Der Deutsche Kanal: Eine Mythologie der alten Bundesrepublik 3515126031, 9783515126038

Was passiert, wenn man ein dubioses Projekt in die bundesdeutsche Politik einspeist? Der Elbe-Seitenkanal war ein Testfa

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Der Deutsche Kanal: Eine Mythologie der alten Bundesrepublik
 3515126031, 9783515126038

Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Prolog: Die Kunst der organisierten Verantwortungslosigkeit
Kapitel 1: Die Mythen der alten Bundesrepublik
Kapitel 2: Kanäle und Mächte
Kapitel 3: Hamburg, Tor zur Welt
Kapitel 4: Plane und herrsche
Kapitel 5: Im Räderwerk des Föderalismus
Kapitel 6: Geteiltes Land
Kapitel 7: Staatswirtschaft
Kapitel 8: Bauen in Krisenzeiten
Kapitel 9: Das Leck
Kapitel 10: Blühende Landschaften
Was ist eigentlich ein Skandal?
Historiographisches Nachwort: Vom Sinn und Nutzen der Zeitgeschichte im 21. Jahrhundert
Der Elbe-Seitenkanal: Eine Chronologie
Abkürzungen
Danksagung
Anmerkungen
Register

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Franz Steiner Verlag

F R A NK U E KÖ T T E R

Der Deutsche Kanal Eine Mythologie der alten Bundesrepublik

Frank Uekötter Der Deutsche Kanal

Frank Uekötter Der Deutsche Kanal Eine Mythologie der alten Bundesrepublik

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2020 Einbandgestaltung: deblik, Berlin Lektorat: Maike Specht, Berlin Layout und Herstellung durch den Verlag Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier Druck: Hubert & Co., Göttingen Printed in Germany ISBN 978-3-515-12603-8 (Print) ISBN 978-3-515-12610-6 (E-Book)

Inhaltsverzeichnis Prolog: Die Kunst der organisierten Verantwortungslosigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel 1: Die Mythen der alten Bundesrepublik . . . . . . . .

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Kapitel 2: Kanäle und Mächte. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel 3: Hamburg, Tor zur Welt . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kanal 4: Plane und herrsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel 5: Im Räderwerk des Föderalismus . . . . . . . . . . .

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Kapitel 6: Geteiltes Land. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel 7: Staatswirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel 8: Bauen in Krisenzeiten . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel 9: Das Leck. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel 10: Blühende Landschaften . . . . . . . . . . . . . . . .

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Was ist eigentlich ein Skandal? . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Historiographisches Nachwort: Vom Sinn und Nutzen der Zeitgeschichte im 21. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . .

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Der Elbe-Seitenkanal: Eine Chronologie . . . . . . . . . . . .

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Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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PrologProlog:

Die Kunst der organisierten Verantwortungslosigkeit

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an kann problemlos in der Bundesrepublik leben, ohne jemals vom Elbe-Seitenkanal gehört zu haben. Er verbindet keine Weltmeere, sondern lediglich Wolfsburg mit der Elbe bei Lauenburg. Mehr als ein Dutzend Wasserstraßen in Deutschland sind länger als der Elbe-Seitenkanal, und das Land, das er über 115 Kilometer durchzieht, ist landschaftlich unspektakulär. Der Elbe-Seitenkanal hatte noch nicht einmal einen ikonischen Namen: Bis 1965 firmierte er unter dem farblosen Namen Nord-Süd-Kanal. Selbst die sonst so rührigen Planer von Fernradwegen haben den Kanal bislang mit Missachtung gestraft. Technische Meisterleistungen gibt es auch nicht, vielleicht abgesehen von einem Schiffshebewerk bei Lüneburg, das bei seiner Eröffnung das weltgrößte seiner Art war. Aber wer interessiert sich schon für Schiffshebewerke. Interessant wird der Elbe-Seitenkanal, wenn man ihn als Kind der alten Bundesrepublik betrachtet. Er wurde in den Jahren des Wirtschaftswunders geplant und von 1968 bis 1976 gebaut, und die Umstände seiner Geburt machten ihn zu einem Mikrokosmos seiner Gesellschaft. Wie in einem Brennglas vereinen sich im Elbe-Seitenkanal Schlüsselthemen der bundesdeutschen Geschichte: gesichtslose Verwaltungen und mächtige Konzerne, Staatswirt-

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Prolog: Die Kunst der organisierten Verantwortungslosigkeit

schaft und politische Planung, Wachstumsdenken und Strippenzieher, föderale Ränkespiele und ein politisches System, in dem dann, wenn etwas schiefging, plötzlich niemand mehr verantwortlich war. Zugleich ging es bei dem Kanal, der entlang der innerdeutschen Grenze erbaut wurde, auch um die bundesdeutsche Ostpolitik, die Zonenrandförderung und die Pläne für den Verteidigungsfall. Der Elbe-Seitenkanal war deshalb weit mehr als eine der 64 Binnenwasserstraßen des Bundes. Er war ein Spiegel für das, was die Bundesrepublik ausmachte. Als der Hamburger Wirtschaftssenator Karl Schiller 1951 eine erste Kostenrechnung ausarbeiten ließ, lagen die projektierten Kosten bei 225 Millionen DM . 1964 war der Betrag auf 763 Millionen DM gestiegen, und als der Kanal endlich in Betrieb war, hatte er mehr als anderthalb Milliarden verschlungen. Weniger rasant gestaltete sich die Entwicklung des Verkehrs. Die Frachtraten blieben nach der Eröffnung weit hinter den Erwartungen zurück, und das war nicht sonderlich überraschend. Es fehlte nicht an Warnungen, als in den fünfziger und sechziger Jahren um das Projekt gerungen wurde, und diese Warnungen standen keineswegs in obskuren akademischen Veröffentlichungen. Sie standen in den Akten der Ministerien. Das wichtigste Argument für den Elbe-Seitenkanal war, dass Hamburg als größter Seehafen Deutschlands nach einem leistungsfähigen Anschluss an das deutsche Kanalnetz verlangte. Aber selbst in Hamburg war das Projekt keineswegs unumstritten. Sollte Hamburg nicht besser auf die Eisenbahn setzen oder auf die Straße, die seinerzeit durch den rasant voranschreitenden Autobahnbau florierte? Andernorts waren die Bedenken noch größer. Jenseits der Hansestadt gab es eigentlich keine politische Instanz, die das Vorhaben dauerhaft mit Nachdruck unterstützte. Der langjährige Bundesverkehrsminister Hans-Christoph Seebohm bezeichnete das Kanalprojekt 1957 gar öffentlich als »Blödsinn«.1 Über Jahre tobte vor und hinter den Kulissen der Kampf um den Kanal, und den Streit um Gutachten und Gegengutachten konnten auch Leser der Tagespresse verfolgen. Der Spiegel zitierte 1965 einen prominenten Bundesbahner mit der ätzenden Bemerkung, in einem positiven Kanalgutachten stimmten lediglich »die Seitenzahlen«.2

Prolog: Die Kunst der organisierten Verantwortungslosigkeit

Verkehrsplanung ist seit jeher ein Spiel mit zahlreichen Unbekannten, und es griffe zu kurz, zeitgenössische Hoffnungen allein mit dem überlegenen Wissen des Nachgeborenen zu kritisieren. Niemand konnte in den fünfziger Jahren erahnen, dass der Container den Welthandel revolutionieren würde. Heute sind die Containerterminals das wirtschaftliche Rückgrat des Hamburger Hafens, und der Transport ins bundesdeutsche Hinterland erfolgt überwiegend über Straße und Schiene. Die Binnenschifffahrt kommt bei Containern nur auf einen Marktanteil zwischen ein und zwei Prozent.3 Eher schon konnte man eine Krise bei der Kohle erahnen, seit dem späten 19. Jahrhundert das klassische Transportgut für Kanalschiffe. Die Hegemonie der Kohle auf dem Energiemarkt neigte sich dem Ende zu, und das boomende Erdöl wurde häufig über Pipelines transportiert. Auf längere Sicht drohte zudem die Konkurrenz der Atomkraft. All dies stand zum Beispiel 1961 in einem Beitrag für die Finanzpolitischen Mitteilungen des Bundesministeriums der Finanzen, und der Autor, Ministerialdirigent Hans Clausen Korff, riet deshalb zur Skepsis gegenüber neuen Kanalprojekten: »Alle Beteiligten sollten den Grundsatz nicht außer acht lassen, daß es wichtiger ist, das Bestehende gesund zu erhalten, als das Neue zu erstreben.«4 Der Artikel rief in der Hamburger Verwaltung hektische Reaktionen hervor, und das lag nicht nur an der volkswirtschaftlichen Diagnose. Binnenwasserstraßen wurden vom Bund finanziert, und Korff war als Abteilungsleiter im Bundesfinanzministerium für den Bundeshaushalt verantwortlich. Wenn Hamburg seinen Kanal wollte, führte an Korff kein Weg vorbei. Es gab auch ganz konkrete Warnungen. So hätten zum Beispiel die Alarmglocken klingeln müssen, als der niedersächsische Wirtschaftsminister 1963 prüfen ließ, welche Hoffnungen die Salzgitter AG mit Blick auf das Kanalprojekt hegte. Schüttgüter waren eine Domäne der Binnenschifffahrt, und der Erztransport zum niedersächsischen Stahlkonzern  – ein Stichkanal verband Salzgitter mit dem Mittellandkanal  – war der mit Abstand größte Einzelposten in den Verkehrsplanungen. Nach Fühlungnahme konnten sich die Ministerialbeamten »allerdings des Eindrucks nicht erwehren, dass das eigentliche Interesse der Hüttenwerke Salzgitter AG . weniger auf eine Benutzung des Kanals als auf die erwarteten Konkurrenztarife

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Prolog: Die Kunst der organisierten Verantwortungslosigkeit

der Bundesbahn gerichtet ist«.5 Zwölf Jahre später unterzeichnete der Konzern einen Vertrag mit der Bundesbahn, der vier der fünf Millionen Tonnen Erz, die der Konzern alljährlich importierte, zu Sonderkonditionen auf die Schiene verlagerte.6 Auf einen Schlag waren damit alle Verkehrsprognosen obsolet. Der Elbe-Seitenkanal war ein Fiasko mit Ansage. Aber warum wurde der Kanal allen Warnungen zum Trotz gebaut? Die Suche nach Antworten führt in das institutionelle Geflecht der bundesdeutschen Wirtschafts- und Verkehrspolitik. Diese gilt aus der Distanz weithin als eine bundesdeutsche Erfolgsgeschichte. Die soziale Marktwirtschaft geistert als Mythos bis heute durch die politische Debatte, und das leistungsfähige Netzwerk von Autobahnen und Bundesstraßen, zum Großteil nach 1945 erbaut, beflügelte Deutschlands Aufstieg zur Autonation par excellence. Bei näherer Betrachtung entpuppt sich dieses Geflecht jedoch als System der organisierten Verantwortungslosigkeit. Es gab bei den Kanälen kein klares Leitkonzept, an dem sich Einzelentscheidungen hätten ausrichten können, aber dafür jede Menge starker Partikularinteressen, denen das große Ganze herzlich egal war. Der Elbe-Seitenkanal ist dafür ein Lehrstück. Er wurde nicht gebaut, weil es gute Gründe für das Projekt gegeben hätte, sondern lediglich deshalb, weil es nach jahrelangem Taktieren niemanden mehr gab, der den Bau hätte verhindern können. Institutionen gelten unter Volkswirtschaftlern schon länger als wirtschaftspolitisches Schlüsselproblem. Daron Acemoglu  und James Robinson vertreten in ihrem viel beachteten Bestseller Warum Nationen scheitern sogar die These, dass Erfolg und Niedergang ganzer Volkswirtschaften an der Leistungsfähigkeit ihrer Institutionen hängt.7 Etwas anders sieht dies im politischen Diskurs der Gegenwart aus. Institutionelle Rahmenbedingungen rangieren auf der Aufmerksamkeitsskala deutlich hinter Individuen und Parteien, und das ist nicht nur Ausdruck einer hyperventilierenden Mediengesellschaft, die aus Soundbites und Twitter-Nachrichten ihr tägliches Erregungspotenzial bezieht. Die Debatten der fünfziger und sechziger Jahre folgten zweifellos noch einem gemächlicheren Takt, und doch zeigte sich in ihnen eine prekäre Schieflage des politischen Diskurses. Man sprach über Pläne und Visionen, über die politi-

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schen Funktionsträger und ihre neuesten taktischen Winkelzüge, aber kaum je über das Innenleben der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes. Man kann dies zum Anlass nehmen für zeitkritische Bemerkungen über den Politikbetrieb der Gegenwart. Man kann darin aber auch eine historiographische Herausforderung sehen. Der Elbe-Seitenkanal war ein Trauerspiel mit einer sehr bundesdeutschen Dramaturgie, und deshalb taugt seine Geschichte als Lehrstück über Politik und Verwaltung im Nachkriegsdeutschland. Da wurde mal eben auf dem kleinen hanseatischen Dienstweg ein Vorarbeitenamt geschaffen, das offiziell nicht existieren durfte und deshalb einen anderen Namen trug, aber für die Planungen der ersten Jahre eine wichtige Rolle spielte. Da zoffte sich der Volkswirtschaftsprofessor Karl Schiller, der von der nationalsozialistischen Großraumwirtschaft geprägt war und auch später als Superminister der sozialliberalen Bundesregierung gerne in großen Dimensionen dachte, in seiner Zeit als Hamburger Wirtschaftssenator mit dem Chef der staatseigenen Hamburger Hafen- und Lagerhaus-Aktiengesellschaft Ernst Plate, der als Betriebswirt eher handfest gestrickt war und deshalb Wert auf gute Konditionen bei der Bundesbahn legte  – und nach der nächsten Bürgerschaftswahl Schillers Nachfolger wurde. Zeitweilig versuchte sich der Hamburger Senat sogar an einer eigenen Ostpolitik. Unterdessen diskutierten die niederen Chargen über den richtigen Ton in der Medienarbeit – kulminierend in der Frage, ob »›Sex‹ gewünscht wird«: Gegebenenfalls könne man dem Binnenschiffer, der im Mittelpunkt eines Werbefilms stehen sollte, eine heiratswillige Tochter zur Seite stellen.8 Die Genese des Kanals beleuchtet nicht nur den Männergeist, der in den Amtsstuben der Wirtschaftswunderjahre noch ziemlich ungebremst regierte. Der Elbe-Seitenkanal wirft ein grelles Schlaglicht auf die ganz eigene Verhandlungslogik des Föderalismus. Man versteht nach der Lektüre dieses Buches besser, warum die Macht der Bundesländer eine Dauerbaustelle im politischen System der Bundesrepublik Deutschland ist. Der Kanal zeigt die Magie des Wortes »Europa« im politischen Diskurs der Bundesrepublik. Als die Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Empfehlungen »zur Entwicklung der Verkehrswege der Gemeinschaft«

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Prolog: Die Kunst der organisierten Verantwortungslosigkeit

veröffentlichte, hatte das zwar nach der ungeschminkten Einschätzung eines Kommissionsdirektors »mehr propagandistische als reale Bedeutung«, aber daraus wurde ein Trumpf im politischen Spiel.9 Wer von Staatskonzernen als Alternativen zur gewinnsüchtigen Privatwirtschaft träumt, sollte sich den Vertrag zwischen Salzgitter und Bundesbahn anschauen. Da einigten sich zwei Großunternehmen, die vollständig in staatlicher Hand waren, zulasten der Wasserstraßenverwaltung des Bundes. Das Haifischlächeln über einen Deal auf Kosten des Gemeinwohls ist keine Erfindung des Neoliberalismus. Als der Vertrag mit der Bundesbahn unter Dach und Fach war, jubelte ein Salzgitter-Direktor, »wie gut es ist, auf zwei Wegen zu fahren«. Wenn man gleichzeitig mit Bahn und Schiff verhandele, werde gewiss keiner der Konkurrenten »zu übermütig«.10 Der Schachzug der Salzgitter AG platzte in die Wochen vor der feierlichen Eröffnung des Elbe-Seitenkanals. Eine Katastrophe anderer Art passierte fünf Wochen nach der Einweihung: Der Kanal schlug leck. An einer Kanalunterführung östlich von Lüneburg brach an einem Sonntagmorgen im Juli 1976 eine Dichtung, und das Loch erweiterte sich rasant bis zum völligen Kollaps der Böschung. Die Unterführung verwandelte sich in einen Wasserfall, und bald standen mehr als 1000 Hektar Land unter Wasser. Der Landkreis Lüneburg gab Katastrophenalarm, und 3000 Rettungskräfte versuchten zu retten, was zu retten war. Selbst die Bundeswehr, in Lüneburg mit einer Panzerbrigade präsent, wurde mobilisiert, hinzu kam eine unbekannte Zahl von Schaulustigen. Sie sahen Männer, die mit wachsender Verzweiflung versuchten, die Flut zu stoppen. Auf mehr als 40 Kilometer Kanalstrecke gab es kein einziges Tor, das sich im Notfall schließen ließ. Am Ende fuhr die Bundeswehr mit mehreren Bergepanzern in die reißende Strömung, und die Helfer bauten um diese herum mit Sandsäcken und Schrott eine improvisierte Barriere. Das Stadtarchiv Lüneburg hat Filmaufnahmen der gewagten Aktion. Man sieht eine bunte Schar emsiger Rettungskräfte mit Sandsäcken und allerlei Gerät. Man sieht auch gestikulierende Panzersoldaten, die mit ihrem Gefährt mitten in der Strömung standen und darüber diskutierten, wie man einen Panzer zum Dammbau verwendet. Über ihnen schwebte ein Hubschrauber, offenbar zur

Prolog: Die Kunst der organisierten Verantwortungslosigkeit

Vom Sinn und Nutzen eines Bergepanzers für den Dammbau. Szene aus einem Super-8-Film über den Rettungseinsatz vom 18. Juli 1976. (StAL FT-346-Uwe Stockhaus.)

Rettung der Panzerfahrer, falls das Gefährt in den Fluten versunken wäre. Es sind Amateuraufnahmen mit Super-8-Film, kurz und ein wenig grobkörnig, und doch spürt man die nervliche Anspannung und die Unsicherheit aller Beteiligten: Der Ernstfall sah doch etwas anders aus als damals im Offizierslehrgang.11 Am Ende des Tages gab es zwar einen Schaden von rund 72 Millionen DM , aber keine Toten. Das lag am beherzten Eingreifen der Rettungskräfte, die teilweise unter Lebensgefahr halfen, und am günstigen Zeitpunkt. Wenn der Damm in der Nacht oder im Winter gebrochen wäre, hätte die Flut mit hoher Wahrscheinlichkeit Menschenleben gefordert. So gab es am Tag der Katastrophe noch nicht einmal einen ernstlich verletzten Zivilisten. Allerdings landete ein Lüneburger Hausbesitzer nach ein paar Wochen als Spätfolge der Katastrophe doch noch im Krankenhaus. Das Wasser hatte die Öltanks in seinem Keller bersten lassen, und als der Mann zwecks Sanierung des ölverschmierten Heims auf eigene Faust Aufträge vergab, wuchs ihm die Sache über den Kopf. Er wurde mit Kreislaufkollaps eingeliefert. Es folgte ein Fiasko bürokratischer Art: Niemand wurde für die Katastrophe zur Rechenschaft gezogen. Materielle Schäden wurden

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Prolog: Die Kunst der organisierten Verantwortungslosigkeit

abgegolten, und der bundesdeutsche Wohlfahrtsstaat kümmerte sich redlich um soziale Härtefälle, aber das war es dann auch. Das Bundesverkehrsministerium berief eine Untersuchungskommission, die sich jedoch ganz auf die technischen Ursachen konzentrierte, und die Staatsanwaltschaft schloss nach einiger Zeit die Akten und verzichtete auf Anklagen. Und als Anwohner des Kanals mit der Wasserstraßenverwaltung über Sicherheit reden wollten, holten sie sich eine Abfuhr. Man wisse schon, was man tue. Ein Jahr später wurde der Kanal wiedereröffnet mit einer Kanalunterführung an altbekannter Stelle. Ein zusätzliches Sicherheitstor war nach Meinung der Verwaltung entbehrlich. War das ein Skandal? Infrastrukturen sind durch ihre hohen Kosten und die Vielzahl der geplanten und ungeplanten Folgen ein guter Spiegel ihrer Gesellschaften, und der Streit um einschlägige Projekte zieht sich durch die bundesdeutsche Geschichte. Kritische Fragen gehören heute bei solchen Bauvorhaben selbstverständlich dazu, zahllose Bürgerinitiativen haben den öffentlichen Unmut gebündelt, und in Orten wie Brokdorf, Wackersdorf oder entlang der Frankfurter Startbahn West eskalierten Konflikte in bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Der Elbe-Seitenkanal war da vergleichsweise kleines Karo. Vielleicht fehlte eine nahe gelegene Großstadt mit aufmüpfigen Studenten, die gerne auch mal Grundsatzfragen stellten. Es ging auch nicht um gefährliche Strahlen oder risikoträchtige Chemie, sondern lediglich um einen teuren Kanal mit Leck. Im Zentrum der Aufmerksamkeit standen keine profitsüchtigen Konzerne oder Experten im Höhenrausch, sondern eine biedere Bundesbehörde. Außer einem glücklosen Hausbesitzer gab es noch nicht einmal einen Menschen, der seine Gesundheit verloren hatte. Der Volkszorn legte sich schnell. Es ist jedoch gerade die profunde Harmlosigkeit des Gegenstands, die den Elbe-Seitenkanal zu einem Lehrstück über politische Verantwortung in der alten Bundesrepublik macht. Hier ging es nicht um Wissenschaftsglauben oder populäre Ängste, über deren Irrationalität sich trefflich streiten ließ. Der Konflikt zwischen Staat und Zivilgesellschaft, ein Lieblingsthema der bundesdeutschen Zeitgeschichtsforschung, war beim Elbe-Seitenkanal belanglos: Der hartnäckigste Gegner, der sich während des Baus gegen den Kanal stellte, war das

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Wolfsburger Wasserwerk.12 Im Mittelpunkt der hiesigen Geschichte stehen vielmehr die Rechenschaftspflicht öffentlicher Institutionen und der verantwortliche Umgang mit dem Geld der Steuerzahler. Das ist gewöhnlich kein Stoff für weltanschauliche Konflikte, aber dafür eine Schlüsselfrage moderner Gesellschaften, deren Brisanz aus der Perspektive des 21. Jahrhunderts eher noch deutlicher hervorsticht. Debatten über Haushaltsprobleme haben nach den Schuldenkrisen der vergangenen Jahre eine neue Qualität, und die Frage nach politischer Verantwortung stellt sich nach nächtlichen Abstimmungen über Rettungspakete von schwindelerregendem Umfang ebenfalls neu. Dass die Finanzkrise von 2008 niemanden ins Gefängnis brachte, ist für die Demokratien des Westens auf absehbare Zeit eine schwere Hypothek, die spürbar an der Legitimation des politischen Establishments nagt. Gibt es überhaupt noch wirkungsvolle Sanktionsmöglichkeiten, wenn es um Fehlentwicklungen in der Wirtschafts- und Verkehrspolitik geht? Politiker können zurücktreten. Regierungen können abgewählt werden. Manager kann man feuern. Aber wenn es um Institutionen geht, ist die Sache komplizierter. Acemoglu und Robinson ging es nicht nur um die Leistungsfähigkeit institutioneller Arrangements, sondern auch um ihre langfristige Entwicklungsrichtung. Aus kleinen Defekten, deren Folgen sich mit etwas Mühe übertünchen ließen, können sich auf lange Sicht unlösbare Strukturprobleme entwickeln, an deren Konsequenzen die Zeitgenossen verzweifeln. Da wirken die multiplen Katastrophen des Elbe-Seitenkanals geradezu wie ein Menetekel. Was soll man noch über politische Verantwortung reden, wenn man 1000 Hektar Land unter Wasser setzen kann, ohne dass jemand auch nur ein paar kritische Fragen im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit beantworten muss? Man kann vom Elbe-Seitenkanal leicht Linien ins 21. Jahrhundert ziehen: zu glücklosen Transrapid-Projekten, zu Stuttgart 21 und zu einem Flughafen in Berlin. Die Verantwortungslosigkeit gesichtsloser Expertensysteme ist ein Grundproblem moderner Industriegesellschaften. Bei Infrastrukturprojekten fallen sie lediglich leichter auf, weil man nach Abschluss der Bauarbeiten Kosten und Nutzen vergleichen kann. Manchmal scheitern Infrastrukturen auch total: mal spektakulär wie beim Berliner Großflughafen, mal unauffällig wie beim Rhein-

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Main-Donau-Kanal, wo drei Jahre nach der Katastrophe am Elbe-Seitenkanal in Katzwang bei Nürnberg ein Damm brach. »Die Schifffahrtsstraße war noch nicht in Betrieb«, stand noch vor Kurzem in der Onlinechronik der Rhein-Main-Donau GmbH.13 Kein Wort über Untersuchungskommissionen, über Lehren aus der Katastrophe oder überhaupt irgendwelche Konsequenzen. Man erfährt noch nicht einmal, dass in Katzwang ein Mensch ums Leben kam. Es ist ein Musterbeispiel institutioneller Verantwortungslosigkeit. Aber man kommt damit durch. Es ist gewiss nicht einfach, über Bauvorhaben ein kompetentes Urteil zu fällen. Welcher Normalbürger weiß schon, wie man einen Kanal abdichtet oder den Transportbedarf in zwei Jahrzehnten berechnet? Aber mangelnde Transparenz ist in einer wissenschaftlich-technischen Zivilisation nicht bloßes Schicksal. Sie ist auch eine Frage institutioneller Arrangements, die Komplexität erhöhen oder reduzieren können und Verantwortlichkeiten klären oder verschleiern. Die Behörden der alten Bundesrepublik waren da in einer denkbar günstigen Position. Sie hatten ein Dienstrecht, das Kündigungen praktisch unmöglich machte. Sie agierten in einem föderalistischen Mehrebenensystem, in dem Kompetenzen rasch diffundierten. Sie wussten um eine überlastete Justiz, die bei komplizierten Fällen gerne mal Gnade vor Recht ergehen ließ. Sie war der natürliche Partner für alle einschlägigen Experten, weil außer der öffentlichen Hand halt niemand Wasserstraßen baut. Außerdem führte die bundesdeutsche Verwaltung Akten, die gewöhnlich erst nach 30 Jahren der wissenschaftlichen Forschung zur Verfügung stehen. Immerhin hatte die alte Bundesrepublik Geld. Eine Fehlinvestition wie den Elbe-Seitenkanal konnte der Bundeshaushalt auch in den Krisenjahren der siebziger Jahre problemlos verkraften. Als der Damm brach und Sachschäden im hohen zweistelligen Millionenbereich zu begleichen waren, ließ sich der Fiskus erst recht nicht lumpen. Aber vielleicht war diese Großzügigkeit auch ein Weg, kritischen Fragen aus dem Weg zu gehen? Die Strukturprobleme, die politische Verantwortung in der alten Bundesrepublik so diffus machten, sind weiterhin ungelöst, und neuere Entwicklungen wie die Privatisierung öffentlicher Infrastrukturen haben die notorische Intransparenz eher noch verschärft. Die Verträge über öffent-

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lich-private Partnerschaften, mit denen zum Beispiel Autobahnen renoviert werden, sind in aller Regel geheim. Der Elbe-Seitenkanal wurde im Sommer 1977 ein zweites Mal eröffnet. Ein paar Wochen später senkte sich im Schiffshebewerk Scharnebeck ein Schleusentor auf ein Binnenschiff und verpasste ihm eine mächtige Delle.14 Immerhin blieb der Kanal im zweiten Versuch dicht, aber beim Transportvolumen gab es nichts zu beschönigen. Einziger Vorzug des Debakels war, dass sich so beim Verkehr auf längere Sicht ganz ordentliche Wachstumsraten entwickeln konnten. So zog sich jedenfalls die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes aus der Affäre, als sie in ihrem Jahresbericht 2016 über den 40. Geburtstag des Elbe-Seitenkanals berichtete: »Nach schwerem Start« habe der Kanal doch »insgesamt eine stetige Aufwärtsentwicklung« hingelegt.15 Es ist eben alles eine Frage der Perspektive. 1961 hatte ein kanalfreundliches Gutachten ein jährliches Transportvolumen von 10 Millionen Tonnen prognostiziert, und das wurde auch tatsächlich erreicht. Allerdings erst im Jahre 2014.16 Der Elbe-Seitenkanal war in jeder Hinsicht eine ernüchternde Erfahrung. Nur spürt man davon bei den einschlägigen Behörden nicht viel. Es wird weiter gebaut. In den kommenden Jahren soll der Elbe-Lübeck-Kanal von Lauenburg an der Elbe zum Lübecker Hafen ausgebaut und renoviert werden, eine Verlängerung des Elbe-Seitenkanals in Richtung Ostsee, die sich Schleswig-Holstein schon in den sechziger Jahren gewünscht hatte. Zu den treibenden Kräften zählte der Lauenburger CDU -Bundestagsabgeordnete Norbert Brackmann, der im Haushaltsausschuss saß, von 2015 bis 2018 Berichterstatter für den Etat des Bundesverkehrsministeriums war und seither als Koordinator der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft amtiert.17 Die Abgeordneten der FDP , die den Elbe-Seitenkanal 1961 in den Koalitionsvertrag mit der CDU /CSU hineinbugsierten, würden Herrn Brackmann verstehen. Für das Schiffshebewerk in Scharnebeck wünscht sich die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes eine neue Schleuse, damit große Schubverbände schneller durch den Elbe-Seitenkanal kommen. Das Projekt steht mit vordringlichem Bedarf im Bundesverkehrswegeplan 2030.18 Entlang des Kanals wird unterdessen eine Nord-Süd-

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Prolog: Die Kunst der organisierten Verantwortungslosigkeit

Autobahn geplant und siebzig Kilometer weiter östlich gleich noch eine. Die Grenzen des Wachstums sind im bundesdeutschen Verkehrswesen immer noch eine sehr verhandelbare Sache. Die alte Bundesrepublik ist Geschichte. Die Wachstumsraten, die den Bauboom der Nachkriegsjahrzehnte ermöglichten, sind es erst recht. Zurück bleibt eine Erinnerung, die nicht selten nostalgische Züge trägt. Im verklärenden Rückblick der Westdeutschen ist die alte Bundesrepublik ein Land von grundsolider Stabilität: politisch, wirtschaftlich, sozial. Gewiss, das Leben war manchmal schon ein wenig langweilig, aber doch alles in allem ziemlich bequem. Es gibt ein paar Vorbehalte für ausgewählte Bevölkerungsgruppen. Das Leben war in der alten Bundesrepublik kein Zuckerschlecken, wenn man beispielsweise einen nichtdeutschen Migrationshintergrund hatte, homosexuell war oder eine Frau, deren Ambitionen über den eigenen Haushalt hinausreichten. Aber das wurde ja auch irgendwann besser. Für die Institutionen der Wirtschafts- und Verkehrspolitik gibt es im kollektiven Gedächtnis bislang keinen solchen Vorbehalt. Aber vielleicht hat man ja noch nicht die richtigen Fragen gestellt.

Prolog: Die Kunst der organisierten Verantwortungslosigkeit

Lageplan des Elbe-Seitenkanals aus der Broschüre »Der Elbe-Seitenkanal«, herausgegeben von der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Hamburg zum Baubeginn am 6. Mai 1968, S. 11.

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Kapitel 1 Kapitel 1:

Die Mythen der alten Bundesrepublik

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ie alte Bundesrepublik ist seit der Wiedervereinigung Geschichte, und inzwischen ist sie auch ein etabliertes Thema der historischen Forschung. Die Zeitgeschichte kennt den schleichenden Übergang der intellektuellen Hegemonie von den Politologen zu den Historikern, der im 21. Jahrhundert von einer spürbaren Internationalisierung der deutschen Forschung unterstützt wurde. Historiker in anderen Ländern – Großbritannien ist ein naheliegendes Beispiel – haben traditionell mit Blick auf die jüngste Vergangenheit weniger Skrupel als ihre deutschen Kollegen, die sich lange Zeit gerne hinter der 30-jährigen Archivsperrfrist versteckten. Das Gesamtbild ist aufgrund des Facettenreichtums der neueren Geschichtsforschung nicht leicht zu bilanzieren, aber vielleicht kann man doch sagen, dass die alte Bundesrepublik dynamischer war als ihr Ruf. Westbindung, Feminisierung, Entkirchlichung, der Übergang von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft, die ethnische Diversifizierung durch Gastarbeiter und andere Migranten, vielfältige Protestbewegungen – die alte Bundesrepublik zeigte, dass man auch ohne Revolutionen ein Land des Wandels sein konnte. Mit wachsender Prägnanz wurde dabei eine Wasserscheide erkennbar, die sich auch in anderen westlichen Ländern als überaus

Kapitel 1: Die Mythen der alten Bundesrepublik

folgenreich präsentiert. Über die genaue zeitliche Markierung gibt es den üblichen Disput unter Historikern. Frank Bösch präsentierte jüngst 1979 als das Jahr, in dem »die Welt von heute begann«.1 Ökonomisch spricht mehr für die frühen siebziger Jahre, als der Boom der Wirtschaftswunderjahre auslief. Weniger strittig ist ein genereller Umschlag der gesamtgesellschaftlichen Atmosphäre von Hoffnungen und Visionen in Ernüchterungen und Ängste.2 Die stabilen Wachstumsraten der Wirtschaftswunderjahre haben sich in Europa als unwiederholbar erwiesen, und bei den politischen Utopien herrschte an allen Fronten Ernüchterung. In seiner monumentalen Geschichte Europas schrieb Tony Judt, »psychologisch« seien »die siebziger Jahre das deprimierendste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts« gewesen.3 Die Vollendung des Elbe-Seitenkanals fiel in die Zeit des Übergangs zwischen beiden Epochen. Geplant und beschlossen wurde der Bau in der Boomzeit, die heute als das »›Goldene Zeitalter‹ des westlichen Kapitalismus« gilt.4 Als der Kanal 1976 eröffnet wurde, standen die Zeichen in mehrfacher Hinsicht auf Krise, und es ist fraglich, ob das Projekt in den siebziger Jahren noch eine Chance gehabt hätte. Andererseits sollte man die Zeitenwende auch nicht überzeichnen. Die öffentlichen Haushalte waren auch in Wirtschaftswunderzeiten heftig umkämpft, wie die lange Genese des Elbe-Seitenkanals hinlänglich dokumentiert, und die Bundesrepublik blieb auch nach den fetten Jahren ein wohlhabendes und politisch stabiles Land. Gleichwohl kann man dieses Buch auch als Mikrostudie über ein Land im Umbruch lesen. Man kann den Rahmen auch noch weiter fassen. Weltweit wurden in den Nachkriegsjahrzehnten in neuartigem Umfang Infrastrukturen gebaut. Staudämme und Verkehrsverbindungen waren zentrale Elemente eines grenzüberschreitenden Phänomens, das in der englischen Literatur unter »developmentalism« firmiert und mit »Entwicklung« oder »Entwicklungspolitik« nur recht unzulänglich zu übersetzen ist. Länderübergreifend galten großtechnische Projekte als Schlüssel zur Zukunft, und deshalb investierten Regierungen unterschiedlichster Couleur enorme Summen und viel politisches Kapital in solche Projekte. Ursprünglich als Ausfluss der amerikanischen Außenpolitik im Kalten Krieg analysiert, hat sich

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Kapitel 1: Die Mythen der alten Bundesrepublik

»developmentalism« inzwischen als ein boomendes Feld der globalhistorischen Forschung etabliert.5 Das Scheitern der ursprünglichen Pläne ist dabei ein gängiges Motiv. Der Elbe-Seitenkanal war, global gesehen, in bester Gesellschaft. Es bietet sich deshalb an, die Geschichte dieses bundesdeutschen Kanals in einem internationalen Kontext zu schreiben, und deshalb finden sich wiederholt Querverweise auf andere Länder in diesem Buch. Es schärft das Gespür für die bundesdeutschen Besonderheiten, und nicht zuletzt dienen solche Vergleiche auch als Mahnung zur nuancierten Kritik: Man konnte in den Nachkriegsjahrzehnten durchaus haarsträubendere Projekte realisieren, und das keineswegs nur in Ländern des Globalen Südens. Die Vereinigten Staaten bauten in dieser Zeit zum Beispiel den Tennessee-Tombigbee Waterway, der den Elbe-Seitenkanal in jeder Hinsicht in den Schatten stellte. Er war größer, teurer und weitaus zerstörerischer für die Landschaft, und seine wirtschaftliche Bedeutung wird gerne mit Bildern von Freizeitbooten illustriert, die einsam in einem riesigen Schleusenbecken zu Berg fahren.6 Der internationale Kontext sensibilisiert jedoch nicht nur für die besondere Mischung von Kausalfaktoren, sondern auch für deren spezifischen Charakter. Auffallend oft wurde die Genese des Elbe-Seitenkanals von Zusammenhängen geprägt, die offenkundig eine Geschichte hatten, aber von den Zeitgenossen nicht als historisch kontingent erkannt wurden: Planung, Föderalismus, Staatswirtschaft, öffentlicher Dienst, Koalitionsverträge, Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse, Wachstum. All diese Dinge waren im Fluss, aber aus zeitgenössischer Perspektive erschienen sie eher wie natürliche Gegebenheiten, die nicht hinterfragt wurden. Man sollte sich hüten, diese Sicht der Zeitgenossen mit der gern beschworenen Betulichkeit der alten Bundesrepublik in Verbindung zu bringen, und das liegt nicht nur an der notorischen intellektuellen Untiefe völkerpsychologischer Zuschreibungen. Der seltsam ahistorische Status dieser Konzepte ist nämlich auch ein halbes Jahrhundert später noch zu erkennen. Die Probleme des Föderalismus und der staatlichen Planung sind uns heute bestens vertraut, von den Problemen der Koalitionsverträge einmal ganz zu schweigen, und doch fällt es den Bundesbürgern weiterhin schwer, über diese Dinge

Kapitel 1: Die Mythen der alten Bundesrepublik

eine Diskussion zu führen, die nicht von vornherein einen eher theoretischen Charakter besitzt. Die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse ist heute etwas anderes als damals in der Zeit der Zonenrandgebiete, und doch steht sie, seit der Wiedervereinigung reformuliert als gleichwertige Lebensverhältnisse, im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Die staatseigenen Konzerne sind nach einer jahrzehntelang eher schattenhaften Existenz zurück im Zentrum des politischen Streits, so etwa im Ruf nach Enteignung privater Wohnungsbaugesellschaften. Der Hamburger Senat wurde sogar 2013 per Volksentscheid zum Rückkauf seiner Energienetzwerke verpflichtet. Offenbar handelt es sich bei diesen Faktoren um mehr als bloße Rahmenbedingungen, die bei der Genese des Elbe-Seitenkanals eine Rolle spielten, und deshalb sollen sie hier auch nicht nur in dieser Form diskutiert werden. Sie kommen zugleich in den Blick als das, was sie offenkundig sind: Mythen der alten Bundesrepublik. Das geschieht in bewusster Abgrenzung von einem gängigen Begriffsverständnis, das bei Mythen ein etwas größeres Kaliber einfordert. Man schaue nur auf das Panorama der Themen und Akteure, die Herfried Münkler in seinem Buch Die Deutschen und ihre Mythen aufmarschieren lässt. Da geht es um Barbarossa und den Alten Fritz, um Arminius und Luther in ihren jeweiligen Kämpfen gegen Rom, um den Gang nach Canossa und die Nibelungen, um die Weimarer Klassik und die Rheinmythen, die Münkler in einem Spannungsfeld von »Weinseligkeit und Kriegsgeschrei« verortet.7 Stets ging es da um die ganz großen Themen und die entsprechenden Emotionen: Die Münkler’sche Mythologie bleibt im Flug durch die Jahrhunderte beharrlich auf nationale Existenzfragen fixiert. Die alte Bundesrepublik konnte da mythologisch nicht so recht mithalten. Sie brachte zwar Mythen des sozioökonomischen Erfolgs zustande, allen voran Währungsreform und Wirtschaftswunder, aber das war es dann auch schon. Überlegungen, in der Westbindung und der lebensweltlichen Orientierung am Westen einen Gründungsmythos der Bundesrepublik zu erkennen, erteilt Münkler eine brüske Abfuhr. Hier würden »Staatsräson und gesellschaftliche Modernisierungsprozesse mit politischen Mythen verwechselt«.8 Man kann Mythologien aber auch pragmatischer angehen. Roland Barthes unternahm einen solchen Versuch 1957 in seinem Buch

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Mythologies, das in deutscher Übersetzung unter dem Titel Mythen des Alltags erschien. Da ging es gleichermaßen um Einsteins Gehirn und das Gesicht der Garbo wie um den neuen Citroën, um Beefsteak und Pommes frites, um Reinigungsmittel und um das seinerzeit als Gebrauchsmaterial boomende Plastik. In konzisen, vom französischen Alltagsleben inspirierten Explorationen ging er Dingen und Phänomenen auf den Grund, die sich nur scheinbar auf den ersten Blick verstanden. Damit eröffnete Barthes zugleich einen Weg, über Mythen jenseits des Existenziellen nachzudenken. Für ihn waren Mythen nichts Majestätisches. Sie waren »eine Weise des Bedeutens«.9 Barthes schrieb in der großen Zeit der französischen Intellektuellen, und so sparte er nicht an bombastischen Formulierungen. Plastik war für ihn »die erste magische Materie, die zur Alltäglichkeit bereit ist«, das Auto war »das genaue Äquivalent der großen gotischen Kathedralen«, und die Frites waren »Objekte der Sehnsucht und patriotisch wie das Beefsteak«.10 Da möchte man aus heutiger Sicht auch dann ein wenig zur Mäßigung rufen, wenn man kein Vegetarier ist. Die Mythen des Alltags lesen sich heute ziemlich breitbeinig, aber es geht ja nicht um ein tumbes Epigonentum. Nach 60 Jahren würde der Versuch, unmittelbar an Barthes anzuschließen, wohl auf einen theoretisch-methodischen Salto mortale hinauslaufen. Letztlich geht es um eine Erweiterung des analytischen Rahmens, indem sich der Blick nicht nur darauf richtet, welche Faktoren den Weg der Entscheidungsfindung prägten, sondern auch, welche Gestalt diese Faktoren besaßen. Die Mythologie des Roland Barthes bietet einen Weg, Dinge, die mit der Aura des Selbstverständlichen daherkommen, politisch diskutierbar zu machen. Seine Mythen waren nämlich keineswegs so unpolitisch, wie sie auf den ersten Blick wirken. Tatsächlich ging es ihm darum, Entpolitisierung als Prozess sichtbar zu machen. »Die Funktion des Mythos besteht darin, das Reale zu entleeren, es ist buchstäblich ein unablässiges Ausfließen, ein Ausbluten, oder, wenn man lieber will, ein Verflüchtigen, also eine spürbare Abwesenheit.«11 Für Barthes waren Mythen Produkte der Geschichte, die nicht mehr als solche zu erkennen waren. Sie suggerierten »ein harmonisches Bild von Essenzen […], von Geschichte entleert und mit Natur angefüllt«.12

Kapitel 1: Die Mythen der alten Bundesrepublik

Hier schließt das vorliegende Buch an. Es lässt sich empirisch zeigen, dass der Elbe-Seitenkanal das Ergebnis eines regelkonformen Versagens war. Stets bewegte man sich im Rahmen der legitimen Ordnung: Es gab zwar die eine oder andere Schlitzohrigkeit, aber es wurden keine Gesetze gebrochen und keine Entscheidungsträger bestochen oder ungebührlich unter Druck gesetzt. Man kommt über diesen Befund jedoch hinaus, wenn man mythologisch ansetzt. Wenn hinter dem Fiasko des Elbe-Seitenkanals ein regelkonformes Versagen stand, dann hätte man über ebendiese Regeln reden müssen. Tatsächlich wurden die politischen Akteure sehr einsilbig, wenn sie mit den Grenzen des politischen Handlungsfeldes kollidierten, und das hing – so das hiesige Argument – aufs engste damit zusammen, dass diese Regeln in Mythologisierungen wurzelten. Die alte Bundesrepublik bot einen fruchtbaren Boden für die Mythen des Alltags. Das lag nicht zuletzt daran, dass das Land mit den klassischen Mythen der Nationen nicht mehr viel anzufangen wusste. Die alte Bundesrepublik führte keine Kriege und hatte weder koloniale Restbestände noch abtrünnige Provinzen, und die eine nationale Extravaganz, die sich das Land leistete – den Traum von der Wiedervereinigung –, blieb bis 1989 eine Domäne des politischen und diplomatischen Taktierens. Arminius alias Hermann stand nach wie vor im Teutoburger Wald und streckte sein Schwert gen Westen, und Grundschüler wurden weiterhin durch das Nibelungenlied gequält, aber für das Leben in der Bundesrepublik waren die Mythen des Alltags wichtiger. Die Mythen der Bundesrepublik waren vor allem deshalb wirkmächtig, weil sie im öffentlichen Diskurs nicht so leicht auffielen. Das lag nicht nur an einer gewissen mythologischen Schwerhörigkeit nach den rhetorischen Exzessen der NS -Zeit, die jedem Mitglied der politischen Klasse noch lange in den Ohren klangen. Die politischen Spielregeln der Bundesrepublik waren auf den ersten Blick ganz unschuldig, aber sie erwiesen sich nicht selten als eiserner Käfig. Man denke nur an das Lamento über den Föderalismus, das sich durch die Geschichte der Bundesrepublik zieht und gerne auch mal folkloristisch eingefärbt wurde. Das politische System der Bundesrepublik schwitzte derlei achselzuckend aus, in diesem Fall

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sogar mit dem Grundgesetz im Rücken. Dort steht der Föderalismus schließlich unter den unauslöschlichen Schutz der Ewigkeitsklausel. Die Münkler’sche Mythologie ist ein ständiger Balanceakt zwischen der suggerierten Notwendigkeit einer nationalen Erzählung und dem Wissen um die Dämonen der Geschichte. Auch in der Mythologie der alten Bundesrepublik fanden die Schatten der Vergangenheit ihren Niederschlag, und zwar auch dort, wo das Erbe der NS -Zeit nicht auf den ersten Blick zu erkennen war. Man nehme nur Hamburgs sprichwörtlichen Status als Deutschlands »Tor zur Welt«, eine Formulierung, die bis in die zwanziger Jahre praktisch unbekannt war, aber dann in den fünfziger Jahren populär wurde.13 Die Metapher passte bestens zu einem Land, das die weltpolitischen Träumereien früherer Jahre am liebsten vergessen wollte und sich dann am wohlsten fühlte, wenn der Kontakt mit dem Rest der Welt in Form des Exports deutscher Wertarbeit stattfand. Wer ein gut funktionierendes »Tor zur Welt« hatte, der brauchte an Eroberungsfeldzüge gar nicht mehr zu denken. Außerdem bediente die Formulierung die Interessen einer Handelsstadt, die um ihr Hinterland bangte und deshalb ihre Bedeutung für die gesamte bundesdeutsche Wirtschaft unterstreichen musste. Das »Tor zur Welt« verschob den Blick vom Land entlang der Elbe zum Rest der Bundesrepublik und verlieh dem Hamburger Hafen damit eine Signifikanz jenseits seines tradierten Einzugsbereichs. Die Zeit des Nationalsozialismus schwang in allen bundesdeutschen Debatten mit, aber die erwähnten Mythen gehen in diesem Kontext nicht auf. Eine Mythologie der alten Bundesrepublik bedarf deshalb mehr als die Münkler’sche Erzählung der Nuancen und des Spiels mit Perspektiven. Sie navigiert gewissermaßen im Schatten einer dichotomischen Alternative von Hagiographie und Dämonisierung, und das kann man durchaus positiv sehen, wenn man eine Geschichte mit menschlichem Maßstab schreiben möchte. Bei Münkler ist nur zu deutlich erkennbar, wie die realen Menschen neben den großen Mythen zusammenschrumpfen. Es ist ja auch keine schlechte Idee, Existenzfragen als Privatsache zu behandeln und die politische Debatte auf die pragmatischen Fragen des menschlichen Zusammenlebens zu konzentrieren, und da geht es

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in aller Regel um Grautöne. Es ist gar nicht so leicht zu sagen, ob die Bundesrepublik ein besseres oder ein schlechteres Land gewesen wäre, wenn sie Hamburg nicht als »Tor zur Welt« beschworen hätte, und gleiches gilt für andere bundesdeutsche Mythen in diesem Band. Vielleicht muss man eine solche Entscheidung ja auch gar nicht treffen, weil Planung, Expertenwissen, Föderalismus, öffentlicher Dienst und all die anderen Dinge auf absehbare Zeit zum politischen Gemeinwesen der Bundesrepublik gehören werden. Aber wenn diese Mythen unvermeidlich Teil der politischen Landschaft sind, dann ist die Aufklärung über Voraussetzungen und Folgen eine Pflicht des mündigen Bürgers – auch das ein Konzept, das zugleich ein bundesdeutscher Mythos ist. Man kann es auch so formulieren: Das Problem waren weniger die Mythen selbst als die Mythologisierung von Dingen, die man nicht unbedingt mythologisieren musste. Über Föderalismus, Planung und die Unterstützung unterentwickelter Regionen hätte man auch politisch streiten können. Tatsächlich gab es über all diese Dinge eher den Streit der Experten, während die politische Klasse entlang der gegebenen Parameter agierte. Das hatte immerhin den Vorteil, der jungen Demokratie ein hohes Maß von Stabilität zu verleihen, und um die damit verbundenen Effizienzverluste musste sich die ökonomisch grundsolide Bundesrepublik noch keine großen Sorgen machen. Der Bundeshaushalt hätte wohl auch mehr als einen Elbe-Seitenkanal verkraftet. So gesehen waren die Mythen der alten Bundesrepublik ein Komplementärphänomen zur »Suche nach Sicherheit«, die Eckart Conze als ein Leitmotiv der bundesdeutschen Geschichte analysiert hat.14 Man könnte geradezu von einem grandiosen Deal sprechen: klare politische Regeln im Tausch gegen Mythen, mit denen man schon irgendwie leben konnte. Für die alte Bundesrepublik war das unterm Strich ein gutes Geschäft. Aber gilt das noch im 21. Jahrhundert? Eine Mythologie der alten Bundesrepublik lohnt in einer Zeit, in der die Gewissheiten brüchig werden. An sich bot die Bundesrepublik gute Rahmenbedingungen für Infrastrukturprojekte. Sie hatte eine starke und relativ korruptionsarme Staatsverwaltung, ein leistungsfähiges Netz von Experten und Unternehmen, eine rechtsstaatliche und demokratische Nüchternheit, die Wahnsinnsprojekte wie

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den von Gulag-Häftlingen erbauten Weißmeerkanal in der frühen Sowjetunion undenkbar machte, und nicht zuletzt pflegte sie eine politische Kultur des Ausgleichs, die all jenen, die durch das Projekt Nachteile erlitten, einen fairen Umgang mit ihren jeweiligen Anliegen in Aussicht stellte. Nichts davon wird durch die hiesige Darstellung widerlegt, nur war das eben nicht die ganze Geschichte. Beim Elbe-Seitenkanal waren noch andere Mythen im Spiel, und diese machten das Projekt zu einem Menetekel über politische Verantwortung. Täuscht der Eindruck, dass sich vergleichbare Debakel in unserer Gegenwart häufen? Jeder kennt die Hängepartien beim Berliner Flughafen und die Kostenexplosionen bei der Hamburger Elbphilharmonie, aber womöglich sind dies nur die sprichwörtlichen Spitzen des Eisbergs. Die seltsame Unbeirrbarkeit, mit der der Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals allen Anfechtungen zum Trotz derzeit durchgedrückt wird, weckt da zumindest einen gewissen Verdacht. So bietet ein mythologischer Ansatz auch einen Weg, mit der erstaunlichen Aktualität der hiesigen Geschichte umzugehen. Jeder gute Historiker hat internalisiert, dass sich Geschichte und Gegenwart nicht einfach parallelisieren lassen. Aber was soll man sagen, wenn man über den Elbe-Seitenkanal schreibt, während die amtierende Bundesregierung gerade den Weiterbau dieses Projekts in die Wege leitet – denn nichts anderes ist der Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals? Das Projekt wurde schon in den sechziger Jahren diskutiert und auf die lange Bank geschoben, und die Warnungen der Verkehrsplaner sind nicht weniger nachdrücklich wie damals beim Heide-Suez. Auch das Bundesverkehrsministerium ist wieder einmal dagegen und lässt sich trotzdem breitschlagen. Alles deutet darauf hin, dass hier mal wieder eine Farce der Tragödie folgt, aber der Blick auf das literarische Genre lenkt letztlich von einem besorgniserregenden Befund ab. Wenn Projekte erst einmal aufs Gleis gesetzt sind, ist das politische System der Bundesrepublik seltsam unfähig, diese Projekte wieder einzufangen, selbst wenn sie offenkundig sinnlos sind, und das hat offenbar etwas mit den Mythologisierungen der alten Bundesrepublik zu tun. Es liegt in der Natur von Infrastrukturprojekten, dass sie nicht immer ein durchschlagender Erfolg sind. Der Elbe-Seitenkanal war auch gewiss nicht das einzige Projekt, dessen Nutzen schon im Vor-

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feld dubios erschien. Das Besondere an diesem Projekt war, dass diese Zweifel beiseitegeschoben wurden, weil das politische System genauso funktionierte, wie es von seinen Anlagen her funktionieren musste. Es war kein unvermeidbares Versagen, aber doch ein sehr folgerichtiges – und zugleich eines, das sich jederzeit in ganz unterschiedlichen Dimensionen wiederholen kann. Der Elbe-Seitenkanal war nicht nur ein Kanal der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch ein sehr deutscher Kanal. Die Mythen der Bundesrepublik sind nicht allzu heroisch, und dasselbe gilt für ihre baulichen Manifestationen. Dafür waren sie teuer, und das nicht nur im monetären Sinne. Das organisierte Versagen nagt auch am politischen Vertrauenskapital, das in den Gesellschaften des Westens ohnehin spürbar schwindet. Was soll man schon von einem politischen System halten, das nicht einmal in der Lage ist, ein unsinniges Kanalprojekt zu stoppen? Mythen haben ihren Preis. Wir zahlen ihn heute nicht mehr in Blut, das immerhin hat die Bundesrepublik erreicht, und wir bauen auch nicht mehr sozialistische oder völkische Utopien, sondern Schienenwege, Stromleitungen und Windräder mit kalkulierbarem Nutzen. Für viele Menschen bleibt es trotzdem ein Mysterium, wie diese Dinge in die Welt kommen, aber das liegt nicht an den Objekten selbst oder ewigen Gesetzen der Politik. Es liegt daran, dass die Bundesrepublik immer noch in einer Welt der Mythen lebt, die sie aber nicht als solche erkennt. Und es liegt an einer historischen Forschung, die sich erstaunlich schwertut mit der Einsicht, dass die Bundesrepublik wie jedes andere politische Gemeinwesen ihre Mythen hat.

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er Fahrstuhl braucht nur drei Minuten. Er steht in Scharnebeck, einer Gemeinde zehn Kilometer nordöstlich von Lüneburg, er überwindet einen Höhenunterschied von 38 Metern, und seine Last wiegt happige 5800 Tonnen. Das großformatige Buch, das die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes aus Anlass der Eröffnung des Elbe-Seitenkanals herausgab, liefert weitere Zahlen. Das Schiffshebewerk am Rande der Stadt hat zwei Tröge, die unabhängig voneinander bewegt werden können. Beide Tröge sind 100 Meter lang, zwölf Meter breit und können Schiffe mit einem Tiefgang von bis zu 3,50 Metern transportieren. 224 Schwerbetonscheiben mit einem Einzelgewicht von 26,5 Tonnen hängen an Stahlseilen mit 54 Millimeter Durchmesser und dienen als Gegengewicht, sodass der Alltagsbetrieb keiner großen Kraftanstrengung bedarf. Die vier Elektromotoren, die den Trog auf- und abwärtsbewegen, haben nur jeweils 160 kW, deutlich weniger als beispielsweise ein heutiger Golf GTI .1 Ein Wunderwerk der Technik? Die Erbauer waren jedenfalls stolz auf ihr Werk. Schon im November 1970, als die Bauarbeiten gerade erst begonnen hatten, fei-

Das Magische und das Monetäre

erte die Hamburg-Information das Schiffshebewerk als kommende »Touristen-Attraktion«.2 Heute können Besucher das Geschehen von zwei Aussichtsplattformen betrachten, und nebenan betreibt die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes ein Informationszentrum. Scharnebeck hat sogar eine Oberschule, die sich »Schule am Schiffshebewerk« nennt.3 Wie eine Kathedrale der Moderne ragen die Betontürme aus dem flachen Land entlang der Elbe empor. Man kann die Sache natürlich auch ganz nüchtern sehen. Zwischen der Elbe bei Lauenburg und dem Mittellandkanal bei Wolfsburg ist ein Höhenunterschied von etwa 61 Metern zu überwinden. Diese Aufgabe erfüllen das Schiffshebewerk Scharnebeck und eine Doppelschleuse bei Uelzen. Kanäle sind Zweckbauten, aber man versteht sie nicht, wenn man sie rein instrumentell betrachtet. Wer einen Kanal baut, jongliert unvermeidlich mit einem komplizierten Bündel wirtschaftlicher, politischer, kultureller und ökologischer Aspekte. Er lässt sich auch mit einem Stoff voller Ambivalenzen ein. Wasser ist Elixier des Lebens und Überträger von Krankheiten, Medium für reibungsarmen Transport und ein Element der Zerstörung, wenn es der menschlichen Kontrolle entweicht, und noch einiges mehr. All das macht Wasser zu einem historischen Thema erster Güte. Das fiel deutschen Historikern allerdings lange Zeit nicht auf. Es gab zwar immer wieder Flutkatastrophen an der Küste und viel Streit um dreckige Flüsse, aber insgesamt gesehen wirkte das deutsche Wasser in den Geschichtsbüchern recht harmlos. Das änderte sich 2006, als David Blackbourn eine hydraulische Geschichte des modernen Deutschland veröffentlichte. Da sah man den Kampf mit dem Wasser als ein Leitmotiv der deutschen Geschichte mit einem breiten Tableau von Akteuren, das von Friedrich dem Großen bis zu Hitlers Ostraumplanern reichte. Es war eine Umweltgeschichte neuen Stils, die sich nicht mehr mit Nischenthemen und Nebenfolgen abgab, sondern die natürliche Umwelt als Teil der Gesamtheit des menschlichen Lebens in den Blick nahm. Blackbourn verfolgte »die hehre Vision einer ›Totalgeschichte‹«, wissend, dass sie »niemals verwirklicht werden« könne. Es war jedoch »der Mühe wert, sie anzustreben«.4

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Der Trog des Schiffshebewerks Scharnebeck mit einem Schubleichter und zwei Freizeitschiffen.

Am Ende seiner Darstellung stand ein gefühlter Sieg: Blackbourns Buch trägt den Titel Die Eroberung der Natur. Das war nur auf den ersten Blick ein Rückfall in jenen triumphalen Tenor, den man gelegentlich in Ingenieurstraktaten aus Kaisers Zeiten findet. Die Hybris jeder Naturbeherrschung im wörtlichen Sinne war Blackbourn vollkommen bewusst. Nach eigenem Eingeständnis

Das Magische und das Monetäre

schrieb er als »ein ernüchterter Anhänger des Fortschritts, der alt genug ist, um sich an die Zeit zu erinnern, dass es ständig aufwärtszugehen scheint, heute jedoch zunehmend dem ebenso unhistorischen Gedanken zuneigt, dass alles den Bach hinuntergeht«.5 Blackbourn wählte seinen Titel, »weil die Menschen von damals ihre Tätigkeit selbst so bezeichnet haben«: Bei allen Veränderungen vom Zeitalter der Aufklärung bis zur Gegenwart identifizierte er eine bemerkenswert konstante, geradezu fixe »Idee, dass die Natur dem Menschen ein Feind sei, den man fesseln, zähmen, unterwerfen und erobern müsse«.6 Allen voran galt das für jene, die solche Projekte in Auftrag gaben und praktisch umsetzten. Einige seiner Figuren sind altbekannt wie etwa Friedrich der Große, der das Oderbruch trockenlegen ließ und damit einem viel zitierten Bonmot zufolge im Frieden eine Provinz eroberte. Andere sind zu Unrecht vergessen wie etwa der Talsperrenpapst Otto Intze, der Privatvorlesungen vor Wilhelm II . hielt und ins preußische Herrenhaus berufen wurde. Das vorliegende Buch setzt diesen Weg mit den Mitteln der Mikrogeschichte fort. Es zeigt, wie ein Kanalprojekt der Nachkriegszeit – der Elbe-Seitenkanal – einen aufschlussreichen Blick in das Innenleben des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland eröffnet. Stärker als bei Blackbourn, wo der Blick auf die Wasserbauer in manchen Passagen ein gewisses Übergewicht gewinnt, soll hier stets der gesamtgesellschaftliche Kontext im Blick bleiben. Um den Elbe-Seitenkanal gruppierten sich mehrere Zirkel in der Art konzentrischer Ringe: der Kernbereich der Binnenschifffahrt und Wasserwirtschaftsverwaltung, der weitere Kreis all jener, die mit dem Kanal unterschiedliche Interessen verbanden, und schließlich die breite Öffentlichkeit, die zwar kaum je aktiv ins Geschehen eingriff, aber als Gesamtheit der Steuerzahler am Ende die Rechnung bezahlen musste. Für eingefleischte Wasserbauer mochte der Elbe-Seitenkanal einen Sieg über die Natur markieren, aber für die meisten Bundesbürger war er in erster Linie eine ziemliche Geldverschwendung. Dieses Buch wirft zugleich ein Licht auf einen hydraulisch-politischen Komplex, der zumeist abseits des Scheinwerferlichts der Öffentlichkeit operiert. Anders als bei Bahn und Straße fehlt den meisten Bundesbürgern bei Binnenwasserstraßen die persönli-

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che Erfahrung. Man kennt sie nur vom flüchtigen Blick aus dem fahrenden Verkehr, wenn man mal wieder über eine Kanalbrücke fährt, allenfalls ergänzt durch Badeausflüge im Hochsommer oder vergnügliche Touren mit dem Personenschiff. Nach Angaben des Bundesverbands der Deutschen Binnenschifffahrt arbeiteten Mitte 2016 genau 5250 Menschen auf einem Binnenschiff, und selbst wenn man das Landpersonal, Hafenarbeiter und andere Interessenten wie etwa Bewässerungsverbände mit in den Blick nimmt, bleibt der Kreis der Insider überschaubar.7 Aber wenn dieser Komplex alljährlich Bundesmittel in der Größenordnung von 900 Millionen Euro verschlingt, darf man schon einmal einen Blick riskieren – und erst recht dann, wenn diesem Betrag Einnahmen von lediglich 140 Millionen Euro gegenüberstehen.8 Das dürfte unter den Freunden der Kanäle nicht unbedingt auf Gegenliebe stoßen, aber eigentlich dürfen sich Wasserbauer nicht beschweren, wenn die Geschichte ins Spiel kommt. Sie haben schließlich damit angefangen.

Bauherren »Am Anfang war Napoleon«, begann Thomas Nipperdey seine große Geschichte Deutschlands im 19. Jahrhundert.9 Der Satz trug ihm »viel Kritik und wohl auch Spott« ein, wie er ein Jahrzehnt später bemerkte, als er den dritten Band seines Opus magnum in gleicher Manier eröffnete: »Am Anfang war Bismarck.«10 Wenn Nipperdey über Kanalprojekte geschrieben hätte, dann wäre die Kritik dieser stilistischen Wendung vermutlich milder ausgefallen. In historischen Abhandlungen über Kanalprojekte ist der Verweis auf mächtige Männer, die einst von der entsprechenden Verbindung träumten, ein stehender Topos. Man nehme etwa den Canal du Midi im Südwesten Frankreichs, der im 17. Jahrhundert unter dem Sonnenkönig Ludwig XIV . erbaut wurde und am Fuß der Pyrenäen das Mittelmeer mit dem Atlantik verbindet. Gerne verweisen Autoren darauf, dass der Traum eines Kanals über die kontinentale Wasserscheide hinweg auch schon von Kaiser Augustus, Karl dem Großen sowie den französischen Königen Franz I. und Heinrich  IV . geträumt worden war.11 Karl der Große und seine Fossa Carolina ste-

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hen in schöner Regelmäßigkeit Pate in Darstellungen zum RheinMain-Donau-Kanal, zumal die Ambitionen des Karolingers bis heute in der Landschaft zwischen Treuchtlingen und Weißenburg zu erkennen sind.12 Und wenn man partout keinen direkten Bezug herstellen kann, dann sucht man doch immerhin den Dunstkreis der großen Männer. »Erste Ideen zum Bau eines Kanals in der Region reichen bis in die Zeiten Napoleons zurück«, heißt es in dem Artikel zum 40. Geburtstag des Elbe-Seitenkanals, den die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt des Bundes in ihrem Jahresbericht 2016 veröffentlichte.13 Man muss freilich nicht Mitarbeiter einer Bundesbehörde oder Historiker sein, um den Nimbus altehrwürdiger Visionen zu bedienen. Als das Bundeskabinett am 1. September 1965 den Bau des Elbe-Seitenkanals absegnete, gab Erich Mende, seinerzeit Vizekanzler und Bundesvorsitzender der FDP , zu Protokoll: »Ein solches Projekt habe bereits zur Zeit des Kaiserreiches mit dem Ziel der Entlastung der Elb-Schiffahrt bestanden.«14 Solche Zitate reizen zur ideologiekritischen Demontage. Niemand baut milliardenschwere Kanäle, nur um Träume aus Kaisers Zeiten zu realisieren. Der Drang zur Ideologiekritik wird nahezu unwiderstehlich, wenn das Zitat von einem Politiker wie Erich Mende stammt, an den man sich heute nur noch als Ritterkreuzträger und hartnäckigen Apologeten der Wehrmacht erinnert. Aber es lohnt sich, einschlägige Beißreflexe für den Moment im Zaum zu halten und erst einmal tiefer in die Gedankenwelt einzudringen, die erwachsene Menschen, mit Kosten-Nutzen-Relationen bestens vertraut und auch sonst vollkommen zurechnungsfähig, in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen dazu verleitete, die verschiedensten Kanäle in stereotyper Weise als Verwirklichung eines lange gehegten Wunsches zu präsentieren. Ideologiekritik wird leicht zu einer leeren Übung, wenn man sich nicht zunächst darüber klar wird, welche Ideologie hier eigentlich bemäntelt werden soll. Es gibt verschiedene Wege, den Kanal als einen Mythos der Moderne zu verstehen. Man kann die Personen und Körperschaften in den Mittelpunkt rücken, die sich von einem Kanalprojekt einen greifbaren Nutzen erhofften. Man kann sich in die Kalkulationen dieser Akteure vertiefen und sie mit den realisierten und hypothetischen Kosten-Nutzen-Verhältnissen vergleichen. Man kann im Stil

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der neueren Kulturgeschichte nach folgenreichen Leitbegriffen und mentalen Obsessionen fahnden. Man kann sich auch auf die ungeplanten Nebenfolgen konzentrieren, die Infrastrukturprojekte mit einer gewissen Unvermeidlichkeit mit sich bringen, und auf diesem Wege den Gemeinwohlanspruch dieser Projekte hinterfragen. All diese Ansätze werden im Folgenden eine Rolle spielen, nicht ohne gewisse Korrekturen an tradierten Lesarten. Kanäle haben vielfältige Folgen, und eine Hierarchie der methodischen Ansätze stünde leicht im Ruch intellektueller Monokultur. Am Anfang steht jedoch der Blick auf die Männer, die als Leiter der Bauprojekte die Realisierung einschlägiger Infrastrukturen verantworteten. Das ist nämlich im 21. Jahrhundert nicht mehr zwangsläufig ein Weg zu archaischen Erzählungen im Stil eines »Männer machen Geschichte«. Wenn man Karrieren und Wirken dieser Männer ein wenig gegen den Strich bürstet, lernt man viel über Mythos und Realität moderner Infrastrukturprojekte. Man bekommt auch einen Eindruck davon, warum es tatsächlich stets Männer waren, die solche Projekte leiteten. Die geschichtswissenschaftliche Literatur über diese Personen ist erstaunlich dünn. Fritz Todt, als von Hitler eingesetzter Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen Leiter des prestigeträchtigen Autobahnprojekts, ist der vielleicht letzte Spitzenpolitiker der Nationalsozialisten, zu dem keine seriöse wissenschaftliche Biographie vorliegt.15 Unter Politikwissenschaftlern gibt es ebenfalls kaum Interesse, auch weil sich führungsstarke Männer nur sehr begrenzt mit Modellen und Theorien greifen lassen. »Führung kommt beim Gros der deutschen Politikwissenschaft nicht vor«, hat Franz Walter bemerkt.16 Wenn einschlägige Männer trotzdem einen eifrigen Chronisten finden wie etwa Robert Caro, der eine dickleibige Monographie über Robert Moses schrieb, dann tendiert das Resultat leicht in Richtung Charaktermord. Moses, der in New York über mehr als drei Jahrzehnte hinweg in brachialer Manier Schnellstraßen und andere Infrastrukturen baute, erscheint bei Caro als dämonischer Baumeister, der sich von Rücksichten auf Mitmenschen und demokratische Usancen in bedenklichem Ausmaß emanzipierte.17 An Versuchen, diese Baumeister auf dem Weg der Kollektivbiographie als exemplarische Vertreter eines modernen Politikertyps zu analysieren, fehlt es nahezu völlig.18 Das liegt wohl nicht nur daran,

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dass die Infrastrukturgeschichte allen neueren Bemühungen zum Trotz noch als relativ junges Forschungsfeld zu gelten hat.19 Die Leiter von Großprojekten sprengen gängige Vorstellungen von politischen Karrieren und politischen Kompetenzen. Mit den üblichen Erzählmustern der politischen Biographik kommt man bei ihnen nicht weit. Sie waren keine Parteivorsitzenden oder Führer politischer Bewegungen, sie verfügten nicht über ererbte Besitzstände wie Adelsprädikate oder große Vermögen, und auch die eher sinisteren politischen Ressourcen des zwanzigsten Jahrhunderts wie Rednertalente oder Schlägertrupps spielten im Aufstieg dieser Männer keine nennenswerte Rolle. Viele hatten noch nicht einmal die Kontrolle über die finanziellen Mittel, die sie in Infrastrukturen verbauten. Pierre-Paul Riquet schuf den Canal du Midi auf eigene Kosten und verschuldete sich dabei so sehr, dass die Erben nach seinem Tod etwa 40 Jahre brauchten, um die Schulden zurückzuzahlen, aber das war wohl eher den fragilen staatlichen Strukturen in der Zeit des Sonnenkönigs geschuldet.20 Als der Bau von Infrastrukturen im späten 19. Jahrhundert einen säkularen Aufschwung nahm, wurde der Rückgriff auf die finanziellen Ressourcen des modernen Territorialstaats zur Regel. Der Canal du Midi, den Riquets Erben mehr als zwei Jahrhunderte lang als Privatunternehmen betrieben hatten, wurde passenderweise 1897 vom französischen Staat aufgekauft.21 Auch Deutschland investierte in dieser Zeit im großen Stil. »Wie vieles andere in der deutschen Wirtschaft des 19. Jahrhunderts setzte das ›Kanalzeitalter‹ erst spät ein«, schrieb David Blackbourn.22 England hatte seinen Kanalboom im 18. Jahrhundert, die Vereinigten Staaten im frühen 19. Jahrhundert, und auf dem Kontinent war Frankreich lange Zeit führend, bis das Deutsche Reich in einem fulminanten Kraftakt nachzog. Von 1890 bis 1918 steckten deutsche Regierungen 1,5 Milliarden Mark in den Ausbau der Binnenwasserstraßen. Seit 1918 war die Binnenschifffahrt eine Angelegenheit des Reichs, davor stand sie unter der Ägide der Einzelstaaten, was auf eine bemerkenswerte Zersplitterung der einschlägigen Bestrebungen hinauslief. »Feste Richtlinien für die Weiterentwicklung der deutschen Wasserstraßenpolitik und die Wasserstraßenpolitik der einzelnen Bundesstaaten sind bisher nur andeutungsweise zu er-

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kennen«, konstatierte der Verkehrswissenschaftler Richard Hennig 1913 in seinem Buch über Die Hauptwege des Weltverkehrs. »Alles ist noch in Gärung begriffen, die Interessengegensätze bekämpfen sich in heftigster Weise, und niemand weiß, was daraus werden will.«23 Da wurde schon mal ein Kanal gebaut, weil gerade ein anderer in der unmittelbaren Nachbarschaft vollendet worden war. Die Hansestadt Lübeck baute zum Beispiel von 1895 bis 1900 in Eigenregie den Elbe-Trave-Kanal, um nach dem Bau des Nord-Ostsee-Kanals von Kiel nach Brunsbüttel nicht ins Hintertreffen zu geraten.24 Die deutschen Kanäle kamen spät, aber dafür hatten sie gewaltige Dimensionen. Während die englischen Kanäle zumeist nur ein paar Meter breit waren, was heute ihre postindustrielle Verwertung als pittoreske Touristenattraktion beflügelt, war die Kanalsohle des Elbe-Trave-Kanals 27 Meter breit, und seine Schleusen konnten Schiffe mit einer Länge von bis zu 80 Metern passieren.25 Seit jeher hatten Kanalprojekte vom Landverbrauch bis zur Wasserversorgung eine Fülle von Folgen für Menschen und Regionen gehabt, und diese Konsequenzen gewannen mit den Bauprojekten des späten 19. Jahrhunderts eine neue Qualität. Da brauchte es Männer, die den Überblick behielten. Die Erbauer der großen Kanäle waren deshalb in erster Linie Manager. Sie planten Verlauf und Aussehen des Kanals, sie überwachten die Ausführung der Bauarbeiten, und vor allem achteten sie darauf, dass alles zusammenpasste. Jedes Kanalprojekte hatte eine Fülle von kleinen und großen Problemen: unzufriedene Arbeiter, störrische Landbesitzer, neue Technologien, invasive Arten wie die zum explosionsartigen Wachstum neigende Kanadische Wasserpest – man konnte nie wissen, wo es haken würde und wo rasch und kostengünstig Entscheidungen getroffen werden mussten. Als 1965 das Regierungsabkommen zum Bau des Elbe-Seitenkanals unterzeichnet wurde, ahnte wohl keiner der Verantwortlichen, dass man sich zwei Jahre später mit dem Schwimmbad der Gemeinde Bodenteich würde beschäftigen müssen.26 Stets hing alles mit allem zusammen, und Fehler konnten fatale Folgen haben. Es brauchte nur eine einzige Untiefe oder ein defektes Schleusentor, um einen Kanal zu blockieren. Die Dominanz männlicher Entscheider ist nicht nur Ausfluss einer modernen Arbeitswelt, die den Unterschied der Geschlechter

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zu einem konstituierenden Element erhob. Unverkennbar ähnelte der Bau moderner Infrastrukturprojekte einem Archetyp, wie er männlicher kaum zu denken war: der militärischen Kampagne. Es brauchte einen Generalstab, der unter sorgfältiger Berücksichtigung des realen und des politischen Terrains kommandierte, gut ausgebildete Soldaten der Arbeit, die ihre Mission verlässlich erfüllten, und einen hierarchischen Apparat, der Entscheidungen auf der jeweils angemessenen Ebene treffen konnte und einen geordneten Informationsfluss sicherte. Augenmaß, Sicherheit im Urteil, Disziplin und die Fähigkeit, auch in unübersichtlichen Situationen klare Anweisungen geben zu können – man musste kein Offizier sein, um einen Kanal zu bauen, aber es half. Zivilisten gab es bei Bauprojekten natürlich auch, aber mit denen wurde man schon irgendwie fertig. Im Unterschied zu ihren militärischen Anverwandten lebten die Wasserbauer in einem permanenten Kriegszustand. Einen Endsieg konnte es im Kampf mit dem Wasser nicht geben, sondern allenfalls wechselnde Frontverläufe, die stets sorgsam zu verteidigen waren. Dafür war der Feind besser auszurechnen, und deshalb gingen modernen Kanalprojekten stets ausführliche Planungen voraus. Beim Elbe-Seitenkanal war die Planungsphase sogar länger als der eigentliche Bau. Das lag allerdings auch an den zahlreichen Hindernissen und Widerständen, die das Projekt verzögerten, und darin bestand ein zweiter wichtiger Unterschied zum militärischen Milieu. Dass man Soldaten brauchte, verstand sich in modernen Gesellschaften irgendwie von selbst. Für Kanäle musste man hingegen erst einmal Überzeugungsarbeit leisten. Der Kampf um Kanäle war ein brutales Geschäft. Es ging um viel Geld, um langfristig folgenreiche Entscheidungen und nicht zuletzt um eine beinharte Konkurrenz mit der Eisenbahn. Da konnte man schon einmal übermütig werden. 1926 versprach ein Memorandum für den Hansakanal, der das Ruhrgebiet mit Hamburg und Bremen verbinden sollte, »daß bereits baufertige Pläne über den Kanal vorliegen«.27 Das Reichsverkehrsministerium wusste es besser. Der vorliegende Entwurf war »lediglich auf Grund von Meßtischblättern und vereinzelten Bodenuntersuchungen mittels Sondiereisens und Schürflöchern aufgestellt« und konnte deshalb »nur als Vorentwurf angesehen werden«.28 Pläne waren eine Notwendigkeit,

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aber sie hatten auch eine ganz eigene Magie, die manchen Wasserbauer noch im Ruhestand umtrieb. Der Wasserbauingenieur Peter Rehder baute für die Hansestadt Lübeck den Elbe-Trave-Kanal, vertiefte gleich zweimal die Trave, die Lübeck mit der Ostsee verband, und seit 1906 verfolgte er, inzwischen 64 Jahre alt, ein weiteres Projekt, das freilich nicht mehr zu seinen Lebzeiten realisiert werden konnte. Es erschien aus seiner Sicht nur logisch: Wer eine Karte der deutschen Wasserstraßen »eingehend und ohne Vorurteil prüft, der muß zu der Überzeugung gelangen, daß im mittleren Deutschland zwischen Weser und Elbe besonders in der Richtung auf die bedeutenden Seehäfen Hamburg-Harburg-Lübeck eine empfindliche Wasserstraßen-Lücke besteht«.29 1911 veröffentlichte er deshalb eine Denkschrift über den Bau eines Nord-Süd-Kanals, die er 1918, zwei Jahre vor seinem Tod, in erweiterter Form neu auflegte. Es war ein Plan mit Charisma, besonders wenn man Wasserbauingenieur war. Der Hannoveraner Ordinarius Otto Franzius, der selbst eine andere Linienführung befürwortete, nannte Rehders Denkschrift »eine der großartigsten und wichtigsten Arbeiten, die je über ein Kanalnetz erschienen sind«.30 Ein halbes Jahrhundert später wurde der Kanal tatsächlich eröffnet, allerdings unter anderem Namen. Er hieß dann Elbe-Seitenkanal.31 Für Kanäle musste man kämpfen, und das am besten auf mehreren Ebenen. Der Hansakanal, der im nächsten Kapitel noch näher beleuchtet werden wird, war ein Musterbeispiel. Über zwei Jahrzehnte hinweg hielt er eine Vielzahl von Akteuren in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen auf Trab. Ein Netz von Hansakanal-Vereinen warb in der Öffentlichkeit der Weimarer Republik um Unterstützung, während Politiker und Industrielle die Entscheider im Reichsverkehrsministerium umgarnten. Als das bis 1933 kein greifbares Ergebnis hervorgebracht hatte, versuchte man es direkt beim Diktator. Im Juni 1933 bat die Hamburger Handelskammer ihren Regierenden Bürgermeister, im persönlichen Gespräch mit Hitler »auch die Frage des Hansa-Kanals anzuschneiden«.32 Die Argumente für den Hansakanal, die sich bis dahin vor allem um die Verbindung zum Ruhrgebiet gedreht hatten, wurden bei der Gelegenheit kurzerhand in eine andere Himmelsrichtung gedreht. Der Hansakanal habe »im Rahmen der Ostraum-Politik eine große Auf-

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gabe zu erfüllen«, raunte die Handelskammer und verwies auf eine Veröffentlichung von Werner Daitz, der zwar von Haus aus Chemiker war, aber dafür ein in der Wolle gefärbter Nationalsozialist.33 Der Hansakanal hatte mächtige Fürsprecher. Aber sie waren flexibel. Infrastrukturen sind Macht, aber auf ihre ganz eigene Weise. Die Leiter großer Kanalprojekte verfügten über gigantische Summen und drückten ganzen Regionen ihren Stempel auf, und doch waren sie nur bedingt Herren ihrer eigenen Geschöpfe. Bei Männern vom Schlage eines Peter Rehder liefen die Fäden zusammen, aber es war nie ganz klar, ob diese Fäden tatsächlich Macht ausübten wie im Marionettenspiel oder ob es eher jene Art von Fäden waren, in denen man sich trefflich verheddern konnte.34 Wenn man ein Kanalprojekt erst einmal lanciert hatte, kam man aus der Nummer jedenfalls nicht mehr heraus. Aber wie es auch kam, man musste Haltung bewahren, selbst wenn man auf verlorenem Posten stand. »Wir haben den Kanal mit aller Sorgfalt geplant«, erklärte ein Baudirektor der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung im Juli 1976 gegenüber der Frankfurter Rundschau.35 Das Leck, das zur Katastrophe führte, war da gerade mal 48 Stunden alt.

Nutzer und Nutznießer Am Anfang war die Kohle. »Der Ruhrkohlenbergbau muß seit Jahren die Erhaltung und Wiedergewinnung von Absatzmärkten unter besonders erschwerten Umständen zu erreichen suchen«, schrieb der Reichstagsabgeordnete Otto Hugo in einem »Antrag auf Bau des Hansakanals«, den er im Namen von 29 Abgeordneten an den Reichskanzler schickte.36 Die Kohlenzechen an der Ruhr suchten in den Krisenjahren nach dem Ersten Weltkrieg neue Absatzmärkte, und da rückten die Hansestädte Hamburg und Bremen aus naheliegenden Gründen in den Blick. Beide bezogen den Großteil ihrer Kohlen traditionell aus Großbritannien, was den Ruhrbaronen nicht nur wegen der Auswirkungen auf die Handelsbilanz ein Dorn im Auge war. Was lag da näher, als beide Städte mit einem neuen Kanal an den bereits gebauten Mittellandkanal anzuschließen? Wie so oft verbündeten sich unterschiedliche Parteien im Zeichen eines Infra-

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strukturprojekts, mustergültig verkörpert im Abgeordneten Hugo, der nicht nur für die Deutsche Volkspartei im Reichstag saß, sondern auch als Syndikus der Industrie- und Handelskammer zu Bochum fungierte.37 Immer wieder forderten Ruhrindustrielle fortan den Hansakanal als wasserbauförmige Lösung für die Probleme des Reviers. 1930 versuchte zum Beispiel ein Bergwerksdirektor, Reichskanzler Heinrich Brüning mit dem Hinweis zu ködern, nach dem Bau des Hansakanals »werde es möglich sein, 30 000 Bergarbeiter mehr zu beschäftigen als bisher, weil dann viel mehr Ruhrkohlen als bisher nach Hamburg geliefert werden könnten«.38 Ein wenig Augenwischerei war das schon. Tatsächlich sank die Zahl der Kumpel im Ruhrbergbau in den zwanziger Jahren, aber das lag in erster Linie an der zeitgenössischen Rationalisierungswelle.39 Auch andere Argumente folgten eher den Gesetzen der politischen Opportunität. Als Frankreich 1923 das Ruhrgebiet besetzte, forderte die Hamburger Handelskammer den Hansakanal, um »die Bestrebungen der Franzosen, das Ruhrgebiet immer weiter von Deutschland zu trennen, durch eine Verbesserung der Verkehrsverbindungen zu durchkreuzen«.40 Der Hamburger Hansa-Kanal-Verein verkaufte den Bau auch als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, da der Kanal »besonders auf der Strecke zwischen Weser und Elbe fast ausschließlich durch Handarbeit hergestellt werden muß«.41 Außerdem führe der Kanal »weite Strecken hindurch durch völlig unkultiviertes Moor- und Oedland, das durch ihn aufgeschlossen und für eine landwirtschaftliche Bestellung urbar gemacht wird«.42 Der Kanal war, so ein anderer Befürworter, ein »Kulturmittel«. Er schließe »das von ihm durchzogene Gelände in großer Breite auf und steigere erheblich seinen Wert. An jeder Stelle sei die Einrichtung von Löschund Landeplätzen möglich.«43 Ein solches Bündel von Argumenten und Interessen war bei Kanalprojekten nicht ungewöhnlich. Das war nicht nur den enormen Kosten geschuldet, die ein Großprojekt wie der Hansakanal unvermeidlich mit sich brachte. Anders als die englischen Kanäle, die in die Zeit vor der Eisenbahn zurückreichten, stand der Kanalbau in Deutschland stets in heftiger Konkurrenz zur Schiene. Die Deutsche Reichsbahn opponierte heftig gegen den Hansakanal, und die Bundesbahn kämpfte später mit ähnlicher Verve gegen den Elbe-Sei-

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tenkanal, aber man musste kein konkurrierendes Transportunternehmen sein, um in einem Kanal eine Bedrohung zu sehen. Der Widerstand der ostelbischen Großgrundbesitzer gegen den Mittellandkanal schaffte es sogar in Gesamtdarstellungen zum deutschen Kaiserreich, weil dieser Kanal dem billigen Importgetreide Zugang zum Osten Deutschlands bieten konnte und so die ökonomische Basis der alten agrarischen Eliten untergrub.44 Sie waren nicht die Einzigen, die im Mittellandkanal eine Bedrohung ihres Geschäftsmodells erkannten. Die mitteldeutsche Braunkohle kämpfte gleichfalls gegen den Kanal, um sich der Konkurrenz der Ruhrkohle zu erwehren.45 Im globalen 21. Jahrhundert ist man geneigt, in neuen Verkehrsverbindungen reflexhaft eine willkommene Erhöhung der Mobilitätschancen zu sehen. Tatsächlich kam es stets darauf an, wie sich ein Projekt im Lichte der Interessen der jeweiligen Akteure präsentierte. Das frühneuzeitliche Spanien plante sogar einen Kanal mit dem ausdrücklichen Ziel, Mobilität zu unterbinden. Mit der Fossa Eugeniana, einer Kanalverbindung von Rheinberg am Niederrhein nach Venlo an der Maas, wollte man die aufmüpfigen Niederlande vom lukrativen Rheinverkehr abschneiden; in den gigantomanischeren Blaupausen ging es neben der Umleitung des Verkehrs auch um die Umleitung des gesamten Rheins, sodass die Holländer buchstäblich auf dem Trockenen gesessen hätten. Der östliche Teil des Kanals wurde von 1626 bis 1629 auch tatsächlich gebaut, aber dann ging den Bauherren das Geld aus. Ein paar Jahre später erledigte sich das Unternehmen, als die Niederländer Venlo und Rheinberg eroberten.46 Richtig ist freilich, dass Gegner von Verkehrsprojekten in modernen Gesellschaften nahezu unvermeidlich im Ruch der Fortschrittsfeindlichkeit standen. Der britische Historiker Thomas Macaulay, ein Anhänger der liberalen Whig-Partei, schrieb 1848 in seiner Geschichte von England: »Von allen Erfindungen, das Alphabet und die Druckerpresse ausgenommen, haben diejenigen am mehrsten für die Civilisation unseres Geschlechts gethan, welche die Entfernungen abkürzen.«47 108 Jahre später sprach die Hamburger Handelskammer mit Blick auf die heftig opponierende Bundesbahn von »einem gewissen Besitzstandkomplex, der die notwendige Beweglichkeit vermissen läßt«.48 Aber musste man sich um solche Anwürfe ernsthaft Sorgen machen? Kanäle waren immer auch politi-

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sches Symbol, der Canal du Midi schaffte es in das Bildprogramm des Königsschlosses von Versailles, und der Weißmeerkanal wurde in der stalinistischen Sowjetunion in einem von Maxim Gorki edierten Band gefeiert – für die Massen gab es außerdem eine neue Zigarettenmarke –, aber das war letztlich nicht mehr als ein Sahnehäubchen.49 Niemand baute Kanäle, nur um ein Zeichen zu setzen. Entscheidend war am Ende stets das Verhältnis von Kosten und Nutzen. Das Problem war nur, dass sich der Nutzen eines Kanals gar nicht so leicht greifen ließ. Für selbst ernannte Freunde des Fortschritts war es lange Zeit ausgemachte Sache, dass einmal gebaute Verkehrsverbindungen in aller Regel weit über die Erwartungen hinaus florierten. »Nach allen Erfahrungen schaffe die Vermehrung der Verkehrsmöglichkeiten – oft im ungeahnten Ausmaß – Vermehrungen des Verkehrs«, erklärte ein Hamburger Gesandter 1922 in einem Gespräch über den Hansakanal im Reichsverkehrsministerium.50 Aber waren optimistische Hoffnungen schon ein hinreichender Grund für millionenschwere Investitionen? Rentabilität war bei Wasserstraßen ein kniffliges Thema, bei dem zum Beispiel Richard Hennig gehörig ins Schlingern geriet. Einerseits mahnte Hennig, »daß man bei Projektierung neuer Wasserstraßen die Frage einer Rentabilität der Anlage aufs sorgsamste prüfen muß«, zumal sich bislang die meisten deutschen Kanäle »nicht eben als gut rentable Anlagen« entpuppt hatten. Anderseits war er der Ansicht, dass es bei Kanälen um mehr als Einnahmen und Verzinsungen ging. »Ihr wahrer und höchster Wert ist zahlenmäßig überhaupt nicht zu erfassen, denn er liegt in der Rückwirkung auf Handel und Industrie, auf Nationalvermögen und Volkswohlfahrt.«51 So bewegten sich Kanalprojekte in einem Fließfeld von greifbaren Transportbedürfnissen und illusionärem Wunschdenken, das sich auch im Rückblick einer einfachen Bewertung entzieht. Das hat die Forschung freilich nicht davon abgehalten, sich an retrospektiven Verifizierungen einschlägiger Rentabilitätskalküle zu versuchen. Ein Pionier war der Ökonom Robert Fogel, der den amerikanischen Eisenbahnbau im 19. Jahrhundert einer quantifizierenden Analyse unterzog. Er kam zu einem aufsehenerregenden Ergebnis. In seinem Buch Railroads and American Economic Growth von 1964 argumentierte Fogel, dass sich die amerikanische Wirtschaft bis 1890 genauso

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gut entwickelt hätte, wenn die Eisenbahn nie erfunden worden wäre und die Amerikaner stattdessen Kanäle gebaut hätten. Wenn es 1890 keine Bahnverbindungen gegeben hätte und alternative Transportmöglichkeiten um 50 Prozent teurer gewesen wären als die realen Eisenbahntarife dieses Jahres, dann hätte der Wohlstandsverlust lediglich drei Prozent des Bruttonationalprodukts betragen.52 Das Buch wurde zu einem Klassiker der quantifizierenden Wirtschaftsgeschichte, aber das sagt vielleicht mehr über akademische Modeerscheinungen aus als über das Thema. Konsequent mogelte sich Fogel in seiner Analyse um die kritischen Unterschiede herum. Züge waren deutlich schneller als Binnenschiffe und ermöglichten damit einen höheren Takt im Wirtschaftsleben. Eisenbahnen hatten auch einen eingebauten Hang zum Wachstum. Aufgrund der hohen Fixkosten strebten Bahngesellschaften nach economies of scale in Form immer längerer Züge, ein ökonomisch ungemein folgenreiches Kalkül, das bei Kanälen an Grenzen stieß: Das Wachstum der Binnenschiffe endete unvermeidlich an den Mauern und Toren der Schleusen. Außerdem froren Kanäle in der kalten Jahreszeit regelmäßig zu. Das war auch in Mitteleuropa ein nicht zu unterschätzendes Problem. »Im Binnenschiffahrtsbetrieb müsse man im Winter mit mindestens zweimonatiger Unterbrechung rechnen«, bemerkte ein Hamburger Staatsrat 1922 in einer Diskussion über den Hansakanal.53 Fogel berücksichtigte den erzwungenen Stillstand in seinem Rechenmodell, indem er die Lagerhaltungskosten minutiös kalkulierte, aber das fand er wohl selbst nicht allzu überzeugend, und so finden sich in seinem Buch auch Spekulationen, ob man die Kanäle nicht durch künstliche Erwärmung hätte eisfrei halten können.54 Vielleicht hätten sich die Herren der Kanäle auch einfach auf ihrem Transportmonopol ausgeruht, wenn es keine Eisenbahn gegeben hätte? Zur Dynamik der US -amerikanischen Wirtschaft im 19. Jahrhundert gehörte auch ein aggressiver Eisenbahnbau, der gerne auch mal über den aktuellen Bedarf hinausschoss. Die berühmte transkontinentale Eisenbahnverbindung kam zum Beispiel ökonomisch gesehen eine ganze Generation zu früh.55 Fogels Analyse war ein Musterbeispiel für eine Wirtschaftswissenschaft, die sich fröhlich quantifizierend an der wirtschaftlichen Realität vorbeirechnete. Unter Ökonomen war das freilich

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kein großes Problem. 1993 erhielt Fogel den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Im Übrigen ist der erhoffte Nutzen eines Kanals nicht zwangsläufig ökonomischer Natur. Der militärische Wert leistungsfähiger Verkehrsverbindungen war schon den Imperien der Römer und der Inkas geläufig, die mit großem Aufwand Straßen bauten, und auch Kanalprojekte standen im Zentrum einschlägiger Planungen. Der Suezkanal erleichterte den europäischen Kolonialmächten den Weg nach Asien, der Panamakanal ersparte den Vereinigten Staaten zwei getrennte Flotten in Atlantik und Pazifik, und das Deutsche Reich begeisterte sich auch deshalb für den Nord-Ostsee-Kanal, weil er zur Flottenpolitik des kaiserlichen Deutschland passte. Aber es mussten nicht gleich Kriegsschiffe zirkulieren, damit ein Kanal militärische Bedeutung gewann. Der Canal du Midi hatte strategische Bedeutung, weil er den Mittelmeerhafen Toulon, heute Sitz der französischen Mittelmeerflotte, mit den atlantischen Kriegshäfen Rochefort und Brest verband.56 Auch beim Elbe-Seitenkanal dachten Offiziere über militärische Verwendungen nach, aber dazu später mehr. Ähnlich wie beim wirtschaftlichen Nutzen gilt es auch bei militärischen Dimensionen, den Nimbus vom konkreten Gebrauchswert zu trennen. Der Nord-Ostsee-Kanal war zum Beispiel für die kaiserliche Marine gar nicht so wichtig, weil er für große Kriegsschiffe trotz Ausbaus noch vor dem Ersten Weltkrieg schlicht zu klein war.57 Man musste aber nicht unbedingt militärisch denken, um mit Kanalplänen in heikles Fahrwasser zu geraten. Das zeigt zum Beispiel ein Aufsatz über »die deutsche Wasserstraßenpolitik im Lichte europäischer Großraumwirtschaft«, den die Rundschau Deutscher Technik, eine Wochenzeitung des Nationalsozialistischen Bundes Deutscher Technik, im Sommer 1939 veröffentlichte.58 Autor war der schon erwähnte Werner Daitz, der es inzwischen zum Reichsamtsleiter gebracht hatte. Daitz war zu alt, um noch zur »Generation des Unbedingten« zu gehören, die Michael Wildt als Kerntruppe des Nationalsozialismus identifiziert hat, teilte aber deren intellektuelle Ambitionen und die Bereitschaft zum radikalen Denken.59 Später schrieb Daitz für die von Werner Best und anderen herausgegebene Zeitschrift Reich – Volksordnung – Lebensraum, die nach dem Urteil

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Ulrich Herberts »zu den avanciertesten Versuchen einer SS -spezifischen Staatswissenschaft« zählte.60 Im klassischen Stil der Kanalliteratur begann Daitz mit einem historischen Rückblick, der weit über Napoleon hinausgriff. Er beschwor die deutsche Ostsiedlung und die Hanse, an die es bei der überfälligen Neuordnung Europas anzuschließen galt. Deutschland fiel nach Daitz »die Aufgabe und Verpflichtung zu, mit seiner Verkehrspolitik dieser Neuordnung Europas die Wege zu bahnen«.61 Für die angestrebte kontinentaleuropäische Autarkie bedurfte es eines engmaschigen Kanalnetzes, und der Hansakanal war da nur eines von zehn dringlichen Projekten. Daitz forderte zugleich einen Kanal von der Werra zum Main, einen Kanal vom Main zur Elbe, einen Oder-Donau-Kanal, einen Kanal vom Neckar bei Plochingen nach Ulm nebst Donauausbau bis Regensburg sowie den Ausbau des Hochrheins bis zum Bodensee. Über Kosten schwieg sich Daitz in seinem völkischen Höhenflug aus, desgleichen über den politisch-militärischen Gesamtzusammenhang der anstehenden Neuordnung Europas, aber zumindest Letzteres klärte sich rasch. Der Aufsatz erschien in der Rundschau Deutscher Technik vom 24. August 1939. Eine Woche später begann der Zweite Weltkrieg.62

Korrigierte Naturen – natürliche Korrekturen Der Elbe-Seitenkanal wurde für Frachtschiffe gebaut, aber Güter waren nicht das Einzige, was durch den Kanal in Bewegung kam. Er mobilisierte auch Ausflugsschiffe, die ein paar vergnügliche Stunden auf dem Wasser einschließlich Fahrt durch das Schiffshebewerk offerierten. Freizeitkapitäne schipperten mit ihren Booten durch den Kanal, und in den ruhigen Anfangsjahren gab es auch mal Windsurfer. Landwirte nutzten den Kanal zur Bewässerung, ein Aspekt, der in den Planungen von Anfang eine Rolle spielte. Bei starkem Regen bot der Kanal einen Schutz vor Hochwasser, auch dies eine Facette, der in der Öffentlichkeitsarbeit emsig hervorgehoben wurde.63 Unter der Wasseroberfläche vermehrten sich invasive Arten aus dem Osten. Die Fischereistatistik Elbe-Seitenkanal, die der Landessportfischerverband Niedersachsen und der Angelsport-Verband

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Hamburg mit deutscher Gründlichkeit führen, dokumentiert auch Fänge des Wolgazanders und der Schwarzmundgrundel.64 Kanäle waren Orte vielfältiger Mobilitäten, und diese hatten ganz unterschiedliche Qualitäten. Manche waren erwünscht, andere gefürchtet, und viele lagen irgendwo dazwischen. Valeska Huber hat das Spektrum der Bewegungsmuster in einer mustergültigen Studie des Suezkanals aufgefächert. Da sieht man, wie der Kanal ganz unterschiedliche Menschen verband: Arbeiter und Kolonialbeamte, Soldaten und Prostituierte, Geschäftsleute und muslimische Pilger auf der Haddsch. Man sieht die Beduinen, die am Ufer des Suezkanals standen und auf die Fähre warteten, die nun die wässrige Lücke in ihrer traditionellen Karawanenroute füllte. Ein eigenes Kapitel diskutiert die Krankheitserreger, die sich gemeinsam mit den Menschen tummelten, sehr zur Sorge der medizinischen Autoritäten. Der Kampf gegen die Cholera kulminierte in Soldaten auf Booten der Kanalgesellschaft, die den unter Quarantäne stehenden Pilgerschiffen folgten und Anweisung hatten, auf Reisende zu schießen, die vom Schiff sprangen.65 Die klassischen Darstellungen des Suezkanals, die sich auf Handel und militärische Belange konzentrierten, wirkten da vergleichsweise beschränkt, und dabei erfasst Hubers Buch, das mit dem Jahr 1914 schließt, nur einen Teil der Mobilisierungen. Ein paar Jahre nach dem Ersten Weltkrieg kam der Universitätsabsolvent Hassan al-Banna als Lehrer an eine Schule in Ismailia, wo die Kanalgesellschaft ihren Sitz hatte, erlebte die Arroganz der weißen Kolonialherren und gründete 1928 die Muslimbruderschaft, die zur wichtigsten Organisation des politischen Islam in Ägypten wurde.66 Im Kanal wanderten unterdessen Tiere und Pflanzen aus dem Roten Meer, durch dessen höheren Salzgehalt evolutionär im Vorteil, in Richtung Mittelmeer, ein Phänomen, das Invasionsbiologen unter Verweis auf den Erbauer des Kanals als »Lessepssche Migration« bezeichnen.67 Diese Vielfalt der Mobilitäten weckt Zweifel am gängigen Narrativ des Triumphs über die Natur. Ein Kanal brachte so viele Dinge in so komplizierter Weise in Bewegung, dass auch eine emsige Bürokratie nur sehr begrenzt Ordnung zu schaffen vermochte – wie Huber zeigt, die die einschlägigen Versuche ausführlich diskutiert. Aber war der moderne Wasserbauer wirklich ein kampfeslustiges

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Wesen? 1927 veröffentlichte das Fachorgan Deutsche Wasserwirtschaft den programmatischen Aufsatz eines Berliner Regierungsund Baurats, der einen ganz anderen Tonfall anschlug. »Die moderne Wasserwirtschaft ist eine ziemlich verwickelte Angelegenheit«, begann der Beitrag »zur Wasserstraßenfrage«.68 Für den Autor war der Wasserwirtschaftler »weder Landwirt noch städtischer Siedlungsmann, noch Verkehrstechniker, noch Abwässerspezialist, noch Kraftproduzent«, sondern vielmehr derjenige, der bei allen Anliegen rund ums Wasser »die Synthese im Sinne eines wirtschaftlichen und staatspolitischen Optimums herzustellen« hatte. Aus diesem Grund müsse »jede Wasserwirtschaftspolitik letzten Endes vom Ausgleichsgedanken beherrscht sein«.69 Der Kampf mit dem Wasser war offenbar nur ein Teil der Kunst. Der andere Teil bestand darin, Wege zu finden, Ziele mit vertretbaren Mitteln zu erreichen. Die Arbeit des Wasserbauers war ein Leben im Kompromiss, und wenn er tatsächlich ein Triumphgefühl verspürte, dann entsprang es meist nicht einem gewagten Eroberungsfeldzug, sondern eher dem beharrlichen Arbeiten an einer Frontlinie, die sich am Ende aller Mühen ein wenig verschoben hatte. Im Wasserbau war das kontrollierte Risiko in aller Regel attraktiver als der quasimilitärische Wagemut, schon weil es immer um eine Menge Geld und Verantwortung ging, und Visionen einer »Umgestaltung in einem heroischen Maßstab«, wie Blackbourn sie beschwört, verflüchtigten sich im Alltagsgeschäft.70 In erster Linie sahen sich die Ingenieure als Problemlöser par excellence, die vorgegebene Ziele mit möglichst günstigem Mitteleinsatz zu erreichen hatten, und das Problem war eher, dass dieses Selbstbild seine eigenen Untiefen hatte. Der vertretbare Mitteleinsatz war nämlich ein durchaus schillerndes Konzept, wenn man diese Mittel nicht aus eigener Kraft aufzubringen hatte. Gewiss war Wasserbau stets ein Eingriff in die Natur. Aber es ist an der Zeit, die Beziehung von Natur und Technik als eine wechselseitige zu begreifen: Die Schöpfer der Kanäle und anderer hydraulischer Infrastrukturen betrieben nicht nur die Technisierung der Natur, sondern auch die Naturalisierung der Technik. Ein neu gebauter Kanal wurde auf Dauer zu einem quasinatürlichen Teil der Landschaft, und zwar nicht nur im banalen ökologischen Sinne, sondern

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gerade auch in den Köpfen der Menschen. Es war durchaus mehr als eine stilistische Entgleisung, wenn eine Denkschrift zur Bremischen Wasserstraßenpolitik 1926 feststellte: »Kanäle und Flusskanalisierungen wirken, wenn einmal vorhanden, wie natürliche Grundlagen.«71 Die Soziologin Chandra Mukerji beschrieb den Canal du Midi als »brutale Tatsache in der Landschaft«, der sich nach der Vollendung gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen tendenziell entzog: »Er war etwas, womit man arbeiten konnte oder um das man herumarbeiten konnte wie um einen Berg. Er war nichts, was man diskutieren oder über seine Geschichte ausfragen konnte.«72 Aus diesem Amalgam von Natur und Technik entsprang die ganz eigene Magie der Kanalprojekte, die sich in dem unwiderstehlichen Drang zu einer historischen Herleitung dokumentierte. Es ging nicht bloß um einen Verkehrsweg, den man einfach bauen konnte oder auch nicht. Es ging um die Ausbesserung einer defizitären Natur. Wenn ein Fluss nicht tief genug war oder partout nicht über eine Wasserscheide hinwegfließen wollte, dann musste es eben der Mensch richten. Man schaffte dabei mehr als nur ein Werk von Menschenhand. Man schaffte eine Ergänzung der Natur, da wo es die Natur allein nicht hinbekam. Bei aller Kritik, die dem Elbe-Seitenkanal schon vor seiner Eröffnung entgegenschlug, gab es augenscheinlich nie eine Forderung, den Kanal wieder zu schließen, selbst dann nicht, als er leckschlug und das reißende Wasser eine tiefe Narbe in die Landschaft fraß. Einen Kanal konnte man nicht einfach abreißen wie eine Fabrik oder umwidmen wie eine alte Bahntrasse. Zu sehr war er Teil der menschlichen Natur. Entsprechend langlebig waren Kanalprojekte, wenn sie einmal als Idee in die Welt gesetzt worden waren. Der Hansakanal geisterte auch nach dem Zweiten Weltkrieg noch durch die Debatten, obwohl es die Akteurskonstellation, der er Anfang der zwanziger Jahre entsprungen war, längst nicht mehr gab. Die Wasserbauer kannten insofern eine ganz eigene Variante des »Wehret den Anfängen«: Wenn man ein Kanalprojekt nicht frühzeitig und umfassend erledigte, kriegte man es aus den Köpfen einfach nicht mehr heraus. »Es ist sehr schwer, von Kanalplänen wieder herunterzukommen, wenn man sich zu ihnen wohlwollend gestellt hat«, erklärte ein preußischer Ministerialrat 1923, als ihn die Hansestädte um Unterstützung

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für den Hansakanal beknieten.73 Einen Tag später präsentierte dieser Ministerialrat den Hansakanal in einer Besprechung beim Reichsverkehrsministerium, »und zwar in entgegenkommenderer Weise als die hanseatischen Vertreter es erwartet hatten«, wie der Hamburger Gesandte in seinem Bericht vermerkte.74 Das war wohl auch taktisch bestimmt, weil Preußen die Kanalisation der Weser vorantreiben wollte und dafür Verbündete brauchte, aber zugleich spiegelte sich darin das ganz besondere Charisma eines hydraulischen Großprojekts. Wenn man Kanalträume platzen lassen wollte, dann machte man das besser auf Umwegen. Planen war freilich leichter als Bauen, und deshalb gab es im 20. Jahrhundert stets sehr viel mehr Träume von Kanälen als aktive Bauprojekte. »An Kanalplänen hat es in Deutschland in den letzten Jahrzehnten nie gefehlt«, hieß es 1952 etwas süffisant in der Zeitschrift für Binnenschiffahrt.75 Besonders florierte das Spiel mit Plänen in Zeiten des Krieges, wenn die mentalen Landkarten ohnehin im Fluss waren, und das nicht nur bei großraumplanenden Nationalsozialisten wie Daitz. Voller Elan präsentierte der Bremer Kanalverein seinen Mitgliedern im April 1941 den kommenden Werra-Main-Kanal: »Die Fortführung der Bauarbeiten auf der Strecke von Münden bis Wartha nach dem Kriege ist gesichert; die Vor- und Entwurfsarbeiten der Werra-Kanalisierung von Wartha bis Merkers werden in der Kriegszeit weiter bearbeitet«, und für das, was danach kommen würde, hatte man auch schon Ideen: »Wahrscheinlich wird die Linienführung unmittelbar Coburg berühren und nordöstlich von Bamberg bei Lichtenfels in den Main münden.«76 Zwischen Merkers und Coburg lag eine Wasserscheide. Die Planer jonglierten deshalb vor dem Ersten Weltkrieg mit Kanaltrassen, die in Höhen zwischen 358 und 474 Meter über dem Meer führten.77 Alternativ wurde ein neun Kilometer langer Tunnel diskutiert – damals mehr als das Doppelte des längsten deutschen Eisenbahntunnels –, der aber immer noch auf eine Scheitelhaltung auf 310 Meter Seehöhe hinauslief.78 Aber war der Kanal damit schon unrealistisch? In den USA wurde der Tennessee-Tombigbee Waterway über 43 Kilometer bis zu 50 Meter tief durch einen Höhenzug gefräst, so dass der Abraum am Ende 51 Täler der Umgebung füllte.79 Der Tennessee-Tombigbee Waterway war eines von 22 Kanalprojekten weltweit,

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Überblick über das norddeutsche Wasserstraßennetz in der Broschüre »Der Elbe-Seitenkanals«, herausgegeben von der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Hamburg zum Baubeginn am 6. Mai 1968, S. 3.

für das amerikanische Experten zwischen 1957 und 1973 zwecks beschleunigter Umgestaltung der Landschaft unterirdische Atombombenexplosionen diskutierten.80 »Operation Plowshare« hieß das Projekt in Anspielung auf das biblische Motto »Schwerter zu Pflugscharen«. Die Grenzen der Natur waren stets Verhandlungssache, und in den fortschrittsgläubigen sechziger Jahren liebäugelte man eben auch mit dem ganz großen Hammer. Beim Elbe-Seitenkanal fantasierte niemand über Hilfestellung aus der Nuklearphysik. Die Riesenlöcher, die Atombomben nach unterirdischen Explosionen hinterlassen, hätten beim Bau nur gestört. Dafür wurden für zahlreiche Dämme und Einschnitte etwa 63 Millionen Kubikmeter Boden bewegt, was dank umfassender Mechanisierung aber keine großen Probleme bereitete.81 Für die Versorgung mit Wasser wurde im Schiffshebewerk Scharnebeck eine Pumpstation eingebaut, die Elbwasser in den Kanal einspeisen konnte.82 Andere Projekte hatten da größere Probleme. Für den Mittellandkanal wurde eigens die Edertalsperre gebaut, bis 1969 die größte Talsperre in Deutschland.83 Beim Panamakanal hing die

Korrigierte Naturen – natürliche Korrekturen

Wasserversorgung am Schutz großer Waldflächen, was Konflikte auf mehreren Ebenen provozierte.84 In der Ikonographie des Panamakanals war der Culebra Cut das entscheidende Nadelöhr, weil hier der Kanal in einem tiefen Einschnitt verläuft und dabei die kontinentale Wasserscheide überquert, aber in Wirklichkeit war dies lediglich das Nadelöhr, das auf Fotos am spektakulärsten aussah. Die großen Pläne scheiterten nicht nur an den begrenzten Mitteln und der Tatsache, dass der Endsieg der Nationalsozialisten ausblieb. Sie wurden auch durch Veränderungen in der Binnenschifffahrt durchkreuzt. An die Stelle der Schleppverbände, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dominierten, traten die Selbstfahrer, und die wurden nach und nach größer. In den fünfziger Jahren wurde der Elbe-Seitenkanal für 1000-Tonnen-Schiffe geplant, gebaut wurde er dann für das Europaschiff mit einer Tragfähigkeit von 1350 Tonnen, und heute sind es die Schubverbände, die mit Macht auf den weiteren Ausbau der Bundeswasserstraßen drängen. Mit der Größe der Schiffe wuchsen auch die Kosten der Kanäle, und zugleich wurden plötzlich Flüsse defizitär, die lange Zeit ganz selbstverständlich als natürliche Verkehrsadern genutzt worden waren. So war es zum Beispiel stromaufwärts von Hamburg. Jahrhundertelang hatte die Elbe als natürlicher Zugang zu einem weiten Hinterland gedient, aber die großen Binnenschiffe konnten dort bei niedrigem Wasserstand nur mit reduzierter Last oder auch gar nicht verkehren. Zwar hatte die Elbe seit 1938 einen Anschluss an den leistungsfähigen Mittellandkanal, aber dieser Weg führte an Hamburg vorbei – was für den führenden Seehafen Deutschlands nicht bloß ein wirtschaftliches Problem war, sondern geradezu eine Kränkung des Selbstwertgefühls. Das war die Konstellation, aus der der Kampf um den Elbe-Seitenkanal entstand. Auch beim Elbe-Seitenkanal ging es also um mehr als ein Transportproblem. Das Projekt war wichtig für den Gefühlshaushalt in Deutschlands führender Hafenstadt. Die innerdeutsche Grenze markierte im Kalten Krieg eine Barriere, an der selbst die geschmeidigen Hamburger Kaufleute wenig zu ändern vermochten. Vor diesem Hintergrund konnte man den Anschluss an das bundesdeutsche Kanalnetz als Beleg verbuchen, dass man tatsächlich alles getan hatte, was aus eigener Kraft möglich war. Hinzu kam ein Wachs-

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tumsdenken, das den Anstieg der Schiffsgrößen reflexhaft als Fortschritt einordnete. Es gab durchaus Überlegungen, den Ausbau der Kanäle für größere Einheiten zu deckeln, aber den meisten Hamburgern erschien dies als eine sehr theoretische Möglichkeit. Kanäle sind nicht der schlechteste Spiegel gesellschaftlicher Obsessionen.

Im Abendrot der großen Visionen Es gibt verschiedene Wege, den ersten Spatenstich für einen neuen Kanal zu feiern. Als der Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg Herbert Weichmann am 6. Mai 1968 nach Artlenburg kam, wo der Elbe-Seitenkanal eines Tages in die Elbe einmünden sollte, versuchte er es mit Faust II . Natürlich galt es erst einmal das Pflichtprogramm zu absolvieren. Weichmann dankte allen Beteiligten, allen voran dem Bundesverkehrsminister Georg Leber, der zum ersten Spatenstich angereist war. Weichmann dankte auch Lebers Vorgänger Hans-Christoph Seebohm, der inzwischen verstorben war und dessen hartnäckiger Widerstand zur Feier des Tages in ein gnädiges Licht gerückt wurde: »Er hat sich nach langem und oft leidenschaftlich geführtem Ringen um das Für und Wider dieses Großschiffahrtsweges für den Bau des Elbe-Seiten-Kanals entschieden.«85 Danach wurde noch einmal der Zweck des Kanals umrissen, die Konkurrenz an Rhein und Schelde beschworen und die mannigfaltigen Vorteile für die Nachbarländer Niedersachsen und Schleswig-Holstein betont, aber dann musste Goethe ran. Zur Steigerung der Pointe kündigte Weichmann den Olympier nicht namentlich an, sondern zitierte vielmehr »die Worte eines Verkehrsministers eines deutschen Landes vor über 150 Jahren«. Dessen Worte hatten, so Weichmann, »gerade hier vor diesem Werke wieder Aktualität erhalten: ›Ergreift das Werkzeug. Schaufel rührt und Spaten. Das Abgesteckte muß sogleich geraten. Auf strenges Ordnen, raschen Fleiß, erfolgt der allerschönste Preis, daß sich das größte Werk vollende!‹«86

Im Abendrot der großen Visionen

Ob Weichmann die Stelle im Original nachgelesen hatte? Ein paar Verse weiter erlebt Faust »den höchsten Augenblick«, was einerseits thematisch passte, weil ihn dieser Augenblick tatsächlich durch die Vision eines hydraulischen Großprojekts ereilte. Andererseits gehörte es eigentlich zum bildungsbürgerlichen Renommierwissen, dass dieser Moment bei Faust in einer drastischen Verkürzung seiner Lebenserwartung resultiert. Und musste es bei einem feierlichen Anlass, auf den die Hansestadt Hamburg nahezu zwei Jahrzehnte lang hingearbeitet hatte, denn unbedingt eine Tragödie sein? Aber vielleicht fehlte es ja schon an den Grundlagen. In vollem Ernst schloss Weichmann seine Rede mit der feierlichen Erklärung, »daß hier und heute eine faustische Tat begonnen wird«.87 Ob da vielleicht im Publikum die eine oder andere Miene entglitt? Ein paar Jahre später kam für den Elbe-Seitenkanal der Name »Heide-Suez« in Gebrauch. Im Vergleich mit dem ägyptischen Suezkanal wirkte die Kanalverbindung von Hamburg nach Wolfsburg wie ein Ausbund bundesdeutscher Piefigkeit. Tatsächlich hatten die Umstände beim Bau des Suezkanals noch den Hauch eines faustischen Paktes besessen. Sein Erbauer Ferdinand de Lesseps hatte zur Arbeitsbeschaffung das System der corvée genutzt und in großem Stil Zwangsarbeiter beschäftigt, wohl wissend, dass er mit Blick auf die internationale Antisklavereibewegung seiner Zeit einen Skandal riskierte.88 Vergleichbare Risiken gab es beim Elbe-Seitenkanal nicht. Wenn man von der Gefahr eines katastrophalen Lecks absah, die bis zum 18. Juli 1976 anscheinend nirgends eine große Sorge war, dann bestand das größte Risiko des Projekts in enttäuschenden Frachtzahlen. Hamburg musste nicht seine Seele verpfänden, um den Elbe-Seitenkanal zu bauen. Es musste nur sehr viel mehr Haushaltsmittel investieren als ursprünglich geplant. Es bedurfte freilich nicht des Vergleichs mit dem weltberühmten Suezkanal, um den Elbe-Seitenkanal zu belächeln. Auch im deutschen Rahmen war er vergleichsweise kleines Karo. Er hatte keine Seeschiffe wie der Nord-Ostsee-Kanal, überschritt keine kontinentale Wasserscheide wie der Rhein-Main-Donau-Kanal und hatte außer dem Schiffshebewerk keine technologischen Superlative. Er wurde auch nicht zu einer regionalen Trennlinie wie der Mittellandkanal, der im fünften Band der Geschichte Niedersachsens als Nord-

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Der niedersächsische Ministerpräsident Georg Diederichs bemerkte in seiner Ansprache, dass der Erste Spatenstich in Artlenburg eigentlich der »zeremonielle Bedienungsgriff an einer Baumaschine« war. Dem Ersten Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg Herbert Weichmann war am 6. Mai 1968 etwas feierlicher zumute. Für ihn begann an diesem Tag »eine faustische Tat«. (StAL BS, XX-Gaebel, Lothar-1-Lothar Gaebel.)

grenze der industriereichsten Region des Landes angeführt wird.89 Selbst die öffentliche Kritik, die in den späten 1970er-Jahren auf das glücklose Projekt einprasselte, blieb vergleichsweise mau. Der Rhein-Main-Donau-Kanal stand im Januar 1982 im Mittelpunkt einer legendären Folge der Kabarettsendung Scheibenwischer, dessen Drehbuch ein Jahr später als Buch erschien, geschmückt mit einem Vorwort des Bundesverkehrsministers Volker Hauff, der ebenso heroisch wie vergeblich gegen den Rhein-Main-Donau-Kanal gekämpft hatte.90 Beim Elbe-Seitenkanal reichte es dagegen nur für ein paar bissige Presseartikel. Der Elbe-Seitenkanal war der letzte große Kanal, den die Bundesrepublik in Angriff nahm, und der vorletzte, den sie vollendete. Mit der Eröffnung des Rhein-Main-Donau-Kanals endete 1992 ein gutes Jahrhundert, in dem das heutige Netz der deutschen Binnenschifffahrt entstand. Bestehende Kanäle werden weiterhin ausgebaut, aber einen Werra-Main-Kanal wird es auf absehbare Zeit ge-

Im Abendrot der großen Visionen

nauso wenig geben wie die Verbindung vom Neckar nach Ulm oder eine Kanalisierung des Rheins bis zum Bodensee. Dahinter verbirgt sich die schon erwähnte Wasserscheide der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte. Als Weichmann zum ersten Spatenstich seinen Goethe zitierte, brummte die bundesdeutsche Wirtschaft in einem lang anhaltenden Boom. Im Jahr der Eröffnung standen die Zeichen in mehr als einer Hinsicht auf Krise, und diese Zeitenwende machte sich bei kostenträchtigen Infrastrukturen schneller bemerkbar als anderswo. Die Kanalträume früherer Zeiten rückten in ein langes Abendrot der großen Visionen, das weit bis ins 21. Jahrhundert nachwirkt und auch in unserer Gegenwart noch schemenhaft am Horizont zu erkennen ist. Die Zeiten änderten sich rasch. Bei den Institutionen und den politischen Narrativen dauerte es etwas länger. Niemand glaubt mehr, dass neue Kanäle oder andere Verkehrswege automatisch mehr Verkehr generieren, der wiederum automatisch den Fortschritt des Menschengeschlechts bringt. Wir wissen um die ungeplanten Nebenfolgen, um endlose Verzögerungen und Kostenüberschreitungen, um leere Straßen und Industriegebiete, die am Bedarf vorbeigebaut wurden, um nutzlose Landebahnen, für die Provinzfürsten schmucke Terminals bauten in der vagen Hoffnung auf irgendeinen Luftfahrtboom. Wir wissen sogar, dass der Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals sich nach den Berechnungen des Bundesverkehrsministeriums niemals rentieren wird. Aber wie redet man über Grenzen der Mobilität? Die Ansprache des Hamburger Bürgermeisters war peinlich. Aber vielleicht war sie auch ein trefflicher Spiegel eines historischen Moments? Für den aufmerksamen Beobachter war bereits 1968 zu erkennen, dass die tradierten Interpretationsraster nicht mehr zogen. Aber es fehlte eine Gedankenwelt jenseits der Wachstumsgesellschaft, ein politisches Koordinatensystem, das Zurückhaltung beim Bau nicht reflexhaft als Verzicht klassifizierte, ein Föderalismus, der die sinnlosen Projekte der Nachbarn nicht nur als Faustpfand für die nächste Verhandlungsrunde betrachtete, ein Institutionengeflecht, in dem politische Verantwortung nicht einfach diffundierte, und vor allem fehlte es an einer politischen Sprache, die all dies tatsächlich in Worte zu fassen vermochte. Von daher

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konnte man den ersten Spatenstich des Elbe-Seitenkanals kaum besser begehen als mit einem Bürgermeister, der seinen Goethe zitierte, weil man mit Goethe nichts falsch machen konnte, und dabei ungewollt zu erkennen gab, dass er keine Ahnung hatte, wovon er sprach.

Kapitel 3 Kapitel 3:

Hamburg, Tor zur Welt

Hanseatische Projekte

H

amburg ist eine Weltstadt. Der wichtigste Hafen Deutschlands, die größte Stadt der Europäischen Union, die nicht Hauptstadt ist, mehr Brücken als Venedig und jede andere Stadt Europas, dazu die größte Bismarck-Statue der Welt, die in der Manier des Roland auf Altona schaut, das zur Zeit der Einweihung noch preußisch war – wer Hamburg feiern will, findet problemlos Belegmaterial. Die Stadt ist die Heimat von Helmut Schmidt und Hans Albers, Geburtsort von Johannes Brahms, Karl Lagerfeld und Angela Merkel, Karrieresprungbrett der Beatles, Medienmetropole und seit Neuestem auch Musical-Metropole. Bis 2018 spielte in Hamburg zudem das letzte Gründungsmitglied der Bundesliga, das noch nie abgestiegen war. Außerdem ist Hamburg eine reiche Stadt, die beim Elbe-Seitenkanal mal eben ein Drittel der Kosten übernahm, ohne mit der Wimper zu zucken. Sogar Selbstironie hat der Hanseat von heute zu bieten. Das Hamburger Abendblatt erklärte 2012 in einer Glosse über die »Stadt der Superlative«, Hamburg »kann eigentlich alles, außer Konzerthäuser termingerecht fertig bauen«.1 Man kann nicht über den Elbe-Seitenkanal schreiben, ohne über

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Hamburg zu reden, und das wiederum endet allzu leicht in der lokalpatriotischen Trivialversion der Mythologie. Längst hat ein professionelles Stadtmarketing solche Dinge im Griff und schminkt Großstädten ein Image zurecht, das zu den Ambitionen und den wirtschaftlichen Strukturen der jeweiligen Metropole passt. Im Hamburger Fall führte das kreative Schaffen zur Entdeckung eines Hafengeburtstags, der der Hansestadt für den größten Teil seiner Geschichte herzlich egal war, aber inzwischen alljährlich mit großem Aufwand gefeiert wird; laut Eigenwerbung handelt es sich um das größte Hafenfest der Welt.2 Bleibt dem Historiker da noch mehr als das Augenrollen? Er kann natürlich darauf hinweisen, dass die von Kaiser Barbarossa unterzeichnete Urkunde, die das Datum für das Spektakel liefert, von Mediävisten als Fälschung entlarvt worden ist.3 Aber historische Authentizität steht für einen zünftigen Eventmanager ja nicht unbedingt an erster Stelle. Lokalpatriotische Mythen reizen in besonderer Weise zur kritischen Demontage, und das ist nicht nur eine akademische Obsession. Sie befiel zum Beispiel gerne Zeitgenossen, die sich von Berufs wegen mit Hanseaten herumschlagen mussten. »Dieser Brief zeigt wieder einmal, wie schlecht orientiert und kleinkariert die Herren in H[amburg] sind«, schrieb Bundesverkehrsminister Seebohm auf einen Brief aus der Hansestadt, die sich mal wieder wegen des ungeliebten Kanals meldete.4 Historiographisch lohnender ist freilich die Frage nach den Hintergründen solcher Selbstund Fremdbeschreibungen. Auch lokalpatriotische Mythen dienen bestimmten Funktionen, und beim Blick auf diese Zusammenhänge wird klar, dass es um mehr ging als um ein Spiel der Eitelkeiten. Ein Beispiel war das »Tor zur Welt«, das als hanseatisch-bundesdeutscher Mythos bereits erwähnt wurde. Es war eine Formel, die nach 1945 populär wurde, weil Hamburger und Bundesdeutsche sie aus unterschiedlichen Gründen gut gebrauchen konnten: Erstere als Werbung für eine Stadt, die um ihr Hinterland fürchtete, Letztere als Absage an frühere Weltmachtsträume.5 Es war die übliche Melange, die hinter den Mythen der Bundesrepublik stand. Es gab handfeste Motive, es gab eine ikonische Formel, im vorliegenden Fall hanseatisch-knapp, aber es gab auch einen harten Kern. Es gab ja tatsäch-

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lich einen Hafen in Hamburg. Nur war dieser Hafen längst nicht mehr das, was er einmal gewesen war. Die Bedeutung des Hamburger Hafens relativierte sich nach dem Zweiten Weltkrieg in mehr als einer Beziehung. Der Schiffbau erlebte nach einem kurzen Nachkriegsboom einen unerbittlichen Niedergang, und der Hafenbetrieb veränderte sich dramatisch. Der arbeitsintensive Stückgutumschlag schwand mit dem Aufschwung der Container, in der Logistik zählten moderne Technik und sorgfältige Planung mehr als die Muckis der Hafenarbeiter, und kurze Abfertigungszeiten ließen Seeleuten kaum noch Zeit für Landgänge. Hinzu kam der säkulare Aufschwung des Dienstleistungssektors, der Hamburg ebenso erfasste wie den Rest der westlichen Welt und tradierte Vorstellungen von Berufen und Karrieren ins Wanken brachte. Auch die viel gerühmte Weltläufigkeit des hanseatischen Kaufmanns wirkt im Zeitalter der Globalisierung nicht mehr sonderlich spektakulär. Hafenarbeit gibt es inzwischen auch als ganz normalen Bürojob, und wer sich für Seebären auf St. Pauli interessiert, bucht am besten einen historischen Stadtrundgang. Der Hamburger Hafen ist heute in erster Linie ein Wirtschaftsfaktor, und seine lebensweltliche Bedeutung tendiert ins Folkloristische. Arnold Sywottek konstatierte in einem Überblick über die Hamburger Geschichte seit 1945: »Den Lebensrhythmus der Stadt bestimmt der Hafen jedenfalls längst nicht mehr.«6 In vormodernen Zeiten sah das ganz anders aus. Handelsstädte waren in Mittelalter und Früher Neuzeit Fremdkörper in agrarisch geprägten Gesellschaften, und Hafenstädte, die mit fernen Kontinenten verkehrten, waren noch einmal eine Klasse für sich. Sie waren wohlhabender als das Land, ihre Einwohner sahen in einem Jahr mehr von der Welt als mancher Bauer in seinem ganzen Leben, und ihre politische und wirtschaftliche Autonomie ließ die Bürger der Hafenstädte mit einem nicht unbeträchtlichen Selbstbewusstsein auf das Umland herabschauen. Zugleich lauerten innerhalb der Stadtmauern aber auch neuartige Gefahren. Hamburg erlebte 1842 einen katastrophalen Stadtbrand und 50 Jahre später eine nicht weniger katastrophale Choleraepidemie, hinzu kamen die Pendelschwünge der wirtschaftlichen Konjunkturen, die Handelsstädte oft mit besonderer Wucht erfassten. Man muss nicht Thomas Manns

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Buddenbrooks gelesen haben, um zu verstehen, dass Bürgerstolz ebenso zum hanseatischen Erbe gehört wie der Bankrott. Anders als die meisten mittelalterlichen Handelsstädte konnte Hamburg seine staatliche Eigenständigkeit bis in die Gegenwart bewahren. Im Deutschen Kaiserreich von 1871 war Hamburg einer von drei hanseatischen Stadtstaaten. Lübeck verlor seine Autonomie in der Zeit des Nationalsozialismus und ging nach dem Zweiten Weltkrieg im neuen Bundesland Schleswig-Holstein auf, aber Hamburg und Bremen pflegen weiterhin ihre bundesstaatliche Unabhängigkeit, auch wenn die Menschen, die im und um den Hafen herum arbeiten, oft aus Niedersachsen oder Schleswig-Holstein zur Arbeit pendeln. Dafür haben sich inzwischen ein paar territoriale Anomalien erledigt, die Hamburg im Zuge seiner Geschichte zugekommen waren. Der Stadtteil Altona war erst dänisch und dann preußisch, und auch der Harburger Hafen lag außerhalb der Hansestadt, bis die Nationalsozialisten mit dem Groß-Hamburg-Gesetz von 1937 die heutigen Grenzen zogen.7 Die hanseatischen Bundesstaaten titulierten sich untereinander gerne als Schwesterstädte, und tatsächlich waren die wechselseitigen Beziehungen einem Geschwisterverhältnis nicht ganz unähnlich. Die Hansestädte hatten gemeinsame Interessen, schon weil sie alle seit 1866 den mächtigen Territorialstaat Preußen vor der eigenen Haustür hatten, und diese Interessen verlangten nach einer abgestimmten Linie. Zugleich waren die Hansestädte aber auch Konkurrenten, insbesondere Bremen und Hamburg, die beide auf die Nordsee ausgerichtet waren, und deshalb schwang bei allen Kontakten auch stets eine gehörige Portion wechselseitigen Misstrauens mit. Hinzu kamen die Unterschiede, die es unter Geschwistern unvermeidlich gibt und die beim Austausch unter den hanseatischen Bundesstaaten stets im Blick blieben. Lübeck hatte eine große Vergangenheit als Hauptort der mittelalterlichen Hanse, und Bremen betrachtet sich stolz als die älteste Stadtrepublik, die ihre Eigenständigkeit bis heute bewahrt hat, aber Hamburg war die mit Abstand größte der drei Schwestern, und das war ein Trumpf im Spiel der politischen Kräfte. Letztlich hing die Macht der Hansestädte an ihrer ökonomischen Potenz, zumal sich irgendwelche Gedanken an militärische Abenteuer seit den Zeiten Napoleons erledigt hatten.

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Inmitten der multiplen Kriege der Epoche ließ Hamburg 1804 seine äußeren Befestigungen schleifen, »als Geste des Friedens und des guten Willens«, wie Richard Evans schrieb.8 Wie hanseatische Politik in der Praxis aussah, zeigt die Geschichte des Hansakanals, der in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg auf die Tagesordnung rückte. Das leitende Interesse wurde im vorigen Kapitel bereits erwähnt: Es ging um die Ruhrkohle und die Energieversorgung der Hansestädte. Der Bremer Kanalverein schätzte das jährliche Transportvolumen im Juni 1920 auf »mindestens 10,4 Millionen Tonnen«, und der kostengünstige Verkehr auf dem neuen Wasserweg sollte »die deutsche Kohle auch in Hamburg und den anderen Häfen der Elbe preiswerter als die englische machen und ihr ein neues Absatzgebiet, und zwar im eigenen Lande, erschließen«.9 Andere Transportgüter spielten nur eine untergeordnete Rolle, auch wenn sich die Freunde des Kanals schon aus taktischen Gründen bemühten, die Vorteile für landwirtschaftliche Produzenten entlang der Strecke herauszustreichen. Mehr als bei anderen Verkehrsmitteln ging es bei der Binnenschifffahrt in erster Linie um Masse, und da konnten andere Güter im Vergleich mit der Kohle nicht wirklich mithalten. »Die Rückfrachten werden auf etwa 2 Millionen Tonnen geschätzt«, hieß es lakonisch in einem Schreiben der Kanalbefürworter von 1926.10 Der Hansakanal war »in dieser Zeit größter wirtschaftlicher Bedrängnis ein kühnes Unterfangen«, notierte ein Hamburger Oberbaudirektor im Januar 1924.11 Ein langwieriges Infrastrukturprojekt mochte auf den ersten Blick nicht so recht in die unruhigen Jahre nach dem Ersten Weltkrieg passen, auf den zweiten Blick hingegen umso mehr. Der Doyen des deutschen Wasserstraßenbaus Leo Sympher forderte in dieser Zeit ein reichsweites Kanalbauprogramm, das auf 15 Jahre hinaus Investitionen in der Höhe von einer Milliarde Mark pro Jahr vorsah. Man habe sich »in der Nachkriegszeit bereits an große Zahlen gewöhnt«, und durch »gemischtwirtschaftliche, auf privatrechtlicher Grundlage errichtete Gesellschaften«, die auch privaten Kapitalgebern offenstanden, sollte das Werk doch gelingen.12 Ganz so großzügig war das Reich am Ende nicht, aber immerhin begann in dieser Zeit das größte und langwierigste Kanalprojekt der deutschen Geschichte. 1921 wurde die Rhein-Main-Donau AG ge-

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gründet, die in den folgenden 71 Jahren die gleichnamige Kanalverbindung von Aschaffenburg am Main zur deutsch-österreichischen Grenze bei Passau realisierte.13 Der Hansakanal stand auf Symphers Liste, und er konnte sogar in mehrfacher Hinsicht als Antwort auf die Bedingungen des Versailler Vertrags gelten. Anders als die internationalisierten Flüsse Elbe und Rhein hätte der neue Kanal unter deutscher Kontrolle gestanden, er hätte den Verzicht auf kostspielige Importe erlaubt und die Hansestädte, die ihre Handelsflotte nahezu vollständig verloren hatten, beim Neuaufbau unterstützt.14 Außerdem war der Hansakanal eine Antwort auf eine Rhein-Maas-Schelde-Verbindung zwischen Duisburg und Antwerpen, dessen deutschen Teil das Reich laut Artikel 361 des Versailler Vertrages auf eigene Kosten zu bauen hatte, falls Belgien dies wünschte. Das Projekt scheiterte letztlich am Widerstand der Niederlande, aber in den ersten Jahren der Weimarer Republik war ein Rhein-Maas-Schelde-Kanal eine reale Möglichkeit, die das Ruhrgebiet noch stärker ans Ausland gebunden hätte.15 »Wenn die Wasserstraße nach Antwerpen verwirklicht wird, ist die Herstellung einer kurzen Verbindung nach den deutschen Nordseehäfen Bremen und Hamburg eine zwingende Notwendigkeit«, schrieb Leo Sympher.16 Besonderes Gewicht erhielt dieser Gesichtspunkt, als französische und belgische Truppen Anfang 1923 das Ruhrgebiet besetzten. Die Hamburger Handelskammer erklärte im Januar 1924, mit dem Hansakanal verbinde sich auch das Ziel, »die Bestrebungen der Franzosen, das Ruhrgebiet immer weiter von Deutschland zu trennen, durch eine Verbesserung der Verkehrsverbindungen zu durchkreuzen«.17 Die ostentative Einmütigkeit in den großen nationalen Fragen schloss freilich Zwist um die Trassenführung nicht aus. Der Bremer Kanalverein favorisierte 1920 einen Bramsche-Stade-Kanal, der die Weser unmittelbar nördlich der bremischen Hafenanlagen gekreuzt hätte. Hamburg drängte jedoch auf eine direktere Linie und den Verzicht auf eine spiegelgleiche Kreuzung mit der Weser, durch die sich die Zahl der Schleusen deutlich erhöht hätte.18 Insgesamt gab es vier Varianten für den Verlauf des Hansakanals, als der Bremer Oberbaurat Plate den Stand der Diskussion 1922 bilanzierte.19 In diesem Jahr einigte man sich auf eine Linienführung über Achim

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Übersicht über die nordwestdeutschen Kanalpläne aus dem Jahr 1922. (L. Plate, Der Hansakanal. [Industrie-Seehäfen-Kanal.], in: Werft – Reederei – Hafen 3 [1922], S. 185–196; S. 189.)

südlich von Bremen, wo der Hansakanal die Weser auf einem 13 Kilometer langen und elf Meter hohen Damm überqueren sollte.20 Der Kompromiss wurde sogleich mit einem Netz von Vereinen institutionell abgesichert, wobei die Linienführung sogar in der Satzung der Hansakanal-Vereine festgeschrieben wurde: Das Ziel war »die Förderung der Herstellung eines Großschiffahrtsweges […] für mindestens 1000-Tonnen-Schiffe, der vom Ems-Weser-Kanal [der damalige Name des Mittellandkanals – F. U.] in der Nähe von Bramsche abzweigt und die Oberweser bei Achim überschreitend zu den Elbehäfen führt«. Die Satzung vergaß auch nicht Hannover und Stade, die einen eigenen Anschluss an den Kanal erhalten sollten.21 Solche Hansa-Kanal-Vereine entstanden in Bremen, Hamburg, im Ruhrgebiet und an der Unterweser, die in Bremen ansässige Zentralstelle der Hansakanal-Vereine arbeitete zudem mit Kanalvereinen in Osnabrück, Hannover, Stade, Harburg-Wilhelmsburg, Lübeck und Schleswig-Holstein zusammen.22 So standen hinter dem Hansakanal

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die mächtige Schwerindustrie an der Ruhr, drei große Hafenstädte und ein paar weitere Städte und Regionen im Norden Deutschlands. »Durch Einigkeit zum Ziel«, lautete der abschließende Appell des Oberbaurats Plate in seinem Aufsatz von 1922.23 Tatsächlich vereinigte der Hansakanal ein Spektrum von Akteuren, die durchaus ihre eigenen Interessen hatten. Der Hamburger Staatsrat Ernst Otto Rautenberg bezeichnete die gewählte Linienführung 1922 als »eine glückliche Lösung durch Vereinigung aller Einzelwünsche«, aber das sah man in anderen Städten differenzierter.24 Vor allem Lübeck trat dem Bündnis nur zögerlich bei. Die Lübecker favorisierten eigentlich den Vorschlag ihres ehemaligen Oberbaudirektors Peter Rehder, der den Elbe-Trave-Kanal, den Lübeck im Kaiserreich auf eigene Rechnung erbaut hatte, weiter gen Süden verlängern wollte.25 Allerdings war Lübeck die kleinste der drei Hansestädte, Hannover tendierte als ein möglicher Profiteur des Nord-Süd-Kanals eher zum Hansakanal, und in Bremen brauchte man es gar nicht erst zu versuchen: Eine Ausarbeitung über »Bremische Wasserstraßenpolitik« konstatierte 1926, dass »die Pläne von Oberbaudirektor Rheder, Lübeck […] die Weser abschnüren würden«.26 So gab es keine Aussicht auf ein Bündnis, mit dem der Nord-Süd-Kanal, der im Kern dem später gebauten Elbe-Seitenkanal entsprach, eine Chance gehabt hätte. Rehder war 1920 gestorben, und damit gab es nur noch zwei Männer, die in der Zeit zwischen den Weltkriegen für den NordSüd-Kanal eintraten. Der eine war Otto Franzius, Professor an der Technischen Hochschule Hannover, der dem Nord-Süd-Kanal drei Absätze in seinem über 800 Seiten starken Handbuch Der Verkehrswasserbau widmete, die mit der Bemerkung schlossen: »Zur Zeit hat kein Nord-Süd-Kanal Aussicht erbaut zu werden.«27 Der andere war Ludwig Leichtweiß, der 1918 eine an Rehder angelehnte Denkschrift vorgelegt hatte, die den Nord-Süd-Kanal, den östlichen Teil des Mittellandkanals und die Verbindung von Magdeburg nach Staßfurt und weiter nach Halle-Leipzig diskutierte.28 Leichtweiß arbeitete von 1917 bis 1925 als Wasserbaudirektor in Lübeck und folgte dann einem Ruf an die Technische Universität Braunschweig, wo das Institut für Wasserbau bis heute seinen Namen trägt.29 Aber schon in seiner Lübecker Zeit praktizierte er beim Nord-Süd-Kanal publi-

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zistische Zurückhaltung. Die umfassende Bibliographie zum ElbeSeitenkanal, die Angelika Weber 1998 vorlegte, verzeichnet neben seiner Denkschrift lediglich zwei Aufsätze aus dem Jahr 1924.30 1927 schrieb Leichtweiß einen »Vorentwurf zu einem Nord-Süd-Kanal«, den er über Celle nach Hannover führen und später einmal zur Weser bei Hameln verlängern wollte; der Vorentwurf landete aus unerfindlichen Gründen in den Akten des nationalsozialistischen Generalinspektors für Wasser und Energie.31 Ein Jahrzehnt später gab Leichtweiß einem Studenten die Aufgabe, einen Hafen für die Stadt Celle in Verbindung mit dem Nord-Süd-Kanal zu entwerfen, aber das waren letztlich nicht mehr als professorale Gedankenspiele.32 1925 sprach Leichtweiß über das Projekt im Rathaus zu Celle, wo der Oberbürgermeister auf eine Belebung der Schifffahrt auf der Aller hoffte, und 1934 erarbeitete er im Auftrag des Verkehrsverbands Niedersachsen-Kassel eine neue Linienführung für den Nord-SüdKanal, und das waren bis 1945 auch schon die einzigen überlieferten Sympathiebekundungen aus der politisch-administrativen Sphäre.33 Der Nord-Süd-Kanal war nicht tot. Aber er lebte auch nicht mehr. Wenn es um eine Kanalverbindung zur Elbe bei Hamburg ging, war der Hansakanal in der Zeit zwischen den Weltkriegen die einzige ernsthafte Option. Aber dahinter stand keine hanseatische Harmonie, sondern eher ein mühsam zusammengezimmertes Bündnis, das letztlich von der Einsicht zusammengehalten wurde, dass die einzelnen Parteien auf eigene Faust ohnehin keine Chance hatten. Der rührige Lobbyismus der Hansakanal-Vereine lief deshalb parallel zu einem fröhlichen Tricksen und Täuschen hinter den Kulissen. Bremen hatte gleich nach dem Schulterschluss mit der Schwesterstadt ordentlich Krokodilstränen um den Bramsche-Stade-Kanal geweint, »um in Hamburg den Glauben an den Nutzen des Hansakanals für Hamburg zu stärken«. Schelmisch konstatierte der Bremer Kanalverein in einer vertraulichen Bestandsaufnahme, dies sei »z. T. in Bremen missverstanden« worden.34 Seinerseits diskutierte der Hamburger Senat nur wenige Monate nach der Einigung mit Bremen, ob man nicht eine Massengüterbahn anstelle des Kanals bauen sollte. Zwar war man sich in Hamburg darüber im Klaren, »daß dieses anscheinende Abrücken von dem gemeinsam verfolgten Gedanken im Westen und in den Schwesterstädten sehr un-

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günstig beurteilt würde und Mißstimmung hervorrufe«, aber am Ende entschied man ungerührt, »daß den Handelskammern, die die Hansakanalvereine gegründet haben, die Prüfung der Frage […] unter Hinzuziehung geeigneter weiterer Sachverständiger überlassen bleiben soll«.35 Das lief im politischen Alltag darauf hinaus, dass man parallel zur ostentativen Bündnistreue den Modus der Feindbeobachtung pflegte. Das Bekenntnis zum Hansakanal hielt, aber zugleich wurde jede Regung, die auf ein Abweichen von der gemeinsamen Linie hindeuten konnte, mit spürbarer Nervosität registriert. Im Oktober 1926 meldete die Bremische Gesandtschaft in Berlin an die Bremer Senatskommission für Reichs- und auswärtige Angelegenheiten, »daß der Bürgermeister Petersen, der Senator Burchard und das Handelskammermitglied Heye vor einigen Tagen eine Besprechung mit dem Minister über den Hansakanal gehabt haben, an die sich ein Frühstück in der Hamburgischen Gesandtschaft angeschlossen hat«.36 Fragen der Wirtschaftlichkeit spielten in den einschlägigen Debatten eine untergeordnete Rolle. »Die Rentabilität der neuen Wasserstraße ist schon durch den Kohlentransport gewährleistet«, verkündete der Bremer Kanalverein 1920, ohne sich näher mit den lästigen Details einer Kosten-Nutzen-Rechnung zu beschäftigen.37 Vor dem Krieg hatte man ja noch in viel größeren Dimensionen gedacht. Der 1912 gegründete Verein deutsche Rheinmündung träumte von einem Kanal zwischen dem Ruhrgebiet und der Gegend um Emden, der »mindestens von mittleren Seeschiffen befahren werden« sollte.38 So hätten die Schiffe, die bis dahin in Rotterdam abgefertigt wurden, direkt ins Industrierevier fahren können, und darunter wollten die Freunde der deutschen Rheinmündung gar nicht erst diskutieren: »Ein bescheidener Binnenkanal würde geradezu zwecklos sein.«39 Da wirkte der Hansakanal wie die Schrumpfversion früherer Pläne, die man schon irgendwie finanzieren konnte. Außerdem lebte man ja seit dem Weltkrieg in unberechenbaren Zeiten. »Es ist heute schwer, eine theoretische Untersuchung über die Wirtschaftlichkeit des Nord-Süd-Kanals anzustellen«, schrieb Leichtweiß 1927 in seinem Vorentwurf. Die aktuellen Verkehrsverhältnisse waren seiner Ansicht nach »noch zu schwankend, um eine Grundlage bilden zu können«.40

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Andere waren in Kostenfragen weniger nonchalant. Die Deutsche Reichsbahn veröffentlichte eine umfangreiche Kostenrechnung und warnte vor einem »weiteren gefährlichen Schritt auf dem Wege des unwirtschaftlichen Wasserstraßenbaues«.41 Die Reichsbahn war nicht der einzige Gegner des Hansakanals. »›Wir bekämpfen den Hansa-Kanal«, erklärte der Vertreter des Freistaats Oldenburg 1923 in einer Besprechung im Reichsverkehrsministerium.42 Der Freistaat verfolgte sein eigenes Wasserstraßenprojekt, den Küstenkanal, der gemeinsam mit dem Fluss Hunte eine Verbindung vom Dortmund-Ems-Kanal zur Unterweser schaffen sollte, und das mit durchaus Respekt einflößendem Geschick. »Merkwürdigerweise hat nun der Präsident des Freistaates Oldenburg, der frühere Gastwirt Tantzen, es fertig gebracht, das Reichsverkehrsministerium für einen Kanal zu interessieren, der die Oldenburger Moore durchschneidet und die Hunte mit dem Dortmund-Ems-Kanal verbinden soll«, schrieb der Münsteraner Landtagsabgeordnete Heinrich Engberding 1922 an den Reichstagsabgeordneten Otto Hugo.43 Auch die Hamburger Handelskammer erkannte in dem Oldenburger Projekt eine Konkurrenz, mit der man rechnen musste: »Die eindrucksvolle Propaganda Oldenburgs muß bekämpft werden.«44 Und dann war da noch Emden, dessen Hafen seit der Eröffnung des Dortmund-Ems-Kanals 1899 einen Aufschwung erlebt hatte. »Dieses Projekt, durch welches die verkehrsreichste Wasserstraße vom Ruhrgebiet zur deutschen Nordseeküste lahmgelegt zu werden und der drittgrößte deutsche Hafen der Verödung anheimzufallen droht, darf nicht zur Ausführung kommen«, tobte der Reedereibesitzer Heinrich Schulte 1926 in einem Aufsatz, den die Industrieund Handelskammer für Ostfriesland und Papenburg zirkulieren ließ. Emden war laut Schulte ein »ausgesprochener Massengut-Hafen«, der »insbesondere der Einfuhr ausländischer Eisenerze für die westfälischen Hüttenwerke sowie der Ausfuhr westfälischer Kohle« diente, und vor diesem Hintergrund war der Hansakanal eine existenzielle Bedrohung. Für Schulte war der Hansakanal »nichts anderes als ein weiteres Geschenk an die Unterweserhäfen«. Seine Realisierung werde »den Dortmund-Ems-Kanal und Emden lahmlegen und ihren verlorenen Verkehr zwischen Bremen und Rotterdam aufteilen«.45

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Ein polternder Reedereibesitzer aus der Provinz war nicht unbedingt das, was gestandene Hanseaten vor Ehrfurcht erstarren ließ. Aber Emden gehörte zum mächtigen Preußen, das zu allem Überfluss auch noch das Land war, das der Hansakanal auf rund 200 Kilometer Strecke durchqueren sollte. Entsprechend eisig reagierte der preußische Ministerpräsident Otto Braun, als ihm zwei Senatoren aus Hamburg und Bremen im Frühjahr 1922 eine Denkschrift über den geplanten Kanal überreichten. Den Senatoren gelang es nicht, »Herrn Braun irgend eine Äußerung zu entlocken, die auf eine lebhafte Teilnahme oder gar eine innere Überzeugung von der Notwendigkeit des Kanals hätte schließen lassen«. Das folgende Treffen im Reichsverkehrsministerium war noch ernüchternder. Auf das Gespräch mit dem Minister, der »nicht allzuviel Hoffnung« machte, folgte »eine formlosere Aussprache mit dem Ministerialdirektor Ottmann«, der die Hanseaten mit kritischen Einwänden förmlich überschüttete. Ottmann prophezeite, das Projekt würde »von Preußen […] eine glatte Absage erhalten«: »Einmal Emdens wegen, sodann wegen der landwirtschaftlichen Interessen.« Schließlich erklärte Staatssekretär Paul Kirschstein auf die Bitte um beschleunigte Prüfung, dies werde »mindestens ein Jahr beanspruchen«. »Damit ging man auseinander«, schloss der Bericht des Bremer Senators Strandes an die Senatskommission für Reichs- und auswärtige Angelegenheiten. »Ich muß gestehen, daß ich mit einer solchen Stärke und Fülle des Widerstandes nicht gerechnet hatte.«46 Der Hansakanal sah sich nicht nur mit der Macht des weitaus größten deutschen Bundesstaats konfrontiert, sondern auch mit der Macht der Geographie. Einen Binnenschifffahrtsweg vom Ruhrgebiet nach Bremen konnte man nämlich auch ohne den Hansakanal schaffen. Seit dem Ersten Weltkrieg hatte Minden Anschluss an den Mittellandkanal, und von dort floss die Weser in Richtung Nordsee, die man nur noch mit Staustufen für große Binnenschiffe ausbauen musste. Der Weg über Minden war gut 100 Kilometer länger als ein Kanal von Bramsche nach Achim, aber dafür konnten die Staustufen für die Stromerzeugung genutzt werden.47 »Mindestens 1/3 der Baukosten können auf den elektrischen Strom abgewälzt werden«, erklärte Ministerialdirektor Rudolf Krohne 1923 in einer Besprechung im preußischen Ministerium für Handel und Gewerbe. Krohne sah

Hanseatische Projekte

bei der Weserkanalisierung auch »günstige Aussichten auf eine Verbindung nach dem Süden«. Die Weser war durch den Versailler Vertrag nicht internationalisiert worden, und auf lange Sicht boten sich grandiose Perspektiven: »Der Plan des Werra-Main-Kanales liegt noch in großer Ferne. An dieser Sache darf aber doch nicht vorbeigegangen werden.«48 All das waren verlockende Aussichten, und das nicht nur, weil Krohne noch im gleichen Jahr als Staatssekretär ins Reichsverkehrsministerium wechselte und 1925 Reichsverkehrsminister wurde. Nur für Hamburg war damit nichts gewonnen. Über Mittellandkanal und Mittelweser kam man nach Bremen, aber für den Weg zur Elbe brauchte es weiterhin einen Kanal. Pläne zur Kanalisierung der Mittelweser gab es schon länger, und vor dem Ersten Weltkrieg waren bereits zwei Staustufen in Hemelingen und Dörverden gebaut worden.49 Weitere Staustufen lagen offenkundig im Bremer Interesse. Man stehe »dem Plan einer Kanalisierung der Weser außerordentlich sympathisch gegenüber«, antwortete der Bremer Vertreter auf Krohnes Plädoyer.50 Der Schulterschluss mit Hamburg verbat freilich einen Kurswechsel, und die Hansakanal-Vereine forderten weiterhin die Kanalverbindung von Bramsche nach Achim: Das war in der Vereinsrhetorik der »echte« Hansakanal, während der Umweg über Minden der »unechte« war. Der Bremer Senat vermied es peinlichst, offen aus der gemeinsamen Linie auszuscheren, was in den Berliner Ministerien mitunter auf Verständnisprobleme stieß. Im Januar 1926 berichtete die Bremische Gesandtschaft nach Gesprächen mit Reichsverkehrsminister Krohne und seinen Spitzenbeamten, »daß keiner von ihnen begreift, warum sich Bremen für den Hansakanal interessiert«.51 Aber was wussten Berliner Ministerien schon vom Leben mit einer großen Schwester? Der Bremische Gesandte sparte sich mühselige Erläuterungen und konzentrierte sich auf die Sache, und die sah gut aus: »Ich glaube, daß wir an Preußen einen Bundesgenossen haben, wenn wir die Weserkanalisierung für sich verfolgen.«52 Die Ausarbeitung über »Bremische Wasserstraßenpolitik« von 1926 erklärte, der Hansakanal sei »bremischerseits um seiner selbst willen erstrebenswert. Er ist es ausserdem, um schädlichere Lösungen zu verhindern.«53 Hamburg hätte für den Kanal von der Weser zur Elbe ja auch eine andere Linienführung wählen können, die

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für Bremen ungünstiger gewesen wäre als der Abzweig bei Achim. Diese Sorge trieb zum Beispiel die Bremische Gesandtschaft 1927 um, als Reichsverkehrsminister Krohne für eine Besprechung ins Hamburger Rathaus kam. Nach den Angaben seines »Gewährmannes« war zwar »nicht zu befürchten, daß dieser Kanal an einer anderen Stelle von der Weser abgezweigt werden würde, als der echte, weil man sich die Möglichkeit, den echten später zu bauen, nicht verbauen will«.54 Aber vielleicht würden die Hamburger eines Tages neu planen? Die Bremer kannten ihre große Schwester, und sie hatten gelernt, mit ihr umzugehen. Außerdem ahnten die Bremer, dass die Sache für sie lief. »Der echte Hansakanal hat aber zweifellos viel weniger Aussicht, gebaut zu werden, als der unechte«, schrieb die Bremische Gesandtschaft an die Senatskommission für Reichs- und auswärtige Angelegenheiten.55 Die Planungen gewannen plötzlich an Dringlichkeit, als der Reichsarbeitsminister im Sommer 1926 ein umfangreiches Arbeitsbeschaffungsprogramm ankündigte. Hintergrund waren die hohe Arbeitslosigkeit und die Angst vor einem Krisenwinter, dem mit einem improvisierten Konjunkturprogramm entgegengesteuert werden sollte.56 Das Programm war ausgesprochen populär, hinterließ aber auch eine Haushaltslücke, die ein paar Jahre später eine Rolle spielte, als Reichskanzler Heinrich Brüning in der Weltwirtschaftskrise auf antizyklische Investitionen verzichtete. Einzelaspekte des Programms waren allerdings umstritten, und zu diesen zählte der Wasserstraßenbau. Im November 1926 schickte der preußische Ministerpräsident einen regelrechten Brandbrief an den Reichskanzler: Kanalbauten seien unrentabel und bedingten »die Festlegung sehr großer Kapitalien«, die Eisenbahn sei im Vergleich mit dem Binnenschiff »das höherwertige Verkehrsmittel«, der Brennstoffmarkt stehe durch die Verstromung und Veredelung der Kohle vor dem Umbruch, und der beschäftigungspolitische Effekt sei marginal, weil man im Kanalbau kaum ungelernte Arbeiter brauchte: »Die Arbeiten an Ort und Stelle müssen, wenn man nicht den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit völlig preisgeben will, im wesentlichen mit modernen leistungsfähigen Maschinen und Geräten ausgeführt werden, deren Bedienung durchweg durch geschultes, mit den erforderlichen technischen Kenntnissen ausgestattetes Per-

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sonal erfolgt.«57 Ein langwieriges Kanalprojekt passte einfach nicht zu einem Konjunkturprogramm, das ganz auf rasche Wachstumseffekte ausgerichtet war. Am Ende investierte die Reichsregierung nur 13 Millionen RM in den Wasserstraßenbau, etwa ein Prozent der Gesamtkosten des Arbeitsbeschaffungsprogramms.58 Das Reichsverkehrsministerium hätte schon bauen wollen, und bei der Kanalisierung der Mittelweser wäre es auch technisch möglich gewesen. »Die Vorarbeiten für die Weserkanalisierung sind so weit gediehen, daß mit der Bauausführung begonnen werden könnte«, erklärte das Reichsverkehrsministerium im August 1926.59 Kritischer sah es beim Kanal nach Hamburg aus. »Zur Erlangung eines für die Ausführung geeigneten Bauentwurfs bedarf es eingehender Vorarbeiten, die die Feststellung des Kanal-Aushubbodens, des Untergrundes der Bauwerke, der Geländegestaltung sowie der Grundwasserverhältnisse zum Gegenstand haben, 1 000 000 Reichsmark kosten und etwa 2 Jahre dauern werden«, meldete das Reichsverkehrsministerium im Oktober 1926 an die Reichskanzlei.60 Darum kümmerte sich ab dem 1. Februar 1927 ein Vorarbeitenamt in Verden an der Aller.61 Die Hansakanal-Vereine verfolgten es mit gemischten Gefühlen, denn es war der »unechte« Hansakanal über Minden, der da geplant wurde, aber immerhin bewegte sich etwas nach einem halben Jahrzehnt der Agitation. Am 10. August 1927 beschloss der Hamburger Senat, das Reich »zur Vornahme von örtlichen Vorarbeiten (Vermessungsarbeiten, Ausstrecken der Linie, Bohrungen usw.) in dem Kanalgebiet an der Süderelbe im Gebiete der Gemeinde Moorburg« zu ermächtigen.62 Von großen Bauaufträgen konnte man jedoch bis zur nationalsozialistischen Machtergreifung nur träumen. Dafür nahm man nicht weniger als fünf Staustufen zugleich in Angriff, als die Arbeit an der Mittelweserkanalisierung 1934 wieder aufgenommen wurde.63 Der Kanal zur Elbe wurde hingegen erst einmal zurückgestellt, bis die Hamburger durch geschicktes Werben bei Hermann Göring erreichten, dass der Hansakanal in den nationalsozialistischen Vierjahresplan aufgenommen wurde.64 Seit 1938 arbeitete erneut ein Vorarbeitenamt in Harburg an Bauplänen, und die Fragmente, die in den Archiven überliefert sind, lassen die typisch nationalsozialistische Detailfreude erkennen, bei der man nie ganz sicher weiß,

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ob sich dahinter das verbarg, was Lutz Raphael »radikales Ordnungsdenken« genannt hat,65 oder doch eher die Selbstbeschäftigung von Bürokraten in Zeiten des Kriegs. Am Ende interessierte sich sogar Konstanty Gutschow für das Projekt, der als Architekt für die Neugestaltung der Hansestadt Hamburg ein 250 Meter hohes Gau-Hochhaus entwarf und für ein neues Elbufer mal eben 40 000 Einwohner Altonas umsiedeln wollte, aber auch Interessen jenseits der Gigantomanie verfolgte.66 Im Dezember 1941 versandte Gutschow »Abschriften eines Schriftwechsels mit dem Amt für Leibesübungen zum Thema Schaffung von Badegelegenheiten und einer Ruderregattastrecke am zukünftigen Hansa-Kanal mit der Bitte um Kenntnisnahme«.67 Der Bremer Oberbaudirektor Plate berichtete 1941 über den Hansakanal, »daß die Kanaltrace im Gelände abgesteckt ist, daß umfangreiche Feststellungen über die Nutzung der in Anspruch zu nehmenden Landflächen stattgefunden haben, die genauen Geländehöhen gemessen worden sind und zahlreiche Bohrungen zur Untersuchung des Untergrundes und Ermittlungen des Grundwasserstandes auf den neuen Linien schon ausgeführt sind«. Es gab also umfangreiche Vorarbeiten, damit »nach dem Kriege an die Verwirklichung dieses bedeutungsvollen Planes herangegangen werden kann«.68 Die Realisierung unterblieb vordergründig, weil der Endsieg ausblieb, aber Jan Lokers hat mit guten Gründen darauf hingewiesen, dass es »im nachhinein fraglich bleiben muss, ob es auch ohne den Krieg tatsächlich dazu gekommen wäre«.69 Die Verkehrspolitik der Nationalsozialisten war ein Kartenhaus, das auf längere Sicht kollabieren musste, weil die Kluft zwischen den großen Visionen und den realen Projekten einfach zu groß war. Selbst beim prestigeträchtigen Autobahnbau blieben die 3819,7 Streckenkilometer, die bis Ende 1941 vollendet wurden, hinter den 1933 als Ziel proklamierten 7000 Kilometern weit zurück – was die Nationalsozialisten nicht abhielt, die Planungen nach Kriegsbeginn auf 20 000 Kilometer hochzuschrauben –, und außerdem explodierten die Kosten.70 Für das große Kanalnetzwerk des Werner Daitz existierte ohnehin nie ein Finanzierungsplan. Am Ende brach das Kartenhaus nur deshalb nicht augenfällig zusammen, weil Bauarbeiten und Planungen im Laufe des Weltkriegs sukzessive eingestellt wurden und sich alle

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Hoffnungen auf einen Weiterbau nach dem Endsieg in einer noch viel größeren Katastrophe auflösten. Nach dem Zusammenbruch wurden die Karten neu gemischt. 1950 kam es im Regierungsbezirk Stade zur Wiedergründung eines Hansakanal-Vereins, und noch 1960 warf der dortige Regierungspräsident die Frage auf, ob die Kanaltrasse »als künftige Ausbaumaßnahme am Wasserstraßennetz in der Planung freigehalten werden« solle.71 Andernorts hatte man das Projekt längst beerdigt. Als der Hamburger Senator Ernst Plate 1957 auf einer Tagung des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesverkehrsministeriums nach dem Projekt gefragt wurde, erwiderte er lakonisch, »daß das Projekt des Hansakanals aus der Zeit des ›Dritten Reiches‹ herrühre. Hamburg könne sich davon nichts versprechen.«72 Es gab jetzt ein neues Projekt, auf das sich alle Energien konzentrierten.

»Weil wir es für unmöglich hielten« Es sagt eine Menge über den Elbe-Seitenkanal aus, dass Hamburg 1950 über das Projekt entschied, ohne mit den Binnenschiffern zu reden. Drei Wochen waren vergangen, seit sich der Hamburger Senat erstmals für den Kanal ausgesprochen hatte, als bei der Behörde für Wirtschaft und Verkehr ein Schreiben des Binnenschiffahrtsverbands Elbe einging. »Dem Vernehmen nach beschäftigt sich die Verwaltung der Hansestadt Hamburg ernsthaft mit derartigen Kanalplänen«, erklärte der Verband. Das war den Binnenschiffern naturgemäß nicht unwillkommen, aber in die Begeisterung mischte sich eine gewisse Ungläubigkeit. Der Verband wusste um die Schwierigkeiten bei der Mittelweserkanalisierung und dem RheinMain-Donau-Kanal, und ein neues Kanalprojekt wirkte vor diesem Hintergrund geradezu utopisch. Sie konnten ihr Glück kaum fassen: »Diese Frage, die für die Elbeschiffahrt von wesentlicher Bedeutung ist, ist von uns noch nicht ernsthaft erwogen worden, weil wir es für unmöglich hielten, dass unter den derzeitigen Verhältnissen ein solches Projekt verwirklicht werden könnte.«73 Am 8. November 1950 hatte der Hamburger Senat über einen Antrag »betreffend Verbesserung der verkehrswirtschaftlichen Lage

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Hamburgs« beschlossen. Darin wurden der Autobahnbau, die Elektrifizierung der Bahnstrecken und der Nord-Süd-Kanal »als verkehrspolitische Forderungen anerkannt« und zugleich die Behörde für Wirtschaft und Verkehr »beauftragt, die Planungen vorzubereiten und für die erforderlichen Verhandlungen sowohl mit der Bundesregierung wie mit den übrigen zuständigen Stellen, insbesondere den Nachbarländern, in Verbindung zu treten«.74 Hinter diesem Beschluss stand jedoch keine demokratische Konsultation mit Interessenvertretern, sondern vielmehr ein expertokratischer Planungsprozess, für den vor allem ein Wirtschaftssenator verantwortlich war, der gerade am Anfang einer großen politischen Karriere stand. Karl Schiller stieg im Herbst 1948 in den Senat auf, als der amtierende Wirtschaftssenator überraschend sein Amt aufgab, später wechselte er nach Westberlin und dann nach Bonn, wo er 1966 der Wirtschaftsminister der Großen Koalition wurde. 1971 übernahm er zusätzlich das Finanzministerium und wurde damit einer der wenigen »Superminister« der bundesdeutschen Geschichte.75 Schiller war studierter Volkswirt und hatte nach der Promotion eine Forschergruppe am Kieler Institut für Weltwirtschaft geleitet, das in der NS -Zeit eng mit dem Reichswirtschafts- und Rüstungsamt im Oberkommando der Wehrmacht kooperierte. Mit Konzepten wie der »Großraumwirtschaft« konnte man nach 1945 nicht mehr so leicht arbeiten, aber die Zeit in Kiel schulte Schillers Denken in großen Zusammenhängen.76 Wissenschaftlich war er deshalb gut gerüstet, als ihn der Hamburger Senat im Juli 1946 zu einem Gutachten über die Entwicklung von Industrie und Handel in der Hansestadt aufforderte. Die Denkschrift zur künftigen wirtschaftlichen Entwicklung Hamburgs, die das SPD -Mitglied im April 1947 vorlegte, blickte über die alltäglichen Zwänge des Wiederaufbaus hinaus und präsentierte »ein Bild von den Notwendigkeiten und Möglichkeiten Hamburgs«, das in einen Dreiphasenplan mündete.77 Die Denkschrift war genauso bemerkenswert für das, was sie nicht enthielt: Von der Debatte über Sozialisierung, die damals in seiner Partei geführt wurde, spürte man bei Schiller nichts.78 Die Auftragsarbeit half, 1947 eine Professur an der Hamburger Universität zu ergattern und ein Jahr später als Leiter der Behörde für Wirtschaft und Verkehr in den Senat einzuziehen, und in dieser Funktion ver-

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öffentlichte Schiller eine ähnlich breit angelegte Untersuchung über Hamburgs Wirtschaft 1946–1949.79 Als Senator hatte Schiller allerdings nicht mehr die Zeit, über die er noch beim Verfassen seiner Denkschrift verfügt hatte, und so kam es, dass die eigentliche Arbeit ein frischgebackener Diplom-Volkswirt der Universität Hamburg übernahm, der gerade sein Examen mit Bestnote bestanden hatte. Sein Name war Helmut Schmidt.80 Der spätere Bundeskanzler erwähnte den Nord-Süd-Kanal genauso wenig wie sein Chef, obwohl beide auch Transportprobleme in ihre Analysen einbezogen. Schillers Denkschrift betonte eher Wirtschaft und Handwerk, was nicht nur der Misere des Hafenbetriebs in der unmittelbaren Nachkriegszeit geschuldet war. Auch als Wirtschaftssenator versuchte Schiller, die Ansiedlung von Industriebetrieben voranzutreiben, ohne allerdings bei der Handelskammer auf Resonanz zu stoßen.81 Aber seine große planerische Vision schuf einen Möglichkeitsrahmen, in den sich ambitionierte Behördenchefs einklinken konnten, und ein solcher war der Hamburger Hafenbaudirektor Friedrich Mühlradt.82 Zwar hatte Schillers Denkschrift zur Binnenschifffahrt lediglich gefordert, »daß die Leistungsfähigkeit der verbliebenen Binnenschiffahrtsflotte wiederhergestellt wird«, aber dafür endete sein Kapitel über Verkehr mit dem Satz: »Daß für ein Hamburger Notprogramm darüber hinaus die Wiederherstellung eines leistungsfähigen Verkehrsnetzes im Hinterland lebenswichtig ist, bedarf keiner näheren Erwähnung.«83 Und ging es beim Nord-Süd-Kanal nicht um den Anschluss an ein leistungsfähiges Binnenschifffahrtsnetz? Mühlradt war Leiter des Hamburger Strom- und Hafenbaus, ein Amt, das formal der Behörde für Wirtschaft und Verkehr unterstand, wo der machtbewusste Karl Schiller das Zepter in der Hand hielt und Helmut Schmidt 1952 Chef des Verkehrsamts wurde.84 Außenstehenden blieb jedoch nicht verborgen, wer in den Anfangsjahren die treibende Kraft war. »Der Hamburger Hafenbaudirektor Mühlrath [sic] ist der eifrigste Verfechter der Idee des Nord-SüdKanals«, notierte die Bremische Vertretung beim Bund 1953 nach einem Gespräch im Bundesverkehrsministerium.85 Dass er mit dem Projekt vorpreschte zu einer Zeit, als noch allerorten Kriegsschäden zu reparieren waren, focht den Hafenbaudirektor nicht an.

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»Verkehrsbauten sind Spekulationsobjekte«, erklärte Mühlradt im November 1951 in einer Rede. Solche Projekte bräuchten Zeit, und daher könne man gar nicht früh genug anfangen: »Entweder man beginnt sie rechtzeitig, dann sind sie fertig, wenn sie gebraucht werden, oder man wartet damit, daß sie dringend notwendig werden, dann kommen sie zu spät.«86 Ähnlich wie nach dem Ersten Weltkrieg blühten die Träume von neuen Kanälen auch in der frühen Bundesrepublik. Mühlradt sah sein Anliegen deshalb in größeren Zusammenhängen. Die Kanalisierung des Neckars war bis Heilbronn bereits vollendet und sollte Richtung Donau weitergeführt werden, die Kanalisierung des Mains lief als Vorbereitung für den Rhein-Main-Donau-Kanal, außerdem gab es Pläne für die Mosel, den Oberrhein, den Küstenkanal, die Mittelweser, die Iller bis zum Bodensee und für einen Kanal von Köln nach Aachen. Da stellte sich eher die Frage, wann Hamburg endlich den ihm zustehenden Kanal bekam. Mühlradt konstatierte »eine gewisse Leere des Verkehrs« in der Lüneburger Heide, gegen die »etwas getan werden muß«.87 Es ist nicht überliefert, dass die Zuhörer gelacht hätten. Es war auch Mühlradt, der gleich nach dem Senatsbeschluss nach Lüneburg reiste, um dort mit dem Regierungspräsidenten »die Fühlung aufzunehmen«.88 Der Elbe-Seitenkanal sollte vollständig im damaligen Regierungsbezirk Lüneburg verlaufen, und deshalb war die Haltung des Regierungspräsidenten von entscheidender Bedeutung. Das Treffen wurde ein grandioser Erfolg. »Regierungsdirektor Dr. Koch erkannte ohne Einschränkung an, daß der Kanal dem Regierungsbezirk Lüneburg keinerlei Nachteile, sondern nur Vorteile bringen würde«, notierte die Strombauabteilung in ihrem Vermerk.89 Am Ende verständigte man sich auf die Gründung eines Kanalvereins nach dem Vorbild der Hansakanal-Vereine, und der Nord-Süd-Kanal-Verein, der am 30. November 1951 ebenfalls in Lüneburg gegründet wurde, hatte die Vereinsanschrift Am Sande 1. Dort saß die Industrie- und Handelskammer Lüneburg, deren Hauptgeschäftsführer zugleich als Geschäftsführer des Nord-SüdKanal-Vereins fungierte.90 Später wurde der Lüneburger Regierungspräsident ein Gegner des Projekts, weil ein breiter Kanal quer durchs Land eben doch

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eine Menge Nachteile brachte, während die Binnenschiffe zumeist Häfen anliefen, die außerhalb des Regierungsbezirks lagen. In der Gründungsversammlung des Nord-Süd-Kanal-Vereins war davon jedoch noch nichts zu spüren. Regierungspräsident Koch erklärte, »daß dieser Kanal im Rahmen unserer gesamten Wirtschaftsplanung liegt, den Bezirk zu industrialisieren«. Man könne vielleicht sogar »Kalibergwerke, die zur Zeit stilliegen, wieder in Betrieb nehmen, weil durch die Anlage des Kanals die Möglichkeit der Beseitigung von Abwässern gegeben ist«  – eine Behauptung, die im niedersächsischen Wirtschaftsministerium mit einem Fragezeichen versehen wurde.91 Allerdings fügte der Regierungspräsident an, dass die Landwirtschaft keinen Schaden erleiden dürfe. Da deutete sich eine Menge Arbeit für seine Nachfolger an. Aus Hamburger Sicht waren die Vorteile eindeutiger. 1938 hatte der Mittellandkanal die Elbe bei Magdeburg erreicht, und damit gab es für alle Binnenschiffer im mitteldeutschen Raum einen neuen Weg zur Nordsee. Hamburg erkannte in dieser Konstellation  eine Bedrohung für sein traditionelles Hinterland, das ohnehin schon eine Menge Sorgen bereitete, weil es nun hinter dem Eisernen Vorhang lag. Außerdem war absehbar, dass der Weg über den Mittellandkanal noch attraktiver werden würde, wenn die  Staustufen an der Mittelweser in ein paar Jahren in Betrieb gingen. »Mit dem Ausbau und der Kanalisierung der Mittelweser würden Schiffe aus dem mitteldeutschen Raum nach Bremen fahren können«, erklärte ein Vertreter der Hamburger Hafenverwaltung 1953 im Gespräch mit dem späteren Bundespräsidenten Karl Carstens in Bonn, wo  Carstens damals als Bremischer Bevollmächtigter beim Bund arbeitete. Was für Bremen verlockende Aussichten bot, war für die große Schwesterstadt ein Albtraum: »Es ergäbe sich für Hamburg das Schreckgespenst, dass sein traditioneller Verkehr aus dem Raum Chemnitz, Leipzig nach Bremen abwandern würde.«92 In einem Vortrag im Institut für Verkehrswissenschaft der Universität Münster erklärte Mühlradt, dass die Zeit gegen Hamburg lief: »Der Ausbau der ostzonalen Häfen Wismar und Rostock und der Ausbau einer Kanalverbindung von Rostock zur Elbe in den Raum westlich Magdeburgs wird Hamburg um so stärker gefährden, je länger eine Wiedervereinigung auf sich war-

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ten läßt und je länger dadurch neue Wege um Hamburg herum sich einfahren.«93 Die neue Konkurrenz wurde durch die Probleme der Elbe verschärft. Für ein voll beladenes 1000-Tonnen-Schiff, das in den fünfziger Jahren als Regelschiff galt, reichte die Wassertiefe über Wochen und Monate nicht aus, und ob die Niedrigwasserregulierung der Elbe, die vor dem Zweiten Weltkrieg angelaufen war, daran etwas ändern würde, stand in den Sternen.94 Im Dezember 1950 erklärte Mühlradt in einer Besprechung, für den Kanal sei »wichtigster und vordringlichster Gesichtspunkt, eine leistungsfähige Wasserstrasse zu schaffen, die als Ersatz für die unzugängliche und nicht genügend ausbaufähige Elbestrecke zwischen Magdeburg und Hamburg zu dienen habe«. Der Nord-Süd-Kanal sei »in erster Linie als ein Seitenkanal der Elbe gedacht«, und seine »zweite wichtige Aufgabe« sei »die Verbindung des Raumes um Braunschweig mit dem Seehafen Hamburg«. Außerdem bot der Kanal eine »günstige Verbindung zum Ruhrgebiet«, aber das war schon nicht mehr so wichtig.95 Im Vergleich mit den Kanalplänen der Zwischenkriegszeit vollzog Hamburg damit einen Wechsel der Blickrichtung. Während der Hansakanal noch ganz Richtung Westen orientiert war, schaute Hamburg nun gen Osten auf das angestammte Hinterland entlang der Elbe. Das Ruhrgebiet, das in den zwanziger Jahren noch mit Macht auf den Hansakanal gedrängt hatte, glänzte in den bundesdeutschen Debatten durch Abwesenheit. Die Macht der Ruhrbarone war seit 1945 gebrochen, und der Kohlenbergbau unterlag nun den Regeln der Montanmitbestimmung und ab 1952 zusätzlich der Kontrolle durch die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Außerdem war der Weg durch den Nord-Süd-Kanal gar nicht so viel länger, wenn man den Hansakanal nicht in direkter Linie nach Bramsche baute, sondern den Umweg über Minden nehmen musste. Ebenso klar wie das Hamburger Interesse war freilich das Desinteresse im Bund. Schon das erste Schreiben des Bundesverkehrsministeriums vom 1. November 1949 schlug einen skeptischen Tenor an: Die Regulierung der Elbe solle Vorrang haben, und da war es »untunlich […], mit der Notwendigkeit eines ›Ersatzes für den Wasserweg Elbe‹ zu argumentieren«.96 Als das Projekt 1956 erstmals auf dem Schreibtisch des Bundeskanzlers landete, riet der Vermerk, das

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Projekt solle »überhaupt nicht ernstlich erörtert werden«.97 Auch andere Stellen äußerten sich vorzugsweise zurückhaltend bis skeptisch, und so waren die politischen Konfliktlinien eigentlich von Anfang an klar. Der Elbe-Seitenkanal war ein Hamburger Projekt, für das sich andere Instanzen nur vorübergehend oder unter dem Druck der mächtigen Hansestadt begeistern konnten. Die jeweiligen Motive werden im Folgenden noch eingehend diskutiert, aber ein wesentlicher Streitpunkt war das liebe Geld. Das war in der frühen Bundesrepublik ganz besonders knapp, und das lag nicht nur an den zahlreichen Kriegsschäden, sondern auch an einem hartleibigen Bundesfinanzminister. Fritz Schäffer war ein begnadeter fiskalischer Zuchtmeister, der eine eiserne Sparpolitik verfolgte, Milliarden im sprichwörtlichen »Juliusturm« hortete und seinen Kabinettskollegen in Verhandlungen mit endlosen Zahlenkolonnen zusetzte.98 Als die Hansestadt um Gelder für den Bau der Staustufe Geesthacht an der Elbe vorfühlte, holte sie sich eine brüske Absage. »Für die Verwirklichung der Staustufe Geesthacht sehe ich gegenwärtig nur dann eine Möglichkeit, wenn Hamburg die gesamten Kosten übernehmen würde«, erklärte Schäffer gegenüber dem gut vernetzten CDU -Politiker Erik Blumfeld. Das Projekt sei »nicht unmittelbar vordringlich«, und sein »Verkehrswert« sei »allenfalls in Zukunft greifbar«.99 Dabei war die Staustufe Geesthacht deutlich leichter zu begründen als der Nord-Süd-Kanal. Sie war ein Mittel gegen die Austiefung des Stroms zwischen Hamburg und Lauenburg, die durch die Vertiefung der Unterelbe verschärft worden war. Die Staustufe verbesserte die Situation für die Elbschifffahrt in einer Weise, die sowohl für den Kanal als auch für eine mögliche Elberegulierung günstig war, und in Verbindung mit einem Speicherbecken auf einem nahe gelegenen Geestrücken gab es zudem die Aufsicht auf die lukrative Produktion von Spitzenstrom.100 Unter Schäffers Regiment hätte Hamburgs Kanalprojekt wohl nicht den Hauch einer Chance gehabt, obwohl es Wege gab, den fiskalischen Wachhund auszutricksen. Im März 1955 schrieb der Präsident des Hamburger Senats an Bundeskanzler Adenauer und beschwor »die sich bietende einzigartige Gelegenheit […], von westdeutscher Seite aus den entscheidenden Ansatz für eine Verkehrsbrücke zu dem Deutschland der

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sowjetischen Besatzungszone zu schaffen«.101 Neun Monate später kam Bundesverkehrsminister Hans-Christoph Seebohm für den ersten Spatenstich nach Geesthacht.102 Als der Verkehrswissenschaftler Andreas Predöhl Mitte der fünfziger Jahre ein Gutachten über den Nord-Süd-Kanal verfasste, stand am Ende kein klares Bekenntnis zu dem Projekt. Predöhl schrieb vielmehr, dass am Ende entscheidend sei, ob die Verkehrsinvestitionen weiterhin hinter der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung zurückblieben. »Bliebe es bei den bisherigen Grössenordnungen, dann wäre es sinnlos, ein Projekt wie den Nordsüdkanal überhaupt zur Ausführung anzumelden.«103 Aber wie kam man in der frühen Bundesrepublik an Gelder für neue Projekte? 1951 hoffte die Hansestadt Hamburg, dass der Bundesverkehrsminister für das Haushaltsjahr 1952 Mittel für die Einrichtung eines Vorarbeitenamts bewilligen würde.104 Als sich diese Hoffnung zerschlug, versuchte es Hamburg mit einer Breitseite. Dies war nicht eine etwas brachiale Bewertung aus der zeitlichen Distanz, sondern der Sprachgebrauch der Akteure: »Aktion Breitseite« hieß das verwaltungsinterne Stichwort für eine Initiative, die zu einer Rede des Ersten Bürgermeisters Max Brauer in der 89. Sitzung des Bundesrats vom 18. Juli 1952 führte.105 Brauer nutzte einen anstehenden Gesetzentwurf zu einer grundsätzlichen »Erklärung zu der finanziellen Lage der Länder«.106 Das Lamento über die finanziellen Belastungen reicher Bundesländer hatte vor allem den Effekt, den Sitzungsleiter zu irritieren: »Es entsprach bisher nicht der Übung im Bundesrat, über Beschlüsse des Vermittlungsausschusses eine Aussprache herbeizuführen.«107 Ansonsten bewegte Brauer nicht viel. Die folgende Diskussion war kurz, und die Abstimmung ging für Hamburg auch verloren.108 Es lag wohl auch an diesem erzwungenen Stillstand, dass sich schon früh eine Mischung aus Anspruchsdenken und Verbissenheit in die Hamburger Rhetorik schlich. Der Nord-Süd-Kanal sei »nur die Einlösung einer Ausgleichsforderung aus dem Anschluß des Mittellandkanals an die Elbe im Jahre 1938 […], die für Bremen und Emden bereits honoriert ist«, hieß es in einem Vermerk, der im Zusammenhang mit der »Aktion Breitseite« entstand.109 Ein paar Monate später konstatierte eine Drucksache für die Senatsberatung, dass ohne Kanal »mit der Abwanderung eines großen Teiles

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des Verkehrs aus dem ureigensten Hamburger Hinterland nach den Westhäfen mit Sicherheit gerechnet werden« müsse. Das sei eine »sehr ernste Gefahr«, und der Senat sei deshalb verpflichtet, »alles zu unternehmen, was das Projekt des Nord-Süd-Kanals fördern und beschleunigen kann«.110 Aber im Kampf um Bundesmittel war verbale Kraftmeierei selten hilfreich, und innerhalb der Hansestadt hatte diese Haltung den nicht ganz unwesentlichen Effekt, eine ehrliche Debatte zu unterdrücken. Es gab nämlich auch in Hamburg Zweifler an dem Projekt. Ernst Plate hatte nach dem Abitur eine kaufmännische Ausbildung absolviert, die ihn für einige Zeit nach Buenos Aires führte. 1926 kam er zur staatlichen Hamburger-Freihafen-Lagerhaus-Gesellschaft und wurde dort 1930 Prokurist, 1934 stellvertretendes Vorstandsmitglied, 1936 ordentliches Vorstandsmitglied und 1946 Vorstandsvorsitzender.111 Das zwischenzeitlich in Hamburger Hafen- und Lagerhaus-Aktiengesellschaft (HHLA ) umbenannte Unternehmen kontrollierte den Betrieb und den Ausbau des Hamburger Hafens, und Plate war als Vorstandsvorsitzender kein Mann großer Visionen, was später dazu beitrug, dass die HHLA beinahe den Einstieg ins Containergeschäft verpasste.112 Das Kanalprojekt verfolgte er deshalb von Anfang an mit Skepsis. Als Ende 1950 der Nord-Süd-Kanal der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, schrieb Plate an Schiller, solche Veröffentlichungen seien »zurzeit untunlich«: »Erst müssen wir unsere Seehafen-Ausnahmetarif-Sorgen behoben haben«, monierte Plate, und dafür brauche man die Hilfe der Bundesbahn.113 Solches Gegrummel schien jedoch niemanden zu beeindrucken, und deshalb beschloss Plate im Sommer 1953, ein größeres Kaliber aufzufahren. Nach Jahrzehnten in der Hansestadt wusste er, wie man einen Senator auf die Palme bringt. Wenige Minuten bevor er sich am 16. Juli 1953 in einen langen Sommerurlaub verabschiedete, diktierte er seiner Sekretärin einen kurzen Vermerk, der in der eindrücklichen Warnung gipfelte, »durch das ›nebulöse‹ Problem Elbe/Nord-SüdKanal im Augenblick das Hamburger Klima noch weiter zu verderben«. Wunschgemäß übermittelte die Sekretärin eine Abschrift an Senator Schiller »m[it] d[er] B[itte] um Kenntnisnahme«.114 Plates Postille verfehlte seine Wirkung nicht. Ein Vermerk vom 18. Juli protokollierte Schillers Bitte, »daß meine Auffassung Herrn

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Plate schriftlich in den Urlaub mitgeteilt und daß er um schriftliche Stellungnahme gebeten wird«.115 Eine Woche später hatte er sich so weit beruhigt, dass er sich mit einer schriftlichen Auskunft nach Plates Rückkehr zufriedengab.116 Das vierseitige Schreiben, das Plate schließlich am 24. August an Schiller sandte, könnte man auch zu Unterrichtszwecken nutzen, denn es lieferte einen lehrbuchmäßigen Einblick in die unterschiedlichen Denkweisen von Betriebswirten und Volkswirtschaftsprofessoren. Plate erklärte, dass die Durchführbarkeit des Kanalprojekts doch noch gar nicht erwiesen sei, auch die Abwägung zwischen Nord-Süd-Kanal und Elbe-Ausbau noch ausstehe und dass man überhaupt viel besser verhandeln könne, wenn man sich in der Sache nicht festlegte. Er sprach von den »schwerwiegenden, zahlreichen Bahn-Tarif-Wünschen«, über die sich Hamburg mit der Bundesbahn verständigen müsse, und diese Verhandlungen würden durch den Flirt mit dem Kanal gewiss nicht einfacher. Außerdem werde das Hamburger Vorgehen »als ›unangenehm‹ beim Bundesverkehrsministerium empfunden«.117 So sprach ein Vorstandsvorsitzender, der vor allem die Herausforderungen des Tages im Blick hatte und keine Begeisterung für die planerischen Visionen eines Karl Schiller aufzubringen vermochte. Es war auch der Zusammenprall zweier Herren, denen niemand einen Mangel an Selbstbewusstsein unterstellte. Ein paar Wochen später gewann der Schlagabtausch noch eine dritte Dimension. Es war der Streit zwischen dem amtierenden Wirtschaftssenator der Hansestadt Hamburg und seinem Nachfolger.

Ostpolitik an der Elbe Hamburg war eine Hochburg der SPD , die bei der Bürgerschaftswahl vom 1. November 1953 auf 45,2 Prozent der Stimmen kam. Noch besser schnitt freilich der »Hamburg-Block« ab, ein Zusammenschluss aus CDU , FDP , Deutscher Partei und der Vertriebenenpartei BHE , der sich im Vorfeld der Wahl organisiert hatte.118 Bei der Regierungsbildung kam auch Plates Name ins Spiel, eine augenscheinlich unerwartete Wendung nach der Auseinandersetzung mit Schiller im Sommer. Christof Brauers spricht in seiner Studie der

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Hamburger FDP von dem »politisch noch völlig unbekannten Ernst Plate«.119 Am Ende wurde die Behörde für Wirtschaft und Verkehr zwei Senatoren gleichzeitig übertragen, und Plate übernahm das Amt für Hafen und Schiffahrt sowie das Amt für Verkehr, sodass er informell den Titel »Hafensenator« führte.120 Der Regierungswechsel sollte auch ein politischer Kurswechsel werden, und in den folgenden vier Jahren verfolgte Plate in enger Abstimmung mit dem neuen Ersten Bürgermeister Kurt Sieveking eine »Politik der Elbe«. Sieveking richtete in seiner ersten Regierungserklärung den Blick nach Osten und forderte eine »großeuropäische Lösung«: Man wolle »nicht nur die Wiedervereinigung Deutschlands, sondern auch die Wiederherstellung eines Gesamteuropas, denn die Zukunft des Hafens Hamburg wird dadurch bestimmt, ob er seine alte Position als Mittler zwischen einem großeuropäischen Wirtschaftsraum und der Gesamtheit der überseeischen Länder wieder ausüben kann«.121 Das klingt im Rückblick nach einer Idee, die später auch noch andere hatten. Die Ostpolitik ist ein bundesdeutscher Mythos, das spektakulärste Projekt der deutschen Außenpolitik seit 1945, das noch dazu einer Dramaturgie wie aus dem Drehbuch folgte: von Egon Bahrs Tutzinger Rede über »Wandel durch Annäherung« über Willy Brandts Friedensnobelpreis und die Fortsetzung durch die Regierung Kohl bis zur Wiedervereinigung. Plate starb 1973, aber als er ein paar Jahre vor seinem Tod einen Beitrag schrieb, der 1967 in einem Band zum 70. Geburtstag Kurt Sievekings erschien, hätte er die Gelegenheit gehabt, seine »Politik der Elbe« in Beziehung zu der sich entwickelnden Ostpolitik der Bundesregierung zu stellen. Er ließ die Gelegenheit ungenutzt. Plate definierte die »Politik der Elbe« vage als »Dachbegriff für alle Maßnahmen und Überlegungen mit Blickrichtung Ost/Südost« und vermied jede programmatische Festlegung. Stattdessen schwelgte er in nostalgischen Erinnerungen an die Zusammenarbeit mit dem Ersten Bürgermeister, der ihm bei seinen »Ost-Eskapaden« freie Hand gelassen habe, und gerne hätte er noch ein paar Anekdoten erzählt. Allerdings hätte dadurch der Eindruck entstehen können, »wir wollten selbstgefällig herausstellen: ›Was heute endlich verwirklicht ist, haben wir schon vor zehn Jahren als notwendig anerkannt und angesteuert.‹« Das war Plate unangenehm, auch wenn er sich über die Gründe seines Unbeha-

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gens ausschwieg: »Gerade so möchte ich aber nicht verstanden werden, und ich bin sicher, daß auch Dr. Sieveking eine solche Interpretation ablehnt.«122 Visionen waren einfach nicht sein Ding. Ein Mangel an Visionen war für Plates »Politik der Elbe« nicht unbedingt ein Nachteil. Man könnte sogar sagen, dass die Regierung des Hamburg-Blocks nur deshalb auf den Gedanken verfallen konnte, eine eigene Ostpolitik zu verfolgen, weil sie diese ganz und gar pragmatisch verstand. Es ging um Handel, um Verkehrsbeziehungen und um gute Kontakte, und wenn man nur lange genug in Hamburg gelebt hatte, konnte man das als eine völlig unpolitische Sache begreifen. So hatte man es schließlich im Stadtstaat seit jeher gehalten: Plate war nicht in den zwanziger Jahren nach Argentinien gegangen, um eine lateinamerikanische Demokratie im Überlebenskampf zu studieren, sondern um nützliche Geschäftsbeziehungen zu knüpfen, so wie es sich für Hanseaten in der Ferne gehörte. Und das hatte der Hafenstadt ja auch nicht geschadet. Knallharte Machtpolitik konnte man in Hamburg nicht lernen, umso mehr hingegen, wie man in fremden Ländern die richtigen Leute kennenlernte, um Handel zu treiben. Und warum sollte man jetzt damit aufhören, nur weil gerade irgendwelche Supermächte einen Kalten Krieg ausfochten? Nur so kann man wohl die geradezu kindliche Naivität verstehen, mit der sich Plate in das Minenfeld des Ost-West-Konflikts hineinbewegte. Er wollte »eine unpolitische Mittlerstellung zwischen West und Ost einnehmen«, erklärte Plate im Juni 1954 in der Hamburger Bürgerschaft.123 Drei Jahre später erklärte er an gleicher Stelle, es handele sich »im Grunde« um »technische Kontakte ohne politischen Charakter«.124 Während andere den ideologischen Todfeind ins Visier nahmen, umriss Plate lieber »eine kommerzielle und wirtschaftliche Aufgabe, die Hamburg zu erfüllen hat«.125 Was wussten Kalte Krieger schon davon, wie man als Hanseat internationale Beziehungen bewertete. In seinem Aufsatz über die »Politik der Elbe« von 1967 erklärte Plate voller Stolz, man könne »sogar mit Zahlen beweisen, daß Hamburgs Handels- und Verkehrs-Erfolge zu einem wesentlichen Teil darauf zurückzuführen sind, daß frühzeitig die ersten Fühler nach Osten ausgestreckt wurden«.126 Es gab freilich einfachere Verhandlungspartner als eine Regierung, die man noch nicht einmal als solche anerkennen durfte. Der

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Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik machte offizielle Gespräche mit der DDR-Regierung zu einem Tabu, das in der politischen Klasse der fünfziger Jahre nicht verhandelbar war. Es gab zwar Kontakte auf der Arbeitsebene, die beim Wasserbau schon aus hydraulischen Gründen nahelagen, und auf bundesdeutscher Seite wurde auch »sehr darauf geachtet, dass die Verbindung mit den alten Beamten in der Sowjetzone nicht abreisst«.127 Gespräche mit dem Minister eines westdeutschen Bundeslandes waren jedoch offenkundig mehr als technische Kontakte, und das blieb den ostdeutschen Verhandlungspartnern nicht verborgen. Sie forderten »immer wieder offizielle Besprechungen, d. h. Besprechungen auf der Ministerebene«, notierte ein Vermerk im März 1957, worauf westliche Vertreter »aus den bekannten grundsätzlichen Erwägungen« nicht eingingen.128 Es war ein Katz-und-Maus-Spiel, wie man es aus Ost-West-Verhandlungen zur Genüge kannte, aber Plate fand es einfach nur unsachlich. In der Hamburger Bürgerschaft beschwerte er sich, dass seine Gespräche bislang »nach dem Verlauf nicht sehr positiv aussehen, weil immer wieder politische Argumente in die Debatte geworfen wurden«.129 Die Hansestadt war nicht die einzige Stelle, bei der die DDR mit durchsichtiger Absicht vorstellig wurde. Bundesverkehrsminister Seebohm erhielt im Frühjahr 1956 ein Schreiben des Ministers für Verkehrswesen der DDR , das ihn darauf hinwies, »daß für die Anlage bei Geesthacht entgegen den Wassergesetzen eine Auslegung im Genehmigungsverfahren für den Bereich der Deutschen Demokratischen Republik nicht erfolgt ist«. Um die entstandenen Schäden zu regeln, »schlage ich Ihnen eine Beratung der Verkehrsministerien der Bundesrepublik und der Deutschen Demokratischen Republik in allen Fragen der Planung der Elb-Regulierung vor«.130 Tatsächlich hatten sich die Fachbeamten schon früh über das Geesthacht-Projekt ausgetauscht, aber darum ging es natürlich nicht.131 Ein paar Monate später konnte Seebohm die Vorwürfe noch einmal im Neuen Deutschland nachlesen.132 Zum deutschlandpolitischen Taktieren gesellte sich die notorische Intransparenz der sozialistischen Planwirtschaft. Besonders nervös regierten die Hamburger, wenn es um Pläne für eine Kanalverbindung von der Elbe zu den Ostseehäfen der DDR ging. Die chronische Mittelknappheit der DDR -Wirtschaft war noch nicht of-

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fenkundig, und zudem hatte die ostdeutsche Regierung gezeigt, dass sie auch schon mal einen Kanal aus dem Nichts schaffen konnte. In den frühen fünfziger Jahren baute die DDR den Havelkanal, damals »Kanal des Friedens« genannt, damit ostdeutsche Binnenschiffe nicht mehr durch Westberlin fahren mussten.133 Zwar war ein Kanal von der Elbe zur Ostsee »normalerweise wirtschaftlich nicht zu vertreten«, aber im Osten mussten »volkswirtschaftliche Vernunftsgründe erfahrungsgemäss oft gegenüber politischen Erwägungen zurücktreten«, und deshalb musste man »leider davon ausgehen […], dass der Kanalbauplan ernstgemeint ist«, erklärte Hamburgs Pressestelle 1958.134 An irgendwelchen Verträgen konnte man sich ohnehin nicht festhalten. Als die Hamburger Behörde für Wirtschaft und Verkehr 1957 ein Gutachten über die internationale Rechtslage der Elbe erhielt, war das Ergebnis, »daß völkerrechtliche Bindungen […] zur Zeit nicht bestehen«.135 Als Alternative zu einem ostdeutschen Kanal verfolgte Plate die Regulierung der Elbe. Zwar gab es schon damals erhebliche Zweifel unter Wasserbauern, ob ein solches Projekt tatsächlich mit vertretbarem Aufwand zu realisieren war, aber politisch hatte die Idee einen geradezu unwiderstehlichen Charme. Wer ein konstruktives Verhältnis mit den neuen Machthabern entlang der Elbe anstrebte, konnte sich kaum ein besseres Projekt denken als den Umbau eines grenzüberschreitenden Flusses zur Verbesserung der Verkehrsbeziehungen. Nur war die DDR leider sehr wortkarg, wenn man sie nach ihren Plänen fragte. Im Februar 1956 erklärte Ernst Plate in einem Brief an das bundesdeutsche Generalkonsulat in Genf, dass seine Bemühungen um die Kanalisation der Elbe zwischen Hamburg und Magdeburg »vollständig negativ verlaufen« seien. Das war für den Senator jedoch kein Grund, es nicht weiter zu versuchen, und diesmal dachte er an die Wirtschaftskommission für Europa (ECE ) der Vereinten Nationen, die in Genf ihren Sitz hatte: »Kann man über die ECE die Ost-Leute nicht einmal ganz offen fragen, was sie denn nun eigentlich mit ihren europäischen Wasserstrassen vorhaben?« Er könne sich denken, »dass das ein Thema ist, dessen sich vielleicht sogar Herr Professor Myrdal persönlich annehmen würde«.136 Wie Plates Ostpolitik in der Praxis aussah, zeigt der Bericht über Hamburgs Teilnahme am Verkehrswissenschaftlichen Tag der

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Dresdener Hochschule für Verkehrswesen im Juni 1956. Da gab es zunächst sachliche Vorträge von beiden Seiten, ein Gutachten des Nord-Süd-Kanal-Vereins wurde »als Morgengabe« überreicht, aber dann ergriff ein Vertreter des Ostberliner Verkehrsministeriums das Wort: »In ziemlich scharfer Form äußerte er, daß die Frage nicht durch Gespräche von zwei Wasserstraßendirektionen gelöst werden könnte; die Minister und die Regierungen müßten zusammen reden.« Die Gäste antworteten, ein »politisches Junktim« sei »unrealistisch«. Danach kam der leicht entflammbare Ministerialbeamte am geselligen Abend für ein langes Gespräch an den Tisch der Hamburger. War das ein diplomatischer Erfolg? Die Hamburger Delegation schloss ihren Bericht mit optimistischem Tenor: »Die Aufnahme in Dresden war im übrigen außerordentlich zuvorkommend und freundlich, die Organisation gut; man freute sich offensichtlich über den westdeutschen Besuch und über das gemeinsame Gespräch.«137 Vielleicht glaubte man ja tatsächlich, dass sich der Vorhang irgendwann heben würde. Oder vielleicht war man nach zweieinhalb Jahren fruchtloser Ostpolitik ganz einfach schmerzbefreit. Der Nord-Süd-Kanal interessierte Plate dabei zunächst nur als taktisches Faustpfand. Er wusste als erfahrener Manager, dass man bei Verhandlungen besser fährt, wenn man eine Alternative zur Hand hat. Als Predöhl Anfang 1956 das schon erwähnte Gutachten vorlegte, interessierte ihn vor allem, dass man »das Nord-Süd-Kanal-Gutachten als diplomatisch/taktische Waffe gegenüber SBZ und Bundesbahn verwenden« konnte.138 Für den Fortschritt der Planungen hatte das zunächst keine nennenswerten Folgen, denn der Ball lag nicht mehr beim Hamburger Senat, sondern beim Nord-SüdKanal-Verein. Der hing zwar am Geld der Hamburger, aber Plate ließ die Arbeit laufen, und so kam es, dass das Kanalprojekt just zu einer Zeit, als der Hamburger Hafensenator alle Hoffnungen auf die Regulierung der Elbe setzte, eine erste Bewährungsprobe bestand. Der Verein hatte drei Gutachten über die technischen, wirtschaftlichen und landwirtschaftlichen Aspekte des Kanals erarbeiten lassen, und die Ergebnisse, die im Dezember 1955 vorlagen, gaben Anlass zur Hoffnung: »Die Gutachten kommen zu dem Ergebnis, dass der Kanal beim heutigen Stand der Technik ohne besondere Schwierigkeiten gebaut und wirtschaftlich betrieben werden kann.«139

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Plate erwärmte sich jedoch sukzessive für den Nord-Süd-Kanal, als greifbare Erfolge seiner Ostpolitik auf sich warten ließen. Am 22. März 1957 besuchte er schließlich die Mitgliederversammlung des Kanalvereins und erklärte, »daß er dem Kanalprojekt ursprünglich mit Reserve gegenübergestanden habe, jetzt aber davon überzeugt wäre, daß auf Grund der jüngsten, wirtschaftlichen und politischen Ereignisse der Kanal für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik unbedingt notwendig wäre«.140 Er erwähnte die einschlägigen Argumente einschließlich der Behauptung, »daß der neue Kanal sich auch auf die Wiedervereinigung mit der Ostzone günstig auswirken müsse«,141 und außerdem berichtete er bei der Gelegenheit von seinen Gesprächen in der DDR , die inzwischen den Nord-Süd-Kanal einer regulierten Elbe vorzögen: »Politische Schwierigkeiten […] seien nicht zu erwarten.«142 Letzteres erwies sich freilich als Irrtum. Tatsächlich war Plate gerade dabei, sich in politischen Schwierigkeiten zu reden. Die Frankfurter Allgemeine berichtete über die Mitgliederversammlung unter der Überschrift »Neue Chancen für den Nord-SüdKanal«.143 Zu den Lesern gehörte der Bundesminister des Auswärtigen Heinrich von Brentano, und dieser war not amused. Er habe dem Artikel »mit Erstaunen entnommen, dass Herr Plate offenbar intensive Verbindungen zu sowjetzonalen Stellen angebahnt hat«, ließ er Verkehrsminister Seebohm wissen.144 Der Brief löste hektische Aktivitäten aus, die unverkennbar von den gängigen deutschlandpolitischen Beißreflexen getrieben waren: »Einzelaktionen dieser Art halte ich mit Ihnen für unangebracht und für gefährlich.«145 Zur gleichen Zeit verkündete Plate stolz in der Bürgerschaft, dass er »die Mitteilung von der Regierung der sogenannten Demokratischen Republik bekommen habe, daß man bereit ist, endlich an einem von uns, von Hamburg zu bestimmenden Termin die Verhandlungen mit Sachverständigen aufzunehmen«, aber dieser Termin platzte nach einem harschen Briefwechsel zwischen Plate und Seebohm.146 Es war jene Art von Streit, die die alte Bundesrepublik in deutschlandpolitischen Fragen immer wieder produzierte. Wenn es um die Wiedervereinigung ging, musste man vor allen Dingen Haltung bewahren. Worum es in der Sache ging, war erst einmal zweitrangig.

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Die Hamburger Ostpolitik zeigte, dass der Spielraum eines Bundeslands für Verhandlungen mit dem Osten seinerzeit denkbar eng war. Plate zog freilich die entgegengesetzte Schlussfolgerung. Vielleicht sollten sich die Bundesländer nicht nur um Dinge wie die Regulierung der Elbe kümmern, sondern auch um die ganz großen Fragen? Am 21. September 1957 veröffentlichte Plate in der Welt seine Vorstellungen über den Weg zur Wiedervereinigung: Man sollte in Analogie zum Parlamentarischen Rat einen »Gesamtdeutschen Rat« einberufen, in dem die Regierungen der Bundesländer an einer schrittweisen Annäherung und einer gemeinsamen Verfassung arbeiten sollten. Das war zwar schon deshalb unrealistisch, weil die Länder in der DDR ein halbes Jahrzehnt zuvor entmachtet worden waren, aber der Text schaffte es immerhin in den dritten Drittelband der Dokumente zur Deutschlandpolitik, den das Bundesministerium für Gesamtdeutsche Fragen herausgab.147 Blaupausen für die Vereinigung gab es in der alten Bundesrepublik mehr als genug – die Dokumente zur Deutschlandpolitik umfassen 39 Bände für die ersten 20 Jahre der Bundesrepublik –, aber Plates Vorstoß war vielleicht der einzige, bei dem der Autor einleitend konzedierte, er sei »weit davon entfernt, ein Homo politicus zu sein«.148 Womöglich war es auch nur ein Wahlkampfmanöver, denn am 10. November 1957 war wieder Bürgerschaftswahl. Die SPD gewann die absolute Mehrheit, und damit endete die Amtszeit des Hafensenators. Plate kehrte zurück zur HHLA , wo er noch zehn Jahre amtierte, bis andere Kräfte das Ruder übernahmen, die dann die Modernisierung des Hafens forcierten.149 Man hätte von einem Abschied mit Symbolkraft reden können. Aber mit Symbolen hatte es Plate ja nicht so.

Neurosen einer Hafenstadt Plate war der letzte Hamburger Politiker von Rang, der Zweifel am Elbe-Seitenkanal äußerte. Das heißt nicht unbedingt, dass es keine Zweifler mehr gab. Es wäre eigentlich überraschend, wenn ein Projekt dieser Größenordnung nicht irgendwo Zweifel erweckt hätte. Wer Prinzipien wie Rationalität, Pragmatismus und Nüchternheit

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hochhielt, wie es für Hamburger Hanseaten nach 1945 in Abgrenzung vom Nationalsozialismus üblich war, hätte sich eigentlich für das politisch umstrittene Großprojekt kaum begeistern können.150 Nur gab es in Hamburgs Politik und Verwaltung keinen Ort mehr, an dem man offen über Zweifel hätte reden können. Diskutiert wurde nur noch über taktische Fragen, und auch das nur noch sporadisch. Seit den späten fünfziger Jahren war Hamburg im Kampagnenmodus, hartnäckig und unbeirrbar, bis der Kanal im September 1965 endlich in trockenen Tüchern war. Dabei hätte man problemlos Ansatzpunkte für kritische Fragen finden können. Man musste nur einen Blick in die Denkschrift Der Nord-Süd-Kanal werfen, die Mühlradts Strom- und Hafenbau 1950 vorgelegt hatte. Das breite Spektrum der Transportgüter, das dort diskutiert wurde, sah schon ein Jahrzehnt später ziemlich dubios aus. Es gab lokale Ressourcen, die nie einen signifikanten Umfang erreichten wie Kalisalze oder das Erdöl aus der Gegend um Gifhorn. Es gab Transportgüter, die auf Straße und Schiene wanderten wie »landwirtschaftliche Erzeugnisse« und »Güter aller Art zur Versorgung«.151 Und dann gab es da die Kohle, wo der Umbruch, den der preußische Ministerpräsident schon 1926 prophezeit hatte, inzwischen im vollen Gange war.152 Die Hegemonie der Kohle auf dem Brennstoffmarkt war Vergangenheit, und das aufstrebende Erdöl zirkulierte zu erheblichen Teilen durch ein rasant wachsendes Pipelinenetz.153 Außerdem boomten der Autobahnbau und die Elektrifizierung der Bahn. Aber dachte Mühlradt in diesen Kategorien? Das deutsche Wasserstraßennetz, die Linienführung und die technischen Anlagen wurden von ihm hingebungsvoll diskutiert, aber beim ökonomischen Nutzen blieben seine Bemerkungen oberflächlich. Das fiel bereits den Zeitgenossen auf. Das Bundesverkehrsministerium monierte im Februar 1951, durch Mühlradts Plan würden »eine ganze Reihe von Fragen wirtschaftlicher Art aufgeworfen, die in der Denkschrift nur teilweise und in großen [sic] Zügen gestreift sind, aber m. E. eingehend unter Beteiligung der Wirtschaft untersucht werden müssen«.154 Auch in den folgenden Jahren blieben die erhofften Stoffströme in den zahlreichen Wortmeldungen der Hansestadt seltsam blass. Die Existenz des Kanals war den Hamburgern offenkundig wichtiger als das, was auf ihm bewegt werden sollte.

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Als die Behörde für Wirtschaft und Verkehr im Juni 1961 eine Zusammenstellung ihrer Argumente schrieb, strotzte das Ergebnis von emphatischen Bekenntnissen. Neue Kanäle seien »in aller Welt verständlich«, Hamburg brauchte »alle Verkehrsträger zum An- und Abtransport der Waren des Seeverkehrs«, und überhaupt: »Nur der Umschlag von Stück- und Massengütern macht einen Hafen lebensfähig.« Wer wollte da noch kleinliche Fragen nach Kosten und Nutzen stellen? Zahlen waren ja ohnehin überbewertet: »Die standortverbessernden Funktionen sind kaum meßbar, aber hoch zu bewerten.«155 Für Erfahrungen, die Schwesterstädte mit vergleichbaren Projekten gemacht hatten, interessierten sich die Hamburger erst recht nicht. Bremens Weserkanalisierung wurde stets als Argument für den eigenen Kanal angeführt und nicht etwa als die ernüchternde Erfahrung, als die sie unter Verkehrsexperten galt. »Solche Kosten ließen sich heute einfach nicht mehr vertreten«, erklärte Paul Berkenkopf, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesverkehrsministers, 1958 in einem privaten Gespräch. »Hätte man z. B. statt die Mittelweser zu kanalisieren, das Straßennetz oder die Bahnverbindungen verbessert, dann wäre ein ungleich höherer wirtschaftlicher Effekt eingetreten.«156 Beim Elbe-Seitenkanal ging es Hamburg offenkundig um mehr als um spezifische Transportbedürfnisse. Es ging um die Zukunft einer Hafenstadt. Seit jeher mussten Handelsstädte mit Ereignissen jenseits ihrer Kontrolle leben. Hamburg traf es nach 1945 besonders hart, als sich der Eiserne Vorhang vor das angestammte Hinterland entlang der Elbe schob. Karl Schillers Denkschrift von 1947 enthielt den fett gedruckten Hinweis, »daß die knappe Hälfte des hamburgischen Verkehrsapparates (ohne Transit!) technisch-gewichtsmäßig auf die Ostzone eingestellt war«.157 Das fand Schiller so dramatisch, dass er es sicherheitshalber noch einmal anders formulierte: »Solange kein Freihandel innerhalb der deutschen Volkswirtschaft herrscht, ist also Hamburg seines verkehrsmäßigen deutschen Hinterlandes um fast die Hälfte beraubt.«158 Der Drang, dieser Situation durch tatkräftiges Handeln entgegenzutreten, musste da geradezu überwältigend sein. Aber was sollte man konkret tun? Den Kalten Krieg konnte Hamburg nicht auf eigene Faust beenden. Der Versuch einer eigenen Ostpolitik hatte vor allem das

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Nervenkostüm von Plate und Konsorten strapaziert, ohne dass es in der Sache viel bewegt hätte. Man konnte auch einfach auf die bestehenden Handelsströme vertrauen, und tatsächlich erwies sich der Eiserne Vorhang für den Warenaustausch als einigermaßen durchlässig, aber bloßes Abwarten war unter Kaufleuten selten eine attraktive Option. In dieser Situation präsentierten sich Investitionen in neue Technik als eines der wenigen Felder, auf denen die Hansestadt noch aktiv in Erscheinung treten konnte. Dabei ging es nicht nur um die konkrete Verbesserung der eigenen Wettbewerbssituation, sondern auch darum, dass man nicht einfach die Hände in den Schoß legte. Man tat, was man tun konnte. Wenn man den Elbe-Seitenkanal baute, konnte niemand den Hamburgern vorwerfen, sie hätten sich nicht nach Kräften um die Verbesserung ihrer Verkehrssituation bemüht. Es ist unmittelbar verständlich, dass man in Hamburg nach 1945 den Verlust des angestammten Hinterlands fürchtete. Aber daneben gab es noch eine zweite Angst, die fast noch schrecklicher war: Was würde sein, wenn sich die Lage normalisieren würde, aber Hamburg nicht in der Lage wäre, dem Bedarf gerecht zu werden? »Es darf nie die Lage eintreten, daß bei zukünftiger Normalisierung des Interzonenhandels der Verkehr Ostdeutschlands oder Ost- und Südosteuropas wegen mangelnder Hafenkapazitäten einen unnatürlichen Weg über fremde Ostseehäfen nehmen muß«, warnte der Sachbearbeiter Helmut Schmidt in seinem Bericht über Hamburgs Wirtschaft 1946–1949 und empfahl jährliche Investitionen für den Hamburger Hafen in der Größenordnung von 40 Millionen DM .159 Schmidt zog 1953 in den Bundestag ein und bekam nach Lage der Akten erst als Bundeskanzler wieder mit dem Elbe-Seitenkanal zu tun. Aber man kann sich unschwer vorstellen, dass es ein Projekt ganz in seinem Sinne war. Der Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg Ole von Beust schrieb im Vorwort eines Buchs von Wolfgang Michalski, seine Stadt habe »sehr frühzeitig begriffen, dass politischer, wirtschaftlicher, sozialer und technologischer Wandel eine Herausforderung ist, die eine positive Antwort durch Innovation und Anpassung verlangt«.160 Der Elbe-Seitenkanal kommt bei Michalski nur ganz am Rande vor, aber sein emphatisches Buch über

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Hamburgs Erfolge und Erfahrungen in der globalisierten Welt lässt die mentale Disposition erahnen, aus der er entsprang. Man musste investieren, mutig vorangehen, damit man bereit war in dem Moment, in dem sich Chancen boten. Man konnte auch investieren, denn Hamburg hatte Geld: Der Beitrag des Stadtstaats zum Länderfinanzausgleich lag 1970 auf Augenhöhe mit Hessen, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen.161 In dieser Situation war der Bau des Elbe-Seitenkanals wesentlich leichter zu begründen als der Verzicht auf einen Zugang zum Binnenschifffahrtsnetz. Man wollte den Kanal. Aber vor allem wollte man die Sicherheit, dass man seine Hausaufgaben gemacht hatte. Im Herbst 1953 kursierte ein Spruch, der unter den Freunden des Nord-Süd-Kanals Empörung hervorrief: »Der Nordsüdkanal ist ein Experiment.«162 Der Kommentar wurde als Angriff auf das eigene Projekt aufgefasst, obwohl er eigentlich eine Trivialität war. Bei großen Bauprojekten konnte man nie wissen, ob das Resultat den Erwartungen entsprechen würde, und in den frühen Jahren des bundesdeutschen Wirtschaftswunders galt das erst recht: Niemand konnte sicher sein, ob es für neue Infrastrukturen tatsächlich einen Bedarf gab. Aber Hamburg wollte eben keine Experimente, jedenfalls nicht dann, wenn es um seinen Hafen ging: »Hamburgs Herz«, wie Helmut Schmidt es in seiner Auftragsarbeit formulierte.163 Wer wollte noch groß über Kosten und Nutzen reden, wenn es doch ums große Ganze ging? Letztlich wurde der Elbe-Seitenkanal gebaut, weil man gar nicht anders konnte. Ökonomisch war das nicht sehr sinnvoll. Mythologisch sah das etwas anders aus. Zur alten Bundesrepublik gehörte auch die hartnäckige Unterstützung von Wirtschaftszweigen, die ihren Zenit überschritten hatten; das beste und auch kostenträchtigste Beispiel waren Kohle und Stahl.164 Hamburgs Wirtschaft hing nicht mehr auf Gedeih und Verderb am Hafen, aber er war das gefühlte Herz, das emotionale Zentrum einer Stadt, die seit Generationen der führende Seehafen des Landes war. Fast möchte man den Elbe-Seitenkanal da mit einer Bypass-Operation vergleichen. Man fühlte sich einfach besser mit Kanal, man musste sich auch nicht groß umstellen oder glaubte es jedenfalls. Und wer hatte denn schon eine Vorstellung davon, wie viel Blut tatsächlich durch die neue Ader fließen würde.

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s gibt politische Ideen, die ein Imageproblem haben. Zu diesen zählt der Plan. Die alte Bundesrepublik hatte weder einen Vierjahresplan zur Vorbereitung eines Weltkriegs noch sklerotische Planwirtschaft nach sozialistischem Muster, aber sie ging durch eine Phase der Planungseuphorie, die in neueren Überblicksdarstellungen zu den Pflichtthemen zählt. Ulrich Herbert rückte bei dem Thema Karl Schiller in den Mittelpunkt, der als Bundeswirtschaftsminister den Aufstieg der keynesianischen Globalsteuerung verkörperte. Der Volkswirtschaftsprofessor stand für eine von Experten geleitete Politik, die für einige Zeit der tradierten Konkurrenz von politischen Interessen und Wertbezügen überlegen schien: »Wirtschaftspolitik wurde hier, wie Politik generell, zum Vollzug quasi naturgegebener, wissenschaftlich erforschbarer Gesetze.«1 Die Infrastrukturprojekte der Zeit spiegelten die großen Visionen, und heute stehen sie als mahnende Beispiele für expertokratischen Größenwahn. Hamburg plante damals einen riesigen Tiefwasserhafen in der Elbmündung, der ebenso wenig Wirklichkeit wurde wie ein neuer Großflughafen im schleswig-holsteinischen

Eine Idee von Ordnung

Kaltenkirchen.2 Noch brutaler war der Plan eines Alsterzentrums, den das Wohnungsbauunternehmen Neue Heimat für den Hamburger Stadtteil St. Georg verfolgte. Vorgesehen war der nahezu komplette Abriss des südöstlich der Alster gelegenen Viertels, und der Entwurf für den Neubau sah mehrere Hochhaustürme mit bis zu 63 Stockwerken vor, die Raum für 20 000 Menschen und 16 000 Parkplätze bieten sollten. Das Projekt ging in den frühen siebziger Jahren sang- und klanglos unter.3 Auch die keynesianische Globalsteuerung war kein nachhaltiger Erfolg. Seit den siebziger Jahren avancierte deshalb der Neoliberalismus zur neuen ökonomischen Leitphilosophie, der lieber auf die Regeln des Marktes setzte und staatlicher Regulierung mit Misstrauen begegnete. Die Planungseuphorie dient seither als Symbol planerischer Arroganz, die manche Autoren zu einem Basisphänomen der modernen Geschichte erklärt haben. Der amerikanische Wissenschaftler James C. Scott sprach von einer Ideologie der Hochmoderne: »einer starken, man könnte sagen muskulösen Version des Vertrauens in wissenschaftlichen und technischen Fortschritt«, der zur Selbstermächtigung rationaler Experten diente. Besonders gravierend waren die Folgen, wenn sich die Experten der Hochmoderne mit einem autoritären Staat und der Marginalisierung der Zivilgesellschaft verbanden.4 Da läge es nahe, den Elbe-Seitenkanal als die bundesdeutsch abgemilderte Version der hochmodernen Expertokratie zu verorten. Die Verantwortlichen hielten sich an demokratische Entscheidungsprozesse und die Regeln des Rechtsstaats, aber das qualifiziert allenfalls für mildernde Umstände: Auch beim Elbe-Seitenkanal planten selbstbewusste, handlungsfreudige Experten mit fatalen Folgen und ohne demokratisches Mandat. In jüngster Zeit hat dieses Interpretationsmuster freilich Risse bekommen. Jahrzehntelang galt die Kritik der Planungseuphorie als ein linksliberales Projekt, bei dem es um die Verteidigung einer lebendigen Zivilgesellschaft gegen autoritäre Zumutungen ging. Seit Neuestem gibt es jedoch auch eine rechtspopulistische Staatsverachtung, die in der Präsidentschaft Donald Trumps seinen bislang augenfälligsten Ausdruck gefunden hat. Schon gibt es die ersten Bestseller, die den einstmals kritisierten Verwaltungsmenschen Lorbeerkränze flechten. Michael Lewis

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schrieb jüngst über die amerikanische Bundesregierung, als sei sie nichts als eine Ansammlung idealistischer Diener des Gemeinwohls.5 Das Pendel schwingt anscheinend zurück, und in den USA schwingt es seit jeher mit besonderer Wucht. Von daher könnte die Zeit reif sein für die Einsicht, dass die bundesdeutsche Geschichte von Aufstieg und Fall der Planung an beiden Enden überzogen ist. Die planenden Experten hatten ein geringeres Ansehen und weniger Einfluss, als ein lieb gewonnenes Klischee suggeriert, und sie planten im Hamburg der sechziger Jahre nicht nur gigantische Wolkenkratzer und einen unrentablen Kanal, sondern auch den neuen Elbtunnel und die Köhlbrandbrücke, die bis heute zum Rückgrat der automobilen Infrastruktur der Hansestadt gehören. Umgekehrt verschwanden die Planer und ihre Geschöpfe nicht einfach im Zuge der ernüchternden siebziger Jahre. Die heutige bundesdeutsche Gesellschaft ist eher noch dichter mit Plänen und Planungsinstanzen überwuchert als in den großen Zeiten der Planungseuphorie, und einiges spricht für Dirk van Laaks These, Planungsdenken werde seit den siebziger Jahren »in der Praxis wahrscheinlich umso erfolgreicher angewandt, je weniger zugleich in einem klassisch mythogenen Sinne von ihm die Rede war«.6 Es gibt sogar noch Fünfjahrespläne, beispielsweise an der Universität Birmingham, die auf diesem Wege die Forschungsleistung ihrer Angestellten managen möchte. Dieses Buch stand übrigens nicht drin. Der Elbe-Seitenkanal ist ein guter Ort, um wieder ein paar Nuancen in den Diskurs über Planung einzuziehen. Das liegt schon am überschaubaren Anspruch des Projekts. Der Kampf um den Kanal generierte eine Menge bombastischer Zitate über seine Notwendigkeit, aber letztlich ging es um ein Transportproblem. Gern wird bei Aufstieg und Fall der Planungseuphorie auf die Pluralisierung gesellschaftlicher Wertvorstellungen verwiesen, die eine gesamtgesellschaftliche Vorstellung von Fortschritt zerbröseln ließen, aber so umfassend war dieser Umbruch gar nicht.7 Die Erwartungen an den Kanal waren in den fünfziger Jahren nicht grundsätzlich anders als in den achtziger Jahren, und das sah bei Steuern und Rentenansprüchen nicht anders aus. Nur wollten sich die 10 Millionen Tonnen Güter pro Jahr, die Paul Berkenkopf 1961 prognostiziert hatte, einfach nicht einstellen.

Hilfreiche Stellen

Planung gehörte zum Elbe-Seitenkanal, seit Rehder in Lübeck die ersten Entwürfe skizzierte, und Experten durchleuchteten das Unterfangen mehrfach, bevor 1965 die Entscheidung fiel. Aber es gab mehr als eine Sprache der Planer, und es war auch keineswegs so, dass ihre Ergüsse die beamteten Leser vor Ehrfurcht erstarren ließen. Am Ende war es eine politische Entscheidung des Bundesministers für Verkehr Hans-Christoph Seebohm, die den Weg zum Kanal ebnete, und diese Entscheidung war nur zum Teil durch die Äußerungen der planenden Experten vorformuliert. Tatsächlich entschied sich Seebohm für den Kanal, indem er die Zweifel an den Äußerungen der Planer beiseiteschob. Die inhärente Rationalität der expertenbasierten Politik war auch in der Hochzeit der Planungseuphorie eine Chimäre.

Hilfreiche Stellen Hamburg kämpfte 15 Jahre lang für seinen Kanal, und stets war es der Senator an der Spitze der Behörde für Wirtschaft und Verkehr, der für das Projekt politisch verantwortlich zeichnete. Nach Karl Schiller und Ernst Plate amtierte von 1957 bis 1966 der FDP -Politiker Edgar Engelhard, aber anders als seine Vorgänger hinterließ Engelhard, eigentlich eine Person mit Kanten und Profil, in der Geschichte des Elbe-Seitenkanals keine individuelle Signatur.8 Das lag vor allem daran, dass die Zeit für ambitionierte Pläne und Osteskapaden vorüber war. Engelhards Mission bestand darin, das längst eingefädelte Projekt beharrlich und energisch über die Ziellinie zu treiben, und dafür brauchte es vor allem ein koordiniertes Vorgehen aller verbündeten Stellen. So wurde in seiner Amtszeit sichtbar, was zuvor durch die persönlichen Initiativen Schillers und Plates ein wenig verdeckt worden war. Der Kampf um den Kanal erforderte zu jeder Zeit Arbeit im Team. Auf den ersten Blick folgte die Arbeitsteilung einer funktionalen Logik. Das Vorarbeitenamt kümmerte sich um die Blaupausen, die Pressestelle um das Medienecho und so weiter. Es lohnt sich jedoch, die einzelnen Akteure in ihren Intentionen und Neigungen etwas genauer zu betrachten. Das erlaubt nicht nur ein tieferes Verständ-

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nis der jeweiligen Rollen, sondern lässt auch erkennen, dass es nicht nur um unterschiedliche Kompetenzen und Fähigkeiten ging, sondern auch darum, bestimmte Aufgaben aus taktischen Gründen zu delegieren. Die fatale Diffusion der politischen Verantwortung war kein Naturprozess, der sich im Laufe der Zeit ergab. Sie war auch das Resultat gezielter Politik. Als erste der vorgelagerten Institutionen kann der Nord-SüdKanal-Verein gelten, dessen Genese im vorigen Kapitel bereits erwähnt wurde. Die Gründung folgte einem vertrauten Muster: Ein neuer Verein war seit jeher ein Zeichen, dass ein Kanalprojekt mit einer gewissen Ernsthaftigkeit verfolgt wurde. Die Aufgaben des Nord-Süd-Kanal-Vereins unterschieden sich nicht grundsätzlich von denen des Hansakanal-Vereins, dessen Aufgabe die Hamburger Handelskammer 1922 folgendermaßen umrissen hatte: »Er soll die Propaganda für den Kanal nach aussen hin, die die hamburgischen Behörden als solche naturgemäß nicht durchführen können, übernehmen.«9 Beim Elbe-Seitenkanal kam hinzu, dass sich auf diesem Wege das überwältigende Interesse der Hansestadt Hamburg verschleiern ließ, so etwa durch einen Vereinssitz in Lüneburg. 1954 hatte der Nord-Süd-Kanal-Verein 115 Mitglieder, darunter Firmen, Gemeinden und Einzelpersonen.10 Die Mitgliederzahlen bewegten sich in den folgenden Jahren nach oben, blieben jedoch überschaubar; von einer Massenbewegung hat der Verein auch nie geträumt. Anfang 1961 hatte der Nord-Süd-Kanal-Verein 225 Mitglieder.11 Die Mitglieder waren nicht zwangsläufig Freunde des Projekts. Das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft und Verkehr trat zum Beispiel nur ein, um »sich über die weitere Entwicklung der Angelegenheit unterrichtet« zu halten.12 In der Mitgliederversammlung vom April 1953 erläuterte der stellvertretende Landrat des Landkreises Uelzen sogar, warum er den Kanal »als Landwirt« ablehne – was der Vorsitzende mit der Bemerkung quittierte, es »sei für den Verein stets sehr wichtig, die Meinung aller an diesem Projekt interessierten Kreise zu hören«.13 Der Verein selbst agierte jedoch stets entsprechend seiner Bestimmung und unterstützte das Kanalprojekt nicht nur durch eine rührige Öffentlichkeitsarbeit, sondern auch durch die Erarbeitung von Gutachten. Dabei erwies es sich als hilfreich, dass der Verein flexibler mit Geld umgehen konnte als eine Minis-

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terialverwaltung, die stets auf die Vorgaben des Budgetrechts achten musste. Beim Kanalverein konnte Hamburg einfach mit großzügigen Spenden finanzieren, was finanziert werden musste. So war der Verein auch eine Art Geldwaschanlage für Steuergelder.14 Die Gutachten des Nord-Süd-Kanal-Vereins verliehen dem Projekt gewisse Konturen und waren Referenzpunkte in den einschlägigen Verhandlungen. Besonders wertvoll waren sie in den ersten Jahren der Plate’schen Ostpolitik, als der Hamburger Senat eher auf die Elbe als auf den Kanal fixiert war. Über die Grenzen dieser Pläne machte sich der Verein allerdings keine Illusionen. 1957 schrieb er an den Bundesverkehrsminister, das Ergebnis sei »eine Studientrasse, die einer detaillierten Ausarbeitung bedarf, ehe mit dem Bau begonnen werden kann«.15 Um die Detailplanung kümmerte sich gewöhnlich ein Vorarbeitenamt, so wie es für den Hansakanal gleich zweimal eingerichtet worden war. Allerdings brauchte man für ein solches Vorarbeitenamt einen Titel im Bundeshaushalt, und dafür brauchte man wiederum das Plazet des Parlaments. Das war jedenfalls das normale Verfahren. Anfang 1952 erhielt Mühlradt einen Anruf vom Direktor der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Hamburg. Dieser teilte ihm mit, »dass mit dem 1. Januar 1952 bei seiner Wasserstrassendirektion ein Vorarbeitenamt eingesetzt ist«. Dieses Vorarbeitenamt solle nun »den Zustand der Oberelbe oberhalb Hamburgs und – das ist seine Hauptaufgabe – die Vorarbeiten für den Nord-Süd-Kanal aufnehmen«. Allerdings dürfe man das Vorarbeitenamt nicht als solches bezeichnen, da der Begriff »aus haushaltstechnischen Gründen vermieden worden« sei. So stand es jedenfalls in dem Telefonvermerk, den Mühlradt am 4. Januar 1952 schrieb.16 Der Vermerk sagt nichts über Mühlradts Reaktion, aber man darf vermuten, dass er nicht überrascht war. Mühlradt war schließlich der Vater des Projekts, und ein Vorarbeitenamt war ein großer Schritt, den man wohl kaum ohne sein Wissen und seine Billigung in die Wege geleitet hätte. Vielleicht ging das Ganze ja sogar auf seine Initiative zurück? In jedem Fall war der Vermerk wohl nur die Rückversicherung, falls das Spiel hinter den Kulissen aufflog. Tatsächlich gab es einen kleinen Skandal, als Ergebnisse der Arbeitsgruppe zur Staustufe Geesthacht im Juni 1953 ihren Weg in die

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Presse fanden. Als Mühlradt wenig später nach Bonn fuhr und dort den Unmut über die Indiskretion zu spüren bekam, verwies der Gesprächsvermerk auf eine »stillschweigende Übereinkunft zwischen Bundesverkehrsministerium und Hamburg«, technische und wirtschaftliche Fragen von der Wasser- und Schiffahrtsdirektion sowie vom Kanalverein bearbeiten zu lassen.17 So war das Vorarbeitenamt ohne Namen wohl ein hamburgisches Gemeinschaftsprojekt, bei dem man gängige Konventionen der Verwaltungspraxis mal etwas lockerer nahm. Man kannte sich und half sich, und es ging ja auch um eine gute Sache. Offiziell wurde ein solches Amt bei der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Hamburg erst 1959 geschaffen. Es trug den Namen »Untersuchungsstelle«, denn die Mitarbeiter sollten nicht nur den Nord-Süd-Kanal auf Herz und Nieren prüfen, sondern auch andere Kanaltrassen. Seine Aufgabe war es, »innerhalb von 2 Jahren zu untersuchen, welche Möglichkeiten eines vollschiffigen Wasserstraßenanschlusses der Elbeseehäfen Hamburg und Lübeck an das mitteleuropäische Binnenwasserstrassennetz die beste ist«. Die Finanzierung übernahm die Hansestadt Hamburg, und die kannte auch schon das Ergebnis. Sie schrieb darüber sogar einen Aktenvermerk: »Für die hamburgischen und alle anderen Fachleute, die sich bisher intensiv genug mit dem Problem des volks- und verkehrswirtschaftlich günstigen Anschlusses Hamburgs an das Binnenwasserstraßennetz beschäftigt haben, besteht kein Zweifel darüber, daß diese Aufgabe am besten durch den Nordsüdkanal erfüllt wird.«18 Die Experten hätten sich natürlich anders entscheiden können. Dabei hätten sie auch Rückendeckung durch Bundesverkehrsminister Seebohm gehabt, der ausdrücklich noch einmal die Unabhängigkeit der Untersuchung anmahnte, als ein Mitarbeiter seines Hauses anregte, »daß die Gutachter in enger Fühlungnahme mit dem Land Hamburg ausgewählt werden«. Man müsse Hamburg zwar informieren, da es für die Kosten der Untersuchungsstelle aufkam. »Keinesfalls aber dürfen die Hamburger Herren ständig ihre Nase in die Arbeiten stecken und sie mit Ratschlägen oder anderen Mitteln zu beeinflussen versuchen.«19 Aber wie viel Unabhängigkeit konnte man von einer in Hamburg angesiedelten Untersuchungsstelle erwarten, die ein Projekt studierte, für das die Hansestadt seit einem

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Die Untersuchungsstelle prüfte neben dem Elbe-Seitenkanal auch drei andere Kanaltrassen nach Hamburg – den Hamburg-Unterweser-Kanal, den HamburgMittelweser-Kanal und den Hansa-Kanal – sowie die Kanalisierung der Elbe. (Der Elbe-Seitenkanal. Herausgegeben von der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Hamburg zum Baubeginn am 6. Mai 1968, S. 7.)

Jahrzehnt gekämpft hatte? Es gab einen klar markierten Korridor der Erwartungen, und nach zweijähriger Arbeit stellte sich dann auch heraus, dass die Mitarbeiter der Untersuchungsstelle mit diesem Korridor keine Probleme hatten. Die Medienarbeit der Hansestadt folgte einem ähnlichen Muster. Formal war die Presse unabhängig, aber faktisch ließ ihre Berichterstattung eine Grundsympathie für das Unterfangen erkennen. Kritische Fragen von einheimischen Journalisten fürchteten die Hamburger erst in den siebziger Jahren, als sich das Debakel abzuzeichnen begann, und selbst in dieser Zeit gab es noch freundlich gesinnte Autoren. 1961 sprach ein Vermerk der Hamburger Verwaltung sogar von einem »Burgfrieden« mit den Medien.20 Als der Kampf um den Kanal in seine heiße Phase ging, finanzierte Hamburg als Ergänzung zur eigenen Pressearbeit eine Informationsstelle Nordsüdkanal in Köln, die allein im ersten Halbjahr 1964 15 Pressemitteilungen herausgab.21 Über die Arbeit dieser Informationsstelle gab es Ende 1964 einen erhellenden Briefwechsel. Niedersachsen hatte dem Kanal

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endlich zugestimmt, der große Kampf war vorüber, und das nahm der Leiter der Pressestelle der Niedersächsischen Landesregierung zum Anlass, einmal gewisse atmosphärische Störungen zwischen Hamburg und Hannover zu thematisieren: »Gelegentliche Veröffentlichungen dieser Informationsstelle [sind] hier in Hannover nicht mit sonderlicher Begeisterung verfolgt worden.«22 Das löste in Hamburg eine Diskussion über die eigene Medienarbeit aus, die nicht unbedingt von Schuldgefühlen geprägt war. Eine Einrichtung wie die Informationsstelle diente ja gerade der Verbreitung von Fakten und Meinungen, »die letzten Endes z. B. einer Behörde oder der Staatlichen Pressestelle übel angekreidet würden«. Im Kampf um den Kanal könne man so auch mal etwas schärfere Töne anschlagen, und die habe es bei dem hartnäckigen Widerstand der Niedersachsen auch gebraucht. Außerdem war Hamburg eine Medienmetropole, und da wehte ein anderer Wind als in der Provinz. Der Kollege aus Hannover »kann natürlich nicht wissen und soll vor allen Dingen nicht wissen, daß wir in unserer PR -Arbeit für die hamburgische Wirtschaft eine ganze Reihe von Erfahrungsjahren hinter uns haben«.23 Neben der Presse hielt der Hamburger Senat auch engen Kontakt zu den Bundestagsabgeordneten der Hansestadt. So erfuhren die Abgeordneten zum Beispiel im Juli 1964, dass es nun einen Leertitel »Bau des Nordsüdkanals« im Entwurf des Bundeshaushalts gab, mit dem man die Vorfinanzierung des Projekts durch Hamburg verbuchen konnte: »Damit ist ein weiterer Schritt für den baldigen Baubeginn des Nordsüdkanals getan.«24 Aufmerksam verfolgte man auch die Entwicklung der europäischen Politik. Als die EWG -Kommission 1960 eine Liste der Wasserstraßen von europäischem Interesse vorlegte, erreichte eine Hamburger Intervention, dass der ElbeSeitenkanal nachträglich aufgenommen wurde.25 Seither war in Hamburger Stellungnahmen zu lesen, das Kanalprojekt entspreche »den Empfehlungen der EWG -Kommission«.26 Außerdem bemühte sich Hamburg um einen Kredit der Europäischen Investitionsbank, und das nicht nur aus finanziellen Gründen. Freimütig erklärte ein Hamburger Vertreter 1963 in einer Besprechung, dass »schon die psychologische Hilfe durch die EWG für die kommenden Auseinandersetzungen im Bundestag von Bedeutung sei«.27

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Hamburg brauchte die EWG , aber vielleicht brauchte die EWG auch Hamburg? Wenn man den Quellen trauen darf, hat der erste Präsident der Europäischen Kommission Walter Hallstein den Hamburgern bei einem Besuch in der Hansestadt »geradezu in den Mund gelegt, das Projekt auch an die EWG heranzutragen, da es sich hier um die Schließung einer Lücke im deutschen Binnenwasserstraßennetz handele«.28 Es wäre nicht überraschend: Die historische Forschung hat herausgearbeitet, dass das Erfolgsgeheimnis der Europäischen Union gerade in der Verknüpfung mit nationalen Regierungen und anderen internationalen Akteuren bestand.29 Längst ist die Ko-Finanzierung aus Brüssel ein fester Teil der europäischen Politik, der zwar viel zur Popularität Europas beiträgt, aber zugleich eine fatale Diffusion der politischen Verantwortung befördert, die den Funktionseliten nicht unbedingt unangenehm ist. Als das Debakel des Elbe-Seitenkanals offenkundig wurde, konnten sich die Hamburger Verantwortlichen damit trösten, dass sie nur ein Drittel der Kosten aus eigener Tasche zahlen mussten. Heute gibt es in Europa jede Menge Politiker, die das sehr gut nachvollziehen können. So war der Hamburger Kampf um den Kanal in Wirklichkeit ein Gemeinschaftswerk von Akteuren, die stets auch ihre eigenen Interessen verfolgten. Vielleicht war es sogar zu viel des Guten? Bundesverkehrsminister Seebohm fand es arg kleinkariert, dass ihn die Hamburger um eine Intervention bei der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft baten, aber daraus sprach auch das Privileg eines mächtigen Bundesministers, der nie solche Briefe schreiben musste.30 Seebohm war schließlich der Mann, um dem man in Verkehrsfragen einfach nicht herumkam. Beim Elbe-Seitenkanal war seine Macht besonders ausgeprägt, weil laut Grundgesetz nur der Bund einen solchen Kanal bauen durfte, aber diese Macht wirkt ambivalenter, wenn man nicht nur auf das öffentliche Erscheinungsbild des Ministers schaut, sondern auch in seine Akten. Was für Hamburg und seine hilfreichen Stellen galt, galt gleichermaßen für den Bund. Es gab Männer, die Entscheidungen trafen, aber es gab auch einen Kontext von Plänen, Verfahrenswegen und Institutionen, der der Macht der großen Männer Grenzen setzte.

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Der rätselhafte Dr. Seebohm Bis zum Ende der Regierung Kohl hatte die Bundesrepublik 157 Kanzler und Minister, und diese bilden nicht nur aufgrund ihrer unterschiedlichen politischen Einstellungen eine ziemlich bunte Truppe. Es gab Minister, die ständig aneckten, und Minister, die länger im Amt blieben als ihr Kanzler. Es gab Minister, die ihre Partei verkörperten, und solche, die ihr Parteibuch wechselten. Es gab Minister, die durch ihre Wortmeldungen auffielen, und andere, die lieber als Dompteure eines bürokratischen Apparates wirkten. Es gab rückwärtsgewandte Vertriebenenpolitiker und Minister, die die Zukunft bauten. Manche Minister machten sich um die Menschenrechte verdient, während sich andere lieber um alte Nazis kümmerten. Es gab auch einen Minister, der all diese Eigenschaften in seiner Person vereinte. Dieser Minister war Hans-Christoph Seebohm. Konrad Adenauer berief Seebohm 1949 als Verkehrsminister in sein erstes Kabinett, und in diesem Amt blieb er ohne Unterbrechung bis zum Sturz der Regierung Erhard 1966. Seebohm gehörte zunächst zur Deutschen Partei und wechselte 1960 zur CDU , als der Niedergang der Deutschen Partei in seine finale Phase ging. Zudem war er seit 1950 Mitglied im Hauptvorstand der Sudetendeutschen Landsmannschaft und seit 1959 deren Sprecher.31 Als er 1967 im Alter von 64 Jahren verstarb, bezeichnete ihn der Vorsitzende des Bundesvorstandes der Sudetendeutschen Landsmannschaft »als einen großen Idealisten, der den Mut zur Unpopularität gehabt habe«.32 Seebohm verkörperte den national-konservativen Flügel einer Deutschen Partei, bei der die Grenzen zum Rechtsradikalismus fließend waren, und seine mündlichen Auslassungen gaben mehr als einmal Anlass zu öffentlicher Empörung.33 Adenauer verpasste ihm sogar eine Art Maulkorb, bevor er ihn 1953 in sein zweites Kabinett berief: Seebohm musste schriftlich geloben, auf politische Reden außerhalb von Wahlkampfzeiten zu verzichten.34 Sein Wirken als Ressortchef war hingegen auch bei Beobachtern anerkannt, die seine nationalistischen Eskapaden verabscheuten. Der Tübinger Politikwissenschaftler Theodor Eschenburg begann eine kritische Betrachtung über »Seebohms Geschichtsbild« mit der Feststellung,

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»daß der Bundesverkehrsminister Seebohm einer der fähigsten Ressortchefs in Bonn ist«.35 Für Eschenburg war Seebohm »in seiner Neigung zu selbstherrlichem Auftreten, rednerischen Entgleisungen und deplacierten Äußerungen […] geradezu eine wilhelminische Figur«. Es war auch eine Figur, an die man sich irgendwann gewöhnt hatte. Mit einer Mischung aus Befriedigung und Resignation konstatierte Eschenburg 1960, die deutsche Presse nehme »von seinen historisch-politischen Eskapaden schon seit längerem keine Notiz mehr, weil sie ihn kennt und seine Äußerungen auf diesem Gebiet entsprechend einschätzt«.36 Es entschuldigt auch nichts, dass Seebohms Einstellung letztlich dem Grundgesetz zugutekam, denn dieser beantragte im Dezember 1948 im Parlamentarischen Rat das Verbot der Todesstrafe. Es war eine Volte, wie sie so wohl nur im Westdeutschland der frühen Nachkriegszeit möglich war. Es waren nämlich nicht etwa die universalen Menschenrechte, die Seebohm zu seiner Initiative motivierten, sondern vielmehr die Angst alter Nazis vor dem Henker.37 Der Privatmensch verblasste hinter der Doppelrolle des Verkehrsministers und Vertriebenenpolitikers. Seebohm stammte aus einer alten Quäkerfamilie, die über mehrere Generationen im nordwestböhmischen Braunkohlenbergbau unternehmerisch tätig gewesen war.38 Er studierte Montanwissenschaften, bestand 1931 das Bergassessorexamen und promovierte im folgenden Jahr mit einem geologischen Thema zum Dr.-Ing. Parallel zum Ministeramt amtierte er als Präsident der Industrie- und Handelskammer Braunschweig, was beim Elbe-Seitenkanal einen Interessenkonflikt barg, denn der Kammerbezirk lag am Südende des geplanten Kanals. Derlei kümmerte Seebohm jedoch genauso wenig wie sein Wahlkreis bei den Bundestagswahlen, obwohl dieser mit Uelzen eine Stadt umfasste, die schließlich am Elbe-Seitenkanal zu liegen kam. Die Attitüde mancher Bundestagsabgeordneten, Projekte im eigenen Wahlkreis reflexhaft zu begrüßen, war Seebohm fremd. So etwas hatte er nicht nötig. Der Minister Seebohm war für Eschenburg »ein auf dem Fachgebiet des Verkehrs sehr versierter Befehlshaber«, der sich umständehalber mit demokratischen Gepflogenheiten arrangieren musste: »Am liebsten wäre er wohl Verkehrskaiser.«39 Tatsächlich hatte seine

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Amtsführung etwas Monarchisches. Seine stupende Detailkenntnis in Verbindung mit der langen Amtszeit machte ihn zu einer Verkörperung seines Ressorts, und seine Äußerungen wurden in einer fast schon astrologisch anmutenden Intensität ausgedeutet. Jede Regung wurde sorgsam registriert und interpretiert, jedenfalls von jenen, die ein kontroverses Kanalprojekt durchzudrücken suchten. Im Mai 1962 bekundete der Hamburger Bürgermeister Engelhard im Gespräch mit einem Staatssekretär des Verkehrsministeriums seine Sorge, dass »Minister Dr. Seebohm sich in den letzten Monaten in drei Vorträgen etwas kritischer über den Nord-Süd-Kanal geäußert habe, jedenfalls kritischer als zu früheren Zeitpunkten«.40 Tatsächlich hatte Seebohm sein Ministerium in einer Weise im Griff, die über das für einen fähigen Ressortchef gebotene Maß deutlich hinausging. Die Akten des Verkehrsministeriums sind voll von ausführlichen Randbemerkungen in grüner Cheftinte, die dem Apparat die Richtung wiesen und stets eine präzise Kenntnis des aktuellen Verfahrensstands verrieten. Manchmal reichte schon eine unklare Formulierung, um den Stift des Ministers in Bewegung zu bringen. Wenn ein Schreiben aus Hamburg »die wasserstraßenmäßige Isolierung des norddeutschen Raumes« erwähnte, gab das gleich einen Kommentar: »Emden und Bremen sind ebenso Norddeutschland wie Hannover und Braunschweig!«41 Seebohm wusste sich auch durchzusetzen, zur Not in brachialer Manier. Als das Bundesfinanzministerium 1958 bummelte, schickte er seinen Staatssekretär mit der Anweisung ins Nachbarressort, dem dortigen Staatssekretär »dieses durch den BF iM entstandene Elend mit allem Nachdruck darzulegen und ihn darauf hinzuweisen, daß ich über diese ganze Sache bei meiner nächsten Anwesenheit in Hamburg eine Pressekonferenz veranstalten werde, in der ich diesen Sachverhalt an Hand der Akten vortragen werde«.42 Das Problem löste sich dann tatsächlich rasch auf. Zugleich akzeptierte Seebohm Grenzen seiner Macht, etwa dann, wenn es um die Konkurrenz der Verkehrsträger ging. Als Hamburg im Januar 1964 fragte, ob der Minister die ständigen Querschüsse der Deutschen Bundesbahn nicht unterbinden könnte, verweigerte sich Seebohm: »Die DB ist in diesen Fragen selbständig.«43 Die Autonomie der Bundesbahn war nicht die einzige Besonderheit des Verkehrsressorts. Es handelte sich auch um ein Ministerium,

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bei dem die Konfliktlinien etwas anders verliefen als in der sonstigen Tagespolitik. Es war fraktionsübergreifend unumstritten, dass die Bundesrepublik ihr Verkehrswegenetz ausbauen musste, und das machte die parteipolitische Profilierung schwierig. Das merkte im März 1955 der Hamburger Bundestagsabgeordnete Helmut Schmidt, der in seiner Zeit in der Hamburger Wirtschaftsbehörde einiges über Verkehrsthemen gelernt hatte und deshalb im Plenum des Bundestags erklären musste, warum die SPD dem Verkehrsfinanzierungsgesetz zustimmen wollte. Im Kern war das Gesetz laut Schmidt »ein sehr notwendiges, aber auch sehr großes Übel«, was nicht unbedingt eine Formulierung war, mit der sich ein ambitionierter Politiker ins Gedächtnis einbrennen konnte, und Ähnliches galt für seine Bemerkungen zur Besteuerung des Werksverkehrs, zur Tarifpolitik der Bundesbahn und zum Wildwuchs der Gremien. Schmidt schloss seine Äußerungen deshalb in lyrischer Form: »Wem Herrgott gab ein Amt, dem gibt er – schließlich und schlußendlich – auch Verstand, so hoffen wir zum Himmelszelte, daß dieses auch für Seebohm gelte.«44 Die Binnenschifffahrt war in der Verkehrspolitik der Wirtschaftswunderjahre ein Nebenschauplatz. Die großen Themen waren der Boom des Automobilverkehrs und die defizitäre Bundesbahn, später kam mit dem Aufstieg der Düsenjets noch der Luftverkehr hinzu. Seebohm war freilich kein Minister, der zweitrangige Arbeiten delegierte, und deshalb behielt er auch bei den Wasserstraßen das Heft in der Hand. Das spiegelte nicht nur seinen Machtanspruch, sondern auch Seebohms Auffassung, dass Verkehrspolitik nicht zuletzt eine Koordinierungsaufgabe war. Durch eine abgestimmte Politik sollte »zwischen den binnenländischen Verkehrsträgern, nämlich der Bundesbahn, der Binnenschiffahrt und dem Kraftverkehr, eine sinnvolle Aufgabenteilung und eine organische Zusammenarbeit herbeigeführt werden«, erklärte Seebohm 1957 in einem Vortrag an der Hochschule für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften in Nürnberg.45 Das lief allerdings nicht auf Gleichberechtigung bei den Investitionen hinaus. Während beim Autoverkehr und später bei der

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Luftfahrt ohne große Investitionen nichts lief, gab es für die Binnenschifffahrt längst ein leistungsfähiges Netz, bei dem es vor allem auf den Unterhalt sowie die Reparatur von Kriegsschäden ankam. 1956 erklärte Seebohm in einem Vortrag, er sehe »keine zwingende Notwendigkeit für den Bau neuer Kanäle«.46 Seebohm war deshalb zunächst ein Gegner des Elbe-Seitenkanals, der dies auch öffentlich erklärte.47 Es gab parallel zur geplanten Kanaltrasse eine Bahnlinie und bald auch eine Autobahn, und wenn man auf ein organisches Zusammenwirken der Verkehrsträger erpicht war, erübrigte sich damit jede weitere Diskussion. Wenn dennoch ein Vorschlag auf seinem Schreibtisch landete, interessierte ihn vor allem, wie man diesen am besten abwimmeln konnte. Als Kurt Höbold, Vorsitzender des Nord-Süd-Kanal-Vereins, im Juli 1957 die Schaffung eines Vorarbeitenamts anregte, notierte Seebohm als Verfahrensvorschlag: »Zur Einrichtung eines Vorarbeitenamtes müssen wir doch die Zustimmung des BF iM [Bundesfinanzministerium] haben; können wir uns nicht von ihm eine Absage besorgen und dann Herrn Höbold entspr[echend] unterrichten?«48 Mehr noch als die Kosten trieb Seebohm in den ersten Jahren die Sorge um, dass ein Kanal entlang der innerdeutschen Grenze als Absage an die Wiedervereinigung interpretiert werden konnte – für einen flammenden Vertriebenenpolitiker ein Totschlagargument. Im Ministerium war diese Haltung wohlbekannt. 1956 notierte der Leiter der Abteilung Binnenschiffahrt in einem Vermerk, er habe sich »von Anfang an dagegen ausgesprochen, das Projekt des Nord-Süd-Kanals für die Dauer der Teilung Deutschlands ernstlich zu erörtern«. Seebohm unterstrich den Satz und notierte am Rand: »sehr richtig!«49 Die klare Linie kam jedoch gegen Ende der fünfziger Jahre mehr und mehr ins Wanken. Das lag keineswegs daran, dass er seine Meinung geändert hätte. Noch im Dezember 1961 erklärte er in seinem Ministerium, er halte den Bau des Kanals »nicht für erforderlich«.50 Für ihn gab es einfach keine Wirtschaftsgüter, die man nicht auch auf anderen Wegen transportieren konnte. Das Verkehrsministerium hatte jedoch plötzlich mehr Geld, weil das rigide fiskalische Regiment des Fritz Schäffer an sein Ende gekommen war, als dieser 1957 ins Justizressort abgeschoben wurde. Außerdem wusste Seebohm, dass Deutschlands wichtigster Seehafen seit einem Jahrzehnt

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nach einer solchen Kanalverbindung rief, und das brachte Kalküle jenseits der reinen Ökonomie ins Spiel: »Der Nord-Süd-Kanal sei eine spezielle Forderung Hamburgs.«51 Im Sommer 1956 hatte Seebohm nach einem Gespräch in Hamburg den Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesverkehrsministerium gebeten, die Verkehrssituation des Hamburger Hafens zu untersuchen.52 Als zwei Jahre später das »Gutachten über die Entwicklung des Hafens Hamburg« vorlag, war eine der sechs Anregungen »Vorsorge dafür, daß Hamburg einen vollwertigen Anschluß an das deutsche Wasserstraßennetz erhält«. Das war freilich kein Plädoyer für den Nord-Süd-Kanal. Das Gutachten stellte vielmehr fest, bei dem Thema seien »eine ganze Reihe von Fragen aufgeworfen worden, die vor einem endgültigen Votum noch sehr eingehender Klärung bedürfen«.53 So generierte das Gutachten des wissenschaftlichen Beirats gleich neue Fragen, die von der erwähnten Untersuchungsstelle in Hamburg sowie einem renommierten Verkehrswissenschaftler geklärt werden sollten. Damit veränderte sich die Rolle des Hans-Christoph Seebohm. Er war nicht mehr nur oberster Skeptiker des Elbe-Seitenkanals, sondern auch Herr eines ordentlichen Verfahrens, das die sachgemäße Klärung einiger schwieriger Fragen herbeiführen sollte. Jedes Ministerium kennt das Wechselspiel zwischen der politischen Spitze und dem Apparat, und der Apparat des Bundesverkehrsministeriums war besonders schwer zu bändigen. Er umfasste unterschiedliche Verkehrsträger, die sich ständig wechselseitig beäugten, und hinter jedem Verkehrsträger standen mächtige Verbände und Expertennetzwerke. Am einfachsten hatte man es da als Minister, wenn man von der Sache nichts verstand. So dachte jedenfalls der FDP -Vorsitzende Erich Mende, der im Oktober 1961 in kleiner Runde über die verschiedenen Ministerien sprach, die seine Partei in den laufenden Koalitionsverhandlungen mit der CDU /CSU reklamieren könnte. Zum Verkehrsministerium bemerkte Mende, dass »eine Übernahme dieses Ministeriums keine Fachkenntnisse voraussetzen würde, mit denen die dahinter stehenden Organisationen hinreichend ausgestattet sind«.54 Als Minister war Seebohm aus anderem Holz geschnitzt als Mende, der es ja auch nur auf drei Jahre als Minister für gesamtdeut-

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sche Fragen brachte. Er dirigierte mit dem absoluten Machtanspruch eines Maestros, und ähnlich wie in einem Orchester, wo jedes Register ein Innenleben hatte, bleibt auch beim Bundesverkehrsministerium häufig offen, inwiefern Seebohm die Winkelzüge der einzelnen Abteilungen tatsächlich durchschaute. Jedes Ministerium ist eine Welt für sich, für die sich jenseits der Mauern allerdings kaum jemand interessiert. Seebohm traf als Dompteur seines Apparats immer wieder auf Verständnisprobleme, denn für die meisten Menschen waren Infrastrukturen einfach eine Frage von Pro oder Contra. Selbst die Industrie- und Handelskammer Braunschweig, deren Präsident Seebohm über lange Jahre gewesen war, konfrontierte ihn 1963 mit Gerüchten, »daß Sie als Verkehrsminister ein ausgesprochener Gegner des Nord-Süd-Kanals seien«. Ob man da nicht mal »eine Richtigstellung« bringen sollte?55 Seebohm antwortete mit einem dreiseitigen Schreiben, das »kurz die Bemühungen meines Hauses für den Ausbau der nordwestdeutschen Wasserstraßen und den Stand der Verhandlungen« schilderte.56 Zwischen den Zeilen vernahm man ein Seufzen. Konnte das nicht mal jemand kapieren, dass Infrastrukturen nicht nur eine Sache von Wünschen und Wollen waren? Seebohm liebte und lebte die Macht des Verkehrsministers, aber er war zugleich Teil eines administrativen Netzwerks. Eine solche Dualität von Akteur und Netzwerk ist konzeptionell nicht besonders spektakulär – was den französischen Soziologen Bruno Latour nicht hinderte, daraus eine ausgesprochen populäre Theorie zu stricken –, aber für Seebohm war diese Dualität vor allen Dingen unbequem. Als versierter Fachpolitiker hatte er eigene Ansichten, die der meinungsfreudige Minister auch dann gerne kundtat, wenn sie quer zu laufenden Debatten lagen. 1959 brachte Seebohm sogar noch einmal den Hansakanal ins Spiel, den alle anderen längst abgeschrieben hatten. Vor versammelter Presse formulierte Seebohm »seine persönliche Meinung […], daß er für die kürzeste und damit billigste Wasserstraßenverbindung Hamburgs mit dem Ruhrgebiet den Bau eines Kanals zur Weser halte«. Im gleichen Atemzug fügte er hinzu, dass es auf seine eigene Meinung gar nicht mehr ankomme: »Für welche Lösung sich das Bundesverkehrsministerium entscheiden wird, läßt sich erst nach dem Abschluß der Untersuchungen in zwei Jahren beantworten.«57 Die Kluft zwischen der persönlichen Initia-

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tive und der Macht des verkehrspolitischen Netzwerks blieb beim Elbe-Seitenkanal unauflösbar. Am Ende gewann das Netz. Experten waren Teil dieses Netzwerks, aber Entscheidungen waren keineswegs durch das Wissen der Experten vorprogrammiert. Das konnte beim Elbe-Seitenkanal auch kaum anders sein, denn am Anfang stand eine nervöse Hansestadt, die um ihr Hinterland bangte und Expertenmeinungen lediglich als Legitimation einer längst feststehenden Grundsatzentscheidung benötigte. Für die Zeitgenossen war das gar nicht so ungewöhnlich, denn der Glaube an die Experten relativierte sich im politischen Alltag. Mit detaillierten Kostenrechnungen für Kanalprojekte konnte man Verwaltungsprofis auch in den Hochzeiten der Planungseuphorie nicht beeindrucken: »Weil auf Grund der bisherigen Erfahrungen bei großen Wasserbauvorhaben regelmäßig weitaus höhere Beiträge als ursprünglich veranschlagt benötigt wurden, sind die Kostenanschläge für Wasserbauvorhaben geradezu mit dem Odium der Unglaubwürdigkeit behaftet«, hieß es in einem Vermerk.58 Als der Elbe-Seitenkanal 1965 durchs Bundeskabinett ging, stand sogar in der Kabinettsvorlage, das Finanzierungsprogramm könne »im übrigen schon wegen der langen Bauzeit nicht als unbedingt verbindlich angesehen werden«.59 Auch Seebohm war kein blinder Anhänger wissenschaftlicher Expertise. Er sagte es Forschern sogar ins Gesicht, wenn er Zweifel an ihrer Arbeit hatte. »Auch die von dem Institut für Verkehrswissenschaft in Münster stammende recht instruktive Denkschrift über den Bau eines Nord-Süd-Kanals hat mich nicht überzeugt«, erklärte er 1956 in einem Vortrag vor ebendiesem Institut.60 Der Leiter des Münsteraner Instituts Andreas Predöhl war allerdings auch nicht gerade ein unbefangener Gutachter. Predöhl stammte aus Hamburg, und sein Vater war mehrfach Erster Bürgermeister gewesen. Das wusste natürlich auch der Nord-Süd-Kanal-Verein, der das Gutachten in Auftrag gegeben hatte, und die kanalfreundliche Denkschrift blieb auch nicht Predöhls letzter Dienst für seine Heimatstadt. Nach seiner Emeritierung in Münster leitete er von 1965 bis 1969 das Deutsche Übersee-Institut in Hamburg.61 Es war freilich gar nicht so leicht, in den fünfziger Jahren unabhängige Experten für verkehrswissenschaftliche Gutachten zu fin-

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den. Das merkte das Bundesverkehrsministerium, als es sich nach einem Autor für das Kanalgutachten umschaute. Vielleicht ahnten die Wissenschaftler, dass es sich um eine heikle Mission handelte? Schon die Fragestellung war ja durchaus grenzwertig. Die Experten sollten nicht etwa die Verkehrssituation als Ganzes prüfen, sondern nur noch, welcher Wasserweg am besten geeignet wäre. Vielleicht war es aber auch nur die ganz normale Eitelkeit deutscher Professoren. Der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats Paul Berkenkopf gab zu bedenken, dass sich Autoren womöglich leichter finden ließen, »wenn der Beirat als solcher eine offizielle Anfrage des Herrn Bundesministers für Verkehr mit der Unterschrift des Herrn Ministers erhalten würde«.62 Am Ende übernahm Berkenkopf das Gutachten selbst, nicht ohne zuvor eine Erhöhung des Honorars auszuhandeln. Anstelle der ursprünglich vorgesehenen 40 000 DM erhielt er 60 000 DM , wozu eigens die Genehmigung des Finanzministeriums eingeholt werden musste.63 Dabei war Berkenkopf mit den Problemen des Nord-Süd-Kanals durchaus vertraut. Er hatte darüber sogar schon eine ziemlich klare Meinung. Im Juni 1958 führte Bernhard Platz, ein gut vernetzter Bremer, der stolz einen Präsidententitel aus der NS -Zeit führte, mit Berkenkopf ein Gespräch über die verkehrspolitischen Fragen der Zeit. Dabei diskutierten sie auch die Frage, »ob dem Antrage Hamburgs auf Bau eines Nord-Süd-Kanals nähergetreten werden könne«. Berkenkopfs Antwort war eindeutig: Das Projekt rentiere sich einfach nicht. Deshalb sagte Berkenkopf ein klares Votum seines Gremiums voraus. »In dieser Frage werde sich der Wissenschaftliche Beirat eindeutig negativ verhalten.«64 Von dieser Skepsis war freilich nichts mehr zu spüren, als Berkenkopf 1961 sein Gutachten vorlegte. Es fiel nicht nur positiv für den Nord-Süd-Kanal aus, es enthielt auch eine folgenreiche Aussage zu den prospektiven Frachtmengen: »Das Verkehrsaufkommen im Basisverkehr mit Massengütern in der Abfuhr von Hamburg kann demnach mit rd. 7,0 Mill. t angenommen werden, so daß über den Kanal insgesamt rd. 10 Mill. t an relativ großströmigen Massengütern laufen müßten.«65 Diese 10 Millionen Tonnen pro Jahr waren seither in der Welt, und die Freunde des Kanals wurden nicht müde, auf die wissenschaftlich legitimierte Prognose zu verweisen.

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Im Dezember 1962 erklärte der Nord-Süd-Kanal-Verein, die Zahl sei »außerordentlich vorsichtig errechnet. Wir sind davon überzeugt, daß die tatsächlich zu befördernden Mengen höher liegen werden.«66 Die Konversion des Paul Berkenkopf ist eines der großen Mysterien in der Geschichte des Elbe-Seitenkanals. Berkenkopf starb am 15. Dezember 1962, und anscheinend nahm er das Geheimnis mit ins Grab. Er fühlte sich zeit seines Lebens der Historischen Schule der Nationalökonomie zugehörig, und das implizierte ein gehöriges Maß an Flexibilität. Sein Nachruf in der Zeitschrift für Verkehrswissenschaft konstatierte, »daß sein erster Blick immer auf den Fakten ruhte und daß die jeweils drängenden Fragen der Zeit sein wissenschaftliches Interesse ausrichteten«.67 Wer eine Ordnungsvision favorisiert, in dem die Autorität des Interventionsstaats die entscheidenden Leitlinien definierte, war nicht gerade geneigt, die handlungsleitenden Motive staatlicher Organe zu hinterfragen. Vielleicht schob Berkenkopf auch einfach seine Zweifel beiseite und fügte sich den Erwartungen. Er war freilich ein Mann mit Prinzipien, und sein Verhalten erweckt den Eindruck, dass er selbst mit dem Gutachten nicht sonderlich glücklich war. Als ihn Vertreter des Bundesverkehrsministeriums und der Wasser- und Schiffahrtsdirektion am 3. Juli 1961 in Köln aufsuchten, weigerte sich Berkenkopf, seine Ergebnisse zu referieren, und drückte den Besuchern vielmehr ein Exemplar des Gutachtens in die Hand. Als ihm eine Woche später bei einem Treffen in Bonn vorgehalten wurde, »dass das Gutachten in zahlreichen Punkten unzureichend ist«, reagierte er unwirsch. »Manche Fragen liessen sich mit wissenschaftlichen Methoden nicht mehr beantworten«, erklärte er seinen Lesern. Als die Bundesbeamten Zitate anderer Wissenschaftler vermissten, erklärte Berkenkopf, »er habe eine Unterstützung seiner Ansichten nicht nötig«.68 Zeigte sich da ein schlechtes Gewissen? Die Beamten des Verkehrsministeriums sahen dafür gute Gründe. In ihren Vermerken dokumentierte sich nicht nur eine lange Liste von Mängeln, sondern auch ein beträchtlicher Unmut. »Der den Fragen der Wirtschaftlichkeit gewidmete Abschnitt, der von Seiten der Kritiker die stärkste Beachtung finden wird, muß als äußerst problematisch angesehen

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werden«, hieß es in einer Stellungnahme, und ein Referat hielt »das Gutachten für so wenig geeignet, daß es gar nicht veröffentlicht werden sollte«.69 Der Versuch, ein kniffliges Problem durch autoritative Experten lösen zu lassen, war offenkundig fehlgeschlagen, ja der Experte schuf sogar neue Probleme. Berkenkopf war der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats eines Bundesministeriums und mithin eine anerkannte Autorität, und außerdem hätte Hamburg als Geldgeber zweifellos protestiert, wenn das Gutachten in der Schublade verschwunden wäre. In dieser Situation richteten sich alle Augen auf Seebohm. Das war der Preis, den man als Verkehrskaiser nun einmal bezahlen musste. Wenn es schwierig wurde, schauten alle auf die einsame Spitze.

Pläne und Mächte Man konnte sich eine bessere Zeit für Seebohms Entscheidung vorstellen als den Herbst 1961. Nach der Bundestagswahl vom 17. September 1961 hatte sich die Regierungsbildung wochenlang hingezogen, und zeitweise stand eine Koalition von CDU /CSU und SPD im Raum. Seebohm hätte dabei aus Gründen der Koalitionsarithmetik sein Ministeramt verlieren können, so wie es dann fünf Jahre später bei der Bildung der Großen Koalition tatsächlich geschah. Als der Koalitionsvertrag von CDU /CSU und FDP endlich fertig war, stand darin ein Bekenntnis zum Bau des Nord-Süd-Kanals, über das noch zu reden sein wird.70 Zudem hatte Bremen seit dem Abschluss der Mittelweserkanalisierung im November 1960 einen vollwertigen Anschluss an das deutsche Binnenschifffahrtsnetz, und es war nicht leicht zu erklären, warum Hamburg nicht genauso behandelt werden sollte. Andererseits hatte der Ministerialdirigent im Bundesfinanzministerium Hans Clausen Korff gerade einen kritischen Aufsatz über »die finanzwirtschaftliche Problematik neuer Wasserstraßen« in den Finanzpolitischen Mitteilungen des Bundesministeriums der Finanzen veröffentlicht.71 Außerdem war das Gutachten bei allen Mängeln nun einmal in der Welt. Ein kluger Minister überlegt es sich zweimal, ob er den Vorsitzenden seines Wissenschaftlichen Beirats brüskiert.

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Seebohm sandte unterschiedliche Signale an seine Mitarbeiter. Im November 1961 verpflichtete er sein Ministerium zur Vertraulichkeit und forderte eine Stellungnahme seines Hauses, die »ohne Rücksicht auf Hamburg erarbeitet werden« solle.72 Am 6. Dezember 1961 schickte das Ministerium dann jedoch das ungekürzte Berkenkopf-Gutachten an Bürgermeister Engelhard, versehen mit dem Hinweis, man stimme »in vollem Umfang« der dortigen Auffassung zu, dass eine Stellungnahme »gleichzeitig in Hamburg und in meinem Hause erarbeitet werden muß«.73 Damit war klar, dass Berkenkopf sein halbseidenes Gutachten nicht überarbeiten musste, und Seebohm setzte nun auf die Zusammenarbeit mit Hamburg. Man konnte das so interpretieren, dass der Bundesverkehrsminister seinen Frieden mit dem Kanal gemacht hatte. Aber war das tatsächlich so? »In der Sache ist nichts entschieden«, notierte Seebohm wenige Tage später auf einem Brief vom Vorstand der Deutschen Bundesbahn. Man werde nun gemeinsam mit Hamburg die Gutachten prüfen und das weitere Vorgehen abstimmen. Selbst der Koalitionsvertrag mit der FDP sei keinerlei Verpflichtung: »Die Aufnahme des Kanalbaus in die Koalitionsvereinbarungen zwingt nur zu einer Stellungnahme und erlaubt nicht, die Behandlung zu versagen.«74 War das der mächtige Minister, der sich eine Zwangslage schönredete? Oder glaubte Seebohm wirklich, dass er beim Kanal noch frei entscheiden konnte? Seebohms Haltung klärte sich auch in den folgenden Monaten nicht. Sein eigenes Ministerium produzierte unterdessen Papiere, die dem Orwell’schen Doublethink nicht ganz unähnlich waren. Ein Vermerk vom September 1962 legte zunächst dar, dass Schiene und Straße den bestehenden Verkehrsbedarf mengenmäßig decken konnten und dass es beim Elbe-Seitenkanal keine Aussicht auf Eigenwirtschaftlichkeit gab. »Unter diesem Aspekt könnte der Bau nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht befürwortet werden«, konstatierte Punkt 4 der Zusammenfassung, nur um dann in vier weiteren Punkten kräftig zurückzurudern. Man müsse Wasserstraßen »in größerem Zusammenhang« sehen, die Wegekostenfrage harre einer europäischen Lösung, alle anderen großen Hafenstädte im nordwestlichen Raum Europas hätten einen Kanalanschluss, man müsse auch die Zonenrandlage bedenken, und außerdem sei

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»im Wasserstraßenbau in der Vergangenheit keine Investitionsentscheidung allein unter dem Gesichtspunkt der Eigenwirtschaftlichkeit getroffen worden.«75 Es gab klare ökonomische Gründe gegen das Projekt und ebenso klare politische Gründe dafür, aber der Einzige, der eine Entscheidung treffen konnte, hielt die Sache in der Schwebe. In Hamburg wurde diese Haltung mit wachsender Ungeduld registriert. Im Mai 1962 schrieb der Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg Paul Nevermann einen drängenden Brief an Bundeskanzler Adenauer, was im Verkehrsministerium nicht gut ankam; ein Staatssekretär sprach von »einem sehr scharf gehaltenen Schriftsatz«.76 Als die ersehnte Klarheit weiter ausblieb, schrieb Engelhard am 11. Oktober 1962 einen Brandbrief. Seit 15 Monaten lag das Gutachten der Untersuchungsstelle vor, und noch immer gab es keine Entscheidung des Bundesverkehrsministers: »Dieses Verfahren ist einzigartig.«77 Fünf Tage später trafen sich Vertreter von Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen beim Verkehrsminister in Bonn, um endlich eine Entscheidung zu vernehmen. Es war ein Plazet dritter Klasse. Der Verkehrsminister bekannte, er habe »an sich wesentliche Bedenken gegen den Bau des NordSüd-Kanals«. Allerdings war er bereit, seine persönliche Sicht zurückzustellen: »Trotz dieser Bedenken erklärte der BMV [Bundesverkehrsminister] in der Sitzung, er sei grundsätzlich bereit, den Nord-Süd-Kanal zu bauen, wenn die Finanzierung sichergestellt werde.«78 Der Plan, den Seebohm in der Sitzung präsentierte, bezog sich jedoch nicht nur auf den Elbe-Seitenkanal, sondern auf das gesamte norddeutsche Kanalnetz. Die Europäische Konferenz der Verkehrsminister hatte 1961 beschlossen, dass die europäischen Binnenwasserstraßen einheitlich für das Europaschiff mit 1350 Tonnen Tragfähigkeit ausgebaut werden sollten, und deshalb sollten zeitgleich die bestehenden Kanäle vertieft und verbreitert werden.79 Zu diesem Gesamtpaket sollten die Bundesländer einen substanziellen Beitrag leisten, zumal es um eine enorme Summe ging. Aktuell taxierte Seebohm die Gesamtkosten auf 2,939 Milliarden DM , aber dabei würde es wohl kaum bleiben: »Es würde nicht ungewöhnlich sein, wenn die Baukosten für das gesamte Projekt in der Ausfüh-

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rung auf 4 Mrd DM anwachsen würden.«80 Alles Weitere sollten die Länder untereinander aushandeln. Es war von der Sache her vernünftig, dass Seebohm die Länder in die Pflicht nahm. Hamburg hatte bereits signalisiert, dass es ein Drittel der Baukosten übernehmen wolle, und ein Gespräch zwischen den Bundesländern war schon deshalb sinnvoll, weil der Kanal vollständig in Niedersachsen verlaufen sollte. Ob der Ausbau nach dem Beschluss der europäischen Verkehrsministerkonferenz wirklich zwingend war, konnte man schon eher diskutieren. Im Bundesfinanzministerium hatte man jedenfalls Zweifel, ob andere Mitglieder der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ähnlich forsch ans Werk gehen würden: »Ich kann mir nicht denken, daß Frankreich, daß [sic] ein umfangreiches aber wenig leistungsfähiges Kanalnetz hat, sich zu einem entsprechenden Umbau seines Kanalsystems bereitfindet.«81 In jedem Fall legte Seebohm die Latte für die weiteren Verhandlungen ausgesprochen hoch, und das war gewiss kein Zufall. Wenn die Länder nicht zu einem gemeinsamen Vorschlag gekommen wären, hätte sich sein Bedauern wohl in Grenzen gehalten. Für Seebohm hatte die Entscheidung auch den nicht unerfreulichen Nebeneffekt, dass er sich fürs Erste nicht mehr mit dem Elbe-Seitenkanal herumschlagen musste. Der Ball lag nun bei den Bundesländern, und wenn sich deren Verhandlungen in die Länge zogen, musste ihn das nicht kümmern. Tatsächlich dauerte es mehr als anderthalb Jahre, bis sich die Länder mit einem gemeinsamen Schreiben vom 24. April 1964 wieder beim Bundesverkehrsminister meldeten.82 Zugleich zeigte Seebohms Entscheidung die Grenzen der Planung in der politischen Realität der Wirtschaftswunderjahre. Wissenschaftliche Expertise machte politische Entscheidungen eben doch nicht entbehrlich. Manchmal machte sie Entscheidungen sogar noch schwieriger. Wollten Wissenschaftler überhaupt so viel Macht? »Aufgabe der Wissenschaft ist es nicht, der Wirtschaftspraxis und der Wirtschaftspolitik Entscheidungen abzunehmen«, lautete der erste Satz in Andreas Predöhls Gutachten über die wirtschaftliche Bedeutung des Nord-Süd-Kanals. Ihre Aufgabe war laut Predöhl vielmehr, »die Entscheidung vorzubereiten durch eine sorgfältige Analyse aller Zusammenhänge, damit die Entscheidung im vollen Bewusstsein al-

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ler berechenbaren und unberechenbaren Konsequenzen erfolgt«.83 Andere Experten waren da deutlich muskulöser, wie der zeitgenössische Boom der Zukunftsforschung dokumentierte, aber vielleicht mag das Zitat als Memento dienen, dass sich manche Forscher auch mit einer beschränkteren Rolle abfinden konnten.84 Solche Bescheidenheit war nicht unbedingt eine Charakterfrage. Sie konnte auch einer nüchternen Risikoabwägung entspringen. Es machte sich nicht gut im Lebenslauf, wenn man rosige Verkehrsprognosen erstellte, die dann von einer tristen Realität widerlegt wurden. Berkenkopf hätte sich vermutlich einiges anhören müssen, wenn er in den siebziger Jahren noch gelebt hätte. All dies bedeutet nicht, dass es beim Elbe-Seitenkanal keine übereifrigen Planer gegeben hätte. Ein Hamburger Beamter wollte sogar Volkes Stimme vorausplanen und sammelte deshalb in einem Vermerk »Vorschläge für eine volkstümliche Bezeichnung des Nord-Südkanals«.85 Nach dem Regierungsabkommen von 1965 übernahmen Planer und Bauherren die Regie, die sich ungern in die Karten blicken ließen und damit regelmäßig aneckten.86 Für die Zeit von 1950 bis 1965 spricht jedoch mehr für eine Interdependenz von Politikern und Experten, die in ihrem Ausgang prinzipiell offen war. Im Idealfall konnten sich die jeweiligen Rationalitäten ergänzen und eine effiziente Verwendung von Steuergeldern ermöglichen. In weniger idealen Fällen blockierten sie sich gegenseitig: Experten stützten ein Projekt, obwohl sie zweifelten, und Politiker konnten sich nicht gegen ein Projekt stellen, weil ihnen die Expertenmeinungen fehlten. Im schlimmsten Fall fanden sich Politiker und Experten in einer Abwärtsspirale wieder, die am Ende zu einer Entscheidung führte, die sie nur mit heftigen Bauchschmerzen treffen konnten. Der Elbe-Seitenkanal war ein solcher Fall.

Kapitel 5 Kapitel 5:

Im Räderwerk des Föderalismus

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istorisch ist die Sache eindeutig. Die Kleinstaaterei gehört zu Deutschland, und die umkämpfte Zentralgewalt ist seit dem Mittelalter ein Leitmotiv der deutschen Geschichte. Selbst im zentralistischen Führerstaat der NS -Zeit gab es mit den Gauleitern eine mächtige politische Instanz in den deutschen Regionen.1 Nach 1945 konstituierten sich die Länder vor dem Bundesstaat, und diese Länder drückten dem politischen System ihren Stempel auf. Es waren die westdeutschen Ministerpräsidenten, die 1948 den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee einberiefen, und das Grundgesetz, das der Parlamentarische Rat aus diesen Vorarbeiten entwickelte, schuf ein föderales System mit starken Ländern. Die Gliederung des Bundes in Länder und die Mitwirkung an der Gesetzgebung fanden sogar Eingang in die Ewigkeitsklausel im Artikel 79 Absatz 3 des Grundgesetzes. Ohne Revolution kommt Deutschland aus der Nummer nicht mehr heraus. Die Historie ist freilich auch schon das Einzige, was beim Föderalismus eindeutig ist. Die Unschärfe beginnt bereits bei den territorialen Grenzen. Die Hansestadt Hamburg, die für den Elbe-Sei-

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tenkanal kämpfte, gab es in ihrer bundesdeutschen Gestalt erst seit dem Groß-Hamburg-Gesetz der Nationalsozialisten. Die Hansestadt Lübeck, die einst die Idee eines Nord-Süd-Kanals in die Welt gesetzt hatte, war in der Bundesrepublik eine kreisfreie Stadt im neuen Bundesland Schleswig-Holstein, und das Land Niedersachsen, das der Kanal durchqueren sollte, war ein Zusammenschluss der preußischen Provinz Hannover, der Freistaaten Oldenburg und Braunschweig und des ehemaligen Duodezfürstentums Schaumburg-Lippe. Immerhin wurde nach 1949 nicht mehr um Grenzen gefeilscht, aber dafür umso mehr um die Regeln des bundesstaatlichen Miteinanders. Der Föderalismus ist eine Dauerbaustelle im politischen System der Bundesrepublik. Es ist schon ein wenig paradox. Der Föderalismus war in der Bundesrepublik für die Ewigkeit, aber was das eigentlich bedeutete, änderte sich ständig. Der Rahmen des Verfassungsrechts erwies sich beim Föderalismus als ausgesprochen flexibel, und viel hing davon ab, wie Föderalismus im politischen Alltag gelebt und interpretiert wurde. So relativierte sich in der frühen Bundesrepublik die starke Stellung der Länder, indem sich in den einschlägigen Verhandlungen und in der Literatur ein Trend zur bundesweiten Vereinheitlichung abzeichnete. Nach Gabriele Metzler standen die sechziger Jahre »im Zeichen eines technokratischen Föderalismus, der nicht mehr aus historischen, sondern aus Rationalitäts- und Funktionalitätserwägungen gespeist wurde und in der Tat stärkere unitarische Tendenzen aufwies als sich dies aus dem Grundgesetz ergeben mußte«.2 Die Reformen dieser Zeit begründeten dann einen kooperativen Föderalismus, dessen Magie aber wiederum nur wenige Jahre hielt. Der bundesdeutsche Föderalismus überlebte die parteipolitisch inspirierte Aufteilung in A-Länder und B-Länder, eine wachsende Kluft zwischen boomenden Metropolen und zurückbleibenden Regionen, Blockademanöver mit Blick auf die nächste Bundestagswahl und jüngst die neue Buntscheckigkeit der Koalitionsregierungen in den Ländern. Parallel gibt es seit den siebziger Jahren wissenschaftliche Untersuchungen zur »Politikverflechtungsfalle«, der der bundesdeutsche Föderalismus bis heute nicht entkommen ist.3 Beim Elbe-Seitenkanal schnappte die Verflechtungsfalle 1967 zu, als ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Gesamtarchitek-

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tur des laufenden Planfeststellungsverfahrens erschütterte.4 Davor war es eher die geographische Nähe, die eine Verständigung gebot. Der Elbe-Seitenkanal war ein Hamburger Projekt, das quer durch Niedersachsen gebaut werden sollte und die Interessen von Schleswig-Holstein und Bremen berührte. Diese vier Bundesländer hatten ihre jeweils eigenen Sichtweisen auf den Kanal, und die beiden Flächenländer Niedersachsen und Schleswig-Holstein wiesen auch innerhalb ihrer Grenzen beträchtliche Meinungsverschiedenheiten auf. Zugleich wussten alle vier Bundesländer, dass der Elbe-Seitenkanal nur eines von vielen Themen war, bei denen man sich irgendwie verständigen musste. In einem politischen System, das nicht anders sein konnte als föderal, gab es bei allen Verhandlungen zwischen Bund und Ländern eine unhintergehbare Gewissheit. Man würde sich wiedersehen. Die Beweggründe der Hansestadt Hamburg wurden im dritten Kapitel ausführlich diskutiert. In den Verhandlungen mit anderen Bundesländern waren Motive freilich weniger wichtig als das beträchtliche politische Gewicht des Stadtstaats. Hamburg war reich, und es war seit Langem daran gewöhnt, dass seine handels- und verkehrspolitischen Bedürfnisse von den benachbarten Territorialstaaten respektiert wurden. Als im Februar 1965 ein Vertragsentwurf für den Elbe-Seitenkanal vorlag, sagte der Regierungspräsident Lüneburg, der Text müsse »aus der Sicht des Landes […] als leoninisch bezeichnet« werden, und tatsächlich hatte Hamburg im norddeutschen Raum eine löwenhaft dominierende Stellung.5 Gewiss konnte dieser Löwe seine Nachbarn nicht einfach zerfleischen, das war nach dem Grundgesetz ja nicht erlaubt. Aber er konnte brüllen, und das tat er beim Elbe-Seitenkanal mit stupender Beharrlichkeit. Fast möchte man sagen, dass der Kanal gebaut wurde, weil die Nachbarn das Hamburger Gebrüll irgendwann nicht mehr hören wollten. Bremen fiel in den Verhandlungen hingegen vor allem durch Zurückhaltung auf. Vorbei waren die Zeiten, in denen die Hansestädte gemeinsam für den Hansakanal kämpften und der Bremer Kanalverein den Nord-Süd-Kanal als »eine ausserordentliche Gefahr für Bremen« titulierte.6 Die Stadt musste nicht mehr um den Anschluss an das Binnenschifffahrtsnetz kämpfen, weil die Bauarbeiten an der Mittelweserkanalisierung 1953 wieder aufgenommen und 1960

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vollendet wurden, und Bremen konnte schwerlich dafür plädieren, der großen Schwesterstadt eine vergleichbare Verbindung zu versagen. Natürlich bedeutete der Elbe-Seitenkanal eine Konkurrenz für die Weserhäfen, aber Bremen nahm das nie zum Anlass, gegen die Hamburger Pläne zu intrigieren. Man wusste, was sich unter Geschwistern gehörte. Komplizierter war die Situation in Schleswig-Holstein. Lübecks Hafen litt ebenso wie Hamburg unter dem Eisernen Vorhang, aber Lübeck war noch nicht einmal die größte Stadt in dem neuen Bundesland, und andere Hafenstädte verfolgten ihre eigenen Pläne. 1952 plädierten die Handelskammern Kiel und Flensburg für den Hansakanal, der bei Stade in die Elbe münden sollte. Da empfahlen die Hamburger Aufklärung über die Verhältnisse in der Elbmündung: »Man glaubt dabei offenbar, mit Binnenschiffen die Unterelbe von Brunsbüttelkoog bis Stade befahren zu können, ein Unterfangen, das wegen der rauhen Wasserverhältnisse völlig unmöglich ist.«7 Sechs Jahre später kritisierte die Industrie- und Handelskammer zu Kiel den geplanten Kanal in einem Schreiben an Bundesverkehrsminister Seebohm: »Wir sehen nicht nur mit Sorge die ununterbrochene Anspannung des kaum noch auszubalancierenden westdeutschen Bundeshaushalts durch Grossprojekte aller Art, sondern wir glauben auch, dass die Bundesbahn bei Durchführung eines solchen Nord-Süd-Kanals ernste Volumenverluste wird in Kauf nehmen müssen.«8 Das Lübecker Interesse beschränkte sich zunächst auf den neuen Kanal. Der Nord-Süd-Kanal wurde in den fünfziger Jahren für 1000-Tonnen-Schiffe geplant, die problemlos durch den Elbe-Lübeck-Kanal zur Stadt an der Ostsee weiterfahren konnten.9 Das änderte sich jedoch, als der Elbe-Seitenkanal nach den Empfehlungen der Europäischen Verkehrsministerkonferenz von 1961 für Europaschiffe mit 1350 Tonnen Tragfähigkeit konzipiert wurde. Diese Schiffe passten nicht mehr in den Elbe-Lübeck-Kanal, und deshalb forderte Schleswig-Holstein seither beharrlich, »daß der Elbe-Lübeck-Kanal den Abmessungen des Nord-Süd-Kanals irgendwie angepaßt werden müsse«.10 Anders als das reiche Hamburg konnte sich Schleswig-Holstein allerdings keine Ko-Finanzierung für ein Kanalprojekt leisten, und so kam es zu einer ebenso langlebigen

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wie folgenlosen Diskussion, die sich im Grunde genommen ganz einfach zusammenfassen lässt. Die Freunde des Elbe-Seitenkanals waren prinzipiell für den Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals, hielten die jeweils aktuelle Situation aber mit schöner Regelmäßigkeit für ungünstig und verschoben das Projekt immer wieder in eine ferne Zukunft. Realistisch wurde der Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals erst im neuen Jahrtausend, als sich der Lauenburger CDU -Bundestagsabgeordnete Norbert Brackmann der Sache annahm.11 Aus Hamburger Sicht waren die gemischten Töne aus SchleswigHolstein nicht allzu dramatisch. Lübeck war im 20. Jahrhundert die kleinste der drei Hansestädte, die Hamburg und Bremen schon beim Hansakanal eher der Vollständigkeit halber ins Boot geholt hatten, und nach dem Verlust der Eigenstaatlichkeit war Lübeck kein politischer Faktor von Gewicht mehr. In Hamburg erwartete man von Lübeck und Schleswig-Holstein vor allem, dass sie keine lästigen Querschüsse produzierten, und dieser Wunsch ging im Großen und Ganzen in Erfüllung: »In Schleswig-Holstein gibt es kaum Widerstand gegen den Nordsüdkanal«, notierte ein Hamburger Vermerk.12 Anders waren die Hamburger Erwartungen an Niedersachsen. Dort sollte der Kanal schließlich gebaut werden, und deshalb war man auf das Einvernehmen mit dem südlichen Nachbarland angewiesen. Niedersachsen war jedoch größer und heterogener als Schleswig-Holstein, und das bereitete nicht nur den Hamburgern Schwierigkeiten, sondern auch der niedersächsischen Landesregierung selbst. Das lag vor allen an den niedersächsischen Häfen, denn diese konzentrierten sich in den Jahren des Wirtschaftswunders »auf wenige Massengüter wie Erze und Metallabfälle und Kohlen/ Koks, zu denen mit dem Ausbau Wilhelmshavens noch Ölprodukte kamen«.13 Solche Massengüter waren die Domäne der Binnenschifffahrt, und deshalb lief der Elbe-Seitenkanal für diese Häfen auf eine verschärfte Konkurrenz mit Hamburg hinaus. »Bei einer Verlagerung eines Teils des Verkehrs von der Mittelweser auf den Nord-Süd-Kanal würden neben Bremen und Bremerhaven auch die niedersächsischen Unterweserhäfen in Mitleidenschaft gezogen werden. Auch der Hafen Emden würde durch den Nord-Süd-Kanal betroffen werden«, konstatierte ein Vermerk des niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft und Verkehr 1962.14

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Deshalb forderte die Industrie- und Handelskammer für Ostfriesland und Papenburg 1963, der neue Kanal solle »nicht eher verwirklicht werden, als bis seine volkswirtschaftliche Notwendigkeit klar erwiesen sowie das bestehende Wasserstraßensystem dem Grad seiner Auslastung und den modernen Erfordernissen entsprechend ausgebaut worden ist«.15 Freundlichere Stimmen kamen aus dem Raum Braunschweig, aber die Unterstützung aus dieser Region blieb lauwarm. Als der Präsident des Niedersächsischen Verwaltungsbezirks Braunschweig 1954 eine Denkschrift über den Ausbau der Verkehrswege vorlegte, fehlte der Nord-Süd-Kanal in der Liste der dringlichen Projekte. Der Verfasser war der Ansicht, dass »die […] Gesamtverkehrsplanung auf dem Gebiete des Eisenbahn- und Straßen- und Autobahnausbaues zweifellos vordringlicher als der Bau des Nordsüdkanals« war.16 Der Nord-Süd-Kanal war im Raum Braunschweig nicht unwillkommen, aber im Vergleich mit anderen Verkehrsträgern hatte der Ausbau der Binnenschifffahrt nur nachgeordnete Bedeutung. Aus eigener Initiative wäre Niedersachsen deshalb nie auf die Idee gekommen, den Elbe-Seitenkanal zu bauen. »Es besteht keine Veranlassung, dieses Projekt von seiten des Landes Niedersachsen besonders zu fördern«, erklärte der Niedersächsische Minister für Wirtschaft und Verkehr im Januar 1952.17 Damit hatte man in Hamburg auch kein Problem. »Man könne nicht erwarten, daß Niedersachsen als Promotor für das Nord-Süd-Kanal-Projekt auftrete«, erklärte der Hamburger Bürgermeister Engelhard auf der Mitgliederversammlung des Nord-Süd-Kanal-Vereins im Dezember 1962.18 Viel wichtiger war aus Hamburger Sicht, dass Niedersachsen in dem Kanalprojekt genauso wenig eine konkrete Bedrohung sah wie die anderen Bundesländer. Keine Landesregierung sah einen Grund für gezielte Gegenmaßnahmen, und das hatte eine Konsequenz, die für den bundesdeutschen Föderalismus von kaum zu überschätzender Bedeutung war. Man konnte darüber reden. Der bundesdeutsche Föderalismus war eine Dauerbaustelle, aber er besaß auch eine bemerkenswerte Resilienz. Juristisch und praktisch bot der bundesdeutsche Föderalismus den Landesregierungen vielfältige Möglichkeiten zur Obstruktion, und es ist nicht der geringste Erfolg der bundesdeutschen Demokratie, dass sie ein derart

Die Angst der FDP beim Verhandeln einer Koalition

umständliches System der politischen Entscheidungsfindung über Jahrzehnte hinweg am Leben hielt. Das endlose Verhandeln gehörte zur politischen Kultur der alten Bundesrepublik, und das hätte nur zu leicht in die Sklerose führen können, wenn nicht alle Parteien mit einer gewissen Geschmeidigkeit an den Verhandlungstisch gekommen wären. Über den Elbe-Seitenkanal konnte man genauso reden wie über andere Anliegen, und diese Verhandlungen wurden nicht nur zwischen den Bundesländern mit Leidenschaft geführt. Beim Elbe-Seitenkanal fand eine wichtige Folge von Gesprächen im Herbst 1961 in Bonn statt, und dabei ging es nicht nur um Infrastrukturen. Im Mittelpunkt stand die Bildung einer neuen Bundesregierung.

Die Angst der FDP beim Verhandeln einer Koalition Bei der Bundestagswahl vom 17. September 1961 kam die CDU /CSU auf 45,3 Prozent der Wählerstimmen. Das wäre heute ein fantastisches Ergebnis, aber damals bedeutete es den Verlust der absoluten Mehrheit, und deshalb folgten der Wahl Koalitionsverhandlungen, die zu den turbulentesten der alten Bundesrepublik gerieten. Die FDP wollte Erhard als neuen Bundeskanzler, Adenauer flirtete daraufhin mit der SPD , und so brauchte es einige Winkelzüge und diverse Verrenkungen, bis Christdemokraten und Liberale eine gemeinsame Regierung bilden konnten. »Für viele Abgeordnete beider Seiten war das Bündnis keine Liebesheirat gewesen«, schrieb Eckart Conze.19 Am Ende wurde Adenauer erneut Kanzler, allerdings mit dem Versprechen, im Laufe der Legislaturperiode abzutreten. Außerdem machte ein umstrittenes Kanalprojekt in Norddeutschland einen großen Schritt vorwärts. Die Koalitionsverträge der Gegenwart haben einen Respekt einflößenden Umfang. Der Vertrag für die aktuelle Bundesregierung umfasst zum Beispiel 175 Seiten mit 8335 Zeilen.20 Die Koalitionsvereinbarung von 1961 passte dagegen bequem auf zehn Seiten, und der Abschnitt über »Verkehrspolitik und andere Gebiete« umfasste lediglich fünf Sätze, die noch nicht einmal grammatikalisch vollständig waren. Darin verständigte man sich nicht nur auf

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zusätzliche Mittel für den Straßenbau und die Überprüfung der Wettbewerbsbedingungen, sondern vereinbarte auch den »Ausbau des Binnenwasserstraßennetzes vor allem durch den Bau einer Nord-Süd-Verbindung von der Elbe zum Mittelland-Kanal«.21 Der Elbe-Seitenkanal war das einzige Verkehrsprojekt, das ausdrücklich im Koalitionsvertrag genannt wurde, und es lohnt sich, den Weg zu dieser Klausel zu verfolgen. Man lernt dabei nicht nur etwas über das Innenleben der bundesdeutschen Politik, sondern auch, was es für politische Verantwortung und demokratische Kontrolle bedeutet, wenn Politik zu einer endlosen Serie von Verhandlungen wird. In parlamentarischen Demokratien sind Koalitionsverhandlungen eine schlichte Notwendigkeit. Sie sind der einzige Weg zur Bildung einer stabilen Regierung, wenn mehr als zwei Parteien im Parlament vertreten sind und keine über die absolute Mehrheit der Mandate verfügt. Für die Beteiligten sind Koalitionsverhandlungen hingegen ein veritabler Stresstest. Die Hektik des Wahlkampfs liegt nur ein paar Tage zurück, Wahlversprechen harren der Einlösung, und der Zeitdruck ist groß. Über ein Kanalprojekt kann man jahrelang verhandeln, aber wenn eine Koalition nicht innerhalb weniger Wochen steht, macht sich auf allen Seiten Nervosität breit. Meist sitzen Verhandlungsprofis am Tisch, aber die Kakophonie, die sie in diesen Wochen umgibt, zerrt unvermeidlich an den Nerven. Zur Diskussion steht eine schier endlose Zahl von Themen, Akteuren und Interessen, es geht um Inhalte, Intrigen und den Zugang zur Macht, und außerdem kann man beim ständigen Wechsel zwischen Hinterzimmern und dem Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit leicht ins Schleudern geraten. Bei wachsendem Schlafdefizit müssen plakative Erklärungen ebenso rasch eingeordnet werden wie ein Zucken der Augenbrauen auf der Gegenseite, und Fehler wirken lange nach: Die FDP musste nach 1961 mit dem Stigma leben, dass sie in der Kanzlerfrage umgefallen war.22 Es ist ein wenig wie bei der Lektüre von Peter Handkes Die Angst des Tormanns beim Elfmeter. Es ist eine Menge los, aber man ist sich nie ganz sicher, was eigentlich gerade wichtig ist. Und anders als bei Handke gibt es bei Koalitionsverhandlungen keine Möglichkeit, noch einmal von vorne anzufangen, wenn die Sache unübersichtlich wird. Koalitionsverhandlungen sind große Stunden der Parteiendemo-

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kratie. »Nie war ich mehr davon überzeugt, ein Christdemokrat zu sein, als bei Koalitionsverhandlungen«, schrieb Thomas de Maizière nach drei Jahrzehnten in der bundesdeutschen Politik.23 Manche Vereinbarungen lassen sich deshalb direkt auf die Wünsche einer einzelnen Partei zurückführen, und der Elbe-Seitenkanal war ein solcher Fall. Er war eine Forderung der FDP und dort wiederum des Bundesverkehrsausschusses. Das war ein wenig paradox, denn eigentlich passte ein milliardenschweres Subventionsprojekt nicht zu den Freien Demokraten. An sich war der Bundesverkehrsausschuss für Liberalisierung. »Mehr marktwirtschaftliche und kaufmännische Grundsätze und Erkenntnisse müssen sich auch in der Verkehrspolitik im Rahmen einer Wettbewerbsordnung durchsetzen«, lautete das Bekenntnis im Vorfeld der Bundestagswahl.24 Neben den hehren Prinzipien gab es bei Parteien aber stets Raum für Sekundärinteressen, und der Bundesverkehrsausschuss war da keine Ausnahme. Er hatte ein Herz für die Binnenschifffahrt. Das zeigte die Jahrestagung des Bundesverkehrsausschusses der FDP , die am 29. und 30. April 1960 in Mannheim stattfand. Dort redete unter anderem der Bundestagsabgeordnete Egon Wilhelm Ramms, der laut Protokoll »in einem Situationsbericht der Binnenschiffahrt in eindeutiger Weise die Forderungen des Zentralvereins der deutschen Binnenschiffahrt unterstützte«.25 Dabei dachte Ramms auch an den Kanal nach Hamburg, bei dem er auf eine baldige Entscheidung hoffte. Die bundesdeutschen Binnenschiffer seien in der unglücklichen Situation, dass sie »durch die unglückliche Teilung unseres Vaterlandes immer auf den ›Goodwill‹ von Ulbricht und seinem Regime angewiesen sind, da eine Verbindung von Hamburg und Lübeck zum Industriegebiet bis jetzt nur über die Elbe und den Mittellandkanal gegeben ist, die teilweise unter Kontrolle der Ostzonenbehörden stehen«.26 Ramms war selbständiger Schifffahrtskaufmann aus Wesel am Rhein, und er kannte die Probleme von Gewässern im Osten aus eigener Erfahrung. Während des Zweiten Weltkriegs hatte er im besetzten Polen deutsche Schifffahrtsfirmen an der Weichsel aufgebaut.27 An der Spitze des Bundesverkehrsausschusses sah man den unverhüllten Lobbyismus des Egon Wilhelm Ramms nicht unbedingt als Problem. Das lag auch am Vorsitzenden Willy Max Rademacher,

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der es vor dem Zweiten Weltkrieg vom Lehrling zum Gesellschafter einer Speditionsfirma gebracht hatte. Nach 1945 wechselte Rademacher in die Politik und wurde im ersten deutschen Bundestag Vorsitzender des Verkehrsausschusses. Nach der Bundestagswahl 1953 versuchte Rademacher vergeblich, Seebohm als Bundesverkehrsminister abzulösen.28 1957 übernahm er den Vorsitz des Bundesverkehrsausschusses der FDP , außerdem war Rademacher Mitglied im Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn, Präsident des Bundesverbands Spedition und Lagerei und von 1959 bis 1963 auch Präsident der Internationalen Föderation der Spediteur-Organisationen. Entscheidend für seine Haltung zum Elbe-Seitenkanal war freilich, dass er aus Hamburg kam und von 1946 bis 1958 dem dortigen FDP -Landesverband vorstand.29 Die FDP war in Hamburg seit 1953 Regierungspartei, und sie war im Senat für den Hafen zuständig. 1957 hatte Rademacher auf der Mitgliederversammlung des Nord-Süd-Kanal-Vereins in der Hamburger Börse einen Vortrag gehalten, der mit dem Appell an die Regierungen schloss, »sich im wohlverstandenen eigenen Interesse intensiver als bisher mit dem Projekt eines Nord-Süd-Kanals auseinanderzusetzen«.30 Rademachers Linie war unter den Verkehrspolitikern der FDP nicht unumstritten. Der Arbeitskreis Verkehrspolitik im Wirtschaftspolitischen Ausschuss des FDP -Landesverbandes Niedersachsen kritisierte am 6. Februar 1961, dass seine Stellungnahme zu wenig marktwirtschaftlich ausgefallen sei. Zu den Überarbeitungswünschen gehörte auch ein kritischerer Blick auf neue Kanalprojekte: »Bei der Binnenschiffahrt wird um nähere Angaben über Kosten und Kostentragung gebeten, insbesondere hinsichtlich des umstrittenen Nord-Süd-Kanals im Gegensatz zum Hansa-Kanal.«31 Trotzdem beschloss der Bundesverkehrsausschuss elf Tage später verkehrspolitische Forderungen, in denen die »Sicherstellung ausreichender Investitionsmittel für die Bundeswasserstraßen« postuliert und der Nord-Süd-Kanal als »vorrangig« bezeichnet wurden.32 Auch auf dem Bundesparteitag im März 1961 wurde das Hamburger Kanalprojekt erwähnt. Rademacher fehlte allerdings krankheitsbedingt, und der Bundestagsabgeordnete Otto Eisenmann aus dem schleswig-holsteinischen Itzehoe gab dem Thema seinen eigenen Dreh. Er forderte neben dem Bau des Nord-Süd-Kanals auch den

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Hochrhein-Kanal und die Kanalisierung der Lahn. Außerdem erläuterte er den Delegierten die Grenzen der freidemokratischen Kanaleuphorie. »Die FDP wehrt sich jedoch gegen den Bau unwirtschaftlicher, sogenannter ›politischer Kanäle‹«, erklärte Eisenmann und verwies auf die Moselkanalisierung.33 Die wurde schließlich nicht von Hamburg gewünscht, sondern von Frankreich und der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Es hing bei der FDP offenbar vom Wohnort ab, was ein »politischer Kanal« war. Ob die Delegierten merkten, was da gespielt wurde? Der Bundesparteitag diskutierte bei der Verkehrspolitik vor allem den Straßenverkehr, der für das Gros der Mitglieder zweifellos wichtiger war und für die Wähler erst recht. Die Binnenschifffahrt flog mal wieder unter dem Radar. So konnte eine kleine Gruppe von FDP -Politikern ungestört ihren Kanal propagieren, und das machte sie offenbar so gut, dass der Nord-Süd-Kanal am Ende im Koalitionsvertrag stand. Wer zu dieser Gruppe gehörte, zeigte sich Ende Oktober, als die CDU /CSU eine redaktionelle Überarbeitung des eigentlich schon fertig verhandelten Vertragstextes forderte. Der FDP -Vorsitzende Erich Mende berichtete der Bundestagsfraktion am 25. Oktober über die Änderungswünsche, die insgesamt 16 Punkte umfassten. Punkt 13 betraf das Hamburger Projekt, zu dem die Christdemokraten vorschlugen: »›Bau einer Nord-Südverbindung von der Elbe zum Mittellandkanal‹ fällt weg, da die Angelegenheit dadurch unnötigerweise ein politisches Profil bekommt und ausserdem keine regionalen Bauvorhaben in das Abkommen hineingenommen werden sollten«. Es war der einzige Änderungswunsch, der sofort Widerspruch hervorrief, und das Kurzprotokoll der Sitzung notierte vier Männer, die »Bedenken« äußerten. Es waren Ramms, Eisenmann, der Bremer Karl Löbe, der Vorsitzender des Weserbundes und Vorstandsmitglied der Mittelweser-Aktiengesellschaft war, und Rolf Dahlgrün aus Hamburg. Über ihn wird noch zu reden sein.34 Am Ende der Sitzung lehnte die FDP -Bundestagsfraktion die Änderungswünsche einstimmig ab, und die CDU /CSU verzichtete letztlich auf die redaktionelle Überarbeitung.35 Der Elbe-Seitenkanal stand somit im Koalitionsvertrag, und die Hamburger achteten peinlich darauf, dass das gegebene Versprechen hinreichend gewürdigt wurde. Der Hamburger Bürgermeister Edgar Engelhard for-

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derte Mende zum Beispiel auf, den Nord-Süd-Kanal in der Bundestagsdebatte vom 6. Dezember 1961 zu erwähnen, und als er dies aus taktischen Gründen unterließ, bekam er einen Brief aus Hamburg.36 Als der Bundesverkehrsausschuss der FDP im September 1962 erneut unter dem Vorsitz Rademachers zusammentrat, forderten die Liberalen wiederum »die Sicherstellung ausreichender Investitionsmittel für die Bundeswasserstraßen im Bundeshaushalt […] sowie insbesondere den Ausbau des seit langem geplanten Nord-Süd-Kanals«.37 Vielleicht hatte ja inzwischen jemand vergessen, dass ihnen die Binnenschifffahrt wichtig war. Aber warum ließen sich die Christdemokraten darauf ein, den Kanal in den Koalitionsvertrag aufzunehmen? Die FDP ging nicht nur mit einer »Ausarbeitung der FDP -Mitglieder des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestages« in die Koalitionsverhandlungen, in der der Nord-Süd-Kanal »zu den dringenden Aufgaben« gerechnet wurde, sondern auch mit dem »Beratungsergebnis der Arbeitsgruppe zur Vorbereitung der parlamentarischen Arbeit der FDP im 4. Deutschen Bundestag«, die sich ganz auf die »Überleitung der Verkehrswirtschaft in die Marktwirtschaft« konzentrierte und den Elbe-Seitenkanal genauso wenig erwähnte wie andere Infrastrukturprojekte.38 Danach beginnt die Finsternis. Die Koalitionsverhandlungen begannen am 2. Oktober, und was in den acht Verhandlungsrunden bis zum 20. Oktober besprochen wurde, lässt sich aus den überlieferten Quellen nur in Umrissen rekonstruieren.39 Koalitionsverhandlungen waren Gespräche unter Männern – eine Bundesministerin gab es erst seit 1961 –, und ein Protokoll ist weder im Archiv des Liberalismus noch im Archiv der Konrad-Adenauer-Stiftung überliefert. Die Verhandlungsführer hatten ja auch kein Interesse an einer wortgetreuen Dokumentation. So konnte ihnen niemand nachweisen, dass sie besser hätten verhandeln können. Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie der Nord-Süd-Kanal in den Vertrag kam. Vielleicht wollten die Christdemokraten auf diesem Weg die Hamburger Liberalen für sich gewinnen. In schwierigen Verhandlungen bewirkt ein kleiner Gunsterweis ja manchmal Wunder. Womöglich brachte der Hamburger Bürgermeister Engelhard den Kanal zur Sprache, als er an der sechsten Verhandlungsrunde am 19. Oktober teilnahm.40 Oder es stand einfach in einem Papier

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der Liberalen, und Konrad Adenauer, inzwischen in seinem 86. Lebensjahr, hatte keine Lust, das Thema zu vertiefen. Was war schon ein Kanal, wenn es um die eigene Kanzlerschaft ging. In jedem Fall verbleibt eine Unsicherheit, die sich wohl auch dann nicht ganz auflösen ließe, wenn in den Archiven doch noch ein Wortprotokoll auftauchen würde. Zum erfolgreichen Verhandeln gehörte schließlich auch die Kunst der doppeldeutigen Kommunikation. Als die Verhandlungen am 2. November auf Messers Schneide standen, forderte Rademacher in der Bundestagsfraktion ein Treffen des Hauptausschusses, »aber nicht etwa wegen der Frage Nord-Süd-Kanal, denn das ist im Grunde nebensächlich«.41 Meinte er das tatsächlich so? Oder war das eher ein Signal, dass die Hamburger ihren Kanal nicht vergessen hatten? Oder hielt Rademacher sein Anliegen bewusst in der Schwebe, weil er selbst nicht sicher war, wie hoch er pokern sollte? Es gehört zum Wesen der Demokratie, Klarheit über Intentionen und Motive zu verlangen. Die Logik von Verhandlungen belohnt hingegen eher die Intransparenz: Man kann in aller Regel mehr herausholen, wenn man die Gegenseite über die eigenen Absichten im Unklaren lässt. Die Unklarheit endet auch nicht mit dem Moment der Einigung. Es ist ja durchaus offen, ob man die Verantwortung für die Klausel bei den Hamburger FDP -Politikern lokalisieren sollte oder eher bei einer CDU /CSU , die sich dem Ansinnen hätte verweigern können. Verhandlungen sind auch ein Weg, Komplizen zu schaffen und Verantwortungen diffundieren zu lassen. Es ist nicht die unwichtigste Bürde für eine bundesdeutsche Demokratie, die erst in Verhandlungen so richtig zu sich selbst kommt.

Die lieben Nachbarn Ohne Niedersachsen ging beim Elbe-Seitenkanal nichts, aber davon merkte man zunächst wenig. Die Hamburger Handelskammer berichtete im Juni 1951, das niedersächsische Wirtschaftsministerium wolle »bis auf weiteres eine zurückhaltende Stellung einnehmen«, und daran änderte sich für den Rest des Jahrzehnts nicht viel.42 Es gab ja auch keinen Zwang, Entscheidungen zu treffen. Zunächst

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drehte sich alles um die Gutachten des Kanalvereins und Plates Ostpolitik, danach bettelte Hamburg beim Bund um ein Vorarbeitenamt, und da konnte man in Hannover erst einmal abwarten. Der niedersächsische Ministerpräsident erhielt seinen ersten Sprechzettel über den Kanal im April 1962, als er für einen Besuch nach Hamburg reiste. Tatsächlich sprach Hamburgs Erster Bürgermeister Paul Nevermann das Thema an, wie der Ministerpräsident auf dem Vermerk notierte: »Steht sehr positiv zu dem Projekt!«43 Das war ihm anscheinend neu. Unvermeidlich wurde eine Entscheidung erst, als Bundesverkehrsminister Seebohm die Länder im Oktober 1962 in die Pflicht nahm.44 Die folgenden Verhandlungen zwischen Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein zogen sich bis zum April 1964 hin, was in Hamburg mit beträchtlichem Unmut registriert wurde. Nach dem langen Warten auf Seebohm gab es also gleich die nächste Hängepartie, und das lag an der Landesregierung in Hannover. Es war für Niedersachsen nämlich gar nicht so leicht, zu einer klaren Haltung zu kommen. An sich gab es für Hannover mehr als einen Grund zur Skepsis. Da war zunächst die erwähnte Konkurrenz der Nordseehäfen. Durch den Kanal drohten Massengüter nach Hamburg zu gehen, die bislang über die niedersächsischen Häfen verschifft wurden. Zu den Gegnern des Kanals gehörte auch die Osthannoversche Eisenbahnen AG , die zum Teil im Besitz des Landes war und Einnahmeverluste in der Größenordnung von drei Millionen DM befürchtete.45 Die Befürworter des Kanals musste die Landesregierung hingegen mit der Lupe suchen. Als die Industrie- und Handelskammer Braunschweig 55 Unternehmen ihrer Region nach ihrer Einstellung befragte, erklärten ganze zwei, dass der Nord-Süd-Kanal »von erheblicher Bedeutung sein würde«. Etwa die Hälfte der Firmen erklärte ein »gewisses« oder »mögliches« Interesse, aber deren Frachtvolumen belief sich lediglich auf 250 000 Tonnen. Damit bekam man den Kanal gewiss nicht voll.46 Die beiden Firmen waren die Salzgitter AG und die Ilseder Hütte AG . Der Salzgitteraner Erzbergbau überschritt Anfang der sechziger Jahre seinen Zenit, und deshalb waren die beiden Stahlkonzerne an Erzimporten über den Elbe-Seitenkanal interessiert.47 Der Stadtrat

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von Salzgitter sprach sich im Januar 1964 einstimmig für den Kanal aus, und die Verkehrsbetriebe Salzgitter, eine Tochter der Salzgitter AG , bezeichneten den Kanal gar »als lebensnotwendig für unser Gebiet«.48 Aber wer genau hinhörte, konnte auch andere Töne vernehmen. Im Dezember 1962 besuchte ein Beamter des niedersächsischen Wirtschaftsministeriums die Mitgliederversammlung des Nordsüdkanal-Vereins und kam danach mit dem Geschäftsführer der Verkehrsbetriebe Salzgitter ins Gespräch. Dieser erklärte unverblümt, dass es ihm »darauf ankomme, in den Genuß von billigen Frachten für die Erzeinfuhren zu kommen«. Günstige Frachttarife gäbe es jedoch nur mit dem fertigen Kanal, »weil die Bestimmungen der Montan-Union es ausschlössen, daß die Bundesbahn von sich aus billigere Frachten anbiete. Wenn dies möglich wäre, würden die Salzgitterwerke auf den neuen Kanal verzichten können.«49 Das vertrauliche Gespräch war eine der verpassten Gelegenheiten in der Geschichte des Elbe-Seitenkanals. 1970 fusionierten die Ilseder Hütte und Salzgitter zur Stahlwerke Peine-Salzgitter AG , und dieser Konzern nutzte den Kanal in den folgenden Jahren, um einen günstigen Vertrag mit der Bundesbahn auszuhandeln. Die Erzimporte gingen deshalb zum Großteil über die Schiene und nicht etwa über die neue Wasserstraße.50 Das Debakel begann sich abzuzeichnen, aber nach Lage der Akten hat die Landesregierung noch nicht einmal versucht, darüber mit Salzgitter ins Gespräch zu kommen. Das lag wohl nicht nur daran, dass Salzgitter eine Macht im Lande war.51 Seit Seebohms Entscheidung ging es ja auch um den Mittellandkanal, dessen Ausbau im niedersächsischen Interesse lag, und dann war da noch die Rücksicht auf die lieben Nachbarn. Hamburg war die reichste Stadt in Deutschlands Norden, sein Speckgürtel reichte in die nordöstlichen Landesteile, und auf Dauer konnte es sich das finanzschwache Niedersachsen nicht leisten, die Hansestadt zu vergrätzen. Wenn Hamburg den Kanal unbedingt wollte, musste es halt sein. Als Vertreter aus Hamburg und Schleswig-Holstein im Februar 1963 nach Hannover kamen, signalisierte die Landesregierung, dass die Sache auf einem guten Weg war. Wirtschaftsminister Carlo Graaff habe sich »wiederholt positiv zu dem Vorhaben geäußert«, und auch im Finanzministerium sah es gut aus: »Der Herr Finanz-

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minister Ahrens sei aus seiner Tätigkeit vor dem Kriege mit dem Raum Salzgitter besonders verbunden.«52 Aber drei Monate später war Landtagswahl, und der neue Finanzminister hieß Jan Eilers. Der kam aus Oldenburg, und regionale Loyalitäten waren in Niedersachsen nicht weniger wichtig als in den übrigen Flächenländern. Außerdem war der Elbe-Seitenkanal für den neuen Finanzminister eine gute Gelegenheit, sich bei den Kollegen Respekt zu verschaffen. Eilers musste ja nur die Unterlagen aus dem Wirtschaftsressort studieren, um seine Ablehnung des Projekts zu begründen. »Nach Ihrer Kabinettsvorlage steht fest, daß der Bau des Nord-Süd-Kanals unter dem Gesichtspunkt lediglich der technischen Bewältigung der zu erwartenden Beförderungsmengen jedenfalls nicht erforderlich wäre«, ließ er den Wirtschaftsminister wissen. Außerdem nahte eine umfassende Neuregelung der bundesdeutschen Finanzverfassung, die schließlich 1969 verabschiedet wurde, und mit Blick auf diese Verhandlungen warnte Eilers, »daß es dem Bestreben des Landes Niedersachsen, zu einer klaren Abgrenzung der Zuständigkeit von Bund und Ländern zu gelangen, zuwiderläuft, wenn sich das Land im gegenwärtigen Augenblick dahin entscheiden will, sich erneut an Maßnahmen zu beteiligen, die eindeutig in die Zuständigkeit und Finanzverantwortung des Bundes fallen«.53 So ging der Kanal vorerst nicht ins Kabinett, und damit herrschte wieder einmal Stillstand. Über mehr als neun Monate schob die niedersächsische Landesregierung die Entscheidung vor sich her, und als sie schließlich im April 1964 ihr Plazet gab, hatte das Votum einen resignativen Zug. »Niedersachsen sollte sich daher nicht gegen das Projekt aussprechen«, hieß es in der Kabinettsvorlage des Wirtschaftsministeriums.54 Das Schreiben, das daraufhin mit Datum vom 24. April 1964 an Seebohm ging, lieferte dem Bundesverkehrsminister freilich nicht die erwünschte Klarheit. Es ließ nur zu deutlich erkennen, dass es von drei Bundesländern mit divergierenden Interessen verfasst worden war. Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein erklärten ihre jeweiligen Prioritäten, und einer der Vorschläge lief den Vorgaben des Bundesverkehrsministeriums sogar direkt zuwider. Weil Niedersachsen nicht über die nötigen Mittel verfügte, sollte der westliche Teil des Mittellandkanals vollständig auf Kosten des Bun-

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des ausgebaut werden.55 So hätte das gemeinsame Schreiben wohl wiederum zu langen Verhandlungen geführt, wenn nicht der Bundesfinanzminister die Initiative ergriffen hätte. Das war nach dem bisherigen Verlauf eigentlich unwahrscheinlich, denn in den vorigen 14 Jahren hatte das Finanzministerium stets zu den Bremsern gehört. Aber die Spiegel-Affäre vom Herbst 1962 hatte zu einer Umbildung des Bundeskabinetts geführt, und deshalb gab es nun einen neuen Finanzminister, der seinen eigenen Blick auf die Kanalfrage hatte. Sein Name war Rolf Dahlgrün. Am 25. Oktober 1961 hatte Dahlgrün in der FDP -Bundestagsfraktion seine Stimme erhoben, als er hörte, dass die Christdemokraten den Nord-Süd-Kanal aus dem Koalitionsvertrag streichen wollten.56 Nun war der Hamburger Abgeordnete Bundesminister der Finanzen, und in dieser Eigenschaft erklärte er mit Schreiben vom 24. August 1964, »daß angesichts der unterschiedlichen Interessenlage und Finanzkraft der einzelnen Länder der notwendige sachliche und technische Zusammenhang eines Ausbaues des norddeutschen Kanalsystems nicht in dem wünschenswerten Ausmaß durchgesetzt werden kann«.57 Deshalb entwickelte Dahlgrün gegenüber seinem Kabinettskollegen Seebohm einen konkreten Vorschlag. Der Bund sollte den Mittellandkanal auf eigene Kosten ausbauen, beim NordSüd-Kanal sollten Hamburg und der Bund die Kosten paritätisch übernehmen, und der Elbe-Lübeck-Kanal sollte erst einmal zurückgestellt werden. Nun ging es plötzlich ganz schnell. Am Vormittag des 9. September verständigten sich Finanz- und Verkehrsministerium über den Vorschlag, am Nachmittag wurden die Länder informiert, und ein Arbeitsausschuss kümmerte sich um die Details, die dann am 1. Dezember 1964 in einer Chefbesprechung festgeklopft wurden. Damit stand die Finanzierung, nur der zeitliche Rahmen blieb unbestimmt. Dahlgrün erwähnte »die neuestens den Bundeshaushalt treffenden Belastungen« und meinte, dass die Bauarbeiten deshalb eher 1985 als 1980 abgeschlossen würden, aber Seebohm war optimistischer: »Es sei denkbar, daß die Finanzierung der Bauten eines Tages durch eine günstige Lage des Kreditmarktes erleichtert und dadurch eine Beschleunigung des Baufortgangs ermöglicht werde.«58 Planung war in den sechziger Jahren en vogue, aber manchmal musste man halt mit heißer Nadel stricken.

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Das neue Tempo war intern nicht unumstritten. »Es muß entschieden abgelehnt werden, Entscheidungen von derart weittragender finanzieller Bedeutung so kurzfristig zu erörtern und am  gleichen Tage Verhandlungen mit den Ländern anzusetzen«, hieß es in einem Vermerk des Finanzministeriums.59 Aber für die Hamburger FDP -Politiker, die 1961 bei den Koalitionsverhandlungen so erfolgreich taktiert hatten, lief langsam die Zeit ab. Koalitionsverträge erlöschen mit dem Ende einer Legislaturperiode, die nächste Bundestagswahl fand im September 1965 statt, und jeder Politiker wusste von »der finanziellen Aschermittwochsstimmung nach den Wahlen«.60 Außerdem standen in Niedersachsen am 27. September 1964 Kommunalwahlen an, und das interessierte besonders Seebohm, der in diesem Jahr den Vorsitz des CDU -Landesverbands Hannover übernommen hatte. Im Apparat des Finanzministeriums nahm man es mit Befremden zur Kenntnis. Der zitierte Vermerk konstatierte, »daß der Ausbau der gesamten nordwestdeutschen Wasserstraßen, der alle Küstenländer betrifft, kein Objekt für politische Erörterungen anläßlich der Kommunalwahlen darstellt«.61 So wurden nun Probleme, in die man sich unter anderen Umständen wohl monatelang verbissen hätte, in rekordverdächtiger Geschwindigkeit aus dem Weg geräumt. Hamburg bekam frühzeitig Wind von dem Vorschlag, die Hälfte der Baukosten zu übernehmen, Bürgermeister Engelhard schickte ein Telegramm an seinen Parteifreund Dahlgrün, in dem er seiner »grossen bestuerzung« Ausdruck verlieh, und die Idee verschwand genauso schnell, wie sie aufgetaucht war.62 Schleswig-Holstein brachte immer wieder den Elbe-Lübeck-Kanal ins Spiel, und es bedurfte vieler freundlicher Worte, um dieses Projekt in eine unbestimmte Zukunft zu verschieben. Für juristische Spitzfindigkeiten war erst recht keine Zeit mehr. Dahlgrün akzeptierte die Gründung neuer Kanalbaugesellschaften, die er im August noch abgelehnt hatte, und den verfassungsrechtlichen Problemen einer gemeinsamen Finanzierung durch Bund und Länder begegnete man mit ausgeprägter Lockerheit. Ein Düsseldorfer Ministerialdirigent legte 1965 im Internationalen Archiv für Verkehrswesen dar, dass »Finanzzuweisungen der Länder für einen bestimmten Haushaltstitel des Bundes […] verfassungsrechtlich be-

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So sah die Deutsche Verkehrs-Zeitung im Oktober 1964 das gerade erzielte Einvernehmen zwischen Hamburg und Niedersachsen. (Deutsche Verkehrs-Zeitung Jg. 18 Nr. 122 [10. Oktober 1964], S. 1.)

denklich« seien, aber musste man sich da wirklich Sorgen machen, solange niemand mit Klage drohte?63 Wer beim Föderalismus zu lange ins Grundgesetz schaute, verlor nur zu leicht die nötige Flexibilität für die nächste Verhandlungsrunde. Mit diesem Schwung gingen die Verantwortlichen auch an die Frage, wie der neue Kanal eigentlich heißen sollte. Bis dahin hatte man vom »Nord-Süd-Kanal« gesprochen, aber das war geographisch nur aus Hamburger Sicht plausibel – was allerdings jahrelang niemanden gestört hatte. Im März 1965 verständigte sich der Bundesverkehrsminister mit der Hansestadt Hamburg auf den Namen »Elbe-Seitenkanal«, der seither als offizielle Bezeichnung dient.64 Die »Vorschläge für eine volkstümliche Bezeichnung des Nord-Südkanals«, die ein Hamburger Beamter 1962 zusammengestellt hatte, verstaubten hingegen gnädig in einer Akte, ein mahnendes Dokument der expertokratischen Exzesse jener Zeit. Vorschläge wie »blaues Band der Lüneburger Heide«, »Silbernerv« oder »nasse Straße« erinnerten unwillkürlich an ein Behördenkabuff, das mal dringend gelüftet werden musste.65 Tatsächlich sprach das Volk spä-

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ter vom »Heide-Suez«. Aber da schwang schon die Katerstimmung der siebziger Jahre mit. Am Ende wurde es noch einmal spannend, denn der Regierungspräsident Lüneburg forderte vertragliche Garantien für die Belastungen, die mit dem Großprojekt auf den Bezirk und seine Menschen zukamen. Vielleicht verbarg sich dahinter auch ein Versuch der Niedersachsen, das Projekt auf den letzten Metern doch noch zu Fall zu bringen? Das niedersächsische Kabinett verabschiedete das Gesamtpaket erst Mitte August 1965, die Verträge über den Ausbau des norddeutschen Kanalnetzes wurden am 14. September in Hannover unterzeichnet, und fünf Tage später war Bundestagswahl. Danach erholte sich Seebohm ein paar Tage von den Strapazen des Wahlkampfs und rief vom Schlosshotel Bühlerhöhe im Nordschwarzwald beim Ministerium an, um »seinen besonderen Dank für den terminmäßigen Abschluß der Regierungsabkommen über den Ausbau des nordwestdeutschen Wasserstraßennetzes allen beteiligten Referenten zu übermitteln«.66 Nach 15 Jahren war die Kuh endlich vom Eis. Aber wer hatte eigentlich gewonnen?

Tauschgeschäfte Die Genese des Elbe-Seitenkanals war gewiss kein Triumphzug. Über anderthalb Jahrzehnte quälte sich das Projekt um eine Slalomstange nach der anderen herum, und mehr als einmal war es knapp. Es gab einen skeptischen Bundesverkehrsminister, einen Hamburger Senator, der lieber von der Kanalisierung der Elbe träumte, eine Bundesbahn, die mit Sondertarifen lockte, den Widerstand der niedersächsischen Nordseehäfen und der Osthannoverschen Eisenbahnen AG , eine christdemokratische Bundespartei, die den Nord-Süd-Kanal am liebsten aus dem Koalitionsvertrag gestrichen hätte, einen niedersächsischen Finanzminister aus Oldenburg, skeptische Handelskammern in Kiel und Flensburg und ein Bundesland Schleswig-Holstein, das immer wieder den Elbe-Lübeck-Kanal ins Spiel brachte. Hinzu kam ständiger Gegenwind aus dem Bundesfinanzministerium, bis Dahlgrün an die Spitze des Hauses rückte. Der Elbe-Seitenkanal hatte eine wahrhaft formidable Zahl von Geg-

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nern, und irgendwie schlüpfte das Projekt immer wieder durch. Zwischendurch krachte es auch mal heftig, aber letztlich blieb alles im Rahmen der bundesdeutschen Zivilität, und am Ende half das Kairos des günstigen Moments: ein neuer Finanzminister, eine nahende Bundestagswahl und eine Konjunktur, die erst 1966/67 ihre erste Wachstumsdelle erlebte. So wurde der Kanal entgegen aller Wahrscheinlichkeit tatsächlich gebaut. Glück gehabt. Man kann den Akzent aber auch anders setzen. Der Stadtstaat Hamburg war eine Macht im Norden, und er kämpfte nicht nur auf den amtlichen Wegen für das Projekt. Die Hansestadt hatte ausgebuffte Presseleute, sie ließ parteipolitische Verbindungen spielen, und auch sonst nutzte sie jedes nur erdenkliche Mittel, um Druck auf die zahlreichen Gegner in Bonn und den Nachbarländern auszuüben. Im Kampf um den Kanal war Hamburg schier unermüdlich, und das wussten auch die Minister in Bonn und Hannover. Sie konnten das Projekt blockieren und taten dies auch für einige Zeit, aber irgendwann winkten sie das Projekt lieber durch und schauten, was sich dabei herausholen ließ. Es lohnte sich einfach nicht, aus Prinzip gegen das Projekt zu sein. Im Krieg konnte man mit erbitterter Gegenwehr Orden gewinnen, aber im bundesdeutschen Föderalismus war man mit einer solchen Haltung einfach nur ein Idiot. Der Nutzen des Kanals war dabei von nachrangiger Bedeutung. Es waren die Tauschgeschäfte, die den bundesdeutschen Föderalismus am Leben hielten, und deshalb ging es bei den Gesprächen mit Hamburg immer wieder darum, was die Hanseaten im Gegenzug bieten konnten. Als zum Beispiel der bayerische Wirtschaftsminister Otto Schedl im Mai 1962 nach Hamburg kam, gab Bürgermeister Engelhard »zu erkennen, daß bei der Weiterführung der Kanalverbindung bis Nürnberg (ohnehin schon im Bau) Hamburg sicherlich Bayern keine Schwierigkeiten machen werde«.67 Das Denken in Reziprozitäten prägte die Hamburger Politik bis hin zur Reaktion auf ein Schreiben der Arbeitsgemeinschaft zum Schutz von Hochrhein und Bodensee, die gegen den Ausbau des Hochrheins kämpfte und den Senat der Hansestadt Hamburg 1961 um Unterstützung bat. An sich lief der Ausbau der Rheinverbindung den Hamburger Interessen zuwider, aber ein Vermerk des Senats gab zu bedenken, »daß der Landtag von Baden-Württemberg einstimmig beschlossen hat,

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den Hochrhein zur Bundeswasserstraße auszubauen. Bei späteren Finanzierungswünschen Hamburgs wäre bei einer Ablehnung der Forderung Baden-Württembergs sicher mit Schwierigkeiten durch Baden-Württemberg zu rechnen.«68 »Der Abschluß der Regierungsabkommen über den Ausbau der nordwestdeutschen Wasserstraßen beweist einmal mehr die Funktionsfähigkeit der föderalen Gliederung der Bundesrepublik Deutschland«, erklärte der Hamburger Bürgermeister Engelhard, als das Regierungsabkommen am 14. September 1965 unterzeichnet wurde.69 Als drei Jahre später der erste Spatenstich anstand, formulierte der niedersächsische Ministerpräsident die komplementäre Sicht seines Bundeslandes: Er bat »zu würdigen, daß Niedersachsen mit der Unterzeichnung der Regierungsabkommen von 1965 vor allem einen großen Beitrag zur Solidarität der Küstenländer zu erbringen helfen möchte!«70 Im bundesdeutschen Föderalismus verhandelte man in Permanenz, und wer den lieben Nachbarn einen Gefallen tat, erwartete eine Gegenleistung bei nächster Gelegenheit. Das kostete Geld und Nerven und eine Menge Lebenszeit unter Politikern und Spitzenbeamten, aber es ging nicht anders. Man könnte es das Überlebensprinzip des deutschen Föderalismus nennen. Irgendwie musste es halt gehen. Hamburg bekam seinen Kanal, aber er hatte seinen Preis. Er bestand nicht nur in einem Zuschuss, der am Ende die Schwelle von einer halben Milliarde DM überschritt, sondern auch in einer Schuld gegenüber den Nachbarländern, die diese bei passender Gelegenheit eintreiben würden. Die Höhe dieser Gegenleistungen hing letztlich an der Opportunität und am Verhandlungsgeschick der anderen Bundesländer, und deshalb muss es am Ende unklar bleiben, wer beim Elbe-Seitenkanal eigentlich zu den Gewinnern zählte. Klar ist nur, was am Ende des fröhlichen Geschachers verloren ging. Das war die politische Verantwortung. Als Bundesverkehrsministers Volker Hauff Anfang der achtziger Jahre gegen den Rhein-Main-Donau-Kanal kämpfte, prägte er das Bonmot, es handele sich um »das dümmste Bauwerk seit dem Turmbau zu Babel«.71 Im bundesdeutschen Föderalismus war das freilich kein Totschlagargument. Wenn Hamburg eine Wasserstraße bekam, die zu einer Fehlinvestition von biblischen Ausmaßen ge-

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riet, hatten die anderen Bundesländer dann nicht auch das Recht auf einen Turmbau à la Babel? Im Räderwerk des Föderalismus lösten sich Fragen nach Sinn und Nutzen in ständigen Kompromissen auf, und am Ende gab es keine Verantwortlichen mehr, aber dafür jede Menge Komplizen. Nach langen Verhandlungen gerät die Zuweisung individueller Verantwortung zu einem Akt der Willkür. Wer möchte, kann die Schuld problemlos auf Bayern schieben, denn der Rhein-Main-Donau-Kanal des Freistaats schuf einen kostenträchtigen Präzedenzfall, auf den die Kanalfreunde in anderen Bundesländern gerne verwiesen.72 Der Fantasie sind bei diesem Spiel kaum Grenzen gesetzt, zumal sich Kausalketten bei Bedarf auch um die Ecke flechten lassen. Das ungestüme Temperament des CSU -Vorsitzenden Franz Josef Strauß führte 1962 zur Spiegel-Affäre, die im Rücktritt der FDP -Minister kulminierte, was wiederum Dahlgrün ermöglichte, im neuen Kabinett das Finanzministerium zu ergattern, und so konnte dieser Minister Dahlgrün im Sommer 1964 den Befreiungsschlag initiieren, durch den der Kanal doch noch vor der Bundestagswahl in trockene Tücher kam. War also Strauß an allem schuld? Als sich Seebohm von der Bühlerhöhe meldete, enthielt der Dank auch eine Anspielung auf den Charakter des gemeinen Niedersachsen. Wieder einmal habe sich gezeigt, »daß es ein anerkanntes Merkmal des Landvolkes sei, sich nicht durch irgendwie inszenierte Zwischenwürfe irritieren zu lassen«.73 Ähnlich zog sich der Hamburger Senator für Wirtschaft und Verkehr Helmuth Kern aus der Affäre, als er 1975 eine Festrede zur Eröffnung des Lüneburger Kanalhafens hielt. Er begann mit einer Plauderei über die Rivalität zwischen Hamburg und seinem Umland seit den Zeiten der mittelalterlichen Hanse.74 Folklore ging immer, wenn es um die deutschen Länder ging, aber vielleicht war das ja auch ein Weg, von einer tristeren Realität abzulenken. Der deutsche Föderalismus war nicht nur eine muntere Ansammlung von Temperamenten und Talenten, sondern auch ein Dickicht von Verhandlungen, aber darüber breitete man am besten den Mantel des Schweigens. Man konnte halt niemandem erklären, wie es in Wirklichkeit war.

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eim Elbe-Seitenkanal hing letztlich alles vom Standort des Betrachters ab. Wer von Hamburg aus auf das Projekt schaute, der sah einen Nord-Süd-Kanal, mit dem die Hansestadt Zugang zum bundesdeutschen Kanalnetz bekommen konnte. Die Manager der Stahlwerke in Salzgitter und Peine erkannten einen neuen Transportweg, mit dem sie bei der Bundesbahn Rabatte herausschlagen konnten. Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung sah einen neuen Wasserweg und damit eine Erweiterung ihres Arbeitsfeldes, und die Bauern sahen Bauherren mit viel Geld, die eine Menge wertvolles Ackerland brauchten. Wer freilich aus Bonn auf die geplante Trasse schaute, der sah noch etwas anderes. Die blaue Linie verlief entlang der innerdeutschen Grenze. Infrastrukturen sind nie unpolitisch, aber beim Elbe-Seitenkanal waren die politischen Obertöne besonders laut und zugleich besonders dissonant. Die geographische Lage machte das Kanalprojekt zu einem Spielball der Deutschlandpolitik, und die war eine der kompliziertesten und widersprüchlichsten Sphären des Politischen, die die alte Bundesrepublik zu bieten hatte. Ganz verschiedene Dimen-

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sionen und Rationalitätskalküle verbanden sich zu einem unentwirrbaren Knäuel, und so spielte die Geschichte des Elbe-Seitenkanals im geteilten Deutschland auf unterschiedlichen Ebenen. Es gab die großen Bekenntnisse, die pragmatischen Erfordernisse des Interzonenhandels, die Strukturpolitik im Zonenrandgebiet und die militärischen Implikationen, und jede dieser Ebenen lief auf ganz unterschiedliche Verhaltensweisen und Forderungen hinaus. Letztlich passte das alles überhaupt nicht zusammen, aber Zweckrationalität war in der Deutschlandpolitik nun einmal eine sehr relative Sache. Am einfachsten war Deutschlandpolitik auf der Ebene der Prinzipien. Bundesdeutsche Politiker waren in ihrer überwältigenden Mehrheit für die Wiedervereinigung, so wie es die Präambel des Grundgesetzes gebot: »Das gesamte Deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.« Von dieser Warte aus wirkte es zwangsläufig problematisch, wenn man im Westen einen Kanal baute, der eine Alternative zu einem ostdeutschen Fluss bot. Für Bundesverkehrsminister Seebohm war dies wohl der entscheidende Grund, warum er das Projekt zunächst strikt ablehnte. »Ich weiss, dass in der mitteldeutschen Bevölkerung die Haltung der deutschen Regierung zum Bau des Nord-Süd-Kanals sehr sorgfältig beobachtet wird und dass man eine positive Einstellung zum Bau des Kanals in weiten Kreisen der Bevölkerung glaubt, als Zeichen dafür werten zu können, als ob mit einer Wiedervereinigung in absehbaren Jahrzehnten nicht gerechnet werden könne«, schrieb Seebohm 1957 an Bundesaußenminister Heinrich von Brentano.1 Im niedersächsischen Landtag erklärte der Minister für Wirtschaft und Verkehr 1954, die Beratungen über den Kanal könnten »so lange nicht abgeschlossen werden, solange die Teilung Deutschlands andauert und nicht feststeht, welche Rolle die Elbe nach der Wiedervereinigung im Netz der deutschen Wasserstraßen spielen wird«. »Sehr gut«, rief da ein Abgeordneter des Bundes der Heimatvertriebenen und Entrechteten.2 Hamburg hielt selbstverständlich dagegen und wies schon früh darauf hin, »daß die Elbe technisch und geographisch niemals das bieten könne, was von dem neuen Kanal erhofft wird«.3 Verkehrstechnische Argumente waren allerdings hoffnungslos unterlegen, wenn es um die große politische Symbolik ging. Ein gestandener

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Deutschlandpolitiker musste die geplante Trasse nur auf der Karte sehen, um zu der Ansicht zu gelangen, dass so etwas gar nicht ging. Selbst die Abteilung Binnenschiffahrt des Bundesverkehrsministeriums, die jeder Kanalfeindschaft unverdächtig war, gab 1953 zu bedenken, dass »schwerwiegende politische Gründe« gegen das Projekt vorlägen: »Für die Hamburger Auffassung, dass dieser Kanal nicht gegen die Elbe gerichtet sei, könne bei einer breiteren Öffentlichkeit, insbesondere jenseits des ›Eisernen Vorhangs‹, kaum Verständnis gewonnen werden.«4 Manchmal drängt sich der Eindruck auf, dass auch wortgewaltige Vorkämpfer der Wiedervereinigung insgeheim wussten, dass es lediglich um politisches Theater ging. Seebohm erklärte 1957 in Hamburg, er bekämpfe den Kanal »z. Zt. aus politisch-optischen Gründen«.5 So kam man in Hamburg auf die Idee, das Spiel mit der politischen Symbolik einfach umzudrehen. Konnte man den Kanal nicht auch als eine vorausschauende Investition verkaufen, mit der schon einmal die infrastrukturellen Voraussetzungen für den Tag der Wiedervereinigung geschaffen wurden? »Der Nord-Süd-Kanal als Elbe-Seiten-Kanal ist eine gesamtdeutsche Verkehrsaufgabe und wird seine volle Wirksamkeit erst recht in einem wiedervereinigten Deutschland entfalten«, schrieb Mühlradts Strom- und Hafenbau 1952 in einem Vermerk.6 Auch die Abteilung Seeverkehr des Bundesverkehrsministeriums argumentierte auf dieser Linie: »Der Nord-Süd-Kanal wäre nach meiner Auffassung das einzige und wohl wirksamste Mittel, um den Bestrebungen des Ostblocks auf Ausschaltung von Hamburg und Lübeck mit Erfolg entgegenzuwirken.«7 Besonders flexibel zeigte sich die Hansestadt in einem Brief an Berkenkopf vom Dezember 1960. Sie spekulierte, »daß das Elbe-Substrat sich außerordentlich erhöhen wird im Zusammenhang mit dem steigenden West-Außenhandel der mitteleuropäischen Volkswirtschaften und vor allen Dingen natürlich bei der Wiedervereinigung Deutschlands«, um sogleich anzufügen, dass der Kanal auch »bei einer Verewigung der deutschen Spaltung und einer fortschreitenden politischen, aber auch wirtschaftlichen ›Abkapselung‹ gegeneinander« gebraucht würde.8 Mit Blick auf die politische Großwetterlage liegt die Vermutung nahe, dass dieses Argument nach dem Bau der Berliner Mauer 1961

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an Bedeutung verlor. Tatsächlich änderte sich die Stimmung schon ein paar Jahre früher. Der FDP -Politiker Willy Max Rademacher erklärte 1957, die deutschlandpolitischen Empfindlichkeiten seien »das bisher wichtigste Gegenargument«, aber da begann das Argument bereits zu verblassen.9 Das zeigte sich am besten am Kurswechsel Seebohms, der ungefähr in die Monate um den Jahreswechsel 1957/58 fiel. Ein überzeugter Befürworter wurde er zwar nie, aber seither konnte man mit ihm zumindest über das Projekt reden.10 Anscheinend gewöhnte man sich irgendwann an die blaue Linie in der Nähe der Zonengrenze, und das emsige Werben der Hamburger tat ein Übriges. Nur verbal blieb die Wiedervereinigung Teil des Spiels, aber das gehörte sich in der Bundesrepublik ja auch so: Rhetorik und Realpolitik drifteten in der Deutschlandpolitik schon in den fünfziger Jahren auseinander. Jedem nüchternen Beobachter war klar, dass die deutsche Einheit nicht nur am bundesdeutschen Wünschen und Wollen hing. Besonders deutlich wurde dies, wenn emphatische Bekenntnisse durch Ereignisse der großen Politik konterkariert wurden. Ein Hamburger Baudirektor erklärte in einem Aufsatz vom Mai 1961, dass der Kanal »eine Vorleistung für die Zeit nach der Wiedervereinigung ist«.11 Im August baute Ostberlin die Mauer.

Am Eisernen Vorhang ganz unten Weniger luftig als die Bekenntnisse zur Wiedervereinigung waren die Erfordernisse des Interzonenhandels, der auch auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs ein nicht zu unterschätzender Faktor war. Die Ostblockländer hatten Devisenprobleme, und sie strebten über den Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe nach Unabhängigkeit vom Westen, aber damit kamen sie nur bis zu einem bestimmten Punkt. »Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, daß sich das Ziel einer Ausschaltung Hamburgs nicht immer verwirklichen läßt«, konstatierte ein Vermerk des Bundesverkehrsministeriums 1962.12 Im Hamburger Hafen gab es schon seit Kaisers Zeiten den Moldauhafen, der von der Tschechoslowakei auch in der Zeit des Kalten Krieges ohne großes Aufheben weiterbetrieben wurde.13 Ein Hamburger Vermerk, der im August 1964 zur Vorbereitung auf ein Gespräch

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mit der Industrie- und Handelskammer Berlin angefertigt wurde, behauptete sogar, die Tschechoslowakei habe »mehrfach ihr Interesse am Bau des Nordsüdkanals geäußert«, aber das war selbst den Hanseaten etwas zu euphorisch. Der Satz wurde intern mit rotem Stift angestrichen und kommentiert: »nein«.14 Als der Elbe-Seitenkanal fertig war, gab es jedoch ein Problem, das sich mit baulichen Mitteln nicht bewältigen ließ. »Gegenwärtig dürfen Schiffe der CSSR den Elbe-Seitenkanal nicht befahren. Das wird erst dann möglich sein, wenn das deutsch-tschechoslowakische Binnenschiffahrtsabkommen unterzeichnet ist«, konstatierte ein Vermerk vom Juni 1976.15 Dieses Abkommen ließ freilich auf sich warten, und das lag an den üblichen Problemen von Ost-West-Verhandlungen und der ihnen eigenen Geschwindigkeit. »Die Verhandlungen mit der CSSR stecken jedoch wegen der strittigen Punkte ›Berlin-Klausel‹ und ›Main-Donau-Kanal‹ (nationale oder internationale Wasserstraße?) seit langem in einer Sackgasse«, hieß es 1985.16 Unterzeichnet wurde der Vertrag schließlich 1988, und in Kraft trat das Abkommen dann am 4. Mai 1990. Da war der Kalte Krieg bereits Geschichte.17 Für den Verkehr auf der Elbe gab es auch keinen internationalen Vertrag, sondern lediglich das, was Juristen als »Völkergewohnheitsrecht« bezeichneten.18 Das war im Grunde genommen ein anderes Wort für einen rechtlosen Zustand. Die deutschen Staaten kamen stillschweigend überein, die Schiffe einfach fahren zu lassen, weil man ahnte, dass eine juristisch saubere Lösung lange und komplizierte Verhandlungen erfordert hätte. Wie klug diese Praxis war, zeigte sich, als Bundesrepublik und DDR sich in die Frage verbissen, ob die Zonengrenze in der Mitte des Flusses oder am Ostufer verlief. Der Spiegel sprach 1986 über einen Streit, »den inzwischen kaum ein ernsthafter Deutschlandpolitiker mehr versteht, den aber konservative Zeitgenossen partout nicht pragmatisch beilegen wollen«.19 Die Grenzbehörden verständigten sich informell auf eine gemeinsame Kontrolle, aber die deutschlandpolitische Posse blockierte Regelungen zur Begrenzung der Wasserverschmutzung.20 Von einer gemeinsamen Regulierung des Wasserlaufs, wie Ernst Plate sie Mitte der fünfziger Jahre in seiner »Politik der Elbe« erträumt hatte, sprach ohnehin niemand mehr.21

Am Eisernen Vorhang ganz unten

Der Eiserne Vorhang war eine mächtige Barriere, aber ganz unten waren manchmal Dinge möglich, die wie eine Parodie auf die grimmige Entschlossenheit der Kalten Krieger wirkten. Finnland pachte zum Beispiel 1963 rund 20 Kilometer Kanal samt Uferstreifen von der Sowjetunion, weil der Saimaa-Kanal, der Mitte des 19. Jahrhunderts gebaut worden war und den einzigen Zugang von der Ostsee zur Finnischen Seenplatte bot, seit dem Zweiten Weltkrieg von der finnisch-sowjetischen Grenze durchschnitten wurde.22 So viel Pragmatismus war in Mitteleuropa undenkbar, aber auch hier gab es unerwartete Wendungen. Das Land entlang des Elbe-Seitenkanals war traditionell industriearm, aber der Eiserne Vorhang machte dies plötzlich zu einem politischen Problem.23 Es war nun »Zonenrandgebiet«, und deshalb wurde es finanziell unterstützt, seit der Bundestag 1953 ein »Förderungsprogramm für Gebiete an der Sowjetzonengrenze« verabschiedet hatte.24 Die Hamburger Kanalfreunde bauten die Unterentwicklung der Region bereitwillig in ihre Argumentationskette ein. Der Kanal diene »der Standort- und Strukturverbesserung des östlichen Teils von Niedersachsen, einem Zonenrandgebiet«, erklärte ein Hamburger Vermerk 1961, und im Unterschied zu anderen Subventionen handele es sich bei dem Kanalprojekt um eine »wirtschaftsordnungskonforme Maßnahme«.25 Das Argument spielte auch in den Auseinandersetzungen innerhalb des Bundeslands Niedersachsen eine Rolle. Als der niedersächsische Wirtschaftsminister Carlo Graaff 1963 beim Präsidenten des Niedersächsischen Verwaltungsbezirks Oldenburg um Verständnis warb, verwies er auf »die Randlage Braunschweigs und des Gebietes des neuen Kanals sowohl an der Zonengrenze des geteilten Deutschlands wie auch in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft«. Diese Bedingungen zwängen »zu strukturverbessernden Maßnahmen, die es auch diesem Gebiet erlauben, in dem sich steigernden Wettbewerb zu bestehen«.26 Als 1965 das Regierungsabkommen unterzeichnet wurde, schwärmte der Hamburger Bürgermeister Edgar Engelhard von den sich bietenden Chancen: »Ich bin davon überzeugt und werde darin durch die Erfahrung mit anderen Wasserstraßen bestärkt, daß der Nordsüdkanal für die gewerbliche Wirtschaft und die Landwirtschaft Niedersachsens zu einer ›Achse des Wohlstandes‹ werden

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wird.«27 Auch die Hamburg-Information übte sich 1970 in Optimismus: »Der neue Wasserweg zieht Industriebetriebe an«, verkündete das PR -Organ der Hansestadt sechs Jahre vor der Kanaleröffnung. Es zitierte Schätzungen von »Fachleuten«, dass »mehrere hundert Millionen Mark« von Firmen und Kommunen investiert würden, und das berechtige zu den besten Hoffnungen: »Abwanderung wird gestoppt«.28 Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung zeichnete in ihrem Buch von 1976 schon einmal die zweite und dritte Ausbaustufe in den Übersichtsplan des Lüneburger Hafens, aber in der Wirklichkeit gibt es diese Erweiterungen bis heute nur auf dem Papier.29 1982 erklärte ein Hamburger Vermerk hanseatisch-knapp: »Große Hoffnungen hat man in die Industrieansiedlung an den Kanal gesetzt, aber die Industrieansiedlungen haben diese Erwartungen nicht erfüllt.«30 Das Debakel lag nicht nur in den prinzipiellen Problemen von Subventionsregimen in marktwirtschaftlich organisierten Ökonomien begründet. Hinter der Förderung des Zonenrandgebiets stand das politische Postulat der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse, und dahinter stand wiederum der Mythos der sozialen Egalität in einer bundesdeutschen Gesellschaft, in der nach einem viel zitierten (und völlig falschen) Bonmot »alle mit 40 Mark angefangen« hatten. Der Mythos lässt sich bis in die Wortwahl des Grundgesetzes verfolgen, wo die »Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse« im Artikel 72 zur Legitimierung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes diente, aber die Formulierung suggerierte, dass diese Einheitlichkeit bereits erreicht sei und nur noch gesetzlich abgesichert werden müsse. In Wirklichkeit war auch die alte Bundesrepublik ein Land mit sozialer Ungleichheit, aber »die Illusion, bereits in einer ›nivellierten Mittelstandsgesellschaft‹ zu leben« – eine Zeitdiagnose, die auf den Soziologen Helmut Schelsky zurückging –, entfaltete nach Hans-Ulrich Wehler »eine auch politisch erstaunlich weitreichende Resonanz«.31 Seit der Wiedervereinigung ist im Artikel 72 von gleichwertigen Lebensverhältnissen die Rede, aber auch diese Formulierung steht in Spannung zur realen Diversität des Landes. Weiterhin fällt es Bundesbürgern schwer, mit der Einsicht zu leben, dass sie alle nur in einem formaljuristischen Sinne frei und gleich geboren werden.

Eine Art Panzergraben

Eine Art Panzergraben Im Streit um den Elbe-Seitenkanal war noch eine vierte Dimension der deutschen Teilung im Spiel, die quer zu den übrigen Debatten lag. Es ging um das, was im politischen Sprachgebrauch der Bundesrepublik »Verteidigungsfall« hieß. Die Lüneburger Heide galt im Kalten Krieg aus topographischen Gründen als parates Einfallstor für sowjetische Panzer, und das brachte bei Autoren, die über den Elbe-Seitenkanal schrieben, mit einiger Regelmäßigkeit die Imagination in Wallung. Vielleicht standen hinter dem Kanalprojekt auch Überlegungen »militärstrategischer […] Natur«? So steht in einem reich bebilderten Buch von Bernd Ellerbrock über den Mittellandkanal: Der Bau des Kanals wurde »dazu benutzt, ein Hindernis für Panzertruppen in Ost-West-Richtung zu errichten (durch entsprechende Gestaltung der Kanalböschungen)«.32 Ähnliches ist in einem Buch des Diplom-Geographen Richard Deiss zu lesen: »Die Kanalböschungen wurden als Sperre für von Osten kommende Panzer angelegt, während von Westen nach Osten die Böschung in bestimmten Bereichen befahren werden konnte.«33 So stand es zum Zeitpunkt der Drucklegung auch in der Onlineenzyklopädie Wikipedia.34 Die Realität war eine andere. Militärische Überlegungen spielten im Laufe der anderthalb Jahrzehnte, die über den Elbe-Seitenkanal verhandelt wurde, nie eine Rolle. Erst als der Bau beschlossen war und die Planungen bereits im Gang waren, teilte die Wasserund Schifffahrtsverwaltung Ende 1966 mit, »daß der Bundesverteidigungsminister eine militärische Forderung der Nato erhebe, nach welcher die Kanalböschung zu Verteidigungszwecken mit Spundwänden eingefaßt werden solle«.35 Der Regierungspräsident Lüneburg war entgeistert: »Ein derartiges Unglück, wie ich es bezeichnen möchte, muß vermieden werden«, schrieb er an die niedersächsische Landesregierung. Ein solcher Kanal verschandele die Landschaft, was kein unwichtiger Punkt war, da der Kanal »ohnehin schon große Umstellungen, Schwierigkeiten und Unannehmlichkeiten mit sich« bringe. Er war auch eine Gefahrenquelle: »Wer ins Wasser fällt, wird sich aus eigener Kraft nur schwer aus dem Kanal retten können. Das gilt vor allem auch für Kinder, Nichtschwimmer und alte Leute.« Außerdem gab der Regierungspräsident zu beden-

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ken, »daß die ostwärts des Kanals wohnende Bevölkerung nach Zerstörung der Brücken nicht mehr nach Westen entweichen könnte. Sie würde sich auch jetzt schon ›wie in eine Mausefalle eingesperrt‹ und abgeschrieben fühlen, ein psychologischer Umstand, der nicht übersehen werden darf.«36 Die Landesregierung sah die Angelegenheit differenzierter. »M. E. ließe sich auch der Kanal mit einem Rechteck-Trapezprofil durch geeignete Bepflanzungsmaßnahmen zufriedenstellend in die Landschaft einbinden«, ließ der Landwirtschaftsminister verlauten. Es gebe sogar positive Aspekte: »Ein Vorteil des Rechteck-Trapezprofiles ist zweifellos der geringere Landbedarf, der sich zugunsten der Land- und Forstwirtschaft auswirken würde.« Allerdings könnten Wildtiere unter diesen Bedingungen nicht mehr durch den Kanal schwimmen, sodass der Landwirtschaftsminister »aus jagdlichen Gründen« Bedenken anmeldete.37 Der niedersächsische Minister für Wirtschaft und Verkehr hatte gar keine Einwände, zumal Spundwände die fahrdynamischen Verhältnisse im Kanal verbessert und größere Geschwindigkeiten für Kanalschiffe ermöglicht hätten. Allerdings wies er darauf hin, dass »die höheren Herstellungskosten einer senkrechten Ufereinfassung vom Haushalt des Bundesministers der Verteidigung getragen werden müssen«.38 1960 hatten das Bundesverkehrsministerium und das Verteidigungsministerium eine Vereinbarung über »Infrastruktur-Maßnahmen im Verteidigungsinteresse an und in Bundeswasserstraßen« unterzeichnet. Diese waren von der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung »auf Antrag der Bundeswehr« durchzuführen, und »Mehrkosten« fielen »dem Verteidigungshaushalt zur Last«.39 Da ging es bei Spundwänden um stattliche Summen. 1955 hatte ein Gutachten des Ausschusses für technische Fragen des Nord-Süd-Kanal-Vereins ergeben, dass die Baukosten bei der Wahl eines Muldenprofils 380 Millionen DM und bei einem Rechtecktrapezprofil etwa 445 Millionen DM betragen würden.40 Ein Gutachten für das Verteidigungsministerium ergab 1967 noch dramatischere Zahlen: Ein einseitig gespundeter Kanal könnte bis zu 103 Millionen DM und Spundwände auf beiden Seiten bis zu 206 Millionen DM verschlingen.41 Zwar rechnete das Gutachten mit beträchtlichem Einsparpotenzial, und anders als beim Trapezprofil gab es bei Spundwänden keine

Eine Art Panzergraben

Unterhaltskosten, aber ohne einen zweistelligen Millionenbetrag ging es offenbar nicht. Im Juni 1968 teilte der niedersächsische Innenminister dem Regierungspräsidenten Lüneburg mit, dass der Verteidigungsminister »auf den Einbau von Spundwänden aus Haushaltsgründen verzichte«.42 Vielleicht hing die Kehrtwende des Verteidigungsministers aber auch damit zusammen, dass die Anforderungen an ein panzersicheres Kanalprofil zu diesem Zeitpunkt noch nicht hinreichend erforscht waren. Beim Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung lief seinerzeit eine Untersuchung, »ob und unter welchen Voraussetzungen Ufer an natürlichen und künstlichen Gewässern als Sperre gegen tauch- oder schwimmfähige Fahrzeuge dienen können«.43 Ein Oberstleutnant schrieb in diesem Projekt von 1964 bis 1969 zwischen ein und zwei Berichten pro Jahr, und als der Entwicklungsschlussbericht im Juli 1970 vorlag, gab es drei wesentliche Erkenntnisse. Erstens wusste die Bundeswehr seither, dass der »Mannschaftstransportwagen MTW M 113 […] maximal 0,61 m Spundwandhöhe« erklettern konnte und ein Kampfpanzer Leopard sogar über eine 90 cm hohe Spundwand kam.44 Zweitens hatte das Verteidigungsministerium in der Zwischenzeit erkannt, dass beim Elbe-Seitenkanal »eine Beteiligung der Bundeswehr aufgrund des Arbeitsstandes nicht mehr möglich« war.45 Drittens war der Oberstleutnant inzwischen im Ruhestand und sein Dienstposten gestrichen.46 Aber vielleicht hatte der Kanal auch ohne besondere Vorkehrungen einen Wert für die Verteidigung der Bundesrepublik? Im Januar 1976 verfasste ein Major der Reserve der 3. Panzerdivision eine »technisch-taktische Beurteilung des Elbe-Seitenkanals«, die in der Abteilung Militärarchiv des Bundesarchivs in Freiburg überliefert ist. Es war eine Fleißarbeit, die auf 19 Seiten alle nur denkbaren Aspekte bis hin zum Algenbelag zu berücksichtigen suchte. Sie kam zu dem Ergebnis, dass der Elbe-Seitenkanal »als Stillgewässer nur einen sehr beschränkten Hinderungswert« habe. Es gab zwar einige steile Böschungen, die für Panzer ein größeres Problem waren als der Kanal selbst, aber der Major fand »genügend Zu- und Abfahrtsmöglichkeiten«, es gab breite Wege auf beiden Seiten, »die als Querverbindungen zu einzelnen Übergängen genutzt werden können«, und wenn man es ganz bequem haben wollte, konnte man

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in vertretbarer Zeit einen Querdamm bauen: »Bei den vorhandenen Bodenverhältnissen und unter Ausnutzung von entsprechendem Großgerät, 2 Planierungsraupen mit ca. 820 PS und 4,80 breitem und 1,8 m hohen U-Schild (auf dem Zivilsektor in West und Ost vorhanden) kann eine panzergängige Furt (Boden bis 0,30 m unter OK Wasserspiegel) in 8 Stunden hergestellt werden.«47 Nur bei einem Thema blieb der Autor im Ungefähren: Wie würde die Sache aussehen, wenn der Kanal gezielt gesprengt würde? »Aufgrund der örtlichen Geländeverhältnisse und der Kanaldammhöhe muß jeweils ermittelt werden, welche Auswirkungen wie lange entstehen. Hierzu bedarf es in der Gewässerübersicht einer gesonderten Betrachtung«, hieß es in seinem Bericht vage.48 Dabei zeigte die Katastrophe vom Juli 1976, welche Zerstörungsgewalt das Wasser des Kanals besaß, und dies war ja noch die abgemilderte Variante. Im Verteidigungsfall wären gewiss nicht wieder Panzer zu Dammbauzwecken in den Kanal gefahren, und der Dammbruch betraf den Abschnitt zwischen Lüneburg und Uelzen, der weniger Wasser enthielt als der Kanal jenseits der Schleuse Uelzen. Man konnte sich problemlos vorstellen, wie ein sowjetischer Panzerangriff für einige Zeit im Schlamm des Überschwemmungsgebietes stecken geblieben wäre. Nicht weniger offenkundig waren freilich die Kollateralschäden einer solchen Aktion. Falls jemand den Kanal zwischen dem Hafen Lüneburg und der Wasserscheide gesprengt hätte, wäre die Flutwelle unvermeidlich durch die Lüneburger Innenstadt geschwappt. Ein Major der Reserve stand in der Hierarchie der Stabsoffiziere ganz unten, und da ist es verständlich, dass der Autor ein solches Szenario nicht im Detail diskutieren wollte. Aber vielleicht gab es unter den höheren Chargen Planspiele in dieser Richtung? Archivalisch dokumentiert ist eine Bereisung des Elbe-Seitenkanals am 3. Juni 1980, an der neben zwei Dutzend Militärs auch drei Mitarbeiter der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Mitte teilnahmen. Überliefert sind nur handschriftliche Notizen eines Teilnehmers, die sich stichwortartig um die »Absenkung des Kanals« drehten. Dabei ging es auch darum, ob man den »Kanal zerstören« konnte, wobei vielleicht »10 Jahre Instandsetzungsaufwand anschließend« anfielen; letztere Notiz wurde allerdings durchgestrichen. Dem Offizier fiel auch auf,

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dass die »Hauptflutwelle […] gen Westen« geflossen wäre. Für alles Weitere war ein »Übersichtslageplan zum Flutwellenablauf« beim Dezernat 502 des Regierungspräsidenten Lüneburg verfügbar.49 All dies blieb bekanntlich eine theoretische Diskussion. Der Panzerangriff aus dem Osten fand nie statt, auch das Wehrbereichskommando II , das 1980 zur Bereisung lud, gibt es heute nicht mehr, und so beschränkte sich die militärische Bedeutung des Elbe-Seitenkanals auf eine Härteprobe in der Offiziersausbildung. In der Lüneburger Heide waren viele Soldaten stationiert, und ein Drainagerohr unter dem Kanal, einen Meter hoch und 100 Meter lang, war regelmäßig Schlusspunkt für Nachtmärsche, mit denen Offiziersanwärter an ihre Grenzen gebracht wurden.50 Der Elbe-Seitenkanal war in der Tat eine Mehrzweckanlage, wie die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung gerne hervorhob, und doch entbehrte es nicht der Ironie, dass die Plackerei in der engen Röhre unter einem Kanal stattfand, der ganz am Anfang den großen Traum der deutschen Wiedervereinigung tangiert hatte. Am Ende ging es nur noch um die klaustrophobischen Neigungen bundesdeutscher Berufssoldaten.

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A

m 3. November 1978 fand in der altehrwürdigen Handelskammer zu Hamburg eine heikle Veranstaltung statt. Der NordSüd-Kanal-Verein, inzwischen umbenannt in »Verein zur Förderung des Elbstromgebiets«, lud zu einem Vortrag von Direktor Ralph Ton aus Salzgitter. Das Thema des Vortrags lautete »Gesichtspunkte des Salzgitter-Konzerns beim Erztransport von der Nordsee nach Salzgitter«, und darin steckte eine Menge Sprengstoff. Jeder im Raum wusste um den Deal, den Salzgitter mit der Bundesbahn ausgehandelt hatte und der mehr zur miserablen Auslastung des Kanals beigetragen hatte als jede andere Einzelaktion. Sicherheitshalber erklärte der Vorsitzende zur Begrüßung, »daß bei der heutigen Diskussion niemand auf der Anklagebank sitze«.1 Es ging um einen freimütigen Gedankenaustausch, und mit dieser Intention stand der Verein gewiss nicht allein. Die Kultur des Gesprächs gehörte zweifellos zu den Aktivposten der politischen Kultur in der alten Bundesrepublik, die vor dem Hintergrund der jüngsten Vergangenheit eher noch deutlicher hervortritt. Man stritt mit Leidenschaft von der Konfessionsschule bis zur Atomkraft, über Gräben hinweg bis

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hin zum Zusammenprall der Weltanschauungen. Aber irgendwie bekam man doch immer wieder die Kurve, miteinander zu reden. Direktor Ton bewältigte die Herausforderung routiniert. Er bat um Verständnis für einen Wirtschaftsraum, »der mit Problemen zu kämpfen hat«. Die Stahlindustrie war in der Krise, die Auslastung der Werke in Peine und Salzgitter lag seinerzeit nur bei 60 Prozent, hinzu kamen Standortnachteile gegenüber der Konkurrenz an Rhein und Ruhr. Günstige Frachtraten waren deshalb für den Konzern überlebenswichtig, und da gebot die unternehmerische Vernunft Flexibilität: »Jeder Kaufmann muß anstreben, auch bei Transportüberlegungen nicht in die Gefahr kommen zu müssen, eingleisig zu fahren, sondern es müssen ihm stets Alternativen zur Verfügung stehen.« Im Übrigen wies Ton darauf hin, dass auch Berkenkopf nicht davon ausgegangen war, »daß alle Transporte ausschließlich nur noch über den Elbe-Seitenkanal abgewickelt werden«, und immerhin ging doch im ersten vollen Betriebsjahr rund eine Million Tonnen Fracht aus dem Bereich des Salzgitter-Konzerns über den Kanal.2 Es war ein runder Vortrag, der ein stimmiges Gesamtbild eines Stahlkonzerns in schwierigen Zeiten vermittelte, und dennoch gab es einen Aspekt, den Ton in seinem Vortrag mit keinem Wort erwähnte. Die Stahlwerke Peine-Salzgitter AG war vollständig im Besitz der Bundesrepublik Deutschland. Die alte Bundesrepublik war auch ein Land der staatseigenen Unternehmen. Post und Bahn waren im Besitz des Bundes, Erstere sogar mit einem eigenen Bundesministerium für Post- und Fernmeldewesen, und daneben gab es ein buntes Sammelsurium von Besitztümern und Beteiligungen. So konnte es schon mal zu der kuriosen Situation kommen, dass am Verhandlungstisch ganz unterschiedliche Körperschaften zusammentrafen, die alle den gleichen Eigentümer hatten. Der Elbe-Seitenkanal war ein solcher Fall: Der Deal von Salzgitter mit der Bundesbahn war ein Vertrag zwischen zwei Staatskonzernen, die sich auf Kosten der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes verständigten. Wer den Kanal verstehen will, muss deshalb auch über Staatswirtschaft reden. Im Unterschied zur DDR war die Staatswirtschaft in der Bundesrepublik eher Praxis als Programm. Der Staat hatte im industriellen Deutschland stets eine wichtige Rolle gespielt, die aber immer

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auch politisch umstritten war. Die Balance zwischen staatlicher und privater Initiative ist geradezu ein Leitmotiv der deutschen Wirtschaftsgeschichte. In der Bundesrepublik veränderte sich diese Balance zunächst eher unauffällig, indem der Bund zum Beispiel Aktien des Volkswagen-Konzerns oder der VEBA verkaufte, bis die Privatisierung mit dem globalen Siegeszug des Neoliberalismus zu einer Leitlinie der bundesdeutschen Politik wurde. Das hatte freilich stets den Ruch eines Elitenprojekts, und inzwischen scheint das Pendel wieder zurückzuschwingen. Die Hamburger Bürger verpflichteten den Senat zum Beispiel 2013 per Volksentscheid, die Verteilnetze für Strom, Gas und Fernwärme wieder in die öffentliche Hand zu übernehmen.3 Staatskonzerne gab es freilich in unterschiedlichen Varianten. Salzgitter war ein Unternehmen, das gewinnorientiert arbeitete und sich auch so verhalten durfte. Der langjährige Vorstandsvorsitzende Hans Birnbaum formulierte es in seinen Erinnerungen so: »Nach meinen Erfahrungen gilt in einer funktionsfähigen Marktwirtschaft auch für das öffentliche Unternehmen der Grundsatz, daß die Eigentümer, die Arbeitnehmer und die Kunden den größten Nutzen dann erzielen, wenn sie ihren langfristig größten Vorteil im Vergleich mit der Konkurrenz anstreben.«4 Diese Ausrichtung lag vielleicht auch darin begründet, dass der Bund nur deshalb Eigentümer des Konzerns war, weil er ihn aus der Konkursmasse der nationalsozialistischen Rüstungswirtschaft übernommen hatte. Salzgitter wurde zum Stahlstandort, weil die Reichswerke Hermann Göring dort im Zeichen der Autarkiewirtschaft minderwertige Erze verhütten wollten.5 Dahinter stand der Irrweg des deutschen Produktionsregimes, den Ulrich Wengenroth in einem einflussreichen Aufsatz als »Weg in den Käfig« tituliert hat: Mit riesigem wissenschaftlich-technischen Aufwand wurden Waren produziert, die man auf dem Weltmarkt billiger hätte kaufen können. Die Reichswerke Hermann Göring erwähnte Wengenroth in diesem Zusammenhang als »die weltgrößte Stahlwerksbaustelle zur einzigartigen Verarbeitung von ›Blumenerde‹ zu Walzstahl«.6 Von den 32 Hochöfen, die die Nationalsozialisten geplant hatten, waren am Ende des Zweiten Weltkriegs zwölf fertiggestellt. Demontagen reduzierten die Kapazitäten drastisch, aber als Bundes-

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kanzler Adenauer das Werk 1953 besuchte, arbeiteten bereits wieder 5000 Menschen in zwei Kokereien, drei Hochöfen und weiteren Betriebsteilen. Es war gewiss nicht das »›zweite Ruhrgebiet‹ zwischen Harz und Heide«, das ein Jugendbuch in den fünfziger Jahren feierte, aber ein bedeutender bundesdeutscher Stahlproduzent wurde Salzgitter allemal: Um 1960 lag die Jahresproduktion bei 2,5 Millionen Tonnen Rohstahl.7 Auch der Eisenerzbergbau im Salzgitteraner Revier expandierte in den fünfziger Jahren kräftig, rutschte jedoch 1961/62 in eine Strukturkrise. Fallende Weltmarktpreise für Eisenerz im Zusammenspiel mit den steigenden Lohnkosten führten zu einem unerbittlichen Niedergang, bis 1982 das letzte Bergwerk geschlossen wurde.8 Stahl wurde in Salzgitter und Peine weiterhin produziert, aber die zunehmende Abhängigkeit von Erzimporten in Verbindung mit der wachsenden Konkurrenz auf dem Stahlmarkt lief auf einen rigiden Sparzwang hinaus. Das Feilschen um günstige Frachttarife war letztlich alternativlos, wenn das Unternehmen profitabel bleiben sollte. Gewinnorientiert sollte eigentlich auch die Deutsche Bundesbahn arbeiten, mit der die Stahlwerke Peine-Salzgitter AG ihren folgenreichen Vertrag ausgehandelt hatte. Tatsächlich schrieb die Bahn in der alten Bundesrepublik jedoch notorisch Verluste. Das lag nicht nur an den enormen Kriegsschäden – die alliierten Luftangriffe hatten besonders auf Verkehrsverbindungen gezielt –, sondern auch an den Gemeinwohllasten, die der Bahn in den Wirtschaftswunderjahren aufgebürdet wurden. Sie sollte Mobilität für alle sichern und bot deshalb vergünstigte Tarife für Schüler, Pendler und andere Gruppen, und außerdem war die Bundesbahn ein Versorgungsapparat für Kriegsversehrte und Personen, die aufgrund des Artikels 131 des Grundgesetzes als Flüchtlinge oder Vertriebene im öffentlichen Dienst untergebracht werden mussten. Die Bundesbahn leistete damit einen Beitrag zum Wirtschaftswunder und zum sozialen Ausgleich, aber als Unternehmen hätte sie unter diesen Bedingungen wohl auch dann zu kämpfen gehabt, wenn ihr im stetig zunehmenden Automobil- und Lastwagenverkehr nicht eine mächtige Konkurrenz erwachsen wäre. Seit 1950 gab es eine endlose Serie von Gutachten und Initiativen zur Reform der Bundesbahn, und stupide kreisten die Vorschläge um eine »Trias der Forderungen, die

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Altschulden zu bereinigen, die gemeinwirtschaftlichen Belastungen abzugelten und der Bahn unternehmerischen Handlungsspielraum zu geben«.9 Der Bundesbahn fehlten deshalb zunächst die Mittel für große Investitionen, und als sich das änderte, flossen die Mittel vor allem in den großstädtischen Nahverkehr und in Neubaustrecken für schnelle Personenzüge. Das hatte Konsequenzen für den Elbe-Seitenkanal, denn parallel zur geplanten Trasse gab es eine Bahnlinie von Braunschweig nach Uelzen. Der Ausbau dieser Nebenbahn war eine Forderung der Region, die nicht selten in Verbindung mit dem Kanalprojekt erhoben wurde, aber es fiel der Bundesbahn schwer, ein konkretes Angebot zu machen.10 Für sie handelte es sich bei der eingleisigen Bahnlinie lediglich um eine der vielen ländlichen Verbindungen, die immer mehr zu betriebswirtschaftlichen Sorgenkindern wurden. Gleiches galt für die Sondertarife, die die Bundesbahn für den Fall anbot, dass der Kanal nicht gebaut wurde.11 Wie lange würde die Bahn mit ihren tiefroten Zahlen wohl in der Lage sein, solche Vergünstigungen anzubieten? Die Bundesbahn kämpfte hartnäckig gegen das Kanalprojekt. Sie legte zum Beispiel im Oktober 1962 eine Stellungnahme zum Berkenkopf ’schen Gutachten vor, die das jährliche Frachtaufkommen auf 3,78 Millionen Tonnen veranschlagte.12 Das war im Rückblick deutlich näher an der Realität als Berkenkopfs 10 Millionen Tonnen, aber die Bahn hätte vielleicht bessere Erfolgschancen gehabt, wenn sie politisch agiler gewesen wäre und gezielt den Schulterschluss mit den zahlreichen Gegnern des Kanalprojekts gesucht hätte. Im Vergleich mit den kämpfenden Hamburgern spürte man bei der Bahn den geruhsamen Arbeitstakt der bundesdeutschen Beamten, die dort ja auch tatsächlich in großer Zahl beschäftigt waren. Nichts war da zu spüren von der Tatkraft des Bundesbahn-Ministerialdirektors Werner Pischel, der im Dezember 1950 prahlte, »dass es ihm (und zwar ulkigerweise mit Hilfe des Bundes der Steuerzahler) gelungen sei, den Isar-Kanal zu stürzen und dass er jetzt dabei sei, den RheinMain-Donau-Kanal zu unterminieren«.13 Letzteres blieb bekanntlich erfolglos, und Pischels Insiderkenntnisse wirken nicht mehr ganz so beeindruckend, wenn man bedenkt, dass er sich so gegenüber einem Hamburger äußerte, der gerade ein neues Kanalprojekt an-

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schob, und doch zeigte sich hier ein Elan, den die Bundesbahn im Kampf gegen den Elbe-Seitenkanal gut hätte gebrauchen können. Pischel hatte allerdings auch einen Bahnverkehr miterlebt, der etwas anders aussah als die geregelten Verbindungen der Bundesbahn. Im Zweiten Weltkrieg war Pischel Leiter der Verkehrs- und Tarifabteilung der Generaldirektion der Ostbahn im Generalgouvernement Polen gewesen.14 Die Deutsche Bundesbahn wurde nach der Wiedervereinigung mit der Deutschen Reichsbahn fusioniert und in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, die freilich nach einem verpatzten Börsengang immer noch vollständig Eigentum des Bundes ist. In der Binnenschifffahrt regiert hingegen weiterhin eine Bundesbehörde, die heute dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur nachgeordnet ist. Schon in den Wirtschaftswunderjahren galt dort im Prinzip das Gebot der Eigenwirtschaftlichkeit, aber das entpuppte sich beim Elbe-Seitenkanal als ein eher formales Problem: Wenn es opportun war, ließ sich die Forderung per Vermerk umschiffen.15 Dabei ist freilich in Rechnung zu stellen, dass das Geschäftsmodell der Binnenschifffahrt in der Zeit des Wirtschaftswunders eher dem heutigen Straßenverkehr ähnelte als der damaligen Bundesbahn. In der Zwischenkriegszeit hatten auf den deutschen Kanälen noch die Schleppkähne dominiert, wo das Reich aufgrund des staatlichen Schleppmonopols die Transportkosten kontrollierte. Aber nach 1945 beschränkten sich die behördlichen Aufgaben mit dem Aufstieg der Selbstfahrer mehr und mehr auf Unterhalt und Ausbau der Infrastruktur, und auf den internationalisierten Wasserstraßen herrschte schon in den fünfziger Jahren eine grenzüberschreitende Konkurrenz. In seinem Buch Die Verkehrspolitik der Bundesrepublik beschrieb Seebohm die Binnenschifffahrt als einen Verkehrsträger, der »eines besonderen, differenzierten Schutzes« bedürfe. Sie stand für ihn »außerhalb rein marktwirtschaftlicher Überlegungen«.16 Ein einheitliches Modell der Staatswirtschaft gab es in der alten Bundesrepublik offenkundig nicht. Formal unterstanden Binnenschifffahrt, Bundesbahn und Salzgitter zwar gleichermaßen der Ägide des Bundes, aber dahinter konnten sich ganz unterschiedliche Aufgaben und betriebswirtschaftliche Philosophien verbergen.

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Eine Gemeinsamkeit gab es allenfalls insofern, als sich alle drei in ihren jeweiligen Bereichen als Platzhirsche verstehen konnten und auch so verhielten. Das war, betriebs- und volkswirtschaftlich gesehen, nicht immer von Vorteil, aber die Körperschaften konnten es sich politisch leisten. Bei Bahn und Binnenschiff gab es gesetzlich abgesicherte Monopole für den jeweiligen Verkehrssektor, und Salzgitter hatte spätestens seit der Fusion zur Stahlwerke Peine-Salzgitter AG 1970 eine wirtschaftliche Potenz, die in der Region sonst nur das Volkswagenwerk vorweisen konnte. Da hatte man selbst dann keinen einfachen Stand, wenn man für das Bundesministerium der Finanzen arbeitete.

Die Herren der Zahlen Anders als die meisten westeuropäischen Eisenbahngesellschaften musste die Deutsche Bundesbahn ihre Investitionen in Strecken und Fahrzeuge aus eigenen Mitteln finanzieren.17 Die Binnenschiffer bekamen das Geld für ihre Kanäle hingegen aus dem Bundeshaushalt, manchmal ergänzt durch Zuschüsse der Länder, wenn diese ein besonderes Interesse an einem Projekt hatten wie Hamburg am Elbe-Seitenkanal. Die Hamburger mussten also nicht nur das Bundesverkehrsministerium auf ihre Seite ziehen, sondern auch das Bundesministerium der Finanzen. Die Kassenwarte des Bundes verhandelten jedoch nicht direkt mit Hamburg, sondern mit den Kollegen aus den anderen Ressorts der Bundesregierung, und deshalb musste Hamburg hier gewissermaßen auf Umwegen agieren, bis ihnen eine Kabinettsumbildung einen besonders gewogenen Ressortchef bescherte. Nach der Spiegel-Affäre wurde der Hamburger FDP -Politiker Rolf Dahlgrün neuer Finanzminister, und dieser half dem Kanalprojekt über die letzten Hürden.18 Zuvor hatte das Bundesministerium der Finanzen über mehr als ein Jahrzehnt hinweg beharrlich Widerstand geleistet. Das war nicht sonderlich überraschend. Das Finanzressort hatte im Konzert der Ministerien nahezu zwangsläufig eine defensive Position, weil die Kollegen eigentlich immer mehr Geld haben wollten, als zur Verfügung stand. Natürlich wurde dies von den Einzelressorts bestritten:

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»Die Binnenschiffahrtsverwaltung sieht es hinsichtlich der weiteren Wasserstraßenpläne als ihre Pflicht an, zu ihnen sachlich ohne Voreingenommenheit Stellung zu nehmen und nicht Wasserstraßenbauten um jeden Preis zu propagieren und zu unterstützen«, schrieb die Abteilung Binnenschiffahrt 1950 im Bericht des Bundesministeriums für Verkehr.19 In Wirklichkeit wusste in den Ministerien jedoch jeder, dass man in allfälligen Verhandlungen besser fuhr, wenn man anfangs etwas mehr verlangte. Beim Elbe-Seitenkanal kam die notorisch unsichere Rentabilität des Projekts hinzu. Wer das Kanalprojekt unter nüchternen Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten betrachtete, kam fast schon zwangsläufig zu einer skeptischen Bewertung. »Man muß davon ausgehen, daß der Kanal unwirtschaftlich wäre«, hieß es in einem Sprechzettel für den Finanzminister vom 1. Dezember 1962.20 Im Herbst 1958 regte das Finanzministerium sogar an, das Projekt im Schulterschluss mit dem Verkehrsministerium zu beerdigen. Ein Schreiben vom 21. Oktober 1958 verwies auf die wackeligen Verkehrsprognosen, erwähnte künftige Kostensteigerungen, weil bei Wasserbauten »nach den bisherigen Erfahrungen […] die Kosten stets weit über die Planung hinausgegangen« waren, und warnte, dass die Gebühren für die Binnenschiffer »selbst bei höchstmöglicher Festsetzung wahrscheinlich kaum ausreichen, auch nur die Betriebs- und Unterhaltungskosten des Kanals zu decken. An eine Tilgung des Anlagekapitals dürfte überhaupt nicht gedacht werden können.«21 Zwei Jahr zuvor hätte der Vorstoß noch Erfolg haben können, aber inzwischen war Seebohm von seiner strikten Opposition gegen das Projekt abgerückt, und außerdem kam der Vorstoß vom Abteilungspräsidenten Theobald, der Seebohm nicht zum ersten Mal ärgerte. »Der Theobald fängt an, sehr unerfreulich zu werden«, notierte der Verkehrsminister auf dem Brief.22 Ein paar Wochen später schickte Seebohm seinen Staatssekretär ins Nachbarressort, um das Finanzministerium auf Linie zu bringen.23 Der Vorstoß des Finanzministeriums ist insofern bemerkenswert, als es zu diesem Zeitpunkt lediglich um die Finanzierung der Untersuchungsstelle bei der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Hamburg ging, die die verschiedenen Optionen für einen Anschluss Hamburgs ans Kanalnetz prüfen sollte. Im Ministerium ahnte man

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freilich, worauf die Sache hinauslief. »Wenn erst eine Stelle zur Untersuchung der technischen Möglichkeit des Kanalbaues eingesetzt wird, so kann mit Sicherheit damit gerechnet werden, daß sie zur technischen Bejahung des Kanalbaues kommen wird«, hieß es in einem internen Schreiben. Im Finanzministerium wollte man deshalb lieber ein Gegengutachten zu der bereits vorliegenden Stellungnahme des Verkehrswissenschaftlers Andreas Predöhl in Auftrag geben: Es könne »mit Sicherheit damit gerechnet werden, dass ein objektiver Gutachter zu einer Verneinung der Wirtschaftlichkeit des Kanalbaues kommt«.24 Tatsächlich blieb das Finanzministerium unbeeindruckt, als die Gutachten für den Elbe-Seitenkanal vorlagen. »Alle Berechnungen zu den Selbstkosten, Wegekosten und Frachtaufkommen beruhen aber auf Annahmen, denen sowohl nach Auffassung des BMV als auch unserer volkswirtschaftlichen Gruppe, die das Gutachten eingehend geprüft hat, nicht gefolgt werden kann«, hieß es in dem Sprechzettel vom Dezember 1962.25 Die Skepsis des Bundesfinanzministeriums wurde auch jenseits der Welt der Ministerien sichtbar, als Hans Clausen Korff 1961 seinen Aufsatz über »die finanzwirtschaftliche Problematik neuer Wasserstraßen« veröffentlichte.26 Der Haushaltschef des Ministeriums konnte bei politischen Projekten natürlich keine eigenmächtigen Entscheidungen treffen, aber sein Wort hatte in der Zahlenwelt der Finanzpolitik Gewicht. Die Hamburger Senatsverwaltung nahm den Aufsatz jedenfalls zum Anlass für eine sechsseitige Exegese, die zu dem Ergebnis kam, dass der Elbe-Seitenkanal »im Verhältnis zu der allgemein ablehnenden Tendenz relativ günstig behandelt« wurde.27 Korff blieb in der Sache am Ball. Als der Hamburger Bürgermeister Engelhard im September 1962 für eine Besprechung ins Finanzministerium kam, verwies Korff in seinem Gesprächsvermerk für den Minister auf die Ansicht Seebohms, »daß für die Inangriffnahme des Projekts die Verabschiedung eines Bundesgesetzes über den Nord-Süd-Kanal notwendig sei, damit diese Aufgabe durch den Gesetzgeber sanktioniert werde«.28 So sah es also aus, wenn sich ein Ministerialdirektor gegen ein Projekt stemmte. Natürlich hätte Korff auch in offener Feldschlacht kämpfen können, aber dabei konnte man sich leicht die Finger verbrennen. Da war es besser, die Latte so hoch wie möglich zu legen.

Die Herren der Zahlen

Tatsächlich wäre ein eigenes Gesetz die parlamentarisch saubere Lösung gewesen, aber am Ende machten es die Minister lieber mit einem Regierungsabkommen, und die Kosten wurden einfach mit dem Rest des Verkehrsetats durch den Bundestag geschleust. Das Budgetrecht war ein Kernelement des Parlamentarismus, aber im Angesicht großer bürokratischer Apparate hatten die Abgeordneten einen schweren Stand. Auch Korff konnte letztlich nur schmollen. Als der Elbe-Seitenkanal am 1. September 1965 im Bundeskabinett behandelt wurde, gab der Ministerialdirektor bekannt, »daß Bundesminister Dr. Dahlgrün besonderen Wert auf die Verwirklichung dieses Vertragswerks lege«.29 Das sagte man in der Welt der Ministerien, wenn alle anderen Argumente erschöpft waren. Die Nummer eins will es. Zugleich findet sich in den Akten des Bundesfinanzministers aber schon früh ein resignativer Tonfall. Bereits im Januar 1960 hielt ein Ministerialrat in einem Vermerk fest, dass man sich prinzipiellen Widerstand wohl schenken könne: »Nach meinem Empfinden und nach Gesprächen mit Herren des BMV wird wohl ein neuer Kanal dabei herauskommen (weil die Wasserbauabteilung natürlich gern bauen und nicht nur instandhalten möchte).«30 Zu diesem Zeitpunkt lagen die Ergebnisse der Untersuchungsstelle noch nicht vor, und Berkenkopf arbeitete noch an seinem Gutachten, aber anscheinend war für Insider schon zu erkennen, dass die Dinge in eine gewisse Richtung liefen. Im Finanzministerium hatte man ohnehin ständig mit dubiosen Projekten zu kämpfen, und da waren Zweifel stets relativ. Beim Wasserbau musste sich das Ministerium zu dieser Zeit auch mit dem Saar-Pfalz-Kanal herumschlagen, der von Saarbrücken nach Ludwigshafen am Rhein führen sollte, und das wäre aus Sicht der Beamten »bei den hohen Baukosten die unwirtschaftlichste Wasserstraße im gesamten Bundesgebiet« geworden.31 So einen Superlativ konnte sich ein Finanzminister eben nur einmal leisten. Der Apparat des Finanzministeriums produzierte auch dann noch kritische Vermerke, als Dahlgrün das Projekt bereits unter seine Fittiche genommen hatte. Das galt für die Verhandlungen im September 1964, wo offensichtlich mit heißer Nadel gestrickt wurde, und ebenso für den Sommer 1965, als das Gesamtpaket über den Ausbau der norddeutschen Kanäle ins Kabinett ging.32 »Ich

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habe Zweifel, ob es im Hinblick auf die derzeitige überaus schwierige Haushaltssituation, die sich, soweit sich schon jetzt übersehen läßt, in der nächsten Zeit mit Sicherheit noch verschlechtern wird, zweckmäßig und angebracht ist, die Kabinettvorlage noch von dem jetzigen Bundeskabinett behandeln zu lassen«, erklärte ein Referat aus Korffs Haushaltsabteilung im Juli 1965.33 Am Ende beließ es der Finanzminister bei einem schriftlichen Memento für den Bundesminister für Verkehr, »daß mein Haus dem umfangreichen und großzügigen Ausbauprogramm im nordwestdeutschen Raum nur zustimmen könne, wenn neue und zusätzliche Wasserstraßenprojekte in absehbarer Zeit nicht vorbereitet würden«.34 Kurz vor der Bundestagswahl konnte man sich keinen Eklat leisten, und wenn man zudem daran dachte, dass nach der Wahl vielleicht ein neuer Minister mit neuen Projekten und neuen politischen Konstellationen kam, war ein kritischer Vermerk für die Finanzbeamten genau das Richtige. Damit hatten sie ihren Widerspruch markiert, aber auch nicht so deutlich, dass sie ein Risiko eingingen, wenn die Entscheidung gegen ihr Votum ausfiel. Das war nicht allzu heroisch, aber für heldenhaften Widerstand war das Finanzministerium der Bundesrepublik Deutschland kein günstiger Ort, und damit stand es unter den Behörden der Nachkriegszeit gewiss nicht allein.

Helden ihrer Zeit Als Hamburgs Bürgermeister Engelhard bei der Unterzeichnung des Regierungsabkommens am 14. September 1965 das Wort ergriff, dankte er nicht nur den Bundesministern Seebohm und Dahlgrün sowie den Vertretern der anderen norddeutschen Bundesländer. Er nutzte auch die Gelegenheit, jenen zu danken, die das Kanalprojekt durch ihr beharrliches Wirken hinter den Kulissen ermöglicht hatten. »Unter den vielen verdienstvollen Mitstreitern möchte ich vier Persönlichkeiten besonders hervorheben«, erklärte Engelhard und erwähnte den langjährigen Geschäftsführer des Nord-Süd-KanalVereins Elso Klöver, den Hafenbaudirektor a. D. Friedrich Mühlradt, dessen Nachfolger im Strom- und Hafenbau Karl-Eduard Naumann und den Leiter des Amts für Verkehr Gerhard Schattschneider.35 Das

Helden ihrer Zeit

waren der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Lüneburg sowie ein ehemaliger und zwei aktive Verwaltungschefs der Hansestadt Hamburg, und diese vier hatten neben ihrem Engagement für den Elbe-Seitenkanal noch eine zweite Gemeinsamkeit. Keiner der vier hat es zu einer Erwähnung in der sechsbändigen Hamburgischen Biografie gebracht. Der Elbe-Seitenkanal hatte prominente Fürsprecher. Die Wirtschaftssenatoren Karl Schiller, Ernst Plate und Edgar Engelhard investierten viel Zeit und Energie in das Projekt, und Schiller traf das Projekt später noch einmal, als er als Bonner Superminister die Kostensteigerungen des Elbe-Seitenkanals absegnen durfte.36 Letztlich handelte es sich jedoch um ein Projekt des Apparats. Friedrich Mühlradt hatte das Projekt 1950 auf den Weg gebracht und seither beharrlich vorangetrieben, und die Zeremonie von 1965 war auch nicht die letzte Gelegenheit, bei der ihm öffentlich gedankt wurde. Sein Name fiel auch in der Festrede zur Eröffnung des Hafens Lüneburg, die Hamburgs Wirtschaftssenator Helmuth Kern 1975 hielt, sowie in der Ansprache des Ersten Bürgermeisters Erster Bürgermeister Hans-Ulrich Klose zur Kanaleröffnung 1976.37 Strom- und Hafenbau war ein mächtiges Amt in Deutschlands größter Hafenstadt, aber ein Kanal für Binnenschiffe durch das Nachbarland Niedersachsen war eigentlich eine andere Liga. Mühlradt konnte das Projekt nur deshalb einfädeln, weil er es verstand, höhere Chargen für das Projekt einzunehmen und über Jahre hinweg bei der Stange zu halten. Dazu brauchte es neben einem umfangreichen Wissen vor allem Erfahrung und Beziehungen, und beides hatte Mühlradt ansammeln können, seit er 1922 in den Dienst der Hansestadt getreten war. Hinzu kamen Durchsetzungskraft und Verhandlungsgeschick, die Mühlradt ebenfalls zur Genüge besaß. »Sich Respekt zu verschaffen, ist ihm nie schwergefallen«, schrieb die Hamburger Welt, als er 1961 in den Ruhestand ging.38 Im Studium hatte Mühlradt das jedenfalls nicht gelernt, und das nicht nur, weil er zunächst einem anderen Verkehrsträger verpflichtet gewesen war. Der Vater des Elbe-Seitenkanals hatte an der Technischen Hochschule Hannover sein Diplom in Eisenbahnwesen und Städtebau gemacht und dann ein paar Monate bei der Eisenbahndirektion Kassel gearbeitet, bis er wegen der Hafenbahn nach Hamburg

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kam.39 Eher schon half Mühlradt seine Zeit beim Militär. Er hatte in beiden Weltkriegen gekämpft und schlug im Zweiten Weltkrieg als Bataillonskommandeur bei den Pionieren eine lange Brücke über die Donau bei Belgrad.40 Die archivalische Überlieferung macht es nicht ganz leicht, Mühlradt bei seiner Kanalarbeit über die Schulter zu schauen. Es wird sich vielleicht nie klären lassen, wie es Mühlradt gelang, den Nord-Süd-Kanal in den Antrag »betreffend Verbesserung der verkehrswirtschaftlichen Lage Hamburgs« des Wirtschaftssenators Karl Schiller zu bugsieren, den der Hamburger Senat am 8. November 1950 absegnete.41 Aber diese Entscheidung war letztlich nicht mehr als ein Arbeitsauftrag an die Behörde für Wirtschaft und Verkehr, und daraus wurde nur deshalb ein Kanal, weil sich Mühlradt und sein Netzwerk über viele Jahre beharrlich für das Projekt ins Zeug legten. Es bedurfte vieler kleiner Schritte, bis das Regierungsabkommen 1965 endlich unterschrieben war, und irgendwann hatte sich das Netzwerk so weit verselbständigt, dass es auf den Spiritus Rector vielleicht gar nicht mehr ankam. Es ist ja schon bemerkenswert, dass Mühlradt Ende November 1961 aus dem Amt schied, als der Kampf um den Kanal gerade in seine heiße Phase ging.42 Die Alltagsarbeit für den Kanal spielte auf verschiedenen Bühnen. Zum Pflichtprogramm gehörten die Vermerke für die politische Spitze. Auch ein detailversessener Amtschef wie Schiller brauchte Vorlagen von Untergebenen, die ihm alle relevanten Fakten in klarer und konziser Form lieferten.43 Ein zweites Standbein war der Nord-Süd-Kanal-Verein, wo Mühlradt im Gründungsvorstand den stellvertretenden Vorsitz übernahm.44 Für die Pressearbeit gab es in Hamburg eigene Stellen, aber deren Mitteilungen waren sorgfältig abgestimmt. Hinzu kamen zahllose Gespräche mit Ministerien und Fachbehörden, die selbstverständlich neben dem Alltagsgeschäft im Strom- und Hafenbau geführt werden mussten. Mühlradt hätte seinen Kanal niemals bekommen, wenn er darüber seine Hausaufgaben vernachlässigt hätte. Gelegentlich hatte der Kampf um den Kanal einen Hauch des Verschwörerischen. Das galt etwa für das Vorarbeitenamt ohne Namen, das Anfang 1952 mit Wissen und Billigung Mühlradts bei der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Hamburg geschaffen wurde und

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einige Zeit im Verborgenen arbeitete.45 Auch die Kölner Informationsstelle Nordsüdkanal war ein grenzwertiger Schachzug, denn die Stelle hatte den ausdrücklichen Auftrag, lauter für das Projekt zu trommeln, als es sich die offiziellen Stellen der Hansestadt trauten. Im Allgemeinen bewegte sich die Kampagne jedoch im Rahmen der Regeln, und das nicht nur, weil ein Regierungsabkommen und eine Kabinettsentscheidung in der Bundesrepublik einen hochgradig formalisierten Vorlauf hatten. Man konnte durchaus Verbindungen spielen lassen und Gutachten an Freunde der Hansestadt vergeben, aber dreistes Flunkern lohnte sich einfach nicht. Als Elso Klöver im August 1958 im Gespräch mit einem niedersächsischen Staatssekretär behauptete, die Bundesbahn-Hauptverwaltung habe seine Einwände gegen eine Stellungnahme des Kanalvereins zurückgezogen, notierte der Staatssekretär in seinem Vermerk: »Ich werde diese Angabe besonders nachprüfen.«46 Die große Entscheidung über den Kanal löste sich im behördlichen Alltag in zahllose Einzelentscheidungen über Taktik und Stil auf. Man musste die richtigen Leute ansprechen und den richtigen Ton treffen, und über beides konnte man endlos grübeln. Manche Gesprächsvermerke erwecken den Eindruck, als ob die Autoren auch nach der Rückkehr ins Büro noch nicht so recht wussten, was sie mit der Unterhaltung anfangen sollten. Was sollte man zum Beispiel davon halten, wenn Mühlradt im Gespräch mit einem Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium erfuhr, »dass die Tendenz in seinem Hause, also im Bundesverkehrsministerium, dahin ginge, die Angelegenheit bis nach den Wahlen zurückzustellen, um sie dann möglichst fallen zu lassen«. Im Bonner Ministerium rangen verschiedene Verkehrsträger um die Gunst der Spitze, und das wirkte aus der Distanz eher unheimlich: »Die Gegner wären also im Hause und würden in ihrer Ansicht bestimmt durch die Bemühungen der Bundesbahn.«47 Der Takt der Verwaltung war selbst in der Medienarbeit von einer gewissen Ruhe geprägt. Da konnte es auch schon einmal eine Woche dauern, bis eine Äußerung auf einer Pressekonferenz von der Staatlichen Pressestelle Hamburg korrigiert wurde.48 Aber das gemessene Tempo war kein Garant der Gemütlichkeit. Es konnte immer etwas schiefgehen, und deshalb musste man bis zuletzt

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wachsam bleiben. Sollte man sich zum Beispiel Sorgen machen, als der SPD -Landesausschuss Niedersachsen im Januar 1965 erklärte, das Kanalprojekt sei »noch nicht ausgereift« und bedürfe »eingehender Erörterungen«?49 Zwei Monate später schrieb die Staatliche Pressestelle, »daß uns Egon Franke noch ›Überraschungen‹ bereiten wird«, und tauschte sich mit der Hamburger Arbeitsgemeinschaft für Wirtschaftsförderung darüber aus, wie man das Kanalprojekt gegen den Wortführer der legendären Kanalarbeiter der SPD verteidigen könne.50 Wie sehr dies an den Nerven zerrte, zeigte die Reaktion auf eine misslungene Veranstaltung im feinen Hamburger Überseeclub. Geplant war ursprünglich eine freimütige Unterredung im kleinen Kreis, aber daraus wurde durch eine Serie von Missverständnissen eine große Plenumsveranstaltung mit Presse.51 Die Veranstaltung lief schleppend an, und als der Hauptredner dann auch noch seinen Vortrag fulminant versemmelte, ließ der Direktor der Staatlichen Pressestelle seinen Gefühlen freien Lauf. Wütend klagte er am Tag danach über die »mit großer Geste dargebotenen ›Kanal-Mystik‹«, mit der Hamburg »das Kanalprojekt endgültig kaputt machen« würde.52 Da ging es offenbar nicht nur um einen Mann, dessen rhetorisches Talent Bürgermeister Engelhard nur lauwarm mit dem Hinweis verteidigte, man könne »von einem Wirtschaftstheoretiker nicht erwarten, dass er sich Pen-Club-reif ausdrückt«.53 Für einen Moment wurde die nervliche Anspannung greifbar, die sich hier einmal ungebremst entladen konnte. Frust gab es im Hamburg natürlich auch über die Bundesbahn, die saumseligen Niedersachsen und die renitente Regierung Lüneburg, aber die konnte man nicht so angehen wie einen Mann der Wissenschaft. Erst im September 1965 konnten die Kanalfreunde endlich durchatmen, als das Regierungsabkommen unter Dach und Fach war. Die Hamburger Pressestelle konnte sich fortan darauf konzentrieren, den kommenden Kanal gebührend zu befeiern, und der Senat musste die stetig steigenden Kosten im Haushalt berücksichtigen, aber die eigentliche Arbeit lag seither beim Neubauamt der Wasser- und Schiffahrtsdirektion und den niedersächsischen Behörden. Widerstände gab es weiterhin, aber sie sahen nun anders aus. Manchem Beamten fiel es zum Beispiel schwer, mit dem for-

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schen Tempo der bauwütigen Wasserbauer mitzuhalten. Ein Mitarbeiter des Lüneburger Regierungspräsidenten fragte sogar per Vermerk nach, »welche besonderen Gründe vorliegen, dass wir uns mit dem landesplanerischen Verfahren beeilen«.54 Außerdem galt es, Hierarchien zu beachten. Das lernte eine Sekretärin der Hamburger Behörde für Wirtschaft und Verkehr 1974, als sie einen Brief nicht nur an den Präses der Handelskammer richtete, sondern auch an den Sachbearbeiter. Das gab einen handschriftlichen Rüffel vom Senator: »Wegen falscher Anrede neu schreiben. Ich schreibe immer nur an den Praeses der H. K.«55 Für einen Kanal brauchte man technische Experten, und die waren nicht leicht zu bekommen. Die lang ersehnte Hamburger Untersuchungsstelle kämpfte 1959 mit »Anlaufschwierigkeiten, die vor allem darauf beruhten, daß es nicht gelang, schnell gutes Fachpersonal zu erhalten«.56 Als diese Untersuchungsstelle nach zwei Jahren ihre Aufgabe erfüllt hatte, organisierte Hamburg eine Überbrückungsfinanzierung, um die Leute zu halten.57 Die Stelle wurde noch zwei weitere Male verlängert, bevor das Projekt in trockenen Tüchern war, und darin spiegelte sich nicht nur die Hamburger Bereitschaft, den Kanal finanziell zu unterstützen.58 In der Bundesrepublik herrschte Vollbeschäftigung, als der Kanal begonnen wurde, und da kümmerte sich sogar die politische Spitze um »die Frage des technischen Personals«. Im Oktober 1962 erklärte Verkehrsminister Seebohm in einer Besprechung in Bonn: »Nach Beendigung der Moselkanalisierung würden 44 Arbeitskräfte, deren Stellen mit einem k. w.-Vermerk versehen sind, frei. Sie ständen ab 1964 für andere Aufgaben zur Verfügung.«59 Der Bedarf an Arbeitskräften zog an, als 1965 das Neubauamt gegründet wurde. Die Mitarbeiter der Untersuchungsstelle wurden übernommen, und die Zahl der Beschäftigten stieg im ersten Jahr von 36 Personen auf rund 90, aber die Einstellungen hinkten dem Bedarf hinterher.60 Im März 1968 verzeichnete der Organisationsplan des Neubauamtes Elbe-Seitenkanal Süd in Uelzen 120 Stellen, von denen erst 43 besetzt waren.61 Am Ende des Jahres 1969 umfasste das Personal bei den staatlichen Stellen 282 Personen.62 Es lockte nicht nur die Arbeitsplatzsicherheit des öffentlichen Dienstes. Das Regierungsabkommen war gerade einen Monat unterzeichnet,

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da taxierte die Wasser- und Schiffahrtsdirektion Hamburg bereits emsig den Wohnungsmarkt, weil die künftigen Bediensteten »in vielen Fällen als Voraussetzung für ihre Einstellung die Bereitstellung einer Wohnung zur Bedingung machen« würden.63 Ähnlich fürsorglich zeigte sich Vater Staat, als der Kanal zwölf Jahre später vollendet war und die drei Neubauämter in Lüneburg und Uelzen zu einem einzelnen Amt in Uelzen verschmolzen werden sollten. Mit dem Auto konnte man in einer guten halben Stunde von Lüneburg nach Uelzen kommen, aber das wollte der Bundesverkehrsminister seinen Mitarbeitern nicht zwingend zumuten: »Zur Vermeidung personeller Härten und wirtschaftlichen Abwicklung der Restaufgaben soll bis auf weiteres in Lüneburg eine Außenstelle des Neubauamtes Elbe-Seitenkanal erhalten bleiben.«64 Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung bot jedoch nicht nur materielle Annehmlichkeiten. Sie bot auch einen beruhigend klaren Blick auf das Umfeld der Bundesbehörde. Es gab die eigenen Leute, und es gab den Rest der Welt, der sich wiederum aus Menschen von unterschiedlicher Bedeutung zusammensetzte. Politiker und Verwaltungschefs waren wichtig und Binnenschiffer natürlich auch, Bauern und Kommunalpolitiker musste man immerhin ernst nehmen, wenn sie vom Kanal betroffen waren, aber um bloße Anrainer oder andere Menschen ohne relevante Rechtstitel musste man sich nicht wirklich kümmern. Was wusste der normale Bundesbürger denn schon von der Welt des Wasserbaus? Der Bund baute zwar ein Informationszentrum neben das Schiffshebewerk, aber dort gibt es vor allem Modelle und Zahlen, hinter denen sich eine profunde Sprachlosigkeit erahnen lässt. Aber wer in der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung arbeitete, musste mit den Menschen entlang des Kanals halt nicht unbedingt reden. Wie sich herausstellte, galt das selbst dann, wenn man diesen Menschen gerade den Keller unter Wasser gesetzt hatte.

Kapitel 8 Kapitel 8:

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is zum Regierungsabkommen vom 14. September 1965 vollzog sich die Genese des Elbe-Seitenkanals gewissermaßen in Zeitlupe. Briefe blieben monatelang unbeantwortet, Gespräche verliefen schleppend, und immer wieder wurden Entscheidungen auf die lange Bank geschoben. Wenn man von den beharrlich drängenden Hamburgern absieht, handelten die meisten Verwaltungen und Politiker, als hätten sie alle Zeit der Welt. Der Takt änderte sich jedoch im Herbst 1965. Seither schritten Planung und Bau mit einer Dynamik voran, die sich markant von dem gepflegten Schlendrian der vorigen anderthalb Jahrzehnte abhob. Die Regierung Lüneburg eröffnete schon am 9. September 1965 das landesplanerische Verfahren für den Bau des Kanals, im Oktober lief das erste Flurbereinigungsverfahren an, und mit Erlass vom 15. November 1965 wurde bei der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Hamburg eine Neubauabteilung geschaffen.1 Es war vielleicht nicht die größtmögliche Geschwindigkeit, mit der die Behörden zur Tat schritt, aber darum ging es ja auch nicht. Das Ziel war die geordnete Realisierung mit

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vertretbarem Mitteleinsatz, unaufgeregt, zügig und solide, so wie man es von einer bundesdeutschen Behörde erwartete. Für den erwünschten Verhaltensstil gab es Signale aus dem Bundesverkehrsministerium. Charakteristisch war der Umgang mit der Frage, wie die Brücken über den Kanal dimensioniert werden sollten. Dabei sollte nicht nur der zeitgenössische Bedarf, sondern auch die künftige Verkehrsentwicklung berücksichtigt werden, aber das warf die Frage auf, wie weit man in die Zukunft schauen sollte. Die geltenden Richtlinien schlugen fünf Jahre vor, aber das erschien ein wenig dürftig, und deswegen legte das Ministerium 1967 fest, »daß künftig allgemein die in den nächsten 10 Jahren zu erwartende Verkehrsentwicklung maßgebend sein soll«.2 Das war vielleicht nicht besonders großzügig, aber man orientierte sich auch nicht am juristischen Minimum. Die Macher hätten vermutlich von einem sachlich sinnvollen Mittelweg gesprochen, wenn sie denn Lust auf programmatische Grundsatzerklärungen verspürt hätten. Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung war kein Ort des politischen Philosophierens, sondern des zielorientierten Handelns. Man wollte einen Kanal bauen. Das war kompliziert genug. Die Planung der Kanalbrücken war nicht die einzige Frage, die nun der Klärung harrte. Die langjährigen Vorarbeiten hatten lediglich einen allgemeinen Rahmen hervorgebracht, der nun in ein verbindliches Bauprogramm übersetzt werden musste, und da gab es eine Menge kleiner und mittelgroßer Themen. Selbst das Hebewerk bei Scharnebeck war noch nicht beschlossene Sache, als sich Bund und Länder 1965 einigten. Die Ausschreibung erbat Angebote für ein Hebewerk, eine Schleuse oder einen Trogaufzug mit geneigter Ebene, und unter den elf eingereichten Vorschlägen gewann das Hebewerk, weil es bei den Bau- und Unterhaltskosten am besten abschnitt. Die Binnenschifffahrt forderte mit Blick auf Schubverbände einen Trog von 180 Meter Länge, aber da legte sich der Bund quer: Ein Trog mit diesen Dimensionen war »bisher noch nirgendwo auf der Welt gebaut worden«, und außerdem war die Binnenschifffahrt »bei der Entwicklung von Schubeinheiten für Kanäle bisher nicht über das Versuchsstadium hinausgekommen«.3 So wurden Tröge mit 100 Meter Länge gebaut, und Schubverbände müssen deshalb bis heute auseinandergekoppelt werden, bevor sie durchs Hebewerk

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gehen. Hier regierten eben keine freischwebenden Ingenieure auf Rekordjagd, sondern nüchterne Verwaltungsmenschen, denen es in erster Linie auf die richtige Balance von Aufwand und Nutzen ankam. Beim Elbe-Seitenkanal sprach nur Bürgermeister Weichmann von einer »faustischen Tat«.4 Knifflig wurde es vor allem bei Fragen, die über den Bereich der Technik hinausreichten. Der niedersächsische Ministerpräsident Georg Diederichs stellte diese Fragen sogar in den Mittelpunkt seiner Rede beim ersten Spatenstich im Mai 1968. Der Kanal bringe für sein Land »eine Fülle von Problemen und Sorgen mit sich«, erklärte der Ministerpräsident in markantem Kontrast zum goetheanischen Höhenflug seines Hamburger Kollegen. Das Planfeststellungsverfahren war zu diesem Zeitpunkt für 53 der 115 Kanalkilometer abgeschlossen, und bei allem Bemühen um einen fairen Ausgleich habe der Regierungspräsident Lüneburg »eine große Zahl von nicht kummerfreien Einzelentscheidungen« treffen müssen.5 Auch in der Hochzeit der Planungseuphorie gab es neben den großen Plänen zugleich ein Bewusstsein, dass Bauprojekte vor Ort schwierige Fragen und Probleme aufwarfen, die man nicht einfach beiseiteschieben konnte. Außerdem gab es Politiker, die sich nicht scheuten, diese Probleme auch bei feierlichen Anlässen in Erinnerung zu rufen. Entlang der Kanaltrasse standen zahlreiche Gespräche mit Grundeigentümern und anderen Interessenten ins Haus, und da war es nur konsequent, dass die Niedersachsen eine möglichst starke Verhandlungsposition aufzubauen suchten. Das war wohl auch das leitende Interesse des Lüneburger Regierungspräsidenten Fritz Kaestner, dessen Intervention das Regierungsabkommen Anfang 1965 noch auf den letzten Metern zu gefährden schien.6 Mit Blick auf die Unruhe unter den Betroffenen wollte der Regierungspräsident nicht auf das Planfeststellungsverfahren warten und schlug deshalb vor, »schon bei den Vertragsverhandlungen anzustreben, daß die Folgelasten des Kanals durch Vertragsregelung weitgehend aus Baumitteln befriedigt werden«.7 Als Kaestner später im Jahr eine Versammlung im Rahmen des landesplanerischen Verfahrens eröffnete, forderte er die Vertreter der Gemeinden auf, »alle ihre Ansprüche an den Planungsträger hier und heute offen und rückhaltslos vorzubringen«. Nur für Grundsatzdebatten gab es keinen Raum mehr: »Der

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Bau des Elbe-Seitenkanals sei jetzt beschlossene Sache.«8 Ansonsten konnte man aber über alles reden, solange es nur vorwärtsging. Zum Test der neuen Dynamik wurde ein Urteil, das das Bundesverfassungsgericht am 11. April 1967 verkündete. Die hessische Landesregierung hatte gegen die Praxis der dortigen Wasser- und Schiffahrtsdirektion geklagt, Genehmigungen nach dem hessischen Wassergesetz auszusprechen und dafür Gebühren zu kassieren.9 Es ging also um die schwierige Abgrenzung von Landes- und Bundeskompetenzen, die Kritiker später als »Verflechtungsfalle« des bundesdeutschen Föderalismus beschrieben, und das Bundesverfassungsgericht hatte der Klage stattgegeben und eine strikte Trennung angemahnt.10 Für die Erbauer des Elbe-Seitenkanals war das ziemlich beunruhigend, denn die laufenden Planfeststellungsverfahren wurden von einer Landesbehörde geführt, obwohl es um ein Bauprojekt des Bundes ging. Das Bundeswasserbaugesetz von 1968 erklärte deshalb die Wasser- und Schiffahrtsdirektion zur Planfeststellungs- und Genehmigungsbehörde.11 Aber was sollte mit den laufenden Verfahren geschehen? Eine rechtsstaatlich saubere Lösung wäre zweifellos darauf hinausgelaufen, die Verfahren abzubrechen und unter der Ägide einer Bundesbehörde noch einmal von vorn anzufangen. Aber musste man denn immer mit dem Grundgesetz unter dem Arm herumlaufen? Die Behörden wollten die Arbeit der vergangenen zwei Jahre nicht einfach per Federstrich annullieren, und deshalb entwickelten sie eine durchaus bemerkenswerte juristische Kreativität. Handelte es sich denn wirklich um ein Projekt des Bundes? Schließlich wurde der Kanal formal erst mit der Freigabe für den Schiffsverkehr zu einer Bundeswasserstraße. Konnte man das Ganze nicht bis dahin als ein ganz normales Bauwerk betrachten, das zufällig von einer Einrichtung des Bundes errichtet wurde? So argumentierte jedenfalls der Regierungspräsident Lüneburg: Das niedersächsische Wassergesetz sei anwendbar, »weil es sich hier nicht um den Ausbau einer vorhandenen Bundeswasserstraße, sondern den Bau eines neuen Wasserweges handele, der noch keine Bundeswasserstraße sei«.12 Außerdem gab man zu bedenken, dass erst einmal jemand klagen musste. Bis dahin waren die Beschlüsse der Landesbehörde »nicht schlechthin nichtig, sondern lediglich anfechtbar«.13

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Demonstration gegen das geplante nukleare Entsorgungszentrum in Gorleben im März 1979. (Süddeutscher Verlag München.)

Das »Grundgesetz unter dem Arm« war eine Formulierung des CSU -Politikers Hermann Höcherl. Er machte die flapsige Bemerkung 1963, und sie verfolgte ihn bis in seinen Nachruf im Spiegel 26 Jahre später.14 Sie ging in den politischen Wortschatz der alten Bundesrepublik ein, und Generationen von Sozialkundelehrern zitierten sie als Meilenstein in der Lernkurve einer jungen Demokratie: Auch Spitzenpolitiker mussten erst einmal lernen, was eine verfassungsmäßige Ordnung für den Verwaltungsalltag bedeutete. Der Anlass war eine Abhöraffäre, die Höcherl als Bundesinnenminister zu verantworten hatte. Das war ein anderes Kaliber als das Genehmigungsverfahren eines Bauprojekts, und doch hätte der Kanal noch vor Gericht scheitern können. Es gab Atomkraftwerke, die aus nichtigeren Gründen juristisch in die Bredouille kamen, aber es ging in der Heide halt nur um einen Kanal, der mit so viel Fingerspitzengefühl realisiert wurde, dass es am Ende nur ein einziges Gerichtsverfahren gab. Der Kläger war das Wolfsburger Wasserwerk, und das Verfahren vor einem Verwaltungsgericht endete 1970 mit einem Vergleich.15 Wieder einmal kamen die Freunde des Kanals durch. Etwas später wurde der Nordosten Niedersachsens zu einem Hort des zivilgesellschaftlichen Protests, als die Landesregierung am

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22. Februar 1977 entschied, in Gorleben ein nukleares Entsorgungszentrum zu errichten.16 Umgehend formierte sich lokaler Widerstand, das Wendland wurde zum Reiseziel von Atomkraftgegnern aus der ganzen Bundesrepublik, und weil die Katastrophe am Kanal nur wenige Monate zurücklag, gab es auf einer der Demonstrationen ein Plakat, das den Elbe-Seitenkanal in einer Tradition wissenschaftlich-technischer Hybris verortete: »Wir haben Angst vor der WAA Gorleben – denkt an Contergan, Seveso und Elbe Seitenkanal«.17 Später fuhren die Atommülltransporte nach Gorleben über den Elbe-Seitenkanal, und die Bahnbrücke über den Kanal spielte gelegentlich eine Nebenrolle bei den einschlägigen Protesten.18 Aber all das lag in den sechziger Jahren noch in der fernen Zukunft.

Die Gesellschaft spricht Im Juni 1961 erhielt der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg einen Brief aus Konstanz. Absender war die Arbeitsgemeinschaft zum Schutz von Hochrhein und Bodensee, die wenige Monate zuvor in Stuttgart gegründet worden war. Diese Arbeitsgemeinschaft, die unter anderem vom Schwäbischen Albverein, dem Schwäbischen Heimatbund, dem Schwarzwaldverein und den Naturfreunden unterstützt wurde, kämpfte seinerzeit gegen die Kanalisierung des Hochrheins zwischen Bodensee und Basel und allgemein gegen die Industrialisierung des Erholungsgebiets Hochrhein-Bodensee, die von Vertretern der Wirtschaft, Landräten und Bürgermeistern der Region sowie dem baden-württembergischen Innenminister Hans Filbinger vorangetrieben wurden.19 Die Arbeitsgemeinschaft berichtete, dass »sich hierzulande gegen das Projekt zunehmender Widerstand aus allen Bevölkerungskreisen wegen der eintretenden Verschmutzung des Wassers und der Gefährdung des Sees als Erholungslandschaft bemerkbar macht«. Das musste die Hansestadt im hohen Norden eigentlich nicht weiter kümmern, aber es gab bei dem Projekt auch eine ökonomische Seite, und die Arbeitsgemeinschaft fand, dass das Projekt den Hamburger Interessen zuwiderlief, weil sich Österreich nach der Kanalisierung auf den Nordseehafen Rotterdam umorientieren würde: »Vermutlich unbemerkt von Ih-

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nen erwächst den norddeutschen Häfen, insbesondere Hamburg, eine akute Gefahr durch den geplanten Hochrheinausbau.«20 Die Hansestadt reagierte reserviert. Das Amt für Verkehr, das die Beantwortung übernahm, dankte der Arbeitsgemeinschaft für die Informationen, »wobei die von Ihnen vorgebrachten landschaftsschützenden Argumente für Hamburg neu sind und eine interessante Perspektive eröffnen«, und verzichtete auf eine Stellungnahme zur Sache.21 Dahinter stand nicht nur die erwähnte Rücksicht auf die Landesregierung von Baden-Württemberg, die man vor den kommenden föderalen Verhandlungen nicht unnötig provozieren wollte.22 Die Hamburger hatten auch Vorbehalte gegen einen Schulterschluss mit der Bundesbahn, die gegen den Ausbau des Hochrheins kämpfte, denn deren Argumente ähnelten der Kritik am Nord-SüdKanal.23 Es gab aber noch einen weiteren Grund für die unverbindliche Reaktion. Man war sich wohl nicht ganz sicher, mit wem man es überhaupt zu tun hatte. Der Umgang mit einer engagierten Zivilgesellschaft wollte gelernt sein, und die Hamburger Verwaltung war damals noch ganz am Anfang ihrer Lernkurve. Anfang 1961 tobte der Kampf um den Elbe-Seitenkanal bereits ein gutes Jahrzehnt, aber niemand hatte bis dahin eine Arbeitsgemeinschaft zum Schutz der Heide ins Leben gerufen. Daran änderte sich auch nichts, als Bürgerinitiativen in den siebziger Jahren wie Pilze aus dem Boden schossen. Erst nach der Katastrophe vom 18. Juli 1976 gab es unter den Geschädigten Überlegungen, eine Organisation ins Leben zu rufen, aber das verlief letztlich im Sande, auch weil sich der Bund bei der Regelung der Schäden großzügig zeigte.24 Die Region entlang des Elbe-Seitenkanals blieb auf der bundesdeutschen Landkarte des Protests ein weißer Fleck, bis Gorleben alles veränderte. Im Hamburg war allerdings der Schüttguthafen Hansaport umstritten, ein Gemeinschaftsprojekt von Salzgitter AG und HHLA zur Versorgung der niedersächsischen Stahlwerke mit Importerzen. Für das Projekt mussten im Stadtteil Altenwerder etwa 2000 Einwohner umgesiedelt werden, und einige wehrten sich so heftig, dass der Konflikt in die Geschichte des Hamburger Hafens einging: »Berühmt oder berüchtigt – je nach Sichtweise – wird der Obstbauer Claus Schwartau, der immer wieder Gerichtsentscheidungen gegen den Hafenbau erwirkt.«25 Gebaut wurde

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der Hansaport trotzdem, sehr im Unterschied zur Kanalisierung des Hochrheins, die 1963 zu den Akten gelegt wurde.26 Beim Elbe-Seitenkanal war die größte Annäherung an eine Protestorganisation der Nord-Süd-Kanal-Ausschuss der Landwirtschaft im Regierungsbezirk Lüneburg, der sich 1958 unter dem Vorsitz von Georg von Engelbrechten aus Molzen bei Uelzen formierte. Der Kanal reklamierte eine Menge Land und durchquerte die Region ohne Rücksicht auf die gewachsenen Verhältnisse, was manche für das gravierendere Problem hielten. 1952 erklärten Landwirte in einer Versammlung in Lüneburg, sie sähen das Problem »nicht so sehr in der Inanspruchnahme guten Ackerbodens als vielmehr darin, daß der Kanal Ländereien zerschneiden wird«.27 Die Landwirtschaft war allerdings ohnehin in Bewegung. Kein Wirtschaftszweig erlebte in der alten Bundesrepublik einen derart brutalen Wandel wie der Agrarsektor, und das war keine deutsche Besonderheit. Weltweit ging der Trend zu großen, technologisch hochgerüsteten Einheiten mit industriellen Produktionsmethoden, und da konnten nur wenige Betriebe mithalten. »Wachsen oder weichen« hieß das im Sprachgebrauch der Funktionseliten, aber die breite Öffentlichkeit zog ein anderes Wort vor: Bauernsterben.28 Der geplante Elbe-Seitenkanal war vor diesem Hintergrund eher eine gute Gelegenheit zum Frustabbau als ein genuines Problem. In einer Zeit des umfassenden Umbruchs, in der Betriebsleiter folgenreiche Entscheidungen treffen mussten, war es in gewisser Weise tröstlich, wenn es einmal ein Problem gab, bei dem die Landwirte nun wirklich nichts ausrichten konnten. Der manchmal durchaus wortgewaltige Widerspruch war deshalb im Kern Opposition mit angezogener Handbremse: Die Landwirte waren dagegen, aber sie wollten das Projekt nicht um jeden Preis verhindern. Augenscheinlich unternahmen die Landwirte nie einen Versuch, ein Bündnis mit den zahlreichen Gegnern des Kanals aufzubauen, und stets gab es in den Stellungnahmen eine Formulierung, die für den Fall, dass es unbedingt sein musste, Kompromissbereitschaft signalisierte. Auch Georg von Engelbrechten beschwor nicht nur die »Sorge und Ablehnung« in agrarischen Kreisen, sondern deutete im gleichen Atemzug auch an, dass es für die Landwirtschaft letztlich um ein finanzielles Problem gehe: »Im Falle der Verwirklichung des Projektes muss sie

Die Gesellschaft spricht

beträchtliche Verluste und Schädigungen hinnehmen.«29 Da dachte man offenbar schon an kommende Verhandlungen, und wenn sich die Bauherren großzügig zeigten, würde man wohl miteinander ins Geschäft kommen. Der Nord-Süd-Kanal-Ausschuss des Georg von Engelbrechten war anscheinend recht kurzlebig, aber das lag wohl vor allem daran, dass die agrarischen Interessen auch ohne spezielle Organisationen gut vertreten waren. So gab es zu keinem Zeitpunkt Illusionen über die Sicht der Landwirte. »Daß die Landwirtschaft dem Bau dieses Kanals sehr kritisch, vielerorts sogar scharf ablehnend gegenübersteht, darf ich als bekannt voraussetzen«, schrieb der niedersächsische Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 1959 an den Bundesverkehrsminister.30 Die Landwirtschaftsminister der alten Bundesrepublik betrieben im Kern Klientelpolitik, aber Obstruktion gegen das Projekt wurde weder erwartet noch praktiziert. Das Bundeslandwirtschaftsministerium signalisierte schon früh seine Zustimmung, »wenn die Landverluste und sonstige Schäden für die Landwirtschaft ausreichend ausgeglichen werden und wenn überwiegende volkswirtschaftliche Gründe den Nordsüdkanal unumgänglich notwendig erscheinen lassen«.31 Tatsächlich lief der Grunderwerb am Ende ziemlich geräuschlos. Es half, dass in enger Abstimmung mit den Kanalplanungen Flurbereinigungsverfahren angestrengt wurden. Solche Verfahren waren in der Bundesrepublik ein probates Mittel, um Grundstücke für Infrastrukturprojekte zu reklamieren und so die hohen Hürden im Enteignungsverfahren zu umschiffen. Außerdem bewirkten Flurbereinigungsverfahren eine Verbesserung der Produktionsbedingungen, was für Landwirte in den Umbruchszeiten der sechziger Jahre attraktiv war. So standen die Flurbereinigungen ganz im Zeichen der Akzeptanzbeschaffung. 1966 erklärte die Neubauabteilung, »daß in allen Fällen die Erhaltung der landwirtschaftlichen Struktur und eine organische Einbindung des Kanals in die Landschaft den Vorrang vor Geldentschädigungen oder Geldabfindungen haben«.32 Die Planer waren jedenfalls zufrieden: »Über 90 % des für die Kanaltrasse benötigten Geländes konnte relativ reibungslos erworben werden«, hieß es 1970. Bis dahin hatte es nur fünf Enteignungsverfahren gegeben, obwohl bereits 1600 Hektar aufgekauft worden waren.33

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Beim Naturschutz verlief die Entwicklung genau umgekehrt. Bis 1965 gehörte das Bekenntnis zu einem möglichst pfleglichen Umgang mit der Landschaft in jede programmatische Stellungnahme. So hieß es zum Beispiel in der gemeinsamen Stellungnahme der drei norddeutschen Bundesländer vom 24. April 1964: »Die Länder legen Wert darauf, im Rahmen der besonders zu regelnden Punkte auch festzulegen, daß bei dem Wasserstraßenbau alle Möglichkeiten genutzt werden, die allgemeine Wasserwirtschaft und Landeskultur zu fördern, und daß das Landschaftsbild tunlichst zu schonen ist.«34 Als es ernst wurde, taten sich die Bauherren jedoch schwer, den frommen Wunsch zu berücksichtigen. Das lag vor allem daran, dass die Forderungen der Naturschützer über das Monetäre hinausreichten. Zwar bekannte die Wasser- und Schiffahrtsdirektion Hamburg im Juni 1963, sie habe sich der Landschaftspflege »mit besonderer Liebe angenommen«, aber dabei handelte es sich um die selbstsüchtige Form der Liebe.35 Man wollte nämlich am liebsten ganz allein entscheiden. Das niedersächsische Landesverwaltungsamt regte im Januar 1966 ein Generalgutachten an, das das Projekt »vom Standpunkt der ganzheitlichen Landschaftspflege einschließlich des Naturschutzes« betrachten und von einem Diplomgärtner seines Dezernats Naturschutz und Landschaftspflege verfasst werden sollte.36 Die Bauherren hielten sich jedoch lieber an die eigenen Leute und forderten ein Gutachten der Bundesanstalt für Gewässerkunde an, die zur Bundeswasserstraßenverwaltung gehörte.37 Im Planfeststellungsverfahren fanden die amtlichen Naturschützer zwar Gelegenheit zur Äußerung, aber die Bedingungen waren grenzwertig. Mit kurzen Geländeerkundungen und Konsultationen versuchte sich der Diplomgärtner des niedersächsischen Landesverwaltungsamts einen notdürftigen Überblick zu verschaffen, da die Besprechungstermine »sehr kurzfristig im Abstand von zwei bis vier Wochen aufeinanderfolgten«. An der Planung von Bodenentnahmen und der Ablagerung von Aushub wurde der Naturschutz gar nicht beteiligt, und auch sonst zeigten sich die Wasserbauer zugeknöpft: »Obwohl sich der Kanal stark landschaftsverändernd auswirken wird, hat die WSD [Wasser- und Schiffahrtsdirektion] u. W. bisher keine eigene Planung zur landschaftlichen Einbindung und Begrünung des Ka-

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nals und seiner zahlreichen Folgebauwerke vorgelegt.«38 Im April 1967 beschwerten sich die Naturschützer beim Regierungspräsidenten Lüneburg, »daß es die WSD offenbar bewußt vermeidet, mit dem Dezernat Naturschutz und Landschaftspflege zusammenzuarbeiten«.39 Auch andere Stellen zeigten sich von der Liebe der Bauherren zur Landschaft nicht sonderlich beeindruckt. »Die Wasser- und Schiffahrtsdirektion Hamburg hat sich ausgerechnet die schönsten Teile des Isetals für 5 bis 6 m hohe Aufschüttungen ausgesucht«, erklärte Landesforstmeister Alpers 1967 in einer Ausschusssitzung des niedersächsischen Landtags.40 Die Naturschützer waren auch nicht die Einzigen, die an der Wagenburgmentalität der Kanalbauer verzweifelten. Die Regierung Lüneburg verfasste 1971 einen regelrechten Brandbrief, weil die Wasser- und Schiffahrtsdirektion ohne Rücksicht auf Hochwasserschutz und Beregnung einfach baute.41 Fünf Jahre später schrieb der Regierungspräsident über den Vollzug des niedersächsischen Wassergesetzes: »Das Neubauamt ESK bei der WSD Nord – Außenstelle Hamburg – war nur schwerlich an den notwendigen Arbeiten zu beteiligen, aber vor allem das Ortsamt ESK -Süd in Uelzen hat häufig die notwendige Sorgfalt vermissen lassen und hat an Ort und Stelle den Wasserwirtschaftsämtern Schwierigkeiten bereitet.«42 Besser lagen die Dinge, wenn Menschen ein konkretes Anliegen hatten. Die Forstverwaltung half einem Waldbesitzer, dem durch den Kanal die Zerstückelung des eigenen Waldes drohte, durch einen Flächentausch, »um die größten Härten zu mildern«.43 Der Gemeindedirektor von Bodenteich kämpfte gegen eine Straßenbrücke über den Kanal, weil dadurch das Schwimmbad des Ortes zwischen Bahnlinie, Kanal und Straßendamm regelrecht eingekeilt worden wäre.44 Am Ende wurde vor Ort nur eine Fußgängerbrücke errichtet. In der Elbmarsch bei Echem baute die Wasser- und Schiffahrtsdirektion sogar eine Brücke für Rinder, weil der Kanal ein Dorf von seinen Wiesen trennte. Um auf der Brücke unfallträchtige Begegnungen zwischen Kühen und Bullen zu verhindern, gab es an beiden Enden Holzverschläge als Wartesäle. Ein Flussfischer, der um seine Fanggründe in der Neetze bangte, bekam ein Ministauwerk nebst Hebewerk und ein neues Boot.45

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Diese Fußgängerbrücke in Bad Bodenteich wurde gebaut, weil die Gemeinde eine geplante Straßenbrücke ablehnte: Das geliebte Waldschwimmbad des Ortes wäre hinter der Rampe am Ostufer (auf dem Bild rechts) verschwunden. Es war eine von zahlreichen Änderungen der Baupläne, mit denen das Neubauamt auf Anliegen der lokalen Bevölkerung reagierte – und in diesem Fall sparte man damit sogar Geld.

Manche Anliegen waren allerdings hoffnungslos. Der Bürgermeister der Gemeinde Bollensen forderte ebenso eindringlich wie vergeblich, die Schleuse Uelzen weiter südlich zu bauen. So entstand »ein sehr hoher Damm«, der sich »durch die ganze Feldmark Bollensen« zog. Das zwang die örtlichen Bauern zu Umwegen, und außerdem schlug die geplante Trassenführung dem Naturschutz »direckt [sic] ins Gesicht«. Verschärfend kam hinzu, dass derlei nicht zum ersten Mal passierte: »Vor 100 Jahren wurde die Eisenbahn Bremen-Stendal,Magdeburg [sic] gebaut. Sie durchschneidet die Feldmark Bollensen von Westen nach Osten. Seitenwege längs der Eisenbahn bis 500 m mußten in Kauf genommen werden.«46 Da halfen weder großzügige Entschädigungszahlungen noch Bepflanzungsaktionen. Manche Orte gehörten bei Infrastrukturprojekten einfach zu den Verlierern.

Ernüchterungen

Ernüchterungen Wer einen Kanal im ländlichen Niedersachsen bauen wollte, brauchte nicht nur Verständnis für das Verhältnis von Bauern zu ihren Kühen. Es war auch hilfreich, wenn man einen guten Draht zur britischen Armee hatte. Die Lüneburger Heide war ein wichtiges Aufmarschgebiet für NATO -Truppen, und die Kanaltrasse führte über 3,7 Kilometer durch den ehemaligen Truppenübungsplatz Victoria Hill in der Nähe von Wendisch Evern. Die Briten hatten dort bis 1959 einen Schießstand unterhalten, und deshalb gab es im Boden jede Menge Blindgänger. Die deutschen Behörden hatten das Gebiet für die Öffentlichkeit gesperrt und sich nicht weiter um die Altlasten gekümmert, bis das Gelände in dem Blick der Kanalbauer rückte. Aber wer sollte die Kosten der Entmunitionierung übernehmen? Aus Sicht der Wasser- und Schiffahrtsdirektion war das ein Thema, das auf einer höheren Ebene geklärt werden musste, und deshalb verhandelten der Bundesverteidigungsminister und der Bundesminister der Finanzen mit der britischen Rheinarmee. Am Ende übernahmen die Briten einen Teil der Kosten.47 Trotz gründlicher Planung gab es für die Bauherren manche Überraschungen. So entdeckten die Planer 1965 sechs Häuser in der Nähe von Erbstorf, wo sie auf der Grundlage der 1960 angefertigten Luftaufnahmen nur ein Haus erwartet hatten. Die Neubauten wurden abgerissen und die Eigentümer voll entschädigt.48 Eine größere Herausforderung präsentierte sich dem Neubauamt, als die ersten Abschnitte fertig waren und mit Wasser gefüllt werden sollten. Die Planer hatten für den Kanal schon früh eine Wasserversorgung aus der Elbe vorgesehen, aber offenbar war niemandem aufgefallen, dass die Pumpstationen erst gegen Ende der Bauarbeiten in Betrieb gehen sollten.49 Zu allem Überfluss konnte man fertig gebaute Kanalstrecken nicht einfach ruhen lassen. »Die Teilstrecken des Elbe-Seitenkanals müssen mit Wasser bespannt werden, damit die gedichteten Bereiche (als Faltdichtung) unter Wasser feucht gehalten werden. Andernfalls ist mit Schäden an den Dichtungsstrecken zu rechnen«, hieß es 1973 in einem Vermerk.50 So begaben sich die Bauherren in der wasserarmen Heide auf die Suche nach drei Millionen Kubikmeter Wasser und verhandelten mit dem Wasserwirtschafts-

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amt Lüneburg über neue Brunnen. Man hätte auch ein nahe gelegenes Flüsschen anzapfen können, aber da legte sich der Landkreis Uelzen quer, weil »in Erlaubnisverfahren Entschädigungsregelungen nicht übersehbar« waren.51 Schließlich half ein regenreicher Herbst. Flexibilität war auch gefragt, als eine Baufirma 1970 bankrottging. Es war eine Pleite der spektakulären Sorte. Richard Schmahl war in der Tiefbaubranche ein Senkrechtstarter, der 1964 als Kieslieferant begonnen hatte und neben einer zwölf Kilometer langen Kanalstrecke auch Autobahnbauten und Erdarbeiten für die neue Bremer Universität übernahm. Als sich der Zusammenbruch abzeichnete, klebte er weiße Zettel mit den Namen neuer Eigentümer auf Gebäude und Inventar und versuchte, Baumaschinen in den Niederlanden zu verscherbeln. Am Ende wurde der flüchtige Unternehmer per Haftbefehl gesucht.52 Drei Monate später erklärte der Leiter des Neubauamtes Elbe-Seitenkanal Nord auf einer der regelmäßigen Pressefahrten, dass sich das Projekt dadurch nicht verzögern werde. Eine Bremer Firma hatte den Auftrag übernommen und ein Hamburger Unternehmen als Subunternehmen engagiert, und die hatten den Rückstand »mit Hilfe moderner amerikanischer Großgeräte […] fast wieder aufgeholt«.53 Über die Kosten der Aktion schwieg sich das Neubauamt bei dieser Gelegenheit aus. Vermutlich lief der Bankrott für den Bund auf Mehrausgaben hinaus, und das war auch deshalb unerfreulich, weil diese Kosten ohnehin stiegen. Im Juni 1969 wurden die Baukosten auf 897 Millionen DM veranschlagt, und es ging weiter nach oben.54 Im Mai 1972 wurden der Hamburger Bürgerschaft Gesamtkosten von 996 Millionen DM versprochen, im Oktober war man schon bei 1,161 Milliarden, und im Januar 1974 wurden 1,3 Milliarden erreicht.55 Diese Zahl stand dann auch in dem Buch, das die Wasserund Schiffahrtsverwaltung des Bundes zur Eröffnung des Kanals 1976 herausgab.56 Die realen Kosten waren am Ende jedoch deutlich höher, und das nicht nur, weil die Katastrophe vom Juli 1976 zusätzliche Ausgaben in Höhe von rund 72 Millionen DM verursachte. 1982 taxierte ein Hamburger Vermerk die reinen Baukosten auf 1,534 Milliarden DM , hinzu kamen Ausgaben im weiteren Kontext, die sich retrospektiv kaum noch zuverlässig bestimmen lassen.57 So hielt zum Beispiel ein Vermerk der Hansestadt von 1973 fest, dass »das

Ernüchterungen

Wohlwollen der DB gegenüber dem Kanalbau […] seitens Hamburgs bereits durch das Entgegenkommen beim S-Bahn-Bau in Hamburg honoriert« wurde.58 Besonders kritisch wurde es für den Kanal 1971, als sich eine Schieflage im Bundeshaushalt abzeichnete, die vor allem durch Kürzungen im Verteidigungs- und Verkehrsetat korrigiert werden sollte. Im Juli stand eine »30%ige Kürzung der Haushaltsmittel des Bundes« in Aussicht, einen Monat später teilte der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen mit, dass leider »bei der allgemeinen Wirtschafts- und Finanzlage des Bundes […] eine zeitliche Streckung der von den Kostensteigerungen betroffenen Wasserbauvorhaben vorzusehen« war. Der Staatssekretär war allerdings der Ansicht, dass »hier die zeitliche Verschiebung im Verhältnis zu anderen Maßnahmen […] relativ gering bleiben« werde, da Hamburg seinen eigenen finanziellen Beitrag bereits geleistet habe.59 Aber vielleicht war der Staatssekretär auch deshalb generös, weil sein Chef mit dem Projekt in besonderer Weise verbunden war? Seit Mai 1971 gab es im Bundeskabinett einen Superminister, der die Ministerien für Wirtschaft und Finanzen in Personalunion führte, und es war just jener Karl Schiller, der das Projekt zwei Jahrzehnte zuvor als Hamburger Wirtschaftssenator auf den Weg gebracht hatte.60 Man trifft sich immer zweimal im Leben, sagt ein Sprichwort, und manchmal trifft man auch die frühere Inkarnation des eigenen Selbst. Auch die Verkehrserwartungen entwickelten sich dynamisch, allerdings in umgekehrter Richtung. »Je näher aber der Termin für die Fertigstellung der Wasserstraße heranrückt, desto mehr scheint sich das Interesse potentieller Nutzer des neuen Wasserweges abzukühlen«, hieß es 1975 in der Zeitschrift für Binnenschiffahrt und Wasserstraßen.61 Die Hamburger Handelskammer übte sich zwar weiter in Optimismus und erklärte noch 1975, die viel zitierten 10 Millionen Tonnen pro Jahr seien »relativ sicher«.62 Andere bemühten sich eher, die Erwartungen herunterzuschrauben. Der Hamburger Hafenbaudirektor Naumann erklärte 1972 in einer Rede zum Elbeschiffahrtstag in Lauenburg, dass die Berkenkopf ’sche Zahl »nach der Eröffnung des Kanals sicher nicht sofort und schlagartig erreicht werden wird, sondern erst nach einer gewissen Anlaufzeit«.63 Als der Ka-

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nal 1976 eröffnet wurde, erklärte Hamburgs Erster Bürgermeister Hans-Ulrich Klose in seiner Rede: »Ob diese Zahl realistisch ist, will ich hier offen lassen.«64 Die neue Nüchternheit hatte auch mit den Krisen der siebziger Jahre zu tun. Nach den Boomjahren der frühen Bundesrepublik herrschte nun ökonomische Flaute, und da drängte sich der Elbe-Seitenkanal als Zielscheibe geradezu auf. In der Presse herrschte jedenfalls ein kritischer Tenor. Der Kanal symbolisierte Geldverschwendung in Zeiten knapper Kassen, und weil der Bau im fortgeschrittenen Stadium war, mussten sich die Journalisten auch keine Gedanken über Alternativvorschläge machen. Richtig gut war die Presse beim Elbe-Seitenkanal freilich nie gewesen. »Die Kritik verstummt nicht«, schrieb die Frankfurter Allgemeine 1968 in ihrem Bericht über den ersten Spatenstich.65 Freundlicher war die Bild-Zeitung, die sich lieber auf die dicke Zigarre kaprizierte, die Hamburgs Bürgermeister Weichmann dem Bundesverkehrsminister schenkte, weil die Hansestadt traditionell keine Orden vergab. »Es war eine schwarze Brasil für 5 DM . Marke ›Romeo und Julia‹«, schrieb Bild am 7. Mai 1968.66 Das war für einen Boulevardjournalisten halt wichtiger als das Geld der Steuerzahler. Mit besonderer Nervosität vernahmen die Freunde des Kanals die Gerüchte, dass Salzgitter einen Deal mit der Bundesbahn vorbereitete. »Wie mir aus zuverlässiger Quelle bekannt wurde, verhandelt Salzgitter augenblicklich mit der Bundesbahn über die Versorgung des Werkes vom Hansa-Port nach Salzgitter per Bahn-Waggon«, hieß es in einer Hamburger Aktennotiz vom Februar 1973.67 Ein Jahr später gab es gar Gerüchte, es existiere »ein Vertrag zwischen der Stahlwerke Peine-Salzgitter AG . und der Deutschen Bundesbahn über einen hundertprozentigen Abtransport der Erzimporte über Gleis«.68 Ganz so dick kam es am Ende nicht, aber als die Einigung zwischen Salzgitter und der Bundesbahn bekannt wurde, war wohl niemand überrascht.69 Dabei war die Hamburger Behörde für Wirtschaft und Verkehr nicht untätig geblieben. Sie wandte sich an ein Vorstandsmitglied, das lakonisch erklärte, es liege »nicht im Interesse der Stahlwerke Peine-Salzgitter AG ., sich auf einen Verkehrsträger zu konzentrieren, da die damit verbundenen Nachteile auf der Hand liegen«. Daraufhin wurden dem Mann »noch einmal

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die verschiedenen Aspekte nachdrücklich erläutert, die aus unserer Sicht für eine Nutzung des Elbe-Seitenkanals sprechen«.70 Das hatte fast schon den Ruch einer Verzweiflungstat. Am Ende war die Stimmung so schlecht, dass über eine Absage der Eröffnungsfeier gemunkelt wurde. Das Theater legte sich erst nach einem scharfen Vermerk von Bundeskanzler Schmidt.71 Im Herbst 1976 stand schließlich eine Bundestagswahl ins Haus, bei der es für die SPD knapp zu werden drohte. Außerdem konnte die Hansestadt Hamburg kaum Trauer blasen, nachdem sie eine halbe Milliarde in das Projekt investiert hatte. »Hamburg als größter deutscher Hafen benötigt eine vielfältige Verkehrsinfrastruktur. Diese Forderung wird durch den Elbe-Seitenkanal erfüllt und damit die Wettbewerbsfähigkeit Hamburgs erhöht«, hieß es im Mai 1976 in einem Vermerk für ein Fernsehstatement des Hamburger Wirtschaftssenators.72 Auch der niedersächsische Ministerpräsident bekam zu dieser Zeit einen Vermerk. Der Anlass war das Vorwort für den Prachtband der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung, aber nach der hausinternen Abstimmung war es den Referenten ein Bedürfnis, die eigene Spitze auf die Realität zu verweisen, die sich hinter den freundlichen Worten verbarg: »Als Hintergrundinformation möchte ich darauf hinweisen, daß für den Elbe-Seitenkanal im Rahmen der Bundesverkehrswegeplanung nur ein Nutzen-Kosten-Verhältnis von 0,6 ausgerechnet worden ist. Nach heutigem Erkenntnisstand wäre damit der Kanal mit großer Wahrscheinlichkeit nicht gebaut worden.«73

Aida in der Heide Der nördliche Teil des Elbe-Seitenkanals wurde etwas früher vollendet als das Gesamtwerk, und so gab es gleich zweimal einen Festakt zur Eröffnung. Im Dezember 1975 wurden das Schiffshebewerk und der Hafen Lüneburg eingeweiht, und am 15. Juni kam Bundesverkehrsminister Kurt Gscheidle nach Uelzen, um mit dem Passagierschiff »Hans Albers« durch die Schleuse zu fahren und ein über den Kanal gespanntes Band zu durchschneiden.74 Danach feierte die lokale Bevölkerung fünf Tage lang mit allem, was die Provinz so zu

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bieten hatte. Es gab einen Schlauchbootwettbewerb, Jazzgymnastik und Kunstturnen am Barren, diverse Spielmannszüge und am Abend eine Vorführung beleuchteter Schiffsmodelle durch die örtliche Modellbaugruppe sowie eine »Kanaltaufe durch den Meeresgott Neptun« durch die Marinekameradschaft Uelzen, und das war nur der erste Tag. Im weiteren Verlauf gab es auch noch einen Luftballonwettbewerb, Vorführungen der Rettungskräfte, ein Akkordeonorchester und vieles mehr. Außerdem erzielte Uelzen Synergieeffekte, weil der Schützenverein im nahe gelegenen Kallenbrock zeitgleich sein 50-jähriges Bestehen feierte.75 Für die geladenen Gäste sollte es natürlich etwas kultivierter sein, und da gab es für den gebildeten Bundesbürger keine Qual der Wahl. Wenn man einen Kanal eröffnete, musste es Aida sein. Die Oper war bekanntlich als Auftragsarbeit im Zusammenhang mit der Eröffnung des Suezkanals entstanden, und so gab es am 15. Juni gleich zweimal Verdi. Das Heeresmusikkorps III eröffnete den Festakt mit Hymne und Triumphmarsch, und Hamburgs Bürgermeister Klose eröffnete seine Rede mit koketten Anspielungen auf den italienischen Komponisten und sein Werk. Acht Jahre zuvor hatte sich sein Vorgänger Weichmann mit einem Goethe-Zitat blamiert, aber diesmal wollten die Redenschreiber alles richtig machen. Klose erklärte der Festgemeinschaft, dass die Oper für das neue Theater von Kairo geschrieben worden sei – »nicht zur Eröffnung des Kanals, wie oft fälschlich behauptet wird«. Das hatte auch den Vorzug, dass Klose an diesem Tag zumindest ein kommerziell erfolgreiches Projekt erwähnen konnte. »›Aida‹ wurde denn auch ein Kassenschlager, und die holde Dame ist bis auf den heutigen Tag mit jenem künstlichen Wasserweg zwischen Mittelmeer und Rotem Meer verbunden.«76 Die launige Eröffnung war ein Weg, die Zweifel am Elbe-Seitenkanal zumindest für einen Moment zu umschiffen, und außerdem hatte sich der rhetorische Kniff bewährt. Kloses Wirtschaftssenator Helmuth Kern hatte seine Festrede zur Eröffnung des Lüneburger Kanalhafens am 4. Dezember 1975 mit den gleichen Worten begonnen.77 Natürlich ging bei einer solchen Veranstaltung nicht alles glatt. Ein Kameramann vom Fernsehen verunglückte auf dem Passagierschiff, weil er das festliche Geschehen vom Dach der Kom-

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mandobrücke aus einfangen wollte und darüber vergaß, vor einer Kanalbrücke den Kopf einzuziehen.78 Die Ortsverwaltung Uelzen-Südheide der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands gab zur Feier des Tages ein Flugblatt heraus, das unter dem Titel »ESK : Ein verkehrspolitischer Luxus« ein paar kritische Fakten über den Kanal präsentierte.79 Außerdem gab es in guter hanseatischer Tradition einen Fehltritt in der Ansprache des Hamburger Bürgermeisters. Aida war nämlich für den neuen Kanal eine ziemlich ambivalente Referenz, wenn man einen Blick auf die Handlung warf. Die Oper spielt im alten Ägypten, wo Radames mit dem ägyptischen Heer über die Äthiopier siegt und als Lohn die Tochter des Pharaos heiraten soll. Der Feldherr liebt aber die Sklavin Aida, ohne zu wissen, dass Aida die Tochter des äthiopischen Königs ist. Nach diversen genretypischen Verwicklungen muss sich Radames entscheiden, ob er der Liebe folgt oder der militärischen Pflicht, und natürlich entscheidet er sich  – wir sind schließlich in der Oper  – für die Liebe. Am Ende wird Radames als Verräter bei lebendigem Leib eingemauert, und in der Zelle findet er seine Aida, die gemeinsam mit ihm in den Tod geht. So feierte Verdis Oper eigentlich ein Verhalten, das man in hierarchischen Systemen partout nicht gebrauchen konnte, und Hierarchien gab es ja nicht nur in der Armee, sondern auch in der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung der Bundesrepublik Deutschland. Für den neuen Kanal brauchte man keine ewige Liebe, umso mehr hingegen Männer, die den Regeln folgten und die ihnen zugedachte Rollen spielten, ohne sich von sentimentalen Anwandlungen beirren zu lassen. Im Krieg konnten auch kleine Fehler katastrophale Folgen haben, und dasselbe galt für den epischen Kampf mit dem Wasser, dessen jüngstes Kapitel die Väter des Elbe-Seitenkanals gerade geschrieben hatten. Vielleicht hätte man da besser Zusammenarbeit und Pflichterfüllung gefeiert als den Verrat eines hoffnungslos verliebten Feldherrn? Es passt im Rückblick eigentlich nur dann, wenn man den Bezug auf Aida subversiv liest. Die Disziplinlosigkeit des Feldherrn Radames war nämlich eine durchaus passende Ouvertüre für das Drama, das fünf Wochen nach der feierlichen Eröffnung geschah.

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enn es je einen günstigen Tag für eine Flutkatastrophe gab, dann war es der 18. Juli 1976. Die Wochen zuvor waren heiß und trocken gewesen, ein Hitzesommer, der lange im Gedächtnis blieb. Aber zum Ende der Woche hatte es sich abgekühlt, die Wetterstation am Hamburger Flughafen Fuhlsbüttel verzeichnete für den Tag der Katastrophe bedecktes Wetter mit einer Höchsttemperatur von 22 Grad. Der 18. Juli war ein Sonntag, was zwar eine große Schar von Schaulustigen zum Ort des Geschehens brachte, aber auch einen Rettungseinsatz von bemerkenswerter Effizienz ermöglichte. Unter den 3000 Rettern stellten die Freiwilligen Feuerwehren der Umgebung das weitaus größte Kontingent, auch unter den übrigen Helfern befanden sich zahlreiche Freiwillige, und deren Einsatzbereitschaft unterlag tageszeitlichen Schwankungen. Die amtlichen Berichte schweigen über diesen Punkt, aber vermutlich waren die meisten Freiwilligen – sofern sie nicht verreist waren – in guter Verfassung für einen langen Einsatz. In aller Regel werden sie am Sonntagvormittag ausgeschlafen und halbwegs nüchtern gewesen sein. Der Sommer ist Schützenfestzeit in Niedersachsen. Gegen Ende des

An einem Sonntag im Juli

Tages hätten die Rettungskräfte wohl nicht nur mit dem Wasser gekämpft, sondern auch mit Promillespiegeln im Grenzbereich. »Du, Mutti, da ist so ein komisches Geräusch«, begann der Bericht der Lüneburger Landeszeitung am Tag nach der Katastrophe. Es waren die Worte des 62 Jahre alten Walter Meyer, der gemeinsam mit seiner Frau auf Sonntagsspaziergang am Kanal war und zum Augenzeugen des Dammbruchs wurde.1 An einer Unterführung, die östlich von Lüneburg einen Feldweg unter dem Kanal hindurchführte, quoll Wasser aus dem Deich, zunächst als Rinnsal, dann immer mächtiger, bis sich »explosionsartig eine Gischtwolke« bildete.2 Auf dem Rückweg zu seinem Auto warnte Meyer die Besatzung des Binnenschiffs »Freienthal I«, das daraufhin ein paar hundert Meter südlich des geborstenen Damms anhielt. Es sollte seinen Platz nie wieder verlassen. Das Schiff wurde ein paar Stunden später Teil des improvisierten Damms, mit dem die Rettungskräfte die Flut zum Stillstand brachten, danach lag es monatelang auf dem Trockenen, bis es Mitte November an Ort und Stelle verschrottet wurde.3 Der Kapitän eines anderen Binnenschiffs, der MS »Andreas«, erlebte die beginnende Katastrophe von der Wasserseite. Er sah das Loch, als er den Kanal in Richtung Hebewerk befuhr, und es war bereits so groß, dass sich die Geschwindigkeit seines Fahrzeugs spürbar verringerte. »Nur mit äußerster Maschinenkraft konnte ich mich aus dem Sog befreien«, berichtete er einen Tag später der Wasserschutzpolizeistation Lüneburg.4 Die MS »Andreas« machte im Oberwasser des Hebewerks Scharnebeck fest und setzte über Funk eine Meldung ab, sodass ein in Gegenrichtung fahrendes Schiff noch rechtzeitig anhalten konnte. Damit war der Schiffsverkehr unterbrochen, ohne dass es einer behördlichen Anordnung bedurfte, und das war dann auch schon alles, was die Augenzeugen am Morgen des 18. Juli ausrichten konnten. Es gab noch keine Handys, mit denen sie Hilfe holen konnten, und vor der Gewalt des Wassers waren sie ohnehin machtlos. Als Meyer mit seiner Frau zum Auto zurückging, hörte er bereits die Sirenen, mit denen die umliegenden Feuerwehren ihre Mannschaften alarmierten.5 Nach einem Vermerk, den die Regierung Lüneburg nach der Katastrophe anfertigte, brach der Damm um 10:15 Uhr. »Das Wasser stürzt auf die Felder und strömt in Richtung Lüneburg«, heißt es

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in dem Bericht.6 Nach ein paar hundert Metern traf das Wasser auf den Raderbach, ein kleines Rinnsal in der hügeligen Landschaft, das sich innerhalb von Minuten in einen reißenden Fluss verwandelte. Rasch stand eine Sportanlage unter Wasser, gefolgt von der Siedlung Im Stadtfeld. Der Lüneburger Stadtteil Ebensberg lag etwas näher am Kanal, befand sich jedoch auf einem Hügel – ein weiterer glücklicher Zufall, denn Ebensberg war deutlich größer als das Stadtfeld, das eigentlich nur aus einer kurzen Seitenstraße bestand. Die Flut strömte auf weitere Felder, zwei Bahnlinien, eine Kleingartenanlage, einen Kreisverkehr, an dem sich zwei Bundesstraßen trafen, und setzte schließlich die Lüneburger Kläranlage unter Wasser. Dann ergoss sich die Flut in die Ilmenau, den Fluss, der durch Lüneburg fließt. Der Rückstau setzte in der Innenstadt Keller unter Wasser, aber das meiste Wasser floss nordwärts aus der Stadt heraus in Richtung Elbe. Helfer hatten mit den unter Wasser stehenden Häusern und dem Treibgut alle Hände voll zu tun, aber letztlich blieb die Siedlung Im Stadtfeld die einzige, die das Wasser mit voller Wucht traf. Entlang des Kanals gab es 37 Kreuzungen mit Gewässern, 160 Kreuzungen mit Ver- und Entsorgungsleitungen und mehr als eine Stelle, an der Wohnhäuser in unmittelbarer Nähe des Deiches standen.7 Es hätte alles ganz anders ausgehen können.

Geschichten einer Katastrophe Walter Meyer und der Kapitän waren zwei der zahllosen Augenzeugen, die vom Tag der Katastrophe erzählen konnten. Da kann man als Chronist versucht sein, sich kopfüber in den Wust der Geschichten zu stürzen, und es gibt zahllose Katastrophenberichte, die von den süffigen Stories leben. Diese Darstellung verfolgt einen anderen Weg. Sie beleuchtet auch Einzelschicksale, aber gerade nicht in der Form von Erzählungen, bei denen man mitfiebern könnte. Es geht vielmehr um Impressionen, die sich zu einem Gesamtbild zusammenfügen, ohne dass die Narration einen der üblichen Spannungsbögen – sonntägliche Ruhe, gefahrvolle Flut, Rettung – bieten würde. Die erzähltechnische Nüchternheit geht einher mit einem Verzicht auf Zahlenkolonnen, die meist nicht viel mehr als ein

Geschichten einer Katastrophe

dumpfes Gefühl der Ehrfurcht produzieren. Auf diesem Weg werden ganz unterschiedliche Menschen sichtbar, und das nicht nur in Heldenpose: Feuerwehrleute, die eigentlich gerne zum Schützenfest gegangen wären, ein bockiger Schiffsbesitzer, der sich mit den Rettungskräften stritt, Hausbesitzer, die sich nicht helfen lassen wollten, weil sie ihren eigenen Stolz hatten. Über die Emotionen der Menschen wird dabei eher wenig gesagt, obwohl die Emotionsgeschichte gerade in Historikerkreisen der letzte Schrei ist. Das liegt nicht nur an den Problemen der Quellenbasis, weil das Gefühlsleben im Moment der Katastrophe meist nur über retrospektive Berichte zugänglich ist. Meine Vorbehalte lassen sich am Beispiel eines überambitionierten Lüneburger Hausbesitzers erläutern, der Opfer der Flutkatastrophe wurde, die Schadensregulierung seines Heims auf eigene Faust in Angriff nahm und schließlich mit Kreislaufkollaps im Krankenhaus landete. In den Akten steht, dass seine 72 Jahre alte Mutter »in einem kleinen Nebengebäude auf dem Grundstück« wohnte.8 Da hätte es nahe gelegen, die Beziehung zwischen Mutter und Sohn näher auszumalen. War er das ewige Muttersöhnchen, das der eigenen Mutter endlich einmal beweisen wollte, dass er doch etwas zustande brachte? Das hätte zweifellos ein Element der Spekulation, aber damit macht man sich unter Historikern nicht unbedingt unmöglich. So machte es zum Beispiel Natalie Zemon Davis in ihrem Buch über die Wiederkehr des Martin Guerre: der Geschichte eines Identitätsdiebstahls im 16. Jahrhundert, in der Davis die Rolle der Ehefrau recht freihändig interpretierte.9 Mit etwas Glück hätte man die Mutmaßungen vor Ort überprüfen können. Darauf habe ich jedoch nicht nur deshalb verzichtet, weil der Quellenwert von Gerüchten in der Kleinstadt eher dubios ist. Zum Rüstzeug des Zeithistorikers sollte auch ein Respekt vor der Privatsphäre einfacher Menschen gehören. Eine Darstellung, die Ängsten und Alpträumen breiten Raum einräumt, gewinnt unvermeidlich einen voyeuristischen Zug, und der Erkenntnisgewinn ist in vielen Fällen überschaubar. Natürlich ging es Kindern, die mit knapper Not aus überfluteten Häusern gerettet wurden, in den folgenden Tagen nicht gut. Aber konnte man sich das nicht denken? Die Einzelschicksale lenken zudem vom Gesamtbild ab, und die-

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ses ist mit Blick auf die Leitthese der vorliegenden Studie von besonderem Interesse. Erst wenn man sich von den Einzelgeschichten löst, wird deutlich, dass die Katastrophe auch eine Art Stresstest für das Institutionengeflecht der bundesdeutschen Binnenschifffahrtsverwaltung war: Die Kultur der organisierten Verantwortungslosigkeit hielt selbst nach einem solchen Ereignis. Es gab keine öffentlichen Anhörungen, kein Gerichtsverfahren, ja noch nicht einmal einen Abschlussbericht, in dem man der Öffentlichkeit Rechenschaft über das Geschehen hätte geben können. Es gab in den Wochen nach der Katastrophe eine Menge kritischer Fragen, aber das saßen die Freunde des Kanals einfach aus. Sie vertrauten einfach darauf, dass sich die Gesellschaft da draußen schon irgendwann beruhigen würde. Ereignisgeschichte gerät nur allzu leicht zum Surrogat einer tiefergehenden Analyse. Unvorhergesehene Ereignisse gab es ja schon in der Bauphase. Eine Firma ging spektakulär pleite, einige Anlieger erwiesen sich als hartleibige Verhandlungspartner, und außerdem stiegen ständig die Kosten. Die wohl peinlichste Episode war die improvisierte Suche nach Wasser: Augenscheinlich hatte keiner der Planer darüber nachgedacht, wie man fertig gebaute Kanalabschnitte füllen sollte, bevor die Pumpstation am Schiffshebewerk verfügbar war.10 Aber die Arbeit im Neubauamt war kein atemloses Krisenmanagement, und auch nach dem 18. Juli fanden die Wasserbauer schon bald in ihren Normalmodus zurück. Eine Darstellung, die sich stattdessen auf Einzelschicksale kapriziert, ähnelt fatal den Hollywood-Filmen, in denen die harte Arbeit mit ein paar schnellen Schnitten und flotter Musik abgehandelt wird.

Menschen retten, und einen Kanal Ein Bericht des Leitenden Branddirektors Maximilian Puchner aus Hamburg, der um 13 Uhr zum Krisenstab stieß, terminierte die »erste ungenaue Meldung« in der Einsatzzentrale auf 10:48 Uhr.11 Die ersten Fahrzeuge rückten wenig später aus, der Lüneburger Kreisbrandmeister war rasch vor Ort, ebenso der Lüneburger Kreisdirektor Faulhaber. Dann ging alles ganz schnell. Der Blick auf die

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Wassermassen und ein kurzes Gespräch genügten. Um 11:15 Uhr gab der Kreisdirektor Katastrophenalarm für den Landkreis Lüneburg. Wenig später saßen der Kreisdirektor und der Kreisbrandmeister in einem Hubschrauber, um sich einen Überblick zu verschaffen.12 Sie sahen eine Bruchstelle, die inzwischen ein Wasserfall war. Das Leck begann an der Böschung, aber das strömende Wasser riss immer mehr Erde aus dem Damm, und so floss das Wasser ab etwa 11:30 Uhr auf der gesamten Breite der Kanalüberführung.13 Einen Kilometer nördlich gab es am Kanal ein Sicherheitstor zum Schutz des oberen Hafenbeckens am Hebewerk Scharnebeck, das rasch geschlossen wurde. In südlicher Richtung gab es jedoch bis zur Schleuse Uelzen kein weiteres Tor, und diese Schleuse war mehr als 40 Kanalkilometer entfernt. Aus der Luft war auch das stetig wachsende Überschwemmungsgebiet zu sehen, das schließlich laut Puchner 15 Quadratkilometer umfasste.14 Die Zahl war möglicherweise übertrieben, denn andere Quellen sprachen von zehn Quadratkilometern.15 Auch an anderen Punkten klafften die Zahlen zum Teil deutlich auseinander. Es war, als hätte die Fassungslosigkeit der Zeitgenossen bis in die Bilanzen durchgeschlagen, und so zirkulierten auch in amtlichen Dokumenten unrealistische Angaben. Ein Hamburger Vermerk behauptete zum Beispiel, dass aus dem Leck 17 Millionen Kubikmeter Wasser geflossen waren, obwohl sich leicht errechnen ließ, dass der gesamte Kanalabschnitt noch nicht einmal die Hälfte dieses Volumens aufnehmen konnte.16 Die Realität war schlimm genug. Eine hydraulische Untersuchung des Wasserwirtschaftsamts Lüneburg konstatierte, »daß während der Zeit zwischen 10.30 Uhr am 18.7.1976 und 1.50 Uhr am 19.7.1976 aus der Kanalstrecke etwa 3,6 Mio m3 Wasser abgelaufen sind«.17 Das entsprach in etwa der Wassermenge in der Hamburger Außenalster. Die Rettungskräfte merkten jedenfalls schnell, dass Not am Mann war, und die Mobilisierung reichte über den Landkreis Lüneburg hinaus. Nach einem Vermerk der Feuerwehrtechnischen Zentrale Scharnebeck halfen 222 Feuerwehrleute mit 22 Fahrzeugen aus dem Landkreis Uelzen, 116 Feuerwehrleute mit 16 Fahrzeugen aus Lüchow-Dannenberg und 300 Feuerwehrleute mit 55 Fahrzeugen aus Hamburg.18 Hinzu kamen Einheiten des Technischen Hilfs-

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werks, des Deutschen Roten Kreuzes, des Arbeiter-Samariter-Bundes, der DLRG sowie von Bundeswehr und Bundesgrenzschutz. Beim Bau des Erddamms, mit dem der Kanal im Laufe der Nacht endgültig abgedichtet wurde, halfen Privatunternehmen aus dem Baugewerbe und eine Pionierkompanie der Bundeswehr, die Tiefbaugerät aus dem 80 Kilometer entfernten Stade heranbrachte.19 Untätig blieb nur die Wasserschutzpolizei. »Obwohl die WSP primär für den Wasserweg zuständig ist  – Ersatzvornahme Freienthal, Warnung der Schiffahrt –, unterblieb eine Alarmierung der im Dienstfrei befindlichen Beamten«, hieß es im Vermerk der Regierung Lüneburg. »Auch die im Dienst anwesenden Uelzener WSP -Kollegen wurden nicht angesprochen.«20 Nach dem Grund fragte nach der Katastrophe niemand, aber es gab ein Ereignis ganz am Anfang, das die Vermutung nahelegt, dass sich hier einmal mehr die Fremdheit zwischen der Welt der Binnenschifffahrt und dem Rest der bundesdeutschen Gesellschaft dokumentierte. Der Kapitän der MS »Andreas« hatte seinen Funkspruch um 10:10 Uhr abgesetzt, und danach verging eine Dreiviertelstunde, in der offenbar niemand rund um das Hebewerk auf den Gedanken kam, Polizei oder Feuerwehr auf das ausströmende Wasser hinzuweisen.21 Das Hebewerk bestätigte das Leck erst um 10:55 Uhr, als sich bei der Feuerwehr die Notrufe häuften.22 Es war eine Haltung, die sich in der Geschichte des Elbe-Seitenkanals seit 1950 immer wieder gezeigt hatte. Wer am Kanal arbeitete, dachte erst einmal an seinesgleichen. Bei einer früheren Alarmierung hätte man die Einwohner der Siedlung Im Stadtfeld vielleicht noch trockenen Fußes evakuieren können. So aber bot sich der Ortswehr Hohnstorf der Freiwilligen Feuerwehr Scharnebeck ein Bild des Chaos, als sie dort um elf Uhr eintraf. Die Häuser standen mitten in der reißenden Strömung, und niemand konnte sagen, ob sich darin noch Menschen befanden. Ein Hubschrauber flog die Häuser einzeln an und forderte die Bewohner per Lautsprecher auf, sich am Fenster zu zeigen. Als sich herausstellte, dass unter den Eingeschlossenen auch Kinder waren, näherten sich vier Feuerwehrleute den Häusern mit einem Boot. Dabei gerieten sie gleich mehrfach in Lebensgefahr: als sich eine Halteleine verhedderte, als der Giebel eines Hauses in nächster Nähe kollabierte, durch den Abwind eines Rettungshubschraubers und als

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sich eine Wäscheleine um den Propeller des Außenbordmotors wickelte. Am Ende hatte die Aktion jedoch Erfolg, und das Boot landete mit fünf Kindern und sechs Erwachsenen in den Fangleinen, die Feuerwehrleute zwischen Bäumen gespannt hatten.23 Die letzte eingeschlossene Person wurde um 12:53 Uhr von einem Hubschrauber der Bundeswehr per Seilwinde gerettet.24 Die Rettungskräfte hatten bald noch mit einer zweiten Flut zu kämpfen. Sie bestand aus Schaulustigen, die auf Warnungen und Ermahnungen allenfalls vorübergehend reagierten. »Getreidefelder werden niedergewalzt, Rettungsarbeiten behindert und Abdichtungsmaßnahmen am Kanal gestört, nasse Füße werden in Kauf genommen und Gefahren nicht erkannt«, berichtete die Regierung Lüneburg.25 Die Lüneburger Landeszeitung sprach am Tag nach der Katastrophe von einer »Invasion der Schaulustigen«: »Sensationslüsterne Kaffeefahrer von Bremen bis Pinneberg hatten gegenüber der Bruchstelle des Kanals ein ganzes Waldstück mit Autos vollgestellt.«26 Am Himmel tummelten sich die Sportflieger, die sich Anweisungen per Funk genauso widerwillig fügten wie die Fußgänger. Der Pilot eines Motorseglers kassierte eine Anzeige, weil er um Haaresbreite an einem Hubschrauber des Bundesgrenzschutzes vorbeirauschte.27 Auf Filmaufnahmen sieht man die bunten Massen, die manchmal nur wenige Meter neben dem schweren Gerät der Rettungskräfte standen. Ungestüme Schaulustige und Panzer sind keine gute Kombination. Aber irgendwie ging es gut. Menschenleben gab es nach den ersten zwei Stunden nicht mehr zu retten. Ein Lüneburger Stadtbrandmeister erkannte den Weg des Wassers und leitete frühzeitig Rettungsmaßnahmen in bedrohten Stadtteilen ein.28 Deshalb stand für die Einsatzkräfte seit dem frühen Nachmittag die Frage im Mittelpunkt, wie die Flut gestoppt werden konnte. Dabei ging es nicht nur darum, die Überflutungen nach Möglichkeit zu begrenzen. Bei vollständiger Entleerung wären wahrscheinlich Schäden am Kanal aufgetreten, »weil nach dem Wegfall des Wasserdrucks durch den Wasserstand im Kanal Grundwasser die Kanalsohle hochdrücken hätte können«.29 So folgte auf das Drama der Menschenrettung das Drama, einen Kanal vor der Zerstörung zu bewahren. Der Hamburger Branddirektor Puchner schlug vor, nicht nur

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eine, sondern zwei Barrieren zu errichten. Die erste sollte nicht vollkommen wasserdicht sein und lediglich das Wasser so weit beruhigen, dass die Einsatzkräfte einen zweiten Damm bauen konnten, der für die endgültige Abdichtung sorgen sollte.30 Für den provisorischen Damm bot sich die Verwendung der »Freienthal I« an, die im Kanal auf Grund lag. Der Besitzer des Schiffs war allerdings überhaupt nicht begeistert und stimmte dem Plan erst zu, nachdem ihn Puchner und der Kreisdirektor des Landkreises Lüneburg persönlich ins Gebet genommen hatten. Die Bundesrepublik war ein Rechtsstaat, und da war Eigentum auch im Katastrophenfall heilig. Bergepanzer der Bundeswehr versuchten, die »Freienthal I« quer zu ziehen, um die Stauwirkung zu erhöhen, aber das Unternehmen scheiterte. Die Ankerkette hielt den Zugkräften nicht stand.31 Als der Wasserspiegel rund um das Schiff gegen 17 Uhr auf 1,50 Meter gesunken war, ordnete ein Oberst der Bundeswehr ein riskantes Manöver an. Die Bergepanzer sollten direkt in den Kanal fahren und rund um das Schiff eine Barriere bilden, um die dann mit Schrottautos, Containern und Sandsäcken eine halbwegs wasserdichte Sperre gebastelt werden konnte. Panzer sind so gebaut, dass sie im Wasser fahren können, aber hier ging es um das Fahren in einer reißenden Strömung, etwa 400 Meter von einem lebensgefährlichen Wasserfall entfernt. Im Manöver hätten Panzerbesatzungen vermutlich eine ruhigere Stelle gesucht, aber stehendes Wasser gab es im Kanal nicht mehr. Die Mannschaften hatten auch nur einen Versuch. Auf Filmaufnahmen ist zu sehen, wie sich die Soldaten an die ungewöhnliche Aufgabe herantasteten. Man sieht auch, dass über den Bergepanzern ein Hubschrauber schwebte, die letzte Rettung für die Panzerfahrer, falls die Sache schiefgegangen wäre.32 Unterdessen begann 20 Kilometer entfernt eine nicht minder gefährliche Aktion. Bei Jastorf überquerte der Kanal zweimal die Ilmenau, und dort gab es Vorrichtungen für einen Notverschluss. Er bestand aus Ständern mit einem Gewicht von rund anderthalb Tonnen, die von Autokränen getragen und von Tauchern in Verankerungen in der Kanalsohle eingefädelt werden mussten. Dieser Notverschluss wurde normalerweise im stehenden Gewässer montiert, um Wartungen und Reparaturarbeiten an den Kanalüberführungen vorzunehmen. Jetzt flogen fünf Taucher der DLRG -Tauchergruppe

Bilder einer Katastrophe

Bilder einer Katastrophe

Die Bruchstelle vom östlichen Kanalufer gesehen. (StAL BS, Dig-128-Lothar Gaebel.)

Die Katastrophe zog zahlreiche Schaulustige an. (StAL BS, VIII-79/21-Manfred Balzer.)

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Der Rettungseinsatz in der Siedlung Im Stadtfeld. (StAL BS, Dig-684/4-Dietrich Eschment.)

Wohnhäuser im Wasser. Man beachte die Schwellen der Bahntrasse, die an der Siedlung Im Stadtfeld vorbeiführte. Durch die Wucht des Wassers wurden die Schwellen wie eine Kette vor die Häuser geschwemmt. (StAL BS, VIII-79/14-Manfred Balzer.)

Bilder einer Katastrophe

Die Flut zerstörte den Lüner Kreisel, eine wichtige Straßenkreuzung im Norden Lüneburgs. (StAL BS, VIII-79/10-Manfred Balzer.)

Der Rückstau in der Ilmenau setzte auch Keller im Stadtzentrum von Lüneburg unter Wasser. Das Foto zeigt den Lösegraben in der Nähe des Bahnhofs. (StAL BS, Pos-1080-Adolf Brebbermann.)

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Eine Fabrik an der Ilmenau unter Wasser. (StAL BS, VIII-79/3-Manfred Balzer.)

Zum Treibgut gehörte auch das Dach eines Wochenendhauses. (StAL BS, VIII-79/28-Manfred Balzer.)

Bilder einer Katastrophe

Hochwasser in der Ilmenau nördlich von Lüneburg. (StAL BS, VIII-79/16-Manfred Balzer.)

Das Chaos nach der Flut. Die Erbstorfer Landstraße und die Siedlung Im Stadtfeld. (StAL BS, VIII-79/4-Manfred Balzer.)

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Der improvisierte Damm im Kanal. Die Bergepanzer der Bundeswehr verschwinden hinter den Metallcontainern und Sandsäcken, mit denen die Barriere abgedichtet wurde. (StAL BS, VIII-79/1-Manfred Balzer.)

Aufräumen nach der Katastrophe. (StAL BS, VIII-79/22-Manfred Balzer.)

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Der Ort, an dem alles begann. (StAL BS, VIII-79/12-Manfred Balzer.)

Die Kanalunterführung heute. Es gibt weder einen Gedenkstein noch eine andere Form der Erinnerung.

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der Hamburger Feuerwehr per Hubschrauber ein, um mit diesem Verschluss den südlichen Teil des Kanals abzuriegeln, und das im fließenden Wasser. Ähnlich wie bei den Panzern ging es um einen Einsatz, der nie zuvor geprobt worden war, und beide Aktionen waren letztlich erfolgreich. Am späten Abend wurden die Einheiten am Kanal von neuen Kräften abgelöst, die dann in der Nacht etwa 200 Meter von den Panzern entfernt den zweiten Damm errichteten. Um drei Uhr nachts war der Kanal wieder dicht.33 Neben den spektakulären Aktionen gab es auch viel Kärrnerarbeit, die für die Eindämmung der Katastrophe nicht weniger wichtig war. Im Lüneburger Hafen lag ein Tankschiff mit 860 Tonnen Heizöl, das auf Grund gesetzt und für den Fall einer Ölpest gesichert wurde.34 Später wurde die Ladung in Kesselwagen der Osthannoverschen Eisenbahnen umgefüllt.35 Am Rand des Lüneburger Hafens entstand eine Großbaustelle, auf der innerhalb weniger Stunden mehr als 20 000 Sandsäcke gefüllt wurden. Außerdem wurden die Einsatzkräfte mit 6000 Portionen Verpflegung versorgt.36 Am Tag nach der Katastrophe begannen die Bergungsarbeiten, die vor allem das Technische Hilfswerk und Soldaten der Bundeswehr übernahmen und bis zum 27. Juli andauerten. Waren und Mobiliar wurden geborgen, Tierkadaver abtransportiert, ölverseuchter Boden zur Sondermülldeponie gebracht, verkommene Lebensmittel gesammelt und vieles mehr.37 Danach diskutierten die Behörden, ob man für die Ilmenau aufgrund der starken Belastung mit Salmonellen ein Angelverbot erlassen sollte.38 Am 21. Juli bekam die Bundeswehr ihre Panzer zurück.39 Die meisten Einsatzkräfte hatten noch nie eine gemeinsame Übung durchgeführt, und deshalb lief nicht alles auf Anhieb glatt. In der hektischen ersten Stunde wurde im Lüneburger Stadtteil Ebensberg eine Anwohnerin von einem Feuerwehrauto angefahren.40 Ein Helfer des Technischen Hilfswerks erlitt einen Mittelfußbruch, ein anderer Prellungen und einen Bluterguss am rechten Bein.41 Ein Hauptmann der Bundeswehr verweigerte den Dienst im Katastrophenstab und verwies auf seinen Anspruch auf Urlaub.42 In Nachbesprechungen wurde vor allem über Kommunikationsprobleme geklagt, was nicht allzu verwunderlich ist. Bei 3000 Rettungskräften waren die verfügbaren Frequenzen und Telefonleitungen

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rasch überlastet. Außerdem hatten die Retter gelernt, wie man mit Panzern und Schrott einen Damm baut: »Bei künftiger Verwendung von Autowracks sollten keine gepreßten Wracks angeliefert werden, da die scharfen Kanten Seile zerschneiden.«43 Als alles vorbei war, wurde den Rettern gedankt, und das nicht nur bei offiziellen Anlässen. Ein Stabsunteroffizier, der einen der Bergepanzer in den Kanal fuhr, erinnerte sich später nicht nur an diverse Ehrungen bis hoch zum Bundespräsidenten, sondern auch an eine Tankfüllung, die er am Ende des denkwürdigen Tages auf dem Heimweg geschenkt bekam. Völlig verdreckt war er an der Tankstelle aus dem Wagen gestiegen, und als der Tankwart den Grund erfuhr, wollte er kein Geld mehr sehen.44 Der niedersächsische Innenminister dankte sogar den britischen Streitkräften, die am Tag nach der Katastrophe ihre Hilfe anboten. Da brauchte man zwar keine Panzer mehr, aber die deutschen Stellen nahmen dankend zur Kenntnis, »daß auch die britischen Streitkräfte bereit sind, in Notlagen Seite an Seite mit den deutschen Einsatzkräften zu helfen«.45 Im September 1976 konstatierte der Präsident der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord Fritz Reuter in einem Brief an Branddirektor Puchner, »daß die so oft geschmähte Wohlstandsgesellschaft doch in der Lage ist, wenn es darauf ankommt, sich hervorragend tatkräftig zu bewähren«.46 Es gab in der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes offenbar durchaus ein gesellschaftliches Verständnis. Nur zeigte es sich vor allem dann, wenn es um andere ging.

Tage der Abrechnung Es war acht Uhr morgens am Tag nach der Katastrophe, als im Kreishaus zu Lüneburg die erste Besprechung über die Schäden im Überschwemmungsgebiet begann. Spezielle Schadenskommissionen sollten die Situation vor Ort begutachten und einer raschen und unbürokratischen Regulierung zuführen, verkündete der Oberkreisdirektor drei Stunden später vor der Presse.47 68 Häuser waren beschädigt und 46 evakuiert, aber hinter den nackten Zahlen verbargen sich ganz unterschiedliche Schicksale.48 Unter den Opfern gab es Landwirte und Kleingärtner, Anwälte und arbeitslose Bau-

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arbeiter, ein Klärwerk stand ebenso unter Wasser wie ein Kindergarten, der erst im November des Vorjahres eröffnet worden war. Straßen waren unterspült, eine Wasserleitung und zwei Bahnlinien unterbrochen, und der Turn- und Sportverein Erbstorf vermisste seinen Sportplatz. Eine Menge Menschen hatten eine Menge unterschiedlicher Probleme, die manchmal weit über das Monetäre hinausreichten. Zu den Opfern zählte eine alleinstehende Witwe, die in einem winzigen Haus lebte, das ihr Mann 1948 in Eigenleistung gebaut hatte. Es war immer noch unfertig, als das Wasser kam, und erst nach dem Tod ihres Mannes hatte die Frau erfahren, dass es für ihr Haus keine Baugenehmigung gab.49 Die Hilfsaktion begann mit Elan, und sie erfasste alle Ebenen bis hoch zum Bundeskanzler. Helmut Schmidt war zum Zeitpunkt der Katastrophe in Kalifornien, und dort erreichte ihn ein Fernschreiben aus dem Kanzleramt – »citissime nachts« –, in dem das Geschehen in groben Zügen umrissen und »Sofortmaßnahmen« angekündigt wurden. In der nächsten Kabinettssitzung sollte man über den Vorschlag des Verkehrsministeriums beraten, »für den Ersatz der Schäden von Privaten im Einvernehmen mit dem BMF eine ›politische‹ Lösung zu finden«.50 Unterdessen kümmerte sich die Lüneburger Stadtverwaltung um die Unterbringung der obdachlos gewordenen Familien, und die Stadtsparkasse richtete ein Spendenkonto ein, das sie gleich mal mit 25 000 DM füllte.51 Der gleiche Betrag kam aus der oberfränkischen Stadt Kulmbach, die eine Städtefreundschaft mit Lüneburg pflegte und beim Deutschen Städtetag vorfühlte, ob man dort nicht auch etwas tun wollte.52 Juristen mussten da erst einmal zurückstehen. Das ist insofern keine triviale Aussage, als nach der Katastrophe auch Vermerke geschrieben wurden, die den Verdacht nahelegen, dass es ein bundesdeutsches Äquivalent zu den »furchtbaren Juristen« gab, die seit Rolf Hochhuth zum kollektiven Gedächtnis des Landes gehören.53 Das Bundeskanzleramt produzierte für Helmut Schmidt einen Sprechzettel zur Kabinettssitzung, das den Bund von jeder Haftung ohne Verschulden freisprach: »Das Reichshaftpflichtgesetz, das eine solche Verantwortung festlegt, gilt nur für Eisenbahnen, Elektrizitätsund Gasanlagen.«54 Ob der Bund mit solchen Spitzfindigkeiten vor Gericht durchgekommen wäre? Im Bundesjustizministerium gab es

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etwas mehr Realitätssinn, und dessen Vermerk rief »die Grundsätze des Anscheinsbeweises« in Erinnerung: »Stürzt ein Bauwerk relativ kurze Zeit nach seiner Errichtung ein, ohne daß außergewöhnliche äußere Einwirkungen als Ursache für diesen Einsturz ersichtlich sind, so läßt sich nach der Lebenserfahrung vermuten, daß der Einsturz auf einen Fehler bei der Errichtung des Bauwerks zurückzuführen ist.«55 Immerhin versuchte kein Jurist mit Nachdruck, den Opfern tatsächlich die Unterstützung zu verweigern. Jeder wusste, dass der Kanal fünf Wochen vor der Katastrophe eröffnet worden war. Und im Herbst gab es Bundestagswahlen. Manche Opfer trugen ihr Los in bewundernswerter Weise. Zu ihnen zählte ein Rentner, dessen Haus so stark beschädigt worden war, dass es abgerissen werden musste. Damit hatte der Mann »zum dritten Mal in seinem Leben sein mit viel Energie und Eigenleistung aufgebautes und erworbenes Hab und Gut verloren«, und trotzdem erklärte er bei der Übergabe einer Spende, dass er »erneut ein Eigenheim errichten« werde.56 Ein Ehepaar musste erleben, dass ihr Haus an der Ilmenau vom Schlamm der Kläranlage überflutet wurde, und übernahm die Reinigung auf eigene Faust: »Wir konnten und wollten diese Arbeiten Außenstehenden nicht zumuten.«57 Weniger glücklich war der Hausbesitzer, dem durch die Flut ein Öltank im Keller leckschlug. Er war nach der Katastrophe »offensichtlich am Rande eines Nervenzusammenbruches«, wollte die Sache aber unbedingt selbst in Ordnung bringen.58 Es ging nicht gut aus. »Er holte entsprechende Kostenangebote ein, wurde dann aber durch die Belastungen selbst krank (Kreislaufkollaps, Verdacht auf Infarkt), lag 10 Tage im Krankenhaus und ist auch heute noch nicht arbeitsfähig geschrieben«, berichtete ein Vermerk vom 20. September.59 Mit seinem Einverständnis übernahm eine Baugesellschaft und renovierte das Haus auf Rechnung des Bundes. Für die Lüneburger Stadtverwaltung waren die Opfer der Katastrophe mehr als eine Recheneinheit. Wenn jemand eine Behinderung hatte oder herz- und zuckerkrank war, wurde das in den Akten vermerkt und angemessen berücksichtigt. Die Behörden wussten auch, welche Rolle Vereine im kleinstädtisch-ländlichen Raum spielten, und regelten deren Schäden in besonders großzügiger Weise. Der Turn- und Sportverein Erbstorf erhielt Ende August

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eine Soforthilfe von 200 000 DM , damit das neue Spielfeld noch vor dem Ende des Sommers eingesät werden konnte.60 Die Stadtverwaltung leitete auch frühzeitig Spendengelder an den Lüneburger Ruder-Club, die Marine-Kameradschaft und den Polizei-Hundeverein, »da die notwendigen Arbeiten und Anschaffungen zur Durchführung der Aufgaben des Vereins und des Vereinslebens sofort anlaufen müssen«.61 Der Sportverein bedankte sich mit einem Schreiben, wie es Behörden nach einer solchen Katastrophe erträumen: »Das Leben ist in der Zwischenzeit weitergegangen. Der Wiederaufbau unserer zerstörten Sportplatzanlagen ist nahezu abgeschlossen. Die materiellen Schäden sind, wie Ihnen durch die Kreisverwaltung richtig mitgeteilt wurde, durch die WSD Hamburg großzügig und unbürokratisch reguliert worden.«62 Auch im Umgang mit den Hausbesitzern waren die Behörden auf Zack. Beim ersten neu erbauten Haus war bereits fünf Monate nach der Katastrophe Richtfest.63 Im März 1977 erklärte die Wasserund Schifffahrtsverwaltung, ihr seien »keine Fälle bekannt, in denen Härten zurückgeblieben sind«, und zwei Monate später gab es nur noch vier Fälle ohne endgültige Regelung.64 Tatsächlich landete am Ende nur ein Fall vor Gericht: Die Hafen Lüneburg GmbH klagte auf Schadensersatz für den erzwungenen Stillstand.65 Unzufrieden waren auch die Binnenschiffer, die zum Zeitpunkt der Katastrophe in Hamburg waren und deshalb Zwangspause hatten, weil sie den Hafen weder über die Elbe noch über die Nordsee verlassen konnten. Mitte August lagen dort 64 Trockenfrachter und 31 Tanker ohne Beschäftigung, aber deren Ruf nach Unterstützung blieb ungehört: Es gab in der Bundesrepublik nun einmal kein Recht auf funktionierende Transportwege.66 Ansonsten ergab eine Umfrage in der Hamburger Hafenwirtschaft: »Ein Grund zur Panik ist nicht gegeben.«67 Ein Lüneburger Geistlicher zeichnete jedenfalls ein positives Bild, als er nach dem Dammbruch am Rhein-Main-Donau-Kanal von einem Nürnberger Pastor um seine Einschätzung gebeten wurde. »Eine Interessengemeinschaft der Kanalgeschädigten ist seinerzeit in Lüneburg nicht gegründet worden. Man hatte zwar eine Gründung erwogen, dann aber doch davon Abstand genommen, weil es gelungen war, die Schadensersatzansprüche der Geschädigten weitgehend zu befriedigen.«68 Es half wohl auch, dass unter den

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Opfern im Stadtfeld ein Notar war, der sich zum Sprecher seiner Nachbarn aufschwang.69 Notare sind schon von Berufs wegen darauf programmiert, brodelnde Emotionen in geordnete Bahnen zu lenken. Solche Bemühungen waren auch bitter nötig, denn unter den Betroffenen herrschte in den Wochen nach der Katastrophe eine Menge Unruhe. Die Nerven lagen blank. Der lokale Bundestagsabgeordnete Helmuth Möhring berichtete Ende August von »Verbitterung« unter den Opfern. Es sei »bei allen Betroffenen das Gefühl der Hilflosigkeit eingetreten, nicht mehr an der Wiederherstellung ihrer Häuser beteiligt zu werden«. Der SPD Mann klagte, der Unmut werde »noch wahlkampfmäßig von der Opposition durch polemische Anfragen an die Bundesregierung geschürt«, aber das war wohl nur ein Teil der Wahrheit.70 Es war wohl auch die Ungeduld von Menschen, die nach der Schadensfeststellung auf die Antwort der Behörden warteten, und dann gab etwas, das jenseits des Finanziellen lag. Die Menschen hatten Angst.

Vertrauensfragen In der Woche nach der Katastrophe war die Unsicherheit groß, und deshalb beschlossen die Behörden, den Wasserspiegel des Kanals abzusenken. Dabei dachte die Wasser- und Schiffahrtsverwaltung aber nicht nur an mögliche Gefahren. Sie dachte auch an die Binnenschiffer im Hafen von Lüneburg, die seit dem 18. Juli zum Nichtstun gezwungen waren. Diesen Schiffen drohte ein monatelanger Stillstand, weil sie bei abgesenktem Wasserspiegel nicht mehr durch den Kanal fahren konnten, und das war den Beamten doch irgendwie unangenehm. Konnte man da nicht etwas machen? Und so begann am Wochenende nach der Katastrophe eine vielsagende Aktion. Ohne Rücksprache mit dem Ministerium beschloss die Wasserund Schiffahrtsdirektion Nord, die Binnenschiffe aus dem Kanal herauszuschmuggeln. Der Aufwand war beträchtlich, weil dafür die Notverschlüsse an der Kanalüberführung über die Ilmenau geöffnet und wieder geschlossen werden mussten, aber am Ende hatten die Binnenschiffer freie Fahrt. Der einzige Schönheitsfehler war, dass das Bundesverkehrsministerium Wind von der Sache bekam und

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kurzfristig einen Bericht anforderte, »weshalb entgegen meiner Weisung verfahren wurde und weshalb meine Genehmigung zu dem abweichenden Vorgehen nicht eingeholt wurde«.71 In ihrer Antwort legten die Beamten ausführlich dar, »daß durch den Abtransport der Schiffe nur eine unwesentliche Verzögerung« eingetreten sei.72 Ein Schuldbewusstsein ließ der Bericht nicht erkennen. Es ging ja um die eigenen Leute. »Wenn wir ehrlich sind, hat kein Mensch je daran gedacht, daß so etwas passieren könnte«, erklärte Fritz Reuter, Präsident der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Nord, am Tag nach der Katastrophe vor der Presse.73 Das war immerhin noch besser als die Aussage seines Baudirektors Wolfgang Wachsmuth. »Wir haben den Kanal mit aller Sorgfalt geplant«, erklärte Wachsmuth einem Reporter der Frankfurter Rundschau. Als dieser nachhakte, wie es denn dann zur Katastrophe habe kommen können, spekulierte Wachsmuth, dass vielleicht »jemand ein Loch gebohrt« habe.74 Kommunikation war nicht die Stärke der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung und Krisenkommunikation erst recht nicht. Schon in der Bauphase hatte sich das Gespräch mit der Öffentlichkeit als schwierig erwiesen, wenn es um mehr als Technik und finanzielle Ansprüche ging, und jetzt waren es nicht nur die Journalisten, die kritische Fragen stellten. »Ich weiß nicht, ob bei uns nicht auch eine Zeitbombe tickt«, sagte der Stadtdirektor von Uelzen im Interview mit der Allgemeinen Zeitung der Lüneburger Heide.75 Es war keineswegs so, dass die Behörden nicht im Vorfeld der Eröffnung über die Gefahren des Kanals diskutiert hätten. Im Februar 1976 hatte es darüber eine Besprechung in Scharnebeck gegeben, bei der allerdings Brandgefahren im Mittelpunkt gestanden hatten.76 Nach der Flut stand der gesamte Kanal auf dem Prüfstand. »Die Dammbruchkatastrophe am 18.07.1976 forderte zu neuen Überlegungen bezüglich Sicherungsmaßnahmen und anderes mehr am ESK heraus«, schrieb der Regierungspräsident Lüneburg und lud zu einer Besprechung.77 An Themen mangelte es nicht. Im Landkreis Uelzen diskutierte man über einen Betrunkenen, der kürzlich in den Kanal gesprungen war, über die Zufahrtsstraßen für Rettungskräfte, über die Alarmierung der Wasserschutzpolizei bei Waldbränden und darüber, dass die Ölsperre der Feuerwehrtechnischen Zentrale

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nur bis zur Mitte des Kanals reichte.78 In der Elbmarsch wurden die Pläne für den Fall eines Deichbruchs noch einmal gründlich überprüft, außerdem stellte sich heraus, dass die Entnahmestellen für die Bewässerung der Felder »anders als in den Unterzeichnungen dargestellt ausgeführt worden sind«.79 Nach zusätzlichen Sperrtoren rief ohnehin jeder. Die Erinnerung an die Panzer im Kanal war eindringlich genug. Auch die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung blieb von der Katastrophe nicht unbeeindruckt und veranlasste sofort eine außerordentliche Überprüfung vergleichbarer Bauwerke und Dämme im gesamten Bundesgebiet.80 Aber im Unterschied zu anderen Stellen redete sie darüber nicht gerne. Der Austausch mit anderen Behörden beschränkte sich aufs Nötigste, und mit der breiten Öffentlichkeit hatte man es ohnehin nicht so. Das kam bei den Geschädigten nicht gut an. Kritische Fragen »wurden regelmäßig mit Hinweisen auf die bessere Erfahrung der Wasserbauer und eine angebliche Wertlosigkeit solcher Gedanken abgetan«, klagte der Notar in seinem Schreiben. Wer Angst vor dem nächsten Unglück hatte, wollte gewiss nicht von einem Beamten hören, »daß Garantien nicht gegeben werden könnten«.81 Aber wer sagte das den Wasserbauern? Auch in den folgenden Monaten war keine Lernkurve erkennbar. Als Reuter im November 1976 zu einer Informationsveranstaltung einlud, richtete er sich an »die beteiligten und betroffenen Behörden« und niemanden sonst: »Wir haben z. Z. nicht die Absicht, von uns aus an die Presse und die anderen Medien heranzutreten.«82 Im folgenden März erfuhr der Regierungspräsident aus der Zeitung, dass die Wasser- und Schiffahrtsdirektion Nord nun auf schwimmende Sperren setzte, weil zusätzliche Nottore »zu teuer« kämen. »Das ist doch kein Argument, wenn es um Sicherheit geht«, notierten die Lüneburger Beamten am Rand des Artikels.83 Tatsächlich investierte der Bund noch einmal ordentlich, Reuter berichtete im September 1977, dass »umfangreiche zusätzliche Ergänzungsmaßnahmen« rund 50 Millionen DM erfordert hätten«.84 Auch der Regierungspräsident Lüneburg zeigte sich nach einer Besichtigung beeindruckt: »Insgesamt führt die WSV einen enormen technischen Aufwand durch.«85 Aber niemand sollte die Überlegungen hinter den Bauarbeiten erfahren, und grundsätzliche Veränderungen stan-

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den ohnehin nicht zur Debatte. Dabei hätte man das Kreuzungsbauwerk ohne Weiteres durch einen solideren Damm ersetzen können, auch weil es lediglich um einen Wirtschaftsweg ging, aber darüber hat man augenscheinlich nie nachgedacht. Das Bundesverkehrsministerium ordnete den Neubau der Überführung nur zehn Tage nach der Katastrophe an.86 Bis heute fehlt an der Stelle ein Gedenkstein oder eine andere Form der Erinnerung, und im Informationszentrum am Schiffshebewerk Lüneburg gibt es die Katastrophe nur in einem schwarzen Plastikordner, den man nur findet, wenn man danach fragt. Es war, als wollte man das peinliche Ereignis irgendwie zum Verschwinden bringen. Das Bundesverkehrsministerium hatte zwar unmittelbar nach der Katastrophe eine unabhängige Untersuchungskommission unter der Leitung des Institutsdirektors für Grundbau und Bodenmechanik an der Technischen Universität Hannover Erich Lackner einberufen. Diese konzentrierte sich jedoch ganz auf die technischen Ursachen und diagnostizierte einen »Erosionsböschungsbruch«: Eine Sickerströmung hatte Bodenteilchen ausgespült und sich mit bestehenden Hohlräumen und Bodensetzungen verbunden, sodass die Auskleidung des Kanals irgendwann in der Luft hing und abriss.87 Aber warum war das nicht frühzeitig bemerkt worden? Fragen nach der Fehlerkultur der Bundesbehörde waren unerwünscht, und sie wurden von den Sachverständigen auch nicht gestellt. Ausdrücklich hielten sie in ihrer Zusammenfassung fest, »daß allgemeine Fragen der Sicherheit und Ordnung bei Bau, Betrieb und Unterhaltung der Wasserstraßen nicht Bestandteil des Auftrags sind und hier daher nicht behandelt werden«.88 Es war ja keineswegs überraschend, dass bei einem Großprojekt Fehler gemacht wurden. Bauschäden gab es auch an anderen Neubauten der Zeit. An der Hamburger Köhlbrandbrücke korrodierten zum Beispiel die Stahlseile der Schrägseilbrücke, weil ihnen die salzige Meeresluft und der Hamburger Regen zusetzten.89 Die Probleme beim Bau der Staustufe Geesthacht waren so eklatant, dass Verkehrsminister Seebohm 1962 rückblickend konstatierte, man habe sich da »in erheblichem Umfange die Finger verbrannt«.90 Beim Elbe-Seitenkanal hatte das Neubauamt Abstiegsbauwerke im November 1975 »eine Liste der Restarbeiten bzw. noch zu beseiti-

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genden Mängel von 48 Punkten« zusammengestellt und bei der Gelegenheit ausdrücklich konstatiert, dass diese Liste wohl nicht vollständig war: »Beim Betrieb ist erfahrungsgemäß gleichfalls zunächst mit Störungen und zusätzlichem Kräftebedarf, und zwar kurzfristig und nicht exakt vorherbestimmbar, für Sicherungs- und Übermittlungsaufgaben und örtliche Beobachtungen zumindest in der ersten Zeit zu rechnen.«91 Offenkundig war bei der Überwachung von Bau und Betrieb etwas schiefgelaufen, aber darüber breitete man lieber den Mantel des Schweigens. Die Katastrophe war ein Schock, aber deswegen musste man ja nicht alles infrage stellen. Auf lange Sicht schwitzte der Apparat so ein Ereignis einfach aus. Im Januar 1977 saßen die Beamten schon wieder so fest im Sattel, dass sie es sich leisten konnten, ein Gespräch mit dem Kommissionsvorsitzenden Erich Lackner über die Sicherungsmaßnahmen am Kanal zu verweigern. Eine Besprechung im Bundesverkehrsministerium ergab, »daß auf eine Einschaltung Dritter zu verzichten ist, weil nach ausdrücklicher Erklärung der WSD Nord für die Vorbereitung und Durchführung aller Ergänzungsmaßnahmen bis zur Wiederinbetriebnahme des ESK im Frühjahr 1977 das notwendige fachkundige Personal in ausreichendem Umfange zur Verfügung steht«.92 So wurde Lackner nur einen Monat nach dem Abschluss der Kommissionsarbeit wieder in die Wüste geschickt, was der machtbewusste Ordinarius mit einem empörten Schreiben quittierte. Er bekundete seine Vermutung, »daß wieder einmal an der falschen Stelle, nämlich am Engineering, gespart werden sollte. Leider ist dies ein in der Bundesrepublik Deutschland bei zahlreichen Projekten immer wieder zu beobachtendes Vorgehen.«93 Die Staatsanwälte konnten unterdessen kein strafbares Verhalten finden und schlossen nach anderthalb Jahren die Akten.94 So war der einzige Effekt ihrer Ermittlungen, dass sie den Behörden einen probaten Vorwand für den Verzicht auf eine kritische Aufarbeitung boten. Im September 1976 teilte das Bundesverkehrsministerium mit, es bestehe »mit der Staatsanwaltschaft Lüneburg […] Übereinstimmung, daß im Interesse der strafrechtlichen Ermittlungen vorerst keine eigenen Ermittlungen der Bundesverkehrsverwaltung zur Frage der Verantwortlichkeit geführt werden«.95 Die größte Annäherung an Selbstreflexion war ein Beschluss des Bundesverkehrs-

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Kapitel 9: Das Leck

ministeriums, dass »in einer internen Arbeitsgruppe alle durch den Dammbruch gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse ausgewertet« werden sollten.96 Die Arbeitsgruppe wurde im Februar 1977 eingesetzt und sollte auch »Organisations- und personelle Fragen« und »Fragen der bauaufsichtlichen Überwachung und Verantwortung« behandeln, aber danach verliert sich ihre Spur in den Akten, und es ist unklar, ob die Arbeitsgruppe ihren Bericht, der »möglichst bis Herbst 1977 vorzulegen« war, jemals geschrieben hat.97 Wir wissen nur, wie sich der Leiter dieser Arbeitsgruppe, Baudirektor Dr.-Ing. Martin Hager, im Januar 1977 äußerte, als er auf einer Tagung über »Probleme bei Kreuzungsbauwerken in Dammstrecken« referierte. Hager erklärte den Zuhörern, die Ergebnisse der Sachverständigen seien letztlich »keine neuen Forderungen. Sie bestätigen vielmehr die Richtigkeit geltender Grundsätze und Regeln, z. T. vielleicht mit besonderer Akzentuierung.« Es werde dennoch »zu prüfen sein, ob Normen und Richtlinien Ergänzungen erfahren sollten«.98 So war die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung wieder da, wo sie am Vorabend der Katastrophe gewesen war: Sie hatte die Sache im Griff. Wer wollte auch das Gegenteil beweisen, wenn ihnen niemand in die Karten gucken konnte? Auch die Presse interessierte sich irgendwann wieder für andere Themen, und damit war die Geschichte abgehakt. Niemand wurde nervös, als sich die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Mitte 1978 beim Ministerium über Personalmangel beim Betriebs- und Unterhaltspersonal beklagte und darauf hinwies, dass der Dammbruch von Lüneburg »zu verstärkter und intensiver Dammbeobachtung« zwinge.99 Nur die schwimmenden Sperrtore verfolgten die Wasserbauer noch einige Zeit. Sie wurden in »Einschwimmbare Notverschlüsse« umbenannt (abgekürzt ENV ), dann hießen sie »Kanalverschlußschiffe« (KUS ), und dann wurde das Projekt 1980 »wegen Haushaltsmittelkürzungen« eingestellt.100 So war die Katastrophe mehr als ein unerfreuliches Ereignis an einer Kanalböschung. Sie war ein Spiegel des gesamten Projekts. Wie im Schnelldurchlauf zeigte sich noch einmal das Grundproblem, das den Elbe-Seitenkanal seit den fünfziger Jahren verfolgt hatte. Die Kultur der organisierten Verantwortungslosigkeit hielt auch dann, wenn man aus Versehen einen ganzen Landstrich unter

Vertrauensfragen

Wasser setzte. Und so endete die Geschichte der Katastrophe denn auch so, wie es sich im föderalen Deutschland gehörte: mit ausführlichen Verhandlungen über das Finanzielle. »Der Elbe-Seitenkanal ist noch nicht abgerechnet«, konstatierte ein Hamburger Vermerk im Januar 1985.101 Waren die Mehrausgaben im Gefolge des Dammbruchs Unterhaltskosten, die der Bund als alleiniger Besitzer der Wasserstraße vollständig zahlen musste, oder waren das noch Baukosten, sodass die Hansestadt gemäß der Vereinbarung von 1965 ein Drittel übernehmen musste? Darüber verhandelte man zu diesem Zeitpunkt immer noch, und es ging weiter. Vielleicht sollte man das Thema auch auf der nächsten Verkehrsministerkonferenz im Mai 1985 behandeln?102 Natürlich hätte man bei dieser Gelegenheit auch über andere Themen reden können. Die Katastrophe von Lüneburg blieb kein Einzelfall, in Katzwang bei Nürnberg brach am 26. März 1979 der Rhein-Main-Donau-Kanal, und da hätte sich ein Gespräch über Bauschäden und Verantwortung angeboten. Man hätte auch grundsätzlich darüber nachdenken können, ob der Apparat in der Verkehrspolitik nicht ein bedenkliches Übergewicht gewonnen hatte. Aber nach dem Kraftakt der Katastrophenbewältigung schaltete die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung bald wieder in den Normalmodus, und da gab es klare Erwartungen an die politische Spitze: Ihr lasst uns in Ruhe arbeiten und kümmert euch ums Geld. Und so verhandelte der Bund über Jahre hinweg mit der Hansestadt Hamburg, sodass die finanzielle Abwicklung am Ende länger dauerte als der Bau des Kanals, und niemand kam auf den Gedanken, dass das irgendwie ein Problem war. Man hatte halt nichts Besseres zu tun.

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Kapitel 10 Kapitel 10:

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I

m Januar 1980 sprachen die Mitarbeiter der Hamburger Behörde für Wirtschaft und Verkehr über eine Frau. Sie hieß Birgit Breuel, und sie machte den Herren in mehr als einer Hinsicht zu schaffen. Dabei kam sie aus bestem hanseatischen Hause. Der Vater der gebürtigen Hamburgerin war der Privatbankier Alwin Münchmeyer, der aus einer alten Kaufmannsfamilie stammte und in den Jahren des Wirtschaftswunders zum Präses der Hamburger Handelskammer sowie zum Präsidenten des Deutschen Industrie- und Handelstages gewählt worden war. Breuel studierte in den fünfziger Jahren Politikwissenschaft, heiratete einen Hamburger Verlagskaufmann, brachte drei Söhne zur Welt und schloss 1965 eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau ab, um dann in die Politik zu wechseln. Sie stieg in der Hamburger CDU auf und wurde 1974 wirtschaftspolitische Sprecherin der Bürgerschaftsfraktion. Vier Jahre später holte sie der niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht nach Hannover und machte sie zur Ministerin für Wirtschaft und Verkehr.1 Später wurde Breuel auch überregional bekannt, als sie 1991 Chefin der Treuhandanstalt wurde und die Privatisierung der ost-

Eine Art Schadensabwicklung

deutschen Staatsbetriebe vorantrieb. Danach übernahm sie die Geschäftsführung der EXPO 2000. Um 1980 arbeitete sie jedoch noch in den Niederungen der niedersächsischen Landespolitik, und da war der Elbe-Seitenkanal eines ihrer Sorgenkinder. Daraus machte sie keinen Hehl, und das wurde in Hamburg mit Missfallen registriert. »Frau Minister Breuel hat sich zur Ausnutzung des Elbe-Seitenkanals sehr kritisch geäußert«, notierte ein Beamter in seinem Gesprächsvermerk. »Sie hat überhaupt die Zweckmäßigkeit des Baus des Elbe-Seitenkanals erneut in Zweifel gezogen.«2 Das wollte man in der Hamburger Behörde für Wirtschaft und Verkehr nicht auf sich sitzen lassen. Der Elbe-Seitenkanal war ein knappes Jahr nach der Katastrophe am 27. Juni 1977 in aller Stille ein zweites Mal eröffnet worden.3 Nach zweieinhalb Jahren im Betrieb konnte man eine erste Bilanz ziehen, und sie war so trist, wie man es in den Jahren vor der Eröffnung erwartet hatte. Es half noch nicht einmal, dass die Bundesbahn den Sondertarif für die Erztransporte nach dem Dammbruch zurückgezogen hatte.4 »Gegenwärtig verteilen sich die Erzverkehre von Hamburg nach Salzgitter zu etwa 90 % auf Schiene und 10 % auf Binnenschiffahrt«, hieß es in einem Vermerk vom September 1978, den der Hamburger Wirtschaftssenator zur Vorbereitung auf ein Presseinterview erhielt. Die Verwaltung wusste nur einen Weg, mit diesen Zahlen umzugehen. Sie sollten »nicht genannt werden«.5 Die Aussichten wurden nicht besser, als der zweite Ölpreisschock 1979/80 die Weltwirtschaft erschütterte und der Bundesrepublik eine heftige Rezession bescherte. Aber auch auf längere Sicht gab es wenig Grund zum Optimismus. 1968 hatte das erste Containerschiff im Hamburger Hafen angelegt, und für das rasch expandierende Geschäft mit den metallenen Kisten waren die deutschen Wasserstraßen denkbar ungeeignet. Nur wenige Empfänger verfügten über einen Binnenhafen, mit der Geschwindigkeit von Schiene und Straße konnten die Schiffe nicht mithalten, und im Zeitalter der Just-in-time-Logistik gab auch die Störanfälligkeit der Wasserwege zu denken. Wenn Kanäle im Winter zufroren oder Flüsse Hochwasser führten, stand der Verkehr auf unbestimmte Zeit still. Im Containergeschäft spielte die Binnenschifffahrt deshalb eine marginale Rolle, und daran haben auch die jüngsten Optimierungs-

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versuche der Hamburger Logistiker nicht viel geändert. »Seit 2012 ist das jährliche Containervolumen, das den Hamburger Hafen per Binnenschiff erreicht oder verlässt um 40 Prozent auf über 128.000 Standardcontainer (TEU ) gestiegen«, jubelte eine Presseerklärung der HHLA 2019.6 Bei einem Gesamtumschlag von 8,7 Millionen TEU pro Jahr bedeutet das allerdings einen Marktanteil von etwa anderthalb Prozent. In den Anfangsjahren des Elbe-Seitenkanals pendelte sich die jährliche Frachtmenge bei vier Millionen Tonnen ein. Die 10 Millionen Tonnen, die Berkenkopf 1961 versprochen hatte, erschienen da utopisch, und das Gleiche galt für die Ausbaupläne jener Zeit. Selbst der traditionell zweckoptimistische Nord-Süd-Kanal-Verein, der sich inzwischen in »Verein zur Förderung des Elbstromgebietes« umbenannt hatte, musste in der Mitgliederversammlung vom 15. September 1977 eingestehen, dass die Bemühungen um den Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals »keinen Schritt weiter vorangekommen« waren. Zwei Jahre zuvor waren zwar 70 Millionen DM für eine »Mindestinstandsetzung« bewilligt worden, aber der Verein zweifelte, ob damit »der weitere Verfall des Kanals überhaupt aufgehalten werden kann«, zumal »schon jahrzehntelang die notwendigen Unterhaltungsarbeiten unterblieben sind«.7 Die Hansestadt Lübeck kämpfte trotzdem weiter, aber die Begeisterung endete an den Grenzen Schleswig-Holsteins. »Hamburg hat kein Interesse am Ausbau des Kanals und ist zu keiner finanziellen Beteiligung bereit«, hieß es in einem Vermerk.8 Man konnte sich deshalb für einen Mitarbeiter des Wasser- und Schiffahrtsamts Uelzen eine einfachere Aufgabe vorstellen als eine Zwischenbilanz des Elbe-Seitenkanals nach fünf Jahren. Ein solcher Aufsatz erschien im April 1982 in der Zeitschrift für Binnenschifffahrt und Wasserstraßen, und der Autor, Helmut Trapp, versuchte sein Bestes. An den Anfang stellte er große Zahlen. 47 000 Güterschiffe hatten den Kanal bis Jahresende 1981 passiert, außerdem gab es 11 000 Sportboote und 7000 Fahrgastschiffe mit insgesamt 300 000 Personen. Intensiv widmete sich Trapp auch den Folgen für die Landwirtschaft. Es gab inzwischen 20 Beregnungsverbände, Grundwasserabsenkungen waren nicht im befürchteten Umfang aufgetreten, die Flurbereinigungen hatten negative Konsequenzen

Eine Art Schadensabwicklung

Extreme Wetterereignisse können die Binnenschifffahrt auf unbestimmte Zeit zum Stillstand bringen. Hier stauen sich Schiffe im April 2006 während eines Elbehochwassers am Schiffshebewerk Scharnebeck. (StAL BS, XX-Benecke, Jens-49-Jens Benecke.)

für die Agrarstruktur aufgefangen, und außerdem diente der Kanal dem Hochwasserschutz. Bei starkem Regen konnten Städte am Mittellandkanal wie Hannover, Wolfsburg und Braunschweig die plötzlich anfallenden Wassermengen einfach in den Kanal leiten, was ihnen »erhebliche Investitionen für zusätzliche Rückhaltebecken u. ä.« ersparte. Zudem habe das Projekt »einige interessante Bauwerke« hervorgebracht, »insbesondere die Abstiegsbauwerke«, die auch »eine sehr hohe Anziehungskraft auf die Bevölkerung« ausübten. Insgesamt zeigte sich, »daß Mehrzweckanlagen, wie es neue Kanäle sind, unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet werden müssen«. 9 Um den tatsächlichen Verkehr kam Trapp freilich nicht herum, und da führte kein Weg an der Einsicht vorbei, dass die Zahlen enttäuschend waren. Aber das musste man ja nicht unbedingt so formulieren. Trapp schrieb, »daß der Elbe-Seitenkanal nicht schon in den ersten Jahren voll ausgelastet ist«. Langfristige Prognosen seien

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schwierig, »wenn nicht fast unmöglich«, und vielleicht liege es ja nur an der gerade schwächelnden Konjunktur, sodass sich das Problem auf längere Sicht ganz von selbst erledigen würde? Laut Trapp musste die Verkehrsentwicklung »als durchaus positiv bewertet werden«, und am Ende stand die Hoffnung, »daß die Kritiker allmählich verstummen und der Elbe-Seitenkanal immer mehr in die ihm zugedachte Verkehrsaufgabe hineinwächst«.10 Alles in allem war es gewiss keine rauschende Bilanz, aber Trapp hatte getan, was er konnte, und das wurde in den einschlägigen Kreisen honoriert. Der Verein zur Förderung des Elbstromgebietes empfahl seinen Mitgliedern »die Lektüre dieses Aufsatzes, weil er aus der Feder eines Fachmanns stammt und weil er sich in seiner Abgewogenheit wohltuend von manchen sonstigen Publikationen unterscheidet«.11 Die Welt des Wasserbaus war klein, aber dafür kannte man sich. So wussten die Männer in der Hamburger Behörde für Wirtschaft und Verkehr, was zu tun war, als die Ministerin aus Niedersachsen ihre unerfreulichen Bemerkungen machte. »Es wird beschlossen, daß die Äußerungen von Frau Breuel vom Verein zur Förderung des Elbstromgebietes zurückgewiesen werden sollten«, notierten die Beamten. Die Akte schweigt über die Argumente, mit denen der Verein den gebotenen Gegenschlag führte. Wir wissen aber, dass er stattgefunden hat, denn der Vermerk trägt eine handschriftliche Notiz: »erledigt«.12

Ach, die Heide Auch der Spiegel berichtete fünf Jahre nach der Eröffnung des Elbe-Seitenkanals über den Stand der Dinge. Dabei ging es allerdings nicht nur um die miserablen Frachtzahlen, denn diese hatte das Hamburger Nachrichtenmagazin bereits 1978 in einem Artikel über die »teure Rinne« dokumentiert.13 Es ging um die Natur: um Schwarzstörche in einem Sumpfgebiet bei Gifhorn, um den Sandstrand und das klare Wasser des Tankumsees, um glückliche Angler und den boomenden Jachthafen in Uelzen. Für ein Magazin, das damals für seinen ätzenden Schreibstil berüchtigt war, ergab das einen hinreichend ironischen Kontrast zur ökonomischen Misere. »Ent-

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standen ist die Idylle als ungeplante Zugabe beim Bau des Elbe-Seitenkanals, der sich, nun schon fünf Jahre im Betrieb, immer mehr als Pleitenkanal entpuppt«, hieß es in dem Artikel.14 Vielleicht hatten die Hamburger Journalisten das Gefühl, etwas nachholen zu müssen. Seit 1950 hatte der Elbe-Seitenkanal jede Menge Futter für investigative Journalisten produziert, aber im Spiegel las man über die Probleme des Projekts bis Mitte der siebziger Jahre kaum etwas. Gleichwohl war der Artikel diskutabel. Ob der Tankumsee, der auf ein Baggerloch zurückging, tatsächlich eine Idylle war, hing ganz von der persönlichen Einstellung zu Campingplätzen ab. Außerdem funktionierte die Ironie nur, wenn das Ganze tatsächlich »auf einem Versehen« beruhte, wie der Spiegel schrieb, und darüber konnte man unterschiedlicher Meinung sein.15 Ungeplant waren die Reize der Natur nämlich nicht. Jeder Kanal war ein Eingriff in die Landschaft, und die Wasserund Schifffahrtsverwaltung schrieb darüber in dem Buch, das sie zur Eröffnung des Elbe-Seitenkanals herausgab. »Einbinden in die Landschaft« und »Freizeit und Erholung« waren zwei der 20 Kapitel, dazu gab es in dem üppig bebilderten Band ein Foto, das »eine beschauliche Fahrt durch die Heide« zeigte.16 Die Lüneburger Heide war schließlich nicht nur ein populäres Naherholungsgebiet südlich von Hamburg, sondern auch ein Sehnsuchtsort des deutschen Naturschutzes. Der Verein Naturschutzpark hatte dort noch im Kaiserreich eines der ersten großen Naturschutzgebiete in Deutschland geschaffen, und nach dem Zweiten Weltkrieg steckte der Hamburger Kaufmann und Mäzen Alfred Toepfer etliche Millionen in die Bewahrung der Heide.17 Die Kanaltrasse verlief zwar weiter östlich, sodass man heute mit dem Auto eine gute halbe Stunde vom Kanal zum Naturschutzgebiet fährt, aber die Lüneburger Heide prägte die kollektive Imagination des »Heide-Suez« bis hin zu seiner volkstümlichen Bezeichnung. Die Erbauer des Kanals waren sich jedenfalls von Anfang darüber im Klaren, dass der Schutz der Landschaft ein legitimes Anliegen war. Daran dachte man bereits beim ersten Treffen mit dem Lüneburger Regierungspräsidenten im November 1950: Der Vermerk hielt fest, dass man für die Planung auch eine Karte zum Landschaftsschutz benötigte.18 1955 sprach das Gutachten des Ausschus-

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ses für technische Fragen des Nordsüdkanal-Vereins emphatisch über die »große Narbe, die ein Schiffahrtskanal im Gesicht einer Landschaft auf lange Jahre hinaus zurückzulassen droht«. Dass man da Rücksichten zu nehmen hatte, »braucht eigentlich als Richtsatz nicht mehr betont zu werden. Diese Dinge verstehen sich heute von selbst.«19 Daraus sprach nicht unbedingt eine besondere Naturverbundenheit. Landschaftsschutz war in Deutschland seit 1935 geltendes Recht. Laut Reichsnaturschutzgesetz hatte die Naturschutzverwaltung bei allen einschlägigen Maßnahmen ein Mitspracherecht, und darauf pochten die einschlägigen Stellen bereits sehr früh. Im Dezember 1951 erklärte die Niedersächsische Landesstelle für Naturschutz und Landschaftspflege, es sei »erforderlich, daß bereits jetzt, wo noch Einfluß auf die Trassierung möglich ist, eine Beteiligung der Naturschutzbehörden und -stellen erfolgt«.20 Die guten Absichten relativierten sich später, als die Planer der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung merkten, dass die Naturschützer nicht nur schriftliche Stellungnahmen liefern, sondern auch bei der Planung mitreden wollten, aber das war für Infrastrukturprojekte der Zeit nur zu typisch.21 Dabei wäre die Katastrophe vom Juli 1976 vielleicht nie eingetreten, wenn die Wasserbauer auf die Wünsche der Naturschützer gehört hätten. Zu deren Wünschen gehörte auch, »durch eine entsprechende Linienführung des Kanals Talüberquerungen mit hohen Dammbauten so weit wie möglich zu vermeiden«, und tatsächlich war es ja einer dieser Dammabschnitte, an dem das fatale Leck entstand. Allerdings dachten die Naturschützer keineswegs prophetisch an die Vermeidung von Überschwemmungsgefahren, sondern vielmehr daran, dass solche Dammstrecken »sich klimatisch ungünstig auswirken und schwieriger als Einschnitte in die Landschaft einzubinden sind«.22 Über die Grenzen der Maßnahmen machte man sich wenig Illusionen. »Unerfreuliche Eingriffe in landschaftlich reizvolle Gegenden werden kaum zu vermeiden sein«, hieß es lapidar in einem Vermerk des Regierungspräsidenten Lüneburg.23 Es ging ja aus zeitgenössischer Sicht um keine große Sache. 1967 erklärte der niedersächsische Kultusminister, der in diesem Bundesland nach preußischer Tradition für den Naturschutz zuständig war, es würden »von

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seiten der Landschaftspflege keine maßlosen Forderungen gestellt, die zu unwirtschaftlichen Mehraufwendungen führen müßten«.24 Die Grundsatzkritik an Infrastrukturprojekten wurde erst in den siebziger Jahren zu einem Kernelement der ökologischen Kritik, nicht selten getragen von einer jüngeren Generation, die das Betonfieber der Wirtschaftswunderjahre befremdlich fand. Auch das gehört schließlich zum Erbe der alten Bundesrepublik. Sie produzierte neben den Exzessen einer konsumistischen Wachstumsgesellschaft auch deren Kritik, und diese wirkt ebenfalls bis in die Gegenwart nach. Anders als in den sechziger Jahren geht es dabei nicht nur um die Nebenfolgen, sondern auch um das große Ganze.

Grenzen des Wachstums Als das Debakel des Elbe-Seitenkanals Mitte der siebziger Jahre offenkundig wurde, verständigten sich die einschlägigen Behörden und Verbände auf eine trotzige Verteidigung des Werks. Im Prinzip war jedem klar, dass der Kanal sein Geld nicht wert war, aber so etwas musste man ja nicht unbedingt öffentlich eingestehen, und wenn eine Ministerin in Hannover von diesem Komment abwich, wurde das in angemessener Weise korrigiert. Aber was machte man, wenn man aus einem der einschlägigen Ämter ausschied und eine Monographie in Angriff nahm, die dann in einer Buchreihe der Akademie für Raumforschung und Landesplanung erscheinen sollte? Franz Josef Schroiff war der ehemalige Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Binnenschiffahrt, und sein Werk über »die Bedeutung der Wasserstraßen und der Binnenschifffahrt für die räumliche Entwicklung« erschien 1984. Zwölf Jahre zuvor war die berühmte Studie des Club of Rome über die Grenzen des Wachstums erschienen, die Grünen saßen im Bundestag, und der Streit um Infrastrukturprojekte tobte von der Atomkraft bis zum Straßenbau.25 Da gab es in einer wissenschaftlichen Arbeit zwei verschiedene Wege. Man konnte die Kritik aufgreifen und überlegen, wie die Binnenschifffahrt in einer sich verändernden Welt aussehen könnte. Oder man konnte der Kritik entgegentreten und zeigen, dass sie nicht stichhaltig war.

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Schroiff entschied sich für einen dritten Weg. Er tat einfach so, als gäbe es nichts zu diskutieren. Binnenschiffe waren für ihn »der energiesparsamste Binnenverkehrsträger«, Lärm und Luftverschmutzung waren auch »problemlos«, und die Investitionsruinen der Wirtschaftswunderjahre interessierten ihn erst recht nicht. Den Elbe-Seitenkanal diskutierte Schroiff auf sechs Seiten, und ein unschuldiger Leser käme nie auf die Idee, dass das Projekt seit Jahren in der Kritik stand. Es ging – so der erste Absatz – um »eine moderne, hochleistungsfähige Wasserstraße«, ein »großes Werk der modernen Wasserbaukunst«, mit dem »ein seit Jahrzehnten gehegter Plan Wirklichkeit« geworden sei, und da gab es einfach nichts zu kritisieren. Schroiff erwähnte das einst erwartete Verkehrsaufkommen von 12 Millionen Jahrestonnen und die Realität von durchschnittlich 4,3 Millionen, aber es gab ja auch eine Rezession und einen unvorteilhaften Deal mit der Bundesbahn, und irgendwie würde es schon werden. Außerdem war der Kanal »befriedigend in die Landschaft eingebettet« – die Katastrophe vom Juli 1976 erwähnte Schroiff mit keinem Wort –, zudem entstanden am Kanal »140 Hektar Seefläche für Erholungs- und Sportzwecke, als Vogelschutzgebiete sowie für den Fischfang«: »Das ist der große Vorzug von Binnenwasserstraßen, den der Schienenweg und die betonierte Straße nicht bieten können.«26 Schroiff war nicht der einzige Freund der Binnenschifffahrt, der die ernüchternde Realität des Elbe-Seitenkanals auf diese Weise beiseiteschob. Wenn man die einschlägigen Diskussionen seit 1976 überblickt, drängt sich manchmal der Eindruck auf, in einer Zeitschleife gefangen zu sein. Die großen Zeiten von Kohle und Stahl sind längst Geschichte, aber die Bundesrepublik baut weiter an den Kanälen, die den Transportbedürfnissen des 19. Jahrhunderts entsprangen, als sei das die selbstverständlichste Sache der Welt. Die Äußerungen der Wasser- und Schifffahrtsdirektionen sind nicht nur frei von Selbstkritik, sondern auch von der Vorstellung, dass es so etwas wie Kritik überhaupt geben könnte. Als Garnitur gibt es meist noch ein paar Umweltargumente, aber die gab es ja schon in den Jahren des Wirtschaftswunders. Im Kern geht es darum, ein Subventionsregime am Leben zu halten, und es ist schon ein wenig faszinierend, dass das tatsächlich klappt. Es schaut ja niemand hin.

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Konflikte um Infrastrukturen sind langwierig, aber meist kommen sie irgendwann an ihr Ende. Bei der Binnenschifffahrt leben die Projekte der fünfziger Jahre auch im neuen Jahrtausend einfach weiter. Damals forderte Hamburg den Elbe-Seitenkanal, weil ein Ausbau der Elbe für große Binnenschiffe unwirtschaftlich war. Aber als die Mauer fiel, diskutierten die Wasserbauer sogleich freudig über einen Ausbau der Elbe zwischen Hamburg und Magdeburg. Dann einigte sich das Bundesverkehrsministerium mit Naturschutzverbänden 1996 auf eine Elbe-Erklärung, der zufolge »die Zukunft der Binnenschifffahrt auf der Strecke Hamburg-Magdeburg-Tschechien in der Benutzung des Elbe-Seitenkanals (ESK ) und der Oststrecke des Mittellandkanals« liegt.27 Drei Jahre später unterbrachen BUND , NABU und WWF die Gespräch mit dem Bund, weil der Ausbau einfach weiterlief.28 2005 bekannten sich SPD und CDU /CSU im Koalitionsvertrag zum Ausbau der Elbe.29 Wieso sollte man auch darauf verzichten, nur weil man Milliarden für einen Seitenkanal ausgegeben hat? Unterdessen laufen die Planungen für den Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals, den Schleswig-Holstein schon in den sechziger Jahren forderte. Das ist durchaus bemerkenswert, nachdem das Projekt über ein halbes Jahrhundert hinweg immer wieder vertagt worden war, weil es einfach keine guten Argumente gab. Die gibt es zwar immer noch nicht, aber dafür entstand rund um den CDU -Bundestagsabgeordneten Norbert Brackmann eine politische Allianz, und so sind im Bundesverkehrswegeplan derzeit 838 Millionen Euro für das Projekt reserviert. Immerhin verspricht niemand mehr 10 Millionen Tonnen Fracht pro Jahr. Der Bundesverkehrswegeplan rechnet für 2030 mit 0,6 Millionen Tonnen, und das Nutzen-Kosten-Verhältnis liegt bei 0,5.30 Damals brauchten die Freunde des Kanals noch einen Paul Berkenkopf, der den Elbe-Seitenkanal mit einem halbseidenen Gutachten möglich machte. Heute akzeptiert man die regierungsamtliche Erkenntnis, dass das Projekt nie rentabel sein wird, und baut einfach trotzdem. Die Projekte sind altbekannt, und das Gleiche gilt für die Motive hinter den Projekten. Wie sich gezeigt hat, entsprang der Hamburger Drang zum Kanal nicht etwa einem konkreten Transportbedürfnis, sondern eher der Gefühlslage in einer Hafenstadt, die nach 1945

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um ihr Hinterland bangte. Den Kalten Krieg konnte der Hamburger Senat nicht beenden, aber er konnte sich mit einem Bauprojekt vergewissern, dass er tatsächlich alles getan hatte, was in seiner Macht stand. Heute sorgt sich Hamburg um den Zulieferverkehr aus dem Ostseeraum, weil Containerschiffe zunehmend an Hamburg vorbei ums Skagerrak fahren, und da versteift sich die Hansestadt auf die Vertiefung der Unterelbe. Der Unmut konzentriert sich heute nicht mehr auf einen hartleibigen Bundesverkehrsminister, sondern auf die langwierigen Genehmigungsverfahren. »Längst ist die Elbvertiefung ein Synonym für endlose Konflikte um die Modernisierung der Infrastruktur in Deutschland«, schrieb Olaf Preuß in einem Buch über den Hamburger Hafen.31 Es geht mal wieder um einen Stellvertreterkonflikt, der von den realen Grenzen ablenkt. Natürlich weiß auch Preuß, dass die großen Containerschiffe auch nach erfolgter Vertiefung nicht vollbeladen in den Hafen kommen werden. Letztlich wird sich nur das Zeitfenster vergrößern, in dem die Riesenschiffe auf der Flutwelle ein- und ausfahren können. Aber man muss eben tun, was man tun kann. Als der Kampf um den Elbe-Seitenkanal Anfang der sechziger Jahre in seine heiße Phase mündete, troff das Wachstumsdenken aus allen Poren. Der Ausbau der Binnenschifffahrt erschien als »Teil der wirtschaftlichen Entwicklung, die nie zum Stillstand kommt«, wie ein Hamburger Vermerk von 1961 formulierte.32 Inzwischen ist das ewige Wachstum eine verblassende Erinnerung, aber die Denkweisen, Erzählungen und Institutionen, die in den Jahren des Booms geformt wurden, entfalten weiterhin ihre Wirkung. Es ist ein Befund, zu dem dieses Buch immer wieder zurückgekehrt ist und der den Verfasser dazu animierte, nicht nur eine Geschichte des Elbe-Seitenkanals zu schreiben, sondern zugleich eine Mythologie. Die alte Bundesrepublik ist seit 30 Jahren Geschichte, aber sie lebt in Köpfen und Institutionen fort. Es war halt schon eine heile Welt, wenn man nicht so genau hinschaute. Und vielleicht kommt man ja weiterhin durch. Am Anfang dieses Buchs stand die Verwunderung, dass ein solches Kanalprojekt möglich war in einer Bundesrepublik, die an und für sich doch ganz vernünftig wirkte. Ganz am Ende der Archivrecherchen entdeckte ich, dass sich darüber auch Leute gewundert

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haben, die sehr viel mehr vom Wasserbau verstanden. Es gab in der deutschen Geschichte nicht viele Menschen, die so sehr Wasserbauingenieur waren wie Hans Hoebel. Sein Vater hatte den Fischereihafen im heutigen Bremerhaven gebaut, er selbst studierte Bauingenieurwesen in München und Hannover und trat noch im Kaiserreich in den Dienst der preußischen Wasserbauverwaltung. Einen großen Teil seines Berufslebens verbrachte er in Berliner Ministerien, und nach dem Zweiten Weltkrieg baute er in Bielefeld und später in Offenbach die Wasserstraßenverwaltung wieder auf und überführte sie ins Bundesverkehrsministerium. Er ging 1949 in Pension, blieb jedoch Schriftleiter der Zeitschrift Die Wasserwirtschaft, bis er das Amt 1957 im Alter von 80 Jahren abgab. In einer Notiz zu seinem 75. Geburtstag erklärte die Zeitschrift Der Bauingenieur, Hoebel sei »nach Sympher in der Wasserstraßenverwaltung unzweifelhaft die bedeutendste Persönlichkeit«.33 Dieser rührige Ruheständler erhielt 1952 einen Brief von einem niedersächsischen Landwirt, der einfach nicht verstand, »wie man auf den Gedanken kommen kann, den sogenannten Nord-Süd-Kanal zu propagieren«. Hoebel konnte es gut nachvollziehen: »Ich verstehe es auch nicht.«34 Hoebel war 1921 ins Reichsverkehrsministerium gekommen, und deshalb war er mit dem späteren Elbe-Seitenkanal bestens vertraut. Der Nord-Süd-Kanal sei »vor langen, langen Jahren bereits einmal von dem damaligen Chef der Bauverwaltung in Lübeck in Vorschlag gebracht worden«, erklärte Hoebel, aber es war kein Projekt, das ihm den Schlaf geraubt hatte: »Wir im Reichsverkehrsministerium haben diesen Plan niemals ernst genommen.« Hamburg sorgte sich, dass 1000-Tonnen-Schiffe nicht mehr durch die flache Elbe passten, aber Hoebel wollte solche Schiffsgrößen ohnehin nicht. Er vertrat den Standpunkt, »dass es nicht nur wirtschaftlich, sondern wirtschaftlicher ist, die Grössen der Schiffsgefässe nicht mehr zu steigern«. Hoebel kannte die Kluft zwischen hochfliegenden Plänen und mühsamen Bauprojekten zur Genüge, und deshalb war Wasserbau für ihn das Wirtschaften mit begrenzten Mitteln: »Flüssen, wie der Weser, der Elbe und der Oder kann man nicht Gewalt antun.«35 Hoebel starb 1966, und deshalb hat er nie von den Grenzen des Wachstums gehört. Aber wenn man ein Leben lang Wasserbau in turbulenten Zeiten betrieben hatte, war es durchaus plausibel, das

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Wachstum der Binnenschiffe kritisch zu sehen. Zwang das nicht zu ständigen Umbauten an Kanälen, die man bereits fertig gebaut hatte? Und wer konnte schon sagen, ob nicht wieder ein Krieg oder eine Wirtschaftskrise in ein ambitioniertes Bauprogramm platzen würde? Einen jahrzehntelangen Wirtschaftsboom konnte sich Hoebel genauso wenig vorstellen wie eine föderalistische Verhandlungsmaschinerie, die auch dubiose Projekte durchwinkte, wenn man nur lange genug insistierte, und deshalb hatte er einen guten Rat für den Landwirt aus Niedersachsen. Die ganze Sache war schon ziemlich seltsam, aber letztlich doch ganz harmlos. »Ich persönlich würde den Kanalverein, da er nun einmal gegründet ist, ruhig wurzeln lassen. Unheil kann hierdurch nicht herbeigeführt werden.«36

Was ist eigentlich ein Skandal? Bundesdeutsche Erregungszustände

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ls die Bundesrepublik ihren 40. Geburtstag feierte, veröffentlichte die Büchergilde Gutenberg ein Buch über Die Skandale der Republik. Das damals noch gewerkschaftseigene Verlagshaus versammelte eine bunte Autorenschaft mit deutlichem Linksdrall, die ein ähnlich buntes Spektrum skandalöser Vorkommnisse Revue passieren ließen. Diskutiert wurden Bestechungsskandale, anrüchige Personalien vom NS -belasteten Kanzleramtschef Hans Globke bis Uwe Barschel, die Contergan-Affäre und die Hitler-Tagebücher, der Chemieunfall von Seveso und die Beschwichtigungen nach der Tschernobyl-Katastrophe. All dies galt es nach Ansicht der Herausgeber im Gedächtnis zu halten, als Lehrstücke über den Missbrauch der Macht und zugleich als Zeichen des Danks an all jene, die sich um die Aufdeckung dieser Skandale verdient gemacht hatten. Das Wesen einer Demokratie zeige sich nicht zuletzt im Umgang mit solchen Grenzüberschreitungen: »Die Geschichte der Republik lehrt, daß die Auseinandersetzung mit ihren Skandalen zu den vornehmsten demokratischen Bürgerpflichten gehört.«1 Im siebten Jahr der Kanzlerschaft Helmut Kohls ging es natürlich

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auch darum, der amtierenden Bundesregierung ans Leder zu gehen. »Eines jedenfalls steht fest: die jährliche Skandaldichte nimmt sprunghaft zu«, verkündete das Vorwort.2 Tatsächlich deutet einiges darauf hin, dass die Regierungen Kohl zu den skandalträchtigsten der bundesdeutschen Geschichte gehörten. Das änderte freilich nichts daran, dass Kohl mehr als 16 Jahre lang im Amt blieb und damit die bislang längste Regierungszeit eines bundesdeutschen Kanzlers erreichte. Erst nach seiner Abwahl 1998 verbannte ihn ein Parteispendenskandal in ein politisches Abseits, dem er bis an sein Lebensende nie mehr ganz zu entkommen vermochte.3 »Leider gibt es über Skandale kaum Forschung, die nicht selbst skandalös wäre«, klagte Niklas Luhmann 1972 in einer Fußnote seiner Rechtssoziologie.4 Inzwischen gibt es eine umfängliche wissenschaftliche Literatur, die den Skandal nicht nur als Teil des politischen Machtspiels, sondern auch als Verhandlungsmodus für gesellschaftliche Wertvorstellungen und als Lebenselixier moderner Massenmedien analysiert.5 Kein Zweifel: Skandale sind wichtige Testfälle für das Funktionieren eines politischen Gemeinwesens. Im Umgang mit Skandalen zeigt sich, inwiefern ein politisches System in der Lage ist, Fehler in Personen und Institutionen zu korrigieren. Eine Demokratie stirbt, wenn Bürger sich nicht mehr über Skandale erregen können. Inzwischen wird jedoch auch immer deutlicher, dass die Rhetorik des Skandals nur einen Bruchteil dessen ausmacht, was politische Verantwortung in demokratischen Gesellschaften bedeutet. Eine Gesellschaft, die sich über Skandale erregt, kann auch eine Gesellschaft sein, die ihre Mächtigen aus der Verantwortung entlässt. Natürlich gab es schlimmere Großprojekte als den Elbe-Seitenkanal. Er hatte keine heimtückischen Risiken wie die Industriechemie, und er war auch deutlich billiger als ein Atomkraftwerk. Selbst unter den Kanalprojekten der Nachkriegszeit gab es Übleres. Das sozialistische Rumänien baute seit 1949 mit Zwangsarbeitern den Donau-Schwarzmeer-Kanal, und als er 1984 endlich fertig war, hatte er nur ein Zehntel des prognostizierten Verkehrs.6 Nach bundesdeutschen Maßstäben hatte der Elbe-Seitenkanal aber durchaus das Zeug für ein öffentliches Ärgernis. Er war eine milliardenschwere Fehlinvestition, er war trotz zahlreicher Warnungen gebaut worden,

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und er verursachte fünf Wochen nach der Eröffnung eine Katastrophe, die nur mit viel Glück keine Menschenleben forderte. Es gab in der bundesdeutschen Geschichte eine Menge Skandale, deren Schäden leichter wogen, aber der Elbe-Seitenkanal blieb ein Skandal in statu nascendi. Man grummelte schon mal über das schöne Geld, und nach der Katastrophe waren Journalisten auch für ein paar Wochen im Jagdfieber, aber dann verläpperte sich die Sache wieder. Aber warum? Es lohnt sich, abschließend die Ursachen dieser Entwicklung etwas systematischer zu diskutieren, als dies in der vorigen Darstellung möglich war. Skandale entstehen schließlich nicht im luftleeren Raum. Es gibt mehrere Akteure, die dem Walten von Politik und Verwaltung in offenen Gesellschaften gegenüberstehen: aufmüpfige Bürger, kritische Journalisten und die Instanzen des modernen Rechtsstaats. Sie alle kümmerten sich in wechselnder Intensität um den Elbe-Seitenkanal, und sie alle kamen am Ende zu einem ähnlichen Ergebnis. Das Projekt warf Fragen nach der politischen Verantwortung auf, aber es waren Fragen, die nicht so recht zu den jeweiligen Beißreflexen passen wollten.

Obrigkeitskritik Herbert Weichmann offenbarte in seiner Rede zum ersten Spatenstich nicht nur bedenkliche Lücken in der Kenntnis von Goethes Faust. Es war der Mai 1968, die Studentenrevolte war im vollen Gange, und da konnte sich der Hamburger Bürgermeister einen Seitenhieb auf die aufmüpfige Jugend nicht verkneifen. »Hier ist eine Arbeit geleistet worden, die Bedeutung für Generationen besitzt, ohne sich freilich in gängigen, revolutionär klingenden Parolen niederzuschlagen«, sagte er laut Redemanuskript, bevor er sich dem Verkehrsminister von Sachsen-Weimar-Eisenach zuwandte.7 Im November des Vorjahres hatten Studenten der Hamburger Universität bei der Rektoratsübergabe ein Transparent enthüllt und dadurch einen der ikonischen Sprüche der Studentenrevolte in die Welt gesetzt: »Unter den Talaren – Muff von 1000 Jahren«.8 Da war der Baubeginn eines großen Kanals eine gute Gelegenheit, an die

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Grenzen des Sprücheklopfens zu erinnern. Parolen seien, so Weichmann, vollkommen ungeeignet, »die Erstellung einer einzigen Bauzeichnung und die konkrete Leistung einer auf die Erfüllung sachlicher Aufgaben ausgerichteten Arbeit zu bewirken«.9 Ähnlich wie das Faust-Zitat war auch dieser Seitenhieb mehr als eine rhetorische Petitesse. Weichmann war 72 Jahre alt, als er zum ersten Spatenstich nach Artlenburg kam, und er pflegte einen autoritären Habitus. Er konnte es sich leisten, denn die Nazivergleiche, die damalige Studenten in solchen Fällen gerne bemühten, prallten an ihm ab: Weichmann war jüdischer Herkunft und hatte die NS -Zeit im Exil verbracht.10 Die Hamburger SPD fand sein Amtsverständnis allerdings zunehmend befremdlich und unterband schließlich Auftritte vor jugendlichem Publikum, und 1971 trat Weichmann nur 15 Monate nach einer gewonnenen Bürgerschaftswahl als Bürgermeister zurück.11 Es war ein Abschied nicht ohne Symbolkraft. Eine neue Generation übernahm den Stab und etablierte eine politische Kultur, die den Respekt vor dem mündigen Bürger zu einem Eckpfeiler der bundesdeutschen politischen Kultur machte. Das Transparent, das vom »Muff von tausend Jahren« kündete, liegt heute im Staatsarchiv Hamburg.12 Die Gegenmacht von Bürgerinitiativen und Umweltverbänden gehört heute zu jedem größeren Infrastrukturprojekt. Einige Konflikte hinterließen gar Spuren in der großen Politik wie etwa der Protest gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21. Die Winzer vom Kaiserstuhl wurden deutschlandweit berühmt, als sie den Kampf gegen ein Atomkraftwerk in Wyhl aufnahmen, und ein Vierteljahrhundert später bekam Wyhl ein eigenes Kapitel in den Deutschen Erinnerungsorten.13 Fast möchte man enttäuscht sein, dass die Zivilgesellschaft beim Elbe-Seitenkanal nie so recht auf Touren kam. Zwar gab es eine Menge Unmut in landwirtschaftlichen Kreisen, aber als das Projekt beschlossene Sache war, gaben die Bauern ihr Land relativ geräuschlos ab. Aber vielleicht ist der Gegensatz von idealistisch-empörten Bürgern und autoritären Planern auch ein bundesdeutscher Mythos, der oft eher die Gefühlslage der Zivilgesellschaft als die realen Verhaltensweisen widerspiegelte? Protest wird ja keineswegs illegitim, wenn materielle Interessen ins Spiel kommen, und der Verwaltungs-

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Bürgerprotest gibt es heute bei nahezu jedem großen Infrastrukturprojekt, so auch bei der »Heideautobahn« A 39, die parallel zum Elbe-Seitenkanal von Lüneburg nach Wolfsburg gebaut werden soll.

staat agierte beim Elbe-Seitenkanal nicht ohne Fingerspitzengefühl. Man sollte sich freimachen von der neumodischen Suche nach dem skandalösen Zitat und den Gesamtkontext im Blick behalten. Als Niedersachsen 1965 auf den letzten Metern querschoss, kritzelte Seebohm das böse Wort »Sabotage« auf einen Vermerk.14 Aber See-

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bohm wollte dem Land nicht das Recht auf Widerspruch verweigern, sondern lediglich darauf hinweisen, dass die strittigen Fragen »im Planfeststellungsverfahren zu klären und zu regeln seien«.15 Nachdem das Projekt beschlossen war, bemühten sich die Bauherren, die Sorgen der lokalen Bevölkerung ernst zu nehmen und in den Plänen zu berücksichtigen. Erst wenn andere nicht nur Wünsche äußerten, sondern auch bei der Planung selbst mitreden wollten, zeigten sich Grenzen der Offenheit. Natürlich lag das auch an der Harmlosigkeit des Gegenstands. Niemand hatte bis zum 18. Juli 1976 Angst vor dem Kanal. Die Menschen hatten lediglich Sorge um ihr gewohntes Lebensumfeld und den Wert ihres Eigentums, und zumindest für Letzteres hatte die Verwaltung eine Menge Verständnis: Der Schutz des Eigentums stand schließlich im Grundgesetz. Vermutlich würde man die Trasse heute nicht mehr in zehn Besprechungen festklopfen, die kurzfristig im Takt von zwei bis vier Wochen anberaumt wurden und die Naturschützer zu atemlosen Erkundungen im Gelände zwangen, und von Instrumenten wie der Verbandsklage, die seit 2002 im Bundesnaturschutzgesetz steht, träumte damals noch kein Naturschützer, aber insgesamt sollte man den Unterschied vielleicht nicht überzeichnen. Selbst Weichmann sang in seiner denkwürdigen Ansprache das Hohelied der vertrauensvollen Gemeinschaftsarbeit: »Nachdem Jahrzehnte einer anderen und sogar preussisch-zentral vorbestimmten Struktur keinen Erfolg hervorgebracht haben, frage ich ernsthaft, ob nicht gerade die Vielfalt der Kräfte und aufeinander einwirkenden Interessen ortsnaher, föderaler und regionaler Dynamik dazu beigetragen haben, das Ziel endlich zu erreichen.«16 Auch die Planungseuphorie der sechziger Jahre war ein bundesdeutscher Mythos, der weniger mit den Realitäten der Nachkriegsjahre zu tun hatte als mit politischer Opportunität. Staat und Zivilgesellschaft hatten nicht nur gegensätzliche Interessen, sie verfolgten auch unterschiedliche Anliegen auf unterschiedlichen Ebenen. Während die Ministerialbeamten Anfang der sechziger Jahre an der Rentabilität des Projekts zweifelten, hatten die Bürgerinitiativen und Umweltverbände späterer Jahre ganz andere Sorgen. Die Kritik aus der Zivilgesellschaft zielte meist auf Nebenfolgen, die solche Großprojekte unvermeidlich mit sich brachten,

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und kritische Fragen nach den Kosten waren in solchen Auseinandersetzungen kontraproduktiv. Betroffene Bürger wünschen eher einen großzügigen Staat, der sich beim Umgang mit Folgeproblemen nicht lumpen ließ. In der Beziehung von Planern und betroffenen Bürgern gibt es unvermeidlich eine Asymmetrie des Wissens. Man braucht kein Expertenwissen, um zu verstehen, dass ein breiter Kanal hinter dem eigenen Haus eine Einschränkung der eigenen Lebensqualität bedeutet. Das Planen einer Kanaltrasse oder die Prognose zukünftiger Verkehrsentwicklungen ist hingegen schon etwas schwieriger. Aber vielleicht fehlt es heute schon an einer Vorstellung davon, was der Leiter eines Infrastrukturprojekts in seiner täglichen Arbeit so macht? Die Projekte der frühen Nachkriegsjahrzehnte hatten immerhin noch ein Gesicht, wie die endlosen Spekulationen über die Haltung des Bundesverkehrsministers Seebohm zeigten. Heute kennt kaum noch jemand die Namen der verantwortlichen Manager, geschweige denn ihre Tätigkeit. Dafür gibt es in heutigen Gesellschaften einfach keinen Film.

Medienleute In Die Skandale der Republik war die Parteispendenaffäre, die sich an der politischen »Landschaftspflege« des Friedrich Karl Flick entzündete, natürlich ein Pflichtthema. Da ging es um die Korrumpierbarkeit des Parteienstaats und das große Geld der Industrie, und im Hintergrund stand, wie so oft in der bundesdeutschen Geschichte, eine unbewältigte Vergangenheit, denn der Flick-Konzern hatte kräftig vom NS -Staat profitiert.17 Hans Magnus Enzensberger stellte jedoch nicht die billige Moral an den Anfang seiner Diskussion. Er begann mit dem Unterhaltungswert der Affäre. Als Fernsehspiel wäre die Flick-Affäre, so Enzensberger, ein absehbares Desaster. Der Zuschauer »würde vor Langeweile einnicken«, denn erzähltechnisch gab die Geschichte ganz einfach nichts her: »Die öde Wirklichkeit der Korruption kann mit der prompten Dramaturgie eines ›Tatorts‹ in keiner Weise konkurrieren.«18 Beim Elbe-Seitenkanal hätten die Drehbuchschreiber wohl

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schon im Vorfeld kapituliert. Wenn Berkenkopf ein junger Wendehals gewesen wäre, der erst im kleinen Kreis über neue Kanalprojekte lästert und sie dann trotzdem durchwinkt, womöglich bei der Meinungsbildung unterstützt durch einen Umschlag mit Bargeld, dann hätte es vielleicht noch etwas werden können. Ein honoriger Professor jenseits der 70, der kurz vor dem Ableben noch ein halbseidenes Gutachten heraushaut, ist hingegen dramaturgisch ein hoffnungsloser Fall. Heute würde man vermutlich mit einer Nazivergangenheit nachhelfen. Das Hollywoodkino goutiert die couragierten Rebellen, die sich dem Wahnsinn mit vollem Risiko entgegenstellen – wahlweise als bauchnabelfreie Julia Roberts in Erin Brockovich oder als Actionhelden in Sahara. Ganz so heroisch muss es in der Wirklichkeit des Journalismus nicht sein, aber eine gewisse Klarheit sollte die Sache schon haben. Ein grenzwertiger Vermerk aus dem Bundesverkehrsministerium, den man erst mal seitenlang erklären musste, hatte da keine guten Chancen, selbst wenn sich ein Beamter ein Herz gefasst hätte. Seebohm war in dieser Hinsicht unerbittlich. Die Vertraulichkeit des Verwaltungshandelns war ihm ein hohes Gut, das er gerne noch einmal per Aktennotiz in Erinnerung rief. Als die Deutsche Bundesbahn in einem Brief konstatierte, Berkenkopfs Gutachten laufe »dem Vernehmen nach« auf höhere Kanalabgaben hinaus, gab das gleich eine barsche Randnotiz vom Minister: »Wen hat er ›vernommen‹?!«19 Berichtet wurde natürlich trotzdem. Oft stand dahinter eine Presseerklärung, mal direkt von staatlichen Beamten, mal über Bande wie etwa im Falle der Informationsstelle Nordsüdkanal in Köln, die der Hamburger Senat für saftige mediale Interventionen bezahlte, als es um das Plazet der niedersächsischen Regierung ging.20 Manchmal wurde auch mit Indiskretionen gedroht. Als sich das Bundesverkehrsministerium 1962 mit seiner Stellungnahme Zeit ließ, erklärte Hamburgs Behörde für Wirtschaft und Verkehr, Seebohm werde »als Politiker […] dafür Verständnis haben, dass bei dieser Sachlage der Senat das mit Ihnen vereinbarte und bisher streng eingehaltene Stillschweigen nicht mehr lange durchhalten kann«.21 Derlei konnte Seebohm natürlich auch, wenngleich nicht ganz so hanseatisch-diskret.22 Es gab auch Redaktionen mit Rück-

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grat wie etwa die Frankfurter Allgemeine, die dem Geschäftsführer des Nord-Süd-Kanal-Vereins 1952 gerne noch einmal per Brief erläuterte, warum sie für neue Wasserstraßen »strenge Maßstäbe« gefordert hatte.23 Aber derlei war die Ausnahme. Erst als sich das Werk dem Ende zuneigte und immer deutlicher als Fehlinvestition zu erkennen war, drehte sich der Wind. »Skandal um den Kanal«, lautete eine Überschrift im Stern, als der »Geheimvertrag« der Salzgitter AG mit der Bundesbahn im Mai 1976 bekannt wurde.24 Nach dem Dammbruch kolportierte selbst die sonst eher staatstragende Frankfurter Allgemeine, aufgebrachte Anwohner sprächen inzwischen vom »Elbe-Pleitenkanal«.25 Das war Presseschelte der billigen Sorte, und es ging wohl auch weniger um den Kanal als solchen, sondern eher um ein Vehikel, mit dem man die multiplen Enttäuschungen der siebziger Jahre verarbeiten konnte. In jedem Fall blieb die Kritik folgenlos. Der Kanal war schließlich fertig gebaut, und ähnliche Projekte standen nirgends in den Startlöchern. Auch die »vierte Gewalt« ist ein bundesdeutscher Mythos, der in wesentlichen Teilen in Hamburg konstruiert wurde. Keine deutsche Institution hat diesen Mythos mehr genährt und gepflegt als die Redaktion des Spiegel. Aber was konnte das Licht der publizistischen Öffentlichkeit tatsächlich bewegen? Publizistische Selbstzweifel konnte man auch dann hegen, wenn es um einen Skandal ging, den jeder kannte. Am Ende seines Beitrags über Flicks Spenden fragte sich Hans Magnus Enzensberger, ob die kritische Aufarbeitung überhaupt nennenswerte Folgen habe. Ging es nicht ganz grundsätzlich um die Frage, ob ein Gemeinwesen eine Zukunft hat, wenn es »von vornherein darauf verzichtet, sich einen anderen moralischen Aggregatzustand als das Püree auch nur vorzustellen«?26 Das war eine gute Frage, und es war mehr als nur eine Frage der Moral.

Kontrollinstanzen Der Bau des Elbe-Seitenkanals war ein Produkt des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland, aber er war kein unvermeidliches Ergebnis der Geschichte. Es gab mehrere Momente, an denen eine couragierte Entscheidung die Dinge in eine andere Richtung

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hätte lenken können. Ein solcher Moment nahte im Herbst 1961, als sich die Beamten im Bundesverkehrsministerium über das Berkenkopf ’sche Gutachten beugten. Sollte man es in der Schublade verschwinden lassen oder ein Gegengutachten anfordern? Vielleicht konnte man es gar als Beweis anführen, dass die Wirtschaftlichkeit des Kanals nur durch muntere Zahlengymnastik zu belegen war? Am Ende schob Seebohm die Zweifel beiseite und entschied, gemeinsam mit Hamburg eine Stellungnahme zu erarbeiten.27 Das Projekt war danach kein Selbstläufer, aber es ging doch deutlich bergab. Seebohms Motive wurden im Kapitel vier eingehend diskutiert. Es war letztlich der Weg des geringsten Widerstands. Berkenkopf war der langjährige Vorsitzende seines Wissenschaftlichen Beirats und mithin eine Instanz, die man nicht einfach so brüskieren konnte. Die Sache hätte womöglich über das Thema hinaus Wellen geschlagen, und Bundeskanzler Adenauer, der gerade eine schwierige Regierungsbildung über die Bühne gebracht hatte, war wohl kaum auf Ärger im Verkehrsressort erpicht. Ohnehin wäre Seebohm nach zwölf Jahren im Amt selbst dann nicht der Mann für grundlegende Reformen seiner Institution gewesen, wenn sein Faible für ordentliche Verfahrenswege und vertrauenswürdige Experten weniger ausgeprägt gewesen wäre. Aber daneben gab es wohl noch eine andere Sache, die dem Minister und seinen Beamten im Vorfeld ihrer folgenschweren Entscheidung im Kopf herumschwirrte. Es war nicht illegal, was man da tat. Berkenkopf hatte für sein Gutachten ein besonders üppiges Honorar erhalten, und das mit dem ausdrücklichen Plazet des Ministers. Es war freilich nicht gesetzwidrig, wenn Experten um eine ordentliche Bezahlung feilschten, und Berkenkopf war nach Aktenlage auch nicht ungebührlich unter Druck gesetzt worden. Alle hielten sich an die üblichen Verfahrenswege, und Hinweise auf Korruption gibt es in den Akten nicht. Damit war der wichtigste Kontrollmodus des Verwaltungsstaats faktisch ausgeschaltet: Niemand musste Angst haben, wegen des Elbe-Seitenkanals in juristische Probleme zu geraten. Für die Ministerialen ging es lediglich um ein schlechtes Gutachten und eine schwierige Abwägung zwischen Alternativen, und damit hatte man im Verkehrsministerium jede Menge

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Erfahrung. Wann gab es im Alltag eines Ministeriums schon mal eine Entscheidungssituation, in der alles eindeutig war? Meist galt es, eine Wahl zwischen mehreren mittelprächtigen Alternativen zu treffen, und hinter jeder Entscheidung standen Interessen, Risiken und der ganz alltägliche Streit der Instanzen. Auch beim Elbe-Seitenkanal ging es am Ende nur noch darum, wie weit man sich hier mal wieder verbiegen ließ. Wer Jahrzehnte in einem Ministerium arbeitet, weiß um die fließenden Grenzen zwischen einem schwierigen Kompromiss und einem verantwortungslosen Deal. Es gab auch niemanden, der den Ministerialen auf die Finger geschaut hätte. Der Bund der Steuerzahler hat sich nach Lage der Akten nie um den Elbe-Seitenkanal geschert, und der Bundesrechnungshof äußerte sich 1963 lediglich zu der juristisch strittigen Einschaltung von Finanzierungsgesellschaften bei Bauprojekten.28 Außerdem lag der Tag der Abrechnung bei einem großen Infrastrukturprojekt in der fernen Zukunft. Selbst als die Staatsanwaltschaft nach dem Dammbruch ermittelte, ging die Sache für die Verwaltung glimpflich aus: Niemand wurde wegen der Katastrophe angeklagt. Unterdessen sorgte das Bundesverkehrsministerium dafür, dass bei der internen Aufarbeitung keine unangenehmen Fragen gestellt wurden. Man stand ja auch nicht allein am Pranger. Drei Bundesländer hatten das Regierungsabkommen unterzeichnet, und außerdem gab es die nachgeordneten Wasser- und Schifffahrtsämter in Hamburg, Uelzen und Lüneburg, die die politische Verantwortung in höchst erfreulicher Weise diffundieren ließen. Es war nicht schön, wenn ein Damm brach oder ein Kanal zum Milliardengrab wurde. Aber man kam damit durch. Als die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen einstellte, bemerkte Wolfgang Hoffmann in einem hellsichtigen Zeit-Artikel, »daß solche folgenschweren Pannen sich immer dann häufen, wenn Planung und Ausführung solcher Großprojekte auf verschiedene Instanzen verteilt sind«. Die fatale Zersplitterung der Verantwortung interpretierte er als bürokratische Taktik: Behörden verstünden »meist geschickt, die Verantwortlichkeiten auf so viele Schultern zu verteilen, daß sich jede einzelne Stelle stets hinter Entscheidungen einer anderen verstecken kann«. Um derlei in Zukunft zu unterbinden, redete Hoffmann der Privatisierung das Wort: »Der Staat sollte sich

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vor allem bei Großprojekten auf seine Rolle als Finanzier zurückziehen, Planung und Ausführung aber in die Hände eines alleinverantwortlichen Generalunternehmers legen, der dann für jeden Fehler zur Rechenschaft gezogen werden kann. Nur so kann sichergestellt werden, daß nicht mehr der Steuerzahler der Dumme ist.«29 Es war ein Vorschlag ganz im Geiste des heraufziehenden Neoliberalismus, aber die Idee war keineswegs völlig neu. Beim Reichswirtschaftsministerium ging zum Beispiel 1930 ein Schreiben ein, in dem ein Mann aus Bremen ein solches Angebot unterbreitete. Er trug den Namen Friedrich Maier-Phoenix und arbeitete mit der Eisenbeton Gleitbaugesellschaft Heinrich Klotz & Co aus Frankfurt am Main zusammen. Hinter dieser Firma, die Maier-Phoenix auch knapp als »Betonklotz« bezeichnete, stand nach seinen Angaben »amerikanisches Grosskapital«: Die Gesellschaft könne »in den U. S. A. grosse Summen zu niedrigem Zinfuss [sic] für ihre eigenen Zwecke bekommen und will sich damit in Europa bautechnisch im grossen Masstabe betätigen«.30 Gemeinsam hatten die Herren »einen Vorschlag ausgearbeitet, den sofortigen Bau und die Finanzierung des Hansa-Kanal-Projektes unter einer Reihe von Voraussetzungen bezüglich der Reichsgarantien usw. zu übernehmen«.31 Das Ministerium ging darauf augenscheinlich nicht ein, und es ist verlockend zu spekulieren, ob das an den Namen Betonklotz und Maier-Phoenix lag, die arg wie eine Parodie auf das Projekt klangen, oder doch eher daran, dass die Herren ihrer Zeit ein halbes Jahrhundert voraus waren. Heutige Manager würden vor ähnlichen Angeboten wohl erst einmal eine einschlägig erfahrene Agentur bitten, das eigene Profil mit schicken Namen aufzuhübschen. Die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen kam in Westeuropa in den achtziger Jahren in Schwung und präsentiert sich aus heutiger Sicht als das vielleicht folgenreichste Projekt des Neoliberalismus auf dem Gebiet der alten Bundesrepublik. Deshalb sähe das beschriebene Dreieck der Staatsbetriebe beim Elbe-Seitenkanal heute anders aus. Die Salzgitter AG wurde 1989 vom Bund an die Preussag verkauft, und die Bundesbahn ist heute eine Aktiengesellschaft im Besitz des Bundes. Nur in der Binnenschifffahrt hat weiterhin eine Bundesbehörde das Sagen. Die Magie der Privatisierung hat allerdings spürbar nachgelassen. Es hat sich gezeigt, dass ein

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Privatkonzern nicht grundsätzlich effizienter ist als ein gut geführter Staatsbetrieb, und die Frage der Verantwortung hat sich durch solche Arrangements ohnehin nicht aufgelöst. Privatunternehmen im Staatsauftrag brauchen ebenso robuste Kontrollinstanzen wie die Behördenapparate der Wirtschaftswunderjahre. Aber wie hätten solche Kontrollmechanismen aussehen können? Man konnte Beamte und Minister nicht finanziell haftbar machen, denn es ging um Summen, die weit über das Gehaltsgefüge des öffentlichen Dienstes hinausreichten. Man konnte einen Kanal auch nicht ungeschehen machen. Man konnte erst recht kein Exempel statuieren, denn dafür fehlten einschlägige Bestimmungen im Verwaltungs- und Strafrecht. Belehrungen über die Ethik der guten Verwaltung und das Geld der Steuerzahler konnte man sich ohnehin schenken, denn an einem schlechten Gewissen in Verwaltungsstuben hat es beim Elbe-Seitenkanal wohl am wenigsten gefehlt. Die Menschen in den Ministerien wussten, dass sie sich im Grenzbereich bewegten. Ihre Vermerke sprachen in dieser Hinsicht eine deutliche Sprache. An sich ist Verantwortung ein ganz einfaches Prinzip. Bei den Infrastrukturen der Moderne war es stets etwas komplizierter, weil es um Großprojekte ging, die weit in die Zukunft reichten. Im späten 19. Jahrhundert löste man das Problem, indem man herausragende Männer in die Verantwortung nahm, die den Erfolg eines Projekts auf Ehr und Glauben versprachen – und man muss nur eine Wagner-Oper sehen, um zu erahnen, dass Ehre damals mehr als nur ein Wort war. Dies stand freilich stets in einer unauflöslichen Spannung zu den Prinzipien demokratischer Kontrolle, und inzwischen ist das persönliche Regiment charismatischer Projektleiter, bei denen alle Fäden zusammenliefen und die den Großprojekten auf diesem Wege ein Gesicht gaben, ein Ansatz aus einer fernen Vergangenheit. Seebohm war einer der Letzten dieser Art, und während seiner Amtszeit löste sich der maskuline Gestus des Platzhirsches in einem Geflecht von Routinen und Expertenmeinungen erkennbar auf. An die Stelle der alten Haudegen trat ein Konglomerat von Regeln. Das erscheint freilich nur so lange als ein Fortschritt der Demokratisierung, wie man ausblendet, dass diese Regeln nicht gezielt im Streben nach mehr Klarheit und Transparenz geschaffen wur-

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den. Unterm Strich liefen sie eher auf eine Verschleierung von Verantwortung hinaus. Da ging es um bürokratische Usancen, föderale Ränkespiele, politische Machtverhältnisse und die Neurosen einer Handelsstadt, die unbedingt einen Anschluss an das bundesdeutsche Kanalnetz wollte, und im Hintergrund agierten Strippenzieher wie Mühlradt, deren Macht vor allem in den Apparat hineinwirkte. Die simple Frage nach dem Verhältnis von Kosten und Nutzen war da plötzlich ganz fern, als stünde dahinter lediglich die notorische Nörgelei des ahnungslosen Steuerzahlers. Dabei war das doch eigentlich die Schlüsselfrage.

Die Verantwortung fürs Ganze Der Elbe-Seitenkanal war eine Fußnote der bundesdeutschen Geschichte. Er war eine peinliche Fehlinvestition und ein Lehrstück über Verantwortung im politischen System der Bundesrepublik Deutschland, aber bis auf ein paar dramatische Minuten im Sommer 1976 war er keine Frage von Leben und Tod. Selbst die vergeudeten Steuerzahlergelder relativieren sich aus dem Blickwinkel des 21. Jahrhunderts. Als ich die ersten Überlegungen zu diesem Buch skizzierte, streikten die Wissenschaftler an britischen Universitäten, weil es in ihrem Pensionsfonds eine Finanzierungslücke gab, die etwa viermal so groß war wie die Kosten des Elbe-Seitenkanals in heutigen Preisen. Als Historiker weiß man freilich auch, dass man Fußnoten nicht unterschätzen sollte. Sie sind ein unverzichtbarer Teil des wissenschaftlichen Geschäfts, manchmal auch Medium für versteckte Seitenhiebe, aber vor allem dienen sie als Beleg, dass beim Recherchieren der Fakten alles mit rechten Dingen zuging. Und ähnlich wie bei den Infrastrukturen kommt auch bei den Fußnoten etwas ins Rutschen, wenn man nachlässig wird. Eine einzelne schludrige Fußnote mag man noch verzeihen, genauso wie die alte Bundesrepublik ihren ungeliebten Kanal problemlos abschreiben konnte, aber wenn sich die dubiosen Fußnoten häufen, kommt man in den roten Bereich. Hinter dem Debakel des Elbe-Seitenkanals stand eine Form des regelkonformen Versagens, das durch die gängigen Raster gesellschaftlicher Skandalisierung fiel. Dieses Versagen verstieß nicht

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gegen Verordnungen oder Gesetze, es war nicht medientauglich und den meisten zivilgesellschaftlichen Verbänden ziemlich egal. Zugleich ist es eine Art von Versagen, das sich im 21. Jahrhundert als immer größeres Problem präsentiert. Es steckt zum Beispiel hinter der Sache mit dem Pensionsfonds, die mich schon deshalb interessiert, weil daran meine eigene Altersversorgung hängt. Ein regelkonformes Versagen war auch die Ursache der Weltfinanzkrise von 2008, die sich immer deutlicher als die Urkatastrophe des 21. Jahrhunderts herauskristallisiert. Jahrelang wurden Regeln ausgereizt und Warnungen ignoriert, und als das Kartenhaus zusammenbrach und die Juristen mit der Aufarbeitung begannen, setzte die große Ratlosigkeit ein. Es ging um Gier, um Glücksspielmentalität und die Ausblendung von Risiken. Ähnlich wie damals beim Kanal ging man an die Grenze und vielleicht auch darüber hinaus. Man musste kein Moralist sein, um das alles ziemlich übel zu finden. Es war ein Fall organisierter Verantwortungslosigkeit. Aber es war nicht illegal. Für viele Bundesbürger war es eine irritierende Erfahrung, dass Menschen eine globale Wirtschaftskrise verschulden können und dann ungeschoren davonkommen. Wer vor 30 Jahren im Osten Deutschlands gelebt hat, war vielleicht nicht ganz so überrascht. Es war halt auch ein Lehrstück über die Ambivalenz der geltenden Regeln, als der Raubtierkapitalismus mit voller Wucht über die untergehende DDR hereinbrach. Im Crashkurs erfuhren die Menschen von der Kluft zwischen der Welt des Anstands und der Welt des geltenden Rechts und von der Flüchtigkeit der politischen Verantwortung. Es war nicht illegal, verunsicherten DDR -Bürgern in den turbulenten Monaten der Wende ein überteuertes Versicherungspaket aufzuschwatzen. Aber es hatte Konsequenzen für das Urvertrauen, auf das jedes politische System angewiesen ist. Es ist eigentlich nicht schwer, ein regelkonformes Versagen zu vermeiden. Es reichen ein aufmerksamer Blick auf die eigene Gesellschaft und eine innere Unabhängigkeit, vielleicht ergänzt durch etwas Recherche und Nachdenken, und dann braucht man nur den Mut, ohne Rücksicht auf Verluste Konsequenzen zu ziehen. Man muss kein Verwaltungsprofi sein, um auf Missstände im deutschen Verwaltungsalltag zu stoßen. Da gibt es Müßiggang am Rande der Arbeitsverweigerung, es gibt Ministerialbeamte mit lukrativen

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Nebenjobs, und wenn doch einmal Leistung per Evaluation überprüft wird, steht das Ergebnis nicht selten von vornherein fest. Verantwortung ist im Alltag von Politik und Verwaltung immer noch etwas anderes als die Verantwortung fürs Ganze. Nur sind jene, die um solche Missstände wissen, in aller Regel zugleich Teil des Systems. Wenn sie die Stimme erheben, kommen sie selten ohne persönliche Verluste aus der Sache heraus. Natürlich kann man darauf vertrauen, dass es immer ein paar Leute gibt, denen die eigene Karriere egal ist. Auf die Dauer fährt man freilich besser, wenn man gezielt Anreize schafft. Hellsichtige Chefs legen Wert auf geschulte Vertrauensleute und Antikorruptionsabteilungen, und der Wächterpreis der Tagespresse belohnt seit Jahrzehnten couragierte Journalisten, aber hat man je von einem Ministerium gehört, das bereitwillig die eigenen Prozesse von Außenstehenden durchleuchten ließ? Die Kultur der Watchdog-Institutionen, die in angelsächsischen Ländern komplexe Projekte gründlich durchleuchten und bewerten, ist dem politischen System der Bundesrepublik weiterhin fremd. Es gibt auch gar nicht so viele Preise, die man sich mit einem soliden Rückgrat verdienen könnte. Sie haben noch nie von einem Historiker gehört, der aufgrund schludriger Fußnoten in die Bredouille geriet? Das liegt vielleicht daran, dass es in Deutschland keine Auszeichnung gibt, die Verdienste um die wissenschaftliche Selbstkontrolle belohnt. Wer den Konjunkturen der öffentlichen Erregung nachspürt, die westliche Gesellschaften in der jüngsten Vergangenheit durchlebt haben, findet eine deutliche Vorliebe für zwei Arten von Skandalen. Da gibt es auf der einen Seite die großen Geschichten, bei denen die nahende Katastrophe gar nicht groß genug sein kann – egal, ob sie nun Trump, Brexit oder Klimawandel heißt. Auf der anderen Seite stehen die trivialen Geschichten, winzig klein, aber plakativ, zur raschen Empörung im täglichen Shitstorm. Das Phänomen ist freilich älter als die hyperventilierende Welt von Twitter und Instagram, und der Überdruss an solchen Geschichten findet sich auch bei Leuten, die eigentlich von Berufs wegen anders gepolt sind. Als im Bundestagswahlkampf 2002 die Vielfliegermeilen von Spitzenpolitikern zum Aufreger wurden, sprach sogar der Spiegel, sonst bei der Skandalisierung gerne vorne mit dabei, von einer »absurden Affäre«.32

Die Verantwortung fürs Ganze

Schwierig wird es in dem weiten Feld zwischen den Extremen. Da geht es um Sachverhalte, die etwas mehr Buchstaben benötigen als eine Twitter-Nachricht. Da geht es um Regeln, die nicht einfach gebrochen, aber dafür bis zur Unkenntlichkeit verbogen werden. Es geht um Grautöne und die Frage nach dem, was eigentlich wichtig ist. Nicht zuletzt geht es auch darum, die Verschwendung von Steuergeldern als Thema wirklich ernst zu nehmen. Das fällt gerade akademischen Historikern nicht leicht, denn die universitäre Welt hängt ja selbst am Geld der Steuerzahler, aber vielleicht ist es an der Zeit, hier mehr zu sehen als eine Obsession für Kleinbürger. Die Haushaltskrisen des vergangenen Jahrzehnts sollten da eine Mahnung sein. Nicht zuletzt gehört zur Kritik des regelkonformen Versagens auch der Respekt vor jenen, die im politischen Leben Verantwortung übernehmen. Sosehr man die Verantwortlichen für den Elbe-Seitenkanal tadeln mag: Die Misere der Bundesrepublik wäre noch sehr viel größer gewesen, wenn sich aus Angst vor dem Skandal niemand mehr getraut hätte, ein Infrastrukturprojekt voranzutreiben. Die alten Haudegen vom Schlage eines Hans-Christoph Seebohm sind Vergangenheit, und das ist auch gut so. Aber sie haben eine Lücke in unserer kollektiven Imagination hinterlassen, die wir bis heute nicht so recht geschlossen haben. Es gibt viele Gründe, in die Politik zu gehen. Zu den nobleren gehört die Freude am politischen Gestalten. Da geht es um das sprichwörtliche Bohren dicker Bretter, und Max Weber, der diese Metapher in den politischen Wortschatz der Deutschen einführte, verband sie mit den Worten Leidenschaft und Augenmaß.33 An Leidenschaft fehlte es beim Elbe-Seitenkanal ganz gewiss nie, aber Augenmaß ist bei Infrastrukturen stets ein schwieriges Thema. Politisches Gestalten braucht in der Demokratie den Kompromiss, aber auch ein Gespür dafür, wann Kompromisse in Verantwortungslosigkeit umschlagen. Aber kann man darüber noch nachdenken in einer politischen Klasse, in der sich alles um die jüngste Talkshow, den neuesten Trend im Cyberchat und das kommende Politbarometer dreht? Die Zukunft unseres politischen Gemeinwesens hängt auch an der Frage, ob wir es mit der Verantwortung tatsächlich ernst meinen.

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Historiographisches Nachwort

Vom Sinn und Nutzen der Zeitgeschichte im 21. Jahrhundert

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s gibt verschiedene Wege, ein neues Forschungsprojekt zu beginnen. Das hiesige begann mit Wagners Rheingold, das zufällig am Vorabend meines ersten Archivbesuchs in der Hamburger Staatsoper aufgeführt wurde. War das eine gute Einstimmung aufs Thema? Die bundesdeutsche Geschichte nimmt sich im Vergleich mit der epischen Wucht einer Wagner-Oper auch in ihren dramatischeren Momenten ein wenig bescheiden aus. Selbst die Flutkatastrophe vom Juli 1976 kann mit den humanen und sonstigen Kollateralschäden, die Wagners Opus Magnum bis zum Ende der Götterdämmerung akkumuliert, nicht wirklich mithalten. Dafür steht am Anfang ein kostspieliger Neubau, nämlich Wotans Burg Walhall, dessen ausstehende Rechnungen mit besagtem Rheingold, mithin also dem Besitz fremder Leute beglichen werden sollen. Das klingt nach diesem Buch ein wenig vertraut. Auch zu den ungeplanten Folgen formaler Regeln findet sich in beiden Geschichten einiges an Anschauungsmaterial. Die Liebe kommt freilich in der hiesigen Darstellung deutlich zu kurz, wie das Tableau der Akteure ohnehin im Vergleich eine unverkennbare maskuline Schieflage aufweist. Man kann allenfalls auf Karl Schiller verweisen, der als Superminister die promovierte Juristin Etta Eckel heiratete, was damals

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die Bonner Männerwelt erschütterte, weil die Frau ähnlich resolut auftrat wie die Fricka im Ring. Die Ehe hielt nicht lang, aber das lag wohl nicht am Elbe-Seitenkanal. Und dass sich Fricka gelegentlich ihren Gatten Wotan zur Brust nahm, hat ja auch Wotan am Ende nicht wirklich weitergebracht. Der Vergleich ist vielleicht nicht nur für Freunde der Oper von Interesse. Man muss kein Fan von Hayden White sein, um das süße Gift der Narration für eine der zentralen Herausforderung der Geschichtswissenschaft im 21. Jahrhundert zu halten.1 Das zeigt sich bei einem Thema wie dem Elbe-Seitenkanal, denn dieser war zur dramaturgischen Verwertung voll und ganz ungeeignet. Bei einem Projekt, das 15 Jahre lang in der Schwebe war, streicht auch der kreativste Regisseur irgendwann die Segel. Das Dumme ist nur, das die bundesdeutsche Politik ohne langwierige Verhandlungen nicht zu denken ist. Wer ein Thema sucht, steht also vor einer Alternative zwischen dramaturgischem Mehrwert und realpolitischer Signifikanz, und die Agenda der zeithistorischen Forschung lässt deutlich erkennen, was in vielen Fällen schwerer wiegt. Man kann die Faszination, die 68er-Protest und RAF -Terror seit Jahrzehnten auf bundesdeutsche Historiker ausüben, kaum anders denn als Flucht vor einer ansonsten doch ziemlich betulichen Geschichte interpretieren. Aber was taugt eine Zeitgeschichte, der es vor der Lebenswirklichkeit der heutigen Menschen graut? Es gibt noch einen zweiten Grund, warum das Verhandeln in der bundesdeutschen Geschichtswissenschaft unter Kurs läuft. Es ist nämlich verlockend, die ständigen Verhandlungen pauschal in die große Erzählung der geglückten Demokratie einzuordnen.2 Lag der Erfolg der Bonner Republik nicht auch darin begründet, dass Legionen von Politikern und Verwaltungsmenschen immer wieder bereit waren, in nächtelangen Gesprächen jene Kompromisse auszuhandeln, die dem bundesdeutschen »Volk der Mitte« ein kommodes Leben ermöglichten? Beim Elbe-Seitenkanal führte das ewige Verhandeln freilich nicht zum nüchternen Realismus, sondern vielmehr dazu, dass die zahlreichen Gegner nach und nach kapitulierten. Hier gab es auch keine einsame Kassandra, die dramaturgisch für ein anderes Narrativ herhalten könnte, sondern vielmehr einen großen Chor von Skeptikern, die am Ende auf der ganzen Linie

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recht behielten. Die geglückte Demokratie wirkt da eher wie eine Bananenrepublik, die sehenden Auges anderthalb Milliarden in einen sinnlosen Kanal versenkte. Es wäre kurzsichtig, den Elbe-Seitenkanal als eine Art Betriebsunfall zu verbuchen, der auch in einem stocknüchternen Regierungssystem schon mal vorkommen konnte. Das Debakel besticht ja vor allem durch seine Folgerichtigkeit: Das Kanalprojekt steuerte wie per Autopilot auf den Crash zu, den jeder unabhängige Beobachter erwartet hatte. Es wurden keine Gesetze gebrochen oder Umschläge mit Bargeld über den Tisch geschoben, und es gab auch keine EgoTrips charismatischer Politiker, die das Projekt gegen alle Widerstände durchboxten. Das politische System versagte in voller Übereinstimmung mit seinen Spielregeln, und deshalb wurde die hiesige Analyse konsequent auf eine kritische Prüfung ebendieser Spielregeln abgestellt. Wie lässt sich ein solches Versagen mit der Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik in Einklang bringen, und was bedeutet das für gängige Interpretationsmuster der alten Bundesrepublik? Es gibt unter Historikern eine spürbare Unzufriedenheit mit dem Narrativ des Erfolgsmodells Bundesrepublik. Bislang tritt diese Unzufriedenheit jedoch klarer zu Tage als die Alternative.3 Vor diesem Hintergrund läuft das vorliegende Buch auf den Vorschlag hinaus, das analytische Feld zu erweitern, indem die Faktoren, die das Fiasko des Elbe-Seitenkanals ermöglichten, nicht nur als bloße Rahmenbedingungen, sondern auch in ihrem mythogenen Gehalt diskutiert werden. Es geht also nicht nur um die Regeln an sich, sondern auch darum, wie diese Regeln mythisch überformt und damit gegen Kritik immunisiert wurden, und das erweitert die Möglichkeiten der kritischen Analyse in einer Weise, die nicht nur historiographische Vorzüge hat. Vielleicht ist die nostalgische Erinnerung an die frühe Nachkriegszeit, die sich nicht nur in der Bundesrepublik, sondern auch in anderen westlichen Ländern zu einer politischen Macht gemausert hat, nicht einfach nur sachlich verfehlt, sondern auch Spiegel einer Mythenwelt, die wir bislang nur nicht als solche zur Kenntnis nehmen? Dieser Ansatz erlaubt nicht nur einen erweiterten Blick auf die bundesdeutsche Geschichte, sondern stellt auch populäre Narrative der bundesdeutschen Zeitgeschichte auf die Probe. Man nehme nur

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die Erzählung vom Aufstieg und Fall der Planungseuphorie. Die Geschichte des Elbe-Seitenkanals legt empirische Zweifel an diesem Narrativ nahe, weil der Glaube an das überlegene Wissen der Experten auch um 1960 nicht ungebrochen war, aber das ist nur ein Teil der gebotenen Kritik. Die Geschichte der Planungseuphorie ist auch ein Mythos, dem in der großen Erzählung von der gelungenen Demokratie eine wichtige Funktion zukommt. Diese Erzählung braucht agile Bürgerinitiativen, die sich den Zumutungen der Bürokratie mutig entgegenstemmten. Der Demokratisierungsschub der sechziger und siebziger Jahre wirkt gleich viel spektakulärer, wenn man die Arroganz der staatlichen Planer besonders grell ausmalt. Mythen sind Medien der kollektiven Selbstvergewisserung. Sie sagen etwas darüber aus, wer man ist, was man will und was man fürchtet. Unschwer ist hinter den Mythen der alten Bundesrepublik, die in diesem Buch diskutiert wurden, jene Sehnsucht nach politischer Stabilität zu erkennen, die Eckart Conze als ein Leitmotiv der bundesdeutschen Geschichte identifiziert hat.4 Indem die Leitlinien des politischen Diskurses vom Föderalismus bis zum Gutachterwesen hochgradig mythologisiert wurden, ergab sich ein klar definierter Korridor, in dem die politischen Akteure navigieren konnten. Anders formuliert: Die Mythen der alten Bundesrepublik bestimmten weniger, wohin das politische Gemeinwesen steuerte, sondern in erster Linie, wie politische Steuerung im politischen Alltag auszusehen hatte. Eine Mythologie der alten Bundesrepublik ist insofern auch ein Weg, die besondere Entwicklungsweise der alten Bundesrepublik zu greifen, deren Wandel nicht von großen utopischen Erzählungen oder politischen Visionen vorangetrieben wurde, sondern von den schleichenden Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft. Über Regeln konnte man reden. Bei Mythen war das schwieriger, denn da ging es um mehr als Vor- und Nachteile. Die Mythen der alten Bundesrepublik entstanden aus dem pragmatischen Bestreben, im Schatten des totalen Zusammenbruchs von 1945 ein funktionierendes Gemeinwesen zu organisieren, und da war dramaturgische Belanglosigkeit eher ein Vorteil. Kein vernünftiger Mensch träumte nach dem Dritten Reich von einem politischen Stil, der mit der narrativen Wucht einer Wagner-Oper daherkam. Wer ein zweites Weimar verhindern wollte, war vielmehr auf Nüchternheit und Verläss-

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lichkeit erpicht. Das bloße Funktionieren war bei bundesdeutschen Mythen stets wichtiger als narrative Brillanz, und der bundesdeutsche Stolz auf die gelingende Demokratie ähnelte deshalb weniger den klassischen Mythen der Nationen als der Freude des Ingenieurs über einen ruhig dahinschnurrenden Motor. Wer wollte sich da noch darüber erregen, dass der bundesdeutsche Föderalismus vollkommen unfähig war, ein sinnloses Projekt zu stoppen? Der Elbe-Seitenkanal war teuer, aber das eigentliche Problem war der Weg der Entscheidungsfindung. Es wurde bereits im Prolog darauf hingewiesen, dass dieser Weg im zeitgenössischen Kontext weniger problematisch war als aus Sicht der Gegenwart. Eine solche Fehlinvestition könnte der Bundeshaushalt auch heute noch verkraften, aber das sieht anders aus, wenn sich solche Aussetzer häufen. Das politische System der Bundesrepublik hat die unheimliche Fähigkeit, Projekte mit schlafwandlerischer Ruhe vor die Wand fahren zu lassen und dann achselzuckend zum nächsten Thema überzugehen, und es gibt im kollektiven Gedächtnis des Landes nichts, was nahelegt, dass das ein Problem sein könnte. »Nie wieder Auschwitz« ist der Kategorische Imperativ der Berliner Republik, und das ist ja auch gut so. Aber vielleicht sollte man das ergänzen durch ein »Nie wieder Elbe-Seitenkanal«? Die Mythen, die im Mittelpunkt dieses Buches stehen, waren aus zeitgenössischer Sicht nicht die wichtigsten Mythen der alten Bundesrepublik. Sie sind eher das, was übrigblieb, nachdem andere Mythen vom Wiederaufbau bis zur Wiedervereinigung im Laufe der Zeit ihre Virulenz verloren. Umso wichtiger wäre es, eine kritische Diskussion über dieses Erbe zu führen, die freilich in besonderer Weise der Nuancen bedarf. Es ist ja gar kein geringer Vorzug, dass die Mythen der alten Bundesrepublik auf einen hochgradig disziplinierten Politikbetrieb hinausliefen. Wer heute zum Beispiel in Großbritannien lebt und in den Ruinen eines politischen Systems nach hoffnungsvollen Zeichen der Erneuerung sucht, der weiß ein unaufgeregtes Regierungssystem zu schätzen, das nicht zu theatralischer Heroik mit suizidalen Folgen einlädt. Andererseits diffundiert Verantwortung im Alltag der bundesdeutschen Politik in einem Umfang, den eine Demokratie nicht leicht verträgt, und mit kritischer Selbstbeachtung und Kurskorrekturen tut sich die bundesdeutsche

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Politik notorisch schwer. Es lohnt sich also über die Mythen der alten Bundesrepublik zu diskutieren, und diese Diskussion muss wie jede ihrer Art zugleich politisch und historisch geführt werden. Aber dazu bedarf es zunächst der Einsicht, dass es da überhaupt etwas zu diskutieren gibt. Die Mythen der bundesdeutschen Demokratie entstanden zu einer Zeit, als die großen Männer, die Infrastrukturen schufen, in der Versenkung verschwanden. Letzteres war alles andere als eine bundesdeutsche Besonderheit. In den USA wurde Robert Caros Biographie des New Yorker Infrastrukturpapstes Robert Moses zum Fanal des Meinungsumschwungs. Dort erscheint Moses als rücksichtsloser, ja geradezu besessener Baumeister, der in der Zeit des New Deals aufstieg und dann unter sechs Gouverneuren des Bundesstaats New York sowie fünf Bürgermeistern von New York City amtierte, bis er nach heftigen Kämpfen in den späten sechziger Jahren entmachtet wurde. Vom Mythos des Machers, der nahezu im Alleingang die automobile Infrastruktur von New York City schuf, bleibt bei Caro nichts übrig: Er hält das Regiment des Robert Moses nicht nur für eine demokratische Zumutung, sondern auch für eine Ursache des Niedergangs der Stadt.5 Ein ähnlicher Stimmungswandel war auch in der Bundesrepublik und anderen westlichen Ländern zu verzeichnen. Vorbei waren die Zeiten, in denen ein Leo Sympher oder ein Otto Intze dem Wasserbau ein Gesicht gaben und damit Vertrauen aufbauten für eine Welt, die ohne großtechnische Systeme nicht mehr zu denken war. Heute werden Infrastrukturprojekte von gesichtslosen Managern geleitet, deren Namen jenseits der Baustellen niemand mehr kennt. Die Geschichte des Elbe-Seitenkanals legt jedoch die Vermutung nahe, dass die Geschichte vom Schwinden der vormals gefeierten »Baumeister der Moderne« unvollständig ist. Die erfolgreiche Koordinierung und Steuerung, die bei diesen Männern im Zentrum der Arbeit stand und Grundlage ihres öffentlichen Ansehens war, wurde in der Nachkriegszeit ja nicht obsolet. Die Komplexität großer Infrastrukturprojekte produzierte eine Flut von Informationen, die irgendwo zusammenkommen und verarbeitet werden mussten, und diese Instanz musste auch in der Lage sein, auf der Grundlage des

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akkumulierten Wissens Entscheidungen zu treffen, damit sich die Projekte in die gewünschte Richtung bewegten. Beim Elbe-Seitenkanal war es der Hamburger Hafenbaudirektor Friedrich Mühlradt, bei dem die Fäden zusammenliefen. Mühlradt steckte hinter dem Senatsbeschluss vom 8. November 1950, er initiierte den Kanalverein und pflegte die politischen Beziehungen bis zu seiner Pensionierung 1961 und vielleicht auch darüber hinaus. Anders als Moses konnte und wollte Mühlradt nicht selber bauen – dafür war schließlich eine Bundesbehörde zuständig –, aber ohne sein emsiges Wirken im Hintergrund wäre der Kanal wohl kaum realisiert worden. Einiges spricht dafür, dass Mühlradt in der Bundesrepublik keine ungewöhnliche Figur war. Die bundesdeutsche Politik brauchte Personen, die in den langwierigen Verhandlungen auf unterschiedlichen Ebenen den Überblick behielten. Tatsächlich hatte Mühlradt einen Gegenspieler, der ein ähnliches Profil aufwies: den Ministerialdirektor im Bundesfinanzministerium Hans Clausen Korff, der seine Skepsis gegenüber neuen Kanalprojekten sogar in einem Aufsatz für die Finanzpolitischen Mitteilungen des Bundesministeriums der Finanzen bekundete und dessen Haushaltsabteilung bis zuletzt Querschüsse produzierte. Es lohnt sich, diese beiden Personen etwas näher zu betrachten und das Charakteristische ihres Wirkens herauszuarbeiten. Es handelt sich nämlich um einen Akteurstypus, der in der zeithistorischen Forschung bislang praktisch nicht vorkommt. Mühlradt und Korff waren Spitzenbeamte, und ihre Stellung in der Verwaltungshierarchie war unverzichtbare Grundlage ihrer Macht. Im Prinzip konnten natürlich auch Minister die Initiative ergreifen und zum zentralen Koordinator politischer Großprojekte werden  – die Ostpolitik des Hafensenators Plate war ein solcher Fall –, aber bei Infrastrukturen waren Verwaltungsmenschen schon aufgrund der langen Dauer der einschlägigen Projekte im Vorteil. Anders als Politiker sind Spitzenbeamte nicht gezwungen, im Rhythmus der Wahlperioden zu denken, und im Unterschied zu Ministern, die ihre Legitimation immer wieder im Kontakt mit Parteifreunden, Medien und Öffentlichkeit erarbeiten müssen, sitzen sie fest im Sattel, solange sie das Vertrauen der politischen Spitze genießen. Ihr politisches Kapital war neben den Beziehungen und

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einem soliden Nervenkostüm für die allfälligen Verhandlungen ein breites Wissen, wie es nur in langjähriger Arbeit in verantwortlicher Stellung zu erwerben war. Wenn sich zum Herrschaftswissen noch strategisches Denken und Entscheidungsfreude gesellte, war ihre Stellung nahezu unanfechtbar: Formal blieben sie weisungsgebundene Beamte, aber faktisch waren sie nur schwer zu ersetzen. Mit etwas Geschick konnten sie sogar eine militärische Niederlage ohne Karriereknick überleben, einfach deshalb, weil sie die Dinge im Griff hatten. Hans Clausen Korff war von 1940 bis 1945 Leiter der Abteilung Finanzen beim Reichskommissar für die besetzten norwegischen Gebiete und danach von 1945 bis 1947 Konsulent für Finanzfragen beim Königlich Norwegischen Justiz-Department in Oslo.6 Die alten Haudegen von Sympher bis Moses waren öffentliche Figuren. Beamte wie Mühlradt und Korff kultivierten hingegen aus taktischen Gründen eine gewisse Unsichtbarkeit. Sie schrieben Vermerke und Sprechzettel für die politische Spitze und standen jederzeit bereit, wenn der Chef ihren Rat brauchte, aber diese Arbeit sollte besser nicht öffentlich werden. Nach außen hin trugen die Minister und Staatssekretäre die politische Verantwortung, und keinesfalls durften Politiker als Marionetten des Apparats erscheinen. Spitzenbeamte mussten auch in der Lage sein, mit ganz unterschiedlichen Politikern klarzukommen. Mühlradt bekam seinen Kanal nur, weil er mit Schiller, Plate und Engelhard drei Senatoren mit verschiedenen Temperamenten und Parteibüchern für sein Projekt einzuspannen wusste. Aus Sicht der Politiker waren Spitzenbeamte vor allem fähige Manager, nicht ohne Selbstbewusstsein und Eigensinn, aber doch immer auf die gemeinsamen Ziele hin orientiert und in der Lage, auch schwerfällige Bürokraten auf Touren zu bringen. Wenn es in der Politik nach Max Weber um das Bohren dicker Bretter ging, dann waren es Leute wie Mühlradt und Korff, die vorab die Maserung des Holzes studierten, das Bohrloch markierten und gerne auch mal selbst zur Bohrmaschine griffen, wenn der Chef gerade anderweitig verpflichtet war. Gelegentlich meldeten sich Mühlradt und Korff auch öffentlich zu Wort, aber dabei handelte es sich stets um sorgfältig kalkulierte Interventionen. Ihr Kerngeschäft spielte hinter den Kulissen, und

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programmatische Erklärungen überließ man im Zweifelsfall besser dem Chef. Auch nach der Pensionierung verspürten sie wenig Neigung, aus dem Nähkästchen zu plaudern. Keiner der beiden veröffentlichte im Ruhestand eine Autobiographie, obwohl zumindest Korff noch publizistisch in Erscheinung trat: Er gab 1979 einen Band über Beiträge zur Methodik des Berichtswesens in integrierten Budgetierungssystemen heraus.7 Diese Zurückhaltung hing wohl nicht nur mit der dienstrechtlich gebotenen Verschwiegenheit zusammen, sondern auch mit einer Ahnung, dass das öffentliche Verständnis für die eigene Arbeit überschaubar war. Ganz abgesehen von den Stereotypen über Verwaltungsmenschen, die in den berüchtigten Beamtenwitzen ihren Ausdruck fanden, war der maskuline, quasi soldatische Habitus der Spitzenbeamten in offenen Gesellschaften nicht leicht zu vermitteln. Das Brandt’sche »Mehr Demokratie wagen« gehört zur Mythologie der Bundesrepublik, weil es dem Selbstverständnis des aufgeklärten Zeitgenossen entsprach. Spitzenbeamte agierten eher nach der Devise »Mehr Testosteron wagen«, wenn sie für ein Projekt kämpften. Aber natürlich waren sie viel zu klug und verschwiegen, das auch so zu formulieren. Diese berufsbedingte Unsichtbarkeit ist jedoch nicht der einzige Grund, warum die Macht dieser Strippenzieher bislang in der Zeitgeschichte unter Kurs läuft. Sie fallen auch durch das Frageraster der politikhistorischen Forschung. Sie lassen sich weder durch biographische Studien noch durch Institutionengeschichten greifen, sondern allenfalls durch eine Kombination beider Ansätze, für die es aber bislang an Vorbildern mangelt. Einem solchen Unterfangen steht zudem Caros monumentale Biographie im Weg, deren narrative Wucht jeden Versuch einer differenzierteren Darstellung zu ersticken droht. Bestrebungen, Robert Moses einer Neubewertung zu unterziehen, blieben bezeichnenderweise in einem unbestimmten Schwebezustand stecken.8 Auch mit dem Blick auf das Parteibuch, dem heimlichen Strukturprinzip eines nicht ganz unwesentlichen Teils der bundesdeutschen Zeitgeschichtsforschung, kommt man nicht weit. Eine kulturhistorisch inspirierte Geschichtsschreibung, die das Politische als Kommunikationsraum analysiert, kann mit Leuten wie Mühlradt und Korff ohnehin nicht viel anfangen. Ihre Macht entsprang administrativen Hierarchien, dienstlichen Bezie-

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hungen und der Verfügungsgewalt über Steuergelder. Sie interessierten sich nicht für die diskursive Rahmung des politischen Feldes und dessen Wandel, sondern vielmehr für das, was sich in diesem Rahmen bewegen ließ. Die unsichtbaren Netzwerker verfügten über beträchtliche Ressourcen, sie hatten mehr Macht als manche Minister, und das Regierungssystem der Bundesrepublik wäre ohne ihr emsiges Wirken wohl deutlich schwerfälliger gewesen. Deshalb wären die Strippenzieher wohl längst ein populäres Thema der historischen Forschung, wenn sie nicht dramaturgisch so unergiebig wären. Sie waren weder strahlende Helden wie der drachentötende Siegfried noch sinistere Intriganten vom Schlage eines Hagen von Tronje, und ihr tägliches Geschäft war im Vergleich mit der Welt der Nibelungen ziemlich banal: Am Streit um Wotans Burg ging letztlich die Welt zugrunde, während Mühlradts emsiges Wirken lediglich einen Kanal mit Leck hervorbrachte. Die Netzwerker produzierten nur selten spannende Geschichten, aber sie waren ein zentraler Teil des politischen Spiels. Und vielleicht hatte es auch sein Gutes, wenn sich ein politisches Gemeinwesen von der Welt der Oper unterschied? Für Daron Acemoglu und James Robinson waren Institutionen wichtig. Für die Ökonomen ging es sogar um eine Schlüsselfrage ganzer Volkswirtschaften: Der Wohlstand moderner Länder hing nach ihrer Lesart entscheidend von leistungsfähigen, inklusiven Institutionen ab.9 Diese Arbeit war freilich in hohem Maße routinisiert, und das mit gutem Grund. Das regelgebundene Verwaltungshandeln schuf ein hohes Maß an Planbarkeit, das für langfristige Investitionen von kaum zu überschätzender Bedeutung war. Wer freilich kein Studium der Volkswirtschaftslehre hinter sich hat, kann auch eine andere Lesart wählen. Regelgebundenes Verwaltungshandeln ist nämlich in hohem Maße langweilig, und das hat in der Literatur zur bundesdeutschen Geschichte seine Spuren hinterlassen. Salopp formuliert: Institutionen sind nicht sexy. Anders sieht die Sache aus, wenn es um die Kritik an formalen Institutionen geht. Vermutlich konnte James Scotts Seeing Like a State nur deshalb eine solche Resonanz entfalten, weil es eine verbreitete Skepsis gegenüber dem Gebaren des modernen Interven-

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tionsstaats bediente.10 Dabei blieb weithin unbeachtet, wie Scott zu seiner These gekommen war: Sein fröhlicher Anarchismus entstand aus seiner Arbeit über indigene Völker in den Bergen Südostasiens.11 Staatlichkeit erschien bei Scott als Amalgam wissenschaftlicher und politischer Macht, das eine Bedrohung für menschliche Bedürfnisse in ihrer ganzen Vielfalt war, und dabei dachte er durchaus nicht in erster Linie an die westeuropäischen Wohlfahrtsstaaten der Nachkriegszeit. Aber wenn man sein Buch eurozentrisch las, lief es auf eine Dichotomie zwischen mächtigen Machern und einer ohnmächtigen Zivilgesellschaft hinaus, die perfekt zum Selbstgefühl engagierter Bürger im späten 20. Jahrhundert passte. Infrastrukturprojekte wirkten intransparent, gigantomanisch und nicht demokratisch legitimiert und waren damit ein Gegenbild zur Politik, wie sie sein sollte. Auch hier kommt man analytisch weiter, wenn man nicht nur empirisch, sondern auch mythologisch argumentiert. Die arroganten Experten der Hochmoderne waren ja keine bloße Fiktion. In der bundesdeutschen Geschichte traten sie vor allem als Vorkämpfer der Atomkraft in Erscheinung, deren expertokratische Höhenflüge in den siebziger Jahren die Leser der Tagespresse schockierten. Im November 1975 erfuhren die Leser der Süddeutschen Zeitung zum Beispiel von einer Studie der Kernforschungsanlage Jülich, die für das Jahr 2030 eine Kraftwerkskapazität von 540 Milliarden Watt vorsah – laut Bericht das zwanzigfache des damaligen Stromverbrauchs – und dafür schon mal die Standorte für 499 Atomreaktoren sowie die Anlagen für Wiederaufbereitung und Brennelementproduktion festlegte.12 Solche Eskapaden brannten sich ins kollektive Gedächtnis, und das gleiche galt für die heroischen Gegner in der Zivilgesellschaft. Das war nicht vollkommen falsch, lief aber letztlich auf ein schiefes Bild des modernen Interventionsstaats hinaus, und inzwischen ist die Protestromantik auch ein Problem der Geschichtswissenschaft, wie jüngst eine anheimelnde Darstellung des Atomprotests von Wyhl verdeutlichte.13 Für eine Bundesbehörde wie die Wasserwirtschaftsverwaltung ist da mythologisch kein Platz, ja es gibt noch nicht einmal ein Narrativ für Planer, die eher von Beziehungen lebten als von öffentlicher Legitimität und einfach still vor sich hin arbeiteten, weil die Gesellschaft doch ohnehin keine Ahnung von der Binnenschiff-

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fahrt hatte. Erzähltechnisch war die Arbeit der Kanalbauer im Vergleich zum Atomprotest ein hoffnungsloser Fall. Natürlich gab es auch im Verwaltungsalltag amüsante Momente. Beim Elbe-Seitenkanal waren es insbesondere die Festveranstaltungen, die mit stupender Regelmäßigkeit kuriose Peinlichkeiten hervorbrachten. Unübertroffen war in dieser Hinsicht Hamburgs Erster Bürgermeister Herbert Weichmann, der den Elbe-Seitenkanal 1968 zum faustischen Projekt erklärte und damit nicht nur sich selbst der Lächerlichkeit preisgab, sondern die bildungsbürgerliche Obsession mit dem Kanon gleich mit. Gut unterwegs waren ein paar Jahre später auch Hans-Ulrich Klose und sein Wirtschaftssenator, die es mit einem kecken Verweis auf Aida versuchten. Das kam immerhin so gut an, dass Verdis Werk gleich zweimal hintereinander zum Besten gegeben wurde, aber es passte halt genauso wenig wie Faust II , wenn man einen Blick auf die Handlung warf. Aber vielleicht waren solche Veranstaltungen einfach nicht der Ort für historisch solide Werktreue? 1955 gab es beim ersten Spatenstich für die Staustufe Geesthacht »Gruß an Hans Sachs« und »Aufzug der Zünfte« aus Richard Wagners Die Meistersinger von Nürnberg, dargebracht vom Musikkorps der Schutzpolizei Hamburg, obwohl das entstehende Betonmonster in der Elbe von der alten Handwerksherrlichkeit denkbar weit entfernt war.14 Immerhin war es die einzige Wagner-Oper, bei der am Schluss noch alle Hauptfiguren am Leben sind. In aller Regel ist der Unterhaltungswert von Verwaltungsakten jedoch begrenzt. Es gibt dramatische Momente der Entscheidung, aber in aller Regel überwiegt in den schriftlichen Hinterlassenschaften eines Infrastrukturprojekts die bürokratische Routine. Presseerklärungen wollen geschrieben werden, Bauwerke und Kostenanschläge sind durchzurechnen, dazwischen Sitzungen, Briefe, Telefonate, die schon nach ein paar Tagen wieder vergessen sind – aufregend war all dies in den seltensten Fällen, aber für das Gelingen des großen Werks war die Alltagsarbeit unverzichtbar. Beim Lesen der Akten löst sich der Gegenstand der Analyse auch unweigerlich in immer kleinere Bestandteile auf, bis man irgendwann auf der molekularen Ebene der täglichen Büroarbeit angelangt. Es ist nicht einfach, im Gewirr der Einzelaktionen den Überblick zu behalten, und die Auswahl der relevanten Ereignisse ist ebenso schwierig wie unvermeidlich. Wer bei

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Infrastrukturprojekten eine vollständige Chronologie der Ereignisse anstrebt, ist auf dem besten Wege, seine Leser ins Koma zu schreiben. Robert Caros Biographie lebte auch von den Interviews mit Menschen, die Robert Moses bei der täglichen Arbeit über die Schulter schauten. Beim Elbe-Seitenkanal sind freilich alle handelnden Personen tot, und so muss sich der Chronist auf die schriftlichen Quellen konzentrieren. Das Projekt hat im Laufe eines Vierteljahrhunderts eine Menge Papier verbraucht, und davon landete ein Gutteil in den Archiven der Landesregierungen in Hamburg und Hannover sowie im Bundesarchiv Koblenz. Eine nahezu lückenlose Überlieferung in drei verschiedenen Archiven ist eigentlich der Traum jedes Historikers, und doch blieben am Ende Fragen offen. Dazu gehört die rätselhafte Konversion des Paul Berkenkopf, der den Elbe-Seitenkanal zunächst im privaten Gespräch ablehnte, dann aber mit einem halbseidenen Gutachten durchwinkte, sowie der Weg des Kanals in den Koalitionsvertrag vom Herbst 1961. Kopfzerbrechen bereiteten auch die zahlreichen Verzögerungen, die möglicherweise taktische Ursachen hatten, aber vielleicht auch einfach dem ganz normalen Schlendrian einer bundesdeutschen Behörde entsprangen. Hinzu kam die notorische Unschärfe politisch-administrativer Kommunikation, die aus Sicht der politischen Akteure ihre Vorzüge hatte, aber den Chronisten rätseln lässt, ob mehr dahintersteckte als die ganz banale Unzulänglichkeit des Menschen. Im März 1962 meldete sich zum Beispiel der Hamburger Bürgermeister Edgar Engelhard beim FDP -Vorsitzenden Erich Mende, weil ihm ein Senatssyndicus aus der Hamburger Finanzbehörde von einer Mitteilung aus den Bundesverkehrsministerium erzählt hatte, der zufolge im Bundeskanzleramt die Ansicht herrschte, der Nord-Süd-Kanal »sei nicht mehr Bestandteil der Koalitionsvereinbarung in ihrer letzten Fassung.«15 War das eine Intrige, ein Irrtum oder einfach ein Missverständnis, wie es bei einer langen Kommunikationskette schon einmal vorkommen konnte? Im Wust der Quellen gerät auch leicht aus dem Blick, dass sich manche Fragen einer rein empirischen Beantwortung entziehen. Es ist zum Beispiel sehr zu bezweifeln, dass je ein Dokument auftauchen wird, das Klarheit über die Verantwortlichkeiten für den Bau des Elbe-Seitenkanals schaffen wird  – ganz einfach deshalb,

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weil diese Verantwortlichkeiten im jahrelangen Kampf in höchst aufschlussreicher Weise diffundierten. War das Entscheidende Karl Schillers forsche Initiative, Friedrich Mühlradts beharrliche Kanalarbeit, die FDP -Clique, die das Projekt in den Koalitionsvertrag bugsierte, oder eher die politische Wurstfabrik namens Föderalismus, die Projekte unabhängig von Sinn und Zweck zu Kompromisspaketen verarbeitete? Eine Vielzahl von Körperschaften und noch mehr Einzelpersonen haben ihre jeweils eigenen Beiträge geleistet, die sich am Ende zu einer grandiosen Fehlinvestition aufaddierten. Fast möchte man da wehmütig werden in der Erinnerung an Leute wie Robert Moses. Da wusste man wenigstens noch, an wen man sich zu halten hatte. Im Umgang mit diesen Herausforderungen empfiehlt sich ein tastendes Vorgehen. Einerseits fordern die Gebote wissenschaftlicher Redlichkeit solide Belege für jede Aussage. Andererseits führt das Eingeständnis aller möglichen Eventualitäten letztlich in ein kognitives Nirwana, in dem sich nichts mehr eindeutig beweisen lässt und auch nicht das Gegenteil. In einem politischen System, das alle Akteure zum ständigen Verhandeln zwingt, ist Täuschen und Taktieren quasi Volkssport, und ausufernde Spekulationen sind da genauso gefährlich wie eine naive Lektüre, die sich an die Buchstaben der Vermerke klammert. An manchen Stellen wurden diese Kopfschmerzen im Text offengelegt, und der Leser sollte dies als Beitrag zur argumentativen Hygiene interpretieren. Schriftliche Quellen haben ihre Grenzen, aber sorgfältige Archivrecherchen sind für das Verständnis von Institutionen in der Geschichte in jedem Fall unverzichtbar. Das wäre eine Banalität, wenn sich nicht die Hinweise mehren würden, dass Zeithistoriker zu einer solchen Lektüre immer weniger bereit sind. Das gilt sogar für eine Disziplin wie die Umweltgeschichte, die aufgrund ihres ungesicherten akademischen Status eigentlich jeden Grund zu besonderer Sorgfalt hätte. Man nehme etwa Birgit Metzgers preisgekrönte Studie über das Waldsterben. Ausführlich wird dort die mediale Berichterstattung gewürdigt, welche zum entschlossenen Vorgehen der Bundesregierung beigetragen habe, und entsprechend der damaligen Blickrichtung konzentriert sich Metzger auf die Emissionen der Kohlekraftwerke.16 Aber diese Fokussierung war überhaupt nicht

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selbstverständlich. In den Akten des Bundesinnenministeriums, das seinerzeit für die Umweltpolitik federführend war, findet sich eine Mitteilung des Abteilungsleiters Peter Menke-Glückert an seinen Staatssekretär Günter Hartkopf vom 6. Mai 1982. Menke-Glückert kam von der fünften Sitzung der Bund/Länder-Sachverständigengruppe im Gemeinschaftskraftwerk Mehrum der Preußen-Elektra und hatte dort den Widerstand der mächtigen Kohlelobby zu spüren bekommen. Eine Anhörung dieser Kreise werde »zu heftiger Konfrontation führen«, warnte Menke-Glückert.17 Das war in der Wirtschaftskrise der frühen achtziger Jahre keine angenehme Vorstellung, erst recht nicht, wenn man in einem von der FDP geführten Ministerium arbeitete. Das Protokoll einer Bund/Länder-Sachverständigengruppe ist nicht gerade große Literatur, und neben den dramatischen Presseberichten der Zeit wirkt es unendlich dröge. Es enthielt jedoch eine Empfehlung, die für den weiteren Verlauf des Konflikts von entscheidender Bedeutung war. »Für das weitere Vorgehen ist daher Isolieren der Kraftwerkswirtschaft das vorrangige taktische Ziel«, riet Menke-Glückert in seinem Vermerk. Andere Emittenten sollten »durch den Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und Beratung bei umweltfreundlicher Umrüstung für eine Unterstützung des BMI -Konzepts gewonnen werden«.18 Das war insofern geschickt, als sich unter den Produzenten des Schwefeldioxids auch einige gut vernetzte Branchen befanden, darunter Papierfabriken, die Industriechemie und Ölkonzerne. So konzentrierte sich die Waldsterbens-Kontroverse auf die Kohle, die am Ende Federn lassen musste – nicht nur aufgrund des öffentlichen Drucks, sondern auch, weil ein Abteilungsleiter im entscheidenden Moment die richtigen Weichen gestellt hatte. Es ist nicht der einzige Fall, in dem sich Versäumnisse in der Archivarbeit mit Naivität im Umgang mit politisch-administrativen Vorgängen paaren. Anna-Katharina Wöbse feiert in ihrer Untersuchung der Walfang-Debatten beim Völkerbund die Vision des Argentiniers José León Suárez, der sich mutig dem Morden in den Weltmeeren entgegengestellt habe.19 Aber vielleicht gab es für einen Argentinier auch Motive jenseits der Sorge um die bedrohten Wale? Seinerzeit waren Großbritannien und Norwegen die führenden

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Walfangnationen der Welt, und zum britischen Empire gehörten auch die für den Walfang wichtigen Falklandinseln – die auch von Argentinien beansprucht wurden. Tatsächlich kämpfte Suárez, von Haus aus Jurist, nicht nur für die Wale, sondern auch für die Ausweitung der nationalen Hoheitsgewässer im Meer. Diese sollten aus seiner Sicht den gesamten Kontinentalschelf umfassen, zu dem auch die Falklandinseln gehörten.20 Dabei nehmen Metzger und Wöbse das Handeln des modernen Interventionsstaats immerhin noch ernst. Andere sind da bereits weiter. In Ulrich Wengenroths Technik der Moderne kommt staatliche Regulierung gar nicht mehr vor, was insofern konsequent ist, als sich Wengenroth auch für die Probleme, die ein staatliches Einschreiten legitimierten, nicht wirklich interessiert, umso mehr hingegen für die moralischen Verfehlungen der Menschen, die sich mit solchen Problemen beschäftigten. Beim Klimawandel redet Wengenroth am liebsten über vielfliegende Klimaschützer, außerdem gibt es ein Kapitel über »das düstere Bild des Industrieproletariats unter den Intellektuellen«.21 Es bleibt abzuwarten, ob Wengenroths Manifest, dessen Tenor man wahlweise als libertär oder zynisch bezeichnen kann, für die deutsche Technikgeschichte wegweisend sein wird. Im Moment markiert Wengenroth eher in besonders eklatanter Weise die Leerstelle, um die das vorliegende Buch kreist: Anscheinend ist das Misstrauen in technische Großprojekte und den gestaltenden Interventionsstaat inzwischen so stark, dass manche Forscher sich damit gar nicht mehr ernsthaft beschäftigen möchten. Oder ist die ganze Sache viel simpler, und es geht einfach um einen Überdruss an der institutionellen Dimension von Politik? Frank Biess kommt in seinem Buch Republik der Angst immer wieder auf Institutionen und Regeln zu sprechen, die den Umgang der Bundesbürger mit ihren Angstgefühlen beeinflussten, aber diese entfalten in seiner Darstellung kein klares Profil. Sie sind Teil der Szenerie, aber doch eher als Kulisse, die zwar schon irgendwie wichtig ist, aber auch nicht so wichtig, dass man sie groß diskutieren müsste. Das Panoptikum der bundesdeutschen Phobien findet Biess einfach interessanter.22 Wer die große Oper braucht, den werden die Institutionen der alten Bundesrepublik kaum befriedigen können. Wer jedoch wissen will, welches Erbe die alte Bundesrepublik dem heutigen Deutsch-

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land hinterlassen hat, der kommt um Institutionen nicht herum. In kaum einem Bereich entfaltet die alte Bundesrepublik einen derartigen Alpdruck wie in der politischen Sphäre, und deshalb ist eine Mythologie der alten Bundesrepublik gleichermaßen ein historiographisches und ein politisches Desiderat. Man muss auch nicht groß darüber spekulieren, wohin man in der bundesdeutschen Zeitgeschichte kommt, wenn man institutionelle Arrangements mit Missachtung straft. Es genügt ein Blick auf den Politikbetrieb der Gegenwart. Unverkennbar teilt sich die politische Sphäre in westlichen Gesellschaften in zwei unterschiedliche Lager. Es gibt jene, die Institutionen mit Leben füllen möchten, auch wenn das dramaturgisch uninteressant ist. Und es gibt die Dampfplauderer, die Institutionen nur als Hindernis im politischen Kampf verstehen. Was ungebremste Gelüste und Befindlichkeiten anrichten können, lässt sich in einer handelsüblichen Oper studieren und natürlich auch in Wagners Ring. Das hat episch seinen Reiz, aber es ist womöglich nicht die hilfreichste Parabel für den Politikbetrieb der Gegenwart. Die Geschichte des Elbe-Seitenkanals ist auch eine Mahnung vor einem Verhandlungsregime außer Kontrolle, mit dem ein politisches Gemeinwesen langfristig in die Pleite zu schlittern droht. Wer Angst hat vor Nazis und anderen autoritären Gefährdungen, findet in der zeithistorischen Literatur jede Menge Futter. Wer Angst vor freischwebenden Eliten hat, die aus Nachlässigkeit oder Inkompetenz die Zukunft verzocken, schaut hingegen in die Röhre. Die Freiheit der Themenwahl ist ein Grundprinzip der historischen Forschung, und die Offenheit für Neues hat unsere Zeitgeschichte zweifellos bunter gemacht. Inzwischen ist jedoch deutlich geworden, dass es bei den vermeintlich so offenen Türen gewisse Unterschiede gibt. Einige sind wie die Schwingtüren eines Saloons in ständiger Bewegung, während andere ziemlich heftig klemmen. Der amerikanische Umwelthistoriker John McNeill kritisiert die kulturalistischen und linguistischen »Turns«, die die Geisteswissenschaften der Nachkriegszeit in Atem hielten, als Rückzug aus tristen Realitäten »into various never-never lands«, und dabei geht es um sehr viel mehr als eine Rivalität akademischer Felder.23 Vielleicht ist es Zeit für eine neue Ernsthaftigkeit? Wir brauchen eine Geschichtswissenschaft, die den Mut hat, Themen auch nach ihrer Relevanz

Historiographisches Nachwort

für die Herausforderungen der Gegenwart zu gewichten. Wollen wir wirklich eine Zeitgeschichte, die den Dampfplauderern dieser Welt folgt und damit frohgemut in die Götterdämmerung reitet? »Wir haben Leviathan leider am Hals, wenn auch ganz und gar nicht aus den Gründen, die Hobbes angenommen hat, und die Herausforderung besteht darin, ihn zu zähmen«, schreibt James Scott.24 Die Zukunft der deutschen Geschichtswissenschaft hängt nicht zuletzt daran, ob sie sich dieser Aufgabe annehmen will.

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Der Elbe-Seitenkanal

Eine Chronologie 1911

Der Lübecker Oberbaudirektor Peter Rehder veröffentlicht eine Denkschrift über den Bau eines Nord-Süd-Kanals. Sie wird 1918 in erweiterter Form erneut aufgelegt.

1919

Mit der Weimarer Verfassung wird die Binnenschifffahrt zu einer Aufgabe des Reichs. Das Grundgesetz bestätigt nach dem Zweiten Weltkrieg die Zuständigkeit des Bundes.

1922

Gründung eines Hansa-Kanal-Vereins in Hamburg und der Zentralstelle der HansaKanal-Vereine, die eine direkte Kanalverbindung von Bramsche am Mittellandkanal über Achim bei Bremen nach Hamburg fordern.

1927

Gründung eines Vorarbeitenamts für den Hansakanal in Verden an der Aller. Die Reichsregierung favorisiert den »Hansakanal über Minden«, was faktisch dem Ausbau der Mittelweser entspricht. Die Kanalverbindung zwischen Bremen und Hamburg wird zurückgestellt.

Eine Chronologie

1934

Baubeginn für fünf Staustufen zur Regulierung der Mittelweser. Als die Bauarbeiten 1942 kriegsbedingt eingestellt werden, ist etwa ein Drittel des Projekts vollendet.

1937

Aufnahme des Hansakanals in den nationalsozialistischen Vierjahresplan. Einzige Folge ist die Schaffung eines Vorarbeitenamts mit Sitz in Harburg, das im Zweiten Weltkrieg seine Arbeit einstellt.

8. November 1950 Der Hamburger Senat beschließt auf Vorschlag des Wirtschaftssenators Karl Schiller, sich für den Bau eines Nord-Süd-Kanals einzusetzen. 1951

Gründung des Nord-Süd-Kanal-Vereins

1. Januar 1952

Die Wasserstraßendirektion Hamburg richtet heimlich eine Vorarbeitenabteilung für die Planung des Nord-Süd-Kanals sowie die Prüfung einer möglichen Kanalisierung der Elbe ein. Die Öffentlichkeit erfährt davon erst im Sommer 1953, als vorläufige Beratungsergebnisse in der Presse diskutiert werden.

1953

Nach der Bürgerschaftswahl wird Ernst Plate Nachfolger von Schiller als Wirtschaftssenator. Er verfolgt während seiner vierjährigen Amtszeit eine »Politik der Elbe«.

1953

Wiederaufnahme der Arbeiten an der Mittelweserkanalisierung

Dezember 1955

Der Nord-Süd-Kanal-Verein veröffentlicht Gutachten über die wirtschaftliche Bedeutung des Kanals, über technische Fragen sowie ein landwirtschaftliches Gutachten der Landwirtschaftskammer Hannover.

27. Mai 1957

Am Rande des Parteitags seiner Deutschen Partei in Hamburg erklärt Bundesverkehrs-

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Eine Chronologie

minister Seebohm, der Nord-Süd-Kanal sei »Blödsinn«. Juli 1958

Der Verkehrswissenschaftler Andreas Predöhl vollendet ein zweites Gutachten über die wirtschaftliche Bedeutung des Nord-Süd-Kanals. Ein Nachtrag wird 1960 veröffentlicht.

Frühjahr 1959

Nach langen Verhandlungen wird eine Untersuchungsstelle bei der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Hamburg eingerichtet, die alle Optionen für einen Kanalanschluss Hamburgs prüfen soll. Hamburg übernimmt sämtliche Kosten.

1960

Nach einer Intervention Hamburgs bei der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft wird der Nord-Süd-Kanal in den »Empfehlungen der Kommission zur Entwicklung der Verkehrswege der Gemeinschaft« erwähnt.

November 1960

Mit der Inbetriebnahme der Staustufe Landesbergen wird die Kanalisierung der Mittelweser abgeschlossen. Bremen hat damit einen vollwertigen Anschluss an das Binnenschifffahrtsnetz.

1961

Die Untersuchungsstelle bei der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Hamburg legt nach zweijähriger Arbeit einen Bericht über »Technische Untersuchungen über einen vollschiffigen Anschluß Hamburgs an die deutschen Binnenwasserstraßen« vor. Sie bezeichnet den Nord-Süd-Kanal als die zweckmäßigste Lösung und taxiert die Baukosten auf 665 Millionen DM . Parallel verfasst der Verkehrswissenschaftler Paul Berkenkopf ein Gutachten, das das jährliche Frachtvolumen auf mindestens 10 Millionen Tonnen taxiert.

Eine Chronologie

September 1961

Hans Clausen Korff, Ministerialdirektor im Bundesfinanzministerium, veröffentlicht einen kritischen Aufsatz über »die finanzwirtschaftliche Problematik neuer Wasserstraßen«.

Herbst 1961

CDU , CSU und FDP schließen einen Koali-

tionsvertrag zur Bildung einer neuen Bundesregierung. Zu den verkehrspolitischen Projekten zählt der »Bau einer Nord-Süd-Verbindung von der Elbe zum Mittellandkanal«.

1962

Der Nord-Süd-Kanal wird als Leertitel in das zweite Vierjahresprogramm für den Ausbau der Bundeswasserstraßen aufgenommen. Hamburg bietet an, ein Drittel der Baukosten zu übernehmen und die Kosten für die ersten drei Jahre vorzufinanzieren. In den folgenden Jahren intensive Verhandlungen zwischen den beteiligten Bundesländern und innerhalb der niedersächsischen Landesregierung.

1962

Die Deutsche Bundesbahn veröffentlicht eine kritische Stellungnahme zum BerkenkopfGutachten. Die Behörde für Wirtschaft und Verkehr der Freien und Hansestadt Hamburg veröffentlicht eine Replik.

14. September 1965 Regierungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Ländern Hamburg, Niedersachsen und SchleswigHolstein über den Bau des Elbe-Seitenkanal und den Ausbau des Mittellandkanals 6. Mai 1968

Erster Spatenstich in Artlenburg an der Elbe

1970

Baubeginn der Schleuse Uelzen und des Schiffshebewerks Scharnebeck

5. Dezember 1975

Das Schiffshebewerk Scharnebeck und der Hafen Lüneburg gehen in Betrieb.

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Eine Chronologie

15. Juni 1976

Eröffnung des Elbe-Seitenkanals

18. Juli 1976

Katastrophaler Dammbruch bei Lüneburg

27. Juni 1977

Um fünf Uhr morgens wird der Verkehr auf dem Kanal wieder uneingeschränkt freigegeben.

5. September 1996 Naturschutzverbände und das Bundesverkehrsministerium veröffentlichen eine gemeinsame Erklärung, die den Ausbau des Elbe-Seitenkanals und den Verzicht auf Staustufen in der Elbe vorsieht. 1998

Baubeginn der zweiten Schleuse in Uelzen. Sie kostet 122 Millionen Euro und wird am 8. Dezember 2006 eröffnet.

2013

Der Verein zur Förderung des Elbstromgebietes (ursprünglich Nord-Süd-Kanal-Verein) benennt sich in »Elbe Allianz« um.

2014

Die jährliche Frachtmenge überschreitet erstmals die Schwelle von 10 Millionen Tonnen.

2016

Der Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals wird mit vordringlichem Bedarf in den Bundesverkehrswegeplan 2030 aufgenommen. Die Kosten werden auf 838 Millionen Euro taxiert (Preisstand 2014). Die Umweltbetroffenheit ist nach Angaben des Bundesverkehrsministeriums hoch, das Kosten-Nutzen-Verhältnis liegt bei 0,5.

Abkürzungen ALG BAB BAF BAK BHE BMI BMV DLRG ESK HHLA KAL LAM NLAH NLAS StAB StAH StAL WSD WSV

Archiv des Liberalismus, Gummersbach Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde Bundesarchiv Freiburg Bundesarchiv Koblenz Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten Bundesministerium des Innern Bundesministerium für Verkehr Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft Elbe-Seitenkanal Hamburger Hafen- und Lagerhaus-Aktiengesellschaft Kreisarchiv Lüneburg Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Westfalen, Münster Niedersächsisches Landesarchiv Hannover Niedersächsisches Landesarchiv Stade Staatsarchiv Bremen Staatsarchiv Hamburg Stadtarchiv Lüneburg Wasser- und Schifffahrtsdirektion Wasser- und Schifffahrtsverwaltung

Danksagung Es steht unweigerlich im Verdacht sentimentaler Regungen, wenn man kostbare Lebenszeit einem Kanal widmet, den niemand kennt. Die Vermutung gewinnt eine ganz eigene Penetranz, wenn man als Deutscher im Ausland lebt, in der eigenen Muttersprache schreibt und an einer Universität lehrt, die an einem Kanal aus dem 18. Jahrhundert liegt. Seit Freud wissen wir, dass Menschen Illusionen über ihre wahren Motive hegen. Gleichwohl ist es ein Gebot wissenschaftlicher Redlichkeit, diese Motive nach Möglichkeit offenzulegen. Anders als etwa die Eisenbahn hat die Binnenschifffahrt nur eine sehr überschaubare Liebhaberliteratur hervorgebracht. Ein Europaschiff mit 1350 Tonnen Transportkapazität weckt bei den meisten Menschen keine großen Emotionen, und der hiesige Autor ist keine Ausnahme: Für den größten Teil meines Lebens war mir die Binnenschifffahrt ziemlich egal. Viele Jahre lang bestand meine größte Annäherung an den wässrigen Hauptdarsteller dieses Buches in meinen Bahnfahrten nach Berlin. Kurz vor Wolfsburg verschwand der ICE in einem Tunnel, dessen Sinn in der Norddeutschen Tiefebene ein wenig rätselhaft blieb. Erst als ich für dieses Projekt eine Karte zur Hand nahm, wurde mir klar, dass dieser Tunnel den El-

Danksagung

be-Seitenkanal kurz vor seiner Einmündung in den Mittellandkanal unterquert. Sonstige emotionale Anwandlungen hatten sich nach einer Ortsbesichtigung im November 2018 erledigt. Für alle, die Geschichtswissenschaft für eine erweiterte Form der Autobiographik halten, ist dieses Buch vermutlich eine Enttäuschung. Dafür sagt es etwas über die alte Bundesrepublik. Zu den Motiven hinter diesem Buch gehört zweifellos, dass ich seit 2013 von außen auf meine deutsche Heimat schaue. Die sedierte politische Kultur der Merkel-Jahre ist vielfach beschrieben worden, aber sie gewinnt eine besondere Qualität, wenn man die vergangenen Jahre in Großbritannien verbracht hat. Außerdem war dieses Buch eine Art Reha-Projekt nach einem welthistorischen Opus magnum. Ein dicker Aktenstapel ist ein gutes Mittel gegen den Höhenrausch, der sich nach einiger Zeit auf der »Flughöhe der Adler« (Jürgen Osterhammel) ganz unvermeidlich einstellt. Das Vergnügen ist noch einmal größer, wenn sich bei der Recherche der Eindruck aufdrängt, hier sei vor Jahrzehnten Romanstoff vergraben worden – bei allen Vorbehalten gegen das süße Gift der Narration, die ich im historiographischen Nachwort diskutiert habe. Mein Dank gilt den staatlichen Archiven in Hamburg, Hannover, Koblenz, Berlin, Freiburg, Bremen, Stade und Münster, deren Akten die empirische Grundlage für dieses Buch lieferten. Für besonderes Engagement danke ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Archivs für Liberalismus in Gummersbach sowie dem Stadtarchiv und dem Kreisarchiv in Lüneburg. Hilfreiche Gespräche führte ich mit Gertrude Lübbe-Wolff, Christopher Kopper, Thomas Saretzki, Mathias Voigt und Joachim Radkau sowie meinen Birminghamer Fakultätskollegen Corey Ross, Armin Grünbacher, Jonathan Gumz, Tom Brodie und Klaus Richter. Es war ein Vergnügen, mit Thomas Schaber vom Steiner Verlag zusammenzuarbeiten. Maike Specht unterzog das Manuskript einem gründlichen Lektorat. In der Endphase halfen die Bibliothek des Deutschen Museums in München und die Bayerische Staatsbibliothek. Mein Dank gilt auch all jenen Personen, denen ich in den vergangenen Jahrzehnten beim Intrigieren zuschauen durfte (wobei diese Intrigen durchaus auch mal auf meine Kosten gingen) und die mir auf diesem Wege tiefe Einblicke in die Funktions- und Denkweise bundesdeutscher Behörden

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Danksagung

verschafft haben. Wie sagte Heinz Rühmann in der Filmversion des braven Soldaten Schwejk: Es hat halt alles seinen tieferen Sinn. Gewidmet ist dieses Buch Simona und Johanna, den beiden Frauen, mit denen ich zusammenlebe – wobei ich vielleicht anfügen sollte, dass Simona mein Partner ist und Johanna unsere gemeinsame Tochter. Die Freude an der Archivarbeit, von der diese Monographie kündet, bedeutete ja auch immer unvermeidlich, dass ich nicht daheim in Birmingham war. Außerdem fehlen in diesem Buch starke Frauen. Vielleicht gehörte zum Debakel des Elbe-Seitenkanals ja auch eine typisch männliche Verbissenheit? Leider fehlen die Archivalien, um den männlichen Protagonisten dieses Buches mehr Profil zu verleihen, aber es drängt sich der Eindruck auf, dass ihnen die quasi soldatische Pflichterfüllung mehr am Herzen lag als eine offene Diskussionskultur, die auch mal kritische Fragen zuließ. Auch das gehört schließlich zum zwiespältigen Erbe der alten Bundesrepublik. Sie war männlicher als gesund.

Anmerkungen Prolog: Die Kunst der organisierten Verantwortungslosigkeit 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

StAH 371–19 Nr. 153, Staatliche Pressestelle Hamburg, Vermerk vom 31. Mai 1957, S. 1. Aufwärts und abwärts, in: Der Spiegel Nr. 39 (22. September 1965), S. 38–41; S. 40. Olaf Preuß, Hafen Hamburg. Geschichte – Zahlen – Menschen, Kiel 2016, S. 69. Hans Clausen Korff, Die finanzwirtschaftliche Problematik neuer Wasserstraßen, in: Finanzpolitische Mitteilungen des Bundesministeriums der Finanzen Nr. 172 (14. September 1961), S. 1641–1647. Zitat S. 1647. NLAH Nds. 500 Acc. 2002/172 Nr. 188, Vermerk vom 8. April 1963, S. 3. Preiskampf auf Staatskosten, in: Der Spiegel Nr. 31 (26. Juli 1976), S. 32. Daron Acemoglu, James A. Robinson, Warum Nationen scheiterten. Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut, Frankfurt 2013. StAH 371–19 Nr. 153, Vermerk vom 29. Mai 1961, S. 1. Ebd., Günter Krauss an Friedrich Mühlradt, 30. Juni 1960. Preiskampf auf Staatskosten, in: Der Spiegel Nr. 31 (26. Juli 1976), S. 32. Mein Dank gilt Susanne Altenburger vom Stadtarchiv Lüneburg, die mich auf diese Filmaufnahmen aufmerksam gemacht hat. Als jüngsten Überblick zum Thema vgl. Philipp Gassert, Bewegte Gesellschaft. Deutsche Protestgeschichte seit 1945, Stuttgart 2018.

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Anmerkungen

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Chronik: Die RMD GmbH im Wandel der Zeit, verfügbar im Internet unter https://www.rmd.de/chronik.php (zuletzt aufgerufen am 19. November 2018). Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte 64 (1978), S. 308. Martin Köther, Arno Liebrecht, Kai Römer, Wasserstraße mit Perspektive. Der Elbe-Seitenkanal feiert 40. Geburtstag, in: Generaldirektion Wasserstraßen und Schiffahrt, Die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung 2016, Rostock 2016, S. 78–80; S. 78, 79. Ebd., S. 80. Nils Naber, Umstritten: Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals (12. Juni 2017), verfügbar im Internet unter https://www.ndr.de/nachrichten/schleswigholstein/Umstritten-Ausbau-des-Elbe-Luebeck-Kanals,elbeluebeckkanal 140.html (zuletzt aufgerufen am 26. November 2019). Thilo Wachholz, Neuer Schleusentyp für sehr große Höhen – Planungen zur Schleuse Lüneburg, in: Generaldirektion Wasserstraßen und Schiffahrt, Die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung 2016, Rostock 2016, S. 71–72.

Kapitel 1: Die Mythen der alten Bundesrepublik 1 2 3 4 5

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Frank Bösch, Zeitenwende 1979. Als die Welt von heute begann, München 2019. Anselm Doering-Manteuffel, Lutz Raphael, Nach dem Boom. Perspektiven auf die Zeitgeschichte seit 1970, Göttingen 2008. Tony Judt, Geschichte Europas von 1945 bis zur Gegenwart, München 2006, S. 540. Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Fünfter Band: Bundesrepublik und DDR 1949–1990, München 2008, S. 53. Für einen Forschungsüberblick siehe Joseph Morgan Hodge, Writing the History of Development (Part 1: The First Wave), in: Humanity: An International Journal of Human Rights, Humanitarianism, and Development 6 (2015), S. 429–463, und ders., Writing the History of Development (Part 2: Longer, Deeper, Wider), in: Humanity: An International Journal of Human Rights, Humanitarianism, and Development 7 (2016), S. 125–174; Corinna R. Unger, International Development. A Postwar History, London 2018. Dazu Jeffrey K. Stine, Mixing the Waters. Environment, Politics, and the Building of the Tennessee-Tombigbee Waterway, Akron 1993. Herfried Münkler, Die Deutschen und ihre Mythen, Berlin 2009. Zitat S. 389. Ebd., S. 456. Roland Barthes, Mythen des Alltags, 6. Aufl. Frankfurt 1981, S. 85. Ebd., S. 81, 76, 38. Ebd., S. 131. Ebd., S. 130.

Kapitel 2: Kanäle und Mächte

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Lars Amenda, »Tor zur Welt«. Die Hafenstadt Hamburg in Vorstellungen und Selbstdarstellungen 1890–1970, in: ders., Sonja Grünen, »Tor zur Welt«. Hamburg-Bilder und Hamburg-Werbung im 20. Jahrhundert, München 2008, S. 8–98; S. 32, 37. Eckart Conze, Die Suche nach Sicherheit. Eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von 1949 bis in die Gegenwart, München 2009.

Kapitel 2: Kanäle und Mächte 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

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Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes, Elbe-Seitenkanal. Natur und Technik, Hamburg 1976, S. 30, 35. StAH 135–1 VI Nr. 2121, Hamburg-Information Nr. 89 (4. November 1970), S. 3. http://www.schule-am-schiffshebewerk.de/index.php. David Blackbourn, Die Eroberung der Natur. Eine Geschichte der deutschen Landschaft, München 2007, S. 31. Ebd., S. 23. Ebd., S. 11, 12. Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt e. V., Daten & Fakten 2017/2018, verfügbar im Internet unter https://www.binnenschiff.de/ wp-content/uploads/2018/10/Daten-Fakten_2017–18_final.pdf, S. 5. Die genauen Zahlen finden sich im Kapitel 1218 des Bundeshaushalts, verfügbar im Internet unter https://www.bundeshaushalt.de/fileadmin/ de.bundeshaushalt/content_de/dokumente/2018/soll/epl12.pdf, S. 143. Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800–1866. Bürgerwelt und starker Staat, München 1983, S. 11. Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte 1866–1918. Zweiter Band: Machtstaat vor der Demokratie, München 1992, S. 11. Vgl. René Gast, Le Canal du Midi et les Voies Navigables de l’Atlantique à la Méditerranée, Rennes 2009, S. 9; Uwe Burghardt, Zu Wasser über Land. Der Canal du Midi – ein merkantilistischer Verkehrsweg, in: Kultur und Technik Jg. 17 Nr. 2 (1993), S. 23–29; S. 23. Vgl. etwa Lothar Schnabel, Walter E. Keller, Vom Main zur Donau. 1200 Jahre Kanalbau in Bayern, 2. Aufl. Bamberg 1985; Daniel Gürtler, Markus Urban, Der Main-Donau-Kanal. Idee, Geschichte und Technik, Nürnberg 2013. Köther u. a., Wasserstraße mit Perspektive, S. 78. 178. Kabinettssitzung am 1. September 1965, TOP 5, online verfügbar unter http://www.bundesarchiv.de/cocoon/barch/11/k/k1965k/kap1_2/kap2_34/ para3_10.html. Für eine in mehrfacher Hinsicht unbefriedigende Biographie siehe Franz W. Seidler, Fritz Todt. Baumeister des Dritten Reiches, Schnellbach 2000 (urspr. München und Berlin 1986).

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Anmerkungen

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Franz Walter, Charismatiker und Effizienzen. Portraits aus 60 Jahren Bundesrepublik, Frankfurt 2009, S. 378. Robert A. Caro, The Power Broker. Robert Moses and the Fall of New York, New York 1975. Als meinen Versuch in dieser Richtung vgl. Frank Uekötter, Techniker an der Macht. Der Ingenieur-Politiker im 20. Jahrhundert, in: Historische Zeitschrift 306 (2018), S. 396–423. Für einen engagierten Überblick siehe Dirk van Laak, Alles im Fluss. Die Lebensadern unserer Gesellschaft. Geschichte und Zukunft der Infrastruktur, Frankfurt 2018. Monique Dollin du Fresnel, Pierre-Paul Riquet (1609–1680). L’Incroyable Aventure du Canal des Deux-Mers, Bordeaux 2012, S. 331. Jean Servières, Du Canal du Midi à la Compagnie des Chemins de Fer du Midi. Concurrence ou complémentarité?, in: Jean-Denis Bergasse (Hg.), Le Canal du Midi. Grands Moments et Grands Sites, Cessenon 1985, S. 387– 410; S. 406. Blackbourn, Eroberung, S. 261. Richard Hennig, Die Hauptwege des Weltverkehrs, Jena 1913, S. 89. Martina Hinricher, Die wirtschaftliche Bedeutung des Nord-Ostsee-Kanals, in: Rainer Lagoni, Hellmuth St. Seidenfus, Hans-Jürgen Teuteberg (Hg.), Nord-Ostsee-Kanal 1895–1995, Festschrift, Neumünster 1995, S. 181–224; S. 211. Umfassend zum Elbe-Trave-Kanal Michael Packheiser (Hg.), Die Zukunft liegt auf dem Wasser. 100 Jahre Elbe-Lübeck-Kanal, Lübeck 2000. Götz Goldammer, Planung und Bau des Elbe-Trave-Kanals, in: Michael Packheiser (Hg.), Die Zukunft liegt auf dem Wasser. 100 Jahre Elbe-Lübeck-Kanal, Lübeck 2000, S. 11–18; S. 14. Vgl. S. 183 f. BAB R 43-I/2143 Bl. 23. Ebd. Bl. 36. Peter Rehder, Der Nord-Süd-Kanal und das zukünftige Mitteldeutsche Kanalnetz zwischen Weser und Elbe mit Anschlüssen an die Donau und Oder und an den Main und Rhein. Deutsche Seegeltung und Reichswasserstraßen, Lübeck 1918, S. 2. Otto Franzius, Der Verkehrswasserbau. Ein Wasserbau-Handbuch für Studium und Praxis, Berlin 1927, S. 585. Zu Rehder vgl. Otto Kastorff, Peter Rehder und die Entwicklung der Lübecker Häfen,  Lübeck 2008, und Hans Rohde, Rehder, Peter, in: Alken Bruns (Hg.), Lübecker Lebensläufe aus neun Jahrhunderten, Neumünster 1993, S. 324–326, und Antjekathrin Graßmann, »Kanalbaudiplomatie«. Der Nord-Süd-Kanal in der Planung des Lübecker Oberbaudirektors Peter Rehder 1906–1920, in: Danny Borchert, Christian Lamschus (Hg.), »Der Stadt zur Zierde …« Beiträge zum norddeutschen Städtewesen im 19. und 20. Jahrhundert. Festschrift für Uta Reinhardt zum 65. Geburtstag, Göttingen 2008, S. 79–99. StAH 132–1 II Nr. 1396, Handelskammer Hamburg an den Regierenden Bürgermeister von Hamburg, 28. Juni 1933, S. 1.

Kapitel 2: Kanäle und Mächte

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Ebd., S. 2. Zu Daitz vgl. Wei Li, Deutsche Pläne zur europäischen wirtschaftlichen Neuordnung 1939–1945. Weltwirtschaft, kontinentaleuropäische Autarkie und mitteleuropäische Wirtschaftsintegration, Hamburg 2007, S. 19. 34 Die neuere Forschung vertieft sich an solchen Stellen gerne in Bruno Latour und seine Akteur-Netzwerk-Theorie. Man kann dieses Buch auch als Beleg lesen, dass man damit an den wirklich wichtigen Fragen vorbeiargumentiert. 35 Eckart Spoo, »Vielleicht hat da jemand ein Loch gebohrt«, Frankfurter Rundschau vom 21. Juli 1976. 36 BAB R 43-I/2143 Bl. 22. 37 Barbara Gerstein, Hugo, Otto, in: Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Hg.), Neue Deutsche Biographie. Bd. 10, Berlin 1974, S. 28–29. 38 BAB R 43-I/2143 Bl. 80. 39 Dieter Ziegler, Kriegswirtschaft, Kriegsfolgenbewältigung, Kriegsvorbereitung. Der deutsche Bergbau im dauernden Ausnahmezustand (1914–1945), in: ders. (Hg.), Geschichte des Deutschen Bergbaus. Bd. 4: Rohstoffgewinnung im Strukturwandel. Der deutsche Bergbau im 20. Jahrhundert, Münster 2013, S. 15–182; S. 67. 40 StAH 311–2 IV DV VI N 29 c I, Handelskammer in Hamburg an die Deputation für Handel, Schiffahrt und Gewerbe, 4. Januar 1924. 41 Ebd., Hansa-Kanal-Verein an den Senat der Freien und Hansestadt Hamburg, 17. Dezember 1923. 42 Ebd. 43 StAH 311–2 IV DV VI N 29 c I, Besprechung über die Einsetzung einer Studienkommission zur Erörterung der Frage: Massengüterbahn oder Hansakanal, im Rathaus am 3. Oktober 1922, S. 9. 44 Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Dritter Band: Von der »Deutschen Doppelrevolution« bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges 1849–1914, München 1995, S. 679, 1031. Dazu ausführlich Hannelore Horn, Der Kampf um den Bau des Mittellandkanals. Eine politologische Untersuchung über die Rolle eines wirtschaftlichen Interessenverbandes im Preußen Wilhelms II., Köln 1964, und Nadja Wischmeyer, Der Mittellandkanal. Landschaft – kultivierte Landschaft – Kulturlandschaft. Eine Untersuchung zur materiellen Landumnutzung in der industriellen Moderne, Hannover 2019. 45 StAH 374–13 Nr. 299, Deutscher Braunkohlen-Industrie-Verein an den Reichskanzler, 7. Dezember 1929. 46 Jonathan I. Israel, Conflicts of Empires. Spain, the Low Countries and the Struggle for World Supremacy 1585–1713, London 1997, S. 45–62. 47 Thomas Babington Macaulay, Geschichte von England seit dem Regierungsantritte Jacob’s II. Deutsch von Wilhelm Beseler. Bd. 2, Braunschweig 1854, S. 102. 48 StAH 371–19 Nr. 153, Handelskammer, Abteilung Verkehr, Vermerk vom 30. April 1956, S. 7. 49 Orlando Figes, Revolutionary Russia, 1891–1991, London 2014, S. 223.

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Anmerkungen

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StAH 132–1 II Nr. 1396, Hamburgische Gesandtschaft an die Senatskommission für die Reichs- und auswärtigen Angelegenheiten, 4. Mai 1922, S. 3. 51 Hennig, Hauptwege, S. 102. 52 Robert William Fogel, Railroads and American Economic Growth. Essays in Econometric History, Baltimore 1964, S. 12. 53 StAH 311–2 IV DV VI N 29 c I, Besprechung über die Einsetzung einer Studienkommission zur Erörterung der Frage: Massengüterbahn oder Hansakanal, im Rathaus am 3. Oktober 1922, S. 4. 54 Fogel, Railroads, S. 224. 55 Vgl. Richard White, Railroaded. The Transcontinentals and the Making of Modern America, New York 2011. 56 Jacques Colin, The Premises of Logistics. The Organisation of Warships in France in the 17th and 18th Centuries, in: Alberto Ochoa-Zezzatti u. a. (Hg.), Handbook of Research on Military, Aeronautical, and Maritime Logistics and Operations, Hersey, Penns. 2016, S. 1–12; S. 4. 57 Michael Salewski, Die militärische Bedeutung des Nord-Ostsee-Kanals, in: Rainer Lagoni, Hellmuth St. Seidenfus, Hans-Jürgen Teuteberg (Hg.), Nord-Ostsee-Kanal 1895–1995, Festschrift, Neumünster 1995, S. 341–364. Vgl. auch Eike-Christian Heine, Vom großen Graben. Die Geschichte des Nord-Ostsee-Kanals, Berlin 2015, S. 233–238. 58 Vgl. zum Folgenden Werner Daitz, Die deutsche Wasserstraßenpolitik im Lichte europäischer Großraumwirtschaft, in: Rundschau Deutscher Technik Jg. 19 Nr. 34 (24. August 1939), S. 1–2. 59 Vgl. Michael Wildt, Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes, Hamburg 2002. 60 Ulrich Herbert, Best. Biographische Studien über Radikalismus, Weltanschauung und Vernunft 1903–1989, Bonn 2001, S. 285. Zu seinen ökonomischen Überlegungen vgl. Werner Daitz, Der Weg zur völkischen Wirtschaft. Ausgewählte Reden und Aufsätze, 2 Bände München 1938. Zur Einordnung und Fortentwicklung im Krieg vgl. Li, Deutsche Pläne, S. 19–35, 191–204. 61 Daitz, Die deutsche Wasserstraßenpolitik, S. 2. 62 Als der Beitrag in der Dezember-Ausgabe der Zeitschrift Deutsche Wasserwirtschaft erneut erschien, ergänzte der Schriftwalter den Text um den Hinweis, er nehme die »neue Entwicklung bereits vorweg«. (Werner Daitz, Die deutsche Wasserstraßenpolitik im Lichte europäischer Großraumwirtschaft, in: Deutsche Wasserwirtschaft 34 [1939], S. 497–501.) 63 StAH 135–1 VI Nr. 2121, Hamburg-Information Nr. 89 (4. November 1970), S. 3. 64 Pachtgemeinschaft Elbe-Seitenkanal, Fischereistatistik Elbe-Seitenkanal 2013, verfügbar unter https://www.av-nds.de/aktuelles/261-fangstatistikesk-2013.html, S. 7. 65 Valeska Huber, Channelling Mobilities. Migration and Globalisation in the Suez Canal Region and Beyond, 1869–1914, Cambridge 2013, S. 252. 66 Richard P. Mitchell, The Society of the Muslim Brothers, New York 1993, S. 7 f.

Kapitel 2: Kanäle und Mächte

67 68 69 70 71 72 73 74 75 76

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Vgl. Francis Dov Por, Lessepsian Migration. The Influx of Red Sea Biota into the Mediterranean by Way of the Suez Canal, Berlin 1978. Leopold, Zur Wasserstraßenfrage, in: Deutsche Wasserwirtschaft 22 (1927), S. 53–79; S. 53. Ebd. Blackbourn, Eroberung, S. 31. StAB 4,49 Nr. 1364/271, Heinrich Flügel, Bremische Wasserstraßenpolitik, Bremen, 16. November 1926, S. 3. Chandra Mukerji, Impossible Engineering. Technology and Territoriality on the Canal du Midi, Princeton 2009, S. 226. StAB 4,49 Nr. 1375/273, Besprechung am 14. Februar 1923 in Berlin im preußischen Handelsministerium zwischen Preußen, Hamburg, Bremen, Lübeck und Oldenburg über den Hansa-Kanal, S. 2. StAH 132–1 II Nr. 1396, Rautenberg, Verhandlungen in Berlin über den Hansakanal, S. 5. Bernhard Kressner, Der Nord-Süd-Kanal, in: Zeitschrift für Binnenschiffahrt 79 (1952), S. 46–49; S. 46. StAB 4,29/1 Nr. 150, Bremer Kanalverein, An Unsere Mitglieder, 9. April 1941, S. 2, 3. Zu dieser Verbindung vgl. Albrecht Hoffmann, Weser-Main-Kanal. Der alte Traum von einer Wasserstraße durch das hessische Bergland, in: Frank Tönsmann (Hg.), Zur Geschichte der Wasserstraßen insbesondere in Nordhessen, Kassel 1995, S. 83–110, und Ronald Paul, Der Werra-Main-Kanal, in: ebd., S. 185–199. Contag, Ueber den Anschluß der Koburgischen Lande an den geplanten Werra-Main-Kanal, in: Zeitschrift für Binnen-Schiffahrt 18 (1911), S. 409–412. Franz Kuhn, Die Main-Werra-Verbindung. Eine geschichtliche und wirtschaftliche Studie mit besonderer Berücksichtigung der Interessen Bambergs, Bamberg 1914, S. 46. Stine, Mixing the Waters, S. 4, 74. Scott Kirsch, Proving Grounds. Project Plowshare and the Unrealized Dream of Nuclear Earthmoving, New Brunswick 2005, S. 172. Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes, Elbe-Seitenkanal, S. 25. Ebd., S. 37. Blackbourn, Eroberung, S. 262. Ashley Carse, Beyond the Big Ditch. Politics, Ecology, and Infrastructure at the Panama Canal, Cambridge, Mass. 2014, S. 37–68. StAH 135–1 VI Nr. 2120, Rede Bgm Prof. Dr. Weichmann anläßlich des 1. Spatenstiches für den Elbe-Seiten-Kanal in Artlenburg am 6. Mai 1968, S. 2. Hervorhebung im Original. Ebd., S. 7. Ebd., S. 8. Huber, Channelling Mobilities, S. 28. Hans-Werner Niemann, Wirtschaftsgeschichte Niedersachsens 1918–1945, in: Gerd Steinwascher (Hg.), Geschichte Niedersachsens Bd. 5: Von der

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284

Anmerkungen

Weimarer Republik bis zur Wiedervereinigung, Hannover 2010, S. 455–623; S. 537. 90 Dieter Hildebrandt u. a., Unser Rhein-Main-Donau-Kanal, München 1983.

Kapitel 3: Hamburg, Tor zur Welt 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19

Nico Binde, Hamburg, Stadt der Superlative (26. September 2012), verfügbar im Internet unter https://www.abendblatt.de/hamburg/article109465743/ Hamburg-Stadt-der-Superlative.html. Vgl. https://www.hamburg.de/hafengeburtstag/. Martin Krieger, Kleine Geschichte Hamburgs, München 2014, S. 25. BAK B 108/7278, Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Wirtschaft und Verkehr an den Bundesminister für Verkehr, 20. Juli 1960, S. 1. Vgl. S. 26 f. Arnold Sywottek, Hamburg seit 1945, in: Werner Jochmann (Hg.), Hamburg. Geschichte der Stadt und ihrer Bewohner. Band 2: Vom Kaiserreich bis zur Gegenwart, Hamburg 1986, S. 377–466; S. 379. Werner Johe, Im Dritten Reich 1933–1945, in: Werner Jochmann (Hg.), Hamburg. Geschichte der Stadt und ihrer Bewohner. Band 2: Vom Kaiserreich bis zur Gegenwart, Hamburg 1986, S. 265–376; S. 342. Richard J. Evans, Tod in Hamburg. Stadt, Gesellschaft und Politik in den Cholera-Jahren 1830–1910, Reinbek 1991, S. 25. LAM Oberpräsidium Münster Nr. 6470 Bl. 155, 155R. BAB R 43-I/2143 Bl. 23. StAH 311–2 IV DV VI N 29 c I, Baudeputation II, Der Oberbaudirektor an den Senatsreferenten Staatsrat Dr. Krönig, zugleich Vorsitzender der Kanalkommission, 2. Januar 1924. Sympher, Beurteilung, Sonderung und Zusammenfassung der neuen Pläne, in: ders. (Hg.), Die Wasserwirtschaft Deutschlands und ihre neuen Aufgaben. III. bis VI. Teil, Berlin 1922, S. 303–310; S. 310. Hannes Burger, Heinz Kapfinger, Bayerns Weg zum Meer. Die MainDonau-Wasserstraße, Passau 1993, S. 81. Vgl. LAM Oberpräsidium Münster Nr. 6470 Bl. 155–155R. Lina Schröder, Der Rhein-(Maas-)Schelde-Kanal als geplante Infrastrukturzelle von 1946 bis 1986. Eine Studie zur Infrastruktur- und Netzwerk-Geschichte, Münster 2017, S. 94 f. Sympher, Beurteilung, S. 308. StAH 311–2 IV DV VI N 29 c I, Handelskammer in Hamburg an die Deputation für Handel, Schiffahrt und Gewerbe, 4. Januar 1924. StAB 4,29/1 Nr. 150, Oberbaudirektor L. Plate, Der Anschluss Bremens an den Hansakanal, S. 1 f. L. Plate, Der Hansakanal. (Industrie-Seehäfen-Kanal.), in: Werft – Reederei – Hafen 3 (1922), S. 185–196.

Kapitel 3: Hamburg, Tor zur Welt

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Als Überblick über den Weg zur Einigung siehe Lui Koester, Die Notwendigkeit einer Wasserstraßenverbindung zwischen dem Ruhrgebiet und den Nordseehäfen Hamburg und Bremen und ihre Lösung durch den Hansa-Kanal, Hamburg 1926, S. 4 f. StAH 311–2 IV DV VI N 29 c I, Satzung des Hansa-Kanal-Vereins in Hamburg für einen Großschiffahrtsweg vom rheinisch-westfälischen Industriegebiet nach den Seehäfen an der Weser und Elbe. Vgl. StAB 4,49 Nr. 1375/273, Hansakanal-Korrespondenz Nr. 4 (12. August 1926). Plate, Der Hansakanal, S. 196. StAH 311–2 IV DV VI N 29 c I, Besprechung über die Einsetzung einer Studienkommission zur Erörterung der Frage: Massengüterbahn oder Hansakanal, im Rathaus am 3. Oktober 1922, S. 3. Ebd. StAB 4,49 Nr. 1364/271, Heinrich Flügel, Bremische Wasserstraßenpolitik, Bremen, 16. November 1926, S. 4. Franzius, Der Verkehrswasserbau, S. 585. Leichtweiss, Denkschrift betreffend Ausbau des Mittellandkanals von Hannover bis Magdeburg unter Berücksichtigung seines Anschlusses an die Seehäfen Hamburg und Lübeck durch einen Nord-Süd-Kanal. Auf Grund einer demnächst erscheinenden Kanalstudie des Herrn Oberbaudirektor Dr. Ing. P. Rehder in Lübeck, Lübeck 1918. Günther Garbrecht, Leichtweiß, Ludwig, in: Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Hg.), Neue Deutsche Biographie. Bd. 14, Berlin 1985, S. 135. Angelika Weber, Bibliographie Elbe Seitenkanal Nord-Süd-Kanal (Uelzener Bibliographien 7), Uelzen 1998, S. 7 f. Zwei weitere Aufsätze veröffentlichte er 1952 und 1954, als es bereits einen Nord-Süd-Kanal-Verein gab und Leichtweiß im Ruhestand war (ebd., S. 8 f.). BAB R 4604/1279, Leichtweiß, Vorentwurf zu einem Nord-Süd-Kanal, Braunschweig, 1. Juni 1927. BAB NS 38/4978, Entwurf eines Hafens für die Stadt Celle und einer neuen Allerstaustufe in Verbindung mit dem Nord-Süd-Kanal. NLAH Hann. 180 Lüneburg Acc. 3/014 Nr. 195, Niederschrift über den Vortrag des Wasserbaudirektors Leichtweiss – Lübeck über den Plan eines Nordsüdkanals und seine Bedeutung für den Reg.Bezirk Lüneburg. Gehalten am 12. Februar 1925 im Rathaus zu Celle, S. 2; BAB NS 38/4978, Entwurf eines Hafens für die Stadt Celle und einer neuen Allerstaustufe in Verbindung mit dem Nord-Süd-Kanal, S. 12. StAB 4,49 Nr. 1364/271, Heinrich Flügel, Bremische Wasserstraßenpolitik, Bremen, 16. November 1926, S. 5. StAH 311–2 IV DV VI N 29 c I, Besprechung über die Einsetzung einer Studienkommission zur Erörterung der Frage: Massengüterbahn oder Hansakanal, im Rathaus am 3. Oktober 1922, S. 8, 12. StAB 4,49 Nr. 1375/273, Bremische Gesandtschaft an die Senatskommission für Reichs- und auswärtige Angelegenheiten Bremen, 16. Oktober 1926.

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Anmerkungen

37 38

LAM Oberpräsidium Münster Nr. 6470 Bl. 155.

Hans Spethmann, Die Grosswirtschaft an der Ruhr. Eine Darstellung ihrer Grundlagen, Breslau 1925, S. 131. Vgl. auch Hans Busz, Die Deutsche Rheinmündung. Eine Untersuchung der Ursachen der Frage nach einer deutschen Rheinmündung und der Möglichkeit der Lösung, Münster 1913, S. 64f. 39 Alexander Wirminghaus, Der Rhein-Nordsee-Kanal vom verkehrspolitischen Standpunkte. Vortrag, gehalten auf der Versammlung des »Vereins zur Förderung des Baues eines Großschiffahrtsweges vom Rhein zur deutschen Nordsee« – jetzt »Verein deutsche Rheinmündung« am 20. Mai 1913 in Cöln (Beilage zum Jahresbericht der Handelskammer zu Cöln 1913, Heft 1), Cöln 1913, S. 19. 40 BAB R 4604/1279, Leichtweiß, Vorentwurf zu einem Nord-Süd-Kanal, Braunschweig, 1. Juni 1927, S. 52. 41 StAH 374–13 Nr. 299, Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft, Reichsbahn und Wasserstrassen. Gegenäußerung der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft zu der Denkschrift des Reichsverkehrsministeriums »Zur Frage der Reichswasserstraßenpolitik«, März 1927; BAB R 43-I/2138 Bl. 193R (Zitat). 42 StAH 132–1 II Nr. 1396, Rautenberg, Verhandlungen in Berlin über den Hansakanal am 15. Februar 1923, S. 6. 43 StAB 4,49 Nr. 1375/273, Heinrich Engberding an Otto Hugo, 21. April 1922. 44 StAH 311–2 IV DV VI N 29 c I, Handelskammer in Hamburg an die Deputation für Handel, Schiffahrt und Gewerbe, 4. Januar 1924. 45 LAM Oberpräsidium Münster Nr. 6470 Bl. 373R, 374, 376. Zur Geschichte des Dortmund-Ems-Kanals vgl. Andreas Kleinebenne, Straße mit Vorfahrt. 100 Jahre Dortmund-Ems-Kanal, Essen 1999. 46 StAB 4,49 Nr. 1375/273, Bremische Gesandtschaft Berlin an die Senatskommission für Reichs- und auswärtige Angelegenheiten Bremen, 4. Mai 1922. Ähnlich StAH 132–1 II Nr. 1396, Hamburgische Gesandtschaft Berlin an die Senatskommission für die Reichs- und auswärtigen Angelegenheiten, 4. Mai 1922. 47 Koester, Notwendigkeit, S. 23. 48 StAB 4,49 Nr. 1375/273, Besprechung am 14. Februar 1923 in Berlin im preußischen Handelsministerium zwischen Preußen, Hamburg, Bremen, Lübeck und Oldenburg über den Hansa-Kanal, S. 3. 49 Hans Heimann, Mittelweser – Maßnahmen an der Schiffahrtstraße, in: Jutta Bachmann, Helmut Hartmann (Hg.), Schiffahrt, Handel, Häfen. Beiträge zur Geschichte der Schiffahrt auf der Weser und Mittellandkanal, Minden 1987, S. 277–292; S. 281. 50 StAB 4,49 Nr. 1375/273, Besprechung am 14. Februar 1923 in Berlin im preußischen Handelsministerium zwischen Preußen, Hamburg, Bremen, Lübeck und Oldenburg über den Hansa-Kanal, S. 3. 51 StAB 4,49 Nr. 1375/273, Bremische Gesandtschaft an Senator Dr. Apelt, 18. Januar 1926, S. 1. 52 Ebd., S. 2.

Kapitel 3: Hamburg, Tor zur Welt

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StAB 4,49 Nr. 1364/271, Heinrich Flügel, Bremische Wasserstraßenpolitik, Bremen, 16. November 1926, S. 8. 54 StAB 4,49 Nr. 1375/273, Bremische Gesandtschaft an die Senatskommission für Reichs- und auswärtige Angelegenheiten Bremen, 8. Januar 1927, S. 2. 55 Ebd. 56 Vgl. Dieter Hertz-Eichenrode, Wirtschaftskrise und Arbeitsbeschaffung. Konjunkturpolitik 1925/26 und die Grundlage der Krisenpolitik Brünings, Frankfurt 1982, S. 247 f. 57 BAB R 43-I/2138 Bl. 148, 148R, 150R-151. 58 Hertz-Eichenrode, Wirtschaftskrise, S. 172. 59 BAB R 43-I/2138 Bl. 155R. 60 BAB R 43-I/2143 Bl. 36. 61 Ebd. Bl. 50. 62 Amtlicher Anzeiger. Beiblatt zum Hamburgischen Gesetz- und Verordnungsblatt 1927, S. 905. 63 Heimann, Mittelweser, S. 281. 64 Jan Lokers, Kanalbau und Kanalbauträume. Regionale Verkehrspolitik zwischen Lübeck, Hamburg und dem Ruhrgebiet am Beispiel des »Hansa-Kanals«, in: Hans-Eckhard Dannenberg, Norbert Fischer, Franklin Kopitzsch (Hg.), Land am Fluss. Beiträge zur Regionalgeschichte der Niederelbe, Stade 2006, S. 97–114; S. 110. 65 Vgl. Lutz Raphael, Radikales Ordnungsdenken und die Organisation totalitärer Herrschaft. Weltanschauungseliten und Humanwissenschaftler im NS-Regime, in: Geschichte und Gesellschaft 27 (2001), S. 5–40. 66 Sylvia Necker, Konstanty Gutschow 1902–1978. Modernes Denken und volksgemeinschaftliche Utopie eines Architekten, München 2012, S. 225, 239. 67 StAH 322–3 A 309, Der Reichsstatthalter in Hamburg, Der Architekt für die Neugestaltung der Hansestadt Hamburg an die Verwaltung für Handel, Schiffahrt und Gewerbe, Strom- und Hafenbau, 9. Dezember 1941. 68 StAB 4,29/1 Nr. 150, Oberbaudirektor L. Plate, Der Anschluss Bremens an den Hansakanal, S. 8. 69 Lokers, Kanalbau, S. 112. 70 Erhard Schütz, Eckhard Gruber, Mythos Reichsautobahn. Bau und Inszenierung der »Straßen des Führers« 1933–1941, Berlin 1996, S. 10, 12; Friedrich Hartmannsgruber, »… ungeachtet der noch ungeklärten Finanzierung«. Finanzplanung und Kapitalbeschaffung für den Bau der Reichsautobahnen 1933–1945, in: Historische Zeitschrift 278 (2004), S. 625–681. 71 Lokers, Kanalbau, S. 113; NLAH Nds. 50 Acc. 2002/172 Nr. 196, Der Regierungspräsident Stade an die Wasser- und Schiffahrtsdirektion, Untersuchungsstelle, Hamburg, 12. August 1960, S. 7. 72 BAK B 108/7277, Vermerk vom 6. Mai 1957 über die Tagung vom 30. April 1957, S. 1. 73 StAH 371–19 Nr. 153, Binnenschiffahrtsverband Elbe e. V. an die Behörde für Wirtschaft und Verkehr, Amt für Hafen und Schiffahrt, 27. November 1950. 74 StAH 131–2 A 2 a 1950 S. 717.

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Anmerkungen

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Torben Lütjen, Karl Schiller (1911–1994). »Superminister« Willy Brandts, Bonn 2007. 76 Ebd., S. 64, 70. 77 Karl Schiller, Denkschrift zur künftigen wirtschaftlichen Entwicklung Hamburgs. Im Auftrage des Senats der Hansestadt Hamburg erstattet von der Gutachter-Kommission, Hamburg 1947. Zitat S. 7. 78 Sywottek, Hamburg seit 1945, S. 396. 79 Hamburgs Wirtschaft 1946–1949. Ein Bericht der Behörde für Wirtschaft und Verkehr, Hamburg 1949. 80 Gunter Hofmann, Helmut Schmidt. Soldat, Kanzler, Ikone. Biographie, München 2015, S. 86. 81 Sywottek, Hamburg seit 1945, S. 409. 82 Für mehr zu dessen Biographie vgl. S. 167 f. 83 Schiller, Denkschrift, S. 44, 45. 84 Martin Rupps, Helmut Schmidt. Ein Jahrhundertleben, Freiburg 2013, S. 97. 85 StAB 4,22/2 Nr. 400, Vermerk über eine Besprechung mit MinRat Wegner beim Bundesverkehrsministerium am 6. Oktober 1953 betr. Nord-Süd-Kanal, 16. Oktober 1953, S. 1. Ähnlich BAK B 108/2456, Der Bundesminister für Verkehr an die Deutsche Kohlenbergbauleitung Essen, 27. September 1950, S. 1. 86 NLAH Nds. 500 Acc. 2002/172 Nr. 195, Stenographisches Protokoll über die am 30. November 1951 in Lüneburg stattgefundene Besprechung über das Nord-Süd-Kanal-Projekt, S. 1. 87 Ebd., S. 2. 88 StAH 371–19 Nr. 153, Vermerk des Regierungspräsidenten Lüneburg vom 15. November 1950, S. 1. 89 Ebd., Vermerk der Strombauabteilung vom 24. November 1950. 90 Vgl. NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 104/82 Nr. 118, Schreiben von Dr. Elso Klöver, Lüneburg, 19. Dezember 1951. 91 NLAH Nds. 500 Acc. 2002/172 Nr. 195, Stenographisches Protokoll über die am 30. November 1951 in Lüneburg stattgefundene Besprechung über das Nord-Süd-Kanal-Projekt, S. 6. 92 StAB 4,22/2 Nr. 400, Vermerk vom 12. September 1953. 93 Friedrich Mühlradt, Die Seehäfen in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Vorträge aus dem Institut für Verkehrswissenschaft an der Universität Münster), Göttingen 1959, S. 15. 94 NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 104/82 Nr. 133, Der Nord-Süd-Kanal. Bearbeitet von der Behörde für Wirtschaft und Verkehr, Strom- und Hafenbau, 1950, S. 8 f. 95 StAH 371–19 Nr. 153, Vermerk der Strombauabteilung vom 7. Dezember 1950, S. 1. 96 BAK B 108/2456, Bundesverkehrsministerium an die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Hannover, 1. November 1949. 97 BAK B 108/7277, Anlage zum Schreiben des Bundesverkehrsministeriums an den Staatssekretär des Bundeskanzleramtes, 25. September 1956, S. 2.

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Vgl. Christoph Henzler, Fritz Schäffer 1945–1967. Eine biographische Studie zum ersten bayerischen Nachkriegs-Ministerpräsidenten und ersten Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland, München 1994. StAH 131–1 II Nr. 2692, Der Bundesminister der Finanzen an Erik Blumfeld, Vorsitzender der CDU-Fraktion der Hamburger Bürgerschaft, 25. Februar 1955. Vgl. ebd., Drucksache für die Senatssitzung Nr. 846. Verteilt am 15. September 1954. Ebd., Der Präsident des Senats an den Bundeskanzler in Bonn, 3. März 1955. Ebd., Einladung zum Ersten Spatenstich für die Elbe-Staustufe und das Pumpspeicherwerk Geesthacht, 6. Dezember 1955. NLAH Nds. 50 Acc. 2000/100 Nr. 268, Gutachten über die wirtschaftliche Bedeutung des Nord-Süd-Kanals. Erstattet von Prof. Dr. Andreas Predöhl, Münster, unter Mitwirkung von Dr. Günter Lüth, S. 48 f. StAH 371–19 Nr. 153, Anlage zu Schreiben an A 3, 4. September 1951, S. 1. Ebd., Vermerke vom 4. Juli 1952 und 28. Juli 1952. Zum Gesamtkomplex der Aktion Breitseite StAH 371–16 I Nr. 1932. Deutscher Bundesrat, Sitzungsbericht Nr. 89, ausgegeben in Bonn am 24. Juli 1952, S. 312. Ebd., S. 314. Ebd., S. 315. StAH 371–19 Nr. 153, Vermerk Strom- und Hafenbau, 15. Juli 1952, S. 5. Ebd., Vermerk vom 13. Januar 1953, S. 1. Holger Martens, Plate, Ernst Karl Friedrich, in: Franklin Kopitzsch, Dirk Brietzke (Hg.), Hamburgische Biographie. Personenlexikon. Bd. 5, Göttingen 2010, S. 287–288. Christoph Strupp, Im Bann der »gefährlichen Kiste«. Wirtschaft und Politik im Hamburger Hafen, in: Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg (Hg.), 19 Tage Hamburg. Ereignisse und Entwicklungen der Stadtgeschichte seit den fünfziger Jahren, München 2012, S. 129–143; S. 131; Oliver Driesen, Welt im Fluss. Hamburgs Hafen, die HHLA und die Globalisierung, Hamburg 2010, S. 134 f. StAH 371–19 Nr. 153, Ernst Plate an Senator Schiller, 1. Dezember 1950. Vgl. auch ebd., Ernst Plate an Ministerialrat Kreul, 1. Dezember 1951. StAH 371–16 I Nr. 32, Vermerk, Ernst Plate, 16. Juli 1953. Ebd., Vermerk vom 18. Juli 1953. Ebd., Schreiben vom 25. Juli 1953. Ebd., Ernst Plate an Senator Schiller, 24. August 1953, Zitate S. 2. Helmut Stubbe-da Luz, Von der »Arbeitsgemeinschaft« zur Großstadtpartei. 40 Jahre Christlich-Demokratische Union in Hamburg (1945–1985), Hamburg 1985, S. 127. Christof Brauers, Die FDP in Hamburg 1945 bis 1953. Start als bürgerliche Linkspartei, München 2007, S. 682. Martens, Plate, S. 287. Stenographische Berichte über die Sitzungen der Bürgerschaft zu Hamburg im Jahre 1953, Hamburg o. J., S. 698. Zum Gesamtkomplex der Hamburger

289

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Anmerkungen

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Außenpolitik, die auch eine Städtepartnerschaft mit Leningrad und eine Friedensbitte an Israel von 1951 umfasste, vgl. Frank Bajohr, Hochburg des Internationalismus. Hamburger »Außenpolitik« in den 1950er und 1960er Jahren, in: Zeitgeschichte in Hamburg 2008, Hamburg 2009, S. 25–43, sowie ders., Hamburger »Außenpolitik« im Kalten Krieg. Die Städtepartnerschaft mit Leningrad, in: Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg (Hg.), 19 Tage Hamburg. Ereignisse und Entwicklungen der Stadtgeschichte seit den fünfziger Jahren, München 2012, S. 49–61. Vgl. Ernst Plate, Politik der Elbe, in: Renatus Weber, Carl-Gisbert SchultzeSchlutius, Wilhelm Güssefeld (Hg.), Bürgermeister a. D. Dr. Kurt Sieveking zum 70. Geburtstag am 21. Februar 1967, Hamburg 1967, S. 45–48. Zitate S. 45, 46, 57. Stenographische Berichte über die Sitzungen der Bürgerschaft zu Hamburg im Jahre 1954, Hamburg o. J., S. 466. Stenographische Berichte über die Sitzungen der Bürgerschaft zu Hamburg im Jahre 1957, Hamburg o. J., S. 440. Stenographische Berichte über die Sitzungen der Bürgerschaft zu Hamburg im Jahre 1954, Hamburg o. J., S. 466. Plate, Politik der Elbe, S. 48. StAB 4,22/2 Nr. 400, Vermerk über eine Besprechung mit MinRat Wegner beim Bundesverkehrsministerium am 6. Oktober 1953 betr. Nord-SüdKanal, 16. Oktober 1953, S. 2. StAH 371–19 Nr. 153, Vermerk vom 14. März 1957. Stenographische Berichte über die Sitzungen der Bürgerschaft zu Hamburg im Jahre 1954, Hamburg o. J., S. 466. BAK B 136/3922, Regierung der Deutschen Demokratischen Republik, Ministerium für Verkehrswesen, Der Minister an den Verkehrsminister der Bundesrepublik Deutschland Dr.-Ing. Seebohm, 26. April 1956. StAH 371–19 Nr. 153, Wasser- und Schiffahrtsdirektion Hamburg an die Wasserstraßendirektion Magdeburg, 23. Januar 1956, S. 2. Hartmuth Brill, Die Politik der Elbe. Hamburgische Ostpolitik in der Ära Sieveking (1953–1958), Norderstedt 2014, S. 57. StAH 371–19 Nr. 153, Vermerk vom 26. Oktober 1951. StAH 135–1 VI Nr. 2118, Staatliche Pressestelle Hamburg, 13. August 1958. StAH 131–1 II Nr. 1583, Die Internationale Rechtslage der Elbe. Rechtsgutachten erstattet von Prof. Dr. Herbert Krüger, Hamburg 1957, S. 69. StAH 371–19 Nr. 153, Der Senator an Amtsrat Göller, Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland Genf, 3. Februar 1956. Ebd., Kurzbericht über die Teilnahme am 2. Verkehrswissenschaftlichen Tag der Hochschule für Verkehrswesen in Dresden vom 14.–16. Juni 1956. Zitate S. 4, 5. Ebd., Vermerk vom 23. Januar 1956, S. 3. NLAH Nds. 50 Acc. 2000/100 Nr. 268, Gutachten über die wirtschaftliche Bedeutung und technische Ausgestaltung des Nordsüdkanals (Kurzfassung). Erstattet vom Nordsüdkanal-Verein e. V. Lüneburg, 1955, S. 3.

Kapitel 3: Hamburg, Tor zur Welt

140 NLAH Nds. 500 Acc. 2002/172 Nr. 195, Der Regierungspräsident Lüneburg an den Niedersächsischen Minister für Wirtschaft und Verkehr, 10. April 1957, S. 2. Hervorhebung im Original. 141 Ebd. 142 NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 104/82 Nr. 119, Nordsüdkanal-Verein e. V. Lüneburg, Bericht über die Mitgliederversammlung am 22. März 1957, S. 2. 143 Neue Chancen für den Nord-Süd-Kanal, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 23. März 1957. 144 BAK B 136/3922, Der Bundesminister des Auswärtigen an den Bundesminister für Verkehr, 5. April 1957. 145 Ebd., Der Bundesminister des Auswärtigen an den Bundesminister für Verkehr, 12. April 1957. 146 Stenographische Berichte über die Sitzungen der Bürgerschaft zu Hamburg im Jahre 1957, Hamburg o. J., S. 251 (Zitat); BAK B 136/3922, Plate an Seebohm, 8. Mai 1957 und Seebohm an Plate, 15. Mai 1957. 147 Bundesministerium für Gesamtdeutsche Fragen (Hg.), Dokumente zur Deutschlandpolitik, III. Reihe, Bd. 3, 1. Januar bis 31. Dezember 1957, Dritter Drittelband, Frankfurt 1967, S. 1628–1634. 148 Ebd., S. 1628. 149 Christoph Strupp, Kooperation und Konkurrenz. Herausforderungen der Hamburger Hafenwirtschaftspolitik in den 1960er und 1970er Jahren, in: Zeitgeschichte in Hamburg 2011, Hamburg 2012, S. 31–54; S. 34. 150 Lu Seegers, Christoph Strupp, Hafen- und Handelsstadt oder Stadt der Industrie? Wirtschaftspolitik und Deutung des Strukturwandels in Hamburg, in: Stefan Grüner, Sabine Mecking (Hg.), Wirtschaftsräume und Lebenschancen. Wahrnehmung und Steuerung von sozialökonomischem Wandel in Deutschland 1945–2000, München 2017, S. 207–224; S. 209. 151 NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 104/82 Nr. 133, Der Nord-Süd-Kanal. Bearbeitet von der Behörde für Wirtschaft und Verkehr, Strom- und Hafenbau, 1950. Zitat S. 21. 152 Vgl. S. 72. 153 Dazu Miriam A. Bader-Gassner, Pipelineboom. Internationale Ölkonzerne im westdeutschen Wirtschaftswunder, Baden-Baden 2014. 154 StAH 371–19 Nr. 153, Bundesverkehrsministerium an Baudirektor Mühlradt, 19. Februar 1951, S. 1. 155 StAH 371–19 Nr. 154, Zusammenstellung von möglichen Argumenten, die die DB gegen den Bau des Nord-Süd-Kanals vorbringen könnte, sowie deren Widerlegung, 2. Juni 1961. Zitate S. 3, 4, 9, 5. 156 StAB 4,22/2 Nr. 426, Vermerk vom 20. Juni 1958. 157 Schiller, Denkschrift, S. 23. 158 Ebd. 159 Hamburgs Wirtschaft 1946–1949, S. 89. 160 Ole von Beust, Vorwort, in: Wolfgang Michalski, Hamburg. Erfolge und Erfahrungen in der globalisierten Welt, Hamburg 2010, S. 9–11; S. 10. 161 Jürgen W. Hidien, Handbuch Länderfinanzausgleich, Baden-Baden 1999, S. 536.

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292

Anmerkungen

162 NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 104/82 Nr. 118, Vermerk vom 29. Oktober 1953. 163 Hamburgs Wirtschaft 1946–1949, S. 21. 164 Dazu Lutz Raphael, Jenseits von Kohle und Stahl. Eine Gesellschaftsgeschichte Westeuropas nach dem Boom, Berlin 2019.

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Ulrich Herbert, Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert, München 2014, S. 837. Sandra Engel, Sven Tode, Hafen Stadt Hamburg. Von der Alster an die Elbe  – Hafenentwicklung im Strom der Zeit, Hamburg 2007, S. 120–122; Christoph Strupp, Einleitung. Die Historisierung der jüngsten Hamburger Stadtgeschichte, in: Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg (Hg.), 19 Tage Hamburg. Ereignisse und Entwicklungen der Stadtgeschichte seit den fünfziger Jahren, München 2012, S. 9–15; S. 10. Norbert Baues, Konkrete Stadtutopie – Alsterzentrum in St. Georg, in: Ulrich Höhns (Hg.), Das ungebaute Hamburg. Visionen einer anderen Stadt in architektonischen Entwürfen der letzten hundertfünfzig Jahre, Hamburg 1991, S. 188–199. Vgl. James C. Scott, Seeing like a State. How Certain Schemes to Improve the Human Condition Have Failed, New Haven, Conn. 1998. Zitat S. 4. Übersetzung durch den Autor – F. U. Michael Lewis, Erhöhtes Risiko, Frankfurt 2019. Dirk van Laak, Planung. Geschichte und Gegenwart des Vorgriffs auf die Zukunft, in: Geschichte und Gesellschaft 34 (2008), S. 305–326; S. 320. Vgl. Gabriele Metzler, Am Ende aller Krisen? Politisches Denken und Handeln in der Bundesrepublik der sechziger Jahre, in: Historische Zeitschrift 275 (2002), S. 57–103; S. 100 f. Vgl. Helmut Stubbe-da Luz, Engelhard, Edgar, in: Franklin Kopitzsch, Dirk Brietzke (Hg.), Hamburgische Biographie. Personenlexikon. Bd. 5, Göttingen 2010, S. 105–107. StAH 311–2 IV DV VI N 29 c I, Handelskammer in Hamburg an die Deputation für Handel, Schiffahrt und Gewerbe, 5. August 1922, S. 1. Zum Thema auch Wischmeyer, Der Mittellandkanal, S. 80–82. NLAH Nds. 500 Acc. 2002/172 Nr. 195, Mitgliederversammlung des Nordsüdkanal-Vereins e. V. am 5. November 1954. NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 104/82 Nr. 120, Nordsüdkanal-Verein e. V., Mitgliederliste, Stand: 1. Januar 1961. NLAH Nds. 50 Acc. 2000/100 Nr. 268, Vermerk vom Juni 1952. NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 104/82 Nr. 118, Mitgliederversammlung des Nordsüdkanal-Vereins e. V. am 10. April 1953, S. 9. Beispielsweise wurden 1953 von den gesamten Ausgaben des Verbands in Höhe von 70 000 DM allein 45 000 DM durch einen Förderungsbeitrag

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der Hansestadt Hamburg gedeckt (NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 104/82 Nr. 118, Mitgliederversammlung des Nordsüdkanal-Vereins e. V. am 10. April 1953, S. 5). BAK B 108/7277, Nordsüdkanal-Verein an den Bundesminister für Verkehr, 25. Juli 1957, S. 2. StAH 371–19 Nr. 153, Vermerk vom 4. Januar 1952. Ebd., Vermerk über die Besprechung zwischen Ministerialdirektor Feyerabend und Hafenbaudirektor Mühlradt in Bonn am 30. Juli 1953, 6. August 1953. Ebd., Vermerk vom 25. November 1959. Ähnlich NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 104/82 Nr. 120, Bericht des Vorstands über die Tätigkeit im abgelaufenen Geschäftsjahr für die Mitgliederversammlung am 19. Mai 1960, S. 6. BAK B 108/7277, Vermerk vom 9. März 1959, S. 3, 4. StAH 371–19 Nr. 154, Vermerk vom 12. Juli 1961. StAH 135–1 VI Nr. 2120, Hamburg-Information vom 23. April 1965, S. 1. StAH 135–1 VI Nr. 2119, Leiter der Pressestelle der Niedersächsischen Landesregierung an den Direktor der Staatlichen Pressestelle des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg, 24. November 1964, S. 1. Ebd., Arbeitsgemeinschaft für Wirtschaftsförderung an Staatliche Stelle Hamburg, 17. Dezember 1964. Zitate S. 3. BAK B 126/22439, Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Wirtschaft und Verkehr, Informationsdienst für die Mitglieder des Deutschen Bundestages aus Hamburg, Information Nr. 30 (21. Juli 1964). StAH 371–19 Nr. 154, Bisherige Maßnahmen Hamburgs zur Förderung des Nordsüdkanal-Projektes (Stand Februar 1964), S. 2. BAK B 108/2457, Vorschlag für einen »roten Faden« einer Stellungnahme »Nordsüdkanal« (Januar 1962), S. 2. NLAH Nds. 500 Acc. 2002/172 Nr. 188, Vermerk vom 26. Februar 1963, S. 3. Ebd. Vgl. Alan S. Milward, The European Rescue of the Nation-State, London 2000, und Kiran Klaus Patel, Provincialising European Union. Co-operation and Integration in Europe in a Historical Perspective, in: Contemporary European History 22 (2013), S. 649–673. BAK B 108/7278, Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Wirtschaft und Verkehr an den Bundesminister für Verkehr, 20. Juli 1960, S. 1. Joachim Detjen, Seebohm, Hans-Christoph, in: Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Hg.), Neue Deutsche Biographie. Bd. 24, Berlin 2010, S. 138–139. Heinz Mursch, Karl Simon, Hans-Christoph Seebohm zum Gedenken. † 17.9.1967, München 1967, S. 7. Vgl. Hermann Meyn, Die Deutsche Partei. Entwicklung und Problematik einer national-konservativen Rechtspartei nach 1945, Düsseldorf 1965, bes. S. 33, 36, 137. Joachim Detjen, Seebohm, Hans-Christoph, in: Udo Kempf, Hans-Georg Merz (Hg.), Kanzler und Minister 1949–1998. Biographisches Lexikon der deutschen Bundesregierungen, Wiesbaden 2001, S. 654–659; S. 655.

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294

Anmerkungen

Zum Kontext instruktiv Gilad Margalit, The Foreign Policy of the German Sudenten Council and Hans-Christoph Seebohm, 1956–1964, in: Central European History 43 (2010), S. 464–483. 35 Theodor Eschenburg, Zur politischen Praxis in der Bundesrepublik. Band I: Kritische Betrachtungen 1957–1961, 2. Aufl. München 1967, S. 150. 36 Ebd., S. 150, 152. 37 Norbert Frei, Vergangenheitspolitik. Die Anfänge der Bundesrepublik und die NS-Vergangenheit, München 2012, S. 171. 38 Walter Henkels, 99 Bonner Köpfe, Düsseldorf 1963, S. 284. 39 Eschenburg, Zur politischen Praxis, S. 150. 40 BAK B 108/7279, Vermerk vom 25. Mai 1962. 41 BAK B 108/7278, Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Wirtschaft und Verkehr an den Bundesminister für Verkehr, 20. Juli 1960, S. 2. 42 BAK B 108/7277, handschriftlicher Notiz auf Vermerk der Abteilung Wasserbau vom 1. Dezember 1958. Ähnlich BAK B 108/15622, handschriftliche Notiz auf Vermerk vom 10. März 1965, S. 2. 43 BAK B 108/7280, handschriftliche Notiz auf Freie und Hansestadt Hamburg an den Bundesminister für Verkehr, 10. Januar 1964, S. 2. 44 Verhandlungen des Deutschen Bundestags, 2. Wahlperiode, 75. Sitzung am 23. März 1955, S. 4107, 4116. 45 Hans-Christoph Seebohm, Aktuelle Fragen der Verkehrspolitik, Nürnberg 1957, S. 11. 46 Hans-Christoph Seebohm, Verkehrsforschung und Verkehrspolitik (Vorträge aus dem Institut für Verkehrswissenschaft an der Universität Münster, herausgegeben von Andreas Predöhl, Heft 9), Göttingen 1956, S. 22. 47 Z. B. Deutsche Verkehrs-Zeitung Nr. 59 vom 24. Juli 1951; BAK B 108/2456, Vermerk vom 7. März 1952, S. 1; NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 104/82 Nr.  118, Auszugsweise Wiedergabe der Rede des Präsidenten der IHK Braunschweig, Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr, vor der Vollversammlung der IHK Braunschweig sowie der IHK Bremen und IHK Bremerhaven, S. 2. 48 BAK B 108/7277, handschriftlicher Vermerk auf Nordsüdkanal-Verein an den Bundesminister für Verkehr, 25. Juli 1957. 49 BAK B 108/2456, Vermerk vom 16. Februar 1956, S. 1. 50 BAK B 108/22438, Vermerk vom 29. Dezember 1961, S. 1. 51 Ebd. 52 BAK B 108/7277, Der Bundesminister für Verkehr an die Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirates beim Bundesminister für Verkehr, 23. Juli 1956. 53 Ebd., Gutachten über die Entwicklung des Hafens Hamburg vom 19. Juli 1958, S. 38, 32. 54 ALG A40–738, Kurzprotokoll der Sitzung der Fraktion am 26. Oktober 1961, S. 5. 55 BAK B 108/7280, Industrie- und Handelskammer Braunschweig, Zweigstelle Salzgitter, Diplom-Volkswirt Herbert Beier an den Bundesminister für Verkehr Hans-Christoph Seebohm, 29. Oktober 1963.

Kapitel 4: Plane und herrsche

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Ebd., Bundesverkehrsministerium an Diplom-Volkswirt Herbert Beier, Industrie- und Handelskammer Braunschweig, Zweigstelle Salzgitter, 8. Dezember 1963, S. 1. 57 StAH 371–19 Nr. 153, Vermerk vom 9. September 1959. 58 BAK B 108/2457, Kritische Bemerkungen zum Gutachten »Berkenkopf«. Undatierte Anlage zum Schreiben des Bundesverkehrsministeriums vom 4. Januar 1962, S. 10. 59 BAK B 126/22440, Vermerk vom 30. August 1965 zur Kabinettssitzung am 1. September 1965, S. 3. 60 Seebohm, Verkehrsforschung und Verkehrspolitik, S. 22. 61 Christoph Scheuplein, Predöhl, Andreas, in: Franklin Kopitzsch, Dirk Brietzke (Hg.), Hamburgische Biographie. Personenlexikon. Bd. 5, Göttingen 2010, S. 291–293. 62 BAK B 108/7277, Wasser- und Schiffahrtsdirektion Hamburg an den Bundesminister für Verkehr, 25. August 1959, S. 3. 63 Ebd., Der Bundesminister für Verkehr an die Wasser- und Schiffahrtsdirektion Hamburg, 16. Dezember 1959. 64 StAB 4,22/2 Nr. 426, Vermerk vom 20. Juni 1958. 65 Gutachten über Notwendigkeit und Möglichkeiten einer Verbesserung der Hinterland-Verkehrswege der Seehäfen Hamburg und Lübeck. Erstattet von Universitätsprofessor Dr. Dr. Paul Berkenkopf, Köln 1961, für die Wasser- und Schiffahrtsdirektion Hamburg. Herausgegeben von der Wasserund Schiffahrtsdirektion Hamburg, Hamburg 1961, S. 27. 66 StAH 135–1 VI Nr. 2119, Bericht über das Geschäftsjahr 1962 des Nordsüdkanal-Vereins e. V. in Lüneburg, 4. Dezember 1962, S. 3. 67 Vgl. Rainer Willeke, In memoriam Paul Berkenkopf, in: Zeitschrift für Verkehrswissenschaft 34 (1963), S. 187–193; S. 187. 68 BAK B 108/7278, Vermerk über die Besprechung am 3.7. in Köln, Universität und am 10.7.1961 in Bonn, Bundesverkehrsministerium, Hamburg, 14. Juli 1961. Zitate S. 2. 69 BAK B 108/2457, Kritische Bemerkungen zum Gutachten »Berkenkopf«. Undatierte Anlage zum Schreiben des Bundesverkehrsministeriums vom 4. Januar 1962, S. 4; ebd., Vermerk vom 8. November 1961, S. 1. 70 Vgl. S. 127–133. 71 Korff, Die finanzwirtschaftliche Problematik. 72 BAK B 108/2457, handschriftliche Notizen auf Vermerk vom 24. November 1961. Zitat S. 4. 73 BAK B 108/7279, Bundesverkehrsministerium an den Präses der Behörde für Wirtschaft und Verkehr der Freien und Hansestadt Hamburg, 8. Dezember 1961, S. 2. 74 BAK B 108/7278, Notiz auf Deutsche Bundesbahn, Der Vorstand an den Bundesminister für Verkehr, 14. Dezember 1961, S. 1. 75 BAK B 108/6146, Der Bundesminister für Verkehr, Überlegungen zum Gutachten des Professor Dr. Dr. Berkenkopf über Notwendigkeit und Möglichkeiten einer Verbesserung der Hinterlandverkehrswege der Seehäfen Hamburg und Lübeck, 27. September 1962, S. 22 f.

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Anmerkungen

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80 81 82 83 84 85 86

StAH 371–19 Nr. 154, Staatliche Pressestelle Hamburg, Wochendienst Nr. 20 (25. Mai 1962), S. 4–8; BAK B 108/7279, Vermerk vom 4. Juni 1962. BAK B 108/6146, Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Wirtschaft und Verkehr, Der Präses, an den Bundesminister für Verkehr, 11. Oktober 1962, S. 2. BAK B 126/22438, Vermerk vom 25. Oktober 1962, S. 1, 2. Wischmeyer, Der Mittellandkanal, S. 247; BAK B 108/6146, Niederschrift über die Besprechung am 16. Oktober 1962 in Bonn mit den fünf norddeutschen Ländern über den Ausbau der nordwestdeutschen Wasserstraßen, S. 1. BAK B 126/22438, Vermerk vom 25. Oktober 1962, S. 3. Ebd., Vermerk vom 19. Dezember 1962. Vgl. S. 136. NLAH Nds. 50 Acc. 2000/100 Nr. 268, Gutachten über die wirtschaftliche Bedeutung des Nord-Süd-Kanals. Erstattet von Prof. Dr. Andreas Predöhl, Münster, unter Mitwirkung von Dr. Günter Lüth, S. 1. Vgl. Elke Seefried, Zukünfte. Aufstieg und Krise der Zukunftsforschung 1945–1980, München 2015. StAH 371–16 II Nr. 3397, Vermerk vom 26. Juli 1962. Dazu Kap. 8.

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Vgl. Peter Hüttenberger, Die Gauleiter. Studie zum Wandel des Machtgefüges in der NSDAP, Stuttgart 1969. Gabriele Metzler, Konzeptionen politischen Handels von Adenauer bis Brandt. Politische Planung in der pluralistischen Gesellschaft, Paderborn 2005, S. 327 f. Vgl. Fritz W. Scharpf, Bernd Reissert, Fritz Schnabel, Politikverflechtung. Theorie und Empirie des kooperativen Föderalismus in der Bundesrepublik, Kronberg 1976; Fritz W. Scharpf, Föderalismusreform. Kein Ausweg aus der Politikverflechtungsfalle?, Frankfurt 2009. Dazu S. 176. NLAH Nds. 500 Acc. 2002/172 Nr. 189, Vermerk vom 1. Februar 1965, S. 2. StAB 4,49 Nr. 1364/271, Heinrich Flügel, Bremische Wasserstraßenpolitik, Bremen, 16. November 1926, S. 6. StAH 371–19 Nr. 153, Rogge an Sureth, 16. September 1952. NLAH Nds. 50 Acc. 2002/172 Nr. 196, Industrie- und Handelskammer Kiel an den Bundesminister für Verkehr, 23. August 1958, S. 2. NLAH Nds. 1540 Acc. 2002/045 Nr. 12, Gutachten des Ausschusses für technische Fragen des Nordsüdkanal-Vereins. Braunschweig, den 31. Januar 1955, S. 173. NLAH Nds. 500 Acc. 2002/172 Nr. 197, Vermerk vom 16. August 1962, S. 3. Vgl. S. 17, 229.

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StAH 371–19 Nr. 154, Bisherige Maßnahmen Hamburgs zur Förderung des Nordsüdkanal-Projektes (Stand Februar 1964), S. 6. Karl Heinz Schneider, Wirtschaftsgeschichte Niedersachsens nach 1945, in: Gerd Steinwascher (Hg.), Geschichte Niedersachsens Bd. 5: Von der Weimarer Republik bis zur Wiedervereinigung, Hannover 2010, S. 807– 920; S. 872. NLAH Nds. 500 Acc. 2002/172 Nr. 197, Vermerk vom 10. September 1962, S. 3. NLAH Nds. 500 Acc. 2002/172 Nr. 188, Entschließung der Industrie- und Handelskammer für Ostfriesland und Papenburg zum Projekt eines NordSüd-Kanals (undatiert [ca. Mai 1963]), S. 2. BAK B 108/7277, Die Notwendigkeit des Ausbaues der Verkehrswege und Verkehrsanlagen im Niedersächsischen Verwaltungsbezirk Braunschweig. Denkschrift des Präsidenten des Niedersächsischen Verwaltungsbezirks Braunschweig 1954, S. 33. NLAH Nds. 600 Acc. 114/88 Nr. 87, Der Niedersächsische Minister für Wirtschaft und Verkehr an den Niedersächsischen Kultusminister, 2. Januar 1952. NLAH Nds. 500 Acc. 2002/172 Nr. 187, Vermerk vom 5. Dezember 1962, S. 3. Conze, Suche nach Sicherheit, S. 272. Ein neuer Aufbruch für Europa. Eine neue Dynamik für Deutschland. Ein neuer Zusammenhalt für unser Land. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD. 19. Legislaturperiode, verfügbar unter https://www.cdu.de/system/ tdf/media/dokumente/koalitionsvertrag_2018.pdf?file=1 (zuletzt  aufgerufen am 26. November 2019). ALG FDP-Bundestagsfraktion 29749/1, Koalitionsvereinbarung zwischen der Bundestagsfraktion der CDU/CSU und der Bundestagsfraktion der FDP, S. 9. Walter, Charismatiker und Effizienzen, S. 134. Thomas de Maizière, Regieren. Innenansichten der Politik, Freiburg 2019, S. 19. ALG A16–5, Freie Demokratische Partei-Bundesverkehrsausschuß, Sitzung in Bremen am 17./18. Februar 1961, S. 1. ALG A16–25, Bundesverkehrsausschuss 1960, 29./30. April in Mannheim, S. 2. Ebd., S. 6. Rudolf Vierhaus, Ludolf Herbst (Hg.), Biographisches Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949–2002. Bd. 2, München 2002, S. 665. Brauers, Die FDP in Hamburg, S. 670. Vierhaus und Herbst, Biographisches Handbuch Bd. 2, S. 663. NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 104/82 Nr. 119, Presseauszug aus dem Vortrag des Herrn W. M. Rademacher, MdB, auf der Generalversammlung des Nordsüdkanal Verein e. V. am 22. März 1957 in Hamburg, S. 7.

297

298

Anmerkungen

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ALG A16–5, Niederschrift der Sitzung des Arbeitskreises »Verkehrspolitik«

im Wirtschaftspolitischen Ausschuß des Landesverbandes Niedersachsen der FDP am 6. Februar 1961, S. 6. 32 ALG A16–5, Freie Demokratische Partei-Bundesverkehrsausschuß, Sitzung in Bremen am 17./18. Februar 1961, S. 3. 33 ALG A1–167, Wortprotokoll des ordentlichen Bundesparteitags, 24. März 1961, S. 13. 34 ALG A40–738, Kurzprotokoll der Sitzung der Fraktion am 25. Oktober 1961, 2. November 1961, S. 3. Zu Dahlgrüns Rolle als Bundesfinanzminister vgl. S. 137 f. Zu Löbe siehe Vierhaus und Herbst, Biographisches Handbuch Bd. 1, S. 509. 35 Wolfgang F. Dexheimer, Koalitionsverhandlungen in Bonn 1961, 1965, 1969. Zur Willensbildung in Parteien und Fraktionen, Bonn 1973, S. 34. 36 ALG A26–160, Edgar Engelhard an Erich Mende, 14. Dezember 1961 sowie Antwort Mendes vom 20. Dezember 1961. 37 ALG A16–11, Beschlußprotokoll über die Sitzung des Bundesverkehrsausschusses der Freien Demokratischen Partei am 12. September 1962 in Bonn, S. 1. 38 ALG FDP-Kommissionen 575, Schreiben des Fraktionsgeschäftsführers der FDP-Fraktion vom 5. Oktober 1961 nebst Anlagen. 39 Dexheimer, Koalitionsverhandlungen, S. 165 f. 40 Ebd., S. 60. 41 ALG A40–738, Kurzprotokoll der Sitzung der Fraktion vom 2. November 1961, S. 4. 42 StAH 371–19 Nr. 153, Handelskammer Hamburg an Oberbaudirektor Mühlradt, Strom- und Hafenbau, 4. Juni 1951. 43 NLAH Nds. 50 Acc. 2000/100 Nr. 268, Vermerk für den Niedersächsischen Ministerpräsident, Staatskanzlei, Hannover, 26. April 1962. 44 Vgl. S. 118 f. 45 BAK B 108/2457, Osthannoversche Eisenbahnen Aktiengesellschaft, NordSüd-Kanal. Auswirkungen auf die OHE, Celle, 27. Januar 1962, S. 13. Zu den Eigentümern der Osthannoverschen Eisenbahnen AG siehe Hans Wolfgang Rogl, Die Osthannoverschen Eisenbahnen. Von der Schmalspur zur größten nichtbundeseigenen Eisenbahn, Düsseldorf 1985, S. 31. 46 NLAH Nds. 500 Acc. 2002/172 Nr. 187, Industrie- und Handelskammer Braunschweig an den Niedersächsischen Minister für Wirtschaft und Verkehr, 10. Januar 1963. 47 Heinrich Korthöber, Der Erzbergbau in Salzgitter 1961–1982, in: ders. u. a. (Hg.), Bergbau in Salzgitter. Die Geschichte des Bergbaus und das Leben der Bergleute von den Anfängen bis in die Gegenwart, Salzgitter 1997, S. 87– 130; S. 89. Zur Unternehmensgeschichte vgl. S. 158 f. 48 NLAH Nds. 500 Acc. 2002/172 Nr. 189, Schreiben des Oberstadtdirektors der Stadt Salzgitter vom 6. Januar 1964; ebd. Nr. 197, Verkehrsbetriebe Salzgitter an den Niedersächsischen Minister für Wirtschaft und Verkehr, 28. September 1962, S. 1. 49 NLAH Nds. 500 Acc. 2002/172 Nr. 187, Vermerk vom 5. Dezember 1962, S. 4.

Kapitel 5: Im Räderwerk des Föderalismus

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Vgl. S. 10, 188. Vgl. Horst A. Wessel, Stahl und Technologie. Die Geschichte der Salzgitter AG 1858–2008, Salzgitter 2008. 52 NLAH Nds. 500 Acc. 2002/172 Nr. 187, Vermerk vom 26. Februar 1963, S. 3. 53 NLAH Nds. 500 Acc. 2002/172 Nr. 188, Der Niedersächsische Minister der Finanzen an den Niedersächsischen Minister für Wirtschaft und Verkehr, 4. Juli 1963. 54 NLAH Nds. 50 Acc. 2000/100 Nr. 270, Der Niedersächsische Minister für Wirtschaft und Verkehr, Kabinettsvorlage über den Bau des Nord-SüdKanals im Rahmen des Ausbaus der nordwestdeutschen Wasserstraßen, 16. April 1964, S. 7. 55 BAK B 108/50408, Der Minister für Wirtschaft und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein, der Niedersächsische Minister für Wirtschaft und Verkehr und der Präses der Behörde für Wirtschaft und Verkehr der Freien und Hansestadt Hamburg an den Bundesminister für Verkehr, 24. April 1964. 56 Vgl. S. 131. 57 BAK B 108/7280, Der Bundesminister der Finanzen an den Bundesminister für Verkehr, 24. August 1964, S. 1. 58 Ebd., Niederschrift über die Ministerbesprechung im Bundesverkehrsministerium am 1. Dezember 1964 betreffend Ausbau des nordwestdeutschen Wasserstraßennetzes, S. 2. 59 BAK B 126/22439, Vermerk zur Besprechung am 9. September 1964, S. 1. 60 StAH 135–1 VI Nr. 2120, Informationsstelle Nordsüdkanal an den Direktor der Staatlichen Pressestelle Hamburg, 9. August 1965, S. 2. 61 BAK B 126/22439, Vermerk zur Besprechung am 9. September 1964, S. 2. 62 Ebd., Telegramm vom 2. September 1964. 63 Beine, Rechtsprobleme der Kompetenz für die Finanzierung von Bundeswasserstraßen, in: Internationales Archiv für Verkehrswesen 17 (1965), S. 43–46; S. 45. 64 BAK B 108/15622, Der Bundesminister für Verkehr an Hafenbaudirektor Naumann, 31. März 1965, S. 2. 65 StAH 371–16 II Nr. 3397, Vermerk vom 26. Juli 1962. 66 BAK B 108/15622, Vermerk vom 20. September 1965. 67 StAH 371–19 Nr. 154, Vermerk vom 14. Mai 1962, S. 2. 68 Ebd., Vermerk vom 16. Juni 1961. Hervorhebung im Original. 69 Ebd., Rede von Bürgermeister Edgar Engelhard, Nordsüdkanal – Teilstück eines norddeutschen Gemeinschaftsprogramms, S. 1. 70 NLAH Nds. 50 Acc. 2014/130 Nr. 6, Rede in der von Herrn MinPräs gehaltenen Fassung, übersandt am 10. Mai 1968, S. 2. 71 Volker Hauff, Vorwort, in: Dieter Hildebrandt u. a., Unser Rhein-MainDonau-Kanal, München 1983, S. 4–5; S. 4. 72 Vgl. etwa StAH 371–19 Nr. 153, Vermerk vom 6. Januar 1961. 73 BAK B 108/15622, Vermerk vom 20. September 1965. 74 StAH 371–19 Nr. 155, Festrede von Senator Kern am Vorabend der Eröffnung des Lüneburger Kanalhafens am 4. Dezember 1975, S. 3–7.

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Anmerkungen

Kapitel 6: Geteiltes Land 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24

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BAK B 108/7277, Der Bundesminister für Verkehr an den Bundesminister des Auswärtigen, 23. März 1957, S. 2. Stenographischer Bericht über die 85. Sitzung des Niedersächsischen Landtages vom 8. Dezember 1954, Sp. 5521. NLAH Nds. 500 Acc. 2002/172 Nr. 195, Vermerk vom 25. November 1950. BAK B 108/2456, Vermerk vom 19. März 1953. StAH 371–19 Nr. 153, Vermerk vom 2. März 1957. Ebd., Vermerk vom 15. Juli 1952, S. 5. BAK B 108/7279, Vermerk vom 2. Juli 1962, S. 2. StAH 371–19 Nr. 153, Schreiben an Berkenkopf vom 12. Dezember 1960. NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 104/82 Nr. 119, Presseauszug aus dem Vortrag des Herrn W. M. Rademacher, MdB, auf der Generalversammlung des Nordsüdkanal Verein e. V. am 22. März 1957 in Hamburg, S. 5. Vgl. S. 106–113. Karl-Eduard Naumann, Hamburg und die Binnenschiffahrt, in: Hansa. Schiffahrt – Schiffbau – Hafen 98 (1961), S. 923–924; S. 924. BAK B 108/7279, Vermerk vom 2. Juli 1962, S. 2. Uwe Rada, Die Elbe. Europas Geschichte im Fluss, München 2013, S. 289 f. StAH 371–19 Nr. 154, Vermerk vom 31. August 1964, S. 5. StAH 371–19 Nr. 1320, Vermerk vom 16. Juni 1976. StAH 371–19 Nr. 1286, Vermerk vom 6. Juni 1985. Vgl. Ivan Jakubec, Schlupflöcher im »Eisernen Vorhang«. Tschechoslowakisch-deutsche Verkehrspolitik im Kalten Krieg. Die Eisenbahn und Elbeschiffahrt 1945–1989, Stuttgart 2006, S. 205–211. StAH 131–1 II Nr. 1583, Die Internationale Rechtslage der Elbe. Rechtsgutachten erstattet von Prof. Dr. Herbert Krüger, Hamburg 1957, S. 69. Größte Annäherung, in: Der Spiegel Nr. 20 (12. Mai 1986), S. 65, 68; S. 68. B. Irmischer, D. Moldmann, Am Deutsch-Deutschen Rand. Landschaft, Geschichte, Kultur und Wirtschaft entlang einer 1240 km langen Reiseroute am östlichen Rand der Bundesrepublik, Hamburg 1989, S. 45. Vgl. S. 85–91. Ingrid Bohn, Finnland. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Regensburg 2005, S. 180. Niemann, Wirtschaftsgeschichte Niedersachsens, S. 537. Vgl. Astrid M. Eckert, West Germany and the Iron Curtain. Environment, Economy and Culture in the Borderlands, New York 2019, S. 53–84; Christopher Kopper, Zonenrandförderung und Verkehrspolitik im bundesdeutschen Grenzgebiet. Das Beispiel Niedersachsen, in: Bernd Weisbrod (Hg.), Grenzland. Beiträge zur Geschichte der deutsch-deutschen Grenze, Hannover 1993, S. 95–109; Zitat S. 101. StAH 371–19 Nr. 154, Zusammenstellung von möglichen Argumenten, die die DB gegen den Bau des Nord-Süd-Kanals vorbringen könnte, sowie deren Widerlegung, 2. Juni 1961, S. 8.

Kapitel 6: Geteiltes Land

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NLAH Nds. 500 Acc. 2002/172 Nr. 188, Privatdienstschreiben des Ministers an den Präsidenten des Niedersächsischen Verwaltungsbezirks Oldenburg, 19. Juli 1963, S. 1. 27 StAH 371–19 Nr. 154, Rede von Bürgermeister Edgar Engelhard, Nordsüdkanal – Teilstück eines norddeutschen Gemeinschaftsprogramms, S. 3. 28 StAH 135–1 VI Nr. 2121, Hamburg-Information Nr. 89 (4. November 1970), S. 1. 29 Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes, Elbe-Seitenkanal, S. 65. 30 StAH 371–19 Nr. 1286, Vermerk vom 19. Februar 1982, S. 2. 31 Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Fünfter Band, S. 110. 32 Bernd Ellerbrock, Der Mittellandkanal. 325 Kilometer Wasserstraße von A-Z, Hövelhof 2016, S. 54, 56. 33 Richard Deiss, So weit die Flüsse tragen. Kleine Geschichten zur Binnenschifffahrt gestern und heute, Argenbühl 2008, S. 43. 34 https://de.wikipedia.org/wiki/Elbe-Seitenkanal (zuletzt aufgerufen am 26. November 2019). 35 NLAH Nds. 600 Acc. 114/88 Nr. 87, Der Regierungspräsident in Lüneburg an den Niedersächsischen Minister für Wirtschaft und Verkehr, den Niedersächsischen Minister des Innern und den Niedersächsischen Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, 8. Dezember 1966, S. 1. 36 Ebd., S. 2. 37 NLAH Nds. 600 Acc. 114/88 Nr. 87, Der Niedersächsische Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten an den Niedersächsischen Minister des Innern, 15. März 1967. 38 Ebd., Der Niedersächsische Minister für Wirtschaft und Verkehr an den Niedersächsischen Minister des Innern, 22. Dezember 1966, S. 2. 39 BAF BW 1/24096, Vereinbarung zwischen dem Bundesminister für Verkehr, Wasser- und Schiffahrtsverwaltung und dem Bundesminister für Verteidigung über Infrastruktur-Maßnahmen im Verteidigungsinteresse an und in Bundeswasserstraßen, 24. August 1960, S. 1, 2. 40 NLAH Nds. 50 Acc. 2000/100 Nr. 268, Gutachten über die wirtschaftliche Bedeutung und technische Ausgestaltung des Nordsüdkanals (Kurzfassung). Erstattet vom Nordsüdkanal-Verein e. V. Lüneburg, 1955, S. 24. 41 BAF BW 2/23089, Gutachten über die Ausbildung der Ufer von Schiffahrtskanälen in Spundwandbauweise einschließlich der dabei entstehenden Kosten. Aufgestellt vom Ingenieurbüro Egenstedt im August 1967, S. 23, 25. 42 NLAH Nds. 500 Acc. 2002/172 Nr. 208, Der Niedersächsische Minister des Innern an den Regierungspräsidenten in Lüneburg, 11. Juni 1968. 43 BAF BW 2/23089, Entwicklungsschlußbericht vom 22. Juli 1970, S. 1. 44 Ebd. S. 3. 45 BAF BW 1/583561, Vermerk vom 4. März 1970, S. 2. 46 BAF BW 2/23089, Entwicklungsschlußbericht vom 22. Juli 1970, S. 4. 47 BAF BH 8–3/404, Technisch-taktische Beurteilung des Elbe-Seitenkanals, 29. Januar 1976. Zitate S. 18, 19, 17. 48 Ebd., S. 18. 49 BAF BH 8–3/404, Bereisung ESK 03.06.80. Zitate S. 1, 3.

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Anmerkungen

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Rainer Buske, Eine Reise ins Innere der Bundeswehr. Wundersame Geschichten aus einer anderen Welt, Berlin 2016, S. 280.

Kapitel 7: Staatswirtschaft 1 2

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StAH 371–19 Nr. 1297, Verein zur Förderung des Elbstromgebietes, Niederschrift über die Sitzung des Vorstandes und Beirates am 3. November 1978 in der Handelskammer Hamburg, S. 2. Ebd., Ralph Ton, Gesichtspunkte des Salzgitter-Konzerns beim Erztransport von der Nordsee nach Salzgitter. Vortrag vor dem Vorstand des Vereins zur Förderung des Elbstromgebietes e. V. in Hamburg am 2. November 1978. Zitate S. 1, 2, 5. Hamburger stimmen für Rückkauf der Energienetze, in: Spiegel Online vom 22. September 2013, online verfügbar unter https://www.spiegel.de/ wirtschaft/unternehmen/hamburger-stimmen-fuer-rueckkauf-derenergienetze-a-923811.html (zuletzt aufgerufen am 17. August 2019). Hans Birnbaum, Stahljahre. Unternehmer in unruhiger Zeit, Düsseldorf 1980, S. 37. Zur Geschichte der Reichswerke Hermann Göring vgl. Matthias Riedel, Eisen und Kohle für das Dritte Reich. Paul Pleigers Stellung in der NS-Wirtschaft, Göttingen 1973; August Meyer, Das Syndikat. Reichswerke »Hermann Göring«, Braunschweig 1986; Gerd Wysocki, Arbeit für den Krieg. Herrschaftsmechanismen in der Rüstungsindustrie des »Dritten Reiches«. Arbeitseinsatz, Sozialpolitik und staatspolizeiliche Repression bei den Reichswerken »Hermann Göring« im Salzgitter-Gebiet 1937/38 bis 1945, Braunschweig 1992. Ulrich Wengenroth, Die Flucht in den Käfig. Wissenschafts- und Innovationskultur in Deutschland 1900–1960, in: Rüdiger vom Bruch, Brigitte Kaderas (Hg.), Wissenschaften und Wissenschaftspolitik. Bestandsaufnahmen zu Formationen, Brüchen und Kontinuitäten im Deutschland des 20. Jahrhunderts, Stuttgart 2002, S. 52–59; S. 57. R. O. Irmer, Salzgitter. »Das zweite Ruhrgebiet« zwischen Harz und Heide, Murnau o. J. (1954); Wessel, Stahl und Technologie, S. 210, 279, 286 f. Vgl. Korthöber, Erzbergbau. Zur Geschichte der Bundesbahn in der frühen Bundesrepublik vgl. Christopher Kopper, Die Bahn im Wirtschaftswunder. Deutsche Bundesbahn und Verkehrspolitik in der Nachkriegsgesellschaft, Frankfurt 2007, und Günther Schulz, Die Deutsche Bundesbahn 1949–1989, in: Lothar Gall, Manfred Pohl (Hg.), Die Eisenbahn in Deutschland. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, München 1999, S. 317–376; Zitat S. 323. Vgl. NLAH Nds. 500 Acc. 2002/172 Nr. 187, Schreiben der Industrie- und Handelskammer für den Regierungsbezirk Lüneburg vom 31. Januar 1963; StAH 371–19 Nr. 153, Der Niedersächsische Minister für Wirtschaft und Verkehr an die Stadt Braunschweig, 30. März 1961.

Kapitel 7: Staatswirtschaft

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BAK B 126/22438, Deutsche Bundesbahn, Hauptverwaltung, Stellungnahme vom 25. August 1962, S. 18; NLAH Nds. 50 Acc. 2000/100 Nr. 270, Deutsche Bundesbahn, Der Vorstand an den Ministerpräsidenten des Landes Niedersachsen, 4. März 1964. NLAH Nds. 50 Acc. 2000/100 Nr. 269, Deutsche Bundesbahn, Feststellungen zur Wirtschaftlichkeit des geplanten Nord-Süd-Kanals. Eine Stellungnahme zu dem von Prof. Dr. Dr. P. Berkenkopf, Köln, erstatteten Gutachten über Notwendigkeit und Möglichkeit einer Verbesserung der Hinterland-Verkehrswege der Seehäfen Hamburg und Lübeck, Oktober 1962, S. 9. StAH 371–19 Nr. 153, Ernst Plate an Senator Schiller, 1. Dezember 1950. Kopper, Bahn im Wirtschaftswunder, S. 59. Vgl. S. 117 f. Hans Christoph Seebohm, Die Verkehrspolitik der Bundesrepublik, Darmstadt 1954, S. 29. Kopper, Bahn im Wirtschaftswunder, S. 12. Vgl. S. 137 f. NLAH Nds. 600 Acc. 114/88 Nr. 87, Abschrift aus dem Bericht des Bundesministers für Verkehr, Abteilung Binnenschiffahrt, 1950. BAK B 126/22438, Sprechzettel für Herrn Minister, 1. Dezember 1962, S. 2. BAK B 108/7277, Der Bundesminister der Finanzen an den Bundesminister für Verkehr, 21. Oktober 1958. Ebd. BAK B 108/7277, handschriftlicher Notiz auf Vermerk der Abteilung Wasserbau vom 1. Dezember 1958. Vgl. auch S. 108. BAK B 126/22438, Abteilungsleiter VI an die Abteilung II im Hause, 14. November 1958. Ebd., Sprechzettel für Herrn Minister, 1. Dezember 1962, S. 2. Korff, Die finanzwirtschaftliche Problematik. StAH 371–19 Nr. 154, Vermerk vom 20. September 1961, S. 5. BAK B 126/22438, Abteilung II, Vorlage für Herrn Minister, 5. September 1962, S. 3. Hervorhebung im Original. 178. Kabinettssitzung am 1. September 1965, TOP 5, online verfügbar unter http://www.bundesarchiv.de/cocoon/barch/11/k/k1965k/kap1_2/kap2_34/ para3_10.html. BAK B 126/22438, Vermerk vom 21. Januar 1960. Ebd., Sprechzettel für Herrn Minister, 1. Dezember 1962, S. 5. Zu den Verhandlungen im September 1964 vgl. S. 137 f. BAK B 126/22440, Referat II B/2 an das Referat II B/5, 15. Juli 1965, S. 1. Ebd., Finanzministerium, Referat II B/5 an den Bundesminister für Verkehr, 2. August 1965, S. 2. StAH 371–19 Nr. 154, Rede von Bürgermeister Edgar Engelhard, Nordsüdkanal – Teilstück eines norddeutschen Gemeinschaftsprogramms, S. 1. Vgl. S. 187. StAH 371–19 Nr. 155, Festrede von Senator Kern am Vorabend der Eröffnung des Lüneburger Kanalhafens am 4. Dezember 1975, S. 20; StAH 371–19

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Anmerkungen

Nr.  1320, Staatliche Pressestelle Hamburg, Bürgermeister Klose: ElbeSeitenkanal gibt Hamburger Hafen kräftige Impulse, 15. Juni 1976, S. 6. 38 Claus Lafrenz, Hafenbauer aus Leidenschaft – Friedrich Mühlradt tritt in den Ruhestand, in: Die Welt vom 25. November 1961. Für eine Sammlung von Artikeln über Mühlradt siehe StAH 731–8 A 762 Mühlradt, Friedrich. 39 StAH 131–15 C 321, Personalbogen Mühlradt, Karl August Ludwig Friedrich. 40 Hamburger Abendblatt vom 19. November 1985. 41 Vgl. S. 75 f. 42 BAK B 108/7278, Schreiben der Behörde für Wirtschaft und Verkehr, Freie und Hansestadt Hamburg, Strom- und Hafenbau vom 27. November 1961. 43 Vgl. etwa StAH 371–19 Nr. 153, Vermerke vom 3. April 1951 und 15. Juli 1952. 44 NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 104/82 Nr. 118, Niederschrift über die Mitglieder-Versammlung des Nordsüdkanal-Vereins am 4. März 1952 in Lüneburg, S. 2. 45 Vgl. S. 101. 46 NLAH Nds. 50 Acc. 2002/172 Nr. 196, Vermerk vom 7. August 1958. 47 StAH 371–19 Nr. 153, Vermerk vom 6. Februar 1961, S. 2. 48 So etwa StAH 135–1 VI Nr. 2118, Staatliche Pressestelle Hamburg, Presseerklärung von Bürgermeister Engelhard, 3. April 1958. 49 StAH 135–1 VI Nr. 2120, Staatliche Pressestelle an Hans Fahning, Vertretung Hamburg beim Bund, 12. Januar 1965. 50 Ebd., Paul O. Vogel an Georg Braun, 3. März 1965. Zu den Kanalarbeitern vgl. http://erinnerungsorte.fes.de/die-kanalarbeiter/. 51 StAH 135–1 VI Nr. 2119, Bürgermeister Engelhard an Direktor Lüth, 23. Januar 1963. 52 Ebd., Staatliche Pressestelle an Senatssyndicus Dr. Blecke, 16. Januar 1963, S. 2. 53 Ebd., Bürgermeister Engelhard an Direktor Lüth, 23. Januar 1963, S. 2. 54 NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 2007/013 Nr. 8, Dezernat 20 an Dezernat 11 über Abteilungsleiter II, 20. Juli 1965. 55 StAH 371–19 Nr. 155, Der Senator an Präses Herbert Westerich, Handelskammer Hamburg, 9. September 1974. 56 StAH 371–19 Nr. 153, Vermerk vom 25. November 1959. 57 Ebd., Drucksache für die Senatssitzung Nr. 218, verteilt am 7. April 1961. 58 BAK B 108/7279, Vermerk vom 3. Februar 1962; BAK B 108/7280, Wasserund Schiffahrtsdirektion Hamburg an den Bundesminister für Verkehr, 2. November 1963. 59 NLAH Nds. 500 Acc. 2002/172 Nr. 187, Vermerk vom 23. Oktober 1962, S. 3 f. 60 Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes, Elbe-Seitenkanal, S. 19. 61 NLAS Rep. 98 Uelzen Nr. 3, Organisationsplan des Neubauamtes ElbeSeitenkanal Süd Uelzen, aufgestellt im April 1968. 62 StAH 371–19 Nr. 154, Elbe-Mittellandkanal GmbH, Bericht über das Geschäftsjahr 1969, 15. April 1970, S. 6. 63 BAK B 108/15622, Wasser- und Schiffahrtsdirektion Hamburg an Bundesminister für Verkehr, 21. Oktober 1965, S. 1.

Kapitel 8: Bauen in Krisenzeiten

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StAH 371–19 Nr. 1297, Schreiben des Bundesministers für Verkehr vom 22. Februar 1977.

Kapitel 8: Bauen in Krisenzeiten 1

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NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 104/82 Nr. 123, Schreiben des Landkreises Gifhorn vom 15. September 1965; BAK B 108/50410, Erlass über die Errichtung einer Neubauabteilung für den Bau des Elbe-Seitenkanals bei der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Hamburg vom 15. November 1965. BAK B 108/50410, Vermerk des Bundesministers für Verkehr vom 2. November 1967, S. 1. StAH 371–19 Nr. 154, Senatsdrucksache Nr. 409, verteilt am 15. Juli 1969. Zitate S. 5. Vgl. S. 54 f. NLAH Nds. 50 Acc. 2014/130 Nr. 6, Rede in der von Herrn MinPräs gehaltenen Fassung, am 10. Mai 1968 übersandt, S. 4, 3. Vgl. S. 140. NLAH Nds. 500 Acc. 2002/172 Nr. 189, Vermerk vom 1. Februar 1965, S. 1. NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 216/97 Nr. 32, Niederschrift über den Termin des Landesplanerischen Verfahrens betreffend den Abschnitt IX des Elbe-Seiten-Kanal am 24. November 1965 in Lüneburg, S. 1. Vgl. Sandra Reinheimer, Das Verbindungskonzept der Bundeswasserstraßenverwaltung, Frankfurt 2008, S. 78–80. Vgl. S. 122. Bundesgesetzblatt Teil II Jg. 1968, S. 175. NLAH Nds. 500 Acc. 2002/172 Nr. 189, Vermerk vom 13. September 1967, S. 1. Vgl. auch NLAH Nds. 500 Acc. 2002/038 Nr. 95, Der Regierungspräsident in Lüneburg an den Niedersächsischen Minister für Wirtschaft und Verkehr, 4. September 1967. BAK B 108/50410, Vermerk vom 15. August 1967 über eine Besprechung beim Regierungspräsidenten in Lüneburg am 10. August 1967, S. 2. Der Spiegel Nr. 21 (22. Mai 1989), S. 260. StAH 371–19 Nr. 154, Elbe-Mittellandkanal GmbH, Bericht der Geschäftsführer über das I. Quartal 1970, 15. April 1970, S. 5. Anselm Tiggemann, Die »Achillesferse« der Kernenergie in der Bundesrepublik Deutschland. Zur Kernenergiekontroverse und Geschichte der nuklearen Entsorgung von den Anfängen bis Gorleben 1955 bis 1985, Lauf an der Pegnitz 2004, S. 416. Sylvia Hladky, Kernenergie. Atombau, Kernspaltung, Atombombe, Kernreaktor, München 1985, S. 81. Vgl. Jürgen Voges, Nick Reimer, Test the Protest, in: die tageszeitung Nr. 6407 (27. März 2001), S. 6. Fred Sepaintner, Baden-Württemberg 1960–1992, in: Hansmartin Schwarzmaier, Meinrad Schaab (Hg.), Handbuch der Baden-Württembergischen

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Anmerkungen

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29 30 31

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Geschichte. Vierter Band: Die Länder seit 1918, Stuttgart 2003, S. 591–895; S. 626. StAH 371–19 Nr. 154, Arbeitsgemeinschaft zum Schutz von Hochrhein und Bodensee an den Senat der Hansestadt Hamburg, 30. Mai 1961. Ebd., Behörde für Wirtschaft und Verkehr, Amt für Verkehr an die Arbeitsgemeinschaft zum Schutz von Hochrhein und Bodensee, 22. Juni 1961. Vgl. S. 141 f. StAH 371–19 Nr. 154, Vermerk vom 16. Juni 1961. Vgl. S. 212. Driesen, Welt im Fluss, S. 151. Sepaintner, Baden-Württemberg, S. 632. NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 104/82 Nr. 118, Vermerk vom 21. Januar 1952. Zur Agrargeschichte der alten Bundesrepublik vgl. Daniela Münkel (Hg.), Der lange Abschied vom Agrarland. Agrarpolitik, Landwirtschaft und ländliche Gesellschaft zwischen Weimar und Bonn, Göttingen 2000, und Ulrich Kluge, Vierzig Jahre Agrarpolitik in der Bundesrepublik Deutschland, 2 Bände, Hamburg 1989. Zur Sichtweise des Verfassers vgl. Frank Uekötter, Die Wahrheit ist auf dem Feld. Eine Wissensgeschichte der deutschen Landwirtschaft, Göttingen 2010. NLAH Nds. 50 Acc. 2000/100 Nr. 268, Nord-Süd-Kanal-Ausschuss der Landwirtschaft im Regierungsbezirk Lüneburg, Uelzen, 2. Juni 1958, S 1. NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 2007/013 Nr. 9, Der Niedersächsische Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten an den Bundesminister für Verkehr, 3. März 1959. BAK B 126/22438, Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten an den Bundesminister für Finanzen, 10. Juni 1958. Ähnlich NLAH Nds. 500 Acc. 2002/172 Nr. 197, Der Niedersächsische Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten an den Niedersächsischen Minister für Wirtschaft und Verkehr, 12. Oktober 1962. NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 104/82 Nr. 125, Wasser- und Schiffahrtsdirektion Hamburg, Neubauabteilung für den Bau des Elbe-Seitenkanals an den Regierungspräsidenten in Lüneburg, 1. September 1966, S. 6. StAH 371–19 Nr. 154, Elbe-Mittellandkanal GmbH, Bericht über das Geschäftsjahr 1969, 15. April 1970, S. 3 (Zitat), 6. BAK B 108/50408, Der Minister für Wirtschaft und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein, der Niedersächsische Minister für Wirtschaft und Verkehr und der Präses der Behörde für Wirtschaft und Verkehr der Freien und Hansestadt Hamburg an den Bundesminister für Verkehr, 24. April 1964, S. 6. NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 216/97 Nr. 32, Wasser- und Schiffahrtsdirektion Hamburg an den Niedersächsischen Minister für Wirtschaft und Verkehr, 25. Juni 1963, S. 4. NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 104/82 Nr. 123, Niedersächsisches Landesverwaltungsamt an den Regierungspräsidenten als höhere Naturschutzbehörde, 10. Januar 1966, Zitat S. 2.

Kapitel 8: Bauen in Krisenzeiten

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NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 104/82 Nr. 125, Wasser- und Schiffahrtsdirektion Hamburg, Neubauabteilung für den Bau des Elbe-Seitenkanals an den Regierungspräsidenten in Lüneburg, 1. September 1966, S. 10. 38 Ebd., Niedersächsisches Landesverwaltungsamt, Berücksichtigung von Naturschutz und Landschaftspflege bei der Planung des Elbe-Seitenkanals. Zwischenbericht, Stand: April 1967, S. 1 (Zitat), 10, 2 (Zitat). 39 NLAH Nds. 600 Acc. 114/88 Nr. 87, Niedersächsisches Landesverwaltungsamt an den Regierungspräsidenten Lüneburg, 12. April 1967, S. 2. 40 NLAH Nds. 500 Acc. 2002/172 Nr. 189, Niedersächsischer Landtag, Fünfte Wahlperiode, Niederschrift über die 15. Sitzung des Ausschusses für Forstangelegenheiten am 13. April 1967 in Knesebeck (Landkreis Gifhorn), S. 10. 41 NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 2007/013 Nr. 7, Vermerk vom 10. November 1971. 42 Ebd. Nr. 2, Vermerk vom 15. März 1976. 43 NLAH Nds. 500 Acc. 2002/172 Nr. 189, Niedersächsischer Landtag, Fünfte Wahlperiode, Niederschrift über die 15. Sitzung des Ausschusses für Forstangelegenheiten am 13. April 1967 in Knesebeck (Landkreis Gifhorn), S. 9 f. 44 NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 2007/013 Nr. 7, Flecken Bodenteich, Der Gemeindedirektor an die Regierung Lüneburg, 11. Mai 1967. 45 NLAS Dep. 4 Acc. 2009/050 Nr. 5, Der Heidebauer. Landwirtschaftliche Beilage zur Allgemeinen Zeitung der Lüneburger Heide, 27. Februar 1974. 46 NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 2007/013 Nr. 7, Der Bürgermeister der Gemeinde Bollensen an den Regierungspräsidenten Lüneburg, 11. Mai 1967. 47 Vgl. die Vorgänge in BAK B 126/38904 und NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 2007/013 Nr. 7. 48 NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 216/97 Nr. 32, Niederschrift über den Termin des Landesplanerischen Verfahrens betreffend den Abschnitt IX des Elbe-Seiten-Kanal am 24. November 1965 in Lüneburg, S. 9. 49 NLAH Nds. 1540 Acc. 2002/045 Nr. 12, Gutachten des Ausschusses für technische Fragen des Nordsüdkanal-Vereins. Braunschweig, den 31. Januar 1955, S. 169. 50 NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 2007/013 Nr. 6, Vermerk vom 11. Juli 1973, S. 1. 51 Ebd. Nr. 1, Wasserwirtschaftsamt Lüneburg, Wahrnehmung der Landesinteressen beim Bau des Elbe-Seitenkanals im Jahre 1973, 8. Februar 1974, S. 11. 52 Wilder Mann, in: Der Spiegel Nr. 35 (24. August 1970), S. 67. 53 NLAH Nds. 500 Acc. 2002/172 Nr. 208, dpa landesdienst niedersachsen, Meldung vom 23. November 1970. 54 StAH 371–19 Nr. 154, Vermerk vom 31. August 1970. 55 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, 7. Wahlperiode, Drucksache VII/2046 vom 9. Mai 1972; StAH 371–19 Nr. 155, Schreiben an den Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen vom 10. Oktober 1972; NLAH Nds. 500 Acc. 2002/172 Nr. 208, Finanzierungsprogramm für den Bau des Elbe-Seitenkanals (Inbetriebnahme 1976), Stand: 25. Januar 1974. 56 Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes, Elbe-Seitenkanal, S. 133.

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Anmerkungen

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StAH 371–19 Nr. 1286, Vermerk vom 19. Februar 1982. StAH 371–19 Nr. 155, Vermerk vom 6. Dezember 1973, S. 4. Ebd., Elbe-Mittellandkanal GmbH, Zu Punkt 3 der Tagesordnung der 24. AR-Sitzung am 20. Juli 1971, S. 4, und Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen an den Senator für Wirtschaft und Verkehr der Freien und Hansestadt Hamburg, 25.  August 1971. 60 Vgl. Lütjen, Karl Schiller, S. 303–309. 61 Dieter Wulf, Kanal ohne Verkehr?, in: Zeitschrift für Binnenschiffahrt und Wasserstraßen 102 (1975), S. 509–510; S. 509. 62 StAH 371–19 Nr. 127, Vermerk vom 5. März 1975, S. 1. 63 StAH 371–19 Nr. 155, Der Elbe-Seitenkanal. Chance und Herausforderung für die Elbe-Schiffahrt. Ansprache von Hafenbaudirektor Dr.-Ing. Naumann, Hamburg, zum Elbeschiffahrtstag am 15. September 1972 in Lauenburg, S. 6. 64 StAH 371–19 Nr. 1320, Staatliche Pressestelle Hamburg, Bürgermeister Klose: Elbe-Seitenkanal gibt Hamburger Hafen kräftige Impulse, 15. Juni 1976, S. 4. 65 Kurt Broichhausen, Mit dem Schiff durch die Heide, Frankfurter Allgemeine vom 3. Mai 1968. 66 Nach dem Rammstoß gab’s eine dicke Zigarre, Bild-Zeitung vom 7. Mai 1968. 67 StAH 371–19 Nr. 155, Vermerk vom 14. Februar 1973. 68 Ebd., Vermerk vom 10. Dezember 1974. 69 Vgl. S. 10. 70 StAH 371–19 Nr. 155, Vermerk vom 10. Dezember 1974. 71 StAH 135–1 VI Nr. 2121, Vermerk vom 5. April 1976. 72 StAH 371–19 Nr. 1320, Vermerk vom 26. Mai 1976, S. 1. 73 NLAH Nds. 50 Acc. 2014/130 Nr. 7, Vermerk vom 5. März 1976. 74 Zum Verlauf des Festakts vgl. NLAS Rep. 98 Uelzen Nr. 4, Wasser- und Schiffahrtsdirektion Nord, Eröffnung des Elbe-Seitenkanals am 15. Juni 1976. Ablauf des Programms für den Herrn Bundesminister für Verkehr und die ihn begleitenden Ehrengäste. 75 Ebd., Veranstaltungsprogramm für die Kanaleinweihung. 76 StAH 371–19 Nr. 1320, Staatliche Pressestelle Hamburg, Bürgermeister Klose: Elbe-Seitenkanal gibt Hamburger Hafen kräftige Impulse, 15. Juni 1976, S. 1. 77 StAH 371–19 Nr. 155, Festrede von Senator Kern am Vorabend der Eröffnung des Lüneburger Kanalhafens am 4. Dezember 1975, S. 1. 78 Jubel in der Heide: Der Kanal ist voll, in: Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 16. Juni 1976. 79 StAH 371–19 Nr. 1320, ESK: Ein verkehrspolitischer Luxus.

Kapitel 9: Das Leck

Kapitel 9: Das Leck 1 2 3 4 5 6 7 8 9

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Landeszeitung [Lüneburg] vom 19. Juli 1976, S. 3.

BAK B 141/67296 Bl. 32. NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 2007/013 Nr. 4, Vermerk vom 16. Dezember

1976, S. 2. BAK B 141/67296 Bl. 34. Ebd. Bl. 33. NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 2016/100 Nr. 6, Abschlußbericht Dammbruch ESK, S. 1. Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes, Elbe-Seitenkanal, S. 132. StAL VA2 Nr. 2139, Vermerk vom 16. August 1976, S. 2. Natalie Zemon Davis, Die wahrhaftige Geschichte von der Wiederkehr des Martin Guerre, München 1984. Zur Kritik vgl. Robert Finlay, The Refashioning of Martin Guerre, in: American Historical Review 93 (1988), S. 553–571. Vgl. S. 185 f. StAH 371–19 Nr. 2409, Dipl.-Ing. Maximilian Puchner, Leitender Branddirektor, Dammbruch am Elbe-Seitenkanal bei Erbstorf im Landkreis Lüneburg am 18. Juli 1976, S. 3. Ebd., S. 4. Vgl. auch NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 2016/100 Nr. 6, Abschlußbericht Dammbruch ESK, S. 1. NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 2007/013 Nr. 3, Wasserwirtschaftsamt Lüneburg, Hydraulische Untersuchung über das Abflußverhalten des ElbeSeitenkanals im Falle eines Dammbruches, 18. November 1976, S. 12. StAH 371–19 Nr. 2409, Dipl.-Ing. Maximilian Puchner, Leitender Branddirektor, Dammbruch am Elbe-Seitenkanal bei Erbstorf im Landkreis Lüneburg am 18. Juli 1976, S. 5. So zum Beispiel BAK B 108/49799, Dr.-Ing M. Hager, Probleme bei Kreuzungsbauwerken in Dammstrecken. Seminar Talsperren- und Dammschäden, Ursachen und Sanierungen, vom 6. bis 7. Januar 1977, S. 8; Erich Lackner, Martin Hager, Der Schadensfall an der Unterführung Lüneburg/ Nutzfelde des Elbe-Seitenkanals und Folgerungen, in: Jahrbuch der Hafenbautechnischen Gesellschaft 37 (1979/80), S. 199–220; S. 208. StAH 371–19 Nr. 1286, Vermerk vom 22. Juli 1982, S. 4. NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 2007/013 Nr. 3, Wasserwirtschaftsamt Lüneburg, Hydraulische Untersuchung über das Abflußverhalten des ElbeSeitenkanals im Falle eines Dammbruches, 18. November 1976, S. 10. KAL 1032,1, Feuerwehrtechnische Zentrale Scharnebeck, 6. August 1976, Aufstellung der eingesetzten Feuerwehren beim Bruch des ESK am 18.7.76, S. 5. StAH 371–19 Nr. 2409, Dipl.-Ing. Maximilian Puchner, Leitender Branddirektor, Dammbruch am Elbe-Seitenkanal bei Erbstorf im Landkreis Lüneburg am 18. Juli 1976, S. 5, 9, 12. NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 2016/100 Nr. 6, Abschlußbericht Dammbruch ESK, S. 11.

309

310

Anmerkungen

21 22 23

BAK B 141/67296 Bl. 34. KAL 1032,1, Feuerwehrtechnische Zentrale Scharnebeck, Chronologischer Ablauf der Dammbruchkatastrophe des ESK am 18.7.76, S. 1.

Ebd., Bericht über die Rettung von 2 Männern und 5 Kindern in Adendorf OT Erbstorf, ›Im Stadtfelde‹ durch das Boot der Ortswehr Hohnstorf/Elbe, 3. August 1976. 24 NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 2016/100 Nr. 6, Abschlußbericht Dammbruch ESK, S. 2. 25 Ebd., S. 7. 26 Landeszeitung [Lüneburg] vom 19. Juli 1976, S. 3. 27 KAL 1032,1, Feuerwehrtechnische Zentrale Scharnebeck, Chronologischer Ablauf der Dammbruchkatastrophe des ESK am 18.7.76, S. 3. 28 StAL VA2 Nr. 2601, Auszug aus der Niederschrift über die Sitzung des Verwaltungsausschusses am 20. Juli 1976, Punkt 5. 29 NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 2016/100 Nr. 6, Behörde für Inneres, Feuerwehr, Tagesanordnung Nr. 56/76 vom 30. Juli 1976, S. 2. 30 Ebd., Abschlußbericht Dammbruch ESK, S. 3. 31 StAH 371–19 Nr. 2409, Dipl.-Ing. Maximilian Puchner, Leitender Branddirektor, Dammbruch am Elbe-Seitenkanal bei Erbstorf im Landkreis Lüneburg am 18. Juli 1976, S. 8. 32 Vgl. ebd., S. 9. 33 NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 2016/100 Nr. 6, Behörde für Inneres, Feuerwehr, Tagesanordnung Nr. 56/76 vom 30. Juli 1976, S. 1, und Abschlußbericht Dammbruch ESK, S. 4. 34 StAH 371–19 Nr. 2409, Dipl.-Ing. Maximilian Puchner, Leitender Branddirektor, Dammbruch am Elbe-Seitenkanal bei Erbstorf im Landkreis Lüneburg am 18. Juli 1976, S. 12. 35 StAL VA2 Nr. 2601, Auszug aus der Niederschrift über die Sitzung des Verwaltungsausschusses am 20. Juli 1976, Punkt 5, S. 3. 36 StAH 371–19 Nr. 2409, Dipl.-Ing. Maximilian Puchner, Leitender Branddirektor, Dammbruch am Elbe-Seitenkanal bei Erbstorf im Landkreis Lüneburg am 18. Juli 1976, S. 7, 12 f. 37 NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 2016/100 Nr. 6, Bundesanstalt Technisches Hilfswerk, Abschlußmeldung des Einsatzes Dammbruch »Elbe-Seitenkanal« vom 18. Juli 1976 bis 27. Juli 1976. 38 KAL 1032,1, Vermerk der Samtgemeinde Bardowick vom 17. August 1976. 39 StAH 371–19 Nr. 2409, Dipl.-Ing. Maximilian Puchner, Leitender Branddirektor, Dammbruch am Elbe-Seitenkanal bei Erbstorf im Landkreis Lüneburg am 18. Juli 1976, S. 14. 40 KAL 1032,7, Not-Funk-Dienst, Deutsches Rotes Kreuz, Einsatzprotokoll, Lüneburg, 20. Juli 1976, S. 2. 41 NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 2016/100 Nr. 6, Bundesanstalt Technisches Hilfswerk, Abschlußmeldung des Einsatzes Dammbruch »Elbe-Seitenkanal« vom 18. Juli 1976 bis 27. Juli 1976, S. 2. 42 KAL 1032,1, Aktennotizen zum Katastrophenalarm des Landkreises Lüneburg vom 18.7.76, S. 5.

Kapitel 9: Das Leck

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Ebd., Abschlußbesprechung des Katastropheneinsatzes vom 18./19.7.76, Verbesserungsvorschläge. Zitat S. 2. 44 Otto Puffahrt (Hg.), Vor 40 Jahren. Bruch des Elbe-Seitenkanals bei Erbstorf/Lüneburg am 18. Juli 1976. Text- und Bildersammlung, Lüneburg 2016, S. 24. 45 NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 2016/100 Nr. 6, Der Niedersächsische Minister des Innern, Hannover an den Chef des Britischen Verbindungsamtes für das Land Niedersachsen, 28. Juli 1976. 46 KAL 1032,1, Dip.-Ing. Fritz Reuter, Präsident der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Nord an den Ltd. Branddirektor Dipl.-Ing. M. Puchner, Behörde für Inneres, 9. September 1976, S. 1. 47 NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 2007/013 Nr. 3, Elbe-Seitenkanal-Dammbruch. Pressekonferenz am 19.07.1976 von 11.00 bis 12.00 Uhr im Kreishaus, Vermerk vom 19. Juli 1976, S. 1 f. 48 NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 2016/100 Nr. 6, Vermerk vom 23. Juli 1976. 49 StAL VA2 Nr. 2139, Vermerk vom 16. August 1976, S. 1. 50 BAK B 136/9799, Fernschreiben vom 19. Juli 1976. 51 StAL VA2 Nr. 2139, Stadt Lüneburg an die Stadtsparkasse Lüneburg, 26. Juli 1976. 52 StAL VA2 Nr. 2601, Auszug aus der Niederschrift über die Sitzung des Verwaltungsausschusses am 20. Juli 1976, Punkt 4. 53 Vgl. Michael Stolleis, Furchtbare Juristen, in: Etienne François, Hagen Schulze (Hg.), Deutsche Erinnerungsorte II, München 2009, S. 535–548. 54 BAK B 136/9799, Sprechzettel zur Kabinettssitzung am 21. Juli 1976. 55 BAK B 141/67294, Vermerk vom 13. September 1976, S. 5. 56 StAL VA2 Nr. 2139, Vermerk vom 16. August 1976, S. 2. 57 Ebd., Schreiben an den Oberstadtdirektor der Stadt Lüneburg vom 28. Oktober 1976. 58 Ebd., Vermerk vom 21. Juli 1976, S. 1. 59 Ebd., Vermerk vom 20. September 1976. 60 BAK B 136/9799, Der Bundesminister für Verkehr an den 1. Vorsitzenden des Turn- und Sportvereins Erbstorf e. V., 31. August 1976. 61 StAL VA2 Nr. 2139, Vermerk vom 13. August 1976. 62 Ebd., Turn- und Sportverein Erbstorf an die Stadt Lüneburg, 16. Januar 1977. 63 NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 2007/013 Nr. 4, Vermerk vom 16. Dezember 1976, S. 2. 64 StAL VA2 Nr. 2139, Wasser- und Schiffahrtsdirektion Nord an die Stadt Lüneburg, 30. März 1977 und Vermerk vom 23. Mai 1977. 65 StAL VA2 Nr. 2601, Schreiben vom 24. August 1979. 66 StAH 371–19 Nr. 1320, Schreiben des Bundesministers für Verkehr vom 17. August 1976. 67 Ebd., Vermerk vom 6. August 1976, S. 2. 68 KAL 1032,1, Schreiben vom 14. Februar 1980. 69 NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 2007/013 Nr. 3, Schreiben an den Regierungspräsidenten Lüneburg vom 20. August 1976.

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Anmerkungen

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BAK B 136/9799, Gegenwärtige Probleme der Geschädigten »Bruch ElbeSeiten-Kanal«. Gesprächsergebnis MdB Möhring mit den Geschädigten, Stand: 25. August 1976, S. 3. BAK B 108/49799, Der Bundesminister für Verkehr an die Wasser- und Schiffahrtsdirektion Nord, 28. Juli 1976. Ebd., Wasser- und Schiffahrtsdirektion Nord an den Bundesminister für Verkehr, 4. August 1976, S. 3. Keine klaren Hinweise auf die Unglücksursache, Neue Osnabrücker Zeitung vom 20. Juli 1978. Eckart Spoo, »Vielleicht hat da jemand ein Loch gebohrt«, Frankfurter Rundschau vom 21. Juli 1976. Tickt auch in Uelzen eine Zeitbombe? Allgemeine Zeitung der Lüneburger Heide vom 20. Juli 1976. NLAS Rep. 180 Mil Nr. 104, Niederschrift über die Besprechung über Fragen des Feuerschutzes auf dem Elbe-Seitenkanal am 24. Februar 1976 in Scharnebeck. NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 2007/013 Nr. 3, Schreiben des Regierungspräsidenten Lüneburg vom 30. Juli 1976. Ebd., Ergebnisprotokoll der Erörterung von Fragen der Gefahrenabwehr und der Hilfeleistung im Bereich des Elbe-Seiten-Kanals am 17. August 1976 in Uelzen. KAL 1032,1, Wasserwirtschaftsamt Lüneburg an den Landkreis, 3. August 1976; NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 2007/013 Nr. 3, Telefonvermerk vom 23. Juli 1976. BAK B 108/49799, Zusammenfassende Darstellung über den Bruch des Kanalseitendammes am ESK bei Lüneburg am 18.7.1976 (Stand 30.7.1976), S. 3. NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 2007/013 Nr. 3, Schreiben an den Regierungspräsidenten Lüneburg vom 20. August 1976, S. 2. Ebd. Nr. 2, Dipl.-Ing. Fritz Reuter, Präsident der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Nord an den Regierungspräsidenten Rolf Wandhoff, 26. November 1976. NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 2007/013 Nr. 3, Schwimmende Sperrtore am Kanal. Landeszeitung Lüneburg vom 26./27. März 1977. StAH 371–19 Nr. 1297, Kurzfassung des Vortrages von Präsident Reuter, Wasser- und Schiffahrtsdirektion Nord, vor dem Verein zur Förderung des Elbstromgebietes am 15. September 1977 in Lüneburg, S. 1. NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 2007/013 Nr. 4, Vermerk vom 10. März 1977, S. 1. BAK B 108/49799, Der Bundesverkehrsminister an die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord, 28. Juli 1976. BAK B 136/9799, Sachverständigengruppe Dammbruch Elbe-Seitenkanal, Gutachten zur Untersuchung der Schadensursache des Dammbruchs am Elbe-Seitenkanal bei km 102,709 am 18. Juli 1976, Band 1, S. 9. BAK B 108/49799, Sachverständigengruppe Dammbruch Elbe-Seitenkanal, Folgerungen aus den Untersuchungen der Schadensursache des Dammbruchs am Elbe-Seitenkanal, Band 1, S. 9.

Kapitel 10: Blühende Landschaften

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Kurt Grobecker, Hafen Hamburg. Sechs Jahrzehnte Erfolgsgeschichte, 2. Aufl. Hamburg 2004, S. 121. NLAH Nds. 500 Acc. 2002/172 Nr. 187, Vermerk vom 23. Oktober 1962, S. 4. NLAS Rep. 98 Uelzen Nr. 1, Vermerk vom 13. Januar 1976, S. 1. Zur Fehleranfälligkeit großtechnischer Systeme klassisch Charles Perrow, Normale Katastrophen. Die unvermeidlichen Risiken der Großtechnik, Frankfurt 1992. Für die Sicht des Verfassers vgl. Frank Uekötter, Die Technische Katastrophe im Zeitalter ihrer elektronischen Reproduzierbarkeit, oder: Wege zu einer Historisierung der Risikotechnologien, in: Werkstatt Geschichte 63 (2013), S. 101–107. BAK B 108/49799, Vermerk vom 10. Februar 1977, S. 1. Ebd., Prof. Dr.-Ing. Erich Lackner, Bremen an den Baudirektor Dr.-Ing. Martin Hager, Bundesministerium für Verkehr, 22. März 1977, S. 2. Dammbruch am Heide-Suez kommt nicht vor Gericht, Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 4. Januar 1978. StAH 371–19 Nr. 1320, Mitteilungen aus dem Bundesverkehrsministerium, 21. September 1976, S. 2. BAK B 108/49799, Vermerk vom 22. Dezember 1976, S. 2. Ebd., Vermerk vom 7. Februar 1977. Ebd., Martin Hager, Probleme bei Kreuzungsbauwerken in Dammstrecken. Seminar Talsperren- und Dammschäden, Ursachen und Sanierungen vom 6. bis 7.1.1977, S. 16. NLAH Nds. 1540 Acc. 2005/108 Nr. 8, Wasser- und Schiffahrtsdirektion Mitte an den Bundesminister für Verkehr, 17. Februar 1978, S. 5. NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 2016/100 Nr. 6, Bezirksregierung Lüneburg an die Wasser- und Schiffahrtsdirektion Hannover, April 1983. StAH 371–19 Nr. 1286, Vermerk vom 28. Januar 1985. Vgl. ebd., Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Landwirtschaft an die Senatskanzlei, 11. Februar 1985.

Kapitel 10: Blühende Landschaften 1 2 3 4 5 6

Geschichte der CDU – Birgit Breuel, online verfügbar unter https://www. kas.de/web/geschichte-der-cdu/personen/biogramm-detail/-/content/ birgit-breuel-v1 (zuletzt aufgerufen am 26. November 2019). StAH 371–19 Nr. 1297, Vermerk vom 6. Februar 1980. Ebd., Wasser und Schiffahrtsdirektion Nord, Schiffahrtspolizeiliche Anordnung für die Schiffahrt auf dem Elbe-Seitenkanal (ESK), 21. Juni 1977. StAH 371–19 Nr. 1286, Vermerk vom 22. Juli 1982, S. 5. StAH 371–19 Nr. 1297, Seidewinkel an den Senator, 11. September 1978, S. 1. HVCC optimiert Abfertigung von Binnenschiffen im Hamburger Hafen, online verfügbar unter https://hhla.de/de/container/aktuell/2019/05/hvccoptimiert-anlaeufe-von-binnenschiffen.html?tx_otoldnewgallery_

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Anmerkungen

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piNewsGallery%5BshowUid%5D=1935&cHash=e2d403686bfaa6dfb93aa85012ca1964 (zuletzt aufgerufen am 26. November 2019). StAH 135–1 VI Nr. 2121, Bericht des Vorstandes des Vereins zur Förderung des Elbstromgebietes e. V. über seine Tätigkeit seit der letzten Mitgliederversammlung am 31. März 1976 bis heute, S. 5. StAH 371–19 Nr. 1297, Seidewinkel an den Senator, 11. September 1978, S. 2. Helmut Trapp, Der Elbe-Seitenkanal 5 Jahre in Betrieb. Eine Zwischenbilanz, in: Zeitschrift für Binnenschiffahrt und Wasserstraßen 109 (1982), S. 116–121, 123–124; S. 123, 124. Ebd., S. 124. StAH 371–19 Nr. 1286, Verein zur Förderung des Elbstromgebietes an die Mitglieder unseres Vereins, 18. Juni 1982. StAH 371–19 Nr. 1297, Vermerk vom 6. Februar 1980. Teure Rinne, in: Der Spiegel Nr. 33 (14. August 1978), S. 74–75. Unter Naturschutz, in: Der Spiegel Nr. 19 (4. Mai 1981), S. 90, 92, 94; S. 92. Ebd., S. 90. Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes, Elbe-Seitenkanal, S. 72, 74, 75. Vgl. Friedemann Schmoll, Erinnerung an die Natur. Die Geschichte des Naturschutzes im deutschen Kaiserreich, Frankfurt 2004, S. 212–224; Jens Ivo Engels, Naturpolitik in der Bundesrepublik. Ideenwelt und politische Verhaltensstile in Naturschutz und Umweltbewegung 1950–1980, Paderborn 2006, S. 95. StAH 371–19 Nr. 153, Vermerk des Regierungspräsidenten Lüneburg vom 15. November 1950, S. 3. NLAH Nds. 1540 Acc. 2002/045 Nr. 12, Gutachten des Ausschusses für technische Fragen des Nordsüdkanal-Vereins. Braunschweig, den 31. Januar 1955, S. 12. NLAH Nds. 600 Acc. 114/88 Nr. 87, Niedersächsische Landesstelle für Naturschutz und Landschaftspflege an den Niedersächsischen Kultusminister, 13. Dezember 1951. Vgl. S. 182 f. NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 104/82 Nr. 125, Niedersächsisches Landesverwaltungsamt, Naturschutz und Landschaftspflege, Berücksichtigung von Naturschutz und Landschaftspflege bei der Planung des Elbe-Seitenkanals. Zwischenbericht. Stand: April 1967, S. 8. NLAH Nds. 120 Lüneburg Acc. 2007/013 Nr. 9, Vermerk vom 12. Oktober 1962, S. 6. NLAH Nds. 600 Acc. 114/88 Nr. 87, Der Niedersächsische Kultusminister an den Niedersächsischen Minister des Innern, für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und für Wirtschaft und Verkehr, 12. Juli 1967, S. 2. Zu den Grenzen des Wachstums jüngst Patrick Kupper, Elke Seefried, »A Computer’s Vision of Doomsday«. On the History of the 1972 Study The Limits to Growth, in: Frank Uekötter (Hg.), Exploring Apocalyptica. Coming to Terms with Environmental Alarmism, Pittsburgh 2018, S. 49–74.

Was ist eigentlich ein Skandal?

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Franz J. Schroiff, Das Binnenschiffahrts-Verkehrssystem. Die Bedeutung der Wasserstraßen und der Binnenschiffahrt für die räumliche Entwicklung, Hannover 1984. Zitate S. 108, 103, 208, 214, 213. NABU, Die Elbe-Erklärung im Wortlaut. online verfügbar unter https:// www.nabu.de/natur-und-landschaft/fluesse/elbe/00660.html (zuletzt aufgerufen am 26. November 2019). Maike Rademaker, Verkehrsministerium baggert weiter, in: die tageszeitung Nr. 6012 (9. Dezember 1999), S. 9. Rafaela von Bredow, Angriff aufs Auenland, in: Der Spiegel Nr. 50 (12. Dezember 2005), S. 152–155. Projektinformationssystem zum Bundesverkehrswegeplan 2030, Projektinfo W 33 Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals, online verfügbar unter https:// www.bvwp-projekte.de/wasserstrasse/w33/w33.html (zuletzt aufgerufen am 26. November 2019). Preuß, Hafen Hamburg, S. 60. Ähnlich Wolfgang Michalski, Hamburg. Erfolge und Erfahrungen in der globalisierten Welt, Hamburg 2010, S. 434. StAH 371–19 Nr. 154, Zusammenstellung von möglichen Argumenten, die die DB gegen den Bau des Nord-Süd-Kanals vorbringen könnte, sowie deren Widerlegung, 2. Juni 1961, S. 4. Tode, H. Hoebel 75 Jahre alt, in: Der Bauingenieur 27 (1952), S. 138 (Zitat); Seiler, Ministerialdirektor i. R. Dr.-Ing. E.h. Hans Hoebel gestorben, in: Die Wasserwirtschaft 57 (1967), S. 149–150. NLAH Nds.  120 Lüneburg Acc.  104/82 Nr.  118, Ministerialdirektor a. D. Dr. Hoebel an Burmester, 22. März 1952, S. 1. Ebd., S. 1, 3. Ebd., S. 4.

Was ist eigentlich ein Skandal? 1 2 3 4 5

6

[Anonym], Vorwort, in: Georg M. Hafner, Edmund Jacoby (Hg.), Die Skandale der Republik, Hamburg 1990, S. 12. Ebd., S. 11. Vgl. Hans-Peter Schwarz, Helmut Kohl. Eine politische Biographie, München 2012. Niklas Luhmann, Rechtssoziologie, Bd.1, Reinbek 1972, S. 62. Vgl. etwa Rolf Ebbinghausen, Sighard Neckel (Hg.), Anatomie des politischen Skandals, Frankfurt 1989; John B. Thompson, Political Scandal. Power and Visibility in the Media Age, Cambridge 2000; Karl Otto Hondrich, Enthüllung und Entrüstung. Eine Phänomenologie des politischen Skandals, Frankfurt 2002; Frank Bösch, Öffentliche Geheimnisse. Skandale, Politik und Medien in Deutschland und Großbritannien 1880–1914, München 2009. Martyn Rady, Romania in Turmoil. A Contemporary History, London 1992, S.  66; Wim van Meurs, Der Donau-Schwarzmeer-Kanal. Eine Großbau-

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Anmerkungen

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stelle des Kommunismus, in: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 2012, S. 113–128. StAH 135–1 VI Nr.  2120, Rede Bgm Prof. Dr. Weichmann anläßlich des 1. Spatenstiches für den Elbe-Seiten-Kanal in Artlenburg am 6. Mai 1968, S. 7. Gerd Koenen, Das rote Jahrzehnt. Unsere kleine deutsche Kulturrevolution 1967–1977, Frankfurt 2002, S. 133. StAH 135–1 VI Nr.  2120, Rede Bgm Prof. Dr. Weichmann anläßlich des 1. Spatenstiches für den Elbe-Seiten-Kanal in Artlenburg am 6. Mai 1968, S. 7. Vgl. Herbert Weichmann im Gespräch mit Joachim Fest, in: Karl B. Schnelting (Hg.), Zeugen des Jahrhundert. Portraits aus Politik und Politischer Wissenschaft, Frankfurt 1982, S. 131–160. Uwe Bahnsen, Die Weichmanns in Hamburg. Ein Glücksfall für Deutschland, Hamburg 2001, S. 327–329, 407, 438. »Frech, gewaltlos, nicht ohne persönliches Risiko«, online verfügbar unter https://www.spiegel.de/lebenundlernen/uni/studentenbewegung-plakatunter-den-talaren-muff-von-1000-jahren-wird-50-a-1176988.html. Bernd-A. Rusinek, Wyhl, in: Etienne François, Hagen Schulze (Hg.), Deutsche Erinnerungsorte II, München 2001, S. 652–666. BAK B 108/15622, Vermerk der Abteilung Wasserstraßen vom 10. März 1965, S. 1. Ebd., Vermerk der Abteilung Wasserstraßen vom 10. Februar 1965, S. 2. StAH 135–1 VI Nr.  2120, Rede Bgm Prof. Dr. Weichmann anläßlich des 1. Spatenstiches für den Elbe-Seiten-Kanal in Artlenburg am 6. Mai 1968, S. 4. Dazu Johannes Bähr u. a., Der Flick-Konzern im Dritten Reich, München 2008. Hans Magnus Enzensberger, Kassensturz. Ein Bonner Memorandum, in: Georg M. Hafner, Edmund Jacoby (Hg.), Die Skandale der Republik, Hamburg 1990, S. 195–225; S. 198, 199. BAK B 108/7278, Deutsche Bundesbahn, Der Vorstand an den Bundesminister für Verkehr Hans-Christoph Seebohm, 17. Januar 1962. Vgl. S. 103 f. BAK B 108/7279, Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Wirtschaft und Verkehr, Der Präses an den Bundesminister für Verkehr Hans-Christoph Seebohm, 4. Mai 1962, S. 1. Vgl. S. 108. »Eine neue Kanal-Ära«, Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 8.  April 1952 und StAH 371–19 Nr. 153, Frankfurter Allgemeine Zeitung an den Geschäftsführer des Nord-Süd-Kanalvereins Dr. Klöver, 4. Juni 1952. Der Stern vom 6. Mai 1976. Frankfurter Allgemeine vom 3. September 1976. Enzensberger, Kassensturz, S. 223. Vgl. S. 117. Dazu BAK B 126/22439.

Historiographisches Nachwort

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Wolfgang Hoffmann, Daraus sollte man lernen, in: Die Zeit Nr. 3 (20. Januar 1978), S. 13. BAB R 43-I/2143 Bl. 70. Ebd. Bl. 72. Der Spiegel 32/2002. Max Weber, Politik als Beruf, in: Max Weber Gesamtausgabe Abt. 1 Bd. 17, Tübingen 1992, S. 157–252; S. 251f.

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Vgl. Hayden V. White, Die Bedeutung der Form. Erzählstrukturen in der Geschichtsschreibung, Frankfurt 1990. Vgl. Edgar Wolfrum, Die geglückte Demokratie. Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von ihren Anfängen bis zur Gegenwart, München 2007. Frank Biess, Astrid M. Eckert, Introduction: Why Do We Need New Narratives for the History of the Federal Republic?, in: Central European History 52 (2019), S. 1–18. Vgl. Conze, Suche nach Sicherheit. Vgl. Caro, The Power Broker. Bundesarchiv, Hans Clausen Korff (1905–2000), online verfügbar unter http://www.bundesarchiv.de/cocoon/barch/1121/z/z1960a/kap1_11/para2_ 140.html (zuletzt abgerufen am 26. November 2019). Hans Clausen Korff (Hg.), Beiträge zur Methodik des Berichtswesens in integrierten Budgetierungssystemen, Berlin 1979. Vgl. Hilary Ballon, Kenneth T. Jackson (Hg.), Robert Moses and the Modern City. The Transformation of New York, New York 2007; Joann P. Krieg (Hg.), Robert Moses. Single-Minded Genius, Interlaken, New York 1989. Vgl. Acemoglu und Robinson, Warum Nationen scheiterten. Vgl. zum Folgenden Scott, Seeing. James C. Scott, Applaus dem Anarchismus. Über Autonomie, Würde, gute Arbeit und Spiel, Wuppertal 2014. Spekulation um 77 neue Reaktoren, Süddeutsche Zeitung vom 8. November 1975. Stephen Milder, Greening Democracy. The Anti-Nuclear Movement and Political Environmentalism in West Germany and Beyond, 1968–1983, Cambridge 2017. StAH 131–1 II Nr. 2692, Einladung zum Ersten Spatenstich für die Elbe-Staustufe und das Pumpspeicherwerk Geesthacht, 6. Dezember 1955. ALG A31–98, Edgar Engelhard an Erich Mende, 2. März 1962. Birgit Metzger, «Erst stirbt der Wald, dann du!” Das Waldsterben als deutsches Politikum (1978–1986), Frankfurt 2015, S. 289–294. BAK B 295/7219, Abteilungsleiter U an Herrn Minister über Herrn Staatssekretär Dr. Hartkopf, 6. Mai 1982, S. 2.

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Anmerkungen

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Ebd. Ausführlich zum Thema Kenneth Anders, Frank Uekötter, The Sum of All German Fears. Forest Death, Environmental Activism, and the Media in 1980s Germany, in: Frank Uekötter (Hg.), Exploring Apocalyptica. Coming to Terms with Environmental Alarmism, Pittsburgh 2018, S. 75–106. Anna-Katharina Wöbse, Weltnaturschutz. Umweltdiplomatie in Völkerbund und Vereinten Nationen 1920–1950, Frankfurt 2012, S. 177–179. Frida M. Pfirter de Armas, Argentina and the Law of the Sea, in: Ralph Zacklin (Hg.), The Changing Law of the Sea. Western Hemisphere Perspectives, Leiden 1974, S. 169–187; S. 184. Ulrich Wengenroth, Technik der Moderne. Ein Vorschlag zu ihrem Verständnis. Version 1.0, München 2015, verfügbar unter https://www.fggt.edu. tum.de/fileadmin/tueds01/www/Wengenroth-offen/TdM-gesamt-1.0.pdf (zuletzt abgerufen am 28. August 2019). Zitat S. 82. Frank Biess, Republik der Angst. Eine andere Geschichte der Bundesrepublik, Reinbek bei Hamburg 2019. John R. McNeill, Peter Engelke, The Great Acceleration. An Environmental History of the Anthropocene since 1945, Cambridge, Mass. 2014, S. 209. Scott, Applaus dem Anarchismus, S. 14 f.

Register Abschnitte, in denen ein Stichwort schwerpunktmäßig diskutiert wird, sind mit Fettdruck markiert. 1000-Tonnen-Schiff 53, 80, 124, 231 1350-Tonnen-Schiff (Europaschiff) 53, 118, 124 Aachen 78 Abwässer 49, 79 Achim 64 f., 70–72, 268 Adenauer, Konrad 80 f., 106, 118, 127, 133, 159, 242 Ägypten 48, 55, 191 Ahrens, Hermann 136 Aida 190 f., 261 Akademie für Raumforschung und Landesplanung 227 al-Banna, Hassan 48 Albers, Hans 59, 189 Albrecht, Ernst 220 Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik 87 Aller 67 Allgemeine Zeitung der Lüneburger Heide 214

Alsterzentrum 97 Altenwerder 179 Altona 59, 62, 74 Angler 47 f., 224, 228 siehe auch Fischerei Antwerpen 64 Arbeiter-Samariter-Bund 198 Arbeitsbeschaffung 42, 55, 72 f. Arbeitsgemeinschaft zum Schutz von Hochrhein und Bodensee 141, 178 f. Argentinien 83, 86, 264 f. Arminius 23, 25 Artlenburg an der Elbe 54, 56, 236, 271 Aschaffenburg 64 Atlantik 34, 46 Atombomben 52 Atomkraft 9, 14, 52, 177 f., 227, 233 f., 236, 260 f. Augustus 34 Auswärtiges Amt 90, 145

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Register

Autarkie 158 Autobahnbau 8, 10, 17 f., 36, 74, 76, 92, 109 f., 126, 186, 237 Bad Bodenteich 38, 183 f. Baden-Württemberg 95, 141 f., 178 f. Bahr, Egon 85 Bamberg 51 Barbarossa 23 Barschel, Uwe 233 Basel 178 Baumeister der Moderne 36, 255 siehe auch Erbauer von Infrastrukturen Bayern 141, 143 Beatles 59 Belgien 64 Belgrad 168 Bergepanzer 12 f., 200, 206, 208 f. Berkenkopf, Paul 93, 114–117, 120, 146, 240, 242, 262, 270 Berkenkopf-Gutachten 98, 114–117, 157, 160, 187, 222, 229, 240, 242, 262, 270 f. Berlin 15, 28, 68, 71, 76, 88, 146, 148, 231 Best, Werner 46 Beust, Ole von 94 Bewässerung 34, 47, 183, 215, 222 Bielefeld 231 Bild 188 Binnenschiffahrtsverband Elbe 75 Birnbaum, Hans 158 Bismarck, Otto von 34, 59 Blumfeld, Erik 81 Bochum 42 Bodensee 47, 57, 78, 141, 178 Bodenteich siehe Bad Bodenteich Bollensen 184 Bonn 76, 79, 102, 107, 115 f., 118, 127, 141, 144, 167, 169, 171, 251 Brackmann, Norbert 17, 125, 229 Brahms, Johannes 59 Bramsche 65, 70 f., 80, 268 Bramsche-Stade-Kanal 64, 67 Brandt, Willy 85, 258

Brauer, Max 82 Braun, Otto 70, 72, 92 Braunkohle 43, 107 Braunschweig 66, 80, 107 f., 112, 122, 126, 134, 149, 160, 223 Bremen 39, 41, 50 f., 62–72, 74, 77, 79, 82, 93, 108, 114, 116, 118, 123–125, 131, 186, 199, 244, 268, 270 Bremerhaven 125, 231 Brentano, Heinrich von 90, 145 Brest 46 Breuel, Birgit 220 f., 224 Brokdorf 14 Brüning, Heinrich 42, 72 Brunsbüttel 38, 124 Buddenbrooks 62 Büchergilde Gutenberg 233 Buenos Aires 83 Bürgerinitiativen 14, 179, 212 f., 238, 253 siehe auch Zivilgesellschaftlicher Protest Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten 84, 145 Bund der Steuerzahler 160, 243 Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) 229 Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung 153 Bundesanstalt für Gewässerkunde 182 Bundesbahn 8, 10, 12, 42 f., 76, 83 f., 89, 92 f., 108–110, 117, 124, 126, 130, 135, 140, 144, 156 f., 159–162, 169 f., 179, 187 f., 194, 210, 221, 228, 240 f., 244, 271 Bundesgrenzschutz 198 Bundeshaushalt siehe Haushaltsrecht Bundeskabinett 35, 106, 113, 137, 143, 165 f., 187, 210 Bundeskanzleramt 210, 262 Bundesministerium der Finanzen 9, 76, 81, 108, 110, 114, 116, 119, 137 f., 140 f., 143, 162–166, 185, 187, 210, 256, 271

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Bundesministerium der Justiz 110, 210 f. Bundesministerium der Verteidigung 151–153, 185 Bundesministerium des Innern 177, 264 Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 181 Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen 91, 111 f. Bundesministerium für Verkehr 14, 17, 28, 54, 56 f., 75, 77, 80, 82, 84, 87, 90, 92 f., 99, 101 f., 105–119, 124, 134, 136 f., 139 f., 142, 145–147, 152, 161 f., 164–166, 169, 171 f., 174, 189, 210, 213 f., 216–218, 229–231, 240, 242 f., 262, 272 Bundesministerium für Wirtschaft 76, 96 Bundespost 157 Bundespräsident 209 Bundesrat 82 Bundesrechnungshof 243 Bundestagsabgeordnete 17, 94, 104, 107, 109, 125, 127, 129 f., 132, 137, 165, 213, 229, 248 Bundestagswahlen 107, 116, 122, 127, 138, 140 f., 143, 166, 169, 189, 211, 248 Bundesverband der deutschen Binnenschifffahrt 34, 129, 227 Bundesverband Spedition und Lagerei 130 Bundesverfassungsgericht 122, 176 Bundesverkehrswegeplan 17, 189, 229, 272 Bundeswasserbaugesetz 176 Bundeswehr 12 f., 151–155, 198–200, 206, 208 f. Canal du Midi 34, 37, 44, 46, 50 Canossa 23 Carstens, Karl 79 CDU 17, 81, 84, 106, 111, 116, 125, 127, 129, 131–133, 137 f., 140, 220, 229, 271 Celle 67 Chemnitz 79

Cholera 48, 61 Citroën 24 Club of Rome 227 Coburg 51 Container 9, 61, 83, 200, 206, 221 f., 230 Contergan-Skandal 233 CSU 17, 111, 116, 127, 131–133, 143, 177, 229, 271 Dänemark 62 Dahlgrün, Rolf 131, 137 f., 140 f., 143, 162, 165 f. Daitz, Werner 41, 46 f., 51, 74 DDR 87–91, 93 f., 129, 146, 148, 157, 247 siehe auch Deutschlandpolitik, Kalter Krieg Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) 198, 200 Deutsche Partei 84, 106, 269 Deutsche Volkspartei 42 Deutscher Industrie- und Handelstag 220 Deutscher Städtetag 210 Deutsches Rotes Kreuz 198 Deutschlandpolitik 90, 144–148 siehe auch Wiedervereinigung Diederichs, Georg 56, 134, 142, 175 Dörverden 71 Donau 47, 78, 168 Donau-Schwarzmeer-Kanal 234 Dortmund-Ems-Kanal 69 Doublethink 117 Dresden 89 Düsseldorf 138 Duisburg 64 Ebensberg 194, 208 Echem 183 Eckel, Etta 250 f. Edertalsperre 52 Eigenwirtschaftlichkeit 117 f., 161 Eilers, Jan 136 Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse 22 f., 150 Einstein, Albert 24

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Eisenbahn 39, 44 f., 67 siehe auch Bundesbahn, Reichsbahn, Osthannoversche Eisenbahnen Eisenbeton Gleitbaugesellschaft Heinrich Klotz & Co 244 Eisenerzbergbau im Salzgitteraner Revier 134 f., 159 Eisenmann, Otto 130 f. Elbe 7, 17, 26, 31, 40, 42, 47, 52–54, 64 f., 67, 71, 73, 75, 79–84, 87 f., 93, 96, 101, 103, 124, 128 f., 140, 145 f., 148, 183, 194, 212, 215, 229–231, 269, 272 Elbe Allianz 272 siehe auch NordSüd-Kanal-Verein, Verein zur Förderung des Elbstromgebietes Elbe-Erklärung 229, 272 Elbe-Lübeck-Kanal 17, 28, 38, 40, 57, 66, 124 f., 137 f., 140, 222, 229, 272 Elbe-Trave-Kanal historischer Name des Elbe-Lübeck-Kanals Elbphilharmonie 28, 59 Elbtunnel 98 Elbvertiefung 81, 230 Emden 68–70, 82, 108, 125 f., 134 Emotionsgeschichte 195, 265 Engberding, Heinrich 69 Engelbrechten, Georg von 180 f. Engelhard, Edgar 99, 108, 117 f., 126, 131 f., 138, 141 f., 149, 164, 166 f., 170, 257, 262 Enteignung 23, 181, 200 Erbauer von Infrastrukturen 36–41, 174, 255 siehe auch Strippenzieher Erbstorf 185, 210 f. Erdöl 9, 13, 92, 125, 211 Erfolgsmodell Bundesrepublik 252 f. Erhard, Ludwig 106, 127 Eroberung der Natur 32 f., 39, 41, 48–53 Eröffnungsfeiern 54–58, 143, 167, 188–191, 261 Erster Weltkrieg 63 Erzimporte 9 f., 125, 134 f., 144, 159, 179, 188, 221 Eschenburg, Theodor 106 f.

Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl 80, 131, 135 Europäische Investitionsbank 104 Europäische Konferenz der Verkehrsminister 118 f., 124 Europäische Union 59, 105 Europäische Wirtschaftsgemeinschaft 11 f., 104 f., 119, 149, 270 Europaschiff siehe 1350-Tonnen-Schiff Expo 2000 221 Falklandinseln 265 Faust II 54–56, 235 f., 261 FDP 17, 35, 84 f., 99, 111, 116 f., 127– 133, 137 f., 143, 147, 162, 262–264, 271 Feuerwehr 192 f., 196–199, 208, 214 Filbinger, Hans 178 Finnland 149 Fischerei 183, 228 siehe auch Angler Flensburg 124, 140 Flick, Friedrich Karl 239, 241 Flughafen Berlin 15, 28 Flurbereinigung 173, 181, 222 Flutkatastrophe vom 18. Juli 1976 12, 16, 41, 154, 179, 192–219, 226, 228, 243, 250, 272 Föderalismus 8, 11, 16, 22, 25–27, 57, 121–143, 176, 179, 219, 238, 253 f., 263 Forstverwaltung 152, 183 siehe auch Wald Fortschrittsdenken 33, 43 f., 52, 57, 98 siehe auch Naturbeherrschung, Wachstumsdenken Fossa Carolina 34 f. Fossa Eugeniana 43 Franke, Egon 170 Frankfurt 14, 244 Frankfurter Allgemeine 90, 188, 241 Frankfurter Rundschau 41, 214 Frankreich 24, 34, 42, 44, 46, 64, 112, 119, 131 Franz I. 34 Franzius, Otto 40, 66 Freizeitverkehr 32, 47, 222, 224 Friedrich der Große 23, 31, 33 Furchtbare Juristen 210 f.

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Garbo, Greta 24 Geesthacht siehe Staustufe Geesthacht Generalgouvernement Polen 161 Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen 36 Generalinspektor für Wasser und Energie 67 Genf 88 Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands 191 Gifhorn 92, 224 Gleichwertige Lebensverhältnisse 23, 150 Globke, Hans 233 Göring, Hermann 73 Goethe, Johann Wolfgang von 54 f., 57 f., 175, 190, 235 Gorki, Maxim 44 Gorleben 177–179 Graaff, Carlo 135, 149 Grenzen des Wachstums 18, 57, 227–232 Groß-Hamburg-Gesetz 62, 122 Großbritannien 20, 37 f., 41–43, 63, 185, 209, 254, 264 f., 275 Großraumwirtschaft 11, 46, 51, 76 Grünen, Die 227 Grundgesetz 23, 26, 105, 107, 121– 123, 138 f., 145, 150, 159, 176 f., 238, 268 Gscheidle, Kurt 189 Gutschow, Konstanty 74 Hafen Lüneburg 143, 150, 154, 189 f., 208, 212 f., 271 Hafengeburtstag Hamburg 60 Hager, Martin 218 Halle an der Saale 66 Hallstein, Walter 105 Hamburg-Mittelweser-Kanal 103 Hamburg-Unterweser-Kanal 103 Hamburger Abendblatt 59 Hamburger Hafen- und LagerhausAktiengesellschaft (HHLA) 11, 83, 91, 179, 222 Hameln 67

Handelskammer Hamburg 40–43, 64, 68 f., 77, 100, 133, 156, 171, 187, 220 Handke, Peter 128 Hannover 40, 65–67, 104, 134 f., 140 f., 167, 216, 220, 223, 231 siehe auch Niedersachsen Hansa-Kanal-Vereine 40, 42, 65, 67 f., 71, 73, 75, 78, 100, 268 Hansakanal 39–42, 44 f., 47, 50 f., 63–75, 101, 103, 112, 124 f., 130, 244, 268 f. Hansaport 179 f., 188 Hanse 47, 143 Harburg 62, 65, 73, 269 Hartkopf, Günter 264 Hauff, Volker 56, 142 Haushaltsrecht 101, 104, 165 Havelkanal 88 Heide-Suez 28, 55, 140, 225 Heilbronn 78 Heinrich IV. 34 Hemelingen 71 Hennig, Richard 38, 44 Herrenchiemsee 121 Hessen 95, 176 Historische Schule der Nationalökonomie 115 Hitler, Adolf 31, 36, 40, 233 Hobbes, Thomas 267 Hochhuth, Rolf 210 Hochrhein 47, 57, 78, 131, 141 f., 178–180 Hochwasser 47, 183, 205, 221, 223 Hoebel, Hans 231 f. Höbold, Kurt 110 Höcherl, Hermann 177 Hoffmann, Wolfgang 243 Hohnstorf 198 Hugo, Otto 41 f., 69 Hunte 69 Hydroelektrische Energie 70, 81 Iller 78 Ilmenau 194, 200, 203–205, 208, 211, 213

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Ilseder Hütte 134 f. siehe auch Salzgitter-Konzern Industrie- und Handelskammer Berlin 148 Industrie- und Handelskammer Bochum 42 Industrie- und Handelskammer Braunschweig 107, 112, 134 Industrie- und Handelskammer für Ostfriesland und Papenburg 69, 126 Industrie- und Handelskammer Kiel 124 Industrie- und Handelskammer Lüneburg 78, 167 Informationsstelle Nordsüdkanal 103 f., 169, 240 Informationszentrum beim Schiffshebewerk Scharnebeck 31, 172, 216 Inkas 46 Institut für Weltwirtschaft Kiel 76 Institutionen als historiographische Herausforderung 10–18, 259–267 Internationale Föderation der Spediteur-Organisationen 130 Interzonenhandel 145–148 Intze, Otto 33, 255 Isarkanal 160 Ise 183 Islam 48 Ismailia 48 Israel 290 Itzehoe 130 Jastorf 200 Jülich 260

Kanalarbeiter 170 Kanalverein Bremen 51, 63 f., 67 f., 123 Karl der Große 34 f. Kassel 167 Katastrophenschutz 214 f. siehe auch Flutkatastrophe vom 18. Juli 1976 Katzwang 16, 219 Kern, Helmuth 143, 167, 190 Keynesianismus 96 f. Kiel 38, 76, 124, 140 Kirschstein, Paul 70 Klärwerk 194, 210 f. Klimawandel 265 Klöver, Elso 166, 169 Klose, Hans-Ulrich 167, 188, 190, 261 Koalitionsverhandlungen 111, 116, 127–133, 138, 262 f. Koalitionsverträge 17, 22, 116 f., 127 f., 131 f., 137 f., 140, 229, 262 f., 271 Koch, Helmuth 78 f. Köhlbrandbrücke 98, 216 Köln 78, 103, 115, 169, 240 Kohl, Helmut 85, 106, 233 f. Kohle 9, 41–43, 63, 68 f., 72, 80, 92, 95, 107, 125, 228, 263 f. Konstanz 178 Koordinator der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft 17 Korff, Hans Clausen 9, 116, 164–166, 256–258, 271 Korruption 27, 239, 242, 248 Kostensteigerungen 8, 28, 74, 113, 118 f., 163, 167, 186 f. Krohne, Rudolf 70–72 Küstenkanal 69, 78 Kulmbach 210

Kaestner, Fritz 175 Kalibergbau 79, 92 Kallenbrock 190 Kaltenkirchen 97 Kalter Krieg 21, 53, 79, 85–91, 93 f., 110, 124, 129, 144–149, 151, 230 Kanadische Wasserpest 38 Kanal des Friedens 88

Lackner, Erich 216 f. Länderfinanzausgleich 95 Lagerfeld, Karl 59 Lahn 131 Landesbergen 270 Landesplanung 171, 173, 175 siehe auch Planungseuphorie Landeszeitung (Lüneburg) 193, 199

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Landschaftspflege 151 f., 182 f., 224–228 Landwirtschaft 43, 47, 49, 63, 70, 79, 89, 92, 100, 144, 149, 152, 179–181, 183 f., 209, 222, 231 f., 269 Lauenburg an der Elbe 7, 17, 31, 81, 125, 187 Leber, Georg 54, 188 Leichtweiß, Ludwig 66–68 Leipzig 66, 79 Leningrad 290 Lesseps, Ferdinand de 55 Lessepssche Migration 48 Leviathan 267 Lichtenfels 51 Löbe, Karl 131 Ludwig XIV. 34, 37 Ludwigshafen am Rhein 165 Lübeck 17, 38, 40, 62, 65 f., 99, 102, 122, 124 f., 129, 146, 222, 231, 268 Lüchow-Dannenberg 197 Lüneburg 7, 12 f., 30, 78, 100, 143, 150, 154, 167, 171 f., 189 f., 193–219, 243, 271 f. siehe auch Regierungspräsident Lüneburg Lüneburger Heide 78, 139, 151, 155, 159, 185, 225 Luftfahrt 109 f. Luther, Martin 23 Maas 43 siehe auch Rhein-MaasSchelde-Kanal Macaulay, Thomas 43 Macher 255 siehe auch Erbauer von Infrastrukturen Männlichkeit 11, 38 f., 132, 250 f., 258, 276 Magdeburg 66, 79 f., 88, 229 Maier-Phoenix, Friedrich 244 Main 47, 51, 78 siehe auch RheinMain-Donau-Kanal Maizière, Thomas de 129 Mann, Thomas 61 Mannheim 129 Mauerbau 146 f.

Medien 103, 188, 214, 218, 224 f., 235, 239–241, 248, 264 siehe auch Pressearbeit Mende, Erich 35, 111, 131 f., 262 Menke-Glückert, Peter 264 Merkel, Angela 59, 275 Merkers 51 Militär 39, 46, 49, 145, 151–155, 168, 185, 209, 258, 276 siehe auch Bundeswehr, Panzer Minden 70 f., 73, 80, 268 Mittellandkanal 31, 41, 43, 52 f., 55, 65 f., 70 f., 79, 82, 128 f., 135–137, 151, 223, 229, 268, 271 Mittelmeer 34, 46, 48 Möhring, Helmuth 213 Moldauhafen 147 Molzen 180 Moorburg 73 Moselkanalisierung 78, 131, 171 Moses, Robert 36, 255–258, 262 f. Mühlradt, Friedrich 77–80, 92, 101 f., 146, 166–169, 246, 256–259, 263 München 231 Münchmeyer, Alwin 220 Münden 51 Münster 69, 79, 113 Muslimbruderschaft 48 Myrdal, Gunnar 88 Mythologie 20–29, 60, 95, 230, 238, 252–255, 258, 260, 266 Napoleon 34 f., 47, 62 f. Narration als historiographisches Problem 194–196, 250–255, 258– 267, 275 Nationalsozialismus 11, 25 f., 29, 31, 35 f., 40 f., 46 f., 51, 53, 60, 62, 67, 73– 76, 92, 106 f., 114, 121 f., 129, 158, 236, 239, 253 f., 257, 266, 269 Nationalsozialistischer Bund Deutscher Technik 46 NATO 151 Naturbeherrschung 32 f., 39, 41, 48–53 Naturfreunde 178

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Naturschutz 151 f., 182–184, 224–227, 229, 238 Naturschutzbund Deutschland (NABU) 229 Naumann, Karl-Eduard 166, 187 Neckar 47, 57, 78 Neetze 183 Neoliberalismus 12, 97, 158, 244 Neubauamt 170–173, 181, 183, 185 f., 196, 216 Neue Heimat 97 Neues Deutschland 87 Nevermann, Paul 118, 134 New Deal 255 New York 36, 255 Nibelungen 23, 25, 250 f., 259 Niederlande 43, 64, 186 Niedersachsen 9, 54–56, 62, 79, 100, 103 f., 118 f., 122 f., 125 f., 130, 133– 136, 138–143, 145, 149, 151–153, 167, 169 f., 175, 179, 181, 183, 185, 189, 209, 220 f., 224, 226, 231 f., 237, 240, 271 Nobelpreis 46, 85 Nord-Ostsee-Kanal 38, 46, 55 Nord-Süd-Kanal Name des ElbeSeitenkanals bis 1965 Nord-Süd-Kanal-Verein 78 f., 89 f., 100–102, 110, 113, 115, 130, 134 f., 152, 156, 166, 168, 222, 224, 226, 232, 241, 256, 269, 272 Nordrhein-Westfalen 95, 118 Nordsee 62, 64, 69 f., 79, 134, 140, 156, 178, 212 Norwegen 257, 264 Nottore 12, 14, 197, 200, 213, 215, 218 Nürnberg 16, 109, 141, 212, 219 Oder 231 Oder-Donau-Kanal 47 Oderbruch 33 Österreich 64, 178 Offenbach 231 Oldenburg 69, 122, 136, 140, 149 Operation Plowshare 52

Organisierte Verantwortungslosigkeit 8–18, 29, 196, 218, 247 siehe auch Verantwortung Orwell, George 117 Oslo 257 Osnabrück 65 Osthannoversche Eisenbahnen 134, 140, 208 Ostpolitik 8, 11, 84–91, 99, 101, 134 Ostraumplanung 31, 40, 46 f., 76 Ostsee 17, 40, 87 f., 94, 124, 149, 230 Panamakanal 46, 52 f. Panzer 12 f., 151–155, 199 f., 206, 208 f., 215 Parlamentarischer Rat 91, 107, 121 Parlamentarismus siehe Bundestagsabgeordnete, Reichstagsabgeordnete, Haushaltsrecht Parteispenden 234, 239, 241 Passau 64 Peine 144, 157, 159 Pinneberg 199 Pipelines 9, 92 Pischel, Werner 160 f. Planfeststellungsverfahren 175 f., 182, 238 Planungseuphorie 96–99, 113, 119 f., 175, 238, 253 Plate, Ernst 11, 75, 83–91, 94, 99, 101, 134, 148, 167, 256 f., 269 Plate, L. 64–66, 74 Platz, Bernhard 114 Plochingen 47 Polen 129, 161 Politik der Elbe 85–91, 99, 101, 134, 148, 269 Predöhl, Andreas 82, 89, 113, 119, 164, 270 Pressearbeit 11, 103 f., 169 f., 186, 189, 214 f., 221, 240 siehe auch Medien Preussag 244 Preußen 33, 50 f., 62, 70–72, 92, 122, 231, 238 Privatisierung 16 f., 243–245

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Puchner, Maximilian 209 Pyrenäen 34 Quäker

196 f., 199 f.,

107

Rademacher, Willy Max 129 f., 132 f., 147 Raderbach 194 RAF-Terror 251 Ramms, Egon Wilhelm 129, 131 Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe 147 Rautenberg, Ernst Otto 66 Rechtsstaatlichkeit 25, 27, 97, 242 f., 245–247, 249 Regelkonformes Versagen 25, 246– 249 siehe auch Verantwortung Regensburg 47 Regierungspräsident Lüneburg 78 f., 123, 140, 151, 153, 155, 170 f., 173, 175 f., 183, 185 f., 193, 197 f., 214 f., 225 f. Rehder, Peter 40 f., 66, 99, 268 Reichsarbeitsministerium 72 Reichsbahn 42, 69, 161 Reichshaftpflichtgesetz 210 Reichsnaturschutzgesetz 226 Reichstagsabgeordnete 41 f., 69 Reichsverkehrsministerium 39 f., 44, 51, 68–73, 231 Reichswerke Hermann Göring 158 siehe auch Salzgitter-Konzern Reichswirtschaftsministerium 244 Reuter, Fritz 209, 214 f. Rhein 23, 43, 47, 54, 57, 64, 68, 78, 129, 131, 141 f., 178–180 Rhein-Maas-Schelde-Kanal 64 Rhein-Main-Donau-Kanal 15 f., 35, 55 f., 63 f., 75, 78, 141–143, 148, 160, 212, 219 Rheinberg 43 Riquet, Pierre-Paul 37 Rochefort 46 Rom 23, 46

Rostock 79 Rotes Meer 48 Rotterdam 68 f., 178 Ruhrgebiet 39–43, 64–66, 68–70, 80, 112, 129, 157, 159 Ruhrkampf 64 Rumänien 234 Saar-Pfalz-Kanal 165 Saarbrücken 165 Saimaa-Kanal 149 Salzgitter (Stadt) 135 f., 144, 156–159 Salzgitter-Konzern 9 f., 12, 134 f., 144, 156–159, 161 f., 179, 188, 221, 241, 244 Schäffer, Fritz 81, 110 Scharnebeck 30 f., 197 f. siehe auch Schiffshebewerk Scharnebeck Schattschneider, Gerhard 166 Schaulustige 12, 192, 199, 201 Schaumburg-Lippe 122 Schedl, Otto 141 Scheibenwischer (Kabarettsendung) 56 Schelde 54 siehe auch Rhein-Maas-Schelde-Kanal Schelsky, Helmut 150 Schiffshebewerk Scharnebeck 7, 17, 30–32, 47, 52, 55, 172, 174, 189, 193, 196–198, 223, 271 Schiller, Karl 8, 11, 76 f., 83 f., 93, 96, 99, 167 f., 187, 250 f., 257, 263, 269 Schleppmonopol 161 Schleswig-Holstein 17, 54, 62, 65, 96 f., 118, 122–125, 130, 134–136, 138, 140, 222, 229, 271 Schleuse Uelzen 31, 154, 184, 189, 197, 271 f. Schmahl, Richard 186 Schmidt, Helmut 59, 77, 94 f., 109, 189, 210 Schroiff, Franz Josef 227 f. Schubverbände 17, 53, 174 Schulte, Heinrich 69 Schwäbischer Albverein 178

327

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Register

Schwäbischer Heimatbund 178 Schwartau, Claus 179 Schwarzwald 140 Schwarzwaldverein 178 Seebohm, Hans-Christoph 8, 54, 60, 82, 87, 90, 99, 102, 105–119, 124, 130, 134 f., 137 f., 140, 143, 145–147, 164, 166, 171, 216, 237–240, 242, 245, 249, 270 Seveso 177 f., 233 Sieveking, Kurt 85 f. Skandal, Skandalisierung 14–16, 101 f., 233–249 Sowjetunion 28, 44, 149, 151, 154 Spanien 43 SPD 76, 84, 91, 109, 116, 127, 170, 189, 213, 229, 236 Spiegel 8, 137, 143, 148, 162, 177, 224 f., 241, 248 St. Pauli 61 Staatsanwaltschaft 14, 16, 217, 243 Staatsbetriebe 7 f., 12, 22 f., 156–172, 244 f. Staatssekretäre 70 f., 108, 118, 163, 169, 187, 257, 264 Stade 65, 75, 124, 198 siehe auch Bramsche-Stade-Kanal Stadtfeld (Siedlung bei Lüneburg) 194, 198, 202, 205 Stadtsparkasse Lüneburg 210 Stahlindustrie 95, 134, 144, 156–159, 179 Stahlwerke Peine-Salzgitter AG siehe Salzgitter-Konzern Startbahn West 14 Staßfurt 66 Staustufe Geesthacht 81 f., 87, 101, 216, 261 Stern 241 Steuerzahler 15, 33, 188, 243–246, 249 Strauß, Franz Josef 143 Strippenzieher als bundesdeutscher Akteurstyp 246, 256–259 Strom- und Hafenbau (Hamburger Behörde) 77, 92, 146, 166–168

Stromproduktion 70, 81 Studentenrevolte 235 f., 251 Stuttgart 178 Stuttgart 21 15, 236 Suárez, José León 264 f. Sudetendeutsche Landsmannschaft 106 Süddeutsche Zeitung 260 Suezkanal 46, 48, 55, 190 siehe auch Heide-Suez Sympher, Leo 63 f., 231, 255, 257 Tankumsee 224 f. Tantzen, Theodor 69 Technisches Hilfswerk 197 f., 208 Tennessee-Tombigbee Waterway 22, 51 f. Teutoburger Wald 25 Tiefwasserhafen in der Elbmündung 96 Todesstrafe 107 Todt, Fritz 36 Toepfer, Alfred 225 Ton, Ralph 156 f. Tor zur Welt 26 f., 60 f. Toulon 46 Tourismus 31, 38 Transrapid 15 Trave 40 siehe auch Elbe-Lübeck-Kanal Treuchtlingen 35 Treuhandanstalt 220 Trump, Donald 97, 248 Tschechische Republik 229 Tschechoslowakei 147 f. Tübingen 106 Turmbau zu Babel 142 f. Turn- und Sportverein Erbstorf 210–212 Tutzing 85 Übersee-Institut Hamburg 113 Überseeclub 170 Uelzen 107, 154, 160, 172, 180, 183, 186, 189 f., 197 f., 214, 222, 224, 243 siehe auch Schleuse Uelzen

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Ulbricht, Walter 129 Ulm 47, 57 Universität Hamburg 76 f., 235 Untersuchungskommission nach der Flutkatastrophe 14, 216 f. Untersuchungsstelle bei der Wasserund Schifffahrtsdirektion Hamburg 102 f., 111, 118, 163–165, 171, 270 Ursache des Dammbruchs 216 USA 21 f., 37, 44–46, 51 f., 97 f., 186, 210, 244, 255, 266 VEBA 158 Venedig 59 Venlo 43 Verantwortung 8, 10, 13–18, 57, 128, 133, 142 f., 196, 218 f., 234 f., 241, 243–249, 254, 262 f. Verbandsklage 238 Verden an der Aller 73, 268 Verdi, Guiseppe 190 f., 261 Verein deutsche Rheinmündung 68 Verein Naturschutzpark 225 Verein zur Förderung des Elbstromgebietes 156, 222, 224, 272 siehe auch Nord-Süd-Kanal-Verein Vereinte Nationen 88 Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee 121 Verflechtungsfalle 122, 176 Verkehrsbetriebe Salzgitter 135 Verkehrsfinanzierungsgesetz 109 Verkehrsverband Niedersachsen-Kassel 67 Verkehrswissenschaft 9, 38, 82, 88 f., 111, 113–116, 119 f., 164, 270 Versailler Vertrag 64, 71 Versailles 44 Verteidigungsfall 8, 151, 154 siehe auch Bundeswehr Vertriebene, Vertriebenenpolitik 84, 106 f., 110, 145, 159 Verwaltungsgericht 177 Vierjahresplan 73, 96, 269 Völkerbund 264

Vogelschutz 228 Volkswagen 158, 162 Volkswirtschaftslehre 10 f., 44–46, 76 f., 84, 96, 115, 259 Vorarbeitenamt 11, 73, 82, 99, 101 f., 110, 134, 168, 268 f. Wachsmuth, Wolfgang 214 Wachstumsdenken 8, 18, 21 f., 33, 53 f., 57, 227–232 Wackersdorf 14 Währungsreform 23 Wagner, Richard 245, 250 f., 253, 259, 261, 266 Wald 53, 152, 183 f., 199, 214 Waldsterben 263 f. Walfang 264 f. Wartha 51 Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes 11 f., 14, 17, 30, 33–35, 41, 87, 101 f., 115, 144, 151 f., 154 f., 157, 162 f., 168, 170, 172–174, 176, 182 f., 185 f., 189, 191, 196, 198, 209, 212– 219, 222–226, 228, 231, 243 f., 260, 269 f. Wasserschutzpolizei 193, 198, 214 Wasserwerk Wolfsburg 15, 177 Watchdog-Institutionen 248 Weber, Max 249, 257 Wehrmacht 35, 76 Weichmann, Herbert 54–58, 175, 188, 190, 235 f., 238, 261 Weichsel 129 Weimarer Republik 40–42, 64 Weimarer Verfassung 268 Weißenburg 35 Weißmeerkanal 28, 44 Welt 91, 167 Weltfinanzkrise von 2008 15, 247 Weltkriege siehe Erster Weltkrieg, Zweiter Weltkrieg Weltwirtschaftskrise 72 Wendisch Evern 185 Wendland 177 f. Werra 47, 51 Werra-Main-Kanal 47, 51, 56, 71

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Wesel 129 Weser 40, 42, 51, 64 f., 67, 69–73, 78 f., 112, 124 f., 231, 268–270 Weserausbau 51, 70 f., 73, 75, 78 f., 93, 116, 123 f., 131, 268–270 Weserbund 131 Westbindung 20, 23 Wiedervereinigung 20, 25, 79, 81 f., 85, 90 f., 110, 144–147, 150, 155, 254 Wilhelm II. 33, 107 Wilhelmshaven 125 Wirtschaftskommission für Europa (ECE) 88 Wirtschaftswunder 7, 23, 95, 159 Wismar 79 Wissenschaftlicher Beirat des Bundesverkehrsministeriums 75, 93, 111, 114, 116

Wolfsburg 7, 15, 31, 55, 177, 223, 237, 274 World Wide Fund for Nature (WWF) 229 Wyhl 236, 260 Zeit 243 Zeitschrift für Binnenschifffahrt und Wasserstraßen 51, 187, 222 Zentralstelle der Hansa-KanalVereine 65, 268 Zivilgesellschaftlicher Protest 14, 97, 178–181, 212 f., 235–239, 253, 260 Zonenrandgebiet 8, 23, 117, 145, 149 f. Zukunftsforschung 120 Zweiter Weltkrieg 47, 74–76, 129, 149, 161, 168, 257, 269

Leben ohne Einweg, Plastik & Co. Konsum, sein Preis und die Alternativen: von verpackungsfrei bis sharing economy Früher oder später wird alles weggeworfen. In der Konsumgesellschaft wandern aber auch gebrauchsfähige und neuwertige Produkte auf den Müll. Solche Verhaltensweisen sind das Ergebnis eines langfristigen Prozesses. Vorläufer waren die USA, die Bundesrepublik Deutschland zog nach: Angefangen hat es um die Jahrhundertwende mit Hygieneartikeln, wie Toilettenpapier, Monatsbinden, Windeln und Papiertaschentüchern; nach dem Zweiten Weltkrieg kamen bald eine Vielzahl weiterer Wegwerfartikel hinzu. Wolfgang König zeigt, wie die Wirtschaft und die Konsumenten gemeinsam das Wegwerfen zur Routine gemacht haben – und diskutiert Möglichkeiten, die Wegwerfgesellschaft zu überwinden.

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Kriminell, korrupt, katholisch? Italiener im deutschen Vorurteil

Für Goethe ist es viele Jahre lang das „Ziel seiner innigsten Sehnsucht“ und Grillparzer notiert 1819 auf seiner Reise in den Süden: „Wer am Markusplatz sein Herz nicht schlagen fühlt, hat keines.“ Bis heute faszinieren uns die Landschaften, die Geschichte und die Kunst Italiens – und, nicht zu vergessen, die Lebensart, die Mode und das Design. Auf der anderen Seite ist unser Italienbild seit Jahrhunderten auch von Abwertung und negativen Klischees geprägt: Machismo und Mafia, Korruption, Katholizismus und Kriminalität. Klaus Bergdolt geht diesem merkwürdigen Zwiespalt zwischen Sehnsucht und Schelte nach und gelangt zu Einsichten, die nachwirken – nicht nur Vom Zerrbild des korrupten italienischen Politikers über den Antikatholizismus hin bis bis zum nächsten Besuch in der Trattoria. zum alten Mythos der leicht verführbaren Italienerin: Klaus Bergdolt führt uns in diesem Buch das widersprüchliche deutsche Bild Italiens vor Augen, das nicht nur von der Sehnsucht nach südlicher Lebensart und der Begeisterung für Kunst und Landschaft geprägt wurde, sondern ebenso von hartnäckigen, jahrhundertealten Vorurteilen,

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die bis in die Gegenwart nachwirken.

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Was passiert, wenn man ein dubioses Projekt in die bundesdeutsche Politik einspeist? Der Elbe-Seitenkanal war ein Testfall für ein politisches System, das gemeinhin als langweilig, aber grundsolide gilt. Die alte Bundesrepublik entpuppte sich dabei als System der organisierten Verantwortungslosigkeit. Die Frage nach dem Sinn des Projekts löste sich in langen Verhandlungen immer mehr auf, und als sich das Debakel abzeichnete, war plötzlich niemand mehr verantwortlich – selbst dann nicht, als der Kanal fünf Wochen nach der Eröffnung eine Flutkatastrophe verursachte. Die Geschichte des Elbe-Seitenkanals ist ein Menetekel für den bundesdeutschen Politikbetrieb und ähnelt scheiternden Bauvorhaben in unserer Gegenwart.

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