Der betriebsverfassungsrechtliche Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat [1 ed.] 9783428549269, 9783428149261

Unterlassungsansprüche im Betriebsverfassungsrecht sind seit den 1980er Jahren Gegenstand rechtswissenschaftlicher Kontr

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Der betriebsverfassungsrechtliche Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat [1 ed.]
 9783428549269, 9783428149261

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Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 337

Der betriebsverfassungsrechtliche Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat Von

Kevin Lukes

Duncker & Humblot · Berlin

KEVIN LUKES

Der betriebsverfassungsrechtliche Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat

Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Matthias Jacobs, Hamburg Prof. Dr. Rüdiger Krause, Göttingen Prof. Dr. Sebastian Krebber, Freiburg Prof. Dr. Thomas Lobinger, Heidelberg Prof. Dr. Markus Stoffels, Heidelberg Prof. Dr. Raimund Waltermann, Bonn

Band 337

Der betriebsverfassungsrechtliche Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat

Von

Kevin Lukes

Duncker & Humblot · Berlin

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungsfonds Wissenschaft der VG WORT. Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität zu Köln hat diese Arbeit im Jahre 2015 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2016 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany

ISSN 0582-0227 ISBN 978-3-428-14926-1 (Print) ISBN 978-3-428-54926-9 (E-Book) ISBN 978-3-428-84926-0 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die nachstehende Arbeit hat der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln im Wintersemester 2015/2016 als Dissertation vorgelegen. Später erschienene Literatur konnte bis Januar 2016, im Einzelfall noch darüber hinaus berücksichtigt werden. Die Drucklegung der Arbeit wurde von der Johanna und Fritz Buch GedächtnisStiftung durch Gewährung eines großzügigen Druckkostenzuschusses unterstützt. Zu danken habe ich weiterhin der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln, die die vorliegende Arbeit mit dem von der Kanzlei Küttner gestifteten Promotionspreis für Arbeitsrecht 2016 ausgezeichnet hat, und auch der WolfgangHromadka-Stiftung, die die vorliegende Arbeit mit dem WHS-Wissenschaftspreis 2016 ausgezeichnet hat. Ohne die akademische und vor allem zeitliche Freiheit, die mir mein Doktorvater Herr Professor Dr. Dr. h.c. Ulrich Preis gewährt hat, hätte die Arbeit nicht in dieser Form entstehen können. Hierfür und für die vielfältigen Erfahrungen wissenschaftlicher, aber vor allem auch menschlicher Art während meiner Tätigkeit als Mitarbeiter am Institut für Deutsches und Europäisches Arbeits- und Sozialrecht an der Universität zu Köln danke ich ihm von ganzem Herzen. Ich werde Herrn Professor Dr. Dr. h.c. Preis immer als großes Vorbild ansehen. Für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens und ein freundliches Prüfungsgespräch möchte ich mich zudem bei Herrn Professor Dr. Christian Rolfs herzlich bedanken. Herrn Professor Dr. Dres. h.c. Peter Hanau danke ich für die aufschlussreichen Gespräche während der Anfertigung der Arbeit. Neben den drei bereits Genannten möchte ich mich bei allen Mitarbeitern des Instituts für Deutsches und Europäisches Arbeits- und Sozialrecht für die herzliche Aufnahme in ihren Kreis sowie die hervorragende tägliche Zusammenarbeit bedanken. Besonders für ihre Verdienste um die Arbeit hervorheben möchte ich Herrn Privatdozenten Dr. Daniel Ulber sowie Herrn Marc Reuter, deren ständige Bereitschaft zu häufig kontroversen Debatten bei den gemeinsamen Beschaffungsgängen in die Universitäts- und Stadtbibliothek mich persönlich und die Arbeit inhaltlich immer weitergebracht hat. Meinen Eltern Wilfried und Petra gebührt großer Dank für ihr stetiges Interesse an meiner Ausbildung und ihre unermüdliche Unterstützung während der Erstellung dieses Buchs. Ebenso soll ihre Bereitschaft, die mühevolle Arbeit des Korrekturlesens kurzfristig auf sich genommen zu haben, hier nicht unerwähnt bleiben. Danke

6

Vorwort

für alles. Danken möchte ich außerdem noch meiner Schwester Sophie, die mit ihrer Anteilnahme ebenfalls wesentlich zum Gelingen der Arbeit beigetragen hat. Ich möchte diese Arbeit meiner Frau Nahleen widmen. Sie hat mir während des Schreibens den Rücken freigehalten, mich stets bestärkt, „outside the box“ zu denken, und mir gerade in den wenigen mühsamen Phasen der Arbeit immer den für mich notwendigen Rückhalt gegeben. Für diese in Worten kaum adäquat zu würdigende Unterstützung bin ich ihr von ganzem Herzen dankbar. Köln, im Januar 2016

Kevin Lukes

Inhaltsübersicht 1. Kapitel Einleitung

15

A. Aktualität des Themas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 B. Ziel und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

2. Kapitel Das Konkurrenzverhältnis des betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs zu anderen Instituten

24

A. Die Konkurrenz zum Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG: § 23 Abs. 1 BetrVG als abschließende Regelung ? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 B. Die Konkurrenz zum Antrag auf Feststellung nach §§ 80 Abs. 2, 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 256 Abs. 1 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 C. Die Konkurrenz zur betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 D. Die Konkurrenz zum Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 E. Die Konkurrenz zum Einigungsstellenverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 F. Ergebnis 2. Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154

3. Kapitel Die Begründung des betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs 155 A. Die Rechtsgrundlage des betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs . . . 155 B. Zusammenfassung zur Rechtsgrundlage des betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 C. Rechtszuweisungsverständnis und generelle Einwände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 D. Ergebnis 3. Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231

8

Inhaltsübersicht 4. Kapitel Die Untersuchung der einzelnen pflichtenstatuierenden Vorschriften der Betriebsverfassung als Grundlage des betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs

232

A. Die Zuweisung subjektiver Rechte in einzelnen Vorschriften der Betriebsverfassung . 232 B. Zusammenfassung zur Zuweisung subjektiver Rechte in einzelnen Vorschriften der Betriebsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 5. Kapitel Schlussbetrachtung und Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

358

A. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 B. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400

Inhaltsverzeichnis 1. Kapitel Einleitung

15

A. Aktualität des Themas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 B. Ziel und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

2. Kapitel Das Konkurrenzverhältnis des betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs zu anderen Instituten

24

A. Die Konkurrenz zum Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG: § 23 Abs. 1 BetrVG als abschließende Regelung ? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 I. Grammatikalische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 II. Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 III. Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1. Abgeschlossenheit des § 23 Abs. 3 BetrVG ? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 2. Sachlicher Zusammenhang zwischen § 23 Abs. 3 und § 23 Abs. 1 BetrVG ? 36 a) Der untaugliche Rekurs auf die Verschiedenheit der im Gesetz vorgesehenen Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 b) Die unterschiedlich begründete Stellung von Betriebsrat und Arbeitgeber in der Betriebsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 aa) Der untaugliche Rekurs auf § 903 BGB sowie § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 bb) Der untaugliche Rückgriff auf die fehlende Grundrechtsfähigkeit des Betriebsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 (1) Der hinreichende Inlandsbezug beim Betriebsrat . . . . . . . . . . . . . . 53 (2) Der Begriff der juristischen Person als Synonym für teilrechtsfähige Vereinigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 (3) Der abstrakte Gehalt der Voraussetzung der wesensmäßigen Anwendbarkeit: Durchgriffstheorie contra grundrechtstypische Gefährdungslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 (4) Die grundrechtstypische Gefährdungslage beim Betriebsrat . . . . . . 58 (5) Der konkrete Gehalt der Voraussetzung der wesenmäßigen Anwendbarkeit: Anwendung von Art. 2 Abs. 1 GG auf den Betriebsrat 59

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Inhaltsverzeichnis (6) Zusammenfassung zum Rückgriff auf die fehlende Grundrechtsfähigkeit des Betriebsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 c) Der untaugliche Einwand der allein angestrebten vergleichbaren Intensität 64 IV. Zusammenfassung zur systematischen Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 V. Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 VI. Zusammenfassung zur Auslegung des § 23 Abs. 1 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

B. Die Konkurrenz zum Antrag auf Feststellung nach §§ 80 Abs. 2, 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 256 Abs. 1 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 I. Das grundsätzliche Verhältnis zwischen Leistungs- und Feststellungsklage bzw. Leistungs- und Feststellungsantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 1. Die Ansicht der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 2. Die Ansichten in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 II. Die ausnahmsweise Zulässigkeit des Feststellungs- neben einem Leistungsantrag 86 1. Ausnahmen für Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 a) Der Amtsbegriff im öffentlichen und privaten Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 aa) Das Amt des Betriebsrats als privates Amt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 bb) Die aus dem Amt resultierenden Amtspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 b) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 2. Ausnahme bei Klärung eines umfangreichen Streits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 a) Verbindlichkeit des § 2 Abs. 1 BetrVG ? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 b) Wirkweise des § 2 Abs. 1 BetrVG in der Betriebsverfassung . . . . . . . . . . . 104 c) Geltung von § 2 Abs. 1 BetrVG im Prozessrecht ? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 aa) Auslegung des § 2 Abs. 1 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 bb) Auslegung des § 242 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 cc) Weitere Argumente für die Geltung des § 242 BGB im Prozessrecht 113 (1) Der Zweck des Zivilprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 (2) Die These von der ansonsten ungerechten und gewissenlosen Prozessführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 (3) Die Einheit der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 dd) Zwischenergebnis zur Auslegung des § 242 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . 117 III. Zusammenfassung zur ausnahmsweisen Zulässigkeit des Feststellungs- neben dem Leistungsantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 IV. Wirkäquivalenz als das Verhältnis zwischen Leistungs- und Feststellungsantrag überspielendes Argument ? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 1. Die Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 2. Die Funktionen des einstweiligen Rechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 3. Die einstweilige Feststellungsverfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 a) Bejahende Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 b) Verneinende Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

Inhaltsverzeichnis

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c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 V. Zusammenfassung zur Wirkäquivalenz als das Verhältnis zwischen Leistungs- und Feststellungsantrag überspielendes Argument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 C. Die Konkurrenz zur betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 I. Die Existenz der betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung als Voraussetzung der Konkurrenz zum betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch . . . . 135 II. Das Konkurrenzverhältnis zum betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 III. Zusammenfassung zum Konkurrenzverhältnis zwischen Unterlassungsanspruch und betriebsverfassungsrechtlicher Abmahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 D. Die Konkurrenz zum Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 E. Die Konkurrenz zum Einigungsstellenverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 F. Ergebnis 2. Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154

3. Kapitel Die Begründung des betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs 155 A. Die Rechtsgrundlage des betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs . . . 155 I. Diskussionsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 II. Die Verwandtschaft zwischen betriebsverfassungsrechtlichem Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers und allgemeinem Unterlassungsanspruch des Betriebsrats 159 1. Die zum allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats entwickelten Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 2. Prozessrechtliche Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 3. Materiell-rechtliche Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 a) Verfassungsrechtliche Ableitung aus Art. 19 Abs. 4 GG . . . . . . . . . . . . . . . 167 b) Rückgriff auf den Unterlassungsanspruch aus einer bestehenden Betriebsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 c) Allgemeines Rechtsprinzip der Schadensverhütung vor Schadensausgleich 171 d) § 2 Abs. 1 BetrVG als den Unterlassungsanspruch vermittelnde Vorschrift 176 e) Allgemeines Verbot der Zweckvereitelung nach § 242 BGB . . . . . . . . . . . 182 f) Analogie zu §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB . . . . . . . . 183 g) Koinzidenz von Rechtszuweisung und Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 aa) Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zur Analogie zu §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 bb) Die Argumente für die Koinzidenz von Rechtszuweisung und Rechtsschutz im Allgemeinen und gegenüber der Rechtsanalogie zu §§ 1004, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB im Speziellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 cc) Die gegen das Rechtsprinzip in der Literatur geäußerte Kritik . . . . . . . 205

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B. Zusammenfassung zur Rechtsgrundlage des betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 C. Rechtszuweisungsverständnis und generelle Einwände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 I. Der Begriff des subjektiven Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 II. Die generellen Einwände gegen die Existenz subjektiver Rechte in der Betriebsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 1. Der vermeintliche vollstreckungsrechtliche Widerspruch bei Anerkennung eines materiell-rechtlichen Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 a) Die Trennung zwischen materiellen und prozessualen Rechtssätzen und die nur dienende Natur des Zivilprozessrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 b) Der Mangel eines Widerspruchs zwischen Unvollstreckbarkeit und Anspruchsexistenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 c) Der Widerspruch zum Unterlassungsanspruch gegen den Wahlvorstand . . 220 d) Der grundsätzliche Streit um die (Un-)Vollstreckbarkeit als weiteres Problem der neuen BAG-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 2. Zusammenfassung zum vermeintlichen vollstreckungsrechtlichen Widerspruch bei Anerkennung eines materiell-rechtlichen Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 3. Die These einer asymmetrischen Ausrichtung des negatorischen Rechtsschutzes in der Betriebsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 a) Die Asymmetrie als faktische Kategorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 b) Asymmetrie auf Grund des Wächteramts des Betriebsrats? . . . . . . . . . . . . 225 c) Asymmetrie auf Grund der nur für den Arbeitgeber eröffneten Möglichkeit des Unterlassens von Rechtsverstößen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 d) Asymmetrie auf Grund der Handlungsbefugnisse des Arbeitgebers? . . . . . 229 aa) Handlungsbefugnisse als Synonym der Leitungsmacht nach § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 bb) Handlungsbefugnisse als Synonym für andere, dem Arbeitgeber offen stehende Handlungsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 4. Zusammenfassung zur These einer asymmetrischen Ausrichtung des negatorischen Rechtsschutzes in der Betriebsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 D. Ergebnis 3. Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231

4. Kapitel Die Untersuchung der einzelnen pflichtenstatuierenden Vorschriften der Betriebsverfassung als Grundlage des betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs

232

A. Die Zuweisung subjektiver Rechte in einzelnen Vorschriften der Betriebsverfassung 232 I. Die allgemeine Bestimmung des subjektiven Rechts im Privatrecht . . . . . . . . . . . 232

Inhaltsverzeichnis

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II. Die spezifischen Kriterien in der Diskussion um den allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 III. Die pflichtenstatuierenden Vorschriften der Betriebsverfassung als Grundlage des Unterlassungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 1. Unterlassungsanspruch bei Verletzungen der Grundsätze für die Zusammenarbeit und der Grundsätze für die Behandlung der Betriebsangehörigen? . . . . 239 a) Rechtszuweisung bei § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 b) Rechtszuweisung bei § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG . . . . . . . . . . . 253 c) Rechtszuweisung bei § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 d) Rechtszuweisung bei § 75 Abs. 1 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 e) Rechtszuweisung bei § 75 Abs. 2 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 2. Zusammenfassung: Unterlassungsanspruch bei Verletzungen der Grundsätze für die Zusammenarbeit und der Grundsätze für die Behandlung der Betriebsangehörigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 3. Unterlassungsanspruch bei Verletzungen der Leitungsmacht des Arbeitgebers und bei Verstößen gegen die Geheimhaltungspflicht ? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 a) Rechtszuweisung bei § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 b) Rechtszuweisung bei § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 4. Zusammenfassung: Unterlassungsanspruch bei Verletzungen der Leitungsmacht des Arbeitgebers und bei Verstößen gegen die Geheimhaltungspflicht 292 5. Unterlassungsanspruch bei Verletzungen von Geschäftsführungspflichten? 293 a) Rechtszuweisung bei § 30 Satz 2 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 b) Rechtszuweisung bei § 30 Satz 3 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 c) Rechtszuweisung bei § 30 Satz 4 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 d) Rechtszuweisung bei § 34 Abs. 2 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 e) Rechtszuweisung bei § 39 Abs. 1 Satz 2 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 f) Rechtszuweisung bei § 41 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 6. Zusammenfassung zum Unterlassungsanspruch bei Verletzungen von Geschäftsführungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 7. Unterlassungsanspruch bei Verletzungen von Betriebsversammlungspflichten? 325 a) Rechtszuweisung bei § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 b) Rechtszuweisung bei § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 8. Zusammenfassung: Unterlassungsanspruch bei Verletzungen von Betriebsversammlungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 9. Unterlassungsanspruch bei Überschreitungen von Beteiligungsrechten ? . . . . 342 a) Rechtszuweisung bei § 87 Abs. 1 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 b) Rechtszuweisung bei § 99 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 c) Rechtszuweisung bei § 112 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 10. Zusammenfassung zum Unterlassungsanspruch bei Überschreitungen von Beteiligungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357

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Inhaltsverzeichnis

B. Zusammenfassung zur Zuweisung subjektiver Rechte in einzelnen Vorschriften der Betriebsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357

5. Kapitel Schlussbetrachtung und Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

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A. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 B. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400

1. Kapitel

Einleitung A. Aktualität des Themas Dem betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch des Arbeitsgebers gegen den Betriebsrat schenkten Wissenschaft und Praxis über mehrere Jahrzehnte wenig Beachtung. Dies überrascht umso mehr, führt man sich die seit den achtziger Jahren lebhaft geführte Diskussion um einen allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber vor Augen.1 Im Hinblick auf die Konstellation Arbeitgeber – Betriebsrat gingen Rechtsprechung und herrschendes Schrifttum dagegen in großer Einmütigkeit durchgängig von dem Vorhandensein eines spezifisch betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs aus. Formeller Ausgangspunkt für diese Rechtsprechungslinie war der Beschluss des 6. Senats des BAG vom 22. 7. 1980. In einem Zeitungsverlag war es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber gekommen, in deren Folge der Betriebsrat an die Belegschaft gerichtete Informationsschreiben herausgab. In diesen setzte er sich kritisch mit Fragen der betrieblichen (Neu-)Organisation auseinander. Der Arbeitgeber verlangte daraufhin vom Betriebsrat die Unterlassung der Verlautbarungen wegen Störung der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung und Verletzung des Gebots zur vertrauensvollen Zusammenarbeit. Zwar unterlag der Arbeitgeber im Ergebnis vor dem BAG wegen prozessualer Besonderheiten. Der 6. Senat entschied jedoch, dass bei einer Auslegung des § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG nach dem Wortlaut und der Systematik eine Unterlassungspflicht bestehe, mit der ein im Beschlussverfahren durchsetzbarer Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat korrespondiere.2 Weitergeführt wurde diese Rechtsprechung in der sogenannten „Raketenentscheidung“ vom 12. 6. 1986. Der Arbeitgeber verlangte in dem Verfahren von dem Betriebsrat, es zu unterlassen, Flugblätter, die sich gegen die Stationierung von Pershing II – Raketen in der Bundesrepublik aussprachen, im Betrieb am schwarzen Brett aufzuhängen. Dies bewertete der Arbeitgeber als Verstoß gegen das Verbot parteipolitischer Betätigung nach § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG. Wiederum

1 Dazu aus neuerer Zeit Lobinger, ZfA 2004, 101 (114 ff.) und näher unter 2. Kapitel A. III. 1. 2 BAG v. 22. 7. 1980, 6 ABR 5/78, AP BetrVG 1972 § 74 Nr. 3 unter 2.

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1. Kap.: Einleitung

der 6. Senat gab dem Begehren des Arbeitgebers statt,3 ohne noch einmal näher gerade auch für § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG die Unterlassungspflicht und den ihr korrespondierenden Unterlassungsanspruch im Wege der Auslegung zu ermitteln. Vielmehr übernahm er im Ergebnis die zu § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG aufgestellte Rechtsprechung auch für § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG.4 In Anbetracht des zuvor ergangenen Beschlusses vom 22. 7. 1980 verzichtete der Senat wenig überraschend auf eine erneute, separate Erörterung des Bestehens eines Unterlassungsanspruchs gerade für das Verbot parteipolitischer Betätigung. In der Folgezeit erkannte das BAG auch in einem weiteren Fall und für eine weitere betriebsverfassungsrechtliche Norm einen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat an. So bejahte es für § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ebenfalls das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs gerade auch gegen den im Wortlaut nicht genannten Betriebsrat. Über Bedenken, dass anders als in § 74 Abs. 2 BetrVG in § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG kein ausdrückliches Unterlassungsgebot normiert sei, setzte sich der 6. Senat mit der Begründung hinweg, es sei gesetzestechnisch nicht ungewöhnlich, Ansprüche lediglich durch die Normierung von Verpflichtungen zu begründen.5 Erneut wird erkennbar, dass der entscheidende Senat in den 1980er Jahren ohne Zögern von einer Verpflichtung auf einen korrespondierenden Unterlassungsanspruch schloss. Fallgestaltungen zu § 74 BetrVG haben für die Frage des Unterlassungsanspruchs eine besondere Bedeutung, weil die Norm inhaltlich hinreichend weit ist, um verschiedenartige Sachverhalte zu erfassen. So können z. B. neben den „klassischen“ Fällen von parteipolitischer Betätigung (z. B. durch Tragen von Plaketten, Vorzeigen von Plakaten oder Aushängen am schwarzen Brett) auch neuartige Verhaltensweisen wie die Vorratsdatenspeicherung unter die Norm subsumiert werden. Auch hier stellt sich dann die Frage nach Unterlassungsansprüchen des Arbeitgebers bei rechtwidrigem Verhalten des Betriebsrats.6 Daneben regelt § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG, dass Maßnahmen des Arbeitskampfs zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat unzulässig sind. Für § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG fehlt es an Entscheidungen des BAG, die sich explizit auf diese spezielle Norm stützen und gerade für diese Vorschrift die Frage eines Unterlassungsanspruchs erörtern. Zwar geht ein Teil der Literatur mit Verweis auf einen Beschluss des BAG vom 5. 12. 1978 vom Bestehen einer gegen den Betriebsrat gerichteten Unterlassungspflicht auf Basis des § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG aus.7 Jedoch behandelt die Entscheidung nicht explizit einen Unterlassungsanspruch nach § 74 Abs. 2 3

BAG v. 12. 6. 1986, 6 ABR 67/84, AP BetrVG 1972 § 74 Nr. 5 unter II. 1. BAG v. 12. 6. 1986, 6 ABR 67/84, EzA § 74 BetrVG 1972 Nr. 7 unter IV. 5 BAG v. 26. 2. 1987, 6 ABR 46/84, AP BetrVG 1972 § 79 Nr. 2 unter II. 2. b). 6 Zu einem solchen Fall vgl. LAG Hamburg v. 26. 11. 2009, 7 TaBV 2/09, juris Rz. 142 ff.; zustimmend Jordan/Bissels/Löw, BB 2010, 2889 (2893). 7 ErfK/Kania, § 74 BetrVG Rn. 11 unter Verweis auf BAG v. 5. 12. 1978, 6 AZR 485/76, AiB 2011, 471 (472). 4

A. Aktualität des Themas

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Satz 1 BetrVG; im zu entscheidenden Fall ging es um einen Entgeltanspruch von Betriebsratsmitgliedern, die während eines Arbeitskampfs schlichtende Gespräche mit streikenden Arbeitnehmern geführt hatten. Die Frage nach einer Pflicht des Betriebsrats zur Unterlassung von Arbeitskampfmaßnahmen stellte sich nur in Abgrenzung zu einer vom BAG erörterten, aber im Ergebnis abgelehnten Pflicht des Betriebsrats auf die Arbeitnehmer in einer Weise einzuwirken, dass sie die Arbeit wieder aufnehmen. Auch ohne ausdrückliche Festlegung durch das Gericht kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die Rechtsprechung auch für § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG entsprechend der vom 6. Senat wenig später begründeten Linie eine Unterlassungspflicht mit korrespondierendem Unterlassungsanspruch bejahte. Grund hierfür ist die nach vorherrschender Auffassung bestehende Relation zwischen § 74 Abs. 2 Satz 1, § 74 Abs. 2 Satz 2 und § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG. Die betriebliche Friedenspflicht nach § 74 Abs. 2 BetrVG besteht insofern aus drei Bestandteilen: Dem Verbot von Arbeitskämpfen (Satz 1), dem Verbot von Maßnahmen, die den Arbeitsablauf oder Betriebsfrieden stören (Satz 2) und als Unterfall der Störung des Betriebsfriedens dem Verbot parteipolitischer Betätigung der Betriebsparteien (Satz 3).8 § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG wird damit als wesentlicher Inhalt der Friedenspflicht angesehen.9 § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG ist dagegen nur „Auffangtatbestand“ zum spezielleren § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG.10 Das BAG hat die Frage zum Verhältnis von Satz 1 zu Satz 2 zwar nicht ausdrücklich so ventiliert; es geht jedoch für § 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG davon aus, dass das Verbot parteipolitischer Betätigung zumindest auch den Zweck der Gewährleistung des Friedens im Betrieb erfüllen soll.11 Für ein solch einheitliches Verständnis des § 74 Abs. 2 BetrVG spricht auch dessen Überschrift, nach der die ganze Vorschrift „Grundsätze über die Zusammenarbeit“ aufstellt. Auch in der Tendenz zu den anderen Entscheidungen aus den 1980er Jahren kann daher davon ausgegangen werden, dass die Rechtsprechung dahin ging, Unterlassungsansprüche für alle pflichtenstatuierenden Normen der Betriebsverfassung anzunehmen. Damit lassen sich für die damalige Rechtsprechung drei Fälle identifizieren, in denen mehr oder weniger ausführlich begründet Unterlassungsansprüche des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat zugesprochen wurden. Vordergründig scheint das Thema begrenzt. Dieser Schein trügt jedoch bei genauerer Betrachtung. Neben den Fällen aus § 74 BetrVG enthält das BetrVG noch weitere Vorschriften, die Pflichten des Betriebsrats gegenüber dem Arbeitgeber aufstellen. Um das über die bisher vorhandene beschränkte Rechtsprechung theoretisch weitere Feld der betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsansprüche des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat aufzuzeigen, sollen einige hier exemplarisch angeführt werden. 8 HaKo-BetrVG/Lorenz, § 74 BetrVG Rn. 6; WPK/Preis, § 74 BetrVG Rn. 7; FESTL, § 74 BetrVG Rn. 11; GK-BetrVG/Kreutz, § 74 BetrVG Rn. 30; Besgen, BetrVR, S. 295 f. 9 Preis, KollArbR, S. 500. 10 GK-BetrVG/Kreutz, § 74 BetrVG Rn. 88. 11 BAG v. 13. 9. 1977, 1 ABR 67/75, AP BetrVG 1972 § 42 Nr. 1 unter B. 2. a).

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1. Kap.: Einleitung

So darf der Betriebsrat z. B. nach § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nicht durch einseitige Handlungen in die Leitung des Betriebs eingreifen. Bei Verstoß gegen das Verbot des Eingriffs in die Leitungsbefugnis des Arbeitgebers liegt nach herrschender Meinung eine Verletzung der Amtspflichten des Betriebsrats vor,12 die im Grundsatz vom Standpunkt der Rechtsprechung auf Basis des Beschlusses vom 22. 7. 1980 mit einem Unterlassungsanspruch versehen werden könnte.13 Weitere Pflichten des Betriebsrats ergeben sich aus § 75 BetrVG. Nach dessen Abs. 1 hat neben dem Betriebsrat auch der Arbeitgeber darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden. Im Besonderen soll jede Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleiben. Gemäß § 75 Abs. 2 BetrVG haben Betriebsrat und Arbeitgeber zudem die freie Entfaltung der Persönlichkeit der Arbeitnehmer im Betrieb zu schützen und zu fördern. Auch in der Literatur wird für § 75 BetrVG das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs des einen gegen den anderen Betriebspartner behauptet.14 Dagegen hat das BAG an dieser Stelle zumindest einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber verneint.15 Hier besteht damit noch ungelöstes Konfliktpotential. Auch § 30 BetrVG statuiert Pflichten des Betriebsrats gegenüber dem Arbeitgeber. Nach § 30 Satz 2 BetrVG hat der Betriebsrat bei der Ansetzung von Betriebsratssitzungen auf die betrieblichen Notwendigkeiten Rücksicht zu nehmen. Gemäß § 30 Satz 3 BetrVG ist der Arbeitgeber vom Zeitpunkt der Sitzung vorher zu verständigen. Im Übrigen sind die Sitzungen des Betriebsrats nach § 30 Satz 4 BetrVG nicht öffentlich. Nimmt der Betriebsrat auf die betrieblichen Notwendigkeiten keine Rücksicht oder verständigt er den Arbeitgeber nicht vorher, so könnte diesem über § 30 Satz 2 bzw. § 30 Satz 3 BetrVG für die Zukunft die Möglichkeit eines Unterlassungsanspruchs eröffnet werden.16 Denkbar scheint ein Unterlassungsanspruch auch, wenn der Betriebsrat öffentliche Sitzungen abhalten will. Weitere Pflichten aus dem Bereich der Geschäftsführung finden sich z. B. in §§ 34 Abs. 2, 39 Abs. 1 Satz 2 und 41 BetrVG. Verstöße könnten hier ebenfalls präventiv mit einem Unterlassungsanspruch verhindert werden. 12

Richardi/Richardi, § 77 BetrVG Rn. 10. So auch GK-BetrVG/Wiese, § 77 BetrVG Rn. 29; LK/Kaiser, § 77 BetrVG Rn. 143; v. Hoyningen-Huene, BetrVR, S. 85; ders., NZA 1989, 121 (123); Belling, Haftung, S. 354; Edenfeld, S. 62; Freckmann/Koller-van Delden, BB 2006, 490 (495 Fn. 60). 14 GK-BetrVG/Kreutz, § 75 BetrVG Rn. 149; Fritsch, BB 1992, 701 (707); Evers, S. 57; v. Straelen, S. 141. 15 BAG v. 28. 5. 2002, 1 ABR 32/01, AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 39 unter B. I. 3. 16 GK-BetrVG/Raab, § 30 BetrVG Rn. 11; ablehnend dagegen für § 30 S. 2 BetrVG LAG Berlin-Brandenburg v. 18. 3. 2010, 2 TaBV 2694/09, juris Rz. 23. 13

A. Aktualität des Themas

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Neben den Geschäftsführungspflichten treffen das Gremium auch bei der Abhaltung von Betriebsversammlungen gesetzlich angeordnete Pflichten z. B. aus § 42 Abs. 1 Satz 3 und § 44 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, für die in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur die Existenz von Unterlassungsansprüchen des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat diskutiert wird.17 Die Diskussion ist hier jedoch bisher nicht vertieft worden, es existieren kaum aussagekräftige Stellungnahmen, die den Unterlassungsanspruch gerade bei Verletzung der Pflichten zu den Betriebsversammlungen in das systematische Gesamtkonzept des Gesetzes zu diesem Regelungskomplex integrieren. Selbst im Kernbereich der Mitbestimmung, der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten, kommen Unterlassungsansprüche des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat in Betracht. So könnte der Unterlassungsanspruch dazu dienen, gegen sogenannte Koppelungsgeschäfte bei § 87 Abs. 1 BetrVG vorzugehen.18 Auch bei den personellen Angelegenheiten nach § 99 BetrVG und den Verhandlungen über einen Interessenausgleich nach § 112 BetrVG ist die Problematik der Koppelungsgeschäfte virulent. Folgerichtig muss hier ebenfalls der Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat als Handlungsoption diskutiert werden. Ebenso wie bei den Geschäftsführungs- und den Betriebsversammlungsvorschriften fehlt jedoch eine umfassende Aufarbeitung der Problematik. Für den Betriebsrat existieren daher verschiedenartige spezielle Pflichten aus dem BetrVG. Die Orientierung an den dem Betriebsrat auferlegten Pflichten spiegelt sich auch noch in § 23 Abs. 1 BetrVG wieder. Nach dieser mit „Verletzung gesetzlicher Pflichten“ überschriebenen Norm kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat oder die Auflösung des Betriebsrats wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beantragen. Von einer Möglichkeit zur Unterlassung ist in der Norm jedoch keine Rede. Hier wird ein Spannungsverhältnis zu der in den achtziger Jahren gebildeten Judikatur des BAG deutlich. Der 6. Senat artikulierte dieses Problem bereits in seinem Beschluss vom 22. 7. 1980 und löste es im Rahmen des systematischen Auslegungskriteriums zugunsten des arbeitgeberseitigen Unterlassungsanspruchs auf. Betrachtet man insgesamt die Rechtsprechung bis 2010, so konnte diese mit Fug und Recht als gefestigt bezeichnet werden.19 Betriebsverfassungsrechtliche Unterlassungsansprüche des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat wurden bei Annahme einer Pflicht denknotwendig bejaht. Der Anlass, um sich mit dem Thema des Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat in dieser Arbeit zu befassen, gründet sich in einem seit dem Jahr 2010 einsetzenden Wandel der Rechtsprechung. Diese bricht mit den 17

Vgl. zu § 42 Abs. 1 S. 3 BetrVG LAG Berlin-Brandenburg v. 8. 4. 2011, 9 TaBV 2765/10, juris Rz. 20 – 24; zu § 44 Abs. 1 S. 2 BetrVG LAG Düsseldorf v. 24. 10. 1972, 11 (6) BV Ta 43/ 72, DB 1972, 2212 (2212); Heinze, RdA 1986, 273 (289); Bischof, BB 1993, 1937 (1945). 18 Dazu aus neuerer Zeit Richert/B. Weller, AuA 2013, 571 (572). 19 J. H. Bauer/Willemsen, NZA 2010, 1089 (1089).

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1. Kap.: Einleitung

althergebrachten Grundsätzen zum Bestehen von Unterlassungsansprüchen in der Betriebsverfassung, führt in Fragen der Pflicht und des mit ihr korrespondierenden Unterlassungsanspruchs zu diametral entgegengesetzten Ergebnissen und ist deswegen von „grundlegender Bedeutung“.20 So entschied der 7. Senat des BAG am 17. 3. 2010 für das Verbot parteipolitischer Betätigung im Betrieb nach § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG, dass die Verletzung dieser Norm durch den Betriebsrat keinen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat begründe.21 Dies ergebe die am Wortlaut, dem gesetzlichen Gesamtzusammenhang sowie am Sinn und Zweck orientierte Auslegung der Vorschrift.22 Vor allem das Verhältnis zu § 23 Abs. 1 BetrVG beurteilte der Senat im Beschluss vom 17. 3. 2010 konträr zum Beschluss des 6. Senats vom 22. 7. 1980; jetzt sieht der 7. Senat des BAG einen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat als mit dem „strukturellen Konzept“ des § 23 BetrVG nicht vereinbar an.23 Damit gewichtet der 7. Senat alle Auslegungsparameter anders als noch der 6. Senat in den 1980er-Jahren. Die Ausführungen wurden in der Literatur schnell als verallgemeinerungsfähig erkannt24 und von Manchen zum Anlass genommen, für eine Übertragung der neuen Rechtsprechung auf alle Pflichtverstöße des Betriebsrats nach anderen Vorschriften des Gesetzes zu plädieren.25 Diese potentiell weite Anwendbarkeit der Begründung des 7. Senats machte sich dann der 1. Senat im Jahr 2013 zu Nutzen. Er entschied, dass auch aus dem Arbeitskampfverbot in § 74 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BetrVG kein Unterlassungsanspruch folge.26 Im Ergebnis lässt der Senat einen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat dann aber doch zu: Grundlage ist indes keine betriebsverfassungsrechtliche Vorschrift, sondern § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB.27 Dessen Anwendbarkeit stehe auch die betriebsverfassungsrechtliche Konzeption des § 23 BetrVG nicht entgegen. Ein Verhältnis der Spezialität zwischen beiden Regelungen sei schon deshalb ausgeschlossen, weil sie unterschiedlichen Zwecken dienten. Während § 23 Abs. 1 BetrVG die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung im Verhältnis des Arbeitgebers zum Betriebsrat und seiner Mitglieder gewährleiste, diene § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB dem privatrechtlichen Schutz des Eigentums gegenüber jedermann.28

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So die Einschätzung bei Belling, JZ 2014, 905 (905); drastisch Reichold, RdA 2011, 58 (59): „(…) Revolte des Siebten Senats gegen alte Strukturen (…)“; ebenso Wiebauer, BB 2010, 3091 (3091): „(…) Kahlschlag auf der Rechtsfolgenseite (…)“. 21 BAG v. 17. 3. 2010, 7 ABR 95/08, NZA 2010, 1133 (1135). 22 BAG v. 17. 3. 2010, 7 ABR 95/08, NZA 2010, 1133 (1135). 23 BAG v. 17. 3. 2010, 7 ABR 95/08, NZA 2010, 1133 (1135); kritisch dagegen Preis, in: FS Wank, S. 415 (424), der diese Position als „angreifbar“ bezeichnet. 24 GK-BetrVG/Kreutz, § 74 BetrVG Rn. 142. 25 DKKW/Berg, § 74 BetrVG Rn. 90. 26 BAG v. 15. 10. 2013, 1 ABR 31/12, NZA 2014, 319 (321). 27 BAG v. 15. 10. 2013, 1 ABR 31/12, NZA 2014, 319 (321). 28 BAG v. 15. 10. 2013, 1 ABR 31/12, NZA 2014, 319 (321).

A. Aktualität des Themas

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Im Anschluss an die Entscheidung des 1. Senats meldete sich wiederum der 7. Senat in der Causa „betriebsverfassungsrechtlicher Unterlassungsanspruch“ zu Wort.29 Über die bereits entschiedenen Fälle hinaus gelte die von der Rechtsprechung entwickelte Konzeption auch für andere in Betracht kommende betriebsverfassungsrechtliche Vorschriften.30 Auch die instanzgerichtliche Rechtsprechung hat die neue Richtungsentscheidung des BAG gegen einen betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers bereits für weitere Vorschriften des BetrVG umgesetzt und geht für diese nicht mehr vom Bestehen von Unterlassungsansprüchen aus.31 Der betriebsverfassungsrechtliche Unterlassungsanspruch scheint nach neuer Rechtsprechung schlicht nicht mehr zu existieren. Als Konsequenz aus der neuen Rechtsprechung des BAG wird zudem in prozessualer Hinsicht befürchtet, dass Handlungs- und Unterlassungsklagen des Arbeitgebers in Zukunft immer als unbegründet abzuweisen sein werden.32 Der Streit um die Anerkennung eines Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers hat damit auch für das Prozessrecht enorme Bedeutung. Statt eines materiell-rechtlichen Anspruchs auf Unterlassung33 könnten andere Handlungsmöglichkeiten für den Arbeitgeber die durch die Abkehr vom Unterlassungsanspruch entstandene Lücke im Rechtsschutzsystem der Betriebsverfassung schließen. So könnten z. B. das Verfahren nach § 23 BetrVG oder die einstweilige Feststellungsverfügung in Betracht kommen. Deren Verhältnis zu einem Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers herauszuarbeiten ist daher neben der Untersuchung des durch die Rechtsprechung zum Unterlassungsanspruch gefundenen Ergebnisses ebenfalls Aufgabe dieser Arbeit. An dieser Stelle wird die Frage zu beantworten sein, ob nicht durch die Abschaffung des Unterlassungsanspruchs für den Arbeitgeber eine Schutzlücke in der Betriebsverfassung aufgetreten ist. Hierbei müssen die in der Betriebsverfassung noch bestehenden Alternativen dargestellt und auf ihre Schutzrichtung hin untersucht werden. Es ist darüber hinaus angezeigt, sich gerade mit dem betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat zu befassen, weil das BAG seit 1994 davon ausgeht, dass bei Verletzungen des § 87 BetrVG ein allgemeiner Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber be-

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BAG v. 28. 5. 2014, 7 ABR 36/12, NZA 2014, 1213 (1214 f.). BAG v. 28. 5. 2014, 7 ABR 36/12, NZA 2014, 1213 (1215). 31 So LAG Berlin-Brandenburg v. 8. 4. 2011, 9 TaBV 2765/10, juris Rz. 23. 32 B/L/D/H/Diller, Kap. 108 Rn. 21. 33 Der Streit um die Anerkennung einer allein prozessrechtlichen Unterlassungsklage ist heutzutage zugunsten der einen materiell-rechtlichen Unterlassungsanspruch befürwortenden Ansicht entschieden, vgl. dazu nur Medicus/Lorenz, SR BT II Rn. 1438: „(…) hat sich inzwischen die zutreffende Ansicht, die einen solchen Anspruch bejaht, durchgesetzt.“; ebenso J. Fritzsche, S. 120: „Aus heutiger Sicht spricht nichts ernsthaft dagegen, dass die in zahlreichen Gesetzen enthaltenen gesetzlichen Unterlassungsansprüche materiell-rechtlicher Natur sind (…)“. 30

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1. Kap.: Einleitung

steht.34 Hier tut sich schon bei erster Betrachtung ein potentieller Wertungswiderspruch im Gefüge der Betriebsverfassung auf. Insofern gilt es zu untersuchen, ob es gesetzliche Determinanten gibt, die für eine Verknüpfung der Unterlassungsansprüche von Betriebsrat und Arbeitgeber sprechen oder ob eine Ungleichbehandlung überzeugend begründet werden kann. Insgesamt fällt bereits bei dem Blick auf die historische Entwicklung auf, dass die Rechtsprechung in der Frage der betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsansprüche zwischen Extrempositionen oszilliert, die entweder eine völlige Handlungsfreiheit des Arbeitgebers oder eine weitgehende Betätigungsfreiheit des Betriebsrats betonen. Auch dieses Ergebnis gilt es daher hier zu hinterfragen. Eine tragfähige Untersuchung der verschiedenen Ergebnisse setzt die sachgerechte Anwendung der juristischen Methodik voraus. Hier bietet sich aus dem Arsenal methodischer Mittel in Anbetracht der Vielzahl der genannten betriebsverfassungsrechtlichen Normen mit Wechselwirkungen untereinander die Methode der Auslegung an.

B. Ziel und Gang der Untersuchung Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die neuerdings entstandene Auseinandersetzung um den Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat einer eigenständigen und vor allem methodisch überzeugenden Lösung zuzuführen. Hierbei gilt es, die vom BAG vorgebrachten Argumente zu ordnen, sie in ein nachvollziehbares Gewand zu kleiden und auf ihre Tragfähigkeit hin zu untersuchen. In der Arbeit wird hierzu die Methode der Auslegung von Gesetzen verwandt, weil das Betriebsverfassungsrecht als gesetzlich umfassend geregelter Bereich des Arbeitsrechts anzusehen ist und in einem solchen methodisch die „klassische“ Auslegung von Gesetzen anzuwenden ist.35 Hierfür spricht auch, dass sich die Entscheidungen des BAG, die sich mit dem betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers auseinandersetzen, dieselbe Methode zu Grunde legen. Insofern können die vom BAG vorgebrachten Argumente nachvollziehbar zugeordnet werden. Insgesamt kann die Frage des betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs mittels der Auslegung eingehend und vor allem mit einer festen Struktur versehen untersucht werden. Der betriebsverfassungsrechtliche Unterlassungsanspruch steht jedoch nicht allein im Rechtsfolgenregime zur Reaktion auf Verstöße gegen Normen der Betriebsverfassung. So könnten statt des Anspruchs auf Unterlassung auch andere Verfahren und Institute Rechtsschutzprobleme der in der Einleitung benannten Fälle lösen. In Betracht kommen das Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG, das arbeitsgerichtliche Verfahren auf Feststellung (der Rechtswidrigkeit der vorgenommenen Maßnahme) nach §§ 80 Abs. 2, 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 256 Abs. 1 ZPO oder die betriebsverfassungsrechtliche 34 35

BAG v. 3. 5. 1994, 1 ABR 24/93, NZA 1995, 40 (41). Vgl. Hanau, in: FS Zeuner, S. 53 (54).

B. Ziel und Gang der Untersuchung

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Abmahnung, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB bzw. die Einleitung eines Einigungsstellenverfahrens. Daher wird im zweiten Kapitel dieser Arbeit zuerst das Konkurrenzverhältnis des betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs zu diesen Mitteln geklärt. Das dritte Kapitel der Arbeit wendet sich sodann der Rechtsgrundlage des betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat zu. Im anschließenden vierten Kapitel wird die gefundene Rechtsgrundlage bei einzelnen Pflichten statuierenden Vorschriften der Betriebsverfassung angewandt und für die jeweiligen Normen das Bestehen eines betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers untersucht. Die Arbeit endet im fünften Kapitel mit einer Schlussbetrachtung und einer Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse in Thesen.

2. Kapitel

Das Konkurrenzverhältnis des betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs zu anderen Instituten Für einen spezifischen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat bei Verstößen gegen betriebsverfassungsrechtliche Normen ist nur dann Raum, wenn die anderen, dem Arbeitgeber generell zur Verfügung stehenden Handlungsoptionen bei den in der Einleitung geschilderten Fällen nicht ausschließlich zur Anwendung kommen. Es gilt daher, die anderen Institute auf ihr Konkurrenzverhältnis zum Unterlassungsanspruch zu untersuchen und zu überprüfen, ob sich der betriebsverfassungsrechtliche Unterlassungsanspruch in das gegebene Handlungsinstrumentarium des Arbeitgebers zur Reaktion auf Pflichtverletzungen des Betriebsrats einfügen lässt. Der betriebsverfassungsrechtliche Unterlassungsanspruch könnte bereits dann ausgeschlossen sein, wenn das Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG eine abschließende Natur besäße. Dann könnte der Arbeitgeber einzig für grobe Verletzungen gesetzlicher Pflichten den Ausschluss eines Mitgliedes aus dem Betriebsrat bzw. die Auflösung des Gremiums betreiben.

A. Die Konkurrenz zum Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG: § 23 Abs. 1 BetrVG als abschließende Regelung ? Nach § 23 Abs. 1 BetrVG kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat oder die Auflösung des Betriebsrats wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beantragen. Das BAG geht in seinen Entscheidungen vom 17. 3. 2010 und 15. 10. 2013 davon aus, dass § 23 Abs. 1 BetrVG einen Unterlassungsanspruch nicht vorsieht. Pflichtverletzungen im Sinne der Norm seien vielmehr geeignet, für den Arbeitgeber, das Recht auf Auflösung des Betriebsrats zu begründen.1 Damit wird unter Rückgriff auf § 23 BetrVG die Herleitung eines Unterlassungsanspruchs aus anderen gesetzlichen Grundlagen ausgeschlossen. § 23 BetrVG wird also gegenüber einem Unterlas1 BAG v. 17. 3. 2010, 7 ABR 95/08, NZA 2010, 1133 (1135); v. 15. 10. 2013, 1 ABR 31/12, NZA 2014, 319 (321).

A. Die Konkurrenz zu § 23 Abs. 1 BetrVG

25

sungsanspruch des Arbeitgebers als eine diesen Anspruch sperrende Vorschrift verstanden. Ob § 23 Abs. 1 BetrVG jedoch als abschließende Vorschrift mit einer Sperrwirkung gegenüber aus Normen der Betriebsverfassung abgeleiteten Unterlassungsansprüchen verstanden werden kann, muss durch Auslegung der Vorschrift festgestellt werden. Wenn § 23 BetrVG die Folgen betriebsverfassungswidrigen Verhaltens nicht abschließend regelt, so kann er auch nicht andere, konkurrierende Ansprüche sperren.2

I. Grammatikalische Auslegung Der Wortlaut des § 23 Abs. 1 BetrVG weist keine Anzeichen für eine abschließende Regelung auf, neben die nicht weitere betriebsverfassungsrechtliche Handlungsoptionen wie ein betriebsverfassungsrechtlicher Unterlassungsanspruch treten könnten. Es fehlt in § 23 Abs. 1 BetrVG ein einschränkender Verweis; so finden sich – ebenso wie bei § 23 Abs. 3 BetrVG – keine Formulierungen wie „nur“ „einzig“ oder „allein“, die einen abschließenden Charakter begründen könnten. Auch handelt es sich bei Unterlassungsanspruch und Auflösung des Betriebsrats um verschiedenartige Rechtsfolgen. Diese Verschiedenheit spricht ebenfalls gegen eine Abgeschlossenheit des § 23 Abs. 1 BetrVG.3 Das BAG vergleicht in seinen Beschlüssen vom 17. 3. 2010 und 15. 10. 2013 zudem den Wortlaut von § 23 Abs. 1 und § 23 Abs. 3 BetrVG.4 Nur in § 23 Abs. 3 BetrVG sei ein Unterlassungsanspruch des Betriebsrats und der Gewerkschaft normiert, dagegen regele die Vorschrift einen entsprechenden Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers bei groben Pflichtverletzungen durch den Betriebsrat gerade nicht.5 In der Schlussfolgerung, hieraus ein Argument gegen die Existenz eines Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat zu ziehen, kann dem BAG jedoch nicht gefolgt werden. Aus der fehlenden ausdrücklichen Normierung eines solchen Anspruchs in § 23 Abs. 1 BetrVG kann nicht geschlossen werden, dass betriebsverfassungsrechtliche Unterlassungsansprüche des Arbeitgebers neben § 23 Abs. 1 BetrVG generell ausgeschlossen sind. Vielmehr ist es gerade der Normalfall, dass der Gesetzgeber Unterlassungsansprüche nicht ausdrücklich im Gesetzestext 2

Zutreffend Wiebauer, AuR 2012, 150 (151); insofern auch kritisch Dohna-Jaeger, AuR 2011, 428 (430). 3 Brox/Rüthers, S. 422; Schmitt, S. 52. 4 Husemann, Anm AP BetrVG 1972 § 74 Nr. 12 unter 4. a) weist diesen Gesichtspunkt der systematischen Auslegung zu. Dies kann unter Berufung auf das äußere System sicherlich so vorgenommen werden. Die Zuordnung zum Wortlaut ist jedoch wegen der Wechselwirkung des einen auf das andere Kriterium möglich, schließlich befasst sich das BAG gerade auch mit dem Wortlaut des § 23 Abs. 1 BetrVG. Inhaltliche, über die Art der Darstellung hinausgehende, Unterschiede zu Husemanns Ansicht entstehen mit der hier favorisierten Zuordnung nicht. 5 BAG v. 17. 3. 2010, 7 ABR 95/08, NZA 2010, 1133 (1135); v. 15. 10. 2013, 1 ABR 31/12, NZA 2014, 319 (321).

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

festlegt.6 §§ 12, 861, 1004 BGB stellen die zivilrechtliche Ausnahme zur genannten Grundregel dar. Im Regelfall treten Unterlassungsansprüche gerade neben andere Rechtsfolgen, die der Gesetzgeber ausdrücklich angeordnet hat und werden damit nicht ausdrücklich in den Gesetzestext aufgenommen. So ist z. B. bei Verletzung der absoluten Rechte in § 823 Abs. 1 BGB einzig ein Schadensersatzanspruch normiert. Auch für Schutzgesetzverletzungen sieht § 823 Abs. 2 BGB ausdrücklich nur einen Schadensersatzanspruch vor. Bereits 1905 hat das RG jedoch aus einem „Gebot der Gerechtigkeit“ heraus einen Schutz gegen objektiv-widerrechtliche Eingriffe mittels eines neben dem Schadensersatzanspruch bestehenden Unterlassungsanspruchs angenommen.7 Diese Rechtsprechung wurde vom RG und ihm nachfolgend dem BGH so ausgebaut, dass jeder Eingriff in ein absolutes Recht und auch jede Verletzung eines Schutzgesetzes bereits vor Eintritt eines Schadens mit einem Unterlassungsanspruch abgewehrt werden kann.8 Daneben kann auf § 1353 Abs. 1 BGB zurückgegriffen werden, um die Annahme des BAG zu widerlegen. Nach § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB sind die Ehegatten einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet; sie tragen füreinander Verantwortung. Die Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft umfasst unter anderem eine Treuepflicht der Ehegatten untereinander,9 welche durch außerehelichen Geschlechtsverkehr gestört werden kann. In diesen Fällen geht die herrschende Lehre zudem von einem „räumlich-gegenständlichen“ Bereich der Ehe aus, der ebenfalls geschützt wird.10 Eine ausdrückliche Rechtsfolgenanordnung für diese Fälle fehlt in § 1353 BGB. Die sich anschließenden §§ 1355 – 1362 BGB regeln zwar einige Rechtsfolgen für spezifische Aspekte der ehelichen Lebensgemeinschaft; Fälle der Störung von Treuepflichten oder des „räumlich-gegenständlichen“ Bereichs der Ehe werden jedoch nicht ausdrücklich mit Rechtsfolgen belegt. Allein für den Fall der Wohnungszuweisung findet sich in § 1361b Abs. 3 BGB ein ausdrücklicher Unterlassungsanspruch. Gleichwohl spricht die herrschende Lehre dem Ehegatten in Fällen des Ehebruchs ungeachtet einer fehlenden ausdrücklichen Normierung einen Anspruch auf Unterlassung des ehewidrigen Verhaltens im geschützten räumlichgegenständlichen Bereich der Ehe zu.11 Ferner finden sich im Bereich der Wettbewerbsverbote im HGB Vorschriften mit spezifischen Rechtsfolgenanordnungen, ohne zugleich daneben denkbare Unterlassungsansprüche auszuschließen. Nach § 60 HGB darf der Handlungsgehilfe ohne Einwilligung des Prinzipals weder ein Handelsgewerbe betreiben noch in dem 6

Dobberahn, NJW 1995, 1333 (1334). RG v. 5. 1. 1905, VI 38/04, RGZ 60, 6 (7). 8 BGH v. 27. 9. 1996, V ZR 335/95, NJW 1997, 55 (55); v. 25. 4. 2002, I ZR 250/00, NJW 2002, 2645 (2648); vgl. auch Baur, JZ 1966, 381 (381 ff.). 9 HK-BGB/Kemper, § 1353 BGB Rn. 6. 10 s. nur Staudinger/Voppel, § 1353 BGB Rn. 111 m.w.N. 11 Jauernig/Budzikiewicz, Vorbemerkungen zu § 1353 BGB Rn. 3; MüKo-BGB/Roth, § 1353 BGB Rn. 50. 7

A. Die Konkurrenz zu § 23 Abs. 1 BetrVG

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Handelszweige des Prinzipals für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen. Verletzt der Handlungsgehilfe die ihm nach § 60 HGB obliegende Verpflichtung, so kann der Prinzipal nach § 61 HGB Schadensersatz fordern. Alternativ kann er verlangen, dass der Handlungsgehilfe die für eigene Rechnung gemachten Geschäfte als für Rechnung des Prinzipals eingegangen gelten lässt und die aus Geschäften für fremde Rechnung bezogene Vergütung herausgibt oder seinen Anspruch auf die Vergütung abtritt. § 60 HGB gilt in analoger Anwendung auch für Arbeitnehmer.12 Weder in § 60 HGB noch in der Rechsfolgenbestimmung des § 61 HGB ist ein Unterlassungsanspruch des Prinzipals bei Verletzungen des Wettbewerbsverbots ausdrücklich geregelt. Dennoch gewährt die heute ganz herrschende Auffassung dem Prinzipal an dieser Stelle über die in §§ 60, 61 HGB ausdrücklich gewährten Reaktionsmöglichkeiten zusätzlich noch präventiven negatorischen Schutz in Form eines Unterlassungsanspruchs gegen den Handlungsgehilfen.13 Tragendes Argument für diese überzeugende Ansicht ist, dass der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse am Unterlassen einer Konkurrenztätigkeit bei einem Konkurrenzunternehmen haben kann.14 Dieses berechtigte Interesse kann in der Abwehr weiterer Beeinträchtigungen durch die Konkurrenztätigkeit eines Arbeitnehmers liegen.15 Eine solche kann für die Zukunft aber nur mit einem Unterlassungsanspruch effektiv verhindert werden. Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass nach grammatikalischer Auslegung dem vom BAG gezogenen Schluss, dass nur weil in § 23 Abs. 3 BetrVG ein ausdrücklicher Unterlassungsanspruch des Betriebsrats normiert sei, der Unterlassungsanspruch für den Arbeitgeber mangels ausdrücklicher Normierung ausscheiden müsse, nicht zugestimmt werden kann. Unterlassungsansprüche müssen gerade nicht ausdrücklich im Gesetzestext normiert sein,16 sie können auch neben andere Rechtsfolgen, die ausdrücklich geregelt wurden, treten. Der Wortlaut des § 23 Abs. 1 BetrVG ist offen gestaltet; wie bei §§ 823, 1353 Abs. 1 BGB und §§ 60, 61 HGB erscheint es möglich, neben den für den Arbeitgeber ausdrücklich geregelten Instrumenten einen Unterlassungsanspruch anzuerkennen.

12 BAG v. 26. 9. 2007, 10 AZR 511/06, AP HGB § 61 Nr. 4 unter II. 4. a); v. 17. 10. 2012, 10 AZR 809/11, AP HGB § 60 Nr. 14 unter I. 3. dd); ErfK/Oetker, § 60 HGB Rn. 2 auch m.w.N. zur abweichenden Ableitung über die Treuepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB. 13 Vgl. BAG v. 17. 10. 1969, 3 AZR 442/68, AP BGB § 611 Treuepflicht Nr. 7 unter III. 3. d) m. zust. Anm. Canaris; LAG Düsseldorf v. 1. 3. 1972, 2 Sa 520/71, DB 1972, 878 (878); MüKoHGB/v. Hoyningen-Huene, § 60 HGB Rn. 59; E/B/J/S/Boecken, § 61 HGB Rn. 20; Oetker/ Kotzian-Markgraf, § 61 HGB Rn. 3; ErfK/Oetker, § 61 HGB Rn. 2; HaKo-HGB/Ring, § 61 HGB Rn. 10; für Arbeitnehmer ebenso Rolfs, Studienkommentar Arbeitsrecht, § 61 HGB Rn. 1. 14 BAG v. 17. 10. 1969, 3 AZR 442/68, AP BGB § 611 Treuepflicht Nr. 7 unter III. 3. a). 15 Vgl. Laber/Legerlotz, DStR 2000, 1605 (1608). 16 So auch BAG v. 18. 4. 1985, 6 ABR 19/84, NZA 1985, 783 (785) zum allgemeinen Unterlassungsanspruch bei § 87 Abs. 1 BetrVG.

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

II. Historische Auslegung Die Gesetzgebungsgeschichte zu § 23 Abs. 1 BetrVG spricht ebensowenig für eine einschränkende Auslegung der Norm: § 23 Abs. 1 BetrVG in seiner jetzigen Fassung beruht auf § 23 BetrVG 1952, der folgenden Wortlaut hatte: „Auf Antrag von mindestens einem Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer, des Arbeitgebers oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft kann das Arbeitsgericht den Ausschluß eines Mitglieds aus dem Betriebsrat oder die Auflösung des Betriebsrats wegen grober Vernachlässigung seiner gesetzlichen Befugnisse oder grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beschließen. Der Ausschluß eines Mitglieds kann auch vom Betriebsrat beantragt werden.“17

Auch § 23 BetrVG 1952 war jedoch keine völlige Neuerung bei Schaffung des BetrVG 1952, die Vorschrift hatte vielmehr Vorgänger in § 39 Abs. 2 und § 41 BRG 1920. § 39 Abs. 2 BRG 1920 lautete: „Auf Antrag des Arbeitgebers oder von mindestens einem Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer kann das Arbeitsgericht das Erlöschen der Mitgliedschaft eines Vertreters wegen gröblicher Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beschließen.“18

§ 41 BRG 1920 lautete: „Auf Antrag des Arbeitgebers oder von mindestens einem Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer kann das Arbeitsgericht die Auflösung des Betriebsrats wegen gröblicher Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beschließen.“19

Unterschiede zwischen § 23 Abs. 1 BetrVG 1972 und § 23 Abs. 1 BetrVG 1952 bestanden lediglich hinsichtlich der Formulierung: So sprach § 23 BetrVG 1952 sowohl von „grober Vernachlässigung seiner gesetzlichen Befugnisse“ als auch von „grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten“ während es heute in § 23 Abs. 1 BetrVG nur noch „grobe […] Verletzung der gesetzlichen Pflichten“ heißt. Inhaltlich sollte mit der Änderung in § 23 Abs. 1 BetrvG 1972 jedoch gegenüber § 23 Abs. 1 BetrVG 1952 nach einhelliger Auffassung keine Änderung erfolgen.20 Wegen des historischen Zusammenhangs des heutigen § 23 BetrVG mit § 23 BetrVG 1952 und dessen Bezug zu §§ 39, 41 Abs. 2 BRG 1920 sind die beiden letztgenannten Vorschriften die ersten normativen Anhaltspunkte zur Ermittlung des gesetzgeberischen Willens in der Frage einer abschließenden Normierung aller arbeitgeberseitigen Ansprüche. Nach der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes

17 18 19 20

Abgedruckt in BGbl Nr. 43 v. 14. 10. 1952, S. 684. Abgedruckt in RGbl Nr. 26 v. 9. 2. 1920, S. 156. Abgedruckt in RGbl Nr. 26 v. 9. 2. 1920, S. 156. s. nur GK-BetrVG/Oetker, § 23 BetrVG Rn. 1; HWGNRH/Huke, § 23 BetrVG Rn. 1.

A. Die Konkurrenz zu § 23 Abs. 1 BetrVG

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über Betriebsräte in der 85. Sitzung des Reichstags21 wurde das weitere Gesetzgebungsverfahren maßgeblich von den Arbeiten des Ausschusses für soziale Angelegenheiten begleitet. Die vom Reichstag beschlossenen §§ 39 Abs. 2, 41 BRG 1920 entsprachen §§ 26, 29 des Entwurfs eines Gesetzes über Betriebsräte des Ausschusses für soziale Angelegenheiten. In den gesamten Beratungen des Ausschusses für soziale Angelegenheiten22 finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass §§ 26, 29 des Entwurfs als abschließende Regelungen gedacht waren. § 26 wurde hier ohne weitere Erörterung angenommen. Zu § 29 wurde in der allgemeinen Aussprache nur auf die Notwendigkeit gesetzlicher Regelungen zur Entfernung ungeeigneter Betriebsräte hingewiesen und zudem diskutiert, ob die Vorschrift nur dem Schutz der Unternehmer oder auch dem Schutz der Arbeitnehmer diene.23 Daneben finden sich in der zweiten Lesung lediglich Erörterungen zur der Frage, was im Falle der Auflösung oder des gesamten Rücktritts des Betriebsrats zu geschehen habe. Darüber hinaus wurde angemerkt, dass eine Bestimmung fehle, die im Falle einer notwendig werdenden Neuwahl den alten Betriebsrat bis zur Bildung des neuen Betriebsrats im Amt belasse und dass der Schlichtungsausschuss nach Auflösung eines Betriebsrats einen vorläufigen Betriebsrat einsetzen könne. Als ergänzungsbedürftig wurde zudem die Problematik der Auflösung des Betriebsrats, bei gleichzeitig fortdauernder Existenz des Angestelltenrates angesehen.24 Eine Abgeschlossenheit der §§ 26, 29 des Entwurfs wurde dagegen nicht diskutiert. Auch in der zweiten Beratung in der 135. – 137. Sitzung des Reichstags25 und in der dritten Beratung in der 140. Sitzung des Reichstags 26 wurde ein solcher Wille nicht artikuliert. Im Gegenteil lassen Äußerungen des Abgeordneten Eichhorn in der zweiten Beratung zu § 41 BRG den Eindruck zu, dass der Abgeordnete nicht von einem abschließenden Charakter der Norm ausging. So seien im Gesetz neben § 41 BRG auch Strafbestimmungen enthalten, die eine Verletzung der gesetzlichen Pflichten unter Strafe

21 Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Betriebsräte am 21. 8. 1919 in der 85. Sitzung der Nationalversammlung, Drucksache Nr. 928, in: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 329 (1919/20), S. 2721 – 2749. 22 Bericht des Ausschusses für soziale Angelegenheiten über den Entwurf eines Gesetzes für Betriebsräte, Aktenstück Nr. 1838, in: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 340 (1919/20), S. 1901 – 2000. 23 Bericht des Ausschusses für soziale Angelegenheiten über den Entwurf eines Gesetzes für Betriebsräte, Aktenstück Nr. 1838, in: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 340 (1919/20), S. 1910. 24 Bericht des Ausschusses für soziale Angelegenheiten über den Entwurf eines Gesetzes für Betriebsräte, Aktenstück Nr. 1838, in: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 340 (1919/20), S. 1923. 25 Zweite Beratung des Gesetzesentwurfs über Betriebsräte am 15. 1. 1920 in der 135. – 137. Sitzung der Nationalversammlung, in: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 331 (1919/20), S. 4196 – 4342. 26 Dritte Beratung des Gesetzesentwurfs über Betriebsräte am 18. 1. 1920 in der 140. Sitzung der Nationalversammlung, in: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 332 (1919/20), S. 4473 – 4518.

30

2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

stellen.27 In der Diskussion zu § 41 BRG wurde damit gerade auf eine Konkurrenz zu weiteren Vorschriften des BRG 1920 hingewiesen. Für eine Erweiterung der Aktionsmöglichkeiten gegenüber einem sich gesetzeswidrig verhaltenden Betriebsrat durch die Einführung von § 39 Abs. 2, 41 BRG 1920 spricht im Übrigen, dass mit dem Ausschluss aus bzw. der Auflösung des Betriebsrats eine neue Form der Reaktion auf die Verletzung gesetzlicher Pflichten geschaffen wurde. §§ 39 Abs. 2, 41 BRG 1920 haben keine historischen Vorgänger. Weder das Gesetz über den vaterländischen Hilfsdienst vom 5. 12. 1918 noch die Verordnung über Tarifverträge, Arbeiter- und Angestelltenausschüsse und Schlichtung von Arbeitsstreitigkeiten vom 23. 12. 1918 sahen eine Auflösung der Arbeiter- bzw. Angestelltenausschüsse bei Verletzung der diesen kraft Gesetzes obliegenden Pflichten vor. Die dargestellte Erweiterung der Aktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers verträgt sich nicht mit einer Deutung als abschließende Vorschrift. Kann daher zu §§ 39 Abs. 2, 41 BRG 1920 kein Wille des Gesetzgebers zur abschließenden Normierung aller Handlungsmöglichkeiten des Arbeitgebers festgestellt werden, muss anschließend hieran der Wille des Gesetzgebers bei Schaffung von § 23 Abs. 1 BetrVG 1952 betrachtet werden. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurden die Betriebs- durch nur beratende Vertrauensräte durch das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit (AOG) vom 20. 1. 1934 ersetzt. Nach dem Kriegsende wurden im besetzten Deutschland bereits im Herbst 1945 wieder Betriebsräte im Sinne des BRG 1920 gewählt.28 Hierfür bestand keine Rechtsgrundlage, das BRG 1920 war nicht mit Kriegsende wieder in Kraft getreten.29 Abhilfe schaffte hier das Kontrollratsgesetz Nr. 22 vom 10. 4. 1946.30 Das Kontrollratsgesetz Nr. 22 enthielt in Art. X eine Bestimmung, nach der die Behörden der Militärregierung Betriebsräte auflösen konnten, wenn deren Tätigkeit den Zielen der Besatzungsmächte zuwiderlief oder gegen Bestimmungen dieses Gesetzes verstieß.31 Die Vorschrift unterschied sich deutlich von den §§ 39 Abs. 2, 41 BRG 1920; berechtigt zur Auflösung der Betriebsräte wurden nur die Militärbehörden. Die Arbeitgeber konnten dagegen nach dem Kontrollratsgesetz Nr. 22 keine Auflösung verlangen. Daher kann bereits wegen des anderen Berechtigten in Art. X des Kontrollratsgesetzes Nr. 22 kein Vorgänger des § 23 Abs. 1 BetrVG erblickt werden. Nach Erlass des Kontrollratsgesetzes Nr. 22 erließen einzelne Bundesländer eigene Betriebsrätegesetze. Bis auf das Thüringische und das Württembergisch-Badische Gesetz enthielten alle Betriebsrätegesetze der Länder Vorschriften zum Ausschluss aus dem Betriebsrat bzw. zur Auflösung des Betriebsrats. Die meisten 27

So der Abgeordnete Eichhorn, Zweite Beratung des Gesetzesentwurfs über Betriebsräte am 15. 1. 1920 in der 137. Sitzung der Nationalversammlung, in: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 331 (1919/20), S. 4336. 28 GK-BetrVG/Wiese, Einl. BetrVG Rn. 17. 29 GK-BetrVG/Wiese, Einl. BetrVG Rn. 17. 30 Abgedruckt in: ABl. des Kontrollrats Nr. 6, S. 133. 31 Abgedruckt in: ABl. des Kontrollrats Nr. 6, S. 135.

A. Die Konkurrenz zu § 23 Abs. 1 BetrVG

31

landesrechtlichen Regelungen setzen dabei das Modell des Weimarer BRG 1920 fort, nach dem der Arbeitgeber bei gröblicher bzw. grober Verletzung der gesetzlichen Pflichten beim Arbeitsgericht die Auflösung bzw. Amtsenthebung des Betriebsrats beantragen konnte. In der Tradition der Weimarer Republik stehen die in einzelnen Formulierungen in Nuancen variierenden, aber im Wesentlichen inhaltsgleichen Regelungen in den Ländern Bayern32, Baden33, Schleswig-Holstein34 und Rheinland-Pfalz.35 Eine abweichende Konzeption findet sich dagegen nur in den Betriebsrätegesetzen der Länder Hessen und Bremen. So enthielt das hessische Betriebsrätegesetz vom 31. 5. 1948 in § 25 folgende Regelung: „Auf Antrag eines Viertels der wahlberechtigten Arbeitnehmer oder der im Betrieb oder in der Behörde vertretenen Gewerkschaften kann die Betriebsversammlung mit der Mehrheit der Stimmen insgesamt aller Wahlberechtigten in geheimer Abstimmung die Abberufung eines Betriebsratsmitglieds oder des gesamten Betriebsrats wegen grober Pflichtverletzung beschließen.“36

Im Unterschied zu §§ 39, 41 Abs. 2 BRG 1920 wurde sowohl in § 25 des hessischen Betriebsrätegesetzes als auch in § 24 des bremischen Betriebsrätegesetzes jedoch nicht der Arbeitgeber zur „Abberufung“ des gesamten Betriebsrats für berechtigt erklärt. Stattdessen wurde dieser Schritt in die Hand der wahlberechtigten Arbeitnehmer oder der im Betrieb/der Behörde vertretenen Gewerkschaften gelegt. Sowohl § 25 des hessischen Betriebsrätegesetzes als auch § 24 des bremischen Betriebsrätegesetzes kann daher – wie schon Art. X des Kontrollratsgesetzes Nr. 22 – wegen der abweichenden Antragsberechtigten für die Interpretation des § 23 Abs. 1 BetrVG nichts entnommen werden. Wegen der mit der Ländergesetzgebung einhergehenden Rechtszersplitterung im Betriebsräterecht wandte sich der Deutsche Bundestag in seiner ersten Wahlperiode der Schaffung eines bundeseinheitlichen BetrVG zu.37 Sowohl die CDU/CSU als 32

§§ 40, 42 Abs. 2 des bayerischen Betriebsrätegesetzes v. 25. 10. 1950, abgedruckt in: GVbl, S. 227 ff. 33 § 18 Abs. 2 des Landesgesetzes über die Bildung von Betriebsräten v. 29. 9. 1948, abgedruckt in: GVbl, S. 209 ff. 34 § 15 Abs. 3 des Gesetzes zur Regelung vordringlicher Angelegenheiten des Betriebsräterechts v. 3. 5. 1950, abgedruckt in: GVbl, S. 169. 35 § 30 der Landesverordnung über die Bedeutung und die Tätigkeit von Betriebsräten v. 15. 5. 1947 abgedruckt in: VObl, S. 258 ff.; ebenso für die Fortführung des Modells des BRG 1920 durch § 30 LVO auch Sadtler, S. 21. 36 Abgedruckt in: GVbl, S. 119. Eine ähnliche Regelung enthielt § 24 des bremischen Betriebsrätesetzes vom 10. 1. 1949 in der Fassung vom 7. 3. 1950 (abgedruckt in GVbl 1949, S. 7 ff. und in GVbl 1950, S. 31 ff.). In dieser konnte statt der in Hessen berechtigten Betriebsversammlung die Belegschaft mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen in geheimer Abstimmung die Abberufung einzelner Betriebsratsmitglieder oder des gesamten Betriebsrats wegen grober Pflichtverletzung beschließen, vgl. hierzu noch Hilmer, zu § 24 Brem. BRG. 37 Zu weiteren Absichten Herschel, Juristen-Jahrbuch 1961/1962, 80 (80).

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

auch die SPD-Fraktion reichten eigene Gesetzesentwürfe ein.38 Daneben reichte die Bundesregierung einen Entwurf im Bundestag ein.39 Dieser Regierungsentwurf wurde nach seiner ersten Beratung am 16. 11. 1950 an den Ausschuss für Arbeit überwiesen40 und dort neben den Entwürfen der CDU/CSU und der SPD beraten.41 Federführend für das Gesetzgebungsverfahren war damit der Ausschuss für Arbeit. Dieser erstellte einen Ausschussentwurf. § 23 des Ausschussentwurfs entspricht dem Gesetz gewordenen § 23 BetrVG 1952.42 Zudem arbeitete der Ausschuss einen schriftlichen Bericht aus,43 der Rückschlüsse auf den Willen des Gesetzgebers zulässt. Zu § 23 kann man aus den Erläuterungen im schriftlichen Bericht des Ausschusses für Arbeit keinen positiven Willen des Gesetzgebers zur abschließenden Normierung aller Ansprüche des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat entnehmen. In den Erläuterungen wird einzig auf die Vorbilder der Betriebsrätegesetze zur Schaffung einer Vorschrift zur Auflösung des Gesamtbetriebsrats verwiesen.44 Diese setzten mehrheitlich das Modell des Weimarer BRG 1920 fort, für das bereits aufgezeigt wurde, dass §§ 39, 41 Abs. 2 BRG 1920 nicht als abschließende Normierung verstanden werden konnten. Eine abschließende Normierung aller Handlungsoptionen des Arbeitgebers bei Schaffung des BetrVG 1952 kann aus dem schriftlichen Bericht des Ausschusses für Arbeit ebenfalls nicht entnommen werden. Der Ausschuss orientierte sich schlicht an den bereits existierenden Regelungen auf Landesebene. Bedenken gegen die Vorschrift des § 23 Abs. 1 BetrVG 1952 bestanden von Seiten der Oppositionsparteien SPD und FDP allein hinsichtlich der Aufnahme des Tatbestandsmerkmals „grobe Vernachlässigung“ wegen der Gefahr, dass Betriebsratsmitglieder hierdurch in zu weitem Maße der Abberufungsmöglichkeit ausgesetzt seien. Diese Bedenken wurden von den Regierungsparteien aber gerade nicht geteilt.45 Damit findet sich auch in den Materialien zu § 23 BetrVG 1952 kein Hinweis auf eine Abgeschlossenheit der Regelung. Nicht anders beurteilt sich die Frage bei der Novellierung des BetrVG 1952 durch das BetrVG 1972: Im maßgeblichen schriftlichen Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu Bundestagsdrucksache VI/2729 finden sich hinsichtlich § 23 Abs. 1 BetrVG 1972 keinerlei inhaltliche Abweichungen zur Regierungsvorlage.46 Die Regierungsvorlage hat § 23 Abs. 1 BetrVG 1972 aber, wie bereits oben aus38

BT-Drs. 1/970 und BT-Drs. 1/1229. BT-Drs. 1/1546. 40 1. Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Neuordnung der Beziehungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in den Betrieben (Betriebsverfassungsgesetz), 103. Sitzung des deutschen Bundestags v. 16. 11. 1950, Bt.-Prot. Bd. 5, S. 3785. 41 Vgl. den schriftlichen Bericht des Ausschusses für Arbeit, BT-Drs. Nr. 1/3585, S. 2. 42 Vgl. BT-Drs. 1/3585, S. 25. 43 BT-Drs. 1/3585. 44 BT-Drs. 1/3585, S. 6. 45 BT-Drs. 1/3585, S. 6, abgedruckt in RdA 1952, 281 (282 ff.). 46 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu BT-Drs. VI/2729, S. 21. 39

A. Die Konkurrenz zu § 23 Abs. 1 BetrVG

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geführt, nur in formulierungstechnischer Hinsicht gegenüber § 23 Abs. 1 BetrVG 1952 geändert. Auch bei Novellierung des BetrVG 1972 kann daher kein Wille des Gesetzgebers zur Schaffung einer abschließenden Regelung in § 23 Abs. 1 BetrVG festgestellt werden. Im Zuge der letzten großen Reform des BetrVG im Jahr 2001 blieb § 23 BetrVG unverändert gegenüber § 23 Abs. 1 BetrVG 1972. Aus der Gesetzgebungsgeschichte ergeben sich daher keine Anhaltspunkte, auf Grund derer von einer abschließenden Regelung in § 23 Abs. 1 BetrVG ausgegangen werden könnte.

III. Systematische Auslegung In systematischer Hinsicht kann die Frage nach einer abschließenden Regelung in § 23 Abs. 1 BetrVG wegen des „räumlichen Zusammenhangs“47 aus dem sich ein „Sachzusammenhang“48 ergeben könnte im Hinblick auf § 23 Abs. 3 BetrVG diskutiert werden. § 23 Abs. 1 BetrVG könnte dann das „Pendant“ zu § 23 Abs. 3 BetrVG sein.49 Voraussetzung wäre jedoch ein Zusammenhang zwischen § 23 Abs. 1 und § 23 Abs. 3 BetrVG, der eine Übertragung der Ergebnisse für § 23 Abs. 3 BetrVG auf § 23 Abs. 1 BetrVG zuließe. Sofern sich für § 23 Abs. 3 BetrVG die Feststellung treffen ließe, dass der Norm kein abschließender Charakter zukommt, müsste diesem Ergebnis bei Bestehens eines Sachzusammenhangs zwischen beiden Absätzen auch für den ersten Absatz der Vorschrift Bedeutung zukommen. 1. Abgeschlossenheit des § 23 Abs. 3 BetrVG ? Die Frage nach der Abgeschlossenheit des § 23 Abs. 3 BetrVG bzw. einer „Sperrwirkung“ der Vorschrift gegenüber einem „allgemeinen“ Unterlassungsanspruch des Betriebsrats bei der Missachtung von Mitbestimmungstatbeständen durch den Arbeitgeber hat in der Rechtsprechung des BAG wechselhafte Beantwortung erfahren. In seiner ersten Grundsatzentscheidung vom 22. 2. 1983 machte der 1. Senat § 23 Abs. 3 BetrVG zur wesentlichen betriebsverfassungsrechtlichen Anspruchsgrundlage des Betriebsrats mit Ausschlusswirkung gegenüber einem ungeschriebenen, allgemeinen Unterlassungsanspruch. Würde bei jedem – auch leichtem – Verstoß des Arbeitgebers gegen Mitbestimmungs- oder Mitwirkungsrechte ein Anspruch des Betriebsrats auf ein die Mitbestimmung achtendes Verhalten bestehen, wäre § 23 Abs. 3 BetrVG überflüssig. Einen begrenzten Regelungsgehalt des § 23 Abs. 3 BetrVG als rein verfahrensrechtliche Prozesstandsregelung sah das BAG im Jahr 1983 als weder mit dem Wortlaut der Regelung noch der Stellung der Vorschrift im allgemeinen Teil des BetrVG bzw. der Regelungsabsicht des Gesetzgebers ver47

Formulierung nach Konzen, Leistungspflichten, S. 39. Formulierung nach WPK/Kreft, § 23 BetrVG Rn. 1; ähnlich Lobinger, RdA 2011, 76 (84) „systematischer Zusammenhang“. 49 So Pohl, in: FS 25 Jahre ARGE im DAV, S. 987 (988). 48

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

einbar an. Für eine abschließende Regelung des Unterlassungsanspruchs in § 23 Abs. 3 BetrVG spreche des Weiteren, dass das BetrVG die Rechtsfolgen für Verstöße des Arbeitgebers (z. B. in §§ 101, 102, 113, 98 Abs. 5, 119 und 121 BetrVG) recht detailliert geregelt habe. Im Übrigen bestehe bei Annahme eines neben § 23 Abs. 3 BetrVG bestehenden allgemeinen Unterlassungsanspruchs in vollstreckungsrechtlicher Hinsicht ein weiterer Widerspruch: § 23 Abs. 3 Satz 5 BetrVG sehe bei Zuwiderhandlungen des Arbeitgebers einzig ein Ordnungsgeld in Höhe von 20.000 DM (jetzige Fassung: 10.000 E) vor während bei Annahme eines allgemeinen Unterlassungsanspruchs bei Verstoß des Arbeitgebers gegen eine gerichtliche Entscheidung über diesen Anspruch nach § 85 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 890 ZPO ein Ordnungsgeld in Höhe von 500.000 DM (jetzige Fassung: 250.000 E) festgesetzt werden dürfe. Angesichts der aufgezeigten Regelungen sei es auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes vertrauensvoller Zusammenarbeit der Betriebspartner nach § 2 Abs. 1 BetrVG gerechtfertigt, dass der Betriebsrat nur bei einem groben Verstoß des Arbeitgebers gegen dessen betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten einzig nach § 23 Abs. 3 BetrVG vorgehen könne.50 Als Konsequenz konnte der Betriebsrat nur bei Vorliegen eines „groben“ Verstoßes seitens des Arbeitgebers einen Unterlassungsanspruch erfolgreich geltend machen. Ganz anders ordnete dagegen die zweite Grundsatzentscheidung vom 3. 5. 1994 § 23 Abs. 3 BetrVG ein: Die These der generellen Ausschlusswirkung des § 23 Abs. 3 BetrVG lasse sich nicht aufrechterhalten. Insofern habe der 1. Senat bereits mit Entscheidung vom 17. 5. 1983 für Leistungs- und Unterrichtungsansprüche Ausnahmen vom generellen Vorrang des § 23 Abs. 3 BetrVG zulassen müssen.51 Eine weitere Widersprüchlichkeit in der Rechtsprechung des 1. Senats ergebe sich in Fällen einer zwischen den Betriebsparteien abgeschlossenen Betriebsvereinbarung. Bei Verstoß gegen eine bestehende Betriebsvereinbarung erkenne der 1. Senat Unterlassungsansprüche des Betriebsrats unabhängig von § 23 Abs. 3 BetrVG an: Selbst bei Berücksichtigung der Verschiedenheit der Rechtsgrundlagen leuchte es nicht ohne weiteres ein, dass bei bereits ausgeübter Mitbestimmung dem Betriebsrat ein Unterlassungsanspruch zustehe. Für den Fall, dass der Arbeitgeber aber die Ausübung des Mitbestimmungsrechts von vornherein unmöglich mache, solle ein solcher Anspruch nur unter den engen Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 BetrVG bestehen. Das Schutzbedürfnis des Betriebsrats sei (in letztgenanntem Fall) nicht erkennbar geringer und die Interessen des Arbeitgebers nicht schutzwürdiger.52 Letztgenannter Ansicht kann beigepflichtet werden. Zwar vermögen die Hinweise des BAG auf Widersprüche der vorherigen Auslegung des § 23 Abs. 3 BetrVG als abschließende Vorschrift im Vergleich zu weiteren Rechtsprechungslinien nur zum Teil zu überzeugen. So kann z. B. die Annahme einer Ungleichbehandlung mit dem Unterlassungsanspruch aus einer Betriebsvereinbarung nicht überzeugen, weil 50 51 52

BAG v. 22. 2. 1983, 1 ABR 27/81, NJW 1984, 196 (197 f.). BAG v. 17. 5. 1983, 1 ABR 21/80, AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 19 unter III. 2. BAG v. 3. 5. 1994, 1 ABR 24/93, NJW 1995, 1044 (1045).

A. Die Konkurrenz zu § 23 Abs. 1 BetrVG

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zwischen dem Unterlassungsanspruch aus einer Betriebsvereinbarung und einem neben § 23 Abs. 3 BetrVG denkbaren Unterlassungsanspruch Unterschiede in der Anspruchsgrundlage bestehen. Wenn sich der Arbeitgeber mit Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Überwachung eines mit dem Betriebsrat ausgehandelten Verbots verpflichtet, hat der Betriebsrat einen vertraglichen Anspruch auf Erfüllung des in der Vereinbarung Niedergelegten. Die Unterlassung des Verstoßes gegen das vereinbarte Handlungsprogramm stellt sich sodann einzig als negative Seite des Vereinbarten dar; es tritt nichts zum Forderungsrecht hinzu. Beim Schutz des Mitbestimmungsrechts durch einen Unterlassungsanspruch geht es dagegen um einen zusätzlichen Schutz.53 Überzeugen kann dagegen das weitere Argument der Ungleichbehandlung von Unterlassungs- mit Leistungs- und Unterrichtungsansprüchen. § 23 Abs. 3 BetrVG erfasst bereits seinem Wortlaut nach sowohl positive Leistungen („eine Handlung vorzunehmen“) als auch Unterlassungen („eine Handlung zu unterlassen“). Zudem ergibt die Auslegung des § 23 Abs. 3 BetrVG, dass es sich nicht um eine Vorschrift handelt, die einen allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber sperrt. Im Wortlaut des § 23 Abs. 3 BetrVG fehlt – genauso wie oben für § 23 Abs. 1 BetrVG festgestellt – jegliche Einschränkung; „nur“ steht in der Vorschrift gerade nicht.54 Der Wortlaut der Vorschrift spricht damit nicht für ein Verständnis als abschließende Norm. Historisch gesehen überzeugt eine einschränkende Auslegung des § 23 Abs. 3 BetrVG ebenfalls nicht. Dies wurde deutlich von Dütz herausgearbeitet.55 § 23 Abs. 3 BetrVG wurde mit der Reform 1972 in das BetrVG eingeführt. Generelles Ziel der Reform des BetrVG 1972 war die Stärkung und der Ausbau der Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte.56 Mit dieser Intention verträgt sich aber nicht eine einschränkende Auslegung des § 23 Abs. 3 BetrVG, die diesen als einzige Norm zur Sanktionierung von mitbestimmungswidrigem Verhalten des Arbeitgebers versteht, da dann nur noch in den Fällen grober Verstöße überhaupt Unterlassung von Seiten des Betriebsrats verlangt werden könnte. Zudem kann ein weiterer Einwand gegen eine einschränkende Auslegung des § 23 Abs. 3 BetrVG als abschließende Vorschrift aus der Entstehungsgeschichte gezogen werden. Konkretes, speziell mit der Einführung von § 23 Abs. 3 BetrVG verfolgtes Ziel war es, eine Einseitigkeit in der Sanktionierung betriebsverfassungswidrigen Handelns aus dem allein existierenden § 23 Abs. 1 BetrVG 1952 zugunsten des Arbeitgebers aufzuheben. Gerade im Hinblick auf die Sanktionsregelung des Abs. 1 sollte „aus Gründen der Gleichgewichtigkeit“ für den Betriebsrat § 23 Abs. 3 BetrVG neu in das BetrVG 1972 eingefügt werden.57 Eine Abgeschlossenheit des 53 54 55 56

S. 4. 57

S. 21.

Richardi, NZA 1995, 8 (9). Kümpel, AiB 1983, 132 (133); Trittin, BB 1984, 1169 (1170). Dütz, Unterlassungsansprüche, S. 34. Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, zu BT-Drs. 6/2729, Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, zu BT-Drs. 6/2729,

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

§ 23 Abs. 1 BetrVG wurde aber weder vor dem Gesetzgebungsverfahren zum BetrVG 1972 erörtert, noch konnte sie nach Analyse des Wortlauts und der Gesetzgebungsgeschichte der Vorschrift nachgewiesen werden. Auch der Gesetzgeber des BetrVG 1972 hat bei Schaffung des § 23 Abs. 3 BetrVG dieses Verständnis der Regelung in § 23 Abs. 1 BetrVG zu Grunde gelegt. § 23 Abs. 3 BetrVG kann daher nur als eine Norm zur Verschaffung zusätzlicher Handlungsmöglichkeiten für den Betriebsrat gedeutet werden.58 In systematischer Hinsicht spricht auch die Beschränkung des Ordnungsgeldes in § 23 Abs. 3 Satz 5 BetrVG nicht für eine abschließende Natur des § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG. Zum einen sind im deutschen Recht Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren getrennt; aus dem Vollstreckungsverfahren in § 23 Abs. 3 Satz 2 – 5 BetrVG können keine Rückschlüsse auf das Erkenntnisverfahren in § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG gezogen werden. Zudem sind auch für einen allgemeinen Unterlassungsanspruch und dessen Vollstreckung nicht ohne weiteres §§ 888, 890 ZPO anwendbar. So könnte auch zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen entsprechend/analog § 23 Abs. 3 Satz 5 BetrVG eine Beschränkung des Höchstmaßes des Ordnungsgelds eingreifen.59 Zudem kann aus der Existenz spezieller Rechtsfolgenregelungen in §§ 101, 102, 113, 98 Abs. 5, 119 und 121 BetrVG neben § 23 Abs. 3 BetrVG nicht auf eine abschließende Natur letzgenannter Vorschrift geschlossen werden. §§ 119, 121 BetrVG erlauben nur für spezifische Fallgestaltungen die Verhängung einer Freiheits- oder Geldstrafe bzw. eines Bußgeldes. Die übrigen Regelungen betreffen nur Personalentscheidungen im Einzelfall.60 Von einem mit §§ 101, 102, 113, 98 Abs. 5, 119 und 121 BetrVG geschlossenen System kodifizierter Rechtsschutzmöglichkeiten im BetrVG für alle Fälle betriebsverfassungswidrigen Verhaltens kann daher nicht ausgegangen werden. Darüber hinaus wird § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG durch die Anerkennung eines daneben bestehenden allgemeinen Unterlassungsanspruchs des Betriebsrats nicht funktionslos. Der Norm bleibt ein Anwendungsbereich als Prozesstandschaftsregelung.61 Endlich würde eine Beschränkung des Betriebsrats auf den Anspruch nach § 23 Abs. 3 BetrVG zu einer widersinnigen Privilegierung des nur „schlicht“, nicht aber „grob“ mitbestimmungswidrig handelnden Arbeitgebers führen.62 2. Sachlicher Zusammenhang zwischen § 23 Abs. 3 und § 23 Abs. 1 BetrVG ? Damit kann für die weitere Bearbeitung die richtige Erkenntnis der neueren Rechtsprechung des BAG zu Grunde gelegt werden, dass § 23 Abs. 3 BetrVG keine abschließende Regelung gegenüber Unterlassungsansprüchen darstellt. Der zu § 23 58 59 60 61 62

Trittin, BB 1984, 1169 (1170). BAG v. 29. 4. 2004, 1 ABR 30/02, NZA 2004, 670 (678); Raab, ZfA 1997, 183 (187). Salje, DB 1988, 909 (910). Derleder, AuR 1983, 289 (294). Neumann, BB 1984, 676 (677).

A. Die Konkurrenz zu § 23 Abs. 1 BetrVG

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Abs. 3 BetrVG herausgearbeitete Befund könnte sich bei einem Zusammenhang mit § 23 Abs. 1 BetrVG auf diesen Absatz des § 23 BetrVG auswirken. Hierfür spricht zunächst das zugegebenermaßen formale Argument, dass sowohl § 23 Abs. 1 als auch Abs. 3 BetrVG in derselben Vorschrift unter gleicher Überschrift der Verletzung gesetzlicher Pflichten stehen. Gegen eine solche parallele Deutung der beiden Absätze regt sich jedoch in der Literatur Widerstand, eine Koppelung der Vorschriften wird von diesen Teilen der Literatur abgelehnt.63 Es existieren drei grundsätzliche Einwände gegen die Koppelung von § 23 Abs. 3 und § 23 Abs. 1 BetrVG: eine Verschiedenheit der von Gesetzes wegen vorgesehen Maßnahmen, die unterschiedlich begründete Stellung von Betriebsrat und Arbeitgeber in der Betriebsverfassung sowie eine mit der Einführung von § 23 Abs. 3 BetrVG allein angestrebte vergleichbare Intensität des Rechtsschutzes. Hier soll diesen drei Einwänden gegen eine gleichlaufende Interpretation aus Gründen der Übersichtlichkeit einzeln nachgegangen werden. a) Der untaugliche Rekurs auf die Verschiedenheit der im Gesetz vorgesehenen Maßnahmen Wenderoth lehnt eine Verbindung der beiden Absätze mit Verweis auf die für den Betriebsrat nicht gegebene Möglichkeit der Amtsenthebung gegenüber dem Arbeitgeber ab.64 Er stellt damit für die Differenzierung maßgeblich auf die Verschiedenheit der jeweils nach § 23 BetrVG möglichen Maßnahmen ab. Ein Zusammenhang lässt sich zwar nicht mit Blick auf die Maßnahmen herstellen. § 23 Abs. 1 BetrVG sieht für den Arbeitgeber nach seinem Wortlaut nur den Antrag auf Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat sowie den Antrag auf Auflösung des Betriebsrats vor, wohingegen § 23 Abs. 3 BetrVG dem Betriebsrat ausdrücklich die Möglichkeit eröffnet, bei Gericht Unterlassung gegenüber dem Arbeitgeber zu beantragen. Hieraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass damit ein Zusammenhang zwischen Abs. 1 und Abs. 3 des § 23 BetrVG nicht besteht. Vielmehr dienen beide Absätze zur Durchsetzung gesetzlicher Pflichten.65 Auch methodisch kann es mit dem Rekurs auf den divergierenden Wortlaut von § 23 Abs. 1 und § 23 Abs. 3 BetrVG nicht sein Bewenden haben. Die Auslegung des Wortlauts einer Vorschrift ist nur als Ausganspunkt des Auslegungsprozesses anzusehen,66 sie liefert nur ein Zwischenergebnis auf dem Weg zum avisierten Auslegungsziel.67 Daher muss zur Untersuchung des in Frage gestellten sachlichen Zusammenhangs zwischen § 23 Abs. 1 und § 23 Abs. 3 BetrVG auch die Zweckrichtung der Vorschriften ermittelt und verglichen werden. Sollten § 23 Abs. 1 und § 23 Abs. 3 63 64 65 66 67

Wenderoth, S. 53; Kruse, S. 77, 155; Klocke, S. 88. Wenderoth, S. 53. K. Weber, S. 55. Larenz, Methodenlehre, S. 343; NK-BGB/Looschelders, Anh. zu § 133 BGB Rn. 15. Zutreffend Wank, Auslegung, S. 54.

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

BetrVG denselben Zweck verfolgen, spricht dies für einen sachlichen Zusammenhang der beiden Absätze. Über den mit § 23 Abs. 1 bzw. § 23 Abs. 3 BetrVG verfolgten Zweck besteht jedoch bei beiden Absätzen Streit: So wurde für § 23 Abs. 1 BetrVG – vor allem früher – vertreten, dass es sich um eine disziplinarrechtliche bzw. strafähnliche Vorschrift handele.68 Ähnliche Aussagen finden sich auch zur Einordnung des § 23 Abs. 3 BetrVG.69 Daneben geht die heute wohl herrschende Auffassung davon aus, dass Zweck der Maßnahmen in § 23 BetrVG die Sicherstellung eines Mindestmaßes an gesetzmäßigem Verhalten zwischen den Betriebspartnern sei.70 Des Weiteren finden sich einzelne Literaten, die eine gespaltene Zweckbetrachtung der Vorschrift befürworten, wonach in Abs. 1 der Sicherstellungszweck und in Abs. 3 der Disziplinierungszweck verankert sei.71 Das BAG hat den Zweck des Ausschlussverfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG auch noch darin gesehen, eine zu befürchtende Gefährdung des Betriebsfriedens zu verhindern und die ordnungsgemäße Arbeit des Betriebsrats selbst sicherzustellen,72 wobei der Störung des Betriebsfriedens zum Teil nur in Abhängigkeit dazu herausragende Bedeutung zukommen soll, ob der Arbeitgeber oder der Betriebsrat den Antrag nach § 23 Abs. 1 BetrVG stellt.73 Letztgenannte Ansicht, die auf eine je nach Antragssteller differierende Zweckbetrachtung für § 23 Abs. 1 BetrVG hinausläuft, kann jedoch nicht überzeugen. Das Gesetz sieht hinsichtlich des Antragsrechts des Arbeitgebers und des Betriebsrats keine Abstufung vor. So kann der Ausschluss eines Mitglieds nach § 23 Abs. 1 Satz 2 BetrVG auch vom Betriebsrat beantragt werden. Hiermit wird das Antragsrecht des Betriebsrats inhaltsgleich mit denen nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG – mithin gerade auch dem Antragsrecht des Arbeitgebers – ausgestaltet. § 23 Abs. 1 Satz 2 BetrVG knüpft ohne Einschränkung an § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG an. Einer Betrachtungsweise, die der Gefährdung des Betriebsfriedens nur für den Antrag des Arbeitgebers herausragende Bedeutung zumisst, kann daher nicht gefolgt werden. Die frühere Rechtsprechung vor allem des RAG zur Annahme eines disziplinarrechtlichen Zwecks ist bereits aus systematischen Gründen abzulehnen. § 23 BetrVG steht im zweiten Abschnitt zum zweiten Teil des BetrVG bei den Regelungen zur Amtszeit des Betriebsrats, während Straf- und Bußgeldvorschriften im 68 RAG v. 13. 7. 1929, RAG RB. 4/29 ARS 6, 393 (396); RAG v. 1. 10. 1930, RAG RB. 34/ 30, ARS 10, 122 (128); BAG v. 5. 12. 1978, 6 ABR 70/77, AP BetrVG 1972 § 101 Nr. 4 unter II. 2. b) aa); O. Radke, BB 1957, 1112 (1115). 69 LAG Hamm v. 4. 2. 1977, 3 TaBV 75/76, EzA § 23 BetrVG 1972 Nr. 5, S. 15 (16); Dütz, DB 1984, 115 (116). 70 BAG v. 18. 4. 1985, 6 ABR 19/84, NZA 1985, 783 (784); ErfK/Koch, § 23 BetrVG Rn. 1; Richardi/Thüsing, § 23 BetrVG Rn. 3; FESTL, § 23 BetrVG Rn. 1; DKKW/Trittin, § 23 BetrVG Rn. 5 sowie Rn. 195; WPK/Kreft, § 23 BetrVG Rn. 4; Konzen, Leistungspflichten, S. 47. 71 HaKo-BetrVG/Düwell, § 23 BetrVG Rn. 5 sowie Rn. 34. 72 BAG v. 29. 4. 1969, 1 ABR 19/68, AuR 1970, 93 (95); ebenso LAG Düsseldorf v. 9. 1. 2013, 12 TaBV 93/12, juris Rz. 40; ArbG Halle (Saale) v. 17. 9. 2013, 3 BV 41/12, juris Rz. 90. 73 BAG v. 5. 9. 1967, 1 ABR 1/67, DB 1967, 1947 (1947).

A. Die Konkurrenz zu § 23 Abs. 1 BetrVG

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sechsten Teil des BetrVG in den §§ 119 – 121 BetrVG eine eigenständige Regelung erfahren haben.74 So unterscheiden sich auch die Überschriften der beiden Vorschriften deutlich: während § 23 BetrVG mit „Verletzung gesetzlicher Pflichten“ überschrieben ist, erfasst § 119 BetrVG „Strafttaten gegen Betriebsverfassungsorgane und ihre Mitglieder“. Die Vorschrift des § 119 BetrVG knüpft dabei an individuell verschuldetes Verhalten des Täters an.75 § 23 Abs. 3 BetrVG bezieht sich dagegen gerade nicht auf die Verletzung individueller Sorgfaltspflichten, sondern ist auf Amtspflichten beschränkt. Gleiches gilt für § 23 Abs. 1 BetrVG. Zudem erfordert § 119 BetrVG in jedem Fall vorsätzliches Verhalten des Täters. Das Erfordernis des Vorsatzes steht zwar nicht mehr explizit in § 119 BetrVG, während es in der Vorgängerregelung des § 78 BetrVG 1952 noch ausdrücklich aufgestellt wurde. Hieraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, der Gesetzgeber habe das Erfordernis bei der Reform des BetrVG 1972 abschaffen wollen. Im Gegenteil beabsichtigte er vorausschauend bei der Reform des BetrVG 1972 bereits das zweite Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 4. 7. 1969 zu berücksichtigen.76 Nach dessen § 15 ist nur vorsätzliches Handeln strafbar. Anders als bei § 119 BetrVG stellt sich die Situation wieder in § 23 Abs. 1 und Abs. 3 BetrVG dar. Hier geht die zutreffende Meinung davon aus, dass beide Absätze des § 23 in tatbestandlicher Hinsicht nicht zwingend ein Verschulden in Form von Vorsatz oder Fahrlässigkeit voraussetzen.77 Zwar wird angenommen, dass mit einer objektiv erheblichen, groben Amtspflichtverletzung regelmäßig mindestens Fahrlässigkeit einhergehen müsse.78 Zur Voraussetzung wird das Verschulden bei § 23 Abs. 1 und Abs. 3 BetrVG damit aber nicht. So besteht ein Unterschied zwischen grober Fahrlässigkeit im Sinne des § 277 BGB, von der die relativierende Spielart der zutreffenden Meinung beeinflusst zu sein scheint und der groben Pflichtverletzung im Sinne des § 23 BetrVG. Das Adjektiv „grob“ bezieht sich im Fall des § 277 BGB auf den Verschuldensmaßstab, wohingegen es bei § 23 BetrVG einzig die Pflichtverletzung als Handlung kennzeichnet.79 Selbst wenn man annähme, mit einer groben Verletzung der gesetzlichen Pflichten ginge regelmäßig 74 75 76

S. 35.

Zutreffend GK-BetrVG/Oetker, § 23 BetrVG Rn. 14. WPK/Preis, § 119 BetrVG Rn. 4. Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, zu BT-Drs. 6/2729,

77 Zu § 23 Abs. 1 BetrVG: BAG v. 5. 9. 1967, 1 ABR 1/67, AP BetrVG § 23 Nr. 8; v. 22. 6. 1993, 1 ABR 62/92, AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 22 unter III. 3. a); GK-BetrVG/Oetker, § 23 BetrVG Rn. 47; HaKo-BetrVG/Düwell, § 23 BetrVG Rn. 13; WPK/Kreft, § 23 BetrVG Rn. 13; Münch. Hdb. z. ArbR/Joost, § 222 Rn. 12; zu § 23 Abs. 3 BetrVG: BAG v. 14. 11. 1989, 1 ABR 87/88, AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 76 unter B. II. 2.; v. 27. 11. 1990, 1 ABR 77/89, AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 41 unter B. III. 2. a); v. 8. 8. 1989, 1 ABR 65/88, AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 15 unter B. II.; v. 23. 6. 1992, 1 ABR 11/92, AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 20 unter B. II. 3.; v. 26. 7. 2005, 1 ABR 29/04, AP BetrVG 1972 § 95 Nr. 43 unter B. II. 2. aa); Münch. Hdb. z. ArbR/Joost, § 222 Rn. 33; WPK/Kreft, § 23 BetrVG Rn. 60; Fiebig, NZA 1993, 58 (58 Fn. 2); Besgen/Roloff, NZA 2007, 670 (672). 78 WPK/Kreft, § 23 BetrVG Rn. 13. 79 Zutreffend GK-BetrVG/Oetker, § 23 BetrVG Rn. 49; i.E. ebenso Stege, DB 1977, Beilage Nr. 8 zu Heft 23, 1 (5).

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

Fahrlässigkeit einher, würde immer noch ein Unterschied zum in dieser Hinsicht anspruchsvolleren § 119 BetrVG mit dessen Vorsatzerfordernis bestehen. Insgesamt gesehen muss damit davon ausgegangen werden, dass § 23 BetrVG und § 119 BetrVG von unterschiedlichen Bezugspunkten ausgehen. In historischer Hinsicht kann indiziell zudem auf die oben bereits erwähnten Äußerungen des Abgeordneten Eichhorn bei Schaffung des § 41 BRG 1920 verwiesen werden, der von einem Nebeneinander von § 41 BRG 1920 und der Strafvorschrift in § 100 BRG 1920 ausging.80 Zwischen der Strafvorschrift des § 119 BetrVG und § 23 BetrVG zeigen sich also konstruktive Unterschiede, die für verschiedenartige Zwecksetzungen sprechen. Die soeben dargelegten Argumente zur Gesetzessystematik betreffen in gleicher Weise die Ansicht, die nur in § 23 Abs. 3 BetrVG einen Disziplinarzweck berücksichtigt. Eine solche gespaltene Zweckbetrachtung verträgt sich im Übrigen nicht mit der Gesetzgebungsgeschichte, nach der § 23 Abs. 3 BetrVG aus Gründen der Gleichgewichtigkeit eingeführt wurde.81 § 23 Abs. 3 BetrVG wurde gerade „als Gegenstück“ zu § 23 Abs. 1 BetrVG konzipiert.82 Die Ansicht, die in § 23 Abs. 1 und/oder Abs. 3 BetrVG eine disziplinarrechtliche Vorschrift erblickt, kann dementsprechend nicht überzeugen. Damit bleiben für die Zweckfeststellung des § 23 Abs. 1 und Abs. 3 BetrVG noch zwei Ansichten übrig. Zum einen die Auffassung, welche in § 23 BetrVG ein Instrument zur Sicherstellung eines Mindestmaßes an gesetzmäßigem Verhalten sieht. Zum anderen die Ansicht des BAG, die § 23 Abs. 1 BetrVG als Vorschrift zur Verhütung von befürchteten Gefährdungen des Betriebsfriedens bei gleichzeitiger Gewährleistung der ordnungsgemäßen Arbeit des Betriebsrats einordnet. Zwischen beiden Ansichten besteht keine Deckungsgleichheit. Der Betriebsfrieden (als Zustand störungsfreier Zusammenarbeit zwischen den Betriebspartnern sowie allgemein zwischen den Betriebsangehörigen)83 ist nur ein Teil des gesetzmäßigen Verhaltens, das nach der ersten Ansicht in Form eines Mindestmaßes über § 23 BetrVG eingefordert werden kann. Über diesen hinaus könnten mit der ersten Ansicht über § 23 Abs. 1 BetrVG auch andere Rechte und Rechtsgüter des Arbeitgebers, die nicht notwendig im Betriebsfrieden aufgehen, abgesichert werden. Beispielhaft kann auf § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG verwiesen werden, dessen Schutzgut Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse des Arbeitgebers sind. Die Vorschrift des § 79 BetrVG will die Wettbewerbsfähigkeit des Betriebsinhabers schützen.84 Der Schutz von Betriebsgeheimnissen wird im Verfassungsrecht durch 80 Vgl. die Ausführungen des Abgeordneten Eichhorn in der zweiten Beratung des Gesetzesentwurfs über Betriebsräte am 15. 1. 1920 in der 137. Sitzung der Nationalversammlung, in:Verhandlungen des Reichstags, Bd. 331 (1919/20), S. 4336. 81 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, zu BT-Drs. 6/2729, S. 21. 82 Nur insofern zutreffend Kruse, S. 155. 83 Vgl. hier nur WPK/Preis, § 74 BetrVG Rn. 24. Genaueres zum Betriebsfrieden unter 4. Kapitel A. III. 1. a). 84 Kort, SAE 1988, 60 (61).

A. Die Konkurrenz zu § 23 Abs. 1 BetrVG

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die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet.85 Dass es sich dagegen beim Betriebsfrieden nicht um eine allumfassende Sammelbezeichnung handelt, die alle Interessen des Arbeitgebers einschließt und vor allem auch Geheimhaltungsinteressen des Arbeitgebers abdeckt, zeigt sich plastisch in der neuen Rechtsprechung des BAG zum Zutrittsrecht betriebsfremder Gewerkschaftsangehöriger zu Werbezwecken. Das BAG begründet ein solches Recht der Gewerkschaft als rechtsfortbildende Ausgestaltung der Koalitionsfreiheit. Die Kollision des Art. 9 Abs. 3 GG mit den Interessen des Betriebsinhabers und dessen grundgesetzlichen Gewährleistungen aus Art. 13, 14, 2 Abs. 1 GG löst das BAG im Wege praktischer Konkorrdanz auf. Die hierbei notwendige Einzelfallabwägung kann auf Seiten des Arbeitgebers dessen Interesse an der Wahrung des Betriebsfriedens umfassen. Ebenso können seine Geheimhaltungs- und Sicherheitsinteressen von Bedeutung sein.86 Zwischen Betriebsfrieden und Geheimhaltungsinteresse besteht damit in der Rechtsprechung des BAG gerade keine Übereinstimmung, diese sind vielmehr separate Gesichtspunkte. Die unterschiedliche Reichweite der zu § 23 Abs. 1 BetrVG vertretenen Ansichten (nur den Betriebsfrieden gefährdende bzw. störende Handlungen oder jegliches gesetzeswidriges Verhalten) muss bei der Frage nach dem mit § 23 Abs. 1 BetrVG verfolgten Zweck Beachtung finden; eine Entscheidung zwischen den beiden Thesen ist mithin erforderlich. Der zweite vom BAG angeführte Aspekt, die ordnungsgemäße Arbeit des Betriebsrats sicherzustellen, geht dagegen inhaltlich zumindest insoweit in der Forderung nach der Einhaltung von gesetzmäßigem Verhalten auf, dass ordnungsgemäß nur eine gesetzmäßige Amtsführung des Betriebsrats sein kann. Jedoch besteht auch zwischen diesen beiden Auffassungen in inhaltlicher Hinsicht ein Unterschied. Im Gegensatz zu der Auffassung, die ein gesetzmäßiges Verhalten zwischen den Betriebspartner über § 23 Abs. 1 (und Abs. 3) BetrVG einfordern will, dieses aber auf ein Mindestmaß beschränkt, hat das BAG eine solche Einschränkung zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Arbeit des Betriebsrats nicht vorgenommen. Die umfassende Sicherstellung der ordnungsgemäßen Arbeit des Betriebsrats als Zweck des § 23 BetrVG hätte stattdessen einen potentiell weiteren Kreis an von § 23 BetrVG erfassten Verhaltensweisen zur Folge. Ein weiterer Unterschied könnte darin liegen, dass die Einhaltung eines Mindestmaßes an gesetzmäßigem Verhalten als zukunfts-, die Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arbeit des Betriebsrats dagegen als vergangenheitsbezogen eingeordnet wird. Hierfür ergeben sich aus der Rechtsprechung des BAG jedoch keine Anhaltspunkte. Das BAG formulierte seine Auffassung zum Zweck des § 23 Abs. 1 BetrVG im Kontext der Frage, welche Auswirkungen der im Verlauf eines gegen ein Betriebsratsmitglied eingeleiteten Ausschlussverfahrens eintretende Ablauf der Amtszeit auf dieses Verfahren hat. Hier entschied es sich auch mit Verweis auf den 85

BVerfG v. 14. 3. 2006, 1 BvR 2087/03 und 1 BvR 2111/03, MMR 2006, 375 (376). BAG v. 28. 2. 2006, 1 AZR 460/04, NZA 2006, 798 (802), Hervorhebung seitens des Verfassers. 86

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

Zweck des § 23 Abs. 1 BetrVG für eine zeitliche Beschränkung des Ausschlussverfahrens auf in einer Amtsperiode begangene Amtspflichtverletzungen. Die pflichtgemäße Arbeit des Betriebsrats sei auch dann gewährleistet, wenn inzwischen ein neuer Betriebsrat sein Amt angetreten habe und es pflichtgemäß ohne Gefährdung des Betriebsfriedens führe.87 Vergangenheitsbezogen lässt sich die Einbeziehung des neuen Betriebsrats in die Betrachtungen zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Betriebsratsarbeit nicht erklären. Anders sieht es dagegen aus, wenn man den Zweck des § 23 BetrVG zukunftsbezogen ermittelt. Mit der Berücksichtigung der Arbeit des neuen Betriebsrats für die Sicherstellung ordnungsgemäßer Arbeit hat das BAG dies gerade getan. Insofern besteht in der Frage der zeitlichen Ausrichtung Deckungsgleichheit mit der Einhaltung eines Mindestmaßes an gesetzmäßigem Verhalten zwischen den Betriebspartnern; beide Ansichten führen eine zukunftsbezogene Betrachtung durch. Auch ohne zeitlichen Unterschied zwischen beiden Auffassungen besteht in inhaltlicher Hinsicht zumindest in der Beschränkung auf ein Mindestmaß an einforderbarem gesetzmäßigem Verhalten ein zur Ermittlung des mit § 23 BetrVG verfolgten Zwecks relevanter Unterschied. Dieser gebietet eine Entscheidung zwischen der Auffassung, die die Einhaltung eines Mindestmaßes an gesetzmäßigem Verhalten und der Ansicht, die in § 23 Abs. 1 BetrVG den Zweck der Sicherstellung der ordnungsgemäßen Arbeit des Betriebsrats verwirklicht sieht. Die Annahme der Rechtsprechung, dass § 23 Abs. 1 BetrVG eine befürchtete Gefährdung des Betriebsfriedens verhüten soll, lässt sich mit dem Wortlaut der Vorschrift weder unterstützen noch widerlegen; dieser enthält keine Anhaltspunkte zu einer betriebsfriedenwahrenden Zwecksetzung. Einer Beschränkung auf Verhaltensweisen, die den Betriebsfrieden stören oder zumindest ernstlich gefährden, kann in systematischer Hinsicht jedoch entgegengehalten werden, dass die Regelung zum Betriebsfrieden eine ausdrückliche Regelung in § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG erfahren hat. Zwischen diesen beiden Regelungen besteht ihrer Anordnung im Gesetz nach kein Zusammenhang. Entgegen § 23 BetrVG, der im zweiten Abschnitt des zweiten Teils des BetrVG zur Amtszeit des Betriebsrats steht, ist § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG dem ersten Abschnitt des vierten Teils des BetrVG als allgemeine Regelung der Mitwirkung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer zugeordnet. Auch historisch lässt sich kein Zusammenhang zwischen § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG und § 23 BetrVG herstellen. § 23 Abs. 1 BetrVG hat Vorläufer in den Regelungen des §§ 39 Abs. 2, 41 BRG 1920. § 23 Abs. 3 BetrVG ist mit der Reform 1972 neu in das BetrVG eingefügt worden. Der Absatz hat keine historischen Vorbilder. § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG entspricht dagegen § 49 Abs. 2 BetrVG 1952. Der Gedanke der Friedenspflicht wurde aber nicht durch das BetrVG 1952 neu eingeführt; vielmehr enthielt auch das BRG 1920 bereits Regelungen zum Betriebsfrieden. So wurde § 66 Ziff. 3 BRG 1920, der dem Betriebsrat die Aufgabe auferlegte, den Betrieb vor

87

BAG v. 29. 4. 1969, 1 ABR 19/68, AP BetrVG § 23 Nr. 9.

A. Die Konkurrenz zu § 23 Abs. 1 BetrVG

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Erschütterungen zu bewahren, als Ausprägung der Friedenspflicht begriffen.88 § 66 Ziff. 3 BRG 1920 war jedoch auch in der äußeren Systematik des BRG 1920 von §§ 39 Abs. 2, 41 BRG 1920 getrennt. Die §§ 39, 41 BRG 1920 waren dem zweiten Abschnitt über den Aufbau der Betriebsvertretungen zugeordnet, wohingegen § 66 Ziff. 3 BRG 1920 Bestandteil des dritten Abschnitts über Aufgaben und Befugnisse der Betriebsvertretungen war. Während die Vorschriften im Abschnitt über den Aufbau der Betriebsvertretungen nur das „Gerippe“ bildeten,89 fanden sich die inhaltlich wichtigsten Vorschriften erst im dritten Abschnitt.90 Die Vorschriften waren damit voneinander unabhängig. Genauso wie für §§ 39 Abs. 2, 41 BRG 1920 im Verhältnis zu § 66 Ziff. 3 BRG 1920 kann auch für §§ 23 Abs. 1 BetrVG und § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG nicht von einer systematischen Verbindung ausgegangen werden. Etwas Anderes könnte sich jedoch aus der Entstehungsgeschichte des § 23 Abs. 3 BetrVG ergeben. § 23 Abs. 3 BetrVG wurde 1972 aus Gründen der Gleichgewichtigkeit (zu § 23 Abs. 1 BetrVG) in das BetrVG eingefügt. Während grobe Pflichtverletzungen von Betriebsratsmitgliedern zum Ausschluss aus dem bzw. zur Auflösung des Betriebsrats führen könnten, seien Verstöße des Arbeitgebers gegen seine Pflichten aus dem BetrVG, abgesehen von den Ordnungsstrafverfahren des § 64 und den Strafvorschriften des § 78, nicht ausdrücklich mit Sanktionen verbunden. Dies gelte insbesondere für Verstöße des Arbeitgebers gegen die Friedenspflicht.91 Friedenspflichtverstöße werden damit in der Gesetzgebungsgeschichte zwar explizit als Anwendungsfall des neuen § 23 Abs. 3 BetrVG eingeordnet. Die Erwähnung der Verstöße gegen die Friedenspflicht erfolgte aber nach der Gesetzesbegründung nicht zur Festlegung des mit § 23 Abs. 3 BetrVG verfolgten Zwecks. Stattdessen sollten diese nur in herausgehobener Weise (insbesondere) tatbestandlich erfasst werden. Die nur beispielhafte Heranziehung der Friedenspflichtverstöße als möglicher Anwendungsfall des § 23 Abs. 3 BetrVG bei Novellierung des BetrVG 1972 kann daher keine generelle Zweckfestlegung bei § 23 BetrVG bedingen. Der Schutz des Betriebsfriedens in § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG ist damit nach der Systematik und der Gesetzgebungsgeschichte nicht als Hauptzweck des Verfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG einzuordnen. Jedoch ist zu konzedieren, dass neben der ausdrücklichen Regelung der Friedenspflicht in § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG noch weiteren Vorschriften der Betriebsverfassung ein den Betriebsfrieden schützender Charakter zugemessen wird. So können auch das Verbot des Arbeitskampfs nach § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG sowie das Verbot parteipolitischer Betätigung in § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG, ohne explizit 88 89 90 91

Groß, RdA 1953, 371 (371). Flatow/Kahn-Freund, Vor § 15 BRG 1920 I. 1. Flatow/Kahn-Freund, Vor § 66 BRG 1920 III. 1. BT-Drs. 6/1786, S. 39, Hervorhebung seitens des Verfassers.

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

so bezeichnet zu sein, als Ausprägung der betrieblichen Friedenspflicht verstanden werden.92 Zudem wird den Regelungen über die Betriebsversammlung in §§ 42, 43 BetrVG zum Teil der Zweck zugeschrieben neben anderen Zielen den Betriebsfrieden zu sichern.93 In thematischer Hinsicht lässt sich dieser Zusammenhang zwischen Betriebsversammlung und Betriebsfrieden über die Verweisungsnorm des § 45 Satz 1 Halbsatz 2 BetrVG herstellen. Weder zwischen § 23 BetrVG und § 74 BetrVG noch zwischen § 23 BetrVG und §§ 42, 43, 45 Satz 1 Halbsatz 2, 74 Abs. 2 BetrVG besteht aber in gesetzessystematischer Hinsicht ein Zusammenhang: § 23 BetrVG steht im zweiten Abschnitt des zweiten Teils des BetrVG zur Amtszeit des Betriebsrats; § 74 BetrVG ist dagegen dem ersten Abschnitt des vierten Teils des BetrVG zugeordnet. Dieser regelt Allgemeines für die Mitwirkung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer. §§ 42, 43, 45 Satz 1 Halbsatz 2 BetrVG stehen in einem eigenen vierten Abschnitt, der sich einzig der Betriebsversammlung widmet. Der Regelungskomplex, dem § 23 BetrVG zugeordnet ist, unterscheidet sich damit von den Bereichen, denen die anderen genannten Vorschriften zugeordnet sind. Ein für die Zweckermittlung des § 23 BetrVG aufschlussreicher Zusammenhang kann aus der Platzierung dieser Vorschriften im Gesetzestext daher nicht abgeleitet werden. Ein Zusammenhang könnte in gesetzessystematischer Hinsicht noch mit Blick auf § 2 Abs. 1 BetrVG bestehen. Dazu müsste man dieser Vorschrift ebenfalls eine Sicherungsfunktion für den Betriebsfrieden zuschreiben.94 Jedoch steht § 2 Abs. 1 BetrVG im ersten Abschnitt des BetrVG, während § 23 BetrVG dem zweiten Abschnitt zugeordnet ist. Für eine Verbindung der beiden Vorschriften könnte man lediglich darauf verweisen, dass § 2 Abs. 1 BetrVG als allgemeine Vorschrift – so der Titel im Gesetzestext – die gesamte Betriebsverfassung leitet, diese dann auch für § 23 Abs. 1 BetrVG und die Ermittlung des mit dieser Vorschrift verfolgten Zwecks Bedeutung erlangt. Eine so weitgehende Zweckermittlung kann aber nicht überzeugen. § 2 Abs. 1 BetrVG wird von der Auffassung, die ihr Bedeutung für den Betriebsfrieden zuspricht, nur als gegenüber § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG allgemeinere Vorschrift verstanden.95 Nach allgemeinen Regeln der Normkonkurrenz verdrängt die speziellere bei sich deckendem Anwendungsbereich die allgemeinere Vorschrift. Dem sachverhaltsnäheren Gesetz kommt Vorrang nach dem Grundsatz „lex specialis derogat legi generali“ zu.96 Einzig bei einem Verständnis des § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG als 92

Vgl hier nur FESTL, § 74 BetrVG Rn. 11. Siehe noch genauer 4. Kapitel A. III. 1. a) – c). LAG Hamm v. 9. 7. 1986, 3 TaBV 31/86, NZA 1986, 842 (842); Berger-Delhey, NZA 1991, 594 (594); i.E. auch Bischof, BB 1993, 1937 (1945); dazu noch genauer unter 4. Kapitel A. III. 7. 94 In diese Richtung LAG Hamm v. 14. 8. 2009, 10 TaBV 175/08, juris Rz. 73; Germelmann, Betriebsfrieden, S. 64. 95 Germelmann, Betriebsfrieden, S. 64, Hervorhebung seitens des Verfassers. 96 So zur strafrechtlichen Kompetenzlehre Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Bosch, Vorbemerkungen zu den §§ 52 ff StGB Rn. 105; für arbeitsrechtliche Regelungen auf derselben Rangstufe: NK-BGB/Franzen, § 611 BGB Rn. 43; NK-ArbR/Schöne, § 611 BGB Rn. 185. 93

A. Die Konkurrenz zu § 23 Abs. 1 BetrVG

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zu § 2 Abs. 1 BetrVG nur ergänzende bzw. konkretisierende Vorschrift97 könnten den geäußerten Bedenken hinsichtlich der Normkonkurrenz abgeholfen werden, sodass § 2 Abs. 1 BetrVG für die Zweckermittlung des § 23 Abs. 1 BetrVG fruchtbar gemacht werden könnte. Jedoch lassen sich aus der Gesetzgebungsgeschichte zur Schaffung des BetrVG 1972 keine Schlüsse für eine Deutung des § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG als § 2 Abs. 1 BetrVG nur ergänzende bzw. konkretisierende Vorschrift entnehmen.98 Vielmehr wird das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit in der Gesetzesbegründung zum BetrVG 1972 gerade als „allgemeine“ Vorschrift eingeordnet, die nur wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung an die Spitze des Gesetzes gestellt wurde.99 Es ist daher davon auszugehen, dass § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG im Verhältnis der Spezialität zu § 2 Abs. 1 BetrVG steht.100 Als lex specialis verdrängt daher § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG § 2 Abs. 1 BetrVG zum Schutz des Betriebsfriedens. Demnach kann § 2 Abs. 1 BetrVG ebenso wie § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG auch nicht bei der Interpretation des § 23 BetrVG herangezogen werden, um als Hauptziel des § 23 BetrVG den Schutz des Betriebsfriedens zu begründen. Die Deutung des § 23 Abs. 1 BetrVG als eine ihrem Hauptzweck nach den Betriebsfrieden schützende Vorschrift vermag daher ebenfalls nicht zu überzeugen. Für den zweiten vom BAG angeführten Aspekt der Sicherstellung der ordnungsgemäßen Arbeit des Betriebsrats durch § 23 Abs. 1 BetrVG spricht bereits auf den ersten Blick § 25 BetrVG. Dieser statuiert das Eintreten von Ersatzmitgliedern in den Betriebsrat bei Ausscheiden eines Mitglieds aus diesem. Die Regelung der Ersatzmitgliedschaft dient dem Zweck, die Tätigkeit des Betriebsrats und dessen Beschlussfähigkeit zu sichern.101 Sie soll daneben die Kontinuität der Arbeit des Betriebsrats gewährleisten.102 Beide mit § 25 BetrVG verfolgten Zwecke decken sich im Ergebnis mit dem vom BAG für § 23 BetrVG angeführten Ziel, eine ordnungsgemäße Arbeit des Betriebsrats sicherzustellen. Gegen eine solche Zwecksetzung des § 23 BetrVG spricht jedoch die Beschränkung der Vorschrift auf grobe Pflichtverletzungen. Hierunter wird einhellig – bei Streit um das Erfordernis des Verschuldens – mindestens eine objektiv erhebliche Pflichtverletzung verstanden.103 Die ordnungsgemäße Arbeit kann aber auch schon bei leichten Pflichtverletzungen des Betriebsrats in Zweifel stehen. Ihre Sicherstellung kann daher über eine Vor-

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So BAG v. 15. 10. 2013, 1 ABR 31/12, NZA 2014, 319 (321). So aber BAG v. 15. 10. 2013, 1 ABR 31/12, NZA 2014, 319 (321) unter Verweis auf BTDrs. 6/1786, S. 46. 99 BT-Drs. 6/1786, S. 46. 100 ErfK/Kania, § 74 BetrVG Rn. 1; GK-BetrVG/Kreutz, § 74 BetrVG Rn. 2; ders., BlStSozArbR 1972, 44 (45). 101 BAG v. 8. 9. 2011, 2 AZR 388/10, NZA 2012, 400 (403); FESTL, § 25 BetrVG Rn. 1; ErfK/Koch, § 25 BetrVG Rn. 1. 102 DKKW/Buschmann, § 25 BetrVG Rn. 1; GK-BetrVG/Oetker, § 25 BetrVG Rn. 7; ErfK/ Koch, § 25 BetrVG Rn. 1. 103 Statt aller GK-BetrVG/Oetker, § 23 BetrVG Rn. 41 m.w.N. 98

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

schrift, die tatbestandlich nur grobe Pflichtverletzungen erfasst, gar nicht erreicht werden. Für die herrschende Ansicht, die die Gewährleistung eines Mindestmaßes an gesetzmäßigem Verhalten in der Zukunft als Zweck des § 23 Abs. 1 und des § 23 Abs. 3 BetrVG anführt, spricht in systematischer Hinsicht dagegen die Stellung des § 23 BetrVG im zweiten Abschnitt über die Amszeit des Betriebsrats. Auch verträgt sich die Gewährleistung eines Mindestmaßes an gesetzmäßigem Verhalten mit der tatbestandlichen Beschränkung auf grobe Pflichtverletzungen. Es ist somit mit der heute wohl herrschenden Auffassung davon auszugehen, dass sowohl § 23 Abs. 1 als auch Abs. 3 BetrVG den Zweck haben, ein Mindestmaß gesetzmäßigen Verhaltens in der Betriebsverfassung sicherzustellen. Dieser Zweck der Sicherung eines Mindestmaßes an gesetzmäßigem Verhalten in der Zukunft ist bei der Frage nach einem Zusammenhang zwischen § 23 Abs. 1 und § 23 Abs. 3 BetrVG einzubeziehen. Es herrscht Zweckidentität zwischen beiden Absätzen. Dies spricht für eine Vergleichbarkeit. Neben der konstatierten Zweckidentität von § 23 Abs. 1 und § 23 Abs. 3 BetrVG offenbart sich die Verwandtschaft beider Absätze in tatbestandlicher Hinsicht dadurch, dass beide einen „groben“ Verstoß respektive eine „grobe“ Verletzung voraussetzen. Auch sprechen beide Absätze nicht die individuelle Person, sondern das betriebsverfassungsrechtliche Organ an.104 Nur auf die fehlende Möglichkeit der Amtsenthebung gegen den Arbeitgeber zur Entkoppelung von § 23 Abs. 1 und § 23 Abs. 3 BetrVG zu verweisen, ist ob der § 23 Abs. 1 und Abs. 3 BetrVG gemeinsamen Zielsetzung, ihren gleichlautenden tatbestandlichen Voraussetzungen (grober Verstoß, gesetzliche Pflichten) und der Ansprache von Arbeitgeber und Betriebsrat jeweils nur als Organ der Betriebsverfassung daher zu kurz gegriffen.105 Einer Verbindung von § 23 Abs. 1 und Abs. 3 BetrVG kann daher nicht mit der Verschiedenheit der von Gesetzes wegen vorgesehenen Maßnahmen widersprochen werden; der 1. Einwand gegen eine gleichlaufende Interpretation der Absätze 1 und 3 des § 23 BetrVG greift nicht durch. b) Die unterschiedlich begründete Stellung von Betriebsrat und Arbeitgeber in der Betriebsverfassung Kruse führt als Argument für eine sanktionelle Ungleichbehandlung von Betriebsrat und Arbeitgeber die unterschiedlichen Anknüpfungspunkte für die Stellung der Betriebsparteien im Betrieb an: So sei die Stellung des Betriebsrats (nur) aus seiner Funktion als Repräsentant der Belegschaft begründet, während sich die Stellung des Arbeitgebers aus dessen tatsächlicher Sachherrschaft nach § 903 BGB ableite. Im Übrigen obliege dem Arbeitgeber die Durchführung der Betriebsver104

Vgl. BAG v. 14. 11. 1989, 1 ABR 87/88, AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 76 unter B. II. 1.; v. 27. 11. 1990, 1 ABR 77/89, NZA 1991, 382 (384); v. 23. 6. 1992, 1 ABR 11/92, NZA 1992, 1095 (1097); LAG Rheinland-Pfalz v. 21. 6. 2004, 7 TaBV 6/04, juris Rz. 40. 105 Ebenso Raab, Rechtsschutz, S. 106.

A. Die Konkurrenz zu § 23 Abs. 1 BetrVG

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einbarungen gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG und nur er trage das Wirtschafts- und Betriebsrisiko, sodass auf Seiten des Arbeitgebers die Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 2 GG eine Rolle spielten. Implizit wird dem Betriebsrat damit die Grundrechtsfähigkeit abgesprochen. Insofern sei bereits keine strukturelle Vergleichbarkeit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber gegeben; es liege eine Ungleichbehandlung vor, die einen Zusammenhang zwischen der Interpretation des § 23 Abs. 1 und § 23 Abs. 3 BetrVG zwingend ausschließe.106 Diese Auffassung der sanktionsrechtlichen Ungleichbehandlung von Betriebsrat und Arbeitgeber auf Grund ihrer in der Betriebsverfassung unterschiedlich begründeten Stellung erfordert eine eingehende Untersuchung an Hand der vorgebrachten Argumente. Begonnen werden soll die Auseinandersetzung mit der genannten Ansicht durch eine Untersuchung des § 903 BGB sowie des § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Erst in einem zweiten Schritt soll geprüft werden, ob dem Betriebsrat Grundrechtsfähigkeit zukommt. aa) Der untaugliche Rekurs auf § 903 BGB sowie § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG Kruses Ansatz kann insofern gefolgt werden, dass die demokratische Legitimation des Betriebsrats im Rahmen der Betriebsverfassung als Repräsentant der Belegschaft auf der Wahl von Seiten der Belegschaft beruht.107 Jedoch erhellt dies nicht, warum die unterschiedliche Begründung der Stellung der Betriebsparteien mit der Frage nach einer Verknüpfung von § 23 Abs. 1 und Abs. 3 BetrVG zusammenhängen soll. Richtiger Ansatzpunkt für die Frage der Sanktionen im Verhältnis von Betriebsrat und Arbeitgeber ist stattdessen die zwischen den Betriebsparteien bestehende Beziehung. Arbeitgeber und Betriebsrat sind gerade nach § 2 Abs. 1 BetrVG zur vertrauensvollen Zusammenarbeit verpflichtet. Hieraus leitet die herrschende Meinung das Bestehen eines kraft Gesetzes entstandenen betriebsverfassungsrechtlichen – einem Dauerschuldverhältnis ähnlichen – Verhältnisses ab, welches als Betriebsverhältnis bezeichnet werden kann.108 Dessen Beteiligte sind der Betriebsrat und der Arbeitgeber; das Betriebsverhältnis ist gerade ein zweiseitiges Rechtsverhältnis.109 106

Kruse, S. 77, 155. BAG v. 12. 12. 2006, 1 AZR 96/06, NZA 2007, 453 (455); Richardi/Richardi, Einl. BetrVG Rn. 101; GK-BetrVG/Franzen, § 1 BetrVG Rn. 6; HWGNRH/Rose, Einl. BetrVG Rn. 96; FESTL, § 1 BetrVG Rn. 188. 108 Grundlegend v. Hoyningen-Huene, NZA 1989, 121 (122 ff.); ihm folgend BAG v. 3. 5. 1994, 1 ABR 24/93, AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 23 unter B. III. 1.; v. 23. 7. 1996, 1 ABR 13/96, AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 68 unter B. III. 1.; Richardi/Richardi, Einl. BetrVG Rn. 84; GK-BetrVG/Oetker, § 23 BetrVG Rn. 166; DKKW/Wedde, Einl. BetrVG Rn. 142; Belling, Haftung, S. 307 ff.; Trittin, BB 1984, 1169 (1172); Derleder, AuR 1983, 289 (300); Heinze, ZfA 1988, 53 (71 ff.); Freckmann/Koller-van Delden, BB 2006, 490 (496); a.A.: GKBetrVG/Wiese, Einl. BetrVG Rn. 100; Reichold, Sozialprivatrecht, S. 499. 109 Münch Hdb. z. ArbR/v. Hoyningen-Huene, § 213 Rn. 9. 107

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

Ein Primat des Arbeitgebers lässt sich aber mit dieser zweiseitigen Ausgestaltung nicht vereinbaren. Stattdessen ist das Modell der Betriebsverfassung gerade die Begrenzung der Regelungsbefugnis des Arbeitgebers durch den Betriebsrat.110 Auch dem Arbeitgeber als Eigentümer der Betriebsmittel steht gegebenenfalls gemäß § 903 Satz 1 BGB die Befugnis zu, Dritte von der Nutzung seines Eigentums ausschließen zu dürfen.111 Diese Vorschrift begründet aber z. B. bei Auswertung der neueren Rechtsprechung des BAG zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Internetnutzung durch den Betriebsrat gerade kein generelles Vorrangverhältnis der Interessen des Arbeitgebers vor denen des Betriebsrats.112 Vielmehr kann aus genannter Rechtsprechungslinie, die im Rahmen des § 40 Abs. 2 BetrVG einen Internetanschluss für den Betriebsrat jetzt im Regelfall für erforderlich erachtet, ein Wandel in der Frage der Sachmittelnutzung zugunsten des Betriebsrats entnommen werden. So ging das BAG noch im Jahr 2006 zur Erforderlichkeit der Internetnutzung restriktiv davon aus, dass bei Zuordnung des Internets zu den sachlichen Mitteln der Informationstechnik in § 40 Abs. 2 BetrVG der Umstand fortschreitender Üblichkeit der Internetnutzung nur bei Niederschlag in den konkreten betrieblichen Verhältnissen von Bedeutung sei. Der Betriebsrat müsse darlegen, dass er konkrete Aufgaben zu erledigen habe, die die Nutzung des Internets erforderlich machten.113 Bereits vier Jahre später gab es diese einschränkende Linie wieder auf.114 Jetzt müssen konkrete betriebliche Interessen des Arbeitgebers vorliegen, die gegen eine Internetnutzung durch den Betriebsrat sprechen. Nur noch hierauf konzentriert sich die Erforderlichkeitsprüfung. Diese Korrektur des BAG ist auch begrüßenswert, führt sie doch zu einer Stärkung betrieblicher Initiative durch Eröffnung einer größeren Basis an aktuellen Informationsquellen für den Betriebsrat.115 Der Paradigmenwechsel in der Frage der Internetnutzung zeigt neben der Erweiterung der Informationsquellen im Rahmen des § 40 BetrVG eine für die hier behandelte Frage ausschlaggebende stärkere Betonung der Interessen des Betriebsrats, das Eigentum des Arbeitgebers zur Informationsbeschaffung einsetzen zu dürfen. Die Ausschließungsbefugnis des § 903 Satz 1 BGB wird insoweit durch § 40 Abs. 2 BetrVG eingeschränkt. Der alleinige Verweis auf die Stellung des Arbeitgebers aus § 903 Satz 1 BGB verkennt damit die diesbezüglich begrenzte Reichweite der Norm. Hiernach kann aus § 903 Satz 1 BGB kein Argument für eine Ungleichbehandlung von Betriebsrat und Arbeitgeber entnommen werden. Aus § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG lässt sich ebenfalls keine Ungleichbehandlung von Arbeitgeber und Betriebsrat ableiten: Zwar ist anerkannt, dass dem Betriebsrat 110 111 112 113 114 115

Richardi/Richardi, Einl. BetrVG Rn. 84; FESTL, § 1 BetrVG Rn. 2. J. Jansen, BB 2003, 1726 (1728). Vgl. BAG v. 20. 1. 2010, 7 ABR 79/08, AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 99. BAG v. 23. 8. 2006, 7 ABR 55/05, AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 88 unter II. 2. b). BAG v. 20. 1. 2010, 7 ABR 79/08, AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 99 unter B. II. b) bb). Vgl. Kossens, Anm. AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 99 unter II.

A. Die Konkurrenz zu § 23 Abs. 1 BetrVG

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auch aus der Einräumung von Mitbestimmungsrechten keine Mitunternehmerstellung mit dazu gehörigem Mitdirektionsrecht zukommt und die Arbeitnehmer nicht zu Mitgeschäftsführern gemacht werden. So steht die Leitung des Betriebs immer noch dem Arbeitgeber zu.116 Jedoch kann aus § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG kein Argument gegen eine Koppelung von § 23 Abs. 1 und § 23 Abs. 3 BetrVG wegen einer immanenten Ungleichheit von Betriebsrat und Arbeitgeber gewonnen werden. Dies ergibt sich zum einen aus der expliziten Nennung von Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber als Bezugsobjekt in § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Damit erkennt der Gesetzgeber bereits tatbestandlich die Stellung beider Betriebsparteien als Vertragspartner der Betriebsvereinbarungen an. Gegen eine Verkürzung des § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG als dem Arbeitgeber einen weiten Handlungsfreiraum zuweisende Norm spricht zudem, dass aus § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nach einhelliger Auffassung nicht nur eine Durchführungspflicht des Arbeitgebers, sondern ein damit korrespondierender Durchführungsanspruch sowie ein Anspruch auf Unterlassung vereinbarungswidriger Handlungen des Betriebsrats resultiert.117 Zeitlich gesehen ist außerdem die Durchführung seitens des Arbeitgebers stets dem primären Abschluss der zweiseitigen Vereinbarung hintangestellt. Sie hat also nur eine nachgelagerte, sekundäre Bedeutung. Im Übrigen erlaubt § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BetrVG gerade auch abweichende Gestaltungen im Einzelfall. Der Gesetzgeber sperrt sich damit durch die Ausgestaltung der Regelung in § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG als dispositiv nicht per se gegen eine ausnahmsweise Durchführung auch durch den Betriebsrat. Die nur den Regelfall kennzeichnende Durchführung kann daher lediglich als besondere Ausprägung der Leitungsbefugnis des Arbeitgebers aus § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG gesehen werden. Aus dieser Leitungsbefugnis kann jedoch ebenfalls keine Ungleichbehandlung von Betriebsrat und Arbeitgeber hergeleitet werden, die in der Frage der Kopplung von § 23 Abs. 1 und § 23 Abs. 3 BetrVG zu beachten wäre. Zwar verbietet § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG seinem Wortlaut nach einzig dem Betriebsrat einseitige Eingriffe in die betriebliche Leitung. Diese bleibt auch nach 116

GK-BetrVG/Kreutz, § 77 BetrVG Rn. 23; WPK/Preis, § 77 BetrVG Rn. 2; FESTL, § 77 BetrVG Rn. 4; Richardi/Richardi, § 77 BetrVG Rn. 8; Beuthien, ZfA 1988, 1 (4). 117 s. aus der Rechtsprechung nur: BAG v. 13. 10. 1987, 1 ABR 51/86, AP BetrVG 1972 § 77 Auslegung Nr. 2 unter II. 1.; v. 10. 11. 1987, 1 ABR 55/86, AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 24; v. 16. 3. 2004, 9 AZR 323/03, AP TzBfG § 8 Nr. 10 unter B. II. 5. bb); v. 18. 1. 2005, 3 ABR 21/04, AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 24 unter B. III. 3.; v. 24. 1. 2006, 1 ABR 60/04, AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 65 unter B. II. 2.; v. 16. 12. 2008, 9 AZR 893/07, AP TzBfG § 8 Nr. 27 unter A. III. 4. e) aa) (2) (b) (bb); v. 18. 5. 2010, 1 ABR 6/09, AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 51 unter B. III. 2.; aus der Literatur: DKKW/Berg, § 77 BetrVG Rn. 10; ErfK/Kania, § 77 BetrVG Rn. 8; HWGNRH/Worzalla, § 77 BetrVG Rn. 207; GK-BetrVG/ Kreutz, § 77 BetrVG Rn. 24; WPK/Preis, § 77 BetrVG Rn. 2; FESTL, § 77 BetrVG Rn. 7. Gerade weil der Durchführungsanspruch sowie auf der Anspruch auf Unterlassung betriebsverfassungswidriger Verstöße gegen zwischen den Betriebspartnern abgeschlossene Vereinbarungen mittlerweile in Rechtsprechung und Literatur einhellig anerkannt sind, soll in dieser Arbeit keine vertiefte monografische Auseinandersetzung mit diesen Rechtsinstituten erfolgen, s. zum Durchführungsanspruch noch instruktiv Goebel, Durchführungsanspruch.

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

der Statuierung von Mitbestimmungsrechten Angelegenheit des Arbeitgebers, d. h. er allein ist befugt die Entscheidungen im Betrieb zu exekutieren.118 Die Vorschrift betrifft sachlich sowohl Entscheidungen, die der Arbeitgeber kraft Direktionsrechts oder Arbeitsvertrags ohne Beteiligung des Betriebsrats treffen kann als auch beteiligungspflichtige Maßnahmen.119 Kurzum: § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG erfasst jegliches Handeln des Betriebsrats.120 Hiervon ausgehend könnte man annehmen, dass dem Arbeitgeber über § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG weitgehende Handlungsbefugnisse zukommen, die eine unterschiedlich begründete Stellung von Betriebsrat und Arbeitgeber in der Betriebsverfassung nach sich ziehen. Dieses Ergebnis muss jedoch eine Auslegung der Vorschrift bestätigen. Wie § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG auszulegen ist, ist in der Literatur seit der Anfangstagen der Auseinandersetzung um einen allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber umstritten. Nach einer Auffassung in der Literatur ist § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG weit zu verstehen und spricht als Argument gegen einen allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats.121 Im Wesentlichen wird angenommen, dass der Gesetzgeber die Sanktionen im BetrVG abschließend geregelt habe und § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG zu entnehmen sei, dass der Betriebsrat nicht in die Leitung des Betriebs eingreifen dürfe. Um einen solchen Eingriff handele es sich aber bei Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs bei nur fahrlässiger Verkennung der Mitbestimmungsrechte durch den Arbeitgeber.122 In „Reinform“ kann hiermit sogar in dem gerichtlichen Zuspruch eines Unterlassungsgebots auf Grundlage des nur bei grobem Verstoß anwendbaren § 23 Abs. 3 BetrVG ein Eingriff in die unternehmerische Leitungsbefugnis angenommen werden.123 Kennzeichend für die genannte Ansicht ist damit eine extensive Interpretation der unternehmerischen Leitungsbefugnis im Betrieb und eine weitgehende Ablehnung von Handlungsmöglichkeiten des Betriebsrats. Dieser wird mit dieser weiten Auslegung des § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG auf eine Art „Zuschauerrolle“ verwiesen und insgesamt in wesentlicher Art und Weise in seinem Wirkkreis beschränkt. Die weite Interpretation des § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG führt zu damit zusammenhängenden weitreichenden Befugnissen des Arbeitgebers auf Grund seiner betrieblichen Leitungsmacht, die für eine strukturelle Ungleichbehandlung zwischen Arbeitgeber und 118

Richardi/Richardi, § 77 BetrVG Rn. 8. FESTL, § 77 BetrVG Rn. 8. 120 HWGNRH/Worzalla, § 77 BetrVG Rn. 213. 121 Stroemer, S. 144 ff.; Schlünder, S. 127; v. Hoyningen-Huene, Anm. AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 2 unter 3. d); ders., Anm. AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 19 unter 4.; ders., EWiR 1995, 219 (220); Beuthien, ZfA 1988, 1 (22); J.H. Bauer, Brennpunkte des Arbeitsrechts 1996, 61 (75 f.); vgl. zudem Bengelsdorf, SAE 1996, 137 (139). 122 v. Hoyningen-Huene, Anm. AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 2 unter 3. d); ders., Anm. AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 19 unter 4.; ders., EWiR 1995, 219 (220). 123 Bengelsdorf, DB 1990, 1282 (1282). 119

A. Die Konkurrenz zu § 23 Abs. 1 BetrVG

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Betriebsrat sowie gegen eine zusammenhängende Interpretation der § 23 Abs. 1 und § 23 Abs. 3 BetrVG sprechen könnte. Eine solche weite Deutung kann jedoch nicht überzeugen. § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG statuiert nach seinem Wortlaut ein Verbot des Eingriffs in die Betriebsleitung durch einseitige Handlungen seitens des Betriebsrats. Bereits auf Grund der Hervorhebung lediglich einseitiger Handlungen des Betriebsrats drängt sich ein eher zurückhaltendes Verständnis der Vorschrift auf. Teleologische Quintessenz des § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist zudem die Feststellung, dass auch bei Bestehen eines Mitbestimmungsrechts der Betriebsrat nicht in die Rolle eines Mitarbeitgebers hineinwächst, sondern sich an den Arbeitgeber wenden muss. Plastisch ausgedrückt wird dies in der zutreffenden Annahme, aus dem Mitbestimmungsrecht ergebe sich „kein Mitdirektionsrecht“.124 Damit begründen die Beteiligungsrechte keine Exekutivbefugnisse des Betriebsrats.125 Nicht einher geht damit jedoch, dass dem Arbeitgeber, weil der Betriebsrat nicht über die Mitbestimmung in eine Mitarbeitgeberstellung hereingewachsen ist, weitgehende Freiheit vor unerwünschten Einmischungen über § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG beschert wird. Vielmehr kann § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG wegen der Beschränkung auf „einseitige“ Maßnahmen nur als Ausprägung eines Verbots verbotener Eigenmacht gedeutet werden.126 Dies ist schon im Ansatz weit restriktiver als die Annahme einer weitgehenden Einschränkung der Optionen des Betriebsrats durch § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Ist § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG aber nur als Verbot eigenmächtiger Rechtsdurchsetzung zu verstehen, so werden dem Arbeitgeber durch die Vorschrift keine speziellen, weitreichenden Handlungsbefugnisse gewährt. Im Gegenteil steht es dem Betriebsrat dann gerade frei, gerichtlichen Rechtsschutz gegen Handlungen des Arbeitgebers in Anspruch zu nehmen. Eigenmächtiges Vorgehen des Arbeitgebers wird durch die Vorschrift gleichfalls nicht erlaubt. Für den Betriebsrat bestehen nach § 23 Abs. 3 BetrVG und über den allgemeinen Unterlassungsanspruch Rechtsschutzmöglichkeiten. Die beschränkte Reichweite des § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG lässt sich auch mit der Rechtsprechung des BAG zu den sogenannten Eilfällen bei § 87 Abs. 1 BetrVG verbinden. In dieser geht das BAG davon aus, dass auch in diesen Fällen, in denen eine Entscheidung des Betriebsrats nicht mehr in adäquater Zeit eingeholt werden kann, der Arbeitgeber nicht allein zu vorläufigen Maßnahmen befugt ist.127 Nur für Notfälle, unter denen in Abgrenzung zu Eilfällen plötzliche, nicht voraussehbar gewesene und schwerwiegende Situationen verstanden werden, die zur Verhinderung nicht wiedergutzumachender Schäden zu unaufschiebbaren Maßnahmen zwingen, 124

Formulierung nach Richardi/Richardi, § 77 BetrVG Rn. 8. FESTL, § 77 BetrVG Rn. 8. 126 Richardi, Anm. AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 23 unter II. 2.; ders, NZA 1995, 8 (10); Kümpel, AuR 1985, 78 (84 f.); Lobinger, ZfA 2004, 101 (138); Sacher, S. 41 f.; Wenderoth, S. 44 f.; Wiebauer, Sicherung, S. 179. 127 BAG v. 5. 3. 1974, 1 ABR 28/73, AP BetrVG 1972 § 87 Kurzarbeit Nr. 1 unter II. 6.; v. 19. 2. 1991, 1 ABR 31/90, AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 42 unter B. I. 2.; v. 17. 11. 1998, 1 ABR 12/98, AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 79 unter B. II. b). 125

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

wird eine Alleinentscheidungsbefugnis des Arbeitgebers anerkannt.128 Solche „Extremsituationen“ können gerade nur ausnahmsweise angenommen werden; weitreichende Räume in denen der Arbeitgeber allein ohne den Betriebsrat vorgehen kann, werden nicht anerkannt. Daher ist nur bei ausdrücklicher Normierung, wie z. B. in §§ 100, 115 Abs. 7 Nr. 4 BetrVG, ein Recht des Arbeitgebers auf (vorläufige) Alleinentscheidung anzunehmen. § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG wird in dieser Rechtsprechungslinie gerade nicht bemüht, um Handlungsbefugnisse des Arbeitgebers bei der Mitbestimmung in Eilfällen zu begründen. Die Vorschrift ist somit nicht Ausdruck weitreichender Handlungsbefugnisse. Eine Ungleichbehandlung der Betriebsparteien in der Frage der Sanktionen auf Grund dieser Norm kann nicht überzeugen. bb) Der untaugliche Rückgriff auf die fehlende Grundrechtsfähigkeit des Betriebsrats Kann danach weder mit Verweis auf § 903 BGB noch auf § 77 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG eine differenzierte Behandlung von Betriebsrat und Arbeitgeber in Bezug auf Sanktionen gerechtfertigt werden, stellt sich nur noch die Frage, ob eine Ungleichbehandlung mit Verweis auf eine nicht gegebene Grundrechtsfähigkeit des Betriebsrats begründet werden kann. Die Meinungen in der Literatur darüber, ob dem Betriebsrat Grundrechtsfähigkeit zukommt, sind geteilt: So lehnt ein Teil der Literaten die Grundrechtsfähigkeit des Betriebsrats ab.129 Dagegen geht ein anderer Teil der Literatur davon aus, dass sich der Betriebsrat – zumindest über Art. 19 Abs. 3 GG – auf Grundrechte berufen kann.130 Das BVerfG hat für den Personalrat die Grundrechtsfähigkeit für das materielle Grundrecht des Art. 9 Abs. 3 GG verneint, für die prozessualen Gewährleistungen der Art. 101 Abs. 1 und Art. 103 GG aber bejaht.131 Verneint wurde die Grundrechtsfähigkeit des Personalrats dagegen für Art. 3 Abs. 1 GG sowie Art. 19 Abs. 4 GG.132 Diese Arbeit will die bereits erschöpfend an anderer Stelle geführte Diskussion nicht in Gänze neu aufrollen.133 Stattdessen genügt es für die Zwecke dieser Arbeit, an Hand der Voraussetzungen von Art. 19 Abs. 3 GG zu untersuchen, ob eine Grundrechtsfähigkeit des Betriebsrats nach dieser Norm begründet werden kann. Ist dies der Fall, kann 128

BAG v. 2. 3. 1982, 1 ABR 74/79, AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 6 unter B. II. 3. Säcker, Informationsrechte, S. 18; ders., BB 1979, 281 (281); Vollmer, S. 9; Reichold, Sozialprivatrecht, S. 448; Rieble/Wiebauer, ZfA 2010, 63 (105); Preis/Ulber, RdA 2013, 211 (212). 130 Richardi/Richardi, Einl. BetrVG Rn. 108; GK-BetrVG/Wiese, Einl. BetrVG Rn. 70; ders., in: FS 50 Jahre BAG, S. 1125 (1127); ders., NZA 2012, 1 (5); Münch. Hdb. z. ArbR/v. Hoyningen-Huene, § 212 Rn. 15; Dütz, Gewährleistung, S. 22; ders., Grundrechtsschutz, S. 30 ff; Coen, DB 1984, 2459 (2461); Hofmann, Verbot, S. 46 Fn. 41; Müller-Borruttau, NZA 1996, 1071 (1072 Fn. 4); Wank, RdA 2015, 128 (128). 131 BVerfG v. 26. 5. 1970, 2 BvR 311/67, BVerfGE 28, 314 (323). 132 BVerfG v. 31. 8. 1976, 2 BvR 467/76, juris; dazu Dütz, Grundrechtsschutz, S. 18. 133 s. nur Dütz, Grundrechtsschutz, S. 30 ff.; Ellenbeck, S. 110 ff.; Clodius, S. 101 ff. 129

A. Die Konkurrenz zu § 23 Abs. 1 BetrVG

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Kruses These von der Verschiedenheit des Betriebsrats und des Arbeitgebers mit der Folge einer sanktionellen Differenzierung bereits deshalb nicht gefolgt werden. Art. 19 Abs. 3 GG nennt tatbestandlich drei Voraussetzungen: Beim Betriebsrat muss es sich um eine inländische juristische Person handeln, auf die Grundrechte ihrem Wesen nach anwendbar sein müssen. (1) Der hinreichende Inlandsbezug beim Betriebsrat Das Kriterium des Inländischen ist in seiner Reichweite und der zu seiner Ermittlung anzuwendenden Abgrenzungsmethode umstritten: Das BVerfG stellt zum Teil ausdrücklich auf den Sitz der juristischen Person ab.134 Dem folgt auch die herrschende Lehre im öffentlich-rechtlichen Schrifttum.135 In der Literatur wird zum Teil darauf abgestellt, ob die juristische Person im Sinne des Art. 19 Abs. 3 GG nach nationalem Recht gegründet wurde.136 Nur vereinzelt wird für ausschlaggebend gehalten, dass Inländer die juristische Person ausschließlich bzw. überwiegend kontrollieren.137 Eine solche enge Deutung auf der Grundlage der Nationalität der der juristischen Person angehörigen natürlichen Personen gibt der Wortlaut des Art. 19 Abs. 3 GG jedoch nicht vor. Stattdessen wird im Unterschied zu den Deutschengrundrechten wie Art. 8 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1, Art. 11 Abs. 1 oder Art. 12 Abs. 1 GG in Art. 19 Abs. 3 GG gerade nicht der Begriff des Deutschen nach Art. 116 Abs. 1 GG verwendet; es ist nur von inländisch die Rede. Auch räumt Art. 116 Abs. 1 GG keine generelle Befugnis des Gesetzgebers zur Modifikation des Begriffs des Deutschen ein.138 Um sich nicht in einen unauflösbaren Widerspruch zum Wortlaut der materiellen Grundrechtsgewährleistungen zu setzen, kann daher der letztgenannten Auffassung nicht gefolgt werden.139 Zwischen Sitz- und Gründungstheorie ist für den Betriebsrat keine Entscheidung erforderlich. Stellt man auf den Sitz der Person ab, so muss sich dieser in Deutschland befinden. Das BetrVG wird in seinem räumlichen Anwendungsbereich durch das Territorialitätsprinzip beschränkt; es beansprucht nur für Betriebe im Inland räumliche Geltung.140 Mithin kann ein nach dem deutschen BetrVG gebildeter Betriebsrat auch nur in einem Betrieb mit Sitz in Deutschland gebildet werden. Nach der Sitztheorie wäre der Betriebsrat als inländisch anzusehen. Die Gründung vollzieht sich ebenfalls auf Basis des BetrVG, mithin nach nationalem deutschem Recht. Auch nach der Gründungstheorie wäre dem134 BVerfG v. 1. 3. 1967, 1 BvR 46/66, BVerfGE 21, 207 (208 f.); v. 18. 1. 2002, 1 BvR 2284/ 95, NJW 2002, 1485 (1485); v. 27. 12. 2007, 1 BvR 853/06, NVwZ 2008, 670 (670); v. 18. 8. 2010, 1 BvR 3268/07, LKV 2010, 468 (469). 135 Statt aller Maunz-Dürig/Remmert, Art. 19 Abs. 3 GG Rn. 78 m.w.N. 136 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 839 f. 137 Bleckmann/Helm, DVBl 1992, 9 (13). 138 Meesen, JZ 1970, 602 (604). 139 Vgl. BVerfG v. 18. 1. 2002, 1 BvR 2284/95, NJW 2002, 1485 (1485); Sachs/Sachs, Art. 19 GG Rn. 56; Meesen, JZ 1970, 602 (604); v. Mutius, JURA 1983, 30 (36). 140 St. Rspr., s. nur: BAG v. 22. 3. 2000, 7 ABR 34/98, NZA 2000, 1119 (1120) m.w.N.; ebenso Henssler/Schneider, RdA 2009, 318 (321).

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

entsprechend von der Erfüllung des Inlandskriteriums beim Betriebsrat auszugehen. Ein hinreichender Inlandsbezug ist daher bei Betriebsräten gegeben. (2) Der Begriff der juristischen Person als Synonym für teilrechtsfähige Vereinigungen Schwieriger zu beurteilen ist die Frage, ob es sich beim Betriebsrat im Sinne des Art. 19 Abs. 3 GG um eine juristische Person handelt. Unstrittig ist der Betriebsrat keine juristische Person nach den Kriterien des allgemeinen Privatrechts. Nach der heute herrschenden rechtstechnischen Auffassung zum Begriff der juristischen Person im Privatrecht handelt es sich hierbei um eine zweckgebundene Organisation, der die Rechtsordnung Rechtsfähigkeit verliehen hat.141 Für den Betriebsrat fehlt es aber bereits an einer den §§ 21, 22, 80 BGB, 13 Abs. 1 GmbHG, 17 Abs. 1 GenG vergleichbaren Statuierung der Rechtsfähigkeit im BetrVG; er ist nicht generell rechtsfähig.142 Jedoch besteht keine Deckungsgleichheit zwischen dem Begriff der juristischen Person im einfachen Recht und der Bestimmung des Art. 19 Abs. 3 GG. Anderenfalls läge die Frage der Grundrechtsträgerschaft in der Hand des Gesetzgebers, der über eine Änderung des einfachen Rechts entgegen dem für eine Grundgesetzänderung in Art. 79 Abs. 2 GG aufgestellten Kriterium der qualifizierten Mehrheit den Regelungsgehalt des Art. 19 Abs. 3 GG bereits mit einfacher Mehrheit ändern und so auf den verfassungsgerichtlichen Gewährleistungsgehalt durchgreifen könnte.143 Vielmehr wird der Begriff der juristischen Person in Art. 19 Abs. 3 GG anerkanntermaßen weiter verstanden: Auch teilrechtsfähige Organisationen des Privatrechts wie z. B. Gesamthandgemeinschaften oder nicht rechtsfähige Vereine können hierunter subsumiert werden.144 Mag der Betriebsrat mangels Verleihung voller Rechtsfähigkeit nicht unter den engen Begriff der juristischen Person nach allgemeinem Privatrecht fallen, so könnte ihm doch im Rahmen seiner gesetzlichen Aufgaben und Befugnisse aus dem BetrVG eine Teilrechtsfähigkeit zukommen. Eine solche lässt sich für den Betriebsrat aus dessen Freistellungsanspruch gegen den Arbeitgeber aus § 40 Abs. 1, Abs. 2 BetrVG ableiten.145 Hiernach kommt dem Betriebsrat wegen der ihm zustehenden Ansprüche eine partielle Rechtsfähigkeit im Rahmen des BetrVG zu. Auf die umstrittene Frage, inwiefern sich aus der 141

MüKo-BGB/Reuter, Vorbemerkung zu §§ 21 ff. BGB Rn. 2; Jauernig/Mansel, Vorbemerkungen vor § 21 BGB Rn. 1. 142 Ganz h.M., s. nur GK-BetrVG/Franzen, § 1 BetrVG Rn. 72 ff. m.w.N. 143 Jarass/Pieroth/Jarass, Art. 19 GG Rn. 20. 144 BVerfG v. 20. 7. 1954, 1 BvR 459/52, BVerfGE 4, 7 (12); v. 2. 9. 2002, 1 BvR 1103/02, NJW 2002, 3533 (3533). 145 BAG v. 24. 10. 2001, 7 ABR 20/00, AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 71 unter B. II. 1.; v. 29. 9. 2004, 1 ABR 30/03, AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 81 unter B. I. 1.; FESTL § 1 BetrVG Rn. 195; Richardi/Richardi, Einl. BetrVG Rn. 111 ff.; HaKo-BetrVG/Düwell, Einl. BetrVG Rn. 119; ErfK/Koch, § 1 BetrVG Rn. 18; WPK/Preis, § 1 BetrVG Rn. 44; DKKW/Wedde, Einl. BetrVG Rn. 142 f.; GK-BetrVG/Franzen, § 1 BetrVG Rn. 73; s. zur darauf aufbauenden Annahme eines gesetzlichen Schuldverhältnisses zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber unter 3. Kapitel A. I.

A. Die Konkurrenz zu § 23 Abs. 1 BetrVG

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angenommenen Teilrechtsfähigkeit die Befugnis ergibt, mit außerhalb der Betriebsverfassung stehenden Dritten Verträge abschließen zu dürfen und sich eine Haftung von Betriebsrat und Betriebsratsmitgliedern ergeben kann, muss im Hinblick auf die Grundrechtsfähigkeit nach Art. 19 Abs. 3 GG nicht näher eingegangen werden.146 Die zivilrechtliche Haftungsproblematik auf Basis einfachen Gesetzesrechts berührt inhaltlich die primär auf das Verhältnis zum Staat zielende, öffentlichrechtliche Stellung aus Art. 19 Abs. 3 GG nicht.147 Mithin ist der Betriebsrat nach den Kriterien der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung als juristische Person im Sinne des Art. 19 Abs. 3 GG anzusehen. Gegen diese Qualifikation werden in der Literatur jedoch Einwände erhoben. Der Betriebsrat sei weder privatautonom geschaffen noch diene er der freien Entfaltung der hinter ihm stehenden natürlichen Personen. Zudem befinde er sich nicht in einer natürlichen Personen vergleichbaren Gefährdungslage; er müsse keine Sanktionen des Arbeitgebers fürchten und das BetrVG schütze auch in §§ 78, 119 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG seine Tätigkeit.148 Eine Begründung für letztgenannte Behauptung sucht man jedoch vergeblich. Unter dem Gesichtspunkt der gesetzlichen Regelung in § 23 Abs. 1 BetrVG ist die Auffassung zudem nicht stichhaltig. So besteht zumindest im Fall der groben Verletzung der gesetzlichen Pflichten eine „Sanktion“ in Form der Auflösung des Betriebsrats. Bezüglich der vorgebrachten Kritik, dass der Betriebsrat weder privatautonomer Selbstbestimmung diene noch sich in einer grundrechtstypischen Gefährdungslage befinde, stellt sich zuerst die Frage, ob hiermit die Einordnung des Betriebsrats als juristische Person oder die wesensmäßige Anwendbarkeit der Grundrechte auf den Betriebsrat nach Subsumtion desselben unter den Begriff der juristischen Person abgelehnt wird. Die der Grundrechtsfähigkeit des Betriebsrats kritisch gegenüberstehenden Literaten äußern sich hierzu nicht genau. Sie zweifeln stattdessen generell die Grundrechtsfähigkeit des Betriebsrats an, ohne zwischen den drei – separaten – Voraussetzungen in Art. 19 Abs. 3 GG zu differenzieren.149 In der verfassungsrechtlichen Literatur wird zum Teil eine Verknüpfung der Qualifikation als juristische Person mit dem in Frage stehenden Grundrecht postuliert.150 Im Besonderen der Durchgriff auf die hinter der juristischen Person stehenden natürlichen Personen wird schon bei der Einordnung als juristische Person selbst für relevant erachtet.151 Nach dieser Auffassung wäre daher bereits zur Feststellung der juristischen Person auf die vorgebrachten Einwände einzugehen. Überzeugend ist es dagegen, wegen der Schlüsselstellung des Wesensgehaltsvorbehalts zur Interpretation des Art. 19 Abs. 3 GG eine Verlagerung der Problematik in die Wesensgehaltsprüfung vorzunehmen.152 146 147 148 149 150 151 152

s. dazu BGH v. 25. 10. 2012, III ZR 266/11, NJW 2013, 464 (465 f.). Ellenbeck, S. 36. Rieble/Wiebauer, ZfA 2010, 63 (105 f.). Vgl. Rieble/Wiebauer, ZfA 2010, 63 (105 f.). Umbach/Clemens/Roellecke, Art. 19 I-III GG Rn. 86. Sachs/Sachs, Art. 19 GG Rn. 10. So Ellenbeck, S. 25 f.; Schoch, JURA 2001, 201 (202).

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

(3) Der abstrakte Gehalt der Voraussetzung der wesensmäßigen Anwendbarkeit: Durchgriffstheorie contra grundrechtstypische Gefährdungslage In der Frage des abstrakten Gehalts der wesensmäßigen Anwendbarkeit gehen die Meinungen in Rechtsprechung und Literatur auseinander; es werden zwei konträre Thesen aufgestellt: Zum einen könnte Art. 19 Abs. 3 GG (nur) eine Verlängerung des individualrechtlichen Grundrechtsschutzes sein, sodass es auf eine Freiheitsausübung der hinter der Person stehenden natürlichen Personen ankäme.153 Insofern wird in der Literatur zur Veranschaulichung plastisch davon gesprochen, Art. 19 Abs. 3 GG sei „um des Menschen“ willen da.154 Auch das BVerfG stellt in ständiger Rechtsprechung die Voraussetzung auf, dass eine Einbeziehung der juristischen Personen in den Schutzbereich der Grundrechte nur gerechtfertigt sei, wenn „ihre Bildung und Betätigung Ausdruck der freien Entfaltung der natürlichen Personen sind, insbesondere, wenn der Durchgriff auf die hinter den juristischen Personen stehenden natürlichen Personen dies als sinnvoll oder erforderlich erscheinen lässt“ (sogenannte Durchgriffstheorie).155 Als zur Durchgriffstheorie konträre These wird in der Literatur der Zweck hinter Art. 19 Abs. 3 GG in der Eröffnung einer neuen, „systemerweiternden“ Grundrechtsdimension für die juristische Person selbst gesehen.156 Nach dieser Auffassung müsste an Hand eines anderen, nur auf die juristische Person selbst bezogenen Kriteriums deren Grundrechtsfähigkeit ermittelt werden. Hierzu wird in der Literatur vermehrt gefordert, darauf abzustellen, ob sich die juristische Person selbst in einer den natürlichen Personen vergleichbaren grundrechtstypischen Gefährdungslage befindet.157 Die Rechtsprechung des BVerfG geht auf diesen Ansatz ebenfalls ein, kommt aber im Ergebnis in der Diskussion um die Grundrechtsfähigkeit von Gemeinden und kommunalen Stadtwerken zu einem ablehnenden Ergebnis.158 Daher besteht keine Kompatibilität mit der genannten Literaturansicht, die das Kriterium der grundrechtstypischen Gefährdungslage zur Erweiterung des Grundrechtsschut153 Maunz-Dürig/Remmert, Art. 19 Abs. 3 GG Rn. 36; v. Münch/Kunig/Krebs, Art. 19 GG Rn. 43 f.; Leibholz/Rinck, Art. 19 GG Rn. 92; Jarass/Pieroth/Jarass, Art. 19 GG Rn. 16. 154 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 19 Abs. 3 GG Rn. 113 mit Verweis auf Maunz/Dürig/ Dürig, Vorauflage Art. 19 Abs. 3 GG Rn. 1. 155 So für juristische Personen des öffentlichen Rechts: BVerfG v. 2. 5. 1967, 1 BvR 578/63, BVerfGE 21, 362 (369); v. 8. 7. 1982, 2 BvR 1187/80, BVerfGE 61, 82 (101); v. 31. 10. 1984, 1 BvR 35/82, 1 BvR 356/82, 1 BvR 794/82, BVerfGE 68, 193 (206); v. 14. 4. 1987, 1 BvR 775/84, BVerfGE 75, 192 (196). 156 Umbach/Clemens/Roellecke, Art. 19 I-III GG Rn. 108; Dreier/Dreier, Art. 19 III GG Rn. 33; BK/v. Mutius, Art. 19 Abs. 3 Rn. 35; Rüfner, in: HStR IX, § 196 Rn. 62; Englisch, S. 88 ff.; Ellenbeck, S. 34; Bettermann, NJW 1969, 1321 (1324); Mögele, NJW 1983, 805 (805); Pieroth, NWVBl 1992, 85 (86); Schoch, JURA 2001, 201 (206); Krausnick, JuS 2008, 965 (966). 157 Dreier/Dreier, Art. 19 III Rn. 33; v. Mutius, JURA 1983, 30 (35). 158 s. nur BVerfG v. 7. 6. 1977, 1 BvR 108/73, 1 BvR 424/73, 1 BvR 226/74, BVerfGE 45, 63 (79); v. 29. 11. 2004, 2 BvR 414/02, LKV 2005, 165 (165); v. 29. 5. 2007, 2 BvR 695/07, NVwZ 2007, 1176 (1177); v. 21. 2. 2008, 1 BvR 1987/07, NVwZ 2008, 778 (778).

A. Die Konkurrenz zu § 23 Abs. 1 BetrVG

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zes bei Art. 19 Abs. 3 GG nutzt.159 Eine „grundrechtstypische Gefährdungslage“ kann entstehen, wenn man die Grundrechtsfunktionen für die Ermittlung der Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen heranzieht. Grundrechtstypische Gefährdungslagen bei juristischen Personen sind demnach in zwei Konstellationen möglich: Einerseits kann die abwehrrechtliche Grundrechtsfunktion, der sogenannte Status negativus, angesprochen werden. Zum anderen kann aber auch die in der Rechtsprechung des BVerfG seit dem Lüth-Urteil160 anerkannte objektrechtliche Funktion der Grundrechte eine grundrechtstypische Gefährdungslage bei Art. 19 Abs. 3 GG begründen.161 Insofern kann inzwischen über die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf das einfache Recht hinaus dem Staat eine Schutzpflicht für den positiven Gewährleistungsgehalt der Grundrechte, z. B. durch grundrechtskonforme Ausgestaltung von Einrichtung und Verfahren162 auferlegt werden.163 Überzeugend ist die zweitgenannte Auffassung der Literatur. Die Durchgriffstheorie überzeugt dagegen nicht. Der Wortlaut des Art. 19 Abs. 3 GG stellt nicht explizit auf natürliche Personen ab; genannt wird nur die juristische Person. Eine Differenzierung zwischen verschiedenen Typen juristischer Personen (ob öffentlich oder privatrechtlich bzw. ob zur Betätigung durch natürliche Personen oder nicht) lässt sich dem Wortlaut ebenfalls nicht entnehmen.164 Unergiebig ist dagegen die Verwendung des Wortes „auch“. Hierin kann sowohl eine Erweiterung als auch gleichermaßen eine Bezugnahme auf natürliche Personen gesehen werden.165 Eventuell ließe sich indirekt eine Rückkoppelung an die natürlichen Personen über den Halbsatz „soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind“ erzielen.166 Zwingend ist dies jedoch gerade nicht. Die Voraussetzung der wesensmäßigen Anwendbarkeit kann stattdessen auch so interpretiert werden, dass nur eine Prüfung angeordnet wird, ob das in Frage stehende Grundrecht gerade auch für juristische Personen in Betracht kommt.167 Gegen die bundesverfassungsgerichtliche Durchgriffsthese lässt sich jedoch anführen, dass sie den Eigenwert der juristischen Person

159

Bettermann, NJW 1969, 1321 (1325). BVerfG v. 15. 1. 1958, 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198 (204 f.). 161 Vgl. die Differenzierung bei Ellenbeck, S. 83 ff., der diese aber an die Durchgriffsthese anbindet; a.A. nur mit Verweis auf die Wahrnehmung individuell geprägter Interessen durch den Betriebsrat die grundrechtstypische Gefährdungslage bejahend: Dütz, Grundrechtsschutz, S. 37. 162 Jarass/Pieroth/Jarass Vorb. Vor Art. 1 GG Rn. 11 f.; a.A. für Trennung von Grundrechtsgestaltung durch Verfahren und Schutzpflichten: Sachs/Sachs, Vor Art. 1 GG Rn. 34 f. 163 NK-ArbR/Becker, Vorbemerkung zu Art. 1 – 6 GG, Rn. 36. 164 So für die Gegenüberstellung juristischer Personen des öffentlichen Rechts und des Privatrechts: Bettermann, NJW 1969, 1321 (1324). 165 Eine Indikation für eine Erweiterung bereits auf Grund des Wortlauts sieht dagegen Dreier/Dreier, Art. 19 III GG Rn. 26. 166 So Maunz/Dürig/Remmert, Art. 19 Abs. 3 GG Rn. 31. 167 Bettermann, NJW 1969, 1321 (1324). 160

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

und ihre rechtlich verselbständigte Existenz gegenüber den Mitgliedern negiert168 und die „Schutzbedürftigkeit überindividueller Zwecke und ihrer Organisation in Form der juristischen Person“ verkennt.169 Wenn nach Art. 19 Abs. 3 GG die Grundrechtssubjektivität der juristischen Person selbst zukommt und diese nicht nur als Treuhänderin der Mitglieder fungiert, muss aber gerade dieser Eigenwert anerkannt werden. Der Gedanke liegt nicht fern, dass das BVerfG von einem „anthropozentrischen Vorverständnis“ der Grundrechte geprägt ist,170 ohne dass sich dieses Verständnis im allein maßgeblichen Art. 19 Abs. 3 GG wiederfindet. So spricht z. B. die vom BVerfG und der überwiegenden Ansicht im Schrifttum zu Art. 9 Abs. 3 GG vertretene These vom „Doppelgrundrecht“171 gerade für eine Weiterung der Grundrechtsfähigkeit über den individuellen Menschen hinaus. Demnach ist Art. 19 Abs. 3 GG als Absage an „die Gruppenfeindlichkeit“ zu verstehen.172 Hiernach kann der Durchgriffstheorie zur Interpretation des Art. 19 Abs. 3 GG nicht gefolgt werden. Der teilweise in der arbeitsrechtlichen Literatur gegen die Grundrechtsfähigkeit des Betriebsrats vorgebrachte Einwand, dass dieser keiner privatautonomen Selbstbestimmung diene, ist für die Interpretation des Art. 19 Abs. 3 GG nicht erheblich. (4) Die grundrechtstypische Gefährdungslage beim Betriebsrat Prüft man mit der überzeugenden Literaturauffassung die grundrechtstypische Gefährdungslage für den Betriebsrat muss zwischen Abwehrfunktion und objektivrechtlicher Funktion der Grundrechte differenziert werden. Im Hinblick auf die Abwehrfunktion der Grundrechte kann eine Betroffenheit, die zu einer grundrechtstypischen Gefährdungslage führen würde, nicht festgestellt werden: Der Betriebsrat kommt typischerweise nicht mit Staatsgewalt in Berührung. In erster Linie tritt er dem Arbeitgeber gegenüber. Bei eventuellen grundrechtsverletzenden Judikaten der Arbeitsgerichte in Streitigkeiten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber ist zudem nicht die Abwehrfunktion der Grundrechte betroffen, sondern es wird die Ausstrahlungswirkung als Teil der objektiven Wertordnung virulent.173 Hiernach kann aus der abwehrrechtlichen Funktion der Grundrechte keine grundrechtstypische Gefährdungslage des Betriebsrats abgeleitet werden. Anders stellt sich der zu treffende Befund jedoch für die objektivrechtliche Dimension der Grundrechte bei Blick auf die grundrechtskonforme Verfahrensgestaltung in Form der Schutzpflichtdimension staatlichen Handelns dar: Das BetrVG 168

Krausnick, JuS 2008, 965 (966). Englisch, S. 88. 170 So in der Diskussion um die Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts: Schnapp, in: HGR II, § 52 Rn. 22 ff. 171 St. Rspr seit BVerfG v. 18. 11. 1954, 1 BvR 629/52, BVerfGE 4, 96 (101 f.); s. aus der Literatur nur: Däubler/Däubler, TVG Einl. Rn. 68; ErfK/Linsenmaier, Art. 9 GG Rn. 39 jeweils m.w.N. 172 Rüfner, in: FS 50 Jahre BVerfG, Bd. II, S. 55 (56). 173 Ellenbeck, S. 89. 169

A. Die Konkurrenz zu § 23 Abs. 1 BetrVG

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ist als die Schutzpflicht des Gesetzgebers für die Grundrechte der Arbeitnehmer erfüllendes Gesetz anzusehen.174 Der Betriebsrat stellt sich dann als Einrichtung zur Gewährleistung eines schonenden Ausgleichs der Grundrechte von Arbeitnehmern und Arbeitgeber dar, indem er vom Gesetzgeber dazu berufen wird, die Selbstbestimmung der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz zu schützen.175 Diese „Schutzfunktion“ für die Grundrechte der einzelnen Arbeitnehmer hat sich auch einfachrechtlich niedergeschlagen. So verpflichtet § 75 Abs. 2 BetrVG den Betriebsrat zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz. Außerdem kann die Mitbestimmungspflichtigkeit des Ordnungsverhaltens nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG auch mit dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmer begründet werden.176 In gleicher Weise zielt § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG auf den Schutz des Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmer vor Eingriffen durch anonyme technische Einrichtungen.177 Ferner hat der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG in Fragen des Gesundheitsschutzes mitzubestimmen. Der Begriff des Gesundheitsschutzes stimmt mit dem des Arbeitsschutzgesetzes überein; erfasst werden Maßnahmen, die dazu dienen, die psychische und physische Integrität des Arbeitnehmers zu erhalten, der arbeitsbedingten Beeinträchtigungen ausgesetzt ist, die zu medizinisch feststellbaren Verletzungen oder Erkrankungen führen oder führen können.178 Die Verbindung zum Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 GG ist augenscheinlich gegeben.179 Mithin kann im Hinblick auf die objektivrechtliche Funktion der Grundrechte für den Betriebsrat eine grundrechtstypische Gefährdungslage angenommen werden. (5) Der konkrete Gehalt der Voraussetzung der wesenmäßigen Anwendbarkeit: Anwendung von Art. 2 Abs. 1 GG auf den Betriebsrat Die zu Beginn der Ausführungen zur Grundrechtsfähigkeit des Betriebsrats genannten Bedenkens Kruses betreffen den konkreten Gehalt der Voraussetzung der wesensmäßigen Anwendbarkeit. Ermittelt werden muss daher, ob über die Rechtsträgerseite hinaus auch auf der Grundrechtsinhaltsseite die Grundrechtsträgerschaft des Betriebsrats für einzelne Grundrechte gegeben ist. Das BVerfG hat insofern klar gestellt, dass es nicht auf den Zweck der juristischen Person, die das Grundrecht in Anspruch nimmt, ankommt, sondern die Eigenart des jeweiligen Grundrechts ausschlaggebend ist.180 Dementsprechend muss geprüft werden, ob das in Frage stehende Grundrecht nur individuell oder gerade auch korporativ betätigt werden 174

FESTL, § 1 BetrVG Rn. 5. Zutreffend Kempen, AuR 1986, 129 (132 ff.); Ellenbeck, S. 97. 176 BAG v. 17. 1. 2012, 1 ABR 45/10, NZA 2012, 687 (689). 177 BAG v. 6. 12. 1983, 1 ABR 43/81, NJW 1984, 1476 (1483). 178 BAG v. 18. 8. 2009, 1 ABR 43/08, NZA 2009, 1434 (1435). 179 Ähnlicher, aber weiter verallgemeinernder Ansatz bei GK-BetrVG/Wiese, Einl. BetrVG Rn. 58. 180 BVerfG v. 8. 10. 1996, 1 BvR 1183/90, BVerfGE 95, 28 (35). 175

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

kann.181 Für Letzteres wird in der Literatur auf die Bedeutung des Schutzgehalts des einzelnen Grundrechts verwiesen.182 Daneben wird als zweites Kriterium in der Literatur für die konkrete Grundrechtsfähigkeit die Bedeutung der zumindest partiellen einfach-rechtlichen Rechtsfähigkeit herausgestellt, in der Grenze der Rechtsfähigkeit der juristischen Person liege auch die Grenze ihrer Grundrechtsfähigkeit.183 Drittens soll auch die Aufgaben- und Zweckbestimmung der Organisation zur Beurteilung der konkreten Grundrechtsfähigkeit ausschlaggebend sein.184 Kruse sieht die sanktionsrechtliche Ungleichbehandlung von Betriebsrat und Arbeitgeber gerade in der nur für den Arbeitgeber möglichen Berufung auf Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG begründet; nur der Arbeitgeber trage das Wirtschafts- und Betriebsrisiko.185 Für die hier zu entscheidende Frage der Koppelung von § 23 Abs. 3 an § 23 Abs. 1 BetrVG als Fall des sanktionsrechtlichen Gleichlaufs und der Gleichbehandlung im Hinblick auf die Grundrechtsfähigkeit von Arbeitgeber sowie Betriebsrat besteht aber gerade kein exklusiver Zusammenhang allein zu den Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG. Vielmehr ist zu beachten, dass die Spezialfreiheitsrechte der Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG dieselbe Freiheit wie Art. 2 Abs. 1 GG schützen, nur beschränkt auf besondere Lebensbereiche oder Betätigungsformen.186 Einzig auf Konkurrenzebene wird Art. 2 Abs. 1 GG von den insoweit spezielleren Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG verdrängt.187 Dies hat das BVerfG so auch im Mitbestimmungsurteil von 1979 ausgesprochen, wenn es nach Ablehnung einer Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG noch „soweit hiernach noch Raum für Art. 2 Abs. 1 GG bleibt“, eine Verletzung der Vorschrift wie bei Art. 12 Abs. 1 GG ausschließt.188 Also kann für eine sanktionelle Gleichbehandlung von Arbeitgeber und Betriebsrat davon ausgegangen werden, dass bereits die wesensmäßige Anwendbarkeit des Art. 2 Abs. 1 GG auf den Betriebsrat ausreicht, um von einer gleichermaßen bestehenden grundrechtlichen Legitimaton 181

BVerfG v. 26. 5. 1976, 2 BvR 294/76, BVerfGE 42, 212 (219). Schoch, JURA 2001, 201 (203). 183 Sachs/Sachs, Art. 19 GG Rn. 63; v. Mutius, JURA 1983, 30 (35); Ellenbeck, S. 101. 184 Ellenbeck, S. 104; ähnlich für Art. 9 Abs. 1 GG: Ramm, S. 31. 185 Kruse, S. 77. 186 Vgl. exemplarisch aus der Rechtsprechung BVerfG v. 17. 7. 1961, 1 BvL 44/55, BVerfGE 13, 97 (104); aus der Literatur: Sachs/Murswiek, Art. 2 GG Rn. 12; Maunz/Dürig/Di Fabio, Art. 2 Abs. 1 GG Rn. 80; Umbach/Clemens/Hillgruber, Art. 2 I GG Rn. 37; z. T. wird für Art. 2 Abs. 1 GG sogar vom „Hauptfreiheitsrecht“ gesprochen, so z. B.: BGH v. 23. 10. 1981, 2 StR 477/80, NStZ 1982, 70 (70); Maunz/Dürig/Scholz, Art. 12 GG Rn. 123; Lindner, ZRP 2007, 54 (56). 187 s. aus der reichhaltigen Rechtsprechung nur exemplarisch: BVerfG v. 30. 4. 1952, 1 BvR 14/52, 1 BvR 25/52, 1 BvR 167/52, BVerfGE 1, 264 (273 f.); v. 16. 1. 1957, 1 BvR 253/56, BVerfGE 6, 32 (37); v. 7. 1. 1959, 1 BvR 100/57, BVerfGE 9, 73 (77); v. 16. 3. 1971, 1 BvR 52/ 66, 1 BvR 665/66, 1 BvR 667/66, 1 BvR 754/66, BVerfGE 30, 292 (336); v. 8. 4. 1997, 1 BvR 48/ 94, BVerfGE 95, 267 (303). 188 BVerfG v. 1. 3. 1979, 1 BvR 532/77, 1 BvR 533/77, 1 BvR 419/78, 1 BvL 21/78, BVerfGE 50, 290 (366). 182

A. Die Konkurrenz zu § 23 Abs. 1 BetrVG

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auch des betriebsratlichen Handelns ausgehen zu können, sodass eine sanktionsrechtliche Ungleichbehandlung mit Verweis auf die nur der Arbeitgeberseite zustehenden Grundrechte ausscheidet. Während Dütz die wesensmäßige Anwendbarkeit von Art. 2 Abs. 1 GG auf den Betriebsrat zur Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben bejaht,189 lehnt Ellenbeck eine solche Anwendung für die typischen Konstellationen der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit, der Vertrags- und der Wettbewerbsfreiheit auf Seiten des Betriebsrats ab. Auch aus der allgemeinen Aufgabenwahrnehmung des Betriebsrats ergebe sich wegen der Aufgabenbeschränkung allein auf das Rechtsverhältnis zum Arbeitgeber und der beim Betriebsrat nicht gegebenen Vollrechtsfähigkeit nichts anderes.190 Ellenbeck ist zunächst zu entgegnen, dass eine Prüfung des konkreten Wesensgehalts sich nicht in einem Rekurs auf typische oder allgemeine Ausprägungen eines Grundrechts erschöpft. Ein solcher Ansatz würde die Vielgestaltigkeit der Grundrechtsgewährleistungen und deren Facettenreichtum negieren und kann allein deshalb nicht überzeugen. Grundrechte sind gerade „Bündel“ von einzelnen Positionen.191 Bei dem in Rede stehenden Art. 2 Abs. 1 GG kommt erschwerend hinzu, dass das BVerfG Art. 2 Abs. 1 GG seit dem Elfes-Urteil in ständiger Rechtsprechung schutzbereichlich weit interpretiert: Geschützt von Art. 2 Abs. 1 GG ist die allgemeine Handlungsfreiheit.192 Dies äußert sich in einem gegenständlich nicht beschränkten Schutzbereich, es wird jedes Verhalten von Art. 2 Abs. 1 GG erfasst.193 Eine Beispielsauswahl (anhand typischer oder auch untypischer Fallgruppen) kann daher nur willkürlich und unvollständig sein. Damit können die von Ellenbeck zuerst herangezogenen typischen Konstellationen der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit, der Vertrags- und der Wettbewerbsfreiheit zur Prüfung des konkreten Wesensgehalts nichts beitragen. Stattdessen muss es mit diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben für Art. 19 Abs. 3 GG schon genügen, dass Teilgehalte des Art. 2 Abs. 1 GG auf den Betriebsrat bezogen werden können.194 Falls für einen Teil die konkrete Anwendbarkeit auf den Betriebsrat angenommen werden kann, ist bereits aufgezeigt, dass sowohl der Arbeitgeber als auch der Betriebsrat sich auf die im Grundsatz gleiche Freiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG berufen können. 189

Dütz, Grundrechtsschutz, S. 61 f.; ebenso: Herschel, ZfA 1984, 65 (65). Ellenbeck, S. 135. 191 Alexy, S. 224 ff. 192 BVerfG v. 16. 1. 1957, 1 BvR 253/56, BVerfGE 6, 32 (36 ff); seither unter anderem noch: v. 16. 5. 1961, 2 BvF 1/60, BVerfGE 12, 341 (347); v. 23. 5. 1980, 2 BvR 854/79, BVerfGE 54, 143 (146); v. 4. 5. 1982, 1 BvL 26/77, 1 BvL 66/78, BVerfGE 60, 329 (339); v. 19. 10. 1983, 2 BvR 298/81, BVerfGE 65, 196 (210); v. 14. 1. 1987, 1 BvR 1052/79, BVerfGE 74, 129 (151); v. 6. 6. 1989, 1 BvR 921/85, BVerfGE 80, 137 (152 ff); v. 7. 12. 1994, 1 BvR 1279/94, BVerfGE 91, 335 (338); v. 10. 3. 1998, 1 BvR 178/97, BVerfGE 97, 332 (340). 193 BVerfG v. 6. 6. 1989, 1 BvR 921/85, BVerfGE 80, 137 (152 f.); v. 19. 2. 1993, 2 BvR 1551/92, NJW 1993, 2167 (2168); v. 7. 12. 1994, 1 BvR 1279/94, BVerfGE 91, 335 (338). 194 Vgl. Sachs/Sachs, Art. 19 GG Rn. 67, Hervorhebung seitens des Verfassers. 190

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

Art. 2 Abs. 1 GG als prototypisches Bündel von Einzelgewährleistungen verbürgt auch eine allgemeine Freiheit vor Eingriffen in die persönliche Rechtssphäre, die nicht durch die verfassungsmäßige Ordnung gerechtfertigt sind.195 Diese Ausprägung der allgemeinen Handlungsfreiheit ist nicht nur in Fällen unrechtmäßiger Steuern anwendbar.196 So hat das BVerfG auch für Fälle von kriminalstraflichen Verurteilungen auf Grund verfassungswidriger Normen,197 für die Abberufung aus dem Personalrat auf Grund verfassungswidriger Abberufungsvorschriften,198 dem Vollzug der Sicherungsverwahrung199 oder der Pflichtmitgliedschaft in öffentlichrechtlichen Zwangsverbänden200 Art. 2 Abs. 1 GG als allgemeiner Eingriffsfreiheit Geltung verschafft. Mithin müsste dem Betriebsrat einzig eine geschützte Rechtssphäre zukommen, die dann über die allgemeine Eingriffsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich abgesichert werden könnte. Das BetrVG statuiert Beteiligungsrechte in unterschiedlicher Form und Stärke.201 Es zeigt sich ein ausdifferenziertes System von Informations-, Anhörungs-, Vetound Initiativrechten.202 Hiermit einher geht ein weiter Aufgabenbereich des Betriebsrats: So hat er z. B. gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden. Nach § 75 Abs. 1 BetrVG kommt dem Betriebsrat daneben eine Stellung als Wächter über die Behandlung aller im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit zu. Neben dieser treffend als „Schutzfunktion“ beschreibbaren Komponente203 werden dem Betriebsrat auch in sozialen Angelegenheiten nach den § 87 Abs. 1 Nr. 1 – 13 BetrVG Mitbestimmungsrechte eingeräumt. Als weitere große Themenkomplexe stehen daneben die Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten nach §§ 92 – 105 BetrVG sowie die in wirtschaftlichen Angelegenheiten nach §§ 111 – 113 BetrVG. Im Zusammenspiel mit den allgemeinen Aufgaben nach § 80 BetrVG ergibt sich so ein dichtes Netz verschiedenartigster Einwirkungsbefugnisse des Betriebsrats, die ihn befähigen, Schutz und gleichberechtigte Teilhabe als

195 BVerfG v. 8. 1. 1959, 1 BvR 425/52, BVerfGE 9, 83 (88); Sachs/Sachs, Art. 19 GG Rn. 70; Umbach/Clemens/Hillgruber, Art. 2 I GG Rn. 20. 196 So die hier beispielhaft genannten Konstellationen bei BVerfG v. 13. 12. 1958, 1 BvR 488/57, BVerfGE 9, 3 (11); v. 14. 12. 1965, 1 BvR 413/60, 1 BvR 416/60, BVerfGE 19, 206 (215); v. 28. 1. 1970, 1 BvL 4/67, BVerfGE 27, 375 (384); v. 15. 12. 1970, 1 BvR 559/70, 1 BvR 571/70, 1 BvR 586/70, BVerfGE 29, 402 (408). 197 BVerfG v. 8. 1. 1959, 1 BvR 425/52, BVerfGE 9, 83 (88). 198 BVerfG v. 27. 3. 1979, 2 BvR 1011/78, BVerfGE 51, 77 (89). 199 BVerfG v. 9. 3. 1976, 1 BvR 355/67, BVerfGE 42, 20 (27). 200 BVerfG v. 18. 12. 1974, 1 BvR 430/65, 1 BvR 259/66, BVerfGE 38, 312 (319). 201 GK-BetrVG/Franzen, § 1 BetrVG Rn. 67. 202 Preis, KollArbR, S. 474, 628 ff. 203 DKKW/Wedde, Einl. BetrVG Rn. 129.

A. Die Konkurrenz zu § 23 Abs. 1 BetrVG

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maßgebliche Schutzzwecke der betrieblichen Mitbestimmung durchzusetzen.204 Die geschilderten Rechte stehen nach heute nahezu einhelliger Auffassung dem Betriebsrat selbst zu, ohne dass der Streit um seine Rechtsnatur und die Qualifikation des Verhältnisses zu den Arbeitnehmern hier Auswirkungen zeitigte.205 Die ihm auf Grundlage der Rechte zustehende Rechtssphäre eröffnet dem Betriebsrat damit auch den Schutzbereich der allgemeinen Eingriffsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG. Den aufgezeigten Befund kann auch das zum Teil vorgetragene Argument des allein privatrechtlichen Verhältnisses zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber nicht entkräften.206 In Einklang mit der obigen Feststellung wirken die Grundrechte als objektive Wertordnung auch im Rahmen des Privatrechts, gerade auch in diesem Verhältnis besteht die Verpflichtung des Staates zum Schutz der wahrgenommenen Grundrechte. Genausowenig kann die im Hinblick auf die typischen Ausprägungen des Art. 2 Abs. 1 GG vorgebrachte Berufung auf die nicht gegebene Vollrechtsfähigkeit beim Betriebsrat überzeugen, nimmt er teilrechtsfähigen Personen doch nur auf einer späteren Wertungsstufe was ihnen zuvor scheinbar mit deren Anerkennung als juristische Person im Sinne des Art. 19 Abs. 3 GG gegeben wurde. Erkennt man aber an, dass die Teilrechtsfähigkeit für die konkrete Grundrechtsfähigkeit nur als Grenze fungiert, ist ein genereller Verweis auf die mangelnde Vollrechtsfähigkeit ebenfalls nicht stichhaltig. Entgegen Ellenbeck und mit Dütz ist daher davon auszugehen, dass der Betriebsrat sich über Art. 19 Abs. 3 GG zumindest auf Art. 2 Abs. 1 GG berufen kann. Da aber Art. 2 Abs. 1 GG die gleiche Freiheit wie Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG verbürgt, besteht auch in der Frage der grundrechtlichen Legitimation zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber kein Unterschied, der eine sanktionelle Ungleichbehandlung zulassen würde. (6) Zusammenfassung zum Rückgriff auf die fehlende Grundrechtsfähigkeit des Betriebsrats Entgegen Kruses Ansicht kann gegen eine Koppelung von § 23 Abs. 1 und Abs. 3 BetrVG nicht die nur für den Arbeitgeber bestehende Grundrechtsfähigkeit sprechen. Auch der Betriebsrat ist über Art. 19 Abs. 3 GG befähigt sich auf Art. 2 Abs. 1 GG und damit die im Kern gleiche grundrechtliche Freiheit wie die des Arbeitgebers aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG zu berufen.

204

WPK/Preis, § 1 BetrVG Rn. 5; zum Verhältnis des Schutz- und Teilhabegedankens exemplarisch einerseits: Wiese, in: FS Kissel, S. 1269 (1282) „durch die Teilhabe zugleich der Schutz verwirklicht“; andererseits: Jahnke, ZfA 1980, 863 (883 f.) „Der Teilhabegedanke greift indessen weiter […]“; zu weiteren denkbaren Schutzzwecken s. GK-BetrVG/Wiese, Einl. BetrVG Rn. 73 ff. 205 Vgl. HWGNRH/Rose, § 1 BetrVG Rn. 98; FESTL, § 1 BetrVG Rn. 186, 195; WPK/ Preis, § 1 BetrVG Rn. 43; GK-BetrVG/Franzen, § 1 BetrVG Rn. 64; DKKW/Wedde, Einl. BetrVG Rn. 129; Richardi/Richardi, Einl. BetrVG Rn. 109; a.A heute noch Belling, Haftung, S. 110 ff. 206 Vgl. Ellenbeck, S. 135.

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

c) Der untaugliche Einwand der allein angestrebten vergleichbaren Intensität Gegen einen Anschluss des § 23 Abs. 3 an § 23 Abs. 1 BetrVG wird darüber hinaus in der Literatur vorgebracht, dass der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 23 Abs. 3 BetrVG aus Gründen der Gleichgewichtigkeit gegenüber § 23 Abs. 1 BetrVG keine zwingende Koppelung bezweckt, sondern nur eine vergleichbare Intensität gewollt habe.207 Letztgenannte Ansicht muss jedoch selbst konzedieren, dass der Gesetzgeber des BetrVG 1972 mit § 23 Abs. 3 BetrVG gerade den „Brückenschlag“ zu § 23 Abs. 1 BetrVG angestrebt habe.208 Zuzugeben ist der Auffassung lediglich, dass die Gesetzesbegründung zum BetrVG 1972 „Gründe der Gleichgewichtigkeit“ bei Einführung des § 23 Abs. 3 BetrVG anführt.209 Für eine Interpretation der Gleichgewichtigkeit allein im Sinne von vergleichbarer Intensität fehlt in der Gesetzesbegründung aber jeglicher diesbezüglich einschränkende Hinweis. Vielmehr ergibt sich der geforderte Zusammenhang gerade daraus, dass § 23 Abs. 3 BetrVG im Hinblick auf die Sanktionsregelungen gegen den Betriebsrat in § 23 Abs. 1 eingeführt wurde.210 Gegen die These einer allein angestrebten vergleichbaren Intensität spricht ferner, dass § 23 Abs. 1 BetrVG mit dem Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat und der Auflösung des gesamten Betriebsrats bereits zwei Maßnahmen unterschiedlicher Intensität in einem Absatz vereinigt.211 Zwar setzen beide Maßnahmen tatbestandlich eine grobe Pflichtverletzung voraus; jedoch stellt sich die Auflösung des gesamten Betriebsrats als eingriffsintensivere ultima-ratio Maßnahme dar.212 Wird (nur) ein Betriebsratsmitglied ausgeschlossen, so rücken nach § 25 BetrVG die Ersatzmitglieder nach.213 Wird dagegen der gesamte Betriebsrat aufgelöst, endet mit Rechtskraft des Beschlusses die Amtszeit sämtlicher Betriebsratsmitglieder einschließlich aller Ersatzmitglieder.214 Insofern ist im letzteren Fall gar keine Repräsentation der Belegschaft mehr vorhanden, die Belegschaft also vom Verlust ihres Betriebsrats in stärkerem Maße betroffen. Vereinigt aber bereits § 23 Abs. 1 BetrVG zwei unterschiedlich intensive Maßnahmen, kann die Verknüpfung der Ergebnisse zu § 23 Abs. 1 und § 23 Abs. 3 BetrVG nicht mit dem Verweis auf allein angestrebte Gleichgewichtigkeit verneint werden; eine solche herrscht in Abs. 1 nur bedingt. Somit kann auch die These von einer allein angestrebten vergleichbaren Intensität bei Schaffung des § 23 Abs. 3 BetrVG nicht überzeugen. 207

Klocke, S. 88. Klocke, S. 97. 209 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu BT-Drs. VI/ 2729, S. 21, Hervorhebung seitens des Verfassers. 210 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu BT-Drs. VI/ 2729, S. 21, Hervorhebung seitens des Verfassers. 211 So Richardi/Thüsing, § 23 BetrVG Rn. 3. 212 Vgl. HaKo-BetrVG/Düwell, § 23 BetrVG Rn. 31. 213 NK-ArbR/Kloppenburg, § 23 BetrVG Rn. 11; HaKo-BetrVG/Düwell, § 23 BetrVG Rn. 24; ErfK/Koch § 23 BetrVG Rn. 11. 214 Richardi/Thüsing, § 23 BetrVG Rn. 67; DKKW/Trittin, § 23 BetrVG Rn. 188; HaKoBetrVG/Düwell, § 23 BetrVG Rn. 3. 208

A. Die Konkurrenz zu § 23 Abs. 1 BetrVG

65

IV. Zusammenfassung zur systematischen Auslegung § 23 Abs. 3 BetrVG kann entgegen anderslautender Stimmen in der Literatur in systematischer Hinsicht an § 23 Abs. 1 BetrVG angedockt werden. Hierfür sprechen folgende Argumente: beide Absätze stehen in einer Vorschrift, beide sind auf die Verletzung gesetzlicher Pflichten ausgerichtet. Zudem werden in beiden Absätzen die Adressaten allein in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Stellung angesprochen. Entscheidend ist schließlich die Zweckidentität zwischen beiden Absätzen. Sowohl § 23 Abs. 1 als auch § 23 Abs. 3 BetrVG sollen lediglich ein Mindestmaß an gesetzmäßigem Verhalten zwischen den Betriebspartnern bewahren. Eine abgeschlossene Regelung kann aber mit der zutreffenden neuen Rechtsprechung des BAG in § 23 Abs. 3 BetrVG nicht erblickt werden. Was für § 23 Abs. 3 BetrVG gilt, muss in systematischer Hinsicht dann wegen des zwischen beiden Vorschriften bestehenden sachlichen Zusammenhangs auch für § 23 Abs. 1 BetrVG gelten. Auch das systematische Auslegungskriterium spricht daher nicht für eine Abgeschlossenheit der Regelung in § 23 Abs. 1 BetrVG.

V. Teleologische Auslegung Nachdem sich gezeigt hat, dass sowohl der Wortlaut als auch die Historie sowie die Systematik gegen eine abschließende Regelung der Rechtsschutzmöglichkeiten des Arbeitgebers in § 23 Abs. 1 BetrVG sprechen, die eine Sperrwirkung gegenüber einem Unterlassungsanspruch nach sich ziehen würde, muss dieses Ergebnis noch in einem letztem Schritt hinsichtlich des mit § 23 Abs. 1 BetrVG verfolgten Sinn und Zwecks überprüft werden. Der Streit in Rechtsprechung und Literatur um den mit § 23 Abs. 1 BetrVG verfolgten Zweck ist bereits oben für die heute herrschende Meinung entschieden worden.215 Hiernach bezweckt die Norm ein zukünftiges Mindestmaß an gesetzmäßigem Verhalten auf Seiten des Betriebsrats und der ihm angehörigen Betriebsratsmitglieder sicherzustellen. In Folge der Zukunftsbezogenheit des Verfahrens besteht eine Verbindung zum ebenfalls in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch, an die sich das erörterte Konkurrenzproblem auch in teleologischer Hinsicht anknüpfen lässt. Beide Instrumente zielen zudem darauf auf ab, gesetzmäßiges Verhalten des Betriebsrats und seiner Mitglieder einzufordern. Dies ist aber ihre einzige Gemeinsamkeit. Während der Unterlassungsanspruch (unterstellt dass Wiederholungsgefahr besteht) bei jeder Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Vorschriften eingreifen könnte, ist § 23 Abs. 1 BetrVG auf die grobe Verletzung der betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten beschränkt. Eine abschließende Festschreibung aller betriebsverfassungsrechtlichen Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers ist hiermit jedoch nicht verbunden. § 23 Abs. 1 BetrVG soll teleologisch nur ein Mindestmaß an gesetzmäßigem Verhalten in der Betriebsverfassung er215

s. o. 2. Kapitel A. III. 2. a).

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

zwingen. Die Beschränkung auf ein Mindestmaß gesetzmäßigen Verhalten, welches durch § 23 Abs. 1 BetrVG eingefordert werden kann, zeigt sich auch darin, dass die Vorschrift überhaupt nur für grobe Verletzungen der gesetzlichen Pflichten eingreift. Lediglich für diese kann der gesamte Betriebsrat aufgelöst bzw. ein Mitglied aus dem Betriebsrat ausgeschlossen werden. Nur für diese Fälle tritt dann auch die Rechtsfolge des Amtsverlusts nach § 24 Nr. 5 BetrVG ein. Für diese besonders schwerwiegenden Gesetzesverstöße kann über § 23 Abs. 1 BetrVG dann mit der scharfen Maßnahme des Ausschlusses bzw. sogar der Auflösung des Betriebsrats reagiert werden. Mit der angenommenen Zwecksetzung verträgt sich ein abschließender Charakter der Vorschrift jedoch nicht. Vielmehr kann über dieses Mindestmaß hinaus zwar nicht über § 23 Abs. 1 BetrVG, jedoch über andere Institute Rechtsschutz für den Arbeitgeber gewährleistet werden. Die beschränkte Reichweite des Ausschlussverfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG wird auch noch deutlich, wenn man sich dessen zeitliche Dimension vergegenwärtigt. Angesprochen ist hiermit die Frage, wann die zum Ausschluss aus dem Betriebsrat oder der Auflösung des ganzen Gremiums führende Pflichtverletzung begangen worden sein muss. Nach Ansicht der Rechtsprechung und der wohl herrschenden Meinung in der Literatur können nur Amtspflichtverletzungen aus der aktuellen Amtsperiode im Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG zu Grunde gelegt werden.216 Materiell-rechtliche Pflichtverletzungen aus einer vorherigen Amtsperiode sind in keinem Fall mehr Gegenstand eines Ausschlussverfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG in der neuen Amtsperiode.217 Verfahrensrechtlich konsequent wird damit nach dieser Auffassung ein gegen Betriebsratsmitglieder angestrengtes Ausschlussverfahren oder ein gegen den gesamten Betriebsrat angestrengtes Auflösungsverfahren mit Ablauf der Amtsperiode automatisch gegenstandslos.218 Unabhängig von den gegen sie angestrengten Verfahren können die Mitglieder für den neuen Betriebsrat wieder kandidieren und bei der nächsten Wahl im Ergebnis folgenlos in den neuen Betriebsrat einziehen. Für diese Auffassung wird in der Rechtsprechung angeführt, dass in der Wiederwahl in den Betriebsrat ein Vertrauensbeweis seitens der Belegschaft gesehen werden könne.219

216 BAG v. 8. 12. 1961, 1 ABR 8/60, NJW 1962, 654 (655); v. 29. 4. 1969, 1 ABR 19/68, AP BetrVG § 23 Nr. 9 unter ausdrücklicher Aufgabe der alten Rechtsprechung v. 2. 11. 1955, 1 ABR 30/54, AP BetrVG § 23 Nr. 1; LAG München v. 28. 4. 2014, 2 TaBV 44/13, LAGE § 103 BetrVG 2001 Nr. 17; LAG München v. 18. 2. 2008, 6 TaBV 133/07, juris Rz. 19 – 20; FESTL § 23 BetrVG Rn. 25; DKKW/Trittin, § 23 BetrVG Rn. 27; HaKo-BetrVG/Düwell, § 23 BetrVG Rn. 5; WPK/Kreft, § 23 BetrVG Rn. 14; Münch. Hdb. z. ArbR/Joost, § 222 Rn. 16; Rolfs, Studienkommentar Arbeitsrecht, § 23 BetrVG Rn. 3; Bender, DB 1982, 1271 (1272). 217 Für die Trennung in materiell- und verfahrensrechtliche Komponenten auch GK-BetrVG/Oetker, § 23 BetrVG Rn. 53. 218 BAG v. 8. 12. 1961, 1 ABR 8/60, NJW 1962, 654 (655); v. 29. 4. 1969, 1 ABR 19/68, AP BetrVG § 23 Nr. 9. 219 BAG v. 29. 4. 1969, 1 ABR 19/68, AP BetrVG § 23 Nr. 9; LAG Berlin v. 19. 6. 1978, 9 TaBV 1/78, DB 1979, 112 (112); DKKW/Trittin, § 23 BetrVG Rn. 27.

A. Die Konkurrenz zu § 23 Abs. 1 BetrVG

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Der von der Rechtsprechung in materieller Hinsicht angenommenen beschränkten zeitlichen Reichweite des § 23 Abs. 1 BetrVG versucht eine abweichende Auffassung dadurch zu begegnen, dass ausnahmsweise auch Amtspflichtverletzungen aus einer unmittelbar vorhergehenden Amtsperiode, die sich noch belastend auf die jetzige Amtsperiode auswirken, als Ausschlussgrund nach § 23 Abs. 1 BetrVG herangezogen werden.220 Die starre Abgrenzung der anderen Auffassung überzeuge nicht. Selbst wenn der neue mit dem alten Betriebsrat nicht identisch sei, so handele es sich doch um dasselbe Betriebsratsmitglied, das die Pflichtverletzung begangen habe.221 Durch eine „Generalabsolution“ nach Ablauf einer Amtsperiode würde die weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit der Betriebsparteien mit dem neuen Betriebsrat erheblich beeinträchtigt.222 Außerdem sei es denkbar, dass die Pflichtverletzung erst in der neuen Amtszeit festgestellt werde, wie z. B. bei einem Bruch der Geheimhaltungspflicht nach § 79 BetrVG.223 Die abweichende Literaturauffassung führt damit im Ergebnis zu einer Ausweitung des Ausschlussverfahrens auf potentiell zwei Amtsperioden. Diese weite Auslegung ist jedoch abzulehnen. Die Begrenzung des Ausschlussverfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG auf die Dauer der Mitgliedschaft, den Lauf einer konkreten Amtsperiode und die Nichtverwertbarkeit von Pflichtverletzungen aus vorherigen Amtsperioden für ein Ausschlussverfahren gegenüber dem neugewählten Betriebsrat ist überzeugend. Zwar kann nicht – wie zum Teil in der Rechtsprechung vorgebracht – in der Wiederwahl seitens der Belegschaft ein jegliche vorherigen Pflichtverletzungen beseitigender Vertrauensbeweis gesehen werden. Das Argument des Vertrauensbeweises lässt außer Acht, dass bei Pflichtverletzungen gegenüber dem Arbeitgeber allein dieser und nicht die Belegschaft zur Aussprache neuen Vertrauens im Stile vertrauensvoller Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG berechtigt wäre.224 Ein von Seiten der Belegschaft in Form der Wahl erbrachter Vertrauensbeweis kann daher gar nicht bereits eingetretene Pflichtverletzungen gegenüber dem Arbeitgeber beseitigen. Bei systematischer Auslegung ist der Auffassung der Rechtsprechung aber mit Blick auf §§ 21, 24 Nr. 1, Nr. 5 BetrVG zuzustimmen. Nach § 21 BetrVG beträgt die regelmäßige Amtszeit des Betriebsrats vier Jahre. § 21 BetrVG betrifft die Amtszeit des Betriebsrats als Kollegialorgan.225 Die davon grundsätzlich zu unterscheidende Mitgliedschaft des einzelnen Betriebsratsmitglieds wird in § 24 BetrVG geregelt. Sie 220 LAG Düsseldorf v. 23. 1. 2015, 6 TaBV 48/14, NZA-RR 2015, 299 (302); Richardi/ Thüsing, § 23 BetrVG Rn. 27 f.; ErfK/Koch, § 23 BetrVG Rn. 2; HWGRNH/Huke, § 23 BetrVG Rn. 19; GK-BetrVG/Oetker, § 23 BetrVG Rn. 55. 221 Richardi/Thüsing, § 23 BetrVG BetrVG Rn. 27. 222 Kramer, ArbR Aktuell 2015, 234 (234). 223 GK-BetrVG/Oetker, § 23 BetrVG Rn. 56. 224 LAG Düsseldorf v. 23. 1. 2015, 6 TaBV 48/14, NZA-RR 2015, 299 (302); ErfK/Koch, § 23 BetrVG Rn. 2. 225 NK-ArbR/Stoffels/Bergwitz, § 21 BetrVG Rn. 1; HWGNRH/Worzalla/Huke, § 21 Rn. 4; DKKW/Buschmann, § 21 BetrVG Rn. 1; Richardi/Thüsing, § 21 Rn. 1.

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

erlischt nach § 24 Nr. 1 BetrVG mit Ablauf der Amtszeit des Kollegialorgans. Existiert das Kollegialorgan nicht mehr, so endet auch die Mitgliedschaft des einzelnen Betriebsratsmitglieds in diesem.226 Gleichwertig hierzu wird in § 24 Nr. 5 BetrVG ein Erlöschensgrund mit Ausschluss aus dem Betriebsrat auf Grund gerichtlicher Entscheidung festgelegt. Beide Alternativen stehen im zweiten Abschnitt des BetrVG, der mit „Amtszeit des Betriebsrats“ überschrieben ist, sie sind damit beide diesem Komplex zuzuordnen. § 21 und § 24 BetrVG stellen jeweils auf einen bestimmten Betriebsrat und die ihm angehörigen Betriebsratsmitglieder ab. Nach Ende der Amtszeit des einen Betriebsrats beginnt dann nach § 21 Abs. 1 Satz 2 BetrVG die Amtszeit des neuen Betriebsrats. Das Gesetz trennt damit in § 21 Abs. 1 Satz 1 und § 21 Abs. 1 Satz 2 BetrVG zwischen den Amtszeiten von „altem“ und „neuem“ Betriebsrat. In einer anderen Hinsicht lässt sich ebenfalls eine Trennung zwischen Amtszeit des neuen und des alten Betriebsrats dem BetrVG entnehmen. So legt § 36 BetrVG für Geschäftsordnungen des Betriebsrats zwar nicht ausdrücklich fest, dass diese mit Ablauf der Amtszeit des Gremiums erlöschen. Jedoch kann die Geltung der Geschäftsordnung nur für die Amtszeit des Betriebsrats, der diese erlassen hat, mit dem allgemeinen Diskontinuitätsprinzip erklärt werden.227 Auch das automatische Ende der Amtszeit nach § 21 Satz 3 BetrVG kann als Ausprägung des Diskontinuitätsprinzips zwischen den Amtsperioden verstanden werden.228 Allen genannten Vorschriften kann eine Trennung zwischen Amtszeit des „alten“ und des „neuen“ Betriebsrats entnommen werden. Gleiches gilt dann auch für die Beschränkung des Ausschlussverfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG auf Verstöße aus der jeweiligen Amtszeit. Hieran ändern auch §§ 21a, 21b, 22 BetrVG nichts. Diese statuieren nur für einige spezielle Konstellationen ein Weiterwirken des alten Betriebsrats. Gerade § 22 BetrVG erlaubt die Weiterführung der Geschäfte des Betriebsrats nur, bis ein neuer Betriebsrat gewählt und das Wahlergebnis bekannt gegeben wurde. Das Gesetz spricht damit auch an dieser Stelle eine Trennung der Mandate von neuem und altem Betriebsrat aus. Das Gegenargument der abweichenden Literaturauffassung, dass es sich unabhängig von der Neukonstituierung des Betriebsrats um dasselbe pflichtenverletzende Betriebsratsmitglied handele, vermag dagegen nicht zu überzeugen. Auch die Betriebsratsmitglieder verlieren mit Ablauf der Amtszeit ihre besonders geschützte betriebsverfassungsrechtliche Rechtstellung.229 So wandelt sich z. B. der volle besondere Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG nach Beendigung der Amtszeit in einen nur noch eingeschränkten besonderen Kündigungsschutz.230 Noch deutlicher kann insofern zwischen Vollschutz und nur noch nachwirkendem Schutz 226

Richardi/Thüsing, § 24 BetrVG Rn. 1. GK-BetrVG/Raab, § 36 BetrVG Rn. 15. 228 Fuhlrott/Hoppe, ArbR Aktuell 2010, 81 (81). 229 So HaKo-BetrVG/Düwell, § 21 BetrVG Rn. 39 für den Tatbestand des § 24 Nr. 1 BetrVG; allgemein Husemann, Verbot, S. 159. 230 APS/Linck, § 15 KSchG Rn. 136 f. 227

A. Die Konkurrenz zu § 23 Abs. 1 BetrVG

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differenziert werden.231 Ein gravierender Unterschied zwischen beiden besteht schon darin, dass der nachwirkende Schutz nicht mehr das Erfordernis einer Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsmitglieds vorsieht, sondern nur noch die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vorgeschrieben ist.232 Zudem wird die ordentliche Kündigung nicht mehr für die Dauer der gesamten Amtszeit, sondern nur noch befristet auf ein Jahr nach Beendigung der Amtszeit für unzulässig erklärt. Für Betriebsratsmitglieder sind damit zwei Konstellationen zu unterscheiden. Kommt es nicht zur Wiederwahl des Mitglieds und dessen Einzug in den neuen Betriebsrat, so gilt allein der nachwirkende Schutz.233 Mit der Wiederwahl eines Mitglieds des alten in den dann neuen Betriebsrat erhält es dagegen wieder den Vollschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG. Dessen Schutzbereich beschränkt sich für Mitglieder des Betriebsrats auf die jeweilige Amtsperiode und den Nachwirkungszeitraum.234 Der besondere betriebsverfassungsrechtliche Status der Betriebsratsmitglieder ist damit ebenfalls mit der Dauer einer Amtsperiode verknüpft. Die Neubegründung ihres besonderen Schutzes hängt aber nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG nur vom Beginn der Amtszeit ab.235 Ein einschränkender Vorbehalt für die Fälle gerichtlicher Entscheidungen, die die Mitgliedschaft im Betriebsrat beenden, ist in § 15 KSchG für den Vollschutz nicht vorgesehen; vielmehr hat der Gesetzgeber nur in § 15 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BetrVG den nachwirkenden Schutz ausgeschlossen. Nach der Gesetzesbegründung sollte hiermit gerade der Fall eines Ausschlusses aus dem Betriebsrat wegen grober Verletzung der gesetzlichen Pflichten erfasst werden.236 Einen generellen Vorbehalt auch für den Vollschutz hat der Gesetzgeber dagegen nicht geschaffen. Würde man jedoch der weiten Auslegung folgen, die Ausschlussverfahren über § 23 Abs. 1 BetrVG auch gestützt auf Pflichtverletzungen aus früheren Amtsperioden zulässt, dann schafft man einen in § 15 KSchG so nicht vorgesehen Ausnahmetatbestand, für dessen Existenz weder aus dem Gesetzgebungsverfahren noch aus der Gesetzessystematik Anhaltspunkte gewonnen werden können. Zudem verträgt sich nur eine einschränkende Auslegung des § 23 BetrVG auf die Dauer einer Amtsperiode mit dem in § 15 KSchG neben dem Schutz der Betriebsratsmitglieder vor Kündigungen auch verfolgten Zweck, die Stetigkeit der Arbeit der jeweiligen Arbeitnehmervertretung dadurch zu sichern, dass diese für die Dauer der Wahlperiode in ihrer personellen Zusammensetzung möglichst unverändert bleibt.237 Bei einem Transport 231

NK-ArbR/Fiebig, § 15 KSchG Rn. 51, 60; Eylert/Sänger, RdA 2010, 24 (27). BAG v. 5. 11. 2009, 2 AZR 487/08, NZA-RR 2010, 236 (237); APS/Linck, § 15 KSchG Rn. 136; MüKo-BGB/Hergenröder, § 15 KSchG Rn. 112; NK-ArbR/Fiebig, § 15 KSchG Rn. 60. 233 Besgen, NZA 2011, 133 (136). 234 BAG v. 2. 4. 1992, 2 AZR 481/91, juris Rz. 53. 235 APS/Linck, § 15 KSchG Rn. 61; MüKo-BGB/Hergenröder, § 15 KSchG Rn. 40. 236 BT-Drs. 6/1786, S. 59 f. 237 Vgl. zum Schutz der Stetigkeit der Betriebsratsarbeit bei § 15 Abs. 1 KSchG: BAG v. 26. 11. 2009, 2 AZR 185/08, NZA 2010, 443 (444); v. 2. 3. 2006, 2 AZR 83/05, NZA 2006, 988 232

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

von Pflichtverletzungen aus der vorherigen in die neue Amtsperiode mit der Konsequenz eines Ausschlusses aus dem Betriebsrat oder gar der Auflösung des Betriebsrats wird gerade die Stetigkeit der Arbeit des neuen Betriebsrats beeinträchtigt. Im Ergebnis mag damit zwar tatsächlich dieselbe natürliche Person in den Betriebsrat gewählt worden sein, diese ist jedoch durch die Wahl für die neue Amtsperiode mit einem neuen betriebsverfassungsrechtlichen Status ausgestattet, der in zeitlicher Hinsicht mit der jeweiligen Amtsperiode verknüpft ist. Gegen diese einschränkende Sichtweise kann auch nicht überzeugend mit dem von der Literaturansicht vorgeschlagenen Kriterium der fortbestehenden Belastung argumentiert werden. Wegen der mit ihm verbundenen Unbestimmtheit kann der Begriff nicht überzeugen.238 Die zu Unrecht als „starre“ Abgrenzung bezeichnete Trennung in verschiedene, voneinander unabhängige, Amtsperioden ist gerade der Garant für ein notwendiges Maß an Rechts- und Planungssicherheit. Damit kann mit der Rechtsprechung davon ausgegangen werden, dass Amtspflichtverletzungen aus vorherigen Amtsperioden auf Grund der Gesetzessystematik nicht Gegenstand eines Ausschluss- oder Auflösungsverfahrens in der nachfolgenden Amtsperiode sein können. Auch der von der Rechtsprechung gezogene Schluss, dass Betriebsratsmitglieder, gegen die ein Ausschlussverfahren angestrengt wurde, nicht an der Wiederwahl in den Betriebsrat gehindert sind, kann mit Blick auf § 8 Abs. 1 Satz 3 BetrVG überzeugen239 Ein vom Arbeitgeber angestrengtes oder auch ein erfolgreiches Ausschlussverfahren ist in § 8 Abs. 1 Satz 3 BetrVG gerade nicht als Grund für den Verlust der Wählbarkeit in den Betriebsrat benannt. Da die Norm aber mangels offener, beispielartiger Katalogbeschreibungen als abschließende Vorschrift einzuordnen ist, kann ein Ausschlussverfahren nicht zum Verlust der Wählbarkeit führen. Von Gesetzes wegen vorgesehene Konsequenz ist dann, dass der Bewerber, der in einer vorherigen Amtsperiode eine Pflichtverletzung in Ausübung seines Betriebsratsamts begangen hat, in den neuen Betriebsrat gewählt werden kann. Geht man nun von dieser durch das Gesetz vorgegebenen, nur zeitlich beschränkten Reichweite des Ausschlussverfahrens auf die Dauer der Amtsperiode des Betriebsrats aus, so entsteht für den Arbeitgeber bei dem alleinigen Verweis auf § 23 Abs. 1 BetrVG die Gefahr, dass Vorgänge am Ende der Amtsperiode nicht mehr effektiv behandelt werden können. Der Betriebsrat muss im Gang durch die Instanzen des Hauptverfahrens nur den Ablauf der Amtsperiode abwarten, um Verstöße gegen die Betriebsverfassung begehen zu können.240 Insgesamt ist § 23 Abs. 1 (990); v. 23. 1. 2002, 7 AZR 611/00, NJW 2002, 2265 (2266); v. 20. 12. 1984, 2 AZR 3/84, NZA 1986, 325 (328); v. 12. 12. 1968, 2 AZR 120/68, NJW 1969, 813 (814); ErfK/Kiel, § 15 KSchG Rn. 1; APS/Linck, § 15 KSchG Rn. 1; sogar für überwiegenden Schutz des Gremiums vor dem Schutz der Mitglieder Eylert/Sänger, RdA 2010, 24 (25). 238 Ebenso Bender DB 1982, 1271 (1273). 239 Zutreffend Wolmerath, jurisPR-ArbR 7/2009 Anm. 6; ähnlich Hessel, AuR 1970, 96 (96). 240 Schwipper, S. 246.

A. Die Konkurrenz zu § 23 Abs. 1 BetrVG

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BetrVG bei dieser zeitlichen Beschränkung deshalb nicht zu Unrecht als „stumpfes Schwert“ bezeichnet worden.241 Ein betriebsverfassungsrechtlicher Unterlassungsanspruch dagegen kann die nicht über § 23 Abs. 1 BetrVG abbildbaren Fallgestaltungen erfassen. Hiermit könnten zugleich die Bedenken der oben gezeigten abweichenden Literaturauffassung zur Berücksichtigung von Amtspflichtverletzungen auch aus einer vorherigen Amtsperiode beschwichtigt werden, eine befürchtete „Generalabsolution“ findet ebenfalls nicht statt. Der Arbeitgeber wird ja über die Annahme eines betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs nicht schutzlos gestellt. Allen voran können Fälle, in denen Amtspflichtverletzungen aus früheren Amtsperioden wie z. B. bei Verletzungen der Geheimhaltungspflicht nach § 79 BetrVG erst in der nachfolgenden Amtsperiode entdeckt werden, bei Vorliegen der spezifischen Voraussetzung der Wiederholungsgefahr in der neuen Wahlperiode über den Unterlassungsanspruch effektiv abgeholfen werden. Die Anerkennung des betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs tangiert im Gegensatz zur Verwendung von Amtspflichtverletzungen aus früheren auch bei einem Ausschlussverfahren in der jetzigen Amtsperiode zudem nicht den mit § 15 KSchG verfolgten Regelungszweck, die Stetigkeit der Arbeit der jeweiligen Arbeitnehmervertretung dadurch zu sichern, dass diese für die Dauer der Wahlperiode in ihrer personellen Zusammensetzung möglichst unverändert bleibt. Der Unterlassungsanspruch führt nicht zum Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat, sondern einzig zur Untersagung der rechtswidrigen Verhaltensweisen. Gegen die Annahme einer Sperrwirkung des § 23 Abs. 1 BetrVG gegenüber Unterlassungsansprüchen des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat kann in teleologischer Hinsicht zudem noch angeführt werden, dass so der Arbeitgeber in jedem Fall der Zuwiderhandlung gegen betriebsverfassungsrechtliche Vorschriften gezwungen würde, zum Auflösungsverfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG zu greifen. Jedoch ist die Wiederherstellung der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG in vielen Fällen auch ohne Gesamtauflösung des Betriebsrats möglich.242 Der Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers führt dagegen nicht zu einer Gesamtauflösung des Betriebsrats, sondern stellt sich als milderes Mittel zum Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG dar.243 Auch aus diesem Grund ist er neben § 23 Abs. 1 BetrVG anerkennenswert. Für ein Nebeneinander des Verfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG und des betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers spricht im Übrigen die Losgelöstheit des Verfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG von einer Verletzung individueller Rechte und Positionen, die mit dem Unterlassungsanspruch abgewehrt werden soll. § 23 Abs. 1 BetrVG macht die Antragsberechtigung nicht von einer Verletzung dem Antragssteller zustehender Rechte abhängig, sondern lässt 241

Wochner, BB 1975, 1541 (1542); ebenso Rieble/Klebeck, NZA 2006, 758 (759). Zutreffend Burger/Rein, NJW 2010, 3613 (3615); Belling, JZ 2014, 905 (908); i.E. ebenso Evers, S. 53. 243 Meyer, SAE 2014, 65 (66), Hervorhebung seitens des Verfassers. 242

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

es gerade zu, dass die genannten Antragssteller Gesetzesverstöße gegen objektives Recht vor Gericht bringen. Dies zeigt sich auch darin, dass § 23 Abs. 1 BetrVG lediglich eine grobe Verletzung gesetzlicher Pflichten verlangt. Nicht verlangt werden Pflichten, die gerade gegenüber dem Antragssteller oder in dessen Interesse bestehen. § 23 Abs. 1 BetrVG kann daher – anders als der dem Schutz subjektiver Rechte verpflichtete Unterlassungsanspruch244 – als objektives Beanstandungsverfahren eingeordnet werden.245 Da der Unterlassungsanspruch lediglich auf das subjektive Recht fokussiert ist, das Beanstandungsverfahren nach § 23 Abs. 1 dagegen auch der Einhaltung objektiven Rechts dient, besteht zwischen beiden Instrumenten keine Deckungsgleichheit. Die divergierende Schutzrichtung spricht dann aber auch gegen eine Sperrwirkung des Beanstandungsverfahrens gegenüber dem Unterlassungsanspruch; beide verfolgen schließlich unterschiedliche Zwecksetzungen. Entgegen der hier vertretenen Auffassung meint das BAG, dass nicht die Schwelle zum groben Verstoß überschreitende rechtswidrige Handlungen den Arbeitgeber nicht zur Reaktion mit einem Unterlassungsanspruch berechtigten, sondern der Arbeitgeber stattdessen im Wege eines Feststellungsantrags gemäß § 256 Abs. 1 ZPO deren Rechtwidrigkeit feststellen lassen könne. Die gerichtliche Feststellung der fehlenden Berechtigung des Betriebsrats zu einem bestimmten Verhalten sei bei einer späteren gleichartigen Pflichtverletzung von erheblicher Bedeutung für einen Auflösungsantrag des Arbeitgebers nach § 23 Abs. 1 BetrVG. Die Missachtung der gerichtlichen Feststellung könne dazu führen, dass ein erneutes gleichartiges Verhalten als grob pflichtwidrig anzusehen sei.246 Der Feststellungsantrag in Konkurrenz zum betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch wird sogleich unten eingehend betrachtet.247 Hier soll einzig auf die Komponente der Feststellung im Vorfeld von § 23 Abs. 1 BetrVG eingegangen werden. Entgegen der Auffassung des BAG kann ein solche Feststellung ausgehend von der oben aufgezeigten zeitlichen Reichweite des § 23 Abs. 1 BetrVG und dessen Beschränkung auf die jeweilige Amtsperiode nicht überzeugen. Es ist zu Recht eingewandt worden, dass das BAG mit der § 23 Abs. 1 BetrVG vorbereitenden Feststellung die Vorschrift von einem auf einen groben Verstoß aufbauenden, einstufigen Verfahren in ein zweistufiges Verfahren der Feststellung plus einem Antrag nach § 23 Abs. 1 BetrVG umwandelt.248 Der Wortlaut des § 23 Abs. 1 BetrVG sieht aber eine solche Zweistufigkeit nicht vor, es ist gegen den Betriebsrat nur der Antrag auf Auflösung geregelt. Selbst wenn man unterstellt, dass neben dem Antrag auf Auflösung auch noch ungeschriebene Mittel zulässig sind,249 so kann ein Feststellungsantrag bei „schlicht“ – im Gegensatz zum 244

Dazu später mehr unter 3. Kapitel A. II. 3. g). Raab, Rechtsschutz, S. 99. 246 BAG v. 17. 3. 2010, 7 ABR 95/08, NZA 2010, 1133 (1136 Rn. 29); v. 28. 5. 2014, 7 ABR 36/12, NZA 2014, 1213 (1215 Rn. 21). 247 s. u. 2. Kapitel B. I. – III. 248 J. H. Bauer/Willemsen, NZA 2010, 1089 (1094). 249 s. zur betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung unter 2. Kapitel C. I. – III. 245

A. Die Konkurrenz zu § 23 Abs. 1 BetrVG

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von § 23 Abs. 1 BetrVG geforderten grob – rechtswidrigem Verhalten ebenso wie das Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG nur innerhalb der jeweiligen Amtsperiode wirken. Hier besteht dann aber wieder die schon zum Antrag nach § 23 Abs. 1 BetrVG in der Literatur artikulierte Befürchtung, dass ein Betriebsrat zum Ende der Amtszeit, dem einzig der dem Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG vorgeschaltete Feststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO entgegengehalten werden kann, nicht mehr effektiv zur Respektierung der Betriebsverfassung angehalten werden kann. Das BAG geht außerdem nicht davon aus, dass ein Verstoß gegen die gerichtliche Feststellung zwingend zur Begründetheit eines Auflösungsantrag des Arbeitgebers führt, sondern nur, dass dies so sein könne. Theoretisch denkbar sind damit gleichfalls über das zweistufige Verfahren hinausgehende Fallkonstellationen, bei denen auf den Betriebsrat dann auch bei mehrmaligem Verstoß keine Auflösung zukommt, sondern sich eine Kette von sich wiederholenden Rechtswidrigkeitsfeststellungen bildet. Wann genau in dieser Konstellation dann endlich der „schlichte“ zum von § 23 Abs. 1 BetrVG geforderten „groben“ Verstoß mutiert, ist unklar. Die Rechtsprechung des BAG in der Frage des § 23 Abs. 1 BetrVG vorgeschalteten Feststellungsverfahren führt damit durch das vorgeschlagene Additionsmodell zu vermeidbarer Rechtsunsicherheit. Diese kann behoben werden, wenn man die Subsumierung schlichter zu groben Verstößen ablehnt und stattdessen bei Vorliegen von Wiederholungsgefahr den Unterlassungsanspruch in Stellung bringt. Geht man diesen Weg, dann kann aber auch eine Feststellung eines schlichten Verstoßes nicht vorbereitend für das Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG wirken. Der Auffassung des BAG zum dem Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG vorgeschalteten Feststellungsantrag kann daher nicht gefolgt werden.

VI. Zusammenfassung zur Auslegung des § 23 Abs. 1 BetrVG Eine Auslegung von § 23 Abs. 1 BetrVG nach den herkömmlichen Auslegungskriterien des Wortlauts, der Entstehungsgeschichte, der Systematik und dem Telos hat gezeigt, dass die Vorschrift keine Sperrwirkung gegenüber einem betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers entfaltet. Beide Handlungsmöglichkeiten stehen vielmehr nebeneinander und erfassen jeweils Fälle betriebsverfassungswidrigen Verhaltens des Betriebsrats. Dabei kann über § 23 Abs. 1 BetrVG geknüpft an die Voraussetzungen der groben Verletzung der gesetzlichen Pflichten einzig ein Mindestmaß an gesetzmäßigem Verhalten eingefordert werden. Ebensowenig wie § 23 Abs. 3 BetrVG einen allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber sperrt, stellt § 23 Abs. 1 BetrVG eine abgeschlossene Regelung der Handlungsmöglichkeiten des Arbeitgebers in der Betriebsverfassung dar.

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

B. Die Konkurrenz zum Antrag auf Feststellung nach §§ 80 Abs. 2, 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 256 Abs. 1 ZPO Nachdem sich gezeigt hat, dass entgegen der neuen Rechtsprechung des BAG nicht von einer Sperrwirkung des § 23 Abs. 1 BetrVG gegenüber einem betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat ausgegangen werden kann, muss in einem zweiten Schritt das Konkurrenzverhältnis zu einem Antrag des Arbeitgebers auf Feststellung der Rechtswidrigkeit betriebsrätlichen Handelns untersucht werden. Dessen Zulässigkeit richtet sich nach §§ 80 Abs. 2, 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit § 256 Abs. 1 ZPO. Auch der 7. Senat des BAG sichert seine Erwägungen zur Ablehnung von Unterlassungsansprüchen für den Arbeitgeber im Beschluss vom 17. 3. 2010 durch Ausführungen zum noch möglichen Feststellungsantrag des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat ab. Hierzu führt der Senat aus, dass bei Streit über die Rechtmäßigkeit der Betätigung des Betriebsrats deren Zulässigkeit unter den Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO im Wege eines Feststellungsantrags geklärt werden könne und der gerichtlichen Feststellung im Ergebnis die gleiche Wirkung wie einem Unterlassungstitel zukomme.250 Der Senat spricht damit der Feststellung der Rechtswidrigkeit kompensierende Wirkung für den Wegfall des Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers zu.251 Eine solche kompensierende Wirkung des Feststellungsantrags kann aber gegenüber einem Antrag auf Unterlassung überhaupt nur dann in Betracht kommen, wenn positiv festgestellt wurde, dass ein Feststellungsantrag nicht durch einen ebenfalls denkbaren Antrag auf Unterlassung verdrängt wird. Demnach stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis der Feststellungsantrag zu einem Antrag auf Unterlassung steht. Eine Klage, wie im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren in den §§ 47 Abs. 1, 54 Abs. 2, 55 Abs. 1 Nr. 1, 61a Abs. 2 – 4 ArbGG vorausgesetzt, existiert im für die Angelegenheiten nach dem BetrVG gemäß § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG grundsätzlich einschlägigen Beschlussverfahren nicht. Nach § 81 ArbGG wird dieses durch Antrag eingeleitet. Die Einleitung des Beschlussverfahrens durch einen Antrag ist jedoch keine inhaltliche, sondern lediglich eine terminologische Abweichung.252 § 81 ArbGG ändert damit auch an den grundsätzlich im Beschlussverfahren möglichen Antragsarten nichts. Diese folgen somit dem in der ZPO geläufigen Schema der Klagearten. Daher muss kurz auf das in der ZPO zwischen den Klagen bestehende Verhältnis eingegangen werden. Sollte bereits im Klagesystem der ZPO eine Klage zur Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs einer Klage auf Feststellung vorgehen und diese grundsätzlich verdrängen, wäre eine abweichende Annahme im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren, die ungeachtet 250

BAG v. 17. 3. 2010, 7 ABR 95/08, NZA 2010, 1133 (1136). Ablehnend Krebber, SR 2015, 1 (6). 252 Weth, in: FS 50 Jahre saarländische Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 157 (173); GMP/Matthes/ Spinner, § 81 ArbGG Rn. 14 ff. 251

B. Die Rechtswidrigkeitsfeststellung

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eines möglichen Antrags auf Unterlassung auch noch einen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit einer bestimmten Maßnahme zulassen wollte, gesondert zu begründen. Für diese Vorgehensweise spricht zudem die vom Gesetzgeber im ArbGG gebrauchte Verweisungstechnik: Während das Beschlussverfahren nach § 80 Abs. 2 ArbGG im Grundsatz auf die Vorschriften des Urteilsverfahrens zurückgreift, entleiht dieses nach § 46 Abs. 2 ArbGG in erheblichem Umfang Vorschriften der ZPO. Für eine Aussage zum Beschlussverfahren muss daher bereits wegen der geschilderten Verweisungskette im Umweg über das Urteilsverfahren auf Erkenntnisse aus der ZPO zurückgegriffen werden. Das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren weist damit deutliche Bezüge zum Klageverfahren nach der ZPO auf. Die Ausarbeitung des Verhältnisses zwischen Leistungs- und Feststellungsklage bzw. Leistungs- und Feststellungantrag wird hier getrennt nach Rechtsprechung und Literatur vorgenommen. Sodann wird eine eigene Auffassung hintangestellt, die insbesondere der in der Literatur aufgestellten Annahme eines gegenüber der ZPO abgeänderten Verhältnisses zwischen Leistungs- und Feststellungsantrag im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren Rechnung tragen wird.

I. Das grundsätzliche Verhältnis zwischen Leistungs- und Feststellungsklage bzw. Leistungs- und Feststellungsantrag 1. Die Ansicht der Rechtsprechung Nach üblicher Darstellung lassen sich in der ZPO drei Klagearten nach Art des angestrebten Ziels unterscheiden: Neben den hier nicht weiter relevanten Gestaltungsklagen sind Leistungs- und Feststellungsklagen anerkannt.253 Während die Leistungsklage darauf abzielt, den Beklagten zu einem Tun oder Unterlassen zu veranlassen, sind Feststellungsklagen auf die Feststellung des (Nicht-)Bestehens eines Rechtsverhältnisses oder die (Un-)Echtheit einer Urkunde gerichtet.254 Mangels inhaltlicher Abweichung durch § 81 ArbGG sind auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren Leistungs-, Gestaltungs- und Feststellungsanträge anerkannt.255 Die in Frage stehende Verpflichtung des Betriebsrats zur Unterlassung lässt sich mit der heute ganz herrschenden Meinung einem Leistungsantrag des Arbeitgebers zuordnen.256 Leistungs- und Feststellungsanträge unterscheiden sich wesentlich in einem Punkt: der mit ihnen erreichbaren Befriedigungswirkung. Während Leis253 Allgemeine Auffassung, s. nur MüKo-ZPO/Becker-Eberhard, Vorbemerkung zu §§ 253 ff. ZPO Rn. 20. 254 Musielak/Voit/Musielak/Voit, Vorbemerkung zu § 253 ZPO Rn. 16; MüKo-ZPO/Becker-Eberhard, Vorbemerkung zu §§ 253 ff. ZPO Rn. 20 ff.; Saenger/Saenger, Vorbemerkung zu §§ 253 – 494a ZPO Rn. 5. 255 Statt aller GMP/Matthes/Spinner, § 81 ArbGG Rn. 14 ff. m.w.N. 256 ErfK/Koch, § 81 ArbGG Rn. 2; FESTL, Nach § 1 BetrVG Rn. 16; GK-ArbGG/Dörner, § 81 ArbGG Rn. 10.

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

tungsanträgen grundsätzlich Befriedigungswirkung über das angeordnete Vollstreckungsverfahren nach § 85 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 883 – 898 ZPO zukommt, kann selbige mangels Vollstreckbarkeit für Feststellungsanträge nicht festgestellt werden.257 Einhergehend mit der nicht gegebenen Befriedigungswirkung und aus Gründen der Prozessökonomie stellt § 256 ZPO ein besonderes Zulässigkeitserfordernis für die allgemeine Feststellungsklage auf: das sogenannte Feststellungsinteresse. Diese – als besondere Ausprägung des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses einzuordnende258 – Voraussetzung fehlt, wenn dem Kläger ein einfacherer und zumindest gleich effektiver Weg zur Erreichung seines Rechtsschutzziels zur Verfügung steht.259 Ein solcher besteht nach der Rechtsprechung gegenüber der positiven Feststellungsklage in der Regel durch eine Klage auf fällige Leistung, sofern diese möglich und zumutbar ist.260 Nach der neueren Rechtsprechung des BGH kann hierfür aber nicht auf eine „allgemeine“ Subsidiarität der positiven Feststellungsklage verwiesen werden.261 Vielmehr erklärt die Rechtsprechung in Ausnahmekonstellationen auch die positive Feststellungsklage neben einer Leistungsklage für zulässig. Zur Kategorisierung dieses bunten Straußes an denkbaren Ausnahmekonstellationen haben sich Fallgruppen gebildet, die es für die Konkurrenz zwischen Leistungsklage zur Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs und Feststellungsklage zu untersuchen gilt. So bleibt die Feststellungsklage nach der Rechtsprechung zum einen dann zulässig, wenn ihre Durchführung unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit eine sinnvolle und sachgemäße Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte erwarten lässt.262 Das ist insbesondere der Fall, wenn die beklagte Partei die Erwartung rechtfertigt, sie werde auf ein rechtskräftiges Feststellungsurteil hin ihren rechtlichen Verpflichtungen nachkommen, ohne dass es eines weiteren, auf Zahlung 257 GMP/Matthes/Spinner, § 85 ArbGG Rn. 2, 3; zur ZPO vgl. Musielak/Voit/Foerste, Vorbemerkung zu §§ 253 – 299 a ZPO, Rn. 14 ff.; Thomas/Putzo/Reichold, § 253 ZPO Vorbem Rn. 4; B/L/A/H, Grundz § 253 ZPO Rn. 9. 258 MüKo-ZPO/Becker-Eberhard, § 256 ZPO Rn. 5; sogar eine Gleichsetzung von Rechtsschutzbedürfnis und Feststellungsinteresse findet sich in BGH v. 10. 12. 2009, 1 AZR 46/07, NJW-RR 2010, 554 (556 f.). 259 St. Rspr., s. nur: BGH v. 4. 4. 1952, III ZA 20/52, BGHZ 5, 314 (315); v. 29. 4. 1958, VIII ZR 198/57, BGHZ 27, 190 (194); v. 9. 6. 1983, III ZR 74/82, NJW 1984, 1118 (1119); v. 13. 5. 1987, I ZR 75/85, NJW-RR 1987, 1522 (1523); v. 4. 6. 1996, VI ZR 123/95, NJW 1996, 2725 (2726). 260 BAG v. 19. 6. 1984, 1 ABR 6/83, AP BetrVG 1972 § 92 Nr. 2 unter I. 2.; v. 15. 4. 2008, 1 ABR 14/07, AP BetrVG 1972 § 95 Nr. 54 unter B. II. d) aa); Thomas/Putzo/Reichold, § 256 ZPO Rn. 18. 261 BGH v. 9. 6. 1983, III ZR 74/82, NJW 1984, 1118 (1119); v. 15. 3. 2006, IV ZR 4/05, NJW 2006, 2548 (2549); zustimmend aus der Literatur zu dieser Änderung z. B. Stein/Jonas/ Roth, § 256 ZPO Rn. 12. 262 St. Rspr, s. nur: BGH v. 6. 6. 1951, II ZR 24/50, BGHZ 2, 250 (253); v. 14. 7. 1958, VII ZR 99/57, BGHZ 28, 123 (126); v. 21. 2. 1996, IV ZR 297/94, NJW-RR 1996, 641 (641); v. 16. 2. 2005, IV ZR 18/04, NJW-RR 2005, 619 (620).

B. Die Rechtswidrigkeitsfeststellung

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gerichteten Vollstreckungstitels bedarf.263 Hierbei hatte die Rechtsprechung zuerst öffentliche Institutionen im Blick,264 war aber bereits in den reichsgerichtlichen Entscheidungen durch offene Formulierungen der Urteilsgründe auf eine Erweiterung hin zu privaten Einrichtungen angelegt.265 In der Folgezeit wurde in Fällen gegen Banken,266 große Versicherungsunternehmen,267 Insolvenzverwalter268 sowie den Pensions-Sicherungs-Verein die Feststellungsklage neben einer Leistungsklage für zulässig erklärt.269 Der Feststellung gegenüber Institutionen wird unten gesondert nachgegangen.270 Auch dann, wenn die Parteien einvernehmlich vereinbaren, den Streitpunkt durch eine Feststellungsklage klären zu lassen, ist nach der Rechtsprechung mit der Feststellungsklage eine Erledigung zu erwarten.271 Bei dem hier einer Leistungsklage zu Grunde liegenden betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat fehlt es gerade wegen des Streits zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber über die rechtlichen Grenzen der Betriebsratstätigkeit an einer übereinstimmenden Unterwerfung unter einen potentiellen feststellenden Beschluss. Eine dahingehende Annahme wäre eine Fiktion und kann daher nicht überzeugen. Des Weiteren wird eine (negative) Feststellungsklage von der Rechtsprechung zugelassen, wenn sich mit ihr ein Ergebnis erzielen lässt, das mit der Leistungsklage so nicht erzielt werden kann. So kann sich z. B. die subjektive Rechtskraft von Leistungs- und Feststellungsklage unterscheiden: Wenn die Leistungsklage sich gegen einen Dritten richten und daher auch nur gegenüber diesem subjektive 263

BGH v. 7. 2. 1986, V ZR 201/84, NJW 1986, 2507 (2507); v. 28. 9. 1999, VI ZR 195/98, NJW 1999, 3774 (3774); v. 16. 2. 2005, IV ZR 18/04, NJW-RR 2005, 619 (620); vgl. aus der bundesarbeitsgerichtlichen Rechtsprechung nur: BAG v. 8. 12. 2011, 6 AZR 397/10, NZA 2012, 808 (809). 264 RG v. 13. 5. 1930, III 291/29, RGZ 129, 31 (34); v. 21. 12. 1934, III 113/34, RGZ 146, 290 (295); BGH v. 14. 7. 1958, VII ZR 99/57, BGHZ 28, 123 (126); v. 9. 6. 1983, III ZR 74/82, NJW 1984, 1118 (1119); BAG v. 8. 12. 2011, 6 AZR 397/10, NZA 2012, 808 (809). 265 s. nur RG v. 21. 12. 1934, III 113/34, RGZ 146, 290 (295) „… daß ein Dritter, insbesondere eine Behörde, …“ (Hervorhebung seitens des Verfassers). 266 BGH v. 30. 4. 1991, XI ZR 223/90, NJW 1991, 1889 (1889); v. 30. 5. 1995, XI ZR 78/94, NJW 1995, 2219 (2219); die Fallgruppe der Feststellungsklagen von (Minderheits-)Aktionären gegen die Gesellschaft wegen pflichtwidrigen Organsverhaltens kann hier wegen aktienrechtlicher Spezifika ausgespart bleiben, s. dazu: BGH v. 25. 2. 1982, II ZR 174/80, NJW 1982, 1703 (1704 f.); v. 23. 6. 1997, II ZR 132/93, NJW 1997, 2815 (2816); v. 10. 5. 2005, II ZR 90/03, NJW 2006, 374 (375). 267 BGH v. 16. 2. 2005, IV ZR 18/04, NJW-RR 2005, 619 (620). 268 BGH v. 14. 12. 2006, IX ZR 102/03, NJW 2007, 1588 (1589). 269 BAG v. 23. 4. 2002, 3 AZR 268/01, AP BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 54 unter A. 2.; v. 8. 6. 1999, 3 AZR 113/98, juris Rz. 31; v. 22. 9. 1987, 3 AZR 662/85, AP BetrAVG § 1 Besitzstand Nr. 5 unter A. 2.; v. 8. 5. 1984, 3 AZR 68/82, DB 1984, 2517 (2517). 270 s. u. 2. Kapitel B. II. 1. 271 BGH v. 27. 6. 1995, XI ZR 8/94, NJW 1995, 2221 (2222).

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

Rechtskraft entfalten kann, ist daneben eine gegen die Partei des Rechtsstreits gerichtete negative Feststellungsklage zulässig.272 In diesem Fall unterscheiden sich damit für Leistungs- und Feststellungsklage die Klagegegner. Dies ist jedoch bei Unterlassungs- und Feststellungsantrag des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat nicht der Fall. Beide richten sich gegen denselben Antragsgegner, nämlich den Betriebsrat. Die subjektive Rechtskraft geht damit in beiden Fällen gleich weit, ein Dritter ist nicht involviert. Ein weiterer Fall eines über das mit der Leistungsklage erreichbaren, durch Feststellung hinausgehenden Ergebnisses kann eintreten, falls sich aus der Feststellung Auswirkungen auf andere Rechtsgebiete ergeben, die bei der Klage auf Leistung nicht eintreten. So lässt die Rechtsprechung statt einer möglichen Klage auf Zahlung von Arbeitsentgelt eine Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung zu, weil sich aus mit dem Feststellungsurteil geklärten Bestand des Arbeitsverhältnisses Auswirkungen auf das Steuerrecht, das Sozialversicherungsrecht und das Arbeitsverwaltungsrecht ergeben können.273 Zudem wird die Möglichkeit eines Feststellungsantrags zwischen Arbeitgeber und Gesamtbetriebsrat über eine Kontrollbefugnis des Datenschutzbeauftragten gegenüber dem Gesamtbetriebsrat anerkannt, da sich aus dem mit der Feststellung bejahten Rechtsverhältnis für den Datenschutzbeauftragten Kontrollrechte und für den Gesamtbetriebsrat Duldungs- und Unterstützungspflichten ergeben.274 Die Fälle können insgesamt als Feststellung eines „Grundverhältnisses“, welches weitreichende Auswirkungen auf andere Personen und/oder Rechtsgebiete mit sich bringt, bezeichnet werden.275 Jedoch kann auch diese Fallgruppe nicht in dem für die Untersuchung relevanten Fall der Zulassung eines Feststellungsantrags gegenüber einem per Leistungsantrag durchsetzbaren allgemeinen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat fruchtbar gemacht werden. Mit einem Antrag auf Feststellung rechtswidrigen betriebsrätlichen Verhaltens werden auch nach der Konzeption des BAG einzig auf dem Gebiet der Betriebsverfassung Rechtswirkungen erzeugt. Das BAG sieht den Sinn dieses Antrags lediglich in der Vorbereitung eines Auflösungsantrags nach § 23 Abs. 1 BetrVG.276 Der Auflösungsantrag nach § 23 Abs. 1 BetrVG ist auf die Betriebsverfassung beschränkt und richtet sich ebenfalls gegen den Betriebsrat, dieser ist der Antragsgegner.277 Damit sind durch die Entscheidung weder andere Personen noch Rechtsgebiete betroffen. Darüber hinaus wird die allgemeine Feststellungsklage von der Rechtsprechung zugelassen, wenn die begehrte Feststellung geeignet erscheint, um einen umfangreichen Streit zu einer sinnvollen Klärung zu führen.278 Diese Zulassung war bisher in 272 273 274 275 276 277 278

BAG v. 26. 10. 2010, 3 AZR 496/08, NJW 2011, 701 (701). BAG v. 1. 4. 1976, 4 AZR 96/75, AP BGB § 138 Nr. 34 unter I. BAG v. 11. 11. 1997, 1 ABR 21/97, NZA 1998, 385 (386). Formulierung nach BAG v. 11. 11. 1997, 1 ABR 21/97, NZA 1998, 385 (386). BAG v. 17. 3. 2010, 7 ABR 95/08, NZA 2010, 1133 (1336 Rn. 29). Vgl. Richardi/Thüsing, § 23 BetrVG Rn. 60. BGH v. 27. 6. 1990, IV ZR 104/89, NJW-RR 1990, 1220 (1221).

B. Die Rechtswidrigkeitsfeststellung

79

der Rechtsprechung des BGH auf Feststellungsklagen im Verhältnis zu Auseinandersetzungsklagen nach § 2042 BGB beschränkt. Somit kann diese Rechtsprechungslinie für den Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers ebenfalls nicht herangezogen werden. Das BAG hat aber zusätzlich für das Beschlussverfahren im Streit um einen Auskunftsanspruch des Betriebsrats unter Rückgriff auf § 2 Abs. 1 BetrVG, der die Betriebsparteien zur Beachtung einer rechtskräftigen Feststellung verpflichte, das Feststellungsverfahren für das geeignete Verfahren zur Vermeidung von künftigem Streit über gleichgelagerte Fälle gehalten.279 Ähnlich wird in der Literatur von Trzaskalik formuliert: Entscheidend sei, dass das Feststellungsurteil Maßstäbe dafür setzen müsse, um ein erneutes Aufflammen des Streits zwischen den Parteien im gleichen Umfang zu verhindern.280 Hiernach könnten im Verhältnis zum Leistungsantrag für den Betriebsrat unter Zugrundelegung der Ansicht der Rechtsprechung insgesamt zwei Ausnahmen eingreifen: Die Ausnahmen für bestimmte Einrichtungen sowie das Feststellungsverfahren zur Klärung eines umfangreichen Streits. 2. Die Ansichten in der Literatur Die Literatur teilt mehrheitlich den Ansatz der Rechtsprechung. Ein Teil der Literaten hält hierfür an der überkommenen Bezeichnung der „Subsidiarität“ fest.281 Von Anderen wird schlicht ein „Vorrang“ der Leistungs- vor der Feststellungsklage propagiert.282 Hierbei wird die stetige Erweiterung der Ausnahmen in der Literatur zum großen Teil begrüßt,283 in Einzelfällen aber auch kritisch betrachtet.284 Insgesamt habe sich die Rechtsprechung aber „erfreulich“ großzügig bei der Zulassung der Feststellungsklage gezeigt.285 Fast resignativ erscheint dagegen die ebenfalls zu findende Bewertung, dass es bei der Abgrenzung zwischen Feststellungs- und Leistungsklage nicht so sehr „um dogmatische Sauberkeit“, sondern vielmehr allein um Zweckmäßigkeitserwägungen gehe.286 In der neueren Literatur findet sich daneben noch eine Konzeption zum Verhältnis von Leistungs- und Feststellungsklage bzw. -antrag, die als Theorie vom Wahlrecht 279

BAG v. 15. 12. 1998, 1 ABR 9/98, AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 56 unter B. I. 3. Trzaskalik, S. 168 ff., 188. 281 Saenger/Saenger, § 256 ZPO Rn. 1; Saenger/Ullrich/Siebert/Siebert, § 256 ZPO Rn. 22; PG/Geisler, § 256 ZPO Rn. 1; Pukall/Pukall/Kießling, Rn. 1255; GWBG/Benecke, § 46 ArbGG Rn. 47; Lüke, Zivilprozessrecht, S. 127; Bungert, BB 2005, 2757 (2758); Bürgers/ Holzborn, BKR 2006, 202 (204); Busch, NZG 2006, 81 (85); Ch. Wolf, JA 2007, 462 (463). 282 Vgl. MüKo-ZPO/Becker-Eberhard, § 256 ZPO Rn. 49; B/L/A/H, § 256 ZPO Rn. 77; ErfK/Koch, § 81 ArbGG Rn. 2; Schreiber, JURA 2004, 385 (387). 283 Musielak/Voit/Foerste, § 256 ZPO Rn. 12; Köster, NJW 1951, 887 (888); Zeuner, RdA 1999, 332 (332); Wieser, S. 150; Jacobs, Gegenstand, S. 70. 284 GMP/Germelmann, § 46 ArbGG Rn. 89. 285 Brehm, in: FG 50 Jahre BGH, Bd. III, S. 89 (102). 286 Paulus, Zivilprozessrecht, S. 60. 280

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

des Klägers bzw. Antragsstellers bezeichnet werden kann. Einig sind sich die unter diese Strömung fallenden Literaten darin, eine generelle Subsidiarität bzw. ein genereller Vorrang der Leistungs- gegenüber der Feststellungsklage lasse sich nicht belegen und sei mithin abzulehnen.287 Stattdessen wird angenommen, dass Leistungs- und Feststellungsklage nicht in einem Ausschließlichkeits-, sondern einem Alternativitätsverhältnis stehen. Begründet wird dies mit den unterschiedlichen Rechtsschutzzwecken beider Klagen: Während der Akzent bei der Leistungsklage auf der Durchsetzung subjektiver Rechte mittels Zwangs liege, verfolge die Feststellungsklage diesen Zweck nur vermindert, sozusagen als „Minus“. Daneben komme ihr aber noch der besondere Zweck der Erlangung von Rechtsgewissheit durch materielle Rechtskrafterstreckung zu.288 Die Feststellungsklage stelle sich damit als „zusätzliche“ Rechtsschutzform dar, welche Rechtsschutz gewähre, der mit der Leistungsklage gerade nicht erreicht werden könne.289 Ferner werden auch speziell für das arbeitsgerichtliche Verfahren abweichende Konzepte zum von der herrschenden Meinung propagierten Vorrang der Leistungsklage vertreten. So bewertet ein Teil der Literatur das Vorrangverhältnis zwischen Leistungs- und Feststellungsklage für das arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren „aufgrund der besonderen tatsächlichen Situation im Arbeitsrechtsverhältnis“ als verfehlt.290 Zudem geht die neuere Rechtsprechung und mit ihr ein Teil der Literatur davon aus, dass bei der im Beschlussverfahren gebotenen entsprechenden Anwendung des § 256 Abs. 1 ZPO das Feststellungsinteresse abweichend zum Urteilsverfahren zu beurteilen sei.291 Das Erfordernis sei eher als im Urteilsverfahren zu bejahen, weil beim Streit um kollektivrechtliche Fragen ein besonderes Interesse bestehe, Störungen der betrieblichen Zusammenarbeit schnell und nachhaltig zu beseitigen.292

3. Stellungnahme Das Verhältnis von Leistungs- und Feststellungsklage kann nur durch Analyse der diesen Klagen zu Grunde liegenden Vorschriften bewertet werden. Hier sind § 256 Abs. 1 ZPO sowie die §§ 704 ff ZPO von Bedeutung. Auch § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist in den Blick zu nehmen. § 256 Abs. 1 ZPO stellt für die Zulässigkeit der allgemeinen Feststellungsklage ein besonderes Erfordernis des rechtlichen Interesses auf, welches eine qualifizierte 287

Musielak/Voit/Foerste, § 256 ZPO Rn. 12; Jacobs, Gegenstand, S. 437 ff. Jacobs, Gegenstand, S. 219 ff., 238. 289 Jacobs, Gegenstand, S. 237. 290 SW/Zimmerling, § 46 ArbGG Rn. 77. 291 BAG v. 21. 1. 2003, 1 ABR 5/02, NZA 2003, 810 (810); zustimmend GWBG/Greiner, § 81 ArBGG Rn. 21; ähnlich bereits R. Dietz, Anm. AP BetrVG § 43 Nr. 1 unter I. 1. 292 HWK/Bepler, § 81 ArbGG Rn. 18 mit Verweis auf BAG v. 22. 3. 2000, 7 ABR 34/98, NZA 2000, 1119 (1120); ebenso HBB/Hauck, § 81 ArbGG Rn. 6. 288

B. Die Rechtswidrigkeitsfeststellung

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Form des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses ist.293 Das Rechtsschutzbedürfnis ist damit nicht bei allen Klagen gleich zu beurteilen. Der Gesetzgeber hat mit der Schaffung des § 256 Abs. 1 ZPO nur für die Feststellungsklage eine besondere, geschärfte Prüfung in Form des rechtlichen Interesses angeordnet. Für die Leistungsklage fehlt es an einer solchen allgemeinen Vorschrift; hier hat der Gesetzgeber nur für den Sonderfall einer Klage auf künftige Leistung in § 259 ZPO verschärfte Anforderungen aufgestellt. Die speziell für die Feststellungsklage vom Gesetzgeber angeordnete Prüfung des rechtlichen Interesses an der Feststellung erklärt sich aus der Unvollstreckbarkeit von Feststellungsurteilen. Selbst wenn ein Feststellungsurteil erwirkt wurde, kann und muss der Gesetzgeber davon ausgehen, dass zur Durchsetzbarkeit nochmals ein zweiter Prozess mit dem Ziel der Erreichung eines Leistungsurteils angestrengt werden muss.294 Schließlich steht bei einem Feststellungsurteil dessen Befolgung im Belieben des Unterlegenen.295 Die eintretende Verdoppelung der Prozesse geht einher mit einer unnötigen Inanspruchnahme von gerichtlichen Ressourcen. Dies kann in Zeiten, in denen die öffentliche Hand sich Finanzierungsprobleme gegenüber sieht und die Justiz umfangreiche Aufgaben mit immer knapperen Mitteln bewältigen muss,296 nicht gewollt sein. Mit dem Tatbestandsmerkmal des rechtlichen Interesses sollte damit insgesamt eine übermäßige Ausdehnung der Feststellungsklage, die auf Grund ihrer Unvollstreckbarkeit auch vom historischen Gesetzgeber nicht gewollt ist,297 verhindert werden. Die unterschiedslose Zulassung der Feststellungs- neben der Leistungsklage hätte eine solche Ausdehnung zur Folge. Neben § 256 Abs. 1 ZPO sind die §§ 704 ff ZPO von Bedeutung.298 Diese enthalten umfangreiche Regelungen zur Zwangsvollstreckung, die den grundrechtlichen Anspruch des Bürgers auf effektiven Rechtsschutz auch im Privatrechtsverkehr einfachrechtlich umsetzen.299 Mit diesem dichten Regelwerk, das mangels Vollstreckbarkeit eines nur feststellenden Urteils für dieses keine Anwendung findet, zeigt der Gesetzgeber deutlich, welchen hervorgehobenen Stellenwert er der Leistungsklage im Rechtsschutzsystem der ZPO zukommen lässt. Die §§ 704 ff ZPO stellen damit eine gesetzgeberische Wertentscheidung für die Leistungsklage dar. Abschließend ist noch § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO in die Analyse der normativen Grundlagen des Verhältnisses der beiden Klagearten einzubeziehen. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag ent293

Musielak/Voit/Foerste, § 256 ZPO Rn. 7, Hervorhebung seitens des Verfassers. MüKo-ZPO/Becker-Eberhard, § 256 ZPO Rn. 35. 295 Schotthöfer, WRP 1986, 14 (16). 296 s. dazu nur Gaier, NJW 2013, 2871 (2873). 297 So zu den historischen Vorgängern der Feststellungsklage in der Partikulargesetzgebung der Territorien Kadel, S. 43. 298 Ebenso Jacobs, Gegenstand, S. 191. 299 s. dazu noch unter 2. Kapitel B. IV. 1. 294

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

halten. Die zwingend erforderlichen Angaben nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO dienen zum einen der Fixierung des Streitgegenstands.300 Zum anderen werden über die Angaben der Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts nach § 308 Abs. 1 ZPO sowie die Grenzen der Rechtskraft festgelegt.301 Vergleicht man nun die Anforderungen an die nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erforderlichen Angaben bei Leistungs- und Feststellungsklagen, so fällt auf, dass die bei der Leistungsklage nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darzubringenden Angaben andere sind als bei der Feststellungsklage. So ist ein Antrag für eine Leistungsklage nur dann hinreichend bestimmt, wenn er als Tenor eines Leistungsurteils vollstreckbar wäre.302 Für den Unterlassungsantrag als Spezialform des Leistungsantrags kommt als Erfordernis hinzu, diesen möglichst so konkret zu fassen, dass für Rechtsverteidigung und Vollstreckung klar wird, auf welche Verhaltensweise sich das vom Gericht auszusprechende Verbot erstreckt.303 Ein auf einen bestimmten Antrag ergangenes Leistungsurteil umfasst damit zwei Bestandteile: zum einen die Feststellung, dass der Beklagte eine Leistung (hier in Form einer Unterlassung) schuldet und darüber hinaus noch den Befehl zur Erfüllung dieser Schuld.304 Für die Bestimmtheit des Antrag bei einer Feststellungsklage kommt es dagegen darauf an, dass der Kläger das Rechtsverhältnis so genau bezeichnet, dass über dessen Identität und damit über den Umfang der Rechtskraft des begehrten Feststellungsanspruchs keinerlei Ungewissheit herrschen kann.305 Ein auf einen bestimmten Antrag ergangenes Feststellungsurteil muss im Tenor dann das Bestehen oder Nichtbestehen eines konkreten Rechtsverhältnisses feststellen. Eine Vollstreckbarkeit scheidet naturgemäß für das Feststellungsurteil aus. Gegen die vorgenommene Differenzierung der zwischen Leistungs- und Feststellungsklage im Hinblick auf die nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erforderlichen Angaben kann auch nicht die Rechtsprechung des BAG angeführt werden, nach der bei einer Feststellungsklage keine geringeren Anforderungen an die Bestimmtheit zu stellen seien als bei einer Leistungsklage.306 Das BAG geht nur davon aus, dass nicht deshalb geringere Anforderungen an die Bestimmtheit eines Feststellungsantrags gegenüber einem Leistungsantrag gestellt werden können, weil der Antragssteller einzig die Feststellung eines Rechtsverhältnisses, dass eine reine Leistungsver-

300

MüKo-ZPO/Becker-Eberhard, § 253 ZPO Rn. 66; Stein/Jonas/Roth, § 253 ZPO Rn. 22. Saenger/Saenger, § 253 ZPO Rn. 13; Musielak/Voit/Foerste, § 253 ZPO Rn. 29; MüKoZPO/Becker-Eberhard, § 253 ZPO Rn. 66. 302 Saenger/Saenger, § 253 ZPO Rn. 13. 303 BGH v. 10. 2. 2011, I ZR 164/09, NJW 2011, 2657 (2658). 304 B/L/A/H, Grundz § 253 ZPO Rn. 8. 305 BGH v. 4. 10. 2000, VIII ZR 289/99, NJW 2001, 445 (447); Stein/Jonas/Roth, § 256 ZPO Rn. 77. 306 St. Rspr., s. nur BAG v. 18. 5. 2011, 5 AZR 181/10, NJOZ 2011, 1585 (1586 Rn. 10) m.w.N. 301

B. Die Rechtswidrigkeitsfeststellung

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pflichtung beschreibt, begehrt.307 Es soll damit lediglich verhindert werden, dass ein an sich unzulässiger Leistungsantrag durch die Umwandlung in einen Feststellungsantrag zulässig wird. Nicht behauptet wird dagegen auch vom BAG, dass für beide Anträge dieselben Voraussetzungen an die Bestimmtheit zu stellen sind. Vielmehr versucht die Rechtsprechung gerade eine Umgehung der für die Bestimmtheit des Leistungsantrags aufgestellten Voraussetzungen durch einen bereits mit geringeren Angaben bestimmten Feststellungsantrag zu verhindern. Es zeigt sich, dass damit auch im Rahmen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO vom Gesetzgeber eine Differenzierung zwischen Leistungs- und Feststellungsklage getroffen wurde, die es zu beachten gilt. Die für § 256 Abs. 1, §§ 704 ff ZPO festgestellte Vorrangigkeit der Leistungsklage auf Grund deren Vollstreckbarkeit spiegelt sich auch im Erfordernis eines bestimmten Antrags nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO wieder. Mit der für § 256 Abs. 1 ZPO, §§ 704 ff ZPO sowie § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erfolgten Auslegung geht eine Ablehnung einer erweiterten Zulassung der Feststellungsklage einher. Vielmehr zeigen die vom Gesetzgeber geschaffenen Vorschriften gerade eine Fokussierung auf die Leistungsklage als den Regeltypus der Klagen, welcher nach der gesetzgeberischen Konzeption ein Vorrang zur Durchsetzung subjektiver Rechte zukommt. Gegen die Annahme einer vorrangigen Zulassung der Leistungsklage bei gleichzeitiger Zurückdrängung der Feststellungsklage kann ebenfalls nicht überzeugend angeführt werden, dass die Entscheidung darüber, wie der Prozess zu führen sei, den Parteien und ihren Anwälten überlassen werden solle, weil das Gericht oft nur einen kleinen Ausschnitt des Sachverhalts kenne.308 Auch die Parteien und ihre Anwälte sind an die Entscheidungen des Gesetzgebers gebunden, gerade für ihren Streit wurde die ZPO geschaffen. Hat sich der Gesetzgeber aber entschieden, die eine vor der anderen Klageart als Regeltypus zur Durchsetzung subjektiver Rechte in den Fokus zu stellen, so sind die Parteien an diese Entscheidung gebunden. Für sie gelten gerade die vom Gesetzgeber aufgestellten „Spielregeln“.309 Auch die zwingenden Anforderungen an einen bestimmten Antrag nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO haben gezeigt, dass der Gesetzgeber den Parteien gewisse Maßgaben auf den Weg gibt, nach denen der Prozess geführt werden muss. Völlige Freiheit der Parteien besteht damit nicht. Eine Derogation des gesetzlich vorgesehenen Verhältnisses zwischen Leistungs- und Feststellungsklage über den Parteiwillen ist nicht möglich. Für den in dieser Untersuchung behandelten Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat, der sich grundsätzlich mit einem Leistungsantrag durchsetzen ließe, muss eine Entscheidung gegenüber der Theorie vom Wahlrecht 307 BAG v. 22. 10. 2008, 4 AZR 735/07, AP TVG § 1 Tarifverträge: Chemie Nr. 20 Rn. 58 unter B. II. 3. a). 308 So aber Brehm, in: FG 50 Jahre BGH, Bd. III, S. 87 (102). 309 Formulierung nach Thon, AuR 1996, 175 (175).

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

des Klägers nicht erfolgen. Die letztgenannte Konzeption kann bereits deshalb nicht herangezogen werden, weil es am „Zusätzlichen“ vom Arbeitgeber Begehrten fehlt. Dieses „Zusätzliche“ begreift die Auffassung als Wesensmerkmal der alternativ geltendmachbaren Feststellungsklage. Vielmehr will der Arbeitgeber nur ihm zustehende subjektive Rechte durchsetzen. Dieses Begehren wird aber gerade auch nach der Theorie vom Wahlrecht mit der Leistungsklage abgedeckt. Mit der herrschenden Ansicht ist daher von einem Vorrang der grundsätzlich vollstreckbaren Leistungs- gegenüber der nicht vollstreckbaren Feststellungsklage zur Durchsetzung von subjektiven Rechten in der ZPO auszugehen. Die nur ausnahmsweise mögliche Zulassung der Feststellungs- bei gleichzeitig möglicher Leistungklage muss gesondert begründet werden. Mangels entgegenstehender Vorschrift im ArbGG gilt dieses Verhältnis auch im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren. Hieran kann zudem der zum Teil in der Literatur vorgebrachte Hinweis auf die „besondere tatsächliche Situation im Arbeitsrechtsverhältnis“ nichts ändern.310 Dieser Annahme ist entgegenzuhalten, dass es sich beim Vorrang der Leistungsgegenüber der Feststellungsklage um eine Frage des Prozessrechts handelt, die im Ausgangspunkt als Rechtsfrage von etwaigen tatsächlichen Umständen unabhängig ist. Die Berücksichtigung tatsächlicher Besonderheiten hat auch keine Verankerung im Gesetz erfahren. Im Gegenteil statuiert § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG für das Urteilsverfahren die entsprechende Anwendung der Vorschriften der ZPO über das Verfahren vor den Amtsgerichten. Die gesetzgeberische Konzeption hinter § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, die so bereits in § 26 GewerbegerichtsG vorgesehen war, besteht gerade in der grundsätzlichen Anwendung der Vorschriften der ZPO.311 Nur für Ausnahmefälle hat der Gesetzgeber in den §§ 46a – 61b ArbGG Abweichungen von dem in § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG aufgestellten generellen Anwendungsbefehl geregelt.312 Ferner werden in § 46 Abs. 2 Satz 2 ArbGG einzelne Normenkomplexe der ZPO von der zuvor angeordneten generellen Anwendung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG ausgenommen. Weder ist § 256 Abs. 1 ZPO in § 46 Abs. 2 Satz 2 ArbGG genannt noch ergibt sich aus den §§ 46a – 61b ArbGG eine Abweichung zum auf § 256 Abs. 1 ZPO basierenden Verhältnis der Leistungs- zur Feststellungsklage. Zudem findet § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nach § 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit §§ 495, 496, 498 ZPO Anwendung; gemäß § 62 Abs. 2 ArbGG gilt dies im Grundsatz auch für die Vorschriften der ZPO über die Zwangsvollstreckung (§§ 704 ff ZPO). Damit gelten alle für die ZPO aufgestellten Argumente zum Vorrang der Leistungsklage ebenfalls für das Urteilsverfahren vor dem Arbeitsgericht. Fraglich ist jedoch noch, ob der Vorrang der Leistungs- gegenüber der Feststellungsklage im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren wie im Urteilsverfahren zu beachten ist. Dann müsste das Verhältnis der Antragsarten im Beschlussverfahren genauso wie im Urteilsverfahren zu beurteilen sein. Gerade diese Annahme wird von 310 311 312

So SW/Zimmerling, § 46 ArbGG Rn. 77. GMP/Germelmann, § 46 ArbGG Rn. 1, Hervorhebung seitens des Verfassers. GWBG/Benecke, § 46 ArbGG Rn. 3.

B. Die Rechtswidrigkeitsfeststellung

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der oben dargestellten neueren Rechtsprechung und einem Teil der Literatur mit der Begründung bestritten, dass im Beschlussverfahren beim Streit um kollektivrechtliche Fragen ein besonderes Interesse bestehe, Störungen der betrieblichen Zusammenarbeit schnell und nachhaltig zu beseitigen. Hiernach käme eine Übertragung der zum Verhältnis von Leistungs- und Feststellungsklage gefundenen Ergebnisse nicht ohne weiteres in Betracht; stattdessen könnte das Feststellungsinteresse abweichend von der der ZPO zu Grunde liegenden Konzeption eher bejaht werden. Die letztgenannte Ansicht ist jedoch für das Beschlussverfahren nicht überzeugend. § 80 Abs. 2 ArbGG ordnet zwar für das Beschlussverfahren nur die entsprechende Geltung, nicht dagegen die direkte Anwendung diverser Vorschriften des Urteilsverfahrens an. Ungeachtet dessen ist jedoch im Grundsatz davon auszugehen, dass auch im Beschlussverfahren die Vorschriften der ZPO über die Verweisung auf § 46 Abs. 2 ArbGG Anwendung finden. Zu den in Bezug genommenen Vorschriften gehören §§ 256, 253 Abs. 2 Nr. 2 und §§ 704 ff ZPO.313 Aus diesen ergibt sich aber gerade der oben festgestellte Vorrang der Leistungs- gegenüber der Feststellungsklage. Umgewandelt in die Terminologie des Beschlussverfahrens entspricht dieser einem Vorrang des Leistungs- gegenüber dem Feststellungsantrag.314 Hiernach gelten alle für das Verfahren der ZPO tragenden Argumente des Vorrangs der Leistungs- gegenüber der Feststellungsklage auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren. Auch trägt die Annahme, im Beschlussverfahren bestehe ein besonderes Interesse daran, Störungen der betrieblichen Zusammenarbeit schnell und nachhaltig zu beseitigen, nicht eine Aufweichung der an das Feststellunginteresse entsprechend § 256 Abs. 1 ZPO zu stellenden Anforderungen. An der schnellen und nachhaltigen Beseitigung von Störungen zwischen zusammenarbeitenden Partner besteht in jedem Dauerschuldverhältnis wie z. B. Miet-, Pacht-, Leih-, Darlehens- oder Gesellschaftsverträgen315 ein Interesse, ohne dass für alle anderen Arten von Dauerschuldverhältnissen eine Aufweichung des Verhältnisses verschiedener Klagearten in Betracht gezogen würde. Zu berücksichtigen ist des Weiteren, dass mit der Fokussierung auf kollektivrechtliche Streitigkeiten mit dem Topos des Bedürfnisses nach schneller und umfassender Klärung von Störungen der betrieblichen Zusam313 Für die Anwendung des § 256 Abs. 1 ZPO im Beschlussverfahren, vgl.: BAG v. 22. 6. 2005, 10 ABR 34/04, NZA-RR 2006, 23 (25); für die Anwendung der §§ 704 ff ZPO im Beschlussverfahren, vgl. GMP/Matthes/Spinner, § 85 ArbGG Rn. 1; für die Anwendung des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO im Beschlussverfahren vgl. LAG Schleswig-Holstein v. 26. 8. 2008, 5 TaBV 18/08, NZA-RR 2009, 139 (140). 314 Ebenso: BAG v. 19. 6. 1984, 1 ABR 6/83, AP BetrVG 1972 § 92 Nr. 2 unter I. 2.; GMP/ Matthes/Spinner, § 81 ArbGG Rn. 14; ErfK/Koch, § 81ArbGG Rn. 2; NK-ArbR/Treber, § 81 ArbGG Rn. 3; HaKo-ArbR/Henssen, § 81 ArbGG Rn. 19; i.E. ebenso Weth, Beschlussverfahren, S. 245 ff. 315 Vgl. für weitere anerkannte Dauerschuldverhältnisse: NK-BGB/Krebs, § 314 BGB Rn. 9 f.

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

menfassung der konkrete Streitfall aus dem Auge verloren geht. Stattdessen wird dieser ersetzt durch einen von den Beteiligten gar nicht vor Gericht gebrachten abstrakten Streit um das Dauerschuldverhältnis als Ganzes, welches es vor Störungen auch in der Zukunft zu bewahren gilt.316 Die ausgesprochene Feststellung mit Wirkung für das Dauerschuldverhältnisses im Ganzen und die beantragte Leistung, in Form einer Unterlassung bestimmter Maßnahmen, unterscheiden sich jedoch in inhaltlicher Hinsicht so weitgehend, dass sich die Feststellung als aliud zum gestellten Leistungsantrag darstellt. Die Zuerkennung eines solchen ist dem Arbeitsgericht nach dem auch im Beschlussverfahren anwendbaren317 § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO jedoch untersagt. Damit kann festgehalten werden, dass auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren der Leistungsantrag im Grundsatz Vorrang vor einem Feststellungsantrag genießt. Für den Betriebsrat müssten daher sachliche Gründe bestehen, nach denen ausnahmsweise der Festellungsantrag neben dem gleichzeitig möglichen Leistungsantrag zugelassen werden könnte.

II. Die ausnahmsweise Zulässigkeit des Feststellungs- neben einem Leistungsantrag In Betracht kommt die ausnahmsweise Zulässigkeit eines Feststellungsantrags für die Institution Betriebsrat oder zur Klärung eines umfangreichen Streits und zur Vermeidung gleichgelagerter Fälle auf Grundlage von § 2 Abs. 1 BetrVG. 1. Ausnahmen für Institutionen Die Ausnahme der Rechtsprechung für bestimmte Einrichtungen kann nur dann für den Betriebsrat eingreifen, wenn auch von ihm erwartet werden kann, dass er bereits auf die gerichtliche Feststellung ohne Vollstreckung hin sein Verhalten ändern wird. Hierzu ist der Hintergrund für die von der Rechtsprechung in den einzelnen Fallgruppen bejahten Ausnahmen zu beleuchten und zu hinterfragen, ob die vorgebrachten Begründungen eine Ausnahme im Verhältnis zwischen Leistungs- und Feststellungsantrag gegenüber dem Betriebsrat tragen können. Im Fall der öffentlichen Institutionen wird die Ausnahme in zweierlei Hinsicht begründet: Zum einem wird auf die Bindung der juristischen Person des öffentlichen Rechts an die ihr obliegenden Amtspflichten verwiesen.318 Zum anderen wird herausgestellt, dass die Zwangsvollstreckung von Geldforderungen gegen die öffent316 Für die Differenzierung zwischen konkretem Anlass und abstrakter Streitfrage auch Weth, Beschlussverfahren, S. 250. 317 BAG v. 9. 12. 2009, 7 ABR 46/08, AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 97 unter B. I. 1. 318 B/L/A/H, § 256 ZPO Rn. 78, Hervorhebung seitens des Verfassers.

B. Die Rechtswidrigkeitsfeststellung

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liche Hand gemäß § 882a ZPO erschwert sei.319 § 882a ZPO gilt seinem Wortlaut nach nur für die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen. Dies korrespondiert auch mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift, juristische Personen des öffentlichen Rechts vor der Beeinträchtigung ihrer im Gemeinwohlinteresse ausgeübten Tätigkeiten zu bewahren, aber Gläubigerrechte gleichzeitig nicht übermäßig zu beschneiden.320 Im Fall des potentiellen Unterlassungsanspruchs gegen den Betriebsrat geht es aber gar nicht um eine Geldforderung mit Vollstreckung nach §§ 802a – 882 h ZPO, vielmehr fände eine Vollstreckung nach § 85 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit § 890 ZPO statt. Die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen und die Zwangsvollstreckung zur Erwirkung von Unterlassungen sind in der ZPO in zwei getrennte Abschnitte unterteilt worden, die jeweils eigenständige Zwangsmittel und Vollstreckungsvoraussetzungen kennen. § 882a ZPO gilt nur für die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen. Eine Übertragung bzw. eine analoge Anwendung der Vorschrift auf die Zwangsvollstreckung zur Erwirkung von Unterlassungen scheidet mit Rücksicht auf den ebenfalls verfolgten Zweck, Gläubigerrechte mit § 882a ZPO nicht übermäßig zu beeinträchtigen, aus. Auch in persönlicher Hinsicht ist § 882a ZPO beschränkt; erfasst werden nur der Bund oder ein Land. Demnach kann eine Erschwerung der Zwangsvollstreckung gegen die öffentliche Hand nach § 882a ZPO nicht für die Zulassung eines Feststellungsantrags neben einem per Leistungsantrag durchsetzbaren Unterlassungsanspruch gegen den Betriebsrat herangezogen werden. Für die Zulassung der allgemeinen Feststellungsklage gegenüber Versicherungsunternehmen kann deren Überwachung durch die staatliche Versicherungsaufsicht angeführt werden.321 Auch für die Zulassung der Feststellungsklage gegen Insolvenzverwalter kann auf den Gesichtspunkt einer staatlichen Aufsicht in Form des Insolvenzgerichts nach § 58 Abs. 1 InsO abgestellt werden.322 Ferner lassen sich auch die „Banken“-Fälle der Rechtsprechung mit der über diese ausgeübten staatlichen Aufsicht erklären. Im Urteil des BGH vom 30. 5. 1995 wird der für diese Rechtsprechungslinie wesentliche Punkt aufgeführt: Bei der beklagten Bank bestehe eine hinreichende Gewähr dafür, dass sie bereits auf ein Feststellungsurteil leiste dadurch, dass sie der Aufsicht der Bundesanstalt für Kreditwesen unterstehe (heute: Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, BaFin).323 Nach § 6 Abs. 1 KWG übt die BaFin die Aufsicht über die dem KWG unterfallenden Institute aus. Es 319

BAG v. 12. 10. 1961, 5 AZR 294/60, NJW 1962, 270 (271); MüKo-ZPO/BeckerEberhard, § 256 ZPO Rn. 50. 320 Musielak/Voit/Becker, § 882a ZPO Rn. 1; Saenger/Kindl, § 882a ZPO Rn. 1, Hervorhebung seitens des Verfassers. 321 MüKo-ZPO/Becker-Eberhard, § 256 ZPO Rn. 50; für die Haftpflichtversicherung tritt der spezifisch versicherungsrechtliche Aspekt der Sozialbindung hinzu, s. hierzu: BGH v. 15. 11.2000, IV ZR 223/99, VersR 2001, 90 (91); BGH v. 22. 7. 2009, IV ZR 265/06, VersR 2009, 1485 (1485). 322 Vgl. Pawlowski, MDR 1988, 630 (630 Fn. 5). 323 BGH v. 30. 5. 1995, XI ZR 78/94, NJW 1995, 2219 (2219).

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

handelt sich um einen Fall besonderer Gewerbeaufsicht,324 bei dem bestimmte Finanzdienstleistungen mittels ordnungsrechtlicher Befugnisse staatlich reguliert werden.325 Eine irgendwie geartete staatliche Aufsicht über das Handeln des Betriebsrats besteht dagegen nicht,326 vielmehr sehen die den Kontakt des Betriebsrats regelnden Normen z. B. Stellungnahme-327 oder Anhörungsrechte auf Seiten des Betriebsrats328 bzw. die Statuierung von Zusammenwirkens-329 oder Notifikationspflichten330 auf Seiten der Behörden vor. Die Beziehungen des Betriebsrats mit dem Staat sind somit für diesen nicht durch aufsichtliche Einschränkungen geprägt, sondern aufgabenbereichserweiternd. Hiermit einhergehend kann also nicht ebenso wie für staatlich beaufsichtigte Versicherungsunternehmen oder Banken auf Grund der staatlicherseits bestehenden Kontrolle von einer Ausnahme des Vorrangs der Leistungs- gegenüber der Feststellungsklage ausgegangen werden. In Anlehnung an die Feststellungsklagen gegen öffentliche Stellen hat das BAG 1984 eine Ausnahme für Feststellungsklagen gegen den Pensions-Sicherungs-Verein erwogen, wobei auf die dem Pensions-Sicherungs-Verein zustehenden Aufgaben und die Befugnisse der öffentlichen Verwaltung für die mögliche Gleichbehandlung hingewiesen wurde.331 Der Betriebsrat nimmt weder öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahr noch hat er spezifisch öffentlich-rechtliche Befugnisse.332 Damit scheidet eine Gleichstellung zu der beim Pensions-Sicherungs-Verein erwogenen Ausnahme ebenfalls aus. Die fortschreitende Fallgruppenerweiterung in der Rechtsprechung veranlasst die Literatur zum Teil zu der Annahme, auch für Privatleute sei von der Respektierung eines Festellungsurteils auszugehen.333 Ob der Betriebsrat hierunter zu fassen wäre, lässt sich nicht eindeutig feststellen; die Auffassung gebraucht gerade nicht den terminus technicus natürliche bzw. juristische Person des Privatrechts. Unter diese Kategorien ließe sich der Betriebsrat nicht subsumieren. Die Erstreckung auf jegliche Privatpersonen kann aber unabhängig davon im Licht des soeben angenommenen Regel-/Ausnahmeverhältnisses zwischen Leistungsklage und allgemeiner Feststellungsklage nicht überzeugen. Der Gesetzgeber hat mit dem Erfordernis des Feststellungsinteresses eine besondere, den Anwendungsbereich der allgemeinen 324

Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Schäfer, § 6 KWG Rn. 1. Forkel, BKR 2008, 183 (186); Erbs/Kohlhaas/Häberle, § 6 KWG Rn. 4. 326 GK-BetrVG/Wiese, Einl. BetrVG Rn. 97; Ellenbeck, S. 87 f., Hervorhebung seitens des Verfassers. 327 § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG. 328 § 12 Abs. 2 Nr. 1 ASiG. 329 § 20 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII. 330 § 12 Abs. 4 ASiG. 331 BAG v. 8. 5. 1984, 3 AZR 68/82, DB 1984, 2517 (2517). 332 GK-BetrVG/Wiese, Einl. BetrVG Rn. 97; ähnlich auch noch HWGNRH/Rose, Einl. BetrVG Rn. 92. 333 Musielak/Voit/Foerste, § 256 ZPO Rn. 13. 325

B. Die Rechtswidrigkeitsfeststellung

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Feststellungsklage einschränkende Voraussetzung für die Zulässigkeit aufgestellt, nach der die allgemeine Feststellungsklage im Verhältnis zur Leistungsklage regelmäßig unzulässig ist.334 Diese gesetzgeberische Wertentscheidung würde mit einer unterschiedslosen Zulässigkeit auch von Feststellungsklagen gegenüber Privatpersonen negiert. Daher kann der erweiternden Auffassung in der Literatur nicht zugestimmt werden. Somit könnte einzig der Gesichtspunkt der Amtspflichten für den Betriebsrat entsprechend den juristischen Personen des öffentlichen Rechts eine Ausnahme rechtfertigen. Aus § 23 Abs. 1 BetrVG scheint sich ebenfalls für den Betriebsrat die Existenz von Amtspflichten nachweisen zu lassen, die in der Norm genannten „gesetzlichen Pflichten“ wären demnach deckungsgleich mit „Amtspflichten bzw. Pflichten aus der Amtsstellung“.335 Auch § 37 Abs. 1 BetrVG könnte für die Einordnung des dem Betriebsrat zugewiesenen Aufgabenbereichs zu den Ämtern sprechen.336 Hiergegen kann jedoch bereits eingewandt werden, dass durch § 37 Abs. 1 BetrVG lediglich die Rechtsstellung der Mitglieder des Betriebsrats, nicht dagegen eine Zuordnung des Aufgabenbereichs des Betriebsrats als Gremium zu den Ämtern öffentlicher oder privater Prägung verbunden ist.337 Dass der scheinbar auf ein Amt hindeutende Wortlaut auch trügen kann, beweist zudem der immer noch ausgefochtene Streit um die Stellung des Testamentsvollstreckers im BGB. Ungeachtet der Erwähnung eines Amtes in § 2201 BGB besteht Uneinigkeit darüber, ob der Testamentsvollstrecker als Amtsträger oder als Vertreter eingeordnet werden kann.338 Hierauf aufbauend wird für den Betriebsrat z.B durch von Hoyningen-Huene eine Parallele zum Amt des Testamentsvollstreckers oder des Insolvenz-, Nachlassund Zwangsverwalters bestritten.339 Der Wortlaut der einzelnen Vorschriften kann damit nicht allein ausschlaggebend sein; vielmehr ist die Existenz eines Amtes über die Erwähnung im Gesetzestext hinaus positiv festzustellen. Hierzu ist der Amtsbegriff im Folgenden näher zu betrachten. a) Der Amtsbegriff im öffentlichen und privaten Recht Der Begriff des Amts hat im Recht keine für das öffentliche und das private Recht einheitliche Ausprägung erfahren. Zu unterscheiden sind vielmehr öffentliche und private Ämter, die es von einander abzugrenzen gilt.340 Als Ausgangspunkt der 334

B/L/A/H, § 256 ZPO Rn. 77. BAG v. 5. 9. 1967, 1 ABR 1/67, AP BetrVG § 23 Nr. 8; GK-BetrVG/Oetker, § 23 BetrVG Rn. 20 m.w.N. 336 Vgl. noch zu § 35 BRG 1920 RG v. 25. 9. 1931, III 768/22, RGZ 107, 244 (246); v. 13. 5. 1924, III 429/23, RGZ 108, 167 (168). 337 GK-BetrVG/Wiese, Einl. BetrVG Rn. 98. 338 NK-BGB/Stoffels, § 164 BGB Rn. 26 m.w.N. zum Streit. 339 Vgl. v. Hoyningen-Huene, BetrVR, S. 51. 340 Generell so Jacoby, S. 171; für den Vormund: Staudinger/Veit, Vorbemerkungen zu §§ 1773 ff. BGB Rn. 17 sowie Staudinger/Marotzke, § 1922 BGB Rn. 156; für den Insol335

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

Betrachtung kann dabei der Befund dienen, dass der Begriff des Amtes im öffentlichen Recht eine stärkere Beachtung als im Privatrecht gefunden hat. Dies ist normenhierarchisch insoweit erklärbar, als dass er in der Verfassung selbst gebraucht wird (s. Art. 33 Abs. 2, 34 Satz 1 GG), wobei vor allem Art. 33 Abs. 2 GG wegen seiner Entstehungsgeschichte in der Literatur als besonders bedeutsam im Gefüge des Grundgesetzes eingeordnet wird.341 Im Privatrecht wird der Begriff zwar in vielen Normen verwandt (so z. B. im BGB in den §§ 1799, 1854, 1886, 1890, 1893, 1987, 2197, 2201, 2202, 2215, 2221, 2224, 2225, 2226); er ist aber nicht in gleicher Weise durchdrungen. Zu seiner Deutung hat sich bis heute keine „echte“ Theorie des privaten Amtes entwickelt.342 Befasst sich privatrechtliche Literatur mit Begriffsbildung, so wird regelmäßig an den maßgeblich von H. J. Wolff durch sein Verwaltungsrechtslehrbuch geprägten organisationsrechtlichen Begriff des öffentlichen Rechts angeknüpft343 und sodann – in der Literatur fast unwidersprochen344 – nach den die verschiedenen Fallgruppen privater Ämter verbindenden Gemeinsamkeiten gesucht.345 Insofern erscheint es mangels bis jetzt gefestigter, genuin privatrechtlicher Theorie angezeigt, zuerst den Begriff des öffentlichen Amtes näher zu beleuchten, um sodann die Unterschiede zum Begriff des privaten Amtes im Zuge einer Gegenüberstellung zu ermitteln und die verschiedenen, in der Literatur vertretenen Kriterien nach deren Diskussion auf den Betriebsrat anzuwenden. Sollte sich auch für das Betriebsratsamt eine Zuordnung zu den Ämtern des privaten Rechts ergeben, muss in einem zweiten Schritt geklärt werden, ob für diese ebenso wie für die öffentlichen Ämter eine Ausnahme aufgestellt werden kann, die eine Zulassung des Feststellungsantrags neben dem vorrangigen Leistungsantrag stützen könnte. aa) Das Amt des Betriebsrats als privates Amt Nach der obigen Feststellung, dass der Begriff des privaten Amtes von dem des öffentlichen Amtes abhängt, muss dieser zuerst dargestellt werden. Sollte sich herausstellen, dass sich das Betriebsratsamt tatsächlich den privaten Ämtern zuordnen lässt, sind in einem zweiten Schritt die sich hieraus ergebenden Amtspflichten zu untersuchen und den Amtspflichten öffentlicher Ämter gegenüberzustellen. venzverwalter: Hess, Insolvenzrecht, § 80 InsO Rn. 200; für den Testamentsvollstrecker: v. Spreckelsen, S. 11, 102; Gurksy, Erbrecht, S. 86. 341 Maunz-Dürig/Badura, Art. 33 GG Rn. 19 „nicht nur ein Element der staatlichen Organisation und der Institution des Beamtentums, sondern auch eine Ausprägung der staatsbürgerlichen Gleichheit“. 342 So der Befund bei Jacoby, S. 160, dessen Untersuchung zum Amtsbegriff im handlungsorganisatorischen Sinn die Ausnahme zu dieser Regel bilden will. 343 H. J. Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, 4. Aufl., Bd. 2, § 73 I c); H. J. Wolff/Bachof/ Stober, Verwaltungsrecht II, § 67 Rn. 16; zur Bedeutung von H. J. Wolffs Theorie und ihren konstruktiven Grenzen instruktiv: Böckenförde, in: FS H. J. Wolff, S. 269 (272 ff.). 344 Kritisch hierzu Lent, ZZP 62 (1941), 129 (195). 345 Diemert, S. 196 f.; Belling, Haftung, S. 146.

B. Die Rechtswidrigkeitsfeststellung

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Dem Begriff des Amtes werden im öffentlichen Recht zwei grundverschiedene Bedeutungen beigemessen: eine statusrechtliche und eine organisationsrechliche. Als Amt im statusrechtlichen Sinn ist die von einem Menschen im öffentlichen Dienst bekleidete Position nach Zugehörigkeit zu einer Laufbahn und Laufbahngruppe, dem Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe und der amtsangemessenen Amtsbezeichnung definiert.346 Dagegen wird unter Amt im organisationsrechtlichen Sinn der konkrete Aufgaben- und Pflichtenkreis in Form von Wahrnehmungszuständigkeiten (innerhalb) eines Hoheitsträgers, der von Seiten der Institution bestimmt und von einem Menschen (dem Amtswalter) fremdnützig ausgefüllt wird, verstanden.347 Für die Ermittlung des im Privatrecht maßgeblichen Amtsbegriffs kann mangels Vergleichbarkeit mit dem öffentlichen Dienstrecht nur der organisationsrechtliche Amtsbegriff des öffentlichen Rechts herangezogen werden. Von diesem gehen auch die sich mit der Begriffsbildung im privaten Recht beschäftigenden Arbeiten aus. Bereits im Jahr 1927 wandte sich Hans von Spreckelsen dem Spezifikum des von ihm als „privatrechtlichen“ Amtes bezeichneten Amts zu. Charakteristikum des privatrechtlichen Amtes sei, dass dessen Inhaber ein absolutes Herrschaftsrecht über ein Sondervermögen zur treuen Hand verliehen werde, dessen Nichtbeachtung jedermann gegenüber Wirkung auslöse.348 Für eine Übertragung der durch von Spreckelsen entwickelten Kriterien auf den Betriebsrat müssten dessen Rechtshandlungen neben der Betroffenheit eines Sondervermögens Wirkung gegenüber jedermann, d. h. nicht nur innerhalb der Betriebsverfassung, zukommen. Ein ähnlicher Ansatz zur Erfassung und vor allem Klassifizierung privater Ämter wird Dölle zugeschrieben.349 Auf Basis einer allein privatrechtlich-orientierten Theorie des „neutralen Handelns im Privatrecht“ nimmt dieser eine Unterscheidung zwischen subjekt- und objektbezogenem Handeln vor. Bei objektbezogenem Handeln sei der Wille des Handelnden auf die Erzielung einer Bindungswirkung für ein verwaltetes Vermögen gerichtet, während bei subjektbezogenem Handeln der Wille des Handelnden in der Verpflichtung einer bestimmten Person liege.350 Belling, der sich kritisch mit Dölles Ansicht auseinandersetzt,351 kann insofern beigepflichtet werden, dass mangels Betriebsratsvermögens keine Einstufung des Betriebsratsamts als objektbezogenes Amt vorgenommen werden kann. 346

Battis/Battis, § 27 BBG Rn. 3. Erichsen/Ehlers/Burgi, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8 Rn. 30; Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann/Voßkuhle/Jestaedt, § 14 Rn. 38; Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle/Groß, § 13 Rn. 85; Schnapp, JURA 1980, 68 (74). 348 v. Spreckelsen, S. 17, 99, 102. 349 So nach Belling, Haftung, S. 145, auch wenn sich Dölle, in: FS Schulz, S. 268 (273) gerade von Vertretern der Amtstheorie abzuheben versucht. 350 Dölle, in: FS Schulz, S. 268 (272); für den Zwangsverwalter ebenso: R. Böttcher/Keller, § 152 ZVG Rn. 5. 351 Belling, Haftung, S. 145. 347

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

Gegen eine Nutzung von Dölles und von Spreckelsens Ansichten in der Frage der Qualifizierung privater Ämter spricht zudem, dass sie auf die Konstellationen von Sondervermögen zugeschnitten sind. Hierunter ist zu verstehen, dass mit dem Vermögen spezifische Zwecke verfolgt werden sollen, die mit den Interessen des Inhabers im Widerspruch stehen.352 Selbst wenn man im Anschluss an die neue Rechtsprechung zur Vertragsschlussfähigkeit des Betriebsrats im Rahmen seiner betriebsverfassungsrechtlichen Befugnisse353 den Freistellungsanspruch aus § 40 Abs. 1 BetrVG als dessen „Vermögen“ einordnet354 und den Betriebsrat dann unter diesem Gesichtspunkt als Inhaber dieses Vermögens betrachtet, kann der erforderliche Interessengegensatz im Fall des Betriebsrats nicht entstehen. Der mit dem Kostentragungsanspruch aus § 40 Abs. 1 BetrVG verbundene Freistellungsanspruch verfolgt das Ziel eine effektive Betriebsratsarbeit zu ermöglichen.355 Die Arbeit des Betriebsrats wird bestimmt durch die ihm als Zuordnungssubjekt zugewiesenen Rechte und Pflichten.356 Hierbei muss er nach § 2 Abs. 1 BetrVG für die Interessen der Arbeitnehmer und des Betriebs zusammenarbeiten. Eigene Interessen darf der Betriebsrat danach gerade nicht verfolgen, seine gesamte Tätigkeit ist fremdnützig ausgestaltet.357 Der von den auf das Sondervermögen abstellenden Theorien vorausgesetzte Interessengegensatz zwischen Verwalter und Inhaber des Vermögens scheidet damit für den Betriebsrat auf Grund betriebsverfassungsrechtlicher Besonderheiten aus. Daher kann sowohl von Spreckelsens als auch Dölles Theorie zur Qualifizierung des Betriebsratsamts nicht herangezogen werden. In derselben Tradition der Ableitung des privaten vom öffentlichen Amt steht vor allem die Theorie Bellings. Dieser formuliert zur Abgrenzung gegenüber den öffentlichen Ämtern verschiedene Unterscheidungskriterien: Während die öffentlichen Ämter auf Basis des öffentlichen Rechts und zur Wahrnehmung der Eigenzuständigkeit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts bzw. eines Beliehenen bestünden, würden private Ämter auf Basis des Privatrechts und zur Wahrnehmung der Eigenzuständigkeit einer Privatperson geschaffen.358 Während mit einem öffentlichen Amt hoheitliche Sonderrechte verbunden seien,359 wolle der Gesetzgeber mit der Statuierung privater Ämter gerade obrigkeitliche Eingriffe zugunsten Institutionen bürgerlicher Selbstverwaltung vermeiden. Vielmehr ziele das private Amt auf den Ausgleich von Störungen der Privatautonomie durch ge352

Dölle, in: FS Schulz, S. 268 (271). Angedeutet bei BAG v. 29. 9. 2004, 1 ABR 30/03, AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 81 unter B. I. 1.; ausdrücklich dann BGH v. 25. 10. 2012, III ZR 266/11, NJW 2013, 464 (465 f.). 354 FESTL, § 1 BetrVG Rn. 207; Reichold, Anm. AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 81 unter I. 4. 355 GK-BetrVG/Weber, § 40 BetrVG Rn. 1. 356 Richardi/Richardi, Einl. BetrVG Rn. 109; Richardi/Thüsing, Vorbemerkung §§ 26 – 41 BetrVG Rn. 9; i.E. ebenso: FESTL, § 1 BetrVG Rn. 195; GK-BetrVG/Franzen, § 1 BetrVG Rn. 72. 357 Konzen, ZfA 1985, 469 (485). 358 H. J. Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, § 73 I c) 6). 359 Sachs/Bonk/Detterbeck, Art. 34 GG Rn. 57. 353

B. Die Rechtswidrigkeitsfeststellung

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sellschaftliche Selbstregulierung. Ein weiterer Unterschied ergebe sich in der Frage, auf wen sich die mit dem Amt einhergehenden Befugnisse zurückführen ließen: Während sich die mit öffentlichen Ämtern im Zusammenhang stehenden Befugnisse direkt vom Staat selbst ableiten ließen, seien diese bei den privaten Ämtern auf die repräsentierten Privatpersonen bezogen.360 Daher bestehen nach Bellings Ansicht zwischen öffentlichen und privaten Ämtern und den in ihnen wurzelnden Amtspflichten im Hinblick auf Normzuordnung, Funktion und Ableitung der aus ihnen resultierenden Befugnisse konstruktive Unterschiede, die eine völlige Gleichstellung gerade nicht ermöglichen. Diese Erkenntnis kann auch in der Frage einer Ausnahme vom Vorrang des Leistungsantrags gegenüber einem Feststellungsantrag fruchtbar gemacht werden. Neuerdings hat Jacoby versucht durch Ableitung eines handlungsorganistorischen Amtsbegriffs im Privatrecht Licht in das Dunkel um das „Private Amt“ zu bringen.361 Aufbauend auf Johns Theorie der Rechtsperson (die für das Bestehen einer sogenannten „Personifikation“ eine Handlungsorganisation, einen Haftungsverband sowie eine Identitätsausstattung fordert)362 wird auch von Jacoby das von Wolff entwickelte Begriffsverständnis zum öffentlichen Amt im organisationsrechtlichen Sinn zu Grunde gelegt und als Ausgangspunkt genutzt. Sodann weist Jacoby auf Unterschiede des Amts im handlungorganisatorischen Sinn gegenüber dem von Wolff geprägten Begriffsverständnis im öffentlichen Recht hin: Zum einen werde beim handlungsorganisatorischen Amtsbegriff speziell nur die Gruppe von Wahrnehmungszuständigkeiten einbezogen, die Aufgaben und Befugnisse bezogen auf eine fremde Handlungsorganisation vermitteln.363 Zum anderen sei das Amt im handlungsorganisatorischen Sinn nicht auf Kompetenzzuweisungen an Einzelpersonen beschränkt; stattdessen könne in Handlungsorganisationen gerade auch an mit mehreren Personen besetzte Gremien eine Zuweisung erfolgen.364 Im Einklang mit Belling wird wiederum für eine Zugehörigkeit zum Privatrecht gefordert, dass dem Inhaber des Amtes keine besonderen hoheitlichen Befugnisse zustehen.365 Jacobys Theorie kann aber bereits aus grundsätzlichen Erwägungen nicht überzeugen: Wer nur Johns Ausführungen zur Handlungsorganisation zu Grunde legt, ignoriert dabei die von diesem gleichberechtigt herausgearbeiteten Kriterien des Haftungsverbands und der Identitätsausstattung, die sich in der Theorie nicht von der Handlungsorganisation zur Bestimmung einer Personifikation trennen lassen. Haftungsverband ist nach John die Einstandspflicht der Person für Tätigkeiten ihres Handlungsverbandes; die Rechtsperson muss dem Zugriff der Gläubiger unterworfen sein. Haftung meint hierbei nicht eine Verpflichtung zum Schadensersatz, sondern die „praktische 360 361 362 363 364 365

Belling, Haftung, S. 146 f. Jacoby, S. 161 ff. John, S. 72 ff.; 230 ff. Jacoby, S. 162. Jacoby, S. 171. Jacoby, S. 172.

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

Seite der Verpflichtung“ im Wege zwangsweiser Verwirklichung.366 Als Arten der Haftungsverwirklichung erkennt John die Zwangsvollstreckung, die Selbsthilfe nach § 229 BGB sowie die Aufrechnung nach §§ 389 ff BGB an367, wobei der durchzusetzende Anspruch maßgeblich für das Haftungsprogramm ist.368 Mangels dem Betriebsrat selbst zugeordnetem Vermögen scheidet jedoch eine Vollstreckung von Unterlassungsansprüchen gegen das Gremium aus. Für die Vorschrift des § 229 BGB geht die herrschende Auffassung davon aus, dass der in Rede stehende Anspruch vollstreckbar sein muss.369 Dies ist nach dem Zweck der Selbsthilfevorschriften, staatliche Rechtsdurchsetzung zu ersetzen, sie aber nicht zu erweitern, auch konsequent.370Auch die Aufrechnung als privater Vollstreckungsersatz setzt gerichtliche Durchsetzbarkeit und vor allem Vollstreckbarkeit der Gegenforderung voraus.371 Die Unvollstreckbarkeit des Unterlassungsanspruchs gegen den Betriebsrat zeitigt hier ebenfalls Wirkungen. Auf Grund der fehlenden Vollstreckbarkeit besteht aber für den Betriebsrat kein Haftungsverband; dieser ist nach Johns Theorie mangels Vorliegen der drei kumulativen Voraussetzungen keine Rechtsperson. Jacobys handlungsorganisatorischem Amtsbegriff kann daher bereits im Ansatz nicht gefolgt werden, er pickt sich vielmehr nur die Rosinen aus Johns Theorie heraus, ohne dessen in sich geschlossenen Ansatz ganzheitlich überzeugend umzusetzen. Daher kann das Amt des Betriebsrats allein nach den von Belling entwickelten Kriterien auf die Zuordnung zu privaten Ämtern geprüft werden. Betrachtet man die sich stellende Qualifikationsfrage nach Normzuordnung, Funktion und Ableitung der eingeräumten Befugnisse, kann der Einordnung des Betriebsratsamts als privates Amt nur beigepflichtet werden: Die Betriebsverfassung ist ein Teil des Privatrechts, sodass auch das Betriebsratsamt auf Basis des Privatrechts und nicht des öffentlichen Rechts eingeräumt wird. Der Betriebsrat ist eine auf die natürlichen Personen der Arbeitnehmer im Betrieb fremdnützig ausgerichtete Institution.372 Ihm stehen keinerlei spezifisch hoheitliche Befugnisse zur Verfügung.373 Zudem dient die das Handeln des Betriebsrats bestimmende Betriebsverfassung gerade auch der Sicherung der Privatautonomie der repräsentierten Arbeitnehmer.374 Dies zeigt sich bereits in § 75 Abs. 2 BetrVG, der den Schutz und die freie Entfaltung der Persönlichkeit der Arbeitnehmer zur Aufgabe gerade auch des Betriebsrats macht. Das Persönlichkeitsrecht wird vom BVerfG ausdrücklich neben der allgemeinen Handlungsfreiheit 366

John, S. 81. John, S. 83 ff. 368 John, S. 242. 369 Staudinger/Repgen, § 229 BGB Rn. 4; Jauernig/Mansel, Anm. zu den §§ 229 – 231 BGB Rn. 2; Schünemann, S. 69. 370 Staudinger/Repgen, § 229 BGB Rn. 12. 371 Staudinger/Gursky, § 387 BGB Rn. 132; NK-BGB/Wermeckes, § 387 BGB Rn. 27. 372 Vgl. FESTL, § 1 BetrVG Rn. 188. 373 Vgl. GK-BetrVG/Wiese, Einl. BetrVG Rn. 97 zur Überwachung nach § 75 Abs. 1 und § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. 374 GK-BetrVG/Wiese, Einl. BetrVG Rn. 62 f.; FESTL, § 1 BetrVG Rn. 6. 367

B. Die Rechtswidrigkeitsfeststellung

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aus Art. 2 Abs. 1 GG als Grundlage für den grundgesetzlichen Schutz der Privatautonomie angeführt.375 Außerdem übt der Betriebsrat die seine Arbeit prägenden Beteiligungsrechte zwar im eigenen Namen und frei von Weisungen, jedoch gerade im kollektiven (Gruppen-)Interesse der Arbeitnehmer aus.376 Mithin ist festzustellen, dass es sich beim Amt des Betriebsrats tatsächlich um kein öffentliches, sondern um ein privates Amt handelt. bb) Die aus dem Amt resultierenden Amtspflichten Mit der Einordnung des Betriebsratsamts als privates Amt teilen auch die hieraus resultierenden Amtspflichten dieses Schicksal. Auch sie sind privater Natur. Fraglich ist daher jetzt noch, ob Amtspflichten privater und öffentlicher Natur für die Ausnahmen vom Vorrang des Leistungs- gegenüber dem Feststellungsantrag gleich behandelt werden müssen oder ob es Unterschiede gibt, die eine unterschiedliche Handhabung öffentlicher und privater Amtspflichten rechtfertigen. Eine solche unterschiedliche Handhabung wäre dann auch in der Anerkennung von Ausnahmen vom Vorrang der Leistungs- gegenüber der Feststellungsklage beachtlich. So wird zur Differenzierung zwischen privatem und öffentlichem Amt z. B. von Köttgen vorgebracht, dass nur öffentlichen Ämtern eine besondere Würde innewohne, während über private Rechtsgeschäfte keine rechtserheblichen Dignitäten vermittelt werden könnten. Unzutreffend ist aber der dann vorgebrachte Schluss, dass die „Vorstellung eines Privatamts (…) ein Widerspruch in sich sei“.377 Unabhängig von nur schwerlich rechtlich fassbaren Kategorien wie „Würde“ und „Dignität“ kann festgestellt werden, dass der Gesetzgeber gerade durch die Verwendung des Amtsbegriffs außerhalb des öffentlichen Rechts deutlich gemacht hat, dass auch im Privatrecht Ämter exisitieren. Köttgens Hinweis auf nur im öffentlichen Recht bestehende rechtserhebliche Dignitäten und der Schluss auf die Widersprüchlichkeit eines privatrechtlichen Amtes geht damit bereits im Ansatz fehl, weil damit der geltenden Rechtslage keine Rechnung getragen wird. Vielmehr kann nach dem geltenden Recht nur von der Existenz privater und öffentlicher Ämter ausgegangen werden. Ausgehend von diesem Befund muss daher die Frage beantwortet werden, ob beide Ämtertypen bezüglich der in Rede stehenden Ausnahme differenziert behandelt werden können. Gegen eine Differenzierung zwischen aus öffentlichen und aus privaten Ämtern resultierenden Amtspflichten könnte zum einen sprechen, dass beide Kategorien von Pflichten aus dem Amt und nicht aus etwaigen anderen Stellungen wie Verträgen abgeleitet werden.378 Mit der Statuierung irgendeiner Amtspflicht könnte die not375

BVerfG v. 13. 5. 1985, 1 BvR 1542/84, BVerfGE 72, 155 (170). GK-BetrVG/Franzen, § 1 BetrVG Rn. 64; Ellenbeck, S. 46. 377 Köttgen, in: FG Smend, S. 119 (146). 378 Vgl. für den Betriebsrat die Differenzierung zwischen Amts- und Vertragspflichten: GKBetrVG/Oetker, § 23 BetrVG Rn. 25. 376

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

wendige Gleichbehandlung aller Ämter jeglicher Couleur verbunden sein, Differenzierungen zwischen Amtspflichten auf Grund öffentlicher und auf Grund privater Ämter wären unmöglich. Ein solcher Schluss von der Statuierung der Amtspflicht auf die Gleichbehandlung aller Ämter ist jedoch nicht angezeigt. So erkennt auch die Theorie, die aus dem öffentlichen Amt Rückschlüsse für das private (Betriebsrats-) Amt zieht, die Vielgestaltigkeit der möglichen Amtspflichten an: So findet sich bei Belling – der einzig für eine haftungsrechtliche Gleichbehandlung der beiden Ämtertypen plädiert – das Eingeständnis, dass sich die dem jeweiligen Amt zugeordneten Amtspflichten aus der jeweiligen Funktion des Amtes ergeben.379 Generelle Funktion von Ämtern ist die subjektivierte Wahrnehmung von organsationsrechtlichen Zuständigkeiten mittels Amtswaltern.380 Unter Zuständigkeit wird im Organisationsrecht die Zuordnung von durch eine Organisation übernommenen oder ihr auferlegten Aufgaben auf innerorganisatorische Wahrnehmungssubjekte verstanden.381 Maßgeblich für die Zuständigkeit organisationsrechtlicher Prägung ist damit der Begriff der Aufgabe. Dieser ist schillernd, in der Literatur haben sich mehrere Unterkategorien zur besseren Erfassung ausgebildet. Als erste Unterkategorie werden sogenannte Staatsaufgaben anerkannt. Staatsaufgaben werden in der Literatur als Handlungsanweisungen für Staatsorgane beschrieben, die durch die Verfassung statuiert werden.382 Für die Abgrenzung von staatlichen und nichtstaatlichen Handlungsanweisungen und -bereichen kann auf Art. 30 GG zurückgegriffen werden; der dort verwandte Begriff der staatlichen Aufgaben dient der Absteckung des staatlichen Handlungsraums.383 Die Zugehörigkeit einer Aufgabe zu den staatlichen Aufgaben des Art. 30 GG wird bereits dann eröffnet, wenn sich der Staat mit dieser auch nur in irgendeiner Weise befasst.384 Dem Staat kommt eine potentiell allumfassende Aufgabenkompetenz zu,385 bei der aber die Vorgaben des Grundgesetzes zu beachten sind.386 Privaten wird eine solche Aufgabenkompetenz nicht eröffnet, sie können in bestimmten, dem Staat zugewiesenen Bereichen nicht von sich aus tätig werden. Zu den originär dem Staat obliegenden Aufgaben gehören solche, die einen Bezug zur Ausübung von Hoheitsgewalt und eine Verbindung zum Gewaltmonopol haben.387 Unter Achtung dessen kann nur der Staat die innere Sicherheit garantieren.388Auch der Erlass abstrakt-genereller Regelungen wird herkömmlich den originären Staatsaufgaben 379 380 381 382 383 384 385 386 387 388

Belling, Haftung, S. 187, Hervorhebung seitens des Verfassers. H. J. Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, § 73 III a). H. J. Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, § 72 I b) 2. Bull, S. 46 (50). Maunz/Dürig/Korioth, Art. 30 GG Rn. 8. BVerfG v. 28. 2. 1961, 2 BvG 1/60, 2 BvG 2/60, BVerfGE 12, 205 (243). Maunz/Dürig/Korioth, Art. 30 GG Rn. 9; Krüger, Staatslehre, S. 760. Maunz/Dürig/Korioth, Art. 30 GG Rn. 11. Di Fabio, JZ 1999, 585 (592). Isensee, S. 160.

B. Die Rechtswidrigkeitsfeststellung

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zugeschrieben.389 Staataufgaben muss der Staat durch eigene Behörden wahrnehmen,390 eine Übertragung an Private ist nicht möglich. Bereits mit der Kategorie der Staatsaufgaben, die nur durch den Staat sowie die öffentlichen Amtsträger und nicht etwa durch private Amtsträger wahrgenommen werden dürfen, zeigt sich eine Dichotomie zwischen öffentlichem und privatem Amt, die gegen eine Gleichstellung der beiden Typen der Ämter spricht. Auch das BAG erkennt die Bedeutung der erfüllten Aufgaben für die ausnahmsweise Zulassung der Feststellungs- neben der Leistungsklage an. Gegenüber dem Pensions-Sicherungs-Verein ist keine Leistungsklage zu erheben, weil dieser gerade hoheitliche Aufgaben ausübt.391 Neben den erfüllten hoheitlichen Aufgaben sprechen auch die dem Pensions-Sicherungs-Verein verliehenen hoheitlichen Befugnisse für eine Ausnahme vom Vorrang der Leistungsgegenüber der Feststellungsklage.392 Hoheitliche Aufgaben und Befugnisse konnten für den Betriebsrat aber gerade nicht erkannt werden. Es zeigen sich insofern vielmehr funktionale Unterschiede zwischen privaten und öffentlichen Ämtern. Zudem bestehen Unterschiede zwischen privatem und öffentlichem Amt bezüglich der hinter ihnen stehenden Zurechnungssubjekte sowie der jeweils mit den Ämtern verfolgten Belange. So steht nur hinter den ein öffentliches Amt ausfüllenden Amtswaltern der Staat als Zurechnungssubjekt, bei privaten Ämtern ausfüllenden Amtswaltern ist dies die Privatperson.393 Nur der Inhaber eines öffentlichen Amtes repräsentiert den Staat.394 Diese besondere Repräsentationsfunktion gerade für den Staat äußert sich auch im Leistungsprinzip und dem Grundsatz der Bestenauslese des Art. 33 Abs. 2 GG, die das öffentliche Amt als „kleinsten Baustein der Staatsorganisation“ absichern. Hiermit einhergehend wird dem den Staat repräsentierenden Amtswalter zutreffend eine über seine eigenen Interessen hinausgehende Pflicht zur Verbundenheit mit den Belangen der Allgemeinheit auferlegt.395 Diese Verbundenheit mit den Belangen der Allgemeinheit, aus denen der Großteil der Pflichten von Trägern öffentlicher Ämter resultiert, spiegelt sich auch in der Rechtsprechung des BGH zum Schadensersatz bei Amtspflichtverletzungen bei § 839 BGB wider, nach der Amtspflichten in der öffentlichen Verwaltung in erster Linie im Interesse der Allgemeinheit und des Staates bestehen.396 Eine solche Annahme der Rücksichtnahme auch auf Belange der Allgemeinheit kann für den Betriebsrat dagegen nicht aufgestellt werden. Er repräsentiert die Ar389

Krüger, Staatslehre, S. 770. BVerfG v. 7. 12. 2001, 1 BvR 1806/98, NVwZ 2002, 335 (336); v. 18. 12. 1974, 1 BvR 430/65, 1 BvR 259/66, NJW 1975, 1265 (1265). 391 BAG v. 23. 4. 2002, 3 AZR 268/01, AP BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 54 unter A. 2.; zustimmend Zimmermann, EWiR 2003, 201 (202). 392 Ziemann, ArbRB 2002, 93 (93). 393 H. J. Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, § 73 I c) 6. a), Hervorhebung seitens des Verfassers. 394 H. J. Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, § 73 I d) 2. 395 Robbers, in: FS Herzog, S. 379 (388), Hervorhebung seitens des Verfassers. 396 RGRK/Kreft, § 839 BGB Rn. 212 m.w.N. 390

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

beitnehmer des Betriebs.397 Eine Verbundenheit des Betriebsrats mit Belangen der Allgemeinheit besteht dagegen nach dem BetrVG nicht; stattdessen ist der Betriebsrat nach § 2 Abs. 1 BetrVG den Belangen der von ihm repräsentierten Arbeitnehmer und dem Wohl des Betriebs verpflichtet. Die noch in § 49 Abs. 1 BetrVG 1952 vorgesehene Verpflichtung zur Berücksichtigung des Gemeinwohls ist in der Novellierung des BetrVG 1972 ersatzlos entfallen. Hieraus schließt die heute herrschende Meinung zwar nicht, dass Betriebsräte Interessen des Gemeinwohls völlig außer Acht lassen könnten, die Betriebspartner seien immer noch an das Sozialstaatsprinzip gebunden.398 Aus der Annahme der herrschenden Meinung kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass der Betriebsrat Interessen der Allgemeinheit zu verfolgen hat; mit der Bindung an die Grundsätze des sozialen Rechtsstaats ist einzig eine Absage an Betriebsegoismus und gesamtwirtschaftliches Fehlverhalten verbunden.399 In der geltenden Betriebsverfassung bestehen dementsprechend nur singuläre Pflichten, die dem Betriebsrat im Interesse der Allgemeinheit auferlegt sind. Diese haben jedoch einen begrenzten Anwendungsbereich. So hat sich der Betriebsrat nach § 89 Abs. 1 Satz 1 BetrVG dafür einzusetzen, dass die Vorschriften über den Arbeitsschutz und die Unfallverhütung im Betrieb sowie über den betrieblichen Umweltschutz durchgeführt werden. Nach § 89 Abs. 1 Satz 2 BetrVG hat der Betriebsrat zudem bei der Bekämpfung von Unfall- und Gesundheitsgefahren die für den Arbeitsschutz zuständigen Behörden, die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und die sonstigen in Betracht kommenden Stellen durch Anregung, Beratung und Auskunft zu unterstützen. Aus der Gesetzesbegründung zu § 89 BetrVG geht jedoch hervor, dass der Betriebsrat durch die Novellierung 2001 nicht in die Stellung eines Hilfsorgans staatlicher Umweltbehörden gedrängt werden sollte.400 Es sollte einzig der innerbetriebliche Austausch an Informationen, Initiativen und Ideen gefördert werden.401 Die beschränkte Reichweite des § 89 BetrVG wird auch in dessen Wortlaut durch die Begrenzung auf „betrieblichen“ Umweltschutz deutlich. Eine weitreichende Verpflichtung des Betriebsrats auf Belange der Allgemeinheit ist daher mit dem novellierten § 89 BetrVG nicht eingeführt worden. Gegen eine allgemeine Verpflichtung des Betriebsrats auf das Gemeinwohl spricht im Übrigen die damit für diesen einhergehende Überforderung bei der Aufgabenerfüllung.402 Es besteht die Gefahr, dass der Betriebsrat das Für und Wider einer einzelnen Maßnahme im Bezug auf das Gemeinwohl nicht

397 Richardi/Richardi, Einl. BetrVG Rn. 101 sowie GK-BetrVG/Franzen, § 1 BetrVG Rn. 66 m.w.N. 398 GK-BetrVG/Wiese, Einl BetrVG Rn. 102; Richardi/Richardi, § 2 BetrVG Rn. 15; FESTL, § 2 BetrVG Rn. 20 m.w.N. 399 Vgl. Kreutz, BlStSozArbR 1972, 44 (47); Schmitt, S. 8. 400 BT-Drs. 14/5741, S. 31. 401 BT-Drs. 14/5741, S. 30 f. 402 GK-BetrVG/Franzen, § 2 BetrVG Rn. 45; Inhester, S. 134 f.; ähnlich Kreutz, BlStSozArbR 1972, 44 (47) „unsachgemäße Überspitzung der Verpflichtung für die Betriebspartner“.

B. Die Rechtswidrigkeitsfeststellung

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rechtssicher abschätzen kann.403 Außerdem spricht § 130 BetrVG gegen eine Verpflichtung des Betriebsrats auf das Gemeinwohl. Mit § 130 BetrVG wird die Nichtanwendung des BetrVG auf den öffentlichen Dienst angeordnet. Rechtfertigung für diese Regelung ist, dass das Handeln öffentlicher Arbeitgeber gerade öffentlichen Interessen dient.404 Öffentliche Interessen und die mit ihnen verbundene Verpflichtung der öffentlichen Amtsträger auf das Gemeinwohl bewogen den Gesetzgeber daher, von der Beteiligung durch einen Betriebsrat Abstand zu nehmen und ein eigenes Regelungssystem mit den Personalvertretungen des öffentlichen Dienstes zu schaffen. Im Rückschluss aus der Anwendungsbereichsausnahme in § 130 BetrVG kann dann aber für den Betriebsrat nicht die Verfolgung öffentlicher Interessen und der mit ihnen verbundenen Gemeinwohlbelange festgestellt werden. Kann somit konstatiert werden, dass es nur den Amtsträgern der öffentlichen Verwaltung obliegt, generell Belange der Allgemeinheit in Ausübung ihrer Amtsführung zu beachten, so darf dieser Unterschied auch für die Frage einer Ausnahme vom Vorrang des Leistungs- gegenüber einem Feststellungsantrag nicht außer Acht gelassen werden. Vielmehr hat sich damit gezeigt, dass zwischen Ämtern öffentlicher und privater Natur konstruktive Unterschiede in der Rückführung auf Belange der Allgemeinheit bestehen. Auch die funktionale Verschiedenheit der wahrgenommenen Aufgaben – wie sie auch das BAG für den Pensions-Sicherungs-Verein zutreffend erkennt – spricht gegen eine Übertragung der für öffentliche Ämter aufgestellten Ausnahme vom Vorrang der Leistungs- gegenüber der Feststellungsklage. b) Zusammenfassung Lediglich für die Amtsträger des öffentlichen Rechts kann wegen der diesen auferlegten Amtspflichten eine Ausnahme vom Vorrang des Leistungs- gegenüber dem Feststellungsantrag anerkannt werden. Für das private Amt ist eine solche Ausnahme dagegen im zivil- und dem hier entscheidenden arbeitsgerichtlichen (Beschluss-)Verfahren nicht nachweisbar. Demnach kann auch für den Betriebsrat keine Ausnahme vom Vorrang des Leistungs- gegenüber dem Feststellungsantrag mit Verweis auf die für ihn existierenden Amtspflichten begründet werden. 2. Ausnahme bei Klärung eines umfangreichen Streits Nach Ablehnung einer Ausnahme für den Betriebsrat als Institution muss noch untersucht werden, ob die Herangehensweise des BAG zum Verhältnis von per Leistungsantrag durchsetzbarem Unterlassungsanspruch und Feststellungsantrag des Arbeitgebers unter Übernahme seiner Rechtsprechung zur Klärung eines umfangreichen Streits bei Vermeidung künftiger gleichgelagerter Fälle gerechtfertigt 403 404

Vgl. Esther Schmidt, S. 145 f. Wissmann, in: FG 50 Jahre BVerwG, S. 71 (71).

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

werden könnte. Das BAG geht davon aus, dass eine Ausnahme vom Vorrang des Leistungs- gegenüber dem Feststellungsantrag für Fälle gilt, in denen ein streitiges Rechtsverhältnis dem Grunde nach geklärt werden soll, insbesondere dann, wenn Bestand oder Inhalt eines Mitbestimmungsrechts in Frage steht.405 Den Konstellationen der Klärung eines Rechtsverhältnisses dem Grunde nach werden in der Rechtsprechung Fälle zwischen den Parteien streitiger Einzelansprüche gegenübergestellt.406 Für eine erleichterte Zulässigkeit eines Feststellungsantrags zur Klärung eines Rechtsverhältnisses in seiner Gesamtheit führt das BAG Schwierigkeiten bei der Antragsfassung an.407 Der in Rede stehende Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat betrifft aber nicht das zwischen den Betriebsparteien bestehende Rechtsverhältnis in seiner Gesamtheit, sondern eine konkrete Verhaltensweise, die der Arbeitgeber für die Zukunft als verboten behandelt wissen will und deren spezifische Unterlassung er vom Betriebsrat verlangt. Auf dieses Begründungsmuster kann eine Ausnahme daher nicht gestützt werden. Das BAG stützt sich jedoch in einer Entscheidung, die den Feststellungs- trotz denkbarem Leistungsantrag für zulässig erklärt, noch auf einen weiteren Gesichtspunkt, den es näher zu betrachten gilt. Als zweiter Grund für die Zulässigkeit eines Feststellungsantrags trotz an sich gegebenem Leistungsantrag identifiziert das BAG das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit aus § 2 Abs. 1 BetrVG. Nach der in dieser Vorschrift ausdrücklich gebotenen vertrauensvollen Zusammenarbeit seien die Parteien gehalten, eine rechtskräftige Feststellung zu beachten.408 Auch wenn dies im konkret entschiedenen Fall den Arbeitgeber betraf, ließe sich der Ansatz für beide Betriebsparteien nutzen, d. h. auch gerade für den hier behandelten Betriebsrat. Die Tragfähigkeit dieser Argumentation hängt jedoch davon ab, ob § 2 Abs. 1 BetrVG überhaupt ein so weitreichender Inhalt auch im prozessualen Sinn entnommen werden kann, die Norm mithin in der Lage ist, das soeben herausgearbeitete Verhältnis zwischen Leistungs- und Feststellungsantrag abzuändern. Bevor jedoch auf diesen prozessualen Aspekt näher eingegangen werden kann, stellen sich einige Vorfragen, die es zu beantworten gilt. So ist zuerst fraglich, ob § 2 Abs. 1 BetrVG überhaupt verbindlich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat wirkt oder ob es sich nur um einen nicht rechtsverbindlichen Appell handelt. Lässt sich die Frage nach dem umstrittenen Rechtsnormcharakter der Vorschrift im Sinne einer Verbindlichkeit positiv beantworten, wird in einem zweiten Schritt die Wirkweise des § 2 Abs. 1 BetrVG zu beleuchten sein. Erst danach kann die soeben aufgeworfene Frage nach den prozessualen Wirkungen des § 2 Abs. 1 BetrVG geklärt werden.

405 BAG v. 13. 10. 1987, 1 ABR 10/86, AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 24 unter B. I. 2. a); v. 23. 7. 1996, 1 ABR 17/96, AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 26 unter B. II. 1.; v. 22. 4. 1997, 1 ABR 77/96, AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 88 unter B. I.; v. 15. 12. 1998, 1 ABR 9/98, AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 56 unter B. I. 3. 406 BAG v. 15. 12. 1998, 1 ABR 9/98, AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 56 unter B. I. 3. 407 BAG v. 15. 12. 1998, 1 ABR 9/98, AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 56 unter B. I. 3. 408 BAG v. 15. 12. 1998, 1 ABR 9/98, AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 56 unter B. I. 3.

B. Die Rechtswidrigkeitsfeststellung

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a) Verbindlichkeit des § 2 Abs. 1 BetrVG ? Eine Abänderung des von Rechts wegen bestehenden Vorrangs des Leistungsvor dem Feststellungsantrag über § 2 Abs. 1 BetrVG scheidet bereits dann aus, wenn § 2 Abs. 1 BetrVG gar keine rechtsverbindliche Vorschrift, sondern allein ein Programmsatz mit bloßem Appellcharakter an Betriebsrat und Arbeitgeber ist. § 2 Abs. 1 BetrVG geht auf § 49 Abs. 1 BetrVG 1952 zurück und hat den dort enthaltenen Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit inhaltlich unverändert in das BetrVG 1972 übernommen. Das BetrVG-Reformgesetz 2001 ließ § 2 Abs. 1 BetrVG ebenfalls unverändert. Der Gesetzgeber des BetrVG 1972 hat die Vorschrift wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung den allgemeinen Vorschriften zugeordnet.409 Dieser besonderen Wertigkeit der Norm wird im Schrifttum in terminologisch verschiedener Weise Ausdruck zu schaffen versucht: Neben der Bezeichnung als die Betriebsverfassung „beherrschender Grundsatz“410 oder als „Zentral-“411 bzw. „Grundnorm des Betriebsverfassungsgesetzes überhaupt“412 finden sich auch noch die Einordnung als „Leitprinzip“413 oder sogar als „Magna Charta“ der Betriebsverfassung.414 Trotz des Wissens um die nach dem Willen des Gesetzgebers besonders hervorgehobene Stellung der Vorschrift in der Betriebsverfassung ist ihre Rechtsnatur jedoch bis heute umstritten geblieben. Eine vor allem früher vertretene Ansicht versteht § 2 Abs. 1 BetrVG mangels gesetzlich erzwingbaren Vertrauens lediglich als unverbindlichen Programmsatz mit bloßem Appellcharakter.415 Dagegen sieht die herrschende Meinung § 2 Abs. 1 BetrVG als unmittelbar geltendes Recht an.416 Der Wortlaut ist in der Frage der Rechtsverbindlichkeit der Vorschrift unergiebig: Zwar hat der Gesetzgeber nicht lediglich formuliert, dass Arbeitgeber und Betriebsrat zusammen arbeiten „sollen“; jedoch auch nicht geschrieben, dass sie zusammenarbeiten „müssen“. Immerhin hat der Gesetzgeber jedoch den Indikativ „arbeiten“ 409 410 411 412

(491). 413

BT-Drs. 6/1786, S. 35. Richardi/Richardi, § 2 BetrVG Rn. 1. G. Müller, in: FS Herschel, S. 269 (269). HWGNRH/Rose, § 2 BetrVG Rn. 4; Freckmann/Koller-van Delden, BB 2006, 490

GK-BetrVG/Franzen, § 2 BetrVG Rn. 3. Richardi/Richardi, § 2 BetrVG Rn. 4; Rolfs, Studienkommentar Arbeitsrecht, § 2 BetrVG Rn. 1, 3; F. W. Lehmann, BB 2013, 1014 (1016). 415 Frey, AuR 1956, 125 (126); ders., AuR 1957, 154 (155 ff.); Nikisch, RdA 1962, 361 (363); Galperin, RdA 1962, 366 (367); G. Müller, in FS Herschel, S. 267 (287); R. Weber, Vertrauensvolle Zusammenarbeit, S. 38 f.; Auffarth, NZA 1991, 102 (102); kritisch auch noch Henssler, RdA 1991, 268 (268), der eine idealisierende Wunschvorstellung des Gesetzgebers ausmacht. 416 BAG v. 21. 2. 1978, 1 ABR 54/76, AP BetrVG 1972 § 74 Nr. 1 unter II. 2. b) aa); WPK/ Preis, § 2 BetrVG Rn. 5; Richardi/Richardi, § 2 BetrVG Rn. 17; GK-BetrVG/Franzen, § 2 BetrVG Rn. 5; ErfK/Koch, § 2 BetrVG Rn. 1; FESTL, § 2 BetrVG Rn. 22; Heinze, ZfA 1988, 53 (73 f.); Belling, JZ 2014, 905 (905); Witt, Kooperationsmaxime, S. 43; Thalhofer, S. 81. 414

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

und nicht einen abgeschwächten Konjunktiv gebraucht. Die Form des Aussagesatzes lässt aber gerade auch eine Deutung zu, nach der die Vorschrift nur die betriebliche Wirklichkeit beschreibt.417 Die Verwendung eines Indikativs lässt keinen eindeutigen Schluss darauf zu, ob nur ein Geschehen beschrieben oder Verbindlichkeit im Gesetzestext ausgedrückt wird.418 Wegen der im Ergebnis immer noch bestehenden Ambivalenz kann dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 BetrVG kein überzeugendes Argument für eine der beiden vertretenen Ansichten entnommen werden.419 Für die heute herrschende Ansicht spricht zum einen, dass der Gesetzgeber ausweislich der genannten Gesetzesbegründung gerade von einer herausgehobenen Bedeutung des § 2 BetrVG für die Betriebsverfassung ausging und sich die Einordnung als unverbindlicher Programmsatz nicht mit dieser Wertentscheidung verträgt. Zum anderen kann in systematischer Hinsicht angeführt werden, dass für § 2 Abs. 2 BetrVG die Verbindlichkeit nicht angezweifelt wird. Hätte der Gesetzgeber dagegen nur § 2 Abs. 1 BetrVG als eine Art Präambel ohne rechtliche Verbindlichkeit ausgestalten wollen, dann hätte es nahe gelegen, dies in einem eigenständigen, dem gesamten Betriebsverfassungsrecht vorangestellten Paragraphen oder einer Präambel zu tun. Schließlich spricht auch eine teleologische Auslegung des § 2 Abs. 1 BetrVG für die Verbindlichkeit. Zur Ermittlung des Zwecks des § 2 Abs. 1 BetrVG kann auf die Erkenntnisse zur inhaltsgleichen Vorgängervorschrift des § 49 Abs. 1 BetrVG 1952 zurückgegriffen werden. § 49 Abs. 1 BetrVG 1952 lautete: „(1) Arbeitgeber und Betriebsrat arbeiten im Rahmen der geltenden Tariverträge vertrauensvoll und im Zusammenwirken mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen zum Wohl des Betriebs und seiner Arbeitnehmer unter Berücksichtigung des Gemeinwohls zusammen.“

Der besondere, bei Schaffung des BetrVG 1952 neuartige, Zweck des § 49 Abs. 1 BetrVG 1952 ergibt sich bei einem Vergleich mit dessen unmittelbarer Vorgängervorschrift in § 1 BRG 1920, der wie folgt lautete: „Zur Wahrnehmung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen der Arbeitnehmer (Arbeiter und Angestellten) dem Arbeitgeber gegenüber und zur Unterstützung des Arbeitgebers in der Erfüllung der Betriebszwecke sind in allen Betrieben, die der Regel mindestens zwanzig Arbeitnehmer beschäftigen, Betriebsräte zu errichten.“420

Aus dem Wort „gegenüber“ in § 1 BRG 1920 wurde abgeleitet, dass Arbeitgeber und Betriebsrat in einem Modell der Konfrontation zueinander stehen.421 Dies erklärte sich nach der bei Schaffung des BetrVG 1952 vorherrschenden Auffassung vor allem vor dem historischen Hintergrund der klassenkämpferischen Auseinander417

R. Weber, Vertrauensvolle Zusammenarbeit, S. 38. Vgl. BAG v. 30. 9. 2014, 1 ABR 79/12, NZA 2015, 240 (242) zu § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG. 419 GK-BetrVG/Franzen, § 2 BetrVG Rn. 4. 420 Abgedruckt in RGbl Nr. 26 v. 9. 2. 1920, S. 147. 421 Stier-Stomlo, § 1 BGR 1920 Anm. 3 c); Flatow/Kahn-Freund, § 1 BRG 1920 Anm. 3, Hervorhebung seitens des Verfassers. 418

B. Die Rechtswidrigkeitsfeststellung

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setzungen zur Zeit der Schaffung des BRG 1920.422 Für die Zwecke dieser Arbeit kann davon ausgegangen werden, dass während der Weimarer Republik der Betriebsrat neben der Unterstützung des Arbeitgebers bei der Erfüllung der Betriebszwecke die Interessen der Belegschaft zu wahren bzw. zwei Interessen zu erfüllen hatte. Das RAG sah zwar beide Zwecke als miteinander verknüpft und ineinander greifend, mithin gleichwertig, an.423 Ungeachtet dessen stellte das BRG 1920 in § 1 die beiden dem Betriebsrat obliegenden Aufgabenkreise gerade gegenüber. Die Wahrnehmung der gemeinsamen wirtschaftlichem Interessen dem Arbeitgeber gegenüber wird im Übrigen in § 1 BRG 1920 an erster Stelle genannt, erst danach stand im Gesetzeswortlaut die Unterstützung des Arbeitgebers. Die Nennung erst an zweiter Stelle spricht für eine Nachgeordnetheit der Unterstützungsaufgabe424 Hiermit wurde dann richtigerweise eine bipolare Interessengegensätzlichkeit ausgedrückt, aus der sich das damalige Konfrontationsmodell ableiten ließ. § 49 Abs. 1 BetrVG 1952 unterschied sich dagegen deutlich von § 1 BRG 1920; das das Konfrontationsmodell kennzeichnende Wort „gegenüber“ war entfallen. Die Interessengegensätze zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat wurden nicht mehr betont; vielmehr arbeiten die beiden Parteien der Betriebsverfassung jetzt vertrauensvoll zusammen. Bezugspunkt ist dabei das Wohl des Betriebs und der Arbeitnehmer, die Gemeinsamkeit der Aufgabe stand neuerdings im Vordergrund.425 Von einer antithetischen Betriebsverfassung mit bipolaren Interessengegensätzen kann für § 49 Abs. 1 BetrVG 1952 nicht mehr ausgegangen werden, stattdessen kann in Abgrenzung zum Konfrontations- mit § 49 Abs. 1 BetrVG 1952 von einem Kooperationsmodell gesprochen werden.426 Mit diesem fundamentalen Wandel der der Betriebsverfassung zu Grunde liegenden Ordnungsprinzipien von ehemaliger Konfrontation zur neuartigen Kooperation verträgt sich eine Auslegung nicht, die diese bedeutsame Neuausrichtung auf einen bloßen Appell verkürzt. Der tiefgreifende Ordnungswandel in der Betriebsverfassung wird nur durch die Annahme einer Rechtsverbindlichkeit der Norm adäquat abgebildet. Was für § 49 Abs. 1 BetrVG 1952 galt, muss in gleicher Weise für die inhaltsgleiche Nachfolgervorschrift des § 2 Abs. 1 BetrVG 1972 gelten. Damit spricht die Gesetzgebungsgeschichte für die

422 Nachweise bei Bulla, RdA 1965, 121 (122); Neumann-Duesberg, RdA 1962, 404 (406); Herschel, Juristen-Jahrbuch 1961/1962, 80 (83 f.); a.A.: Buchner, DB 1974, 530 (530) sowie Witt, Kooperationsmaxime, S. 39: Bereits Ansätze eines Kooperationsmodells im BRG 1920. Jedoch erkennt auch Witt grundsätzlich an, dass § 1 BRG 1920 konfrontative Elemente enthält, sodass seine Auffassung nicht entgegengesetzt zur hier vertretenen teleologischen Annahme steht. 423 RAG v. 21. 3. 1928, RAG RB. 4/28, ARS Bd. 2, S. 159 (160); RAG v. 29. 5. 1929, RAG. 253/29, ARS Bd. 6, S. 335 (339); RAG v. 1. 10. 1930, RAG RB. 34/30 ARS Bd. 10, S. 122 (127). 424 R. Dietz, RdA 1969, 1 (2). 425 R. Dietz, RdA 1969, 1 (2). 426 Richardi/Richardi, § 2 BetrVG Rn. 5; ähnlich R. Weber Vertrauensvolle Zusammenarbeit, S. 8 ff.

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

Annahme der herrschenden Meinung und für eine teleologische Auslegung des § 2 Abs. 1 BetrVG nicht als bloßer Appell, sondern als verbindliche Rechtsnorm. Zum Teil wird die Verbindlichkeit des Gebots in § 2 Abs. 1 BetrVG unter dem Gesichtspunkt des vom Gesetz verordneten Vertrauens bestritten: So geht z. B. Frey davon aus, dass Vertrauen als innere Einstellung nicht erzwungen werden könne,427 „vertrauensvoll“ in § 2 Abs. 1 BetrVG sei lediglich ein schmückendes und nicht charakteristisches Beiwort.428 Dieser Hinweis negiert jedoch den Wortlaut des § 2 Abs. 1 BetrVG, in dem das Adjektiv vertrauensvoll als Teil der Vorschrift charakteristisch für diese ist. Der Gesetzgeber hat gerade nicht nur geschrieben, dass der Arbeitgeber und der Betriebsrat zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs zusammenarbeiten, sondern hat diesen Aussagessatz um die Qualifikation „vertrauensvoll“ ergänzt. Auch können die Zweifel an der Rechtsverbindlichkeit der Vorschrift inhaltlich nicht überzeugen: Das Gesetz kann zwar nicht erzwingen, dass eine bestimmte Einstellung vorhanden ist. Jedoch ist es ihm ohne weiteres möglich, ein bestimmtes Verhalten, hier eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, vorzuschreiben.429 Außerdem kennt die Rechtsordnung gerade bestimmte Verhaltensweisen – wie z. B. die Pflicht des Arbeitnehmers zur Arbeit – die nicht über das Vollstreckungsverfahren erzwungen werden können, ohne dass deshalb deren Pflichtcharakter und die Verbindlichkeit der ausgesprochenen Ge- oder Verbote zweifelhaft wäre. Die Zweiteilung zwischen Verbindlichkeit einer Norm und deren davon unabhängig zu beurteilender Erzwingbarkeit zeigt sich auch bei einem Rückgriff auf prozessuale Kategorien: Während die Verpflichtung zum vertrauensvollen Verhalten im Erkenntnisverfahren festgestellt würde, richtet sich eine mögliche Erzwingbarkeit genannter Pflicht nach den vom Erkenntnisverfahren unabhängigen Vorschriften des Vollstreckungsrechts. Hiernach geht der Verweis auf ein vom Gesetz nicht erzwingbares Vertrauen in der Frage der Rechtsverbindlichkeit des § 2 Abs. 1 BetrVG fehl. Es ist mit der herrschenden Meinung davon auszugehen, dass § 2 Abs. 1 BetrVG eine unmittelbar verbindliche Rechtnorm und nicht einen bloßen Programmsatz mit Appellcharakter darstellt. b) Wirkweise des § 2 Abs. 1 BetrVG in der Betriebsverfassung Mit der Feststellung der Verbindlichkeit des § 2 Abs. 1 BetrVG ist die Wirkweise der Vorschrift jedoch noch nicht geklärt. Das BAG und die herrschende Lehre sehen in § 2 Abs. 1 BetrVG eine Konkretisierung des Grundsatzes von Treu und Glauben nach § 242 BGB.430 Ebenso wie § 242 BGB wird § 2 Abs. 1 BetrVG als General427

(354). 428

Frey, AuR 1956, 125 (126); ders., AuR 1957, 154 (155); ebenso Schoof, AiB 1989, 353

Frey, AuR 1957, 154 (156). Zutreffend R. Dietz, RdA 1969, 1 (2). 430 BAG v. 21. 4. 1983, 6 ABR 70/82, AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 20 unter III. 3. c); GKBetrVG/Franzen, § 2 BetrVG Rn. 11; Richardi/Richardi, § 2 BetrVG Rn. 7; ErfK/Koch, § 2 429

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klausel verstanden.431 Folge der Verknüpfung des § 2 Abs. 1 BetrVG mit § 242 BGB ist nach herrschender Auffassung die Möglichkeit, die für § 242 BGB entwickelten Fallgruppen und Anwendungsfälle bei Bedarf auch im Rahmen des § 2 Abs. 1 BetrVG nutzbar heranziehen zu können.432 Beide Vorschriften teilen damit ein Schicksal. Die für § 242 BGB gefundenen Ergebnisse entfalten auch im Rahmen des § 2 Abs. 1 BetrVG Bedeutung. Jedoch kann § 2 Abs. 1 BetrVG wegen der abschließenden Umschreibung der Mitbestimmungstatbestände im Gesetz nicht als subsidiäre, über den Rahmen des BetrVG hinausgehende Norm zur Erzeugung neuer Mitbestimmungstatbestände verstanden werden.433 Die Regelung wirkt nach der herrschenden Ansicht vielmehr konkretisierend auf die Rechte und Pflichten der Betriebsparteien ein; wegen ihrer vom Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren zum BetrVG 1952 ausgesprochenen grundsätzlichen Bedeutung kommt ihr eine Funktion als nicht nur einzelne Teile, sondern die gesamte Betriebsverfassung durchdringende Auslegungsregel zu.434 Mit der für § 2 Abs. 1 BetrVG charakteristischen Funktion als Auslegungsregel wird aber nur eine das materielle Recht beeinflussende Komponente der Vorschrift aufgezeigt. Offen, gleichwohl relevant für die aufgeworfene Problematik der Zulassung des Feststellungs- neben einem denkbaren Leistungsantrag zur Klärung eines umfangreichen Streits und zur Vermeidung künftiger gleichgelagerter Fälle, ist jedoch, ob § 2 Abs. 1 BetrVG auch prozessuale Wirkungen zeitigt. Genauer: § 2 Abs. 1 BetrVG müsste in der Lage sein das beschriebene Verhältnis zwischen Leistungs- und Feststellungsantrag abweichend auszugestalten. c) Geltung von § 2 Abs. 1 BetrVG im Prozessrecht ? Für die soeben angesprochene abweichende Ausgestaltung des prozessualen Verhältnisses zwischen Leistungs- und Feststellungsantrag müsste § 2 Abs. 1 BetrVG neben der das materielle Recht betreffenden auch noch eine das Prozessrecht beeinflussende Dimension zukommen.435 Hiervon geht das BAG (unausgesprochen) aus, wenn es annimmt, dass Arbeitgeber und Betriebsrat im Beschlussverfahren auf BetrVG Rn. 1; LK/Löwisch, § 2 BetrVG Rn. 1; Witt, Kooperationsmaxime, S. 70 f.; R. Weber, Vertrauensvolle Zusammenarbeit, S. 170. 431 Richardi/Richardi, § 2 BetrVG Rn. 12; HWGNRH/Rose, § 2 BetrVG Rn. 2; DKKW/ Berg, § 2 BetrVG Rn. 4; G. Müller, in: FS Herschel, S. 267 (269). 432 Witt, Kooperationsmaxime, S. 48 ff., 70; HWGRNH/Rose, § 2 BetrVG Rn. 3; Richardi/ Richardi, § 2 BetrVG Rn. 4; ders., Anm. AP BetrVG § 61 Nr. 6 unter II. 2.; Heinze, ZfA 1988, 53 (73 f.); Freckmann/Koller-van Delden, BB 2006, 490 (495 Rn. 63). 433 GK-BetrVG/Franzen, § 2 BetrVG Rn. 11; Richardi/Richardi, § 2 BetrVG Rn. 21; Konzen, Leistungspflichten, S. 66. 434 BAG v. 31. 10. 1972, 1 ABR 7/72, AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 2 unter B. 3.; v. 3. 5. 1994, 1 ABR 24/93, AP BetrvG 1972 § 23 Nr. 23 unter B. III. 1.; DKKW/Berg, § 2 BetrVG Rn. 4; Witt, Kooperationsmaxime, S. 51. 435 Dafür bereits BAG v. 17. 9. 1974, 1 ABR 98/73, AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 6 unter II.

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Grund des Gebots der vertrauensvollen Zusammenarbeit gehalten seien, bereits eine Feststellung ohne Vollstreckungsdruck zu beachten.436 Diese nicht weiter thematisierte Annahme des BAG soll hier jedoch mittels Auslegung des § 2 Abs. 1 BetrVG einer kritischen Überprüfung unterzogen werden. aa) Auslegung des § 2 Abs. 1 BetrVG Betrachtet man zuerst den Wortlaut von § 2 Abs. 1 BetrVG, so kommt eine prozessuale Dimension in der Vorschrift nicht zum Ausdruck. Vielmehr handelt es sich bei den Begriffen des Arbeitgebers und des Betriebsrats, des Wohls der Arbeitnehmer und des Betriebs sowie der Verpflichtung zur vertrauensvollen Zusammenzuarbeit um solche des materiellen Betriebsverfassungsrechts. Dies zeigt für die Einordnung des Arbeitnehmers plastisch § 5 BetrVG. Das BetrVG geht hier grundsätzlich vom allgemeinen arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff aus, den es in § 5 II bis IV und § 6 aber für einige Personengruppen erweitert bzw. eingeschränkt hat.437 Der Arbeitnehmerbegriff wird unstrittig dem materiellen Arbeitsrecht zugeordnet.438 Zudem wird aus § 5 Abs. 1 BetrVG deutlich, dass der Begriff gerade auch nur im Sinne dieses Gesetzes gelten soll. Nennt § 2 Abs. 1 BetrVG daher das Wohl der Arbeitnehmer, so wird diese Zielsetzung im Zusammenspiel mit § 5 Abs. 1 Satz 1 BetrVG auf das BetrVG beschränkt. Auch für die zweite Zielsetzung des § 2 Abs. 1 BetrVG wird mit dem Betrieb an einen betriebsverfassungsrechtlichen Begriff angeknüpft. Da das Gesetz den Betrieb nirgendwo definiert, gilt ein eigener, spezifisch betriebsverfassungsrechtlicher Begriff.439 Dieser unterscheidet sich von dem verwendeten Begriff in anderen gesetzlichen Bestimmungen wie z. B. in § 613a BGB; Betriebsübergänge sind völlig unabhängig vom betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff zu prüfen.440 Die Bezugnahme auf das Wohl des Betriebs in § 2 Abs. 1 BetrVG knüpft daher an diesen spezifisch betriebsverfassungsrechtlichen, nicht für andere Gesetze verallgemeinerungsfähigen Betriebsbegriff an. § 2 Abs. 1 BetrVG gestaltet seinem Wortlaut nach einzig das materiell-rechtliche Verhältnis im Sinne des Betriebsverfassungsrechts zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber aus.441 Auch die Gesetzgebungsgeschichte enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass mit § 2 Abs. 1 BetrVG das Prozessrecht des ArbGG beeinflusst werden sollte. Bei Novellierung des BetrVG 1952 in der sechsten Wahlperiode des Bundestages findet sich vielmehr im schriftlichen Bericht des zuständigen Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung die Aussage, dass ausgehend vom Grundsatz der vertrauensvollen 436

BAG v. 15. 12. 1998, 1 ABR 9/98, AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 56 unter B. I. 3. BAG v. 12. 2. 1992, 7 ABR 42/91, NZA 1993, 334 (334). 438 s. zur Entwicklung des Begriffs und dessen Zuordnung nur Rebhahn, RdA 2009, 154 (174 sowie Fn. 45). 439 ErfK/Koch, § 1 BetrVG Rn. 7; zur neueren, teleologischen Begriffsbildung Preis, RdA 2000, 257 (265 ff.). 440 Vgl. Preis, RdA 2000, 257 (278). 441 Richardi/Richardi, § 2 BetrVG Rn. 9, Hervorhebung seitens des Verfassers. 437

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Zusammenarbeit die Friedenspflicht zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber aufrechterhalten werde.442 Wieder wird damit aber allein eine materiell-rechtliche Verbindung des § 2 Abs. 1 BetrVG aufgezeigt. Bei der Friedenspflicht aus § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG handelt es sich um eine Vorschrift des materiellen Betriebsverfassungs- und nicht des Prozessrechts. In systematischer Hinsicht ist zu bemerken, dass § 2 Abs. 1 BetrVG gerade nicht im für Arbeitgeber und Betriebsrat maßgeblichen Verfahrensrecht des ArbGG steht. Außerdem enthält das ArbGG keine Verweisung auf § 2 Abs. 1 BetrVG. Darüber hinaus kann in teleologischer Hinsicht nicht von einer prozessualen Ausrichtung des § 2 Abs. 1 BetrVG ausgegangen werden. Das Gebot zur vertrauensvollen Zusammenarbeit soll die Zusammenarbeit der Betriebsparteien in gegenseitiger Offenheit und Ehrlichkeit ermöglichen.443 Damit zielt das Gebot gerade auf eine Prävention von Konflikten ab.444 Besteht dagegen bereits ein Konflikt, so greifen hierfür die Mechanismen des ArbGG und speziell des für betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten maßgeblichen Beschlussverfahrens ein. Damit lässt sich festhalten: Weder mit der Auslegung des Wortlauts noch der Entstehungsgeschichte sowie der Teleologie lässt sich eine prozessuale Ausrichtung des § 2 Abs. 1 BetrVG begründen. Bei § 2 Abs. 1 BetrVG handelt es sich um eine materiell-rechtliche, vom Prozessrecht im Ausgangspunkt emanzipierte Vorschrift. Einzig das systematische Auslegungskriterium könnte unter Bezugnahme auf § 242 BGB noch für eine Geltung auch des § 2 Abs. 1 BetrVG im Prozessrecht sprechen. § 2 Abs. 1 BetrVG wird von der herrschenden Meinung als eine Konkretisierung des Grundsatzes von Treu und Glauben nach § 242 BGB angesehen.445 Zu § 242 BGB geht die heute herrschende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur davon aus, dass dieser auch im Prozessrechtsverhältnis wirkt.446 Betrachtet man dazu die betriebsverfassungsrechtliche Literatur, die sich mit Inhalt, Funktionen und Wirkungen des § 2 Abs. 1 BetrVG beschäftigt, so überrascht es nicht, dass die soeben aufgeworfene Frage nach der prozessualen Geltung des § 2 Abs. 1 BetrVG gar nicht behandelt wird. Die Ausführungen in Monographien zu § 2 Abs. 1 BetrVG 442

Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu BT-Drs.VI/2729, S. 10, Hervorhebung seitens des Verfassers. 443 BAG v. 22. 5. 1959, 1 ABR 2/59, AP BetrVG § 23 Nr. 5 unter II. 444 Vgl. DKKW/Berg, § 2 BetrVG Rn. 5; ErfK/Koch, § 2 BetrVG Rn. 2. 445 BAG v. 21. 4. 1983, 6 ABR 70/82, AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 20 unter III. 3. c); GKBetrVG/Franzen, § 2 BetrVG Rn. 11; Richardi/Richardi, § 2 BetrVG Rn. 7; ErfK/Koch, § 2 BetrVG Rn. 1; LK/Löwisch, § 2 BetrVG Rn. 1; Witt, Kooperationsmaxime, S. 70 f.; R. Weber, Vertrauensvolle Zusammenarbeit, S. 170. 446 RG v. 1. 6. 1921, V 82/21, RGZ 102, 217 (222); v. 12. 10. 1939, V 34/39, RGZ 161, 350 (359); BGH v. 10. 3. 1956, IV ZR 336/55, BGHZ 20, 198 (206); v. 25. 3. 1965, V BLw 25/64, BGHZ 43, 289 (292); v. 17. 5. 1977, VI ZR 174/74, BGHZ 69, 37 (43); v. 24. 2. 1994, IX ZR 120/ 93, NJW 1994, 1351 (1352); Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 BGB Rn. 1102; MüKoBGB/Schubert, § 242 BGB Rn. 109; NK-BGB/Krebs, § 242 BGB Rn. 18; aus dem prozessualen Schrifttum: Dölle, in: FS Riese, S. 279 (290); Baumgärtel, ZZP 69 (1956), 89 (91 f.); ders., ZZP 86 (1973), 353 (356 f.).

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beschränken sich auf materiell-rechtliche Fragestellungen.447 Ferner finden sich im Schrifttum zum Beschlussverfahren des ArbGG nach §§ 80 – 86 ArbGG keine gegenteiligen Aussagen. Stattdessen gilt für das Beschlussverfahren, dass mangels Abgeschlossenheit der Aufzählung der in § 80 Abs. 2 ArbGG in Bezug genommenen Vorschriften des Urteilsverfahrens nach dem ArbGG die Bestimmungen der ZPO anzuwenden sind, soweit der Charakter des Beschlussverfahrens deren Anwendung nicht entgegensteht.448 Der Grundsatz von Treu und Glauben ist für das Urteilsverfahren nicht in einer dem § 242 BGB vergleichbaren Norm niedergelegt worden, auf die § 85 Abs. 2 ArbGG Bezug nehmen könnte. Konstruktiv könnte jedoch – wenn man für das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren an einer die Anwendbarkeit einzelner Normen statuierendem Verweisungsvorschrift festhält – über § 85 Abs. 2 ArbGG auf § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG und dann in die ZPO verwiesen werden und der dort geltende Grundsatz von Treu und Glauben über die genannte Verweisungskette in das Beschlussverfahren transportiert werden. Mangels expliziter Regelung des Grundsatzes von Treu und Glauben in der ZPO fehlt es jedoch dem Wortlaut nach an einer über § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG in Bezug nehmbaren Vorschrift. Nur wenn man unter den „Vorschriften“ der ZPO in § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG auch dort geltende allgemeine Rechtsgrundsätze verstünde, könnte die genannte Verweisungskette auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zur Anwendung von Treu und Glauben führen. Eine zweite denkbare Konstruktion zur Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben bestünde im Verzicht auf eine transponierende Vorschrift im Sinne des § 85 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG. Dies nehmen scheinbar diejenigen Literaten an, die Treu und Glauben als einen das ganze Prozessrecht so oder so beherrschenden Grundsatz verstehen.449 Im Ergebnis gilt nach beiden möglichen Wegen aber: Auch nach der herrschenden Meinung im Schriftum zum arbeitsgerichtlichen Verfahren wird die Geltung des Grundsatzes von Treu und Glauben in diesem Gerichtszweig nicht in Frage gestellt. Die Omnipräsenz des Gesetzesgrenzen übersteigenden Grundsatzes von Treu und Glauben, die auch als „Siegeszug“ bezeichnet wird450 scheint unangefochten. Dieses einseitige Bild trügt jedoch: So wird § 242 BGB auch von der herrschenden Meinung nicht ohne weiteres in andere Rechtsgebiete außerhalb des Schuldrechts transferiert. Vielmehr spielen bei dem für möglich gehaltenen Übertragungsvorgang gerade die Eigenarten des Rechtsgebiets und möglicherweise vorhandene öffentliche Interessen eine Rolle.451 So wird für das Verfahrensrecht z. B. dessen Formenstrenge als be447

So bei Witt, Kooperationsmaxime, S. 77 ff.; R. Weber, Vertrauensvolle Zusammenarbeit, S. 145 ff.; Ottmann, S. 66 ff., 100 ff.; Chen, S. 57 ff. 448 BAG v. 16. 7. 1996, 3 ABR 13/95, NZA 1997, 337 (337). 449 Exemplarisch GMP/Germelmann, § 48 ArbGG Rn. 30. 450 Formulierung nach Hedemann, S. 42. 451 BGH v. 25. 3. 1965, V BLw 25/64, NJW 1965, 1532 (1532); NJW NK-BGB/Krebs, § 242 BGB Rn. 19; BeckOK-BGB/Sutschet, § 242 BGB Rn. 9.

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sonders zu berücksichtigender Gesichtspunkt anerkannt.452 Diese Spezifika des Prozessrechts sind sicherlich auch der Grund für die Annahme, dass § 242 BGB im Prozessrecht „nur mit großer Zurückhaltung“ anzuwenden sei.453 Die herrschende Auffassung geht demnach vorsichtig vor und implementiert § 242 BGB nur dann, wenn das Prozessrecht nicht entgegensteht. Außerdem finden sich zumindest aus früheren Jahrzehnten Stimmen, die das Eindringen der bürgerlich-rechtlichen Generalklauseln in das Prozessrecht generell454 oder für einzelne Fallgruppen, in denen § 242 BGB angewandt wird, ablehnen.455 Heinrich Lehmann hat diese der ausgeweiteten Anwendung des § 242 BGB tendenziell kritisch gegenüberstehenden Strömungen bereits 1952 wortgewaltig im auch heute noch nachdenklich stimmenden Satz „Man kann das Leid der Welt nicht mit § 242 BGB beseitigen“ zusammengefasst.456 Neuerdings hat Hanns Prütting die These von der Anwendbarkeit des § 242 BGB auch im Prozessrecht für die Fallgruppe des Rechtsmissbrauchs einer äußerst kritischen Würdigung unterzogen, die im Ergebnis gipfelt, dass „alle denkbaren Auslegungskriterien dieser Norm gegen eine Anwendung im Prozessrecht“ sprächen.457 Stattdessen bestünde eine Fülle spezieller Regelungen, die im Bereich des Rechtsmissbrauchs auftretende Fragen lösen könnten. Hier zähle unter anderem das Erfordernis eines Rechtsschutzbedürfnisses, wie es insbesondere in § 256 Abs. 1 ZPO enthalten sei.458 Gerade die Erwähnung letzterer Vorschrift lässt für die hier relevante Frage nach dem Verhältnis von Leistungs- und Feststellungsantrag aufhorchen, wurde ja oben unter anderem mit dem Verweis auf § 256 Abs. 1 ZPO der Vorrang des Leistungs- gegenüber dem Feststellungsantrag begründet. Über die von Prütting für die Fallgruppe des Rechtsmissbrauchs aufgestellten Grundsätze könnte daher auch für die Frage des Verhältnisses von Leistungsund Feststellungsantrag die Entscheidung in § 256 Abs. 1 ZPO zu beachten sein. Dies setzt jedoch voraus, dass der Grundthese Prüttings von der Nichtanwendbarkeit des § 242 BGB im Prozessrecht zugestimmt werden kann. Hierfür kann von folgender Prämisse ausgegangen werden: Eine Anwendung des § 242 BGB als Übertragung einer im Kern materiell-rechtlichen Vorschrift auf das Prozessrecht muss begründet werden, da das Prozessrecht der ZPO eine dem § 242 BGB vergleichbare Generalklausel gerade nicht enthält.459 Lässt sich keine Begründung für die Übertragung des § 242 BGB in das Prozessrecht finden, so gilt dies in systematischer 452

NK-BGB/Krebs, § 242 BGB Rn. 19; Palandt/Grüneberg, § 242 BGB Rn. 4. Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 BGB Rn. 1104. 454 Hedemann, S. 24, 56; explizit gegen die Berücksichtigung von Treu und Glauben im Prozess: K. Schneider, S. 2; Baur, in: Summum ius summa iniuria, S. 97 (113 ff.); zweifelnd auch Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 82. 455 Vgl. zur Begründung einer Aufklärungspflicht aus § 242 BGB, Stürner, Aufklärungspflicht, S. 87 ff.; für den Rechtsmissbrauch Prütting, in: FS Stürner, Bd. I, S. 455 (455 ff.). 456 H. Lehmann, JZ 1952, 10 (11). 457 Prütting, in: FS Stürner, Bd. I, S. 455 (461). 458 Prütting, in: FS Stürner, Bd. I, S. 455 (460). 459 Im Ausgangspunkt zutreffend: Baumgärtel, ZZP 86 (1973), 353 (353). 453

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Hinsicht auch für die mit § 242 BGB verwandte Vorschrift des § 2 Abs. 1 BetrVG. Dann würden sogar alle vier Auslegungskriterien gegen eine das Prozessrecht und speziell den Vorrang des Leistungs- vor dem Feststellungsantrag umgestaltende Dimension des § 2 Abs. 1 BetrVG sprechen. bb) Auslegung des § 242 BGB Um zu ermitteln, ob § 242 BGB auch im Prozessrecht gilt, muss die Vorschrift ausgelegt werden. Hierbei enthält der Wortlaut des § 242 BGB keine Anhaltspunkte für eine prozessuale Geltung der Norm. Stattdessen wird nur festgelegt, wie der Schuldner die Leistung zu bewirken hat, nämlich nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte. Es wird mithin die Art und Weise der Leistungserbringung durch den Schuldner geregelt.460 Vorausgesetzt sind der Bestand eines Schuldverhältnisses sowie eine vom Schuldner zu bewirkende Leistung. Sowohl das Schuldverhältnis als auch die Leistung sind materiell-rechtliche Begriffe.461 Mit der Beschränkung auf die Art und Weise der Leistungserbringung im Wortlaut des § 242 BGB müsste damit eigentlich ein beschränkter Anwendungsbereich der Vorschrift einhergehen.462 In systematischer Hinsicht fällt auf, dass § 242 BGB im allgemeinen Schuldrecht des BGB, d. h. in einem Gesetz des materiellen Rechts, steht. § 242 BGB „erscheint“ nicht nur als eine Vorschrift des allgemeinen Schuldrechts,463 sie ist es ihrem Wortlaut und ihrer systematischen Stellung nach. Ein Bezug zum Verfahrensrecht der ZPO oder des ArbGG besteht dagegen bei systematischer Betrachtung nicht. Diese Gesetze weisen vielmehr einzelne Vorschriften auf, die treuwidriges Verhalten im Prozess betreffen: So kann aus der ZPO z. B. auf §§ 93, 138 verwiesen werden.464 Zwar kann § 93 ZPO mangels Bezugnahmevorschrift im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren wegen dessen Kostenfreiheit nach § 2 Abs. 2 GKG keine Anwendung finden.465 § 138 ZPO gilt dagegen auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren.466 Die historische Auslegung ist dagegen unergiebig. Der Gesetzgeber des BGB sah zwar bei Schaffung des BGB von der Aufnahme einer gemeinrechtlich geprägten „exceptio doli generalis“ in das BGB ab, weil „durch diese in höchst bedenklicher Weise an die Stelle der Rechtsnormen das subjektive Gefühl des Richters gesetzt und damit die Grenze zwischen Moral und Recht verwischt“.467 Dies könnte man so deuten, dass der freien Rechtssetzung und ungebändigten 460

MüKo-BGB/Schubert, § 242 BGB Rn. 8. Prütting, in: FS Stürner, S. 457 (458). 462 Vgl. die zutreffende Einschätzung bei Koziol, AcP 212 (2012), 1 (14), welcher einen nur „beschränkten Regelungsbereich“ der Vorschrift erkennt. 463 So die Einschätzung bei MüKo-BGB/Schubert, § 242 BGB Rn. 1. 464 Im Ausgangspunkt ähnlich Arens, AcP 173 (1973), 250 (255). 465 Vgl. BAG v. 2. 6. 2008, 3 AZB 24/08, AP ArbGG 1979 § 85 Nr. 11 unter III. 466 ArbG Frankfurt a.M. v. 26. 1. 2011, 7 BV 239/10, BeckRS 2012, 69943. 467 Protokolle der Kommission für die Zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Bd. I, S. 239 f. 461

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Überwindung anderer Rechtsnormen daher mit § 242 BGB nicht Vorschub geleistet, sondern gerade ein Riegel vorgeschoben werden sollte. Hiermit müsste dann bei historischer Betrachtung ebenfalls ein beschränkter Anwendungsbereich des § 242 BGB einhergehen.468 Der Hinweis kann jedoch auch als Ausdruck der Debatte um das kritisch beurteilte Richterrecht gesehen werden.469 Die Formulierung in den Protokollen ist für beide Deutungsalternativen offen, der Historie des § 242 BGB kann daher insofern kein eindeutiger Anhaltspunkt für eine nur beschränkte Geltung des § 242 BGB entnommen werden. Der mit § 242 BGB verfolgte Sinn und Zweck ist ähnlich wie die Frage nach der Reichweite der Vorschrift umstritten.470 So wird der mit § 242 BGB verfolgte Zweck darin gesehen, die Parteien einer materiell-rechtlichen Sonderverbindung zur redlichen Vertragserfüllung anzuhalten.471 Ähnlich kann von der Erzeugung einer Rücksichtnahmepflicht zur Erreichung des Leistungszwecks gesprochen werden.472 Nimmt man diesen Ausgangspunkt ein, so überrascht es nicht, dass hieraus auch in teleologischer Hinsicht der Schluss gezogen wird, dass § 242 BGB nicht im Prozessrecht anwendbar sein soll. Vor Gericht stehende Parteien sind gerade nicht durch ein einheitliches Ziel miteinander verbunden, sondern stehen sich prozessual adversarisch gegenüber.473 Gegen diese Annahme spricht auch für das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren nicht, dass neben dem Antragsteller nach einer Auffassung kein Antragsgegner existiert.474 Gemeint ist damit einzig, dass das ArbGG den Begriff des Antragsgegners nicht verwendet.475 Nicht ausgeschlossen ist damit aber, dass der Antragssteller mit seinem Antrag Rechtsschutz gegen einen anderen Beteiligten sucht, insofern stehen sich beide dann notwendig in einer Gegnerschaft gegenüber.476 Wegen der zwischen den Prozessparteien bestehenden Gegnerschaft fehlt es diesen am für § 242 BGB charakteristischen einheitlichen Ziel der Erreichung eines Leistungszwecks. Analysiert man jedoch noch die Aussagen der herrschenden Meinung zum Gehalt des § 242 BGB, so lassen sich noch weitere mit § 242 BGB angestrebte Zwecke erkennen, die es zwecks Vollständigkeit in den Auslegungsprozess einzubeziehen gilt. Die herrschende Lehre geht von einer Einteilung der mit § 242 BGB erfassbaren Fälle in verschiedene Funktionskreise aus, wobei die Einteilung und Zahl der anerkannten Funktionskreise des § 242 BGB variiert.477 Legt man die weitestgehende 468

R. Weber, JuS 1992, 631 (634). HKK/Haferkamp, § 242 BGB Rn. 48. 470 Vgl. Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 BGB Rn. 113 ff. 471 Prütting, in: FS Stürner, Bd. I, S. 457 (459). 472 NK-BGB/Krebs, § 242 BGB Rn. 5. 473 Vgl. Prütting, in: FS Stürner, Bd. I, S. 457 (459 f.). 474 GK-ArbGG/Dörner, § 80 ArbGG Rn. 10; GWBG/Greiner, § 81 ArbGG Rn. 14; a.A. SW/Weth, § 81 ArbGG Rn. 43 f.; ders., Beschlussverfahren, S. 111 ff. 475 GK-ArbGG/Dörner, § 81 ArbGG Rn. 52. 476 GMP/Matthes/Spinner, § 81 ArbGG Rn. 46. 477 Nach Funktionskreisen für den Richter und für das Schuldverhältnis differenzierend: PWW/Schmidt-Kessel, § 242 BGB Rn. 22 – 27; für 3 Funktionen: NK-BGB/Krebs, § 242 BGB 469

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Ansicht zu Grunde, die insgesamt vier Funktionskreise anerkennt,478 so müssen über die Pflicht zur redlichen Vertragserfüllung hinaus bei der teleologischen Betrachtung des § 242 BGB dessen Konkretisierungs-, Ergänzungs-, Schranken- und Korrekturfunktion beachtet werden, um zu ermitteln, ob § 242 BGB auf das Prozessrecht übertragen werden kann. Die Konkretisierungsfunktion des § 242 BGB deckt die allgemein anerkannte Erkenntnis ab, dass § 242 BGB die Art und Weise der Leistungserbringung durch den Schuldner konkretisiert.479 Hierbei bestehen Berührungspunkte mit der Ergänzungsfunktion des § 242 BGB, nach der die Vorschrift die Regelungen der §§ 243 ff BGB ergänzt.480 Vermehrt wird zudem die Ableitung von Neben- und Hauptleistungspflichten ebenfalls der Ergänzungsfunktion des § 242 BGB zugeordnet.481 Beide Funktionen wurden mit der Pflicht der Parteien zur redlichen Vertragserfüllung bereits behandelt, diese besteht für die Prozessparteien nicht in gleicher Weise; vielmehr stehen sich Betriebsrat und Arbeitgeber auch im Beschlussverfahren adversarisch gegenüber. Aus den beiden ersten anerkannten Funktionen des § 242 BGB kann daher dessen Geltung im Prozessrecht nicht abgeleitet werden. Die Schrankenfunktion des § 242 BGB erfasst das Verbot unzulässiger Rechtsausübung bzw. des Rechtsmissbrauchs.482 Der Grundsatz von Treu und Glauben wird hiernach als eine allen Rechten immanente Schranke begriffen.483 Treu und Glauben zielt mit dieser Funktion damit auf eine Beschränkung des Rechtsinhabers in dessen Rechtsausübung ab.484 Eine unzulässige Rechtsausübung kann nach § 242 BGB nicht anerkannt werden, die Ausübung bzw. Durchsetzung eines Rechts wird dem Rechtsinhaber zeitweilig oder gar dauerhaft verwehrt.485 Gemeinhin wird zwischen individuellem und institutionellem Rechtsmissbrauch unterschieden. Dabei kann unter individuellem Rechtsmissbrauch eine Ausübung des Rechts, die im Einzelfall gegen Treu und Glauben verstößt, verstanden werden. Institutioneller Rechtsmissbrauch tritt dagegen dann auf, wenn die Rechtsfolgen, die sich aus einem Rechtsinstitut ergeben, deshalb zurücktreten müssen, weil sie zu einem untragbaren ErRn. 5; MüKo-BGB/Schubert, § 242 BGB Rn. 140; Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 BGB Rn. 181 – 204; für 4 Funktionen: Palandt/Grüneberg, § 242 BGB Rn. 15 f.; BeckOK-BGB/ Sutschet, § 242 BGB Rn. 29 ff.; Jauernig/Mansel, § 242 BGB Rn. 5 ff.; Erman/Böttcher/ Hohloch, § 242 BGB Rn. 18. 478 So z. B. Palandt/Grüneberg, § 242 BGB Rn. 15 f.; BeckOK-BGB/Sutschet, § 242 BGB Rn. 29 ff.; Jauernig/Mansel, § 242 BGB Rn. 5 ff.; Erman/Böttcher/Hohloch, § 242 BGB Rn. 18. 479 BeckOK-BGB/Sutschet, § 242 BGB Rn. 30; Erman/Böttcher/Hohloch, § 242 BGB Rn. 18. 480 BeckOK-BGB/Sutschet, § 242 BGB Rn. 31; für eine Zuordnung zur Konkretisierungsfunktion Palandt/Grüneberg, § 242 BGB Rn. 15. 481 Palandt/Grüneberg, § 242 BGB Rn. 15. 482 Zur Terminologie vgl. MüKo-BGB/Schubert, § 242 BGB Rn. 202. 483 Palandt/Grüneberg, § 242 BGB Rn. 16; BeckOK-BGB/Sutschet, § 242 BGB Rn. 32. 484 Jauernig/Mansel, § 242 BGB Rn. 7. 485 MüKo-BGB/Schubert, § 242 BGB Rn. 202.

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gebnis führen.486 Wendet man die beiden anerkannten Ausprägungen des Rechtsmissbrauchsverbots auf die Frage des Verhältnisses zwischen Leistungs- und Feststellungsantrag an, so kann daraus nichts für die Geltung des § 242 BGB im Prozessrecht und die Abänderung dieses Verhältnisses hergeleitet werden. Das Verbot des Rechtsmissbrauchs ist gerade eine materiell-rechtliche Beschränkung, die jedem Recht von vornherein immanent mitgegeben ist. Außerdem kann es nicht als missbräuchlich angesehen werden, den vom Gesetzgeber vorrangig zur Verfügung gestellten Leistungsantrag zur Durchsetzung potentieller Unterlassungsansprüche geltend zu machen. Die den Leistungsantrag stellende Partei macht lediglich von dem Instrumentarium Gebrauch, welches ihr der Gesetzgeber gewährt hat. Ein Verstoß gegen das Verbot unzulässiger Rechtsausübung ist damit zu verneinen; aus der Schrankenfunktion des § 242 BGB kann eine Geltung der Vorschrift im Prozessrecht nicht abgeleitet werden. Endlich wird noch eine Korrekturfunktion des § 242 BGB anerkannt, über die bei veränderten Umständen die Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses im Sinne der Neubestimmung der den Parteien zustehenden Rechte und obliegenden Pflichten bewirkt werden kann.487 Wieder wird hiermit aber allein eine die materiellen Rechte verändernde Funktion des § 242 BGB benannt, eine prozessrechtliche Äbänderung ist mit der Korrekturfunktion nicht verbunden. Außerdem eignet sich die Korrekturfunktion wegen ihrer Beschränkung auf Fälle veränderter Umstände nicht zu einer Abänderung des Verhältnisses von Leistungs- und Feststellungsantrag. Wenn ein Unterlassungsanspruch gegen den Betriebsrat geltend gemacht wird, hat sich die Faktenlage gar nicht verschoben. Der Arbeitgeber legt dem Leistungsantrag nur eine andere rechtliche Bewertung des Geschehens als der Betriebsrat zu Grunde. Auch unter Berücksichtigung der § 242 BGB von der herrschenden Auffassung zuerkannten Funktionen kann daher nicht von einer Geltung der Vorschrift im Prozessrecht ausgegangen werden. Stattdessen kann als Zwischenergebnis festgehalten werden, dass die klassischen Auslegungskriterien des Wortlauts, der Historie, der Systematik und des Sinn und Zwecks nicht für eine prozessuale Geltung des § 242 BGB sprechen. Dessen Geltung könnte nur noch aus anderen, nicht unter diese Auslegungskriterien fallenden Gesichtspunkten begründet werden. cc) Weitere Argumente für die Geltung des § 242 BGB im Prozessrecht Über die soeben vorgenommen Auslegung des § 242 BGB hinaus, wird im Schrifttum versucht, die Geltung des § 242 BGB auch im Prozessrecht außerhalb des Korsetts der klassischen Auslegungskanones zu begründen. Diese Versuche gilt es noch zu bewerten. So wird zum einen angenommen, dass der Zweck des Zivilprozesses, eine gerechte Entscheidung herbeizuführen, für die Geltung des § 242 BGB 486

Statt aller Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 BGB Rn. 217. Erman/Böttcher/Hohloch, § 242 BGB Rn. 18; BeckOK-BGB/Sutschet, § 242 BGB Rn. 33. 487

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

im Prozessrecht spricht [dazu unter (1)]. Auch wird eine ansonsten ungerechte und gewissenlose Prozessführung befürchtet [dazu unter (2)]. Endlich argumentieren einzelne Stimmen in der Literatur mit der Einheit der Rechtsordnung [dazu unter (3)]. (1) Der Zweck des Zivilprozesses Baumgärtel begründet die Geltung des Grundsatzes von Treu und Glauben mit dem obersten Zweck des Zivilprozesses, welchen er in der Herbeiführung einer gerechten Entscheidung sieht.488 Mittel zu diesem Zweck sei die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben im Prozess.489 Der Annahme, dass es zur Herbeiführung einer gerechten Entscheidung in jedem Fall erforderlich sei, § 242 BGB im Prozessrecht anzuwenden, kann jedoch nicht beigepflichtet werden. Gerechtigkeit kann gerade auch über die spezifischen Vorschriften des Prozessrechts gewährleistet werden, so gilt z. B. § 138 Abs. 1 ZPO auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren. Dieser hat als Spezialvorschrift des Prozessrechts Vorrang in dem von ihm abgedeckten Bereich. Für die Frage nach einer Abänderung des Vorrangs des Leistungs- gegenüber dem Feststellungsantrag durch § 242 BGB gilt es zudem zu beachten, dass das von Baumgärtel identifizierte Ziel des Zivilprozesses, die Herbeiführung einer gerechten Entscheidung, grundsätzlich durch beide vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellten Antragsarten verwirklicht werden kann. Sowohl der Leistungs- als auch der Feststellungsantrag sind in der Lage bei ordnungsgemäßer richterlicher Anwendung der streitgegenständlichen Vorschriften zu einer im Einklang mit dem materiellen Recht stehenden, mithin gerechten, Entscheidung zu führen. Auf die Gerechtigkeit als Prozesszweck, die durch beide Antragsarten verwirklicht werden kann, kann eine abweichende Ausgestaltung des Verhältnisses des Leistungs- zum Feststellungsantrag damit nicht gestützt werden. (2) Die These von der ansonsten ungerechten und gewissenlosen Prozessführung Die Geltung des in § 242 BGB niedergelegten Grundsatzes von Treu und Glauben im Zivilprozess wird vereinzelt mit dem Hinweis begründet, dass es nicht Zweck einer staatlichen Einrichtung sein könne, der ungerecht oder gewissenslos geführten Sache zum Sieg zu verhelfen.490 Dieser generelle Einwand verkennt jedoch, dass selbst bei Annahme einer Nichtgeltung des § 242 BGB gerade im Zivilprozessrecht nicht automatisch eine rücksichtslose und gewissenlose Prozessführung anerkannt wird. Das Zivilprozessrecht enthält spezielle Regelungen die gegenüber einer rücksichtslosen Prozessführung Abhilfe schaffen können: So haben die Parteien im Zivilprozess z. B. nach § 138 Abs. 1 ZPO ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben. Das aus der Wahrheitspflicht 488 489 490

Zum Zweck des Zivilprozesses an sich noch näher unter 2. Kapitel B. IV. 2. Baumgärtel, ZZP 86, 353 (357). Rüben, S. 1.

B. Die Rechtswidrigkeitsfeststellung

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nach § 138 Abs. 1 ZPO nach allgemeiner Ansicht abzuleitende „Lügeverbot“ verbietet der Partei Vortrag wider besseren Wissens.491 Damit wird eine rücksichtslose Prozessführung in tatsächlicher Hinsicht genuin zivilprozessual über die spezielle Vorschrift des § 138 Abs. 1 ZPO verhindert. Eine Übertragung des von Rüben vorgebrachten Arguments auf das vorliegende Problem scheitert aber auch noch aus einem anderen Grund. Vorliegend geht es darum, ob eine Ausnahme vom Vorrang des Leistungs- gegenüber dem Feststellungsantrag mit Verweis auf § 242 BGB und gleichlaufend § 2 Abs. 1 BetrVG begründet werden kann. Wenn sich der Arbeitgeber gegen gesetzeswidriges Verhalten des Betriebsrats zur Wehr setzt und hierfür den grundsätzlich nach ArbGG und ZPO vorrangig zu stellenden Leistungsantrag wählt, dann verhält er sich gerade nicht – um in der Terminologie Rübens zu bleiben – ungerecht oder gewissenlos. Das Recht steht bei gesetzwidrigem Verhalten des Betriebsrats auf Seite des Arbeitgebers und gibt ihm im Beschlussverfahren vor dem Hintergrund des auch hier geltenden § 256 Abs. 1 ZPO mit dem Leistungsantrag ein Instrument zur Hand. Rübens Argumentation kann daher für eine Geltung des § 242 BGB weder generell überzeugen noch speziell das zu behandelnde Problem des Verhältnisses zwischen Leistungs- und Feststellungsantrag über die Heranziehung des § 242 BGB lösen. (3) Die Einheit der Rechtsordnung Siebert sieht den Grund für die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben in der Einheit der Rechtsordnung.492 Diese Arbeit kann die Diskussion um die Einheit der Rechtsordnung nicht in allen ihren Facetten und Einzelheiten aufbereiten,493 vielmehr müssen einige kurze Bemerkungen zur Einheit der Rechtsordnung als Prüfungsmaßstab genügen. Maßgeblich beeinflusst hat die Diskussion um den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung Karl Engischs Heidelberger Antrittsvorlesung aus dem Jahr 1935. Engisch ging davon aus, dass der genannte Grundsatz auf die Vermeidung sowie die Auflösung von Widersprüchen gerichtet sei.494 Im größeren methodologischen Zusammenhang rückte durch diese Vorlesung der Begriff des Systems in den Blickpunkt des wissenschaftlichen Interesses. Seitdem wird ernsthaft diskutiert, ob das Recht als System mit den beiden wesentlichen Elementen Einheit und Ordnung begriffen werden kann.495 Der Begriff des Systems ist schillernd und wird in der Literatur in verschiedenster Art und Weise mit Leben gefüllt.496 Der wohl bekannteste Systembegriff, der auch heute noch in der metho-

491

MüKo-ZPO/Wagner, § 138 ZPO Rn. 2. Siebert, S. 126. 493 Vgl. dazu Felix, S. 16 ff.; zur rechtsgeschichtlichen Entwicklung des Topos, vgl. Baldus, Einheit, S. 24 ff. 494 Engisch, S. 42, 68. 495 Honsell, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2008, S. 11 (11). 496 Aus neuerer Zeit Höpfner, S. 130 ff. 492

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

dischen Diskussion tonangebend ist,497 stammt von Philip Heck. Dieser unterscheidet (neben der hier nicht weiter interessierenden Methode) zwischen äußerem und innerem System.498 Während Ersteres als „die Ordnung der fertiggestellten Gedanken, die der Forscher im Darstellungsinteresse vornimmt“499 definiert wird, versteht Heck unter Letzterem diejenigen Übereinstimmungen und Verschiedenheiten, die die Forschungsergebnisse ohne Rücksicht auf die Darstellung aufweisen, also den sachlichen Zusammenhang zwischen den hervorgebrachten Gedanken.500 Hiermit im Zusammenhang steht bei Heck der Aufruf an den Richter bei der Entscheidung des Einzelfalls die Gesamtheit der Rechtsordnung zu berücksichtigen.501 Das Recht hat durch den Systemgedanken insgesamt eine Dimension erhalten, die die zersplitterten Einzeldisziplinen zusammenhält.502 Hier setzt auch die Einheit der Rechtsordnung an, die eine logische und teleologisch widerspruchsfreie Einfügung des erzielten Auslegungsergebnisses in die gleich- und höherrangigen Normen bezweckt.503 Wertungswidersprüche sind demnach als sachlich unbegründete Verschiedenbehandlung gleichartiger Sachverhalte und Verstoß gegen den elementaren Gerechtigkeitsgedanken der Gleichbehandlung des Gleichartigen zu begreifen.504 Engischs Ausführungen zur Einheit der Rechtsordnung werden auch heute noch als bahnbrechend eingeordnet, es ist die Rede von „Jahrhunderteinfall“505 oder einem „juristischen Dauerbrenner“.506 Ihr Ergebnis kann hier zu Grunde gelegt werden. Einheit der Rechtsordnung bedeutet Widerspruchsfreiheit. Widerspruchsfreiheit wird erzeugt durch eine Gleichbehandlung von Gleichem bei gleichzeitiger Ungleichbehandlung von Ungleichem. Gehalt des Grundsatzes der Einheit der Rechtsordnung ist damit eine Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art. 3. Abs. 1 GG.507 Oder mit den Worten Engischs: Gleiches soll gleich, Verschiedenes aber verschieden behandelt werden.508 Auf die Einheit der Rechtsordnung kann daher für die Geltung des § 242 BGB im Prozessrecht nur zurückgegriffen werden, wenn das Schuldverhältnis im Sinne des § 242 BGB mit dem zwischen den Prozessparteien bestehenden Verhältnis gleichgesetzt werden kann. Dies ist jedoch 497 s. nur die Darstellungen bei Wank, Auslegung, S. 57 ff.; Staudinger/Honsell, Eckpfeiler unter B. VIII. 3. Rn. 56; Larenz, Methodenlehre, S. 437 ff., 474 ff.; Lobinger, RdA 2011, 76 (76 Fn. 1) m.w.N. 498 Heck, S. 84, 143. 499 Heck, S. 142. 500 Heck, S. 143. 501 Heck, S. 107. 502 Vgl. Aden, JZ 1994, 1109 (1109). 503 So Zippelius, Methodenlehre, S. 43. 504 Renzikowski, GA 1992, 159 (170). 505 K. Schmidt, in: Vielfalt des Rechts – Einheit der Rechtsordnung?, S. 9. 506 Felix, S. 1. 507 Prütting, in: FS Stürner, Bd. I, S. 457 (460); i.E. ebenso Canaris, Systemdenken, S. 16; Renzikowski, GA 1992, 159 (170). 508 Engisch, S. 76.

B. Die Rechtswidrigkeitsfeststellung

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nicht der Fall. Es wurde bereits festgestellt, dass im Schuldverhältnis nach der Maßgabe des § 242 BGB die Parteien einem gemeinsamen Ziel verpflichtet sind und ihnen daher eine Pflicht zur redlichen Vertragserfüllung auferlegt wird. Die Parteien des Zivilprozesses stehen sich dagegen adversarisch gegenüber und verfolgen unterschiedliche Interessen. Von einer solchen Gegnerschaft ist auch für das Beschlussverfahren in den Angelegenheiten aus dem Betriebsverfassungsgesetz nach § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG auszugehen. Demnach besteht ein Unterschied zwischen materiellem Schuldverhältnis und Prozessrechtsverhältnis, der gegen eine Gleichbehandlung beider spricht. Auf die Einheit der Rechtsordnung kann daher für die Geltung des § 242 BGB im Prozessrecht ebenfalls nicht zurückgegriffen werden. dd) Zwischenergebnis zur Auslegung des § 242 BGB Die Auslegung des § 242 BGB hat ergeben, dass entgegen der heute herrschenden Meinung nicht von einer Geltung dieser Vorschrift im Prozessrecht ausgegangen werden kann. Demnach kann § 242 BGB auch nicht im Rahmen der systematischen Auslegung des § 2 Abs. 1 BetrVG herangezogen werden. Dessen Geltung im Prozessrecht, die Voraussetzung einer Abänderung des Verhältnisses zwischen Leistungs- und Feststellungsantrag wäre, konnte damit ebenfalls nicht festgestellt werden. Der Vorrang des Leistungs- gegenüber dem Feststellungsantrag bleibt daher trotz § 2 Abs. 1 BetrVG bestehen; die abweichende Rechtsprechung, die aus § 2 Abs. 1 BetrVG ein Argument für die erleichterte Zulassung des Feststellungsantrags ableitet, kann nicht überzeugen.

III. Zusammenfassung zur ausnahmsweisen Zulässigkeit des Feststellungs- neben dem Leistungsantrag Weder als Institution noch auf Grund von § 2 Abs. 1 BetrVG kann für den Betriebsrat von der Existenz einer Ausnahme vom Vorrang des Leistungs- gegenüber dem Feststellungsantrag ausgegangen werden. Insgesamt kann damit der Herangehensweise des BAG in seinem Beschluss vom 17. 3. 2010 nicht beigepflichtet werden, wenn es aus der dem Arbeitgeber eingeräumten Möglichkeit zur Stellung eines Feststellungsantrags der Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers per Leistungsantrag einen Riegel vorschiebt. Stattdessen muss genau entgegengesetzt davon ausgegangen werden, dass mangels Ausnahme für den Betriebsrat der Feststellungsantrag subsidiär gegenüber dem Leistungsantrag ist, sodass der mit dem Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers unterlegte allgemeine Leistungsantrag einen Feststellungsantrag grundsätzlich ausschließt. Ausgehend von diesem Verhältnis ist demnach von der Anwendbarkeit des per Leistungsantrag durchsetzbaren Unterlassungsanspruchs gerade vorrangig vor Feststellungsanträgen auszugehen.

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

IV. Wirkäquivalenz als das Verhältnis zwischen Leistungsund Feststellungsantrag überspielendes Argument ? Mit der Ablehnung der Herangehensweise des BAG kann diese Ausarbeitung sich nicht bescheiden: Geht man wie das BAG davon aus, dass Feststellungsentscheidung und per Leistungsantrag durchsetzbar Unterlassungsanspruch genau dieselbe Wirkung erzielen, käme es auf die zuvor erörterte Frage des Verhältnisses zwischen Feststellungsantrag und Leistungsantrag im Ergebnis nicht an. Gegen die Annahme des BAG im Beschluss vom 17. 3. 2010, dass dem Arbeitgeber wegen der Wirkäquivalenz zwischen Feststellungs- und per Leistungsantrag durchsetzbarem Unterlassungsanspruch keine Rechte verkürzt würden und er damit allein einen Feststellungsantrag stellen könne, könnte jedoch ein damit verbundener Verlust einstweiligen Rechtsschutzes über § 85 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit §§ 935, 940 ZPO auf Seiten des Arbeitgebers sprechen. Angesprochen ist hiermit die Frage nach der Existenz einer sogenannten einstweiligen Feststellungsverfügung. Die Ansichten in Rechtsprechung und Literatur zur Möglichkeit des Erlasses einer solchen einstweiligen Verfügung gehen stark auseinander. Ihnen soll nach einer kurzen Übersicht über die Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes nachgegangen werden und die angesprochene Streitfrage – ausgerichtet an den grundsätzlichen Funktionen einstweiligen Rechtsschutzes – beantwortet werden. Ergibt sich dabei, dass nur bei Annahme eines Leistungsantrags für den Arbeitgeber einstweiliger Rechtsschutz möglich bleibt, spricht diese Rechtsschutzverkürzung – vor allem im Hinblick auf die gleich näher zu behandelnde Garantie effektiven Rechtsschutzes – gegen die oben dargestellte Auffassung des BAG. Wirkäquivalenz bestünde dann gerade nicht. Stattdessen würde der Verweis auf den Feststellungsantrag zu einer Verkürzung des Rechtsschutzes auf Seiten des Arbeitgebers führen. 1. Die Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes Einfachrechtlicher normativer Ausgangspunkt für die Gewährleistung einstweiligen Rechtsschutzes auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren ist § 85 Abs. 2 ArbGG. Nach dieser Vorschrift ist der Erlass einer einstweiligen Verfügung entsprechend den Vorschriften des achten Buchs der ZPO über die einstweilige Verfügung grundsätzlich zulässig. Hiernach wird direkt zumindest auf die §§ 935 ff ZPO verwiesen. Die Vorschriften über die einstweilige Verfügung sind vor ihrem verfassungsrechtlichen Hintergrund zu lesen. Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips ist das alleinige Gewaltmonopol des Staates.509 Hiermit korrespondiert ein mit Ausnahme der Selbsthilfe umfassendes Gewaltverbot für Private, die ihre Konflikte vor staatlichen Gerichten entscheiden und deren Entscheidungen durch staatliche Or-

509

BVerfG v. 11. 6. 1980, 1 PBvU 1/79, BVerfGE 54, 277 (291).

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gane vollstrecken lassen müssen.510 Kehrseite des staatlichen Gewaltmonopols ist der Justizgewährleistungsanspruch.511 Dieser eröffnet dem Bürger über die Gewährleistung des nur gegenüber Akten der öffentlichen Gewalt wirkenden Art. 19 Abs. 4 GG hinaus in einem ersten Schritt den Weg zu den Gerichten auch in Privatrechtsstreitigkeiten. Außer der Verankerung im Rechtsstaatsprinzip512 leitet das BVerfG den allgemeinen Justizgewährleistungsanspruch auch unter Rückgriff auf den verfahrensrechtlichen Gehalt einzelner Grundrechte ab.513 Der dem Bürger gewährte Rechtsschutz darf hierbei nicht nur als bloße Formalie bestehen, sondern muss hinreichend effektiv gewährleistet werden.514 Über den bloßen Zugang zu den Gerichten hinaus muss daher zur Erfüllung des Effektivitätspostulats in einem zweiten Schritt vor allem zeitgerecht Rechtsschutz gewährt werden. Einstweiliger Rechtsschutz ist damit Bestandteil des Justizgewährleistungsanspruchs.515 Zur Durchsetzung dieser Komponente des Justizgewährleistungsanspruchs besteht – heute für das Zivilrecht unbestritten – gerade die Möglichkeit einstweiligen Rechtsschutzes nach §§ 916 ff ZPO. Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund müssen sich auch die Funktionen einstweiligen Rechtsschutzes ermitteln lassen. 2. Die Funktionen des einstweiligen Rechtsschutzes Im Ausgangspunkt der Überlegungen zu Funktionen des einstweiligen Rechtsschutzes steht der Befund, dass der Justizgewährleistungsanspruch zuerst den Zugang zu den Gerichten und erst in einem zweiten Schritt einen effektiven Rechtsschutz fordert. Das Ob der Rechtsschutzgewährleistung ist dem Wie logisch vorgelagert, ohne dass aber Zweiteres ineffektiv ausgestaltet werden dürfte. Mit dem Ob des Rechtsschutzes ist zuerst der Hauptsacherechtsschutz angesprochen. In einem zweiten Schritt wird der Kreis über das Erfordernis der Effektivität im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geschlossen. Einstweiliger Rechtsschutz im Ganzen nimmt damit eine „dienende Funktion“ gegenüber dem Hauptsacherechtsschutz ein,516 seine Funktion kann nicht über diejenige des Hauptsacherechtsschutzes 510

HK-ZV/Haertlein, Vorbemerkung zu §§ 916 – 945 ZPO Rn. 2; Schoch/Schneider/Bier/ Pietzner, Vorbemerkung § 167 VwGO Rn. 2 f. 511 Statt aller Sachs/Sachs, Art. 20 GG Rn. 162. 512 BVerfG v. 12. 2. 1992, 1 BvL 1/89, BVerfGE 85, 337 (342); v. 2. 3. 1993, 1 BvR 249/92, BVerfGE 88, 118 (123); v. 30. 4. 2003, 1 PBvU 1/02, BVerfGE 107, 395 (401); v. 26. 2. 2008, 1 BvR 2327/07, NJW 2008, 2167 (2167). 513 BVerfG v. 30. 1. 1985, 1 BvR 99/84, BVerfGE 69, 126 (140); v. 2. 3. 1993, 1 BvR 249/92, BVerfGE 88, 118 (123); v. 20. 6. 1995, 1 BvR 166/93, BVerfGE 93, 99 (107); v. 30. 4. 2003, 1 PBvU 1/02, BVerfGE 107, 395 (401); v. 15. 1. 2009, 2 BvR 2044/07, BVerfGE 122, 248 (271). 514 BVerfG v. 2. 3. 1993, 1 BvR 249/92, BVerfGE 88, 113 (123); v. 14. 5. 1996, 2 BvR 1516/ 93, BVerfGE 94, 166 (226); v. 21. 1. 2005, 2 BvR 656/99, 2 BvR 657/99, 2 BvR 683/99, BVerfGE 112, 185 (207). 515 MüKo-ZPO/Drescher, Vor §§ 916 ff. ZPO Rn. 4; Musielak/Voit/Huber, § 916 ZPO Rn. 1; Barton, NZA 1985, 721 (724); Walker, Rechtsschutz, S. 45 ff. 516 HK-ZV/Haertlein, Vorbemerkung zu §§ 916 – 945 ZPO Rn. 4.

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

hinausgehen.517 Damit ist es zur Ermittlung der Funktion einstweiligen Rechtsschutzes zwingend erforderlich zuerst die Funktion des Hauptsacherechtsschutzes festzustellen und hierauf aufbauend die genuine Funktion einstweiligen Rechtsschutzes herauszustellen. Zur Funktion des Hauptsacherechtsschutzes wird in der Literatur ein „buntes Bild“ gemalt.518 Primär wird die Funktion des Zivilprozesses in der Feststellung, Durchsetzung und Gestaltung subjektiver Rechte gesehen.519 Dies ist vor dem verfassungsrechtlichen Hintergrund der beim Staat monopolisierten Gewaltausübung auch nur konsequent; sonst wäre das subjektive Recht als Zentralbegriff des bürgerlichen Rechts und Inbegriff der freiheitlichen Grundordnung vom guten Willen des ihm Unterworfenen abhängig, mithin im Kern seiner Wirksamkeit beraubt. Die Durchsetzbarkeit ist integraler Bestandteil von Recht – ohne sie verliert Recht seine Eigenschaft als Recht, es ist dann nicht mehr als „staatliche Erbauungsprosa“.520 Der Zivilprozess an sich ist damit kein hehrer Selbstzweck, sondern dient der Verwirklichung des dem Einzelnen zustehenden materiellen Rechts.521 Neben dieser unbestrittenen Rechtsschutzfunktion wird dem Zivilprozess einhellig unter Verweis auf § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, § 132 Abs. 4 GVG auch die Funktion der Rechtsfortbildung und der Sicherung der Rechtseinheit beigemessen.522 Vorlagen zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung (in deren Anschluss dann die Einheit der Rechtsordnung gesichert wird) oder zur Rechtsfortbildung können jedoch nach § 132 Abs. 4 GVG nur bei grundsätzlicher Bedeutung der Sache veranlasst werden. Für beide Fallkonstellationen sind die Anforderungen tatbestandlich hoch angesetzt. Während eine Vorlage im erstgenannten Fall nur möglich ist, wenn eine Prognose ergibt, dass eine größere Zahl von Fällen von verschiedenen Senaten entschieden werden wird, muss im zweiten Fall eine Entscheidung von prägender Bedeutung für das Rechtsleben zu treffen sein.523 Ein Tätigwerden der Rechtsprechung mit rechtsfortbildender oder die Einheit der Rechtsprechung sichernder Zielsetzung stellt damit nicht den Normal-, sondern einen Ausnahmefall dar, der für einen generellen, den gesamten Zivilprozess beherrschenden Prozesszweck nur bedingt aussagekräftig ist. Auch gilt es für diese Fälle zu bedenken, dass der Rechtsstreit, der

517

Walker, Rechtsschutz, S. 53; Leipold, Grundlagen, S. 83. Formulierung nach Eike Schmidt, S. 9. 519 MüKo-ZPO/Rauscher, Einl. ZPO Rn. 8; Zöller/Vollkommner, Einl. ZPO Rn. 39; PG/ Prütting, Einl. ZPO Rn. 3; Musielak/Voit/Musielak, Einl. ZPO Rn. 5; Noske, S. 41; Jacobs, Gegenstand, S. 184. 520 Formulierung nach Ahrens, Wettbewerbsverfahrensrecht, S. 235. 521 BGH v. 8. 10. 1953, III ZR 310/51, BGHZ 10, 350 (357); v. 8. 7. 1955, I ZR 201/53, BGHZ 18, 98 (106), Hervorhebung seitens des Verfassers. 522 Musielak/Voit/Musielak, Einl. ZPO Rn. 5; MüKo-ZPO/Rauscher, Einl. ZPO Rn. 10; kritisch Pawlowski, ZZP 80 (1967), 345 (349 Fn. 18). 523 MüKo-ZPO/Zimmermann, § 132 GVG Rn. 23. 518

B. Die Rechtswidrigkeitsfeststellung

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zur Vorlage nach § 132 Abs. 4 GVG führt, immer durch das Begehren einer Partei nach individuellem Rechtsschutz angestoßen worden sein muss.524 Über die genannten Zwecke der Verwirklichung des dem Einzelnen zustehenden materiellen Rechts, der Rechtsfortbildung sowie der Sicherung der Rechtseinheit ist sich das zivilprozessuale Schrifttum uneins über mögliche weitere Funktionen bzw. Zwecke des Zivilprozesses: So wird von einer Ansicht vertreten, dass der Rechtsschutz im Zivilprozess der Wahrung der objektiven Rechtsordnung an sich diene.525 Die Bewahrung objektiven Rechts wird dabei sowohl singulär526 als auch als bloße Auswirkung des Schutzes subjektiver Rechte gesehen.527 Andere wiederum sehen die Wahrung des Rechtsfriedens als weiteren Zweck des Zivilprozesses an,528 wobei zum Teil in der Literatur zu bedenken gegeben wird, dass dieser Zweck gegenüber der Durchsetzung des materiellen Rechts nicht überbetont werden dürfe.529 Gegen eigenständige Funktionen der Bewahrung objektiven Rechts bzw. des Rechtsfriedens an sich spricht die Grundsatzentscheidung der Verfassung für einen individuellen, an Grundrechten der Bürger ausgerichteten Rechtsschutz. Die Grundrechte waren im Schaffensprozess des Grundgesetzes von zentraler Bedeutung. So forderten die drei westlichen Siegermächte im ersten der Frankfurter Dokumente ausdrücklich die Aufnahme individueller Freiheitsrechte und Garantien.530 Ihre herausragende Bedeutung wird systematisch bereits durch die Aufführung im ersten Abschnitt des Grundgesetzes unterstrichen. Hiermit einher geht die Festlegung auf den Schutz individueller Rechte im Prozess.531 Rechtsfrieden und Bewahrung objektiven Rechts können bei diesem individualistischen Schutzkonzept der Verfassung nur Nebenfolge bzw. Reflex des individuellen Rechtsschutzes, nicht aber eigenständiger, vom Individualrechtsschutz losgelöster, Prozesszweck sein.532 Einfachrechtlich zeigt sich diese verfassungsrechtliche Präformierung für den Individualschutz auch noch im Dispositionsgrundsatz, nach dem nur die Parteien bestimmen, was dem Gericht zur Klärung vorliegt.533 Ein eigenständiger Prozesszweck der Bewahrung des objektiven 524

Zutreffend Noske, S. 44. Zöller/Vollkommner, Einl. ZPO Rn. 39; PG/Prütting, Einl. ZPO Rn. 3; Bülow, ZZP 27 (1900), 201, (221); M. Wolf, Verfahrensrecht, S. 12. 526 Bülow, ZZP 27 (1900), 201, (221). 527 Leipold, Grundlagen, S. 83; Eike Schmidt, S. 9 Fn. 5; M. Wolf, Verfahrensrecht, S. 12. 528 MüKo-ZPO/Rauscher, Einl. ZPO Rn. 9; Zöller/Vollkommner, Einl. ZPO Rn. 39; Schönke, S. 11 ff.; H. F. Gaul, AcP 168 (1968), 27 (47); Prütting, in: FS Stürner, Bd. I, S. 455 (464). 529 B/L/A/H, Einl. ZPO III Rn. 9. 530 Frankfurter Dokumente, Dokument 1, abgedruckt in JöR 1 (1951), 1 (2 f.). 531 Stürner, in: FS Baumgärtel, S. 545 (546); Diemert, S. 307, 355; i.E. ebenso Noske, S. 41 ff. 532 Musielak/Voit/Musielak, Einl. ZPO Rn. 5; Stürner, in: FS Baumgärtel, S. 545 (546); Vogg, Einstweiliger Rechtsschutz, S. 48, Hervorhebung seitens des Verfassers. 533 Vgl. HaKo-ArbGG/Pfitzer/Ahmad § 46 ArbGG Rn. 29 m.w.N. auch zur Geltung des Dispositionsgrundsatzes im arbeitsgerichtlichen Verfahren. 525

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

Rechts kann demnach nicht anerkannt werden; das objektive Recht wird lediglich als Nebenfolge bzw. Reflex im Zuge des Individualrechtsschutzes gewahrt. Darüber hinaus wird zum Teil in der Literatur mit Verweis auf § 278 ZPO die Konfliktlösung als Prozesszweck eingeordnet,534 wobei dieser generellen Annahme wegen der Vorschriften über den Streitentscheid durch Urteil nach §§ 300 – 329 ZPO, mit dem gerade nicht zwangsläufig eine Konfliktlösung zur beiderseitigen Zufriedenheit einhergeht, nicht zugestimmt werden kann.535 Außerdem wird unter dem Einfluss der ökonomischen Analyse des Rechts auch die Effizienz als eigenständiger Prozesszweck diskutiert.536 Ein eigenständiger Prozesszweck der Effizienz steht aber im Gegensatz zur grundsätzlichen Rechtsschutzfunktion des Zivilprozesses, die unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Determinanten in Form der individualschützenden Grundrechte nicht vom Einsatz einer optimalen Ressourcenallokation abhängig ist; vielmehr steht der Wirkungsgrad der Rechtspflege für die Realisierung des materiellen Rechts des Einzelnen im Vordergrund.537 Ein überhöhtes Effizienzpostulat höhlt dagegen die freiheitssichernde Wirkung des Prozesses aus, die ökonomische Analyse findet hier ihre Grenze.538 Die Berücksichtigung von Effizienzgesichtspunkten obliegt im gewaltengeteilten Staat dem Gesetzgeber.539 Der Ruf nach Effizienz bleibt damit im deutschen Recht eine rechtspolitische Forderung.540 Mit dem geltenden Verfassungsrecht, welches die Grundrechte in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt, lässt sich damit kein eigenständiger und vom Individualrechtsschutz losgelöster Prozesszweck der Effizienz vereinbaren. Festzuhalten bleibt damit, dass der Schutz subjektiver Rechte klar im Vordergrund des Hauptsacherechtsschutzes steht. An dieser Funktion muss sich auch der dem Hauptsacherechtsschutz dienende einstweilige Rechtsschutz orientieren. Hiermit geht aber gerade nicht eine Funktionsidentität von Hauptsache und einstweiligem Rechtsschutz einher, da ansonsten das Eilverfahren gegenüber der Entscheidung in der Hauptsache nutzlos wäre.541 Zu den Funktionen des einstweiligen Rechtsschutzes, die sich jeweils an der Hauptsache auszurichten haben, findet sich in der Literatur – ebenso wie zu denen des Rechtsschutzes an sich – ein Wildwuchs unterschiedlichster Formulierungen.542 Durchdringt man dieses Dickicht, so wird erkennbar, dass einhellig eine Siche-

534

M. Wolf, Verfahrensrecht, S. 16. Gilles, in: GS Wolf, S. 377 (387). 536 Eidenmüller, S. 397 ff. 537 Bruns, ZZP 124 (2011), 29 (29). 538 So in der Tendenz bereits Gottwald, in: FS Fasching, S. 181 (194). 539 Eidenmüller, S. 399. 540 Eidenmüller, S. 403, 450; kritisch zu dieser rechtspolitischen Tendenz Stürner, in: Liber Amicorum Wolfram Henckel, S. 359 (372 ff.). 541 Schoch, Vorläufiger Rechtsschutz, S. 191. 542 s. zur begrifflichen Vielfalt nur Morbach, S. 8. 535

B. Die Rechtswidrigkeitsfeststellung

123

rungsfunktion des einstweiligen Rechtsschutzes anerkannt wird.543 Diese lässt sich für den Arrest auch ohne Probleme aus dem Wortlaut des § 916 Abs. 1 ZPO ableiten; der Arrest findet demnach ausdrücklich zur Sicherung der Zwangsvollstreckung statt. Für die einstweilige Verfügung ordnet § 936 ZPO zwar die entsprechende Anwendung der Vorschriften des Arrests an, jedoch nur soweit nicht die nachfolgenden Paragraphen abweichende Vorschriften enthalten. §§ 935, 940 ZPO werden als solche abweichende Vorschriften zu § 916 Abs. 1 ZPO betrachtet,544 sodass auch die ausdrückliche Erwähnung der Sicherungsfunktion nicht über die Verweisung des § 936 ZPO für die einstweilige Verfügung gilt. Nichtsdestotrotz bilden Arrest und einstweilige Verfügung, wie sich auch aus der Verweisung in § 936 ZPO ergibt, einen einheitlichen, abschließenden Regelungskomplex des einstweiligen Rechtsschutzes in der ZPO, der allein nach Art des abzusichernden Anspruches, dem unterschiedlichen Inhalt der Sicherungsmaßnahmen und deren Vollziehung differenziert.545 Im einheitlichen Sicherungsverfahren nach der ZPO kann daher auch ohne ausdrückliche, § 916 Abs. 1 ZPO vergleichbare, Anordnung für die einstweilige Verfügung nach §§ 935 ff ZPO von einer Sicherungsfunktion ausgegangen werden. Über diesen grundsätzlichen Konsens hinaus besteht jedoch Streit um die Frage, worauf sich die Sicherungsfunktion genau bezieht. Hierbei lassen sich zwei Ansichten unterscheiden. Während die erste Auffassung die Sicherung auf den prozessualen status quo bezieht,546 geht die zweite Auffassung davon aus, dass das Recht des Einzelnen als materielle Position gesichert werden soll.547 Für das Recht des Einzelnen als Bezugspunkt der Sicherungsfunktion spricht der Zusammenhang zwischen einstweiligem und Hauptsacherechtsschutz. Unter der Prämisse, dass der Schutz subjektiver Rechte die Funktion des Hauptsacherechtsschutzes ist und der einstweilige Rechtsschutz auf diesen bezogen ist, muss sich auch die Funktion einstweiligen Rechtsschutzes an der des Hauptsacherechtsschutzes ausrichten. Da in der Hauptsache nicht eine prozessuale Rechtsschutzstellung, sondern das subjektive Recht verwirklicht werden soll, greift dies auch auf den einstweiligen Rechtsschutz durch. Bei Zustimmung zur zweiten Auffassung kommt es auch nicht zu einer den einstweiligen Rechtsschutz obsolet machenden Funktionsidentität mit der Hauptsache. Stattdessen steht als spezifische Gefahr für das subjektive Recht des Einzelnen die drohende Entwertung durch Zeitablauf im Vordergrund; mit §§ 916, 935 ff ZPO sollen die dem subjektiven Recht drohenden „Zeitgefahren“ überbrückt werden.548 Mit der zweiten Auffassung ist daher davon auszugehen, dass die Sicherungsfunktion

543

Statt aller Musielak/Voit/Huber, § 916 ZPO Rn. 1. Vgl. Musielak/Voit/Huber, § 936 ZPO Rn. 2; Saenger/Kemper, § 936 ZPO Rn. 1. 545 Statt aller MüKo-ZPO/Drescher, § 936 ZPO Rn. 1. 546 Heinze, NZA 1984, 305 (306); ders., RdA 1986, 273 (274); Barton, NZA 1985, 721 (724); Bengelsdorf, BB 1991, 613 (616); i.E. auch K.H. Schwab, in: FS Baur, S. 627 (641). 547 Musielak/Voit/Huber, § 916 ZPO Rn. 1; Henckel, AcP 174 (1974), 97 (106); HK-ZV/ Haertlein, Vorbemerkungen zu §§ 916 – 945 ZPO Rn. 4. 548 Formulierung nach Münch, in: Liber Amicorum Wolfram Henckel, S. 231 (239). 544

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

des einstweiligen Rechtsschutzes auf das subjektive Recht des Einzelnen bezogen ist und dieses vor einer Entwertung durch Zeitablauf bewahren soll. Walker benennt neben der Sicherung des materiellen Rechts vor Zeitablauf noch eine zweite Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes: Dieser erlaube in Einzelfällen auch die Überraschung des Schuldners, um diesem die Entziehung von Vermögen vor der Vollstreckung nach Zustellung der Klageschrift im Hauptsacheverfahren unmöglich zu machen.549 Die zweite Komponente betrifft einzig Fälle vom Schuldner ausgehender Vereitelungsgefahr für ein ihm zugeordnetes Vermögen.550 Der Betriebsrat kann aber wegen des Umlageverbots nach § 41 BetrVG kein entziehbares Vermögen akkumulieren. Mangels eigenen Vermögens kann von ihm auch keine Vereitelungsgefahr ausgehen, die von Walker benannte Entziehung ist per se ausgeschlossen. Der zweite ausgewiesene Zweck einstweiligen Rechtsschutzes kann beim Betriebsrat daher nicht erreicht werden. Nur der Gesichtspunkt durch Zeitablauf für das subjektive Recht des Einzelnen eintretender Nachteile ist im Beschlussverfahren für den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Betriebsrat relevant. 3. Die einstweilige Feststellungsverfügung Arrest und einstweilige Verfügung als Erscheinungsformen einstweiligen Rechtsschutzes sichern die Entscheidungsfähigkeit der Hauptsache.551 Spezifischer Schutzgegenstand der Sicherungsfunktion ist das subjektive Recht des Einzelnen, welches nicht durch vollendete Tatsachen, die nach der Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten, entwertet werden darf.552 Ob es angesichts dieser Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes eine einstweilige Feststellungsverfügung geben kann, wird in Literatur und Rechtsprechung uneinheitlich betrachtet. Die Diskussion wird dadurch erschwert, dass der Feststellungsverfügung kaum einmal dogmatisch vertieft nachgegangen wird, sodass der Befund, diese friste ein „kümmerliches Dasein“,553 nicht weiter überraschen kann. Erst in neuerer Zeit wurden das Mysterium der Feststellungsverfügung und die Rechtsfragen um deren Zulässigkeit monographisch aufgearbeitet.554 Gleichwohl besteht über das Institut immer noch grundsätzlicher Klärungsbedarf, sodass zuerst Vertreter einer bejahenden und dann Vertreter einer verneinenden Auffassung gegenübergestellt und vor diesem Panoroma schließlich eine eigene Ansicht mit be549 Schuschke/Walker/Walker, Vor §§ 916 – 945 ZPO Rn. 3; ders., ZfA 2005, 45 (48); zustimmend MüKo-ZPO/Drescher, Vorbemerkung zu den §§ 916 ff. ZPO Rn. 2, Hervorhebung seitens des Verfassers. 550 Vgl. Schuschke/Walker/Walker, Vor §§ 916 – 945 ZPO Rn. 3. 551 MüKo-ZPO/Drescher, Vorbemerkung zu den §§ 916 ff. ZPO Rn. 7; Heinze, in: FS Zeuner, S. 369 (372); Grunsky, JuS 1976, 278 (278). 552 Musielak/Voit/Huber, § 916 ZPO Rn. 1. 553 Schwonberg, S. 287. 554 Starek, S. 21 ff.

B. Die Rechtswidrigkeitsfeststellung

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sonderer Rücksicht auf die Konkurrenzsituation zum Unterlassungsanspruch entwickelt werden soll. a) Bejahende Auffassung Zum Teil wird in Rechtsprechung und Literatur im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auch der Ausspruch einer einstweiligen Feststellungsverfügung für möglich erachtet. Hierfür wird zum einen auf die Zulässigkeit der Feststellungsklage im Hauptsacherechtsschutz verwiesen, entsprechend ergebe sich auch die Zulässigkeit der Feststellung im einstweiligen Rechtsschutz.555 Andere wiederum halten die einstweilige Feststellungsverfügung regelmäßig für unzulässig, jedoch soll sie als quasi letzter Ausweg dann zu gewähren sein, wenn eine effektive Rechtsgewährleistung auf keinem anderen Weg möglich sei und nur über die einstweilige Feststellungsverfügung dem Gebot effektiven Rechtsschutzes genügt werden könne.556 Eine andere Ansicht vertritt, dass eine einstweilige Feststellungsverfügung für die Fälle in Betracht komme, in denen der Antragssteller zuvor deutlich gemacht habe, dass er sich der Entscheidung des Gerichts bereits auf eine einfache Feststellung hin beugen werde.557 Neben der drohenden Rechtslosigkeit des Antragsstellers wird auch auf die Prozesswirtschaftlichkeit der Feststellungsverfügung für den Fall, dass der Antragssteller deren Befolgung erwarten lasse, verwiesen.558 Als weiterer Gesichtspunkt wird in der Literatur an die von Trzaskalik für die Feststellungsklage entwickelte Lehrmeinung angeknüpft, nach der der Rechtsschutzgrund hinter der Feststellungsklage in der Ungewissheit der Parteien über die Rechtslage bestehe.559 Man versperre sich den Weg zur sachgerechten Behandlung der Feststellungsklage über eine Normsituation, wenn man an sie die gleichen Anforderungen wie an eine Leistungs- oder Gestaltungsklage stelle.560 Hieraus wird vor allem von Kohler geschlossen, dass der Gesichtspunkt der Verhaltenssteuerung für die Zulässigkeit der Feststellungsverfügung in den Vordergrund treten müsse; diese könne wegen ihres autoritativen Charakters verbindliche Maßstäbe über die Rechtmäßigkeit von Verhaltensweisen bis zur Entscheidung in der Hauptsache aufstellen.561 Neben dieser

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Jauernig, ZZP 79 (1966), 321 (325); Semler, BB 1979, 1533 (1535); Vogg, NJW 1993, 1357 (1365). 556 BAG v. 28. 5. 2014, 7 ABR 36/12, NZA 2014, 1213 (1215); LAG Berlin v. 31. 8. 2000, 10 Sa 1728/00, NZA 2001, 53 (55); LAG Baden-Württemberg v. 6. 3. 2006, 13 TaBV 4/06, AiB 2007, 294 (296); LAG Nürnberg v. 30. 3. 2006, 6 TaBV 19/06, AR-Blattei ES 530.6 Nr 90; ArbG Iserlohn v. 18. 7. 2013, 2 BVGa 2/13, BeckRS 2014, 65681; HK-ArbR/Henssen, § 85 ArbGG Rn. 19; B. Otto/Schmidt, NZA 2014, 169 (172 f.); Morbach, S. 106 f. 557 Vogg, NJW 1993, 1357 (1365). 558 Jauernig, ZZP 79 (1966), 321 (325). 559 Vgl. Trzaskalik, S. 175 ff. 560 Vgl. Trzaskalik, S. 184. 561 Kohler, ZZP 103 (1990). 184 (185); Schwonberg, S. 287.

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

informativen wird auch eine defensive Dimension der einstweiligen Feststellungsverfügung durch Abschreckung des Gegners diskutiert.562 Insgesamt kann selbst im die einstweilige Feststellungsverfügung bejahenden Schrifttum aber eine Tendenz zu deren nur äußerst vorsichtigem Einsatz verzeichnet werden; ihr Erlass wird „nur in ganz engen Grenzen“563 bzw. noch restriktiver bei Bestehen eines „existenziellen Notfalls“ für möglich gehalten.564 Das BAG hatte sich bis ins Jahr 2014 nicht ausdrücklich für die Möglichkeit des Erlasses einer Feststellungsverfügung ausgesprochen, jedoch einmal in einem Verfahren um die Freistellung eines Betriebsratsmitglieds den Hinweis gegeben, dass eine Klärung unterschiedlicher Standpunkte über die Erforderlichkeit der Schulung notfalls über ein einstweiliges Verfügungsverfahren nach § 85 Abs. 2 ArbGG hätte herbeigeführt werden können.565 In diesem Spezialfall der Klärung der Erforderlichkeit geht auch die herrschende Lehre im betriebsverfassungsrechtlichen Schrifttum von der Zulässigkeit des Erlasses einer Feststellungsverfügung aus.566 Noch darüber hinaus geht das BAG jetzt sogar davon aus, dass ein Arbeitgeber zur Regelung eines Sachverhalts eine Feststellungsverfügung erwirken könne, wenn Verstöße des Betriebsrats gegen seine betriebsverfassungsrechtlichen Verpflichtungen in Rede stünden.567 b) Verneinende Auffassung Eine starke Auffassung in Rechtsprechung und Literatur lehnt eine einstweilige Feststellungsverfügung ausnahmslos ab.568 Hierfür werden regelmäßig folgende Argumente vorgebracht: So wird zum einen darauf verwiesen, dass die einstweilige Feststellungsverfügung mangels Vollstreckbarkeit zur Sicherung der Zwangsvollstreckung nicht in der Lage sei.569 Auch diene sie nicht der vorläufigen Durchsetzung 562

Kohler, ZZP 103 (1990), 184 (185). Grunsky, JuS 1976, 278 (285). 564 MüKo-ZPO/Drescher, § 938 ZPO Rn. 44. 565 BAG v. 21. 5. 1974, 1 AZR 279/73, AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 13 unter 4. 566 Richardi/Thüsing, § 37 BetrVG Rn. 215; HWGNRH/Glock, § 37 BetrVG Rn. 185; i.E. auch HaKo-BetrVG/Wolmerath, § 37 BetrVG Rn. 59. 567 BAG v. 28. 5. 2014, 7 ABR 36/12, NZA 2014, 1213 (1215). 568 LAG München v. 1. 12. 2004, 5 Sa 913/04, NZA-RR 2005, 354 (357); ArbG Mannheim v. 29. 7. 2008, 8 BVGa 2/08, juris Rz. 16; LAG Hamm v. 6. 9. 2013, 7 TaBVGa 7/13, NZA-RR 2013, 637 (638); Münch. Hdb. ArbR/Jacobs, § 346 Rn. 30; GMP/Matthes/Spinner, § 85 ArbGG Rn. 29; SW/Walker, § 85 ArbGG Rn. 53; ders., ZfA 2005, 45 (46); Brox/Walker, ZVR, S. 759; B/L/A/H, § 940 ZPO Rn. 15; Leipold, Grundlagen, S. 150; Schäfer, S. 32; Jacobs, Gegenstand, S. 504 ff.; Dütz, BB 1980, 533 (534); Gerhardt, ZZP 109 (1996), 534 (542); Berger, ZZP 110 (1997), 287 (292 ff.); Rieble/Triskatis, NZA 2006, 233 (236); J.H. Bauer, ArbR Aktuell 2010, 428 (428); ders./Willemsen, NZA 2010, 1089 (1094); ders./v. Medem, Anm. AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 181 unter II. 1.; Husemann, Anm. AP BetrVG 1972 § 74 Nr. 12 unter 4. a); Richert/B. Weller, AuA 2013, 571 (572); Belling, JZ 2014, 905 (908). 569 LAG München v. 1. 12. 2004, 5 Sa 913/04, NZA-RR 2005, 354 (356); Schwonberg, S. 287. 563

B. Die Rechtswidrigkeitsfeststellung

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eines Anspruchs und sei endlich nicht zur verbindlichen Klärung der Rechtslage geeignet.570 Andere verneinen für feststellende Verfügungen bereits die Zulässigkeit mangels Rechtsschutzbedürfnisses.571 Insgesamt sei die einstweilige Feststellungsverfügung aufgrunddessen mit dem Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes inkompatibel.572 Der einstweilige Rechtsschutz diene nicht zur Erstellung von vorläufigen Rechtsgutachten durch die Gerichte.573 c) Stellungnahme Eine einstweilige Feststellungsverfügung könnte auf Basis der für das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren maßgeblichen § 85 ArbGG in Verbindung mit §§ 935, 940 ZPO nur erlassen werden, wenn sie den mit dem einstweiligen Rechtsschutz verfolgten Funktionen dient. Aus den oben nachgewiesenen zwei Funktionen (Sicherungs- und Überraschungsfunktion) kann mangels vom Betriebsrat ausgehender Vereitelungsgefahr nur die Sicherungsfunktion zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer einstweiligen Feststellungsverfügung herangezogen werden. Zutreffenderweise kann die einstweilige Feststellungsverfügung die Entscheidung in der Hauptsache nicht effektiv offenhalten, mithin das subjektive Recht des Einzelnen nicht wirksam vor Zeitablauf sichern. Auch mit den für die einstweilige Feststellungsverfügung in Literatur und Rechtsprechung zum Teil vorgebrachten Argumenten der Zulässigkeit der Feststellungsklage, des Gebots effektiven Rechtsschutzes, der Prozesswirtschaftlichkeit, der Verhaltenssteuerung oder der Abschreckung lässt sich die Zulässigkeit einer einstweiligen Feststellungsverfügung nicht überzeugend begründen. Wenn in der Literatur für die Zulässigkeit einer einstweiligen Feststellungsverfügung auf die Zulässigkeit der Feststellungsklage im Hauptsacheverfahren verwiesen wird, so wird übersehen, dass die Zulässigkeit der Feststellungsklage für die Hauptsache vom Gesetzgeber ausdrücklich in § 256 ZPO angeordnet und mit einer besonderen Zulässigkeitsvoraussetzung in Form des Feststellungsinteresses versehen wurde. Hieraus lässt sich ableiten, dass die ZPO im Grundsatz von der Durchsetzung aller Ansprüche mittels Leistungsklage ausgeht; es existiert ein Vorrang der Leistungsklage.574 Gestaltungsklagen dagegen sind nur bei ausdrück-

570 LAG Düsseldorf v. 6. 9. 1995, 12 TaBV 69/95, NZA-RR 1996, 12 (13); LAG RheinlandPfalz v. 18. 11. 1996, 9 Sa 725/96, BB 1997, 1643 (1643); Schäfer, S. 32; Walker, ZfA 2005, 45 (46). 571 Ostrowicz/Künzl/Scholz/Scholz Rn. 847; GMP/Matthes/Spinner, § 85 ArbGG Rn. 29; HaKo-ArbGG/Roos, § 85 ArbGG Rn. 39. 572 Jacobs, Gegenstand, S. 502 ff.; Berger, ZZP 110 (1997), 287 (293). 573 SW/Walker, § 85 ArbGG Rn. 53; ders., RdA 2000, 59 (59). 574 s. o. 2. Kapitel B. I. 3.

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

licher gesetzlicher Anordnung statthaft575 und Feststellungsklagen können endlich nur in den engeren Grenzen des § 256 Abs. 1 ZPO zulässig sein.576 In den §§ 916 – 945 ZPO fehlt dagegen eine dem § 256 ZPO speziell nachgebildete Vorschrift. Es könnte zwar überlegt werden § 938 ZPO als für den Inhalt einstweiliger Verfügungen maßgebliche Vorschrift heranzuziehen: § 938 ZPO ist mit dem Merkmal des „freien“ Ermessens so weit, dass hierunter prima facie auch der Erlass einer nur feststellenden einstweiligen Verfügung subsumiert werden könnte. „Freies Ermessen“ meint aber nach der Gesetzgebungsgeschichte nicht eine völlig von den gesetzlichen Determinanten losgelöste Entscheidung des Gerichts, sondern eröffnet dem entscheidenden Gericht – entgegen dem Wortlaut – einzig einen Beurteilungsspielraum bei Erlass der möglichen Maßnahmen.577 Dies ergibt sich aus der Gesetzgebungsgeschichte zur CPO: Der Begründung zum Preussischen Justizministerialentwurf von 1871 lässt sich zur maßgeblichen Vorschrift des § 734 des Entwurfs entnehmen, dass auf Grund der Mannigfaltigkeit möglicher Gefahren eine Bestimmung der Mittel im Voraus nicht möglich ist. Demnach können die möglichen Maßnahmen „bis zu den äußersten Grenzen der Zwangsvollstreckung gehen“.578 Daher stellte der Gesetzgeber den Zusammenhang zur Durchsetzbarkeit mit Mitteln des Zwangsvollstreckungsrechts her. Allein feststellende Entscheidungen sind aber gerade nicht vollstreckungsrechtlich durchsetzbar. Damit kann § 938 ZPO nicht als eine § 256 Abs. 1 ZPO entsprechende Vorschrift zur Zulässigkeit einer einstweiligen Feststellungsverfügung verstanden werden. Auch §§ 935, 940 ZPO können nicht für den Erlass einer einstweiligen Feststellungsverfügung herangezogen werden.579 Zwar könnte unter die einstweilige Verfügung in Bezug auf den Streitgegenstand wegen der offenen Formulierung in § 935 ZPO auch eine Feststellungsverfügung gefasst werden. Jedoch spricht hiergegen in systematischer Hinsicht die für § 935 ZPO unstrittige Geltung von § 938 ZPO zur Bestimmung des Inhalts möglicher Verfügungen. Demnach gilt für § 935 ZPO nichts anderes als das soeben für § 938 ZPO isoliert Festgestellte. § 938 ZPO könnte auch bei Auslegung des § 940 ZPO zu beachten sein. Für die Annahme eines Zusammenhangs zwischen § 938 ZPO und § 940 ZPO spricht der beide Vorschriften prägende Grundsatz der Erforderlichkeit.580 Demnach gilt auch im Rahmen des § 940 ZPO nichts anderes als bei § 935 ZPO, beide Vorschriften können auf Grund ihres Zusammenhangs mit § 938 ZPO nicht Grundlage einer einstweiligen Feststellungsverfügung sein.

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Saenger/Saenger, Vor §§ 253 – 494a ZPO Rn. 7. MüKo-ZPO/Becker-Eberhard, § Vor §§ 253 ff. ZPO Rn. 22. 577 MüKo-ZPO/Drescher, § 938 ZPO Rn. 4; Schilken, S. 55. 578 Begr. zum 2. Entwurf einer Deutschen Civilprozessordnung, zitiert nach Dahlmanns, Bd. 2, S. 496 f. 579 So aber BAG v. 28. 5. 2014, 7 ABR 36/12, NZA 2014, 1213 (1215). 580 Für diesen Zusammenhang ebenfalls Schunder, NJW-Spezial 2005, 30 (30). 576

B. Die Rechtswidrigkeitsfeststellung

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Des Weiteren würde mit einer Übernahme der Trias möglicher Klagearten aus der Hauptsache in das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes das Hauptsache- mit dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren gleichgestellt. Beide sind jedoch gerade keine identischen Verfahren. So wurde bereits gezeigt, dass beide Verfahren unterschiedliche Funktionen wahrnehmen: Während die Hauptsache der Durchsetzung subjektiver Rechte dient, ist dem einstweiligen Rechtsschutz keine Durchsetzung, sondern allein eine Sicherung subjektiver Rechte vor den Gefahren durch Zeitablauf eigen. Einstweiliger Rechtsschutz ist in diesem Sinne (nur) der Hauptsache dienender Rechtsschutz. Kann daher keine Identität der Verfahren festgestellt werden, so kann auch nicht einfach aus einer denkbaren Feststellungsklage in der Hauptsache eine entsprechende feststellende Verfügung im einstweiligen Rechtsschutz abgeleitet werden. Demnach ist die Existenz der einstweiligen Feststellungsverfügung anderweitig nachzuweisen. Keine der in der Literatur vorgebrachten Begründungen trägt jedoch den Erlass einer einstweiligen Feststellungsverfügung. Das Gebot effektiven Rechtsschutzes wurde von der Rechtsprechung des BVerfG zuerst für Art. 19 Abs. 4 GG artikuliert.581 Mittlerweile erstreckt es sich jedoch vom verfassungsrechtlichen Ausgangspunkt des Rechtsstaatsprinzips aus auch auf den zivilgerichtlichen Rechtsschutz.582 Es besteht der oben bereits dargestellte, unauflösbare Zusammenhang zum Justizgewährleistungsanspruch, der sich auch deutlich in der Rechtsprechung des BVerfG zeigt: Wirkungsvoller (oder effektiver) Rechtsschutz ist genauso wie der allgemeine Justizgewährleistungsanspruch Teil der Rechtsstaatlichkeit.583 Rechtsstaatlichkeit und effektiver Rechtsschutz gelten aber nicht nur für den Antragssteller, sondern gleichermaßen auch für den Antragsgegner der möglicherweise zu erlassenden Verfügung. Beide sind damit in gleichem Maße schutzwürdig.584 Der Erlass einer einstweiligen Verfügung unter Verweis auf die Notwendigkeit effektiven Rechtsschutzes allein für den Antragssteller der einstweiligen Verfügung negiert die Anforderungen, die der Grundsatz effektiven 581

BVerfG v. 19. 6. 1973, 1 BvL 39/69, 1 BvL 14/72, BVerfGE 35, 263 (274); v. 18. 7. 1973, 1 BvR 23/73, 1 BvR 155/73, BVerfGE 35, 382 (401); v. 29. 10. 1975, 2 BvR 630/73, BVerfGE 40, 272 (275); v. 16. 12. 1975, 2 BvR 854/75, BVerfGE 41, 23 (26); v. 11. 10. 1978, 2 BvR 1055/ 76, BVerfGE 49, 329 (341); v. 12. 7. 1983, 1 BvR 1470/82, BVerfGE 65, 76 (90); v. 17. 3. 1988, 2 BvR 233/84, BVerfGE 78, 88 (99). 582 BVerfG v. 11. 2. 1987, 1 BvR 475/85, BVerfGE 74, 228 (234); v. 30. 5. 1990, 1 BvL 2/83, BVerfGE 82, 126 (155); v. 2. 3. 1993, 1 BvR 249/92, BVerfGE 88, 118 (123); v. 11. 10. 1994, 1 BvR 1398/93, BVerfGE 91, 176 (181); v. 14. 5. 1996, 2 BvR 1516/93, BVerfGE 94, 166 (226); v. 25. 1. 2005, 2 BvR 656/99, 2 BvR 657/99, 2 BvR 683/99, BVerfGE 112, 185 (207); v. 8. 11. 2006, 2 BvR 578/02, 2 BvR 796/02, BVerfGE 117, 71 (121 f.). 583 Exemplarisch BVerfG v. 8. 11. 2006, 2 BvR 578/02, 2 BvR 796/02, BVerfGE 117, 71 (121 f.). 584 Vgl. Walker, Rechtsschutz, S. 71; ders., ZfA 2005, 45 (48); ähnlich für die Erstattung von vorprozessualen Kosten Häsemeyer, AcP 188 (1988), 140 (141) der Kläger- und Beklagteninteresse an der Feststellung eines umstrittenen subjektiven Rechts als „vollauf gleichwertig“ einordnet.

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

Rechtsschutzes für den Antragsgegner in gleicher Weise aufstellt. Der hier für ausschlaggebend erachtete Gesichtspunkt der prozessualen Gleichbehandlung von Antragssteller und Antragsgegner findet ebenfalls Widerhall im sogenannten Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit. Das BVerfG hat diesen Grundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip hergeleitet und daraus auf eine gleichmäßige Verteilung des Risikos am Prozessausgang585 bei gleichwertiger prozessualer Stellung der Parteien geschlossen.586 Der Grundsatz der Waffengleichheit bezieht sich damit genauso wie der Grundsatz effektiven Rechtsschutzes auf die Situation bereits eröffneten Rechtsschutzes vor dem Richter. Der genaue Gewährleistungsgehalt ist umstritten, vor allem ist fraglich, ob über die formelle auch eine materielle Dimension der Waffengleichheit anzuerkennen ist und ob diese den Richter verpflichtet für beide Parteien tatsächliche Gleichheit herzustellen.587 Der Kontroverse muss hier nicht weiter nachgegangen werden. Es geht bei dem Erlass einer einstweiligen Feststellungsverfügung allein unter Verweis auf den Grundsatz effektiven Rechtsschutzes um einen Fall einer angenommenen rechtlichen Unwucht. In Anbetracht der möglichen vielfältigen Anwendungsfelder und Fallgruppen wird der genannte Grundsatz dann in der Literatur skeptisch nicht als „Zauberformel“, aber zumindest als zur Anreicherung des Argumentationshaushaltes führend angesehen.588 Zu nichts anderem soll er auch hier gebraucht werden; er bestätigt nur noch einmal das für den Grundsatz effektiven Rechtsschutzes gefundene Ergebnis prozessualer Gleichbehandlung beider Parteien und sichert das Ergebnis noch über das Rechtsstaatsprinzip hinausgehend mit Verweis auf Art. 3 Abs. 1 GG ab. Dieser verpflichtet den Richter im Verfahren um den Erlass einer einstweiligen Feststellungsverfügung damit zur Gleichbehandlung von Antragssteller und Antragsgegner, die aber bei Erlass einer einzig den Antragssteller schützenden Feststellungsverfügung nicht gewährleistet wäre. Schließlich spricht gegen die Herleitung einer einstweiligen Feststellungsverfügung lediglich unter Verweis auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes, dass sich aus dem rein formellen Grundrecht des Art. 19 Abs. 4 GG bzw. im Privatrecht dessen ebenfalls formellen Äquivalent des allgemeinen Justizgewährleistungsanspruchs gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG keine Aussage zu ganz bestimmten Mitteln des einstweiligen Rechtsschutzes – wie etwa einer hier in Rede stehenden einstweiligen Feststellungsverfügung – entnehmen lassen. Die gewählte Art des Rechtsschutzes ist vielmehr Sache des Gesetzgebers.589 Der Rückgriff auf die Prozesswirtschaftlichkeit zur Begründung einer einstweiligen Feststellungsverfügung wegen einer für den Antragsgegner begründeten An585

BVerfG v. 25. 7. 1979, 2 BvR 878/74, BVerfGE 52, 131 (144). BVerfG v. 24. 4. 1985, 2 BvR 1248/82, BVerfGE 69, 248 (254); v. 12. 12. 2006, 1 BvR 2576/04, BVerfGE 117, 163 (185). 587 Vollkommner, in: FS K.H. Schwab, S. 503 (518 f.) m.w.N. zum Streit. 588 Vollkommner, in: FS K.H. Schwab, S. 503 (517). 589 Vogg, Einstweiliger Rechtsschutz, S. 53, 56. 586

B. Die Rechtswidrigkeitsfeststellung

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nahme der Befolgung auf eine nur feststellende Verfügung konnte für den Betriebsrat bereits für das Hauptsacheverfahren weder als Ausnahme für bestimmte Institutionen noch mit Rücksicht auf § 2 Abs. 1 BetrVG durchgreifen.590 Bei dem auf das Hauptsacheverfahren ausgerichteten einstweiligen Rechtsschutz besteht kein Grund zu einer abweichenden Bewertung. Gegen die Begründung einer sogenannten informativen Feststellungsverfügung unter Rekurs auf die von Trzaskalik für die Feststellungsklage entwickelte Lehre zur Ausrichtung des eigenen Verhaltens am Feststellungsausspruch spricht, dass der den Streit beurteilende Richter so einzig zur Erstellung eines Rechtsgutachtens tätig würde. Es gehört aber nicht zu den Aufgaben der Gerichte, eine die Verfahrensbeteiligten interessierende Rechtslage gutacherlich zu klären.591 Gerichte können nur zur Vermeidung privater Selbsthilfe bei gleichzeitiger Justizgewährleistung angerufen werden. Der Einwand Kohlers, das Gericht werde bei der einstweiligen Feststellungsverfügung nicht rechtsberatend tätig, es handele sich hierbei um „judikative Erkenntnis des Inhalts konkreter personaler oder sachlicher Rechtsbeziehungen“,592 ist dagegen nicht überzeugend. Die von ihm angenommene „judikative Erkenntnis“ ist gerade nichts anderes als die Beurteilung der geltenden Rechtslage. Dass diese sich auf konkrete personale oder sachliche Rechtsbeziehungen bezieht, ist selbstverständlich und beschreibt mit der Konkretheit nur den zu Grunde liegenden Fall als Anlass des Streits. Das Rechtsgutachten wird so nur begrifflich anders bezeichnet, ohne dass sich aber an dem materiellen Inhalt der angestrebten gerichtlichen Begutachtung etwas ändern würde. Auch die von Trzaskalik für die Feststellungsklage vorgebrachte Behauptung, dass für deren Zulassung weniger strenge Anforderungen als für die Leistungs- und Gestaltungsklage zu gelten hätten, überzeugt nicht und kann für den dem Hauptsacherechtsschutz dienenden einstweiligen Rechtsschutz nicht herangezogen werden. § 256 ZPO stellt vielmehr für die Hauptsache mit dem Feststellungsinteresse eine besonders qualifizierte Form des Rechtsschutzbedürfnisses auf. Diametral entgegengesetzt zu den Thesen Trzaskaliks auf Basis des § 256 ZPO gelten damit sogar strengere Anforderungen, die sich aus der Nichtvollstreckbarkeit des Feststellungsausspruchs ergeben. Trzaskaliks Auffassung kann daher bereits für den Hauptsacherechtsschutz nicht überzeugen. Dies erkennt auch Kohler, der die informative Feststellungsverfügung für Fälle der Konkurrenz zu Unterlassungsansprüchen nicht anwenden will.593 Die Feststellungsklage bzw. einstweilige Feststellungsverfügung über die Normsituation würden bei ihrer Zulassung zudem zu einer nicht gerechtfertigten 590

Zu Ausnahmen für Institutionen 2. Kapitel B. II. 1.; zu Ausnahmen auf Grund von § 2 Abs. 1 BetrVG 2. Kapitel B. II. 2. 591 BAG v. 20. 1. 2015, 1 ABR 1/14, NZA 2015, 765 (767); v. 9. 11. 2010, 1 ABR 76/09, juris Rz. 18; v. 15. 4. 2008, 1 ABR 14/07, NZA 2008, 1020 (1021). 592 Kohler, ZZP 103 (1990), 184 (195). 593 Kohler, ZZP 103 (1990), 184 (198); i.E. ebenso Schwonberg, S. 287.

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

Risikoverlagerung führen: Der Kläger im Hauptsacherechtsschutz bzw. der Antragssteller im einstweiligen Rechtsschutz bemüht das Gericht nur, um sich Gewissheit über die Rechtslage zu verschaffen; er will Risikominimierung betreiben. Es ist aber gerade nicht Aufgabe des einstweiligen Rechtsschutzes Risiken aufzufangen, die auf der Unsicherheit über die materielle Rechtslage beruhen.594 Der einstweilige Rechtsschutz soll nach dem oben Gesagten die Parteien und ihre subjektiven Rechte vor dem Eintritt irreparabler Tatsachen in Folge zu langen Zeitablaufs bis zur Hauptsacheentscheidung schützen. Eine Risikominimierung durch richterliche Rechtsauskunft ist hiermit nicht kompatibel. Stattdessen gilt, dass die Parteien jeweils auf eigenes Risiko einem Irrtum über die materielle Rechtslage erliegen. Zivilprozessual eingekleidet kann bei § 940 ZPO davon ausgegangen werden, dass eine Regelung, die sich nur in der Feststellung einer von Gesetzes wegen so oder so bestehenden Rechtslage erschöpft, nicht nötig ist.595 Diese Einschätzung zur grundsätzlichen Nicht-Berücksichtigung von Rechtsirrtümern wird auch durch die zutreffende Rechtsprechung zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 ZPO bestätigt: So sind Rechtsirrtümer von Anwälten, die zur Versäumung einzuhaltender Fristen führen, bis auf den seltenen Fall des unvermeidlichen Rechtsirrtums unbeachtlich, führen mithin nicht zur Wiedereinsetzung nach § 233 ZPO.596 Nicht anwaltlich vertretene Parteien können sich aber auch nicht einfach mit Verweis auf Rechtsunkenntnis entschuldigen,597es muss auch für diese der Fall eines unvermeidbaren Rechtsirrtums auftreten. Die Feststellung – ob mittels Klage oder einstweiliger Verfügung – zur Aufstellung von Verhaltensmaßstäben für die Zukunft negiert die auch in § 233 ZPO zum Ausdruck kommende Wertentscheidung für ein Handeln auf eigenes Risiko. Entgegen Trzaskalik ergibt sich auch kein anderes Ergebnis aus dem Grundsatz der Normenklarheit.598 Der Grundsatz gehört als Teil der Bestimmtheit zu den Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips aus Art. 20 Abs. 3 GG.599 Dieses verpflichtet in seiner Ausprägung als Bestimmtheitsgrundsatz den Gesetzgeber bei Schaffung von Normen, diese so zu formulieren, dass die Normadressaten im Wesentlichen erkennen können, mit welchen Rechtswirkungen zu rechnen ist, um dann

594

Berger, ZZP 110 (1997), 287 (292). Dütz, BB 1980, 533 (534). 596 BGH v. 2. 4. 2009, IX ZA 6/09, NJW 2009, 2310 (2311); Musielak/Voit/Grandel, § 233 ZPO Rn. 44; MüKo-ZPO/Gehrlein, § 233 ZPO Rn. 56. 597 MüKo-ZPO/Gehrlein, § 233 ZPO Rn. 33. 598 Trzaskalik, S. 185. 599 BVerfG v. 26. 9. 1978, 1 BvR 525/77, BVerfGE 49, 168 (181); v. 8. 1. 1981, 2 BvL 3/77 u. 2 BvL 9/77, BVerfGE 56, 1 (12); v. 24. 11. 1981, 2 BvL 4/80, BVerfGE 59, 103 (114); v. 9. 8. 1995, 1 BvR 2263/94 u. 1 BvR 229/95 sowie 1 BvR 534/95, BVerfGE 93, 213 (238); Sachs/ Sachs, Art. 20 GG Rn. 129; Jarass/Pieroth/Jarass, Art. 20 GG Rn. 57; Maunz/Dürig/Grzeszick, Art. 20 GG Rn. 58. 595

B. Die Rechtswidrigkeitsfeststellung

133

das eigene Verhalten auf die Rechtsnormen einstellen zu können.600 Jedoch kommt dem Bestimmtheitsgebot kein abstrakt zu bestimmender Sinn zu, vielmehr variieren die an den Gesetzgeber gestellten Anforderungen je nach Regelungsgegenstand und Eigenart der geregelten Materie.601 Die Anforderungen erhöhen sich, wenn die Unsicherheit bei der Beurteilung der Gesetzeslage die Betätigung von Grundrechten erschwert.602 Danach kann nur von einem von Fall zu Fall verschiedenen Gehalt des Bestimmtheitsgebots ausgegangen werden; im Ergebnis stellt das Bestimmtheitsgebot nur Mindest- und gerade keine Maximalanforderungen auf.603 Der generelle Ansatz Trzaskaliks, der mit Verweis auf die „Normklarheit“ die norminterpretierende Feststellungsklage zulassen will, verträgt sich nicht mit dem variierenden Gehalt des Bestimmtheitsgebots. Vielmehr wird maximale Bestimmtheit für den Feststellungskläger gefordert, die aber verfassungsrechtlich über Art. 20 Abs. 3 GG gar nicht verbürgt wird. Zudem trägt auch der in der Literatur vorgebrachte Gesichtspunkt der Abschreckung nicht den Erlass einer nur feststellenden Verfügung. Ganz grundsätzlich kann bereits bezweifelt werden, ob Gerichte überhaupt zur Abschreckung befugt sind.604 Selbst bei Annahme einer solchen Befugnis sind aber jegliche Aussagen zur abschreckenden Wirkung von Feststellungsverfügungen rein spekulativer Natur. Die Feststellungsverfügung ist nicht zwangsweise durchsetzbar, sodass gar nicht garantiert werden kann, dass der Antragsgegner die erlassene Verfügung respektieren wird. Das Gericht müsste die Verfügung nur auf den Eindruck der Gutwilligkeit des Antragsgegners hin erlassen, die sich nach Erlass jederzeit ändern könnte. Im Ergebnis stünde die Beachtung der Verfügung im Belieben des Antragsgegners.605 Hiermit kann keine effektive Sicherung der subjektiven Rechte vor Zeitablauf einhergehen; die Feststellungsverfügung ist damit mit dem Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes nicht vereinbar.

600 BVerfG v. 7. 7. 1971, 1 BvR 775/66, BVerfGE 31, 255 (264); v. 23. 4. 1974, 1 BvR 6/74, 1 BvR 2270/73, 1 BvR 6/74, 1 BvR 2270/73, BVerfGE 37, 132 (142); v. 20. 10. 1981, 1 BvR 640/ 80, BVerfGE 58, 257 (278); v. 18. 5. 1988, 2 BvR 579/84, BVerfGE 78, 205 (212); v. 27. 11. 1990, 1 BvR 402/87, BVerfGE 83, 130 (145); v. 24. 4. 1991, 1 BvR 1341/90, BVerfGE 84, 133 (149); v. 17. 11. 1992, 1 BvL 8/87, BVerfGE 87, 234 (263). 601 BVerfG v. 26. 9. 1978, 1 BvR 525/77, BVerfGE 49, 168 (181); v. 8. 1. 1981, 2 BvL 3/77, 2 BvL 9/77, BVerfGE 56, 1 (13); v. 18. 5. 1988, 2 BvR 579/84, BVerfGE 78, 205 (212); v. 17. 11. 1992, 1 BvL 8/87, BVerfGE 87, 234 (263); v. 22. 11. 2000, 1 BvR 2307/94, 1 BvR 1120/95, 1 BvR 1408/95, 1 BvR 2460/95, 1 BvR 2471/95, BVerfGE 102, 254 (337); v. 12. 12. 2000, 1 BvR 1762/95, 1 BvR 1787/95, BVerfGE 102, 347 (361). 602 BVerfG v. 9. 4. 2003, 2 BvL 9/98, 2 BvL 10/98, 2 BvL 11/98, 2 BvL 12/98, BVerfGE 108, 32 (75); v. 3. 3. 2004, 1 BvF 3/92, BVerfGE 110, 33 (53 f.). 603 Maunz/Dürig/Grzeszick, Art. 20 GG Rn. 61. 604 Berger, ZZP 110 (1997), 287 (297). 605 Brox/Walker, ZVR, S. 759.

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

V. Zusammenfassung zur Wirkäquivalenz als das Verhältnis zwischen Leistungs- und Feststellungsantrag überspielendes Argument Es kann den Funktionen des einstweiligen Rechtsschutzes nach per se keine einstweilige Feststellungsverfügung geben. Die Herangehensweise des BAG in den Beschlüssen vom 17. 3. 2010 und vom 28. 5. 2014 führt damit auf Seiten des Arbeitgebers zum Verlust des einstweiligen Rechtsschutzes; es tritt eine nicht gerechtfertigte Rechtsschutzverkürzung ein. Bei diesem Befund kann es aber unter der gewählten verfassungsrechtlichen Prämisse, dass effektiver Rechtsschutz in Form des einstweiligen Rechtsschutzes über den Justizgewährleistungsanspruch zwingend gewährleistet werden muss, nicht bleiben. Stattdessen muss der einstweilige Rechtsschutz dann in Form der einstweiligen Unterlassungsverfügung gewährleistet werden. Diese muss – wegen der nur dienenden Natur des Zivilprozessrechts gegenüber dem materiellen Recht – mit einem materiell-rechtlichen Unterlassungsanspruch unterlegt sein. Daher kann der Auffassung des BAG, die das Bestehen von betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsansprüchen des Arbeitgebers mit Verweis auf die Möglichkeit eines Feststellungsantrags nach § 85 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 256 Abs. 1 ZPO ablehnt, auch nicht aus Gründen der Wirkäquivalenz gefolgt werden. Vielmehr muss ausgehend vom herausgearbeiteten Vorrang des Leistungs- gegenüber dem Feststellungsantrag konstatiert werden, dass ein Antrag auf Feststellung gemäß §§ 80 Abs. 2, 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 256 Abs. 1 ZPO nachrangig gegenüber einem mit einem Leistungsantrag verfolgbaren Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat ist.

C. Die Konkurrenz zur betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung Ebenso wie für das bereits dargestellte Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG und für den Feststellungsantrag nach §§ 80 Abs. 2, 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 256 Abs. 1 ZPO kommt ein Konkurrenzverhältnis des betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs gegenüber einer sogenannten betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung in Betracht. Bei der betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung handelt es sich nicht um einen feststehenden terminus technicus. Pate für die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung steht die individualrechtliche Abmahnung vor Ausspruch einer Kündigung.606 In Abgrenzung zur individualrechtlichen Abmahnung kann unter betriebsverfassungsrechtlicher Abmahnung die Rüge eines Verstoßes gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten bei gleichzeitiger Ankündigung der Einleitung eines Ausschluss- bzw. Auflösungsverfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG verstanden werden.607 Potentiell betroffen von dieser Rüge 606 607

Vgl. Koch, Abmahnung, S. 110 ff. Kania, DB 1996, 374 (374).

C. Die Konkurrenz zur betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung

135

betriebsverfassungswidrigen Verhaltens sind sowohl der Betriebsrat als auch die ihm angehörigen Mitglieder.608 Der Zusammenhang zwischen betriebsverfassungsrechtlicher Abmahnung und Unterlassungsrechtsschutz wird auch in der Literatur gesehen, wenn beiden eine gesetzlich nicht oder nicht vollständige Regelung bei identischer Zielsetzung attestiert wird.609 Die Konkurrenz zwischen den beiden Instituten wird aber nicht aufgelöst. Dies ist Ziel der nun folgenden Betrachtungen.

I. Die Existenz der betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung als Voraussetzung der Konkurrenz zum betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch Um eine Konkurrenz zwischen betriebsverfassungsrechtlicher Abmahnung und betriebsverfassungsrechtlichem Unterlassungsanspruch überhaupt erörtern zu können, muss zuerst die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung überhaupt als Handlungsmöglichkeit für den Arbeitgeber anerkannt werden können. Ob eine solche betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung jedoch existieren kann, ist lebhaft umstritten. So verneint die wohl immer noch herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur schlichtweg deren Existenz.610 Gegen deren Zulässigkeit wird angeführt, dass der Arbeitgeber mit dem Ausspruch einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung die Amtsführung des Betriebsrats beeinflussen könnte. Dadurch veranlasst könnte die Wahrnehmung der Interessen des Betriebsrats bzw. der Arbeitnehmer durch die abgemahnten Betriebsratsmitglieder weniger entschieden und kompromisslos ausfallen. Der Fall weise damit Parallelen zur Störung bzw. Behinderung der Betriebsratstätigkeit nach § 78 Satz 1 BetrVG auf.611 Daneben wird vorgebracht, § 23 Abs. 1 BetrVG stelle die einzige Option des Arbeitgebers bei betriebsverfassungswidrigem Vorgehen des Betriebsrats dar.612 Es stelle eine nicht gerechtfertigte Erweiterung der Rechte des Arbeitgebers dar, wenn man diesem gestatte unterhalb der Schwelle des § 23 Abs. 1 BetrVG Pflichtverstöße abzumah-

608

Freckmann/Koller-van Delden, BB 2006, 490 (494). Koch, Abmahnung, S. 126. 610 LAG Düsseldorf v. 23. 2. 1993, 8 TaBV 245/92, LAGE § 23 BetrVG 1972 Nr. 31, S. 1 (4 ff.); LAG Niedersachsen v. 25. 10. 2004, 5 TaBV 96/03, NZA-RR 2005, 530 (532); LAG Hessen v. 9. 7. 2009, 9/10 Ta 25/09, juris Rz. 19; LAG Bremen v. 2. 7. 2013, 1 TaBV 35/12, juris Rz. 73 f.; ArbG Bielefeld v. 6. 12. 1995, 4 BV 49/95, NZA-RR 1996, 445 (446); Richardi/ Thüsing, § 23 BetrVG Rn. 11; FESTL, § 23 BetrVG Rn. 17a; HWGNRH/Worzalla, § 87 BetrVG Rn. 154; Schlochauer, DB 1977, 250 (259); Fischer, NZA 1996, 633 (633); M. Schulze/ Häfner, AiB 2007, 275 (277); für das Personalvertretungsrecht ablehnend OVG Berlin-Brandenburg v. 18. 5. 2010, NZA-RR 2011, 54 (55). 611 LAG Düsseldorf v. 23. 2. 1993, 8 TaBV 245/92, LAGE § 23 BetrVG 1972 Nr. 31, S. 1 (5); M. Schulze/Häfner, AiB 2007, 275 (277). 612 Schlochauer, DB 1977, 250 (259); LAG Bremen v. 2. 7. 2013, 1 TaBV 35/12, juris Rz. 73. 609

136

2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

nen.613 Es genüge für eine Amtsenthebung gerade eben nicht die subjektive Sicht des Arbeitgebers; erforderlich sei vielmehr eine besonders schwerwiegende Pflichtverletzung, die unter Berücksichtigung aller Umstände eine weitere Amtsführung unzulässig machen müsse. Diese Anforderungen seien nicht vereinbar mit der Warnfunktion einer Abmahnung.614 Zudem müsse eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung mangels vertraglichen Anspruchs des Arbeitgebers gegen die Betriebsratsmitglieder auf Wahrnehmung der betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben ausscheiden.615 Schließlich führe die Anerkennung einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung praktisch zu einer weiteren Überbelastung der Arbeitsgerichte.616 Eine Auffassung, die insbesondere im Schrifttum zunehmend an Relevanz gewinnt, geht jedoch davon aus, dass dem Arbeitgeber zur Rüge eines Verstoßes des Betriebsrats oder seiner Mitglieder gegen betriebsverfassungsrechtliche Normen die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung zur Verfügung steht.617 Für das Institut der betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung spreche, dass dieses als Korrektiv dem abgemahnten Betriebsratsmitglied die Gelegenheit gebe, sein Verhalten zu ändern und sich wieder als produktiver Teil in die Betriebsratsgemeinschaft einzubringen. Der betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung komme insofern eine Warn- und Rügefunktion zu.618 Endlich drohe durch die Anerkennung der betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung auch nicht die befürchtete Prozessflut, da alle Abmahnberechtigten aus § 23 Abs. 1 BetrVG sich hüten würden, vom Institut vorschnell Gebrauch zu machen: die Gewerkschaft aus Sorge um ihren Mitgliederbestand, der Arbeitgeber aus Sorge um den Betriebsfrieden und die von ihm zu tragenden Gerichtskosten.619 Gegen die Annahme, dass der Arbeitgeber mit Ausspruch der betriebsverfassungrechtlichen Abmahnung einen parallel zu § 78 BetrVG zu handhabenden Fall schafft, spricht, dass § 78 BetrVG ein Verbot der Störung oder Behinderung einzig für Fälle ordnungs- und pflichtgemäßer, d. h. rechtmäßiger Betriebsratsarbeit auf613

(6). 614

LAG Düsseldorf v. 23. 2. 1993, 8 TaBV 245/92, LAGE § 23 BetrVG 1972 Nr. 31, S. 1

FESTL, § 23 BetrVG Rn. 17a. HWGNRH/Worzalla, § 87 BetrVG Rn. 154 unter Verweis auf BAG v. 5. 12. 1975, 1 AZR 94/74, AP BetrVG 1972 § 87 Betriebsbuße Nr. 1. 616 Fischer, NZA 1996, 633 (633). 617 ArbG Berlin v. 10. 1. 2007, 76 BV 16593/06, juris Rz. 34; GK-BetrVG/Oetker, § 23 BetrVG Rn. 39; DKKW/Trittin, § 23 BetrVG Rn. 149, 151; HaKo-BetrVG/Düwell, § 23 BetrVG Rn. 15; HWK/Reichold, § 23 BetrVG Rn. 9; Meisel, SAE 1977, 91 (93); Kania, DB 1996, 374 (375 ff.); ders., NZA 1996, 970 (970); Schleusener, NZA 2001, 640 (641 ff.); Freckmann/Koller-van Delden, BB 2006, 490 (494 f.); Bieszk/Maaß, AuA 2007, 469 (470); Niklas, DB 2013, 1665 (1669); Koch, Abmahnung, S. 137 ff.; Klapper, S. 165 ff.; i.E. ebenso Brötzmann, AuA 2001, 112 (113); wohl auch Sowka/Krichel, DB Beilage Nr. 11/89, S. 2 (6), jedoch unter dem abweichenden Terminus „Ermahnung“; vgl zudem noch BAG v. 26. 1. 1994, 7 AZR 640/92, juris Rz. 20. 618 Bieszk/Maaß, AuA 2007, 469 (470). 619 Kania, NZA 1996, 970 (970). 615

C. Die Konkurrenz zur betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung

137

stellt.620 Das Gesetz statuiert damit in § 78 BetrVG kein Verbot, rechtswidrige Verhaltensweisen des Betriebsrats und seiner Mitglieder nicht diesem bzw. diesen gegenüber anzuzeigen und verpflichtet den Arbeitgeber nicht, die gegen die Betriebsverfassung verstoßenden Verhaltensweisen hinzunehmen. Die Norm würde in ihr Gegenteil verkehrt, würde man in ihr ein generelles Verbot der Einwirkung auf den Betriebsrat auch für denkbare Fälle der betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung sehen. Im Übrigen geht auch für die individualvertragliche Abmahnung niemand wegen der Gefahr unberechtigter Abmahnungen oder möglicher Einwirkungen auf den Arbeitnehmer durch eine unberechtigte Abmahnung davon aus, dass dies die Abmahnung an sich auch für Fälle, in denen sie rechtmäßig ausgesprochen werden könnte, unzulässig macht.621 Dies gilt es auch für die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung zu beachten. Dass § 23 Abs. 1 BetrVG nicht die einzige Option des Arbeitgebers zur Reaktion auf betriebsverfassungswidriges Verhalten des Betriebsrats ist, wurde bereits oben ausführlich dargelegt.622 Auch die Annahme einer nicht gerechtfertigten Erweiterung der Rechte des Arbeitgebers kann vor dem oben gezeigten beschränkten Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 BetrVG nicht überzeugen. § 23 Abs. 1 BetrVG entfaltet gerade keine Sperrwirkung gegenüber sonstigen Handlungsoptionen des Arbeitgebers in der Betriebsverfassung. Ebenfalls nicht überzeugen kann das Argument, dass sich die erhöhten Anforderungen des § 23 Abs. 1 BetrVG in Form der objektiv besonders schwerwiegenden Pflichtverletzung nicht mit der Warnfunktion einer Abmahnung zusammenführen ließen.623 Betrachtet man zum Vergleich die individualrechtliche Abmahnung als Vorstufe einer Kündigung, so reicht es für die dort zu erfüllende Warnfunktion aus, wenn der Arbeitgeber mit seiner Erklärung deutlich zum Ausdruck bringt, dass für den Fall weiterer Vertragspflichtverletzungen der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet sind.624 Es kommt nach der Rechtsprechung für die Erfüllung der Warnfunktion auf die sachliche Berechtigung der Abmahnung und darauf an, ob der Arbeitnehmer aus ihr den Hinweis entnehmen kann, der Arbeitgeber erwäge für den Wiederholungsfall die Kündigung.625 Mithin existiert auch bei der individualrechtlichen Abmahnung ein objektives Element in Form der sachlichen Berechtigung der Abmahnung. Auch überzeugt es nicht, das Erfordernis der „groben Verletzung der gesetzlichen Pflichten“ aus § 23 Abs. 1 BetrVG als inkompatibel mit der Warnfunktion einer Abmahnung einzustufen. So konnte bereits oben festgestellt 620 Vgl. Richardi/Thüsing, § 78 BetrVG Rn. 14; ErfK/Kania, § 78 BetrVG Rn. 6; WPK/ Preis, § 78 BetrVG Rn. 6; GK-BetrVG/Kreutz, § 78 BetrVG Rn. 26. 621 Schleusener, NZA 2001, 640 (641). 622 s. o. 2. Kapitel A. I. – VI. 623 So FESTL, § 23 BetrVG Rn. 17a. 624 BAG v. 17. 2. 1994, 2 AZR 616/93, AP BGB § 626 Nr. 116 unter II. 1.; APS/Dörner/ Vossen, § 1 KSchG Rn. 348; ErfK/Müller-Glöge, § 626 BGB Rn. 29a; NK-ArbR/Holthausen, § 1 KSchG Rn. 313. 625 BAG v. 19. 2. 2009, 2 AZR 603/07, NZA 2009, 894 (895).

138

2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

werden, dass § 23 Abs. 1 BetrVG mit seinem Erfordernis einer groben Verletzung der gesetzlichen Pflichten keine Sperrwirkung gegenüber anderen Handlungsoptionen des Arbeitgebers entfaltet. Gegen die Annahme, dass eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung wegen der groben Pflichtverletzung im Grundsatz ausscheidet, spricht im Übrigen auch ein Vergleich mit der individualrechtlichen Abmahnung. Bei dieser wird ebenfalls eine Lösung für die Fälle schwerwiegender Pflichtverletzungen gefunden, ohne dass deshalb ganz grundsätzlich die Möglichkeit einer Abmahnung ausscheiden würde. Während die Abmahnung im Allgemeinen als Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erforderlich ist,626 ist sie ausnahmsweise entbehrlich, wenn wegen der Schwere der Vertragspflichtverletzung selbst die erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar ist.627 Demnach zeigt der Vergleich mit der individualrechtlichen Abmahnung, dass gerade die Schwere des Verstoßes nicht zur Aberkennung der Möglichkeit zur Abmahnung an sich führt. Zudem kann auch die Annahme nicht überzeugen, dass eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung mangels arbeitsvertraglichen Anspruchs des Arbeitgebers gegen die Betriebsratsmitglieder auf Wahrnehmung ihrer amtlichen Aufgaben ausscheiden müsse. Die in Bezug genommene Entscheidung des BAG vom 5. 12. 1975 verneint einen solchen vertraglichen Anspruch nicht, sondern enthält nur die Aussage, die Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher sei der Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten nicht gleichzusetzen und deren Abmahnung sei dann auch nicht mitbestimmungsfrei.628 Im Kern ging es ungeachtet der Benennung der §§ 2, 74, 75 BetrVG auch gar nicht um den Ausspruch einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung, mit der der Arbeitgeber ein Verfahren nach § 23 BetrVG vorbereiten wollte. Ausweislich des Sachverhalts wurde dem Betriebsratsmitglied die Kündigung des Arbeitsverhältnisses für den Wiederholungsfall in Aussicht gestellt. Zudem ist es ein Kurzschluss aus der Nichtexistenz eines arbeitsvertraglichen Anspruchs auf Wahrnehmung amtlicher Aufgaben auf die Unmöglichkeit des Ausspruchs einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung zu schließen. Selbst wenn man annähme, dass ein solcher Anspruch des Arbeitgebers aus dem Arbeitsvertrag nicht existierte, so ist damit nicht gesagt, dass dieser nicht auf anderer Grundlage wie z. B. aus dem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprinzip629 oder einem gesetzlichen

626 BAG v. 5. 11. 2009, 2 AZR 609/08, NZA 2010, 277 (278); APS/Dörner/Vossen, § 1 KSchG Rn. 343; MüKo-BGB/Hergenröder, § 1 KSchG Rn. 211; Preis, IndividualArbR, S. 865. 627 BAG v. 31. 7. 2014, 2 AZR 434/13, 358 (361); v. 20. 11. 2014, 2 AZR 651/13, NZA 2015, 294 (296); v. 25. 10. 2012, 2 AZR 495/11, NZA 2013, 319 (320); v. 9. 6. 2011, 2 AZR 284/10, NZA-RR 2012, 12 (14). 628 BAG v. 5. 12. 1975, 1 AZR 94/74, AP BetrVG 1972 § 87 Betriebsbuße Nr. 1 unter 2. 629 Koch, Abmahnung, S. 137.

C. Die Konkurrenz zur betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung

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Schuldverhältnis nach § 2 Abs. 1 BetrVG bestehen könnte.630 Über die Negierung möglicher anderer Rechtsgrundlagen hinaus, überzeugt die Ablehnung einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung mangels arbeitsvertraglichen Anspruchs auf Wahrnehmung ihrer Amtsaufgaben aber auch deshalb nicht, weil mit dieser Betrachtung verkannt wird, dass die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung gar nicht Verstöße gegen den Arbeitsvertrag, sondern speziell gegen betriebsverfassungsrechtliche Vorschriften erfassen soll. Diese Trennung zwischen Arbeitsvertrags- und Betriebsverfassungsrecht ist in der Betriebsverfassung selbst auch angelegt, wenn man nur an die Norm des § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG denkt, die nicht per se jedes Tätigwerden der in den Betriebsrat gewählten Arbeitnehmer im Arbeitskampf untersagt; diesen wird einzig ein Tätigwerden in ihrer Stellung als Mitglied des Betriebsrats verboten.631 Unberührt bleibt dagegen die Möglichkeit der Teilnahme an einem Arbeitskampf als Arbeitnehmer.632 Der Verweis auf den mangelnden arbeitsvertraglichen Anspruch vermischt mithin die getrennten Ebenen des Arbeitsvertrags- sowie des Betriebsverfassungsrechts und kann deshalb nicht überzeugen. Auch die Befürchtung, dass durch Zulassung der betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung eine Prozesslawine auf die Gerichte zurollen werde, kann nicht gegen die Anerkennung dieses Mittels sprechen. Zum einen ist empirisch nicht bewiesen, dass es überhaupt zu einem Ansteigen der Fallzahlen durch die mögliche betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung kommen könnte. Zum anderen soll die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung gerade vor dem Gang zu Gericht als eine Art gelbe Karte wirken.633 Damit erscheint die Vermeidung gerichtlicher Auseinandersetzungen wahrscheinlicher als eine Prozesslawine. Im Übrigen überzeugt es auch grundsätzlich nicht, die Inanspruchnahme von Rechtsschutz mit Verweis auf eine tatsächliche Überbelastung der Gerichte ausschließen zu wollen. Der Staat muss kraft seiner aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Verpflichtung zur Justizgewährleistung gerade die Gerichte sachlich und personell so ausstatten, dass einer Überlastung vorgebeugt und wenn diese doch eintritt, ihr abgeholfen werden kann.634 Demnach ist die befürchete Überlastung der staatlichen Gerichte kein taugliches Argument zur Versagung von Rechtsschutz; sie kann demnach auch nicht gegen die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung ins Feld geführt werden. Für die Anerkennung auch einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung spricht, dass durch diese dem Betriebsrat sowie dem Arbeitgeber geholfen werden 630 ArbG Berlin v. 10. 1. 2007, 76 BV 16593/06, juris Rz. 34; DKKW/Trittin, § 23 BetrVG Rn. 149; HaKo-BetrVG/Düwell, § 23 BetrVG Rn. 15; Kania, DB 1996, 374 (376); ders., NZA 1996, 970 (970); Schleusener, NZA 2001, 640 (641); Bieszk/Maaß, AuA 2007, 469 (470). 631 HWGNRH/Worzalla, § 74 BetrVG Rn. 26; Richardi/Richardi/Maschmann, § 74 BetrVG Rn. 26. 632 ErfK/Kania, § 74 BetrVG Rn. 12; GK-BetrVG/Kreutz, § 74 BetrVG Rn. 38. 633 Formulierung nach Stück, AuA 2006, 586 (588), Hervorhebung seitens des Verfassers. 634 s. nur BGH v. 11. 1. 2007, III ZR 302/05, NJW 2007, 830 (832).

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

kann. Der Betriebsrat muss nicht fürchten, bei jedem Verstoß gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten mit dem seiner Eingriffsintensität nach scharfen Schwert des Auflösungsantrags nach § 23 Abs. 1 BetrVG konfrontiert zu werden. Die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung verschafft dem Betriebsrat vielmehr eine Gelegenheit sein Verhalten zu überdenken. Stellt er bei dieser Betrachtung fest, dass er gegen die Betriebsverfassung verstoßen hat, so kann er in Zukunft ein anderes Verhalten an den Tag legen. Ist nach seiner Bewertung das gezeigte Verhalten dagegen rechtmäßig, so kann er ein Verfahren gegen die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung anstrengen und mit Hilfe des Arbeitsgerichts den Arbeitgeber zur z. B. notwendigen Entfernung der Abmahnung aus einer Personalakte analog § 1004 BGB zwingen. Dem Arbeitgeber gibt die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung über die mit § 23 Abs. 1 BetrVG eröffnete drastische Auflösung des Betriebsrats hinaus die Möglichkeit eine Rückkehr des Betriebsrats zu normgemäßen Verhalten zu veranlassen. Zudem kann er im Vorfeld eines Verfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG den Betriebsrat anhalten, wieder auf den Boden der Betriebsverfassung zurückzukehren. Weigert sich dieser nach Ausspruch einer rechtmäßigen betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung hartnäckig sein rechtswidriges Verhalten abzustellen, so kann dieser Gesichtspunkt im Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG berücksichtigt werden. Der Arbeitgeber kann über die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung dann die Beharrlichkeit der Pflichtverletzung durch den Betriebsrat dokumentieren und seine Erfolgsaussichten vor Gericht insofern steigern.635

II. Das Konkurrenzverhältnis zum betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch Mit der Feststellung, dass keine überzeugenden Argumente gegen die Anerkennung einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung bestehen und anerkennenswerte Interessen von Betriebsrat und Arbeitgeber für diese streiten, ist noch nicht gesagt, dass die Anerkennung dieses Instituts zur Aberkennung des betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs führt. Dies wäre nur dann anzunehmen, wenn der Arbeitgeber auf Verletzungen von betriebsverfassungsrechtlichen Normen einzig mit der betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung reagieren könnte. Dazu ist nachzuzeichnen, welcher Anwendungsbereich der betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung auf Basis der sie anerkennenden Rechtsprechung und Literatur zuerkannt wird. Sollte sich herausstellen, dass auch nach dieser Auffassung keine verdrängende Wirkung der betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung gegenüber anderen Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitgeber besteht, so hätte dies Rückwirkungen auf das Konkurrenzverhältnis zum betriebsverfassungrechtlichen Unterlassungsanspruch. Die beiden Institute stünden dann neben-, nicht gegeneinander. 635

Zutreffend Kania, NZA 1996, 970 (970).

C. Die Konkurrenz zur betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung

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Die die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung anerkennende Rechtsprechung und Literatur sind sich einig, dass diese im Vorfeld eines Verfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG anzusiedeln ist.636 Jedoch ist bereits streitig, welche Fälle die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung erfassen kann. So wird sie zum Teil auch bei nicht für ein Amtsenthebungs- bzw. Auflösungsverfahren genügenden Verstößen anerkannt.637 Andere gehen dagegen davon aus, dass die Anforderungen an die Berechtigung zum Ausspruch einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung keine geringeren als die zur Anstrengung eines Auflösungs- bzw. Amtsenthebungsverfahrens sind.638 Es müsste mithin nach dieser Ansicht auch für die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung ein grober Verstoß des Betriebsrats gegen die betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten vorliegen. Über die erfassten Fallgestaltungen hinaus ist zudem das genaue Verhältnis der betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung zum Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG umstritten. So wird die Frage, ob zwingend vor Anstrengung eines Ausschlussverfahrens eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung erforderlich ist, unterschiedlich beantwortet. Ein Teil der Rechtsprechung und Literatur sieht die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung als zwingende Vorstufe eines Verfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG an und geht damit von einer Verpflichtung zur Aussprache einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung aus.639 Andere sind dagegen der Auffassung, dass eine solche Verpflichtung zum Ausspruch einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung nicht besteht, der Ausspruch aber zulässig und auch empfehlenswert ist.640 Richtigerweise können für den Ausspruch einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung als Vorstufe eines Verfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG keine geringeren Anforderungen als für die Einleitung des Verfahrens selbst gelten. Für diese einschränkende Sichtweise bezüglich der mit der betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung erfassbaren Fälle spricht das mit diesem Institut verfolgte Ziel. Die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung soll nach dem oben Gesagten dazu dienen, dem Betriebsrat und seinen Mitgliedern eine Verhaltenskorrektur zu ermöglichen und ihn/sie gleichzeitig darauf hinweisen, dass bei Fortsetzung des vom Arbeitgeber als betriebsverfassungswidrig eingestuften Verhaltens ein Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG angestrengt wird. Dieses letzte Ziel ist von vornherein unerreichbar, wenn der Arbeitgeber auch andere als grobe Pflichtverletzungen im Sinne des § 23 636 ArbG Berlin v. 10. 1. 2007, 76 BV 16593/06, juris Rz. 34; Kania, DB 1996, 374 (377); Freckmann/Koller-van Delden, BB 2006, 490 (494); Bieszk/Maaß, AuA 2007, 469 (469 f.). 637 ArbG Berlin v. 10. 1. 2007, 76 BV 16593/06, juris Rz. 34; Freckmann/Koller-van Delden, BB 2006, 490 (494); i.E. ebenso HaKo-BetrVG/Düwell, § 23 BetrVG Rn. 15; HWK/ Reichold, § 23 BetrVG Rn. 7, 9. 638 WPK/Kreft, § 23 BetrVG Rn. 13; Schleusener, NZA 2001, 640 (643). 639 Koch, Abmahnung, S. 137 ff.; Freckmann/Koller-van Delden, BB 2006, 490 (494); für Erforderlichkeit in der Regel: ArbG Berlin v. 10. 1. 2007, 76 BV 16593/06, juris Rz. 34; i.E. ebenso Brötzmann, AuA 2001, 112 (113). 640 HWK/Reichold, § 23 BetrVG Rn. 9; Stück, AuA 2006, 586 (588); Bieszk/Maaß, AuA 2007, 469 (470); Niklas, DB 2013, 1665 (1669).

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

Abs. 1 BetrVG abmahnen könnte. Für diese kommt das Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG wegen dessen tatbestandlicher Beschränkung gar nicht in Betracht. Eine „leichte“ oder „gewöhnliche“ Pflichtverletzung reicht demnach für die Einleitung eines Verfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG nicht aus.641 Zu einem gegenteiligen Ergebnis käme man nur dann, wenn man mit einer Auffassung in der Literatur leichte Pflichtverstöße durch die mehrmalige Wiederholung zu groben Verletzungen im Sinne des § 23 Abs. 1 BetrVG aufwertet.642 Damit würde im Endeffekt das Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG auch für leichte Pflichtverletzungen geöffnet. Dagegen spricht jedoch der Wortlaut des § 23 Abs. 1 BetrVG. Auch mit dem Zweck des § 23 Abs. 1 BetrVG, der in der Gewährung allein eines Mindestmaßes an gesetzmäßigem Verhalten in der Betriebsverfassung identifiziert wurde,643 korrespondiert die Beschränkung auf grobe Verletzungen. Einfache Verletzungen liegen dagegen unter der Schwelle des mit § 23 Abs. 1 BetrVG gewährleistbaren Mindestmaßes. Gegen die Auffassung, die jegliche leichte Pflichtverletzung bei Wiederholung für ein Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG ausreichen lässt, spricht zudem, dass durch die nicht an weitere Kriterien geknüpfte Summierung mehrerer leichter Pflichtverletzungen der ohnehin schon unbestimmte Begriff der groben Verletzung noch weiter ausgehöhlt wird. Die Ansicht, die dagegen nicht einfach auf die Wiederholung der leichten Pflichtverletzung abstellt, sondern nur ausnahmsweise wegen der in der Wiederholung der Verletzung zum Ausdruck kommenden Beharrlichkeit das Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG für eröffnet hält,644 steht nicht in Widerspruch zur hier vertretenen Auffassung. Stattdessen wird mit der Beharrlichkeit der Verweigerung gerade ein Kriterium angebracht, dass über die leichte Pflichtverletzung hinausgeht und für die Qualifikation zur groben Pflichtverletzung tauglich erscheint. Damit wird aber das Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG immer noch nicht auf jede Art von Verstoß angewendet, vielmehr wird die Beschränkung auf grobe Pflichtverletzungen beibehalten. Diese Beschränkung gilt wegen des Zwecks der betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung, dem Betriebsrat und seinen Mitgliedern die Einleitung eines Verfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG anzudrohen, für diese in gleichem Maße wie für das Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG. Die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung gegenüber dem Betriebsrat teilt damit in tatbestandlicher Hinsicht das Schicksal des Auflösungsverfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG. Außerdem kann eine Pflicht zum Ausspruch einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung vor Anstrengung eines Verfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG nicht anerkannt werden. Zwar kann hierfür nicht auf die fehlende ausdrückliche Normierung

641

DKKW/Trittin, § 23 BetrVG Rn. 18. So WPK/Kreft, § 23 BetrVG Rn. 12; GK-BetrVG/Oetker, § 23 BetrVG Rn. 45; HWK/ Reichold, § 23 BetrVG Rn. 7; HWGNRH/Schlochauer, § 23 BetrVG Rn. 16; nur ausnahmsweise bei gleichartigen Pflichtverletzungen wegen der darin zum Ausdruck kommenden Beharrlichkeit Richardi/Thüsing, § 23 BetrVG Rn. 29; ähnlich FESTL, § 23 BetrVG Rn. 17. 643 s. o. 2. Kapitel A. III. 2. a). 644 Richardi/Thüsing, § 23 BetrVG Rn. 28; ähnlich FESTL, § 23 BetrVG Rn. 17. 642

C. Die Konkurrenz zur betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung

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einer solchen Pflicht verwiesen werden.645 Die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung wird im BetrVG auch nicht ausdrücklich als zulässiges Mittel genannt, ist aber gleichwohl anzuerkennen. Jedoch spricht gegen die Annahme einer Abmahnverpflichtung in Fällen grober Pflichtverletzungen die parallele Situation bei der individualrechtlichen Abmahnung. Vor Ausspruch einer rechtswirksamen Kündigung besteht zwar grundsätzlich eine Verpflichtung zum Ausspruch einer individualrechtlichen Abmahnung. Diese Verpflichtung entfällt jedoch dann ausnahmsweise, wenn wegen der Schwere der Vertragspflichtverletzung selbst die erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar ist.646 Übertragt man diese Erkenntnis auf die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung, so besteht bei dieser wegen der Beschränkung auf grobe Verletzungen gesetzlicher Pflichten von vornherein keine Verpflichtung zur Abmahnung. Die Ablehnung einer Abmahnverpflichtung bedeutet jedoch nicht im selben Atemzug eine Absage an eine Abmahnberechtigung. Wieder kann auf die zur individualrechtlichen Abmahnung entwickelte Dogmatik zurückgegriffen werden. So geht die herrschende Meinung zur individualrechtlichen Abmahnung als Vorstufe der Kündigung davon aus, dass in der Aussprache einer Abmahnung bei gleichzeitig vorhandenem Kündigungsgrund ein Verzicht auf die Kündigung für diesen Sachverhalt liegt.647 Zudem ist der Arbeitgeber frei, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechend, in Ausübung seines Rügerechts eine Abmahnung als milderes Mittel gegenüber der Kündigung auszusprechen.648 Der Arbeitgeber verliert damit bei der individualrechtlichen Abmahnung nicht die Möglichkeit zur Abmahnung, selbst wenn er zur Kündigung berechtigt ist. Diese Erkenntnis kann auch für die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung übernommen werden. Demnach bleibt es auch dem Arbeitgeber im Rahmen der Betriebsverfassung unbenommen, statt der Einleitung eines Verfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung auszusprechen. Ausgehend von der hier vertretenen Auffassung, dass die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung als rein optionale, nicht zwingende Handlungsmöglichkeit des Arbeitgebers mit denselben Voraussetzungen wie das Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG anerkannt werden kann, lässt sich jetzt auch das Konkurrenzverhältnis zum betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch beurteilen. Zwischen der betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung und dem Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG besteht ein unauflösbarer Zusammenhang. Die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung eröffnet dem Arbeitgeber einzig die Möglichkeit, statt des Verfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG mit seiner einschneidenden Rechtsfolge der Auflösung des Betriebsrats ein weniger konfrontatives Mittel einzusetzen, um den Betriebsrat auf den Boden der Betriebsverfassung zurückzuholen. Diese Option des 645

So aber HWK/Reichold, § 23 BetrVG Rn. 9. BAG v. 9. 6. 2011, 2 AZR 284/10, NZA-RR 2012, 12 (14). 647 s. nur BAG v. 6. 3. 2003, 2 AZR 128/02, NZA 2003, 1388 (1390 f.); APS/Dörner/Vossen, § 1 KSchG Rn. 404 m.w.N. 648 Thüsing/Laux/Lembke/Liebscher, § 1 KSchG Rn. 397. 646

144

2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

Arbeitgebers teilt aber in der Konkurrenz zum betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch das Schicksal des Verfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG. Ebenso wie das Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG ist die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung damit nicht in der Lage, einen betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat zu verdrängen. Vielmehr stehen beide Handlungsoptionen des Arbeitgebers neben-, nicht gegeneinander.

III. Zusammenfassung zum Konkurrenzverhältnis zwischen Unterlassungsanspruch und betriebsverfassungsrechtlicher Abmahnung Auch die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung ist trotz nicht vorhandener ausdrücklicher Normierung als Handlungsmöglichkeit des Arbeitgebers zur Reaktion auf Verstöße gegen Normen des BetrVG anzuerkennen. Jedoch ist sie als Vorstufe eines Verfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG ebenso wie dieses Verfahren nicht in der Lage, einen betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers zu verdrängen. Als Vorstufe des Verfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG teilt die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung dessen Schicksal in der Frage einer Sperrwirkung gegenüber dem betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat. Sie kann den betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch nicht verdrängen und ist einzig als Option des Arbeitgebers zur Reaktion auf grobe Verstöße mit der Intention der nochmaligen Vermeidung eines Verfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG zu reagieren, anzuerkennen.

D. Die Konkurrenz zum Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB Ein weiterer Einwand gegen die Existenz eines betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs könnte aus der Zusprache eines auf Eigentumsverletzungen basierenden Unterlassungsanspruchs für den Arbeitgeber resultieren. So geht der 1. Senat des BAG in seinem Beschluss vom 15. 10. 2013 zwar davon aus, dass der Arbeitgeber nicht auf Grund des § 74 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BetrVG Unterlassung verlangen könne. Ein Unterlassungsanspruch könne jedoch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB abgeleitet werden.649 Der Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB wird so zu einem Surrogat für den neuerdings abgelehnten betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch. Eine Verdrängung des betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs durch den Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB scheidet jedoch aus. 649

BAG v. 15. 10. 2013, 1 ABR 31/12, NZA 2014, 319 (321).

D. Die Konkurrenz zum Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB

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Gegen die bloße Verweisung auf § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB für den Arbeitgeber spricht, dass hiermit dessen Rechte in der Betriebsverfassung verkürzt werden. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB gilt direkt für Verletzungen des Eigentums. Nur für diese Eigentumsverletzungen hat auch das BAG im Beschluss vom 15. 10. 2013 § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB in der Betriebsverfassung für anwendbar erklärt.650 Damit wird aber der Aktionsradius des Arbeitgebers verkürzt. Die §§ 74 Abs. 2, 79 BetrVG, für die bisher ein Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers diskutiert wurde, sind ihrem sachlichen Anwendungsbereich nach nämlich sämtlich nicht auf Eigentumsverletzungen beschränkt. So erfasst § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG alle Maßnahmen des Arbeitskampfs,651 unabhängig davon, ob das Eigentum des Arbeitgebers beeinträchtigt wird. Am Beispiel des Einsatzes von Flugblättern durch die Betriebsratsmitglieder in ihrer Stellung als Betriebsratsmitglieder und nicht als Arbeitnehmer während eines Arbeitskampfes lässt sich die unterschiedliche Reichweite des § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG und des § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB exemplifizieren. Verteilen jene Flugblätter, die auf Papier des Arbeitgebers gedruckt wurden, so steht diesem als Eigentümer am Papier ein Unterlassungsanspruch gegen die Verteilung nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB zu. Verwenden die Betriebsratsmitglieder dagegen eigenes Papier, so greift § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB mangels Eigentümerstellung des Arbeitgebers nicht ein; durch die bloße Verteilung wird auch nicht in sonstiges Eigentum des Arbeitgebers eingegriffen.652 Demnach geht § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG über den Anwendungsbereich des § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB hinaus; der Verweis auf § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB bleibt damit hinter den mit einem Unterlassungsanspruch aus § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG erfassbaren Maßnahmen zurück.653 Auch das Ausweichen auf den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zur Lösung des Fallbeispiels kann nicht überzeugen.654 Der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb kann nach der Rechtsprechung nur subsidiär als Auffangtatbestand fungieren.655 Spezielle Regelung wäre insofern § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Demnach müsste § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG dem § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB vorgehen. Zudem lässt sich gegen einen Rekurs auf den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb auch noch anführen, dass der Eingriff in dieses Recht unmittelbar betriebsbezogen sein muss.656 Für die unmittelbare Betriebsbezogenheit kommt es nach der Rechtsprechung auch auf die Willensrichtung des Verletzers an.657 Diese subjektive Komponente existiert 650

BAG v. 15. 10. 2013, 1 ABR 31/12, NZA 2014, 319 (321). Richardi/Richardi/Maschmann, § 74 BetrVG Rn. 18, Hervorhebung seitens des Verfassers. 652 J.H. Bauer/v. Medem, AP Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 181 unter 3. c) aa). 653 Vgl. Krebber, SR 2015, 1 (6). 654 So wohl J.H. Bauer/v. Medem, AP Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 181 unter 3. c) aa); Wortmann, ArbRB 2011, 212 (214). 655 s. nur BGH v. 22. 12. 1961, I ZR 152/59, BGHZ 36, 252 (256 f.) sowie Sack, VersR 2006, 1001 (1002) m.w.N. 656 Statt aller MüKo-BGB/Wagner, § 823 BGB Rn. 257. 657 BGH v. 16. 6. 1977, III ZR 179/75, BGHZ 69, 128 (139). 651

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

so im Rahmen des § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG nicht, vielmehr tritt eine Beeinträchtigung des Betriebsfriedens unabhängig hiervon ein.658 Demnach geht § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG auch in dieser Hinsicht weiter als der nur subsidiäre eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb. Dieser stellt damit keinen tauglichen Ersatz für einen betriebsverfassungrechtlichen Unterlassungsanspruch zur Verhinderung von Verstößen gegen § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG dar. Auch § 74 Abs. 2 Satz 2 geht in seinem sachlichen Anwendungsbereich über Eigentumsverletzungen hinaus; es ist jede Betätigung zu unterlassen, durch die der Arbeitsablauf oder der Frieden des Betriebs beeinträchtigt werden.659 Besonders für den Fall der Beeinträchtigung des Betriebsfriedens macht eine Unterscheidung danach, ob dieser mit Betriebsmitteln des Arbeitgebers (dann Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB) oder ohne solche (dann kein Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB) beeinträchtigt wird, keinen Sinn.660 Vielmehr ist in beiden Fällen das mit § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG nicht zu vereinbarende Ergebnis einer Beeinträchtigung des Betriebsfriedens eingetreten; die Fälle sind dann auch in der Frage des Rechtsschutzes gleich zu entscheiden. Ebenso wie für § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG gilt für § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG, dass jede parteipolitische Betätigung im Betrieb zu unterlassen ist.661 Auch Betriebsund Geschäftsgeheimnisse sind nach § 79 BetrVG nicht nur gegenüber eigentumsbeeinträchtigenden Maßnahmen geschützt, sondern vor allen Offenbarungs- und Verwertungshandlungen. Die Form der Weitergabe ist irrelevant.662 § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB kann daher wegen seines auf Eigentumsbeeinträchtigungen beschränkten Anwendungsbereichs einen weitergehenden betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch nicht ausschließen.663 Für ein Nebeneinander von § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB und betriebsverfassungsrechtlichem Unterlassungsanspruch kann zudem angeführt werden, dass auch in anderen Bereichen des Rechts § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB und weitere Ansprüche auf Unterlassung nebeneinander stehen. So schließen sich z. B. der Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB und der wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch aus § 8 UWG nicht aus.664 Daneben besteht auch noch eine Konkurrenz zu § 37 HGB oder §§ 14, 15 MarkenG, die ebenfalls nicht mit einem Vorrang des § 1004 Abs. 1 658

Jahnke, BlStSozArbR 1974, 164 (167). Richardi/Richardi/Maschmann, § 74 BetrVG Rn. 45, Hervorhebung seitens des Verfassers. 660 Zutreffend Husemann, Anm. LAGE § 74 BetrVG 2001 Nr. 3, 23 (33). 661 Richardi/Richardi/Maschmann, § 74 BetrVG Rn. 57, Hervorhebung seitens des Verfassers. 662 HaKo-BetrVG/Lorenz, § 79 BetrVG Rn. 15. 663 Dass § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB über die Fälle der Eigentumsbeeinträchtigungen von der Rechtsprechung auf alle Fälle der Verletzung absoluter Rechte und auch von Schutzgesetzen ausgedehnt wurde, soll in dieser Arbeit nicht unterschlagen werden. Die sogenannte „actio quasinegatoria“ wird näher unter 3. Kapitel A. II. 3. f) beleuchtet. 664 NK-BGB/Keukenschrijver, § 1004 BGB Rn. 14; i.E. ebenso BGH v. 19. 3. 2003, II ZR 367/02, NJW 2003, 3702 (3702). 659

E. Die Konkurrenz zum Einigungsstellenverfahren

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Satz 2 BGB aufgelöst wird.665 Auch im privaten Baurecht führt das Zusammentreffen von § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB und speziellen Ansprüchen auf Unterlassung nicht dazu, dass § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB diese Ansprüche verdrängt. So existiert bei drohender Vertiefung eines Grundstücks ein selbstständiger Unterlassungsanspruch aus § 909 BGB, mit dem § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB für den anspruchsberechtigten Eigentümer konkurriert.666 In dieser Situation kommt § 909 BGB neben § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB zur Anwendung.667 Endlich kann gegen eine Verdrängung des betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs durch § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB angeführt werden, dass mit dieser der Charakter der rechtswidrigen Handlungen nicht richtig erfasst wird. So steht in den hier diskutierten Fällen des betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs nicht der expropriiernde, sondern der betriebsverfassungswidrige Charakter der Handlungen von Betriebsrat und Betriebsratsmitgliedern im Vordergrund.668 Demnach scheidet eine Verdrängung des betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs durch § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB aus. Beide Unterlassungsansprüche stehen vielmehr nebeneinander.

E. Die Konkurrenz zum Einigungsstellenverfahren Neben den bereits verworfenen Handlungsoptionen des Feststellungsantrags nach §§ 80 Abs. 2, 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit § 256 Abs. 1 ZPO, des Verfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG, der betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung und des Anspruchs nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB könnte die Anrufbarkeit einer betriebsverfassungsrechtlichen Einigungsstelle für den Arbeitgeber für bestimmte Vorschriften Handlungsbefugnisse begründen, die in der Diskussion um einen Unterlassungsanspruch das Pendel in Richtung einer Abkehr vom Unterlassungsrechtsschutz ausschlagen lassen könnten. Stellungnahmen speziell zum Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat liegen bisher hierzu nicht vor. Dafür existiert reichlich Material zu diesem Themenkomplex aus der umgekehrten Konstellation eines Unterlassungsanspruchs des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber. Vor allem in der Diskussion um einen allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen mitbestimmungswidriges Verhalten des Arbeitgebers in Form von Verstößen gegen § 87 BetrVG wurde die Frage nach einer „Konkurrenz“ zwischen Unterlassungsanspruch und Einigungsstellenverfahren gestellt und verschiedentlich für einen Ausschluss des Unterlassungsanspruchs durch das Eini665

OLG München v. 11. 7. 2001, 27 U 922/00, MMR 2001, 692 (692). Staudinger/Gursky, § 909 BGB Rn. 1, 37; Grziwotz/Lüke/Saller/Saller, 3. Teil Rn. 259; Jauernig/Berger, § 909 BGB Rn. 2. 667 Motzke/Bauer/Seewald/Inhuber, § 12 Rn. 110. 668 Belling, JZ 2014, 905 (905). 666

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

gungsstellenverfahren plädiert.669 Neben § 87 Abs. 1 BetrVG wurde auch in der Diskussion um einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats bei §§ 111 ff BetrVG die Möglichkeit der Anrufung der Einigungsstelle als anspruchsausschließende Handlungsoption betrachtet.670 Auch das BAG ging in seiner früheren Rechtsprechung, die das Bestehen eines allgemeinen Unterlassungsanspruchs des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber ablehnte, davon aus, dass der Betriebsrat dem Eintritt mitbestimmungswidriger Zustände nicht durch die gerichtliche Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs, sondern durch die Anrufung der Einigungsstelle begegnen könne.671 Mit der Richtungswende hin zur Anerkennung eines allgemeinen Unterlassungsanspruchs des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber hat das BAG diese Einschätzung aufgegeben und plädiert seitdem nicht mehr für eine Sperrwirkung der Möglichkeit zur Anrufung der Einigungsstelle gegenüber dem allgemeinen Unterlassungsanspruch.672 Diese Entwicklung wird in der Literatur jedoch auch kritisch gesehen und das Einigungsstellenverfahren entgegen der neuen Rechtsprechung des BAG immer noch für vorrangig vor einem Unterlassungsanspruch erachtet.673 Der Streit um eine Sperrwirkung des Einigungsstellenverfahrens mit der Folge eines Ausschlusses des allgemeinen Unterlassungsanspruchs des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber ist in der Literatur damit immer noch nicht ausgestanden. In der Diskussion um eine Sperrwirkung des Einigungsstellenverfahrens vor Unterlassungsansprüchen gilt es zwei verschiedene Konstellationen zu unterscheiden, deren unterschiedliche Behandlung sich bereits aus der Grundnorm zur Einigungsstelle in § 76 BetrVG ergibt. Wesentlich für das Verständnis des Einigungsstellenverfahrens als innerbetrieblichem Konfliktlösungsmechanismus ist die Differenzierung zwischen erzwingbarem und freiwilligem Einigungsstellenverfahren. Während nach § 76 Abs. 5 BetrVG die Einigungsstelle in Fällen, in denen ihr Spruch die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzt, bereits auf Antrag einer Seite tätig wird, wird sie im übrigen nach § 76 Abs. 6 BetrVG nur tätig, wenn beide Seiten es beantragen oder mit ihrem Tätigwerden einverstanden sind. Nur für den 669 Vgl. Joost, SAE 1985, 56 (60); Beuthien, ZfA 1988, 1 (24); Sacher, S. 70; Dobberahn, NJW 1995, 1333 (1334); Walker, SAE 1995, 99 (102); Bengelsdorf, SAE 1996, 137 (141); J.H. Bauer, Brennpunkte des Arbeitsrechts 1996, 61 (73 f.); ders., NZA 1997, 233 (235); allgemein für einen Vorrang des Einigungsstellenverfahrens Belling, Haftung, S. 347 ff.; i.E. auch Leipold, in: FS Schnorr v. Carolsfeld, S. 273 (286). 670 Vgl. Schlochauer, JArbR Bd. 20 (1982), 61 (67); deswegen die Möglichkeit einer einstweiligen Verfügung ablehnend: ArbG Bielefeld v. 16. 6. 1987, 2 BV Ga 10/87, NZA 1987, 757 (757); tendenziell ebenso Ehler, BB 1994, 2270 (2270); ders., BB 2000, 978 (980). 671 Vgl. BAG v. 22. 2. 1983, 1 ABR 27/81, AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 2 unter B. 5. c); v. 1. 10. 1991, 1 ABR 81/90, juris Rz. 31. 672 Vgl. BAG v. 3. 5. 1994, 1 ABR 24/93, NZA 1995, 40 (43). 673 So S/W/S, § 87 BetrVG Rn. 3c; Dobberahn, NJW 1995, 1333 (1334); Walker, SAE 1995, 99 (102); Bengelsdorf, SAE 1996, 137 (140, 143 f.); J.H. Bauer, Brennpunkte des Arbeitsrechts 1996, 61 (73 f.); Heinze, Anm. AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 68 unter II. 2. a); wohl auch Konzen, NZA 1995, 865 (867); anders noch ders,. Leistungspflichten, S. 102 zur Möglichkeit der Erlangung einstweiligen Rechtsschutzes.

E. Die Konkurrenz zum Einigungsstellenverfahren

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Fall des § 76 Abs. 5 BetrVG wird damit überhaupt für Betriebsrat oder Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet, einseitig und entgegen dem Willen des Anderen die Einigungsstelle anzurufen, um eine verbindliche Einigung zu erzielen. Daher kann es auch nach der für den Ausschluss des allgemeinen Unterlassungsanspruchs über einen Vorrang der Einigungsstelle plädierenden Strömung der Literatur nur in den Fällen, in denen eine Partei die Einigungsstelle auch ohne Zustimmung der anderen Partei anrufen kann und in denen der Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ohne Notwendigkeit einer vorherigen Unterwerfung oder einer nachträglichen Annahme ersetzt, überhaupt in Betracht kommen, eine den Unterlassungsanspruch ausschließende Wirkung des Einigungsstellenverfahrens zu diskutieren. Diese Einschätzung deckt sich auch mit der Diskussion um die Konkurrenz zwischen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats und dem Einigungsstellenverfahren: Die beiden genannten Komponenten (einseitige Anrufbarkeit bei gleichzeitig gegebener zwingender Ersetzung der Einigung durch den Spruch der Einigungsstelle) sind die Hauptargumente der den Unterlassungsanspruch im Rahmen der §§ 87, 111 – 112 BetrVG ausschließenden Auffassung. Bei der sozialen Mitbestimmung folgt die zwingende Wirkung des Spruchs der Einigungsstelle aus § 87 Abs. 2 BetrVG, während bei den wirtschaftlichen Angelegenheiten nach § 112 Abs. 4 Satz 2 BetrVG der Spruch der Einigungsstelle die Einigung über den Sozialplan ersetzt. Die einseitige Anrufbarkeit ergibt sich in beiden Fällen aus § 76 Abs. 5 Satz 1 BetrVG. Eine Konkurrenz mit einem Vorrang des Einigungsstellenverfahrens scheidet demnach zum einen dann nach allen in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassungen in jedem Fall aus, wenn weder die Möglichkeit der einseitigen Anrufung noch eine Ersetzung der Einigung der Parteien durch einen Einigungsstellenspruch besteht. Zum anderen kann es nicht zu einem Vorrang des Einigungsstellenverfahrens kommen, wenn dieses nicht im Gesetz angeordnet ist.674 Betrachtet man nun die „klassischen“ Normen des Betriebsverfassungsrechts, in denen der Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers bisher in Betracht gezogen wurde, so fällt auf, dass keine der breiter diskutierten Normen der §§ 74, 77, 79 BetrVG dem erzwingbaren Einigungsstellenverfahren zugeordnet ist. Damit besteht für den Arbeitgeber in diesen Fällen gar nicht die Option einer einseitigen Anrufung der Einigungsstelle; ein Vorrang entsprechend der abweichenden Literaturauffassung ließe sich nicht konstruieren. Geht man jedoch über diesen klassischen Kanon der für Unterlassungsansprüche des Arbeitgebers in den Blick genommenen Normen hinaus, so wird die Konkurrenz der Einigungsstelle zum betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch doch wohl noch zum Problem. So hat das BAG einmal § 87 Abs. 1 BetrVG als Grundlage für Unterlassungsansprüche des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat in Betracht gezogen.675 Für diese Vorschrift besteht in § 87 Abs. 2 BetrVG gerade die 674 675

Insoweit zutreffend Belling, Haftung, S. 353. BAG v. 18. 4. 1985, 6 ABR 19/84, NZA 1985, 783 (785).

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

verbindliche Entscheidungskompetenz der Einigungsstelle. Daneben kann es auch noch für weitere Normen zu einer Konkurrenz zwischen Einigungsstelle und Unterlassungsanspruch kommen. So ging das BAG bei Bejahung eines Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat aus § 79 Abs. 1 BetrVG gerade davon aus, dass es gesetzestechnisch nicht ungewöhnlich sei, Ansprüche lediglich durch die Normierung entsprechender Verpflichtungen zu begründen.676 Verpflichtungen des Betriebsrats bestehen aber über die §§ 74, 77, 79 BetrVG hinaus z. B. auch noch aus § 39 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Für diese Vorschrift besteht in § 39 Abs. 1 Satz 2 BetrVG für den Arbeitgeber ebenfalls ein Recht die Einigungsstelle einseitig anzurufen, deren Spruch auch verbindlich die fehlende Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzt. Auch für den Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat ist daher die Frage nach einem Vorrang des Einigungsstellenverfahrens relevant und zu entscheiden. Richtigerweise kann ein Vorrang des Einigungsstellenverfahrens mit der Konsequenz eines Auschlusses des Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat ebensowenig wie ein Vorrang des Einigungsstellenverfahrens vor einem allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber anerkannt werden. Für einen Vorrang des Einigungsstellenverfahrens vor einem Unterlassungsanspruch kann nicht überzeugend auf das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG zurückgegriffen werden.677 Der Rekurs auf § 2 Abs. 1 BetrVG zur Verneinung des Rechtsschutzes des sich rechtmäßig verhaltenden Betriebspartners stellt die Verhältnisse auf den Kopf.678 Der sich vertrauensvoller Zusammenarbeit durch sein rechtswidriges Verhalten gerade verweigernde Handelnde (Betriebsrat oder Arbeitgeber) würde durch § 2 Abs. 1 BetrVG widersinnigerweise vor gerichtlicher Zurückweisung geschützt. Im Übrigen verpflichtet § 2 Abs. 1 BetrVG weder Betriebsrat noch Arbeitgeber zur Hinnahme rechtswidrigen Verhaltens des Anderen. Auch die Pflicht zum Verzicht auf einer Seite zugewiesene Rechtspositionen kann § 2 Abs. 1 BetrVG nicht entnommen werden.679 § 2 Abs. 1 BetrVG schreibt zwar gleichwertig die Berücksichtigung des Wohls der Arbeitnehmer und des Betriebs vor und macht die Berücksichtigung der Interessen der anderen Seite zur Pflicht für die Betriebspartner. Durch § 2 Abs. 1 BetrVG werden jedoch nicht die natürlich bestehenden Interessengegensätze zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber aufgehoben, vielmehr dürfen sie auch ihre eigenen Interessen in den Vordergrund stellen.680 Betriebsrat und Arbeitgeber werden daher durch die Be676

BAG v. 26. 2. 1987, 6 ABR 46/84, AP BetrVG 1972 § 79 Nr. 2 unter II. 2. a). So aber BAG v. 22. 2. 1983, 1 ABR 27/81, AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 2 unter B. 5. c); v. Hoyningen-Huene, Anm. AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 2 unter 3. g); Belling, Haftung, S. 349. 678 Vgl. Raab, Rechtsschutz, S. 211. 679 Göbel, BlStSozArbR 1972, 1 (5). 680 HaKo-BetrVG/Kloppenburg, § 2 BetrVG Rn. 5; G. Müller, in: FS Herschel, S. 269 (271). 677

E. Die Konkurrenz zum Einigungsstellenverfahren

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rücksichtigung der Interessen des anderen einzig mit einem Konfliktlösungspotential ausgestattet.681 Das Austragen von Konflikten ist damit aber gerade nicht von vornherein durch § 2 Abs. 1 BetrVG verboten; eine Pflicht der Konfliktvermeidung aus § 2 Abs. 1 BetrVG besteht nicht.682 Vielmehr setzt § 2 Abs. 1 BetrVG die Existenz von Konflikten und die Zulässigkeit ihrer Austragung gerade voraus. Diese ist auch unter Berücksichtigung von § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, der strittige Fragen zwischen den Betriebspartner ausdrücklich anerkennt, Voraussetzung zur Aktivierung des durch § 2 Abs. 1 BetrVG eröffneten Konfliktlösungspotenzials. Die Konfliktlösung erfolgt dann vor den Gerichten. Ebenfalls kann der Rückgriff auf den Gedanken eines staatsfreien Raums der Betriebsverfassung, der durch die Anrufung eines Gerichts bereits verlassen werde, nicht für einen Vorrang des Einigungsstellenverfahrens vor einem Unterlassungsanspruch sprechen.683 Gegen ein damit verbundenes Freihalten der Betriebsverfassung von staatlichen Einflüssen, hier in Form der Gerichte, spricht bereits die ausdrückliche Aufnahme der betriebsverfassungsrechtlichen Angelegenheiten in den Zuständigkeitskatalog des § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG. Auch § 89 Abs. 1 BetrVG zeigt mit der Unterstützungsaufgabe des Betriebsrats gegenüber den für den Arbeitsschutz zuständigen Behörden die Interaktion zwischen Betriebspartnern und staatlichen Stellen auf. Außerdem legen die Betriebspartner die beim allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber im Fokus stehenden Beteiligungsrechte ihrem Inhalt nach nicht autonom fest, ihre Existenz beruht vielmehr auf dem staatlichen Geltungsbefehl, welcher der jeweiligen – ein Beteiligungsrecht des BetrVG statuierenden – Norm zu Grunde liegt.684 Staatsfrei ist die Betriebsverfassung damit per se nicht, der Gedanke staatsfreier Betriebsautonomie geht bereits im Ansatz fehl. Gegen einen Vorrang des Einigungsstellenverfahrens vor einem Unterlassungsanspruch lässt sich bei § 87 Abs. 1 Satz 1 BetrVG stattdessen bereits einwenden, dass die Formulierung der Vorschrift nicht nahelegt, dass das Einigungsstellenverfahren nach § 87 Abs. 2 BetrVG abschließend alle Streitfälle zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber im Bereich der sozialen Mitbestimmung regeln soll.685 Es fehlt vielmehr zur Annahme einer alleinigen Entscheidungsbefugnis der Einigungsstelle in § 87 Abs. 2 BetrVG eine Einschränkung wie „nur“ oder „einzig“. Außerhalb des § 87 BetrVG spricht zudem gegen die alleinige Anrufbarkeit der Einigungsstelle der allgemeine Justizgewährleistungsanspruch. Es wird insofern zutreffend auf die Abschneidung eines Klagerechts für den Betriebsrat hingewiesen. So wird entgegen 681 682

lehnt. 683

HaKo-BetrVG/Kloppenburg, § 2 BetrVG Rn. 5. Vgl. Weiss, AuR 1982, 265 (268), der eine Pflicht zur Konfrontationsvermeidung ab-

So aber Belling, Haftung, S. 348. Vgl. Lobinger, ZfA 2004, 101 (134); ähnlich mit Blick auf die betriebsverfassungsrechtliche Kompetenzordnung Raab, Rechtsschutz, S. 211. 685 Klocke, S. 52. 684

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

der Idee des Justizgewährleistungsanspruchs die Selbsthilfe erlaubt, wo Klage erlaubt sein müsste.686 Auch für den Arbeitgeber würde sich die ausschließliche Möglichkeit zur Anrufung der Einigungsstelle bei §§ 39 Abs. 1, 87 Abs. 1 BetrVG als Verweigerung eines Klagerechts darstellen. Daneben wird zum Bestehen eines allgemeinen Unterlassungsanspruchs des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber zutreffend auf die für den Betriebsrat bestehende Unzumutbarkeit der Anrufung der Einigungsstelle verwiesen, wenn der Arbeitgeber die Einleitung und Durchführung eines Einigungsstellenverfahrens ablehnt, weil er die Maßnahme nicht für mitbestimmungspflichtig hält. Dahinter steht die Überlegung, dass der Arbeitgeber die Grenzen des Rechts überschritten hat und sich betriebsverfassungswidrig verhält, während der Betriebsrat an der bisherigen rechtmäßigen Verhaltensweise festhalten will.687 Abstrahiert man den Gedanken noch weiter, so könnte man ihn wie folgt ausdrücken: Derjenige, der sich rechtmäßig verhält, darf nicht an Stelle des sich rechtswidrig Verhaltenden zur Anrufung der Einigungsstelle gezwungen werden. Zudem darf er nicht seine Rechte durch den ihm nicht aufzuerlegenden Anrufungszwang verlieren. Das Argument, dass es nicht Sache des sich rechtmäßig Verhaltenden ist, die Einigungsstelle anzurufen und er in Konsequenz dessen auch nicht seiner subjektiven Rechte verlustig gehen soll, lässt sich auch für den umgekehrten Fall des die Pflichten des BetrVG verletzenden Betriebsrats anführen. Auch wenn sich der Betriebsrat z. B. weigert über den Ort oder die Zeit der abzuhaltenden Sprechstunden nach § 39 Abs. 1 Satz 2 BetrVG eine Einigung mit dem Arbeitgeber zu erzielen, ist nicht der Betriebsrat im Recht, sondern der rechtmäßig auf die Einigung beharrende Arbeitgeber. Auch hier erscheint es nicht zumutbar den sich rechtmäßig verhaltenden Arbeitgeber zum Gang vor die Einigungsstelle zu zwingen, nur um nicht seine Rechte zu verlieren. Noch in einer weiteren Hinsicht steht die Auffassung, die dem Einigungsstellenverfahren ausschließende Wirkung gegenüber einem Unterlassungsanspruch zuspricht, vor einem Problem, nämlich der Vereinbarkeit ihres Konzepts mit dem Justizgewährleistungsanspruch nach Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG. Ausgehend vom oben dargestellten Verständnis des staatlichen Gewaltmonopols und des mit diesem korrespondierenden Justizgewährleistungsanspruchs688 ist es gerade Sache der staatlichen Gerichte, Konflikte zwischen Privatrechtssubjekten über deren subjektive Rechte in einem rechtsförmigen Verfahren letztinstanzlich aufzulösen. Rechtsschutz muss hierbei durch unabhängige Richter als Vertreter des Staats und dessen Justizhoheit gewährt werden.689 Hieraus folgt zwingend, dass die Verlagerung eines Verfahrens aus der Hand der staatlichen Justiz zur Letztentscheidung auf einen Nicht-Richter nach Art. 20 Abs. 3 GG in Verbin686

Vgl. Hanau, NZA Beilage Nr. 2, 1985, 2 (12). Leisten, BB 1992, 266 (272). 688 s. o. 2. Kapitel B. IV. 1. 689 Vgl. BVerfG v. 11. 6. 1980, 1 PBvU 1/79, BVerfGE 54, 277 (291); Baur, AcP 153 (1954), 393 (397); Detterbeck, AcP 192 (1992), 325 (327); Nicola Jansen, S. 198. 687

E. Die Konkurrenz zum Einigungsstellenverfahren

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dung mit Art. 2 Abs. 1 GG unzulässig ist.690 Bei der Einigungsstelle handelt es sich nach heute ganz herrschender Auffassung jedoch nicht um ein staatliches Gericht, sondern um eine privatrechtliche, betriebsverfassungsrechtliche Institution sui generis.691 Die Einigungsstelle besteht zudem nicht aus mit staatlicher Hoheitsgewalt ausgestatteten Richtern. Nach § 76 Abs. 2 Satz 1 BetrVG besteht die Einigungsstelle aus zu gleichen Teilen von Arbeitgeber und Betriebsrat zu bestellenden Beisitzern sowie einem unparteilichen Vorsitzenden. Zur Person der Beisitzer enthält § 76 BetrVG keine Einschränkungen. Die Betriebsparteien sind daher in ihrer Auswahl der Beisitzer frei und nicht auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt.692 Der Vorsitzende muss unparteiisch sein und beide Betriebsparteien müssen sich auf ihn einigen. Auch hier bestehen keine weitergehenden personellen Anforderungen, neben Betriebsangehörigen können und werden praktisch auch häufig Berufsrichter der Arbeitsgerichtbarkeit zum Vorsitzenden der Einigungsstelle berufen werden. Selbst für den Fall, dass ein Berufsrichter als Vorsitzender der Einigungsstelle tätig wird, übt dieser in seiner Funktion als Einigungsstellenvorsitzender dann aber keine richterlichen Funktionen aus.693 Der betriebsverfassungsrechtlichen Institution der Einigungsstelle kann damit unter der Geltung des Justizgewährleistungsanspruchs nach Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG keine verbindliche Letztentscheidungsbefugnis über Rechtsstreitigkeiten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber zukommen. Die für eine ausschließliche Anrufbarkeit der Einigungsstelle zur Ablehnung eines Unterlassungsanspruchs plädierenden Literaten verkennen damit den Gewährleistungsgehalt des allgemeinen Justizgewährleistungsanspruchs. Auch aus verfassungsrechtlichen Gründen kann ihnen daher nicht gefolgt werden. Auch dem Einigungsstellenverfahren kommt damit keine abschließende Wirkung oder ein Vorrang vor einem gerichtlich durchsetzbaren Unterlassungsanspruch des Betriebsrats oder des Arbeitgebers zu. Vielmehr stehen beide Verfahren nebeneinander und schließen sich nicht gegenseitig aus.

690 Nicola Jansen, S. 199; speziell für die betriebsverfassungsrechtliche Einigungsstelle Henssler, RdA 1991, 268 (268). 691 BAG v. 22. 1. 1980, 1 ABR 48/77, AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 3 unter B. I. 2. a); WPK/Preis, § 76 Rn. 1; Richardi/Richardi/Maschmann, § 76 BetrVG Rn. 6 f.; ErfK/ Kania, § 76 BetrVG Rn. 1; HWK/Kliemt, § 76 BetrVG Rn. 1; FESTL, § 76 BetrVG Rn. 4; GKBetrVG/Kreutz/Jacobs, § 76 BetrVG Rn. 7; Rolfs, Studienkommentar Arbeitsrecht, § 76 BetrVG Rn. 1; Leipold, in: FS Schnorr v. Carolsfeld, S. 273 (276 ff.); Henssler, RdA 1991, 268 (270). 692 Statt aller DKKW/Berg, § 76 BetrVG Rn. 29. 693 DKKW/Berg, § 76 BetrVG Rn. 37.

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2. Kap.: Konkurrenzbetrachtungen

F. Ergebnis 2. Kapitel Es hat sich gezeigt, dass keine der in Konkurrenz zum betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch stehenden Handlungsoptionen des Arbeitgebers geeignet ist, den Anspruch des Arbeitgebers auf Unterlassung betriebsverfassungswidrigen Verhaltens auszuschließen. Weder das Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG noch der Antrag auf Feststellung rechtswidrigen Verhaltens nach §§ 80 Abs. 2, 46 ArbGG in Verbindung mit § 256 Abs. 1 ZPO bzw. die Möglichkeit einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung oder das Einigungsstellenverfahren entfalten Sperrwirkung gegenüber einem Anspruch des Arbeitgebers auf Unterlassung betriebsverfassungswidrigen Verhaltens. Auch der Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, den das BAG neuerdings für den Arbeitgeber neben § 23 Abs. 1 BetrVG ausdrücklich zulässt, kann den betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch nicht verdrängen. Vielmehr ist für jede Norm der Betriebsverfassung, die dem Betriebsrat Pflichten auferlegt, zu hinterfragen, ob diese dem Arbeitgeber einen Anspruch auf Unterlassung vermittelt. Dies ist Gegenstand des dritten und vierten Kapitels der Arbeit.

3. Kapitel

Die Begründung des betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs A. Die Rechtsgrundlage des betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs I. Diskussionsstand Aus den §§ 1 – 132 BetrVG müssen diejenigen Vorschriften extrahiert werden, für die das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs in Betracht kommen kann. Um das aus acht Abschnitten bestehende Konglomerat betriebsverfassungsrechtlicher Vorschriften zu durchschauen, werden in der Literatur häufig Einteilungen dieser Vorschriften vorgenommen. So wird z. B. eine Dreiteilung zur Gliederung der Betriebsverfassung anerkannt: Ein erster Abschnitt befasse sich in §§ 1 – 73b BetrVG mit Fragen der Organisation. In einem zweiten Abschnitt in §§ 74 – 113 BetrVG befänden sich die eigentlichen Bestimmungen zur Mitwirkung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer. Daneben gebe es noch einen dritten Abschnitt in §§ 114 – 132 BetrVG, der aus verschiedenen Sonderregelungen bestehe.1 Diese formelle, am Aufbau des Gesetzes orientierte Einteilung hilft aber für die Frage nach dem betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch nicht weiter, ihr lässt sich keine Aussage zu materiellen Differenzierungen in den drei identifizierten großen Bereichen des Gesetzes entnehmen. Eine weitere, in der Literatur gebräuchliche, Untergliederung betriebsverfassungsrechtlicher Vorschriften ist die Einteilung der Beteiligungsrechte in verschiedene Kategorien: es werden zumeist Informations-, Anhörungs- und Vorschlags-, Beratungs-, Widerspruchsrechte und Zustimmungserfordernisse anerkannt.2 Diese Differenzierung beleuchtet jedoch nur die Situation des Betriebsrats und die einzig ihm zustehenden Mitbestimmungstatbestände, kann daher wegen ihres mitbestimmungszentrischen Blickwinkels nichts über die Rechtsstellung des Arbeitgebers aussagen; ihm stehen keine Beteiligungsrechte zu. Erfolgversprechender scheint es vielmehr, statt einer abstrakten Einteilung der betriebsverfassungsrechtlichen Vorschriften zuerst die Rechtsgrundlage des betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers zu klären. 1 2

Preis, KollArbR, S. 487 f.; Dütz/Thüsing, ArbR, S. 387. Zöllner/Loritz/Hergenröder, ArbR, S. 642 ff.

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3. Kap.: Die Begründung des Unterlassungsanspruchs

Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, dass ihr über den rein formellen Gliederungsaspekt hinaus eine materielle Dimension zukommt. Nahe liegend wäre es nun, auf bereits bestehendes Schrifttum zur dogmatischen Grundlage eines Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat zurückzugreifen, die bisher gefundenen Lösungen zu diskutieren und ihnen eine eigene Auffassung gegenüberzustellen. Bei einem Überblick über die bisher für den arbeitgeberseitigen Unterlassungsanspruch erschienene Rechtsprechung und Literatur macht sich jedoch Ratlosigkeit breit. Es existieren in der Literatur bisher gerade einmal drei Modelle, die sich der dogmatischen Herleitung eines arbeitgeberseitigen Unterlassungsanspruchs widmen. So wird von einigen Autoren eine Ableitung aus § 2 Abs. 1 BetrVG vorgeschlagen, wobei diese Autoren zum Großteil auf dem Betriebsrat gegenüber dem Arbeitgeber auferlegte Nebenpflichten, deren Erfüllung der Arbeitgeber verlangen könne, abstellen.3 Auch Teile der Rechtsprechung sehen generell in § 2 Abs. 1 BetrVG die Anspruchsgrundlage für den Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers.4 Eine andere Lösung nimmt an, dass sich aus den Vorschriften der Betriebsverfassung selbst, speziell § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG, ein gesetzlicher Unterlassungsanspruch beider Betriebspartner gegeneinander ergebe.5 Schließlich wird eine Kombination aus beiden Lehren speziell für die Herleitung eines Unterlassungsanspruchs bei Verletzung der Geheimhaltungspflicht des § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG aus dem Sinn und Zweck der verletzten Norm unter gleichzeitigem Rückgriff auf § 2 Abs. 1 BetrVG vorgeschlagen.6 Insgesamt zeigt sich, dass der betriebsverfassungsrechtliche Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers in dogmatischer Hinsicht wenig durchdrungen ist. Zur Behebung dieses Zustandes soll in dieser Arbeit versucht werden neben die bisher spezifisch für den Arbeitgeber formulierten Ansätze die Herleitungen aus dem Fall des allgemeinen Unterlassungsanspruchs des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber zu stellen. Diese Lösungswege, die sich für den Betriebsrat zuerst mit Blick auf den Mitbestimmungstatbestand nach § 87 Abs. 1 BetrVG ausgebildet haben, sollen auf ihre Eignung für die Herleitung eines Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers untersucht werden.7 Dabei soll natürlich nicht blind jeder in die Diskussion um den allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber gemachte Vorschlag aufgeführt und für den Arbeitgeber erwogen werden. Stattdessen müssen bestimmte Vorschläge bereits von vornherein für den betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers ausscheiden, da sie konzeptionell einzig auf die Positionen des Betriebsrats ausgelegt sind. So kann eine 3

Belling, Haftung, S. 338 f.; Peterek, in: FS Stege, S. 71 (74); Kruse, S. 54, 60 f.; ohne diese Einordnung Brötzmann, AuA 2001, 112 (113). 4 LAG Hessen v. 15. 7. 2004, 9 TaBV 190/03, AR-Blattei ES 530.8 Nr 49. 5 Jahnke, BlStSozArbR 1974, 164 (166); generell Schwipper, S. 273. 6 Kort, SAE 1988, 60 (61). 7 Ebenso in der Herangehensweise v. Koppenfels-Spies, in: FS Blaurock, S. 213 (218); Wiebauer, BB 2010, 3091 (3094 f.).

A. Die Rechtsgrundlage des Unterlassungsanspruchs

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Herleitung aus § 78 Satz 1 BetrVG8 oder analog §§ 1004, 823 BGB in Verbindung mit § 78 Satz 1 BetrVG9 – unabhängig von der Kritik an dieser Auffassung10 – für die Herleitung eines betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers bereits deshalb nicht in Betracht kommen, weil sich das Behinderungsverbot des § 78 Satz 1 BetrVG gegen jeden und damit gerade auch gegen den Arbeitgeber richtet.11 Geschützt sind einzig die im Wortlaut genannten Mitglieder der Organe sowie über den Wortlaut hinaus das Organ selbst.12 Der Arbeitgeber als Verpflichteter des § 78 Satz 1 BetrVG kann sich demnach gar nicht auf diese Vorschrift berufen. Auch die Übertragung des Ansatzes, aus dem jeweiligen Beteiligungsrecht selbst den allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber abzuleiten,13 scheidet von vornherein aus. Die einzelnen Beteiligungsrechte führen zu einer Einschränkung der ansonsten bestehenden Freiheit der unternehmerischen Entscheidung14 und der damit verbundenen Regelungsbefugnis des Arbeitgebers.15 Unabhängig davon, ob man die Beteiligungsrechte als Rechte der einzelnen Arbeitnehmer16 bzw. der verfassten Belegschaft17 oder als eigene Rechte des Betriebsrats auffasst,18 so sind sie in jedem Fall nicht Rechte des Arbeitgebers, auf die sich dieser stützen könnte. Diese Einordnung der Beteiligungsrechte als gegen den Arbeitgeber gerichtete Rechtszuweisungen korrespondiert mit den durch 8 Dütz, Unterlassungsansprüche, S. 8 f.; ders., DB 1984, 115 (118 ff.); Trittin, BB 1984, 1169 (1173); Salje, DB 1988, 909 (913). 9 Salje, DB 1988, 909 (913). 10 Vgl. Konzen, Leistungspflichten, S. 24; ders., ZfA 1985, 469 (491); ders., NZA 1995, 865 (868); v. Hoyningen-Huene, Anm. AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 2 unter 3. b); Buchner, SAE 1984, 182 (190 f.); Derleder, AuR 1983, 289 (300); Raab, Rechtsschutz, S. 187; ders., ZfA 1997, 183 (196); Richardi, Anm. AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 23 unter II. 2.; ders., NZA 1995, 8 (10); ders., in: FS Wlotzke, S. 407 (416); Prütting, RdA 1995, 257 (261); Lobinger, ZfA 2004, 101 (121); Bitsch, S. 179 f.; Sacher, S. 57; Wenderoth, S. 63. 11 Vgl. GK-BetrVG/Kreutz, § 78 BetrVG Rn. 19; Richardi/Thüsing, § 78 BetrVG Rn. 12; FESTL, § 78 BetrVG Rn. 7; ErfK/Kania, § 78 BetrVG Rn. 2. 12 GK-BetrVG/Kreutz, § 78 BetrVG Rn. 16; Richardi/Thüsing, § 78 BetrVG. 9; APS/ Künzl, § 78 BetrVG Rn. 15. 13 Bobke, Die Mitbestimmung 1983, 458 (459); Kümpel, AiB 1983, 132 (134); Neumann, BB 1984, 676 (677); Dütz, DB 1984, 115 (120); i.E. ebenso H. Otto, NZA 1992, 97 (111); a.A. z. B. v. Hoyningen-Huene, Anm. AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 2 unter 3. d); Richardi, in: FS Wlotzke, S. 407 (416); Bitsch, S. 179 f.; Sacher, S. 51. 14 Preis, KollArbR, S. 628; Münch. Hdb. z. ArbR/Matthes, § 238 Rn. 2. 15 Richardi/Richardi, Einl. BetrVG Rn. 84, 121; ders./Bayreuther, KollArbR, S. 283; FESTL, § 1 Rn. 2. 16 Belling, Haftung, S. 109 ff.; zumindest für § 87 Abs. 1 Nr. 5, Nr. 11, § 91, § 95, § 99, § 102 BetrVG: Lobinger, ZfA 2004, 101 (153 ff.); kumulativ zum Recht des Betriebsrats: DKKW/Wedde, Einl. BetrVG Rn. 106. 17 Säcker, RdA 1965, 372 (376); Däubler, AuR 1982, 6 (9); Zöllner/Loritz/Hergenröder, ArbR, S 623; Richardi/Richardi, Einl. BetrVG Rn. 97. 18 Münch. Hdb. z. ArbR/v. Hoyningen-Huene, § 212 Rn. 13; FESTL, § 1 BetrVG Rn. 190; HWGNRH/Rose, Einl BetrVG Rn. 98; WPK/Preis, § 1 BetrVG Rn. 43. GK-BetrVG/Franzen, § 1 BetrVG Rn. 91.

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3. Kap.: Die Begründung des Unterlassungsanspruchs

die betriebliche Mitbestimmung an sich verfolgten Zwecken. Die von der herrschenden Meinung anerkannten Zwecke des Schutzes und der Teilhabe der Arbeitnehmer19 stellen wiederum die Arbeitnehmer in ihrer abhängigen Stellung zum Arbeitgeber in den Fokus und ermöglichen bis zu einem gewissen Grad den Ausgleich der bestehenden strukturellen Ungleichheit.20 Schutz erfahren sollen die Arbeitnehmer gerade vor dem ohne betriebliche Mitbestimmung allein dispositionsbefugten Arbeitgeber, in dessen Arbeits- und Lebensbereich der Arbeitnehmer zur fremdnützigen Leistung verpflichtet ist.21 Der Arbeitgeber wird demnach durch die betriebliche Mitbestimmung nicht berechtigt, sondern verpflichtet. Ebenso wenig wie er sich auf § 78 Satz 1 BetrVG berufen kann, kann er sich demnach auf die Beteiligungsrechte berufen; ein Unterlassungsanspruch für den Arbeitgeber aus § 78 Satz 1 BetrVG oder aus den Beteiligungsrechten würde deren Sinn in ihr Gegenteil verkehren. Der hier vorgeschlagene Weg der Übertragung für die Situation des Betriebsrats entwickelter Ansätze erscheint jedoch insgesamt zur Behebung der oben konstatierten Situation mit wenig diskutablen Lösungen geeignet, da für den Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber umfangreiches Schrifttum existiert, das ausgewertet und für den entgegengesetzten Fall eines Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers bearbeitet werden kann. Die hier vorgeschlagene Herangehensweise, die Rechtsgrundlage des Unterlassungsanspruchs zu klären und dann mit Hilfe der gefundenen Rechtsgrundlage die Vorschriften der Betriebsverfassung einzeln zu untersuchen, findet sich so auch in der Rechtsprechung des 1. Senats des BAG zum allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber. Der 1. Senat geht seit 1994 davon aus, dass dem Betriebsrat bei der Verletzung von Mitbestimmungsrechten aus § 87 BetrVG über § 23 Abs. 3 BetrVG hinaus ein allgemeiner Unterlassungsanspruch zustehen könne.22 Diesen stützt der Senat auf eine Nebenpflicht aus § 2 BetrVG, alles zu unterlassen, was der Wahrnehmung des konkreten Mitbestimmungsrechts entgegensteht. Daraus folgt allerdings noch nicht, dass jede Verletzung von Rechten des Betriebsrats ohne weiteres zu einem Unterlassungsanspruch führt. Vielmehr kommt es nach der Rechtsprechung des 1. Senats auf die einzelnen Mitbestimmungstatbestände, deren konkrete gesetzliche Ausgestaltung und die Art der Rechtsverletzung an.23 Unabhängig von der Überzeugungskraft der vom BAG gewählten Rechtsgrundlage24 bietet sich der beschrittene Weg, zuerst die Rechtsgrundlage eines möglichen Unterlassungsanspruchs zu klären und sodann für jede einzelne Vorschrift des Betriebsverfas19 Vgl. GK-BetrVG/Wiese, Einl. BetrVG Rn. 77 ff. m.w.N. auch zu abweichenden Konzeptionen. 20 WPK/Preis, § 1 BetrVG Rn. 4; ErfK/Koch, § 1 BetrVG Rn. 1; FESTL, § 1 BetrVG Rn. 1. 21 GK-BetrVG/Wiese, Einl BetrVG Rn. 72; ErfK/Koch, § 1 BetrVG Rn. 1. 22 BAG v. 3. 5. 1994, 1 ABR 24/93, NZA 1995, 40 (42). 23 BAG v. 3. 5. 1994, 1 ABR 24/93, NZA 1995, 40 (42); bestätigt in v. 26. 7. 2005, 1 ABR 29/ 04, NZA 2005, 1372 (1374), Hervorhebung seitens des Verfassers. 24 Dazu sogleich unter 3. Kapitel A. II. 3. d).

A. Die Rechtsgrundlage des Unterlassungsanspruchs

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sungsrechts das Bestehen dieses Anspruchs unter Anlegung der gefundenen Rechtsgrundlage zu untersuchen, auch deshalb an, weil so nicht die Gefahr besteht in Alles-oder-Nichts-Manier einer Einheitslösung zu erliegen, die potentielle Unterschiede in den betriebsverfassungsrechtlichen Vorschriften nicht widerspiegelt. Die Differenzierung zwischen verschiedenen, möglicherweise unterschiedliche Zwecke verfolgenden, Normen des BetrVG ist vielmehr im Sinne einer methodengerechten Interpretation geboten.25

II. Die Verwandtschaft zwischen betriebsverfassungsrechtlichem Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers und allgemeinem Unterlassungsanspruch des Betriebsrats Um überhaupt die zum allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber entwickelten Ansätze für eine Herleitung des betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers in Betracht ziehen zu können, müssen diese übertragbar sein. Wie bereits ausgeführt hat das BAG in den 1980er Jahren dem Arbeitgeber einen Unterlassungsanspruch bei Verletzungen betriebsverfassungsrechtlicher Vorschriften zugestanden.26 Erst 1994 erkannte es einen neben § 23 Abs. 3 BetrVG stehenden allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber unter Verweis auf § 2 Abs. 1 BetrVG an.27 Die Übertragbarkeit der hierzu ausgearbeiteten Lösung verneint nun aber der 7. Senat des BAG in seinem Beschluss vom 17. 3. 2010, wenn er ausführt, dass der vom BAG außerhalb von § 23 Abs. 3 BetrVG zur Sicherung bestimmter Mitbestimmungsrechte anerkannte allgemeine Unterlassungsanspruch des Betriebsrats es nicht gebiete, auch dem Arbeitgeber einen Unterlassungsanspruch gegen den Betriebsrat zuzubilligen. Anders als ein Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers entspreche der weitere Unterlassungsanspruch des Betriebsrats dem strukturellen Konzept des § 23 BetrVG.28 Die Rechtslage hat sich damit vom Stand im Jahr 1980 zum Stand im Jahr 2010 grundlegend gewandelt, der Unterlassungsrechtsschutz in der Betriebsverfassung wurde durch die neue Rechtsprechung auf den Kopf gestellt. Diese Auffassung, die eine Übertragbarkeit der zum allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats ausgearbeiteten Konzepte ablehnt, kann jedoch nicht überzeugen. Dass die Annahme eines „strukturellen Konzepts“ des § 23 BetrVG nicht geeignet ist, um einen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers auszuschließen, dass vielmehr § 23 Abs. 3 und § 23 Abs. 1 BetrVG wegen des zwischen ihnen bestehenden systematischen Zusammenhangs in gleichem Maße keine Sperrwirkung

25 26 27 28

Insofern zutreffend Konzen, Leistungspflichten, S. 45. s. o. unter 1. Kapitel A. I. s. o. unter 2. Kapitel A. III. 1. BAG v. 17. 3. 2010, 7 ABR 95/08, NZA 2010, 1133 (1135 Rn. 27).

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3. Kap.: Die Begründung des Unterlassungsanspruchs

gegenüber Unterlassungsansprüchen für den Betriebsrat bzw. den Arbeitgeber entfalten können, wurde oben bereits dargelegt.29 Für die Übertragbarkeit der zum allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats entwickelten Lösungen könnte dagegen die Existenz eines zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber bestehenden gesetzlichen Schuldverhältnisses auf Basis von § 2 Abs. 1 BetrVG sprechen. § 2 Abs. 1 BetrVG, der bereits oben als sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Betriebsrat verbindliche Norm qualifiziert wurde, wird heute von der herrschenden Meinung als Grundlage eines betriebsverfassungsrechtlichen Schuldverhältnisses zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber angesehen.30 Auch das BAG erkennt in seiner Rechtsprechung zum allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber ein solches Schuldverhältnis an.31 Zur Klärung, ob auf Basis von § 2 Abs. 1 BetrVG ein Schuldverhältnis zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber besteht, kann § 241 Abs. 1 BGB herangezogen werden. § 241 Abs. 1 BGB enthält zwar keine Legaldefinition des Begriffs des Schuldverhältnisses, jedoch beschreibt die Vorschrift zumindest dessen Grundstruktur.32 Demnach kann unter einem Schuldverhältnis ein Rechtsverhältnis zwischen zwei (oder mehreren) Personen verstanden werden, kraft dessen der Berechtigte (Gläubiger) von dem Verpflichteten (Schuldner) eine Leistung – nach § 241 Abs. 1 Satz 2 BGB auch ein Unterlassen – fordern kann.33 § 2 Abs. 1 BetrVG benennt mit dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber Gläubiger und Schuldner und statuiert für beide die Pflicht zur vertrauensvollen Zusammenarbeit, die im jeweiligen Fall einen von beiden verpflichtet und spiegelbildlich dem anderen das Recht einräumt, die Einhaltung dieser Pflicht vom anderen zu fordern. § 2 Abs. 1 BetrVG erfüllt demnach die Mindestvoraussetzungen eines Schuldverhältnisses im Sinne des § 241 Abs. 1 BGB. Daneben kann noch § 40 Abs. 1 BetrVG als Beweis für die Existenz eines gesetzlichen Schuldverhältnisses zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber angeführt werden. Nach § 40 Abs. 1 BetrVG trägt der Arbeitgeber die durch die Arbeit des Betriebsrats entstehenden Kosten. Der Arbeitgeber ist mithin Schuldner der Kostentragungspflicht. Mit der aus § 40 Abs. 1 BetrVG resultierenden Kostentra29

s. o. 2. Kapitel A. III. 2. Münch. Hdb. z. ArbR/v. Hoyningen-Huene, § 212 Rn. 1; Richardi/Richardi, Einl. BetrVG Rn. 83; Derleder, AuR 1983, 289 (300); Ankersen, JuS 1995, 862 (864); Kania, NZA 1996, 970 (970); Raab, ZfA 1997, 183 (198); Witt, Kooperationsmaxime, S. 53 ff., 81 ff.; Belling, Haftung, S. 307 ff.; Thalhofer, S. 84; i.E. ebenso FESTL, § 2 BetrVG Rn. 17; für eine Ableitung aus § 40 BetrVG: DKKW/Wedde, Einl. BetrVG Rn. 142. 31 BAG v. 3. 5. 1994, 1 ABR 24/93, NZA, 1995, 40 (42); v. 23. 7. 1996, 1 ABR 13/96, NZA 1997, 274 (277). 32 MüKo-BGB/Bachmann, § 241 BGB Rn. 1; i.E. ebenso Palandt/Grüneberg, Einl v § 241 BGB Rn. 3 „traditionelle Umschreibung in § 241 Abs. 1“. 33 Palandt/Grüneberg, Einl v § 241 BGB Rn. 3; MüKo-BGB/Bachmann, § 241 BGB Rn. 1; NK-BGB/Krebs, § 241 BGB Rn. 6; Wiese, Anm. AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 71 unter I. 30

A. Die Rechtsgrundlage des Unterlassungsanspruchs

161

gungspflicht des Arbeitgebers korrespondiert ein Anspruch des Betriebsrats gegen diesen auf Tragung der erforderlichen Kosten.34 Dieser Anspruch steht nicht jedermann, sondern dem Betriebsrat als Gläubiger zu.35 Demnach weist § 40 Abs. 1 BetrVG (ebenso wie § 2 Abs. 1 BetrVG) auf die Existenz eines gesetzlichen Schuldverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat hin. Auch die Sonderregelung des § 40 Abs. 2 BetrVG vermittelt dem Betriebsrat einen – jetzt auf Naturalleistung gerichteten – Anspruch gegen den Arbeitgeber,36 auch diese Vorschrift ist demnach Ausdruck eines zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat bestehenden gesetzlichen Schuldverhältnisses.37 Zudem spricht der Freistellungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber bei Einschaltung eines Sachverständigen gemäß § 80 Abs. 3 BetrVG für die Anerkennung eines gesetzlichen Schuldverhältnisses.38 Auch die Mitbestimmungsrechte des BetrVG statuieren zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat Rechte und Pflichten und gestalten das zwischen beiden Betriebspartnern bestehende Verhältnis aus.39 Sie sind ebenso wie die §§ 2, 40, 80 Abs. 3 BetrVG damit gerade Ausdruck eines gesetzlichen Schuldverhältnisses zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber. Betrachtet man dieses gesetzliche Schuldverhältnis näher, so ist zuerst festzustellen, dass es nicht nur entweder für den Betriebsrat oder für den Arbeitgeber pflichtenstatuierend wirkt, sondern wechselseitig den beiden Betriebspartnern Pflichten auferlegt. Die Zweiseitigkeit des zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat bestehenden Schuldverhältnisses lässt sich z. B. mit Blick auf §§ 74 Abs. 1 Satz 2, 74 Abs. 2 BetrVG belegen.40 So werden nach § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG Arbeitgeber und Betriebsrat verpflichtet über strittige Fragen mit dem Willen zur Einigung zu verhandeln. Auch die Verbotstatbestände des § 74 Abs. 2 BetrVG sprechen sowohl den Arbeitgeber als auch den Betriebsrat an. Auch § 2 Abs. 1 BetrVG verpflichtet Betriebsrat und Arbeitgeber zur vertrauensvollen Zusammenarbeit, es bestehen beiderseitige Pflichten.41 Ebenso begründet § 40 Abs. 1 BetrVG nicht nur Pflichten in Richtung des Arbeitgebers, welcher die Kosten der Betriebsratsarbeit in erforderlichem Umfang tragen muss. Stattdessen resultieren aus der Tragung einzig der erforderlichen Kosten auch Pflichten des Betriebsrats. So muss der Betriebsrat prüfen, ob die die Kosten verursachende Tätigkeit innerhalb seines Aufgabenbereichs liegt. Außerdem muss er eine Bewertung der voraussichtlich anfallenden Kosten dahingehend vornehmen, ob diese ihrem Umfang nach erforderlich sind.42 34

ErfK/Koch, § 40 BetrVG Rn. 14. BAG v. 24. 10. 2001, 7 ABR 20/00, NZA 2003, 53 (54). 36 NK-ArbR/Besgen, § 40 BetrVG Rn. 16; GK-BetrVG/Weber, § 40 BetrVG Rn. 130; WPK/Kreft, § 40 BetrVG Rn. 42. 37 Wiese, Anm. AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 71 unter I. 38 Vgl. hierzu HaKo-BetrVG/Kothe/Schulze-Doll, § 80 BetrVG Rn. 74. 39 v. Hoyningen-Huene, NZA 1989, 121 (122 f.); Ankersen, JuS 1995, 862 (864). 40 v. Hoyningen-Huene, NZA 1989, 121 (123), Hervorhebung seitens des Verfassers. 41 Heinze, DB Beilage Nr. 9, 1983, 2 (7). 42 Hierzu Preis, KollArbR, S. 598 ff. 35

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3. Kap.: Die Begründung des Unterlassungsanspruchs

Dieselben Prüfpflichten treffen den Betriebsrat auch bei § 40 Abs. 2, 80 Abs. 3 BetrVG. Daneben wird auch für die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats eine Pflicht zur ordnungsgemäßen Ausübung gekoppelt an ein Verbot der rechtsmissbräuchlichen Nutzung diskutiert.43 Führt man sich diese wechselseitigen Verpflichtungen vor Augen, dann besteht für beide Parteien des Schuldverhältnisses in diesem das Bedürfnis drohende Verletzungen der der anderen Partei auferlegten Pflichten zu verhindern. Unterlassungsrechtsschutz für beide am Schuldverhältnis beteiligten Seiten ist dem Schuldverhältnis damit immanent.44 Mittel hierzu ist für den Betriebsrat der allgemeine Unterlassungsanspruch. Komplementär hierzu geht dann der betriebsverfassungsrechtliche Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat. Neben dem Bestehen des gesetzlichen Schuldverhältnisses zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber auf Basis von §§ 2, 40, 80 Abs. 3 BetrVG spricht auch noch die im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1 GG sowohl für den Betriebsrat als auch für den Arbeitgeber bestehende Grundrechtsfähigkeit für die Übertragung der für den allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats entwickelten Lösungen auf den Anspruch des Arbeitgebers. Für den Betriebsrat wurde bereits die Berufung auf Art. 2 Abs. 1 GG in Form der allgemeinen Eingriffsfreiheit für möglich gehalten.45 Der Arbeitgeber kann sich völlig unproblematisch auf Grundrechte berufen, neben den speziellen Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG46 steht ihm auch immer noch die subsidiär anwendbare, aber dieselbe Freiheit verbürgende allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG zu.47 Ebenso wie dem Betriebsrat eröffnet Art. 2 Abs. 1 GG dem Arbeitgeber damit die Freiheit vor ungerechtfertigten Eingriffen in seine persönliche Rechtssphäre. Diese Freiheit des Art. 2 Abs. 1 GG wirkt im Rahmen der objektiven Werteordnung der Grundrechte auch im Privatrechtsverhältnis. Überträgt man diesen Gedanken auf die Beteiligungsrechte, so stellt sich die hierauf aufbauend für den Betriebsrat anerkannte geschützte Rechtsphäre als Überweisung einer ursprünglich dem Arbeitgeber zugewiesenen Freiheit, gerade aus Art. 14 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, dar.48 Außerhalb der Beteiligungsrechte des Betriebsrats ist aber der Arbeitgeber zur Freiheitsausübung berechtigt, die ihm eröffnete Rechtssphäre und die Rechtssphäre des Betriebsrats grenzen dann aneinander. Außerdem wird dem Betriebsrat sogar mit den ihm eingeräumten Beteiligungsrechten gar keine Allzu43 Vgl. hier nur WPK/Preis, § 2 BetrVG Rn. 9. Zu Koppelungsgeschäften noch genauer unter 4. Kapitel III. 9. a). 44 Albert Braun, in: FS Simon, S. 53 (67). 45 s. o. 2. Kapitel A. III. 2. b) bb) (5). 46 Auf diese abstellend Kruse, S. 77. 47 Vgl. nur Henssler, in: Reform der Betriebsverfassung und Unternehmerfreiheit, S. 33 (35). 48 Vgl. GK-BetrVG/Wiese, Einl. BetrVG Rn. 53; FESTL, § 1 BetrVG Rn. 1 f.; Weitnauer, in: FS Duden, S. 705 (708); Belling, Haftung, S. 315 f.; Lobinger, ZfA 2004, 101 (127 Fn. 120 m.w.N.).

A. Die Rechtsgrundlage des Unterlassungsanspruchs

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ständigkeit im Rechtskreis des Arbeitgebers eingeräumt.49 So sind z. B. in § 87 Abs. 1 Nr. 1 – 13 BetrVG enumerativ und abschließend die sozialen Angelegenheiten geregelt, in denen der Betriebsrat zwingend mitzubestimmen hat.50 Über den Regelungskatalog des § 87 Abs. 1 BetrVG hinaus ist der Arbeitgeber dagegen frei darin, ob er mit dem Betriebsrat mittels einer freiwilligen Betriebsvereinbarung nach § 88 BetrVG weitere Angelegenheiten regeln will. Die Freiheit des Arbeitgebers außerhalb des Katalogs der Mitbestimmungstatbestände ist jedoch Einwirkungsmöglichkeiten des Betriebsrats ausgesetzt. So könnte der Betriebsrat z. B. versuchen, den Arbeitgeber im Rahmen einer Verhandlung zu einem Regelungsgegenstand des § 87 Abs. 1 BetrVG durch Forderungen außerhalb dieses Bereichs zu Zugeständnissen für Fälle zu zwingen, in denen er von Gesetzes wegen gar nicht zwingend zu beteiligen ist. Es besteht mithin zumindest eine Gefährung des Rechtskreises des Arbeitgebers.51 Diese könnte ein Unterlassungsanspruch effektiv verhüten. Insgesamt kann konstatiert werden, dass für beide Betriebsparteien ein geschützter Raum der Betätigungsfreiheit existiert, der nach Art. 2 Abs. 1 GG in gleichem Maße schutzwürdig ist. Gibt man dem Betriebsrat zur Verteidigung der seine Rechtssphäre konstituierenden Beteiligungsrechte einen allgemeinen Unterlassungsanspruch, kann man dem Arbeitgeber im Angesicht des ihm ebenfalls zustehenden Art. 2 Abs. 1 GG einen solchen nicht verwehren. Schließlich spricht für eine Übertragbarkeit der zum allgemeinen Unterlassungsanspruch gefundenen Lösungen auf einen betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers, dass in beiden Fällen jeweils betriebsverfassungswidriges – und nicht z. B. arbeitsvertragswidriges – Verhalten abgewehrt werden soll. Während sich der Betriebsrat mit dem allgemeinen Unterlassungsanspruch gegen eine Übergehung der im BetrVG statuierten Beteiligungsrechte wehren kann, soll der hier diskutierte betriebsverfassungsrechtliche Unterlassungsanspruch dem Arbeitgeber ermöglichen, sich gegen Verletzungen betriebsverfassungsrechtlicher Vorschriften durch den Betriebsrat zur Wehr zu setzen. Auch in der Frage des abgewehrten Verhaltens besteht daher für die beiden Ansprüche eine Übereinstimmung. Demnach können die zur Herleitung des allgemeinen Unterlassungsanspruchs des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber entwickelten Ansätze auch auf ihre Eignung zur Herleitung des betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat herangezogen werden.52 Der Auffassung des BAG, die eine Übertragbarkeit der für den allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber entwickelten Ansätze für den spiegelbildlichen be49

LAG München v. 6. 9. 1988, 3 TaBV 30/87, LAGE § 99 BetrVG Nr. 22; Belling, Haftung, S. 316. 50 Statt aller Richardi/Richardi, § 87 BetrVG Rn. 10, 13. 51 So Belling, Haftung, S. 317. 52 In der Herangehensweise ebenso v. Koppenfels-Spies, in: FS Blaurock, S. 213 (218); Wiebauer, BB 2010, 3091 (3094 f.).

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3. Kap.: Die Begründung des Unterlassungsanspruchs

triebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat widerspricht, kann dagegen nicht gefolgt werden. 1. Die zum allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats entwickelten Lösungen Nachdem sich gezeigt hat, dass eine Übertragung für den allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats entwickelter Lösungen auch für den Arbeitgeber möglich ist, müssen die für die Betriebsratsseite entwickelten Ansichten auf ihre Tragfähigkeit untersucht werden. Die zum allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Ansichten lassen sich bereits in ihrer Herangehensweise in zwei Lager einteilen. Im ersten Lager wird versucht, dem Bedürfnis des Betriebsrats nach Unterlassungsrechtsschutz unabhängig vom materiellen Recht allein über das Prozessrecht nachzukommen (prozessrechtliche Lösungen). Dagegen geht die Vielzahl der Beiträge zum Thema von der Notwendigkeit einer materiellrechtlichen Fundierung des allgemeinen Unterlassungsanspruchs aus (materiellrechtliche Lösungen).53 Diese Einteilung kann auch für diese Arbeit als Diskussionsgrundlage verwendet werden, spiegelt doch nur sie die geradezu philosophischen Differenzen zwischen den beiden Lagern wieder. 2. Prozessrechtliche Lösungen Den hier als prozessrechtlich bezeichneten Lösungsvorschlägen ist gemein, dass sie eine Absicherung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats allein im Wege des Prozessrechts ohne Rücksicht auf das Bestehen materiell-rechtlicher Ansprüche auf Unterlassung versuchen. Gewählt wird hierzu der Weg der einstweiligen Verfügung nach §§ 80 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit §§ 935 ff ZPO. Die Art der vorgeschlagenen einstweiligen Verfügungen differiert jedoch; so wird zum Teil eine Lösung über § 938 ZPO favorisiert,54 während eine andere Auffassung stattdessen § 940 ZPO anwenden will.55 Endlich wird sogar eine Kombination der §§ 938, 940 ZPO für möglich gehalten. 56 In jedem Fall gehen die eine prozessrechtliche Lösung vorschlagenden Autoren davon aus, dass es auf Unterlassung gerichtete einstweilige Verfügungen geben kann, die nicht mit einem materiell-rechtlichen Anspruch auf Unterlassung unterlegt sein müssen. So geht der eine Lösung über § 938 ZPO präferierende Teil der Autoren davon aus, dass die nach der Vorschrift möglichen Verfügungen ohne materiell-rechtlichen Anspruch auf Unterlassung dann erlassen werden können, wenn sich die angeordnete Maßnahme im Verhältnis zum zu si-

53 54 55 56

Vgl. zu dieser Differenzierung Lobinger, ZfA 2004, 101 (114). Dütz, DB 1984, 115 (124 ff.); Pahle, NZA 1990, 51 (52). Olderog, NZA 1985, 753 (759); D. Hartmann, S. 143 f. Trittin, BB 1984, 1169 (1174).

A. Die Rechtsgrundlage des Unterlassungsanspruchs

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chernden Recht als „aliud“57 oder „minus“ darstelle.58 Für den Weg über § 940 ZPO nimmt die Literatur an, dass die Vorschrift nicht einen materiell-rechtlichen Anspruch, sondern nur ein Rechtsverhältnis, aus dem potentiell Ansprüche erwachsen könnten, vorsehe. Als streitiges Rechtsverhältnis sei die gegenseitige Verpflichtung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zur Vereinbarung mitbestimmungspflichtiger Regelungen in sozialen Angelegenheiten anzusehen. Entscheidend für diese käme hinzu, dass beide Parteien nach § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG mit dem ernsten Willen zur Einigung zu verhandeln hätten.59 Auch für den Arbeitgeber ließe sich theoretisch sowohl über § 938 ZPO als auch über § 940 ZPO ein rein prozessualer Rechtsschutz konstruieren. Auch § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG stünde einer Übertragbarkeit dieses Ansatzes grundsätzlich nicht entgegen, sind ja gerade sowohl Arbeitgeber als auch Betriebsrat verpflichtet, mit dem ernsten Willen zur Einigung zu verhandeln. Jedoch kann eine rein prozessrechtliche Absicherung über die einstweilige Verfügung ohne diese unterlegenden Unterlassungsanspruch bereits im Ansatz weder für den Betriebsrat noch für den Arbeitgeber überzeugen.60 Mit dieser Herangehensweise wird vielmehr das grundsätzliche Verhältnis zwischen materiellem Recht und Prozessrecht verkannt. Während das materielle Recht die subjektiven Rechte zuspricht, sichert das Zivilprozessrecht als zwar eigenständiges, aber dem materiellen Recht nachgelagertes Rechtsgebiet deren Durchsetzung im Verfahrensweg. Zutreffend wird insofern davon gesprochen, dass das Zivilprozessrecht gegenüber dem materiellen Recht nur eine dienende Funktion hat; es dient nur der Sicherung der Verwirklichung des materiellen Rechts.61 Diese Ausrichtung des Zivilprozessrechts auf das materielle Recht spiegelt sich auch in den Vorschriften der ZPO zum Erlass einer einstweiligen Verfügung wieder. Während § 935 ZPO die Verwirklichung des Rechts einer Partei sichern will, setzt § 940 ZPO ein streitiges Rechtsverhältnis voraus. Sowohl Sicherungs- als auch Regelungsverfügung sind damit auf materielle Rechte bezogen. Sowohl § 935 ZPO als auch § 940 ZPO setzen daher einen zu sichernden Verfügungsanspruch voraus.62 Selbst wenn man annähme, dass es für § 940 ZPO mit der Voraussetzung des Rechtsverhältnisses bereits im Vorfeld des Anspruchs genügen würde, dass aus dem Rechtsverhältnis potentiell Ansprüche entspringen, so lässt sich hieraus gerade nicht eine genuin zivilprozessuale, vom materiellen Unterlassungsanspruch losgelöste Betrachtung rechtfertigen. 57

Pahle, NZA 1990, 51 (52). Dütz, DB 1984, 115 (124). 59 Olderog, NZA 1985, 753 (759). 60 Dagegen für den Betriebsrat: Heinze, in: FS Zeuner, S. 369 (376); Prütting, RdA 1995, 257 (260); J.H. Bauer, Brennpunkte des Arbeitsrechts 1996, S. 87 (137 f.); Konzen, NZA 1995, 865 (872 f.); Raab, ZfA 1997, 183 (196 f.); Walker, ZfA 2005, 45 (46); Lobinger, ZfA 2004, 101 (114 f.); Bitsch, S. 181; C. Schulze, S. 99; Sacher, S. 47 ff.; Evers, S. 81. 61 Zöller/Vollkommer, Einl. ZPO Rn. 92; MüKo-ZPO/Rauscher, Einl. ZPO Rn. 25. 62 MüKo-ZPO/Drescher, § 940 ZPO Rn. 2, 3; HK-ZV/Haertlein, § 940 ZPO Rn. 1; Konzen, Leistungspflichten, S. 108; Prütting, RdA 1997, 257 (260); Raab, ZfA 1997, 183 (196 f.); J. H. Bauer; Brennpunkte des Arbeitsrechts 1996, S. 87 (138). 58

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3. Kap.: Die Begründung des Unterlassungsanspruchs

Speziell das Erfordernis, dass zumindest potentiell Ansprüche aus dem Rechtsverhältnis entstehen können müssen, zeigt die Rückkoppelung des § 940 ZPO an das materielle Recht. Die Annahme einer anspruchslosen einstweiligen Verfügung nach §§ 935, 940 ZPO stellt vielmehr einen Rückfall in das heute überwundene, gemeinrechtlich beeinflusste Aktionendenken dar.63 Allein deshalb geht die Begründung des materiellen Unterlassungsanspruchs dessen Durchsetzung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vor.64 Auch über § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG lässt sich kein abweichendes Ergebnis erzielen, welches eine rein prozessrechtliche Absicherung von Arbeitgeber oder Betriebsrat mittels einer anspruchslosen einstweiligen Verfügung auf Unterlassung zuließe.65 Nimmt man mit einer Auffassung in der Literatur an, § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG selbst sei Anspruchsgrundlage,66 so eignet sich die Vorschrift wegen ihrer Anspruchsqualität gar nicht als Beweis für ein keine Ansprüche umfassendes Rechtsverhältnis zwischen den Betriebsparteien, das Grundlage für eine auf einen Unterlassungsanspruch verzichtende einstweilige Verfügung nach § 940 ZPO sein könnte. Vielmehr ist dann § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG selbst der die Verfügung unterlegende Anspruch; es würde sich gar nicht um eine von einem materiellrechtlichen Anspruch abstrahierte Verfügung handeln. Geht man dagegen mit einer anderen Auffassung in der Literatur davon aus, § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG selbst komme keine Anspruchsqualität zu,67 so spricht die Vorschrift dann trotzdem nicht für eine auf Unterlassung abzielende einstweilige Verfügung ohne Anspruch. § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG verpflichtet Arbeitgeber und Betriebsrat einzig dazu, mit dem ernsten Willen zur Einigung zu verhandeln. Inhalt des Gebots ist damit die Statuierung einer Handlungspflicht. Ein bestimmtes Ergebnis der Verhandlungen ist von § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG gar nicht angestrebt. Vielmehr bleibt es sowohl dem Arbeitgeber als auch dem Betriebsrat unbenommen, auf ihrem Standpunkt in den Verhandlungen zu beharren.68 Die aus § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG allein abzuleitende Einlassungs- und Erörterungspflicht verdichtet sich mithin gerade nicht zu einer Pflicht zum Kompromiss.69 Garantiert § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG damit aber gar kein gesichertes Ergebnis, sondern lediglich die Möglichkeit zum offenen Gespräch, so stellt sich eine auf § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG abstellende Regelungsverfügung nach § 940 ZPO, die Arbeitgeber oder Betriebsrat ein Verhalten untersagt, als überschießend dar. Anders gewendet: Per einstweiliger Verfügung über § 940 ZPO in Verbindung mit § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG wäre damit mehr zu erreichen als mit einem Leistungsantrag nach derselben Vorschrift in der Hauptsache zugesprochen 63 64 65 66 67 68 69

Prütting, RdA 1995, 257 (260). Thalhofer, S. 92. So aber für den Betriebsrat Olderog, NZA 1985, 753 (759). HaKo-BetrVG/Lorenz, § 74 BetrVG Rn. 4. GK-BetrVG/Kreutz, § 74 BetrVG Rn. 27; WPK/Preis, § 74 BetrVG Rn. 35. Richardi/Richardi/Maschmann, § 74 BetrVG Rn. 12. WPK/Preis, § 74 BetrVG Rn. 5; Richardi/Richardi/Maschmann, § 74 BetrVG Rn. 12.

A. Die Rechtsgrundlage des Unterlassungsanspruchs

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werden könnte.70 Demnach kommt eine Sicherung von Betriebsrat oder Arbeitgeber durch eine nicht mit einem Anspruch unterlegte einstweilige Verfügung auf Unterlassung weder nach §§ 935, 940 ZPO noch unter Heranziehung von § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG in Betracht. Eine anspruchslose einstweilige Verfügung kann es per se nicht geben. Dem Bedürfnis nach Unterlassungsrechtsschutz im Schuldverhältnis zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber kann daher einzig über eine materiell-rechtliche Lösung abgeholfen werden. 3. Materiell-rechtliche Lösungen Nachdem eine rein prozess-rechtliche Absicherung des Arbeitgebers über eine einstweilige Verfügung ohne Unterlassungsanspruch als nicht überzeugend verworfen wurde, muss die Ableitung eines materiell-rechtlichen Unterlassungsanspruchs ins Auge gefasst werden. Es wurden in der Diskussion um den allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats bei Verletzung von § 87 BetrVG durch den Arbeitgeber eine Vielzahl von Lösungsmodellen entwickelt, die auf ihre Tragfähigkeit für den betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat untersucht werden können. a) Verfassungsrechtliche Ableitung aus Art. 19 Abs. 4 GG Neben einer Herleitung aus dem einfachen Recht wird in der Diskussion um den allgemeinen Unterlassungsanspruch vereinzelt auch das Verfassungsrecht bemüht. Coen hat mit Verweis auf die Grundrechtsfähigkeit des Betriebsrats hinsichtlich der prozessualen Grundrechte und der nach Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen Effektivität des Rechtsschutzes einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats bejaht.71 Jedoch kann die Herleitung eines Unterlassungsanspruchs aus dem Verfassungsrecht weder für den Betriebsrat noch für den ebenfalls grundrechtsberechtigten Arbeitgeber überzeugen. Zwar kann Coen insofern gefolgt werden, dass sowohl über Art. 19 Abs. 4 GG als auch über den allgemeinen Justizgewährleistungsanspruch nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG nicht nur der Rechtsschutz an sich, sondern auch dessen Effektivität gewährleistet ist.72 Nach der überzeugenden Rechtsprechung des BVerfG tritt geradezu selbstverständlich neben den Rechtsschutz der für diesen selbst elementare Gesichtspunkt der Wirksamkeit bzw. Effektivität. Diesen begriff die bundesverfassungsgerichtliche Judikatur zu Beginn als verfahrensrechtlichen Gehalt spezieller materieller Grundrechtsgewährleistungen, sodass sie 70 Zutreffend für den allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber Wiebauer, Sicherung, S. 167. 71 Coen, DB 1984, 2459 (2460). 72 Vgl. aus neuerer Zeit zu Art. 19 Abs. 4 GG nur: BVerfG v. 2. 12. 2014, 1 BvR 3106/09, NJW 2015, 610 (610); v. 20. 5. 2014, 2 BvR 2512/13, juris Rz. 13; v. 5. 7. 2013, 2 BvR 370/13, juris Rz. 17; zum allgemeinen Justizgewährleistungsanspruch aus Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG: BVerfG v. 20. 9. 2007, 1 BvR 775/07, NJW 2008, 503 (503).

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3. Kap.: Die Begründung des Unterlassungsanspruchs

für das in Rede stehenden Grundrecht diesen Gehalt jeweils einzeln ableitete.73 Damit war ein Grundrechtsschutz durch Verfahren geboren. Logischer Endpunkt dieser Entwicklung war die Feststellung, dass generell allen verfassungsrechtlichen Rechten die Durchsetzbarkeit mitgegeben sei.74 Diese Judikatur hat jedoch mittlerweile Einschränkungen erfahren. So geht das BVerfG neuerdings davon aus, dass sich aus den materiellen Grundrechten nur „unter Umständen“ Anforderungen an das gerichtliche Verfahren ergeben können. Diese Umstände seien nur für den Fall besonderer oder zusätzlicher Maßnahmen, die gerade im Interesse einer bestimmten Freiheitsgarantie erforderlich seien, anzunehmen.75 Die Judikatur geht damit bei der Ableitung eines verfahrensrechtlichen Schutzbereichs einzelner Grundrechte zurückhaltender als in der Anfangszeit vor. Stattdessen wird auf Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG abgestellt.76 Damit hat jedoch nur die dogmatische Herleitung des Effektivitätsgrundsatzes eine Abänderung erfahren, der grundsätzliche Zuspruch für einen solchen Grundsatz bleibt in der Rechtsprechung des BVerfG unverändert bestehen. Wendet man sich über die grundsätzliche Anerkennung der Existenz des Effektivitätsgrundsatzes hinaus dessen Inhalt zu, so rückt für die Frage nach einem Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers vor allem die mit dem Verfahren verbundene Zeitdimension in den Blick. So hat das BVerfG zuerst für Art. 19 Abs. 4 GG bei Anfechtungssachen aus der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit77 und der Sozialgerichtsbarkeit78 nicht nur Rechtsschutz in der Hauptsache, sondern auch die Gewährleistung eines effektiven, vorläufigen Rechtsschutzes abgeleitet. Dieser wird damit begründet, dass die Gefahr der Schaffung vollendeter Tatsachen, die, wenn sie sich nach richterlicher Entscheidung als rechtswidrig erweisen, nicht mehr beseitigt werden können, verhütet werden müsse.79 Die Rechtsprechung wurde über die

73 Für eine Ableitung aus Art. 14 GG: BVerfG v. 3. 7. 1973, 1 BvR 153/69, BVerfGE 35, 348 (361); v. 7. 12. 1977, 1 BvR 734/77, BVerfGE 46, 325 (333); v. 27. 9. 1978, 1 BvR 361/78, NJW 1979, 534 (535); v. 10. 10. 1978, 1 BvR 475/78, BVerfGE 49, 252 (256); v. 24. 4. 1979, 1 BvR 787/78, BVerfGE 51, 150 (156) ; für eine Ableitung aus Art. 12 Abs. 1 GG: BVerfG v. 2. 4. 1974, 1 BvR 92/70, 1 BvR 97/70, BVerfGE 37, 67 (77 f.); für eine Ableitung aus Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG: BVerfG v. 14. 11. 1979, 1 BvR 654/79, BVerfGE 52, 391 (407 f.) für eine Ableitung unter anderem aus Art. 103 Abs. 1 GG: BVerfG v. 16. 1. 1980, 1 BvR 127/78, 1 BvR 679/78, BVerfGE 53, 115 (127). 74 BVerfG v. 9. 4. 1975, 1 BvR 344/74, BVerfGE 39, 276 (294). 75 BVerfG v. 27. 10. 1999, 1 BvR 385/90, BVerfGE 101, 106 (122). 76 Vgl. aus neuerer Zeit nur BVerfG v. 1. 12. 2010, 1 BvR 1682/07, NZA 2011, 354 (355). 77 BVerfG v. 19. 6. 1973, 1 BvL 39/69, 1 BvL 14/72, BVerfGE 35, 263 (274); v. 18. 7. 1973, 1 BvR 23/73, 1 BvR 155/73, BVerfGE 35, 382 (401); v. 13. 6. 1979, 1 BvR 699/77, BVerfGE 51, 268 (284); ebenso BVerwG v. 8. 12. 1977, VII B 76/77, NJW 1978, 1870 (1870). 78 BVerfG v. 19. 10. 1977, 2 BvR 42/76, BVerfGE 46, 166 (178 f.). 79 BVerfG v. 24. 4. 1974, 2 BvR 236/74, 2 BvR 245/74, 2 BvR 308/74, BVerfGE 37, 150 (153); v. 11. 6. 2008, 2 BvR 2062/07, NVwZ-RR 2008, 657 (658); v. 11. 10. 2010, 2 BvR 1710/ 10, NVwZ-RR 2011, 305 (306); v. 8. 9. 2014, 1 BvR 23/14, NJW 2014, 3711 (3711).

A. Die Rechtsgrundlage des Unterlassungsanspruchs

169

Anfechtung auch auf Vornahmebegehren erstreckt.80 Wegen des Gleichlaufs der speziellen Gewährleistung in Art. 19 Abs. 4 GG und dem allgemeinen Justizgewährleistungsanspruch aus Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG81 garantiert auch letzterer einen effektiven, einstweiligen Rechtsschutz. Auch bei Anerkennung des Effektivitätsgrundsatzes und dem garantierten Bestand eines summarischen Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes kann jedoch nicht hieraus auf das Bestehen eines materiell-rechtlichen Unterlassungsanspruchs geschlossen werden. Sowohl Art. 19 Abs. 4 GG als auch der allgemeine Justizgewährleistungsanspruch aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG schaffen die zu schützenden Rechte nicht selbst, sondern setzen das Bestehen eigener materieller Rechte vielmehr a priori voraus.82 Der Umfang des Rechtsschutzes und dessen Art müssen daher vom Gesetzgeber festgelegt werden.83 Der Unterlassungsanspruch als materieller Anspruch gerichtet auf Unterlassung betriebsverfassungswidrigen Verhaltens muss damit bestehen, um überhaupt eine Berufung auf die Garantie des Art. 19 Abs. 4 GG, auf die sich Coen bezieht oder auch den allgemeinen Justizgewährleistungsanspruch nach Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG zu ermöglichen. Effektiver Rechtsschutz im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG oder des allgemeinen Justizgewährleistungsanspruchs dient damit der Durchsetzung von Ansprüchen, nicht aber deren Begründung.84 Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG und auch dem allgemeinen Jutzigewährleistungsanspruch ist nur Mittel der Durchsetzung subjektiver Rechte, definiert und qualifiziert diese aber nicht von sich aus.85 Das Gebot effektiven Rechtsschutzes muss damit einzig ein summarisches Verfahren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes bereitstellen, garantiert aber nicht materiell-rechtliche, im Gesetz so nicht vorgesehene Ansprüche.86 Für die Herleitung eines betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs können beide Garantien daher keine Bedeutung erlangen. Dies entzieht Coens Ansatz zur Herleitung eines Unterlassungsanspruchs aus Art. 19 Abs. 4 GG die Grundlage. b) Rückgriff auf den Unterlassungsanspruch aus einer bestehenden Betriebsvereinbarung Zum Teil wird für den Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber erwogen, diesen unter Verweis auf den Unterlassungsanspruch aus einer 80 81 82 83

(207). 84

BVerfG v. 25. 10. 1988, 2 BvR 745/88, BVerfGE 79, 69 (74). Vgl. dazu Maurer, in: FS BVerfG, Bd. 2, S. 467 (491); J. Fritzsche, S. 42 f. Vgl. aus neuerer Zeit nur BVerfG v. 18. 7. 2005, 2 BvR 2236/04, BVerfGE 113, 273 (310). BVerfG v. 13. 6. 2007, 1 BvR 1550/03, 1 BvR 2357/04, 1 BvR 603/05, BVerfGE 118, 168

Konzen/Rupp, DB 1984, 2695 (2699). So zu Art. 19 Abs. 4 GG Funke, JZ 2015, 369 (369 Fn. 9). 86 Zutreffend J.H. Bauer, Brennpunkte des Arbeitsrechts 1996, S. 61 (79). Hervorhebung seitens des Verfassers. 85

170

3. Kap.: Die Begründung des Unterlassungsanspruchs

bestehenden Betriebsvereinbarung zu begründen.87 Möge es sich insoweit auch um eine andere Rechtsgrundlage handeln, bestehe gleichwohl sowohl bei ausgeübter Mitbestimmung in Form einer Betriebsvereinbarung als auch bei noch nicht ausgeübter Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 BetrVG ein Schutzbedürfnis des Betriebsrats bei in beiden Fällen gleich wenig schutzwürdigen Interessen des Arbeitgebers. Einer Übertragung dieser Konstruktion für einen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrats stehen aber trotz der beidseitigen schuldrechtlichen Verpflichtungswirkung der Betriebsvereinbarung im Verhältnis zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber88 und des auch hier nicht angezweifelten Bestehens eines Unterlassungsanspruchs aus einer bestehenden Betriebsvereinbarung89 dennoch durchgreifende Bedenken entgegen. So wird schon für den allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats der in der Entscheidung vom 3. 5. 1994 angedachten Begründung über die Betriebsvereinbarung durch des BAG deutlich widersprochen. Es wird zutreffend eingewandt, dass der Senat verschiedene Konstellationen miteinander vermenge, die so nicht vergleichbar seien. Bei einem Verlangen auf Respektierung einer abgeschlossenen Betriebsvereinbarung handele es sich um die aus der Vereinbarung selbst resultierende Forderung des Betriebsrats, während es sich bei einem Anspruch auf Unterlassung von Verstößen gegen Mitbestimmungsrechte um ein zu diesen hinzutretendes Abwehr- und Schutzrecht handele.90Anders ausgedrückt: Der dem Betriebsrat zugestandene Unterlassungsanspruch ist also letztlich der aus der Vereinbarung resultierende Erfüllungsanspruch.91 Beim allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats handelt es sich dagegen um ein zum Mitbestimmungsrecht hinzutretendes Schutzinstrument.92 Gegen die Begründung des betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat unter Rückgriff auf den Unterlassungsanspruch aus einer Betriebsvereinbarung spricht zudem, dass dieser nur die Fälle erfassen könnte, für die die Betriebsparteien bereits eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen haben. Verweigert der Betriebsrat den Abschluss einer solchen Vereinbarung, so kann der Arbeitgeber außer in den Fällen des § 87 Abs. 1, Abs 2, § 76 Abs. 5 BetrVG nicht von sich aus den Abschluss einer Betriebsvereinbarung durch Einschaltung des Arbeitgerichts erzwingen. Die Betriebsvereinbarung setzt vielmehr nach der zutreffenden herrschenden Meinung, die sie als privatrechtlichen kollektiven Normenvertrag begreift,93 das Vorliegen inhaltlich übereinstimmender Wil-

87

BAG v. 3. 5. 1994, 1 ABR 24/93, NZA 1995, 40 (42) weist dieses Begründungsmuster auf. Dazu ErfK/Kania, § 77 BetrVG Rn. 8. 89 BAG v. 10. 11. 1987, 1 ABR 55/86, NZA 1988, 255 (255 f.). 90 Richardi, NZA 1995, 8 (9). 91 Raab, ZfA 1997, 183 (190). 92 Richardi, NZA 1995, 8 (9). 93 BAG v. 18. 2. 2003, 1 ABR 17/02, NZA 2004, 337 (339); ErfK/Kania, § 77 BetrVG Rn. 4; FESTL, § 77 BetrVG Rn. 13. 88

A. Die Rechtsgrundlage des Unterlassungsanspruchs

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lenserklärungen der Betriebspartner voraus.94 Weigert sich der Betriebsrat die erforderliche Willenserklärung abzugeben, so kommt die Betriebsvereinbarung nicht zu Stande. Ohne die Möglichkeit der Anrufung einer Einigungsstelle, die die fehlende Einigung nach § 76 Abs. 5 Satz 1 BetrVG ersetzen könnte, kann die fehlende Willenserklärung des Betriebsrats nicht erzwungen werden. Stattdessen wäre der Arbeitgeber auf die gütige Mithilfe des Betriebsrats angewiesen. Bei Streitigkeiten um die Auslegung z. B. von §§ 74, 77, 79 BetrVG wird eine solche aber wohl nicht in jedem Fall vorhanden sein. Die Herleitung des Unterlassungsanspruchs aus einer bestehenden Betriebsvereinbarung würde den Arbeitgeber bei diesen Normen mangels erzwingbarer Betriebsvereinbarung schutzlos stellen. Demnach kann die Ableitung eines betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs unter Rückgriff auf den sich aus einer Betriebsvereinbarung ergebenden Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber nicht überzeugen. c) Allgemeines Rechtsprinzip der Schadensverhütung vor Schadensausgleich Neben den bisher erörterten und verworfenen Herleitungen existiert für den allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats auch noch eine Auffassung, die den Anspruch auf ein allgemeines Rechtsprinzip der Schadensverhütung vor Schadensausgleich stützen möchte. Nach dieser Auffassung ist der allgemeine Unterlassungsanspruch einem Schadensersatzanspruch vorgeschaltet. Eine rationale Rechtsordnung könne nicht abwarten, bis der Schaden eintrete.95 Ungeachtet der zutreffenden Kritik an der Herleitung eines solch allgemeinen Rechtsprinzips, welches die Unvermeidbarkeit gewisser Schäden außer Acht lässt,96 kann auch diese Auffassung einen betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat nicht stützen. Das von der Auffassung behauptete allgemeine Rechtsprinzip soll Stütze für die Fälle des negatorischen Unterlassungsanspruchs sein, in denen ein drohender Eingriff bei seiner Verwirklichung einen der Tatbestände der §§ 823 ff BGB verwirklichen würde.97 Voraussetzung für eine Herleitung des betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat über genanntes Rechtsprinzip wäre damit, dass der Betriebsrat bei Verstößen gegen betriebsverfassungsrechtliche Vorschriften wie z. B. §§ 2, 74, 77, 79 BetrVG nach § 823 ff BGB haftet. Der Betriebsrat als Organ

94 WPK/Preis, § 77 BetrVG Rn. 7; FESTL, § 77 BetrVG Rn. 18; GK-BetrVG/Kreutz, § 77 BetrVG Rn. 35 ff. 95 Salje, DB 1988, 909 (911) unter Verweis auf Canaris, Feststellung, S. 112. Ähnlich zur Rechtsanalogie zu § 1004 BGB Stroemer, S. 94; A. Fritzsche, WRP 2006, 42 (47); generell für diese Herleitung Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 13; ebenfalls sich auf dieses Rechtsprinzip berufend Neuner, JuS 2005, 487 (488). 96 Vgl. Nils Jansen, S. 555 f. 97 Canaris, Feststellung, S. 112.

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3. Kap.: Die Begründung des Unterlassungsanspruchs

haftet jedoch nach herrschender Meinung nicht aus unerlaubter Handlung.98 Hierfür wird entweder auf die mangels Rechtsfähigkeit fehlende Vermögensfähigkeit99 oder die fehlende Deliktsfähigkeit verwiesen.100 Selbst bei Annahme einer Teilrechtsfähigkeit des Betriebsrats im Rahmen seines gesetzlichen Wirkkreises käme eine Haftung des Gremiums für deliktische Handlungen nicht in Betracht; diese gehörten gerade nicht zum Handlungsbereich des Betriebsrats.101 Stellt man auf die rechtliche Begründung der fehlenden Vermögens- bzw. Deliktsfähigkeit ab, scheidet eine deliktische Haftung des Betriebsrats wegen Verletzung der §§ 2, 74, 77, 79 aus. Die vom allgemeinen Rechtsprinzip der „Schadensverhütung vor Schadensausgleich“ vorausgesetzte Verwirklichung eines Haftungsnorm nach den §§ 823 ff BGB kann mithin für den Betriebsrat unter Zugrundelegung der herrschenden Meinung konstruktiv nicht eintreten; ein betriebsverfassungsrechtlicher Unterlassungsanspruch kann daher mit diesem Rechtsprinzip nicht begründet werden. Anders wäre dies jedoch zu beurteilen, wenn man entgegen der dargestellten herrschenden Auffassung davon ausginge, dass eine deliktische Haftung des Betriebsrats selbst möglich ist. Könnte der Betriebsrat selbst nach den §§ 823 ff BGB haften, so ließe sich auch über das allgemeine Rechtsprinzip der „Schadensverhütung vor Schadensausgleich“ ein Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen das Gremium begründen. So nimmt tatsächlich eine Auffassung in der Literatur an, dass die Haftung des Betriebsrats aus unerlaubten Handlungen zumindest theoretisch möglich ist. Sie wird nur im Ergebnis wegen der fehlenden Haftungsmasse für praktisch aussichtslos erklärt.102 Zudem existiert in der Literatur eine noch weitergehende Ansicht, die die Freistellung des Betriebsrats von der Haftung nach §§ 823 ff BGB nicht für überzeugend erachtet.103 So macht diese teilweise vertretene Ansicht geltend, dass zwar eine Geldersatzpflicht des Betriebsrats wegen des Vermögenslosigkeit ausscheide, jedoch die Naturalrestitution deswegen nicht ausgeschlossen sei.104 Die Verwirklichung eines haftungsbegründenden Tatbestands nach §§ 823 ff BGB wäre damit nach beiden letztgenannten Auffassungen möglich; das genannte Rechtsprinzip der „Schadensverhütung vor Schadensausgleich“ wäre auch zur Herleitung eines Unterlassungsanspruchs gegenüber dem Betriebsrat anwendbar.

98

Richardi/Thüsing, Vor § 26 BetrVG Rn. 8; Münch. Hdb. z. ArbR/v. Hoyningen-Huene, § 212 Rn. 16; GK-BetrVG/Franzen, § 1 BetrVG Rn. 77; FESTL, § 1 BetrVG Rn. 210; HWK/ Gaul, § 1 BetrVG Rn. 4; DKKW/Wedde, Einl. BetrVG Rn. 149; WPK/Preis, § 1 BetrVG Rn. 45; Belling, Haftung, S. 287. 99 Belling, Haftung, S. 287. 100 FESTL, § 1 BetrVG Rn. 210; WPK/Preis, § 1 BetrVG Rn. 45. 101 DKKW/Wedde, Einl. BetrVG Rn. 149. 102 HWGNRH/Rose, Einl. BetrVG Rn. 109; vgl. auch Renker, AiB 2001, 701 (702) zur tatsächlichen Uneinbringlichkeit eines Zwangsgeldes. 103 H. J. Weber, DB 1992, 2135 (2137); Kleinebrink, FA 2012, 98 (98); F. Gamillscheg, KollArbR, Bd. 2, S. 576; Schwipper, S. 256 ff.; noch weitergehend Triebel, S. 56 ff. 104 H. J. Weber, DB 1992, 2135 (2140); F. Gamillscheg, KollArbR, Bd. 2, S. 576.

A. Die Rechtsgrundlage des Unterlassungsanspruchs

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Den beiden letztgenannten Auffassungen kann jedoch nicht gefolgt werden. Sie können nicht erklären, wie der Betriebsrat einen haftungsbegründenden Tatbestand der §§ 823 ff BGB erfüllen soll. Auch wird der Ausschluss des § 945 ZPO durch § 85 Abs. 2 ArbGG nicht genug beachtet. So zeigt bereits letztgenannter Ausschluss, dass der Gesetzgeber nicht vom Bestehen eines Schadensersatzanspruchs gegen den Betriebsrat ausgeht. Zwar erkennt auch die teilweise vertretene Auffassung den Ausschluss des § 945 ZPO als Problem für ihre eigene Annahme an,105 vollzieht jedoch nicht den daraus zu ziehenden Schluss. In § 85 Abs. 2 ArbGG hat der Gesetzgeber mit dem Ausschluss des Schadensersatzanspruchs aus § 945 ZPO die Sondersituation des Betriebsrats berücksichtigt. Für die sich noch stellende Frage, ob eine Naturalrestitution möglich sein kann, ist der Ausschluss des § 945 ZPO ebenfalls aufschlussreich. § 945 ZPO begründet zum Schutz des Schuldners einen materiell-rechtlichen, verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch.106 § 85 Abs. 2 ArbGG schließt diesen Anspruch aus § 945 ZPO für Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes in jedem Fall aus. Einschränkungen finden sich in § 85 Abs. 2 ArbGG nicht; insbesondere hat der Gesetzgeber nicht geregelt, dass nur der Anspruch auf Geldersatz ausgeschlossen werden soll. Der Gesetzeswortlaut bringt vielmehr deutlich zum Ausdruck, dass in jedem denkbaren Fall der Angelegenheiten aus dem BetrVG § 945 ZPO keine Anwendung finden soll. Diese Richtungsentscheidung des Gesetzgebers gegen einen Schadensersatzanspruch in Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes muss bei der Diskussion einer Haftung aus §§ 823 ff BGB zumindest mitbedacht werden. Gegen die teilweise vertretene Literaturauffassung, die die Naturalrestitution von Seiten des Betriebsrats für möglich erachtet, spricht über den Ausschluss des § 945 ZPO hinaus noch, dass sie den Zusammenhang zwischen Haftungsausfüllung und Haftungsbegründung verkennt. §§ 249 ff BGB regeln Art und Umfang des Schadensersatzes, nicht aber, ob eine Pflicht zum Schadensersatz besteht.107 §§ 249 ff BGB sind demnach keine Anspruchsgrundlagen, sondern setzen voraus, dass bereits ein Anspruch besteht.108 Naturalrestitution nach § 249 Abs. 1 BGB ist somit Folge, nicht Grund eines Anspruchs. Vor dem Rekurs auf eine doch noch mögliche Naturalrestitution muss demnach geklärt sein, ob überhaupt der haftungsbegründende Tatbestand der einzig ernsthaft in Betracht kommenden §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, § 826 BGB erfüllt werden kann. Die Haftung des Betriebsrats auf Grund einer unerlaubten Handlung nach § 823 Abs. 1 BGB setzt nach der herrschenden Meinung grundsätzlich die Erfüllung des Tatbestands, die Rechtswidrigkeit und das Verschulden

105

F. Gamillscheg, KollArbR, Bd. 2, S. 576. Statt aller Musielak/Voit/Huber, § 945 ZPO Rn. 1. 107 Statt aller MüKo-BGB/Oetker, § 249 BGB Rn. 1. 108 MüKo-BGB/Oetker, § 249 BGB Rn. 1; Jauernig/Teichmann, § 249 BGB Rn. 1; NKBGB/Magnus, Vor §§ 249 – 255 BGB Rn. 2; BeckOK-BGB/Schubert, § 249 BGB Rn. 1. 106

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3. Kap.: Die Begründung des Unterlassungsanspruchs

voraus.109 § 826 BGB ist sogar nur bei vorsätzlichen Verstößen erfüllt. § 823 Abs. 2 Satz 2 BGB schreibt zumindest das Vorliegen von Fahrlässigkeit als haftungsbegründende Voraussetzung vor. Verschulden im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB kann nach § 276 Abs. 2 BGB in Form von Vorsatz und Fahrlässigkeit vorliegen. Beide Grade des Verschuldens betreffen die subjektive Vorwerfbarkeit.110 Sowohl Vorsatz als auch Fahrlässigkeit enthalten intellektuelle und voluntative Elemente.111 Erkennbarkeit und Vermeidbarkeit des Verstoßes werden damit zur Annahme von zumindest Fahrlässigkeit notwendig gefordert.112 Schuldhaft können jedoch immer nur einzelne Personen handeln, nicht ein Gremium an sich.113 Über das Erfordernis des Verschuldens seitens des Gremiums kann auch die Vermutung des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht hinweghelfen.114 § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB findet auf die Regelungen der unerlaubten Handlungen in §§ 823 ff BGB keine Anwendung.115 Auch eine Verschuldenszurechnung eines bei den Mitgliedern denkbaren Verschuldens an den Betriebsrat selbst scheidet aus. Hierzu fehlt es für den Fall einer Haftung nach §§ 823 ff BGB an einer erforderlichen Zurechnungsnorm. § 278 BGB findet für die §§ 823 ff BGB weder direkt116 noch analog Anwendung.117 § 831 BGB ist keine Zurechnungsnorm für fremdes Verschulden, sondern ist selbst Anspruchsgrundlage für eigenes Verschulden des Geschäftsherren.118 Selbst wenn man mit einer Auffassung in der Literatur § 31 BGB nicht nur als Zurechnungsnorm für das Verhalten des verfassungsmäßigen Vertreters, sondern auch dessen Verschulden auffasst,119 so ändert auch dies nichts am Ergebnis. Direkt findet § 31 BGB auf juristische Personen Anwendung. Der Betriebsrat ist unstrittig keine juristische Person; es fehlt an einer konstitutiven Eintragung bzw. staatlichen Verleihung der Eigenschaft.120 Einzig in Betracht käme dann noch eine analoge Anwendung des § 31 BGB auf die Betriebsratsmitglieder zur Zurechnung an den Betriebsrat.121 Voraussetzung für eine 109

NK-BGB/Katzenmeier, § 823 BGB Rn. 8. NK-BGB/Dauner-Lieb, § 276 BGB Rn. 7; HK-BGB/Schulze, § 276 BGB Rn. 3. 111 MüKo-BGB/Grundmann, § 276 BGB Rn. 53. 112 BeckOK-BGB/Unberath, § 276 BGB Rn. 17; MüKo-BGB/Grundmann, § 276 BGB Rn. 53. 113 Richardi/Thüsing, § 23 BetrVG Rn. 56; WPK/Kreft, § 23 BetrVG Rn. 20; DKKW/ Trittin, § 23 BetrVG Rn. 158; GK-BetrVG/Oetker, § 23 BetrVG Rn. 123; HWGNRH/Huke, § 23 BetrVG Rn. 43. 114 Hierauf für die vertragliche Haftung des Betriebsrats aus §§ 280 Abs. 1, 241 BGB abstellend Triebel, S. 69. 115 Statt aller Rother, NJ 2012, 317 (321). 116 Statt aller Staudinger/Caspers, § 278 BGB Rn. 8. 117 BGH v. 25. 10. 1951, III ZR 95/50, NJW 1952, 418 (419). 118 HK-BGB/Staudinger, § 831 BGB Rn. 1; Jauernig/Teichmann, § 831 BGB Rn. 1; NKBGB/Katzenmeier, § 831 BGB Rn. 1; HK-BGB/Staudinger, § 831 BGB Rn. 1. 119 HK-BGB/Staudinger, § 831 BGB Rn. 4; Staudinger/Weick, § 31 BGB Rn. 3; i.E. ebenso JurisPK-BGB/Otto, § 31 BGB Rn. 8. 120 Vgl. nur Triebel, S. 29 f. 121 So für die Zurechnung der Handlungen an den Betriebsrat: Triebel, S. 64 ff. 110

A. Die Rechtsgrundlage des Unterlassungsanspruchs

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Analogie ist neben dem Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke die Gleichheit der Interessenlage zwischen geregeltem und ungeregeltem Fall.122 Nach den Motiven zum Entwurf des BGB beruht § 31 BGB auf einem Verkehrsbedürfnis. Grundlage für die Schaffung des § 31 BGB war die Überlegung, dass juristische Personen erst durch die für sie handelnden Personen tätig werden können. Wenn diese durch die Vertretung die Möglichkeit gewinnen, im Rechtsverkehr handelnd aufzutreten, so ist es auch nur gerecht, wenn sie die Nachteile tragen, die die künstlich gewährte Vertretung mit sich bringt, ohne dass sie in der Lage sind, Dritte auf den häufig unergiebigen Weg der Belangung des Vertreters zu verweisen.123 Ziel des § 31 BGB ist damit, durch Verbreiterung der Haftungsmasse den Rechtsverkehr vor Schäden zu schützen, die ein verfassungsmäßig berufener Vertreter in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen verursacht.124 Dem Vorteil der Handlungsfähigkeit durch verfassungsmäßig berufene Vertreter steht der Ausgleich der Nachteile durch das bei der juristischen Person vorhandene Sondervermögen gegenüber.125 Dieses will § 31 BGB im Sinne des Verkehrsschutzes den Gläubigern der juristischen Person zur Verfügung stellen. Durch die Heranziehung des Betriebsrats wird aber die Haftungsmasse für den Rechtsverkehr nicht erweitert; der Betriebsrat verfügt über kein eigenes Vermögen, welches haftbar gemacht werden könnte. Zudem verfügt der Betriebsrat nach dem oben Gesagten nicht über ein vorhandenes Sondervermögen.126 Demnach scheidet eine analoge Anwendung des § 31 BGB aus; auch eine Verschuldenszurechnung an den Betriebsrat analog § 31 BGB ist nicht möglich. Der Betriebsrat kann damit den haftungsbegründenden Tatbestand der §§ 823 ff BGB auf Grund der Unmöglichkeit selbst etwas zu verschulden und auf Grund der Unmöglichkeit der Zurechnung von Fremdverschulden nicht erfüllen. Zur Haftungsausfüllung mit von der teilweise vertretenen Auffassung für möglich gehaltenen Naturalrestitution seitens des Gremiums Betriebsrat kann es demnach mangels Erfüllbarkeit des haftungsbegründenden Tatbestands nach den §§ 823 ff BGB gar nicht kommen. Demnach ist mit der herrschenden Meinung davon auszugehen, dass der Betriebsrat als Gremium nicht nach §§ 823 ff BGB haften kann. Ein betriebsverfassungsrechtlicher Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat unter Rückgriff auf das allgemeine Rechtsprinzip der „Schadensverhütung vor Schadensausgleich“ kann wegen dessen unauflösbaren Zusammenhangs mit den §§ 823 ff BGB dann ebenfalls nicht hergeleitet werden.

122

Wank, Auslegung, S. 85; Staudinger/Honsell, Eckpfeiler, B. VIII. 5. Rn. 61. Mot. I, S. 102 f. 124 BGH v. 8. 7. 1986, VI ZR 47/85, NJW 1986, 2941 (2943); v. 20. 2. 1979, VI ZR 256/77, NJW 1980, 115 (115); BFH v. 28. 1. 1993, V R 75/88, NJW 1994, 78 (80). 125 Beuthien, DB 1975, 725 (730). 126 s. o. 2. Kapitel B. II. 1. a) aa). 123

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3. Kap.: Die Begründung des Unterlassungsanspruchs

d) § 2 Abs. 1 BetrVG als den Unterlassungsanspruch vermittelnde Vorschrift Das BAG hat den allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber bei § 87 BetrVG in seinem für den negatorischen Rechtsschutz des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber bis heute wegweisenden Beschluss vom 3. 5. 1994 aus der besonderen Rechtsbeziehung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat entwickelt. Dieses kraft Gesetz zu Stande gekommene Betriebsverhältnis sei einem gesetzlichen Dauerschuldverhältnis ähnlich und werde bestimmt durch Rechte und Pflichten, die in den einzelnen Mitwirkungstatbeständen normiert seien, sowie durch wechselseitige Rücksichtspflichten, die sich aus § 2 BetrVG ergäben. Bei der Wertung der im Gesetz vorgesehenen Rechte könne daher aus dem allgemeinen Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit als Nebenpflicht grundsätzlich auch das Gebot abgeleitet werden, alles zu unterlassen, was der Wahrnehmung des konkreten Mitbestimmungsrechts entgegenstehe. Insoweit sei eine dem vertraglich begründeten Schuldverhältnis vergleichbare Lage gegeben. Daraus folge allerdings noch nicht, daß jede Verletzung von Rechten des Betriebsrats ohne weiteres zu einem Unterlassungsanspruch führe. Vielmehr komme es auf die einzelnen Mitbestimmungstatbestände, deren konkrete gesetzliche Ausgestaltung und die Art der Rechtsverletzung an.127 Diese Begründung der Ableitung des allgemeinen Unterlassungsanspruchs im Wege einer Nebenpflicht aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber nach § 2 Abs. 1 BetrVG teilen auch einige Vertreter der Literatur.128 Die Auffassung könnte auch für den Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers funktionieren, wenn aus § 2 Abs. 1 BetrVG eine Nebenpflicht herleitbar wäre, alles zu unterlassen, was einem konkret eingeräumten Recht des Arbeitgebers aus betriebsverfassungsrechtlichen Normen entgegensteht. Die Nebenpflichtkonstruktion der Rechtsprechung ist in der wenigen verfügbaren „Spezialliteratur“ zu Unterlassungsansprüchen des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat bereits übertragen worden.129 Diese auf den Arbeitgeber bezogenen Ansätze gehen jedoch nicht weiter als die Rechtsprechung des BAG zum allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats, sodass sich ihre gesonderte Erörterung erübrigt. Vielmehr kann für die Zwecke dieser Arbeit allein die vom BAG gebildete Auffassung kritisch beleuchtet werden. Scharfe Kritik wird dann auch tatsächlich in einem Großteil der Literatur am dogmatischen Ansatz des BAG geübt.130 Der Weg über § 2 Abs. 1 BetrVG sei „kein 127

BAG v. 3. 5. 1994, 1 ABR 24/93, NJW 1995, 1044 (1046). LK/Löwisch, § 87 BetrVG Rn. 26; HWK/Clemenz, § 87 BetrVG Rn. 55; Derleder, AuR 1983, 289 (300 f.); ders., AuR 1985, 65 (75 ff.); Trittin, DB 1983, 230 (231); ders., BB 1984, 1169 (1173); Kümpel, AuR 1985, 78 (91 f.); Besgen, BetrVR, S. 290; D. Hartmann, S. 77; i.E. ebenfalls Klocke, Unterlassungsanspruch, S. 71 ff. 129 Belling, Haftung, S. 338 f.; Peterek, in: FS Stege, S. 71 (74); Kruse, S. 54, 60 f.; Brötzmann, AuA 2001, 112 (113). 130 Vgl. GK-BetrVG/Wiese, § 23 BetrVG Rn. 165; Richardi, NZA 1995, 8 (10); ders., Anm. AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 23 unter II. 2.; ders., in: FS Wlotzke, S. 407 (417); Dobberahn, NJW 128

A. Die Rechtsgrundlage des Unterlassungsanspruchs

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Königsweg“, er führe vielmehr „in die Sackgasse“.131 Noch schärfer sieht derselbe Autor eine „Zweckschöpfung für ein als billig angenommenes Ergebnis“.132 Andere sprechen von einem „Irrtum“.133 Daneben wird behauptet, § 2 Abs. 1 BetrVG sei eine „Wundertüte“, aus der man genau das heraushole, was man zuvor hineingelegt habe.134 Ja, bei „entsprechend weitherzigem Umfang“ mit den Begriffen sei § 2 Abs. 1 BetrVG für die Begründung jeder gewünschten Rechsfolge geeignet und müsse auch nicht selten hierfür herhalten.135 Neben diesen – vor allem sprachgewaltigen – Einwänden wird im Rechtssinne geltend gemacht, dass die Heranziehung von § 2 Abs. 1 BetrVG entgegen der einschränkenden Annahme des BAG eine Differenzierung zwischen verschiedenen Mitbestimmungsrechten kaum zulasse.136 Außerdem wird die Eignung von § 2 Abs. 1 BetrVG zur Begründung eines Anspruchs generell bezweifelt. § 2 Abs. 1 BetrVG sei nicht als anspruchserzeugende, subsidiäre Generalklausel misszuverstehen,137 es handele sich nicht um eine Anspruchsnorm.138 Auch handele es sich bei der Annahme eines gesetzlichen Schuldverhältnisses einzig um eine Beschreibung der Lage, die sich aus den im Gesetz geregelten Rechten und Pflichten zwischen den Betriebspartnern ergebe. Diese deskriptive Analyse lasse folglich keine Schlussfolgerungen für die Herleitung von Abwehransprüchen über die im Gesetz geregelten Rechte hinaus zu.139 Für die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats wird zudem angeführt, dass die Annahme eines Unterlassungsanspruchs als Nebenpflicht bereits mangels Bestehen eines Hauptanspruchs aus den Beteiligungsrechten ausscheiden müsse.140 Wieder andere lehnen die Annahme von Nebenpflichten im gesetzlichen im Gegensatz zum vertraglichen Schuldverhältnis generell ab.141 1995, 1333 (1334); Bengelsdorf, SAE 1996, 139 (142); Prütting, RdA 1995, 257 (261); Konzen, NZA 1995, 865 (871); Raab, Anm. EzA § 23 BetrVG 1972 Nr. 36, S. 17 (23); J.H. Bauer, Brennpunkte des Arbeitsrechts 1996, 61 (72); ders., NZA 1997, 233 (235); Lobinger, ZfA 2004, 101(117); v. Hoyningen-Huene, BetrVR, S. 81; Thalhofer, S. 83; Evers, S. 95; Hinrichs, S. 179; Wiebauer, Mitbestimmung, S. 168 f.; i.E. ebenso Jacobs/Burger, SAE 2006, 256 (258). 131 Richardi, NZA 1995, 8 (10); ders., Anm. AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 23 unter II. 2. 132 Richardi, in: FS Wlotzke, S. 407 (417); ders., NZA 1995, 8 (10). 133 Prütting, RdA 1995, 257 (261). 134 Lobinger, ZfA 2004, 101 (117). 135 Zitscher, DB 1984, 1395 (1395). 136 Bengelsdorf, SAE 1996, 139 (142); Dobberahn, NJW 1995, 1333 (1333 f.), Konzen, NZA 1995, 865 (871); Richardi, NZA 1995, 8 (9), ders., in: FS Wlotzke, S. 407 (416); Thalhofer, S. 83. 137 Schlochauer, JArbR Bd. 20 (1982), 61 (74); Bengelsdorf, SAE 1996, 139 (142); J.H. Bauer, Brennpunkte des Arbeitsrechts 1996, 61 (72); ders., NZA 1997, 233 (235); i.E. ebenso Jacobs/Burger, SAE 2006, 256 (258). 138 Richardi/Richardi, § 2 BetrVG Rn. 21. 139 Raab, Anm. EzA § 23 BetrVG 1972 Nr. 36, S. 17 (23). 140 GK-BetrVG/Wiese, § 23 BetrVG Rn. 165; Beuthien, ZfA 1988, 1 (22); Dobberahn, NJW 1995, 1333 (1334); Bengelsdorf, SAE 1996, 139 (142); Sacher, S. 71; Raab, Rechts-

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3. Kap.: Die Begründung des Unterlassungsanspruchs

Dieser Literaturströmung, die eine Herleitung des allgemeinen Unterlassungsanspruchs über § 2 Abs. 1 BetrVG ablehnt, ist zuzustimmen. Auch für den betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers kann die Konstruktion nicht überzeugen. Zwar kann die generelle Ablehnung von Nebenpflichten im gesetzlichen Schuldverhältnis in Konkurrenz zum vertraglichen Schuldverhältnis nicht überzeugen.142 So existieren sehr wohl gesetzliche Schuldverhältnisse mit Nebenpflichten wie z. B. die Vorschriften über die Geschäftsführung von Auftrag in §§ 677, 681 BGB zeigen.143 Auch nach Einräumung einer Grunddienstbarkeit im Sinne des § 1018 BGB entsteht über § 1020 BGB ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen den Eigentümern des herrschenden und des beherrschten Grundstücks.144 Für dieses gilt z. B. nach § 1020 Satz 2 BGB die Nebenpflicht zur Erhaltung von Anlagen in ordnungsgemäßen Zustand. Auch bei Eingreifen einer Duldungspflicht nach § 76 Abs. 1 TKG, aus der ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen Nutzungsberechtigtem und Duldungspflichtigen entsteht,145 kann entsprechend § 68 Abs. 2 TKG eine Nebenpflicht des Nutzungsberechtigten zur Beachtung der allgemein anerkannten Regeln der Technik anerkannt werden.146 Schließlich sind die Nebenpflichten des § 241 Abs. 2 BGB nicht nur für das vertragliche Schuldverhältnis relevant, vielmehr greifen die aus der Vorschrift ableitbaren Nebenpflichten gerade auch im Rahmen gesetzlicher Schuldverhältnisse.147 Demnach kann dem Grunde nach auch im zwischen den Betriebsparteien nach § 2 Abs. 1 BetrVG bestehenden gesetzlichen Schuldverhältnis die Existenz von Nebenpflichten anerkannt werden, ein Unterschied zwischen gesetzlichen und vertraglichen Schuldverhältnissen besteht insofern nicht. Entscheidend gegen § 2 Abs. 1 BetrVG als die einen Unterlassungsanspruch begründende Norm spricht jedoch, dass der Vorschrift eine solche anspruchsbegründende Wirkung nicht zukommt. § 2 Abs. 1 BetrVG konnte zwar als rechtsverbindliche Vorschrift, die sowohl den Arbeitgeber als auch den Betriebsrat bindet, eingeordnet werden.148 Außerdem konnte über § 2 Abs. 1 BetrVG das Bestehen eines gesetzlichen Schuldverhältnisses zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber nachgewiesen werden, welches für eine Verknüpfung der beiden Betriebspartnern zugeschutz, S. 160 ff.; ders., ZfA 1997, 183 (195 f.); Thalhofer, S. 85 f.; Evers, S. 95; Hinrichs, S. 179; Wiebauer, Sicherung, S. 168 f. 141 Wenderoth, S. 64 f. 142 So aber Wenderoth, S. 64 f. 143 Zutreffend Kruse, S. 22. 144 BGH v. 28. 6. 1985, V ZR 111/84, NJW 1985, 2944 (2944 f.). 145 Stelkens, TKG-Wegerecht, § 76 TKG Rn. 132. 146 Stelkens, TKG-Wegerecht, § 76 TKG Rn. 134. 147 MüKo-BGB/Bachmann, § 241 BGB Rn. 50; HK-BGB/Schulze, § 241 BGB Rn. 4; Jauernig/Mansel, § 241 BGB Rn. 10. 148 s. o. 2. Kapitel B. II. 2. a).

A. Die Rechtsgrundlage des Unterlassungsanspruchs

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standenen Ansprüche auf Unterlassung spricht.149 Aus der Rechtsverbindlichkeit und auch aus dem Bestehen des gesetzlichen Schuldverhältnisses folgt jedoch nicht, dass § 2 Abs. 1 BetrVG die Grundlage eines Unterlassungsanspruchs darstellt. Zutreffend wird insofern in der Literatur darauf hingewiesen, dass ein Unterschied zwischen der Annahme eines Schuldverhältnisses und der Herleitung des Unterlassungsanspruchs besteht.150 Der Anspruch im Sinne des § 194 Abs. 1 BGB und das ihm zu Grunde liegende Schuldverhältnis sind vielmehr voneinander zu scheiden.151 In Anbetracht der Trennung von Anspruch und Schuldverhältnis müsste § 2 Abs. 1 BetrVG vielmehr selbst in der Lage sein, Ansprüche des einen gegen den anderen Betriebspartner zu gewähren. Hierfür müsste sich die Norm selbst als Anspruchsgrundlage einordnen lassen. Nur wenn eine Anspruchsgrundlage besteht, kann aus dieser der Anspruch im Sinne des § 194 Abs. 1 BGB abgeleitet werden.152 Von den Ansprüche vermittelnden Normen als Hauptnormen zu trennen sind dagegen Hilfsnormen, die einzig der Ausfüllung von Tatbestandsmerkmalen153 oder Rechtsfolgen154 der Hauptnormen dienen. Wäre § 2 Abs. 1 BetrVG lediglich Hilfsnorm, könnte aus der Vorschrift kein Anspruch auf Unterlassen für den Arbeitgeber oder den Betriebsrat abgeleitet werden. Daher bedarf es einer Untersuchung der Vorschrift auf ihre Qualität als Anspruchsgrundlage. Anspruchsgrundlagen lassen sich im bürgerlichen Recht nach der von ihnen vermittelten Rechtsfolge identifizieren. Diese besteht spezifisch darin, dass eine andere Person nach § 194 Abs. 1 BGB etwas tun oder unterlassen muss. Hierfür ist im Ausgangspunkt die Formulierung der Vorschrift ausschlaggebend.155 So kann dann, wenn der Berechtigte etwas „fordern“ oder „verlangen“ kann bzw. der Andere zu etwas „verpflichtet“ ist oder eine Leistung „zu erbringen hat“ von einer Anspruchgrundlage ausgegangen werden. Ausnahmsweise kann sogar aus der Einräumung einer Klagemöglichkeit auf das Bestehen einer Anspruchsgrundlage geschlossen werden.156 Sieht man sich ausgehend von diesen von Seiten des Gesetzgebers gebräuchlichen Formulierungen nun § 2 Abs. 1 BetrVG genauer an, so kann die Vorschrift nicht als Anspruchsgrundlage eingeordnet werden. Der Gesetzgeber hat vorgeschrieben, dass Arbeitgeber und Betriebsrat vertrauensvoll zusammenarbeiten. Weder wurden die aus dem BGB geläufigen Formulierungen des Verlangens oder der Verpflichtung gewählt, noch eine Forderungsbefugnis oder ein Klagerecht 149

s. o. 3. Kapitel A. II. Raab, Anm. EzA § 23 BetrVG 1972 Nr. 36, S. 17 (23). 151 Erman/Schmidt-Räntsch, § 194 BGB Rn. 3; Staudinger/Peters/Jacoby, § 194 BGB Rn. 7; PWW/Deppenkemper, § 194 BGB Rn. 5; NK-BGB/Mansel/Stürner, § 194 BGB Rn. 2. 152 Brox/Walker, BGB AT S. 278; Bork, BGB AT, S. 125. 153 s. dazu Medicus, AcP 174 (1974), 313 (316); Schapp, JA 2002, 763 (767); ders., JA 2002, 939 (941). 154 Schapp, Einführung in das bürgerliche Recht, S. 28; ders., JA 2002, 939 (941). 155 Vgl. die Formulierungsbeispiele bei Larenz/M. Wolf, BGB AT, 9. Auflage (2004), S. 318; ebenso Schwonberg, S. 138. 156 Nachweise bei Brox/Walker, BGB AT S. 278. 150

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3. Kap.: Die Begründung des Unterlassungsanspruchs

für einen der beiden Betriebsparter dem anderen gegenüber eingeräumt. Vielmehr lässt die Verwendung des Indikativs die Deutung zu, dass der Gesetzgeber einen tatsächlichen Zustand beschrieben hat.157 Hiermit soll zwar nicht geleugnet werden, dass § 2 Abs. 1 BetrVG rechtlich bedeutsam und rechtsverbindlich ist.158 Gleichwohl lässt die Formulierung des § 2 Abs. 1 BetrVG zuerst einmal nicht auf einen Charakter der Norm als eigenständige Anspruchsgrundlage, die einen Anspruch auf das Unterlassen jeglicher betriebsverfassungswidrigen Handlungsweisen vermittelt, schließen. Neben der für die Anspruchsgrundlage wichtigen Formulierung ist außerdem noch der durch sie vermittelte Anspruch von Bedeutung. Auch insofern ist auf § 194 Abs. 1 BGB zurückzugreifen. Der Anspruch ist in § 194 Abs. 1 BGB legaldefiniert als das Recht von einem Anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen. Im Fall des Unterlassungsanspruchs kommt einzig der zweiten Alternative Bedeutung zu. Aufschlussreich zur Bestimmung des genauen Inhalts des Anspruchsbegriffs nach § 194 Abs. 1 BGB sind die Motive zur Entstehung des BGB. Hiernach ist der Anspruch dadurch gekennzeichnet, dass von von einer gewissen Person eine gewisse Leistung – die zur Verwirklichung des Rechts erforderliche Handlung oder Unterlassung – verlangt werden kann.159 Demnach muss der Anspruch dem Gläubiger, dem Schuldner und dem Inhalt nach bestimmt sein.160 Die Bestimmtheit des Inhalts verlangt, dass in der Norm klar zum Ausdruck kommt, welches Verhalten derart geschuldet ist, dass der Andere genau dieses Verhalten einfordern kann.161 Wendet man die Kriterien des Anspruchsbegriffs aus § 194 Abs. 1 BGB auf § 2 Abs. 1 BetrVG an, so kann über die Formulierung hinaus ebenfalls nicht von einer Qualität dieser Vorschrift als Anspruchsgrundlage ausgegangen werden. Zwar werden der potentielle Gläubiger und der potentielle Schuldner mit Betriebsrat und Arbeitgeber hinreichend deutlich benannt. Jedoch fehlt es an einer genauen Bestimmung des einforderbaren Unterlassens. § 2 Abs. 1 BetrVG schreibt nur vor, dass Arbeitgeber und Betriebsrat zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs zusammen arbeiten. Ein genaues Verhalten, das eine der Parteien von der anderen fordern könnte, wird nicht beschrieben. Vielmehr wird einzig ein generelles Verhaltensgebot aufgestellt, das wegen seiner Dehnbarkeit und Elastizität verschiedenartige Verhaltensweisen umfassen kann. Eine genaue Bestimmung, was unter „Vertrauen“ zu verstehen, ist wegen des dem Begriff eigenen Bezugs zu außer-rechtlichen, ethisch-sozialen Wertungen kaum möglich.162 Vielmehr hat § 2 Abs. 1 BetrVG keinen Tatbestand, unter den einfach subsumiert werden könnte und der darauf eine bestimmte Rechtsfolge anordnet. Insofern zeigt sich deutlich die Ähnlichkeit mit § 242 BGB, 157 158 159 160 161 162

R. Weber, Vertrauensvolle Zusammenarbeit, S. 38. s. o. 2. Kapitel B. II. 2. a) zur Rechtsverbindlichkeit des § 2 Abs. 1 BetrVG. Mot. I, S. 291, Hervorhebung seitens des Verfassers. Staudinger/Peters/Jacoby, § 194 BGB Rn. 8; Soergel/Niedenführ, § 194 BGB Rn. 1. Ähnlich bereits Leonhard, ZZP 15 (1891), 327 (331) zu § 154 des 1. Entwurfs des BGB. R. Weber, Vertrauensvolle Zusammenarbeit, S. 16 ff., 27.

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der auch keinen eindeutig bestimmbaren, subsumtionsfähigen Inhalt besitzt.163 Einen inhaltlich bestimmten Anspruch können beide Vorschriften daher gar nicht vermitteln, sie können nicht selbst Anspruchsgrundlage sein.164 Zwar wird zu § 242 BGB ungeachtet des nicht eindeutig subsumtionsfähigen Inhalts vertreten, dass die Norm gleichwohl selbst eine Anspruchsgrundlage darstellen könne165 oder zumindest ausnahmsweise anspruchsbegründende Wirkung hat.166 Zumindest die von der Rechtsprechung auf Basis von § 242 BGB gelösten Fälle der Auskunftsansprüche167 sind jedoch nicht verallgemeinerungsfähig. Die Heranziehung von § 242 BGB erklärt sich vielmehr dadurch, dass das deutsche Recht keinen allgemeinen Auskunftsanspruch kennt.168 Es drängt sich vielmehr der Eindruck auf, dass § 242 BGB für die Rechtsprechung in diesen Fällen als „Notanker“169 fungiert. Jedoch kann nach den soeben aufgezeigten Anforderungen an eine Anspruchsgrundlage weder bezüglich der Formulierung des § 242 BGB noch bezüglich der Bestimmtheit des einforderbaren Verhaltens nach § 194 Abs. 1 BGB angenommen werden, dass § 242 BGB selbst Ansprüche vermittelt. § 242 BGB beschreibt nach seinem Wortlaut die Art und Weise der Leistungsbewirkung durch den Schuldner. Ein bestimmtes, einforderbares Verhalten wird gerade nicht festgelegt. § 194 Abs. 1 BGB kennt auch keine Ausnahme vom Erfordernis dieses bestimmten einforderbaren Verhaltens. § 242 BGB kann demnach weder generell noch ausnahmsweise als Anspruchsgrundlage eingeordnet werden, vielmehr ist von einer Hilfsnorm zur Ausfüllung anderer Anspruchsgrundlagen auszugehen.170 Auf Grund des inhaltlichen Gleichlaufs von § 242 BGB und § 2 Abs. 1 BetrVG gilt dieses Ergebnis in gleichem Maße auch für § 2 Abs. 1 BetrVG § 2 Abs. 1 BetrVG kann demnach ebenfalls nicht als Anspruchsgrundlage eingeordnet werden.171 Mit der Ablehnung einer anspruchserzeugenden Qualität des § 2 Abs. 1 BetrVG geht die Ablehnung der Herleitung des BAG und der ihm folgenden Literatur zum allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen den Ar163 Palandt/Grüneberg, § 242 BGB Rn. 2; Jauernig/Mansel, § 242 BGB Rn. 4; NK-BGB/ Krebs, § 242 BGB Rn. 10; i.E. ebenso MüKo-BGB/Schubert, § 242 BGB Rn. 2. 164 Vgl. zu § 242 BGB, BGH v. 23. 4. 1981, VII ZR 196/80, NJW 1981, 1779 (1779); v. 21. 10. 1983, V ZR 166/82, NJW 1984, 729 (730); NK-BGB/Krebs, § 242 BGB Rn. 2, 17; Jauernig/Mansel, § 242 BGB Rn. 2; PWW/Schmidt-Kessel, § 242 BGB Rn. 10. 165 BGH v. 9. 11. 2011, XII ZR 136/09, NJW 2012, 450 (451); v. 9. 2. 2005, XII ZR 93/02, NJW 2005, 1492 (1493); BAG v. 1. 12. 2004, 5 AZR 664/03, NZA 2005, 289 (291). 166 BeckOK-BGB/Sutschet, § 242 BGB Rn. 29; i.E. ebenso MüKo-BGB/Schubert, § 242 BGB Rn. 193. 167 s. dazu aus jüngerer Zeit nur BGH v. 26. 9. 2013, VII ZR 227/12, NJW 2014, 381 (382); v. 20. 2. 2013, XII ZB 412/11, NJW 2013, 2108 (2110); v. 6. 2. 2007, X ZR 117/04, NJW 2007, 1806 (1807); BAG v. 21. 11. 2000, 9 AZR 665/99, NZA 2001, 1093 (1094). 168 JurisPK-BGB/Pfeiffer, § 242 BGB Rn. 43. 169 Formulierung nach Staudinger, NJW 2005, 3521 (3524). 170 Vgl. Jauernig/Mansel, § 242 BGB Rn. 2. 171 Ebenso Richardi/Richardi, § 2 BetrVG Rn. 21.

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3. Kap.: Die Begründung des Unterlassungsanspruchs

beitgeber einher; es ist stattdessen der abweichenden Literaturauffassung172 zu folgen. Dies muss in gleichem Maße auch für einen betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat gelten. § 2 Abs. 1 BetrVG spricht sowohl Betriebsrat als auch den Arbeitgeber in gleicher Weise an, er richtet sich an beide Betriebsparteien.173 Keinem vom beiden werden durch § 2 Abs. 1 BetrVG Pflichten auferlegt, die nicht dem anderen Betriebspartner auch auferlegt werden. Wegen der Wechselseitigkeit der auf Basis des § 2 Abs. 1 BetrVG erzeugten Bindung kann eine allein den Betriebsrat oder den Arbeitgeber verpflichtende Wirkung der Norm nicht anerkannt werden. § 2 Abs. 1 BetrVG kann demnach für den hier untersuchten betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat nicht als Rechtsgrundlage dienen. e) Allgemeines Verbot der Zweckvereitelung nach § 242 BGB Als weitere mögliche Rechtsgrundlage des allgemeinen Unterlassungsanspruchs des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber wird in der Literatur ein allgemeines Verbot der Zweckvereitelung gesehen. Namentlich Raab hat sich für diese Ableitung statt der vom BAG über § 2 Abs. 1 BetrVG angestrebten Herleitung stark gemacht.174 Seiner Auffassung nach kann der allgemeine Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber als schuldrechtlicher Anspruch auf Unterlassung kompetenzverletzender Maßnahmen begriffen werden, der neben einer Störung der gesetzlichen Kompetenzordnung und dem Bestehen eines konkreten Kompetenzkonflikts negativ voraussetzt, dass das verlangte Verhalten nicht in einen fremden Kompetenzbereich eingreift und keine ausdrücklichen gesetzlichen Lösungen zur Regelung des Kompetenzkonfliktes bestehen.175Als Anspruchsgrundlage hat Raab § 242 BGB ins Spiel gebracht, der anders als § 2 Abs. 1 BetrVG geeignet sei als Anwendungsfall des allgemeinen Verbots der Zweckvereitelung zu dienen.176 Raabs Ansicht wurde in jüngerer Vergangenheit von Hinrichs abgewandelt und für das Bestehen eines allgemeinen Unterlassungsanspruchs statt auf § 242 BGB auf § 2 Abs. 1 BetrVG gestützt.177 Auch beim Streit des Arbeitgebers und des Betriebsrats um Verstöße gegen die §§ 2, 74, 77, 79 BetrVG geht es um Kompetenzkonflikte dergestalt, dass der eine Betriebspartner das vom Anderen gezeigte Verhalten als nicht im Einklang mit der gesetzlichen Kompetenzordnung betrachtet. Jedoch kann die Herleitung eines betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs mit 172

Richardi/Richardi, § 2 BetrVG Rn. 21. So bereits zu § 49 BetrVG 1952 BAG v. 13. 7. 1962, 1 AZR 496/60, NJW 1962, 2268 (2269); zu § 2 Abs. 1 BetrVG vgl. GK-BetrVG/Franzen, § 2 BetrVG Rn. 7; ErfK/Koch, § 2 BetrVG Rn. 1; Richardi/Richardi, § 2 BetrVG Rn. 8. 174 Raab, Rechtsschutz, S. 166 ff., 180; ders., ZfA 1997, 183, 201 ff.; ders., Anm. EzA § 23 BetrVG 1972 Nr. 36, S. 17 (26 f.). 175 Raab, Rechtsschutz, S. 166 ff. 176 Raab, ZfA 1997, 183 (201). 177 Hinrichs, S. 184. 173

A. Die Rechtsgrundlage des Unterlassungsanspruchs

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Verweis auf ein allgemeines Verbot der Zweckvereitelung weder über § 242 BGB noch über § 2 Abs. 1 BetrVG überzeugen. So spricht gegen Raabs Auffassung, dass genauso wie bei einer Herleitung über § 2 Abs. 1 BetrVG bei Heranziehung des § 242 BGB keine brauchbaren Differenzierungen möglich sind.178 Diese sind aber bei den Normen der Betriebsverfassung zur Achtung divergierender Zwecksetzungen methodisch zwingend geboten. Außerdem wird durch die Nutzung von § 242 BGB gegenüber § 2 Abs. 1 BetrVG das Verhältnis der beiden Vorschriften zueinander auf den Kopf gestellt, § 242 BGB ist die gegenüber § 2 Abs. 1 BetrVG allgemeinere Vorschrift.179 § 242 BGB könnte demnach einzig dann Anwendung finden, wenn neben § 2 Abs. 1 BetrVG überhaupt noch Anwendungsbereich bestünde. Kann aber schon § 2 Abs. 1 BetrVG nicht zur Herleitung eines betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs herangezogen werden, so muss dies in gleichem Maße für den nur subsidiären,180 im Betriebsverfassungsrecht gegenüber § 2 Abs. 1 BetrVG nicht inhaltlich weiterreichenden § 242 BGB181 gelten. Ebenso wie bei § 2 Abs. 1 BetrVG spricht gegen eine Herleitung über § 242 BGB das Fehlen eines bestimmten Leistungsprogramms. Auch § 242 BGB kann demnach nicht als Anspruchsgrundlage angesehen werden. Gegen Hinrichs Auffassung bestehen die gleichen Bedenken, wie sie eben bei der vom BAG favorisierten Ableitung aus § 2 Abs. 1 BetrVG artikuliert wurden. Die Heranziehung von § 2 Abs. 1 BetrVG zur Stützung eines allgemeinen Verbots der Zweckvereitelung überstrapaziert ebenso wie bei der Herleitung einer Pflicht alles zu unterlassen, was der Wahrnehmung des konkreten Mitbestimmungsrechts entgegensteht, die Reichweite dieser Vorschrift und erlaubt keine Differenzierungen in den einzelnen Vorschriften der Betriebsverfassung. Auf ein allgemeines Verbot der Zweckvereitelung kann der allgemeine Unterlassungsanspruch des Betriebsrats damit nicht gestützt werden. f) Analogie zu §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB Als weitere Rechtsgrundlage für den allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber wird in der Literatur eine Analogie zu §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BGB vorgeschlagen.182 Die Stellungnahmen knüpfen mit der Analogie zu §§ 1004, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB an die Rechtsprechung und das allgemeine zivilrechtliche Schrifftum zum sogenannten „quasine178

Thalhofer, S. 88; Wiebauer, Sicherung, S. 169 f. s. dazu oben 2. Kapitel B. II. 2. b). 180 BAG v. 21. 4. 1983, 6 ABR 70/82, BetrVG 1972 § 40 Nr. 20; Witt, Kooperationsmaxime, S. 75; R. Weber, Vertrauensvolle Zusammenarbeit, S. 175 f. 181 Für inhaltlichen Gleichlauf der beiden Vorschriften ebenfalls R. Weber, Vertrauensvolle Zusammenarbeit, S. 170. 182 Denck, RdA 1982, 279 (284); Trittin, BB 1984, 1169 (1173); Salje, DB 1988, 909 (911 f.); Bitsch, S. 218; hilfsweise auch so Kümpel, AiB 1983, 132 (135). 179

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3. Kap.: Die Begründung des Unterlassungsanspruchs

gatorischen Unterlassungsanspruch“ an. Grundlegend hat das RG bereits 1901 analog §§ 12, 862, 1004 Abs. 1 BGB einen Unterlassungsanspruch auch außerhalb der einzelnen dort normierten Fälle anerkannt.183 In einer zweiten Grundsatzentscheidung im Jahr 1905 wird dieser Unterlassungsanspruch mit dem terminus der „actio quasi negatoria“ belegt.184 Bereits in der ersten Grundsatzentscheidung findet sich mit dem Rekurs auf § 823 BGB und § 826 BGB eine Verbindung zum Deliktsrecht,185 auch die zweite Grundsatzentscheidung des RG nimmt mit § 824 BGB auf das Deliktsrecht Bezug.186 Ausgehend von diesen beiden Leitentscheidungen des RG gewährt die Rechtsprechung seitdem zum einen analog §§ 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, 823 Abs. 1 BGB einen Unterlassungsanspruch für alle sonstigen, absolut geschützten Rechte.187 Zum anderen wird analog § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB in Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB auch zur Abwehr drohender Verletzungen von Schutzgesetzen ein Unterlassungsanspruch anerkannt.188 Neben § 823 Abs. 1 und § 823 Abs. 2 BGB hat die Rechtsprechung frühzeitig auch für andere Vorschriften des Deliktsrechts wie z. B. § 824 BGB einen Unterlassungsanspruch angenommen.189 Die Befassung mit den deliktsrechtlichen Vorschriften kann hier auf § 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB beschränkt werden, andere Vorschriften wie z. B. § 826 BGB werden zur Herleitung des allgemeinen Unterlassungsanspruchs des Betriebsrats nicht herangezogen.190 Für die von der herrschenden Rechtsprechung befürwortete Analogie werden im Schrifttum vier mögliche Begründungsansätze genannt: Neben der Annahme einer Rechtsfortbildung oder der Ausbildung von Gewohnheitsrecht wird auch das bereits

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RG v. 11. 4. 1901, VI 443/00, RGZ 48, 114 (118 f.). RG v. 5. 1. 1905, VI 38/04, RGZ 60, 6 (7); vgl. zu den maßgeblichen Entscheidungen der reichsgerichtlichen Rechtsprechung zum quasinegatorischen Rechtsschutz Kotz, S. 102 ff. 185 RG v. 11. 4. 1901, VI 443/00, RGZ 48, 114 (118 ff.). 186 RG v. 5. 1. 1905, VI 38/04, RGZ 60, 6 (7 f.). 187 s. nur RG v. 28. 9. 1911, VI 407/10, RGZ 77, 217 (218); v. 15. 2. 1927, II 317/26, RGZ 116, 151 (153); BGH v. 6. 7. 1954, I ZR 38/53, BGHZ 14, 163 (170); v. 15. 5. 2012, VI ZR 117/ 11, NJW 2012, 2579 (2580); v. 26. 2. 2014, XII ZB 373/11, NJW 2014, 1381 (1382); BAG v. 2. 6. 1987, 1 AZR 651/85, NJW 1987, 2893 (2893); v. 20. 11. 2012, 1 AZR 179/11, NZA 2013, 448 (456); so auch die herrschende Meinung in der Literatur, vgl. nur Palandt/Bassenge, § 1004 BGB Rn. 4; Jauernig/Berger, § 1004 BGB Rn. 2; NK-BGB/Keukenschrijver, § 1004 BGB Rn. 7; MüKo-BGB/Baldus, § 1004 BGB Rn. 35; Neuner, JuS 2005, 487 (489). 188 BGH v. 2. 12. 2008, VI ZR 219/06, NJW 2009, 915 (915); v.17. 7. 2008, I ZR 219/05, NJW 2008, 3565 (3566); v. 25. 4. 2002, I ZR 250/00, NJW 2002, 2645 (2648); v. 27. 9. 1996, V ZR 335/95, NJW 1997, 55 (55); v. 26. 2. 1993, V ZR 74/92, NJW 1993, 1580 (1580); v. 18. 1. 1952, I ZR 87/51, NJW 1952, 417 (418); vgl. aus der Literatur nur BeckOK-BGB/Spindler, § 823 BGB Rn. 522; Palandt/Bassenge, § 1004 BGB Rn. 4; MüKo-BGB/Baldus, § 1004 BGB Rn. 35; Jauernig/Berger, § 1004 BGB Rn. 2. 189 Grundlegend RG v. 5. 1. 1905, VI 38/04, RGZ 60, 6 (7). 190 Auf § 823 Abs. 1 BGB abstellend Bitsch, S. 218; auf § 823 Abs. 2 BGB abstellend Dütz, Unterlassung, S. 3 ff.; ders., DB 1984, 115 (118); Salje, DB 1988, 909 (911 f.); für Kumulation von § 823 Abs. 1 und Abs. 2 Kümpel, AiB 1983, 132 (135 f.); Trittin, BB 1984, 1169 (1173). 184

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behandelte Prinzip der Schadensverhütung vor Schadensausgleich genannt.191 Die Schadensverhütung vor Schadensausgleich wurde jedoch für den betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers als nicht überzeugend verworfen. Als vierte mögliche Begründung wird endlich der Zusammenhang zwischen subjektivem Recht und der Anspruchsdurchsetzung benannt.192 Diesem soll unten noch näher gesondert nachgegangen werden.193 An der Herleitung analog §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB wird jedoch für den allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber im Schrifttum auch vermehrt Kritik geübt.194 So wird zum Teil die Übertragbarkeit des negatorischen Rechtsschutzes auf das Betriebsverfassungsrecht im Allgemeinen abgelehnt und einzig § 23 Abs. 3 BetrVG als negatorische Ausprägung im BetrVG anerkannt.195 Dass § 23 Abs. 3 BetrVG jedoch keine Sperrwirkung gegenüber einem allgemeinen Unterlassungsanspruch zukommt, wurde bereits dargelegt.196 Zudem wird eingewandt, dass der Unterlassungsanspruch nicht als negatorischer Anspruch angesehen werden könne, weil er im Umfang über die Wiederherstellung der beeinträchtigten Rechtsposition hinausginge. Der dem Unterlassungsanspruch eigene präventive Charakter sei vielmehr nicht vom negatorischen Rechtsschutz umfasst.197 Die Annahme einer Unvereinbarkeit von präventivem Charakter und negatorischem Rechtsschutz nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB kann jedoch nicht überzeugen; der Sinn des Anspruchs nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB liegt gerade darin sonstige Beeinträchtigungen des Eigentums zukunfsgerichtet, mithin präventiv, zu verhindern. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB richtet sich damit naturgemäß nicht auf eine Wiederherstellung für den Eigentümer, der präventive Charakter ist § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB vielmehr immanent. Es besteht demnach kein Widerspruch zwischen „präventivem“ negatorischen Unterlassungsanspruch und § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, sondern gerade Kongruenz. Daneben wird geltend gemacht, dass das Sachenrecht und das Betriebsverfassungsrecht sachlich zu verschieden seien, sodass eine Analogie zu § 1004 BGB ausscheiden müsse.198 Eine Beschränkung des § 1004 BGB auf das Sachenrecht der §§ 854 – 1296 BGB kann jedoch nicht überzeugen. § 1004 BGB wird auch in anderen, dem Sachenrecht nicht verwandten Gebieten des Privatrechts analog angewandt. So erkannte z. B. bereits das RG für Fälle der Kreditgefährdung einen Unterlassungsanspruch über eine Analogie zu § 1004 BGB an.199 Auch für die Verletzungen von Patenten wandte das 191

Vgl. Wenderoth, S. 4 ff.; Salje, DB 1988, 909 (911). Wenderoth, S. 4. 193 s. dazu sogleich unter 3. Kapitel A. II. 3. g). 194 Zöllner/Loritz/Hergenröder, ArbR, S. 658 halten eine Herleitung aus oder analog § 1004 BGB sogar für „gänzlich schief“. 195 Strömer, S. 85 f. 196 s. o. 2. Kapitel A. III. 197 Hinrichs, S. 179 f. 198 Beuthien, ZfA 1988, 1 (24 Fn. 71). 199 RG v. 5. 1. 1905, VI 38/04, RGZ 60, 6 (7). 192

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3. Kap.: Die Begründung des Unterlassungsanspruchs

RG zumindest auch § 1004 BGB analog an.200 Ferner wird auch für das nicht im Sachenrecht angesiedelte, sondern nach der Rechtsprechung als sonstiges Recht bei § 823 Abs. 1 BGB einzuordnende Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb201 ein Unterlassungsanspruch analog § 1004 BGB zugesprochen.202 Daneben beweist § 8 Abs. 1 UWG, der inhaltlich an § 1004 BGB angelehnt ist,203 dass die in § 1004 BGB für das Eigentum statuierte Regelung vom Gesetzgeber auch in anderen Bereichen, wie z. B. dem unlauteren Wettbewerb, als Vorbild für Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche dient. Ein § 1004 BGB vergleichbarer Schutz ist zudem in § 12 Abs. 1 Satz 2 BGB für das Namensrecht und in § 37 Abs. 2 Satz 1 HGB für die Firma vorgesehen. § 1004 BGB ist wie die drei Beispiele zur analogen Anwendung der Vorschrift und der vergleichbar normierte Schutz in § 12 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 37 Abs. 2 Satz 1 HGB sowie § 8 Abs. 1 UWG illustrieren, in seinem Anwendungsbereich nicht auf das Sachenrecht beschränkt. Dann kann aber die Verschiedenheit zwischen Sachen- und Betriebsverfassungsrecht ebenfalls nicht gegen die analoge Anwendung der §§ 1004, 823 BGB auch im Betriebsverfassungsrecht eingewandt werden kann. Daneben findet sich vielfach im Schrifttum die Annahme, dass eine Analogie zu §§ 1004, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB ausscheiden müsse, weil es sich bei den Beteiligungsrechten des Betriebsrats nicht um absolute Rechte handele,204 vielmehr bestünden diese nur relativ gegenüber dem Arbeitgeber.205 Im Gegensatz zu den absoluten Rechten räumten die Beteiligungsrechte dem Betriebsrat einzig eine Verfahrenbeteiligung ohne gesichertes Ergebnis, dagegen keinen Herrschaftsbereich ein.206 Der Einwand einer nur relativen Natur der betriebsverfassungsrechtlichen Positionen des Betriebsrats wird auch für die Diskussion um einen betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers relevant. Zwar ist der Arbeitgeber gerade nicht Inhaber der Beteiligungsrechte, diese schränken vielmehr seine ansonsten bestehende Freiheit ein. Die Relevanz des Einwands ergibt sich jedoch daraus, dass für eine Übertragbarkeit der zum Betriebsrat gefundenen Lösungen oben auf die Ableitung der Mitbestimmungsrechte aus dem ursprünglich dem 200

RG v. 18. 12. 1920, I 188/20, RGZ 101, 135 (138). s. dazu nur BGH v. 26. 10. 1951, I ZR 8/51, NJW 1952, 660 (661); v. 13. 3. 1979, VI ZR 117/77, NJW 1979, 1351 (1353); v. 15. 7. 2005, GSZ 1/04, NJW 2005, 3141 (3141 ff); zur geschichtlichen Entwicklung und der Zuordnung zu § 823 Abs. 1 BGB, vgl. statt aller nur MüKo-BGB/Wagner, § 823 BGB Rn. 250 f. 202 BGH v. 7. 2. 1984, VI ZR 193/82, NJW 1984, 1607 (1609); v. 13. 3. 1998, V ZR 190/97, NJW 1998, 2058 (2059 f.). 203 Vgl. nur Ohly/Sosnitza/Ohly, § 8 UWG Rn. 3; Köhler/Bornkamm/Bornkamm, § 8 UWG Rn. 1.3. 204 Matthes, in: FS Dieterich, S. 355 (357); Wirlitsch/Lang, ArbR Aktuell 2010, 520 (520). 205 Raab, Rechtsschutz, S. 171 ff., 187 f.; ders., Anm. EzA § 23 BetrVG 1972 Nr. 36, 17 (21); ders., ZfA 1997, 183 (193 f.); ders., Anm. AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 105 unter II. 1.; Stroemer, S. 106; D. Hartmann, S. 113. 206 Derleder, AuR 1995, 13 (14); D. Hartmann, S. 113. 201

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Arbeitgeber zustehenden Freiheitsraum rekurriert wurde.207 Darüber hinaus haben auch die später noch näher zu untersuchenden Vorschriften der Betriebsverfassung, die dem Betriebsrat zugunsten des Arbeitgebers Pflichten auferlegen, nur den Arbeitgeber und den Betriebsrat im Blick, wie schon die §§ 74 Abs. 2 Satz 1, 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG zeigen. Dem Einwand der fehlenden Absolutheit der betriebsrätlichen Beteiligungsrechte und dem daraus gezogene Schluss einer Unmöglichkeit der Analogie zu §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB kann jedoch nicht gefolgt werden. Die Kritik übersieht bereits, dass die Rechtsprechung den quasinegatorischen Unterlassungsanspruch über § 823 Abs. 1 BGB hinaus auch für Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB anerkennt. Der allein gegen § 823 Abs. 1 BGB gerichtete Einwand der fehlenden Absolutheit der Mitbestimmungsrechte lässt damit die Analogie zu § 823 Abs. 2 BGB unberührt. Gegen die von der herrschenden Meinung favorisierte Differenzierung zwischen absoluten und relativen Rechten kann zudem bereits grundsätzlich eingewandt werden, dass der überkommene kategoriale Unterschied zwischen nur relativen und absoluten Rechten einzig auf die Beziehung zu Dritten gemünzt ist.208 Bei der Herleitung eines Unterlassungsanspruchs des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber fehlt jedoch der Drittbezug, für den die Absolutheit Auswirkungen haben könnte. Für die Beziehung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber hat der Einwand daher an sich von vornherein keine Bedeutung. Blendet man die fehlende Relevanz der „Absolutheit“ für die Beziehung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber aus, so kann zudem eingewandt werden, dass die Kritik nicht zwischen Ausrichtung des Rechts und der Frage seines Schutzes differenziert. Der von der herrschenden Meinung aufgeworfene Einwand der fehlenden Absolutheit lässt außer Acht, dass die Frage, an wen ein Recht gerichtet ist, von der Frage der Absolutheit seines Schutzes unterschieden werden muss.209 Auf die Frage der Ausrichtung allein auf eine Person (für die Beteiligungsrechte des Betriebsrats auf den Arbeitgeber) kommt es daher für den vom Gesetzgeber eingeräumten Schutz gar nicht an. Die mit den Beteiligungsrechten für den Betriebsrat eingeräumte Freiheit der Willensbildung und -betätigung als Überweisung der ursprünglich dem Arbeitgeber zukommenden Gestaltungsmacht bildet für den Betriebsrat vielmehr eine schutzwürdige Rechtstellung.210 Hierbei kann engegen der Kritik durchaus von einer dem Betriebsrat zugewiesenen Herrschafts- bzw. Rechtssphäre gesprochen werden, in die der Arbeitgeber nicht eingreifen darf. Der dagegen gerichtete Einwand, dass nur eine Verfahrensbeteiligung ohne gesichertes Ergebnis eingeräumt werde, löst sich bereits dann in Luft auf, wenn man als Vergleich zu den Beteiligungsrechten des 207

s. o. 3. Kapitel. A.II. Vgl. Picker, in: FS Canaris, Bd. I, S. 1002 (1029 Fn. 77 m.w.N. zur überzeugenden Gegenansicht). 209 Bitsch, S. 207; vgl. auch Lobinger, Grenzen, S. 227 f.: „Parallelität des Schutzes absoluter und relativer Rechte“ als Hinweis auf eine einheitliche, sämtliche subjektiven Rechtspositionen erfassende Schutzstruktur. 210 DKKW/Trittin, § 23 BetrVG Rn. 342. 208

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3. Kap.: Die Begründung des Unterlassungsanspruchs

Betriebsrats die Mitgliedschaftsrechte an Gesellschaften und Vereinen in den Blick nimmt.211 Diese werden von der herrschenden Meinung als sonstige, mithin absolute Rechte im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB eingeordnet.212 Ihr Sinn besteht in der Sicherstellung der Teilhabe der Mitglieder an der vereinsinternen Willensbildung.213 Hier wird von der herrschenden Meinung nicht mit dem Argument der einzig gesicherten Teilhabemöglichkeit im Willensbildungsprozess die Absolutheit der Mitgliedschaft bezweifelt. Dies muss dann auch für die Beteiligungsrechte der Betriebsräte – denen ebenso wie der gesamten Betriebsverfassung der Zweck, die Teilhabe der Arbeitnehmer zu fördern, zuerkannt werden kann214 – Beachtung finden. Der Einwand einer fehlenden Absolutheit hat sich damit für die Beteiligungsrechte des Betriebsrats ebenfalls als nicht stichhaltig erwiesen. Die bisher im betriebsverfassungsrechtlichen Schrifttum geäußerte Kritik an der Analogie zu §§ 1004, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB ist bis jetzt nicht überzeugend begründet worden. Demnach erscheint es angezeigt, die oben genannten Begründungen für eine Ableitung analog §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB einzeln auf ihre Tragfähigkeit zu untersuchen. Können diese möglichen Begründungen nicht überzeugend hergeleitet werden, gilt dies in gleichem Maße auch für die Analogie zu §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB. Hierbei kann die Ausbildung von Gewohnheitsrecht zur Herleitung von Unterlassungsansprüchen analog §§ 1004, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB bereits im allgemeinen Zivilrecht nicht nachgewiesen werden. Gewohnheitsrecht erfordert nach herrschender Meinung neben einer längere Zeit andauernden Übung die Überzeugung der beteiligten Rechtsgenossen, dass es sich um eine verbindliche Norm handelt.215 Für das subjektive Element der Überzeugung der beteiligten Rechtskreise ist der Wille derer, die die Übung „praktizieren“,216 mithin neben der Rechtsprechung auch des sich mit den relevanten Fragen befassenden Schrifttums von Nöten.217 Konsistent aufrechterhaltene Kritik spricht damit gegen die Entstehung eines Gewohnheitsrechts.218 Zwar geht die herrschende Meinung in der Rechtsprechung und auch Literatur seit den Entscheidungen des RG von der Möglichkeit einer Verknüpfung von § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB mit §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB zu einer Anspruchs211

So zutreffend Bitsch, S. 202 ff. Statt aller NK-BGB/Katzenmeier, § 823 BGB Rn. 78 m.w.N.; ausf. Habersack, S. 117 ff. 213 HK-BGB/Dörner, § 38 BGB Rn. 2; K. Schmidt, JZ 1991, 157 (158). 214 Vgl. GK-BetrVG/Wiese, Einl. BetrVG Rn. 79. 215 Statt aller Staudinger/Honsell, Einl. BGB Rn. 234 m.w.N. 216 Krebs/Becker, JuS 2013, 97 (100). 217 Larenz, Methodenlehre, S. 433 f. 218 Vgl. nur Musielak/Hau, GK BGB, S. 452 „In dem hier behandelten Fall der Anscheinsvollmacht verbietet sich deshalb die Annahme des Gewohnheitsrechts, weil stets die Rechtsprechung zu diesem Fragenkomplex der Kritik ausgesetzt gewesen ist.“, Hervorhebung seitens des Verfassers; insoweit bereits die dauerhafte tatsächliche Übung ablehnend, Preis, IndividualArbR, S. 34. 212

A. Die Rechtsgrundlage des Unterlassungsanspruchs

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grundlage und der analogen Anwendung der beiden Vorschriften auf nicht geregelte Fallgestaltungen des Unterlassungsanspruchs aus.219 Jedoch existiert in der Literatur gerade auch eine Gegenposition, die die Verknüpfung des § 1004 BGB mit den §§ 823 ff BGB strikt ablehnt. Das Tatbestandsmerkmal der Beeinträchtigung in § 1004 BGB wird dem Eintritt eines Schadens nach § 249 Abs. 1 BGB gegenübergestellt. Statt der von der Rechtsprechung und der herrschenden Literatur für möglich gehaltenen Kongruenz und der damit verbundenen Überschneidungen werden die beiden Vorschriften von dieser Ansicht als Ausdruck miteinander inkompatibler, rechtlich eigenständiger Haftungssysteme begriffen.220 Es fehlt daher wegen des immer noch bestehenden Grundsatzstreits um das sowohl für den Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB als auch den Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB auszufüllende Merkmal der Beeinträchtigung221 bereits im allgemeinen Privatrecht an der erforderlichen subjektiven Willensübereinstimmung der beteiligten Rechtsgenossen. Für die Ableitung des allgemeinen Unterlassungsanspruchs des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber, dessen dogmatische Fundierung für einen betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers hier zu Grunde gelegt werden soll, kommt erschwerend hinzu, dass dieser Anspruch selbst nach der Richtungswende des 1. Senats des BAG in der Entscheidung vom 3. 5. 1994222 äußerst umstritten geblieben ist.223 Eine Herleitung analog §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB mit einem Verweis 219 s. nur RG v. 28. 9. 1911, VI 407/10, RGZ 77, 217 (218); v. 15. 2. 1927, II 317/26, RGZ 116, 151 (153); BGH v. 18. 1. 1952, I ZR 87/51, NJW 1952, 417 (418); v. 6. 7. 1954, I ZR 38/53, BGHZ 14, 163 (170); v. 26. 2. 1993, V ZR 74/92, NJW 1993, 1580 (1580); v. 27. 9. 1996, V ZR 335/95, NJW 1997, 55 (55); v. 25. 4. 2002, I ZR 250/00, NJW 2002, 2645 (2648); v.17. 7. 2008, I ZR 219/05, NJW 2008, 3565 (3566); v. 2. 12. 2008, VI ZR 219/06, NJW 2009, 915 (915); v. 15. 5. 2012, VI ZR 117/11, NJW 2012, 2579 (2580); v. 26. 2. 2014, XII ZB 373/11, NJW 2014, 1381 (1382); BAG v. 2. 6. 1987, 1 AZR 651/85, NJW 1987, 2893 (2893); v. 20. 11. 2012, 1 AZR 179/11, NZA 2013, 448 (456); so auch die herrschende Meinung in der Literatur, vgl. nur Palandt/Bassenge, § 1004 BGB Rn. 4; Jauernig/Berger, § 1004 BGB Rn. 2; NK-BGB/Keukenschrijver, § 1004 BGB Rn. 7; MüKo-BGB/Baldus, § 1004 BGB Rn. 35; Neuner, JuS 2005, 487 (489). 220 Vgl. Picker, AcP 176 (1976), 28 (36); ders., in: FS Lange, S. 625 (637, 655 ff.); ders., in: FS Gernhuber, S. 315 (322); ders., in: FS Bydlinski, S. 269 (307 ff.); Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 12; Richardi, NZA 1995, 8 (10); Lobinger, JuS 1997, 981 (982); Buchholz/W. Radke, JURA 1997, 454 (459); Neuner, JuS 2005, 385 (388); Korth, ZJS 2008, 647 (648 f.); Katzenstein, NZM 2008, 594 (597); Kotz, S. 81 ff., 100. 221 A.A. Wilhelm, Sachenrecht, S. 561, der der Bestimmung der Beeinträchtigung für den Unterlassungsanspruch keine Bedeutung zumessen will. Dies ist jedoch bereits mit dem klaren Wortlaut des § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB nicht zu vereinbaren. 222 BAG v. 3. 5. 1994, 1 ABR 23/94, NJW 1995, 1044. 223 Ablehnend z. B. HWGNRH/Huke, § 23 BetrVG Rn. 87 ff.; S/W/S, § 23 BetrVG Rn. 25; Adomeit, NJW 1995, 1004 (1005); Bengelsdorf, in: FS Stege, S. 9 ff.; ders., SAE 1996, 139 (139 ff.); Dobberahn, NJW 1995, 1333 (1333 f.); Merten, Anm. AP BetrVG 1972 § 87 Gesundheitsschutz Nr. 7 unter III.; v. Hoyningen-Huene, EWiR 1995, 219 (220); ders., in: FS Wiese, S. 175 (176, insb. 186 f.); Walker, SAE 1995, 99 (101); J. H. Bauer, Brennpunkte 1996, 61 (72 ff.); ders., NZA 1997, 233 (235); wohl auch Rolfs, Studienkommentar Arbeitsrecht, § 87 BetrVG Rn. 31.

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3. Kap.: Die Begründung des Unterlassungsanspruchs

auf die Ausbildung von Gewohnheitsrecht scheidet daher sowohl im allgemeinen Privatrecht als auch speziell für den allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats aus. Demnach bleibt – neben dem unten noch gesondert zu behandelnden Zusammenhang zwischen subjektivem Recht und Anspruchsdurchsetzung – für die Herleitung analog §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB einzig die Annahme einer Rechtsfortbildung. Für diese Auffassung lässt sich zumindest in methodischer Hinsicht anführen, dass die Analogie zu den anerkannten Methoden richterlicher Rechtsfortbildung gehört;224 das Problem der analogen Anwendung der §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB damit zumindest handwerklich richtig zugeordnet ist. Jedoch müssten dann auch die Voraussetzungen einer Analogie für die Herleitung eines Unterlassungsanspruchs über §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB BGB vorliegen. Neben einer planwidrigen Regelungslücke muss eine vergleichbare Interessenlage zwischen geregeltem und ungeregeltem Sachverhalt bestehen. Unter dem Gesichtspunkt der vergleichbaren Interessenlage gilt es die Möglichkeit einer Verknüpfung von § 1004 BGB mit §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB genauer zu untersuchen. Vor der Befassung hiermit muss jedoch noch aus zwei weiteren Gründen Kritik an der von der herrschenden Meinung im allgemeinen Privatrecht angenommenen Ableitung eines quasinegatorischen Unterlassungsanspruchs analog § 1004 BGB in Verbindung mit § 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB geübt werden. Zum einen bestehen bereits gegenüber der isolierten Heranziehung von § 1004 BGB für weitere Fälle von Unterlassungsansprüchen Zweifel. Zweitens ist der Rekurs auf die §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB zur Bestimmung der mit einem „quasinegatorischen“ Unterlassungsanspruch absicherbaren Positionen kritisch zu hinterfragen. Betrachtet man als erstes § 1004 BGB selbst, so fällt auf, dass die Vorschrift im vierten Titel des dritten Buches des BGB unter den Ansprüchen aus dem Eigentum eingeordnet ist. Auch tatbestandlich ist § 1004 BGB selbst auf das Eigentum beschränkt. Die Beschränkung im Wortlaut spricht zwar natürlich nicht gegen eine Analogie, diese übersteigt ja gerade den Wortlaut um von der Norm nicht ausdrücklich geregelte Fälle zu erfassen. Jedoch müssen bei der Analogie auch die Grundgedanken der Regelung beachtet werden. Seiner Grundstruktur nach ist § 1004 BGB – wie sich bereits an seiner tatbestandlichen Beschränkung auf das Eigentum zeigt – am absoluten Recht orientiert.225 Dies illustrieren außerdem die Verweise auf die Vorschrift in den §§ 1027, 1065, 1090 Abs. 2, 1227 BGB, § 11 Abs. 1 Satz 1 ErbbauRG sowie § 34 Abs. 2 WEG. Alle genannten Verweisungsvorschriften dienen einzig dem Schutz beschränkter dinglicher Rechte.226 Diesen ist gemein, dass sie ausgehend vom Prototyp des absoluten Rechts in Form des Eigentums begrenzte Nutzungs-, Verwertungs- und Erwerbsrechte für den Berechtigten eröffnen, denen 224 225 226

Statt aller Larenz, Methodenlehre, S. 381 ff. Vgl. Derleder, AuR 1983, 289 (299). Vgl. Jauernig/Berger, § 1004 BGB Rn. 2.

A. Die Rechtsgrundlage des Unterlassungsanspruchs

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sich der Eigentümer begeben hat.227 Den Berechtigten kommt jedoch immer noch wie beim Prototyp des Eigentums eine geschützte Rechtsposition gegenüber jedermann zu. Beschränkte dingliche Rechte sind damit ebenfalls den absoluten Rechten zuzuordnen.228 Die Verweisungen auf § 1004 BGB ordnen dessen Geltung demnach ausschließlich für absolute Rechte an. § 1004 BGB kann daher nach seiner Grundstruktur als Vorschrift zum Schutz absoluter Rechte eingeordnet werden. Diese Weichenstellung des Gesetzgebers muss bei der Ausprägung der quasinegatorischen, den unmittelbaren Anwendungsbereich von § 1004 BGB verlassenden, Anwendung Beachtung finden.229 Geht man von der Prämisse aus, dass § 1004 BGB in seiner Grundstruktur auf den Schutz von absoluten Rechten ausgelegt ist, kann die Vorschrift damit nicht herangezogen werden, um nur relativ wirkende Positionen negatorisch abzusichern. Dass zwischen relativen und absoluten Positionen aber kein Unterschied hinsichtlich des zu gewährleistenden (Unterlassungs-)rechtsschutzes besteht, hat Fritz Baur bereits 1966 überzeugend hergeleitet.230 Ein Unterschied zwischen absoluten und relativen Positionen besteht demnach nur im Hinblick auf den Kreis der angesprochenen Personen, nicht aber hinsichtlich des Schutzes und seines Umfangs.231 Sowohl absolute als auch relative Rechte verschaffen dem Rechtsinhaber entweder gegenüber jedermann (absolut) oder gegenüber einzelnen anderen Rechtssubjekten (relativ) einen Freiheitszuwachs. Bei funktionaler Betrachtungsweise muss dieses Mehr an Freiheit dann effektiv sowohl bei absoluten als bei relativen Rechten abgesichert werden. Für einen gleichlaufenden Schutz von absoluten und relativen Rechten spricht zudem die in beiden Fällen im gleichen Maße bestehende Absolutheit in Bezug auf das Subjekt: allein der Berechtigte des absoluten oder relativen Rechts ist als Inhaber des jeweiligen Rechts anzuerkennen.232 Exemplarische Ausprägungen eines negatorischen Schutzes nur relativer Rechte lassen sich zudem für §§ 711 Satz 2, 1627 BGB sowie § 115 Abs. 1 Halbsatz 2 HGB nachweisen. So dient das Widerspruchsrecht aus § 711 Satz 2 BGB dem Schutz der nur relativ im Innenverhältnis der Gesellschafter wirkenden Geschäftsführungsbefugnis eines Gesellschafters. Die Norm statuiert zur Sicherung dieses relativen Rechts einen Un-

227

Köhler, BGB AT, S. 245; Lüke, Sachenrecht, S. 5. Jauernig/Berger, Vorbemerkungen vor §§ 854 – 872 BGB, Rn. 2, 6; M. Wolf/Wellenhofer, Sachenrecht, S. 3. 229 Zur Bedeutung der Reichweite des § 1004 BGB für die Struktur der quasinegatorischen Abwehrhaftung exemplarisch Katzenstein, AcP 211 (2011), 58 (60 Fn. 4). 230 Baur, JZ 1966, 381 (383); ebenso: Picker, AcP 183 (1983), 369 (511); ders., in: FS Bydlinski, S. 269 (317); Ebert, ZIP 2002, 2296 (2302); vgl. auch noch Henckel, AcP 174 (1974), 97 (104) zur Unabhängigkeit des vorbeugenden Rechtsschutzes von der Differenzierung zwischen absoluten und relativen Rechten. 231 Picker, AcP 183 (1983), 369 (511); Gebauer, JURA 1998, 128 (130); Lobinger, ZfA 2004, 101 (125). 232 Wilhelm, Sachenrecht, S. 40. 228

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3. Kap.: Die Begründung des Unterlassungsanspruchs

terlassungsanspruch.233 Auch das Widerspruchsrecht des § 115 Abs. 1 Halbsatz 2 HGB soll den geschäftsführenden Gesellschaftern Mitsprache und Einfluss auf die Geschäftsleitung sichern.234 Hier wird die Geschäftsführung ebenfalls nur relativ gegenüber den anderen geschäftsführungsberechtigten Gesellschaftern geschützt. Auch hier besteht zur Sicherung der Geschäftsführungsbefugnis ein Unterlassungsanspruch.235 Schließlich kann auch zum Schutz des Teilhaberechts jedes Elternteils gegenüber dem anderen Elternteil nach § 1627 BGB über das von der herrschenden Meinung anerkannte Verlangen auf Rückgängigmachung einer abredewidrigen Maßnahme236 ein Unterlassungsanspruch des einen gegen den anderen Ehegatten anerkannt werden.237 Ausgehend von der Annahme eines gleichlaufenden Schutzes zwischen absoluten und relativen Rechten kann § 1004 BGB als in seiner Grundstruktur auf das absolute Recht ausgerichtete Vorschrift kaum überzeugend zur Absicherung lediglich relativer Rechte übertragen werden. Die Analogie zu § 1004 BGB kann damit für die relativen Rechte nicht überzeugend begründet werden, § 1004 BGB ist vielmehr wegen seiner Grundstruktur nicht die „richtige“ Vorschrift zur Herstellung des erforderlichen Schutzes auch für diese Art der subjektiven Rechte. Für die nur beschränkte Überzeugungskraft des Verweises auf eine analoge Anwendung des § 1004 BGB auch zur Absicherung anderer Rechtsgüter außerhalb des Eigentumsschutzes lässt sich im Übrigen bereits die die Analogie annehmende erste reichsgerichtliche Entscheidung anführen. Der vom RG intendierte Unterlassungsrechtsschutz gegen nur objektiv widerrechtliche Eingriffe in ein Gesetz, d. h. solche die ohne Verschulden erfolgten, wurde von diesem zuerst auf „ein Gebot der Gerechtigkeit“ gestützt.238 Erst danach wurde diesem Gebot der Gerechtigkeit mit der Analogie zu §§ 12, 862, 1004 Abs. 1 BGB in die Form einer Anspruchsgrundlage gebracht. Es drängt sich die Folgerung auf, dass das RG in erster Linie obigem Gebot der Gerechtigkeit Geltung verschaffen wollte und dafür allein zur Umsetzung auf §§ 12, 862, 1004 Abs. 1 BGB rekurriert hat. Neben der der Grundstrukter des § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht gerecht werdenden Analogie muss auch der Rekurs auf die §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB der Kritik unterliegen. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass sonstige Rechte nach § 823 Abs. 1 BGB sowie Schutzgesetze nach § 823 Abs. 2 BGB Gegenstand eines quasinegatorischen Unterlassungsanspruchs sein können.239 Der Verweis auf die Tatbestände des Deliktsrechts bei Anerkennung eines quasinegatorischen Unterlassungsanspruchs ist jedoch bereits deshalb nicht hilfreich, 233 234 235 236 237 238 239

Henssler/Strohn/Servatius, § 711 BGB Rn. 1. MüKo-HGB/Rawert, § 115 HGB Rn. 9. Baumbach/Hopt/Roth, § 115 HGB Rn. 3. MüKo-BGB/Huber, § 1627 BGB Rn. 14. Wiebauer, Sicherung, S. 174. RG v. 5. 1. 1905, VI 38/04, RGZ 60, 6 (7). Vgl. exemplarisch die in Fn. 219 genannten Entscheidungen.

A. Die Rechtsgrundlage des Unterlassungsanspruchs

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weil es zur Bestimmung der mit dem Unterlassungsanspruch absicherbaren Positionen nicht auf deren Anerkennung im Rahmen des Deliktsrechts ankommt. Vielmehr ist eine Anerkennung der maßgeblichen Rechtspositionen durch die gesamte Rechtsordnung, wie z. B. bei einer Fundierung der Position im Grundgesetz, möglich.240 Die generelle Anerkennung und auch Grenzsetzung für die mit einem Unterlassungsanspruch zu schützende Position erfolgt dabei nach den Vorgaben des Rechtsgebiets, aus dem die Position entstammt. Ein plastisches Beispiel für die soeben beschriebene Regelungstechnik kann der Rechtsprechung zum Unterlassungsanspruch von Gewerkschaften gegen den Arbeitgeber bei Eingriffen in die Freiheit der gewerkschaftlichen Betätigungen entnommen werden. So darf ein Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des BAG z. B. eine Einstellung eines Arbeitnehmers nicht von dessen Austritt aus der Gewerkschaft abhängig machen; gegen dieses Verlangen steht der Gewerkschaft vielmehr ein Unterlassungsanspruch zu.241 Basis für diesen Unterlassungsanspruch ist nach dem BAG § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB in Verbindung mit Art. 9 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 GG. Zwar wird auch vom BAG wieder eine Verbindung zu §§ 823 Abs. 1 sowie Abs. 2 BGB hergestellt, wenn es auf „alle nach § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechte, aber auch (…) alle durch Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB geschützten Lebensgüter und Interessen“ verweist.242 Die Reichweite der gewerkschaftlichen Betätigungsfreiheit wird dann aber an Art. 9 Abs. 3 GG ausgerichtet; das BAG referiert die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung zum Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG, nach der Bestand und Tätigkeit der Koalition verfassungsrechtlich geschützt sind.243 §§ 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB haben damit bei materieller Betrachtungsweise keine Bedeutung für die Bestimmung des Umfangs des geschützten Rechts; vielmehr ist allein maßgeblich, welche Deutung das BVerfG für Art. 9 Abs. 3 GG entwickelt hat. Die Anerkennung der geschützten Rechtsposition, hier in Form der Freiheit koalitionsmäßiger Betätigung, erfolgt damit nach dem Verfassungsrecht. Die Heranziehung der §§ 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB und der damit bestehende Konnex zu den Tatbeständen des Deliktsrechts hat also letztendlich für die Qualifikation der von Rechts wegen zu schützenden Positionen keinen Mehrwert. Mit den deliktsrechtlichen § 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB ist für den Unterlassungsanspruch und die für diesen entscheidende Frage nach der zu schützenden Rechtsposition nichts gewonnen. Eine weitere Schwierigkeit an der Herleitung analog § 1004 BGB speziell in Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB hat Klocke überzeugend offen gelegt.244 So hängt die Bestimmung der Schutzgesetzqualität in jedem Fall stark davon ab, wie die untersuchte Vorschrift ausgestaltet ist und ob sich in dieser bereits ein Unterlas240

So schon zutreffend Baur, JZ 1966, 381 (381). BAG v. 2. 6. 1987, 1 AZR 651/85, NJW 1987, 2893 (2893). 242 BAG v. 2. 6. 1987, 1 AZR 651/85, NJW 1987, 2893 (2893). 243 BAG v. 2. 6. 1987, 1 AZR 651/85, NJW 1987, 2893 (2893) unter Verweis auf BVerfGE 50, 290 (367). 244 Klocke, S. 60. 241

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3. Kap.: Die Begründung des Unterlassungsanspruchs

sungsgebot findet lässt. Ist dies aber der Fall, so liegt es näher, bereits aus der Vorschrift selbst den Unterlassungsanspruch zu gewinnen und nicht erst noch den Umweg über die Analogie zu §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB zu machen.245 Die vorzunehmende Schutzzweckermittlung aus der Sachstruktur der einzelnen Vorschrift246 zeigt deutlich deren von § 823 Abs. 2 BGB unabhängige, diesen überragende Bedeutung auf. Über den haftungsbegründenden Tatbestand und damit die „entscheidenden Fragen“ muss daher das Schutzgesetz Auskunft geben.247 § 823 Abs. 2 BGB ist damit im Ergebnis gegenüber der im Einzelfall entscheidenden Vorschrift des Schutzgesetzes indifferent; für die Lösung von Problemen führt die Vorschrift zu keinem anderen Ergebnis als dem, welches die einzelne Vorschrift vorgibt. Der Rückgriff auf die Krücke des § 823 Abs. 2 BGB verschleiert damit den Blick auf die eigentlich zu untersuchende Norm und hat für die Auslegung dieser selbst keinen Mehrwert. Dritter und ausschlaggebender Kritikpunkt an der Annahme einer Analogie zu § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB in Verbindung mit §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB ist die Verknüpfung der beiden Vorschriften zu einem auf Unterlassung gerichteten Anspruch. Methodisch kann man hierbei entweder von einer „Rechts-“248 oder einer „Gesamtanalogie“ sprechen.249 Mit der Bezeichnung des Verfahrens variieren auch dessen postulierte Anwendungsvoraussetzungen. So geht die herrschende Meinung davon aus, dass zur Annahme einer Rechtsanalogie aus mehreren Vorschriften ein gemeinsamer Grundgedanke entwickelt wird, der sich auf einen ähnlichen Fall übertragen lässt.250 Es wird hierbei keine Differenzierung zwischen Tatbestand und Rechtsfolgen der Vorschriften vorgeschrieben. Nach Larenz kommt es für die Gesamtanalogie dagegen darauf an, dass aus mehreren gesetzlichen Bestimmungen, die an verschiedene Tatbestände die gleiche Rechtsfolge knüpfen, ein allgemeiner Rechtsgrundsatz entnommen werden kann, der auf im Gesetz nicht geregelte Tatbestände ebenso wie auf die im Gesetz geregelten Fälle passt.251 Die Anforderungen an die Gesamtanalogie sind durch das Erfordernis der gleichen Rechtsfolgen mithin gegenüber der herrschenden Auffassung erhöht. Für die Zwecke dieser Arbeit sollen beide Auffassungen nebeneinander angewandt werden, d. h. § 1004 BGB und § 823 Abs. 1 BGB werden sowohl im Hinblick auf die Tatbestände als auch die Rechtsfolgen miteinander verglichen. 245

Klocke, S. 60. Vgl. dazu nur Schmiedel, S. 159. 247 Peters, JZ 1983, 913 (915). 248 So Wank, Auslegung, S. 89; Röhl/Röhl, Rechtslehre, S. 634; Staudinger/Honsell, Einl. zum BGB Rn. 156. 249 So Larenz, Methodenlehre, S. 384 f. 250 Wank, Auslegung, S. 89; Röhl/Röhl, Rechtslehre, S. 634; Staudinger/Honsell, Einl. zum BGB Rn. 156; für kumulative Verwendung der Begriffe NK-BGB/Looschelders, Anh. zu § 133 BGB Rn. 43. 251 Larenz, Methodenlehre, S. 385, Hervorhebung seitens des Verfassers. 246

A. Die Rechtsgrundlage des Unterlassungsanspruchs

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Vergleicht man zuerst die Tatbestände von § 1004 BGB und § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB, fällt als Unterschied die Voraussetzung des Verschuldens in § 823 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 BGB auf. Diese enthält § 1004 BGB weder für den Beseitigungsanspruch in Abs. 1 Satz 1 noch den Unterlassungsanspruch in Abs. 1 Satz 2 BGB. Hiermit einhergehend könnten § 1004 BGB und § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB divergierende, miteinander inkompatible Zwecke zugeschrieben werden. Ob dies der Fall ist, ist in Rechtsprechung und Literatur jedoch umstritten. Anküpfungspunkt dieses Streitstands ist die richtige Interpretation des Tatbestandsmerkmals der Beeinträchtigung in § 1004 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB. So geht die herrschende Rechtsprechung davon aus, dass unter Beeinträchtigung im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB jeder dem Inhalt des Eigentums widersprechende Zustand zu verstehen ist.252 Es kommt demnach auf die tatsächliche Beeinträchtigung des Eigentums an. Von diesem Ausgangspunkt aus ergeben sich zwangsläufig Berührungspunkte mit dem Recht des Schadensersatzes und den §§ 823 ff BGB, die zur Notwendigkeit der Abgrenzung des § 1004 BGB zu diesen führen. Diese Abgrenzung wird von der Rechtsprechung selbst als „eines der ungelösten Probleme (…) des § 1004 BGB“ angesehen.253 Wegen der Berührungspunkte zwischen Beeinträchtigung und Schaden überschneiden sich die Anwendungsbereiche des Anspruchs aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB und des Anspruchs aus § 823 Abs. 1 BGB. Die Rechtsprechung geht von ihrem Standpunkt folgerichtig davon aus, dass der Anspruch auf Beseitigung ein Stück weit dieselbe wiederherstellende Wirkung wie der Anspruch auf Schadensersatz hat.254 Nur durch diese Überschneidung eröffnet sich aber auch erst die Möglichkeit einer Kombination der beiden Regelungskomplexe zu einer Anspruchsgrundlage des quasinegatorischen Unterlassungsanspruchs. Es existiert im Schrifttum jedoch auch eine Gegenkonzeption, die das Merkmal der Beeinträchtigung einschränkend auslegt und das Verhältnis des § 1004 BGB zum Deliktsrecht diametral entgegengesetzt bewertet. Begründet von Eduard Picker geht diese sogenannte Rechtsusurpationslehre davon aus, dass nur die Usurpation der fremdem Eigentumssphäre mit eigenem Eigentum die Voraussetzung der Beeinträchtigung erfüllt.255 Das Eigentum muss demnach in seiner rechtlichen Integrität 252

BGH v. 1. 3. 2013, V ZR 14/12, NJW 2013, 1809 (1810); v. 1. 7. 2011, V ZR 154/10, NJW-RR 2011, 1476 (1477); v. 1. 12. 2006, V ZR 112/06, NJW 2007, 432 (432); v. 4. 2. 2005, V ZR 142/04, NJW 2005, 1366 (1367); v. 19. 9. 2003, V ZR 319/01, NJW 2003, 3762 (3762); v. 22. 9. 2000, V ZR 443/99, NJW-RR 2001, 232 (232); v. 19. 12. 1975, V ZR 38/74, NJW 1976, 416 (416); aus der Literatur zustimmend Jauernig/Berger, § 1004 BGB Rn. 4; Palandt/Bassenge, § 1004 BGB Rn. 6; PWW/Englert, § 1004 BGB Rn. 5; NK-BGB/Keukenschrijver, § 1004 BGB Rn. 59, 61; JurisPK-BGB/Ehlers, § 1004 BGB Rn. 3. 253 BGH v. 1. 12. 1995, V ZR 9/94, NJW 1996, 845 (846). 254 BGH v. 1. 12. 1995, V ZR 9/94, NJW 1996, 845 (846). 255 Grundlegend Picker, Beseitigungsanspruch, S. 49 ff.; ders., AcP 183 (1983), 369 (513); ders., in: FS Lange, S. 625 (657); ders., in: FS Gernhuber, 1993, S. 315 (331 ff.); ders., in: FS Bydlinski, 2002, S. 269 (291 ff.); ihm folgend: MüKo-BGB/Baldus, § 1004 BGB Rn. 56; Staudinger/Gursky, § 1004 BGB Rn. 5 – 13; ders., in: FS Werner, S. 444 (455 ff.); Lobinger, JuS 1997, 981 (981 ff.); Buchholz/W. Radke, JURA 1997, 454 (459 ff.); Kahl, in: FS Picker, S. 391

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3. Kap.: Die Begründung des Unterlassungsanspruchs

verletzt sein.256 Hiervon ausgehend bestehen zwischen Schaden im Sinne der §§ 823, 249 ff BGB und der Beeinträchtigung des § 1004 Abs. 1 BGB keine Berührungspunkte, beide sind vielmehr wesensverschieden.257 Folgerichtig muss auch eine Kombination des § 1004 Abs. 1 BGB mit §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB ausscheiden. Für die Rechtsusurpationslehre existieren eine Reihe überzeugender Argumente. So ergibt sich eine Deutung des § 1004 Abs. 1 BGB als auf die rechtliche Integrität abstellende und die Rechtsverwirklichung des Eigentümers sicherstellende Vorschrift bereits aus dem Zusammenhang des § 1004 Abs. 1 BGB mit § 985 BGB. Ein solcher besteht zuerst auf Grund des Wortlauts beider Vorschriften, alle Beeinträchtigungen im Sinne des § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB, die in anderer Weise als durch Entziehung des Besitzes das Eigentum betreffen, sind als „alle nicht von § 985 BGB erfassten Beeinträchtigungen“ zu lesen.258 Entscheidend ist noch über den Wortlaut der beiden Vorschriften hinaus, dass beide Ansprüche mit dem Eigentum dasselbe Bezugsobjekt aufweisen. Damit einhergehend reagieren beide Ansprüche auch immer nur auf die Verkürzung des Eigentumsrechts (in Form der Besitzentziehung bei § 985 BGB und der Beeinträchtigung bei § 1004 Abs. 1 BGB). Während § 985 BGB die Vorenthaltung des Besitzes beendet, wird über § 1004 BGB die Ausdehnung der eigenen Rechtssphäre auf Kosten der Rechtssphäre des Eigentümers abgewehrt.259 § 985 und § 1004 BGB garantieren damit in Kooperation umfassenden Eigentumsschutz.260 Ordnet man mit der herrschenden Meinung § 985 BGB als dinglichem Anspruch die Rechtsverwirklichung als Zweck zu,261 so muss dies in gleichem Maße für § 1004 BGB gelten. Demnach dient der Beseitigungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB dazu dem Eigentümer die dingliche Rechtsverwirklichung in Bezug auf die Sache ungestört von Beeinträchtigungen zu ermöglichen.262 Der Unterlassungsan(410 f.); Kawasumi, in: FS Picker, S. 449 (463 f.); Katzenstein, NZM 2008, 594 (597); ders., JZ 2008, 1129 (1132); ders., AcP 211 (2011), 58 (81 ff.); Korth, ZJS 2008, 647 (648 f.); Kotz, S. 77 ff., 100, 173 ff.; Altenhain, S. 56 ff., 61 ff. 256 Picker, Beseitigungsanspruch, S. 49; ders., in: FS Gernhuber, S. 315 (332); MüKoBGB/Baldus, § 1004 BGB Rn. 56. 257 Picker, Beseitigungsanspruch, S. 52; ders., JZ 1976, 370 (371); ders., AcP 178, 28 (50); ders., in: FS Gernhuber, S. 315 (333); Staudinger/Gursky, § 1004 BGB Rn. 139; Katzenstein, AcP 211 (2011), 58 (77). 258 Picker, in: FS Bydlinski, S. 269 (298). 259 Staudinger/Gursky, § 1004 BGB Rn. 5. 260 Münch, in: FS Beys, Bd. II, S. 1061 (1074). 261 Staudinger/Seiler, Einl. zum Sachenrecht, Rn. 24; Staudinger/Gursky, § 985 BGB Rn. 1; NK-BGB/Schanbacher, § 985 BGB Rn. 1; NK-BGB/Mansel/Stürner, § 197 BGB Rn. 27; HKBGB/Nölke, § 1004 BGB Rn. 1; nur termininologisch anders, aber i.E. ebenso MüKo-BGB/ Baldus, Vor § 985 BGB Rn. 29: Durchsetzung der rechtlichen Sachherrschaft, wie das Sachenrecht als Zuordnungsrecht es will. 262 Vgl. PWW/Prütting/Englert, § 985 BGB Rn. 1; HK-BGB/Nölke, § 1004 BGB Rn. 1; Picker, in: FS Medicus, S. 311 (319); Wilhelm, Sachenrecht, S. 487; Waas, VersR 2002, 1205

A. Die Rechtsgrundlage des Unterlassungsanspruchs

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spruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB steht in einem inhaltlichen Zusammenhang mit dem Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, beide zusammen bilden mit § 985 BGB einen umfassenden Eigentumsfreiheitsanspruch.263 Folglich kann der Unterlassungsanspruch an die Funktion des Beseitigungsanspruchs in Form der dinglichen Rechtsverwirklichung angekoppelt werden. Tatbestandlich einziger Unterscheid ist, dass die von § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB erfassten Beeinträchtigungen nur drohen und damit erst künftig eintreten müssen.264 Der Unterlassungsanspruch dient damit der bereits präventiven Verhinderung einer Rechtsüberschreitung von Seiten des Störers.265 Der Zwecksetzung der Rechtsverwirklichung wird eine Interpretation der Beeinträchtigung als tatsächliche Einwirkung im Sinne der herrschenden Rechtsprechung nicht gerecht, vielmehr werden so Konflikte zum Schadensersatzrecht provoziert, die unter Zugrundelegung der Rechtsusurpationslehre bereits im Ansatz nicht entstehen können. Die Interpretation der herrschenden Rechtsprechung löst dagegen den aufgezeigten Zusammenhang zwischen § 985 BGB und § 1004 BGB auf. Indem § 1004 BGB an den Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 1 BGB angenähert wird, verliert dieser die ihm eigene Funktion der Rechtsverwirklichung.266 Nur mit der Annahme, dass § 1004 BGB speziell der Rechtsverwirklichung dient, ist zudem erklärbar, warum dessen Tatbestand im Vergleich zu §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB um das Merkmal des Verschuldens verkürzt ist.267 Während § 1004 BGB als handlungsunabhängige Vorschrift nur den rechtswidrigen Zustand in das Blickfeld rückt, wird in §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB mit dem Verschulden eine besondere subjektive Anforderung an die Qualität des maßgeblichen Verhaltens angelegt. Außerdem ist nur auf Basis der Rechtsusurpationslehre stichhaltig erklärbar, warum § 1004 Abs. 1 BGB nicht den Eintritt einer Vermögenseinbuße des Gläubigers in Form eines Schadens voraussetzt. Dies ist für § 1004 Abs. 1 BGB unbestritten.268 Die herrschende Rechtsprechung, welche § 1004 Abs. 1 BGB gleichlaufend mit dem Deliktsrecht interpretiert, stellt dagegen durch den Rekurs auf die tatsächliche Einwirkungen auf das Eigentum in Kombination mit der zu § 823 Abs. 1 BGB vertretenen Erfolgsunrechtslehre Beeinträchtigungen im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB den Schäden am Eigentum nach § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit (1207); Schanbacher, NJ 2011, 256 (257); Gursky, JZ 1990, 921 (921); ders., in: FS Werner, S. 444 (449); Altenhain, S. 70 f. 263 Staudinger/Gursky, § 1004 BGB Rn. 1; Picker, in: FS Bydlinski, S. 269 (300 f.). 264 Picker, Beseitigungsanspruch, S. 82; Staudinger/Gursky, § 1004 BGB Rn. 1, 210; ders., in: FS Werner, S. 444 (452). 265 Picker, AcP 178 (1978), 499 (501); Staudinger/Gursky, § 1004 BGB Rn. 210. 266 Staudinger/Gursky, § 1004 BGB Rn. 8. 267 Picker, Beseitigungsanspruch, S. 49 ff.; ders., JZ 1976, 370 (371); ders., in: FS Gernhuber, S. 315 (331 ff.); Lobinger, JuS 1997, 981 (983); Bucholz/W. Radke, JURA 1997, 453 (459); Altenhain, S. 65. 268 Vgl. nur Picker, Beseitigungsanspruch, S. 51; F. Hartmann, Anspruch, S. 27; Staudinger/Gursky, § 1004 BGB Rn. 210.

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3. Kap.: Die Begründung des Unterlassungsanspruchs

§ 249 Abs. 1 BGB gleich. Die Überlappungen und entstehenden Friktionen in Form einer „Doppelung der Haftungstatbestände“269 in der Abgrenzungfrage zwischen beiden Ansprüchen kann die Rechtsusurpationstheorie dagegen überzeugend vermeiden. Mit der von der herrschenden Meinung propagierten Ausdehnung der Eigentumsbeeinträchtigung auf die Schäden im Sinne des Deliktsrechts wird zudem erhebliche Rechtsunsicherheit erzeugt, die die trennscharfe Abgrenzung der Rechtsusurpationstheorie ebenso verhindert.270 Für die Differenzierung der Rechtsusurpationslehre zwischen actio negatoria gemäß § 1004 Abs. 1 BGB auf der einen sowie Schadensersatzansprüchen nach § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB auf der anderen Seite sprechen des Weiteren die unterschiedliche Sichtweisen, die beiden Ansprüchen zu Grunde liegen. So wendet sich der Beseitigungsanspruch gegen eine gegenwärtige Beeinträchtigung und der Unterlassungsanspruch gegen eine drohende Beeinträchtigung. Maßgeblich ist damit nicht, welches Verhalten in der Vergangenheit gezeigt wurde, sondern ob jetzt bzw. in Zukunft Eigentümerbefugnisse beeinträchtigt werden.271 Zur Erfüllung des haftungsbegründenden Tatbestands der Schadensersatzansprüche nach §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB kommt es dagegen auf das in der Vergangenheit liegende haftungsbegründende Verhalten an, welches kausal für eine Rechts(guts)- oder einer Schutzgesetzverletzung gewesen sein muss. Stellt man den auf Rechtsverwirklichung gerichteten Ansprüchen nach § 1004 Abs. 1 BGB mit der Rechtsusurpationslehre den Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 249 ff BGB gegenüber, so lässt sich für letzteren Anspruch der Zweck der Wiedergutmachung des erlittenen Schadens bei Verwirklichung der erfassten Tatbestände bzw. der Verletzung des Schutzgesetzes identifizieren.272 Der Schadensersatzanspruch stellt damit nicht das beeinträchtigte Recht, sondern die durch die Verwirklichung des haftungsbegründenden Tatbestands verursachte Vermögenseinbuße in den Fokus. Eine solche ist aber gerade nicht Voraussetzung des Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruchs. Im Gegensatz zu den Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen, die der Rechtverwirklichung dienen, sollen §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB nur den Verlust am Recht ausgleichen. Unterlassungsansprüche auf der einen sowie Schadensersatzansprüche auf der anderen Seite unterscheiden sich damit in der Voraussetzung des Verschuldens und dem mit ihnen verfolgten Ordnungsgedanken. Sie sind wesensverschieden. Deliktische und negatorische Haftung bilden damit jeweils eigenständige Haftungssysteme, die es auseinanderzuhalten gilt.273 269

Kolbe, NJW 2008, 3618 (3618). Vgl. Staudinger/Gurksy, § 1004 BGB Rn. 5, 137, 139; ders., JZ 1996, 683 (684). 271 Vgl. Gursky, JZ 1990, 921 (922). 272 Statt aller MüKo-BGB/Wagner, § 823 BGB Rn. 38; NK-BGB/Magnus, Vor §§ 249 – 255 BGB Rn. 8. 273 Vgl. Picker, AcP 176 (1976), 28 (36); ders., in: FS Gernhuber, S. 315 (322); Buchholz/ W. Radke, JURA 1997, 454 (459); Richardi, NZA 1995, 8 (10); Neuner, JuS 2005, 385 (388). 270

A. Die Rechtsgrundlage des Unterlassungsanspruchs

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Die Anknüpfung eines verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruchs an §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB kann daher wegen der Voraussetzung des Verschuldens in § 823 Abs. 1 BGB nicht überzeugen. Auch das nur für den Schadensersatzanspruch bestehende Erfordernis einer Vermögenseinbuße in Form des Schadenseintritts, welches diesem Anspruch seinen Charakter verleiht, wird nicht hinreichend ventiliert. Demnach übersieht die Ableitung der herrschenden Meinung, dass verschuldensunabhängiger Unterlassungsanspruch und verschuldensabhängiger Schadensersatzanspruch wegen ihrer unterschiedlichen Voraussetzungen nicht miteinander kombinierbar sind. Es ist daher nicht nicht zu rechtfertigen, diese beiden Systeme miteinander zu vermischen und eine einzige Anspruchsgrundlage aus den beiden miteinander inkompatiblen Vorschriftenkomplexen zu bilden.274 Wendet man sich neben den Tatbeständen den mit § 1004 BGB und § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB erreichbaren Rechtsfolgen zu, so fällt bereits auf den ersten Blick auf, dass keine Rechtsfolgenidentität zwischen beiden Vorschriften herrscht. § 1004 BGB statuiert einen Unterlassungsanspruch, während § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB eine Schadensersatzpflicht aufstellt. Auch mit Verweis auf die Rechtsfolgen kann daher in der Terminologie und nach den Voraussetzungen der herrschenden Meinung eine Rechtsanalogie der §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB nicht überzeugend begründet werden. Demnach scheidet eine Herleitung analog § 1004 BGB in Verbindung mit § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB entgegen der herrschenden Rechtsprechung und Lehre im allgemeinen Privatrecht aus. Auch der allgemeine Unterlassungsanspruch des Betriebsrats kann dann nicht auf die Analogie zu § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB in Verbindung mit §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB gestützt werden. Gleiches gilt endlich auch für den hier untersuchten betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat. g) Koinzidenz von Rechtszuweisung und Rechtsschutz Die wohl überwiegende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur nimmt zur Begründung des allgemeinen Unterlassungsanspruchs des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber an, dass keine Notwendigkeit der gesetzlichen Verankerung bestehe. Stattdessen sei die Möglichkeit der Rechtsverteidigung durch negatorischen Rechtsschutz bei Bestehen eines subjektiven Rechts vielmehr zivilrechtsimmanent gegeben.275 In der Diskussion um den allgemeinen Unterlassungsanspruch des Be274

Vgl. Kotz, S. 155. LAG Hessen v. 27. 6. 2007, 4 TaBVGa 137/07, AuR 2008, 267 (268); Richardi/Richardi, § 2 BetrVG Rn. 21; ders., NZA 1995, 8 (10); ders., Anm. AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 23 unter II. 2.; ders., in: FS Wlotzke, S. 407 (414); Salje, DB 1988, 909 (911); Prütting, RdA 1995, 257 (261); Lobinger, ZfA 2004, 101 (122); ders., in: FS Richardi, S. 657 (663); ders., RdA 2011, 76 (81); Kothe, in: FS Richardi, S. 601 (614); Franzen, JURA 2005, 715 (719); Jacobs/Burger, 275

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3. Kap.: Die Begründung des Unterlassungsanspruchs

triebsrats gegen den Arbeitgeber wurde als Schlagwort für diese Lösung die „Koinzidenz von Rechtszuweisung und Rechtsschutz“ beschworen.276 Auf Grund der Zivilrechtsimmanenz des umfassenden, auch gerade negatorischen, Rechtsschutzes erfährt diese Auffassung, die zuvorderst von Eduard Picker begründet wurde,277 auch außerhalb des Betriebsverfassungsrechts starke Zustimmung.278 Die Anhänger dieser Auffassung trennen scharf zwischen den Substanz- und den Schutzrechten. In einem ersten Schritt werden sogenannte Substanzrechte identifiziert. Hierbei handelt es sich um die Vorschriften, die dem Einzelnen subjektive Rechte zuweisen.279 An die Zuweisungsentscheidung durch die Rechtsordnung schließt sich die Gewährung eines umfassenden schadensersatzrechtlichen, bereicherungsrechtlichen und für diese Arbeit interessanten negatorischen Rechtsschutzes in Form von Beseitigungsund Unterlassungsansprüchen als Schutzrechte an.280 Das Bestehen von Schutzrechten ist davon abhängig, dass Substanzrechte bestehen. Demnach „präjudizieren“ die Substanzrechte nach dieser Theorie die Schutzrechte,281 die Rechtsgewährung als das logische prius determiniert die Rechtsschutzgewährung ihrem Bestand und Inhalt nach.282 An erster Stelle stehen damit die materiellen Rechtspositionen, die der Anspruch erst zu verteidigen und durchzusetzen bestimmt ist.283 Schutzrechte werden damit nicht als Selbstzweck,284 sondern nur zur Durchsetzung des Inhalts der vor-

SAE 2006, 256 (258 f.); Wirlitsch/Lang, ArbR Aktuell 2010, 520 (520); Wiebauer, BB 2010, 3091 (3094); ders., Sicherung, S. 170; Thalhofer, S. 25; Wenderoth, S. 65; Schwegler, S. 149 ff. 276 Lobinger, ZfA 2004, 101 (122). 277 Grundlegend Picker, Beseitungsanspruch, S. 57; ders., AcP 183 (1983), 369 (513); ders., in: FS Lange, S. 625 (684 f.); ders., in: FS Gernhuber, S. 315 (339 f.); ders., in: FS Bydlinski, S. 269 (313 ff.); ders., in: FS Medicus, S. 311 (316 ff.); ders., JZ 2010, 541 (546). 278 Kahl, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 1994, S. 205 (213 ff); Gebauer, JURA 1998, 128 (132); Richardi, Anm. AP GG Art. 9 Nr. 89 unter II. 3.; Annuß, RdA 2000, 287 (294); Ebert, ZIP 2002, 2296 (2296); Holzapfel, GRUR 2002, 193 (195); Katzenstein, JURA 2004, 1 (5); ders., ZGS 2005, 424 (425); ders., AcP 211 (2011), 58 (75 Fn. 83); Popescu, VuR 2011, 327 (331); Wilhelm, Sachenrecht, S. 36 ff.; Lobinger, Grenzen, S. 227 f.; F. Hartmann, S. 21 ff., 86; Bader, S. 38 f. 279 Vgl. zu Substanzrechten: Picker, in: FS Bydlinski, S. 269 (275 f., 313); ders., in: FS Lange, S. 625 (680 f.); ders., in: FS Canaris Bd. I, S. 1001 (1017); ders., JZ 2010, 541 (546); Lobinger, RdA 2011, 76 (88 f.); Bernhard, in: FS Picker, S. 83 (103 f.); Katzenstein, JURA 2004, 1 (5); F. Hartmann, S. 22; Bader, S. 36. 280 Vgl. zu Schutzrechten Picker, in: FS Bydlinski, 269 (275 f., 313); ders., in: FS Lange, S. 625 (680 ff.); ders., in: FS Canaris Bd. I, S. 1001 (1017 f.); Katzenstein, JURA 2004, 1 (5); ders., AcP 211 (2011), 58 (82); F. Hartmann, S. 22; Bader, S. 38 f.; Hoffmann, S. 36 f.; ähnlich bereits Henckel, AcP 174 (1974), 97 (134): Differenzierung zwischen Rechtsposition und Schutzanspruch; vgl. auch noch J. Schmidt, in: FS Jahr, S. 401 (415): Erfüllungs, Beseitigungsund Unterlassungsanspruch als materiellrechtliche Sanktion für die Verletzung subjektiver Rechte. 281 Picker, JZ 2010, 541 (546); Katzenstein, JURA 2004, 1 (5). 282 Picker, in: FS Medicus, S. 311 (318). 283 Picker, in: FS Medicus, S. 311 (317 f.). 284 Vgl. Rimmelspacher, S. 169; Hoffmann, S. 61.

A. Die Rechtsgrundlage des Unterlassungsanspruchs

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gelagerten Substanzrechte als rein „technisches Recht“ verliehen.285 Exemplifizieren lässt sich die dieser Auffassung zu Grunde liegende Herangehensweise insbesondere am Beispiel des Eigentums. In § 903 BGB gewährt das BGB dem Eigentümer die Befugnis, mit der Sache nach Belieben zu verfahren und andere von der Einwirkung auszuschließen. § 903 BGB garantiert damit das Substanzrecht in Form des Eigentums. Im Anschluss daran werden mit §§ 985, 1004, 894 BGB die Schutzrechte gewährt, die es dem Berechtigten erlauben, das Eigentum im Rahmen der Inhaltsbestimmung zu nutzen.286 In den Mittelpunkt der Betrachtung tritt für die Koinzidenz von Rechtsschutz und Rechtszuweisung daher nicht, ob eine spezielle Norm eine bestimmte Rechtsfolge in Form der Unterlassung statuiert, sondern vielmehr, ob die Norm ein subjektives Recht verleiht. Ist dies der Fall, so tritt voraussetzungslos in einem zweiten Schritt ein Unterlassungsanspruch zum Schutz des verliehenen subjektiven Rechts hinzu. aa) Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zur Analogie zu §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB Mit dem Hinweis auf § 1004 BGB als Schutzrecht für das subjektive Eigentumsrecht drängt sich der Eindruck einer starken Verwandschaft des Rechtsprinzips mit der soeben abgelehnten Rechts- bzw. Gesamtanalogie zu §§ 1004, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB geradezu auf. So begreift auch Lobinger den in §§ 1004, 985 BGB für das Eigentum bewirkten und den über §§ 12, 1065, 1134, 1227 BGB auf andere absolute Rechte erstreckten negatorischen Schutz als Paradigma des eigenen Gedankens.287 Auch die Entwicklung des quasinegatorischen Unterlassungsanspruchs durch die Rechtsprechung im Wege der Analogie zu §§ 1004, 823 ff BGB wird mit dem eigenen Fundamentalprinzip in Verbindung gesetzt.288 Jedoch besteht keine Deckungsgleichheit zwischen einer Ableitung analog §§ 1004, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB und der Lösung über das Rechtsprinzip der Koinzidenz von Rechtszuweisung und Rechtsschutz. So löst sich zum einen die zivilrechtimmanente Ableitung von den genannten Vorschriften, diese werden nur als „beispielhafte Ertscheinungsformen des rechtlichen Fundamentalprinzips“ der Koinzidenz von Rechtszuweisung und Rechtsschutz eingeordnet.289 Verschieden fällt auch der Zugang auf die zu lösenden Probleme aus: Während bei der Ableitung analog §§ 1004, 823 ff BGB das Bestehen eines zu schützenden Rechts zum Tatbestandsmerkmal der Anspruchsgrundlage erhoben wird, ist bei der Lösung über die Koinzidenz von Rechtszuweisung und Rechtsschutz vom zugewiesenen Recht auszugehen und der Rechtsschutz nur dessen Folge. Anders gewendet: Die 285 286 287 288 289

Bernhard, in: FS Picker, S. 83 (112). Picker, in: FS Medicus, S. 311 (319). Lobinger, ZfA 2004, 101 (122). Lobinger, ZfA 2004, 101 (122 f.); ebenso Palandt/Sprau, Einf v § 823 BGB Rn. 27. Lobinger, ZfA 2004, 101 (122).

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3. Kap.: Die Begründung des Unterlassungsanspruchs

Schutzgewährung muss nach Inhalt und Umfang unmittelbar von der Rechtsgewährung abhängig sein.290 Die im Einzelfall entscheidende Vorschrift des Betriebsverfassungsrechts selbst steht damit im Vordergrund, nicht dagegen die Einordnung in die Kategorie eines „sonstigen Rechts“ im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB bzw. eines „Schutzgesetzes“ nach § 823 Abs. 2 BGB. Ideell mag damit eine gewisse Verwandschaft bzw. Nähe zwischen der Analogie zu § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB in Verbindung mit § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB bestehen, in der Handhabung und dem zu Grunde liegenden Blickwinkel unterscheiden sich die beiden Ansichten jedoch deutlich. bb) Die Argumente für die Koinzidenz von Rechtszuweisung und Rechtsschutz im Allgemeinen und gegenüber der Rechtsanalogie zu §§ 1004, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB im Speziellen Für die Herleitung des allgemeinen Unterlassungsanspruchs des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber über die Koinzidenz von Rechtszuweisung und Rechtsschutz und die Verwendung dieses Rechtsprinzips auch für den betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat sprechen verschiedene Argumente. So kann für den Weg über das Rechtsprinzip der Koinzidenz von Rechtszuweisung und Rechtsschutz zum einen auf die Qualität der Rechtsordnung als umfassende Rechtszuweisungsordnung verwiesen werden.291 Diese zeigt sich bereits im Eigentum an einer Sache, das dem Eigentümer das Recht an dieser zuordnet. Ebenso ist der Erwerb des Markenschutzes mit der Zuweisung des Markenrechts nach § 14 Abs. 1 MarkenG verbunden. Auch die in § 823 Abs. 1 BGB genannten Rechtsgüter lassen sich als Zuweisungsentscheidung des Gesetzgebers an die einzelne Person einordnen.292 Mit der Zuordnung des Betriebsverfassungs- zum Privatrecht hat dieses an der Idee der Rechtszuweisungsordnung teil. Ebenfalls in diese Konzeption der Privatrechtsordnung passen die betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungsrechte, die der hier als Vorbild für den Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers herangezogene allgemeine Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber gerade schützen soll. Sie ordnen dem Betriebsrat einen freien Raum der Willensbildung und -betätigung zu, der von Rechts wegen zu achten ist. Führt man sich diese grundlegende Idee der Rechtsordnung als Rechtszuweisungsordnung vor Augen, so erfüllt der Unterlassungsanspruch als Form des negatorischen Rechtsschutzes in dieser Ordnung eine elementare Funktion. Für das Eigentum wird er dann auch folgerichtig in § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB vom Gesetzgeber anerkannt. Gleiches gilt für den Schutz des Markenrechts nach § 14 Abs. 5 MarkenG. Auch für die Beteiligungsrechte des Betriebsrats konnte oben ein allgemeiner Unterlassungsanspruch 290 291 292

Picker, JZ 2010, 541 (547). Vgl. dazu instruktiv Hoffmann, S. 34 ff. Vgl. Bernhard, in: FS Picker, S. 83 (104 f.).

A. Die Rechtsgrundlage des Unterlassungsanspruchs

203

des Betriebsrats anerkannt werden. In allen drei Fällen ist dies vom Rechtsprinzip der Koinzidenz von Rechtszuweisung und Rechtsschutz auch nur folgerichtig; ohne den zu gewährenden negatorischen, auf Rechtsverwirklichung zielenden, Rechtsschutz stünde das durch die Rechtsordnung gewährte Recht sonst nur auf dem Papier.293 Außerdem spricht für die Ableitung über das Rechtsprinzip der Koinzidenz von Rechtszuweisung und Rechtsschutz, dass nicht die Gefahr besteht, aus dem Fehlen einer ausdrücklichen Regelung des Unterlassungsanspruchs im Gesetzestext auf dessen Nichtexistenz zu schließen. Das BAG geht gerade in seiner neuen Rechtsprechung zur Ablehnung eines Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat von der Notwendigkeit einer ausdrücklichen Normierung des Unterlassungsanspruchs im Wortlaut der Vorschrift aus.294 Zu Beginn der Ausarbeitung wurde jedoch bereits nachgewiesen, dass das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs nicht von dessen ausdrücklicher Festlegung im Normtext abhängig ist.295 Mit der für das Rechtsprinzip der Koinzidenz von Rechtszuweisung und Rechtsschutz prägenden Differenzierung zwischen Substanz- und Schutzrechten besteht nicht die Gefahr formalistischer Tendenzen mit der verfehlten Beschränkung auf ausdrücklich im Gesetzeswortlaut niedergelegte Unterlassungsansprüche. Stattdessen wird gerade umgekehrt angesetzt und aus dem Substanzrecht das Schutzrecht in Form des Unterlassungsanspruchs abgeleitet. Für das Abstellen auf die Zuweisung eines subjektiven Rechts an einen bestimmten Rechtsinhaber als Grundlage des materiellen Unterlassungsanspruchs spricht zudem die durch diese Betrachtungsweise erzielte Synthese zwischen materiell-rechtlicher Rechtslage und dem auf die Durchsetzung des materiellen Rechts ausgerichteten Prozess.296 Der Zweck des Zivilprozesses wurde oben mit Verweis auf die Bedeutung der Individualgrundrechte und der staatlichen Justizgewährleistung gerade in der Verwirklichung der dem Einzelnen zustehenden materiellen Rechte bestimmt.297 Zudem wurde die nur dienende Natur des Prozesses gegenüber dem materiellen Recht herausgestellt;298 der Prozess schafft nicht selbst das durchzusetzende Recht, sondern hat die Aufgabe die vom materiellen Recht gewährten Rechte durchzusetzen. Ausgehend von dem identifizierten allgemeinen Prozesszweck macht es Sinn, für das den Prozess bestimmende materielle Recht ebenfalls die Zuweisung subjektiver Rechtspositionen in den Mittelpunkt zu stellen. 293 Picker, in: FS Gernhuber, S. 315 (340); ders., in: FS Bydlinski, S. 269 (314); ders., in: FS Canaris Bd. I, S. 1002 (1017); ders., in: FS Medicus, S. 311 (317); Salje, DB 1988, 909 (912); Holzapfel, GRUR 2002, 193 (195). 294 BAG v. 17. 3. 2010, 7 ABR 95/08, NZA 2010, 1133 (1135); v. 15. 10. 2013, 1 ABR 31/12, NZA 2014, 319 (321). 295 s. o. 2. Kapitel A. I. 296 Vgl. zum Zusammenhang zwischen Rechtszuweisung und Prozesszweck Jacobs, Gegenstand, S. 187 ff. 297 s. o. 2. Kapitel B. IV. 2. 298 s. o. 2. Kapitel B. IV. 2.

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3. Kap.: Die Begründung des Unterlassungsanspruchs

Vorteile des Rechtsprinzips der Koinzidenz von Rechtszuweisung und Rechtsschutz bestehen auch gegenüber der oben abgelehnten Analogie zu §§ 1004, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB. Zuerst können bei Herleitung über das allgemeine Rechtsprinzip die im Rahmen der Verknüpfung von §§ 1004, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB auftretenden Friktionen vermieden werden. Die mit §§ 823 ff BGB verbundenen Probleme in der Frage der Vermögensfähigkeit bzw. des tatsächlich nicht vorhandenen Vermögens des Betriebsrats betreffen das allgemeine Rechtsprinzip nicht; vielmehr kann neben dem hier nicht näher interessierenden bereicherungsrechtlichen Schutz genau zwischen negatorischem Rechtsschutz durch Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche sowie restitutorischen Schadensersatzansprüchen differenziert werden.299 Allein letztere setzen den Eintritt einer Vermögenseinbuße in Form eines Schadens voraus, die durch die Anerkennung eines Schadensersatzanspruchs ausgeglichen werden soll. Die Unterlassungsansprüche sind dagegen losgelöst von Kategorien des Vermögens, der Vermögensfähigkeit oder des Schadens über das allgemeine Rechtsprinzip gewährbar. Daneben konnte die Vermischung von § 823 BGB und § 1004 BGB im Wege der Gesamtanalogie beider Vorschriften als gemeinsame, gleichwertige Anspruchsgrundlage nicht überzeugen. Diese Kritik betrifft das allgemeine Rechtsprinzip ebenfalls nicht, nimmt es ja gerade Abstand von einer Verknüpfung der miteinander inkompatiblen § 1004 BGB und § 823 BGB und führt den Rechtsschutz dagegen auf die allgemein anerkannte Existenz subjektiver Rechte in der Rechtsordnung zurück. Auch die zutreffend gegen den Rekurs auf die Analogie zu §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB geäußerte Kritik von Klocke kann nicht gegen das allgemeine Rechtsprinzip der Koinzidenz von Rechtszuweisung und Rechtsschutz gewendet werden. Statt wie bei der analogen Heranziehung von § 823 Abs. 2 BGB den eigentlichen Grund für die negatorische Haftung in Form der bestehenden Vorschrift auszublenden, wird auf Basis der herrschenden Literaturauffassung zum allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber gerade die das subjektive Recht vermittelnde einzelne Vorschrift in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt. So wird zudem der Auslöser der negatorischen Haftung in Form der einzelnen Vorschrift deutlich offen gelegt. Außerdem erlaubt die Ermittlung der Rechtszuweisung aus der einzelnen Vorschrift heraus eine Differenzierung zwischen verschiedenen Vorschriften je nach ihrem Schutzzweck. Nur mit der Ermittlung der – möglicherweise divergierenden – Schutzzwecke für die einzelnen Vorschriften des BetrVG kann der Rechtsanwender der methodisch im Betriebsverfassungsrecht als kodifiziertem Rechtsgebiet vorrangig durchzuführenden Auslegung300 gerecht werden. Auf dem Weg zu einem Auslegungsergebnis hat der Interpret alle vier Auslegungskriterien des Wortlauts, der Systematik, der Historie und des Sinn und Zwecks einzusetzen.301 Beim Prozess der Auslegung kommt dem mit einer Vorschrift

299 300 301

Vgl. Lobinger, RdA 2011, 76 (81). Zum Primat der Auslegung im BetrVG Hanau, in: FS Zeuner, S. 53 (54 f.). Wank, Auslegung, S. 75; Larenz, Methodenlehre, S. 346.

A. Die Rechtsgrundlage des Unterlassungsanspruchs

205

verfolgten Zweck eine große Bedeutung zu.302 So kann dieser bereits bei der Ermittlung des Wortlauts, der Systematik oder der Historie bedeutsam werden, die teleologische Auslegung kann damit auf allen drei ihr vorgelagerten Stufen Bedeutung gewinnen.303 Durch die dem Rechtsprinzip der Koinzidenz von Rechtszuweisung und Rechtsschutz zu Grunde liegende Herangehenweise der Fokussierung der einzelnen Vorschrift als Basis eines subjektiven Substanzrechts wird der Interpret zwangsläufig die Interpretation der einzelnen Vorschrift und dabei die mit ihr verfolgte(n) Zwecksetzung(en) in den Blick nehmen. Über die Koinzidenz von Rechtszuweisung und Rechtsschutz kann daher der Forderung nach einer umfassenden, besonders auf den Zweck der einzelnen Vorschrift abstellenden, Auslegung Genüge getan werden. cc) Die gegen das Rechtsprinzip in der Literatur geäußerte Kritik Die Eignung der Koinzidenz von Rechtszuweisung und Rechtsschutz zur Herleitung von Unterlassungsansprüchen wird in Teilen der Literatur jedoch auch angezweifelt.304 So wird von Bitsch eingewandt, dass es sich bei dem Rechtsprinzip der Koinzidenz von Rechtszuweisung und Rechtsschutz um eine bloße Behauptung handele, deren Beweis noch längst nicht geführt sei. Vielmehr erscheine es durchaus als denkbar, dass die Rechtsordnung ein Recht gewähre, dieses aber nicht mit einem umfassenden Rechtsschutz versehe.305 Wieder Andere gehen ganz generell davon aus, dass die Rechtsordnung im Regelfall nur nachträglichen, die ursprüngliche Rechtslage wiederherstellenden, nicht aber wie beim Unterlassungsanspruch vorbeugenden Rechtsschutz gewähre.306 Des Weiteren wird auf die Inkompatibilität des behaupteten allgemeinen Rechtsprinzips mit der zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat nur relativ bestehenden „Zweierbeziehung“ hingewiesen. Auch wenn kein direkter Analogieschluss zu § 1004 BGB gezogen würde, so resultiere das übergreifende Prinzip doch ebenfalls aus einem Rückgriff auf §§ 1004, 12, 862 BGB. Folglich bestehe auch gegen das allgemeine Rechtsprinzip der Einwand der Unübertragbarkeit der hinter §§ 1004, 12, 862 BGB stehenden absoluten Schutzkonzeption.307

302 Sogar ein „Übergewicht für das vierte Auslegungskriterium, nämlich den Sinn und Zweck des Gesetzes“ erkennt Wank, Auslegung, S. 75; ebenso Larenz, Methodenlehre, S. 345 „Entscheidend sind dann vor allem die teleologischen Kriterien“. 303 Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 632. 304 Mit Einwänden Bitsch, S. 179 f.; Evers, S. 74 f.; v. Hoyningen-Huene, Anm. AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 2 unter 3. h); vgl. auch noch Bengelsdorf, SAE 1996, 137 (143); Raab, ZfA 1997, 183 (195). 305 Bitsch, S. 179 f. 306 v. Hoyningen-Huene, Anm. AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 2 unter 3. h). 307 Evers, S. 74 f.; ähnlich Bengelsdorf, SAE 1996, 137 (143); Raab, ZfA 1997, 183 (195).

206

3. Kap.: Die Begründung des Unterlassungsanspruchs

Die in der Literatur vorgebrachten Einwände gegen die Annahme einer zivilrechtsimmanenten Koinzidenz von Rechtsschutz und Rechtszuweisung können jedoch allesamt nicht überzeugen. So ist Bitsch zwar insofern zuzustimmen, dass der Gesetzgeber sich im Rahmen seines Gestaltungsspielraums sicherlich dazu entscheiden kann, einer Rechtsposition einen gegenüber dem dreifachen Rundumschutz durch schadensersatzrechtliche, bereicherungsrechtliche und negatorische Ansprüche nur eingeschränkten Rechtsschutz zu gewähren. In diesem Sinne geht das BVerfG im Kontext des einstweiligen Rechtsschutzes zu Art. 19 Abs. 4 GG z. B. davon aus, dass es dem Gesetzgeber offen steht, mit welcher Sicherungstechnik er wirksamen Eilrechtsschutz gewährt; maßgeblich für die zu gewährleistende Effektivität ist allein der erreichte Sicherungserfolg.308 Hieraus lässt sich jedoch nur ableiten, dass das Verfassungsrecht einen Unterlassungsanspruch selbst nicht statuiert. Im einfachen Rechts kann ein solcher aber sehr wohl existieren. Jedenfalls verkennt Bitsch mit seiner Annahme, dass es sich beim Rechtsprinzip der Koinzidenz von Rechtszuweisung und Rechtsschutz um eine bloße Behauptung ohne Beweis handele, dass gerade nicht die Verneinung eines Unterlassungsanspruchs, sondern dessen Bejahung den Regelfall darstellt. Bereits das RG erkannte, dass ebenso wie zur Verfolgung eines Rechts dessen Verteidigung vor Unrecht notwendig ist.309 Ebenso zutreffend hat das BAG in der Diskussion um den allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber erkannt, im Zweifel könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber ein rechtswidriges Verhalten sanktionslos hinnehmen wolle.310 Will der Gesetzgeber ausnahmsweise den Bestand eines Rechts nicht oder nicht vollumfänglich schützen, so erfordert dies wie bei §§ 762, 1297 BGB eine ausdrückliche Einschränkung des Gesetzgebers.311 Eine solche Einschränkung existiert in den betriebsverfassungsrechtlichen Vorschriften nicht. Es greifen weder gegenüber dem allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber noch gegenüber dem an ersterem ausgerichteten betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat andere Rechtsinstitute mit Sperrwirkung ein.312 Vielmehr ist mangels Einschränkung in den betriebsverfassungsrechtlichen Vorschriften der vom RG und BAG identifizierte Regelfall der grundsätzlichen Existenz eines Unterlassungsanspruchs anzunehmen. Der Einwand der hinter der Analogie stehenden absoluten Konzeption und deren Unverträglichkeit mit dem allein relativen Zweierverhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat wurde bereits bei der oben geführten Diskussion um die Analogie zu §§ 1004, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB als nicht zielführend verworfen. Weder besteht zwischen absoluten und relativen Rechten ein Unterschied im Schutzumfang, noch 308 309 310 311 312

BVerfG v. 1. 10. 2008, 1 BvR 2466/08, NVwZ 2009, 240 (242). RG v. 3. 12. 1909, II 190/09, RGZ 72, 251 (254). BAG v. 23. 7. 1996, 1 ABR 13/96, AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 6 unter B. III. 1. Schwegler, Vereinbarungen und Verfahrensrechte, S. 150. s. o. 2. Kapitel F.

A. Die Rechtsgrundlage des Unterlassungsanspruchs

207

hat der allein auf das Verhältnis zu Dritten gemünzte Einwand der Absolutheit Bedeutung für das Verhältnis zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber.313 Ferner kann auch die Annahme von Hoyningen-Huenes, dass die Rechtsordnung im Regelfall nur nachträglichen, nicht aber wie beim Unterlassungsanspruch vorbeugenden Rechtsschutz gewähre,314 nicht überzeugen. Der Autor wählt zum Beweis seiner Auffassung die Schadensersatzansprüche nach § 249 Abs. 1 BGB, deren Zweck ausschließlich Wiederherstellung der ursprünglichen Rechtslage sei und Kündigungen, deren mögliche Unwirksamkeit bei zunächst unterstellter Wirksamkeit grundsätzlich nur nachträglich gemäß §§ 7, 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG gerichtlich festgestellt werden könne. Nur unter den Voraussetzungen des § 102 Abs. 5 BetrVG könne die Kündigung als vorläufig nicht wirksam angesehen werden. Einen allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers trotz erklärter Kündigung gebe es bisher nicht.315 Bereits die Vergleichsgegenstände sind mit § 249 Abs. 1 BGB und der gerichtlichen Überprüfung von Kündigungen für die Verneinung eines sich an die Rechtszuweisung anschließenden Unterlassungsanspruchs unzutreffend gewählt. So wurde oben bereits ein kategorialer Unterschied zwischen auf Wiederherstellung ausgerichteten Schadensersatzansprüchen und dem auf Rechtsverwirklichung ausgerichteten negatorischen Unterlassungsanspruch ausgemacht.316 Ansprüche auf Schadensersatz und Ansprüche auf Unterlassung haben daher nichts miteinander gemein. Mangels Gemeinsamkeit der beiden Ansprüche kann dann aber auch nicht die eine die andere Anspruchsart ausschließen. Vielmehr stehen die Ansprüche auf Schadensersatz und Unterlassung schlicht nebeneinander. Auch die gerichtliche Überprüfung von Kündigungen hat entgegen von Hoyningen-Huene keine Berührungspunkte mit der Frage nach einem allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber. Unabhängig davon, dass entgegen der Annahme des Autors mittlerweile ein allgemeiner Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers außerhalb von § 102 Abs. 5 BetrVG nach §§ 611, 613, 242 BGB in Verbindung mit Art. 1, Art. 2 GG anerkannt ist,317 existiert zwischen der gerichtlichen Überprüfung von Kündigungen und dem Bestehen eines Unterlassungsanspruchs kein Zusammenhang. Die gerichtliche Überprüfung einer Kündigung erfolgt auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage als Reaktion auf die vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung. Sie unterscheidet sich jedoch vom Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber. Während die Kündigung den Arbeitsvertrag beenden soll, betrifft der Unterlassungsanspruch das betriebsverfassungsrechtliche Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Dementsprechend unterscheiden sich auch die zu Grunde liegenden Pflichtverletzungen (zumindest bei verhaltensbedingten Kündigungen). Während die verhal313 314 315 316 317

s. o. 3. Kapitel A. II. 3. f). v. Hoyningen-Huene, Anm. AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 2 unter 3. h). v. Hoyningen-Huene, Anm. AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 2 unter 3. h). s. o. 3. Kapitel A. II. 3. f). Grundlegend BAG v. 27. 2. 1985, GS 1/84, AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 14.

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3. Kap.: Die Begründung des Unterlassungsanspruchs

tensbedingte Kündigung eine Reaktion auf Vertragspflichtverletzungen darstellt, wird mit dem betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch die Einhaltung betriebsverfassungsrechtlicher Vorschriften und der aus ihnen resultierenden Pflichten bezweckt. Dass Amtspflichten des Betriebsrats als Pflichten aus dem BetrVG nicht gleichzusetzen sind mit vertraglichen Verpflichtungen des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber, ist im Schrifttum zu § 23 Abs. 1 BetrVG anerkannt. Unter gesetzlichen Pflichten sind gerade nicht arbeitsvertragliche Pflichten, die jeden Arbeitnehmer treffen, zu verstehen.318 Von Hoyningen-Huene vermischt daher mit den Kündigungen als Mittel zur Beendigung des Arbeitsvertrags und dem allgemeinen Unterlassungsanspruch zur Abwehr von betriebsverfassungswidrigem Verhalten zwei miteinander inkompatible und nicht im Zusammenhang stehende Institute, die wegen der unterschiedlichen zu Grunde liegenden Pflichten nichts miteinander zu tun haben. Stattdessen kann für den Nachweis eines auch „vorbeugenden“ Rechtsschutzes im Wege von Unterlassungsansprüchen auf die Regelung des § 1004 Abs. 1 BGB für das Eigentum verwiesen werden. Diese wird über ihren Wortlaut hinaus, der das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs von der Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen abhängig macht, von der ganz herrschenden Meinung bereits gegenüber einer drohenden Erstgefahr angewendet.319 Insoweit verwirklicht § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB in seiner allgemein anerkannten Interpretation als auch gegen Erstgefahren gerichteter Anspruch für das Eigentum geradezu paradigmatisch den von von Hoyningen-Huene in der Rechtsordnung vermissten vorbeugenden Rechtsschutz. Gegen die Annahme der Koinzidenz von Rechtszuweisung und Rechtsschutz und dem damit bei Bestehen eines Rechts automatisch gewährtem negatorischen Rechtsschutz könnte in ihrer bisher dargelegten Form jedoch noch ein Aspekt sprechen, der bisher im kritischen Schrifttum nicht näher behandelt wurde. Es geht darum, wie diese Lehre bei ausdrücklich in der einzelnen Vorschrift formulierten Unterlassungsgeboten erklärt, warum erst das hinter der Vorschrift stehende Substanzrecht ein Schutzrecht begründen soll. Zwar ist es richtig, dass die Lehre davon ausgeht, dass der Gesetzgeber – wie es auch der Normalfall sein wird – Unterlassungsgebote nicht ausdrücklich in eine Vorschrift aufnehmen muss. Dass der Gesetzgeber diese aber auch ausdrücklich aufstellen kann, steht außer Frage. Dies beweisen bereits die neben anderen Vorschriften von Lobinger als Paradigma für die eigene Auffassung angeführten §§ 12, 1004 BGB.320 Sowohl in § 12 Abs. 1 Satz 2 BGB als auch in § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB wird vom Gesetzgeber die Klage auf „Unterlassung“ benannt. In § 8 Abs. 1 Satz 1 und § 8 Abs. 1 Satz 2 UWG nennt der 318

Statt aller WPK/Kreft, § 23 BetrVG Rn. 10. RG v. 17. 2. 1921, VI 473/20, RGZ 101, 138 (340); v. 30. 5. 1922, II 269/21, RGZ 104, 376 (379); BGH v. 19. 6. 1951, I ZR 77/50, NJW 1951, 843 (843 f.); v. 17. 9. 2004, V ZR 230/03, NJW 2004, 3701 (3702); MüKo-BGB/Baldus, § 1004 BGB Rn. 289; Jauernig/Berger, § 1004 BGB Rn. 11; NK-BGB/Keukenschrijver, § 1004 BGB Rn. 100; Staudinger/Gursky, § 1004 BGB Rn. 214. 320 Vgl. Lobinger, ZfA 2004, 101 (122). 319

B. Zusammenfassung zur Rechtsgrundlage

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Gesetzgeber sogar ausdrücklich den Anspruch auf Unterlassung. Mit dem Fokus allein auf das subjektive Recht als Substanzrecht, dem das Schutzrecht nachfolgt, könnte der klare Hinweis im Wortlaut der Vorschrift nicht deutlich genug gewürdigt werden. Abhilfe für das Problem ausdrücklich statuierter Unterlassungspflichten und Unterlassungsansprüche kann jedoch zum einen dadurch geschaffen werden, dass für diese Vorschriften eine doppelt funktionale Struktur sowohl als Substanz- als auch als Schutzrecht anerkannt wird.321 Das Prinzip der Koinzidenz von Rechtszuweisung und Rechtsschutz kann also auch die ausdrückliche Aufnahme von Unterlassungspflichten in Gesetzen erklären, ohne für diesen Normtypus aufgegeben werden zu müssen. Auch insofern kann also von der Rechtszuweisung auf die Gewähr eines Unterlassungsanspruchs geschlossen werden, nur hat sich dieser – was nicht notwendig, aber durchaus möglich ist – deutlich im Gesetzeswortlaut niedergeschlagen. Zum anderen erscheint es möglich, in Fällen im Gesetzeswortlaut niedergelegter Unterlassungspflichten die Ermittlung des Substanzrechts als Bestätigung für die tatsächliche Existenz eines Schutzrechts in Form des Unterlassungsanspruchs aus der Norm vorzunehmen. Durch die Untersuchung der Zuweisung des subjektiven (Schutz-)Rechts wird in diesen Fällen das durch den Wortlaut des Gesetzes für das Substanzrecht indizielle Ergebnis nur noch einmal bestätigt. Die im Schrifttum geäußerten Einwände gegen eine Koinzidenz von Rechtszuweisung und Rechtsschutz können daher insgesamt nicht überzeugen. Stattdessen ist von der Existenz des allgemeines Prinzips, dass bei Zuweisung eines subjektiven Rechts durch die Rechtsordnung dem Berechtigten gegenüber dem Verpflichteten als Teil des umfassenden Rechtsschutzes gerade auch negatorischer Rechtsschutz in Form eines Unterlassungsanspruchs gewährt wird, ebenfalls für die Betriebsverfassung auszugehen.

B. Zusammenfassung zur Rechtsgrundlage des betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs Das Prinzip der Koinzidenz von Rechtszuweisung und Rechtsschutz hat sich grundsätzlich als tragfähige Grundlage eines betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat herausgestellt. Es gilt demnach im Folgenden für die jeweiligen Vorschriften der Betriebsverfassung zu untersuchen, ob diese dem Arbeitgeber subjektive Rechte gegenüber dem Betriebsrat vermitteln. Wenn dies der Fall ist, so ist mit der Zuweisung eines subjektiven Rechts zugleich auch die Frage nach einem betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch für die jeweilige Vorschrift zu bejahen.

321 So für den Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB Picker, in: FS Canaris, S. 1002 (1017 Fn. 41).

210

3. Kap.: Die Begründung des Unterlassungsanspruchs

C. Rechtszuweisungsverständnis und generelle Einwände Nachdem festgestellt werden konnte, dass sich einzig das allgemeine Rechtsprinzip der Koinzidenz von Rechtszuweisung und Rechtsschutz zur Herleitung eines betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat eignet, müssen nun noch die einzelnen betriebsverfassungsrechtlichen Normen auf das Vorliegen einer Rechtszuweisung an den Arbeitgeber untersucht werden. Nur wenn eine betriebsverfassungsrechtliche Vorschrift dem Arbeitgeber ein subjektives Recht vermittelt, kann über das Rechtsprinzip der Koinzidenz von Rechtszuweisung und Rechtsschutz ein Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat angenommen werden. Hierzu muss jedoch zuerst der Begriff des subjektiven Rechts in seiner heute anerkannten Ausprägung dargestellt werden. Sodann müssen neuere Einwände, die in Rechtsprechung und Literatur gegen das Bestehen von subjektiven Rechten für den Arbeitgeber gegen den Betriebsrat vorgebracht werden, behandelt werden. Nur wenn sich diese generellen Einwände ausräumen lassen, können überhaupt subjektive Rechte des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat bestehen.

I. Der Begriff des subjektiven Rechts Die Bestimmung dessen, was genau unter einem subjektiven Recht verstanden werden kann, kann mit Fug und Recht als Hauptstreitpunkt der Zivilrechtsdogmatik bezeichnet werden.322 Diese Arbeit kann und will die Debatte um diesen Begriff nicht in allen ihren theoretischen Facetten323 und vor allem rechtshistorischen Zügen324 nachzeichnen. Vielmehr mögen die folgenden kurzen Ausführungen für die Zwecke dieser Arbeit genügen: Der Begriff des subjektiven Rechts hat seine heutige Ausprägung vor allem durch die Werke Savignys und Jherings erhalten.325 So begriff Savigny das subjektive Recht als „die der einzelnen Person zustehende Macht: ein Gebiet, worin ihr Wille herrscht und mit unsrer Einstimmung herrscht.“326 Die für Savigny im Zentrum stehende Willensmacht ordnet dem Einzelnen Freiheitssphären zu, in denen er nach seinem Gutdünken und eigenem Willen mit dem Gegenstand des Rechts verfahren kann.327 Jhering dagegen stellte für den Begriff des subjektiven Rechts nicht wie Savigny zuvorderst auf eine freiheitssichernde Zweckrichtung ab, 322

Insoweit zutreffend Bork, Vergleich, S. 193. Vgl. dazu Fezer, S. 335 ff.; instruktiv zum Ungang mit dem subjektiven Recht in der Zeit des Nationalsozialismus Rüthers, Unbegrenzte Auslegung, S. 336 ff. 324 s. zum einen Coing, S. 29 ff.; zum anderen Schapp, Rechtsgewinnung, S. 90 ff. 325 Zur historischen Entwicklung des Begriffs Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 355 ff.; instruktiv aus neuerer Zeit auch Habersack, S. 21 ff. 326 Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Bd. 1, S. 7 ff.; ihm folgend z. B. Windscheid, Pandektenrecht, Bd. 1, S. 92. 327 Zutreffend Wüstenbecker, JA 1984, 227 (227). 323

C. Rechtszuweisungsverständnis und generelle Einwände

211

sondern stellte den Nutzen des subjektiven Rechts in den Vordergrund. Nach seiner Auffassung sind Rechte „rechtlich geschützte Interessen“.328 Bereits 1893 gelang Regelsberger die Vereinigung von Willens- und Interessentheorie zu einem ganzheitlichen Ansatz.329 In Anbetracht des Umstands, dass die beiden Definitionen nur unterschiedliche Aspekte der selben Sache hervorheben,330 versteht die heute herrschende Meinung im Anschluss an Regelsberger und damit in Kombination der Lehren von Savigny und Jhering unter subjektivem Recht die Einräumung von Rechtsmacht seitens der Rechtsordnung zur Befriedigung von menschlichen Interessen.331 Wegen des hohen Abstraktionsgrades des von der herrschenden Meinung gebildeten Begriffs des subjektiven Rechts stellt diese allgemeine Definition nur einen Rahmenbegriff dar, der hinsichtlich der verschiedenen Typen und Arten der subjektiven Rechte der Ausfüllung bedarf.332 Es besteht demnach eine Notwendigkeit der Kategorisierung und der Differenzierung zwischen den Arten der subjektiven Rechte. Unterteilt man die von der herrschenden Meinung anerkannten subjektiven Rechte ihrem Inhalt nach, so bilden Ansprüche nach § 194 Abs. 1 BGB neben den hier nicht weiter interessierenden Herrschafts-, Gestaltungs- und Persönlichkeitsrechten eine der vier Hauptkategorien der subjektiven Rechte.333 Die Versagung eines Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers stellt damit automatisch die Absage an ein subjektives Recht im oben geschilderten Sinn dar. Neben dieser herrschenden Meinung existiert heute in der Literatur auch noch eine Strömung, die das subjektive Recht bereits im Ausgangspunkt anders von seiner prozessualen Durchsetzbarkeit her definiert. Nach dieser Auffassung ist Merkmal des subjektiven Rechts dessen Klagbarkeit.334 Gegen eine Verknüpfung des subjektiven Rechts mit Fragen der Klagbarkeit wird in der Literatur jedoch zutreffend eingewandt, dass der Gerichtsschutz nicht Zweck des subjektiven Rechts, sondern Mittel zu dessen Schutz ist.335 Entscheidend gegen diese Auffassung spricht, dass sie nicht mit den grundgesetzlichen Garantien des Art. 19 Abs. 4 GG und davon ausgehend dem in dieser Frage inhaltsgleichen allgemeinen Justizgewährleistungsanspruch aus Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG in Einklang zu 328

Jhering, Geist des heutigen Römischen Rechts, Teil III, S. 317 ff., 339 ff. s. Regelsberger, Pandekten Bd. 1, S. 74 ff. 330 Vgl. Wüstenbecker, JA 1984, 227 (227). 331 Enneccerus/Nipperdey, Einführung in das Bürgerliche Recht, Bd. 1, S. 428 f.; Brox/ Walker, BGB AT, S. 265; Köhler, BGB AT, S. 244; M. Wolf/Neuner, BGB AT, S. 215; Rüthers/ Stadler, BGB AT, S. 49; Boemke/Ulrici, BGB AT, S. 400 f., Hervorhebung seitens des Verfassers. 332 Larenz/Wolf, BGB AT, 9. Auflage (2004), S. 241; in der Neuauflage des Werks durch M. Wolf/Neuner, BGB AT, 10. Auflage (2012), S. 215 f. fehlt diese klare Aussage zum Rahmenbegriff des subjektiven Rechts, vielmehr werden nur noch „sehr unterschiedliche Charakteristika“ subjektiver Rechte genannt. 333 Vgl. Brox/Walker, BGB AT, S. 269. 334 Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 355, 380 ff. 335 M. Wolf/Neuner, BGB AT, S. 214. 329

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3. Kap.: Die Begründung des Unterlassungsanspruchs

bringen ist. Art. 19 Abs. 4 GG setzt das Bestehen subjektiver Rechte voraus. Bei Vorliegen eines subjektiven Rechts wird dieses über Art. 19 Abs. 4 GG prozessual abgesichert und die Klagbarkeit sichergestellt. Art. 19 Abs. 4 GG macht damit die Klagbarkeit aber gerade nicht zu einem Merkmal des subjektiven Rechts, sondern fügt diese dem subjektiven Recht hinzu.336 Dieser Zusammenhang besteht auch für den zu Art. 19 Abs. 4 GG inhaltsgleichen allgemeinen Justizgewährleistungsanspruch aus Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG. Ist aber nach diesem grundgesetzlichen Verständnis die Frage des Rechtsschutzes dem Bestehen des subjektiven Rechts nachgelagert und wird der Gerichtsschutz durch genannte Gewährleistungen erst angeordnet, so kann keine Deckungsgleicheit zwischen Klagbarkeit und subjektivem Recht bestehen. Die abweichende Auffassung kann damit zur Lösung der de lege lata bestehenden Streitfragen, die in dieser Arbeit behandelt werden, nichts beitragen und wird hier deshalb nicht weiter vertieft. Neben der auf die Klagbarkeit abstellenden Auffassungen haben vor allem J. Schmidt337 und ihm folgend Dörner338 versucht, dem Begriff der herrschenden Meinung einen eigenständigen, normlogischen Begiff des subjektiven Rechts gegenüberzustellen. So erkennt J. Schmidt in einer Freiheitsermächtigung und einem an alle anderen Personen gerichteten Generalverbot, mit dem Inhalt die fraglichen Tatbestände nicht zu setzen, die beiden Charakteristika des subjektiven Rechts.339 Diese normlogisch orientierte Theorie des subjektiven Rechts kann jedoch nicht überzeugen. So hat bereits Larenz zutreffend herausgestellt, dass die Theorie nur auf die mit Ausschließlichkeitsanspruch versehenen Herrschaftsrechte, die einzig eine Unterkategorie der subjektiven Rechte darstellen, zutrifft.340 Nicht adäquat erfassbar sind dagegen Gestaltungsrechte und vor allem die hier interessierenden Ansprüche.341 Auch hilft es nicht weiter, der zutreffenden Kritik an der überspannten Reichweite des Generalverbots durch einen Verweis auf die stattdessen mögliche generelle Nichtgewähr von Befugnissen an andere Personen zu begegnen.342 Hier verschmelzen bei Dörner Freiheitsermächtigung und Generalverbot zu einem einheitlichen Topos, der den Boden von J. Schmidts an sich scharfer Trennung verlässt, um alle heute anerkannten subjektiven Rechte unter einen Hut zu bekommen.343 Im Übrigen kommt die Gewährung der Befugnis an eine Person bei gleichzeitiger genereller Nichtgewährung an andere Personen im Ergebnis dem Generalverbot für

336

Vgl. Bachof, in: GS Jellinek, S. 273 (300); Wagner, AcP 192 (1992), 319 (342). J. Schmidt, Aktionsberechtigung, S. 17 ff., 53 ff. 338 Dörner, Relativität, S. 25 ff., 34 ff., 46 ff.; dem folgend Bork, Vergleich, S. 193 ff.; ders., BGB AT, S. 122 ff.; Schwonberg, S. 145, 147. 339 J. Schmidt, Aktionsberechtigung, S. 17. 340 Larenz, in: FG Sontis, S. 129 (139). 341 Vgl. Larenz, in: FG Sontis, S. 129 (139). 342 Dörner, Relativität, S. 52 Fn. 185. 343 Vgl. Habersack, S. 23. 337

C. Rechtszuweisungsverständnis und generelle Einwände

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diese anderen Personen nahe, sodass auch unter diesem Aspekt Larenz’ Kritik an dem einseitigen Fokus auf Herrschaftsrechte aufrechterhalten werden kann.344 Demnach ist am Verständnis der herrschenden Meinung zur Bestimmung des subjektiven Rechts im Privatrecht festzuhalten. Dieses gilt auch für die Betriebsverfassung als besonderer Teil des Privatrechts.345 Unter Zugrundelegung der Kriterien der herrschenden Meinung müsste damit für die betriebsverfassungsrechtlichen Vorschriften das Bestehen von Rechtssubjekt, Rechtsmacht und Interessenschutz nachgewiesen werden. Bevor dieser Schritt jedoch gegangen werden kann, müssen zunächst neuere Bestrebungen in Rechtsprechung und Literatur behandelt werden, die der Existenz subjektiver Rechte des Arbeitgebers aus der Betriebsverfassung eine Absage erteilen. Wären die von diesen Ansichten vorgebrachten Argumente durchschlagend, so könnte auch mit den Kriterien der herrschenden Auffassung kein subjektives Recht des Arbeitgebers aus betriebsverfassungsrechtlichen Normen begründet werden. Auch der betriebsverfassungsrechtliche Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat wäre mangels subjektiver Rechtszuweisung ausgeschlossen.

II. Die generellen Einwände gegen die Existenz subjektiver Rechte in der Betriebsverfassung Subjektive Rechte des Arbeitgebers aus Vorschriften der Betriebsverfassung erfahren neuerdings Ablehnung sowohl aus der Rechtsprechung als auch Teilen der Literatur. So wird vom BAG in seiner neuen Rechtsprechung aus einem vollstreckungsrechtlichen Widerspruch hinaus die Existenz eines Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat abgelehnt. Mit der Versagung des Anspruchs aus vollstreckungsrechtlichen Gründen verweigert das BAG damit auch einem subjektivrechtlichen Verständnis der in Frage stehenden Vorschriften der Betriebsverfassung seine Zustimmung (dazu näher unter 1.). Zudem wird in der Literatur eine asymmetrische Ausrichtung des negatorischen Rechtsschutzes in der Betriebsverfassung behauptet, die zur Anerkennung subjektiver Rechte einzig auf Seiten des Betriebsrats führt, im Gegensatz dazu aber subjektiven Rechten des Arbeitgebers aus Normen der Betriebsverfassung eine Absage erteilt (dazu näher unter 2.).

344

Vgl. auch Larenz, in: FG Sontis, S. 129 (140). s. zur unstrittigen Zuordnung der Betriebsverfassung zum Privatrecht heute statt aller GK-BetrVG/Wiese, Einl. BetrVG Rn. 88 ff. m.w.N. 345

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3. Kap.: Die Begründung des Unterlassungsanspruchs

1. Der vermeintliche vollstreckungsrechtliche Widerspruch bei Anerkennung eines materiell-rechtlichen Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat Neben dem Einwand des strukturellen Konzepts des § 23 BetrVG, der bereits widerlegt wurde,346 macht das BAG in seiner neuen Rechtsprechung noch einen weiteren gewichtigen Einwand gegen einen gegen den Betriebsrat gerichteten Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers, den es zu behandeln gilt. Ein solcher Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers mache vollstreckungsrechtlich keinen Sinn. Da der Betriebsrat vermögenslos sei, komme ihm gegenüber eine Androhung, Festsetzung oder Vollstreckung von Ordnungsgeld nicht in Betracht.347 Zwar ist zuzugeben, dass der Betriebsrat in Ermangelung einer generellen Rechtsfähigkeit grundsätzlich nicht vermögensfähig ist.348 Diese Erkenntnis ergibt sich unter anderem aus dem Umlageverbot des § 41 BetrVG sowie der gesetzlich angeordneten Trägerschaft des Arbeitgebers für die erforderlichen Kosten der Betriebsratstätigkeit nach § 40 BetrVG und kann de lege lata nicht angezweifelt werden. Ob sich aus der im Rahmen des § 890 ZPO gegebenen Unvollstreckbarkeit jedoch ergibt, dass eine Vollstreckung von gegen den Betriebsrat gerichteten Unterlassungsgeboten generell ausscheidet, ist umstritten. Das BAG, welches im Beschluss vom 17. 3. 2010 von einer Unvollstreckbarkeit von Unterlassungsgeboten gegen den Betriebsrat ausgeht, kann sich in dieser Frage auf die wohl herrschende Lehrmeinung berufen.349 Es existiert in der Literatur jedoch auch eine Gegenkonzeption, die vom BAG im Beschluss vom 17. 3. 2010 nicht behandelt wird. So hat sich mit fundierter Begründung zuerst Jahnke für eine Vollstreckung der gegen den Betriebsrat gerichteten Titel unter Rückgriff auf die einzelnen Betriebsratsmitglieder ausgesprochen.350 Ihm folgt ein nicht unerheblicher Teil der Literatur.351 In einer neueren Entscheidung setzt sich das BAG jedoch mit der Möglichkeit einer Zwangsvollstreckung eines gegen den Betriebsrat gerichteten Titels unter Rückgriff auf die dem Gremium angehörigen Betriebsratsmitglieder auseinander. 346

s. o. 2. Kapitel A. III. BAG v. 17. 3. 2010, 7 ABR 95/08, NZA 2010, 1133 (1335 Rn. 28). 348 s. nur BAG v. 24. 4. 1986, 6 AZR 607/83, AP BetrVG 1972 § 87 Sozialeinrichtung Nr. 7 unter II. 2. a); v. 24. 10. 2001, 7 ABR 20/00, AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 71 unter B. II. 1.; v. 29. 9. 2004, 1 ABR 30/03, AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 81 unter B. I. 1.; FESTL, § 1 BetrVG Rn. 194; GK-BetrVG/Franzen, § 1 BetrVG Rn. 72; Münch. Hdb. z. ArbR/v. Hoyningen-Huene, § 212 Rn. 14. 349 HaKo-ArbGG/Roos, § 85 ArbGG Rn. 26; ErfK/Koch, § 85 ArbGG Rn. 2; GWBG/ Greiner, § 85 ArbGG Rn. 6; HBB/Hauck, § 85 ArbGG Rn. 5; FESTL, § 1 BetrVG Rn. 196; Dütz, ZfA 1972, 247 (250 f.); Schwarze/Hartwig, JuS 2005, 1089 (1095); differenzierend: HKArbR/Henssen, § 85 ArbGG Rn. 12 ff. 350 Jahnke, Zwangsvollstreckung, S. 63 ff. 351 GMP/Matthes/Spinner, § 85 ArbGG Rn. 20; S/W/Walker, § 85 ArbGG Rn. 32; Triebel, S. 96 f. 347

C. Rechtszuweisungsverständnis und generelle Einwände

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Eine dahingehende Vollstreckungsmöglichkeit bestehe nicht. Der Betriebsrat sei als Organ der Betriebsverfassung im Rahmen seines betriebsverfassungsrechtlichen Wirkungskreises rechtsfähig und damit rechtlich von seinen Einzelmitgliedern zu unterscheiden. Die gegen ihn ergehenden gerichtlichen Entscheidungen richteten sich nicht gegen seine Mitglieder. Diese seien auch – anders als etwa Organmitglieder juristischer Personen – nicht in der Lage, Handlungen des Betriebsrats so zu steuern, dass sie zwangsvollstreckungsrechtlich für die Erfüllung von titulierten Verpflichtungen gegen den Betriebsrat in Anspruch genommen werden könnten.352 Auf den Streit um die Vollstreckbarkeit gegen den Betriebsrat kommt es aber bereits dann nicht an, wenn die Existenz von materiell-rechtlichen Unterlassungsansprüchen isoliert zur Frage deren Vollstreckbarkeit behandelt werden muss. Selbst wenn man annimmt, dass der Anspruch auf Unterlassung gegen den Betriebsrat nicht vollstreckbar ist, bestünde der vom BAG angenommene Widerspruch nicht, wenn die Rechtsordnung auch auf anderen Gebieten aus der Unvollstreckbarkeit keine Rückschlüsse auf das Bestehen materiell-rechtlicher Ansprüche zulässt. a) Die Trennung zwischen materiellen und prozessualen Rechtssätzen und die nur dienende Natur des Zivilprozessrechts In der heutigen Zivilrechtsdogmatik ist eine Erkenntnis unwidersprochen: Materielles Recht und Prozessrecht sind voneinander im Grundsatz emanzipierte, getrennte Rechtsgebiete, die jeweils unterschiedlichen Regeln folgen und gerade nicht dieselben Aufgaben erfüllen. Vielmehr ist ihre Unterscheidung von grundlegender Bedeutung.353 Diese vor allem historische gewachsene354 Trennung kann auch für diese Ausführungen zu Grunde gelegt werden. Die Erkenntnis hat auch Folgen für das Verhältnis des BetrVG zum ArbGG und der ZPO. Während es sich bei der Betriebsverfassung als Teil des materiellen Rechts um ein Teilgebiet des Privatrechts handelt, ist das Zivilprozessrecht, welches die Einrichtung der beim Staat monopolisierten Zivilrechtspflege, die Tätigkeit der Rechtspflegeorgane und das von ihnen bei dieser Tätigkeit anzuwendende Verfahren regelt, öffentlich-rechtlicher Natur.355 Zum öffentlichen Recht zählen demnach sowohl die ZPO als auch das ArbGG. Neben der Zuordnung zu verschiedenen Rechtsgebieten besteht auch noch in einer zweiten Hinsicht ein Unterschied zwischen materiellem und prozessualem Recht. Während das materielle Recht dem Einzelnen die subjektiven Rechte zur Verfügung stellt, sichert das Prozessrecht erst nachgelagert die Durchsetzung der durch das materielle Recht verliehenen Rechte im Zuge des staatlichen Verfahrens 352

BAG v. 28. 5. 2014, 7 ABR 36/12, NZA 2014, 1213 (1215). s. nur Zöllner, AcP 190 (1990), 471 (471 ff.) sowie Maurer, in: FS BVerfG, Bd. 2, S. 467 (467 Fn. 1). 354 Vgl. Minnerop, S. 1 ff. m.w.N. 355 MüKo-ZPO/Rauscher, Einl. ZPO Rn. 23. 353

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3. Kap.: Die Begründung des Unterlassungsanspruchs

vor den Gerichten. Über das materielle Recht gewährte Rechte sind damit von ihrer Verwirklichung im Wege des Prozessrechts getrennt.356 Das Zivilprozessrecht hat damit gegenüber dem materiellen Recht nur eine „dienende Funktion“, mit ihm wird die Verwirklichung des materiellen Rechts erst ermöglicht.357 Im Zusammenhang hiermit steht die strenge Unterteilung des zivilprozessualen Verfahrens in ein Erkenntnis- und das davon getrennte Vollstreckungsverfahren.358 Während das Erkenntnisverfahren die Feststellung des Bestehens des in der Klage behaupteten Rechts zum Ziel hat, richtet sich die zwangsweise Durchsetzung der zuvor im Erkenntnisverfahren festgestellten Ansprüche nach den Regeln des gesonderten Zwangsvollstreckungsverfahrens nach §§ 704 ff ZPO. Diese Trennung spiegelt sich auch in der Formalisierung der Zwangsvollstreckung wieder: Die Vollstreckungsorgane prüfen jeweils nur bestimmte leicht feststellbare Umstände, wobei für den Nachweis des Anspruchs die vollstreckbare Ausfertigung des Titels genügt, ohne dass noch einmal eine weitergehende materiell-rechtliche Prüfung stattfinden würde.359 Somit sind die beiden Verfahren voneinander unabhängig.360 Hiervon ausgehend muss vor Beurteilung der Vollstreckbarkeit und der Durchsetzung im Wege des Vollstreckungsverfahrens die Frage nach dem Bestehen eines Anspruchs geklärt sein. Die Frage der Vollstreckbarkeit ist gar nicht Gegenstand des Beschlussverfahrens als Teil des Erkenntnisverfahrens.361 Insofern kann dem BAG in seinen Schlussfolgerungen nicht gefolgt werden, das aus der Unvollstreckbarkeit der Ansprüche gegen das Gremium Betriebsrat Unterlassungsansprüche des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat per se auszuschließen sind. Materielles und prozessuales Recht sind nach dem oben Gesagten gerade grundverschieden. Mit der dienenden Stellung des Prozessrechts verträgt sich die Herangehensweise des BAG nicht, nach der aus vollstreckungsrechtlichen Gründen materiell-rechtliche Ansprüche ausscheiden sollen. Nicht nur verkennt das BAG die nur dienende Natur des Zivilprozessrechts an sich. Vielmehr vermischt es darüber hinaus noch unzulässigerweise bei der Prüfung des Vorliegens eines Unterlassungsanspruchs die getrennten Ebenen des Erkenntnis- und des Vollstreckungsverfahrens.362 Die in dieser Arbeit vertretene Herangehensweise einer strikt einzuhaltenden Trennung zwischen Erkenntnisverfahren auf der einen und Vollstreckungsverfahren auf der anderen Seite teilt auch der BGH. Dieser hat am 25. 10. 2012 in einer vielbeachteten Entscheidung dem Betriebsrat die Fähigkeit zugesprochen in 356

Zöllner, AcP 190 (1990), 467 (467). Zöller/Vollkommer, Einl. ZPO Rn. 92; MüKo-ZPO/Rauscher, Einl. ZPO Rn. 25. 358 Musielak/Voit/Lackmann, §§ 704 – 802 ZPO, Vorbemerkung Rn. 3. 359 Musielak/Voit/Lackmann, §§ 704 – 802 ZPO, Vorbemerkung Rn. 14. 360 MüKo-ZPO/Rauscher, Einl. ZPO Rn. 21; Thomas/Putzo/Reichold, Einl. ZPO V Rn. 1; Saenger/Saenger, Einführung ZPO Rn. 5. 361 BAG v. 22. 7. 1980, 6 ABR 5/78, AP BetrVG 1972 § 74 Nr. 3 unter 2. 362 Zutreffend Burger/Rein, NJW 2010, 3613 (3615); Husemann, Anm. LAGE BetrVG 2001 § 74 Nr. 3, S. 23 (31); Belling, JZ 2014, 905 (908); GWBG/Greiner, § 85 ArbGG Rn. 22; kritisch auch Worzalla, AP GG Art. 9 Nr. 149 unter 5.: „Sündenfall“. 357

C. Rechtszuweisungsverständnis und generelle Einwände

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dessen betriebsverfassungsrechtlichen Betätigungskreis selbst Verträge (im konkreten Fall auf Basis des § 111 Satz 2 BGB) mit außerhalb der Betriebsverfassung stehenden Dritten abzuschließen.363 Neben dieser bahnbrechenden Erkenntnis nicht untergehen darf aber auch der zum Schluss der Entscheidung angebrachte Hinweis, dass ein voraussichtlicher Vollstreckungserfolg für die Beurteilung des Rechtsschutzbedürfnisses einer Klage im Erkenntnisverfahren ohne Belang sei.364 Damit wird genau der grundsätzlichen Unabhängigkeit des Erkenntnis- zum Vollstreckungsverfahren Rechnung getragen und eine überzeugende Lösung gefunden. Vollstreckungsrechtliche Erwägungen können damit für das Bestehen der materiellen Substanzrechte keine Bedeutung haben.365 Bereits auf Grund der Trennung von materiellem Recht und Prozessrecht scheidet demnach der vom BAG behauptete Widerspruch zwischen Unvollstreckbarkeit und Unterlassungsanspruch aus. b) Der Mangel eines Widerspruchs zwischen Unvollstreckbarkeit und Anspruchsexistenz Lehnt man entgegen der hier vertretenen Ansicht nicht bereits die Herangehensweise des BAG ab, müsste die Ablehnung eines materiell-rechtlichen Unterlassungsanspruchs als Folge der vollstreckungsrechtlichen „Sinnlosigkeit“ noch positiv festgestellt werden. Eine solche wäre zu verneinen, wenn die Rechtsordnung anerkennen würde, dass es Ansprüche gibt, die nicht vollstreckbar sind, ohne dass aus deren Nichtvollstreckbarkeit Rückschlüsse auf das (Nicht-) Bestehen eines Anspruchs gezogen würden. Hierfür werden in der Literatur zum Teil Ansprüche auf Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft aus § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB genannt.366 Diese können gerichtlich mit einem Herstellungsantrag im Erkenntnisverfahren verfolgt werden.367 Übereinstimmung mit potentiellen Unterlassungsansprüchen gegen den Betriebsrat besteht grundsätzlich in der Art der Vollstreckung: Über § 120 Abs. 1 FamFG wird ebenso wie über § 85 Abs. 1 ArbGG für die Zwangsvollstreckung die entsprechende Geltung der Vorschriften (im Fall des § 85 Abs. 1 ArbGG des achten Buchs) der Zivilprozessordnung angeordnet. Unterlassungspflichten können hiernach grundsätzlich nach § 890 Abs. 1 ZPO durch die Zwangsmittel Ordnungsgeld und Ordnungshaft durchgesetzt werden. Besonderheit der persönlichen Ansprüche aus ehelicher Lebensgemeinschaft ist vor diesem normativen Hintergrund ihre Behandlung im Vollstreckungsverfahren: § 120 Abs. 3 FamFG untersagt die Vollstreckung der persönlichen Verpflichtung zur 363 BGH v. 25. 10. 2012, III ZR 266/11, NZA 2012, 1382 (1383); zustimmend z. B. Preis/ Ulber, JZ 2013, 579 (580); Belling, Anm. (1) AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 110 unter II. 3. d). 364 BGH v. 25. 10. 2012, III ZR 266/11, NZA 2012, 1382 (1388). 365 Hoffmann, S. 39 Fn. 25; vgl. noch F. Hartmann, S. 31 zur Irrelevanz der §§ 883 ff. ZPO für den Anspruch aus § 285 BGB. 366 Burger/Rein, NJW 2010, 3613 (3615). 367 Staudinger/Voppel, § 1353 BGB Rn. 137; MüKo-BGB/Roth, § 1353 BGB Rn. 18; HKBGB/Kemper, § 1353 BGB Rn. 9.

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3. Kap.: Die Begründung des Unterlassungsanspruchs

Herstellung des ehelichen Lebens, wirkt insofern als Vollstreckungsverbot. Aus der Unvollstreckbarkeit wird aber in der familienrechtlichen Kommentarliteratur nicht der Schluss gezogen, dass damit die Anspruchsqualität des § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB abzulehnen sei. Die Argumentation aus § 1353 Abs. 1 BGB und § 120 Abs. 3 FamFG ist jedoch auf die Konstellation einer Vollstreckung eines Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat nicht übertragbar: § 120 Abs. 3 FamFG bezieht sich nach der gefestigten herrschenden Literaturansicht nur auf höchstpersönliche Ansprüche; vermögensrechtliche Ansprüche werden nicht in § 120 Abs. 3 FamFG einbezogen.368 Daher besteht insofern ein sachlicher Unterschied zu den Unterlassungsansprüchen gegen den Betriebsrat: Während die Unvollstreckbarkeit der Ansprüche auf Herstellung des ehelichen Lebens aus dem höchstpersönlichen Charakter der Handlungen selbst folgt,369 scheitert eine Zwangsgeldvollstreckung gegen den Betriebsrat an der Zweckbindung des ihm von Seiten des Arbeitgebers zur Verfügung gestellten Vermögens.370 Mithin kann eine Untersuchung des vom BAG angenommenen vollstreckungsrechtlichen Widerspruchs nicht bei einem Verweis auf § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB stehen bleiben.371 Ebenfalls nicht verbleiben kann es bei einem Verweis auf die Unvollstreckbarkeit der Arbeitsleistung nach erhobener Leistungsklage des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer, wenn man mit der herrschenden Auffassung im Arbeitsrecht von einer Unvollstreckbarkeit nach § 888 Abs. 3 ZPO ausgeht.372 Zum einen erfasst § 888 Abs. 3 ZPO die Fälle der Unterlassung in tatbestandlicher Hinsicht gar nicht, vielmehr kommt für diese nur über § 890 ZPO eine Erzwingung in Betracht.373 Zudem scheidet die Vollstreckung nach § 888 Abs. 3 ZPO nicht wegen vermögensrechtlicher Erwägungen, sondern zum Schutz der Menschenwürde des Arbeitnehmers aus.374 Um die These des BAG vom vollstreckungsrechtlichen Widerspruch bei gleichzeitig bestehendem Anspruch zu widerlegen, müsste vielmehr gezeigt werden, dass auch in anderen Teilen der Rechtsordnung als dem Betriebsverfassungsrecht Ansprüche existieren, die aus spezifisch vermögensrechtlichen Erwägungen unvollstreckbar sind, ohne dass sich hieraus ein negativer Rückschluss für das Bestehen des Anspruchs selbst ergibt.

368

MüKo-FamFG/Fischer, § 120 FamFG Rn. 18. Haußleiter/Fest, § 120 FamFG Rn. 29. 370 Vgl. GWBG/Greiner, § 85 ArbGG Rn. 6. 371 So aber Burger/Rein, NJW 2010, 3613 (3615). 372 ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 695; MüKo-BGB/Müller-Glöge, § 611 BGB Rn. 1033; NKBGB/Franzen, § 611 BGB Rn. 93; Staudinger/Richardi/Fischinger, § 611 BGB Rn. 1090; dies verkennen J.H. Bauer/Willemsen, NZA 2010, 1089 (1091). 373 Saenger/Pukall, § 888 ZPO Rn. 3; Musielak/Voit/Lackmann, § 888 ZPO Rn. 5; MüKoZPO/Gruber, § 888 ZPO Rn. 4 f. 374 BAG v. 5. 2. 2009, 6 AZR 110/08, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 308 unter I. b); v. 20. 6. 2013, 6 AZR 789/11, NZA 2013, 1147 (1149). 369

C. Rechtszuweisungsverständnis und generelle Einwände

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Insofern bietet sich ein Blick auf § 89 Abs. 1 InsO an. § 89 Abs. 1 InsO erklärt Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger während der Dauer des Insolvenzverfahrens sowohl in die Insolvenzmasse als auch in das sonstige Vermögen des Schuldners für unzulässig. § 89 Abs. 1 InsO statuiert rechtstechnisch gesehen ein Vollstreckungsverbot.375 Betroffen von der Anordnung in § 89 Abs. 1 InsO sind Insolvenzgläubiger. Insolvenzgläubiger sind nur diejenigen Personen, die zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen obligatorischen Anspruch gegen den Schuldner auf Befriedigung aus seinem Vermögen bzw. seinen geldwerten Rechten haben376 Der im Zwangsvollstreckungsverfahren durchsetzbare Anspruch ist vom BVerfG als vermögensrechtliche Position im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG anerkannt worden.377 In der insolvenzrechtlichen Literatur zu § 89 Abs. 1 InsO ist damit das Bestehen eines vermögenswerten materiell-rechtlichen Anspruchs trotz Vollstreckungsverbots in § 89 Abs. 1 InsO unbestritten. Zeitlich gesehen greift § 89 Abs. 1 InsO mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein.378 Das Vollstreckungsverbot muss nach dem oben Gesagten aber selbst eine vermögensrechtliche Schutzrichtung aufweisen, um die These des BAG zu widerlegen. § 89 Abs. 1 InsO soll die Einhaltung des das Insolvenzverfahren beherrschenden Grundsatzes der par conditio creditorum zur Gleichbehandlung aller Gläubiger sicherstellen.379 Dieser wirkt zweigliedrig: Zum einen soll eine gleichmäßige Verteilung des noch vorhandenen Schuldnervermögens auf die Gläubiger sichergestellt werden. Zum anderen gewährleistet die „par conditio creditorum“ auch eine gemeinschaftliche Befriedigung aller Gläubiger, indem alle Gläubiger ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Entstehung ihrer Forderungen gegen den Schuldner am Insolvenzverfahren teilnehmen.380 Im Vordergrund steht aber bei beiden Ausprägungen der Aspekt der bestmöglichen Befriedigung der Gläubiger des insolventen Schuldners. Wird nun die Einzelvollstreckung für Insolvenzgläubiger durch § 89 Abs. 1 InsO verboten, so geschieht dies zum Schutz der vermögenswerten Position der anderen Insolvenzgläubiger. Der Grundsatz der par conditio creditorum weist somit auf Anspruchstellerseite eine vermögensrechtlich orientierte Schutzrichtung auf. Darüber hinaus bestehen auch auf Schuldnerseite im Ergebnis Parallelen zwischen der Situation des nicht vermögensfähigen Betriebsrats und der des Insolvenzschuldners. Während der Betriebsrat selbst gar kein Vermögen erwerben kann und ihm insofern rechtlich per se nicht die Möglichkeit eingeräumt wird, von sich aus eine Vermögensmasse zu 375

Andres/Leithaus/Leithaus, § 89 InsO Rn. 5; Braun/Kroth, § 89 InsO Rn. 5. MüKo-InsO/Breuer, § 89 InsO Rn. 11; i.E. ebenso: Braun/Kroth, § 89 InsO Rn. 6; Uhlenbruck/Mock, § 89 InsO Rn. 11 wenn auf die Inhaber der Forderungen nach §§ 38, 39 InsO abgestellt wird. 377 BVerfG v. 27. 6. 2005, 1 BvR 224/05, NZM 2005, 657 (659); v. 23. 5. 2006, 1 BvR 2530/ 04, BVerfGE 116, 1 (13). 378 MüKo-InsO/Breuer, § 89 InsO Rn. 56; Andres/Leithaus/Leithaus, § 89 InsO Rn. 3; HKZV/Gruber Schwerpunktbeiträge 8. I. 3. a) aa) Rn. 7. 379 Uhlenbruck/Mock, § 89 InsO Rn. 1; MüKo-InsO/Breuer, § 89 InsO Rn. 1, Hervorhebung seitens des Verfassers. 380 Markgraf, S. 23. 376

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akkumulieren, ist der Insolvenzschuldner zwar vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens in der Lage Vermögen zu erwerben; mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens als für das Vollstreckungsverbot aus § 89 Abs. 1 InsO maßgeblichem Zeitpunkt verliert er aber nach § 80 Abs. 1 InsO die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen. Daher sind sowohl Betriebsrat als auch Insolvenzschuldner vermögensrechtlich eingeschränkt, mithin in dieser Frage strukturell bis zu einem gewissen Grad vergleichbar. Es kommt in beiden Fällen nicht auf eine tatsächlich nicht vorhandene Vermögensmasse an, vielmehr ist die rechtliche Bewertung entscheidend.381 Wenn für den Insolvenzschuldner aus der Unvollstreckbarkeit kein Rückschluss auf das Bestehen eines Anspruchs gezogen werden kann, muss dies auch für den Betriebsrat gelten. Die vom BAG in seinem Beschluss vom 17. 3. 2010 aufgestellte These des vollstreckungsrechtlichen Widerspruchs bei Annahme eines materiell-rechtlichen Unterlassungsanspruchs gegen den Betriebsrat kann daher über die Ignorierung der Trennung zwischen materiellem Recht und Prozessrecht hinaus auch wegen der generellen Unabhängigkeit eines materiellen Anspruchs von dessen Vollstreckbarkeit nicht überzeugen. c) Der Widerspruch zum Unterlassungsanspruch gegen den Wahlvorstand Mit seiner Annahme, dass aus der mangelnden Vollstreckbarkeit wegen des fehlenden Vermögens der Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat ausscheide, setzt sich das BAG im Übrigen in einen unauflösbaren Widerspruch zur eigenen Rechtsprechung zur Zulässigkeit von auf Unterlassungsansprüchen basierenden Wahlabbruchverfügungen gegen den Wahlvorstand.382 Zeitlich nach seinem Beschluss vom 17. 3. 2010 hat der 7. Senat zum einen für den Fall einer erwarteten Nichtigkeit auf das Bestehen eines auf Abbruch der Betriebsratswahl gerichteten Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers gegen den Wahlvorstand entschieden.383 Zudem erkennt der 7. Senat einen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers an, wenn das Gremium, welches als Wahlvorstand auftritt, in dieser Funktion überhaupt nicht oder in nichtiger Weise bestellt wurde.384 Die Vollstreckung dieses Anspruchs richtet sich nach § 85 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 890 ZPO, Vollstreckungsmittel sind demnach primär das Ordnungsgeld sowie die subsidiäre Ordnungshaft. Der Wahlvorstand ist jedoch ebenso wie der Betriebsrat vermögenslos.385 Prozessual ist er zwar ebenso wie der Betriebsrat nach § 10 Satz 1 Halbsatz 2 ArbGG als

381 382 383 384 385

Vgl. Jahnke, Zwangsvollstreckung, S. 14. Zutreffend AR/Rieble, § 74 BetrVG Rn. 16. BAG v. 27. 7. 2011, 7 ABR 61/10, NZA 2012, 345 (347). BAG v. 27. 7. 2011, 7 ABR 61/10, NZA 2012, 345 (348). AR/Rieble, § 74 BetrVG Rn. 16.

C. Rechtszuweisungsverständnis und generelle Einwände

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Stelle im Beschlussverfahren beteiligtenfähig.386 Gegen betriebsverfassungsrechtliche Stellen scheidet wegen deren Vermögenslosigkeit jedoch eine Vollstreckung als Vollstreckungsschuldner nach § 85 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 890 ZPO aus.387 Eine Festsetzung von Ordnungsgeld bzw. die Anordnung einer Ordnungshaft gegen die betriebsverfassungsrechtliche Stelle selbst scheiden damit aus. Auch das in der zweiten Variante auftretende Gremium ist rechtlich gar nicht existent.388 Mangels Rechtsfähigkeit fehlt es diesem nicht existenten Gremium daher auch an der Vermögensfähigkeit. Auch tatsächlich verfügt das sich als Wahlvorstand gerierende Gremium nicht über Vermögen, in welches vollstreckt werden könnte. In beiden Fällen, in denen das BAG 2011 daher einen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers auf Abbruch der Betriebsratswahl anerkannt hat, fehlt es den Anspruchsgegnern in Form des Wahlvorstands bzw. des sich als solchen gerierenden Gremiums an Vermögen, in das vollstreckt werden könnte. Konsequenzen für den Bestand des materiell-rechtlichen Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers erwuchsen aus der Unmöglichkeit der Vollstreckung jedoch auch nach der Lösung des BAG nicht. Der richtige, für den Unterlassungsanspruch gegen den Wahlvorstand zu Recht nicht gezogene, Schluss von der Unmöglichkeit der Vollstreckung gegen die betriebsverfassungsrechtliche Stelle auf den Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers hätte vom BAG in gleicher Weise auch für den Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat gezogen werden müssen. Die neue Rechtsprechung mit der in ihr postulierten Absage an einen betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat kann daher nicht widerspruchsfrei mit der Rechtsprechung zum Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Wahlvorstand angeglichen werden. Vielmehr kann dem BAG beim unzutreffenden Rückschluss von der vollstreckungsrechtlichen auf die materiellrechtliche Lage bis zu einem gewissen Grad auch noch eine fehlende Abstimmung im System des negatorischen Rechtsschutzes in der Betriebsverfassung vorgehalten werden.389 d) Der grundsätzliche Streit um die (Un-)Vollstreckbarkeit als weiteres Problem der neuen BAG-Rechtsprechung Noch über die verfehlte Herangehensweise, die grundsätzliche Unabhängigkeit materiell-rechtlicher Ansprüche von deren Vollstreckbarkeit in der sonstigen Rechtsordnung sowie den unauflösbaren Widerspruch zum Unterlassungsanspruch gegen den Wahlvorstand hinaus erscheint die These des BAG vom vermeintlichen vollstreckungsrechtlichen Widerspruch in einem weiteren Punkt angreifbar. Hierbei 386

GMP/Matthes/Schlewing, § 10 ArbGG Rn. 26. GWBG/Greiner, § 85 ArbGG Rn. 6; GMP/Matthes/Spinner, § 85 ArbGG Rn. 14; HaKo-ArbGG/Roos, § 85 ArbGG Rn. 19; ErfK/Koch, § 85 ArbGG Rn. 2; SW/Walker, § 85 ArbGG Rn. 31. 388 Axel Braun, ArbRB 2012, 47 (47). 389 Drastisch dagegen AR/Rieble, § 74 BetrVG Rn. 16 „Die konzeptionelle Rechtslosigkeit ist wenig plausibel und wird vom BAG selbst nicht durchgehalten …“. 387

222

3. Kap.: Die Begründung des Unterlassungsanspruchs

handelt es sich gerade um die ihr zu Grunde liegende Annahme einer Unvollstreckbarkeit gegen den Betriebsrat gerichteter Unterlassungsansprüche. Das BAG leitet die vollstreckungsrechtliche Sinnlosigkeit eines gegen den Betriebsrat gerichteten Unterlassungsanspruchs aus dessen Vermögenslosigkeit ab. Daher komme ihm gegenüber eine Androhung, Festsetzung oder Vollstreckung von Ordnungsgeld nicht in Betracht. Deshalb sehe das Gesetzeskonzept des § 23 BetrVG einen Unterlassungsanspruch nicht vor 390 Die These des BAG von der Nichtexistenz eines gegen den Betriebsrat gerichteten betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers stützt sich somit auf die Prämisse einer Unvollstreckbarkeit von Unterlassungsgeboten gegenüber dem Betriebsrat. Ob jedoch eine Vollstreckung gegen den Betriebsrat überhaupt ausscheidet, wird vom BAG nicht näher begründet. Diese Auffassung ist jedoch nicht unbestritten; in der Literatur besteht in dieser Frage gerade ein Meinungsstreit. So geht eine starke Strömung ebenso wie das BAG davon aus, dass eine Vollstreckung gegen den Betriebsrat mangels Vermögens(-fähigkeit) des Betriebsrats ausscheidet.391 Diametral entgegengesetzt geht dagegen eine weitere Literaturmeinung davon aus, dass der Betriebsrat als Beteiligter des arbeitsgerichtlichen Verfahrens gemäß § 10 ArbGG konsequenterweise auch Vollstreckungsgläubiger und für diese Arbeit entscheidend auch Vollstreckungsschuldner sein kann.392 Insofern kann für eine Vollstreckung gegen den Betriebsrat selbst durchaus überzeugend auf § 85 Abs. 1 ArbGG verwiesen werden, nach dem grundsätzlich die Möglichkeit einer Vollstreckung aus rechtskräftigen Beschlüssen gegenüber einem Beteiligten vom Gesetzgeber vorgesehen ist. Der Betriebsrat ist nach 10 Satz 1 Halbsatz. 2 ArbGG als Stelle einzuordnen,393 mithin im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG beteiligtenfähig. Wieder Andere sehen den Betriebsrat nicht als tauglichen Vollstreckungsschuldner an, wollen aber stattdessen eine Vollstreckung gegen die dem Gremium angehörigen Betriebsratsmitglieder zulassen.394 Problematisch hieran erscheint jedoch, dass der Betriebsrat und die ihm angehörigen Mitglieder grundsätzlich rechtlich getrennt sind. Für eine ersatzweise Vollstreckung gegen die Betriebsratsmitglieder müsste dagegen eine Zurechnungsnorm entsprechend dem für juristische Personen verwandten § 31 BGB bestehen. Insofern könnte an § 33 BetrVG gedacht werden.395 Hierfür könnte zumindest sprechen, dass für Rechtsscheine von Betriebsratsbeschlüssen über eine dem § 33 BetrVG genügende

390

BAG v. 17. 3. 2010, 7 ABR 95/08, NZA 2010, 1133 (1135). LAG Berlin v. 26. 3. 1984, 9 TaBV 4/84, NZA 1984, 333 (333); GMP/Matthes/Spinner, § 85 ArbGG Rn. 14. 392 Jahnke, Zwangsvollstreckung, S. 63 ff.; Richardi/Richardi, Einl. BetrVG Rn. 110. 393 GMP/Matthes/Schlewing, § 10 ArbGG Rn. 29; NK-ArbR/Treber, § 10 ArbGG Rn. 13; Düwell/Lipke/Reinfelder, § 85 ArbGG Rn. 11, 12. 394 Münch. Hdb. Z. ArbR/Jacobs, § 346 Rn. 28; Triebel, S. 96 f. 395 Vgl. Schwipper, S. 268. 391

C. Rechtszuweisungsverständnis und generelle Einwände

223

Zurechnung durch Setzung des Rechtsscheins nachgedacht wird.396 Auch eine Handlungszurechnung an den Betriebsrat wäre dann über § 33 BetrVG denkbar.397 Weiter ausdifferenziert wird zum Teil nur die Vollstreckung gemäß §§ 883, 885, 894 BGB gegen den Betriebsrat, die hier interessierende Vollstreckung nach § 890 ZPO einzig durch Inanspruchnahme des Betriebsratsvorsitzenden für möglich gehalten.398 Endlich geht ein Teil der Literatur davon aus, dass zur Durchsetzung von unvertretbaren Handlungen gegenüber jedem Betriebsratsmitglied durch die Entscheidung des Arbeitsgerichts eine Konkretisierung der Rechtslage eintritt, die bei Nichtbefolgung mit Haft nach § 890 ZPO geahndet werden kann.399 Der stark verästelte Streit soll hier nicht noch weiter ausgebreitet werden; es ist für die hier vertretene Auffassung nicht entscheidungserheblich, ob eine Vollstreckbarkeit gegen den Betriebsrat per se ausscheidet oder doch ausnahmsweise mit den abweichenden Literaturstimmen möglich ist. Vielmehr sollte die Streitdarstellung einzig verdeutlichen, dass das BAG mit seiner Auffassung von der Unvollstreckbarkeit gegen den Betriebsrat auch in dieser Hinsicht Gegenwehr erfährt, die den Umkehrschluss von der Unvollstreckbarkeit auf den Ausschluss eines Anspruchs noch einmal in einem zweifelhaften Licht erscheinen lässt. 2. Zusammenfassung zum vermeintlichen vollstreckungsrechtlichen Widerspruch bei Anerkennung eines materiell-rechtlichen Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat Insgesamt lässt sich festhalten, dass zumindest der Umkehrschluss des BAG im Sinne des oben geschilderten vollstreckungsrechtlichen Widerspruchs nicht besteht, mit diesem Argument vielmehr Unterlassungsansprüche des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat nicht ausgeschlossen werden können. Materielles Recht und Vollstreckungsrecht sind voneinander unabhängige Materien. Außerdem wird auch in anderen Teilen der Rechtsordnung nicht von einer Unvollstreckbarkeit auf das Nichtbestehen eines Anspruchs geschlossen. 3. Die These einer asymmetrischen Ausrichtung des negatorischen Rechtsschutzes in der Betriebsverfassung Neuerdings wird in der Diskussion um Unterlassungsansprüche in der Betriebsverfassung eine asymmetrische Ausrichtung des betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsregimes konstatiert. Die „Asymmetrie“ ergibt sich in der neueren, oben dargestellten Rechtsprechung aus der Akzeptanz eines allgemeinen Unterlassungsanspruchs für den Betriebsrat auf der einen, bei Ablehnung eines be396 397 398 399

Richardi/Thüsing, § 33 BetrVG Rn. 31 ff. Vgl. Schwipper, S. 268. NK-ArbR/Henssen, § 85 ArbGG Rn. 12, 15; Kissel, Arbeitskampfrecht, S. 531 f. Rewolle, BB 1974, 888 (889).

224

3. Kap.: Die Begründung des Unterlassungsanspruchs

triebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers auf der anderen Seite. Hiernach werden einzig dem Betriebsrat Unterlassungsansprüche als Mittel der Rechtsbewahrung zugestanden.400 Erkennt man eine solche Asymmetrie an, so bedingt diese Annahme im selben Atemzug die Aberkennung subjektivrechtlicher Positionen auf Seiten des Arbeitgebers, weil ihm sonst zur Rechtsbewahrung ebenfalls die Asymmetrie aufhebende Unterlassungsansprüche zuerkannt werden müssten. Daher handelt es sich bei der These der asymmetrischen Ausrichtung des negatorischen Rechtsschutzes in der Betriebsverfassung im Kern ebenfalls um ein Argumentationsmuster gegen die Existenz subjektiver Rechte in der Betriebsverfassung, freilich beschränkt auf deren Aberkennung allein für die Seite des Arbeitgebers. Träfe die These zu, so könnte nicht über das Prinzip der Koinzidenz von Rechtszuweisung und Rechtsschutz negatorischer Rechtsschutz für den Arbeitgeber in der Betriebsverfassung angenommen werden. Für die bestehende faktische Asymmetrie werden drei rechtliche Begründungsansätze angeführt. Zuerst folge schon aus § 80 BetrVG, dass es sich beim Betriebsrat um ein Wächterorgan handele. Zudem könne der Arbeitgeber Rechtsverstöße zu Lasten des Betriebsrats durch bloßes Unterlassen verhindern. Im Übrigen entspreche die Asymmetrie den zugunsten des Arbeitgebers bestehenden Handlungsbefugnissen. In dieser Situation brauche der Betriebsrat ein rechtliches Instrument zur Sicherung der Teilhabe am Beteiligungsprozess.401 Alle angeführten, eine ausgemachte Asymmetrie stützenden Argumente gilt es zu untersuchen. Sollte sich herausstellen, dass die Argumente nicht tragen, so fällt damit auch die These einer Asymmetrie des negatorischen Rechtsschutzes in der Betriebsverfassung in sich zusammen. a) Die Asymmetrie als faktische Kategorie Der Begriff der „Asymmetrie“ ist von Klocke in seiner Dissertation neu in die Diskussion um Unterlassungsansprüche in der Betriebsverfassung eingeführt worden. Eine „Asymmetrie“ wird in Fremdwörterbüchern als Mangel an Symmetrie oder als Ungleichmäßigkeit definiert.402 Es handelt es sich zuerst um eine faktische Erscheinung: Während dem Betriebsrat zur Verhütung von Rechtsverstößen gegen die Mitbestimmungstatbestände durch den Arbeitgeber Unterlassungsansprüche zugebilligt werden, versagt die Rechtsprechung neuerdings dem Arbeitgeber ebensolche Ansprüche bei Verstößen gegen die Vorschriften des § 74 Abs. 2 Satz 1 sowie § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG von Seiten des Betriebsrats. Ob eine solche Versagung negatorischen Rechtsschutzes für den Arbeitgeber jedoch im Rechtssinne angenommen werden kann, ist aus dem Begriff der Asymmetrie selbst noch nicht geklärt. Hiervon geht auch Klocke nicht aus, führt er ja gerade rechtliche Argumente für die faktische Ungleichbehandlung von Betriebsrat und Arbeitgeber an. Nur diese rechtlichen Argumente werden im Folgenden untersucht. 400 401 402

Klocke, S. 40. Klocke, S. 40. Duden, Fremdwörterbuch, S. 98.

C. Rechtszuweisungsverständnis und generelle Einwände

225

b) Asymmetrie auf Grund des Wächteramts des Betriebsrats? Eine Asymmetrie im betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsrechtsschutz leitet Klocke zum einen aus dem Wächteramt des Betriebsrats ab.403 Mit Verweis auf das Wächteramt kann eine Asymmetrie nur begründet werden, wenn der Betriebsrat allein zur Überwachung der Einhaltung der geltenden Gesetze und damit auch der Betriebsverfassung befugt ist. Das Wächteramt des Betriebsrats zeigt sich nach Klocke in § 80 BetrVG. Angesprochen ist damit wohl speziell § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat die allgemeine Aufgabe darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden. Die dem Betriebsrat zufallende Überwachung nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ist eine Aufgabe, die dieser im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG durchzuführen hat.404 § 2 Abs. 1 BetrVG spricht jedoch gleichwertig sowohl den Arbeitgeber als auch den Betriebsrat an, beide arbeiten zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs vertrauensvoll zusammen. Damit korrespondierend kann angenommen werden, dass die in § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG explizit niedergelegte Überwachungsaufgabe den Betriebsrat gerade nicht zu einem dem Arbeitgeber übergeordneten Kontrollorgan macht.405 Vielmehr geht das Gesetz in § 2 Abs. 1 BetrVG davon aus, dass sowohl der Betriebsrat als auch der Arbeitgeber dem Wohl der Arbeitnehmer verpflichtet sind. Ein Zusammenhang zwischen § 2 Abs. 1 BetrVG und § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG besteht auch noch dadurch, dass in beiden Vorschriften die geltenden Tarifverträge als beachtbar benannt werden. Eine Deutung, die nur den Betriebsrat als Wächter erfasst, würde den zwischen § 2 Abs. 1 BetrVG und § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bestehenden Zusammenhang außer Acht lassen. Vielmehr ist die Aussage des § 2 Abs. 1 BetrVG auch bei Auslegung des § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zu berücksichtigen. § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG und die darin für den Betriebsrat explizit statuierte Überwachungsaufgabe kann daher nur so verstanden werden, dass der Betriebsrat auch von seiner Seite dafür Sorge zu tragen hat, dass die in der Vorschrift genannten Regelungen tatsächlich durchgeführt werden.406 Die Vorschrift des § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG statuiert damit neben einer notwendige Fremdkontrolle der ordnungsgemäßen Durchführung seitens des Arbeitgebers durch den Betriebsrat auch die Verpflichtung des Betriebsrats zur Eigenkontrolle. Darüber hinaus verbietet sie aber nicht die Eigenkontrolle des Arbeitgebers. Kontrolle wird vielmehr im Rahmen des § 2 Abs. 1 BetrVG von beiden Seiten gefordert. Eine Alleinzuständigkeit des Betriebsrats zur Überwachung der Einhaltung geltender Rechtsvorschriften wird daher durch § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG gar nicht angeordnet.

403 404 405 406

Klocke, S. 40, Hervorhebung seitens des Verfassers. Richardi/Thüsing, § 80 BetrVG Rn. 18. BAG v. 11. 7. 1972, 1 ABR 2/72, AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 1 unter 3. Richardi/Thüsing, § 80 BetrVG Rn. 18, Hervorhebung seitens des Verfassers.

226

3. Kap.: Die Begründung des Unterlassungsanspruchs

Im Übrigen ist § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG auch sachlich keine allumfassende, die ganze Betriebsverfassung abdeckende Regelung; es werden allein die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze erfasst. Zwar ist das Merkmal grundsätzlich weit auszulegen.407 Jedoch muss das in Frage stehende Gesetz zumindest auch dem Schutz der Arbeitnehmer dienen.408 Nicht erfasst werden den Arbeitgeber schützende Vorschriften sowie allein im öffentlichen Interesse liegende Regelungen. So hat das BAG z. B. für die Einhaltung der Vorschriften des Lohnsteuerrechts durch den Arbeitgeber eine Subsumtion unter § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG verneint.409 Zutreffende Begründung hierfür ist, dass es sich in dieser Hinsicht nicht um Gesetzesvorschriften zugunsten der Arbeitnehmer handelt, sondern das Lohnsteuerrecht vielmehr einzig eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers in seiner steuerrechtlichen Eigenschaft als Arbeitgeber gegenüber dem Staat statuiert.410 Der Betriebsrat ist damit kein in jedem Fall zur Überwachung berufenes Wächterorgan; stattdessen kommt ihm die Aufgabe nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nur bei Schutzvorschriften zugunsten der Arbeitnehmer zu. Die Überwachung von Vorschriften zugunsten des Arbeitgebers und solche im öffentlichen Interesse fallen damit im Umkehrschluss zu § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nicht in den Aufgabenbereich des Betriebsrats. Dies leuchtet bei Vorschriften zugunsten des Arbeitgebers auch sofort ein, können diese ja z. B. gerade durch den Betriebsrat verletzt werden. Betriebsräte können insofern gerade nicht die Hüter des Rechts sein.411 Dass die Betriebsverfassung den Arbeitgeber für berechtigt erachtet, die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften, die dem Betriebsrat Pflichten auferlegen, einzufordern, zeigt sich bereits an § 23 Abs. 1 BetrVG. Dieser erlaubt es dem Arbeitgeber bei grober Verletzung der gesetzlichen Pflichten, die Auflösung des Betriebsrats zu verlangen. Um die Möglichkeiten der Norm überhaupt wahrnehmen zu können, muss aber auch der Arbeitgeber „überwachen“ dürfen, ob sich der Betriebsrat an die ihm kraft Gesetzes auferlegten Pflichten hält. Überwachung soll hier nicht im Sinne einer technischen Ausspionierung oder einer allumfassenden Kontrollbefugnis des Arbeitgebers über die Amtsführung des Betriebsrats verstanden werden.412 Gemeint ist nur eine Informations- und Prüfmöglichkeit für den Arbeitgeber, wenn ihm Vorgänge zu Ohren kommen, bei denen ein Verstoß des Betriebsrats gegen seine gesetzlichen Pflichten möglich erscheint. § 23 Abs. 1 BetrVG setzt diese Befugnis, ohne dies noch einmal ausdrücklich so auszusprechen, denknotwendig voraus. Eine andere Lesart würde die Norm funktionell denaturieren; was der Arbeitgeber nicht weiß, kann er auch dem Betriebsrat nicht als Verletzung gesetzlicher Pflichten vorhalten. Auch § 75 BetrVG spricht für die Annahme, dass sowohl der Betriebsrat als auch der Arbeit407

BAG v. 19. 10. 1999, 1 ABR 75/98, AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 58 unter I. 1. a). WPK/Preis, § 80 BetrVG Rn. 8. 409 BAG v. 11. 12. 1973, 1 ABR 37/73, AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 5 unter III. 3. 410 Richardi/Thüsing, § 80 BetrVG Rn. 11. 411 Vgl. hierzu die noch allgemeineren Bedenken bei Preis/Ulber, NZA 2014, 6 (7). 412 Dagegen zutreffend BAG v. 23. 6. 1983, 6 ABR 65/80, AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 45 unter II. 1. 408

C. Rechtszuweisungsverständnis und generelle Einwände

227

geber zur Überwachung berechtigt und verpflichtet sind, beide Betriebsparteien werden explizit von der Vorschrift zur Einhaltung der Grundsätze des § 75 Abs. 1 BetrVG verpflichtet. Eine Beschränkung des Überwachungsrechts nur auf den Betriebsrat, wie sie zum Teil in der Literatur vertreten wird,413 kann vor dem beide Parteien ausdrücklich benennenden Wortlaut nicht überzeugen. Dem Sinn und Zweck des § 75 Abs. 1 BetrVG, den Schutz der Rechtspositionen der im Betrieb vertretenen Arbeitnehmer zu gewährleisten, wird im Übrigen vollumfänglich nur durch ein auch für den Arbeitgeber bestehendes Überwachungsrecht gegenüber Verstößen von Seiten des Betriebsrats genügt. Somit erwachsen aus § 75 Abs. 1 BetrVG beiden Betriebsparteien Rechtspflichten und korrespondierende Rechte.414 Damit ist auch § 75 Abs. 1 BetrVG Ausdruck einer für beide Parteien in der Betriebsverfassung niedergelegten Überwachungsaufgabe. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des BAG zur Abmeldepflicht von Betriebsratsmitgliedern im Rahmen des § 37 Abs. 2 BetrVG. Seit 1995 geht das BAG entgegen seiner alten Rechtsprechung davon aus, dass selbst nur stichwortartige Angaben zur Art der geplanten Betriebsratstätigkeit bei Abmeldung vom Betriebsratsmitglied nicht gemacht werden müssen. Die durch diese Angaben dem Arbeitgeber eröffnete summarische Prüfung mit der Möglichkeit unterschiedlicher rechtlicher Bewertungen könnte das sich abmeldende Betriebsratmitglied Rechtfertigungszwängen aussetzen, die seine Handlungsfreiheit beeinträchtigen und sich damit nachteilig auf eine unabhängige Amtsführung auswirken könnten.415 Jedoch geht das BAG in dieser Entscheidung nicht davon aus, dass einem Arbeitgeber eine Nachprüfung von An-und Abmeldung generell untersagt ist. Vielmehr muss für den Lohnfortzahlungsanspruch immer noch geprüft werden, ob das Betriebsratsmitglied während der Arbeitsbefreiung gesetzliche Aufgaben erledigt hat, deren Wahrnehmung es vom Standpunkt eines vernünftigen Dritten aus gesehen auch für erforderlich halten durfte. Für die Angaben zum Bestehen des Lohnfortzahlungsanspruchs bleibt das Betriebsratmitglied darlegungspflichtig.416 Die Nachkontrolle wird dem Arbeitgeber damit gerade nicht verboten; nur eine regelmäßige Vorkontrolle wird zur Wahrung der unabhängigen Amtsführung untersagt. Kommt damit aber sowohl Betriebsrat als auch dem Arbeitgeber die Aufgabe und Pflicht zu, die Einhaltung des geltenden Rechts zu überwachen, dann fällt die Wächteraufgabe als Begründung einer asymmetrischen Grundausrichtung des betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsregimes weg. Damit zeigt sich, dass fernab von der Annahme einer allein bestehenden Wächterstellung des Betriebsrats auch der Arbeitgeber zur Überwachung der Einhaltung der Normen der Betriebsverfassung befugt ist. Eine Asymmetrie tritt insofern nicht auf, es müsste eine andere 413

Haneberg, S. 122. GK-BetrVG/Kreutz, § 75 BetrVG Rn. 26; HaKo-BetrVG/Lorenz, § 75 BetrVG Rn. 1; Peterek, in: FS Stege, S. 71 (84 f.). 415 BAG v. 15. 3. 1995, 7 AZR 643/94, NZA 1995, 961 (962). 416 BAG v. 15. 3. 1995, 7 AZR 643/94, NZA 1995, 961 (962). 414

228

3. Kap.: Die Begründung des Unterlassungsanspruchs

Begründung für eine strukturelle Unterscheidung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat in der Frage negatorischen Rechtsschutzes gefunden werden. c) Asymmetrie auf Grund der nur für den Arbeitgeber eröffneten Möglichkeit des Unterlassens von Rechtsverstößen? Auch das Argument, dass der Arbeitgeber Rechtsverstöße zu Lasten des Betriebsrats durch bloßes Unterlassen verhindern könne, kann nicht für eine Asymmetrie und damit gegen einen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers ins Feld geführt werden. So leuchtet bereits nicht ein, warum der Betriebsrat Verstöße gegen Normen der Betriebsverfassung nicht ebenfalls einfach durch Unterlassen verhindern können soll. Im Gegenteil besteht auch für diesen ebenso wie für den Arbeitgeber – von Klocke formuliert – die Möglichkeit, Verstöße durch Unterlassen zu verhindern. Beide Betriebspartner können und müssen sich gesetzmäßig verhalten. So könnte z. B. der Betriebsrat gegen § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG verstoßende Maßnahmen des Arbeitskampfs wie einen Streik von Vornherein im Betrieb nicht durchführen oder parteipolitische Äußerungen, die gegen § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG verstoßen, nicht aussprechen. Eine Asymmetrie, die nur für eine Seite Unterlassungsansprüche an-, für die andere solche dagegen aberkennt, trägt das Argument wegen seiner Zweischneidigkeit damit gar nicht. Vielmehr müsste dann für beide Seiten mit dieser Begründung ein Unterlassungsanspruch ausscheiden. Dass die Anerkennung eines allgemeinen Unterlassungsanspruchs des Betriebsrats zur Verteidigung seiner Mitbestimmungsrechte überzeugen kann, hat sich jedoch oben bereits gezeigt.417 Zudem spricht gegen die Annahme, dass einzig der Arbeitgeber Verstöße durch die Möglichkeit der Unterlassung vermeiden könne, dass ein unaufhebbarer Zusammenhang zwischen den betriebsverfassungsrechtlichen Rechten und Pflichten beider Seiten besteht. In der Betriebsverfassung geht es demnach nicht um eine Bevorzugung der einen oder anderen Seite, sondern nur um die Intensität ihrer wechselseitigen rechtlichen Einbindung.418 Außerdem überzeugt es ganz prinzipiell nicht, die Möglichkeit des Unterlassens von Rechtsverstößen für eine strukturelle Asymmetrie anzuführen. Bei Rechtsverstößen einer Seite muss sich diese Seite darum bemühen sie abzustellen. Erweist sich die sich gesetzeswidrig verhaltende Seite hierzu nicht willens, so ist es das gute Recht der anderen Seite, ihre angegriffenen Rechte durch Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes geltend zu machen und die sich gesetzeswidrig verhaltende Seite zur Aufgabe ihres Verhaltens zu zwingen. Hierzu besteht als Strukturentscheidung in der Rechtsordnung per se die Möglichkeit negatorischen Rechtsschutzes im Sinne der oben festgestellten Koinzidenz von Rechtszuweisung und Rechtsschutz.

417 418

s. o. 2. Kapitel A. III. 1. Hanau, ZfA 1992, 295 (296).

C. Rechtszuweisungsverständnis und generelle Einwände

229

d) Asymmetrie auf Grund der Handlungsbefugnisse des Arbeitgebers? Der dritte von Klocke genannte Begründungsansatz, der die vorgefundene Asymmetrie im Unterlassungsrechtsschutz rechtfertigen soll, sind die Handlungsbefugnisse des Arbeitgebers. Indes bleibt diffus, was genau unter „Handlungsbefugnissen des Arbeitgebers“ verstanden werden soll. Gemeint sein könnte zum einen die Leitungsbefugnis des Arbeitgebers im Betrieb nach § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Gemeint sein könnte jedoch auch, dass dem Arbeitgeber andere Verfahren zur Reaktion auf angenommene Rechtsverstöße des Betriebsrats zur Verfügung stehen, die einen betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch ausschließen. aa) Handlungsbefugnisse als Synonym der Leitungsmacht nach § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG Geht man davon aus, dass die „Handlungsbefugnisse“ Synonym für die Leitungsmacht des Arbeitgebers nach § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG sein sollen,419 so kann der Vorschrift für die Begründung einer strukturellen Asymmetrie und der damit verbundenen Absage an einen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers nichts entnommen werden. § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG verbietet dem Betriebsrat seinem Wortlaut nach einseitige Eingriffe in die betriebliche Leitung. Diese bleibt auch nach der Statuierung von Mitbestimmungsrechten Angelegenheit des Arbeitgebers, dieser allein ist befugt die Entscheidungen im Betrieb zu exekutieren.420 Die Vorschrift betrifft sachlich sowohl Entscheidungen, die der Arbeitgeber kraft Direktionsrechts oder Arbeitsvertrags ohne Beteiligung des Betriebsrats treffen kann als auch beteiligungspflichtige Maßnahmen.421 Ausgehend von diesem Gehalt des § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist aber oben bereits festgestellt worden, dass aus § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG für den Arbeitgeber keine weitreichenden Handlungsspieleräume gegenüber dem Betriebsrat resultieren, sondern die Vorschrift für Letzteren lediglich ein Verbots des Einsatzes verbotener Eigenmacht statuiert.422 Bei dieser Interpretation werden dem Arbeitgeber durch die Vorschrift keine speziellen, weitreichenden Handlungsbefugnisse gewährt. Vielmehr muss sich auch der Arbeitgeber an die Vorschriften des BetrVG halten und kann Beteiligungsrechte des Betriebsrats nicht einfach rechtswirksam übergehen. Dies zeigt auch die Anerkennung eines allgemeinen Unterlassungsanspruchs für den Betriebsrat, mit der dieser gegen Verletzungen der Beteiligungsrechte durch den Arbeitgeber vorgehen kann. So steht es dann auch dem Betriebsrat gerade frei, gerichtlichen Rechtsschutz gegen Handlungen des Arbeitgebers in Anspruch zu nehmen. Eigenmächtiges Vorgehen des Arbeitgebers wird dann aber durch die Vorschrift ebenfalls nicht erlaubt. Stattdessen bestehen für den Betriebsrat nach § 23 Abs. 3 BetrVG und über den allgemeinen 419 420 421 422

So wohl Klocke, S. 37. Richardi/Richardi, § 77 BetrVG Rn. 8. FESTL, § 77 BetrVG Rn. 8. s. o. 2. Kapitel A. III. 2. b) aa).

230

3. Kap.: Die Begründung des Unterlassungsanspruchs

Unterlassungsanspruch Rechtsschutzmöglichkeiten gegen eigenmächtiges Vorgehen des Arbeitgebers. § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG vermittelt dem Arbeitgeber damit keine Befugnis zur Übergehung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats.423 Eine zur Asymmetrie führende Befugnis des Arbeitgebers zur Übergehung des Betriebsrats kann mit Verweis auf die Leitungsmacht des Arbeitgebers nach § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG daher nicht begründet werden. bb) Handlungsbefugnisse als Synonym für andere, dem Arbeitgeber offen stehende Handlungsalternativen Es hat sich gezeigt, dass bei einem Verständnis der Handlungsbefugnisse als Synonym für die Leitungsmacht nach § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG eine Asymmetrie im System betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsrechtsschutzes nicht begründen lässt. Ob der Ambivalenz der von Klocke gewählten Formulierung wäre jedoch noch eine andere Deutung möglich. So könnte mit den „Handlungsbefugnissen“ des Arbeitgebers gemeint sein, dass jenem andere Rechtsinstitute zur Verfügung stehen, die einen Unterlassungsanspruch für den Arbeitgeber ausschließen. Dass solche Handlungsbefugnisse jedoch nicht existieren, ist bereits aufgezeigt worden: Weder das Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG noch der Feststellungsantrag nach §§ 80 Abs. 2, 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 256 Abs. 1 ZPO noch die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung oder das Einigungsstellenverfahren waren geeignet für den Arbeitgeber den betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch auszuschließen. Auch der Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB entfaltete gegenüber einem betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch keine diesen verdrängende Wirkung, sondern sicherte unmittelbar nur das arbeitgeberseitige Eigentum vor Verletzungen ab. 4. Zusammenfassung zur These einer asymmetrischen Ausrichtung des negatorischen Rechtsschutzes in der Betriebsverfassung Die untersuchte These einer asymmetrischen Ausrichtung der Betriebsverfassung in der Frage negatorischen Rechtsschutzes hat sich nicht bestätigen lassen. Weder aus dem Wächteramt des Betriebsrats noch aus der Möglichkeit des Arbeitgebers, von sich aus Rechtsverstöße zu unterlassen, ließ sich eine solche Asymmetrie herleiten. Auch der Gesichtspunkt dem Arbeitgeber eröffneter Handlungsbefugnisse führte nicht zu einem anderen Ergebnis; keine der möglichen betriebsverfassungsrechtlichen Reaktionsmöglichkeiten konnte eine solche Asymmetrie begründen. Damit hat sich auch der zweite generelle Einwand gegen die Existenz subjektiver Rechte für den Arbeitgeber in der Betriebsverfassung als nicht tragfähig erwiesen.

423

So aber Klocke, S. 37.

D. Ergebnis 3. Kapitel

231

D. Ergebnis 3. Kapitel Es hat sich gezeigt, dass sich die zum allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber vertretenen Lösungsansätze grundsätzlich auch für den betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers heranziehen lassen. Hierbei hat sich das Prinzip der Koinzidenz von Rechtszuweisung und Rechtsschutz als überzeugende Grundlage herausgestellt. Gegen dessen Anwendung auch für den Arbeitgeber kann auch nicht erfolgreich auf einen vollstreckungsrechtlichen Widerspruch oder eine Asymmetrie des negatorischen Rechtsschutzes in der Betriebsverfassung verwiesen werden.

4. Kapitel

Die Untersuchung der einzelnen pflichtenstatuierenden Vorschriften der Betriebsverfassung als Grundlage des betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs A. Die Zuweisung subjektiver Rechte in einzelnen Vorschriften der Betriebsverfassung Ausgehend von der im dritten Kapitel der Arbeit gefundenen Rechtsgrundlage des betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch, welcher auf das Rechtsprinzip der Koinzidenz von Rechtszuweisung und Rechtsschutz zurückzuführen ist, muss nun noch für einzelne Normen der Betriebsverfassung festgestellt werden, ob diese dem Arbeitgeber ein subjektives Recht gegenüber dem Betriebsrat einräumen. Hierfür wird der von der heute herrschenden Meinung ausgearbeitete Begriff des subjektiven Rechts im Privatrecht zu Grunde gelegt.

I. Die allgemeine Bestimmung des subjektiven Rechts im Privatrecht Voraussetzung für das Bestehen eines subjektiven Rechts sind demnach neben der Existenz eines Rechtssubjekts, dem die Berechtigung zugewiesen ist, die Einräumung von Rechtsmacht sowie eine Zweckfestlegung auf die Befriedigung menschlicher Interessen. Die Rechtsmacht bezeichnet unstrittig ein „Handeln-Dürfen im Rahmen der Rechtsordnung.“1 Anders gewendet: Dem Inhaber des subjektiven Rechts kommt „etwas“ rechtens zu, das ihm gebührt.2 Im Kontext des Eigentums kann von einer zugriffsfreien Herrschaftssphäre des Einzelnen gesprochen werden.3 Charakteristikum des subjektiven Rechts sei die allein dem Berechtigten zugewiesene Befugnis, das Recht zu nutzen, darüber zu verfügen und auf dieses zu verzichten.4 Dass dem Inhaber des subjektiven Rechts „etwas“ zukommt, hilft jedoch für 1

Larenz, in: FG Sontis, S. 129 (147); Joussen, AcP 203 (2003), 429 (446); Bergner, S. 21. Vgl. Habersack, S. 27. 3 M. Wolf/Neuner, S. 218; hierauf aufbauend und dies verallgemeinernd Lobinger, RdA 2011, 76 (77). 4 Vgl. Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 383 f.; Klocke, S. 58; Jawad, S. 29; allein für Verzichtbarkeit als Kriterium: Funcke, S. 82. 2

A. Die Zuweisung subjektiver Rechte in einzelnen Vorschriften

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die Ermittlung dieser Rechte bei Untersuchung einzelner Normen tatsächlich nicht weiter. Vielmehr bedarf es der Spezifizierung des der einzelnen Person Zukommenden. Auch die Annahme einer Herrschaftssphäre, auf die anderen Personen der Zugriff untersagt ist, ist zwar für das Eigentum stimmig, kann aber nicht die ebenfalls den subjektiven Rechten zugehörigen Gestaltungsrechte erfassen, die dem Einzelnen gerade die Befugnis zur eigenmächtigen Veränderung der Rechtslage nach seinem Willen zusprechen.5 Gleichfalls kann der Gesichtspunkt der Verzichtbarkeit nicht Charakteristikum jedes subjektiven Rechts sein, weil es einzelne subjektive Rechte gibt, die unverzichtbar sind. So wird z. B. die elterliche Sorge als subjektives Recht der Eltern anerkannt.6 Wegen seines Pflichtgehalts für die Eltern ist das Recht jedoch unverzichbar.7 Auch das zu den Immaterialgüterrechten zählende Urheberpersönlichkeitsrecht nach § 11 UrhG ist ein subjektives Recht.8 Zu ihm zählt nach § 13 UrhG das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft. Auf das Urheberpersönlichkeitsrecht und das aus ihm fließende Recht auf Anerkennung der Urheberschaft kann jedoch nach zutreffender Ansicht ebenfalls nicht wirksam verzichtet werden.9 Außerdem kann auch auf das bürgerlich-rechtliche Namensrecht nach § 12 BGB nicht wirksam verzichtet werden.10 Verzichtbarkeit ist damit in Ansehung der eben genannten subjektiven Rechte kein brauchbares Kriterium zur Bestimmung der subjektive Rechte kennzeichnenden Rechtsmacht. Es gilt vielmehr eine Differenzierung des Inhalts der Rechtsmacht nach der Art des subjektiven Rechts vorzunehmen.11 Nur so kann das einer Person gebührende „Etwas“ hinreichend bestimmt und abgegrenzt werden.12 Im Rahmen dieser Arbeit soll der Anspruch als Unterart des subjektiven Rechts näher in den Blick genommen werden und für verschiedene Vorschriften des BetrVG geklärt werden, ob dem Arbeitgeber aus diesen Ansprüche gegen den Betriebsrat erwachsen.

5 Vgl. zu diesem Charakteristikum nur M. Wolf/Neuner, BGB AT, S. 266 f.; Joussen, AcP 203 (2003), 429 (441 ff.). 6 BGH v. 28. 5. 1976, IV ZB 56/75, NJW 1976, 1540 (1541); Staudinger/Peschel-Gutzeit, § 1626 BGB Rn. 19; MüKo-BGB/Huber, § 1626 BGB Rn. 7; BeckOK-BGB/Veit, § 1626 BGB Rn. 2. 7 RG v. 13. 3. 1905, IV 545/04, RGZ 60, 266 (268); BeckOK-BGB/Veit, § 1626 BGB Rn. 4; MüKo-BGB/Huber, § 1626 BGB Rn. 13; Staudinger/Peschel-Gutzeit, § 1626 BGB Rn. 25. 8 Vgl. zur Einordnung des Urheberpersönlichkeitsrechts BeckOK-UrhR/Kroitzsch/Götting, § 11 UrhG Rn. 2. 9 Für die Unverzichtbarkeit des Urheberpersönlichkeitsrechts im Ganzen vgl. nur BeckOKUrhR/Kroitzsch/Götting, § 11 UrhG Rn. 10; einschränkend auf den Kern des Urheberpersönlichkeitsrechts BGH v. 27. 11. 1970, I ZR 32/69, GRUR 1971, 269 (271); Erbs/Kohlhaas/Kaiser, Vorbemerkungen zu § 12 – 14 UrhG Rn. 2; für Unverzichtbarkeit des Rechts auf Anerkennung der Urheberschaft nach § 13 UrhG: Wandtke/Bullinger/Bullinger, § 13 UrhG Rn. 19. 10 MüKo-BGB/Säcker, § 12 BGB Rn. 76. 11 Vgl. M. Wolf/Neuner, BGB AT, S. 216; Bergner, S. 21; i.E. ebenso Raiser, JZ 1961, 465 (466); Larenz, in: FG Sontis, S. 129 (147 f.). 12 So auch die Forderung bei M. Wolf/Neuner, BGB AT, S. 216.

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4. Kap.: Die Untersuchung der einzelnen Vorschriften

Für die Ansprüche geht die herrschende Meinung davon aus, dass der Inhalt des Zuweisungsgehalts des subjektiven Rechts darin besteht, von einem anderen eine Leistung fordern zu können.13 Diese Leistung kann nach § 241 Abs. 1 Satz 2 BGB auch in einem Unterlassen bestehen. Die Zuweisung muss hinreichend konkretisiert sein, der Gläubiger muss von dem Schuldner eine bestimmte Leistung einfordern können.14 Das neben der Rechtsmacht gleichwertige15 Element der Befriedigung menschlicher Interessen wurde vor allem in der Anfangszeit der Diskussion um das subjektive Recht auf die egoistische Interessenwahrnehmung für den Rechtsinhaber selbst beschränkt.16 Unproblematisch liegt damit für den Arbeitgeber ein subjektives Recht vor, wenn seine eigenen Interessen durch die in Frage stehende Vorschrift geschützt werden sollen. Heute wird jedoch zutreffend über die frühere Festlegung auf eine egoistische Interessenwahrnehmung hinaus davon ausgegangen, dass auch die altruistische Interessenwahrnehmung für andere Personen einer Qualifizierung als subjektives Recht nicht entgegensteht.17 Hierfür spricht, dass mit dem variierenden Inhalt des subjektiven Rechts auch dessen Zielsetzung in Form der Interessenwahrnehmung variieren kann.18 Darüber hinaus hat bereits Kreutz überzeugend auf die fiduziarischen Rechte als Beispiel für ein Auseinanderfallen von Rechtsträgerschaft und dem durch diese bezweckten Interessenschutz für einen Dritten verwiesen.19 Auch § 335 BGB kann als Ausdruck einer im Privatrecht zulässigen Trennung zwischen Rechtsträgerschaft für ein subjektives Recht und der mit diesem verfolgten Fremdinteressen angesehen werden. Das dem Versprechensempfänger nach herrschender Meinung zustehende subjektive (Forderungs-)Recht gegenüber dem Versprechenden übt dieser nicht im eigenen, sondern im Interesse des Dritten aus.20 Daneben wird auch das Recht der Eltern zur elterlichen Sorge nicht von den Interessen der Eltern, sondern denen des Kindes bestimmt.21 Demnach genügt es zur Annahme eines subjektiven Rechts, dass überhaupt menschliche Interessen wahr13

M. Wolf/Neuner, BGB AT, S. 219 f.; Boemke/Ulrici, BGB AT, S. 400 f. Vgl. M. Wolf/Neuner, BGB AT, S. 216. 15 Enneccerus/Nipperdey, Einführung in das Bürgerliche Recht, Bd. 1, S. 428. 16 Vgl. Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Bd. 1, S. 7 „ihr Wille“; H. Lehmann, Unterlassungspflicht, S. 66 „gerade seine Interessen“; allgemein heute vor allem noch Bydlinski, S. 14, 276; Bergwitz, Rechtsstellung, S. 138 f.; deshalb für den Betriebsrat subjektive Rechte ablehnend Reichold, RdA 1995, 118 (119); Veit, Zuständigkeit, S. 129. 17 Vgl. Enneccerus/Nipperdey, Einführung in das Bürgerliche Recht, Bd. 1, S. 445; Brox/ Walker, BGB AT S. 620; Joussen, AcP 203 (2003), 429 (447 ff.); i.E auch Leipold, BGB I, S. 75 „(…) zum Schutz bestimmter Interessen zugewiesene und seinem Willen unterstellte Rechtsposition“, Hervorhebung seitens des Verfassers. 18 Joussen, AcP 203 (2003), 429 (448). 19 Kreutz, Grenzen, S. 28. 20 Vgl. MüKo-BGB/Gottwald, § 335 BGB Rn. 2; Diemert, S. 362. 21 Staudinger/Peschel-Gutzeit, § 1626 BGB Rn. 19. 14

A. Die Zuweisung subjektiver Rechte in einzelnen Vorschriften

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genommen werden.22 Folgerichtig muss derjenige, dem ein Recht zugewiesen ist, nicht derjenige sein, für den der Vorteil aus dem Recht bestimmt ist.23 Altruistische Interessenwahrnehmung ist demnach keine Frage des Interessenschutzes, sondern der Zuordnung des Rechts.24 Die Zuweisung eines subjektiven Rechts ist mittels Auslegung der Vorschrift zu ermitteln. Hierbei werden zur Ermittlung subjektiver Rechte in der Literatur vor allem der Wortlaut sowie der Sinn und Zweck der eine Person begünstigenden Norm als relevante Kriterien genannt.25 Wegen der wechselseitigen Beeinflussung aller vier Auslegungskriterien26 sind daneben noch die Systematik sowie die Historie der Vorschrift einbeziehbar. Aufschlussreich bei der Analyse von Vorschriften auf ihre subjektiv-rechtliche Qualität ist zudem noch der Zusammenhang zwischen der einer Person auferlegten Pflicht und dem subjektiven Recht einer anderen Person. So wird zutreffend in der Literatur ausgeführt, dass der einer Person auferlegten Pflicht in der Regel ein subjektives Recht einer anderen Person gegenüberstünde.27 Jedoch besteht kein unauflösbarer Zusammenhang zwischen Pflicht und Recht, wie sich bereits auf Grund eines Umkehrschlusses zu § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB zeigt, der eine Differenzierung zwischen Gesetzen, die den Schutz eines anderen bezwecken und solchen, die nur reflexweise Schutz gewähren, für das Deliktsrecht vorgibt.28 Auch beim unechten Vertrag zugunsten Dritter nach § 328 Abs. 2 BGB entspricht der Leistungsverpflichtung des Schuldners kein Forderungsrecht des Dritten. Des Weiteren kann bei den Erben nach § 1940 BGB auferlegten Auflagen nicht immer vom Bestehen eines subjektiven Rechts einer anderen Person ausgegangen werden.29 Abzugrenzen sind subjektive Rechte demnach von den eine andere Person nur effektiv begünstigenden Rechtsreflexen allein objektiv-rechtlicher Normen.30 Hierauf aufbauend kann für diese Arbeit von den im Gesetz für den Betriebsrat statuierten Pflichten aus untersucht werden, ob der Regelfall gegeben ist und ein subjektives Recht des Arbeitgebers besteht oder ob dies ausnahmsweise nicht der Fall ist. Eigentlich müssten nun alle Normen der Betriebsverfassung, um als Grundlage des betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs dienen zu können, 22

Wiebauer, Sicherung, S. 173. Jawad, S. 29. 24 Wiebauer, Sicherung, S. 173. 25 Vgl. Schwonberg, S. 138. 26 s. dazu nur Larenz, Methodenlehre, S. 343 sowie Wank, Auslegung, S. 54, 75. 27 Vgl. Brox/Walker, BGB AT, S. 265; Köhler, BGB AT, S. 251; Armbrüster, Examinatorium BGB AT, S. 7. 28 M. Weller, S. 224. 29 Armbrüster, Examinatorium BGB AT, S. 7. 30 Larenz, in: FG Sontis, S. 129 (136); Hesse, S. 13; für das öffentliche Recht bereits Bachof, in: GS Jellinek, S. 287 (289). 23

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4. Kap.: Die Untersuchung der einzelnen Vorschriften

darauf untersucht werden, ob dem Arbeitgeber als Rechtssubjekt Rechtsmacht zur Verfolgung menschlicher Interessen eingeräumt wird. Dabei würde jedoch übersehen, dass bestimmte Vorschriften bereits von vornherein zur Begründung subjektiver Rechte gerade des Arbeitgebers ungeeignet sind. So wurde oben bereits herausgestellt, dass die im BetrVG eingeräumten Beteiligungsrechte sowie § 78 Satz 1 BetrVG in jedem Fall keine Rechte des Arbeitgebers darstellen, sondern ihn vielmehr verpflichten.31 Auch für § 2 Abs. 1 BetrVG wurde die Möglichkeit der Begründung des betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs bereits verneint.32 Über diese bereits behandelten Vorschriften hinaus, wird jedoch zur Systematisierung des vorhandenen Normengeflechts der Betriebsverfassung eine Vorauswahl notwendig. Hierfür kann auf den soeben ausgewiesenen Zusammenhang zwischen Verpflichtung auf der einen und Berechtigung auf der anderen Seite zurückgegriffen werden. Daher werden die praxisrelevanten, dem Betriebsrat oder nach ihrer Fassung seinen Mitgliedern Pflichten auferlegenden Vorschriften der Betriebsverfassung dahin untersucht, ob sie dem Regelfall entsprechend, dem Arbeitgeber subjektive Rechte vermitteln oder ob ausnahmsweise kein subjektives Recht aus ihnen entspringt und es sich um lediglich objektiv-rechtliche Verpflichtungslagen handelt.

II. Die spezifischen Kriterien in der Diskussion um den allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber Über die Begriffsbestimmung im allgemeinen Privatrecht muss auf Basis der hier vertretenen Auffassung, die den betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat ausgehend von den Lösungsansätzen zum allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber und dem dort identifizierten Rechtsprinzip der Koinzidenz von Rechtszuweisung und Rechtsschutz entwickelt hat, noch beleuchtet werden, mit welchen spezifischen Kriterien die Literatur das Bestehen subjektiver Rechte des Betriebsrats nachweist. Der Diskussionsstand ist in dieser Hinsicht nicht einheitlich; es existieren vielmehr unterschiedliche Ansätze zur Bestimmung der subjektiv-rechtlichen Qualität der Beteiligungsrechte. So wird zum Teil davon ausgegangen, dass das Bestehen eines subjektiven Rechts des Betriebsrats ausscheiden müsse, wenn dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet sei, ein entgegenstehendes Votum des Betriebsrats zu übergehen. Über echte Rechtsmacht könne der Betriebsrat nur verfügen, wenn der Arbeitgeber die getroffene Entscheidung zu achten habe.33 Daher könne überhaupt nur für die erzwingbaren Mitbestimmungsrechte ein subjektives Recht und damit der Unterlas-

31 32 33

s. o. 3. Kapitel A. I. s. o. 3. Kapitel A. II. 3. Salje, DB 1988, 909 (912); Wiebauer, Sicherung, S. 172 f.

A. Die Zuweisung subjektiver Rechte in einzelnen Vorschriften

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sungsanspruch des Betriebsrats bestehen.34 In Ermangelung von Mitbestimmungsrechten auf Seiten des Arbeitgebers können die auf diese fokussierten Kriterien für den Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat nicht herangezogen werden. Darüber hinaus wird jedoch noch die Bindung des Arbeitgebers mit Blick auf die Mitbestimmungsrechte auf Seiten des Betriebsrats als maßgebliches Kriterium zur Bestimmung der subjektiven Rechte für maßgeblich erachtet.35 Das Kriterium der Bindung knüpft in der in der Literatur verwendeten Bestimmung immer noch an die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats an und kann daher ebenfalls für den Anspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat nicht verwendet werden. Außerdem soll ein subjektives Recht dann ausscheiden, wenn den Betriebsparteien die Dispositionsmacht über den fraglichen Gegenstand fehlt.36 Die Dispositionsbefugnis von Betriebsrat und Arbeitgeber über einen bestimmten Gegenstand kann jedoch nicht als maßgebliches Kriterium zur Bestimmung eines subjektiven Rechts anerkannt werden. So wird hiermit nur die Verzichtbarkeit zum Kriterium des subjektiven Rechts erhoben, obschon diese der Vielgestaltigkeit subjektiver Rechte heutzutage nicht gerecht werden kann. Im Übrigen zielt die Disponibilität betriebsverfassungsrechtlicher Vorschriften auf den Abschluss einer Regelungsabrede oder Betriebsvereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber ab. Die zweiseitige Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber unterscheidet sich aber vom mit dem hier untersuchten Unterlassungsanspruch einseitig durchsetzbaren subjektiven Recht im Element des Konsenses zwischen den Betriebspartnern. Der Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers setzt mit der Voraussetzung der Wiederholungsgefahr gerade ein Beharren des Betriebsrats auf der eigenen Position in der Zukunft voraus. Verhandlungen sind in diesem Zeitpunkt gescheitert; Disponibilität über eine gesetzliche Vorschrift ist daher kein taugliches Kriterium zur Entscheidung über subjektive Rechte. Stattdessen ist es überzeugend, das Bestehen subjektiver Rechte davon abhängig zu machen, welche spezifischen Tatbestandsvoraussetzungen die fragliche Norm aufstellt, welchen Zweck die Norm verfolgt und ob es gesetzliche Sonderregelungen gibt.37 Mit den spezifischen Tatbestandsvoraussetzungen der Vorschriften wird ausgehend vom Wortlaut methodisch sauber das Eigentümliche der Vorschrift durch das übliche Mittel der Auslegung ermittelt. Speziell das Kriterium des mit der Norm verfolgten Zwecks erscheint zur differenzierten und methodisch sachgerechten Untersuchung der einzelnen betriebsverfassungsrechtlichen Vorschriften auf ihre Qualität als Rechtszuweisungsnormen geeignet. Mit den gesetzlichen Sonderrege34

Prütting, RdA 1995, 257 (261); Richardi, in: FS Wlotzke, S. 407 (421); s. auch noch Raab, ZfA 1997, 183 (222) „Entscheidung über die Maßnahme selbst allein beim Arbeitgeber“. 35 Lobinger, ZfA 2004, 101 (128). 36 Lobinger, ZfA 2004, 101 (157). 37 Schwegler, S. 154; zu gesetzlichen Sonderregelungen auch noch Albert Braun, in: FS Simon S. 53 (68), Hervorhebung seitens des Verfassers.

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4. Kap.: Die Untersuchung der einzelnen Vorschriften

lungen können schließlich einzelne Wertungen des Gesetzgebers zum Schutz subjektiver Rechte tragfähig berücksichtigt werden. Jedoch stellt sich ausgehend von der Definition des subjektiven Rechts, die allein den Schutz menschlicher Interessen, nicht aber notwendig eigener Interessen erfordert, noch eine grundsätzliche Frage. Kann der Arbeitgeber überhaupt zur Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer gegenüber dem Betriebsrat berechtigt sein? In der Literatur wird das Auftreten des Arbeitgebers quasi als „Anwalt“ zur Durchsetzung der Interessen eines Arbeitnehmers im Kontext des § 99 Abs. 4 BetrVG thematisiert und dort dem Gesetzgeber vorgeworfen, mit der allein für den Arbeitgeber bestehenden Möglichkeit zur Anrufung des Arbeitgerichts, die typische Interessenlage zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber falsch gedeutet zu haben.38 Auch in der Diskussion um eine Unterstützungspflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer, die den Arbeitgeber zum Handeln gegen den Betriebsrat verpflichte, wird zu Bedenken gegeben, dass die Einschaltung des Arbeitgebers für die Interessen des Arbeitnehmers den natürlichen Interessengegensatz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ignoriere.39 Dem Arbeitgeber könne es nicht zugemutet werden bei der Wahrnehmung von Arbeitnehmerinteressen gegen seine eigenen Interessen zu handeln.40 Die Ansicht verneint damit speziell für § 99 BetrVG die Möglichkeit der Einschaltung des Arbeitgebers als Interessenwalter des einzelnen Arbeitnehmers gegenüber dem Betriebsrat. Dagegen geht eine weitere Auffassung in der Literatur davon aus, dass der Arbeitgeber im Interesse eines bereits ausgewählten Arbeitnehmers verpflichtet ist einen Ersetzungsantrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG zu stellen.41 Diese Auffassung erkennt also den Arbeitgeber ausnahmsweise bei § 99 Abs. 4 BetrVG als verpflichtet zur Wahrnehmung der Interessen eines Bewerbers gegen den Betriebsrat an. Für eine auch ausnahmsweise für den Arbeitgeber eröffnete Möglichkeit zur Wahrnehmung auch der Interessen der Arbeitnehmer gegenüber dem Betriebsrat spricht zum einen § 2 Abs. 1 BetrVG. § 2 Abs. 1 BetrVG verpflichtet sowohl den Betriebsrat als auch den Arbeitgeber zum Wohl der Arbeitnehmer zusammenzuarbeiten. Mag der Betriebsrat auch der Repräsentant der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber sein, so ist auch dem Arbeitgeber von Gesetzes wegen in § 2 Abs. 1 BetrVG die Achtung der Interessen der Arbeitnehmer vorgegeben. Auch § 75 Abs. 1 und § 75 Abs. 2 BetrVG mit der Verpflichtung sowohl des Betriebsrats als auch des Arbeitgebers auf die Grundrechte der Arbeitnehmer sprechen dafür, dem Arbeitgeber die Möglichkeit zu eröffnen gegenüber dem Betriebsrat im Einzelfall Interessen und Grundrechte der Arbeitnehmer durchzusetzen. Altruistische Interessenwahrnehmung des Arbeitgebers für die Arbeitgeber ist damit natürlich nicht der 38

Biedenkopf, BB 1972, 1513 (1516). Vgl. Blomeyer, in: GS Dietz, S. 147 (170); Niederalt, S. 269. 40 Pouyadou, S. 150 f. 41 Adomeit, DB 1971, 2360 (2361); differenzierend, aber den Anspruch ebenfalls bejahend Brauch, S. 145 f. 39

A. Die Zuweisung subjektiver Rechte in einzelnen Vorschriften

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Regelfall der Betriebsverfassung, grundsätzlich soll die Beteiligung des Betriebsrats gerade den Schutz der Interessen der Arbeitnehmer verwirklichen. Ein Verbot, dass bei einzelnen Vorschriften ausnahmsweise auch der Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat zur Interessenwahrnehmung der Arbeitnehmer berechtigt wird, findet sich dagegen im BetrVG nicht. Dann kann es aber auch für die Anerkennung subjektiver Rechte des Arbeitgebers nicht schädlich sein, wenn er im Einzelfall zur Wahrnehmung fremder Arbeitnehmerinteressen berechtigt wird. Auch für diese Fälle muss ausgehend von der Koinzidenz der Rechtszuweisung und des Rechtsschutzes dann das Bestehen eines arbeitgeberseitigen Unterlassungsanspruchs gegen den Betriebsrat bejaht werden.

III. Die pflichtenstatuierenden Vorschriften der Betriebsverfassung als Grundlage des Unterlassungsanspruchs 1. Unterlassungsanspruch bei Verletzungen der Grundsätze für die Zusammenarbeit und der Grundsätze für die Behandlung der Betriebsangehörigen? Der erste Regelungskomplex, für den das Bestehen von Unterlassungsansprüchen untersucht werden soll, sind die allgemeinen Grundsätze des Handelns von Betriebsrat und Arbeitgeber. Angesprochen ist damit zum einen die Regelung des § 74 BetrVG, die die zentralen Maximen des Betriebsverfassungsrechts enthält.42 Direkt im Anschluss an diese Regelung steht mit § 75 BetrVG eine Vorschrift, die – neben § 2 Abs. 1 BetrVG – sogar als „Magna Charta“ des Betriebsverfassungsrechts eingeordnet wird43 und der speziell für den Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmers der „erste Rang gegenüber anderen Generalklauseln“ zugemessen wird.44 Es geht mit den §§ 74, 75 BetrVG somit um den Kern der geltenden Betriebsverfassung, der durch – beidseitige – Unterlassungsansprüche effektiv vor Übergriffen durch einen Betriebspartner geschützt werden könnte. Ob solche Ansprüche jedoch bestehen, kann nur die Untersuchung der in den Vorschriften niedergelegten „Grundsätze“ auf ihre rechtszuweisende Qualität an einen der Betriebspartner bestimmen. Hierbei kann sich die Arbeit auf die Grundsätze aus § 74 Abs. 2 BetrVG sowie § 75 Abs. 1 und § 75 Abs. 2 BetrVG beschränken. Unterlassungsansprüche des Arbeitgebers bei Verstößen des Betriebsrats gegen die Pflichten aus § 74 Abs. 1 BetrVG kommen praktisch nicht in Betracht. § 74 Abs. 3 BetrVG statuiert keine Pflichten des Be-

42

WPK/Preis, § 74 BetrVG Rn. 1. So zu § 75 Abs. 1 BetrVG Richardi/Richardi/Maschmann, § 75 BetrVG Rn. 1; auch § 75 Abs. 2 BetrVG einbeziehend Preis, KollArbR, S. 505; Schlewing, NZA 2004, 1071 (1074). 44 Isele, in: FS Schwinge, S. 143 (150). 43

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4. Kap.: Die Untersuchung der einzelnen Vorschriften

triebsrats, sondern stellt lediglich klar, dass sich Betriebsratsmitglieder ebenso wie andere Arbeitnehmer gewerkschaftlich betätigen dürfen.45 Die Darstellung beginnt daher mit den Tatbeständen der § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG und § 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG, bevor § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG auf seine Qualität als rechtszuweisende Vorschrift untersucht wird. Diese Vorgehensweise erklärt sich aus der inneren Systematik des Gesetzes. Sowohl das Arbeitskampfverbot in § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG als auch das Verbot parteipolitischer Betätigung aus § 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG gelten absolut und abstrakt, auf konkrete Beeinträchtigungen der mit den Vorschriften geschützten Rechtsgüter kommt es nicht an. Dagegen ist das Verbot des § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG erst bei einer solchen konkreten Beeinträchtigung des betrieblichen Friedens einschlägig.46 § 74 Abs. 2 Satz 1 und § 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG stellen daher in tatbestandlicher Hinsicht geringere Anforderungen an das den Verstoß konstituierende Handeln eines Betriebspartners. Außerdem stehen die beiden Tatbestände zu § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG im Verhältnis verdrängender Spezialität;47 sie sind mithin in ihrer Anwendung vorrangig. § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG ist damit lediglich Auffangtatbestand für nicht von § 74 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 BetrVG erfasste Fallgestaltungen.48 Auch deshalb werden § 74 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 BetrVG hier vor § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG behandelt. Im Anschluss an die umfassende Analyse der Grundsätze des § 74 BetrVG wird sich die Arbeit den von § 74 BetrVG bereits durch die abweichende Überschrift separierten Grundsätzen für die Behandlung der Betriebsangehörigen aus § 75 BetrVG zuwenden. a) Rechtszuweisung bei § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG Maßnahmen des Arbeitskampfs sind nach § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG unzulässig. Gerade beim Arbeitskampfverbot macht sich die neue Rechtsprechung des BAG bemerkbar. § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG soll neuerdings nach dem BAG dem Arbeitgeber keinen betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch gegen den Betriebsrat mehr vermitteln.49 Mit dieser Richtungswende in der Rechtsprechung und der damit verbundenen Absage an einen betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch scheint nun „ein bisschen Arbeitskampf“ durch den Betriebsrat in der Betriebsverfassung auf einmal entgegen § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG doch 45

Vgl. ErfK/Kania, § 74 BetrVG Rn. 34; GK-BetrVG/Kreutz, § 74 BetrVG Rn. 146 f.; zur Pflicht des Betriebsrats zur gewerkschaftsneutralen Amtsführung sogleich noch unter 4. Kapitel A. III. 1. a). 46 Statt aller GK-BetrVG/Kreutz, § 74 BetrVG Rn. 32 m.w.N. 47 GK-BetrVG/Kreutz, § 74 BetrVG Rn. 32. 48 Jahnke, BlStSozArbR 1974, 164 (164). 49 Vgl. BAG v. 15. 10. 2013, 1 ABR 31/12, NZA 2014, 319 (321); zuvor bereits LAG Düsseldorf v. 14. 12. 2010, 17 TaBV 12/10, NZA-RR 2011, 132 (135); ablehnend Belling, JZ 2014, 905 (905 ff); J.H. Bauer/v. Medem, Anm. AP Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 181 unter II.; Krebber, SR 2015, 1 (6 f.).

A. Die Zuweisung subjektiver Rechte in einzelnen Vorschriften

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möglich.50 Dieser Umkehr in der Rechtsprechung kann nur zugestimmt werden, wenn § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG tatsächlich – wie das BAG in dem Beschluss vom 15. 10. 2013 meint – keine individuellen Rechtspositionen in Form von subjektiven Rechten an den Arbeitgeber vermittelt, sondern eine allein objektiv-rechtliche Vorschrift darstellt. Bei deren Verletzung wäre dann nicht der Unterlassungsanspruch gegeben, sondern das Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG für den Arbeitgeber einschlägig.51 Erstes Indiz für einen Unterlassungsanspruch als den ein zugewiesenes subjektives Recht betreffendes Schutzrecht ist der Wortlaut der Vorschrift. Das BAG sieht in § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG kein ausdrückliches Unterlassungsgebot aufgestellt.52 Hierfür spricht zumindest, dass der Gesetzgeber in § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG ausdrücklich das Gebot aufgestellt hat, Betätigungen zu unterlassen, durch die Arbeitsablauf und Betriebsfrieden beeinträchtigt werden. § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG nennt das Unterlassen nicht ausdrücklich, sodass im Rückschluss zu § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG ein Unterlassungsgebot in § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG nicht enthalten sein könnte. Jedoch handelt es sich bei der Formulierung, dass etwas zu unterlassen ist und der Formulierung, dass etwas unzulässig ist, nicht um zwei wesensverschiedene Dinge. Vielmehr bedeutet die Formulierung, dass Handlungen unzulässig sind gerade, dass der Adressat diese zu unterlassen hat.53 Keine der Betriebsparteien darf damit eine Arbeitskampfmaßnahme gegen die andere ergreifen, Druck und Gegendruck im Stil arbeitskampfrechtlicher Auseinandersetzungen sind im Verhältnis zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber unzulässig und damit zu unterlassen. Dem Betriebsrat wird durch das Arbeitskampfverbot daher neben jeder aktiven Teilnahme am Arbeitskampf54 bereits die Unterstützung eines gewerkschaftlichen Streiks verboten.55 Sogar die Unterstützung eines fremden Streiks durch Sammeln von Geld kann als Verstoß gegen § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG gewertet werden.56 § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG enthält ein umfassendes, sachlich nicht beschränktes Verbot von Arbeitskampfmaßnahmen. Die Initiierung von sowie die Unterstützung bereits laufender Arbeitskampfmaßnahmen sind von Seiten des Betriebsrats generell zu unterlassen, ihn trifft auf Grundlage von § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG eine Unterlassungspflicht.57 Mangels inhaltlichen Unterschieds zwischen § 74 Abs. 2 Satz 2 und § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG kann daher nicht aus der Verwendung des Worts „un50

So die Einschätzung bei Krebber, SR 2015, 1 (6); vgl. auch noch Reichold, RdA 2011, 58 (62) „Sonst könnte der Betriebsrat im Arbeitskampf ab sofort selber aktiv zupacken (…).“ 51 Vgl. Raab, Rechtsschutz, S. 99. 52 BAG v. 15. 10. 2013, 1 ABR 31/12, NZA 2014, 319 (321). 53 Belling, JZ 2014, 905 (906). 54 Weiss, AuR 1982, 263 (271). 55 ErfK/Kania, § 74 BetrVG Rn. 11; HWGNRH/Worzalla, § 74 BetrVG Rn. 12; enger GKBetrVG/Kreutz, § 74 BetrVG Rn. 45 ff. 56 Gamillscheg, KollArbR, Bd. 2, S. 705. 57 LK/Kaiser, § 74 BetrVG Rn. 15; FESTL, § 74 BetrVG Rn. 14; GK-BetrVG/Kreutz, § 74 BetrVG Rn. 36; Germelmann, Betriebsfrieden, S. 112.

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4. Kap.: Die Untersuchung der einzelnen Vorschriften

terlassen“ in § 74 Abs. 2 BetrVG auf die Nichtanordnung einer Unterlassenspflicht in § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG geschlossen werden. Stattdessen kann aus der Bezeichnung von Arbeitskampfmaßnahmen als unzulässig indiziell auf das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs zur Sicherung eines mit § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zugewiesenen subjektiven Rechts geschlossen werden. Die vom in § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ausdrücklich benannten Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat einforderbare Leistung besteht in der Unterlassung jeglicher Arbeitskampfmaßnahmen. Bereits aus der Adressatenstellung lässt sich sowohl für den Arbeitgeber als auch den Betriebsrat die Anspruchsinhaberschaft zwangslos ableiten. In systematischer Hinsicht verweist das BAG auf den „systematischen Gesamtzusammenhang des BetrVG“ und damit gleichbedeutend „die Konzeption des § 23 BetrVG“, die nur für den Betriebsrat einen Unterlassungsanspruch vorsehe.58 § 23 BetrVG ist jedoch sowohl in Abs. 1 als auch in Abs. 3 keine abschließende Regelung der Handlungsmöglichkeiten von Betriebsrat oder Arbeitgeber. Ein Unterlassungsanspruch als Schutzrecht bei Zuweisung eines subjektiven Rechts kann deshalb für § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG bei systematischer Betrachtung nicht mit Verweis auf die Konzeption des § 23 BetrVG verneint werden. Auch der vom BAG bejahte Unterlassungsanspruch auf Basis von § 1004 BGB schließt einen Unterlassungsanspruch aus § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG nicht aus.59 Aus der Gesetzessystematik ergibt sich damit kein Argument gegen die Zuweisung eines subjektiven Rechts durch § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG und den damit gleichfalls gegebenen Schutz durch einen Unterlassungsanspruch. Die Gesetzgebungsgeschichte deutet dagegen auf den für ein subjektives Recht erforderlichen Schutz der Interessen der Betriebspartner gegeneinander in § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG hin. Das BRG 1920 enthielt zwar eine Friedenspflicht in § 66 Abs. 3 und Abs. 4 BRG 1920, die aber nicht als umfassendes Arbeitskampfverbot verstanden werden konnte.60 Im Nationalsozialismus enthielt das AOG kein ausdrückliches Arbeitskampfverbot, jedoch wurde ein solches über § 36 Abs. 1 Nr. 2 AOG allgemein anerkannt.61 Das Verbot diente dem Schutz des Geists der Betriebsgemeinschaft und der Autorität des Führers.62 Für die Interpretation der heutigen Vorschriften können hieraus keine Rückschlüsse gezogen werden, mangels Existenz von Betriebsräten im Nationalsozialismus waren diese auch nicht die Adressaten des Verbots. Stattdessen muss die Einführung eines umfassenden Arbeitskampfverbots in § 49 Abs. 2 Satz 2 BetrVG 1952 gerade gegenüber dem Betriebsrat als Neuerung begriffen werden. Im Zuge der Neueinführung ist zudem der Zusammenhang mit § 49 58 59 60 61 62

BAG v. 15. 10. 2013, 1 ABR 31/12, NZA 2014, 319 (321). s. o. 2. Kapitel D. Bulla, RdA 1962, 385 (386 Fn. 1 m.w.N.). Vgl. Bulla, RdA 1962, 385 (386 Fn. 1 m.w.N.). Hueck/Nipperdey/Dietz/Dietz, § 36 AOG Rn. 21.

A. Die Zuweisung subjektiver Rechte in einzelnen Vorschriften

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Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BetrVG 1952 relevant. § 49 Abs. 1 und Abs. 2 BetrVG 1952 lauteten: „(1) Arbeitgeber und Betriebsrat arbeiten im Rahmen der geltenden Tarifverträge vertrauensvoll und im Zusammenwirken mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen zum Wohl des Betriebs und seiner Arbeitnehmer unter Berücksichtigung des Gemeinwohls zusammen. (2) Arbeitgeber und Betriebsrat haben alles zu unterlassen, was geeignet ist, die Arbeit und den Frieden des Betriebs zu gefährden. Insbesondere dürfen Arbeitgeber und Betriebsrat keine Maßnahmen des Arbeitskampfes gegeneinander durchführen. Arbeitskämpfe tariffähiger Parteien werden hierdurch nicht berührt.“63

Bereits auf den ersten Blick wird die Verknüpfung des Arbeitskampfverbots aus § 49 Abs. 2 Satz 2 BetrVG 1952 mit § 49 Abs. 2 Satz 1 BetrVG 1952 und dem dortigen Verbot alles zu unterlassen, was geeignet ist, Arbeit und Frieden des Betriebs zu gefährden, deutlich. § 49 Abs. 2 Satz 2 BetrVG 1952 wurde vom Gesetzgeber als Spezialfall des § 49 Abs. 2 Satz 1 BetrVG 1952 ausgestaltet, was sich bereits aus dem Wort „insbesondere“ ergibt. Durch die Ausgestaltung als Beispielsfall des § 49 Abs. 2 Satz 1 BetrVG 1952 („insbesondere“) wurde aber ein Bezug zur Unterlassungspflicht aus § 49 Abs. 2 Satz 1 BetrVG 1952 deutlicher als nach der jetzigen Formulierung hergestellt. Außerdem stand § 49 Abs. 2 Satz 2 BetrVG 1952 mit der zur Pflicht zur vertrauensvollen Zusammenarbeit aus § 49 Abs. 1 BetrVG 1952 in Zusammenhang. Mit dem Wohl des Betriebs wurden gerade auch die Interessen des Arbeitgebers berücksichtigt.64 Das Arbeitskampfverbot als besondere Ausprägung des Grundsatzes der vertrauensvollen Zusammenarbeit zielte damit gerade auch auf den Schutz der Interessen des Arbeitgebers ab. Mit der Reform des BetrVG 1972 änderte sich sowohl die Formulierung des Arbeitskampfverbots als auch dessen gesetzestechnische Stellung im Verhältnis zum Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit. Hiermit gingen jedoch keine inhaltlichen Änderungen einher. Der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit blieb vielmehr bestehen und wurde nur wegen seiner grundsätzlichen Bedeutung in die allgemeinen Vorschriften des BetrVG vorgezogen.65 Die Grundsätze, die der Gesetzgeber in § 74 Abs. 2 BetrVG anordnete, können daher immer noch als Konkretisierungen des Grundsatzes der vertrauensvollen Zusammenarbeit begriffen werden.66 Auch das Verbot des Arbeitskampfs wurde trotz geänderter Formulierung inhaltlich unverändert aus § 49 Abs. 2 BetrVG 1952 übernommen. Am Schutz der Interessen des Arbeitgebers hat sich daher mit der Reform 1972 nichts geändert. 2001 wurde § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG unangetastet gelassen. Aus der Ge-

63 64 65

S. 9. 66

Abgedruckt in BGbl. Nr. 43 v. 14. 10. 1952, S. 686 f. So O. Radke, AuR 1957, 129 (130). Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, zu BT-Drs. 6/1786, Göbel, BlStSozArbR 1972, 1 (5); Kreutz, BlStSozArbR 1972, 44 (45).

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4. Kap.: Die Untersuchung der einzelnen Vorschriften

setzgebungsgeschichte können daher durchaus Anhaltspunkte für den Schutz der Interessen des Arbeitgebers mittels § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG gezogen werden. Schlussendlich muss die teleologische Auslegung der Vorschrift Auskunft darüber geben, ob § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG die Interessen des Arbeitgebers schützen soll. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG der Sicherung des Arbeitsablaufs und des Betriebsfriedens vor Beeinträchtigungen dienen. Diese Schutzrichtung gilt aber nach dem Willen des Gesetzgebers insbesondere auch für Maßnahmen des Arbeitskampfs.67 Auch § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG sichert damit als Schutzgegenstände den Arbeitsablauf und den Betriebsfrieden.68 Unter Arbeitsablauf ist die tatsächliche Verrichtung der Arbeit im Rahmen der im Betrieb gehandhabten organisatorischen, räumlichen und zeitlichen Gestaltung des Arbeitsprozesses zu verstehen.69 Der Arbeitsprozess und dessen Gestaltung soll nicht durch ein Handeln von Seiten des Betriebsrats außerhalb des ihm mit den Beteiligungsrechten zugewiesenen Rechtskreises beeinträchtigt werden; jede Betätigung, die in den vom Arbeitgeber organisierten Arbeitsablauf eingreift, ist dem Betriebsrat untersagt.70 Dies zeigt sich bereits in § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, der die Leitung des Betriebs dem Arbeitgeber zuweist. Zudem wirkt sich der durch § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG bezweckte Schutz des Arbeitsablaufs auch dahingehend aus, dass ein nenneswerter Verlust an Arbeitszeit im Betrieb vermieden werden soll.71 Wegen des Charakters des § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG als absolute und abstrakte – d. h. von konkreten Beeinträchtigungen unabhängige – Regelung ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber für vom Betriebsrat unterstützte Arbeitskampfmaßnahmen eine Vermutung der Störung des Arbeitsablaufs aufgestellt hat. § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zielt daher darauf ab, den durch den Arbeitskampf so oder so bereits beeinträchtigten Arbeitsablauf vor weiteren Beeinträchtigungen durch zusätzliche Maßnahmen des Betriebsrats zu schützen.72 Im Interesse des Arbeitgebers verhindert das Arbeitskampfverbot damit im Bezug auf den Schutz des Arbeitsablaufs, dass der Betrieb nicht durch von Seiten des Betriebsrats unterstützte bzw. von diesem in leitender Funktion getragene Arbeitskampfmaßnahmen lahmgelegt wird.73 Das Schutzgut des Arbeitsablaufs zielt damit gerade auf den Schutz der für ein subjektives Recht konstitutiven Interessen des Arbeitgebers vor dem Betriebsrat ab. 67

BT-Drs. 6/1786, S. 33, 46. GK-BetrVG/Kreutz, § 74 BetrVG Rn. 33, 37; Wiese, NZA 1984, 378 (380); Rolfs/ Bütefisch, NZA 1996, 17 (18); H.W. Dietz, S. 7; Gloistein, S. 33; Maulshagen, S. 252; Roß, S. 6 f., 91 f. 69 WPK/Preis, § 74 BetrVG Rn. 24; GK-BetrVG/Kreutz, § 74 BetrVG Rn. 133. 70 H/L/S/Heise, § 74 BetrVG Rn. 18. 71 Vgl. Richardi/Richardi/Maschmann, § 74 BetrVG Rn. 47; HWGNRH/Worzalla, § 74 BetrVG Rn. 38 zur Durchführung von thematisch zulässigen Fragebogenaktionen außerhalb der Arbeitszeit. 72 Roß, S. 98. 73 Vgl. v. Straelen, S. 75; ähnlich auch Rieble, RdA 2005, 200 (211). 68

A. Die Zuweisung subjektiver Rechte in einzelnen Vorschriften

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Das zweite Schutzgut des Betriebsfriedens steht bereits im Kündigungsrecht als Kündigungsgrund zu Recht wegen der mit ihm verbundenen Konturlosigkeit unter verschärfter Beobachtung.74 Der Begriff des Betriebsfriedens bedarf daher der Einschränkung. Gerade konträr zu dieser Annahme scheint der in der betriebsverfassungsrechtlichen Literatur übliche Verweis auf das störungsfreie Zusammenleben zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat sowie mit und zwischen den Arbeitnehmern des Betriebs als Inhalt des Betriebsfriedens zu stehen.75 Zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat besteht gerade kein Zustand völliger Eintracht und Harmonie, beide Betriebspartner wurden bereits im Rahmen des § 2 Abs. 1 BetrVG auch als zur eigennützigen Interessenwahrnehmung berechtigt erachtet. Auch das in der Literatur immer wieder wiederholte störungsfreie Zusammenleben zwischen Betriebsrat, Arbeitgeber und Arbeitnehmern bedarf weiterer Ausfüllung. Was genau als Störung angesehen werden kann ergibt sich aus diesem Definitionsversuch noch nicht; auch „die Störung“ erscheint als ausfüllungsbedürftige Leerformel. Es ist daher zur besseren Handhabung der Vorschrift eine Differenzierung zwischen formellem und materiellem Gehalt des Betriebsfriedensbegriffs angezeigt.76 In formeller Hinsicht wird von den Betriebspartnern durch den Betriebsfrieden die Einhaltung der geltenden Verfahrensordnung eingefordert. Mit der Erhaltung des Betriebsfriedens ist dann gemeint, dass sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht in die offene Auseinandersetzung im Wege des Arbeitskampfs begeben dürfen, sondern ihre Konflikte innerhalb der vorgesehenen Verfahren – Einigungsstelle und arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren – beilegen müssen.77 Zudem wird Betriebsrat und Arbeitgeber durch den Betriebsfrieden die Führung einer Auseinandersetzung verboten, die nicht unmittelbar ihre Grundlage im Betriebsgeschehen hat.78 Insbesondere die jeweiligen Zuständigkeitsbereiche müssen Arbeitgeber und Betriebsrat in formeller Hinsicht achten.79 Neben der formellen Seite der Einhaltung der vorgesehenen Verfahrensordnung legt der Schutz des Betriebsfriedens zudem an das Verhalten von Arbeitgeber und Betriebsrat in materieller Hinsicht einen inhaltlichen Maßstab an;80 Arbeitgeber und Betriebsrat werden im Umgang miteinander zur Mäßigung aufgerufen und verpflichtet.81 Mittels des Schutzes des Betriebsfriedens vor Erschütterungen durch einen Arbeitskampf und dem an den Betriebsrat gerichteten Verbot des Arbeits74

Zutreffend Preis, Prinzipien, S. 229. Vgl. FESTL, § 74 BetrVG Rn. 31; HWK/Reichold, § 74 BetrVG Rn. 14; GK-BetrVG/ Kreutz, § 74 BetrVG Rn. 133; WPK/Preis, § 74 BetrVG Rn. 24. 76 So bereits Germelmann, Betriebsfrieden, S. 94 ff., Hervorhebung seitens des Verfassers. 77 BAG v. 17. 12. 1976, 1 AZR 772/75, AP Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 52 unter II. 2.; Germelmann, Betriebsfrieden, S. 61 f.; S/W/S, § 74 BetrVG Rn. 2; i.E. auch Schmitt, S. 14. 78 Germelmann, Betriebsfrieden, S. 94 f.; H. Bauer, S. 142; Husemann, Verbot, S. 126 f. 79 Vgl. NK-AbR/Bodem, § 74 BetrVG Rn. 4; FESTL, § 74 BetrVG Rn. 31a; DKKW/Berg, § 74 BetrVG Rn. 47; Groß, RdA 1953, 371 (371). 80 Vgl. Richardi/Richardi/Maschmann, § 74 BetrVG Rn. 48. 81 LK/Kaiser, § 74 BetrVG Rn. 25; Müller-Boruttau, NZA 1996, 1071 (1074 f.). 75

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4. Kap.: Die Untersuchung der einzelnen Vorschriften

kampfs wird das betriebsverfassungsrechtliche Rechte- und Pflichtenverhältnis zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber im Rahmen des zwischen ihnen bestehenden gesetzlichen Schuldverhältnisses festgelegt.82 Nur durch die Erhaltung des Betriebsfriedens kann der im Interesse des Arbeitgebers liegende ordnungsgemäße Arbeits- und Betriebsablauf gewährleistet werden.83 Der Betriebsfrieden ist damit dem Schutz des Arbeitsablaufs vorgelagert und auf diesen ausgerichtet. Rechtswidrige Beeinträchtigungen des Betriebsfriedens sind in materieller Hinsicht jedenfalls regelmäßig dann gegeben, wenn ein Betriebspartner die Rechte und Befugnisse des anderen nicht anerkennt.84 Betrachtet man nun sowohl die formelle als auch die materielle Komponente des Betriebsfriedensbegriffs, dann ist beiden der Schutz des einen vor dem anderen Betriebspartner inhärent. So lässt die Achtung der Zuständigkeitsordnung des BetrVG auf einen Schutz der Interessen des Arbeitgebers vor dem Betriebsrat schließen,85 der Betriebsrat soll durch § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG gerade nur in dem ihm eröffneten Handlungsbereich tätig werden dürfen. Auch § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG erkennt an, dass die Leitung des Betriebs dem Arbeitgeber allein bleibt und keine Aufgabe des Betriebsrats ist. Schließlich spricht in materieller Hinsicht auch das Interesse des Arbeitgebers an einem geordneten Arbeitsablauf, der erst durch die Gewährleistung des Betriebsfriedens ermöglicht wird, für einen Schutz der individuellen Interessen des Arbeitgebers durch das Rechtsgut des Betriebsfriedens. Gegen die hier vertretene Auffassung, dass der Betriebsfrieden über die Achtung der Rechte durch den Betriebsrat und über die Einhaltung der vom Gesetz vorgeschriebenen Formen der Einigungsstelle und des Arbeitsgerichts die Interessen des Arbeitgebers schützt, spricht auch nicht Husemanns Annahme, welcher den Betriebsfrieden im Schutz des Persönlichkeitsrechts des einzelnen Arbeitnehmers begründet sieht.86 So macht auch Husemann eine Einschränkung, wenn er den Betriebsfriedensschutz „maßgeblich“ im Persönlichkeitsrecht des einzelnen Arbeitnehmers begründet sieht.87 Von einer ausschließlichen Rückführung des Schutzguts des Betriebsfriedens auf den Schutz des Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmer ist dagegen auch bei Husemann keine Rede. Eine solche ließe sich auch nach der gesetzlichen Anordnung kaum plausibel begründen, der betriebverfassungsrechtliche Schutz der Persönlichkeit der Arbeitnehmer vollzieht sich maßgeblich über § 75 Abs. 2 BetrVG, während der Gesetzgeber dem Betriebsfrieden in § 74 Abs. 2 BetrVG eine gesonderte Regelung widmete. Auch § 2 Abs. 1 BetrVG stellt das Wohl 82

Roß, S. 6. Germelmann, Betriebsfrieden, S. 68; Weißmüller, S. 44. 84 WPK/Preis, § 74 BetrVG Rn. 28. 85 A.A. Raab, Rechtsschutz, S. 98, jedoch ohne Begründung für die eigene gegenteilige Annahme. 86 So Husemann, Verbot, S. 196 ff.; für die individualarbeitsrechtliche Betrachtung vgl. noch Manger, S. 318 f. 87 Husemann, Verbot, S. 203. 83

A. Die Zuweisung subjektiver Rechte in einzelnen Vorschriften

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des Betriebs und das Wohl der Arbeitnehmer nicht in ein Rangverhältnis, sondern ordnet beide gleichermaßen als für die vertrauensvolle Zusammenarbeit relevante Ziele ein. Der Schutz der Interessen der Arbeitnehmer, der mit dem Wohl der Arbeitnehmer in § 2 Abs. 1 BetrVG gemeint ist,88 führt also nicht zu einer Negation der Interessen des Arbeitgebers. Daher kann auch die von Husemann aufgezeigte weitere Stoßrichtung des Schutzes des Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmer nichts am auch durch § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG bezweckten und für das hier untersuchte subjektive Recht maßgeblichen Schutz des Arbeitgebers ändern. Sowohl mit dem Schutzgut des Arbeitsablaufs als auch mit dem des Betriebsfriedens werden damit die Interessen des Arbeitgebers vor einem Eingriff durch den Betriebsrat geschützt. Der von § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG verfolgte Sinn und Zweck in Form des Interessenschutzes des Arbeitgebers spricht für die Annahme eines subjektiven Rechts des Arbeitgebers, zu dessen Schutz der negatorische Unterlassungsanspruch gegen den Betriebsrat hinzutritt. Gegen den bisherigen Befund eines subjektiven Rechts des Arbeitgebers aus § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG und des mit diesem einhergehenden Unterlassungsanspruchs wird allerdings neuerdings vom BAG geltend gemacht, dass die Vorschrift keine subjektiven Rechte begründe, sondern nur eine allgemeine Ordnungsfunktion im Betrieb – in Form der Interessen der Betriebsallgemeinheit an der Sicherung eines geordneten Betriebsablaufs und Betriebsfriedens – erfülle.89 Telos des § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG soll daher nicht die Zuweisung subjektiver Rechte an die Betriebspartner, sondern lediglich die Wahrung eines betrieblichen Gesamtinteresses sein. Dieses wird in der Literatur zum Teil als Wahrung der (betriebs-)öffentlichen Sicherheit und Ordnung beschrieben.90 Gegen einen allein bezweckten Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG spricht jedoch bereits, dass weder Arbeitgeber noch Betriebsrat polizeiliche bzw. ordnungsbehördliche Funktionen wahrnehmen. Die Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung obliegt in NRW nach § 1 OBG NRW den Ordnungsbehörden bzw. nach § 1 PolG NRW der Polizei. Für die Bundesebene findet sich in § 14 Abs. 2 BPolG eine vergleichbare Vorschrift, die die Bundespolizei zum Einschreiten bei Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ermächtigt. Im BetrVG existiert eine solche allgemeine Zuweisungnorm für Betriebsrat und Arbeitgeber dagegen nicht. Öffentliche Sicherheit und Ordnung stellen vielmehr Aufgaben des Gemeinwohls dar. Zu deren Wahrnehmung kommt speziell dem Betriebsrat kein allgemeines Mandat zu.91 Der Rekurs auf die öffentliche Sicherheit ist zudem mit der von der heute herrschenden Meinung anerkannten Einordnung des BetrVG in das allgemeine Privatrecht nicht zu vereinbaren; die abweichende Auffassung scheint Anleihen bei 88

Zutreffend Germelmann, Betriebsfrieden, S. 69. Vgl. BAG v. 15. 10. 2013, 1 ABR 31/12, NZA 2014, 319 (321) unter Verweis auf v. Koppenfels-Spies, in: FS Blaurock, S. 213 (222). 90 Lobinger, ZfA 2004, 101 (156 f.). 91 s. o. 2. Kapitel B. II. 1. a) bb). 89

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4. Kap.: Die Untersuchung der einzelnen Vorschriften

der zum BRG 1920 noch vertretenen Zuordnung des damaligen Betriebsräterechts zum öffentlichen Recht zu machen, die sich aber heute überlebt hat.92 Der Annahme, dass § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG allein dem Schutz der (betriebs-)öffentlichen Sicherheit und Ordnung dienen soll, kann daher nicht gefolgt werden. Zu erörtern ist lediglich noch, ob die Annahme des BAG zutrifft, dass mit § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG mit den Interessen der Betriebsallgemeinheit an der Sicherung eines geordneten Betriebsablaufs und Betriebsfriedens allein eine allgemeine Ordnungsfunktion erfüllt wird. In die Richtung des BAG scheint zumindest die Überschrift des § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zu deuten, die lediglich Grundsätze der Zusammenarbeit statuiert.93 Von Rechten der Betriebspartner untereinander ist dagegen in der Überschrift zu § 74 BetrVG keine Rede. Jedoch spricht gegen die Reduzierung des § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG auf eine allgemeine Ordnungsfunktion die aus dieser Vorschrift ableitbare Pflicht zur Neutralität für den Betriebsrat. Durch § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG wird jeglicher Arbeitskampf aus der Betriebsverfassung herausgehalten. Hiermit geht nach herrschender Meinung eine Pflicht des Betriebsrats zur Neutralität gegenüber den Gewerkschaften einher.94 Die Trennung von Betriebsrat und Gewerkschaft zeigt sich bereits im Tarifvorbehalt im Eingangssatz des § 87 Abs. 1 BetrVG. Gewerkschaftliche und betriebsratliche Repräsentation sind in Deutschland in zwei voneinander unabhängigen Systemen geregelt, der Dualismus der Arbeitnehmervertretung durch Betriebsräte und Gewerkschaften ist eines der Strukturmerkmale des deutschen kollektiven Arbeitsrechts.95 Eine Verpflichtung des Betriebsrats zur unabhängigen, gewerkschaftsneutralen Amtsführung lässt sich im Übrigen auch noch aus § 75 Abs. 1 BetrVG ableiten.96 Der Betriebsrat als Repräsentant aller Arbeitnehmer darf gerade nicht den Eindruck erwecken, dass mit der (Nicht-)Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft Vor- oder Nachteile verbunden sind.97 Auch der Gesetzgeber erkennt die Pflicht des Betriebsrats zur Neutralität an, bei Neueinführung 92 s. zur unstrittigen Zuordnung der Betriebsverfassung zum Privatrecht heute statt aller GK-BetrVG/Wiese, Einl. BetrVG Rn. 88 ff. m.w.N. 93 Belling, JZ 2014, 905 (907). 94 BAG v. 13. 12. 2011, 1 ABR 2/10, NZA 2012, 571 (573); v. 10. 12. 2002, 1 ABR 7/02, NZA 2004, 223 (227); LAG Berlin-Brandenburg v. 31. 1. 2012, 7 TaBV 1733/11, BB 2013, 702 (703); ErfK/Kania, § 74 BetrVG Rn. 11; WPK/Preis, § 74 BetrVG Rn. 10; ders., Koll. ArbR, S. 647; FESTL, § 74 BetrVG Rn. 14; LK/Kaiser, § 74 BetrVG Rn. 16; Münch. Hdb. z. ArbR/v. Hoyningen-Huene, § 214 Rn. 17; Richardi/Richardi/Maschmann, § 74 BetrVG Rn. 76 f.; ders., in: FS Richterakademie, S. 111 (115 f.); Wiese, NZA 1984, 378 (378); Rolfs/Bütefisch, NZA 1996, 17 (18); Rieble, RdA 2005, 200 (211); Schönhöft/Weyhing, BB 2014, 762 (762 f.); Germelmann, Betriebsfrieden, S. 99; enger GK-BetrVG/Kreutz, § 74 BetrVG Rn. 67: keine uneingeschränkte Neutralitätspflicht; vgl. zudem zur Neutralität des Personalrats BVerfG v. 26. 5. 1970, 2 BvR 664/65, NJW 1970, 1635 (1636). 95 Vgl. Krause, RdA 2009, 129 (129). 96 Dumke, RdA 2009, 77 (82); H. Bauer, S. 150; für einzelnes Betriebsratsmitglied LAG Köln v. 15. 12. 2000, 11 TaBV 63/00, NZA-RR 2001, 371 (372); a.A. HaKo-BetrVG/Lorenz, § 75 BetrVG Rn. 27. 97 Vgl. Richardi/Richardi, § 2 BetrVG Rn. 173.

A. Die Zuweisung subjektiver Rechte in einzelnen Vorschriften

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des § 74 Abs. 3 BetrVG sollte dieser ausweislich des schriftlichen Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung nicht die Neutralitätspflicht nach § 75 BetrVG berühren.98 § 74 Abs. 3 BetrVG besagt damit nur, dass Arbeitnehmer, die dem Betriebsrat angehören, als Arbeitnehmer an Arbeitskampfmaßnahmen teilnehmen dürfen, erlaubt aber kein Handeln dieser in ihrer Stellung als Betriebsratsmitglieder.99 Mag durch § 74 Abs. 3 BetrVG auch eine schwer zu erhellende Grauzone zwischen verbotenem Betriebsratshandeln und zulässigem gewerkschaftlichen Handeln bestehen,100 so wird durch die im Einzelfall diffizile Abgrenzung nicht das Verbot des § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG außer Kraft gesetzt. An der Verpflichtung des Betriebsrats zur Neutralität hat sich demnach auch durch die Einführung des § 74 Abs. 3 BetrVG nichts geändert. Gegen den Schutz der Interessen des Arbeitgebers kann gleichfalls nicht überzeugend unter Verweis auf eine teilweise in der Literatur vertretene Ansicht die Ableitung einer Neutralitätspflicht aus § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG abgelehnt werden.101 So meint zwar Kempen, dass die interpretatorische Anreicherung des § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG leicht in Widerspruch zum zweiten Halbsatz der Vorschrift komme.102 § 74 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 BetrVG besagt jedoch nach seinem Wortlaut nur, dass Arbeitskämpfe tariffähiger Parteien durch das Arbeitskampfverbot des § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG nicht berührt werden. Gemeint ist damit lediglich, dass sich die Rechtmäßigkeit der Arbeitskampfmaßnahmen der tariffähigen Parteien nur nach den von der Rechtsprechung des BAG entwickelten arbeitskampfrechtlichen Grundsätzen bemisst.103 Die tariffähigen Parteien werden als Verbotsadressaten des § 74 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BetrVG ausgenommen. Unter die abschließende Aufzählung des § 2 Abs. 1 und Abs. 3 TVG kann der Betriebsrat nicht subsumiert werden.104 Über seine Rechtsstellung gibt § 74 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 BetrVG daher gar keine Auskunft, diese bemisst sich allein nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BetrVG. Berg wendet zudem gegen die Annahme einer Neutralitätspflicht noch ein, dass § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 BetrVG dem Betriebsrat auch im Zusammenhang mit Arbeitskämpfen die Behandlung tarifpolitischer Angelegenheiten erlaube.105 Hierdurch wird dem Betriebsrat aber nicht das Einstehen für die Ziele einer Gewerkschaft gegenüber dem 98

S. 28. 99

Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, zu BT-Drs. 6/2729,

Richardi/Richardi/Maschmann, § 74 BetrVG Rn. 77; Rolfs/Bütefisch, NZA 1996, 17 (19 f.). 100 Krause, RdA 2009, 129 (137). 101 DKKW/Berg, § 74 BetrVG Rn. 23; Dette, in: Däubler (Hrsg.), Arbeitskampfrecht, § 19 Rn. 134; Rüthers/Henssler, Anm. AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebs Nr. 13 unter III. 3. d); Kempen, NZA 2005, 185 (187 f.); Vollmer, S. 88 f.; Maulshagen, S. 265 f.; Roß, S. 95 f.; i.E. auch Kissel, Arbeitskampfrecht, S. 510. 102 Kempen, NZA 2005, 185 (186). 103 Vgl. WPK/Preis, § 74 BetrVG Rn. 9; GK-BetrVG/Kreutz, § 74 BetrVG Rn. 41; BeckOK-ArbR/Werner, § 74 BetrVG Rn. 13. 104 Gloistein, S. 32. 105 DKKW/Berg, § 74 BetrVG Rn. 24; zustimmend Roß, S. 95.

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4. Kap.: Die Untersuchung der einzelnen Vorschriften

Arbeitgeber erlaubt, vielmehr ist die Erörterung nur im Interesse einer sachlichen Diskussion erlaubt.106 Stattdessen ist § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 BetrVG lediglich zu entnehmen, dass tarifpolitische Angelegenheiten zum Gegenstand von Beratungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber gemacht werden können.107 Hierdurch wird der Betriebsrat aber nicht zum Unterstützer bzw. Träger einer nach § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG für ihn verbotenen Arbeitskampfmaßnahme. Eine Auflockerung der aus § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG resultierenden Neutralitätspflicht ist damit für den Betriebsrat mit § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 BetrVG nicht verbunden. Auch aus § 45 Satz 1 BetrVG ergibt sich kein Argument gegen die Neutralitätspflicht des Betriebsrats.108 Zwar können auf Betriebs- und Abteilungsversammlungen Angelegenheiten tarifpolitischer Art erörtert werden. Jedoch gelten nach § 45 Satz 1 Halbsatz 2 BetrVG zu den nach § 45 Satz 1 Halbsatz 1 BetrVG zulässigen Themen immer noch einschränkend die Grundsätze des § 74 Abs. 2 BetrVG, zu denen auch die Neutralitätspflicht auf Basis von § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zählt. Die Heranziehung des § 45 Satz 1 BetrVG im Rahmen des § 74 Abs. 2 BetrVG zur Verneinung der dort angesiedelten Neutralitätspflicht ignoriert das vom Gesetzgeber in § 45 Satz 1 Halbsatz 2 BetrVG aufgestellte Verhältnis der beiden Vorschriften. Nicht § 45 Satz 1 BetrVG schränkt § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ein, sondern genau umgekehrt ist § 74 Abs. 2 BetrVG Schranke des § 45 Satz 1 Halbsatz 1 BetrVG.109 Die Trennung zwischen Betriebsrat und Gewerkschaften und die Neutralitätspflicht aus §§ 74 Abs. 2 Satz 1 sowie 75 Abs. 1 BetrVG wird daher durch § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 BetrVG nicht aufgehoben. Zudem verweist Berg auf § 2 Abs. 1 BetrVG, der die Zusammenarbeit von Gewerkschaften und Betriebsrat gerade ausdrücklich vorsehe.110 Gegen die Heranziehung des § 2 Abs. 1 BetrVG spricht jedoch zum einen, dass so über die Grundregel des § 2 Abs. 1 BetrVG die spezielle gesetzgeberische Wertentscheidung in § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG überspielt würde.111 Für den Arbeitskampf hat der Gesetzgeber eine Regelung in § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG geschaffen, die diesen in allen seinen Erscheinungsformen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber verbietet. Dem Betriebsrat kommt daher nach der Konzeption des Gesetzgebers im Arbeitskampf keine Rolle zu, er ist allein betriebsverfassungsrechtliches, nicht aber arbeitskampfrechtliches Subjekt. Über die Heranziehung des § 2 Abs. 1 BetrVG und die darin verankerte Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Gewerkschaft würde diese Beschränkung des betriebsratlichen Wirkungskreises aufgehoben. Im Übrigen wäre bei einer Übertragung des § 2 Abs. 1 BetrVG auch noch § 2 Abs. 3 BetrVG zu beachten. Diesem kann aber gerade wieder eine Trennung

106

Vgl. WPK/Preis, § 74 BetrVG Rn. 20 zu parteipolitischen Diskussionen. Zutreffend S. Otto, S. 169. 108 So aber Roß, S. 95. 109 Zutreffend GK-BetrVG/Weber, § 45 BetrVG Rn. 24. 110 DKKW/Berg, § 74 BetrVG Rn. 24. 111 So allgemein zum Verhältnis von § 2 Abs. 1 und § 74 Abs. 2 BetrVG Kreutz, BlStSozArbR 1972, 44 (45); dem zustimmend H. Bauer, S. 126. 107

A. Die Zuweisung subjektiver Rechte in einzelnen Vorschriften

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der Vertretung durch Betriebsräte und Gewerkschaften entnommen werden.112 Demnach kann mit der herrschenden Auffassung auf Basis von §§ 74 Abs. 2 Satz 1, 75 Abs. 1 BetrVG vom Bestehen einer Neutralitätspflicht des Betriebsrats ausgegangen werden. Diese Neutralitätspflicht des Betriebsrats besteht nicht nur im Interesse der Belegschaft oder eines betrieblichen Gesamtinteresses, sondern gerade auch im Interesse des Arbeitgebers.113 Das zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber bestehende Verhältnis soll von den mit einem Arbeitskampf notwendig verbundenen Belastungen freigehalten werden.114 Das Arbeitskampfverbot aus § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG und die mit diesen einhergehende Neutralitätspflicht ist damit eine zumindest auch den Arbeitgeber und damit seine Interessen schützende Vorschrift.115 Den individualschützenden Charakter des § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG sieht man im Übrigen auch in der Rechtsprechung zur Einschränkung von Beteiligungsrechten im Arbeitskampf verwirklicht. Das BAG suspendiert für den Zeitraum des Arbeitskampfs einzelne Beteiligungsrechte.116 Hintergrund dieser Rechtsprechung ist, dass Beteiligungsrechte in Zeiten des Arbeitskampfs mit der Neutralitätspflicht des Betriebsrats aus § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG kollidieren können.117 Es geht dem BAG in dieser Situation gerade darum, dass sich der Betriebsrat nicht auf die Seite der Gewerkschaften schlagen können soll, um so die Kampfmacht der Gewerkschaft und die Wirkung des angestrebten oder angestrengten Streiks zu verstärken.118 Geschützt vor einer Verstärkung der Kampfmacht der Gewerkschaften durch zusätzlichen Druck von Seiten des Betriebsrats wird gerade der Arbeitgeber; die Beteiligungsrechte des Betriebsrats werden zum Schutz seiner Arbeitskampffreiheit als rechtlich anerkanntes Interesse ausgeschlossen.119 Auch die Einschränkung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats im Arbeitskampf wegen der drohenden Kollision mit der Neutralitätspflicht des Betriebsrats macht damit noch einmal den von § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG bezweckten Schutz der Arbeitgeberinteressen in Form der Arbeitskampffreiheit deutlich. Der Annahme des BAG, dass § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG allein eine allgemeine Ordnungsfunktion erfülle und keine individuellen Rechte 112 HaKo-BetrVG/Kloppenburg, § 2 BetrVG Rn. 3; GK-BetrVG/Franzen, § 2 BetrVG Rn. 80. 113 BAG v. 25. 10. 1988, 1 AZR 368/87, NZA 1989, 353 (354); Belling, JZ 2014, 905 (907). 114 Wiese, NZA 1984, 378 (378); Rolfs/Bütefisch, NZA 1996, 17 (18); Schönhöft/Weyhing, BB 2014, 762 (763). 115 v. Straelen, S. 140 sieht sogar vor allem den Schutz des Arbeitgebers in § 74 Abs. 2 S. 1 BetrVG als Zweck des § 74 Abs. 2 S. 1 BetrVG an. 116 BAG v. 14. 2. 1978, 1 AZR 54/76, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 57 unter 3.; v. 14. 2. 1978, 1 AZR 76/76, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 58 unter 7.; v. 24. 4. 1979, 1 ABR 43/77, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 63 unter B. II. 1.; v. 22. 12. 1980, 1 ABR 76/79, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 71 unter B. II. 2.; v. 10. 12. 2002, 1 ABR 7/02, AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 59 unter B. II. 3. 117 Preis, KollArbR, S. 648. 118 Zutreffend Krause, RdA 2009, 129 (141 f.). 119 HWGNRH/Worzalla, § 74 BetrVG Rn. 31.

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begründe, kann daher mit Blick auf die aus § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ableitbare Neutralitätspflicht des Betriebsrats nicht beigepflichtet werden. Neben dem Schutz der Interessen des Arbeitgebers, die im ungestörten Arbeitsablauf und dem Betriebsfrieden inbegriffen sind, wird zudem in der Literatur der Zweck des § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG im vor allem bezweckten Schutz der Gewerkschaften vor einer unerwünschten Kampfkonkurrenz durch Betriebsräte gesehen.120 Hierin kann bereits deshalb kein allgemeiner, vor allem von § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG angestrebter Schutzzweck bestehen, weil sich das Verbot nicht nur an den Betriebsrat, sondern auch an den Arbeitgeber richtet.121 Gegenüber dem Arbeitgeber besteht aber bereits keine Konkurrenzsituation. Die Grundsätze der Zusammenarbeit in § 74 BetrVG beschränken sich vielmehr auf das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Der Schutz der Gewerkschaften vor Konkurrenz ist damit kein Schutzzweck des § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG, sondern allenfalls mittelbare Folge des Verbots.122 Teleologisch wird § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zudem als Grundlage und wesentlicher Baustein der Eigenständigkeit des Betriebsverfassungs- zum Tarifrecht eingeordnet.123 § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG sei insofern Ergänzung zu § 77 Abs. 3 BetrVG.124 Durch das Verbot von Arbeitskampfmaßnahmen werde neben dem ungestörten Arbeitsablauf und dem Betriebsfrieden der für die Tarifautonomie konstitutive Grundsatz der Parität gesichert.125 Arbeitskampfmaßnahmen im Rahmen der Betriebsverfassung würden über die Beeinträchtigung der Kampfmittelparität auch die Tarifautonomie an sich stören.126 Diese Auffassung betrachtet daher auch die Kampfparität als unmittelbaren Schutzzweck des § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Dem kann nicht zugestimmt werden. § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG gilt nach seinem Wortlaut für Maßnahmen des Arbeitskampfs, unabhängig davon, ob diesen Paritätsrelevanz zukommt. Hätte der Gesetzgeber als Zweck des § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG den Schutz der Kampfparität verfolgen wollen, so hätte es nahe gelegen, dies auch durch eine Einschränkung im Wortlaut des § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zum Ausdruck zu bringen. Die Trennung zwischen betriebsverfassungsrechtlicher und arbeitskampfrechtlicher Ebene wird auch in § 74 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 BetrVG deutlich. Die Rechtmäßigkeit des Arbeitskampfs wird durch das betriebsverfassungsrechtliche Verbot des Arbeitskampfs nach § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG nicht berührt, sie beurteilt sich vielmehr allein nach den richterrechtlich entwickelten

120

sers. 121 122 123 124 125 126

v. Straelen, S. 75 f.; AR/Rieble, § 74 BetrVG Rn. 6; Hervorhebung seitens des VerfasZutreffend GK-BetrVG/Kreutz, § 74 BetrVG Rn. 37. GK-BetrVG/Kreutz, § 74 BetrVG Rn. 37. Krebber, SR 2015, 1 (5). Gamillscheg, KollArbR, Bd. 2, S. 704. Kraft, in: FS Müller, S. 265 (272). Germelmann, Betriebsfrieden, S. 115; Belling, JZ 2014, 905 (906).

A. Die Zuweisung subjektiver Rechte in einzelnen Vorschriften

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Grundsätzen zum Arbeitskampfrecht.127 § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG verfolgt damit lediglich betriebsverfassungsrechtliche, nicht aber arbeitskampfrechtliche Zielsetzungen.128 Der Einfluss des § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG auf die Kampfparität ist nur mittelbarer Natur, er ist aber nicht als eigenständiger Schutzzweck des § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG anzuerkennen.129 § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG bezweckt damit den Schutz des Arbeitsablaufs und des Betriebsfriedens. Beiden Schutzgütern ist gemein, dass sie die Interessen des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat in den Blick nehmen. Dem Schutz dieser Interessen dient auch die aus § 74 Abs. 2 Satz 1 (in Verbindung mit § 75 Abs. 1 BetrVG) ableitbare Neutralitätspflicht des Betriebsrats. Der erforderliche Interessenschutz für die Annahme eines subjektiven Rechts wird daher durch § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG bezweckt, auch die teleologische Auslegung spricht für die Annahme eines subjektiven Rechts des Arbeitgebers (und auch des Betriebsrats) aus § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Mit der Zuweisung des subjektiven Rechts geht als Schutzrecht der negatorische Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat einher. Die neue Rechtsprechung des BAG, die für § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat verneint, ist damit abzulehnen. b) Rechtszuweisung bei § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG Nach § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG haben Betriebsrat und Arbeitgeber jede parteipolitische Betätigung im Betrieb zu unterlassen. Für § 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG war lange Zeit das Bestehen von gegenseitigen Unterlassungsansprüchen der Betriebspartner anerkannt.130 Wie bei § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG geht das BAG neuerdings auch für § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG vom Nichtbestehen eines Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat aus.131 Dieses Ergebnis ist dann verfehlt, wenn § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG dem Arbeitgeber ein subjektives Recht zuweist. Mit der Rechtszuweisung fällt auch die Entscheidung über die Existenz des Unterlassungsanspruchs als auf das subjektive Substanzrecht bezogenes Schutzrecht. Bei der Auslegung des Wortlauts des § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG meint das BAG ein erstes Argument gegen einen Unterlassungsanspruch erkennen zu können. Zwar hätten der Betriebsrat und der Arbeitgeber jede parteipolitische Be127 GK-BetrVG/Kreutz, § 74 BetrVG Rn. 41; BeckOK-ArbR/Werner, § 74 BetrVG Rn. 13; WPK/Preis, § 74 BetrVG Rn. 9. 128 Zutreffend Jahnke, ZfA 1984, 69 (90); i.E. auch S. Otto, S. 176. 129 Wiese, NZA 1984, 378 (380); S. Otto, S. 165; i.E. auch Roß, S. 96 f.; allgemein gegen eine Gewährleistung der Kampfparität durch das BetrVG Jahnke, ZfA 1984, 69 (90). 130 BAG v. 12. 6. 1986, 6 ABR 67/84, AP BetrVG 1972 § 74 Nr. 5 unter II.; LAG Berlin v. 26. 6. 1986, 7 TaBV 2/86, LAGE BetrVG 1972 § 99 Nr. 19, S. 4 (4 f.); Hofmann, Verbot, S. 133; Schmitt, S. 51 f. 131 Vgl. BAG v. 17. 3. 2010, 7 ABR 95/08, NZA 2010, 1133 (1135 f.).

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tätigung im Betrieb zu unterlassen. Die Vorschrift begründe damit zwar eine Verpflichtung der Betriebsparteien zu parteipolitischer Neutralität im Betrieb. Sie bestimme aber weder, dass bei Verstößen gegen diese Verpflichtung Unterlassung verlangt werden könne, noch lasse sich der Regelung entnehmen, wer Inhaber eines Unterlassungsanspruchs sein könnte. Damit unterschiede sich die Vorschrift von anderen Bestimmungen, die Unterlassungsansprüche normierten, wie z. B. § 862 Abs. 1 BGB oder § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, die den Anspruchsinhaber ausdrücklich nennen würden.132 Dieser Auslegung des Wortlauts kann jedoch nicht zugestimmt werden.133 § 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG stellt eine ausdrückliche Pflicht zur Unterlassung jeder parteipolitischen Betätigung für Arbeitgeber und Betriebsrat auf.134 Davon auszugehen, dass die Rechtsordnung eine Unterlassungsverpflichtung aufstellt, deren effektive Durchsetzung mit dem Unterlassungsanspruch dann aber zu versagen, ist schlicht nicht überzeugend. Vielmehr deutet die Unterlassungsverpflichtung in § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG indiziell auf einen Unterlassungsanspruch zur Sicherung eines durch § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG zugewiesen Substanzrechts hin. Zuweisungsgehalt des § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG ist die Unterlassung jeglichen parteipolitischen Verhaltens im Betrieb vom anderen Betriebspartner fordern zu können. Entgegen der Auffassung des BAG ist damit in § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG sehr wohl ausdrücklich normiert, dass der Arbeitgeber vom Betriebsrat (und vice versa) Unterlassung verlangen kann. Der Wortlaut deutet daher indiziell auf einen Unterlassungsanspruch auch bei § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG hin. Auch die Annahme des BAG, dass der Anspruchsinhaber in § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG nicht benannt werde und deswegen der Unterlassungsanspruch ausscheide, ist nicht überzeugend. Adressaten des § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG sind der Arbeitgeber und der Betriebsrat. Bereits aus der Adressatenstellung lässt sich sowohl für den Arbeitgeber als auch den Betriebsrat die Anspruchsinhaberschaft zwangslos ableiten. Selbst wenn man diesen Weg nicht gehen möchte, so kann trotzdem nicht mit dem BAG aus der fehlenden Nennung des Anspruchsinhabers ein Argument gegen die Existenz des Anspruchs selbst gezogen werden. Auch im übrigen Zivilrecht muss der Anspruchsinhaber nicht ausdrücklich bezeichnet sein, um einen Anspruch annehmen zu können.135 So benennt z. B. § 611 Abs. 1 BGB ebenfalls nur die Verpflichtungen von Dienstnehmer und Dienstberechtigtem, ohne dass hieraus für die Vorschrift von der Nichtexistenz eines Anspruchs ausgegangen würde.136 Auch beim Werkvertrag bedient sich der Gesetzgeber in § 631 BGB der Regelungstechnik allein Verpflichtungen von Werkunternehmer und Besteller aufzustellen, ohne noch einmal ausdrücklich die Berechtigung zur Einforderung der 132

BAG v. 17. 3. 2010, 7 ABR 95/08, NZA 2010, 1133 (1135). Kritisch auch Preis, in: FS Wank, S. 413 (424), der die Aussage des siebten Senats zum Wortlaut des § 74 Abs. 2 S. 3 BetrVG als „sehr forsch“ einstuft. 134 Burger/Rein, NJW 2010, 3613 (3615). 135 Reichold, RdA 2011, 58 (61). 136 Zutreffend Ulrici, JurisPR-ArbR 37/2010 Anm. 1. 133

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gegenseitigen Verpflichtungen zu statuieren. Der Rückschluss vom Fehlen der ausdrücklich benannten Anspruchsberechtigten auf die Nichtexistenz des Anspruchs wird daraus aber von niemandem gezogen. Auch § 313 Abs. 1 BGB spricht nur davon, dass bei einer Störung der Geschäftsgrundlage Anpassung verlangt werden könne, nennt aber nicht ausdrücklich den Anpassungsberechtigten.137 Unstrittig folgt aber trotzdem aus § 313 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Anpassung. Über die Ansprüche des BGB hinaus verwundert die vom BAG präferierte Auslegung des Wortlauts auch mit Blick auf § 87 Abs. 1 BetrVG. § 87 Abs. 1 BetrVG weist dem Betriebsrat im Rahmen enumerativer Tatbestände lediglich ein Recht zur Mitbestimmung zu, nennt aber nicht ausdrücklich die Berechtigung des Betriebsrats vom Arbeitgeber bei Verstößen Unterlassung verlangen zu können. Dies hindert das BAG jedoch – wie sich gezeigt hat zutreffend138 – nicht an der Herleitung eines allgemeinen Unterlassungsanspruchs des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber.139 Aus der fehlenden ausdrücklichen Benennung des Arbeitgebers als Anspruchsberechtigten in § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG können daher für den Unterlassungsanspruch und das diesem zu Grunde liegende subjektive Recht keine negativen Rückschlüsse gezogen werden. Die Gesetzessystematik spricht mit Blick auf § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG für die Herleitung eines subjektiven Rechts ebenfalls aus § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG. Sowohl § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG als auch § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG stehen bereits nach der äußeren Anordnung im Gesetz in einem engen Zusammenhang zum Schutz des Betriebsfriedens und des Arbeitsablaufs aus § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG. Für beide Schutzgüter konnte aber bereits mit Blick auf den Spezialfall in § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG eine auch die Interessen des Arbeitgebers schützende Tendenz nachgewiesen werden. Dies spricht auch bei § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG für einen Schutz der Interessen des Arbeitgebers und die Anerkennung eines hiermit verbundenen subjektiven Rechts gegen den Betriebsrat. Für die Annahme eines subjektiven, auf den Schutz der Interessen des Arbeitgebers abzielenden, Rechts auf Basis von § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG spricht auch die Gesetzgebungsgeschichte. Hierbei können jedoch aus der Zeit der Weimarer Republik kaum und aus der Zeit des Nationalsozialismus keine Rückschlüsse für die Annahme eines subjektiven Rechts des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat gezogen werden. Im BRG 1920 war kein ausdrückliches Verbot parteipolitischer Betätigung enthalten.140 Jedoch fasste das RAG unter die nach § 66 Nr. 3 BRG 1920 dem Betriebsrat auferlegte Pflicht zur Bewahrung des Betriebs vor Erschütterungen gerade auch politische Auseinandersetzungen.141 Diese waren im 137

Ulrici, JurisPR-ArbR 37/2010 Anm. 1. s. o. 2. Kapitel A. III. 1. 139 Vgl. nur BAG v. 3. 5. 1994, 1 ABR 24/93, NZA 1995, 40 (41). 140 Gnade, JArbR (14) 1976, 59 (62); Husemann, Verbot, S. 64. 141 Vgl. RAG v. 10. 7. 1929, RAG RB. 15/29, ARS Bd. 6, 320 (321); v. 21. 12. 1929, RAG RB. 31/29, ARS Bd. 7, 444 (445); Flatow/Kahn-Freund, § 66 BRG 1920 Nr. 3 Anm. 3. 138

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Interesse des Betriebs verboten. Betriebliche Zwecke wurden im BRG 1920 mit den Interessen des Arbeitgebers gleichgesetzt.142 In der Erfassung politischer Agitation als gegen die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers verstoßende Handlungen, die der Betriebsrat nach § 66 Nr. 3 BRG 1920 zu unterlassen hatte,143 kann zumindest ein schwaches Indiz für einen Schutz der Interessen des Arbeitgebers gesehen werden. Mangels ausdrücklicher Regelung im BRG 1920 fehlt jedoch ein direkter Vorläufer des § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG, es fehlt damit auch an Stellungnahmen im Gesetzgebungsverfahren. Die Zeit der Weimarer Republik ist daher für das heutige Verbot parteipolitischer Betätigung kaum aufschlussreich. Das AOG enthielt ebenso wie das BRG 1920 keine Vorschrift, die sich explizit mit der (partei-)politischen Tätigkeit im Betrieb befasste.144 Jedoch wirkte die NSDAP über das AOG auf das Arbeitsleben im dritten Reich massiv ein und machte so ihre Parteipolitik zum Gegenstand des Betriebsgeschehens.145 Insbesondere über die Möglichkeit zur Verhängung einer Disziplinarstrafe nach § 36 Abs. 1 Nr. 2 AOG wurden aus Sicht der NSDAP unerwünschte parteipolitische Betätigungen im Betrieb unterdrückt und geahndet.146 Ein individualschützender Charakter kam dem Disziplinarverfahren nach § 36 AOG jedoch nicht zu, geschützt wurden lediglich der Geist der Betriebsgemeinschaft und die Autorität des Führers.147 Das soziale Ehrgerichtsverfahren trug damit dem nationalsozialistischen Prinzip Rechnung, dass Dienst im Betrieb gleichzeitig auch immer Dienst an der Allgemeinheit und damit dem Wohl des Staates verpflichtet ist.148 Mit dieser Zwecksetzung kann das soziale Ehrgerichtsverfahren in § 36 AOG daher nur als der heutigen Arbeitsverfassung völlig fremde Einrichtung begriffen werden.149 Rückschlüsse können aus § 36 AOG für die heutige Rechtslage im Allgemeinen und für die Frage nach subjektivrechtlichen Positionen des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat im Speziellen nicht gezogen werden. Mit der Einführung des BetrVG 1952 änderte sich die Rechtslage bei der parteipolitischen Betätigung erheblich. Neu eingeführt wurde § 51 Satz 2 BetrVG 1952, der folgenden Wortlaut hatte: „Arbeitgeber und Betriebsrat haben jede parteipolitische Betätigung im Betrieb zu unterlassen.“150

142 143 144 145 146 147 148 149 150

Flatow/Kahn-Freund, § 1 BRG 1920 Anm. 4. Flatow/Kahn-Freund, § 66 BRG 1920 Nr. 3 Anm. 3. Husemann, Verbot, S. 68. Hofmann, Betätigung, S. 33. Rüthers, AuR 1970, 97 (101). Hueck-Nipperdey-Dietz/Dietz, § 36 AOG Rn. 18. Rüthers, AuR 1970, 97 (100). Rüthers, AuR 1970, 97 (100). Abgedruckt in BGbl. Nr. 43 v. 14. 10. 1952, S. 687.

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Auffällig im Vergleich zur vorigen Rechtslage ist bereits, dass der Gesetzgeber es für angezeigt hielt, die parteipolitische Betätigung gesondert mit einem eigenständigen Verbotstatbestand zu belegen und nicht wie im BRG 1920 deren Erfassung über eine Generalklausel wie die Erschütterung des Betriebs zu ermöglichen. § 51 Satz 2 BetrVG 1952 stellt damit die erste Vorschrift dar, die ein ausdrückliches Verbot der Parteipolitik im Betrieb für Arbeitgeber und Betriebsrat statuierte.151 Zum Verbot in § 51 Satz 2 BetrVG 1952 führte die Begründung des Ausschusses für Arbeit einzig aus, dass jede Beeinträchtigung des Betriebsfriedens durch parteipolitische Einflüsse vermieden werden sollte.152 Im Einklang mit dieser Ausführung in der Ausschussbegründung gingen Rechtsprechung153 und herrschende Literatur154 zu § 51 Satz 2 BetrVG 1952 vom Schutz des Betriebsfriedens als Zweck der Vorschrift aus. Für das Schutzgut des Betriebsfriedens wurde bereits bei § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG eine individualschützende Komponente für die Interessen des Arbeitgebers nachgewiesen. § 51 Satz 2 BetrVG 1952 kann daher als die Interessen des Arbeitgebers schützende Vorschrift eingeordnet werden. Zum Teil divergierende Stellungnahmen aus der Literatur sollen hier noch ausgespart bleiben, sie können später im Rahmen der teleologischen Auslegung berücksichtigt werden. Bei der Reform des BetrVG 1972 sah der Gesetzesentwurf, den das SPD geführte Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung vorlegte, zuerst kein Verbot parteipolitischer Betätigung im Betrieb mehr vor.155 Das zuvor in § 51 Satz 2 BetrVG 1952 aufgestellte Verbot sollte nicht mehr aufgenommen werden.156 Hiermit war nach der Konzeption des Regierungsentwurfs jedoch kein ersatzloser Wegfall des Verbots mit völliger parteipolitischer Betätigungsfreiheit für Arbeitgeber und Betriebsrat verbunden. Stattdessen sollten politische Betätigungen als Unterfall der Beeinträchtigungen von Arbeitsablauf oder dem Frieden des Betriebs in § 74 Abs. 2 des Regierungsentwurfs erfasst werden.157 Im Unterschied zur bisherigen Rechtslage nach § 51 Satz 2 BetrVG 1952 sollte es sich jedoch nicht mehr um ein abstraktes, von konkreten Beeinträchtigungen des Arbeitsablaufs und Betriebsfriedens unabhängiges Verbot handeln. Stattdessen war nun nach der Konzeption des Regierungsentwurfs eine konkrete Beeinträchtigung von Arbeitsablauf bzw. Betriebsfrieden Voraussetzung des Verstoßes. Das grundsätzliche Verbot parteipolitischer Betätigung wäre hierdurch abgeschwächt worden.158 151

Rüttgers, S. 3 ff. Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit, BT-Drs. 1/3585, S. 10. 153 BAG v. 4. 5. 1955, 1 ABR 4/53, BAGE 1, 359 (363). 154 O. Radke, BB 1957, 1112 (1113); Rüthers, BB 1958, 778 (778 f.); Diekhoff, AuR 1958, 238 (238); Bäumer, AuR 1960, 225 (225); Richardi, NJW 1962, 1374 (1374); Hacker, DB 1963, 962 (962); Behnes, S. 10; kritisch Säcker, DB 1967, 2072 (2075 f.). 155 Abgedruckt in RdA 1970, 357 ff. 156 Abgedruckt in RdA 1970, 357 (370). 157 Abgedruckt in RdA 1971, 33 (35). 158 Vgl. Galperin, BB 1971, 137 (139). 152

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In der Begründung des Gesetzesentwurfs wird von der Bundesregierung zur Streichung des eigenständigen abstrakten Verbots aus § 51 Satz 2 BetrVG 1952 ausgeführt, dass hieraus nicht auf eine Absicht ihrerseits zu schließen sei, die Betriebe künftig als bevorzugtes Feld politischer Auseinandersetzungen anzusehen. Vielmehr liege die Funktion der Betriebe auch weiterhin in erster Linie in der Erfüllung der Betriebszwecke im Rahmen eines geordneten Arbeitsablaufs.159 Veranlassung für die Bundesregierung zur Streichung des unter dem BetrVG 1952 geltenden Verbots parteipolitischer Betätigung war dessen Unvereinbarkeit mit der Lebenswirklichkeit und die mit ihm verbundenen nachteiligen Auswirkungen auf die legitimen Wirkungsmöglichkeiten der demokratischen Parteien.160 Nachdem der Entwurf an den Bundesrat weitergeleitet wurde, machte sich dieser auf Drängen der Länder Rheinland-Pfalz und Bayern wieder für einen Erhalt des abstrakten Verbots parteipolitischer Betätigung zur Schaffung einer auch für die Praxis eindeutigen Regelung stark.161 Die Bundesregierung lehnte diese Stellungnahme des Bundesrats zur Wiederaufnahme des Verbots parteipolitischer Betätigung in der folgenden Gegenäußerung mit der Begründung ab, dass der vom Bundesrat gemachte Änderungsvorschlag die gesamte Konzeption des Entwufs beeinträchtige.162 Nach der ersten Lesung des Gesetzesentwurfs im Bundestag wurde federführend der Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung mit dem Gesetzesvorhaben befasst.163 Dieser stellte nach Anhörung verschiedener Sachverständiger das ursprüngliche Verbot parteipolitischer Betätigung mit der Erwägung wieder her, „daß es im Interesse des Betriebsfriedens und der Zusammenarbeit im Betrieb vorzuziehen ist, parteipolitische Betätigungen von Arbeitgeber und Betriebsrat nicht zuzulassen“.164 Eine Änderung im Vergleich zu § 51 Satz 2 BetrVG 1952 sollte nach Ansicht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung nur insoweit erfolgen, „daß wegen der generellen Aufgabenstellung des Betriebsrats, die Interessen der Arbeitnehmer des Betriebes zu vertreten, ihm nicht verwehrt werden dürfe, Angelegenheiten tarifpolitischer, sozialpolitischer und wirtschaftlicher Art, die den Betrieb oder seine Arbeitnehmer unmittelbar betreffen, zu behandeln“.165 Konsequenz aus dieser Annahme war die Einfügung eines zweiten Halbsatzes in § 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG, der die genannten Angelegenheiten gesondert erwähnte. Der Ausschuss schlug damit vor, § 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG die Fassung zu geben, die dem heutigen Gesetzes159

BT-Drs. 6/1786, S. 33. BT-Drs. 6/1786, S. 33. 161 Vgl. Husemann, Verbot, S. 80 f. mit ausführlichen Nachweisen zu den divergierenden Vorschlägen in den Ausschüssen. 162 Zu BT-Drs. 6/1786, S. 2. 163 Deutscher Bundestag, 101. Sitzung, Bonn, 11. Februar 1971, Plenarprotokoll, S. 5803 (5897). 164 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu BT-Drs. 6/2729, S. 10. 165 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu BT-Drs. 6/2729, S. 10. 160

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wortlaut – mit Ausnahme des später eingefügten Worts „umweltpolitische“ – entspricht.166 Die hiermit verbundene Wiederaufnahme des eigenständigen Verbots parteipolitischer Betätigung in das BetrVG 1972 wurde sodann vom Bundestag167 und Bundesrat als Teil des BetrVG 1972 beschlossen.168 Ebenso wie das BetrVG 1952 enthielt das BetrVG 1972 damit ein eigenständiges Verbot parteipolitischer Betätigung. Änderungen zur bisherigen Rechtslage sind mangels Übernahme der abweichenden Konzeption des Regierungsentwurfs mit dem BetrVG 1972 nicht eingetreten, vielmehr blieb das Verbot der parteipolitischen Betätigung im Interesse des Betriebsfriedens im Anschluss an § 51 Satz 2 BetrVG – mit Ausnahme des neu eingefügten zweiten Halbsatzes – inhaltsgleich bestehen. § 74 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BetrVG 1972 kann daher ebenso wie § 51 Satz 2 BetrVG als den Betriebsfrieden und damit auch die Interessen des Arbeitgebers schützende Vorschrift eingeordnet werden. Bei der letzten Reform des BetrVG im Jahr 2001 wurde am Verbotstatbestand in § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG nichts geändert, einzig der Katalog in § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 BetrVG wurde um Angelegenheiten umweltpolitischer Art erweitert.169 Die Entstehungsgeschichte des § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG weist damit auf den Schutz des Betriebsfriedens als Schutzzweck der Vorschrift hin. Mit dem zu § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG gefundenen Ergebnis, das der Betriebsfrieden ein auf den Schutz des Arbeitgebers abzielendes Schutzgut ist und diesem ein subjektives Recht des Arbeitgebers entspricht, kann bei historischer Betrachtung auch für § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG ebenso von der Existenz eines subjektiven Rechts des Arbeitgebers ausgegangen werden. Scheint auf den ersten Blick nach Darstellung der Systematik und der Gesetzgebungsgeschichte der Schutz des Betriebsfriedens im Vordergrund des § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG zu stehen, so könnte der Eindruck entstehen, dass sich an das aus der Systematik und der Historie gefundene Zwischenergebnis im Rahmen des teleologischen Auslegungskriteriums zwanglos eine gleiche Bewertung mit gleichem Ergebnis anschließen müsste; § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG damit auch als Schutzzweck der Schutz des Betriebsfriedens zugewiesen wird. Trotz der Äußerungen im Gesetzgebungsverfahren sind die mit § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG verfolgten Schutzzwecke jedoch immer noch umstritten. So wird z. B. die inhaltliche Übernahme des Verbots in § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG nicht als Stellungnahme zu den unter dem BetrvG 1952 entstandenen Auslegungskontroversen zum Schutzzweck der Norm verstanden.170 Es muss daher auch zur Über166

Vgl. BT-Drs. 6/2729, S. 33. Deutscher Bundestag, 150. Sitzung, Bonn, 10. November 1971, Plenarprotokoll, S. 8585 (8675). 168 BR-Drs. 708/71. 169 Vgl. GK-BetrVG/Kreutz, § 74 BetrVG Rn. 4. 170 Derleder, AuR 1988, 17 (19). 167

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4. Kap.: Die Untersuchung der einzelnen Vorschriften

prüfung der mittels systematischer und teleologischer Auslegung gefundenen Zwischenergebnisse abschließend der Schutzzweck des § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG bestimmt werden. Um diesen existiert seit Einführung des § 51 Satz 2 BetrVG 1952 Streit. So sah damals und sieht heute die herrschende Meinung den Sinn und Zweck des § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG im Schutz des Betriebsfriedens.171 Dieser Schutzzweck des § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG ist unstrittig. Streit besteht dagegen darüber, ob über den Schutz des Betriebsfriedens noch weitere Schutzzwecke für § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG anerkannt werden können. Die Diskussion um die potenziellen weiteren Schutzzwecke des § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG ist für diese Arbeit relevant, weil ein subjektives Recht des Arbeitgebers als Auslöser für den Unterlassungsanspruch eine Verfolgung menschlicher Interessen voraussetzt. Sollten die anderen Schutzzwecke dagegen allein objektiver Natur sein, könnte es ihretwegen an der Voraussetzung des Interessenschutzes fehlen. Als erster weiterer Schutzzweck wurde bereits in der Literatur zu § 51 Satz 2 BetrVG 1952172 und wird in der Rechtsprechung und Literatur zu § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG auch noch heute vertreten, dass § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG der Sicherung der parteipolitischen Neutralität des Betriebsrats dienen soll.173 Das abstrakte Verbot solle zwar nicht eine „keimfreie Atmosphäre“ im Betrieb schaffen174 bzw. im Betrieb zu einem „politischen Vakuum“ führen.175 Jedoch sollen nach dieser Meinung Gefahren einer Polarisierung abgewehrt werden, durch die die Zusammenarbeit der Beschäftigten und das Betriebsklima beeinträchtigt werden könnten.176 Aus dem Betrieb müsse der Meinungsstreit einzelner Gruppie171 Vgl. zu § 51 BetrVG 1952 die Nachweise in Fn. 153 und Fn. 154; zu § 74 Abs. 2 S. 3 Hs. 1 BetrVG nur GK-BetrVG/Kreutz, § 74 BetrVG Rn. 98; WPK/Preis, § 74 BetrVG Rn. 18; FESTL, § 74 BetrVG Rn. 37; Bohn, SAE 1979, 67 (69); Mummenhoff, DB 1981, 2539 (2540); Berg, in: FS Gnade, S. 215 (219); Peterek, in: FS Stege, S. 71 (82); Schöne, SAE 2011, 184 (185); Husemann, Verbot, S. 195 f.; ders., Anm. AP BetrVG 1972 § 74 Nr. 12 unter 4. a); F. Gamillscheg, KollArbR, Bd. 2, S. 707; H. Bauer, S. 148. 172 Richardi, NJW 1962, 1374 (1374); Säcker, DB 1967, 2072 (2075); Behnes, S. 10; i.E. auch Bäumer, AuR 1960, 225 (225 f.). 173 BAG v. 13. 9. 1977, 1 ABR 67/75, AP BetrVG 1972 § 42 Nr. 1 unter B. 2. a); v. 21. 2. 1978, 1 ABR 54/76, AP BetrVG 1972 § 74 Nr. 1 unter II. 2. a) cc); v. 12. 6. 1986, 6 ABR 67/84, AP BetrVG 1972 § 74 Nr. 5 unter II. a); Buchner, AG 1971, 139 (140); Blomeyer, ZfA 1972, 85 (120); Oetker, BlStSozArbR 1983, 321 (322); Sowka/Krichel, DB Beilage Nr. 11/89, S. 2 (5); Franzen, ZfA 2001, 423 (441); Wiese, NZA 2012, 1(6); Niklas, DB 2013, 1665 (1665); i.E. auch Schöne, SAE 2011, 184 (186); für vorrangige Berücksichtigung des Betriebsfriedens und weniger als Ausfluss der Neutralitätspflicht Kreutz, BlStSozArbR 1972, 44 (49); vgl. auch noch Thiele, PersV 1993, 433 (434) zur parteipolitischen Neutralität als Schutzzweck des § 67 Abs. 1 S. 3 BPersVG. 174 Hacker, DB 1963, 962 (964). 175 Formulierung nach Pauly, JuS 1978, 163 (166). 176 Krause, JA 2011, 708 (708); Schöne, SAE 2011, 184 (185).

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rungen im Interesse einer notwendigen Zusammenarbeit herausgehalten werden.177 Provozierende Äußerungen parteipolitischer Natur durch Arbeitgeber oder Betriebsrat seien erfahrungsgemäß geeignet, als Herausforderung aufgefasst zu werden.178 Die parteipolitische Neutralität sei im Betrieb auch deshalb einzuhalten, weil die Arbeitnehmer des Betriebes im Kollektiv der Arbeitnehmerschaft, dem sie sich nicht entziehen könnten, in ihrer Meinungs- und Wahlfreiheit als Staatsbürger nicht beeinflußt werden sollten.179 Parteipolitik sei daher aus dem Betrieb herauszuhalten.180 Für die Sicherung der parteipolitischen Neutralität wird auch noch eine enge Verbindung des Verbots parteipolitischer Betätigung zum Gleichbehandlungsgebot in § 75 Abs. 1 BetrVG geltend gemacht.181 Der behauptete Schutzzweck der parteipolitischen Neutralität zum Schutz der negativen Meinungsfreiheit der Arbeitnehmer bei § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG unterscheidet sich von der soeben bei § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG erörterten Pflicht des Betriebsrats zur gewerkschaftsneutralen Amtsführung insofern, als dass die parteipolitische Neutralität der negativen Informationsfreiheit der Arbeitnehmer dienen soll,182 während die Pflicht zur gewerkschaftsneutralen Amtsführung als der Arbeitskampffreiheit des Arbeitgebers dienend eingeordnet wurde.183 Die geschützten Interessen divergieren daher: Die Pflicht zur gewerkschaftsneutralen Amtsführung konnte als den Arbeitgeber schützend eingeordnet werden. Dagegen ist die für § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG vorgeschlagene Pflicht zur parteipolitischen Neutralität allein auf den Schutz der Interessen der Arbeitnehmer beschränkt.184 Mangels Gleichlauf der beiden auf Neutralität des Betriebsrats abzielenden Schutzzwecke kann daher nicht von der Anerkennung einer Pflicht zur gewerkschaftsneutralen Amtsführung in § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG automatisch auch für § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG von der Existenz eines zweiten Schutzzwecks in Form der parteipolitischen Neutralität ausgegangen werden. Ein solcher, vom Betriebsfrieden losgelöster, zweiter Schutzzweck ist für § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG jedoch nicht anzuerkennen. Der Herleitung des zweiten Schutzzwecks der parteipolitischen Neutralität wird nicht zu Unrecht vorgeworfen, von einer bestimmten, vorgefassten gesellschafts177

Kissel, NZA 1988, 145 (148). Pauly, JuS 1978, 163 (167). 179 BAG v. 13. 9. 1977, 1 ABR 67/75, AP BetrVG 1972 § 42 Nr. 1 unter B. 2. a); M. Löwisch, DB 1976, 676 (676); Weitnauer, SAE 1978, 131 (132); Bohn, SAE 1979, 67 (68); Mummenhoff, DB 1981, 2539 (2540); Krause, JA 2011, 708 (708); Weißmüller, S. 36 ff. 180 v. Hoyningen-Huene/Hofmann, BB 1984, 1050 (1051); vgl. bereits zu § 51 S. 2 BetrVG Behnes, S. 24. 181 Richardi/Richardi/Maschmann, § 74 BetrVG Rn. 58 f.; Germelmann, Betriebsfrieden, S. 83 f.; offen gelassen von BAG v. 12. 6. 1986, 6 ABR 67/84, AP BetrVG 1972 § 74 Nr. 5 unter II. a). 182 Zutreffend Hanau, Anm. EzA § 45 BetrVG 1972 Nr. 1, S. 15 (20). 183 s. o. 4. Kapitel A. III. 1. a). 184 Zutreffend Oetker, BlStSozArbR 1983, 321 (324). 178

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4. Kap.: Die Untersuchung der einzelnen Vorschriften

politischen Grundannahme auszugehen und daran die Schutzzweckermittlung bei § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG auszurichten. Die Ansicht basiert auf der Idee, dass es einzelne Lebensbereiche gibt bzw. wünschenswerterweise geben sollte, die politikfrei sein müssen.185 Die Aussperrung der politischen Willens- und Meinungsbildung aus einzelnen Lebensbereichen ist jedoch wegen der wertsetzenden Bedeutung des Art. 5 Abs. 1 GG für den freiheitlichen demokratischen Staat186 bedenklich.187 Gerade der Betrieb ist kein politikfreier Raum.188 Zuzugeben ist der für die parteipolitische Neutralität als zweiten Schutzzweck des § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG eintretenden Ansicht zwar, dass das BVerfG sich in einer Entscheidung, in der es sich unter anderem mit der Verfassungsmäßigkeit des § 74 Abs. 2 BetrVG als Art. 5 Abs. 1 GG einschränkendes Gesetz beschäftigte, die Vorschrift als allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG einordnete und die Tür zur Findung weiterer Schutzzwecke neben dem Betriebsfrieden offen gelassen hat. Das BVerfG sah den Schutzzweck der Vorschrift gerade nur „vornehmlich“ in der Gewährleistung des Betriebsfriedens.189 Positiv hat sich das BVerfG zu weiteren Schutzzwecken bei § 74 Abs. 2 BetrVG zwar nicht geäußert, durch den nur vornehmlich gewährleisteten Betriebsfrieden werden diese aber gerade auch nicht ausgeschlossen.190 In diesem Zusammenhang sind jedoch die später ergangene „Benetton“191- und die „Fraport“-Entscheidung192 des BVerfG von Bedeutung.193 In der „Benetton“-Entscheidung führt das BVerfG aus, das „ein vom Elend der Welt unbeschwertes Gemüt des Bürgers“ kein Belang ist, zu dessen Schutz der Staat Grundrechtspositionen einschränken darf.194 In der Fraport-Entscheidung erklärt das BVerfG dann in Folge der in der „Benetton“-Entscheidung geäußerten Position Belästigungen Dritter, die in der Konfrontation mit unliebsamen Themen liegen, für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung für unerheblich.195 Zumindest aus der „Fraport“-Entscheidung kann für die Interpretation des § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG der Schluss gezogen werden, dass der Schutz der Arbeitnehmer davor, nicht mit (partei-)politischen Äußerungen konfrontiert zu werden, verfassungsrechtlich unerheblich ist. Eine sogenannte negative Meinungsfreiheit gerichtet auf NichtKonfrontation mit abweichenden Meinungen kann es daher so nicht geben.196 185

Rüttgers, S. 16 unter Bezugnahme auf Bäumer, AuR 1960, 225 (225) sowie Halberstadt, BUV 1972, 82 (84). 186 Vgl. nur BVerfG v. 15. 1. 1958, 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198 (208 f.). 187 So Rüttgers, S. 22 f. 188 Söllner, in: FS Herschel, S. 389 (400). 189 BVerfG v. 28. 4. 1976, 1 BvR 71/73, AP BetrVG 1972 § 74 Nr. 2 unter B. II. 1. 190 Insofern zutreffend Hanau, Anm. EzA § 45 BetrVG 1972 Nr. 1, S. 15 (20). 191 BVerfG v. 12. 12. 2000, 1 BvR 1762/95 u. 1 BvR 1787/95, NJW 2001, 591. 192 BVerfG v. 22. 2. 2011, 1 BvR 699/06, NJW 2011, 1201. 193 Zutreffend Preis, SR 2014, 32 (35). 194 BVerfG v. 12. 12. 2000, 1 BvR 1762/95 u. 1 BvR 1787/95, NJW 2001, 591 (592 f.). 195 BVerfG v. 22. 2. 2011, 1 BvR 699/06, NJW 2011, 1201 (1208). 196 Ausf. Husemann, Verbot, S. 170, 203; zustimmend Preis, SR 2014, 32 (35).

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Mangels verfassungsrechtlicher Relevanz einer Freiheit vor Konfrontation mit parteipolitischen Stellungnahmen fehlt es den sich für den zweiten Schutzzweck aussprechenden Ansichten an einem Rechtsgut, das Vorrang vor der Meinungsfreiheit erlangen könnte. Über die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Konstruktion einer Pflicht zur parteipolitischen Neutralität überzeugen auch noch die auf der Ebene des einfachen Rechts vorgebrachten Argumente für diese Auffassung nicht. So spricht zuerst gegen die behauptete enge Verknüpfung des § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrvG mit § 75 Abs. 1 BetrVG die mit der Reform des BetrVG 1972 geänderte äußere Systematik des Gesetzes. Während das Verbot parteipolitischer Betätigung im BetrVG 1952 noch in einer Vorschrift mit dem Gleichbehandlungsgebot in § 51 Satz 1 und Satz 2 BetrVG 1952 stand, hat sich der Gesetzgeber des BetrVG 1972 dafür entschieden, das Verbot parteipolitischer Betätigung gesondert in § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG anzuordnen. So liegt es nahe, wegen der systematischen Neuanordnung des Verbots der parteipolitischen Betätigung in einer Vorschrift mit dem Verbot der Beeinträchtigung von Arbeitsablauf und Betriebsfrieden und eben nicht mehr in einer Vorschrift mit dem Gleichbehandlungsgebot spätestens mit Erlass des BetrVG 1972 § 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG als Unterfall des § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG einzuordnen.197 Richardi und Maschmann wenden dagegen zwar ein, dass zwischen § 75 Abs. 1 BetrVG und § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG immer noch ein innerer Zusammenhang bestehe und es sich bei der Anordung in § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG um eine rein zufällige Auswirkung der Gesetzgebungsarbeiten in der Reform 1972 handele.198 Ein Nachweis für die „Zufälligkeit“ der Anordnung fehlt dagegen. Vielmehr wird entgegengesetzt gerade auch angenommen, dass es sich bei der vom Gesetzgeber veranlassten Verschiebung des systematischen Standorts des Verbots parteipolitischer Betätigung um einen Fingerzeig in Richtung der bereits unter dem BetrVG 1952 vorherrschenden Meinung handelt, die das Verbot allein als Ausprägung der betrieblichen Friedenspflicht begriff.199 Der innere Zusammenhang, den Richardi und Maschmann schlicht behaupten, lässt sich daher mit ebenso beachtlichen Argumenten historischer Natur bezweifeln. Gegen einen solchen inhaltlichen Zusammenhang sprechen jedoch die unterschiedliche Überschriften der Vorschriften: Während § 74 BetrVG Grundsätze für die Zusammenarbeit, d. h. primär das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat betrifft, wendet sich § 75 BetrVG seiner Überschrift nach den Grundsätzen über die Behandlung der Betriebsangehörigen zu. § 75 BetrVG hat damit im Grundsatz eine Drittdimension, die § 74 BetrVG nicht beikommt. Nur nachgeordnet ist dagegen bei § 75 Abs. 1 BetrVG die Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.200 Gegen einen vom Schutz des Betriebsfriedens losgelösten zweiten 197

S. 16. 198 199 200

Vgl. Kreutz, BlStSozArbR 1972, 44 (49 f.); Zachert, AuR 1978, 222 (224); Rüttgers, Richardi/Richardi/Maschmann, § 74 BetrVG Rn. 58. Vgl. Hofmann, Verbot, S. 43 m.w.N. s. dazu noch unter 4. Kapitel A. III. 1. d).

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4. Kap.: Die Untersuchung der einzelnen Vorschriften

Schutzzweck der Wahrung parteipolitischer Neutralität spricht in historischer Hinsicht zudem, dass es dem Gesetzgeber bei der Reform des BetrVG 1972 gerade nicht darauf ankam, die Betriebe politisch zu neutralisieren.201 Dem schriftlichen Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ist für die Wiedereinführung des Verbots einzig der Schutz des Betriebsfriedens zu entnehmen.202 Gegen eine Neutralisierung und die damit verbundene Erstickung jeglicher Erörterung von Politik im Betrieb spricht außerdem der mit der Reform des BetrVG 1972 neu eingeführte § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 BetrVG, der für die dort genannten (politischen) Angelegenheiten gerade eine Erleichterung gegenüber dem Verbot in § 51 Satz 2 BetrVG 1952 vorsieht. Selbst unterstellt, dass das Verbot parteipolitischer Betätigung in § 51 Satz 2 BetrVG auf parteipolitische Neutralität abzielte, kann die Auflockerung in § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 BetrVG im Jahr 1972 bei der Zweckermittlung nicht außer Acht bleiben. Die Anreicherung des Verbots parteipolitischer Betätigung um eine strikte parteipolitische Neutralitätspflicht negiert gerade die vom Gesetzgeber in § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 BetrVG getroffene Wertentscheidung für die Erörterung der dort genannten Angelegenheiten bei unmittelbaren Bezug zum Betrieb.203 Auch über den abgelehnten Zusammenhang zwischen § 75 Abs. 1 BetrVG und § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG hinaus kann die Annahme eines zweiten vom Schutz des Betriebsfriedens losgelösten Schutzzwecks der strikten parteipolitischen Neutralität zum Schutz der negativen Meinungs- und Informationsfreiheit der Arbeitnehmer in § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG nicht überzeugend begründet werden. Gegen einen Zusammenhang zur negativen Meinungsfreiheit des einzelnen Arbeitnehmers spricht in systematischer Hinsicht ebenfalls die aus der Überschrift des § 74 BetrVG hervorgehende Beschränkung der Vorschrift auf Grundsätze für die Zusammenarbeit. Zusammenarbeit meint nach dem Konzept des BetrVG eine vertrauensvolle Zusammenarbeit im Sinne des § 2 Abs. 1 BetrVG. Deren Adressaten sind aber einzig der Betriebsrat und der Arbeitgeber. § 74 BetrVG gestaltet damit einzig das vertikale Verhältnis zwischen den beiden Betriebspartnern aus. Eine horizontale Drittwirkung mit Pflichten gegenüber den Arbeitnehmern des Betriebs existiert dagegen für § 74 BetrVG nicht. Eine solche findet sich vielmehr speziell in § 75 Abs. 1 BetrVG angeordnet.204 Mangels drittschützender Natur des § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG ist dann aber auch die negative Meinungs- und Informationsfreiheit der Arbeitnehmer als von der Vorschrift nicht erfasster Dritter nicht Regelungsgegenstand des § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG. Auch der Gesetzgebungsgeschichte lässt sich – im Gegensatz zum Schutz des Betriebsfriedens – kein Hinweis auf einen zweiten Schutzzweck der negativen Meinungsfreiheit der Arbeitnehmer entnehmen. 201 202

S. 10. 203 204

Rüttgers, S. 23; Husemann, Verbot, S. 203. Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu BT-Drs. 6/2729, So auch Hofmann, Verbot, S. 44. Vgl. Richardi/Richardi/Maschmann, § 75 BetrVG Rn. 1.

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Im Ergebnis ist damit die Auffassung, die dem Verbot parteipolitischer Betätigung nach § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG auch noch einen zweiten Schutzzweck der strikten parteipolitischen Neutralität beimisst, sowohl aus der Warte des Verfassungs- als auch des einfachen Betriebsverfassungsrechts abzulehnen. Als weiterer, sozusagen dritter, Schutzzweck des § 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG wird in der Literatur auch noch die Verhinderung von Amtsmissbrauch durch den Betriebsrat angesehen.205 Es steht den Betriebspartnern auch nach dieser Ansicht frei, privat oder öffentlich ihre Meinung zu äußern, jedoch dürfen sie dabei nicht ihre Machtstellung im Betrieb ausnutzen.206 Eine solche Amtsmissbrauchsdoktrin wird auch beim § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG vergleichbaren § 67 Abs. 1 Satz 3 BPersVG vertreten.207 Das Amt verleihe zusätzliches Gewicht.208 Ein mit diesem zusätzlichen Gewicht verbundener Machtmissbrauch solle daher nach § 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG ebenfalls verhindert werden. Die Annahme, dass das Verbot parteipolitischer Betätigung als eigenständigen Zweck auch einen Amtsmissbrauch durch den Betriebsrat und seine Mitglieder verhindern soll, kann jedoch ebenfalls nicht überzeugen. So erscheint es in Ermangelung verwertbarer empirischer Ergebnisse bereits äußerst zweifelhaft, warum eine vom Betriebsrat bzw. seinen Mitgliedern ausgesprochene Empfehlung automatisch mit einer gesteigerten Autorität und einem damit zusammenhängenden Druck auf die Belegschaft verbunden sein soll. Auch Betriebsräte sind – wie der Gesetzgeber in § 23 Abs. 1 BetrVG anerkennt – nicht frei von Fehl und Tadel. Dies dürfte auch den Arbeitnehmern der Belegschaft bekannt sein. Diese sind im Fall des § 23 Abs. 1 BetrVG auch bei Zusammenschluss eines Viertels der Wahlberechtigten antragsbefugt und können sich daher in diesem Fall parteipolitischer Stellungnahmen des Betriebsrats oder einzelner Betriebsratsmitglieder erwehren. In diesem Sinne gilt es auch zu beachten, dass sich nur aus der Übernahme des Betriebsratsamtes noch keine Richtigkeitsgewähr einer vom Betriebsrat vertretenen Meinung ergibt.209 Gegen einen eigenständigen Schutzzweck der Verhinderung von Machtbzw. Amtsmissbrauch neben dem Schutz des Betriebsfriedens spricht zudem, dass der Betriebsfriedensschutz bereits alle Fälle des Machtmissbrauchs durch den Betriebsrat erfassen kann. Die parteipolitische Stellungnahme unter Verstoß gegen § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG und unter Ausnutzung des ihm verliehenen Amts stellt sich für den Betriebsrat mangels diesem verliehenen allgemeinpolitischen 205

Rüttgers, S. 24 f.; Hanau, Anm. EzA § 45 BetrVG 1972 Nr. 1, S. 15 (20); Preis, SR 2014, 32 (36); ähnlich auch noch Bauer/Willemsen, NZA 2010, 1089 (1091) nach denen angesichts des „Amtsbonus“ des Betriebsrats eine Indoktrination der Arbeitnehmer droht; so schon vorher Schmitt, S. 20. 206 Hanau, Anm. EzA § 45 BetrVG 1972 Nr. 1, S. 15 (20); so bereits zu § 51 S. 2 BetrVG 1952 Behnes, S. 10. 207 Vgl. Richardi/Dörner/Weber/Gräfl, § 67 BPersVG Rn. 40; Thiele, PersV 1993, 433 (434). 208 Thiele, PersV 1993, 433 (434) zu § 67 Abs. 1 S. 3 BPersVG. 209 Derleder, AuR 1988, 17 (24).

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4. Kap.: Die Untersuchung der einzelnen Vorschriften

Mandats als Hineintragen eines nicht unmittelbar im Betriebsgeschehen wurzelnden Konflikts in den Betrieb dar. Ein solcher Konflikttransfer in die betriebliche Sphäre wird bereits über die oben dargestelle formelle Dimension des Betriebsfriedensbegriffs erfasst. Der neue Topos des Machts- bzw. Amtsmissbrauchs trägt zur Lösung dieser Fälle daher gar nichts Neues bei, die mit ihm avisierten Verhaltensweisen werden vollumfänglich über den Schutz des Betriebsfriedens abgedeckt.210 Ein eigenständiger Schutzzweck der Verhinderung von Amts- bzw. Machtsmissbrauch kann daher wegen des bereits einschlägigen Schutzzwecks des Betriebsfriedens nicht anerkannt werden. Neben den bereits behandelten Deutungen wird zu § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG zudem noch vertreten, dass die Vorschrift der Einhaltung der den betriebsverfassungsrechtlichen Organen gesetzten Kompetenzgrenzen diene.211 Bei einer parteipolitischen Betätigung handelten die betriebsverfassungsrechtlichen Organe außerhalb ihrer Aufgabe. So sei die funktionelle Zuständigkeit des Betriebsrats auf die sachlichen Bereiche der ihm zuerkannten Mitwirkungstatbestände begrenzt.212 § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG dient bei dieser Betrachtungsweise der Einhaltung der von Gesetzes wegen vorgegeben Zuständigkeitsordnung. Die Erörterung dieses potentiellen Schutzzwecks des § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG ist für diese Arbeit relevant, weil gerade mit dem Verweis auf die bloße Zuweisung von Kompetenzen und die Verletzung von Kompetenzgrenzen neuerdings die Existenz subjektiv-rechtlicher Positionen des Arbeitgebers bestritten und für eine Abkehr vom Unterlassungsanspruch geworben wird. So wendet z. B. Krause gegen die Existenz eines subjektiven Rechts bei § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG ein, dass die Norm lediglich der Einhaltung von Kompetenzgrenzen diene und mit deren Einhaltung für sich genommen kein subjektives Recht des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat einhergehe.213 Richtig an seiner Auffassung ist sicherlich, dass kompetenzwidriges Verhalten allein noch keine Rechte des Arbeitgebers im Einzelfall verletzen muss.214 Damit ist aber noch nicht gesagt, dass § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG allein Kompetenzgrenzen abstecken soll. Hiergegen spricht bereits die wechselseitige Ausrichtung der Vorschrift durch Benennung von Betriebsrat und Arbeitgeber. Für letzteren ist unbestritten, dass er sich auf (subjektive) Rechte und nicht nur auf Kompetenzen berufen kann. Im Übrigen wurde bereits oben auch die dem Betriebsrat durch die Beteiligungsrechte zugewiesene Position als subjektives Recht qualifiziert. Sowohl Arbeitgeber als auch Betriebsrat kommen damit subjektive Rechte zu, die Kompetenzdoktrin ist bereits aus diesem Grund abzulehnen. Will man entgegen der hier vertretenen Auffassung diesen Schritt nicht gehen, so müsste Krauses Auffassung für ihre Richtigkeit jedoch auch noch den 210

Zutreffend Hofmann, Verbot, S. 51 f. Buchner, ZfA 1982, 49 (61); Oetker, BlStSozArbR 1983, 321 (322); vgl auch noch Krause, JA 2011, 708 (710). 212 Buchner, ZfA 1982, 49 (61). 213 Krause, JA 2011, 708 (710); vgl. noch Raab, Rechtsschutz, S. 98 ff. 214 Wiebauer, BB 2010, 3091 (3095). 211

A. Die Zuweisung subjektiver Rechte in einzelnen Vorschriften

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Nachweis führen, dass die Zuweisung von Kompetenzen und die Einhaltung der Kompetenzgrenzen im Gegensatz zur Zuweisung eines subjektiven Rechts stehen. Sonst könnte nicht von der postulierten Annahme von Kompetenzgrenzen in § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG auf das Fehlen subjektiver Rechte geschlossen werden. Dass jedoch bereits eine Exklusivität von Kompetenzen und subjektiven Rechten nicht existiert, hat Diemert am Beispiel des Innenrechtstreits im Aktienrecht eindrucksvoll aufgezeigt: sowohl subjektives Recht als auch die Kompetenz zeichnen sich durch die Zuweisung eines rechtlichen Könnens an deren Träger aus.215 Sind subjektives Recht und Kompetenz in der Privatrechtsordnung jedoch keine antagonistischen Gegensätze, so ist auch deshalb Krauses Rückschluss von den der Kompetenzzuweisung nur nachgelagerten Kompetenzgrenzen auf die Nichtexistenz eines subjektiven Rechts nicht begründet. Krauses Auffassung kann daher auch aus diesem Grund nicht gefolgt werden. Gegen einen Schutz der „Zuständigkeitsordnung“ des BetrVG durch § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG hat Husemann zudem systematisch überzeugend auf die Trennung der Zuständigkeiten im zweiten Teil des BetrVG in den §§ 50, 58 BetrVG vom im vierten Teil stehenden § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG verwiesen.216 In § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG eine Regelung zur Zuständigkeit des Betriebsrats hineinzuinterpretieren macht dann tatsächlich systematisch kaum Sinn.217 Auch der Historie kann ein solcher Schutzzweck nicht entnommen werden, einzig der Schutz des Betriebsfriedens wurde zur Aufrechterhaltung des Verbots parteipolitischer Betätigung bei der Reform des BetrVG 1972 als gesetzgeberischer Antrieb genannt.218 Eine Deutung des § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG als Kompetenzgrenzen absteckende Vorschrift kann daher nicht überzeugen. Die teleologische Betrachtung hat ergeben, dass mit § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG vom Gesetzgeber als alleiniger Zweck der Schutz des Betriebsfriedens beabsichtigt wird. Weitere, vom Schutz des Betriebsfriedens losgelöste, Schutzzwecke verfolgt § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG dagegen nicht.219 Im Einklang zum zu § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG gefundenen Ergebnis kann dann aber auch § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG als individualschützende Vorschrift verstanden werden kann. Dem Schutz der Interessen des Arbeitgebers müsste dann ebenso wie bei § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG auch beim Verbot parteipolitischer Betätigung die Annahme eines subjektiven Rechts desselben entsprechen, an das sich als Schutzrecht der Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers anschließen muss. Lobinger will dagegen die Unterlassungspflicht aus § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG selbst bei Zustimmung zum Schutz des Betriebsfriedens nicht als Kehrseite 215

Vgl. Diemert, S. 373 ff. Husemann, Verbot, S. 210. 217 Zutreffend daher Husemann, Verbot, S. 210. 218 Husemann, Verbot, S. 210. 219 So auch GK-BetrVG/Kreutz, § 74 BetrVG Rn. 99; DKKW/Berg, § 74 BetrVG Rn. 54; Derleder, AuR 1988, 17 (24); Hofmann, Verbot, S. 52 f.; Husemann, Verbot, S. 212. 216

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4. Kap.: Die Untersuchung der einzelnen Vorschriften

eines subjektiven Rechts der Betriebsparteien begreifen. Vielmehr ordnet er § 74 Abs. 2 BetrVG als ein Beteiligungsrecht ein. Die Verhaltenspflichten in § 74 Abs. 2 BetrVG seien im betrieblichen Gesamtinteresse statuiert, Schutzgut sei die Wahrung der betriebsöffentlichen Ordnung. Wolle der Betriebsrat ein entsprechendes Verhalten unterbinden, ziele das nicht notwendigerweise auf den Schutz eigener Interessen. So müsse z. B. eine Störung des Betriebsfriedens durch den Arbeitgeber ja nicht etwa mit der Behinderung der Betriebsratstätigkeit einhergehen.220 Neben den bereits beim Arbeitskampfsverbot geäußerten Bedenken gegen diese Auffassung und das hinter ihr stehende öffentlich-rechtliche Konzept, welches im dem Privatrecht zugehörigen BetrVG keinen Anklang gefunden hat, kann zum Verbot parteipolitischer Betätigung noch angemerkt werden, dass Lobingers Einordnung des § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG als Beispiel für einen Beteiligungstypus nicht überzeugen kann. Beteiligt wird der Betriebsrat im BetrVG nach dessen systematischer Gesamtkonzeption in sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten. § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG regelt dagegen nach seiner Überschrift Grundsätze über die Zusammenarbeit. Gemeint ist jedwede Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, unabhängig davon, ob ein konkretes Beteiligungsrecht des Betriebsrats in Frage steht. § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG ist damit schon konstruktiv nicht auf die Geltendmachung eines Beteiligungsrechts durch den Betriebsrat beschränkt,221 sondern soll das gesamte Verhalten der Betriebspartner Arbeitgeber und Betriebsrat leiten. Außerdem ist § 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG sowohl an den Betriebsrat als auch den Arbeitgeber gerichtet. Beteiligt am ursprünglich dem Arbeitgeber zustehenden Freiheitsraum wird aber einzig der Betriebsrat. Eine Einordnung als Beteiligungstypus wird damit der auf Gegenseitigkeit basierenden Struktur des § 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG nicht gerecht. Gegen eine Einordnung des § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG als Beteiligungsrecht spricht des Weiteren, dass § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG selbst die Schwelle zur schwächsten Stufe der dem geltenden BetrVG bekannten Beteiligungsrechte in Form der Informations- und Unterrichtungsrechte nicht überspringt. Dort, wo der Gesetzgeber der unternehmerischen Freiheit am stärksten Rechnung tragen wollte, hat er nur Informations- und Unterrichtungsrechte statuiert.222 Eine z. B. § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG vergleichbare Pflicht zur rechtzeitigen und umfassenden Unterrichtung findet sich dagegen in § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG nicht. Dies schließt auch bereits der Regelungsgegenstand der Vorschrift aus, über Parteipolitik soll gerade keine Unterrichtung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber erfolgen, sondern Betätigungen in diesem Sinne sollen nach § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG vielmehr unterbleiben. Neben der nicht überzeugenden Qualifikation des § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG als Beteiligungsrecht kann gegen Lobingers Auffassung eingewandt werden, dass subjektive Rechte nicht nur 220 Lobinger, ZfA 2004, 101 (156 f.); ders., RdA 2011, 76 (80); zustimmend v. KoppenfelsSpies, in: FS Blaurock, S. 213 (220 f.). 221 Vgl. so bereits zu § 74 Abs. 2 S. 2 des Regierungsentwurfs Hanau, BB 1971, 485 (488). 222 Preis, KollArbR, S. 628.

A. Die Zuweisung subjektiver Rechte in einzelnen Vorschriften

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anerkannt werden können, wenn ausschließlich eigene Interessen eines Rechtssubjekts durch die Vorschrift verfolgt werden. Er übersieht hierbei, dass die Frage des Interessenschutzes von der Frage nach der Rechtsträgerschaft bei der Beurteilung einer Vorschrift zu abstrahieren ist. Es müssen lediglich menschliche Interessen durch eine Vorschrift geschützt werden, um dem Kriterium des Interessenschutzes zu genügen.223 Wer zu deren Schutz berechtigt wird, ist dagegen eine Frage der Ausgestaltung der Rechtsträgerschaft durch die Vorschrift. Mangels allgemeinen Erfordernisses des Schutzes nur eigener Interessen zur Anerkennung eines subjektiven Rechts kann daher auch bei § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG nicht mit dem Verweis auf die Wahrnehmung auch fremder Interessen die Existenz eines subjektiven Rechts rundheraus abgelehnt werden. Entgegen der neuen Rechtsprechung des BAG und einzelner Stimmen in der Literatur vermittelt § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG daher dem Arbeitgeber ein subjektives Recht gegen den Betriebsrat. Mit der Zuweisung dieser subjektiven Rechtspositionen geht nach dem Rechtsprinzip der Koinzidenz von Rechtszuweisung und Rechtsschutz auch bei § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG die Anerkennung des Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat als Schutzrecht zum subjektiven Substanzrecht einher. c) Rechtszuweisung bei § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG Abschließend stellt sich auch noch für § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG die Frage nach der Rechtszuweisungsqualität der Vorschrift. Vermittelt § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG dem Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat ein subjektives Recht, so ist mit dieser Rechtszuweisung auch über das sekundäre Schutzrecht in Form des Unterlassungsanspruchs entschieden. Erstes Indiz für den Unterlassungsanspruch als Schutzrecht eines zugewiesenen subjektiven Rechts ist das Wort „unterlassen“ in § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG. Der Wortlaut der Vorschrift enthält ein ausdrückliches Unterlassungsgebot für Arbeitgeber und Betriebsrat,224 welches auf einen Unterlassungsanspruch und das mit ihm verteidigte subjektive Recht schließen lässt. Auch bei § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG kann sowohl für den Arbeitgeber als auch den Betriebsrat aus der Adressatenstellung zwanglos die Anspruchsinhaberschaft gegenüber dem anderen Betriebspartner abgeleitet werden. Auch die Systematik spricht für die Zuweisung eines subjektiven Rechts bei § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG. So konnte bereits für die gegenüber § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG spezielleren § 74 Abs. 2 Satz 1 und § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG die Zuweisung eines subjektiven Rechts an den Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat nachgewiesen werden. § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG als allgemeiner Tatbestand kann dann nicht anders gehandhabt werden. Ebenso wie bei 223

s. o. 4. Kapitel A. I. Wortmann, ArbRB 2011, 212 (213); so bereits zu § 49 Abs. 2 BetrVG 1952 Beer, AuR 1958, 236 (237), Hervorhebung seitens des Verfassers. 224

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4. Kap.: Die Untersuchung der einzelnen Vorschriften

§ 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG sind Schutzgüter des § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG der ungestörte Arbeitsablauf und der Friede des Betriebs. Verletzungen liegen daher nach der herrschenden Meinung insbesondere dann vor, wenn der Betriebsrat und der Arbeitgeber die gegenseitigen Rechte und Pflichten nicht anerkennen.225 Auch die ihm vom Gesetz eingeräumten Befugnisse darf der Betriebsrat nicht überschreiten.226 Einschränkend wird in der Literatur zu § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG zum Teil aus dem Zusammenhang der Vorschrift mit § 2 Abs. 1 BetrVG geschlossen, dass Beeinträchtigungen erst bei unverhältnismäßigen, auf die berechtigten Bedürfnisse der anderen Seite keine Rücksicht mehr nehmenden, Betätigungen denkbar seien.227 Selbst wenn man diese Einschränkung für § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG anerkennt, ist damit in der Frage des Interessenschutzes des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat keine Abweichung zum bisherigen Ergebnis verbunden, vielmehr werden mit der zu einem Verstoß führenden Missachtung der berechtigten Bedürfnisse der anderen Seite gerade die Interessen des einen gegenüber dem anderen Betriebspartner geschützt. Schließlich kann ebenso wie bei den speziellen Vorschriften der §§ 74 Abs. 2 Satz 1 und 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG aus den mit § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG verfolgten Schutzzwecken auf den Schutz der Interessen des Arbeitgebers und die Existenz eines subjektiven Rechts geschlossen werden. Für § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG ergibt sich aus dem Wortlaut eindeutig der Schutz von Arbeitsablauf und Betriebsfrieden als Regelungszweck. Für beide Regelungszwecke ist bereits oben der Interessenschutz des Arbeitgebers und damit zusammenhängend die Existenz subjektiver Rechte nachgewiesen worden.228 Was für § 74 Abs. 2 Satz 1 und § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG gilt, muss auch für den allgemeinen Tatbestand des § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG gelten. Auch § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG ist damit Rechtszuweisungnorm an den Arbeitgeber und vermittelt diesem ein subjektives Recht. Hiermit ist auch über die Frage des Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat positiv entschieden. d) Rechtszuweisung bei § 75 Abs. 1 BetrVG § 75 BetrVG regelt nach seiner Überschrift „Grundsätze für die Behandlung der Betriebsangehörigen“. In § 75 Abs. 1 und § 75 Abs. 2 BetrVG sind zwei verschiedene Pflichten des Betriebsrats aufgestellt, die es streng auseinanderzuhalten gilt.229 Auch diesen beiden Pflichten könnte jeweils ein subjektives Recht des Arbeitgebers gegenüberstehen, zu dessen Schutz nach dem Rechtsprinzip der Koinzidenz von Rechtszuweisung und Rechtsschutz der Unterlassungsanspruch zu gewähren wäre. Begonnen werden soll hier mit § 75 Abs. 1 BetrVG. 225 ArbG Kempten v. 21. 8. 2012, 2 BV 16/12, juris Rz. 27; HWGNRH/Worzalla, § 74 Rn. 39. 226 Vgl. bereits zu § 49 Abs. 2 BetrVG 1952 Groß, RdA 1953, 371 (371). 227 F. Gamillscheg, KollArbR, Bd. 2, S. 703. 228 s. o. 4. Kapitel A. III. 1. a). 229 Evers, S. 57 f.

A. Die Zuweisung subjektiver Rechte in einzelnen Vorschriften

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Die Stellungnahmen in Literatur und Rechtsprechung, die sich mit dem Bestehen eines Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat bei § 75 Abs. 1 BetrVG auseinandersetzen, zeichnen in dieser Frage ein uneinheitliches Bild. Zum Teil wird sowohl für den Betriebsrat als auch für den Arbeitgeber auf Basis von § 75 Abs. 1 BetrVG ein Unterlassungsanspruch angenommen,230 vereinzelt jedoch auch im Verhältnis zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber allein der Betriebsrat als Träger eines Unterlassungsanspruchs angesehen.231 Daneben wird die Existenz eines Unterlassungsanspruchs für den Betriebsrat232 oder sogar für beide Betriebspartner generell abgelehnt.233 Auch die Frage des Bestehens eines subjektiven Rechts des einen gegen den anderen Betriebspartner wird dementsprechend bei § 75 Abs. 1 BetrVG kontrovers diskutiert.234 Letzterer Frage gilt es für den Arbeitgeber nachzugehen, um über das subjektive Substanzrecht das Schutzrecht in Form des negatorischen Unterlassungsanspruchs begründen zu können. Zum Wortlaut des § 75 Abs. 1 BetrVG wird in der einen Unterlassungsanspruch verneinenden instanzgerichtlichen Rechtsprechung mit Verweis auf eine Entscheidung des BAG angenommen, dass die Vorschrift keinen unmittelbar geregelten Unterlassungsanspruch enthalte.235 Dass die ausdrückliche Normierung eines Unterlassungsanspruchs in der maßgeblichen Vorschrift nicht notwendig ist, wird jedoch auch von dieser Auffassung nicht verkannt.236 Problematisch ist jedoch bereits, dass sich die von dieser Auffassung zitierte BAG-Entscheidung gar nicht zu einem Unterlassungsanspruch bereits unmittelbar aus dem Wortlaut des § 75 Abs. 1 BetrVG verhält, die zitierte Passage befasst sich einzig mit dem zu § 75 Abs. 1 BetrVG nicht wortgleichen § 75 Abs. 2 BetrVG.237 Der Rechtsprechung des BAG kann daher für die von § 75 Abs. 2 BetrVG zu trennende Auslegung des § 75 Abs. 1 BetrVG gar nichts entnommen werden. 230 GK-BetrVG/Kreutz, § 75 BetrVG Rn. 149; HaKo-BetrVG/Lorenz, § 75 BetrVG Rn. 59; Wiese, NZA 2006, 1 (4); Fritsch, BB 1992, 701 (707); Peterek, in: FS Stege, S. 71 (85); Scholz, S. 137 f.; wohl auch NK-ArbR/Bodem, § 75 Rn. 10; für einen Unterlassungsanspruch gegen die Betriebsratsmitglieder v. Straelen, S. 141. 231 Haneberg, S. 121 f.; DKKW/Berg, § 75 BetrVG Rn. 15. 232 LAG Nürnberg v. 31. 8. 2005, 6 TaBV 41/05, NZA-RR 2006, 137 (139); LAG Düsseldorf v. 29. 5. 2001, 3 TaBV 14/01, NZA 2001, 908 (910); HWGNRH/Worzalla, § 75 BetrVG Rn. 44; HWK/Reichold, § 75 BetrVG Rn. 1; K. Gamillscheg, Anm. EzA § 87 BetrVG 1972 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 29, S. 17 (21 f.). 233 LAG Sachsen v. 17. 9. 2010, 3 TaBV 2/10, NZA-RR 2011, 72 (74); HWK/Reichold, § 75 BetrVG Rn. 23; AR/Rieble, § 75 BetrVG Rn. 2, 19; F. Gamillscheg, KollArbR, Bd. 2, S. 716; Besgen, BetrVR, S. 300. 234 Für das Bestehen eines subjektiven Rechts: Wiese, NZA 2006, 1 (4); gegen das Bestehen allein für den Arbeitgeber Haneberg, S. 122. 235 LAG Sachsen v. 17. 9. 2010, 3 TaBV 2/10, NZA-RR 2011, 72 (74) unter Verweis auf BAG v. 28. 5. 2002, 1 ABR 32/01, BAGE 101, 216 = NZA 2003, 166. 236 Vgl. LAG Sachsen v. 17. 9. 2010, 3 TaBV 2/10, NZA-RR 2011, 72 (74 f.) in der anschließenden Prüfung eines gesetzlich nicht ausdrücklich geregelten Unterlassungsanspruchs. 237 BAG v. 28. 5. 2002, 1 ABR 32/01, NZA 2003, 166 (169).

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4. Kap.: Die Untersuchung der einzelnen Vorschriften

Der Wortlaut des § 75 Abs. 1 BetrVG muss als Ausgangspunkt der Auslegung eigenständig untersucht werden. § 75 Abs. 1 BetrVG stellt zwar – anders als z. B. § 74 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 BetrVG – keine ausdrückliche Pflicht gerade zur Unterlassung bestimmter Handlungsweisen durch den Arbeitgeber bzw. den Betriebsrat auf. Jedoch haben Arbeitgeber und Betriebsrat darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere dass jede Benachteiligung aus den in § 75 Abs. 1 BetrVG genannten Gründen unterbleibt. Das Unterbleiben jeder Benachteiligung kann als Konkretisierung der Behandlung nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit eingeordnet werden.238 Die Pflicht darüber zu wachen, dass eine Benachteiligung unterbleibt, bedeutet nicht nur, dass Arbeitgeber und Betriebsrat verpflichtet sind, ihr eigenes Verhalten an den Geboten des § 75 Abs. 1 BetrVG auszurichten,239 sondern auch, dass der eine Betriebspartner aufpassen muss, dass der jeweils andere Betriebspartner die Arbeitnehmer nicht durch sein Handeln benachteiligt. Arbeitgeber und Betriebsrat müssen daher gegenseitig darauf hinwirken, dass Benachteiligungen durch den jeweils Anderen unterbleiben. Mit dem Unterbleiben von Benachteiligungen im Sinne des § 75 Abs. 1 Halbsatz 2 BetrVG geht eine Pflicht zum Unterlassen der von § 75 Abs. 1 BetrVG verpönten Verhaltensweisen einher. Daher kann bereits der Wortlaut des § 75 Abs. 1 BetrVG als Indiz für einen Unterlassungsanspruch des einen Betriebspartners gegen den anderen gewertet werden. Für das Bestehen eines subjektiven Rechts spricht mit Blick auf den Wortlaut des § 75 Abs. 1 BetrVG zudem die Benennung des Arbeitgebers als Berechtigter und damit dessen Ansprache gerade als Subjekt eines durch § 75 Abs. 1 BetrVG zugewiesenen Substanzrechts. Arbeitgeber und Betriebsrat werden in § 75 Abs. 1 BetrVG gleichberechtigt als Adressaten der Wächteraufgabe aufgeführt. Ihre Rechtsträgerschaft tritt daher bei § 75 Abs. 1 BetrVG bereits aus dem Normtext klar hervor. Auch das vom anderen Betriebspartner einforderbare Leistungsprogramm ist mit dem Unterlassen jeglicher Benachteiligungen aller im Betrieb tätigen Personen bestimmt. Die Systematik ist in der Frage einer subjektiven Rechtszuweisung bei § 75 Abs. 1 BetrVG wenig ergiebig, zumal kein enger Zusammenhang mehr zum Verbot parteipolitischer Betätigung nach § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG besteht.240 Auch die Historie ist wenig aussagekräftig, § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG wurde 1972 wie gesagt vom Verbot parteipolitischer Betätigung gelöst.

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Richardi/Richardi/Maschmann, § 75 BetrVG Rn. 20. Vgl. BAG v. 16. 3. 1994, 10 AZR 606/93, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 75 unter II. 2. a); WPK/Preis, § 75 BetrVG Rn. 12; Richardi/Richardi/Maschmann, § 75 BetrVG Rn. 4; ErfK/ Kania, § 75 BetrVG Rn. 4. 240 Vgl. auch Kreutz, BlStSozArbR 1972, 44 (49), der gegenüber der früheren Rechtslage im BetrVG 1952 eine „Gewichtsverlagerung“ erkennt. 239

A. Die Zuweisung subjektiver Rechte in einzelnen Vorschriften

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Entscheidend ist damit die teleologische Auslegung des § 75 Abs. 1 BetrVG. Fraglich ist hinsichtlich der Zuweisung eines subjektiven Rechts, ob durch § 75 Abs. 1 BetrVG auch die Interessen des Arbeitgebers geschützt werden sollen oder ob einzig die Interessen der Arbeitnehmer von § 75 Abs. 1 BetrVG in den Blick genommen werden. Sollte letzteres der Fall sein, müsste für die Anerkennung eines subjektiven Rechts des Arbeitgebers ausnahmsweise dieser zur Durchsetzung fremder Interessen berufen sein. § 75 Abs. 1 BetrVG bezweckt die Gewährleistung der Behandlung aller Betriebsangehörigen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit. Damit werden die grundgesetzlichen Wertentscheidungen der Art. 2 Abs. 1, Art. 3 und Art. 9 Abs. 3 GG konkretisiert241 und als verbindliche Leitlinie für Betriebsrat und Arbeitgeber festgeschrieben.242 Der Schutz der Grundrechte der Betriebsangehörigen steht bei § 75 Abs. 1 BetrVG im Vordergrund. § 75 Abs. 1 BetrVG enthält – im Gegensatz zu § 74 Abs. 1 und Abs. 2 BetrVG, die lediglich die horizontale Beziehung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ausgestalten – vor allem für das vertikale Verhältnis der Betriebspartner zu den Arbeitnehmern wesentliche Grundsätze; die Vorschrift hat eine Drittdimension.243 Jedoch ist die Bedeutung des § 75 Abs. 1 BetrVG mit dem Verweis allein auf die Drittdimension der Vorschrift nicht vollkommen erfasst. Stattdessen werden in § 75 Abs. 1 BetrVG auch für das Zusammenwirken zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber Pflichten aufgestellt.244 Recht und Billigkeit sollen nicht nur im Bereich des Handelns des Arbeitgebers oder des Betriebsrats gegenüber den Arbeitnehmern gelten, sondern auch zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat sollen die Grundsätze beachtet werden. Diese Wirkung des § 75 Abs. 1 BetrVG zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zeigt sich bereits mit Blick auf die von der Rechtsprechung unter Rückgriff auf § 75 Abs. 1 BetrVG durchgeführte Rechtskontrolle von Betriebsvereinbarungen.245 § 75 Abs. 1 BetrVG zielt damit neben dem Schutz der Interessen der Arbeitnehmer gerade auch auf die Ausgestaltung des betriebsverfassungsrechtlichen Verhältnisses zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber ab.246 Die Vorschrift richtet sich insofern gerade an die Betriebsparteien und hat kollektiv-rechtlichen Charakter.247 Es werden mit § 75 Abs. 1 BetrVG daher inhaltliche Kriterien für die Zusammenarbeit von Betriebsrat und Arbeitgeber aufgestellt.248 Die Vorschrift will sowohl Arbeitgeber als auch 241

WPK/Preis, § 75 BetrVG Rn. 1. FESTL, § 75 BetrVG Rn. 1. 243 Vgl. Richardi/Richardi/Maschmann, § 75 BetrVG Rn. 1; GK-BetrVG/Kreutz, § 75 BetrVG Rn. 2; ErfK/Kania, § 75 BetrVG Rn. 1; Fritsch, BB 1992, 701 (702). 244 Belling, Haftung, S. 199. 245 Vgl. BAG v. 26. 10. 1994, 10 AZR 482/93, NZA 1995, 266 (267 f.); v. 12. 11. 2002, 1 AZR 58/02, NZA 2003, 1287 (1288 f.). 246 GK-BetrVG/Kreutz, § 75 BetrVG Rn. 4; Wiese, NZA 2006, 1 (4). 247 HaKo-AGG/Hinrichs/Zimmer, § 2 AGG Rn. 215; GK-BetrVG/Kreutz, § 75 BetrVG Rn. 4; WPK/Preis, § 75 BetrVG Rn. 2; HWK/Reichold, § 75 BetrVG Rn. 2; FESTL, § 75 BetrVG Rn. 24. 248 GK-BetrVG/Kreutz, § 75 BetrVG Rn. 2. 242

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4. Kap.: Die Untersuchung der einzelnen Vorschriften

Betriebsrat auf die Einhaltung dieser Ziele verpflichten und garantiert die Einhaltung der Verpflichtungen durch mit diesen korrespondierende Berechtigungen für beide Betriebspartner.249 Über die in der Literatur als Spezifikum für § 75 Abs. 1 BetrVG herausgestellte vertikale Drittdimension darf die horizontale Wirkung des § 75 Abs. 1 BetrVG im Verhältnis Arbeitgeber und Betriebsrat nicht völlig aus dem Blick geraten. Arbeitgeber und Betriebsrat sollten durch § 75 Abs. 1 BetrVG in ihrem Verhältnis vom jeweils anderen Betriebspartner berechtigt werden, von diesem Abhilfe verlangen zu können.250 Der Schutz der Grundrechte ist damit nicht auf das Verhältnis zwischen Betriebsrat bzw. Arbeitgeber und Betriebsangehörigen beschränkt, sondern wird durch § 75 Abs. 1 BetrVG auch im Verhältnis zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber sichergestellt. § 75 Abs. 1 BetrVG kann damit zwar nicht als die Interessen des Arbeitgebers schützende Vorschrift eingeordnet werden. Dies führt jedoch nicht zum Ausschluss eines subjektiven Rechts; für dieses müssen nur überhaupt menschliche Interessen durch die Vorschrift geschützt werden. Ob bei altruistischer Interessenwahrnehmung der Arbeitgeber trotzdem als Inhaber eines subjektiven Rechts angesehen werden kann, bestimmt sich allein danach, ob die maßgebliche Vorschrift ihn als berechtigt zur Wahrnehmung der fremden Interessen ausweist. Diese Voraussetzung ist bei § 75 Abs. 1 BetrVG erfüllt; es wird auch der Arbeitgeber zum Schutz der Interessen des Arbeitnehmers zur Überwachung des Verhaltens des Betriebsrats aufgefordert. Der Gesetzgeber setzt damit bei § 75 Abs. 1 BetrVG ausnahmsweise einen Betriebspartner als kollektiven Beschützer der Grundrechte der Arbeitnehmer ein.251 Auch der Arbeitgeber soll sich bei § 75 Abs. 1 BetrVG schützend vor den Arbeitnehmer stellen können, nicht nur dem Betriebsrat, sondern auch ihm wird durch § 75 Abs. 1 BetrVG ein eigenständiges Überwachungsrecht gewährt. Er wird – wie sich auch bereits aus dem Wortlaut des § 75 Abs. 1 BetrVG ergibt – trotz fehlender eigener Interessen als Berechtigter eingeordnet. Auch teleologisch kann daher trotz fehlenden Eigeninteresses des Arbeitgebers für § 75 Abs. 1 BetrVG wegen des Interessenschutzes der Arbeitnehmer und der mit dem Wächterrecht für den Arbeitgeber hierzu bei § 75 Abs. 1 BetrVG verbundenen Rechtsträgerschaft vom Bestehen eines subjektiven Rechts ausgegangen werden. Haneberg nimmt dagegen an, dass sich die Zuweisung eines subjektiven Rechts an den Arbeitgeber nicht mit dem Normzweck des Schutzes der Rechtspositionen der im Betrieb tätigen Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat vertrage.252 Gleichzeitig will sie aber für den Betriebsrat auf Basis von § 75 Abs. 1 BetrVG ein Überwachungsrecht, mithin ein subjektives Recht, anerkennen.253 Dieser Differenzierung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat in der Frage der Berechtigung 249 250 251 252 253

GK-BetrVG/Kreutz, § 75 BetrVG Rn. 3. Vgl. Wiese, NZA 2006, 1 (4 f.). Vgl. Wiese, NZA 2006, 1 (4 f.). Haneberg, S. 122. Haneberg, S. 102 ff.

A. Die Zuweisung subjektiver Rechte in einzelnen Vorschriften

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durch § 75 Abs. 1 BetrVG kann jedoch im Hinblick auf den Wortlaut des § 75 Abs. 1 BetrVG nicht gefolgt werden. Sowohl der Arbeitgeber als auch der Betriebsrat sind Adressaten der Wächterpflichten. Demnach wird durch § 75 Abs. 1 BetrVG die Überwachung einer nicht Recht und Billigkeit entsprechenden Behandlung gerade auch dem Betriebsrat gegenüber gewährt. Nur durch das für beide Betriebsparteien eröffnete Überwachungsrecht lässt sich im Übrigen der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck, die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer zu schützen, vollumfänglich gewährleisten. Ohne Berechtigung des Arbeitgebers wären die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer Zugriffen durch den Betriebsrat ausgesetzt, die nach dem Sinn und Zweck des § 75 Abs. 1 BetrVG gerade vermieden werden sollen. Außerdem ist der Anwendungsbereich des § 75 Abs. 1 BetrVG nicht auf Handlungen des Arbeitgebers beschränkt. Stattdessen besteht auch bei eigenständigen Handlungen des Betriebsrats ein Anwendungsbereich bei § 75 Abs. 1 BetrVG. Grundsätzlich kann der Betriebsrat nur im Rahmen der ihm eingeräumten Beteiligunsrechte tätig werden. Sein Handlungsbereich ist demnach auf den Rahmen der ihm durch das BetrVG zugewiesenen Rechte begrenzt. Im Rahmen dieser Rechtszuweisung an den Betriebsrat werden jedoch die Grundsätze von Recht und Billigkeit relevant, d. h. der Betriebsrat muss sich bei Ausübung seiner Mitwirkungs- und Mitbestimmungsfunktionen in sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten an diese halten.254 § 75 Abs. 1 BetrVG und das in ihm verankerte Wächterrecht erlauben es gerade jedem der beiden Betriebspartner, beim anderen auf Verstöße gegen die Benachteiligungsverbote hinzuweisen und auf Abhilfe zu dringen.255 Hanebergs Auffassung, die in der Frage der Zuweisung eines subjektiven Rechts durch § 75 Abs. 1 BetrVG zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber differenzieren will, kann daher nicht überzeugen. Teleologisch kann im Übrigen auch nicht überzeugend gegen die Zuweisung eines subjektiven Rechts gerade an den Arbeitgeber durch § 75 Abs. 1 BetrVG vorgebracht werden, dass sich die Vorschrift nicht zu Lasten des Betriebsrats und der Betriebsratsmitglieder auswirken dürfe, da es in der Regel der Arbeitgeber sei, der eine Ungleichbehandlung letztlich zu verantworten habe.256 Vielmehr geht der Gesetzgeber in § 75 Abs. 1 BetrVG gerade davon aus, dass beide Betriebspartner Arbeitnehmer wegen eines der genannten Merkmale benachteiligen können; der Wortlaut der Vorschrift differenziert nicht zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Auch werden Arbeitgeber und Betriebsrat in § 75 Abs. 1 BetrVG nicht zusammen angesprochen sondern – ebenso wie auch in § 2 Abs. 1 und § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG – jeder für sich.257 Im Übrigen handelt es sich bei Arbeitgeber und Betriebsrat um zwei zu trennende Betriebspartner. Eine Zurechnung von Handlungen des Betriebsrats an den Arbeitgeber findet dagegen im Rahmen der Betriebsver254

Riedel, JArbR 14 (1976), 79 (83); Thannheiser, AiB 2006, 298 (298). So auch Besgen, BetrVR, S. 299. 256 So in der Diskussion um die Schutzgesetzqualität des § 75 BetrVG zu Lasten des Betriebsrats und seiner Mitglieder F. Gamillscheg, KollArbR, Bd. 2, S. 715 f. 257 Vgl. GK-BetrVG/Kreutz, § 75 BetrVG Rn. 9; Blomeyer, in: GS Dietz, S. 147 (160); Fritsch, BB 1992, 701 (702). 255

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fassung nicht statt, weder der Betriebsrat noch die ihm angehörigen Mitglieder sind gesetzliche Vertreter, Erfüllungs- oder Verrichtungsgehilfen des Arbeitgebers.258 Die These von der Letztverantwortlichkeit des Arbeitgebers für Ungleichbehandlungen geht über die fehlende Vertretungsmacht völlig hinweg. Bereits deswegen kann ihr nicht gefolgt werden. Schließlich spricht gegen die These, dass eine typische Betrachtung, die auf die regelmäßige Letztverantwortlichkeit des Arbeitgebers abstellt, vom Gesetzgeber in § 75 Abs. 1 BetrVG überhaupt nicht vorgenommen wird. Auch in „atypischen“ Fällen müssen die Grundsätze von Recht und Billigkeit beachtet werden; der Anwendungsbereich des § 75 Abs. 1 BetrVG ist für jegliches Handeln von Arbeitgeber oder Betriebsrat – egal ob eigenständig oder im Verbund – eröffnet. Mit den Überwachungspflichten des § 75 Abs. 1 BetrVG korrespondiert demnach ein subjektives Überwachungsrecht.259 Dieses steht sowohl dem Betriebsrat als auch dem Arbeitgeber zu. Zur Absicherung des subjektiven Überwachungsrechts tritt sowohl für den Betriebsrat als auch den Arbeitgeber der betriebsverfassungsrechtliche Unterlassungsanspruch als Schutzrecht. Auch bei Verstößen gegen § 75 Abs. 1 BetrVG besteht daher ein Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat. e) Rechtszuweisung bei § 75 Abs. 2 BetrVG Nach § 75 Abs. 2 Satz 1 BetrVG haben Arbeitgeber und Betriebsrat die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Darüber hinaus haben sie nach § 75 Abs. 2 Satz 2 BetrVG die Selbständigkeit und Eigeninitiative der Arbeitnehmer und Arbeitsgruppen zu fördern. Zu § 75 Abs. 2 Satz 1 BetrVG hat das BAG bereits entschieden, dass ein Unterlassungsanspruch dort nicht geregelt sei und auch ein gesetzlich nicht ausdrücklich geregelter Unterlassungsanspruch ausscheide, da die Vorschrift keine Rechte der Betriebsparteien untereinander begründe.260 Dies wird in der Literatur jedoch auch anders beurteilt, auch § 75 Abs. 2 BetrVG wird als taugliche Grundlage 258

Vgl. LAG Berlin v. 16. 5. 1978, 9 Sa 141/77, BB 1978, 1671 (1672); GK-BetrVG/ Franzen, § 1 BetrVG Rn. 86; FESTL, § 1 BetrVG Rn. 220; DKKW/Wedde, Einl. BetrVG Rn. 145; Henssler, RdA 1999, 38 (45). 259 GK-BetrVG/Kreutz, § 75 BetrVG Rn. 18; FESTL, § 75 BetrVG Rn. 17; Fritsch, BB 1992, 701 (704); Thannheiser, AiB 2006, 298 (298 f.). 260 BAG v. 28. 5. 2002, 1 ABR 32/01, NZA 2003, 166 (169); LAG Düsseldorf v. 12. 1. 2015, 9 TaBV 51/14, juris Rz. 95 f.; LAG Düsseldorf v. 29. 5. 2001, 3 TaBV 14/01, NZA 2001, 908 (909) sowie NZA 2001, 1398; zustimmend aus der Literatur WPK/Preis, § 75 BetrVG Rn. 61; ErfK/Kania, § 75 BetrVG Rn. 13; HWGNRH/Worzalla, § 75 BetrVG Rn. 44; HWK/Reichold, § 75 BetrVG Rn. 23; AR/Rieble, § 75 BetrVG Rn. 19; Borgmann, NZA 2003, 352 (356); Lobinger, ZfA 2004, 101 (113); Franzen, JURA 2005, 715 (720); K. Gamillscheg, Anm. EzA § 87 BetrVG 1972 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 29, S. 17 (21 f.); D. Schneider, Implementierung, S. 224 f.; Kruse, S. 107 f.; v. Koppenfels-Spies, in: FS Blaurock, S. 213 (221 f.); ablehnend zu einem subjektiven Recht der Betriebsparteien aus § 75 Abs. 2 S. 2 BetrVG Nill, S. 112.

A. Die Zuweisung subjektiver Rechte in einzelnen Vorschriften

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für einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber eingeordnet.261 Aus der gegenüber dem bloßen Schutz gesteigerten Verpflichtung des Arbeitgebers und des Betriebsrats sogar zur Förderung der freien Entfaltung der Persönlichkeit seien Arbeitgeber und Betriebsrat verpflichtet, alles zu unterlassen, was die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer beeinträchtige.262Auch in der Frage, ob § 75 Abs. 2 BetrVG unmittelbare Rechte und Pflichten für den Arbeitgeber und den Betriebsrat begründet, besteht in der Literatur eine Gegenkonzeption zur verneinenden Auffassung des BAG.263 Ein betriebsverfassungsrechtlicher Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers (oder des Betriebsrats) kann jedoch nur bestehen, wenn § 75 Abs. 2 BetrVG dem Arbeitgeber als Rechtssubjekt ein subjektives Recht zuweist. Beginnt man die Auslegung des § 75 Abs. 2 BetrVG mit der Analyse des Wortlauts, so fällt auf, dass im Gegensatz zu § 74 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 BetrVG keine ausdrückliche Pflicht zur Unterlassung in § 75 Abs. 2 BetrVG aufgestellt wurde, die indiziell für die Zuweisung eines Substanzrechts und den als Schutzrecht darauf bezogenen Unterlassungsanspruch sprechen würde. Außerdem weicht § 75 Abs. 2 Satz 1 BetrVG der Formulierung nach von § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ab. Während in letzterem mit dem Unterbleiben von Benachteiligungen dem Grunde nach eine § 74 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 BetrVG entsprechende Pflicht zur Unterlassung erkannt werden konnte, scheint der Gesetzgeber § 75 Abs. 2 Satz 1 BetrVG abweichend ausgestaltet zu haben. Die Betriebspartner werden in § 75 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zum Schutz und zur Förderung aufgerufen, ein Unterbleiben persönlichkeitsrechtsverletzender Maßnahmen wird nicht ausdrücklich angeordnet. Jedoch besteht der Inhalt der Pflicht zum Schutz der freien Entfaltung der Persönlichkeit der Arbeitnehmer im Betrieb gerade auch darin, Verletzungen der Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer zu unterlassen.264 Hierunter ist nicht nur eine Selbstverpflichtung zur Unterlassung persönlichkeitsrechtsverletzender Maßnahmen zu sehen, sondern gerade auch die Pflicht, Persönlichkeitsrechtsverletzungen des anderen Betriebspartners entgegenzutreten.265 Sogar die Schutzpflicht des § 75 Abs. 2 BetrVG ist daher zumindest auch auf ein zu unterlassendes Verhalten gerichtet. Der Wortlaut des § 75 Abs. 2 BetrVG kann demnach – trotz der unterschiedlichen Formulierung zu § 75 Abs. 1 und § 74 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 BetrVG – nicht als Argument gegen die Zuweisung eines subjektiven Rechts und den an dieses anknüpfenden Unterlassungsanspruch gewendet werden. Im Unterschied zu § 75 Abs. 1 BetrVG fehlt es in § 75 Abs. 2 BetrVG aber an einer ausdrücklichen Berechtigung des Arbeitgebers 261 FESTL, § 75 BetrVG Rn. 178; DKKW/Berg, § 75 BetrVG Rn. 143; HaKo-BetrVG/ Lorenz, § 75 BetrVG Rn. 41; Scholz, S. 138 f.; für betriebsratliche Durchsetzung der Arbeitnehmeransprüche Fischer, RdA 2003, 270 (274). 262 DKKW/Berg, § 75 BetrVG Rn. 136; allgemein zur Steigerung des Förderns gegenüber dem Schutz bereits Riedel, JArbR 14 (1976), 79 (92). 263 Ehmann, in: FS Wiese, S. 99 (112). 264 Vgl. WPK/Preis, § 75 BetrVG Rn. 44; Besgen, BetrVR, S. 309. 265 FESTL, § 75 BetrVG Rn. 142; Niederalt, S. 43.

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bzw. des Betriebsrats; eine dem Wächterrecht des § 75 Abs. 1 BetrVG vergleichbare Position wird in § 75 Abs. 2 BetrVG nicht aufgestellt. Zudem ist die Gesetzessystematik für die Zuweisung eines subjektiven Rechts und des damit korrespondierenden Unterlassungsanspruchs bei § 75 Abs. 2 BetrVG zu untersuchen. Insofern wird in der Literatur geltend gemacht, dass in § 75 Abs. 2 BetrVG anders als in § 75 Abs. 1 BetrVG eine Unterlassungspflicht fehle, die Grundlage für einen Unterlassungsanspruch sein könnte.266 Eine ausdrücklich angeordnete Überwachungspflicht und das ihr zugeordnete Überwachungsrecht fehlt in § 75 Abs. 2 BetrVG tatsächlich. Jedoch verkennt die auf das ausdrückliche Fehlen der Überwachungspflicht abstellende Auffassung, dass sich die beiden Pflichten des „Wachens“ in § 75 Abs. 1 und des „Schützens“ in § 75 Abs. 2 BetrVG inhaltlich entsprechen.267 Für eine Entsprechung der Pflichten aus § 75 Abs. 1 und § 75 Abs. 2 BetrVG spricht zuerst, dass es sich sowohl bei der Wächterpflicht des § 75 Abs. 1 BetrVG als auch der Schutzpflicht des § 75 Abs. 2 BetrVG um Amtspflichten handelt,268 d. h. das in beiden Fällen gerade das betriebsverfassungsrechtliche Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ausgestaltet wird. Des Weiteren sind die Adressaten des § 75 Abs. 1 und Abs. 2 BetrVG identisch, auch § 75 Abs. 2 BetrVG gilt sowohl gegenüber dem Arbeitgeber als auch dem Betriebsrat und verpflichtet nicht ausschließlich oder primär269 nur den Arbeitgeber. Der Verweis auf eine in § 75 Abs. 2 BetrVG nicht ausdrücklich angeordnete Überwachungspflicht kann daher nicht überzeugen; ob ihr ein Überwachungsrecht vergleichbar dem von § 75 Abs. 1 BetrVG entspricht, muss die weitere Auslegung zeigen. Über die Kongruenz der Überwachungs- und der Schutzpflicht bei systematischer Betrachtung muss auch noch die Förderungspflicht des § 75 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BetrVG für die Einräumung eines subjektiven Rechts untersucht werden. Die Verpflichtung zur Förderung in § 75 Abs. 2 BetrVG geht noch über die Verpflichtung zum Schutz in § 75 Abs. 1 BetrVG hinaus.270 Auch der Förderpflicht des § 75 Abs. 2 BetrVG wird jedoch neben den über den Schutz hinausgehenden, speziell vorhandenen positiven Handlungspflichten271 zum Teil in der Literatur die Verhinderung von Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer zugeschrieben.272 Arbeitgeber und Betriebsrat sollen auf Grund der Förderpflicht alles unterlassen, was die Persönlichkeitsrechte eines Arbeitnehmers beeinträchtigt.273 Hiergegen spricht jedoch, dass die Verhinderung von Persönlichkeitsrechtsverletzungen der Arbeit266

D. Schneider, Implementierung, S. 225. GK-BetrVG/Kreutz, § 75 BetrVG Rn. 107; M. Löwisch, AuR 1972, 359 (361); Niederalt, S. 39. 268 WPK/Preis, § 75 BetrVG Rn. 43; FESTL, § 75 BetrVG Rn. 141. 269 So ohne Begründung Isele, in: FS Schwinge, S. 137 (146). 270 Vgl. Riedel, JArbR 14 (1976), 79 (92). 271 Vgl. WPK/Preis, § 75 BetrVG Rn. 45. 272 Thannheiser, AiB 2006, 298 (300); i.E. ebenso Hallenberger, S. 77. 273 DKKW/Berg, § 75 BetrVG Rn. 136. 267

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nehmer – egal durch wen – bereits speziell durch die Schutzpflicht des § 75 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BetrVG angeordnet wird.274 Die Förderungspflicht des § 75 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BetrVG wäre bei einer ebenfalls auf den Schutz des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers abstellenden Interpretation gegenüber der Schutzpflicht überflüssigerweise normiert worden.275 § 75 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BetrVG kann demnach für den Unterlassungsanspruch als zum subjektiven Recht hinzutretendes Schutzrecht nichts aussagen. Die Gesetzgebungsgeschichte ist für die Frage nach einem subjektiven Recht des Arbeitgebers auf Basis von § 75 Abs. 2 BetrVG ebenfalls unergiebig. Abs. 2 des § 75 BetrVG ist erst mit der Reform des BetrVG 1972 in das BetrVG aufgenommen worden. Sinn der Aufnahme war nach der Begründung zum Regierungsentwurf, der allgemeinen Forderung nach der verstärkten Berücksichtigung der Persönlichkeitsrechte auch im Arbeitsleben Rechnung zu tragen.276 Geschützt werden sollten nach der Gesetzesbegründung daher nicht Interessen des Arbeitgebers, sondern das Persönlichkeitsrecht der dem Betrieb angehörigen Arbeitnehmer. Für eine Berechtigung des Arbeitgebers im Stile des Wächterrechts nach § 75 Abs. 1 BetrVG finden sich dagegen in der Gesetzgebungsgeschichte zu § 75 Abs. 2 BetrVG keine Anhaltspunkte. Die Verpflichtung auf den Schutz des einzelnen Arbeitnehmers durch § 75 Abs. 2 Satz 1 BetrVG wird tendenziell noch verstärkt durch den mit dem BetrVG 2001 neu eingefügten § 75 Abs. 2 Satz 2 BetrVG. Zu dieser Vorschrift führt die Gesetzesbegründung aus, dass die Ergänzung in Abs. 2 dazu diene, durch eine entsprechende Betriebsorganisation und der Arbeit Freiräume für Entscheidungen, Eigenverantwortung und Kreativität der Arbeitnehmer und der Arbeitsgruppen zu schaffen. Zugleich sollte mit § 75 Abs. 2 Satz 2 BetrVG eine wesentliche Grundlage für die im Entwurf vorgesehenen Beteiligungsrechte der einzelnen Arbeitnehmer und der Arbeitsgruppen geschaffen werden.277 Der Gesetzgeber gibt mit diesem Hinweis bei der Reform des BetrVG 2001 deutlich zu verstehen, dass mit § 75 Abs. 2 BetrVG durch die Ergänzung in Satz 2 die gesamte Schutztendenz der Vorschrift als individualschützende, auf die Interessen des einzelnen Arbeitnehmers ausgerichtete Norm, verstärkt wurde.278 Der Wille des einzelnen Arbeitnehmers soll in der Betriebsverfassung stärker Gehör finden.279 Nicht gesagt ist damit jedoch, dass dieses menschliche Interesse mittels eines Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat bei persönlichkeitsrechtsverletzenden einseitigen Maßnahmen durchgesetzt werden soll; der Gesetzgeber äußert sich zur Zuweisung eines subjektiven Rechts an einen Betriebspartner in § 75 Abs. 2 BetrVG gerade nicht.

274 275 276 277 278 279

GK-BetrVG/Kreutz, § 75 BetrVG Rn. 130; FESTL, § 75 BetrVG Rn. 168. Hallenberger, S. 83, 86 f. BT-Drs. 6/1786, S. 46. BR-Drs. 140/01, S. 140, Hervorhebung seitens des Verfassers. Franzen, ZfA 2001, 423 (425). Hanau, RdA 2001, 65 (70).

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Entscheidend für die Zuweisung eines subjektiven Rechts ist damit der mit § 75 Abs. 2 BetrVG verfolgte Sinn und Zweck der Regelung. Dieser besteht im Einklang mit der Gesetzgebungsgeschichte im Schutz der freien Persönlichkeitsentfaltung des einzelnen Arbeitnehmers im Betrieb; dieser soll nicht bloß als Arbeitsplatzinhaber Objekt des Produktionsablaufs sein, sondern als anerkennenswertes Subjekt sich auch selbst aktiv im Arbeitsleben entfalten können.280 Der einzelne Arbeitnehmer soll eigene Initiativen zur Wahrung seiner Interessen im Betrieb anstoßen können.281 Im Mittelpunkt der Vorschrift steht damit der Schutz gerade des einzelnen Arbeitnehmers als Individuum, nicht dagegen der Schutz der Interessen der beiden Betriebspartner Arbeitgeber und Betriebsrat. Schutz- und Förderpflicht des § 75 Abs. 2 BetrVG zielen damit allein auf das Verhältnis zwischen Arbeitgeber bzw. Betriebsrat auf der einen und den Arbeitnehmern auf der anderen Seite ab; nicht geregelt wird dagegen das Verhältnis zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber bei einseitigen, persönlichkeitsrechtsverletzenden Handlungen.282 Dementsprechend fehlt in § 75 Abs. 2 BetrVG auch die Berechtigung eines Betriebspartners gegenüber dem Anderen zur Durchsetzung der Interessen Dritter, die bei § 75 Abs. 1 BetrVG das Überwachungsrecht konstituierte; lediglich § 75 Abs. 1 BetrVG macht die Betriebspartner zu betriebsverfassungsrechtlichen „Wahrern“ der Grundsätze von Recht und Billigkeit.283 Eine Wächterstellung und das mit ihr zusammenhängende Überwachungsrecht kann dagegen für § 75 Abs. 2 BetrVG nicht erkannt werden. § 75 Abs. 2 BetrVG statuiert damit im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ein betriebsverfassungsrechtliches Übermaßverbot284, jedoch keine gegenseitigen Rechte bei einseitigem Vorgehen des anderen Betriebspartners.285 Er garantiert demnach dem Arbeitgeber keinen Freiheitsraum mit Rechtsmacht zur Wahrnehmung menschlicher Interessen. Stattdessen hat die Vorschrift allein die Interessen der Arbeitnehmer im Blick, zu deren Durchsetzung gegenüber dem Betriebsrat der Arbeitgeber bei § 75 Abs. 2 BetrVG nicht als Rechtssubjekt berechtigt wird. Ein Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers scheidet daher bei § 75 Abs. 2 BetrVG mangels an diesen zugewiesenen subjektiven Substanzrechts aus. Einzig grobe Verstöße des Betriebsrats gegen die Vorschrift können daher mit dem Aus-

280 Vgl. Edenfeld, S. 45; ähnlich auch Franzen, ZfA 2001, 423 (424) „(…) der Arbeitnehmer ist niemals Mittel zum Zweck, sondern stets Zweck der vom Gesetz eingeräumten Beteiligung des Betriebsrats“. 281 Bericht der Mitbestimmungskommission, BT-Drs. 6/334, S. 59. 282 Vgl. BAG v. 28. 5. 2002, 1 ABR 32/01, NZA 2003, 166 (169); Franzen, JURA 2005, 715 (720). 283 Formulierung nach Kreutz, in: FS Schmidt-Jortzig, S. 753 (760). 284 S/W/S, § 75 BetrVG Rn. 9a; Riedel, JArbR 14 (1976), 79 (91); ausf. Hammer, S. 114 ff. 285 Vgl. LAG Düsseldorf v. 12. 1. 2015, 9 TaBV 51/14, juris Rz. 96; HWK/Reichold, § 75 BetrVG Rn. 23; zu § 75 Abs. 2 S. 2 BetrVG; Nill, S. 112.

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spruch einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung bzw. mit einem Auflösungsantrag nach § 23 Abs. 1 BetrVG geahndet werden.286 2. Zusammenfassung: Unterlassungsanspruch bei Verletzungen der Grundsätze für die Zusammenarbeit und der Grundsätze für die Behandlung der Betriebsangehörigen Mit § 74 und § 75 BetrVG wurden die zentralen Maximen der Betriebsverfassung auf ihre rechtszuweisende Qualität für den Arbeitgeber untersucht. Hierbei konnte herausgearbeitet werden, dass sowohl das Arbeitskampfverbot des § 74 Abs. 2 Satz 1 als auch das Verbot der parteipolitischen Betätigung aus § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG nicht nur objektives Recht sind, sondern subjektive Rechte an Betriebsrat und Arbeitgeber vermitteln. Dies gilt auch für die im Verhältnis zu den beiden speziellen Gewährleistungen allgemeine Vorschrift des § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG. Damit kann die gesamte Friedenspflichtordnung des § 74 Abs. 2 BetrVG entgegen der neuen Rechtsprechung des BAG als taugliche Grundlage für subjektive Rechte von Arbeitgeber und Betriebsrat angesehen werden, die mit dem Unterlassungsanspruch abgesichert werden. Auch § 75 Abs. 1 BetrVG fügt sich in dieses Schema ein; das auf Basis der Vorschrift gewährte Überwachungsrecht des einen gegenüber dem anderen Betriebspartner ist ebenfalls Ausdruck subjektiver Rechtszuweisung. An diese schließt sich automatisch der negatorische Rechtsschutz in Form des Unterlassungsanspruchs an. Einzig die Schutz- und Förderpflichten des § 75 Abs. 2 BetrVG konnten nicht als Rechszuweisung an den Arbeitgeber interpretiert werden. Mangels subjektiven Rechts kann der Arbeitgeber diese lediglich objektiv-rechtliche Gewährleistung nur über das Verfahren des § 23 Abs. 1 BetrVG und die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung absichern. 3. Unterlassungsanspruch bei Verletzungen der Leitungsmacht des Arbeitgebers und bei Verstößen gegen die Geheimhaltungspflicht ? Übrig geblieben von den Pflichten des Betriebsrats, die sich im ersten Abschnitt des vierten Teils des BetrVG befinden, sind noch § 77 Abs. 1 Satz 2 und § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Wiederum soll ausgehend von den in beiden Vorschriften statuierten Pflichten die Frage nach einem subjektiven Recht des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat beantwortet werden.

286 Für das Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG ebenfalls WPK/Preis, § 75 BetrVG Rn. 60; ErfK/Kania, § 75 BetrVG Rn. 13; FESTL, § 75 BetrVG Rn. 179; D. Schneider, Implementierung, S. 225.

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a) Rechtszuweisung bei § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG Nach § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG darf der Betriebsrat nicht durch einseitige Handlungen in die Leitung des Betriebs eingreifen. Auch zu § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG existiert Literatur, die vom Bestehen eines Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat ausgeht.287 Dieses Ergebnis kann nur zutreffend sein, wenn § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG dem Arbeitgeber ein subjektives Recht vermittelt, an das sich der Unterlassungsanspruch als Schutzrecht anschließen würde. Dem Arbeitgeber als Berechtigtem müsste durch § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG Rechtsmacht zur Befriedigung menschlicher Interessen zugewiesen sein. Der Wortlaut des § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG benennt zwar nicht ausdrücklich den Arbeitgeber als Rechtsinhaber. Jedoch verbietet § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG Eingriffe in die Leitung des Betriebs. Mit dieser wird gerade der dem Arbeitgeber vorbehaltene Handlungsbereich angesprochen, indirekt daher in § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG auf die Stellung des Arbeitgebers Bezug genommen. Diese Leitungsbefugnis ist inhaltlich nicht beschränkt, es werden sowohl mitbestimmungsfreie Entscheidungen kraft Arbeitsvertrags als auch mitbestimmungspflichtige Maßnahmen der Leitungsbefugnis des Arbeitgebers zugerechnet.288 Die Leitungsbefugnis garantiert damit dem Arbeitgeber einen allein ihm zukommenden Freiheitsbereich. Das Gesetz erkennt mithin mit der Leitungsbefugnis die schutzwürdigen Interessen des Arbeitgebers an der Betriebsorganisation, der Betriebsführung und dem Betriebsablauf an. Zum Schutz dieses dem Arbeitgeber vorbehaltenen Bereichs statuiert § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG für den Betriebsrat ein Verbot. Die aus diesem Verbot resultierende Pflicht ist gerade eine Unterlassungspflicht.289 Dass in § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG eine speziell auf Unterlassung gerichtete Pflicht aufgestellt wurde, ist ein deutliches Indiz auch für das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers. Systematisch ist § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG im Zusammenhang mit § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zu lesen. Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber führt demnach grundsätzlich der Arbeitgeber durch. Der Arbeitgeber wird für allein zuständig zur Durchführung der Vereinbarungen im Betrieb erklärt, wenn nicht ausnahmsweise eine abweichende Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber besteht. Dem Arbeitgeber verbleibt damit, ausgehend vom Grundmodell des § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, auch nach der Statuierung von Mitbestimmungsrechten für den Betriebsrat die Exekutive im Betrieb.290 Durch die Beteiligungsrechte wächst dem Betriebsrat keine Mitunternehmerstellung291 oder ein Mitdirektionsrecht zu.292 287 GK-BetrVG/Wiese, § 77 BetrVG Rn. 29; LK/Kaiser, § 77 BetrVG Rn. 143; v. Hoyingen-Huene, BetrVR, S. 85 f.; ders., NZA 1989, 121 (123); Belling, Haftung, S. 354; Edenfeld, S. 62; Freckmann/Koller-van-Delden, BB 2006, 490 (495 Fn. 60). 288 Statt aller FESTL, § 77 BetrVG Rn. 8. 289 GK-BetrVG/Kreutz, § 77 BetrVG Rn. 29. 290 LK/Kaiser, § 77 BetrVG Rn. 2; FESTL, § 77 BetrVG Rn. 8. 291 Richardi/Richardi, Einl. BetrVG 54; v. Hoyningen-Huene, NZA 1989, 121 (125); ders., NZA 1991, 7 (10).

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Selbst wenn eine Entscheidung der Mitbestimmung unterliegt, bleibt sie die Entscheidung des Arbeitgebers.293 Allein veranwortlich für die Durchführung aller Maßnahmen ist damit immer der Arbeitgeber;294 § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG sichert ebenso wie § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG dem Arbeitgeber die Leitung des Betriebs. Für die Einräumung von Rechtsmacht an den Arbeitgeber durch § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG spricht im Übrigen, dass das Verbot des § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG sogar dann für den Betriebsrat gilt, wenn der Arbeitgeber Beteiligungsrechte des Betriebsrats verletzt oder eine Vereinbarung mit dem Betriebsrat nicht durchführt.295 Sogar für Fälle betriebsverfassungswidrigen Arbeitgeberverhaltens verbleibt allein diesem die betriebliche Leitungsbefugnis, sie entfällt nicht etwa wegen des begangenen Rechtsverstoßes. Dem Betriebsrat dagegen ist in jedem Fall die eigenmächtige Selbsthilfe verboten, ihm bleibt einzig der Rechtsweg.296 Das Gesetz macht damit in § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG klar, dass die Entscheidung, wie der Betrieb zu leiten und zu führen ist, einzig dem Arbeitgeber vorbehalten ist. Für die Zuweisung eines subjektiven Rechts an den Arbeitgeber bei § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG spricht in systematischer Hinsicht zudem noch, dass auch zur Absicherung der geschlossenen Betriebsvereinbarungen und der Durchführungspflicht des Arbeitgebers nach § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs des Betriebsrats angenommen wird.297 Es wäre wertungswidersprüchlich, wenn nun für den mit § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG in Zusammenhang stehenden § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs abgelehnt würde.298 Der Pflicht des Betriebsrats aus § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG entspricht damit die Zuweisung eines subjektiven Rechts an den Arbeitgeber.299 Mit dieser Entscheidung für die Gewährung eines Substanzrechts in Form des subjektiven Rechts folgt automatisch nach dem Rechtsprinzip der Koinzidenz von Rechtszuweisung und Rechtsschutz dessen umfassender Schutz durch Schutzrechte. Negatorisches 292

ErfK/Kania, § 77 BetrVG Rn. 2; WPK/Preis, § 77 BetrVG Rn. 2; Richardi/Richardi, § 77 BetrVG Rn. 8; HWGNRH/Worzalla, § 77 BetrVG Rn. 213. 293 Richardi/Richardi, § 77 BetrVG Rn. 8. 294 ErfK/Kania, § 77 BetrVG Rn. 2. 295 Allgemeine Auffassung, s. nur GK-BetrVG/Kreutz, § 77 BetrVG Rn. 29; LK/Kaiser, § 77 BetrVG Rn. 4; H/L/S/Korinth, § 77 BetrVG Rn. 5; HWGRNH/Worzalla, § 77 BetrVG Rn. 213; FESTL, § 77 BetrVG Rn. 8. 296 GK-BetrVG/Kreutz, § 77 BetrVG Rn. 29. 297 Vgl. BAG v. 13. 10. 1987, 1 ABR 51/86, NZA 1988, 254 (254); v. 10. 11. 1987, 1 ABR 55/ 86, NZA 1988, 255 (255); v. 28. 11. 1989, 1 ABR 94/88, NZA 1990, 445 (446); v. 23. 6. 1992, 1 ABR 11/92, NZA 1992, 1095 (1097); v. 29. 4. 2004, 1 ABR 30/02, NZA 2004, 670 (677); v. 16. 11. 2011, 7 ABR 27/10, NZA-RR 2012, 579 (580); GK-BetrVG/Wiese, § 77 BetrVG Rn. 27; WPK/Preis, § 77 BetrVG Rn. 2; FESTL, § 77 BetrVG Rn. 7; Münch. Hdb. z. ArbR/Matthes, § 239 Rn. 70; DKKW/Berg, § 77 BetrVG Rn. 10. 298 Zutreffend GK-BetrVG/Kreutz, § 77 BetrVG Rn. 29. 299 Ebenso v. Koppenfels-Spies, in: FS Blaurock, S. 213 (222).

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4. Kap.: Die Untersuchung der einzelnen Vorschriften

Schutzrecht des Arbeitgebers ist der betriebsverfassungsrechtliche Unterlassungsanspruch gegen den Betriebsrat. Verstößt der Betriebsrat gegen § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, so kann der Arbeitgeber daher von ihm Unterlassung verlangen. b) Rechtszuweisung bei § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG Von besonderer praktischer und vor allem wirtschaftlicher Bedeutung für den Arbeitgeber ist, ob dieser einen Unterlassungsanspruch zur Verteidigung gegen Verletzungen des § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG durch den Betriebsrat hat. Betriebsgeheimnisse sind in einer marktwirtschaftlichen Ordnung häufig der wesentliche Wertfaktor eines Betriebs.300 Ihre Weitergabe an Konkurrenten kann daher für den Betrieb und den Arbeitgeber als Betriebsinhaber schnell existentielle Bedeutung haben und das Aus auf dem Markt bedeuten. Präventive, im Vorfeld der Geheimnisoffenbarung ansetzende, Unterlassungsansprüche drängen sich zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen als Sicherungsmittel daher geradezu auf. Die frühere Rechtsprechung des BAG und ihr folgend die geschlossene Literatur ging vom Bestehen eines solchen gegen den Betriebsrat gerichteten Anspruchs auf Basis von § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG aus.301 Unter der Ägide der verallgemeinerungsfähigen neuen Rechtsprechung des BAG und der mit dieser verbundenen generellen Abkehr vom betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch für den Arbeitgeber ist die Existenz gerade dieses bisher anerkannten Anspruchs gefährdet.302 Der Arbeitgeber wäre demnach bei Verletzungen des § 79 BetrVG allein auf die Einleitung eines Verfahrens nach § 23 BetrVG303 bzw. auf die Stellung eines Strafantrags zur Einleitung eines Strafverfahrens nach § 120 Abs. 1, Abs. 5 BetrVG beschränkt.304 Mangels Auflösbarkeit des Betriebsrats mittels einstweiliger Verfügung im Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG könnte der Verlust von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen so jedoch nicht mit betriebsverfassungsrechtlichen Mitteln präventiv verhindert werden. 300

Möhring, in: FS Nipperdey Bd. II, S. 415 (417). BAG v. 26. 2. 1987, 6 ABR 46/84, AP BetrVG 1972 § 79 Nr. 2 unter II. 2. b); v. 14. 5. 1987, 6 ABR 39/84, DB 1988, 2659 (2570); ebenso ArbG Mannheim v. 6. 2. 2007, 7 BVga 1/07, AiB 2007, 542 (542 f.); Teplitzky, Anm. AP BetrVG 1972 § 79 Nr. 2 unter II. 1.; Plander, EWiR 1987, 1157 (1157); Kort, SAE 1988, 60 (60 f.); v. Hoyingen-Huene, Anm. EzA § 79 BetrVG 1972 Nr. 1, S. 9 (9 f.); ders., NZA 1989, 121 (123); Peterek, in: FS Stege, S. 71 (98); Freckmann/Koller-van Delden, BB 2006, 490 (495 Fn. 60); Belling, Haftung, S. 336 f.; Hitzfeld, S. 83; A. Weber, S. 129 ff.; ohne Thematisierung der neuen BAG-Rspr auch noch S. Müller, BB 2013, 2293 (2296). 302 Vgl. GK-BetrVG/Oetker, § 79 BetrVG Rn. 70; ErfK/Kania, § 79 BetrVG Rn. 22; eine für den Arbeitgeber bei § 79 Abs. 1 BetrVG „untragbare Konsequenz“ sehen daher Burger/ Rein, NJW 2010, 3613 (3616). 303 So einzig thematisiert bei Wochner, BB 1975, 1541 (1542); B. Schwab, AiB 2011, 512 (515). 304 So einzig thematisiert bei Wochner, BB 1975, 1541 (1542); Wirlitsch, ArbR Aktuell 2010, 415 (417). 301

A. Die Zuweisung subjektiver Rechte in einzelnen Vorschriften

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Vom hier vertretenen Standpunkt, der die neue Rechtsprechung des BAG ablehnt und stattdessen mit der alten Rechtsprechung des BAG grundsätzlich das Bestehen von Unterlassungsansprüchen auch für den Arbeitgeber für möglich erachtet, muss ausgehend von den Pflichten des § 79 Abs. 1 BetrVG untersucht werden, ob diesen subjektive Rechte des Arbeitgebers entsprechen. Hierfür muss jedoch zuerst in einem vorgelagerten Schritt die Verpflichtung gerade des Betriebsrats als Gremium durch § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG festgestellt werden. Ausdrücklich wendet sich § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nur an die Mitglieder und die Ersatzmitglieder des Betriebsrats, nicht aber an diesen selbst. § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist jedoch in dieser Hinsicht planwidrig unvollständig. Die Vorschrift schließt an die Vorgängerregelung des § 55 Abs. 1 Satz 1 BetrVG 1952 an. Auch dieser benannte ausdrücklich nur die Mitglieder und die Ersatzmitglieder des Betriebsrats. Aus dem Bericht des Ausschusses für Arbeit geht bereits zu § 55 Abs. 1 Satz 1 BetrVG 1952 hervor, dass die Schweigepflicht gerade auch des Gremiums Betriebsrats geregelt werden sollte.305 Dieser Wille des Gesetzgebers hat jedoch zu keiner Zeit des Gesetzgebungsverfahrens zum BetrVG 1952 und auch nicht bei Revision des BetrVG 1972 klar Ausdruck im Gesetz erlangt.306 § 79 BetrVG ist daher unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens extensiv auszulegen, sodass neben den ausdrücklich genannten Betriebsratsmitgliedern auch der Betriebsrat selbst verpflichtet wird.307 Dieser Pflicht muss nun ein subjektives Recht des Arbeitgebers entsprechen, um den Unterlassungsanspruch gegen den Betriebsrat als Schutzrecht nach sich zu ziehen. Im Gegensatz zu den Formulierungen in § 74 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 BetrVG wird in § 79 BetrVG zwar nicht ausdrücklich angeordnet, dass die Betriebsratsmitglieder und der ebenfalls von der Vorschrift erfasste Betriebsrat die Weitergabe von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen an unbefugte Personen zu unterlassen haben. Jedoch besteht die Pflicht Betriebsgeheimnisse nicht zu offenbaren. Hiermit wird dem Betriebsrat die Bekanntgabe der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse an unbefugte Dritte untersagt.308 Das Verbot der Bekanntgabe bedeutet für den Betriebsrat die Pflicht, diese Bekanntgabe nicht durchzuführen, es handelt sich gerade um eine auf ein Unterlassen gerichtete Pflicht. Außerdem besteht die Pflicht des Betriebsrats, die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht zu verwerten. Hiermit wird die Nutzung des geheimzuhaltenden Wissens zum persönlichen Vorteil untersagt.309 Es handelt sich ebenfalls um eine auf ein Unterlassen gerichtete Pflicht. Demnach kann sowohl aus der Verpflichtung, Betriebsgeheimnisse nicht zu offenbaren, als auch der Verpflichtung, diese nicht zu verwerten, und trotz der leicht veränderten Formulierung gegenüber § 74 Abs. 2 Satz 2 und § 74 Abs. 2 Satz 3 305

BT-Drs. 1/3585, S. 10. BAG v. 26. 2. 1987, 6 ABR 46/84, AP BetrVG 1972 § 79 Nr. 2 unter II. 2. b). 307 BAG v. 26. 2. 1987, 6 ABR 46/84, AP BetrVG 1972 § 79 Nr. 2 unter II. 2. b); WPK/Preis, § 79 BetrVG Rn. 8; ErfK/Kania, § 79 BetrVG Rn. 10; HaKo-BetrVG/Düwell, § 79 BetrVG Rn. 2; NK-ArbR/Besgen, § 79 BetrVG Rn. 8. 308 Münch. Hdb. z. ArbR/Joost, § 220 Rn. 161; HaKo-BetrVG/Lorenz, § 79 BetrVG Rn. 15. 309 Taeger, Offenbarung, S. 109. 306

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4. Kap.: Die Untersuchung der einzelnen Vorschriften

Halbsatz 1 BetrVG ebenso wie dort auch für § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vom Wortlaut der Vorschrift indiziell auf das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs geschlossen werden. Außerdem wird der Arbeitgeber als Rechtssubjekt in § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ausdrücklich vom Gesetzgeber benannt; gerade ihm steht es frei, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse als geheimhaltungsbedürftig gegenüber dem Betriebsrat zu bezeichen. Zudem lässt sich bei der Auslegung auch aus dem Schutzobjekt des § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG für die Feststellung einer Zuweisung eines subjektiven Rechts an den Arbeitgeber Positives gewinnen. Erfasst von § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG sind Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Bei diesen handelt es sich um alle im Zusammenhang mit einem Betrieb stehenden Tatsachen, Erkenntnisse und Unterlagen, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis bekannt und nach dem Willen des Betriebsinhabers auf Grund eines berechtigten wirtschaftlichen Interesses geheim gehalten werden sollen.310 Ebenso wie in § 17 UWG ist damit auch für § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG im Ausgangspunkt ein objektiver Geheimnisbegriff maßgeblich.311 Für die Feststellung des berechtigten Interesses kommt es auf objektiv feststellbare Umstände an,312 der Arbeitgeber kann nicht unbegründet für beliebige Informationen den Anwendungsbereich des § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG eröffnen.313 Jedoch kommt es für das Bestehen der Geheimhaltungspflicht aus § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht allein auf die objektiven, vom Arbeitgeber nicht beeinflussbaren Umstände an. Stattdessen wird darüber hinaus durch den Wortlaut des § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG gefordert, dass der Arbeitgeber die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet hat. Wegen des Erfordernisses der ausdrücklichen Geheimhaltungserklärung fällt demnach ein Geheimnis im Sinne der o.g. Definition nur unter § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, wenn es der Arbeitgeber auch formell darunter fasst. Entscheidungsbefugt über die Zuordnung materieller Geheimnisse ist lediglich der Arbeitgeber, ihm kommt in der Terminologie des subjektiven Rechts Rechtsmacht in Form von Entscheidungsmacht über das Unterfallen eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses unter § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zu. Die Interessen des Funktionsträgers Betriebsrat werden bei dieser Zuordnung von Seiten des Arbeitgebers nicht berücksichtigt, so steht es dem Arbeitgeber z. B. frei, ob er die Geheimhaltungserklärung begründet.314 Der Arbeitgeber wird daher berechtigt, den Betriebsrat und die

310 BAG v. 26. 2. 1987, 6 ABR 46/84, AP BetrVG 1972 § 79 Nr. 2 unter II. 2. c) aa); v. 13. 2. 2007, 1 ABR 14/06, NZA 2007, 1121 (1123 f.); Münch. Hdb. z. ArbR/Joost, § 220 Rn. 156; WPK/Preis, § 79 BetrVG Rn. 2; GK-BetrVG/Oetker, § 79 BetrVG Rn. 10; Richardi/Thüsing, § 79 BetrVG Rn. 5. 311 Statt aller GK-BetrVG/Oetker, § 79 BetrVG Rn. 11. 312 Richardi/Thüsing, § 79 BetrVG Rn. 6. 313 WPK/Preis, § 79 BetrVG Rn. 4. 314 GK-BetrVG/Oetker, § 79 BetrVG Rn. 32; WPK/Preis, § 79 BetrVG Rn. 6; S. Müller, BB 2013, 2293 (2295); Stege, DB 1977, Beilage Nr. 8 zu Heft 23, 1 (4).

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Betriebsratsmitglieder mittels seiner Geheimhaltungserklärung an die Geheimhaltungspflicht des § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zu binden.315 Systematisch spricht für einen Schutz des Arbeitgebers durch § 79 Abs. 1 Satz 2 BetrVG auch noch § 79 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Nach diesem besteht die Verpflichtung aus § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG auch nach dem Ausscheiden aus dem Betriebsrat fort. Ein Wegfall der Verpflichtung kommt nur in Betracht, wenn entweder die Angelegenheit objektiv kein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis mehr ist oder aber der Arbeitgeber zu erkennen gibt, dass er die Geheimhaltung nicht mehr aufrechterhalten will.316 Gerade mit der zweiten Variante steht es damit dem Arbeitgeber frei, über den Schutz des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses in zeitlicher Hinsicht einseitig zu disponieren. Die Möglichkeit zur Aufgabe des „Verfügungsrechts“317 am Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis in § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG spricht wegen des in beiden Vorschriften gleichen Bezugspunkts des Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses und der durch § 79 Abs. 1 Satz 2 BetrVG in Bezug genommenen Verpflichtung aus § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ebenfalls für die Einräumung von Willensmacht an den Arbeitgeber durch § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Historisch entstammt die Regelung des § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG der durch §§ 71 Abs. 3, 100 BRG 1920 angestoßenen Entwicklung zum Geheimnisschutz.318 Die in den § 71 Abs. 3 BRG 1920 für die Mitglieder des Betriebsrats aufgestellte Pflicht, Stillschweigen über vertrauliche Angaben zu bewahren, war nach ihrem Regelungsgegenstand jedoch lediglich als Gegenstück zu den nach § 71 Abs. 1 BRG 1920 bei Betrieben mit wirtschaftlichen Zwecken bestehen Auskunfts- und Vorlageverpflichtungen des Arbeitgeber konstruiert. Daneben statuierte auch § 72 Abs. 2 BRG 1920 eine § 71 Abs. 3 BRG 1920 vergleichbare Pflicht für die durch die Vorlegung der Betriebsbilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung erlangten vertraulichen Angaben. Eindeutige Aussagen zum Schutzzweck dieser Vorschriften von Seiten des Gesetzgebers des BRG 1920 fehlen. Jedoch wurden im Zusammenhang mit der Pflicht des Arbeitgebers zur Mitteilung der Bilanz in der ersten Lesung des federführenden Ausschusses für soziale Angelegenheiten von einem Abgeordneten die Nachteile, die den Arbeitgeber durch Vorlage der Bilanz an den Betriebsrat und die Weiterverbreitung treffen könnten, angesprochen.319 Die identifizierte Gefahr der Weiterverbreitung hat bereits der Gesetzgeber des BRG 1920 gerade durch die Schweigepflicht für den Arbeitgeber abbauen wollen. Dies spricht zumindest indi315

Vgl. Taeger, AuA 1992, 201 (202); Däubler, AuR 2000, 154 (156). FESTL, § 79 BetrVG Rn. 17; NK-ArbR/Besgen, § 79 BetrVG Rn. 5; GK-BetrVG/ Oetker, § 79 BetrVG Rn. 51; WPK/Preis, § 79 BetrVG Rn. 14; ErfK/Kania, § 79 BetrVG Rn. 12. 317 Formulierung nach Taeger, AuA 1992, 201 (203). 318 Vgl. GK-BetrVG/Oetker, § 79 BetrVG Rn. 1. 319 Bericht des Ausschusses für soziale Angelegenheiten über den Entwurf eines Gesetzes für Betriebsräte, Aktenstück Nr. 1838, in: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 340 (1919/20), S. 1900 (1913 f.). 316

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4. Kap.: Die Untersuchung der einzelnen Vorschriften

ziell bereits bei §§ 71 Abs. 3, 72 Abs. 2, 100 BRG 1920 für einen Schutz der Interessen des Arbeitgebers. Weitergeführt wurde die durch §§ 71 Abs. 3, 72 Abs. 2, 100 BRG 1920 angestoßene Entwicklung mit § 55 BetrVG 1952. Zu der in dieser Vorschrift niedergelegten Schweigepflicht führt der Bericht des Ausschusses für Arbeit explizit aus, dass ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers daran bestehe, sicherzustellen, dass durch offene und unvoreingenommene Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat, Geschäftsgeheimnisse und sonstige vertrauliche Angaben nicht gefährdet würden.320 Das vom Gesetzgeber mit der Einführung der Schweigepflicht in § 55 BetrVG verfolgte Anliegen lag damit eindeutig im Schutz der Interessen des Arbeitgebers. Folgerichtig zur Aussage im Gesetzgebungsverfahren ging auch die Literatur zu § 55 BetrVG 1952 davon aus, dass die Vorschrift die Interessen des Arbeitgebers schütze.321 An dieser historischen Schutzrichtung hat sich weder durch die Reform des BetrVG 1972 noch die Reform 2001 etwas geändert. Im Einklang mit der Gesetzgebungsgeschichte steht bei Untersuchung des mit § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG verfolgten Sinn und Zwecks der Schutz des Interesses des Arbeitgebers an der Geheimhaltung zur Sicherung der auf Grund von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen bestehenden Wettbewerbslage und eventueller Wettbewerbsvorteile teleologisch im Vordergrund.322 Exklusives Wissen ist oftmals wirtschaftlich verwertbar und bildet nicht selten die Basis unternehmerischer Geschäftsmodelle.323 Plastisch kann davon gesprochen werden, dass ein „Wissensvorsprung einen Wettbewerbsvorsprung“ bedeutet.324 Ein Abfluss des betrieblichen Know-hows soll nach dem Willen des Arbeitgebers daher gerade verhindert werden.325 Aus dem elementaren Interesse des Arbeitgebers an der Erhaltung seines Wettbewerbsvorteils resultiert für diesen ein Sicherungsbedürfnis.326 Konträr zu diesem Sicherungsbedürfnis des Arbeitgebers scheint dagegen zuerst der in der Betriebsverfassung angeordnete Informationstransfer an den Betriebsrat zu stehen. So ist der Arbeitgeber durch § 80 Abs. 2 BetrVG zur umfassenden und rechtszeitigen Information des Betriebsrats verpflichtet. Daher gelangt der Betriebsrat auch in den Besitz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Um in dieser Situation den Arbeitgeber nicht schutzlos der Weitergabe dieser Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse an unbefugte Dritte auszusetzen, hat der Gesetzgeber mit § 79 Abs. 1 BetrVG ein 320

BT-Drs. 1/3585, S. 10. Neumann-Duesberg, BB 1957, 715 (716); D. Gaul, DB 1960, 1099 (1100); Simon, S. 130; so bereits zu § 60 des Regierungsentwurfs eines Betriebsverfassungsgesetzes W. Wolff, BB 1952, 119 (120). 322 ErfK/Kania, § 79 BetrVG Rn. 1; GK-BetrVG/Oetker, § 79 BetrVG Rn. 8; DKKW/ Buschmann, § 79 BetrVG Rn. 2; Münch. Hdb. z. ArbR/Joost, § 220 Rn. 155; A. Weber, S. 11. 323 Preis/Rolfs, Der Arbeitsvertrag, II V 20 Rz. 1. 324 Preis/Reinfeld, AuR 1989, 361 (361). 325 Formulierung nach Bartenbach, in: FS Küttner, S. 113 (113). 326 Formulierung nach Depel/Raif, BuW 2004, 523 (524). 321

A. Die Zuweisung subjektiver Rechte in einzelnen Vorschriften

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Pendant zu den gesetzlichen Informationsrechten des Betriebsrats geschaffen.327 Die Geheimhaltungspflicht stellt damit als Ausgleich für die bestehenden Informationspflichten gerade auf die Interessen des Arbeitgebers an der Erhaltung seiner Wettbewerbsfähigkeit und seiner Marktposition ab. Geschützt werden soll durch § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG daher der Arbeitgeber.328 Neben dem durch § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG für den Arbeitgeber bezweckten Schutz werden in der Literatur auch noch weitere Schutzzwecke des § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG diskutiert. So wird ein weiterer Schutzzweck des § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG von der herrschenden Lehrmeinung auch in der Sicherung der Informationsrechte des Betriebsrats gesehen; durch die Geheimhaltungspflicht des § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG werde auch die Sorge des Arbeitgebers vor der Weitergabe der Informationen an unbefugte Dritte besänftigt und daher ein Zurückhalten von Informationen durch diesen vermieden.329 Hiergegen wird jedoch zum Teil in der Literatur angeführt, dass die Geheimhaltungspflicht für Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse aus § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG genau entgegengesetzt eine Behinderung der Weitergabe und des Austausches an Informationen bedeute.330 Letztgenannte Ansicht verkennt jedoch die im Gesetz selbst angelegte Differenzierung zwischen Tatbeständen, in denen der Arbeitgeber berechtigt ist, einem Informationsverlangen den Einwand eines nach § 79 BetrVG schutzwürdigen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses entgegenzusetzen und solchen, in denen er diese Berechtigung nicht hat. So hat der Gesetzgeber in §§ 43 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 sowie 106 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 BetrVG abschließend die Fälle normiert, in denen der Arbeitgeber zur Verweigerung der Weitergabe von Informationen gegenüber betriebsverfassungsrechtlichen Gremien befugt ist. Erfasst werden einzig Berichte vor der Betriebsversammlung und der Betriebsräteversammlung und sowie die Unterrichtung des Wirtschaftausschusses. Für den Betriebsrat und vor allem dessen allgemeinen Unterrichtungsanspruch aus § 80 Abs. 2 BetrVG besteht eine solche Ausnahme im Gesetz nicht; eine Berufung auf § 79 BetrVG ist daher für den Arbeitgeber bei § 80 Abs. 2 BetrVG nicht möglich.331 § 79 BetrVG wirkt demnach – im Gegensatz zu den Fällen der §§ 43 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 sowie § 106 Abs. 2 Satz 1 Habsatz 2 BetrVG – nicht als Schranke der Unterrichtungsansprüche des Betriebsrats, die Unterrichtung und Information des Betriebsrats können die Vorschrift daher nicht verhindern. 327

Vgl. DKKW/Buschmann, § 79 BetrVG Rn. 1; GK-BetrVG/Oetker, § 79 BetrVG Rn. 7; Münch. Hdb. z. ArbR/Joost, § 220 Rn. 155; LK/Kaiser, § 79 BetrVG Rn. 1; Taeger, AuA 1992, 201 (202); Leuze, ZTR 2009, 6 (7). 328 DKKW/Buschmann, § 79 BetrVG Rn. 2; WPK/Preis, § 79 BetrVG Rn. 13; Münch. Anw. Hdb. z. ArbR/Kauffmann-Lauven, § 60 Rn. 39. 329 Vgl. DKKW/Buschmann, § 79 BetrVG Rn. 1; WPK/Preis, § 79 BetrVG Rn. 1; GKBetrVG/Oetker, § 79 BetrVG Rn. 9. 330 Fangmann, AuR 1980, 129 (143). 331 Vgl. BAG v. 31. 1. 1989, 1 ABR 72/87, AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 33 unter B. 3.; v. 20. 9. 1990, 1 ABR 74/89, EzA § 80 BetrVG 1972 Nr. 39, S. 1 (6).

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4. Kap.: Die Untersuchung der einzelnen Vorschriften

Demnach ist der herrschenden Lehrmeinung zu folgen, § 79 Abs. 1 BetrVG kann als zweiter Schutzzweck die Sicherung der Informationsrechte des Betriebsrats zugesprochen werden. Zudem wird als dritter Schutzzweck in der Literatur der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen auch noch gesamtwirtschaftlich gedeutet.332 Ihre Anerkennung und der ihnen gewährte Schutz sei Funktionselement einer marktwirtschaftlichen Ordnung an sich.333 Des Weiteren diene der Geheimnisschutz auch dem Schutz der Interessen der Arbeitnehmer. Durch die Erhaltung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werde das Unternehmen und damit auch die Arbeitsplätze gesichert.334 Schließlich wird in der Literatur noch angenommen, § 79 BetrVG könne auch noch als Vorschrift zur Sicherstellung des Funktionierens der Tarifautonomie eingeordnet werden. Wegen der häufigen Doppelfunktion von Betriebsratsmitgliedern, die gleichzeitig Gewerkschaftsmitglieder seien, garantiere die Schweigepflicht, dass die Gewerkschaften nicht durch Kenntnis von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zusätzliche Druckmittel in tariflichen Verhandlungen erhielten, durch die der Grundsatz der Chancengleichheit beeinträchtigt würde.335 Ob jedoch die Tarifautonomie und der für diese konstitutive Grundsatz der Chancengleichheit336 als weitere Zwecke für § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG anerkannt werden können und in welchem Verhältnis sie zum Schutz des Arbeitgebers stehen, ist noch nicht abschließend geklärt. So hat das BAG einmal in einer Streitigkeit um die Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen vom Arbeitgeber an den Wirtschaftsausschuss entschieden, dass § 79 BetrVG das Unternehmen nur in seiner Rolle im Wirtschaftsverkehr schützen solle, nicht aber als Mitglied einer Tarifpartei.337 Dies kann man so verstehen, dass das BAG Beeinträchtigungen der Verhandlungsstärke einer Tarifvertragspartei nicht als für § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG relevanten Gesichtspunkt anerkennt. Eine Einordnung des § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG als die Tarifautonomie und den aus ihr fließenden Grundsatz der Chancengleichheit zwischen den Arbeitskamparteien schützende Vorschrift ist mit dieser Festlegung zumindest zweifelhaft. Gegen diese teleologische Einschränkung des BAG zu § 79 BetrVG wird jedoch zutreffend geltend gemacht werden, dass der Geheimnisschutz nach § 79 Abs. 1 332

Monjau, DB 1956, 232 (232); Wiese, in: FS Molitor, S. 365 (384). Vgl. Säcker, Informationsrechte, S. 14; A. Weber, S. 12 m.w.N. 334 WPK/Preis, § 79 BetrVG Rn. 1; GK-BetrVG/Oetker, § 79 BetrVG Rn. 8; Hitzfeld, S. 33 f.; allgemein Preis/Reinfeld, AuR 1989, 361 (361). 335 Vgl. GK-BetrVG/Oetker, § 79 BetrVG Rn. 8; A. Weber, S. 13 ff.; Hitzfeld, S. 34. 336 Vgl. zum Zusammenhang von Tarifautonomie und dem Grundsatz der Chancengleichheit nur BAG v. 24. 4. 1979, 1 ABR 43/77, NJW 1980, 140 (140); v. 12. 9. 1984, 1 AZR 342/83, NJW 1985, 85 (91); v. 13. 11. 2011, 1 ABR 2/10, NZA 2012, 571 (573); Preis, KollArbR, S. 345 ff. 337 BAG v. 11. 7. 2000, 1 ABR 43/99, NZA 2001, 402 (406). 333

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BetrVG sachlich nicht beschränkt ist, sich mithin gegen alle Arten von Gefährdungen richtet und damit auch der Missbrauch von an die Tarifvertragsparteien übermittelten Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen daher von § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erfasst ist.338 Diese fehlende sachliche Beschränkung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ist so verstehen, dass auch der Schutz vor unbefugter Weitergabe an die Gewerkschaften mit § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG verwirklicht wird. Mit einer in der Literatur zum Teil vertretenen Auffassung339 kann daher § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG auch als Vorschrift zum Schutz der Tarifautonomie eingeordnet werden. Für § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG kann daher ein Bündel von insgesamt vier Schutzzwecken anerkannt werden. Fraglich ist, in welchem Verhältnis diese zueinander stehen und ob einem der vier Schutzzwecke Vorrang vor den drei anderen gebührt. Die Literatur zu § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erkennt zwar im Grundsatz die oben genannten Schutzzwecke mehrheitlich an, sieht in § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG jedoch mehrheitlich eine Vorschrift in erster Linie zum Schutz des Arbeitgebers.340 Diese Auffassung, die auf einen Vorrang des Interessenschutzes des Arbeitgebers durch § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hinausläuft, kann überzeugen. So wird der Schutz der Informationsrechte des Betriebsrats allein aus dem Umstand begründet, dass die Sorge des Arbeitgebers vor einer unbefugten Weitergabe der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse besänftigt wird. Ausschlaggebend für den Schutz der Informationsrechte ist damit zuerst die Überwindung von Sorgen des Arbeitgebers. Es kann daher angenommen werden, dass § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG die Beteiligungsrechte nur indirekt schützt.341 In der hier vorgenommenen Zweckanalyse des § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zur Ermittlung, ob die Vorschrift gerade dem Arbeitgeber ein subjektives Recht vermittelt, muss der nur indirekt durch § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG mitbewirkte Schutz der Beteiligungsrechte dann aber hinter dem zuvorderst bezweckten Schutz des Arbeitgebers zurückstehen. Das Gleiche gilt für den Erhalt der Arbeitsplätze der Arbeitnehmer; dieser ist lediglich Ausfluss des Erhalts der Wettbewerbsposition des Arbeitgebers. Auch der von § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG mitverwirklichte Schutz der Tarifautonomie ist gegenüber dem Schutz der Interessen des Arbeitgebers nachrangig und spricht demnach nicht gegen die Zuweisung eines subjektiven Rechts an den Arbeitgeber. Vielmehr war maßgeblicher Gesichtspunkt für die Einordnung des § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG als auch die Tarifautonomie schützende Vorschrift der Gedanke, dass es zu Beeinträchtigungen der Parität kommen kann, wenn Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse an Gewerkschaften weitergeleitet würden. Die Erhaltung der 338

Kreßel, SAE 2002, 181 (183). Vgl. GK-BetrVG/Oetker, § 79 BetrVG Rn. 8; A. Weber, S. 13 ff.; Hitzfeld, S. 34. 340 DKKW/Buschmann, § 79 BetrVG Rn. 2; GK-BetrVG/Oetker, § 79 BetrVG Rn. 8; v. Koppenfels-Spies, in: FS Blaurock, S. 213 (222); i.E. auch Richardi/Thüsing, § 79 BetrVG Rn. 1; noch deutlicher WPK/Preis, § 79 BetrVG Rn. 13: sogar ausschließlich zum Schutz des Arbeitgebers. 341 GK-BetrVG/Oetker, § 79 BetrVG Rn. 9; A. Weber, S. 16. 339

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Parität ist aber gerade im Interesse des Arbeitgebers an einem nicht mit dieser in Einklang stehenden Wissenstranfer und dem damit verbundenen Verhandlungsvorsprung für die Gewerkschaften begründet worden. Daher werden auch bei Annahme einer Ausrichtung des § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG als die Tarifautonomie schützende Vorschrift die Interessen des Arbeitgebers nicht verkürzt, stattdessen wird seine Verhandlungsposition gegenüber den Gewerkschaften abgesichert. Geschützt vor dem Wissenstransfer an die Gewerkschaften wird damit einzig der Arbeitgeber; der durch § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG mitverwirklichte Schutz der Chancengleichheit sichert daher in diesem Fall ebenfalls die Interessen des Arbeitgebers. Auch nach teleologischer Auslegung steht demnach der Schutz der Interessen des Arbeitgebers klar im Vordergrund des § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, die anderen bei § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG anzuerkennenden Schutzzwecke treten dagegen hinter dem primär bezweckten Schutz des Arbeitgebers zurück. Fragt man sich schließlich nach dem durch § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG Berechtigen, so ist allein der Arbeitgeber als Rechtssubjekt des § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG anzusehen. So hat das BAG dementsprechend zutreffend entschieden, dass sich der Gesamtbetriebsrat nicht auf § 79 BetrVG berufen könne.342 Die in § 79 Abs. 1 Satz 1 und § 79 Abs. 2 BetrVG benannten Mitglieder der betriebsverfassungsrechtlichen Gremien sowie diese Gremien selbst sind stattdessen die Verpflichteten des § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Berechtigt aus § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG wird demnach lediglich der Arbeitgeber, an ihn richtet sich die Rechtszuweisung der Vorschrift. § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vermittelt daher dem Arbeitgeber ein subjektives Recht.343 Mit der Zuweisung dieses Rechts korrespondiert der auf den Schutz desselben abzielende betriebsverfassungsrechtliche Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat; der Arbeitgeber kann daher der Verletzung des § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG bereits präventiv mittels Unterlassungsanspruchs begegnen. 4. Zusammenfassung: Unterlassungsanspruch bei Verletzungen der Leitungsmacht des Arbeitgebers und bei Verstößen gegen die Geheimhaltungspflicht Sowohl § 77 Abs. 1 Satz 2 als auch § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG sind als Rechtszuweisungsvorschriften an den Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat einzuordnen. Mit der Gewährung eines subjektiven Rechts durch die beiden Vorschriften ist automatisch auch die Frage nach dem Bestehen eines Unterlassungsanspruchs bei Verletzung der beiden Vorschriften entschieden, dieser besteht als Schutzrecht zur Verteidigung des an den Arbeitgeber zugewiesenen subjektiven Rechts.

342 343

BAG v. 17. 10. 1990, 7 ABR 69/89, BB 1991, 1264 (1265). Ebenso v. Koppenfels-Spies, in: FS Blaurock, S. 213 (222).

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5. Unterlassungsanspruch bei Verletzungen von Geschäftsführungspflichten? Neben den bisher untersuchten Pflichten aus den §§ 74 Abs. 2, 75 Abs. 1, 75 Abs. 2, 77 Abs. 1 Satz 2 und 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG kommt auch noch für einzelne Vorschriften aus dem Bereich der Geschäftsführung des Betriebsrats das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers in Betracht. Die Diskussion steckt hier im Gegensatz zu den bereits behandelten Vorschriften noch in den Kinderschuhen, es fehlen einschlägige bundesarbeitsgerichtliche Entscheidungen zum Komplex, die speziell für diese Vorschriften das Bestehen von Unterlassungsansprüchen thematisieren. Auch fehlt zu einzelnen Vorschriften aus dem Bereich der Geschäftsführung eine vertiefte Normzweckanalyse. Die Darstellung orientiert sich hier an der gesetzlichen Anordnung der Vorschriften. a) Rechtszuweisung bei § 30 Satz 2 BetrVG Erste Vorschrift aus dem Bereich der Geschäftsführungsvorschriften, die dem Arbeitgeber ein subjektives Recht vermitteln könnte, ist § 30 Satz 2 BetrVG. Erstmals hat sich im Jahr 2010 das LAG Berlin-Brandenburg mit der Frage eines Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat befasst. Mit Beschluss vom 18. 3. 2010 nahm dieses an, dass der Regelung des § 30 Satz 2 BetrVG kein korrespondierender Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers zugeordnet sei.344 Vielmehr sei die Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten im Grundsatz in der Norm des § 23 Abs. 3 BetrVG geregelt.345 Der Verweis auf § 23 Abs. 3 BetrVG kann jedoch nicht überzeugen, weil dieser einzig Mittel des Betriebsrats gegenüber dem Arbeitgeber regelt; zu einer Möglichkeit des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat vorzugehen, findet sich in § 23 Abs. 3 BetrVG nichts. Auch wenn man annimmt, dass das LAG Berlin-Brandenburg stattdessen § 23 Abs. 1 BetrVG meinte,346 kann der Verweis auf diesen Absatz ebenfalls nicht zu einem Ausschluss eines betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat führen, § 23 Abs. 1 BetrVG kommt gerade keine Sperrwirkung gegenüber Unterlassungsansprüchen des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat zu.347 Auch der in einem Großteil der Literatur zu findende Hinweis auf die für den Arbeitgeber bestehende Möglichkeit einer einstweiligen Verfügung zur Untersagung der entgegen § 30 Satz 2 BetrVG anberaumten Betriebsratssitzung348 führt nicht zu einer tragfähigen 344

LAG Berlin-Brandenburg v. 18. 3. 2010, 2 TaBV 2694/09, juris Rz. 21, 23; ebenso HaKo-BetrVG/Blanke/Wolmerath, § 30 BetrVG Rn. 14; BeckOK-ArbR/Mauer, § 30 BetrVG Rn. 5. 345 LAG Berlin-Brandenburg v. 18. 3. 2010, 2 TaBV 2694/09, juris Rz. 25. 346 Davon wohl ausgehend HaKo-BetrVG/Blanke/Wolmerath, § 30 BetrVG Rn. 14 „Verstöße des Betriebsrats können nur im Rahmen des § 23 Abs. 1 geahndet werden“ unter Verweis auf die Entscheidung des LAG Berlin Brandenburg v. 18. 3. 2010, 2 TaBV 2694/09. 347 s. o. 2. Kapitel A. VI. 348 Richardi/Thüsing, § 30 BetrVG Rn. 20; HWGNRH/Glock, § 30 BetrVG Rn. 13; DKKW/Wedde, § 30 BetrVG Rn. 7; ErfK/Koch, § 30 BetrVG Rn. 1; HWK/Reichold, § 30

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Lösung. Voraussetzung für eine einstweilige Verfügung auf Untersagung der Betriebsratssitzung nach § 85 Abs. 2 ArbGG ist das Bestehen eines materiell-rechtlichen Unterlassungsanspruchs, anspruchslose einstweilige Verfügungen gibt es nicht.349 Gesetzliche Sonderregelungen gegenüber einem Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers bestehen bei § 30 Satz 2 BetrVG damit nicht. Stattdessen ist durch Auslegung der Vorschrift zu ermitteln ob der dem Betriebsrat in § 30 Satz 2 BetrVG auferlegten Pflicht ein subjektives Recht des Arbeitgebers entspricht. Dafür müsste dem Arbeitgeber durch § 30 Satz 2 BetrVG als Rechtssubjekt Rechtsmacht zur Wahrnehmung menschlicher Interessen eingeräumt werden. Nach § 30 Satz 2 BetrVG hat der Betriebsrat bei der Ansetzung von Betriebsratssitzungen auf die betrieblichen Notwendigkeiten Rücksicht zu nehmen. Der Wortlaut des § 30 Satz 2 BetrVG spricht für ein subjektives Recht des Arbeitgebers. Zwar wird der Arbeitgeber nicht ausdrücklich als Berechtiger in § 30 Satz 2 BetrVG aufgeführt. Jedoch muss der Betriebsrat auf die betrieblichen Notwendigkeiten Rücksicht nehmen. Das Merkmal der betrieblichen Notwendigkeiten ist bei § 30 Satz 2 BetrVG zwar anerkanntermaßen eng auszulegen. Demnach fällt nicht jede Erschwerung des Betriebsablaufs unter das gesetzliche Merkmal.350 Auch eine bloße betriebliche Zweckmäßigkeit kann eine betriebliche Notwendigkeit nicht begründen.351 Gemeint sind hier unstrittig – anders als z. B. bei § 37 Abs. 5 BetrVG zum Teil vertreten352 – allein dringende betriebliche Gründe, die sich aus dem Betriebsablauf ergeben und zwingend Vorrang vor dem Interesse des Betriebsrats an der Abhaltung der Sitzung zum geplanten Zeitpunkt haben.353 Der Betriebsbegriff ist in der Rechtsordnung schillernd, ihm kann je nach untersuchtem Gesetz verschiedene Bedeutung zukommen.354 Für das BetrVG lässt sich aus der das gesamte Betriebsverfassungsrecht beherrschenden Auslegungsregel des § 2 Abs. 1 BetrVG eine für die Deutung des Betriebsbegriffs wichtige Erkenntnis entnehmen. Hiernach ist Bezugspunkt der von Arbeitgeber und Betriebsrat eingeforderten vertrauensvollen Zusammenarbeit das Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs. Der Betrieb wird in § 2 Abs. 1 BetrVG wegen der gesonderten Nennung des Wohls der Arbeitnehmer nicht gleichgesetzt mit den Interessen der Arbeitnehmer.355 Vielmehr ist davon auszugehen, dass das Wohl des Betriebs immer eine Berücksichtigung der Interessen

BetrVG Rn. 6; nur für ausnahmsweise bestehende Möglichkeit zum Erlass einer solchen Verfügung NK-ArbR/Besgen, § 30 BetrVG Rn. 3; nur bei Vorliegen einer wesentlichen Gefährdung des Betriebsablaufs: Münch. Hdb. z. ArbR/Joost, § 219 Rn. 10. 349 s. o. 3. Kapitel. A. II. 2. 350 Vgl. GK-BetrVG/Raab, § 30 BetrVG Rn. 7. 351 Münch. Hdb. z. ArbR/Joost, § 219 Rn. 10. 352 Vgl. Richardi/Thüsing, § 37 BetrVG Rn. 87 m.w.N. zu engeren Lesarten. 353 WPK/Kreft, § 30 BetrVG Rn. 3; GK-BetrVG/Raab, § 30 BetrVG Rn. 7; ErfK/Koch, § 30 BetrVG Rn. 1. 354 Vgl. ausf. Preis, RdA 2000, 257 (265 ff.). 355 So bereits zu § 49 Abs. 1 BetrVG 1952 G. Müller, DB 1970, 1076 (1076).

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des Arbeitgebers ermöglicht.356 Selbst bei der für § 30 Satz 2 BetrVG unstrittig vorzunehmenden engen Interpretation des Merkmals der betrieblichen Notwendigkeiten ist daher unter der Rücksichtnahme auf diese immer auch die Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers zu verstehen.357 Die Tatbestandsvoraussetzung der betrieblichen Notwendigkeiten in § 30 Satz 2 BetrVG lässt daher eine Ausrichtung auf den Schutz der Interessen des Arbeitgebers erkennen. Problematisch für die Anerkennung eines subjektiven Rechts in Form eines Anspruchs des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat ist bei § 30 Satz 2 BetrVG dagegen der genaue Zuweisungsgehalt der Vorschrift. § 30 Satz 2 BetrVG steht insofern vor einem ähnlichen Problem wie § 2 Abs. 1 BetrVG, für den oben mangels hinreichend bestimmbaren Leistungsgehalts der Charakter als einen Anspruch vermittelnde Norm verneint wurde.358 Erschwerend tritt hinzu, dass § 30 Satz 2 BetrVG vermehrt als Konkretisierung des Gebots zur vertrauensvollen Zusammenarbeit aus § 2 Abs. 1 BetrVG verstanden wird.359 Es bestehen jedoch Unterschiede zum Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit aus § 2 Abs. 1 BetrVG, welches sich gegenständlich kaum sinnvoll begrenzen lässt und weder für den Arbeitgeber noch für den Betriebsrat eine bestimmte einforderbare Leistung erkennen lässt. So kann für § 30 Satz 2 BetrVG der Kreis der Angelegenheiten, in denen der Betriebsrat zur Rücksichtnahme verpflichtet sein soll, gerade sinnvoll eingegrenzt und damit der Zuweisungehalt der Vorschrift bestimmt werden. Zutreffend hat das BAG in einer Entscheidung herausgestellt, dass sich die Pflicht zur Rücksichtnahme für die Abhaltung von Sitzungen während der Arbeitszeit auf den von ihm verlangten Zeitpunkt der Sitzung und ihre beabsichtigte Dauer bezieht.360 Über den Ort, an dem die Sitzungen abzuhalten sind, lässt sich § 30 Satz 2 BetrVG dagegen nichts entnehmen.361 Nach dem BAG bezieht sich die Pflicht zur Rücksichtnahme damit allein auf zeitliche Gesichtspunkte. Für diese Beschränkung der Pflicht zur Rücksichtnahme aus § 30 Satz 2 BetrVG spricht der systematische Gesamtzusammenhang, in dem die Vorschrift steht. § 30 Satz 1 bis Satz 3 BetrVG behandeln alle die zeitliche Lage der Arbeitszeit.362 Der Regelungsgehalt der § 30 Satz 1 bis Satz 3 BetrVG erschöpft sich demnach in einer Festlegung von Rahmenbedingungen für Betriebsratssitzungen in zeitlicher Hinsicht. Dies zeigt sich besonders deutlich in § 30 Satz 3 BetrVG, der eine Verständigung des Arbeitgebers lediglich über den Zeitpunkt 356

Zutreffend Joost, Betrieb, S. 321; R. Weber, Vertrauensvolle Zusammenarbeit, S. 55 ff. BeckOK-ArbR/Mauer, Vor § 30 BetrVG; Richardi/Thüsing, § 30 BetrVG Rn. 5. 358 s. o. 3. Kapitel A. II. 3. d). 359 So bereits zu § 30 S. 2 BetrVG 1952 Bulla, RdA 1965, 121 (126 f.); zur heutigen Fassung noch GK-BetrVG/Raab, § 30 BetrVG Rn. 6; LK/Löwisch, § 30 BetrVG Rn. 4; HWGNRH/ Glock, § 30 BetrVG Rn. 4; F. Gamillscheg, KollArbR, Bd. 2, S. 523; einen „Ausfluss“ des in § 2 Abs. 1 BetrVG konkretisierten Gebots der vertrauensvollen Zusammenarbeit sieht NK-ArbR/ Bodem, § 30 BetrVG Rn. 3. 360 BAG v. 24. 7. 1979, 6 ABR 96/77, AP BetrVG 1972 § 51 Nr. 1 unter III. 2. b). 361 BAG v. 24. 7. 1979, 6 ABR 96/77, AP BetrVG 1972 § 51 Nr. 1 unter III. 2. b). 362 Vgl. HWK/Reichold, § 30 BetrVG Rn. 1; NK-ArbR/Besgen, § 30 BetrVG Rn. 1. 357

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der Sitzungen vorsieht. § 30 Satz 2 BetrVG kann daher mit dem BAG ebenfalls lediglich als eine Regelung zur Erfassung der zeitlichen Dimension von Betriebsratssitzungen eingeordnet werden. Führt man sich diesen beschränkten sachlichen Regelungsbereich der Vorschrift vor Augen, dann muss auch die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die betrieblichen Notwendigkeiten allein auf den Zeitaspekt von Betriebsratssitzungen beschränkt bleiben. Dieser kann neben dem vom BAG ausdrücklich identifizierten Zeitpunkt der Sitzung und der beabsichtigen Dauer der Sitzungen noch in der Häufigkeit, mit der die Sitzungen anberaumt werden sollen, liegen.363 Auch das zeitliche Intervall, in dem der Betriebsrat Sitzungen ansetzen will, wird damit von den betrieblichen Notwendigkeiten des § 30 Satz 2 BetrVG erfasst. Aus der Beschränkung der Pflicht zur Rücksichtnahme auf diese drei Gesichtspunkte resultiert eine inhaltliche Beschränkung für den Betriebsrat. Dieser wird nach § 30 Satz 2 BetrVG dann nur verpflichtet vor der Terminierung einer Sitzung zu prüfen, ob Gründe aus dem Betriebsablauf existieren, die zwingend gegen den vom ihm angestrebten Zeitpunkt der Sitzung, ihre beabsichtigte Dauer oder das zeitliche Intervall, in denen die Sitzungen angesetzt werden sollen, sprechen. Der Betriebsrat muss demnach eine Abwägung zwischen den zwingenden Gründen aus dem Betriebsablauf und seinen Erwägungen für die zeitliche Ansetzung der Sitzung prüfen. In der Prüfung der Kollision zwischen zwingenden Gründen aus dem Betriebsablauf und den Argumenten des Betriebsrats für die Ansetzung der Sitzung zu einem bestimmten Zeitpunkt, mit einer bestimmten Dauer und in einem bestimmten Intervall liegt auch der Zuweisungsgehalt des § 30 Satz 2 BetrVG. Der Betriebsrat als Gremium muss bei Terminierung der Sitzung eine wertende Entscheidung treffen.364 Der Arbeitgeber kann demnach auf Basis von § 30 Satz 2 BetrVG fordern, dass der Betriebsrat eine Abwägung zwischen den zwingenden Gründen aus dem Betriebsablauf und den von ihm für die Terminierung vorgebrachten Argumenten vornimmt. Als Zwischenergebnis kann daher für den Wortlaut des § 30 Satz 2 BetrVG zumindest eine Ausrichtung auf die Interessen des Arbeitgebers konstatiert werden. Außerdem kommt § 30 Satz 2 BetrVG ein für die Existenz eines Anspruchs hinreichend bestimmter Zuweisungsgehalt zu, der Arbeitgeber kann vom Betriebsrat nach § 30 Satz 2 BetrVG einfordern, dass dieser die nach der Vorschrift erforderliche Abwägung vornimmt. Dieses nach der Interpretation des Wortlauts auf ein subjektives Recht des Arbeitgebers hinweisende Zwischenergebnis muss jedoch auch noch im Wege des systematischen, des historischen und vor allem des teleologischen Auslegungskriteriums überprüft werden. Gegen einen zum subjektiven Recht führenden Schutz der Interessen des Arbeitgebers durch § 30 Satz 2 BetrVG könnte der systematische Gesamtkontext sprechen, in dem § 30 Satz 2 BetrVG einzuordnen ist. § 30 Satz 2 BetrVG bildet zum

363 364

So zutreffend WPK/Kreft, § 30 BetrVG Rn. 3; GK-BetrVG/Raab, § 30 BetrVG Rn. 7. So auch LAG Hessen v. 4. 2. 2013, 16 TaBV 261/12, juris Rz. 28.

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einen eine Ergänzung zu der Regelung des § 29 BetrVG.365 Beide Vorschriften befassen sich thematisch mit den Sitzungen des Betriebsrats. Diese Sitzungen sind der Geschäftsführung des Betriebsrats zuzuordnen und dienen damit jedenfalls in erster Linie seiner Willensbildung.366 Zum anderen ist § 30 Satz 2 BetrVG noch eine Ausnahme zu § 30 Satz 1 BetrVG. Nach diesem finden die Sitzungen regelmäßig während der Arbeitszeit statt. Dem Betriebsrat kommt insofern die Organisationshoheit zu, an welchen Tagen und zu welchen Uhrzeiten er seine Sitzungen anberaumt.367 Er braucht weder eine vorherige Zustimmung noch eine nachträgliche Genehmigung des Arbeitgebers um eine Sitzung zu einem bestimmten Zeitpunkt abhalten zu dürfe.368 Außerdem hat der Arbeitgeber kein Widerspruchsrecht.369 Demnach bestimmt der Betriebsrat grundsätzlich allein, wann und wie oft er tagt.370 Der Betriebsrat ist nach dem gesetzlichen Konzept der „Herr“ über den ihm zugewiesenen Bereich der Geschäftsführung, in diesem vollzieht sich seine Willensbildung. Ein Schutz der Interessen des Arbeitgebers scheint mit dem von Gesetzes wegen dem Betriebsrat zugewiesenen Bereich seiner Willensbildung schwer vereinbar. Auch mit der grundsätzlichen Zuordnung der Geschäftsführung zur Willensbildung des Betriebsrats geht für diesen hieraus jedoch keine unbeschränkte Freiheit einher. Dies beweist bereits § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Nach dieser Vorschrift verbleibt die Leitung des Betriebs immer noch dem Arbeitgeber. Dem Betriebsrat sind eigenmächtige Eingriffe in die Leitungsmacht des Arbeitgebers und den von ihm zu organsierenden Betriebsablauf dagegen nach § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG verboten. Das Verbot des § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist gegenständlich für den Betriebsrat nicht begrenzt; § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG verbietet generell jede Art von eigenmächtigem Eingriff. Zwar wird in der Literatur grundsätzlich die Terminierung von Sitzungen nicht zu den Eingriffen im Sinne des § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG gezählt.371 Dies kann für Sitzungen des Betriebsrats aber nach der Wertung in § 30 Satz 2 BetrVG nur dann überzeugen, wenn der Betriebsrat auf die betrieblichen Notwendigkeiten Rücksicht nimmt. Weitergehende Eingriffe sind dem Betriebsrat nach § 30 Satz 2 BetrVG speziell für Sitzungen nicht gestattet. Nur für den Fall der rechtmäßigen Terminierung von Sitzungen kann daher davon ausgegangen werden, dass der Arbeitgeber von Gesetzes wegen zur Duldung der Entscheidung des Betriebsrats

365

HaKo-BetrVG/Blanke/Wolmerath, § 30 BetrVG Rn. 1; WPK/Kreft, § 30 BetrVG Rn. 1; GK-BetrVG/Raab, § 30 BetrVG Rn. 3. 366 BAG v. 24. 7. 1979, 6 ABR 96/77, AP BetrVG 1972 § 51 Nr. 1 unter III. 2. b). 367 BAG v. 24. 7. 1979, 6 ABR 96/77, AP BetrVG 1972 § 51 Nr. 1 unter III. 2. b); LAG Köln v. 17. 4. 2002, 7 TaBV 13/01, juris Rz. 29; HWK/Reichold, § 30 BetrVG Rn. 1. 368 LAG Hamm v. 8. 7. 1978, 3 Sa 568/78, EzA § 37 BetrVG 1972 Nr. 58, S. 239 (242); I. Böttcher, S. 57; Hässler, S. 26. 369 Kühner, S. 58. 370 v. Hoyningen-Huene, BetrVR, S. 176; G. Müller, in: FS Herschel, S. 269 (277). 371 FESTL, § 77 BetrVG Rn. 8.

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verpflichtet ist und kein Eingriff in den Betriebsablauf vorliegt.372 Der Gesetzessystematik und der Zuordnung der Sitzungen in den Bereich der internen Willensbildung des Betriebsrats kann daher kein Argument gegen die Zuweisung eines subjektiven Rechts an den Arbeitgeber entnommen werden. Stattdessen ist § 30 Satz 2 BetrVG gerade als Ausnahme vom generell mit den Geschäftsführungsvorschriften bezweckten Schutz der internen Willensbildung des Betriebsrats als eine Schutzvorschrift für die aus dem Betriebsablauf resultierenden Interessen des Arbeitgebers aufzufassen. Historisch gesehen beginnt die Rechtsentwicklung zu Vorschriften über die Sitzungen der Betriebsräte mit der Schaffung von obligatorisch zu errichtenden Arbeiterausschüssen im Gesetz über den vaterländischen Hilfsdienst vom 5. 12. 1916. § 12 Abs. 2 dieses Gesetzes sah vor, dass auf Verlangen von mindestens einem Viertel der Mitglieder des Arbeitsausschusses eine Sitzung anberaumt und der beantragte Beratungsgegenstand auf die Tagesordnung gesetzt werden mußte.373 Auch die Verordnung über Tarifverträge, Arbeiter- und Angestelltenausschüsse und Schlichtung von Arbeitsstreitigkeiten vom 23. 12. 1918 enthielt in § 13 Abs. 2 eine formulierungs- und inhaltsgleiche Regelung.374 Weitergehende Aussagen zur Zeit, in der die Sitzungen der Arbeiterausschüsse stattfinden sollten oder der Berücksichtigung betrieblicher Notwendigkeiten, finden sich in beiden Gesetzen nicht. Die Ausschüsse konnten daher ihre Geschäftsführung selbst durch Mehrheitsbeschlüsse regeln.375 In der Praxis war die Ansetzung von Sitzungen damit den Arbeiterausschüssen überlassen, die dazu vereinzelt zu einer Regelung mittels Satzung griffen.376 Einen Schritt weiter hin zur Verrechtlichung der Sitzungen des Betriebsrats machte die Entwicklung mit dem Erlass des Betriebsrätegesetzes in der Weimarer Republik. Der in der Nationalversammlung beschlossene Entwurf eines Gesetzes für Betriebsräte enthielt in § 21 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 folgende Regelungen zu den Sitzungen der Betriebsräte: „Von jeder Sitzung, die während der Arbeitszeit stattfindet, ist der Arbeitgeber zu benachrichtigen. Der Obmann hat dafür zu sorgen, daß nicht durch häufige Anberaumung von Sitzungen während der Arbeitszeit eine erhebliche Beeinträchtigung des Betriebs stattfindet oder übermäßige Kosten für den Betrieb entstehen.“377

372

Zutreffend GK-BetrVG/Raab, § 30 BetrVG Rn. 11. Abgedruckt in: RGbl Nr. 276 (1916), S. 1333 ff. 374 Abgedruckt in: RGbl Nr. 287 v. 23. 12. 1918, S. 1456 ff.; zitiert nach Blanke/Erd/Mückenberger/Stascheit (Hrsg.), Kollektives Arbeitsrecht, Quellentexte zur Geschichte des Arbeitsrechts in Deutschland, Bd. 1 (1840 – 1933), S. 191 (192). 375 Schulz, § 13 der Verordnung über Tarifverträge, Arbeiter- und Angestelltenausschüsse und Schlichtung von Arbeitsstreitigkeiten Anm. 4. 376 s. dazu das Beispiel des Rasselsteiner Eisenwerks bei Kleeis, Sozialistische Monatshefte, 23 (1917), 582 (585 f.). 377 Gesetz über Betriebsräte, Drucksache Nr. 928, in: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 328 (1919/20), S. 7. 373

A. Die Zuweisung subjektiver Rechte in einzelnen Vorschriften

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Speziell auf § 21 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 des Entwurfs bezogene Äußerungen finden sich in der Begründung zum Entwurf nicht. Zur Geschäftsführung ist dort einzig vermerkt, dass der Betriebsrat in dieser möglichst frei sein solle. Der Gesetzesentwurf enthalte nur einige Regelungen.378 Verwiesen wurden zudem noch auf die nach § 24 des Entwurfs bestehende Möglichkeit des Betriebsrats, sich selbst eine Geschäftsordnung zu geben.379 Mit der gesonderten Erwähnung der „erheblichen Beeinträchtigungen des Betriebs“ – die den betrieblichen Notwendigkeiten des heutigen § 30 Satz 2 BetrVG zumindest ähnelt – sollte aber gerade eine Einschränkung zum Recht des Betriebsobmanns auf Einberufung der späteren Sitzungen nach § 21 Abs. 1 Satz 5 des Entwurfs vorgeschrieben werden. Die genaue Ausgestaltung der Vorschrift zu den Sitzungen des Betriebsrats war nach der ersten Beratung des Gesetzesentwurfs im Reichstag und der in dieser Sitzung beschlossenen Überweisung des Gesetzesentwurfs an den Ausschuss für soziale Angelegenheiten380 Gegenstand ausführlicher Beratungen. Gegen die beantragte grundsätzliche Abhaltung der Sitzungen außerhalb der Arbeitszeit wurde eingewandt, dass die Vorschrift in vielen Betrieben nicht durchführbar sei. Andererseits könne man es den Arbeitnehmern nicht zumuten, ihre freie Zeit ohne Bezahlung dem Betrieb zu widmen.381 Demgegenüber wurde darauf hingewiesen, dass grundsätzlich am ehrenamtlichen Charakter der Betriebsratstätigkeit festgehalten werden müsse.382 Für die Frage der Berücksichtigung der Interessen des Arbeitgebers und den Schutz dessen Interessen lässt sich aus dem Bericht des Ausschusses nichts Weiterführendes entnehmen. Auch in der zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Betriebsräte im Reichstag war die Verlegung der Sitzungen außerhalb der Arbeitszeit Gegenstand kontroverser Wortbeiträge. So beantragte der Abgeordnete Laukant in der 137. Sitzung der Nationalversammlung § 30 Abs. 1 dahingehend abzuändern, dass die Sitzungen des Betriebsrats in der Regel innerhalb der Arbeitszeit stattfinden sollten.383 Mit der gesetzlichen Festlegung, dass der Betriebsrat nur ausnahmsweise 378

Begründung zum Gesetz über Betriebsräte, Drucksache Nr. 928, in: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 328 (1919/20), S. 26. 379 Begründung zum Gesetz über Betriebsräte, Drucksache Nr. 928, in: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 328 (1919/20), S. 26. 380 Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Betriebsräte am 21. 8. 1919 in der 85. Sitzung der Nationalversammlung, Drucksache Nr. 928, in: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 329 (1919/20), S. 2748. 381 Bericht des Ausschusses für soziale Angelegenheiten über den Entwurf eines Gesetzes für Betriebsräte, Aktenstück Nr. 1838, in: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 340 (1919/20), S. 1909. 382 Bericht des Ausschusses für soziale Angelegenheiten über den Entwurf eines Gesetzes für Betriebsräte, Aktenstück Nr. 1838, in: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 340 (1919/20), S. 1909. 383 Zweite Beratung des Gesetzesentwurfs über Betriebsräte am 15. 1. 1920 in der 137. Sitzung der Nationalversammlung, in: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 331 (1919/20), S. 4322.

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4. Kap.: Die Untersuchung der einzelnen Vorschriften

während der Arbeitszeit tagen könne, würde dem Unternehmer wieder die Handhabe gegeben, die Rechte, die sich die Arbeiter errungen hätten, zu beseitigen.384 Nach dem Antrag des Abgeordneten Laukant beantragte der Abgeordnete Dr. Maretzky, dass die Sitzungen des Betriebsrats nur außerhalb der Arbeitszeit stattfinden dürften.385 Wenn sie ausnahmsweise innerhalb der Betriebszeit stattfinden sollten, sollte dies nur im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber möglich sein. Er führte dazu noch aus: „Es ist gar kein Zweifel, daß es eine Störung der Betriebe bedeutet, wenn der Betriebsrat innerhalb der Arbeitszeit tagt“.386 Die grundsätzliche Zustimmung des Arbeitgebers zur Abhaltung von Sitzungen während der Arbeitszeit sah auch der danach sprechende Abgeordnete Schiele für erforderlich an, „wenn anders nicht enorme Störungen in den Betrieb hineingetragen werden sollen“.387 Im Gesetzgebungsverfahren wurden die durch Sitzungen der Betriebsräte verursachten Betriebsablaufstörungen daher thematisiert und vereinzelt für die Notwendigkeit einer Absprache zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber geworben. Angenommen wurde § 30 Abs. 1 in der Fassung des Ausschusses für soziale Angelegenheiten.388 Der Gesetzgeber entschied sich damit für einen Mittelweg zwischen den verschiedenen im Gesetzgebungsverfahren geäußerten Positionen: Grundsätzliche Abhaltung der Sitzungen außerhalb der Arbeitszeit mit der Zulässigkeit von Ausnahmen im Einzelfall.389 Im BRG 1920 erhielt die Vorschrift zu den Sitzungen in § 30 BRG 1920 damit folgenden Wortlaut: „Die Sitzungen des Betriebsrats finden in der Regel und nach Möglichkeit außerhalb der Arbeitszeit statt. Sie sind nicht öffentlich.“390

Augenscheinlich sah § 30 BRG 1920 – anders als der noch auf „erhebliche Beeinträchtigungen des Betriebs“ abstellende § 21 Abs. 1 Satz 5 des Entwurfs der Nationalversammlung – eine ausdrückliche Tatbestandsvoraussetzung der Rücksichtnahme auf die betrieblichen Notwendigkeiten nicht vor. Hieraus kann jedoch 384

So der Abgeordnete Laukant, Zweite Beratung des Gesetzesentwurfs über Betriebsräte am 15. 1. 1920 in der 137. Sitzung der Nationalversammlung, in: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 331 (1919/20), S. 4322. 385 Zweite Beratung des Gesetzesentwurfs über Betriebsräte am 15. 1. 1920 in der 137. Sitzung der Nationalversammlung, in: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 331 (1919/20), S. 4322. 386 So der Abgeordnete Maretzky, Zweite Beratung des Gesetzesentwurfs über Betriebsräte am 15. 1. 1920 in der 137. Sitzung der Nationalversammlung, in: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 331 (1919/20), S. 4322. 387 Zweite Beratung des Gesetzesentwurfs über Betriebsräte am 15. 1. 1920 in der 137. Sitzung der Nationalversammlung, in: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 331 (1919/20), S. 4323. 388 Zweite Beratung des Gesetzesentwurfs über Betriebsräte am 15. 1. 1920 in der 137. Sitzung der Nationalversammlung, in: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 331 (1919/20), S. 4323. 389 Stier-Stomlo, § 30 BRG 1920 Anm. 1. 390 Abgedruckt in RGbl Nr. 26 v. 9. 2. 1920, S. 156.

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nicht auf eine Negierung der Interessen des Arbeitgebers geschlossen werden. Das Fehlen einer ausdrücklichen Voraussetzung der Rücksichtnahme auf die betrieblichen Verhältnisse bzw. Notwendigkeiten kann man bereits aus der völlig anderen Struktur des Gesetzes zur zeitlichen Lage von Betriebsratssitzungen erklären. Die Sitzungen fanden nach § 30 Abs. 1 BRG 1920 in der Regel und nach Möglichkeit gerade außerhalb der Arbeitszeit statt. So wurde auch in der Literatur zum BRG 1920 herausgestellt, dass bereits mit der Verlegung der Sitzungen außerhalb der Arbeitszeit sichergestellt werden sollte, dass der ordnungsgemäße Geschäftsgang der Betriebe durch die Betriebsratssitzungen möglichst nicht beeinträchtigt wird.391 Im Gegensatz zur heutigen Regelung war gerade die Verlegung der Sitzungen in die Arbeitszeit nur in Ausnahmefällen möglich, weil durch diese „der Fortgang der Arbeit sonst zu sehr gestört“ worden wäre.392 Den Interessen des Arbeitgebers an einem durch Sitzungen möglichst ungestörten Betriebsablauf wurde also nach der Konzeption des BRG 1920 bereits mit der Verlegung der Sitzungen außerhalb der Arbeitszeit Rechnung getragen. Einer gesonderten Voraussetzung der Rücksichtnahme auf die betrieblichen Notwendigkeiten bedurfte es daher bei § 30 Abs. 1 BRG 1920 nicht, diese wurden so oder so über die grundsätzliche Abhaltung der Sitzungen außerhalb der Arbeitszeit gewahrt. Auch den Regelungen des BRG 1920 war daher trotz einer fehlenden ausdrücklichen Vorschrift zur Rücksichtnahme auf den Betriebsablauf und die hinter ihm stehenden Interessen des Arbeitgebers deren Schutz nicht fremd. Das nationalsozialistische AOG enthielt keine dem § 30 BRG 1920 vergleichbare Regelung zu den Sitzungen des Vertrauensrats. § 12 Satz 1 AOG bestimmte lediglich, dass der Vertrauensrat nach Bedarf von dem Führer des Betriebs einzuberufen war. Nach § 12 Satz 2 AOG musste die Einberufung erfolgen, wenn die Hälfte der Vertrauensmänner es beantragte.393 Regelungen zur zeitlichen Lage der Sitzungen (außerhalb/innerhalb der Arbeitszeit bzw. zu dem genauen Zeitpunkt) existierten im AOG dagegen nicht. Stattdessen bestimmte allein der Führer des Betriebs den Zeitpunkt der Sitzung.394 Wegen des alleinigen Bestimmungsrechts des Führers des Betriebs über die Zeit der Sitzung erübrigte sich dann auch eine Bestimmung darüber, die Sitzungen möglichst außerhalb der Arbeitszeit abzuhalten.395 Mit Rücksicht auf das Ehrenamtsprinzip des § 13 AOG ging die Literatur aber auch ohne Fehlen einer ausdrücklichen Regelung zur Lage der Sitzungen davon aus, dass diese grundsätzlich außerhalb der Arbeitszeit stattfinden sollten.396 In der Frage der zeitlichen Lage der Sitzungen bestanden daher im AOG keine wesentlichen Unterschiede zum BRG 1920. Ein noch stärkerer Schutz der Interessen des Arbeitgebers 391 392 393 394 395 396

Flatow/Kahn-Freund, § 30 BRG 1920 Anm. 1. Wiethaus/Kantorowicz, § 30 BRG 1920 Anm. 1. Abgedruckt in: RGbl Nr. 7 v. 20. 1. 1934, S. 46. Hueck/Nipperdey/Dietz/Dietz, § 12 AOG Rn. 3. Hueck/Nipperdey/Dietz/Dietz, § 12 AOG Rn. 6. Mansfeld/Pohl, § 12 AOG.

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4. Kap.: Die Untersuchung der einzelnen Vorschriften

an einem ungestörten Betriebsablauf kann aber wegen des dem Führer des Betriebs zustehenden Bestimmungsrechts über den Zeitpunkt der Sitzung festgestellt werden. Führer des Betriebs war nach § 1 AOG der Unternehmer selbst. Seine Interessen an einem ungestörten Betriebsablauf konnte er daher über die Einberufung des Vertrauensrats selbst verwirklichen. Das nach Kriegsende vom Kontrollrat für das besetzte Deutschland beschlossene Kontrollratsgesetz Nr. 22 enthielt keine Regelungen zu Sitzungen der Betriebsräte. Stattdessen erließen einzelne Bundesländer Betriebsrätegesetze. Nicht alle enthielten Regelungen zu der praktisch wichtigen Frage der Sitzungen des Betriebsrats. So verzichtete z. B. das Württembergisch-Badische Gesetz Nr. 726 über die Beteiligung der Arbeitnehmer an der Verwaltung und Gestaltung der Betriebe der Privatwirtschaft vom 18. 8. 1948 auf eine Regelung zu den Sitzungen.397 Eine frühe Regelung zu den Sitzungen des Betriebsrats auf Länderebene enthielt dagegen § 20 Abs. 1 des hessischen Betriebsrätegesetzes vom 31. 5. 1948. Eine zu § 20 Abs. 1 des hessischen Betriebsrätegesetzes formulierungsgleiche Regelung war zudem in § 18 des bremischen Betriebsrätegesetzes vom 10. 1. 1949 in der Fassung vom 7. 3. 1950 enthalten.398 Die zuerst erlassene Vorschrift des § 20 Abs. 1 des hessischen Betriebsrätegesetzes lautete „Die Sitzungen des Betriebsrats finden in der Regel während der Arbeitszeit statt. Der Arbeitgeber ist über den Zeitpunkt der Sitzung vorher zu verständigen. Die Betriebsratssitzungen sind nicht öffentlich.“399

In der Literatur wurde § 20 Abs. 1 des hessischen Betriebsrätegesetzes als in etwa dem § 30 BRG 1920 entsprechende Vorschrift eingeordnet, wobei der zu beachtende Unterschied in der Verlegung der Sitzungen in der Arbeitszeit gesehen wurde.400 Die Verlegung der Sitzungen wurde damit begründet, dass die Betriebsratsmitglieder ein privatrechtliches Ehrenamt ausübten und ihnen bei ihrer Tätigkeit kein persönlicher Nachteil in Form des Zeitverlusts auferlegt werden sollte.401 Grund für die Verlegung der Sitzungen in die Arbeitszeit war damit aber auch nicht eine völlige Beschneidung des Schutzes des Arbeitgebers vor Betriebsablaufstörungen, sondern nur ein Ausgleich für die den Betriebsratsmitgliedern auferlegten Verpflichtungen aus ihrem Amt. Die zeitliche Festlegung der Sitzungen lag nach dem Modell des hessischen Betriebsrätegesetzes im pflichtgemäßen Ermessen des Betriebsratsvorsitzenden.402 Jedoch war der Betriebsratsvorsitzende in dieser Hinsicht nicht völlig frei in der Ansetzung der Sitzungen. So wurde in der Literatur gerade für den Fall, dass der Vorsitzende bewusst dem Betrieb die Arbeitskraft der Betriebsratsmitglieder entzog, ein grober Verstoß gesehen, der nach § 25 des hessischen BRG geahndet werden 397 398 399 400 401 402

G. Löwisch/F. Müller, Gesetz Nr. 726, Einl., S. 7. Abgedruckt in: GVbl 1949, S. 7 und in GVbl 1950, S. 31. Abgedruckt in: GVbl, S. 123. Engler, § 20 Hess. BRG Vorbemerkung. Engler, § 20 Hess. BRG Anm. 1. Vgl. Engler, § 20 Hess. BRG Anm. 1.

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konnte.403 Über § 25 des hessischen Betriebsrätegesetzes wurde damit zumindest indirekt der Schutz des Betriebsablaufs gewährleistet. Jedoch fehlte es an einer Handhabe für den Arbeitgeber, um den Betriebsablauf selbst zu schützen. § 25 des hessischen Betriebsrätegesetzes räumte lediglich einem Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer oder der im Betrieb bzw. der Behörde vertretenen Gewerkschaft ein Antragsrecht ein. Erst nach dem Antrag konnte die Betriebsversammlung die Abberufung eines Mitglieds aus dem bzw. die Abberufung des gesamten Betriebsrats beschließen.404 Das hessische Betriebsrätegesetz sah daher einen Einfluss des Arbeitgebers auf die Anberaumung und Durchführung der Sitzungen nicht vor.405 Ein Schutz der Interessen des Arbeitgebers an einem möglichst durch Sitzungen ungestörten Betriebsablauf kann daher für das hessische Betriebsrätegesetz nicht konstatiert werden. Im Gegensatz zur in der Literatur zu § 20 des hessischen Betriebsrätegesetzes vertretenen Einschätzung stellte sich dieser damit nicht als ungefähre Entsprechung zu § 30 BRG 1920 dar; dieser gewährleistete gerade das Interesse des Arbeitgebers an einem möglichst ungestörten Betriebsablauf. Dies gilt in gleicher Weise auch für die formulierungs- und inhaltsgleiche Regelung des § 18 des bremischen Betriebsrätegesetzes. Im Gesetzgebungsverfahren zum bundesdeutschen BetrVG erlangten die beiden Betriebsrätegesetze von Hessen und Bremen zum Teil Vorbildfunktion. So orientierte sich die CDU/CSU-Fraktion in ihrem Entwurf eines Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Betrieb an dem oben wiedergegebenen § 20 des hessischen Betriebsrätegesetzes und an den §§ 18, 19 des bremischen Betriebsrätegesetzes.406 Die Sitzungen des Betriebsrats sollten nach § 18 Abs. 1 des Entwurfs der CDU/CSU-Fraktion demnach ebenfalls in der Regel während der Arbeitszeit stattfinden. Der Arbeitgeber war nach § 18 Abs. 2 des Entwurfs zudem von dem Zeitpunkt der Sitzung vorher zu verständigen.407 Weitergehende Erläuterungen zum mit § 18 verfolgten Zweck lassen sich der Begründung zum Entwurf nicht entnehmen. Neben dem Entwurf der CDU/CSU-Fraktion reichte auch die SPD-Fraktion einen Entwurf zur Neuordnung der Wirtschaft im Bundestag ein.408 Der SPD-Entwurf 403

Engler, § 20 Hess. BRG Anm. 1. § 25 des hessischen Betriebsrätegesetzes lautete: „Auf Antrag eines Viertels der wahlberechtigten Arbeitnehmer oder der im Betrieb oder in der Behörde vertretenen Gewerkschaften kann die Betriebsversammlung mit der Mehrheit der Stimmen insgesamt aller Wahlberechtigten in geheimer Abstimmung die Abberufung eines Betriebsratsmitglieds oder des gesamten Betriebsrats wegen grober Pflichtverletzung beschließen.“, abgedruckt in: GVbl, S. 119. 405 Engler, §§ 20 Hess. BRG Anm. 2. 406 Vgl. die Begründung zu § 18 des Entwurfs eines Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Betrieb, BT-Drs. 1/970, S. 21. 407 Entwurf eines Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Betrieb, BTDrs. 1/970, S. 6. 408 BT-Drs. 1/1229. 404

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übernahm den gleichlautenden DGB-Vorschlag vom 25. 7. 1950.409 Beide unterschieden sich deutlich von dem auf der betrieblichen Ebene ansetzenden CDU/CSUEntwurf. Geregelt werden sollte nicht bloß eine Mitbestimmung auf betrieblicher Ebene, sondern gerade auch die überbetriebliche Unternehmensmitbestimmung. Weder der Vorschlag des DGB noch der Entwurf der SPD-Fraktion enthielten spezifische Vorschriften zur Geschäftsführung oder zu Sitzungen der Betriebsräte. Der nach den CDU/CSU- und SPD-Entwürfen erschienene Entwurf der Bundesregierung verfolgte für die Sitzungen ein dem Entwurf der CDU/CSU-Fraktion ähnliches Modell. Die maßgebliche Vorschrift zu den Sitzungen war § 32 des Regierungsentwurfs, der folgenden Wortlaut hatte: „(1) Die Sitzungen des Betriebsrats finden unter Berücksichtigung der betrieblichen Verhältnisse in der Regel während der Arbeitszeit statt.“

Der Bruch mit der Tradition des Weimarer BRG 1920 und der Grund für die Verlegung der Betriebsratssitzungen in die Arbeitszeit stellt sich als relativ profan heraus. Aus der Begründung zu § 32 des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung geht hervor, dass die Verlegung der Sitzungen des Betriebsrats in die Arbeitszeit mit „der nach 1945 eingeführten Übung“ zusammenhing.410 Im Regierungsentwurf wird zudem deutlich einschränkend gegenüber § 20 Abs. 1 des hessischen Betriebsrätegesetzes und dem CDU/CSU-Entwurf die „Berücksichtigung der betrieblichen Verhältnisse“ ausdrücklich vorgeschrieben. Eine genauere Erklärung oder Definition dieses neuen Tatbestandsmerkmals kann der Begründung zum Regierungsentwurf nicht entnommen werden. Jedoch wird der Arbeitgeber für berechtigt gehalten, Einwendungen gegen den Zeitpunkt der Sitzung „im Hinblick auf die betrieblichen Verhältnisse“ zu erheben.411 Die Berufung auf das Merkmal der betrieblichen Verhältnisse sollte daher nach dem Regierungsentwurf gerade dem Arbeitgeber offen stehen. Demnach war auch mit dem Merkmal der betrieblichen Verhältnisse, auf das sich der Arbeitgeber gerade berufen können sollte, der Schutz seiner Interessen beabsichtigt. Wichtig ist zudem gerade, dass der Betriebsrat unter Berücksichtigung der betrieblichen Verhältnisse die Sitzungen anzusetzen hat. Hier wird bereits die später Gesetz gewordene Verpflichtung zur Rücksichtnahme deutlich. Der Regierungsentwurf wurde nach seiner ersten Beratung am 16. 11. 1950 an den Ausschuss für Arbeit überwiesen412 und dort neben den Entwürfen der CDU/CSU 409

Abgedruck in: RdA 1950, S. 227 ff. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über die Neuordnung der Beziehungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in den Betrieben (Betriebsverfassungsgesetz), BT-Drs. 1/ 1546, S. 46. 411 Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über die Neuordnung der Beziehungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in den Betrieben (Betriebsverfassungsgesetz), BT-Drs. 1/ 1546, S. 46. 412 1. Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Neuordnung der Beziehungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in den Betrieben (Betriebsverfassungsgesetz), 103. Sitzung des deutschen Bundestags v. 16. 11. 1950, Bt.-Prot. Bd. 5, S. 3785. 410

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und der SPD beraten.413 Im Ausschuss für Arbeit erfuhr die Vorschrift zu den Sitzungen redaktionelle Änderungen und erhielt folgende Fassung: „Die Sitzungen des Betriebsrats sind nicht öffentlich; sie finden in der Regel während der Arbeitszeit statt. Der Betriebsrat hat bei der Ansetzung von Betriebsratssitzungen auf die betrieblichen Notwendigkeiten Rücksicht zu nehmen.“

Das noch im Regierungsentwurf enthaltene Tatbestandsmerkmal der „betrieblichen Verhältnisse“ wurde in den Beratungen durch den Ausschuss für Arbeit durch das Merkmal der „betrieblichen Notwendigkeiten“ ersetzt. Eine Begründung für diese Änderung findet sich im schriftlichen Bericht des Ausschusses für Arbeit nicht. Eine weitere Änderung bestand darin, dass dem Betriebsrat nun noch deutlicher als im Regierungsentwurf die Pflicht zur Rücksichtnahme auferlegt wurde. Der terminologische Wechsel des Bezugsobjekts (betriebliche Verhältnisse – betriebliche Notwendigkeiten) änderte damit nichts an der in beiden Entwürfen vorgesehenen Rücksichtnahmeverpflichtung des Betriebsrats. Der Ausschuss-Entwurf führte demnach über die Rücksichtnahmeverpflichtung das Modell des Regierungsentwurfs fort. Nach der Veröffentlichung des Ausschussentwurfs blieb die Regelung des § 30 Satz 2 nicht ohne Widerspruch. So sahen die Abänderungsvorschläge des DGB zum BetrVG eine Streichung von § 30 Satz 2 vor. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass Satz 2 zu unnötigen Differenzen führe. Die Außerachtlassung betrieblicher Verhältnisse sei nach allgemeiner Rechtsansicht unzulässig, sodass die Streichung auch dem geltenden Recht entspreche.414 Diese Ansicht wurde auch in der 223. und 224. Sitzung des Bundestags vom Abgeordneten Dannebom (SPD) geteilt und von ihm im Namen der SPD-Fraktion der Antrag gestellt, den § 30 Satz 2 zu streichen. Neben den bereits vom DGB in seinen Änderungsvorschlägen vorgebrachten Argumenten führte der Abgeordnete Dannebom für die Streichung des § 30 Satz 2 noch an, dass der Betriebsrat nach diesem Gesetz die Belange der Belegschaft und des Unternehmens zu wahren habe; eine Vernachlässigung betrieblicher Belange sei einem verantwortungsbewussten Betriebsrat nicht zuzumuten.415 Der Antrag auf Streichung des § 30 Satz 2 BetrVG wurde jedoch abgelehnt. Stattdessen nahm der Bundestag in der 227. Sitzung am 19. 7. 1952 das BetrVG an. § 30 Satz 2 wurde in der Fassung des Ausschuss-Entwurfs Gesetz. Bei der Reform des BetrVG 1972 wurde § 30 BetrVG 1952 inhaltlich nicht geändert, die Vorschrift wurde einzig redaktionell 413

Vgl. den schriftlichen Bericht des Ausschusses für Arbeit, BT-Drs. Nr. 1/3585, S. 2. Abänderungsvorschläge des DGB zum Betriebsverfassungsgesetz, abgedruckt in: RdA 1952, 255 (257). 415 So der Abgeordnete Dannebom, Plenarprotokoll zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Betrieb (BT-Drs. 1/970), des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der Wirtschaft (BT-Drs. 1/1229), des Entwurfs eines Gesetzes über die Neuordnung der Beziehungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in den Betrieben (Betriebsverfassungsgesetz) (1/1546) in der 223./224. Sitzung des Bundestags v. 16. 7. 1952, Bt. Prot. Bd. 12, S. 9981. 414

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neu gefasst.416 Das Gesetz zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes vom 23. 7. 2001 hat § 30 Satz 2 BetrVG unverändert in der sprachlichen Fassung des BetrVG 1972 übernommen.417 Zur Historie der zeitlichen Festlegung der Sitzungen kann konstatiert werden, dass sowohl in der Weimarer Republik als auch mit dem BetrVG 1952 bei der Terminierung von Sitzungen des Betriebsrats der Betriebsablauf im Interesse des Betriebsinhabers geschützt werden sollte. Während dieser in der Weimarer Republikt bereits durch die Verlegung der Sitzungen des Betriebsrats außerhalb der Arbeitszeit geschützt wurde, kann ein solcher Ansatz für das BetrVG 1952 nicht mehr festgestellt werden, die Sitzungen des Betriebsrats fanden jetzt gerade in der Regel während der Arbeitszeit statt. Jedoch sollte ausweislich der Begründung zum Regierungsentwurf der Arbeitgeber die Möglichkeit haben, sich auf die betrieblichen Verhältnisse zu berufen. Dieser Interessenschutz wurde im beschlossenen BetrVG 1952 dann über die Voraussetzung der betrieblichen Notwendigkeiten gewährleistet. Hieran hat sich in Ermangelung inhaltlicher Änderungen in den Reformen des BetrVG 1972 und 2001 nichts geändert. Einzig im hessischen und dem bremischen Betriebsrätegesetz war es dem Arbeitgeber nicht möglich, die Rücksichtnahme auf die betrieblichen Notwendigkeiten zu erzwingen. Das abweichende Konzept dieser beiden Ländergesetze ist aber in das BetrVG 1952 nicht übernommen worden. Auch der mit § 30 Satz 2 BetrVG verfolgte Zweck spricht für die Zuweisung eines subjektiven Rechts an den Arbeitgebers. So wird bei § 30 Satz 2 BetrVG – identisch mit der geschützten Interessensphäre des Arbeitgebers – zutreffend der Schutz des Betriebsablaufs als Zweck angesehen.418 Der Betriebsablauf wurde bereits bei § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG als dem Arbeitgeber zugewiesener Bereich herausgearbeitet, der gerade seine Interessen vor Eingriffen des Betriebsrats bewahren soll. Auch für § 30 Satz 2 BetrVG muss im Einklang mit der Gesetzgebungsgeschichte davon ausgegangen werden, dass die hier verankerte Pflicht zur Rücksichtnahme auf die betrieblichen Notwendigkeiten den Betriebsablauf und die die damit verbundenen Interessen des Arbeitgebers schützen soll. § 30 Satz 2 BetrVG garantiert demnach ein subjektives Recht des Arbeitgebers, an welches für diesen der Unterlassungsanspruch anknüpft. Mit der herrschenden Auffassung im Schrifttum ist damit für § 30 Satz 2 BetrVG auch der Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Untersagung der Betriebsratssitzung zulässig. Grundlage hierfür ist der betriebsverfassungsrechtliche Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat, der als Schutzrecht zu dem von § 30 Satz 2 BetrVG garantierten subjektiven Substanzrecht hinzutritt.

416 417 418

GK-BetrVG/Raab, § 30 BetrVG Rn. 1. Vgl. BGBl. Nr. 39 v. 27. 7. 2001, I, S. 1856. Vgl. GK-BetrVG/Raab, § 30 BetrVG Rn. 11, Hervorhebung seitens des Verfassers.

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b) Rechtszuweisung bei § 30 Satz 3 BetrVG Nach § 30 Satz 3 BetrVG ist der Arbeitgeber vom Zeitpunkt der Sitzung vorher zu verständigen. Auch für diese Vorschrift geht die herrschende Lehre davon aus, dass die Unterbindung einer ohne rechtzeitige Unterrichtung durch den Betriebsrat anberaumten Sitzung für den Arbeitgeber durch einstweilige Verfügung gemäß § 85 Abs. 2 ArbGG möglich sein soll.419 Mit der Beschränkung allein auf das Verfahrensrecht und die einstweilige Verfügung nach § 85 Abs. 2 ArbGG wird aber das Problem nicht richtig erfasst; ausschlaggebend muss ebenso wie bereits bei § 30 Satz 2 BetrVG sein, ob der Pflicht des Betriebsrats aus § 30 Satz 3 BetrVG ein subjektives Recht des Arbeitgebers entspricht. Nur wenn dies der Fall ist, besteht auch ein Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers, der als Verfügungsanspruch einer einstweiligen Verfügung dienen könnte. Ebenso wie bei § 30 Satz 2 BetrVG kann hiervon für § 30 Satz 3 BetrVG ausgegangen werden. Der Wortlaut des § 30 Satz 3 BetrVG benennt den Arbeitgeber als Rechtssubjekt und legt die von ihm gegenüber dem unterrichtungspflichtigen Betriebsrat einforderbare Leistung in der Verständigung vom exakten Zeitpunkt der Sitzung genau fest. Die systematische Stellung der Vorschrift spricht ebenfalls dafür, dass § 30 Satz 2 und § 30 Satz 3 BetrVG gleich zu behandeln sind. § 30 Satz 1 – Satz 3 BetrVG behandeln alle die zeitliche Lage der Arbeitszeit.420 Daher besteht neben der äußerlichen Anordnung im Gesetz auch ein inhaltlicher Zusammenhang des § 30 Satz 3 mit § 30 Satz 2 BetrVG. Das zu § 30 Satz 2 BetrVG gefundene Ergebnis der Existenz eines subjektiven Rechts des Arbeitgebers kann daher auch für § 30 Satz 3 BetrVG herangezogen werden. Die historische Auslegung spricht ebenfalls für einen Schutz der Interessen des Arbeitgebers durch § 30 Satz 3 BetrVG. § 30 Satz 3 BetrVG geht auf den inhaltsgleichen § 30 Satz 3 BetrVG 1952 zurück. Dieser wiederum hat einen Vorläufer in § 30 Abs. 2 BRG 1920, der folgenden Wortlaut hatte: „Von den Sitzungen, die während der Arbeitszeit stattfinden müssen, ist der Arbeitgeber rechtzeitig zu benachrichtigen.“

Wie dargestellt unterschied sich das Modell des Weimarer BRG 1920 in der Frage der zeitlichen Lage von Betriebsratssitzungen erheblich vom unter dem BetrVG Etablierten. Durch die Verlagerung der Betriebsratssitzungen außerhalb der Arbeitszeit wurden bereits die Interessen des Arbeitgebers an einem möglichst durch Betriebsratssitzungen ungestörten Betriebsablauf gewahrt. Durch die rechtzeitige Benachrichtigung des Arbeitgebers nach § 30 Abs. 2 BRG 1920 sollte diesem die Möglichkeit gegeben werden, wegen des Ausscheidens der Betriebsratsmitglieder

419

ErfK/Koch, § 30 BetrVG Rn. 1; GK-BetrVG/Raab, § 30 BetrVG Rn. 18; HWGNRH/ Glock, § 30 BetrVG Rn. 18; HWK/Reichold, § 30 BetrVG Rn. 4; Richardi/Thüsing, § 30 BetrVG Rn. 20; NK-ArbR/Besgen, § 30 BetrVG Rn. 8. 420 Vgl. HWK/Reichold, § 30 BetrVG Rn. 1.

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4. Kap.: Die Untersuchung der einzelnen Vorschriften

die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen 421 und für eine Vertretung der Betriebsratsmitglieder sorgen zu können.422 Bereits in der Weimarer Republik wurde der Arbeitgeber über die Benachrichtigungsverpflichtung des Betriebsrats aus § 30 Abs. 2 BRG 1920 geschützt, er sollte selbst darüber bestimmen können, welche Vorkehrungen wegen des Ausfalls der Betriebsratsmitglieder zu treffen waren. Diese Tendenz setzte sich auch mit dem Erlass des BetrVG 1952 fort. Zwar traf der bundesdeutsche Gesetzgeber mit Rücksicht auf die nach 1945 etablierte Übung die Entscheidung, die Sitzungen des Betriebsrats in die Arbeitszeit zu verlegen. Jedoch war auch dann der Arbeitgeber vom Zeitpunkt vorher zu verständigen. Die Begründung des Regierungsentwurfs zeigt deutlich, dass es hierbei um den Schutz der Interessen des Arbeitgebers ging. Der Arbeitgeber sollte Einwendungen gegen den Zeitpunkt der Sitzung im Hinblick auf die betrieblichen Verhältnisse erheben können.423 Die bereits im Regierungsentwurf enthaltene Benachrichtigungspflicht des Betriebsrats gegenüber dem Arbeitgeber wurde dann mit § 30 Satz 2 BetrVG 1952 auch Gesetz, sodass die Erwägungen des Regierungsentwurfs auch zu § 30 Satz 2 BetrVG 1952 herangezogen werden können. Auch der mit § 30 Satz 3 BetrVG verfolgte Zweck spricht für die Annahme einer subjektiven Rechtszuweisung an den Arbeitgeber. Die Mitteilungspflicht des § 30 Satz 3 BetrVG soll gerade dem Arbeitgeber Gelegenheit geben, sich auf die Sitzung einzustellen, um gegebenenfalls Maßnahmen wegen der Verhinderung von Betriebsratsmitgliedern ergreifen zu können bzw. betriebliche Notwendigkeiten bezüglich des Zeitpunkts der Sitzung geltend zu machen und falls erforderlich um eine Verschiebung der Sitzung bitten zu können.424 Außerdem soll der Arbeitgeber die Möglichkeit erhalten, nach § 29 Abs. 3 Satz 1 BetrVG Beratungsgegenstände auf die Tagesordnung setzen zu lassen425 und gegebenenfalls seine Rechte aus § 29 Abs. 4 BetrVG geltend zu machen.426 Insgesamt kann man sagen, dass § 30 Satz 3 BetrVG dazu dient, dem Arbeitgeber Gelegenheit zu geben, sich auf die Sitzung und vor allem die Abwesenheit der Betriebsratsmitglieder von ihrer Arbeit während der Zeit der Sitzung einzustellen.427 Die Interessen des Arbeitgebers werden damit durch § 30 Satz 3 BetrVG klar auch für die Abhaltung der Betriebsratssitzungen für relevant erklärt. Vor allem der Aspekt, dass der Arbeitgeber noch vor Durchführung der Sitzung gegen diese betriebliche Notwendigkeiten geltend machen können soll, 421

Stier-Stomlo, § 30 BRG 1920 Anm. 2. Flatow/Kahn-Freund, § 30 BRG 1920 Anm. 5. 423 Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über die Neuordnung der Beziehungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in den Betrieben (Betriebsverfassungsgesetz), BT-Drs. 1/ 1546, S. 46. 424 ArbG Hamburg v. 8. 9. 1999, 13 BV 4/99, AiB 2000, 102 (102); Richardi/Thüsing, § 30 BetrVG Rn. 6; Münch. Hdb. z. ArbR/Joost, § 219 Rn. 11; i.E. ebenfalls HaKo-BetrVG/Blanke/ Wolmerath, § 30 BetrVG Rn. 9. 425 LK/Löwisch, § 30 BetrVG Rn. 5. 426 HWK/Reichold, § 30 BetrVG Rn. 4. 427 FESTL, § 30 BetrVG Rn. 14. 422

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spricht dafür, für den Arbeitgeber ebenso wie bereits bei § 30 Satz 2 BetrVG auch bei § 30 Satz 3 BetrVG von der Zuweisung eines subjektives Rechts auszugehen. Bei beiden Vorschriften soll dem Arbeitgeber – abweichend von der grundsätzlichen Zuweisung der Geschäftsführung zum internen Wirkungskreis des Betriebsrats – die Möglichkeit eröffnet werden, gegenüber dem Betriebsrat auf die Berücksichtigung der seine Interessen umfassenden betrieblichen Notwendigkeiten zu dringen. Der mit § 30 Satz 3 BetrVG statuierten Pflicht des Betriebsrats entspricht demnach ein subjektives Recht des Arbeitgebers. Der betriebsverfassungsrechtliche Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers schließt sich als Schutzrecht an das dem Arbeitgeber zugewiesene Substanzrecht an. Wegen des für den Arbeitgeber existierenden Unterlassungsanspruchs kann auch mit der oben genannten Literaturauffassung im einstweiligen Rechtsschutz eine einstweilige Verfügung gemäß § 85 Abs. 2 ArbGG zur Unterbindung einer ohne Unterrichtung des Arbeitgebers abgehaltenen Betriebsratssitzung erlassen werden. c) Rechtszuweisung bei § 30 Satz 4 BetrVG Nach § 30 Satz 4 BetrVG sind die Sitzungen des Betriebsrats nicht öffentlich. Zwar wird im Wortlaut des § 30 Satz 4 BetrVG nicht ausdrücklich eine Pflicht des Betriebsrats aufgestellt. Jedoch ergibt sich diese zwangsläufig aus dem in § 30 Satz 4 BetrVG niedergelegten Gebot der Nichtöffentlichkeit, die den Betriebsrat dazu verpflichtet, Nichtbefugten den Zutritt zu Betriebsratssitzungen zu verwehren und die Öffentlichkeit von der Sitzung auszuschließen. Die Formulierung der Vorschrift ist insofern nicht entscheidend. Es kann sogar bei Verwendung einer rein deskriptiven Formulierung seitens des Gesetzgebers trotzdem der Schluss auf eine Pflicht möglich sein.428 Damit ist jedoch noch nicht gesagt, dass korrespondierend mit der dem Betriebsrat in § 30 Satz 4 BetrVG auferlegten Pflicht dem Arbeitgeber ein subjektives Recht erwächst, welches mit einem Unterlassungsanspruch negatorisch abgesichert werden könnte. Denkbares Anwendungsfeld für einen solchen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers sind z. B. Fallgestaltungen, in denen der Betriebsrat immer wieder Außenstehende zu den Betriebsratssitzungen zulässt. So ist z. B. die Hinzuziehung von Beauftragten einer im Betrieb, aber nicht im Betriebsrat vertretenen Gewerkschaft als ein Verstoß gegen § 31 BetrVG anzusehen.429 Die Einschränkung auf Beauftragte im Betriebsrat vertretener Gewerkschaften hat zwingenden Charakter.430 § 31 BetrVG stellt eine legislative Durchbrechung des § 30 Satz 4 BetrVG dar.431 Wegen des zwingenden Charakters der Einschränkung in § 31 BetrVG und des Zusammenhangs zwischen § 30 Satz 4 und § 31 BetrVG stellt ein Verstoß gegen § 31 428 429 430 431

Vgl. HWGNRH/Glock, § 29 BetrVG Rn. 45 m.w.N. BAG v. 28. 2. 1990, 7 ABR 22/89, NZA 1990, 660 (660 f.). BAG v. 28. 2. 1990, 7 ABR 22/89, NZA 1990, 660 (661). BAG v. 28. 2. 1990, 7 ABR 22/89, NZA 1990, 660 (662).

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4. Kap.: Die Untersuchung der einzelnen Vorschriften

BetrVG zugleich einen Verstoß gegen § 30 Satz 4 BetrVG dar. Für die dargestellte Konstellation ist mithin fraglich, ob der Arbeitgeber Unterlassung der Hinzuziehung nicht von § 31 BetrVG erfasster Gewerkschaftsfunktionäre verlangen kann. § 30 Satz 4 BetrVG müsste ihm hierzu ein subjektives Recht vermitteln. Dies gilt es im Folgenden zu untersuchen. Der Wortlaut des § 30 Satz 4 BetrVG ist für die Frage nach einem subjektiven Recht des Arbeitgebers nicht ergiebig. Der Arbeitgeber wird nicht als Berechtigter benannt. Vielmehr wird in § 30 Satz 4 BetrVG einzig das Gebot aufgestellt, dass die Sitzungen des Betriebsrats unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Eine bestimmte, durch den Arbeitgeber vom Betriebsrat einforderbare Leistung oder ein Unterlassen lässt sich dem Wortlaut des § 30 Satz 4 BetrVG ebenfalls nicht entnehmen. Der Wortlaut des § 30 Satz 4 BetrVG deutet daher nicht auf die Existenz eines subjektiven Rechts des Arbeitgebers hin. In systematischer Hinsicht liegt es auf den ersten Blick nahe, darauf zu verweisen, dass § 30 Satz 4 BetrVG im Anschluss an § 30 Satz 3 und Satz 2 BetrVG steht, für die soeben die Qualität als ein subjektives Recht des Arbeitgebers vermittelnde Normen festgestellt werden konnte. Gegen diese allein auf die äußerliche Anordnung im Gesetz abstellende Betrachtungsweise spricht jedoch, dass zwischen § 30 Satz 1 – 3 BetrVG ein inhaltlicher Zusammenhang besteht, während § 30 Satz 4 BetrVG einen von § 30 Satz 1 – 3 BetrVG zu unterscheidenden Sachverhalt regelt.432 § 30 Satz 1 – 3 BetrVG betreffen alle die zeitliche Lage der Sitzungen des Betriebsrats, während § 30 Satz 4 BetrVG mit der Nichtöffentlichkeit auf eine Beschränkung des für die Beratung und die Entscheidungsfindung teilnahmeberechtigen Personenkreis abzielt. Mangels sachlichen Zusammenhangs zwischen § 30 Satz 1 – 3 und § 30 Satz 4 lassen sich aus der Gesetzessystematik demnach keine Anhaltspunkte für ein subjektives Recht des Arbeitgebers auch aus § 30 Satz 4 BetrVG finden. Die Gesetzgebungsgeschichte enthält zwar keine ausdrückliche Absage an ein subjektives Recht des Arbeitgebers, enthält jedoch Hinweise, die auf einen Schutz des Betriebsrats und damit nicht den des Arbeitgebers hindeuten. Der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit der Betriebsratssitzungen existierte bereits in § 30 Abs. 1 Satz 2 BRG 1920. § 30 BRG 1920 war in den Ausschussberatungen vor Erlass des BRG Gegenstand kontroverser Debatten. So wurde die Aufnahme eines Rechts des Arbeitgebers, in den Sitzungen des Betriebsrats den Vorsitz zu führen, in der ersten433 und der zweiten Lesung434 des Ausschusses für soziale Angelegenheiten beantragt. Sowohl Antrag Nr. 69 in der

432

So HWK/Reichold, § 30 BetrVG Rn. 1. Bericht des Ausschusses für soziale Angelegenheiten über den Entwurf eines Gesetzes für Betriebsräte, Aktenstück Nr. 1838, in: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 340 (1919/20), S. 1909. 434 Bericht des Ausschusses für soziale Angelegenheiten über den Entwurf eines Gesetzes für Betriebsräte, Aktenstück Nr. 1838, in: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 340 (1919/20), S. 1922. 433

A. Die Zuweisung subjektiver Rechte in einzelnen Vorschriften

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ersten435 als auch Antrag Nr. 178 in der zweiten Lesung wurden jedoch abgelehnt.436 Es fand mithin eine Differenzierung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat für die Sitzungsleitung in § 30 BRG 1920 Einzug, die zumindest indiziell auch beim Grundsatz der Nichtöffentlichkeit für eine Trennung von Arbeitgeber- und Betriebsratssphäre spricht. Mit dem AOG wurde das Gremium des Betriebsrats während der Zeit des Nationalsozialismus abgeschafft. Stattdessen war der Unternehmer als Führer des Betriebs nach § 5 Abs. 1 Satz 2 AOG der Leiter des Vertrauensrats des Betriebs. Im Gegensatz zum Betriebsrat war der Vertrauensrat nicht mehr den Interessen der Arbeitnehmer verpflichtet, sondern hatte sein ganzes Verhalten auf die Förderung des Betriebszwecks und auf den Nutzen von Volk und Staat auszurichten.437 Der Vertrauensrat war damit kein unabhängiges, dem Arbeitgeber gegenüberstehendes Organ mehr.438 Er sollte einzig als „Mittler des Vertrauens“ zwischen Führer und Gefolgschaft, den Führer des Betriebs in die Lage versetzen, sich ein umfassendes Bild von den Auswirkungen der geplanten Maßnahme zu machen.439 Der Vertrauensrat war daher mit den Betriebsräten nach dem BRG 1920 nicht mehr vergleichbar.440 Einzug in das Betriebsverfassungsrecht fand der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit dann wieder mit der ausdrücklichen Regelung in § 30 BetrVG 1952.441 Im Gesetzgebungsverfahren führte die Bundesregierung zu dessen Einführung aus, dass die Sitzungen nicht öffentlich sein sollten, um eine sachliche und reibungslose Arbeitsweise des Betriebsrats zu gewährleisten.442 Für einen Schutz des Arbeitgebers enthält die Gesetzgebungsgeschichte damit keine Anhaltspunkte, stattdessen sollte durch das Gebot der Nichtöffentlichkeit einzig der Betriebsrat in seiner Arbeit abgesichert werden. Zum Schutzzweck des Grundsatzes der Nichtöffentlichkeit der Betriebsratssitzungen wird in der Literatur vereinzelt vertreten, dass der Betriebsfrieden und damit primär die Interessen des Arbeitgebers geschützt werden sollen.443 Hierfür könnte sprechen, dass einzelnen Angelegenheiten auf der Tagesordnung des Betriebsrats ein besonders vertraulicher Charakter zukommen kann, der eine erhöhte Schutzwür435 Bericht des Ausschusses für soziale Angelegenheiten über den Entwurf eines Gesetzes für Betriebsräte, Aktenstück Nr. 1838, in: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 340 (1919/20), S. 1909. 436 Bericht des Ausschusses für soziale Angelegenheiten über den Entwurf eines Gesetzes für Betriebsräte, Aktenstück Nr. 1838, in: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 340 (1919/20), S. 1923. 437 Hueck/Nipperdey/Dietz/Dietz, § 5 AOG Rn. 16; Mansfeld/Pohl, § 5 AOG Anm. 1. 438 Fitting, in: Sozialpolitik nach 1945, S. 371 (374). 439 Hueck/Nipperdey/Dietz/Dietz, § 5 AOG Rn. 1. 440 GK-BetrVG/Wiese, Einl. BetrVG Rn. 15. 441 Abgedruckt in BGbl. Nr. 43 v. 14. 10. 1952, S. 684. 442 Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über die Neuordnung der Beziehungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in den Betrieben (Betriebsverfassungsgesetz), BT-Drs. 1/ 1546, S. 46, Hervorhebung seitens des Verfassers. 443 BeckOK-ArbR/Mauer, § 30 BetrVG Rn. 3.

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4. Kap.: Die Untersuchung der einzelnen Vorschriften

digkeit gerade des Arbeitgebers begründen könnte.444 Der Aspekt der Vertraulichkeit wird aber speziell über § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG aufgefangen. § 30 Satz 4 BetrVG hat nach seiner Stellung im Gesetz keinen Bezug zu dieser Vorschrift. Gegen den vorrangigen Schutz des Arbeitgebers durch § 30 Satz 4 BetrVG spricht zudem, dass der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit als Bezugspunkt gerade die Sitzungen des Betriebsrats hat, mithin dessen Geschäftsführung betrifft. In den Sitzungen hat der Arbeitgeber einzig ausnahmsweise nach § 29 Abs. 4 Satz 1 BetrVG ein Teilnahmerecht. Demnach nimmt er nur bei den Sitzungen, die auf sein Verlangen anberaumt sind und den Sitzungen, zu denen er ausdrücklich eingeladen ist, teil. Die Beschränkung auf die auf sein Verlangen anberaumten Sitzungen bzw. Sitzungen, zu den er eingeladen wurde, macht gerade deutlich, dass dem Arbeitgeber kein allgemeines, sondern nur ein eingeschränktes Teilnahmerecht zukommt.445 Konsequenterweise ist das Teilnahmerecht des Arbeitgebers nach § 29 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 BetrVG demnach auch inhaltlich einzig auf die vom Arbeitgeber beantragten Tagesordnungspunkte beschränkt.446 § 29 Abs. 4 Satz 1 Alt. 2 BetrVG berechtigt den Betriebsrat zwar zur Einladung des Arbeitgebers zu weiteren Sitzungen.447 Eine Verpflichtung zur regelmäßigen Einladung des Arbeitgebers zu den Betriebsratssitzungen besteht nach dem Gesetz jedoch nicht.448 Stattdessen steht die Einladung des Arbeitgebers im pflichtgemäßen Ermessen des Betriebsratsvorsitzenden.449 Außerdem steht es dem Betriebsratsvorsitzenden zu, für das Verlangen des Arbeitgebers eine eigene Betriebsratssitzung einzuberufen, um dem Arbeitgeber keinen zu weit reichenden Einblick in das Tagesgeschäft zu gewähren.450 Sinn des in § 29 Abs. 4 Satz 1 BetrVG für den Arbeitgeber extra geregelten Teilnahmerechts ist es zudem nur, dass dem Arbeitgeber die Möglichkeit zur Äußerung zu den auf der Tagesordnung befindlichen Punkten eingeräumt wird.451 Auf die Äußerungen des Arbeitgebers muss der Betriebsrat in der Beschlussfassung nicht eingehen, vielmehr steht es dem Betriebsrat frei den Tagesordnungspunkt, zu dem sich der Arbeitgeber geäußert hat, zu vertagen und in einer neuen Sitzung ohne Beisein des Arbeitgebers über diesen zu beschließen.452 Folgerichtig erstreckt sich das Teilnahmerecht des

444

Vgl. Jesgarzewski/Holzendorf, NZA Online 5/2012, 1 (3 f.). HaKo-BetrVG/Blanke/Wolmerath, § 29 BetrVG Rn. 15; HWK/Reichold, § 29 BetrVG Rn. 14. 446 Vgl. ErfK/Koch, § 29 BetrVG Rn. 3; DKKW/Wedde, § 29 BetrVG Rn. 38; GK-BetrVG/ Raab, § 29 BetrVG Rn. 64; LK/Löwisch, § 29 BetrVG Rn. 21 i.E. ebenso FESTL, § 29 BetrVG Rn. 53; a.A. nur noch HWGNRH/Glock, § 29 BetrVG Rn. 45. 447 NK-ArbR/Besgen, § 29 BetrVG Rn. 13. 448 Mühlig-Seel, AuA 2002, 121 (122). 449 DKKW/Wedde, § 29 BetrVG Rn. 39; Münch. Hdb. z. ArbR/Joost, § 219 Rn. 25. 450 Hamm, AiB 1999, 488 (489). 451 Richardi/Thüsing, § 29 BetrVG Rn. 50; BeckOK-ArbR/Mauer, § 29 BetrVG Rn. 8; S/ W/S, § 29 BetrVG Rn. 11. 452 GK-BetrVG/Raab, § 30 BetrVG Rn. 68. 445

A. Die Zuweisung subjektiver Rechte in einzelnen Vorschriften

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Arbeitgebers demnach auch nicht auf die Beschlussfassung.453 Das Resultat der Sitzungen wird vielmehr nach § 33 BetrVG allein durch die Betriebsratsmitglieder herbeigeführt. Grund hierfür ist, dass selbst bei berechtiger Teilnahme des Arbeitgebers an den Sitzungen des Betriebsrats bereits durch seine Anwesenheit eine unbefangene Beschlussfassung erschwert bzw. unmöglich gemacht wird.454 Die Sitzungen fallen damit insgesamt in den Zuständigkeitsbereich des Betriebsrats. Dem Arbeitgeber wird vom Gesetz in § 29 Abs. 4 Satz 1 BetrVG nicht für den Regelfall, sondern nur in Ausnahmekonstellationen ein Teilnahmerecht zuerkannt. Diese Zuordnung der Sitzungen in den internen Wirkungskreis des Betriebsrats, in dem der Arbeitgeber nur ausnahmsweise beteiligt wird, gilt es auch bei der Schutzzweckermittlung des § 30 Satz 4 BetrVG zu beachten. Soll der Arbeitgeber ausnahmsweise in diesen internen Wirkungskreis des Betriebsrats hereinwirken können, so hat der Gesetzgeber dies ausdrücklich festgelegt. So konnte für § 30 Satz 2 und § 30 Satz 3 BetrVG der Unterlassungsanspruch anerkannt werden, weil gerade auf die Interessen des Arbeitgebers Rücksicht genommen werden sollte bzw. gerade der Arbeitgeber sich über die vorherige Verständigung auf den durch die Sitzungen entstehenden Arbeitsausfall einstellen und die notwendigen Dispositionen treffen können sollte. Für § 30 Satz 4 BetrVG hat der Gesetzgeber dagegen im Gegensatz zu § 30 Satz 2 und Satz 3 BetrVG nicht auf die Belange des Arbeitgebers abgestellt. Der Sinn und Zweck des § 30 Satz 4 BetrVG kann stattdessen darin gesehen werden, die sachgemäße Behandlung der Tagesordnungspunkte in einer Betriebsratssitzung sicherzustellen.455 Die Beratung und Entscheidungsfindung im Gremium soll frei von äußeren Einflüssen ablaufen,456 betriebs- und sachfremde Einflüsse sollen ferngehalten werden.457 Durch den Ausschluss der Öffentlichkeit kann effektiv sichergestellt werden, dass bei den anstehenden Beratungen keine Rücksicht auf Zuhörer genommen werden muss.458 Nichtöffentlichkeit soll daher zuerst Vertrauen, Offenheit und Transparenz bezogen auf das Gremium Betriebsrat schützen.459 Durch § 30 Satz 4 BetrVG wird demnach eine freie Diskussion im Betriebsrat erreicht.460 Neben der Amtsführung des Betriebsrats als Gremium soll durch § 30 Satz 4 BetrVG auch die Amtsführung der einzelnen Betriebsratsmitglieder geschützt werden.461 453

LAG Düsseldorf v. 7. 3. 1975, 16 Sa 690/74, DB 1975, 743 (743); ErfK/Koch, § 29 BetrVG Rn. 3; FESTL, § 29 BetrVG Rn. 59; Richardi/Thüsing, § 29 BetrVG Rn. 50; einschränkend für Beschlussfassungen bezüglich Tagesordnungspunkten nach § 29 Abs. 4 S. 1 Alt. 1 BetrVG: GK-BetrVG/Raab, § 30 BetrVG Rn. 68. 454 Vgl. Küttner/Kreitner, Betriebsrat Rn. 20. 455 BAG v. 30. 9. 2014, 1 ABR 32/13, NZA 2015, 370 (374 Rn. 51). 456 NK-ArbR/Besgen, § 30 BetrVG Rn. 5; HWK/Reichold, § 30 BetrVG Rn. 5. 457 Simitis/Kreuder, NZA 1992, 1009 (1011). 458 Richardi/Thüsing, § 30 BetrVG Rn. 10. 459 ArbG Frankfurt v. 3. 12. 2002, 18 BV 360/02, juris Rz. 17. 460 BAG v. 5. 9. 1967, 1 ABR 1/67, BAGE 20, 56 (70). 461 BAG v. 30. 9. 2014, 1 ABR 32/13, NZA 2015, 370 (374).

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4. Kap.: Die Untersuchung der einzelnen Vorschriften

Dies zeigt sich plastisch in der zutreffenden Instanzrechtsprechung, die dem Betriebsrat nach § 40 Abs. 2 in Verbindung mit § 30 Satz 4 BetrVG einen Anspruch auf einen verglasten, von außen nicht einsehbaren Raum zugesteht. Tragende Erwägung hierfür ist, dass die von § 30 Satz 4 BetrVG geschützten Akteure (Betriebsrat und Betriebsratsmitglieder) bereits dann beeinträchtigt wären, wenn sie in Erwartung äußerer Einblicke von Seiten der Geschäftsleitung selbst Vorsichtsmaßnahmen ergreifen müssten.462 Auch eine neue Entscheidung des BAG zum Problem der Anwesenheit des Arbeitgebers bei Gesprächen des Betriebsrats mit nach § 80 Abs. 2 Satz 3 BetrVG zur Verfügung gestellten sachkundigen Arbeitnehmern ventiliert zutreffend den Grundsatz, dass sich die Meinungsbildung von Arbeitgeber und Betriebsrat unabhängig voneinander vollzieht.463 Dieser Grundsatz kommt in § 30 Satz 4 BetrVG zum Ausdruck, der Arbeitgeber ist von der Willensbildung der Betriebsratsmitglieder durch den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit ausgeschlossen. Der Arbeitgeber ist demnach nicht als Berechtigter des Grundsatzes der Nichtöffentlichkeit nach § 30 Satz 4 BetrVG einzuordnen. Es werden durch § 30 Satz 4 BetrVG nicht die Interessen des Arbeitgebers, sondern die Interessen des Betriebsrats und der Betriebsratsmitglieder abgesichert. Für die Einräumung von Willensmacht gerade an den Betriebsrat und seine Mitglieder (und nicht an den Arbeitgeber) durch § 30 Satz 4 BetrVG spricht im Übrigen dessen Fähigkeit, über die Wirkung eines Verstoßes bezüglich der Wirksamkeit eines gefassten Betriebsratsbeschlusses zu bestimmen. Zwar wird die Beachtung des in § 30 Satz 4 BetrVG normierten Gebots grundsätzlich vom BAG als wesentliche Voraussetzung eines in der Sitzung gefassten Betriebsratsbeschlusses angesehen.464 Jedoch steht dem Betriebsrat und seinen Mitgliedern eine Entscheidung darüber zu, ob sie durch die Anwesenheit einer nicht teilnahmeberechtigten Person entgegen dem Gebot der Nichtöffentlichkeit in ihrer Amtsführung beeinträchtigt wurden.465 Der Betriebsrat und die Betriebsratsmitglieder haben damit die Option auf eine Beanstandung der Anwesenheit eigentlich nicht teilnahmeberechtigter Personen zu verzichten und so die Wirksamkeit des eigentlich unter Verstoß gegen § 30 Satz 4 BetrVG herbeigeführten Betriebsratsbeschlusses herbeizuführen. Ein anderes Ergebnis wird auch nicht erzielt, wenn man mit einer Auffassung in der Literatur von der Einordnung des § 30 Satz 4 BetrVG als bloßer Ordnungsvorschrift ausgeht.466 Die diese Einordnung befürwortenden Literaturstimmen gehen nämlich entweder davon aus, dass ein allein unter Verstoß gegen die Ordnungsvorschrift getroffener Beschluss entweder nie467 462 ArbG Frankfurt v. 3. 12. 2002, 18 BV 360/02, juris Rz. 17, Hervorhebung seitens des Verfassers. 463 BAG v. 20. 1. 2015, 1 ABR 25/13, NZA 2015, 696 (698 Rz. 19). 464 BAG v. 30. 9. 2014, 1 ABR 32/13, NZA 2015, 370 (374); i.E. ebenso LK/Löwisch, § 30 BetrVG Rn. 7; Jesgarzewski/Holzendorf, NZA Online 5/2012, 1 (4). 465 BAG v. 30. 9. 2014, 1 ABR 32/13, NZA 2015, 370 (374). 466 Richardi/Thüsing, § 30 BetrVG Rn. 20; HWGNRH/Glock, § 30 BetrVG Rn. 29; v. Hoyningen-Huene, BetrVR, S. 177. 467 HWGNRH/Glock, § 30 BetrVG Rn. 29.

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oder nur dann als unwirksam angesehen werden kann, wenn nachgewiesen wird, dass bei Beachtung des § 30 Satz 4 BetrVG der Beschluss anders ausgefallen wäre.468 Während letztgenannte Ansicht damit im Ergebnis durch die Notwendigkeit der kausalen Beeinflussung des Beschlusses auf der Linie des BAG liegt, gewährleistet die andere Auffassung sogar noch weitergehend den Schutz der vom Betriebsrat gefassten Beschlüsse. Nur vereinzelt wird dagegen bei einem Verstoß gegen § 30 Satz 4 BetrVG wegen der sonst nur unzureichenden Sicherung der durch § 30 Satz 4 BetrVG geschützten Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen zwingend auf eine Unwirksamkeit des Betriebsratsbeschlusses geschlossen.469 Letztgenannte Ansicht überspannt mit dem Fokus auf den Arbeitgeberschutz nach den Ergebnissen der historischen und teleologischen Auslegung jedoch § 30 Satz 4 BetrVG und kann bereits deshalb nicht überzeugen. Zwischen der Auffassung in der Rechtsprechung, die dem Betriebsrat eine Derogationsbefugnis über § 30 Satz 4 BetrVG zuspricht und der des Schrifttum, die § 30 Satz 4 BetrVG allein als Ordnungsvorschrift einordnet, muss in der Frage des Schutzes des Betriebsrats durch Wirksamkeit seiner Beschlüsse nicht entschieden werden. Die Wirksamkeit der Betriebsratsbeschlüsse wird nach beiden Ansichten im Grundsatz gewährleistet. Die historische und teleologische Interpretation des § 30 Satz 4 BetrVG haben damit ergeben, dass § 30 Satz 4 BetrVG als Schutznorm für den Betriebsrat und die Betriebsratsmitglieder zu begreifen ist. Der Schutz des Arbeitgebers wird nicht bezweckt. § 30 Satz 4 BetrVG vermittelt demnach dem Arbeitgeber kein subjektives Recht, an das ein betriebsverfassungsrechtlicher Unterlassungsanspruch ansetzten könnte. Stattdessen sind Maßnahmen nach § 23 Abs. 1 BetrVG denkbar.470 d) Rechtszuweisung bei § 34 Abs. 2 BetrVG Nach § 34 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ist dem Arbeitgeber für Betriebsratssitzungen, an denen er teilgenommen hat, der entsprechende Teil der nach § 34 Abs. 1 Satz 1 zu erstellenden Niederschrift schriftlich auszuhändigen. Nach § 34 Abs. 2 Satz 2 BetrVG sind Einwendungen unverzüglich schriftlich zu erheben, diese sind dann der Niederschrift beizufügen. Allen voran bei der Aufnahme von Einwendungen in die Niederschrift nach § 34 Abs. 2 Satz 2 BetrVG könnte dem Arbeitgeber daran gelegen sein, vom Betriebsrat die Nichtaufnahme dieser Tatsachen in die Niederschrift verlangen zu können, wenn er befürchtet, dass durch die Aufnahme vertraulicher oder geheimhaltungsbedürftiger Tatsachen seine Interessen beeinträchtigt werden. Dieses Verlangen wird von einem Teil der Literatur für begründet erachtet und der Arbeitgeber nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 BetrVG für berechtigt gehalten, vom Betriebsrat die Unterlassung der Aufnahme einzelner Tatsachen in die Niederschrift

468 469 470

Richardi/Thüsing, § 30 BetrVG Rn. 20. Jesgarzewski/Holzendorf, NZA Online 5/2012, 1 (4 f.). So auch NK-ArbR/Besgen, § 30 BetrVG Rn. 5; HWGNRH/Glock, § 30 BetrVG Rn. 31.

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4. Kap.: Die Untersuchung der einzelnen Vorschriften

zu verlangen.471 Für dieses auf Unterlassung der Aufnahme gerichtete Verlangen bedarf es eines Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat. § 2 Abs. 1 BetrVG kann einen solchen nicht vermitteln.472 Über die bisherige Diskussion um das Vorliegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens bei Aufnahme von geheimhaltungsbedürftigen bzw. vertraulichen Tatsachen hinaus,473 muss daher im Rahmen dieser Arbeit der Frage nachgegangen werden, ob ein solcher Anspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat besteht. Zudem muss auch für die mit § 34 Abs. 2 Satz 2 BetrVG bereits nach der Gesetzessystematik in Zusammenhang stehenden Pflicht des § 34 Abs. 2 Satz 1 BetrVG die Frage nach einem Unterlassungsanspruch geklärt werden. Ein Unterlassungsanspruch kann nur bestehen, wenn den Pflichten des Betriebsrats aus § 34 Abs. 2 BetrVG ein subjektives Recht des Arbeitgebers entspricht. Wird zuerst nur § 34 Abs. 2 Satz 1 BetrVG in den Blick genommen, so wird der Arbeitgeber durch die Vorschrift zwar ausdrücklich als Empfänger einer schriftlichen Niederschrift ausgewiesen und mit der Aushändigung der schriftlichen Niederschrift auch hinreichend deutlich bestimmt, was der Arbeitgeber vom Betriebsrat fordern können soll. Der Wortlaut weist damit in die Richtung eines subjektiven Rechts des Arbeitgebers. Systematisch ist § 34 Abs. 2 BetrVG jedoch ebenso wie § 30 Satz 1 – 4 BetrVG den Vorschriften über die Geschäftsführung des Betriebsrats zugeordnet. Diese fällt grundsätzlich in den Wirkungskreis des Betriebsrats und ist damit allein dessen Aufgabe. Eine ausnahmsweise Berücksichtigung der betrieblichen Belange des Arbeitgebers wie in § 30 Satz 2 BetrVG vorgeschrieben wird in § 34 Abs. 2 BetrVG nicht aufgestellt. Die Ausrichtung der Vorschrift auf die Belange des Betriebsrats wird auch durch die Gesetzgebungshistorie bestätigt. Vorgängervorschrift zu § 34 Abs. 2 Satz 1 BetrVG war § 33 Abs. 2 BetrVG 1952. Nach diesem war dem Arbeitgeber, wenn er an der Sitzung teilgenommen hatte, der entsprechende Teil der Niederschrift zur Unterzeichnung vorzulegen und abschriftlich auszuhändigen. Bei Reform des BetrVG 1972 wurde der Passus, dass dem Arbeitgeber der Teil der Niederschrift zur Unterschrift zu überlassen ist, gestrichen. Zu dieser Änderung führt die Regierungsbegründung zum Entwurf des BetrVG 1972 aus, dass das Protokoll eine interne Angelegenheit des Betriebsrats sei.474 Die Gesetzesbegründung ist so zu verstehen, dass der Arbeitgeber keinen Einfluss auf die Erstellung der Niederschrift nehmen können soll oder diese gar billigen muss.475 Der Arbeitgeber sollte also an der Erstellung des Protokolls nicht beteiligt werden, einzig dem Betriebsrat wird diese Aufgabe zugewiesen. Bezieht man den Regelungszweck, den der Gesetzgeber mit den Vorschriften über die Niederschrift verfolgt, in die Betrachtung ein, so bestätigt sich das aus Systematik und Historie gefundene Ergebnis eines 471 Vgl. GK-BetrVG/Raab, § 34 BetrVG Rn. 29; a.A. DKKW/Wedde, § 34 BetrVG Rn. 3; FESTL, § 34 BetrVG Rn. 16. 472 s. o. 3. Kapitel A. II. 3. d). 473 Vgl. so für den Wirtschaftsausschuss Wiese, in: FS Molitor, S. 365 (387 ff.). 474 BT-Drs. 6/1786, S. 40. 475 Wiesner, S. 188.

A. Die Zuweisung subjektiver Rechte in einzelnen Vorschriften

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Schutzes des Betriebsrats durch die Niederschrift. Die Niederschrift dient einzig dazu, die Ordnungsgemäßheit der Sitzung, die Behandlung von Anträgen und die Beschlussfassung nachzuweisen.476 Die Sitzungsniederschaft hat daher eine Beweisfunktion.477 Diese Beweisfunktion ist jedoch mit der Ordnungsgemäßheit der Sitzung, der Behandlung von Anträgen und vor allem der Beschlussfassung auf interne Vorgänge des Betriebsrats beschränkt, allein dessen Willensbildung wird dokumentiert und nachgewiesen.478 Durch die Niederschrift wird damit insgesamt verhindert, dass im Nachhinein Streit darüber entsteht, ob das Handeln des Vorsitzenden, welcher den Betriebsrat gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 BetrVG nach außen hin vertritt, von den Beschlüssen des Gremiums gedeckt ist.479 Mit der Niederschrift wird dem Betriebsrat daher ein Mittel an die Hand gegeben, um vor Gericht eine ordnungsgemäße Willensbildung, z. B. zur Heranziehung eines Rechtsanwalts, nachzuweisen.480 Demnach kann in der Unterlassung der Niederschrift einzig auf Seiten des Betriebsrats der Verlust eines Beweismittels gesehen wird.481 Das gefundene Ergebnis, dass gerade der Betriebsrat durch die Erstellung der Niederschrift geschützt werden soll, lässt sich noch mit Erwägungen zur Darlegungs- und Beweislast für das wirksame Zustandekommen eines Betriebsratsbeschlusses und der Bedeutung der Niederschrift in diesem Fall untermauern. Stellt der Arbeitgeber die Wirksamkeit eines Betriebsratsbeschlusses in Frage, so obliegt es dem Betriebsrat die Voraussetzungen für das Zustandekommen des streitigen Beschlusses vorzutragen.482 Den Vortrag des Betriebsrats zur ordnungsgemäßen Beschlussfassung kann der Arbeitgeber grundsätzlich mit Nichtwissen nach § 138 Abs. 4 ZPO bestreiten.483 Hier kommt jedoch die Sitzungsniederschrift nach § 34 BetrVG ins Spiel. So nimmt das BAG in einem neuen Beschluss vom 30. 9. 2014 an, dass für den Fall, dass aus der Sitzungsniederschrift die ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrats ersichtlich wird, im Regelfall der Betriebsrat durch die Vorlage der Sitzungsniederschrift das Vorliegen des streitigen Betriebsratsbeschlusses dargelegt und bewiesen 476 Vgl. BAG v. 13. 5. 1987, 4 AZR 632/86, juris Rz. 13; GK-BetrVG/Raab, § 34 BetrVG Rn. 12; LK/Löwisch, § 34 BetrVG Rn. 1; Bitzer, S. 23 f.; sogar für Nachweis des Inhalts der Beschlussfassung HWK/Reichold, § 34 BetrVG Rn. 2; S/W/S, § 34 BetrVG Rn. 1. 477 BAG v. 30. 9. 2014, 1 ABR 32/13, NZA 2015, 370 (372 f.). 478 Vgl. Münch. Hdb. z. ArbR/Joost, § 219 Rn. 64. 479 Raab, in: FS Konzen, S. 719 (731). 480 Zur Herbeiziehung eines Rechtsanwalts und der Notwendigkeit des Nachweises einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung durch den Betriebsrat, vgl. LAG Schleswig-Holstein v. 19. 4. 1983, 1 TaBV 19/82, BB 1984, 533 (533). 481 S/W/S, § 34 BetrVG Rn. 1. 482 Vgl. nur BAG v. 29. 7. 2009, 7 ABR 95/07, NZA 2009, 1223 (1225) zur ordnungsgemäßen Beschlussfassung bei Beauftragung eines Rechtsanwalts in einem Beschlussverfahren nach § 40 Abs. 1 BetrVG; v. 30. 9. 2014, 1 ABR 32/13, NZA 2015, 370 (372) zur ordnungsgemäßen Beschlussfassung zur Zustimmungsverweigerung in einem Verfahren nach § 99 BetrVG. 483 Vgl. BAG v. 29. 7. 2009, 7 ABR 95/07, NZA 2009, 1223 (1225); v. 30. 9. 2014, 1 ABR 32/ 13, NZA 2015, 370 (372).

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4. Kap.: Die Untersuchung der einzelnen Vorschriften

hat und es keiner weiteren tatsächlichen Darlegungen oder einer Beweisaufnahme bedarf.484 Dann obliegt es dem Arbeitgeber, den Beweiswert der Niederschrift zu erschüttern oder unter Beweisantritt einen für die Führung des Gegenbeweises über das (Nicht-)Vorliegen eines wirksamen Betriebsratsbeschlusses geeigneten Vortrag zu halten.485 Das für den Arbeitgeber an sich mögliche Bestreiten mit Nichtwissen ist dann nicht mehr ausreichend und unbeachtlich.486 Die Sitzungsniederschrift eröffnet damit dem Betriebsrat die Möglichkeit dem Arbeitgeber das Bestreiten mit Nichtwissen nach § 138 Abs. 4 ZPO unmöglich zu machen. Das BAG wertet mit seiner neuen Rechtsprechung die Sitzungsniederschrift prozessual auf. Diese kann nun benutzt werden, um dem Bestreiten mit Nichtwissen von Seiten des Arbeitgebers entgegenzuwirken. Sie hat damit – zumindest prozessual – den Schutz des Betriebsrats und nicht des durch sie belasteten Arbeitgebers im Auge. § 34 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ist daher nach der Gesetzessystematik, der Gesetzgebungsgeschichte und dem mit ihm verfolgten Sinn und Zweck als Vorschrift zum Schutz des Betriebsrats einzuordnen. Allein dem Betriebsrat wird durch die Niederschrift Rechtsmacht verliehen. Zudem werden einzig seine Interessen an einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung geschützt. Mit der Pflicht des § 34 Abs. 2 Satz 1 BetrVG korrespondiert damit kein subjektives Recht des Arbeitgebers. Auch aus § 34 Abs. 2 Satz 2 BetrVG ergibt sich kein subjektives Recht des Arbeitgebers, welches Grundlage für einen Unterlassungsanspruch gegen den Betriebsrat sein könnte. Zwar ist auch der Arbeitgeber, wenn er Sitzungsteilnehmer war, als berechtigt zur Erhebung von Einwendungen gegen die vom Betriebsrat angefertigte Niederschrift anzusehen.487 Eine erste Einschränkung für den Arbeitgeber ergibt sich aber bereits aus der Tatbestandsvoraussetzung der „Einwendungen“ in § 34 Abs. 2 Satz 2 BetrVG. Hierunter können – im Gegensatz zum weitergehenden, aber in § 34 Abs. 2 Satz 2 BetrVG gerade nicht verwandten Begriff der Stellungnahme – einzig kurze Gesamt- oder punktuelle Gegenstellungnahmen zu einzelnen Protokollpunkten oder Formulierungen der Sitzungsniederschrift verstanden werden.488 Dem Arbeitgeber wird damit kein umfassendes Recht zur Darlegung der eigenen Ansicht in der Niederschrift, sondern einzig eine punktuelle Befugnis zur Erwiderung auf eine vom Betriebsrat nach § 34 Abs. 1 BetrVG angefertigte Niederschrift durch § 34 Abs. 2 Satz 2 BetrVG eingeräumt. Nichtsdestotrotz könnte bei einer Betrachtung nur auf Basis des Wortlauts des § 34 Abs. 2 Satz 2 BetrVG diese 484

BAG v. 30. 9. 2014, 1 ABR 32/13, NZA 2015, 370 (373). BAG v. 30. 9. 2014, 1 ABR 32/13, NZA 2015, 370 (373). 486 BAG v. 9. 12. 2003, 1 ABR 44/02, NZA 2004, 746 (748); v. 29. 7. 2009, 7 ABR 95/07, NZA 2009, 1223 (1225); v. 30. 9. 2014, 1 ABR 32/13, NZA 2015, 370 (372). 487 Vgl. GK-BetrVG/Raab, § 34 BetrVG Rn. 26; HWGNRH/Glock, § 34 BetrVG Rn. 22; HWK/Reichold, § 34 BetrVG Rn. 12. 488 LAG Hessen v. 19. 5. 1988, 12 TaBV 123/87, DB 1989, 486 (486); zustimmend die h.M. in der Literatur, vgl. FESTL, § 34 BetrVG Rn. 30; WPK/Kreft, § 34 BetrVG Rn. 13; DKKW/ Wedde, § 34 BetrVG Rn. 17; HWK/Reichold, § 34 BetrVG Rn. 12; ErfK/Koch, § 34 BetrVG Rn. 2; HaKo-BetrVG/Blanke/Wolmerath, § 34 BetrVG Rn. 9. 485

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Erwiderungsbefugnis des Arbeitgebers für die Einräumung von Rechtsmacht an diesen sprechen. Gegen die Zuweisung eines subjektiven Rechts an den Arbeitgeber in § 34 Abs. 2 Satz 2 BetrVG spricht in systematischer Hinsicht jedoch neben der bereits dargestellten Zuordnung der Niederschrift zum Wirkungskreis des Betriebsrats auch noch § 35 BetrVG. § 35 BetrVG gehört ebenso wie § 34 BetrVG zu den Vorschriften über die Geschäftsführung des Betriebsrats und hat speziell mit dem Regelungsgegenstand der Betriebsratsbeschlüsse einen Zusammenhang zu der diese dokumentierenden Niederschrift nach § 34 BetrVG. § 35 BetrVG gibt der Mehrheit der Jugendund Auszubildendenvertretung und der Schwerbehindertenvertretung die Möglichkeit einen Beschluss des Betriebsrats auszusetzen, wenn sie den Beschluss als eine erhebliche Beeinträchtigung der Interessen der durch sie vertretenen Arbeitnehmer ansieht. Für die Beeinträchtigung ist nicht erforderlich, dass die gesamte Gruppe beschwert wird, sondern es genügt bereits, dass nach Auffassung der Interessenvertretung einzelne Gruppenmitglieder beeinträchtigt werden.489 Der Gesetzgeber hat in § 35 BetrVG gesehen, dass Beschlüsse des Betriebsrats Sonderinteressen einzelner Gruppen und sogar einzelner Mitglieder der Gruppe beeinträchtigen können. Daher hat er in § 35 BetrVG speziell den Schutz der Sonderinteressen einzelner Arbeitnehmergruppen und der ihnen angehörigen Arbeitnehmer gewährleistet. Insofern wurde den genannten Vertretungen die Möglichkeit eröffnet, in die Geschäftsführung des Betriebsrats hereinzuwirken und die Durchführung des Beschlusses hinauszuschieben. Folgerichtig wird dann auch für die Vertretungen der Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Betriebsratsvorsitzenden auf Untersagung der Unterschrift einer Betriebsvereinbarung auf Basis von § 35 BetrVG für möglich gehalten.490 § 35 BetrVG eröffnet daher den dort genannten Interessenvertretungen die Möglichkeit, dem den Betriebsrat vertretenden Betriebsratsvorsitzenden Verhaltensweisen, die den Interessen ihrer Mitglieder zuwiderlaufen, zu verbieten. Für den Arbeitgeber existiert eine solche Regelung dagegen nicht. Im Umkehrschluss zu § 35 BetrVG ist ihm daher Rechtsmacht zum Einwirken auf die Geschäftsführung und die interne Willensbildung des Betriebsrats nicht eingeräumt. Die Gesetzessystematik spricht daher gegen eine Interpretation des § 34 Abs. 2 Satz 2 BetrVG als ein subjektives Recht des Arbeitgebers verleihende Vorschrift. Auch aus dem Sinn und Zweck, der mit § 34 Abs. 2 Satz 2 BetrVG verfolgt wird, ergibt sich kein anderes Ergebnis. Sinn und Zweck der Regelung ist es, Zweifel an der Richtigkeit der Niederschrift entweder umgehend auszuräumen491 bzw. zumindest die geäußerten Zweifel aktenkundig zu machen.492 Hiermit korrespondierend muss 489

Pouyadou, S. 129 f.; GK-BetrVG/Raab, § 35 BetrVG Rn. 9. Vgl. HaKo-BetrVG/Düwell, § 35 BetrVG Rn. 15; allgemeiner WPK/Kreft, § 35 BetrVG Rn. 13: Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung der Aussetzung des Beschlusses möglich; ebenso FESTL, § 35 BetrVG Rn. 34. 491 GK-BetrVG/Raab, § 34 BetrVG Rn. 28. 492 FESTL, § 34 BetrVG Rn. 30. 490

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4. Kap.: Die Untersuchung der einzelnen Vorschriften

der Betriebsratsvorsitzende vorgebrachte Einwendungen als Gegendarstellung dem Betriebsrat zur Kenntnis geben und selbst dann der Niederschrift beifügen, wenn er oder der Betriebsrat sie für unzutreffend hält.493 Verpflichtet zur Abänderung der Niederschrift selbst ist der Betriebsrat jedoch nicht, der Arbeitgeber hat keinen Anspruch auf Korrektur der Niederschrift.494 Der Arbeitgeber kann daher einzig Kritik an der Niederschrift in die Akten bringen, sie selbst verhindern kann er nach dem Gesetz nicht. Nur wenn der Betriebsrat die Einwendungen für zutreffend hält, ist die Niederschrift entsprechend zu korrigieren.495 Der Inhalt der Niederschrift steht nach der gesetzlichen Konzeption daher nicht zur Disposition des Arbeitgebers; vielmehr liegt es allein in der Hand des Betriebsrats, ob er auf die gemachten Einwendungen hin die angefertige Niederschrift abändert oder nicht. Im Zusammenhang hiermit wird den geäußerten Einwendungen auch zutreffend keine Bedeutung für die Rechtswirksamkeit der Beschlüsse des Betriebsrats beigemessen.496 Durch die Erhebung von Einwendungen wird dem Betriebsrat daher kein Risiko für seine Willensbildung und die gefassten Beschlüsse aufgebürdet. Hiermit korrespondierend wird dem Arbeitgeber mit der Befugnis zur Äußerung von Einwendungen gegen die angefertigte Niederschrift keine Rechtsmacht im Bereich der Geschäftsführung des Betriebsrats eingeräumt; stattdessen ist der Arbeitgeber auf die Kooperation des Betriebsrats in seinem Wunsch zur Abänderung einer angefertigten Niederschrift angewiesen. § 34 Abs. 2 Satz 2 BetrVG ist daher nicht als Zuweisung eines subjektiven Rechts an den Arbeitgeber aufzufassen. Mit der Absage an die Zuweisung eines subjektiven Rechts an den Arbeitgeber muss auch der in der Literatur teilweise vertretenen Ansicht, dass der Arbeitgeber die Nichtaufnahme geheimhaltungsbedürftiger oder vertraulicher Tatsachen in die Niederschrift nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 BetrVG verlangen kann,497 mangels Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat eine Absage erteilt werden. Stattdessen sind Verstöße des Betriebsrats gegen die ihm nach § 34 Abs. 2 BetrVG auferlegten Pflichten einzig als grobe Verletzungen nach § 23 Abs. 1 BetrVG von Seiten des Arbeitgebers ahndbar.498 Daneben besteht nach hier vertretener Auffassung als milderes Mittel gegenüber der Einleitung des Verfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG auch die Möglichkeit des Ausspruchs einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung gegenüber dem Betriebsrat. 493 DKKW/Wedde, § 34 BetrVG Rn. 18; GK-BetrVG/Raab, § 34 BetrVG Rn. 27; HWK/ Reichold, § 34 BetrVG Rn. 12; Richardi/Thüsing, § 34 BetrVG Rn. 19; WPK/Kreft, § 34 BetrVG Rn. 14. 494 ErfK/Koch, § 34 BetrVG Rn. 2; GK-BetrVG/Raab, § 34 BetrVG Rn. 28; i.E. ebenso H/ L/S/Tillmanns, § 34 BetrVG Rn. 9 „Der Betriebsrat kann daraufhin die Sitzungsniederschrift ändern (…).“, Hervorhebung seitens des Verfassers. 495 Kröll, AiB 2015, 35 (37). 496 Vgl. GK-BetrVG/Raab, § 34 BetrVG Rn. 27; FESTL, § 34 BetrVG Rn. 30; DKKW/ Wedde, § 34 BetrVG Rn. 18; ErfK/Koch, § 34 BetrVG Rn. 2. 497 Vgl. GK-BetrVG/Raab, § 34 BetrVG Rn. 29. 498 Vgl. GK-BetrVG/Raab, § 34 BetrVG Rn. 10; Münch. Hdb. z. ArbR/Joost, § 219 Rn. 76; S/W/S, § 34 BetrVG Rn. 5.

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e) Rechtszuweisung bei § 39 Abs. 1 Satz 2 BetrVG Nach § 39 Abs. 1 Satz 1 BetrVG kann der Betriebsrat während der Arbeitszeit Sprechstunden einrichten. Hierzu sind nach § 39 Abs. 1 Satz 2 BetrVG Zeit und Ort mit dem Arbeitgeber zu vereinbaren. Fraglich ist jedoch, ob der Arbeitgeber bei Nichtvorliegen einer Einigung vom Betriebsrat mittels eines Unterlassungsanspruchs verlangen kann, dass bis zur Erzielung einer Einigung keine Sprechstunden von Seiten des Betriebsrats abgehalten werden oder ob hierzu auf die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung bzw. das Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG zu verweisen ist. Des Weiteren könnten sich durch die Abhaltung einer Sprechstunde zu einer bestimmten Zeit bzw. an einem bestimmten Ort im Betrieb Belastungen für den Arbeitgeber ergeben, die nicht notwendig sind und die der Arbeitgeber daher gerne vermeiden möchte. Rechtliches Instrument zur Durchsetzung dieser Vermeidungsabsicht könnte der betriebsverfassungsrechtliche Unterlassungsanspruch gegen den Betriebsrat sein. Gegen einen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers bei § 39 Abs. 1 Satz 2 BetrVG sprechen nicht die Regelungen des § 39 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 BetrVG, nach denen bei Nichterzielung einer Einigung über Ort und Zeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat die Möglichkeit zur Anrufung der Einigungsstelle besteht und die Einigungsstellenentscheidung die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzt. Einigungsstellenverfahren und betriebsverfassungsrechtlicher Unterlassungsanspruch schließen sich nicht gegenseitig aus, das Einigungsstellenverfahren steht neben dem betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers.499 Eine abschließende gesetzliche Sonderregelung besteht bei § 39 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nicht. Daher ist auch für § 39 Abs. 1 Satz 2 BetrVG wiederum entscheidend, ob die Vorschrift dem Arbeitgeber ein subjektives Recht vermittelt, an das der Unterlassungsanspruch angekoppelt werden könnte. § 39 Abs. 1 Satz 2 BetrVG schreibt vor, dass Zeit und Ort der Sprechstunden mit dem Arbeitgeber zu vereinbaren sind. Eine ausdrückliche Pflicht zur Unterlassung enthält § 39 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nach dem Gesetzeswortlaut – anders als z. B. die bereits behandelten § 74 Abs. 2 Satz 2 und § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG – nicht. Die Pflicht des Betriebsrats besteht allein darin, mit dem Arbeitgeber eine Einigung über Ort und Zeit der Sprechstunde zu erzielen. Der Wortlaut der Vorschrift spricht damit nicht indiziell für einen Unterlassungsanspruch und die mit diesem zusammenhängende Zuweisung eines subjektiven Rechts an den Arbeitgeber. Die Gesetzessystematik ist in der Frage wenig ergiebig. § 39 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist ebenso wie die bisher erörterten Vorschriften dem Bereich der Geschäftsführung des Betriebsrats zuzuordnen, ohne dass sich hieraus – wie bereits § 30 Satz 2 und § 30 Satz 3 BetrVG gezeigt haben – zwangsläufig eine Absage an subjektive Rechte des Arbeitgebers ergeben würde.

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s. o. 2. Kapitel E.

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4. Kap.: Die Untersuchung der einzelnen Vorschriften

Auch die Gesetzgebungsgeschichte zu § 39 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist für die Frage nach einem subjektiven Recht des Arbeitgebers unergiebig. Entscheidend ist damit die teleologische Auslegung des § 39 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Der Sinn und Zweck der Einrichtung der Sprechstunden kann allgemein in der Förderung der Kommunikation zwischen Betriebsrat und Arbeitnehmern gesehen werden,500 dem Betriebsrat wird gegenüber den von ihm vertretenen Arbeitnehmern ein Kommunikationsforum eröffnet.501 Die Sprechstunde dient bei dieser Interpretation den Interessen des Betriebsrats und der Belegschaft an einer ungestörten Kommunikation. Ungestört ist die Kommunikation aber nur, wenn wie bei der Nichtöffentlichkeit der Betriebsratssitzungen Betriebsrat und Arbeitnehmer offen und ehrlich miteinander reden können und nicht mit Repressionen des Arbeitgebers rechnen müssen. Für die Arbeitnehmer ist dabei von besonderen Interesse, dass durch die Sprechstunden des Betriebsrats sichergestellt ist, dass sie diesen zu bestimmten Zeiten gerade auch während der Arbeitszeit erreichen können. Dem Betriebsrat wird durch die Einrichtung von Sprechstunden eventuell die Geschäftsführung erleichtert, wenn sich die Anfragen von Arbeitnehmern auf die Zeit der Sprechstunde konzentrieren. Außerdem kann der Betriebsrat die Sprechstunden zur Informationsgewinnung von den Beschäftigten nutzen.502 Daneben wird mit der Sprechstunde dem Betriebsrat die Möglichkeit zur Berichterstattung, Motivation und Werbung eröffnet.503 § 39 BetrVG zielt damit gerade auf den Schutz des Betriebsrats ab, ein arbeitgeberseitiger Unterlassungsanspruch gegen den Betriebsrat würde den für diesen beabsichtigen Schutz konterkarieren. Neben dem Schutz der Interessen von Betriebsrat und Belegschaft wird in der Literatur jedoch vereinzelt durch die Einrichtung von Sprechstunden und den mit ihnen gewährleisteten institutionellen Kontakt zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber gleichberechtigt auch der Schutz der Interessen des Arbeitgebers für verwirklicht gehalten.504 Durch das geordnete Aufsuchen einer Sprechstunde des Betriebsrats zu festen Zeiten werde auf die betrieblichen Notwendigkeiten Rücksicht genommen.505 Gegen einen gleichermaßen durch § 39 Abs. 1 Satz 2 BetrVG bezweckten Schutz der Interessen des Arbeitgebers neben denen des Betriebsrats spricht jedoch, dass die grundsätzliche Entscheidung über das Ob der Abhaltung einer Sprechstunde im freien Ermessen des Betriebsrats steht.506 Die Vereinbarung über das Wie in Form von Ort und Zeit der Sprechstunde ist der ersten Entscheidung für bzw. gegen die Einrichtung von Sprechstunden dagegen nur nachgelagert und dient einzig zur 500 Richardi/Thüsing, § 39 BetrVG Rn. 2; Ohm, AiB 1996, 407 (407): Süllwold, ZfPR 1996, 26 (26), Hervorhebung seitens des Verfassers. 501 Neufeld/Elking, NZA 2013, 1169 (1170). 502 Süllwold, ZfPR 1996, 26 (26). 503 Knolle, AiB 2011, 228 (231). 504 GK-BetrVG/Weber, § 39 BetrVG Rn. 1. 505 Neumann-Duesberg, BetrVR, S. 317. 506 Statt aller GK-BetrVG/Weber, § 39 BetrVG Rn. 11 m.w.N.

A. Die Zuweisung subjektiver Rechte in einzelnen Vorschriften

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Umsetzung der allein vom Betriebsrat getroffenen Grundsatzentscheidung für die Eröffnung dieses Kommunikationskanals zur Belegschaft. Mit der nur nachgelagerten Natur der Vereinbarung über Ort und Zeit der Sprechstunde korrespondiert ein gegenüber der freien Kommunikation zwischen Betriebsrat und Belegschaft untergeordneter Schutz der Arbeitgeberinteressen. Das mit der Einrichtung von Sprechstunden verfolgte Regelungsansinnen des Gesetzgebers liegt damit nicht im gleichermaßen verwirklichten Schutz der Interessen von Betriebsrat und Arbeitgeber. Der Schutz des Arbeitgebers ist nur mittelbare Folge des § 39 BetrVG, nicht aber im Rahmen der teleologischen Auslegung beachtlicher Regelungszweck. Zwar verweist die andere Auffassung zur Stützung ihres Standpunkts auf eine Entscheidung des BAG.507 So geht das BAG in dieser Entscheidung davon aus, dass durch das Aufsuchen der Sprechstunden durch die Arbeitnehmer auf die betrieblichen Notwendigkeiten Rücksicht genommen werden kann.508 Gemeint ist damit nur, dass im Hinblick auf das Fernbleiben der Arbeitnehmer vom Arbeitsplatz die Interessen des Arbeitgebers nicht übermäßig strapaziert werden. Von einer Verpflichtung für den Betriebsrat ist dagegen nicht die Rede. Der Schutz des Arbeitgebers wird daher durch § 39 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nicht unmittelbar bezweckt, sondern ist einzig mittelbare Auswirkung der Vorschrift. Teleologisch steht der Schutz gerade der Arbeit des Betriebsrats neben dem Schutz der den Betriebsrat aufsuchenden Arbeitnehmer bei § 39 BetrVG im Vordergrund. In § 39 Abs. 1 Satz 2 BetrVG finden sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Arbeitgeber hier vergleichbar § 75 Abs. 1 BetrVG ausnahmsweise zur Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer berechtigt wird. Auch das teleologische Auslegungskriterium spricht daher nicht für die Zuweisung eines subjektiven, auf den Interessenschutz des Arbeitgebers abzielenden, Rechts in § 39 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Mangels subjektiven Rechts des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat aus § 39 Abs. 1 Satz 2 BetrVG besteht daher auch der Unterlassungsanspruch als auf das subjektive Recht bezogenes Schutzrecht bei § 39 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nicht. f) Rechtszuweisung bei § 41 BetrVG § 41 BetrVG verbietet die Erhebung und Leistung von Beiträgen der Arbeitnehmer für die Zwecke des Betriebsrats. Ein subjektives Recht des Arbeitgebers erwächst hieraus jedoch nicht. Der Wortlaut des § 41 BetrVG erklärt die Erhebung sowie die Leistung von Beiträgen der Arbeitnehmer für die Zwecke der Arbeit des Betriebsrats für unzulässig. Die Vorschrift enthält keine Einschränkungen, es werden generell alle Formen der Erhebung sowie Leistungserbringung erfasst. Jedoch muss es sich nach dem Wortlaut um Leistungen der Arbeitnehmer handeln. Auch dieses Merkmal hat jedoch in der neueren Rechtsprechung im Kontext der Entnahme von Geld aus einem Tronc eine extensive Interpretation erfahren. Im zu entscheidenden 507 GK-BetrVG/Weber, § 39 BetrVG Rn. 1 unter Verweis auf BAG v. 23. 6. 1983, 6 ABR 65/ 80, EzA § 37 BetrVG 1972 Nr. 78, S. 379 (379 ff.). 508 BAG v. 23. 6. 1983, 6 ABR 65/80, EzA § 37 BetrVG 1972 Nr. 78, S. 379 (379 ff.).

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4. Kap.: Die Untersuchung der einzelnen Vorschriften

Fall betrieb der Arbeitgeber eine Spielbank und entnahm dem eingerichteten und in seinem Eigentum stehenden Tronc Geld für die Sachmittel des Betriebsrats. Obwohl der Tronc im Eigentum der Spielbank stand, sah das BAG einen Verstoß gegen § 41 BetrVG im Fall dadurch als gegeben an, dass das Troncaufkommen nicht rechtmäßig verwendet wurde.509 Diese Argumentationslinie könnte man dergestalt auch für § 41 BetrVG verwenden, dass über den Wortlaut des § 41 BetrVG auch Beiträge des Arbeitgebers, die auf die Zahl der Arbeitnehmer im Betrieb abstellen und über § 40 BetrVG hinausgehen entsprechend § 41 BetrVG und zudem wegen Verstoßes gegen das Ehrenamtsprinzips nach § 37 Abs. 1 BetrVG unzulässig sind.510 Bei dieser Annahme wäre der Arbeitgeber ebenfalls vom Verbot des § 41 BetrVG erfasst, ihm würde entsprechend § 41 BetrVG bzw. in Verbindung mit § 37 Abs. 1 BetrVG, keine Rechtsmacht zugewiesen, sondern die Rechtsmacht genommen, über § 40 BetrVG und § 37 Abs. 1 BetrVG hinausgehende Zahlungen an den Betriebsrat zu tätigen. Maßgeblicher Gesichtspunkt für die Entscheidung des BAG war jedoch auch noch, dass durch die Entnahme aus dem Tronc die Ansprüche der Arbeitnehmer auf die Auskehrung aus dem Tronc gekürzt wurden.511 Dieses Argument des BAG spricht dafür, nur solche Beiträge, die eigentlich den Arbeitnehmern vom Arbeitgeber auszuzahlen wären und stattdessen dem Betriebsrat zufließen, als Verstoß gegen § 41 BetrVG zu behandeln. Dann würde es sich aber immer noch um Beiträge der Arbeitnehmer, nur gezahlt durch den Arbeitgeber, handeln. Der Wortlaut des § 41 BetrVG spricht daher gegen eine direkte Erfassung auch von Leistungen des Arbeitgebers. Hierüber kann jedoch eine entsprechende Anwendung der Vorschrift auch auf den Arbeitgeber hinweghelfen.512 Über diese entsprechende Anwendung des § 41 BetrVG kann auch der Arbeitgeber als Verpflichteter des Verbots nach § 41 BetrVG eingeordnet werden. Die Verpflichtung auch des Arbeitgebers spricht dann aber gegen die für die Anerkennung eines Unterlassungsanspruchs notwendige, vorherige Zuweisung eines subjektiven Rechts durch § 41 BetrVG. Historisch gesehen geht § 41 BetrVG auf § 37 BRG 1920 zurück. Dieser sollte die Gewerkschaften gegenüber den aufkommenden Betriebsräten absichern.513 Die Vorschrift hat jedoch einen Bedeutungswandel durchlebt.514 Sinn und Zweck des § 41 BetrVG ist heute neben dem Schutz der Arbeitnehmer der Schutz der Unabhängigkeit des Betriebsrats und der Ehrenamtlichkeit der Betriebsratstätigkeit.515 Die Unabhängigkeit des Betriebsrats wird gerade über die entsprechende Anwendung des § 41 509

BAG v. 14. 8. 2002, 7 ABR 29/01, NZA 2003, 626 (627). Für entsprechende Anwendung des § 41 BetrVG GK-BetrVG/Weber, § 41 BetrVG Rn. 8; Richardi/Thüsing, § 41 BetrVG Rn. 6; a.A: Münch. Hdb. z. ArbR/Joost, § 221 Rn. 50. 511 BAG v. 14. 8. 2002, 7 ABR 29/01, NZA 2003, 626 (627). 512 Vgl. GK-BetrVG/Weber, § 41 BetrVG Rn. 8. 513 Franzen, in: FS Adomeit, S. 173 (179). 514 Franzen, in: FS Adomeit, S. 173 (179); a.A. Leuze, ZTR 2006, 474 (474). 515 BAG v. 14. 8. 2002, 7 ABR 29/01, NZA 2003, 626 (627); ErfK/Koch, § 41 BetrVG Rn. 1; HaKo-BetrVG/Wolmerath, § 41 BetrVG Rn. 1; Leuze, ZTR 2006, 474 (474); Hunold, NZA-RR 2011, 57 (57). 510

A. Die Zuweisung subjektiver Rechte in einzelnen Vorschriften

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BetrVG auch vor dem Arbeitgeber geschützt. § 41 BetrVG verfolgt nach seinem Zweck daher den Schutz der Interessen des Betriebsrats. Ein subjektives Recht für den Arbeitgeber würde diesem Regelungszweck gerade zuwiderlaufen. Ein Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers scheidet mangels Zuweisung eines subjektiven Rechts an diesen bei § 41 BetrVG aus. 6. Zusammenfassung zum Unterlassungsanspruch bei Verletzungen von Geschäftsführungspflichten Die Untersuchung einzelner Geschäftsführungspflichten des Betriebsrats hat ergeben, dass § 30 Satz 2 und § 30 Satz 3 BetrVG dem Arbeitgeber ein subjektives Recht zuweisen. An diese Rechtszuweisungen schließt sich für den Arbeitgeber der betriebsverfassungsrechtliche Unterlassungsanspruch gegen den Betriebsrat als Schutzrecht an. Der Arbeitgeber kann daher die Ansetzung von Betriebsratssitzungen über den Unterlassungsanspruch verhindern, wenn der Betriebsrat nicht auf die betrieblichen Notwendigkeiten Rücksicht genommen hat oder ihn vom Zeitpunkt der Sitzung nicht vorher verständigt hat. Die weiteren untersuchten Pflichten aus §§ 30 Satz 4, 34 Abs. 2, 39 Abs. 1 Satz 2 und 41 BetrVG weisen dem Arbeitgeber dagegen keine subjektiven Rechte zu, sondern stellen sich lediglich als objektivrechtliche Verpflichtungen dar. Auf ihre Verletzung von Seiten des Betriebsrats kann nur mit dem Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG bzw. der betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung reagiert werden. 7. Unterlassungsanspruch bei Verletzungen von Betriebsversammlungspflichten? a) Rechtszuweisung bei § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG Neben den bisher erörterten Vorschriften stellt sich auch bei § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG die Frage nach einem Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat. So hatte kürzlich das LAG Berlin-Brandenburg darüber zu entscheiden, ob der Arbeitgeber vom Betriebsrat die Untersagung einer geplanten Vollversammlung verlangen kann, wenn die Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG vorliegen.516 Das Gericht entschied, dass wegen des strukturellen Konzepts des § 23 Abs. 3 BetrVG, der nur für den Betriebsrat Unterlassungsansprüche vorsehe, auch bei § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG ein Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers ausscheiden müsse.517 Dieser Einwand ist oben bereits entkräftet worden.518 Außerdem führt das LAG Berlin-Brandenburg an, dass § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nicht einmal als Unterlassungsgebot formuliert sei, sondern dem Betriebsrat einzig 516 517 518

LAG Berlin-Brandenburg v. 8. 4. 2011, 9 TaBV 2765/10, juris Rz. 20 – 24. LAG Berlin-Brandenburg v. 8. 4. 2011, 9 TaBV 2765/10, juris Rz. 23. s. o. 2. Kapitel A. III.

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4. Kap.: Die Untersuchung der einzelnen Vorschriften

die Verpflichtung aufgebe, Teilversammlungen durchzuführen, wenn wegen der Eigenart des Betriebs eine Versammlung aller Arbeitnehmer zum gleichen Zeitpunkt nicht stattfinden könne.519 Dass Unterlassungsansprüche nicht ausdrücklich im Gesetzestext festgeschrieben werden müssen und dass ihre ausdrückliche Regelung nur den Ausnahmefall darstellt, wurde ebenfalls oben nachgewiesen.520 Die Beschränkung auf den Wortlaut der Vorschrift überzeugt außerdem wegen der damit verbundenen Verkürzung des Auslegungsprozesses nicht. Mit der Begründung des LAG Berlin-Brandenburg kann ein Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat mithin nicht abgelehnt werden. Ob der Arbeitgeber vom Betriebsrat die Unterlassung gegen § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG verstoßender Vollversammlungen verlangen kann, muss stattdessen durch eine Auslegung der Vorschrift nach allen vier Auslegungskriterien auf die Zuweisung eines subjektiven Rechts an den Arbeitgeber untersucht werden. Beginnt man mit dem Wortlaut des § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG, so fällt die fehlende Nennung des Arbeitgebers als Anspruchsberechtigtem auf. Zumindest das Leistungsprogramm wird aber mit der Durchführung einer Teilversammlung beschrieben. Dass der Arbeitgeber dies einfordern können soll, ergibt sich aus § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG dagegen nicht. Gesetzessystematisch ist § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG als Ausnahme zum vom Gesetz vorausgesetzten Modell der Vollversammlung anzusehen, die Vorrang vor Teilversammlungen hat.521 Grund hierfür ist, dass Vollversammlungen bessere Kommunikationsmöglichkeiten gegenüber Teilversammlungen bieten.522 Die Durchführung von Teilversammlungen ist demnach nur möglich, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG vorliegen, der Betriebsrat kann damit nicht nach freiem Ermessen bestimmen, dass anstatt einer Voll- eine Teilversammlung durchzuführen ist.523 Jedoch hat der Betriebsrat zur Bestimmung der Eigenart des Betriebs einen Beurteilungsspielraum.524 Vergleichbar § 40 Abs. 1 BetrVG und dem dort zum Grundsatz der Erforderlichkeit anerkannten Beurteilungsspielraum werden durch den Beurteilungsspielraum bei § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG die Interessen des Betriebsrats geschützt, nicht dagegen diejenigen des Arbeitgebers. Der Beurteilungsspielraum sichert dem Betriebsrat und den ihm angehörigen Betriebsratsmitgliedern eine eigene Sphäre zu, in die grundsätzlich nicht 519

LAG Berlin-Brandenburg v. 8. 4. 2011, 9 TaBV 2765/10, juris Rz. 23. s. o. 2. Kapitel A. I. 521 BAG v. 9. 3. 1976, 1 ABR 74/74, AP BetrVG 1972 § 44 Nr. 3 unter II. 6.; BeckOK-ArbR/ Mauer, § 42 BetrVG Rn. 8; WPK/Roloff, § 42 BetrVG Rn. 13; DKKW/Berg, § 42 BetrVG Rn. 30. 522 BAG v. 9. 3. 1976, 1 ABR 74/74, AP BetrVG 1972 § 44 Nr. 3 unter II. 6.; HWK/Diller, § 42 BetrVG Rn. 29. 523 Richardi/Annuß, § 42 BetrVG Rn. 47; S/W/S, §§ 42 – 46 BetrVG Rn. 5; Münch Hdb. z. ArbR/Joost, § 224 Rn. 1; Hohn, DB 1985, 2195 (2196). 524 LAG Baden-Württemberg v. 10. 5. 2002, 14 TaBV 1/02, AiB 2003, 627 (628); Richardi/ Annuß, § 42 BetrVG Rn. 47; GK-BetrVG/Weber, § 42 BetrVG Rn. 62. 520

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präventiv von Seiten des Arbeitgebers durch die Ersetzung der Betriebsratsvorstellungen durch eigene Vorstellungen eingegriffen werden darf. Der Betriebsrat muss ähnlich wie bei der Ermittlung der Erforderlichkeit in § 40 BetrVG einzig eine verständige Würdigung der entscheidungserheblichen Umstände vornehmen.525 Ein Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers, der präventiv die Arbeitgebervorstellungen zur Eigenart des Betriebs an die Stelle der Betriebsratsvorstellungen setzen würde, würde ebenso wie bei § 40 BetrVG die Wertentscheidung für den Beurteilungsspielraum des Betriebsrats ignorieren. Für die Fälle nur voneinander abweichender Arbeitgeber- und Betriebsratsvorstellungen kann daher ein Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers nicht anerkannt werden. Jedoch ist das Argument des Beurteilungsspielraums des Betriebsrats dann nicht mehr tragfähig, wenn der Verstoß gegen § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG feststeht und der Betriebsrat auch in Zukunft Betriebsversammlungen entgegen § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG durchführen will. Insofern muss weiter geprüft werden, ob § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG ein subjektives Recht des Arbeitgebers statuiert. Die soeben festgestellte gesetzessystematische Beschränkung des § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG auf die Statuierung eines Ausnahmefalls spiegelt sich auch im Wortlaut der Vorschrift wieder. So nennt § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG die Eigenart des Betriebs als maßgebliches Kriterium dafür, ob Voll- oder Teilversammlungen durchzuführen sind. Die Eigenart des Betriebs wird nach herrschender Meinung durch die organisatorischen und technischen Besonderheiten bestimmt.526 Nicht entscheidend sind nach der herrschenden Meinung wirtschaftliche Interessen des Arbeitgebers oder Zumutbarkeitserwägungen wirtschaftlicher Art.527 Nur für den seltenen Fall einer absoluten wirtschaftlichen Unzumutbarkeit wird eine Ausnahme anerkannt.528 Geht man mit der herrschenden Auffassung von einer grundsätzlichen Absage an die Berücksichtigungsfähigkeit wirtschaftlicher Interessen des Arbeitgebers aus, so wird deutlich, dass das Gesetz in § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nicht den Schutz der wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers in den Vordergrund stellt. Mit der von der herrschenden Meinung vertretenen Beschränkung auf organisatorisch-technische Besonderheiten wird terminologisch an den von dieser Auffassung vertretenen allgemeinen Betriebsbegriff angeknüpft.529 Ein solcher allgemeiner 525 Vgl. zum Beurteilungsspielraum des Betriebsrats bei § 40 BetrVG BAG v. 10. 8. 1994, 7 ABR 35/93, NZA 1995, 796 (798); BGH v. 25. 10. 2012, III ZR 266/11, NZA 2012, 1382 (1387); ErfK/Koch, § 40 BetrVG Rn. 1; WPK/Kreft, § 40 BetrVG Rn. 9a; FESTL, § 40 BetrVG Rn. 9. 526 WPK/Roloff, § 42 BetrVG Rn. 13; ArbG Essen v. 14. 4. 2011, 2 BVGa 3/11, NZA-RR 2011, 579 (580). 527 BAG v. 9. 3. 1976, 1 ABR 74/74, AP BetrVG 1972 § 44 Nr. 3 unter II. 3.; FESTL, § 42 BetrVG Rn. 54; HaKo-BetrVG/Tautphäus, § 42 BetrVG Rn. 36; GK-BetrVG/Weber, § 42 BetrVG Rn. 59; DKKW/Berg, § 42 BetrVG Rn. 32; einschränkend Bischof, BB 1993, 1937 (1941): „weniger auf wirtschaftliche Interessen“. 528 BAG v. 9. 3. 1976, 1 ABR 74/74, AP BetrVG 1972 § 44 Nr. 3 unter II. 3.; GK-BetrVG/ Weber, § 42 BetrVG Rn. 59; HWK/Diller, § 42 BetrVG Rn. 29. 529 Vgl. Münch. Hdb. z. ArbR/Joost, § 224 Rn. 4.

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4. Kap.: Die Untersuchung der einzelnen Vorschriften

Betriebsbegriff, der in allen Normen des BetrVG gleich wäre, kann jedoch den differenzierenden Zwecksetzungen der einzelnen betriebsverfassungsrechtlichen Vorschriften nicht gerecht werden.530 Eine Eingrenzung des § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG auf organisatorisch-technische Besonderheiten muss daher gesondert gerechtfertigt werden. In der Literatur besteht in der Tendenz zur Abkehr vom allgemeinen Betriebsbegriff der herrschenden Meinung auch noch eine Gegenauffassung, die die Ausklammerung der wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers bei § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG für verfehlt erachtet.531 Von dieser Auffassung wird geltend gemacht, dass § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG abweichend von der Grundkonzeption der §§ 42 Abs. 1, 44 BetrVG mit dem dort geregelten Vorbehalt der Eigenart des Betriebs die Interessen des Arbeitgebers schütze. Da diese nicht nur im organisatorisch-technischen, sondern auch dem wirtschaftlichen Bereich lägen, müssten wirtschaftliche Belange auch bei § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG berücksichtigungsfähig sein. Dies ergebe sich bereits unmittelbar aus § 45 BetrVG, da zu den auf einer Betriebsversammlung zu erörternden Themen auch solche wirtschaftlicher Art, die den Betrieb unmittelbar beträfen, gehörten. Wirtschaftliche Erwägungen könnten die Durchführung von Teilversammlungen erfordern, wenn sie ausnahmsweise nach den Besonderheiten des Betriebs derart gewichtig seien, dass die Durchführung einer Vollversammlung bedeutend höhere Aufwendungen einschließlich Umsatz- und Gewinnentgang erfordere als im gesetzlich vorausgesetzten Regelfall zumutbar sei.532 Mit dieser Auffassung wäre § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG als Norm zum Schutz der wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers einzuordnen. Die Position des Arbeitgebers würde durch Hinzuziehung seiner wirtschaftlichen Interessen stärker geschützt, in der Terminologie des subjektiven Rechts kann von Interessenschutz des Arbeitgebers gesprochen werden. Diese Auffassung kann für § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG jedoch nicht überzeugen. Dass Themen wirtschaftlicher Art auch den Betrieb betreffen können, ist selbstverständlich und ergibt sich neben § 45 BetrVG auch aus den §§ 106 ff BetrVG. Für den Betriebsbegriff des § 42 Abs. 1 Satz 1 BetrVG kommt es ebenso wie für den Begriff des § 1 BetrVG jedoch gerade nicht entscheidend auf wirtschaftliche Interessen des Arbeitgebers an. Durch die Einrichtung von Betriebsräten gerade auf der Ebene des Betriebs soll Entscheidungs- und Arbeitnehmernähe garantiert werden.533 Entscheidungsnähe besteht dann, wenn der Betriebsrat nah an der Organisationsebene, in der die personelle Leitung ausgeübt wird, gebildet wird.534 Maßgeblich für 530

(59).

Preis, RdA 2000, 257 (260): i.E. auch Henssler, in: Fortbildung des Arbeitsrechts, S. 53

531 Vgl. Münch. Hdb. z. ArbR/Joost, § 224 Rn. 6; Richardi/Annuß, § 42 BetrVG Rn. 50; Lunk, S. 160 ff. 532 Münch. Hdb. z. ArbR/Joost, § 224 Rn. 6. 533 Statt aller ErfK/Koch, § 1 BetrVG Rn. 8. 534 Preis, KollArbR, S. 537 ff.

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die Ausübung der personellen Leitung in Form eines einheitlichen Leitungsapparats ist die Entscheidungskompetenz in sozialen (§§ 87 ff BetrVG) und personellen (§§ 92 ff BetrVG) Fragen.535 Es kommt dagegen gerade nicht darauf an, dass eine Entscheidungskompetenz in wirtschaftlichen Fragen (§§ 106 ff BetrVG) besteht.536 Mit der ausgeweiteten Berücksichtigung der wirtschaftlichen Belange des Arbeitgebers wird demnach der § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG zu Grunde liegende Betriebsbegriff überspannt. Die Einbeziehung von Fällen absoluter wirtschaftlicher Unmöglichkeit durch die herrschende Auffassung kann auch nicht als inkonsequent verworfen werden, existiert doch mit § 313 BGB für diese Extremfälle eine Regelung,537 deren Rechtsgedanke zur Interpretation des § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG herangezogen werden kann. Im Übrigen wird durch die Berücksichtigung wirtschaftlicher Belange bei § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG bereits dann, wenn die Durchführung einer Teilversammlung bedeutend höhere Aufwendungen verursacht, mit dem Kriterium der bedeutend höheren Aufwendungen ein Element der Rechtsunsicherheit in die ohnehin schon diffizile Bewertung der Eigenart des Betriebs hereingetragen. Das neu eingeführte Kriterium erscheint geeignet zu Fehleinschätzungen des Betriebsrats zu führen. Die Berücksichtigung wirtschaftlicher Belange allein bei Fällen der wirtschaftlichen Unmöglichkeit nach § 313 BGB, die der Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat gesondert geltend machen kann, scheint dagegen in höherem Maße geeignet, den Betriebsrat und seine Mitglieder vor häufigen Falschbewertungen, damit zusammenhängend betriebsverfassungswidrigem Verhalten und möglichen „Sanktionen“ zu schützen. Gegen das Abstellen auf Umsatz- und Gewinnentgang des Arbeitgebers spricht zudem, dass mit der Durchführung einer Betriebsversammlung zwangsläufig Störungen des Betriebsablaufs einhergehen,538 die sich in wirtschaftlichen Nachteilen für das Unternehmen niederschlagen können. Die Nichtverwirklichung des Betriebszwecks und die damit verbundenen wirtschaftlichen Einbußen treten damit unabhängig von der Form der durchgeführten Betriebsversammlung ein.539 Dann können sie aber auch nicht gegen die Abhaltung einer Voll- und für die Abhaltung einer Teilversammlung sprechen. Für eine Berücksichtigung wirtschaftlicher Interessen des Arbeitgebers kann auch kein Rückschluss aus § 30 Abs. 1 Satz 2 BetrVG und der Nichtberücksichtigungsfähigkeit wirtschaftlicher Interessen in dieser Vorschrift gezogen werden, der zur Berücksichtigung dieser Interessen bei § 43 Abs. 1 Satz 3 BetrVG führt.540 Zwar 535 BAG v. 17. 1. 2007, 7 ABR 63/05, NZA 2007, 703 (704 f.); v. 23. 9. 1982, 6 ABR 42/81, AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 3 unter III. 2. c); Preis, KollArbR, S. 539. 536 BAG v. 23. 9. 1982, 6 ABR 42/81, AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 3 unter III. 2. b); ErfK/Koch, § 1 BetrVG Rn. 10; Preis, KollArbR, S. 539. 537 Vgl. zur wirtschaftlichen Unmöglichkeit bei § 313 BGB NK-BGB/Krebs, § 313 BGB Rn. 15 sowie BeckOK-BGB/Unberath, § 313 BGB Rn. 22. 538 ArbG Wuppertal v. 9. 7. 1996, 8 BVGa 12/96, AiB 1997, 347 (347). 539 LAG Baden-Württemberg v. 10. 5. 2002, 14 TaBV 1/02, AiB 2003, 627 (628); ArbG Essen v. 14. 4. 2011, 2 BVGa 3/11, NZA-RR 2011, 579 (581). 540 So aber Lunk, S. 162.

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verwendet der Gesetzgeber mit der Eigenart des Betriebs in § 43 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nicht genau denselben Begriff wie in § 30 Satz 2 BetrVG mit den betrieblichen Notwendigkeiten. Bezugspunkt beider Vorschriften ist aber der Betrieb, insofern besteht ein Zusammenhang, der gerade für die Übertragung der zu § 30 Satz 2 BetrVG gefundenen Ergebnisse auch auf § 43 Abs. 1 Satz 3 BetrVG spricht. Für diese spricht außerdem, dass sowohl die Abhaltung einer Betriebsversammlung als auch die Abhaltung einer Betriebsratssitzung zu Störungen im Betriebsablauf führen. Entgegen der teilweise vertretenen Literaturauffassung ist demnach mit der herrschenden Ansicht davon auszugehen, dass wirtschaftliche Erwägungen für die Eigenart des Betriebs – mit der Ausnahme der über die Heranziehung von § 313 BGB abbildbaren Fälle der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit – keine Rolle spielen. § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG kann nicht als die wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers schützende Norm verstanden werden. Mit der Absage an die Berücksichtigungsfähigkeit wirtschaftlicher Interessen ist die Diskussion um den für das subjektive Recht maßgeblichen Interessenschutz des Arbeitgebers aber noch nicht beendet. Stattdessen gilt das bereits zu § 30 Satz 2 BetrVG Gesagte auch im Rahmen des § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG. Mit der Bezugnahme auf die Eigenart des Betriebs werden gerade auch die Interessen des Arbeitgebers an der Verschiebung einer Betriebsversammlung vom Gesetzgeber für berücksichtigungsfähig erklärt.541 Diese sind nach hier vertretener Auffassung aber allein arbeitstechnischer, nicht wirtschaftlicher Natur. Der Wortlaut des § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG deutet daher mit der Berücksichtigung der Eigenart des Betriebs auf einen Interessenschutz des Arbeitgebers hin. Dieses Zwischenergebnis muss jedoch noch durch weitere Erwägungen zum Wortlaut, der Systematik, der Gesetzgebungsgeschichte und vor allem dem Sinn und Zweck der Vorschrift bestätigt bzw. verworfen werden. Bei über das Tatbestandsmerkmal der Eigenart des Betriebs hinausgehender Auslegung des Wortlauts des § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG fällt noch auf, dass der Arbeitgeber durch § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nicht als Rechtssubjekt benannt wird. Stattdessen wird einzig eine Pflicht zur Abhaltung von Teilversammlungen statuiert. Dies erklärt sich vor dem Hintergrund des § 43 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, der den Betriebsrat berechtigt und verpflichtet, einmal vierteljährlich eine Betriebsversammlung einzuberufen. Dem Arbeitgeber dagegen steht kein Recht zur Einberufung einer Betriebsversammlung zu.542 Auch im Fall der auf Wunsch des Arbeitgebers anberaumten Betriebsversammlung nach § 43 Abs. 3 Satz 1 BetrVG muss immer noch der Betriebsrat die Betriebsversammlung einberufen. Lädt dagegen der Arbeitgeber die Belegschaft zu einem Gespräch ein, so handelt es sich nicht um eine Betriebs-, sondern um eine nicht den Regeln der §§ 42 – 46 BetrVG unterfallende

541

Vgl. Joost, Betrieb, S. 325 f. BAG v. 27. 6. 1989, 1 ABR 28/88, NZA 1990, 113 (115); GK-BetrVG/Weber, § 42 BetrVG Rn. 12. 542

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Mitarbeiterversammlung.543 Auch bei solchen ist der Arbeitgeber jedoch Einschränkungen zum Schutz der Betriebsversammlungen und des diese veranstaltenden Betriebsrats unterworfen. So dürfen die Gespräche des Arbeitgebers mit den Mitarbeitern nicht den Charakter einer Gegen- oder Konkurrenzveranstaltung zur vom Betriebsrat initiierten Betriebsversammlung haben.544 Die gesetzlich umfassend geregelten Betriebsversammlungen des Betriebsrats genießen gegenüber den gesetzlich ungeregelten Mitarbeiterversammlungen des Arbeitgebers einen gesteigerten Schutz, ihnen ist Vorrang einzuräumen.545 Den Vorrang der von ihm veranstalteten Betriebsversammlungen kann der Betriebsrat gegenüber dem Arbeitgeber durch einen Unterlassungsanspruch durchsetzen.546 Es kann damit festgehalten werden: Rechtssubjekt der Vorschriften über die Einleitung der Betriebsversammlung ist allein der Betriebsrat, der Arbeitgeber dagegen wird durch die Vorschriften verpflichtet. Auch § 42 Abs. 1 Satz 2 BetrVG kann als den Vorschriften über die Einleitung der Betriebsversammlung zugehörig eingeordnet werden, es wird einzig die Art der einzuleitenden Betriebsversammlung (Voll- oder Teilbetriebsversammlung) festgelegt. Eine Berechtigung des Arbeitgebers aus § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG ist somit nicht begründbar. Systematisch können zudem aus § 42 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BetrVG Rückschlüsse gezogen werden, die gegen ein subjektives Recht des Arbeitgebers aus § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG sprechen. Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BetrVG leitet der Betriebsratsvorsitzende die Betriebsversammlung. Dabei übt nach überwiegender Auffassung der Betriebsrat in der Betriebsversammlung das sogenannte Hausrecht aus.547 Dieses sichert als betriebsverfassungsrechtliche Position mit der gesetzlichen Grundlage in § 42 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BetrVG548 die ordnungsgemäße Durchführung der Betriebsversammlung und wirkt einschränkend für die Rechtspositionen des Arbeitgebers aus Eigentum und Besitz.549 Die Zuweisung des Hausrechts an den Betriebsratsvorsitzenden kann daher ebenfalls als Ausdruck der 543

GK-BetrVG/Weber, § 42 BetrVG Rn. 12; FESTL, § 42 BetrVG Rn. 11; WPK/Roloff, § 42 BetrVG Rn. 3; HWK/Diller, § 42 BetrVG Rn. 11; Brötzmann, BB 1990, 1055 (1056). 544 BAG v. 27. 6. 1989, 1 ABR 28/88, NZA 1990, 113 (115); ArbG Osnabrück v. 25. 6. 1997, 4 BVGa 3/97, AuR 1998, 298 (298); ArbG Duisburg v. 15. 12. 1993, 1 BV 32/93, AuR 1994, 276 (276); FESTL, § 42 BetrVG Rn. 11; Richardi/Annuß, § 42 BetrVG Rn. 73; NK-ArbR/Bodem, § 45 BetrVG Rn. 1; HaKo-BetrVG/Tautphäus, § 42 BetrVG Rn. 47. 545 ArbG Osnabrück v. 25. 6. 1997, 4 BVGa 3/97, AuR 1998, 298 (298). 546 Vgl. ArbG Osnabrück v. 25. 6. 1997, 4 BVGa 3/97, AuR 1998, 298 (298). 547 BAG v. 13. 9. 1977, 1 ABR 67/75, AP BetrVG 1972 § 42 Nr. 1 unter B. 1. c); Richardi/ Annuß, § 42 BetrVG Rn. 23; FESTL, § 42 BetrVG Rn. 36; WPK/Roloff, § 42 BetrVG Rn. 10; DKKW/Berg, § 42 BetrVG Rn. 22; HWGNRH/Worzalla, § 42 BetrVG Rn. 37; NK-ArbR/ Bodem, § 42 BetrVG Rn. 5; Grimberg, AiB 1991, 391 (392); Henssler, RdA 1999, 38 (47); Rieble/Wiebauer, ZfA 2010, 63 (134). 548 BAG v. 22. 5. 2012, 1 ABR 11/11, NZA 2012, 1176 (1178); GK-BetrVG/Weber, § 42 BetrVG Rn. 35; HWGNRH/Worzalla, § 42 BetrVG Rn. 37; Rieble/Wiebauer, ZfA 2010, 63 (135). 549 Rieble/Wiebauer, ZfA 2010, 63 (135).

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Zuweisung von Rechtsmacht an den Betriebsrat, nicht aber an den Arbeitgeber gedeutet werden. Zwar wird in der Literatur zum Teil bezüglich der Annahme eines Hausrechts des Betriebsrats bezweifelt, ob die Verwendung des Begriffs des Hausrechts des Betriebsrats in diesem Fall zweckmäßig ist.550 Die Kritik ist jedoch allein terminologischer Natur,551 die Rechtszuweisung und Überlagerung der Eigentumsbefugnisse des Arbeitgebers wird auch von dieser Ansicht nicht bestritten. Demnach muss unabhängig von der terminologischen Einordnung der Leitungsbefugnis des Betriebsrats diese als Ausdruck einer Rechtszuweisung an diesen begriffen werden. Eine Rechtszuweisung an den Arbeitgeber ist für das mit den Betriebsversammlungen zusammenhängende Hausrecht dagegen nicht verbunden. Auch die Gesetzeshistorie spricht gegen die Zuweisung eines subjektiven Rechts des Arbeitgebers in § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG. § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG gehört zu den Vorschriften über die Betriebsversammlung. Die Betriebsversammlung war bereits im Regierungsentwurf zum BRG 1920 in dessen §§ 32 und 33 enthalten.552 Zudem sah der Regierungsentwurf in § 30 die Möglichkeit zur Aussprache eines Misstrauensvotums der Betriebsversammlung gegenüber dem Betriebsrat vor.553 Diese Regelung wurde jedoch in den Ausschussberatungen aufgehoben.554 Hiermit einhergehend sank die Bedeutung der Betriebsversammlung, sie wurde im BRG 1920 zu einer Einrichtung mit im Gegensatz zum Betriebsrat untergeordneter Bedeutung.555 Der Sinn der Einführung der Betriebsversammlung in §§ 45 – 48 BRG 1920 kann demnach zutreffend mit der Unterstützung und Absicherung des Betriebsrats beschrieben werden.556 Nicht unterstützt werden sollte dagegen der Arbeitgeber. Während des Nationalsozialismus gab es keine Betriebsversammlungen. An deren Stelle trat der Betriebsappell.557 Dieser zielte einzig darauf ab die „Ausrichtung“ der Arbeitnehmer im Sinne der völkischen Ideologie sicherzustellen.558 Bei der Neueinführung der Vorschriften über Betriebsversammlungen im BetrVG 1952 gaben diese keinen Anlass zu Auseinandersetzungen.559 Die Grundzüge des Betriebsräterechts lagen auch dem BetrVG 1952 zu Grunde.560 Auch in550

Münch. Hdb. z. ArbR/Joost, § 224 Rn. 46; Dudenbostel, Hausrecht, S. 64 ff. Vgl. Münch. Hdb. z. ArbR/Joost, § 224 Rn. 46; Dudenbostel, Hausrecht, S. 77 ff. 552 Entwurf eines Gesetzes über Betriebsräte, in: Verhandlungen des Reichtstags, Bd. 338 (1919/1920), S. 9. 553 Entwurf eines Gesetzes über Betriebsräte, in: Verhandlungen des Reichtstags, Bd. 338 (1919/1920), S. 8. 554 Bericht des Ausschusses für soziale Angelegenheiten über den Entwurf eines Gesetzes für Betriebsräte, Aktenstück Nr. 1838, in: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 340 (1919/20), S. 1910. 555 Engels, S. 27; Mießner, S. 2. 556 GK-BetrVG/Weber, § 42 BetrVG Rn. 1. 557 Mießner, S. 3; Herschel, DB 1962, 237 (237). 558 Vgl. Engels, S. 27 f.; Herschel, DB 1962, 237 (237). 559 Engels, S. 32. 560 GK-BetrVG/Weber, § 42 BetrVG Rn. 2. 551

A. Die Zuweisung subjektiver Rechte in einzelnen Vorschriften

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sofern kann also von einer Unterstützungsaufgabe der Betriebsversammlung für den Betriebsrat ausgegangen werden. In Ermangelung substantieller Änderungen bei den Reformen des BetrVG 1971 und 2001561 kann hieran auch heute noch festgehalten werden. Auch § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG als dem Komplex der Vorschriften über die Betriebsversammlungen zugehörige Vorschrift ist demnach auf den Betriebsrat ausgerichtet. Der Schutz der Interessen des Arbeitgebers lässt sich dagegen bei historischer Betrachtung nicht nachweisen. Auch die Ermittlung des mit § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG verfolgten Zwecks kann die bisherigen Argumente gegen die Zuweisung eines subjektiven Rechts an den Arbeitgeber nicht entkräften. Hierbei gilt es zwei Zwecke zu unterscheiden: Den allgemeinen vom Gesetzgeber mit der Einrichtung der Betriebsversammlung verfolgten Zweck sowie den konkreten, gerade mit Teilversammlungen im Sinne des § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG angestrebten, Zweck. Sowohl konkrete, mit einer einzelnen Vorschrift verfolgte Zwecke als auch allgemeine Zwecksetzungen des Gesetzgebers sind im Rahmen des teleologischen Auslegungskriteriums beachtlich.562 Für eine Einbeziehung auch des mit den Vorschriften über die Betriebsversammlung allgemein verfolgten Zwecks spricht zudem die Rückkoppelung des teleologischen an das systematische Auslegungskriterium. Der Betriebsversammlung wird vom BAG allgemein der Zweck zugemessen, die Willensbildung der Belegschaft im Hinblick auf die Tätigkeit des Betriebsrats zu ermöglichen.563 Der Bereich interner Willensbildung der Belegschaft wird vom Gesetz klar zum Arbeitgeber abgegrenzt; nach § 42 Abs. 1 Satz 1 BetrVG besteht die Betriebsversammlung aus den Arbeitnehmern des Betriebs. Die Willensbildung der Belegschaft soll sich frei entfalten können. Es soll eine ungestörte und freie Aussprache zwischen Betriebsrat und Arbeitnehmern ermöglicht werden.564 Vor allem dient die Betriebsversammlung damit der Aussprache und Diskussion zwischen Betriebsrat und Belegschaft, es wird eine erfolgreiche Interessenvertretung der Arbeitnehmer durch den Betriebsrat gefördert.565 Die Betriebsversammlung soll damit gleichzeitig die quasi-demokratische Rückkoppelung des Betriebsrats an die Belegschaft sicherstellen.566 Der Schutzzweck, die freie Willensbildung zwischen Betriebsrat und Arbeitnehmern zu fördern, spricht nicht für einen Schutz der Interessen des Arbeitgebers. Jedoch erschöpft sich der generelle Zweck der Betriebsversammlungen nicht in der Förderung des Austausches zwischen Betriebsrat und Arbeitnehmern. So wird auch der Austausch zwischen Arbeitgeber und Be-

561

Zu den marginalen Änderungen GK-BetrVG/Weber, § 42 BetrVG Rn. 3 f. NK-BGB/Looschelders, Anh. zu § 133 BGB Rn. 25. 563 BAG v. 27. 6. 1989, 1 ABR 28/88, NZA 1990, 113 (114), Hervorhebung seitens des Verfassers. 564 Vgl. LAG Baden-Württemberg v. 12. 12. 1985, 14 TaBV 22/85, AiB 1986, 67 (68). 565 DKKW/Berg, § 42 BetrVG Rn. 1 f. 566 Rieble/Wiebauer, ZfA 2010, 63 (129). 562

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4. Kap.: Die Untersuchung der einzelnen Vorschriften

legschaft als Zweckrichtung der Betriebsversammlung anerkannt.567 Hierfür kann zumindest auf § 43 Abs. 2 Satz 3 BetrVG verwiesen werden, der vorsieht, dass der Arbeitgeber die Belegschaft mindestens einmal jährlich über die dort aufgeführten Gegenstände in einer Betriebsversammlung zu informieren hat. Auch die Befugnis des Arbeitgebers, nach § 42 Abs. 2 Satz 2 BetrVG auf den Betriebsversammlungen zu sprechen, deutet in die Richtung eines Schutzes der ebenfalls ungestörten Kommunikation zwischen Arbeitgeber und Belegschaft. Betriebsversammlungen kann damit bei teleologischer Betrachtung nicht generell abgesprochen werden, dass auch Interessen des Arbeitgebers geschützt werden. Fraglich ist jedoch, wie diese Interessen im Verhältnis zu dem Schutz der Interessen des Betriebsrats zu gewichten sind und ob ein Vorrang des einen vor dem anderen Interesse festgestellt werden kann. Das BAG geht implizit von einem vorrangigen Schutz der Interessen von Betriebsrat und Belegschaft durch die Betriebsversammlung aus, wenn es annimmt, dass Betriebsversammlungen vor allem der Kommunikation zwischen Betriebsrat und Belegschaft dienen.568 In der Literatur wird inhaltlich deckungsgleich davon gesprochen, dass die Betriebversammlung in erster Linie der wechselseitigen Information zwischen Arbeitnehmerschaft und dem Betriebsrat diene.569 Andere Stimmen in der Literatur sprechen sich dagegen nicht für einen Vorrang der Kommunikation zwischen Betriebsrat und Belegschaft aus, so wird angenommen, dass die Betriebsversammlung auch dem Austausch zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber diene.570 Dies deutet eher auf kumulative, nicht in einem Rangverhältnis stehende Zwecksetzungen hin. Eine solche Kumulation im Sinne einer Gleichwertigkeit der identifizierten generellen Zwecksetzungen von Betriebsversammlungen kann jedoch nicht überzeugen. Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 BetrVG muss der Betriebsrat vierteljährlich eine Betriebsversammlung einberufen und auf ihr einen Tätigkeitsbericht erstatten. Der Arbeitgeber muss dagegen nach § 43 Abs. 2 Satz 3 BetrVG nur einmal in jedem Kalenderjahr auf einer Betriebsversammlung über das Personal- und Sozialwesen sowie über die wirtschaftliche Lage und Entwicklung des Betriebs berichten. Das Gesetz sichert über die regelmäßige vierteljährliche Information der Belegschaft durch den Betriebsrat die Kommunikation in diesem Verhältnis. Bereits auf Grund der größeren zeitlichen Intervalle, die zwischen den Berichten des Arbeitgebers liegen, ist die Kommunikation im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Belegschaft auf Betriebsversammlungen schwächer ausgeprägt. Die Begrenzung der Kommunikation zwischen Arbeitgeber und Belegschaft spiegelt sich auch in der Frage der Antragsberechtigung des Arbeitsgebers auf Be567

WPK/Roloff, § 42 BetrVG Rn. 1; HWK/Diller, § 42 BetrVG Rn. 2; Münch. Hdb. z. ArbR/Joost, § 223 Rn. 1; Brötzmann, BB 1990, 1055 (1056); Dudenbostel, S. 13. 568 BAG v. 5. 12. 2012, 7 ABR 48/11, NZA 2013, 793 (796); v. 24. 8. 2011, 7 ABR 8/10, NZA 2012, 223 (226), Hervorhebung seitens des Verfassers. 569 Rüthers, ZfA 1974, 207 (208), Hervorhebung seitens des Verfassers. 570 WPK/Roloff, § 42 BetrVG Rn. 1, Hervorhebung seitens des Verfassers.

A. Die Zuweisung subjektiver Rechte in einzelnen Vorschriften

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triebsversammlungen wider. So geht die überwiegende Auffassung in der Literatur davon aus, dass der Arbeitgeber zwar nach § 43 Abs. 2 Satz 2 BetrVG berechtigt ist, in der Betriebsversammlung zu sprechen, ihm darüber hinaus aber kein Antragsrecht auf dieser zukommt.571 Eine abweichende Ansicht nimmt dagegen an, dass aus der Befugnis des Arbeitgebers eine Betriebsversammlung nach § 43 Abs. 3 Satz 1 BetrVG einberufen und den beantragten Tagesordnungspunkt auf die Tagesordnung setzen zu lassen, auch ein Antragsrecht des Arbeitgebers in der Betriebsversammlung folge.572 Gegen ein solches Antragsrecht des Arbeitgebers spricht jedoch § 42 Abs. 1 BetrVG. Nach diesem besteht die Betriebsversammlung aus den Arbeitnehmern des Betriebs. Der Betriebsversammlung kommt nach § 45 Satz 2 BetrVG das Recht zu, dem Betriebsrat Anträge zu unterbreiten. Der Arbeitgeber wird durch § 45 Satz 2 BetrVG nicht berechtigt. Auch § 43 Abs. 3 Satz 2 BetrVG spricht nicht für ein generelles Antragsrecht des Arbeitgebers. Der Gesetzgeber gesteht dem Arbeitgeber in § 43 Abs. 3 Satz 2 BetrVG nur das Recht zu, bei Betriebsversammlungen, die von ihm einberufen wurden, einen speziell beantragten Beratungsgegenstand auf die Tagesordnung zu setzen. Es handelt sich um einen streng begrenzten Ausnahmefall, aus dem keine Rückschlüsse auf ein allgemeines, von den Voraussetzungen des § 43 Abs. 3 Satz 2 BetrVG abstrahiertes Antragsrecht gezogen werden können.573 Der herrschenden Auffassung ist demnach zu folgen, dem Arbeitgeber steht – mit der Ausnahme des § 43 Abs. 3 Satz 2 BetrVG – kein Antragsrecht zu. Einher mit der Absage an ein Antragsrecht des Arbeitgebers geht die Feststellung, dass der Arbeitgeber auf Betriebsversammlungen nicht in der Lage ist, die Diskussion mit der Belegschaft zu steuern. Ihm verbleibt einzig das Rederecht nach § 43 Abs. 2 Satz 2 BetrVG. Auch hier ist der Arbeitgeber jedoch nicht frei, sondern beschränkt auf den gerade aufgerufenen Tagesordnungspunkt.574 Demnach ergibt sich aus dem Zusammenspiel von § 43 Abs. 1 Satz 1 und § 43 Abs. 2 Satz 3 BetrVG und dem für Arbeitgeber auf Betriebsversammlungen fehlenden Antragsrecht ein Vorrang der Kommunikation zwischen Betriebsrat und Belegschaft. Damit korrespondierend ist auch der vorrangige Zweck von Betriebsversammlungen in der Bereitstellung eines Forums zum offenen Meinungsaustausch gerade zwischen Betriebsrat und Belegschaft zu sehen.575 Die Kommunikation zwischen Belegschaft und Arbeitgeber ist diesem Zweck nachgeordnet. Vorschriften über Betriebsversammlungen verfolgen damit aber im Regelfall auch nicht die Einräumung von Rechtsmacht an den Arbeitgeber und dessen Interessenschutz, sondern berechtigen in der Regel den Betriebsrat. Dieses Regel-Ausnahme-Ver571

DKKW/Berg, § 43 BetrVG Rn. 24; HWGNRH/Worzalla, § 43 BetrVG Rn. 53; FESTL, § 43 BetrVG Rn. 32; WPK/Roloff, § 43 BetrVG Rn. 11; HWK/Diller, § 43 BetrVG Rn. 16. 572 Richardi/Annuß, § 43 BetrVG Rn. 55; GK-BetrVG/Weber, § 43 BetrVG Rn. 50; S/W/S, §§ 42 – 46 BetrVG Rn. 15. 573 HWGNRH/Worzalla, § 43 BetrVG Rn. 53. 574 Vgl. GK-BetrVG/Weber, § 43 BetrVG Rn. 50. 575 So auch Rüthers, ZfA 1974, 207 (208).

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4. Kap.: Die Untersuchung der einzelnen Vorschriften

hältnis gilt es auch bei Auslegung des § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG auf eine Rechtszuweisung an den Arbeitgeber zu beachten. Neben dem generellen Zweck der Betriebsversammlungen gilt es für die Untersuchung einer Rechtszuweisung bei § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG auch noch den spezifischen, mit der Einzelvorschrift verfolgten, Zweck einzubeziehen. Teilversammlungen als Ausnahme vom Prinzip der Vollversammlung dienen ebenfalls der Erörterung der Gesamtbelange des Betriebs.576 Zudem geht es jedoch bei § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG auch darum, dass der Betriebsrat durch die Abhaltung der Teilversammlungen eine möglichst hohe Beteiligung an der Betriebsversammlung sicherstellen kann.577 Letzter Gesichtspunkt spricht wiederum nicht für einen Interessenschutz des Arbeitgebers, vielmehr soll im Einklang mit dem vorrangigen Zweck von Betriebsversammlungen an sich auch durch § 43 Abs. 1 Satz 3 BetrVG gerade die Kommunikation zwischen Betriebsrat und Belegschaft in optimaler Weise durch eine möglichst hohe Arbeitnehmerbeteiligung gesichert werden. Die teleologische Auslegung des § 42 Abs. 1 Satz BetrVG hat damit ergeben, dass die Norm sowohl Argumente für einen Interessenschutz des Arbeitgebers als auch für einen Interessenschutz des Betriebsrats liefert. Die Interessen des Arbeitgebers sind jedoch auf Betriebsversammlungen weniger stark gewichtet als die des Betriebsrats, der Gesetzgeber hat sich für einen Vorrang der Kommunikation zwischen Betriebsrat und Belegschaft entschieden. Neben der fehlenden Rechtsmacht des Arbeitgebers werden über § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG auch die Interessen des Arbeitgebers nur nachrangig geschützt. Mangels Rechtsmacht und wegen des kaum ausgeprägten Interessenschutzes des Arbeitgebers kann demnach für § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nicht von der Zuweisung eines subjektiven Rechts an den Arbeitgeber ausgegangen werden. Im Ergebnis kann daher dem LAG Berlin-Brandenburg in der Ablehnung eines Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat zugestimmt werden. Einzig das Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG oder die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung bleiben damit als Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers. b) Rechtszuweisung bei § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG Auch zu § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG existieren Stellungnahmen aus der Literatur,578 die dem Arbeitgeber den Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Untersagung der Einberufung einer Betriebsversammlung während der Arbeitszeit zugestehen. Eine rein prozessuale Untersagung kann jedoch wegen des zwingenden 576

GK-BetrVG/Weber, § 42 BetrVG Rn. 58. Vgl. Stather, AiB 2003, 628 (629). 578 Schaub/Koch, § 223 Rn. 12; HWK/Diller, § 44 BetrVG Rn. 36; WPK/Roloff, § 44 BetrVG Rn. 21; HWGNRH/Worzalla, § 44 BetrVG Rn. 10; Heinze, RdA 1986, 273 (289); Hohn, DB 1985, 2195 (2196); Bischof, BB 1993, 1937 (1945); Walker, Einstweiliger Rechtsschutz, S. 525 f.; einschränkend Meisel, Anm. AP BetrVG 1972 § 44 Nr. 3 unter 8.: nur bei einer groben Verletzung. 577

A. Die Zuweisung subjektiver Rechte in einzelnen Vorschriften

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Zusammenhangs von einstweiliger Verfügung und materiellrechtlichem Anspruch nicht überzeugen.579 In der Rechtsprechung und Literatur, die dies ebenfalls erkennt, wird der für eine einstweilige Verfügung notwendige Unterlassungsanspruch mit Verweis auf § 2 Abs. 1 BetrVG580 bzw. aus § 2 Abs. 1 in Verbindung mit § 44 BetrVG hergeleitet.581 Für § 2 Abs. 1 BetrVG wurde jedoch bereits oben nachgewiesen, dass der Vorschrift die Qualität als Anspruchsgrundlage fehlt.582 Die Literaturauffassung wendet § 2 Abs. 1 BetrVG jedoch nur im Zusammenhang mit § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG an, den es nun für die Zuweisung eines subjektiven Rechts an den Arbeitgeber auszulegen gilt. Der Wortlaut des § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist ebenso wie der des § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG in der Frage nach der Zuweisung eines subjektiven Rechts an den Arbeitgeber nicht allein entscheidend, seine Auslegung stellt einzig ein Zwischenergebnis im Auslegungsvorgang dar. Der Arbeitgeber wird in § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht als Berechtigter benannt, vielmehr wird einzig eine Pflicht zur Abhaltung der Betriebsversammlungen in der Arbeitszeit aufgestellt, von der nur, wenn die Eigenart des Betriebs dies zwingend erfordert, abgewichen wird. Die Nennung des Arbeitsgebers in § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG bezieht sich lediglich auf die ihm nach § 43 Abs. 3 BetrVG zugesprochene Befugnis die Einberufung einer Betriebsversammlung verlangen zu können. Sie weist den Arbeitgeber aber nicht als Rechtsinhaber bei § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG aus, der vom Betriebsrat die Abhaltung einer Betriebsversammlung außerhalb der Arbeitszeit verlangen könnte. Das Merkmal der Eigenart des Betriebs stimmt jedoch grundsätzlich mit dem bereits oben behandelten § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG überein, auch § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erlaubt daher die Berücksichtigung der Interessen des Arbeitgebers in arbeitstechnischer Hinsicht. Die Anforderungen in § 44 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BetrVG sind jedoch gegenüber § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG noch dahingehend erhöht, dass die Eigenart des Betriebs bei § 44 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BetrVG eine andere Regelung zwingend erfordern muss. Es handelt sich um eine eng begrenzte Ausnahmeregelung.583 Grundsatz des § 44 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BetrVG ist dagegen, dass die Versammlungen während der Arbeitszeit stattzufinden haben. Die Begrenzung des § 44 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BetrVG auf Ausnahmefälle gilt es in der weiteren Interpretation als möglicherweise ein subjektives Recht vermittelnde Norm im Blick zu behalten. Ebenso wie bei § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG gilt es für § 44 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BetrVG zu beachten, dass ein Schutz der Interessen des Arbeitgebers nicht mit Verweis auf mögliche Störungen des Betriebsablaufs oder die Nichtverwirklichung des Betriebszwecks durch die Abhaltung einer Betriebsversammlung innerhalb der Arbeitszeit begründet werden kann. Betriebsversamm579 580 581 582 583

s. o. 3. Kapitel A. II. 2. LAG Düsseldorf v. 24. 10. 1972, 11 (6) BV Ta 43/72, DB 1972, 2212 (2212). Heinze, RdA 1986, 273 (289); Bischof, BB 1993, 1937 (1945). s. o. 3. Kapitel A. II. 3. d). BAG v. 26. 10. 1956, 1 ABR 26/54, AP BetrVG § 43 Nr. 1 unter II.

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lungen sind per se regelmäßig mit Störungen des Betriebsablaufs – z. B. durch Produktionsausfälle584 – verbunden und vereiteln teilweise oder ganz den Betriebszweck.585 Die regelmäßig mit der Durchführung einer Betriebsversammlung verbundenen Störungen des Betriebsablaufs und die teilweise Vereitelung des Betriebszwecks können daher nicht als ein zwingendes Erfordernis auf Grund der Eigenart des Betriebs bei § 44 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BetrVG angesehen werden.586 Auch bei § 44 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BetrVG ist mit der herrschenden Auffassung davon auszugehen, dass wirtschaftliche Interessen des Arbeitgebers grundsätzlich nicht berücksichtigungsfähig sind.587 Hiergegen kann auch nicht stichhaltig auf deren Einbeziehung bei § 1 Abs. 1 KSchG verwiesen werden.588 Die Gleichsetzung des Begriffs Betrieb in § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG und in § 1 Abs. 1 KSchG verkennt bereits im Ansatz die weitere Reichweite des § 1 Abs. 1 KSchG, der nach seinem Wortlaut und im Unterschied zu § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG auf den Betrieb oder das Unternehmen abstellt. Eine strikte Betriebsbezogenheit weist der Kündigungsschutz damit gar nicht auf.589 Im Übrigen negiert die Gleichsetzung der Begriffe in § 1 Abs. 1 KSchG und § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG die Unterschiede des betriebsverfassungsrechtlichen Organisationsbegriffs im Gegensatz zum kündigungsschutzrechtlichen, auf das Beschäftigungsrisiko abstellenden, Begriff.590 Aus der Einbeziehung wirtschaftlicher Interessen des Arbeitgebers bei § 1 Abs. 1 KSchG kann wegen dessen zu § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG differierender teleologischer Stoßrichtung für § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nichts abgeleitet werden. § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG dient daher nicht dem Schutz der wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers, insofern kann nicht vom für das Vorliegen eines subjektiven Rechts erforderlichen Interessenschutz ausgegangen werden. Auch der Zweck des § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG spricht nicht für einen Interessenschutz auf Seiten des Arbeitgebers. § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG bezweckt den Schutz der Arbeitnehmer.591 Durch die Abhaltung der Betriebsversammlung in der Arbeitszeit sollen möglichst viele Arbeitnehmer die Chance zur Teilnahme an der 584

ArbG Bielefeld v. 20. 4. 1990, 2 BVGa 12/90, DB 1990, 1776 (1776). Vgl. zur Nichtverwirklichung des Betriebszwecks durch die Betriebsversammlung BAG v. 9. 3. 1976, 1 ABR 74/74, AP BetrVG 1972 § 44 Nr. 3 unter II. 4. 586 Vgl. DKKW/Berg, § 44 BetrVG Rn. 10. 587 BAG v. 26. 10. 1956, 1 ABR 26/54, AP BetrVG § 43 Nr. 1 unter II.; v. 9. 3. 1976, 1 ABR 74/74, AP BetrVG 1972 § 44 Nr. 3 unter II. 4.; HaKo-BetrVG/Tautphäus, § 44 BetrVG Rn. 11; DKKW/Berg, § 44 BetrVG Rn. 10; FESTL, § 44 BetrVG Rn. 17; GK-BetrVG/Weber, § 44 BetrVG Rn. 19; a.A.: Richardi/Annuß, § 44 BetrVG Rn. 10; Münch. Hdb. z. ArbR/Joost, § 224 Rn. 19, 22. 588 So aber Brötzmann, BB 1990, 1055 (1060). 589 Preis, RdA 2000, 257 (275). 590 So Preis, RdA 2000, 257 (275 f.). 591 LAG Schleswig-Holstein v. 28. 10. 1996, 1 TaBV 38/96, LAGE BetrVG 1972 § 44 Nr. 9, S. 1 (1); FESTL, § 44 BetrVG Rn. 17, Hervorhebung seitens des Verfassers. 585

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Betriebsversammlung erhalten, ohne dass für die Arbeitnehmer zusätzlicher Zeitoder Kostenaufwand entsteht.592 Das Ziel, eine möglichst große Menge der Arbeitnehmer durch den Betriebsrat zu erreichen, wird jedoch zum Teil in der Literatur auch abgelehnt. Es werde wohl für den Betriebsrat nicht auf die Quantität der teilnehmenden Mitarbeiter, sondern nur auf die Erreichung solcher Mitarbeiter ankommen, die sich für die von ihm angestrebten Maßnahmen motivieren ließen.593 Für die Annahme, dass nur besonders motivierte Mitarbeiter durch die Betriebsversammlungen erreicht werden sollten, finden sich jedoch im Gesetz keine Anhaltspunkte. Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 BetrVG besteht die Betriebsversammlung ohne Einschränkung aus den Arbeitnehmern des Betriebs. Gemeint damit sind alle Arbeitnehmer des Betriebs, es finden sich gerade keine Einschränkungen wie „wahlberechtigte“ Arbeitnehmer in der Vorschrift.594 Auch von einer besonderen Motivation oder Motivierbarkeit der teilnahmeberechtigten Arbeitnehmer steht nichts im Gesetz, sodass die abweichende Literaturauffassung bereits wegen des einschränkungslosen Wortlauts des § 42 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht überzeugen kann. Zweck des § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist damit im Einklang mit der herrschenden Meinung die Erreichung einer möglichst großen Anzahl der Arbeitnehmer durch eine Betriebsversammlung in der Arbeitszeit. Zudem bestimmt einzig der Betriebsrat den Zeitpunkt der Betriebsversammlung, eine Zustimmung des Arbeitsgebers muss nicht eingeholt werden.595 Auch ein Widerspruch des Arbeitgebers gegen einen bestimmten Zeitpunkt ist nicht erheblich, vielmehr liegt es beim Betriebsrat, ob er an dem von ihm präferierten Termin festhält oder die Betriebsversammlung verlegt.596 Dies ergibt sich bereits im Rückschluss aus § 44 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BetrVG, der ein Einvernehmen des Arbeitgebers nur für die Durchführung eigentlich außerhalb der betrieblichen Arbeitszeit liegender Betriebsversammlungen in der Arbeitszeit vorsieht. Für die regelmäßige Durchführung der Betriebsversammlungen in der Arbeitszeit findet sich in § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ein solches Erfordernis nicht. Stattdessen bestimmt der Betriebsrat die zeitliche Lage der Betriebsversammlungen in der Arbeitszeit im Rahmen seines Ermessensspielraums.597 § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist daher zuerst als Vorschrift zum Schutz der Arbeitnehmer und auch zum Schutz des bestimmungsberechtigten Betriebsrats einzuordnen.

592 BAG v. 27. 11. 1987, 7 AZR 29/87, AP BetrVG 1972 § 44 Nr. 7 unter I. 2. b) ee); GKBetrVG/Weber, § 44 BetrVG Rn. 2; HaKo-BetrVG/Tautphäus, § 44 BetrVG Rn. 5; NK-ArbR/ Bodem, § 44 BetrVG Rn. 2; H/L/S/Zimmermann, § 44 BetrVG Rn. 7; Lipke, NZA 1995, 758 (762). 593 Kappes/Rath, DB 1984, 2645 (2647). 594 Vgl. Richardi/Annuß, § 42 BetrVG Rn. 4. 595 FESTL, § 44 BetrVG Rn. 9; HaKo-BetrVG/Tautphäus, § 44 BetrVG Rn. 4; LK/Löwisch, § 44 BetrVG Rn. 1; Strümper, NZA 1984, 315 (316). 596 LK/Löwisch, § 44 BetrVG Rn. 4. 597 So auch ArbG Braunschweig v. 22. 6. 1981, 2 BV Ga 5/81, AiB 1982, 141 (141).

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4. Kap.: Die Untersuchung der einzelnen Vorschriften

Zu einem Schutz des Arbeitgebers könnte man jedoch über § 2 Abs. 1 BetrVG bzw. entsprechend § 30 Satz 2 BetrVG kommen, wenn man annähme, dass der Betriebsrat auch bei der Festlegung des Zeitpunktes der Betriebsversammlung Rücksichtnahme auf die betrieblichen Belange zu üben hat.598 Mit Rücksicht auf die betrieblichen Belange könnten die Interessen des Arbeitgebers insoweit geschützt sein, dass dieser die erforderlichen betrieblichen Dispositionen in Reaktion auf die Betriebsversammlung treffen können muss.599 Der Rückgriff auf die betrieblichen Belange aus § 2 Abs. 1 BetrVG bzw. entsprechend § 30 Satz 2 BetrVG bei § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG umgeht jedoch nur die soeben gefundene Feststellung, dass nach § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG die Festlegung des Zeitpunkts der Betriebsversammlungen Sache des Betriebsrats ist und daher in dessen Ermessen steht. Gegen eine Rücksichtnahmepflicht nur auf die Belange des Betriebs als den Belangen des Arbeitgebers auf Basis von § 2 Abs. 1 BetrVG spricht im Übrigen, dass § 2 Abs. 1 BetrVG neben dem Wohl des Betriebs gleichwertig auch gerade das Wohl der Arbeitnehmer in den Mittelpunkt des betriebsrätlichen Handels stellt. Der Rekurs auf § 2 Abs. 1 BetrVG zum alleinigen Schutz des Arbeitgebers wird der Norm und ihrer zweifachen Schutzrichtung damit gar nicht gerecht. § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist demnach auch unter Heranziehung von § 2 Abs. 1 BetrVG einzig zu entnehmen, dass der Betriebsrat zwar grundsätzlich versuchen sollte, mit dem Arbeitgeber eine Einigung über den Zeitpunkt der Betriebsversammlung herbeizuführen.600 Scheitert der Versuch einer Einigung, so liegt die Entscheidung über die Einberufung der Betriebsversammlung einzig beim Betriebsrat, der dann selbstständig vorgehen darf.601 Rechtsmacht über die Bestimmung der zeitlichen Lage der Betriebsversammlung hat damit bei § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG allein der Betriebsrat, nicht der Arbeitgeber. Auch die teilweise vorgeschlagene entsprechende Anwendung von § 30 Satz 2 BetrVG kann nicht überzeugen, die auf die interne Willensbildung des Betriebsrats abzielenden Sitzungen sind von den auf die Außenkommunikation zu den Arbeitnehmern angelegten Betriebsversammlungen zu scheiden. Es fehlt für eine Übertragung des § 30 Satz 2 BetrVG auf § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG im Wege der Analogie daher an der Vergleichbarkeit der Interessen. Gegen ein subjektives Recht des Arbeitgebers aus § 44 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BetrVG könnte unter dem Gesichtspunkt dessen fehlenden Interessenschutzes zudem seine fehlende Berechtigung sprechen, den Betrieb für Kunden während der Dauer der Betriebsversammlung geöffnet zu halten. Die Frage, ob der Arbeitgeber wegen der Betriebsversammlung zur Stilllegung des Betriebs verpflichtet sein kann, 598

HWGNRH/Worzalla, § 44 BetrVG Rn. 5; Kappes/Rath, DB 1987, 2645 (2646). So LAG Düsseldorf v. 24. 10. 1972, 11 (6) BV Ta 43/72, DB 1972, 2212 (2212); FESTL, § 44 BetrVG Rn. 13; HWGNRH/Worzalla, § 44 BetrVG Rn. 5; LK/Löwisch, § 44 BetrVG Rn. 2; Richardi/Annuß, § 44 BetrVG Rn. 18; Meisel, BB 1962, 763 (764); ders., Anm. AP BetrVG 1972 § 44 Nr. 3 unter 8.; Kappes/Rath, DB 1984, 2645 (2646). 600 LAG Baden-Württemberg v. 5. 5. 1982, 2 Sa 122/81, juris Rz. 68. 601 Vgl. WPK/Roloff, § 44 BetrVG Rn. 6; Richardi/Annuß, § 44 BetrVG Rn. 18; Meisel, Anm. AP BetrVG 1972 § 44 Nr. 3 unter 8. 599

A. Die Zuweisung subjektiver Rechte in einzelnen Vorschriften

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ist umstritten. Zum Teil wird der Arbeitgeber wegen der Erwartung, dass so oder so nicht alle Arbeitnehmer an der Betriebsversammlung teilnehmen würden, auch während der Betriebsversammlung zur Offenhaltung des Betriebs für befugt gehalten.602 Dies kann jedoch nicht überzeugen. Mit der – nicht bewiesenen – Erwartung, dass nicht alle Arbeitnehmer an der Betriebsversammlung teilnehmen würden, wird nur das oben bereits behandelte Kriterium der Motivierbarkeit der Arbeitnehmer in leicht veränderter Gestalt wiederholt. Im Gesetz findet sich dieses Kriterium jedoch nicht. Auch § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG kann nicht als Argument für eine Befugnis des Arbeitgebers zur Offenhaltung des Betriebs herhalten.603 § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG erlaubt – wie bereits die Erörterung der Vorschrift im Rahmen des allgemeinen Unterlassungsanspruchs gegen den Betriebsrat gezeigt hat – keine Abweichung von gesetzlich angeordneten Verpflichtungen. Ebenso wenig wie § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG es dem Arbeitgeber erlaubt, Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu missachten und damit nicht geeignet ist, einen allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats auszuschließen,604 kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Vorschrift von der Befolgung der Pflicht zur Abhaltung der Betriebsversammlung aus § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG befreit. Das mit § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG für den Betriebsrat lediglich statuierte Verbot eigenmächtiger Eingriffe in die Betriebsleitung erfasst nicht den Fall, dass bereits von Gesetzes wegen die Betriebsleitung eingeschränkt wird. Mit § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG findet sich gerade eine solche Einschränkung der Leitungsmacht des Arbeitgebers. Dieser ist verpflichtet die Abhaltung der Betriebsversammlung während der Arbeitszeit zu dulden. Für die Annahme, dass der Arbeitgeber hiermit korrespondierend zur Schließung des Betriebsrats verpflichtet sein kann, spricht zudem, dass eventuell mit einer Betriebsschließung verbundene Umsatzeinbußen als allein wirtschaftliche Folgen bei § 44 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BetrVG für das Tatbestandsmerkmal des zwingenden Erfordernisses außer Acht zu lassen sind.605 Zudem erscheint es gerade plausibel, dass durch die Offenhaltung des Betriebs während der Dauer einer Betriebsversammlung einzelne noch unentschlossene Arbeitnehmer von der Teilnahme an dieser abgehalten werden könnten. Das nach § 42 Abs. 1 Satz 1 BetrVG bestehende freie Teilnahmerecht aller Arbeitnehmer des Betriebs wäre in diesen Fällen beeinträchtigt. Den abweichenden Stellungnahmen aus Rechtsprechung und Literatur, die den Arbeitgeber zur Schließung des Betriebs während der Dauer der Betriebsversammlung verpflichtet ansehen, ist damit zu folgen.606 Die dem Arbeitgeber durch das Abhalten der Betriebsversammlung auferlegte Duldungsverpflichtung spricht 602

LAG Köln v. 23. 10. 1985, 3 TaBV 56/85, LAGE BetrVG 1972 § 44 Nr. 3, S. 7 (11); v. 19. 4. 1988, 11 TaBV 24/88, LAGE BetrVG 1972 § 44 Nr. 6, S. 2 (2 f.); HWK/Diller, § 44 BetrVG Rn. 29b; S/W/S, §§ 42 - 46 BetrVG Rn. 16. 603 So aber M. Löwisch, Anm. LAGE BetrVG 1972 § 44 Nr. 3, S. 13 (13). 604 s. o. 2. Kapitel A. III. 2. b) aa). 605 BAG v. 9. 3. 1976, 1 ABR 74/74, AP BetrVG 1972 § 44 Nr. 3 unter II. 4. 606 DKKW/Berg, § 44 BetrVG Rn. 12 f.; FESTL, § 44 BetrVG Rn. 18.

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4. Kap.: Die Untersuchung der einzelnen Vorschriften

gegen einen Schutz der Interessen des Arbeitgebers durch § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, die Vorschrift berechtigt den Arbeitgeber nicht, sondern verpflichtet ihn gerade. Demnach kann dem Betriebsrat mangels Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers nicht die Abhaltung einer entgegen § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG einberufenen Betriebsversammlung untersagt werden.607 Mangels Unterlassungsanspruchs ist die Untersagung auch nicht mittels einstweiliger Verfügung nach § 85 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit §§ 935, 940 ZPO möglich. Ebenso wie bei § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG bleibt als Reaktion des Arbeitgebers auf die pflichtwidrig entgegen § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG einberufenen Betriebsversammlung aber die Möglichkeit ein Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG anzustrengen.608 Neben dieses tritt ebenfalls beim Vorliegen einer groben Pflichtverletzung die Möglichkeit zum Ausspruch einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung. 8. Zusammenfassung: Unterlassungsanspruch bei Verletzungen von Betriebsversammlungspflichten Es hat sich gezeigt, dass weder § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG noch § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG dem Arbeitgeber subjektive Rechte vermitteln. Mangels subjektiver Rechtszuweisung in §§ 42 Abs. 1 Satz 3 und 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG besteht auch der Unterlassungsanspruch als Schutzrecht für ein subjektives Recht in beiden Vorschriften nicht. Entgegen vereinzelter Stimmen aus der Literatur kann daher mangels Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers auch nicht die Abhaltung einer Betriebsversammlung, die unter Verstoß gegen § 42 Abs. 1 Satz 3 oder § 44 Abs. 1 Satz 2 BetrVG angesetzt wurde, per einstweiliger Verfügung untersagt werden. Bei Verletzungen von Seiten des Betriebsrats kann der Arbeitgeber mit der Einleitung eines Verfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG oder dem Ausspruch einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung reagieren. 9. Unterlassungsanspruch bei Überschreitungen von Beteiligungsrechten ? Über die bisher erörterten ausdrücklichen Pflichten des Betriebsrats im BetrVG soll zum Abschluss der Arbeit eine Konstellation ungeschriebener Pflichten für den Betriebsrat ausgeleuchtet werden, in der bei Bestehen subjektiver Rechte des Arbeitgebers ebenfalls ein Unterlassungsanspruch bestehen könnte. Es handelt sich um Fälle der Überschreitung der Grenzen von Mitbestimmungsrechten von Seiten des Betriebsrats. Wegen der besonderen Bedeutung der Mitbestimmung in sozialen 607 So auch, aber allein unter Berufung auf die geänderte Rechtsprechung des BAG DKKW/ Berg, § 44 BetrVG Rn. 34. 608 So ebenfalls ArbG Krefeld v. 6. 2. 1995, 4 BV 34/94, NZA 1995, 803 (804); Richardi/ Annuß, § 44 BetrVG Rn. 24; Meisel, BB 1962, 763 (766); ders., Anm. AP BetrVG 1972 § 44 Nr. 3 unter 6.

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Angelegenheiten, die als einzige als paritätische Mitbestimmung ausgestaltet ist, soll diese am Ausgangspunkt der Betrachtungen stehen und daran anschließend noch kurz auf die Mitbestimmung in personellen und in wirtschaftlichen Angelegenheiten eingegangen werden. a) Rechtszuweisung bei § 87 Abs. 1 BetrVG Auch § 87 Abs. 1 BetrVG könnte Grundlage eines betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat sein. Dies mag nach der hier vertretenen Herangehensweise, ausgehend von den im Gesetz niedergelegten Pflichten des Betriebsrats die Existenz diesen korrespondierender subjektiver Rechte des Arbeitgebers zu untersuchen, zuerst erstaunen. § 87 Abs. 1 BetrVG legt fest, dass der Betriebsrat in den unter Nr. 1 – 13 genannten sozialen Angelegenheiten mitzubestimmen hat. Eine ausdrückliche Pflicht wird dem Betriebsrat durch § 87 Abs. 1 BetrVG damit nicht auferlegt, § 87 BetrVG statuiert nach seiner Überschrift Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats. Die Norm scheint damit lediglich zentriert auf den Betriebsrat dessen Rechtskreis zu erweitern, nicht jedoch auf mit diesen Rechten zusammenhängende Pflichten für diesen hinauszulaufen. Etwas Anderes könnte sich jedoch bereits aus dem Wortlaut des § 87 Abs. 1 BetrVG ergeben. In § 87 Abs. 1 BetrVG wird dem Betriebsrat nicht durch eine „kann“- oder „darf“-Formulierung freigestellt, ob er mitbestimmt, sondern verbindlich für den Arbeitgeber und auch den Betriebsrat festlegt, dass letzterer in den Angelegenheiten des § 87 Abs. 1 BetrVG mitzubestimmen hat. § 87 Abs. 1 BetrVG könnte man daher so verstehen, das die Vorschrift Betriebsrat und Arbeitgeber zur Zusammenarbeit in dem von ihm erfassten Fällen zwingt, keiner Seite würde die eingeforderte Mitarbeit in ihr Belieben gestellt.609 Der Betriebsrat wäre damit generell zur Ausübung der Mitbestimmungsrechte verpflichtet;610 diese könnten als sogenannte Pflichtrechte eingeordnet werden.611 Gegen diese Einordnung wird in der Literatur und Rechtsprechung jedoch auch eingewandt, dass es im (pflichtgemäßen) Ermessen des Betriebsrats steht, ob er seine Mitbestimmungsrechte aus § 87 Abs. 1 BetrVG ausübt.612 Gegen eine Verpflichtung zur Ausübung der Mitbestimmungsrechte des § 87 Abs. 1 BetrVG durch den Betriebsrat spricht zudem der Vergleich mit § 89 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. In dieser Vorschrift wird dem Betriebsrat vom Gesetzgeber ausdrücklich aufgegeben, sich für die Durchführung der dort genannten 609

Butzke, BB 1997, 2269 (2267). BAG v. 31. 1. 1969, 1 ABR 11/68, SAE 1969, 179 (181). 611 Butzke, BB 1997, 2269 (2267); Triebel, S. 48; Esther Schmidt, S. 149 f.; Inhester, S. 134 f.; Richardi/Bayreuther, KollArbR, S. 283 ähnlich bereits zum BetrVG 1952 Wiese, RdA 1968, 455 (457), der von pflichtgebundenen Rechten spricht; letzterem zustimmend Witt, BB 1986, 2194 (2195). 612 BAG v. 28. 8. 2007, 1 ABR 70/06, NZA 2008, 188 (189); FESTL, § 87 BetrVG Rn. 3; GK-BetrVG/Wiese, § 87 BetrVG Rn. 84; allgemein gegen eine Verpflichtung zur Ausübung der Mitbestimmungsrechte Heydrich, S. 7 f. 610

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4. Kap.: Die Untersuchung der einzelnen Vorschriften

Vorschriften einzusetzen. Bei den Nummern des § 87 Abs. 1 BetrVG fehlt eine solche ausdrückliche Verpflichtung zum aktiven Tätigwerden dagegen. Eine Ausübungsverpflichtung, d. h. der Zwang, überhaupt von Seiten des Betriebsrats aktiv tätig zu werden, kann für § 87 Abs. 1 BetrVG daher nicht angenommen werden. Hier soll aber neben der abgelehnten Pflicht, überhaupt tätig zu werden, eine weitere mögliche Pflicht des Betriebsrats in den Blick genommen werden. Es geht um die Fälle, in denen der Betriebsrat im Rahmen von § 87 Abs. 1 BetrVG tätig wird, aber im Verhandlungsprozess mit dem Arbeitgeber Forderungen erhebt, die nicht dem abschließenden Katalog der erzwingbaren Mitbestimmung in § 87 Abs. 1 BetrVG unterfallen und mit den Beteiligungstatbeständen des § 87 Abs. 1 BetrVG in keinem inhaltlichen Zusammenhang stehen. Es geht damit um eine Pflicht des Betriebsrats, die Mitbestimmungsrechte nur im Rahmen des jeweiligen Mitbestimmungstatbestands und des mit diesem verfolgten Zwecks einzusetzen. Zur Erfassung dieser Fälle hat sich in der betrieblichen Praxis der Terminus des Koppelungsgeschäfts ausgebildet.613 Zur Abwehr eines Koppelungsgeschäftsansinnens mit einem betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch müsste nun eigentlich geprüft werden, ob überhaupt eine Pflicht des Betriebsrats besteht, nur Forderungen im Rahmen des § 87 Abs. 1 BetrVG gegenüber dem Arbeitgeber zu erheben bzw. seine Zustimmung zu § 87 Abs. 1 BetrVG unterfallenden Regelungskomplexen nicht von außerhalb der Norm liegenden Zugeständnissen abhängig zu machen. Es müsste mit anderen Worten die Frage beantwortet werden, ob Koppelungsgeschäfte bzw. das Ansinnen zum Abschluss derselben rechtlich überhaupt unzulässig und damit rechtswidrig sein können. Bereits in der Frage der grundsätzlichen Unzulässigkeit von Koppelungsgeschäften bei § 87 Abs. 1 BetrVG und der damit zusammenhängenden Pflicht des Betriebsrats, Beteiligungsrechte nicht zweckwidrig einzusetzen, stehen sich in instanzgerichtlicher Rechtsprechung und Literatur zwei ungefähr gleich große Lager unversöhnlich gegenüber.614 Das BAG hat bis jetzt noch nicht ausdrücklich die Zulässigkeit eines Koppelungsgeschäfts bei § 87 Abs. 1 BetrVG angenommen, auch wenn es in einzelnen Entscheidungen der Sache nach unausgesprochen von der Möglichkeit der Erhebung nicht mit dem Beteiligungsrecht im Zusammenhang 613

Vgl. nur Eich, ZfA 1988, 93 (93). Für die Zulässigkeit: LAG Nürnberg v. 6. 11. 1990, 4 TaBV 13/90, NZA 1991, 281 (281); LAG Düsseldorf v. 12. 12. 2007, 12 TaBVGa 8/07, AuR 2008, 270 (270 f.); DKKW/Klebe, § 87 BetrVG Rn. 16; FESTL, § 87 BetrVG Rn. 27; Richardi/Richardi, § 87 BetrVG Rn. 39; HaKoBetrVG/Lorenz, § 74 BetrVG Rn. 4; v. Hoyningen-Huene, NZA 1991, 7 (11); Wirlitsch/Lang, ArbR Aktuell 2010, 521 (522); Gegen die Zulässigkeit: LAG Köln v. 14. 6. 1989, 2 TaBV 17/89, NZA 1989, 939 (940); GK-BetrVG/Wiese, § 87 BetrVG Rn. 361; HWGNRH/Worzalla, § 87 BetrVG Rn. 95; ErfK/Koch, § 2 BetrVG Rn. 2; HWK/Clemenz, § 87 BetrVG Rn. 36; LK/ Kaiser, § 87 BetrVG Rn. 22; Hanau, NZA 1985, Beilage Nr. 2, 1 (9); ders./Reitze, in: FS Wiese, S. 149 (154 f.); Küttner/Schmidt, DB 1988, 704 (705 f.); Bengelsdorf, BB 1991, 613 (613); H. Otto, NZA 1992, 97 (109); Brossette, ZfA 1992, 379 (400 ff.); Sowka, NZA 1995, 1126 (1129 f.); Kappes, DB 1997, 277 (278); Hunold, NZA-RR 2003, 169 (172); Sieweke, NZA 2012, 426 (429 f.); Gaude, S. 123 ff.; Differenzierend: Konzen, in: FS Zöllner, S. 799 (818 ff.). 614

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stehender Forderungen für den Betriebsrat ausgegangen ist.615 Eine frühere Entscheidung des BAG geht dagegen davon aus, dass bei Missbrauch des Beteiligungsrechts durch den Betriebsrat sein Veto oder eine sachfremde Verzögerung sachwidrig wären und vom Arbeitgeber „mit den Mitteln des Rechts“ bekämpft werden müßten.616 Was hierunter genau zu verstehen sein sollte, hat das BAG mangels Entscheidungserheblichkeit aber nicht entschieden. Die Rechtsprechung ist damit in der Frage der Koppelungsgeschäfte uneinheitlich, eine klare Aussage für bzw. gegen deren Zulässigkeit lässt sich ihr nicht entnehmen. Die Argumente der Literatur in dem festgefahren Grundsatzstreit kreisen im Wesentlichen um die Problematik des Rechtsmissbrauchs bei der Wahrnehmung von Beteiligungsrechten durch den Betriebsrat617 und sind grundsätzlich ausgetauscht. Diese Arbeit will daher den Streit nicht noch einmal in allen seinen Facetten aufbereiten und geht einen anderen Weg: Eine Notwendigkeit zur Entscheidung des Streits besteht für die Zwecke dieser Arbeit nicht, wenn selbst bei Zugrundelegung der Annahme, dass Koppelungsgeschäfte bei § 87 Abs. 2 BetrVG unzulässig sind, diese Vorschrift dem Arbeitgeber keinen Unterlassungsanspruch zur Abwehr genannter betriebsrätlicher Forderungen einräumt. Ausgehend von der Annahme, dass Koppelungsgeschäfte unzulässig sind, lohnt es sich, zuerst diejenigen Stellungnahmen der Literatur aufzugreifen, die von der Unzulässigkeit von Koppelungsgeschäften ausgehen und daran ansetzend einen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers als Problem erkennen. So wird z. B. durch von Hoyningen-Huene das Bestehen des Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers aus Gründen der Waffengleichheit gegenüber dem allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber auf der Basis der Rechtsprechung des BAG seit 1994 als eigentlich zwingende Konsequenz erachtet.618 Von HoyningenHuene lehnt diesen Schluss jedoch wegen der seines Erachtens verfehlten Rechtsprechung des BAG zum allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats dann im Ergebnis doch ab.619 Stimmt man dagegen – wie es diese Arbeit tut620 – dem allgemeinen Unterlassungsanspruch bei § 87 Abs. 1 BetrVG als Ergebnis der gelungenen BAG-Rechtsprechung zu, so kann von Hoyningen-Huenes Konsequenz, wegen der Ablehnung des allgemeinen Unterlassungsanspruchs des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber auch den Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat bei § 87 Abs. 1 BetrVG abzulehnen, nicht überzeugen. 615 BAG v. 18. 9. 2007, 3 AZR 639/06, NZA 2008, 56 (58): Verknüpfung von Regelungen zur Arbeitszeit und Arbeitseinsatzplanung mit Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nicht zu beanstanden. 616 BAG v. 22. 12. 1980, 1 ABR 2/79, NJW 1981, 937 (941). 617 Dazu als erster Rüthers, in: ders./Boldt, Zwei arbeitsrechtliche Vorträge, S. 25 ff. 618 v. Hoyningen-Huene, in: FS Wiese, S. 175 (186); zustimmend Mundt, S. 112 f.; so auch Belling, Haftung, S. 309 bei Zugrundelegung eines gesetzlichen Schuldverhältnisses zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber. 619 v. Hoyningen-Huene, in: FS Wiese, S. 175 (186). 620 s. o. 2. Kapitel A. III. 1.

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Wendet man sich den wenigen Literaturstimmen zu, die sich auf der Basis der Anerkennung eines allgemeinen Unterlassungsanspruchs des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber mit dem sich stellenden Problem des spiegelbildlichen arbeitgeberseitigen Unterlassungsanspruchs überhaupt beschäftigen, so wird zum Teil einfach „in Anlehnung an die Rechtsprechung“ dem Arbeitgeber der Unterlassungsanspruch zugesprochen.621 Eine dogmatisch überzeugende Anbindung fehlt hiermit jedoch. Die Begründung der Rechtsprechung, unter Rückgriff auf § 2 Abs. 1 BetrVG den Unterlassungsanspruch zu konstruieren, konnte nicht überzeugen. Vereinzelt wird für den Anspruch auch noch auf § 1004 BGB622 bzw. die Analogie zu §§ 1004, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB rekurriert.623 Sowohl § 1004 BGB als auch die Analogie zu §§ 1004, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB konnten jedoch bereits als untaugliche Grundlagen eines betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat identifiziert werden. Daneben hat der 6. Senat des BAG einmal auf Basis von § 87 Abs. 1 BetrVG Unterlassungsansprüche des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat erwogen.624 Hierbei stimmt zumindest der Ansatzpunkt, die maßgebliche Norm des § 87 Abs. 1 BetrVG wird in den Mittelpunkt der Betrachtungen gestellt. Weitergehende Ausführungen zu § 87 Abs. 1 BetrVG hat der 6. Senat jedoch auch nicht gemacht. Nach hier vertretener Auffassung muss über die vom 6. Senat zutreffend erkannte Anknüpfung an § 87 Abs. 1 BetrVG hinaus für das Bestehen eines betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat im Rahmen des § 87 Abs. 1 BetrVG zwingend festgestellt werden können, dass die Vorschrift dem Arbeitgeber ein subjektives Recht vermittelt. Erstes Hindernis einer Verleihung von Rechtsmacht zur Wahrnehmung menschlicher Interessen an den Arbeitgeber durch § 87 Abs. 1 BetrVG ist jedoch bereits, dass dieser nicht Berechtigter der Beteiligungsrechte ist. Die Beteiligungsrechte des § 87 Abs. 1 BetrVG richten sich gerade umgekehrt gegen ihn als Verpflichteten. Abhilfe könnte einzig die Annahme schaffen, dass dem Arbeitgeber bei missbräuchlicher Ausübung der Mitbestimmungsrechte durch den Betriebsrat in Form eines von ihm angestrebten Koppelungsgeschäfts quasi-automatisch eine Alleinentscheidungsbefugnis zufällt. Auf der Grundlage dieser Alleinentscheidungsbefugnis könnte der Arbeitgeber zumindest bei rechtsmissbräuchlicher Nutzung der Mitbestimmungsrechte durch den Betriebsrat als zur Entscheidung in diesem Fall berechtigtes Rechtssubjekt angesehen werden. Ob für die Fälle der Koppelungsgeschäfe ein solches Alleinentscheidungsrecht des Arbeitgebers anerkannt werden kann, ist in der Literatur lebhaft umstritten.625 Das BAG hat einen 621

Gaude, S. 190 f. So Brandl, S. 177 f. 623 So Worzalla, Mitbestimmung, S. 66. 624 BAG v. 18. 4. 1985, 6 ABR 19/84, NZA 1985, 783 (785). 625 Dafür: Hanau, NZA 1985 Beilage Nr. 2, 1 (8 f.); ders./Reitze, in: FS Wiese, S. 149 (157 f.); Küttner/Schmidt, DB 1988, 704 (705 f.); Brossette, ZfA 1992, 379 (402 f.); Bengels622

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Ausschluss der Mitbestimmung und damit ein ausnahmsweises Alleinentscheidungsrecht des Arbeitgebers nicht bereits bei Eilbedürftigkeit, sondern erst bei Eintritt eines Notfalls bejaht.626 Hierunter sind aber nur unvorhersehbare und schwerwiegende Situationen zu fassen, in denen der Betriebsrat entweder nicht erreichbar oder nicht zur rechtzeitigen Beschlußfassung in der Lage ist, der Arbeitgeber aber sofort handeln muss, um vom Betrieb oder den Arbeitnehmern nicht wiedergutzumachende Schäden abzuwenden.627 Die Fälle des rechtsmissbräuchlichen Koppelungsgeschäfts gehen hierüber hinaus, es drohen keine existenziellen Schäden für den Betrieb, sondern „nur“ Verzögerungen im Verhandlungsprozess durch die Erhebung nicht den enumerativen Tatbeständen des § 87 Abs. 1 BetrVG unterfallender Forderungen. Der Rechtsprechung des BAG kann daher für diese Fälle zu einem Alleinentscheidungsrecht des Arbeitgebers keine positive Aussage entnommen werden, stattdessen scheint sie mit der Beschränkung auf Notfälle dem weitergehenden Alleinentscheidungsrecht des Arbeitgebers auch bei rechtsmissbräuchlichen Koppelungsgeschäften eher ablehnend gegenüberzustehen. In der Literatur finden sich jedoch auch Befürworter eines bei Koppelungsgeschäften bestehenden Alleinentscheidungsrechts des Arbeitgebers. So geht z. B. Kappes davon aus, dass bei eindeutigem Vorliegen eines Koppelungsgeschäfts dem Arbeitgeber die einseitige Durchführung der Maßnahme gestattet sein sollte.628 Brossette will den Arbeitgeber von Fall zu Fall entweder ganz oder zumindest vorläufig für allein entscheidungsbefugt ansehen.629 Hanau will nur bei Fällen offenkundigen Rechtsmissbrauchs durch den Betriebsrat dem Arbeitgeber ein Alleinentscheidungsrecht anerkennen630 und hat seine Theorie in Zusammenarbeit mit Reitze noch dahingehend ausgebaut, dass bei einem Koppelungsgeschäft eine Zustimmung des Betriebsrats unter unzulässiger aufschiebender Bedingung vorliege, die den Arbeitgeber zur Alleinentscheidung berechtige.631 Ferner nehmen Rieble, Klumpp und Gistel in Anlehnung an § 69 Abs. 5 BPersVG das Bestehen eines Alleinentscheidungsrechts des Arbeitgebers gerichtet auf die vorläufige Alleinentscheidung bis zur Entscheidung durch die Einigungsstelle nach § 87 Abs. 2 BetrVG dorf, BB 1991, 613 (613); Kappes, DB 1997, 277 (278); Rieble/Klumpp/Gistel, Rechtsmissbrauch, S. 48 f.; Gentz, NZA 2004, 1011 (1013 f.); Sieweke, NZA 2012, 426 (430 f.); Zumindest de lege ferenda: M. Löwisch, RdA 1996, 352 (353); Dagegen: LAG Hessen v. 11. 11. 2010, 5 TaBV 60/10, juris Rz. 31; Schaub/Koch, § 215 Rn. 21; Konzen, in: FS Zöllner Bd. II, S. 799 (825 ff.); Wiebauer, Sicherung, S. 200; Brandl, S. 187 f.; Fritz, S. 142 ff.; Kolbe, Mitbestimmung, S. 284 f. 626 BAG v. 19. 2. 1991, 1 ABR 31/90, NZA 1991, 609 (611); v. 17. 11. 1998, 1 ABR 12/98, NZA 1999, 662 (663). 627 BAG v. 17. 11. 1998, 1 ABR 12/98, NZA 1999, 662 (663). 628 Kappes, DB 1997, 277 (278); ebenso Bengelsdorf, BB 1991, 613 (613); Sieweke, NZA 2012, 426 (430 f.). 629 Brossette, ZfA 1992, 379 (402 f.). 630 Hanau, NZA 1985 Beilage Nr. 2, 1 (8 f.); ders./Reitze, in: FS Wiese, S. 149 (157 f.); ebenso Küttner/Schmidt, DB 1988, 704 (705 f.). 631 Hanau/Reitze, in: FS Wiese, S. 149 (154 ff., insb. 157).

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hin an. Voraussetzung hierfür sei, dass neben einer rechtsmissbräuchlichen Zustimmungverweigerung eine nicht vorhersehbare Situation eintrete, für die keine Vorsorge getroffen werden könne und in der ohne die vorgesehene mitbestimmungspflichtige Maßnahme ein Schaden drohe, der im Vergleich zur Mehrbelastung der Arbeitnehmer unverhältnismäßig sei. Zudem müsse sich der Arbeitgeber vorher immer rechtstreu verhalten haben. Daneben müsse selbst eine vorläufige Regelung durch das Arbeitsgericht zu spät kommen. Schließlich müsse der Arbeitgeber unverzüglich sowohl einen Antrag auf Entscheidung durch die Einigungsstelle als auch auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Arbeitsgericht gestellt haben.632 Die Annahme einer Alleinentscheidungsbefugnis des Arbeitgebers bei § 87 Abs. 1 BetrVG für die Fälle einer rechtsmissbräuchlichen Koppelungsgeschäftsforderung von Seiten des Betriebsrats kann jedoch nicht überzeugen. Zuerst spricht gegen die Alleinentscheidungsbefugnis des Arbeitgebers auch bei Vorliegen eines rechtsmissbräuchlichen Koppelungsgeschäftsansinnens von Seiten des Betriebsrats die so dem Arbeitgeber eingeräumte Möglichkeit, durch diese Befugnis einseitig Fakten zu schaffen, die präjudizierend für den Abschluss der bei § 87 Abs. 1 BetrVG angestrebten Betriebsvereinbarung wirken.633 Zudem belegt § 87 Abs. 2 Satz 2 BetrVG mit der Möglichkeit der Ersetzung der fehlenden Einigung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, dass der Gesetzgeber bei der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten grundsätzlich von der Erzielung einer Einigung – sei es in Form der Regelungsabrede oder auch in Form des Abschlusses einer Betriebsvereinbarung – zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ausgeht. Ein Alleinentscheidungsrecht des Arbeitgebers steht diesem konsensualen Modell des § 87 BetrVG entgegen. Auch die sich einem Einigungsstellenspruch anschließende Möglichkeit des Gerichtsschutzes (vgl. § 76 Abs. 7 BetrVG) spricht gegen ein eigenmächtiges Tätigwerden des Arbeitgebers im Stil eines Alleinentscheidungsrechts. Diese Annahme bestätigt sich auch bei einem Blick auf den oben erörterten allgemeinen Justizgewährleistungsanspruch. Der Anspruch wurde gerade maßgeblich darauf zurückgeführt, dass es im Rechtsstaat grundsätzlich Sache der Gerichte ist, Rechtsstreitigkeiten zwischen Privatrechtssubjektiven zun entscheiden. Hiermit einher geht ein grundsätzlicher Ausschluss der Selbsthilfe zwischen Privaten. Ausnahmen von genannten Grundsatz werden vom Gesetzgeber dagegen positiv festgelegt. Solche Festlegungen, in denen bei der Mitbestimmung einseitige Maßnahmen des Arbeitgebers zulässig sein sollen oder mit anderen Worten der Arbeitgeber im Wege der Selbsthilfe agieren können soll, finden sich lediglich für Fälle der Eilbedürftigkeit in §§ 100, 115 Abs. 7 Nr. 4 BetrVG. Durch beide Vorschriften wird der Arbeitgeber jedoch nicht für Fälle des Rechtsmissbrauchs zu einseitigen Maßnahmen ermächtigt. Sowohl § 100 als auch § 115 Abs. 7 Nr. 4 BetrVG erlauben ausnahmsweise vorläufige Regelungen und bieten damit dem Arbeitgeber für zeitkritische Eilfallsituationen ausnahmsweise vorläufige Alleinentscheidungsrechte an. 632 633

Rieble/Klumpp/Gistel, Rechtsmissbrauch, S. 48 f. Gutzeit, NZA 2008, 255 (256).

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In § 87 BetrVG fehlt eine Ausnahmevorschrift im Schlage der §§ 100, 115 Abs. 7 Nr. 4 BetrVG dagegen völlig.634 Dem Gegenschluss aus der Vorschrift des § 100 BetrVG wird in der Literatur jedoch zum Teil entgegengehalten, dass es sich um eine zu formale Erwägung handele, die die Gleichheit der Interessenlagen in personellen und sozialen Angelegenheiten vernachlässige.635 Es könne daher nicht beim „bloßen Hinweis auf das Schweigen des § 87 BetrVG“ bleiben.636 Gleichwohl müsste eine Übertragung des § 100 BetrVG auf § 87 Abs. 1 BetrVG im Wege eines Analogieschlusses begründbar sein. Hierbei kann nicht von der Annahme einer Ausnahmevorschrift auf die Analogieuntauglichkeit des § 100 BetrVG geschlossen werden.637 Ein dahingehender Rechtssatz, dass Ausnahmevorschriften einer Analogie nicht zugänglich sind, existiert nicht.638 Vielmehr müssen anstatt der unbewiesenen Behauptung der Analogieunfähigkeit von Ausnahmevorschriften die Voraussetzungen der Analogie im Einzelfall geprüft werden. Eine analoge Anwendung des § 100 BetrVG im Rahmen des § 87 Abs. 1 BetrVG kommt nur in Betracht, wenn eine planwidrige Regelungslücke bei § 87 Abs. 1 BetrVG vorliegt und eine vergleichbare Interessenlage besteht, die die Übertragung des § 100 BetrVG zulässt. Hierbei fehlt es für die Übertragung des § 100 BetrVG auf § 87 Abs. 1 BetrVG jedoch an der vergleichbaren Interessenlage.639 § 87 Abs. 1 und § 99 BetrVG statuieren zwar jeweils Beteiligungsrechte, die den eigentlich bestehenden Entscheidungsspielraum des Arbeitgebers einengen. § 87 Abs. 1 BetrVG setzt jedoch nach der herrschenden Meinung das Vorliegen eines kollektiven Tatbestands voraus, für Einzelmaßnahmen ist die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 BetrVG demnach nicht eröffnet.640 Bei den vorläufig durchführbaren Maßnahmen nach § 100 BetrVG handelt es sich dagegen um personelle Einzelmaßnahmen im Sinne des § 99 Abs. 1 BetrVG.641 Diese Differenzierung spricht gegen eine Übertragung des § 100 BetrVG auf § 87 Abs. 1 BetrVG.642 Im Übrigen besteht wegen der Differenzierung zwischen kollektiven Maßnahmen bei § 87 Abs. 1 BetrVG gegenüber personellen Einzelmaßnahmen bei §§ 99, 100 BetrVG auch hinzutretend zum Alleinentscheidungsrecht nach § 100 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ergänzend durch § 100 Abs. 1 Satz 2 BetrVG die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Aufklärung des einzelnen Arbeitnehmers über die Sachund Rechtslage. Die Verpflichtung aus § 100 Abs. 1 Satz 2 BetrVG deutet ebenfalls auf einen spezifisch auf die einzelne Maßnahme und den von ihr betroffenen einzelnen Arbeitnehmer abstellendes Konzept des § 100 BetrVG hin. Die Aufklärungspflicht soll gerade die Interessen des einzelnen von der Maßnahme betroffenen 634 635 636 637 638 639 640 641 642

LAG Hessen v. 11. 11. 2010, 5 TaBV 60/10, juris Rz. 31. Hanau, NZA 1993, 817 (819); kritisch Henssler, in: FS Hanau, S. 413 (421). Hanau, RdA 1973, 281 (292). So aber Brandl, S. 179; Fritz, S. 143. ErfK/Kania, § 118 BetrVG Rn. 4; Würdinger, AcP 206 (2006), 946 (956 ff.). So dann auch Brandl, S. 179. Statt aller GK-BetrVG/Wiese, § 87 BetrVG Rn. 18 ff. m.w.N. GK-BetrVG/Raab, § 100 BetrVG Rn. 5. Insofern zutreffend Brandl, S. 179; Fritz, S. 143.

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Arbeitnehmers schützen.643 Diese Ausrichtung auf den einzelnen Arbeitnehmer ist § 87 Abs. 1 BetrVG – mit Ausnahme der Nr. 5 und 9 – fremd, hier werden korrespondierend mit dem Erfordernis eines kollektiven Tatbestands und im Gegensatz zu den §§ 81 – 85 BetrVG gerade kollektive Interessen in den Blick genommen.644 Daher kann die auf den Einzelfall abstellende und die Interessen des einzelnen Arbeitnehmers fokussierende Regelung des § 100 Abs. 1 Satz 2 BetrVG mit dem auf die Interessen der Belegschaft abzielenden Konzept des § 87 Abs. 1 BetrVG nicht in Einklang gebracht werden. Eine Analogie zu § 100 BetrVG muss daher bei § 87 Abs. 1 BetrVG mangels vergleichbarer Interessenlage ausscheiden. Auch § 115 Abs. 7 Nr. 4 BetrVG kann nicht analog auf § 87 Abs. 1 BetrVG angewandt werden.645 Das Notrecht des Kapitäns trägt dem Umstand Rechnung, dass auf einer Schiffreise eine neutrale Instanz nicht erreichbar sein kann.646 Zudem dient das Notrecht nach dem Wortlaut des § 115 Abs. 7 Nr. 4 BetrVG dem Zweck, den ordnungsgemäßen Schiffsbetrieb aufrechtzuerhalten. Es handelt sich demnach um eine bewusst auf die Bedürfnisse des Seeverkehrs zugeschnittene Regelung.647 Der Arbeitgeber ist im Rahmen des § 87 Abs. 1 BetrVG auch bei einem unterstellt missbräuchlichen Koppelungsgeschäftsansinnen des Betriebsrats nicht von der Möglichkeit zur Anrufung eines Gerichts abgeschnitten. Er würde zudem mit dem Alleinentscheidungsrecht nicht zur Aufrechterhaltung des ordungsgemäßen Betriebsablaufs tätig werden, sondern zur Durchführung der avisierten Maßnahme unter Außerachtlassung der rechtsmissbräuchlichen Betriebsratsforderung, mithin einem Mehr im Vergleich zu § 115 Abs. 7 Nr. 4 BetrVG, befähigt. Es fehlt damit an der vergleichbaren Interessenlage zwischen § 87 Abs. 1 und § 115 Abs. 7 Nr. 4 BetrVG. Für eine Alleinentscheidungsbefugnis des Arbeitgebers zumindest in Fällen offenkundigen Rechtsmissbrauchs des Betriebsrats könnte zumindest eine Anleihe bei § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG versucht werden. Hiernach gilt die Zustimmung des Betriebsrats als erteilt, wenn der Betriebsrat dem Arbeitgeber die Verweigerung seiner Zustimmung nicht innerhalb der Einwochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG mitteilt. Gegen einen Rekurs auf die Zustimmungsfiktion des § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG für rechtsmissbräuchliche Koppelungsgeschäfte bei § 87 Abs. 1 BetrVG spricht jedoch, dass § 99 Abs. 3 BetrVG nicht nur auf den Rechtsmissbrauch abstellt, sondern kumulativ in zeitlicher Hinsicht noch das Erfordernis des Ablaufs der Wochenfrist nach Unterrichtung enthält. Ein solches exaktes Zeiterfordernis zur Reaktion durch den Betriebsrat besteht bei der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten bereits wegen der Verschiedenartigkeit der regelbaren Sachverhalte im

643 644 645 646 647

BR-Drs. 715/70, S. 52. Vgl. GK-BetrVG/Wiese, § 87 BetrVG Rn. 20. So auch Fritz, S. 143. Richardi/Forst, § 115 BetrVG Rn. 81. Säcker, ZfA 1972, Sonderheft, 41 (60); Henssler, in: FS Hanau, S. 413 (418 f.).

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Katalog des § 87 Abs. 1 BetrVG nicht.648 Daneben würde mit der Fiktion der Zustimmung des Betriebsrats bei Koppelungsgeschäften der von diesem zulässigerweise verfolgte Zweck des Arbeitnehmerschutzes vollkommen negiert und dieses zulässige Regelungsansinnen durch die unzulässige Koppelungsforderung infiziert. Hiermit würde jedoch dem von § 87 Abs. 1 BetrVG grundsätzlich intendierten Arbeitnehmerschutz nicht mehr genügt.649 Gegen dieses Argument kann auch nicht überzeugend vorgebracht werden, dass der Missbrauch des Beteiligungsrechts aus der Sphäre der Arbeitnehmer stamme und daher auch zu deren Lasten gehen müsse.650 Schwonberg hat bereits zutreffend die mangelnde Tragfähigkeit des „Sphärengedankens“ sowohl bei der Betriebsrisikolehre wie auch beim Missbrauch von Beteiligungsrechten begründet.651 Im Übrigen ist der Betriebsrat – wie auch Küttner/Schmidt erkennen – nicht gesetzlicher Vertreter der Arbeitnehmer nach §§ 164 ff BGB. Daher fehlt es an einem tauglichen Tatbestand zur Zurechnung des Betriebsratsverhaltens an die Arbeitnehmer. Auch auf den Rechtsgedanken des § 100 Abs. 1 Satz 2 ArbGG kann zur Begründung eines Alleinentscheidungsrechts des Arbeitgebers für Fälle sogenannten offensichtlichen Rechtsmissbrauchs nicht zurückgegriffen werden.652 Unabhängig von den mit der Grenzziehung zwischen „nicht offensichtlichem“ und „offensichtlichem“ Rechtsmissbrauch verbundenen Abgrenzungsschwierigkeiten betrifft § 100 Abs. 1 Satz 2 ArbGG zum einen nicht den Übergang eines Rechts vom Betriebsrat auf den Arbeitgeber, sondern einzig die Frage nach der Zuständigkeit der von beiden Betriebspartnern eigenständigen und damit verschiedenen Institution der Einigungsstelle. Das Kriterium der offensichtlichen Unzuständigkeit ist zum anderen lediglich der Maßstab für das prüfende Gericht, das über die Errichtung der Einigungsstelle zu entscheiden hat und hat keinen Bezugspunkt zur Frage der Ausübung der Beteiligungsrechte durch den Betriebsrat.653 Ein Alleinentscheidungsrecht des Arbeitgebers lässt sich bei Koppelungsgeschäften auch nicht mit der von Hanau/Reitze vertretenen Annahme begründen, dass bei einem Koppelungsgeschäft eine Zustimmung des Betriebsrats unter unzulässiger Bedingung vorliege und der Arbeitgeber daher mangels Verweigerung des Betriebsrats auch bei einseitiger Durchführung gar nicht gegen ein Beteiligungsrecht des § 87 Abs. 1 BetrVG verstoße, sondern nur die ausgeübte Mitbestimmung durchführe.654 Jedoch kann hiergegen nicht pauschal angeführt werden, dass es für die Annahme einer Erteilung der Zusage an einer Grundlage speziell im BetrVG

648 649 650 651 652 653 654

Konzen, in: FS Zöllner Bd. II, S. 799 (827); Brandl, S. 180. Sieweke, NZA 2012, 426 (430); Schwonberg, S. 78. Küttner/Schmidt, DB 1988, 704 (705). Schwonberg, S. 78. So aber ergänzend Hanau, NZA 1985, Beilage Nr. 2, 1 (9). Vgl. Konzen, in: FS Zöllner Bd. II, S. 799 (827). Vgl. Hanau/Reitze, in: FS Wiese, S. 149 (157 f.).

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fehle.655 Hanau/Reitze verweisen mit der aufschiebend bedingten Zustimmung gerade auf eine mögliche Rechtsgrundlage,656 nämlich § 158 Abs. 1 BGB. Wegen der Zugehörigkeit des Betriebsverfassungs- zum Privatrecht kann § 158 Abs. 1 BGB auch grundsätzlich auf die Betriebsverfassung übertragen werden. Jedoch kann bei einem vom Betriebsrat angestrebten Koppelungsgeschäft nicht von einer Bedingung im Sinne des § 158 Abs. 1 BGB ausgegangen werden. Bei der aufschiebenden Bedingung hängt der Eintritt der Wirkungen des Rechtsgeschäfts nach § 158 Abs. 1 BGB vom Eintritt der Bedingung ein. Mit der Anknüpfung an die Bedingung stellen die Parteien damit auf ein Ereignis ab, das im Zeitpunkt des Abschlusses noch objektiv ungewiss ist.657 Voraussetzung für die Annahme einer Bedingung ist daher in jedem Fall, dass Zweifel über den künftigen Eintritt des Ereignisses bestehen.658 Wendet man das Kriterium der Ungewissheit des Eintritts des Ereignisses nun auf die Situation des rechtsmissbräuchlichen Koppelungsgeschäfts an, dann fehlt es wegen der von § 87 Abs. 1, Abs. 2 BetrVG grundsätzlich angestrebten Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat an der Ungewissheit des zukünftigen Ereignisses. Stattdessen ist sowohl nach dem Plan des Gesetzgebers in § 87 Abs. 1 und vor allem Abs. 2 BetrVG, der eine Einigung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber im Regelfall voraussetzt, als auch nach der betrieblichen Praxis, die grundsätzlich den Abschluss von Betriebsvereinbarungen für die Fälle der erzwinbaren Mitbestimmung anstrebt,659 davon auszugehen, dass eine Einigung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber gewiss ist. Dies wird bei § 87 Abs. 1 BetrVG bereits durch § 87 Abs. 2 Satz 2 BetrVG mit der dort verankerten Möglichkeit der Einigungsstelle sichergestellt, welche die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat verbindlich ersetzen kann. Das vom Betriebsrat angestrebte Koppelungsgeschäft kann daher – mangels Ungewissheit des aus dem Verhandlungsprozess bei § 87 Abs. 1 BetrVG hervorgehenden Ereignisses in Form des Abschlusses einer Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber – nicht als auflösende Bedingung im Sinne des § 158 Abs. 1 BGB gedeutet werden.660 Damit fehlt es für die Annahme einer auflösend bedingten Zustimmung bei von Seiten des Betriebsrats angestrebten Koppelungsgeschäften an einer tauglichen Rechtsgrundlage.661 Schließlich kann auch entgegen Rieble, Klumpp und Gistel662 nicht in Anlehnung an das Vorbild des § 69 Abs. 5 BPersVG ein zumindest vorläufiges Alleinentscheidungsrecht auch bei § 87 Abs. 1 BetrVG konstruiert werden. Die Übertragung des § 69 Abs. 5 BPersVG zu § 87 Abs. 1 BetrVG begegnet wegen der Entspre655 656 657 658 659 660 661 662

So aber Münch Hdb. z. ArbR/Matthes, § 242 Rn. 43. Hanau/Reitze, in: FS Wiese, S. 149 (154). Statt aller HK-BGB/Dörner, § 158 BGB Rn. 1. MüKo-BGB/Westermann, § 158 BGB Rn. 10. Vgl. nur FESTL, § 87 BetrVG Rn. 579. Brandl, S. 19; Gaude, S. 114 f. So auch Münch. Hdb. z. ArbR/Matthes, § 242 Rn. 43. Rieble/Klumpp/Gistel, Rechtsmissbrauch, S. 47.

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chungen mit § 100 BetrVG663 den bereits hiergegen geäußerten Bedenken. Noch darüber hinaus fehlt es jedoch auch für die analoge Anwendung des § 69 Abs. 5 BPersVG an der Voraussetzung der Vergleichbarkeit der Interessen. Das Letztentscheidungsrecht des § 69 Abs. 5 BetrVG soll – neben der Gewährleistung der Mitbestimmung der Personalvertretung664 – speziell die Gewährleistung des Verwaltungsauftrags der Dienststelle sicherstellen.665 Im Sinne der Allgemeinheit soll die Funktionstüchtigkeit der Dienststelle durch Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs gesichert werden.666 Die Vorschrift verfolgt damit dem Schutz speziell öffentlicher Belange.667 § 69 Abs. 5 BPersVG soll damit auch dem Erfordernis hoheitlichen Handelns durch die Dienststelle Rechnung tragen.668 Beide Gesichtspunkte greifen für den privatrechtlich im Rahmen der Betriebsverfassung tätig werdenden Arbeitgeber im Fall von Koppelungsgeschäften nicht durch, dieser wird nicht zum Schutz der Allgemeinheit, sondern einzig seiner eigenen Interessen tätig. Er übt zudem keine Hoheitsrechte aus. Es fehlt mithin für eine analoge Anwendung des § 69 Abs. 5 BPersVG auch bei § 87 Abs. 1 BetrVG an der erforderlichen vergleichbaren Interessenlage.669 Mangels Alleinentscheidungsrechts des Arbeitgebers kann dieser selbst bei unterstellter Missbräuchlichkeit eines von Seiten des Betriebsrats an den Arbeitgeber angetragenen Koppelungsgeschäfts nicht als Berechtigter der Beteiligungsrechte des § 87 Abs. 1 BetrVG angesehen werden. Damit fehlt für den Arbeitgeber bei § 87 Abs. 1 BetrVG bereits die erste Voraussetzung der Zuweisung eines subjektiven Rechts, er ist nicht das Rechtssubjekt der Vorschrift. Ohne die Zuweisung eines subjektiven Rechts an den Arbeitgeber in § 87 Abs. 1 BetrVG scheidet damit auch ein betriebsverfassungsrechtlicher Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers für § 87 Abs. 1 BetrVG entgegen den vom 6. Senat des BAG in Beschluss vom 18. 4. 1985 angestellten Erwägungen aus. b) Rechtszuweisung bei § 99 BetrVG Mit der Absage an einen betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers zur Abwehr von Koppelungsgeschäften bei § 87 Abs. 1 BetrVG ist über das Schicksal eines solchen Anspruchs bei § 99 BetrVG noch nicht entschieden. Auch bei § 99 BetrVG wird die Problematik des Koppelungsgeschäfts erörtert.670 663

Vgl. Richardi/Thüsing, § 100 BetrVG Rn. 3. BVerwG v. 19. 4. 1988, 6 P 33/85, ZTR 1988, 355 (356). 665 Schaub/Koch, § 268 Rn. 58. 666 Kunze, PersV 1988, 417 (417 f.). 667 BVerwG v. 20. 7. 1984, 6 P 16/83, PersV 1985, 71 (72). 668 Vgl. Kothe, in: FS Richardi, S. 601 (607 Fn. 45) m.w.N. 669 Ebenso für die Problematik des Eilfalls Henssler, in: FS Hanau, S. 413 (417). 670 Münch. Anw. Hbd. z. ArbR/Hesse, § 21 Rn. 70; Schoof, AuR 2007, 289 (290 f.); Sieweke, NZA 2012, 426 (430 f.); i.E. auch Reichold, NZA-Beilage 2012, 146 (149); vgl. für 664

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Jedoch stellt sich der bei § 87 Abs. 1 BetrVG ausgefochtene Grundsatzstreit um die Unzulässigkeit von Koppelungsgeschäften wegen zweckwidriger und damit rechtsmissbräuchlicher Ausübung der Beteiligungsrechte bei § 99 BetrVG so nicht. Im Gegensatz zu § 87 Abs. 1 BetrVG knüpft § 99 Abs. 2 BetrVG die Zustimmungsverweigerung an eine abschließend normierte Zahl von Zustimmungsverweigerungsgründen. In der in § 87 Abs. 1 BetrVG fehlenden Festlegung auf bestimmte Arten von Verweigerungsgründen und dem für den Betriebsrat nicht gegebenen Erfordernis einer Darlegung von Zustimmungsverweigerungsgründen sieht die für die Zulässigkeit eines Koppelungsgeschäfts plädierende Auffassung gerade das Argument dafür, warum die Ausübung der Beteiligungsrechte nach § 87 Abs. 1 BetrVG gerade nicht unter dem Vorbehalt der normzweckgemäßen Ausübung steht.671 Daher muss diese Auffassung logischerweise bei § 99 BetrVG ebenfalls von der Unzulässigkeit einer nicht unter die Verweigerungsgründe des § 99 Abs. 2 BetrVG fallenden Zustimmungsverweigerung ausgehen. Einzig Schoof will auch für § 99 BetrVG kein Verbot von Koppelungsgeschäften anerkennen. Es sei zwar richtig, dass die Zustimmungsverweigerung nach § 99 Abs. 2 BetrVG an in der Vorschrift konkret aufgeführte Gründe gebunden sei. Hiervon sei aber lediglich die Frage nach der formellen Ordnungsgemäßheit der Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats und deren Bestand im Verfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG betroffen. Nicht gesagt sei damit aber, dass der Betriebsrat seine Zustimmung zur Einstellung oder Versetzung eines Arbeitnehmers nicht von Zusagen in anderen Fragen abhängig machen könne.672 Schoofs Auffassung kann jedoch nicht zugestimmt werden. Sie verkennt bereits, dass § 99 BetrVG keinen Spielraum zur mitbestimmungsrechtlich relevanten Zustimmungsverweigerung für andere als die in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Zustimmungsverweigerungsgründe bietet. Die möglichen Zustimmungsverweigerungsgründe sind in § 99 Abs. 2 BetrVG für den Betriebsrat vielmehr abschließend aufgezählt.673 Mit der Abgeschlossenheit der Regelung geht bei § 99 Abs. 2 BetrVG eine Bindung des Betriebsrats auf die Normzwecke, die in den abschließend normierten Verweigerungsgründen zum Ausdruck kommen, einher. Ohne Bindung auf den Normzweck wäre es dem Betriebsrat dagegen möglich entgegen der gesetzgeberischen Konzeption weitere Zustimmungsverweigerungsgründe zu kreieren und so sein Beteiligungsrecht systemwidrig über den in § 99 Abs. 2 BetrVG vom Gesetzgeber abgesteckten Rahmen auszudehnen.674 Außerdem ist Schoofs Annahme, dass Praxisvorschläge zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung mit Koppelungsgeschäftsinhalt Zumbeck, S. 109 f. 671 Vgl. nur LAG Nürnberg v. 6. 11. 1990, 4 TaBV 13/90, NZA 1991, 281 (281); DKKW/ Klebe, § 87 BetrVG Rn. 16; FESTL, § 87 BetrVG Rn. 27; HaKo-BetrVG/Lorenz, § 74 BetrVG Rn. 4; Wirlitsch/Lang, ArbR Aktuell 2010, 521 (522); i.E. auch DKKW/Bachner, § 99 BetrVG Rn. 192; a.A. nur Schoof, AuR 2007, 289 (292). 672 Schoof, AuR 2007, 289 (293). 673 BAG v. 16. 3. 2010, 3 AZR 31/09, NZA 2010, 1028 (1031); FESTL, § 99 BetrVG Rn. 187; Richardi/Thüsing, § 99 BetrVG Rn. 208. 674 Vgl. zur systemwidrigen Erweiterung der Beteiligungsrechte durch Koppelungsgeschäfte bei § 87 Abs. 1 BetrVG Franzen, ZfA 2005, 315 (344).

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es in den Fällen der Koppelungsgeschäfte nur an einer „formell“ ordnungsgemäßen Zustimmungsverweigerung fehle, für Fälle, in denen der Betriebsrat offensichtlich nicht im Zusammenhang zu den Zustimmungsverweigerungsgründen aus § 99 Abs. 2 BetrVG Gründe angibt, unzutreffend. In diesen Konstellationen ist vielmehr mangels Angabe von Gründen nach § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats unbeachtlich und damit nicht nur formell nicht ordnungsgemäß, sondern im Ganzen unwirksam.675 An die Unwirksamkeit der Zustimmungsverweigerung schließt sich die Zustimmungsfiktion nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG an. Das von Schoof angeführte Verfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG ist in dieser Konstellation aber gar nicht einschlägig, die Fiktion der Zustimmung ist keine nach dem Wortlaut des § 99 Abs. 4 BetrVG vorausgesetzte verweigerte Zustimmung des Betriebsrats. Demnach ist mit der herrschenden Meinung bei § 99 BetrVG wegen der enumerativ aufgeführten Zustimmungsverweigerungsgründe von einem Verbot von Koppelungsgeschäften für den Betriebsrat auszugehen. Im Gegensatz zu § 87 Abs. 1 BetrVG stellt sich bei § 99 BetrVG auch nicht das Problem der Berechtigung des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat. § 100 BetrVG sieht gerade die Möglichkeit vor, dass der Arbeitgeber, wenn dies aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist, die personelle Maßnahme im Sinne des § 99 Abs. 1 BetrVG vorläufig durchführen darf. Der Arbeitgeber ist damit zumindest vorläufig zum Handeln im Einzelfall berechtigt. Jedoch muss vor der Annahme eines subjektiven Rechts des Arbeitgebers die Frage nach der Existenz einer gesetzlichen Sonderregelung bei Verstößen gegen § 99 BetrVG beantwortet werden.676 Bei Verweigerung der Zustimmung aus anderen als den in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Gründen kommt es nach dem BetrVG zu zwei verschiedenen Rechtsfolgen. § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG stellt für die Zustimmungsverweigerung das Erfordernis auf, dass diese vom Betriebsrat mit der Angabe von Gründen versehen werden muss. Für den Fall, dass diese Angabe fehlt bzw. die Gründe sich soweit vom Katalog des § 99 Abs. 2 BetrVG entfernen, dass sie offensichtlich keinem der Gründe in § 99 Abs. 2 BetrVG zugeordnet werden können, geht das BAG von einer unwirksamen Zustimmungsverweigerung aus, die nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG die Zustimmungsfiktion auslöst.677 In Fällen, in denen zumindest noch ein Bezug zu den Zustimmungsgründen nach § 99 Abs. 2 BetrVG besteht, kann der Arbeitgeber die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung nach § 99 Abs. 4 BetrVG durch das Arbeitgericht endgültig ersetzen lassen. Mit der Zustimmungsfiktion nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG und der Möglichkeit der Anrufung des Arbeitgerichts zur Ersetzung der Zustimmung nach § 99 Abs. 4 675 Vgl. BAG v. 10. 3. 2009, 1 ABR 93/07, AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 127 unter B. II. 2. b) bb) (2). 676 Vgl. zu Sonderregelungen beim allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber Schwegler, S. 154; Albert Braun, in: FS Simon S. 53 (68). 677 BAG v. 18. 7. 1978, 1 ABR 43/75, AP BetrVG 1972 § 101 Nr. 1 unter II. 2.; v. 21. 11. 1978, 1 ABR 91/76, AP BetrVG 1972 § 101 Nr. 3 unter II. 4.; BAG v. 26. 1. 1988, 1 AZR 531/ 86, AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 50 unter II. 2. b).

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4. Kap.: Die Untersuchung der einzelnen Vorschriften

BetrVG existieren daher bei der Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten nach § 99 BetrVG zwei spezifische Sonderregelungen. Diese erfassen mit den „normalen“, d. h. zumindest noch irgendeinen Bezug zu den Zustimmungsverweigerungsgründen aufweisenden und den offensichtlich nicht mehr den Zustimmungsverweigerungsgründen unterfallenden Verweigerungen alle denkbaren Fallgestaltungen einer nicht § 99 Abs. 2 BetrVG genügenden Zustimmungsverweigerung. Die Regelungen in § 99 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 BetrVG müssen daher als abschließend verstanden werden. Für einen Unterlassungsanspruch zur Sicherung eines subjektiven Rechts des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat gerichtet auf die Abwehr von Koppelungsgeschäften besteht daher auch bei § 99 BetrVG kein Raum. c) Rechtszuweisung bei § 112 BetrVG Ebenso wie für § 87 Abs. 1 und § 99 BetrVG wird im Rahmen von § 112 BetrVG die Zulässigkeit von Koppelungsgeschäften diskutiert,678 vereinzelt im Verfahren über den Interessenausgleich sogar einer der neben der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 BetrVG typischen Fälle des Koppelungsgeschäfts gesehen.679 Jedoch fehlt es bei § 112 BetrVG ebenso wie bei § 87 Abs. 1 BetrVG an der für die Annahme eines subjektiven Rechts erforderlichen Berechtigung des Arbeitgebers. Wie bei § 87 Abs. 1 BetrVG scheidet eine Analogie zu § 100 BetrVG auch bei § 112 BetrVG wegen des unterschiedlichen Regelungskonzepts und damit der unterschiedlichen Interessenlage aus. Während § 100 BetrVG wegen des Zusammenhangs zu § 99 BetrVG auf personelle Einzelmaßnahmen bezogen ist, setzt § 112 BetrVG bei der Betriebsänderung nach § 111 BetrVG an, die an die Möglichkeit wesentlicher Nachteile für die Belegschaft oder zumindest erhebliche Teile der Belegschaft geknüpft ist. Hierfür sind nach ständiger Rechtsprechung die Zahlenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG heranzuziehen.680 Bereits der Rekurs auf die Vorgaben des § 17 Abs. 1 KSchG, der zumindest die Entlassung von fünf Arbeitnehmern voraussetzt, macht deutlich, dass es sich bei den Betriebsänderungen um kollektive Tatbestände handelt. Auch eine Analogie zu § 115 Abs. 7 Nr. 4 BetrVG scheidet bei § 112 BetrVG aus den gleichen Gründen wie bei § 87 Abs. 1 BetrVG aus. Auch bei Betriebsänderungen nach § 111 BetrVG und dem Interessenausgleichsverfahren nach § 112 BetrVG soll nicht der ordnungsgemäße Schiffsbetrieb aufrechterhalten werden. Mangels Rechtsträgerschaft des Arbeitgebers und damit mangels subjektiven Rechts des Arbeitgebers kommt ein auf den Rechtsschutz abzielender Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers ebenfalls bei § 112 BetrVG zur Abwehr von Koppelungsansinnen des Betriebsrats nicht in Betracht.

678

Vgl. Brandl, S. 164 f.; Schoof, AuR 2007, 289 (291); Praxisbeispiele bei Eich, ZfA 1988, 93 (95 f.). 679 Rieble/Klumpp/Gistel, Rechtsmissbrauch, S. 37. 680 BAG v. 6. 12. 1988, 1 ABR 47/87, AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 26; v. 28. 3. 2006, 1 ABR 5/ 05, NZA 2006, 932 (934).

B. Zusammenfassung zur Zuweisung

357

10. Zusammenfassung zum Unterlassungsanspruch bei Überschreitungen von Beteiligungsrechten Die Untersuchung hat ergeben, dass entgegen vereinzelter Stimmen in der Literatur ein Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers bei Überschreitung der Beteiligungsrechte durch den Betriebsrat nicht in Betracht kommt. Es fehlt für die Zuerkennung eines Unterlassungsanspruchs als Schutzrecht an der vorher notwendigen Zuweisung eines Substanzrechts an den Arbeitgeber, dieser ist nicht Berechtigter der Beteiligungsrechte, sondern wird aus diesen verpflichtet. Über die fehlende Berechtigung des Arbeitgebers kann auch die Diskussion um ein Alleinentscheidungsrecht des Arbeitgebers nicht hinweghelfen; ein solches ist mit Ausnahme der §§ 100, 115 Abs. 7 Nr. 4 BetrVG nicht anzuerkennen. Im Rahmen der personellen Einzelmaßnahmen nach § 99 BetrVG existiert mit § 100 BetrVG zwar ein Alleinentscheidungsrecht, jedoch wird ein subjektives Recht des Arbeitgebers und der auf dessen Schutz gerichtete Unterlassungsanspruch gegen den Betriebsrat durch die abschließenden Sonderregelungen in § 99 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 BetrVG ausgeschlossen.

B. Zusammenfassung zur Zuweisung subjektiver Rechte in einzelnen Vorschriften der Betriebsverfassung Die Untersuchung einzelner Pflichten des Betriebsrats aus dem BetrVG hat ergeben, dass diesen zum Teil subjektive Rechte des Arbeitgebers entsprechen. So konnte aus den in in §§ 74 und 75 BetrVG niedergelegten Grundsätzen sowohl für §§ 74 Abs. 2 Satz 1 und 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG als auch für die hierzu allgemeine Verpflichtung zum Schutz des Arbeitsablaufs und des Betriebsfriedens aus § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG die Existenz eines subjektiven Rechts des Arbeitgebers nachgewiesen werden. Daneben stellte sich auch § 75 Abs. 1 BetrVG als Rechtszuweisungnorm für den Arbeitgeber dar. Auch außerhalb des das gesamte Handeln der Betriebspartner bestimmenden Bereichs der Grundsätze nach §§ 74, 75 BetrVG existieren subjektive Rechtszuweisungen an den Arbeitgeber. So konnte z. B. für § 77 Abs. 1 Satz 2 und § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG die Statuierung eines subjektiven Rechts des Arbeitgebers aufgezeigt werden. Daneben konnten sogar bei den Geschäftsführungspflichten des Betriebsrats in Ausnahmefällen Rechtszuweisungen für den Arbeitgeber aufgezeigt werden, § 30 Satz 2 und Satz 3 BetrVG waren ebenfalls geeignet dem Arbeitgeber ein subjektives Recht gegenüber dem Betriebsrat zu vermitteln. In jedem Fall der Zuweisung eines subjektiven Rechts an den Arbeitgeber muss nach dem Rechtsprinzip der Konizidenz von Rechtszuweisung und Rechtsschutz auch negatorischer Rechtsschutz durch den betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch gegen den Betriebsrat bestehen.

5. Kapitel

Schlussbetrachtung und Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen A. Schlussbetrachtung Die Arbeit hatte es sich zum Ziel gesetzt, dem betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat von Grund auf nachzugehen und zu untersuchen, ob das Institut in das Korsett der betriebsverfassungsrechtlichen Handlungsmöglichkeiten stimmig eingepasst werden kann oder es sich um einen inkompatiblen Fremdkörper handelt, für den im Betriebsverfassungsrecht kein Platz ist. Die neue Rechtsprechung des BAG zum Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat sollte auf Stimmigkeit und vor allem dogmatische Stichhaltigkeit überprüft werden. Es wurde gezeigt, dass weder das Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG noch die Möglichkeit zum Ausspruch einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung den betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat ausschließen. Stattdessen handelt es sich um grundverschiedene Rechtsinstitute: Während das Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG und die diesem vorschaltbare betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung der Einhaltung eines Mindestmaßes an gesetzmäßigem Verhalten und der Einhaltung der objektiv-rechtlichen Rechtssätze des BetrVG verpflichtet sind, hat der Unterlassungsanspruch die Sicherung der subjektiven Rechte des Arbeitgebers im Blick. Auch das betriebsverfassungsrechtliche Einigungsstellenverfahren ist – bereits wegen des durch den allgemeinen Grundsatz der Justizgewährleistung eröffneten Gerichtsschutzes unter Privatrechtssubjekten – nicht in der Lage, dieses elementare Schutzrecht des Arbeitgebers aus der Betriebsverfassung auszusperren. Neben den betriebsverfassungsrechtlichen Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers hat sich diese Arbeit – angeregt durch die neue Rechtsprechung des BAG – auch mit zwei Handlungsoptionen außerhalb der klassischen betriebsverfassungsrechtlichen Reaktionsmöglichkeiten auseinandergesetzt. So wurde zum einen das Verhältnis des betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs zum ebenfalls materiell-rechtlichen Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analysiert. Sowohl nach allgemeinen Grundsätzen der Normkonkurrenz als auch nach dem mit den beiden Ansprüchen abzuwehrenden Verhalten besteht zwischen beiden Ansprüchen ein Alternativitätsverhältnis.

B. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

359

Das Bild der arbeitgeberseitigen Reaktionsmöglichkeiten wäre zum anderen ohne eine Befassung mit den neuerdings vom BAG als Alternativen zum von ihm abgeschafften betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch ins Spiel gebrachten prozessualen Hauptsacheverfahren auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Betriebsrats und der einstweiligen Feststellungsverfügung unvollständig geblieben. Es hat sich herausgestellt, dass der Grundsatz des Vorrangs des Leistungs- vor dem Feststellungsantrag auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren genau entgegengesetzt zur neuen Auffassung des BAG das Verfahren auf Feststellung sperrt. Eine Ausnahme hierzu konnte für den Betriebsrat ebenfalls nicht anerkannt werden. Schließlich kann auch die vom BAG in die Diskussion eingeführte einstweilige Feststellungsverfügung nicht anerkannt werden. Neben der Konkurrenz des betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs zu den anderen, dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden, Verfahren und Rechtsinstituten lag ein zweiter Schwerpunkt der Arbeit in der Herausarbeitung einer tauglichen Rechtsgrundlage für den untersuchten Anspruch des Arbeitgebers. Angesichts der Armut an diskutablen und vor allem überzeugenden Lösungen gerade für den betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers hat sich diese Arbeit zur Untersuchung der zum allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber entwickelten Lösungsansätze entschieden. Hierbei hat sich das allgemeine Rechtsprinzip der Koinzidenz von Rechtszuweisung und Rechtsschutz als überzeugende Rechtsgrundlage herausgestellt. Die sich anschließende Untersuchung einzelner betriebsverfassungsrechtlicher Vorschriften auf ihre Rechtszuweisungsqualität hat für § 30 Satz 2, § 30 Satz 3, § 74 Abs. 2 Satz 1, § 74 Abs. 2 Satz 2, § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1, § 75 Abs. 1, § 77 Abs. 1 Satz 2 und § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG die Existenz subjektiver Rechte des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat nachgewiesen. An diese Rechtszuweisung schließt sich als sekundäres Schutzrecht der Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat an.

B. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse in Thesen 1. Im BetrVG existiert ein betriebsverfassungsrechtlicher Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat. 2. Dieser betriebsverfassungsrechtliche Unterlassungsanspruch ist bisher kaum vertieft behandelt worden. Um die konstatierte Armut diskutabler und dogmatisch veritabler Lösungen zu beheben, wurden in dieser Arbeit Lösungsansätze zur ähnlich gelagerten Frage des allgemeinen Unterlassungsanspruchs des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber auf ihre Tragfähigkeit und Übertragbarkeit untersucht. Für die Übertragbarkeit spricht neben der Identitität der erfassten, spezifisch betriebsverfassungswidrigen, Verhaltensweisen entscheidend das gesetzliche Schuldverhältnis zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber. In der Diskussion der

360

5. Kap.: Schlussbetrachtung und Zusammenfassung

möglichen Rechtsgrundlagen hat sich das Rechtsprinzip der Koinzidenz von Rechtszuweisung und Rechtsschutz als überzeugende Lösung herausgestellt. 3. Zur Nutzung des genannten Rechtsprinzips müssen die Normen des BetrVG überhaupt in der Lage sein, dem Arbeitgeber subjektive Rechte zu vermitteln. Für die geltende Betriebsverfassung bestehen entgegen neuerer Rechtsprechung und Literatur keine überzeugenden Argumente, die ein solches Verständnis von vornherein ausschließen. Es kann weder eine asymmetrische Ausrichtung des negatorischen Rechtsschutzes im BetrVG nachgewiesen werden noch aus der Unvollstreckbarkeit gegen den Betriebsrat gerichteter Unterlassungsansprüche auf die Nichtexistenz subjektiver Rechte für den Arbeitgeber geschlossen werden. 4. Vielmehr muss ausgehend vom Prinzip der Koinzidenz von Rechtszuweisung und Rechtsschutz für jede Vorschrift des BetrVG, die dem Betriebsrat Pflichten auferlegt, die Zuweisung subjektiver Rechte an den Arbeitgeber gesondert untersucht werden. Es kommt hierbei mit der herrschenden Meinung im Privatrecht darauf an, dass dem Arbeitgeber als Rechtssubjekt durch die konkrete Vorschrift Rechtsmacht zur Wahrnehmung menschlicher Interessen zugewiesen wird. Altruistische Interessenwahrnehmung ist unschädlich, wenn die maßgebliche Vorschrift den Arbeitgeber trotzdem ausnahmsweise als Rechtsträger ausweist. 5. Aus den ausdrücklich pflichtenstatuierenden Vorschriften des BetrVG weisen § 30 Satz 2, § 30 Satz 3, § 74 Abs. 2 Satz 1, § 74 Abs. 2 Satz 2, § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1, § 75 Abs. 1, § 77 Abs. 1 Satz 2 sowie § 79 BetrVG dem Arbeitgeber subjektive Rechte zu, die bei drohenden Verletzungen präventiv mit einem Unterlassungsanspruch abgesichert werden können. 6. Nicht tauglich als Grundlage für einen betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch sind dagegen die den Betriebsrat aus § 30 Satz 4, § 34 Abs. 2, § 39 Abs. 1 Satz 2, § 41, § 42 Abs. 1 Satz 3, § 44 Abs. 1 Satz 1 sowie § 75 Abs. 2 BetrVG treffenden Pflichten. Daneben scheidet auch bei den Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 BetrVG die Herleitung eines Unterlassungsanspruchs für den Arbeitgeber zur Abwehr rechtsmissbräuchlicher Koppelungsgeschäfte ab. Dieser Befund gilt auch für die seltenen Fälle der Koppelungsgeschäfte bei § 99 und § 112 BetrVG. 7. Auch die anderen denkbaren Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers, auf betriebsverfassungswidriges Verhalten des Betriebsrats einzugehen, haben gegenüber dem betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch keine Verdrängungswirkung: a) Das Auflösungsverfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG ist – ebensowenig wie der spezielle Unterlassungsanspruch in § 23 Abs. 3 BetrVG den allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats ausschließt – nicht in der Lage, einen betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers auszuschließen. Hierfür sprechen die vier anerkannten Auslegungskriterien des Wortlauts, der Systematik, der Historie und des Sinn und Zwecks der

B. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

361

verfolgten Norm. Während der betriebsverfassungsrechtliche Unterlassungsanspruch dem Schutz subjektiver Rechte dient, ist das Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG als objektives Beanstandungsverfahren zur Bewahrung allein objektiv-rechtlicher Normen ausgestaltet. Zudem kann der betriebsverfassungsrechtliche Unterlassungsanspruch sogar als milderes Mittel zum Auflösungsverfahren eingeordnet werden. b) Die Möglichkeit der Stellung eines Feststellungsantrags nach §§ 80 Abs. 2, 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 256 Abs. 1 ZPO kann ebenfalls nicht gegen die Existenz eines per Leistungsantrag durchsetzbaren Unterlassungsanspruchs eingewandt werden. Stattdessen ist nach der zutreffenden herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur von einem Vorrang der Leistungsklage und auch des Leistungsantrags vor Klagen bzw. Anträgen auf Feststellung auszugehen. Auch eine Ausnahme aus den dem Betriebsrat auferlegten Amtspflichten oder nach § 2 Abs. 1 BetrVG konnte nicht begründet werden. c) Über den Vorrang des Leistungsantrags kann auch die Annahme einer zwischen titulierter Unterlassungsentscheidung und Feststellungsbeschluss bestehenden Wirkäquivalenz nicht hinweghelfen. Vielmehr führt die alleinige Anerkennung eines Feststellungsantrags auf Seiten des Arbeitgebers zum Verlust des verfassungsrechtlich auf Grund des allgemeinen Justizgewährleistungsanspruchs notwendigerweise zu gewährenden einstweiligen Rechtsschutzes. Eine einstweilige Feststellungsverfügung kann entgegen neuerer Tendenzen in Rechtsprechung und Literatur nicht anerkannt werden. d) Auch das grundsätzlich anzuerkennende Institut der betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung kann den betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers nicht ausschließen. Es handelt sich bei der betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung lediglich um ein optionales, dem Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG vorschaltbares Konfliktlösungsmittel ohne Ausschließlichkeitsanspruch. e) § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB taugt ebensowenig als Beweis zur Ablehnung eines betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs. Der über diese Vorschrift vermittelte Unterlassungsanspruch stimmt weder in der Stoßrichtung mit dem hier untersuchten betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch überein, noch hat er im allgemeinen Privatrecht eine weitere Unterlassungsansprüche ausschließende Wirkung. f) Schließlich kann auch das genuin betriebsverfassungsrechtliche Einigungsstellenverfahren nicht zu einem Ausschluss des hier untersuchten Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers führen. Ebenso wie beim allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats steht dieses Unterlassungsansprüchen nicht entgegen, sondern tritt als konsensuales Konfliktlösungsmodell neben diese.

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Sachwortverzeichnis Abmahnung, betriebsverfassungsrechtliche 23, 134, 230, 281, 320, 325, 336, 342, 358 Amt – Begriff 86, 90 ff. – Missbrauch 265 f. – Pflichten 39, 66, 86, 95 ff., 208, 278, 361 Arbeitgeber – Grundrechtsfähigkeit 52, 60 ff., 162 f. – Leitungsbefugnis 49 ff., 282, 292 Arbeitsablauf 17, 146, 241 ff., 255 ff., 269, 357 Arbeitskampf, Verbot 16 ff., 139, 145, 228, 240 ff., 281 Beseitigungsanspruch 189, 195 ff., 204 Betätigung, parteipolitische 15 ff., 20, 43, 146, 228, 240, 253 ff., 272, 281 Betrieb – Begriff 106, 294, 327 ff. – Eigenart 326 ff., 337 f. – Wohl 98, 102 ff., 106, 180, 238, 243, 246, 294, 340 Betriebsfrieden 17, 38, 40 ff., 146, 241, 244 ff., 255, 257 ff., 270, 311 Betriebsgeheimnis 40, 284 ff. Betriebsrat – Auflösung 19, 23 ff., 64, 65 ff., 78, 134, 140 ff., 226, 281, 360 – Beteiligungsrechte 51, 62, 95, 151, 155 ff., 177, 186 ff., 229, 236 ff., 268, 291, 342 ff., 353, 356 – Geschäftsführung 19, 293 ff. , 307, 309, 315 – Gewerkschaftsneutralität, s. Neutralität, Pflicht zur – Grundrechtsfähigkeit 47, 52, 54 ff.; 59 ff., 162 – Haftung 55, 172 ff. – Hausrecht 331 ff. – juristische Person 54 f. – Sitzungen 294 ff., 309 ff., 315, 322

– Sitzungsniederschrift 315 ff. – Sprechstunden 321 ff. – Teilrechtsfähigkeit 54 ff., 63, 172 – Umlageverbot 124, 214, 323 ff. – Vermögenslosigkeit 172, 214, 220 ff. – Wächteramt 225 ff. Betriebsverhältnis 48, 176 Betriebsversammlung 19, 44, 325, 336, 342 Durchgriffstheorie 56 ff. Einigungsstellenverfahren, betriebsverfassungsrechtliches 147 ff., 171, 230, 245, 321, 348 Feststellungsinteresse 76, 80, 85, 88, 127, 131 Gefährdungslage, grundrechtstypische 55, 56 ff., 58 f. Geheimhaltung 41, 71, 284 ff. Gemeinwohlinteresse, s. Interessenwahrnehmung, öffentliche Handlungsfreiheit, allgemeine 59 ff., 95, 162 f. Interessen – Altruistische Wahrnehmung 234 ff., 274 – Egoistische Wahrnehmung 234 – menschliche 211, 232 ff., 269, 274, 279 f., 346 – öffentliche 87, 97 ff., 226, 247 ff., 353 Justizgewährleistungsanspruch, allgemeiner 119 ff., 129 ff., 134, 139, 151 ff., 167, 169, 211 f., 348, 358 Klage – Arten 74, 75, 81, 129 – auf Feststellung 74 ff.

Sachwortverzeichnis – auf Leistung 74 ff. Koinzidenz von Rechtszuweisung und Rechtsschutz, 199 ff., 201 f.; 202 ff.; 205 ff.; 224; 228; 269; 283; 359 – Herleitung 202 – Kritik 205 – Rechtsprinzip 201 Koppelungsgeschäft 19, 344 ff. Leistungsklage 75 ff., 79 f, 80 ff. – Vorrang 79, 84, 88, 90, 93, 95, 100, 114 f., 117, 127, 359 Leitungsbefugnis, s. Arbeitgeber, Leitungsbefugnis Meinungsfreiheit, negative 261 ff. Neutralität – Parteipolitische 260 ff. – Pflicht zur 248 ff. Persönlichkeitsrecht, Schutz 59, 94, 246 f., 275, 277 ff. Prozessrechtsverhältnis 107, 117 Recht – absolutes 184, 186 ff., 201, 206 – objektives 72, 281 – relatives 186 ff., 206 – subjektives 210, 232, 236 Rechtsmacht 211, 213, 232 ff., 236 ff., 280 ff., 286, 294, 318 ff., 332, 335 f., 340, 346 Rechtsordnung, Einheit der 115 ff., Rechtsschutz, effektiver 81, 119, 129 ff., 167 ff., 206 Rechtsschutz, einstweiliger 118 ff., 124 ff., 164 ff., 169, 206 – Grundlagen 118 – Funktionen 119 Rechtsschutz, negatorischer 185, 209, 224, 357 – Asymmetrische Ausrichtung 223, 225, 228, 229 Rechtsusurpationslehre 195 ff.

401

Schadensverhütung vor Schadensausgleich 171 Schutzpflicht – des Betriebsrats 277 ff. – des Staates 57, 59 Schutzrechte 170, 200 f., 202 f., 208 f Substanzrechte 200 f, 217 Tarifautonomie 252, 290 ff. Theorie – der Rechtsperson 93 ff. – des neutralen Handelns 91 ff. – vom Wahlrecht des Klägers 79 f., 83 f Treu und Glauben 104, 107 ff., 110 ff., 114, 180 f, 182 f. – Geltung im Zivilprozess 107 ff. – Rechtsgrundlage des allgemeinen Unterlassungsanspruch 176 – Zweckvereitelung 182 Unterlassungsanspruch, allgemeiner 21, 33 ff., 158, 159 ff., 164, 202 – Existenz 33 – Rechtgrundlage 164 Unterlassungsanspruch, betriebsverfassungsrechtlicher 15, 21, 25, 71, 155 ff., 232 ff., 358 – Rechtsgrundlage 155 – Unvollstreckbarkeit 214, 215 ff., 217, 221 – Verwandtschaft zum allgemeinen Unterlassungsanspruch 159 Verfügung, einstweilige – anspruchslose 166 f., 294 – auf Feststellung 124 ff. Vertrauensrat 30, 301 f, 311 Wahlvorstand 220 Wesensmäßige Anwendbarkeit 56 ff., 59 ff. – Abstrakter Gehalt 56 – Konkreter Gehalt 59 Zivilprozess 114, 120 ff., 203 – Zwecke 114, 203 Zivilprozessrecht 114, 134, 165, 215 f. – dienende Natur 134, 165, 203, 215 f.

402

Sachwortverzeichnis

Zusammenarbeit, vertrauensvolle 15, 34, 45, 67, 71, 100 ff., 105 ff., 150, 160 f., 176 ff., 225, 242 ff., 264, 294 f. – Anspruchsgrundlage 179 ff. – Geltung im Prozessrecht 105

– – – –

Nebenpflichten 156, 158, 176 ff. Verbindlichkeit 101 Wirkweise 104 Zweckvereitelung 182 f.