Der Begriff der Negativität in den Jenaer Schriften Hegels 9783787329205, 9783787329106

Einleitung. 1. Pantragismus — Panlogismus – 2. Der Begriff der Negativität – 3. Zum methodischen Vorgehen der Arbeit Ers

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Der Begriff der Negativität in den Jenaer Schriften Hegels
 9783787329205, 9783787329106

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HEGEL-STUDIEN Herausgegeben von Friedhelm Nicolin und Otto Pöggeler Beiheft 16

FELIX MEINER VERLAG HAMBURG

DER BEGRIFF DER NEGATIVITÄT IN DEN JENAER SCHRIFTEN HEGELS von Wolfgang Bonsiepen

FELIX MEINER VERLAG HAMBURG

Inhaltlich unveränderter Print-on-Demand-Nachdruck der ersten Auflage von 1977, erschienen im Verlag H. Bouvier und Co., Bonn.

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über ‹http://portal.dnb.de› abrufbar. ISBN 978-3-7873-2910-6 ISBN eBook: 978-3-7873-2920-5 ISSN 0440-5927

© Felix Meiner Verlag GmbH, Hamburg 2016. Alle Rechte vorbehalten. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, soweit es nicht §§ 53 und 54 URG ausdrücklich gestatten. Gesamtherstellung: BoD, Norderstedt. Gedruckt auf alterungsbeständigem Werkdruckpapier, hergestellt aus 100 % chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Printed in Germany. www.meiner.de/hegel-studien

VORWORT

Die vorliegende Arbeit ist die überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die der Abteilung für Philosophie, Pädagogik und Psychologie der Universität Bochum im November 1972 vorlag. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Otto Pöggeler, der die Dissertation betreut hat. Nicht zuletzt verdanke ich manche Einsichten den Diskussionen, die in den Kolloquien des Hegel-Archivs in Bochum geführt wurden. Ebenfalls möchte ich Herrn Prof. Dr. Friedhelm Nicolin für seine freundliche Hilfe bei der Schlußredaktion und Drucklegung der Arbeit danken.

Bochum, Ende März 1976

Wolfgang Bonsiepen

INHALTSVERZEICHNIS

Einleitung

11

1. Pantragismus — Panlogismus

14

2. Der Begriff der Negativität

17

3. Zum methodischen Vorgehen der Arbeit

19

Erster Teil: Der Systemansatz der ersten Jenaer Jahre I.

Der Tod Gottes, die griechische Tragödie und das absolute Ni 1. Bedrohungen der Freiheit

23

2. Die Tragödie im Sittlichen

25

3. Das Absolute als Nacht, Nichts und Abgrund

29

II. Grundlagen der Kritik an der Verstandesreflexion

32

1. Die kritische Funktion von Logik und Skeptizismus ... 2. Ansätze zu einer Geschichtsphilosophie III. sophie

32

37

Kritik an der neuzeitlichen Subjektivitäts- und Reflexionsph 42

1. F. H. JACOBIS

Philosophie der Subjektivität

a) JACOBIS Atheismus- und Nihilismusvorwurf

42 42

Exkurs: SpiNozArezeption und Nihilismusproblematik .

44

a) Die Nihilismusdiskussion am Ausgang des 18. Jhd.

44

b) Hegel und SCHELLING in Jena

.

49

c) Rezensenten des Kritischen Journals

52

b) JACOBIS Glaubensphilosophie

55

c) EHe Einheit des Satzes der Kausalität und des Grundes

59

8

2. FICHTES 3.

KANTS

Ausgang vom reinen Selbstbewußsein

64

Antinomienlehre

68

IV. Der Begriff der Negativität als Grundlegung spekulativen Denkens

72

1. Die DurchfühTbarkeit des spekulativen Ansatzes ....

76

2. Die Ambivalenz der Aussagen der praktischen Philosophie

77

3. Auseinandersetzung mit der philosophischen Tradition .

79

.

Zweiter Teil: Die Ausarbeitung und Umwandltmg des Systemansatzes in den Jahren 1803—1806 I.

Die Negativität der modernen, neuzeitlic 1. Kritik an den neuzeitlichen Naturrechtstheorien auf der Grundlage einer Theorie des Kampfes um Anerkennung . .

83

a) Der Kampf um Anerkennung im System der Sittlichkeit

86

b) Der Kampf um Anerkennung im Systementwurf von 1803/04

88

c) Der Kampf um Anerkennung in der Realphilosophie von 1805/06

89

d) Der Kampf um Anerkennung in der Phänomenologie .

90

.

2. Das Gefüge der Stände

92

a) Das Ständesystem im System der Sittlichkeit .... b) Das Ständesystem der Realphilosophie von 1805/06 . aa) Die niederen Stände bb) Die höheren Stände

.

92 94 94 95

3. Der Staat

96

a) Die Staatstheorie der Verfassungsschrift

97

b) Die Staatstheorie des Naturrechtsaufsatzes

98

c) Die Staatstheorie des Systems der Sittlichkeit .... d)

99

Die Staatstheorie

9

II. Negativität und Selbstbewußtsein in den Jenaer Systementwürfen 104 1. Die Rekonstruktion der absoluten Sittlichkeit im System der Sittlichkeit 105 2. Die Bewußtseinslehre des Systementwurfs von 1803/04 . . 108 3. Das Erkennen und die Metaphysik der Subjektivität in der Logik und Metaphysik von 1804/05

111

4. Die Negativität des Selbstbewußtseins in der Realphilosophie von 1805/06

115

III. Das Verhältnis der verschiedenen Formen von Negativität zueinander 120 1. Negativität des Seins und Selbstbewußtseins

121

2. Die Negativität der Entzweiung in der modernen Gesellschaft 3. Vorblick auf die Phänomenologie

123

124

Dritter Teil: Der Begriff der Negativität in der Phänomenologie des Geistes I.

Die Idee einer Geschichte des Selbstbewußtseins 1. Pragmatische Geschichte des menschlichen Geistes und Geschichte des Selbstbewußtseins 130 2.

Die in der Einleitung zur Phänomenologie entw einer Geschichte der Bildung des Bewußtseins 135

II. Interpretation der Phänomenologie 1. Das reine Sein der sinnlichen Gewißheit

142 142

a) Der Standpunkt der sinnlichen Gewißheit

142

b) Das Meinen am Anfang der Seinslogik

145

c) Die negative Einheit des Gegenstandes

147

2. Die spekulative Deutung des Kraftbegriffs

149

3. Der Übergang zu Leben und Selbstbewußtsein

153

a) Die methodische Bedeuhmg des Übergangs des Kampfes um Anerkennung in das Herr-Knecht-Verhältnis . . . 155

10

b) Einheit von Bewußtsein und Selbstbewußtsein .... c) Die Struktur absoluten Wissens

160

162

4. Weiterführung von Strukturelementen des Bewußtseins und Selbstbewußtseins 164 a) Die Vernunft

164

b) Der Geist

166

c) Das absolute Wissen

169

d) Neubestimmung der Struktur absoluten Wissens .

.

.

170

5. Die Einbeziehung der Geschichte der Bildung der Welt in die Geschichte der Bildung des Bewußtseins 172 III. Der Systemansatz am Anfang und am Ende der Jenaer Zeit

178

1. Die Aufhebung des unglücklichen Bewußtseins in Vernunft und Geist ITS 2. Einheit von Logik und Metaphysik

181

IV. Das Mißlingen der Begründung eines Prozesses absoluter Negativität 183 1. Der Zirkel in der phänomenologischen Beweisführung .

.

.

184

2. Die Identifizierung der verschiedenen Formen von Negativität 186 3. Grundzüge einer Phänomenologie des Geistes in Abgrenzung von Hegels spekulativem Systemansatz 188 Abschließende Überlegungen

193

Anhang: Der Begriff der Negativität in den Jenaer Schriften, ein Stellenverzeichnis 196 Anmerkungen Quellen- und Literaturverzeichnis Sachregister Personenregister

EINLEITUNG

Philosophieren weiß sich durch die in allen Bereichen menschlichen Daseins bestehende Entfremdung herausgefordert. Es entsteht die Frage, wie das theoretische Denken der Philosophie der Arbeit an einer Humanisierung der modernen Gesellschaft dienen kann. Die moderne Gesellschaft ist einerseits durch ein großes Freiheitsbewußtsein gekennzeichnet, anderseits durch ein gesteigertes Bewußtsein der bestehenden Entfremdung. Je mehr der einzelne sich seiner Freiheit bewußt wird, um so mehr erkennt er die vielfältigen Formen von Unfreiheit, die es zu überwinden gilt. Eine Philosophie der Negativität der Entfremdung wird immer einen wesentlichen Bestandteil der Philosophie ausmachen, es sei denn Entfremdung würde sich in Zukunft immer weniger als bedrängendes Problem herausstellen. Eine Philosophie der Negativität besitzt ihre eigenen Sprachschwierigkeiten. Vorwiegend in negativen Aussagen beschreibt sie das Neue, die Zukunft einer besseren Gesellschaft. Geschichte als das Geschehen dieses Neuen führt aus der Negativität der Entfremdung heraus. Ereignisse, die eine bessere Zukunft verheißen, sind an das sittliche Engagement des einzelnen und einer Gemeinschaft gebunden. Eine Philosophie der Negativität und Entfremdung hat nach ADORNO die in allem Begrifflichen mitspielende Rolle des Nichtbegrifflichen zu berücksichtigen Die Philosophie neigt aufgrund eines ontologischen Bedürfnisses dazu. Nichtidentisches vom Identischen, Begriffloses vom Begriff her zu erfassen. Es genügt nicht, die Negativität der Entfremdung nur in den Blick zu nehmen, sie in die eigene Theorie einzubeziehen. Es würde sonst der von HABERMAS gegen Hegels Theorie der Französischen Revolution erhobene Vorwurf seine Anwendung finden: „um nicht Philosophie als solche der Herausforderung durch die Revolution zu opfern, hat Hegel die Revolution zum Prinzip seiner Philosophie erhoben" ADORNO macht auf die dem Begriff vorausgehende Intention der Kritik aufmerksam, die aus der Konfrontation mit Entfremdung und mit dem letztlich nicht auf einen Begriff zu bringenden Nichtidentischen erwächst. Hegel versucht am Anfang der Jenaer Zeit Ähnliches, wenn er auf die Erfahrung des Tcxles, des sittlichen Engagements verweist. Seine Auseinandersetzung mit der Reflexionsphilosophie KANTS, FICHTES und JACOBIS erhält so gesehen Ak-

12

Einleitung

tualität. Kritisiert Hegel doch an der Reflexionsphilosophie die Herrschaft des formalen Begriffs über die Natur. Diese Form von Vemunftherrschaft führt zu einem Verbleiben in Gegensätzen, die die bestehende Entfremdung des Menschen nur vergrößern. Die Kritik an der Reflexionsphilosophie bedeutet eine Kritik an der neuzeitlichen Rationalität überhaupt. Hegel erkennt in der Natur ein Heilmittel für die in Gegensätzen verharrende Verstandesreflexion. Die neuzeitliche Rationalität steht in der Gefahr, einen Dualismus zwischen Natur und Geist zu errichten, indem der Geist als Herrschaft über die Natur begriffen wird. Dieser Form von Rationalität liegt ein Interesse zugrunde, das zwar für eine technische Verfügung über die Natur von Nutzen ist, jedoch in eine Isolation des Denkens treibt, zu einer leeren Subjektivität führt. Hegels Philosophie der Negativität am Anfang der Jenaer Zeit will das Denken wieder an die Natur zurückbinden. Gegenüber einer langen Tradition der Geistesgeschichte, die zwischen Natur und Übematur, zwischen Materie und Geist unterschied, beide Elemente gegeneinander ausspielte und einseitig einen Vorrang des Geistes vor der Natur proklamierte, soll erneut auf die Eigenständigkeit der Natur, die ihre eigene Form des Werdens in sich trägt, hingewiesen werden. Mit dem neuzeitlichen Dualismus zwischen Geist tmd Natur verbündete sich ein Individualismus, der die Emanzipation des Subjekts aus der Natur lediglich zur Sicherung individueller Interessen benutzte. EHe Aufopferung des einzelnen für eine als moralisch richtig erkannte Aufgabe wird von einem solchen Individualismus gefährdet. Die Erfahrung des Todes wird an den Rand des menschlichen Daseins gedrängt. Die im gesellschaftlichen Leben auftretenden Widersprüche werden eher verdeckt als aufgedeckt, weil sie die vermeintliche Sicherheit des einzelnen in Frage stellen. Es wird auch nicht gesehen, daß die moderne Gesellschaft durch einen Kampf um Anerkennimg bestimmt ist, der zu einem Kampf auf Leben und Tod werden kann. In dem Gelingen oder Mißlingen dieses Anerkennungsprozesses kann das Schicksal der modernen Gesellschaft gesehen werden. Das Programm einer negativen Dialektik bei ADORNO und das auf die Möglichkeiten zur Überwindung von Entzweiung reflektierende Denken des jungen Hegel entsprechen sich auch in ihrer Beurteilung des Ästhetischen. Hegel erkennt in der Begegnung mit HöLDERLIN in Frankfurt in dem Schönen der Kunst das wahre Sein, die Einheit der Gegensätze. Im Schönen der Kunst wird jene Positivität der Einigkeit des Lebens vorgestellt, die es in der Negativität der Geschichte nicht gibt. In Jena erkennt Hegel, daß das Schöne der Kunst und die Überwindung der Endlichkeit

Einleitung

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in der religiösen Erhebung mit dem Nihilismus der modernen Philosophie und Kultur, mit deren Entfremdung vermittelt werden muß. Während Hegel am Anfang der Jenaer Zeit in der durch F. H. JACOBI entfachten Nihilismusdiskussion Partei ergreift, sucht er in der Phänomenologie durch die Ausarbeitung einer eigenen Dialektik der Entfremdung einen Weg für die Überwindung der Entfremdung der modernen Gesellschaft zu weisen. Mit der Jenaer Zeit ist aber auch die Entstehung jenes spekulativen Denkens verbtmden, das im schärfsten Kontrast zur negativen EHalektik ADORNOS steht. Negativität wird bereits am Anfang der Jenaer Zeit von der Möglichkeit der Überwindung von Entzweitmg im spekulativen Denken her gedacht. Dieser Begriff spekulativen Denkens hat Hegel gleichwohl nicht daran gehindert, eine praktische Philosophie auszuarbeiten. ADORNOS negative EHalektik droht hingegen einer Entpolitisierimg des Denkens zu verfallen einer einseitig ästhetischen Analyse der Logik des Zerfalls. Sollte sich Hegels spekulativer Begriff der Negativität als unzureichend erweisen, so bleibt doch gegenüber ADORNO die Frage nach den Möglichkeiten der Selbstreflexion der Vernunft und zur Überwindung von Entzweiung in der Gesellschaft durch vernünftiges Hcmdeln bestehen. Es müßte dann geklärt werden, welchen Anteil philosophische Reflexion bei der Auflösxmg des geschlossenen Systems gesellschaftlicher Verhältnisse besitzt. Das Problem von Negation und Negativität gewinnt auch für heutige Sozialforschung an Bedeutung. N. LUHMANN versteht Gesellschaft als „dasjenige Sozialsystem, das mit seinen Grenzen unbestimmte, nichtmanipulierbare Komplexität ausgrenzt und damit die Möglichkeiten vorstrukturiert, die in der Gesellschaft ergriffen und realisiert werden können" Jede Gesellschaft hat sich auf einen bestimmten Bereich von Möglichkeiten zu beschränken, um sich in einer bestimmten geschichtlichen Situation zu behaupten und weiterzuentwickeln. Gesellschaft läßt sich somit mit einem Individuum vergleichen, das zu seiner Selbstverwirklichung bestimmte Möglichkeiten verwirft, andere ergreift. Insofern tritt auch im gesellschaftlichen Bereich in der Ausgrenzung „unbestimmter Komplexität" eine Negation auf. Im Verlaufe der geschichtlichen Entwicklung der Gesellschaft kann sich zeigen, daß aufgnmd der gewandelten geschichtlichen Konstellation frühere Negationen bestimmter Möglichkeiten negiert werden müssen. Zu einem späteren Zeitpunkt können Möglichkeiten verwirklicht werden, die zu einem früheren Zeitpunkt verworfen wurden. Ein Höchstmaß an Selbstverwirklichung der einzelnen Mitglieder der Gesellschaft wird dort gegeben sein, wo jedes Gesellschaftsmitglied differenziert zu negieren gelernt hat. Jede Ausgrenzung „unbestimmter Komplexität" birgt in sich

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das Risiko, zuviel oder zuwenig negiert zu haben. Die Existenz der Gesellschaft hängt somit davon ab, ob ein rechtes Verständnis der Negation der Negation vorliegt. N. LUHMANNS Analysen machen deutlich, wie sehr die Negativität der Negation praktische Bedeutung besitzt. Es stellt sich jedoch angesichts der modernen Systemtheorien die Frage, ob die Philosophie nicht von einem weiter gefaßten Verständnis der Negation der Negation ausgehen müsse. Auch für die Natur wäre das Gesetz der Negation der Negation zu untersuchen, auch in Kunst und Religion besitzt der Akt des Negierens größte Bedeutung. Darauf macht Hegel in seinen Jenaer Schriften aufmerksam. In ganz anderer Weise wird der Begriff der Negativität der Sache nach — nicht ausdrücklich — bei P. LORENZEN mit der Logik in Verbindung gebracht. LORENZEN will für die Logik den Bezug zur praktischen Vernunft des Subjekts geltend machen Seine operative Logik geht von Dialogverläufen aus, aus denen logische Regeln abgeleitet werden. Logisch richtiges Denken fordert das einzelne Subjekt auf, seine eigene, besondere Subjektivität zu überwinden. Das Festhalten an subjektiven Meinungen, an dogmatisch behaupteten Positionen verhindert logisch richtiges Denken und schließt sich aus der Gemeinschaft vernünftig denkender Menschen aus. Dieses Transsubjektivitätsprinzip kann auch als eine Rekonstruktion des kategorischen Imperativs von KANT verstanden werden, der nun neu formuliert so lautet: „Transzendiere deine Subjektivität!" ® Daß jedes Denken von einem solchen Transsubjektivitätsprinzip ausgehen muß, kann kaum in Frage gestellt werden. Der Begriff der Negativität als Transsubjektivität läuft Gefahr, tautologisch, leer zu werden. Die angesichts dieser verschiedenen Formen von Negativität auf tretenden Fragen weisen darauf hin, daß der Begriff der Negativität noch auf seine Ausarbeitung in der Hiilosophie wartet. Der Begriff der Negativität steht für eine Reihe anderer zentraler Begriffe wie: Nihilismus, Entfremdung, Negation der Negation. Zur methodischen Strenge philosophischen Denkens müßte es gehören, die Vielzahl der angesprochenen Probleme iiruner wieder auf den einen Begriff der Negativität zu beziehen.

I. Pantragismus — Panlogismus

Hegels Philosophie der Negativität am Anfang der Jenaer Zeit liegt nicht ein einheitlicher, voll ausgeführter Denkansatz zugrunde, es muß daher „in seiner dialektischen Denkform mit konkurrierenden Strömungen" gerechnet werden. Nach H. GLöCKNER kämpft Hegel mit der Ver’’

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einigung zweier Denkrichtungen, des Pantragismus und Panlogismus ®. GLöCKNER lehnt die dialektische Methode ab, weil sie als Panlogismus auftritt, anerkennt aber den metaphysischen Pantragismus und findet es konsequent, diesen bis in die Logik Hegels hinein zu verfolgen. Das Lebendigste, was Hegel gedacht hat, findet GLöCKNER im Naturrechtsaufsatz des mit SCHELLING herausgegebenen Kritischen Journals der Philosophie, er erklärt: „Diese Philosophie der Tragödie, welche das Absolute ewig mit sich selbst spielt, ist das Tiefste, was Hegel jemals gedacht hat. Sie bildet den absoluten Mittelpunkt seiner pantragisdien Weltanschauimg. Die besondere Form, in welcher sich diese pantragische Weltanschauung systematisch äußerte, war logisch-dialektisch. Der Panlogismus darf also als das Schicksal der Hegelschen Philosophie bezeichnet werden." ® In der Ausarbeitung der Logik, Metaphysik und Naturphilosophie von 1804/05 — die GLöCKNER noch auf das Jahr 1802 datiert , verfällt Hegel dem Schicksal des Panlogismus In der Phänomenologie tritt Hegel „noch einmal aus dem dialektischen Denkzwang, der schon große Macht über ihn gewonnen hatte," heraus. Die Vorrede der Phänomenologie versteht GLöCKNER als eine „nachgeborene letzte Kritische Journal-Abhandlung" Hegels Kritik der Reflexionsphilosophie in der Vorrede ist tiefer als die Durchführung seiner dialektischen Methode. In der Phänomenologie stellt Hegel eine Einheit von Pantragismus und Panlogismus her, es siegt jedoch der Panlogismus GLöCKNER unterscheidet scharf zwischen dem Hegel der Frankfurter Niederschriften, der Jenaer Journalaufsätze, der Phänomenologie einerseits und dem Hegel des Systems anderseits Der Hegel des Systems setzt sich bereits in den Jenaer Systementwürfen durch, die deshalb für GLöCKNER keine Bedeutung haben. Diese scharfe Gegenüberstellung muß als unhaltbar abgelehnt werden, da weder die Systementwürfe einfach mit dem späteren System zu identifizieren sind, noch die Phänomenologie ohne die Systementwürfe je hätte ausgearbeitet werden können. Die schroffen Gegenüberstellungen GLöCKNERS sind in dem Fehlen einer entwicklimgsgeschichtlichen Darstellung der Denkentwicklung Hegels in Jena begründet. Außerdem ist GLöCKNERS Beurteilimg der Hegelschen Philosophie auf dem Hintergrund einer bestimmten philosophiegeschichtlichen Situation zu sehen. Das Problem des Verhältnisses zwischen Rationalem und Irrationalem wurde besonders in den Jahrzehnten um den ersten Weltkrieg diskutiert. Damals erkaimte man in KANT die Vollendung und das Ende des europäischen Rationalismus. So ist es kennzeichnend für die damalige Zeit, wenn GLöCKNER besonders auf Hegels Jenenser Auseinandersetzung mit KANT eingeht, in der sich Hegel gegen den Rationalismus KANTS wendet.

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Einleitung

aber selber noch nicht seine spätere Dialektik entwickelt. Wie sein Lehrer RicacERT unterscheidet GLöCKNER zwischen Unterschied und Gegensatz, Heterothesis und Antithesis. Am Anfang der Jenaer Zeit versteht Hegel nach GLöCKNER das Negierte noch als das unterschiedene Andere, noch nicht als das schlechthin Entgegengesetzte und Ausgeschlossene. Deshalb sehe Hegel hier noch die Eigenständigkeit des Anderen, des individuellen Gegenüber. Die Verwechselung von Heterothesis und Antithesis führe zum Hegel des Systems, des Panlogismus. In der Kontroverse zwischen R. KRONER und H. RICKERT wurde ein zentraler Punkt der Hegelschen Logik diskutiert ^®. Geht man von den primären Denkstmkturen, die jedem Denkinhalt zugrunde liegen, aus, so sieht man, daß in jedem Denken etwas gedacht wird und daß dieses etwas sich in formale und materiale Elemente unterscheidet. Weiterhin wird jedes etwas durch ein anderes bestimmt. Es entsteht nun das Problem, ob das Verhältnis von etwas und anderem im Sinne eines Gegensatzes oder lediglich als Andersheit betrachtet werden muß. RICKERT vertritt die These vom heterologischen Denken, in dem das Verhältnis zwischen etwas und anderem im Sirme der Andersheit gesehen wird. KRONER erklärt dagegen, daß nur das empirische Denken heterologisch sei. Spekulatives Denken bestimme hingegen das rein logische Verhältnis von etwas und anderem als Gegensatz, in dem A in B das Andere seiner selbst erkennt und umgekehrt. Im empirischen Denken sei A lediglich nicht B und umgekehrt. In der Kontroverse zwischen KRONER und RICKERT zeigt sich, daß der Streit um das heterologische Prinzip des Denkens in einer verschiedenen Konzeption von Logik begründet ist. Bei KRONER liegt eine spekulative Logik vor, die den Bereich der formalen Logik zu übersteigen sucht. Schon KANT sah die Problematik einer solchen spekulativen Logik. KANTS Begriff der transzendentalen Verneinung impliziert jedoch, daß die Strukturierung von etwas und anderem im spekulativen Denken nur ein Ideal der reinen Vernunft darstellt Denn die transzendentale Verneinung, in der die Negation von A zugleich die Setzung von B, d. h. von Nicht-A ist, übersteigt die Grenzen des menschlichen Verstandes. Im spekulativen Denken im Sinne KRONERS würde aber gerade dies behauptet, was KANT für ein Ideal der reinen Vernunft hält, daß nämlich die Negation von A zugleich die Setzung von Nicht-A, d. h. B bedeutet. Die Kontroverse zwischen KRONER und RICKERT erweist sich für das Verständnis von Negativität deshalb von Bedeutung, weil hier eine Form des Denkens thematisiert wird, in dem die Negation selber eine konstitutive Bedeutung erhält. Wenn die Negation von A eine transzendentale Verneinung im Sinne KANTS bedeutet.

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wird durch die Negation von A zugleich B gesetzt. Hier wird im Vollzug der Negation Positivität gesetzt. Der Streit um Heterothesis und Antithesis erweist sich als Streit um das richtige Verständnis von Negativität. Denn dadurch, „daß eines sich von sich unterscheidet und in der Entgegensetzung gegen sich sich nur zu sich selber verhält" wird in der Hegelschen Logik absolute Negativität konstituiert. Weder KRONER noch RICKERT aber haben den Begriff der Negativität innerhalb einer eingehenden Interpretation der Hegelschen Wesenslogik untersucht. Nicht nur GLöCKNERS schroffe Gegenüberstellung von Rationalem und Irrationalem für den Hegel der Jenaer Jahre ist einseitig und unzureichend, sondern auch die Diskussion über Heterothesis und Antithesis, da eine eingehende Interpretation der Hegelschen JVz'ssenschaft der Logik, insbesondere der Wesenslogik, fehlt.

2. Der Begriff der Negativität schroffe Gegenüberstellung von Pantragismus und Panlogismus berücksichtigt zwar, daß für Hegel eine Einheit von Pantragismus und Panlogismus bestand — nach GLöCKNER in den Frankfurter Niederschriften und in der Phänomenologie —, aber es wird nicht deutlich, wie Hegel diese Einheit verstand. GLöCKNERS Untersuchungen fehlt eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Begriff der Negativität, durch den jene Einheit von Hegel gedacht wurde. Im Vorblick auf Hegels Analyse der Reflexionsbestimmungen in der Wesenslogik ist zu vermuten, daß der Begriff der Negativität in das Zentrum der Hegelschen Philosophie führt. Es wäre zu überlegen, ob durch den Begriff der Negativität Hegels Dialektik definiert werden könnte Man mißt dem Begriff der Negativität nur eine äußerliche, rein technische Bedeutung bei, wenn man ihn zur Terminologie operativen Charakters im Hegelschen System rechnet Die Vernachlässigung einer eingehenden Analyse des Begriffs der Negativität führt zu einseitigen Interpretationen des Hegelschen Denkens. Hegel versuchte nichts weniger, als die Grtmdvoraussetzungen abendländischen Philosophierens zu überdenken und in einer systematischen Einheit zu verbinden. In verschiedenen Interpretationen des Hegelschen Denkens wird behauptet, dieser Versuch sei mißlungen, weil eines der durchaus heterogenen Elemente verabsolutiert wurde. Während J. HABERMAS den Vorwurf erhebt, Hegel opfere dem Weltgeist das einzelne Individuum auf kommt M. RIEDEL zu der entgegengesetzten These, daß an die Stelle antiken Theorie- und Praxisverständnisses die neuzeitliche SubjekGLöCKNERS

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tivität getreten sei Nach J. RITTER gibt es ^,keine zweite Philosophie, die so sehr und bis in ihre innersten Antriebe hinein Philosophie der Revolution ist wie die Hegels" Für J. HABERMAS dagegen erhebt Hegel „die Revolution zum Prinzip der Philosophie um einer Philosophie willen, die als solche die Revolution überwindet" Revolution wird so zu einem Geschehen ohne Subjekt verfälscht. M. THEUNISSEN will die Schwächen dieser Interpretationen dadurch vermeiden, daß er Hegels Verwurzelung im Christentum betont. Von der von Hegel behaupteten Vernünftigkeit der bestehenden Welt könne nur dann sinnvoll ausgegangen werden, wenn die christliche Lehre von der Inkarnation vorausgesetzt wird: „Daß Hegel eine mittelbar praktisch werdende, ja vermöge ihrer Interessiertheit in sich schon praktische Theorie entwerfen und gleichzeitig an einer abstrakt reinen, angeblich interesselosen festhalten kann, läßt sich wohl kaum anders als aus seiner Projektion der göttlichen Versöhnungswirklichkeit auf die bestehenden Gesellschaftsverhältnisse verstehen." Bei diesen verschiedenen Interpretationen spielt der Begriff der Negativität nur eine untergeordnete Rolle. Erst D. HENRICH hat in seinen Interpretationen der Hegelschen Wissenschaft der Logik auf die Bedeutung des Begriffs der Negativität aufmerksam gemacht Es lassen sich nach HENRICH verschiedene Typen von Negation und Negativität unterscheiden, die Hegel miteinander konfundiert hat. Der dadurch entstandene neue Negationssinn läßt sich als Konglomerat der verschiedenen Formen von Negativität rekonstruieren. Um die von HENRICH analysierten Formen von Negativität, die Hegel in der Wissenschaft der Logik nicht klar voneinander geschieden hat, besser unterscheiden zu können, ist es besonders nützlich, die Herausarbeitung der Formen von Negativität in den Jenaer Schriften zu verfolgen. Hegel hat ja auch der Wissenschaft der Logik seine Phänomenologie als Einleitung vorausgeschickt, so daß die Phänomenologie der Hegelschen Intention nach der Ort sein muß, wo die verschiedenen, noch gesondert auftretenden Negationssinne entwickelt werden. — Der Begriff der Negativität erhält bereits zu Beginn der Begründung systematischen Philosophierens, am Anfang der Jenaer Zeit, für Hegel zentrale Bedeutung. Hegel sucht solche heterogenen Elemente wie griechisches Theorieverständnis, christliche Inkarnationslehre und neuzeitliche Transzendentalphilosophie im Begriff der absoluten Negativität zusammenzudenken. Am Ende der Jenaer Zeit zeigt sich, daß dieser Versuch identisch ist mit der Ausarbeitung einer spekulativen Logik. Eine Interpretation der Jenaer Schriften hat somit von der Sache her eine eingehende Analyse des Begriffs der Negativität zum Gegenstand. Eine Interpretation, die nur Hegels Philosophie des Sittlichen oder seine Theorie des subjektiven Gei-

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stes, seine Religions- oder Revolutionsphilosophie untersucht, läuft Gefahr, nicht in die Mitte des Hegelschen Denkens vorzudringen. Aus zwei sachlichen Gründen ist somit eine Auseinandersetzung mit dem Begriff der Negativität in den Jenaer Schriften erforderlich. Erstens stellt der Begriff der Negativität einen Zentralbegriff des Hegelschen Denkens in Jena dar. Zweitens treten die verschiedenen Formen von Negativität in den Jenaer Schriften noch gesondert auf und können deshalb besser als in der Wissenschaft der Logik voneinander unterschieden werden. Außerdem kann die Analyse des Begriffs der Negativität in den Jenaer Schriften auf eine Form von Negativität eingehen, die in der Logik notwendig wegfallen oder doch sehr zurück treten muß, nämlich die Negativität der Entfremdung in Geschichte und Gesellschaft. Die Darstellung solcher konkreter Formen von Negativität kann möglicherweise auch dann ihre Gültigkeit behalten, wenn der Wahrheitsgehalt der Negationsformen, die die Logik primär bestimmen, bestritten werden muß.

3. Zum methodischen Vorgehen der Arbeit Da der Begriff der Negativität in den Jenaer Schriften im Zusammenhang konkreter Ausarbeitungen realphilosophischer Themen erscheint und Hegel selber in der Phänomenologie auf eine phänomenologische Darstellung des Begriffs der Negativität Wert gelegt hat, kann dieser Begriff nur zureichend diskutiert werden, wenn man auf die Philosophie des Sittlichen, des subjektiven Geistes, der Religion eingeht. Es gibt eben in der Jenaer Zeit noch keine Logik, in der die verschiedenen Formen von Negativität zusammen auftreten, so daß sich eine Analyse des Begriffs der Negativität auf eine Interpretation der Logik beschränken könnte. Hegel entwirft während der Jenaer Zeit experimentierend sein zukünftiges System. Es wird daher der besondere Stellenwert der einzelnen Schriften innerhalb der Denkentwicklung Hegels in Jena zu berücksichtigen sein. Es ist somit nicht nur allgemein zwischen den verschiedenen Formen von Negativität, sondern auch zwischen dem Begriff der Negativität am Anfang und am Ende der Jenaer Zeit zu unterscheiden. Dieses entwicklungsgeschichtlich orientierte Denken ermöglicht eine differenzierte Beurteilung des Hegelschen Denkens in Jena. Dadurch verkompliziert sich einerseits die Analyse des Begriffs der Negativität, anderseits ergeben sich interessante Gegenüberstellungen, da ein und derselbe Begriff zu verschiedenen Zeiten verschieden gedacht wurde. Hegel selber aber hat nicht klar die Unterschiede zwischen seinem Systemansatz am Anfang und am Ende der

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Einleitung

Jenaer Zeit angegeben. Er hat ebenfalls nicht klar die verschiedenen Formen von Negativität benannt. Es bedarf der Anstrengung der Interpretation, diese Unterschiede herauszuheben. Ein solches Unternehmen unterliegt leicht dem Verdacht, zu groß projektiert zu sein. Indessen ist innerhalb der neuen kritischen Gesamtausgabe der Werke Hegels die Editionsarbeit an den Jenaer Schriften so weit zum Abschluß gekommen, daß auf die bereits geleistete editorische Arbeit aufgebaut werden karm. Im Zuge, aber auch außerhalb der editorischen Arbeit an den Jenaer Schriften sind mehrere Einzeluntersuchungen erschienen, die die philosophische Interpretation des Textmaterials vorangetrieben haben. An zwei Stellen u. a. wies die bisherige philosophische Interpretation der Jenaer Schriften Lücken auf, die in dieser Arbeit durch eingehende Interpretationen ausgefüllt werden mußten. Abgesehen von einem Aufsatz von O. PöGGELER ist die Bedeutung der damaligen Nihilismusdiskussion für den Hegel der ersten Jenaer Jahre in der Literatur nicht erkannt worden. Die zweite Lücke betrifft die noch nicht zu einem befriedigenden Abschluß gekommene Interpretation der Phänomenologie. Diese Lücke konnte in dieser Arbeit wohl nur teilweise geschlossen, sie kann erst durch einen detaillierten Kommentar beseitigt werden. Der von R. EUCKEN angeregten begriffsgeschichtlichen Forschung ist die Einsicht zu verdanken, daß philosophische Probleme im Rahmen einer bestimmten, geschichtlich bedingten Begriffssprache zu betrachten sind. In unserem Fall wird besonders deutlich, daß das begriffsgeschichtliche Interesse in keinem Gegensatz zur problemgeschichtlichen oder ideengeschichtlichen Forschung stehen kann

ERSTER TEIL: DER SYSTEMANSATZ DER ERSTEN JENAER JAHRE

I. DER TOD GOTTES, DIE GRIECHISCHE TRAGÖDIE UND DAS ABSOLUTE NICHTS Hegel denkt am Anfang der Jenaer Zeit das Wesen von Negativität aus dem einheitlichen Grund, der der Erfahrung des Todes Gottes in der Neuzeit, des Tragischen und des absoluten Nichts zugrunde liegt. Philosophie fordert zur Aufgabe aller endlichen Positionen des Denkens auf. Es gibt keinen Bereich des menschlichen Daseins, der nicht in die Abgründigkeit des Absoluten hineinragte, der nicht von einer grundlegenden Zweideutigkeit und Ungewißheit umfangen wäre. Die Erfahrungen der Bedrohtheit von Freiheit fordern den Menschen dazu auf, sein bisheriges Verständnis von Freiheit neu zu bedenken. Eine Freiheit, die ihre eigene Bedrohtheit übersehen will, kann wie im Candide von VOLTAIRE nur immer verzweifelt die These von LEIBNIZ wiederholen, daß diese Welt die beste aller möglichen Welten sei Der Blick für die Negativität der Welt ermöglicht hingegen ein je neues Verständnis des Absoluten. Es zeigt sich, daß das Absolute jede Vorstellung von sich negiert, daß es die Negation jedes endlichen Begriffs ist. MEISTER ECKHART, den Hegel nach dem Bericht von K. ROSENKRANZ in Bern exzerpiert hat (vgl. Ros 102) versteht deshalb Gott als das Nichts, wie vor ihm sdion der Neuplatoniker SCOTUS ERIUGENA ECKHART versucht, dieses Nichts Gottes in den mystischen Bildern der Finsternis, der Wüste und des Abgrunds zu erfassen Hegel unterscheidet sich von den christlichen Mystikern dadurch, daß er die Erkermtnis des Absoluten als Nichts für die eigenste Aufgabe der Philosophie — nicht der Religion — hält. Wenn Philosophie aber die Analyse der Erfahrung des Nichts nicht der Religion überlassen will, hat sie in einer kritischen Reflexion auf ihre eigene Geschichte sich auf die Möglichkeit und den Sinn einer solchen Erfahrung zu besinnen. Bedeutet das Nichts vielleicht einfach das Resultat eines Skeptizismus im

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Erster Teil; Systemansatz der ersten Jenaer Jahre

Sinne des GORGIAS VON LEONTINOI Ist die Erfahrung des Nichts nur ein Ausdruck des Wissens um die Teilhabe alles Seienden am Verschiedenen wie im Sophistes oder um die Nichtigkeit der Materie wie bei PLOTIN ®? Oder bedeutet Nichts jene Leere, in die nach DUNS SCOTUS die Schöpfung jederzeit zurücksinken kann, wenn es ihr Schöpfer — der sie aus dem Nichts erschaffen hat — will? Die menschliche Seele verdankt ihre Existenz der freien Tat Gottes, sie ist also nicht notwendig und kann deshalb von Gott wieder zerstört, annihiliert werden WILHELM VON OCKHAM radikalisiert diese These. Wie Gott jede Kreatur erschafft, weil er es so will, so kann er auch mit der Kreatur machen, was ihm gefällt. Er kann ohne irgendwelche Ungerechtigkeit den Menschen vernichten, annihilieren ®. Nach LEIBNiz ist die Schöpfung nicht so wichtig, daß Gott sich trotz ihrer Schwächen zu ihrer Vernichtung hätte entschließen können ®. Im Zusammenhang einer Erörterung des Satzes vom zureichenden Grund stellt LEIBNIZ die Frage, die als Grundfrage jeder Metaphysik gelten kann: Warum ist eher etwas als nichts ^®? Philosophie muß in ihrer Reflexion auf ihre eigene Geschichte erkennen, daß sie es seit PARMENIDES primär mit der Erkenntnis des Seins zu tun hatte, selbst wenn ihr reflexiver Charakter — wie er vor allem in der neuzeitlichen Subjektivitätsphilosophie zur Erscheinung kommt — sie mit dem dem Sein entgegengesetzten Nichts konfrontiert Deutet nicht ein solcher Mangel an Tradition darauf hin, daß eine Erkenntnis des Absoluten als Nichts unmöglich ist und in die Irre führt? Die Gespräche mit HöLDERLIN in Frankfurt gaben Hegel wohl den entscheidenden Anstoß, sich mit dem tragischen Denken der Griechen auseinanderzusetzen In der griechischen Tragödie wird trotz des Scheiterns menschlicher Bemühungen eine Versöhnung des Menschen mit dem Absoluten behauptet. Der Untergang des Helden macht die Erhabenheit des Göttlichen sichtbar, das im Unglück der Menschen zur rettenden Macht wird. Nicht die in sich geeinte Totalität des griechischen Volkes fasziniert hier Hegel in erster Linie, sondern die Zumutung der griechischen Götter an die Menschen, wenn sie ihren Untergang fordern. Aber es ist nicht so, daß die Götter gleichgültig dem Geschick der Menschen zusehen. Die Götter sind selber in das tragische Schicksal verstrickt. — Hegel versucht am Anfang der Jenaer Zeit das tragische Denken der Griechen zu erneuern, um die Tragik menschlichen Daseins überhaupt zu begreifen. Der griechische Schicksalsbegriff kann jedoch nicht einfachhin übernommen werden. Mit dem Ende Griechenlands starben auch seine Götter. Aber der spekulative Inhalt der griechischen Tragödie bleibt, denn das Absolute ist ewig ein imd dasselbe, „jede Vernunft, die sich auf sich selbst gerich-

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tet und sich erkannt hat/' hat „eine wahre Philosophie producirt, und sich die Aufgabe gelöst, welche, wie ihre Auflösung, zu allen Zeiten dieselbe ist" (GW 4. 10). — Diese Aufgabe der Philosophie, die wie ihre Auflösung zu allen Zeiten dieselbe ist, besteht weder allein in der Erkenntnis des Absoluten als Nichts, noch in der Besinnung auf das tragische Schicksal, noch in der Erfahrung des Todes Gottes, sondern in der Einheit von diesen Momenten. Aus dieser Einheit läßt sich das Wesen des Absoluten neu bestimmen, vorausgesetzt, daß es sich überhaupt einem denkerischen Zugriff öffnet.

1. Bedrohungen der Freiheit Während der Jenaer Zeit besitzt Hegels Denken einen besonderen Symbolreichtum. Es läßt sich eine „Symbolik der Bedrohung" ausmachen, der eine „Metaphysik der Bedrohung" zugrunde liegt So vergleicht Hegel in Glauben und Wissen das Absolute mit einem Heereszug, der sich nicht durch abmahnende Winke der Reichsstadtwache aufhalten läßt. Durch die Bilder des Heereszuges und der Reichsstadtwache soll der Kampf JACOBIS gegen den übermächtigen Geist des SPINOZA dargestellt werden: „wenn JACOBI SO angelegentlich seine Unterschiede nicht zu vergessen ermahnt, weil durch den Vernunftbegriff, in dem kein Vorher und Nachher, sondern alles nothwendig und zugleich ist, das Unglück entstehe, daß in der höchsten Idee, in der Idee des Ewigen die Endlichkeit und Zeit und Succession verloren gehe, so gleicht wahrhaftig ein solches Abmahnen dem bekannten Winken der ehrlichen Reichsstadtwache, die dem anrückenden und Feuer gebenden Feinde zurief, nicht zu schießen, weil es Unglück geben könnte, — als ob ein solches Unglück es nicht gerade wäre, worauf man ausginge" (GW 4. 353). Das Bild des Heeres verbindet sich in der Realphilosophie von 1805l06 mit dem der Wasserflut, wenn das Benehmen des Kriegsdienste leistenden Bauernstandes beschrieben wird (vgl. Real 255). Hier ist allerdings ganz konkret von Krieg und Verwüstung die Rede, der Bereich des nur Bildhaften verschwindet angesichts des unmittelbaren Erlebnisses von Gewalt. — Verbrechen und Krieg können als sinnlose Verwüstimg, als Lust an der Zerstörung auf treten: „In ihrer größten Pracht tritt die Verwüstung im Morgenlande auf, und ein CINGISKAN, TAMERLAN, kehren als die Besen Gottes ganze Weltteile völlig rein . . . Der Fanatismus des Verwüstens ist, weil er absolutes Element ist, und die Form der Natur annimmt, nach außen unüberwindlich" (SdS 42 f). Eine nüchterne Geschichtsbetrachtung

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muß konstatieren, daß „in dem Menschengeschlecht das Bilden mit dem Zerstören" abwechselt. Trotz der Negativität der Geschichte glaubt Hegel an Möglichkeiten der Überwindung der nackten Gewalt. Es scheint, daß der Fanatismus des Verwüstens unüberwindlich ist, „aber er hat, wie die Negation überhaupt, seine Negation in sich" (SdS 43). Die absolute Verwüstung läßt in sich „die Unruhe der Unendlichkeit des absoluten Begriffs", „das Realsein der absoluten Subjektivität" erscheinen. Offenbar verbirgt sich im Phänomen des Todes noch eine andere Dimension. Gewalt und Verwüstung können im Krieg in einem ganz bestimmten Sinn auch zur Erscheinung von Freiheit werden. Unberechenbares Auftreten von Zerstörung und Gewalt bestimmt auch die Gesellschaft, die durch ein ausgeklügeltes Vertrags- und Rechtssystem das Eigentum des einzelnen sichern will: „Der sittliche Trieb ... muß .. . das bestehende in die formale und negative Absolutheit des Rechts verwandeln, und dadurch seiner Angst die Meynung von Festigkeit für seinen Besitz geben, seine Habseligkeiten durch Tractate und Verträge und alle erdenklichen Verklausulirungen zu etwas sicherem und gewissem erheben ... — aber, wie unterirdische Geister bey dem Dichter, die Pflanzungen, die sie in den höllischen Wüsteneyen anlegten, vom nächsten Sturmwinde weggefegt sahen, so durch die nächste Umwendung oder gar Emporrichtung des Erdengeistes, halbe und ganze Wissenschaften weggeschwemmt ... und im wissenschaftlichen wie in der Wirklichkeit die wohlerworbendsten und versichertsten Besitzungen von Grundsätzen und Rechten verheert sehen" (GW 4. 461). Hegel gibt in der Jenaer Zeit ausführliche Darstellungen der Negativität der modernen, neuzeitlichen Gesellschaft. Die spekulative Philosophie muß sich der Bedrohung der Freiheit durch die Entzweiung der modernen Gesellschaft stellen. — Eine besonders ernst zu nehmende Bedrohung der Freiheit stellt die Vereinseitigung des Denkens dar. Am Anfang der Jenaer Zeit reduziert Hegel Verirrungen des Denkens auf die Position des „negativ Absoluten" (GW 4. 421). Der Standpunkt des negativ Absoluten meint jenes formale Denken, das Gegensätze nur in einer relativen Identität aufhebt, nicht in einer absoluten Einheit der Gegensätze. Die Position des negativ Absoluten ist der Standpunkt des Verstandes, der noch nicht zur Vernunft gelangt ist. Die Verstandesphilosophie der Neuzeit verbleibt in DESCARTES' dualistischer Weitsicht: „Gegen die CARTEsische Philosophie nämlich, welche den allgemein um sich greifenden Dualismus in der Kultur der neuern Geschichte unserer nordwestlichen Welt, — einen Dualismus, von welchem als dem Untergange alles alten Lebens, die stillere Umänderung des öffentlichen Lebens der Menschen, so wie die lautern politischen und religiösen

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Revolutionen überhaupt nur verschiedenfarbige Außenseiten sind, — in philosophischer Form ausgesprochen hat, — mußte, wie gegen die allgemeine Kultur, die sie ausdrückt, jede Seite der lebendigen Natur, so auch die Philosophie, Rettungsmittel suchen" (GW 4. 126). Die neuzeitliche Philosophie hat die Entzweiung der neueren Geschichte nur verewigt. Die gesamte neuzeitliche Kultur setzt sich dem eigenen Untergang aus, wenn sie in diesem Dualismus verharrt. Das Verharren in der Entzweiung bedeutet eine Abspaltung von der Totalität des Lebens. „Krankheit und der Anfang des Todes" ist vorhanden, „wenn ein Theil sich selbst organisirt, und sich der Herrschaft des Ganzen entzieht" {GW 4. 476). Die Vereinzelung des Teils gegenüber dem Ganzen des Lebens ist als Verbleiben in der Endlichkeit zu bezeichnen und führt zu derjenigen erkenntnistheoretischen Position, die die Möglichkeit einer Erkenntnis des Absoluten leugnet. Dadurch ist das „Nichtsseyn der Aufklärung" zum System geworden: „was sonst für den Tod der Philosophie galt, daß die Vernunft auf ihr Seyn im Absoluten Verzicht thun sollte .. ., wurde nunmehr der höchste Punct der Philosophie" {GW 4. 316). Die Kritik, deren sich die wahre Philosophie zu ihrer Verteidigung bedient, braucht nur noch die letzten Verbindungen der „Unphilosophie" zur wahren Philosophie abzuschneiden, um jene verdorren zu lassen: „Während einiges von dem, was sich jetzt für Philosophie ausgiebt, sich selbst durch sich selbst von ihr abgeschlossen und völlig getrennt hat, und von andern Beschränktheiten, die sich geltend machen wollten, eine nach der andern von selbst abfällt, werden die wenigen welche noch durch einen schwachen Zufluß von der Philosophie aus, den sie durch falsche Canäle sich zu machen gesucht hatten, ihr Leben fristen, unfehlbar verdorren und absterben sobald diese letzte Hülfe ihnen abgeschnitten ist" {GW 4. 503 f, vgl. 4. 9). Das kritische Geschäft der Philosophie darf vor diesem Henkersdienst nicht zurückscheuen. SOKRATES übernahm diese Aufgabe für die alt werdende griechische Kultur (vgl. GW 4. 460). Er verkündete ein neues Prinzip, die Bedeutung des einzelnen Subjekts gegenüber der Allgemeinheit der Polis, und versetzte damit einer alt gewordenen Kultur den Todesstoß.

2.

Die Tragödie im Sittlichen

In Frankfurt gewann Hegel durch die griechische Tragödie einen neuen Zugang zur Botschaft des Neuen Testaments. Während in Bern das Lehen Jesu JESUS noch als einen Lehrer der Moral dargestellt hatte, erkannte

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Erster Teil; Systemansatz der ersten Jenaer Jahre

Hegel in Frankfurt JESUS als Überwinder der KANxischen und jüdischen Gesetzesreligion. Weil JESUS sich außerhalb des jüdischen Gesetzes stellt, entflieht er der Wirklichkeit als eine schöne Seele (vgl. N 285ff, 327ff). Das jüdische Gesetz wird jedoch zu seinem Schicksal und führt seinen Untergang herbei : JESUS stirbt durch das Gesetz der Juden. Die Tragödie JESU öffnet Hegel den Sinn aller Tragik Das Schicksal JESU entspricht dem Schicksalsbegriff der griechischen Tragödie, es steht dem jüdischen Schicksal, das keine Aussöhnung kennt, nicht einfach gegenüber, sondern bedeutet die Aussöhnung des griechischen Schicksals mit dem jüdischen In der Tragödie JESU bildet das jüdische Schicksal einen Teil der Tragödie. Indem JESUS das Schicksal der Juden zu seinem gemacht hat, überwindet er es kraft seines Opfers Von Schicksal spricht Hegel in Jena in den verschiedensten Zusammenhängen. So erklärt er kurz vor seiner Übersiedlung nach Jena in einem Brief an SCHELLING, daß er auch das Schicksal ehren und von dessen Gunst sein Zusammentreffen mit SCHELLING in Jena abhängig machen wolle (vgl. Briefe 1, 60). Hier meint Hegel das Schicksal im griechischen Sinn. Diesen Schicksalsbegriff spricht er ebenfalls in seinen Habilitationsthesen an, wenn er fordert, daß die Moralphilosophie das Schicksal ehren müsse (vgl. Ros 159). In dem entgegengesetzten,Sinn wird der Schicksalsbegriff gebraucht, wenn von dem Schicksal einer Zeit geredet wird; „Die Frage gehört der Philosophie an, ob ... die Spekulation in ihrer grösten Entfernung vom gemeinen Menschenverstände und seinem Fixiren Entgegengesetzter, nicht dem Schicksal ihrer Zeit unterlegen ist, eine Form des Absoluten, also ein seinem Wesen nach entgegengesetztes absolut gesetzt zu haben" (GW 4. 22). In diesem Sinne wäre z. B. der Grund dafür, daß die Philosophie KANTS sich dem vermeintlichen Schicksal der Endlichkeit der menschlichen Vernunft unterwirft, darin zu suchen, daß sie dem Schicksal ihrer Zeit unterlegen ist. Die Partikularität einer Zeit wird zur Allgemeinheit erhoben und tritt mit dem Anspruch des wahrhaft Allgemeinen auf. Aber es würde den Tod spekulativer Vernunft bedeuten, „sich dem, was vom Schicksal mit dem Siege und der Allgemeinheit gekrönt würde, zu unterwerfen" (GW 4. 198). Dieses Schicksal vertritt eine falsche Allgemeinheit, es ist blind (vgl. SdS 81). Für die Realphilosophie von 1805/06 bedeutet Schicksal das, was nicht gewußt werden kann. Das Schicksal meint eine leere Notwendigkeit, man weiß nicht, „was sein Gesetz, sein Inhalt" ist, „was es will" (Real 186 Anm. 1). In der griechischen Tragödie, wie sie Hegel am Anfang der Jenaer Zeit sieht, treten das wahre Schicksal und das Schicksal der Endlichkeit einander gegenüber. In der griechischen Komödie fehlt diese ernste Gegen-

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Überstellung. Der Held erhebt sich dermaßen souverän über den Bereich der Endlichkeit, über die kleinlichen Probleme des Alltags, daß er sie nicht mehr wirklich ernst nehmen kann. Diese göttliche Komödie ist „ohne Schicksal, und ohne wahrhaften Kampf, darum daß in ihr die absolute Zuversicht und Gewißheit der Realität des Absoluten ohne Gegensatz ist" (GW 4. 459 f) Mit den „aufkeimenden Individualisirungen", wie sie in der Gestalt des SOKRATES offenbar werden, verschwindet das heitere Spiel der griechischen Komödie, nun erhält der einzelne, das Besondere, eine größere Bedeutung. Der Bereich der Alltäglichkeit des Lebens fordert sein Recht auf Anerkennung, die ihm in der neuzeitlichen Komödie in reichem Maße gewährt wird. Diese Anerkennung geschieht auf Kosten des Sittlichen. Hier wird über den endlosen Einzelheiten des Belanglosen das wahrhaft Sittliche vergessen, „denn es ist nicht die bewußte absolute sittliche Natur, die in dieser Komödie spielt" (GW 4. 461). Weder der griechischen noch der modernen Komödie gelingt es also, das fremde Schicksal dem aussöhnenden ernsthaft gegenüberzustellen: „Die Komödie trennt die zwey Zonen des sittlichen so von einander ab, daß sie jede rein für sich gewähren läßt, daß in der einen die Gegensätze und das Endliche ein wesenloser Schatten, in der andern aber das Absolute eine Täuschung ist; das wahrhafte und absolute Verhältniß aber ist, daß die eine im Ernste in die andere scheint, jede mit der andern in leibhafter Beziehung und daß sie füreinander gegenseitig das ernste Schicksal sind; das absolute Verhältniß ist also im Trauerspiel aufgestellt". Anhand einer Analyse der Orestie des AISCHYLOS versucht Hegel sein Verständnis der griechischen Tragödie zu entfalten. In der Orestie schützt APOLLO OREST, den Muttermörder, gegen die Erinnyen. Die Polis muß sowohl die Erinnyen als auch OREST anerkennen. Denn im Auftrag des Gottes APOLLO rächte OREST den Mord an seinem Vater, er tötete seine Mutter. Die Erinnyen sind ebenfalls im Recht, da sie den Muttermord strafen müssen. ATHENE, die Göttin der Polis, muß daher beiden Parteien ihr Recht widerfahren lassen. Hier tritt Schicksal gegen Schicksal auf, das Schicksal, das zur Rache an der Mutter führte, und das Schicksal, das Bestrafung des Muttermörders befahl. ATHENE spricht OREST frei, den Erinnyen aber wird unten in der Stadt Athen ein Altar errichtet, „so daß ihre wilde Natur des Anschauens der . .. auf der Burg hoch thronenden ATHENE genösse, und hiedurch beruhigt wäre" (GW 4. 459). — Das Geschehen der griechischen Tragödie führt nicht abgetrennt vom Leben der Griechen ein eigenes Dasein, vielmehr ereignet es sich in der Polis. Die griechische Tragödie ist in Wahrheit die „Tragödie im sittlichen" (GW 4. 458), sie repräsentiert das Schicksal des Volkes. Die Gegenüberstellung von frem-

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dem und aussöhnendem Schicksal findet also im sittlichen Leben des Volkes statt. Hegel unterscheidet im Naturrechtsaufsatz zwei Stände, den Stand der Freien und den Stand der Nicht-Freien (vgl. GW 4. 455). Der erste Stand hat nach PLATON die Aufgabe, die Regierungsgeschäfte zu übernehmen und gleichzeitig zu philosophieren. Der zweite Stand, der Sklavenstand, verhilft zur Befriedigung der leiblichen Bedürfnisse Im römischen Reich wurden beide Stände auf eine Stufe gestellt, d. h. „in dieser Vermischung unter dem Gesetz der formalen Einheit ist in Wahrheit der erste Stand ganz aufgehoben, und der zweyte zum alleinigen Volk gemacht" (CW 4. 456). Mit der Emanzipation des zweiten Standes im römischen Reich ist der einzelne zum Bürger, „bourgeois" (GW 4. 458) geworden. In der Tragödie im Sittlichen soll eine Aussöhnung zwischen dem ersten Stand der Freien und dem zum Bürgerstand avancierten Stand der Nicht-Freien stattfinden. Der eine Stand vertritt die Belange des Absoluten, der andere die Belange der Endlichkeit. Der Stand der Freien repräsentiert gleichsam die göttliche Natur des Volkes, der zweite Stand hingegen die menschliche Natur des Volksganzen. Der eine Bereich des Sittlichen wird mit dem anderen dadurch ausgesöhnt, daß der erste Stand sich für die Totalität des Volkes aufopfert, in den Krieg zieht und für sein Volk stirbt. Durch sein Opfer befreit der erste Stand den zweiten von seiner Endlichkeit. Der zweite Stand erhält wie die Erinnyen als Eumeniden seinen begrenzten Platz im Ganzen. Hier im Sittlichen vollendet sich das Geschehen der griechischen Tragödie. Jeder Seite wird ihr Recht zuteil. Die Einheit stiftende Tat besteht in dem Opfer des ersten Standes. An diesem Opfer hat auch das Absolute teil: „Es ist dieß nichts anders als die Aufführung der Tragödie im sittlichen, welche das Absolute ewig mit sich selbst spielt, daß es sich ewig in die Objectivität gebiert, in dieser seiner Gestalt hiemit sich dem Leiden und dem Tode übergibt, und sich aus seiner Asche in die Herrlichkeit erhebt" (GW 4. 458 f, vgl. 4. 454). Diese Darstellung der griechischen Tragödie unterscheidet deutlich zwischen zwei Formen des Schicksals, denen zwei Weisen des Todes entsprechen. Dieser Unterscheidung entspricht der zwischen organischer und unorganischer Natur (vgl. GW 4. 458 f). Das eine Phänomen des Todes bedeutet einmal Bedrohung der Freiheit, zum andern Erscheinung von Freiheit. PLATON, auf den sich Hegel am Anfang der Jenaer Zeit mehrfach beruft, versteht das Leben als Einübung zum Tod. Der wahre Philosoph sehnt sich danach zu sterben, während den übrigen Menschen diese Sehnsucht verborgen bleibt. Der Tod befreit vom Leib und ermöglicht die Erkenntnis des unvergänglichen Seienden Dieses PLATONische Verständnis des Todes, das Hegels Darstellung der griechischen Tragödie zugrunde

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liegt, ermöglicht überhaupt erst eine positive Sicht des Todes. Aber nicht nur PLATON, sondern auch das Christentum ermöglicht Hegel, im Tod und damit im tragischen Geschehen einen positiven Sinn zu erkennen. Die Tragödie im Sittlichen bedeutet Tod und Auferstehung Gottes. Hegel spielt hier auf die christliche Inkamationslehre an. Insbesondere kann er sich auf die Zweinaturenlehre der Christologie beziehen, derzufolge in CHRISTUS eine Einheit von menschlicher und göttlicher Natur besteht. Am Ende von Glauben und Wissen fordert er als Antwort auf die Subjektivitätsphilosophien KANTS, JACOBIS und FICHTES dazu auf, das historische Datum des Karfreitags spekulativ zu begreifen: „Der reine Begriff aber, oder die Unendlichkeit, als der Abgrund des Nichts, worinn alles Seyn versinkt, muß den unendlichen Schmerz, der vorher nur in der Bildung geschichtlich und als das Gefühl war, worauf die Religion der neuen Zeit beruht, das Gefühl: Gott selbst ist todt ... rein als Moment, aber auch nicht als mehr denn als Moment, der höchsten Idee bezeichnen" (GW 4. 413 f) Das Absolute muß aufgmnd der Entzweiung der neuzeitlichen Kultur als Abgrund des Nichts verstanden werden. Die Religion der neuen Zeit drückt auf ihre Weise die Erfahrung der Entzweiung aus, in dem Gefühl, daß Gott tot ist. Dieses Gefühl wird von der Philosophie als Zeichen dafür verstanden, daß die neuzeitliche Kultur sich absolut entzweit hat, welche Entzweiung zugleich die Chance für die Entstehung spekulativen Denkens ist. Dadurch daß die Tragödie im Sittlichen im Zusammenhang mit dem spekulativen Karfreitag und seinem Abgmnd des Nichts zu deuten ist, ist klar der Rahmen der griechischen Tragödie verlassen. Es liegt ein Begriff von Entzweiung vor, der auf dem Boden der griechischen Polis überhaupt noch nicht gedacht werden konnte. Das Griechische wird aber auch nicht zugunsten des Christlichen aufgegeben, denn der historische Karfreitag ist spekulativ, d. h. als ein Moment — und nicht mehr als ein Moment — der höchsten Idee zu begreifen. Hegel argumentiert von einem spekulativen Standpunkt aus, der nicht einfach auf den des tragischen Denkens der Griechen oder auf den christlichen Standpunkt zu reduzieren ist. Anderseits weiß Hegel seinen eigenen Standpunkt nur in kritischer Übernahme jener Positionen zu bestimmen.

3. Das Absolute als Nacht, Nichts und Abgrund Am Anfang der Differenzschrift erklärt Hegel: „das Absolute ist die Nacht, und das Licht jünger als sie, und der Unterschied beyder, so wie

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das Heraustreten des Lichts aus der Nacht, eine absolute Differenz; — das Nichts das Erste, woraus alles Seyn, alle Mannichfaltigkeit des Endlichen hervorgegangen ist" {GW 4. 16) Diese Stelle markiert deutlich die Gegenposition zu Hegels Frankfurter Fragment über Glauben und Sein (vgl. N 382—385). Sein wird hier allerdings im Unterschied zum Frankfurter Fragment nicht als absolutes Sein, sondern als Mannigfaltigkeit des Endlichen verstanden. Auch geht es in der Differenzschrift nach wie vor um die Vereinigung von Entgegengesetzten, um die Aufhebung der Antinomie (vgl. N 382; GW 4. 24). Der Unterschied zum Frankfurter Fragment besteht darin, daß Hegel am Anfang der Jenaer Zeit die Vereinigung von Entgegengesetzten radikal von der Entzweiung aus zu denken versucht. So ist auch zu dieser Zeit sein Grundwort nicht Liebe — wie im Frankfurter Fragment über Liebe (vgl. N 378—382) —, sondern Tod. Dieser andere Ansatz seines Denkens bringt ihn nicht unbedingt in einen Widerspruch zu seinen Frankfurter Entwürfen. Es könnte sich ja zeigen, daß Sein und Nichts dasselbe sind. Damit eine solche Identität sich möglicherweise herausstellen kann, muß zuvor die Position des Nichts in aller Konsequenz behauptet werden. — Wenn das Nichts das Erste ist, aus dem alles Sein hervorgegangen ist, dann besteht die Aufgabe der Philosophie darin, „diese Voraussetzungen zu vereinen, das Seyn in das Nichtseyn — als Werden, die Entzweyung in das Absolute — als seine Erscheinung, — das Endliche in das Unendliche — als Leben zu setzen" (GW 4. 16). Das Nichts des Absoluten begründet durch die Vereinigung von Sein und Nichtsein im Werden Leben. Damit aus dem Nichts Werden und Leben hervorgehen kann, bedarf das Nichts wiederum des Seins. Wie aber können Sein und Nichts vereinigt werden, wenn alles Sein im Abgrund des Nichts versinkt (vgl. GW 4. 413)? Der sich hier auf tuenden Aporetik des Systemansatzes der ersten Jenaer Jahre ist im folgenden nachzugehen. Dabei ist immer wieder daran zu erinnern, daß der positive Ausgangspunkt dieses Systemansatzes die Konzeption einer Tragödie im Sittlichen ist. Stellt dieser Ausgangspunkt aber eine ausreichende Begründung dafür dar, das Absolute als Nichts, Nacht und Abgrund zu bestimmen, aus dem Werden und Leben hervorgehen? Diese Begriffe rein metaphorisch zu nehmen, verbietet sich ebenso wie eine rein ästhetische Beurteilung der Tragödie im Sittlichen. Daß aus der Erfahrung des Tragischen, des Todes die Erfahrung des Nichts hervorgehen kann, scheint weniger problematisch zu sein als die These, daß die Erfahrung des Nichts zu Leben führt. Sicherlich wird eine solche These verständlich, wenn man sich auf den Boden des Christentums begibt. Der Tod Gottes führt zur Auferstehung, zu neuem Leben. Am Anfang der

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Jenaer Zeit will Hegel jedoch philosophisch begreifen. So soll der historische Karfreitag begriffen und dadurch in seiner ganzen Härte wiederhergestellt werden. Die Religion kann wohl der Philosophie die „Idee der absoluten Freyheit" {GW 4. 414) geben, aber allein die Philosophie kann sie begründen. Philosophie kann sich also nicht auf Religion berufen, wenn sie behauptet, daß aus dem Nichts Leben hervorgeht. Ebensowenig kann sich Philosophie auf die in der griechischen Tragödie geleistete Versöhnung von Entzweiung berufen. Denn der Rahmen der griechischen Tragödie ist durch den Begriff absoluter Entzweiung, der der Konzeption einer Tragödie im Sittlichen zugrunde liegt, bereits verlassen. Dies kommt einmal darin zum Ausdruck, daß die Darstellung der Tragödie im Sittlichen bereits auf die christliche Inkarnationslehre verweist, zum andern, daß es nicht mehr um eine Aussöhnung des Standes der Freien mit dem der Nicht-Freien im PLATONisch-ARisxoxELischen Sinn geht, sondern um die Aussöhnung des ersten Standes mit dem zum Bürgerstand avancierten zweiten Stand. Der „bourgeois" {GW 4. 458) aber repräsentiert jene Negativität der modernen Gesellschaft, die der griechischen Polis fehlt. Wenn sich Philosophie zur Begründung ihrer These vom Nichts und Werden aber weder auf das tragische Denken der Griechen, noch auf die christliche Lehre von Tod und Auferstehung berufen kann, muß sie sich aus sich selber begründen, sie muß voraussetzungslos sein. Damit stellt sich das Problem der Selbstbegründung des spekulativen Denkens. Es zeigt sich, daß die Konzeption einer Tragödie im Sittlichen bereits den Standpunkt spekulativen Denkens voraussetzt, daß sie eher eine konkrete Darstellung dieses Standpunktes genannt werden kann. Für die Selbstbegründung der Philosophie gesteht Hegel — neben der Voraussetzung des Daseins des Absoluten — eine Voraussetzung zu, die legitimerweise von der Philosophie gemacht werden darf, nämlich das Bedürfnis der Philosophie (vgl. GW 4. 15). Dieses Bedürfnis der Philosophie erwächst aus den Bedrohungen von Freiheit, aus der Entzweiung der modernen Kultur und Gesellschaft. Im Blick auf das Bedürfnis der Philosophie, das aus der Erfahrung von Entzweiung erwächst, nennt Hegel das Erste der Philosophie das Nichts. Für das entzweite, neuzeitliche Bewußtsein ist das Absolute Nichts. Dieses Nichts des Absoluten muß aber für das Bewußtsein ein Etwas werden (vgl. GW 4. 463). Das Absolute muß für das Bewußtsein von einem bloßen Nichts, das gar nicht ist, zu einem Nichts werden, das ist, damit aus der Erfahrung des Nichts Leben entsteht. Ist aber ein Nichts, das ist, noch ein Nichts? Es wiederholt sich die zu Anfang gestellte Frage, wie Sein und Nichts zusammengedacht werden sollen.

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II. GRUNDLAGEN DER KRITIK AN DER VERSTANDESREFLEXION Wenn Philosophie sich selbst begründen will, muß sie sich mit ihrem Bedürfnis auseinandersetzen, das eine der beiden Voraussetzungen der Philosophie darstellt. Das Bedürfnis nach Philosophie entsteht aus dem Bestehen von Entzweitmg. Der Standpunkt der Entzweiung schlechthin ist der der dualistischen Verstandesreflexion der neuzeitlichen Philosophie seit DESCARTES (vgl. GW 4. 126). Die Überwindung der bloßen Verstandesphilosophie kann auf zwei Wegen geschehen: durch den Aufbau einer Logik und durch Ausarbeitung des der Philosophie immanenten Skeptizismus. Beide Wege sind nur zwei Seiten einer Methode, der es darum geht, den Standpunkt der Entzweiung, des Verstandes zu überwinden, um in dieser Kritik gleichzeitig das Absolute für das Bewußtsein zu konstruieren (vgl. GW 4. 16). Die Kritik an der Position des Verstandes setzt bereits eine bestimmte Einschätzung der neuzeitlichen Kultur voraus, d. h. eine Geschichtsphilosophie.

1. Die kritische Funktion von Logik und Skeptizismus In den ersten Vorlesungen über Logik und Metaphysik (entweder im Wintersemester 1801/02 oder 1802/03 ^) hat die Logik die Aufgabe, zur Philosophie, d. h. Metaphysik, hinzuführen. Die Logik stellt die Formen des endlichen Erkennens auf, „und zwar lücht empirisch zusammengerafft, sondern, wie sie aus der Vernunft hervortreten, aber, durch den Verstand der Vernunft beraubt, nur in ihrer Endlichkeit erscheinen". Die Mängel des formalen Denkens aufzeigend, indem sie dem Verstand „das Bild des Absoluten gleichsam in einem Wiederschein vorhält" (Ros 191) und dadurch das Bedürfnis nach spekulativer Erkenntnis wachruft, bringt die Logik eine negative Erkenntnis des Absoluten zustande: „Die Erkenntniß der Vernunft, insofern sie der Logik angehört, wird also nur ein negatives Erkennen derselben sein". Diese negative Erkenntnis der Logik vollzieht sich auf drei Stufen. Die Logik hat erstens die allgemeinen Formen der Endlichkeit aufzustellen, zweitens die subjektiven Formen des Verstandes (Begriff, Urteil und Schluß) zu betrachten, um schließlich die „speculative Bedeutung der Schlüsse" sowie die „Fundamente eines wissenschaftlichen Erkennens" darzustellen. Auf der dritten Stufe kommt der Grundcharakter der Logik, ihre negative Funktion, zum Ausdruck: „Von diesem dritten

II. Grundlagen der Kritik

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Theil der Logik, nämlich der negativen oder vernichtenden Seite der Vernunft, wird der Uebergang zur eigentlichen Philosophie oder zur Metaphysik, gemacht werden" (Ros 191 f). Mit den Fundamenten eines wissenschaftlichen Erkennens, die der dritte Teil der Logik angeben soll, ist offenbar KANTS Methodenlehre in der Kritik der reinen Vernunft gemeint Ein Vergleich dieses frühen Entwurfs einer Logik mit den einleitenden Erörterungen in der Differenzschrift zeigt, daß die Aufgabe der Logik mit der der philosophischen Reflexion identisch ist ®. Die philosophische Reflexion hat ebenso wie die Logik die durch die Reflexionsphilosophie erzeugten Entgegensetzungen zu überwinden. Die Vernunft verführt den Verstand, Hegel spricht von der „geheimen Wirksamkeit der Vernunft" (GW 4. 17). In der Metaphysik oder Philosophie wird dann der Standpunkt der Spekulation und transzendentalen Anschauung erreicht. Die philosophische Reflexion ist Anschauen des Anschauens, die transzendentale Anschauung ist Gegenstand der philosophischen Reflexion (vgl. GW 4.35). Die philosophische Reflexion ist somit selbst transzendentale Anschauung, sie stellt einen Akt absoluter Freiheit dar (vgl. GW 4. 77 u. 43). Mit dem Skeptizismus beschäftigte sich Hegel schon in der Frankfurter Zeit Vermittelt durch die KANxianer war der Skeptizismus ein Modethema der zeitgenössischen Philosophie geworden Dennoch kann man Hegels Beschäftigung mit dem Skeptizismus nicht als Ergebnis von Zeitströmungen verstehen. In seinem Skeptizismusaufsatz hat Hegel einen originalen Beitrag zur Skeptizismusdiskussion geleistet. Schon am Ende der Differenzschrift spricht er von einem echten Skeptizismus, der durch ein Überwiegen der philosophischen Reflexion über die Phantasie entsteht (vgl. GW 4. 92). Der echte Skeptizismus führt die Entzweiung bis zu ihrem Höhepunkt, in dem das Bedürfnis nach Vereinigung der Gegensätze die Überwindung der Entzweiung erzeugt. Der Schwärmer hingegen bringt keine Vereinigung der Gegensätze in der wirklichen Welt zustande. Wenige Monate nach Entstehen der Differenzschrift stellt Hegel anläßlich seiner Habilitation Thesen auf; in der siebten Habilitationsthese greift er jenen Skeptizismus an, der aus der kritischen Philosophie KANTS entspringt: „Philosophia critica caret ideis et imperfecta est Scepticismi forma" (Ros 159). Im Skeptizismusaufsatz geht es Hegel um die Abgrenzung des antiken Skeptizismus gegenüber diesem modernen der kritischen Philosophie, wie er u. a. von AENESIDEMUS-SCHULZE vertreten wird ®. SCHULZES Skeptizismus leugnet aufgrund der Uneinigkeit philosophischer Systeme die Möglichkeit metaphysischer Erkenntnisse (vgl. GW 4. 198). Er hält sich vielmehr an die Gewißheit sinnlicher Wahrnehmung, an die „That-

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Sachen des Bewußtseyns" {GW 4. 202) und stützt sich auf die Erkenntnisse der neuzeitlichen Physik und Astronomie (vgl. GW 4. 205). Was im Umfange des Bewußtseins gegeben isE beansprucht unleugbare Gewißheit. Aus dieser Bestimmung der Philosophie ergibt sich ihre Nähe zur empirischen Psychologie (vgl. GW 4. 227). Mit KANT leugnet SCHULZE die Gültigkeit des ontologischen Gottesbeweises (vgl. GW 4. 223). Statt die ,,große Idee der Vernunft" in der KANiischen Philosophie, nämlich die Einheit von Sein und Denken, die „allenthalben wie eine ehrwürdige Ruine" (GW 4. 235) zugrunde liegt, hervorzuziehen, hält SCHULZE sich an den Buchstaben der Philosophie KANTS. Er gelangt daher nach Hegel zu einer allgemeinen Desorganisation des Wissens, zu einem „nihil negativum" (GW 4. 224) SCHUTZES Begründung der unleugbaren Gewißheit von Tatsachen des Bewußtseins verstrickt sich in Widersprüche, wenn er zwischen bedingtem und unbedingtem Seienden für das Bewußtsein unterscheidet (vgl. GW 4. 202). Denn werm Bewußtsein es immer nur mit unleugbaren Gewißheiten zu tun hat, wie kann dann noch zwischen bedingtem und unbedingtem Seienden unterschieden werden? Hierin besteht eine Inkonsequenz der skeptischen Argumentation SCHUTZES Der Skeptizismus SCHUTZES erweist sich nach Hegel als unvereinbar mit wahrer Philosophie, die im antiken Skeptizismus zur Erscheinung kommt. Bei diesem sind verschiedene Formen zu unterscheiden: „Außer dem Skepticismus aber, der Eins ist mit der Philosophie, kann der von ihr losgetrennte Skepticismus ein doppelter seyn, entweder daß er nicht gegen die Vernunft, oder daß er gegen sie gerichtet ist. Aus der Gestalt, in welcher uns SEXTUS den von der Philosophie abgetrennten, und gegen sie gekehrten Skepticismus giebt, läßt sich auffallend der alte ächte Skepticismus aussondern, der zwar nicht wie die Philosophie eine positive Seite hatte, sondern in Beziehung aufs Wissen eine reine Negativität behauptete, aber eben so wenig gegen die Philosophie gerichtet war; eben so abgetrermt steht seine später hinzugekommene feindselige Richtung zum Theil gegen die Philosophie, zum Theil gegen den Dogmatismus" (GW 4. 213). In PLATONS Parmenides sieht Hegel den Skeptizismus verwirklicht, der eins ist mit der Philosophie (vgl. GW 4. 207). Daneben gibt es einen von der Philosophie losgetrennten, aber nicht gegen sie gekehrten Skeptizismus, der gegen das Wissen eine „reine Negativität" behauptet. Dies ist der PYRRHOnische Skeptizismus der sogenannten zehn Tropen (vgl. GW 4. 206 u. 214). Der gegen die Philosophie gerichtete Skeptizismus gründet im Unterschied zum PvRRHonischen Skeptizismus in einer „reinen Negativität" und „Subjectivität", die sich vernünftiger Argumentation entzieht: „wer fest an der Eitelkeit, daß es ihm so scheine, er es so meyne, hängen bleibt, seine

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Aussprüche durchaus für kein objectives des Denkens und des Urtheilens ausgegeben wissen will, den muß man dabei lassen; seine Subjectivität geht keinen andern Menschen, noch weniger die Philosophie, oder die Philosophie sie etwas an" (GW 4. 222). Neben dem von der Philosophie losgetrennten, aber nicht gegen sie gerichteten Skeptizismus gibt es noch einen teilweise gegen die Philosophie und teilweise gegen den Dogmatismus gerichteten Skeptizismus, der zu den ersten zehn Tropen nodi fünf hinzufügte (vgl. GW 4. 218). An den ersten zehn Tropen kritisiert Hegel, daß sie „nach dem Zufall aufgerafft" (GW 4. 215) sind. Sie erfüllen deshalb nicht das Programm der frühen Logik, die die Formen der Endlichkeit aufzustellen hat, „und zwar nicht empirisch zusammengerafft, sondern, wie sie aus der Vernunft hervortreten" (Ros 190). Bei den später hinzugekommenen fünf Tropen muß im einzelnen gezeigt werden, daß die Angriffe dieser Tropen gegen die Philosophie ihr Ziel nicht erreichen ®. Der antike Skeptizismus ist im Gegensatz zum modernen Skeptizismus im allgemeinen dadurch bestimmt, daß er radikal die sirmliche Gewißheit und die Erkenntnisse der Physik und Mathematik in Frage stellt (vgl. GW 4. 219 u. 221). Hegel kann ScHULZES Ansicht widerlegen, daß der Skeptizismus gar nicht an der sinnlichen Gewißheit zweifele, sondern sich lediglich gegen den Dogmatismus der Annahme von Dingen richte, die hinter den sinnlich wahrnehmbaren Objekten liegen (vgl. GW 4. 205). Wenn auch Hegel den antiken Skeptizismus mit größerer historischer Gerechtigkeit als SCHULZE interpretiert, so bleibt sein eigenes Interpretationsverfahren nicht unproblematisch. Er integriert den antiken Skeptizismus, der nicht gegen die Philosophie gerichtet ist, in den eigenen philosophischen Ansatz. Die in den sogenannten Tropen geübte skeptische Widerlegung bedeutet eine Problematisierung der Gewißheit sinnlicher Erkenntnis, nicht aber eine Negation im Sinne Hegels, der nach dem SriNOzistischen Grundsatz verfährt, daß jedes Endliche ein zum Teil Negiertes ist (vgl. GW 4. 354) 1®. Er unterstellt der antiken Skepsis einen Begriff von Negativität, der sich aus seinem Denkansatz, nicht aber aus dem des antiken Skeptizismus herleitet. Der antike Skeptizismus, der nicht gegen die Philosophie gerichtet ist, ergreift auch nicht Partei für irgendeine Philosophie — und sei es selbst eine Philosophie des absoluten Nichts, in dem jede Position negiert wird. In dem methodischen Grundsatz des Skeptizismus: „jravTi Xoycp Xoyog laog dvTixEirai" (GW 4. 208) sieht Hegel die Aufhebung des Satzes vom Widerspruch vollzogen, wie im SriNOzistischen System, in dem Denken und Sein zugleich entgegengesetzt und vereint sind Zu dieser Aufhebung des Satzes vom Widerspruch kann sich der

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Skeptiker nicht durch eine reine theoretische Haltung Zugang verschaffen, sondern ebenso notwendig sind Charakter, Erziehung, Bildung, die durch eine bestimmte Agoge erworben wird. In der Ataraxie des Skeptikers können sich die Apathie des Stoikers und die Indifferenz des Philosophen wiedererkennen. PYRRHO gehört zu jenen großen Individuen, die durch ihren Charakter die Geschichte geformt haben (vgl. GW 4. 217) Hegel kann bei dieser Darstellung der skeptischen Agoge für sich voraussetzen, daß solche Erziehung letztlich auf die Erkenntnis des Absoluten als Nichts und auf die Todeserfahrung verweist — Das reinste Beispiel des antiken Skeptizismus stellt der PLAXONische Parmenides dar. Er begnügt sich nicht mit einem Zweifeln an dieser oder jener Wahrheit, sondern er geht auf ein „gänzliches Negiren aller Wahrheit" des Verstandes aus. Indem er „unmittelbar die Vernunft als die positive Seite" voraussetzt, ist er selbst die „negative Seite der Erkenntniß des Absoluten" (GW 4. 207). In der Interpretation Hegels bedeutet der Parmenides eine Hinführung zur eigentlichen Philosophie, bleibt also nicht bei einer propädeutischen Übung stehen, der es nur auf die Auflösung eines starren eleatischen Seinsbegriffs ankommt Daß diese Interpretation unter dem Einfluß des Neuplatonismus steht, wird durch die Berufung auf den Neuplatoniker MARSILIUS FICINUS deutlich (vgl. GW 4. 207) Hegel gesteht zu, daß der Parmenides „nur auf der negativen Seite erscheint" (GW 4. 207), der Standpunkt der spekulativen Philosophie ergibt sich also nicht unmittelbar aus der dialektischen Hinführung. Zu der grundsätzlichen Problematik der Interpretation des antiken Skeptizismus kommt hier hinzu, daß Hegel die besondere Stellung des Parmenides im Gesamtwerk PLATONS, d. h. in Beziehung auf den Sophistes, nicht thematisiert. Er verwischt dadurch die grundlegende Differenz zwischen seinem und dem PcATONischen Denkansatz Der Skeptizismusaufsatz hat das wahre Verhältnis der Philosophie zum Skeptizismus aufgezeigt, d. h. die „Einsicht, daß mit jeder wahren Philosophie der Skepticismus selbst aufs innigste Eins ist" (GW 4. 206). Jede wahre Philosophie hat notwendig selbst zugleich „eine negative Seite" (GW 4. 207). Wie der PiAxoNische Skeptizismus im Parmenides stellt der jeder Philosophie immanente Skeptizismus „die negative Seite der Erkenntniß des Absoluten" dar, indem die Vernunft als positive Seite unmittelbar vorausgesetzt wird. Der echte Skeptizismus, der die negative Seite einer jeden Philosophie repräsentiert, bedeutet zugleich die „freye Seite einer jeden Philosophie" (GW 4. 208). Diese Bestimmung des echten Skeptizismus stimmt mit dem Programm der frühen Logik überein, die in ihrem dritten Teil die „negative oder vernichtende Seite der Vernunft" (Ros 191) darstellt. Insofern die Aufgabe der Logik mit der der philosophischen

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Reflexion übereinkommt, bedeutet echter Skeptizismus auch philosophische Reflexion, die in einem „Akt absoluter Freyheit" entsteht, der „sich mit absoluter Willkühr aus der Sphäre des Gegebenseyns" (GW 4. 43) erhebt. Logik, Skeptizismus und philosophische Reflexion sind negativ gegen das Bestehende gerichtet, ihr Gemeinsames ist ihre Negativität, die Freiheit ermöglicht. Offenbar hat Hegel diesen verschiedenen Weisen der Selbstbegründung der Philosophie auch schon in den ersten Jenaer Jahren die Dialektik zugeordnet

2. Ansätze zu einer Geschichtsphilosophie Hegel interessierte sich schon von seiner Jugendzeit an für Geschichte (vgl. Ros 515—532) In der Übergangszeit von Frankfurt nach Jena schlagen sich seine politisch-historischen Untersuchungen in einer Schrift über die Verfassung Deutschlands nieder (vgl. Verf 23—139). Am Anfang der Jenaer Zeit muß Hegel sein Verhältnis zur Geschichte von dem neu gewonnenen Standpunkt spekulativen Denkens aus bestimmen. In der negativen Abgrenzung gegenüber dem Geschichtsdenken REINHOLDS nimmt Hegel in der Differenzschrift diese Neubestimmung vor (vgl. GIV 4. 9—12). REINHOLDS Rückgriff auf die Geschichte der Philosophie bedeutet eine Gegenreaktion gegen die Philosophie KANTS und FICHTES. REINHOLD richtet sich gegen das bloß subjektive Denken KANTS und FICHTES und versucht es durch einen Realismus zu überwinden, der im Sinne BARDILIS Logik als Ontologie entwickelt Philosophisches Denken muß von der Natur seinen Ausgang nehmen, um der Gefahr eines in sich kreisenden Denkens zu entgehen. Ein vorzügliches Mittel, den Verirrungen idealistischen Denkens zu entgehen, erblickt REINHOLD in der geschichtlichen Behandlung der Philosophie. Die Beschäftigung mit der Geschichte der Philosophie dient der Erforschung der „eigenthümlichen Ansichten der Vorgänger" (GW 4. 10). Hegel gesteht zu: „Kein philosophisches System kann sich der Möglichkeit einer solchen Aufnahme entziehen; jedes ist fähig, geschichtlich behandelt zu werden. Wie jede lebendige Gestalt zugleich der Erscheinung angehört, so hat sich eine Philosophie als Erscheinung derjenigen Macht überliefert, welche es in eine todte Meinung und von Anbeginn an in eine Vergangenheit verwandeln kann" (GW 4. 9). In der Philosophie kann es aber gerade nicht um eigentümliche Ansichten gehen, die in der Erkenntnis des Absoluten als Nichts zugrunde gehen. Das durchaus berechtigte Anliegen REINHOLDS glaubt Hegel nicht anerkennen zu können, weil er die Gefahr der Aufhebung spekulativen durch geschichtliches Den-

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Erster Teil: Systemansatz der ersten Jenaer Jahre

ken sieht. Die Philosophie fordert das Bewußtsein dazu auf, sich in sie „ä corps perdu hineinzustürzen" (GW 4. 11). Der lebendige Geist einer Philosophie „verlangt, um sich zu enthüllen, durch einen verwandten Geist gebohren zu werden" (GW 4. 9). Es kann nicht darum gehen, irgendwelche Meinungen von Philosophen nachzuerzählen. Es gilt vielmehr, die Aufgabe der Philosophie, die „zu allen Zeiten dieselbe ist" (GW 4. 10), darzustellen ^®. Diese Aufgabe der Philosophie ist aber, das Sein in das Nichts als Werden zu setzen (vgl. GW 4. 16). Die Philosophiegeschichte interessiert nur, insofern diese Auflösung des Seins in Nichts von den einzelnen Philosophien geleistet wurde. Die Beschäftigung mit der Geschichte der Philosophie hat allerdings zu berücksichtigen, daß „eine ächte Spekulation sich in ihrem System nicht vollkommen ausspricht, oder daß die Philosophie des Systems und das System selbst nicht zusammenfallen; daß ein System aufs bestimmteste die Tendenz, alle Entgegensetzungen zu vernichten, ausdrükt, und für sich nicht zur vollständigsten Identität durchdringt" (GW 4. 31). Die wahre Spekulation kann sich in solchen Systemen trotz deren unzulänglicher Darstellungsformen wiedererkennen. So gesehen wird die Geschichte der Philosophie zur „Geschichte der in unendlich mannichfaltigen Formen sich darstellenden ewigen und einen Vernunft" 21. Die Reflexion der Philosophie auf ihre Geschichte zeigt, wie sehr die Aufgabe der Philosophie, die „zu allen Zeiten dieselbe ist", von der bestimmten Individualität eines Zeitalters auszugehen hat. Philosophie geht „aus ihrem Zeitalter, und wenn man seine Zerrissenheit als eine Unsittlichkeit begreiffen will, aus der Unsittlichkeit hervor" (GW 4. 80 f). Den Eigentümlichkeiten und Meinungen einer bloß geschichtlichen Behandlung der Philosophie stellt Hegel das wahre Eigentümliche der Philosophie entgegen, das in der „interessanten Individualität" besteht, „in welcher die Vernunft aus dem Bauzeug eines besondern Zeitalters sich eine Gestalt organisirt hat", in welcher die „besondre spekulative Vernunft" sich als „ein anderes lebendiges Wesen" (GW 4. 12) anschaut. Indem das Absolute die mannigfaltigen Gestalten einer Zeit sich assimiliert, muß es als sich bildend verstanden werden: „das Absolute in der Linie seiner Entwiklung, die es bis zur Vollendung seiner selbst producirt, muß zugleich, auf jedem Punkte sich hemmen und sich in eine Gestalt organisiren; und in dieser Mannichfaltigkeit erscheint es als sich bildend" (GW 4. 91). Das Geschichtliche wird als das Individuelle gedacht, das das Allgemeine der Philosophie sich als seine „unorganische Natur" (GW 4. 479) aneignen muß. Zu dieser unorganischen Natur gehört nicht nur die Geschichte, sondern auch die Geographie, die klimatische Bedingtheit (vgl. GW 4. 479).

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So können die Reflexionsphilosophien der Subjektivität eines KANT, JAcoBi und FICHTE dadurch charakterisiert werden, daß man sie als Resultat der nordischen und protestantischen Kultur versteht (vgl. GW 4. 316). Es ist das Verdienst von MONTESQUIEU, bei der Darstellung der Staatsverfassungen der Völker deren Geographie und Geschichte berücksichtigt zu haben. Er hat nicht nach den formalen Gesetzen des Verstandes die Gesetze des Staates konstruiert, sondern diese auf die „Anschauung der Individualität und des Charakters der Völker" (GW 4. 481) gegründet Das Eingehen auf das geschichtlich Individuelle stellt eine Aufforderung an die Philosophie dar, die „Nothwendigkeit ehren" (GW 4. 479) zu lernen. Die Notwendigkeit zu ehren entspricht aber dem Wesen der Philosophie, die im Sinne des tragischen Denkens der Griechen das Schicksal zu übernehmen lehrt. Das Eingehen auf das geschichtlich Individuelle wird somit von Hegel als Übernahme eines Schicksals gedacht. Diesem Schicksal kann sich die von der neuzeitlichen Kultur ausgehende Philosophie um so weniger entziehen, weil diese neuzeitliche Kultur durch das „Wachsthum des Individuums" (GW 4. 482) bestimmt ist. Durch das Erstarken der Subjektivität des einzelnen vergrößert sich die Gefahr der Isolierung des einzelnen vom Ganzen, so daß die Möglichkeit einer Assimilierung der „unorganischen Natur" durch die Philosophie grundsätzlich in Frage gestellt wird. Für die Philosophie erweitert sich das Problem der Übernahme der eigenen geschichtlichen Bedingtheit zu dem Problem der Integration der modernen Subjektivität in das spekulative Denken. Subjektivitätstheorie und Geschichtsphilosophie werden durch den Begriff der Individualität miteinander in Beziehung gebracht. Lediglich negativ läßt sich das Entstehen jener „reinsten und freysten Individualität" (GW 4. 484) darstellen, in der die absolute Sittlichkeit sich selbst anschaut. Mit dem Anwachsen der Entzweiung in einer Kultur entsteht das Bedürfnis nach Philosophie, deren wesentlichste Aufgabe in der Versöhnung von Gegensätzen besteht In dem Auftreten von Entzweiung liegt die Chance, mit einer längst veralteten Kultur zu brechen und eine neue zu schaffen. Dieser Übergang geschieht in der Geschichte jäh, als ein Sprung aus dem „Nichts" (GW 4. 484) der vergangenen Kultur in das Dasein der neuen Gestalt. Allein die Philosophie kann gewährleisten, daß dieser Sprung gelingt, denn es ist allein die Philosophie, die bestehende Gegensätze auszuhalten und sich über sie zu erheben weiß (vgl. Ros 141). Für Hegel waren es die Griechen, die diese Aufgabe der Philosophie einmal geleistet haben. Bei den Griechen aber gab es keine unendliche Entzweiung, da bei ihnen noch nicht die Subjektivität des einzelnen entwickelt war. Die neuzeitliche Kultur stellt in ihrer unendlichen Entzweiung ein Bedürfnis nach Philoso-

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phie dar, das KANT, JACOB: und FICHTE aber nicht befriedigen konnten. Hegel versteht seine eigene Philosophie als Erfüllung einer Aufgabe, die bei den Griechen in dieser Form noch nicht gestellt werden konnte und die in der neuzeitlichen Philosophie bisher nicht gelöst wurde. Daß die Geschichte endlich reif dazu ist, eine spekulative Philosophie zu erzeugen, ist allein daran zu erkennen, daß die Entzweiung absolut geworden ist. Wenn die Negativität und Entzweiung absolut geworden ist, muß eine Philosophie der absoluten Negativität auftreten. Das Gesetz der Entzweiung und Negativität bestimmt somit Hegels Geschichtsphilosophie am Anfang der Jenaer Zeit. Die geschichtlichen Eigentümlichkeiten und „rein geschichtliche Erklärung" (GW 4. 482) müssen in der „Anschauung der ewigen Menschwerdung Gottes" (GW 4. 75) in Raum und Zeit untergehen. In einem Text, der nicht eindeutig dem Systemansatz der ersten Jenaer Jahre zuzuordnen ist, erklärt Hegel: „Jeder Einzelne ist ein blindes Glied in der Kette der absoluten Nothwendigkeit, an der sich die Welt fortbildet. Jeder Einzelne kann sich zur Herrschaft über eine größere Länge dieser Kette allein erheben, wenn er erkennt, wohin die große Nothwendigkeit will und aus dieser Erkenntniß die Zauberworte aussprechen lernt, die ihre Gestalt hervorrufen" (Ros 141). Es sind die großen Männer in der Geschichte, die wissen, „wohin die große Nothwendigkeit will". Sie haben sich von aller Beschränktheit gereinigt. Weil sie in die „Schule der Philosophie" gegangen sind, sind von ihnen die „Schrecken der objectiven Welt, so wie alle Fesseln der sittlichen Wirklichkeit, hiermit auch alle fremden Stützen, in dieser Welt zu stehen, so wie alles Vertrauen auf ein festes Band in derselben" (Ros 189) gefallen Diese Äußerungen über die großen Männer in der Geschichte finden sich in der Einleitung zu einer Vorlesung über Logik und Metaphysik (WS 1801/02 oder 1802/03) Der Aufbau einer Logik und Metaphysik kann nur gelingen, wenn das Bewußtsein eine heroische Einstellung zur Geschichte einnimmt und im Sinne des tragischen Denkens der Griechen die Notwendigkeit ehrt. Anderseits kann das Bewußtsein nur dann die „Zauberworte aussprechen" (Ros 141), die eine neue Gestalt der Bildung hervorrufen, wenn es bereits in die Schule der Philosophie gegangen ist. Hier tut sich eine gegenseitige Abhängigkeit von heroischer Übernahme des unvermeidlichen Schicksals und spekulativen Denkens auf, von Theorie und Praxis. Wo die unmittelbare Konfrontation mit Tod und Schicksal nicht mehr stattfindet, kann philosophisches Denken auf seine Weise diese wieder erzeugen und fortsetzen: „Da nun aber für die, welche kämpfend nicht sterben, die Erniedrigung bleibt, nicht gestorben zu sein, und den Selbstgenuß ihrer Einzelheit zu haben, so bleibt nur die Speculation als

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das absolute Erkennen der Wahrheit die Form, in welcher das einfache Bewußtsein des Unendlichen ohne die Bestimmtheit des individuellen selbstständigen Lebens möglich" (Ros 132 f). Dieser Bericht von ROSENKRANZ, der möglicherweise auf spätere Jenaer Entwürfe verweist läßt bereits eine Verselbständigung theoretischen Denkens gegenüber der Praxis erkennen. Am Anfang der Jenaer Zeit ist philosophisches Denken an eine bestimmte Praxis gebunden, die den „Akt absoluter Freyheit" {GW 4. 43) der philosophischen Reflexion ermöglicht. Im Gegenzug zur Geschichte, in der nicht Vernunft, sondern nur Entzweiung zur Erscheinung kommt, ermöglicht die heroische Übernahme des Schicksals philosophisches Denken. Philosophie wird durch eine Praxis ermöglicht, die durch eine negative Geschichtsphilosophie vermittelt ist. Hegel kann sich auch hier wieder auf den antiken Skeptizismus berufen, dessen Skepsis eine bestimmte Agoge verlangte. So war PYRRHO auch einer der großen Männer der Geschichte {GW 4. 217).

Erster Teil; Systemansatz der ersten Jenaer Jahre

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III. KRITIK AN DER NEUZEITLICHEN SUBJEKTIVITÄTSUND REFLEXIONSPHILOSOPHIE Eine Auseinandersetzung mit der bloßen Verstandesreflexion mußte für Hegel notwendig eine Auseinandersetzung mit der Philosophie KANTS, FICHTES und JACOBIS bedeuten. Die Kritik der jACOBischen Subjektivitätsphilosophie gibt Hegel die Möglichkeit, sein Verständnis des Absoluten als Nichts innerhalb der zeitgenössischen Nihilismusdiskussion näher zubestimmen.

1. F. H. JACOBIS Philosophie der Subjektivität

a)

JACOBIS

Atheismus- und Nihilismusvorwurf

Hegels Bestimmung des Absoluten als Nichts geschah nicht unabhängig von der geistesgeschichtlichen Situation gegen Ende des 18. Jahrhunderts. In seinem Sendschreiben an FICHTE aus dem Jahre 1799 erhebt JACOBI gegen den transzendentalen Idealismus den Nihilismusvorwurf: „Wahrlich, mein lieber FICHTE, es soll mich nicht verdrießen, wenn Sie, oder wer es sey, Chimärismus nennen wollen, was ich dem Idealismus, den ich Nihilismus schelte, entgegensetze" Dem transzendentalen Idealismus liegt eine Vernunft zugrunde, die nur sich selbst vernimmt. Diese sich selbst vernehmende Vernunft verwandelt alle Realität außer ihr wie in einem chemischen Prozeß in Nichts. Der transzendentale Idealismus muß als Ausdruck einer allgemeinen Tendenz menschlichen Erkennens verstanden werden: „Alle Menschen, insofern sie überhaupt nach Erkenntniß streben, setzen sich, ohne es zu wissen, jene reine Philosophie zum letzten Ziele; denn der Mensch erkennt nur indem er begreift; und er begreift nur indem er — Sache in blose Gestalt verwandelnd — Gestalt zur Sache, Sache zu Nichts macht." ^ Da jede Reflexion auf Abstraktion beruht, bedeutet Reflexion „progressive Vernichtung (auf dem Wege der Wissenschaft) durch immer allgemeinere Begriffe. Was nun auf diese Weise involvirend vernichtet wurde, kann evolvirend auch wieder hergestellt werden: Vernichtend lernte ich erschaffen." ® Dieser Nihilismus, der Nichts will, führt zum Atheismus, weil das eigene philosophische Ich zum Absoluten erhoben worden ist. JACOBI versteht die gesamte neuzeitliche Philosophie, ausdrücklich seit SPINOZA, als eine solche Verabsolutierung des eigenen

III. Kritik an der Reflexionsphilosophie

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Denkens. Deshalb ist der transzendentale Idealismus nur eine Spielart des SpiNOzismus, umgekehrter SpiNOzismus: „Sonderbar, daß ihm [SPINOZA, W. B.] nie der Gedanke entstand, seinen philosophischen Cubus einmal umzustellen" — Dem „Egoismus" ® des transzendentalen Idealismus stellt JACOBI schroff seinen Wissenschafts- und Vemunftbegriff entgegen. Von der Entwicklung der Wissenschaften, deren Ausbildung zum Wesen der neuzeitlichen Kultur gehört, erhofft er sich den Erweis, daß der Grund aller Wahrheit außerhalb der Wissenschaften liegt; „Beyde wollen wir also, mit ähnlichem Emst und Eifer, daß die Wissenschaft des Wissens . . . vollkommen werde: nur mit dem Unterschiede; daß Sie es wollen, damit sich der Grund aller Wahrheit, als in der Wissenschaft des Wissens liegend zeige; ich, damit offenbar werde, dieser Grund: das Wahre selbst, sey nothwendig außer ihr vorhanden. Meine Absicht ist aber der Ihrigen auf keine Art im Wege, so wie Ihre nicht der meinen, weil ich zwischen Wahrheit und dem Wahren unterscheide." ® — Die Wissenschaft ist nur ein Spiel des menschlichen Geistes, das dieser sich als Zeitvertreib ersonnen hat. In den Wissenschaften organisiert der Mensch seine Unwissenheit, ohne der Wahrheit wirklich näher zu kommen. Das Wahre liegt vor und außer dem Wissen und gibt der Vernunft erst ihren Wert. Vernunft ist deshalb wesentlich „Ahndung des Wahren" „So gewiß ich Vernunft besitze, so gewiß besitze ich mit dieser meiner menschlichen Vernunft nicht die Vollkommenheit des Lebens, nicht die Fülle des Guten und des Wahren; und so gewiß ich dieses mit ihr nicht besitze, und es weiß; so gewiß weiß ich, es ist ein höheres Wesen, und ich habe in ihm meinen Ursprung. Darum ist denn auch meine und meiner Vernunft Losung nicht; Ich; sondern. Mehr als Ich! Besser als ich! — ein ganz Anderer.” ® Wenn Hegel in Glauben und Wissen sein wahres Nichts und seinen wahren Nihilismus, dessen Aufgabe in dem reinen Denken liegt, von dem Nihilismus FICHTES unterscheidet, bezieht er sich auf JACOBIS Sendschreiben an FICHTE (vgl. GW 4. 398). Der Atheismus- und Nihilismusvorwurf JACOBIS gegen FICHTE ist für Hegel der Anstoß, die Rede vom Nichts aufzugreifen und ihr einen neuen, spekulativen Sinn zu geben.

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Erster Teil: Systemansatz der ersten Jenaer Jahre

Exkurs; SFmozArezeption und Nihilismusproblematik a) Die Nihilismusdiskussion am Ausgang des 18. Jahrhunderts Schon im Tübinger Stift hatte Hegel, so berichtet K. ROSENKRANZ (vgl. Ros 40), mit HöLDERLIN und anderen Freunden JACOBIS Woldemar, Allwill und die Spinozabriefe gelesen. In diesen Kreis trat im Herbst des Jahres 1790 SCHELLING. LESSINGS Wort ,,'Ev y.ai Hav!" aus den Spinozabriefen ® bedeutete für die jungen Stiftler ein Symbol der Freiheit. Es findet sich in Hegels Stammbuch neben einem GoEXHEWort, das HöLDERLIN am 12. 2. 1791 eingetragen hat (vgl. Ros 40; Briefe 4, 48). Durch Gespräche mit HöLDERLIN in Frankfurt und aus der Lektüre der Schriften ScHELLiNGS konnte Hegel SPINOZAS Philosophie weiter kennenlernen. Aus der Auseinandersetzung mit JACOBIS Spinozabriefen in Glauben und Wissen geht deutlich hervor, wie sehr sich Hegel von SPINOZA beeinflußt wußte. Für den zweiten Band von PAULUS' Ausgabe Sämtlicher Schriften des SPINOZA (Bd 1: 1802, Bd 2: 1803) verglich Hegel eine französische Übersetzung der Annotationes zum Tractatus theologico-politicus mit der von MURR herausgegebenen lateinischen Originalfassung der Annotationes 1®. Hegel muß also über eine recht genaue Kenntnis der Schriften des SPINOZA verfügt haben. Nicht nur auf Hegel übten die Spinozabriefe einen nachhaltigen Einfluß aus. GOETHE erklärte, die Spinozabriefe hätten wie eine „Explosion" gewirkt, „welche die geheimsten Verhältnisse würdiger Männer aufdeckte". KANT hielt dagegen die Spinozabriefe nur für eine „affektierte Genieschwärmerei" während FICHTE in der Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre erklärte: „Ich bemerke noch, daß man, wenn man das Ich bin überschreitet, nothwendig auf den Spinozismus kommen muß! . . . und daß es nur zwei völlig consequente Systeme gibt; das kritische, welches diese Grenze anerkennt, und das spinozische, welches sie überspringt" JACOBI kommt das Verdienst zu, SPINOZA neu entdeckt zu haben. Schon vor JACOBI war SPINOZA von P. BAYLE und CHR. WOLFE des Atheismus angeklagt worden. JACOBIS Spinozabriefe überraschten jedoch durch den neuen Typ von Kritik. JACOBI radikalisierte SPINOZAS Thesen und forderte so zur Entscheidung heraus. Wer sich auch nur in irgendeiner Weise zu SPINOZA bekennt, verfällt nach JACOBI dem Atheismus und Fatalismus Durch die Schärfe seiner Thesen forderte er seine Zeit dazu heraus, sich über das Wesen der neuzeitlichen Vernunft klar zu werden. Für ihn gibt es nur eine Alternative: Gott oder das Nichts Hegel nimmt in seiner Philosophie des absoluten Nichts diese Herausforderung an. Wenn die

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Alternativen in der Tat so gestellt sind, kann Philosophie, die nicht einfach in den Glauben fliehen will, nur in der Erkenntnis des absoluten Nichts bestehen. Hegel nimmt die durch die SriNOZAdiskussion seiner Zeit hervorgerufene geistesgeschichtliche Situation an und erkennt in ihr die Chance, das Wesen der Philosophie neu zu bestimmen. Im Unterschied zu JACOBI verstehen SCHELLING und Hegel SPINOZAS Ethik von ihrem Ende her, von der intellektuellen Gottesliebe, die zu einem Idealismus der Freiheit führt Aufgrund dieses Schlusses der Ethik des SPINOZA können die bedeutendsten Denker der GoEXHEzeit einen geläuterten SpiNOzismus behaupten. So versucht HERDER in der Übernahme des Kraftbegriffs von LEIBNIZ die substanzmetaphysischen Begriffe aus SPINOZAS Philosophie zu entfernen, um das Absolute als Macht über und in allem Sein zu verstehen. In seiner Schrift Gott, die Hegel rezensiert hat (vgl. GW 4. 517 u. 554), erklärt HERDER, daß für die Beurteilung SPINOZAS ein „liberaler Sinn" notwendig sei. SPINOZAS Philosophie wirke anstößig, weil er in der Sprache DESCARTES' geredet hat Seine Sätze hellen sich uns auf, wenn die CARXESianischen Ausdrücke in andere, uns geläufigere umgesetzt werden. Zu den Hauptbegriffen SPINOZAS gehören nach HERDER Begriffe wie „Wirklichkeit", „Realität", „tätiges Dasein" Gott ist die höchste und weiseste Macht, keine blinde Notwendigkeit ^®. HERDER lehnt JACOBIS Folgerung ab, daß SpiNOzismus gleich Atheismus sei Für HERDER ist JACOBIS Rede vom Nichts unhaltbar. Denn das Nichts ist kein denkbarer Begriff, kein Wesen hat einen Begriff vom Nichts: „Kurz das Nichts ist Nichts" HERDER glaubt das von JACOBI vermißte Prinzip der Individuation bei SPINOZA aufweisen zu können, nämlich Individuation als Entfaltung des von Gott verliehenen Lebens Weil SPINOZA vom Dasein ausgeht, kann seine Philosophie nicht zum Nichts führen; denn Dasein kann nicht in Nichts verwandelt werden HERDER ist begeistert darüber, in LESSING einen Bundesgenossen gefunden zu haben. Er erkenne — so schreibt er an JACOBI — immer mehr die Wahrheit des LESSiNGSchen Satzes, daß eigentlich nur die SpiNozistische Philosophie mit ihr selbst ganz eins sei HERDERS Stellungnahme innerhalb der SpiNOZAdiskussion der damaligen Zeit unterscheidet sich von der Hegels darin, daß er auf JACOBIS Alternative: Gott oder das Nichts gar nicht erst eingeht. Er geht gleich dazu über, ein neues Gottesverständnis positiv zu entwickeln. Hegel zieht hingegen aus JACOBIS Thesen über SPINOZA die Konsequenz, daß eine jede künftige Philosophie in der Konfrontation mit dem Nichts ihr Wesen neu bestimmen muß. JACOBIS Deutung der neuzeitlichen Philosophie als Nihilismus ist u. a. historisch beeinflußt vom englischen Empirismus THOMAS REID deutet

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in seinen Essays on the Intellectual Powers of Man (1785) die gesamte Geschichte der Philosophie als eine deutliche Entfernimg von der Wirklichkeit. Er geht dabei von PLATONS Höhlengleichnis aus. Das Ziel der Entfernung von der Wirklichkeit ist eine Art Schattenreich der Erkenntnis ^®. Von dieser Deutung der Geschichte der Philosophie geht offenbar auch JACOBI aus. Nahezu alle Denker der abendländischen Geschichte — nach TH. REID auch PLATON selber, nach JACOBI erst ab ARISTOTELES — wären so auf dem Wege zum Nihilismus gewesen. KANT, einer der größten Denker für JACOBI, stellt den maßgebenden Theoretiker des Nihilismus dar. Termini wie „Idealismus", „Solipsismus", „Egoismus" und „Nihilismus" sind weitgehend gleichbedeutend Immer geht es um ein sich selbst ermächtigendes Denken. Nach G. BAUM ist JACOBI der erste, der den Terminus „Nihilismus" in die Philosophie einführte TH. REID selber spricht nicht von „Nihilismus", sondern von „Egoismus". Die Polemik gegen den Egoismus findet sich auch bei CHR. WOLFE, von dem TH. REID möglicherweise den Begriff „Egoismus" übernommen hat — Den Begriff „Nihilismus", den JACOBI erst in seinem Sendschreiben an FICHTE gebraucht, kann nach G. BAUM JACOBI aus seiner Beschäftigung mit der mittelalterlichen Philosophie gewonnen haben. JACOBI benutzte für die zweite Auflage seiner Spinozabriefe ein Handbuch von J. A. GRAMER über die Geschichte der mittelalterlichen Philosophie aus dem Jahre 1786 Dort taucht der Begriff „Nihilianismus" in Verbindung mit den Lehren des PETRUS LOMBARDUS und PETRUS VON POITIERS auf. Diese Theologen wurden der „Ketzerei des Nihilianismus" beschuldigt, weil sie in ihrer Spekulation über die göttliche Dreieinigkeit spitzfindig das Wort „Nichts" verwendeten. Dafür daß JACOBI den Nihilianismus- mit dem Nihilismusbegriff in Verbindung gebracht hat, spricht außerdem JACOBIS Rezension der Sämtlichen Werke des Wandsbecker Boten, die er schon vor dem Brief an FICHTE aus dem Jahre 1799 auszuarbeiten begonnen hatte Diese Rezension erschien erst später in der Streitschrift gegen SCHELLING Von den Göttlichen Dingen und ihrer Offenbarung. JACOBI erklärt im Vorbericht zu dieser Schrift, daß er aus jener begonnenen Rezension einige Stellen für den Brief an FICHTE entnommen habe. So ist es gut möglich, daß der Nihilismusbegriff im Sendschreiben an FICHTE durch den der Rezension hervorgerufen wurde, der hier als Gegenposition zum „religiösen Materialismus" in einem christologischen Kontext erscheint. — Nadi H. TIMM ist es möglich, daß JACOBI von dem Theologen J. H. OBEREIT den Begriff „Nihilismus" übernommen hat In dem metaphysischen Drama OBEREITS Der wiederkommende Lebensgeist der verzweifelten Metaphysik (1787) heißt der eine Gesprächspartner „Nihilism". OBEREIT wiederum übernahm

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den Begriff ,^Nihilism" möglicherweise aus theosophischen Traditionen Süddeutschlands und der Westschweiz Schon diese wenigen Hinweise lassen vermuten, daß der Begriff „Nihilismus" nicht zuerst von JACOBI gebraucht wurde, sondern daß er zur Kennzeichnung eines idealistischen Denkens gegen Ende des 18. Jahrhunderts gebräuchlich war. In der Tat wurde der Begriff „Nihilismus" schon in dieser Bedeutung von D. JENISCH in seinem Buch Über Grund und Werth der Entdeckungen des Herrn Professor Kant in der Metaphysik, Moral und Ästhetik aus dem Jahre 1796 verwendet JENISCH erklärt dort, daß die kritische Philosophie notwendig zum Nihilismus führe, weil sie die Grundlagen des vernünftigen Denkens erschüttere, indem sie die gesamte Wirklichkeit aus der Vorstellung des Ich hervorgehen läßt. Die Ausdrucksweise des transzendentalen Idealismus, die letztlich zu einer Vergötterung der Vernunft führt, ist „von einer gar ungünstigen Wirkung und stößet eine Menge vortrefflicher Denker von dem Studium der kritischen Philosophie zurück, die, so vorgetragen, den offenbarsten Atheismus und Nihilismus (das letztere ist das eigentlichste Wort für die Sache) prediget". Der „Gedanke des idealistischen Nihilismus menschlicher Erkenntnis" ist für JENISCH noch entsetzlicher als der Gedanke ewiger Vernichtung der eigenen Existenz — Ähnlich kritisierte HERDER in der Kalligone (1800) KANTS Transzendentalphilosophie. Die Kritik der reinen Vernunft wird als „leere Halle der ,leeren Vernunft' " bezeichnet, aus der „nach langer Erwartung der leere Schall, ,du sollt,' aus dem absoluten Nichts ertönet" Das „kritisch Erhabne" ist für HERDER „allenthalben ein Ueberfliegen oder Ueberstiirzen sein selbst ins Grenzen- und Bodenlose, den Abgrund" Es ist zu erinnern, daß KANT selbst von einem „Abgrund" der Vernunft spricht, nämlich von Gott als der unbedingten Notwendigkeit, als dem letzten Träger aller Dinge: „Die unbedingte Notwendigkeit, die wir, als den letzten Träger aller E)inge, so unentbehrlich bedürfen, ist der wahre Abgrund für die menschliche Vernunft . . . Hier sinkt alles unter uns, und die größte Vollkommenheit, wie die kleinste, schwebt ohne Haltung bloß vor der spekulativen Vernunft, der es nichts kostet, die eine so wie die andere ohne die mindeste Hindernis verschwinden zu lassen." Um diesem Abgrund der spekulativen Vernunft nicht bedingungslos ausgeliefert zu sein, arbeitete KANT seine kritische Philosophie aus, die für HERDER aber nur zur „leeren Halle der ,leeren Vernunft'" führt. — Der KANTianer W. T. KRUG versucht zu zeigen, daß nicht die kritische Philosophie, sondern nur ein idealistisches Denken der Nihilismusvorwurf treffen kann. Die kritische Philosophie stellt eine Einheit von Realismus und Idealismus dar. Die Auflösung die-

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Erster Teil: Systemansatz der ersten Jenaer Jahre

ser Einheit führt zu Nihilismus und Materialismus, zu einem einseitigen Idealismus und einem sich verselbständigenden Realismus Die Nihilismusproblematik stand auch im Zentrum der romantischen Dichtung. Das Denken der Gebrüder SCHLEGEL, eines TIECK und NOVALIS war bestimmt durch Reflexion auf das eigene Ich. Das Ich stößt in seiner Selbstreflexion zu einer Leere, zu einem Nichts vor, das nach Abstraktion von allem Nicht-Ich auch nicht mehr mit Gehalten des eigenen Ich erfüllt werden kann. Eine solche nihilistische Grundstimmung spricht sich — vor dem Jahre 1800 — u. a. in L. TIECKS William Lovell und in den von WACKENRODER und TIECK verfaßten Phantasien über die Kunst aus Berlinger, das am Übermaß seines Gefühls zugrunde gehende musikalische Genie, erklärt: „Und bald — welche herrliche Fülle der Bilder! — bald ist die Tonkunst mir ganz ein Bild unsers Lebens: — eine rührend kurze Freude, die aus dem Nichts entsteht und ins Nichts vergeht — die anhebt und versinkt, man weiß nicht warum: — eine kleine fröhliche grüne Insel, mit Sonnenschein, mit Sang und Klang — die auf dem dunkeln, unergründlichen Ozean schwimmt." — F. SCHLEGEL notiert auf einer Reise nach Berlin im Jahre 1797: „Aller Witz tendencirt auf Nihilism (VOLTAIRE, SWIFT)." JEAN PAUL entwirft in seinem Titan die Gestalt des Schoppes, der über dem Versuch, die intellektuelle Anschauung zu produzieren, in Wahnsinn verfällt. Eine solche Gestalt hatte Hegel offenbar vor Augen, als er schrieb: „es ist allgemein über die schwere Foderung der intellectuellen Anschauung geklagt, es ist zu seiner Zeit erzählt worden, daß Menschen über dem Beginnen, den reinen Willensact und die intellectuelle Anschauung zu produciren, in Wahnsinn verfallen seyen" (GW 4. 390). — In seiner Vorschule der Ästhetik (1804) kritisiert JEAN PAUL die Romantiker als „poetische Nihilisten" Die poetischen Nihilisten vernichten die Welt und das All, um sich einen freien Spielraum im Nichts zu verschaffen. Das deutlichste Zeugnis der besonders unter dem Einfluß der Transzendentalphilosophie von FICHTE entstandenen nihilistischen Grundstimmung der Jenaer Romantik stellen die Nachtwachen von Bonaventura (1804) dar. In ihnen erreicht die Nichtsspekulation einen Höhepunkt. Ihre letzten Worte enden charakteristischerweise mit dem Nichts: „Drüben auf dem Grabe steht noch der Geisterseher und umarmt Nichts I Und der Widerhall im Gebeinhause ruft zum letzten Male — Nichtsl' Es ist auch auf HöLDERLIN, Hegels Gesprächspartner in Frankfurt, hinzuweisen. Der Dichter des Hyperion weiß sich ergriffen vom Nichts: „O ihr Armen, die ihr das fühlt, die ihr auch nicht sprechen mögt von menschlicher Bestimmung, die ihr auch so durch und durch ergriffen seyd vom Nichts, das über uns waltet, so gründlich einseht, daß wir geboren werden für

III. Kritik an der Reflexionsphilosophie

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Nichts, daß wir lieben ein Nichts, glauben an's Nichts, uns abarbeiten für Nichts, um mälig überzugehen in's Nichts ... Wenn ich hinsehe in's Leben, was ist das lezte von allem? Nichts. Wenn ich aufsteige im Geiste, was ist das Höchste von allem? Nichts." Für Hegels Programm eines wahren Nihilismus ist also nicht nur der Pantheismusstreit und JACOBIS Nihilismusvorwurf, sondern auch HöLDERLIN und die Dichtung der Jenaer Romantik von Bedeutung. Die Frühromantiker und ihre Kritiker entwickeln ein neues Vokabular, das durch Begriffe wie „Nichts", „Annihilation", „Negativität", „Verzweiflung", „Nullität", „Chaos", „Anarchie", „Revolution" usw. gekennzeichnet ist Aus diesem Vokabular kann sowohl JACOBI in seinem Sendschreiben an FICHTE als auch Hegel in seinen Journalaufsätzen schöpfen. b) Hegel und

SCHELLING

in Jena

Hegel begegnete in Jena einem SCHELLING, der durch den Umgang mit den Gebrüdern SCHLEGEL, mit TIECK und NOVALIS mit romantischem Gedankengut bestens vertraut war Daß die Nachtwachen von Bonaventura für einen Roman SCHELLINGS gehalten werden konnten und können ®®, zeigt, daß SCHELLING nicht nur als ein Vertrauter der Jenaer Romantiker, sondern auch als ihr führender Vertreter angesehen wurde. Diese nicht nur biographische, sondern auch geistige Nähe SCHELLINGS zur Romantik kann als Konsequenz seines philosophischen Ansatzes verstanden werden. SCHELLING faßt von vornherein im Unterschied zu FICHTE den Begriff der intellektuellen Anschauung in einer mehr „esoterischen" Weise. Dies hängt damit zusammen, daß SCHELLING von Anfang an die intellektuelle Anschauung im Unterschied zu FICHTE mit der intellektuellen Anschauung Gottes bei SPINOZA in Verbindung bringt Aus einer intellektuellen Anschauung, die sich als Grundlage des kategorischen Imperativs versteht erwächst ein anderes Pathos als aus einer, die darüber hinaus Erkenntnis der unendlichen Substanz sein soll. So fordert SCHELLING „eine gänzliche Zerstörung der endlichen Sphäre" das „höchste Moment des Seyns ist für uns Uebergang zum Nichtseyn, Moment der Vernichtung" ®®. Die intellektuelle Anschauung ist als Vernichtung aller Endlichkeit mit dem Zustand des Todes zu vergleichen: „Wir erwachen aus der intellektualen Anschauung wie aus dem Zustande des Todes." ®® Der Zustand der intellektuellen Anschauung führt zum leeren Nichts, wie auch die chinesischen Philosophen das höchste Gut, die absolute Seligkeit, im Nichts bestehen ließen: „Denn, wenn Nichts das heißt, was schlechterdings kein Objekt

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Erster Teil: Systemansatz der ersten Jenaer Jahre

ist, SO muß das Nichts gewiß da eintreten, wo ein Nicht-Objekt doch noch objektiv angeschaut werden soll, d. h. wo alles Denken und aller Verstand ausgeht." Die intellektuelle Anschauung als Nichts ist Negation aller Endlichkeit, die aufgrund der immanenten Nichtigkeit zu negieren ist. Das Endliche, das dem Ich gegenüberstehende Nicht-Ich, stellt insofern auch ein absolutes Nichts dar Vom Nichts der intellektuellen Anschauung ist das Nichts des Endlichen zu unterscheiden. Ein deutliches Zeugnis für die Einbeziehung romantischen Gedankenguts in diesen frühen philosophischen Ansatz SCHELLINGS stellt der Aufsatz lieber das Verhältniß der Naturphilosophie zur Philosophie überhaupt (1802) dar (vgl. GIV 4. 265—276). Trotz des Streits um die Verfasserschaft dieses Aufsatzes kann wohl davon ausgegangen werden, daß er von ScHELLiNG Unter Mitarbeit Hegels verfaßt wurde (vgl. GW 4. 543— 546). Die Berufung auf die „krystallhelle Mystik des Katholicismus" {GW 4. 273), auf den Mystizismus als das innerste Wesen des Christentums spiegelt die romantische Begeisterung für das mittelalterliche Christentum wider. Daß hier neuplatonische und J. BöHMESche Einflüsse zu erkennen sind — wie ein Rezensent behauptete — ist nicht nachweisbar. Es läßt sich wohl eine Verbindung von christlicher Mystik und PrATONismus erkennen, wenn am Schluß an den von SOKRATES-PLATON gepriesenen Tod als „Eingang zu der ewigen Freyheit und dem wahren Leben" erinnert wird: „Der wahre Triumph und die letzte Befreyung der Seele liegt allein im absoluten Idealismus, im absoluten Tod des Reellen als solchen" (GW 4. 276). Bei der Mitarbeit an dieser Schrift konnte Hegel auf eigene, zurückliegende Studien zurückgreifen, auf Exzerpte von Mystikerzitaten aus MOSHEIMS Institutiones historiae ecclesiasticae saec. 13 p. 2 c. 5 § 10: „Ick spreche nüt daß alle Creaturen syn etwas kleines, oder das sie etwas sind, sondern daß sie sind om (nihil)" {N 367) Es ist aber nicht zu belegen, daß Hegel sich am Anfang der Jenaer Zeit erneut mit den christlichen Mystikern befaßt hat. Ebensowenig läßt sich zu dieser Zeit ein Studium der Neuplatoniker nachweisen, wenngleich — ähnlich wie bei ScHELLiNG zu dieser Zeit — Anzeichen dafür gegeben sind. Hegel verteidigt im Skeptizismusaufsatz den Neuplatoniker FICINUS gegen den Philosophiehistoriker D. TIEDEMANN (vgl. GW 4. 207) ®^. In diesem Aufsatz verteidigt er außerdem den der neuplatonischen Schwärmerei verdächtigten LEIBNIZ und schließt sich dessen Behauptung einer Verwandtschaft der Seele mit Gott an — eine These, die von dem neueren Skeptizismus notwendig für eine theosophische Grille gehalten werden muß (vgl. GW 4. 233 u. 237). In der Differenzschrift spricht Hegel auch von der „Emanation" (GW 4. 31) der Erscheinung der Vernunft.

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K. ROSENKRANZ glaubt, direkt von einer theosophischen Phase des Hegelschen Denkens sprechen zu können, die er allerdings in die Frankfurter Zeit verlegt Hegel versuchte in einem „Dreieck der Dreiecke" sich spekulative Sachverhalte durch geometrische Figuren zu veranschaulichen. Am Ende der Schweizer Periode exzerpierte Hegel nach ROSENKRANZ Stellen aus MEISTER ECKHART und TAULER, außerdem vertiefte er sich in die Gnosis (vgl. Ros 102). Diese Beschäftigung „unterstützte" Hegel nach ROSENKRANZ bei seinen Dreiecksspekulationen. Dieser Hinweis von ROSENKRANZ ist zu allgemein und läßt sich möglicherweise aus dessen eigener Biographie erklären ®®. Von größerer Bedeutung ist die Behauptung von ROSENKRANZ, daß J. BöHME Hegels Dreiecksspekulationen beeinflußt habe. J. BöHME war im Kreise der Romantiker durch TIECK neu zu Ehren gekommen, TIECK warb lebhaft für diesen Denker ®®. Es lassen sich in Hegels Dreiecksfragment jedoch keine typisch BöHMESchen Gedanken nachweisen ®^. Hegel hat wohl schon gleich zu Beginn seiner Jenaer Zeit die BöHMEdiskussion der Jenaer Romantiker kennengelernt ®®, aber auch sofort ein distanziertes Verhältnis zur Unform der BöHMESchen Gedanken eingenommen ®®. Es kann somit nur mit Vorbehalten von einer theosophischen Phase des Hegelschen Denkens gesprochen werden. Hegel hatte durch seinen in der Differenzschrift entwickelten Begriff der Spekulation sich von vornherein eine Eigenständigkeit des Denkens gesichert, von der aus eine Kritik an theosophischen Tendenzen möglich wurde. Es ist außerdem auf den experimentierenden Charakter der Dreiecksspekulationen hinzuweisen (vgl. Ros 102). Hegels Begegnung mit SCHELLING in Jena war zweifelsohne eine Begegnung mit romantischem, mystischem und theosophischem Gedankengut, das auf seinen Denkansatz aber nicht den entscheidenden Einfluß ausgeübt hat. Wichtiger als Romantik, christliche Mystik und J. BöHMESche Theosophie waren für ihn SPINOZA und PLATON, mit dem er sich in Frankfurt erneut beschäftigte (vgl. Ros 100). So überzeugt es auch mehr, daß Hegels Dreiecksspekulationen aus der Auseinandersetzung mit dem PLATONischen Timaios entstanden sind ’®. — Ein direkter Einfluß J. BöHMES ist erst für die Phänomenologie nachweisbar, in der im Religionskapitel die Rede vom Abfall des erstgeborenen Lichtsohnes und vom Zorn Gottes ist (vgl. Phän 538 f) Schon in der Jenaer Logik und Metaphysik von 1804/05 taucht der Begriff „Abfall" auf (vgl. GW 7. 177) Diese teilweise Übernahme BöHMEscher Termini bedeutet aber keine Bekehrung Hegels zum theosophischen Standpunkt (vgl. Ros 188). — SCHELLINGS Verhältnis zu Romantik, Mystik und Theosophie gestaltete sich anders als bei Hegel, aber auch für SCHELLING waren die großen Denker SPINOZA

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und PLATON. Aufgrund des zum erstenmal in der Differenzschrift zutage tretenden verschiedenen Systemansatzes mußte in dem Gemeinsamen von ScHELLiNG und Hegel aber eine grundlegende Differenz auftreten. Diese Differenz berührt das Verhältnis von Einheit und Entzweiung, von Anschauung und Reflexion. Gegen Ende des Jahres 1807 begreift SCHELLING offenbar zum erstenmal ihre Differenz, indem er sein Nichtbegreifenkönnen bekennt: „So bekenne ich, bis jetzt Deinen Sinn nicht zu begreifen, in dem Du den Begriff der Anschauung opponierst" {Briefe 1, 194). Daß bei beiden Denkern ein je verschiedenes Verhältnis von Begriff und Anschauung schon bei ihrer Begegnung in Jena vorlag, läßt sich aus einem Vergleich der Differenzschrift mit den Schriften SCHELLINGS ZU dieser Zeit deutlich machen'^®. SCHELLINGS Nähe zur Jenaer Romantik weist auf die Differenz zwischen beiden Denkern hin, auf SCHELLINGS andere Bewertung der Anschauung gegenüber dem Begriff.

c) Rezensenten des Kritischen Journals und Hegels Philosophie am Anfang der Jenaer Zeit wurde von Rezensenten der Differenzschrift und des Kritischen Journals durchaus auch als Nihilismus verstanden. J. J. WAGNER betont in seiner Rezension der Differenzschrift, daß Hegel philosophisches Talent habe, aber das Dunkle suche Er anerkennt, daß Hegel FICHTE zum erstenmal historisch begriffen habe Außerdem stellt WAGNER fest, daß Hegels FICHTEkritik sich auch gegen SCHELLINGS System richte. Hegel habe SCHELLING nicht im Sinne SCHELLINGS genommen, der wieder in die FiCHTESche Lehre zurückfalle ^®. — K. WEILLER, ein Vertreter der katholischen bayerischen Aufklärungspartei (vgl. Briefe 1, 450 Anm. 3 zu Nr. 41), fragt, ob für das von SCHIELLING und Hegel inaugurierte neue philosophische System „absoluter Nihilism" nicht eine passendere Bezeichnung sei als „absoluter Idealism" WEILLER beruft sich auf JACOBI, der die Entwicklung von KANT ZU FICHTE, SCHELLING und einer Position nach SCHELLING vorausgesagt habe, in der nur das Nichts herrsche In den jetzigen Philosophien gelange der Verstand zum vollendeten Nichts, zum Nichts des Kopfes und Herzens die jetzige Philosophie befinde sich „am Eingänge des bodenlosen Nichts" ®®. In der Philosophie SCHELLINGS sei das Sein die höchste Abstraktion auf dem Gebiete der Objektivität, das Vorstellen auf dem der Subjektivität. Die absolute Identität von Subjektivität und Objektivität sei „das absolute Nichts" — Schon vor WEILLER versteht der jACOBischüler F. KOPPEN in einer Schrift, in der auch drei Briefe JACOBIS SCHELLINGS

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veröffentlicht sind, SCHELLINGS und Hegels Philosophie ebenfalls als Philosophie des absoluten Nichts. Das System SCHELLINGS ist für ihn „absoluter Nihilismus" Das „Nichtswesen des absoluten Nihilismus" will „absolut aus dem Nichts erschaffen" Die höchste Einheit, die für SCHELLiNG ein „heiliger Abgrimd" ist, bedeutet für KöPFEN ein „verschlingendes und wiedergebährendes Nichts" Die „absolute Nichtslehre" SCHELLINGS erschafft „aus der Potenz des Nichts die Welt, aus dem Tode das Leben" Die intellektuelle Anschauung bedeutet „Vernichtung des Bewußtseyns", „absoluter Tod"®®. Für SCHELLING und Hegel ist keine Anleitung zur Philosophie möglich und notwendig ®®; denn es gibt eine unmittelbare Erkenntnis des Absoluten ®*. KöPFEN wirft SCHELLING tmd Hegel vor, daß ihre Philosophie „aus Chaos und Schicksal eine Welt hervorgehen" lassen, nicht aber aus Freiheit und Persönlichkeit. „Einer Philosophie des absoluten Nichts mangelt es am Geiste und am Symbol." Deshalb ist sie notwendig Atheismus. KöPFEN faßt seine Antwort auf Hegel folgendermaßen zusammen, indem er die fünf Hauptmomente von Glauben und Wissen herausstellt: „1) Vertheidigung des von SCHELLING selbst widerlegten Kriticismus. 2) Verstehen und Nichtverstehen des SPINOZA zugleich, oder vielmehr: Indifferenzpunkt des Verstehens und Nichtverstehens in Beziehung auf SPINOZA. 3) Gleichsetzung zweener ganz verschiedner Schriftsteller, HERDER und JACOBI.

4) Aesthetische Geschmacksindifferenz. 5) Eine natürliche Vorliebe für Dunkelheit." KöPFEN erkennt in dieser Aufstellung durchaus die entscheidenden Punkte des Hegelschen Aufsatzes. Als jAcoBischüler bleibt ihm jedoch jedes Verständnis für Hegels Standpunkt des wahren Nihilismus verschlossen. Die entscheidende Stelle, an der Hegel einen solchen wahren Nihilismus proklamiert, wird von JACOBI zitiert, ohne daß er in ihr einen neuen, zu überdenkenden philosophischen Ansatz erkennt Auf eine mögliche Differenz zwischen dem philosophischen Ansatz SCHELLINGS und Hegels scheint KOPPEN in seinem ersten Hauptpunkt hinweisen zu wollen, obwohl Hegel sonst von KöPFEN und JACOBI ganz als ScHELLiNGianer behandelt wird. — Interessanterweise mißt KOPPEN gerade jener frühen Äußerung SCHELLINGS über die intellektuelle Anschauung als Zustand des Todes programmatische Bedeutung bei Von hier aus erscheint SCHELLING und der Hegel der Differenzschrift, der von dem Sichversenken der Vernunft in ihren Abgrund spricht ®®, auf einer Linie. KOPPEN kann sich für seine Deutung der ScHELLiNGschen Philosophie als eines absoluten Nihilismus auch

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Erster Teil: Systemansatz der ersten Jenaer Jahre

auf spätere Äußerungen SCHELLINGS berufen. In den Ferneren Darstellungen aus dem System der Philosophie (1802) spricht SCHELLING von der Nacht des Absoluten, die sich für die Erkenntnis in Tag verwandle; für die meisten sei das Absolute nichts als eitel Nacht Und im Bruno oder über das göttliche und natürliche Prinzip der Dinge (1802) wird die höchste Einheit als heiliger Abgrund betrachtet Daß diese Äußerungen SCHELLINGS aus den Jahren 1795 und 1802 einen verschiedenen Stellenwert besitzen, daß die spätere Äußerung SCHELLINGS möglicherweise durch Hegels Nihilismusbegriff beeinflußt ist, wird von KöPFEN nicht erwogen. Hegels Proklamierung eines wahren Nihilismus stellt ein ganz bestimmtes, historisch bedingtes Programm des Systemansatzes der ersten Jenaer Jahre dar. Der Nihilismus war damals eine Frucht des Zeitgeistes ®®. Der Blick auf die verschiedenen Ausformungen dieses Zeitgeistes hat gezeigt, daß die Rede vom absoluten Nichts geeignet war, die geistesgeschichtliche Situation von ihren grundlegendsten Voraussetzungen aus sichtbar zu machen. Noch der späte FICHTE und SCHELLING wissen um die Bedeutung von Nihilismus und Erkenntnis des absoluten Nichts für die Bestimmung des Idealismus. So erklärt FICHTE in einer Einleitungsvorlesung in die Wissenschaftslehre aus dem Jahre 1813: „Wie denn, wenn wir, nicht so blöde, uns dessen rühmten, und das eben als das Vollendete und Durchgreifende unserer Ansicht, daß sie eben Nihilismus sei, strenge Nachweisung nämlich des absoluten Nichts, außer dem Einen, unsichtbaren Leben, Gott genannt" ^®®. SCHELLING greift in einer Erlanger Vorlesung einen Begriff auf, den er schon einmal in dem für die Klarlegung der Differenz zwischen beiden Denkern wichtigen Brief an FICHTE vom 3. 10. 1801 gebraucht hatte, nämlich den Begriff der Annihilation. SCHELLING bezieht sich in einer Münchener auf jene Erlanger Vorlesung und erklärt: „Ich sagte vor einigen Jahren, wer dieses heroischen Annihilisationsakts fähig ist, fähig, nicht etwas blos an der Realität des empirischen Seins zu zweifeln oder sich blos über dasselbe zu erheben, sondern in diesem Sein absolut nichts zu wollen, wer dieses heroischen Annihilisationsakts fähig ist, für den bedarf es keiner hinführenden Philosophie" ^®^.

III. Kritik an der Reflexionsphilosophie

b)

JACOBIS

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Glaubensphilosophie

hat die „Subjectivität ganz subjectiv zur Individualität" {GW 4. 347) gemacht, das innere Leben des einzelnen Subjekts neu entfacht und im Subjekt wieder Sinn für Schönheit und Religion erzeugt. Hegel anerkennt dies Anliegen JACOBIS, das nicht nur seiner Philosophie, sondern auch KANTS und FICHTES Philosophieren zugrunde liegt: „Die große Form des Weltgeistes aber, welche sich in jenen Philosophieen erkannt hat, ist das Princip des Nordens, und es religiös angesehen, des Protestantismus, die Subjectivität, in welcher Schönheit und Wahrheit, in Gefühlen und Gesinnungen, in Liebe und Verstand sich darstellt" {GW 4. 316). Indem Hegel JACOBIS Subjektivitätsphilosophie mit der von KANT und FICHTE in Verbindung bringt, versachlicht er sofort seine Kritik. Es geht ihm um die jACOBische Philosophie als um die „Representantinn ihrer Gattung" {GW 4. 383). Weil es ihm um das Prinzip einer Philosophie geht, kann Hegel auf JACOBIS Philosophie als auf ein gemeinsames Prinzip der KANTischen und FicHTESchen Philosophie hinweisen. Nicht KANT aber FICHTE hat sich denn auch zum Prinzip der jACOBischen Philosophie als der Grundlage des eigenen philosophischen Ansatzes bekannt. Schon in der Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre (1794) hatte FICHTE JACOBIS These von der unmittelbar geglaubten Realität bestätigt FICHTE begründet diese These allerdings transzendental, da er den Mangel des jACOBischen Ansatzes darin sieht, daß JACOBI den Glauben an die unmittelbar gegebene Realität des Daseins außerhalb der Verstandesreflexion setzt. In seiner Schrift Die Bestimmung des Menschen (1800) geht FICHTE stärker auf JACOBIS Glaubensphilosophie ein. FICHTE will sich offenbar in der Darlegung seines Glaubensverständnisses im dritten Buch dieser Schrift von den im Atheismusstreit erhobenen Vorwürfen befreien. JACOBI sucht von der Erfahrung des Absoluten her Subjektivität zu konstituieren, während nach seiner Meinung die neuzeitliche Philosophie das einzelne Ich an die Stelle des Absoluten setzt. Obwohl er sich gerade gegen eine Verabsolutierung der einzelnen Subjektivität richtet, wirft Hegel ihm vor, selber zu einem Absolutsetzen der Individualität des Subjekts zu kommen. JACOBI behauptet, eine unmittelbare Beziehung des einzelnen Subjekts zum Absoluten sei möglich. Dadurch macht er die Subjektivität ganz subjektiv, zur Individualität; er abstrahiert einseitig von der Vermittlung, wodurch jene unmittelbare Beziehung des einzelnen Subjekts zum Absoluten zustande kommt. Durch Berufung auf das Gefühl gelangt JACOBI später (1811) zu einer Rehabilitierung der intellektuellen Anschauung ^®®. Nur vom Standpunkt eines unreflektierten, unbefangenen BewußtJACOBI

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Erster Teil: Systemansatz der ersten Jenaer Jahre

seins könnte nach Hegel JACOBIS Philosophie mit Recht vertreten werden. In gewisser Weise will der Protestantismus — als dessen Vertreter JACOBI erscheint — diese Unbefangenheit zurückgewinnen, indem er zwischen Diesseits und Jenseits, Erkennen und Glauben trennt. Diese Trennung kann aber unmöglich von Dauer sein, denn früher oder später stellt sich die Frage, wie der Glaube mit dem Bewußtsein einer bestimmten Epoche vermittelt ist: „Wenn also bey JACOBI die protestantische Subjectivität aus der KANxischen Begriffsform zu ihrer wahren Gestalt, einer subjectiven Schönheit der Empfindung und der Lyrik himmlischer Sehnsucht zurückzukehren scheint, so ist doch der Glaube und die individuelle Schönheit durch das wesentliche Ingrediens der Reflexion und des Bewußtseyns über diese subjective Schönheit aus der Unbefangenheit und Rücksichtslosigkeit herausgeworfen, wodurch sie allein fähig ist, schön und fromm und religiös zu seyn" (GW 4. 383). Der Glaube mißversteht das Wesen des Absoluten, das absolute Negativität, Aufhebung jedes natürlichen Seins bedeutet, wenn er sich in eine Religiosität des Gefühls flüchtet. Auch der Glaube wird von der Zerrissenheit eines Zeitalters affiziert, so daß er nicht „rein" (GW 4. 380) bleiben kann Wird der Glaube dennoch in seiner Unmittelbarkeit behauptet, so verunreinigt er das wahre Wesen des Glaubens. Es wird trotz der Reflexion geglaubt, im Widerspruch zu ihr. Dadurch soll ein letzter Rest individuellen Handelns erhalten bleiben, der sich grundsätzlich jeder Rechtfertigung durch Verstandesreflexion entzieht. Die Subjektivität wird sowohl vernichtet als für den einzelnen gerettet (vgl. GW 4. 380), „die Subjectivität hat sich so in ihrer Vernichtung selbst gerettet" (GW 4. 379). Diese Vorwürfe Hegels wurden auch von anderen zeitgenössischen jAcoBikritikern erhoben. F. SCHLEGEL spricht in seiner Rezension des Waldemar von der „Triedrich-Heinrich-Jacobiheit" F. SCHLEGEL und Hegel stimmen auch in ihrer Beurteilung des Waldemar überein. Während Hegel von vornherein in der Gestalt des Woldemar eine Verkörperung der Philosophie JACOBIS erkennt (vgl. GW 4. 382 f) formuliert F. SCHLEGEL vorsichtiger. Er erklärt, JACOBI nehme Anteil an dem Verzärteln Woldemars, Woldemar sei auch sein Liebling F. SCHLEGEL und Hegel stimmen auch in ihrer Bewertung der jAcoBischen Staatstheorie überein. JACOBI gehe nicht von einem objektiven Imperativ, so lautet SCHLEGELS Kritik, sondern von einem individuellen Optativ aus JACOBI kenne keine Tugend, die Gesetze ehrt und sich in Taten beweist Hegel schreibt: „Aber JACOBI nennt, was das lebendigste ist, Vaterland, Volk und Gesetze, Dinge, an die sie gewöhnt seyen, wie man an Dinge gewöhnt ist; er begreifft sie nicht als heilige Dinge .. ." (GW 4. 382).

III. Kritik an der Reflexionsphilosophie

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Im Unterschied zu F. SCHLEGEL glaubt Hegel, JACOBIS Philosophie nicht nur charakterisieren, sondern systematisieren zu können denn die JAcoBische Philosophie stellt das Prinzip der zur Individualität gewordenen Subjektivität in seiner vollendeten Form dar. Durch diese Systematisierungstendenz sind Hegel im Jahre 1802 Aspekte der jACOBischen Philosophie entgangen, die er später durchaus wahrgenommen hat. JACOBI wehrt sich denn auch in seiner Antwort auf Glauben und Wissen gegen Hegels Vorwurf, er verachte die Gesetze JACOBI hat immer an dem notwendigen Bezug von Subjektivität zur Sphäre der Sittlichkeit festgehalten Er kritisierte auch ausdrücklich Entscheidungen, die nur auf einer gefühlten Überzeugung beruhen und warnte vor den Gefahren subjektiven Dünkels Hegel hat in Glauben und Wissen erkannt, daß JACOBI Freiheit als zur Individualität gewordene Subjektivität geltend macht. Er hat damit auch die Problematik einer solchen Subjektivitätstheorie thematisiert. Gegenüber Hegels jACOBikritik muß aber auch betont werden, daß JACOBI Freiheit nicht auf Subjektivität reduziert hat Als Fortsetzung der jAcoBischen Glaubensphilosophie interpretiert Hegel SCHLEIERMACHERS Reden über die Religion, in denen „das jACOBische Princip die höchste Potenzirung erreicht, deren es fähig ist, und der Protestantismus, der im Diesseits Versöhnung sucht, hat sich auf das Höchste getrieben, ohne aus seinem Charakter der Subjektivität herauszutreten" {GW 4. 385). In den „tragischen Ernst der Religion" mischt SCHLEIERMACHER die „Virtuosität des religiösen Künstlers". Die Meinung des einzelnen Gläubigen erhält größte Wichtigkeit. Der wahre Glaube, die „Katholicität der Religion" besteht jedoch in „Negativität und der Allgemeinheit des Einzelnseyns" (GW 4. 386). Das Wesen dieser Negativität erläutert Hegel durch die Metapher des Feuers: „Die ganze Sphäre der Endlichkeit, des selbst Etwas seyns, der Sinnlichkeit, versinkt im wahrhaften Glauben vor dem Denken und Schauen des Ewigen, was hier Eins wird, alle Mücken der Subjectivität verbrennen in diesem verzehrendem Feuer, und selbst das Bewußtseyn dieses Hingebens und Vemichtens ist vernichtet" {GW 4. 379) An anderer Stelle entwirft Hegel das Bild einer „neuen Religion" (Ros 141) Diese „neue Religion" überwindet die isolierte Subjektivität des Protestantismus, den Hegel für eine ebenso endliche Form des Christentums hält wie den Katholizismus. Aus dem Christentum müsse sich „durch die Vermittelung der Philosophie eine dritte Form der Religion" {Ros 140) hervorbilden. Denn nachdem „nun der Protestantismus die fremde Weihe ausgezogen, kann der Geist sich als Geist in eigener Gestalt zu heiligen und die ursprüngliche Versöhnung mit sich in einer neuen Religion herzustellen wagen" {Ros 141) Die „neue Religion"

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Erster Teil; Systemansatz der ersten Jenaer Jahre

kann nur in einem freien Volk existieren, das auf eigenem Boden steht. Die Philosophie dient dem sittlichen Leben. Sie ist es, die allein die unendliche Entzweiung der Welt bewußt machen und sich über sie erheben kann. Aber die Philosophie bedarf der Religion, die Vernunft des Glaubens, weil der Glaube die Reflexion aus der Verstrickung in die Endlichkeit befreien kann. Die Vernunft flüchtet zum Glauben aus der Reflexion, „um die Endlichkeit zu vernichten und die Subjectivität aufzuheben, aber von dieser vorhandenen Opposition gegen die Reflexion und Subjectivität wird eben darum der Glaube selber afficirt" (GW 4. 379). Glaube und philosophische Reflexion bilden eine Einheit; die Philosophie bedarf der absoluten Negativität des Glaubens, der Glaube muß sich zum Denken läutern. Ein Glaube, der die Subjektivität des einzelnen vor der Vernichtung im Absoluten retten will, handelt aus Angst vor der Vernunft. Hegels Programm eines wahren Nihilismus und sein Entwurf einer neuen Religion zeigen eine klare Alternative zu JACOBIS Subjektivitätsphilosophie auf. Hegel fordert die Vernichtung der besonderen Einzelnheit des Subjekts in dem „verzehrenden Feuer" des Absoluten. Er wirft JACOBI vor, daß er die Subjektivität des einzelnen vor dieser Vernichtung bewahren will. Aber auch JACOBI kennt eine Aufhebung der besonderen Subjektivität des einzelnen im Glauben an Gott. Im Unterschied zu Hegel geht JACOBI davon aus, daß eine solche Aufhebung wieder nur im einzelnen Individuum möglich ist, d. h. die Aufhebung der besonderen Subjektivität wird vom individuellen Subjekt geleistet und läßt Individualität überhaupt erst entstehen. Hierbei wird ein systematisches Problem sichtbar. Hegel will der Aporie entgehen, die darin besteht, daß die besondere Subjektivität des einzelnen nur wieder durch besondere Subjektivität aufgehoben werden kann. Das in Frage stehende systematische Problem kann auch allgemeiner als das der Selbstvermittlung des Subjekts formuliert werden. Hegel beansprucht, daß der Übergang vom Verstand zur Vernunft jener Aporie entgeht. Ihm konnte es aber nicht entgangen sein, daß die Bindung des Selbstvermittlungsprozesses des Subjekts an die besondere Individualität des einzelnen unumgänglich ist; denn sonst würde eine Selbstvermittlung des Subjekts ohne wirkliches Subjekt stattfinden. Es ist im folgenden zu sehen, wie Hegel diese Rückvermittlung an das besondere Individuum verstanden hat. Gerade die Gegenüberstellung der Subjekt! vitätsphilosophie JACOBIS mit der Hegels läßt den besonderen Ansatz Hegels deutlich werden. Hegels Programm eines wahren Nihilismus besteht in der Selbstvernichtung jener besonderen Subjektivität des Subjekts, die zu seiner Zeit in ihrer ausgebildetsten Form in der Philosophie JACOBIS auftrat. Diese

III. Kritik an der Reflexionsphilosophie

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Selbstvernichtung der besonderen Subjektivität muß auf das von der Reflexionsphilosophie aufgeworfene Problem einer Selbstvermittlung des Subjekts eine Antwort geben.

c) Die Einheit des Satzes der Kausalität und des Grundes Wenn auch JACOBI und Hegel sehr verschiedene Lösungsvorschläge für eine Theorie der Subjektivität anbieten, stimmen beide Denker doch in ihrer Kritik an der zeitgenössischen Transzendentalphilosophie weitgehend überein Beide kritisieren die leeren Abstraktionen des Verstandesdenkens und grenzen im Namen der Vernunft den Wirkungsbereich des Verstandes ein JACOBI und Hegel sind sich darin einig, daß KANT im Empirismus stecken geblieben ist Beide glauben bei KANT ein Abgleiten in empirische Psychologie feststellen zu können wenngleich Hegel hier differenziert und JACOBIS Interpretation der transzendentalen Einbildungskraft als psychologisches Mißverständnis zurückweist (vgl. GW 4. 372 u. 368). Beide sind jedoch der Meinung, daß die Konzeption der transzendentalen Einbildungskraft bei KANT nicht zu der geforderten Synthesis von Subjekt und Objekt führt Beide sehen das Verhältnis von theoretischer und praktischer Vernunft, von Kritik der reinen Vernunft und Kritik der praktischen Vernunft für unzureichend bestimmt. Hegel verteidigt KANT allerdings darin, daß dieser Begriffe wie Ursache, Wirkung und Sukzession auf die Erscheinungswelt beschränkt. Dadurch hat er das „An-sich und die Vernunft . . . schlechthin über diese Formen der Endlichkeit erhoben, und von ihnen rein erhalten" (GW 4. 350). Hegel wirft JACOBI vor, daß er in „diesem Nichts der Endlichkeit" wieder ein Ansich festsetzen will, daß er die von KANT kritisierte Gleichsetzung von Erscheinungen und Dingen an sich wiedereinführen wolle (vgl. GW 4. 351). Hegel knüpft an KANTS Begriff der transzendentalen Einbildungskraft an während JACOBI nur ein „Entweder — Oder" zwischen seiner Glaubensphilosophie und der KANTischen Transzendentalphilosophie zuläßt. Diese Methode des „Entweder — Oder" unterscheidet JACOBIS philosophischen Ausgangspunkt von dem Hegels, der erklärt: „Es gibt ein Drittes, sagt dagegen die Philosophie, und es ist dadurch Philosophie, daß ein Drittes ist" (GW 4. 399). JACOBI stellt in einer Methode der „Konsequenzmacherei" Gegensätze auf, um die Entscheidung für eine der beiden Seiten zu provozieren. Hegel glaubt aufgezeigt zu haben, daß die Wirklichkeit gegensätzlich strukturiert ist. Die Erkenntnis der gegensätzlichen Struktur der Wirklichkeit durch die philosophische Reflexion führt zu dem

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Erster Teil: Systemansatz der ersten Jenaer Jahre

Dritten der Philosophie. Das Dritte der Philosophie kann nur dann erkannt werden, wenn zuvor der absolute Gegensatz gedacht wurde. Die Reflexionsphilosophie, also auch die „Konsequenzmacherei" JACOBIS, denkt nur relative Gegensätze, sie ist nicht fähig, den reinen Gegensatz zu denken, zum Nihilismus des reinen Denkens zu gelangen. Diesen unterschiedlichen methodischen Vorgehensweisen, der Methode des „Entweder — Oder" und der des „Sowohl — Als auch" liegen sehr verschiedene Prinzipien der theoretischen Philosophie zugrunde. Der Verstand geht nach JACOBI unter der Leitung des Satzes der Identität oder des Widerspruchs voran (vgl. GW 4. 347). Daß dieser Satz für die philosophische Reflexion keine letztgültige Verbindlichkeit beanspruchen kann, ist eine von Hegel ausdrücklich formulierte Voraussetzung seines spekulativen Denkansatzes (vgl. GW 4. 208). Auch die Bedeutung des Satzes des Grundes schätzt Hegel anders als JACOBI ein (vgl. GW 4. 23— 27). Dieser trennt streng zwischen Kausalitätsgesetz und Satz vom Grunde (vgl. GW 4. 348). Den Satz des Grundes beschränkt JACOBI auf den logischen Bereich, während das Kausalitätsgesetz allein in der empirischen Realität zur Anwendung kommt. Das Kausalitätsgesetz setzt das Nacheinander in der Zeit voraus, eine Trennung von Ursache und Wirkung. Beim Satz des Grundes wird der bedingende Grund mit dem bedingten Sachverhalt zugleich gesetzt. Hegels Kritik richtet sich gegen eine solche Trennung von Satz der Kausalität und des Grundes. Den Grund für diese scharfe Trennung sieht Hegel darin, daß JACOBI das KausalitätsVerhältnis empiristisch mißdeutet (vgl. GW 4. 349 f). Hegel setzt voraus, daß eine spekulative Betrachtung der Empirie die Relativität des Kausalitätsverhältnisses erkennen wird. Der Begriff der Kraft würde eine Möglichkeit darstellen, die Trennung von Ursache und Wirkung im Kausalitätsverhältnis zu überwinden. Aber HERDER, der den Begriff der Kraft in seiner Schrift Gott für eine Aktualisierung der SpiNOzistischen Sübstanzmetaphysik benutzt 1^®, kommt nach Hegel nicht über Kraft als Reflexionsbegriff im KANxischen Sinne hinaus (vgl. GW 4. 362 f) Es ist SCHELLINGS und Hegels Bemühen, die von KANT vorgenommene Zuordnung von Kraftbegriff und Kausalitätsverhältnis aufzuheben. HERDER und JACOBI kommen nach Hegel darin überein, daß sie die Begriffe, die zu einer spekulativen Betrachtung der Empirie führen könnten, nur als Reflexionsbegriffe behandeln. Darin besteht die von F. KöPFEN mit Verwunderung festgestellte „Gleichsetzung zweener ganz verschiedner Schriftsteller" Der Behandlung des Satzes der Kausalität als Reflexionsverhältnis entspricht bei JACOBI eine einseitige Beschränkung des Satzes vom Grund auf den logischen Bereich. Hegel kann sich hier auf die „ältere philoso-

III. Kritik an der Reflexionsphilosophie

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phische Bildung" (GW 4. 348) berufen, die in dem Satz des Grundes nicht nur ein formelles logisches Gesetz gesehen hat. Hegel bezieht sich hier offenbar auf LEIBNIZ und SPINOZA. LEIBNIZ' Formulierung des Satzes vom zureichenden Grund bezieht diesen Satz sowohl auf notwendige wie auf kontingente Wahrheiten. In der Monadologie erklärt er, daß sich keine Tatsache finden kann, die wahr oder existierend ist, und keine Aussage wahr sein kann, ohne daß es einen hinreichenden Grund dafür gäbe, warum es sich so verhält und nicht anders Der eigentliche Gewährsmann für Hegels Konzeption der Einheit des Satzes der Kausalität und des Grundes ist SPINOZA, der die von JACOBI geforderte Trennung der beiden Sätze ausdrücklich aufhebt. Aus Gottes Macht geht nach SPINOZA alles notwendig hervor, es folgt aus ihr mit derselben Notwendigkeit und auf dieselbe Weise, wie aus der Natur des Dreiecks folgt, daß seine drei Winkel gleich zwei Rechten sind JACOBI interpretiert diese Gleichsetzung so, daß SPINOZA allein vom Satz des Grundes ausgeht, das Kausalitätsgesetz vernachlässigt, somit zu einer Aufhebung der Sukzession in der Zeit und zu einer ewigen Zeit kommt (vgl. GW 4. 352 f). Diese Interpretation weist Hegel entschieden zurück, indem er auf die untergeordnete Bedeutung der Zeit bei SPINOZA verweist. Der Zeitbegriff entspringt aus der „imaginatio", die SPINOZA vom „intellectus" (GW 4. 353) unterscheidet. Der Zeitbegriff ist Produkt einer Abstraktion, die durch Isolierung des Attributs des Denkens von der unendlichen Substanz zustande kommt: „Wir erhalten die Abstraction der Zeit, wenn wir von den Attributen das Denken isoliren, und es nicht als Attribut der absoluten Substanz, als welches es diese selbst ausdrückt, begreifen, sondern es abstrahirt von ihr als leeres Denken, subjective Unendlichkeit fixiren, und diese Abstraction in relative Beziehung auf die Einzelheit des Seyns setzen. Durch diese Abstraction wird denn die Zeit wahrhaft aus der Ewigkeit erkannt, und werm man will, erklärt; ihre Deduction aber aus einer Gemeinschaft einzelner Dinge wird eine natürlichere Erklärung geben, indem das Vorausgesetzte, die einzelnen Dinge, ja schon etwas natürliches sind" (GW 4. 356). Wenn der Zeitbegriff aus der subjektiven Unendlichkeit des Denkens entspringt, ist er auch einer Fehldeutung durch jene Form von Subjektivität ausgesetzt, die Hegel in Glauben und Wissen als Subjektivität der Reflexionsphilosophie kritisiert. JACOBI begeht eine solche Fehldeutung, für ihn ist Zeit gleichbedeutend mit Endlichkeit. JACOBIS Mißverständnis besteht darin, daß er von Zeit als Endlichkeit ausgeht und aufgrund einer Trennung zwischen Satz des Grundes und der Kausalität SPINOZA die Konstruktion einer ewigen Zeit vorwirft. Diesem Mißverständnis muß Hegel begegnen, indem er den Begriff der Unend-

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Erster Teil: Systemansatz der ersten Jenaer Jahre

lichkeit^ der der Substanzmetaphysik SPINOZAS zugrunde liegt, erläutert, wodurch erst die Deduktion der Zeit begründet werden kann. Der absolute Begriff ist Unendlichkeit, absolute Affirmation, die gegen das Endliche gekehrt absolute Negation ist (vgl. GW 4. 358). Die absolute Negation existiert im Setzen entgegengesetzter Pole; „+ A — A = O; das Nichts existirt als + A — A, und ist seinem Wesen nach Unendlichkeit, Denken, absoluter Begriff, absolute reine Affirmation" (GW 4. 358). Die Entgegensetzung begreift Hegel hier im Sinne des kontradiktorischen Widerspruchs, dessen Funktion er — entgegen den Prinzipien der formalen Logik — aber nicht auf den logischen Bereich beschränkt. Soll die Geltung des kontradiktorischen Widerspruchs nicht nur im Denken, sondern auch in der Realität Bedeutung haben, dann ist das Ergebnis der Entgegensetzung nicht nur eine rein formal gemeinte Null, sondern das Nichts. Denn die reale Entgegensetzung im Sinne des kontradiktorischen Widerspruchs führt zur Vernichtung der entgegengesetzten Pole. Diese Universalisierung des kontradiktorischen Widerspruchs soll aber nicht zu einem leeren Nichts führen, sondern zu einem Nichts, das in absolute Affirmation umschlägt. Bei dieser Deutung des kontradiktorischen Widerspruchs ist auf die SpiNOzistische Substanzmetaphysik zurückzugreifen, in der die unendlichen Attribute von Denken und Sein absolut entgegengesetzt, zugleich aber in der unendlichen Substanz vereinigt sind (vgl. GW 4. 208). Hegel wirft JACOBI vor, daß er das Wesen der SriNOzistischen Unendlichkeit nicht verstanden habe, indem er die Attribute so vorstellt, daß sie wie Eigenschaften zur unendlichen Substanz hinzukommen (vgl. GW 4. 358). — Gleichzeitig kann sich Hegel auf KANT und FICHTE berufen. Die Entgegensetzung von A und — A geschieht im Denken, in der Unendlichkeit der absoluten Vernunft (vgl. GW 4. 359). Es ist zu unterscheiden zwischen der Unendlichkeit des absoluten Nichts, das sich aus der Vernichtung der entgegengesetzten Pole ergibt, und dem Nichts, das zugleich „reine Identität" ist, d. h. zwischen der Unendlichkeit der „negativen Seite der absoluten Idee" und der Unendlichkeit der absoluten Idee selber. Deutlich wirkt hier die Unterscheidung zwischen Logik und Metaphysik nach. Denn in der Logik wird die negative Seite der absoluten Idee entwickelt, in der Metaphysik die absolute Idee selber. In der Logik wird das Nichts „als Realität gesetzt", als „das Setzen entgegengesetzter". In der Metaphysik wird erkannt, daß das Nichts zugleich reine Identität ist, daß die Unendlichkeit des Nichts nicht verdinglicht als Produkt, sondern „als Subject oder Produciren" aufgefaßt werden muß. Die Unendlichkeit des Nichts, wie es in der Logik vorkommt, ist die „Unendlichkeit der reinen Identität oder der Negativität", „der formalen oder negativen Vernunft". Von bei-

III. Kritik an der Reflexionsphilosophie

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den Formen der Unendlichkeit — der der Logik oder formalen Vernunft und der der Metaphysik oder der „absoluten Vernunft" — ist die schlechte Unendlichkeit der bloß empirischen Einbildungskraft zu unterscheiden. Erst die Unendlichkeit des Nichts der „formalen oder negativen Vernunft" vernichtet die einseitige Subjektivitäts- und Reflexionsphilosophie. In der Negativität der negativen Vernunft wird endliche Subjektivität in ihrer Endlichkeit vernichtet. Die Berufung auf die KANxische Vernunft und das FicHXEsche Ich im Zusammenhang seiner SriNOZAinterpretation zeigt, wie sehr Hegel SPINOZA von ganz bestimmten Voraussetzungen her liest. Die unendliche Substanz wird als Vernunft und Negativität gedeutet. Von hier aus ergibt sich für Hegel die Möglichkeit, die Einheit des Satzes der Kausalität und des Grundes im Ausgang von der neuzeitlichen Philosophie des Selbstbewußtseins darzulegen. JACOBI hingegen bestimmt seinen philosophischen Standpunkt in scharfer Abgrenzung von SpiNOzismus und Transzendentalphilosophie. Trotz verschiedener philosophischer Ausgangspunkte stimmen beide Denker in ihrer Polemik teilweise überein. Außerdem geht es beiden darum, in die Philosophie wieder den Begriff des Lebens einzuführen Im Unterschied zu JACOBI denkt Hegel den Begriff des Lebens spekulativ. Die Einheit der SpiNozistischen Substanz wird von Hegel als „organische Einheit" (GW 4. 342) verstanden. Diese „organische Einheit" bedeutet absolute Zweckmäßigkeit, die von der äußerlichen teleologischen Zweckmäßigkeit unterschieden werden muß. Auch SPINOZA — entgegen der Annahme KANTS — verwarf eine solche äußerliche Teleologie. In der Interpretation der Substanzmetaphysik SPINOZAS identifiziert Hegel seinen eigenen spekulativen Ansatz mit dem SPINOZAS. F. KöPPENS Bemerkung, Hegel verstehe und nichtverstehe SPINOZA zugleich, ist somit in gewisser Weise zutreffend KOPPEN kann nur nicht die Gründe für diese ambivalente Haltung Hegels benennen. Es ist auch fraglich, ob man von einem Nichtverstehen SPINOZAS sprechen kann. Hegel aktualisiert, wie schon HERDER in seiner Schrift Gott, die Substanzmetaphysik SPINOZAS, so daß eine rein historische Wiedergabe der SpiNOzistischen Lehre von vornherein nicht intendiert war. Auch daß in Hegels SpiNOZAinterpretation der KANxische Kritizismus eine bedeutende Rolle spielt, hat KöPPEN nicht begreifen können. Hegel kann sich für seine Lehre von der absoluten Entgegensetzung sowohl auf die absolute Entgegensetzung der unendlichen Attribute des Denkens und Seins als auch auf KANTS Antinomienlehre berufen. Ebenso kann sich Hegel für sein Verständnis von Vernunft und Negativität auf SPINOZAS unendliche Substanz beziehen und zugleich auf die KANxische Vernunft und das FicHXEsche Ich.

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Erster Teil: Systemansatz der ersten Jenaer Jahre 2. FICHTES

Ausgang vom reinen Selbstbewußtsein

Hegel kritisiert in der Differenzschrift und in Glauben und Wissen von verschiedenen Gesichtspunkten aus FICHTES Theorie der Subjektivität. In Glauben und Wissen berücksichtigt er die Bestimmung des Menschen von FICHTE und sieht eine Nähe zu JACOBIS Glaubensphilosophie Die FICHTEkritik der Differenzschrift geht von einem ausgebildeten methodischen Bewußtsein aus. Obwohl Hegel in den ersten Jenaer Jahren positiv keine eigene Subjektivitätstheorie ausgearbeitet hat, geht aus seiner FiCHTEkritik hervor, daß es ihm an einer solchen Theorie gelegen war und wie diese konzipiert werden müßte. Hegels Verständnis spekulativen Denkens am Anfang der Jenaer Zeit führt ihn dazu, FICHTES Ich = Ich als „absolutes Princip der Spekulation" {GW 4. 37) anzuerkennen. Durch Abstraktion von allem Fremdartigen entsteht für den Philosophen „reines Selbstbewußtseyn" {GW 4. 35). Diese Abstraktion ist Anschauen des empirischen Anschauens, „transcendentale Anschauimg". Aufgabe der philosophischen Reflexion ist es, die transzendentale Anschauung zu erzeugen. Dies kann nur durch Überwindung des Gegensatzes zwischen empirischem und transzendentalem Bewußtsein geschehen. Dabei kommt nach Hegel alles darauf an, das empirische Bewußtsein aus einem „immanenten Princip", aus einer „thätigen Emanation", als „Selbstproduktion des Princips zu konstruiren". — Die Erhebung zur „intellektuellen Anschauung" {GW 4. 35) des Ich = Ich durch die philosophische Reflexion ist Bedingung des „philosophischen Wissens" {GW 4. 36), aber noch kein philosophisches Wissen selber, wenn das reine Selbstbewußtsein der objektiven Welt entgegengesetzt bleibt. Auf diese Weise wäre Ich = Ich nicht tätige Emanation, die Entgegensetzung zwischen Subjekt und Objekt wäre ursprünglicher als deren Identität. Durch das Selbstsetzen des Ich, das nicht einem Objekt entgegengesetzt wird, entsteht das Wissen des Selbstbewußtseins, „gleich Allem", die „Totalität" zu sein Außerhalb des Ich gibt es nichts, das Ich ist inneres Prinzip aller Realität. Philosophie wird zur „Wissenschaft des Wissens", sie entwickelt die Totalität des Objektiven aus dem Ich, entfaltet die Mannigfaltigkeit des Wissens aus dem Wissen des Selbstbewußtseins. Die Einheit des Ich = Ich erweist sich zugleich als Zweiheit, als „Identität der Identität und Nichtidentität" {GW 4. 64). Käme die Zweiheit zur Identität des Ich = Ich hinzu, so läge eine durch bloße Reflexion hervorgebrachte, nicht eine durch philosophische Reflexion erzeugte Identität vor. In diesen Ausführungen läßt Hegel der FiCHTESchen Subjektivitätstheorie eine spekulative Deutung zuteil werden, aus der deutlich hervorgeht.

III. Kritik an der Reflexionsphilosophie

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daß Hegel schon in den ersten Jenaer Jahren Philosophie als Philosophie der Subjektivität verstanden wissen will, insofern FICHTES Ich = Ich als absolutes Prinzip der Spekulation anerkarmt wird. Eine positive Entfaltung dieses Ansatzes bei Hegel selber ist jedoch noch nicht zu erkennen. Der Mangel der FiCHTESchen Philosophie besteht nach Hegel darin, daß FICHTE in seinem System die Identität des „reinen Selbstbewußtseyns" nicht konstruiert hat. FICHTE — so könnte man Hegels Kritik zusammenfassen — hat lediglich einen bedeutenden Wink gegeben, darüber hinaus leistete er jedoch keine Hilfestellung für die Ausarbeitung einer Philosophie, die reines Selbstbewußtsein denken will. In seiner FicHTEkritik bezieht sich Hegel auf die Grundsätze in der Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre (1794). Diese Wissenschaftslehre ist in historischer Abhängigkeit von REINHOLDS Theorie des Vorstellungsvermögens zu sehen, mit der sich FICHTE in der Aenesidemusrezension auseinandersetzte Wie REINHOLD geht FICHTE vom Bewußtsein als Vorstellungsvermögen aus. Während REINHOLD in dem „Satz des Bewußtseyns" die Struktur des Vorstellungsvermögens konstatiert, versucht FICHTE, eine Deduktion der Vorstellung zu geben FICHTE erkennt, daß das in der Subjekt-Objekt-Relation stehende vorstellende Bewußtsein in seinem Beziehen und Unterscheiden eine Synthesis vollzieht, die nicht einfach mit REINHOLD als Zusammensetzung von Form und Stoff in der Vorstellung erklärt werden kann Die Aufstellung der drei Grundsätze soll diesen Synthesischarakter des Bewußtseins als bloßer Vorstellung erklären. Hegel rügt an der Deduktion der Vorstellung aus den drei Grundsätzen vor allem die unzureichende Bestimmung des ersten Grundsatzes. In der Tat bleibt in der Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre der erste Grundsatz zweideutig, weil FICHTE einerseits vom absoluten Ich als einer Idee spricht, er anderseits bei der Aufstellung des ersten Grundsatzes schon von einem wirklich daseienden Bewußtsein ausgeht Daß das absolute Ich in einem wirklich daseienden Bewußtsein zur Erscheinung kommen soll, besagt der dritte Grundsatz. Es stellt sich die Frage, ob der Übergang von dem Ich als Idee zum Ich als Dasein von FICHTE befriedigend expliziert wurde. FICHTE gerät in Schwierigkeiten, wenn er das absolute Ich vom endlichen Ich unterscheiden will. Das Ich ist im Grunde nur dann ein Ich, wenn es nicht wie das absolute Ich unendliche Kausalität ist, sondern wenn es endlich, durch etwas beschränkt ist FICHTE muß bei der Aufstellung des ersten Grundsatzes notwendig ein endliches, wirklich daseiendes Bewußtsein voraussetzen. Schon in der Einleitung zur Differenzschrift hatte Hegel die Aufstellung von Grundsätzen in der Philosophie angegriffen, weil in ihr nicht die Antinomie erfaßt wird. Das Prin-

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Erster Teil: Systemairsatz der ersten Jenaer Jahre

zip einer Philosophie kann nicht in einem Satz oder einer Definition ausgedrückt werden, die Philosophie beginnt vielmehr mit einer Antinomie (vgl. GW 4. 24) Eine Antinomie ist im zweiten Grundsatz der Wissenschaftslehre enthalten, obwohl von FICHTE nicht als solche erkannt. Der erste Grundsatz wird durch den Satz der Identität, der zweite durch den Satz des Widerspruchs, der dritte durch den Satz des Grundes ausgedrückt. Dem zweiten Grundsatz ist auch der Satz der Kausalität zuzuordnen. In dem theoretischen Teil der Wissenschaftslehre wird das Ich durch das Nicht-Ich bestimmt, in dem praktischen bestimmt das Ich das NichtIch. Wird die Entgegensetzung von Ich und Nicht-Ich als Antinomie aufgefaßt, dann wird eine Wechselbestimmung von Ich und Nicht-Ich gesetzt, die nicht mehr adäquat durch das Kausalitätsverhältnis ausgedrückt werden kann. Die wechselseitige Bestimmung von Ich und Nicht-Ich zielt die Vernichtung der Extreme an, welche Vernichtung aber in absolute Affirmation umschlägt. Der als Antinomie aufgefaßte zweite Grundsatz ermöglicht also den Übergang zum dritten Grundsatz, zum Satz des Grundes. Für Hegel hat die FicHXEsche Zuordnung der drei Grundsätze das Mißliche, daß der Satz des Grundes letztlich auf den Satz der Kausalität, der dem zweiten Grundsatz zuzuordnen ist, reduziert wird (vgl. GW 4. 25). In dem Hegelschen Lösungsversuch wird der dritte Grundsatz, der Satz des Grundes, als Einheit der beiden ersten Grundsätze verstanden. Dies war auch FICHTES Intention, nur ist Hegel der Meinung, daß eine bloß intendierte, gesollte Einheit keine wirkliche Einheit darstellt. FICHTE hat nicht die Einheit des Satzes der Kausalität und des Grundes aufgezeigt, sondern vielmehr den Satz des Grundes auf den der Kausalität reduziert. FICHTES Fehler besteht nach Hegel insbesondere darin, die drei Grundsätze als drei absolute Akte nebeneinander aufgestellt zu haben (vgl. GW 4. 37). Eine Mehrheit absoluter Akte widerspricht sich aber. Ich und NichtIch können nur in Beziehung aufeinander gesetzt werden, sie sind daher nur relative Akte. Dadurch daß allen drei Grundsätzen Unbedingtheit zugesprochen wird, verkehrt sich das spekulative Prinzip des ersten Grundsatzes, des Ich = Ich, in sein Gegenteil. Ich = Ich erscheint nun als Reflexionsprodukt, es wird nicht als tätige Emanation begriffen, der allein Absolutheit zukommt. Der dritte Grundsatz kehrt auch nicht in den ersten zurück. Er stellt vielmehr einen schlechten Kompromiß dar, weil die im zweiten Grundsatz angelegte Antinomie nicht erkannt wurde. Weil die Entgegensetzung zwischen Subjekt und Objekt im zweiten Grundsatz nicht als Antinomie begriffen wurde, kann auch im dritten Grundsatz die Entgegensetzung nicht aufgehoben und zum ersten Grundsatz zurückgekehrt werden. Theoretisches und praktisches Vermögen als Teile des dritten

III. Kritik an der Reflexionsphilosophie

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Grundsatzes können ebenfalls nicht die Entgegensetzung aufheben. Das theoretische Vermögen verbleibt in der Entgegensetzung, das Schweben der produktiven Einbildungskraft konstruiert nur relative Identitäten. Für Hegel beinhaltet jedoch die produktive Einbildungskraft das spekulative Prinzip des Ich = Ich, sie ist die absolute Tätigkeit des reinen Selbstbewußtseins (vgl. CW 4. 39 f). Im FicHXESchen System bleibt das Schweben der produktiven Einbildungskraft in rmbegreifliche Schranken eingeschlossen, das reine Selbstbewußtsein erweist sich als durch das empirische Bewußtsein bedingt. In dieser Bedingtheit hat es sich zu beschränken. Diese Beschränkung sucht das Ich im praktischen Vermögen zu überwinden. Die im theoretischen Bewußtsein nicht rekonstruierte Identität von Ich = Ich wird im praktischen Bewußtsein erneut als Postulat aufgestellt und teilweise im Sollen erreicht. Das Sollen drückt für Hegel jedoch nur das „NichtSeyn der absoluten Identität" {GW 4. 46) aus. Von dieser FicHTEkritik, von der sich Hegel nicht mehr distanzieren wird können jene positiven Elemente abgelesen werden, die eine von Hegel möglicherweise noch zu konstruierende Subjektivitätstheorie konstituieren müssen. Nicht eine Mehrheit absoluter Akte, sondern ein absoluter Akt, der die Differenz — im Unterschied zu SCHELLING — enthält, bildet den Ausgangspunkt. Die philosophische Reflexion erkennt die antinomische Struktur der Entgegensetzung und überwindet sie dadurch. In der Entzweiung entfaltet sich das Wissen des Ich. Philosophie bedeutet daher Wissenschaft des Wissens, das am Anfang der Jenaer Zeit unter dem Einfluß SCHELLINGS als transzendentale Anschauung auftritt (vgl. GW 4. 27 f) sich aber nicht dem begrifflichen Denken entzieht. In der Wissenschaft des Wissens wird die „Totalität des Wissens", ein „System der Wissenschaft" (GW 4. 30) konstruiert. Das philosophische Wissen muß aus dem Widerspruch entgegengesetzter Bestimmungen hervorgehen. Die den Gegensatz überwindende transzendentale Anschauung ist zu postulieren (vgl. GW 4. 29) Die transzendentale Anschauung ist aber rüchts anderes als Selbstanschauung des Ich, das selber die Bewegung der Entzweiung und Aufhebung der Entzweiung ist. Das Ich ist die Bewegung absoluter Negativität Das Verhältnis zwischen Ich und Negativität hat Hegel aber am Anfang der Jenaer Zeit nicht genauer bestimmt. Man kann lediglich feststellen, daß es in der Konsequenz der FiCHXEkritik Hegels liegt. Ich als absolute Negativität zu verstehen.

Erster Teil: Systemansatz der ersten Jenaer Jahre

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3.

JCANTS

Antinomienlehre

In Glauben und Wissen versucht Hegel eine Anknüpfung an KANT, dessen Begriff der transzendentalen Apperzeption und dessen Antinomienlehre zum Ausgangspunkt eines spekulativen Denkens gemacht werden. Auch hier verfährt Hegel nach der für ihn typischen Interpretationsmethode. Er will das spekulative Prinzip der KANxischen Philosophie sichtbar machen, das „allenthalben wie eine ehrwürdige Ruine" {GW 4. 235) zugrunde liegt. F. KöPFEN bestreitet die Richtigkeit der Hegelschen KANikritik, weil sie KANTS Äußerungen nicht richtig interpretiert Er erkennt in Hegels Kritik außerdem eine von SCHELLING abweichende Interpretation. Denn ScHELLiNG habe KANT längst abgetan, während Hegel KANT gegen JACOBI verteidige. Darin sieht KöPFEN allerdings keine eigenständige Bezugnahme Hegels auf KANT. Herr Hegel „ward aber durch das ScHELLiNGische System genöthigt, den Kriticismus in Schutz zu nehmen. Dieser Schutz gilt nun bloß in Beziehung auf JACOBI, nicht in Beziehung auf die absolute Identitätsphilosophie, vor der niemand besteht. Also mußte das KANxische System zugleich widerlegt und vertheidigt werden" In der Tat beruft sich Hegel in seiner jACOBikritik auf KANTS Nachweis, daß der Verstand keine Dinge an sich erkennen kann (vgl. GW 4. 350). Wie ist eine solche Berufung auf KANT ZU verstehen, wenn Hegel gleichzeitig KANTS Philosophie nur für eine Erweiterung des LocKEanismus hält (vgl. GW 4. 333)? Philosophie kann als Form philosophischer Reflexion und als Logik verstanden werden, insofern sie auf ihrem idealistischen Standpunkt das Nichtsein der Gegensätze aufweist und zeigt, daß weder die Anschauung noch der Begriff für sich bestehen können (vgl. GW 4. 326). Wenn der Verstand allerdings nur Erscheinungen erkennt, ist er selbst nur Erscheinung (vgl. GW 4. 333). Die negative, rein idealistische Seite verkehrt sich somit bei KANT. Die endlichen Formen des Erkennens werden nicht aufgehoben, sondern in das „menschliche Erkenntnißvermögen als den Pfahl einer absoluten Endlichkeit" {GW 4. 334) gesetzt. Der Gegensatz zwischen Subjekt und Objekt wird nicht vernichtet, sondern bleibt bestehen, weil KANT die spekulative Bedeutung der Schlüsse nicht erkennt. Der Schluß stellt im Unterschied zum Urteil die wahre Identität von Subjekt und Objekt her (vgl. GW 4. 330 u. 328). Das Scheitern des transzendentalen Ansatzes bei KANT wiegt um so schwerer, als KANT durch seine Antinomienlehre und seine Ansätze zu einer einheitlichen Philosophie in der Kritik der Urteilskraft in der Lage war, die Negativität spekulativen Denkens zu entwickeln. KANT war auf dem Wege, das Wesen von Logik und KANTS

III. Kritik an der Reflexionsphilosophie

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philosophischer Reflexion spekulativ darzustellen. Nach Hegel liegt KANTS Verständnis der produktiven Einbildungskraft die Idee einer ursprünglichen Identität des Selbstbewußtseins zugrunde: „Was den Hauptumstand betrifft, daß die productive Einbildungskraft, sowohl in der Form des sinnlichen Anschauens, als des Begreiffens der Anschauung oder der Erfahrung eine wahrhaft speculative Idee ist, so kann die Identität durch den Ausdruck einer synthetischen Einheit den Anschein, als ob sie die Antithesis voraussetzte, und der Mannichfaltigkeit der Antithesis, als eines von ihr unabhängigen und für sich seyenden bedürfte, also der Natur nach später wäre als die Entgegensetzung, erhalten; allein jene Einheit ist bey KANT unwidersprechlich die absolute, ursprüngliche Identität des Selbstbewußtseyns, welche apriorisch absolut aus sich das Urtheil setzt, oder vielmehr als Identität des Subjectiven und Objectiven im Bewußtseyn als Urtheil erscheint" (GW 4. 328). Im Begriff der produktiven Einbildungskraft ist die Idee wahrhafter Apriorität verborgen: „Wir müssen also das Verdienst KANTS nicht darein setzen, daß er die Formen, die in den Kategorieen ausgedrückt sind, in das menschliche Erkenntnißvermögen als den Pfahl einer absoluten Endlichkeit gesetzt, sondern daß er mehr in der Form transcendentaler Einbildungskraft die Idee wahrhafter Apriorität, aber auch selbst in dem Verstände dadurch den Anfang der Idee der Vernunft gelegt hat, daß er das Denken oder die Form, nicht subjectiv, sondern an sich genommen, nicht als etwas formloses, die leere Apperception, sondern daß er das Denken als Verstand, als wahrhafte Form, nemlich als Triplicität begriffen hat. In diese Triplicität ist allein der Keim des Speculativen gelegt" (GW 4. 334 f). Dieser Text macht deutlich, daß Hegel sich eher dem philosophischen Ansatz KANTS verwandt weiß als dem von FICHTE; das Denken darf nicht „subjectiv", sondern muß „an sich genommen" werden. Dieser Text macht ebenfalls deutlich, daß es Hegel nicht um eine schroffe Entgegensetzung von Verstand und Vernunft gehen kann, sondern um ein neues Selbstverständnis des Verstandes. Die Idee der produktiven Einbildungskraft ist identisch mit der Idee des intuitiven Verstandes, der für KANT eine absolut notwendige Idee darstellt, aber kein konstitutives Prinzip des Erkenntnisvermögens werden kann: „und die Idee dieses urbildlichen, intuitiven Verstandes ist im Grunde durchaus nichts anders als dieselbe Idee der transcendentalen Einbildungskraft . . . ; die transcendentale Einbildungskraft ist also selbst anschauender Verstand" (GW 4. 341). Diese KANTinterpretation bedeutet jedoch eine Uminterpretation KANTischer Termini. Denn es entspricht nicht KANTS Ausführungen in der Kritik der reinen Vernunft, wenn Hegel transzendentale Einbildungskraft,

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Erster Teil; Systemansatz der ersten Jenaer Jahre

transzendentale Apperzeption und intuitiven Verstand für verschiedene Formen der ursprünglichen Identität des Selbstbewußtseins hält. Zwar spricht KANT auch von der reinen Apperzeption, die ganz unbestimmt und inhaltslos gedacht werden muß, als von der ,,transzendentalen Einheit des Selbstbewußtseins" aber damit ist für KANT noch keine Gleichsetzung von transzendentaler Apperzeption und Einheit des Selbstbewußtseins in dem Sinne vollzogen, daß für die Funktion der transzendentalen Apperzeption, d. h. für die Gegenstandskonstitution, Selbstreflexion notwendig ist Hegel geht jedoch mit FICHTE und SCHELLING davon aus, daß Gegenstandskonstitution ohne Selbstreflexion nicht möglich ist. KANT betont den reinen Möglichkeitscharakter der transzendentalen Apperzeption als reinen Selbstbewußtseins: „Das: Ich denke, muß alle meine Vorstellungen begleiten können" Hegel macht indessen ein nur mögliches Subjekt zu einem wirklichen Aus Hegels FiCHTEkritik in der Differenzschrift ergibt sich, daß die transzendentale Einheit des Selbstbewußtseins nicht einseitig auf der Subjektseite existierend gedacht werden darf, vielmehr dem Subjekt-Objekt-Gegensatz als ursprüngliche Identität zugrunde liegen muß. Im einzelnen kann gezeigt werden, wie Hegel die von FICHTE geschaffene KANTinterpretation implizit voraussetzt. So erhält erst bei FICHTE die produktive Einbildungskraft die Funktion, eine ursprüngliche Einheit von Entgegengesetztem zu stiften So wichtig auch FICHTES KANTinterpretation für Hegels KANTkritik ist, so ist doch von weitaus entscheidenderer Bedeutung Hegels eigener Begriff der Spekulation, der seine KANTinterpretation leitet. Diesen Begriff spekulativen Denkens entwickelt Hegel in ausdrücklicher Kritik an FICHTE und in impliziter Abgrenzung gegen SCHELiiNG. Hegels Begriff der Spekulation ergibt sich positiv aus seiner Rezeption der KANiischen Antinomienlehre. Diese Rezeption liegt Hegels früher Logikkonzeption und dem Begriff der philosophischen Reflexion zugrunde. KANT hat in der Antinomienlehre der Kritik der reinen Vernunft die Trennung von Freiheit und Notwendigkeit, von intelligibler und sinnlicher Welt zwar „rein" {GW 4. 338) gemacht, aber nur um sie zu fixieren. Das Positive der Antinomien kommt nicht zur Geltung, die Vernunft wird in den Antinomien als „bloße Negativität" {GW 4. 337) angewendet. KANT glaubt die in den Antinomien aufgestellten Gegensätze dadurch aufheben zu können, daß er ihre Notwendigkeit als rein subjektive begreift. Nicht den Dingen an sich kommt der Gegensatz von Unendlichkeit und Endlichkeit der Welt in Raum und Zeit zu, sondern nur den Erscheinungen. Daß die in den Antinomien auf tretenden Gegensätze rein subjektiv bedingt sind, bedeutet, daß sie für ein endliches, erkennendes Subjekt entstehen, das aufgrund der Unerkennbarkeit der Dinge an sich jenen Gegensätzen

III. Kritik an der Reflexionsphilosophie

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keine objektive Gültigkeit zuzusprechen vermag. Während KANT bei den mathematischen Antinomien zu dem Resultat der Unentscheidbarkeit kommt^ so daß weder die Endlichkeit noch die Unendlichkeit der Welt in Raum und Zeit behauptet werden kann, gibt es bei der dritten Antinomie die Möglichkeit der Vereinbarkeit der Gegensätze. Naturkausalität und Kausalität aus Freiheit schließen sich nicht aus, sondern sind miteinander vereinbar Für Hegel bedeutet diese andersartige Auflösung der dynamischen Antinomien lediglich, daß diese nicht „blos negativ" sind wie die mathematischen Antinomien, sondern den „absoluten Dualismus dieser Philosophie" (GW 4. 337) bekermen. KANTS Philosophie bleibt einem Ehialismus von Subjekt und Objekt verhaftet, seine Philosophie ist Reflexionsphilosophie, weil er nicht das Positive der Antinomien, ihre „Mitte" erkennt: „die Vernunft erscheint rein blos von ihrer negativen Seite, als aufhebend die Reflexion, aber sie selbst in ihrer eigenthümlichen Gestalt tritt nicht hervor" (GW 4. 337). KANTS Philosophie ist Logik im Sinne der frühen Logikkonzeption Hegels, denn in der Antinomienlehre erscheint die negative Seite der Vernunft. Aber der Bezug dieser negativen Seite zur Vernunft selber, d. h. zur Metaphysik, wird in Frage gestellt. Wenn Hegel in der Einleitung zur Differenzschrift den Ausgang der philosophischen Reflexion von der Antinomie fordert (vgl. GW 4. 23—27), knüpft er an die KANTische Antinomienlehre an, indem er den in ihr verlorengegangenen Bezug zur Metaphysik, d. h. zur Vernunft, wiederherstellt. Im Unterschied zu KANT setzt Hegel beide Seiten der Antinomie als „etwas an sich seyend" (GW 4. 337). Dies hat die Konsequenz, daß die Antinomien nun in der Wirklichkeit selber bestehen, nicht nur rein subjektiv im Denken. Dadurch wird der Widerspruch, der nur im Denken bestand, in die Wirklichkeit selber hineingetragen. Die Wirklichkeit erhält selber eine antinomische Struktur. Diese Umgestaltung der KANTischen Antinomienlehre muß als der entscheidende Ausgangspunkt des Hegelschen Systemansatzes überhaupt angesehen werden. Denn sie begründet zusammen mit dem Prinzip des Skeptizismus: „navTi Aoytp Aoyo; laog avTixeirai," (GW 4. 208) Hegels Dialektik und Theorie des Widerspruchs. Der Widerspruch muß begangen werden, er existiert nicht nur formell im Denken: „ein Satz ist bloß formell, heißt für die Vernunft, er für sich allein gesetzt, ohne den ihm contradictorisch entgegengesetzten eben so zu behaupten, ist eben darum falsch". Dieser ausdrückliche Verstoß gegen die Gesetze der formalen Logik ist im Zusammenhang mit Hegels Erfahrung der Negativität der Entzweiung zu sehen. Es ist die Frage, ob die Erfahrung der Entzweiung einen solchen Verstoß rechtfertigen kann.

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Erster Teil: Systemansatz der ersten Jenaer Jahre

IV. DER BEGRIFF DER NEGATIVITÄT ALS GRUNDLEGUNG SPEKULATIVEN DENKENS Am Ende von Glauben und Wissen erklärt Hegel, daß die Metaphysik der Subjektivität „den vollständigen Cyclus ihrer Formen in der KANIIschen, jACOBischen und FiCHTE'schen Philosophie durchlaufen" (GW 4. 412) hat. Ehe Reflexionsbildung des Zeitalters ist in ihrer Vollständigkeit erfaßt worden. Die Philosophie hat — gemäß dem für das Kritische Journal aufgestellten Programm ^ — das „Construiren der, nothwendig einzelnen, Erscheinung der Unphilosophie" (GW 4. 127)und dadurch ihr kritisches Geschäft vollendet. In der Kritik an den Reflexionsphilosophien KANTS, JACOBIS und FICHTES ging es nicht darum, „die Idee der Philosophie emporzuheben"; denn hier war „die Idee der Philosophie deutlicher erkannt worden" (GW 4. 120). Die Philosophie mußte vielmehr die „Winkelzüge" aufdecken, „welche die Subjectivität, um der Philosophie zu entgehen, anwendet, so wie die Schwäche, für welche eine Beschränktheit ein sicherer Halt ist, theils für sich, theils in Rücksicht auf die Idee der Philosophie, die mit einer Subjectivität vergesellschaftet wird, anschaulich zu machen; denn wahre Energie jener Idee und Subjectivität sind unverträglich". Verfährt Philosophie in ihrem negativen Geschäft auf diese Weise, dann erscheint ihr Tun „objectiv" und nicht als ein „einseitiger Machtspruch" (GW 4.118). Philosophie kann in ihrer negativen Kritik keine Kompromisse dulden, in denen der Gegner auch als eine Partei anerkannt wird (vgl. GW 4. 128). Die Auseinandersetzung der Philosophie mit der Unphilosophie ist ein „Kampf, der zugleich die werdende Manifestation des Nichts der andern Menge ist" (GW 4. 127). Dieses Verständnis von Kritik entspricht Hegels früher Konzeption der Logik als Einleitung in die Metaphysik. Die Kritik hat den gegnerischen Standpunkt in seiner Vollständigkeit zu erfassen, ihn zu konstruieren. Die Logik stellt die Formen der Endlichkeit nicht empirisch zusammengerafft vor, sondern so, „wie sie aus der Vernunft hervortreten" (Ros 190). Die Kritik muß von der „Idee der Philosophie" (GW 4. 117) ausgehen, sie versteht sich als „Subsumtion unter die Idee" (GW 4. 118). Die Logik muß dem Verstand das „Urbild, das er copirt, den Ausdruck der Vernunft selbst, immer Vorhalten" (Ros 190 f). Die Kritik hat also wie die Logik — und der echte Skeptizismus — die Aufgabe, in die Philosophie einzuleiten, sie hat den Übergang vom Verstand zur Vernunft, die Selbstvernichtung des Verstandes zu produzieren. Es stellt sich nun die Frage, wie

IV. Grundlegung spekulativen Denkens

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dieses Verhältnis der Kritik zur Philosophie, der Logik zur Metaphysik genauer zu verstehen ist. In welchem Sinne kann überhaupt die Vorbereitung auf die Philosophie von deren Durchführung unterschieden werden? ® Kritik und Logik sind Formen einer Einleitung in die Philosophie; diese kommt aber schon in der Einleitung zur Erscheinung. Die Einleitung in die Philosophie ist selber schon Philosophie, nämlich die „negative Seite des Absoluten" {GW 4. 413), die „negative Seite der absoluten Idee" oder die „formale oder negative Vernunft" {GW 4. 359). Die Unterscheidung zwischen einer „formalen oder negativen Vernunft" und einer „absoluten Vernunft" stellt möglicherweise ein ScHELUNGsches Erbe dar, sie kann im Blick auf SCHELLINGS Konzeption einer intellektuellen Anschauung gemacht worden sein ®. Hegels Verständnis der Spekulation und seine Deutung der transzendentalen Anschauung zeigen jedoch deutlich eine Differenz zu SCHELLING auf, die auch in der Unterscheidung zwischen einer negativen und positiven Vernunft bestehen bleibt. Die Unterscheidung ist nicht so zu verstehen, daß zu der absoluten Entgegensetzung, die die „Negativität" {GW 4. 359) der negativen Vernunft ausmacht, noch ein besonderer Akt der Vernunft hinzukommen müsse Bestimmend für die negative Vernunft ist ihr Ausgang von der Antinomie. Mit der Erkenntnis der Antinomie beginnt die Philosophie: „Erkennt der Verstand im Satze des Grundes, als einer Beziehung beyder, nicht die Antinomie, so ist er nicht zur Vernunft gediehen" {GW 4. 26). Das Bewußtsein, daß die „rein formale Erscheinung des Absoluten der Widerspruch ist", kann nur entstehen, „wenn die Spekulation von der Vernunft . .. ausgeht" {GW 4. 27). In der Antinomie hat die Vernunft bereits „das formale Wesen der Reflexion unter sich gebracht" {GW 4. 26). Die Vernunft ist zwar negativ, aber nicht mit der bloßen Reflexion identisch. Deshalb kann die Unterscheidung zwischen einer negativen und positiven Seite der Vernunft nicht aus dem Wesen der Reflexion, sondern muß aus dem Wesen der Vernunft selber hergeleitet werden: „Wenn man bloß auf das formelle der Spekulation reflektirt, und die Synthese des Wissens, in analytischer Form festhält, so ist die Antinomie, der sich selbst aufhebende Widerspruch, der höchste formelle Ausdruk des Wissens und der Wahrheit" {GW 4. 26). Die negative Vernunft stellt somit die in analytischer Form festgehaltene Synthese der positiven, absoluten Vernunft dar. Die Unterscheidung zwischen negativer und positiver Vernunft entspricht also dem analytischen und synthetischen Vorgehen der Philosophie. Diese Unterscheidung erweist sich aber auch durch das der Philosophie eigentümliche Verhältnis zur Reflexionsphilosophie, das durch das Bedürf-

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Erster Teil: Systemansatz der ersten Jenaer Jahre

nis der Philosophie als eine Voraussetzung derselben konstituiert wird, als sinnvoll. Die Reflexionsphilosophie versteht das Wesen absoluter Vernunft nicht. Sie erkennt jedoch deren Auftreten als Negativität, Nichts, Nihilismus, absolute Entgegensetzung. Zumindest glaubt JACOBI, das nihilistische Wesen der Philosophie erkannt zu haben. Hegel kann also an ein gewisses Vorverständnis anknüpfen, wenn er die Philosophie als negative Vernunft vorstellt. Letztlich muß er jedoch dieses Verstehen als Mißverstehen entlarven, da die Reflexionsphilosophie vom Wesen wahrer Negativität nichts weiß, da sie die Antinomie nicht so denken kann, daß in ihr die Mitte zur Erscheinung kommt. Allgemein kann gesagt werden, daß die Antinomie Gegenstand der Reflexion ist, die sich als das Gemeinsame zwischen Reflexionsphilosophie und Spekulation erweist. Die spekulative Philosophie vereinigt als transzendentales Wissen Reflexion und Anschauung (vgl. GW 4. 27). Weil für die Philosophie die Reflexion konstitutive Bedeutung hat, ist eine durch die Reflexion gegebene formale Gemeinsamkeit zwischen Reflexionsphilosophie und Philosophie gegeben. Somit sind zwei Gründe für die Notwendigkeit der Auseinandersetzung der Philosophie mit den verschiedenen Formen der Unphilosophie entscheidend. Obwohl die Philosophie „ihrer Natur nach etwas esoterisches" (GW 4. 124) ist, darf ihr „Ausspruch" nicht „als ein einseitiger Machtspruch" (GW 4. 118) erscheinen. Sie hat den gegnerischen Standpunkt in seiner Vollständigkeit und dadurch das Absolute für das Bewußtsein zu konstruieren (vgl. GW 4. 16). Zweitens hat Philosophie sich mit dem Standpunkt der Reflexionsphilosophie auseinanderzusetzen, weil sie ihr Wissen notwendig im Medium der Reflexion ausbreiten muß In der Auseinandersetzung mit der Verstandesreflexion läßt sich der spekulative Standpunkt entfalten, er muß aber als existent vorausgesetzt werden (vgl. GW 4. 15). Die so verstandene Voraussetzimgslosigkeit der Philosophie wird allerdings zu einem systematischen Problem®. Es stellt sich die Frage, wie die Auseinandersetzung der Philosophie mit der Reflexionsphilosophie, welche Auseinandersetzung in der Logik, im Skeptizismus und in der Kritik stattfindet, vermeiden kann, daß ihr „Ausspruch" doch letztlich als „einseitiger Machtspruch" erscheint. Die Reflexionsphilosophie mag wohl das Absolute als Nichts, Nacht und Abgrund verstehen — das hat JACOBIS Nihilismusvorwurf bewiesen —, aber nicht als Nichts, „woraus alles Seyn, alle Mannichfaltigkeit des Endlichen hervorgegangen ist" (GW 4. 16). Hegel hat am Anfang der Jenaer Zeit in verschiedenen Ansätzen versucht, das Absolute für das Bewußtsein zu konstruieren. Eine der Phä-

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nomenologie vergleichbare Hinführung des Bewußtseins zum Standpunkt philosophischen Wissens fehlt, wenngleich eine solche Hinführung auch schon für den Systemansatz der ersten Jenaer Jahre von entscheidender Bedeutung sein mußte, weil Philosophie ihr Wissen im Medium der Reflexion zu entfalten hat. Logik, Skeptizismus und Kritik der Reflexionsphilosophie sind noch nicht in einer einheitlichen Methode verbunden. Wenn der Übergang vom Verstand zur Vernunft noch nicht allumfassend und in einer einheitlichen Methode für das Bewußtsein konstruiert werden kann, muß Philosophie letztlich an das Bewußtsein appellieren, sich „ä corps perdu" (GW 4. 11) in die Philosophie hineinzustürzen. Das der praktischen Philosophie innewohnende Moment des Heroischen kommt zum Zuge. Dieser Bezug zum praktischen Handeln ist problematisch. Wenn nämlich die Überwindung des reflexionsphilosophischen Standpunkts von der heroischen Übernahme des tragischen Schicksals abhängig gemacht wird, ist der Zugang zur Philosophie nur wenigen möglich. Es ist den großen Männern in der Geschichte Vorbehalten, Heroen zu sein. In Kunst und Religion werden allerdings auch für das alltägliche Bewußtsein Möglichkeiten zur Überwindung des reflexionsphilosophischen Standpunkts bereitgestellt. In der von Hegel proklamierten neuen Religion verbrennen die Mücken der Subjektivität, der Mensch erhebt sich über seine partikularen Interessen und wird fähig, die Entzweiung von ein paar tausend Jahren zu ertragen. Wie weit ein jedes Bewußtsein mit den Mitteln der Reflexion den reflexionsphilosophischen Standpunkt überwinden kann, bleibt am Anfang der Jenaer Zeit noch ungeklärt. Anderseits ist die Eigenständigkeit des Systemansatzes am Anfang der Jenaer Zeit anzuerkennen, dieser darf nicht von der späteren Phänomenologie aus beurteilt werden. Es kann sich nämlich möglicherweise als der Vorzug des frühen Systemansatzes herausstellen, daß auf die Ausarbeitung einer einheitlichen Methode zur Überwindung der Reflexion durch Reflexion verzichtet wurde. Die Möglichkeiten zur Auflösung des geschlossenen Systems der Reflexion durch Reflexion sind beschränkt, Logik und Skeptizismus stellen solche Möglichkeiten dar. Reflexion ist nur Mittel der Kritik, die Fähigkeit zur Kritik gewinnt das Bewußtsein aus der heroischen Übernahme des Schicksals, aus der künstlerischen und religiösen Erfahrung. Die Philosophie muß notwendig etwas Esoterisches sein. — Es stellt sich aber die Frage, ob Hegel das Verhältnis zwischen theoretischer und praktischer Philosophie wirklich so, nämlich im Sinne des Vorrangs der praktischen vor der theoretischen Philosophie, gesehen hat, ob er nicht doch schon eine Überwindung der Reflexion allein durch Reflexion angestrebt hat.

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Erster Teil: Systemansatz der ersten Jenaer Jahre

1. Die Durchführbarkeit des spekulativen Ansatzes Bei der Erweiterung des KANxischen Ansatzes verläßt Hegel das Gebiet der kritischen Selbstbeschränkung des Denkens. Die Ineinssetzung von transzendentaler Einbildungskraft, transzendentaler Apperzeption und intuitivem Verstand muß als problematisch erscheinen. Zunächst ist zu vermuten, daß Hegel diese Identifizierung im Blick auf SCHELLINGS Verständnis der intellektuellen Anschauung im System des transzendentalen Idealismus vorgenommen hat. Die Ausführungen des Systems des transzendentalen Idealismus stehen offenbar auch hinter Hegels Forderung in der Differenzschrift, das empirische Bewußtsein müsse aus einem immanenten Prinzip, einer tätigen Emanation des reinen Selbstbewußtseins konstruiert werden. Hegels Begriff der Spekulation ist aber anderseits nicht mit SCHELLINGS Begriff der intellektuellen Anschauung gleichzusetzen. Im spekulativen Wissen werden Reflexion und Anschauung vereint. Das durch die Reflexion gesetzte Moment der Differenz, des Denkens der Antinomie, unterscheidet Hegels Begriff der Spekulation von dem Begriff der intellektuellen Anschauung bei SCHELLING. Wenn aber das spekulative Wissen wesentlich aus der die Antinomie denkenden philosophischen Reflexion hervorgeht, wird damit keineswegs die Überschreitung der von KANT gewiesenen Grenzen der reinen Vernunft rückgängig gemacht. Die Forderung Hegels, die Antinomie zu denken, ist im Zusammenhang mit der Erklärung der bloß formellen Gültigkeit des Nichtwiderspruchsprinzips im Skeptizismusaufsatz zu sehen. Wie soll dieser ausdrückliche Verstoß gegen die Gesetze der formalen Logik gerechtfertigt werden? Hegel geht bereits am Anfang der Jenaer Zeit von einem Verständnis der Negation aus, das sich grundlegend von dem der Tradition unterscheidet. Die Negation in der als Antinomie gedachten Entzweiung enthält in sich selber schon die neue Positivität. Kennzeichnend für dieses Verständnis von Negation, das den Begriff der Negativität und des Nichts bestimmt, ist die Berufung auf SPINOZAS These, daß jedes Endliche eine teilweise Verneinung darstellt. Die Negation wird nicht auf den Gegenstand von außen angewendet, sondern enthüllt sich als das Sein des Gegenstandes. Ebenfalls kennzeichnet diesen Ansatz Hegels Verteidigung des ontologischen Gottesbeweises (vgl. GW 4. 345). Endliches Denken negiert sich unmittelbar selber, so daß es Unendliches denken kann. Diesem Denkansatz entspricht auch Hegels Deutung des Satzes vom Grund im Zusammenhang seiner FiCHXEkritik. Die Überwindung des Kausalitätsverhältnisses durch die Wechselwirkung, in der Ursache und Wirkung sich gegenseitig bedingen, soll zu einer Einheit von Subjekt und Objekt führen (vgl. GW 4. 23—27). Eine teilweise gegen-

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seitige Negation von Subjekt und Objekt, wie sie im dritten Grundsatz der FiCHTEschen Wissenschaftslehre behauptet wird, führt zu keiner Antinomie. In dem Wechselverhältnis zwischen Subjekt und Objekt muß die Wirkung zugleich als Ursache, diese zugleich als Wirkung verstanden werden. Erst ein solches Verständnis der Wechselwirkung, das die Selbsttätigkeit der Negation voraussetzt, führt zur Antinomie. Dieser spekulative Ansatz ist nicht als bloße Ausarbeitung der SpiNOzistischen Attributen- und Substanzlehre mißzuverstehen. Die SpiNOzistische Substanzmetaphysik wird von vornherein im Blick auf KANT und FICHTE übernommen. KANTische Vernunft und FiCHTEsches Ich stellen die negative Seite der absoluten Substanz dar, die deshalb selber neu als absolute Vernunft und absolute Idee verstanden werden muß (vgl. CW 4. 359).

Fragt man nach den Motiven zur Ausbildung eines solchen Denkansatzes, so ist neben der spekulativen Problematik in der Philosophie SPINOZAS, KANTS und FICHTES das Phänomen der Entzweiung in der modernen Gesellschaft und Kultur zu nennen. Entzweiung ist das Bedürfnis der Philosophie. Deren primäre Aufgabe ist es, Entzweiung zu überwinden. Dies kann aber nicht wie bei JACOBI oder SCHLEIERMACHER im Glauben geschehen. Philosophie darf sich auch nicht mit dem Denken einer bestimmten Geschichtsepoche identifizieren. Philosophie muß kritische Distanz zu ihrer eigenen Zeit besitzen. Hegel zog aus diesen Überlegungen den Schluß, daß Philosophie sich selber begründen, die der Reflexion immanente Negativität entwickeln muß. Hegels praktische Philosophie, die noch von der Frankfurter Zeit her bestimmt ist, weist in eine andere Richtung. Zum tragischen Schicksal gehört es, daß seine Aufhebung ungewiß ist. Eine Aufhebung des tragischen Schicksals kann nicht allgemein zugesidiert werden, sie geschieht hier und dort in Abhängigkeit von bestimmten Umständen, auch von einem bestimmten Glauben — sei es im Griechen- oder Christentum. Hegels philosophisches Bemühen zielt aber bereits am Anfang der Jenaer Zeit darauf ab, eine allgemeine Gesetzlichkeit für die Aufhebung des Tragischen zu entdecken.

2. Die Ambivalenz der Aussagen der praktischen Philosophie Theoretische und praktische Philosophie stehen am Anfang der Jenaer Zeit letztlich in einem Gegensatz zueinander. Die heroische Übernahme des Schicksals, die Erfahrung des Nichts führen nicht notwendig zu jenem Verständnis von Negation, Negativität und Nichts, das dem Denken der Antinomie zugrunde liegt. Vielmehr weist die praktische Philosophie auf

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Erster Teil: Systemansatz der ersten Jenaer Jahre

eine Reflexion hin, die sich ihrer eigenen Grenzen bewußt ist. Das im praktischen Handeln erfahrene Nichts vermittelt das Bewußtsein der Unzulänglichkeit des Erkennens, der Notwendigkeit der kritischen Begrenzung der Vernunft. Nicht durch das spekulative Begreifen der Entzweiung kann diese aufgehoben werden, sondern durch praktisches Handeln, das sich in der Erfahrung des Nichts auf seine eigensten Möglichkeiten zurückgeworfen sieht. — Hegel hat am Anfang der Jenaer Zeit diesen Gegensatz nicht aufheben können. Dadurch werden die Aussagen der praktischen Philosophie ambivalent. Hegel scheint eine Philosophiegeschichte zu leugnen. Die Aufgabe der Philosophie ist zu allen Zeiten dieselbe, in Rücksicht auf das innere Wesen der Philosophie gibt es weder Vorgänger noch Nachgänger. Anderseits ist die Geschichte der Philosophie die sich in unendlich mannigfaltigen Formen darstellende ewige und eine Vernunft. Die Form ist dem Wesen nicht äußerlich, die Darstellung der ewigen Vernunft ist dieser wesentlich. Eine genauere Bestimmung des Verhältnisses zwischen Form und Wesen fehlt aber noch am Anfang der Jenaer Zeit. Es ist noch nicht geklärt, in welcher Weise der Geist in der Geschichte anwesend ist. Hegels Geschichtsphilosophie am Anfang der Jenaer Zeit ist vor allem negativ, sie zeigt die Abwesenheit des Geistes in der Geschichte auf. — Zu einer ambivalenten Aussage führt ebenfalls die Idee einer Tragödie im Sittlichen. Sie kann vorerst nur als Ideal gemeint sein, da die Möglichkeit zur Verwirklichung dieser Idee in der modernen Gesellschaft von Hegel nicht begründet wird. Anderseits verbietet sich eine rein ästhetische Deutung dieser Konzeption. Auch ist die Übernahme des tragischen Schicksals nicht durch ein Sollen zu fordern, da dies ein Rückfall in die KANTische und FicHTESche Sollensethik bedeuten würde. Es ist zu berücksichtigen, daß Hegel an jene heroischen Gestalten in der Geschichte gedacht hat, die zur Übernahme des tragischen Schicksals fähig sind. Aber auch jene einsamen Großen in der Geschichte verwirklichen zunächst nur sich selber, sie erzeugen durch ihre Tat nicht notwendig jene sittliche Einheit des Volkes, die das Resultat der Tragödie im Sittlichen sein soll. Die heroische Übernahme des Schicksals ist zunächst Sache jener wenigen Großen in der Geschichte, noch nicht unbedingt Sache des Volkes. Hegel hat hier Fragen offen gelassen, er hat am Anfang der Jenaer Zeit das Verhältnis zwischen Idee und Wirklichkeit nicht zureichend bestimmt. Die großen Männer in der Geschichte sind die großen Individuen. Angesichts der Hegelschen jACOBikritik stellt sich die Frage, wie wahre Individualität gedacht werden muß. Das Individuum muß innerhalb der Allgemeinheit der sittlichen Totalität eines Volkes stehen, es muß seinen Standpunkt gegenüber der Allgemeinheit des spekulativen Denkens recht-

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fertigen. Wie soll aber das Individuelle aus der Negativität des spekulativen Denkens so hervorgehen, daß es Individuelles bleibt, das grundsätzlich nicht auf Allgemeines zurückfiihrbar ist? Damit ist auch die Frage danach gestellt, wie Hegel SPINOZAS Substanzmetaphysik mit dem FICHTEschen Ich und der KANxischen Vernunft vermittelt hat. Wenn Hegel in der Differenzschrift FICHTES Ich = Ich als absolutes Prinzip der Spekulation anerkennt, versteht er mit FICHTE das Setzen und Aufheben von Entgegengesetztem als Leistungen des Ich. Wie dies genauer zu verstehen ist, hat Hegel am Anfang der Jenaer Zeit nicht geklärt. Das Setzen der Entgegensetzung ist für Hegel die Aufstellung einer Antinomie, in der endliche Subjektivität aufgehoben wird. Hegel wirft FICHTE und JACOBI vor, daß ihre Aufhebung von endlicher Subjektivität in einen Zirkel mündet, da die Aufhebung von endlicher Subjektivität bei ihnen wieder nur durch endliche Subjektivität geschieht. Die Aufhebung endlicher Subjektivität in der unendlichen Substanz SPINOZAS würde eine unkritische Übernahme der SpiNozistischen Substanzmetaphysik bedeuten, die Hegel selbst am Anfang der Jenaer Zeit nicht beabsichtigen konnte. Endliche Subjektivität muß also auch wieder durch Subjektivität aufgehoben werden. Wie in der Negativität der Antinomie zugleich Subjektivität gedacht werden kann, hat Hegel nicht geklärt.

3. Auseinandersetzung mit der philosophischen Tradition Es erstaunt, daß Hegel bei der Bestimmung des Absoluten als Nichts sich nicht ausdrücklich mit Traditionen der Philosophie auseinandergesetzt hat, die das Absolute ebenfalls schon als Nichts verstanden. Es wird MEISTER ECKHART nicht erwähnt, obwohl er ihn nach ROSENKRANZ kannte. Eine Berufung auf PLOTIN, PROKLOS und SCOTUS ERIUGENA fehlt, obwohl seine Verteidigung des Neuplatonikers MARSILIUS FICINUS und die Art und Weise, wie er PLATONS Parmenides interpretiert, dies erwarten läßt. Ebenfalls fehlt eine Auseinandersetzung mit der buddhistischen Philosophie, auf die er durch die Asiatic Researches der im Jahre 1784 zu Calcutta gegründeten Asiatic Society of Bengal und durch KANTS und SCHELLINGS Hinweis auf das Nichts der „Sinesischen Weisen" ^ hätte aufmerksam werden können. Hegel beruft sich ausdrücklich allein auf LEUKIPPS und DEMOKRITS Lehre vom Nichts als Etwas (vgl. GW 4. 463). Hegels Systemansatz der ersten Jenaer Jahre erscheint somit als wenig vermittelt mit der philosophischen Tradition, überdies aber auch als wenig vermittelbar. Wenn Hegel an PLATONS Parmenides, an SPINOZAS Substanz-

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Erster Teil: Systemansatz der ersten Jenaer Jahre

metaphysik, KANTS Antinomienlehre und FICHTES Ich = Ich anknüpft, wird der betreffende Philosoph so stark uminterpretiert, daß sich sein philosophischer Standpunkt als Moment des spekulativen Systemansatzes erweist. Hegels Verständnis der Funktion von Negation verhindert eine Identifizierung seines philosophischen Standpunkts mit irgendeinem der philosophischen Tradition. Hegels Begriff von Negation, Negativität und Nichts unterscheidet sich grundsätzlich von dem der philosophischen Tradition. Darin liegt die Eigenständigkeit des Hegelschen Denkens begründet. Nur aufgrund einer Verselbständigung der Negation kann aus dem Nichts Werden hervorgehen, d. h. aus dem Nichts von entgegengesetzten Polen, die sich nach Hegel ausschließen sollen, so daß der konträre Gegensatz in einen Widerspruch übergeht. Denn, wie HERDER sagt das Nichts ist Nichts, aus dem Nichts kann auch nichts werden. Die reale Entgegensetzung im Sinne des kontradiktorischen Widerspruchs bedeutet konsequentermaßen die gänzliche Zerstörung der Entgegengesetzten. Wenn A und — A zugleich gesetzt werden, entsteht eine Null, aus der nichts hervorgeht, es sei denn daß die Entgegensetzung von vornherein so konzipiert ist, daß aus ihr etwas hervorgehen muß. Dies ist nur möglich, wenn das Nichts der Entgegensetzung selbst ein Etwas ist — wie Hegel sich unter Berufung auf DEMOKRIT und LEUKIPP ausdrückt. Das Nichts ist Etwas, wenn es als Moment des autonomen Prozesses der Negativität des Widerspruchs gesetzt wird. Konsequenterweise muß dann auch das Nichts, das ein Etwas ist, in einer Beziehung zum Sein gedacht werden. Hegel hätte das Programm eines wahren Nihilismus bei einer Selbstbeschränkung der Vernunft und im Ausgang von der Konzeption einer Tragödie im Sittlichen verwirklichen können, ohne in Konflikt mit der formalen Logik zu kommen. Das Nichts hätte dann ein Etwas insofern genannt werden können, als es als Ausdruck der Entzweiung und Nichtigkeit des Endlichen die Besinnung auf das allein Wahre, Schöne und Gute bewirkt hätte. Es wäre nicht nichts gewesen, sondern hätte eine positive Funktion gehabt. Die Übernahme des tragischen Denkens der Griechen würde zwar eine für das neuzeitliche Bewußtsein fast unzumutbare Härte bedeutet haben, hätte aber die moralisch-sittlichen Grundlagen philosophischen Denkens klar benannt. Bei der Ausarbeitung seines spekulativen Denkansatzes hatte Hegel am Anfang der Jenaer Zeit für kurze Zeit die Möglichkeit, einen anderen Denkweg einzuschlagen.

ZWEITER TEIL: DIE AUSARBEITUNG UND UMWANDLUNG DES SYSTEMANSATZES IN DEN JAHREN 1803-1806

I. DIE NEGATIVITÄT DER MODERNEN, NEUZEITLICHEN GESELLSCHAFT Hegels Denkbemühungen haben sich stets — von seinen Jugendschriften bis zu seiner Spätphilosophie — an einer Philosophie des Sittlichen orientiert. Im Naturrechtsaufsatz erklärt er das Sittliche für „den Beweger aller menschlichen Dinge" (GW 4. 419). In der Differenzschrift geht die Kritik an FICHTES Naturrechtskonzeption von der These aus, daß die Gemeinschaft mit anderen Personen nicht eine Beschränkung der Freiheit des Individuums darstellt, sondern eine Erweiterung derselben (vgl. GW 4. 54). Die kritische Funktion von Logik, Skeptizismus und philosophischer Reflexion dient dazu, den in einem leeren Verstandesdenken verlorengegangenen Bezug zur sittlichen Lebenspraxis wiederherzustellen. Die transzendentale Anschauung ist zugleich Anschauung der absoluten Idee in der sittlichen Welt. Indem das Bewußtsein in der transzendentalen Ansciiauung das Absolute in der Konkretheit des sittlichen Lebens eines Volkes anschaut, erkennt es die absolute Idee als absoluten Geist. Die absolute Idee inkarniert sich in das sittliche Leben einer Gemeinschaft, der Geist erkennt so „ganz, ohne Rückkehr zu sich aus der Anschauung, sondern unmittelbar die Anschauung selbst als sich selbst" und ist „eben dadurch absoluter Geist, und vollkommene Sittlichkeit" (GW 4. 484). Die Kraft der Sittlichkeit liegt in der Kraft dieser Anschauung des Absoluten in der Gegenwart, der Vernunft in der Wirklichkeit. Das Sittliche erscheint als das notwendige Sein, dem das Zufällige und empirisch Notwendige als das Unsittliche entgegengesetzt sind (vgl. GW 4. 440). Angesichts der Entzweiung der neuzeitlichen Kultur ist die Idee absoluter Sittlichkeit in ihrer „Verwicklung mit dem negativen" (GW 4. 484 f) darzustellen.

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Zweiter Teil: Ausarbeitung des Systemansatzes

Aus der Gesellschaft des 18. Jahrhunderts gehen jene Ideen und politischen Bewegungen hervor, die zur Französischen Revolution führen und später die industrielle Revolution in Gang setzen. Für Hegel stellt sich in seinen Jenaer Systementwürfen die Frage, welche Bedeutung noch eine spekulative Philosophie angesichts der modernen Wirtschaft und Technik besitzt. Schon in Frankfurt interessierte er sich für nationalökonomische Fragen, wie dies ein verlorengegangener Kommentar zu der deutschen Übersetzung von STEWARTS Staatswirtschaft beweist (vgl. Ros 86). Hegels Beschäftigung mit der Nationalökonomie ist in der Philosophie des deutschen Idealismus einzigartig. Weder KANT noch FICHTE noch SCHELLING haben sich ernsthaft mit der Nationalökonomie auseinandergesetzt Hegels Auseinandersetzung mit dem „System der sogenannten politischen Oekonomie" (GW 4. 450) wird am Anfang der Jenaer Zeit weitgehend durch sein Studium der ARisTOTELischen Politik beeinflußt. Wenn das System der Sittlichkeit die verschiedenen Formen der Arbeit an Erde, Pflanze und Tier darlegt oder wenn es von Tausch, Preis und Geld handelt, dann knüpft Hegel hier an Themen der ARiSTOTELischen Politik an, obwohl diese Anknüpfung schon auf dem Boden der modernen Nationalökonomie geschieht Dabei gelangt er zu Ergebnissen, die auch für seine spätere Rechtsphilosophie gültig bleiben, und zu einem Arbeitsbegriff, an den K. MARX in seinen Pariser Manuskripten anknüpfte Eine eingehende Analyse des Hegelschen Verständnisses von Arbeit, Werkzeug, Arbeitsteilung und Tauschgesellschaft kann zeigen, daß Hegel sowohl am Anfang als auch am Ende der Jenaer Zeit auf die Negativität der neuzeitlichen Gesellschaft eingeht Er sieht die Not der „arbeitenden Klasse" {SdS 86), den „Gegensatz großen Reichtums und großer Armut" {Real 232; vgl. SdS 84), der zur „höchsten Zerrissenheit des Willens" {Real 233; vgl. GW 6. 324), zu „innrer Empörung und Haß" führt. Hegel hält aber grundsätzlich an einem liberalen Wirtschaftsmodell fest, nur im Notfall hat der Staat der Entzweiung der modernen Gesellschaft durch Staatsdirigismus entgegenzutreten (vgl. SdS 81, 85 f; Real 233). Am Anfang der Jenaer Zeit orientiert sich Hegel noch an seiner Konzeption einer Tragödie im Sittlichen. Die „arbeitende Klasse", die „Fabrikarbeiter" (GW 6. 323), werden im Sinne der Opfertheorie der Tragödie im Sittlichen aufgeopfert (vgl. SdS 84). Die Orientierung an dem tragischen Denken der Griechen verhindert hier die Beantwortung einer sozialen Frage. — Hegels Begriff der Arbeit impliziert ein ganz bestimmtes Verständnis von Negativität, insofern sich die Arbeit sowohl negativ gegen den zu bearbeitenden Gegenstand als auch gegen den arbeitenden Menschen richtet (vgl. SdS 11 f) Arbeit wird so zu einer grundlegenden Ver-

I. Negativität der modernen Gesellschaft

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wirklichungsweise des Menschen. Diese doppelte Negativität der Arbeit verfehlt jedoch in der „überflüssigen Arbeit" (SdS 28) der Waren- tmd Tauschgesellschaft ihren Sinn (vgl. SdS 25—38) ®. Es stellt sich die Frage, wie der positive Sinn der Negativität der Arbeit zu sichern ist. Er kann nur dann gesichert werden, wenn zugleich die Entzweiung im zwischenmenschlich-gesellschaftlichen Bereich überwunden wird. Die moderne Gesellschaft wird durch einen Kampf um Anerkennung bestimmt, dessen rein negative Dialektik es aufzuheben gilt.

1. Kritik an den neuzeitlichen Naturrechtstheorien auf der Grundlage einer Theorie des Kampfes um Anerkennung Den früheren Behandlungsarten des Naturrechts spricht Hegel jede Bedeutung ab, weil „sie zwar im Gegensätze und in der Negativität, aber nicht in der absoluten Negativität, oder in der Unendlichkeit sind" (GW 4. 419). Das Wesen absoluter Negativität begriffen weder die Naturzustandstheorien eines HOBBES und ROUSSEAU, die aus einer empirischen Behandlungsart des Naturrechts entspringen, noch die transzendentalphilosophischen Deduktionen des Naturrechts bei KANT und FICHTE Die empirische Begründung des Naturrechts im 17. Jahrhundert entdeckte einzelne Momente wie Geselligkeit und Selbsterhaltungstrieb, um diese Momente der sittlichen Natur des Menschen in einer mehr oder weniger willkürlichen Weise in einer Begriffseinheit zusammenzufassen ®. Aus dem Bedürfnis heraus, in dem Chaos der empirischen Einzelheiten doch noch ein einheitliches Bild vom Menschen wiederzufinden, entstanden die verschiedensten Vorstellungen von einem Naturzustand, aus dem die gegenwärtige Gesellschaft herstammen soll. Gegen diese Naturzustandstheorien richtet sich Hegel, weil ihnen die Kraft des reinen Denkens, der absoluten Negativität fehlt. Es ist das Verdienst des formellen Naturrechts des 18. Jahrhunderts, diese rein empirische Begründungsweise des Naturrechts überwunden zu haben. Aber KANT und FICHTE gelangen auch nur zu einem Not- und Verstandesstaat, der wie eine Maschine funktioniert (vgl. GW 4. 56; Verf 40). Die großartigen Ideen eines Kosmopolitismus, Völkerstaates imd einer Weltrepublik sollen darüber hinwegtäuschen, daß in einem solchen Staat jede lebendige Einheit fehlt (vgl. GW 4. 484). In FICHTES Naturrecht wird die Ordnung im Staat durch ein Gleichgewicht von Kräften aufrechterhalten, die staatliche Ordnung ist quantitativ feststellbar und gehorcht mechanischen Gesetzen (vgl. GW 4. 444). Vollkommenes Gleichgewicht zielt

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Zweiter Teil: Ausarbeitung des Systemansatzes

aber auf einen Zustand der Ruhe hin, der mit dem Tod identisch ist. Eine solche Vorstellungsweise beruht nach Hegel auf einem statischen Gesellschaftsbegriff, während eine dynamische Auffassung das Gesellschaftsleben als Prozeß, als Bewegung versteht. FICHTE glaubt in seinem Naturrecht, Gegensätze im Staat neutralisieren zu können, während nach Hegel nur durch das Austragen von Gegensätzen der Ordnungsgedanke im Staat verwirklicht weiden kann. Allein durch Absehen von der konkreten Wirklichkeit kann ein solches formelles Naturrecht weiterexistieren. FICHTE versucht zwar, mit Hilfe der Kunst den Formalismus der Gesetze zu überwinden, aber Hegel anerkennt diesen Lösungsversuch nicht, da er nur den Dualismus von Freiheit und Notwendigkeit verdeckt: „Diese nothwendige Ansicht dieser Sittlichkeit, statt eine ästhetische zu seyn, muß gerade diejenige seyn, welche die verzerrte, ängstliche, gepreßte Form, die Häßlichkeit, zeigt" (GW 4. 62). KANT und — in modifizierter Form — FICHTE sehen den Endzweck der praktischen Vernunft in der Erfüllung des Pflichtgebotes. Nicht die Glückseligkeit, sondern die Pflicht um der Pflicht willen ist oberstes Ziel praktischen Handelns. Eine solche Ethik bleibt aber abstrakt, da sie vom Menschen die Erfüllung eines Gebotes fordert, das für die konkrete Situation zu allgemein formuliert ist (vgl. GW 4. 435). Eine Alternative zum formellen Naturrecht des 18. Jahrhunderts stellt für Hegel die antike Polissittlichkeit dar. Das System der Sittlichkeit stellt eine konkrete Ausarbeitung dieser Alternative dar, wobei Hegel sich genötigt sieht, die empirische Behandlung des Naturrechts durch HOBBES in die Konstruktion eines solchen Alternativentwurfs einzubeziehen. Es zeigt sich, daß Hegels Kritik des modernen Naturrechts, die bei einer bloß negativen Abgrenzung stehen zu bleiben droht, durchaus zu einer — wenn auch kritischen — Übernahme bestimmter Theorieelemente des modernen Naturrechts fähig ist. Der Kampf um Ehre im System der Sittlichkeit knüpft an HOBBES' Theorie des Kampfes aller gegen alle an (vgl. SdS 47). Schon in einer seiner Habilitationsthesen griff Hegel auf HOBBES' Naturrechtslehre zurück, und zwar in positiver Anknüpfung, wie K. ROSENKRANZ betont (vgl. Ros 159). Im Gegensatz zu HOBBES will Hegel dem Kampf aller gegen alle nicht durch Unterwerfung unter einen absolutistischen Herrscher entgehen. Hegel folgt HOBBES, wenn er das Zusammenleben der Menschen als Kampf auf Leben und Tod versteht. Über HOBBES geht er dadurch hinaus, daß er in dem Kampf aller gegen alle, in dem Kampf auf Leben und Tod, die Möglichkeit zur Erfahrung des absoluten Nichts erblickt In diesem Kampf geht es nicht um die nackte physische Selbstbehauptung sondern um die Anerkennung als Person. Diese Anerkennung kann nicht wie in FICHTES Grundlage des Naturrechts losgelöst von dem alltäglichen

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Kampf aller gegen alle betrachtet werden Daß die im gesellschaftlichen Leben stattfindende Kommunikation wesentlich durch Negativität bestimmt ist, hat Hegel nicht erst durch HOBBES' Theorie des Kampfes aller gegen alle im Naturzustand erkannt. Diese Einsicht ist bereits in der Konzeption einer Tragödie im Sittlichen enthalten. Die Tragödie im Sittlichen ist ebenfalls schon als Anerkennungsverhältnis konstruiert. Das Recht der unorganischen Natur und der unterirdischen Mächte muß die Sittlichkeit anerkennen (vgl. GW 4. 458 f). Die Tragödie im Sittlichen bedeutet einen Kampf der Stände miteinander um Anerkennung, einen Kampf der Freien mit den Nicht-Freien. Die Unterscheidung zwischen Stand der Freien und der Nicht-Freien wird aber im Blick auf die ARisTOTEiische Politik gemacht, in der dieses Verhältnis als das zwischen Herr und Knecht auftritt (vgl. GW 4. 455). Hegel kann also am Anfang der Jenaer Zeit an HOBBES' Theorie des Kampfes aller gegen alle sowie an den FiCHTESchen Begriff der Anerkennung anknüpfen und sich gleichzeitig auf seine Konzeption einer Tragödie im Sittlichen berufen. Aufgrund seines spekulativen Ausgangspunktes muß Hegel von vornherein den Kampf um Ehre anders als HOBBES konzipieren. Es muß zur absoluten Entzweiung, zum Widerspruch kommen, zu einem Kampf auf Leben und Tod. HOBBES zog aus seiner Theorie des Kampfes aller gegen alle im Naturzustand die Folgerung, daß er unter allen Umständen vermieden werden muß, da er sonst mit dem Tod oder mit Knechtschaft endet. Hegel sieht dagegen im Risiko, sein Leben aufs Spiel zu setzen, die Chance der Erlangung der eigenen Freiheit. Diese Umbildung der HoBBESschen Theorie des Kampfes aller gegen alle ist konsequent, weil das Denken des Widerspruchs — wenn er wirklich als Widerspruch in der Realität selber gesetzt wird — fordert, daß die Setzung des einen Bewußtseins notwendig die Negation des andern impliziert, d. h. die Setzung des einen Bewußtseins ist der Tod des andern. In eine Theorie der Anerkennung muß also notwendig die Todeserfahrung miteinbezogen werden. Der Tod aber ist die absolute Arbeit (vgl. Ros 132). Die Vernichtung des Endlichen, durch die eine Erkenntnis des absoluten Nichts und der wahren Sittlichkeit möglich wird, bedeutet eine Arbeit, die auf den Tod geht (vgl. GW 4. 455). Alle Elemente der Hegelschen Anerkennungstheorie sind bereits am Anfang der Jenaer Zeit versammelt: Kampf auf Leben und Tod, Anerkennungsverhältnis, Herr-Knecht-Dialektik, Tod und Arbeit. In welchem Sinn die Negation des andern Bewußtseins, dessen Tod, zu verstehen ist, ob wörtlich oder metaphorisch, stellt das eigentliche Problem von Hegels Theorie der Anerkennung dar, das zu verschiedenen Ausgestaltungen dieser Theorie in den Jenaer Schriften führt. Dieses Problem

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aber entspringt aus der dem spekulativen Denken Hegels zugrunde liegenden Aporie. Spekulatives Denken fordert die gegenseitige Negation der Bewußtseine, die in gegenseitige Anerkennung Umschlägen soll. Wird aber die gegenseitige Negation der Bewußtseine bis zum gegenseitigen Töten getrieben, ist eine gegenseitige Anerkennung nicht mehr möglich. Wenn aber die Forderung nach einem Kampf auf Leben und Tod nicht wörtlich verstanden werden darf, dann entsteht das Problem, in welchem Sinn sie zu verstehen ist. Wird der Kampf auf Leben und Tod nur metaphorisch genommen, so besteht die Gefahr, die Radikalität des spekulativen Ansatzes zu entschärfen und damit diesen im Grunde aufzugeben.

a) Der Kampf um Anerkennung im System der Sittlichkeit Im System der Sittlichkeit tritt der Kampf um Ehre noch nicht ausdrücklich als ein Kampf um Anerkennung auf. Zwischen Ehre und Anerkennung wird unterschieden. In der gegenseitigen Bildung der Menschen sucht der eine die Anerkennung des andern (vgl. SdS 18). Anerkennung wird dem Menschen außerhalb des engen Kreises der Familie in den Rechtsverhältnissen der modernen bürgerlichen Gesellschaft zuteil. Die Anerkennung des einzelnen als „Person" (SdS 33), als „absolute Subjektivität", ist die Grundlage des von Hegel im Naturrechtsaufsatz kritisierten formellen Naturrechts KANTS und FICHTES. Das System der Sittlichkeit stimmt daher mit dem Naturrechtsaufsatz überein, wenn es das Anerkanntsein als Person und absolute Subjektivität als ein „formelles, verhältnisloses Anerkennen" kritisiert, das die gesuchte Anerkennung des Menschen durch den Mitmenschen nicht zustande bringen kann. Die Rechtsverhältnisse der modernen Gesellschaft können die Entstehung von Herrschaftsverhältnissen nicht verhindern (vgl. SdS 34, 83 f). Die Entstehung von Herrschaft und Knechtschaft bedeutet den Rückfall in einen vorrechtlichen Zustand, in dem nur noch die Stärke entscheidet. Dies ist aber gerade der von HOBBES beschriebene Naturzustand. Auf dem Boden der natürlichen Sittlichkeit kann die Rechtlosigkeit des Herr-Knecht-Verhältnisses noch durch die Familie aufgefangen werden (vgl. SdS 35 f). Diese Aufhebung des HerrKnecht-Verhältnisses kann nur vorläufig sein, da der einzelne den engen Kreis der Familie verlassen und in Gesellschaft und Staat tätig werden muß. Den Übergang zum gesellschaftlich-staatlichen Bereich macht der zweite Abschnitt des Systems der Sittlichkeit, in dem die negativen Phänomene der Gesellschaft wie Diebstahl, Mord, Rache dargestellt werden. Der Fortgang zur Behandlung des Verbrechens ergibt sich notwendig

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aus der negativen Einschätzung der Rechtsverhältnisse der modernen Gesellschaft. Das Verbrechen macht die Machtlosigkeit des formellen Rechts deutlich. Wenn das Recht nicht mehr die Macht hat, wirksam zu strafen, muß der einzelne selbst um sein Recht kämpfen. In diesem rechtlosen Zustand, in dem allein die Stärke entscheidet, findet ein Kampf um Ehre auf Leben und Tod statt. Da hier der einzelne ganz auf sich gestellt ist, geht es primär um seine Ehre, nicht um das Anerkanntsein im Recht, dessen Machtlosigkeit sich erwiesen hat: „Durch die Ehre wird das Einzelne zu einem Ganzen und Persönlichen, und die scheinbare Negation von Einzelnem allein ist die Verletzung des Ganzen, und so tritt der Kampf der ganzen Person gegen die ganze Person ein. Von der Gerechtigkeit der Veranlassung eines solchen Kampfes kann nicht die Rede sein; sowie der Kampf als solcher eintritt, ist die Gerechtigkeit auf beiden Seiten, denn es ist die Gleichheit der Gefahr gesetzt, und zwar der freisten, weil das Ganze auf dem Spiel steht" (SdS 47). Der Kampf kann durch die Unterwerfung des einen unter den andern im Herr-Knecht-Verhältnis beendet werden. Dann hat aber einer der Kämpfenden seine Ehre verloren, weshalb dieser Streit „allein durch den Tod" zu schlichten ist. Durch diese Konzeption des Kampfes um Ehre auf Leben und Tod hat Hegel die Thesen des Naturrechtsaufsatzes präzisiert. Die Anerkennung als Person stellt die Grundlage des formellen Naturrechts und der Rechtsverhältnisse der modernen Gesellschaft dar. Formelles Naturrecht und Rechtsverhältnisse der modernen Gesellschaft scheitern an ihrer Formalität. Sie können nicht die Entstehung von Herrschaftsverhältnissen verhindern und der dadurch aufkommenden Zersetzung des Rechts wirksam entgegentreten. Der Übergang vom „Rechtszustand" (GW 4. 425) in die Rechtlosigkeit des Naturzustands ist unaufhaltsam. Die Analyse der Negativität der Gesellschaft läßt die HoBBESsche Naturzustandstheorie zur Anwendung kommen. — Gleichzeitig ist aber auch der Weg zur Überwindung dieses Naturzustands vorgezeichnet. Der Kampf um Ehre entsteht aus der Behauptung der Subjektivität des einzelnen. Zugleich dient er als Kampf auf Leben und Tod der Aufhebung partikularer Subjektivität. Gemäß der Konzeption der Tragödie im Sittlichen geschieht die vollständige Aufhebung partikularer Subjektivität durch die Aufopferung des einzelnen für die sittliche Totalität des Volkes im Krieg. Der Naturzustand kann überwtmden werden in dem Kampf um die Ehre des Volkes im Krieg (vgl. SdS 51). Im Krieg kommt auf einer höheren Ebene eine Rechtlosigkeit zustande, die der des Naturzustands analog ist. Dies weist auf eine Staatstheorie hin, in der das Handeln des Staates nicht mit den Maßstäben des geltenden Rechts beurteilt werden darf.

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b) Der Kampf um Anerkennung im Systementwurf von 1803/04 Der Kampf um Ehre tritt im Systementwurf von 1803/04 nicht im Zusammenhang einer Erörterung verschiedener Formen des Verbrechens auf Die Darstellung geht sofort von der Anerkennung in der Familie zum Kampf um Ehre über (vgl. GW 6. 306 ff). Der Kampf um Ehre tritt hier auch ausdrücklich als ein Kampf um Anerkennung auf. Der Kampf um Anerkennung entzündet sich am Familienbesitz, der dadurch, daß er als je meiniger behauptet wird, aufhört, Familienbesitz zu sein: „in seinem Besitze muß jeder besonders nothwendig gestört werden, denn im Besitze liegt der Widerspruch, daß ein aüsseres, ein Ding, ein allgemeines der Erde, daß diß in der Macht eines einzelnen seyn soll, was wider die Natur des Dings als eines allgemeinen aüssern ist, und es ist das allgemeine gegen die unmittelbare Einzelnheit des Bewußtseyns" {CW 6. 309). Die formale Struktur des Gegensatzes zwischen absoluter Einzelnheit und Allgemeinheit bestimmte schon die Einführung des Kampfes um Ehre im System der Sittlichkeit. Sie kommt aber wie im System der Sittlichkeit erst voll zum Tragen, wenn der einzelne sein Leben aufs Spiel setzt: „ich will anerkannt seyn in dieser Extension meiner Existenz, in meinem Seyn und Besitze, aber ich verwandle diß darein, daß ich diese Existenz aufhebe, und werde nur als vernünftig als Totalität in Wahrheit anerkannt, indem ich so selbst, indem ich auf den Tod des andern gehe, mein eignes Leben wage und dise Extension meiner Existenz selbst die Totalität meiner Einzelnheit aufhebe" {GW 6. 310 f). In der Behauptung seines Besitzes begeht der einzelne einen „Widerspruch", der zum Gegenteil, zur Aufopferung des eigenen Lebens führt. In dem „Nichts des Todes" liegt für die Kämpfenden aber die Chance, das absolute Nichts zu erkennen. Wie im System der Sittlichkeit wird auch hier die Möglichkeit der Auflösung des Kampfes durch das Herr-Knecht-Verhältnis angedeutet. Mit Recht ist darauf hingewiesen worden, daß der Übergang vom Kampf um Anerkennung in den absoluten Geist des Volkes durch eine Reflexion des Bewußtseins in sich stattfindet, die eine Vorstufe der in der Phänomenologie stattfindenden Umkehrung des Bewußtseins darstellt Eine solche Reflexion in sich liegt aber schon der Bewegung der Logik, des Skeptizismus und der philosophischen Reflexion zugrunde. Im Systementwurf von 1803/04 wird diese Reflexion in sich allerdings zum erstenmal thematisiert. Es wird hier deutlicher als im System der Sittlichkeit, daß die Phänomenanalysen von Prinzipien der theoretischen Philosophie ausgehen. Dies hängt mit der neuen Stellung des Bewußtseinsbegriffs im Systementwurf von 1803/04 zusammen

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Die Darstellung geht direkt vom Familienbesitz zum Kampf um Anerkennung über, das im System der Sittlichkeit behandelte formelle Anerkanntsein im Recht sowie dessen Verletzung im Verbrechen wird nicht selbständig behandelt. Es ist aber auch der fragmentarische Charakter des Systementwurfs zu berücksichtigen (vgl. GW 6. 340 ff). Dies gilt auch für die fehlende Fortführung des Kampfes um Anerkennung als Kampf um Ehre für das Volk im Krieg. Es kann deshalb auch nur vermutet werden, daß Hegel die Konzeption einer Tragödie im Sittlichen nicht mehr zum Ausgangspunkt seiner politischen Theorie gemacht hat und daß die Theorie des Kampfes um Anerkennung sich aufgrund einer Neueinschätzung des Ideals antiker Polissittlichkeit zu verselbständigen beginnt.

c) Der Kampf um Anerkennung in der Realphilosophie von 1805/06 In der Realphilosophie wird ebenso wie im Systementwurf vom Familienbesitz zum Kampf um Anerkennung übergegangen. Die theoretischen Grundlagen der Phänomenanalysen treten hier deutlich hervor. Die Realphilosophie betrachtet den Kampf auf Leben und Tod vom Wissen her; „Die Bewegung ist der Kampf auf Leben und Tod. Aus diesem geht jedes hervor, darum daß es das Andre als reines Selbst gesehen, und es ist ein Wissen des Willens, und daß der Wille eines jeden wissender ist, d. h. in sich vollkommen in seine reine Einheit reflektierter" (Real 212). Anerkennen bedeutet hier: um das Selbst des andern wissen. Durch die stärkere Betonung des Wissens geschieht eine Akzentverschiebung hinsichtlich der Bedeutung des Todes. Der Kampf auf Leben und Tod wird zu einem Mittel, um das Fürsichsein des eigenen Selbst zu wissen. Die befreiende Macht des Todes erhält jetzt einen mehr metaphorischen Sinn. Es genügt, sich der Todesgefahr ausgesetzt zu haben (vgl. Real 211). Wie im System der Sittlichkeit und im Systementwurf wird eine Beziehung zwischen Kampf um Anerkennung und Herr-Knecht-Verhältnis hergestellt (vgl. Real 211 Anm. 3). Wie im System der Sittlichkeit besteht ein Zusammenhang zwischen Anerkennungsverhältnis und Verbrechen (vgl. Real 221—225). Der Kampf um Anerkennung wird nach wie vor als Kampf um Ehre verstanden (vgl. Real 225). Kennzeichnend für die Realphilosophie ist deren stärkeres Eingehen auf das Anerkanntsein im Recht, das den Übergang vom Kampf um Anerkennung zur Sittlichkeit des Staates vermittelt (vgl. Real 213 ff). Dieses Anerkanntsein im Recht unterscheidet sich aber von dem im Naturrechtsaufsatz kritisierten formellen Recht. Seine Gültigkeit wird ganz durch die Hinordnung auf die sittliche Totalität des

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Staates bestimmt. In der Realphilosophie hat Hegel eine positivere Einstellung zum modernen Naturrecht eingenommen, die auf einen veränderten Systemansatz verweist Die Realphilosophie wird nicht mehr durch die Konzeption einer Tragödie im Sittlichen bestimmt. Die Theorie des Kampfes um Anerkennung wird aus dem Rahmen dieser Konzeption gelöst und verselbständigt. Die Aufgabe der Konzeption einer Tragödie im Sittlichen hat zur Folge, daß bei Hegel der Sinn für den Tod, das Tragische, für Schicksal und Opfer in den Hintergrund tritt. Die Konsequenz ist eine mehr metaphorische Deutung der Todeserfahrung. Jetzt steht die logische Struktur des Schlusses im Vordergrund, mit Hilfe derer die verschiedensten Phänomene begriffen werden sollen

d) Der Kampf um Anerkennung in der Phänomenologie Eine neue Sicht des Kampfes um Anerkennung bringt die Phänomenologie. Die realphilosophischen Gehalte werden hier vernachlässigt Hegel geht direkt von der Behandlung der Begierde zur Darstellung des Kampfes um Anerkennung über. Hinter dem abstrakt gefaßten Begriff Begierde kann man die in den Jenaer Systementwürfen behandelte Begierde zwischen Mann und Frau als realphilosophischen Gehalt vermuten (vgl. SdS 17 f; GW 6. 302). Es fehlt die Besitzverletzung als konkrete Veranlassung des Kampfes. Der Kampf um Anerkennung wird auch nicht ausdrücklich als Kampf um Ehre bezeichnet. Entscheidend aber ist weniger das Fehlen realphilosophischer Gehalte als die Neustrukturierung des Kampfes um Anerkennung. Die im System der Sittlichkeit, im Systementwurf und in der Realphilosophie angedeutete Auflösungsmöglichkeit des Kampfes im Herr-Knecht-Verhältnis erhält jetzt entscheidende Bedeutung. Der Kampf um Anerkennung geht jetzt in das Herr-Knecht-Verhältnis über, das Leben wird dem Tod vorgezogen. Dadurch daß Hegel den Kampf um Anerkennung im Herr-Knecht-Verhältnis auflöst, nähert er sich der HoBBESschen Sicht des Kampfes auf Leben und Tod Indem der Knecht das Leben dem Tod vorgezogen hat, handelte er aus Todesfurcht und folgt — wie bei HOBBES — seinem Selbsterhaltungstrieb. Im Unterschied zu HOBBES entgeht aber der Knecht durch die Unterwerfung unter den Herrn nicht der Todesfurcht, sondern er muß sie weiter aushalten. Die Todesfurcht bildet zusammen mit dem Bilden der Arbeit die „absolute Negativität" (Phän 148), durch die der Knecht frei wird: „Dies Bewußtsein hat nämlich nicht um dieses oder jenes, noch für diesen oder jenen Augenblick

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Angst gehabt, sondern um sein ganzes Wesen; denn es hat die Furcht des Todes, des absoluten Herrn, empfunden". Im Herr-Knecht-Verhältnis bleibt der Tod weiterhin der eigentliche, absolute Herr. Die Herrschaft der Todesfurcht, die bestehen bleibt, ist für die Emanzipation des Knechtes konstitutiv. Anderseits bliebe die Todesfurcht ohne die bildende Tätigkeit der Arbeit „beim Formellen" stehen, bliebe „innerlich und stumm" {Phän 149 f). Das Bilden der Arbeit ohne die Todesfurcht wiederum würde nur zur Negativität des „eitlen eignen Sinnes", nicht zur „Negativität an sich" führen. Hegel konzipiert also auch in der Phänomenologie — wie in den Systementwürfen — den Kampf um Anerkennung — trotz formaler Ähnlichkeit — anders als HOBBES. Die Konfrontation mit der Todesgefahr behält weiterhin zentrale Bedeutung, wenn sie auch jetzt nicht mehr die alleinige Macht der Selbstaufhebung des Kampfes darstellt. Durch die Einführung des Moments der Arbeit in den Kampf um Anerkennung wird die Arbeit erstmals zu einem Medium, wodurch der Naturzustand verlassen werden kann. Hegel zieht die Konsequenz aus einer immer mehr sich verstärkenden Tendenz bei der Darstellung des Kampfes um Anerkennung. Die direkte Konfrontation mit dem Tod führt zu keiner Anerkennung: „Durch den Tod ist zwar die Gewißheit geworden, daß beide ihr Leben wagten und es an ihnen und an dem andern verachteten; aber nicht für die, welche diesen Kampf bestanden" (Phän 145). In dem Systementwurf war diese Einsicht darin zum Ausdruck gekommen, daß es wesentlich um eine Reflexion des Bewußtseins in sich geht. In der Realphilosophie genügt es, sich der Gefahr des Todes ausgesetzt zu haben. Der Kampf um Anerkennung kann nur gelingen, wenn die in der Konfrontation mit der Todesgefahr entstandene absolute Entzweiung zugleich behauptet und nicht behauptet wird. Damit ist die den Systemansatz Hegels am Ende der Jenaer Zeit bestimmende Aporie angesprochen. Am Anfang der Jenaer Zeit ging es Hegel primär darum, die bloß formelle Gültigkeit des Widerspruchs zu leugnen: der Widerspruch besteht in der Wirklichkeit selber. Am Ende der Jenaer Zeit wird die geforderte Selbstaufhebung des Widerspruchs zum Problem. Hegel muß jetzt im einzelnen zeigen, wie eine solche Selbstaufhebung möglich ist. Sie ist nicht möglich, wenn die Konfrontation mit dem Tod zu wörtlich verstanden wird. Ein solches wörtliches Verständnis wurde aber durch Hegels Konzeption einer Tragödie im Sittlichen am Anfang der Jenaer Zeit nahegelegt. Von dieser Konzeption, die überhaupt in eine andere Denkrichtung wies und nicht recht in den spekulativen Systemansatz hineinpaßte mußte Hegel sich im Verlaufe der Jenaer Zeit lösen.

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2. Das Gefüge der Stände Die Ständelehre am Anfang der Jenaer Zeit dient nicht dem Rückzug in längst vergangene Zeiten, sondern stellt den Versuch dar, Staat und Gesellschaft idealistisch, von der Aufopferung des einzelnen für die Gemeinschaft her zu begründen. Angesichts der vielfältigen Pflichten für die alltägliche Lebensunterhaltung kommt es darauf an, jenen Raum von Freiheit offen zu halten, in dem allein das sittliche Engagement entscheidet und nicht die Sorge um Vermehrung und Erhaltung persönlichen Eigentums. Deshalb unterscheidet Hegel zwischen einem Stand, der durch seine bloße Existenzweise die Gemeinschaft an die Notwendigkeit sittlicher Aufopferung erinnert, und einem Stand, der für die tägliche Lebensunterhaltung sorgt. In dieser Aufgliederung der Gemeinschaft in Ständen liegt allerdings die Gefahr, daß einem Stand Privilegien zuerkannt werden, die in keinem Verhältnis zu der Arbeit dieses Standes stehen. Der idealistische Ursprung wird dann zerstört, die Rechtfertigung des Ständesystems wird zur Ideologie.

a) Das Ständesystem im System der Sittlichkeit Das System der Sittlichkeit führt das im Naturrechtsaufsatz angelegte System der Stände weiter aus. Die Alten und Priester erhalten eine besondere Stellung. Die Alten und Priester stehen über jedem Stand, sie leben in einer idealen Sphäre, von der aus eine Erhaltung der sittlichen Totalität eines Volkes erst möglich wird: „An das höchste Indifferente, an Gott und die Natur, an die Priester und an die Alten, kann allein die Erhaltung des Ganzen geknüpft werden; denn jede andere Form der Realität ist in der Differenz" (SdS 71). Die alten Menschen sehen gleichsam tagtäglich dem Tod ins Angesicht. Sie schauen über die Belanglosigkeiten des Alltagslebens hinaus und richten den Blick auf das Wesentliche des Lebens. Sie haben eine Freiheit der Gesinnung und Entscheidung erreicht, die jedem besonderen Stand fehlt: diese absolute Erhaltung aller Stände muß die höchste Regierung sein, und ihrem Begriff nach kann sie eigentlich keinem Stande zukommen, da sie die Indifferenz aller ist. Sie muß also aus denjenigen bestehen, welche das reale Sein in einem Stande gleichsam aufgegeben haben und schlechthin im idealen leben, die Alten und die Priester, welche beide eigentlich Eines sind". Dieses Gefüge der Stände trägt zwar die Züge griechischen Polisdenkens, bezieht sich aber schon auf die moderne Gesellschaft. Der Naturrechtsauf-

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Satz geht bei der Darstellung der Tragödie im Sittlichen auf die moderne Gesellschaft ein, die Hegel schon im römischen Reich beginnen läßt (vgl. C\N 4. 456 ff). Die Vorteile der modernen Gesellschaft, in der es keine Sklaverei mehr gibt, sind von schwerwiegenden Nachteilen begleitet. Es fehlt eine sittliche Gemeinschaft, Aufopferung des einzelnen für die Interessen der Gemeinschaft. Im Vordergrund stehen Gewinnstreben, Verteidigung egoistischer Ziele. Im Naturrechtsaufsatz wie im System der Sittlichkeit ist sich Hegel aber dessen bewußt, daß eine Rückkehr zu der idealen Welt der griechischen Polis nicht mehr möglich ist. Die moderne Gesellschaft muß als unvermeidliches Schicksal angenommen werden. Hegel versteht den ersten Stand im Naturrechtsaufsatz und die Alten und Priester als Repräsentanten der absoluten Regierung im System der Sittlichkeit nicht so, als ob hier eine ideale, von jeder Entzweiung ungetrübte Lebenswelt erreicht wäre. Vielmehr können der erste Stand und die Alten und Priester erst richtig den Sinn von Entzweiung deuten. Sie wissen um die Notwendigkeit des Krieges, des Todes, der radikalen Aufopferung für die sittliche Totalität der Gemeinschaft des Volkes. Die Entzweiung der modernen Gesellschaft hingegen ist xmfruchtbar, sie verstrickt den Menschen nur in den Bereich des Endlichen, sie lenkt ihn von der uneingeschränkten Aufopferung seiner selbst für eine große Aufgabe ab. Die moderne Gesellschaft hat zwar die Sklaverei abgeschafft, gleichzeitig aber den Unterschied zwischen einer großmütigen und einer nur auf das eigene Interesse bedachten Gesinnung nivelliert. Insofern jeder Mensch die Erfahrung des Todes machen kann, haben auch die übrigen Stände, der Bauern- und Bürgerstand, teil an der Freiheit des „absoluten Standes" {SdS 63), wenn auch auf eine besondere, eingeschränkte Weise. Der Bauernstand in seiner Einfachheit vertraut dem absoluten Stand, folgt ihm in den Kriegsdienst und nimmt so an Todeserfahrung und Freiheit teil: „Seine Sittlichkeit ist das Zutrauen zu dem absoluten Stande, nach der Totalität des ersten Standes, welche jedes Verhältnis und jede Einwirkung haben muß; denn seine rohe Sittlichkeit kann nur im Zutrauen, oder gezwungen, für Vereinzelung des Tuns offen sein. Er ist um seiner Totalität willen auch der Tapferkeit fähig und vermag in dieser Arbeit und in der Gefahr des Tods sich an den ersten Stand anzuschließen" {SdS 68). Der Bürgerstand hingegen läßt sich von der Sicherheit des Besitzes nicht hinwegziehen, er kann die Erfahrung des Todes nur indirekt machen: „Er ist weder einer Tugend noch der Tapferkeit fähig, denn jene ist eine freie Individualität. Die Rechtschaffenheit ist in der Allgemeinheit ihres Standes ohne Individualität, und in der Besonderheit ihrer Verhältnisse, ohne Freiheit. Das Höchste, wozu dieser Stand durch Tätig-

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keit in seiner Produktion sich erschwingt, ist teils der Beitrag zu den Bedürfnissen des ersten Standes, teils Hilfe der Bedürftigen. Beides ist eine teilweise Negation seines Prinzips: jenes fürs Allgemeine nach dem Begriff, dies im Besondem nach einer empirischen Not" {SdS 67; vgl. GW 4. 458). Der Mangel dieses Ständesystems besteht jedoch darin, daß im Grunde nur dem ersten Stand ein echtes sittliches Engagement zugestanden wird, die andern Stände können nur indirekt an der Freiheit des absoluten Standes teilhaben. Der Systementwurf von 1803/04 läßt erkennen, daß Hegel sich dieses Mangels bewußt geworden ist. Nun soll im Ausgang von einer Bewußtseinslehre für das Bewußtsein als solches der Weg zu sittlichem Handeln aufgezeigt werden. Im Systementwurf fehlt jedoch die Ausführung einer entsprechenden Ständelehre. Auch hier ist wieder auf den fragmentarischen Charakter dieses Entwurfs hinzuweisen.

b) Das Ständesystem der Realphilosophie von 1805/06 In der Realphilosophie geht der Ständelehre ein geschichtsphilosophischer Überblick voran, der klar das moderne Staatsideal vom antiken abgrenzt. Der Mangel des PrATONischen Staates besteht darin, daß „er des Prinzips der absoluten Einzelheit entbehrte" {Real 251 Anm. 2). Für das neuzeitliche Bewußtsein ist dieser Eigensinn kennzeichnend, „sein Selbst als solches als das Wesen" {Real 250) zu wissen. Das neuzeitliche Individuum ist zwar als Mitglied seines Standes nur ein Teil des Ganzen, in seinem Denken aber ist es sich Ganzes (vgl. Real 252). Was im System der Sittlichkeit und im Naturrechtsaufsatz im Grunde nur dem ersten Stand möglich war, ist jetzt grundsätzlich für jeden möglich geworden. In der KANxischen Pflicht und Moralität sieht Hegel einen Ansatz zu solcher Erhebung über den eigenen Stand (vgl. Real 252 Anm. 3). aa) Die niederen Stände Im konkreten Aufbau des Ständesystems wird allerdings nicht allen Ständen Moralität und damit die Voraussetzung für die Erhebung über die Partikularität des eigenen Standes zuerkannt. Zu den niederen Ständen gehören Bauern, Bürger als Handwerker und Kaufleute (vgl. Real 254— 257) Die Beschreibung des Bauern- und Bürgerstandes differiert nicht wesentlich von der im System der Sittlichkeit. Neu hinzugekommen ist als separater Stand der Kaufmannstand. Der Kaufmann hat es mit dem reinen Warentausch zu tun, mit der Abstraktion aller Bedürfnisse und Arbeiten:

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mit dem Geld (vgl. Real 256). Das Geld stellt eine reelle Einheit von Wesen und Ding her. Der Kaufmann hat es nicht mit leeren Vorstellungen zu tun, sondern mit der Sache selbst. Das Geld bewirkt eine vollständige Vergegenständlichung des Geistes, die sich allerdings über ihr eigenes Wesen nicht im klaren ist. Das Wesen der Vergegenständlichung des Geistes besteht nämlich darin, daß der Geist das Andere seiner selbst als sich selbst gleich, als ein Ich erkennt: „Aber dies Innre ist das Ich selbst, und dies Ich ist sein Dasein selbst. Die Gestalt des Innern ist nicht das tote Ding: Geld, sondern ebenfalls Ich" {Real 257). Diese Darstellung der Vergegenständlichung des Geistes ähnelt sehr dem Übergang von der „Beobachtenden Vernunft" zur „Verwirklichung des vernünftigen Selbstbewußtseins durch sich selbst" in der Phänomenologie. Es tritt nicht nur eine gleiche Begrifflichkeit auf — Sache selbst, totes Ding (vgl. Real 257; Phän 251, 294) —, sondern auch die Struktur des Übergangs ist beidemal durch das sogenannte unendliche Urteil bestimmt In der Phänomenologie besteht das unendliche, sich selbst aufhebende Urteil in dem Urteil, daß das Selbst ein Ding ist (vgl. Phän 253). Das unendliche Urteil bedeutet im Grunde ein unsinniges Urteil, wie z. B.: das Gefühl ist rot (vgl. GW 7. 88). Dem Begriffe nach bedeutet allerdings das unendliche Urteil den höchsten Ausdruck der Wahrheit (vgl. Phän 551), es drückt den Widerspruch, die Antinomie aus. Dadurch daß die Position des Kaufmannstandes im Sinne des unendlichen Urteils konstruiert wird, kommt ihm für den Aufbau der Ständelehre eine spekulative Bedeutung zu. Er soll den Übergang von den niederen zu den höheren Ständen ermöglichen. Im Kaufmannstand wird ein allgemeines Kennzeichen der niederen Stände sichtbar, nämlich daß sie im Ding nicht sich selbst, das Ich, wiedererkennen. bb) Die höheren Stände Den höheren Ständen, den Beamten, der Polizei den Geschäftsleuten, Gelehrten und Soldaten kommt diese Fähigkeit in sehr unterschiedlicher Weise zu. Das Beisichselbstsein im Anderen seiner selbst setzt ein moralisches Bewußtsein voraus, das nur dem Geschäftsmann und Gelehrten zukommt. Die Moralität des Gelehrten macht allerdings auch die Defizienz des leeren Pflichtbewußtseins deutlich. Die KANiische Moralität reicht letztlich nicht dazu aus, eine Erhebung des einzelnen über seinen Stand zu gewährleisten. Erst im Soldatenstand, in der Aufopferung des einzelnen für sein Volk im Krieg, gelingt die angestrebte Erhebung des einzelnen über seinen Stand. Die im Blick auf das neuzeitliche Bewußtsein konzipierte Ständelehre der Realphilosophie scheint hier wieder in die antike Ständeauffassung zurückzufallen. Denn die Übernahme der Todesgefahr im Sol-

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datenstand entspricht ganz der Tapferkeit des ersten Standes im Naturrechtsaufsatz und im System der Sittlichkeit Der Soldatenstand ergänzt durch das Moment der Individualität das leere Pflichtbewußtsein des Gelehrten. Weil er wesentlich Ergänzung darstellt, bedeutet er für sich allein noch nicht die angezielte Erhebung über den eigenen Stand. Es zeigt sich, daß in der Realphilosophie wie im System der Sittlichkeit eine wirkliche Erhebung über den eigenen Stand nur in der Regierung vollzogen werden kann, die zu keinem besonderen Stand zu rechnen ist (vgl. Real 262) Hegel hat in der Realphilosophie sein Ständesystem gleichsam modernisiert, aber es fehlt eine Autonomie des einzelnen gegenüber seinem Stand, die jene Freiheit ermöglicht, die am Anfang der Jenaer Zeit nur dem ersten Stand zukam. In den niederen Ständen kommt die Voraussetzung für eine Erhebung über den eigenen Stand überhaupt nicht vor, es fehlt ein moralisches Bewußtsein. Die den höheren Ständen zugeschriebene Moralität enthüllt sich im leeren Pflichtbewußtsein des Gelehrten in ihrer Defizienz. Der Aufweis der Autonomie des einzelnen scheitert offenbar daran, daß dem defizienten moralischen Bewußtsein kein anderes, alternatives Bewußtsein zur Seite steht. Der seiner selbst gewisse Geist wird in der Realphilosophie mit der Regierung identifiziert, erscheint also nicht als eigenständiges Bewußtsein innerhalb des Ständesystems. In der Phänomenologie wird in der Gestalt des Gewissens dem moralischen Bewußtsein eine Alternative gegenübergestellt (vgl. Phän 444 ff). Es ist die Frage, ob die Phänomenologie durch diese Lösung die Autonomie des einzelnen sichern kann. Die Autonomie des einzelnen wird sicherlich nicht so gedacht werden dürfen, daß sie einen einseitigen Vorrang des Individuums vor dem Ganzen begründet. Damit ist das Problem des Verhältnisses von Besonderem und Allgemeinem, von Einzelnem und Ganzem angesprodien. Es hat sich gezeigt, daß damit das Problem der Vergegenständlichung des Geistes, seines Zusichkommens im gegenständlichen Sein als Ich verbunden ist. 3. Der Staat In der Entzweiung der neuzeitlichen Kultur erkaimte Hegel am Anfang der Jenaer Zeit ein unvermeidbares, im Sinne des tragischen Denkens der Griechen zu übernehmendes Schicksal. Die Negativität der neuzeitlichen Kultur als Negativität der modernen Gesellschaft wird in ihren Grundlagen durch einen allgemeinen Kampf um Anerkennung auf Leben und Tod bestimmt. Die Entzweiung der modernen Gesellschaft gilt es absolut zu

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machen, denn nur aus der absoluten Entzweiung, dem Widerspruch, kann schöpferisch Neues hervorgehen. Die absolute Entzweiung birgt jedoch in sich die Gefahr, die versöhnende Einheit zu verfehlen. Der notwendige Umschlag von absoluter Entzweiung in absolute Einheit muß im politischen Leben institutionell abgesichert werden. Ist die moderne Gesellschaft so autonom, daß sie die in ihr entstehende absolute Entzweiung auch wieder zu versöhnen weiß? Muß nicht letztlich doch der Staat eingreifen, um die große Ungleichheit von Armut und Reichtum zu überwinden? Die Frage nach der Rolle des Staates weist nicht nur auf ein besonderes Problem der politischen Philosophie Hegels hin, sondern betrifft ein allgemeines Problem des spekulativen Denkens selbst. Denn in der Frage nach der Rolle des Staates wird nach dem Verhältnis von Allgemeinem und Besonderem gefragt und nach der Möglichkeit einer Überwindung der Entzweiung des neuzeitlichen Bewußtseins durch es selbst. Setzen diese Fragen nicht bereits voraus, daß Gesellschaft und Staat, Einzelnes und Allgemeines einander fremd gegenüberstehen? Die modernen Naturrechtstheorien eines ROUSSEAU und HOBBES sehen dieses Verhältnis anders, wenn sie den Staat aus einem Staatsvertrag hervorgehen lassen.

a) Die Staatstheorie der Verfassungsschrift In der Verfassungsschrift hat der Staat einerseits die „lebendige Freiheit und den eigenen Willen der Bürger gewähren" (Verf 33) zu lassen. Der Staat kann anderseits die Selbstverwaltung der Bürger, die Liberalität des Wirtschaftsprozesses nur fördern, wenn er selber stark ist. Ein politisches Gemeinwesen, das nicht in der Lage ist, die Freiheit seiner Bürger wirksam zu verteidigen, kann nicht Staat genannt werden. Deshalb offenbart sich die Gesundheit eines Staates „im allgemeinen nicht sowohl in der Ruhe des Friedens als in der Bewegung des Kriegs" (Verf 23). Denn im Krieg „zeigt sich die Kraft des Zusammenhangs aller mit dem Ganzen, wieviel von ihnen fordern zu können er sich eingerichtet hat, und wieviel das taugt, was aus eigenem Triebe und Gemüte für ihn sie tun mögen" (Verf 24). Für die Einheit von Staats- und Wehrverfassung kann Hegel sich auf deutschrechtliche Traditionen berufen So dient ihm denn auch als Vorbild für Mut und Tapferkeit bei der Verteidigung des Staates der „alte Kriegsruhm der Deutschen und ihrer Ahnen" (Verf 48). Er übernimmt die zeitgenössische, verklärende Darstellung der alten deutschen Freiheit aber nur teilweise, wenn er kritisiert, daß der germanische Trieb zur Freiheit in

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Zweiter Teil: Ausarbeitung des Systemansatzes

Deutschland zur Vereinzelung in Territorialstaaten führte und somit dem deutschen Reiche zum Verhängnis wurde Die Idee der alten deutschen Libertät bietet Hegel also keine ausreichende Grundlage für die Formulierung seiner Staatstheorie. Hegels Staatsbegriff in der Verfassungsschrift stellt vielmehr eine Anwendung seiner philosophischen Grundüberzeugungen auf die politische Wirklichkeit dar. Der Staatsbegriff wird dadurch abstrakt, „ein Sprung aus dem Geschichtlichen", „ein Versuch, aus der brüchigen Existenz des Reiches gleichsam die Essenz einer allgemeinen Lehre vom Staat zu retten" Es fällt jedoch auf, wie sehr Hegel aus der politischen Geschichtsschreibung seiner Zeit schöpft Vor ihm versuchte schon MONTESQUIEU, die moderne Repräsentativverfassung auf ältere Verfassungstypen zurückzuführen vor ihm findet sich schon eine Aufwertung MACHIAVELLIS bei HERDER Hegel unterscheidet sich jedoch von den von ihm benutzten Autoren dadurch, daß er Repräsentativverfassung und Macht der im Sinne MACHIAVELLIS konzipierten Zentralgewalt verbinden zu können glaubt Er anerkennt, daß das Repräsentativsystem durch die Arbeitsteilung der modernen Gesellschaft notwendig geworden ist (vgl. Verf 93—96) anderseits erklärt er politische Freiheit für aufhebbar, wenn es um die Existenz des Reiches geht (vgl. Verf 114 ff) In dieser ambivalenten Bewertung des demokratischen Prinzips kommt die grundlegende Frage nach dem Verhältnis von Macht und Freiheit, von Einzelnem und Allgemeinem zum Ausdruck.

b) Die Staatstheorie des Naturrechtsaufsatzes

Die systematischen Implikationen der Staatstheorie der Verfassungsschrift werden durch einen Vergleich mit dem Staatsbegriff des Naturrechtsaufsatzes und des Systems der Sittlichkeit deutlicher sichtbar. Im Naturrechtsaufsatz dient die Staatstheorie innerhalb der Auseinandersetzung mit dem Naturrecht des 17. und 18. Jahrhunderts dazu, das System des Besitzes und der physischen Bedürfnisse einzugrenzen. Es ist die negative Funktion des Staates, durch Steuern und Kriegführung das unverhältnismäßige Anwachsen des Interesses für Besitz und physischen Genuß in Grenzen zu halten (vgl. GW 4. 451). Das System der „sogenannten politischen Oekonomie" ist ganz in der „Negativität" und muß auch vom Staat „ganz negativ" (GW 4. 450) behandelt werden. Diese negative Funktion des Staates vermag Hegel durch seine Konzeption der Tragödie im Sittlichen dahingehend zu differenzieren, daß die Eingren-

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zung des Bereichs des Besitzes zugleich die Aufnahme dieses Bereichs der Endlichkeit in die absolute Sittlichkeit bedeutet. Die organische Natur der Sittlichkeit reinigt sich von ihrer unorganischen Natur, dem System der Bedürfnisse, und übernimmt zugleich dieses System als unvermeidbares Schicksal (vgl. GW 4. 458). Der Naturrechtsaufsatz vollzieht eine Gleichsetzung von Staat und absoluter Sittlichkeit innerhalb der Konzeption einer Tragödie im Sittlichen. Die so entwickelte Negativität des Staates macht das Unterscheidungsmerkmal zwischen Hegels Staatstheorie und der des modernen Naturrechts aus. Der Staatsbegriff ergibt sich nicht als Resultat aus der Struktur der modernen Gesellschaft, sondern bestimmt sich vielmehr in negativer Abgrenzung gegen diese Der Staat als Vernunftstaat unterscheidet sich von dem Verstandesund Notstaat FICHTES durch seine organische Einheit (vgl. GW 4. 58 u. 444 f; Verf 42). Macht, Negativität innerhalb der Konzeption einer Tragödie im Sittlichen und organische Einheit kennzeichnen den Staatsbegriff in der Verfassungsschrift und im Naturrechtsaufsatz. Diese verschiedenen Bestimmungen des Staates haben je verschiedene Beziehungen des einzelnen Bürgers zum Allgemeinwillen des Staates zur Folge. Der Staat als Macht kann zeitweilig die politische Freiheit des Bürgers aufheben. Der Staat als Negativität innerhalb der Konzeption einer Tragödie im Sittlichen erschüttert die Sicherheit und Selbstzufriedenheit des Bürgers durch Krieg und Steuerabgaben. Der Staat als organische Einheit soll ein Verhältnis von „Treu und Glauben" [GW 4. 442 u. 443) begründen, das in FICHTES „System der Atomistik der praktischen Philosophie" [GW 4. 58) nicht aufgebaut werden kann. Diese allgemeinen Beziehungen des einzelnen zum Staat werden zwar durch das Ständesystem differenziert, sie stellen jedoch schon einen Ansatz dar, die allgemeine Struktur des Verhältnisses zwischen einzelnem imd Staat — systematisch gesehen zwischen Einzelnem und Allgemeinem — über die historische Bedingtheit des jeweiligen Ständesystems hinaus darzustellen.

c) Die Staatstheorie des Systems der Sittlichkeit Die Tendenz, den Staatsbegriff nicht nur in negativer Abgrenzung gegenüber dem Phänomen der modernen Gesellschaft, sondern auch gegenüber dem jeweiligen Ständesystem zu entwickeln, tritt im System der Sittlichkeit deutlich hervor. Die absolute Regierung darf nicht die Herrschaft eines bestimmten Standes bedeuten, sie wird deshalb durch die Alten und

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Priester gebildet, die keinem bestimmten Stand angehören. Mit dem Vorteil solcher Standesüberhobenheit verbindet sich jedoch der Nachteil, daß die Staatstheorie sich im Esoterischen aufzulösen droht. Denn die absolute Regierung wird nun definiert als „das unmittelbare Priestertum des Allerhöchsten, in dessen Heiligtum sie mit ihm Rat pflegt und seine Offenbarungen erhält" (SdS 75). Der Gefahr einer solchen Esoterik versucht Hegel dadurch zu entgehen, daß er die sittliche Totalität „im Ganzen des Volks selbst" {SdS 73) begründet sein läßt Das Volk erscheint aber nicht als demokratisches Korrektiv, sondern als Erscheinung der absoluten Sittlichkeit, die durch die absolute Regierung konstituiert wird. Diese tritt als tätige Regierung in der allgemeinen Regierung auf, die wesentlich als Exekutive zu verstehen ist (vgl. SdS 77 f) Die Unterscheidungen MONTESQUIEUS zwischen gesetzgebender, richterlicher und ausübender Gewalt sind leere Abstraktionen, die erst durch die ausübende Gewalt Realität erhalten. Das in der Verfassungsschrift zum erstenmal dargelegte Verständnis des Staates als Macht setzt sich somit auch im System der Sittlichkeit durch. Wie die Analyse des Krieges als Kampf um Ehre für das Allgemeine gezeigt hat (vgl. SdS 51) ist die Regierung an kein formelles Recht gebunden. Der Staatsbegriff in der Verfassungsschrift, im Naturrechtsaufsatz und im System der Sittlichkeit steht dem neuzeitlichen Bewußtsein fremd gegenüber. Durch das Verständnis des Staates als organischer Einheit wird dieses Mißverhältnis nicht beseitigt, da dieses Verständnis mit der Auffassung des Staates als Macht und Negativität gekoppelt ist. Dadurch daß der Staatsbegriff dem Ansatz nach — durch die prinzipielle Standesüberhobenheit der absoluten Regierung im System der Sittlichkeit in negativer Abgrenzung gegenüber dem Ständesystem entwickelt wird, ermöglicht der Staatsbegriff grundsätzlich eine Distanzierung von der im Ständesystem zur Erscheinung kommenden Orientierung an der Polissittlichkeit. Es ist die Frage, ob durch eine Loslösung des Staatsbegriffs von der im Ständesystem sich dokumentierenden Orientierung an der Antike auch ein neues Verhältnis zum Phänomen der modernen Gesellschaft sich herstellt. —

d) Die Staatstheorie der Realphilosophie von 1805/06 Der Realphilosophie gelingt eine weitgehende Integration der verschiedenen Bereiche von Gesellschaft und Staat, ebenso vollzieht sie eine deutliche Distanzierung von der antiken Polissittlichkeit. Es stellt sich jedoch die

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Frage, ob der Staatsbegriff gegenüber dem am Anfang der Jenaer Zeit wesentlich verändert ist. Die Regierung ist „der seiner selbst gewisse Geist, der frei vom Geist das Rechte tut, unmittelbar handelt" {Real 263). Der Staat erwächst nicht aus dem allgemeinen Willen der Bürger, sondern konstituiert sich frei von ihnen: „Das freie Allgemeine ist der Punkt der Individualität; diese so frei von dem Wissen Aller, ist eine nicht durch sie konstituierte, als Extrem der Regierung also eine unmittelbare, eine natürliche: es ist der erbliche Monarch" {Real 250). Dieser Begriff der Regierung stellt die positivere Einschätzung des Phänomens der modernen Gesellschaft und ihres Naturrechts am Ende der Jenaer Zeit wieder in Frage. Die Staatstheorie der Realphilosophie muß trotz dieser Ausführungen als äußerster Versuch Hegels verstanden werden, es nicht bei einer bloß negativen Abgrenzung von Staat und Gesellschaft bewenden zu lassen. Die Vermittlung zwischen Einzelnem und Allgemeinem, Bürger und Staat wird in einem Prozeß der Bildung und Entäußerung angestrebt. Die Realphilosophie versteht Bildung als Werden zum Allgemeinen, in der Bildung schaut sich das Individuum im Allgemeinen an (vgl. Real 226 u. 235 Anm. 3) Bildung bedeutet somit Entäußerung des unmittelbaren Selbsts (vgl. Real 243 Anm. 3). Diese Entäußerung an das Allgemeine bedeutet primär Entäußerung an den Staat. Der Entäußerung an den Staat steht die Entäußerung in der Religion gegenüber, in der eine Entäußerung der „ganzen daseienden Welt — nicht jene Entäußerung, welche nur Form, Bildung, und deren Inhalt wieder das sinnliche Dasein ist, sondern allgemeine Entäußerung der ganzen Wirklichkeit" {Real 267) stattfindet. Die Entäußerung innerhalb der Religion bleibt jedoch für die Realphilosophie eine abstrakte, wirklichkeitslose, die sich deshalb der Bildung für den Staat unterzuordnen hat (vgl. Real 271). Doch kann die Bildung in der Religion offenbar machen, daß Ziel der Entäußerung des unmittelbaren Selbsts zugleich die Wiedergewinnung des einzelnen Selbsts auf einer höheren Stufe sein muß. Denn in der absoluten Religion ist Gott als „die Tiefe des seiner selbst gewissen Geistes" {Real 266) aufgetreten; diese Tiefe aber ist das Ich So muß auch die Regierung als „absolutes Selbst" {Real 267) verstanden werden, in dem die Entäußerung des Selbsts zu einer Wiedergewirmung im Sichwissen des Ich führt. In der Realphilosophie ist allerdings dieses Sichwissen des Ich noch nicht klar als ein selbständiger Standpunkt gegenüber Staat und Religion abgegrenzt. Die Entäußerung des Individuums gegenüber dem Staat besitzt drei Formen In der Furcht wird das Allgemeine des Staates als Herr und Notwendigkeit angeschaut. Anderseits vertraut das Individuum dem Staat, weil dieser sich für das Individuum aufopfert, ihm zu seinem Recht ver-

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Zweiter Teil: Ausarbeitung des Systemansatzes

hilft. Schließlich erkennt das Individuum in der Regierung die Verwirklichung seines eigenen Selbsts. Es kann sagen: „ich bin Regent" {Real 244). Die Entäußerung des Individuums an den Staat ist somit nicht einseitig, auf seine Entäußerung muß die Entäußerung des Staates antworten. Diese drei Formen der Entäußerung und Bildung stellt die Realphilosophie innerhalb geschichtsphilosophischer Betrachtungen dar. Die Entäußerung des Individuums an den Staat muß von der ARisxoxELischen Voraussetzung ausgehen, daß das Ganze eher ist als die Teile. Damit wendet sich Hegel gegen die modernen Vertragstheorien, z. B. eines ROUSSEAU, und gegen die von diesen Theorien ausgehende Idee einer Revolution, offenbar der Französischen Revolution (vgl. Real 245). Dadurch daß das Ganze eher ist als die Teile, steht am Anfang von Staatsbildungen in der Regel Furcht und Gehorsam. Hier erörtert Hegel das berechtigte Moment von Tyrannei und MACHiAVELLismus. Eine Einheit von Individualität und Allgemeinem, die Vertrauen ermöglicht, stellt die Demokratie der Griechen dar. Hier ist die „Entäußerung der Einzelheit des Willens . . . unmittelbare Erhaltung desselben" (Real 250). In der griechischen Welt fehlt aber noch das Prinzip der Subjektivität des einzelnen: „Es findet kein Protestieren hier statt". Auf die Entäußerung des Individuums antwortet zwar eine Entäußerung des Staates, aber es findet keine vollständige gegenseitige Durchdringung beider Seiten statt. Das Individuum kann in der Regierung noch nicht die Verwirklichung seines Selbsts finden, weil es dieses noch nicht entdeckt hat (vgl. Real 251). Diese Bestimmung des Verhältnisses zwischen Staat und einzelnem Bürger ist im Rahmen der Theorie der Anerkennung zu sehen. Schon innerhalb der Konzeption einer Tragödie im Sittlichen wurde das Verhältnis des ersten Standes zum zweiten Stand als Anerkennungsverhältnis verstanden (vgl. CW 4. 458 f) Insofern der erste Stand die Regierung stellt, ist auch schon am Anfang der Jenaer Zeit das Verhältnis zwischen Bürger und Regierung ein Anerkennungsverhältnis. In der Realphilosophie ist das Ziel des Prozesses von Bildung und Entäußerung einerseits die Sicherung der Souveränität des Staates gegenüber dem einzelnen Bürger, anderseits das Sichwissen des einzelnen im Allgemeinwillen des Staates, d. h. das Anerkanntsein der Bürger im Staat. Die Terminologie des Kampfes um Anerkennung fließt denn auch in die Darstellung des Prozesses von Bildung und Entäußerung ein (vgl. Real 243). Ähnlich wie in der Herr-Knecht-Dialektik der Phänomenologie beginnt der Prozeß der Bildung und Entäußerung mit dem Verhältnis der Furcht, dem Herr-KnechtVerhältnis (vgl. Real 246). Durch die Entäußerung des Einzelwillens an den Allgemein willen wird das Verhältnis der Furcht in das des Vertrauens

I. Negativität der modernen Gesellschaft

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umgewandelt. Der einzelne entäußert sich an die Zentralgewalt „nicht als gegen einen Herrn, sondern gegen sie in der Form seines reinen Wissens" (Real 243). Der Staat ermöglicht absolute Anerkennung, durch die Entäußerung des Einzelwillens an den Allgemeinwillen des Staates kommt absolutes Anerkanntsein, Sichwissen des einzelnen im Allgemeinen zustande. Es geschieht nicht wie bei HOBBES eine Unterwerfung des einzelnen unter die Souveränität des Staates. Es stellt sich jedoch die Frage, ob Hegels Konzeption einer Entäußerung an den Staat aufgrund der bestehenbleibenden negativen Abgrenzung von Staat und Gesellschaft nicht doch zu einer Unterwerfung des einzelnen unter das Allgemeine des Staates führt, so daß bei grundsätzlicher Differenz zwischen den Staatstheorien von Hegel und HOBBES doch letztlich eine entscheidende Übereinstimmung besteht. Eine solche Übereinstimmung würde das Scheitern des Versuchs bedeuten, den Standpunkt der modernen Gesellschaft mit der Hegelschen Staatstheorie zu vermitteln. Es wäre dann auch die im Ständesystem der Realphilosophie angestrebte Selbständigkeit des einzelnen eine Farce. Es ist Aufgabe der Phänomenologie, diese Frage zu klären, indem sie den in der Realphilosophie nur unzureichend entwickelten Bildungs- und Entäußerungsprozeß innerhalb einer Geschichte des Bewußtseins systematisch darstellt.

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Zweiter Teil: Ausarbeitung des Systemansatzes

II. NEGATIVITÄT UND SELBSTBEWUSSTSEIN IN DEN JENAER SYSTEMENTWÜRFEN Es mag überraschen, daß Hegel in der Differenzschrift bereits eine Grundlegung seines späteren systematischen Philosophierens geleistet hat, daß ihm eine Darstellung und Ausarbeitung dieses Systems aber erst recht spät gelungen ist. So kann man auch nur von Systementwürfen für die Jenaer Zeit sprechen. Hegel ging es allerdings schon seit den ersten Jenaer Jahren um die Ausarbeitung eines Systems der Philosophie. In verschiedenen Systemskizzen versucht er, das Ganze der Philosophie zu entwerfen und einzuteilen. Die Systemskizze am Ende der Differenzschrift vereinigt Wissenschaft der Natur und der Intelligenz in einem Indifferenzpunkt, in dem sich die Anschauung des Absoluten in Kunst (Religion) und Spekulation vollendet (vgl. GW 4. 73—76). Von dieser an SCHELLING orientierten Systemskizze unterscheidet sich eine Einteilung des Ganzen der Philosophie im Naturrechtsaufsatz (vgl. GW 4. 433) Das Absolute erscheint hier als Aufhebung von relativen Identitäten. Daß in der Identität Differenz gedacht werden muß, kommt hier besser zum Ausdruck als in der Systemskizze der Differenzschrift. Ob die eine oder die andere Systemeinteilung dazu berechtigt, von einem fast vollständig ausgefalteten System der ersten Jenaer Jahre zu sprechen, bleibt problematisch. Es ist die Differenz zwischen Entwurf und Entfaltung des Systems zu betonen, wobei zugestanden werden muß, daß Hegel einen einmal eingeschlagenen Weg spekulativen Denkens mit gewisser Konsequenz weiterentwickelt. Wenn Hegel in der Vorrede der Phänomenologie erklärt, daß die Sache nicht in ihrem Zweck, sondern in ihrer Ausführung erschöpft ist und daß es das Schwerste ist, den Gehalt einer Sache darzustellen (vgl. Phän 11), dann ist dies auf ihn selber, auf die Entwicklung seines Denkens während der Jenaer Zeit anzuwenden. Innerhalb dieser Denkentwicklung lassen sich verschiedene Phasen erkennen, so kann man die Journalaufsätze mit der Differenzschrift und dem System der Sittlichkeit zusammenfassen. Dieser ersten Phase ist die frühe Logikkonzeption zuzuordnen. Eine zweite, originelle Phase stellt der Systementwurf von 1803/04 dar, der aufgrund seines besonderen Ansatzes beim Bewußtseinsbegriff und seiner fragmentarischen Überlieferung und Ausarbeitung für sich genommen werden muß. Eine dritte Phase kann man für die Logik und Metaphysik von 1804/05, die Realphilosophie von 1805/06 und die Phänomenologie ansetzen. Die dritte Phase ist dadurch

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gekennzeichnet^ daß hier der Begriff des Selbstbewußtseins zentrale Bedeutung erhält. Hegel hat in Jena seinen spekulativen Ansatz konsequent weiterentwickelt, sah sich aber bei dessen Ausarbeitung und Darstellung genötigt, ihn zumindest zu modifizieren. Es ist die Frage, wie diese Modifikation zu bewerten ist, ob die Erweiterung des ursprünglichen Systemansatzes nicht doch auch eine Distanzierung vom Systemansatz der ersten Jenaer Jahre impliziert. Die Analyse der Hegelschen Staats- und Gesellschaftsauffassung zeigte, daß mit einer positiveren Bewertung der modernen bürgerlichen Gesellschaft und der Aufgabe der Konzeption einer Tragödie im Sittlichen die Gefahr entsteht, die Radikalität der Forderung aufzugeben, den Widerspruch, die Antinomie zu denken. Dieser Forderung lag ein bestimmtes Problembewußtsein zugrunde, nämlich das Wissen um Entzweiung, Negativität. — Es ist zu sehen, ob das Verständnis des Selbstbewußtseins als Negativität am Ende der Jenaer Zeit ähnliche Schwierigkeiten hervorruft. Wie aus Hegels Vorlesungsankündigungen zu ersehen ist, hat er seine Philosophie des Sittlichen und seine Geistesphilosophie als zusammengehörig betrachtet In den Jahren 1802—1805 kündigte er neben anderen Teilen der Philosophie in der Regel auch „Jus naturae" an. Der Naturrechtsaufsatz und das System der Sittlichkeit zeigen, wie Naturrechtsthematik und Geistesphilosophie miteinander verschmelzen. Dies gilt ebenfalls für die Realphilosophie. Im Laufe der Ausarbeitung des Systems verselbständigt sich aber immer mehr der vorgesellschaftliche Teil der Philosophie des Geistes, in dem die formale Struktur des Bewußtseins abgehandelt wird. Es ist deshalb dieser vorgesellschaftliche Teil im folgenden einer eigenen Analyse zu unterziehen. Hegels Theorie des Selbstbewußtseins kann relativ unabhängig von der Naturrechtsthematik erörtert werden.

1. Die Rekonstruktion der absoluten Sittlichkeit im System der Sittlichkeit Die in Anlehnung an SCHELLING entwickelte Methode der gegenseitigen Subsumtion von Begriff und Anschauung bestimmt den Aufbau des Systems der Sittlichkeit ®. Sie folgt mehr der Systemskizze im Naturrechtsaufsatz als der am Ende der Differenzschrift. Im Naturrechtsaufsatz spricht Hegel von der Einheit der Indifferenz und desjenigen Verhältnisses, in dem das Viele das Erste ist, und desjenigen Verhältnisses, in dem die Einheit das Erste ist (vgl. GIV 4. 433). Es handelt sich um die Einheit der Indifferenz und der physischen und um die Einheit der Indifferenz und der sittlichen Natur. Das System der Sittlichkeit entfaltet die Idee des Absoluten

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innerhalb von Verhältnisbeziehungen und folgt darin der Konzeption der Systemskizze des Naturrechtsaufsatzes. Das System der Sittlichkeit beginnt mit der differenzlosen Anschauung des Versenktseins des Gefühls ins Einzelne (vgl. SdS 9 f). Das wahrhaft Allgemeine aber ist die Anschauung der Idee der absoluten Sittlichkeit in einem Volk (vgl. SdS 7). Der Begriff erscheint als das Besondere, er ermöglicht eine Analyse und Differenzierung der differenzlosen Anschauung. Bleibt die Anschauung der Idee absoluter Sittlichkeit nur Inneres, so erscheint die absolute Sittlichkeit als Natur (vgl. SdS 8). Der Begriff ist das Herrschende, der wiederum in ein Verhältnis zur differenzlosen allgemeinen Anschauung tritt. Und zwar wird einmal der Begriff unter diese Form der Anschauung und dann diese Anschauung unter den Begriff subsumiert (vgl. SdS 9). — Bringt man diese Methode der gegenseitigen Subsumtion von Begriff und Anschauung mit der Systemskizze des Naturrechtsaufsatzes in Verbindung, dann kann man das Hervortreten der differenzlosen allgemeinen Anschauung als Überwiegen des Vielen in dem Verhältnis von Einheit und Vielheit verstehen, — entsprechend das Herrschen des Begriffs als Überwiegen der Einheit. Aufgrund der Zweideutigkeit des Begriffs Anschauung kann Hegel im System der Sittlichkeit das Verhältnis von Einheit und Vielheit, von Begriff und Anschauung auch auf die absolute Indifferenz beziehen und in ihr geltend machen. Denn Anschauung bedeutet sowohl die differenzlose allgemeine Anschauung in der Natur als auch die wahrhafte, vollendete Anschauung der Idee der absoluten Sittlichkeit in einem Volke (vgl. SdS 8) Die Erscheinung der absoluten Sittlichkeit als Natur bedeutet sowohl die Subsumtion des Begriffs unter die Anschauung — nämlich die bewußtlose allgemeine — als auch Subsumtion der Anschauung unter den Begriff — nämlich der wahren, vollendeten. Die eine Form der Anschauung ist auf die andere bezogen, die absolute Indifferenz oder die Idee der absoluten Sittlichkeit ist also immer in dem Verhältnis von Einheit und Vielheit anwesend. Der Begriff besitzt insofern eine Beziehung auf die Idee der absoluten Sittlichkeit, als er sich zum „absoluten Begriff" (SdS 7) bildet. Dieses Verständnis des absoluten Begriffs erwächst aus Hegels früher Logik; er bedeutet die Aufhebung der endlichen Reflexion, die Darstellung der negativen Seite des Absoluten An diese Methode des Systems der Sittlichkeit können nicht die Forderungen für eine systematische Hinführung zum Absoluten gestellt werden, die sich aus dem Systemansatz Hegels am Ende der Jenaer Zeit ergeben ®. Für den Systemansatz der ersten Jenaer Jahre genügt eine Kritik an den endlichen Formen der Sittlichkeit, eine immanente Entwicklung der natürlichen zur absoluten Sittlichkeit will erst der spätere Systemansatz

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leisten. Die Hinführung zur absoluten Sittlichkeit vollzieht sich im System der Sittlichkeit auf die Weise, daß das Negative, das Fehlen der absoluten Sittlichkeit aufgezeigt und dadurch die Idee absoluter Sittlichkeit postuliert wird Das Negative gibt sich unmittelbar zu erkennen, die Phänomene der natürlichen Sittlichkeit offenbaren ihre Entzweiung, die Abwesenheit der absoluten Sittlichkeit. Die Negativität seiner Welt wird dem Bewußtsein ausdrücklich im zweiten Abschnitt des Systems der Sittlichkeit angesichts der Existenz von Verbrechen, Verwüstung und Tod vor Augen geführt. Hegel unterscheidet dort zwischen einer „realen" und „negativen Aufhebung" (SdS 38 f). In der „realen Aufhebung" wird die Bestimmtheit überwunden, in eine höhere Identität aufgehoben. Die „negative Aufhebung" verharrt dagegen im Gegensatz und fixiert die Einzelheit. Allein die „reale Aufhebung" ist „rein negativ" und „dialektisch". Es wäre hier also zwischen einer wahren und falschen, einer dialektischen und undialektischen Negativität zu unterscheiden. Die letztere führt zu Verbrechen und Verwüstung, weil sie nur einen Pol des Gegensatzes gelten läßt ®. Es zeigt sich, daß Negativität der Dialektik bedarf, um die Aufhebung der natürlichen in die absolute Sittlichkeit zu vollziehen. Der Zusammenhang zwischen realer Aufhebung und Dialektik verweist auf die frühe Logikkonzeption Hegels. In der Tat kann der Aufbau des Systems der Sittlichkeit von der Logik her verständlich gemacht werden. Der ersten Aufgabe der Logik, der Darstellung der allgemeinen Formen der Endlichkeit, kann im System der Sittlichkeit die erste Potenz (A. Erste Potenz der Natur, Subsumtion des Begriffs unter die Anschauung) zugeordnet werden. Ebenso entspricht die zweite Potenz (B. Zweite Potenz der Unendlichkeit, Idealität, im Formellen oder in dem Verhältnis), die nur eine formelle Identität von Begriff und Anschauung herstellt, der Darstellung der subjektiven Formen des Verstandes. Deutlich ist die Parallele zwischen dem zweiten Abschnitt des Systems der Sittlichkeit (2. Das Negative oder die Freiheit oder das Verbrechen) und der dritten Aufgabe der Logik, die in der vernichtenden, negativen Seite der Vernunft besteht. Der zweite Abschnitt des Systems der Sittlichkeit negiert die Einseitigkeit und Endlichkeit der ersten und zweiten Potenz, um dadurch die Entstehung der absoluten Sittlichkeit zu ermöglichen. In analoger Weise werden im dritten Teil der Logik die allgemeinen Formen der Endlichkeit und die subjektiven Formen des Verstandes negiert, um dadurch zur Metaphysik überzuleiten ®. Innerhalb des Systemansatzes der ersten Jenaer Jahre besitzt die Methode der gegenseitigen Subsumtion von Begriff und Anschauung im System der Sittlichkeit Stringenz. Das einzelne Bewußtsein, das noch im Bereich

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natürlicher Sittlichkeit verharrt, wird durch die Phänomene des Lebens selbst und die in ihnen erscheinende Negativität zur Erkenntnis der Idee der absoluten Sittlichkeit geführt. Das Bewußtsein hebt seine Endlichkeit auf, wenn es angesichts der Negativität seiner Welt zur Anschauung absoluter Sittlichkeit gelangt. Diese vernichtet nur den Gegensatz, in dem die Subjektivität sich befindet, nicht diese selbst; „Die absolute Sittlichkeit hebt unmittelbar die Subjektivität dadurch auf, daß sie dieselbe nur als ideelle Bestimmtheit, als Gegensatz vernichtet, aber ihr Wesen schlechthin bestehen läßt und gerade darin bestehen und reell macht, daß es sein Wesen sein läßt, was es ist" {SdS 40). Die „absolute Subjektivität" (SdS 33) des Individuums als Person muß ihre Abstraktheit verlieren, um sich in der absoluten Sittlichkeit realisieren zu können. Hegel sieht also im System der Sittlichkeit wie in den Journalaufsätzen das Problem der Subjektivität des einzelnen Bewußtseins, er vermeidet aber wie in den Journalaufsätzen den PiCHTESchen Ansatz, der mit der Selbstreflexion des Subjekts begirmt.

2. Die Bewußtseinslehre des Systementwurfs von 1803/04 Die Philosophie des Geistes bildet den dritten Teil eines Systems der spekulativen Philosophie, das Hegel im Wintersemester 1803/04 vortrug Diesem dritten Teil geht die Logik und Metaphysik — von Hegel auch transzendentaler Idealismus genannt — als erster Teil der Philosophie voran, der den Geist als Idee konstruiert. Den zweiten Teil bildet die Philosophie der Natur, in die die Idee auseinanderfällt, um in anfänglicher Weise im Organischen und endgültig in der Philosophie des Geistes „sich in die absolute Allgemeinheit" (GW 6. 268) zurückzunehmen. Indem der erste Teil der Philosophie den Geist als Idee konstruiert, gelangt er „zu der absoluten sichselbstgleichheit zur absoluten Substanz, die im Werden durch die Thätigkeit gegen die Passivität in dem unendlichen Gegensätze ebenso absolut ist, als sie wird" (GW 6. 268). Der SriNOzismus der ersten Jenaer Jahre, Hegels Zusammenarbeit mit SCHELLING, scheint hier durch. Offenbar uminterpretiert Hegel die unendlichen Attribute der SpiNOzistischen Substanz, nämlich Denken und Ausdehnung, in Tätigkeit und Passivität. Ebenfalls im Einklang mit der Systemkonzeption der ersten Jenaer Jahre steht das Verständnis der absoluten Substanz als Werden (vgl. GW 4. 16). Daß ein solches Werden des Absoluten nicht identisch ist mit der Zeit, die wesentlich Endlichkeit bedeutet, sondern gerade durch Aufheben der Zeit ermöglicht wird, hatte Hegel in Glauben und

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Wissen dargelegt (vgl. GW 4. 353). Worin JACOBI eine unüberwindliche Schwierigkeit sah, nämlich Sein und Werden in einer Antinomie als gleichursprünglich im Absoluten zu denken, darin erkennt Hegel den Ursprung spekulativen Begreifens Diese Antinomie wird zu Beginn der Philosophie des Geistes ausgesprochen, wenn von der absoluten Substanz behauptet wird, daß sie „ebenso absolut ist, als sie wird." Die Uminterpretation der unendlichen Attribute in Tätigkeit und Passivität bedeutet eine Annäherung an FICHTE, die sich aufgrund der modifizierten Übernahme der FicHTEschen Transzendentalphilosophie durch SCHELLING nahelegte. In der Durchführung der Philosophie des Geistes kommt diese formale Übernahme FicHTEScher Gedanken darin zum Ausdruck, daß zwischen einer theoretischen und praktischen Potenz unterschieden und — anders als im System der Sittlichkeit — danach der Aufbau der Geistesphilosophie bestimmt wird (vgl. GW 6. 298). Hegel führt im Systementwurf von 1803104 frühere Ansätze nicht nur aus, sondern erweitert den Systemansatz der ersten Jenaer Jahre entscheidend dadurch, daß er einen neuen Bewußtseinsbegriff einführt. Am Anfang der Jenaer Zeit lag ein Naturbegriff vor, der natürliche und sittliche Natur umfaßte Durch Einführung des Bewußtseinsbegriffs kann besser die Differenz der sittlichen zur natürlichen Natur herausgestellt werden. Bewußtsein bedeutet Geist, die „erste Form der Existenz des Geistes, ist das Bewußtseyn überhaupt" {GW 6. 280). In der Logik und Metaphysik wird der Geist als Idee konstruiert, in der Philosophie des Geistes kommt der Geist aus der Natur zu sich zurück. Das Bewußtsein ist somit die erste Form des Geistes, der aus der Natur zu sich zurückkommt. Während in der Natur Einheit und Vielheit entgegengesetzt bleiben, gelangt das Bewußtsein zur Einheit der Einzelheit und Vielheit, der negativen Einheit und des bestimmten Begriffs. Das Bewußtsein ist „Einsseyn des seyenden und des aufgehobenen Unterschiedes" {GW 6. 267), die absolute Differenz hebt sich im Bewußtsein selbst auf. Allerdings geschieht die Aufhebung der Differenzen im Bewußtsein nicht für das Bewußtsein selbst, sondern für einen dritten. Wie später in der Phänomenologie wird hier zwischen der eigenen Reflexion des Bewußtseins und unserer Reflexion unterschieden (vgl. GW 6. 273 u. 276). Die Philosophie des Geistes ist insgesamt als ein „absolutes werden" {GW 6. 268) zu verstehen, in dem die Einheit von theoretischem und praktischem Bewußtsein konstruiert wird. In diesem Werden kommt die „negative Seite des Geistes überhaupt" {GW 6. 275) gegen die Natur zur Geltung. Durch diese „negative Beziehung" des Bewußtseins auf die Natur wird das Bewußtsein von der Aufhebung eines Gegensatzes in einen neuen getrieben, bis die „organisirenden Momente"

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Zweiter Teil; Ausarbeitung des Systemansatzes

des Bewußtseins „Momente des absoluten Bewußtseyns" (GW 6. 271 f) geworden sind. Das Werden des empirischen zum absoluten Bewußtsein stellt sich als „Gegliederung des Bewußtseyns zu seiner Totalität", als „Organisation seiner Formen als Mitten" (GW 6. 276) dar. Das Bewußtsein erweist sich in Sprache, Werkzeug, Gut, Gedächtnis, Arbeit und Familie als gedoppelte Mitte und hebt als solche den Gegensatz zwischen sich und dem Seienden auf (vgl. GW 6. 277) Der Streit zwischen Realismus und Idealismus ist ein Streit um die „in sich selbst streitende Potenz der Mitte, worin nemlich zugleich die Bestimmtheiten als solche, und das Bezogenseyn, beyde als Eins und als unterschieden gesetzt sind" (GW 6. 292 f). Durch die Potenz der Mitte werden die Bestimmtheiten so negiert, daß sie zugleich gesetzt und negiert werden: „Diese drey Formen, des Seyns, Aufhebens, und seyns als Aufgehobenseyns, sind absolut als Eines gesetzt." (GW 6. 313 f) Die „Organisation des Geistes" darf nicht als äußerliche Aufzählung von „verschiedenen Vermögen Neigungen und Leidenschafften u.s.w." (GW 6. 271) begriffen werden. Der Prozeß der Selbstaufhebung der Momente des Bewußtseins wird vielmehr durch jenes Werden begründet, in dem die absolute Substanz zugleich ist und wird. In einem Fragment zum Ende des Systems, das die Philosophie der Kunst im Rahmen der Darstellung des absoluten Bewußtseins behandelt (vgl. GW 6. 330 f), taucht die Terminologie der Journalaufsätze wieder auf. Dort ist die Rede von einer göttlichen Komödie, „in welcher das Thun des Menschen sich selbst unmittelbar zernichtet, nur sein Nichts absolute Gewißheit hat". In der Kunst, die diese göttliche Komödie darstellt, gelangt das Bewußtsein jedoch nicht zu seinem „absoluten Selbstgenusse", es bleibt bei einer „absoluten Sehnsucht" (GW 6. 331; vgl. GW 4. 384 u. 459 f). Das Charakteristische des Bewußtseinsbegriffs des Systementwurfs besteht darin, daß er eine Mittelstellung zwischen dem Systemansatz der ersten Jenaer Jahre und dem späteren Systemansatz einnimmt. Er verbleibt im Rahmen des frühen Systemansatzes, weil Hegel die Potenzenfolge von theoretischem und praktischem Bewußtsein auf die Sittlichkeit eines Volkes bezogen diskutiert. Hegel orientiert sich hier offenbar noch an PLATON und ARISTOTELES und versteht die Behandlung der verschiedenen Potenzen des Bewußtseins als Einführung in die Politik, in das sittliche Leben eines Volkes. Durch die Einführung des Bewußtseinsbegriffs kann Hegel die dem Geist eigentümliche „Negativität" (GW 6. 317) besser kennzeichnen, die sittliche Natur besser gegen die natürliche Natur abgrenzen. Die negative Tätigkeit des Bewußtseins gegen die Natur ist Ausdruck des Werdens der absoluten Substanz „durch die Thätigkeit gegen die Passivität" (GW 6.

II. Negativität und Selbstbewußtsein

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268). Die negative Tätigkeit des Bewußtseins richtet sich gegen die Passivität der Natur. In dieser negativen Tätigkeit des Geistes gegen die Natur vollzieht sich das Werden der absoluten Substanz, in dem diese zugleich ist und wird. Die positive Tätigkeit des Bewußtseins besteht in der Organisation des Geistes als Mitten. Die Aufhebung von Gegensätzen muß organisiert werden. Dies geschah auch schon im System der Sittlichkeit durch die gegenseitige Subsumtion von Begriff und Anschauung. Es fehlte dort jedoch die Organisation des Bewußtseins als Mitten. Deutlich wertet Hegel im Systementwurf die Natur gegenüber dem Geist ab. Eine Orientierung an der rein theoretischen, bloß objektiven, ohne alle Einmischung von Subjektivität sich vollziehenden Betrachtung der Natur kann jetzt nur noch sehr bedingt stattfinden (vgl. GW 4. 79) Stattdessen muß nun in einer Neuorientierung an FICHTES Subjektivitätsphilosophie die dem Bewußtsein eigentümliche Selbstreflexion thematisiert werden. Dies geschieht im Systementwurf außer an vereinzelten Stellen jedoch noch nicht Stärker als im System der Sittlichkeit ist Hegel jedoch an der Entwicklung der Totalität der absoluten Sittlichkeit aus der Struktur des empirischen Bewußtseins interessiert. Das beweist die Unterscheidung zwischen unserer Reflexion und der Reflexion des Bewußtseins. Das Bewußtsein soll selber zur Erkenntnis der absoluten Sittlichkeit gelangen, auf einem für ihn gangbaren Weg

3. Das Erkennen und die Metaphysik der Subjektivität in der Logik und Metaphysik von 1804/05 Am Anfang der Jenaer Zeit würdigt Hegel die philosophischen Verdienste KANTS und FICHTES, indem er an KANTS Antinomienlehre anknüpft und ein spekulatives Prinzip in KANTS Idee der transzendentalen Einbildungskraft und FICHTES Ich = Ich erblickt Seine Logik und Metaphysik versteht er als Auseinandersetzung mit dem transzendentalen Idealismus Er anerkennt, daß FICHTES Wissenschaftslehre und SCHELLINGS Transzendentalidealismus nichts anderes als Versuche sind, „die Logik oder speculative Philosophie rein für sich darzustellen" {Ros 188) Die Leistungen KANTS und FICHTES treten jedoch am Anfang der Jenaer Zeit hinter der Polemik gegen ihren Standpunkt des „negativ absoluten" (GW 4. 420) zurück. Ihre Position ist die des negativ Absoluten, weil sie im Gegensatz verbleiben, ihn nicht aufheben können. Während Hegel in der Kritik an der Reflexionsphilosophie in der Erfahrung des Absoluten als Nichts und des Todes einen Standort jenseits aller Reflexionsphilosophie fand, wird

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Zweiter Teil: Ausarbeitung des Systemansatzes

er in den folgenden Jahren über diesen Standpunkt hinausgetrieben. Er muß sich der grundsätzlichen Schwierigkeit einer jeden Theorie des Selbstbewußtseins stellen Einerseits will er der Reflexionsphilosophie entgehen, anderseits an dem seit DESCARTES hervorgetretenen Standpunkt der Subjektivität festhalten. Die Erfahrung des Absoluten als Nichts, des Todes und tragischen Schicksals sollte die vom neuzeitlichen Denken geforderte Autonomie des Bewußtseins herbeiführen. Das einzelne Bewußtsein erlangt jedoch nur dann seine Freiheit, wenn die Konfrontation mit dem absoluten Nichts auch zu einem Wissen führt, das ein Wissen seiner selbst ist. Es genügt nicht, der analysierenden Tätigkeit der Reflexionsphilosophie die ursprüngliche Einheit des Absoluten entgegenzusetzen; es muß das Sichwissen des Bewußtseins entfaltet werden. Die Logik und Metaphysik von 1804/05 bietet an zwei Stellen Ansätze zu einer Theorie des Selbstbewußtseins: im „Erkennen" am Ende der Logik und in der „Metaphysik der Subjectivität" am Schluß der Metaphysik. Das Erkennen vereinigt die vorangegangenen Kategorien der Proportion: Definition und Einteilung. Es geht von der Definition aus, setzt das Definitum in Einteilung und Konstruktion als Allgemeines und kehrt in der Aufhebung der Konstruktion durch den Beweis zur Definition zurück (vgl. GW 7. 113). Das Erkennen erscheint hier als Deduktion (vgl. GW 7. 119). Das Auf- und Niedersteigen vom Einzelnen zum Allgemeinen und umgekehrt setzt eine absolute Mitte voraus, die aber noch nicht in der Kreisbewegung des Erkennens als sich selbst bewegender Inhalt hervorgetreten ist. Insofern treten im Erkennen noch Inhalt und Form auseinander (vgl. GW 7. 120). Das Erkennen bleibt formal, seine Realisienmg geschieht erst in der Metaphysik. Im Erkennen erscheint in der „Null des Durchgangs" der Gegensätze noch nicht der „absolute Begriff", vielmehr wird die Vermittlung der Gegensätze noch durch das „leere Seyn oder das Nichts" (GW 7. 112) bestimmt. Die „dialektische Behandlung", die Entwicklung der Gegensätze, bleibt auch hier noch Tat „unserer Reflexion" (GW 7. 111) 23. Die Zurücknahme der vorangegangenen Kategorien der Logik im Erkennen deutet auf die Nähe zur Selbstbewußtseinsproblematik hin. Hegel versteht das Erkennen als „für sich absolute Reflexion" (GW 7. 120), als „die sichselbstgleiche Reflexion in sich selbst" (GW 7. 123), im Erkennen „beschreibt die Reflexion sich selbst" (GW 7.112). Die Definition spricht Hegel hier direkt als „Selbsterhaltung" (GW 7. 118) an, so daß die Reflexion in sich selbst des Erkennens als sich in sich selbst reflektierende Selbsterhaltung aufzufassen ist. In dem Verständnis der Definition als Selbsterhaltung ist das für das Fürsichsein charakteristische Moment der Negativität

II. Negativität und Selbstbewußtsein

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enthalten. Das Subjekt ist gegen Anderes gekehrt und erhält sich in dieser negativen Beziehung: „In der Definition der lebendigen Dinge ist daher nothwendig die Bestimmung von den Waffen des Angriffs oder der Vertheidigung genommen worden, als demjenigen, wodurch sie gegen anderes besondere sich selbst erhalten" (GW 7. 106). Die Bewegung des Erkermens stellt die Definition auf einer höheren Ebene wieder her. Das Erkennen besitzt gegenüber der Definition seine eigene Negativität, die weniger in der Konstruktion als in der Einteilung und im Beweis zutage tritt. Während die Konstruktion das „Princip der Differenz ausser sich" (CW 7. 117) hat, weil hier ein gleichgültiges Nebeneinander verschiedener Teile existiert, erweist der Beweis das „differente Verhältniß der Momente" (GW 7. 115). Die Definition behauptet als positive Einheit ihre Selbständigkeit. Durch den Beweis wird sie zur negativen Einheit, die Teile der Definition stehen nicht mehr gleichgültig nebeneinander, sondern schließen sich gegenseitig aus. Die Definition wird zur „realen Definition" (GW 7.115), d. h. sie muß ihre Selbstbehauptung auch wirklich vollziehen. Die Defiidtion hat die Differenz in ihrer Identität zu setzen, sie hat sich zu beweisen. Die bewiesene Definition ist erkannt, aber das Erkennen der Definition ist noch nicht ein Selbsterkeimen; Inhalt und Form fallen noch auseinander. Die Definition drückt die Bewegung des Erkennens noch nicht an ihr selber aus. Eine andere Form der Selbstreflexion beinhaltet die „Metaphysik der Subjectivität" Hegel will hier theoretische und praktische Philosophie als Formen des Sichwissens des Selbstbewußtseins entfalten. Während der „Metaphysik der Objectivität" es noch nicht gelang, die Welt dem einzelnen als seine Welt vertraut zu machen, kommt es in der „Metaphysik der Subjectivität" darauf an, die Welt für das einzelne Subjekt durchsichtig zu machen, so daß es sich selbst in der Welt erblickt „und ein erkennendes ist, indem es darin nicht ein reflectirtes, sondern ein sich reflectirendes, die Bewegung anschaut, welche sein Wesen ist" (GW 7. 155). Diese Durchsichtigkeit fehlte der Monade in der „Metaphysik der Objectivität", weil der Monade die Welt als etwas Fremdes gegenübersteht. Hegel distanziert sich hier deutlich von der vorkantischen Philosophie eines SPINOZA und LEIBNIZ, weil diese Denker in ungenügender Weise das Wesen von Subjektivität erfaßten. Für das theoretische Ich enthüllt sich die Welt als das Andere des Ich, sie gehört notwendig zum Wesen des Ich hinzu, da dieses nur in und aus seiner Welt verstanden werden kann: „seine Rükkehr ist sein zum Bewußtseyn [kommen], daß das entgegengesetzte es selbst ist" (GW 7.161). Das Bewußtsein kann die Welt und sich in dieser seiner Welt erkennen, eine objektive Erkenntnis der Wirklichkeit ist möglich.

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Zweiter Teil: Ausarbeitung des Systemansatzes

Da das theoretische Ich grundsätzlich den Gegensatz zwischen Ich und Welt überwunden hat, ist es ursprünglich, d. h. es versteht sich selbst als den Gegensatz erzeugend, nicht als Produkt des Gegensatzes. Es ist ursprünglich bestimmt, weil es sich selbst als ein so und so bestimmtes setzt (vgl. GW 7. 160) ^®. Das theoretische Ich ist zwar im Entgegengesetzten zu sich selbst als allgemeines gekommen, aber nicht als besonderes (vgl. GW 7. 162). Die ursprüngliche Bestimmtheit des Ich war nur für uns gesetzt, noch nicht für das Ich selbst. Erst im praktischen Ich findet das Ich sich selbst. Seine absolute Unendlichkeit besteht darin, „daß es diß Finden seiner selbst [ist]" {GW 7. 164). Der absolute Geist überwindet die Partikularität des theoretischen und praktischen Ich. Die Aufhebung aller im Verlaufe der Logik imd Metaphysik aufgetretenen Gegensätze im absoluten Geist führt zum „absoluten Kraislauff des absoluten Geistes" {GW 7. 173) 27. Zugleich tut sich eine neue, letzte Grundentgegensetzung auf: der Gegensatz zwischen Geist und Nichts. Unter Nichts ist das Nichtgeistsein zu verstehen. Auf dem Höhepunkt der Geistdialektik eröffnet sich eine letzte Alternative zum Geist: das Nichts! Es tritt neben den Geist eine Unendlichkeit, die das Gegenteil jeglicher Einheit ist, absolute Entzweiung: „Der Geist also sich selbst erhaltend, als ein sich gefunden haben ist gegen das Nichts oder die Unendlichkeit gerichtet; seine Sichselbstgleichheit gegen diese absolute Ungleichheit. Aber das Nichts, die Unendlichkeit die absolute Ungleichheit, ist selbst das absoluteinfache, absolut in sich zurükgekehrte, schlechthin nur sich auf sichselbstbeziehende und es ist dasselbe, was der Geist ist" {GW 7. 173). Hegel denkt den absoluten Geist als ein sich selbst durchsichtiges Erkennen, das „aus seiner Beziehung auf sich selbst sich ein anderes wird" {GW 7. 176). Der absolute Geist überwindet das Nichts, indem er es selber wird und „aus diesem Abfall der Unendlichkeit als Sieger über einen Geist zu sich zurükkehrt, und ebenso ewig zurükgekehrt ist" {GW 7. 177) 2®. Das Nichts, das der Geist bekämpft, ist das leere Nichts, das sich am Ende der Logik als die unbegriffene Gleichheit des absoluten Begriffs herausstellte (vgl. GW 7. 112). Am Ende der Metaphysik muß dieses leere Nichts der Logik überwunden sein, wenn die Metaphysik die Rückkehr des Geistes in den endlichen Formen des Erkennens wirklich geleistet haben will. Der Gegensatz zwischen Geist und Nichts erweist sich somit als Gegensatz zwischen Logik und Metaphysik, insofern die Logik noch auf dem Standpunkt der Endlichkeit steht. Das Ende der Metaphysik zielt eine Einheit von Logik und Metaphysik an, in der das Nichts dasselbe ist, was der Geist ist. Die Metaphysik hat die Negation nur als ein Moment, aber

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als ein notwendiges zu übernehmen. Man mag sich der Ausdrucksweise „Abfall” der Unendlichkeit bedienen, wenn man schon weiß, was das Richtige ist (vgl. Ros 188). Die Logik und Metaphysik hat gerade zeigen wollen, daß ein äußerliches Bestimmungsverhältnis zwischen Endlichem und Unendlichem nicht stattfindet, daß vielmehr in der Logik die Formen des endlichen Verstandes sich notwendig negieren und aufheben und diese Aufhebung bereits die Metaphysik als ihren Grund, in den die Logik zurückgeht, voraussetzt. Die Trennung zwischen Logik und Metaphysik ist für das Bewußtsein, nicht „für uns". „Für uns" ist die Philosophie in einer Idee, in einem Satz aussagbar, der schlechthin derselbe ist im Fortgang und am Ende Es ist nur ein Schein, daß dieser eine Satz am Anfang der Philosophie steht, dem ein Fortgang und ein Ende nachfolgt. Die Philosophie muß selber diesen Schein aufheben: „sie muß ihre Idee selbst in Bewegung setzen, den dem ersten Schein des Anfangs, entgegengesetzten Schein des Fortgangs hervorbringen, und dann dieses Aufheben des einen durch den andern darstellen; d. i. zeigen, daß ihr letztes ebenso wohl ihr erstes ist" (GW 7. 344) Die Philosophie muß zu ihrer eigenen Rechtfertigung und Selbstbegründung sich im Medium der Reflexion entfalten. „Für uns" gibt es deshalb eine methodisch notwendige Unterscheidung zwischen Logik und Metaphysik — wie am Anfang der Jenaer Zeit zwischen der negativen und positiven Seite des Absoluten (vgl. CW 4. 359) —, aber keine Trennung zwischen Logik und Metaphysik wie für die Reflexionsphilosophie. Wenn die Philosophie sich im Medium der Reflexion als Logik rechtfertigt und begründet, zeigt sich, daß es keine der Philosophie entgegengesetzte Erfahrung gibt, auf die sich das Bewußtsein berufen könnte: „und eine Erfahrung welche angeführt wird, daß sie einer deutlichen Erkenntniß der Philosophie widerspreche, muß nur geradezu geleugnet werden" (GW 7. 347). Es wird Aufgabe einer eigenen Wissenschaft der Erfahrung des Bewußtseins sein, diese These zu erhärten.

4. Die Negativität des Selbstbewußte eins in der Realphilosophie von 1805/06 In der Realphilosophie wird das Bewußtsein ausdrücklich vom Selbst, vom Ich her entworfen (vgl. Real 179 ff) Die spätere, in der „Psychologie" der Enzyklopädie ausgeführte Unterscheidung zwischen Intelligenz und Wille, zwischen theoretischem und praktischem Geist, ist hier vorgebildet. Während der Systementwurf mit dem Bewußtsein als solchem be-

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Zweiter Teil: Ausarbeitung des Systemansatzes

ginnt, nimmt die Realphilosophie von der Anschauung ihren Ausgang. Trotz der Nähe zur späteren Enzyklopädie darf nicht die Eigenständigkeit dieser Lehre vom Selbst des Bewußtseins übersehen werden. Einerseits werden überraschende Bezüge zum Systemansatz der ersten Jenaer Jahre sichtbar, anderseits wird das Verhältnis von Ich und Gegenstand in einer Weise entwickelt, die auf die Methode der Phänomenologie hinweist. Wurde am Anfang der Jenaer Zeit das Absolute als Nacht und Nichts verstanden, so spricht Hegel jetzt im Zusammenhang der Bilderwelt der Einbildungskraft von der „Nacht der Aufbewahrung", von der „Nacht", dem „leeren Nichts" {Real 180), das der Mensch ist. Diese Begrifflichkeit dient jetzt — anders als am Anfang der Jenaer Zeit — zur Beschreibung der phantastischen Welt des Unterbewußtseins, das auch als „reines Selbst" begriffen wird: „In phantasmagorischen Vorstellungen ist es ringsum Nacht; hier schießt dann ein blutiger Kopf, dort eine andere weiße Gestalt plötzlich hervor und verschwinden ebenso. Diese Nacht erblickt man, wenn man dem Menschen ins Auge blickt — in eine Nacht hinein, die furchtbar wird; es hängt die Nacht der Welt hier einem entgegen" {Real 180 f). Der Geist erwacht aus seinen Träumen, wenn die Bilder einen Inhalt, einen Namen, erhalten. Das „verschlossene Fürsichsein" {Real 184) erreicht dadurch eine Existenz. Die willkürliche Verknüpfung von Namen bringt das Ich durch seine Gedächtnisarbeit in eine Ordnung. Erst der Verstand erzeugt jedoch Notwendigkeit in dieser Ordnung. Das Charakteristische für diese Beschreibung der „freien Erhebung des Geistes" {Real 188) zu sich selbst besteht darin, daß das Erwachen des „träumenden Geistes" {Real 184) zu sich auch eine Verdinglichung des Geistes bedeutet. Das Ich legt sich im Gedächtnis selber eine Ordnung auf, der es zu folgen hat. An sich aber ist das Ich Aufheben jeder Ordnung, es „ist die Form der reinen Unruhe, Bewegung oder Nacht des Verschwindens" {Real 185 Anm. 2); im Namengeben wird es zum „Schicksal" {Real 186 Anm. 1) der Dinge. Die Verdinglichung des Ich steht somit im Gegensatz zur „reinen Unruhe" des Ich. Dieser Gegensatz kann sich dann auflösen, wenn das Ding selber von der Struktur des Selbsts ist. Dies ist der Fall beim Namengeben. Das Ich schafft sich eine Ordnung, die es auch wieder aufheben kann, weil es seine, von ihm erzeugte Ordnung ist. Nicht so einfach stellt sich dieser Sachverhalt bei der Notwendigkeit des Verstandes dar. Die Gesetze des Verstandes werden zwar vom Ich aufgestellt, können aber nicht einfach wieder vom Ich negiert werden; sie beanspruchen eine vom Ich unabhängige Gültigkeit. Es entsteht hier die Aufgabe, die Verstandesgesetze mit der „Negativität" {Real 180 u. 190 ff), d. h. mit dem Fürsichsein des Ich zu vermitteln Die gegenseitige Unterscheidung und

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Vermittlung von „Ding, Verstand, Notwendigkeit" einerseits und Ich anderseits erzeugt die „Erfahrung des Bewußtseins" {Real 190). Das Bewußtsein erfährt, daß der Gegensatz zwischen der Einzelheit des Fürsichseins und der in Ding, Verstand und Notwendigkeit zur Erscheinung kommenden Allgemeinheit überwunden werden kann. Dabei muß sich zeigen, daß das Allgemeine auch von der Struktur des Selbsts, d. h. daß es Negativität ist: „Das Allgemeine ist sichselb st gleich. So ist es die Negativität, denn diese ist sein Innres" {Real 191). Das Ich hat die Einzelheit seines Fürsichseins zu überwinden und allgemeines zu werden. Dadurch wird das Allgemeine Negativität, im Allgemeinen wird die Struktur des Selbstbewußtseins erkannt. Die Vermittlung zwischen der Allgemeinheit der Dinge und der Negativität des Selbsts vollzieht sich innerhalb von Kategorien der Logik (vgl. Real 191 Anm. 1). Die Negativität des Fürsichseins wird mit der Allgemeinheit durch den Schluß vermittelt, durch den auch der Übergang vom Verstand zur Vernunft geschieht (vgl. Real 192). Die Vermittlung von Einzelheit und Allgemeinheit im Schluß muß so gedacht werden, daß im Allgemeinen, das sich als Negativität erweist, zugleich Vergegenständlichung. Sein gedacht wird. Denn die Negativität des Ich besteht nur in ihrer Beziehung auf Dingheit, Sein. Indem im Allgemeinen die Negativität des Selbstbewußtseins erkannt wird, stellt sich auch deren Bezug zum Sein ein. Ein Textfragment, das ungefähr zur gleichen Zeit wie die Realphilosophie entstand, geht ebenfalls auf das Verhältnis von Sein und Denken, Ding und Selbstbewußtsein ein (vgl. Real I 259—264) Das Fragment C. Die Wissenschaft stellt eine Vorarbeit zum letzten Kapitel der Phänomenologie dar. Das Resultat der „letzten Reflexion des Geistes in sich" {Real I 259) besteht darin, daß das Sein sowohl das Negative der Dingheit als auch des Selbsts ist (vgl. Real I 263). Das Sein ist „reine Negativität", die Bewegung des Denkens selbst, weil es wie das Denken von allem besonderen Fürsichsein abstrahiert. Da es als „reine Negativität" und „reine Abstraktion" nichts anderes als das „reine Denken selbst" ist, negiert es jedes besondere Fürsichsein und dessen Bezug zur Dingheit. Die Negation von Fürsichsein und Dingheit gelangt zum reinen Sein, das nicht mehr sinnlich wahrnehmbares Sein ist. Das Sein als reine Abstraktion existiert nur im Denken. Es ist aber nicht ein nur gedachtes Sein, sondern enthält die Negativität des Selbstbewußtseins: „Was wahr und was hier vorhanden ist, ist eben nur diese Bewegung, Sein als Negatives des Selbsts zu setzen, und ebenso als die Abstraktion oder als das Selbst; und seine Unmittelbarkeit ist daher selbst nur diese Bewegung" {Real I 263). In der Bestimmung des reinen Seins als reinen Denkens soll — wie später in der Phänomenologie — zum Standpunkt der Logik übergeleitet werden.

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Zweiter Teil; Ausarbeitung des Systemansatzes

In der Realphilosophie und in C. Die Wissenschaft wird erstmals in den Jenaer Schriften ausdrücklich das Wesen von Selbstbewußtsein expliziert^ das als Negativität erscheint. Das Selbst wird aus dem Gegenstandsbewußtsein entwickelt und erweist sich als an das Sein der Dinge zurückgebunden. Die Negation der Dinge durch Sein und Allgemeinheit enthält die Negativität des Selbstbewußtseins. Aufgabe einer Darstellung der Erfahrung des Bewußtseins ist es, diesen Prozeß der Negation von Fürsichsein und Dingheit als Prozeß der Negativität für das Bewußtsein einsichtig zu machen. Dabei stellt sich die Frage, wie das Verhältnis zwischen der Negativität, die dem Sein und der Allgemeinheit zukommt, und der Negativität, die dem Selbstbewußtsein zukommt, zu denken ist. Noch ein anderer Text, in K. ROSENKRANZ' Hegelbiographie, zeigt, daß Hegel im Jahre 1806 das Selbst einführt, indem er es zugleich in das reine Sein und Denken der Logik aufhebt (vgl. Ros 212 ff). Der Text behandelt wie C. Die Wissenschaft das absolute Wissen, obwohl der Begriff „absolutes Wissen" hier nicht vorkommt. Ob der Text vom Ende der in Ausarbeitung befindlichen späteren Phänomenologie oder vom Anfang einer noch rudimentären Wissenschaft der Logik aus gesehen geschrieben wurde, kann nicht eindeutig entschieden werden. Sicherlich steht eine logische Thematik im Vordergrund. Im Sommer des Jahres 1806 bildeten die geplanten Teile des Systems der Wissenschaft: Phänomenologie (zunächst als „Wissenschaft der Erfahrung des Bewußtseins") und Logik für Hegel eine Einheit, die gerade in dem vorliegenden Text zum Ausdruck kommt. Nach ROSENKRANZ verknüpfte Hegel „die Phänomenologie in der Weise mit der Logik, daß er jene als Einleitung zu dieser nahm und aus dem Begriff des absoluten Wissens unmittelbar zu dem des Seins überging" (Ros 214). Das Begreifen der Einheit des allgemeinen und einzelnen Bewußtseins führt zum Sein, da das Begreifen dieser Einheit „auf gegenständliche Weise ausgesprochen werden" (Ros 213) muß. Das Sein ist der „einfache, absolute Begriff". Das Wissen weiß sich in ihm „unmittelbar als Selbstbewußtsein". Hegel will hier das Mißverständnis vermeiden, als ob das Selbstbewußtsein dem Sein entgegengesetzt sei. Die Einführung des Selbsts im Jahre 1806 könnte als bloße Übernahme des FicHXESchen Standpunktes mißverstanden werden. In der Differenzschrift kritisierte Hegel, daß bei FICHTE der Gegensatz zwischen Sein und Denken nicht wirklich aufgehoben, sondern vielmehr im Sollen verfestigt wird. Am Ende der Jenaer Zeit nimmt Hegel den FicHXEschen Standpunkt auf, um ihn in der Hinführung des Bewußtseins zum Begreifen des reinen Seins der Logik zu überwinden. Der Beginn beim Sein bedeutet zwar ein Wissen des Selbsts, aber es ist „nicht nöthig, dem Begriff sogleich die Form des Selbstbewußtseins zu geben und

II. Negativität und Selbstbewußtsein

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ihn etwa Ich zu nennen^ um ja in dem Gegenstände seines Wissens sich immer seiner selbst zu erinnern. Die Natur des Begriffs würde dadurch das schiefe Ansehen und die falsche Bedeutung erhalten, dem Selbstbewußtsein nur insofern anzugehören, als dieses sich der gegenständlichen Weise entgegensetzt, und er würde dadurch zugleich die unmittelbare Bedeutung des Seins und der Allgemeinheit verlieren" (Ros 212 f). Das aus der „Welterfahrung" zurückgekommene Bewußtsein weiß, daß die Negativität, die Freiheit des Selbsts, in den Abstraktionen der Logik nicht verlorengeht. Aus den bisherigen Überlegungen geht hervor, daß spätestens in der Realphilosophie der Begriff der Negativität so sehr mit der Selbstbewußtseinsproblematik verbunden ist, daß die Frage nach dem Wesen von Negativität nicht mehr von der Frage nach dem Wesen des Selbsts getrennt werden kann. Gleichzeitig wird deutlich, daß beide Begriffe — Selbst und Negativität — zur Sicherung ihres wahren Verständnisses der Dialektik bedürfen Eine Einheit von Negativität und Dialektik trat schon im System der Sittlichkeit auf. Die Realphilosophie spricht eine Dialektik von Sein und Ich an. Negativität kommt auch dem Sein zu, insofern es Sein als reines Denken ist. Die Problematik von Negativität und Selbstbewußtsein stellt Hegel hier in den umfassenderen Rahmen seiner spekulativen Logik, die nicht mehr wie die Logik in den Jahren 1804/05 Einleitungsfunktion besitzt. In einem anderen Zusammenhang war im Systementwurf die Negativität des Bewußtseins in der Logik fimdiert worden. Dort wurde der Prozeß der Selbstaufhebung der Momente des Bewußtseins — nicht des Selbstbewußtseins — durch jenes Werden vermittelt, das am Anfang des Systems, in der Logik und Metaphysik, entwickelt worden war. Obwohl der Ansatz des Systementwurfs am Ende der Jenaer Zeit bereits entscheidende Umformungen erfahren hat, knüpft Hegel von seiner gewandelten Systemkonzeption aus an die Fragestellung des Systementwurfs wieder an, wenn er in der Phänomenologie vom Standpunkt des Bewußtseins ausgeht.

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Zweiter Teil: Ausarbeitung des Systemansatzes

III. DAS VERHÄLTNIS DER VERSCHIEDENEN FORMEN VON NEGATIVITÄT ZUEINANDER Im Laufe der Jenaer Zeit wird die Idee einer Tragödie im Sittlichen durch die Theorie eines allgemeinen Kampfes um Anerkennung auf Leben und Tod ersetzt. Dieser Wandel hat offenbar zwei Gründe. Einmal mußte die Idee einer Tragödie im Sittlichen als ein von den Jugendschriften der Frankfurter Zeit mit herübergenommenes Ideal der praktischen Philosophie in seiner Bedingtheit erkannt werden. Dieses Ideal orientierte sich zu sehr an der antiken Polissittlichkeit und erschien so nicht direkt vermittelbar mit der Negativität der modernen Gesellschaft. Zweitens ergaben sich Schwierigkeiten bei der Integration der Idee des Tragischen in den spekulativen Systemansatz^ der die Ungewißheit des Ausgangs der Tragödie durch Gewißheit zu ersetzen sucht Die Theorie des allgemeinen Kampfes um Anerkennung ergibt sich hingegen direkt aus einer Analyse der Negativität der modernen Gesellschaft. Die Integration der Theorie des allgemeinen Kampfes um Anerkennung in den spekulativen Ansatz erweist sich allerdings auch nicht als unproblematisch. Einmal muß diese Theorie metaphysisch überhöht werden, damit die von der spekulativen Philosophie geforderte reale Entgegensetzung zustande kommt Zweitens muß der Kampf auf Leben und Tod zugleich gesetzt und in gewisser Weise nicht gesetzt werden. Ein radikaler Kampf auf Leben und Tod würde im abstrakten Nichts enden. Damit stellt sich das bereits am Anfang der Jenaer Zeit angesprochene Problem der bestimmten Negation (vgl. GW 4. 354 f). Hegels Staatsphilosophie zeigt, daß die Aufhebung des allgemeinen Kampfes um Anerkennung der Gefahr zu erliegen droht, in ein reines Machtdenken abzugleiten. Hegel hat bisher nicht überzeugend zeigen können, wie er der von HOBBES aufgestellten Alternative zwischen Kampf auf Leben und Tod und absolutistischem Machtstaatsdenken entgehen will. Eine endgültige Beurteilung der Staatstheorie ist noch nicht möglich, da eine ausführliche Darstellung des Bildungs- und Entäußerungsprozesses des Individuums fehlt, am Ende dessen dieses möglicherweise das als Verwirklichung der Sittlichkeit erkennt, was zunächst als reines Machtstaatsdenken erscheint. Ein anderes Resultat der Entwicklung des Hegelschen Denkens während der Jenaer Zeit besteht in der Verselbständigung des vorgesellschaftlichen Teiles der Philosophie des Geistes. Mit dem Systementwurf beginnt Hegel, die formale Struktur des Bewußtseins herauszuarbeiten. In der Real-

III. Verschiedene Formen von Negativität

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Philosophie wird Bewußtsein schließlich als Selbstbewußtsein verstanden. Am Anfang der Jenaer Zeit hatte Hegel den Begriff der Negativität mit seinem Verständnis von FicHXESchem Ich und KANiischer Vernunft in Verbindung gebracht. Es blieb aber noch ungeklärt, wie das Verhältnis zwischen reinem Selbstbewußtsein und Negativität zu verstehen ist. Indem Hegel den vorgesellschaftlichen Teil der Geistesphilosophie verselbständigt und eine Philosophie des subjektiven Geistes ausarbeitet, schafft er sich die Möglichkeit einer präziseren Bestimmung des Verhältnisses zwischen Negativität und Selbstbewußtsein. Vor der Realphilosophie wird der Begriff der Negativität nur indirekt mit der Selbstbewußtseinsproblematik in Verbindung gebracht. So wird im System der Sittlichkeit erklärt, daß die innere Negativität der Kinder durch die Erziehung der Eltern zu einer höheren Individualität gebracht wird (vgl. SdS 18). Im Systementwurf wird dem Geist Negativität zugesprochen, die er durch seine negative Beziehung zur Natur erhält (vgl. GW 6. 317). Durch diese Negativität wird die absolute Totalität des Bewußtseins als Einzelheit konstituiert, die aber nicht einzelnes Selbstbewußtsein, sondern Familie ist. Der Begriff der Negativität erscheint vor der Realphilosophie im übrigen nur vereinzelt und bedeutet im allgemeinen — wie schon am Anfang der Jenaer Zeit — die Aufhebung des Einzelnen, Bestimmten, Endlichen, die Vernichtung des Gegensatzes. Es ist im Einzelfall zu unterscheiden, ob diese Negativität eine wahre oder falsche ist, ob der Gegensatz wirklich aufgehoben oder nur von neuem fixiert wird. Die Unterscheidung zwischen realer und negativer Aufhebung im System der Sittlichkeit (vgl. SdS 39) und die Gegenüberstellung von Geist und Nichts am Ende der Logik und Metaphysik von 1804/05 (vgl. GW 7. 173) sind Versuche, den dialektischen Entwicklungsgang in Logik und Geistesphilosophie von einer falschen Dialektik abzugrenzen, der eine abstrakte Negation zugrunde liegt und die im leeren Nichts endet.

1. Negativität des Seins und Selbstbewußtseins In der Realphilosophie wird also das Verhältnis zwischen Negativität und Selbstbewußtsein erstmals positiv bestimmt. Die Art und Weise, wie dies geschieht, scheint jedoch zu einer Verlegenheit zu führen. Einerseits kann sich Hegel durch den Begriff des Selbstbewußtseins das Wesen wahrer Negativität klarer machen, anderseits existiert der Begriff der Negativität schon vor der Realphilosophie und kann somit seinerseits klären helfen, was unter Selbstbewußtsein zu verstehen ist. Negativität und

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Zweiter Teil: Ausarbeitung des Systemansatzes

Selbstbewußtsein müssen sich gegenseitig bestimmen. Die Realphilosophie ersetzt nicht den Begriff der Negativität der ersten Jenaer Jahre durch den Begriff der Negativität des Selbstbewußtseins, sondern vervollständigt jenen durch diesen. Von einem Systemwandel kann deshalb nur insofern gesprochen werden, als die Vervollständigung des Systemansatzes der ersten Jenaer Jahre diesen neu sehen läßt. Es wird in der Realphilosophie Negativität einmal als Fürsichsein und Einzelheit im Gegensatz zum Allgemeinen verstanden. Anderseits ist das Allgemeine selber Negativität als Sein und Einheit von Entgegengesetzten (vgl. Real 190 ff). In C. Die Wissenschaft wird Sein als reine Negativität dem zu negierenden Fürsichsein gegenübergestellt und zugleich behauptet, daß die reine Negativität des Seins das Selbst ist (vgl. Real I 263). Negativität des Fürsichseins und Negativität des Seins und der Allgemeinheit bestimmen sich gegenseitig. — Vergleicht man die Negativität des Seins und die Negativität des Nichts am Anfang der Jenaer Zeit, so kommen beide Formen von Negativität darin überein, daß sie das Allgemeine rein für sich denken wollen. Daß die Negativität des Seins und des Nichts identisch sind, deutet die Logik und Metaphysik von 1804/05 an, wenn sie leeres Sein und leeres Nichts gleichsetzt (vgl. GW 7. 112). Am Ende der Jenaer Zeit tritt an die Stelle der Negativität des Nichts die des Seins, um u. a. das Mißverständnis eines abstrakten Nichts abzuwehren. Grundsätzlich aber entsprechen sich beide Formen von Negativität. Neu ist gegenüber dem Systemansatz der ersten Jenaer Jahre, daß die Negativität des Seins und die Negativität des Selbstbewußtseins positiv miteinander in Beziehung gesetzt werden. Der Begriff der Negativität hat nun zwei verschiedene Bedeutungen erhalten und es stellt sich die Frage nach seiner Einheit. Der Begriff der Negativität am Anfang der Jenaer Zeit bestimmte sich durch die Forderung, die Antinomie zu denken. Systematisch gesehen besteht zwischen der Negativität der Antinomie und der Negativität des Selbstbewußtseins ein Zusammenhang Das Verhältnis zwischen Ding und Fürsichsein des Selbstbewußtseins beschreibt Hegel im Sinne einer Antinomie (vgl. Real 190 f). Beide Momente sind sie selbst und zugleich das Andere, sie sind das Gegenteil ihrer selbst. Worin beide entgegengesetzt sind, darin sind beide gleich. Das Ich ist durch Anderes bestimmt und nicht bestimmt. Das Verhältnis zwischen dem Selbstbezug des Ich und dem Bezogensein auf Anderes, auf die Dinge, stellt sich unvermittelt als eine Antinomie dar. Die Ergänzung des Begriffs der Negativität der ersten Jenaer Jahre durch den Begriff der Negativität des Selbstbewußtseins ist konsequent.

III. Verschiedene Formen von Negativität 2.

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Die Negativität der Entzweiung in der modernen Gesellschaft

In der praktischen Philosophie wird der Begriff der Negativität inhaltlich dadurch verändert, daß an die Stelle der Konzeption einer Tragödie im Sittlichen die Theorie des allgemeinen Kampfes um Anerkennung tritt. Formal gesehen erfolgt keine Änderung, da sowohl das Tragische wie der Kampf auf Leben und Tod zur Erfahrung des Nichts führen sollen. In anderer Hinsicht erfolgt aber eine Veränderung. Während am Anfang der Jenaer Zeit die Negativität der modernen Gesellschaft als unvermeidbares Schicksal zu übernehmen war, wird die moderne Gesellschaft am Ende der Jenaer Zeit positiver — wenn auch weiterhin kritisch — betrachtet. Man kann in dieser ambivalenten Beurteilung der Bedeutung der modernen Gesellschaft und der modernen Subjektivität zunächst eine Unsicherheit Hegels, einen Mangel an Klarheit in der Gedankenführung entdecken wollen. Es kann aber auch mit Grund vermutet werden, daß hinter der vermeintlichen Unsicherheit und Unklarheit eine bewußt eingenommene philosophische Position steht. Hegel glaubt am Ende der Jenaer Zeit, daß das Bewußtsein durch die Negativität der modernen Gesellschaft gebildet werden kann. Nicht die heroische Übernahme dieser Negativität ist gefordert, sondern das Sicheinlassen auf die Negativität der Entzweiung, die Bereitschaft, Erfahrungen zu machen und in einen Bildungsprozeß einzutreten. In der Begegnung mit Zufall und Willkür wird ein Lernprozeß in Gang gesetzt, in dem das Bewußtsein zur Erkenntnis der Zufälligkeit und Willkürlichkeit des eigenen subjektiven Standpunktes geführt wird. Es muß sich daher seines partikularen Standpunkts entäußem. Diese Konzeption des Bildungsprozesses ist bereits in Hegels Anerkennung eines liberalen Wirtschaftsmodells angelegt (vgl. SdS 81; Real 233). Trotz der Negativität der modernen Gesellschaft, der Not der arbeitenden Klasse, des Gegensatzes zwischen Reichtum und Armut, hält Hegel an einem liberalen Wirtschaftsmodell fest. Nur im Notfall hat der Staat in den Wirtschaftsprozeß einzugreifen. Hegel setzt voraus, daß die Erfahrung der Negativität der Entzweiung bei allen Mitgliedern der Gesellschaft einen Lernprozeß in Gang setzt, durch den die positiven Möglichkeiten zur Überwindung von Entzweiung in den Blick kommen. In der Realphilosophie erscheint solche Positivität konkret im Rechts- und Ständesystem. Ob solche Positivität aber wirklich existiert oder nur ein Ideal ist, hängt davon ab, wie weit das Bewußtsein die Erfahrung von Entzweiung in ihrer Totalität gemacht hat. Der geschichtsphilosophische Überblick vor der Darstellung des Ständesystems in der Realphilosophie macht deutlich, daß erst in der Neuzeit Entzweiung in ihrer Totalität

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Zweiter Teil: Ausarbeitung des Systemansatzes

verstanden werden kann. — Was aber heißt Entzweiung in ihrer Totalität erfahren? An dieser Stelle verweist die praktische Philosophie auf die theoretische, in der die Negativität des Seins und Selbstbewußtseins entwickelt wurde. Die Entzweiung wird dann in ihrer Totalität erfahren, wenn die antinomische Struktur des Selbstbewußtseins und die logische Kategorie des Widerspruchs gedacht wird. Der Bildungs- und Entäußerungsprozeß in der Philosophie des „Wirklichen Geistes" und der „Konstitution" in der Realphilosophie muß mit den Voraussetzungen der Philosophie des subjektiven Geistes vermittelt werden. Hegel sieht sich also am Ende der Jenaer Zeit genötigt, den Begriff der Negativität nicht nur ganz allgemein durch die Negativität des Selbstbewußtseins neu zu bestimmen, sondern auch durch die Negativität eines Bildungsprozesses, in dem sich das Bewußtsein mit der Negativität der Entzweiung in der modernen Gesellschaft auseinandersetzt. Der ambivalenten Beurteilung der Negativität der modernen Gesellschaft liegt das Problem zugrunde, daß die Negativität der Entzweiung einerseits überwunden werden soll, anderseits aber nicht von außen, sondern immanent aufzuheben ist. Die Möglichkeit eines Bildungs- und Entäußerungsprozesses des Bewußtseins hängt somit von der Existenz einer immanenten, bestimmten Negation ab. Schließlich stellt sich die Frage, wie die verschiedenen Formen von Negativität in einem noch zu konstruierenden Bildungs- und Entäußerungsprozeß des Bewußtseins in einem umfassenden Begriff von Negativität vereinigt werden können.

3.

Vorblick auf die Phänomenologie

Die Voraussetzungen des spekulativen Denkens mußten schon bei der Beurteilung des frühen Systemansatzes auf Bedenken stoßen. Hegel leugnet die Allgemeingültigkeit des Nichtwiderspruchprinzips und geht von einem „ontologisierten" Begriff der Negation aus Am Ende der Jenaer Zeit revidiert er diese Voraussetzungen seines spekulativen Denkens nicht, sondern glaubt vielmehr, seinen Begriff der Negation in der Selbstbewußtseinsstruktur wiederentdecken zu können. Die Struktur der Selbstbezüglichkeit des Bewußtseins wird dadurch ebenso „ontologisiert" wie zuvor der Begriff der Negation. Damit stellt sich das Problem einer absoluten Subjektivität, ein Problem, das Hegel am Anfang der Jenaer Zeit nur angedeutet hatte. Subjektivität soll sich aus dem Wesen absoluter Negativität herleiten und diese bestimmen. Diese Voraussetzungen des spekulativen Denkansatzes sind kritisch zu beurteilen und letztlich nicht zu akzeptieren,

III. Verschiedene Formen von Negativität

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da sie die Grenzen der endlichen Vernunft ohne zureichende Begründung, wenngleich mit verständlichen Motiven, überschreiten. — Auch die Voraussetzungen der praktischen Philosophie — die Theorie des allgemeinen Kampfes um Anerkennung — sind kritisch zu betrachten. Es ist legitim, wenn Hegel im System der Sittlichkeit den Zerfall des Rechtssystems der modernen Gesellschaft und den Rückfall auf den Naturzustand beschreibt, in dem ein Kampf aller gegen alle auf Leben und Tod herrscht. Die Theorie des allgemeinen Kampfes um Anerkennung wird aber ohne zureichende Begründung metaphysisch überhöht, wenn in ihr eine „Realrepugnanz" ® im Sinne einer Antinomie gedacht wird. Anhand der Theorie des allgemeinen Kampfes auf Leben und Tod will Hegel zeigen, daß es nicht nur im Denken, sondern auch in der Wirklichkeit den Widerspruch gibt. Im Kampf auf Leben und Tod entsteht jenes Nichts, das im Denken der Antinomie spekulativ erfaßt wird. Die Behauptung einer solchen Realdialektik ergibt sich konsequent aus der Verselbständigung der Negation. Im Kampf auf Leben und Tod vollzieht sich nach Hegel eine Verselbständigung der Negativität des Kampfes, so daß sich der konträre Gegensatz zwischen den Kämpfenden in einen kontradiktorischen im Siiyae Hegels verwandelt. Am Ende der Jenaer Zeit schlägt Hegel jedoch einen anderen Weg zur Begründung seines spekulativen Denkansatzes ein. Die Rede vom Kampf auf Leben und Tod erhält in der Realphilosophie einen zunehmend metaphorischen Charakter. In der Phänomenologie tritt sogar an die Stelle des Kampfes auf Leben und Tod die Arbeit des Knechtes. Hegel geht zwar nach wie vor von Gegensätzen in der realen Wirklichkeit aus; sie werden zunächst als konträre verstanden. Es ist Aufgabe eines Bildungs- und Entäußerungsprozesses, das Bewußtsein zur Erkenntnis der antinomischen Struktur der Wirklichkeit zu führen, so daß konträre Gegensätze als Widersprüche erkannt werden. Die Philosophie beginnt somit nicht wie am Anfang der Jenaer Zeit mit dem Denken der Antinomie, sondern mit einem Bildungsprozeß, in dem allerdings bereits jene metaphysische Realität und Positivität anwesend ist, die erst aus dem Denken der Antinomie entspringt. Die frühere Trennung zwischen Logik und Metaphysik wird am Ende der Jenaer Zeit mehr und mehr aufgehoben, um in der Einleitung zur spekulativen Philosophie bereits die Philosophie selber anwesend sein zu lassen. Nur unter dieser Voraussetzung kann der Bildungsprozeß des Bewußtseins aus sich selber zum Standpunkt spekulativen Denkens führen. Nur unter dieser Voraussetzung kann die Negation des falschen Standpunkts des Bewußtseins eine immanente, bestinunte sein, weil im Falschen bereits das Wahre anwesend ist. Damit ist aber eine aporetische Struktur des Bildungsprozesses des Bewußtseins als Einleitung

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Zweiter Teil: Ausarbeitung des Systemansatzes

in die Philosophie gegeben. Wie kann die Einleitung noch Einleitung sein, wenn sie zum Teil schon Philosophie ist? Diese aporetische Struktur bestimmt allerdings jede Einleitung in die Philosophie. Es ist also nicht in dieser Aporie als solcher das Problematische des Hegelschen Lösungsversuchs zu sehen, sondern darin, daß zu einem ganz bestimmten philosophischen Standpunkt, der durch das Denken der Antinomie gekennzeichnet ist, geführt werden soll. Man kann deshalb die Phänomenologie auf zwei verschiedene Weisen betrachten. Einmal wird in ihr das allgemeine Problem einer Einleitung in die Philosophie zur Erscheinung kommen, zweitens das Problem, wie das Bewußtsein zu einem philosophischen Standpunkt hingeführt werden soll, dessen Unzulänglichkeit bereits in einer Analyse des Systemansatzes der ersten Jenaer Jahre erkannt werden kann. Folgt man der zweiten Betrachtungsart, so muß notwendig ein Scheitern des Unternehmens der Phänomenologie konstatiert werden. Folgt man der ersten Betrachtungsweise, so kann eine Auseinandersetzung mit der Phänomenologie zu aufschlußreichen Erkenntnissen führen. Jede Philosophie hat sich im Medium der Reflexion zu begründen und den Standpunkt des verkehrten Bewußtseins immanent, durch eine bestimmte Negation zu widerlegen. Es kann deshalb aus dem methodischen Vorgehen der Phänomenologie gelernt werden. Zu berücksichtigen ist allerdings, daß das allgemeine Problem einer Einleitung in die Philosophie in der Phänomenologie durch Hegels spekulativen Ansatz teilweise verstellt ist. Anderseits ist es gerade der spekulative Ansatz, der Hegel in der Phänomenologie bestimmte Probleme schärfer als KANT, FICHTE und SCHELLING sehen ließ.

DRITTER TEIL: DER BEGRIFF DER NEGATIVITÄT IN DER PHÄNOMENOLOGIE DES GEISTES

I. DIE IDEE EINER GESCHICHTE DES SELBSTBEWUSSTSEINS Der Überblick über die Stellung von Selbstbewußtsein und Negativität in den verschiedenen Systementwürfen zeigt, wie gegen Ende der Jenaer Zeit immer mehr das Wesen der philosophischen Reflexion als Selbstreflexion thematisiert wird, sei es innerhalb realphilosophischer Überlegungen, sei es innerhalb logischer Untersuchungen. K. ROSENKRANZ berichtet, daß Hegel besonders in seinen Einleitungen für Vorlesungen über Logik und Metaphysik dieses Selbstbewußtwerden des Bewußtseins behandelte und daß daraus die Anlage zur Phänomenologie entsprang: „Er entwickelte daher, zunächst in seinen Einleitungen zur Logik und Metaphysik, den Begriff der Erfahrung, welche das Bewußtsein von sich selbst macht. Hieraus entsprang seit 1804 die Anlage zur Phänomenologie, in die er jedoch die gediegensten Resultate seiner damaligen Studien überhaupt ablagerte. Er zog in diese ideale Geschichte des Bewußtseins zuletzt allen Inhalt des empirisch geschichtlichen Bewußtseins hinein. Fichte, in der Wissenschaftslehre, hatte sich nur an die Bestimmungen des theoretischen, praktischen und teleologisch-ästhetischen Moments des Bewußtseins gehalten. Schelling ging in den Epochen desselben, wie er sie im System des transscendentalen Idealismus auseinandersetzte, schon auf den concreten Inhalt, auf den Begriff der Natur, Geschichte und Kunst ein" (Ros 202, vgl. auch 214) — Wenn ROSENKRANZ die Phänomenologie als eine „ideale Geschichte des Bewußtseins" bezeichnet, nimmt er einen Begriff auf, der für FICHTES Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre und SCHELLINGS System des transzendentalen Idealismus konstitutiv ist. Schon E. PLATNER stellte in seinen Philosophischen Aphorismen die Logik als eine „Pragmatische Geschichte des menschlichen Erkenntnißvermögens" ^ dar. Diese Zuordnung von Logik und Geschichte des Bewußtseins ist für FICHTES Grundlage der

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Dritter Teil: Phänomenologie des Geistes

gesamten Wissenschaftslehre und Hegels Phänomenologie von entscheidender Bedeutung. Aber nicht nur im engeren philosophischen Kreis der nachkantischen deutschen Philosophie spielt der Begriff der Geschichte des Bewußtseins eine zentrale Rolle, sondern auch in der französischen Philosophie des 18. Jahrhunderts (CONDILLAC, DIDEROT, BONNET, BUFFON) D'ALEMBERTS Discours preliminaire de l'Encyclopedie (1751) wird von der Idee einer Geschichte des Bewußtseins bestimmt Außer LESSING und HERDER sind in Deutschland vor allem die Dichter der Frühromantik zu nennen, die unter dem Einfluß der Enzyklopädisten eine Geschichte des Bewußtseins entwerfen Für die frühromantische Konzeption einer Geschichte des Bewußtseins sind Begriffe wie „neue Mythologie", „neue Religion", „neues Zeitalter" bezeichnend ®. In der Geschichtsphilosophie eines A. W. SCHLEGEL, eines F. SCHLEGEL und des FiCHTEaners A. L. HüLSEN wird der transzendentale Standpunkt mit dem historischen verbunden. Die transzendentale Methode erfährt eine Umkehrung, die transzendentalen Phasen des Denkens werden als Epochen des geschichtlichen Prozesses dargestellt. A. L. HüLSEN konzipiert im Ausgang von FICHTES Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre die Geschichte des Bewußtseins als einen Widerstreit der Vernunft mit sich selbst, in dem sich die Wahrheit dialektisch aus Irrtümern entwickelt Dieses Verständnis der Geschichte des Bewußtseins steht in sachlicher Nähe zu dem Vorgehen der Phänomenologie, wie sie von J. H. LAMBERT als systematische Lehre vom Schein aufgestellt worden war (vgl. Phän VII). Die Phänomenologie hat das Wahre vom Schein zu trennen, da man oft „das, was eine Sache zu seyn scheint, mit dem verwechselt, was sie wirklich ist" In Anlehnung an die Astronomie versteht LAMBERT die Phänomenologie als eine „transcendente Optik" Wie die Astronomie für den Schein eine eigene Sprache geschaffen hat, so muß auch die Phänomenologie eine eigene Sprache des Scheins aufstellen. KANT hatte ursprünglich seine Kritik der reinen Vernunft als „Phaenomenologia generalis" konzipiert, die als „bloß negative Wissenschaft" der Metaphysik vorangehen sollte Diese ursprüngliche Konzeption wirkt noch in der Lehre vom transzendentalen Schein in der transzendentalen Dialektik der Kritik der reinen Vernunft nach. Es ist möglich, daß Hegel durch den im Jahre 1786 veröffentlichten Briefwechsel zwischen LAMBERT und KANT auf die Bedeutung der Phänomenologie aufmerksam gemacht wurde Die Umbildung der ursprünglich geplanten Wissenschaft der Erfahrung des Bewußtseins in eine Phänomenologie des Geistes kann aber auch durch C. L. REINHOLDS phänomenologische Behandlung der

I. Geschichte des Selbstbewußtseins

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Philosophie angeregt worden sein. REINHOLD führt im vierten Heft seiner Beiträge (1802) den Begriff Phänomenologie ein, unter der er reine Naturphilosophie versteht: „Die Phänomenologie hat die Natur auf ihren Grund im Wesen zurückzuführen, und dadurch die reinen Principien der allgemeinen Naturlehre aufzustellen. Sie ist die reine Naturphilosophie." Es ist nicht auszuschließen, daß REINHOLD Hegel und FICHTE, dessen zweiter Teil der Wissenschaftslehre aus dem Jahre 1804 auch Phänomenologie heißt, beeinflußte Hegels phänomenologische Methode, die als „Geschichte der Bildung des Bewußtseins" {Phän 67) konzipiert ist, muß man also auf dem Hintergrund einer bestimmten geistesgeschichtlichen, insbesondere philosophiegeschichtlichen Situation sehen. Die phänomenologische Methode erwächst aber auch aus dem Denkansatz der ersten Jenaer Jahre. Hegel ging in den Journalaufsätzen von einem Kritikbegriff aus, der eine spekulative Deutung des gegnerischen Standpunktes intendierte. In Anlehnung an ScHELLiNGs Naturphilosophie forderte Hegel, „rein theoretisch, bloss objektiv ohne alle Einmischung von Subjektivem zu denken" (GW 4. 79). Der Standpunkt der Reflexionsphilosophie ist zu kritisieren, weil er von einem bestimmten subjektiven Standpunkt aus urteilt; die Reflexionsphilosophie ist nicht fähig, rein objektiv zu denken. Im Unterschied zum Anfang der Jenaer Zeit liegt am Ende dieser Periode eine Methode der immanenten Widerlegung der gegnerischen Position vor, die mit der Idee einer Geschichte des Selbstbewußtseins verknüpft ist. Der Kritikbegriff am Anfang der Jenaer Zeit war feng verbunden mit einer Logikkonzeption und dem Verständnis der Philosophie als Skeptizismus. Diesen Elementen des Kritikbegriffs weiß sich auch die phänomenologische Methode am Ende der Jenaer Zeit verpflichtet, die Phänomenologie kann geradezu als Weiterentwicklung der frühen Logikkonzeption und der Überlegungen des Skeptizismusaufsatzes verstanden werden. Der Überblick über die verschiedene Durchführung der dialektischen Methode in den einzelnen Systementwürfen hat gezeigt, daß die Reflexion auf logische Kategorien das Erfassen realphilosophischer Gehalte ermöglicht, logische Kategorien werden also nicht äußerlich auf diese angewendet. Die phänomenologische Methode ist so eng mit der — am Ende der Jenaer Zeit gewandelten — Logik verbunden, daß die Stringenz des phänomenologischen Fortschreitens sich durch die zugrunde liegende Logik legitimiert. Hegel beansprucht, die Notwendigkeit der phänomenologischen Entwicklung für das natürliche Bewußtsein aufzeigen zu können. Die Berufung auf Logik steht keineswegs in einem Gegensatz zu dem Programm einer immanenten Widerlegung des Standpunkts des natürlichen Bewußt-

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Dritter Teil: Phänomenologie des Geistes

seins. Abstrahiert man einmal davon, daß Hegel von einer spekulativen Logik ausgeht, so ist sein Vorgehen durchaus berechtigt. Auch der Gegner muß die Gesetze der Logik anerkennen, will er nicht ganz auf rationale Begründung seines Standpunktes verzichten. Eine immanente Widerlegung hat den Gegner auf die von ihm implizit vorausgesetzte Logik aufmerksam zu machen und Verstöße gegen die allgemeinen Gesetze der Logik zu kritisieren. Hegel kann sich bei diesem Verfahren vor allem auf die Sprache berufen, die durch die logischen Gesetze strukturiert ist. LFm das Besondere der phänomenologischen Methode herausstellen zu können, ist diese zunächst von der Konzeption einer Geschichte des Bewußtseins bei FICHTE und SCHELLING abzugrenzen. FICHTES Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre und SCHELLINGS System des transzendentalen Idealismus sind die Schriften, die Hegel bei der Ausarbeitung seiner Wissenschaft der Erfahrung des Bewußtseins wohl vor Augen gehabt hat. In seinem sogenannten Wastebook schreibt er: „Erst nach der Geschichte des Bewußtseins weiß man, was man an diesen Abstractionen hat, durch den Begriff: Fichte's Verdienst." Durch die Geschichte des Bewußtseins wird deutlich, daß die spekulativen Bestimmungen der Logik Abstraktionen sind, mit denen das Bewußtsein es täglich zu tun hat, ohne daß es diesem bewußt wird

1. Pragmatische Geschichte des menschlichen Geistes und Geschichte des Selbstbewußtseins Berücksichtigt man die historische Abhängigkeit FICHTES von REINHOLD, so geht es FICHTE in der Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre um den Erweis des „Satzes vom Bewußtsein", dessen Synthese notwendig eine vorausgehende These und Antithese fordert Ziel der Wissenschaftslehre muß es daher sein, eine Deduktion der Vorstellung zu liefern. Dieses Ziel wird in zwei verschiedenen Teilen angestrebt. In einem ersten Teil ist die im „Satz des Bewußtseins" ausgedrückte dreigliedrige Struktur allen Vorstellens — Subjekt, Objekt, Einheit von Subjekt und Objekt — als ein „ursprünglich in unserem Geiste vorkommendes Factum" zu erweisen. Im zweiten Teil ist dieses Faktum als Gegenstandsbewußtsein und Selbstbewußtsein voll zu entwickeln. Der erste Teil fehlt bei REINHOLD; der zweite Teil erscheint bei ihm als der Weg von einem dunklen zu einem deutlichen Bewußtsein FICHTE bezeichnet den zweiten Teil als „eine pragmatische Geschichte des menschlichen Geistes": „Es geht daraus zugleich hervor, daß wir es von nun an nicht mehr mit bloßen Hypothesen zu thun

I. Geschichte des Selbstbewußtseins

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haben, in denen der wenige wahre Gehalt von dem leeren Zusatze erst geschieden werden muß; sondern daß allem, was von nun an aufgestellt wird, mit völligem Rechte Realität zuzuschreiben sey." Identität und Unterschied der beiden Teile der Wissensdiaftslehre können in bezug auf ihr Verhältnis zum Faktum der Einbildungskraft bestimmt werden. Im ersten Teil wurden „durch die Spontaneität xmseres Reflexionsvermögens nach den Regeln der Reflexion" Fakta künstlich hervorgebracht. In der Einbildungskraft wurde schließlich ein Faktum erreicht, das „unabhängig von unserer Reflexion" vorhanden ist: „und in diesem höheren Sinne des Wortes nenne ich das aufgestellte ein Factum, in welchem es die übrigen angeführten Denkmöglichkeiten nicht sind." Im Ende des ersten Teils kommt der Anfang zu sich, im Faktum der Einbildungskraft erhalten die nur problematisch aufgestellten Grundsätze der Wissenschaftslehre eine widerspruchsfreie Gestalt. Der erste Teil hat es vor dem Erweis des Faktums der Einbildimgskraft mit nichts Realem zu tun, die aufgestellten Sätze sind bloße Gedanken ohne alle Realität: „Mithin ist gar Nichts vorhanden, und es kann Nichts vorhanden seyn; unser Bewußtseyn wird nicht gefüllt, und es ist in ihm absolut Nichts vorhanden." Alle Realität wird erst durch die Einbildungskraft hervorgebracht Der „künstlichen philosophischen Reflexion" des ersten Teils stellt FICHTE die „ursprünglich nothwendige Reflexion" des zweiten Teils gegenüber. Die „ursprünglich nothwendige Reflexion" stellt der menschliche Geist über das Faktum der Einbildungskraft selber an, so daß es jetzt Aufgabe der neuen, nicht mehr bloß künstlichen philosophischen Reflexion ist, jener „ursprünglich nothwendigen Reflexion" des Geistes zu folgen. Diese neue philosophische Reflexion darf der „natürlichen" Reflexion des Geistes über das Faktum der Einbildungskraft keine Gesetze geben Denn die Philosophen sind nicht „Gesetzgeber des menschlichen Geistes, sondern seine Historiographen; freilich nicht Zeitungsschreiber, sondern pragmatische Geschichtsschreiber" Beide Reihen der Reflexion sind somit deutlich voneinander unterschieden. Durch das Faktum der Einbildungskraft miteinander verbunden stellen sie auf je verschiedene Weise eine Explikation der Synthese der Einbildungskraft dar. Insofern sind sie Darstellungen ein und desselben Sachverhalts, nur in umgekehrter Richtung. Die zweite Reihe der Reflexion beginnt mit dem Resultat der ersten Reflexionsreihe, um selber in dem ersten Grundsatz der Wissenschaftslehre zu resultieren: „die gegenwärtige natürliche, tmd als nothwendiges Factum aufzustellende Reflexion geht aus von dem Factum, und, da die Anwendung der aufgestellten Grundsätze nicht eher beschlossen seyn

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Dritter Teil: Phänomenologie des Geistes

kann, bis jener Satz selbst als Factum sich bewähre . .. muß sie fortgehen bis zum Satze. Mithin beschreibt sie den ganzen Weg, den jene beschrieben hat, aber in umgekehrter Richtung; und die philosophische Reflexion, die jener bloß folgen kann, aber ihr kein Gesetz geben darf, nimmt nothwendig die gleiche Richtung." Die zweite Reihe der Reflexion wiederholt nur die erste Reihe, sie ist die „bloß umgekehrte erste" ^®. Identität und Differenz der beiden Reflexionsreihen sind jedoch damit noch nicht hinreichend benannt. Es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen beiden Reihen, der in der Art und Weise besteht, in der in der zweiten Reflexionsreihe Realität erfaßt wird. Den ersten Teil kennzeichnet das Unvermögen, das absolut Entgegengesetzte zu vereinigen. Es besteht zwar die Aufgabe der Synthese, es fehlt aber die Fähigkeit der Anschauung, die das Entgegengesetzte synthetisiert. Erst durch die Anschauung der Einbildungskraft wird der Widerstreit zwischen Aufgabe einer Vereinigung von Entgegengesetzten und Unvermögen, diese Vereinigung zustande zu bringen, aufgehoben. Dadurch daß in der zweiten Reihe nun die Vereinigung von Entgegengesetzten möglich ist, wird die bloß ideale Entgegensetzung des ersten Teils zu einer realen, d. h. es findet überhaupt erst jetzt eine wirkliche Entgegensetzung statt. Die Entgegensetzung drohte im ersten Teil im rein Negativen zu enden, im zweiten Teil erscheint sie als die entscheidende Voraussetzung eines jeden Erkenntnisfortschrittes: „Eben aus dem absoluten Entgegengesetztseyn erfolgt der ganze Mechanismus des menschlichen Geistes; und dieser ganze Mechanismus läßt sich nicht anders erklären, als durch ein absolutes Entgegengesetztseyn." Die „pragmatische Geschichte des menschlichen Geistes" verdankt also ihre Entwicklung dem absoluten Entgegengesetztsein von Ich und Nicht-Ich, die in der Deduktion der Vorstellung als Relation zwischen Anstoß und Tätigkeit des Ich expliziert wird Die „pragmatische Geschichte des menschlichen Geistes" beginnt also mit dem Anstoß. Da erst in dem praktischen Teil der Wissenschaftslehre geklärt werden kann, wie der Anstoß auf das Ich geschieht, ist dort der eigentliche Ort für den Anfang der Geschichte des Bewußtseins zu suchen Zusammenfassend kann für FICHTES Konzeption einer Geschichte des Bewußtseins gesagt werden, daß für die zweite Reflexionsreihe — für die „pragmatische Geschichte des menschlichen Geistes" — wieder unterschieden werden muß zwischen zwei Reflexionsformen, nämlich zwischen der „ursprünglich nothwendigen Reflexion" des menschlichen Geistes über das Faktum der Einbildungskraft und einer philosophischen Reflexion über diese ursprüngliche Reflexion des Geistes. Die für die Phänomenologie

I. Geschichte des Selbstbewußtseins

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konstitutive Unterscheidung zwischen ,,für es" und „für uns" ist damit der Sache nach ausgesprochen. Es ist festzuhalten, daß diese Unterscheidung offenbar notwendig mit der Idee einer Geschichte des Bewußtseins verbunden ist FICHTE hat nicht die ganze Wissenschaftslehre als eine solche Geschichte des Bewußtseins konzipiert, sondern ihr einen Teil vorausgeschickt, in dem nur wir, die Philosophen, reflektieren. Es stellt sich die Frage, ob die Wissenschaftslehre durch diesen der Geschichte des Bewußtseins vorausliegenden ersten Teil nicht eine transzendentalphilosophische Deduktion des Bewußtseins aufstellt, die Voraussetzungen macht, die in dem zweiten Teil der Wissenschaftslehre nicht mehr als solche thematisiert und eingeholt werden. — Hegels FicHXEkritik in der Differenzschrift trifft nicht direkt diesen Punkt, berührt aber das hier entstehende Problem, wenn er kritisiert, daß im dritten Grundsatz der erste nicht zu sich komme — Es ist zu berücksichtigen, daß FICHTE REINHOLDS „Elementarphilosophie" offenbar als eine Propädeutik zu seiner Wissenschaftslehre vorausgesetzt hat FICHTE hat sich zu der Notwendigkeit einer solchen Propädeutik jedoch nicht geäußert. Man kann nur konstatieren, daß er REINHOLDS Theorie des Vorstellungsvermögens faktisch als Propädeutik seiner Wissenschaftslehre vorangestellt hat. Die von FICHTE nicht entwickelte Reflexion auf die als Propädeutik faktisch vorausgesetzte Theorie des Vorstellungsvermögens wirft das systematische Problem auf, wie die Geschichte des Bewußtseins selber ihre Voraussetzungen thematisieren kann, d. h. wie die Geschichte des Bewußtseins zugleich Propädeutik sein kann. Im Unterschied zu FICHTE konzipiert SCHELLING sein System des transzendentalen Idealismus von Anfang an als „Geschichte des Selbstbewußtseyns" Das System des transzendentalen Idealismus ist eine Geschichte des Selbstbewußtseins und nicht nur eine notwendige Fiktion derselben. Auf diesen Punkt macht FICHTE in einer brieflichen Stellungnahme zu ScHELLiNGs System des transzendentalen Idealismus ausdrücklich aufmerksam: „Die Wissenschaft, die durch eine feine Abstraktion die Natur allein sich zum Objekt macht, muß freilich ... die Natur, als absolutes setzen, und dieselbe durch eine Fiction sich selbst construiren lassen; eben so wie die TransscendentalPhilosophie durch eine gleiche Fiction, das Bewußtseyn sich selbst construiren läßt." Es ist nur konsequent, wenn in einer fiktiven Geschichte des menschlichen Geistes die reale Geschichte unberücksichtigt bleibt. Demgegenüber versucht SCHELLING, die reale Geschichte innerhalb einer Einteilung der Geschichte in drei Perioden in die allgemeine Geschichte des Selbstbewußtseins einzubeziehen Diese wird mit dem Postulat der Konstruktion der Selbstanschauung des Ich begonen Durch intellektuelle Anschauung soll der „ewige, in keiner Zeit be-

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Dritter Teil; Phänomenologie des Geistes

griffene Akt des Selbstbewußtseyns" erfaßt werden. Diese intellektuelle Anschauung „ist etwas, das man fordern und anmuthen kann; wer das Vermögen einer solchen nicht hat, sollte es wenigstens haben" In der Selbstanschauung wird das Ich sich selbst zum Objekt. Das Ich ist nicht ursprünglich Objekt, sondern muß erst noch Objekt werden Um sich selbst zu erfassen, d. h. sich vollständig zu objektivieren, hat das erkennende Subjekt in einer Geschichte des Selbstbewußtseins verschiedene Epochen zu durchlaufen, um die eine absolute Synthesis seiner selbst sukzessiv zusammenzusetzen Das Postulat einer intellektuellen Anschauung soll am Ende der Geschichte des Selbstbewußtseins eingeholt werden. Im Unterschied zu FICHTE versteht SCHELLING das volle Selbsterfassen des Subjekts in der Geschichte des Selbstbewußtseins als ein Werden, dem ein unbedingtes Sein als Substrat zugrunde liegt FICHTE konnte in seiner Wissenschaftslehre zwar auch nicht ohne die Annahme eines Substrats auskommen, erklärte diese jedoch lediglich für eine „wohlthätige Täuschung der Einbildungskraft" SCHELLING kommt zu der Annahme eines solchen Substrats auf einem anderen Weg, indem er dieses durch eine Depotenzierung der höchsten Potenz, des Ich, entstehen läßt Während somit in der Wissenschaftslehre das absolute Ich Prinzip der „pragmatischen Geschichte des menschlichen Geistes" bleibt, wird für SCHELLING die höchste Potenz, das Ich, durch eine Depotenzierung seiner selbst zum Substrat der Geschichte des Selbstbewußtseins. Dieses Substrat versteht SCHELLING als das Unbedingte, das Sein selbst, „wovon alles Einzelne nur gleichsam ein besonderer Ausdruck ist" Als Depotenzierung des Ichs wird das unbedingte Sein nicht vorausgesetzt, sondern deduziert Die hier stattfindende Anknüpfung an die SpiNOzistische Substanzmetaphysik wirft das für die Phänomenologie wichtige Problem auf, wie die Substanz Subjekt werden kann (vgl. Phän 19). SCHELLINGS System des transzendentalen Idealismus kann entweder als eine Philosophie des Absoluten oder als eine Philosophie des Selbstbewußtseins angesehen werden. Inwieweit es aber beides zugleich ist, bleibt problematisch. Die Naturphilosophie ist primär Philosophie des unbedingten Seins, die Transzendentalphilosophie primär Philosophie des Selbstbewußtseins. SCHELLING verstand Philosophie als Einheit von beidem, d. h. als Erkenntnis des zu sich gekommenen unbedingten Seins. Hegel kann in der Phänomenologie SCHELLINGS „Geschichte des Selbstbewußtseyns" insofern zum Vorbild nehmen, als bei SCHELLING die Geschichte des Selbstbewußtseins real, nicht nur fiktiv wie bei FICHTE ist. Konsequenterweise wird dann in die allgemeine Geschichte des Selbstbewußtseins die reale Geschichte einbezogen. — Die Betonung des Moments der Erfah-

I. Geschichte des Selbstbewußtseins

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rung bedeutet u. a. ein Erbe der ScHELLiNcschen Naturphilosophie Ebenso kann Hegel für seinen Begriff der „bestimmten Negation" {Phän 69) an ScHELLiNGS Verständnis von Negativität als Bestimmtheit anknüpfen ®®. — Hegel beginnt jedoch nicht wie SCHELLING die Geschichte des Selbstbewußtseins mit dem Postulat der Konstruktion einer intellektuellen Anschauung. Der Beginn mit der intellektuellen Anschauung — selbst wenn sie nur postuliert wird — und mit einem unbedingten Sein — selbst wenn es erst zu deduzieren ist — bedeuten einen für das Bewußtsein unausgewiesenen Anfang. Dieser Mangel kann auch so ausgedrückt werden, daß die Geschichte des Selbstbewußtseins nicht zugleich Propädeutik ist.

2. Die in der Einleitung zur Phänomenologie entwickelte Idee

einer Geschichte der Bildung des Bewußtseins

Zu Beginn der Einleitung kritisiert Hegel den KANxischen Kritizismus und richtet sich gegen die Vorstellung vom Erkennen als einem Werkzeug oder Medium (vgl. Phän 63 ff) Diese Vorstellung, so erklärt Hegel, sei verfehlt, weil sie von einer Trennung zwischen erkennendem Subjekt und Absolutem ausgeht. Es sei zu vermuten, daß sich hinter der Furcht vor Irrtum vielmehr eine Furcht vor Wahrheit verbirgt. In dieser KANxkritik kommt das grundsätzliche Anliegen der Phänomenologie zutage, die vom natürlichen Bewußtsein vertretene Trennung zwischen erkennendem Subjekt und Absolutem als bloßen Schein zu enthüllen. Aufgabe der Phänomenologie ist es somit zu zeigen, daß eine Erkenntnis des Absoluten möglich ist. Die Hinführung des natürlichen Bewußtseins zum absoluten Wissen und die damit beanspruchte Erhebung der Philosophie zur Wissenschaft ist aber nicht zu jeder Zeit möglich, sie ist an bestimmte geschichtliche Voraussetzungen gebunden. Denn wir „müssen überzeugt sein, daß das Wahre die Natur hat, durchzudringen, wenn seine Zeit gekommen, und daß es nur erscheint, wenn diese gekommen, und deswegen nie zu früh erscheint, noch ein unreifes Publikum findet" (Phän 58). Es liegt zwar in der inneren Natur des Wissens, daß es Wissenschaft, absolutes Wissen werden will, aber es bedarf auch einer äußeren Notwendigkeit. Die „Erhebung der Philosophie zur Wissenschaft" muß „an der Zeit" {Phän 12) sein. Hegel glaubt feststellen zu können, daß in der Tat die Erhebung des Wissens zur Wissenschaft an der Zeit ist. Denn die zeitgenössische Philosophie sucht selber ihren Wert in die Wissenschaftlichkeit der Philosophie zu setzen (vgl. Phän 57 f). Außerdem läßt die geschichtliche Situation erkennen, daß das Bewußtsein etwas Neues sucht, daß es mit allen bis-

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Dritter Teil: Phänomenologie des Geistes

herigen Vorstellungen von sich und seiner Welt brechen will: „Es ist übrigens nicht schwer zu sehen, daß unsre Zeit eine Zeit der Geburt und des Übergangs zu einer neuen Periode ist. Der Geist hat mit der bisherigen Welt seines Daseins und Vorstellens gebrochen und steht im Begriffe, es in die Vergangenheit hinab zu versenken, und in der Arbeit seiner Umgestaltung. .. . der Leichtsinn wie die Langeweile, die im Bestehenden einreißen, die unbestimmte Ahnung eines Unbekannten sind Vorboten, daß etwas anderes im Anzuge ist. Dies allmähliche Zerbröckeln, das die Physiognomie des Ganzen nicht veränderte, wird durch den Aufgang unterbrochen, der, ein Blitz, in einem Male das Gebilde der neuen Welt hinstellt" {Phän 15 f). — Die Phänomenologie hat es somit mit einem Bewußtsein zu tun, das bereits eine Ahnung von dem besitzt, was an der Zeit ist. Der Grund zu dem neuen „Gebäude" ist bereits gelegt. Aufgabe der Phänomenologie ist es, auf diesem bereits gelegten Grund ein Haus zu bauen. Insofern das Bewußtsein bereits eine Ahnung von dem Neuen, das zur Wissenschaft entwickelt werden soll, besitzt, ist es erscheinendes Wissen, das schon auf das Ziel der Phänomenologie, das absolute Wissen, hingeordnet ist. Insofern aber das Bewußtsein noch einer bestimmten geschichtlichen Gestalt angehört und nicht die Vorboten des unbekannten Neuen erkennt, ist es natürliches Bewußtsein (vgl. Phän 67) ®-. Das Auftreten von Gestalten des Bewußtseins in der Phänomenologie ist dadurch bedingt, daß ein natürliches Bewußtsein auftritt, das an bestimmte geschichtliche Situationen gebunden ist. Wenn der Übergang von einer Gestalt zur anderen von dem Bewußtsein in seiner Notwendigkeit e‘ingesehen werden soll, hat es als natürliches Bewußtsein erst einmal erscheinendes zu werden. Daraus ergibt sich die Struktur der Phänomenologie, daß Übergänge von einer Gestalt zur anderen, die für das natürliche Bewußtsein nicht durchsichtig sein können, für das Bewußtsein wiederholt werden müssen, damit es sich auch als erscheinendes Bewußtsein versteht. Solange das Bewußtsein sich seiner selbst als erscheinendes Bewußtsein noch nicht bewußt geworden ist, kann es den Übergang von einer Gestalt zur anderen nur passiv entgegennehmen, wir, die Philosophen, handeln für es (vgl. Phän 73 f). Aber selbst wenn es sich seiner selbst als erscheinendes Bewußtsein bewußt geworden ist, bleibt es weiterhin — bis zum absoluten Wissen — auf den Phänomenologen angewiesen, der es von einer Gestalt zur anderen führt. Erst wenn die einseitige Bindung an eine bestimmte geschichtliche Situation in einer „Geschichte der Bildung des Bewußtseins" {Phän 67) aufgehoben ist, wird das erscheinende Bewußtsein absolutes Wissen. Der Weg zu diesem Ziel hat für das Bewußtsein deshalb „nega-

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tive Bedeutung", es ist ein Weg des Zweifels und der Verzweiflung, ein „sich vollbringender Skeptizismus". Das Bewußtsein wird zur Wissenschaft gebildet, indem es in der Konfrontation mit den verschiedensten Gestalten seiner selbst seine Endlichkeit abarbeitet (vgl. Phän 557). Angesichts der Bedeutung des „wir", des Phänomenologen, stellt sich die Frage, ob der Standpunkt des Phänomenologen sinnvollerweise mit dem des Vertreters des absoluten Wissens zu identifizieren ist. Am Anfang und am Ende einer jeden Gestalt in der Phänomenologie werden Reflexionen „für uns" angestellt. Für wen sind diese Überlegungen nützlich? Sind es wir, die Philosophen, die schon das absolute Wissen innehaben so haben jene Überlegungen nur den Wert einer Selbstverständigung, eines die eigenen Gedanken ordnenden Monologisierens des bereits das absolute Wissen besitzenden Philosophen, der sich noch dnmal auf die Stufe des endlichen, erscheinenden Bewußtseins zurückversetzt. Eine solche Deutung des „wir" ist aber höchst unbefriedigend, weil das „wir" dann die Bedeutung eines „pluralis maiestatis" erhält. Soll das „wir" echt gemeint sein — und warum sollte man daran zweifeln —, dann gehört zu den Philosophen auch der Leser der Phänomenologie. Das „wir" hätte dann einen kollegialen Sinn, Hegel würde in dem Leser der Phänomenologie einen Gleichgesinnten sehen, dem es auch — wie dem Autor selbst — um die Erkenntnis des absoluten Wissens geht. Der Unterschied zwischen dem Autor und dem Leser der Phänomenologie, die beide mit dem „wir" gemeint wären, bestände allerdings darin, daß Hegel den Philosophen darstellt, der bereits das absolute Wissen innehat, der Leser aber erst noch durch die Lektüre der Phänomenologie zum absoluten Wissen geführt werden soll. Weil Hegel schon zum absoluten Wissen gekommen ist, kann er ein Buch schreiben, das den Weg vom natürlichen zum absoluten Wissen aufzeigt. Der Leser will sich vom Autor der Phänomenologie belehren lassen. Der Leser ist dem natürlichen Bewußtsein durch geschultes Denken, durch umfassenderes Kulturwissen und durch philosophiegeschiditliche Kenntnisse überlegen. Da er aber gleichwohl noch an den Einseitigkeiten des natürlichen Bewußtseins partizipiert und sich in dem Verhalten des natürlichen Bewußtseins wiedererkennt, ist für den Leser eine Analyse des natürlichen Bewußtseins von Bedeutung. Er ist natürliches Bewußtsein als erscheinendes Wissen, insofern er schon ein formales Vorverständnis des absoluten Wissens besitzt. Hegel muß dem Leser zugestehen, daß er der in der Phänomenologie vorgenommenen Hinordnung des Bewußtseins auf das absolute Wissen kritisch gegenübersteht. Der Leser könnte ja möglicherweise entdecken, daß bestimmte Formen seines Wissens in der Darstellung der Phänomenologie überhaupt nicht vorkom-

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Dritter Teil: Phänomenologie des Geistes

men. — Der Leser der Phänomenologie, der mit dem „wir" und „für uns" mitgemeint ist, unterscheidet sich somit von dem natürlichen Bewußtsein, aber auch von dem Philosophen, nämlich Hegel, dem Autor des Buches, dem Vertreter des absoluten Wissens. Die Reflexionen „für uns" bei den Übergängen von einer Gestalt zu einer anderen kann der Leser formal verstehen, aber nicht im vollen Sinne inhaltlich. Denn die in der Einleitung geforderte Umkehrung des Bewußtseins, die durch eine Zutat des Philosophen geschieht und die Wissenschaftlichkeit der Phänomenologie konstituiert, muß der Leser selber noch vollziehen. Die Notwendigkeit der Übergänge sieht der Leser erst ein, wenn er den Standpunkt des Philosophen, nämlich Hegels, übernommen hat. Dem sich vollbringenden Skeptizismus der Phänomenologie wird in der Einleitung eine ganz bestimmte phänomenologische Methode zugeordnet, die es überflüssig machen soll, daß „wir" in den Prozeß der Selbsterkenntnis des Bewußtseins eingreifen. Es darf nicht ein Maßstab von außen an das zu prüfende natürliche Bewußtsein angelegt werden, sondern das Bewußtsein gibt sich selbst seinen Maßstab, „und die Untersuchung wird dadurch eine Vergleichung seiner mit sich selbst sein" {Phän 71). Die Voraussetzungslosigkeit und Wissenschaftlichkeit der Phänomenologie hängt davon ab, daß „eine Zutat von uns überflüssig" {Phän 72) wird, daß wir der „eigentlichen Prüfung überhoben" sind und uns nur „das reine Zusehen bleibt". Es ist zu sehen, wie die knappen Ausführungen zur Methode in der Einleitung die Existenz eines solchen sich selbst begründenden Selbsterkenntnisprozesses behaupten können. Zunächst ist zwischen einem naiven und reflektierten Verhältnis des Bewußtseins zu seinem Gegenstand zu unterscheiden (vgl. Phän 70 f) Das naive Bewußtsein unterscheidet zwischen dem Sein des Gegenstandes für das Bewußtsein und dem Ansichsein des Gegenstandes, zwischen Wissen und Wahrheit. Es hat sein Wissen mit dem an sich seienden, wahren Gegenstand in Übereinstimmung zu bringen. Genauer betrachtet gibt es aber nicht einen an sich seienden Gegenstand und ein von ihm unterschiedenes Wissen, sondern Gegenstand und Wissen bilden immer schon eine Einheit. Der Gegenstand ist nicht einfach unabhängig von dem Wissen vorhanden, sondern wird von dem Wissen mitkonstituiert. Wenn das Bewußtsein — seit DESCARTES und KANT — darauf reflektiert, daß sein Wissen das Sein des Gegenstandes mitbedingt, erkennt es auch, daß das Ansichsein des Gegenstandes in einer bestimmten Weise des Wissens gesucht werden muß. Der realistische und kritische erkenntnistheoretische Standpunkt stellen für Hegel keinen Gegensatz dar, nur eine je verschiedene Reflektiertheit des Verhältnisses des Gegenstandes zum Bewußtsein. — Diese allgemeinen

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Überlegungen können in einem Vorgriff auf die Interpretation der Phänomenologie konkretisiert werden. Denn die Unterscheidung zwischen einer realistischen und kritischen erkenntnistheoretischen Position macht das Bewußtsein im Verlaufe seiner Erfahrungen an sich selber. Am Anfang einer jeden neuen Gestalt besitzt das Bewußtsein ein naives Verhältnis zu seinem Gegenstand. Es erkennt nicht, daß der neue Gegenstand durch ein bestimmtes Wissen von dem alten Gegenstand zustande gekommen ist. Es durchschaut nicht den dialektischen Fortgang vom alten zum neuen Gegenstand, weil die zur Erzeugung des neuen Gegenstandes notwendige Umkehrung seiner selbst nicht von ihm selbst, sondern von „uns" vollzogen wird (vgl. Phän 74). Für das Bewußtsein ist der neue Gegenstand etwas Vorhandenes, nicht ein von ihm Erzeugtes. Erst im Verlaufe weiterer Erfahrungen mit dem neuen Gegenstand erkennt das Bewußtsein, daß der Gegenstand nicht einfach vorhanden, sondern durch ein bestimmtes Wissen bedingt ist. Die dialektische Bewegung der Phänomenologie stellt somit einen ständigen Übergang von einer naiven Einstellung zum Gegenstand zu einer reflektierten dar, aus der das Bewußtsein wieder in die erstere zurückfällt. Wie auch immer das Bewußtsein sich zum Gegenstand verhält, ob naiv oder reflektiert, es kann nicht selber die dialektische Bewegung der Phänomenologie erzeugen. Wenn aber die Phänomenologie für das Bewußtsein eine Geschichte der Erfahrung sein soll (vgl. Phän 86), muß es wenigstens dazu fähig sein, die dialektische Bewegung sowohl an seinem Wissen als auch an seinem Gegenstand aktiv auszuüben (vgl. Phän 73). Sonst erkennt es keinen inneren Zusammenhang zwischen dem alten und neuen Gegenstand, kommt keine Geschichte der Erfahrung zustande. Die aktive Ausübung der dialektischen Bewegung muß so gedacht werden, daß sie mit einem Wissen um den Zusammenhang zwischen dem alten und neuen Gegenstand verbunden ist. Ehe Änderung des Maßstabes, d. h. desjenigen, das für das Bewußtsein das Wahre darstellt, muß für das Bewußtsein eine gewisse Stringenz besitzen. Diese Stringenz unterscheidet sich von der Notwendigkeit des Übergangs von einer Gestalt zur anderen, die die Wissenschaftlichkeit der Phänomenologie konstituieren soll und die vorerst nur von „uns" einsehbar ist (vgl. Phän 74). Diese Wissenschaftlichkeit und Notwendigkeit wird — wie die Vorrede erklärt (vgl. Phän 40) — von der Logik erzeugt, die der Bewegung der Phänomenologie zugrunde liegt. Das Bewußtsein kann zwar noch nicht um diese durch die Logik erzeugte Notwendigkeit der Übergänge wissen, muß aber bereits eine Stringenz der Übergänge erkennen, die auf jene Notwendigkeit verweist. Hier ist an die Überlegungen der Vorrede zu erinnern, die von einem das Neue bereits

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Dritter Teil: Phäiromenologie des Geistes

ahnenden Bewußtsein ausgehen (vgl. Phän 15 f). Wenn somit der Zusammenhang der verschiedenen Gestalten durch den Zusammenhang von logischen Kategorien konstituiert wird, besteht die in der Einleitung thematisierte Selbstprüfung des Bewußtseins in einer Prüfung der logischen Kategorien, mit denen es umgeht Ein aktiver Vollzug der dialektischen Bewegung der Phänomenologie durch das Bewußtsein, der eine Geschichte der Erfahrung des Bewußtseins konstituieren soll, setzt also voraus, daß das Bewußtsein um die Bedeutung logischer Kategorien für die Fortentwicklung der phänomenologischen Bewegung weiß und speziell darum, daß es selber von bestimmten logischen Kategorien bei der Beurteilung seines Gegenstandes ausgeht. Das Bewußtsein muß wissen, daß die logischen Kategorien, von denen es in seinem Urteilen ausgeht, auf einen inneren Zusammenhang untereinander verweisen. Diesen Zusammenhang vermag das Bewußtsein allerdings noch nicht einzusehen. Bei diesen Überlegungen ist wieder die Unterscheidung zwischen natürlichem und erscheinendem Bewußtsein zu berücksichtigen, die den verschiedenen Grad des Vorverständnisses des Bewußtseins bestimmt. Unter der Voraussetzung, daß das Bewußtsein bereits mit den Kategorien der spekulativen Philosophie operiert, reduziert sich die Zutat des Philosophen auf eine Explikation von schon implizit Gegebenem, auf eine pädagogisch zu rechtfertigende Abkürzung des umständlichen Erfahrungsweges des Bewußtseins. Die „Versammlung der einzelnen Momente, deren jedes in seinem Prinzip das Leben des ganzen Geistes darstellt," {Phän 556), und das „Festhalten des Begriffes in der Form des Begriffes" durch den Philosophen ist hilfreich, aber prinzipiell überflüssig ®®. Fehlte das „Festhalten des Begriffes in der Form des Begriffes", so würde der Erfahrungsweg der Phänomenologie noch umständlicher, länger und unüberschaubarer. Aber prinzipiell würde das Bewußtsein auch dann irgendwann einmal den „Punkt erreichen, auf welchem es seinen Schein ablegt, mit Fremdartigem, das nur für es und als ein anderes ist, behaftet zu sein, oder wo die Erscheinung dem Wesen gleich wird, seine Darstellung hiemit mit eben diesem Punkte der eigentlichen Wissenschaft des Geistes zusammenfällt" {Phän 75) — Natürlich stellt sich hier die Frage, ob in dieser Behauptung Hegels nicht eine Selbsttäuschung steckt, der ein Autor, der sich seines Standpunktes sicher ist, erliegt. Es wird zu sehen sein, ob die logischen Kategorien, mit denen das Bewußtsein immer schon operiert, sich so versammeln lassen, wie Hegel es intendiert, ob nicht die prinzipiell überflüssige Zutat des „Festhaltens des Begriffes in der Form des Begriffes" einen erheblichen Eingriff in die vom Bewußtsein nachzuvollziehende dialektische Bewegung seines Erfahrungsweges bedeutet. — Aus den bisherigen Überle-

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gungen ergibt sich für die folgende Interpretation der Phänomenologie zunächst, daß von einem Bewußtsein auszugehen ist, das bereits mit logischen Kategorien operiert und eine „unbestimmte Ahnung" (Phän 16) des unbekannten Neuen, des Wissenschaftlichwerdens der Philosophie, besitzt.

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Dritter Teil: Phänomenologie des Geistes

II. INTERPRETATION DER PHÄNOMENOLOGIE

I. Das reine Sein der sinnlichen Gewißheit a) Der Standpunkt der sinnlichen Gewißheit Der scheinbar naive Anfang der Phänomenologie mit der sinnlichen Gewißheit spielt bereits auf bestimmte philosophiegeschichtliche Positionen an Hegel verarbeitet in diesem Kapitel Überlegungen des Skeptizismusaufsatzes, der in PLATONS Parmenides den wahren Skeptizismus repräsentiert sah. Den drei Stadien der sinnlichen Gewißheit können verschiedene Positionen des antiken Skeptizismus zugeordnet werden, die Hegel schon zum Teil im Skeptizismusaufsatz erörtert hatte. Das erste Stadium, in dem der Gegenstand als das Diese das Wahre ist, wird mit Beispielen beschrieben, die schon von SEXTUS EMPIRICUS zur Widerlegung der Wahrheit der sinnlichen Gewißheit verwendet wurden (vgl. Phän 81 f). Im zweiten Stadium der sinnlichen Gewißheit, in dem auf dem eigenen Sehen und Meinen beharrt wird, ist offenbar jener Skeptizismus vertreten, der sich gegen die Philosophie selber richtet (vgl. GW 4. 221 f; Phän 83 f). Im dritten Stadium versagt sich die sinnliche Gewißheit jede sprachliche Artikulation ihres Meinens, sie zeigt nur auf das Diese (vgl. Phän 85 f). Diese Position wird im Skeptizismusaufsatz nicht erwähnt, ist aber im Umkreis des antiken Skeptizismus zu suchen -. In erster Linie muß der Standpunkt der sinnlichen Gewißheit als ein Versuch gedeutet werden, das Individuelle des wahrgenommenen Gegenstandes auszusagen. Dies stellt ein altes Problem der Philosophie dar, auf das Hegel in seinen Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie mit Wendungen zu sprechen kommt, die an seine Darstellung der sinnlichen Gewißheit erinnern Insofern würde die sinnliche Gewißheit ein Element der Wahrnehmung gesondert darstellen, nämlich das in der Wahrnehmung immer vorausgesetzte Individuelle des Gegenstandes. Die sinnliche Gewißheit wäre somit eine bewußt vorgenommene Konstruktion, um ein Element des Wissens gesondert darzustellen. Eine solche Deutung wird aber dem Standpunkt der sinnlichen Gewißheit nicht ausreichend gerecht. Die sinnliche Gewißheit ist gerade dadurch gekennzeichnet, daß sie um diesen Aussonderungs- und Abstraktionsprozeß nicht weiß. Sie behauptet das, was als verdeutlichende Konstruktion akzeptiert werden könnte, als abso-

II. Interpretation der Phänomenologie

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lute Wahrheit, indem sie das Individuelle des wahrgenommenen Gegenstandes unmittelbar aussagen zu können glaubt. Die sinnliche Gewißheit tritt auch nicht als Moment der Wahrnehmung auf, sondern als eine Gestalt für sich. Die Illusion des Bewußtseins, daß die Kermzeichnung des individuellen Diesen aufgrund eines ursprünglichen Verhältnisses des Bewußtseins zur Gegenstandswelt unvermittelt geschehen kann, kennzeichnet den Standpunkt der sinnlichen Gewißheit, nicht aber das legitime Anliegen einer gesonderten Darstellung eines Elements der Wahrnehmung. — Es stellt sich die Frage, warum Hegel mit einer so merkwürdigen Bewußtseinsgestalt seine Phänomenologie beginnt. Der Verweis darauf, daß solche Positionen in der Philosophiegeschichte schon einmal behauptet wurden, hilft wenig weiter, da die Phänomenologie zum absoluten Wissen ein natürliches Bewußtsein hinführen soll, das um solche philosophiegeschichtlichen Bezüge vorerst nicht weiß. Außerdem sagt der Verweis auf die Philosophiegeschichte lediglich aus, daß auch die abstraktesten Standpunkte des Wissens schon einmal in der Philosophiegeschichte behauptet wurden. Ein alltägliches Bewußtsein hält es durchaus für möglich, die individuelle Bestimmtheit eines Gegenstandes auszusagen, nämlich innerhalb eines pragmatischen Kontextes, einer gegebenen Redesituation. Durch das Fehlen eines pragmatischen Kontextes, einer bestimmten Redesituation könnte ein alltägliches Bewußtsein dazu verleitet werden, eine so abstrakte Position wie die der sinnlichen Gewißheit zu behaupten. In diesem Fall wüßte das Bewußtsein zunächst einmal um den für das individuelle Diese konstitutiven Vermittlungszusammenhang, könnte ihn aber wegen mangelnder Kenntnis des jeweiligen Kontextes nicht artikulieren. Es würde in einer ihm fremden Umgebung auf das Diese verweisen wollen. Oder das Bewußtsein wüßte zwar grundsätzlich die Umgebung des Diesen anzugeben, verzichtete aber wegen des komplizierten Verhältnisses des Diesen zu seiner Umgebung und der dadurch bedingten schwierigen sprachlichen Artikulation dieser Zusammenhänge auf die Angabe des pragmatischen Kontextes. Hier würden die Worte nicht ausreichen und das Bewußtsein beschränkte sich auf die bloße deiktische Angabe. — In diesen Fällen wird immer noch vorausgesetzt, daß das Diese in einem Vermittlungszusammenhang steht, der auch grundsätzlich angebbar ist. Die deiktische Angabe ist ja auch nicht eine Negation jeden Vermittlungszusammenhanges, sondern die Ersetzung eines komplizierten durch einen einfachen. — Durch häufiges Auftreten solcher Fälle kann das Bewußtsein sich selber täuschen und zu der unzulässigen Annahme kommen, daß die Angabe eines Vermittlungszusammenhanges überhaupt überflüssig ist.

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Dritter Teil: Phänomenologie des Geistes

Der Standpunkt der sinnlichen Gewißheit kann somit höchstens als Provokation für das natürliche Bewußtsein verstanden werden^ als Versuch des Bewußtseins, „auch einmal auf dem Kopfe zu gehen" {Phän 25). Aus zwei Gründen bleibt es aber nicht bei einer solchen bloßen Provokation. Hegel benutzt den Standpunkt der sinnlichen Gewißheit in systematischer Absicht. Einmal kann er einen Seinsbegriff einführen, der — wenn auch ex negative — auf den Anfang einer noch auszuarbeitenden Logik verweist. Zweitens dient ihm die sinnliche Gewißheit dazu, die Gestalt der Wahrnehmung in einer Weise zu konstruieren, daß sie zum Denken des Widerspruchs hinführt. Hegels Beginn der Phänomenologie mit der sinnlichen Gewißheit ist ernst zu nehmen. Hegel kehrt die Reihenfolge um: nicht die sinnliche Gewißheit wird aus der Wahrnehmung als Abstraktionsprodukt erklärt, sondern die Wahrnehmung wird von der sinnlichen Gewißheit aus verständlich gemacht. Die sinnliche Gewißheit „sagt von dem, was sie weiß, nur dies aus: es ist; imd ihre Wahrheit enthält allein das Sein der Sache" {Phän 79). Das „reine Sein" {Phän 80) macht die Wahrheit der sinnlichen Gewißheit aus. Das reine Sein bedeutet zunächst einmal als Sein des Diesen „einfache Unmittelbarkeit". Mit dem reinen Sein ist also das unmittelbare Gegebensein des individuellen Diesen gemeint. Das reine Sein ist aber nicht nur diese einfache Unmittelbarkeit, derm eine „wirkliche sinnliche Gewißheit ist nicht nur diese reine Unmittelbarkeit, sondern ein Beispiel derselben". Hier wird das reine Sein als Unmittelbarkeit negativ gegenüber der Vermittlung bestimmt, die von der sinnlichen Gewißheit für etwas Unwesentliches erklärt wird. Weil die sinnliche Gewißheit aber nicht leugnen kann, daß an dem reinen Sein als einfacher Unmittelbarkeit etwas „beiherspielt", muß das reine Sein als Wesen gegenüber dem Unwesentlichen gesetzt werden. Konnte bei der Bestimmung des reinen Seins als einfacher Unmittelbarkeit noch das Mißverständnis auftreten, als ob die Unmittelbarkeit des individuellen Diesen gemeint sei, so wird dieses Mißverständnis durch die Bestimmung des reinen Seins als Wesens ausgeschlossen. Denn das reine Sein ist Wesen, weil es jeden Vermittlungszusammenhang für unwesentlich erklärt. Der Gegenstand kann gar nicht als ein individueller gemeint sein, da Individuelles nur ist, wo Allgemeines existiert. Wenn überhaupt kein Allgemeines existiert, kann auch das reine Sein nicht als Sein eines individuellen Gegenstandes ausgesagt werden. Es kann nur noch zwischen dem reinen Sein als Wesen und dem beiherspielenden Unwesentlichen unterschieden werden

II. Interpretation der Phänomenologie

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b) Das Meinen am Anfang der Seinslogik Um zeigen zu können, daß Hegel mit der Einführung des reinen Seins am Anfang der Phänomenologie eine systematische Absicht verbindet, ist das reine Sein der sinnlichen Gewißheit mit dem Sein am Anfang der Wissenschaft der Logik zu vergleichen. Ein solcher Vergleich legt sich schon deswegen nahe, weil Hegel selber in der zweiten Anmerkung am Anfang der Seinslogik von 1812 einen Bezug zum Standpunkt der sinnlichen Gewißheit herstellt. Am Anfang der Seinslogtk geht Hegel auf das Meinen ein, das meint, „das Seyn sey vielmehr das schlechthin Andre, als das Nichts ist" Dieses Meinen entspricht dem Standpunkt des gesunden Menschenverstandes, der „sich gegen die Einheit des Seyns und Nichts sträubt, und zugleich sich auf das, was unmittelbar vorhanden ist, beruft" ®. Die Behauptung dessen, was unmittelbar vorhanden ist, führt den gesunden Menschenverstand zum bloßen „Aufzeigen" der nackten empirischen Existenz. Dieses Aufzeigen der empirischen Existenz entspricht dem dritten Stadium der sinnlichen Gewißheit (vgl. Phän 85). Vor dieser Passage über den gesunden Menschenverstand, der zumindest formal dem Standpunkt der sinnlichen Gewißheit entspricht, analysiert Hegel in der Seinslogik von 1812 verschiedene Formen der Behauptung des reinen Seins und bringt diese mit dem Meinen in Verbindung. Die Behauptung des reinen Seins ist „am weitesten aus dem Meynen herausgetreten" in dem Satz: „Das Seyn ist das Absolute" Hegel glaubt auch hierin wieder die Position des Meinens entdecken zu können, für das das Nichts das schlechthin Andere des Seins ist. Anderseits ist in diesem Satz die Identität von Sein und Nichts intendiert, kann aber als solche in diesem Satz nicht ausgesagt werden. Wird die Verschiedenheit von Sein und Absolutem geleugnet, so heißt der Satz nunmehr: „Das Seyn ist das Seyn." ® Dies bedeutet aber eine nichtssagende Tautologie. Wird das tautologische Prädikat weggelassen, so heißt der Satz: „Das Seyn ist." Auch dieser Satz führt zu einer Tautologie, und es bleibt das Sagen des reinen Seins. Sein ist jetzt ein „Ausruf, der seine Bedeutung allein in dem Subject hat". Diese rein subjektive Bedeutung des Seins wird aber vom Meinen vertreten, das „eine Form des Subjectiven" ist, „das nicht in diese Reihe der Darstellung gehört" ®. Die bloß subjektive Bedeutung des reinen Seins hebt dessen Unmittelbarkeit auf. Das Sein, das so einem Subjekt angehört, „hat ein empirisches Daseyn überhaupt, und gehört damit zum Boden der Schranken und des Negativen" Hegel hat somit gezeigt, wie die Behauptung des reinen Seins, dem das Nichts

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Dritter Teil; Phänomenologie des Geistes

schlechthin entgegengesetzt ist, zum Meinen des gesunden Menschenverstandes führt. Die Entsprechung zwischen gesundem Menschenverstand und dem Standpunkt der sinnlichen Gewißheit kann jetzt noch differenzierter dargestellt werden. Es besteht eine formale Ähnlichkeit zwischen dem subjektiven Ausruf: „Seyn" und dem Ist-Sagen der sinnlichen Gewißheit, die von dem, was sie weiß, nur dies aussagt: „es ist; und ihre Wahrheit enthält allein das Sein der Sache" {Phän 79). Die sinnliche Gewißheit weiß nur, daß „die Sache ist, und sie ist, nur weil sie ist; sie ist, dies ist dem sinnlichen Wissen das Wesentliche, und dieses reine Sein oder diese einfache Unmittelbarkeit macht ihre Wahrheit aus" {Phän 80). Es handelt sich hier wie beim Ausruf: „Seyn" um die Behauptung der Unmittelbarkeit des reinen Seins, die sich als bloß subjektive Behauptung erweist, so daß diese Behauptung in die des „empirischen Daseyns überhaupt", zum „Boden der Schranken und des Negativen" übergeht. Der Unterschied zwischen jenen Seinsaussagen und der sinnlichen Gewißheit besteht darin, daß die sinnliche Gewißheit immer das Sein von einem sinnlich wahrnehmbaren Gegenstand aussagt, so daß der Schein entsteht, die sinnliche Gewißheit würde nur ein Element der Wahrnehmung, nämlich das individuelle Sein des Gegenstandes aussagen. Es zeigte sich aber, daß bei der sinnlichen Gewißheit der Gegenstand gar nicht als ein individueller in Frage kommen kann. Das Meinen der sinnlichen Gewißheit ist denmach mit dem am Anfang der Seinslogik explizierten Meinen zu vergleichen, für das das Nichts das schlechthin Andre des Seins ist, das aufgrund dieser Trennung von Sein und Nichts ein bloß subjektives Sagen des reinen Seins darstellt. Es ist deshalb charakteristisch für die sinnliche Gewißheit, daß sie das Nichts noch nicht kennt, weil für sie nur das Sein ist, die Negation gar nicht ist. Dieser Standpunkt des reinen Ist-Sagens kann aber doch nicht die Existenz der Negation leugnen. Denn in der Behauptung des „empirischen Daseyns überhaupt" kann der gesunde Menschenverstand nicht übersehen, daß er „Seyn mit einer Schranke oder Negation" behauptet. Genau dies erfährt auch die sinnliche Gewißheit, daß die Behauptung des reinen Seins, die die Behauptung des „empirischen Daseyns überhaupt" ist, die zu Anfang geleugnete Existenz von Negation und Negativität anerkennen muß. In der zweiten Auflage der Seinslogik wird jene Analyse der verschiedenen Behauptungen des reinen Seins weggelassen und stattdessen auf den PtATONischen Parmenides verwiesen Die Passage über den gesunden Menschenverstand — der jetzt einfach als „der Verstand" auftritt — ist bei leichter Abänderung erhalten geblieben Hegel hat also auch in der zweiten Auflage der Seinslogik auf das „Aufzeigen" der sinnlichen Ge-

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wißheit angespielt. Ebenfalls wird weiterhin das Meinen erwähnt, das in der Behauptung des Unterschieds von Sein und Nichts im Sinne ihrer Unvereinbarkeit besteht Die Ersetzung der Analyse der verschiedenen Behauptungen des reinen Seins durch den Verweis auf den PLAXONischen Parmenides kann als Hinweis darauf verstanden werden, daß die Position des gesunden Menschenverstandes oder des Verstandes und der Standpunkt der sinnlichen Gewißheit mit der Problematik des PLAxoNischen Parmenides in einem Zusammenhang stehen. Allerdings grenzt Hegel seine Dialektik von dem dialektischen Vorgehen des Parmenides ab, der von dem Sagen: „das Eine ist" zur Negation und Andersheit dadurch übergeht, daß durch die nicht zu leugnende Verschiedenheit von dem Einen und Sein schon das Moment der Verschiedenheit, Andersheit, Negation gegeben ist. Hegel bezeichnet dieses Vorgehen des Parmenides als bloße „äußere Reflexion" Wie dieser Übergang stattdessen zu konstruieren ist, wird im folgenden Absatz erläutert, in dem die Position des „Verstandes" — dessen Aufzeigen dem dritten Stadium der sinnlichen Gewißheit formal entspricht — abgehandelt wird. Der Übergang von der Aussage: „das Eine ist" — in der phänomenologischen Einkleidung: das Diese ist — zur Negation und Andersheit wird in der Dialektik des „Verstandes" durch eine bloß „äußere Reflexion" konstruiert. — Dafür daß im Hintergrund der Analyse der sinnlichen Gewißheit die Ausführungen des PLAxoNischen Parmenides stehen, spricht auch, daß Hegel in der Vorrede der Phänomenologie den Parmenides für „wohl das größte Kunstwerk der alten Dialektik" hält, der ja auch im Neuplatonismus „für die wahre Enthüllung und den positiven Ausdruck des göttlichen Lebens gehalten wurde" {Phän 57) Außerdem stellt das Kapitel über die sinnliche Gewißheit eine Auseinandersetzvmg mit dem antiken Skeptizismus dar. Natürlich erinnert auch die Dialektik des einen Diesen und der vielen Diesen an die ZENONische Dialektik des Einen und Vielen In der zweiten Auflage der Seinslogik hat Hegel aber auch die Differenz zwischen der Dialektik der sinnlichen Gewißheit und der Dialektik des seienden Eins im Parmenides angegeben

c) Die negative Einheit des Gegenstandes Im Wahrnehmungskapitel wird die Beziehung des einen Diesen auf die vielen Diesen vom Bewußtsein erkannt. Es weiß nun selber, nicht nur „wir", daß an einer wirklichen sinnlichen Gewißheit noch vieles beiherspielt (vgl. Phän 80). Der Reichtum der sinnlichen Gewißheit, das an der

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Dritter Teil: Phänomenologie des Geistes

unmittelbaren Gewißheit nur Beiherspielende, gehört der Wahrnehmung an, denn nur die Wahrnehmung „hat die Negation, den Unterschied oder die Mannigfaltigkeit an ihrem Wesen" {Phän 90). Dennoch hat die so zur Wahrnehmung gewordene sinnliche Gewißheit den Standpunkt unmittelbarer Gewißheit noch nicht verlassen, das Wesen der „bestimmten Negation" {Phän 69), des „bestimmten Nichts" {Phän 90) hat sie noch nicht erfaßt. Der problematische Standpunkt der Wahrnehmung besteht darin, daß sie zwar die Position unmittelbarer Gewißheit verlassen hat, aber anderseits nicht in der Lage ist, die vielen einzelnen Diesen als Eigenschaften an einem Ding zu denken. Die Vermittlung der vielen einzelnen Diesen wird von der Wahrnehmung als Aufzählung und Aneinanderreihung von Eigenschaften gedacht. Diese bloße Aneinanderreihung zerstört den Eigenschaftscharakter des individuellen Diesen, d. h. das einzelne Diese wird nicht mehr als Eigenschaft an einem Ding verstanden Die Wahrnehmung ist ständig auf dem Weg, den Standpunkt der sinnlichen Gewißheit zu überwinden, läuft aber immer wieder Gefahr, zur Position unmittelbarer Gewißheit zurückzukehren (vgl. Phän 94). Die Wahrnehmung wird allein durch ihre „Sophisterei", die durch das „Auch" und „Insofern" {Phän 100) verschiedene Rücksichten am Gegenstand und am Wahrnehmenden unterscheidet, davor bewahrt, auf den Standpunkt der sinnlichen Gewißheit zurückzufallen. Es ist dies die Position des gesunden Menschenverstandes, der sich mit den „leeren Abstraktionen der Einzelheit und der ihr entgegengesetzten Allgemeinheit, so wie des Wesens, das mit einem Unwesentlichen verknüpft, eines Unwesentlichen, das doch zugleich notwendig ist," {Phän 100 f) abgibt. Die „Logik des Wahrnehmens" aber kommt zur Erkenntnis, daß die beim Übergang von der sinnlichen Gewißheit zur Wahrnehmung zur Erscheinung gekommene „Negativität" {Phän 94) so gedacht werden muß, daß Einheit und Unterschied des Einen und Vielen in ein und derselben Beziehung behauptet werden muß. Der Gegenstand ist „in einer und derselben Rücksicht das Gegenteil seiner selbst: für sich, insofern er für anderes, und für anderes, insofern er für sich ist" {Phän 99). Diese Stelle kann als der „expliziteste Beitrag der ganzen Phänomenologie zu einem Verständnis von Hegels Theorie des Widerspruchs" angesehen werden. Hegel behauptet hiermit — wie schon am Anfang der Jenaer Zeit (vgl. GW 4. 208) — die bloß formelle Gültigkeit des Nichtwiderspruchsprinzips. Durch den phänomenologischen Aufweis des Gegenstandes als „negativer Einheit" {Phän 92) glaubt Hegel, diesen Verstoß gegen die formale Logik legitimieren zu können. Das Ding als abstraktes allgemeines Medium vieler Eigenschaften wird zur negativen Ein-

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heit, wenn das Nebeneinander der vielen Eigenschaften in die gegenseitige Ausschließung der Eigenschaften untereinander übergeht. Die negative Einheit ist so ausschließende Einheit. Der Gegenstand soll sowohl diese negative Einheit als auch das Zusammenbestehenlassen der einander ausschließenden Eigenschaften sein. Es stellt sich hier die Frage, mit welchem Recht die gegenseitige Abgrenzung der Eigenschaften an einem Ding als Ausschließung verstanden werden muß. Diese Bestimmung des Verhältnisses der Eigenschaften untereinander wird nur verständlich, wenn berücksichtigt wird, daß der Standpunkt der sinnlichen Gewißheit in der Wahrnehmung aufbewahrt ist. Die Behauptung eines Dings als „absolute Negation alles Andersseins" {Phän 99) ist dem Meinen der sinnlichen Gewißheit verpflichtet, das Sein ohne alle Negation behauptet. Der Begriff der negativen Einheit ist von der Position des gesunden Menschenverstandes, der Sophisterei der Wahrnehmung, nicht zu erfassen, weil diese den Standpunkt der sinnlichen Gewißheit nicht aufbewahrt. So kann Hegel das Bewußtsein nur dann dazu auffordern, den Widerspruch zu denken, wenn dieses entgegen dem gesunden Menschenverstand die unmittelbare Seinsgewißheit der sinnlichen Gewißheit konsequent weiter vertritt. Es zeigt sich, daß sich Hegel bei der Konstruktion der Gestalt der Wahrnehmung von dem Standpunkt der sinnlichen Gewißheit leiten läßt. Die sinnliche Gewißheit ist nicht Resultat einer isolierenden Darstellung eines Moments der Wahrnehmung, sondern eine der Wahrnehmung vorangehende selbständige Gestalt, die allererst deutlich macht, was Wahrnehmen heißen kann. Die Theorie des Widerspruchs im Wahrnehmungskapitel wird dadurch fragwürdig. Sie verstößt nicht nur gegen die Gesetze der formalen Logik, sondern bedient sich auch des rein konstruierten Ausgangspunkts der sinnlichen Gewißheit.

2.

Die spekulative Deutung des Kraftbegriffs

Mit den Begriffen PLATONS ZU reden ist am Ende des Wahrnehmungskapitels der Standpunkt der Aisthesis verlassen und der Gegenstand des reinen Denkens, des Noein, gewonnen worden Vom naturwissenschaftlichen Standpunkt aus bedeutet dieser Übergang den von der chemischen Analyse der Eigenschaften eines Dings zur Physik der Kräfte. Von welchem Gesichtspunkt aus auch immer dieser Übergang beurteilt wird, es geht darum, daß der Form, der Einheit von Fürsichsein und Füranderessein, auch ein Inhalt entspricht, d. h. daß Subjekt und Gegenstand sich auch wirklich als negative Einheit erweisen (vgl. Phän 104). Die Momente

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Dritter Teil: Phänomenologie des Geistes

des Fürsichseins und Füranderesseins müssen sich als Momente an einem Prozeß darstellen lassen. Nur so kann der Standpunkt des leeren Seins der sinnlichen Gewißheit und der Sophisterei des Wahmehmens überwunden werden. Denn die Totalität eines Prozesses, der die Einzelheit aufhebt und zugleich zu sich kommen läßt, verhindert die in der sinnlichen Gewißheit und Wahrnehmung geschehene Fixierung auf das Einzelne. Von hier aus ist auch eine nachträgliche Angabe der Motive des Bewußtseins möglich, das den Standpunkt der sinnlichen Gewißheit und Wahrnehmung behauptete. Aufgrund des Fehlens jener Totalität des Prozesses konnte die in der sinnlichen Gewißheit und Wahrnehmung geschehene Vereinzelung stattfinden. Dann genügt aber nicht die nur negative Kritik an der Täuschung des Bewußtseins, es muß vielmehr der positive Sinn von Allgemeinheit aufgezeigt werden. Die Analyse der Kraft soll die Form, die Einheit der Momente des Fürsichseins und des Füranderesseins, gegenständlich darstellen. Um dieses Ziel zu verwirklichen, muß Hegel den Kraftbegriff neu bestimmen. Schon in Glauben und Wissen hatte er sich mit dem Kraftbegriff HERDERS auseinandergesetzt. HERDERS Versuch, SPINOZAS Substanz als Kraft, Macht und Organ zu deuten und dadurch die SpiNozistische Substanzmetaphysik zu aktualisieren, scheitert nach Hegel, weil hier lediglich ein Spiel mit Reflexionsbegriffen getrieben wird (vgl. GW 4. 362) Der Ausdruck „Reflexions-Begriffe" verweist auf KANT, für den der Kraftbegriff lediglich einen Reflexionsbegriff darstellt. Kraft ist für KANT ein abgeleiteter apriorischer Begriff, eine Prädikabilie zur Kategorie der Kausalität Der Kraftbegriff ist wie die Kategorie der Kausalität nur auf Gegenstände möglicher Erfahrung, nicht auf Dinge an sich anwendbar. Im einzelnen unterscheidet KANT zwischen Anziehung und Abstoßung, den dynamischen Kräften, aus denen er die Materie konstruiert sein läßt, und den mechanischen Kräften, die aus der Tätigkeit der dynamischen Kräfte resultieren Von dieser Einteilung der Kräfte geht auch SCHELLING in seiner Naturphilosophie aus. ScHELLiNG kritisiert KANTS Kraftbegriff wegen seines bloß formellen Charakters: „Der Begriff dieser beiden Kräfte [Expansiv- und Attraktivkraft, W. B.], wie er bei KANT bestimmt ist, ist also ein bloß formeller durch die Reflexion erzeugter Begriff." KANT folgt hierin NEWTON, der ebenfalls nicht das Ineinandersein von Expansions- und Attraktionskraft begriff: „Nicht als ob NEWTON nicht lehrte, daß auch der angezogene Körper auf den anziehenden Anziehung äußert, und in diesem Verhältniß Wirkung und Gegenwirkung wieder gleich ist, sondern weil er den ersten in der Qualität seines Angezogenwerdens doch bloß passiv seyn läßt, und unter dem dynamischen Schein die bloß mechanische Erklärungsart ver-

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birgt." Das Ineinanderwirken der Kräfte versteht SCHELLING — wie Hegel (vgl. Phän 110 f) — als ein „freyes Spiel dynamischer Kräfte" Eine Überwindung des KANTischen und NEWTONSchen Kraftbegriffs gelingt nur, wenn die von KANT ausgesprochene Bindung des Kraftbegriffs an das Kausalitätsverhältnis aufgehoben wird. Diese Überwindung gelingt — positiv gesehen —, wenn die Beziehung zwischen Kraft und Selbstbewußtsein erkannt wird. Denn das Wesen der Kraft wird nach SCHELLING erst in der Anschauung des Selbstbewußtseins erfaßt Der Geist erkennt in der Kraft ein seinem Wesen verwandtes Moment In einer Naturwissenschaft, die nicht von der Anschauung des Geistes ausgeht, wird daher der Kraftbegriff ein bloßer Begriff des Verstandes bleiben müssen In seiner Logik und Metaphysik von 1804105 geht Hegel auch auf den Kraftbegriff ein; „Über den soeben erlaüterten Kausalzusammenhang erhebt sich der Begriff der Krafft; die Krafft vereinigt in sich die beyden wesentlichen Seiten des Verhältnisses, die Identität und das Getrenntseyn, und zwar jene als Identität des Getrenntseyns oder der Unendlichkeit" (GW 7. 51). Das Kausalitätsverhältnis kann nicht hinreichend den Kraftbegriff ausdrücken, weil es einseitig an das Substantialitätsverhältnis gebunden ist. Bei Zugrundelegung des Kausalitätsverhältnisses wird das Kräftespiel als ein Aufeinanderwirken von mehreren Substanzen vorgestellt. Durch die Voraussetzung des absoluten Fürsichseins der Substanzen bleibt das Fürednanderessein rein akzidentell (vgl. GW 7. 47). Dadurch entsteht eine scharfe Trennung zwischen Ursache und Wirkung. Im Verhältnis der Kraft ist aber eine solche Trennung nicht mehr möglich. Die Kraft ist wirkende Ursache, sie ist nur Ursache, insofern sie wirkt. Die Phänomenologie führt den Kraftbegriff von vornherein als Einheit von Fürsichsein und Füranderessein ein (vgl. Phän 105). „Für uns" war am Ende des Wahrnehmungskapitels bereits formal das Substantialitäts- und Kausalitätsverhältnis überwunden, für das Bewußtsein jedoch noch nicht. Deshalb ist für es der Kraftbegriff am Anfang des Verstandeskapitels noch an das Kausalitätsverhältnis gebunden. Das Bewußtsein unterscheidet zwischen der eigentlichen, zurückgedrängten Kraft und ihrer Äußerung. Es vertritt den KANxischen Standpunkt, für den die Momente des Fürsichseins und Füranderesseins, des Insichseins und der Äußerung „nur im Gedanken" sind, d. h. diese Momente sind nur Reflexionsbegriffe. Um das Wesen der Kraft zu erfassen, „muß sie ganz vom Gedanken frei gelassen und als die Substanz dieser Unterschiede gesetzt werden". Hegel setzt hier dem KANiischen Reflexionsbegriff der Kraft die Wirklichkeit der Kraft entgegen, die nur in sich ist, insofern sie sich äußert und umgekehrt (vgl. Phän 109 f). Mit dieser Entfaltung des Kraftbegriffs will Hegel seine Ab-

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Dritter Teil: Phänomenologie des Geistes

sicht verwirklichen, die Wirklichkeit als Prozeß verständlich zu machen, in dem es keine einsinnigen Kausalitätsverhältnisse und für sich bestehende Substanzen mehr gibt. Es gibt nur noch das freie Spiel der Kräfte und die Negativität dieses Kräftespiels, die die Negativität der Fixierung auf das Einzelne — wie es in der sinnlichen Gewißheit und der Wahrnehmung geschah — aufzuheben imstande ist. Auf diese Negativität verwies Hegel schon im Wahrnehmungskapitel, als er Tendenzen des Rückfalls auf den Standpunkt der sinnlichen Gewißheit entgegentrat (vgl. Phän 94). Die phänomenologisch-dialektische Darstellung des Kraftverhältnisses ist zu dem Begriff einer Kraft gekommen, die nun nicht mehr wahrgenommen werden kann, sondern in ihrer Idee, in ihrem Begriff gedacht werden muß (vgl. Phän 110). Bei dem Bemühen des Bewußtseins, den Kraftbegriff zu denken, kommt wieder seine KANxische Ausgangsposition zur Erscheinung. Es unterscheidet zwischen dem inneren Wesen der Dinge — den Dingen an sich — und der Erscheinungswelt, es unterscheidet die „Reflexion der Dinge von seiner Reflexion in sich selbst" {Phän 111). Es zeigt sich — wie SCHELLING es formulierte —, daß „unter dem dynamischen Schein" sich weiterhin „die bloß mechanische Erklärungsart verbirgt" Das Bewußtsein beruft sich auf die Verstandesgesetze, die die Kräfteverhältnisse ausdrücken sollen. Dabei löst es gemäß den Prinzipien der modernen Naturwissenschaft qualitative in quantitative Verhältnisse auf. Die dadurch entstehende Verallgemeinerung bedeutet aber einen Verlust an Bestimmtheit, an Konkretheit. Diese Kritik an dem noch nicht zur Vernunft gekommenen Verstand thematisiert das grundsätzliche Problem des Verhältnisses zwischen Wissenschaft und Lebenswelt Wissenschaft im allgemeinen, moderne Naturwissenschaft im besonderen, bedarf einer Metareflexion auf das Verhältnis formaler Gesetze zur konkreten Lebenswelt. Denn es besteht die Gefahr einer Formalisierung in den Wissenschaften, die in ein Spiel tautologischer Erklärungen übergeht. Durch das Auftreten unvorhergesehener Naturerscheinungen werden die Grenzen formaler Gesetze der Naturwissenschaften sichtbar. Hegel spricht von der Verkehrung der Gesetze und dem Entstehen einer verkehrten Welt. Alte Gesetze erfahren eine Modifizierung, Verkehrung ihrer selbst, wenn sie den neuen Erscheinungen angepaßt werden sollen; oder allgemeiner formuliert: die Verstandesgesetze verkehren sich, wenn sie mit der Konkretheit des Lebensprozesses konfrontiert werden. Hegel glaubt nun aus diesen Überlegungen die Aufforderung an das Bewußtsein ableiten zu können, die Entgegensetzung in sich selbst, den Widerspruch zu denken (vgl. Phän 124). Die durch die Phänomenanalysen des Spiels der Kräfte gewonnene Einsicht, daß es den Widerspruch zu denken gilt, befähigt nach Hegel das

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Bewußtsein, das Wesen von Leben und Selbstbewußtsein zu verstehen. Denn Leben und Selbstbewußtsein stellen nichts anderes dar als jene Entgegensetzung und Unendlichkeit, die es zu denken gilt.

3. Der Übergang zu Leben und Selbstbewußt sein

Der Übergang zu Leben und Selbstbewußtsein wird „für uns" expliziert. „Für uns" kommt im Phänomen des Lebens die Kategorie der Unendlichkeit zur Darstellung, deren Exposition der Wissenschaft, d. h. der Logik, angehört (vgl. Phän 127). Für das Bewußtsein kommt der Begriff der Unendlichkeit nicht als solcher im Phänomen des Lebens zur Erscheinung. Als erscheinendes Wissen ist es an die Einseitigkeiten des natürlichen Bewußtseins gebunden, das nur an das reine Denken der logischen Kategorien anspielt, aber dieses nicht selber zu leisten vermag. Insofern das erscheinende Bewußtsein also den Begriff der Unendlichkeit nicht als solchen zu denken vermag, sondern ihn unmittelbar nimmt, tritt es wieder „als eigne Form oder neue Gestalt des Bewußtseins auf, welche in dem Vorhergehenden ihr Wesen nicht erkennt, sondern es für etwas ganz anderes ansieht" (Phän 127 f). Wenn auch das Bewußtsein den Begriff der Unendlichkeit nicht als solchen zu denken vermag, hat es ihn dennoch zum Gegenstand und ist fähig, sich formal als Selbstbewußtsein zu erfassen. Leben und Selbstbewußtsein sind von der gleichen Struktur, sie stellen eine Sichselbstgleichheit dar, die ihre Unterschiede aus sich heraussetzt und wieder in sich zurücknimmt. Die Phänomenologie hätte nun — wie beim Übergang von der sinnlichen Gewißheit zur Wahrnehmung und von dieser zum Verstand — den Übergang vom Verstand zu einer konkreten Erscheinungsform des Lebens zu machen Dieser Übergang wird stattdessen durch Zwischenüberlegungen am Ende des Verstandeskapitels und am Anfang des Selbstbewußtseinskapitels vollzogen. Solche Reflexionen, die die konkrete Fortentwicklung der Gestalten der Phänomenologie unterbrechen und nur „für uns" verständlich sind, kamen schon am Ende und am Anfang der vorangegangenen Kapitel vor. Die Überlegungen am Anfang des Selbstbewußtseinskapitels können von dem Leser, der bei der Nennung des „für uns" mitgemeint ist, rein formal verstanden werden Das in der Einleitung genannte Ziel einer Wissenschaft der Erfahrung des Bewußtseins, die vollständige Entsprechung von Begriff und Gegenstand, ist in der Selbstreflexion des Bewußtseins erreicht. In dem Wissen, das auf sich selbst reflektiert, sind rein formal gesehen Subjekt und

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Objekt gleich, eine vollständige Entsprechung von Begriff und Gegenstand ist erreicht: „Ich ist der Inhalt der Beziehung und das Beziehen selbst; es ist es selbst gegen ein anderes und greift zugleich über dies andre über, das für es ebenso nur es selbst ist" {Phän 134). Hegel kann somit mit Recht erklären, daß wir mit dem Selbstbewußtsein „in das einheimische Reich der Wahrheit eingetreten" sind. Dieses formale Verständnis des Wesens von Selbstbewußtsein verleitet zur Übernahme des FiCHXEschen Standpunktes des Ich = Ich, von dem ©ich Hegel deshalb sofort distanziert. Es entsteht aber dann die Frage „für uns", die Leser, wie jene vollständige Entsprechung von Begriff und Gegenstand im Selbstbewußtsein zu verstehen ist. Hegel verweist auf die Begierde nach Leben, durch die das Ich auf die Erscheinungswelt bezogen ist. Die längeren Ausführungen über die Struktur des Lebens bedeuten eine Wiederholung der Darstellung des Lebens am Ende des Verstandeskapitels. Erst am Schluß der einleitenden Abschnitte des Selbstbewußseinskapitels wird eine Antwort darauf gegeben, wie die Entsprechung von Begriff und Gegenstand im Selbstbewußtsein zu verstehen ist. Das Selbstbewußtsein kann nur in einem andern Selbstbewußtsein zu sich kommen. Die Entsprechung von Begriff und Gegenstand kommt nur innerhalb von Intersubjektivität zustande, indem „Ich, das VJir, und Wir, das Ich ist" {Phän 140). Hegel hat damit dem Leser einen Überblick über den weiteren Verlauf der Phänomenologie gegeben. Die Phänomenologie hat die Einheit von Leben und Selbstbewußtsein darzustellen, die sich als Intersubjektivität, als Geist enthüllt. Es ist festzuhalten, daß„wir", die Leser, den Übergang zu Leben und Selbstbewußtsein rein formal verstehen, also noch nicht zu einem inhaltlichen Verständnis dieses Übergangs im vollen Sinne gekommen sind. Wir erkennen eine immanente Konsequenz bei den Übergängen von einer Gestalt zur andern. Die in der sinnlichen Gewißheit bereits intendierte Sichselbstgleichheit kommt erst im Leben und Selbstbewußt sein zur Erfüllung. Der Übergang zu Leben und Selbstbewußtsein entspricht auch den Überlegungen der Einleitung. Die in der Einleitung geforderte Umkehrung des Bewußtseins kann nur dann vom Bewußtsein selber geleistet werden, wenn es auf sich selbst reflektiert und zwischen dem Gegenstand, wie er an sich ist, und dem Gegenstand, der nur für das Bewußtsein ist, unterscheidet. Das Bewußtsein muß also notwendig Selbstbewußtsein werden, um zum wahren Wissen Vordringen zu können. Durch eine solche Selbstreflexion wird die Möglichkeit geschaffen, den Gegenstand, wie er an sich ist, von dem ihn mißdeutenden Wissen zu unterscheiden. Das Leben aber ist der vom subjektiven Denken frei gelassene Gegenstand. Als ein solcher selbständiger Gegenstand fordert das Leben nicht nur ein

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Erkanntwerden, sondern auch ein Anerkanntwerden das die Voraussetzung für die Erkenntnis von Wahrheit ist. „Für uns", die Leser, wird somit schon am Anfang des Selbstbewußtseinskapitels deutlich, daß das Ziel der Phänomenologie in der Entfaltung des Wesens von Selbstbewußtsein bestehen muß. Im Selbstbewußtsein wird die in der Einleitung thematisierte „Geschichte der Bildung des Bewußtseins" {Phän 67) zur Erfüllung kommen. Die Kategorien der Logik, mit denen das Bewußtsein immer schon operiert, müssen im Selbstbewußtsein vollständig versammelt werden können. Als die bestimmenden logischen Kategorien der phänomenologischen Entwicklung haben sich bisher ergeben: das reine Sein der sinnlichen Gewißheit, Fürsichsein, absoluter Unterschied und Widerspruch in der Wahrnehmung, absolute Verkehrung im Spiel der Kräfte. Bei der Darstellung von Leben und Selbstbewußtsein zeigte sich, daß die Einheit von Fürsichsein und Füranderessein durch die Kategorie der Unendlichkeit realisiert wird. Im Selbstbewußtsein können diese logischen Kategorien nur vollständig versammelt werden, wenn es die „Entgegensetzung in sich selbst", den „Widerspruch" {Phän 124) zu denken vermag. Das Leben unterscheidet sich vom Selbstbewußtsein dadurch, daß es diese Negativität nicht für sich selbst darstellen kann. Aber auch das einzelne Selbstbewußtsein ist dazu nicht in der Lage, sondern nur in der Interaktion mit Selbstbewußtseinen. Ziel der weiteren phänomenologischen Entwicklung wird es somit sein, die Interaktion von Selbstbewußtseinen innerhalb des Erfahrungsbereiches des Bewußtseins darzustellen. Es wird bei dieser Darstellung allerdings primär darum gehen, die Interaktion von Selbstbewußtseinen als den Ort zu erweisen, wo der Widerspruch rein gedacht werden kann. Dabei wird der Phänomenologe notwendig mit zwei Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Erstens ist dem Bewußtsein in einer überzeugenderen Weise, als es im Bewußtseinskapitel geschehen ist und konnte, einsichtig zu machen, daß es darum geht, die Entgegensetzung in sich selbst, den reinen Wechsel zu denken. Zweitens wird die am Anfang des Selbstbewußtseinskapitels nur formal bestimmte Natur des Selbstbewußtseins durch eine Subjektivitätstheorie zu ergänzen sein, welche die dem Selbstbewußtsein gestellte Aufgabe, den Widerspruch zu denken, erfüllen kann. a) Die methodische Bedeutung des Übergangs des Kampfes um Anerkennung in das Herr-Knecht-Verhältnis Der Vergleich der Analyse des Kampfes um Anerkennung und der Herr-Knecht-Dialektik in der Phänomenologie mit den betreffenden real-

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philosophischen Darstellungen dieser Verhältnisse hat gezeigt, daß in der Phänomenologie der Kampf auf Leben und Tod in die Einheit des Lebens und die schöpferische Tätigkeit der Arbeit zurückgenommen wird, aber gleichwohl in veränderter Form bestehen bleibt Die verschiedenen realphilosophischen Darstellungen des Kampfes um Anerkennung machten deutlich, daß in dem Kampf aller gegen alle um Anerkennung und Ehre das Nichts des Todes erfahren wird. In der Erfahrung des Kampfes auf Leben und Tod wird somit für das Bewußtsein die Möglichkeit geschaffen, die Kategorie des Nichts zu denken. Diese Funktion besitzt der in der Phänomenologie des Selbstbewußtseins eingeführte Kampf auf Leben und Tod offenbar auch, selbst wenn der Begriff des Nichts in diesem Zusammenhang nicht ausdrücklich erscheint. Während das Bewußtsein in der sinnlichen Gewißheit einen Zugang zur Kategorie des Seins besitzt, kann es sich in der Erfahrung des allgemeinen Kampfes um Anerkennung auf Leben und Tod zum Denken der Kategorie des Nichts erheben. Die Phänomenologie zieht aus den realphilosophischen Analysen des Kampfes um Anerkennung die Konsequenz, daß das reine Nichts nur innerhalb des Werdens gedacht werden kann, das in den Phänomenen des Lebens und der Arbeit zur Erscheinung kommt. Daß auch das Werden nur vom Nichts aus spekulativ gedacht werden kann, beweist die Rückbindung der Arbeit an die Negativität des Todes, des absoluten Herrn (vgl. Phän 148). Der Übergang vom Kampf um Anerkennung auf Leben und Tod zur Herr-Knecht-Dialektik besitzt somit nicht nur eine phänomenologische Plausibilität, sondern entspricht auch der spekulativen Logik. Die Herr-Knecht-Dialektik der Phänomenologie kann deshalb nicht rein anthropologisch und sozialphilosophisch interpretiert werden Daß es Hegel nicht nur um sozialphilosophische Überlegungen geht, wird auch schon daraus ersichtlich, daß von der Herr-Knecht-Dialektik zur Freiheit des Denkens im Stoizismus übergegangen wird. Diesen Übergang kann man nicht dadurch erklären, daß man im Vorgriff auf Hegels Parallelisierung dieser Strukturelemente des Selbstbewußtseins mit der römischen Welt auf eine bestimmte geschichtliche Konstellation verweist (vgl. Phän 343). Im Selbstbewußtseinskapitel werden die abstralkten Strukturelemente von Selbstbewußtsein überhaupt behandelt, die geschichtliche Welt ist hier noch nicht als solche anwesend. Der Übergang zur Freiheit des Denkens im Stoizismus kann nur dadurch verständlich gemacht werden, wenn man davon ausgeht, daß es in der Herr-Knecht-Dialektik um das Denken, um das Erfassen logischer Kategorien geht. In der Gegenüberstellung von Herr und Knecht hat das Bewußtsein das Verhältnis von Allgemeinem zu Einzelnem, von Identität und Differenz zu denken. Wenn der

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Knecht sich durch seine Arbeit emanzipiert und die Herrschaft des Herrn überwindet, erweist sich das Einzelne als Allgemeines, die Differenz als Identität. Das Problematische des Ausgangs der Herr-Knecht-Dialektik besteht darin, daß die Selbstaufhebung des Einzelnen ins Allgemeine nicht ganz gelingt. Denn der Knecht bleibt weiterhin einem Herrn, nämlich der Todesfurcht, unterworfen Die Versöhnung von Herrschaft und Knechtschaft, d. h. der abstrakten Momente von Identität und Differenz, von Einzelnem und Allgemeinem, ist noch nicht geleistet. Das von der Herrschaft repräsentierte abstrakte Moment der Identität, der Allgemeinheit, besteht weiterhin für sich, wenn auch nunmehr in bezug auf die durch die Emanzipation des Knechtes erreichte Freiheit. Der Stoizismus stellt dieses Moment der Identität, der Allgemeinheit, der Herrschaft dar (vgl. Phän 155). Der Stoizismus entspricht dem Begriff des selbständigen Bewußtseins, der Skeptizismus dem der Emanzipation des Knechtes in Begierde und Arbeit. Weil der Stoizismus das noch nicht überwundene Moment der Herrschaft repräsentiert, besitzt er einen pejorativen Charakter. Insofern der Stoizismus aber jenen Rest von Herrschaft — nämlich der des absoluten Herrn, des Todes, — repräsentiert, der zur vollständigen Emanzipation des Knechtes führen soll, kann er mit der Freiheit selbst identifiziert werden. Insofern ist das stoische Bewußtsein „negativ gegen das Verhältnis der Herrschaft und Knechtschaft" {Phän 153). Der Stoizismus erhebt sich über das Verhältnis von Herrschaft und Knechtschaft, weil er die durch die Arbeit des Knechtes und das Aushalten der Todesfurcht erreichte Freiheit des Denkens zum Inhalt hat. Da aber diese Emanzipation nur „für uns" vollständig ist, fällt die Freiheit des Stoizismus in ein abstraktes, inhaltloses Denken zurück. — „Für uns" hat sich bei der Darstellung des Stoizismus gezeigt, daß das wahre Wesen des Selbstbewußtseins im Denken liegt, in dem nicht mehr der Begriff vom Seienden getrennt wird. Der seiende Gegenstand ist „in ungetrennter Einheit mein Fürmichsein" {Phän 152). Die Einheit von Bewußtsein und Selbstbewußtsein geschieht aber nicht in einer bestimmten Form des sich vorstellenden, sondern des sich begreifenden Bewußtseins. Indern das Bewußtsein begreift, kommt es zu sich selbst. Begreifen, Zusichkommen des Bewußtseins und Einheit des zusichkommenden Bewußtseins mit seinem seienden Gegenstand bilden in dem vollständigen Begriff des Selbstbewußtseins eine Einheit. Diese Idee des wahren Selbstbewußtseins leitet Hegel bei der Darstellung der Strukturelemente des Selbstbewußtseins im Selbstbewußtseinskapitel. Erst auf dem Hintergrund dieser vorausgesetzten Idee des Selbstbewußtseins werden die folgenden Übergänge vom Stoizismus zum Skeptizismus und vom Skeptizismus zum unglücklichen Bewußt-

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sein ganz verständlich. Die Idee wahren Selbstbewußtseins wird im Blick auf das Phänomen absoluter Entzweiung entworfen. Im Kampf um Anerkennung auf Leben und Tod führte die absolute Entzweiung zu einer abstrakten Negation. Die Negativität der Todesfurcht, der der Knecht weiterhin als seinem absoluten Herrn unterworfen bleibt und durch die Emanzipation des Knechtes vollendet werden soll, führt zu Freiheit des Denkens und läßt das Wesen wahren Selbstbewußtseins greifbar naherücken. Im Scheitern des Stoizismus wird offenbar, daß das Zusichkommen und Sichbegreifen des Bewußtseins bisher einseitig vom Selbstbewußtsein aus gedacht wurde, d. h. daß die Negation des dem Bewußtsein gegenüberstehenden Seienden nicht an diesem selbst vollzogen wurde. Der Skeptizismus erinnert wieder an die Begierde und Arbeit, in der eine Selbstaufhebung des Gegenstandes erfahren wurde. Der emanzipierte Knecht hat zum Ursprung seiner Freiheit zurückzukehren, jetzt jedoch im Unterschied zur Zeit seines Dienstes für einen konkreten Herrn mit dem Bewußtsein seiner Freiheit (vgl. Phän 155). Im Skeptizismus wird die Negativität des stoischen Selbstes zur „realen Negativität", anderseits wird die in Begierde und Arbeit geschehene Negation jetzt zur „selbstbewußten Negation" (Phän 156). Deshalb stellt der Skeptizismus in der bisherigen Bewegung der Phänomenologie einen Höhepunkt dar, weil nun das Bewußtsein dazu fähig ist, die Negation an sich selbst und an seinem Gegenstände selbstbewußt zu übernehmen. Vorher nahm es die Übergänge von einer Gestalt zur anderen passiv entgegen, jetzt vollzieht es die Übergänge im Bewegungsablauf der Phänomenologie aktiv. Im Grunde setzt erst mit dem Skeptizismus eine Wissenschaft der „Erfahrung" des Bewußtseins ein. Nach dem Programm der Einleitung kann nämlich erst dann von Erfahrung geredet werden, wenn das Bewußtsein die dialektische Bewegung der Phänomenologie selber ausübt (vgl. Phän 73). Die Negativität des Skeptizismus, der auf eine Negation der wirklichen, seienden Gegenstände geht, hatte Hegel schon im Skeptizismusaufsatz als charakteristisches Merkmal des antiken Skeptizismus herausgestellt In der Phänomenologie betont Hegel die Begrenztheit auch dieses antiken Skeptizismus, den er im Skeptizismusaufsatz so sehr gelobt hatte (vgl. Phän 157) Nicht nur der moderne, auch der antike Skeptizismus endet im subjektiven Meinen, weil er sich mit Einzelnem und Zufälligem herumtreibt. Der alte Gegensatz zwischen Herrschaft und Knechtschaft bricht in neuer Gestalt wieder auf. Das skeptische Bewußtsein negiert das stoische Bewußtsein und verhilft der Begierde und Arbeit des Knechtes durch die selbstbewußte Negation zum Erfolg. Da es aber nicht diese verschiedenen Negationsformen zusammendenken kann, bleibt es der negierten Position verhaftet. Es ist

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somit zugleich Herr als stoisches Bewußtsein und Knecht im selbstbewußten Vollzug von Begierde und Arbeit. Dadurch sind Herr und Knecht in einem Selbstbewußtsein verkörpert (vgl. Phän 158). Dem Skeptizismus gelingt die Durchführung der selbstbewußten Negation nicht, er behauptet abwechselnd das Moment der Herrschaft und das der Knechtschaft. Der antike Skeptizismus oder der Skeptizismus eines MONTAIGNE, SO könnte man sagen, geht in den PASCALS über Logisch gesehen wird im Skeptizismus die Einzelheit zur Allgemeinheit und umgekehrt, ohne daß jedoch die Einzelheit an ihr selber zur Allgemeinheit wird und umgekehrt. Die nun erreichte Gestalt des unglücklichen Bewußtseins bleibt logisch gesehen innerhalb der Herr-Knecht-Dialektik, weil der Ausgleich zwischen Allgemeinem und Einzelnem nicht gelungen ist. — Das unglückliche Bewußtsein wird als in drei Verhältnissen existierend dargestellt, denen drei Epochen der Geschichte zuzuordnen sind: Judentum, Christentum und ein im Säkularisationsprozeß sich befindendes Christentum. Im Judentum hat das Bewußtsein noch nicht das Einssein des Unwandelbaren und Wandelbaren erkannt, der Mensch steht als Knecht Gott seinem Herrn gegenüber. Im Christentum ist Gott selber Mensch geworden, hier hat „das Unwandelbare selbst an ihm die Einzelheit für es" {Phän 160). Das Einzelne ist mit dem Allgemeinen, Gott mit dem Menschen versöhnt; Gott ist zum Geiste geworden, der bei den Menschen bleibt und die Einheit zwischen Gott und Menschen bezeugt. Den drei verschiedenen Epochen sind drei verschiedene Verhaltensweisen des Bewußtseins zuzuordnen (vgl. Phän 162). Zuerst verhält sich das Bewußtsein zum Unwandelbaren als inneres Gemüt, als Sehnsucht und Gefühl. Hier bezieht Hegel in die Darstellung des Judentums die mittelalterliche Kreuzzugsidee und den Protestantismus ein, — z. B. eines JACOBI und SCHLEIERMACHER. Zweitens verhält sich das Bewußtsein als begehrend und afbeitend. Durch die Inkarnation wird die Welt ausdrücklich geheiligt, sie dient nun der Selbstverwirklichung des Menschen. In der Arbeit wird diese Selbstverwirklichung am unmittelbarsten geleistet. Während im zweiten Verhältnis noch das Danken für die dem Bewußtsein überlassene Welt das Begehren, Arbeiten und Genießen überwiegt, kommt das Bewußtsein im dritten Verhältnis zur Erfahrung seiner Selbständigkeit, das Bewußtsein hat sich „als wirkliches und wirkendes Bewußtsein erfahren" {Phän 168). Die Darstellung des unglücklichen Bewußtseins endet aber nicht mit der Behauptung eines solchen säkularisierten Christentums, vielmehr wird die Bedeutung des praktischen Christentums für die Emanzipation des neuzeitlichen Bewußtseins herausgestellt. Begehren, Arbeiten, Genießen alleine können nicht Freiheit garantieren, es muß die Entäußerung des Ich hinzukommen. Das Be-

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wußtsein bliebe sonst knechtisches Bewußtsein. Wir wären in den Anfang der Herr-Knecht-Dialektik zurückgeworfen, wenn sich das Bewußtsein nicht an ihm selber als allgemeines erweist. Das Werden des Bewußtseins zum allgemeinen wird nun durch den Begriff der Entäußerung gekennzeichnet (vgl. Phän 170). Entscheidend an dieser Stelle ist, daß Hegel der Askese des Christentums für den Prozeß der Entäußerung des Ich größte Bedeutung beimißt. Denn „in der wirklich vollbrachten Aufopferung hat an sich, wie das Bewußtsein das Tun als das seinige aufgehoben, auch sein Unglück von ihm abgelassen". Bei der Darstellung der drei Verhältnisse des unglücklichen Bewußtseins fällt auf, daß Judentum und Christentum nicht so sehr von ihnen selbst her gesehen werden. Das erste Verhältnis wird im Blick auf eine bestimmte protestantische Subjektivität konstruiert. Im zweiten und dritten Verhältnis wird die Bedeutung von Begierde und Arbeit betont. Es ist aber fraglich, ob Begierde und Arbeit so eng mit dem Christentum verbunden sind, wie Hegel es darstellt.

b) Einheit von Bewußtsein und Selbstbewußtsein Im Selbstbewußtseinskapitel gibt es einige direkte und indirekte Rückverweise auf das Bewußtseinskapitel, durch die die Einheit von Strukturelementen des Selbstbewußtseins mit denen des Bewußtseins verdeutlicht werden kann. So knüpft die Herr-Knecht-Dialektik an das Spiel der Kräfte im Verstandeskapitel an, das Kräftespiel in der Natur wird nun zu einem sozialen Kräftespiel erweitert (vgl. Phän 142). Das soziale Kräftespiel ist ein Schluß, in dem jedes Extrem zugleich vermittelnde Mitte, zu sich kommendes Bewußtsein ist. Die Mitte ist das Selbstbewußtsein, das die sich anerkennenden Bewußtseine als Extreme selber sind. Dieser Schluß des Anerkennungsprozesses ist wiederum durch einen Schluß zu vermitteln, in dem die Dingwelt die vermittelnde Mitte zwischen den Extremen der sich anerkennenden Bewußtseine darstellt (vgl. Phän 143 u. 146). Das soziale Kräftespiel des Anerkennungsprozesses wird im unglücklichen Bewußtsein weitergeführt (vgl. Phän 160). Der Bezug zum Verstandeskapitel wird darüber hinaus durch eine ähnliche Thematik hergestellt. Dem Verhältnis zwischen Einzelnem und Unwandelbaren entspricht der Gegensatz zwischen sixmlicher und übersinnlicher Welt, zwischen Diesseits und Jenseits im Verstandeskapitel (vgl. Phän 113). Die in diesem Kapitel stattfindende Verkehrung findet auch im unglücklichen Bewußtsein statt, indem das absolute Wesen selbst endlich wird. Schon im Verstandeskapitel wird diese

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Parallelisierung durch eine Anspielung auf das Neue Testament hergestellt (vgl. Phän 122). Im unglücklichen Bewußtsein gelangt das Bewußtsein zu seinem Fürsichsein durch einen Schluß, in dem das endliche Bewußtsein und das unwandelbare Wesen die Extreme sind, die durch die vermittelnde Mitte des Priesters und der kirchlichen Institution zusanunengeschlossen werden (vgl. Phän 169 f). Es stellt sich die Frage, wie die im Selbstbewußtseinskapitel vorkommenden verschiedenen Schlußformen in einem Schluß zusammengedacht werden können. Am Anfang des Selbstbewußtseinskapitels, in der Deduktion von Leben und Selbstbewußtsein „für uns", wurde von der unmittelbaren Begierde, die sich auf ein Lebendiges richtet, die Begierde überhaupt unterschieden, die den Gegensatz von Erscheinung und Wahrheit des Bewußtseins überwinden soll (vgl. Phän 135). Man könnte sagen, daß es Aufgabe der verschiedenen Schlußformen des Selbstbewußtseinskapitels ist, den Gegensatz zwischen Erscheinung und Wahrheit des Bewußtseins in der Begierde überhaupt zu überwinden. Im Blick auf die Definition des Denkens bei der Darstellung des stoischen Bewußtseins kann auch gesagt werden, daß es Aufgabe der verschiedenen Schlußformen ist, den Gegensatz zwischen Begriff und Seiendem, zwischen Fürsichsein und Gegenstand zu überwinden (vgl. Phän 152). Hier wäre auch an die entsprechenden Ausführungen der Einleitung zu erinnern. Es stellt sich aber weiterhin die Frage, welches Strukturelement des Selbstbewußtseins Träger dieser Entfaltung der verschiedenen Schlußformen ist. Der Begriff Begierde überhaupt in Unterscheidung von der unmittelbaren Begierde weist offenbar auf den Skeptizismus hin, insofern dieser der unmittelbaren Begierde des Knechtes durch das Bewußtsein der Freiheit, das im Stoizismus erreicht wurde, zum Erfolg verhilft und somit die unmittelbare Begierde in eine Begierde überhaupt verwandelt. Der Skeptizismus kann am ehesten als Träger der Realisierung des Selbstbewußtseins auftreten, weil er die „selbstbewußte Negation" vollzieht, die Negativität zu einer „realen Negativität" werden läßt und aktiv an der Entwicklung der phänomenologischen Bewegung teilnimmt, so daß nun überhaupt erst eine Erfahrung des Bewußtseins im strengen Sinne möglich ist. Die Phänomenologie als „sich vollbringender Skeptizismus" {Phän 67) offenbart in der Gestalt des Skeptizismus ihr eigenes Wesen. Der Standpunkt des Skeptizismus als ein bestimmter Vollzug von Begierde und Arbeit kann nicht rein theoretisch genommen werden. Als theoretisches Denken aber hat der Skeptizismus den im Verstandeskapitel auf gestellten Schluß zu realisieren, „welcher zu seinen Extremen das Innere der Dinge und den Verstand, und zu seiner Mitte die Erscheinung hat" {Phän 111).

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c) Die Struktur absoluten Wissens Nach der bisherigen Interpretation des Bewußtseins- und Selbstbewußtseinskapitels kann bereits die Struktur absoluten Wissens bezeichnet werden, die dem Ansatz der Phänomenologie notwendig entspricht. Die Phänomenologie bedeutet einen sich vollbringenden Skeptizismus, der im Verlaufe der phänomenologischen Bewegung selber in einer besonderen Gestalt auftreten muß, weil eine Wissenschaft der Erfahrung des Bewußtseins als sich vollbringender Skeptizismus zunächst selber der Erscheinung angehört und neben anderem Wissen auf tritt (vgl. Phän 66). Die Wissenschaft darf aber nicht neben anderem Wissen auftreten, wenn sie wirklich Wissenschaft sein will, sondern sie muß sich als Grundlage allen Wissens erweisen. Das bedeutet aber, daß die skeptische Ausrichtung des Wissens in den verschiedensten Gestalten der Phänomenologie zur Erscheinung kommen muß. Der Skeptizismus als eine besondere Gestalt der Phänomenologie muß sich aufheben, um sich als das Wesen der phänomenologischen Bewegung selber zu erweisen. Für die Weiterführung der Strukturelemente des Selbstbewußtseins im Verlauf der phänomenologischen Bewegung bedeutet dies, daß die Herr-Knecht-Dialektik, Begierde und Arbeit, die Zerrissenheit des unglücklichen Bewußtseins sich als Formen skeptischen Verhaltens darstellen lassen müssen. Die Skeptizismusproblematik ist somit zum Leitfaden der weiteren Interpretation der Phänomenologie zu machen. Zweitens kann im Blick auf die Vorrede gesagt werden, wie der Schluß, „welcher zu seinen Extremen das Innere der Dinge und den Verstand, und zu seiner Mitte die Erscheinung hat", durch den Skeptizismus zu realisieren ist. Die Selbstaufhebung des Skeptizismus als einer besonderen Gestalt der Phänomenologie bedeutet die Vollendung jenes Schlusses. In dieser Selbstaufhebung wird der endliche, bloß reflektierende Verstand vernichtet, um in den Verstand als „ungeheure Macht des Negativen" {Phän 29) überzugehen. In der „Tätigkeit des Scheidens" als der „Arbeit des Verstandes" und als „der verwundersamsten und größten, oder vielmehr der absoluten Macht" vollendet sich der Skeptizismus und die Selbstvernichtung des endlichen Verstandes. Der Verstand als „ungeheure Macht des Negativen" erweist sich als Selbstbewußtsein, als „Energie des Denkens, des reinen Ichs". Ziel der Phänomenologie als sich vollbringender Skeptizismus ist es somit, diese Macht des Denkens und des reinen Ich zu werden, die dem „Negativen ins Angesicht schaut, bei ihm verweilt" {Phän 30) und durch die Zauberkraft dieses Verweilens das Negative ins Sein umkehrt. Das Bewußtsein bleibt solange knechtisches Bewußtsein, bis es die Ar-

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beit dieser Macht des Verstandes selbst übernommen hat. Die Arbeit des Verstandes wird in der Vorrede auch als „Anstrengung des Begriffs" (Phän 48) bezeichnet. Drittens bedeutet absolutes Wissen das Zusichkommen des Bewußtseins im wissenden Nachvollzug der Bewegung logischer Kategorien. Viertens wird im absoluten Wissen die am Anfang des Selbstbewußtseinskapitels vorgenommene Zuordnung von Leben und Selbstbewußtsein auch für das Bewußtsein einsichtig und erfahrbar geworden söin. Am Ende des Selbstbewußtseinskapitels ist diese Zuordnung noch nicht für das Bewußtsein vollständig einsichtig gemacht. Der Gegenstand von Begierde und Arbeit wird einseitig vom Knecht oder vom Herrn aus gesehen, der Gegenstand erscheint nicht so wie er an ihm selbst ist, nämlich als ein lebendiger. „Lebendig" ist hier allerdings in dem am Anfang des Selbstbewußtseinskapitels eingeführten emphatischen, spekulativen Sinn zu nehmen. Ebenso ist am Ende des Selbstbewußtseinskapitels das Selbstbewußtsein noch nicht in seiner wahren Gestalt aufgetreten, nämlich als intersubjektives, als Geist. Das Ziel des Schlusses, „welcher zu seinen Extremen das Innere der Dinge und den Verstand, und zu seiner Mitte die Erscheinung hat", der durch die Skepsis des reinen Ich zu realisieren ist, bedeutet nichts anderes als die Erfahrung von Leben und Selbstbewußtsein in dem am Anfang des Selbstbewußtseinskapitels angegebenen emphatischen Sinn. Vorausgesetzt daß in den folgenden Kapiteln der Phänomenologie nicht eine vollständige Änderung dieser Zielvorstellung eintritt, ist die Idee der Phänomenologie in der Entfaltung des spekulativen Begriffs von Leben und Selbstbewußtsein zu sehen. Erst in der vollständigen Entfaltung des spekulativen Begriffs von Leben und Selbstbewußtsein wird das Einzelne an ihm selber Allgemeines und umgekehrt, d. h. das „für sich seiende Diskrete" wird in den „reinen Prozeß" {Phän 138) aufgehoben und zugleich gesetzt, der in der realen Welt bestehende Widerspruch wird aufgehoben und zugleich gesetzt. Diese Idee des Lebens und des Selbstbewußtseins als Geist impliziert jene spekulativen Voraussetzungen der Hegelschen Logik, die selber der skeptischen Kritik auszusetzen sind. Die „ungeheure Macht des Negativen" des reinen Ich soll den Widerspruch nicht nur im logischen Denken setzen und aufheben, sondern auch in der realen Welt. Zusammenfassend kann gesagt werden, daß Hegel in den folgenden Kapiteln der Phänomenologie die Struktur von Leben und Selbstbewußtsein genauer bestimmen muß, um in ihr das spekulative Wesen von Leben und Selbstbewußtsein für das Bewußtsein zur Erscheinung kommen zu lassen. Diese Fortbestimmung der Struktur von Leben und Selbstbe-

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wußtsein muß Hand in Hand gehen mit einer skeptischen Selbstverständigung des Bewußtseins, so daß es seiner selbst als der „ungeheuren Macht des Negativen" gewahr wird.

4. Weiterführung von Strukturelementen des Bewußtseins und Selbstbewußtseins a) Die Vernunft Ausgangspunkt des Vernunftkapitels ist die im unglücklichen Bewußtsein erreichte Vergegenständlichung des Selbstbewußtseins. Durch diese Vergegenständlichung wird die in allen Gestalten des Selbstbewußtseins vorhandene bloß negative Einstellung zum Gegenstand in eine positive umgewandelt. Als Vernunft kann das Bewußtsein die Realität in Ruhe ertragen; es weiß, daß die „Wirklichkeit nichts anders ist als es" {Phän 176). Insofern wäre das Ziel der Phänomenologie erreicht, die Einheit von Begriff und Seiendem zu realisieren. Doch ist das Bewußtsein noch nicht zu jener am Ende der Phänomenologie geforderten „Er-Innerung" {Phän 564) fähig. Es hat den bisher durchlaufenen Weg der phänomenologischen Bewegung vergessen, so daß es in einen Skeptizismus zurückfällt, der die Bewegung des Bewußtseinskapitels erneut durchläuft. Dieser Skeptizismus unterscheidet sich von dem des Selbstbewußtseinskapitels durch seine positive Einstellung zum Gegenstand. Hegel denkt hier an den schon im Skeptizismusaufsatz behandelten modernen Skeptizismus Diesem modernen Skeptizismus der mit KANT aufgekommenen kritischen Philosophie geht die Negativität des antiken Skeptizismus abhanden, so daß er auf der Stufe des wahrnehmenden Verstandes stehenbleibt (vgl. Phän 181). Die Positivität dieses Skeptizismus ist somit ambivalent. Einerseits drückt sich in ihr das Wissen des vernünftigen Bewußtseins aus, alle Realität zu sein, anderseits bedeutet diese Positivität einen Mangel an Negativität. Als Form des Skeptizismus wiederholt die beobachtende Vermmft die Dialektik von sinnlicher Gewißheit, Wahrnehmung und Verstand nun für das Bewußtsein, so daß die im Bewußtseinskapitel nur vom Philosophen geleistete Aufhebung der einzelnen Bewußtseinsgestalten „nun von dem Bewußtsein für es selbst aufgehoben" {Phän 183) wird. Das Ziel der im Vernunftkapitel stattfindenden Wiederholung der ersten Bewußtseinsgestalten für das Bewußtsein besteht darin, die Einheit der „Kategorie" {Phän 178), die Identität von Denken und Sein, von Bewußtsein und Selbstbewußtsein zu realisieren.

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Wie in der beobachtenden Vernunft die Bewegung des Bewußtseinskapitels wiederholt wurde, so wiederholt die Verwirklichung des vernünftigen Selbstbewußtseins die Bewegung des Selbstbewußtseinskapitels (vgl. Phän 255). Die Phänomene Begierde und Arbeit werden erneut analysiert, ohne daß jedoch ausdrücklich auf die Herr-Knecht-Dialektik Bezug genommen wird (vgl. Phän 257 u. 263). Die Arbeit des einzelnen Individuums erscheint nun als allgemeine Arbeit, d. h. als Arbeit für andere. Die Begierde, die sich auf das Leben, insbesondere auf ein anderes Selbstbewußtsein, richtet und es genießen will, tritt in einen Kampf mit dem Schicksal ein. Es muß den Doppelsinn von dem erfahren, „was es tat, nämlich sein Leben sich genommen zu haben; es nahm das Leben, aber vielmehr ergriff es damit den Tod" (Phän 265). — In der sich an und für sich selbst reellen Individualität wird die am Anfang des Vernunftkapitels ausgesprochene Gewißheit des Bewußtseins, alle Realität zu sein, endlich eingeholt. Der Gegenstand wird nun nicht mehr einseitig nur vom Bewußtsein oder vom Selbstbewußtsein aus angegangen. Er ist nicht mehr das Negative des Selbstbewußtseins, aber auch nicht mehr das Ding der sinnlichen Gewißheit und Wahrnehmung. Der Gegenstand ist nun eine Sache, denn das „Ding der sinnlichen Gewißheit und des Wahrnehmens hat nun für das Selbstbewußtsein allein seine Bedeutung durch es; hierauf beruht der Unterschied eines Dings und einer Sache" {Phän 295). Das Individuum, dem es nun um die Sache selbst geht, kann jedoch noch nicht an und für sich selbst reell sein, weil ihm die Substantialität des Sittlichen, des Staates fehlt. Das Bewußtsein, „das eine Sache auftut, macht vielmehr die Erfahrung, daß die Andern, wie die Fliegen zu frisch aufgestellter Milch, herbeieilen und sich dabei geschäftig wissen wollen" {Phän 300). Es zeigt sich, daß das Bewußtsein die Erfahrung des Sittlichen erst noch machen muß oder daß es die schon einmal gemachte Erfahrung des Sittlichen wieder in Erinnerung bringen muß (vgl. Phän 258—261). Hegel behauptet einerseits, daß das Selbstbewußtsein aus der sittlichen Substanz herausgetreten ist, daß es das Glück der unmittelbaren Anerkennung seiner selbst im Leben eines Volkes verloren hat. Anderseits soll es erst noch die Erfahrung der Anerkennung in der sittlichen Totalität machen. Diese sich scheinbar widersprechenden Behauptungen ergeben sich aus der Zweideutigkeit der Gestalten des praktischen Idealismus der Vernunft, aus der besonderen Stellung des vorgeschichtlichen Teils der Phänomenologie. Obwohl den Gestalten des praktischen Idealismus die geschichtliche und sittliche Erfahrung fehlt, kann jedoch der Betrachter, der um die immer schon implizit vorausgesetzte geschichtliche Welt weiß, Beziehungen des praktischen Idealismus zur sittlichen Substanz aufstellen. Bei diesem Verfahren beruft

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Dritter Teil; Phänomenologie des Geistes

sich Hegel auf das Selbstverständnis des praktischen Idealismus seiner Zeit, der selber darum weiß, daß die Abstraktheit und Isoliertheit seiner Position auf einem Verlust der sittlichen Substanz beruht. Daher hat der Versuch, eine Erfahrung des Sittlichen in der geschichtlichen Welt zu gewinnen, für den praktischen Idealismus den Chrarakter der Wiederholung (vgl. Phän 261). Die Wiederholung der Erfahrung des Sittlichen in der geschichtlichen Welt hat die Aufhebung der unmittelbaren Triebe und Meinungen des Bewußtseins zum Ziel, um das Bewußtsein zu seinen wahren Bedürfnissen zu führen. Die Erkenntnis dieser erreicht es erst in der Moralität, wenn es in der Gemeinschaft der Selbstbewußtseine zu seinem eigenen Selbst gekommen ist. Auf dem Wege zum moralischen Bewußtsein ist die Erfahrung der sittlichen Welt der Griechen von Bedeutung, weil die Reinigung der unmittelbaren Absichten und Zwecke nur dann wirklich stattfindet, wenn diese Zwecke „aus der Substanz selbst" {Phän 260) hervorgegangen sind.

b) Der Geist In der Konfrontation mit der sittlichen Welt der Griechen beginnt das Bewußtsein wieder bei einer Unmittelbarkeit, um von hier ausgehend neue Erfahrungen zu machen. Insofern kann die unmittelbare Gewißheit des sittlichen Seins mit dem Bewußtsein des abstrakten sinnlichen Seins parallelisiert werden. Wie die sinnliche Gewißheit in die Wahrnehmung überging, so geht die unmittelbare Gewißheit der sittlichen Welt in das Bewußtsein der Vielheit der sittlichen Momente über (vgl. Phän 318). Dieser Übergang ermöglicht weitere Parallelisierungen, die sich auf Strukturelemente des Selbstbewußtseins beziehen. Der Stoizismus findet sich im Standpunkt des römischen Rechts wieder, der Skeptizismus in dessen Formalismus. Wie im Selbstbewußtseinskapitel der Skeptizismus scheiterte, so scheitert auch das formale römische Recht an seiner Aufgabe, Eigentum zu sichern. Statt Recht herrscht die Macht des Herrn der Welt, des römischen Kaisers. Diese chaotische Welt des Rechts erzeugt das unglückliche Bewußtsein, das im Christentum zu einer konkreten geschichtlichen Erscheinung wird (vgl. Phän 343—346). Die Welt der Bildung und des sich entfremdeten Geistes wird durch die dem unglücklichen Bewußtsein eigentümliche Trennung zwischen Diesseits und Jenseits bestimmt. In der Welt der Bildung besteht die Spannung zwischen Verbleiben in der wirklichen, chaotischen Welt und Rückzug des Bewußtseins aus ihr fort. Stoizismus und Skeptizismus werden jetzt in negativer Abgrenzung mit

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einem Bewußtsein in Verbindung gebracht, das aus der wirklichen, entfremdeten Welt den Rückzug angetreten hat. Das reine, über die Welt der Entfremdung sich erhebende Bewußtsein tritt in zwei Gestalten auf, als Glaube und reine Einsicht der Aufklärung. Der Glaube ist eine Flucht aus der Wirklichkeit. Als Rückzug des Bewußtseins auf sich selbst entspricht er dem Wesen des stoischen Selbstbewußtseins. Im Gegensatz zum Stoizismus wird der Gedanke aber nicht als solcher zum Gegenstand, sondern nur innerhalb der religiösen Vorstellung; dem Glauben ist nicht die „Form des Gedankens" {Phän 377) als solcher das Geltende. Der Glaube ist auch nicht unmittelbar mit dem unglücklichen Bewußtsein zu parallelisieren, da das unglückliche Bewußtsein im Selbstbewußtseinskapitel nicht im Gegensatz zu einer entfremdeten Welt auftrat. Die reine Einsicht, die neben dem Glauben als eine Form des reinen Bewußtseins auftritt, verwirklicht in ihrer polemischen Richtung gegen den Glauben ein skeptisches Moment. Aber auch hier besteht ein wesentlicher Unterschied zum Skeptizismus des Selbstbewußtseinskapitels, weil die reine Einsicht „aus der Substanz geboren" {Phän 385) ist. Im Kampf der reinen Einsicht der Aufklärung mit dem Glauben zeigt sich, daß der Glaube nicht über den Standpunkt der Wahrnehmung hinausgekommen ist und die reine Einsicht bei der Eitelkeit des Verstandes stehenbleibt (vgl. Phän 406). Das Resultat des Kampfes zwischen reiner Einsicht und Glauben ist die Wahrheit der Aufklärung, in der die Dialektik des sich entfremdeten Geistes der Welt der Bildung zu einem vorläufigen Abschluß gelangt. In dem Kampf der Aufklärung mit dem Aberglauben hatte sich schon ergeben, daß die Aufklärung zum Standpunkt der sinnlichen Gewißheit zurückkehrt, der jetzt aber als „Resultat erfahren" wird: „Auf die Einsicht der Nichtigkeit aller andern Gestalten des Bewußtseins, und somit alles Jenseits der sinnlichen Gewißheit gegründet, ist diese sinnliche Gewißheit nicht mehr Meinung, sondern sie ist vielmehr die absolute Wahrheit" {Phän 397 f). Der Aufklärung gelingt es aber nicht, das sinnliche Sein mit dem Sein des absoluten Wesens des Glaubens in einer Einheit zusammenzudenken. Sie erkennt nicht, daß das zum „reinen Ansich" und zur „absoluten Materie" {Phän 410) abstrahierte Sein der sinnlichen Gewißheit und Wahrnehmung mit dem absoluten Sein des höchsten Wesens darin übereinkommt, daß sowohl das Sein der Materie als auch das Sein des höchsten Wesens das „reine Denken in sich selbst" sind: „Das gemeinschaftliche Allgemeine ist die Abstraktion des reinen Erzitterns in sich selbst, oder des reinen sich selbst Denkens" {Phän 410 f). Die Behauptung einer absoluten Materie geht von einer reinen Positivität ohne Negation aus; die Behauptung eines absoluten, höchsten Wesens konstituiert sich dagegen

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durch Negation jeder Endlichkeit und behauptet somit „rein Negatives". Es sind die „abstrakten Momente des reinen Seins und des Negativen", wodurch sich beide Betrachtungsweisen voneinander unterscheiden. Ziel der folgenden phänomenologischen Bewegung ist es, die Einheit beider abstrakten Momente hervorzubringen. Die reine Einsicht konnte dieses Ziel nicht erreichen, da sie es auf nur abstrakte, nicht auf gegenständliche Weise zu erstreben suchte. Sie muß sich zur Nützlichkeit der Welt bekennen, um diese fehlende Gegenständlichkeit zu erreichen: „Dies Fehlende ist in der Nützlichkeit insofern erreicht, als die reine Einsicht daran die positive Gegenständlichkeit erlangte; sie ist dadurch wirkliches in sich befriedigtes Bewußtsein" {Phän 413). Im Nützlichkeitsprinzip ist die Einheit von Ansichsein und Füranderessein erkannt. Denn das zu genießende und zu gebrauchende Sein ist nützlich, wenn es einerseits ein in sich bestehendes Sein besitzt, anderseits dieses Sein dem Genuß und Gebrauch preisgibt. Das Nützliche ist als diese Einheit von Ansichsein und Füranderessein Fürsichsein: „Es ist ein an sich Bestehendes oder Ding, dies Ansichsein ist zugleich nur reines Moment; es ist somit absolut für ein anderes, aber es ist ebenso nur für ein Anderes, als es an sich ist; diese entgegengesetzten Momente sind in die unzertrennliche Einheit des Fürsichseins zurückgekehrt" {Phän 411 f). Im Nützlichkeitsprinzip ist zwar die Einheit der abstrakten Momente des Positiven und Negativen, des Ansichseins und Füranderesseins praktisch vollzogen, aber noch nicht im Denken. In der Französischen Revolution verwirklicht sich das Nützlichkeitsdenken im politischen Leben, ohne daß jedoch der neu geschaffenen politischen Wirklichkeit ein Denken zur Seite steht, das die Momente des Positiven und Negativen, des Ansichseins und Füranderesseins in ihrer Einheit und Unterschiedenheit festhalten würde. Die politisch handelnden Individuen werden aber von der politischen Wirklichkeit selber daran erinnert, daß ohne ein solches Denken die politische Praxis scheitert. Der „absolute Herr, der Tod" {Phän 420) tritt auf und erinnert an die Notwendigkeit einer durch das reine Denken bestimmten politischen Praxis. Die Französische Aufklärung glaubte zwar, eine Einheit von Theorie und Praxis erreicht zu haben, aber es herrschte nur eine abstrakte Negativität vor, nicht die Negativität des Begriffs. Die Suche nach der Negativität des Begriffs, die sich schon im Kampf der Aufklärung mit dem Aberglauben als Negativität des Selbstbewußtseins herausgestellt hatte (vgl. Phän 401), wird nun zu einer Suche nach dem wahren Wesen von Selbstbewußtsein. Das wahre Wesen von Selbstbewußtsein — und damit von Negativität — kann aber nur gefunden werden, wenn die Stufe des wahrnehmenden Verstandes verlassen ist. Da die KANxische Morali-

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tätsauffassung aber nach Hegel auf dieser Stufe stehenbleibt (vgl. Phän 442 f), kann in ihr das Bewußtsein sich nicht als Selbstbewußtsein erfassen. Aber auch nicht der Standpunkt einer romantischen Subjektivität im Sinne JACOBIS kann das Wcihre Wesen von Selbstbewußtsein darstellen. Eine solche „schöne Seele” {Phän 463) stellt den Wechsel des unglücklichen Bewußtseins mit sich selbst dar und ist sich bewußt, der Begriff der Vernunft zu sein (vgl. Phän 462). Das unglückliche Bewußtsein am Ende des Selbstbewußtseinskapitels hingegen wußte nicht, daß es vernünftig ist. Insofern stellt die romantische Subjektivität der schönen Seele einen Fortschritt gegenüber dem Standpunkt des unglücklichen Bewußtseins am Ende des Selbstbewußtseinskapitels dar. Doch weiß die schöne Seele diesen Fortschritt nicht zu realisieren, sie „verglimmt" in sich, „schwindet als ein gestaltloser DTmst, der sich in Luft auf löst" {Phän 463).

c) Das absolute Wissen Das absolute Wissen versucht den Entstehungsprozeß der Gestalt des Gewissens durch die logischen Momente der Unmittelbarkeit (sinnliche Gewißheit), des Fürsichseins (Wahrnehmung) und des Wesens oder Allgemeinen (Verstand) zu bestimmen (vgl. Phän 550 ff). Die Struktur des Bewußtseinskapitels wird auf die gesamte Phänomenologie abgebildet. Die Gestalt des Gewissens erscheint als der Ort, wo diese Struktur zu sich kommt und das Bewußtsein Selbstbewußtsein wird. Diese Erklärung der Gestalt des Gewissens aus der Bewußtseinsstruktur zeigt deutlich, daß Hegel sich um eine genetische Erklärung des Selbstbewußtseins aus der Struktur des Bewußtseins bemüht hat. Es wird aber auch deutlich, daß die logischen Momente des Bewußtseins, die bei der Entstehung der Gestalt des Gewissens bestimmend sind, selber einem Bedeutungswandel unterliegen. Das unmittelbare Bewußtsein der sinnlichen Gewißheit soll in das unmittelbare Bewußtsein des Gewissens transformiert werden, das im sinnlichen Dasein das Allgemeine, die Pflicht, erkennt. Das Allgemeine des Verstandes soll sich zu dem Allgemeinen der anerkannten Handlung entwickeln. In der Tat erwiesen sich die Kategorien der Einzelheit und Allgemeinheit als Grundkategorien der Gestalt des Gewissens (vgl. Phän 449), so daß die Anwendung jener logischen Momente des Bewußtseins auf die Struktur des Gewissens nicht unbedingt eine äußerliche Applikation bedeutet; dies betrifft auch die Parallelisierung jener logischen Momente mit den einzelnen Perioden der Entstehung der Gestalt des Gewissens. Am Ende der Gestalt der beobachtenden Vernunft wird das vernünftige

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Resultat der Entäußerung des unglücklidien Bewußtseins darin ausgesprochen, daß das Ich ein Ding ist (vgl. Phän 551 u. 252). Die Einheit von Ich und Ding, die Einheit der Kategorie, kommt in diesem unendlichen Urteil zum Ausdruck. Indem sich die Gestalt des Gewissens als Resultat eines solchen Urteils versteht, ist es grundsätzlich von der Position der schönen Seele verschieden, der die Kraft fehlt, „sich zum Dinge zu machen und das Sein zu ertragen" {Phän 462). Ebenso stellt das Urteil der reinen Einsicht, daß das Ding ein Ich ist, eine weitere Voraussetzung für die Entstehung der Gestalt des Gewissens dar. Die Einheit von Einzelnem und Allgemeinem im Gewissen bedarf zu ihrer Realisierung des vermittelnden Moments des Fürsichseins. Im Nützlichkeitsprinzip der Aufklärung enthüllt sich die ansichseiende Welt in ihrem Wesen, sie erscheint als Realität für das Bewußtsein. Die Auflösung des Scheins einer dem Bewußtsein fremd gegenübertretenden Realität — an welcher Auflösung die gesamte Phänomenologie arbeitet — ist eine grundlegende Voraussetzung für die Entstehung der Gestalt des Gewissens. Im Gewissen selber kommt es darauf an, das Sichwissen der Bewußtseine im Anderen ihrer selbst explizit innerhalb des Anerkennungsprozesses zu entwickeln. — Der Rückblick im absoluten Wissen auf die Entstehung der Gestalt des Gewissens bedeutet eine starke Formalisierung des konkreten Entwicklungsprozesses. Der Sinn einer solchen Formalisierung liegt darin, das Zusichkommen des Selbstbewußtseins aus der Bewußtseinsstruktur verständlich zu machen und gleichzeitig die Entstehungsgeschichte des Selbstbewußtseins in logischen Kategorien zu denken.

d) Neubestimmung der Struktur absoluten Wissens Die Analyse der Weiterführung von Strukturelementen des Bewußtseins und Selbstbewußtseins im Gesamtverlauf der Phänomenologie zeigt, daß die aus der Interpretation des Selbstbewußtseinskapitels erschlossene Struktur absoluten Wissens modifiziert und neu gesehen werden muß, wenn man sie auf die gesamte Phänomenologie beziehen will. Denn in der phänomenologischen Bewegung nach dem Selbstbewußtseinskapitel findet sich teilweise eine neue Terminologie, eine neue Thematik. — Dies mag nicht zuletzt in kompositorischen Schwierigkeiten bei der Abfassung des Werkes begründet sein — Neu ist die Einbeziehung der Bildung des Bewußtseins in die Bildung der Weltgeschichte und der dadurch zustande kommende Bildungs- und Entäußerungsprozeß. Das Programm der Einleitung muß schon sehr formal genommen werden, wenn dieser Aspekt der

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Bildungsgeschichte des Bewußtseins noch mitumfaßt werden soll. Die anhand einer Analyse des Bewußtseins- und Selbstbewußtseinskapitels erschlossene Struktur absoluten Wissens muß dahingehend erweitert werden, daß das Aufzeigen des spekulativen Wesens von Leben und Selbstbewußtsein nun bedeutet, Leben als geschichtliches und Selbstbewußtsein als geschichtlich bedingte Subjektivität verständlich zu machen Für die Vollendung des Skeptizismus des Selbstbewußtseinskapitels zum sich vollbringenden Skeptizismus der Phänomenologie ist besonders die reine Einsicht, ihr Kampf mit dem Glauben und ihre Vollendung im Nützlichkeitsdenken der Aufklärung von Bedeutung. Obwohl eine direkte Parallelisierung der reinen Einsicht mit dem Skeptizismus von Hegel gerade abgelehnt wird, kann man dennoch in der reinen Einsicht, in ihrem Kampf mit dem Glauben, ein skeptisches Moment des Selbstbewußtseins wiederentdecken. Ebenso repräsentiert die sich im Nützlichkeitsdenken realisierende reine Einsicht das Bestreben des Skeptizismus, die Negation des Gegenstandes in Begierde und Arbeit zum Erfolg zu führen. Dieser Skeptizismus der reinen Einsicht ist aber noch nicht der sich vollbringende Skeptizismus der Phänomenologie, der zum absoluten Wissen führt. Der Skeptizismus der Aufklärung muß sich selbst vernichten, um sich vollbringender Skeptizismus zu werden. Die Möglichkeit einer solchen Selbstaufhebung partikularer Subjektivität erfährt das Bewußtsein an dem negativen Beispiel von Tod und Schrecken in der Französischen Revolution. Die Möglichkeit der Selbstaufhebung der partikularen Subjektivität des unglücklichen Bewußtseins, das aus der unbefriedigten Aufklärung resultiert, erfährt das Bewußtsein an dem negativen Beispiel des Verglimmens der schönen Seele. In dieser Selbstaufhebung soll der bloß reflektierende, wahrnehmende Verstand vernichtet werden, um in den Verstand als „ungeheure Macht des Negativen" {Phän 29) überzugehen. Erst dieser Verstand kann das tote Sein der Materie und des absoluten Wesens der Aufklärung, den platten Tod der Französischen Revolution und die sich in Nichts auflösende schöne Seele in ein Sein umwandeln, aus dem Werden, d. h. Leben, Selbstbewußtsein und Geist hervorgehen. Der skeptische Ansatz der Phänomenologie wird also unter geschichtsphilosophischem und subjektivitätstheoretischem Aspekt durchgeführt. Dies kann als die besondere Leistung, aber auch als das eigentliche Problem der Phänomenologie angesehen werden. Damit ist auch das Problem der Einheitlichkeit des Aufbaus der Phänomenologie angesprochen. Denn diese Wendung des skeptischen Ausgangspunktes ist im Selbstbewußtseinskapitel nur sehr indirekt angelegt. Wie die Applikation der Bewußtseinsstruktur auf die Gesamtbewegung der Phänomenologie im absoluten

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Wissen zeigt, geht es nach wie vor darum, logische Bestimmungen für das Bewußtsein einsichtig zu machen. Es fällt bei dieser Applikation auf, daß das Selbstbewußtseinskapitel ausgespart wird. Offenbar paßte es in diesen Rückblick nicht mehr hinein. Die Applikation der logischen Momente des Bewußtseinskapitels auf die Gesamtbewegung der Phänomenologie verrät eine gewisse Künstlichkeit

5. Die Einbeziehung der Geschichte der Bildung der Welt in die Geschichte der Bildung des Bewußtseins Will man über Parallelen, Analogien, indirekte Thematisierungen hinaus den Gesamtaufbau der Phänomenologie deutlich machen, so ist es notwendig, das Zusichkommen des Bewußtseins in der Gestalt des Gewissens in seinem Werden zu erklären. Dieses Werden wird von Phänomenen wie Staatsmacht, Reichtum, Glaube, Aufklärung, Französische Revolution bestimmt. Die „Geschichte der Bildung des Bewußtseins" {Phän 67) wird mit der „Geschichte der Bildung der Welt" {Phän 27) konfrontiert Das Bewußtsein hat sich das Vergangene anzueignen und kann dabei einen schon ausgearbeiteten, geebneten Weg betreten. Denn „in Ansehung der Kenntnisse" ist „das, was in frühem Zeitaltern den reifen Geist der Männer beschäftigte, zu Kenntnissen, Übungen und selbst Spielen des Knabenalters herabgesunken". Das einzelne Individuum hat die „ungeheure Arbeit der Weltgeschichte" zu übernehmen, jedoch mit „geringerer Mühe", weil die „Gestaltung bereits auf ihre Abbreviatur, auf die einfache Gedankenbestimmung, herabgebracht ist" {Phän 28). Diese Aneignung vergangenen Daseins steht in einer besonderen Spannung. Denn einerseits hat das Bewußtsein, so wie es in der Vorrede dargestellt wird, bereits das Vergangene abgetan, es hat „mit der bisherigen Welt seines Daseins und Vorstellens gebrochen und steht im Begriffe, es in die Vergangenheit hinab zu versenken" {Phän 15). Anderseits kann es das Neue nicht unmittelbar entgegennehmen, sondern nur als ein Neues, das aus dem Vergangenen hervorgeht, denn dem Bewußtsein ist „der Reichtum des vorhergehenden Daseins noch in der Erinnerung gegenwärtig" {Phän 16). Diese Spannung bestimmt auch den Übergang vom Vernunft- zum Geistkapitel (vgl. Phän 258—261). Das vernünftig gewordene Bewußtsein kann nicht direkt zum seiner selbst gewissen Geist übergehen, weil es das Neue nur erkennen kann, insofern dieses ein aus dem Alten hervorgehendes ist. Indem das Bewußtsein die Geschichte der Bildung der Welt erinnernd „wiederholt" {Phän 261), erkennt es seinen eigenen Standpunkt

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als einen geschichtlich vermittelten. Es erfährt, daß seine Fähigkeiten, sein Charakter, seine ursprünglich bestimmte Natur, von der es im geistigen Tierreich ausging (vgl. Phän 285), in der Welt der Bildung nur ein „gemeintes Dasein" {Phän 352) besitzen. In der Welt der Bildung hat nur die Entäußerung des „unmittelbaren Wollens" und der „mit Bewußtsein ihres Zweckes als der wahren Bestimmung und Wesenheit" {Phän 260) verbundenen Naturtriebe Wirklichkeit. Diese Entäußerung kann mit Recht auch Entfremdung genannt werden, da das mit der Welt der Bildung konfrontierte Bewußtsein schon ein Wissen davon besitzt, daß ihm nichts mehr fremd ist. Deshalb taucht der Begriff Entfremdung auch erst im Vernunftkapitel auf, in dem das Bewußtsein die Vernünftigkeit der Welt erkennt, d. h. es sich dessen gewiß ist, daß es alle Realität ist Dem in der Welt der Bildung auftretenden Bildungsbegriff geht der Begriff des Bildens der Arbeit in der Herr-Knecht-Dialektik voraus (vgl. Phän 149). Im Begriff der Bildung wird der Bezug zur Arbeit jedoch nicht mehr hergestellt, nur indirekt, insofern Bildung es mit der ungeheuren Arbeit der Weltgeschichte zu tun hat, die das Bewußtsein als seine unorganische Natur in sich zu zehren hat. Dieser allgemeiner gefaßte Arbeitsbegriff verweist schon auf die „Arbeit des Begriffes" {Phän 57) und des Geistes, der nur existiert „nach Vollendung der Arbeit, seine unvollkommene Gestaltung zu bezwingen, sich für sein Bewußtsein die Gestalt seines Wesens zu verschaffen, und auf diese Weise sein Selbstbewußtsein mit seinem Bewußtsein auszugleichen" {Phän 557). Die Welt der Bildung knüpft ebenfalls an die Herr-Knecht-Dialektik nur an, um sie auf einer anderen Ebene weiterzuführen. In der Dialektik von edelmütigem und niederträchtigem Bewußtsein werden Bestimmungen der Herr-Knecht-Dialektik übernommen. Im edelmütigen Bewußtsein zeichnet Hegel die Gestalt des stolzen Vasallen, der sich an die Staatsmacht entäußert. Durch den „Heroismus des Dienstes" {Phän 360) verschafft er sich allgemeine Anerkennung. Dieser Heroismus des Dienstes gipfelt darin, daß der Vasall für seinen Herrn in den Krieg zieht und stirbt. Wie in der Darstellung des Kampfes um Anerkennung im Selbstbewußtseinskapitel wird der Tod als abstrakte Negation abgelehnt: „Die wahre Aufopferung des Fürsichseins ist daher allein die, worin es sich so vollkommen als im Tode hingibt, aber in dieser Entäußerung sich ebensosehr erhält" {Phän 362). Im Unterschied zur Darstellung des Kampfes um Anerkennung wird diese vollkommene Entäußerung nun nicht in der Arbeit, sondern in der Sprache gesehen. Die Sprache ist eine adäquatere Entäußerung des Individuums an das Allgemeine als der Tod, weil in ihr das Verschwinden des Ich zugleich sein Bleiben ist. In der Sprache der Zerrissenheit und Empörung eröffnet sich für

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das Bewußtsein die Möglichkeit, zu sich selbst zu kommen. Die Bestimmungen seiner ursprünglich bestimmten Natur, die sich in der Welt der Bildung zu geschichtlichen Bestimmungen modifizierten, sind nur noch unwesentliche Unterschiede der Größe (vgl. Phän 383) Es gilt jetzt das Individuum nicht mehr als ein so und so bestimmtes und so und so urteilendes, sondern nur noch als ein an das Allgemeine entäußertes und gebildetes Bewußtsein. Das Ziel des Bildungs-, Entfremdungs- und Entäußerungsprozesses der Welt der Bildung besteht darin, ein anerkanntes und damit in der wirklichen Welt daseiendes Individuum zu erzeugen (vgl. Phän 445 f). Insofern gipfelt dieser Bildungsprozeß in einer bestimmten Subjektivitätstheorie, in der Subjektivität als geschichtlich vermittelte Intersubjektivität verstanden wird. Hegel kommt es in der Dialektik der Welt der Bildung aber zugleich darauf an, das Subjektwerden der Substanz darzustellen (vgl. Phän 19). Indem das Individuum sich seines natürlichen Seins entäußert, verwirklicht es die Substanz, so daß „diese sich ihr Selbstbewußtsein gibt, ihr Werden und ihre Reflexion in sich hervorbringt" {Phän 27, vgl. auch 352). Substanz bedeutet hier Anwesenheit der Vernunft in der geschichtlichen Welt. Denn die Sache selbst — eine Weise der Vernünftigkeit von Wirklichkeit — erhält in der Sittlichkeit Substantialität (vgl. Phän 451), d. h. die Vernunft wird substantiell, wenn sie sich als geschichtlich konkrete erweist. Die substantiell und damit geschichtlich konkret gewordene Vernunft muß sich aber noch für das Bewußtsein in der Entzweiung der modernen Welt als Vernunft erweisen. Wenn die Entäußerung des Individuums zugleich die Selbstverwirklichung und das Selbstbewußtwerden der Substanz bedeutet, dann kann dies auch so formuliert werden, daß für Hegel mit der Entäußerung des Individuums der Erweis verbunden ist, daß trotz der Entzweiung der modernen Welt die geschichtliche Wirklichkeit vernünftig ist. Hegel verknüpft hier Anthropologie und Geschichtsphilosophie. Die Dialektik der Welt der Bildung setzt bereits als Erkenntnis des Bewußtseins im Vemunftkapitel voraus, daß die Wirklichkeit vernünftig ist, d. h. daß dem Individuum nichts fremd ist. Nur aufgrund dieser Voraussetzung kann überhaupt ein Entfremdungsprozeß in Gang kommen. Die behauptete Vernünftigkeit der Wirklichkeit muß sich aber anhand einer Analyse der konkreten Geschichte bewähren. Die Darstellung der „Geschichte der Bildung der Welt" kann vorerst nur die Unvernünftigkeit der geschichtlichen Wirklichkeit behaupten, denn das natürliche, erst am Anfang seiner Bildung stehende Bewußtsein erblickt in der Geschichte nur Entzweiung und Negativität. Das Bewußtsein kann die Dialektik der

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Welt der Bildung nur dann als einen Erweis der Vernünftigkeit geschichtlicher Wirklichkeit verstehen lernen, wenn es sich seines natürlichen Seins entäußert hat. Anderseits kann es sich nur seines natürlichen Seins entäußern, wenn es bereits von der Vernünftigkeit der Wirklichkeit — dem vorausgesetzten Standpunkt des Vernunftkapitels — ausgeht. Das absolute Wissen gibt einen Rückblick auf die Welt der Bildung und ihre geschichtsphilosophische Darstellung. Die leitenden Gesichtspunkte bei diesem Rückblick sind durch die Begriffe Ich und Substanz gegeben. SPINOZAS Substanzmetaphysik wird in die Dialektik der Phänomenologie integriert. So wird in der beobachtenden Vernunft die SriNOzistische Einheit von Sein (Ausdehnung, Natur) und Denken erreicht, vor welcher „selbstlosen Substantialität" [Phän 560) jedoch der Geist zurückschaudert und gegen welche er die Individualität behauptet. Die Individualität des sich verwirklichenden vernünftigen Selbstbewußtseins hat sich in die Welt der Bildung zu entäußem, um im Gewissen ihr Wesen als Ich = Ich auszusprechen. Das sich selbst wissende Ich gelangt zu einem vertieften Verständnis der Einheit der Substanz. Wurde in der beobachtenden Vernunft das Wesen mit Recht als Einheit des Seins und Denkens ausgesprochen, so ist es jetzt „als Einheit des Denkens und der Zeit zu fassen". Die für den Menschen allein erkennbaren Attribute der unendlichen Substanz waren für SPINOZA Denken und Ausdehnung. Die Phänomenologie erweitert SPINOZAS Attributenlehre, indem dem Denken und der Ausdehnung als Natur die Zeit als Geschichte hinzugefügt wird. Geschichte und Natur stellen die grundlegenden Verwirklichungsmöglichkeiten menschlichen Daseins dar, zwei Weisen des Werdens des Geistes. Der zu sich gekommene Geist im absoluten Wissen hat sich daher auch wieder an Geschichte und Natur zu entäußern (vgl. Phän 563). Gemäß der SpiNOzistischen Attributenlehre müssen Natur und Geschichte das vom Denken ganz Unterschiedene sein, nur in der unendlichen Substanz selber fallen die unendlich verschiedenen Attribute zusammen. Der SpiNozistischen Substanzlehre zufolge muß die Entäußerung des Geistes an Natur und Geschichte auch eine unendlich verschiedene sein. So erklärt Hegel für die organische Natur, daß diese keine Geschichte hat (vgl. Phän 220). Die SpiNOzistische Attributenlehre mag Hegel hier mitveranlaßt haben, die sehr verschiedene Struktur von Natur und Geschichte herauszustellen. Die Phänomenologie will also neben der Einheit und Differenz von Ich (Denken) und Natur die Einheit und Differenz von Ich und Geschichte begreifen. In der Welt der Bildung entäußert sich das Individuum an die Geschichte in einer erinnernden Wiederholung der Arbeit der Weltgeschichte. Diese erinnernde Wiederholung hat den Sinn, das Bewußtsein

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dazu zu bilden, sich in der rechten Weise zu bilden und zu entäußem. Konstitutiv für den wahren Bildungsprozeß ist die richtige Entäußerung an die Geschichte. Eine Identifikation des Bewußtseins mit vorläufigen Gestalten der Geschichte würde den in der Geschichte erreichten Stand differenzierten Bewußtseins verfehlen. Die geschichtliche Zeit erscheint notwendig als „Schicksal" (Phän 558) des noch nicht vollendeten Geistes. Die Entäußerung an die Geschichte geschieht einmal direkt, in der „wirklichen Geschichte" {Phän 559), und einmal im nachvollziehenden Begreifen der Geschichte (vgl. Phän 564). Die Phänomenologie ist das nachvollziehende Begreifen der Geschichte. Das zum absoluten Wissen gelangte Bewußtsein hat die durchlaufenen Gestalten der Phänomenologie er-innert. Diese Erinnerung bewahrt das Bewußtsein davor, wieder einer naiven Unmittelbarkeit anheimzufallen, wenn es in seiner neuen Welt wieder „unbefangen von vom bei ihrer Unmittelbarkeit" {Phän 564) anfängt. Die Erinnerung hat hier neben der eigentlichen Funktion der Verinnerlichung und Assimilierung des vorgegebenen Seins auch die aufbewahrende Funktion des Gedächtnisses Diese am Ende der Phänomenologie erreichte Erinnemng bezieht sich auf die gesamte Bewegung der Phänomenologie, nicht nur auf die direkte Konfrontation des Bewußtseins mit der wirklichen Geschichte. In der Erinnerung haben sich Geschichte der Bildung des Bewußtseins und Geschichte der Bildung der Welt durchdrungen, Geschichte und Wissenschaft des erscheinenden Wissens bilden in der begriffenen Geschichte eine Einheit. Die im absoluten Wissen erreichte neue Welt bedeutet eine neue Selbstverständigung des Bewußtseins, da es die in der Einleitung geforderte Umkehrung seiner selbst geleistet hat, und den Beginn der in der Vorrede angesprochenen neuen Periode der Geschichte Die Erweiterung der SpiNOzistischen Attributenlehre durch die geschichtliche Zeit bedeutet zugleich eine Erweiterung durch eine Theorie des Selbstbewußtseins, der Subjektivität. Denn die Zeit ist das „vom Selbst nicht erfaßte reine Selbst" {Phän 558), die Zeit ist die eigentliche Daseinsweise des Selbstbewußtseins. Selbstbewußtsein existiert notwendig geschichtlich. Das Tilgen der Zeit bedeutet somit ein Tilgen der schlechten Subjektivität. Das Ziel der Dialektik des sich entfremdeten Geistes besteht nicht in einer geschichtslosen Subjektivität — wie dies die Kritik am Standpunkt der schönen Seele zeigt —, sondern in einer bestimmten, mit der Geschichte vermittelten Subjektivität. Das Neue dieser Subjektivitätsphilosophie kommt in einer neuen Begrifflichkeit zum Ausdruck. Das Subjektwerden der Substanz bedeutet das Zusichkommen der Geschichte in einer Subjektivität, die als „reine Negativität" {Phän 22) begriffen werden muß. Die Begrifflichkeit „Subjektivität", „Subjekt" ist unzureichend, weil

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in ihr eine von der Bewegung der Geschichte losgelöste Subjektivität leicht vorgestellt wird (vgl. Ros 212 f) Die von Hegel anvisierte Subjektivität ist aber nichts anderes als diese Bewegung selber. Da diese Bewegung Aufhebung und zugleich Aufbewahrung jeder Position ist, muß sie als „absolute Negativität" {Phän 560) vorgestellt werden. Es stellt sich allerdings die Frage, ob eine solche Einheit von Geschichtsphilosophie und Subjektivitätstheorie in einer absoluten Negativität möglich ist.

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III. DER SYSTEMANSATZ AM ANFANG UND AM ENDE DER JENAER ZEIT I. Die Aufhebung des unglücklichen Bewußtseins in Vernunft und Geist Das unglückliche Bewußtsein tritt in der Phänomenologie geschichtlich als Resultat des Formalismus des römischen Rechts auf. Als abstraktes Recht verkörpert der Rechtszustand Elemente des stoischen Bewußtseins^ als Formalismus des Rechts Elemente des skeptischen Bewußtseins. Wie das unglückliche Bewußtsein schon im Selbstbewußtseinskapitel den im Stoizismus und Skeptizismus auftretenden Widerspruch zwischen Allgemeinem und Einzelnen verkörperte, so bringt es diesen Widerspruch jetzt in der Welt der Bildung als Folge des Formalismus des römischen Rechts zum Austrag. Innerhalb der Welt der Bildung, die sich auf den Ausgang des Mittelalters bis zur Aufklärung des 18. Jahrhunderts bezieht, entsteht die Struktur des unglücklichen Bewußtseins durch die Spaltung in die wirkliche Welt der Bildung und in das „Reich des reinen Bewußtseins" {Phän 349) des Glaubens. Ausdrücklich wird die in der Welt der Bildung auftretende Religion mit dem unglücklichen Bewußtsein in Verbindung gebracht (vgl. Phän 377). Das unglückliche Bewußtsein erscheint gleichsam als Klammer, die die verschiedenen geschichts- und religionsphilosophischen Überlegungen zusammenhält. Wie in den ersten Jenaer Schriften wird die Kultur der Neuzeit unter dem Gesichtspunkt der Entfremdung und Entzweiung beschrieben. Daß zu dieser Entfremdung der Formalismus des Rechts wesentlich beiträgt, ist ein Gedanke, der von Hegel schon im Kritischen Journal ausgesprochen wurde (vgl. GW 4. 456—459). Der geschichts- und religionsphilosophische Ort, dem die in Glauben und Wissen dargestellte protestantische Subjektivität SCHLEIERMACHERS und JACOBIS ihre Entstehung verdankt, wird in der Phänomenologie durch den Begriff der „unbefriedigten Aufklärung" {Phän 407) angegeben. Die in der neuzeitlichen Aufklärung endgültig zerbrochene Einheit von Glauben und Denken führt dazu, daß auf der einen Seite eine mit „wesenloser Wirklichkeit" sich abgebende Aufklärung steht, auf der andern Seite der Glaube als „reines Sehnen" {Phän 406). Dies reine Sehnen verkörperte in Glauben undWissen die protestantische Subjektivität JACOBIS und SCHLEIERMACHERS (vgl. GW 4. 384 f). In der Phänomenologie erklärt Hegel, daß die Aufklärung „diesen Makel des unbefriedigten Sehnens an ihr" {Phän 407) hat. Diese Aussage kann im Blick auf Glauben und Wissen so ge-

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deutet werden, daß die in der KANxischen Philosophie am klarsten zur Formulierung gekommene Aufklärung notwendig die Philosophie JACOBIS und SCHLEIERMACHERS erzeugen mußte, weil auch die KANxisdie Philosophie sich nicht von dem „Makel des unbefriedigten Sehnens" frei halten konnte. In der Phänomenologie werden die Positionen KANTS, JACOBIS, SCHLEIERMACHERS und FICHTES in die Gestalt des seiner selbst gewissen Geistes aufgenommen Hier erscheint auch noch einmal ausdrücklich die Gestalt des unglücklichen Bewußtseins (vgl. Phän 462). In dem RosENKRANzreferat aus Vorlesungsmanuskripten über Naturrecht wird das Programm einer „neuen Religion", in der „der unendliche Schmerz und die ganze Schwere" (Ros 141) des Gegensatzes der neuzeitlichen Kultur und Religion aufgenommen ist, entworfen. Hier versucht Hegel schon eine „Reconstruction" (Ros 135) der Geschichte der Religion von den Griechen an. In der Phänomenologie wird das Wesen der Religion, insbesondere der offenbaren Religion, in seiner geschichtlichen Entwicklung dargestellt, um schließlich — wie schon am Anfang der Jenaer Zeit — den Tod Gottes als Antwort auf die Entzweiung der modernen Welt zu verstehen. Das unglückliche Bewußtsein ist hier das Gegenstück zum komischen Bewußtsein der Kunstreligion. Die griechische Komödie, in der sich das Selbst des Schauspielers und damit des Menschen enthüllt, überwindet zwar den Standpunkt der Tragödie, aber sie kann sich nicht dem universellen tragischen Bewußtsein entziehen, das sich in dem „harten Wort ausspricht, daß Gott gestorben ist" (Phän 523). Der Übergang von der Kunstreligion zur offenbaren Religion ist auch der Übergang vom Rechtszustand des römischen Reiches zum unglücklichen Bewußtsein des Christentums. — Es zeigte sich, daß das unglückliche Bewußtsein in der Gestalt des sich entfremdeten Geistes der Welt der Bildung auch Formen der neuzeitlichen Kultur und ihrer Entfremdung ausdrückte. Das harte Wort vom Tod Gottes entspringt aus der Auflösung der griechischen Welt und der Entfremdung der neuzeitlichen Kultur. Es wäre also berechtigt, auch in der Phänomenologie — wie in Glauben und Wissen — PASCAL ZU zitieren. Am Anfang der Jenaer Zeit erkannte Hegel in der Rede vom Tod Gottes das tragische Denken der Griechen wieder. In der Phänomenologie werden beide Momente voneinander getrennt, indem sie historisch eingeordnet werden. Am Anfang der Jenaer Zeit erhielt die Lehre von der Menschwerdung erst durch die Erfahrung des Todes Gottes und des absoluten Nichts Bedeutung. Am Ende der Jenaer Zeit interessiert Hegel das Wort vom Geist Gottes, der tagtäglich in seiner Gemeinde stirbt und aufersteht. Der Tod Gottes wird als Geistwerden verstanden. In der In-

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Dritter Teil: Phänomenologie des Geistes

karnation entäußert sich Gott seines abstrakten Wesens und wird Mensch. Der Tod Gottes bedeutet hier Tod der abstrakten Idee Gottes (vgl. Phän 529 u. 535). Diese Entäußerung vollendet sich aber erst im Tod des Mensch gewordenen Gottes. Der Tod hebt das natürliche Sein auf und ermöglicht das „Erstehen als Geist" {Phän 540). Der Menschwerdung Gottes, dem Tod der abstrakten Idee Gottes, muß notwendig der natürliche Tod folgen. Dadurch daß Gott sich entäußert, in den Tod geht und diesen überwindet, erweist er sich als Geist, „der in seiner Gemeinde lebt, in ihr täglich stirbt und auf ersteht" {Phän 545). Das Sterben Gottes im unmittelbaren Sinne tritt aber nun hinter seinem Geistsein zurück: „Der Tod des göttlichen Menschen als Tod ist die abstrakte Negativität, das unmittelbare Resultat der Bewegung, die nur in die natürliche Allgemeinheit sich endigt. Diese natürliche Bedeutung verliert er im geistigen Selbstbewußtsein, oder er wird sein soeben angegebner Begriff; der Tod wird von dem, was er unmittelbar bedeutet, von dem Nichtsein dieses Einzelnen verklärt zur Allgemeinheit des Geistes, der in seiner Gemeinde lebt, in ihr täglich stirbt und aufersteht." In der offenbaren Religion wird die Substanz Subjekt Es kehrt sich der Satz: „das Selbst ist das absolute Wesen” {Phän 521), der den Standpunkt des Rechtszustandes bezeichnet, in sein Gegenteil um. Dem Glaubensverständnis JACOBIS und SCHLEIERMACHERS setzte Hegel in Glauben und Wissen innerhalb des Programms eines wahren Nihilismus jenen Glauben entgegen, in dem „alle Mücken der Subjectivität verbrennen" {GW 4. 379). In der Phänomenologie ist nicht die Rede vom wahren Nihilismus und der Erfahnmg des absoluten Nichts. Vielmehr steht gemäß dem Ausgang von dem Sein der sinnlichen Gewißheit das Denken des reinen Seins im Zentrum der dialektischen Entwicklung. Das Denken des reinen Seins erscheint als die Wahrheit der Aufklärung (vgl. Phän 398 u. 409 f), die zwar „ebensowenig über sich selbst aufgeklärt" ist wie der Glaube, die aber über den Glauben siegt, weil in ihr die „Negativität des Begriffs" {Phän 401) wirksam ist. Im Unterschied zum Anfang der Jenaer Zeit wird hier die Aufklärung positiv beurteilt. In der Aufklärung kommt kritisches Denken zur Erscheinung, dem der Glaube nichts entgegenzusetzen hat. So sinkt er „in ein dumpfes Weben des Geistes" {Phän 406) zusammen. Die gesamte Terminologie der Negativität der ersten Jenaer Jahre, die durch Termini wie Nacht, Nichts, Abgrund, Tod bestimmt war, erscheint nur am Rande, nicht in positiver Aufnahme, sondern in negativer Abgrenzung. So wird Nichts, Nacht und Abgrund mit Leerheit und Ununterschiedenheit gleichgesetzt und abgelehnt Im Zusammenhang einer Übernahme J. BöHMEsdier Termini wie Abfall und Zorn Gottes wird im Reli-

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gionskapitel das Nichts mit dem Bösen identifiziert (vgl. Phän 538—543). Hier wird das Verhältnis der Nichtsspekulation zum ethischen Standpunkt angesprochen, aber nicht weiter verfolgt. Hegel kritisiert die Gleichsetzung von Gutem und Bösem im Absoluten (vgl. Phän 542 u. 33 f). Diese Gleichsetzung ist aber nicht zu kritisieren, weil dadurch der ethische Standpunkt leichtsinnig übergangen wird, sondern weil die Einheit des Nichts des Bösen und des Seins nicht begriffen worden ist. — Am Ende der Phänomenologie, im absoluten Wissen, erscheinen Reste der Terminologie der Negativität der ersten Jenaer Jahre, wenn von der Notwendigkeit der Aufopferung des Bewußtseins, von der Nacht des Selbstbewußtseins und der „Schädelstätte des absoluten Geistes" {Phän 564) gesprochen wird. Der Übergang vom unglücklichen Bewußtsein zur Vernunft wird ebenfalls nicht iimerhalb des Programms eines wahren Nihilismus und der entsprechenden Terminologie der Negativität gemacht. Vielmehr wird dieser Übergang dadurch vollzogen, daß durch die Askese des Christentums das Individuum dazu befähigt wird, sich an das Sein zu entäußern, sich zu vergegenständlichen (vgl. Phän 170). Die Dialektik von Allgemeinem und Einzelnem, die in der sinnlichen Gewißheit begonnene Entäußerung an das reine Sein kommt hier zu sich.

2. Einheit von Logik und Metaphysik Insofern die Phänomenologie eine Hinführung des Bewußtseins zum absoluten Wissen darstellt, übernimmt sie die kritische Funktion von Logik und Skeptizismus der ersten Jenaer Jahre. Sie hat es mit der Widerlegung des Scheins, des Falschen zu tun. Zwischen dem Bewußtsein, das noch zum absoluten Wissen hingeführt werden soll, und dem substantiellen Wissen selbst gibt es eine Ungleichheit, die als „das Negative überhaupt" {Phän 32) zu verstehen ist. Dieses Negative überhaupt ist das Leere DEMOKRITS und LEUKIPPS, auf das sich Hegel auch schon am Anfang der Jenaer Zeit berief (vgl. CW 4. 463). Auch in der Phänomenologie wird dieses Leere als Etwas, als das Bewegende begriffen. In der Auflösung des Scheins und des Falschen wird dieses Nichts zu einem Etwas, Bewegenden. Hierin ist die Phänomenologie dem Ansatz der ersten Jenaer Jahre verwandt, auch in der Phänomenologie muß das „Seyn in das Nichtseyn — als Werden" (GW 4. 16) überführt werden. Auch der Dialektikbegriff, wie er in den ersten Kapiteln der Phänomenologie vorkommt (vgl. Phän 81, 83, 86, 100, 102, 155 f, 176), bezeugt diese Nähe zum Systemansatz der ersten Jenaer Jahre.

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Dritter Teil; Phänomenologie des Geistes

In der Logik und Metaphysik von 1804/05 wird eine Struktureinheit von Dialektik und Logik behauptet (vgl. GW 7. 127). Diese Nähe des Dialektikbegriffs der Phänomenologie zur Logik, die noch von der Metaphysik geschieden ist, bedeutet, daß auch der Dialektikbegriff der ersten Kapitel der Phänomenologie eine nur einleitende Funktion besitzt. Erst die Vorrede gebraucht den Dialektikbegriff im rein spekulativen Sinn (vgl. Phän 53 f, 57). Die Aufgabe der Phänomenologie, die ursprünglich logischen und metaphysischen Inhalte zu vereinigen, kann somit auch als Aufgabe verstanden werden, den der ursprünglichen Logik zuzuordnenden Dialektikbegriff in einen spekulativen zu überführen. Da Dialektik und Logik in ihrer einleitenden Funktion wesentlich negativ sind, bedeutet die Selbstaufhebung von Dialektik und Logik in das spekulative Denken das Werden ihrer Negativität zur absoluten Negativität. Die Vorrede faßt die verschiedenen Momente des Begriffs der Negativität zusammen. Im Unterschied zur Einleitung geht nun aus der dialektischen Bewegung unmittelbar der neue Gegenstand hervor. Der dialektischen Bewegung liegt die „reine einfache Negativität" zugrunde, die zugleich Prozeß und Subjekt ist. Die Substanz „ist als Subjekt die reine einfache Negativität, ebendadurch die Entzweiung des Einfachen; oder die entgegensetzende Verdopplung, welche wieder die Negation dieser gleichgültigen Verschiedenheit und ihres Gegensatzes ist" (Phän 20) Die reine Negativität des Prozesses und die einfache Negativität der Einzelheit und des Fürsichseins können auf dem Standpunkt des absoluten Wissens nicht mehr unterschieden werden. Der Prozeß erweist sich als Subjektivität, diese als Prozeß. In der Phänomenologie findet eine Verschmelzung von Logik und Metaphysik statt, von Dialektik in ihrer nur negativen Funktion und spekulativer Dialektik. Der entscheidende Unterschied zwischen dem Systemansatz der ersten Jenaer Jahre und dem der Phänomenologie besteht darin, daß Hegel den metaphysischen Standpunkt neu sieht. Konnte dieser am Anfang der Jenaer Zeit noch der Esoterik verdächtigt werden, so behauptet Hegel in der Phänomenologie den metaphysischen Standpunkt als Vernünftigkeit des Bewußtseins, das in seiner Zeit, in seiner Geschichte zu sich kommt. Da dieser metaphysische Standpunkt aufgrund der Verschmelzung von Logik und Metaphysik schon in den Teilen der Phänomenologie anwesend ist, die der ursprünglichen Logik zuzuordnen sind ®, kann auch die erste Gestalt der Phänomenologie bereits mit dem reinen Sein — und nicht mit dem Nichts wie in den ersten Jenaer Jahren — beginnen.

IV. Prozeß absoluter Negativität

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IV. DAS MISSLINGEN DER BEGRÜNDUNG EINES PROZESSES ABSOLUTER NEGATIVITÄT

Der Beginn mit dem reinen Sein der sinnlichen Gewißheit kennzeichnet somit den besonderen Ansatz der letzten Jenaer Jahre. Der Beginn mit dem reinen Sein ist die Voraussetzung dafür, daß der Gegenstand als negative Einheit, als Gegenteil seiner selbst in einer und derselben Rücksicht gefaßt werden kann, daß er schließlich als Unendlichkeit, als Leben und Selbstbewußtsein verständlich wird. Diese Ableitung der Begriffe Leben und Selbstbewußtsein im Ausgang vom reinen Sein der sinnlichen Gewißheit ist in Frage zu stellen. Es liegt hier eine sinnliche Wabrnehmung vor, die nur als äußerster Grenzfall der alltäglichen Wahrnehmung des Bewußtseins diesem zugänglich ist. Außerdem bedeutet die Aufforderung, den Widerspruch am Gegenstand zu denken, — wie schon am Anfang der Jenaer Zeit — einen Verstoß gegen die Gesetze der formalen Logik. Mit dem Begriff des Lebens ist das Problem einer spekulativen naturwissenschaftlichen Methode gestellt. Die Erfolge der modernen Naturwissenschaft beruhen darauf, daß zwischen empirischen Fakten und Gesetzen streng unterschieden wird. Eine Einheit von beiden Momenten ist ein notwendiges Postulat, kann aber nicht als gegeben vorausgesetzt werden Kritik, die sich auf die ersten Kapitel der Phänomenologie bezieht, kann als voreilig abgetan werden, weil die dialektische Entwicklung hier noch ganz „für uns" stattfindet. Die Kritik ist somit zurückzustellen, um die dialektische Bewegung, wie sie für das Bewußtsein im Selbstbewußtseins- und Vernunftkapitel vollzogen wird, zu betrachten. Hier verschärft sich allerdings nur noch die Problematik des Hegelschen Vorgehens. Denn es ist keineswegs zureichend einsichtig gemacht worden, daß das unglückliche Bewußtsein notwendig vernünftiges wird. Versteht man diesen Übergang als Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, reduziert man die Notwendigkeit dieses Übergangs auf ein geschichtliches Faktum. Dies entspricht nicht der Intention Hegels. Aber auch hier ist die Kritik wieder zurückzustellen, denn die im Vermmftkapitel behauptete Vernünftigkeit muß noch „aus der Substanz selbst" {Phän 260) hervorgehen, d. h. sie muß sich geschichtsphilosophisch bewähren. Daß die Vernünftigkeit des Bewußtseins trotz der Entzweiung der wirklichen Welt bestehen bleibt, hat die Dialektik des sich entfremdeten Geistes zu erweisen. Der Erweis soll dadurch erbracht werden, daß phänomenologisch aufgezeigt wird, wie aus der Entzweiung der bürgerlichen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts die reine Einsicht der

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Dritter Teil: Phänomenologie des Geistes

Aufklärung sich erheibt, in der die ^^Negativität des Begriffs" {Phän 401) zur Erscheinung kommt. Die Kritik kann sich auf diesen Punkt als auf den Angelpunkt des geschichtsphilosophischen Erweises der Vernünftigkeit des Bewußtseins und als den entscheidenden Ausgangspunkt einer geschichtsphilosophisch vermittelten Subjektivitätstheorie richten. Die Kritik an dem Ansatz der Phänomenologie ist nun als Kritik an Hegels Begriff der Aufklärung zu verstehen. Wenn in der neuzeitlichen Aufklärung in der Tat ein solches Maß an Vernünftigkeit zur Erscheinung kommt, daß die Wirklichkeit als sich selbst steuernder, ein die Entzweiung setzender und wieder aufhebender vernünftiger Prozeß verstanden werden kaim, dann ist der Ansatz der Phänomenologie gerechtfertigt. Hegels phänomenologischer Aufweis suggeriert allerdings das Gegenteil. Denn die Aufklärung führt zum Schrecken der Französischen Revolution. Die Dialektik der Welt des sich entfremdeten Geistes leistet keine geschichtsphilosophische Begründung einer Subjektivitätstheorie, derzufolge das Bewußtsein im Anderen seiner selbst, in der geschichtlichen, intersubjektiven Welt zu sich kommt. Hegel wollte absolute Entfremdung aufzeigen, um deren Umschlag in Versöhnung der Gegensätze herbeizuführen. Mit der absolut gemachten Entzweiung entsteht jedoch das Risiko, die Versöhnung zu verfehlen, so daß der Umschlag ausbleibt.

1. Der Zirkel in der phänomenologischen Beweisführung Die Berufung auf ein notwendiges Gesetz des Umschlags der Entfremdung in Versöhnung muß gegenüber dem Bewußtsein begründet werden. Hegels Begründung verfängt sich letztlich in einem Zirkel Bei der geschichtsphilosophischen Begründung wird bereits eine Subjektivitätstheorie vorausgesetzt, derzufolge das Bewußtsein so strukturiert ist, daß es den notwendigen Umschlag der Entfremdung in Versöhnung erkennen kann Die Subjektivitätstheorie setzt wiederum eine Geschichtsphilosophie voraus, durch die jene Subjektivität als existent behauptet wird, die den notwendigen Umschlag der Entfremdung in Versöhnung erkennt. Dieser Zirkel betrifft auch den Aufbau der Phänomenologie. In den ersten vier Kapiteln wird jene Struktur des Selbstbewußtseins entwickelt, die in der geschichtsphilosophischen Darstellung des Geistkapitels als existent behauptet werden soll. Der Zirkel betrifft somit das Verhältnis zwischen den ersten vier Kapiteln und den darauffolgenden. Um dem Zirkel zu entgehen, muß Hegel voraussetzen, daß das Bewußtsein bereits im Selbstbewußtseinskapitel in einem Vorgriff die Struktur absoluten Wis-

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sens erkannt hat. Das Bewußtsein muß schon im Selbstbewußtseinskapitel einen Maßstab der Beurteilung dafür gewonnen haben, ob der Gegenstand seinem Begriff entspricht (vgl. Phän 71) Die Zweideutigkeit des „wir" kommt Hegel zu Hilfe. „Wir", die philosophisch gebildeten Leser der Phänomenologie ®, besitzen im Selbstbewußtseinskapitel schon mehr als eine nur formale Kenntnis der Struktur absoluten Wissens. Das natürliche Bewußtsein, dem „wir" als Leser der Phänomenologie auch noch angehören, übernimmt in der Gestalt des Skeptizismus aktiv die dialektische Bewegung. Das in der Einleitung aufgestellte Programm für eine Wissenschaft der Erfahrung des Bewußtseins kommt in der Gestalt des Skeptizismus schon weitgehend zur Erfüllung ®. Die Überlegungen des Vernunft- und Geistkapitels explizieren die schon im Selbstbewußtseinskapitel vom Bewußtsein weitgehend erfaßte Struktur absoluten Wissens. Der Zirkel in der phänomenologischen Beweisführung kann somit auch als ein hermeneutischer gedeutet werden Verschiedenheiten und Gemeinsamkeiten im methodischen Vorgehen der Phänomenologie, der FiCHXEschen Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre und des ScHELLiNGSchen System des transzendentalen Idealismus können jetzt besser bestimmt werden ®. Bei aller Verschiedenheit des philosophischen Ansatzes stellt sich eine Gemeinsamkeit im methodischen Vorgehen heraus. FICHTE unterscheidet zw*ischen zwei Reihen der Reflexion, die durch das Faktum der Einbildungskraft miteinander verbunden sind. ScHELLiNG unterscheidet zwischen der intellektuellen Anschauung des Selbstbewußtseins, die ein in keiner Zeit begriffener Akt des Selbstbewußtseins ist, und der vollständigen Selbsterkenntnis des Selbstbewußtseins in den verschiedenen Weisen der Objektivierung seiner selbst innerhalb einer Geschichte des Selbstbewußtseins. Auf den Erweis eines Faktums oder einer Anschauung folgt deren Explikation. Nachdem Hegel die Struktur des Selbstbewußtseins entwickelt hat, geht auch er zu deren Explikation für das Bewußtsein über. Hegel kritisiert aber FICHTES Beginn mit dem „Ich = Ich" und SCHELLINGS Beginn mit der intellektuellen Anschauung. Durch die Ableitung der Struktur des Selbstbewußtseins aus der des Bewußtseins kommt Hegel zu einer anderen Theorie des Selbstbewußtseins. Die Applikation der Bewußtseinsstruktur auf die Gesamtbewegung der Phänomenologie im absoluten Wissen ® zeigt, welche Bedeutung dem Beginn mit dem Bewußtsein beizumessen ist. Hegels Alternative zu FICHTES und SCHELLINGS Vorgehen hat sich aber als problematisch erwiesen, insofern sie nur den Schein von Voraussetzungslosigkeit behaupten kann. Hegel setzt wie am Anfang der Jenaer Zeit voraus, daß das Bewußtsein die Antinomie, den Widerspruch denken und daß in der Selbstbezüglichkeit

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Dritter Teil: Phänomenologie des Geistes

des Selbstbewußtseins die in der Wahrnehmung erkannte antinomische Struktur der Wirklichkeit wiederentdeckt werden kann. Kann man diese Voraussetzungen, die in einer Verselbständigung der Negativität des Gegensatzes begründet sind, nicht akzeptieren, dann kann auch nicht das Gelingen des hermeneutischen Zirkels behauptet werden.

2. Die Identifizierung der verschiedenen Formen von Negativität Der Zirkelstruktur der Phänomenologie entspricht die Identifizierung verschiedener Formen von Negativität. Die Negativität, von der die Geschichtsphilosophie ausgeht, kann nicht auf die Negativität des Selbstbewußtseins zurückgeführt werden und umgekehrt. Die Negativität des Widerspruchs, den es am Anfang der Phänomenologie zu denken gilt, hat nur etwas in Analogie mit der paradoxen Struktur der Selbstbezüglichkeit des Selbstbewußtseins zu tun. Die verschiedenen Formen von Negativität, die in den vorphänomenologischen Schriften auftraten, finden sich in der Phänomenologie wieder und werden zu dem einen Begriff der reinen einfachen Negativität vereint. Das Bewußtseinskapitel geht von der Negativität des reinen Seins aus; der Begriff Negativität erscheint ausdrücklich allerdings erst im Wahrnehmungskapitel. Dieser Begriff der Negativität kann mit dem am Anfang der Jenaer Zeit entwickelten Verständnis von Negativität in Beziehung gebracht werden, insofern sich beidemal die Negativität als Negativität des zu denkenden Widerspruchs erweist. Die Differenz zwischen beiden Formen von Negativität besteht darin, daß einmal das spekulative Denken mit dem Denken des Nichts, einmal mit dem des Seins beginnt. In dem Beginn mit dem reinen Sein kommt zum Ausdruck, daß die Einleitung in die Wissenschaft diese schon zur Voraussetzung hat, daß Logik und Metaphysik bereits weitgehend ineinander gearbeitet sind. Außerdem ist die Negativität des reinen Seins auf eine Subjektivitätstheorie hingeordnet, die Hegel am Anfang der Jenaer Zeit lediglich angedeutet hatte. — Die Negativität des Selbstbewußtseins wird am Anfang des Selbstbewußtseinskapitels als Negativität des theoretischen Selbstbewußtseins vorgestellt, als Einheit von Wahrheit und Gewißheit, von Gegenstand und Wissen. Im Selbstbewußtseinskapitel geht die Negativität des theoretischen Selbstbewußtseins in die Negativität des praktischen, des begehrenden und arbeitenden Selbstbewußtseins über. Damit sind mit Abschluß des Selbstbewußtseinskapitels die drei Grundformen von Negativität der Jenaer Zeit entwickelt: die Negativität der

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Antinomie^ des Selbstbewußfcseins und des Kampfes um Anerkennung auf Leben und Tod. Von diesen drei Grundformen von Negativität ist die Negativität des Bildungsprozesses zu unterscheiden, innerhalb dessen die Identifizierung der verschiedenen Formen von Negativität Schritt für Schritt vorgenommen wird. Die Negativität des Bildungsprozesses, der Weg des Zweifels und der Verzweiflung und die Umkehrung des Bewußtseins (vgl. Phän 67 u. 74), kann dadurch charakterisiert werden, daß im Bildungsprozeß des Bewußtseins die verschiedenen Formen von Negativität in Beziehung zueinander gesetzt werden und dadurch sich deren Einheit innerhalb der phänomenologischen Beweisführung herausstellt. Der Bildungsprozeß beansprucht in zweifacher Hinsicht ein immanentes Vorgehen. Durch die bestimmte Negation in bezug auf das Bewußtsein soll vermieden werden, daß dem Bewußtsein der Standpunkt des Philosophen von außen andemonstriert wird. Es muß aber ebenfalls eine bestimmte Negation bei der Identifizierung der verschiedenen Formen von Negativität vorliegen. Die Einheit der verschiedenen Formen von Negativität darf lediglich als das Ineinanderspielen der verschiedenen Formen verstanden werden, die Einheit kommt nicht als etwas ganz Neues hinzu. Wenn die bestimmte Negation in bezug auf das Bewußtsein nicht gelingt, kann auch die bestimmte Negation in bezug auf die verschiedenen Formen der Negativität nicht gelingen. Während die Phänomenologie die bestimmte Negation in bezug auf das Bewußtsein behandelt, stellt die Wissenschaft der Logik das Ineinanderspiel der verschiedenen Formen von Negativität für sich dar. Es wäre also Aufgabe einer Kritik der Hegelschen Logik, die bestimmte Negation in bezug auf die verschiedenen Formen von Negativität genauer zu untersuchen. Beide Weisen der bestimmten Negation sind aber schon in der Phänomenologie anwesend. Das Ineinanderspiel der verschiedenen Formen von Negativität soll die schrittweise Negation von verkehrten Bewußtseinsweisen ermöglichen, umgekehrt soll das Bewußtsein durch seine Erfahrungen und die dadurch bewirkte Umkehrung seiner selbst zur Erkenntnis der Einheit der verschiedenen Formen von Negativität geführt werden. In dieser gegenseitigen Begründung kommt wieder die Zirkelstruktur der Phänomenologie zur Erscheinung. Das Problem der schrittweisen Identifizerung der verschiedenen Formen von Negativität spiegelt sich in einer bestimmten Terminologie der Negativität wider. Während reine Negativität primär die Negativität des Selbstbewußtseins meint (vgl. Phän 148 u. 542), dient der Begriff der einfachen Negativität zur Kennzeichnung der Sichselbstgleichheit des Seins

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Dritter Teil: Phänomenologie des Geistes

(vgl. Phän 211 u. 217). Erst die reine einfache Negativität (vgl. Phän 20) ist jene umfassende SubjektivtäE die aus der Negativität des Seins und Selbstbewußtseins resultiert. Als solche umfassende Negativität hat sie sich als reale Negativität erwiesen (vgl. Phän 155). Die reale Negativität darf wiederum nicht bloß natürliche sein (vgl. Phän 322), da sie sonst nur eine unerfüllte Negativität des Selbstbewußtseins zustande bringt (vgl. Phän 421). Sie muß zur Negativität des Begriffs gelangen (vgl. Phän 401) 1“.

3. Grundzüge einer Phänomenologie des Geistes in Abgrenzung von Hegels spekulativem Systemansatz Der phänomenologische Aufweis absoluter Negativität gelingt nicht, es sei denn, man geht — möglicherweise unter theologischen Voraussetzungen — von der Existenz eines sich selbst bewegenden Prozesses absoluter Negativität von vornherein aus. Am Anfang der Jenaer Zeit stand die Erfahrung von Entzweiung, des absoluten Nichts und des tragischen Schicksals im Vordergrund, die Wirklichkeit war noch rücht als ein vernünftiger, in der Geschichte sich realisierender Prozeß der Negativität phänomenologisch aufgewiesen worden Der Weg Hegels vom Systemansatz der ersten Jenaer Jahre zu dem der Phänomenologie überzeugt nicht in der Ausarbeitung des spekulativen Ansatzes. Es war jedoch notwendig, die Einheit von Logik und Metaphysik neu zu denken und damit das Programm einer Wissenschaft der Erfahrung des Bewußtseins zu entwerfen. Es war ebenfalls notwendig, die positiven Möglichkeiten der modernen Gesellschaft zu erforschen. Die Konzeption einer Tragödie im Sittlichen, die an der antiken Polissittlichkeit orientiert war, mußte durch die Theorie eines allgemeinen Kampfes um Anerkennung, die die Negativität der modernen Gesellschaft wiedergibt, ergänzt werden. Bei Hegel wurde aber die eine Konzeption durch die andere verdrängt statt ergänzt. Schließlich wurde auch die Theorie des Kampfes um Anerkennung auf Leben und Tod selber verdrängt, damit auch die unmittelbare Erfahrung von Entzweiung, Tod und Konfrontation mit dem Nichts im existentiellen Sinne Wenn der Bildungs- und Entäußerungsprozeß in der Phänomenologie nicht gelingt, scheitert auch die Entäußerung des Individuums an den Staat Aufgrund der negativen Abgrenzung von Staat und Gesellschaft, die sich auch am Ende der Jenaer Zeit durchhält, erhält dann der Staat absolutistische Züge. Eine Nähe zu HOBBES ist nun auch in der Staatsauffassung gegeben.

IV. Prozeß absoluter Negativität

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Wenn die Antinomie, der Widerspruch, nicht spekulativ gedacht werden kann, bleibt die Vernunft weiterhin der von KANT beschriebenen Dialektik des transzendentalen Scheins unterworfen. Es stellt sich die Frage, ob eine Erweiterung und Überwindung des KANxischen Ansatzes nicht auf einem andern Weg möglich ist. Einen solchen Weg kann man in der kritischen Übernahme der Idee der Phänomenologie sehen. Zu Hegels Phänomenologie läßt sich eine Gegenphänomenologie schreiben, die weitgehend den formalen Aufbau der Phänomenologie übernimmt. Besondere Bedeutung kommt der Rekonstruktion des Übergangs vom Leben zum Selbstbewußtsein zu. Das Phänomen des Lebens entzieht sich einer durchgehend teleologischen Deutung. Durch den Bezug zum Denken kann es in seinem Wesen nur teilweise erfaßt werden. Das Phänomen des Lebens läßt sich schon eher dadurch bestimmen, daß es zum wollenden Selbstbewußtsein in Beziehung gebracht wird. Hegel gibt hier selber einen Hinweis, wenn er das Selbstbewußtsein wesentlich als Begierde nach Leben versteht (vgl. Phän 135). In der Realphilosophie wird zwischen Intelligenz und Wille unterschieden. Hegel erkennt die Bedeutung des Triebhaften, des Bewußtlosen (vgl. Real 180), die besondere Vorrangstellung des Willens gegenüber dem Intellekt jedoch nicht. Mit Hegel ist daran festzuhalten, daß die Aufhebung des unmittelbaren Wollens, der Begierde nach Leben nicht willkürlich geschehen darf, sondern in einer bestimmten Negation. Das Problem der bestimmten Negation stellt sich somit auch für eine Philosophie, die nicht spekulativ im Sinne Hegels zu denken beansprucht. Hegel hat das Problem einer bestimmten Negation innerhalb der Konzeption einer Geschichte des Bewußtseins zu lösen versucht. Diese Konzeption kann in ihrer formalen Struktur übernommen werden. Zuerst ist das Bewußtsein zu einer Selbstreflexion und Selbsterfahrung zu führen, in der es sich selbst wesentlich als Begierde nach Leben versteht. In der Destruktion des Standpunkts der siimlichen Gewißheit wird deutlich, daß das Bewußtsein den individuellen Gegenstand zwar nicht unmittelbar als solchen aussagen kann, daß diesem Vorgehen des Bewußtseins aber die berechtigte Intention zugrunde liegt, eine ursprüngliche Beziehung zum individuellen Gegenstand des Lebens herzustellen. Erst in der Selbsterfahrung des Bewußtseins kann diese Intention ihre Erfüllung finden. Das Bewußtsein erfährt sich in seinem Wollen unmittelbar als Begierde nach Leben. Es besteht hier eine besondere Beziehung des Subjekts zum Objekt. Die Struktur dieses Verhältnisses hat Hegel formal richtig bestimmt, als er die Selbstbezüglichkeit des Selbstbewußtseins negativ gegenüber dem Kausal- und Substantialitätsverhältnis abgrenzte. In der Selbstreflexion

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Dritter Teil; Phänomenologie des Geistes

des Selbstbewußtseins zeigt sich, daß Subjekt und Objekt zugleich gegeben sind — In seiner Selbsterfahrung gewinnt das Bewußtsein ein hermeneutisches Vorverständnis für die Interpretation der Gesamtwirklichkeit. Das Bewußtsein muß aber noch phänomenologisch das als existent in der objektiven Welt der Natur und Geschichte aufweisen, was es als Wesen seiner selbst erfahren hat. Durch diese Methode einer Geschichte des Selbstbewußtseins geschieht eine Verobjektivierung der inneren Selbsterfahrung des Bewußtseins. Die Gefahr des Dogmatismus, die in dem Pochen auf die Unmittelbarkeit der inneren Erfahrung liegt, ist durch die phänomenologische Methode zu bannen, die von den Sachen selbst ausgeht. In dem Prozeß der Verobjektivierung der Selbsterfahrung des Bewußtseins geschieht eine weitere Auslegung des Selbstverständnisses des Bewußtseins. In einem hermeneutischen Vorgriff können die weiteren Elemente, die das Selbstverständnis des Bewußtseins konstituieren, versammelt werden. Als einen solchen hermeneutischen Vorgriff kann man Hegels Vorgehen deuten, wenn er im Selbstbewußtseinskapitel nicht bei einer allgemeinen Bestimmung des Wesens von Selbstbewußtsein stehenbleibt, sondern die besonderen Strukturelemente des Selbstbewußtseins — Stoizismus, Skeptizismus, unglückliches Bewußtsein — benennt. Hegel benutzt die Aufeinanderfolge dieser Strukturelemente des Selbstbewußtseins dazu, in einem Vorgriff auf den Inhalt des absoluten Wissens die Einheit von Einzelheit und Allgemeinheit aufzuzeigen Man kann diesen Anspruch Hegels bestreiten und die Aufeinanderfolge der Strukturelemente des Selbstbewußtseins lediglich als Aufzählung verschiedener Momente verstehen. Man kann aber auch die Reihenfolge dieser Strukturelemente umkehren und dadurch in einem hermeneutischen Vorgriff auf jenen philosophischen Ansatz verweisen, den es in negativer Abgrenzung gegenüber Hegels spekulativem Systemansatz zu vertreten gilt. Über die Negativität des Kampfes um Anerkennung würden zunächst Religion und Kunst, die von Hegel im unglücklichen Bewußtsein nicht als solche behandelt wird, erheben. Es folgen Skeptizismus und Stoizismus, wobei der Skeptizismus primär ein theoretisches, der Stoizismus primär ein praktisches Verhalten dar stellen würde. Durch diese Umkehrung der Reihenfolge soll zum Ausdruck kommen, daß bei dem Versuch, die Negativität des Kampfes um Anerkennung aufzuheben, letztlich an die Ideen des Guten, Wahren und Schönen verwiesen werden muß. Diese Ideen dürfen allerdings nicht im Bereich der Vorstellung verbleiben, sie müssen gedacht werden. Dies ist Aufgabe des Skeptizismus, der wie am Anfang der Jenaer Zeit mit dem Standpunkt der Logik und des kritischen Denkens gleichzusetzen wäre. Es kann auch der Skeptizismus vor dem un-

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glücklichen Bewußtsein abgehandelt werden, wenn die Hinordnung des Skeptizismus auf den Standpunkt des anzustrebenden philosophischen Denkens — analog zum Systemansatz am Anfang der Jenaer Zeit — gesehen, wenn also der Standpunkt des philosophischen Denkens, d. h. der „Metaphysik" als Voraussetzung — analog zum Systemansatz am Anfang der Jenaer Zeit — anerkannt wird. Resultat solchen skeptischen Denkens ist eine bestimmte Lebenspraxis, die ein stoisches Element insofern enthalten muß, als der Prozeß der Sublimierung des Kampfes um Anerkennung nie ganz vermittelt ist, sondern immer ein Moment abstrakter Negation in sich enthält. Da sich Selbstbewußtsein nicht adäquat erfassen kann, bleibt bei der Bestimmung des Seins des individuellen Selbstbewußtseins Unbestimmtheit bestehen. Stoisches Selbstbewußtsein kann als Ausdruck der Notwendigkeit von Bestimmtheit in solcher Unbestimmtheit verstanden werden. — An dieser Stelle ist auf jene praktische Philosophie am Anfang der Jenaer Zeit zu verweisen, die in eine andere Richtung als der spekulative Systemansatz selber verwies ^®. In der Erfahrung des Tragischen, des Nichts in der Entzweiung der modernen Kultur und Gesellschaft hat das einzelne Bewußtsein sein Schicksal zu übernehmen. Eine Rekonstruktion des Vernunft- und Geistkapitels muß darauf abzielen, die von Hegel behauptete Vernünftigkeit der Wirklichkeit als nur relative zu erkennen. Hegel sieht die Bedeutung von Zufall und Willkür und erkennt sogar in deren Negativität die Chance, Erkenntnisfortschritte des Bewußtseins zu bewirken. Erst durch die absolut gemachte Entzweiung ist deren Überwindung möglich. Der spekulative Systemansatz Hegels schärft den Blick für das Bestehen von Entzweiung. Die Negation der Entzweiung enthält aber nicht schon in sich die Negation der Aufhebung von Entzweiung. Beide Formen von Negation müssen streng voneinander unterschieden werden. Damit stellt sich die Frage nach einem neuen Typ von Negation und Negativität, den Hegel nicht berücksichtigt hat. Formal kann diese Negativität als Negativität des Selbstbewußtseins verstanden werden, das in sich ein stoisches Element enthält, das trotz der bleibenden Unbestimmtheit in jeder bestimmten Negation Bestimmtheit behauptet. Diese Negativität läßt sich auch im Blick auf die hermeneutische und phänomenologische Methode, die innerhalb der Konzeption einer Geschichte des Selbstbewußtseins zu entwickeln ist, formal bestimmen. Die hermeneutische und phänomenologische Methcxle führen für sich allein nicht zu einer befriedigenden Auslegung des Selbstverständnisses des Selbstbewußtseins. Wenn nicht eine intuitive Wesensschau vorausgesetzt wird, läßt sich bei der Interpretation von Phänomenen immer um deren Bedeutung streiten. Der hermeneutische Vorgriff bleibt Vorgriff, ist noch nicht

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inhaltliches Wissen um das Sein des Selbstbewußtseins. Die Unzulänglichkeit beider Methoden kann pragmatisch oder existenzphilosophisch aufgehoben werden, hier bieten sich verschiedene philosophische Ansätze und deren Kombination an. Eine willkürliche Übernahme eines dieser Ansätze kann man vermeiden, wenn die bleibende Unbestimmtheit der bestimmten Negation weitgehend reduziert wird. Dies kann dadurch geschehen, daß man die Lösungsmöglichkeiten — z. B. ein pragmatistischer oder existenzphilosophischer Standpunkt — wieder als Standpunkte des Bewußtseins innerhalb einer Geschichte des Selbstbewußtseins vorstellt und weiter dialektisch vermittelt. Hermeneutische und phänomenologische Methode sind durch die dialektische Bewegung einer Geschichte des Selbstbewußtseins zu ergänzen. Damit ist das grundlegende Problem angesprochen, wie die Negativität einer solchen Dialektik, die zum Übergang in die Hegelsche Konzeption von Dialektik tendiert, zu bestimmen ist. Es bleibt eine Aporie bestehen: die Vermeidung des spekulativen Ansatzes Hegels gerät in Gefahr, einen Standpunkt des Bewußtseins zu verabsolutieren; die Vermeidung solcher Willkür gerät in Gefahr, den Hegelschen Systemansatz zu übernehmen. An dieser Stelle wird auch das eigentliche Motiv zur Ausbildung des spekulativen Systemansatzes Hegels siditbar. — Es bleibt wahr, daß es die Antinomie, insofern sie die Formulierung solcher Aporien ist, zu denken gilt. Hegels Systemansatz behält auch nach seiner Destruktion seine Bedeutung.

ABSCHLIESSENDE ÜBERLEGUNGEN

Mit dem Mißlingen des Versuchs, Logik und Metaphysik in der Subjektivität einer absoluten Negativität zu vereinen, fallen jene Elemente auseinander, die in dem Begriff der absoluten Negativität zusammengezwungen waren: Phänomenologie, Logik, Theorie der Subjektivität. Das Auseinanderfallen dieser Elemente hat den Vorteil, daß sie in ihrer Eigenständigkeit neu gesehen werden können. Anderseits bleibt die Frage nach einem Begriff von Negativität, der jene Elemente in einer Einheit zusammenfassen kann, in dem aber im Unterschied zu Hegel die Negativität der Entzweiung anders gedacht wird, bestehen. Das Bewußtsein erhebt mit Recht die Forderung, zum philosophischen Standpunkt hingeführt zu werden: „Die verständige Form der Wissenschaft ist der Allen dargebotene und für Alle gleichgemachte Weg zu ihr, und durch den Verstand zum vernünftigen Wissen zu gelangen, ist die gerechte Forderung des Bewußtseins, das zur Wissenschaft hinzutritt" {Phän 17). Im Unterschied zu Hegel ist das vernünftige Wissen der Philosophie in seiner Relativität zu erkennen. Einer Infragestellung des absoluten Wissens nähert sich Hegel am Ende der Phänomenologie selber, wenn er von dem absoluten Geist fordert, daß er seine Grenze wissen, sich aufopfem und unbefangen von vom anfangen muß, „als ob alles Vorhergehende für ihn verloren wäre" {Phän 564) — Das Bewußtsein des Tragischen — das Hegel schon am Anfang der Jenaer Zeit spekulativ zu begreifen versuchte —, das Wissen um die Unverfügbarkeit des Schicksals, das Gefühl der Religion der neuen Zeit, daß Gott tot ist, und die Erfahrung des Nichts, das nicht notwendig in Werden und Leben übergeht, darf nicht verdrängt werden. Dies gilt ebenfalls für Hegels Erkenntnis, daß die moderne Gesellschaft durch einen allgemeinen Kampf um Anerkennung auf Leben und Tod bestimmt wird. Der Staat besitzt nicht die Macht, diesen Kampf aufzuheben. Er kann aber dafür sorgen, daß jedem Bürger gleiche Ausgangsbedingungen in diesem Kampf aller gegen alle verschafft werden. Das Ernstnehmen der Negativität der Entzweiung in der Geschichte war u. a. ein Motiv für Hegel, das Absolute als Setzen und Aufheben des Widerspruchs zu konzipieren. Im Unterschied zu Hegel ist auf die

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Abschließende Überlegungen

Gefahr der Steigerung von Negativität, von Entzweiung hinzuweisen. Das Wissen um Entfremdung darf nicht dazu führen, Entzweiung zu provozieren, weil nur in der Erfahrung der Negativität der Entzweiung eine Klärung der Standpunkte herbeigeführt werden könne — gemäß Hegels Aphorismus: „Ein geflickter Strumpf besser als ein zerrissener; nicht so das Selbstbewußtsein" (Ros 552). Die Steigerung von Entzweiung kann unter Umständen einen Fortschritt des Wissens zustande bringen. Es gibt aber kein immanentes Gesetz der Entzweiung, eine bestimmte Negation, die diesen Fortschritt garantieren könnte. Im Unterschied zu Hegel kann man sich deshalb nicht auf die Gesetzmäßigkeit der bestimmten Negation berufen, sondern es ist nach pragmatischen Gesichtspunkten zu verfahren, die durch geschichtsphilosophische und gesellschaftspolitische Überlegungen argumentativ zu stützen sind Dennoch bleibt das Problem der bestimmten Negation und die Frage nach der Möglichkeit einer methodisch strengen Unterscheidung der verschiedenen Formen von Negation und Negativität bestehen Hegels Idee absoluter Negativität, der Idee eines Prozesses absoluter Subjektivität, eines autonomen, vernünftigen Prozesses der Wirklichkeit kann man die Entfremdung der bestehenden Welt entgegenhalten Die Idee absoluter Negativität besitzt dann höchstens noch eine regulative Bedeutung im Sinne KANTS, wenn sie nicht sogar als gefährliche Ideologie entlarvt wird. Die Überwindung von Entfremdung in der künstlerischen Anschauung muß aber ebenfalls als problematisch erscheinen. Um den sich hier auftuenden Aporien zu entgehen, ist eine Klärung des Verhältnisses von Begriff und (künstlerischer) Anschauung zu fordern. Wie die Polemik gegen die ScHELLiNcianer in der Vorrede der Phänomenologie zeigt, war Hegel sich der Bedeutung dieses Problems bewußt. Es zeigt sich, daß eine Neubestimmung des Begriffs der Negativität in verschiedenen Richtungen vorgenommen werden muß. 1) Zunächst ist zu untersuchen, in welchem Sinn dem Standpunkt des Meinens, der in der Phänomenologie kritisiert wird, Legitimität zukommt. Eine durch Erfahrung gereifte Urteilskraft gelangt zu einer besonderen Nähe zu dem Gegenstand, über den geurteilt wird. Sicherlich ist nicht von einer intuitiven Erkenntnis des Gegenstandes auszugehen. Die Negativität dieses Standpunkts ist zu bestimmen. 2) Hegels Versuch, Positivität in dem Prozeß absoluter Negativität immanent zu denken, hat gezeigt, daß der Begriff der Positivität nicht durch den der Negativität vollständig gedacht werden kann. Die Begründung eines autonomen Prozesses der Negativität mißlang. Es muß auch die Möglichkeit einer Erfahrung von Positivität geben, die in einem noch näher

Abschließende Überlegungen

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ZU bestimmenden Sinn frei von Negativität ist. Der Positivität der ästhetischen Anschauung kommt hier besondere Bedeutung zu. 3) Es ist zu sehen, welche Rolle der Begriff der Negativität bei der Behandlung des Theorie-Praxis-Verhältnisses spielt. Vernünftiges Handeln ist nur unter der Voraussetzung einer Negation eigener Wünsche und Neigungen möglich. Im theoretischen Denken müssen die Grundlagen für eine Bestimmung dieser Negationsweise gelegt werden. Die erste Aufgabe scheint nur innerhalb einer neukonzipierten Geschichte des Bewußtseins, in der auch die für das Bewußtsein maßgebenden logischen Kategorien entwickelt werden, gelöst werden zu können. Die dritte Aufgabe verweist zurück auf den Ausgangspunkt des Hegelschen Denkens am Anfang der Jenaer Zeit.

ANHANG: DER BEGRIFF DER NEGATIVITÄT IN DEN JENAER SCHRIFTEN, EIN STELLENVERZEICHNIS Im folgenden werden in freier Form die Stellen in den Jenaer Schriften auf geführt, wo der Begriff „Negativität" vorkommt.

Jenaer Kritische Schriften 316: Das negative Verfahren der Aufklärung hat sich einen Kern dadurch verschafft, daß es seine Negativität selbst auffaßte und sich von der Schalheit durch die Unendlichkeit des Negativen befreite. 320: Das Empirische ist nicht als Negativität für den Begriff, der Begriff nicht als Negativität für das Empirische, noch der Begriff als das an sich Negative gesetzt. Die Entgegengesetzten als Abstraktionen einander gegenübertretend haben beide Seiten, nämlich der Positivität und Negativität, gegeneinander. 321: Die jACOBische Philosophie, da ihr Prinzip Subjektivität ist, ist unmittelbar Eudämonismus mit dem Beischlag der Negativität.

337: Die mathematischen Antinomien betrachten die Anwendung der Vernunft als bloßer Negativität auf einen von der Reflexion fixierten Gegenstand, wodurch die empirische Unendlichkeit produziert wird. 346: In der KANiischen Philosophie ist die Vernunft als eine reine Negativität ein absolutes Jenseits, das als Jenseits und Negativität bedingt ist durch ein Diesseits.

359: Die Unendlichkeit der reinen Identität oder der Negativität ist die der formalen oder negativen Vernunft. 377: Die KANiische und FicHXEsche Philosophie sind vorzüglich in der Negativität groß, in welcher sie erweisen, was endlich und Erscheinung und nichts ist.

393: Wenn jene formale Erkenntnis das leere Wissen als etwas Unvollständiges erkennt und ihr die absolute Idee vorzuschweben scheint, so bedeutet diese Idee nur die Negativität eines andern, das nötig und selbst wieder nur ein Endliches ist. 419: Die früheren Behandlungsarten des Naturrechts sind zwar im Gegensätze und in der Negativität, aber nicht in der absoluten Negativität. 450: Das System der politischen Ökonomie ist ganz in der Negativität und Unendlichkeit. Es muß negativ bleiben, darf keine unabhängige Macht werden. 454: Da der absolute Begriff das Gegenteil seiner selbst ist, ist mit seiner reinen Einheit und Negativität auch das Sein der Differenz gesetzt. 476: Die innere Negativität dieser Potenz.

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System der Sittlichkeit 18: Die Eltern heben die äußere Negativität des Kindes immer mehr auf und setzen dadurch eine größere innere Negativität und damit höhere Individualität. 52: In der Allgemeinheit ist die Freiheit vom Verhältnis, das Vernichten der einen Seite desselben durch die andre das höchste, und es ist nur vernünftig als absoluter Begriff, insofern es auf diese Negativität geht. 58: Die Tapferkeit ist die Indifferenz der Tugenden, als Negativität. 59: Im Krieg ist das Nichttugendwerden der Bestimmtheit, das Sein in ihrer Negativität oder das Vernichten im höchsten Grade vorhanden.

Jenaer Systementwürfe I 317: Der Geist in seiner Negativität ist die absolute Totalität des Bewußtseins als Einzelnheit. Jenaer Systementwürfe II 83: In dem partikularen Urteil: „einige A sind B" drückt das Subjekt an ihm selbst die Negativität aus. 153: Die Negativität des höchsten Wesens. 169: Für die Monade ist in diesem Verschwinden durch ihre Realisierung nur die Negativität ihres Fürsichseins. 198: Die Sichselbstgleichheit des absoluten Raums ist rücht eine gegenwärtige, denn sie ist nur wesentliche, aber nicht ausgedrückte Negativität. 199: Die Fläche ist die Beziehung zweier Dimensionen des Raumes aufeinander, der einen als der formalen Bestimmtheit, der andern, wodurch diese selbst als ihr eigenes Gegenteil ausgedrückt wird. In jener Rücksicht geht der Raum seiner Negativität, in dieser seiner Realität zu ... Die formale Bestimmtheit ist ein Konstituieren der Negativität des Raumes. 202: Der Punkt ist die absolute Negativität, die einfache Grenze. 203: Die Unterscheidung der Momente der Zeit ist ein Sein derselben, das Moment der Allgemeinheit, der Einfachheit als entgegengesetzt der Negativität. 207: Es ist der Punkt, die absolute Negativität des Raumes. 227: Indem das Allgemeine, die sich auf sich selbst beziehende Sphäre, als Erde ein Allgemeines ist, welches in sich zurückgekehrt ebensosehr dem Allgemeinen entgegengesetzt ist als es diese seine eigene Bestimmtheit aufgehoben hat und seiner Negativität selbst entgegengesetzt ist, ist absolute Einzelnheit gesetzt. 279: Ihre Negativität, ihr Sichinsichselbstverzehren, ist, daß sie in diesem reinen Fürsichsein wesentlich nicht an ihnen selbst, sondern an ihrem Gegenteile sind. 294: Es ist das Verbranntsein des Feuers, aber das das Feuer nicht wie Erde als Moment in sich hat, sondern das Negative des Feuers, als diese Bestimmtheit der Negativität desselben, als Aufgehobensein seiner negativen Einheit.

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310: Der Quarz frei geworden und aus seiner Einfachheit zugleich durch die Negativität, das Prinzip der Einzelnheit, durchgegangen wird zum Sand. 319: Das Verbrennen oder die wesentliche Bestimmtheit, welche als die Negativität nicht zur Realität oder einem neutralen Produkte gelangt, hat als Moment der Neutralität nur das formale Fliissigsein. 320: Die Unendlichkeit des Feuers, die Negativität. 332: Die gestaltende Negativität ist jetzt frei zum Feuer geworden. Jenaer Realphilosophie 3: Der Äther ist das Auflösen von Allem, die reine einfache Negativität. 5: Der daseiende Geist ist nach seinem Begriffe die Sichselbstgleichheit, welche die absolute Negativität unmittelbar an ihr hat ... Diese Entwicklung der Negativität sind die Dimensionen des Raumes ... Die Notwendigkeit der Dimensionen als Notwendigkeit und ihre Negativität gegeneinander ist nur als eine Verschiedenheit vorhanden. 6: Indem die Dimension aber das Negative ihrer vorhergehenden Dimension ist, ist sie ein Aufheben der Negativität und eine Wiederherstellung des gleichgültigen Raumes ... Diese Negativität, welche der Dimension überhaupt und ihr in der Bestimmtheit ihres Verhältnisses diese entgegengesetzte Bedeutung gibt, fällt in die Gleichgültigkeit des Raumes. 8: Indem die Fläche die zweite Dimension ist, ist jetzt die Negativität als realer Unterschied da. 12: Diese Negativität ist der absolute Begriff selbst, das Unendliche, das reine Selbst des Fürsichseins. 14: Die Zeit ist jetzt als das gesetzt, was sie zuerst für uns war, nämlich als das schlechthin Vermittelte oder als die Einheit der absoluten Negativität ... Das Hier hat die Negativität in seiner Bestimmtheit, denn es ist ein schlechthin Ausschließendes. 28 Anm. 3: Die wahre Rückkehr ist das An- und Fürsichsein; selbständige Negativität. 29 Anm. 3: Fürsichsein, das noch nicht an und für sich ist — Vergangenheit; Negativität. 37: Der Prozeß, wodurch die Abgesonderten in sidi zurückkehren, ist allein die Bewegung, denn noch hat die entwickelte Negativität, das wirkliche Fürsichsein, keine andere Bestimmimg erhalten. 38: In die Gleichgültigkeit der Schwere ist der Anfang der Negativität gekommen, die Besonderung überhaupt an ihr selbst. 40: Die besondere Masse ist durch die reine Negativität mit der allgemeinen Masse vermittelt, zu sich zurückgekehrt ... Der Begriff dieser Negativität ist die reine Kraft ... Die Linie des Falles und das leere Medium desselben ist diese Vermittlung durch das Nichtdasein beider, der Schluß des Allgemeinen und Besondern, worin die reine Negativität als allgemeine die Mitte ist. 42: Dies ist der wahre Begriff des einzelnen Körpers: die in sich zurückgekehrte Schwere durdi die Vermittlung, worin die Negativität als ein ihr Fremdes gesetzt und sie passive Masse ist.

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44: Dieses Insich, das sich zur Negativität des Realen entfaltet wie die Zeit zur Negativität des Idealen, können wir den Ton der Masse nennen .. . Als Schwingen ist es diese Negativität, dies Erzittern in ihr selbst. 45: Der Ton, diese Negativität, ist eben dieser verkehrende Begriff ... Diese allgemeine Schwere ist die Negativität an ihr selbst. 46: Das Spezifische macht eben dies aus, daß die Materie als Schwere an ihr selbst Bestimmtsein, Negativität, ist. 49: Die spezifische Schwere ist die Bestimmtheit in der Flüssigkeit, d. h. in solcher Durchdringung der Schwere und der Negativität, worin beide gleich geworden sind . . . Der einfache Charakter setzt sich so als entzweit, weil sein Wesen diese Negativität ist. 53: Noch ist die Bewegung des Magnets eine äußerliche, insofern eben die Negativität noch nicht reale selbständige Seiten hat. 55: Eine Erweckung des Tons, das Setzen des Daseins seiner inneren reinen Negativität, seines Schwingens . .. Ein Magnet, dessen beide Pole freie Gestalten sind, an die sein Gegensatz verteilt ist, so daß die Mitte als daseiend die freie Negativität ist, die selbst kein Dasein hat. 56: Das Wesen des elektrischen Lichts ist die Negativität des gleichgültigen Daseins der Gestalt, die Dasein hat. 57: Die Unterschiede des Magnetismus und der Elektrizität sind erloschen, es ist eine Einheit der absoluten Negativität und der Gestalt. 58: Die Wärme ist die Gestalt und Auflösung derselben, oder ihre Negativität oder Prinzip in einer Einheit. 67 Anm. 1: Die Wirklichkeit der chemischen Elemente ist diese reine Negativität, kein Ding. 80: Diese Einheit von Licht und Finsternis ist unmittelbar das Bestimmte; so hat ihre Einfachheit die Negativität an ihr. 89 Anm. 2: Das Licht, nach außen gekehrt und sich erhaltend, ist eine Negativität, die nicht gegen sich selbst, sondern gegen Anderes gekehrt ist. 114: Das Allgemeine, der Zweck, sich in die physischen Realitäten ausbreitend kehrt in sich zurück. Ihre Gleichgültigkeit ist das einseitige Moment, das sich in die Negativität zusammennimmt und Individuum ist. 115: Die Substanz teilt sich in absolut Entgegengesetzte und solche, deren jedes die Totalität ist, deren Realität selbst dieses Einssein, diese Negativität ist, d. h. deren Dasein der Prozeß an ihm selbst ist. 116: Das Organische ist ausschließendes Eins, schließt das Allgemeine von sich aus — die Gattung von der Macht der Negativität, vom Leben verlassen. 120 Anm. 3: Nacht seines Fürsichseins: Schlaf; reine Negativität. 122: Das Individuelle kommt in diesem Prozeß durch die Gattung zum Losreißen von ihr. Der Prozeß in ihr macht sie eben zu einem, das die Negativität an ihm hat und so ihr als dem Allgemeinen entgegengesetzt ist. 131: Der Gestaltungsprozeß ist Negativität der unmittelbaren Einfachheit des Subjekts, ist Entzweiung der Gestalt. 134: Dies vergeistigte Licht, das Selbstigkeit ist, die reine existierende Negativität. 141: Der animalische allgemeine Organismus verhält sich negativ zu den physischen Elementen, als vegetabilischer Organismus, ein unmittelbares Auf-

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heben, diese Negativität ganz von sich abzuhalten, gleichgültig dagegen zu sein. 142: Das Tier ist diese Negativität selbst . . . Das Tier ist die Negativität seiner selbst, das über seine Gestalt übergreift und das Aufhören des Wachstums nicht in seinem Verdauungs- und Geschlechtsprozeß unterbricht. Als die Negativität seiner selbst ist sein eigner innrer Prozeß das Sich-zu EingeweidenGestalten. 161: Das Individuum schließt sich selbst aus sich aus, verzehrt sich; das Negative ist seine eigne Negativität. 166 Anm. 2: Der Tod, die reine Negativität, unmittelbares Nichtsein. 170 Anm. 1: Subjekt ist eine bestimmte Negativität . .. Wenn die Bestimmtheit der Substanz der Bestimmtheit des Subjekts ungleich wird, so ist jenes Größere noch für das Subjekt, weil dieses als Negativität das Allgemeine ist. 172: Verwandlung in Hitze, Negativität. 173: Die Bestimmtheit verwandelt sich zuerst in Bewegung, der ganze Verlauf in ganzes Produkt und dadurch ebenso in ganzes Selbst. Das Produkt ist einfache Negativität. 180: Der Geist ist im Anschauen nur erst an sich. Er ergänzt dies durch das Fürsich, durch die Negativität, Abtrennung des Ansich und geht in sich zurück. 190: Ich ist auf das Ding oder das Allgemeine als solches tätig. Der Unterschied des Dings ist es als von sich unterschieden, es das Allgemeine, dem es selbst als die Negativität, die es enthält, entgegengesetzt ist . . . Jedes ist selbst, was es ist, nur im Gegensatz gegen das Andre, das Allgemeine nur als die Negativität in seine Einfachheit einhüllend und sie verbergend. 191: Das Andre, das Allgemeine ist innerlich negativ, es enthält die Negativität in sich, ist aber allgemein nach außen . . . Jenes Sein nach Innen ist an und für sich; aber eben dies (z. B. Negativität) ist sein Anderes oder Allgemeines. Das Allgemeine ist sich selbst gleich. So ist es die Negativität, denn diese ist sein Innres. 192: Dies Dritte, die Einheit der Entgegengesetzten, ist alles, was die Entgegengesetzten sind. Es ist die Allgemeinheit, Negativität, ihr Sein. Die Allgemeinheit ist sich gleich und sich selbst entgegengesetzt; ebenso die Negativität. Das Dritte ist das sich in sich selbst bewegende Allgemeine, das durch die Entzweiung in Seiende die reine Negativität ist ... Die Hauptsache ist, daß die Dingheit als Allgemeinheit ebenso unmittelbar sich darstellt zu sein und die Negativität oder Einheit gesetzt ist ... Das Allgemeine ist nicht da als Negativität, dies ist das Ansich des Einzelnen. Der Verstand ist das Innre eines jeden, aber ebenso ist er das Äußre eines jeden, denn als die Negativität ist er das Äußre. 220: Das Dasein ist nur als reine Person und als rein allgemeiner Wille, als reine Negativität. 245: Die positive Einzelheit der Individuen eines Volks ist eine Zufälligkeit für das Allgemeine, weil die positive Einzelheit noch keine entäußerte ist oder die Negativität nicht an ihr selbst hat. 261: Soldatenstand und Krieg sind die Gefahr des Todes für den einzelnen, dies Anschauen seiner abstrakten unmittelbaren Negativität, wie er ebenso sein unmittelbar positives Selbst ist, so daß jeder als dieser einzelne als absolut frei sich schaut, für sich und reell gegen ein Andres als die allgemeine Negativität.

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262: In dieser Individualität als absolutem Selbst und Negativität der einzelnen ist die Regierung, die Spitze des Ganzen, vollendet. 268 Anm. 3: Philosophie der Natur, die in sich geht, böse wird — Begriff, die reine Negativität. Phänomenologie des Geistes 20: Die lebendige Substanz ist als Subjekt die reine einfache Negativität. 21: Die Vermittlung ist das Moment des fürsichseienden Ich, die reine Negativität oder das einfache Werden. 22: Der Zweck ist Subjekt, seine Kraft zu bewegen ist das Fürsichsein oder die reine Negativität. 36: Die Negativität des Inhalts. 39: Diese Negativität als paralysiert. 44: Die Negativität als das Setzen und Unterscheiden des Daseins, das Werden der bestimmten Einfachheit. 46: Diese Sichselbstgleichheit ist ebenso Negativität; dadurch geht jenes feste Dasein in seine Auflösung über. 49: Diese Reflexion gewinnt ihre Negativität selbst nicht zum Inhalte. 94: Die einzelne Eigenschaft bleibt als dies reine Sichaufsichselbstbeziehen nur sinnliches Sein überhaupt, da sie den Charakter der Negativität nicht mehr an ihr hat. 140: Der Gegenstand des Selbstbewußtseins ist aber ebenso selbständig in dieser Negativität seiner selbst. 145: Das Leben ist Selbständigkeit ohne die absolute Negativität. 148: Die Knechtschaft hat die Wahrheit der reinen Negativität und des Fürsichseins in der Tat an ihr selbst... Das absolute Flüssigwerden alles Bestehens ist das einfache Wesen des Selbstbewußtseins, die absolute Negativität, das reine Fürsichsein. 149: In dem Bilden des Dinges wird dem Knecht die eigene Negativität, sein Fürsichsein, zum Gegenstände. 150: Ohne die absolute Furcht ist die Negativität des Knechtes nicht Negativität an sich. 155: Die Negativität des freien Selbstbewußtseins wird im Skeptizismus an dieser mannigfaltigen Gestaltung des Lebens zur realen Negativität. 157: Das skeptische Bewußtsein ist die Negativität aller Einzelheit. Diese Sichselbstgleichheit und sich bewegende Negativität hat es aber nur mit Einzelnem zu tun. 175: Das unglückliche Bewußtsein, das sein Fürsichsein aus sich hinausgerungen hat, erhält in dieser seiner Negativität sich selbst. 211: Das Extrem des Fürsichseins ist aber das Innere als unendliches Eins. In diesem Extreme als einfacher Negativität oder reiner Einzelheit hat das Organische seine absolute Freiheit. 213: Die Negativität erscheint hier nicht als Bewegung des Prozesses, sondern als beruhigte Einheit oder einfaches Fürsichsein. 214: Das Unorganische hat das Prinzip der Bewegung nicht an ihm selbst, sein Sein ist nicht die absolute Negativität imd Begriff.

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216: Bestimmen wir das Fürsichsein als einfache sich erhaltende Beziehung auf sich selbst, so ist sein Anderssein die einfache Negativität. Die organische Einheit ist die Einheit des sichselbstgleichen Sichaufsichbeziehens und der reinen Negativität. 217: Das Organische ist eine Einzelheit, welche selbst reine Negativität ist ... Die reine Negativität, das Prinzip des Prozesses, fällt nicht außer dem Organischen ... Die Negativität des Allgemeinen oder der Gattung ... Wäre die einfache Negativität der Gattung als solche zugleich Bewegung, so wäre die organische Gattung Bewußtsein. 219: Die Gattung, welche sich in Arten nach der allgemeinen Bestimmtheit der Zahl zerlegt, erleidet Gewalt von der Seite des allgemeinen Individuums, der Erde, welches als die allgemeine Negativität die Unterschiede gegen das Systematisieren der Gattung geltend macht. 223: Das Beobachten verkehrt die Natur des Wissens in die Gestalt des Seins, faßt die Negativität des Wissens nur als Gesetze desselben auf. 253: Das Moment jenes unendlichen Urteils ist der Übergang der Unmittelbarkeit in die Vermittlung oder Negativität. 261: In der Bestimmung, sich als Fürsichseiendes das Wesen zu sein, ist das Selbstbewußtsein die Negativität des Andern. 285: Die Negativität, welche dasselbe ist, was als Bewegung erscheint, ist an dem einfachen Ansich als Bestimmtheit. 286: Anderseits ist die Negativität Bestimmtheit nur am Sein. Aber das Tun ist selbst nichts anderes als die Negativität. An der tuenden Individualität ist also die Bestimmtheit aufgelöst in Negativität überhaupt oder den Inbegriff aller Bestimmtheit. 289: Vom Tun frei entlassen als seiende Wirklichkeit ist die Negativität als Qualität an dem Werk. Das Bewußtsein hat gegenüber dem Werk die Bestimmtheit als Negativität überhaupt, als Tun, an ihm. 291: Das Bewußtsein ist das Tun in dem Gegensätze zwischen sich und seinem Werk, es ist die absolute Negativität. 294: Der Gegensatz und die Negativität, die an dem Werke zum Vorschein kommt, trifft das Verschwinden des Werkes. 322: Der Tod als natürliche Negativität. . . Die Einzelheit tritt in der Sittlichkeit in die abstrakte Negativität herüber, welche ohne Versöhnung an sich selbst ist. 378 f: In der reinen Einsicht der Aufklärung ist das reine Denken als der absolute Begriff in der Macht seiner Negativität vorhanden ... als absolute Bewegung und Negativität. 387: Die reine Einsicht ist zugleich die Einfachheit der in sich reflektierten Negativität. 389: Das Wesen der reinen Einsicht als absoluter Negativität ist dieses, das Anderssein an ihr selbst zu haben. 401: Die Aufklärung wird das absolute Recht behaupten, weil das Selbstbewußtsein die Negativität des Begriffs ist. 412: Die reine Einsicht ist das reine Bewußtsein als das reine Selbst oder die Negativität.

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416: Indem der Gegenstand zum Begriffe wird, ist nichts Bestehendes mehr an ihm; die Negativität hat alle seine Momente durchdrungen. 420; Die reine Negativität der absoluten Freiheit hat an dem sichselbstgleichen allgemeinen Willen das Element des Bestehens. 421: Der bedeutungslose Tod ist die unerfüllte Negativität des Selbsts, die im innern Begriff zur absoluten Positivität umschlägt. 424: Das Unmittelbare ist das Sein selbst und als die reine, durch die absolute Negativität geläuterte Unmittelbarkeit ist sie Sein überhaupt.. . Wesentlich Vermittlung und Negativität hat das moralische Selbstbewußtsein in seinem Begriffe die Beziehung auf ein Anderssein und ist Bewußtsein. 449: Der Widerspruch der moralischen Weltanschauung löst sich auf, läuft in die reine Negativität zusammen. 453: Das Gewissen ist absolute Negativität alles Bestimmten. 470: Die Seite der Einzelheit, die an der Tat als Absicht oder als daseiende Negativität vorhanden ist, ist das unmittelbar Verschwindende. 474: Die Nacht des Schicksals ist die reine Negativität in der Form der Allgemeinheit, die Eumenide des abgeschiedenen Geistes dieselbe in der Form der Einzelheit . . . Die Negativität der Aufklärung. 479: Die Negativität des Selbstbewußtseins. 485: Die Bestimmtheit und Negativität. 527: Der wirkliche Geist als solcher ist im unglücklichen Bewußtsein einfache selbstbewußte Negativität. 530: Das spekulative Wissen weiß Gott als Denken, als Sein und Dasein, dieses als die Negativität seiner selbst, hiemit als Selbst, dieses und allgemeines Selbst. 534: Das einfache ewige Wesen ist das Negative an sich selbst, die Negativität des Denkens ... Indem diese Reinheit eben die Abstraktion oder Negativität ist, ist es das Selbst, der Begriff. 542: Das einfache Fürsichsein oder auch das reine Wissen sind gleicherweise die reine Negativität oder der absolute Unterschied an ihnen selbst. 545: Der Tod des göttlichen Menschen als Tod ist die abstrakte Negativität. 547: Wir sehen das Selbstbewußtsein sein natürliches Dasein entäußern und die reine Negativität gewinnen. Die positive Bedeutung, daß diese Negativität ebensosehr das sichselbstgleiche Wesen ist, ist ein Anderes für das andächtige Bewußtsein. 548; Das seine Versöhnung nur vorstellende Bewußtsein erlangt seine Befriedigung dadurch, daß es seiner reinen Negativität die positive Bedeutung der Einheit seiner mit dem Wesen äußerlich hinzufügt. 554: Die Reinheit des Begriffs als die absolute Abstraktion oder Negativität. 555: Das reine Wissen des Wesens ist das Entzweien oder die Negativität, die der Begriff ist ... Jenes Ansich des Anfangs ist als Negativität in Wahrheit ebensosehr das vermittelte. 556f: Das Selbstbewußtsein hat einen Inhalt, den es von sich unterscheidet; denn es ist die reine Negativität oder das sich Entzweien; es ist Bewußtsein. Dieser Inhalt ist dieselbe reine Negativität, die Ich ist. 560: Diese Gleichheit des Ich = Ich ist als absolute Negativität der absolute Unterschied.

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561: Die Substanz ist erst als diese Negativität und Bewegung Subjekt. 562: Der verschiedene Inhalt ist die Unruhe, sich selbst aufzuheben oder die Negativität. 564: Die Offenbarung der Tiefe ist das Aufheben der Tiefe des absoluten Begriffs oder seine Ausdehnung, die Negativität dieses insichseienden Ich.

Das in den Jenaer Schriften auftretende Wortfeld der Negativität betrifft die verschiedenen Bezeichnungen für Entzweiung und Negation. Es schließen sich Wortgruppen um die Begriffe Opfer und Tod an. Aus dem weitverzweigten Wortfeld der Negativität entwickelt sich eine Terminologie der Negativität, die hauptsächlich durch Termini wie: Negativität, Nichts, Nacht, Negation, Negieren aufgebaut wird. Bestimmte Begriffe, die am Anfang der Jenaer Zeit auftauchen, fehlen in der Phänomenologie: Annihilation {GW 4. 350), Atheismus (GW 4. 399), Barbarei (SdS 42), Beraubung (SdS 45), Bestialität (SdS 84), Bombe (GW 4. 484), Dualität (GW 4. 90), Fanatismus (SdS 43), Gottlosigkeit (GW 4. 414), Irreligion (SdS 91), Nihilismus (GW 4. 398), Nullität (GW 4. 445), Pessimismus (GW 4. 405), Privation (GW 4. 324), Todesgefahr (SdS 23f), Tyrannei (GW 4. 409), Zertrümmerung (GW 4. 408), privieren (GW 4. 324), töten (GW 4. 58), verbrennen (GW 4. 379), zernichten (GW 4. 88).

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ANMERKUNGEN

EINLEITUNG * Vgl. Th. W. Adorno; Negative Dialektik. 2. Aufl. Frankfurt a. M. 1970. 21 ff. * 7. Habermas: Theorie und Praxis. 4. Aufl. Frankfurt a. M. 1971. 128. ’ Vgl. B. Lypp: Ästhetischer Absolutismus und politische Vernunft. Frankfurt a. M. 1972. 239. * J. Habermas/N. Luhmann: Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie. Frankfurt a. M. 1971. 24. ® Vgl. P. Lorenzen: Normative logic and ethics. Mannheim 1969. 82. ' O. Schwemmer: Philosophie der Praxis. Frankfurt a. M. 1971. 127. ’ H. Schmitz: Hegel als Denker der Individualität. Meisenheim a. Gl. 1957. 92. ® Vgl. H. Glöckner: Hegel. Bd 2. Stuttgart 1940. 159. — Der Begriff Panlogismus wurde schon von E. von Hartmann gebraucht (vgl. A. Dürr: Zum Problem der Hegelsdien Dialektik und ihrer Formen. Berlin 1938. 10). ° H. Glöckner: Hegel. Bd 2. 333. Vgl. ebd. 353 Anm. 1. — Nach Th. Haering {Hegel. Sein Wollen und sein Werk. Bd 2. Leipzig 1938. 4) ist die Arbeit mit Sicherheit nicht vor Sommer 1802 zu datieren. — Erst durch H. Kimmerles Arbeiten zur Chronologie der Jenaer Manuskripte konnte eine zuverlässige Datierung erreicht werden; vgl. Hegel-Studien 4 (1967), 144, 164 ff. Das Manuskript ist zwischen dem Sommer des Jahres 1804 und dem Anfang des Jahres 1805 geschrieben worden (vgl. GW 7. 360). Vgl. H. Glöckner: Hegel. Bd 2. 358. Ebd. 398. 13 Ebd. 418. 1* Vgl. ebd. 436. 1® Vgl. zum Folgenden O. Pöggeler: Das Hegelwerk Hermann Glöckners. In: Philosophische Rundschau. 8 (1960), 28—52. 1® Vgl. W. Flach: Negation und Andersheit. München 1959. 9 Anm. 3. 11 Vgl. Kant: KdrV. A 574 f = B 602 f. 1® D. Henrich: Hegel im Kontext. Frankfurt a. M. 1971. 134. 1® Vgl. R. Meyer: Ist Dialektik definierbar? In: Hegel-Jahrbuch 1974. Köln 1975. 118—127. 2“ Vgl. Hegel: Frühe politische Systeme. Hrsg, und kommentiert von G. Göhler. Frankfurt a. M. [usw.] 1974. 348. 21 Vgl. J. Habermas: Theorie und Praxis. 142. — Vgl. auch zum Folgenden M. Theunissen: Die Verwirklichung der Vernunft. Tübingen 1970. (Philosophische Rundschau. Beiheft 6.) 22 Vgl. M. Riedel: Theorie und Praxis im Denken Hegels. Stuttgart 1965. 38, 94, 140, 151.

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Anmerkungen zu S. 18—22

J. Ritter: Metaphysik und Politik. Frankfurt a. M. 1969. 192. J. Habermas: Theorie und Praxis. 128. M. Theunissen: Hegels Lehre vom absoluten Geist als theologisch-politischer Traktat. Berlin 1970. 443. Vgl. D. Henrich: formen der Negation in Hegels Logik. In: Hegel-Jahrbudi 1974. 245—256. Vgl. O. Pöggeler: Hegel und die Anfänge der Nihilismus-Diskussion (1970). In: Der Nihilismus als Phänomen der Geistesgesdiichte in der wissenschaftlichen Diskussion unseres Jahrhunderts. Hrsg. v. D. Arendt. Darmstadt 1974. 307—349. Vgl. H. G. Meier: „Begriffsgeschichte". In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Hrsg. V. J. Ritter. Bd 1. Basel 1971. 795 f. ERSTER TEIL I. Der Tod Gottes, die griechische Tragödie und das absolute Nichts * Vgl. G. W. Leibniz: Essais de theodicee. In: Die philosophischen Schriften von G. W. Leibniz. Hrsg. v. C. J. Gerhardt. Berlin 1885. Bd 6. 107. — Hier wäre auf die Bedeutung des Pessimismus, nicht als Stimmung oder Weltanschauung, sondern als Ausdruck eines kritischen Denkansatzes zu verweisen; vgl. H. Stäglich: Zur Geschichte des Begriffs Pessimismus. In: Schopenhauer-Jahrbuch. 34 (1951/52), 27—37. 2 In der Tat liegen bei Nohl (vgl. N 367) Exzerpte Hegels aus Mystikerzitaten vor. Ob Hegel sich am Anfang der Jenaer Zeit erneut mit der christlichen Mystik beschäftigt hat, ist ungewiß. — Vgl. Erster Teil. Kap. III. Exkurs, b). ® Vgl. Minoru Nambara: Die Idee des absoluten Nichts in der deutschen Mystik und seine Entsprechungen im Buddhismus. In: Archiv für Begriffsgeschichte. 6 (1960), 193 ff; PV. Beierwaltes: Das Problem des absoluten Selbstbewußtseins bei Johannes Scotus Eriugena (1966). In: Platonismus in der Philosophie des Mittelalters. Hrsg. v. W. Beierwaltes. Darmstadt 1969. 484—516. — Weil Gott das Sein über allem Gegensätzlichen ist, sind für Aussagen über ihn der Satz vom Widerspruch und des ausgeschlossenen Dritten aufgehoben (vgl. Beierwaltes, 492). Gott ist das überseiende Nichts, nicht aus Mangel, sondern aus Erhabenheit (vgl. ebd. 496 f). Der Begriff des überseienden Nichts findet sich schon bei Proklos, der sich wiederum auf Plotin stützen kann, der das Eine selbst als Nichts von Allem zu denken versucht (vgl. ebd. 497 Anm. 64). In der Bestimmung der Finsternis als Überfülle unzugänglichen Lichtes steht Eriugena in der Tradition christlicher Mystik (vgl. ebd. 501 Anm. 84). Gott ist unendlicher und unfaßlicher Abgrund (vgl. ebd. 516). — Vgl. zu Nambara Anm. 34 bei Beierwaltes. * Vgl. Minoru Nambara: Die Idee des absoluten Nichts .. . 194. ® Vgl. Sextus Empiricus: Adversus logicos. Liber 7, 65 ff (Sexti Empirici opera graece et latine. Hrsg. v. J. A. Fabricius. Leipzig 1718. 383). ® Vgl. das Nichtseiende (pfi 8v) bei Platon und Plotin: Sophistes 257b u. 258b; Enneaden II. 4. 16, 3 (Plotins Schriften. Übersetzt von R. Harder. Bd 1. Hamburg 1956. 276). ^ Vgl. J. Duns Scotus: Reportata parisiensia. Liber 4. Distinctio 43, Quaestio 2, Scholium 7 {Opera omnia. Lyon 1639. Bd 11, 2. 843).

Anmerkungen zu S. 22—28

207

® Vgl. G. de Occam: In librum quartum sententiarum. Quaestio 9. E (Opera plurima. Lyon 1494—1496. Bd 4). ° Vgl. G.W. Leibniz; Essais de theodicee. In: Die philosophischen Schriften von C. W. Leibniz. Bd 6. 202. Vgl. G. W. Leibniz: Principes de la nature et de la grace, fondes en raison. In: Die philosophischen Schriften von G. VJ. Leibniz. Bd 6. 602. “ Vgl. IV. Schulz: Hegel und das Problem der Aufhebung der Metaphysik. In: M. Heidegger zum 70. Geburtstag. Hrsg. v. G. Neske. Pfullingen 1959. 67—92. — Vgl. auch J. Schumacher: Anmerkungen zur Vorgeschichte des Begriffes Nichts bei Hegel und seine Aufhebung durch Marx und Ernst Bloch. In: Praxis. 8 (1971), 177— 186. Schumacher macht auf den wenig beachteten Begriff des Nichts bei Leonardo da Vinci aufmerksam. Für Leonardo ist der Nichts-Faktor „ein empirischer Befund, kein metaphysischer Begriff" (179). Vgl. O. Pöggeler: Hegels Idee einer Phänomenologie des Geistes. Freiburg, München 1973. 107 f. — Vgl. auch D. Henrich: Hegel im Kontext. Frankfurt a. M. 1971. 9—40. Henrich zeigt, wie aus der Begegnung Hegels mit Hölderlin die Grundlegung des späteren Systems erfolgte (vgl. ebd. 27). Die Erfahrung des tragischen Denkens der Griechen wird somit bereits in Frankfurt von Hegel in ein bestimmtes, wenn auch noch unentfaltetes Systemdenken integriert. Gegen Henrich ist zu betonen, daß von einer Grundlegung des späteren Hegelschen Systems in Frankfurt nur bei einem sehr allgemeinen Begriff von System gesprochen werden kann, da eine Grundlegung des Systems im strengen Sinne erst in den ersten Jenaer Jahren durch die Bestimmung des Absoluten als Nichts erfolgt. Vgl. H. Schmitz: Hegel als Denker der Individualität. Meisenheim a. Gl. 1957. 32, 68. Vgl. Th. Haering: Hegel. Bd 1. Leipzig 1929. 477. Vgl. O. Pöggeler: Hegels Idee einer Phänomenologie des Geistes. 85. Vgl. auch die Opfertheorie des Systemfragments von 1800 (N 349 f) als Vorstufe zur Opfertheorie des Naturrechtsaufsatzes. Der Name „göttliche Komödie" bedeutet eine Anspielung auf die Divina Commedia Dantes, die Schelling im Kritischen Journal der Philosophie zum Gegenstand einer eigenen Abhandlung machte (lieber Dante in philosophischer Beziehung). — Vgl. auch B. Lypp: Ästhetischer Absolutismus und politische Vernunft. Frankfurt a. M. 1972. 182—235. Lypp versucht u. a. eine Abgrenzung der Hegelschen Konzeption der Tragödie im Sittlichen von der Kunstauffassung Schellings (vgl. ebd. 184 f, 201 ff). Für Schelling in den Philosophischen Briefen über Dogmatismus und Kriticismus liegt der griechischen Tragödie ein großer Gedanke zugrunde. Der tragische Kampf ist aber nur in der Kunst darstellbar. Zum System des Handelns kann er idcht werden, „weil ein solches System ein Titanengeschlecht voraussetzte" (Werke. 1. 338). Bei Hegel ist das Leben selbst in der dramatischen Logik der Tragödie organisiert, dieser dramatische Prozeß ist keineswegs nur metaphorisch zu verstehen (vgl. B. Lypp 188). Hegel korrigiert durch sein Verständnis von Entzweiung das klassizistische Bild der griechischen Sittlichkeit (vgl. ebd. 194). Lypp kritisiert Hegels unkritisches Bild des Helden, das nicht in die Praxis übersetzbar sei (vgl. ebd. 192). 7® Vgl. Aristoteles: Politik. 1254 b. Hegel bezieht sich in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Kapitel 4, 5 u. 7 der Politik.

208

Anmerkungen zu S. 28—33

Vgl. Platon: Phaidon. 63 d—68 b. — Vgl. den Schluß des Journalaufsatzes lieber das Verhältnis der Naturphilosophie zur Philosophie überhaupt {CW 4. 276), wo Schelling sich auf die entsprechenden Stellen im Phaidon bezieht. Zum Pascal-Zitat Hegels vgl. C. Link: Hegels Wort „Gott selbst ist tot". Zürich 1974. 37 ff. Link weist darauf hin, daß das Wort Plutarchs: Der große Pan ist tot! sich ebenfalls in den Pensees befindet. In den Vorlesungen über die Philosophie der Religion zitiert Hegel aus einem Karfreitagslied des 17. Jhd. den Satz: O große Not, Gott selbst ist tot, am Kreuz ist er gestorben (vgl. C. Link, 11). — Schon bei Jean Paul im Siebenkäs (1796/1797) wird die Entdeckung gemacht, daß kein Gott ist (vgl. S. Daecke: Der Mythos vom Tode Gottes. Hamburg 1969. 12 ff). — Vgl. auch K. Rosenkranz' Bericht über Vorlesungsmanuskripte aus den Jahren 1802 bis 1805 (Ros 132— 141). Dort werden zwei Elemente als Angel der neuen Religion genannt: „die Entgötterung der Natur, also die Verachtung der Welt, und daß in dieser tmendlichen Trennung doch ein Mensch die Zuversicht des Einssein mit dem Absoluten in sich trug" (137). Das Prinzip der christlichen Religion ist „unendlicher Schmerz, absolute Zerrissenheit der Natur". — Vgl. auch SdS 91, wo der Tod Gottes als absolutes Verbrechen verstanden wird. Die Äußerungen Hegels über das Absolute als Nacht, Nichts und Abgrund lassen sich auf einige zentrale reduzieren: Anfang der Differenzsdhrift (GW 4. 16), Auseinandersetzung mit Jacobi und Fichte in Glauben und Wissen (GW 4. 358 f, 398 f), Schluß von Glauben und Wissen im Zusammenhang mit der Erörterung des spekulativen Karfreitags (GW 4. 413). — Vgl. auch andere Stellen: GW 4. 23, 51, 447. — An einer Stelle gibt Hegel einen historischen Ursprungsort für den Begriff Nichts an. Er bezieht sich auf Aristoteles: Metaphysik. 985 b 8 (vgl. GW 4. 463). Dort handelt Aristoteles von der Lehre des Leukipp und Demokrit, daß das Leere das Nichtseiende sei, das ebensowohl sei wie das Seiende. — Für den Verstand ist das Absolute zunächst bloßes Nichts: GW 4. 17, 369, 398. Die Position des Verstandes bedeutet aber selber ein Nichts: GW 4. 18, 333, 369, 396, 398, 483. Aus dem Verständnis des Absoluten als Nichts erwächst die Forderung nach Negation des endlichen Seins. Diese Negation wird als Negativität verstanden, die von einer reinen und bloßen Negativität (vgl. GW 4. 346 u. 337) zu einer absoluten (vgl. GW 4. 419) fortschreiten muß (vgl. auch GW 4. 316, 320 f, 359, 377, 393, 450, 454, 476; SdS 18). Das Negieren der Negativität bedeutet nicht ein völliges Vernichten (vgl. GW 4. 454), sondern verfährt nach dem Spinozistischen Grundsatz, daß jedes Endliche ein zum Teil Negiertes ist (vgl. GW 4. 354 f).

II. Grundlagen der Kritik an der Verstandesreflexion * Vgl. H. Kimmerle: Dokumente zu Hegels Jenaer Dozententätigkeit (1801—1807). In: Hegel-Studien. 4 (1967), 53. * Vgl. 7. H. Trede: Hegels frühe Logik (1801—1803/04). In: Hegel-Studien. 7 (1972), 166. ’ Vgl. ebd. 142.

* Nach Rosenkranz (vgl. Ros 100) hat Hegel in Frankfurt Platon und Sextus Empiricus viel studiert.

Anmerkungen zu S. 33—38

209

® Vgl. H. Büchner: Zur Bedeutung des Skeptizismus heim jungen Hegel. In: HegelTage Urbino 1965. Bonn 1969. 50 f. ® Vgl. zum Folgenden Hegels Journalaufsatz Verhältniß des Skepticismus zur Philosophie, Darstellung seiner verschiedenen Modificationen, und Vergleichung des neuesten mit dem alten (CW 4. 197—238). Vgl. auch GVJ 4. 596, Anm. zu 197, 4—6 und 197, 7—9. ’’ Die Scholastik unterschied zwischen „nihil negativum" und „nihil privativum" (vgl. Eisler: Handwörterbuch der Philosophie. 2. Aufl. Hrsg. v. R. Müller-Freienfels. Berlin 1922. 431: „Nidits"). — Vgl. auch Kant: KdrV. A 292 = B 348 f. ® Vgl. G. Maluschke: Kritik und absolute Methode in Hegels Dialektik. Bonn 1974. 32. ® Zur Darstellung der fünf Tropen und zu ihrer Widerlegung vgl. GW 4. 218 ff; dazu H.H. Ottmann: Das Scheitern einer Einleitung in Hegels Philosophie. München, Salzburg 1973. 108. Vgl. G. Maluschke: Kritik und absolute Methode ... 41. Anders urteilt Schelling in dem Journalaufsatz lieber die Construction in der Philosophie (vgl. GW 4. 278). Zur Bedeutung der großen Individuen in der Geschichte vgl. Erster Teil. II. 2. Maluschkes Behauptung (a.a.O. 38), daß Hegel dem skeptischen Ataraxiegedanken, der „ursprünglich einen vorwiegend ethischen Sinn hatte", zugleich eine „ontologisch-gnoseologische Bedeutung" unterstellt, ist nur ganz im allgemeinen zuzustimmen. Denn Hegel betont aufgrund seines besonderen Systemansatzes am Anfang der Jenaer Zeit gerade den ethischen Aspekt. Maluschke wird zu dieser These nicht zuletzt dadurch geführt, daß er nicht entwicklungsgeschichtlich vorgeht. Er geht von den Journalaufsätzen unmittelbar zur Wissenschaft der Logik über. Vgl. H.-G. Gadamer: Hegels Dialektik. Fünf hermeneutische Studien. Tübingen 1971. 21. Die spätere Erwähnung des Parmenides in der Vorrede zur Phänomenologie (vgl. Phän 57) verrät ebenfalls neuplatonische Einflüsse. — Vgl. Dritter Teil. II. 1. b). Vgl. G. Maluschke: Kritik und absolute Methode ... 47—54. Im Naturrechtsaufsatz, wo der Dialektikbegriff offenbar zum erstenmal in den Jenaer Schriften vorkommt, heißt es: „— denn daß das Verhältniß überhaupt nichts an sich ist, hat theils die Dialektik zu erweisen, theils ist es oben kurz dargestellt worden" (GW 4. 446). Dialektik hat hier wie der Skeptizismus die Aufgabe, endliche Verhältnisse zu negieren, d. h. in ihrer Endlichkeit aufzuzeigen; vgl. J.H. Trede: Hegels frühe Logik (1801—1803104). 151 Anm. 18, 154, 156 ff. Während der Dialektikbegriff in den ersten Jenaer Jahren nur spärlich auftritt, konstituiert er die Logik und Metaphysik von 1804/05, so daß Logik von Hegel mit Dialektik gleichgesetzt werden kann (vgl. GW 7. 127). In der frühen Logik bezieht sich die Dialektik hauptsächlich auf den dritten Teil. Vgl. O. Pöggeler: Hegels Idee einer Phänomenologie des Geistes. Freiburg, München 1973. 327—341. W. Zimmerli; Geschichtsphilosophie und Philosophiegeschichte im Denken des jungen Hegel. In: Natur und Geschichte. X. Deutscher Kongreß für Philosophie. Hrsg. v. K. Hübner u. A. Menne. Hamburg 1973. 470—479. Vgl. O. Pöggeler: Hegels Idee einer Phänomenologie des Geistes. 128 f. Vgl. auch Ros 192: „Ich verspreche hiermit also nicht nur nichts Neues, sondern gehe mit meinen philosophischen Bestrebungen darauf, eigentlich das älteste Alte wiederherzustellen ..."

210

Anmerkungen zu S. 38—45

Kimmerle glaubt aus diesen Stellen ableiten zu können, daß für Hegel am Anfang der Jenaer Zeit die Philosophie keine Geschichte hat (vgl. H. Kimmerle: Das Problem der Abgeschlossenheit des Denkens. Bonn 1970. 301). Zimmerli widerspricht dieser These (vgl. Geschichtsphilosophie und Philosophiegeschichte im Denken des jungen Hegel. 476). Zimmerli weist darauf hin, daß zwischen Wesen und Form unterschieden werden müsse, ln Rücksicht auf das innere Wesen bleibe die Philosophie immer identisch, die Form aber sei geschichtlich. Demgegenüber ist zu sagen, daß Hegel zwar eine Philosophiegeschichte kennt, diese aber am Anfang der Jenaer Zeit noch nicht durch eine positive Geschichtsphilosophie vermittelt ist. — Vgl. auch: Erster Teil. IV. 2; Dritter Teil. II. 5. Vgl. H. Tresdier: Montesquieus Einfluß auf die philosophischen Grundlagen der Staatslehre Hegels. Diss. Leipzig 1917. O. Pöggeler unterscheidet einen genitivus obiectivus und subiectivus bei dem Ausdruck „Bedürfnis der Philosophie" (vgl. Hegels Idee einer Phänomenologie des Geistes. 346 f). — Vgl. auch W. Zimmerli: Geschihtsphilosophie und Philosophiegeshihte im Denken des jungen Hegel. 477 f. Vgl. Shelling: Werke. 1. 337, wo auch der Ausdruck „Die Schrecken der objektiven Welt" vorkommt. Vgl. H. Kimmerle: Die von Rosenkranz überlieferten Texte Hegels aus der Jenaer Zeit. In: Hegel-Studien. 5 (1969), 85, 88 ff. Vgl. H. Kimmerle: Dokumente zu Hegels Jenaer Dozententätigkeit (1801—1807). In: Hegel-Studien. 4 (1967), 78 Anm. 13.

III. Kritik an der neuzeitlichen Subjektivitäts- und Reflexionsphilosophie * 2 ® ® ® ' ’’ ® “

Jacobi: Werke. 3. 44. ebd. 20. ebd. 23. ebd. 11. ebd. ebd. 17. ebd. 32. ebd. 35. Jacobi: Werke. 4, 1. 54. Paulus weist im zweiten Band seiner Spinozaausgabe (Jena 1803. XXXVI) ausdrücklich auf Hegel hin. — Vgl. auch Hegel: Werke. Bd 15. Hrsg. v. K. L. Michelet. Berlin 1836. 371. Zitiert nach H. Timm: Die Bedeutung der Spinozabriefe Jacobis für die Entwicklung der idealistishen Religionsphilosophie. In: F. H. Jacobi. Philosoph und Literat der Goethezeit. Hrsg. v. K. Hammacher. Frankfurt a. M. 1971. 48 f. Pihte: Werke. 1. 101. Vgl. Jacobi: Werke. 4, 1. 216 u. 221. Vgl. Jacobi: Werke. 3. 49. Vgl. H. Timm: Die Bedeutung der Spinozabriefe. .. 58.

Anmerkungen zu S. 45—48

211

J. G. Herder: Gott, Einige Gespräche über Spinoza's System; nebst Shaftesburi's Naturhymnus. 2. Ausgabe. Gotha 1800. IX. ” Vgl. ebd. 115. Vgl. ebd. 169. — Vgl. auch GPV 4. 362. ** Vgl. Herder: Gott. 124. Vgl. ebd. 179. 21 Ebd. 230 f. 22 Vgl. ebd. 298 f. 22 Vgl. ebd. 236 f. 21 Vgl. Die Hauptschriften zum Pantheismusstreit zwischen Jacobi und Mendelssohn. Hrsg. V. H. Scholz. Berlin 1916. XC. 22 Vgl. G. Baum: Vernunft und Erkenntnis. Die Philosophie P. H, Jacobis. Bonn 1969. 42 ff. — Vgl. auch W. Müller-Lauter: Nihilismus als Konsequenz des Idealismus. In: Denken im Schatten des Nihilismus. Festschrift für W. Weisthedel zum 70. Geburtstag. Hrsg. V. A. Schwan. Darmstadt 1975. 113—163. W. Müller-Lauter nimmt für die Begriffsbildung „Nihilismus" einen Einfluß des der scholastischen Tradition entstammenden Annihilationsbegriffs an. Er weist darauf hin, daß im Jahre 1798 — also im Jahr, bevor Jacobi gegen Fichte den Vorwurf des Nihilismus erhob — gegen Fichte im Zusammenhang des sogenannten Atheismus-Streits der Vorwurf einer bestimmten Annihilation erhoben wurde (vgl. ebd. 115). Müller-Lauters Behauptung (vgl. ebd. 151 Anm. 77), Hegel unterscheide in Glauben und Wissen nicht zwischen einem wahren und falschen Nihilismus, widerspricht der hier im Anschluß an O. Pöggeler (Hegel und die Anfänge der Nihilismus-Diskussion. In: Der Nihilismus als Phänomen der Geistesgeschichte in der wissenschaftlichen Diskussion unseres Jahrhunderts. Hrsg. V. D. Arendt. Darmstadt 1974. 314) und W. Janke (Pichte. Berlin 1970. 35) vertretenen Interpretation. 2® Vgl. G. Baum: Vernunft und Erkenntnis. 43. 22 Vgl. ebd. 22 Vgl. ebd. 45. 22 Vgl. ebd. 44. 22 Vgl. ebd. 48. 22 Vgl. ebd. 44 f. 22 Vgl. O. Pöggeler: Hegel und die Anfänge der Nihilismus-Diskussion. 311, 327. 22 Jacobi: Werke. 3. 291. 22 Vgl. H. Timm: Die Bedeutung der Spinozabriefe ... 80 f. — Vgl. auch K. Homann: P. H. Jacobis Philosophie der Preiheit. Freiburg, München 1973. 152 Anm. 40. 2® Vgl. H. Timm: Die Bedeutung der Spinozabriefe ... 81. 2® Vgl. die Ausführungen O. Pöggelers zu diesem Buche (Hegel und die Anfänge ... 335 ff). 22 Zitiert nach O. Pöggeler, 337. 2® J. G. Herder: Sämmtliche Werke. Hrsg. v. B. Suphan. Bd 22. Berlin 1880. 280. 2® Ebd. 281. — Vgl. O. Pöggeler: Hegel und die Anfänge ... 339 f. 2» Kant: KdrV. A 613 = B 641. 22 Vgl. IV. T. Krug: Briefe über den neuesten Idealism. Leipzig 1801. 65, 98 f. 22 Vgl. IV. Kohlschmidt: Nihilismus der Romantik (1953). In: Der Nihilismus als Phänomen der Geistesgeschichte in der wissenschaftlichen Diskussion unseres Jahrhunderts. 85—90.

212

Anmerkungen zu S. 48—51

PV. H. Wadcenroder: Werke und Briefe. Hrsg. v. F. von der Leyen. Bd 1. Jena 1910. 163. Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Hrsg. v. E. Hehler. Bd 18. Paderborn 1963. 27. — Vgl. auch O. Pöggeler: Hegel und die Anfänge ... 313 Anm. Vgl. PV. Vordtriede: Das nihilistische Geburtstagskind (1963). In: Der Nihilismus als Phänomen der Geistesgeschichte in der wissenschaftlichen Diskussion unseres Jahrhunderts. 211. Nihilismus. Die Anfänge von Jacobi bis Nietzsche. Hrsg. v. D. Arendt. Köln 1970. 264. — Vgl. PV. Kohlschmidt: Nihilismus der Romantik. 96. Hölderlin: Sämtliche Werke. Hrsg. v. F. Beissner. Bd 3. Stuttgart 1957. 45 f. Vgl. Nihilismus. Die Anfänge von Jacobi bis Nietzsche. 27 ff. Vgl. G. L. Pütt: Aus Schellings Leben, ln Briefen. Bd 1. Leipzig 1869. 245 ff. Vgl. PV. Kohlschmidt: Nihilismus der Romantik. 94, 96. Schelling: Werke. 1. 341. — Vgl. auch Hegels Einleitung zum Kritischen Journal (GPV 4. 124). Vgl. Schelling: Werke. 1. 185 Anm. 1. Vgl. Fichte: Werke. 1. 472. Schelling: Werke. 1. 191 Anm. in der 1. Aufl. — Vgl. den an Hegel gerichteten Brief vom 4. 2.1795, wo die Zerstörung der Endlichkeit und unserer Persönlichkeit gefordert wird (Briefe 1. 22). Schelling: Werke. 1. 324. Schelling: Werke. 1. 325. ” Schelling: Werke. 1. 326. Vgl. Schelling: Werke. 1. 188; 2. 361. Vgl. Oberdeutsche allgemeine Litteraturzeitung. (3. 5. 8. März 1803). 419, 434 f. Der Rezensent erkennt in dieser Schrift die Züge eines rohen Katholizismus (vgl. 453 Anm.). Er spricht von der Annihilationskraft Schellings, die zum Materialismus führt (vgl. 438 f). “ Vgl. O. Pöggeler: Hegel und die Anfänge der Nihilismus-Diskussion. 316 Anm. 3. Vgl. H. Holz: Die Beziehungen zwischen Schellings ,Naturphilosophie' und dem Identitätssystem in den Jahren 1801/02. In: Philosophisches Jahrbuch. 78 (1971), 260— 294. Holz nimmt an, daß in den Jahren 1799 bis 1802/03 Spinoza Schelling „in der Interpretationsperspektive des Neuplatonismus-Komplexes" (272) beeinflußt habe. Trotz dieser Kritik an Tiedemann darf nicht übersehen werden, daß dieser ein für die damalige Zeit bemerkenswert ausführliches Kapitel über Plotin in seinem Geist der spekulativen Philosophie (Dritter Band. Marburg 1793) veröffentlichte. Tiedemann schließt dieses Kapitel mit der These, daß Plotins System Pantheismus und Spinozismus ist (vgl. 428 f). — Vgl. zur Bedeutung des Plotinkapitels bei Tiedemann H. Holz (Die Beziehungen ...) 268 f. — Da sich Hegel mit Tiedemanns Neuplatonismuskritik auseinandergesetzt hat, ist es gut möglich, daß er auch das Plotinkapitel Tiedemanns gekannt hat. “ Vgl. K. Rosenkranz: Hegel's ursprüngliches System 1798—1806. Aus Hegel's Nachlaß. In: Literarhistorisches Taschenbuch. Hrsg. v. R. E. Prutz. Jg. 2. Leipzig 1844. 153—242. — Vgl. auch Ros 101 f. — Vgl. zu diesem ganzen Komplex H. Schneider: Anfänge der Systementwicklung Hegels in Jena. In: Hegel-Studien. 10 (1975), 133—171. Schneider datiert das Dreiecksfragment auf den Anfang der Jenaer Zeit (168—171). K. Rosenkranz: Hegels ursprüngliches System. 163.

Anmerkungen zu S. 51—54

213

“ Vgl. H. Schneider: Anfänge der Systementwicklung ... 158. Vgl. ebd. 161 f. «7 Vgl. ebd. 164. Vgl. ebd. 162. Hegel erneuerte bei dem Weggang Sdiellings aus Jena seine Polemik gegen die Formlosigkeit J. Böhmes (vgl. Ros 199, 182, 185 f), d. h. er übte schon vorher Kritik an J. Böhme. — Vgl. H. Schneider, 160 f. ™ Vgl. H. Schneider, 143—154. Vgl. auch in den Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie das Böhmekapitel, in dem die entsprechenden Böhmestellen angegeben sind (Hegel: Werke. Bd 15. Hrsg. v. K. L. Michelet. Berlin 1836. 316 f). — Vgl. Dritter Teil. III. 1. Vgl. Schelling: Werke. 6. 38. — Vgl. Zweiter Teil. II. 3. Vgl. K. Düsing: Spekulation und Reflexion, Zur Zusammenarbeit Sdiellings und Hegels in Jena. In: Hegel-Studien. 5 (1969), 95—128. Vgl. Salzburger Literaturzeitung. 1802, Heft 6. 10. Vgl. Journal für Wissenschaft und Kunst. Hrsg. v. J. J. Wagner. Heft 1. Leipzig 1805. 71. Vgl. J. 7. Wagner: System der Idealphilosophie. Leipzig 1804. XL. ” Vgl. K. Weiller: Der Geist der allerneuesten Philosophie der H. H. Schelling, Hegel, und Kompagnie. Erste Hälfte. München 1804. 195 Anm. 1. ™ Vgl. K. Weiller: Anleitung zur freyen Ansicht der Philosophie. München 1804. 151 f. ’ä Vgl. ebd. 148 f. Ebd. 150. Ebd. 108. F. Koppen: Schellings Lehre oder das Ganze der Philosophie des absoluten Nichts. Nebst drey Briefen verwandten Inhalts von Priedr. Heim. Jacobi. Hamburg 1803. 86. «ä Ebd. 92. 8« Ebd. 89. 8® Ebd. 92. — Vgl. Schelling: Werke. 4. 258. 88 F. Koppen: Schellings Lehre ... 97. 87 Ebd. 66. 88 Ebd. 143; vgl. auch ebd. 38. 8® Vgl. ebd. 175. Vgl. ebd. 178. »7 Ebd. 193. 88 Ebd. 196. 88 Ebd. 166 f. 88 Vgl. ebd. 228 Anm. 88 Vgl. ebd. 38. — Vgl. Schelling: Werke. 1. 325. 88 Vgl. Koppen: Schellings Lehre ... 142. — Vgl. GW 4. 23. 87 Vgl. Schelling: Werke. 4. 403 ff. — Vgl. Koppen: Schellings Lehre ... 178 f. 88 Vgl. Schelling: Werke. 4. 258. — Vgl. Koppen: Schellings Lehre . .. 92. 88 Vgl. ebd. 204. 100 PicJitg: Werke. 9. 39. 781 F. W. J. Schelling: Initia philosophiae universae. Erlanger Vorlesung. WS 1820/21. Hrsg, und kommentiert von H. Fuhrmans. Bonn 1969. 203 Anm. 5.

Anmerkungen zu S. 55—59

214 102

Ygj

u diesem Begriff K. Homann; V. H. Jacobis Philosophie der Freiheit. Frei-

2

burg, München 1973. 135 Anm. 3. — Jacobi unterscheidet zwischen Glauben an die sinnliche Welt, der zugleich ein Glaube an ewige Wahrheiten ist, und Glauben, den das Christentum lehrt (vgl. CW 4. 376 f). — Nach Homann (163) stellt der Glaubensbegriff bei Jacobi eine Antwort auf das Problem des Theorie-Praxis-Verhältnisses dar. Kant grenzt sich durch seinen Begriff des Vernunftglaubens in seiner Schrift Was heißt: Sich im Denken orientierend (1786) von Jacobi ab. Jacobis These, daß an das Dasein der sinnlichen Außenwelt geglaubt werden müsse, lehnt Kant in der Vorrede zur zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft ab (vgl. B. XL Anm.). In einem Schreiben aus dem Jahre 1794 erklärt Fichte, mit Jacobi ganz einig sein zu wollen (vgl. R. Lauth: Fichtes Verhältnis zu Jacobi unter besonderer Berücksichtigung der Rolle Friedrich Schlegels in dieser Sache. In: F. H. Jacobi. Philosoph und Literat der Goethezeit. 165; vgl. auch 171). 105 Ygj pjg Schriften zu J. G. Fichtes Atheismus-Streit. Hrsg. v. F. Böckelmann. München 1969. 106 Ygl. K. Homann: F. H. Jacobis Philosophie der Freiheit. 164 u. 187. 107 Ygl. Jacobi: Werke. 2. 61. 108 Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Hrsg. v. E. Behler. Bd 2. Paderborn 1967. 68. 110

Anders urteilt Hegel nach 1807 (vgl. K. Homann, 231 u. 239). Ygl. Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd 2. 66.

“1 Vgl. ebd. 69. 112 Ygl. ebd. 75. “3 Vgl. ebd. 114 Ygl. Koppen: Schellings Lehre ... 211 f. 115 Ygl. K. Homann: F. H. Jacobis Philosophie der Freiheit. 183 f. 116 Ygl. ebd. 164 Anm. 60. Vgl. ebd. 203. Hier handelt es sich möglicherweise um eine Anspielung auf Pascals Memorial, das das Erlebnis der Nacht der Bekehrung, des „Feuers" wiedergibt. Hegel bezieht sich am Ende von Glauben und Wissen ausdrücklich auf Pascal (vgl. GW 4. 414). — Jacobi selber war ein Verehrer Pascals (vgl. K. Homann, 202). 11* Dieser Text gehört zu Vorlesungsmanuskripten über Naturrecht aus den Jahren 1802 bis 1805; vgl. H. Kimmerle: Die von Rosenkranz überlieferten Texte Hegels aus der Jenaer Zeit. In: Hegel-Studien. 5 (1969), 85, 90 f. 120 Ygl. auch GW 4. 274. — Die Idee einer neuen Religion liegt bereits dem sogenannten „Ersten Systemprogramm des Deutschen Idealismus" zugrunde (vgl. Dokumente zu Hegels Entwicklung. Hrsg. v. J. Hoffmeister. 2. Aufl. Stuttgart-Bad Cannstatt 1974. 219 ff; nach O. Pöggeler ist Hegel der Verfasser des Systemprogramms, vgl. Ders.: Hegel, der Verfasser des ältesten Systemprogramms des deutschen Idealismus. In: Hegel-Tage Urbino 1965. Bonn 1969. 18; vgl. auch J. H. Trede: Mythologie und Idee. In: Das älteste Systemprogramm. Hrsg. v. R. Bubner. Bonn 1973. 204 ff. 121 Ygl. G. Höhn: Die Geburt des Nihilismus und die Wiedergeburt des Logos. F. H. Jacobi und Hegel als Kritiker der Philosophie. In: F. H. Jacobi. Philosoph und Literat der Goethezeit. 281—300. 122 Ygl. K. Homann: F. H. Jacobis Philosophie der Freiheit. 145 f. 123 Ygl. G. Höhn: Die Geburt des Nihilismus ... 295. 1*1 Vgl. ebd. 296.

Anmerkungen zu S. 59—66

215

‘25 Vgl. ebd. 297. Vgl. Erster Teil. III. 3. 127 Ygj Homann: F, H. Jacobis Philosophie der Freiheit, 137. 128 Vgl. Erster Teil. III. 1. Exkurs, a). 128

‘2® Der Kraftbegriff wird in der Logik und Metaphysik von 1804/05 innerhalb einer Erörterung des Kausalitätsverhältnisses positiv entfaltet, dann in der Phänomenologie in dem Kapitel „Kraft und Verstand, Erscheinung und übersinnliche Welt" (vgl. Dritter Teil. II. 2). '55 F. Koppen: Schellings Lehre ... 166. — Vgl. Erster Teil. III. 1. Exkurs, c). 131 Vgl. Die philosophischen Schriften von G. W. Leibniz. Hrsg. v. C. J. Gerhardt. Bd 6. 612. — Vgl. auch ebd. 127. 132 Vgl. Ethica. I. Prop. 17. Scholium (Spinoza: Opera. Werke. Lateinisch und Deutsch. Bd 2. Hrsg. v. K. Blumenstock. Darmstadt 1967. 117). 133 Vgl. Jacobi: Werke. 4, 1. 241. 134 Vgl. G. Maluschke: Kritik und absolute Methode in Hegels Dialektik. 66 f. 135 Vgl. Koppen: Schellings Lehre ... 166. — Vgl. Erster Teil. III. 1. Exkurs, c). '55 Zu Hegels Fichtekritik in der Differenzschrift vgl. L, Siep: Hegels Fiditekritik und die Wissenschaftslehre von 1804. Freiburg, München 1970. — Vgl. auch die Rezension dieses Buches von K. Düsing in: Philosophische Rundschau. 20 (1973), 50—63. Düsing korrigiert Siep dahingehend, daß er auf Hegels Fichtekritik in Glauben und Wissen aufmerksam macht, die gegenüber der in der Differenzschrift verändert ist. Fichte suchte in der Bestimmung des Menschen (1800) die Einheit der Philosophie vom Glauben aus zu begründen. Da Hegel in Glauben und Wissen diese gewandelte Position Fichtes berücksichtigt, kann er die Sichselbstgleichheit des Ich = Ich nicht mehr für „absolutes Princip der Spekulation" halten. — H. Girndt will Hegels Fichtekritik als Täuschungsmanöver und Übernahme der Reinholdschen Position entlarven (vgl. H. Girndt: Die Differenz des Fichteschen und Hegelschen Systems in der Hegelschen „Differenzschrift". Bonn 1965). H. Braun zeigt in einer Rezension überzeugend die Unhaltbarkeit der Argumente Girndts auf; vgl. Hegel-Studien. 4 (1967), 288—299. — Zu Hegels Fichtekritik in der Differenzschrift und in Glauben und Wissen vgl. auch P. Baumanns: Fichtes ursprüngliches System. Sein Standort zwischen Kant und Hegel. Stuttgart-Bad Cannstatt 1972. 20—24, 48—87. '37 Vgl. Fichte: Werke. 1. 134: „Aller Realität Quelle ist das Ich". '38 Vgl. Fichte: Werke. 1. 3—25. — Vgl. auch U. Claesges: Geschichte des Selbstbewußtseins. Den Haag 1974. 17 ff. '39 pgj. des Bewußtseyns" lautet: „Im Bewußtseyn wird die Vorstellung durch das Subjekt vom Subjekt und Objekt unterschieden und auf beyde bezogen." (K. L. Reinhold: Beyträge zur Berichtigung bisheriger Mißverständnisse der Philosophen. Bd 1. Jena 1790. 167). '55 Vgl. Fichte: Werke. 1. 227 ff. '4' Vgl. Fichte: Werke. 1.17 f. — Vgl. auch GW 4. 89. "2 Vgl. U. Claesges: Geschichte des Selbstbewußtseins. 170. '43 Vgl. ebd. 165. — Diese Schwierigkeit bemerkt auch Hölderlin in einem Brief an Hegel im Januar 1795 (vgl. Briefe 1. 19 f). — Zum Einfluß der Fichtekritik Hölderlins auf Hegel vgl. D. Henrich: Hegel im Kontext. Frankfurt a. M. 1971. 9—40, bes. 38. '44 Vgl. W. C. Zimmerli: Die Frage nach der Philosophie. Interpretationen zu Hegels „Differenzschrift". Bonn 1974. 137—155.

216

Anmerkungen zu S. 67—72

145 Ygi £ Siep: Hegels Fichtekritik und die Wissenschaftslehre von 1804. 14 f. 146 Ygi Düsing: Spekulation und Reflexion. In: Hegel-Studien. 5 (1969), 128. 147 Ygi. W. C. Zimmerli: Die Frage nach der Philosophie. 186 Anm. 68. 148 Trotz der Eigenständigkeit des Hegelschen SpekulationsVerständnisses am Anfang der Jenaer Zeit hat Hegel von Schelling in entscheidenden Punkten gelernt. Hegel kaufte sich in Frankfurt nicht nur Ausgaben griechischer Klassiker, sondern auch die Schriften Schellings (vgl. Ros 100). Die Einheit von Postulat und philosophischer Konstruktion hatte Schelling schon in den Abhandlungen zur Erläuterung des Idealismus der Wissenschaftslehre entwickelt (vgl. Werke. 1. 451). — Vgl. auch W. C. Zimmerli: Die Frage nach der Philosophie. 201—206. — Allgemein ist zu der Zusammenarbeit Schellings und Hegels zu sagen, daß beide — trotz Annäherungen und Einflüssen — ihren eigenen philosophischen Standpunkt beziehen. Der Begriff der Negativität kennzeichnet den besonderen Systemansatz Hegels. Der Begriff der Negativität ist bereits bei Schelling vorgebildet (vgl. Werke. 3. 287). Bei Schelling taucht auch schon das Nichts der Null auf (vgl. Werke. 3. 289 u. 313 Anm. 1; vgl. GJV 4. 359, 401, 447). Bei Hegel aber erwächst der Begriff der Negativität aus der Logik, der Skeptizismusproblematik und dem Verständnis des tragischen Schicksals und des absoluten Nichts. K. Düsing (Spekulation und Reflexion. 121) weist darauf hin, daß Schelling dazu tendierte, Hegels Leistung auf die Kritik festzulegen, während er — Schelling — die positive, eigentlich spekulative Seite entwickelte. Schelling erkannte offenbar nicht, daß Hegel aus der Kritik einen eigenständigen Systemansatz hervorgehen ließ. 448 Von hier aus ist der Vergleich zwischen dem Hegel der ersten Jenaer Jahre und Fichtes Wissenschaftslehre von 1804 aufschlußreich, den L. Siep (Hegels Fichtekritik . .. 94—106) unternimmt. Das Gemeinsame bei beiden Denkern besteht jetzt darin, daß das Absolute nicht vom endlichen Subjekt aus begründet wird. Dennoch sind weiterhin entscheidende Differenzen vorhanden. Hegel schickt am Anfang der Jenaer Zeit der eigentlichen Philosophie eine Logik voraus, Fichte in der Wissenschaftslehre von 1804 nicht. Bei Hegel muß sich das Absolute entäußern, bei Fichte muß sich das Absolute nicht unbedingt entäußern. — Vgl. auch K. Düsings Rezension des Buches von Siep in: Philosophische Rundschau. 20 (1973), 50—63. 150 Ygi. Koppen: Schellings Lehre ... 149 ff. 4“ Ebd. 147. 452 Kant: KdrV. B 132. 453 Ygi. G. Maluschke: Kritik und absolute Methode in Hegels Dialektik. 93. 454 Kant: KdrV. B 131. 455 Ygi. G. Maluschke: Kritik und absolute Methode. 122. 456 Ygi. I. Cörland: Die Kantkritik des jungen Hegel. Frankfurt a. M. 1966. 25. — Vgl. die Rezension von K. Düsing in: Hegel-Studien. 5 (1969), 300. 457 Ygi. G. Maluschke: Kritik und absolute Methode. 147 f.

IV. Der Begriff der Negativität als Grundlegung spekulativen Denkens 4 Vgl. GW 4. 117 ff. — Wie später in der Vorrede zur Phänomenologie kritisiert Hegel den Standpunkt der unmittelbaren Gewißheit (vgl. GW 4. 123 u. Phän 12—15) und einen leeren Formalismus in der Philosophie (vgl. GW 4. 120 u. Phän 17). Wie in der

Anmerkungen zu S. 72—82

217

Vorrede versteht er seine Zeit als Zeit der Unruhe und Gärung (vgl. GW 4. 126 u. Phän 12, 15 f). Obwohl Hegel sowohl am Anfang als auch am Ende der Jenaer Zeit einen einseitigen Machtspruch der Vernunft vermeiden möchte, erklärt er am Anfang der Jenaer Zeit im Unterschied zur Phänomenologie (vgl. Phän 16 f) die Philosophie für etwas Esoterisches (vgl. GW 4. 124). Beidemal geht es Hegel um Philosophie als Wissenschaft und um die Anstrengung des Begriffs (vgl. GW 4. 30 f, 121 f u. Phän 12, 48). ^ Vgl. R. Bubner: Froblemgeschichie und systematischer Sinn einer Phänomenologie. In: Hegel-Studien. 5 (1969), 142. ® Vgl. ebd. 144. ‘ Vgl. ebd. — Vgl. auch § 79 der Berliner Enzyklopädie, wo ähnlich wie am Anfang der Jenaer Zeit zwischen einer „dialektischen oder negativ-vernünftigen" und einer „spekulativen oder positiv-vernünftigen" Seite unterschieden wird. ® O. Pöggelers Unterscheidung zwischen genitivus subiectivus und obiectivus bei dem Ausdruck „Bedürfnis der Philosophie" kommt hier zur Anwendung. Die Philosophie hat selber ein Bedürfnis, die Totalität wiederherzustellen. Dies kann sie nur im Medium der Reflexion tun (vgl. Pöggeler: Hegels Idee einer Phänomenologie des Geistes. 347 f). ® Dieses Problem kann nicht einfach durch Verweis auf den wiederum antinomischen Charakter gelöst werden, wie Zimmerli (vgl. Die Frage nach der Philosophie. 89) es versucht. Die Legitimität der Selbstaufhebung der Antinomie muß ja gerade erst erwiesen werden. Zimmerli hinterfragt nicht den Systemansatz Hegels. ’ Schelling: Werke. 1. 326. ® Vgl. J. G. Herder: Gott. 230 f.

ZWEITER TEIL I.

Die Negativität der modernen, neuzeitlichen Gesellschaft 1 Vgl. M. Riedel: Studien zu Hegels Rechtsphilosophie. Frankfurt a. M. 1969. 77. ^ Vgl. ebd. 81. — Vgl. auch K.-H. Ilting: Hegels Auseinandersetzung mit der aristotelischen Politik. In: Philosophisches Jahrbuch. 71 (1963/64), 47f. Gegen die These Riedels, daß Hegel am Anfang der Jenaer Zeit nur Fortsetzer alteuropäischer Traditionen sei, wendet sich Ilting (vgl. 47 Anm. 29). Er weist nach, daß Hegel einerseits durch die Ökonomie in der Politik des Aristoteles dazu gelangt ist, die Ergebnisse nationalökonomischer Untersuchungen in sein philosophisches System aufzunehmen, anderseits die griechische Auffassung von Staat und Gesellschaft durch sein Verständnis von Negativität uminterpretiert hat. Im Unterschied zu den Griechen versteht er das Negative nicht als Mangel an Sein, sondern im Anschluß an Spinoza als Negation des Vorhandenen (vgl. 48). Deutlich kommt diese Umformung antiken Denkens im äußeren Aufbau des Systems der Sittlichkeit zum Ausdruck. Der zweite Abschnitt: „Das Negative oder die Freiheit oder das Verbrechen" paßt in keiner Weise in den aristotelischen Rahmen dieser Schrift. Indem Hegel außerdem an das Machtstaatsdenken von Machia-

218

Anmerkungen zu S. 82—90

velli, Hobbes und Spinoza anknüpft, kann er nicht mehr unmittelbar das politische Denken der Antike übernehmen (vgl. 51). ® Vgl. K. MarxlF. Engels: Werke. Ergänzungsband: Schriften bis 1844. Erster Teil. Berlin 1968. 537 f, 548. Da K. Marx die Jenaer Schriften nicht kennen konnte, bezieht sich sein Arbeitsbegriff auf den der Phänomenologie, in der Hegel „das Wesen der Arbeit faßt und den gegenständlichen Menschen, wahren, weil wirklichen Menschen, als Resultat seiner eignen Arbeit begreift" (574). — In bezug auf das Verhältnis zur Rechtsphilosophie vgl. z. B. das „System der Bedürfnisse" im System der Sittlichkeit und in der Rechtsphilosophie. Die Feststellung einer solchen Nähe zur späteren Rechtsphilosophie darf die besonderen Unterschiede, die durch den spezifischen Ansatz der jeweiligen Schriften bedingt sind, nicht verwischen. So kann man nicht wie K. Rosenkranz, Th. Haering und H. Glöckner behaupten, daß der Naturrechtsaufsatz bereits die Grundlinien der späteren Rechtsphilosophie enthalte. Es ist das Verdienst M. Riedels, diese These widerlegt zu haben (vgl. M. Riedel: Studien ... 42 f). * Als eine solche eingehende Analyse kann G. Göhlers Kommentar betrachtet werden: G. W. P. Hegel: Frühe politische Systeme. Hrsg, und kommentiert von G. Göhler. Frankfurt a. M. [usw.] 1974. 338—610, bes. 536 ff. — Vgl. auch die Rezension dieses Buches von H. Kimmerle in: Hegel-Studien. 11 (1976), 219—228. ® Vgl. K.-H. llting: Hegels Auseinandersetzung mit der aristotelischen Politik. 49. ® Das Phänomen der „überflüssigen Arbeit" entsteht dadurch, daß über die Befriedigung der unmittelbaren Bedürfnisse hinaus gearbeitet wird. Das durch die Arbeit erworbene Eigentum erfordert eine Rechtsordnung, die das Eigentum des einzelnen schützt. Das Recht regelt im Vertrag den durch die „überflüssige Arbeit" ermöglichten Warentausch. Grundlagen dieser Tauschgesellschaft sind Geld und Handel. Die Anerkennung als Person im Rechtssystem der durch Arbeit und Handel bestimmten modernen Gesellschaft ist bloß formell (vgl. SdS 33 f; Real 213—221). ^ Zu Hobbes vgl. GW 4. 425 u. 427. Mit „antisocialistischen" (GW 4. 431) Systemen des Naturrechts sind wohl Hobbes und Spinoza gemeint (vgl. K.-H. llting, 55). — Zu Kant und Fichte vgl. GW 4. 430—449. ® Es ist u. a. an Hobbes, Spinoza und Pufendorf zu denken (vgl. M. Riedel: Studien . . . 45). — Vgl. auch GW 4. 420 u. 426. ® Bei der Umbildung der Hobbesschen Theorie des Kampfes aller gegen alle ist Hegels Spinozarezeption von Bedeutung. Spinoza kommt das Verdienst zu, die empiristische Denkweise von Hobbes überwunden zu haben, indem er das Absolute selbst als Macht und Tätigkeit begriff (vgl. K.-H. llting, 51). Wenn Spinoza das Absolute als Macht begreift, erhält der Kampf um Selbstbehauptung eine universale Bedeutung. Die Erfahrung des absoluten Nichts bedeutet nun Erfahrung absoluter Macht im absoluten Nichts. L. Siep weist darauf hin, daß bei Hobbes zumindest seit dem Leviathan der Kampf um Ehre ein reiner Machtkampf geworden ist; vgl. Siep: Der Kampf um Anerkennung. In: Hegel-Studien. 9 (1974), 157. ** Vgl. Fichte: Werke. 3. 41—56. Vgl. L. Siep: Der Kampf um Anerkennung. 175. Vgl. ebd. 178. Vgl. Zweiter Teil. II. 2. Vgl. M. Riedel: Studien ... 64. — Kritisch zu der These Riedels, daß Hegel in der Realphilosophie zur Naturrechtsposition von Rousseau, Kant und Fichte zurückgekehrt

Anmerkungen zu S. 90—100

219

sei, vgl. L. Siep: Der Kampf um Anerkennung. 188 Anm. 51. — Am Ende der Jenaer Zeit beurteilt Hegel die neuzeitliche Kultur insgesamt positiver, was ihn allerdings nicht davon abhalten kann, weiterhin den modernen Naturrechtstheorien kritisch gegenüberzutreten; vgl. Real 245, wo er sich gegen den Staatsvertrag wendet und sich auf Aristoteles beruft. Vgl. H. Schmitz: Hegel als Denker der Individualität. Meisenheim a. Gl. 1957. 133—137. Vgl. L. Siep: Der Kampf um Anerkennung. 194. — Vgl. Dritter Teil. 11. 3. a). Vgl. L. Siep, 200. ” Vgl. Erster Teil. IV. 1. Der Arbeiterstand ist überhaupt nicht vertreten, obwohl Hegel eine „arbeitende Klasse" (SdS 86) und die „Fabrikarbeiter" (GW 6. 323) kennt. — Vgl. auch G. Cöhler in Hegel: Vrühe politische Systeme. 575. Der Begriff „unendliches Urteil" kommt in der Realphilosophie in diesem Zusammenhang nicht vor. Dennoch ist von der Sache her ein Vergleich möglich. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß Realphilosophie und Phänomenologie fast gleichzeitig entstanden sind. Wenn G. Göhler mit H. Schmitz (Hegel als Denker der Individualität) den Begriff „unendliches Urteil" schon im Zusammenhang einer Analyse der ersten Jenaer Schriften verwendet (vgl. Hegel: Frühe politische Systeme. 377 ff), so ist zu berücksichtigen, daß Hegel zu dieser Zeit nicht vom unendlichen Urteil, sondern von der Antinomie spricht (vgl. auch H. Kimmerle: Das Problem der Abgeschlossenheit des Denkens. 62—66). Vgl. Real 259. Polizei kommt von Polltela, das öffentliche Leben und Regieren. Vgl. Cöhler in Hegel: Frühe politische Systeme. 580: „In der Realphilosophie stehen sich nun Innerhalb des Ständeaufbaus selbst das mehr subjektiv-neuzeitliche, individualistische Prinzip eines vom höheren Bürgertum getragenen Staates und das mehr substantiell-antike Ideal der Identität von Volk und adligem Kriegerstand unvermittelt gegenüber." Auf die Moralität als Erhebung über den Stand wird noch einmal in Real 267 hingewiesen. Die Erhebung über den einzelnen Stand in der Religion ist unvollkommen (vgl. Real 269 ff). Erst die Philosophie kann die Überwindung der Partikularität des einzelnen Standes leisten. — Vgl. Zweiter Teil. I. 3. d). Vgl. H. Maier: Einige historische Vorbemerkungen zu Hegels politischer Philosophie. In: Das älteste Systemprogramm. Hrsg. v. R. Bubner. 160. Vgl. ebd. 153 Anm. 4. — Vgl. R. K. Hocevar: Stände und Repräsentation beim jungen Hegel. München 1968. 171. H. Maier: Einige historische Vorbemerkungen ... 160. Vgl. ebd. 155 Anm. 14. — Vgl. R. K. Hocevar: Stände und Repräsentation . .. 165—171. Vgl. R. K. Hocevar, 181. Vgl. Herder: Sämmtliche Werke. Bd 17. 321 ff. — Vgl. Verf 117. Vgl. R. K. Hocevar, 180. Vgl. ebd. 151. Vgl. ebd. 148. Vgl. R. P. Horstmann: Über die Rolle der bürgerlichen Gesellschaft in Hegels politischer Philosophie. In: Hegel-Studien. 9 (1974), 221. Vgl. ebd. 224.

Anmerkungen zu S. 100—106

220

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Jenenser 133. ■*“ Vgl. Vgl.

Hegel: Frühe politische Systeme. 592. Zweiter Teil. I. 1. a). Hegel: Frühe politische Systeme. 386 Anm. 24. J. Schwarz: Die Vorbereitung der Phänomenologie des Geistes in Hegels Systementwürfen. In: Zeitschrift für Deutsche Kulturphilosophie. 2 (1936), Hegel: Frühe politische Systeme. 451. Zweiter Teil. I. 1.

II. Negativität und Selbstbewußtsein in den Jenaer Systementwürfen * R. P. Horstmann stellt im Rahmen einer Rezension zu Kimmerle in: Philosophische Rundschau. 19 (1972), 87—118 — die Verschiedenheit beider Systemskizzen heraus. Er kritisiert H. Kimmerle (Das Problem der Abgeschlossenheit des Denkens), der die Systemskizze der Differenzschrift zum Leitfaden für seine These nimmt, daß Hegel in den Jahren 1800—1804 ein eigenständiges System ausgearbeitet hat. Horstmann übt Kritik an Kimmerles Behauptung, „daß die entweder direkt oder indirekt überlieferten Arbeiten Hegels aus den Jahren 1800 bis 1804 als die Trümmer eines in seinen verschiedenen Teilen bereits fast vollständig ausgefalteten Systems angesehen werden müssen" (92). Als Antwort auf diese Kritik vgl. H. Kimmerle: Ideologiekritik der systematischen Philosophie. Zur Diskussion über Hegels System in Jena. In: HegelJahrbuch 1973. 85—101. — Es ist noch eine dritte, von K. Rosenkranz überlieferte Systemskizze zu erwähnen, in der die Religion als „die Rückkehr zur ersten Einfachheit der Idee" (Ros 179) konzipiert ist (vgl. zur Datierung und Bewertung dieser Skizze Horstmann 111 Anm. 56; vgl. auch O. Pöggeler: Hegels Idee einer Phänomenologie des Geistes. 276 Anm. 12). Neuere Manuskriptfunde bestätigen die von Kimmerle im Anschluß an Rosenkranz behauptete Vierteilung des Systems am Anfang der Jenaer Zeit, vgl. E. Ziesche: Unbekannte Manuskripte aus der Jenaer und Nürnberger Zeit im Berliner Hegel-Nachlaß. In: Zeitschrift für philosophische Forschung. 29 (1975), 430— 444. * Vgl. H. Kimmerle: Dokumente zu Hegels Jenaer Dozententätigkeit (1801—1807). In: Hegel-Studien. 4 (1967), 53—56, 76 ff; ferner Kimmerles Rezension von: Hegel: Frühe politische Systeme (hrsg. und kommentiert von G. Göhler). In: Hegel-Studien. 11 (1976), 219—228. Kimmerle kritisiert Göhler darin zu Recht, daß dieser den vorgesellschaftlichen Teil der Geistesphilosophien einfach der politischen Philosophie zuordnet. Ebenfalls übersieht Göhler die Bedeutung des Systementwurfs von 1803/04 und der Phänomenologie, die fast gleichzeitig mit der Realphilosophie entstand. ^ Der Titel „System der Sittlichkeit" stammt von K. Rosenkranz. — Zur Datierung vgl. H. Kimmerle: Zur Chronologie von Hegels Jenaer Schriften. In: Hegel-Studien. 4 (1967), 153 f. — Zum Einfluß Schellings vgl. Hegel: Frühe politische Systeme. 357 Anm. 3. ^ Von einer versehentlichen Vertauschung der Stellung der beiden Potenzen von Anschauung und Begriff, die J. H. Trede annimmt, kann nicht gesprochen werden (vgl. Trede: Mythologie und Idee. In: Das älteste Systemprogramm. Hrsg. v. R. Bubner. Bonn 1973. 208 Anm. 30; Hegel: Frühe politische Systeme. 366 Anm. 18).

Anmerkungen zu S. 106—110

221

® Vgl. 7. H. Trede: Mythologie und Idee. 178 Anm. 13. • R. P. Horstmann nimmt in seiner Dissertation (Hegels vorphänomenologische Entwürfe zu einer Philosophie der Subjektivität in Beziehung auf die Kritik an den Prinzipien der Reflexionsphilosophie. Heidelberg 1968. 116 f) die Position der Realphilosophie von 1805106 als Maßstab für die Beurteilung der früheren Jenaer Schriften an. Dadurch wird er dem eigenen Systemansatz der ersten Jenaer Jahre nicht gerecht; vgl. H. Kimmerles Rezension in: Hegel-Studien. 5 (1969), 307 ff. Eine differenziertere Beurteilung der Jenaer Schriften als in seiner Diss. bietet Horstmann in seiner KimmerleRezension: Probleme der Wandlung in Hegels Jenaer Systemkonzeption. In: Philosophische Rundschau. 19 (1972), 87—118. ^ Die Idee absoluter Sittlichkeit ist entsprechend dem Postulat transzendentaler Anschauung zu postulieren (vgl. GW 4. 29 u. 484). ® Die dialektische Entwicklung vom Verbrechen zum Krieg ist eine Entwicklung von der Ungleichheit der Entgegengesetzten zur Gleichheit beider Seiten (vgl. 7. H. Trede: Mythologie und Idee. 185). • Vgl. J. H. Trede: Mythologie und Idee. 206—210. Ders.: Hegels frühe Logik (1801— 1803/04). In: Hegel-Studien. 7 (1972), 152—156. — Im Gegensatz zu der hier im Anschluß an Trede dargelegten These vertritt K.-H. Nusser (Hegels Dialektik und das Prinzip der Revolution. München, Salzburg 1973. 184 f) die These, daß der zweite Abschnitt des Systems der Sittlichkeit nicht organisch in den Aufbau dieser Schrift hineinpasse. Nussers Strategie besteht darin, die Aussagen des Naturrechtsaufsatzes und des Systems der Sittlichkeit, insbesondere des zweiten Abschnitts, über die sittliche Wirklichkeit rein pragmatisch, nämlich von der in der Verfassungssdirift angesprochenen politischen Situation her zu erklären. Er übersieht dabei die Einheit von Metaphysik und Sittlichkeit bei Hegel in dessen ersten Jenaer Jahren. Anderseits ist zuzugestehen, daß Nusser sich bei seinem Interpretationsansatz auf Hegels praktische Philosophie am Anfang der Jenaer Zeit berufen kann, die sich nicht ohne weiteres in Hegels spekulativen Systemansatz einpaßt (vgl. Erster Teil. IV. 1. u. 2.). — Daß Hegel im zweiten Abschnitt des Systems der Sittlichkeit das Subsumtionsverfahren nicht durchhalten kann (vgl. auch Hegel: Frühe politische Systeme. 395), ist als Zeichen dafür zu bewerten, daß der dritte, negative Teil der Logik den formalen Rahmen des Schellingschen Subsumtionsschemas sprengt, dessen Mangel sich dadurch zeigt. Die Totalität der sittlichen Anschauung wird auch „absolutes Leben" (SdS 9) genannt. Der Begriff des Lebens liegt dem gesamten Subsumtionsprozeß zugrunde (vgl. SdS 15 ff, 53; vgl. auch Hegel: Frühe politische Systeme. 389). Der Systementwurf besteht aus Fragmenten, die Ausarbeitungen für die Vorlesung im Wintersemester 1803/04 über Naturrecht und: philosophiae speculativae systema, complectens a) Logicam et Metaphysicam, sive Idealismum transscendentalem b) philosophiam naturae et c) mentis darstellen (vgl. GW 6. 351). Für die Logik und Metaphysik konnte sich Hegel auf Vorarbeiten stützen, so daß offenbar deshalb eine eigene Ausarbeitung dieses Teils des Systems der spekulativen Philosophie fehlt (vgl. GW 6. 353). Vgl. Jacobi: Werke. 4, 1. 172. Vgl. R. P. Horstmann: Probleme der Wandlung in Hegels Jenaer Systemkonzeption. 109 u. 113. J. Habermas reduziert dieses System von Mitten auf drei Hauptmomente: Arbeit, Sprache und Interaktion (vgl. Habermas: Arbeit und Interaktion. In: Natur und

222

Anmerkungen zu S. 110—112

Geschichte. Karl Löwith zum 70. Geburtstag. Stuttgart 1967. 140). In dem Begriff Interaktion wird das in der Familie einsetzende Intersubjektivitätsverhältnis formalisiert. Ein solches formalisierendes Interpretationsvorgehen ist als Gegenstück zu einer mehr textimmanenten Interpretation fruchtbar. Diese wird aber von Habermas vernachlässigt (vgl. Hegel: Frühe politische Systeme. 439 Anm. 48, 489 Anm. 28). So behandelt Habermas den Systementwurf und die Realphilosophie als eine Einheit. Auch liegt die Dialektik von Arbeit, Sprache und Interaktion, wie Habermas sie sieht, bei Hegel nicht in dieser Weise vor. Die Dialektik jener Momente wird bei Hegel innerhalb einer modifizierten Spinozistischen Substanzmetaphysik entwickelt. Habermas' Interpretationsversuch kann aber auf einen Ansatz zumindest des Systementwurfs aufmerksam machen, den Hegel hätte ausarbeiten können und durch den er den Aporien seines spekulativen Systemansatzes sowie der am Anfang der Jenaer Zeit vorherrschenden Orientierung an der antiken Polissittlichkeit entgangen wäre. — Interessant ist der Hinweis, daß die Isolierung jener drei Momente voneinander in der Literatur vorgenommen wurde und zu einseitigen Interpretationen führte. So nahm Cassirer die Dialektik der Namengebung, Lukäcs die Dialektik der Arbeit und Litt die Dialektik des Kampfes um Anerkennung zum Leitfaden einer Hegelinterpretation (vgl. Arbeit und Interaktion. 144). Vgl. Ros 187: der einzelne ist nur insoweit groß, als seine „Naturverachtung" groß ist. Vgl. GW 6. 273: das Bewußtsein als „ein sich bewußtseyendes"; GW 6. 296: im Tod gelangt das Bewußtsein zu einer absoluten Reflexion, die aber nur „leere Einzelnheit" ist; GW 6. 312: „es macht selbst diese Reflexion seiner selbst in sich selbst". — In einer Gliederungsnotiz, die in die Zeit zwischen dem Systementwurf und der Realphilosophie gehört (vgl. GW 6. 350), wird die Vernunft als „absolute Reflexion in sich selbst", als „Selbstbewußtseyn" (GW 6. 329) verstanden. Das Bewußtsein soll absolutes Bewußtsein werden, es soll die Abstraktheit einer bloß formalen Existenz zugunsten der Konkretheit des sittlichen Lebens in einem Volk aufgeben. Damit wird die Tendenz sichtbar, dem bloß abstrakten, formalen ein geschichtliches, konkretes Bewußtsein gegenüberzustellen. So rühmt Hegel an den Stiftern der Religion, daß sie „wesentlich wirkliche in der Geschichte existirende, nicht absolut freye Gestalten" (GW 6. 330) waren. So wird die allgemeine Einheit, die durch Gedächtnis, Arbeit und Familie zustande kommt, von der existierenden Einheit von Sprache, Werkzeug und Familiengut unterschieden. Beide Formen der Einheit zusammen bilden ein Allgemeines „als absolut existirend; als dauernd, allgemeine Existenz habend" (GW 6. 279). Das Bewußtsein kommt zu einem „dauernden absoluten Producte", die Natur nicht. Im Werkzeug wird ein Bezug zur Geschichte hergestellt, wenn es als existierende vernünftige Mitte bezeichnet wird, die sich „in Traditionen" (GW 6. 300) fortpflanzt. 18 Vgl. Erster Teil. III. 2 u. 3. 1® Vgl. die Vorlesungsankündigung für das Wintersemester 1803/04 (vgl. GW 6. 351). Vgl. auch H. Kimmerle: Die von Rosenkranz überlieferten Texte Hegels aus der Jenaer Zeit. In: Hegel-Studien. 5 (1969), 85, 89. Die Bezeichnung der Logik als spekulativer Philosophie geschieht zuerst auf einer Hörerliste des Sommersemesters 1805 und dann in der Vorlesungsankündigung für das Sommersemester 1806 (vgl. ebd. 90). Vgl. D. Henrich: Selbstbewußtsein. Kritische Einleitung in eine Theorie. In: Hermeneutik und Dialektik I. Hrsg. v. R. Bubner, K. Gramer, R. Wiehl. Tübingen 1970.

Anmerkungen zu S. 112—115

223

257—284. Ders.: Fichies ursprüngliche Einsicht. In: Subjektivität und Metaphysik. Festschrift für W. Cramer. Frankfurt a. M. 1966. 188—232. Mit Henrich könnte man auf Fichte hinweisen, der auch erst im Laufe seiner philosophischen Entwicklung eine Selbstbewußtseinstheorie entfaltet hat (vgl. Fichtes ursprüngliche Einsicht. 198 u. 202; vgl. korrigierend dazu U. Claesges: Geschichte des Selbstbewußtseins. Den Haag 1974. 151 f). In der Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre formuliert Fichte: „Das Ich setzt ursprünglich schlechthin sein eigenes Seyn" (Werke. 1. 98). Im Jahre 1797 heißt es: „Die Anschauung, von welcher hier die Rede ist, ist ein sich Setzen als setzend ..., keinesweges aber etwa ein blosses Setzen” (Werke. 1. 528). Im Jahre 1797 wird das Ich von vornherein als Selbstbewußtsein gedacht (vgl. Claesges, 152 Anm. 99). In kritischer Auseinandersetzung mit H. Kimmerles These einer einheitlichen Systemkonzeption Hegels in den Jahren 1801—1804/05 fragen R. P. Horstmann und J. H. Trede nach dem Verhältnis zwischen der frühen Logik und der von 1804/05 (vgl. Horstmann: Probleme der Wandlung in Hegels Jenaer Systemkonzeption. 103 f Anm. 42; Trede: Hegels frühe Logik (1801—1803/04). 152 Anm. 19). Horstmann und Trede halten gegenüber Kimmerle (Das Problem der Abgeschlossenheit des Denkens. 52—62) die Verschiedenheit zwischen beiden Logikkonzeptionen für zu groß, als daß sich ein fruchtbarer Vergleich ermöglichte. Demgegenüber muß betont werden, daß eine differenzierte Betrachtung wichtige Vergleichspunkte herausheben kann (vgl. K. Düsing: Das Problem der Subjektivität in Hegels Logik. Bonn 1976). Zum Begriff „Dialektik" vgl. GW 7. 127, wo Logik, Dialektik und Idealismus gleichgesetzt werden. — Vgl. auch 7. H. Trede: Hegels frühe Logik (1801—1803/04). 157 ff. ‘‘‘ In dem Verständnis der Definition als Selbsterhaltung ist bereits das in der Metaphysik auftretende Anerkennungsverhältnis grundgelegt (vgl. GIV 7. 136, 146, 1161). Zur Stellung der „Metaphysik der Subjectivität" innerhalb der Logik und Metaphysik von 1804/05 vgl. H. Kimmerle: Das Problem der Abgeschlossenheit des Denkens. 122—132. — Der erste und zweite Teil der Metaphysik läßt noch die alte Einteilung der Metaphysik bei Chr. Wolff in „metaphysica generalis" und „specialis" erkennen. Diese ursprüngliche Bestimmtheit erhält in der Phänomenologie, in der Darstellung des „geistigen Tierreichs" zentrale Bedeutung (vgl. Phän 285). Nach K. Rosenkranz nannte Hegel beim Vortrag der Metaphysik „die immanente Dialektik des Absoluten den Lebenslauf Gottes" (Ros 192). Vgl. Ros 188: „Diese Negativität ist nun auch von den Gnostikern und von Schelling als ein Herausgehen der Idee aus sich, als ein Abfall ihrer von sich selbst, vorgestellt worden. Nun erinnert Hegel, daß man sich bei diesen Vorstellungen das Richtige vergegenwärtigen könne, wenn man es überhaupt schon wisse; daß es aber ungeschickt sei, in diesen Formen stets schon die Sache besitzen zu wollen, weil dieselben nur ein Geschehen, eine Gleichgültigkeit der Beziehung ausdrücken, während der Begriff die Negation wesentlich nur als Moment, aber als absolut nothwendiges setze." — Vgl. Schelling: Werke. 6. 38 und Phän 538. Vgl. auch J. H. Trede: Hegels frühe Logik (1801—1803/04). 161 ff. Im Unterschied zu Kimmerle nimmt Trede an, daß sich die Zwei Anmerkungen zum System auf den Übergang von der Logik zur Metaphysik beziehen. Ein solcher Übergang gehört nach

224

Anmerkungen zu S. 115—120

Trede in die Nähe einer Logik- und Metaphysikkonzeption von 1803/04, zu der Trede auch den Gliederungsentwurf zur Metaphysik rechnet (vgl. GW 7. 363 f). In der Einleitung der Phänomenologie wird gefordert, daß die Wissenschaft den Schein aufheben muß, als ob sie neben anderem Wissen auftreten würde (vgl. Phän 66). Vgl. F. Nicolin: Hegels Arbeiten zur Theorie des subjektiven Geistes. In: Erkenntnis und Verantwortung. Festschrift für Th. Litt. Düsseldorf 1960. 363 f. Nicolin schlägt vor, Hoffmeisters Überschrift „Subjektiver Geist" durch „Der Geist in seinem Begriff" zu ersetzen. — Vgl. auch den Gliederungsentwurf zur Philosophie der Intelligenz: GW 6. 329. Vgl. R. P. Horstmann: Hegels vorphänomenologische Entwürfe zu einer Philosophie der Subjektivität. 112 f. Vgl. J. H. Tredes problematischen Vergleich zwischen C. Die Wissenschaft und dem Schlußkapitel der Phänomenologie (Trede: Phänomenologie und Logik. In: HegelStudien. 10 (1975), 173—209). Im Unterschied zu Trede (vgl. 184 Anm. 11) kann man C. Die Wissenschaft als unmittelbare Vorarbeit zum Schlußkapitel der Phänomenologie deuten, so daß für die Datierung dieses Fragments Sommer/Herbst 1806 als Entstehungszeit anzunehmen wäre. Im Unterschied zu Trede sollte unabhängig von der Frage nach der Zuordnung von C. Die Wissenschaft zum Schlußkapitel der Phänomenologie die Applizierbarkeit einer Logikgliederung am Ende der Realphilosophie (vgl. Real 272) auf die Phänomenologie diskutiert werden (vgl. Trede, 196 f). Diese Applikation ist nicht nur äußerlich möglich, sondern sie entspricht auch der Struktur der Phänomenologie. Die Unterscheidung zwischen einem ursprünglich logischen und metaphysischen Teil der Logikgliederung findet bei einer Applikation dieser Gliederung auf die Phänomenologie in deren Struktur selber eine Entsprechung. Mit Recht weist Trede auf die besondere Stellung des Skeptizismus im Selbstbewußtseinskapitel und den mit dem Vernunftkapitel beginnenden Neuansatz hin (vgl. Trede 201 ff). Wie in der Logikgliederung am Ende der Realphilosophie findet in der Phänomenologie eine Verschmelzung von ursprünglich logischen und metaphysischen Elementen statt. Es muß als die besondere Aufgabe der Phänomenologie angesehen werden, die Einheit von Logik und Metaphysik zu begründen. Ein unmittelbarer Vergleich zwischen der Logik und Metaphysik von 1804/05 und dem Aufbau der Phänomenologie ist nicht möglich (vgl. Trede, 203). Nur indirekt, über den ursprünglich logischen Teil der Logikgliederung, läßt sich ein solcher Vergleich anstellen. Die Phänomenologie bis einschließlich Selbstbewußtseinskapitel würde dann mit der Logik von 1804/05 in Entsprechung zu bringen sein. Ein durchgängiger Vergleich der Metaphysik von 1804/05 mit Teilen der Phänomenologie ist problematisch; vgl. Tredes Rezension der Arbeit von J. Heinrichs: Die Logik der Phänomenologie des Geistes (Bonn 1974) in: Hegel-Studien. 11 (1976), 228—234. In seiner Vorlesung über Geschichte der Philosophie für das Wintersemester 1805/ 06 tadelt Hegel „den Mangel an Dialektik, welche bei Platon, mit dem Schelling außerdem manches Aehnliche habe, überall dem Inhalt vergesellschaftet sei" (Ros 201). — Zum Quellenwert des Rosenkranzberichtes vgl. H. Kimmerle: Die von Rosenkranz überlieferten Texte Hegels aus der Jenaer Zeit. 85, 93. III. Das Verhältnis der verschiedenen Formen von Negativität zueinander 1 Vgl. Erster Teil. IV. 1.

Anmerkungen zu S. 120—130

225

“ Vgl. Zweiter Teil. I. 1. ’ Vgl. H. Schmitz: Subjektivität. Bonn 1968. 95—108. ■* Vgl. D. Henrich: Formen der Negation in Hegels Logik, ln: Hegel-Jahrbuch 1974. 247 ff. ® N. Hartmann: Hegel und das Problem der Realdialektik. In: Blätter für Deutsche Philosophie. 9 (1935/36), 26.

DRITTER TEIL

I. Die Idee einer Geschichte des Selbstbewußtseins 1 Als erstes eindeutiges Zeugnis für die Arbeit an der späteren Phänomenologie gilt das sogenannte Blatt zur Phänomenologie (vgl. Dokumente zu Hegels Entwicklung. Hrsg. V. J. Hoffmeister. 2. Aufl. Stuttgart-Bad Cannstatt 1974. 353). 2 E. Platner: Philosophische Aphorismen. T. 1. 3. Aufl. Leipzig 1793. 19. “ Vgl. E. Behler: Die Geschichte des Bewußtseins. In: Hegel-Studien. 7 (1972), 191. * Vgl. ebd. 195. = Vgl. ebd. 192 u. 197 f. “ Vgl. ebd. 198. — Zum Begriff „neue Religion" vgl. GW 4. 274 u. Ros 141. — Vgl. Erster Teil. III. 1. b). ^ Vgl. E. Behler, 214 ff. — Vgl. auch H. Girndt: Die Differenz des Fichteschen und Hegelschen Systems in der Hegelsdien „Differenzschrift". Bonn 1965. 151—159. Die Übereinstimmung zwischen der Geschichtsmetaphysik von Hülsen und der von Hegel in der Differenzschrift ist in manchen Punkten auffallend, obwohl — wie Girndt selber zugibt — ein direkter Einfluß Hülsens auf Hegels Geschichtskonzeption bisher nicht nachgewiesen werden konnte. Vgl. auch W. C. Zimmerli: Die Frage nach der Philosophie. 64 Anm. 49. — Hülsen führte Fichtes Gedanken einer „pragmatischen Geschichte des menschlichen Geistes" in seiner Beantwortung der Berliner Preisfrage über die Fortschritte der Metaphysik aus (vgl. Girndt 156). ® Vgl. 7. H. Lambert: Neues Organon oder Gedanken über die Erforschung und Bezeichnung des Wahren und dessen Unterscheidung vom Irrthum und Schein. Bd 1. Leipzig 1764. Vorrede. * J. H. Lambert: Neues Organon. Bd 2. Leipzig 1764. 220. Zitiert nach J. Hoffmeister: Phän XIII. “ Vgl. Phän XV. Beyträge zur leichtern Uebersicht des Zustandes der Philosophie beym Anfänge des 19. Jahrhunderts. Hrsg, von C. L. Reinhold. Heft 4. Hamburg 1802. 110. Vgl. R. Bubner: Problemgeschichte und systematischer Sinn einer Phänomenologie. In: Hegel-Studien. 5 (1969), 157 ff. Unbekannte Aphorismen Hegels aus der Jenaer Periode. Mitgeteilt von F. Nicolin. In: Hegel-Studien. 4 (1967), 13. — Vgl. auch O. Pöggeler: Hegels Idee einer Phänomenologie des Geistes. 294 f, 321—326.

226

Anmerkungen zu S. 130—135

Vgl. Ros 183: „Sein, Nichtsein, Eines, Vieles, Beschaffenheit, Größe u.s.w. sind solche reine Wesen, mit denen wir im gemeinen Leben immer haushalten." Vgl. U. Claesges: Geschichte des Selbstbewußtseins. Den Haag 1974. 17 ff, 43. — Vgl. Erster Teil. III. 2. Fichte: Werke. 1. 219. Vgl. K. L. Reinhold: Beyträge zur Berichtigung bisheriger Mißverständnisse der Philosophen. Bd 1. Jena 1790. 222. Fichte: Werke. 1. 222. 2« Ebd. 219. 21 Ebd. 220. 22 Ebd. 224. 23 Vgl. ebd. 227. 21 Ebd. 222. 23 Ebd. 223. 2* Vgl. Phän 72, wo Hegel erklärt, daß jede Zutat von uns, d. h. den Philosophen, überflüssig ist. 21 Fichte: Werke. 1. 77. 23 Ebd. 223. 2» Ebd. 224. 3» Ebd. 226. 31 Vgl. ebd. 227 f. 32 Vgl. U. Claesges: Geschichte des Selbstbewußtseins. 101. 33 Vgl. ebd. 94 f Anm. 19 u. 21. 31 Vgl. Erster Teil. III. 2. 33 Vgl. U. Claesges, 178 ff. 33 Shelling: Werke. 3. 331. 31 Brief vom 15.11.1800 (J. G. Fihte Briefwehsei. Hrsg. v. H. Sdmlz. Bd 2. 2. Aufl. Leipzig 1930. 293). 33 Vgl. Shelling: Werke. 3. 587—604. 33 Vgl. ebd. 371. 1“ Ebd. 376. 11 Ebd. — In den Ferneren Darstellungen aus dem System der Philosophie (1802) erklärt Schelling, daß die intellektuelle Anschauung nicht einmal Postulat der Philosophie sein könne, weil sie ohne alle Forderung vorausgesetzt werden muß (vgl. Werke. 4. 361). Hier liegt möglicherweise ein Einfluß Hegels vor (vgl. GW 4. 30). 12 Shelling: Werke. 3. 380. 13 Vgl. ebd. 399. 11 Vgl. U. Claesges: Geshihte des Selbstbewußtseins. 198. 13 Fihte: Werke. 1. 224. 13 Vgl. Shelling: Werke. 4. 85. — Vgl. auch U. Claesges, 189. 12 Shelling: Werke. 3. 11. 13 Gegen ein vorausgesetztes Substrat wendet sich Schelling: „Wer keine Thätigkeit, keine Entgegensetzung ohne Substrat denken kann, kann überhaupt nicht philosophiren. Denn alles Philosophiren geht erst auf Deduktion eines Substrats." {Werke. 3. 308 Anm. 1). 13 Vgl. Shelling: Werke. 1. 341; 3. 278; vgl. Phän 14, 558.

Anmerkungen zu S. 135—138

227

Vgl. Schelling: Werke. 3. 287. — Hegel konnte bei der Ausarbeitung seiner Phänomenologie auch an Arbeiten von Schellingianern anknüpfen. Wie K. Rosenkranz berichtet, exzerpierte er nadi dem Weggang Sdrellings aus Jena im Jahre 1803 neben Koppen auch C. A. Eschenmayer, J. J. Wagner und besonders A. B. Kayßler (vgl. Ros 198). Nach Eschenmayer geht das philosophische Streben darauf, die Zeit überhaupt zu tilgen (vgl. Eschenmayer: Einleitung in die Natur und Geschichte. Bd 1. Erlangen 1806. 50; vgl. Phän 558). Bei Kayßler wird das Ich als ein an sich ganz Leeres, Negatives, als Wendepunkt der realen und idealen Natur verstanden (vgl. Kayßler: lieber die Natur und Bestimmung des mensdilidien Geistes. Berlin, Leipzig 1804. 129; vgl. Phän 140 u. 563). Kayßler unterscheidet die Geschichte des Bewußtseins als ideale Reihe von der Geschichte der Natur als realer Reihe (vgl. Ders.: Beyträge zur kritischen Geschichte der neuern Philosophie. Bd 1. Halle 1804. 106 f). Die Wissenschaft ist genetische Geschichte des Selbstbewußtseins; die Geschichte des Selbstbewußtseins stellt den innern Menschen als absolute Freiheit vor, die Geschichte der Gesellschaft den äußeren Menschen als frei in der Notwendigkeit (vgl. ebd. 159 f, 194). Kayßler spricht auch von dem unseligen Nichts der Reflexion, von dem Nichts, das die ewige Nacht ist, die in den Tag übergehen muß (vgl. ebd. 129). Eine häufige Verwendung der Nachtmetapher findet sich auch bei C. J. Windischmann (Ideen zur Physik. Bd 1. Würzburg, Bamberg 1805. 4 ff). — In der Vorrede der Phänomenologie setzt sich Hegel aber auch von diesen mehr oder weniger als Schellingianer zu bezeichnenden Philosophen ab (vgl. u. a. Phän 18 f, 55). Bei der Beantwortung der Frage, ob die Vorrede sich auch gegen Schelling selber richte, ist zu berücksichtigen: Ros 185 u. 201; GW 4. 512 (vgl. auch F. W. J. Schelling. Briefe und Dokumente. Bd 1. Hrsg. v. H. Fuhrmans. Bonn 1962. 525—532). Schon im Skeptizismusaufsatz, in seiner Auseinandersetzung mit dem Kritizismus von G. E. Schulze, richtete sich Hegel gegen die Auffassung vom Erkennen als Werkzeug (vgl. GW 4. 201). — Vgl. zum Folgenden die sehr unterschiedlich vorgehenden Interpretationen der Einleitung von M. Heidegger (Hegels Begriff der Erfahrung. In: Ders.: Holzwege. 2. Aufl. Frankfurt a. M. 1952. 105—192) und J. Habermas: Erkenntnis und Interesse. Frankfurt a. M. 1973. 14—35. Vgl. PV. Marx: Hegels Phänomenologie des Geistes. Frankfurt a. M. 1971. 23—26, 32. — Unter erscheinendem Wissen versteht W. Marx das natürliche Bewußtsein, insofern es von „uns", den Philosophen, in einer bestimmten Weise vergegenständlicht wird, so daß eine Hinordnung auf den Standpunkt des absoluten Wissens zustande kommt. Hegel scheint aber das natürliche Bewußtsein so konzipiert zu haben, daß es immer schon als erscheinendes Wissen auftritt, weil jene Hinordnung aus seinem Wesen — und nicht erst aus einer Vergegenständlichung durch „uns" — entspringt. Es ergibt sich aus der Darstellungsform des Werkes, für das Hegel nicht die Dialogform gewählt hat, daß das natürliche Bewußtsein als in einer bestimmten Weise verobjektiviertes Bewußtsein auftritt. Vgl. zu dieser ganzen Problematik K. R. Dove: Hegel's phenomenological method. In: The Review of Metaphysics. 23 (1970), 630 ff. Dove stellt die verschiedenen Beurteilungen des „wir" in der Hegelliteratur zusammen: von H. Marcuse, G. Lukäcs, N. Hartmann, J. Hyppolite, R. Kroner, M. Heidegger. Es wäre u. a. die Position von W. Marx hinzuzufügen, die sich aber nicht grundsätzlich von der von Hyppolite und Kroner unterscheidet (vgl. W. Marx, 106). Vgl. W. Marx, 84 ff.

228

Anmerkungen zu 5. 140—144

Auch nach O. Pöggeler sind die Gegenstände des Erfahrungsprozesses die Bestimmungen der Logik (vgl. Hegels Idee einer Phänomenologie des Geistes, 239). Gegenüber W. Marx' Interpretation (105) ist zu betonen, daß Hegel von der prinzipiellen Überflüssigkeit der Zutat des Philosophen ausgeht. Eine andere Frage ist, ob Hegel dieses Programm wirklich durchführen konnte, und eine weitere Frage ist, ob in bestimmten Formulierungen am Ende der Phänomenologie die Undurchführbarkeit des Programms sidrtbar wird. Vgl. die Deutung dieser Stelle bei O. Pöggeler, der seine Interpretation aber später modifiziert hat (Hegels Idee einer Phänomenologie des Geistes. 212 ff; und: Die Komposition der Phänomenologie des Geistes. In: Hegel-Tage Royaumont 1964. Bonn 1966. (Hegel-Studien. Beiheft 3.) 44 ff.

II.

Interpretation der Phänomenologie ^ Vgl. K. Düsing: Die Bedeutung des antiken Skeptizismus für Hegels Kritik der sinnlichen Gewißheit. In: Hegel-Studien. 8 (1973), 119—130. — Vgl. auch W. Purpus: Die Dialektik der sinnlichen Gewißheit bei Hegel. Nürnberg 1905. ^ Vgl. Aristoteles: Metaphysik. 1010 a 12 f (vgl. IV. Purpus, 45). ® Vgl. Hegel: Werke. Bd 14. Hrsg. v. K. L. Michelet. Berlin 1833. 141—144. Aus der Angabe der Jahreszahl 1805 (vgl. 144) kann geschlossen werden, daß diese Ausführungen zu Stilpo aus dem Jenaer Heft Hegels stammen (vgl. Hegel: Werke. Bd 13. Hrsg. V. K. L. Michelet. Berlin 1833. VI; vgl. auch K. Düsing: Die Bedeutung des antiken Skeptizismus ... 125 Anm. 14). ^ Diese Interpretation des Standpunkts der sinnlichen Gewißheit stimmt teilweise überein mit der von IV. Becker (Hegels „Phänomenologie des Geistes". Stuttgart 1971). Auch Becker kommt zu dem Schluß, daß es der sinnlichen Gewißheit nicht um das Sein als individuelle Bestimmtheit einer Sache gehen kann (vgl. 23 f). Die These vom „Idealismus der Sprache" (26) kann nur in dem Sinn akzeptiert werden, daß sie als eine Hilfskonstruktion verstanden wird, um sich den besonderen Standpunkt der sinnlichen Gewißheit klar zu machen. Becker ist darin zuzustimmen, daß die sinnliche Gewißheit letztlich das Ergebnis einer philosophischen Konstruktion ist (vgl. 24). — Mit Th. Bodammer (Hegels Deutung der Sprache. Hamburg 1969) ist im Unterschied zu J. Simon (Das Problem der Sprache bei Hegel. Stuttgart 1966) daran festzuhalten, daß nicht eigentlich die Sprache die Dialektik der Phänomenologie in Gang bringt, sondern der Dialog zwischen dem „wir" und dem Bewußtsein (vgl. Bodammer, 83). — IV. IVieland (Hegels Dialektik der sinnlichen Gewißheit. In: Materialien zu Hegels „Phänomenologie des Geistes". 70) vergleicht dieses Vorgehen Hegels mit der Platonischen Dialogtechnik. — Mit R. Wiehl (Über den Sinn der sinnlichen Gewißheit in Hegels Phänomenologie des Geistes. In: Hegel-Tage Royaumont 1964. Bonn 1966. 103—134) kann schon mit dem Standpunkt der sinnlichen Gewißheit das Problem absoluter Negativität als gegeben angesehen werden, insofern hier eine Dialektik von positiven und negativen Erfahrungen, von Positivität und Negativität stattfindet (vgl. 116). In dieser Dialektik absoluter Negativität vergeht Bestimmtheit, entsteht Unbestimmtheit (vgl. 105). — L. Feuerbachs Kritik an der sinnlichen Gewißheit ist zuzustimmen, wenn er

Anmerkungen zu S. 145—152

229

behauptet, daß die Phänomenologie mit „einem unvermittelten Widerspruch, einem absoluten Bruch mit dem sinnlichen Bewusstsein" beginnt {Feuerbach: Zur Kritik der Hegelschen Philosophie (1839). In: Sämtliche Werke. Neu hrsg. v. W. Bolin u. F. Jodl. Bd 2. 2. Aufl. Stuttgart-Bad Cannstatt 1959. 187). ä Hegel: Wissenschaft der Logik. Bd 1, Buch 1: Das Sein. Faksimiledruck nach der Erstausgabe von 1812. Besorgt v. W. Wieland. Göttingen 1966. 31. « Ebd. 37. ’ Ebd. 35. » Ebd. 36. ä Ebd. 32. Ebd. 37. “ Ebd. Schon die zweite Anmerkung der ersten Auflage ging vom Sein des Parmenides aus (vgl. ebd. 33). Vgl. Hegel: Wissenschaft der Logik. Hrsg. v. G. Lasson. Teil 1. Hamburg 1967. 87. » Vgl. ebd. 77. Ebd. 87. Ebd. Vgl. Proklos' Parmenideskommentar, der allerdings Hegel nicht zur Verfügung stand. Ihm konnte aber die Theologia Platonis, die zusammen mit der Institutio theologica 1618 von E. Portus herausgegeben wurde, bekannt sein, vgl. W. Beierwaltes: Hegel und Proklos. In: Hermeneutik und Dialektik II. Tübingen 1970. 245 ff. Vgl. W. Purpus: Die Dialektik der sinnlichen Gewißheit bei Hegel. 22. Zur Differenz der Platonischen Dialektik im Parmenides und der Hegelschen Dialektik vgl. G. Malusdike: Kritik und absolute Methode in Hegels Dialektik. Bonn 1974. 43—54. Vgl. W. Becker: Hegels „Phänomenologie des Geistes". 34. M. Westphal: Hegels Phänomenologie der Wahrnehmung. In: Materialien zu Hegels „Phänomenologie des Geistes". 101. Vgl. auch zur Leugnung des Nichtwiderspruchsprinzips in der Phänomenologie C. Nink: Kommentar zu den grundlegenden Abschnitten von Hegels Phänomenologie des Geistes. 2. Aufl. Regensburg 1948. 22 Vgl. H.-G. Gadamer: Hegels Dialektik. Tübingen 1971. 35. 22 Vgl. Erster Teil. III. 1. c). 25 Vgl. Kant: KdrV. A 82 = B 108. 2® Vgl. Kant: Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft. A 107. 2’ F. W. 7. Schelling: Ideen zu einer Philosophie der Natur. Erster Theil. 2. Aufl. Landshut 1803. 275. 2® Ebd. 275 f. 2* Ebd. 367. — Vgl. auch C. A. Eschenmayer: Der Eremit und der Fremdling. Erlangen 1805. 41; 7. 7- Wagner: Von der Natur der Dinge. Leipzig 1803. 398. 2® Vgl. F. W. 7. Schelling: Ideen zu einer Philosophie der Natur. 301—305. 21 Vgl. ebd. 308. 22 Vgl. ebd. 322. 22 Ebd. 276. 22 Vgl. E. Husserl: Die Krisis der europäischen Wissenschaften und die transzendentale Phänomenologie. Hrsg. v. W. Biemel. 2. Aufl. Haag 1962. (Husserliana. Bd 6.) §§ 28 ff.

230

Anmerkungen zu S. 153—172

Das Leben bildet beim Übergang vom Bewußtsein zum Selbstbewußtsein keine eigene Gestalt. — Vgl. auch O. Pöggeler: Hegels Idee einer Phänomenologie des Geistes. 254. 3« Vgl. Dritter Teil. I. 2. Vgl. H. Marcuse: Hegels Ontologie und die Grundlegung einer Theorie der Geschichtlichkeit. Frankfurt a. M. 1932. 271. Vgl. Zweiter Teil. I. 1. d). In A. Kojeves einseitiger, wenn auch interessanter Interpretation {Hegel. Versuch einer Vergegenwärtigung seines Denkens. Deutsche Übersetzung. Stuttgart 1958) wird nicht deutlich, daß die Phänomenologie zum Denken logischer Kategorien hinführen will. — Die bisherigen Interpretationen des Selbstbewußtseinskapitels lassen sich grob in drei verschiedene Gruppen einteilen: Interpretation (a) zum Zwecke einer Aktualisierung der Hegelschen Philosophie: ]. Hyppolite, A. Kojeve, ]. Wahl (vgl. die Textauswahl in Hegel: Phänomenologie des Geistes. Hrsg. v. G. Göhler. 2. Aufl. Frankfurt a. M. 1973) und P. Ricoeur {Die Interpretation. Ein Versuch über Freud. Deutsche Übersetzung. Frankfurt a. M. 1969. 473—484) (b), um die Aporien des Selbstbewußtseinsbegriffs Hegels aufzudedcen: W. Becker {Hegels „Phänomenologie des Geistes") (c), um den Zusammenhang des Selbstbewußtseinskapitels mit der Logikkonzeption Hegels in Jena und den verschiedenen Systemansätzen während der Jenaer Zeit sichtbar zu machen: O. Pöggeler {Hegels Phänomenologie des Selbstbewußtseins. In: Hegels Idee einer Phänomenologie des Geistes). “ Vgl. H.-G. Gadamer: Hegels Dialektik des Selbstbewußtseins. In: Materialien zu Hegels „Phänomenologie des Geistes". 237. Vgl. Erster Teil. II. 1. Vgl. K. Düsing: Die Bedeutung des antiken Skeptizismus . . . 129. Vgl. 7. Wahl: Kommentar des Abschnitts „unglückliches Bewußtsein". In: Hegel: Phänomenologie des Geistes. Hrsg. v. G. Göhler. 718. ** Vgl. Erster Teil. II. 1. Vgl. O. Pöggeler: Hegels Idee einer Phänomenologie des Geistes. 214 ff. Es ist das Verdienst von H. Marcuse {Hegels Ontologie und die Grundlegung einer Theorie der Geschichtlichkeit. Frankfurt a. M. 1932), den im Begriff Leben von vornherein angelegten Bezug zur Geschichte herausgestellt zu haben. Bel der These, daß mit dem ersten Schritt der Phänomenologie das Leben als geschichtliches Gegenstand wird (vgl. 258), sind jedoch die Komposltionssdiwierlgkeiten bei Abfassung des Werkes, die in Frage zu stellende Einheitlichkeit des Aufbaus der Phänomenologie, zu berücksichtigen. — Die Interpretation der Gestalt des Gewissens durch E. Hirsch {Die Beisetzung der Romantiker in Hegels Phänomenologie. In: Materialien zu Hegels „Phänomenologie des Geistes". 245—275) rollt den geistesgeschichtlichen Hintergrund dieses Kapitels auf. Manche Bezüge, zu F. Schlegels Lucinde und zu Hölderlin, sind nicht einsichtig. Hirschs Interpretation macht nicht das Verhältnis dieses Kapitels zu dem vorangehenden geschichtsphilosophischen Teil deutlich. — Die detaillierte Analyse des zweiten Abschnitts des Geistkapitels durch C. Boey {L'alienation dans „La Phenomenologie de l'Esprit" de G. W. F. Hegel. Paris-Bruges 1970) sieht wiederum nicht die Bedeutung dieses Abschnitts für eine Subjektivitätstheorie. Diese Künstlichkeit hat möglicherweise in einer kompositorischen Schwierigkeit bei der Schlußredaktion des Werkes ihren Ursprung (vgl. Zweiter Teil. II. 4. Anm. 9).

Anmerkungen zu S. 172—182

231

Vgl. R. K. Maurer: Hegel und das Ende der Geschichte. Stuttgart 1965. 42 ff; kV. van Dooren: Der Begriff der Bildung in der Phänomenologie des Geistes. In: HegelJahrbuch 1973. 162—169. Vgl. J. Gauvin: Entfremdung et Entäusserung dans la Phenomenologie de VEsprit de Hegel. In: Archives de Philosophie. 25 (1962), 555—571. In den betreffenden Ausführungen der Phänomenologie spielt Hegel auf D. Diderot: Le neveu de Rameau an. Das gesamte Kapitel „Der sich entfremdete Geist. Die Bildung" orientiert sich stark an dieser Schrift, in der Begriffe wie: „niederträchtig", „eitel", „Eitelkeit", „Talent", „Charakter", „nützlich" eine zentrale Rolle spielen. — Zum Ausdruck „Entfremdung des Geistes" vgl. die deutsche Übersetzung von Goethe: Rameau's Neffe. Ein Dialog von Diderot. Aus dem Manuskript übersetzt und mit Anmerkungen begleitet von Goethe. Leipzig 1805. 288. Vgl. den Begriff der Erinnerung in den Jenaer Systementwürfen: GkV 6. 329, Real 182. Wenn in der Phänomenologie die Erinnerung als ein Insichgehen des Geistes „in der Nacht seines Selbstbewußtseins" (563) verstanden wird, entspricht diese Terminologie der der Realphilosophie, in der von der Nacht des Selbst gesprochen wird, in die der Gegenstand versenkt wird (vgl. Real 182). “ Vgl. J. Hyppolite: Grundlagen der Phänomenologie-Interpretation. In: Hegel: Phänomenologie des Geistes. Hrsg. v. G. Göhler. 784. “ Vgl. Zweiter Teil. II. 4.

III. Der Systemansatz am Anfang und am Ende der Jenaer Zeit ^ Vgl. E. Hirsch: Die Beisetzung der Romantiker in Hegels Phänomenologie. In: Materialien zu Hegels „Phänomenologie des Geistes". 245—275. ^ Vgl. 7. Schwarz: Die Vorbereitung der Phänomenologie des Geistes in Hegels Jenenser Systementwürfen. In: Zeitschrift für Deutsche Kulturphilosophie. 2 (1936), 153 f. — Vgl. auch P.-J. Labarriere: Structures et mouvement dialectique dans la Phenomenologie de VEsprit de Hegel. Paris 1968. 145 ff. ä Zum Begriff Nichts vgl. Phän 68, 74, 90, 112, 168, 264, 280, 287, 398, 404, 421, 439, 470, 474, 508, 542 f; zu Nacht vgl. Phän 19, 81 f, 84 f, 140, 290, 473 f, 483, 492, 496, 499, 503 f, 526, 546, 563; zu Abgrund vgl. Phän 18, 68, 331, 560 f. — Vgl. J. Gauvin: Wortindex zu Hegels „Phänomenologie des Geistes". Im Druck. (Hegel-Studien. Beiheft 14.) * In der Phänomenologie gibt es eine reine Negativität (20 ff, 148, 216 f, 420, 449, 474, 542, 547 f, 556 f), eine einfache (20 ff, 211, 216 f), eine absolute (145, 148, 291, 389, 424, 453, 560), eine allgemeine (219), eine Negativität an sich (150), eine reale Negativität (155), eine Negativität überhaupt (289), eine natürliche (322), eine abstrakte (322, 545), eine in sich reflektierte (387), eine sich bewegende (157), eine unerfüllte (421), eine daseiende (470), eine Negativität des Begriffs (401). — Vgl. auch den Anhang zu dieser Arbeit. ® Vgl. Zweiter Teil. II. 4. Anm. 33.

232

Anmerkungen zu S. 183—191 IV. Das Mißlingen der Begründung eines Prozesses absoluter Negativität

* Zu Hegels Verhältnis zu den Naturwissenschaften vgl. das Referat von J. N. Findlay und das Gegenreferat von F. Collingwood in: The legacy of Hegel. Proceedings of the Marquette Hegel Symposium 1970. Ed. by J. J. O'Malley, K. W. Algozin, H. P. Kainz, L. C. Rice. The Hague 1973. 72—97. ^ Vgl. H. H. Ottmanns Kritik an dem Ansatz der Phänomenologie, der prinzipiell zuzustimmen ist: Das Scheitern einer Einleitung in Hegels Philosophie. München 1973; vgl. meine Rezension dieses Buches in: Hegel-Studien. 9 (1974), 272—275. ® Die hier vorliegende Gegenüberstellung von geschichtsphilosophischer Begründung und Subjektivitätstheorie scheint W. Beckers These zu stützen, daß die Phänomenologie eine Weiterführung des Ansatzes von Descartes und Fichte bei der Selbstreflexion des Ich darstellt und daß die im Anschluß an Descartes und Fichte entwickelte Selbstbewußtseinstheorie mit gesellschaftlicher Intersubjektivität vermischt wird (vgl. W. Becker: Idealistische und materialistische Dialektik. Stuttgart 1970. 31). Es hat sich aber gezeigt, daß das Programm einer „Geschichte der Bildung des Bewußtseins" in der Einleitung von der Erfahrung des Bewußtseins ausgeht und streng zu unterscheiden ist von der „pragmatischen Geschichte des menschlichen Geistes" der Fiditeschen Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre. Becker berücksichtigt nicht die methodologischen Überlegungen der Einleitung und sieht deshalb auch nicht, daß Hegel aufgrund des in der Einleitung entwickelten Bewußtseinsbegriffs gar nicht in der Lage war, Fichtes idealistischen Ich-Begriff als Basis zu übernehmen. * Vgl. Dritter Teil. II. 3. c). ® Vgl. Dritter Teil. I. 2. “ Vgl. Dritter Teil. II. 3. a). ’’ Zum Begriff des hermeneutischen Zirkels vgl. H.-G. Gadamer: Wahrheit und Methode. 2. Aufl. Tübingen 1965. 250 ff. — Vgl. zur gesamten Problematik auch G. Buck: Lernen und Erfahrung. 2. Aufl. Stuttgart 1969. ® Vgl. Dritter Teil. I. 1. ® Vgl. Dritter Teil. II. 4. c). Vgl. Dritter Teil. III. 2. Anm. 4 und den Anhang zu dieser Arbeit. “ Vgl. Erster Teil. IV. J. Hyppolite, A. Kojeve und J. Wahl versuchen, in der Phänomenologie einen existentialistischen Ansatz wiederzuentdecken (vgl. A. Kofeve: Hegel. Versuch einer Vergegenwärtigung seines Denkens. Stuttgart 1958; zu Hyppolite und Wahl vgl. Hegel: Phänomenologie des Geistes. Hrsg. v. G. Göhler. 714—800). Diese Interpretationen können zeigen, wie sehr Hegel auch noch in der Phänomenologie dem Ansatz der ersten Jenaer Jahre verpflichtet bleibt. Sie übersehen aber, daß solche Spuren eines existentialistischen Ansatzes nicht mehr typisch für die Phänomenologie sind. ** Vgl. Zweiter Teil. I. 3. d). Vgl. zu dem systematischen Problem der Selbstbezüglichkeit des Selbstbewußtseins U. Pothast: Über einige Tragen der Selbstbeziehung. Frankfurt a. M. 1971. Vgl. Dritter Teil. II. 3. a). 1» Vgl. Erster Teil. IV.

Anmerkungen zu S. 193—194

233

ABSCHLIESSENDE ÜBERLEGUNGEN * Vgl. auch H. F. Fulda: Das Problem einer Einleitung in Hegels Wissenschaft der Logik. Frankfurt a. M. 1965. 300 f. * Fulda versucht eine Rekonstruktion der Hegelschen Dialektik, indem er diese als „Kombination sich selbst stützender und sich selbst widerlegender Argumente" versteht (Ders.: Unzulängliche Bemerkungen zur Dialektik. In: Hegel-Bilanz. Hrsg. v. R. Heede u. J. Ritter. Frankfurt a. M. 1973. 242). ® In welcher Weise auch heute die Bedeutung von Negation und Negativität diskutiert werden kann und muß, dokumentiert der Band: Positionen der Negativität. Hrsg. v. H. Weinrich. München 1975. (Poetik und Hermeneutik. 6.) Vgl. besonders die Beiträge von W. Hübener {Hegels Idee der Negativität und die metaphysische Tradition. 476— 481) und von D. Henrich (Substantivierte und doppelte Negation. 481—485). Hübeners Ausführungen stellen eine Ergänzung zu: Erster Teil. IV. 3. der vorliegenden Arbeit dar. ^ Vgl. Th. W. Adorno: Negative Dialektik. 2. Aufl. Frankfurt a. M. 1970. 293—351. — Vgl. auch die Einleitung zur vorliegenden Arbeit.

QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

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SACHREGISTER

Absolute 15, 21 ff, 25-32, 36 ff, 42, 45, 53-56, 58, 73 f, 79, 81, 104 ff, 108 f, 111 f, 115 f, 134 f, 145, 181, 193, 207‘2, 20820,21^ 2161*0, 218», 223»^ —, negativ 24, 111 Anerkennung 12, 27, 83—91, 96, 102, 120, 123, 125, 155 f, 158, 165, 173, 187 f, 190 f, 193, 218», 12, 219‘0,1^ 222** —, absolute 103 —, allgemeine 173 —, gegenseitige 86 Anerkennungsprozeß 12,160,170 Anerkennungstheorie 85 Anschauung 39 f, 52, 68 f, 74, 76, 81, 104-108, 111, 116, 132, 151, 185, 194, 220*, 2232* —, allgemeine 106 —, ästhetische 195 —, differenzlose 106 —, intellektuelle 48 ff, 53, 55, 64, 73, 76, 133 ff, 185 -, sittliche 221*» —, transzendentale 33, 64, 67, 73, 81, 221^ Antinomie 30, 65 f, 70 f, 73 f, 76 f, 79, 95, 105, 109, 122, 125 f, 185, 187, 189, 192, 217«, 2192* —, dynamische 71 —, mathematische 71, 196 Arbeit 11, 19 f, 82 f, 85, 90-94, 110, 125, 136, 156-163, 165, 171 ff, 175, 205*0, 218«,«, 220*, 221**, 222*^ 224«*, 0», 225*, 227®», 231*, 232*0, 233», * —, absolute 85 —, allgemeine 165 —, überflüssige 83, 218« Aufklärung 25, 167 f, 170 ff, 178 ff.

184,196, 202 f —, Französische 168 —, neuzeitliche 178, 184 —, unbefriedigte 171, 178 Bedürfnis 28, 31 ff, 39, 73, 77, 83, 94, 98 f, 210»», 217®, 218», « —, ontologisches 11 —, physisches 98 —, wahres 166 Bewußtsein 11, 31 f, 34, 38, 40 f, 53, 55 ff, 65, 69, 73 ff, 78, 81, 85 f, 88, 90 f, 94, 96, 103, 105, 107-113, 115-121,123-133, 135-141, 143 f, 147, 149-167, 169-176, 178, 181185, 187-193, 195, 197, 201 ff, 215*»», 222*«, *^ 225», 227®», ®», 228*, 230»®, 232» —, absolutes 110, 222*'* —, alltägliches 75, 143 —, anerkennendes 160 —, befriedigtes 168 —, begreifendes 157 —, daseiendes 65 —, empirisches 64, 67, 76 —, endliches 161 —, erscheinendes 136 f, 140,153 —, gebildetes 174 —, geschichtliches 127 —, knechtisches 160, 162 —, komisches 179 —, konkretes 222*'* —, methodisches 64 —, moralisches 95 f, 166 —, naives 138 -, natürliches 129, 135-138, 143 f, 153, 185 —, neuzeitliches 31, 80, 94 f, 97, 100, 159 —, praktisches 109 f

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Sachregister

—, reines 167,178, 202 —, selbständiges 157 —, sinnlidies 229^ skeptisches 158,178, 201 —, stoisches 157 ff, 161,178 —, theoretisches 67 —, tragisches 179 —, transzendentales 64 —, unglückliches 157, 159—162, 164, 166 f, 169 ff, 178 f, 181, 183, 190 f, 201, 203 —, unmittelbares 169 —, verkehrtes 126 —, vernünftiges 164 —, vorstellendes 65, 203 Bildungsprozeß 123 ff, 174, 176, 187 Denken 12 ff, 16 f, 19, 21, 23 f, 30, 34 f, 37, 43, 46, 48, 50 f, 57 f, 61 ff, 69, 71, 76 f, 80, 85, 94, 104, 108, 117 f, 120, 125 f, 128, 137, 144, 156 ff, 161 f, 164, 167 f, 175, 178, 180, 186, 203, 20522, 209I8, 21021, 2», 21125, 2141»2, 21921, 2201, 22322, 25, 2302», 23212 —, antikes 2172 —, begriffliches 67 —, empirisches 16 —, endliches 76 —, formales 24, 32 —, geschichtliches 37 —, idealistisches 37, 47 —, kritisches 180 —, leeres 61 —, logisches 163 —, neuzeitliches 112 —, philosophisches 14, 37, 40 f, 80, 191 —, politisches 2182 -, reines 43, 60, 83, 117, 119, 149, 153,167 f, 202 —, skeptisches 191 —, spekulatives 13, 16, 29, 31, 37, 39 f, 64, 68, 70, 72, 78 f, 86, 97, 104, 124 f, 182,186 —, subjektives 37, 154 —, theoretisches 11, 41,161,195

—, tragisches 22, 29, 31, 39 f, 80, 82, 96, 179, 207'2 —, vernünftiges 47 Dialektik 13, 16 f, 37, 71, 107, 119, 147, 164, 167, 174 ff, 181-184, 189, 192, 205», ‘», 209», 215»2«, 216153, 221», 222l^ 21^ 2232», 224»^ 228», ^ 229”, 1», ”, 23, 230“, 2332 —, falsche 121 —, immanente 2232’ —, materialistische 232* -, negative 12 f, 83, 205‘, 233^ —, spekulative 182 —, transzendentale 128 Differenz 36, 52 ff, 67, 73, 76, 92, 103 f, 109, 113, 132, 147, 156 f, 175, 186, 196, 21513«, 216”», 225’, 2291» —, absolute 30, 109 Dualismus 12, 24 f, 71, 84 —, absoluter 71 —, neuzeitlicher 12 Einbildungskraft 116, 131 f, 134, 185 —, empirische 63 —, produktive 67, 69 f —, transzendentale 59, 69, 76, 111 Einheit 12, 15, 17, 23, 28 f, 34, 47 f, 52 ff, 58 f, 61, 63 f, 66, 69 f, 76, 97, 102, 105 f, 109, 114, 118 f, 122, 130, 134, 138, 145, 148-151, 154157, 159 f, 164, 167 f, 170, 175178, 181, 183, 186 ff, 190, 193, 198-203, 215‘3«, 216”», 221», 222”,”, 224*3 —, absolute 24, 97 —, allgemeine 222” —, existierende 222 —, formale 28 —, gesollte 66 —, lebendige 83 —, negative 109, 113, 147 ff, 183, 197 —, organische 63, 99 f, 202 —, positive 113 —, reelle 95

Sachregister

—, reine 89, 196 —, sittliche 78 —, synthetische 69 —, systematische 17 —, transzendentale 70 —, ungetrennte 157 —, ursprüngliche 70, 112 —, versöhnende 96 —, wirkliche 66 Endlichkeit 12, 23, 25-28, 32, 35, 49 f, 57 ff, 61, 63, 70 ff, 99, 107 f, 114, 137, 168, 209‘7, 212^^ —, absolute 68 f Entäußerungsprozeß 103,120, 124 f, 170, 174,188 Entfremdung 11—14, 19, 167, 173, 178 f, 184,194, 230“, 231“, “ Entfremdungsprozeß 174 Entwicklung 38, 43, 52, 111 f, 120, 132, 161, 198, 210“, 214“«, 221«, 225I —, dialektische 180, 183 —, geschichtliche 13, 179 —, immanente 106 —, phänomenologische 129, 155 —, philosophische 223^* Entzweiung 12 f, 24 f, 29—33, 39 ff, 52, 67, 71, 75-78, 80-83, 93, 96 f, 105, 107, 123 f, 174, 178 f, 182 ff, 188, 191, 193 f, 199 f, 204, 207“ -, absolute 31, 85, 91, 97, 114, 158 —, unendliche 39, 58 Erfahnmg 11 f, 21 ff, 29 ff, 55, 69, 71, 77 f, 84, 93, 111 f, 115, 117 f, 123, 127 f, 130, 134, 139 f, 150, 153, 156, 158 f, 161 ff, 165 f, 179 f, 185, 187 f, 190 f, 193 f, 207 “, 218«, 227«i, 232», —, negative 228^ —, religiöse 75 —, sittliche 165 —, unmittelbare 188 Freiheit 11, 21, 23 f, 28, 31, 33, 37, 44 f, 50, 53, 57, 70 f, 81, 83, 85, 92 ff, 96 ff, 107, 112, 119, 156159, 161, 197, 21l3^ 214“», 215“^ 217»

247

-, absolute 31, 33, 37, 41, 201, 203, 227«« —, politische 98 f Gegensatz 12, 16, 20, 24, 27, 33, 35, 39, 59, 64, 67 f, 70 f, 77 f, 82 ff, 88, 107-112, 114, 116 ff, 121 ff, 125, 129, 158, 160 f, 167, 179, 182, 184,186,196, 199 f, 202, 221« —, absoluter 60 —, konträrer 80, 125 —, reiner 60 —, unendhcher 108 Gegenstand 18, 33, 74, 76, 82, 116, 119, 138 ff, 142 ff, 146-150, 153 f, 157 f, 161, 163 ff, 167, 171, 183, 185 f, 194, 201, 203, 228“, 231«i —, alter 139 —, fixierter 196 —, geschichtlicher 230^« —, individueller 144, 189 —, neuer 139, 182 —, selbständiger 154 —, wahrer 138 Geist 12, 23, 38, 49, 53, 57, 78, 81, 95 f, 101, 105, 108-111, 114, 116 f, 120 f, 127 f, 130 ff, 136, 140, 151, 154, 159, 163, 166, 171 ff, 175 ff, 179 f, 188, 197, 200 f, 207“,“, 209“,“, 210»», 212»», 213”, 217», 220»«, h 221“, 224»h»», 225“, 227»», 228»», »^ 229»«, »‘, »», 230»», 39, « 45, 46, 231“-»», h », 232“ —, abgeschiedener 203 —, absoluter 81, 88, 114, 181, 193, 206»» —, daseiender 198 —, lebendiger 38 —, menschlicher 43, 130—134, 225^, 227»«, 232» —, praktischer 74 —, sich entfremdeter 166 f, 176, 179,183 f, 231»« —, subjektiver 18 f, 121, 124, 224»* —, träumender 116 —, wirklicher 124, 203 Gemeinschaft 11, 14, 61, 81, 92 f, 166

Sadiregister

248

Geschichte 11 f, 19, 21 f, 24, 36-41, 46, 75, 78, 103, 127-130, 132-136, 139 f, 142, 155, 159, 172, 174-177, 179, 182, 185, 188 ff, 191 ff, 195, 206‘, 20912,18^ 21021, 21311, 215128, 112, 2221«, 11, 22321, 2242«, 2252, 2261«, 22, ««, 227«», 230««, 231««, 232« —, abendländische 46 —, allgemeine 133 f —, begriffene 176 —, fiktive 133 —, ideale 127 —, konkrete 174 —, kritische 227®« —, neuere 24 f —, pragmatische 127, 130, 132, 134, 2251, 232« —, reale 133 f —, wirkliche 176 Gesellschaft 11, 13 f, 19, 24, 31, 82, 86 f, 92, 97, 101, 103, 123, 188, 191, 205«, 2172, 218«, 227«» -, bürgerliche 86, 105, 183, 219«« —, gegenwärtige 83 -, moderne 11 ff, 24, 31, 77 f, 82 f, 86 f, 92 f, 96-101, 103, 120, 123 ff, 188, 193, 218« —, neuzeitliche 24, 81 f Gewissen 96, 169 f, 172, 175, 203, 230«« Gewißheit 27, 33 ff, 91, 120, 165, 186 —, absolute 110 -, sinnliche 35, 142-150, 152-156, 164-167, 169, 180 f, 183, 189, 228«,«, 229«8 —, unmittelbare 148,166, 216« Glaube 23, 29 f, 43 ff, 53, 55-59, 61, 64, 68, 72, 77, 99, 108, 150, 167, 171 f, 178 ff, 208««, 2112®, 214«02, «1«, 215««« Gott 21 ff, 27, 29 f, 40, 44 f, 47, 49 ff, 54, 58, 60 f, 63, 92, 101, 159, 179 f, 193, 203, 206«, 2082», 211««, «», 217«, 22327 Handeln

87, 207«^

—, individuelles 56 —, praktisches 75, 78, 84 —, sittliches 94 —, vernünftiges 13, 195 Herrschaft 12, 25, 40, 86, 91, 99, 157 ff Ich = Ich 64—67, 79 f, 111, 154, 175, 185, 203, 215««« Ich 43 f, 47 f, 50, 55, 63-67, 70, 77, 79, 95 f, 101, 113-117, 119, 121 f, 132 ff, 154, 159 f, 170, 173, 175, 200, 203, 215, 2232«, 227®», 232« —, absolutes 65, 134 —, endliches 65 —, fürsichseiendes 201 —, insichseiendes 204 —, philosophisches 42 —, praktisches 114 —, reines 162 f —, theoretisches 113 f Idee 23, 29, 31, 34, 65, 69, 72, 78, 81 ff, 98, 102, 105-109, 111, 115, 120, 127, 129, 133, 135, 152, 157 f, 163, 189 f, 194, 196, 206«, «, 207««, «®, 209««,«», 21023, 214«2», 217®, 220«,«, 221®-», 2232«, 225*«, 227®», 228«®, «^ 22927, 30^ 230«®, ««, 233« -, absolute 62, 73, 77, 81, 196 —, abstrakte 180 —, notwendige 69 —, spekulative 69 Identität 30, 38, 60, 64-67, 69, 104, 107, 113, 131 f, 145, 151, 156 f, 164, 21923 —, absolute 52, 67 —, formelle 107 —, reine 62, 196 —, relative 24, 67, 104 —, ursprüngliche 69 f —, wahre 68 Imperativ —, kategorischer 14, 49 —, objektiver 56 Individuum 13, 17, 39, 58, 78, 81, 96, 101 f, 108, 120, 165, 172-175, 181, 188,199 f —, allgemeines 202

Sadiregister

großes 36, 78, 209»^ —, handelndes 168 —, neuzeitliches 94 Intersubjektivität 154, 174 Kampf 12, 23, 72, 83-91, 100, 102, 120, 123, 125, 155 f, 158, 165, 167 f, 171, 173, 187 f, 190 f, 193, 218», 1», 1», 219", 222" —, allgemeiner 96, 120, 123, 125, 156,188,193 —, alltäglicher 85 —, radikaler 120 —, tragischer 207^’’ —, wahrhafter 27 Knechtschaft 85 f, 157 ff, 201 Kraft 46, 60, 81, 83, 97, 149-152, 155, 160, 170, 201, 215"» —, dynamische 150 f —, mechanische 150 —, reine 198 —, zurückgedrängte 151 Kritik 11 f, 15, 25, 32 f, 42, 44, 47, 51, 55 f, 59, 65, 68 ff, 72-75, 81, 83, 106, 111, 128, 152, 176, 183 f, 187, 209», 1«, ", 212»», 213«», 215"'', 216"8, »53, 155, 157, 220', 221«, 228‘, 229^'», 232» —, negative 72, 150 —, skeptische 163 Kunst 12, 14, 48, 75, 84, 104, 110, 127,190, 207'», 213" Leben 12, 25, 27 f, 30 f, 43, 45, 48 f, 53 f, 63, 84-92, 96, 108, 120, 123, 125, 140, 153-156, 158, 161, 163, 165,171, 183, 187 ff, 193, 199, 201, 207", 212'», 221'», 230»«, '« —, absolutes 221'» —, altes 24 —, gemeines 226'« —, gesellschaftliches 12, 85 —, göttliches 147 —, inneres 55 —, neues 30 —, öffentliches 24, 219»» —, politisches 97, 168

249

—, selbständiges 41 -, sittliches 28, 58, 81, 110, 222'» —, wahres 50 Lebenspraxis 81, 191 Logik 13-19, 32 f, 35 ff, 40, 51, 62 f, 68, 71—75, 81, 88, 104, 106109, 111 f, 114 f, 117 ff, 121 f, 125, 127, 129 f, 139, 144 f, 148, 151, 153, 155, 163, 181 f, 186 ff, 190, 193, 205«, 206»«, 207'», 208», 209'», '», 215'»», 216'", "», 221», ", 222»«, 223»»,»»,»«,»», 224»», 225', 228««, 229«,'», 233' —, formale 16, 62, 71, 76, 80, 148 f, 183 —, operative 14 —, spekulative 16, 18, 119, 130, 156 Macht 15, 37, 45, 61, 87 f, 91, 98 ff, 150, 162 ff, 166, 171, 193, 199, 202, 218» —, absolute 162, 218» —, befreiende 89 —, rettende 22 —, unabhängige 196 —, unterirdische 85 Materie 12, 22, 150, 167, 171, 199 —, absolute 167 Meinung 24, 38, 55, 57, 59, 66, 166 f —, subjektive 14 —, tote 37 Metaphysik 15, 22 f, 32 f, 40, 46 f, 51, 62 f, 71 ff, 104, 107 ff, 111115, 119, 121 f, 125, 127 f, 151, 181 f, 186, 188, 191, 193, 206»», 207", 208»', 209'», 215'»», 221», ", 222»', 223»',»«,»»,»», 224»», 225», 227«», 228» Methode 32, 60, 105 ff, 116, 129, 138, 190,192, 232» -, absolute 209«,'»,'«, 215'»', 216'«»,'««,'«», 229'» —, dialektische 15, 129 —, einheitliche 75 —, naturwissenschaftliche 183 —, phänomenologische 129 f, 138, 190 ff, 227«»

250

Sachregister

—, transzendentale 128 Moralität 94 ff, 166, 219^* Natur 12, 14, 23, 27, 37, 61, 69, 74, 88, 92, 104, 106-111, 119, 121, 127,129, 133,135, 155, 160, 173 ff, 190, 201 f, 207^“, 20820, 209‘o, 221‘‘, 1«, 222‘^ 227*0, 229^7, 2«^ so —, göttliche 28 f -, ideale 227*o —, lebendige 25 —, menschliche 28 —, natürlidie 109 f —, organische 99, 175 -, sittliche 27, 83,105,109 f —, unorganische 28, 38 f, 85, 99, 173 Naturredit 83 f, 98, 101, 179, 196, 214“8, 218^ 22111 —, formelles 83 f, 86 f —, modernes 84, 90, 99 Naturzustandstheorie 83, 87 Negation 13 f, 16 ff, 21, 24, 35, 50, 76 f, 80, 85, 114, 117 f, 124 f, 143, 146—149, 158, 167 f, 171, 182, 191, 194 f, 204, 2051«, 2062«, 20821, 2172, 22328, 2251, 233« —, der Negation 14 —, absolute 62, 149 -, abstrakte 121, 158, 173, 191 —, bestimmte 120, 124, 126, 135, 148,187, 189,191 f, 194 —, doppelte 233« —, gegenseitige 77, 86 —, sdieinbare 87 —, schrittweise 187 —, selbstbewußte 158 f, 161 —, teilweise 94 Negativität 11-14, 16-21, 24, 31, 35, 37, 40, 49, 57, 62 f, 68, 71-74, 76 f, 79-83, 85, 87, 91, 96, 98 ff, 104 f, 107 f, 110, 112 f, 115-125, 127, 135, 146, 148, 152, 155 f, 158, 164, 168, 174, 180 ff, 184, 186 ff, 190-204, 20821, 216118, 217«, 223«8, 228«, 233« -, absolute 17 f, 40, 56, 58, 67, 83, 90, 124, 177, 182, 188, 193 f, 196-

199, 201, 203, 228«, 231i abstrakte 168,180, 202 f, 231i allgemeine 200, 202, 231i äußere 197 bestimmte 200 bewegende 201, 231« bloße 70, 196, 20821 daseiende 203, 231i doppelte 83 einfache 182, 186 ff, 198, 200 ff, 231« —, entwickelte 99, 198 —, erscheinende 108 —, existierende 199 —, freie 199 —, gestaltende 198 —, immanente 77 —, innere 121, 196 f —, in sich reflektierte 202, 231« -, natürliche 188, 202, 231« -, reale 158,161,188, 201, 231« -, reine 34,117,122,176,182, 187, 196, 198-203, 231* —, selbständige 198 —, selbstbewußte 203 —, undialektische 107 -, unerfüllte 188, 203, 231'' —, unmittelbare 200 —, wahre 74, 121 -, —, —, —, —, -, —, —, -,

Negieren 14, 204, 208«' —, gänzliches 36 Nichts 21 ff, 29 ff, 34, 36-39, 4246, 48-51, 59, 62 f, 72, 74, 76-80, 88, 110 ff, 114, 116, 121 ff, 125, 131, 145 ff, 156, 171, 180 ff, 186, 188, 191, 193, 204, 206«, 207“, 208«', 209^ 216“«, 227*», 231« —, absolutes 21, 35, 44 f, 47, 50, 52 ff, 62, 84 f, 88, 112, 179 f, 188, 206«,«, 218» —, abstraktes 120, 122 —, bestimmtes 148 -, bloßes 31, 208«', 213««, 216“« -, leeres 49, 62,114,116,121 f —, reines 156 —, überseiendes 206« —, wahres 43

Sachregister Nihilismus 13 f, 42 f, 45—48, 52, 54, 60, 74, 204, 206^7, 21125, «, 212«, 46^ 48^ 50^ 214*21 123 —, absoluter 52 f —, falscher 21125 -, wahrer 43, 49, 53 f, 58, 80, 180 f Objekt 49, 59, 64, 66, 68, 71, 76 f, 130, 133 f, 154, 189 f, 215*5» —, wahrnehmbares 35 Opfertheorie 82, 207*® Positivität 12, 17, 123, 125, 164, 194 ff, 228* —, absolute 203 —, reine 167 Praxis 40 f, 168, 205», », »i, 22^ 206»*, 207*^ —, politische 168 Prinzip 11, 16, 18, 45, 54 f, 57, 60, 62, 64 f, 69, 71, 88, 94, 98, 102, 129, 140, 152, 196, 198 f, 201 f, 2082«, 21923, 221«,» -, absolutes 64 f, 79, 215*3» —, immanentes 64, 76 —, neues 25 —, spekulatives 66 ff, 111 Prozeß 84, 101 f, 110, 118 f, 138, 150, 152, 160, 163, 182 f, 188, 190 f, 194, 198-202, 207** —, autonomer 80, 194 —, geschichtlicher 128 —, vernünftiger 184, 194 Recht 24, 27 f, 56, 85, 87 ff, 101, 131, 149, 154, 166, 173, 175, 178, 193, 218», 2202, 22433 —, absolutes 202 —, abstraktes 178 —, formelles 87, 89,100 —, geltendes 87 —, römisches 166, 178 Reflexion 22, 38, 42, 48, 52, 56, 58, 71, 73-78, 88, 91, 109, 111 f, 115, 117, 126, 129, 131 ff, 137 f, 150, 152 f, 174, 185, 196, 201, 213*», 216*4», 148^ 217», 222*», 227»» -, absolute 112, 222‘»

251

—, —, —, —, —, —, —,

äußere 147 bloße 64, 73 endliche 106 kritische 21 natürliche 131 notwendige 131 f philosophische 13, 33, 37, 41, 58 ff, 64, 67-71, 76, 81, 88, 127, 131 f Religion 14, 19, 21, 29, 31, 55, 57 f, 75, 101,104, 178 f, 190, 193, 2082», 21924, 220*, 222** —, absolute 101 —, christliche 2082» -, neue 57 f, 75, 128, 179, 208»», 214*2», 225« —, offenbare 179 f Revolution 11,18, 49,102, 221» —, Französische 11, 82, 102, 168, 171 f, 184 —, industrielle 82 —, religiöse 25 Schicksal 12, 15, 26 ff, 39 ff, 53, 75, 77 f, 90, 96, 99, 116, 123, 165, 176, 191, 193, 203 —, aussöhnendes 28 —, ernstes 27 —, fremdes 27 —, griechisches 26 —, jüdisches 26 —, tragisches 22 f, 75, 77 f, 112, 188, 216*48 —, unvermeidliches 40, 93 —, wahres 26 Schluß 32, 68, 77, 90, 117, 160-163, 228* Sein 22, 25, 29 ff, 34 f, 38, 45, 49, 52, 54, 61 ff, 74, 76, 80, 88, 109, 117 ff, 121 f, 124, 134, 138, 144147, 149, 156, 162, 164, 166 ff, 170 f, 175 f, 180 f, 186 ff, 191 f, 196 f, 200—203, 206», 217», 223»*, 226*», 228», 229», *» —, absolutes 30, 167 —, empirisches 54 —, endliches 208»* —, gegenständliches 96

252

Sachregister

—, —, —, —, —,

individuelles 146 leeres 112,122,150 natürliches 56,174 f, 180 notwendiges 81 reales 92 reines 117 f, 142, 144-147, 155, 168, 180-183, 186 —, sinnliches 166 f, 201 —, unbedingtes 134 f —, wahres 12 Selbstbewußtsein 63 f, 69 f, 104 f, 112 f, 115, 117 ff, 121 f, 124, 127, 129 f, 133 ff, 151, 153-171, 173176, 180 f, 183-192, 194, 201 ff, 215138, 142^ 222‘®, 21, 22321, 22618,

**, 22750, 23055, 39, 40, 23151, 232« —, absolutes 206® —, einzelnes 121, 155 —, individuelles 191 —, reines 64 f, 67, 70, 76, 121 —, vernünftiges 95, 165 —, wahres 157 f Selbstbewußtseinstheorie 22321, 232» Selbstreflexion 13, 48, 70, 108, 111, 113, 127, 153 f, 189 Sittlichkeit 57, 81 f, 84—90, 92 ff, 96, 98 ff, 104-111, 119 ff, 125, 174, 197, 2172, 2185, 2205, 221» -, absolute 39, 81, 99 f, 105-108, 111, 221’ —, griechische 207^’ —, natürliche 86, 107 f —, rohe 93 —, vollkommene 81 —, wahre 85 Skeptizismus 21, 32—37, 71, 74 f, 81, 88, 129, 137 f, 142, 157 ff, 161 f, 164, 166 f, 171, 178, 181, 185, 190 f, 201, 2095, 8, 22453 -, antiker 33—38, 41, 142, 147, 158 f, 164, 2281, 230^» -, echter 33 f, 36 f, 72 —, moderner 35, 164 —, neuerer 50 —, wahrer 142 Spekulation 26, 33, 40, 46, 51, 64 f.

70, 73 f, 76, 79, 104, 213^»^ 215158, 216148, 148 —, echte 38 —, wahre 38 Sprache 45, 110, 128, 130, 173, 22115, 2221^ 2285 Staat 39, 82 ff, 86 f, 89 f, 92, 94, 96-103, 123, 165, 188, 193, 217», 21955 Staatstheorie 56, 87, 97—101, 103, 120 Ständesystem 92, 94, 96, 99 f, 103, 123 Subjekt 12, 14, 18, 25, 55, 58 f, 62, 64, 66, 68, 70 f, 76 f, 108, 113, 130, 134 f, 145, 149, 153, 176, 180, 182, 189 f, 197, 199 ff, 204, 21555» —, endliches 21655» Subjektivität 14, 34 f, 39, 42, 52, 55-59, 61, 64 f, 72, 75, 79, 87, 102, 108, 111 ff, 124, 171, 174, 176 f, 180, 182, 184, 188, 193, 196, 221«, 22355, 22, 25^ 22452, 2255 —, absolute 24, 86,108,124,194 —, endliche 63, 79 —, geschichtslose 176 —, isolierte 57 —, leere 12 —, moderne 39, 123 —, neuzeitliche 17 —, partikulare 87, 171 —, protestantische 56, 160, 178 —, romantische 169 —, schlechte 176 Subjektivitätstheorie 39, 57, 64, 67, 155, 174, 177, 184, 186, 2305«, 232« Substanz 63, 77, 108, 150 ff, 166 f, 174 ff, 180, 182 f, 199 f, 204 -, absolute 61, 77, 108-111 —, lebendige 201 —, sittliche 165 f —, unendliche 49, 61 ff, 79,175 System 15 ff, 19, 25, 35, 38, 53 f, 65, 67 f, 76, 82, 84, 86, 88 ff, 92 ff, 96, 98 ff, 104-111, 118 f, 121, 125, 127, 130, 133 f, 185, 196 f, 20755, 5’, 2115«, 212«5, 213^«, 21555«, 2175,

Sachregister 218», ^ 220*,*, 221», “,»«, 2232«, 225^ 226« —, geschlossenes 13, 75 —, konsequentes 44 —, philosophisches 33, 37, 52, 217^ -, politisches 2052«, 318^ 2192», 21, 28, 220««, 88, «, 2, 3^ 4^ 221», 1», 222‘^ —, ursprüngliches 212®*, *■*, 215^86 Theorie 11, 18, 40, 59, 64 f, 71, 83 ff, 89 f, 102, 105, 112, 120, 123, 125, 133, 148 f, 168, 176, 185, 188, 193, 2052, 21,22, 2062«, 218«, 22221, 224*1, 23087, 46 —, politische 89 —, praktische 18 Tod 11 f, 21, 23-26, 28-31, 40, 49 f, 53, 84-93, 96, 107, 111 f, 120, 123, 125, 156 ff, 165, 168, 171, 173, 179 f, 187 f, 193, 200, 202 ff, 2082», 22218 —, absoluter 50, 53 —, bedeutungsloser 203 —, natürlicher 180 —, platter 171 Tradition 12, 22, 76, 79, 105, 206*, 222« —, deutschrechtliche 97 —, metaphysische 233* —, philosophische 79 f —, scholastische 2112® —, theosophische 47 Tragödie 15, 25-31, 78, 80, 82, 85, 87, 89 ff, 93, 98 f, 102, 120, 123, 179, 188, 207« -, griechische 21 f, 25—29, 31, 207« Unendlichkeit 24, 29, 61 ff, 70 f, 83, 107, 114 f, 151, 153, 155, 183, 196, 198 —, absolute 114 —, empirische 196 —, schlechte 63 —, subjektive 61 Urteil 32, 68 f, 95,170 —, partikulares 197 —, unendliches 95,170, 202, 219^^

253

Vernunft 13, 22, 24 f, 32-36, 38, 41 ff, 47, 50, 53, 58 f, 63, 69-73, 75, 77-81, 95, 107, 117, 121, 128, 152, 164 f, 169, 174, 178, 181, 189, 196, 20521, 2071», 21128,2«, 2161, 22218 —, absolute 62 f, 73 f, 77 —, beobachtende 164 f, 169,175 —, endliche 125 —, ewige 78 —, formale 63 —, leere 47 —, menschliche 26, 43, 47 —, negative 62 f, 73 f, 196 —, neuzeitliche 44 -, politisdie 205*, 207« —, positive 73 —, praktische 14, 59, 84 —, reine 16, 33, 47, 59, 69, 76, 128, 214103 —, spekulative 26, 38, 47 Verstand 24, 32 f, 36, 39, 50, 52, 55, 58 ff, 68 f, 72 f, 75 f, 107, 116 f, 146 f, 151 ff, 161-164, 167, 169, 171, 193, 200, 2071», 20821, 21512» —, anschauender 69 —, endlicher 115, 162 —, intuitiver 69 f, 76 —, menschlicher 16 —, reflektierender 162 —, wahrnehmender 164, 168 Vertragstheorie 102 Wahrheit 27 f, 36, 41, 43, 45, 55, 73, 88, 95, 128, 135, 138, 142, 144, 146, 154 f, 161, 167, 180, 186, 201, 203, 2321 —, absolute 143, 167 —, ewige 214«82 —, kontingente 61 Wahrnehmung 142 ff, 146, 148 ff, 152 f, 155, 164-167, 169, 186, 22921 —, alltägliche 183 —, sinnliche 33, 183 Weltanschauung 206i —, moralische 203

254

Sachregister

pantragische 15 Werden 12, 30 f, 38, 80, 101, 108111, 119, 134, 156, 160, 171 f, 174 f, 181 f, 193, 201 —, absolutes 109 —, einfaches 201 Widerspruch 12, 30, 34 f, 56, 60, 66 f, 71, 73, 80, 85, 88, 91, 95, 97, 105, 124 f, 144, 148 f, 152, 155, 163, 178, 183, 185 f, 189, 193, 203, 206®, 229^ —, kontradiktorischer 62, 80 Wissen 22 f, 29, 34, 43 f, 53, 57, 61, 64, 67 f, 72-75, 89, 101, 105, 109, 112, 118 f, 135, 137 ff, 142 f, 150, 153 f, 162, 164, 173, 178 ff, 186, 193 f, 202, 208®‘, 211®®, 214“®, 215‘®«, 224®« -, absolutes 118, 135-138, 143, 162 f, 169—172, 175 f, 181 f, 184 f.

190, 193, 227®® —, erscheinendes 136 f, 153,176, 227®® —, inhaltliches 192 —, leeres 196 —, philosophisches 64, 67, 75 —, reines 103, 203 —, sinnliches 146 —, spekulatives 76, 203 —, substantielles 181 —, transzendentales 74 —, vernünftiges 193 —, wahres 154 Wissenschaft 17 ff, 24, 42 f, 64, 67, 104, 115, 117 f, 122, 128, 130, 133, 135 ff, 140, 145, 152 f, 158, 162, 176, 185-188, 193, 209‘®, 213’®, 216‘, 224»», ®», 227®», 229®, 233’ —, europäische 229®'* —, negative 128

PERSONENREGISTER Adorno, Th. W. 11-13, 205‘, 233^ Aischylos 27 Algozin, K. W. 232^ Arendt, D. 2062’, 2112«, 212« Aristoteles 31, 46, 82, 85, 102, 110, 207«, 20821, 2172, 218«, 219«, 2282

Bardili, Ch. G. 37 Baum, G. 46, 2112«, 2« Baumanns, P. 215i«« Bayle, P. 44 Becker, W. 228^ 2292", 230«», 232« Behler, E. 212«, 214«», 225«, ^ Beierwaltes, W. 206®, 229« Beissner, F. 212^^ Biemel, W. 229®^ Bloch, E. 207« Blumenstock, K. 2151®® Böckelmarm, F. 214«« Bodammer, Th. 228i Boey, C. 230*« Böhme, J. 50 f, 180, 213««, « Bolin, W. 229* Bonnet, Ch. 128 Braun, H. 215*®« Bubner, R. 214*2«, 217®, 219®«, 220*, 222®*, 225*® Büchner, H. 209« Buck, G. 232^ Buffon, G. L. L. 128

Cassirer, E.

222**

Christus (Jesus) 25 f, 29 Cingiskan 23 Claesges, U. 215*®», **®, 223®*, 226*»,

Cramer, K. 222®* Cramer, W. 223®* Daecke, S. M. 208®« d'Alembert 128 Dante 207*® Demokrit 79 f, 181, 208®* Descartes 24, 32, 45, 112, 138, 232® Diderot, D. 128, 231«» Dove, K. R. 227«® Duns Scotus, J. 22, 206® Dürr, A. 205» Düsing,K. 213®®, 215*®«, 216**«,**», **«, *««, 223®®, 228*, ®, 230*®

Eckhart, Meister Eisler, R. 209®

21, 51, 79

Engels, F. 218® Eschenmayer, C. A. Eucken, R. 20

227««, 229®«

Fabricius, J. A. 206« Feuerbach, L. 229* Fichte 11, 29, 37, 39 f, 42 ff, 46, 48 f, 52, 54 f, 62-67, 69 f, 72, 7686, 99, 108 f, 111, 118, 121, 126 ff, 130-134,154, 179, 185, 196, 208®*, 210*®, 211®«, 212«®, 213*««, 214*«*, *«« 215*®« *®® *®» **« *** **® 216**« **«, 218®, **, *«, 223®* Ficinus, M. 36, 50, 79 Findlay, J. N. 232* Hadt,W. 205*« Freud, S. 230®« Fuhrmans, H. 213*«*, 227«« Fulda, H.F. 233*,®

32 35 44 46

/ / /

Collingwood, F. 232* Condillac, E. B. de 128 Cramer, J. A. 46

Gadamer, H.-G. 232® Gauvin,J.

209**, 229®®, 230*«,

231*«,®

256

Personenregister

Gerhardt, C. J. 206‘, 215‘3i Girndt, H. 215‘3«, 225^ Glöckner, H. 14-17, 205®, », ‘h 218® Goethe 44 f, 210‘‘, 214‘“, 231®« Göhler, G. 205®«, 218S 219®«, ®h ®«, 220® Gorgias von Leontinoi 22 Görland, I. 216‘®«

Ilting, K.-H.

217®, 218«,»,«

Jacobi, F. H. 11, 13, 23, 29, 39 f, 42-47, 49, 52 f, 55-64, 68, 72, 74, 77 ff, 109, 159, 169, 178 ff, 196, 208®», 210»,»,»»,»®,»®, 211®®,®«,®®, ®4, 212®«, ®8, 213»®, 214»«®, »0®,»«®, KW

107 115 118 121 122 //////

215»®»,»®®, 221»®

Janke, W. 211®« Jean Paul 48, 208®« Habermas, J. 11,17 f, 205®, ®h 206®®, 221»®, 227®» Haering, Th. 205»«, 207»®, 218®

Hammacher, K.

Jenisch, D. 47 Jodl, F. 229®

210»»

Harder, R. 206« Hartmann, E. von 205® Hartmann, N. 225®, 227®® Heede, R. 233® Heidegger, M. 207»», 227®»,®® Heinrichs, J. 224®® Henrich, D. 18, 205»®, 206®«, 207»®, 215»®», 222®», 225®, 233® Herder 45, 47, 53, 60, 63, 80, 98, 128, 150, 211»«,»«, ®®, 217», 219®« Hirsch, E. 230®«, 231» Hobbes 83-87, 90 f, 97, 103, 120, 218®, »f-»« Hocevar, R. K. 219®«, ®®, ®«, ®» Hoffmeister, J. 214»®«, 224®», 225»,»» Höhn, G. 214»®»,»®® Hölderlin, F. 12, 22, 44, 48 f, 207»®, 212®^ 215»®®, 230®«

Kainz, H. P. 232» Kant 11, 14 ff, 26, 29, 33 f, 37, 39 f, 42, 44, 46 f, 52, 55 f, 59 f, 62 f, 6872, 76-80, 82 ff, 86, 94 f, 111, 121, 126, 128, 135, 138, 150 ff, 164, 168, 179, 189, 194, 196, 205»», 209», 211®«, 214»«®, 215»®«, 216»«®,»«®,»««, 218»,»« Kayßler, A. B. 227«« Kimmerle, H. 205»«, 208», 210®»,®«, ®«, 214»»», 218®, 219®», 220»,®,®, 221«, 222®«, 223®®, ®«, ®», 224®® Kohlschmidt, W. 211®®, 212®«,«« Kojeve, A. 230®», 232»® Köppen, F. 52 ff, 60, 63, 68, 213»®, 8«, »«, »», »», 214»»®, 215»®«,»®«, 216»«« Kroner, R. 16 f, 227«® Krug, W. T. 47, 211®»

Holz, H.

Labarriere, P.-J.

212«»

Homann, K. 211®®, 214»«®,»««,»««, 115^ 118^ 122^ 215»®»

Horstmann, R. P.

219®®, 220», 221«,

»®, 223®®, »®

Hübener, W. 233® Hübner, K. 209»» Hülsen, A. L. 128, 225» Husserl, E. 229®® Hyppolite, J. 232»®

227«®, 230®», 231«®,

231® Lambert,]. H. 128, 225»,» Lasson, G. 229»® Lauth, R. 214»«® Leibniz 21 f, 45, 50, 61, 113, 206», 207»,»«, 215»®» Leonardo da Vinci 207»» Lessing, G. E. 44 f, 128 Leukipp 79 f, 181, 208®»

Leyen, F. von der Link, Ch.

208®«

212®®

Personenregister

Litt, Th. 2221«, 224Si Lorenzen, P. 14, 205® Löwith, K. 222'® Luhmann, N. 13 f, 205® Lukäcs, G. 222'®, 227®® Lypp,B. 205®, 207'’

Paulus, H. E. G. 44, 210'« Petrus Lombardus 46 Petrus von Poitiers 46 Platner, E. 127, 225® Platon 28 f, 31, 34, 36, 46, 50 ff, 79, 94, 110, 142, 146 f, 149, 206«, 208'«, ®

Plitt, G. L. Machiavelli 98, 217® Maier, H. 219®®, ®’ Maluschke, G. 209®, '*, '®, '*, 215'®®, 216'®®,'®®,'®’, 229'» Marcuse, H. 227®®, 230®’, ®® Marx, K. 82, 207", 218® Marx, W. 227®®, ®®, ®®, 228®« Maurer, R. K. 231®® Meier, H. G. 206®® Mendelssohn, M. 211®® Menne, A. 209'® Meyer, R. 205'« Michelet, K. L. 210'«, 213’', 228® Montaigne, M. de 159 Montesquieu 39, 98, 100, 210®® Mosheim, J. L. von 50 Müller-Freienfels, R. 209’ Müller-Lauter, W. 211®® Murr, Ch. Th. 44

Nambara, M. 206®, ® Neske, G. 207" Newton 150 f Nicolin, F. 224®', 225'® Nietzsche, F. 212®«, ®® Nink, C. 229®® Nohl, H. 206® Novalis 48 f

Nusser, K.-H.

221«

Obereit, J. H. 46 Ockham, W. von 22, 207® O'Malley, J. J. 232' Ottmann, H. H. 209«, 232®

Parmenides 22, 229'® Pascal 159, 179, 208®», 214"®

257

212®«

Plotin 22, 79, 206®, «, 212«® Plutarch 208®« Pöggeler, O. 20, 205'®, 206®’, 207'®, '®, 209'®,'«, 210®®, 211®®, ®®, ®«, ®’, ®», 212®®, ««, 214'®», 217®, 220' Portus, E. 229'’ Pothast, U. 232'® Proklos 79, 206®, 229'’

Prutz, R. E. 212«® Pufendorf, S. 218® Purpus, W. 228',®, 229'® Pyrrhon

34, 36, 41

Reid, Th.

45 f Reinhold, K. L. 37, 65, 128 ff, 133, 215'®«,'®« Rice, L. C. 232' Rickert, H. 16 f Ricoeur, P. 230®« Riedel, M. 17, 205®®, 217', ®, 218®, 8,'® Ritter, J. 18, 206®®, ®®, 233® Rosenkranz, K. 21, 41, 44, 51, 79, 84, 118, 127, 179, 208®«,®, 210®®, 212«®, «®, 214"«, 218®, 220', ®, 222®«, 223®’, 224®® Rousseau 83, 97, 102, 218'® Schelling 15, 26, 44 ff, 49-54, 60, 67 f, 70, 73, 76, 79, 82, 104 f, 108 f, 111, 126 f, 129 f, 133 ff, 150 ff, 185, 194, 207'’, 208'«, 209", 210®®, 212®«, ®', ®® ®'-5« 61 213«« ’® ’® ” 82^ 86^ 86^ 95-98 101 214"® 215'®« '®®, 216'®®,'®», 217’, 220®, 221«, 223®®, 224®® Schlegel, A. W. 48 f, 128 Schlegel, F. 48 f, 56 f, 128, 212®®, 2141«®, 108,'10, 230®«

Personenregister

258 Schleiermacher, F.

205^ 207^^, 219^^

Schmitz, H. 225»

212»3, 213»5, «9, ™

Schneider, H. Scholz, H.

211^*

Schuhmacher, J. Schulz, H. Schulz, W.

57, 77,159,178 ff

207^*^

226*^ 207^^

Schulze, G. E.

33 ff, 227®^

Schwan, A.

211^®

Schwarz, J.

220®®, 231®

Schwemmer, O.

205®

Scotus Eriugena, J. Sextus Empiricus

21, 79, 206® 34,142, 206®,

208« Shaftesbury, A. 211«® Siep,L. 215«®®, 216««®,««, 218««,«®,

, ^

21915

17

Simon, J.

Tamerlan 23 Tauler, J. 51 Theunissen, M. 18, 205®«, 206®® Tieck, L. 48 f, 51 Tiedemann, D. 50, 212®® Timm, H. 46, 210««,«®, 211®«, ®® Trede, J. H. 208®, 209««, 214«®«, 220«, 221®, 8, », 223®®, ®®, ®«, 224®® Trescher, H. 210®®

18

228«

Sokrates 25, 27, 50 Spinoza 23, 35, 42—45, 49, 51, 53, 60-63, 76 f, 79, 108, 113, 134, 150, 175 f, 208®«, 210«®,««,«®, 211««,®«, ®®, 212®«, 215«®®, 217®, 218«, 8,»,

van Dooren, W. 231«« Voltaire 21, 48 Vordtriede, W. 212«® Wackenroder, W. H. 48, 212«® Wagner, J. J. 52, 213«®, «®, 227®», 229®» Wahl,J. 230®»,«®, 232«® Weiller,K. 52, 213««,«« Weinrich, H. 233® Weischedel, W. 211®® Westphal, M. 229®« Wiehl, R. 222®«, 228« Wieland, W. 228«, 229® Windischmann, C. J. 227®« Wolff, Ch. 44, 46, 223®®

222««

Stäglich, H. 206« Stewart, J. 82 Suphan, B. 211®« Swift, J. 48

Zenon von Elea 147 Ziesche, E. 220« Zimmerli, W. Ch. 209««, 210®«, ®®, 215«««, 216«««, ««8, 217«, 225«