, Hans von 122 Gerhard, Paul 295, 394 Gerhardt, Johann 461, 497 Geringswalde, Franz 437 Germar, Hans von 438, 532, 538, 554, 557, 559, 561, 564 f. Gernhard, Bartholomäus 294 f. Gerstenberger, Dorothea 918 Gervasius, Schuldiener in Mühlhausen 543 f., 550 Giehr, Hans 578 Gilbertus de Hollandia 515 Glaser, Johannes 783, 788 Glatz, Caspar 630 Glimann, Georg 568, 572 Glintzsch, Heinrich 440, 442 f., 847 Glintzsch, Ursula 440–443, 850 Göbell, Sebald 881 Göpel, Johann 780

1084 Götze, Andreas 599 f., 741 Götze, Valentin 580 Golius, Theophilus 408 f., 760, 896 Gopel, Martin 100, 143 f., 151 Gottes Geduld, Jakob von 97 Gottfridus, Deutscher Schulmeister in Schleusingen 837 Gottschalk, Stifter in Mühlhausen 83 Gottwald, Johannes 757, 834 Grabe, Franziskus 578 f. Grau, Johann, Fiskal von Würzburg 105 Grau, Johann, Pfarrer und Superintendent in Weimar 604, 664 f., 734, 736, 746 Grein, Michel 380 Greller, Jakob 730 Grimm, Johannes 394, 424 Grisbach, Christophorus 879 Gritsch, Johannes 430, 515 Groba, Johannes 488, 493, 497, 499–502, 504 Grosch, Ambrosius 84, 533–537 Groß, Donatus 566, 570, 572, 574, 576–579 Grübler, Heinrich 145, 149 Gruen/Grienius, Joachim 549 Grunde, Johannes 596 Grundmann, Johann 386 Gruner, Andreas 335 Gruner, Salomon 522 f. Gruner, Schulmeister in Pößneck 145 f., 160 Gruppenbach, Georg 512, 520 Gülden, Johann 618 Güntzelig, Heinrich 880 Güttel, Caspar 237–239, 600, 925 Gugling, Erhard 687 Gugling, Jorg 687 Guillerinus, Johannes Herold 515 Guldennapf, Wigand 157 Guleich, Michael 778, 835 Günther, Schüler in Erfurt 186 Günther VII. d. Ä., Graf von Schwarzburg-Blankenburg 63

PERSONENREGISTER

Günther XV., Graf von SchwarzburgBlankenburg 64 Günther XXXIX., Graf von Schwarzburg-Arnstadt 102, 237, 314 f., 612, 903 Günther XL. (genannt der Reiche), Graf von Schwarzburg 316–318, 320, 323, 328 Günther XLI., Graf von SchwarzburgArnstadt 317 f., 320, 326 f., 329 f., 465 Günther XLII., Graf von SchwarzburgSondershausen 330 Gutwasser, Johann 569 Habenicht, Georg 581 Haffermann, Wolfgang 568 Hagenest, Katharina von 763 Hammelburg, Johannes 55, 59 Hammerich, Johannes 396, 400, 403, 423 Hansen, Robert 375 Hantzsch, Georg 573 Harras, Valentin von 665 Harras, Werner von 644 Harstall, Anthon von 52 Harting, Hans 794 Hartmann, Balthasar 711, 727 Hartmann, Johannes 700 Hartung, Schulmeister in Mühlhausen 84 Hartungk, Peter 877 Hase, Martin 709, 711 Hase, Sebastian 736 Haubitz, Asmus von 620 Hauenschild, Georg 730 Haugwitz, Johann von 55, 341 f. Hauskeller, Simon 380 Hausmann, Matthias 730 f. Heden, Erasmus 332, 740 Heden, Konrad 332, 709, 711, 739, 743 f. Heerbrand, Jakob 514 Heher, Daniel 702 Heidenreich, Eobanus 571 Heidenreich, Margarethe 440–442

PERSONENREGISTER

Heige, Johannes 589 Heiler, Markus 681 Heimbürge, Curd 180 Heimbürge, Hans 180 Heimbürge, Margaretha 180 Heinnemann, Levinus 912 Heinrich, Propst und Scholaster in Sulza 87 Heinrich, Schuldiener in Altenburg 374 f., 378 Heinrich V. (genannt der Fromme), Herzog von Sachsen 277, 279 f., 531, 539 Heinrich (VII.), Kaiser des Hl. Röm. Reiches 75 Heinrich XI., Herr von Gera 114 Heinrich XXI., Graf von SchwarzburgArnstadt 113 Heinrich XXIV., Graf von SchwarzburgBlankenburg 196 Heinrich XXXI., Graf von SchwarzburgSondershausen 102 Heinrich XXXII., Graf von Schwarzburg-Arnstadt 314–316, 324, 612 Heinrich, Johann 910 Heinrich, Peter 910 Heinrichmann, Jacob 468, 756 Helderus, Johannes 727, 748 Hellingius, Johannes 750 Helmbold, Ludowicus, Rechenmeister in Mühlhausen 588 Helmbold, Ludwig, Schulmeister und Superintendent in Mühlhausen und Erfurt 544 f., 555–557, 569, 572–575, 577, 582, 885 Helmbold, Ludwig, Kirchner in Höngeda 995 Helmsdorf, Jobst 886 Helwig, Blasius 44 f., 340 Henne, Johann 921 Henning, Andreas 479 Henning, Johann 532 Henricus, Schuldiener in Erfurt 879 Hercks, Friedrich 122, 171

1085 Herco, Nikolaus 317–323, 327 f., 330, 775 Hermann I., Landgraf von Thüringen 89 Herren, Hans 127 Hersberger, Stephanus 662 Hertel, Johann 427 f. Herwagen, Johannes d. J. 513 Herzog, Gertrud 436 f., 835 Herzog, Sabina 436 Heshusius, Tilemann 513 Hesslingk, Quirinius 811 Hessus, Eobanus 162, 228, 764, 767, 856 f. Heyden, Sebald 307, 309, 468, 502, 756, 760 Hiepe, Paul 917 f. Hildemann, Cyriakus 831 Himmel, Augustin 382, 402 Himmel, Heinrich 402 f., 416, 418 Hisolidus, Matthäus 529 f. Hittorp, Gottfried 519, 522 f. Hobe, Erhard 627, 642 Hocherz, Margarethe 180 Hoerberg, Theophilus 913 Hoffmann, Christoph 458, 479, 481, 497 Hoffmann, Johann, Landrichter in Altenburg 428 Hoffmann, Johann, Ratsherr in Saalfeld 489 Hofmann, Christian 416 f. Hogel, Zacharias 187, 190, 855, 876 f., 880–882, 885–887, 909 Holl, Johannes 716 Hollander, Christian 433 Holzsinger, Conrad 839 Hopfner, Wolfgang 481, 497 Hoppelius, Stephan 680 Horn, Johannes 144, 150, 160 Hortlingk, Johannes 693 Hottermann, Hans 666 Hrabanus Maurus 34 Hubnerus, Bartholomäus 701, 775 Hüttenschreiber, Simon 459

1086 Huff/Haufen, Matthis 125 Huffner, Schulmeister in Pößneck 145 Hug, Heinrich 181 Hummelius, Johannes 726 Hunger, Martha 556 Husanus, Heinrich 707 Hutter, Leonhard 879 Ickelsamer, Valentin 902–904 Ilmenau, Johannes 182 Ingwiler, Georg 862, 891 Irenäus, Christoph 291, 513 Isidor von Sevilla 432, 518, 523 Itges, Franz 606 f. Jacoff, Johann 31, 100, 117 f., 124 f., 127, 132, 141 f., 145, 154, 161, 164 f., 642 Jäger, Markus 740 Jahn, Matthes 804 Johann, Graf von Oldenburg-Delmenhorst 330 Johann (genannt der Beständige), Kurfürst von Sachsen 243 f., 260– 263, 267 f., 277, 339, 341, 453, 531, 601, 604, 608, 611, 619, 903, 926 Johann III., Herzog von Sachsen-Weimar 419, 424 Johann IV., Graf von HennebergSchleusingen 914 Johann Friedrich d. Ä., Kurfürst/ Herzog von Sachsen 56, 140, 263 f., 273, 276, 279, 281 f., 345, 374– 376, 451, 531, 604, 619, 664, 666, 687, 699, 742, 821 Johann Friedrich d. M., Herzog von Sachsen 282, 290–292, 673 f., 734, 746 Johann Günther I., Graf von Schwarzburg-Sondershausen 317 f., 320, 326, 329 f. Johann Wilhelm, Herzog von Sachsen 286, 291, 293, 301, 393, 483 f., 486, 493, 666, 734

PERSONENREGISTER

Johannes XXII., Papst 82 Johannes, Schulmeister des Bergerstiftes in Altenburg 43 Johannes, Schulmeister der Deutschordensschule in Altenburg 50 f. Johannes, Schuldiener in Altenburg 375, 378 Johannes, Schulmeister in Saalfeld 62 Johannes, Schulmeister in Apolda 146 Johannes, Schulmeister in Vacha 99 Johannes, Kirchner in Erfurt 894 Jonas, Justus 279, 512 Judex, Matthäus 775 Junger, Wolfgang 900 Junius, Hadrian 307, 309, 760, 896 Kachelofen, Konrad 519 Kaiser, Jakob 44 Kaiser, Stifterin in Pößneck 121 Kalb, Caspar 691 Kalhart, Johannes 505 Kam, Hans 459 Kantz, Gabriel 354 Karl (genannt der Große), fränk. Kaiser 34 Karl IV., Kaiser des Hl. Röm. Reiches 78, 176, 561 Karl V., röm.-dt. Kaiser 282, 480, 519 Karlstadt 225, 235, 237–239, 629 f., 902 f. Kassel, Casper 885 Kasselius, Martin 294 Kaufmann, Wolfgang 793 Kawoth, Martin → Cabuth, Martin Keilhau, Heinrich 295, 487 Keilhauer, Conrad 140 Kellner, Christoph 713, 728 Kelz, Jakob 482 f., 509, 519 f. Kern, Franz 121 Kesseler, Claus 125 Keuding, Ludwig 96 Keyser, Johann 720, 736 Kießling, Andreas 880 Kieswetter, Wolfgang 851 Kiliani, Johannes 851

PERSONENREGISTER

Kind, Nikolaus 254 Kindt, Johann 747, 754 Kips, Schulmeister in Erfurt 881, 895 Kirchhoff, Johannes 560 Kirchner, Philippus 504 f. Kirchner, Wigandus 826, 834 Kirchnerin, Bürgerin in Altenburg 413 Kirmeser, Hans 125 Kirzing, Anthonius 381 Klemschuch, Nikolaus 688, 769 Kluge, Martin 414 Kneuffler, Thomas 432 Knöfel, Johann 433 Knor, Christopherus 571 f. Knorlin, Johannes 149 Knoth, Paul 149 Koberg, Anton 515 Kobersee, Erasmus 802 Kobold, Erhard 730 Koch, Volkmar 681 Köhler, Blasius 704 Köhler, Michel 415 Köler, Prediger in Altenburg 337 Köler, David 387, 389, 391, 394 Köler, Matthias 395 f. Köler, Paul 394 f., 403 f., 418, 424, 426, 433 f. Koelhoff, Johann d. Ä. 518 Koell, Johannes 691 König, Caspar 145, 173 Körner, Sigismund 804 Körner, Ulrich 780 Kolbe, Lorenz 596 Kolbe, Martin 432, 439 Kolbe, Valentin 350, 352, 354–361 Kolben, Johann 525 f. Kolberg, Jörg 738 Koler, Johann, Pfarrer in Weimar 95, 168, 210 Koler, Johann, Schulmeister in Neustadt b. C. 640 Koler, Wolfgang 610 Konrad I., Erzbischof von Mainz 177 Koppe, Johannes 900 Koser, Georg 586–588

1087 Kothebus, Johannes de 43 f. Kottdorf, Leonhard 673 Koye, Hans 126 Koye, Katharina 126 Krämer, Valentin 167 Kramer, Kune 57 Kramer, Michel 633 Krebs, Justus 703 Kremer, Gutta 125 Kremer, Johannes 125 Kretziger, Wolfgang 344 Kriegstein, Melchior 518 Kröner, Joachim 392, 394 Krosner, Alexius 140 Krumpfus, Anthonius 735 Kühne, Katharina 850 Kuhn, Michael 389 f. Kuland, Timotheus 146 Kulbin, Heinrich 113 Kune, Daniel 911 Kunitz/Roda, Konrad von 91 f., 145–148 Kuschmann, Ambrosius 577 Kuschmann, Bartholomäus (Sohn) 578 Kuschmann, Bartholomäus (Vater) 578 Laeneis, Bartholomäus 875, 879, 889 Lambertus, Philipp 708 Landgrave, Matthäus 722 Landvogt, Heinrich 703 Lang, Johannes, Deutscher Schulmeister in Gotha 820 f., 829 f., 840–842 Lang, Johannes, Pfarrer in Erfurt 634, 755, 851 f., 854, 858 f., 862 Lange, Dietrich 173, 634 Lange, Georg 342 Lange, Valentin 811 Langenhain, Johann 668 Langkbein, Matthis 105 f. Lasso, Orlando di 432 f. Laurentius, Schulmeister in Erfurt 879 Laurentius, Heinrich 921 Laurwald, Magnus 710

1088 Lauterbeck, Georg 519, 521 Lechner, Leonhard 433 Leicht, Konrad 145 Leise, Bürger in Altenburg 399 Lensing, Johann 539 Leon, Johannes 876 Leoni, Heinrich 880 Leube, Veit 401 Leuffer, Casper 878 Leuzdorf, Conrad 386 Lichtenhain, Dietrich 122 f., 171 Lichtenstein, Erhard von 493 Lieb, Sylvester 445 Lieben, Conrad 883 Liecht, Caspar 610 Limmer, Konrad 507, 708 f. Linacer, Thomas 298, 301, 762 Linck, Georg 704 Linck, Philipp 504 Linck, Valentin 878 Linda, Christoph 294, 701, 769 Lindau, Johannes → Linden, Johann Lindemann, Cyriakus 747–750, 790, 795 f., 799 Lindemann, Johannes 748 Linden, Johann 687 Lindner, Friedrich 433 Lingmer, Martin 459 Link, Johannes 72 f. Link, Wenzelslaus 337 f., 347, 349, 360 f., 378 f., 383 Lodensacius, Benedikt 688, 709 f. Loersfeld, Johannes 902 Loner, Heinz 126 Löner/Loner, Conrad 126 Löscher, Jodocus 734 f. Loner, Margareta 126 Lorbir, Johannes 84 Losse, Rudolf 78 Lossius, Johannes 716 Lossius, Lucas 308 f., 500, 522, 762, 765, 782 f. Louffer, Friedrich 84 Lozen, Hans 840 Lucas, Wilhelm 127

PERSONENREGISTER

Lucius, Jakob d. Ä. 513 f., 520 Luckaw, Henricus de 43 Ludenrodt, Heinrich 113 Ludwig IV. (genannt der Bayer), Kaiser des Hl. Röm. Reiches 75, 77 f., 82 Ludwig, Scholaster in Sulza 87 Luft, Hans 350, 516 Lupfart, Hans 127 Lupfart, Margareta 127 Luther, Martin 13, 24, 32, 90, 156, 167, 215–228, 232, 235, 243–253, 255 f., 260, 262, 267 f., 288, 290, 314, 316, 331, 335–338, 346–349, 354, 360 f., 372, 377, 397, 433, 435, 445 f., 469, 472–474, 476– 478, 500, 502 f., 505, 509, 511– 513, 521 f., 524, 542, 580, 598 f., 602, 609, 611, 617, 650 f., 659, 706, 715, 731, 766, 771–775, 779, 783, 792, 815, 820, 845 f., 851, 857–859, 865 f., 885, 895, 897, 901–903, 925 Lyra, Nikolaus von 160, 514 Macropedius, Georgius 919 Magdeburg, Hiob 310 Magnus, Olaus 520 Mahn, Abraham 789 Maier, Johannes 749 Mainz, Johannes von 186 Maior, Georg 309, 764 Maius, Lucas 465 Maler, Matthes 191, 193, 860, 904 Maltzkasten, Michael 498 Mandeler, Balthasar 829 Margarethe, Gräfin von HennebergSchleusingen 105 Margarethen, Ernst 77 Margarethen, Kilian 77 Marlorat, Augustin 513 Martersteck, Salomon 594 Martin, Heinrich 697 Martin, Valentin 704 Martin von Troppau 49

PERSONENREGISTER

Mathesius, Johann 370 Matthes, Peter 443 Matthias, Schuldiener in Jena 660 Matthis, Schulmeister in Sulza 87 Maximilian II., röm.-dt. Kaiser 519 May, Valentin 617 Maysen, Bastian 479, 481 f. Maysen, Herrmann 481 Mechler, Aegidius 851 f., 858, 860– 862, 886 Mechler, Esaias 906 Medler, Nikolaus 761, 782 f. Medlerus, Martin 694 Mehlbach, Konrad 84 Mehler, Christoffel 556 Meier, Sebastian 576 Meiland, Jakob 433 Meinholt, Philipp 459 Meister, Urban 608–610 Melanchthon, Philipp 24 f., 32, 162, 229, 248–254, 260, 266–270, 281, 290, 295–301, 307–309, 332, 347– 350, 360 f., 370, 375, 378, 380, 383–386, 397, 407, 450, 452, 459– 465, 467–469, 474–478, 481, 483, 500, 502, 512, 541 f., 545, 549, 550 f., 606 f., 612, 620, 646, 698, 704, 743, 745–756, 760–762, 764 f., 771, 773, 776, 787, 792, 794, 820, 841, 857, 861, 866, 884, 887, 902, 927 Melissander, Caspar 399, 401, 403– 405, 413 f., 417, 432 f., 441, 444, 718, 785 f., 835 Mellinger, Johann 294 Meltzer, Georg 712 f., 728 Mendelius, Albertus 784 Menius, Johann 568 Menius, Justinus 543, 551 f. Menius, Justus 90, 161, 233, 236, 273, 297, 301, 531, 539, 541, 545, 549 f., 554, 602, 613 f., 635, 650, 761, 773, 775, 795, 820 Merhovius, Georgius 504 Merkel, Georg 910

1089 Messerschmidt, Gregor 610 Methius, Matthias 727 Metsch, Elisabeth 126 Metsch, Georg 126 Metsch, Martin 126 Metze, Johann 914 Metzel, Eustachius 691 Metzler, Bernhard 780 Metzler, Johannes 333 Meusche, Jodocus 765 Meydeburg, Johannes 52 Michael, Johannes 703, 726 Michael, Schuldiener in Altenburg 374 Micyllus, Jakob 297 f., 301, 761 f. Miletus, Johannes 494 Milo, Georg 707 Miltiz, Karl von 914 Milwitz, Anna 889 Mindanus, Petrus Friederus 519, 522 Mirandula, Octavianus 763 Misenus, Andreas 369 f., 373, 375 f., 378, 380 f., 383 f., 393 Mittvesbein, Heinrich 459 Möller, Johann 881 Mönch, Heinrich 862 Mörlin, Joachim 659 Mörlin, Maximilian 703 Mohr, Franz 697, 712 f. Moker, Antonius 876, 887 f., 896 f. Molitor, Georgius 576 Moller, Laurentius 385 f., 422 Monner, Basilius 200, 602, 668, 755 Morasfeld, Vitus 568 f., 579, 585 Moritz, Herzog/Kurfürst von Sachsen 279–281, 286, 290, 301 Mosagk, Simon 877 Mosagk, Zacharias 877 Mosellanus, Petrus 252, 468, 756, 764, 888, 897 Muchilde, Cunrad von 64 Müller, Barthel 459 Müller, Caspar, Diakon in Weimar 709, 733–735, 742, 752 f., 789 Müller, Caspar, Schuldiener in Saalfeld 493

1090 Müller, Caspar, Schüler in Saalfeld 504, 506 Müller, Heinrich 33, 318 f., 322–327, 417 Müller, Johannes 701 Muller, Margareta 126 Müller, Martin 751 Müller, Wolfgang 780, 796 Müller (a Burck), Joachim 573, 577 Müntzer, Thomas 235, 237, 530, 534, 645 f. Muff, Georg 900 Muff, Johannes 900 Muller, Claus 126 Mulleus, Hannibal 578 f. Mund, Johann 918 Mund, Nikolaus 918 Murmellius, Johann 763 f., 888, 897 Musa, Anton 33, 165–167, 169, 235, 237, 239, 255–260, 271 f., 289, 296, 311, 325, 458, 620, 622, 637, 705, 725, 754, 789, 792, 797 f., 815, 851, 931 Musaldus, Balthasar 725 Myconius, Friedrich 200, 233, 244– 247, 250, 271–273, 276, 346, 554, 601–604, 615, 620, 634, 650, 666, 668, 670, 706, 719, 720, 741, 755, 809, 815, 820 f., 830 Mylich, Daniel (Sohn) 414 f., 418 f. Mylich, Daniel (Vater) 387, 390 f. Mylius, Bartholomäus 725 Nachbar, Nicolaus 567 Naffzer, Anna 885 Naffzer, Jakob 885 Nandelstedt, Elias 405 Nandelstedt, Jakob 394 f., 740 Naogeorgus, Thomas 672 Naumann, Anthonius 362 Neander, Michael 766 Neander, Nikolaus 394 Nebe, Sebald 349 f., 357 Nebelung, Johann 701, 727 Nebener, Johannes 715

PERSONENREGISTER

Nebirger, Claus 126 Nebirger, Elke 126 Nebling, Johannes 705 f. Nech, Valentinus 294 Neffen, Elisabeth 181 Neuber, Ulrich 512 f. Neuenburg, Gertrud von 182 Neukirch, Matthias 587 Nickel, Grosen 127 Nickel, Thela 127 Nicolaus de Tudeschis 517 Niger, Franciscus 764, 767 Nikolaus, Schuldiener in Erfurt 880 Nikolaus, Schulmeister in Altenburg 43 f. Nutzel, Hieronymus 674 Obernitz, Katharina von 140 Oberreich, Johann 710 Oekolampad, Johannes 534 Olimpius, Gallus 664 Onnensis, Theodericus 691 Opilio, Johannes 157 Oporinus, Johann 513 Orthell, Markus 711, 786 Orttlep, Thomas 596 Osiander, Andreas 520, 522 Osiander, Lucas 512 Ostein, Leonhard 519 Osterhausen, Bastian von 787 Osterheld, Johannes 571 f. Ostertag, Kilian 715 Ottera, Wilhelm von 570 Ottmansdorff, Michael 723 Otto I. (genannt der Große), Kaiser des Hl. Röm. Reiches 476 Otto III., Graf von Henneberg-Römhild 168 Otto, Antonius 737 Otto, Wolfgang 374, 377 f., 381 Packmor, Leo 811 Pamler, Nikolaus 837 Paschka, Mala 44 f. Patzsche, Johannes 716

PERSONENREGISTER

Paul, Schuldiener in Erfurt 879 Paul, Simon 514 Peinlingk, Valentinus 662 Pempel, Veit 344, 368 f., 430, 434, 515 Penig, Johannes von 51 f. Petermann, Johann 610 Petrarca, Francesco 162 Petreius, Johann 569, 574 Pfaffen, Matts 343 Pfannenschmidt, Johannes 723 Pfau, Jakob 911 Pfeiffer, Heinrich 529 f., 534 f. Pfeiffer, Lambertus 665, 688, 713 Pflechener, Moises 900 Pflüger, Alexander 419 Pfuesten, Jakob 524 Pfulli, Nikolaus 878 Philipp I., Landgraf von Hessen 531, 593 Phulmann, Engelhardt 732 Piscator, Johannes 309 Piscatorius, Johann 394–400, 407, 409, 798 f. Plack, Johannes 445–447 Planitz, Hans von der 620 Planitz, Heinrich von der 342 Platina, Bartolomeo 520 Plausigk, Melchior von 787 Poach, Andreas 584 f., 881, 884 f., 892 Poler, Matthias 384 Polheim, Herr von 444 Ponickau, Eoban von 414 Ponickau, Joachim von 414 Poppe, Petrus 294, 701 Poppo XII., Graf von HennebergSchleusingen 914 Posselius, Johannes 333 Preuschel, Nikolaus 342 Preuß, Conrad 43 Preuß, Dietrich 43 Preuß, Johann, Pfarrverweser in Sömmerda 914

1091 Preuss, Johannes, Schulmeister in Eisenach 550, 614 f., 635, 697, 914 Pruchiger, Nikolaus 95, 211 Pruff, Johann 126 Pseudo-Eusebius 515 Pusch, Jacoff 669 Pyler, Johann 418 f. Quatwals, Katharina 125 Quatwals, Lutz 125 Radeck, Johann 701, 727 f. Radomsky, Jan 922 Raimund von Pennaforte 159 Rainer, Petrus 589 Ranis, Michel 122 Rappe, Heinrich 595 Ratzenberger, Dorothea 126 Ratzenberger, Hans 126 Ratzenberger, Wilhelm 126 Rebart, Thomas 511, 513 Rebhuhn, Paul 776 Rebling, Sarah 836 Reckerodt, Christoph von 537 Reckhals, Abraham 295, 391, 394 Regnart, Jakob 433 Reich, Stephan 461–463, 465 f., 470–478, 497, 501, 697, 712, 733, 783, 822 f. Reichard, Johann 821, 828, 833 Reichenbach, Barttell 596 Rein, Liborius 595 Reinecker, Philippus 504 Reinhardt, Kilian 913 Reinholt, Erasmus 504 Reinsberg, Elisabeth von 435 f. Reinsberg, Hans 182 Reis, Sebastian a 576 Reisiger, Michael 428 Reismann, Dietrich 348–363 Remigius, Verfasser einer Lateingrammatik 159, 164 Remp, Bonifatius 789

1092 Renckwitz, Jakob 605 Rentsch, Georg 526 Reusner, Nikolaus 764 Reusse, Lorenz 663 f. Reußing, Johann 378 Reyman, Caspar 683 Rhau, Georg 512 Richtzenhan, Donat 511 f. Riemer, Christopherus 778 Rieneck, Konrad 739 Ries, Adam 190–193, 904 f. Rieß, Conrad 586 Rihel, Wendelin 520 Rinckenrott, Johann 538 Ritter, Lorenz 459 Ritter, Stephan 769 Rivander, Christopher 767 f. Rivander, Zacharias 520, 523 Rock, Johannes 662, 693 Rockerswald, Gallus 633 Roda, Bonifatius von 599 Roda, Konrad von → Kunitz/Roda, Konrad von Roda, Wolfgang von 701 Rodemann, Sebastian 530 f., 533, 557, 559 Rodiger, Johannes 459 Rödiger, Augustin 594 Rödinger, Christian d. Ä. 511 Röhder, Paulus 726 Rösener, Abraham 415–418, 429 Rorich, Kilian 691 Rosfeld, Bartholomäus → Rosinus, Bartholomäus Rosinus, Bartholomäus 294, 687, 697 f., 733, 736, 744, 746 f., 749, 775 Rost, Johann 675 Rost, Nickel 368 Roth, Friedrich 295, 486 f., 497 Roth, Stephan 723 Rothart, Michael 576 Rothe, Elisabeth 127 Rothe, Hans 127 Rothmaler, Erasmus 912

PERSONENREGISTER

Rubers, Simon 699 Rudiger, Johannes 144 Rudolf, Schulmeister in Jena 91 Rudolf, Valentin 789 Rudolff, Antonius 200 Rudolff, Oswald 659 Rudolstadt, Heinrich von 147 f. Rüdiger, Johannes 497, 499, 504, 510 f., 519, 522, 710 Rufus, Mutianus 162, 338 Ruhre, Hieronymus 834 Ruland, Heinz 125 Rupprecht, Martin 595 Ruptzsch, Conrad von 55 Ruvius, Henning 504 Saalfeld, Schuldiener in Neustadt a. d. O. 702 Sachse, Caspar 727, 750 Sachsteter, Nikolaus 668 Sagittarius, Caspar 63, 66 f., 70, 72 f., 447, 454, 461, 487 f., 496, 507 f., 527 Sale, Johannes von 61, 72, 102 Salmuth, Heinrich 532, 557 f. Sann, Martin 576, 592 Sann, Paul 592 Sartor, Michael 392 Sartorius, Petrus 394, 401 f. Schade, Elias 731 Schade, Paul 718 Schaller, Lorenz 460 Scharfe, Bernhard 556 Scharschuch, Adam 712 Schaubeling, Hans 587 Schaubis, Erhard 339 Scheffer, Conrad 556 Scheffer, Johann 460 Scheffer, Johannes 900 Scheidung/Schmidt, Fritz 126 Schenk, Georgius 97, 104, 127 f., 150 Schepf, Lorenz 459 Scherer, Jakob 482, 484, 497 Scherer, Michael 486

PERSONENREGISTER

Schilling, David 294, 701 Schilling, Johannes 879 Schilling, Nikolaus 701 Schinbar, Nikolaus 560 Schindezal/-zagel, Hans 127 Schindler, Andreas 718 Schirrmeister, Andreas 122–124, 168 f. Schlaytzer, Johannes 698 Schmalseig, Ernst 644 Schmalz, Cyriakus 392 Schmalz, Isaac 392 Schmalz, Matthäus 767, 778, 780 Schmickingk, Sebastian 596 f. Schmid, Fritz 125 Schmide, Andreas 127 Schmide, Kunigunde 127 Schmidt, Christopherus 727 Schmidt, Johannes 881 Schmidt, Lorenz, Bürger von Lucka 149 Schmidt, Lorenz, Pfarrer von Ilversgehoven 911 Schmidt, Paul 487, 497, 749 Schmizell, Nikolaus 699 Schnabel, Laurentius 382 f., 385, 421 f. Schneider, Anthonius 127 Schneider, Bartel 439 Schneider, Katharina 127 Schneider, Lucas 127 Schneider, Margareta 127 Schneider, Michael 443 Schneiderin, Juliane 439 f. Schneidewein, Heinrich 423–425 Scholl, Heinrich 90, 160, 236, 614 f., 635 Scholl, Hieronymus 698, 707 Schottenius, Hermann 764 Schreiber, Heinrich (genannt Grammateus) 190–193 Schrimpff, Johann 640 Schröter, Johannes 282 Schröter, Leonhard 433, 485–487 Schröter, Michael 900

1093 Schuchart, Daniel 595 Schuchmann, Caspar 459 Schulmeisterin, Dorothea 180 Schulteiße, Ticzel 65 Schultes, Theodericus 295 Schultze, Nicolaus 443 Schum, Thomas 594 Schumann, Jakob 716 Schumann, Philipp 596 Schuttensamen, Johann 607 Schutz, Erhard 669 Schütze, Caspar 793 Schutze, Johann 640 Schütze, Konrad 601, 629 Schützenmeister, Bürgermeister in Altenburg 353, 355 Schwalb, Friedrich 674 f. Schwarzbach, Schulmeister in Jena 149 Schweinitz, Schulmeister in Pößneck 144, 160 Sebastian, Schuldiener in Altenburg 378 f. Sehling, Paul 569 Seidel, Johannes 698, 707 Seipott, Johann 833 Seitz, Peter d. Ä. 511 f. Selfisch, Samuel 522 Seurin, Katharina 920 Siber, Adam 307, 309 f., 332, 760 Siber, Paul 481 f., 497 Sibutus, Georg 208 Sidelius, Ambrosius 882 Sidemann, Johann 880 Siede, Laurentius 878 Siegel, Jacob 450, 454, 461, 463, 485, 497 Sigfrid, wettinischer Kanzler 72 Sigismund, Herzog von Sachsen und Bischof von Würzburg 94, 137, 211 Silberschlag, Georg d. Ä. 876 f., 880 f., 884 Silberschlag, Georg d. J. 882 Simon, Schulmeister in Schleusingen 606 Singelius, Andreas 392, 394 Singelius, Christoph 392, 835

1094 Sleidanus, Johannes 518 Slothauer, Johannes 156 Sneller, Johann 605 Soltau, Konrad von 160 Sommer, Theodericus 729 Sonne, Michael 13 f., 18 f., 295, 387, 393 f., 402–404, 415, 417, 420– 429 Sottner, Stifter in Pößneck 122 Spalatin, Georg 264, 266, 338–341, 349 f., 352, 357, 360, 362–365, 367, 370, 374–376, 378–380, 382 f., 388, 402, 430, 434–436, 608–610, 636, 671, 779, 866 Sparsbrodt, Petrus 361–363, 369 Specht, Albertus 186 Spira, Nikolaus de 160 Springer, Eberhard 197 Stabeygen, Hildebrand 83 Stange, Melchior 725, 781, 789 Stappell, Gabriel 877 Starck, Ernestus 581 f. Starcke, Benjamin 574, 576–578, 689 f. Starcke, Hans 181 Starcke, Sebastian, Pfarrer von Greußen und Superintendent von Mühlhausen 574 Starcke, Sebastian 575 Starcke, Sebastian, Schulmeister von Greußen 689 Starcke, Siffart 181 Starcken, Matthäus 725 Starkenberg, Albrecht von 57 Steffan, Hans 126 Steffan, Johann 122, 171 Steigerwaldt, Hans (genannt Goldschmidt) 105 f. Stein, Jakob 405, 417 Steinbrecher, Nickel 57, 59 Steiner, Valentinus 702 Steinmetz, Valentin 569 Steltzner, Johannes 527 Stengel, Johannes 802 Stephanus, Johann 572

PERSONENREGISTER

Sternberg, Hans von 254 Sternfeld, Vitus 585 Steuerlein, Johann 705 Stieder, Georg 918 Stier, Laurentius 879, 890 Stigel, Johannes 299 f., 773 Stigelitz, Johannes 595 f. Stirnickel, Bürger in Pößneck 163 Stolle, Konrad 207, 909 Storcken, Heinrich 881 Strata, Antonius de 517 Strauß, Jakob 236–238, 614 Strauß, Nikolaus 914, 916 Strigel, Victorinus 291, 393 Stromer, Hans 127 Stromer, Margareta 127 Strophius, Sigismund 695, 766 Stürmer, Arnold 877 Stürmer, Wolfgang 905 Stuler, Christopherus 576 Sturm, Johannes 298, 332, 408, 500 Sturmius, Caspar (genannt Steten) 716, 728 f. Sturmius, Nikolaus 596 Sussenbach, Pankratius 668, 741, 747 Taubenhaim, Christoph von 374 Tauber, Joachim 662 Thamm, Balthasar 387, 399, 418 f., 433 f. Thangel, Lucas 395, 707 Then, Wilhelm 125 Theodericus, Schulmeister in Altenburg 43 Theuerfeld, Christoph 744 Thielemann, Nikolaus 98 Tholde, Valentin 539 Thomas, Schulmeister in Altenburg 43 f. Thomas, Georg 596 Thumbser, Jakob 377 f., 381 f. Thumler, Johann 479 Thun, Friedrich von 453 Thüna, Georg von 446 Thym, Nikel 108

PERSONENREGISTER

Tilesius, Hieronymus 532, 558–564, 566 f., 569, 584 f. Tilesius, Melchior 580, 708, 727 f. Tilschneider, Hermann 525 Tilschneider, Katharina 525 Titzen, Adelheid 126 Titzen, Rudolf 126 Titzka, Wolff 362 Tömel, Peter 381 Topff, Nikolaus 689 Torgas, Michel 837 Träger, Matthäus 393 Traubolth, Jonas 688, 737, 769 f., 785, 791, 800, 815 Trautmann, Johann 295, 700 Trebelius, Hermann (genannt Notianus) 161 Trebonius, Johannes 156, 162 Trebra, Hans von 95, 103, 168 Trefert, Johannes 881, 895 Tribelius, Heinrich 722 Triller, Johannes 362 Triller, Konrad 58 f., 336, 362 Trötzschell, Johannes 689 Troller, Bastian 459 Troller, Samuel 498 Troller, Sebald 159 Trotzschel, Veit 506 Trutfetter, Jodocus 651 Ulrich, Schulmeister in Eisenach 89 Ulstedt, Wilhelm von 113 Unger, Basilius 450, 464 f., 479, 484–487, 497, 501, 526 f., 749, 771 Unrein, Johann 665, 714, 737, 785 Urbach, Johann 49 Urlaub, Nikolaus 673 Utendal, Alexander 433 Valentinus, Schuldiener in Erfurt 879 Valerius, Georg 486 Valerius, Ludwig 484 f., 487, 497 Valla, Laurentius 518

1095 Vatablus, Franciscus 511 Vatter, Heinrich 793 Veit, Hans 343 Vellandt, Johannes 689, 896 f. Vento, Ivo de 433 Vintzenhain, Hans 584 Vintzenhain, Katharina 584, 892 Vitzthum, Christoph, Herr von Apolda 647 Vitztum, Christoph, Hauptmann in Altenburg 413, 416 Vockius, Caspar 701 Vogler, Chilian 572 Voigt, Jorg (genannt von Salzburg) 97 Voit, David 751 Voit, Johann 615 f., 684 Volandus, Johannes → Vellandt, Johannes Vulpius, Melchior 897 Wachsmut, Paul 707 Wagenknecht, Johann 72 Wagner, Christoph 886 Waldsteiner, Sebald 350, 357–359 Walter, Georg 605, 734 f. Walther, Joachim 725 Wangenheim, Friedrich von 539 Wangenheim, Georg von 667 Wayner, Ambrosius 616 Weber, Hans 459 Weber, Johannes, Superintendent in Neustadt a. d. O. 709 Weber, Johannes, Rechenmeister in Erfurt 906 f. Weber, Johannes, Schüler in Saalfeld 506, 804 Weber, Peter 665 Wechmar, Heinrich von 97 Wechmar, Melchior von 667 Weideling, Johann 918 Weidmann, Melchior d. J. 880 Weinrich, Valentin 896 Weiß, Gervasius 556 Weiß, Johann 733, 745, 798

1096 Wendler, Erhard 497, 499, 504 f., 510 f. Weniger, Pankratius 402–406, 413 f. Werner, Hans 459 Werner, Kilian 721 Werner, Martinus 461, 497 Werner, Sebastian, Schulmeister in Saalfeld 461, 463, 466–470, 497, 733 Werner, Sebastian, Schuldiener in Mühlhausen 580 f. Wernstorff, Jhan von 336 Westhausen, Franziscus 913 Weyner, Nikolaus 122 Weynere, Heinrich 181 Wiche, Nikolaus 627 Wiedener, Johannes 729 Wigand, Johannes 293, 301, 513, 749, 774 f. Wildenfels, Anargk von 615 Wilhelm I., Graf von SchwarzburgFrankenhausen 329, 334, 738 Wilhelm II., Markgraf von Meißen 54 Wilhelm III., Herzog von Sachsen 61, 66, 68 f., 72, 95, 102 f., 110, 119 Wilhelm III., Graf von HennebergSchleusingen 97 Wilhelm IV., Graf von HennebergSchleusingen 89, 104, 607 Wilke, Andreas 789 Winckler, Wolfgang 711, 718, 779 Winkler, Christoph 850 Winsheim, Victorinus 728 Winter, Bartholomäus 416 f. Winter, Justus 539 Witmar, Gabriel 698 Witter, Mauritius 804 Wittich, Johann 549 f.

PERSONENREGISTER

Witzingerode, Friedrich von 583 Witzingerode, Wilhelm von 583 Wohlfahrt, Bartholomäus 720 f., 736 Wolf, Hieronymus 541–545, 549 f., 551–553 Wolf, Johannes 294, 701, 746 f., 774 Wolf, Valentin 586 Wolff, Christoph 738 Wölflin, Sigmund 726 Wolfram, Johannes 493 f. Wolrodt, Andreas 662 Wonne, Wolfgang 735, 787 Wurtschal, Christoph 711, 787 Wurtzen, Johannes 58 Wurzelius, Christoph → Wurtschal, Christoph Zabel, Johannes 877 Zaupenberger, Konrad 555 Zcehnder, Leonhard 55, 341 f. Zchauer, Cuntz 107 Zcymar, Hans 57 Zechau, Herr von 440 Zeiß, Georg 617 Zendler, Georgius 921 Ziegler, Anna 885 Ziegler, Thomas 885 Zimmermann, Matthäus 740 Zipfel, Sebastian 144, 146 Zobel, Johann 880 Zonaras, Johannes 512 Zschipartin, Schulmeisterin in Altenburg 438 Zschipartin, Elisabeth 439 Zschipartin, Sibilla 437 Zschoch, Urban 373 f., 379 Zwilling, Gabriel 336 f. Zwinger, Theodor 518