Der Auszug der Hathor-Tefnut aus Nubien [Reprint 2021 ed.] 9783112559048, 9783112559031

135 79 7MB

German Pages 94 Year 1912

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Der Auszug der Hathor-Tefnut aus Nubien [Reprint 2021 ed.]
 9783112559048, 9783112559031

Citation preview

DER AUSZUG DER HATHOR-TEFNUT AUS NUBIEN. VON

PROF. DR.

HERMANN JUNKER IN WIEN.

AUS DEM ANHANG ZU DEN ABHANDLUNGEN DER KÖNIGL. PREUSS. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN VOM JAHRE 1911.

BERLIN 1911. VERLAG DER KÖNIGL. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN KOMMISSION BEI GEORG REIMER.

orgelegt von Hrn. E r m a n in der Sitzung der pliil.-hist. Klasse am "20. October 1910. Zum Druck verordnet am gleichen Tage, ausgegeben am 15. Juli 1911.

B r u g s c h hat in seinen » Sieben Jahren der Hungersnot « S. 49 ff. und im Dictionnaire Géographique S. 8 50 ff. einige kurze Inschriften aus Philä angeführt, nach denen Selm und Tefhut aus Kns-t in Nubien nach Snm-t eingewandert seien; neuerdings hat A y l w a r d M. B l a c k m a n in dem Januarheft 1910 der Proceedings auf diese Texte nochmals hingewiesen'. Tatsächlich aber bilden die angeführten und andere weit lehrreichere Texte aus Philä 2 nur die örtliche Überlieferung einer alten Legende, die wir in fast allen Tempeln der griechisch-römischen Zeit, jedesmal mit örtlicher Färbung, wiederfinden. Einmal richtig erkannt, zeigt sie uns ihre Spuren allenthalben, erschließt uns das Verständnis für manche Riten und läßt viele Inschriften erst in ihrer eigentlichen Bedeutung erfassen.

I. T e i l . 1. Der Inhalt der Legende. Zunächst sei eine allgemeine Übersicht über die Legende gegeben, wie sie sich aus den verschiedenen Überlieferungen der einzelnen Tempel rekonstruieren läßt, unter möglichster Anlehnung an die Texte und Riten; die wörtlich oder fast wörtlich zitierten Stellen sind dabei gesperrt gedruckt. Die Legende versetzt uns in die Zeit, in der der Sonnengott noch auf Erden lebte und die Herrschaft in Ägypten führte. Damals hauste in 1

Vgl. auch Brugsch, Thes. 500; Diction. geogr. S. 211.

2

Die Texte von Philä und den unternubischen Tempeln sind durch die Expeditionen

1908 — 1 9 1 0 zugänglich gemacht und wurden mit Erlaubnis der Kgl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin für die vorliegende Arbeit benutzt. 1*

B r u g s c h hat in seinen » Sieben Jahren der Hungersnot « S. 49 ff. und im Dictionnaire Géographique S. 8 50 ff. einige kurze Inschriften aus Philä angeführt, nach denen Selm und Tefhut aus Kns-t in Nubien nach Snm-t eingewandert seien; neuerdings hat A y l w a r d M. B l a c k m a n in dem Januarheft 1910 der Proceedings auf diese Texte nochmals hingewiesen'. Tatsächlich aber bilden die angeführten und andere weit lehrreichere Texte aus Philä 2 nur die örtliche Überlieferung einer alten Legende, die wir in fast allen Tempeln der griechisch-römischen Zeit, jedesmal mit örtlicher Färbung, wiederfinden. Einmal richtig erkannt, zeigt sie uns ihre Spuren allenthalben, erschließt uns das Verständnis für manche Riten und läßt viele Inschriften erst in ihrer eigentlichen Bedeutung erfassen.

I. T e i l . 1. Der Inhalt der Legende. Zunächst sei eine allgemeine Übersicht über die Legende gegeben, wie sie sich aus den verschiedenen Überlieferungen der einzelnen Tempel rekonstruieren läßt, unter möglichster Anlehnung an die Texte und Riten; die wörtlich oder fast wörtlich zitierten Stellen sind dabei gesperrt gedruckt. Die Legende versetzt uns in die Zeit, in der der Sonnengott noch auf Erden lebte und die Herrschaft in Ägypten führte. Damals hauste in 1

Vgl. auch Brugsch, Thes. 500; Diction. geogr. S. 211.

2

Die Texte von Philä und den unternubischen Tempeln sind durch die Expeditionen

1908 — 1 9 1 0 zugänglich gemacht und wurden mit Erlaubnis der Kgl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin für die vorliegende Arbeit benutzt. 1*

4

H.

JUNKER:

Bwgrn [Kus-t], cl. i. im Wöstengebiet östlich vom obernubischen Nil, seine Tochter Tefnut. Sie wird als wilde Löwin geschildert, die die W a d i s d u r c h s t r e i f t , vom B l u t ihrer Opfer g e r ö t e t , die in steter Wut ihren Feinden nachsetzt, sie n i e d e r w i r f t , ihr Fleisch frißt und i h r B l u t s c h l ü r f t . Aus ihren A u g e n s p r ü h t e F e u e r , F e u e r war der H a u c h i h r e s M u n d e s , und ihr H e r z b r a n n t e vor Z o r n . Sie hatte ihre Wüste nie verlassen und kannte Ägypten nicht. Nun hatte Re den Wunsch, sie in seiner Nähe anzusiedeln. Soviel sich erkennen läßt, bewog ihn dazu ein doppelter Grund. Einmal wird hervorgehoben, daß T e f n u t s e i n e T o c h t e r sei, a u s i h m h e r v o r g e g a n g e n , die sein H e r z l i e b t e , b e i d e r e n A n b l i c k er j u b e l t , die nun zu i h r e m V a t e r g e b r a c h t w e r d e n soll. Dann aber wird ein praktischer Grund angeführt. Sie hatte so viele Proben ihrer Kraft gegeben, daß er sie als seine Beschützerin wählte, d i e d i e F e i n d e i h r e s V a t e r s n i e d e r w e r f e n u n d s e i n e G l i e d e r s c h i r m e n solle. Re betraut Schu und Thot mit der Ausführung seines Planes. Ersterer war der Bruder der Göttin, ein L ö w e von g e w a l t i g e r K r a f t , m i t l a u t e m G e b r ü l l , m i t s t a r k e n P r a n k e n ; er hatte sich längst von seiner Schwester getrennt und sich in Ägypten angesiedelt 1 . Als Re in Bedrängnis geriet und sich v o r s e i n e n F e i n d e n v e r b e r g e n m u ß t e , war Schu als sein B e s c h ü t z e r aufgetreten und hatte die W i d e r s a c h e r z w e i m a l zu B o d e n g e w o r f e n . Wohl wegen dieser Beweise seiner Treue war er für die Sendung ausersehen worden, und dann, weil er als Bruder am geeignetsten schien, die Göttin zu überreden. Vielleicht hatte er auch aus freien Stücken sich erboten, denn es war auch sein persönlicher Wunsch, Tefnut nach Ägypten zu bringen. Wenn wir sehen, wie er später als der G e m a h l (shn) der Göttin auftritt, wie er i h r t r e u e r G e n o s s e genannt wird und diesen Titel als Beinamen erhält, wie Tefnut bei i h m b l e i b t u n d n i c h t von i h m w e i c h t an a l l e n O r t e n , so müssen wir annehmen, daß es zugleich sein ursprünglicher Plan war, sie für sich zu gewinnen und heimzuführen. Thot wird ihm mitgegeben, damit er durch seine magischen Sprüche die Göttin überrede, denn man wußte wohl, daß es ohne Zauberkünste nicht möglich sei, sie zum Verlassen ihrer Heimat zu bewegen. Die beiden 1

So wenigstens nach einer Version.

Der Auszug der Ilathor-Tefnut aus Nubien.

5

Götter verwandeln sich in Affen, vielleicht weil die Göttin in der Wüste mit dieser Erscheinung vertraut war, und machen sich auf den Weg nach Nubien. Schu d u r c h s t r e i f t die W a d i s v o n Kns-t und findet die Schwester in Bwgm. Die Szene, die sich nun abspielte, ist uns in einer Darstellung erhalten. Da steht die Löwin, grimmig mit erhobenem Schweif, und vor ihr Thot als Pavian, die beiden Hände zum Preis hoch erhoben, und redet ihr zu, um sie zu besänftigen. Wenn wir auch den genauen Wortlaut seiner s c h ö n e n f r i e d b r i n g e n d e n R e d e n nicht wissen, so ist uns doch ihr Inhalt im einzelnen erkennbar. Er redet ihr von den Schönheiten, die sie im Lande ihres Vaters schauen und genießen soll, vom N i l Ä g y p t e n s und a l l e n W u n d e r n v o n tlmrj-, er rät ihr, mitzukommen und selbst zu s e h e n und dann für immer St-t d e n R ü c k e n zu k e h r e n . Ihre Wüste soll sie mit einem Wunderland vertauschen mit breitem Strom, grünen Fluren, mit Städten und Dörfern. Dort werde man ihr Tempel bauen, in denen die Menschen sie verehren. Dort brauche sie nicht mehr auf Raubzügen Nahrung zu suchen; G a z e l l e n , A n t i l o p e n , S t e i n b ö c k e u n d a l l e s G e t i e r , d a s in d e r W ü s t e l e b t , soll täglich auf ihren Altären geopfert werden; täglich werde man ihr Wein reichen, damit sie sich daran berausche, einen Trank, der a l l e T r a u e r aus i h r e m H e r z e n v e r s c h e u c h e ; Musik, Gesang und Tanz sollen nie vor ihr aufhören. Thot hat sich dabei gewiß nicht mit einer theoretischen Schilderung begnügt; damals reichte er ihr wohl zum erstenmal den wmw-Krug, ließ ihr Gazellen bringen und vor ihr musizieren. Dann holte er das magische wnsb hervor, d a s sie so g e r n s i e h t , reicht es ihr hin und rezitiert seine Zauberformeln dabei. Schu wird ihr ähnlich zugeredet und sie eingeladen haben, mit ihm zu ziehen und an seiner Seite zu bleiben. Den vereinten Bemühungen kann Tefnut nicht widerstehen; ihr Zorn legt sich, und sie ist bereit, mit nach Ägypten zu ziehen. Da u m a r m t S c h u sie freudig, und man bricht von Bwgm auf. Ein froher Zug setzt sich in Bewegung. Die einheimischen Sänger, Bese und Paviane, begleiten die Göttin zu ihrer neuen Heimat. Schu selbst ergreift die Laute und t a n z t v o r s e i n e r S c h w e s t e r her, um sie in F r i e d e n h e i m z u b r i n g e n . Thot weicht nicht von ihrer Seite und wird nicht müde, seine b e s ä n f t i g e n d e n Worte zu wiederholen, damit sie auf dem Wege nicht wankelmütig werde.

6

H.

J U N K E R :

So langt man bei Philä an der Grenze Ägyptens an. Nicht wie eine wilde Löwin, sanft wie eine Gazelle s t e i g t sie d o r t vom W ü s t e n g e b i r g e h e r a b und sieht hier zum erstenmal die Herrlichkeiten des Landes, von denen Thot geredet hatte. Schnell verbreitet sich die Kunde von Tefnuts Ankunft im Lande. Singende Frauen, mit Sistren und Tamburin, die Haare mit Blumen bekränzt, kommen ihr entgegen; Priester stimmen zu Harfe und Flöte Willkommlieder an; Gazellen werden auf den Schultern herbeigetragen, Weinkrüge und Blumensträuße dargereicht; man salbt sie mit Myrrhe und setzt einen Kranz auf ihr Haupt. Auf dem Abaton k ü h l t Schu i h r e Glut, und sie r e i n i g t i h r e Glieder im W a s s e r der h e i l i g e n Insel. Da wandelt sich die Löwin in eine holde Frau mit l e u c h t e n d e n Augen und f r o h e m A n g e s i c h t , mit Locken u n d B r ü s t e n , die H e r r i n der F r a u e n , g l ä n z e n d in i h r e r S c h ö n h e i t , mit f ü r s t l i c h e r Gestalt. Re, ihr Vater erblickt sie, j u b e l n d s c h l i e ß t er sie in seine Arme u n d r u f t : Ich u m a r m e d i c h , o H e r r i n der F r a u e n , m e i n e T o c h ter, die aus mir h e r v o r g e g a n g e n ist. In Philä, ihrem ersten Halteplatz, erhält sie ein Heiligtum neben ihrer Schwester Isis, an d e r e n Seite sie weilen soll, um mit ihrer Macht die h e i l i g e Insel zu s c h i r m e n und die F e i n d e i h r e s B r u d e r s Osiris f e r n z u h a l t e n , dessen Mysterien hier gefeiert werden. Dann steigt sie zu Schiff, um nilabwärts zu fahren. Neun Tage scheint ihre Reise gedauert zu haben, oder an neun Stellen hat sie gehalten, denn bei den Erinnerungsfestlichkeiten werden immer neun Fahrten erwähnt. Überall, wo das Schiff anlegt, wiederholt sich der festliche Empfang, wie er ihr beim Eintritt in das Land bereitet worden war. Sie nahen zunächst Ombos, der Stätte, an der ihr Bruder Scliu seine Heldentaten verrichtet hatte, indem er Re zweimal vor seinen Feinden rettete. Da sprach T h o t zu T e f n u t : »Hier w i r d es dir gut sein bei deinem B r u d e r Schu«; sie landet, und fortan nennt man sie hier: »die g u t e Schwester«. Die Empfangsszene ist uns auf einem Tempelrelief wiedergegeben: die Göttin hat auf einem Thronsitz Platz genommen; vor ihr steht Schu und preist sie, neben ihm Thot und reicht ihr das w)isb. Re breitet hinter ihr seine Arme aus, und Inn bringt ihr Amulette; sie alle sind bemüht, sie zu erheitern und ihr den Aufenthalt angenehm zu machen.

Der Auszug der Hathor-Tefnut

aus Nubien.

7

Iii Edfu begrüßt sie Horus, der einst in Punt ihr Nachbar gewesen war; die F r a u e n d e r S t a d t s i n g e n , t a n z e n u n d h ü p f e n aus Freude über ihre Ankunft; dann fährt sie weiter nach Elkab. Ferner macht sie in Esneh halt; die Götter der Stadt waren ihr entgegengefahren; a l l e W e l t f e i e r t e e i n e n f r o h e n T a g , und jubelnd z i e h t sie in d i e S t a d t i h r e s V a t e r s ein. Ein besonders feierlicher Empfang wurde ihr bereitet, als sie in Dendera anlegte; hier ist .ihr P l e r z e n s s i t z , die S t ä t t e d e r T e f n u t , der Ort, den T e f n u t liebt, von dem T h o t sagte, daß Freude d a r i n h e r r s c h e , an d e m m a n i h r i m m e r d a r d e n W e i n k r u g r e i c h t , vor allen a n d e r e n Göttinnen. Auch in Athribis scheint sie angehalten und einen Ruheplatz gefunden zu haben, wie die mangelhaften Inschriftreste noch erkennen lassen. So war denn Tefnut-Hathor in den Tempeln Ägyptens heimisch geworden; die blutdürstige Löwin war gezähmt und freundlich gestimmt. Neben ihrem Bruder Scliu hat sie in den Heiligtümern Platz genommen, schenkt ihm einen Sohn, und zu dreien erscheinen sie bei frohen Festzügen und lassen vor sich spielen und singen. Aber das friedliche Wesen haftet ihr nur äußerlich an, ihre Natur war nicht gewandelt, ihre ungebändigte Kraft hat sie nicht verloren. Das ist zur Auffassung der Doppelnatur in der Göttin von größter Wichtigkeit, und nur so lassen sich die merkwürdigen Gegensätze bei der Schilderung ihres Wesens verstehen. Nie darf man aufhören, die alten betörenden Lieder vor ihr zu singen, vor ihr zu tanzen und sie mit Musik zu erheitern. Thots Aufgabe nimmt kein Ende. A l l t ä g l i c h m u ß er sie b e s ä n f t i g e n , seine Zaubersprüche müssen stets ihren Ohren klingen, um den alten Grimm nicht aufkommen zu lassen; der Wein darf nicht ausgehen, s i e b e n tnf-t-Krüge sind ihr tägliches Quantum. Das ist die Göttin, die lacht und zürnt, S e c h m e t im G r i m m [wira], B a s t in d e r F r e u d e [ h t p ] , d i e G ö t t i n , d e r e n Herz s ü ß und heiter ist und in Zorn e n t b r e n n t [nsn ib, ¿h ib], d e r e n A u g e n h e l l u n d f r o h d r e i n s c h a u e n [wbh mr-tj] und dann b l u t u n t e r l a u f e n \hr§-t\ u n d g r i m m i g [nSd ¿>r] i h r e O p f e r a n b l i c k e n u n d F e u e r a u f sie s c h l e u d e r n . Sie ist die H e r r i n d e r F r a u e n und die F ü h r e r i n der f u r c h t baren smy-Dämonen, sie k a n n keine S t u n d e den Wein e n t b e h r e n und f r e u t s i c h , d a s B l u t i h r e r F e i n d e zu s c h l ü r f e n : m a n b r e n n t

8

H. J u n k e r :

i h r s ü ß e n W e i h r a u c h und erfreut sie d u r c h d e n Q u a l m i h r e r F e u e r o p f e r ; sie schmückt ihr Haupt mit Blumenkränzen und r ö t e t s i c h m i t d e m B l u t i h r e r F e i n d e ; man singt ihr frohe Lieder, führt, ihr heitere Tänze auf und z i t t e r t vor ihr, wenn sie mit f e u r i g e m H a u c h die B e r g e s e n g t . Ja, seihst in ihrer Z u f r i e d e n h e i t kann sie das Ungebändigte ihrer Natur nicht Ableugnen, denn zufrieden ist sie nur im Rausch, bei wilden Tänzen und blutigen Opfern, und wir sehen, wie ihr Kult in Orgien ausartet. Re hatte die Göttin kommen lassen, um bei ihr Hilfe gegen seine Feinde zu finden, und sie hat sich tatsächlich nach ihrer Ansiedelung in Ägypten als Beschützerin ihres Vaters bewährt. S i e v e r b a r g i h n v o r seinen Widersachern, warf seine Gegner nieder und verbrannte s i e m i t d e r F l a m m e i h r e r A u g e n . Da sie diese Taten wohl nicht in ihrer Zufriedenheit vollbracht haben wird, muß man annehmen, daß für diese Zeit die Besänftigung eingestellt wurde und ihre alte Wildheit wiederkehrte, bis nach Vernichtung der Feinde Thot und Schu ihr Amt wieder ausübten. Von ß e s e l b s t war nun für alle Zeiten b e s t i m m t worden, daß der Tag, an dem s e i n e T o c h t e r a u s Biogm k a m , feierlich begangen werde: und so wiederholte sich Jahr für Jahr dramatisch der festliche Einzug so, wie er in der Urzeit stattgefunden hatte. In Philä bildet sich der Zug zum Kiosk, um die Göttin in Empfang zu nehmen. Dort landet sie in ihrer Barke und zieht dann die heilige Straße entlang, ihrem Heim im Osten der Insel zu. Alles, was sich damals begeben hatte, wiederholt sich jetzt. Man reicht ihr das ivnSb, windet ihr den Kranz, reicht ihr den Trank und schmückt sie mit Amuletten. Die Prozession eröffnen lautenspielende Affen, ihnen folgen Bese, die das Tamburin schlagen und Laute spielen; dann kommen Gabenträger mit Blumen und Gazellen, endlich Priester mit Harfen und Flöten. Den Zug begleiten Schu und Thot, um das Bild der Göttin bemüht. Frohe Weisen erklingen, Lieder, die Tefnut in ihrem neuen Heim bewillkommnen: » L a u t e r J u b e l h e r r s c h t an i h r e m H e i l i g t u m , P h i l ä f r e u t s i c h , d e n n H a t h o r t r i t t e i n , s i e k o m m t v o n Bwgm g e z o g e n , b e t e t s i e a n , w e n n s i e i n i h r e m H a u s e r u h t . « Die Frauen schlagen das Tamburin und rufen Heil und Willkommen: H a t h o r k o m m t zu i h r e m H a u s e ; o w i e s ü ß i s t es, w e n n s i e s i c h n a h t .

Der Auszug

der Hathor-Tefnut

aus Nulrien.

9

In Dendera, Eclfu und Esneh beginnen die Feierlichkeiten am 19. [17.] Tybi. Frohe Feste feiern die Erinnerung an die Landung der Göttin. Neun Tage werden große Wasserfahrten veranstaltet, u n d unter Opfern und Libationen zieht die Göttin in ihrer Barke auf dem Strom den W e g , auf dem sie einst gefahren war. Aber nicht nur an diesem T a g und in diesem Zusammenhang ist die Erinnerung an die A n k u n f t b e w a h r t ; es ist erstaunlich, wie die Legende den ganzen Kult durchdrungen hat. Titel u n d Namen der Göttin spielen allenthalben darauf a n ; man macht einzelne Momente der Sage zum Gegenstand eines Festes oder besonderer Zeremonien. Tanzt der König vor T e f n u t , so ist er das A b b i l d d e s S c h u , der beim Auszug aus Nubien vor ihr h ü p f t e ; reicht er Blumen, rasselt er mit den Klappern, spendet er Wein, so erinnert alles den Priester an die Szene der E n t f ü h r u n g . So wurde täglich im Kult das Andenken an die A n k u n f t der Lieblingsgöttin erneuert, von der Ptr? des Dogson-Papyrus beim Gelage in ihrem Tempel auf Pliilä bekannte: » D e r T e f n u t (Hathor) k o m m t d o c h keine gleich.«

In der vorstehenden Ubersicht sind die verschiedenen Züge aus allen in Frage kommenden Tempeln zu einem einheitlichen Bild zusammengefaßt worden. Nun lassen sich aber fast überall örtliche Verschiedenheiten feststellen. Es galt bei jedem Heiligtum, das eine der Gestalten der H a t h o r oder eine verwandte Göttin verehrte, die Legende anzupassen u n d sie so zu gestalten, als habe sie eine besondere örtliche Beziehung. Das Ergebnis dieses Unternehmens wird unten ausführlich bei den einzelnen Tempeln besprochen; hier sei es kurz zusammengefaßt. In Philä war die Tefnut-Hatlior die Heldin der Sage. In ihrem Tempel und in den Liedern wird sie meist einfachhin Hathor genannt, in den anderen Darstellungen mehr Tefnut, und der gemeine Mann rief sie ebenfalls bei diesem Namen an. Nach der offiziellen Auffassung war sie T e f n u t i n d e r G e s t a l t d e r H a t h o r . Außerdem wird die Göttin der Flammengöttin wps-t angeglichen, die aber wiederum n u r eine örtliche Form der T e f n u t ist. In Ombos ist es die Schwester des Haroeris-Schu, die t! sn-t Tefnut, die aus Kns-t kam, in Esneh verehrt man sie als mnhj-t, Phil.-hist. Klasse.

1911.

Anhang.

Ahh. III.

2

nfr-teine

10

H.

JUNKER:

örtliche Gestalt der Genossin des Schu.

Edfu und Dendera besaßen eine

echte Hathor. Trotz dieser Verschiedenheiten lassen sich wiederum die Rezensionen in Gruppen zusammenstellen; es ergeben sich dabei als v e r w a n d t : Dendera, Edfu und Esneh einerseits und Ombos, Philä samt den nubischen Tempeln anderseits. Die drei erstgenannten Tempel haben zur Erinnerung an die A n k u n f t der Göttin einen Periplus von neun Fahrten zwischen dem 1 9 / r y b i und 4-Mechir.

Der T e x t , der die Feierlichkeiten mythologisch begründet, ist

in Edfu und Dendera beinahe wörtlich derselbe und vielleicht von Edfu übernommen. Die

andere Gruppe

hängt

ebenso

eng

zusammen.

Die

nubischen

Tempel sind vollkommen von Philä abhängig und geben bloß die dortige Überlieferung wieder, Dakke allein ausgenommen, das seines Hauptgottes wegen, der bei der Entführung eine Rolle spielte, sich eingehender der Legende beschäftigt.

mit

Ombos zeigt in den Ausdrücken, die das Kommen

der Göttin schildern, in den Darstellungen der U sn-t nfr-t-Tefnut

und

ihrer Begleiter auf der Reise enge Verwandtschaft mit der Tradition von Philae und Nubien; zudem findet sich die Rezension von Ombos auf einigen Darstellungen in Philae einfach übernommen. Daß die beiden großen Gruppen wieder auf ein und dieselbe Legende zurückgehen, ist zweifellos.

In beiden wird die Hathor aus Bwgm entführt;

sie wird bewogen, St-t zu verlassen, ein Jubelfest feiert ihre Ankunft, Schu tanzt in Esneh und Dendera vor ihr, wie er es nach der Erzählung Philäs beim A u s z u g aus Nubien tat.

Thot, die heiligen Affen, das Land

Kns-t

als Aufenthaltsort der Göttin finden wir in Dendera, Ombos und Philä usw. Für das Nähere sei auf die Texte

der einzelnen Tempel verwiesen,

die

unten erörtert werden.

2. Alter der Legende. Alle hier für die Legende verwerteten Texte gehören der griechischrömischen Epoche an, so daß wir für positive Zeugnisse auf eine ziemlich späte Zeit angewiesen sind. des Mythus tieren ist.

ebenfalls

Es fragt sich nun, ob die Entstehung

in diese Periode fällt oder weiter zurück zu da-

tier Auszug der Hathor-Tefnut

11

aus Nubien.

Bei dem konservativen Charakter der damaligen Priester ist es von vornherein unwahrscheinlich,

daß sie eine ihnen selbst als neu bekannte

Sage in ihr System aufgenommen, geschweige denn in solchem Umfange verwertet hätten. In Dendera und Edfu wird die Einführung eines der Hauptfeste auf die Legende zurückgeführt, in Ombos ist die Entstehung des Heiligtums mit ihr in Verbindung gebracht, Philä könnte man sich ohne dieselbe gar nicht denken; die Namen der Heiligtümer, die Titel der Götter, Prozessionen und Zeremonien sind überall mit ihr verknüpft. Das kann nicht über Nacht so geworden sein; dahinter muß eine lange Tradition liegen, die von den Ptolemäern als zum alten Bestand gehörig betrachtet wurde.

W i e alt sie aber tatsächlich ist, kann man gar

nicht sagen, vielleicht wirklich uralt, nur sonst nicht überliefert, vielleicht auch im neuen Reich erst entstanden. Es lassen sich freilich einige Stellen früherer Zeit anführen, die Andeutungen zu enthalten scheinen.

Im Mut-Ritual Pap. Berl. 3053, 1 7 , 9 ff.

wird die Göttin mit Sechmet identifiziert, und es heißt von i h r 1 :

« °

P t a h k o m m t , dich zu erhei-

J\
- I - I a t h o r , die Große, Herrin OÖO Q / O F=5 C? . . 1 ü v o n bnm-t, A u g e des Re, XJ ^

Herrin des H i m m e l s , Fürstin * ®

aller

111

Götter.

Und der Wps-t von Philä (Phot. 1967): T e f n u t , T o c h t e r d e s R e a u f dem (M,

Abaton, ,

aaaa^a q ©

große

Flammengöttin

auf

V g l . Phot. 1 9 2 1 . Sie kam aus dem Nubierland (Phot. 1 9 1 3 ) : ,

Q

M/WVA

SIC

=^=0

T e f n u t . . . Herrin von Philä, die kam.

aus

dem

Nubierland

Der Auszug der Hathor-Tefnut aus Nubien.

53

Dann wird Kns-t als ihr Heimatland angegeben (Phot. 929): T e f n u t , T o c h t e r d e s Re a u f dem A b a t o n , a J , 0 ^ ö ^ Iii V) IT / „ ©

E h r w ü r d i g e , G e w a l t i g e , die ,1 aus Kns-t k a m .

Sie verließ ihr Land, um sich als Wps-t in Philä anzusiedeln (Phot. 192 1): T e f n u t , T o c h t e r des Re auf A b a t o n . . .

mnhj-t.

. . T e f n u t , die G r o ß e ,

der S c h u T ä n z e a u f f ü h r t e .

N a c h eigener K o p i e verglichen; E s n e h , Vorhalle, hintere Säulenreihe, 2 von S ü d .

72

H.

JUNKER:

O (3 "«ww § ^ 1 fL=

E r t a n z t e v o r iIir in J u b e l

J\ S [ q ] —«— C>

a l s s i e zu i h r e r S t a d t k a m .

Bei (1er nb-i-mv: IPJ

I h r B r u d e r t a n z t vor ihr.

Titel des Königs: 1

'

P

,

des

Selm

d e r

l I l l ' e A ^ l l ^ e e l ^ D„

Lebendes Abbild in E s n e h ,

der Löwengöttin tanzt, d e r nb-t ww, der seine Herrin froh macht

3=1

(,shlp) liebt.

mit

dem,

was

sie

Der Spruch ist sehr schlecht erhalten; am Schluß erkennt man noch: V7 os (3 /y\ ' u) t,anze v o r Ä ö I o ' •' ich bin Schu, der tanzt1. b. F o r m d e r G ö t t i n . Charakteristisch für Esneh ist zunächst die Form der Göttin als Horusauge, während sie in Philä, Ombos, Dendera usw. als Auge des Re auftritt. Dies Horusauge wird ausdrücklich als Sechmet erklärt; dann wird die Göttin Tefnut genannt und alle diese Formen der Lokalgöttin mnhj-t und nb-t-ww2 gleichgesetzt. Vgl. i . T y b i : ö

Fest der T e f n u t , Prozession d e r mnhj-t u n d nb-t-ww.

Das heißt doch n u r : am Fest der Tefnut wird die Göttin, die ihre Gestalt und Rolle übernommen hat, gefeiert. An keiner Stelle wird die 1

E i n e a n d e r e T a n z s z e n e befindet sich

auf d e r R ü c k w a n d ,

d r i t t e R e i h e von

unten,

zweite Darstellung von N o r d . 2

mnhj-t

scheinungen.

und

nb-t-ww

sind dabei e i n m a l identisch, ein a n d e r m a l z w e i v e r s c h i e d e n e E r -

Der Auszug der Hathor-Tefnut

aus Nubien.

73

Göttin ausdrücklich Hathor genannt, und das ist sehr bemerkenswert und wird damit zusammenhängen, daß die Lokalgöttin, auf die die Sage übertragen wurde, einen besonderen Namen trug, ähnlich der »gutenSchwester« inOmbos. Daß sie aber ganz und gar die Rolle und Natur der Hathor in dieser Legende führt, ist unzweifelhaft (außer den oben angeführten Beispielen vgl. LD. IV 77, wo ihr der mnw-Krug gereicht und der Hymnus gesungen wird).

Sie ist die Göttin der Musik und Freude:

6. P a o p h i : I^Cf}! ,



v

F e s t d e r m.nhj-1\ es w i r d o

n

d e n

burin

F r a u e n

ihr

das T a m -

geschlagen.

LD. IV 89 heißt sie: q,

T

r

"Herrin der Trunkenheit, die gern einen frohen T a g feiert.«

Nicht hierher gehörig sind dagegen die Hathorfeste und Hymnen, die LD. IV 77 am 24. A t h y r und den folgenden Tagen gefeiert werden; es handelt sich dort um den Besuch der benachbarten Hathor von A g e n t . c. D i e

Erinnerungsfahrt.

Den wichtigsten Beweis für den Zusammenhang

der Esnehtradition

mit den anderen Rezensionen der Legende bilden die Vorschriften für die Wasserfahrten im T y b i und Mechir.

Genau wie in Edfu und Dendera

werden hier bis zum Mechir Fahrten auf dem Strom unternommen; die Deutung derselben, die hier nicht gegeben wird, wird in den beiden anderen Heiligtümern ausdrücklich angeführt: es sollen Erinnerungsfahrten sein an die große Fahrt, welche die Göttin einst unternahm, als sie aus dem fernen Nubien nach Ä g y p t e n kam; die völlige Übereinstimmung in den Feierlichkeiten läßt keinen Zweifel, daß hier die gleiche Legende zugrunde liegt, zudem wird gegen Schluß der Einzug der mnhj-t in die Stadt ihres Vaters genannt und ein großes Freudenfest gefeiert.

[1

OMII^G

_

111

Ö Q

17. T y b i :

/ V W W \ /VVWVA r ^



Phil.-hist. Klasse.

sie?

SICJ*

9_ • • • ^ ^ f l - ^ ^ ^ ö ! n n " ' ^ H 1 — % D 1911.

Wasserfahrt

der

20. . . . a l l e Z e r e m o n i e n Flußfahrt vollziehen

der

!

]f1 0n 5 0= 1

D

:I==I

Anhang. Abh. III.

J

muht.

10

74

H. J u n k e r : O

b i s zum 2 1 .

nn

2 1 . . . . F a h r t b i s zum 4. T a g . 29. . . . E i n z u g in die S t a d t ihres Vaters. 1. M e c h i r : F e s t der G ö t t e r und G ö t t i n n e n , alle Z e r e m o n i e n der F a h r t v o l l ziehen. An i h r e n S i t z e n w e i l e n . sie?

Esneh ist somit stattfand, die wir in weil dort die Göttin vielleicht, weil es zu

Alle Leute sollen einen frohen T a g begehen. der südlichste Punkt, an dem die. Erinnerungsfahrt Edfu und Dendera antreffen; in Philä ist sie nicht, erst ägyptischen Boden betrat; in Komombo nicht, nahe an der Grenze lag.

5. Edfu. Die Erinnerung an die Legende wurde in Edfu hauptsächlich durch die Festfahrten auf dem Strom wachgehalten. Merkwürdigerweise stimmt der Passus aus dem Kalender, in dem Re die Feierlichkeiten zum ewigen Gedächtnis an die Ankunft seiner Tochter stiftet, wörtlich mit der Denderarezension überein, ist aber zum Teil mißverstanden und verderbt worden. Da die Kalendervorschriften sonst ziemlich sorgfältig bearbeitet sind, läßt sich der Gedanke nicht abweisen, daß es sich um eine etwas verunglückte Entlehnung aus Dendera handelt 1 . E r s t e r Monat d e r W i n t e r j a h r e s z e i t ( T y b i ) , T a g 19 bis 2 1 .

N?—ISö 1

Brugsch, Drei Festkalender.

Fest der W a s s e r f a h r t dieser Göttin. Nach Photographien der Berl. Akad. d. Wiss. revidiert.

Der Auszug der Halhor-Tefnut ® I

s-

o



75

aus Nubien.

In P r o z e s s i o n a u s z i e h e n , a u f

•••il

d e m »See«; d a r i n

verwei-

len . . . A l l e Z e r e m o n i e n der W a s s e r -

l l ^ t \J

fahrt

I ( c¡ Q

o n n D C

E b e n s o t u n am 28. T y b i

IUI

J I I I ö

b i s z u m [4.] M e c h i r . [ W a s s e r f a h r t ? ] d i e s e r Gröttin.

l^ö O ^Q^S^

IV



,

verrichten.

/WWVA f

J\ £

r^/v,

A

Ihr V a t e r Re hat sie ihr vera n s t a l t e t , a l s s i e a u s Bwgm kam,

oOO

Sic

\ 1

um

n o

w n

0

vornehmen.

Diese Göttin ziehe mit ihrer Neunheit einher u n d v e r w e i l e in d e r H a l l e , dem S ä u l e n s a a l dieses Tempels.

o

nn

A m 20. T y b i e b e n s o t u n ;

Der Auszug der Iiathor-Tefnut NWWA , A/WWS

V2—ÏAS1VÏ

A m 21. e b e n s o 1 .

in

o nn, Hill

O llil|

c. >o

A m 28. e b e n s o , am 29. e b e n s o .

oS O W I AAIWV

Am 30. e b e n s o d i e

nn

O

Zeremo-

n i e n v o m 20.

ûOfiûO I0 ,11b ' Cl

iûO •O I

79

Horus s p e n d e den [Toten] d e r Iii. N e k r o p o l e W a s s e r , a b e r n i c h t so [d. i. W a s s e r s p e n d e n ] am 21.

nn1

nn

aus Nubien.

Z w e i t e r Monat der W i n t e r zeit (Mechir) 1.Tag ebenso, 2.Tagebenso,

3-Tageben-

so. o IUI

4. T a g ,

o CSD

Q

ö

i

1

diese

zession Wenn

O

Q o

ziehe

Eintritt

der

Stunde Göttin

aus u n d

in

Pro-

verweile

in d e r H a l l e a u f d e m See.

A/WW

ö,

beim

dritten



die

fünfte

Stunde

kommt, .n

ziehe die Hathor, Herrin von Dendera aus und v e r w e i l e d a n n in i h r e m H a u s e .

Im ersten Teile werden vom 19. Tybi bis 4. Mechir neun Fahrten angegeben; in der Kalenderangabe ist dann von der iötägigen Festzeit der 2 2 . — 27. T y b i nicht erwähnt; ebenso haben nach dem Kalender Edfus die Fahrten vor dem 29. Tybi eine Unterbrechung erlitten. Was sich an einzelnen Zügen aus den beiden Inschriften gewinnen läßt, sei kurz hier zusammengefaßt: Die zugewanderte Göttin ist die Tochter des Re, sie trägt die Titel b>-t m Bwgm, dd-t wie in der Philärezension. Ihr Heimatland ist St-t und Bwgm, ebenfalls wie in Philä; sie, kannte den Nil und Ägypten noch nicht; man bewegt sie, dorthin zu ziehen, indem man ihr von den Kostbarkeiten des Landes erzählt und sie beredet, 1

D. i. die W a s s e r f a h r t und ihn; Zeremonien

verrichten.

80

H. J u n k e r :

ihrem armen Lande den Rücken zu kehren. Sie zieht also nordwärts gen Ägypten. 16 Tage dauert die Fahrt, vom 19. T y b i bis 4. Mechir. Sie landet u. a. in Dendera. Ihr Vater Re ist voller Freude, seine Tochter um sich zu haben und stiftet zum Andenken an ihren Einzug in Ägypten eine Erinnerungsfahrt; bei derselben werden große Feste gefeiert, wobei vor allem die Opfer des Wüstenwilds und Libationen dargebracht werden. b.

Die L e g e n d e im K u l t .

Die Anspielungen auf die Sage finden sich in Dendera überall, freilich nicht immer in den stereotypen Formen wie in Philä und Komombo, die offenbar auch hierin eine Gruppe für sich bilden, aber immerhin deutlich genug, um erkennen zu können, wie lebendig die Erinnerung war. Man könnte freilich auf den ersten Blick manche von den Ausdrücken und Zeremonien, die hier angeführt werden sollen, bloß von der eigenen Natur der Göttin deuten, ohne Bezug auf die Sage zu nehmen; wenn man aber einmal weiß, wie dieselbe fortlebte und welche Bedeutung man ihr beimaß, so gewinnt man ein ganz anderes Verständnis der betreffenden Titel und Riten und sieht, daß ihnen ein tieferer Sinn zukommt. Die Hathor in Dendera ist keineswegs nur die gute, weinfrohe Göttin, die Göttin der Liebe und der Musik, die Herrin der Frauen, ebensooft ist sie die furchtbare Göttin, blutgerötet, mit feurigem Odem, die Feinde zerfleischend, das Doppelwesen, wie es die Legende uns zeigt. Und die Sistren, die vor ihr geschüttelt werden, die Tänze, die man vor ihr aufführt, die Libationen, die man ihr spendet, sollen nicht etwa nur erheitern, wie man einer fröhlichen Göttin tut, sie sollen die bösen Geister bannen, die in ihrer eigenen Brust schlummern, damit das Angesicht der Göttin, auf das Wein, Musik und magische Lieder Frohsinn gezaubert haben, nicht plötzlich in W u t sich verzerre, daß sie, statt mit der Halskette zu spielen und an Blumen zu riechen, nicht plötzlich wieder in ihre alte Wildheit zurückfalle und ein Blutbad anrichte, wie sie ehedem in fernen Landen getan hatte. d. T i t e l u n d B e i w o r t e . H a t h o r ist die furchtbare Flammengöttin, die nkr-t, wie sie Thot in Philä beschwichtigt. Mar., Dend. III, 18: [Hathor] Glut.

nsr-l,

Herrin

der

Der Auszug der Hathor-Tefnut aus Nubien. Ebenda III, 19: —— y 1 ru AAJVM l | l^ru

81

Die die F e i n d e m i t dem H a u c h i h r e s Mundes niederwirft.

Düm., Geogr. IV. 1 1 3 : o

/WWV\

den

Grimm

der

nsr-t

verjagt u n d d e n Z o r n d e r nb-t

F^l

ver-

scheucht. Ebenda II, 5 3 b : F^l

D e r den G r i m m d e r nb-t v e r -

„ , AW . WN _ ^ Q Ö

• O

jagt, die W u t

AAMM

Ci

der

=j

d e r wir-t

Fröhlichkeit

von

Zorn1

vertreibt,

an

Stelle

setzt.

Vgl. dazu Roch., Edfu I, 154:

n

o

n

Es spielen die Götter ihr das S i s t r u m , es t a n z e n i h r d i e Göttinnen,

A

um Di

ihren

Grimm

zu

ver-

treiben.

Ausführlicher seien nur einige Riten erwähnt: 1. Das öfter genannte

Shtp

Shm-t.

Der König überreicht der Göttin Gazellen und Gänse zur Speise und 7 Krüge zum Tranke. Hathor tritt hier als wilde Löwengöttin auf, auf deren Haupt die Schlange sich aufrichtet; sie heißt u. a. (Mar., Dend. III, 19m): OnO ^

I Ci

0

Tefnut,

®

Dendera. Shm-t, Gewaltige, Herrin der Dämonen.

XJ 1 U I

. Ö T Ö Q »

hrs ist roter Stein, blutunterlaufene Augen, also hrs — Zorn, W u t .

Tochter

des Re

, wie dir mr-tj bedeutet rote =

in

grimmige,

m

Der Auszug der Hathor-Tefnut aus Nubien.

85

Flammengöttin, Gewaltige, H a t l i o r die Große, H e r r i n von Dendera.

ff

Also genau die Göttin, wie sie uns in Nubien entgegentritt; als Titel des Königs werden u. a. angegeben (Mar., Dend. III, 74c): I

/WWW

ü

/www

ö III

o

Herrscher mit g e w a l t i g e r K r a f t , der . . . und mjhd o p f e r t , die von der W ü s t e kommen, s a m t den 7 /w/w 1 -Krügen, s e i n e m t ä g l i c h e n Quantum (d. i. was Hatlior trinkt).

ö O

Das heißt er spendet ihr die Nahrung, die sie in der Wüste hatte, und den Wein, der sie einst berauschte. Mar., Dend. III, 1 9 m : 0

TtJ:

PHKT'ÏHâ ra ^uof^ ö 1 I in,

SohnderShm-i, derseineHerrin z u f r i e d e n s t e l l t mit d e m , was sie g e r n h a t , d e r die G e w a l t i g e mit l a u ter Stimme preist, und i h r K a f r e u t s i c h , w e n n sie s e i n e S p r ü c h e hört. Der t r e f f l i c h e P r i e s t e r , der die G e r e c h t i g k e i t l i e b t .

Bei der Überreichung des Opfers wurden also Zaubersprüche rezitiert, so wie Thot es in Nubien und beim Auszug tat 2 . 2. Zieht die Göttin beim festlichen Aufzug einher, so bildet sich die Prozession gerne wie damals, als sie zum erstenmal in Dendera einzog: Thot ruft seine besänftigenden Worte, Schu preist sie, Re breitet seine Arme um seine Tochter aus, Tnn schmückt sie mit Amuletten (vgl. 1

Wohl verderbt aus tnf-t. Bei anderen Riten des shtp fehlte auch der Tanz nicht, wie u. a. der Hymnus M a r . Dend. IV 2 zeigt: »Der König besänftigt (shlp) dich, o Hathor, Herrin von Dendera, o sieh der König tanzt dir« (wrh, wie oben bei Esneh). Vgl. auch das Tanzlied bei der Uberreichung des »mui-Kruges, M a r . D e n d . I 3 1 . 2

86

H.

J U N K E R :

die Empfangsszene in Komombo) und lustige Bese tanzen und musizieren vor ihr her (vgl. die Empfangshalle in Philä). Mar., Dend. III, 32 : I l a t h o r . . . "

sie, i h r V a t e r R e b e g r ü ß t sie od.ä.

S



^ G . - ^ L

'

c

^

h

u

p

r

e

i

s

t

s

i

e

'

T

h

o

t

l

o

b

t

m i t dem » S p r u c h des ¿-¿V«.

Ähnlich Mar., Dend. 111,67 a; iQ

—\\-st kam.

Vgl. auch Mar., Dend. 1 1 1 , 6 7 a ; III, 3 3 a usw. 7. Spuren der Legende in anderen Tempeln. a. E l k a b . So gering das inschriftliche Material hier ist, genügt es doch zum Beweis, daß die Hauptzüge der Sage auch hier bekannt waren und zu dem heimischen Tempel in Beziehung gesetzt wurden. Brugscli, Dict. geogr. S. 2 1 1 : ^

J ? ^ Qiü I QQ

/\ @ ^ ^

T

T e f n u t , T o c h t e r des R e ,

ö

o

1 ® [I + ö J



l

l

LD. IV, 68 heißt sie in Bwgm.«

die zu i h r e m H a u s e in E l k a b kam

u

n sie?

d

in

B w g m

ruht(?)

-

»Tefnut, Herrin

Die Tefnut ist demnach in Bwgm zu Hause, aber sie verläßt

Der Auszug der Hathor-Tefnut aus Nubien. ihr Land und zieht zu »ihrem« Hause in Elkab. Q ^ ^ hatte sie geführt; er heißt ebenda: J j " ^ ^ ^ ^

87

Schu, der Sohn des Re,

g »der d i e G r o ß e i n F r i e -

d e n b r a c h t e « , d. i. der sie besänftigte und so nach Elkab führte.

Thot

war sein Gehilfe dabei, er trägt (ebenda) den uns geläufigen Titel ^ > , T h o t ' d e r i h r e M a j e s t ä t [d.i. Tefnut] in Bwgm b e s ä n f t i g t e \shtp\«. W i r haben somit die Legende etwa in der Fassung von Philä, nur daß diesmal Elkab die neue Heimat der Göttin wird. Brugsch glaubte, die Göttin sei speziell hierhergekommen und suchte danach die Lage von Bwgm zu bestimmen. Aber wir haben es hier nur mit einer der vielen örtlichen Auffassungen der einen Legende zu tun. b. A t h r i b i s 1 . Der Zustand der Texte erschwert leider das Verständnis sehr, und wohl manche Zusammenhänge werden uns dadurch entgehen. Trotzdem lassen sich mehrere Anklänge an die Legende feststellen. Sechmet, »vor der die Herzen der Götter zittern«, gilt hier als »Auge des Horus im Westen«, aber zugleich wird als ihre eigentliche Heimat das Gottesland und Punt angegeben, wo die Myrrhenbäume wachsen, so wie bei Hathor; Taf. XVI. Auf einem Türsturz, PI. X X V , finden wir eine Göttin mit Löwenkopf und Sonne zweimal dargestellt, Horusa.uge und Tefnut (?) genannt. Links steht Harsiese vor ihr, hinter diesem T l i o t , und ein wd!-t-Auge wird ihr dargereicht; rechts stehen entsprechend Horus mit der Sonne und S c h u ,

dessen Titel dieselben sind wie in der Legende: ßg^j X sie? sie? 2 ' . . . si(;? 8 x J l i ) ^ ^ ° = £ = O _ E g i s t z w e i f e l l o s das bekannte % X ^ ^ A O «ÄW m\\® Q Q 0 I SSSS^ J J O «WM < 0 (3 was hier gemeint ist: »Schu d e r G r o ß e , . . . d e r die G r o ß e , d i e

f e r n w a r , h e r b e i b r a c h t e . Das H e r z des . . . f r e u t e s i c h . . .« Die Worte, die er an die Göttin richtet, beginnen mit — » i c h erheitere«". 1

Flinders Petrie, Athribis

1908.

2 =3 Ü| /wvw. 3

Brugsch hat sich Dict. geogr. S. 1 1 5 4 aus E r m e n t ^

f

T e m p e l nahelegt.

»Herrin von Bwgm«,

als T i t e l der Lokalgöttin notiert:

w a s das V o r k o m m e n der L e g e n d e auch in diesem

88

H.

J u n k e r :

Inhaltsübersicht. I- Teil.

Seite

1. Der Inhalt der Legende

3

2. Das Alter der Legende

10

3. Vergleich mit- verwandten Legenden. a. Vergleich mit der Sage von der Ankunft des Horus und der Hathor von Punt

12

b. Vergleich mit der Legende von der Vernichtung des Menschengeschlechts .

16

.

4. Deutungen der Legende. a. Hathor als Auge der Sonne

19

b. Tefnut als Mondauge

22

5. Die Heimat der Göttin.

a. Kns-t St-t c. Bwgm d. t! st e. tl ntr

24

b.

27

28 29 29 II. T e i l .

Die Legende in den verschiedenen Heiligtümern: 1. Philä. a. Die eingewanderte Göttin

30

b. Ihre Erscheinungsform

34

c. Ihre Begleiter. a. Schu und Arensnuphis

37

ß. Thot und T h o t von Pnubs

41

d. Die Empfangshalle 2. Die nubischen Tempel

44 47

a. Bigge

48

b. Debot

49

c. Kalabsche

49

d. Dendur

50

e. Maharraga

51

f. Dakke. «. Die Göttin der Legende

52

ß. Ihre Begleiter

53

7. Die Südostkammer

55

Der Auszug der Hathor-Tefnut

89

aus Nubien.

Seite

3. Komombo. a. Die Legende in der Geschichte des Heiligtums b. Die Legende im Kult c. Die Empfangsszene d. Die Ombos-Rezension in Philä 4. Esneh. a. Spuren der Legende b. Form der Göttin c. Die Erinnerungsfahrt 5. Edfu 6. Dendera. a. Die Erinnerungsfahrt b. Die Legende im Kult a. Titel und Beiworte ß. Riten 7. Spuren der Legende in anderen Tempeln. a. Elkab b. Athribis

Phil.-hist. Klasse.

1911.

Anhang. Abh. III.

56 60 63 67 68 72 73 74 76 80 80 83 86 87

12

Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei.

Sonderabdrucke aus den Abhandlungen der Akademie von den Jahren 1907,1908,1909,1910,1911. Philo sophisch-historische

Classe.

Bericht über den Stand des interakademischen Corpus medicorum antiquorum. 1907 M E Y E R : Nachträge zur aegyp tischen Chronologie. 1907 D I E L S : Beiträge zur Zuckungsliteratur des Occidents und Orients. I . 1907 . DIELS:

»

D

B

»

»

»

»

D

IL

1908

.

Die Bildnisse des Sokrates. 1 9 0 8 VON W I L A M O W I T Z - M O E L L E N D O R F F : Gedächtnissrede auf Adolf KirchhofF. 1908 D I E L S : Gedächtnissrede auf Eduard Zeller. 1908 H E U S L E R : Die gelehrte Urgeschichte im altisländischen Schriftthum. 1 9 0 8 . M Ü L L E R : Uigurica. 1 9 0 8 1909. . L O O F S : Das Glaubensbekenntniss der Homousianer von Sardica. M E Y E R : Gedächtnissrede auf Eberhard Schräder. 1909 VON W I L A M O W I T Z - M O E L L E N D O R F F : Nordionische Steine. 1909 SCHULZE, W . : Gedächtnissrede auf Richard Pischel. 1 9 0 9 K E K U L E VON S T R A D O N I T Z : Strategenköpfe. 1 9 1 0 D I L T H E Y : Der Aufbau der geschichtlichen Welt in den Geisteswissenschaften. Erste Hälfte. 1910 M Ü L L E R : Uigurica I I . 1910 KEKULE

VON

STRADONITZ:

Beiträge zur tibetischen Metrik. 1908 TH. WIEGAND: Sechster vorläufiger Museen in Milet und Didyma B . S E U F F E R T : Prolegomena zu einer » M. C O N R A T : Arbor iuris des früheren H. BECKH:

Grammatik, Lexikographie, Stilistik und Bericht über die von den Königlichen unternommenen Ausgrabungen. 1908 Wieland-Ausgabe. V . 1 9 0 8 » VI. 1909 Mittelalters mit eigenartiger Computation.-

1909

H.

Die Münzen von Pergainon. 1910 Keilschriftliches Material zur altaegyptiscben Vocalisation. 1910 P. M. M E Y E R : Die Libelli aus der Decianischen Christenverfolgung. 1910 A. VON LE COQ : Chuastuanift, ein Sündenbekenntniss der manichäischen Auditores. 1910 TH. WIEGAND: Siebenter vorläufiger Bericht über die von den Königlichen Museen in Milet und Didyma unternommenen Ausgrabungen. 1911 . C. T H U L I N : Die Handschriften des Corpus agrimensorum Romanorum. 1 9 1 1 VON F R I T Z E :

H. RANKE:

Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei.